Gesellschaft und Religion in der spätbiblischen und deuterokanonischen Literatur 3110316056, 9783110316056

Die Beiträge des Sammelbandes behandeln spätbiblische Schriften aus hellenistischer Zeit unter dem Aspekt von Religion u

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Gesellschaft und Religion in der spätbiblischen und deuterokanonischen Literatur
 3110316056, 9783110316056

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit
Religion und hellenistische Realpolitik im Buch Judit
Innensichten und Außensichten des Judentums im septuagintagriechischen Estherbuch (Est LXX )
Jüdische Geschichtsschreibung im deuterokanonischen Buch 1Makk 1f
Judäer oder Juden? Beobachtungen zu den Beschreibungen der eigenen Identität in den Gewaltszenen des zweiten Makkabäerbuches
Weisheit und Gerechtigkeit in der Sapientia Salomonis – mit einem Ausblick auf die Politeia Platonis
„Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken!“ Zwei Gesellschaftsgruppen im Spannungsfeld von Macht und Religion nach dem Buch der Weisheit
Gesellschaft, Weisheit und Religion bei Jesus Sirach und in der ersten isokrateischen Rede
Retten und Schrecken (Sir 36,1-17)
Baruch – pseudepigraphe Kommunikation
Bertram Herr Der griechische Daniel. Herkunft, Profil und Ziel der Septuaginta-Danielversion
Ein Judentum ohne Mose?
Autorinnen und Autoren des Bandes
Sachregister
Stellenregister

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Gesellschaft und Religion in der spätbiblischen und deuterokanonischen Literatur

Deuterocanonical and Cognate Literature Studies

Edited by Friedrich V. Reiterer, Beate Ego and Tobias Nicklas

Volume 20

Gesellschaft und Religion in der spätbiblischen und deuterokanonischen Literatur Herausgegeben von Friedrich V. Reiterer, Renate Egger-Wenzel und Thomas R. Elßner

DE GRUYTER

ISBN 978-3-11-031605-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-033232-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039009-4 ISSN 1865-1666 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Bei der Jahrestagung der „Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen katholischen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler“ (AGAT) des Jahres 2009 in Salzburg wurde nach Diskussion verschiedener Vorschläge beschlossen, ein vom Verantwortlichen für die inhaltliche Vorbereitung festzulegendes Thema im Kontext der deuterokanonischen Literatur bei der Jahrestagung in Paderborn vom 3. September bis 6. September 2012 zu behandeln. Die Diskussion in einem kleineren Kreis ergab das Ergebnis, die Jahrestagung 2012 in einem breiteren Sinne unter das Thema: „Gesellschaft und Religion in der deuterokanonischen Literatur“ zu stellen. Während der Detailplanung drängten sich die in diesem Zusammenhang regelmäßig auftretenden Diskussionspunkte nach der zeitlichen Abgrenzung in den Mittelpunkt. Obgleich es bei den meisten in Frage kommenden Schriften ohnedies sehr schwer ist, den zeitlichen Rahmen der Entstehung ausgenommen die Angabe „sehr spät“ näher fassen, ist doch sicher, dass gar manches protokanonische, alttestamentliche Werk aus späterer Zeit jünger ist als einzelne deuterokanonischen Werke. Da es nun bei einer Tagung, bei der es auch ausgiebig Zeit zur Diskussion geben sollte, nicht möglich ist, eine zu große Zahl an Referaten zu halten, ergab sich das vorliegende Ergebnis, wobei die „deuterokanonischen“ Bücher allesamt einbezogen wurden. Die vorliegende Sammlung der Artikel geht demnach auf mehr oder weniger stark für den Druck überarbeitete Beiträge der genannten Tagung zurück. Die Vielfalt der methodischen Zugänge zeigt auch die unterschiedlichen Forschungsansätze. Auffallend ist jedoch, dass neben der einerseits stark innerbiblisch ausgerichteten Themenbehandlung andererseits das hellenistische Umfeld einbezogen und untersucht wird. Nun steht man bei der Einbeziehung des „Hellenismus“ mitten im Strom einer gegenwärtig sehr aktuellen Fragestellung. Erfreulich ist nun, dass im Gegensatz zu vielen derzeitigen Darstellungen, in denen oft teils schon seit langem immer wieder aufgefrischte Gemeinplätze ohne diese offensichtlich zu verifizieren wiederholt werden, teils zwar neue, aber doch sehr pauschale Hinweise auf Homer, Plato usw. vorkommen, nun konkrete Textarbeit und Analyse jener außerbiblischen Schriften geboten werden, deren Einfluss man diskutieren möchte. Als Hauptverantwortlicher für die inhaltliche Vorbereitung bedanke ich mich für die Ideen und Anregungen jener Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich mich besprochen habe, nämlich Renate Egger-Wenzel, Thomas R. Elßner, Barbara Schmitz und Johannes Schnocks. Die konkrete Organisation der Tagung lag in den Händen des lokalen Fachvertreters Michael Konkel, durch dessen

VI | Vorwort Perfektion und Präzision unser Kongress zu einer sehr gelungenen Veranstaltung wurde. Die Vorbereitung der Veröffentlichung wurde großzügig von der derzeitigen AGAT-Vorsitzenden, Ruth Scoralick, und deren Stellvertreter, Norbert C. Baumgart, unterstützt. Der Dank gilt natürlich jenen Kolleginnen und Kollegen, die die Beiträge verfasst und vor der Veröffentlichung zur Endkontrolle durchgesehen haben. Deren Leistung weiß ich zu schätzen und sehe, dass gar manche Person unter einem dermaßen hohen Arbeitsdruck steht, dass ich allenthalben sogar – vielleicht zu lange – zögerte, die Zusendung der Beiträge zu erbitten. Bei unserem Salzburger Fachbereich für Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte, unter dem Fachbereichsleiter Dietmar W. Winkler, bedanke ich mich für alle Unterstützung, die nötig war. Für die sehr kollegiale Zusammenarbeit mit den Mitherausgebern Renate Egger-Wenzel und Thomas R. Elßner sei der Wunsch verbunden, dass sie, wenn sie selbst in der gleichen Lage sind, ebensolche offene Ohren und Freude an der Mitarbeit finden, wie es mir erfreulicher Weise zu Teil wurde. Vor allem gelten mein Lob und meine Anerkennung Waltraud Winkler, die in bewährter Weise die Formatierung vornahm und die umfangreichen Register erstellte. Meinen Mitherausgebern der Reihe „Deuterocanonical and Cognate Literature Studies (DCLS),“ Beate Ego und Tobias Nicklas, will ich meinen Dank für die Zustimmung der Aufnahme in die Reihe nachdrücklich ausrichten. Besonderer Dank sei dem de Gruyter Verlag und dem Direktor Albrecht Döhnert für die Übernahme ins Verlagsprogramm sowie Sophie Wagenhofer und Sabina Dabrowski für die hervorragende Betreuung der gesamten Drucklegung abgestattet. Friedrich V. Reiterer

Inhalt Vorwort | V Renate Egger-Wenzel  Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 1 Friedrich V. Reiterer  Religion und hellenistische Realpolitik im Buch Judit | 29 Marie-Theres Wacker  Innensichten und Außensichten des Judentums im septuagintagriechischen Estherbuch (EstLXX) | 55 David Volgger  Jüdische Geschichtsschreibung im deuterokanonischen Buch 1Makk 1f | 93 Johannes Schnocks  Judäer oder Juden? Beobachtungen zu den Beschreibungen der eigenen Identität in den Gewaltszenen des zweiten Makkabäerbuches | 111 Ludger Schwienhorst-Schönberger  Weisheit und Gerechtigkeit in der Sapientia Salomonis – mit einem Ausblick auf die Politeia Platonis | 129 Friedrich V. Reiterer  „Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken!“ Zwei Gesellschaftsgruppen im Spannungsfeld von Macht und Religion nach dem Buch der Weisheit | 161 Jeremy Corley  Gesellschaft, Weisheit und Religion bei Jesus Sirach und in der ersten isokrateischen Rede | 191 Thomas R. Elßner  Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) | 213 Egbert Ballhorn  Baruch – pseudepigraphe Kommunikation | 229

VIII | Inhalt Bertram Herr  Der griechische Daniel | 253 Simone Paganini  Ein Judentum ohne Mose? | 295 Autorinnen und Autoren des Bandes | 311 Sachregister | 313 Stellenregister | 317

Renate Egger-Wenzel

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit Vorbemerkung In aller Kürze seien die Eckdaten für das Tobitbuch genannt. Sein vollständiger Text ist in vier griechischen Majuskelhandschriften überliefert. Die kürzere Fassung findet sich mit der Bezeichnung GI in den Codices Vaticanus, Alexandrinus und Venetus, auf die viele ältere Übersetzungen zurückgreifen. GII ist im Codex Sinaiticus enthalten und sowohl älter als auch länger und weist eine gewisse Nähe zu den ältesten Zeugen, den aramäischen und hebräischen Fragmenten aus dem Qumran des 2. Jh.s v.Chr. (ca. 1/5 des griechischen Textes) sowie zu La auf. Die jüngste Fassung GIII ist fragmentarisch „und kann als sekundäre Textform bestimmt werden“1. Das Tobitbuch wird ursprünglich „im aramäisch sprechenden Judentum“2 der Diaspora, möglicherweise im „Umkreis der Tobiaden“3 seine Ursprünge haben, wobei sich in der Literatur die Datierungen von der ausgehenden Perserzeit bis zum 2. Jh. v.Chr. erstrecken, mit Wahrscheinlichkeit für letzteres.4 Die fiktive Rahmenhandlung5 des Buches Tobit ist vom Autor offensichtlich „als ein Muster jüdischer narrativer Theologie“6 gezielt gewählt worden, um unabhängig von einer klaren geschichtlichen Einordnung in pädagogischer Weise die jüdische Identität von in der Diaspora lebenden Juden zu stärken7. Ein solches Unterfangen erfordert Abgrenzung nach außen gegenüber der fremd-

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1 Engel, Buch, 351; vgl. zur Überlieferung auch Ego, Buch, 875-884; Gertz, Tobitbuch, 550; ausführlicher Moore, Tobit, 53-64, Fitzmyer, Tobit, 3-15, sodann die ausführliche Studien von Wagner, Tobit-Synopse, und von Hallermayer, Text. 2 Engel, Buch, 359. 3 Gertz, Tobitbuch, 554. 4 Vgl. Ego, Buch, 899-900. 5 Vgl. Moore, Tobit, 9-10; Nicklas, Tobit, 2.6; Engel, Buch, 283: „… fiktive Diaspora-Erzählung mit jüdisch-jerusalemischer Orientierung“; Gertz, Tobitbuch, 554: „Die zahlreichen historischen und geographischen Ungenauigkeiten …“ 6 Engel, Wegen, 84. 7 Vgl. Nicklas, Tobit, 2.5., insbesondere 6.

2 | Renate Egger-Wenzel ländischen Bevölkerung8 oder staatlicher Gewalt und nach innen gegenüber weniger observanten oder assimilierten Stammesgenossen.9 Allein die vom Autor des Buches gewählte Lebensspanne für die Figur Tobit ist neben anderen Elementen (bewältigbare Wegstrecken, angreifender Fisch, der Engel Rafael als Wegbegleiter, ein verliebter und eifersüchtiger Dämon Aschmodai usw.) „phantastisch“. Nach GII hat er 112, nach GI sogar 158 Jahre gelebt (sein Sohn Tobias nach GI 127 Jahre, nach GII 117 Jahre), wobei sich die von ihm geschilderten familiären und großpolitischen Ereignisse auf mehrere Jahrhunderte verteilen: ● Tob 1,8: Tobit ist ein Waisenkind und wird von seiner Großmutter Debora erzogen. – Hier kann durchaus auf dem höchst fiktiven Hintergrund die Richterin und Prophetin Debora (Ri 4,4) aus dem Nordreichstamm Naftali, der auch Tobits Stamm ist, gemeint sein10, da deren Amt eine Lehrfunktion beinhaltet. Weil der Vater stirbt, übernimmt die Großmutter die Unterweisung des Enkels (GI: evnetei,lato Debbwra h` mh,thr tou/ patro,j mou; GII: ta.j evntola,j a]j evnetei,lato Debbwra h` mh,thr Ananihl tou/ patro.j h`mw/n)11 entsprechend dem Gesetz des Mose (GII: evn tw/| no,mw| Mwsh/)12. ● Tob 1,4: Tobit erlebt als junger Mann, dass sein Stamm Naftali „vom Haus Jerusalem“ (GI: tou/ oi;kou Ierosolu,mwn) bzw. „vom Haus meines Vaters David und von der Stadt Jerusalem“ (GII: tou/ oi;kou Dauid tou/ patro,j mou) abgefallen (avfi,sthmi) ist und an den von König Jerobeam I. (931-910 v.Chr.)13 ||

8 Siehe Faßbeck, Tobit’s Religious Universe, 195: “… it propagates the importance of familycentred piety in seclusion from the gentile world”. 9 Vgl. Engel, Wegen, 94-95; Engel, Buch, 360; Ego, Buch, 901; Ego, Tobit, 577. 10 Anders Moore, Tobit, 110: “This was undoubtedly a common name for Naphtalian girls … Here is one of those ironies or ‘patriarchal twists’ …”; Fitzmyer, Tobit, 111: “Nothing more is known about Tobit’s (great) grandmother except the name she bears, Deborah, which is that of another famous women, a prophetess of the tribe of Naphtali mentioned in Judg 4:4-6”; Schüngel-Straumann, Tobit, 58: „Debora (= Biene) hat nichts zu tun mit der Prophetin und Richterin Debora von Ri 4f“. 11 Vgl. Ri 4,6: ouvci. evnetei,lato ku,rioj o` qeo.j Israhl. 12 Vgl. Jos 23,6; 1Kön 2,3; 2Kön 14,6; 23,25; 2Chr 23,18; 35,19; 1Esra 8,3; 9,39; Esra 3,2; 7,6; Neh 8,1; Tob 6,13; 7,13 (GII: th/| bi,blw| Mwuse,wj); GII 7,13f; Mal 3,24; Bar 2,2; θ Dan 9,11.13; 13,3.62; Lk 2,22; 24,44; Joh 7,23; Apg 13,38; 15,5; 28,23; 1Kor 9,9; Hebr 10,28. – Siehe auch die Kombination von bi,bloj mit Mwu?sh/j in GII Tob 6,13; 7,12.13; 1Esra 5,48; 7,6.9 (vgl. Mk 12,26), was für einen bereits festgelegten Pentateuch z.Zt. der Abfassung von GI und II spricht (Fitzmyer, Tobit, 51: “A widely-held dating of the Book of Tobit situates it rather somewhere between 225 and 175 B.C.”). Der Sira-Enkel geht mit seiner Dreiteilung des Kanons im Prolog noch weiter: dia. tou/ no,mou kai. tw/n profhtw/n kai. tw/n a;llwn tw/n katV auvtou.j hvkolouqhko,twn. 13 Vgl. Pakkala, Jerobeam, 3: „Die traditionellen Datierungen seiner Regierungszeit (z.B. 931/0-910/09, 927/6-907 und 922-901 v.Chr.) beruhen auf der biblischen Chronologie“.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 3

errichteten Heiligtümern in Dan und Bet-El (vgl. 1Kön 12,28-33; GI: e;quon th/| Baal th/| dama,lei14; GII: evqusi,azon evkei/noi tw/| mo,scw|15 o]n evpoi,hsen Ierobeam o` basileu.j Israhl evn Dan) Opfer darbringt.











Tob 1,10: Tobits Stamm Naftali wird wie das übrige Nordreich vom Assyrerkönig Salmanassar V. (726-721 v.Chr.) in Gefangenschaft geführt (722 v.Chr.).16 Tob 1,13-22: Unter den Königen Salmanassar V.17 und Sanherib (705-680 v.Chr.) macht der Jude Tobit eine Karriere als Einkäufer des assyrischen Hofes über Ländergrenzen hinweg und erwirbt ein Vermögen, das er aufgrund seiner Tätigkeit als Totengräber für ermordete Landsleute wieder verliert. Aber mit Hilfe seines Neffen Achikar, der Finanzminister des Reiches, Mundschenk und Siegelverwahrer ist (V.22), wird er unter König Assarhadon (680-669 v.Chr.) wieder rehabilitiert. Tob 14,4c: An dieser Stelle kündigt Tobit unter Rückbezug auf den Propheten Jona (GI) / Nahum18 (GII) die Zerstörung Ninives an, die 612 v.Chr. erfolgte. Allerdings kann hier das Jonabuch nicht als Referenz dienen. Tob 13,16-18: In seinem Lobpreis (Kap. 13) spricht Tobit zunächst von Jerusalem als noch existent (13,10), setzt dann aber die Zerstörung der Stadt 586 v.Chr. voraus, wenn er vorausschauend von dem prachtvollen Wiederaufbau für alle Zeiten spricht. Tobits Hymnus nimmt damit eschatologische Züge an. Tob 14,4f-iGI/o-sGII: In seiner Abschiedsrede hebt Tobit die Zerstreuung bzw. Vertreibung seiner Volksgenossen aus dem „guten Land“ (= Juda) hervor, lenkt dann die Aufmerksamkeit auf Jerusalem (GII spricht vom ganzen Land Israel und Samaria19), das zur unbewohnten Wüste werden wird, und auf das Niederbrennen des Gotteshauses. GII fügt hinzu: „das Haus Gottes wird in Trauer sein“ (LXXD). Beide Textversionen betonen nochmals die Zerstreuung „unserer Brüder“ „in die Gefangenschaft“ (GII). – Auffällig ist in GII die einmalige Erwähnung Samarias innerhalb des Tobitbuches.20

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14 Vgl. 1Kön 12,28.32. 15 Vgl. 1Kön 18,26; 2Chr 11,15; 13,8. 16 Vgl. Tob 13,3.5.8. 17 Engel, Wegen, 84, Anm. 9, überbrückt die zeitliche Lücke zu Sanherib mit der Annahme: „Dieser Name steht offenbar für Salmanassar V. und Sargon II.“ (721-705 v.Chr.). 18 Vgl. Nah 1,9-3,19. 19 Die Kombination von Samaria und Jerusalem, denen die Zerstörung bevorsteht, findet sich wiederholt in: 2Kön 21,13; Jdt 1,9; Mi 1,1.5; Jes 10,10f; Ez 23,4. 20 Möglicherweise wird hier auf die Zerstörung des samaritanischen Tempels durch Johannes Hyrkanos I. 129/128 v.Chr. angespielt.

4 | Renate Egger-Wenzel ●



Tob 14,5: Tobit gibt sodann einen Ausblick auf die glückliche Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft (538 v.Chr.), den Wiederaufbau des Tempels21 (GI: ouvc oi-oj o` pro,teroj; GII: ouvc w`j to.n prw/ton; 515 v.Chr.) und Jerusalems. Tob 14,15: Tobits Sohn Tobias vernimmt schließlich die Kunde vom Untergang Ninives und vom Herrschaftsantritt des Xerxes (483-465 v.Chr.). Mit diesen Daten weitet sich die zeitliche Perspektive des Buches, die als Lebensgeschichte22 des Tobit in 1,1 beginnt, hin zur Stammesgeschichte, die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt (vorstaatliche Zeit Israels bis 465 v.Chr., möglicherweise sogar bis 129/128 v.Chr. bis zur Zerstörung des Tempels auf dem Garizim durch Johannes Hyrkanus I. bzw. die endgültige Zerstörung Samarias 112/111 v.Chr., da bis dahin noch Münzen geprägt wurden) in nationalen sowie großpolitischen, internationalen Zusammenhängen aus.

1 Staatliche Machtausübung bzw. Gewalt 1.1 Nach der Reichsteilung (ab 931 v.Chr.) Der bibelkundige Leser wird sich an dieser Stelle 1Kön 12,1-19 in Erinnerung rufen: Rehabeam als Salomos Nachfolger hatte nicht auf der Rat der älteren Generation gehört, sondern, von seinen Altersgenossen unterstützt, das Ansinnen der Nordstämme, den Dienst (1Kön 12,4: hd'bo[ / doulei,a; lo[o / kloio,j 2x) für den König zu erleichtern, abgelehnt und damit Härte in den Verhandlungen gezeigt. Als Reaktion erfolgt die Abspaltung der zehn Nordstämme unter der Führung Jerobeams, der dann die religiös-kultische Abtrennung vom Jerusalemer Tempel betrieben hat. An diese Situation erinnernd, hebt Tobit hervor, dass u.a. auch sein eigener Stamm Naftali als Ganzes abgefallen war (1,4: avfi,sthmi; nur 1,5 GII: sunafi,sthmi), somit die Revolte Jerobeams unterstützt hat und schließlich nach GI „dem Baal, dem Kalb“ (e;quon th/| Baal th/| dama,lei; vgl. 1Kön 12,28: evpoi,hsen du,o dama,leij crusa/j) bzw. nach GII „dem Jungstier“ (evqusi,azon evkei/noi tw/| mo,scw|) opferte, den der neue König des Nordreichs in Dan hatte aufstellen lassen (1Kön 12,29: !tn / di,dwmi; Tob 1,5 GII o]n evpoi,hsen). – Der Tobittext erwähnt Bet-El als Ort des zweiten Heiligtums nicht eigens.

]

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21 Vgl. Esra 6,13-22. 22 Siehe die Ich-Form in biographischen Schriften als Gestaltungsmittel auch im Buch Ijob; Esra 7,27-9,15; Neh, Dan 7,2-12 und öfter.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 5

Durch die Neuordnung der politischen und kultischen Verhältnisse sieht sich Tobit genötigt, als einziger (1,623 GI: kavgw. mo,noj; GII: kavgw. monw,tatoj) nach Jerusalem zu pilgern.

1.2 Im Exil in Ninive Auffällig ist, dass von Repressalien, von staatlicher Machtausübung bzw. Gewalt gehäuft in den Kap. 1; 13 und 14 des Tobitbuches die Rede ist. In Tob 1 mit der Exposition muss zunächst die Situation geschildert werden, in der sich Tobit befindet, d.h. wie er in die Gefangenschaft in Ninive geraten ist und wie sich die Lebensumstände für ihn respektive seine Volksgenossen gestalten. Kap. 13 schildert die Zerstörung des Nord- und Südreiches inklusive Jerusalems bzw. Kap. 14 den Untergang Ninives, den Tobias, Tobits Sohn noch erlebt. LXXD 1,2

1,10

1,15

1,17

1,18

1,19

||

GI

… in den Tagen Salmanassars, des Königs der Assyrer, in die Gefangenschaft geführt (aivcmalwteu,w) … Und als ich nach Ninive in Gefangenschaft gebracht worden war (aivcmalwti,zw), … Und als Salmanassar starb, wurde sein Sohn Sennacherim an seiner Stelle König. Und seine Wege waren (in jener Zeit) unruhig (avkatastate,w), … Meine Speisen gab ich den Hungernden (peina,w) und Kleider den Nackten (gumno,j), … aus meinem Volk sah, der tot hinter die Mauer Ninives geworfen war (teqnhko,ta

kai. evrrimme,non ovpi,sw tou/ tei,couj Nineuh), …

Und wenn der König Sennacherim jemanden tötete (avpoktei,nw), … Denn in seinem Zorn tötete er viele (pollou.j ga.r avpe,kteinen evn tw/| qumw/| auvtou/). … Einer aber der (Leute) aus Ninive

23 Vgl. Tob 5,13f.

GII

… in den Tagen Salmanassars, des Königs der Assyrer, in die Gefangenschaft geführt wurde (aivcmalwteu,w) … Nachdem ich zu den Assyrern in Gefangenschaft gebracht worden war (aivcmalwti,zw), und da ich in Gefangenschaft war (aivcmalwti,zw), … Und als Salmanassar starb und sein Sohn Senacherim an seiner Stelle König wurde, da wurden die Wege in Medien unsicher (avfi,sthmi) … Meine Speisen gab ich den Hungernden (peina,w) und Kleider den Nackten (gumno,j), … aus meinem Volk sah, der tot hinter die Mauer Ninives geworfen war (teqnhko,ta kai. evrrimme,non ovpi,sw tou/ tei,couj Nineuh), … Und wenn Sennacherim jemanden tötete (avpoktei,nw), … Denn in seinem Zorn tötete er viele der Kinder Israel (pollou.j ga.r avpe,kteinen evn tw/| qumw/| auvtou/ evk tw/n ui`w/n Israhl), … Und einer aus Ninive ging hin und

6 | Renate Egger-Wenzel ging hin und machte dem König über mich Anzeige (u`podei,knumi), … ich verbarg (mich); …, daß ich gesucht wurde, um getötet zu werden (o[ti zhtou/mai avpoqanei/n), fürchtete ich mich und ergriff die Flucht. 1,20

Und alles, was mir gehörte, wurde geraubt (diarpa,zw), …

2,3

… einer aus unserem Geschlecht wurde erdrosselt (straggala,omai) auf den Marktplatz geworfen (e;rriptai evn th/| avgora/)| .

2,8

… Er fürchtet wohl nicht mehr, für diese Tat hingerichtet zu werden (foneuqh/nai peri. tou/ pra,gmatoj tou,tou); …

3,4

… du [Gott] gabst uns dahin zu Plünderung (diarpagh,) und Gefangenschaft (aivcmalwsi,a) und Tod (qa,natoj) und zu einem Beispiel des Gespötts (ovneidismo,j) vor allen Völkern, unter die wir zerstreut worden sind (skorpi,zw). Und nun sind deine vielen Gerichte (kri,sij) wahr, … … Von den Söhnen Naftali, die in Ninive gefangen sind (aivcma,lwtoj).

3,5 7,3

13,2

… denn er [Gott] züchtigt (mastigo,w) …, er führt hinab in die Unterwelt (evlea/| kata,gei e[wj a[|dou) …

13,3

… denn er [Gott] hat euch unter sie zerstreut (diaspei,rw). Und er [Gott] wird uns in unseren Ungerechtigkeiten züchtigen (masti-

13,5

||

24 Analog zu GI: kai. eivj parabolh.n kai. la,lhma …

machte dem König über mich Anzeige (u`podei,knumi), …; und ich verbarg (mich). …, dass der König über mich Bescheid wußte und ich gesucht wurde, um getötet zu werden (o[ti zhtou/mai tou/ avpoqanei/n), fürchtete ich mich und flüchtete. Und alles, was mir gehörte, wurde geraubt (a`rpa,zw), und nichts blieb mir, was nicht für den königlichen Schatz beschlagnahmt wurde (avnelh,mfqh eivj to. basiliko,n), … … siehe, einer aus unserem Volk ist ermordet (foneu,w) und auf den Marktplatz geworfen worden (e;rriptai evn th/| avgora/|) - und dort liegt er nun erdrosselt (straggala,omai). … Fürchtet er sich nicht mehr? Denn er wurde doch schon gesucht, um für diese Tat hingerichtet zu werden (evpezhth,qh tou/ foneuqh/nai peri. tou/ pra,gmatoj tou,tou), … … du [Gott] gabst uns dahin zu Plünderung (a`rpagh,) und Gefangenschaft (aivcmalwsi,a) und Tod (qa,natoj) und 24 zu Vorwurf und Gerede (la,lhma) und Schmach (ovneidismo,j) bei allen Völkern, unter die du uns zerstreut hast (diaskorpi,zw). Und nun sind deine vielen Gerichte (kri,sij) wahr, … … Wir sind von den Söhnen Naftali, die in Ninive gefangen sind (aivcmalwti,zw). … denn er [Gott] züchtigt (mastigo,w) …, er führt hinab in die Unterwelt (evlea/| kata,gei e[wj a[|dou) unter der Erde, … … denn er [Gott] hat euch unter sie zerstreut (diaspei,rw). Er [Gott] wird euch wegen eurer Ungerechtigkeiten züchtigen (mastigo,w) …

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 7

13,6/8

25

13,10/12

13,12/14

go,w) …, und er wird uns sammeln aus allen Völkern, unter die ihr zerstreut worden seid (skorpi,zw). … Ich will ihn loben im Lande meiner Gefangenschaft (evn th/| gh/| th/j aivcmalwsi,aj mou) … … Und er [Gott] möge in dir [Jerusalem] die Gefangenen (aivcma,lwtoj) erfreuen … -

13,14/16

… Selig (sind) die, die betrübt sind über deine [Jerusalems] Züchtigungen (ma,stix), …

14,4

… was der Prophet Jona über Ninive gesagt hat, daß es zerstört werden wird (katastre,fw) … und daß unsere Brüder auf der Erde zerstreut werden (skorpi,zw) (weg) von dem guten Land; und Jerusalem wird eine Wüste sein, und das Haus Gottes wird in ihm niedergebrannt werden (katakai,w) und eine Wüste sein für eine gewisse Zeit.

14,5

… Und danach werden sie zurück26 kehren aus der Gefangenschaft (evk tw/n aivcmalwsiw/n [!]) … Kind, sieh, was Haman Achikar, der ihn aufgezogen hat, angetan hat, wie er ihn aus dem Licht in die Finsternis führte (evk tou/ fwto.j h;gagen auvto.n eivj to. sko,toj) und was er ihm vergolten hat. … Manas-

14,10/8.9

||

unter allen Völkern, unter die ihr zerstreut worden seid (diaskorpi,zw). -

… Und er [Gott] möge in dir [Jerusalem] die Gefangenen (aivcma,lwtoj) erfreuen … … verflucht werden alle sein, die dich [Jerusalem] zerstören (kaqaire,w) und deine Mauern stürzen (kataspa,w), und alle, die deine Türme einreißen (avnatre,pw) und deine Häuser niederbrennen (evmpuri,zw); … … Und selig (sind) alle Menschen, die über dich betrübt sein werden, über alle deine [Jerusalems] Züchtigungen (ma,stix), … … Wort Gottes über Ninive, das Nahum gesprochen hat, daß alles sein wird und eintreffen über Assur und Ninive; … Und unsere Brüder, die im Land Israel wohnen, werden alle zerstreut werden (diaskorpi,zw) und in die Gefangenschaft geführt werden (aivcmalwti,zw) aus dem guten Land, und das ganze Land Israel wird eine Wüste sein, und Samaria und Jerusalem wird eine Wüste sein, und das Haus Gottes wird in Trauer sein und verbrannt werden (kai,w) für eine gewisse Zeit. … Und danach werden sie alle zurückkehren aus ihrer Gefangenschaft (evk th/j aivcmalwsi,aj auvtw/n) … … an diesem Tage übernachte nicht (mehr) in seinem Gebiet. Denn ich sehe, daß viel Ungerechtigkeit (pollh. avdiki,a evn auvth/|) in ihm ist, und viel Betrug (do,loj polu.j) in ihm verübt wird, und sie schämen sich

25 Zählung nach Rahlfs. 26 Wörtlich: „aus den Gefangenschaften“. – Ist hier eine Anspielung auf die multiplen Deportationen auch zu späterer Zeit gegeben?

8 | Renate Egger-Wenzel se tat Barmherzigkeit und wurde aus der Schlinge des Todes (evk pagi,doj qana,tou) gerettet, die er ihm gelegt hatte (ph,gnumi); ...

14,15

Und er [Tobias] hörte vor seinem Tod vom Untergang (avpw,leia) Ninives, das Nebukadnezar und Xerxes in die Gefangenschaft führten (aivcmalwti,zw); …

nicht. Sieh, Kind, was Nadab / 10Achikar, der ihn aufgezogen hat, angetan hat. … und Achikar ging heraus ins Licht, und Nadab ging hinein in die ewige Finsternis, weil er Achikar zu töten suchte (evzh,thsen avpoktei/nai). Indem er Barmherzigkeit wirkte, ging er heraus aus der Schlinge des Todes (evk th/j pagi,doj tou/ qana,tou), die Nadab ihm gestellt hatte (ph,gnumi), ... Und er [Tobias] sah und hörte vor seinem Tod (noch) vom Untergang (avpw,leia) Ninives und er sah, wie seine Gefangenen (aivcmalwsi,a) nach Medien gebracht wurden, die Achiachar, der König von Medien, gefangen genommen hatte (aivcmalwti,zw), … Er freute sich vor seinem Tod über Ninive(s Untergang) …

Durchforstet man die Texte, die von Tobits Erlebnissen im Exil sprechen, so findet man mehrfach Passagen, die im Passiv die Gefangenschaft der Nordstämme erwähnen (aivcmalwteu,w: 1,2; aivcmalwti,zw: 1,10; nur in GII 7,3; 14,4) und deren Zerstreuung unter die Völker (14,4; nur GI 3,4; 13,5; GII: 13,3). Am Ende des Buches kann sich, eine Generation später, Tobias über die „ausgleichende Gerechtigkeit“ freuen, wenn von der Gefangenschaft Ninives berichtet wird (14,15). Wird Gottes Eingriff in das Weltgeschehen, sein Gericht Halten (3,5) geschildert, dann erfolgt dies im Aktiv (13,3), v.a. wenn davon die Rede ist, dass Gott für Verfehlungen züchtigt27. Gefangenschaft

aivcmalwteu,w aivcmalwti,zw aivcmalwsi,a

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GI (7x)

1,2 1,10; 14,15 3,4.15; 13,8; 14,5

GII (11x)

1,2 1,10 (2x); 7,3; 14,4.15 1,3; 3,4.15; 14,5.15

27 Vgl. mastigo,w: GI: [3,9 Sara in Bezug auf die Dienerinnen] 11,14; 13,2.5.10; GII: 11,14; 13,2.5; ma,stix: 13,16.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 9 Zerstreuung

skorpi,zw diaskorpi,zw diaspei,rw

GI (4x) 3,4; 13,5; 14,4 13,3

GII (4x) 3,4; 13,5; 14,4 13,3

Tobits leidvolle Erfahrungen in der Gefangenschaft, als exilierter Jude einer Minderheit angehörig, sind vielfältig: Nach Salmanassars V. Tod (721 v.Chr.) wurde unter Sanherib – gemeint ist wohl Sargon II. (721-705 v.Chr.) – Tobits Tätigkeit als Handelsreisender für den König vor allem in Medien unmöglich (1,15 – GI: ai` o`doi. auvtou/ hvkatasta,thsan; GII: ai` o`doi. th/j Mhdi,aj avpe,sthsan). Die Straßen waren nicht mehr sicher genug. Das bedeutete für Tobit vermutlich eine Einkommensminderung. Da er aus religiösem Pflichtgefühl heraus den Armen seines Volkes (GI: evk tou/ ge,nouj mou; GII: evk tou/ e;qnouj mou), die hungerten (tou.j a;rtouj mou evdi,doun toi/j peinw/sin) oder keine Bekleidung hatten (ta. i`ma,tia, mou toi/j gumnoi/j), unterstützte, wird auch dies zu finanziellen Einbußen geführt haben. Ebenso sieht er es als seine Pflicht an, seine ermordeten (1,17: teqnhko,ta; 2,3 – GI: evstraggalwme,noj; GII: pefo,neutai) Stammesgenossen, die wie Abfall über die Stadtmauer von Ninive (1,17: evrrimme,non ovpi,sw tou/ tei,couj Nineuh) oder auf den Marktplatz hingeworfen wurden (2,3: e;rriptai evn th/| avgora/|), zu bestatten.28 Auch Flüchtlinge aus Judäa / h=lqen feu,gwn evk th/j Ioudai,aj (!)29 waren vor dem Zorn (evn tw/| qumw/| auvtou/) des Königs nicht sicher. Er tötete sie einfach (1,18 [2x]: avpe,kteinen). Diesen Ermordeten erwies Tobit einen letzten Dienst, indem er nach GII ihre Leichen stahl und sie beerdigte. Damit waren diese für den König unauffindbar. Scheinbar lag ein Befehl unter Androhung der Todesstrafe vor, die solcher Art Getöteten, nicht zu bestatten, denn ein Ninivit hatte wohl Tobits Hand||

28 Otzen, Tobit, 42, merkt an: “Strangely enough, the duty to bury a corpse is only mentioned in the Law as far as criminals are concerned (Deut 21.22-23). Apparently the duty is considered a matter of course, and the obligation to bury the dead is expressed indirectly in the not few utterance about the dreadful fate of those who are not properly buried … when Tobit buries the dead Israelites in Niniveh, he is acting according to the society rules of ancient Israel and, we may assume, according to the tradition of Mosaic Law”. 29 Hier stellt sich die interessante Frage, wer denn ein solcher Flüchtling aus Judäa z.Zt. der neuassyrischen Deportation um 722 v.Chr. gewesen sein sollte. Damit kann wiederum ein Hinweis auf die wesentlich spätere unerträgliche Religionsunterdrückung in Judäa unter Antiochus IV. Epiphanes vorliegen, was GII unterstreicht mit folgender Formulierung: evn h`me,raij

th/j kri,sewj h-j evpoi,hsen evx auvtou/ o` basileu.j tou/ ouvranou/ peri. tw/n blasfhmiw/n w-n evblasfh,mhsen (vgl. blasfhmi,a nur noch in 1Makk 2,6; 2Makk 8,4; 10,35; 15,24; Ez 35,12; Dan θ 3,96 und blasfhme,w in 2Kön 19,4.6.22; 2Makk 10,34; 12,14; Jes 52,5; Dan 3,96; 14,8).

10 | Renate Egger-Wenzel lungsweise beobachtet und beim König Anzeige erstattet (u`pe,deixe[n] tw/| basilei/ peri. evmou/). GI (36x)

GII (53x)

qnh,|skw avpoqnh,|skw

1,17 1,15.19; 3,6.9; 4,2.3.4; 6,15 (2x); 7,11; 8,10.21; 10,2.11; 11,9; 14,12.14.15 (2x)

qa,natoj avpoktei,nw

3,4; 4,2.10; 6,13; 12,9; 14,10 1,18 (2x).21; 3,8.15

nekro,j straggala,omai foneu,w

2,8; 12,12.13 2,3 2,8

1,17; 8,12 1,8.14.15.19; 3,6 (2x).9.10; 4,2.4; 6,14 (2x).15; 7,11; 8,10.21; 10,2.11.13; 11,9; 14,2.3.11.12.14.15 (2x) 3,4; 4,2; 6,13; 12,9; 14,10 (2x) 1,18 (2x).21; 3,8 (2x).15; 6,14.15; 14,10.11 2,8; 5,10 (2x); 12,12.13 2,3 2,3.8

Wie die Tabelle zeigt, will der Autor des Buches den Eindruck erwecken, dass ein gewaltsamer Tod in Ninive, insbesondere für die exilierte Minderheit der Juden, auf der Tagesordnung stand. Man wurde ohne Angabe von Gründen einfach umgebracht, erdrosselt oder aus einer Laune des Königs heraus getötet, hingerichtet. Nachdem Tobit angezeigt wurde, muss er sich verbergen (evkru,bhn), während er gesucht wird (zhtou/mai), soll er gar zum Tode verurteilt werden (avpoqanei/n; vgl. 2,8 – GI: ouvke,ti fobei/tai foneuqh/nai peri. tou/ pra,gmatoj tou,tou; GII: ouv fobei/tai ouvke,ti h;dh ga.r evpezhth,qh tou/ foneuqh/nai peri. tou/ pra,gmatoj tou,tou), sodass er flieht (GI: avnacwre,w; GII: avpodidra,skw; 1,19; vgl. 2,8 GII: avpodidra,skw). Als weitere Konsequenz wird Tobit seiner ganzen Habe beraubt (1,20 – GI: dihrpa,gh pa,nta ta. u`pa,rconta, mou kai. ouv katelei,fqh moi; GII: h`rpa,gh pa,nta o[sa u`ph/rce,n moi kai. ouv katelei,fqh moi ouvde,n o] ouvk avnelh,mfqh eivj to. basiliko,n). GII macht es deutlich, dass Tobits Eigentum in des Königs Schatzkammer einverleibt wird. Damit ist der zurückbleibenden Familie jede Existenzgrundlage genommen. Als nach der Intervention seines hochrangigen Neffen Achikar Tobit zurückkehren kann, erblindet er zudem noch für mehrere Jahre. Zunächst übernimmt Achikar die Versorgung der Familie seines Onkels, dann muss Tobits Frau Hanna den Lebensunterhalt mit Webarbeiten bestreiten, was 30 schließlich zu innerfamiliären Konflikten führt .

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30 Egger-Wenzel, Relationship.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 11

Als tröstender Ausblick für das Exulantenschicksal der Familie und als Faktum für den Sohn Tobias (14,15) mag der Hinweis Tobits auf die Prophezeiungen Jonas / Nahums in 14,4f verstanden werden. Die Stadt Ninive wird zerstört werden (GI: katastrafh,setai). GII weitet die Voraussage Nahums (vgl. Nah 1,9-3,19) und aller Propheten Israels auf ganz Assur aus, ohne explizite Angaben zu machen. Vielmehr spricht GII sodann von der Exilierung der Brüder in Israel: sie „werden alle zerstreut werden (diaskorpi,zw) und in die Gefangenschaft geführt werden (aivcmalwti,zw) aus dem guten Land (evk th/j gh/j th/j avgaqh/j), und das ganze Land Israel wird eine Wüste sein, und Samaria und Jerusalem wird eine Wüste sein, und das Haus Gottes wird in Trauer sein und verbrannt werden (kai,w) für eine gewisse Zeit“ (LXXD 14,4). Damit ist vordergründig der Untergang des Nord- und Südreiches angesprochen. Es gibt durchaus Hinweise, dass die Verfolgung unter den Seleukiden gemeint sein kann bis hin zur Vernichtung des samaritanischen Heiligtums auf dem Garizim unter dem Hasmonäer Johannes Hyrkanos I. (129/128 v.Chr.) Dagegen thematisiert GI nur die Vertreibung (skorpi,zw) der Brüder aus dem guten Land (avpo. th/j avgaqh/j gh/j), Jerusalem wird zur Wüste und das Haus Gottes (oi=koj tou/ qeou/) niedergebrannt werden (katakai,w). GII nimmt also beide Reiche, Israel und Juda in den Blick, GI aber nur noch– entsprechend dem Duktus von GI – die ausstehende Zerstörung des Südreiches. Das Testament Tobits (14,1-11) am Ende des Buches ist gleichzeitig mit einer Warnung an seinen Sohn verbunden, nach seinem Tod nicht länger in Ninive zu bleiben, sondern sofort nach Medien zu gehen, damit Tobias nach GII nicht an des Vaters Todestag viele Ungerechtigkeiten (pollh. avdiki,a) und Betrug (do,loj polu.j) erleiden muss. Es soll ihm nicht wie dem Neffen Achikar ergehen, dessen Pflegesohn Nadab ihm eine „Schlinge des Todes“ (GII: evk th/j pagi,doj tou/ qa31 na,tou) gelegt hatte, aus der er jedoch gerettet wurde. Diese Thematik ist zusätzlich mit einer Licht-Finsternis-Metapher verbunden (14,10).

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31 Nach GI ist der Gegenspieler Achikars Haman, der dem Manasse eine Schlinge legt, in der sich der Fallensteller selbst verfängt. Vgl. zur Erklärung Moore, Tobit 292-293; Fitzmyer, Tobit, 333-334.

12 | Renate Egger-Wenzel

2 Friedliche Co-Existenz als Reaktion auf staatliche Gewalt 2.1 Nach der Reichsteilung in der Heimat (Tob 1,4-9) Der junge Tobit muss die Reichtsteilung mit der Errichtung der Heiligtümer in Bet-El und Dan als Verrat am „Weg der Wahrheit und Gerechtigkeit“ (GI: o`doi/j avlhqei,aj evporeuo,mhn kai. dikaiosu,nhj / GII: evn dikaiosu,naij; 1,3) vorkommen. Der politische wie religiöse Treuebruch geschieht am „Haus Jerusalem …, (der Stadt), die von allen Stämmen Israels erwählt ist, damit alle Stämme (dort) opfern. Und der Tempel der Wohnung des Höchsten war geheiligt und erbaut worden für alle Geschlechter auf ewig“ (LXXD). GII formuliert etwas ausgefeilter. Der Verrat geschieht am „Haus meines Vaters David … und … der Stadt Jerusalem“, welche alle Stämme Israels zur Darbringung der Opfer auserwählt hatten. Damit haben die zehn Nordstämme für Tobit politisch und religiös Hochverrat begangen. Auch Tobits Stamm Naftali hatte sich wie die übrigen Nordstämme vom Südreich losgesagt und nur Tobit allein (1,6 – GI: kavgw. mo,noj; GII: kavgw. 32 monw,tatoj) zieht weiterhin, wie es in der Tora vorgeschrieben ist , dreimal jähr33 lich nach Jerusalem, um die erwarteten Opfer (1,4f), die Erstlinge und die 34 Zehnten darzubringen (1,6). Diese Darstellung wird in 5,14 gegenüber Asarja / Rafael in GI erweitert: „Ich kannte nämlich Ananias und Iathan gut, die Söhne des großen Semaias, weil wir gemeinsam nach Jerusalem gezogen sind, um anzubeten und dort die Erstlinge und die Zehnten der Feldfrüchte darzubringen; und sie sind nicht abgefallen beim Abfall unserer Brüder“. GII variiert etwas: „Ich kenne Ananias und Nathan, die zwei Söhne des großen Semelias, und sie sind mit mir nach Jerusalem gezogen und haben dort mit mir angebetet und sind nicht abgefallen“ (LXXD). 35 36 Tobit entrichtet die Erstlinge , die Zehnten der Feldfrüchte und der Wolle 37 von der ersten Schafschur (1,6). In den Versen 7 und 8 werden die verschiedenen Zehnte genauer erklärt: ||

32 Vgl. Ex 23,14-15.17; 34,23f; Num 28,26; Dtn 16,16; 1Kön 9,25 und in der rabbinischen Tradition Mischna Ḥagiga, Kap. 1. 33 Vgl. 1Kön 12,26-33; 2Chr 11,16 und in den Rabbinen Mischna Zevaḥim, Kap.13 34 Vgl. Gamberoni, Gesetz, 234-237; Ego, Buch, 920-921. 35 Vgl. Num 18,12f.24-32 und dazu Mischna Bikkurim, Kap. 3. 36 Vgl. Lev 27,30-33; Num 18,20-32; Dtn 14,22-29; 18,4f; 26,12f; 2Chr 31,4-6 und in der jüdischen Tradition siehe Mischna Ma’aserot, passim; Mischna, Peah, Kap. 8.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 13



Der erste Zehnt gebührt den Priestern bzw. den Leviten, die in Jerusalem Dienst tun (GI: toi/j i`ereu/sin toi/j ui`oi/j Aarwn pro.j to. qusiasth,rion pa,ntwn

tw/n genhma,twn th.n deka,thn evdi,doun toi/j ui`oi/j Leui toi/j qerapeu,ousin evn Ierousalhm). GII ist etwas ausführlicher und benennt neben den Empfän-

gern die Opfermaterie wie Weizen, Wein, Öl, Granatäpfel, Feigen und weitere Früchte: toi/j i`ereu/sin toi/j ui`oi/j Aarwn pro.j to. qusiasth,rion kai. th.n

deka,thn tou/ si,tou kai. tou/ oi;nou kai. evlai,ou kai. r`ow/n kai. tw/n su,kwn kai. 38 tw/n loipw/n avkrodru,wn toi/j ui`oi/j Leui toi/j qerapeu,ousin evn Ierousalhm.





Den zweiten Zehnt macht Tobit zu Geld, um seine Pilgerreisen nach Jerusa39 lem zu finanzieren , wobei GII eine zusätzliche Erläuterung bietet: „Und den zweiten Zehnten von sechs Jahren löste ich durch Silber aus und ich wallfahrtete und gab ihn in jedem Jahr in Jerusalem aus“ (LXXD). Den dritten Zehnt, also ein Drittel seines Jahreseinkommens (!), verwendet Tobit nach den Anweisungen seiner Großmutter Debora, die nach dem Tod des Vaters seine Erziehung übernommen hatte. Soweit GI etwas unklar bezüglich der Zielgruppe. GII enthält wiederum eine Erklärung: „Und ich gab ihn den Waisen und den Witwen und den Proselyten, die sich den Kindern Israel angeschlossen hatten; ich brachte (ihn) herbei und gab (ihn) ihnen im dritten Jahr, und wir verzehrten ihn nach der Anordnung, die darüber im 40 Gesetz des Mose (evn tw/| no,mw| Mwsh/) angeordnet ist, und nach den Geboten (kata. ta.j evntola,j a]j evnetei,lato), die (mir) Debora, die Mutter unseres Vaters Hananiel, geboten hatte“ (1,8; LXXD).

Neben all diesen kultischen Verpflichtungen, die Tobit genauestens einhält und sich in der Ausführung am Tempel von Jerusalem orientiert, wobei er die Heiligtümer seiner Heimat im Nordreich ignoriert, ehelicht er zudem Hanna, eine Frau aus seinem eigenen Geschlecht. Dabei begründet er später seinem Sohn gegenüber, dass die Familie von Propheten wie Noach, Abraham, Isaak und 41 Jakob abstamme (4,12). All diese Aktivitäten kann Tobit ungehindert setzten, ohne dass staatlicherseits oder in der Gesellschaft irgendwelche Reaktionen bzw. gar negative Sank||

37 Vgl. Dtn 18,4; Ijob 31,20 und Mischna Ḥullin, Kap. 11. 38 Vgl. Num 18,24-32 und Mischna Terumot, passim; Mischna, Ma’aser Scheni, passim. 39 Vgl. Num 18,24-32. 40 Vgl. Dtn 14,28f; 26,12-14 sowie Mischnah, Pe’ah, Kap. 5 und 8. 41 Das Buch Tobit thematisiert des Öfteren Endogamie: 1,9; 3,15; 4,12f; 6,12f.16; 7,10.12; vgl. Gen 11,29.31; 24,4; 25,20; 28,1-4; 29,15-30; Ex 34,16; Dtn 7,3; Rut 3,9-12; 4,1-12; Esra 9; Neh 13 und mehrfach in Mischna, Seder Naschim und Ketubot. Siehe dazu Egger-Wenzel, Relationship, 43-46.

14 | Renate Egger-Wenzel tionen im Buch zur Sprache kommen. Im besten Fall sah man Tobit als hyperre42 ligiösen, frommen Sonderling („Spinner“) an, der sich das Leben nur unnötig schwer macht.

2.2 Im Exil in Ninive 2.2.1 Tobits und Achikars öffentliches Leben Bemerkenswert ist, dass ein exilierter Jude, der einer gesellschaftlichen Randgruppe angehört, eine hohe Position bei Hofe erhält. Er wird zum Einkäufer des Königs Salmanassar, geht auf Handelsreisen und kann ein beträchtliches Ver43 mögen (10 Talente Silber) erwirtschaften. Man könnte Tobit geradezu als Wirtschaftsminister des Königs ansehen. Tobit führt dies auf Gottes Wirken zurück: 44 „Und es gab mir der Höchste Gnade und Gunst (ca,rin kai. morfh,n) vor SalmaD nassar“ (1,13; LXX ; vgl. Gen 39,3.22; 41,51f; Dan 1,17). Asarhaddon wird nach einem Putsch, den der Vater Sanherib nicht überlebt hat, König und macht in diesen politisch gefährlichen Zeiten Achikar, Tobits Neffen, zum Finanzminister (1,21: evpi. pa/san th.n evklogisti,an th/j basilei,aj auvtou/; 1,22: evklogisth,j), Reichsverwalter, Mundschenk und Siegelverwahrer. Er wird also als Ausländer, als Jude zum zweiten Mann im Assyrerreich (1,21-22) und kann damit Tobit das Leben retten sowie dessen Rückkehr ermöglichen. Ja, er bestreitet sogar für eine gewisse Zeit des Onkels Lebensunterhalt, als dieser 45 erblindet (2,10), und reist später ca. 400 km mit seinem Neffen Nadab aus der Provinz Elymais zur Hochzeitsfeier des Neffen Tobias nach Ninive an (11,19). ||

42 Gamberoni, Gesetz, 241, formuliert folgend: „… eine Haltung, die bloßen Legalismus überbietet“. 43 Ein Talent Silber entspricht 41 kg des heute wieder sehr teuren Edelmetalls. Der heutige Wert von 41 kg Silber kann man auf ca. 31.149,00 Euros schätzen (22.08.2012). Den Gegenwert zur Zeit der Entstehung des Tobitbuches im 2. Jh. v.Chr. muss man weit höher veranschlagen. 44 Zweimal bzw. dreimal schenkt Gott seine „Gnade“: am Anfang des Buches in 1,13 dem Tobit, sodass er ein angesehenen Posten am Königshof erhält, weiters nur in 7,17 GI der Sara, die nach sieben von Aschmodai ermordeten Ehemännern nach Ansicht ihrer Mutter Edna endlich Glück erfahren soll, und am Ende des Buches in 12,18, wo Rafael betont, dass Gott es war, der sich der Familie des Tobit annehmen wollte. 45 Erschreckend ist das in 14,10 (GII) nur angedeutete verräterische Verhalten Nadabs gegenüber Achikar, der seinem Onkel gar nach dem Leben trachtete. Auch hier wiederum scheint eine schlimme Zeit angesprochen, in der man nicht einmal Familienbanden trauen konnte. Das kann auf ein politisches Terrorregime hinweisen, wie es z.Zt. Antiochus IV. Epiphanes herrschte oder z.B. in jüngerer Vergangenheit in der NS-Diktatur.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 15

D.h. so hohe Funktionäre wie Tobit und Achikar hatten Reisefreiheit, einen gewissen Einfluss bei Hofe und konnten Vermögen erwerben.

2.2.2 Tobits Privatleben Wohltätigkeit Als vermögender Mann ist Tobit in der Lage, weniger bemittelten Stammesgenossen zu helfen. Er erweist ihnen evlehmosu,nh, was gemeinhin mit „Almosen 46 geben“ übersetzt wird, aber inhaltlich zu kurz greift. Diese Thematik wurde schon andernorts ausführlich behandelt und würde hier den Rahmen sprengen. 47 Kurz gesagt, nährt Tobit Hungernde, bekleidet Nackte, richtet Trauermähler aus. Damit hält sich Tobit an die Armengesetzgebung, was wiederholt von ihm hervorgehoben wird. Auch seinen Sohn Tobias weist er an, reichlich den Armen 48 zu geben und lebt ihm dies beispielhaft vor. Auszahlung des Lohns Zum Umgang mit Armen gehört auch, dass man einem Arbeiter den Lohn am 49 Tag der geleisteten Arbeit auszuzahlen hat (4,14) , da dieser darauf angewiesen ist und sonst Not leidet. Tobit und Tobias sind beide bemüht, den in „ihren Diensten“ stehenden Asarja / Rafael entsprechend täglich zu bezahlen, wie in 5,15 notiert wird: „Eine Drachme täglich und …“ (GI: dracmh.n th/j h`me,raj; GII: th.n h`me,ran dracmh.n). Hier kann durchaus eine verhaltene Kritik zum Verhalten der die Hanna entlohnenden Herren beabsichtigt sein, da vom Text her in 2,1113 nicht klar ist, ob sie sofort nach Ablieferung ihrer Webearbeiten entlohnt wird. Wochenfest Die religiös motivierten Feste, die das Buch Tobit erwähnt, sind Schawuot und vermutlich Pessach. Das Wochenfest (2,1: evn th/| penthkosth/| th/| e`orth/| [h`mw/n] h[ evstin a`gi,a e`pta. e`bdoma,dwn) war in der Heimat das obligatorische Datum für die Ablieferung der Erstlinge bzw. der Zehnten an den Tempel, was in der Diaspora nicht praktiziert werden kann, und somit zu einem reinen Familienfest umfunk||

46 Macatangay, Wisdom, 106-108. 47 Siehe Tob 2,5f; 4,18; vgl. 2Sam 3,35; Jer 16,7; Ez 24,17 und Pal Tal Mo’ed Qaṭan 3.8. 48 Siehe Tob 1,3.16f; 2,1; 4,7-11.16f.21; 12,8-10; 14,2.10f; vgl. dazu Dtn 15,9f; Ijob 31,16-20; Sir 3,30; 29,8-13; Jes 58,7; Mt 6,1-4; Mt 25,35f; Lk 6,30; 2Kor 9,7 und Egger-Wenzel, Armut 47-48. 49 Siehe Tob GI 2,12.14; 4,14; 5,3.15f; 12,1; GII 2,12.14; 5,3.7.10.15f; 12,1-3.5; vgl. Lev 19,13; Dtn 24,14f; Ijob 7,2; Jer 22,13; Mt 20,8 und in der Mischna, Bava Meṣi‘a 9.12.

16 | Renate Egger-Wenzel tioniert wurde. Das zugehörige Festmahl wird entsprechend erwähnt ( a;riston kalo,n). Zudem wird im Buch Tobit eine Verknüpfung des Festes mit der glückli-

chen Heimkehr des Tobit nach seiner Flucht vorgenommen, womit es sich eigentlich um eine Feier im privaten Kreis handelt. – Nur der Heimkehrer geht an die Öffentlichkeit, indem er seinen Sohn ausschickt, um Arme zu finden, die dem Herrn treu geblieben sind (2,2 – GI: tw/n avdelfw/n h`mw/n evndeh/ o]j me,mnhtai tou/ kuri,ou; GII: ptwco.n tw/n avdelfw/n h`mw/n evk Nineuhtw/n aivcmalw,twn o]j me,mnhtai evn o[lh| kardi,a| auvtou/). Diese sollen an den Speisen seines Tisches teilhaben. Die theologische Verknüpfung des Erntefestes mit der Erinnerung an die 50 Gabe der Tora an Mose am Berg Sinai erfolgt nicht. Die Annahme, dass Tobit während der Religionsverfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes entstanden ist, würde diesen Umstand erklären, da es zu dieser Zeit lebensgefährlich war, auch 51 nur im Besitz einer Textfassung des Gesetzes zu sein (1Makk 1,58 ). Pessach Tobit selbst berichtet, dass Hanna mit Webe- oder/und Näharbeiten Geld ver52 dient. Sie schickt ihre Webstücke den/ihren Herren (GII toi/j kuri,oij auvtw/n), die ihr den Lohn übergeben. Ebenso in GII folgt dann eine genaue Zeitangabe nach makedonisch-seleukidischem Kalender: Der 7. des Dystros (evn th/| e`bdo,mh| tou/ Du,strou) ist nach gregorianischer Berechnung der 2. Februar (jüd. Schewat / 53 Schebat) , was zur Wurfzeit der Ziegen im Frühjahr passt, sodass Hanna in dieser Zeit tatsächlich einen jungen Ziegenbock (Tob 2,12 GI: e;rifon; GII: e;rifon 54 evx aivgw/n) geschenkt bekommen kann. ||

50 Siehe Ex 19,1 Im dritten Monat nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten – am heutigen Tag – kamen sie in der Wüste Sinai an. In der rabbinischen Tradition sind alle Bünde, d.h. auch der mit Mose am Sinai im dritten Monat (= Siwan) geschlossen worden; vgl. das aus dem 2. Jh. v.Chr. stammende Buch der Jubiläen (bezüglich Schawuot 6,15.22). 51 1Makk 1,56 Alle Buchrollen des Gesetzes (bibli,a tou/ no,mou), die man fand, wurden zerrissen und verbrannt. 57 Wer im Besitz einer Bundesrolle (bibli,on diaqh,khj) angetroffen wurde oder zum Gesetz (tw/| no,mw|) hielt, wurde aufgrund der königlichen Anordnung zum Tod verurteilt. 52 Wie Zimmermann, Book, 58, diesbezüglich auf “the plural of majesty” kommt, ist fraglich. 53 Vgl. Zimmermann, Book, 59-59: “roughly corresponding to March”; Fitzmyer, Tobit, 140. 54 To.n e;rifon evx aivgw/n ist nur noch in Gen 38,29 belegt, wo Juda mit dem Ziegenböcklein durch Adullam sein hinterlassenes Pfand, den Siegelring und Stab (quasi seinen „Personalausweis“), von der vermeintlichen Prostituierten (Tamar) einlösen möchte. – Tamar hatte mit ihrer List das Weiterleben ihrer Familie gesichert, wie dies auch Hanna tut; z.T. wird Hanna in der Literatur deshalb auch eheliche Untreue unterstellt (vgl. die Darstellung bei Moore, Tobit, 133-134). – Nebenbei sei erwähnt, dass e;rifoj im AT 24x belegt ist, wobei 10x Opfer gemeint

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 17

Diese Datumsangabe kann ebenso auf Kultbelange abzielen. Moore erwähnt in Anlehnung an Bertrand, dass Tobit nicht – wie er seiner Frau Hanna unterstellt – ein gestohlenes Tier für das Pessach-Mahl verwendet sehen will 55 (vgl. Ex 12,2-5; 2Chr 35,7f: e;rifoj; 2Chr 35,7: ai;x) . Von der Datumsangabe in GII kommt das Tier für ein Pessachmahl in Frage, da der 7. Dystros / 2. Februar / Schewat vor dem Pessach-Termin im Monat Nissan liegt. Damit sind wiederum jüdischen Speisevorschriften verknüpft. Speisegebote Diese zielen auf die Zubereitung ab: „Das Junge einer Ziege sollst du nicht in der Milch seiner Mutter kochen“ AMai blex]B; ydIG> lVeb;t.-al{/ ouvc e`yh,seij a;rna evn 56 ga,lakti mhtro.j auvtou/ (Ex 23,19; Dtn 14,21; vgl. Ex 34,26: ouv prosoi,seij … ). Dabei spielt auch eine Rolle, dass ein Junges sieben Tage beim Muttertier bleiben soll und danach beide nicht am gleichen Tag geschlachtet werden dürfen (Lev 22,27f). GII betont zudem mit den Worten „für den Herd“ (evfV e`sti,a|) die Absicht der Arbeitgeber Hannas, der Familie eine gute Mahlzeit zu ermöglichen, womit die Speisevorschriften der Tora nicht tangiert sind und eine kultische Fehlhandlung ausgeschlossen wäre, sofern das Tier rituell geschlachtet, d.h. 57 geschächtet wird (vgl. Dtn 12,21) . Tobit betont ausdrücklich im Gegensatz zu seinen Stammesgenossen (Tob 1,10: h;sqion evk tw/n a;rtwn tw/n evqnw/n), dass er sich an die jüdischen Speisegebote hält und Speisen der Heiden meidet (1,10f – GI: evgw. de. suneth,rhsa th.n 58 yuch,n mou mh. fagei/n; GII: + evk tw/n a;rtwn tw/n evqnw/n) .

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sind, 3x betrügerische Handlungen und in Gen 38,17.20.23 (s.o.) der Lohn für sexuelle Dienste. Das Wort ai;x hat 75 Belege, von denen 54 im Opferkontext stehen, 3x findet man Täuschungsabsicht (Jakob – Laban, Jakob wird Josefs Tod vorgegaukelt, Michal versteckt David) und 1x geht es um die sexuelle Gefälligkeit Tamars (Gen 38,17.20). – Es ist wohl aus praktischen Gründen auszuschließen, dass Hanna nur einmal im Jahr den Lohn für ihre Webarbeiten bekommen hat. Ein Jahr auf den ersten Lohn zu warten, hätte die Familie nicht überlebt. 55 Vgl. Zimmermann, Tobit, 59; Moore, Tobit, 133. 56 Diese Verbvariante in Ex 34,26 mit prosfe,rw verweist als terminus technicus auf eine kultische Darbringung (von 163 Belegen im AT haben 142 Opfer-Kontext), wie sie in Tob 2,12 durch die e;rifon (GII evx aivgw/n) und in Tob 2,14 GI durch dw/ron ebenfalls angedeutet wird. 57 Vgl. Lev 3,17; 7,26; 17,12.14; Dtn 12,16; 15,23. 58 Vgl. Lev 11; Dtn 14,3-21; Dan 1,8; Jdt 10,5; Jub 22,16.

18 | Renate Egger-Wenzel Kultische Waschungen

59

Anlässlich seiner Berührung von Leichen getöteter Stammesgenossen wird erwähnt, dass Tobit unrein wird (2,9 – GI: memiamme,noj; GII: evlousa,mhn) und kultische Waschungen vornimmt (evlousa,mhn; 2,5), wie dies ausführlich in Num 60 19,11-22 gefordert wird. Auch GII 7,9 („… Und als sie gebadet [evlou,santo] und sich gewaschen [evni,yanto] und sich zum Essen gesetzt hatten …“) kann eine kultische Anspielung sein auf das Händewaschen – genannt Ne †îlat jādājim – nach dem Segensspruch über den Wein und vor dem Segen über die Brote bei jeder Mahlzeit. Heirat (6,12-8,9.19)

61

Bereits in Tob 6,12f (vgl. 7,9) kündigt Asarja / Rafael an, dass er als „Brautwerber“ für Tobias bei Reguël in Ekbatana für dessen einzige Tochter Sara auftreten wird. Tobias ist ihr einziger Verwandter (GI: su. mo,noj ei= evk tou/ ge,nouj auvth/j; GII: ui`o.j a;rshn ouvde. quga,thr u`pa,rcei auvtw/| plh.n Sarraj mo,nhj kai. su. e;ggista auvth/j ei= para. pa,ntaj avnqrw,pouj klhronomh/sai auvth,n), sodass ihm ihr Erbe zusteht (6,12 – GII: ta. o;nta tw/| patri. auvth/j soi. dikaiou/tai klhronomh/sai; 6,13 – GI: th.n klhronomi,an soi. kaqh,kei labei/n h' pa,nta a;nqrwpon; GII: soi. klhronomi,a kaqh,kei labei/n th.n qugate,ra auvtou/ para. pa,nta a;nqrwpon). Nach dem Gesetz des Mose (GI: kata. to.n no,mon Mwush/; GII: kata. th.n kri,sin th/j bi,blou Mwuse,wj) darf Reguël seine Tochter nur mit Tobias verheiraten, wie der Wegbegleiter versichert (vgl. Num 36,1-13). Sara ist nur für Tobias 62 bestimmt, er allein darf sie zur Braut nehmen, wie besonders GII betont: „Dir ist es bestimmt, sie zu nehmen. … daß wir sie für dich als Braut nehmen. … wollen wir Hochzeit mit ihr halten. … weil er weiß, daß das Erbe dir zusteht (vgl. Tob 7,10 – GI: kaqh,kei to. paidi,on mou; GII: ouv ga,r evstin a;nqrwpoj w-| kaqh,kei labei/n Sarran th.n qugate,ra mou plh.n sou/ a;delfe w`sau,twj), seine Tochter zu nehmen vor jedem (anderen) Menschen. … Bruder, und wir werden diese Nacht über das Mädchen sprechen und sie mit dir verloben (mnhsteuso,meqa, soi auvth,n). … werden wir sie nehmen (lhmyo,meqa auvth.n) und sie mit uns in dein Haus führen“ (avpa,xomen auvth.n meqV h`mw/n eivj to.n oi=ko,n sou) (LXXD; 6,13 GII). ||

59 Vgl. dazu Ego, Buch, 931, mit einem interessanten Hinweis auf die Qumranfragmente zu Tobit. 60 Vgl. Mischna, Tevul Jom. 61 Vgl. zur Thematik die erschienenen Arbeiten von Hieke, Endogamy, 103-120; Nicklas, Marriage, 139-154; Miller, Marriage. 62 Zimmermann, Book, 82: “… because he is the surviving kinsman, and as levir, for such he is, according to the conception of his function in Tobit, he is duty-bound to marry her and no one else”.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 19

Asarja / Rafael erinnert zudem Tobias an die Anweisung des Vaters (GI: tw/n lo,gwn w-n evnetei,lato, soi o` path,r sou; GII: ta.j evntola.j tou/ patro,j sou), nur „eine Frau aus dem Hause deines Vaters zu nehmen“ (LXXD; 6,16 – GI: gunai/ka evk tou/ ge,nouj sou; GII: gunai/ka evk tou/ oi;kou tou/ patro,j sou; vgl. 7,12/13 – GI: a;page pro.j to.n pate,ra sou; GII: a;page pro.j to.n pate,ra sou), und verspricht

ihm, den Dämon Aschmodai mit dem als Rauchopfer dargebrachten Fischherzen zu verjagen. Ein Gebet zu Gott soll nicht fehlen und Kindersegen sei garantiert (V.18). Auch die Zuneigung bleibt nicht aus (V.19). Nach der Brautwerbung Asarjas / Rafaels für Tobias ermuntert Reguël den angehenden Schwiegersohn, indem er ihm versichert, dass niemand anderes als Tobias als nächster Verwandter (7,10 – GII: su. e;ggista, mou) ein Anrecht auf Sara hätte, doch warnt er Tobias bezüglich Aschmodai (7,11). Reguël hat nicht die Vollmacht / das Recht (evgw. ouvk e;cw evxousi,an dou/nai auvth.n e`te,rw| avndri,), 63 seine Tochter einem anderen Mann zur Frau zu geben. Aber Tobias ist ungeduldig, er will nicht zuerst Mahl halten, bevor der zukünftige Schwiegervater 64 entschieden hat. Reguël willigt also in die Verlobung ein (GI: komi,zou auvth.n avpo. tou/ nu/n kata. th.n kri,sin su,; GII: auvth. di,dotai, soi kata. th.n kri,sin th/j

bi,blou Mwuse,wj kai. evk tou/ ouvranou/ ke,kritai, soi doqh/nai komi,zou th.n avdelfh,n sou avpo. tou/ nu/n su. avdelfo.j ei= auvth/j kai. auvth. avdelfh, sou de,dotai, soi avpo. th/j sh,meron kai. eivj to.n aivw/na), ruft seine Tochter, übergibt sie Tobias (GII: labo,menoj th/j ceiro.j auvth/j pare,dwken auvth.n auvtw/|) nach dem Gesetz des Mose (GI: kata. to.n no,mon Mwuse,wj; GII: kata. to.n no,mon kai. kata. th.n kri,sin th.n gegramme,nhn evn th/| bi,blw| Mwuse,wj) und segnet das Brautpaar (GI: euvlo,ghsen auvtou,j; 7,12/13; 10,11).

Danach ruft der Brautvater die Brautmutter Edna als Zeugin und setzt den 65 Heiratsvertrag, die Ketuba auf, welche er mit einem Siegel versieht (7,13 – GI: bibli,on e;grayen suggrafh,n kai. evsfragi,santo; GII: bibli,on kai. e;grayen ||

63 Hat dann Reguël falsch, also ohne Vollmacht, gehandelt, indem er Sara vorher schon sieben verschiedenen Männern zur Frau geben wollte, die Aschmodai dann getötet hat (Tob 3,8)? – Über ein Verwandtschaftsverhältnis der Sieben zu seiner Familie wird im Text nichts ausgesagt. Vgl. Saras Argumentation in Tob 3,15, dass sie nicht mehr auf einen engen Verwandten warten muss, um verheiratet zu werde (GI: ouvde. avdelfo.j evggu.j ouvde. u`pa,rcwn auvtw/| ui`o,j; GII: ouvde. avdelfo.j auvtw/| evggu.j ou;te suggenh.j auvtw/| u`pa,rcei). 64 Vgl. Gen 24,33. – Hier könnte auch eine Anspielung auf einen Brauch, der dann aber wesentlich früher zu datieren ist, vorliegen, nachdem seit dem frühen Mittelalter (nachrabbinische Tradition) bis zum heutigen Tag ein Brautpaar am Hochzeitstag keine Nahrung zu sich nimmt, bis die Trauung vorgenommen worden ist. 65 Rabenau, Studien, 118, vermerkt zu Recht: „Neben einem Papyrus aus Elephantine besitzen wir im Buch Tobit den ältesten Beleg für diesen Rechtsakt im Judentum“; vgl. zuvor Groß, Tobit, 36; Ego, Buch, 900.971, u.a.; insbesondere Miller, Marriage, 92-129.

20 | Renate Egger-Wenzel

suggrafh.n bibli,ou sunoikh,sewj). Schließlich findet das Hochzeitsmahl statt (7,14). Die Brautmutter bereitet sodann das Zimmer für die Hochzeitsnacht und tröstet ihre Tochter (V.16-17). Als das Brautpaar im Zimmer allein ist, geht Tobias nach den Anweisungen Asarjas / Rafaels vor und kann so den Dämon unschädlich machen (8,2-3). Danach beten beide (8,4-8) und schlafen schließlich in der Nacht (GI: evkoimh,qhsan th.n nu,kta), deutlicher GII miteinander (evkoimh,qhsan avmfo,teroi th.n nu,kta; 8,9). Ein vierzehntägiges Hochzeitsfest im Kreis der verschiedenen Familien wird in Ekbatana (8,19/20) gefeiert und nach GI rundet ein nur siebentägiges in Nini66 ve (11,19) die Feierlichkeiten ab. Konstitutiv für die Ehe sind nach rabbinischer Tradition 1. die Übergabe von Geld, 2. die Ketuba und 3. die Konsumation der Ehe. Einer, zwei oder drei dieser 67 Akte machen nach der Mischna, (Kidduschin 1.1) eine Eheschließung gültig. Im Buch Tobit ist allerdings von keiner Geldübergabe durch den Bräutigam an die Braut die Rede. Es wird aber erwähnt, dass Tobias bei seiner Abreise die Hälfte von Reguëls Vermögen als Mitgift erhält (8,21; 10,10) und ansonsten das Erbe Saras nach dem Tod des Schwiegervaters an Tobias bzw. an das Ehepaar (GII: u`me,tero,n evstin; 8,21) übergeht (14,13). Mizwot Neben Tobits vorbildlichem Handeln an den Minderbemittelten unter seinen Stammesgenossen, die keine ausreichende Kleidung haben oder hungern, sind weitere Mizwot zu nennen. 68 69 Die Ehrung der Eltern (Tob 4,3f; vgl. 10,13/12) ist eine Kindespflicht , eine 70 Mizwa, und wird in 10,13/12 auf die Schwiegereltern hin erweitert . Hinzu kommt noch das biblische Gebot, Kinder zu zeugen (Gen 1,28), wie dies auch Tobias und Sara empfohlen wird (Tob 10,11). Die Bestattung von Stammesgenossen wird umso wichtiger, wenn es sich um eine ausgesetzte Leiche handelt, wie dies in Ninive an der Tagesordnung zu sein scheint. ||

66 Vgl. Ri 14,10-20 und pTalmud, Ketubot 1.1 (25a). 67 Dies ist eine Festlegung, die ab dem 2. Jh. n.Chr. nachweisbar ist. 68 Die von der Mutter erlebten Gefahren beziehen sich wohl auf die Geburt (vgl. Sir 7,27). Bezogen auf die Eltern siehe Ex 20,12; Dtn 5,16; 27,16; Spr 19,26; 20,20; 28,24; 30,17; Sir 3,1-16 usw. 69 Macatangay, Wisdom, 31, hebt hervor: “Deuteronomistic elements relative to the virtuous life, expressed in parent-child relationship, respect for women, care for the poor and the practice of prayer enjoy more than a passing reference in the story”. 70 Hierzu findet sich kein Beleg im rabbinischen Schrifttum.

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 21

Insbesondere ist die Beerdigung der eigenen Eltern eine herausragende Kindespflicht (4,4; 14,12). – Diese Thematik wird noch weiter unten behandelt, da es sich hierbei um eine Tätigkeit handelt, die kaum im Verborgenen oder im Familienkreis geschehen kann. 71

All die religiösen Pflichten oder Bräuche belegen starke Abgrenzungstendenzen des in der Diaspora lebenden Juden Tobit. Es handelt sich um eine von der Umwelt divergierende Lebensweise, die nötig ist, um die eigene Identität zu wahren. Doch betrifft dies hauptsächlich das Privatleben der Familie, welches nach außen nicht sichtbar wird, sodass es mit der hohen gesellschaftliche Position Tobits (1,13) und der seines Neffen Achikar kollidieren könnte.

2.2.3 Andere Beispiele einer Karriere bei Hofe Eine Karriere am königlichen Hof für Mitglieder sozialer Randgruppen ist uns mit dem Beispiel Josefs vertraut. Er wird von seinen Brüdern als Sklave verkauft, wird Hausverwalter des ägyptischen Hofbeamten Potifar, geht aufgrund von Verleumdung ins Gefängnis und wird wegen seiner Traumdeutergabe aus demselben befreit, steigt zum Reichsverweser des ägyptischen Pharao auf und heiratet Asenat, eine Tochter des Priester von On (Gen 39-41). Auch Nehemia steht in einer hohen Vertrauenspositionen am persischen Hof. Er ist Mundschenk des König Artaxerxes, wird schließlich zum Statthalter in Jehud ernannt und mit Wiederaufbaumaßnahmen betraut (Neh 2; 5,14-19). Auch Esra erhält den Auftrag des Königs, den Tempeldienst in Jerusalem zu reorganisieren (Esra 7). Ein weiteres Beispiel ist Daniel mit den drei Jünglingen Hananja, Mischaël und Asarja. Ihnen wird eine gesonderte Ausbildung am Königshof zuteil (Dan 1,3-7). Als Juden wollen sie ihre Speisegesetze einhalten und sich nur vegetarisch ernähren, was ihnen nach einer Testphase genehmigt wird (Dan 1,8-16; vgl. Tob 1,10f). Nach einer Befragung durch König Nebukadnezzar werden sie aufgrund ihrer Weisheit als Ratgeber des Königs in königlichen Dienst gestellt (Dan 1,18-21).

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71 Siehe eine Auflistung bei Mayer, Lebensnorm, 293-295; somit muss Macatangay, Wisdom, 63, widersprochen werden: “… cultic functions of religion seem to fade into insignificance”.

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3 Formen des Widerstands Welche Möglichkeiten der Reaktion hat das Individuum, wenn es mit den herrschenden politischen Verhältnissen nicht einverstanden ist oder wenn Gewalt zum staatlichen Instrumentarium gegen Minderheiten bzw. besiegte Volksgruppen wird? – Grob gesprochen stehen drei Varianten des Widerstandes – mit fließenden Übergängen – zur Wahl, wenn der ausgeübte Druck nicht mehr erträglich ist: – Eine Lösung ist es, auf Gewalt mit Aufstand zu reagieren, wie es letztlich militärisch gut durchorganisiert die Makkabäer ab 167 v.Chr. auf das sog. 72 „Religionsedikt“ des Seleukiden Antiochus VI. Epiphanes getan haben. Schließlich konnten sie nach über 400 Jahren die Fremdherrschaft abschütteln und wieder als Hasmonäer ein Königtum etablieren. – Eine weitere Möglichkeit ist, gegen staatliche Repressalien kompromisslos zu bleiben und wie der greise Eleasar (2Makk 6,18-31) oder die sieben Söhne samt ihrer Mutter (2Makk 7) – nach rabbinischer Tradition genannt Hanna – als Märtyrer zu enden. – Einen dritten Weg schlägt Tobit ein. Er bleibt im Privatleben ein observanter 73 Jude, der seinen Sohn in den „Geboten Gottes“ unterweist, aber doch zivilen Ungehorsam leistet, indem er die ermordeten Volksgenossen heimlich bestattet (Tob 1,17-19; 2,7-8; 12,12f) und mit der Gefahr leben muss, verraten zu werden. Zudem bedeutet diese Handlungsweise, dass man sich mit den politischen Machthabern bis zu einem gewissen Grad arrangieren muss und daher von den beiden anderen Gruppierungen leicht als Verräter angesehen werden kann, weil man den Weg der kleinen und unspektakulären Schritte wählt. Doch hat Tobit der Verrat durch die eigenen Volksgenossen um seinen relativen Wohlstand gebracht, ihn und seine Familie in Armut gestürzt, ihn selbst zur Flucht gezwungen und letztlich bewirkt, dass er erblindet von seiner Frau Hanna ernährt werden musste. – Der Widerstand der „Schwachen“ ist sozusagen ||

72 Vgl. Mittag, Antiochos, 256-268, bes. 257 (Auswahl aus der Tabelle): „… gegen die Tora gerichtet: Gesetz wird missachtet (1Makk 1,49; 2Makk 5,61), Abschaffung der täglichen Opfer (1Makk 1,45), unreine Opfer (1Makk 1,47; 2Makk 6,5), Beschneidungsverbot (1Makk 1,48), Sabbate und Feste werden entweiht (1Makk 1,45; 2Makk 6,6); fremde Kulte: Errichtung fremder Altäre (1Makk 1,47), Verehrung fremder Götter (1Makk 1,43), Verehrung des Zeus Olympios (2Makk 5,62), Zwangsteilnahme an Dionysien (2Makk 6,7); sonstiges: Tempeldirnen (2Makk 6,4), monatl. Feier des kgl. Geburtstages (2Makk 6,7), Gebot gilt reichsweit (1Makk 1,41)“. 73 Vgl. Tob 4,5: pa,saj ta.j h`me,raj paidi,on kuri,ou tou/ qeou/ h`mw/n (GII nur: tou/ kuri,ou) mnhmo,neue kai. mh. qelh,sh|j a`marta,nein (GII: a`martei/n) kai. parabh/nai ta.j evntola.j auvtou/ …

Abgrenzung, Widerstand und Identität im Buch Tobit | 23

die tägliche Auflehnung, der Widerstand im Alltag und daher weniger spekta74 kulär, weniger dramatisch als die beiden erstgenannten Formen.

3.1 Widerstand setzt der Gewalt Grenzen Tobit setzt Zeichen des Widerstands gegen das vorherrschende politische System für sich selbst, für seine Familie und die Gesellschaft, in der er in Ninive lebt, indem er ausgesetzte Leichen seiner ermordeten Stammesgenossen bestattet. Obwohl er versucht, dies gegenüber der Öffentlichkeit zu verbergen (1,18 GI: e;qaya auvtou.j kle,ptwn pollou.j; GII: e;qaya pollou.j … kai. e;klepton ta. sw,mata 75 auvtw/n kai. e;qapton; 2,7 o[te e;du o` h[lioj), bringt ihn sein ziviler Ungehorsam in Lebensgefahr und bedeutet den Verlust seiner Lebensgrundlage.

76

qa,ptw ta,foj

GI

GII

1,17.18.19; 2,7.8.9; 4,3.4; 6,15; 8,12; 12,12; 14,9.11.12.13 (15x) 4,4.17; 6,15; 8,10.18 (5x)

1,17.18 (2x); 2,4.7.8; 4,3.4; 6,15; 8,12; 12,12; 14,2.8.11.12.13 (16x) 4,4; 6,15; 8,10.11.18 (5x)

Mit der Bestattung von Ermordeten seines Volkes vollzieht Tobit eine Pflicht, 77 die bereits in Dtn 21,22-23 grundgelegt ist. Danach sollen Personen, die hingerichtet worden sind, noch am gleichen Tag begraben werden (~AYB; WNr // x;Wr und pnoh, // pneu/ma) den ganzen Menschen ausmache. Jedenfalls liegt in der biblischen Darstellung, da der „Geist“ direkt von Gott stammt, ein Hinweis auf die Unvergänglichkeit. Dass der Name wegen der Weitergabe an die Kinder und die Kindeskinder erhalten

„Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken!“ | 167

bleibt, ist eine bedeutsame Hoffnung der Bibel; vgl. u.a. Gen 48,16. Die Vorstellung, dass im Namen die diesen tragende Person gegenwärtig ist bzw. bleibt, ist vor allem eine theologische4 Kategorie. Im Ps 72,17 wird diese Erwartung als positive Zukunftshoffnung auf den bzw. die Davididen angewendet. Die Position der Gottesverächter musste von den an JHWH Glaubenden zurückgewiesen werden und man bekommt den Eindruck, dass infolge der Implikationen nicht nur die Gläubigen, sondern auch Gott selbst angegriffen werden soll. (c) Zäh halten die Glaubensgegner an der Behauptung fest, wonach es niemanden gibt, der aus dem Tode zurückkehrte. Daher ist das Ende perspektivenlos, wobei das Argument von 2,5b auf die These in 2,1b zurückgreift, also gleichsam über den Begründungsrahmen der vorangehenden, konkret verstandenen o[ti-Sätze von 2,2a.b hinausgreift. Diese thematische Verquickung zeigt, dass 2,1b-5 eine gerahmte Einheit darstellt und eine geschlossene Argumentationskette bietet: 2,1b: „Keiner ist bekannt geworden, der vor der Unterwelt rettet “ bzw. 2,5b: „Es gibt keine Umkehr unseres Endes, denn versiegelt wurde es und niemand kehrt wieder.“ Die biblische Position in dieser bedeutsamen Frage stellt sich anders dar. Man liest in 1Sam 2,6: „JHWH macht tot und lebendig, er führt zum Totenreich (lAav. / eivj a[|dou) hinab und führt auch herauf,“ denn „Totenreich und Unterwelt (!ADb;a]w: lAav. / a[|dhj kai. avpw,leia) liegen offen vor JHWH“ (Spr 15,11). In jüngerer Zeit wird die Herrschaft über das Totenreich als Kriterium der Macht Gottes angesehen: Gott, der selbst als ewig Lebendiger (o` zw/n eivj tou.j aivw/naj) bezeichnet wird, „führt hinab in die Unterwelt (e[wj a[|dou) unter der Erde und er führt wieder hinauf aus dem großen Verderben (evk th/j avpwlei,aj th/j mega,lhj). Und nichts gibt es, das seiner Hand entfliehen kann“5 (Tob 13,2). Wer so wie die Gottlosen argumentiert, greift nicht nur die Gesprächspartner an, sondern leugnet auch die Wirksamkeit JHWHs.

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4 Bei der Offenbarung des Gottesnamens fasst Ex 3,15 zusammen: „Das ist mein Name für immer (~l'[ol. ymiV.-hz< / o;noma aivw,nion), und so wird man mich nennen in allen Generationen (rDo rdol. yrIk.zI / mnhmo,sunon genew/n geneai/j);“ vgl. auch 2Chr 7,16; 33,4; Ps 102,13; 135,13; Tob 3,11; Sir 51,30. 5 Die kürzere Version zu Tob 13,2 lautet: „Er führt hinab in die Unterwelt und führt wieder hinauf. Und keinen gibt es, der seiner Hand entfliehen kann;“ zur Thematik vgl. weiters Hos 13,14; Ps 9,14; 49,14.

168 | Friedrich V. Reiterer

3.3 Beobachtungen und Anmerkungen zu 2,6-9 Als Schlussfolgerung aus dem aus der Sicht der Gottesleugner perspektivenlosen Leben folgt ein Aufruf, enthemmt die Güter des Lebens zu genießen, wie es junge Menschen bzw. „Junggebliebene“ tun können: Die Gottlosen wechseln also von den Spekulationen zur Praxis. Beachtenswert ist der Hinweis, dass man Anspruch (klh/roj) erheben kann, so hemmungslos leben zu können. Man kann versucht sein, hier eine so leicht hingeworfene Phrase zu sehen. Dem steht entgegen, dass klh/roj einen Rechtsanspruch6 beinhaltet. Im normalen Sprachgebrauch handelt es sich um jenen Anteil, den jemand vom König bzw. seinem Repräsentanten aufgrund von zufrieden stellendem Dienst beim Heer oder in der Verwaltung zugewiesen erhält. Als Gegenleistung hat man dem König zur Verfügung zu stehen. Von hier aus gesehen ist es verständlich, dass dem Stichwort klh/roj einerseits der Anspruch aufgrund erbrachter Leistungen und andererseits das Schicksal, das einem zufällt, inhäriert. Wer daran Zweifel äußert, bedroht die politische wie die gesellschaftliche Grundordnung, die doch – wie schon aus dem stürmischen Siegeslauf Alexanders zu ersehen – erfolgreich ist und den Erfolg garantiert. – Auf der Basis dieser Argumentation wird die Lebensweise der Gottlosen zu einer Gegebenheit, deren Berechtigung man nicht anzweifeln kann ohne selbst rechtlich angreifbar zu werden.

3.4 Beobachtungen und Anmerkungen zu 2,10-12 Der Abschnitt wird von einigen Stichworten dominiert, nämlich di,kaioj in 2,10a und 2,12a, sodass damit eine Klammer gebildet wird, bzw. dikaiosu,nh (2,11), no,moj (2,11.12) und zweimal a`ma,rthma in 2,12. Auf den ersten Blick erscheinen die Vorsätze zum Missbrauch, wozu sich die Gottlosen entschließen, unerwartet, unmotiviert und unpassend. Erst wenn man den subtilen, sich steigernden Gegenüberstellungen in 1,16-2,9 gefolgt ist, wird die Angriffslust einleuchtend. Die aggressiven Vorsätze der Gottlosen setzen voraus, dass die an JHWH Glaubenden als missliebiger Kontrapart erfahren werden. ||

6 Richtig ist es wenn in der LXX klh/roj neben dem rechtlich zustehenden „Erbe“ (hl'x]n: / klh/roj) den Besitz (tv,r,l' / klh/roj; Num 33,53) bezeichnet, dem eine freiwillige Übergabe als Geschenk vorausgeht, dem ein Losentscheid zugrundeliegen kann (lr'AG / klh/roj); Num 26,55; Spr 1,14; 18,18.

„Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken!“ | 169

Die Gotteslästerer nehmen offensichtlich an den Schwachen in der Gesellschaft als Schwache Anstoß. Sie nehmen sich vor, die wehrlosesten Personengruppen zu bedrängen und zu verfolgen, nämlich den armen Gerechten, die Witwe und den alten Menschen. Diese Aufzählung zeigt, dass der Gerechte, sprich der Glaubende, zu den – unter dem Gesichtspunkt der sozialen Position – niederen Schichten der damaligen Gesellschaft gehört. Zudem ergibt sich schlussfolgernd, dass die Gottlosen die führende, einflussreiche und auch reiche Schicht bilden. Was machen nun die „kleinen Leute“, die di,kaioi? An sich brauchen die gar nichts zu tun, sondern nur zu existieren und stellen damit einen aufreizenden Gegensatz dar, den die Machtträger nicht akzeptieren. Aber offensichtlich blieb es nicht bei der alternativen Existenz. Es muss zu weiteren Kontakten gekommen sein. Denn die Gläubigen, die Gerechten, lehnen die Werke (e;rga; 2,12) des Gegenübers ab und stellen sich dagegen, was sich bei fehlender weiterer Präzisierung nur auf jene beziehen kann, die in 2,6-9 als enthemmte Lebemänner beschrieben werden. Neben der Ablehnung, bei dem ausgelassenen Treiben mitzumachen, argumentiert der Gerechte darüber hinaus gegen die Gottlosen:

ovneidi,zei h`mi/n a`marth,mata no,mou evpifhmi,zei h`mi/n a`marth,mata paidei,aj h`mw/n (2,12).

Der Gerechte hält den Gegnern vor, sie haben sich Verfehlungen gegen no,moj und paidei,a zu Schulden kommen lassen. Das ist ein Schuss ins Schwarze, denn genau diese zwei Schlagwörter benennen in der hellenistischen Welt zentrale Elemente der griechischen Identität. Für die Gottlosen ist jetzt offenkundig, dass sich der Gerechte nicht nur als aufsässig erweist, sondern sie zudem im Zentrum ihres Selbstverständnisses angreift. Er ist nun auch gefährlich. Dem setzen die Kontrahenten ihre Trümpfe entgegen: „Unsere Macht (h`mw/n h` ivscu,j) sei (e;stw) das Gesetz der Gerechtigkeit (no,moj th/j dikaiosu,nhj)! Das Schwache (avsqene,j) nämlich erweist sich (evle,gcetai) als unnütz (a;crhston)“ (2,11). Die Gottlosen bestimmen mit ihrer Macht, was Norm für die Gerechtigkeit ist. Gerecht ist, was der Machtträger festlegt! – Viel schärfer kann man diese Identitätskriterien nicht gegen den biblischen Vorstellungbereich stellen. Für den Gläubigen gibt es jedoch keine Rechtsinstanz ausgenommen JHWH. Sein Gesetz dient dem Wohl der Menschen und sein Gesetz ist unveränderbar und wirkt für immer. Freudig bekennen die Gläubigen, dass Gott „Jakob sein Wort, Israel seine Gesetze und Rechte verkündet“ (Ps 147,19). Im Buch der Offenbarung stehen die „Gebote Gottes (prostagma,ta tou/ qeou/), das Gesetz (o` no,moj), das ewig besteht. Alle, die an ihm festhalten, finden das Leben; doch alle, die es verlassen, verfallen dem Tod“ (Bar 4,1). Israel kann sich, ohne einen Bruch mit

170 | Friedrich V. Reiterer Gott vorzunehmen, nicht von dessen Gesetz trennen. Genauso wenig kann es akzeptieren, dass die Menschen willkürlich Gesetze festlegen. – Diese grundlegenden Herkunfts- und Machtfragen haben die Diskussion unmerklich, aber fundamental auf die religiöse bzw. theologische Ebene verlagert.

3.5 Beobachtungen und Anmerkungen zu 2,13-20 Neben di,kaioj (2,16.18) sind es vor allem theologische Stichworte, welche diese Einheit prägen, nämlich gnw/sij … qeou/ (2,13), pai/j kuri,ou (2,13), ui`o,j qeou/ (2,18) und qeo,j path,r (2,16). In diesen Formulierungen zeigt sich ein besonders nahes Verhältnis zwischen Gott und dem Gläubigen. Die Gottlosen reizt es, dass sich der Gläubige als Kind bzw. Sohn Gottes bezeichnet. Dass Israel bzw. die Anhänger JHWHs von ihm als „Kind / Sohn“ bezeichnet werden, ist belegbar (vgl. Hos 11,1; als „erstgeborener Sohn“ Ex 4,22), doch gehört dieses Theologumenon nicht zu den großen Themen, wie es hier den Anschein hat. Diese Materie ist für die Kritiker ein größeres Anliegen als für die Gläubigen. Im Wissen um die eigene Machtfülle nehmen sich die Gottlosen vor, zu überprüfen, wieweit der Gerechte unter dem Schutz Gottes steht. – Von der biblischen Tradition her gesehen, zählt ein Bekenntnis wie „du hast uns vor unsern Bedrängern gerettet” (Ps 44,8) zum Grundbestand der Vertrauensäußerungen über Gott und auch zum regelmäßigen Gebet; vgl. u.a. Ps 22,5; 86,17; Jes 38,17. Unter diesem Gesichtspunkt stellen die Gegner ein zentrales Element des gläubigen Selbstverständnisses in Frage. Die machbewussten Kontrahenten gehen nun brutal und grausam gegen den Gerechten vor. Zu guter Letzt verurteilen sie ihn ohne Grund, geradezu aus Jux und Tollerei und nur zum Zwecke des Testes, ob Gott eingreifen würde, zum Tode. So wie die Gegner beschrieben werden, wird wieder deutlich, dass sie entscheidungsbefugte Rechtsträger sind, also führende Mitglieder der Gesellschaft. Der Unrechtsmechanismus ist ganz oben angekommen und es scheint keine Instanz zu geben, die dem unschuldig und anlasslos Verfolgten beisteht.

3.6 Beobachtungen und Anmerkungen zu 2,21-24 Ruhig und gelassen hält der Autor den Bedrohungen entgegen, dass die Feinde nicht erfolgreich sein werden, weil sie selbst verblendet sind und daher die geheime Führung Gottes nicht verstehen. Dieser wird nämlich dem treu gebliebenen Gläubigen sowohl einen Lohn (misqo,n) als auch ein Ehrengeschenk

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(ge,raj) zukommen lassen. Nun staunt man über die Wortwahl. Ein Lohn (misqo,j) Gottes ist hin und wieder auch im übrigen Alten Testament erwähnt (vgl. z.B. Gen 15,1; 2Chr 15,7; Spr 11,18), daher kann man davon nicht das Spezifische ableiten. Aber ge,raj7 ist ein typisch griechisches Ideal; vgl. unten 4.3.1: Ruhm, Ehre und Siegeskränze – dafür haben die Priester nach 1Makk ihren Dienst vernachlässigt. – Gleichzeitig nimmt die Feststellung, dass der Tod durch den Neid des Verwirrers (fqo,nw| … diabo,lou) in die Welt gekommen sei8, einen Teil der Verantwortung von den Schultern der Gottesleugner und bietet zugleich eine Antwort auf die Herkunft des Bösen.

3.7 Rückblick Einzelne markante Worte deuten auf den typisch griechisch-hellenistischen sprachlichen Kontext, den auch der Autor des Weisheitsbuches ganz selbstverständlich als seinen eigenen verwendet. Doch nicht nur die Terminologie, sondern auch die Verhaltensweisen und die Argumente bzw. die Angriffe atmen eine soziokulturelle Umgebung, die sich von jener, der wir im Alten Testament begegnen, unterscheidet. Der Autor spricht immer von einem „wir“, wenn er die Gegner zitiert. Die Gegenseite erscheint als eine geschlossene und kompakte Einheit. Das weist darauf hin, dass die Kontrahenten zur Gruppe der vollrechtsfähigen Männer, der „Institution“ der a;ndrej,9 gehören. Als Mitglieder dieser Gesellschaftsschicht haben sie entscheidenden politischen Einfluss. Sie haben das Ausbildungssystem genossen, das in der griechisch-hellenistischen Umgebung üblich war. Die Gegner fühlen sich vom Argument, sie vergehen sich gegen das Gesetz (a`marth,mata no,mou) und gegen die eigene Bildung (a`marth,mata paidei,aj), be||

7 Jenes Substantiv ist im klassischen Griechisch gut belegt (Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, 170: Ehrengabe, Ehrengeschenk, Auszeichnung, Ehrenamt, Ehre, Würde, Vorrecht“), wogegen die wenigen Belege in der LXX (Num 18,8; Est 3,13[3]) keine neuen Aspekte beibringen. In Num 18,8 ist die Interpretation schwierig, weil das hebräische Hapaxlegomenen hx'v.m' mit eivj ge,raj gedeutet wird: „Der Herr sagte zu Aaron: Ich selbst übergebe dir jetzt die Verwaltung der Abgaben, die mir entrichtet werden. Von allen heiligen Gaben der Israeliten gebe ich sie dir als Vorrecht / Ehrenanteil (hx'v.m'l. / eivj ge,raj) und deinen Söhnen als ein dauerndes Anrecht (~l'A[-qx'l.).“ Das sind Begründungen dafür, warum in der Spätzeit, als der Tempel große Besitztümer hatte, die Priester berechtigt sind, darüber zu verfügen. – Est 3,13[3] wird die Ehrenstellung des Haman als Zweiter nach dem König folgend formuliert: kai. deu,teron tw/n basileiw/n ge,raj. 8 Vgl. Nordheim-Diehl, Neid, 445-446. 9 Zu dieser Institution vgl. Schmitt, Ephebe, 157.

172 | Friedrich V. Reiterer sonders beleidigt. Da sie sich derart aufregen, bestätigen sie damit unbeabsichtigt, dass sie die Ausbildung tatsächlich durchlaufen haben. Das war im hellenistischen Gebiet, vor allem in Alexandria eine Selbstverständlichkeit. Das Gymnasion, das in jeder größeren Ortschaft bestand, bildete die soziologische Klammer innerhalb der Griechen. „Vor allem wirkt der Sammelplatz aller Griechen [verbindend], wo nur der Grieche dem Griechen begegnet, das Gymnasion, das zugleich nichts anderes als den Griechen vom Ägypter unterscheidet, denn der Ägypter lehnt ebenso das geistige wie das körperliche Ziel hellenischer Erziehung ab. Wo nur Griechen zusammenfinden, sei es im Dorfe mitten unter Ägyptern, bilden sie ein Gymnasion, und wo ein Gymnasion begegnet, gibt es auch Griechen. … Mitten unter den Fremden, den Orientalen, bindet das Gymnasion alle Griechen zusammen und kennt nicht Athener, nicht Spartiaten, sondern nur noch Hellenen. … In ägyptischer Umgebung wird es gefährlich, ein Grieche zu sein. Umso mehr aber schließen sich alle zusammen, die zum Herrenvolk gehören, denn für die alten Sonderungen wird die Zeit zu bedrohlich, und selbst der hochfahrende Makedonier beginnt sich zum gemeinsamen Hellenennamen zu bekehren.“10 Obgleich die Römer in Alexandria, dem Entstehungsort des Buches der Weisheit, die Oberherrschaft inne hatten, standen die Gymnasien zur Zeit der Entstehung dieser Schrift in Blüte, wie u.a. auch durch Philo belegt wird, einem philosophisch geschulten Manne wie Josephus Flavius (Ant. Jud. XVIII,8,1) schreibt. Philo selbst leitete 40/39 v.Chr. eine diplomatische Mission zu Kaiser Caligula nach Rom und dessen Brüder hatten bedeutende politische Positionen inne.11 – In den Disputationen im Gymnasion und in der Ephebie haben sie sich mit dem Gesetz und mit den Schriften der bedeutsamen Autoren wie Plato auseinandergesetzt. Das Gleiche gilt wohl auch für die religiösen Inhalte, die allerdings schon im Basisbuch der griechisch-hellenistischen Bildung, der Ilias, grundgelegt sind.

4 Geistesgeschichtliche Zusammenhänge In keinem anderen alttestamentlichen Text wird die Einstellung von Gegnern so wie in Weish 2,1b-20 beschrieben. Man findet Klagen über Rechtsmissbrauch ||

10 Schubart, Griechen, 19-20. 11 Tiberius Iulius Alexander, ein Bruder des Philo, war Alabarch, ein Posten für das Eintreiben von Steuern. Dieser hatte nach Josephus Flavius (Ant. Jud. XVIII,8,1; XIX,5,1) gute Beziehungen zu Agrippa I. und zum Kaiser Claudius. Ein anderer Bruder, Iulius Lysimachus, war Ratgeber von Caecina Tuscus, dem Präfekten von Ägypten.

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und Rechtsverletzung, Klagen auch über die Beugung und Uminterpretation des Rechts,12 aber nirgends wird so selbstverständlich die Verfügungsgewalt über die Rechtsnormen und die sanktionslose Durchsetzung dargestellt. Dies ändert sich allerdings, wenn man den hellenistisch-griechischen und den römischen Kontext durchsucht. Daher fragen wir danach, wie sich die aufgeworfenen Themen von außen, d.h. von der griechischen wie römischen Seite her, darstellten.

4.1 Pejorative Einstellung zum Leben Der erste Hinweis findet sich in der Beschreibung der fast nihilistischen Anfragen an den Sinn des Lebens, wie sie in 2,1b-9 vorliegen. Die Klage über die Kurzlebigkeit findet sich auch öfter im Alten Testament, ist wesentlich begründet in der im Zweistromland geprägten Schöpfungsvorstellung, die dem Menschen keine guten Perspektiven zubilligt; vgl. Enuma Elisch (die Entstehung des Menschen aus Erde und dem Blut des Kriegsgottes Kingsu, sodass Kampf und Vernichtung wesentlich dem Menschen eigen sind) wie auch die verschiedenen Zeugnisse des „babylonischen Hiob.“ Aber einzelne Themen und Formulierungen finden sich vor allem zeitnah bei einigen philosophisch geprägten Autoren. Stellvertretend für die hier vertretene Lebenseinstellung sei Lukrez (ca. 97-55 v.Chr.) angeführt, ein epikureisch ausgerichteter Analytiker, der als Vierundvierzigjähriger Selbstmord begangen hat. Er schreibt in der ersten Hälfte des letzten vorchristlichen Jahrhunderts: „Bei ihren Gelagen machen es manche Menschen oft auch so: Wenn sie den Becher halten, das Haupt umhüllt mit Kränzen, sprechen sie seufzend: ‚Dies ist der kurze Genuss für das Menschlein! Bald ist dieser auch hin, und nimmer kehrt er zurück‘“ (3,912-915)13; vgl. neben vielen Schriften des 1. Jahrhunderts v.Chr. z.B. Horaz (65-8 v.Chr.), Oden 1,36,15; 2,3,13.

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12 Vgl. die Auflistung bei Kolarcik, Ambiguity, 124-130. 13 Hoc etiam faciunt ubi discubuere tenentque pocula saepe homines et inumbrant ora coronis, ex animo ut dicant: ‚brevis hic est fructus homullis; iam fuerit neque post umquam revocare licebit‘.

174 | Friedrich V. Reiterer

4.2 Einstellung zur Macht Wichtiger als das ausgelassene Treiben ist jedoch die Einstellung der Gottesleugner einerseits zum Machtbewusstsein wie andererseits zur Handhabung der Machtinstrumentarien. Deutlich sagen sie, dass sie unumschränkte Macht haben, Verfolgung und Folter anzuwenden und zuletzt ein Todesurteil zu sprechen. Um dies zu verstehen, werfen wir einen Blick in die Machtvorstellungswelt der Griechen und erheben deren Wurzeln, deren innere Triebkräfte bzw. deren Entwicklung. Wie schon gezeigt, impliziert der Vorwurf, die Gottlosen vergehen sich gegen deren eigene Erziehung, dass sie Regeln der eigenen, vor allem im Gymnasion erworbenen Grundprinzipien brechen. „Die Polis verlor ihre normative Kraft, der E[rziehung] wuchs die Aufgabe zu, Griechen, wo immer sie siedelten, jene … paideía zu vermitteln, durch die sie sich als ‚Hellenen’ definierten. Dabei wurde E[rziehung] als Formung des unfertigen Kindes zur gesellschaftsfähigen Person verstanden. Charakteristisch ist die Dominanz des lit[erarischen] E[rziehungs]-Elements. Es setzte die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nunmehr zwingend voraus … (und) bestand in der … sowohl auf geistige als auch ethische E[rziehung] zielende … Beschäftigung mit lit[erarischen] Texten: Homer (bes. die Ilias) (und noch viele andere)“14 Und jene Kinder, die in der Grundschule schreiben lernten, prägten sich mit dem Übungssatz gnw/sij ~Omh,rou paidei,a evsti,n schon den Namen Homer ein und verbanden mit ihm Bildung. Nun bewegt sich Homer in der Welt des Mythos und es fragt sich, welche praktische Wirkungen der Mythos für den Hellenismus gehabt hat. Hier tritt eine weitere zentrale, sicher historische Persönlichkeit in das Blickfeld, weil sie zur Idealgestalt des Hellenismus avancierte, Alexander. Nun zeigt sich „immer aufs neue, daß die Welt Homers für Alexander nicht alleine eine poetische in unserem Sinne ist. Ihre Gestalten sind ihm nicht Vorbilder nur der Tugenden, denen er nachzueifern versucht, sondern auch und vor allem die Handelnden in dem ersten Stück der Geschichte, die als Erbe Philipps er jetzt weiterzuführen hatte.“15 Alexander macht sich also auf den Weg, die in der Ilias grundgelegten Werte und Ideale zu erden und in konkrete Taten umzusetzen. So hat er es bei den normativen Grundsätzen der Ilias gelernt, dass man immer bestrebt sei, der Beste und allen in seiner Umgebung überlegen zu sein (aive.n avristeu,ein kai. u`pei,rocon e;mmenai a;llwn [Il. 6,208; 11,784]), so den Vorfahren, welche dieses Ideal erfüllt hatten, zu entsprechen, ja darüber hinaus zu versuchen, diese auch ||

14 Christes, Bildung, 112. 15 Instinsky, Alexander, 28.

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noch zu übertreffen (mhde. ge,noj pate,rwn aivscune,men, oi] me,g’ a;ristoi; [Il. 6,209]). Das Streben, der (zumindest relativ) Erste zu sein, wird daher zu einer der wichtigsten Lebenseinstellungen. Besonders ist auf die Dauerhaftigkeit dieser Überlegenheit (u`pei,rocon e;mmenai a;llwn) hinzuweisen, worin sich mehrere Konsequenzen verbergen: Es kann keine Schwächephase geben und man hat sich einerseits immer zu bewähren, andererseits zeigt man darin einen Anspruch auf höhere Positionen. Nicht zu verwundern ist die Folge, dass der Beste und Stärkste geradezu ein natürliches Anrecht hat, die Führungsrolle zu übernehmen. Es gibt auch andere Begründungswege für eine unumschränkte Machtposition. Diese wird nun anhand einer Begebenheit auf dem Zuge Alexanders nach Indien erläutert. Bekanntlich war Alexander weitgehend unberechenbar und so geschah es, dass er einmal für längere Zeit nicht greifbar war. Da nun berichtet Arrian, dass einige von Alexander eingesetzte Befehlshaber, „ta.j cw,raj o[sai dori,kthtoi pro.j VAle,xandron evge,nonto (Arrian VII,4,2), also die speererworbenen Länder Alexanders nach eigenem Gutdünken auszubeuten begannen. Sie machten sich über die Untertanen, Heiligtümer und Gräber her. Nicht zu verwechseln ist dieses An-sich-Reißen der Macht mit einem Usurpator, also jemanden, der zu Unrecht die Macht ausübt, denn nach der hier beschriebenen Dynamik steht dem relativ Führenden das Recht zu, über die ihm Nachgeordneten nach dem oben genannten Prinzip zu verfügen. Das Verwerfliche an diesen Übergriffen besteht darin, „dass sie sich … anmaßen, … in die Sphäre dessen (einzugreifen), dem die ihnen anvertrauten Gebiete als ‚speererworbene’ gehören und der der alleinige Herr über sie ist. Diese Gebiete werden … nicht zufällig ausdrücklich als ‚speererworbene’ bezeichnet, denn daraus ... ergibt sich die besondere Art und Schwere der Übergriffe. Alexander hält daher scharfes Gericht und bestätigt darin die Haltung, die er schon bei der ersten Besitzergreifung asiatischen Landes durch den Speerwurf dokumentiert hatte.“16 Das Stichwort „speererworben“ erscheint als Chiffre für einen unumschränkten Anspruch und es ist an der Zeit, einschlägige Stellen zu behandeln.

4.3 Wem steht die Macht zu? Markant und prägend ist in der Auseinandersetzung die Frage nach der Macht. Daher suchen wir nach einschlägigen Quellen. Diese lassen uns erkennen, ob

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16 Instinsky, Alexander, 35.

176 | Friedrich V. Reiterer und wieweit die Position der Gottesleugner in ein traditionelles bzw. in welches traditionelle Bild passt.

4.3.1 Machtanspruch nach der Ilias Schon bei Homer, dem bedeutendsten Werk in der Ausbildung, gilt, dass all das, was mit Macht und vor allem militärischer Stärke gewonnen worden ist, unumschränktes Eigentum des Siegers ist. Die verschiedenen mit „Speer“ gebildeten Worte wie dori,kthtoj belegen das. Unter diese Kategorie der absoluten Verfügbarkeit fallen Gegenstände, vor allem Land, jeglicher materielle Besitz und Menschen, vor allem Frauen. Die scharfe Auseinandersetzung zwischen Achill und Agamemnon um Briseis, die als Ehrenpreis (ge,raj) anzusehen ist, setzt die Idee der speererworbenen Verfügungsgewalt voraus, obwohl das Wort nur selten vorkommt. Weil Agamemnon auf Druck der Götter seine Kriegsbeute, die Tochter des Priesters Chryses, die er sogar der eigenen, außergewöhnlichen Gattin Klytaimnestra vorgezogen hatte (Il. I,113-115), zurückgeben musste, bestand er auf einem anderen Ehrengeschenk (ge,raj; Il. I,133-139) als Ersatz. Als oberster und mächtigster Heeresführer, dem nach dem bisher besprochenen Prinzip keiner widersprechen kann, entscheidet er sich, die außergewöhnlich schöne Briseis, die Achills Kriegsbeute ist, zu holen. Dass er diesen öffentlichen „Diebstahl“ rechtens durchführen kann, hängt mit seiner Position als leitender König gegenüber den anderen Königen im Heer zusammen, doch ist die Begründung vielsagend, dass man nämlich an seiner Handlung erkennen könne, o[son fe,rtero,j eivmi se,qen („Wieviel besser ich bin als du“ Il. I,186). Unumschränkte Macht ist also auch ein Beleg für besondere Qualität! Da Agamemnon tatsächlich die Briseis holen lässt (Il. I,323-326.334-348), ist Achill nicht mehr bereit, für die Archaier zu kämpfen (Il. I,341-345), obgleich er weiß, dass seine Enthaltung das Todesurteil vieler Landsleute sein werde. Hier prallen zwei Prinzipien aufeinander: (a) Das oben behandelte Prinzip der absoluten Machtausübung des Heerführers und (b) das Prinzip der absoluten Verfügungsmöglichkeit dessen, der eine Beute gemacht hat, über eben diese Beute. – Die verlustreichen Angriffe der Archaier und die vielen Todesopfer, die nach dem Rückzug des Achill zu beklagen waren, veranlassen Agamemnon, auf seine politische Macht zu verzichten, um durch die Rückgabe der kriegserbeuteten, sprich speererbeuteten (Il. IX,343), Briseis Achill wieder in seine Machtstellung einzusetzen, wie es Odysseus wortgewandt vermittelte (Il. IX,225-306). Daraus ergibt sich, dass es innerhalb der Machtansprüche zu differenzieren gilt: Derjenige, der jeweils eine übergeordnete Position hat, der kann diese in Anspruch

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nehmen. Die gesellschaftlich niederer gestellten Personen können die Befugnisse gegenüber den jeweils Nachgeordneten wieder einfordern. Odysseus hatte bei den Verhandlungen Achill unterstellt, dass es vor allem um Briseis als Frau ginge. Daher werden ihm sieben Frauen mit vielen Besitztümern angeboten. Mit dieser Interpretation hatte aber Odysseus offensichtlich Achill missverstanden, denn diesem ging es erstens um seine Ehre bzw. Ehrenstellung (ge,raj; Il. IX,345) und zweitens um das Anrecht auf eine „Speererworbene.“ 17 Dass die untergeordnete Sklavenstellung einer speererworbenen Frau nicht ausschließt, dass es eine echte Liebesbindung zwischen dem erobernden Mann und der erbeuteten Frau gibt, belegen Achill und Briseis. Achill hebt nachdrücklich hervor, dass er sie liebe, obwohl sie „Speer erworben ist“ (w`j kai. egw. th.n evk qumou/ fi,leon dourikthth,n per18 evou/san; Il. IX,342-343).

4.3.2 Die makedonische Wende Die die hellenistische Periode am nachdrücklichsten prägende Gestalt ist Alexander. Sein Beispiel beeinflusst die Einstellung für Jahrhunderte. 19 Warum ist gerade der 21-jährige Alexander in der Lage, diesen undiskutierten Machtanspruch über Menschen, Waren und Land zu erheben? „Im Hinblick auf Alexanders Verhalten hat man aber vor allem mit Recht schon auf die Art hingewiesen, in der König Philipp von Makedonien mit seinen Eroberungen verfahren ist, über die er wie über eigenen Besitz verfügt hat. … Der makedonische Brauch fügt sich … ganz in das Bild, das die griechische Welt allenthalben in dieser Hinsicht bietet.“20 Wenn nun Alexander seinem Bildungsideal, das er bei Homer kennengelernt hat, nacheifert bzw. dieses übertreffen möchte, dann ist die Art seines Auftretens schon Motivation genug.

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17 Weitere Beispiele für das Ergehen und die rechtliche Schlechtstellung als speererworben finden sich z.B. bei Euripides, Troerinnen 518.574; Hekabe 102f.478; Andromache 155; Sophokles, Aias, 894; Thukydides I 128,7; Herdodot 74,2; Xenophon, Hellenica V,2,5. 18 Der enklitische Partikel per dient zu Hervorhebung einzelner Worte, so Gemoll, Schul- und Handwörterbuch, 591 19 Hinsichtlich der Frage nach der Historizität der Angaben ist die Bewertung der literarischen Zeugnisse schwierig, da die echten historischen Aufzeichnungen gemixt werden mit den Alexander im Laufe der Weitergabe zugeschriebenen Werten und Verhaltensformen bzw. auf ihn projizierten Persönlichkeitsbilder, sodass man auf ein Sammelbecken ursprünglicher Daten und späterer Interpretationen trifft. 20 Instinsky, Alexander, 33.

178 | Friedrich V. Reiterer Neben dieser Treibfeder geht es aber vor allem um die Realisation. Nach den Historiographien hat sich Alexander bewusst an alten Vorbildern ausgerichtet. So festigt er seine Macht. Lehrreich sind die zeichenhaften Vorgänge anlässlich des Übergangs vom Stammland zum vorderasiatischen Kontinent. Schon zwei Menschenalter vor Alexander und vor seinem ersten Nachahmer Philipp II. hatte der Feldherr der Spartaner Pausanias21 einen Feldzug gegen die Perser organisiert. Pausanias berief sich auf den Krieg gegen Troja und bezeichnet sich als Führer aller Hellenen, weshalb er als wichtige Gestalt zur Ausprägung der Vorstellung des Panhellenismus anzusehen ist: Wer eine solche Gruppe anführt, ist der Kopf aller anderen, dem auch andere führende Fürsten usw. nachgeordnet sind. Die von Philipp übernommene Konzeption wird von Alexander weiter gepflegt. Wie kann man belegen, dass die militärische Überquerung des Hellesponts tatsächlich ein Zeichen und nicht nur eine militärische Notwendigkeit ist? Das ergibt sich aus der Darstellung der Überquerung des Hellesponts, wie sie in den Berichten v.a. Herodots, Diodors und Arrians, von denen die beiden letzten näher beleuchtet werden.

4.3.3 Die Überquerung des Hellespont nach Diodor Der griechische Geschichtsschreiber Diodor aus dem im 1. Jahrhundert v.Chr. schildert symbolträchtig und mit religiösen Implikationen die Landung der Hellenen auf dem Weg zum Krieg mit den Persern: „Alexander rückte mit seiner Streitmacht an den Hellespont und führte die Streitmacht von Europa nach Asien (evk th/j Euvrw,phj eivj th.n VAsi,an). Er selbst segelte mit sechzig großen Kriegsschiffen ins Gebiet Trojas, wo er als erster der Mazedonier (prw/toj tw/n Makedo,nwn) vom Schiff aus seinen Speer warf (avpo. th/j new.j hvko,ntisen me.n to. do,ru), um ihn in die Erde zu rammen (ph,xaj de. eivj th/n gh/n). Dann sprang er vom Schiff (kai. auvto.j apo. th/j new.j avfallo,menoj). Damit wird von den Göttern angezeigt (para. tw/n qew/n avpefai,neto), dass er Asien als Speererworbenes erhält (th/n VAsi,an de,cesqai dori,kthton)“ (Diod. 17,17,1-2). Bei der Überfuhr verbot Alexander allen seinen Soldaten, vor ihm vom Schiff zu gehen. Am Ufer angekommen, schleudert er symbolträchtig seinen Speer ans Festland und zeigt damit, dass dieses Land, das er jetzt betreten wird, ein „speererworbenes“ Land ist, d.h. ihm zusteht und vollständig untergeordnet ||

21 Pausanias stammt aus dem spartanischen Königshauses der Agiaden. 479 v.Chr. führte er als der Heerführer der Spartaner und Oberbefehlshaber die verbündeten Griechen bei der Schlacht von Plataiai zu einem Sieg, der erste Schritt, um die Perser zurückzudrängen.

„Wir wollen den armen Gerechten unterdrücken!“ | 179

ist. Folgen davon sind z.B., dass Alexander, der ja Asien von den Göttern geschenkt bekommen hat, der absolute Herr des ihm jetzt unterstehenden Landes ist, das bisher „fälschlicherweise“ der Perserkönig Darius III. besaß.22 Nun kann er als der rechtmäßige Großkönig auftreten. Dieser Anspruch auf dem Fundament der alten Traditionen wird aktualisiert und mit dem Stichwort dotri,kthtoj zusammengefasst. Demnach sind zwei Akzente hervorzuheben: (a) Gemäß der tradierten Logik der Macht zeigt Alexander, dass er Asien unter seine Macht nimmt. Ihm steht diese Herrschaft auch zu. (b) Zusätzlich wird jedoch herausgestellt, dass der Machtanspruch nicht nur auf den alten Traditionen und Vorstellungen basiert, sondern ein Zeichen der Götter ist und Alexander Asien ohne räumliche oder zeitliche Einschränkungen als göttliches Geschenk erhält. Wer in diese Besitzverhältnisse eingreift, versucht demzufolge den Götterentscheid zu unterlaufen.

4.3.4 Die Überquerung des Hellespont nach Arrian Arrian (ca. 85-146 n. Chr.) ein griechisch sprachiger, römischer Politiker und Geschichtsschreiber, schildert die Überquerung des Hellesponts mit anderen Implikationen. Nach ihm überquerte Alexander nach einem Opfer im Heiligtum des Protesilaos den Hellespont. Wer war Protesilaos? Nach der Beschreibung des Arrian war er derjenige, der einst auf dem Zug nach Troja als Erster der Griechen vom Schiff gesprungen ist und asiatischen Boden betreten hat, obwohl vorhergesagt worden war, dass der Erste sofort im Kampf fallen werde. Alle griechischen Heerführer und selbst Achill hatten sich aufgrund der Vorhersage geweigert, als Erster vom Schiff zu springen und sich so dem möglichen bzw. faktischen Tod auszuliefern. Protesilaos wurde von Äneas, nach Sophokles von Hektor – es gibt auch noch andere Versionen – getötet. Dieser heldenmütige Einsatz des Lebens durch Protesilaos führte dazu, dass er in den Bereich der Götter aufgenommen worden war und dann in einem ihm gewidmeten Heiligtum verehrt wurde. Dass es sich um ein besonders wichtiges Heiligtum handelt, zeigt sich an dem Aufschrei der Griechen, als die Perser im Jahr 480 v. Chr. dieses Heiligtum eingenommen und den Tempelschatz beschlagnahmt hatten. Das wurde von den Griechen als eine empörende Schändung eines der zentralen Heiligtümer bewertet und führte zu einer schwer wiegenden Verletzung griechischen Selbstbewusstseins. Alexander tritt auch in diesem Heiligtum auf, überquert direkt nach dem Opfer von hier aus den Hellespont und springt (das Verb ||

22 Vgl. den Beleg unten bei Reiterer, Religion, Punkt 3.2 in diesem Band.

180 | Friedrich V. Reiterer

ekbh/nai wird auch beim Sprung des Protesilaos verwendet; Arrian I,11,5) als Erster auf der anderen Seite vom Schiff. Damit zeigt Alexander zeichenhaft, dass er selbst Achill übertrifft und in die Fußstapfen des großen, als Gott verehrten Protesilaos getreten ist. Zum Zeichen der Anerkennung der Götter bringt Alexander nach der Landung Opfer dar für Zeus, Athene und Herakles, ein ebenso wie Protesilaos aufgrund seiner Heldentaten in die Götterwelt aufgenommener Mensch und zugleich Vorfahre väterlicherseits des Alexanders. Dass sich Alexander schon auf dem Weg der göttlichen Gleichwertigkeit wie Protesilaos oder Herakles sieht, belegt folgende Zeichenhandlung: Er stellte zu den traditionellen zwölf Göttern Athens seine eigene Büste als dreizehnte. Alexander ist bemüht, Zeichen für die Anerkennung der Götter zu setzen. Er braucht deren Wohlwollen, wenn er das große, zeichenhaft unterstrichene Ziel erreichen will, selbst wie die Vorfahren bzw. Protesilaos oder Herakles zu sein und zu guter Letzt selbst in den Bereich des Göttlichen zu gelangen. – Hingewiesen sei, dass Alexander nach allen wichtigen Zeugen dieses Ziel konsequent weiter verfolgte. Er lässt sich durch den Besuch des ägyptischen Heiligtums von Siwa und der Einsetzung in die Nachfolge des Gottes Re in Memphis im Jahr 333 v.Chr. den göttlichen Anspruch auf das Land bestätigen. Allerdings waren zwei Handlungen vorangegangen, die zeigen, dass sich Alexander schon grundsätzlich in dieser neuen Rolle sieht: (a) Er zog ein Stück nach Asien hinein und kam nach Gordon, jenem Ort, in dem es in einem Orakel heißt, dass, wer den Knoten zu lösen imstande ist, von den Göttern ausersehen ist, unumschränkt Herr sein. Nachdem Alexander ohne Erfolg versucht hatte, diesen vielfach verknüpften Knoten zu lösen, nimmt das Schwert, zerschlägt den Knoten und löst ihn damit auf;23 vgl. Plut. Alex. 18,1. Verstärkt durch die religiösen Implikationen würde das Misslingen dieser Aktion einer Katastrophe gleich kommen und sein Anspruch auf umfassende Herrschaft wäre mehr als nur in Frage gestellt gewesen. Die Verwendung des Schwertes ermöglicht aber nicht nur die Lösung der konkreten Aufgabe, sondern zeigt auch den Lösungsmechanismus, wie Alexander schwer oder nahezu aussichtslose Probleme exekutiert: Mit Klugheit, mit militärischer Gewalt und Machtausübung. (b) Eine zweite Begebenheit zeigt sich in einem von Arrian berichteten Brief, den Darius III. als Verhandlungsangebot an Alexander im Jahr 334 geschickt hat. Weil er jetzt der von den Göttern eingesetzte Regent ist, akzeptiert Alexander den regierenden persischen Großkönig nicht mehr als Verhandlungspartner, woraufhin

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23 Vgl. Reiterer, Gesellschaft, 1.2.8. [„Der Knoten von Gordon“].

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alle diplomatischen Versuche sinnlos erschienen und die militärische Auseinandersetzung unvermeidlich war.

4.3.5 Die Präzisierung des umfassenden Machtanspruchs Alexander hat in seinem Leben bestätigt bekommen, dass ihm die grenzenlose Herrschaft und absolute Macht von den Göttern geschenkt worden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob man eine der sich widersprechenden Darstellungen des Diodor oder des Arrian als historisch glaubwürdiger annehmen möchte, denn beiden Darstellungen geht es weniger um historische Verlässlichkeit als um die symbolhafte und effektive Beschreibung der göttlichen Machtübergabe. War mit Alexander, der sich zwar an Vorbildern wie Pausanias oder seinem Vaters Philipp orientierte, diese Übergabe der Macht beendet oder wirkt dieses Prinzip weiter? Ganz allgemein, ohne sich auf eine spezielle Königsgestalt zu beziehen, hält Demandt fest, dass „die hellenistischen Könige … unumschränkte Gewalt (beanspruchten). So wie bei Philipp und Alexander war ihr Wille Gesetz.“ Dass es sich bei dieser Feststellung nicht um ein Gedankenkonstrukt eines Forschers, sondern um die Spiegelung von überlieferten Daten handelt, kann man aufzeigen. Schon zu Lebenszeiten hatte Alexander seinem Jugendfreund und Leibwächter Ptolemaios die Verwaltung seines Lieblingslandes Ägypten übergeben. Nach dem Tod Alexanders kam es zur – mit Streitereien verbundenen – Aufteilung des Reiches Alexanders. Interessanterweise wurde Ägypten aus diesem Verteilungsmechanismus mit dem Argument ausgenommen, Ägypten habe als von Ptolemaios I. „speererworbenes Land“ zu gelten; vgl. Diod. 18,39,5 und „das speererworbene Eigentum (ist) jeder vertraglichen Abmachung von anderer Seite entzogen …, sofern der Eigentümer es nicht selbst dafür freigibt.“24 Diese Rechtsvorstellungen wirken in den griechisch-römischen Machtvorstellungen weiter. „In der Ethnos-Figuration des Antiochos III. konnte das judäische Land allenfalls als dori,kthtoj cw,ra, ‚speergewonenes Land‘, erscheinen und so seinen Besitzanspruch legitimieren. Die Hasmonäer konnten … als einheimische auf dieses Modell nicht zurückgreifen.“25 Ohne weitere Begründung folgen die Römer diesem antiquum ius.26

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24 Instinsky, Alexander, 33. 25 Eckhardt, Ethnos, 69-70. 26 Vgl. die Anmerkung bei Eckhardt, Ethnos, 69, Anm 152: „Siehe v.a. die bekannten Stellen Liv. 34,58,4-6 zu Thrakien, 35,16,6 zu den ionischen und aiolischen Städten (bello superatus a maioribus, stipendarias ac vectigales fastas in antiqum ius repetit).“

182 | Friedrich V. Reiterer Wie sich dieser Machtanspruch belegen lässt, kann man beginnend mit der Ilias über mehrere Stufen nachverfolgen27, bis die Entwicklung bei Alexander einen Abschluss, der von da an auf vergleichbare Fälle angewendet werden kann, gefunden hat.28 Der Anlass für die argumentative Begründung, dass jegliche willkürliche und mit den allgemein gültigen Regeln unvereinbare Aktion des Herrschers gut und rechtens ist, ist dramatisch. Im Rausch und Streit hatte Alexander seinen Lebensretter und Freund Kleitos getötet. Wieder nüchtern geworden, war Alexander gebrochen und Anaxarchos, ein Gelehrter aus seiner nächsten Umgebung will ihn trösten und wieder aufrichten. Alexander hat als Regent eine besondere Rolle zu erfüllen, „denn er ist … Gesetz (no,mon ei=nai) und Norm dessen, was recht ist (o[ron tw/n dikai,wn), da es ihm doch bestimmt ist, zu herrschen und zu befehlen (a;racein kai. kratei/n), nicht zu dienen und sich dem Befehl bedeutungsloser Meinungen [der Menge] zu unterwerfen!“ (Plut. Alex. 52,3). Zur abschließenden Begründung verweist Anaxarchos auf die obersten einschlägigen Götter Zeus und die Göttinnen der Gerechtigkeit Dike und Themis: „Weißt du nicht, dass Zeus deswegen die Dike zur Beisitzerin (pa,redron) hat wie auch die Themis, damit alles, was vom Herrscher (u`po. tou/ kratou/ntoj) getan wird, rechtens und gerecht ist (qemito.n h|= kai. di,kaon)?“ (Plut. Alex. 52,3). Zeus selbst und die als Koregentinnen beschriebenen Göttinnen der Gerechtigkeit bürgen dafür, dass das Gesetz und Recht ist, was der Regent ad hoc oder grundsätzlich festlegt. Nach dieser Logik steht mit höchster göttlicher Autorität abgesichert ein Regent als Herrscher jenseits des Gesetzes und kann festlegen, was immer er will, vor allem dann, wenn es ihm selbst zugute kommt, und sollte dieser Grundsatz nicht in Kraft bleiben, dann steht sogar die Regentschaft des obersten Gottes und der Göttinnen des Rechts auf dem Spiel. Sophistische Denker wie Thrasymachos haben zur Verärgerung Sokrates die Rechtssetzung durch den Stärkeren vertreten. „Das Richtigste (avkribe,staton) aber ist, dass der Regent (to.n a;rconta), insofern er Regent (a;rcwn) ist, nicht fehlt (mh. amarta,nein), und weil er nicht fehlt (mh. amarta,nonta), das für ihn selbst Beste (be,ltiston) festsetzt. Und dies ist dann vom Regierten (tw/| avrcome,nw|) zu tun. Also … gerecht (di,kaion) nenne ich das dem Stärkeren (to. tou/ krei,ttonoj) Zuträgliche zu tun“ (Pl. Rep. 341a1-2). In der Argumentation des Anaxarchos fällt nun ein wichtiges Argument weg, nämlich die Frage nach dem Gerechten, das an einer – nicht näher bestimmten – allgemeinen normativen Gerechtigkeit,29 ||

27 Vgl. ausführlicher zu diesem Thema, Reiterer, Macht, 71-73 [2.5] 28 Vgl. ausführlicher zu dieser Stelle Reiterer, Gesellschaft 2.2. 29 „Thrasymachos (vertritt) die Ansicht (a), ‚das Gerechte sei nichts anderes als das für den Stärkeren Zuträgliche‘ (to. di,kaion ouvk a;llo ti h' to. tou/ krei,ttonoj sumfe,ron; Pl. Rep. 388c12), und da in allen Staatsverfassungen die Regierenden die Stärkeren seien und die Gesetze in

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wie sie Sokrates vertritt, zu messen ist. Herrschaft beinhaltet vielmehr an sich die Berechtigung für Rechtssetzung, die keiner weiteren Instanz zu unterstellen ist. Die unbeschränkte Machtvollkommenheit (auvtokrath.j evxousi,a) als Normalfall ist nicht erst bei Plutarch und im hellenistischen Griechentum greifbar, vielmehr trifft man in dieser Erscheinung auf ein allgemein für üblich gehaltenes Prinzip, wie auch Philo ohne kritischen Nebenton von einem König (basileu,j) oder einfach einem Herrschenden (h`gemw,n) konstatiert; Philo, Opif. 1,17.

4.4 Gotteskindschaft, Rettung und Ruhm Wieder kann man bei der Ilias beginnen und darauf hinweisen, dass die schönste der vielen Töchter des Meeresgottes Nereus, Thetis, die Mutter Achills ist, wie aus ihrem eigenen Munde in Il. I,413f zu erfahren ist. Wegen der überragenden Bedeutung Alexanders, der natürlich auch auf eine besondere Abstammung hinweisen kann, wenden wir uns der hellenistischen Idealgestalt zu. – Schon die Eltern hatten Vorfahren, die dem Olymp zuzurechnen sind. „Väterlicherseits stammte Alexander von Herakles, mütterlicherseits hingegen von den Aiakiden ab,“ dem Geschlecht Achills, „und er erbte so, was die beiden Linien seiner Vorfahren betraf, ihre hochberühmten körperlichen und geistigen Fähigkeiten,“ (Diod. 17,1,5) eine Information, die als „eine wohlbezeugte Tatsache“ (Plut. Alex. 2,1) bezeichnet wurde. Mehrere Versionen gibt es über die Herkunft Alexanders. Irgendjemand – so beschreibt es Plutarch – habe neben der schlafenden Olympias, Alexanders ||

ihrem eigenen Interesse festlegten, sei überall das Gerechte das den Regierenden Zuträgliche (Pl. Rep. 338e1-339a3). Im weiteren Verlauf des Gesprächs führt er aus (b), ‚es sei gerecht, den Herrschenden zu gehorchen‘ (pei,qesqai toi/j a;rcousin di,kaion, 339b7-8). Daraus folgt aber (c), dass Gerechtigkeit in Wirklichkeit einem anderen zugute komme, da sie ein Nutzen für den Stärkeren und Herrschenden sei, dem Gehorchenden selbst aber schade (h` me.n dikaiosu,nh kai.

to. di,kaion avllo,trion avgaqo.n tw/| o;nti, tou/ krei,ttono,j te kai. a;rcontoj sumfe,ron, oivkei,a de. tou/ peiqome,nou te kai. u`perhtou/ntoj bla,bh; Pl. Rep. 343c3-5); denn der Schwächere verhalte

sich zwar gerecht, diene damit aber nur dem Nutzen der Stärkeren, Ungerechten: ‚Der Gerechte hat in allem dem Ungerechten gegenüber das Nachsehen‘ (di,kaioj avnh.r avdi,kou pantacou/ e;latton e;cei; Pl. Rep. 343d2-3). Gerechtes Verhalten verurteilt Thrasymachos dementsprechend als Dummheit, da doch die einzig vernünftige Maxime des Handelns sei, immer seine eigenen Interessen zu verfolgen. Als Konsequenz ergibt sich daraus (a‘), dass Ungerechtigkeit stärker, freier und einem Herrscher eher angemessen sei als Gerechtigkeit (kai. ivscuro,teron kai. evleuqeriw,teron kai. despotikw,teron avdiki,a dikaosu,nhj, Pl. Rep. 344c5-6); das bestätigt die Anfangsthese (a), das Gerechte sei das dem Stärkeren Zuträgliche, und das Ungerechte sei das, was ihm Nutzen und Vorteil verschafft (344c6-8)“ (Kerferd / Flashar, Thrasymachos, 55-56).

184 | Friedrich V. Reiterer Mutter, eine Schlange neben ihrem Körper ausstrecken sehen.30 Die Verbindung mit Philipp reduzierte sich daraufhin, „weil sie mit einem Mächtigeren verbunden (krei,ttoni sunou,shj)“ galt (Plut. Alex. 2,4). Olympias habe das Geheimnis um die Zeugung selbst vertieft. Als nämlich Alexander ins Feld zog, „verriet sie das Geheimnis seiner Zeugung ihm allein (to. peri. th.n te,knwsin avpo,rrhton) und befahl ihm, eine Gesinnung zu zeigen, die seiner Abkunft würdig sei (a;xia fronei/n th/j gene,sewj)“ (Plut Alex 3,2). Mit Herkunft sind also Verpflichtungen verbunden. Alexanders durch die Geburt vorgegebenen Beziehungen bleiben ein latentes Thema. Im Rahmen seines Ägyptenaufenthaltes sollen geheimnisvoll andeutend gar manche Worte von einem Propheten gefallen sein. Dieser habe ihn „im Namen des Gottes als seines Vaters begrüßt (avpo. tou/ qeou/ cai,rein, w`j avpo. patro,j)“ (Plut. Alex. 27,3) und ihn daran erinnert haben, dass „er ja keinen natürlichen Vater (ouv ga.r ei=nai pate,ra qnhto.n auvtw/|)“ (Plut. Alex. 27,4) habe. Plutarch scheint sich selbst unsicher wegen solcher Äußerungen zu sein. So habe der Prophet Alexander „in griechischer Sprache (~Ellhnisti,) besonders freundlich anreden wollen und ‚o Kind‘ (w= paidi,on) gesagt, wobei aus barbarischer Unkenntnis der Schlussbuchstabe des Wortes verwechselt wurde und w= paidi,oj (o Sohn des Zeus) gesagt worden sei.“ An sich passen die weiteren Ausführungen bestens zum Charakterbild Alexanders, der jede für ihn sprechende Tatsache weidlich für sich selbst benutzte. Nun sei auch „das Gerücht verbreitet worden, der Gott habe ihn als Sohn des Zeus (w`j pai/da Dio,j) angeredet“ (Plut. Alex. 27,5). Alexander hat selbst die Interpretation vertreten, dass „ganz allgemein zwar Gott für alle Menschen [irgendwie] der Vater sei, doch mache er die Besten (tou.j avri,stouj) zu seinen persönlichen (ivdi,ouj) [Kindern]“ (Plut. Alex. 27,6). Das gilt nun für Alexander, doch übernehmen in seinem Gefolge jene, die sich für ebenso Besondere wähnen, auch diese Vorrangstellung

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30 Die undurchsichtige „Schlangenzeugung“ bleibt ein interessantes Thema und wird auch auf die Bestimmung des Kindes hin ausgeschlachtet. „Seine Mutter Olympias nämlich hatte ihrem Mann Philipp gestanden, dass sie den Alexander nicht von ihm, sondern von einer ungeheuer großen Schlange empfangen habe. Jedenfalls hatte Philipp selbst in der letzten Zeit seines Lebens in aller Öffentlichkeit erklärt, sein Sohn sei Alexander nicht. Dies war auch der Grund, weshalb er Olympias als überführte Ehebrecherin verstoßen und fortgeschickt hatte. Deshalb wollte Alexander sich den Ruf göttlicher Abstammung sichern und zugleich seine Mutter von der üblen Nachrede befreien“ (Just. 11,11). „In der Nacht, als seine Mutter ihn empfing, schien ihr im Schlaf, sie läge mit einer ungeheuren Schlange im Bett, und dieser Traum hat ja auch wirklich nicht getrogen, denn in der Tat hat sie in ihrem Bauch etwas getragen, was über das Maß eines sterblichen Menschen hinausging“ (Just. 12,16).

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Die Schutzbefohlenen werden von ihren Schutzgöttern vor Gefahren beschützt. Häufig liest man in der Ilias, wie entweder Zeus verbietet, den Helden durch gegnerische Götter und Göttinnen Böses zu kommen zu lassen, wobei er oder andere Götter bei großer Dringlichkeit direkt rettend eingreifen. Besonders dramatisch ist die Auseinandersetzung zwischen Äneas und Achill, der darauf verweist, er habe ja schon einmal Äneas in eine ungestüme Flucht geschlagen und „dich allein rettete (evrru,sato) Zeus und die anderen Götter“ (Il. XX,194). Als sie nun wieder in einen heftigen Kampf verwickelt waren und Äneas zu unterliegen drohte, hörte Poseidon davon. „Flugs durcheilt‘ er den Kampf und den klirrenden Sturm der Geschosse, hin, wo Äneas war und der hochberühmte Achill. Jenem sogleich goss er umschattende Nacht vor die Augen, Peleus‘ Sohn Achill. … Doch Äneas schwang er empor (e;sseuen) von der Erd‘ ihn erhebend (avei,raj). Und weit über die Reihen des Volks und die Reihen der Rosse flog Äneas hinweg (u`pera/lto), von der Hand des Gottes geschleudert (qeou/ apo. ceiro.j ovrou,saj)“ (Il. XX,319-322,325-328). Es ergibt sich daraus, dass die Götter, wenn sie wirklich wollen, den Bedrohten retten können, auch wenn sie zu diesem Zwecke ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen müssten. Wenn man danach fragt, wozu sich ein Mensch in große Gefahr begibt, kann man sich zur Erläuterung wieder an die Ilias wenden. Von Agamemnon gedemütigt setzt sich Achill an das Meer, dem Ort seiner Mutter Thetis und weint. Als sie zu ihm kam, erwähnte er zwar Briseis nicht – ein interessanter Hinweis auf die Werthierarchie –, beschwerte sich aber über seine Herabwürdigung: „Mutter, dieweil du mich nur für wenige Tage gebarst, sollte mir Ehre (timh,n) doch der Olympier jetzt verleihen der hochdonnernde Zeus! Doch er ehret mich nicht, auch kein wenig!“ (Il. I,353-355). Wer gebildet ist, hat die Ilias studiert, der hat gelernt, dass Ehre ein Wert ist, für den es sich sogar lohnt, das Leben aufs Spiel zu setzen. Achill tauscht zum Leidwesen seiner Mutter seine Zukunft als Regent im Reiche seines Vaters gegen diesen Wert, obwohl er den baldigen Tod bedeutet: „Wenn ich allhier verharrend die Stadt der Troer umkämpfe, hin sei die Heimkehr dann, doch blühe mir unvergänglicher Nachruhm“31 (eiv me,n kV au=qi me,nwn Trw,wn po,lin amfima,cwmai, w;leto me,n moi no,stoj, avta.r kle,oj a;fqiton e;stai; Il. IX,412-413). Die außergewöhnlich weise Diotima bündelt das Ziel des menschlichen Strebens im Wort filotimi,a, der „Liebe zur Ehre“ oder „dem Streben nach Ehre.“ Die Menschen, so sagt sie, haben einen „gewaltigen Trieb, berühmt zu werden und sich einen unsterblichen Ruhm auf ewige Zeiten zu erwerben und sich in jedes noch so gefährliche Abenteuer zu werfen (e;rwti tou/ ovnomastoi. gene,sqai kai. kle,oj evj to.n avei. cro,non avqa,naton ||

31 Mühll, Ilias, 147.

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kataqe,stai\ kai. u`pe.r tou,tou kindu,nouj te kinduneu,ein e`toimoi, eivsi pa,taj“ (Pl.

Sym. 208c), um zu guter Letzt „unvergänglichen Ruhm und Andenken zu erlangen (avqa,naton kle,oj kai. mnh,mhn; Pl. Sym. 209d).“ Und Philo, des Weisheitsbuches älterer Zeitgenosse, schreibt: „Ich weiß, dass Ringer und Pankratiasten oft aus Ehrgeiz und Siegesstreben (u`po. filotimi,aj kai. th/j eivj to. nika/n spoudh/j), obwohl ihr Körper schon aufgibt und sie allein durch die Kraft der Seele weiteratmen und –kämpfen, die sie sich daran gewöhnt haben, die Furcht zu überwinden, bis zum Eintritt des Todes durchhalten (a;cri th/j tou/ bi,ou te-leuth/j). … Den Wettkämpfern gilt der Tod für einen Ölbaum- oder Selleriekranz als ehrenvoll (avlla. ga.r ou=n koti,nwn me.n ca,rin kai. seli,nwn euvkleh.j avgw-nistai/j h` teleuth,)“ (Phil. Al. Prob. 1,110,113). Es zeigt sich, dass die Saat des Beginnes üppige Frucht trägt und dass der Tod der Gier nach Ehre nachsteht. Dies ist umso verwunderlicher, weil die Erwartungen im Umfeld des Todes in der Ilias als sehr düster geschildert werden: avndro.j de. yuch. pa,lin evlqei/n ou;te lei?sth. ou;qV e`leth, evpei. a;r ken avmei,yetai e[rkoj ovdo,ntwn („Des Menschen Seele kehrt niemals wieder, weder erbeutet, noch erlangt, nachdem sie dem Schutzwall der Zähne entflohen ist;“ Il. IX, 408409). Gleich ist die Argumentation der Gegner im Weisheitsbuch: „Eines Schattens Vorüberziehen ja ist unsere Zeit, und nicht gibt es eine Umkehr unseres Endes, denn versiegelt wurde es und niemand kehrt wieder“ (Weish 2,5). Daran ist zu bemessen, dass die Kontrahenten nicht der neuplatonischen Philosophie anhangen, wo der Versuch zu verfolgen ist, die Unsterblichkeit der Seele zu begründen32, womit sich ein Anknüpfungspunkt für die Auffassung im Buch der Weisheit ergeben hätte können. ||

32 Angesichts des unausweichlichen Todes verlieren Nebensächlichkeiten des Lebens wohl ganz an Bedeutung. Nun ist ein Blick auf Sokrates nach seiner Verurteilung zum Tode interessant, da er jene, die auf seiner Seite stehen, aufruft, „etwas Wunderbares“ zu bedenken (Pl. Apol. 40a). Er habe sich immer an Gottes Führung gehalten und er habe auch an diesem [= der Verurteilung zum Tode] Morgen „ein Zeichen Gottes“ (to. tou/ qeou/ shmei/on; Pl. Ap. 40b) erwartet, wäre das zu Befürchtende bzw. das Eingetretene, das Todesurteil, als etwas Übles zu bewerten. Daher meint Sokrates, „was mir begegnet ist, ist etwas Gutes, und unmöglich können wir Recht haben, die wir annehmen, das Sterben sei ein Übel (kako.n ei=nai to. teqna,nai)“ (Pl. Ap. 40b). Der Tod „ist eine Versetzung und ein Umzug der Seele von hinnen an einen anderen Ort“ und er zählt schon auf, mit wem er sich dort dann hinterfragend unterhalten möchte; Pl. Apol. 41,a-c). Ja, es ist sehr unvernünftig, wenn jemand den Tod fürchtet; vgl. Pl. Phaedr. 67b. Im pseudoplatonischen Axiochos (2./3. Jh. n.Chr.) bemüht sich Sokrates den in panischer Angst vor dem Tod sterbend Daliegenden vom Schrecken zu befreien. „Die Seele gehe nach ihrer Loslösung vom Körper zu einem verborgenen Ort, in die unterirdische Behausung (eivj to.n a;dhlon … to,pon, kata. th.n u`po,geian oi;khsin“ (Ps.-Pl. Ax. 371a), eine Ortsangabe, die schon bei Pindar (Pind. fr. 129.130B) belegt ist. Ohne einen Harmonisierungsversuch hatte es schon

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5 Summe und Ausblick Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Standpunkte, wie sie in Weish 2 von den Gottlosen vertreten werden, nicht mit den Positionen der Bibel vereinbar sind. Geschildert werden in Weish 2 weitgehend Personen, die zwar an den Schalthebeln sitzen, jedoch eine Geistigkeit vertreten, die außerhalb der Bibel anzusiedeln ist. Zugleich zeigt sich, dass auch für die Gegner die religiöse Fragestellung immer nachdrücklicher in den Mittelpunkt tritt. Wie sich nachzeichnen ließ, handelt es sich bei dem alternativen Weltdeutungsansatz um Grundpositionen, wie sie schon in der homerischen Ilias zu finden sind. „Homer die Bibel der Griechen zu nennen ist kaum eine Übertreibung. Seine Epen wurden zum pädagogischen Standardwerk, zum Knigge korrekten Benehmens während der ganzen griechischen Geschichte.“33 Da nun die griechische Sprache und die Bildung ab der Zeit der makedonischen Wende die alle Griechen bindende Basis und Klammer darstellte, erleben die klassischen Darstellungen und Diskussionen über die Macht, wie sie z.B. in der Illias oder einigen platonischen Dialogen ihren Niederschlag gefunden haben, eine ungeahnte Blüte. Dies schlägt sich auch in den verschiedenen philosophischen Schulen und in den Vorstellungen von Politik und Gesellschaft wieder. Die Widerspiegelungen, wie man sie im Buch der Weisheit findet, setzen weisheitliche, sprich sophistische, Spekulationen voraus. Ein besonderes Schwergewicht wird auf die argumentative Durchdringung von Macht und Herrschaftsausübung gelegt. Das belegen auch die griechischen Historiker der hellenistischen Zeit und lassen die Grundprinzipien – ob historisch begründet oder konstruiert ist nicht entscheidend – an der Gestalt Alexanders aufleuchten. Er ist die Idealgestalt, der nachzuahmen das Bestreben der gebildeten und führenden Schichten geworden ist. An ihm zeigt sich aber geradezu archetypisch – und damit zeitlos – und auch mit argumentativer Begründung abgesichert die Grundstruktur von Macht und Machtausübung, die ihrerseits verschiedene Entwicklungsstufen zurückgelegt haben. Daher ist es kaum überraschend, aber doch erstaunlich, dass man heute in der psychologi||

früher geheißen, dass die „Seele den himmlischen und ihr verwandten aitherischen (to.n ouvra,nion … kai. su,mfulon aivqe,ra) Ort ersehnt und im Begehren nach der Lebensweise und dem Tanz dort danach dürstet“ (Ps.-Pl. Ax. 366a). Abschließend betont Sokrates, „dass nur dieses ganz sicher (ist), dass jede Seele unsterblich ist (yuch. a[pasa avqa,natoj)“ – wörtlich gleich wie bei Pl. Phaedr. 245c –, „dass sie, nachdem sie diesen Raum verlassen hat, sogar frei von Schmerz ist“ (Ps.-Pl. Ax. 372a). – Diese Ansichten wiedersprechen auf ihre Art genauso wie die Position im Buch der Weisheit den Gottlosen in Weish 2. 33 Poliakoff, Kampfsport, 155-156.

188 | Friedrich V. Reiterer schen Analyse menschlicher Verhaltensmuster und persönlicher Einstellungen mit neuen Analysemethoden zu gleichen Ergebnissen kommt: „Im steten Streben, besser und großartiger als die anderen zu sein, liegt die Wurzel von Leistung und Kreativität, von Gier und Macht. Beseelt vom Wunsch, voranzukommen und den anderen überlegen zu sein: immer besser, immer stärker, immer wichtiger.“34

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34 Haller, Narzissmusfalle, 22.

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Jeremy Corley

Gesellschaft, Weisheit und Religion bei Jesus Sirach und in der ersten isokrateischen Rede 1 Einleitung Was waren die wichtigsten Quellen des Buches Jesus Sirach, und was hat den Autor am meisten beeinflusst? Es liegt auf der Hand, dass die primäre Quelle das Alte Testament ist, zumindest das, was schon schriftlich vorgelegen hat, also die meisten hebräischen Bücher außer Daniel. Das beste Beispiel ist das Väterlob, in dem Jesus Sirach eine Reihe biblischer Gestalten vorstellt, insbesondere Noah bis Nehemia (44,17-49,13).1 Die Grundlage ist ja biblisch, aber die literarische Vorstellung weist schon hellenistische Elemente eines Enkomions auf, denn das Väterlob beginnt folgendermaßen: „Wir wollen nun loben (ai2 nesōmen)...“ (44,1 gr.). In griechischem Stil preist das Väterlob nicht Gott sondern Menschen. Neben den Kapiteln 44-50 hat Jesus Sirach auch für die Gesellschaft treffende Themen gewählt, die von großem Interesse für Hörer oder Leser in der hellenistischen Zeit waren: z.B. Freundschaft, Bankette, Reisen, Medizin, und Ehre.3 Für solche Themen greift er oft auf die hebräische Bibel zurück, dies aber häufig in Verbindung mit Leitmotiven aus der griechischen Kultur. Hatte aber Jesus Sirach einen gänzlich negativen Blick auf den Hellenismus? Dieser Meinung war zumindest Rudolf Smend in seinem berühmten Kommentar (1906). Nach Smends Stellungnahme hat Jesus Sirach den Hellenismus heftig bekämpft. Das erste Gedicht des Buches fängt an: „Alle Weisheit (ist) vom Herrn / und mit ihm ist sie in Ewigkeit.“ Über Sirach 1,1 meint Smend: „In diesen Worten, die er an die Spitze seines Buches stellt, formuliert er die Kriegserklärung des Judentums gegen den Hellenismus.“4 Wir können den Vergleich mit Sirach 2,12 machen: „Wehe den furchtsamen Herzen und den erschlafften Hän||

1 Obgleich Henoch in der Genizahandschrift und im griechischen Text als 44,16 belegt ist, könnte dieser Vers unecht sein, weil er in der Masadarolle und in der syrischen Version fehlt. 2 Die griechischen Sirach-Zitate sind aus Kraus / Karrer, Septuaginta, 1090-1163, entnommen. Um den Vergleich mit Isokrates besser zu machen, wird hier nicht die hebräische sondern die griechische Textform des Sirachbuches zitiert werden. 3 Marböck, Weisheit, 154-162; Middendorp, Stellung, 27.170; Perdue, Sword, 257-258. 4 Smend, Weisheit, xxiii.

192 | Jeremy Corley den / und dem Sünder, der (gleichzeitig) auf zwei Pfaden geht.“ Nach Skehan und Di Lella will gerade diese Menschen Judentum und Hellenismus vereinigen.5 Nach dieser Aussicht ist für Jesus Sirach der pagane Polytheismus ganz und gar gegen das Judentum gerichtet. Aber die Sache ist nicht so einfach. Viele der hellenistischen kulturellen Phänomene sind in seinem Buch erkennbar. Hier können wir nur einige nennen. Es gibt ein Interesse an Erfahrung durch Reisen (Sir 34,9-13).6 Wir finden eine detaillierte Beschreibung der Bankettsitten (Sir 31,12-32,13). 7 Es wird auch der Arzt thematisiert, der ein Novum in der biblischen Literatur ist (Sir 38,1-15).8 Wir beobachten eine hohe Wertschätzung der Freundschaft (Sir 6,5-17 usw.). 9 Gewiss sind diese sozialen Phänomene nicht ganz neu im hellenistischen Zeitalter, aber sie sind in dieser Zeit sehr weit verbreitet und hoch geschätzt geworden.10 Vielleicht sind die großen Ähnlichkeiten mit stoischem Denken überzeugender.11 Jesus Sirachs Verständnis über das Gleichgewicht der Gegensatzpaare (Sir 33,14-15; 42,24-25) ist der Lehre des stoischen Philosophs Chrysipp sehr eng.12 Mit kleinen Veränderungen hätte Kleanthes Zeushymnus möglichicherweise beinahe von Jesus Sirach geschrieben werden können.13 Norbert Peters hat in seinem Kommentar (1913) gemeint, dass Jesus Sirachs Buch zeigt, wie viele griechische Sitten ihm bekannt waren. Peters erklärt weiter: „Palästina war zu seiner Zeit eben schon stark hellenisiert. Außerdem hatte er aber als weit und viel gereister Mann (34,10ff.; 43,24; 51,13) die griechische Kultur auch außerhalb Palästinas kennen gelernt. Es wird ihm deshalb auch die Literatur der Griechen nicht ganz fremd geblieben sein.“14 Manchmal stellt man die Frage, ob Jesus Sirach, das heißt der Großvater, selbst der griechischen Sprache mächtig gewesen ist. Meiner Meinung nach ist das der Fall. Er bezeugt selbst: „Vieles habe ich gesehen auf meinen Reisen“ (Sir 34,12). Wenn er mehr als ungefähr 100 km gereist hat (z.B. nach Alexandria oder Antiochia), hätte er griechisch sprechen sollen. Er beschreibt den idealen Schriftgelehrten: „Das Land fremder Völker durchschreitet er, / denn Gutes und ||

5 Skehan / Di Lella, Wisdom, 151-152. 6 Marböck, Weisheit, 161-162. 7 Marböck, Weisheit, 162-164; Wischmeyer, Kultur, 107-109; vgl. Theognis 31-38; 467-510. 8 Marböck, Weisheit, 154-160; Wischmeyer, Kultur, 46-47. 9 Corley, Ben Sira’s Teaching, 7-10; Kaiser, Freund, 107. 10 Hengel, Judaism, 138. 11 Wicke-Reuter, Providenz, 88-102. 12 Wicke-Reuter, Providenz, 38.273; Collins, Wisdom, 85. 13 Hengel, Judaism, 148. 14 Peters, Buch, xxix.

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Böses hat er bei den Menschen erfahren“ (Sir 39,4). Wenn Jesus Sirach gar kein griechisches Wort gekannt hätte, so hätte er selbst kaum fremde Länder bereisen können. Zudem war er als Schriftgelehrter an Texten interessiert. Für einen so intelligenten Menschen wäre es undenkbar, dass er das Dekret des Königs Antiochus III (Flavius Josephus, A.J. 12,3,3-4 §§138-146) nicht lesen konnte. Schließlich ist sein Enkel nach Ägypten (vermutlich Alexandria) umgezogen und hat sein ganzes Buch ins Griechische übersetzt – mit mehr als 200 LXXHapaxlegomena.15 Ist es dann wahrscheinlich, dass sein Großvater die griechische Sprache gar nicht gekannt hat? Tatsächlich meint Leo Perdue, dass die Themen zahlreicher Sirachperikopen es nahelegen, dass Jesus Sirach selbst die griechische Sprache kannte.16 Viel ist schon über das Thema der Gesellschaft bei Jesus Sirach geschrieben worden, wie zum Beispiel Oda Wischmeyers Habilitationsschrift über die Kultur des Buches Jesus Sirach.17 Bisher sind aber die Verbindungen mit den Reden des Isokrates im Bereich der Sozialethik kaum notiert worden. Die Monographien von Hans-Volker Kieweler und Jack Sanders über die Parallelen zwischen Jesus Sirach und die griechische Literatur nennen Isokrates nicht, soweit ich gelesen habe.18 Sicher haben einige Wissenschaftler Parallelen zwischen Isokrates und Jesus Sirach registriert. Frank Ueberschaer hat einige Verbindungen zwischen Isokrates (besonders in seiner Rede Antidosis) und Jesus Sirach im Kontext der Bildung (paideia) bemerkt.19 Thomas Lee hat vielleicht die größte Ähnlichkeit zwischen Isokrates und Jesus Sirach erkannt, wobei Sirach 44-50 Elemente der Enkomionsform verwendet, wie dies auch Isokrates getan hat.20 In diesem Beitrag nehme ich nur einen einzigen isokrateischen Text auf und vergleiche diesen mit dem Buch Jesus Sirach. Der Text ist die erste isokrateische Rede An Demonikos.21 Sofort tut sich ein Problem bezüglich der Verfasserschaft auf. Ziemlich viele Wissenschaftler betrachten diese Rede als pseudonym.22 Für ||

15 Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 349. Die 273 Hapaxlegomena sind folgendermaßen verteilt: 18 im griechischen Prolog, 232 bei GrI und 27 bei GrII. Im vorliegenden Artikel werden die sekundären Zusätze (GrII) zum Grundtext des Buches nicht berücksichtigt. 16 Perdue, Sword, 257; vgl. Hengel, Judaism, 133. 17 Wischmeyer, Kultur. 18 Kieweler, Ben Sira; Sanders, Ben Sira. 19 Ueberschaer, Weisheit, 120-122. 20 Lee, Studies, 128-139.224-229. 21 Die Zitate sind der Übersetzung von Ley-Hutton, Isokrates, 9-19, entnommen. Die entsprechenden Paragraphen sind mit einem Zeichen (z.B. §20) markiert. Für den griechischen Text siehe Mandilaras, Isocrates 2, 7-27. 22 Siehe die Besprechung bei Too, Rhetoric, 58; Usher, Oratory, 312; Norlin / Van Hook, Isocrates I, 3.

194 | Jeremy Corley unseren Zweck macht es keinen Unterschied, weil wir diesen Text nur als Beispiel einer griechischen ethischen Rede aus der 4. Jahrhundert v.Chr. verwenden. Um zu vereinfachen, nenne ich hier immer den Autor „Isokrates,“ aber wenn man will, kann man ihn wohl als „Pseudo-Isokrates“ bezeichnen. Der geschichtliche Hintergrund muss jetzt kurz angemerkt werden. Der Abschluss des Buches Jesus Sirach ist klar gegen 180 v.Chr. zu rechnen. Die früheste Handschrift ist die Masadarolle (gegen 75 v.Chr.).23 Wenn es ein echtes Werk des Isokrates ist, stammt die Rede An Demonikos ungefähr aus dem Jahr 373 v.Chr.,24 ist es aber ein Pseudonym, so befinden wir uns grob irgendwann im 4. Jh. v.Chr. Zudem finden sich im Papyrus Berolinensis 8935 (2.Jh. n.Chr.) die meisten Paragraphen dieser Rede (§§18-52).25 Im allgemein sind die Adressaten beider Werke die gehobenen männlichen Jugendlichen ihrer Gesellschaft. Zuerst sind freilich die wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden literarischen Werken zu benennen. Die Rede An Demonikos wurde wahrscheinlich im 4. Jh. v.Chr. geschrieben, aber das Buch Jesus Sirach wurde im frühen 2. Jh. v.Chr. verfasst. Der Autor der isokrateischen Schrift schrieb griechisch, aber der jerusalemitische Weisheitslehrer hebräisch. Obgleich die beiden Werke im Raum des östlichen Mittelmeeres verfasst wurden, wurde offenbar die isokrateische Rede nicht wie das sirazidische Buch in Jerusalem geschrieben, sondern in Griechenland. Stilistisch ist für die griechische Rede Prosa gewählt worden, während die sirazidische Lehre aus Gedichten besteht. Ein weiterer Unterschied ist zu bemerken. In ungefähr 7 % des Buches Jesus Sirach werden Frauen thematisiert, dagegen erwähnt diese isokrateische Rede die Frauen fast nie.26 Nichtsdestoweniger gibt es viele Ähnlichkeiten, wie wir sehen können. Zum Beispiel stimmen die beiden Texte in dem Rat überein, nur einem guten Mann zu helfen und keinem schlechten Menschen (Sir 12,1-7; Isokrates §29). Die Lehrreden sind oft thematisch ähnlich, wie z.B. die Bildung (paideia) betreffend, oder die Freundschaft, Sprechen und Schweigen, den Wert eines guten Namens, Gastmahletikette oder die Gesundheit. Im Gegenteil zu den früheren biblischen Büchern, die den Arzt nicht schätzen (bes. 2Chr 16,12), beurteilt Jesus Sirach, wohl unter hellenistischem Einfluss stehend, den Arzt gut (Sir 38,1-15).27 ||

23 Skehan / Di Lella, Wisdom, 8-10.53. 24 Norlin / Van Hook, Isocrates I, 2. 25 Mandilaras, Isocrates 1, 178; P. Michigan 5299 aus dem 1. oder 2. Jh. n.Chr. enthält ein kleineres Fragment der Rede (§§ 33-34). 26 Genau das ist auch der Fall im sirazidischen Väterlob, das keine Frau namentlich erwähnt; vgl. Calduch-Benages, Absence, 301. 27 McConvery, Ben Sira’s Praise, 62-64. Die Figur des Arztes ist für den Autor dieser isokrateischen Rede nicht von Interesse.

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Andernorts mahnt er an, gesund zu bleiben: „Kind, in deinem Leben prüfe dich selbst, / und sieh, was übel ist für dich, gewähre es dir nicht. /... Durch Unersättlichkeit sind viele gestorben; / der jedoch, der darauf achtet, wird das Leben verlängern“ (Sir 37,27.31). Isokrates erklärt auch musterhaft, wie man durch persönliche Erfahrung Gesundheit erlangen kann: „Am meisten dürftest du dazu ermuntert werden, dir eine Sache gut zu überlegen, wenn du das Unglück bedenkst, das aus der Unüberlegtheit resultiert. Denn wir sorgen ja auch für unsere Gesundheit dann am besten, wenn wir an die möglichen Schmerzen als Folge einer Krankheit denken“ (§35). Als das hebräische Buch Jesus Sirach ins Griechische übersetzt worden ist, hat Sirachs Enkel einige Septuaginta-Hapaxlegomena benutzt, die auch bei Isokrates in einem parallelen Kontext vorkommen. Beispiele sind: akairos / akairōs („zur falschen Zeit“: Sir 20,19; 22,6; 32[35],6[4]; Isokrates §31), das Adjektiv aporrhētos („abscheulich“ oder „geheim“: Sir 13,22; Isokrates §22), das Adverb acharistōs („in undankbarer Weise“: Sir 18,18; Isokrates §31), und das Adjektiv euprosēgoros („wohlredend“: Sir 6,5; Isokrates §20).28 Man könnte freilich sagen, der Enkel selbst hätte die isokrateische Rede gekannt und diese Worte hinzugefügt. Aber wenn es der Enkel getan hat, können wir es ganz ausschließen, dass auch der Großvater die griechische Rede gekannt hat?

2 Religion und Tugend Nach den Vorbemerkungen können wir nun mit einem religiösen Vergleich anfangen. Während diese isokrateische Rede nur manchmal religiöse Pflichte erwähnt, hat im Gegenteil das Buch Jesus Sirach große theologische Abschnitte (z.B. 1,1-30; 15,11-18,14; 39,12-35).29 Nach einer persönlichen an Demonikos adressierten Einleitung (§§1-12) beginnt die isokrateische Rede: „Das erste und wichtigste Gebot ist: Zeige Ehrfurcht gegenüber den Göttern (eusebei ta pros tous theous)“ (§13). Das Leitmotiv der Gottesfurcht findet sich in den beiden Werken, obgleich der griechische Autor offenbar Polytheist war („empfinde Scheu vor den Göttern [tous men theous phobou],“ §16), Ben Sira dagegen Monotheist („fürchte den Herrn [phobou ton kyrion],“ Sir 7,31). Die isokrateische Rede

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28 Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 142-143.161-162.169-170.214-215. 29 Interessanterweise ist die anthologische sirazidische Handschrift C aus der Kairoer Geniza der vorliegenden isokrateischen Rede in der Hinsicht ähnlich, da sie nur selten Gott erwähnt; vgl. Corley, Form, 16.

196 | Jeremy Corley stellt auch eine Verbindung zwischen Gottesfurcht, Elternpflege, Freundesehre, und Gesetzesbeachtung her, wie dies implizit der Fall im Buch Jesus Sirach ist.30 ISOKRATES §16

SIRACH 7,1-36

„Deinen Freunden gegenüber zeige Respekt (tous de philous aischynou)“

„Mit ganzem Herzen ehre deinen Vater (doxason ton patera sou), und vergiss nicht (deiner) Mutter Wehen“ (7,27) „Tausche nicht einen Freund um (irgendeines) Vorteils willen“ (7,18)

„Den Gesetzen erweise Gehorsam (tois de nomois peithou)“31

„Sündige nicht gegen die Volksmenge einer Stadt“ (7,7)

„Empfinde Scheu vor den Göttern (tous men theous phobou)“ „Halte deine Eltern in Ehren (tous de goneis tima)“

„Fürchte den Herrn (phobou ton kyrion)“ (7,31)

SIRACHBUCH

„Wer den Herrn fürchtet (ho phoboumenos kyrion) ...“ (3,7 GrII) „... wird den Vater ehren (timēsei patera)“ (3,7 GrII)

„Liebe einen Freund (sterxon philon) und sei zuverlässig mit ihm“ (27,17) „Jede Weisheit (ist) Furcht des Herrn (phobos kyriou), und in jeder Weisheit (ist das) Tun des Gesetzes (poiēsis nomou)“ (19,20)

Obwohl die Parallelen nicht immer wörtlich genau übereinstimmen, ist das Gedankengut vergleichbar. Isokrates mahnt ein, die religiösen Pflichten zu erfüllen: „Zeige Ehrfurcht gegenüber den Göttern (eusebei ta pros tous theous), nicht allein durch Opfer (thyōn), sondern auch dadurch, dass du zu deinen Eiden (tois horkois) stehst“ (§13). Gleicherweise spricht Jesus Sirach über das Opfer: „Fürchte den Herrn (phobou ton kyrion) und ehre den Priester, / und gib ihm den Teil, wie dir befohlen ist, /... ein Brandopfer (thysian) für die Heiligung“ (Sir 7,31). Jesus Sirach thematisiert auch die Ernsthaftigkeit eines Eides: „Ein Mann, der viel schwört (polyorkos), wird voll von Gesetzlosigkeit (anomias) sein“ (Sir 23,11). Während Isokrates unmittelbar über die Tugend (aretē) spricht, benutzt das griechische Sirachbuch andere Worte dafür.32 Isokrates meint: „Nur der Besitz der Tugend (aretēs) allein bleibt uns bis ins Alter, wenn er unverfälscht im Herzen mitgewachsen ist. Dieser Besitz ist besser als Reichtum“ (§7). Vergleichs||

30 Bohlen, Ehrung, 104. 31 Das Gegenteil ist in Sir 23,23 die Ehebrecherin betreffend zu notieren: „Denn erstens war sie gegen das Gesetz des Höchsten ungehorsam (en nomō hypsistou ēpeithēsen).“ 32 Das genaue Wort aretē kommt im Sirachbuch nie vor, aber dreimal im griechischen Weisheitsbuch (Weish 4,1; 5,13; 8,7).

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weise sagt Jesus Sirach: „Gib acht auf den Namen (onomatos), denn er wird dir länger bleiben / als tausend große goldene Schätze“ (Sir 41,12). In diesem Kontext erwähnt Isokrates kurz die Beispiele zweier tugendhafter Figuren aus der griechischen Tradition: „Man kann dies [sc. den Vorteil der Tugend] leicht an den Mühen des Herakles und den Taten des Theseus erkennen. Denn den Taten dieser beiden Helden hat ihre Charakterstärke einen so festen Ruhmesstempel (eudoxias charaktēra) aufgeprägt, dass selbst die gesamte Ewigkeit ihre Taten nicht in Vergessenheit bringen kann“ (§8). In umfangreicher Weise nennt Jesus Sirach im Väterlob viele heldhafte Figuren, nachdem er im Prolog erklärt hat: „Ihr Ansehen (doxa) wird nicht ausgelöscht werden, /... und ihr Name lebt für Generationen“ (Sir 44,13-14 gr.).33 Die Lehre über göttlichen Lohn und Strafe kommt in der isokrateischen Rede wie auch im sirazidischen Buch vor. Jesus Sirach erklärt knapp: „Der Segen des Herrn wird dem Gottesfürchtigen zum Lohn“ (Sir 11,22 gr.), und im Gegenteil meint er: „Tod und Blut und Streit und Schwert, /... Wegen der Gesetzlosen (tous anomous) ist all dieses erschaffen worden“ (Sir 40,10-11). Isokrates spricht ausführlicher: „Wenn man aber als Sterblicher Vermutungen über die Gesinnung der Götter anstellen darf, so glaube ich, dass auch die Götter gerade bei ihren allernächsten Verwandten sehr deutlich gemacht haben, wie sie sich gegenüber schlechten und guten Menschen verhalten. Wie die Mythen berichten und wie wir fest glauben, hat Zeus den einen seiner Söhne, Herakles, wegen seines tugendhaftes Leben unsterblich gemacht, den anderen aber, Tantalos, wegen seines schlechten Charakters mit den härtesten Strafen belegt“ (§50). Nach den beiden Weisheitslehrern soll der Lohn für die Tugend von den Menschen wie vom Himmel kommen. Im Gegenteil zur Lehre der Bergpredigt (Mt 5,43-48; vgl. Spr 25,21-22), beschränken sowohl Jesus Sirach als Isokrates die Hilfe für die Tugendhaften und verbieten Hilfe für die Bösen.34 Jesus Sirach lehrt: „Gib dem Guten (tō agathō) und nimm dich nicht des Sünders an“ (Sir 12,7), wie auch Isokrates: „Erweise guten Menschen Wohltaten (tous agathous eu poiei)“ (§29). Jesus Sirach erklärt: „Wenn du gut handelst, erkenne, für wen du handelst, / und es wird Dank (charis) sein für deine Wohltaten. / Tue Gutes (eu poiēson) dem Gottesfürchtigen, und du wirst Vergeltung finden“ (Sir 12,1-2). So meint auch Isokrates: „Ein wertvoller Schatz nämlich ist der Dank (charis), den ein trefflicher Mann schuldet“ (§29). Das sirazidische Buch mahnt weiter: ||

33 Zu Themenparallelen zwischen Sirach 44-50 und anderen isokrateischen Enkomien (z.B. Evagoras) siehe Lee, Studies, 224-229. 34 So auch Theognis 105-108.955-956; vgl. Sanders, Ben Sira, 32. Siehe auch Tob 4,17; 1QS 1:10.

198 | Jeremy Corley „Tue Gutes (eu poiēson) dem Demütigen und gib nicht dem Gottlosen; / ... denn doppelt so viel Schlechtes (kaka) wirst du erfahren / in allen Wohltaten, welche auch immer du ihm tust“ (Sir 12,5). So sagt auch die isokrateische Rede: „Wenn du aber schlechten Menschen Gutes tust (kakous eu poiōn), wirst du die gleiche Erfahrung machen wie Leute, die fremde Hunde füttern.... Ebenso tun schlechte (kakoi) Menschen ihren Helfern in gleicher Weise Unrecht wie denen, die ihnen schaden“ (§29). Die Dankbarkeit ist also für die beiden Weisheitslehrer wichtig. So bemerkt Jesus Sirach anderswo: „Ein Narr wird undankbar (acharistōs) schimpfen, / und (die) Gabe eines Neiders bringt die Augen zum Schmelzen“ (Sir 18,18).35 In ähnlicher Weise lehrt Isokrates: „Umgänglich wirst du auch sein, wenn du erwiesene Gefälligkeiten nicht ungnädig (acharistōs) erwiderst, was die meisten tun. Denn sie erwidern zwar Gefälligkeiten, helfen ihren Freunden aber nur mit Widerwillen“ (§31).

3 Weisheit und Paideia Wie man erwarten könnte, betonen Jesus Sirach und Isokrates die Notwendigkeit der Praxis des achtsamen Hörens. Jesus Sirach lehrt: „Wenn du liebst zuzuhören, wirst du verstehen, / und wenn du dein Ohr neigst, wirst du weise sein“ (Sir 6,33). Isokrates sagt kurz und bündig: „Schätzt du das Wissen, wirst du viel wissen“ (§18). Jesus Sirach mahnt auch: „Gehe nicht an einer Erzählung von Weisen vorüber, / und tummele dich in ihren Sinnsprüchen, / dass du von ihnen Erziehung lernst (mathēsē) / und den Großen zu dienen“ (Sir 8,8). Vergleichsweise gibt Isokrates den Ratschlag: „Verbringe deine freie Zeit im Leben damit, den Erörterungen anderer aufmerksam zuzuhören. So wird es dir nämlich gelingen, leicht zu lernen (manthanein), was andere mit Mühe herausgefunden haben“ (§18). Die beiden Autoren empfehlen, dass man von den Weisen lernen soll. Deshalb sagt Jesus Sirach: „In der Menge der Ältesten sollst du stehen, /und ihrer Weisheit (sophia) sollst du dich anschließen. / ... Wenn du einen Verständigen siehst, / geh frühmorgens zu ihm“ (Sir 6,34.36). So spricht auch Isokrates: „[Man muss] von den Dichtern das Beste lernen und bei allen anderen Gelehrten (sophistōn) nachlesen, wenn sie etwas Brauchbares gesagt haben“ (§51). Sowohl Jesus Sirach wie auch Isokrates erwähnen die Ehre, die aus dem weisen politischen Handeln entstehen kann. So lehrt Jesus Sirach: „Die Weisheit der Demü-

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35 Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 169-170.

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tigen wird sein Haupt erhöhen, / und in die Mitte der Vornehmen wird sie ihn setzen“ (Sir 11,1; vgl. 4,7). Isokrates rät: „Nimm dir die Haltung von Königen zum Vorbild und folge ihrer Lebensweise.... Infolgedessen wirst du selbst bei der Masse größere Anerkennung finden und ein beständigeres Wohlwollen vonseiten der Könige genießen“ (§36). Als Ziel der Weisheit wird bei den beiden Autoren die Freude genannt. Jesus Sirach erklärt: „Die Furcht des Herrn wird das Herz erquicken (terpsei), / und sie wird Frohsinn und Freude und eine Vielzahl an Tagen geben“ (Sir 1,12). Ähnlicherweise meint Isokrates: „Das Bemühen um die Tugend und ein besonnener Umgang mit dem eigenen Leben gewährt immer ungetrübte und beständigere Freuden (tas terpseis)“ (§46). Auch setzt Jesus Sirach fort: „Dem, der den Herrn fürchtet, wird es gut gehen am Ende, / und am Tag seines Todes (teleutēs) wird er gepriesen werden“ (Sir 1,13). Und Isokrates sagt in einem anderen Kontext: „Bei all unseren Unternehmungen ist jedoch die Erinnerung an den Anfang nicht so deutlich wie der Eindruck, den wir vom Ende (teleutēs) haben. Die meisten Handlungen in unserem Leben unternehmen wir nämlich nicht um ihrer selbst willen, sondern wir mühen uns wegen der daraus zu erwartenden Ergebnisse ab“ (§47). Interessanterweise benutzen sowohl Jesus Sirach wie auch Isokrates das Bild der Biene als treffendes Beispiel für die Suche nach der Weisheit. So sagt Jesus Sirach: „Klein unter den Flugtieren (ist) die Biene (melissa), aber (der) Anfang (aller) Süßigkeiten (ist) ihre Frucht“ (Sir 11,3). Dieses Sprichwort kommt im Kontext eines Gedichtes über die guten Resultate der Gottesfurcht und der Weisheit vor (Sir 10,19-11,6), wobei ein armer Weiser eine hohe Position erlangen kann (Sir 11,1-6). Isokrates verwendet dasselbe Bild, um seine Hörer zur Weisheitsernte überall aufzurufen: „Denn wie wir beobachten können, wie die Biene (melittan) sich auf Blüten niederlässt und von jeder das Beste nimmt, so müssen auch alle, die nach Bildung streben, alles versuchen und von überallher nützliche Kenntnisse sammeln“ (§52). Das Bienenbild kommt auch in einem Einschub im septuagintischen Proverbiabuch vor. Wo das hebräische Proverbiabuch mahnt: „Geh zur Ameise, o Fauler...“ (Spr 6,6-8), fügt die Septuagintaübersetzung etwas Neues zu: „Oder gehe zur Biene (melissan), / und lerne, wie arbeitsam sie ist, / und sie macht ihre Arbeit als eine ehrenhafte, / deren Produkte Könige und Privatleute zur Gesundheit verwenden, / willkommen ist sie für alle und erwartet; / auch wenn sie in der Kraft schwach ist, / weil sie die Weisheit achtet, hat sie es so weit gebracht“ (Spr 6,8a-c+). Knapper bemerkt das demotische Weisheitbuch: „Auch eine kleine Biene bringt Honig“ (P. Insinger

200 | Jeremy Corley 25,2), gerade im Kontext, dass viele kleine Dinge ehrenvoll sind (P. Insinger 25,7).36 In der hellenistischen Kultur wurden die Reisen als für die Bildung wertvoll betrachtet.37 So sprechen die beiden Lehrer über die mühsamen Strecken, die man zurücklegen muss, um Weisheit zu erlangen. Jesus Sirach lehrt: „Ein Mann, der (viel) gereist hat, kennt viel, / und der Vielerfahrene weiß verständig zu erzählen. / Der nicht in Versuchung geführt wurde, weiß wenig. / Der jedoch (viel) reist, vermehrt Klugheit“ (Sir 34[31], 9-11). Ähnlich wie Theognis (71-72) mahnt Isokrates: „Zögere nicht, einen weiten Weg zu denen zurückzulegen, die eine nützliche Lehre versprechen. Eine Schande nämlich wäre es, wenn einerseits Kaufleute so weite Meere durchkreuzten, um ihr bereits vorhandenes Vermögen noch zu vermehren, während junge Leute nicht einmal Wege über Land auf sich nehmen wollten, um ihre geistigen Fähigkeiten auszubilden“ (§19). In der Suche nach der Weisheit spielen auch gute Ratgeber eine wichtige Rolle.38 So wird der Wert der von Ratgebern geschenkten Weisheit von den beiden Lehrern gemeinsam gepriesen. Also spricht Jesus Sirach: „Ohne Ratschlag (boulēs) sollst du nichts tun“ (Sir 32[35],19), während Isokrates mahnt: „Betrachte ... Wohlüberlegtheit (euboulian) aber als das größte Gut, das von uns [sc. Menschen] selbst kommt“ (§34). Aber die möglichen Ratgeber sollen geprüft werden. Jesus Sirach warnt beispielhaft: „Nicht berate dich (mē bouleuou) ... mit einem Zögerlichen in Bezug auf jegliches Werk, / und ... mit einem faulen Hausdiener in Bezug auf viel Arbeit“ (Sir 37,11). Ähnlicherweise erklärt Isokrates im allgemein: „Wenn du jemanden in eigener Sache um Rat fragen willst, dann prüfe zunächst, wie er das Seine geregelt hat. Denn wer in eigenen Angelegenheiten schlecht beraten ist, wird niemals in fremden einen guten Rat geben (bouleusetai) können“ (§35). Sowohl Jesus Sirach (38,24-39,11) wie auch Platon (Philebus 57c-d) betrachten die Landarbeit und das Handwerk als nicht so wertvoll wie die Suche nach der Weisheit. Nichtsdestoweniger messen Jesus Sirach und Isokrates der Landarbeit einen gewissen Wert zu, besonders im Verein mit geistiger Arbeit. So sagt Isokrates knapp: „Versuche ein Liebhaber von Strapazen (philoponos) zu sein, so weit es deinen Körper angeht, mit deiner Seele aber (tē de psychē) strebe nach Weisheit“ (§40).39 Beiderlei Rat findet man bei Jesus Sirach: „Hasse nicht

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36 Marböck, Jesus Sirach, 160; Sanders, Ben Sira, 71. 37 Marböck, Weisheit, 161-162. 38 Sauer, Ratgeber, 84. 39 Obgleich das Adjektiv / Substantiv philoponos („arbeitseifrig“) in der Septuaginta fehlt, verwendet interessanterweise der griechische Prolog des Buches Jesus Sirach sowohl das ver-

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mühevolle (epiponon) Arbeit / und Landarbeit, die vom Höchsten eingesetzt wird“ (Sir 7,15), aber auch: „Mit deiner ganzen Seele (en pasē psychē sou) gehe zu ihr [sc. zur Weisheit], / und mit deiner ganzen Kraft bewahre ihre Wege“ (Sir 6,26; vgl. 6,32-33).

4 Freundschaft und Bankette Die Freundschaft ist ein Lieblingsthema der griechischen und hellenistischen Schriftsteller (z.B. Theognis, Euripides, Platon, und Aristoteles).40 In Bezug auf die Freundschaft sind schon einige Parallelen zu Jesus Sirach bekannt, nicht nur in der ersten isokrateischen Rede,41 sondern auch andernorts im isokrateischen Korpus.42 Hier nennen wir die detaillierten isokrateischen Parallelen zu den sirazidischen Freundschaftsperikopen. Zunächst empfehlen die beiden Lehrer eine Vereinigung von Höflichkeit und Vorsicht. Am Anfang seiner ersten Freundschaftsperikope sagt Jesus Sirach: „Süße Worte [wörtlich: Ein süßer Schlund] werden seine Freunde vermehren, / und eine wohlredende Zunge wird die Höflichkeit (euprosēgora)43 vermehren“ (Sir 6,5). So lehrt auch Isokrates: „Zeige dich in deinen Umgangsformen freundlich, im Gespräch aufgeschlossen (euprosēgoros). Ein Zeichen von Freundlichkeit nämlich ist es, Leute, denen man begegnet, zu grüßen, ein Zeichen von Aufgeschlossenheit (euprosēgorias) aber, mit ihnen ein vertrautes Wort zu wechseln“ (§20). Die kritische Bewertung unterschiedlicher Arten von Freunden vergleichen die beiden Lehrer anhand der jeweiligen Sorten der Nahrungsaufnahme.44 So mahnt Jesus Sirach: „Jede Speise wird essen der Bauch, / es ist aber eine Speise besser als die andere Speise.... Ein jeder Freund wird sagen: Auch ich habe Freundschaft geschlossen. / Jedoch gibt es einen Freund, der nur dem Namen nach Freund ist“ (Sir 36, 23[20]; 37,1). Isokrates stellt eine ähnliche Verbindung bezüglich der Freundschaft und dem Essen her: „Bei den meisten anderen Menschen nämlich werden wir feststellen können, dass sie sich lieber Freunden anschließen, die bei ihren Fehlern mitmachen, als solchen, die ihr Verhalten ||

wandte Verb philoponeō („sich eifrig bemühen“) als auch das Substantiv philoponia („Arbeitseifer“); vgl. Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 133-134. 40 Konstan, Friendship, 49-82. 41 Corley, Ben Sira’s Teaching, 9.46.48.51.182. 42 Corley, Ben Sira’s Teaching, 49.74.165. 43 Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 214-215. 44 Zum sorgfältigen Aufbau des ganzen Gedichts (Sir 36,23-37,15) siehe Corley, Ben Sira’s Teaching, 68-70.

202 | Jeremy Corley kritisieren – ganz so, wie sie ja auch mehr Freude an den angenehmsten als an den gesündesten Speisen haben. Du aber hast, glaube ich, genau die entgegengesetzte Einstellung. Dies schließe ich aus deinem Bemühen um die anderen Bereiche der Bildung“ (§45). Für die beiden Weisheitslehrer handelt es sich um den Unterschied zwischen einem Schmeichler, der nur süßlich daherredet, und einem echten Freund, der keine Furcht davor hat, manchmal den Freund zur Rede zu stellen (Sir 19,13-17; vgl. Isokrates, Ep. Ad Antipatrem 4).45 Die beiden Lehrer raten zur Vorsicht vor Freunden in Verbindung mit einer kritischen Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten von Gefährten. Jesus Sirach warnt: „Die dir friedlich gesonnen sind, sollen viele sein, / dein Berater aber (sei) einer auf tausend. / Wenn du einen Freund gewinnst, gewinne ihn durch Prüfung (en peirasmō), / und nicht schnell vertraue dich ihm an“ (Sir 6,6-7). So mahnt auch Isokrates: „Verhalte dich allen gegenüber freundlich, Umgang aber pflege nur mit den Besten“ (§20). Später erklärt der griechische Autor: „Mach dir niemanden zum Freund, bevor du nicht geprüft hast, wie er mit seinen früheren Freunden umgegangen ist.... Stelle deine Freunde nicht zu deinem eigenen Schaden auf die Probe (peirō), sei aber auch nicht dazu bereit, deine Gefährten überhaupt nicht zu prüfen (apeiros einai)“ (§24). Die beste Prüfung der Echtheit einer Freundschaft kommt in der Not. So beobachtet Jesus Sirach: „Nicht wird im Guten der Freund erkannt (gnōsthēsetai)46 werden, / und nicht wird im Bösen der Feind verborgen bleiben. / Wenn es einem Mann gut geht, (sind) seine Feinde in Trauer, / und wenn es ihm schlecht geht, wird sich auch der Freund (von ihm) trennen“ (Sir 12,8-9). In seiner ersten Freundschaftsperikope sagt auch Jesus Sirach: „Und (es) gibt einen Freund, der (ist) ein Tischgenosse (koinōnos trapezōn), / doch er bleibt sicher nicht am Tag der Bedrängnis“ (Sir 6,10). Isokrates empfiehlt: „Prüfe deine Freunde (dokimaze tous philous) an Hand der Unglücksfälle in deinem Leben und an Hand ihrer Anteilnahme (koinōnias) in schwierigen Lagen. Denn wie wir Gold im Feuer (chrysion en tō pyri) prüfen, so erkennen wir (diagignōskomen) wahre Freunde im Unglück“ (§25; vgl. Theognis 415-418).47

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45 Vgl. Konstan, Friendship, 93-105. 46 So der Korrektor der Sinaiticus-Handschrift entsprechend dem hebräischen Text. Die LXXDeutsch folgt dem Vaticanus: „bestraft“. Für den hebräischen Sirachtext siehe Corley, Ben Sira’s Teaching, 222-223; vgl. Schrader, Freundschaft, 23-39. 47 Die Metapher von der Prüfung des Goldes kommt auch in Sir 2,5 vor: „Denn im Feuer wird das Gold geprüft (en pyri dokimazetai chrysos), / und (von Gott) angenommene Menschen im Schmelzofen der Demütigung.“ Ein ähnliches Bild findet man im Tanak (z.B. Jes 48,10; Spr 27,21; Ps 66[65],12); vgl. Calduch-Benages, Trial Motif, 139-140.

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Die beiden Weisheitslehrer sprechen über die Pflicht, einem Freund in der Not zu helfen. Also bemerkt Jesus Sirach: „Der Gefährte leidet mit einem Freund wegen des Bauches, / angesichts des Krieges nimmt er einen Schild“ (Sir 37,5 gr.).48 So mahnt auch Isokrates: „Dann wirst du den besten Umgang mit deinen Freunden haben, wenn du nicht Bitten von ihrer Seite abwartest, sondern wenn du ihnen von selbst im rechten Augenblick hilfst“ (§25). Die in eine gegensätzliche Richtung weisende Vergeltung findet man auch hier in der sirazidischen Erklärung über den Sohn eines guten ehrsamen Vaters: „Seinen Feinden hat er einen Rächer zurückgelassen, / und den Freunden einen, der Dankbarkeit (charin) vergilt“ (Sir 30,6). Vergleichbar lehrt Isokrates: „Halte es für ebenso schändlich, von deinen Feinden in der Ausübung schlechter Taten übertroffen zu werden, wie deinen Freunden in guten Werken nachzustehen“ (§26; vgl. Theognis 869-872). Die beiden Lehrer mahnen auch, treu in der echten Freundschaft zu bleiben. Jesus Sirach sagt: „Tausche nicht einen Freund um (irgendeines) Vorteils willen“ (Sir 7,18), und: „Lass nicht einen alten Freund im Stich, / denn der neue kommt ihm nicht gleich“ (Sir 9,10). Isokrates empfiehlt: „Gehe eine Freundschaft bedächtig ein, bist du aber eine eingegangen, so versuche, ein beständiger Freund zu sein“ (§24). Die Bewahrung von Geheimnissen war in der antiken Welt wichtig (Spr 11,13; 20,19; aram. Ahiqar §53), wie auch bei Jesus Sirach und Isokrates.49 Im Freundschaftskontext betont Jesus Sirach die Schwere des Vergehens, Geheimnisse eines Gefährten zu enthüllen: „Wer Geheimnisse verrät, zerstört Vertrauen, / er findet niemals einen Freund für sich“ (Sir 27,16; vgl. 13,12). In dieselbe Richtung geht Isokrates: „Hüte die dir anvertrauten Worte mit noch größerer Sorgfalt als anvertrautes Geld“ (§22). Zudem warnt Jesus Sirach: „Vertraue (pisteusēs) deinem Feind nicht in Ewigkeit, / denn wie das Erz rostet, so (ist auch) seine Bosheit (ponēria)“ (Sir 12,10 gr.). So erklärt auch Isokrates: „Bedenke, dass man schlechten Menschen ebenso misstrauen (tois ponērois apistein) muss wie man guten Menschen vertrauen kann“ (§22). Außerdem mahnt Jesus Sirach: „Berate dich nicht mit einem Toren, / denn er wird kein Wort verbergen können“ (Sir 8,17). Isokrates sagt: „Sprich mit keinem über deine Geheimnisse (peri tōn aporrhētōn), es sei denn, es ist sowohl in deinem Interesse, der du sprichst, als auch im Interesse der Zuhörer, dass die einzelnen Fakten nicht noch weiter verbreitet werden“ (§22).50 Ferner empfiehlt Jesus Sirach zu großer Vorsicht, sein ||

48 Zum hebräischen Sirachtext siehe Corley, Ben Sira’s Teaching, 65-67. 49 Corley, Ben Sira’s Teaching, 181-182. 50 Sir 13,22 gr. lautet: „Wenn ein Reicher zu Fall gebracht wird, (gibt es) viele Beschützer; er redet Abscheuliches (aporrhēta), und sie sprechen ihn gerecht.“ Das Wort aporrhētos kann wie

204 | Jeremy Corley Inneres zu enthüllen: „Keinem Menschen lege dein Herz offen“ (Sir 8,19). So rät auch Isokrates zur Vorsicht, sowohl in guten wie auch in schlimmen Zeiten: „Zeige aber bei keiner dieser beiden Gelegenheiten den anderen zu deutlich deine Gefühle“ (§42; vgl. Theognis 1162). In der hellenistischen Welt wurde die Freundschaft durch Gastmähler und Symposien gefördert. Obgleich frühere biblische Texte über Bankettsitten unterrichten (z.B. Prov 23,1-2,6-8; 31,4-5), spricht Jesus Sirach ausführlicher über Bankette und Symposien (Sir 31,12-32,13).51 Das Thema scheint unter griechischem Einfluss von größerem Interesse im hellenistischen Zeitalter gewesen zu sein. Während schon die Parallelen von Jesus Sirach zu Theognis über die Bankette und Symposien bekannt sind,52 gibt es auch Ähnlichkeiten mit der ersten isokrateischen Rede. Wie zahlreiche Weisheitslehrer warnt Jesus Sirach vor der Trunksucht: „Beim Wein spiele nicht den starken Mann; / viele nämlich hat der Wein vernichtet“ (Sir 31[34],25), und: „In der (rechten) Stunde [sc. am Ende des Symposions] stehe auf und bleibe nicht als Letzter, / gehe ins Haus zurück und sei nicht leichtsinnig!“ (Sir 32[35],11). Vergleichsweise sagt Isokrates: „Meide vor allem Trinkgelage. Wenn du aber einmal an einem teilnehmen musst, so brich auf, bevor du zuviel getrunken hast“ (§32). Wenn man bei einem Bankett sitzt, muss man die richtige Zeit erkennen, etwas zu sagen. Jesus Sirach befiehlt: „Wo ein Gedicht ist, sollst du nicht Klage ausschütten, / und zur Unzeit (akairōs) sollst du nicht philosophieren!“ (Sir 32[35],4).53 So lehrt Isokrates: „Umgänglich wirst du ferner sein, wenn du dort, wo Spaß am Platz ist, kein Griesgram bist, wenn du andererseits aber keine Freude an der Verspottung ernster Dinge hast. Denn Unpassendes (akairon) ist immer verletzend“ (§31). Im Kontext von Banketten sagt Jesus Sirach: „Haben sie dich als Vorsteher (bei Tisch) eingesetzt (hēgoumenon se katestēsan), überhebe dich nicht. /... Und wenn du all deinen Bedarf erledigt hast, lehne dich zurück, / damit du erfreut wirst durch sie, / und um des guten Benehmens [oder: Anstands] willen sollst du einen Kranz (stephanon) empfangen“ (Sir 32[35],1-2). In einem breiteren Kontext empfiehlt Isokrates: „Wenn du ein Amt übernommen hast (eis archēn katastatheis), dann übertrage Verwaltungsaufgaben nicht einem unfähigen Menschen.... Wenn du deine öffentlichen Ämter niederlegst, ||

das hebräische Adjektiv hier „abscheulich“ bedeuten, aber das griechische Adjektiv könnte wie bei Isokrates den Sinn „geheim“ haben; vgl. Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 161-162. 51 Marböck, Weisheit, 162-164. Zur Textkritik von Sir 31,25-32,13 siehe Minissale, Versione, 66-77. 52 Siehe Theognis 491-494 und Sir 31,31; Theognis 497-498 und Sir 31,29-30; Theognis 499-500 und Sir 31,26; Theognis 509-510 und Sir 31,28-29. Vgl. Middendorp, Stellung, 23; Sanders, Ben Sira, 34-35. 53 Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 142-43.

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sollst du nicht als ein reicherer, sondern als ein angesehenerer (endoxoteros) Mann dastehen“ (§37). Im Kontext des Banketts lehrt Jesus Sirach seine Version der goldenen Regel (vgl. Mt 7,12): „Begreife die Dinge des Nächsten aus dir selbst, und über jede Angelegenheit (pragmati) denke nach“ (Sir 31[34],15 gr.).54 Dieselbe Regel ist in negativer Form (das heißt, als die silberne Regel; vgl. Tob 4,15) von Isokrates ausgesprochen worden: „Am meisten Anerkennung jedoch dürftest du finden, wenn jedermann sehen kann, dass du zu tun (prattōn) unterlässt, was du anderen vorwerfen würdest“ (§17). Diese sittliche Regel erscheint auch in positiver Form in dieser isokrateischen Rede: „Zeige dich deinen Eltern gegenüber so, wie du es von deinen Kindern dir gegenüber wünschst“ (§14). Später in derselben Rede sagt er auch: „Selbstbeherrscht wirst du sein, wenn du dich denen gegenüber, die einen Fehler machen, so verhältst, wie du es von anderen dir selbst gegenüber erwartest, wenn du einen Fehler machst“ (§21).

5 Ehre im sozialen Umgang Das Thema eines guten Namens, das im Sprüchebuch und bei Kohelet manchmal vorkommt (Spr 22,1; Koh 7,1), ragt bei Jesus Sirach sowie auch im Papyrus Insinger heraus.55 Das ganze Väterlob behandelt „Männer von gutem Ruf“ (andras endoxous: Sir 44,1 gr.): „... Ihr Ansehen (doxa) wird nicht ausgelöscht werden; / ihre Leiber sind in Frieden begraben worden, / und ihr Name lebt für Generationen“ (Sir 44,13-14 gr.). Wie wir schon gesehen haben, betont Jesus Sirach den Wert eines guten Namens: „Gib acht auf den Namen, denn er wird dir länger bleiben / als tausend große goldene Schätze. / (Es gibt) eine Zahl der Tage eines guten Lebens, / aber ein guter Name wird in Ewigkeit bleiben“ (Sir 41,12-13). Isokrates erklärt kurzgefasst: „Die Anerkennung (epainos), die das Volk dir schenkt, ist besser als großer Reichtum“ (§37). Infolgedessen lehrt Isokrates: „Nimm dich vor Vorwürfen mehr in acht als vor Gefahr.... Die Tüchtigen aber müssen vor übler Nachrede (adoxian) während ihres Lebens bangen.... Solltest du aber einmal in Kriegsgefahren geraten, so versuche dich auf ruhmvolle (meta kalēs doxēs), nicht aber ehrenrührige Weise aus dem Krieg zu retten“ (§43). Durch die Zunge kann leicht die Ehre gewonnen oder verloren werden, wie Jesus Sirach beobachtet: „Ruhm und Unehre (doxa kai atimia) (liegen zugleich) ||

54 Zum hebräischen Sirachtext siehe Gregory, Empathy, 110-113; vgl. Meier, Volume, 502-503. 55 Sanders, Ben Sira, 17-19.84-85.

206 | Jeremy Corley in der Rede, / und die Zunge des Menschen (ist) sein Verderben“ (Sir 5,13; vgl. Spr 12,13). Deshalb rät Isokrates: „Prüfe alles, was du sagen willst, zuerst mit deinem Verstand. Viele Leute machen nämlich den Mund auf, bevor sie gedacht haben“ (§41).56 Wie andere Weisheitslehrer (z.B. Spr 18,21; Koh 3,7) mahnen sowohl Jesus Sirach als auch Isokrates zur Vorsicht im Sprechen. So warnt Jesus Sirach: „Sei schnell bei deinem Zuhören, / und in Langmut lass eine Antwort laut werden. / Wenn du Einsicht hast, antworte dem Nächsten, / wenn aber nicht – (so) sei deine Hand auf deinem Mund“ (Sir 5,11-12). Isokrates erklärt vergleichsweise: „Betrachte es in den folgenden zwei Fällen (kairous) für angebracht, zu sprechen: entweder wenn du über eine Sache genau Bescheid weißt oder wenn du über etwas reden musst.57 Nur in diesen Fällen ist reden besser als schweigen (tēs sigēs kreittōn), ansonsten ist es umgekehrt“ (§41). Ähnlich unterrichtet auch Jesus Sirach: „Es gibt den, der schweigt, und der ist klug. /... Es gibt den, der schweigt, (weil) er keine Antwort hat, / und es gibt den, der schweigt, (weil er) den richtigen Zeitpunkt (kairon) kennt. / Ein weiser Mensch wird schweigen bis zum richtigen Zeitpunkt (sigēsei heōs kairou), / aber der Prahler und Unvernünftige wird den richtigen Zeitpunkt (kairon) überschreiten“ (Sir 20,1.6-7). Am Ende desselben Sirachkapitels lautet der Text: „Besser (kreissōn) (ist) ein Mensch, der seine Torheit verbirgt, / als ein Mensch, der seine Weisheit verbirgt“ (Sir 20,31; vgl. 41,15).

6 Die Ungewissheit des Reichtums Wie zahlreiche Weisheitslehrer warnen Jesus Sirach und Isokrates vor einem übertriebenen Streben nach Reichtum. Jesus Sirach bemerkt knapp: „Wer Gold liebt (ho agapōn chrysion), wird nicht gerechtfertigt werden“ (Sir 31[34],5; vgl. Koh 5,9; Spr 11,4 hebr.; 28,20 hebr.). So rät Isokrates: „Schätze (agapa) bei den Gütern, die zur Verfügung stehen, nicht überflüssigen Besitz, sondern maßvollen Genuss“ (§27). Jesus Sirach beklagt den immer arbeitenden Reichen: „Er weiß nicht, wie viel Zeit vergehen wird, / und er wird diese (Güter) anderen hinterlassen und sterben“ (Sir 11,19; vgl. Lk 12,16-21). Man könnte dies vielleicht mit der Lehre des Isokrates vergleichen: „Verachte Menschen, die einerseits ||

56 Es gibt eine Ähnlichkeit zwischen Isokrates (Antidosis 253-257; Nicocles 5-9) und Sir 37,1618 zur Thematik „die Macht der Zunge“; vgl. Corley, Sirach’s Hymn, 244-248. 57 Die Pflicht zu sprechen könnte bei Gericht bestehen, wie auch vermutlich Sir 19,8 anklingen lässt: „Sofern es nicht für dich eine Sünde bedeutet, decke nicht(s) auf“ (vgl. Lev 5,1; 24,10; Deut 13,13); siehe Skehan / Di Lella, Wisdom, 289.

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nach Reichtum streben, andererseits aber nicht einmal mit den vorhandenen Gütern umgehen können“ (§27). Für beiden Autoren ist die Gerechtigkeit besser als bloßer Reichtum, weil sie sogar nach dem Tod einem Menschen zugesprochen werden kann. Also meint Jesus Sirach: „Selig ist ein Reicher, der als tadellos befunden wird, / und nicht hinter dem Gold herläuft. / Wer ist es, und wir preisen ihn selig?“ (Sir 31[34],8-9; vgl. 44,13-15). So erklärt auch Isokrates: „Die Gerechtigkeit ist jedem anderen Besitz überlegen, da Besitz nur den Lebenden hilft, Gerechtigkeit aber auch noch den Toten Ruhm bringt“ (§38; vgl. Theognis 145-148). Der Reichtum eines Menschen kann schnell verloren gehen. Deshalb ist die Ungewissheit des menschlichen Lebens ein gemeines Thema, nicht nur für Jesus Sirach (Sir 11,21-28) und Isokrates (§42), sondern auch für andere antike Weisheitslehrer (z.B. Theognis 155-160; Papyrus Insinger 34,18-21). So mahnt Jesus Sirach: „Lache nicht einen Menschen aus, der mit verbitterter Seele lebt. / Es gibt nämlich einen, der erniedrigt und erhöht“ (Sir 7,11; vgl. 1Sam 2,7). Ähnlicherweise lehrt Isokrates: „Mache keinem sein Unglück zum Vorwurf. Denn das Schicksal trifft uns alle, und die Zukunft liegt im Dunkeln“ (§29). Daher rät Jesus Sirach, dass man gegebenenfalls nur eine begrenzte Trauerzeit für die Toten einhält: „Nicht sollst du hingeben der Traurigkeit (lypēn) dein Herz, / halte sie fern, indem du der letzten Dinge gedenkst“ (Sir 38,20 gr.). So lehrt auch Isokrates: „Trauere (lypou) in Maßen über Schlimmes, das dir widerfährt“ (§42). Letztlich muss man das Ende des menschlichen Lebens erkennen, wie Jesus Sirach bemerkt: „Fürchte dich nicht vor dem Urteil (krima) des Todes /.... Dieses Urteil (krima) vom Herrn (gilt) für alles Fleisch“ (Sir 41,3-4 gr.).58 Ähnlicherweise erklärt Isokrates: „Das Schicksal hat uns alle zum Tod verurteilt (katekrine)“ (§43). Also empfehlen die beiden Weisheitslehrer, das irdische Leben maßvoll zu genießen.

7 Schluss In dieser Untersuchung haben wir gesehen, dass manche Parallelen zwischen dem Buch Jesus Sirach und der ersten isokrateischen Rede bestehen. Sowohl Jesus Sirach als die isokrateische Rede bringen die Gottesfurcht mit den gesellschaftlichen Pflichten wie Elternehre, Freundesehre und Beachtung der Gesetze in Verbindung. Die beiden Weisheitsunterrichter stimmen in dem Rat überein,

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58 Middendorp, Stellung, 28.

208 | Jeremy Corley nur einem guten Mann zu helfen und keinem schlechten Menschen. Sie vertreten beide eine Hochschätzung gegenüber der Weisheit, die durch das Hören auf Gelehrte wie auch auf Reisefahrten gewonnen werden kann. Im Kontext der Bildung benutzen beide Lehrer das Bild der Biene. Zum Thema der Freundschaft gibt es viele Parallelen: die sorgfältige Prüfung möglicher Freunde, die Bewahrung von Geheimnissen und die Warnung vor Trunkenheit bei Gastmählern und Symposien. Sowohl Jesus Sirach wie auch Isokrates betrachten die Ehre als wertvoller als den Reichtum. Sie geben dem Schweigen und Zuhören den Vorzug vor Geschwätz. Letztlich betonen sie die Ungewissheit des menschlichen Lebens und mahnen deshalb zu maßvollem Genuss der Lebensmittel und warnen auch vor dem unvermeidlichen Tod. Dürfen wir vielleicht von einem weiterführenden Einfluss von Isokrates auf Jesus Sirach sprechen? Wir würden dann eine methodologische Stellungnahme brauchen. Um nicht in eine Parallelomania zu verfallen, müssten wir Kriterien für vermutete Parallelen festlegen. Dennis MacDonald gibt fünf solcher nützlichen Kriterien für literarische Beeinflussung an: Dichtheit (oder „density“) von Parallelen, Auslegbarkeit (oder „interpretability“), Reihenfolge (oder „order“ = „sequence“), Unterschiedsbezüge (oder „distinctive traits“) und Zugänglichkeit (oder „accessibility“).59 Diese fünf Kriterien werden wir kurz im Folgenden untersuchen. Das Kriterium der Dichtheit von Parallelen ist verhältnismäßig stark belegt. Die deutsche Übersetzung der isokrateischen Rede benötigt nur elf Seiten, aber die Parallelen mit Jesus Sirach häufen sich im ganzen Text. Das Kriterium der Auslegbarkeit ist ebenfalls erfüllt, weil sowohl Jesus Sirach als auch Isokrates wichtige Weisheitslehrer der Jugend in ihrer Gemeinden waren. Obgleich einige Paragraphen kleine Ähnlichkeiten in der Reihenfolge haben (vgl. Sir 6,5-17 und Isokrates §§20.24-25), ist aber das Kriterium der Reihenfolge kaum erfüllt, wahrscheinlich weil das Sirachbuch das Lebenswerk des Autors darstellt. Das Kriterium der wörtlichen Unterschiedsbezüge ist schwierig zu verwenden, weil das sirazidische Buch ursprünglich auf Hebräisch geschrieben wurde aber die isokrateische Rede auf Griechisch. Doch ist es interessant zu beobachten, dass mindestens vier sirazidische Septuaginta-Hapaxlegomena genau in dieser isokrateischen Rede belegt sind.60 Die Frage nach thematischen Unterschiedsbezügen kann man leicht negativ antworten, da die meisten Themen auch bei anderen ||

59 MacDonald, Mimesis, 2-3; vgl. Skemp, Avenues, 45. 60 Die vier Wörter lauten: akairos/akairōs („zur falschen Zeit“; vgl. Sir 20,19; 22,6; 32[35],6[4]; Isokrates §31), aporrhētos („abscheulich“ oder „geheim“; vgl. Sir 13,22; Isokrates §22), acharistōs („in undankbarer Weise“; vgl. Sir 18,18; Isokrates §31), und euprosēgoros („wohlredend“; vgl. Sir 6,5; Isokrates §20).

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Texten (z.B. bei dem biblischen Proverbiabuch oder Kohelet, bei den Gedichten von Theognis oder in Papyrus Insinger) vorkommen. Die Frage der Zugänglichkeit kann man letztlich nicht sicher beweisen, doch wurde Isokrates in der hellenistischen Welt vielfach rezipiert und zitiert. Mehr als dreißig antike Papyri mit Abschnitten der ersten isokrateischen Rede sind ausgefunden worden.61 So finden wir schlussendlich die Dichtheit und die Auslegbarkeit als die stärksten Kriterien, aber sie können uns nicht völlig überzeugen, dass Jesus Sirach diese isokrateische Rede gekannt hat. Der Zweck dieser Untersuchung ist ja nicht, einen bestimmten Einfluss von Isokrates auf Jesus Sirach zweifelsfrei nachzuweisen. Ich habe einige Ähnlichkeiten zwischen dem Buch Jesus Sirach und der ersten isokrateischen Rede beschreiben wollen. Möglicherweise hat die griechische Rede irgendeinen unmittelbaren oder indirekten Einfluss auf Jesus Sirach gehabt. Anderenfalls kannte Jesus Sirach von seiner Umwelt genau die griechischen kulturellen Ideen, die in dieser isokrateischen Rede belegt sind. Sicher ist, dass das isokrateische Werk weder die einzige Quelle noch die wichtigste Quelle für die Lehre des Jesus Sirach war. Wichtiger als Bezugspunkt sind selbstverständlich die Bücher des Tanak. Erst danach kommen möglicherweise die Gedichte des Theognis und der Prototyp des demotischen Weisheitsbuch Papyrus Insinger als Vorlagen in Frage.62 Nichtsdestoweniger ist Jesus Sirach mit Isokrates leichter zu vergleichen als z.B. Homeros. Sowohl die Ähnlichkeit einiger Themen als auch die gemeinsame Bildungsabsicht bedeuten, dass es wertvoll ist, Jesus Sirach mit Isokrates in Relation zu setzen.63

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61 Mandilaras, Isocrates 1, 177-179. 62 Sanders, Ben Sira, 29-103. 63 Für sprachliche Hilfe bedanke ich mich bei Prof. Renate Egger-Wenzel. Mein Dank gilt auch Prof. Friedrich Reiterer für die Einladung, an der Paderborner Tagung ein Referat zu halten, und Prof. Michael Konkel für seine Gastfreundschaft.

210 | Jeremy Corley Collins, John J., Jewish Wisdom in the Hellenistic Age, Louisville, KY 1997. Corley, Jeremy, Ben Sira’s Teaching on Friendship (BJS 316), Providence, RI 2002. Corley, Jeremy, An Alternative Hebrew Form of Ben Sira: The Anthological Manuscript C, in: Joosten, Jan / Rey, Jean-Sebastien (Hg.), The Texts and Versions of the Book of Ben Sira: Transmission and Interpretation (JSJ Sup 150), Leiden 2011, 3-22. Corley, Jeremy, Sirach’s Hymn to Logos (Sir 37:16-18) in Light of Hebrew and Greek Thought, in: Bonney, Gillian / Vicent, Rafael (Hg.), Sophia – Paideia: Sapienza e educazione (Sir 1,27): Miscellanea di studi offerti in onore del prof. Don Mario Cimosa, Rome 2012, 237-255. Gregory, Bradley C., Empathy in the Ethical Rhetoric of Ben Sira, in: Egger-Wenzel, Renate / Corley, Jeremy (Hg.), Emotions from Ben Sira to Paul (DCLY 2011), Berlin 2012, 103-119. Haskins, Ekaterina V., Logos and Power in Isocrates and Aristotle, Columbia, SC 2004. Hengel, Martin, Judaism and Hellenism I-II, London 1974 (engl. Übers.). Jaeger, Werner, Paideia: The Ideals of Greek Culture, III, Oxford 1945 (engl. Übers.). Kaiser, Otto, Was ein Freund nich tun darf: Eine Auslegung von Sir 27,16-21, in: Reiterer, Friedrich V. (Hg.), Freundschaft bei Ben Sira (BZAW 244), Berlin 1996, 107-122. Kieweler, Hans Volker, Ben Sira zwischen Judentum und Hellenismus: Eine Auseinandersetzung mit Th. Middendorp (BEATAJ 30), Frankfurt a.M. 1992. Konstan, David, Friendship in the Classical World, Cambridge 1997. Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin (Hg.), Septuaginta Deutsch, Stuttgart 2009. Lee, Thomas R., Studies in the Form of Sirach 44-50 (SBLDS 75), Atlanta, GA 1986. Ley-Hutton, Christine, Isokrates: Sämtliche Werke, Band I: Reden I-VIII, Stuttgart 1993 (Übers.). MacDonald, Dennis R., Mimesis and Intertextuality in Antiquity and Christianity, Harrisburg, PA 2001. Mandilaras, Basil G., Isokrates Opera Omnia 1-2. München / Leipzig 2003. Marböck, Johannes, Jesus Sirach 1-23 (HThKAT), Freiburg i.Br. 2010. Marböck, Johannes, Weisheit im Wandel (BZAW 272), Berlin 1999. McConvery, Brendan, Ben Sira’s Praise of the Physician (Sir 38,1-15) in the Light of Some Hippocratic Writings, in: Proceedings of the Irish Biblical Association 21 (1998) 62-86. Meier, John P., A Marginal Jew Volume 4: Law and Love, New Haven, CT 2009. Middendorp, Theophil, Die Stellung Jesu Ben Siras zwischen Judentum und Hellenismus, Leiden 1973. Minissale, Antonio, La versione greca del Siracide (AnBib 133), Rome 1995. Mirhady, David C. / Too, Yun Lee, Isocrates I, Austin, TX 2000. Norlin, George / Van Hook, LaRue, Isocrates I-III (LCL), New York 1928-1945. Perdue, Leo Garrett, The Sword and the Stylus: An Introduction to Wisdom in the Age of Empires, Grand Rapids, MI 2008. Peters, Norbert, Das Buch Jesus Sirach oder Ecclesiasticus (EHAT 25), Münster 1913. Reiterer, Friedrich V. (Hg.), Freundschaft bei Ben Sira (BZAW 244), Berlin 1996. Sanders, Jack T., Ben Sira and Demotic Wisdom (SBLMS 28), Chico, CA 1983. Sauer, Georg, Jesus Sirach / Ben Sira (ATD Apokryphen 1), Göttingen 2000. Sauer, Georg, Der Ratgeber (Sir 37,7-15), in: Egger-Wenzel, Renate / Krammer, Ingrid (Hg.), Der Einzelne und seine Gemeinschaft bei Ben Sira (BZAW 270), Berlin 1998, 73-85. Schrader, Lutz, Unzuverlässige Freundschaft und verlässliche Feindschaft: Überlegungen zu Sir 12,8-12, in: Reiterer, Friedrich V. (Hg.), Freundschaft bei Ben Sira (BZAW 244), Berlin 1996, 19-59. Schreiner, Josef, Jesus Sirach 1-24 (Die Neue Echter Bibel 39), Würzburg 2002. Skehan, Patrick W. / Di Lella, Alexander A., The Wisdom of Ben Sira (AB 39), New York 1987.

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Thomas R. Elßner

Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) Vorbemerkung Die verwobene und vielschichtige Überlieferungsgeschichte des, besser gesagt, der Sirachfassungen, einer kürzeren und älteren sowie einer erweiterten und jüngeren, ist aus den Einleitungsfragen bekannt. Nicht ohne Grund ist es für einen Altmeister der neueren deutschsprachigen Sirachforschung, Johann(es) Marböck – der vor nunmehr 36 Jahren auf der AGAT-Tagung 1976 in Salzburg bereits einen Vortrag über Sir 36 gehalten hat –, nicht mehr nur eine „Frage“1, sondern vielmehr „wohl Hinweis“, dass „sowohl die kürzere als auch die längere Textform (des Sirachbuches, ThRE) als kanonischer, d.h. autoritativer, Text betrachtet wurde“, gestützt vor allem durch „die Verwendung beider in der Praxis der christlichen Kirchen“.2 Nimmt man deutsche Bibelübersetzungen und entsprechende deutschsprachige Kommentare zum Sirachbuch zur Hand, so kann man feststellen, dass es sich hierbei teilweise um hybride Sirachdarbietungen handelt. Das heißt, wo es hebräische Textvorlagen gibt, werden diese an erster Stelle als Übersetzungsund somit zur Kommentierungsgrundlage genommen; dort wo der hebräische Text (noch) fehlt, wird dann sozusagen als Ergänzung die griechische Textfassung als Substitut genommen, wodurch sie fast sprichwörtlich zum Lückenfüller, wenn nicht sogar zum Lückenbüßer wird. Durch ein solches Vorgehen wird nolens volens die Selbstständigkeit und Dignität der griechischen Sirachtexte, um es vorsichtig zu formulieren, hintangestellt, obzwar gleichwohl an anderer Stelle gern auf das Diktum aus dem Vorwort des Enkels hingewiesen wird, dass „dasselbe in sich nicht gleichbedeutend“ sei, „wenn es in Hebräisch gesagt ist und wenn es in eine andere Sprache übertragen wird“ (SirProl 21; LXX-D). Diesem Umstand bzw. Befund eingedenk, bildet die Textgrundlage der folgenden Ausführungen bezüglich Sir 36,1-17 der griechische Sirachtext, und zwar wie er in der von Alfred Rahlfs edierten Septuaginta publiziert ist. Selbstverständlich finden ebenso sowohl der von Joseph Ziegler edierte griechische Sirachtext in der Reihe der Göttinger Septuaginta Edition als auch die hebräi||

1 So Marböck, Buch (72008), 409. 2 Marböck, Buch (82012), 499; vgl. zudem Marböck, Jesus Sirach 1-23, 26, mit Hinweisen auf Maurice Gilbert und Giuseppe Veltri.

214 | Thomas R. Elßner sche Handschrift B (Ms B)3 aus der Kairoer Geniza Berücksichtigung. Jedoch bleibt gerade mit Blick auf die Ms B, die Sir 36 nahezu vollständig enthält, zu bedenken, dass es sich bei ihr, wie bei allen 1896 in jener Geniza gefundenen Handschriften, letztlich um eine mittelalterliche handelt.4 Soweit die Vorbemerkungen.

1 Tektonik

5

1.1 Sprachliche Tektonik Der Abschnitt Sir 36,1-17 ist durch den Gebrauch von Imperativen insgesamt und vor allem durch Imperative der 2. P. Sg. Aor. gekennzeichnet. Diese Imperative sowie ein Optativ6 der 2. P. Sg. Aor. wenden sich, wie aus der Rahmung hervorgeht, an einen im V.1 als de,spota o` Qeo.j pa,ntwn und im abschließenden V.17 als ku,rioj ei= o` qeo.j tw/n aivw,nwn Apostrophierten. Dieser wird im Text selbst – im Unterschied zur hebräischn Handschrift B – zudem als κύριος dreimal direkt angerufen (ku,rie , V.4.11.16). Die anderen Imperative7 sowie ein weiterer Optativ8 in der 3. P. Aor. beziehen sich aus der Perspektive des Autorenkreises auf unterschiedliche Personen: auf alle bzw. fremde Völker (V.2b.4a.7b: 3. P. Pl. Aor.); auf einen sich scheinbar gerettet Gefühlten (V.8a: 3. P. Sg. Aor.) sowie letztlich auf die (anscheinend) gegenwärtigen Propheten Israels (V.15b: 3. P. Pl. Aor.). Neben diesen Imperativen fällt die hohe Zahl der Verwendung des Possessivpronomens σου (dein) auf (17mal), welches sich ausschließlich auf Qeo,j bzw. ku,rioj bezieht. Beim Lesen des Textes stellt sich jedoch die Frage, welcher Sprecher es ist, der jene an den theophoren ku,rioj gerichteten Imperative richtet. Denn während in den Kapiteln des (griechischen) Sirachbuches zuvor allermeist eine 1. P. Sg. spricht, erhebt jetzt, gleich zu Beginn von Sir 36 in V.1 eine 1. P. Pl. ihre Stimme, die sich bis einschließlich V.4 vernehmen lässt. Diese 1. P. Pl. tritt dann aber im weiteren Laufe des Abschnitts Sir 36,5-17 nicht mehr expressis verbis in ||

3 Vgl. Beentjes, Book, 62-63. 4 Vgl. Marböck, Jesus Sirach 1-23, 24. 5 Nach Auskunft einschlägiger Wörterbücher wird mit jenem Wort auch die Lehre vom Aufbau eines Kunstwerkes bezeichnet. 6 megalunqei,hj, Sir 36,3b. 7 Sir 36,2b.4a.7b. 8 eu[roisan, Sir 36,8b.

Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) | 215

Erscheinung9, so dass ein unmerklich merklicher Sprecherwechsel vorliegen kann. Ein durchaus vergleichbarer Fall findet sich in den beiden Dekalogfassungen von Ex 20 und Dtn 5.10 Der Befund, dass Sir 36 mit einer 1. P. Pl. anhebt, ist allein insofern schon notierenswert, als überhaupt die 1. P. Pl. beim Siraziden schließlich sehr sparsam verwendet ist (vgl. Sir 2,1811; 8,5-7; 24,23; 31,9; 36,1.3.4; 43,24-33; 44,1; 48,11; 49,13; 50,22.23.24). Insgesamt könnte dies als ein Indiz dafür genommen werden, dass der Text Sir 36,1-17 zum einen dem Siraziden in irgendeiner Form bereits vorlegen habe oder dass es sich hierbei um eine nachträgliche Einfügung handle.12 Denn im Vergleich mit den anderen Gebeten im Sirach-Buch, so in Sir 23,1-6 und in Sir 51,1-12, fällt zumindest auf, dass der Sirazide sich in ihnen an den „Herrn, Vater und Gebieter meines Lebens“ (Sir 23,1) bzw. an den „Herrn, König, Gott und Retter“ (Sir 51,1) wendet und beide Gebete in der 1. P. Sg. verbleiben. Dies trifft ebenso für die das Sirachbuch abschließende Lebensweg-Reflexion des Siraziden zu (Sir 51,13-30). In diesem Zusammenhang kann aber auch darauf hingewiesen werden, dass im Lob der Väter (Sir 44,1-50,24) an drei weiteren Stellen entweder die gelobte Person oder die Hörer (Sir 47,14-21: Salomon13; 48,4.11: Elias14) von einem Sprecher(kreis) unvermittelt rhetorisch angesprochen werden, so dass ein gewisser Bruch in der Diktion kurzerhand entsteht (Sir 45,2615). Dies kann durchaus für einen lebendigen Vortrag sprechen. Vor allem der letzte Abschnitt des griechischen Sirachbuches (Sir 51,13-30) ist so gestaltet bzw. angelegt, dass er gegen Ende seine Hörer unmittelbar anspricht (V.23-30) und zur Nachahmung (Mimesis) evn paidei,a| aufruft.

1.2 Textstellen bei Jesus Sirach mit der ersten Person Plural – Ein Überblick (1) Sir 2,18: Es handelt sich hierbei möglicherweise um ein Zitat. (2) Sir 8,6: Im Forderungskatalog Sir 8,1-19 wechselt der Sirazide in den V.5-7 unvermittelt in die 1. P. Pl. Da es in V.6-7 um Alterung und Tod geht, kann dies ||

9 Sir 36,9 versteht sich als Zitat im Munde der Feinde Israels. 10 Vgl. Hossfeld, Dekalog, 242-243; Elßner, Namensmißbrauch-Verbot, 87-88. 11 Bei Sir 2,18 handelt es sich möglicherweise um ein Zitat, vgl. LXX-D. 12 Vgl. Goering, Wisdom’s Root, 212; Zapff, Jesus Sirach, 236. 13 Geht mit dem hebräischen Text konform. 14 Im hebräischen Text zieht sich die 2. P. Sg. durch Sir 48,4-11 hindurch. 15 Im hebräischen Text wird bereits in Sir 45,25-26 eine Gruppe in der 2. P. Pl. angesprochen; für den Passus Sir 45,25e.f findet sich im griechischen Text kein Pendant.

216 | Thomas R. Elßner als eine Verallgemeinerung insofern verstanden werden, als der Sprecher sich in eine auch ihn einschließende 1. P. Pl. hineindenkt. (3) Sir 24,23: An dieser Stelle ist vom „Buch des Bundes des höchsten Gottes“ die Rede, welche „uns“ Mose gegeben hat. Auf diese Weise bezieht der Sirazide sich in die Gemeinde Jakobs mit ein (vgl. Sir 36,10). (4) Sir 36,1.3.4: Bittgebet / Bittpsalm (siehe 1.1.) (5) Sir 31,9: In dem Makarismus über einen Reichen16 in Sir 31,8-11 ist ebenso unvermittelt von einem Wir die Rede, das einen solchen Menschen lobpreisen will, wenn er denn bekannt sei. Vermutlich handelt es ich hierbei um ein vom Siraziden aufgenommenes Traditionsgut. (6) Sir 43,24-33: Gegen Ende des Abschnitts über die wunderbare Schöpfung und seines Schöpfers (Sir 42,15-43,33), der ganz betont mit einem „ich werde gedenken“ in Sir 42,15 anhebt und dann in einen den Sprecher zurücktreten lassenden Hymnus übergeht, wird ab Sir 43,24 unvermittelt einem „Wir“ die Stimme geliehen: „unsere Ohren“17, „wundern wir uns“. Dieses „Wir“ hält sich über Sir 43,27.28.3218 sozusagen bis zum Ende jenes Hymnus durch und tritt ab Sir 43,30 einer den Kyrios lobpreisenden, aber letztlich nicht näher bestimmbaren „Ihr-Gruppe“ gegenüber. (7) Sir 44,1: Der Hymnus Sir 44,1-15, mit dem das „Lob der Väter“ (Pate,rwn u[mnoj) eröffnet wird, beginnt in V.1 – im Unterschied zu Ms B – mit einem Wir: „Lasst uns nun loben / preisen…“. Unabhängig von dem in Sir 44,1-15 vorliegenden literarischen Genus eines Enkomion wird auf den Übergang zur 1. P. Pl. in der griechischen Sirachfassung insofern nahezu unmittelbar zuvor eingestimmt, als bereits in Sir 43,32 sich ebenso eine 1. P. Pl. zu Wort meldet. (8) Sir 48,11: Im Lob der Väter taucht das „Wir“ in der Lobpreisung über Elias in Sir 48,11 kurz auf, nachdem Elias vom Sprecher(kreis) in einem Makarismus angesprochen worden ist: „Glückselig die, die dich gesehen haben, und die, die in Liebe entschlafen sind; denn auch wir werden am Leben bleiben (bzw. lebendig leben).“19 (9) Sir 50,22-24: Der Abschnitt Sir 50,22-24, der als ein Abschluss, sozusagen als Coda des Lobs der Väter gelten kann, wird von einem „Wir“ vorgetragen. Innerhalb weniger Zeilen finden sich sieben Pronomia der 1. P. Pl. Auf diese Weise schließt sich der Kreis, der am Beginn des Väterlobs mit einer 1. P. Pl. begonnen

||

16 17 18 19

In Ms B ist allgemein von einem Mann die Rede. Diese Wendung kommt in der LXX nur hier vor. In der hebräischen Fassung steht „habe ich gesehen“ (). Vgl. zudem Sauer, Jesus Sirach, 326, Anm. 87.

Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) | 217

hat. Auch jener Befund steht im Unterschied zu Ms B in BenSir 50,22-24, wo eine 1. P. Sg. in V.23 eine Gruppe in der 2. P. Pl. anspricht.

1.3 Ein Wort zum Gebrauch des Gottesnamens bei Sirach Wenngleich es sachlich zutreffend ist, dass in Sir 36,1-17 letztlich „die Anerkennung Jhwhs durch alle Welt das eigentliche Ziel des Gebets“20 sei, so ist dennoch festzuhalten, dass das nomen proprium JHWH nicht in Ms B verwendet ist, die den Text Sir 36,1-17 enthält.21 Lediglich wird in dieser hebräischen Sirachfassung22 in 10,22; 15,1.18; 16,2; 30,20; 32/35,16a.c; 32,24; 33,1; 40,26c; 42,16b.17b; 43,5; 44,16; 45,19; 46,3.10.13c.19; 47,11; 50,13.20.28/29; 51,8.1023.11.12.22(!).30 das dreifache Jod (���) als Abbreviatur und anscheinend zur Vermeidung des Gottesnamens eingesetzt, wie dies teilweise ebenso von einigen (edierten) Traktaten der Mischna her bekannt ist.24 Freilich gilt es auch hier zu bedenken, dass es sich, wie eingangs bereits betont, bei der umfangreichsten hebräischen Sirachhandschrift, die wir bisher kennen, und zwar bei Ms B um eine mittelalterliche handelt.25 Einen Sonderfall gewissermaßen bietet im griechischen Text von Sir 36 der Vokativ κυριε. Außerhalb von Sir 36 (V.4.11.16) ist er in der griechischen Sirachtext-Überlieferung nur noch in Sir 23,1.4 und in Sir 51,1.8 bezeugt. Ein entsprechendes Pendant fehlt jeweils in Ms B. Einschränkend ist jedoch hinzufügen, dass in Ms B Sir 23 komplett fehlt. Überlegt könnte zudem werden, ob die Konstruktus-Verbindung in Sir 51,8 (��� ���� / Erbarmen JHWHs) vielleicht – je nach Vorlage – den Übersetzer ins Griechische zu einem Vokativ angeregt haben könnte („und ich gedachte deines Erbarmens, Herr“). ||

20 Zapff, Jesus Sirach, 236; vgl. Urbanz, Gebet 202-203. 21 Ms B Sir 10,20 (Elohim).24 (Text defekt); 11,4 (Text defekt); 15,9 (Text defekt).11 (El).13 (Elohim); 35/32,12 (vermutlich El); 35/32,14c (El); 35/32,22 (El); 36,17 (El); 38,1.4.9.12.13/14 (jeweils El); 39,16.33 (El).35 (Text defekt); 40,27 (Elohim); 41,4 (El); 42,15.17a (El).17c (Elohim); 43,9 (El).29.30.33 (Text defekt); 44,2 (�����); 45,16(/).21 (Text defekt); 45,23 (����); 46,5 (El eljion); 46,6 (Text defekt).9(/).11 (El).14b (Elohim).16 (Text defekt).17(/); 47,5 (El eljion).6(/).18a (der Gepriesene).22 (Text defekt); 48,3 (El).20 (El eljion).22 (Text defekt); 49,3 (El).12 (Text defekt); 50,17c (�����).d (der Heilige Israels).19b (der Barmherzige).19c/d (/). 22 So in der Ausgabe von Beentjes, Book. 23 „���, mein Vater bist du“. 24 Vgl. z.B. Berakot IV 4b; IX 5a.d (zwei �); Pesachim X 5b (drei �); Sukka V 4d (zwei �); Sota V 4; VII 5d; VIII 1c.e (drei �); Abot III 2b (zwei �); IV 19 (zwei �). Im Unterschied dazu wird in Tamid VII 4 und in Middot III 8b; IV 2a der JHWH-Namen ganz ausgeschrieben. 25 Vgl. Marböck, Jesus Sirach 1-23, 24.

218 | Thomas R. Elßner

1.4 Inhaltliche Tektonik Der Abschnitt Sir 36,1-17 lässt sich wie folgt in drei Abschnitte teilen. Sir 36,1-5 wendet sich gegen andere Völker, die erkennen sollen, es gibt keinen Gott außer den einen Gott (V.5). In Sir 36,6-9 geht es näherhin um Gegner und Feinde, die einerseits vernichtet (V.6.9) und anderseits paradoxerweise wiederum von Wundertaten des de,spota o` Qeo.j pa,ntwn künden sollen (V.7b)26 – Sir 43,31a27 zweifelt grundsätzlich, ob solches Tun selbst bei bester Absicht überhaupt möglich ist. Während man den Abschnitt Sir 36,1-9 letztlich auch als eine zweigeteilte Einheit verstehen kann, der gegen die dem Autoren(kreis) vor allem feindlich von außen Gegenüberstehenden gerichtet ist, nimmt der dritte Teil Sir 36,10-17 eine Binnenperspektive ein. In dichter Folge werden nahezu alle auch für das (pluriforme) Frühjudentum theologisch wichtigen Begriffe bzw. Topoi aufgegriffen wie „alle Stämme Jakobs“ (V.10); „berufenes Volk“, „Israel“, „Erstgeborener“ (V.11); „Stadt deines Heiligtums / deiner Heiligkeit“, „Jerusalem, Ort deiner Ruhe“ (V.12); „Zion“, (nach Ziegler / Ms B) „Tempel“ (V.13)28; „deine Propheten“ (V.15); „deine Diener“ sowie (nach Rahlfs29) „Lobpreis Aarons“ (V.16). Bei der Imperativ-Reihung in Sir 36,10-17 kann es sich um einen anaphorischen Weg handeln. Am Beginn steht zuerst die Sammlung der Stämme Jakobs / Israels (V.10a)30 und damit letztlich die Bitte an den Kyrios um einen Neuanfang (V.10b-12). Daran schließt sich die Bitte an um die Erneuerung von Wundertaten und Herrlichkeit (V.13) sowie die Bitte um ein Zeugnis vom Beginn der Welt (V.14a). Lohn soll weiterhin derjenige erhalten, der auch jetzt den Kyrios in Geduld erwartet (V.15a). Zudem erhofft der Beter(kreis) von Sir 36, dass derart erflehte Ereignisse von entsprechenden Prophezeiungen und glaubwürdigen Propheten begleitet werden (14b.15b). Dies kann als ein Beleg dafür gewertet werden, dass der Sirazide immer noch fest auf die Institution der Prophetie bzw. der Propheten setzt. Sie ist für ihn noch nicht theologisch abgeschlossen. Stützen lässt sich eine solche Sicht damit, dass auch im ersten Makkabäerbuch31 ||

26 Vgl. Sir 18,5; 42,15.17; 27 „Wer hat ihn gesehen und wird es berichten?“, LXX-D. 28 Der Codex Sinaiticus liest in Sir 36,13 lao,j; so auch LXX von Rahlfs. Hingegen steht bei Palmisano an der betreffenden Stelle mit ausdrücklichem Bezug auf Rahlfs (irrtümlicherweise) nao,j, vgl. Palmisano, Salvaci, 20. 29 So auch Codex Sinaiticus; vgl. zudem Urbanz, Gebet, 92-93. 30 Eine Parallele findet sich in den Psalmen Salomons, und zwar in PsSal 8,28: „Führe zusammen die Zerstreuung bzw. das zerstreute Israel“. 31 1Makk 4,46; 14,41.

Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) | 219

sowie im Buch der Weisheit32 noch mit der Institution der Prophetie bzw. der Propheten fest gerechnet wird, sie theologisch sehr lebendig ist. Zielpunkt all dessen insgesamt ist, dass alle auf der Welt erkennen: Der in diesem Gebet Angerufene ist der Kyrios, der Gott der Welten / Ewigkeiten (V.17). Mit B. Zapff darf durchaus festgestellt werden, dass Sir 36,1-17 einen starken eschatologischen Charakter aufweist33, was besonders in V.15 zum Ausdruck kommt: „Gib Lohn denen, die dich (geduldig) erwarten“ (vgl. Klgl 3,25). Das könnte in der Tat ein Indiz letztlich dafür sein, dass jenes Gebet / jener Bittpsalm (siehe Gattung) nachträglich in den Sirach-Text eingefügt worden ist, und zwar vermutlich vor dem Hintergrund der sogenannten „makkabäischen Krise (um 165 v.Chr.)“34. Sicherlich müsste an anderer Stelle über den zeitlichen Horizont dieses Textes neu nachgedacht werden. Erschwerend kommt freilich hinzu, dass im Text selbst konkrete Anhaltspunkte für eine genaue Ortung historischer Hintergründe fehlen – er ist nahezu fast zeitlos wie manche Predigt.

2 Gattung Nachdem sprachliche und inhaltliche Tektonik skizziert sind, stellt sich unweigerlich die Frage nach der Gattung von Sir 36,1-17. Hierzu ist das Wesentlichste bereits gesagt, so dass dieser Abschnitt kurz gefasst werden kann. Z.B. J. Marböck und G. Sauer, um nur einige wenige zu nennen, denken an Klagelieder des Volkes35; W. Urbanz charakterisiert Sir 36 „als Volksklage um die Rettung Jerusalems und des Tempels“ bzw. als großes Volksklagelied „um Rettung und Erbarmen mit Volk, Stadt und Tempel“36. Andere schlagen die Gattung „Hymne von / über einen kriegerischen Gott“ vor. Diese Vorschläge diskutiert Maria Carmela Palmisano und bestimmt Sir 36,1-17 (H) als „supplica“, näherhin als „supplica di intercessione“37, worin sie letztlich u.a. N. Peters („einem inständigen Bittgebete“38), A. Eberharter (Bittgebet) folgt.39 Bereits J. Marböck hatte vor ||

32 Weish 7,27. 33 Vgl. Zapff, Jesus Sirach, 236. 34 Zapff, Jesus Sirach, 236. Marböck hatte als zeitgeschichtlichen Hintergrund für Sir 36 die Zeit nach der Niederlage Antiochus III in der Schlacht bei Magnesia 190 v.Chr. vorgeschlagen, vgl. Marböck, Gebet (1977), 105-106. 35 Marböck, Gebet (1995), 156; Sauer, Jesus Sirach, 249. 36 Vgl. Urbanz, Emotionen, 136.151; Urbanz, Gebet 93. 37 Palmisano, Salvaci, 68. 38 Peters, Buch, 292. 39 Vgl. Eberharter, Buch, 121.

220 | Thomas R. Elßner 35 Jahren40 darauf hingewiesen, dass Sir 36 insofern von der Gattung Klagelieder des Volkes abweicht, „als es nur das Element der Bitte enthält; es fehlen die Situationsschilderung, die Äußerung der Zuversicht und auch das Lobgelübde.“41 Sir 36 weist jedoch auch Elemente eines Psalms, näherhin eines Bittpsalms in Zeiten der Not auf. Exemplarisch lässt sich auf Ps 79 (Ps 78 LXX), näherhin auf die V.5-12/13 hinweisen: Direkte Anrede Gottes gleich zu Beginn in V.1 und im Psalm selbst (V.5.9.12); die Bitte um das Ausgießen des göttlichen Zornes über die Gegner (V.6); die Bezugnahme auf Jakob (V.7); das Bitten um das Erbarmen Gottes (V.8b); das Rekurrieren auf den Gottesnamen (V.6b.9); das Einfügen einer rhetorischen Frage der Feinde (V.10). Auch der Wechsel zwischen allgemeiner Anrufung (V.1-3.5.6.7.11) und einer 1. P. Pl. (V.4.8.9.10.12.13) ist Ps 79 (Ps 78 LXX) eigen. In ähnlicher Weise kommt M. Marttila in seiner Untersuchung zu der Einschätzung: “If the literary genre of this prayer (Sir 36, ThRE) is sought, the most fitting definition would be a national lament which is several times found in the Psalter (e.g., Pss 44, 60, 74, 79, 80, 83, 85).42 Nicht zuletzt weist Sir 36 Vergleichspunkte mit den sogenannten Psalmen Salomos auf.43 Vor diesem Hintergrund erscheint es als gerechtfertigt, Sir 36,1-17 ebenso als einen Bittpsalm zu bezeichnen. Kurzum, bei Sir 36,1-17 kann es sich um ein Bittgebet und / oder ein um einen Bittpsalm mit eschatologischen Zügen zur Wiederherstellung des gesamten Volkes Israel in den Gefilden seines ihm einst zugesagten Erbbesitzes handeln, wie es in ebenfalls in Ps 79,5-12/13 anklingt.

3 Kontext Alexandriens 3.1 Das Sirachschweigen des Philos von Alexandrien Die Übersetzung des Ben Sira-Buches ins Griechische ist in Ägypten, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach in Alexandrien nach 132 v.Chr., erfolgt.44 Das ist nicht unbekannt. Interessant könnte allerdings die Frage sein, ob sich Spuren des griechischen Sirachbuches hernach bei Philo von Alexandrien finden las||

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Marböck, Gebet (1977), 93, Anm. *. Marböck, Gebet (1977), 102. Marttila, Nations, 132. Vgl. Pss 7,8.10; 8,28; 11,7; 15,1; 17,45. Vgl. Marböck, Buch (82012), 503; Sauer, Jesus Sirach, 29.

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sen, wenngleich oder gerade weil sich prima facie ein Sirach-Schweigen bei Philo feststellen lässt. Ein jedoch nicht hinreichendes Argument für ein solches Schweigen ist, dass zwischen der Übersetzung der Sirachschrift ins Griechische vom Enkel (nach 132 v.Chr.)45 bis hin zum Wirken Philos46 ungefähr 150 Jahre liegen, zumal bei anderer biblischer Literatur noch viel längere Zeiträume für Abhängigkeit und Einflussnahmen, auch sprachlich-begrifflicher Art, in Rechnung gestellt und angenommen werden. Die hier sich darbietende Schwierigkeit, ex negativo zu argumentieren, liegt dagegen unstrittig auf der Hand.

3.2 Volk versus Tempel Eine andere, erst einmal viel näherliegende Überlegung besteht darin, danach zu fragen, ob sich in der griechischen Fassung des Textes Sir 36,1-17 selbst Anhaltspunkte für einen alexandrinischen Kontext finden lassen. Ein erster Punkt betrifft einen meist unter textkritischem Aspekt gewerteten Fall, und zwar, ob in Sir 36,13 die Lesart „Tempel“ oder „Volk“ zutreffend sei. Bei dieser anscheinenden oder scheinbar textkritischen Frage handelt es sich vordergründig nur um einen Buchstaben, und zwar um l (Lambda) oder um n (Ny): to.n lao,n sou / to.n nao,n sou. Ansonsten sind Artikel, Geschlecht und Kasus identisch. Für die Lesart „Tempel“ wird meist auf das hebräische Pendant verwiesen (Ms B), wo tatsächlich von „Tempel“ () die Rede ist. Vor diesem Hintergrund hat sich offenbar auch die Göttinger-LXX (Joseph Ziegler) für die Lesart „Tempel“, fast im Sinne einer veritas Hebraica a priori, entschieden47; auch die LXX-D schließt sich dieser Entscheidung schließlich an. Dagegen lässt sich aber mit Nachdruck einwenden, dass alle griechischen Textversionen übereinstimmend „dein Volk“ lesen; ein Schreibfehler, gleich welcher Art, lässt sich damit wohl kaum begründen. Die Entscheidung in Jesus Sirach 36,13 für „Volk“ statt für „Tempel“ kann vielmehr dem alexandrinischen Kontext geschuldet sein. Zum einen wird die Bedeutung des Tempels zu Jerusalem zwar nie in Abrede gestellt, aber er dürfte im religiösen Alltag vor Ort keine so große Rolle gespielt haben. Zum anderen bestand zur Zeit der Übersetzung des Textes von Ben Sira ins Griechische im Nildelta in Leontopolis ein sogenannter Onias-Tempel, der von Onias IV., dem Sohn des Hohenpriesters Onias III., um 160 v.Chr. eingerichtet worden ist und ||

45 Vgl. Schreiner, Jesus Sirach, 8. 46 Die Lebensdaten Philos werden meist mit ca. 15 v. bis 45. n.Chr. angegeben. 47 Vgl. Ziegler, Sapientia, 291.

222 | Thomas R. Elßner sozusagen ein Konkurrenzunternehmen zu Jerusalem darstellte. 48 Dieser Tempel findet in der sirazidischen Literatur keine Erwähnung. Eine sublime Kritik? Einen vielleicht in diesem Zusammenhang ebenso dem alexandrinischen Kontext geschuldeten, aber verdeckten Hinweis auf eine Parteinahme des Enkels des Ben Sira könnte Sir 36,16 entnommen werden, wo im Unterschied zur Ms B vom „Segen Aarons“ euvlogi,a VAarw,n anstelle eines „Wohlgefallen(s) an deinem Volk“ die Rede ist. Auch jene Wendung ist in der griechischen Übertragung textkritisch letztlich nicht strittig.49 Aaron selbst kann hierbei für das rite et recte eingesetzte Tempel-Priestertum grundsätzlich stehen50, worauf die OniasTempel-Gemeinde sich nicht zweifelsfrei berufen kann. Wie dem auch letztlich sei, bemerkenswert bleibt immerhin, dass Teile der späteren theologischtalmudischen Diskussion diesen Tempel nicht schlichtweg als Götzen-Tempel einstuften oder gar diffamierten.51 Die singuläre Wendung „Segen Aarons“52 lässt sich auf den hernach sogenannten Aaronitischen Segen in Num 6,22-27 beziehen. In Num 6,22-26 (LXX) ist dreimal vom Segnen die Rede (euvlogei/n). Für eine Ersetzung des Begriffs Tempel (Ms B) durch den Ausdruck lao,j (Volk) kann es ebenso eine Rolle gespielt haben, dass bereits in Sir 36,12 von po,lij a`gia,smato,j sou die Rede gewesen ist, so dass, wenn man a`gi,asma mit Heiligtum übersetzen will und kann53, letztlich bewusst eine synonyme Doppelung54 vermieden worden ist, um dafür umso mehr die Betonung auf das dem Kyrios gehörende ganze Volk zu legen. Zugleich gilt es zu notieren, dass beim Siraziden der Tempel nicht allzu häufig Erwähnung findet.55 Mit anderen Worten, das Nomen a`gi,asma lässt sich nicht zwangsläufig mit „Heiligtum“ übersetzen. Diese Bedeutung hat es auch insgesamt nicht in der LXX. Es bleibt hier also ein Ermessensspielraum des Übersetzers, der Übersetzerin, wie es nicht selten der Fall ist. Interessant ist vielleicht der Hinweis, dass Philo das Nomen a`gi,asma lediglich nur einmal verwendet, und zwar in De plantatione § 50. Dort bezeichnet es die Welt (ko,smoj), die das Haus Gottes, aber dennoch eine geschaffene und so||

48 Vgl. z. B. Flavius Josephus, Judaico, I, 31-33; VII, 420-430; Flavius Josephus, Antiquitates XIII, 62-73. 49 Vgl. Urbanz, Gebet, 92-93. 50 Vgl. Sir 45,6.20.25(!); 50,13.16. 51 Vgl. bTMen 109b. 52 LXX-D übersetzt die Wendung mit „Lobpreis Aarons“. 53 Ms B liest „Stadt deiner Heiligkeit“ bzw. „deine heilige Stadt“ ( ). 54 In Sir 47,10.13; 49,6(?); 50,11 ist a`gi,asma im Sinne von Heiligtum, respektive von Tempel verwendet. 55 Vgl. Sir 45,9; 49,12; 50,1.7; 51,14.

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mit nicht ewige Welt ist. Die Welt ist sozusagen „ein Abbild von Heiligem“ (a`gi,wn avpau,gasma).56 Mit anderen Worten, Philo verwendet den Begriff a`gi,asma nicht im Sinne von Tempel und bezieht ihn ebenso wenig auf ein konkretes Gebäude.

3.3 Das Haupt der Schläfen Moabs Ein weiteres Indiz für eine hermeneutische Adaptierung an den Kontext Alexandriens durch den Enkel darf vielleicht die Differenz zwischen der hebräischen und der griechischen Fassung bezüglich der namentlichen Benennung der Feinde in Sir 36,9 gedeutet werden. Während es in Ms B ausdrücklich in Anlehnung an Num 24,17 heißt „Beseitige das Haupt der Fürsten / Schläfen Moabs“, spricht die griechische Übertragung in Sir 36,9 von „Zermalme (die) Häupter der Herrscher der Feinde“, womit sie sich bezüglich des Ausdrucks „Herrscher“ an der LXX orientiert. 57 Der Name „Moab“ ist allerdings durch den allgemeinen Ausdruck „Feinde“ ersetzt worden. Auch diese Differenz lässt sich kaum hinreichend textkritisch erklären. Zwar dürfte der sirazidische Großvater den Namen „Moab“ noch als Chiffre für eine Israel feindlich bedrohliche Macht58, ja sogar im Sinne eines „Antijhwh“ (B. Zapff)59 eingesetzt und verstanden haben, aber es darf durchaus in Frage gestellt werden, ob diese Chiffre noch im alexandrinischen Kontext ohne weiteres kommunizierbar bzw. auf der Empfängerebene dechiffrierbar gewesen war.

4 Ein Fazit Vor allem die letzten Überlegungen dürften noch einmal die Eigenständigkeit der griechischen Sirach-Tradition gegenüber der hebräischen Vorlage des Sirachbuches verdeutlicht haben. Konkret sind die Differenzen, die zwischen hebräischem und griechischem Text auch bei Sir 36 bestehen, vor allem aus dem Blickwinkel des jeweiligen lokalen, aber auch historischen Kontextes zu ||

56 In der LXX ist avpau,gasma nur noch in Weish 7,26 belegt, und zwar in Bezug auf die „Weisheit“. 57 Vgl. Num-LXX 24,17: avrchgoi, / Sir 36,9: a;rcontej. Das Nomen a;rcwn ist in Num-LXX bezeugt, vgl. Num 22,8.14; 23,6.17. Vgl. zudem Ps 110,5-6 (LXX-Ps 109,5-6). 58 Vgl. Marböck, Gebet (1995), 160-161. 59 Vgl. Zapff, Jesus Sirach, 239.

224 | Thomas R. Elßner verstehen und zu interpretieren. Das heißt, Differenzen sind nicht allein und vordergründig unter textkritischem Aspekt und / oder sogar mit der aus- oder unausgesprochenen Annahme zu diskutieren, dass stets dem hebräischen Text, aus welcher Zeit er auch immer stamme, der Vorzug zu geben sei. Mit einem exegetischen Ceterum censeo ist dafür (wieder) zu plädieren, sowohl den hebräischen als auch den griechischen Text in seiner jeweiligen Eigenständigkeit und Dignität zu belassen, ihn entsprechend zu interpretieren. Dies bedeutet schließlich ebenfalls, bei Bibelausgaben von intersirazidischen hybriden Texten Abstand zu nehmen.60

Übersetzung Sir 36, 1-17 (nach LXX-R)

61

1 Erbarme dich62 unser, Herr, Gott aller, und schau herab, und wirf deine Furcht auf alle Völker63. 2 Erheb deine Hand gegen fremde / feindliche Völker64, und sie sollen sehen deine Macht65. 3 Wie du dich vor ihnen als heilig erwiesen hast an / unter uns, so mögest66 du dich vor uns als großmächtig erweisen an / unter ihnen, 4 Und sie sollen dich erkennen, so wie auch wir erkennen / erkannt haben, dass kein Gott außer dir ist67, Herr. 5 Erneuere Zeichen und (ver)ändere Wunder(taten); verherrliche (deine) Hand und rechten Arm. 6 Erwecke Leidenschaft, und Zorn gieße aus; entferne (den) Gegner und verderbe (den) Feind. 7 Beschleunige (den) rechten Zeitpunkt und gedenke68 des Eides,

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60 An dieser Stelle danke ich Frau Susanne Hentschke für ihr treues Korrekturlesen über einen längeren Zeitraum hinweg. Eventuell bestehende Fehler gehen selbstverständlich auf das Konto des Autors. 61 Die Verszählung richtet sich nach der LXX-Edition von Rahlfs. Zur unterschiedlichen Zählweise vergleiche jetzt Palmisano, Salvaci, 16-22. 62 Gebets- bzw. Hilferuf vgl. 3 Makk 6,12; Ps 123,32 mit Vokativ; Ode 14,20.24; Jes 33,2 mit Vokativ; Mat 9,27 mit Vokativ; 20,30.31 mit Vokativ; Lk 17,13 mit Vokativ. 63 Vgl. 1Chr 14,17; Jes 34,2. 64 Vgl. PsS 2,2. 65 Vgl. Ps 70,18; 79,3; Ps 144,11.12 (jeweils LXX). 66 2. P. Sg. Aor. Pass. Opt. 67 Vgl. 2Sam 7,22; Jes 45,14.

Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) | 225

und sie sollen erzählen69 von deinen Großtaten70. 8 Im Zorn des Feuers soll verschlungen71 werden der (nicht)72 Gerettete, und die, die dein Volk schlecht behandeln, mögen Untergang finden. 9 Zermalme73 (die) Häupter der Herrscher der Feinde74, die sagen: „Nichts gibt es außer uns“!75 10 Führe alle Stämme Jakobs zusammen76, und teile ihnen Erbe zu wie von Anfang an. 11 Erbarme dich des Volkes, Herr, das nach deinem Namen benannt worden ist77, und Israel, das / den du einem Erstgeborenen gleichgemacht hast. 12 Habe Mitleid78 (mit der) Stadt deines Heiligtums79, Jerusalem, den Ort deiner Ruhe80; 13 Erfülle Zion mit Tugendlobpreisungen81 und von deiner Herrlichkeit dein Volk82. 14 Gib Zeugnis vom Beginn deinen Geschöpfen, und erwecke Prophezeiungen in deinem Namen. 15 Gib Lohn denen, die dich (geduldig) erwarten83, und deine Propheten sollen sich als glaubwürdig / vertrauenswürdig erweisen. 16 Erhöre, Herr, die Bitte deiner Hilfesuchenden84 gemäß dem Segen85 Aarons86 für dein Volk,

||

68 Diese Form ist 15mal in Sir (LXX) bezeugt: Sir 7,16.28; 8,5.7; 9,12; 14,12; 18,24.25; 23,14; 28,6.7; 31,13; 38,22; 41,3; vgl. ebenso Ex 20,8; Dtn 9,7.27; 24,9; 25,17. 69 Von ca. 15 Belegen in LXX allein zehnmal in Sir (LXX): Sir 1,24; 18,5; 31,11; 34,9; 36,7; 39,12; 42,15.17; 43,31; 44,8. Zu V.7b vgl. Sir 18,5; 42,15.17. 70 megalei/on / -a ist noch in Sir 17,8.10.13; 18,4; 42,21 und 45,24 belegt. 71 Das Verb findet sich nur noch in Neh 2,3.13; Ez 39,4 und Dan 14,31. 72 Fehlt im griechischen Text. 73 Die Form: 2. P. Sg. Imp. Aor., vgl. 1Makk 7,42; Ps 9,36 und Jer 17,18. 74 Wendung vgl. Dtn 32,42. 75 Vgl. 1Chr 17,20; Jes 45,6 und Dan 14,41 (Bel und der Drache 1,41). 76 Vgl. PsS 8,28: „Führe zusammen das zerstreute Israel“. 77 Vgl. Jes 48,1. 78 Vgl. PsS 8,27; 9,8. 79 Vgl. PsS 8,4 (!); PsS 7,2; 11,7. 80 Vgl. Ps 131,8 (LXX). 81 Hapax legomenon; äußerst selten belegt; vgl. Wagner, Septuaginta-Hapaxlegomena, 163. 82 MS B liest Tempel ( / nao,j); hingegen die griechischen Versionen „Volk“ (lao,j). 83 Bezüglich der Wendung vgl. PsS 10,2; 14,2; Jes 64,3; Nah 1,7; Sach 6,14; Klgl 3,25. 84 Anders Ziegler, Sapientia, 292: oivketw/n = Hausknechte, vgl. Ex 32,13; Apg 10,7. Textkritisch geht es um das Omikron.

226 | Thomas R. Elßner 17 Und es werden alle erkennen87, die auf der Erde sind (leben)88, dass du Herr bist, der Ewigkeiten Gott.

Bibliographie Beentjes, Pancratius C. (Hg.), The Book of Ben Sira in Hebrew (VT.S.68), Leiden / New York / Köln 1997. Eberharter, Andreas, Das Buch Jesus Sirach oder Ecclesiasticus (HSAT VI. / 5), Bonn 1925. Elßner, Thomas R., Das Namensmißbrauch-Verbot. Bedeutung, Entstehung und frühe Wirkungsgeschichte (EThSt 75), Leipzig 1999. Flavius Josephus, Antiquitates Iudaicarum, in: Niese, Benedikt (Hg.), Flavii Iosephi Opera, I-IV, Berlin 1894. Flavius Josephus, De bello Judaico, in: Niese, Benedikt (Hg.), Flavii Iosephi Opera, VI, Berlin 1885-1892. Goering, Greg Schmidt, Wisdom’s Root Revealed. Ben Sira and the Election of Israel (JSJ Sup 139), Leiden 2009. Hossfeld, Frank-Lothar, Der Dekalog. Seine späten Fassungen, die originale Komposition und seine Vorstufen (OBO 45), Freiburg / Göttingen 1982. Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin (Hg.), Septuaginta Deutsch. Das griechische Alte Testament in deutscher Übersetzung, Stuttgart 2009. Marböck, Johannes, Das Buch Jesus Sirach, in: Zenger, Erich u.a., Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 72008. Marböck, Johannes, Das Buch Jesus Sirach, in: Zenger, Erich u.a., Einleitung in das Alte Testament, hg. v. Frevel, Christian, Stuttgart 82012. Marböck, Johannes, Das Gebet um die Rettung Zions Sir 36,1-22 (G: 33,1-13a; 36,16b-22) im Zusammenhang der Geschichtsschau Ben Siras, in: Bauer, Johannes B. / Marböck, Johannes (Hg.), Memoria Jerusalem. Freundesgabe Franz Sauer zum 70. Geburtstag, Graz 1977. Marböck, Johannes, Das Gebet um die Rettung Zions Sir 36,1-22 (G: 33,1-13a; 36,16b-22) im Zusammenhang der Geschichtsschau Ben Siras, in: Marböck, Johannes, Gottes Weisheit unter uns (HBS 6), Freiburg / Basel / Wien 1995. Marböck, Johannes, Jesus Sirach 1-23, HThKAT, Freiburg, Basel, Wien 2010. Marttila, Marko, Foreign nations in the wisdom of Ben Sira. A Jewish sage between opposition and assimilation, Deuterocanonical and cognate literature studies 13, Berlin / Boston, MA 2012. Palmisano, Maria Carmela, „Salvaci, Dio dell´universo!“. Studio dell’eucologia di Sir 36H, 1-17 (AnBib 163), Rom 2006. Peters, Nobert, Das Buch Jesus Sirach oder Ecclesiasticus (EHAT 25), Münster 1913.

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85 In den deuterokanonischen Schriften, aber auch in Sirach selbst wird euvlogi,a im Sinne von Segen verstanden. 86 Anders Ziegler, Sapientia, 292. 87 Vgl. Ex 7,5; 14,4.18; Ez 29,6; 30,26 (LXX). 88 Vgl. Jos 23,14 (LXX).

Retten und Schrecken (Sir 36,1-17) | 227 Philo von Alexandrien, De Plantatione, in: Cohn, Leopold / Wendland, Paul (Hg.), Philonis Alexandrini Opera quae supersunt, II, Berlin 1897. Rahlfs, Alfred, Septuaginta, Stuttgart 21979. Sauer, Georg, Jesus Sirach / Ben Sira (ATD), Göttingen 2000. Schreiner, Josef, Jesus Sirach (NEB), Würzburg 2002. Urbanz, Werner, Gebet im Sirachbuch. Zur Terminologie von Klage und Lob in der griechischen Texttradition (HBS 60), Freiburg / Basel / Wien 2009. Urbanz, Werner, Emotionen mit Gott. Aspekte aus den Gebetsaussagen im Sirachbuch, in: Egger-Wenzel, Renate / Corley, Jeremy (Hg.), Emotions from Ben Sira to Paul (Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook 2011), Berlin 2012, 133–158. Wagner, Christian, Die Septuaginta-Hapaxlegomena im Buch Jesus Sirach. Untersuchungen zu Wortwahl und Wortbildung unter besonderer Berücksichtigung des textkritischen und übersetzungstechnischen Aspekts (BZAW 282), Berlin / New York 1999. Zapff, Burkard M., Jesus Sirach 25-51 (NEB), Würzburg 2010. Ziegler, Joseph (Hg.), Sapientia Iesu Filii Sirach (XII,2), Göttingen 1965.

Egbert Ballhorn

Baruch – pseudepigraphe Kommunikation 1 Das Buch Baruch – am Rand und in der Mitte Das Buch Baruch steht im Verbund der biblischen Bücher eher am Rande, und das in mehrerlei Hinsicht: Es ist, trotz des mutmaßlichen hebräischen Urtextes, nicht in den hebräischen Kanon aufgenommen worden, sondern hat allein Aufnahme in den Septuagintakanon gefunden. Sodann steht es zeitlich am Rand. Es ist eines der jüngsten Bücher der LXX und blickt auch auf mehrere der septuagintatypischen Schriften zurück, von denen es Motive aufnimmt. Zugespitzt könnte man es so ausdrücken, dass das Buch Baruch innerhalb der Bibel keine größere Wirkung entfaltet hat, weil es selbst bereits die Wirkungstgeschichte biblischer Bücher darstellt. Umso ausgeprägter ist seine nachbiblische Wirkungsgeschichte, die als eigenständige Fortsetzung der mit dem Baruchbuch begonnenen Linie anzusehen ist. Die vom Buch Baruch eingeführte Gestalt des „Baruch“ als eigenständiger Autor schien ein inspirierendes Prinzip zu sein, so dass auch in nachbiblischer Zeit Bücher unter diesem Namen verfasst werden: Der Brief des Baruch, der im Zusammenhang mit dem Buch im Rahmen der LXX überliefert wird, sowie die Syrische Baruchapokalypse1 und die Griechische Baruchapokalypse2, die beide, die pseudepigraphe Sukzession anzeigend, als 2Bar und 3Bar bezeichnet werden. Entsprechend diesem Befund bildet das Buch Baruch damit zwar einerseits eine Brücke zwischen kanonischer, deuterokanonischer und apokrypher Literatur, andererseits hat es, womöglich wegen seine bescheidenen Umfangs und seiner, im Vergleich zu den späteren „Baruch“ zugeordneten Büchern, geradezu als strategisch zu bezeichnenden Unoriginalität3 in der jüngeren Exegesegeschichte nur ein bescheidenes Echo erfahren.4 Trotz dieser ausgewiesenen biblischen „Randständigkeit“ lohnt eine Beschäftigung mit dem Buch Baruch, weil es wiederum auch in mancher Hinsicht auf die Mitte der Schrift zugeordnet ist: Durch seine anthologische Umgangs||

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Dedering, Apokalypse; Murphy, Structure. Harlow, Apocalypse. Steck, Baruchschriften, 1144, nennt spricht von „bewußt ‚bibeltreu‘ formuliert“. Zur altkirchlichen Auslegungsgeschichte siehe Feuerstein, Buch.

230 | Egbert Ballhorn weise mit allen Teilen des sich verfestigenden biblischen Kanons stellt es selbst so etwas wie eine Summe biblischer Theologie dar. Das Buch Baruch ist gewissermaßen ein impliziter Metatext auf den Text der Bibel selbst und stellt als Bestandteil des Kanons ein starkes Moment der Selbstreferentialität der Schrift dar. Man könnte es auch so ausdrücken, dass das Buch Baruch eine gewissermaßen kanonische Position zu den anderen Büchern des Alten Testaments einnimmt5. Von Interesse ist dabei, wie es das tut, wie es seine Prä-Texte aufnimmt und mit ihnen umgeht und dabei dann doch eigene Akzente setzt. Dazu kommt noch, dass hier die historische und die kanonische Sichtweise auf zwanglose Weise überein kommen: Weil Baruch zeitlich am Ende der Entstehung der biblischen Bücher steht, blickt es auf fast alle anderen Bücher des hebräischen und des LXX-Kanons zurück6. Die literarische Abhängigkeit kann daher durchgängig diachron verstanden werden, weil Bar auf diese Texte zurückgreift und nicht umgekehrt.

2 Diegese und Mimesis In der klassischen Literaturwissenschaft ist es üblich, zwischen den verschiedenen Text- und Aussageebenen zu unterscheiden. Wörtliche Rede spielt sich auf einer anderen Ebene ab als die Rede des Erzählers; es geht um die Unterscheidung zwischen Erzähler und erzählter Welt. Das klassische Begriffspaar für die beiden Darstellungsarten seit Aristoteles und der antiken Ästhetik ist „Diegese“ und „Mimesis“7. Diegese bezieht sich auf die Stimme des Erzählers, ||

5 Interessant ist, dass dabei noch einmal gewissermaßen eine doppelte Kanonizität begegnet, denn bereits eine der Hauptquellen und Bezugstexte, das Buch Jeremia, ist von seiner Machart her auf die Größe „Schrift“ als kompniertes Ganzes verwiesen. Wie Fischer (Jeremia 26-52, 660) am Ende seines Kommentars resümierend festhält: „Es gibt kein Kapitel in Jer, das nicht viele und teils sehr enge Berührungen mit der Tora, dem dtrG oder anderen prophetischen Büchern aufzuweisen hätte“. 6 Nur die beiden Makkabäerbücher dürften noch jünger sein, wie Schreiner, Baruch, 47, aus dem Vergleich unterschiedlicher eschatologischer Konzepte schließt: Während die Makkabäerbücher eine Auferstehung der Toten annehmen, wiederholt Bar 2,17f. nur den psalmentypischen Topos, dass die Toren Gott nicht loben. Diese Datierung gilt zumindest für diesen Teil des Buches. Die Gesamtkomposition setzt Schreiner „nicht vor der Mitte des 1. Jh. v. Chr.“ an (Schreiner, Baruch). 7 Schon in der antiken Rhetorik wird das Begriffspaar auch zur Unterscheidung der Gattungen eingesetzt. Diegetische und mimetische Rede können in Texten nebeneinander vorkommen. Idealtypische Polaritäten stellen nach antiker Wahrnehmung die Lyrik als reine Diegese und das Drama als reine Mimesis dar. Auch dies ist eine Idealisierung, denn das Drama enthält ja

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der selbst spricht, während Mimesis die Vergegenwärtigung mit sprachlichen Mitteln meint. Insofern ist die Ebene der Mimesis derjenigen der Diegese untergeordnet, denn sie ist von dem dargestellten Geschehen auf der höheren Ebene abhängig. Eine parallele Begrifflichkeit in der Erzähltheorie des 20. Jhs.8 übersetzt die beiden Begriffe mit „telling“ und „showing“. „Telling“ meint die referierende Darstellung von Handlung durch die Erzählstimme, während „showing“ das vermeintlich unmittelbare Geschehen durch Wiedergabe von Rede und Dialog mitteilt. Beide Elemente haben ihre jeweilige Bedeutung für die Gestaltung von Literatur. Das „Telling“ (die Diegese) ist jener Ort, an dem der Erzähler näher an die Leserschaft herantritt und mit ihr unmittelbarer kommuniziert als auf der Ebene der Figurenrede. Der Erzähler konstituiert die erzählte Welt, damit baut er die Brücke zwischen der Welt der Leserinnen und Leser und den wiedergegebenen Ereignissen, die er sodann auch einordnet.9 Das „Showing“ bzw. die Mimesis dient dagegen vor allem der Verlebendigung des Dargestellten.10 Je mehr Rede von Handelnden wiedergegeben wird, desto unmittelbarer wirkt das Dargestellte und desto stärker werden Leserinnen und Leser in das beschriebene Geschehen einbezogen11. Aber auch das „showing“ bzw. der mimetische Anteil eines literarischen Werkes ist verständlicherweise nicht einfach Abbildung, sondern stellt ebenso eine Konstruktion des Erzählers dar und ist von diesem abhängig. Insofern ist das Begriffspaar, wenn es als (symmetrische) binäre Opposition angesehen wird, durchaus nicht unproblematisch, denn letztlich stellt die Diegese den übergeordneten Begriff dar.

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zumindest in seiner schriftlichen Form mit der Einteilung in Akte, Regieanweisungen und ähnliche diegetische Elemente, die im Falle einer Aufführung auch wieder in das Darstellungssystem übersetzt werden müssen. 8 Lubbock, Craft. 9 Wolf, Erzähler, 174. 10 Auch hier sind unterschiedliche Abstufungen möglich, nämlich entsprechend dem Fall, ob es sich um die zitierte Figurenrede, um transponierte Figurenrede (sogenannte indirekte Rede) oder nur um die erzählte Figurenrede geht, die zusammenfassende Referierung einer getanen Äußerung. In dieser Reihenfolge liegt „eine graduelle Abnahme der Wörtlichkeit“ vor (Lahn / Meister, Einführung, 121). 11 Vgl. Lahn / Meister, Einführung, 119: „Während der Erzähler beobachtbare Zustände und Ereignisse erst in das Medium der Sprache transformieren muss, findet er die Gespräche der Figuren bereits in sprachlicher Form vor. Die Wiedergabe von gesprochenen Worten erfordert somit offenbar deutlich weniger Übertragungsleistung als Zustandsbeschreibungen oder Ereignisrepräsentationen. Besonders wenn der Erzähler die direkte Rede als Wiedergabeform wählt, meint der Leser, unverfälscht die Äußerung der Figur zu vernehmen“.

232 | Egbert Ballhorn „Die Vorstellung, dass der Leser eine eindrücklich geschilderte Szene quasi vor seinem inneren Auge anschauen könne, ist ebenso eine Metapher wie das sprichwörtliche ‚Kopfkino‘. Wenn ein Erzähltext einen Gegenstand lebendig darzustellen vermag, kann bestenfalls von einer Illusion der Unmittelbarkeit die Rede sein. Deshalb ist das Begriffspaar showing und telling zwar eingängig, aber es verdeckt das wesentliche Merkmal des Erzähltextes: Alles am Erzähltext ist ... letztlich diegesis oder telling – auch wenn mimetische Redeanteile die Illusion des showing erwecken können“12. Diese Betrachtung zeigt, dass Literatur grundsätzlich das Merkmal der Kunsthaftigkeit zu Eigen ist. Jede Form von Literatur ist letztlich auktoriell erstellt, zubereitet, konstruiert. Eine reine Abbildhaftigkeit auch in der Gestalt von Sprache kann es nicht geben.13 Die Differenzierung von Diegese und Mimesis hilft jedoch dabei, die verschiedenen literarischen Darstellungsformen besser erkennen zu können.

2.1 Unterscheidung von Textebenen Zugleich mit der Unterscheidung von telling / showing bzw. Diegese und Mimesis ist die Differenzierung verschiedener Aussageebenen gegeben. Bei narrativen Texten können sie nach strikter Logik voneinander unterschieden werden.14 Jede Form von Literatur ist Darstellung, Vermittlung. Dabei gibt es jedoch gestufte Formen der Mittelbarkeit. Auf der 1. Textebene wird die ablaufende Handlung dargestellt. Ihr noch einmal übergeordnet ist die 0. Ebene; auf ihr befindet sich der Metatext, in dem der Autor (oder ein Herausgeber) nicht Handlung wiedergibt, sondern den folgenden Text auf einer metakommunikativen Ebene beschreibt und evtl. auch mit den Lesern oder Leserinnen direkt kommuniziert15. Auch Überschriften und Einleitungen gehören auf diese Ebene. ||

12 Lahn / Meister, Einführung, 118-119. 13 „Was Lit.[eratur] nachahmt, ist also nicht bereits als solches vorgegeben, sondern entsteht gleichsam erst im Akt der Nachahmung selbst. ... Die Wirkung der künstlerischen M.[imesis] schließlich beruht auf der Freude der Rezipienten an der erfolgreich inszenierten Nachahmung, die zum identifizierenden Mit-Spielen der nachgeahmten Handlungen führt und dabei höchst intensive Reaktionen zwischen Mitgefühl und Betroffenheit auslöst“. Zapf, Mimesis, 501. 14 Siehe die Klassifikation bei Löning (Geschichtswerk, 14-15) sowie Gülich / Raible (Überlegungen, 100-122). 15 Das klassische neutestamentliche Beispiel sind die beiden Proömien von Lukasevangelium und Apostelgeschichte.

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Werden im Rahmen der 1. Textebene, also auf der Handlungebene, mündliche Äußerungen der Handelnden (der sog. „Figuren“) wiedergegeben, so handelt es sich um ein Zitat. Wörtlich wiedergegebene Rede befindet sich daher auf der 2. Textebene. Die Unterscheidung dieser Ebenen macht deutlich, dass das, was der Erzähler sagt, und was die Figuren sagen, unterschiedlichen „Welten“ angehört. Diese Unterscheidung kann noch fortgeführt werden: Sollte innerhalb einer wiedergegebenen direkten Rede das Wort eines anderen zitiert werden, so würde es sich um die dritte Textebene handeln. So wird es möglich, dass sich mehrere Redeebenen hintereinander staffeln. Es ist die Aufgabe des Lesers und der Leserin und ihrer literarischen Kompetenz, diese Ebenen voneinander zu unterscheiden. Häufig zeigen Auftaktsignale (literaturwissenschaftlich beispielsweise die Inquit-Formel) eine auf sie folgende Zitierung an; diese bestehen aus den klassischen verba dicendi.16 Sie sind ausdrückliche Marker, die den Ebenenwechsel bezeichnen. Daher spricht man auch von metakommunikativen Sätzen. Sie befinden sich auf einer übergeordneten Ebene bzw. leiten mit einer wörtlichen Rede oder mit einem Zitat eine untergeordnete Textebene ein. Das erreichte Ende des Zitats wird meist nicht in gleicher Weise angezeigt17, sondern kann nur aus dem thematischen Zusammenhang erschlossen werden18. Hier sind die Leser auf ihre eigene literarische Kompetenz und ihre Kenntnis der gattungstypischen Konventionen verwiesen. Auch im Bereich der Diegese können mehrere Ebenen aufeinander folgen. Es kann „Erzählungen in der Erzählung“ geben. Auf diese Weise werden Rahmen- und Binnenerzählungen konstruiert. Dieses Phänomen kann literarisch immer weiter vorangetrieben werden, so dass schließlich durch mehrere Inklusionen Erzählungen vielfach gestaffelt werden.19 Die Rahmenhandlung20 kann

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16 Im Hebräischen fungiert die klassische rm,aYOw-: Formel als Redeeinleitungsformel und signalisiert damit nicht nur einen Wechsel vom Erzählter zum Sprecher, sondern damit auch einen Wechsel der Aussageebenen. 17 Das Fehlen typographischer Markierungen zur Kennzeichnung wörtlicher Rede auf der Ebene antiker Texte macht deutlich, dass das Erkennen der verschiedenen Ebenen vorausgesetzt und als selbstverständlicher Bestandteil der literarischen Bildung angesehen wurde. 18 Ein Moment hierfür kann der erschlossene Wechsel zwischen Sprecher und Erzähler sein. Vgl. Gülich / Raible (Überlegungen, 83, Anm. 2): „Dort, wo ein Signal wie dasjenige des metakommunikativen Satzes fehlt, muß auf jeden Fall Personentransposition stattfinden“. 19 Die von Genette eingeführte und nahezu klassisch gewordene Terminologie, die Erzähler auf den verschiedenen Ebenen der Staffelung „extradiegetisch, intradiegetisch und metadiegetisch“ zu nennen, ist wohl eher verunklärend als den Sachverhalt erhellend. Hilfreicher mag es sein, in der Reihenfolge gewissermaßen von außen nach innen primäre, sekundäre, tertiäre Erzähler u.s.f. schlicht numerisch zu benennen (Schmid, Elemente, 86).

234 | Egbert Ballhorn als Erzählklammer dienen, die die einzelnen Elemente zusammenhält. In biblischer Hinsicht kann insbesondere der Metaebene wie der Überschrift oder Einleitung eines Buches die Funktion zufallen, den unter ihr versammelten Elementen eine vereinheitlichende Ausrichtung zu geben damit Leseanweisung zu sein. So wird Text in eine (zumindest vermeintlich) ursprüngliche Kommunikationssituation hineingestellt. Die kommunikative Funktion ist evident: Leserinnen und Leser werden durch Überschriften, Einleitungen und Rahmenhandlungen auf den darauf folgenden Text vorbereitet, in einer situierende Handlung einbezogen und so ihre Lese- und Rezeptionswege für das Kommende fokussiert.21 Mit Metatexten werden Rezeptionsvorgaben gegeben. Neben der Leserlenkung dient die Rahmenhandlung der Steigerung der Authentizität des im Kern Dargestellten. Verschiedene Formen der Kontextualisierungen vermehren die Bezugspunkte des Gesagten und verhelfen dazu, den Binnenerzählungen Konkretion zu verleihen. Literarisch gesehen, werden Ursprünge dargestellt, damit zugleich auch Verwendungs- und Rezeptionskontexte angeboten.22 Im Grunde werden mit Hilfe der ineinander verschachtelten Erzählebenen Ketten von Bezeugungen erstellt. „Kippen“ kann eine solche Konstruktion, wenn durch eine Überfülle von Rahmungen den Rezipienten die Orientierung über die jeweiligen Textebene verlorengeht.23

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20 Laut der Definition der Literaturwissenschaft muss eine Rahmenhandlung einen Text nicht symmetrisch rahmen. Auch eine allein stehende Eröffnung eines Textes auf einer höheren Ebene ist daher als „Rahmen“ anzusehen.. Ebenso kann ein Text durch ein überraschende Schlusswort auf eine andere Ebene transponiert und damit ein literarischer Überraschungseffekt erzielt werden. Fludernik, Einführung, 39, spricht in diesen Fällen von einer „einleitenden Rahmung“ und einer „abschließenden Rahmung“. 21 Wolf, Rahmung, 604. 22 Bei der Unterscheidung verschiedener Textebenen drängt sich eine formale Parallele aus dem Instrumentarium der historisch-kritischen Methodik an: Auch die Literarkritik teilt einen Text in verschiedene Ebenen auf, indem sie Grundtext(e) und Ergänzung(en) in ihrer freien Zusammenstellung oder in Abhängigkeit voneinander identifiziert und markiert. Das ist eine formale Ähnlichkeit, die jedoch einen anderen Horizont einholen will, nämlich die verschiedenen Ebenen der Textgenese. Auch dies ist eine Rezeptionsvorgabe; so insinuiert sie ein diachrones Lesemuster. 23 Zur Problematik von Authentifizierungsfunktionen von Rahmungen schreiben Lahn / Meister (Einführung, 87): „wir haben es hier vielmehr mit einer Spielart des Stille-Post-Prinzips zu tun. Entgegen der Intention ihres Erzählers erzielen Rahmenerzählungen, die das Erzählen beglaubigen sollen, somit nicht selten genau den gegenteiligen Effekt“.

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2.2 Textebenen in der biblischen Literatur Im Folgenden soll die oben in Erinnerung gebrachte Terminologie auf biblische Literatur allgemein angewandt werden, um Beobachtungen zur Struktur des Buches Baruch beschreiben und auswerten zu können. Die Unterscheidung von Redeebenen und von Zitationen ist für das Verständnis auch der Eigenart der biblischen Texte hilfreich, insbesondere, wenn es beispielsweise auf prophetische Textgattungen angewandt wird. Jede der Textebenen hat ihre eigene, auch theologische, Funktion. Es ist typisch für die prophetische Rede in der Bibel, dass die geoffenbarten Gottesworte nie allein im Raum stehen, sondern dass sie in Kompositionen und Handlungszusammenhänge eingebettet sind. Gottesworte begegnen immer als Zitat, also auf der 2. Textebene. Der Zitat- und Kontextcharakter des Gotteswortes ist jedoch für eine Offenbarungstheologie entscheidend. Wenn wir allein die literarische Machart biblischer Gottes-Rede betrachten, dann bedeutet sie: Die Gottesworte stehen nicht allein im Raum, sondern sind an Kontextsituationen gebunden, aus denen sie erwachsen. Es gibt also nicht allein zeitgeschichtliche Kontexte, in denen Gottes Offenbarung vernommen und verschriftlicht wird, sondern ebenso literarische Kontexte. Es ist ein literarisch grundlegendes Phänomen, dass der Erzähler so etwas wie eine Vermittlungsinstanz darstellt. Das Gotteswort ist nur in einem metakommunikativen Kontext überliefert, fast immer zusammen mit dem Satz „so hat der HERR gesprochen“. Es ist in biblischer Erzählliteratur, wie sie in der Tora, aber auch den Prophetenbüchern vorkommt, ein sehr häufiges Stilmittel, dass „Zitate im Zitat“ vorkommen, also eine dritte oder vierte Textebene angesprochen wird. Gerade Gottesworte werden häufig so eingebettet. Literarisch hat das den Effekt der Steigerung der Authentizität; die beglaubigenden Vermittlungszusammenhänge und die verlässlichen Sprecher und Sprecherinnen sind mitangegeben. Es macht auch deutlich, dass es geradezu aus innerer Notwendigkeit solcher „Überlieferungsketten“ bedarf, um die Botschaft weiterzutragen.24 Nach biblischer Wahrnehmung geht dadurch nichts verloren; die Bibel lebt vielmehr davon, dass beglaubigte Überlieferergestalten wie Mose oder Jeremia das erhaltene Wort (eben als „Zitat“) in die Zusammenhänge Israels einbringen. Es ist ||

24 Eine diachrone Parallele dazu ist die in der Bibel so häufig anzutreffende literarische Gattung der Genealogie, deren Grundgedanke auch die unverfälschte, durch Weitergabe nicht geminderte, Überlieferung von Segen und Legitimation ist. Vgl. hierzu Hieke, Genealogien (bes. 299-307).

236 | Egbert Ballhorn geradezu die grundsätzliche „Machart“ der Bibel, die beständige Inkorporation des Gotteswortes in menschliche Geschehensabläufe auszudrücken. Es braucht die Bezeichnung als Gotteswort, die Kommentierung und die Überlieferung. Auch die Autorität der Gottesrede bindet sich an den sie vermittelnden menschlichen Sprecher, an eine Einbindung einen Erzähl- und Kompositionszusammenhang. Man könnte es auch so ausdrücken: Die Rahmenerzählungen sind Bestandteil des Kompositions- und Offenbarungszusammenhangs selbst. Auch diese Einbettungen gehören zum literarischen Ganzen, und erst zusammen mit ihnen, als Gesamtkomposition, wird das biblische Buch zum „Wort Gottes“. Dass Gottesworte und Menschenworte biblisch gesehen in einen erzählerischen (diegetischen) Zusammenhang eingebettetes („embedded“) sind, ist im engen und im weiteren Sinne eine sinntragende, normative Rezeptionsvorgabe. Im engeren Sinne, weil es über die Situierung des Wortes etwas sagt, im weiteren Sinne, weil auf diese Weise überhaupt die Tatsache verschiedener Kommunikationsebenen ins Spiel kommt. Damit wird aber zumindest indirekt darauf verwiesen, dass es auch oberhalb des Textes selbst eine weitere Ebene gibt, eben jene der außertextlichen Wirklichkeit. Von dieser Blickweise her ist jede Form von Literatur selbst immer ein „Zitat“. Oder umgekehrt gesehen: Die Welt der Rezipienten ist ein weiterer Kontext des Textes, sie ist gewissermaßen immer so etwas wie eine „Überschrift“ zum Text.25 Die Staffelung eines Textes in verschiedene Ebenen trägt daher ein eminent pragmatisches Moment in sich: Sie verweist auch auf eine außer- und übertextliche Kontexteinbettung des Textes selbst.

2.3 Anwendung auf das Buch Baruch Die Unterscheidung der Textebenen ist für das Verständnis des Buches Baruch von grundlegender Bedeutung. Die klassische Einteilung des Buches in vier große Abschnitte in eine Einleitung (1,1-15aα), ein Bußgebet (1,15aβ-3,8), eine weisheitliche Mahnrede an Israel (3,9-4,4) sowie eine Ermutigungsrede Rede Jerusalems und an Jerusalem (4,55,9) ist unstrittig. Damit ist aber die Struktur des Buches noch nicht ausreichend

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25 Was die klassische Gattungskritik auf ihre Weise deutlich macht, dass Texte einen „Sitz im Leben“ haben, das kann parallel hierzu im Rahmen der literaturwissenschaftlichen Betrachtung ebenfalls deutlich werden.

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eingeholt. Es lohnt, einen Blick auf die diegetischen und mimetischen Anteile zu werfen und die Redeebenen zu untersuchen.

2.3.1 Die Überschrift und die Einleitung des Buches Baruch Bereits die Eröffnung ist in jedem ihrer Bestandteile aussagekräftig: „Und diese: die Worte des Buches, die geschrieben hat Baruch ...“. Der vielleicht erstrangige intertextuelle Hinweis bezieht sich auf Jer 29,1, die Schrift / den Brief (rp,s)e , den Jeremia an die Gemeinde der Exulanten in Babel gesandt hatte. Die Eröffnung ist identisch26. Ein Unterschied besteht nur darin, dass in Jer 29,1 in Bezug auf den Brief das Verb avposte,llein „Senden“, in Bar 1,1 jedoch gra,fein „Schreiben“ verwendet wird. Diese Differenz ist programmatisch zu verstehen. Der Verweis auf „Worte“ gleich zu Eingang eines Buches ist zugleich ein intertextuelles Signal auf andere biblische Buchanfänge. Es ist nicht verwunderlich, dass eine gewisse Zahl biblischer Bücher mit dem Hinweis auf „Worte“ (~yrIb'd> / lo,goi) eröffnet wird, jedoch auf spezifische Weise. Die Hauptparallele findet sich im Deuteronomium, in dem „Worte des Mose“ (Dtn 1,1) niedergelegt sind, allerdings legt die Überschrift großen Wert auf den Redecharakter, die mündliche Überlieferung in der ursprünglichen Verkündigungssituation. Sodann gibt es weitere biblische Bücher, die „Worte“ der ihnen zugeschriebenen Autoren in der Überschrift zum Thema machen: Koh 1,127 und Neh 1,1. Im Bereich der prophetischen Bücher steht besonders Jer 1,1 zu Bar 1,1 hierzu in Parallele, weil auch hier das Buch mit einem Nominalsatz in der Überschrift die Worte des Protagonisten als dessen Inhalt herausstellt. Allerdings wird im unmittelbaren Anschluss daran herausgestellt, dass die Worte Gottes an diesen Propheten ergangen waren, womit „Worte des Jeremia“ (Jer 1,1) und ||

26 Eine semantische Unsicherheit besteht darin, dass eine Entscheidung getroffen werden muss, auf welcher Sprachebene die Texte miteinander verglichen werden können. Der vorliegende griechische Text des Buches Baruch kann nur mit anderen LXX-Texten semantisch abgeglichen werden. Zugleich ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass Bar eine höchstwahrscheinlich ursprünglich hebräisch verfasste Schrift darstellt. Semantische Differenzen können daher auch auf das Konto unterschiedlicher Übersetzungen gehen, wie beispielsweise bei unterschiedlichen Semantik für Buch / Brief / Schriftstück: statt bi,bloj (Jer 29,1) hat bibli,on (Bar 1,1 und öfter; vgl. aber auch Bar 1,3, wo innerhalb desselben Verses beide Lexeme als Bezeichnung für die gleiche Sache nebeneinander begegnen). Semantische Vergleiche sind daher immer mit einem gewissen Maß an Unsicherheit behaftet. 27 Birnbaum / Schwienhorst-Schönberger, Buch, 46: „Das Buch wird demnach als (im weitesten Sinn) Rede (‚Worte‘) eines Menschen vorgestellt, der Volk um sich versammelte, also eine gewisse Autorität verkörperte“.

238 | Egbert Ballhorn „Wort des HERRn“ (Jer 1,2) sowohl in wechselseitige Erläuterung als auch in innere Spannung zueinander treten28. Viele andere Prophetenbücher stellen den göttlichen Offenbarungsaspekt noch stärker heraus, dort geht es in der Überschrift immer um das Wort Gottes, das ergeht. Der Prophet ist nach dieser Überschriftenkonstruktion nur der Übermittler des an ihn ergangenen Offenbarungswortes (im Singular!)29. Für die Eröffnung des Buches Baruch ist gewissermaßen „strategisch“ von Bedeutung, dass Baruch nicht allein als individueller Autor herausgestellt wird (das geschieht in Neh 1 ebenso, und in gewisser Weise auch in Koh 1), der seine eigenen „Worte“ weitergibt, sondern mit den Begriffen von „Buch / Schriftstück“ und „Schreiben“ die Schwerpunktverlagerung deutlich markiert wird, die hier stattfindet. Mit einer solchen Bezeichnung tritt der Erzähler mit den Leserinnen und Lesern in Kommunikation und verständigt sich über den nun folgenden Text. So wird ein metanarrativer Diskurs geführt und oberhalb der Erzählebene die „Nullte Textebene“ eröffnet.30 Sie weckt die Leseerwartung auf ein schriftstellerisches Produkt, zugleich wird ein eigenständiges Autorenkonzept in den Mittelpunkt gestellt.31 Dass das Motiv des Niederschreibens eingeführt wird, kommt bezeichnenderweise bei keinem anderen biblischen Buch bereits in der Überschrift vor. Und auch die Bezeichnung als „Schriftstück / Buch“ (bibli,on) ist aussagekräftig, denn sie begegnet, mit Ausnahme von Tob 1,1, bei anderen Büchern noch nicht vor.32 Aus dem Prätext des Prophetenbriefes (Jer 29) mit seinem begrenzten Umfang und seiner Unterordnung in die Gesamtgattung des Prophetenbuches wird nun ein eigenes Buchkonzept entwickelt. Die literarische Struktur von Jer

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28 Es ist vielsagend, dass LXX diese Spannung einseitig auflöst, indem sie für das hebräische rb'D' je nach Kontext einmal mit r`h/ma (Jer 1,1) und einmal mit lo,goj (Jer 1,2) übersetzt, es aber jedesmal exklusiv auf Gott bezieht. 29 Siehe Hos 1,1, Joel 1,1, Jona 1,1; Micha 1,1; Zef 1,1; Hag 1,1; Sach 1,1. Fast immer handelt es sich um die Wort-Ereignis-Formel. Am 1,1 nimmt eine Sonderstellung ein, weil die Worte des Amos im zweiten Teil der Überschrift mit dem Verb des Schauens (chsah / orao) und damit mit göttlicher Ursache in Verbindung gesetzt werden. 30 Gülich / Raible, Überlegungen, 88. 31 Hierin wird sich auch ausdrückliches hellenistisches Autorenbewusstsein äußern; vgl. hierzu van der Toorn, Culture, 23-25. 32 Dass das Matthäusevangelium (Mt 1,1) dann ebenfalls das „Buch“ zur Überschrift und zur Metabezeichnung macht, fügt sich nahtlos in diese Linie hellenistischer Literaturgestaltung ein.

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29 wird formbestimmend und vom Buch Baruch zum Prinzip eines ganzen Buches erhoben.33 „Offenbarung“ und Weitergabe von Gottesbotschaft, wie es das Corpus des Buches ausweislich seines Inhaltes sein will, findet jetzt ausdrücklich im Modus schriftstellerischer Tätigkeit statt. Die kontextuell angespielte „Urszene“ des von Jeremia an die Exulanten gesandten Schriftstückes wird nun programmatisch auf ein ganzes, komplex gegliedertes Buch übertragen. Durch die Analyse der Überschrift des Buches Baruch werden drei Akzentverschiebungen deutlich: im Buchkonzept, im Offenbarungskonzept und im Autorenkonzept. Ungewöhnlich ist, wie sich das Buch Baruch nach seiner Überschrift weiter fortsetzt. Was Schwienhorst-Schönberger über die verwandte Überschrift von Koh schreibt, gilt auch für Bar: „Der Leser wird auf Rede eingestimmt, nicht auf Handlung“.34 Mimesis (Showing) kündigt sich an. Daher ist es überraschend, dass nach der Überschrift nicht der erwartete Wortlaut des Briefes folgt, sondern Erzählung beginnt. V.2 setzt die Überschrift noch mit einer Datierung fort; aber mit V.3 beginnt eine Erzählung vom Umgang mit dem Brief. V.3-4 handelt von der Verlesung des Briefes / Schriftstückes / Buches, das in diesem Vers ein weiteres Mal erwähnt wird, vor der in Babylonien versammelten Exulantenschar durch Baruch, worauf in V.5-7 die Reaktionen des Volkes geschildert werden. V.8.9 stellt eine informierende Hintergrundbemerkung über die Tempelgeräte dar, die aus dem unmittelbaren narrativen Zusammenhang herausfällt, wonach V.10 das Kollektenmotiv aus V.6f. wieder aufnimmt, zugleich aber eine sprachliche Aktion der Exilsgemeinde schildert, nämlich eine Begleitbotschaft an die in Jerusalem verbliebene Einwohnerschaft. Diese Botschaft wird wörtlich wiedergegeben, sie befindet sich also auf der zweiten Textebene, denn sie ist „Figurenrede“. Diese Anweisung an die Jerusalemer besteht in der Grundstruktur aus einer Reihe von Imperativen, was zu tun sei, nämlich die Darbringung von Opfern, das doppelte Fürbittgebet für den babylonischen Fremdherrscher und die Exulanten und schließlich in der regelmäßigen (sic!) Verlesung des baruchschen Schriftstückes („dieses Buch“) zu Festtagen.35

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33 Dazu passt, dass in Jer 29 ganz parallel zum Buch Baruch die Unterscheidung der Textebenen nicht gelingt. Die Uneindeutigkeit ist also bereits in das Konzept des Prätextes eingetragen. 34 Schwienhorst-Schönberger, Kohelet, 139. 35 Aus der Tatsache, dass hier an eine regelmäßige Verlesung zu bestimmten Festtagen gedacht ist und die Fürbitte für die babylonischen Herrscher gesprochen wird, kann nur ge-

240 | Egbert Ballhorn Bereits diese Einleitung ist, so einfach ihr logischer Ablauf erscheint, von der Logik der Textebenen her schwer zu verstehen. Der Text beginnt bereits zu Anfang zu schillern, denn er kann nicht Wortlaut jenes Buches sein, das die Überschrift eröffnet, er stellt vielmehr eine Art Metatext über dieses Buch dar. In gewissem Sinne steht er damit auf einer Ebene mit der Überschrift selbst und steht doch im logischen Widerspruch zu ihr. Dazu passt auch, dass Überschrift und Bucheinleitung nahezu nahtlos ineinander übergehen. V.2 nimmt eine Mittelstellung ein. Der datierende Vers kann einerseits als Fortführung des Überschriftsverses V.1 angesehen, andererseits aber auch als datierende Eröffnung der in V.3 folgenden Handlung verstanden werden. Der nominalsatzartige Charakter von V.2 ermöglicht beides und bildet somit eine Art Überleitung zwischen der statischen, nominalsatzförmigen Überschrift und der mit V.3 beginnenden Handlung36. Damit ist nicht klar, auf welcher Textebene sich die Leserinnen und Leser bei der Lektüre befinden. Denn einerseits wird eine Kontextualisierung der Worte des Baruch geboten, andererseits führt sich im einleitenden Text implizit ein Erzähler ein, der nicht allein das Buch benennt, sondern auch als Beobachter der damaligen Ereignisse fungiert und damit Nähe und Distanz zugleich markiert. Andererseits stellt sich jedoch die Frage, wann nun die „Worte des Buches“ beginnen. Der Einleitungstext sorgt für eine gehörige Divergenz der Perspektiven. Es gibt eine doppelte „Aufführung“, d.h. öffentlich-liturgische Verlesung des Baruchbuches, einmal im Exil in Babylon, anschließend in Jerusalem. Dazu gibt es jedoch auch einen doppelten Text, nämlich neben dem Buch des Baruch der Begleittext, den die Exulanten zusammen mit der Kollekte nach Jerusalem schicken und der gewissermaßen die „Gebrauchsanleitung“ für das Buch und die begleitenden Handlungen. Eine Paradoxie liegt darin, dass dieser Text mündlich überliefert wird („sie sagten“, heißt es in V.10), er aber jetzt auch schriftlicher Bestandteil des Buches Baruch geworden ist. Dass diese Begleitrede noch nicht das Buch Baruch ist und nicht der Autorenfigur Baruch zugeordnet ist, macht V.14 deutlich, in dem noch einmal eine Metareferenz auftaucht: „verlest dieses Buch“. Und anschließend heißt es: „sprecht: ...“ (V. 1,15a)37. Damit ist aber immer noch nicht gesagt, ob hier nun endlich das Buch des Baruch beginnt, oder ob nur der Begleittext der Exulanten weitergeht, die neben ihren Handlungsanweisungen für die in Jerusalem Gebliebenen auch noch eine Sprechanweisung stellen. Die Nahtlosigkeit, mit der ||

schlossen werden, dass der Exilszustand als nicht immerwährend, aber durchaus doch dauerhaft betrachtet wurde. 36 Genau genommen stellen V.1 und V.2 Nominalsätze dar, die jeweils durch längere Relativsätze ergänzt werden. 37 Auch hier wird eine neue Textebene eröffnet, ein Zitat im Zitat beginnt.

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die Sprechhandlungen aneinander grenzen, spricht eigentlich für die zweite Möglichkeit. Es gibt keinen metanarrativen Hinweis darauf, dass hier nun ein Buchanfang vorliegt. So kommt es zu dem Paradox, dass beim Buch Baruch weder klar ist, wo die Überschrift endet, noch wo das Buchkorpus selbst eigentlich beginnt. Dass der in der Überschrift V.1 angekündigte Buchbeginn mit V.15aβ einsetzt, ist nicht von der Hand zu weisen; aber auch andere Möglichkeiten sind denkbar. Wacker z.B. lässt das Buch des Baruch erst im 3. Kapitel mit der weisheitlichen Mahnrede an Israel beginnen.38 Und Schreiner weist darauf hin, dass V.15 inhaltlich unmittelbar an V.13 anschließt,39 womit eine Erklärung geliefert würde, warum der Beginn in V.15aβ so nebensächlich anmutet. Das mit V.15aβ beginnende Bußgebet weist selbst wieder irritierende Momente auf. Eines davon befindet sich auf der gattungskritischen Ebene. Das Bußgebet steht in einer Reihe mit anderen nachexilischen Bußgebeten, die in Esra 9, Neh 9 und Dan 9 stehen. Aus ihnen ist eine Vielzahl von Motiven entnommen und neu miteinander kombiniert. Zur Gattung des Bußgebetes, wie es in den Prätexten erscheint, gehört eine Abfolge unterschiedlicher Elemente. Nach der Anrede Gottes folgt ein anamnetischer Teil, in dem die Schuld des Volkes bekannt wird. Sodann folgt der Schlussteil mit der Wende zur Gegenwart und einer Bitte an Gott um eine Heilswende. Dies geschieht häufig mit der Formel „und jetzt, Gott, ...“ (kai. nu/n, Neh 9,32, Dan 9,15) eingeleitet,40 auf die noch einmal ein anamnetisches Schuldbekenntnis folgen kann, ehe endgültig die Bitte geäußert wird. Was beim Gebet der Gemeinde im Buch Baruch so irritiert, ist die fehlende Anredeform41. Das Gebet setzt mit einer konstatierenden Bemerkung ein „Beim Herrn unserem Gott ||

38 Wacker, Buch, 422-423. 39 Nach Schreiner (Baruch, 57) stellt V.14 eine sekundäre Erweiterung dar, die aus dem Gebet der Verbannten nachträglich ein Gebet der in Jerusalem verbliebenen macht. Damit erkläre sich auch die Redeaufforderung in V.15aβ: „sprecht: ...“. 40 Diese Formel „und nun, HERR unser Gott...“ leitet in Bittgebeten, die in narrativen Kontexten begegnen, häufig den Wendepunkt von der Anamnese zur Bitte ein. Zu diesen Fällen gehört beispielsweise das Lob- und Bittegebet Davids als Antwort auf die Verheißung in 2Sam 7,18-29 mit der Wende in V.25 (// 1Chr 17,17-26), aber auch die Gebetsantwort Salomos auf Gottes Verheißung (1Kön 3,6-9) mit dem gleichen Element in V.7). Auch das Tempelweihgebet Salomos ist so gegliedert (1Kön 8,22-53); die zweifach vorkommende Formel in V.25f. leitet dort den umfangreichen Bittteil ein. Vgl. ebenfalls das Gebet des Hiskija in 2Kön 19,14-19 mit der Formel in V.19 (// Jes 37,15-20) oder das Gebet des Jona (Jona 4,2-4). 41 Hier befindet sich das Sündenbekenntnis- und Bußgebet in deutlicher Differenz zu seiner Hauptparallele Dan 9, das seinen Anfang in V.4 mit der üblichen Gottesanrede setzt.

242 | Egbert Ballhorn ist Gerechtigkeit“. Das ist für einen Gebetsanfang nicht üblich. Wohl kann es bei Bußgebeten im Rahmen der Anamnese den Wechsel von Gebetsanrede zu reflektierenden Passagen geben, die gewissermaßen kurzfristig die Blickrichtung ändern und einen belehrenden Anteil haben (siehe Esra 9,8f.; Dan 9,9-14). Aber der Beginn mit einer konstatierenden Passage „beim Herrn unserem Gott ist Gerechtigkeit“ (Bar 1,15)42 ist ungewöhnlich.43 Diese Formulierung wird in Bar 2,6 noch einmal aufgenommen, und erst nach diesem langen Bekenntnis beginnt mit der Gottesanrede in Bar 2,11 der Gebetsteil im engeren Sinne. Wertet man die so stark ausgeweitete konstatierende Einleitungsphrase auf die Pragmatik des Textes hin aus, so wird deutlich, dass der lehrhafte Charakter sehr im Vordergrund steht. Durch die Voranstellung wirkt er sich auf die gesamte Vergebungsbitte aus, die damit trotz der formal folgenden Anrede an Gott als implizite Belehrung Israels betrachtet werden kann. Und schließlich wird man diesen Befund tendenziell auf das gesamte Buch Baruch übertragen können, dem eine implizite „Lehrstrategie“ zu unterstellen ist. Das gesamte, vielfältig gegliederte Gebet endet in Bar 3,8, ehe in Bar 3,9 die weisheitliche Mahnrede „Höre Israel, die Gebote des Lebens ...“ beginnt44.

2.3.2 Weitere Textebenen Wenn man von der Betrachtung der Textebenen her auf das gesamte Gebet Bar 2,15-3,8 blickt, dann fällt auf, dass darin zwei untergeordnete Textebenen be||

42 Semantische Parallelen sind zwar durchaus festzustellen; vgl. Ps 130,7 sein. Aber dort handelt es sich um eine den Psalm abschließende, resümierende Passage, die zudem redaktionell angefügt sein kann (Zenger, in: Hossfeld / Zenger, Psalmen 101-150, 572). Auch weitere Psalmen enthalten konstatierende Passagen über Gottes Gerechtigkeit, siehe Ps 11,7 (als resümierendes „Schlusswort“), Ps 119,37 (in Gottesanrede eingebunden), Ps 145,17. Vergleichbar wäre auch noch Klgl 1,18, aber im Duktus einer beschreibenden Klage. Die von der Gerechtigkeit Gottes handelnde Phrase ist also durchaus biblisch geprägte Sprache. Aber sie ist immer eingebunden 43 Die einzige strukturelle Parallele befindet sich in 2Sam 24,10, dem Schuldbekenntnis Davids nach Durchführung der Volkszählung. Dort geht das Sündenbekenntnis in konstatierender Form direkt in die Bitte an Gott über. Aber wegen der extremen Kürze des Gebetsaktes ist eine unmittelbare Vergleichbarkeit nicht gegeben. – Die engste Parallele ist noch, worauf mich G. Steins aufmerksam machte, in der Gebetseröffnung in Tob 3,2 zu erkennen: „Herr, du bist gerecht“ (di,kaioj ei= ku,rie). Hier weist die Phrase jedoch zu Bar 1,15 den Unterschied auf, in der üblichen Gebetsanrede bereits einzusetzen. 44 Siehe hierzu Ballhorn, Weisheit.

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gegnen. Im Rahmen des Bußgebetes erinnern die Sprecherinnen und Sprecher Gott (und mittelbar auch sich selbst) an das, was er durch die Propheten verkündet hat. „Denn du hast deinen Grimm und deinen Zorn gegen uns gerichtet, wie du geredet hast durch die Hand deiner Knechte und deiner Propheten folgendermaßen: So hat der Herr gesprochen: Beugt eure Schultern, und seid untertan dem König von Babel“ (Bar 2,20f.). Hier tritt eine mehrfache Staffelung der Redeebenen ein: Die Exulanten geben den Einwohnern Jerusalems ihr eigenes Gebet vor, indem sie sich selbst zitieren. In diesem Zitat zitieren sie die Propheten, die wiederum Gottes Wort zitieren. Diese mehrfache Staffelung dient der Autoritätssteigerung, denn das Gotteswort ist die innerste Begründung des geforderten Verhaltens. Zugleich wird dieses Gotteswort gleichsam mehrfach verpackt oder wie ein kostbarer Edelstein mehrfach gefasst. Es ist weiter entfernt, als wenn es direkt ergehen würde. Aber zugleich verliert es nicht seine Autorität, denn die bezeugenden Instanzen sind alle (auf ihrer je eigenen Text- und „Erlebnisebene“) in das Gotteswort involviert und von ihm betroffen. Die Autorität des Gotteswortes wird so durch mehrfache Staffelung nicht geschmälert, sondern von Stufe zu Stufe aufs Neue bestätigt. Das Stehen Israels in einer lebendigen Tradition wird auf diese Weise plastisch vor Augen geführt.45 Aber immer noch ist für die Leserinnen und Leser nicht ausreichend klar, auf welcher Erzählebene das Gelesene stattfindet: Ist es bereits das Buch Baruch, oder ist es noch das Begleitschreiben der Exulanten aus Babylon? Zugleich bedeutet dies die Frage: Ist es der Wortlaut des in Babylon verlesenen Buches oder der in Jerusalem zu vollziehenden Bußliturgie?

3 Doppelte Perspektive: Exil und Jerusalem Parallel zu diesen formalen stellen sich inhaltliche Fragen, die die logische Kohärenz des Buchtextes betreffen. Wie kann man sich einen funktionierenden Opferkult in Jerusalem vorstellen, nachdem Jerusalem eingenommen und „in Brand gesteckt“ (Bar 1,2) worden war? Wie passt es zusammen, dass für den König Nebukadnezar, der Jerusalem eingenommen, in Brand gesteckt, die Einwohner und die Tempelgefäße verschleppt hatte, zugleich für dessen Leben ||

45 Verwundern mag allein, dass bei diesem allen schriftinformierten Leserinnen und Lesern klar erkennbaren Zitat aus Jer 27,12 der Name des Propheten nicht fällt, womöglich um die Gruppe der schriftbezogenen Propheten möglichst offen zu halten.

244 | Egbert Ballhorn gebetet werden (Bar 1,11)46 und ein Leben unter seinem Schutz geführt werden kann (V.12)? Wie geht die doch längerfristige und erwünschte Perspektive des Lebens unter dem Schutz des Königs und seines (vermeintlichen) Sohnes Belschazzar mit dem Wunsch, ihm „lange Zeit zu dienen“ (Bar 1,12)47 mit der anscheinend also doch absehbar erwarteten Rückkehr aus dem Exil zusammen, so wie die letzten beiden Kapitel des Buches es deutlich werden lassen? Wie passt es zusammen, dass im Verlauf des Buches Jerusalemer Perspektive und Exilsperspektive anscheinend unmotiviert einander abwechseln, wo man doch annehmen muss, dass laut Einleitung das ganze Buch oder doch ein Großteil mit gleichem Text an beiden Orten aufgeführt worden ist? In Bar 1,15 sind die Sprechenden „die Leute von Juda und die Bewohner Jerusalems“, Bar 2,30-32 spricht jedoch vom Land der Verbannung, und auch in Bar 3,7.8 heißt es „auch in unserer Verbannung (avpoiki,a)| werden wir dich preisen ... Siehe, wir sind noch heute in unserer Verbannung“. Betrachtet man diese formalen und zugleich die inhaltlichen Spannungen, dann gibt es nur zwei mögliche Lösungen im Umgang mit ihnen. Entweder muss man diese Problematik für die Inkonsistenz einer späten Schriftproduktion halten, die sich ihrer eigenen Kompetenz und sprachlichen Logik nicht mehr sicher war und nur noch im Vagen ältere Muster und Elemente zusammenfügen konnte, oder man unterstellt der Form und dem Inhalt eine letztlich doch sinnvolle und zielgerichtete Gesamtaussage. Hier soll vom zweiten Fall ausgegangen werden. Auch wenn es sich beim Buch Baruch um späteste Literatur handelt, die sich durch die vielfältige Rezeption normativer biblischer Texte auszeichnet, so ist das Buch dennoch eher als Komposition zu betrachten, denn als bloßes Florilegium ohne übergeordnete Fragestellung anzusehen. Ohne einen kompositionellen Großzusammenhang mit einer stringenten Gesamtaussage hätte es seinen Weg in den SeptuagintaKanon wohl kaum nehmen können.

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46 Hier steht selbstverständlich Jer 29,7 im Hintergrund. Aber es ist doch ein deutlicher Unterschied, ob für eine fremde Stadt als Wohnort oder für einen konkreten Fremdherrscher, der zugleich in seiner Person Verursacher der Exulierung ist, gebetet wird. 47 Dazu passt auch der Gedanke, dass ja davon ausgegangen wird, dass die Verlesung des Buches aus dem babylonischen Exil nicht auf einen einmaligen Akt beschränkt ist, sondern anscheinend regelmäßig in der jährlichen Wiederkehr der Festtage erfolgen soll (Bar 1,14): „am Tag des Festes und an Tagen des rechten Zeitpunkts“.

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4 Das Ziel: Integration Man geht wohl nicht fehl, wenn man dem Buch Baruch eine bewusst integrative Perspektive unterstellt. Die Struktur, dass der identische Text an zwei Orten, im Exil und in Jerusalem, zu verlesen sei, lässt darauf schließen, dass von einer inneren Zusammengehörigkeit beider Gruppen ausgegangen werden muss, ja dass es gerade darum geht, dass es sich trotz der unterschiedlichen Orte um eine einzige Gruppe, eben um „Israel“ handelt. Viele Indizien sprechen dafür. Dazu gehört die prominente Anrede der Gruppe als „Israel“ (Bar 3,9) sowie die Rede vom Gott Israels (Bar 3,1), aber vor allem auch die spektakuläre Selbstseligpreisung in Bar 4,4; dazu gehört auch die betonte mehrfache Rede davon, dass sowohl in Babylon als auch in Jerusalem das „ganze Volk“ zu versammeln sei (Bar 1,3.4.7). Auch die Kollekte für die Priesterschaft und das Volk in Jerusalem sprechen diese Sprache und die Bitte um Darbringung der geziemenden Opfer. Auf die Gesamtheit des Volkes – zusammengehörig, auch wenn es an unterschiedlichen Orten lebt – wird größter Nachdruck gelegt. So dürfen sich in den „Wir-Reden“ auch die Perspektiven verschränken, und Exulanten in Babylon und Einwohnerschaft Jerusalems dürfen wechselseitig nacheinander und auch füreinander ihre Verfehlungen bekennen. Dies ist eine der Hauptbotschaften des Buches Baruch: Exulantenschaft und in Juda/Jerusalem verbliebene Bewohner des Landes vereint eine gemeinsame Perspektive, und beide gehören zusammen. Zu dieser topographischen Solidarität fügt sich auch die diachrone Solidarität: Das Volk bekennt sich auch verantwortlich für die Verfehlungen, die seine Väter (und Mütter) begangen haben (siehe Bar 1,19-22; 3,5-8). Weder der Ablauf der Zeiten noch die Dimensionen des Raumes vermögen die innere Einheit Israels aufzubrechen. Auch wenn das „Wir“ ein vielfältig gegliedertes, ein zerstreutes ist, bleibt es dennoch der Nenner, der Israel nach wie vor zusammenhält. Blickt man aus dieser Perspektive, dann ist das Verschwimmen der Blickwinkel in der Buchkomposition kein Ausfall, sondern beabsichtigte Aussage des Textes. Die Zusammengehörigkeit von Exulanten und in Jerusalem Verbliebenen, die erst zusammen die Größe „Israel“ bilden, wird in der verdoppelten Aufführung des Buches ebenso abgebildet wie in der Unmöglichkeit, die jeweilige Sprecherschaft des konkreten Textes semantisch oder auf der Textebene genau zu unterscheiden. Auch die Rolle des Baruch gehört in diesen Zusammenhang hinein. Es ist irritierend: Er wird im ersten Vers des Buches als Verfasser vorgestellt, aber jener Umstand, der ihn zu dieser Tätigkeit qualifiziert, dass er der „Schreiber“ des

246 | Egbert Ballhorn Jeremia ist, auch sein Assistent und sein Schüler (Jer 23,12; 36; 45,1 und öfter), er wird nicht erwähnt48. Der Name des Jeremia taucht im Buch nicht auf, obwohl das Wissen um die Schreibertätigkeit des Baruch, insbesondere um Jer 36 ebenso selbstverständlich vorausgesetzt wird wie die Texte des Buches Jeremia, die eine der wichtigsten Quellen von Prätexten für das Baruchbuch bilden. Stattdessen werden Baruch über die beiden Väternamen, („Sohn des Nerija, Sohn des Machseja“ Jer 32,12; 36,449) drei weitere Patronyme beigegeben. Das ist auffällig; aber damit wird ein Erzähl- und Sinnsignal gesendet, denn so wird nicht die Schülerschaft Baruchs von Jeremia herausgestellt, sondern vielmehr seine genealogische Verwurzelung in der Größe „Israel“. Und wenn es in den Bekenntnistexten des Buches immer wieder „unsere Väter“ heißt, die die Heilstaten Gottes erlebt und empfangen50, aber sich auch immer wieder an ihm versündigt haben51, so bedeutet schon die Genealogie des Baruch in der Überschrift, dass er nicht allein einen schriftstellerischen „Überblick“ über die Generationenfolge, ihre Verheißungen und ihre Verfehlungen hat, sondern dass er selbst mit seinem eigenen individuellen Lebenslauf in diese Zusammenhänge eingebunden ist.52

5 „Exil“ als Existenzial Israels Man mag die Frage stellen, warum überhaupt ein Text wie das Buch Baruch verfasst werden musste. In der Auslegung des Buches herrscht Einigkeit über seinen anthologischen Charakter, den Meyer in die lapidare Aussage fasst: „Kein Satz im Buch ist originell“.53 Was bewirkt aber dieses „unoriginelle“ Buch? Die Antwort zielt in Richtung der Einigkeit Israels, die jedoch mit bestimmten Mitteln und unter besonderen Zielen erreicht werden soll.

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48 Zur Gestalt des Baruch vgl. Ballhorn, Sekretär. Zum „Kristallisationskern“ Jer 36 für das Konzept verschriftlichter Prophetie siehe Stipp, Baruchs Erben, und Taschner, Zusammenhalt. 49 Bei weiteren Erwähnungen im Buch Jeremia wird Baruch entweder ohne Patronyme oder gewissermaßen mit der Kurzform „Sohn des Nerija“ benannt. 50 Bar 1,19f.; 2,21.34. Entsprechend der Thematik des Buches geht es bei den mit der Vätermotivik verbundenen Traditionen um Exodus, Landverheißung an die Erzeltern und Landgabe. 51 Bar 1,16.19; 2,6.19.33; 3,5.7f. 52 Letztlich wird damit auch wieder ein spezifisch „jeremianisches“ Motiv aufgenommen, denn er ist ein Prophet, der das ganze Geschick Israels, das er verkündet, auch am eigenen Leib erfahren muss. 53 Meyer, Buch, 590.

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Es geht dem Buch nicht allein um die Verschränkung des exilischen und des in Jerusalem verbliebenen Israels, es geht ihm noch mehr darum, die Exilsund Diasporaexistenz mit der Jerusalemer Perspektive zu vereinen und zu versöhnen. Warum wird in einem jüdischen Gemeinwesen des 2. Jahrhunderts, in dem jüdische Gemeinschaft und Tempelkult fraglos existieren, eine Schrift mit dem Exilsthema verfasst? Die Eigenart des Baruchbuches besteht nicht in seinen einzelnen Aussagen, die allesamt wie ein Mosaik aus Elementen des sich formierenden Kanons zusammengesetzt sind, sondern vielmehr darin, dass es verschiedene, nur schwer miteinander versöhnbare Perspektiven in eine höchst spannungsvolle Einheit zwingt. Baruch hält an den hochgespannten Hoffnungsperspektiven der feierlichen Rückkehr ganz Israels aus dem Exil fest, wie sie sich vor allem in den letzten beiden Kapiteln des Buches äußern und wie sie ganz vom Buch Jesaja und dessen Zions- und Heimkehrtheologie her durchdrungen sind. Daneben muss es aber erstaunen, dass der Diasporaexistenz ein gehöriges Maß an Dauer zugesprochen wird, wie sie sich im Fürbittgebet für die Könige Nebukadnezar und Belschazzar (Bar 1,12) äußern.54 Das Ende des Exils / der Auslandsexistenz wird weiterhin erwartet, aber die Zwischenzeit als recht langdauernder Zeitraum betrachtet, der strukturell und existenziell gestaltet werden muss: mit Opferkult in Jerusalem, mit regelmäßiger gottesdienstlicher Lektüre der Schrift (oder eben eines ihrer Summarien, wie das Buch Baruch sie darstellt), mit Fürbitten für die Fremdherrscher um ein gutes und langes Leben in diesem „Zwischenraum“. Eschatologische Erwartung und andauernde Diasporaexistenz schließen einander nicht aus. – Man kann in der Deutung vielleicht noch einen Schritt weiter gehen und darauf hinweisen, dass die Exilsexistenz im Buch Baruch keinesfalls allein eine Fragestellung der Exulanten allein darstellt. Auch Jerusalems Einwohner werden durch das Buch ja aufgefordert, die historische Schuld des Volkes mit zu bekennen. Auch wenn ein Teil des Volkes im Verheißungsland lebt, so können sie sich doch von historischer

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54 Vgl. Görg, Belschazzar, 268: „Die historische Perspektive erkennt in B. nur einen Kronprinzen und zugleich Statthalter des Nabonid in Babel ...“. Dass Belschazzar nicht der Sohn Nebukadnezars war, ist in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung.. Es ist nicht primär ein Zeichen mangelnder historischer Informiertheit, sondern ein Zeichen von Schriftrekurs, denn in Dan 5,2 wird die gleiche Verwandtschaftsbeziehung beider Herrscher behauptet. Und noch mehr ist es ein Deutungsmoment. Mit der Nennung beider Namen wird exemplarisch auf Anfang und Ende der Exilszeit verwiesen (Schreiner, Baruch, 56). Und indem Belschazzar als „Sohn“ tituliert wird, wird indirekt angedeutet, dass nicht allein Israel seine Genealogie und die Weitergabe von Verheißung und Schuld über die Generationen hinweg hat, sondern dass auch die Fremdherrscher in das dynastische Prinzip eingebunden sind und auch Macht auf diese Weise weitergegeben wird.

248 | Egbert Ballhorn Schuld nicht freisprechen, und auch sie müssen unter deren Folgen leiden, der Fremdherrschaft. Das Buch erweckt den Eindruck, dass nicht in einer grundsätzlichen Dichotomie von Exil und Heimkehr gedacht wird, sondern dass beide Perspektiven nebeneinander und mit wechselseitiger Bedeutung füreinander aufrechterhalten werden. Denn auch ein Israel, das sich in Jerusalem befindet, steht existenziell und langdauernd unter dem Vorzeichen des Exils. „Exil“ ist ein Existenzial Israels, das nicht allein auf den außerhalb des Landes wohnenden Bevölkerungsteil zutrifft, sondern die gesamte Gemeinschaft prägt. Das Bekenntnis der Schuld als Hauptpunkt des Bußgebetes weist auf, dass Toravergessenheit nicht allein ein Problem vorexilisch-exilischer Zustände ist, sondern eine allgemeine Gefahr, die Israel immer begleitet. Was Gregory über die Exilsmetaphorik in Tritojesaja schreibt, kann daher sinngemäß auch auf das Buch Baruch angewandt werden: „one gets the impression that the author does not see the situation in postexilic Palestine as appreciably better than the situation in Babylon. In both cases Israel remains ‚shackled‘ because of sin, and in both Israel awaits deliverance by YHWH“. 55 So kann Exil nicht nur als geschichtliche Situation, sondern geradezu als ein Paradigma der Existenz Israels angesehen werden: „Likewise, the cause of the historical exile, Israel’s sin, could be transferred along typological lines to be the cause of the persisting state of exile“.56 Die Botschaft des Buches Baruch hat daher eine doppelte Sinnspitze: „Exil“ als prägende Situation wird Israel, sei es im Lande, sei es in der Fremde, noch lange begleiten, und es gilt, sich auf eine längere Dauer dieses Zustandes einzustellen. Gleichzeitig darf Israel die Hoffnung auf eine von Gott her angestoßene Heilswende nicht aufgeben, und es hat sie durch Identitätswahrung in der Hinwendung auf die Tora vorzubereiten. Auch wenn keine der einzelnen Aussagen des Buches Baruch für sich originell ist: Es versucht eine Kombination von Aspekten, die in ihrer „Gleichzeitigkeit“ in der bisherigen heiligen Schrift so womöglich nicht ausgedrückt ist. Es ist zu vermuten, dass eine solche Perspektive wohl eher nicht in Jerusalem entstanden sein mag, sondern als Reflexion aus der Diasporasituation heraus zu verstehen ist. Womöglich äußert sich hier ein Diaspora-Israel theologischreflektiert nicht allein über seine eigene Lage, sondern auch darüber, dass das fortexistierende religiöse Zentrum letztlich dem Israel in der Zerstreuung nichts voraus hat.57 Dass das Buch Baruch trotz ursprünglich hebräischer Abfassung ||

55 Gregory, Exile, 488. 56 Gregory, Exile, 490. 57 Auch dass von Geldsendungen aus der Ferne für den Opferkult in Jerusalem die Rede ist (Bar 1,6.10), spricht wohl vor allem dafür, dass die Diaspora ihre bleibende Verbundenheit mit Jerusalem dokumentieren will.

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seine Überlieferung im Rahmen des LXX-Kanons gefunden hat, wird wohl auch als Indiz zu lesen sein, dass vor allem Rezipientenkreise außerhalb Palästinas sich in dessen Theologie wiederfinden konnten.

6 Zur Pragmatik des Buches Baruch Die Anerkennung nicht nur des gemeinsamen Israel-Seins, sondern der gemeinsamen Schuld soll im Buch Baruch durch dessen besondere narrative Struktur erreicht werden. Zwar ist im Buch von einer doppelten Verlesung dieses Buches und von einem doppelten Bußgottesdienst die Rede, aber bei genauem Hinsehen fällt auf, dass gerade dieser nicht geschildert wird. Das Buch berichtet zwar in seinem zusammenfassenden Einleitungsteil von diesem Geschehen, gibt es jedoch nicht erzählend wieder. Was stattdessen wiedergegeben wird, ist das Begleitschreiben der Exilsgemeinde an das Zentrum Jerusalem, das irgendwann in die in der Buchüberschrift genannte Baruchschrift übergeht, ohne dass dieser Übergang metasprachlich eigens markiert wäre . Das hat zur Folge, dass von der literarischen Struktur her nicht der berichtende Anteil, sondern eine Vielzahl von Imperativen im Vordergrund steht.58 Anschließend folgen Bußgebete, weisheitliche Mahnrede an Israel und die Rede Zions aufeinander. Aussagekräftig ist, was nicht dort steht: die Reaktion Jerusalems auf dieses Schreiben. Das Buch Baruch besitzt zwar einen Metatext als Einleitung, aber ein symmetrisch dazu gehörendes Ende ist nicht vorhanden. Es ist nicht berichtet, dass Jerusalem sich die Worte des Exils zu Eigen gemacht hat. Der Schluss ist offen. Hier wird eine literarische Leerstelle gelassen, die umso deutlicher ins Auge fällt, je mehr man den Blick nicht allein auf den Inhalt, sondern auf die literarische Form des Buches, seine Dramaturgie, wirft. Das hat auf textpragmatischer Ebene eine starke Aussage: Die Befolgung der Aufforderung steht aus. Damit wird die Aussage des Buches in eine Schwebe gebracht, das so auf Dauer ein Aufruf zu Umkehr und Buße und zur zukünftigen Erwartung der göttlichen Heilswende darstellt. Letztlich erscheint damit der Skopus des gesamten Buches als eine Leerstelle: Die Reaktion des gläubigen Israels auf den Umkehrruf steht auf immer aus. Mehr noch: weil die regelmäßige Verlesung des Buches ausdrücklicher Bestandteil seiner Konzeption ist, ist jede Verlesung des Buches bereits anfanghaft eine Realisierung seines impera||

58 In dem Begleitbrief in Bar 1 folgt eine ganze Reihe von paradigmatischen Imperativen der Exulanten gegenüber den Einwohnern Jerusalems: „Kauft ... opfert“ (V.10), „betet“ (V.11.13), „verlest“ (V.14) und schließlich: „sprecht“ (V. 15).

250 | Egbert Ballhorn tivischen Charakters. Von dieser Betrachtungsweise her kommt der Unklarheit in der Unterscheidung der Textebenen durchaus eine pragmatische Bedeutung zu. Durch die fließenden Übergänge zwischen den Textebenen, aber auch zwischen den Aussagenbereichen Auslandsexistenz / Existenz in Jerusalem, Dauerhaftigkeit des Exils / Heimkehrperspektive sollen die verschiedenen Bereiche miteinander verkettet werden. Die innere Zusammengehörigkeit der Themen und Anliegen soll durch äußere Mittel unterstützt werden. Die innere Staffelung der Textebenen, dass die eine Instanz berichtet, was ihr von einer anderen übergeben und aufgetragen wurde, wird in der letzten Stufe auch an die jeweilige Leserschaft weitergegeben. Die letzte Textebene befindet sich damit gewissermaßen außerhalb des Textes und beauftragt das diesen Text lesende „Israel“, sich dessen Botschaft zu Eigen zu machen. Aus der hier vorgenommenen Untersuchung des Buches Baruch ergibt sich, dass die Botschaft des Buches nicht allein auf der semantischen Ebene, der Vernetzung des Textes in den Kanon hinein, bei seiner semantischen Beschaffenheit zu finden ist, sondern ebenso auf der syntaktischen und der pragmatischen Ebene. Die Struktur des Buches in seinen einzelnen Teilen, die Art, wie der neue Text in Auseinandersetzung mit der Vielzahl der Prätexte komponiert ist, die Gestaltung der Text- und Aussageebenen, alles das ist Bestandteil der literarischen und kommunikativen Strategie des Buches. Man könnte es auch so ausdrücken: Der Text des Buches Baruch lehrt nicht allein Inhalte, er lehrt auch „Leseweisen“. Er ist ein Kompendium der Schrift, zugleich aber gibt er einen Verstehensduktus an, wie die Schrift und ihre Vorgaben von der Israel neu gründenden Exilszeit bis in die Gegenwart der Rezipienten hinein übertragen werden kann.59 So soll das Buch Baruch zur Bildung Israels – im doppelten Sinne des Wortes – beitragen. Hier kommt auch noch einmal die Gestalt des Baruch ins Spiel. Von der literarischen Gestaltung seiner Rolle her ist er nicht primär Prophetenschüler, sondern stärker noch Schreiber, einer, der über die literarische Bildung und die Kenntnis der Schrift Israels verfügt und sie neu als Gesamtkomposition (als „Worte des Buches“ Bar 1,1) schriftlich-schriftstellerisch zusammenfasst. Aber Baruch bleibt nicht in dieser Rolle, denn anschließend verliest er das Buch in einem feierlichen Akt. Der schriftstellerische Akt geht in die öffentliche Proklamation und in die Belehrung des Volkes über. So verändert sich auch die Rolle des Baruch, der hier noch stärker als Versammlungsleiter und Lehrer in den Blick gerät. Damit endet aber die ausdrücklich beschriebene Rolle des Ba||

59 Vgl. Kort, Scripture, 17: „Not only are biblical texts ready candidates for the role of scripture ..., but they also have the potential to instruct the reader in how they should be read“.

Baruch – pseudepigraphe Kommunikation | 251

ruch. Die zu Anfang so prononciert als Autor eingebrachte Gestalt des Baruch tritt hinter das Buch zurück und löst sich geradezu in das Buch hinein auf. Das Heft des Handelns geht an das Volk über60. Zuerst werden die Bewohner des Exils genannt, die von Hörenden zu Handelnden werden und schließlich die Einwohner Jerusalems, denen die Baruchschrift samt Brief überliefert wird. Der pseudepigraphe Autor Baruch verschwindet gewissermaßen hinter seinem Buch, das er in bewusst gestalteter Erzählstrategie dem Volk Israel – an allen Orten, wo es sich befinden mag – übergibt. So stößt die Verlesung des Buches durch Baruch an, dass diejenigen, die ihre Zeugen sind, für eine Weiterverbreitung des Buches sorgen, und zwar sowohl was die äußerliche Textgestalt betrifft, als auch was den Inhalt und die Absicht des Buches ist. Es wird zu einer dauernden Belehrung Israels und will seine handlungsprägende Kraft entfalten. Aus der fiktiven Situation der begonnenen, theologisch normativen Exilszeit wird ein Kontinuitätsfaden gesponnen, der die biblischen Traditionen zusammenbindet und sie durch fließende Übergänge bis in das Israel des 2. Jahrhunderts transportiert. Dann jedoch bleibt die Botschaft bei den Leserinnen und Lesern stehen, und es liegt an ihnen, ob und wie sie sich die Aufforderungen des Buches Baruch samt seinen Zumutungen und Tröstungen zu Eigen machen.

Bibliographie Ballhorn, Egbert, Vom Sekretär des Jeremia zum schriftgelehrten Weisen. Die Figur des Baruch und die kanonische Einbindung des Buches; in: Hieke, Thomas (Hg.), Formen des Kanons. Studien zu Ausprägungen des biblischen Kanons von der Antike bis zum 19. Jahrhundert (SBS 228), Stuttgart 2013 (im Druck). Ballhorn, Egbert, Weisheit, die zur Tora führt. Die Israel-Mahnrede im Buch Baruch (Bar 3,94,4), in: Dahmen, Ulrich / Schnocks, Johannes (Hg)., Juda und Jerusalem in der Seleukidenzeit. Herrschaft – Widerstand – Identität; FS H.-J. Fabry (BBB 159), Bonn 2010, 259-280. Birnbaum, Elisabeth / Schwienhorst-Schönberger, Ludger, Das Buch Kohelet, NSK-AT 14/2, Stuttgart 2012. Dedering, Sven, Apocalypse of Baruch, Leiden 1973. Feuerstein, Rüdiger, Das Buch Baruch. Studien zur Textgestalt und Auslegungsgeschichte (EHS 614), Frankfurt a.M. u.a. 1997.

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60 Dazu passt auch die Beobachtung, dass im Prätext Jer 29,1 der Prophet als derjenige genannt wird, der den Brief an die Exulantenschaft sendet, während Baruch seine Schrift „schreibt“ (Bar 1,1). Aber der Begriff der Sendung (avposte,llw) wird dann vom Volk in Babylon aufgegriffen. Sie sind es, die sich daran machen, das Schriftstück zu senden (Bar 1,14). Und dass Propheten gesandt werden, ist in Bar 1,21 erwähnt.

252 | Egbert Ballhorn Fludernik, Monika, Einführung in die Erzähltheorie, Darmstadt 2006. Fischer, Georg, Jeremia 26-52, HThK-AT, Freiburg u.a. 2005. Görg, Manfred, Belschazzar, in: NBL 1 (1991) 267-268. Gregory, Bradley C., The Post-exilic Exile in third Isaiah: Isaya 61:1-3 in Light of Second Temple Hermeneutics, in: JBL 126 (2007) 475-446. Gülich, Elisabeth / Raible, Wolfgang, Überlegungen zu einer makrostrukturellen Textanalyse, in: Gülich, Elisabeth u.a. (Hg.), Linguistische Textanalyse. Überlegungen zur Gliederung von Texten (Papiere zur Textlinguistik 8), Hamburg 21979, 73-126. Harlow, Daniel C., The Greek “Apokalypse of Baruch” in Hellenistic Jusaism and Early Christianity (SVTP 12), Leiden 1996. Hieke, Thomas, Die Genealogien der Genesis (HBS 39), Freiburg u.a. 2003. Hossfeld, Frank-Lothar / Zenger, Erich, Psalmen 101-150, HThK-AT, Freiburg u.a. 2008. Kort, Wesley A., “Take, read”: Scripture, Textuality and Cultural Practice, Pensylvania, PA 1996. Lahn, Silke / Meister, Jan-Christoph, Einführung in die Erzähltextanalyse, Stuttgart 2008. Löning, Peter, Das Geschichtswerk des Lukas, Band 1: Israels Hoffnung und Gottes Geheimnisse, Stuttgart, 1997. Lubbock, Percy, The Craft of Fiction, London 1921. Meyer, Ivo, Das Buch Baruch und der Brief des Jeremia, in: Zenger, Erich (Hg.), Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 82012, 585-591. Murphy, Frederick J., The Structure and Meaning of Second Baruch, Atlanta, GA 1985. Schmid, Wolf, Elemente der Narratologie, Berlin / New York 2005. Schreiner, Josef, Baruch, in: Groß, Heinrich/ Schreiner, Josef, Klagelieder, Baruch, NEB I, Würzburg 1986, 43-84. Schwienhorst-Schönberger, Ludger, Kohelet, HThK-AT, Freiburg / Basel / Wien 2004. Steck, Odil-Hannes, Das apokryphe Baruchbuch. Studien zu Rezeption und Konzentration „kanonischer“ Überlieferung (FRLANT 160), Göttingen 1993. Steck, Odil-Hannes, Baruchschriften, in: 4RGG 1, Tübingen 1998, 1144. Steck, Odil-Hannes, Das Buch Baruch, in: Steck, Odil-Hannes / Kratz, Reinhard Gregor / Kottsieper, Ingo, Das Buch Baruch. Der Brief des Jeremia. Zusätze zu Ester und Daniel (ATDA), Göttingen 1998. Stipp, Hermann-Josef, Baruchs Erben. Die Schriftprophetie im Spiegel von Jer 36, in: Irsigler, Hubert (Hg.), „Wer darf hinaufsteigen zum Berg JHWHs?“ Beiträge zu Prophetie und Poesie des Alten Testaments, FS S.Ö. Steingrímsson (ATSAT 72), St. Ottilien 2002, 145-170. Taschner, Johannes, Zusammenhalt trotz inhaltlicher Differenzen. Jer 36 als Selbstvergewisserung der Beamten und Schreiber in frühnachexilischer Zeit, in: EvTheol 69 (2009) 366-381. Toorn, Karel van der, Scribal Culture and the Making of the Hebrew Bible, Cambridge u.a. 2007. Wacker, Marie-Theres, Das Buch Baruch. Post aus der Ferne, in: Schottroff, Luise / Wacker, Marie-Theres (Hg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 21999, 422-427. Wolf, Werner, Erzähler, in: Nünning, Ansgar (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart / Weimar 42008, 173-174. Wolf, Werner, Rahmung, literarische, in: Nünning, Ansgar (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart / Weimar 42008, 604. Zapf, Hubert, Mimesis, in: Nünning, Ansgar (Hg.), Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart / Weimar 42008, 501.

Bertram Herr

Der griechische Daniel Herkunft, Profil und Ziel der Septuaginta-Danielversion

1 Der o‘-Danieltext: Auswirkungen theologischer Vorfestlegungen Das Interesse am Danielbuch und seiner griechischen Übertragung war immer schon ein religiöses Interesse, und die Beschäftigung mit ihm war – ausgesprochen oder unausgesprochen – stets von dogmatisch-theologischen Fragen vorbestimmt. Das beginnt schon mit der Einschätzung des Danielbuchs als echte Prophetie oder als pseudonyme Schrift ex eventu. Lange wogte vom 17. Jahrhundert an (bis mancherorts heute!) der Streit darüber, ob das Danielbuch echte Weissagung aus neubabylonisch-persischer Zeit sei, oder ob es sich um ein Werk unter falschem Namen und aus der Makkabäerzeit handele. Neben den Gräzismen in Dan 3 spielte in dieser Debatte die Legende eine Rolle, die Septuagintaübersetzung sei ein Produkt des dritten Jahrhunderts1. Folglich müsse das kanonische Danielbuch schon vorher vorgelegen haben. Auch die Forschung am Septuaginta-Danielbuch war durch systematischtheologische Fragen bestimmt: Sie betrafen vor allem die deuterokanonischen Teile des Buches. Der Streit zwischen den Konfessionen ging um ihren kanonischen Status und d.h. auch um ihre Ursprungssprache. Waren die deuterokanonischen Partien des Danielbuches, ebenso wie die protokanonischen, ursprünglich auf Hebräisch oder Aramäisch abgefasst, dann spräche das nach den Kriterien der Reformatoren für ihre Kanonizität. Hatten sie keine semitische Vorlage, dann durften sie nach protestantischer Lesart mit Fug und Recht zu den Apokryphen gezählt werden. Es wundert also nicht, wenn katholische Exegeten gerne Argumente für eine semitische Urfassung fanden und evangelische Anzeichen für die Abfassung der deuterokanonischen Passagen auf Griechisch2. ||

1 McCrystall, Studies, 5-7.14-17. 2 So bereits Bludau, Übersetzung, 157-158. Die konfessionelle Gegenüberstellung vergröbert natürlich etwas das reale Bild (vgl. schon Bludau, Übersetzung, 157-158). Denn im Enthusiasmus aufkeimender historischer Kritik vertreten Exegeten auch häufig eine ihrem Bekenntnis entgegenlaufende Positionen (vgl. Michaelis, Bibliothek, 18-19.23-25; Eichhorn, Einleitung, 482-485.487-493), manche Exegeten haben durchaus auch ihren eigenen Kopf und auch die

254 | Bertram Herr So bestimmte eine kontroverstheologische Ausgangsfrage stillschweigend die Forschung an den griechischen Danielversionen. Sie trug schließlich zu einer Aufteilung des Danielbuchs in drei Forschungsbereiche bei: Der erste Teilbereich besteht aus den deuterokanonischen Texten. Sie liegen in den Gebetszusätzen von Dan 3, der Susannaerzählung, und Bel et Draco (Bel et Draco) vor. Der zweite Schwerpunkt ergab sich aus der stark vom MT abweichenden Textgestalt der Kapitel 4-6. Wie ist diese Besonderheit zu erklären? Und als dritter Themenbereich blieben die Kapitel 1-3; 7-12 übrig. Quer zu den drei Textbereichen standen und stehen ebenfalls drei methodische Herausforderungen: Bei Dan 1-3; 7-12, die sich einigermaßen eng an den MT anlehnen, legte sich die Frage nach der Übersetzungsgewohnheiten nahe. Auf welche Weise gibt die Übersetzung die hebräischen und aramäischen Aussagen auf Griechisch wieder? Bei den deuterokanonischen Partien ging es darum, ihre semitische Grundlage nachzuweisen, bzw. auszuschließen; zugleich spielte der Vergleich mit der Fassung Theodotions eine Rolle. Bei Dan 4-6 hingegen schied die Kontroverse, ob ihre vom MT stark abweichende Form vorwiegend auf den o‘-Übersetzer zurückgehe oder ob sie bereits durch die semitische Textvorlage vorgegeben war, die Gemüter der Gelehrten3. In allen drei Textbereichen bestand, wie bei jedem antiken Text, die Aufgabe, textkritisch nachträgliche Veränderungen von dem ursprünglicheren Wortlaut abzuheben. Das war für den o‘-Text von Daniel durchaus eine Herausforderung, denn er hat eine eigene Geschichte. Der Text war nämlich über Jahrhunderte verschollen und nur aus Väterzitaten (mehr schlecht als recht) erschließbar. Erst im 17. Jahrhundert kam er wieder zum Vorschein. In der Zeit zwischen Origenes (der im 3. Jahrhundert den o‘-Text noch in seine Hexapla einbezog) und Hieronymus im 4. Jahrhundert büßte er sein kirchliches Ansehen und damit auch seine Verbreitung ein. Dadurch dass der o‘-Text nicht in den Kanon aufgenommen worden war, wäre er fast ganz verloren gegangen. – Theologische Maßstäbe wirken gravierend auf die Literaturgeschichte ein. Doch im 17. Jahrhundert entdeckte der katholische Priester und Bibliothekar Leo Allatius (1587/88-1669) in der römischen Chigi-Bibliothek eine Minuskel-Handschrift. Sie enthielt u.a. auch die o‘-Version des Danielbuches4. Die Handschrift stammt aus dem 9.-11. Jahrhundert. Es musste aber nochmals mehr ||

Textbesonderheiten bringen ein eigenes Interpretationsgefälle mit sich. Vgl. hierzu u.a. Hävernick, Commentar, XLVIII-XLIX; Rosenmüller, Daniel, 31-32; von Lengerke, Buch, CIX; de Wette, Lehrbuch, 392-394; Fritzsche, Handbuch, 115-116; Zündel, Untersuchungen, 185-187; Rothstein, Zusätze, 173; Goettsberger, Einleitung, 323; Bludau, Übersetzung, 159-161. 3 Vgl. den Forschungsrückblick bei Albertz, Gott, 11-17. 4 McCrystall, Studies, 8-9.

Der griechische Daniel | 255

als ein Jahrhundert vergehen, bis der Text 1772 erstmals veröffentlicht wurde5. Der Text des Chigi-Kodex firmiert heutzutage unter dem Sigel 88. Ihm trat 1788 eine zweite Handschrift zur Seite, als Cajetan Bugati eine syrische Übersetzung der Septuagintaversion aus der Bibliotheca Ambrosiana in Mailand veröffentlichte6. Die Abschrift stammte aus dem 8. oder 9. Jahrhundert, doch die Übersetzung wurde bereits um 616-617 durch Paul von Tella angefertigt. Es handelt sich um eine ausgesprochen wörtliche Übertragung, so dass der Ambrosianische Text den Wortlaut des Codex Chisianus gut bestätigt. „Beide sind Schwesternhandschriften“7, und beide gehen auf die von Origenes angefertigte o‘Ausgabe innerhalb der Hexapla zurück. Origenes‘ Anliegen war dabei nicht unbedingt das der modernen Textkritik, sondern eher ein theologisches: Er wollte auf der Basis der hebraica veritas eine Grundlage für den Dialog mit dem Judentum seiner Tage und mit anderen Denominationen schaffen8. Dazu stellte er eine Synopse der maßgeblichen AT-Ausgaben seiner Zeit zusammen, die unter dem Namen „Hexapla“ berühmt geworden ist. Seine Korrekturen am o‘Text machte Origenes durch diakritische Zeichen kenntlich. Schon bei Origenes war die Arbeit an o‘ also theologisch motiviert! Überhaupt lässt sich über das gesamte Altertum das theologisch angeregte Bestreben ausmachen, o‘ an die Textform des hebräisch-aramäischen Danielbuches anzugleichen9. Origenes ist hier nur ein herausragendes Beispiel. Andere sind die wortgetreueren Übersetzungen des Theodotion (wahrscheinlich 1. Jh. v.Chr.), des Aquila (vermutlich 2. Jh. n.Chr.)10 oder die Vulgata des Hiernonymus (4. Jh. n.Chr.). Aber auch der o‘-Text selbst ist voll von (textkritisch bestimmbaren) „Verbesserrungsversuchen“; sie gleichen den o‘-Wortlaut an den MT, oder besser seinen Vorläufer, an. Mit anderen Worten: Die Beschäftigung mit o‘ war schon von Beginn an theologisch bestimmt und keineswegs ergebnisoffen. Der Umgang mit o‘ begnügte sich nicht mit einer tendenziösen Auslegung; er machte selbst vor Eingriffen in den Text nicht halt. Zurück zu Bugatis syrischer Handschrift: Ihr Name, Syrohexapla (abgekürtzt Syh), ergibt sich aus ihren Hauptcharakteristika: der syrischen Sprache und ihrer Herkunft aus der Hexapla das Origenes. Sie hat durchaus ihren textkritischen Wert. Vor allem bewahrte die Syh die hexaplarischen Zeichen zuverlässiger als Handschrift 8811. ||

5 McCrystall, Studies, 9-13; vgl. Bogaert, Daniel 3 LXX, 15. 6 McCrystall, Studies, 19-20. 7 Ziegler / Munnich, Susanna, 23. 8 Vgl. Tilly, Einführung, 85-86.89-90; Pace Jeansonne, Stratigraphy, 27-28. 9 Vgl. Munnich, Origène, 187-218. 10 Pace Jeansonne, Stratigraphy, 25-27. 11 Ziegler / Munnich, Susanna, 32-33.36-37.

256 | Bertram Herr Angesichts dieser spärlichen Quellenlage war es ein Glücksfall, als 1931 eine weitere Handschrift ans Licht kam: „in oder bei Aphrioditopolis in Ägypten“12 entdeckte man Papyrus 967. Die Papyrologen datieren die Handschrift um das Jahr 200 n.Chr13. Es handelt sich also eindeutig um eine vorhexaplarische o‘Handschrift ohne die Eingriffe des Origenes. Leider wurde der Papyrus über mehrere Bibliotheken zerstreut. F.G. Kenyon publizierte bereits 1937 und 1938 die Abschnitte der Chester-Betty-Sammlung14; sie konnte Josef Ziegler in seine Göttinger Ausgabe von 1954 einarbeiten. Aber für die restlichen Teile dauerte es bis zum Ende der 60er und der 70er Jahre, bis auch sie sukzessive veröffentlicht waren15. Mit der von O. Munnich betreuten liegt nun seit 1999 eine vollständige kritische Danielausgabe vor. In vielem bestätigt 967 den Text der hexaplarischen Zeugen 88-Syh. An etlichen Stellen bietet 967 aber auch wichtige und originäre Lesarten. Dort wo Zweifel bestehen, ob 88-Syh oder 967 den Vorzug verdient, „darf das hohe Alter von 967 den Ausschlag geben“16. Allerdings ist 967 reich an Flüchtigkeitsfehlern, die beim Abschreibeprozess in den Text graten sind. Dazu zähle ich falsch eingefügte Randnotizen ebenso wie orthogragphische Inkorrektheiten. Häufig beobachtet man bereits in 967 vorhexaplarische Angleichungen an das hebräisch-aramäische Danielbuch oder die Theodotion-Version17. Doch könnten Übereinstimmungen zwischen 967 und MT oder Theodotion auch dadurch erklärbar sein, dass Theodotion bei seiner Übersetzung o‘ verwendet hat18. Eine o‘-Besonderheit ist durch 967 zu Tage getreten: Im Papyrus folgen auf die Kapitel 1-4 die Visionen 7-8, dann erst schiebt er die Erzählungen 5-6 nach, gefolgt von 9-12, Bel et Draco und Susanna. Auch hier hat die kanonische Stellung des MT und der Theodotionfassung auf die o‘-Gestalt eingewirkt: Da Origenes die Versionen einander synoptisch gegenüberstellte, musste er sich für eine der ihm angebotenen Kapitelfolgen entscheiden. Selbstverständlich orientierte er sich an dem von ihm als kanonisch angesehenen MT und dem damit konform gehenden und ebenfalls kirchlich rezipierten Theodotion. Die hexapla||

12 Kreuzer, Papyrus, 64; vgl. McCrystall, Studies, 53. 13 Vgl. Rahlfs / Fraenkel, Verzeichnis, 98-103. 14 Kenyon, Chester (1937); Kenyon, Chester (1938) ; vgl. bereits Kenyon, Chester (1933). 15 Geissen, Septuaginta-Text (1968); Hamm, Septuaginta-Text (1969); Roca-Puig, Daniele (1976); Hamm, Septuaginta-Text (1977). 16 Ziegler, Susanna, 19. 17 So Munnich,Origène, 205.216; Munnich, Nomina sacra, 153-157.166; McLay, Versions, 241; McLay, Question, 235-254; Ziegler / Munnich, Susanna, 43.63-76. 18 In diese Richtung denkt auch Pace Jeansonne, Stratigrapy, 18.28; Pace Jeansonne, Translation, 131.

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rischen o‘-Zeugen 88-Syh präsentieren das Danielbuch dementsprechend in der gängigen Kapitelfolge 1-12; Susanna; Bel et Draco19. Aber nicht erst Origenes ordnete alle Kapitel dem protokanonischen Vorbild entsprechend; bereits Theodotion folgte in seiner griechischen Neufassung des Danielbuchs ein Jahrhundert nach der o‘-Übersetzung der protomasoretischen Erzählfolge. Also auch im Buchaufbau bestimmten kanonische Vorbilder nachträglich die literarische Gestalt der griechischen Daniel-Versionen insgesamt. Und diese Vorgabe ist bis heute noch von Einfluss. Denn die Forschung rezipierte bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts die o‘-Kapitel in ihrer hexaplarischen, sprich masoretischen Anordnung, und stellte damit die Weichen für die künftige Diskussion, ehe mit 967 die o‘-spezifische Kapitelfolge zum Vorschein kam. Das wirkt sich noch bis in unsere Tage aus. Auch die kritischen Septuaginta-Ausgaben (und in ihrer Folge auch Projekte wie „Septuaginta Deutsch“) legen wie selbstverständlich ihrer Textanordnung die Theodotion-Abfolge zugrunde und stellen gerne Susanna an die Spitze. o‘ muss dem in der synoptischen Gegenüberstellung dann notgedrungen folgen; aber der Eigencharakter von o‘ verschwimmt damit weiter. Auf Schritt und Tritt begegnen wir also dogmatisch gelegten Fährten, die sogar in den Text eingreifen. Sie sind theologisch gut begründet; aber literaturwissenschaftlich können sie uns auf eine falsche Spur führen. Ein letztes Beispiel hierfür möchte ich noch nennen: Die Unterscheidung zwischen proto- und deuterokanonischen Teilen des Danielbuchs ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem MT und den kirchlich rezipierten Versionen Theodotion und Vulgata. Den deuterokanonischen Buchteilen widmete die Exegese immer viel Aufmerksamkeit. Die o‘ enthält jedoch über Theodotion hinaus noch einiges an Sondergut. Zu nennen sind hier insbesondere die Kurzfassung von Dan 5, die als praefatio dem Kapitel voransteht, oder 4,34[37]a-c. Im Rahmen der deuterokanonischen Passagen wurden diese o‘-Überschüsse nicht untersucht; sie wurden höchstens in die Diskussion von Dan 4-6 und die Erklärung ihrer eigenwilligen Textgestalt miteinbezogen. Dogmatische Kriterien lenkten somit in erheblichem Maße die literaturwissenschaftliche Untersuchung des o‘-Danielbuchs. Das ist insofern schade, als gerade das Sondergut Aufschluss über den Eigencharakter des o‘-Danielbuches geben kann. Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Das systematisch-theologische Interesse am Danielbuch ist vollauf berechtigt. Die Bibel ist von theologischer Relevanz ersten Ranges! Aber fachfremde Vorgaben in der literaturwissenschaftlichen ||

19 Vgl. Ziegler / Munnich, Susanna, 21. Syh trennt dabei Bel und Draco. 88-Syh folgen damit einer in den mss. V-62 88-770 106 bezeugten Theodotion-Tradition (Ziegler / Munnich, Susanna, 217).

258 | Bertram Herr Erforschung sind problematisch, insbesondere wenn sie stillschweigend erfolgen. Exegetische Analyse und theologische Auswertung sollten methodisch strikt auseinandergehalten werden. Eine Arbeit zum Übersetzungsprofil sollte also möglichst alle Danielteile einbeziehen, die in der bisherigen Danielforschung oftmals künstlich separiert wurden20.

2 Der Aufbau der o‘-Danielversion Die Umstrukturierung in 967 betrifft einerseits die Kapitelanordnung: o‘ zieht Dan 7;8 vor Dan 5;6. Andererseits betrifft sie auch einzelne Datumsangaben. Beides zusammen verändert das chronologische Gerüst des Danielbuches grundlegend: 967 entwirft folgenden chronologischen Ablauf: 1,1 2,1 3,1

1,21

4,1 4,26(29) 4,30(33) 7,1 8,1 5,31 (6,1) 6,1 9,1 10,1 Bel et Draco Susanna

6,28(29)

3. Jahr Joakim Regierungszeit Nebukadnezzars 1. Jahr des Kyros 12. (MT: 2.) Jahr Nebukadnezzars 18. Jahr Nebukadnezzars (MT: keine Entsprechung) 18. Jahr Nebukadnezzars (MT: keine Entsprechung) nach 12 Monaten (→ 19. Jahr) nach 7 Jahren (→ 26. Jahr) 1. Jahr Baltasars 3. Jahr Baltasars Xerxes (1. Jahr) Dareios Kyros (1. Jahr) 1. Jahr des Dareios, Sohn von Xerxes 1. Jahr des Kyros babylonischer (Theodotion: Kyros, 1. Jahr) König

Das System von 967 ist im Vergleich mit dem des MT das stimmigere. ||

20 Das kann in dieser Untersuchung freilich nur exemplarisch erfolgen.

Der griechische Daniel | 259











Es lässt nämlich die Ereignisse am Ende von Baltasars Herrschaft (Dan 5) auf die Visionen unter Baltasars Regierung (Dan 7;8) folgen. Der MT springt demgegenüber in Dan 7 vor das Geschehen von Dan 5 zurück. Statt dem „zweiten Regierungsjahr“ des MT liest o‘ sodann in 2,1 das „12. Regierungsjahr“. Der MT steht hier in Konflikt mit der dreijährigen Ausbildung der vier Jünglinge in Dan 1 (1,5.18), so dass man bei 2,1 gezwungen ist, eine zeitliche Rückblende anzunehmen. o‘ stattet 3,1 und 4,1 über MT hinaus mit einer Datierung aus. Die Übersetzung trägt damit zu einer formalen wie chronologischen Vereinheitlichung des Buches bei. Die Herrschaftsübertragung am Ende von Dan 5 (V.31[6,1]) an Xerxes (88Syh: „Ataxerxes“) erscheint etwas unglücklich, da in Dan 6 von Xerxes keine Rede mehr ist, sondern Dareios die Herrscherrolle einnimmt. Die Bemerkung von 9,1, dass Dareios der Sohn des Xerxes sei, macht jedoch das Bemühen um innere Stimmigkeit in 5,31(6,1) und 9,1 deutlich. 10,1 datiert die nachfolgende Vision in das erste Jahr des Königs Kyros; der MT setzt sie im dritten Jahr an. o‘ bleibt damit, anders als MT, im zeitlichen Horizont, den 1,21 programmatisch vorgibt21 (selbst wenn an dieser Stelle eine Verschreibung von tri,tw| in prw,tw| vorliegen könnte22).

2.1 Die o‘-Kapitelfolge ist nicht später als die Übersetzung Der Aufbau von 967 darf als ursprüngliche Kapitelanordnung von o‘ gelten23. Denn einerseits ist dieselbe Folge auch bei Quodvultdeus bezeugt, der den alten o‘-Buchaufbau – wohl vermittelt durch die Vetus Latina – bewahrt hat. Andererseits lassen sich bemerkenswerte Besonderheiten der o‘-Version gerade auch von dem abweichenden chronologischen Aufriss her erklären. So spart o‘ in Dan 5 den Rekurs von V.18-21 auf Dan 4 aus. Im MT referieren V.18-21 das Geschehen von Dan 4. Da zwischen Dan 4 und Dan 5 in o‘ die beiden Visionen Dan 7;8 treten, ist der Bezug zwischen beiden Kapiteln ohnehin nicht mehr so gegeben wie im MT. o‘ verzichtet daher auf die expliziten Rückverweise. In o‘ ist Dan 5 sowohl durch seine kompositorische Positionierung als auch durch den Verzicht auf explizite Rückbezüge vollständig von Dan 4 entkoppelt 24. Wenn man ||

21 22 23 24

So schon 1897 der Klassiker der o’-Daniel-Forschung: Bludau, Übersetzung, 119. So Pace Jeansonne, Translation, 99-100. Bogaert, Témoignage, 384-387.392. Bogaert, Relecture, 206.

260 | Bertram Herr bedenkt, dass o‘ in Dan 5 zudem kapitelinterne Redundanzen des MT (sie ergeben sich insbesondere durch das Referieren von bereits Geschehenem in wörtlicher Rede) vermeidet25, erklärt sich dadurch schon ein Großteil der Abweichungen vom MT. Jedenfalls wird deutlich, dass der o‘-Wortlaut von Dan 5 (in seiner Substanz) und die o‘-Kapitelfolge unmittelbar miteinander zusammenhängen. Doch löst o‘ nicht nur die starke Verbindung zwischen Dan 4 und 5 im MT; im Gegenzug verstärkt sie auch die Verbindungslinien zwischen den (neuen) Nachbarkapiteln Dan 4 und 7, Dan 5 und 8, Dan 5 und 6 sowie Dan 6 und 9 – jeweils im Vergleich zu MT. Dan 6 knüpft in o‘ deutlich an Dan 5 an26: Am auffallendsten ist einmal, dass Daniel in 6,3[4] ausdrücklich in den Purpur gekleidet ist, den er 5,29 verliehen bekam. Weil Daniel zudem in 6,2[3] einem Dreierkollegium angehört, das das Reich verwaltet, ändert o‘ seine Position auch in 5,29 (vgl. 5,7.16): Daniel wird nicht (wie im MT) mit der dritthöchsten Autorität des Reiches betraut, sondern verwaltet nun ein Drittel des Königreiches. Er teilt sich also das Reichsgebiet mit seinen beiden Kollegen von Dan 627. In seinem Schlusswort 6,27[28] greift Dareios schließlich die Kritik an den „handgefertigten Götzenbildern“ von 5,4.23 wortwörtlich auf. o‘ baut auch die Klammer zwischen den Nachbarkapiteln Dan 4;7 aus. Das lehrt ein Vergleich von 4,30; 7,4 in o‘ und dem MT:

||

25 Der masoretische V.9 wiederholt klimaktisch die Reaktion des Königs von V.6 und entfällt somit in o‘. Dass die Königin in V.10bβ darauf nochmals Bezug nimmt, übergeht o‘ ebenfalls. Die Charakterisierung Daniels in V.12 verdoppelt seine Beschreibung von V.11 und fällt in o‘ daher unter den Tisch. Die wörtliche Rede von V.13f beschreibt Daniel erneut, wie es in o‘ bereits in V.10 und im MT in V.11f geschehen ist; o‘ übergeht sie deshalb. Die Konsultation der Experten (MT-V.15) berichtet bereits V.8 (und der Anfang von o‘-V.7); o‘ lässt den Rekurs darauf in V.15 daher aus. V.16a rekapituliert erneut die Fähigkeiten Daniels (vgl. V.11f.14); o‘ übergeht sie abermals. Auf V.22 kann o‘ ebenfalls verzichten, weil o‘ den Sachverhalt schon zu Beginn von V.2 schildert. Und V.24 ist verzichtbar, weil der Vorgang schon in V.5 berichtet wurde. o‘ lässt Daniel die vom König versprochene Belohnung nicht ablehnen wie MT-V.17, weil sie Daniel ja schlussendlich annimmt. Wo o‘ ein Plus in Dan 5 gegenüber MT verzeichnet, könnten dort (falsch) in den Text geratene Randglossen die Ursache sein. Dass die Zeichendeuter in V.7 und dann wieder in V.8 zum König hereintreten, die Schrift aber nicht enträtseln können, könnte daraus resultieren, dass die Notiz in V.7 erst sekundär vom Rand in den Text gelangte. 26 Daniels Charakterisierung baut o‘ zwar in 6,3[4] aus (vgl. Albertz, Gott, 126f); reduziert sie aber zugleich in Dan 5 (V.11f.14.16). Von einer verstärkten Kapitelverquickung lässt sich diesbezüglich also nur bedingt sprechen. 27 Als Konsequenz aus dem Machtkampf von Dan 6 konstatiert o‘ dann auch folgerichtig und über MT hinaus, dass Daniel alleinig das Reichskanzleramt ausübt (V.28)!

Der griechische Daniel | 261 MT

28

4,30b … bis sein Haar wie von Greifen wuchs und seine Nägel wie von Vögeln.

7,4 Das erste (Tier) war wie ein Löwe und Schwingen eines Greifen war ihm. Ich betrachtete bis seine Schwingen ausgerissen und es von der Erde erhoben und wie ein Mensch auf die Füße gestellt und ein Herz eines Menschen ihm gegeben wurde.

o‘

4,30[33] und meine Haare wurden wie Schwingen eines Greifen, meine Fingernägel wie eines Löwen, verändert wurde mein Fleisch und mein Herz … 7,4 Das erste (Tier war) wie eine Löwin, die Schwingen wie ein Greif besaß. Ich betrachtete, bis jemand ihre Schwingen ausriss und sie von der Erde erhoben und auf menschliche Füße gestellt wurde und ihr ein menschliches Herz gegeben wurde.

o‘ nimmt aus 7,4 die Stichworte „Schwingen“, „Herz“ und „Löwin“ auf und verwendet sie zusätzlich in 4,30[33]. Auf die weibliche Form „Löwin“ kommt o‘ vielleicht durch die femininen Possesivpronomen im aramäischen Text, die sich aber dort auf das Subjekt „Tier“ beziehen. Somit verbindet o‘ das erste Tier von Dan 7 mit Nebukadnezzar und seinem Schicksal in Dan 4. Darüber hinaus leistet o‘ damit eine willkommene Interpretationshilfe für die apokalyptischen Tiere: Über Nebukadnezzar identifiziert o‘ das erste Tier mit dem neubabylonischen Reich. Nebukadnezzar ist im Danielbuch tatsächlich der Repräsentant par excellence des neubabylonischen Imperiums. Über die Identifizierung des ersten Tieres gibt o‘ einen dezenten Hinweis zur Dechiffrierung der anderen Tiere und trägt auch an dieser Stelle zu einer Transparenz bei, die weiter unten noch näher zu thematisieren ist. Auch die beiden Nachbarkapitel 5;8 verknüpft o‘ stärker. In 5,2 wirft o‘ Baltasar vor, dass er sein Herz überhoben habe. Dieselbe Überschreitung lastet o‘ in 8,25; 11,12 Antiochus IV. an und in 4,19[22] Nebukadnezzar. Der MT kennt dieses Bezüge nicht. o‘ dehnt sie zu einem ganzen Geflecht aus, auf das unten noch zu kommen sein wird. Dadurch parallelisiert o‘ die beiden Frevler Baltasar und Antiochus und stellt ihnen antitypisch den bekehrungswilligen Nebukadnezzar gegenüber (Dan 4). Durch ihre unmittelbare Nachbarschaft in o‘ spielen Dan 5;8 eine gewichtige Rolle bei dieser Gegenüberstellung von Baltasar und Antiochus. Schließlich schlägt o‘ auch eine beachtliche Brücke zwischen Dan 6 und 9. Denn zum einen baut o‘ die Thematik des Betens in Dan 6 gegenüber MT erheb||

28 Sowohl MT als auch o‘ verwenden Termini, die Adler oder Geier bezeichnen können. Dieser Unschärfe versuche ich durch das Übersetzungsäquivalent „Greif“ gerecht zu werden. „Greif“ ist einerseits die Kurzform von „Greifvogel“, andererseits die Bezeichnung des Fabeltiers „Vogel Greif“, das aus Adler- und Löwenkomponenten zusammengesetzt ist und dem Kontext von Dan 4 und Dan 7 ebenfalls gerecht wird.

262 | Bertram Herr lich aus. o‘ entfaltet das Thema in fünf Versen (6,5[6].7[8].9[10].10[11].12[13]) und entwickelt es zu einer Leitfrage des Kapitels. Zum anderen greift o‘ die Gebetsterminologie von Dan 6 erneut in Dan 9 auf: 9,20 übernimmt zwei der in Dan 6 massiv gebrauchten Verben des Betens: proseu,comai und de,omai. Bereits 9,3.4 knüpfen an die Gebetsterminologie von Dan 6 an. Nur das „Bekennen“ der Sünden von 9,4.20 ist in Dan 6 nicht vorbereitet. Das ist auch nicht zu erwarten: In Dan 6 ging es ja nicht um Sündenbekenntnisse, sondern um die Schuldlosigkeit Daniels. Im MT hingegen enthalten sowohl 6,11 als auch 9,20 drei Verben des Betens; doch nur in einem einzigen (jd)/jdh „loben“) stimmen sie überein. Das liegt nicht nur an der Sprachdifferenz zwischen Dan 6 (Aramäisch) und Dan 9 (Hebräisch); eine Verbindung zwischen Dan 6 und 9 sind im MT einfach nicht angestrebt. Dan 9 gibt in o‘ also ein Beispiel von der Gebetspraxis Daniels, von der im Vorgängerkapitel Dan 6 so viel die Rede war. – In Dan 9 lässt sich Daniel sozusagen beim Beten über die Schulter blicken. Die Einschätzung, dass die Umstellung von Dan 7;8 vor Dan 5 auf das Konto eines bemühten Abschreibers des griechischen Textes gehen soll, wie R.T. McLay denkt29, wird all diesen Beobachtungen nicht gerecht. Die Kapitelfolge von 967 gehört also originär zum o‘-Danielbuch. Das geht aus dem Verweissystem unter den Nachbarkapiteln deutlich hervor. Sollte der o‘-Aufbau von Dan gar die ursprüngliche Buchgestalt bewahrt haben und der MT eine nachträgliche Umstellung bieten, wie O. Munnich meint30?

2.2 Der Buchaufbau des MT ist der ursprünglichere Gegen ein Modell, das die Kapitelfolge von 967 zur ursprünglichen Buchstruktur erklären will, sprechen eindeutige Beobachtungen: Einmal sind Dan 5 und Dan 4 in o‘ terminologisch eng miteinander verwoben, darauf macht R. Albertz aufmerksam31. Das lässt sich nur erklären, wenn Dan 4 und Dan 5 ehedem eng aufeinander bezogen waren. Zumindest in der semitischen Vorlage (wenn nicht sogar in der ersten Übersetzung) muss Dan 5 unmittelbar auf Dan 4 gefolgt sein. Beide Kapitel wurden erst nachträglich auseinandergerückt und durch Dan 7;8

||

29 McLay, Translation, 322. 30 Munnich, Texte, 116-120. 31 Vgl. Albertz, Gott, 91f: Das „Überheben des Herzens“ in 4,19(22); 5,2; das „Haus des lebendigen Gottes“ in 4,19(22); 5,23; die Veränderungen im Aussehen des Königs in 4,16(19); 5,6; die beunruhigenden Vermutungen 4,16(19); 5,6; das „Bekanntmachen“ in 4,15[18].34[37]c; 5,7.9. 12.16.

Der griechische Daniel | 263

getrennt. Auch nach dieser Separierung blieben dann die terminologischen Verbindungen bestehen und verraten noch die einstige Zusammengehörigkeit. Auch der Sprachenwechsel vom Hebräischen (Dan 1) ins Aramäische (Dan 2-7) und wieder zurück zum Hebräischen (Dan 8-12) ist für eine solche Umstellungsthese nicht günstig, bei der die o‘-Kapitelfolge den Vorzug vor der Abfolge des MT erhält. Denn dann hätte Daniel hebräisch begonnen (Dan 1), wäre nach dem ersten Kapitel ins Aramäische gewechselt (Dan 2-4; 7), mit Dan 8 ins Hebräische zurückgefallen, sofort danach aber wieder zum Aramäischen zurückgekehrt (Dan 6), um erst mit Dan 9-12 wieder in ruhigere hebräische Gewässer einzuschwenken. Hält man ein solches sprachliches Hin und Her in einem einzigen Werk für unwahrscheinlich32, so muss man auf weitere Subhypothesen zurückgreifen, sofern man an der o‘-Kapitelfolge als originärer für das Danielbuch festhalten möchte. Solange dafür aber keine positiven Anhaltspunkte vorliegen, bleibt die Hypothese wenig plausibel. Noch eine dritte Beobachtung belegt, dass die Kapitelfolge des MT ursprünglicher ist als der o‘-Buchaufbau: In 6,29b blickt der MT weit voraus auf die Zeit von Kyros. In diesem Kontext passt der Ausblick, der nächste Vers (7,1) bringt nämlich einen zeitlichen Rücksprung in das erste Herrschaftsjahr des babylonischen Königs Belschazzar (Baltasars). Dagegen wirkt die Schlussbemerkung von Dan 6 in o‘ absolut holprig. o‘ spricht im Unterschied zu MT nicht vom Ergehen Daniels33, sondern von der Thronfolge Dareios – Kyros. Das o‘Pendent zu 6,29 (6,28[29]) verschiebt damit den Akzent von Daniel auf die Information über das Versterben des Königs Dareios und die Herrschaftsübernahme durch Kyros. Genau das aber stößt sich in o‘ mit dem nachfolgenden Vers, nämlich 9,1. Er versetzt Daniel „in das erste Jahr unter Dareios“, dessen Ableben der Vers davor gerade noch vermeldet hatte. Die Abweichungen im o‘V.28(29) vom MT-V.29 können keinesfalls auf das Konto der o‘-Übersetzung oder nachfolgender Änderungen gehen. Denn der o‘-Wortlaut passt schlecht in seinen derzeitigen Kontext und muss aus der semitischen Vorlage in die Übersetzung übernommen worden sein. Die Härte ist nur erklärlich, wenn auf 6,28[29] ursprünglich nicht 9,1, sondern (wie im MT) 7,1 – der Rücksprung zu Baltasar – folgte. Die Kapitelfolge des MT erweist sich somit als die ursprünglichere, die von 967 als die nachträglich umgestellte. Die Erklärungsmodelle von O. Munnich, wonach sich in 967 der ursprüngliche Aufbau des Danielbuches erhalten habe34, oder von J. Lust, P.S. David und T.J. Meadowcroft, wonach Dan 4-8 in o‘ ||

32 So auch Kreuzer, Papyrus, 75. 33 Der Vermerk zu Daniel in 88-Syh ist eine Angleichung an die kirchlich rezipierten Versionen. 34 Munnich, Texte, 116-120.

264 | Bertram Herr und im MT jeweils parallel zueinander angewachsen und unabhängig voneinander angeordnet wurden35, erklären diese Buchbesonderheiten nicht befriedigend. Noch ein anderes Indiz belegt, dass o‘ ein vom MT abweichender Text zugrunde gelegen haben muss36. Verglichen mit dem MT entlastet o’-Dan 6 die Reichsverwaltung; die Verschwörung gegen Daniel geht allein auf seine beiden Kollegen zurück: „Als der König aber plante, den Daniel über sein ganzes Königreich einzusetzen, da planten die zwei jungen Männer miteinander ein Vorhaben und einen Plan …“ (o‘-6,4[5]).

Sie erlassen ein Gesetz, das Daniel zum Fallstrick werden soll und das der König lediglich zu ratifizieren braucht (V.5[6]-9[10]). In V.15[16] versucht der König dagegen, Daniel „aus den Händen der Satrapen“, also der 127 Provinzverwalter (V.1[2]), zu retten. Das deutet auf einen unvollständig gebliebenen Überarbeitungsprozess: In einer früheren Fassung von o‘-Dan 6 hatten sich, genauso wie im MT, neben der Reichsspitze auch alle Satrapen gegen Daniel verschworen. Nur in V.15[16] blieben sie im revidierten Text (wohl versehentlich) noch stehen. Das Pikante dabei ist: Die Nennung der Satrapen hat an dieser Stelle keine Entsprechung im MT. Obwohl die Vorstufe von o‘ dem MT näher gestanden haben mag als der jetzige o‘-Text, weist er doch auch signifikante Abweichungen von ihm auf. Sowohl V.15[16] als auch V.28[29] belegen also eine Vorstufe von o‘, die MT näher kommt als o‘, ohne mit ihm deckungsgleich zu sein37. Wenn aber nach all dem die Umstellung in o‘ nicht nach der Übersetzung erfolgt sein kann und der masoretische Buchaufbau zugleich älter ist als derjenige von o‘, dann spricht alles dafür, dass die Umstrukturierung bei der Übersetzung (oder zumindest in ihrem unmittelbaren Vorlauf) vorgenommen wurde38. Der andersartige Buchaufbau bei o‘ macht also eine Menge an Besonderheiten im o‘-Text verständlich. Aber er erklärt längst nicht alle Eigentümlichkeiten des o‘-Textes. ||

35 Lust, Septuagint, 39-52; David, Composition, 87-96); Meadowcroft, Daniel, 83.243.266.272277. 36 Vgl. Meadowcroft, Daniel, 95-97. 37 Das könnte bedeuten, dass sowohl o‘ als auch MT auf eine ältere gemeinsame Vorlage zurückgehen, von der beide abweichen, wie Ulrich (Dead Sea Scrolls, 40-44) und Collins (Daniel, 219-221.242-243.262-264) annehmen. Dann bliebe genauer abzuklären, wie sich jede der beiden Versionen jeweils zu dem hypothetischen Prätext verhält. Der literarische Befund lässt aber auch die Annahme zu, dass der protomasoretische Text in mehreren Schritten überarbeitet wurde, wobei am vorläufigen Ende dieses Weges o‘ stand. 38 Vgl. auch Bogaert, Relecture, 219-224.

Der griechische Daniel | 265

3 Besonderheiten von o‘ ohne Bezug auf die o‘-Kapitelfolge Es bleiben Eigenheiten in o‘, die nicht aus der abweichenden Kapitelfolge herleitbar sind. Das möchte ich je an einem Beispiel aus den deuterokanonischen Passagen, dem Sondergut der o‘-Rezension und denjenigen Kapiteln demonstrieren, die gegenüber dem MT ganz eigene Wege gehen.

3.1 Dan 5 praefatio – ein Beispiel für das o‘-Sondergut Eine Besonderheit des o‘-Danielbuches ist die Kurzfassung von Dan 5, die die o‘Version dem Kapitel in der sog. praefatio voranschickt. Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen den beiden Fassungen innerhalb der o‘-Version: 1) Die praefatio gibt im Unterschied zur Langfassung den Anlass für das Fest an. 2) Sie beziffert auch die Zahl der Gäste (nämlich 2000 gegen 1000 des MT (5,1); die ausführliche o‘-Erzählung macht keine Angaben. 3) Die praefatio „betont – anders als die o‘-Haupterzählung, aber ähnlich wie MT – den Zusammenhang zwischen dem Weingenuss und dem blasphemischen Treiben“39. 4) Umgekehrt schreibt sie die Gotteslästerung nur dem König, nicht der gesamten Festversammlung zu (und macht Verfehlung und Strafe damit kongruenter). Sie unterscheidet sich darin von MT und der Langform (V.4)40. 5) Während die ausführliche Fassung lediglich die Bedeutung des Strafworts auf Griechisch mitteilt (V.17.26-28), referiert die praefatio die drei Ausdrücke in Umschrift. Vor allem ordnet sie die drei Strafworte in einer anderen Reihenfolge an als V.26-28 (MT, o‘ weniger deutlich). 6) In zentralen Ausdrücken weichen beide Erzählungen voneinander ab: Sie gebrauchen unterschiedliche Vokabeln für das „Mahl“ des Königs (V.1), sodann werden Belschazzars Gäste mit verschiedenen Bezeichnungen belegt (V.1). Die Götzenbilder sind jeweils komplett anders umschrieben (V.4), die ||

39 Albertz, Gott, 81. 40 Solche Punkte, in denen sich die praef. sowohl von der Langform als auch vom MT abhebt, machen deutlich, dass es nicht das Ziel der praef. ist, MT und Langform miteinander auszugleichen (gegen Bogaert, Relecture, 212).

266 | Bertram Herr Betitelung des wahren Gottes divergiert völlig (V.4). Auch gebrauchen beide Erzählungen vollkommen andere Verben des Lobpreisens (V.4; hier steht die praefatio derjenigen von Theodotion näher als die Langform). Die praefatio kürzt den Ausdruck der Langfassung (V.5 „Finger wie von einer Menschenhand“ [vgl. MT: „Finger einer Menschenhand“]) ab zu „Finger wie eines Menschen“. Statt „Leuchter“ wählt V.5 den Ausdruck „Licht“. Aus all dem kann man nur einen Schluss ziehen: Die praefatio ist keine Zusammenfassung der Langform, sondern rekapituliert eine andere Parallelfassung der Erzählung. Die Unterschiede sind nur erklärlich, wenn mindestens eine der beiden Fassungen bereits auf Griechisch vorlag, als beide zusammengestellt wurden. Das wird durch die differierende Ausdrucksweise bei übereinstimmenden Inhalten deutlich. Dennoch bestehen auch unübersehbare Gemeinsamkeiten zwischen beiden Fassungen: 1) Beide Texte beginnen mit denselben Worten („Baltasar, der König, veranstaltete“). 2) Beide gebrauchen ähnliche Zeitbestimmungen: „An jenem Tag“, „in derselben Nacht“ (praef.) vergleicht R. Albertz mit „in derselbigen Stunde“ (V.5)41. 3) Im Unterschied zu MT monieren sowohl Kurz- als auch Langfassung bereits zu Beginn (V.4), dass Belschazzar den wahren Gott nicht pries. Beide griechische Fassungen nehmen damit den Tadel Daniels von V.23 vorweg. 4) V.5 übernimmt fast eine ganze Phrase wörtlich aus der praefatio: „und sie schrieben auf die Wand seines Hauses, auf den Verputz gegenüber des“. 5) Die Worte für „überheben“ (V.2) und „prahlen“ (V.6) entsprechen sich jeweils in beiden Fassungen. 6) Beide Erzählungen geben zwei der drei Ausdrücke der rätselhaften Schrift identisch wieder: „ es ist gezählt“ (V.26) und „es ist weggenommen“ (V.17). Das bedeutet: Beide Fassungen wurden aufeinander abgestimmt. Wie das geschehen ist, sieht man an der Deutung der Schrift in Dan 5. Wenn man 5,26-28 in den beiden Versionen miteinander vergleicht, wird deutlich, dass es o‘ nicht um eine wörtliche Wiedergabe des aramäischen Wortlauts geht. Das aramäische Wortspiel mit dem kryptischen „Menetekel“ war schlichtweg nicht ins Griechische übertragbar, und daher wählt der Übersetzer eine andere Lösung: Gefragt ist in o‘ nicht wie im MT (V.7f.15-17) die Entzifferung der Schrift; dass sie lesbar ||

41 Albertz, Gott, 80.

Der griechische Daniel | 267

ist, setzt o‘ voraus. Dem König geht es lediglich um ihre Bedeutung (o‘-V.7-9.16). Die drei griechische Verben vorzulesen, ist für Daniel daher kein Problem: „Es ist gezählt, es wurde berechnet, es ist weggeschafft“ (V.17). Mit jedem Verb entfernt sich die griechische Wortfolge mehr von der Bedeutung der aramäischen Schlüsselworte42. In o‘ orientiert sich ihre Erklärung innerhalb von V.2629 aber paradoxerweise nicht an der Lesung von V.17. Die Deutung in V.26-29 setzt vielmehr merklich eine Vorlage um, die MT-V.26-28 nahe kommt: MT

… „Mene“: Gezählt hat Gott dein Königtum und hat es beendet. 27 „Teqel“: Gewogen und mangelhaft gefunden. 28 „Peres“: Geteilt wird dein Königtum und gegeben den Medern und Persern 26

o‘

…Gezählt ist die Zeit deines Königtums. Dein Königtum hört auf. 26

Auseinandergeschnitten und beendet ist dein Königtum, den Medern und Persern wird es gegeben. 27

28

In V.26 verzichtet o‘ auf die ausdrückliche Nennung Gottes und verwendet stattdessen das passivum divinum. Dafür präzisiert o‘ die Aussage auf ihren zeitlichen Aspekt hin. Der letzte Satz von V.26 nimmt explizit das in MT ebenfalls vorausgesetzte Objekt „Königtum“ wieder auf. Den masoretischen V.27 übergeht o‘. Vermutlich war für die Übersetzung die Aussage des Verses bereits durch V.26 abgedeckt. o‘-V.27 gibt hingegen erkennbar MT-V.28aβ wieder. Das griechische „Auseinanderschneiden“ kommt dem aramäischen „Zerteilen“ nahe, das „Beenden“ könnte eine falsch eingetragene Randlesart zu V.26 sein. „Dein Königtum“ dürfte analog zum MT noch zu V.27 des o‘-Textes gehören. Beim Rest von V.28 entsprechen sich beide Versionen problemlos. Der Vergleich beweist, dass o‘ an dieser Stelle einen Text wiedergibt, der dem MT nahe steht. o‘ scheint dabei eine Übersetzung anzustreben, die sich nicht sklavisch an den Wortlaut des Ursprungstextes hält, sondern seine Botschaft verständlich zum Ausdruck bringt. Die praefatio legt im Unterschied zum Hauptkapitel Wert auf die Transkription der aramäischen Ausdrücke. Allerdings weicht sie von der üblichen Reihenfolge ab und stellt den dritten Terminus vor den zweiten. Den ersten gibt sie wie die Langfassung mit „es ist gezählt“ wieder. Das aramäische tql ist ange-

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42 „Zählen“ trifft gut die Bedeutung von mnh. „Berechnen“ ist von der Grundbedeutung von tql, „wägen“, schon einiges entfernt; doch liegen im Handel Wiegen und Berechnen nahe beieinander. „Wegbringen“ hat endlich kaum noch etwas mit prs, „teilen“, zu tun.

268 | Bertram Herr messen mit e[statai umschrieben. Denn das griechische Verb scheint auch „abwiegen“ zu konnotieren43 und knüpft so an die Bedeutung des aramäischen Wortes an. V.17 bietet dafür „berechnen“. Da Geldgeschäfte in der Antike durchaus mit der Waage vorgenommen wurden, ist ihre Übersetzung also ebenfalls nachvollziehbar. Überraschend ist jedoch die Übersetzung von prs. Sie erfolgt in der praefatio und V.17 identisch: „es ist weggeschafft“. Wie die Übersetzung von der aramäischen44 Wurzel zu der griechischen Wortbedeutung gelangte, ist schleierhaft. In V.27 zeigt die Übersetzung von Dan 5, dass sie es besser weiß und den Sinngehalt des aramäischen prs kennt. Dort erkennt sie dem aramäischen Verb die Bedeutung des Zerteilens zu. Praef.

MT-5,26-28 (vgl.o‘)

o‘-5,17

mn)

es ist gezählt

es ist festgestellt (durch wägen)

tql

es wurde berechnet (bilanziert)

es ist weggeschafft

prs

es ist weggeschafft

es ist gezählt

Warum weicht der Übersetzung in V.17 mit der Aussage des Wegschaffens so stark von der aramäischen Wortbedeutung ab? Die einleuchtendste Erklärung ist wohl die: Die Übersetzung von Dan 5 nahm an entscheidenden Stellen (die oben aufgeführt sind) die Ausdrucksweise der praefatio in ihre Übertragung auf, um beide Fassungen aufeinander abzustimmen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hat die o‘-Übersetzung V.17 sogar erst in das Kapitel eingetragen. Der Vers hat im MT keine Entsprechung (und gehört so zu dem wenigen o‘Überschuss von Dan 5). Er vermittelt aber unübersehbar zwischen der praefatio und der Haupterzählung, und zwar in einer Weise, die erkennen lässt, dass die Bearbeitung den Aramäischen Text vor Augen hat. Denn sie nimmt die Wortwahl der praefatio auf, orientiert sich aber in der Wortfolge an der Textvorlage von Dan 5. Wenig wahrscheinlich ist, dass die beiden Erzählfassungen erst im Nachhinein aneinander angeglichen wurden. Dagegen spricht nicht zuletzt der große

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43 Vgl. Bauer / Aland / Aland, Wörterbuch, 774. 44 P. Grelot erschließt in seiner detaillierten Studie Hebräisch als Sprache der o‘-Vorlage von Dan 5 (Grelot, Chapitre V, 45-66), aber auch von Dan 4; 6 (Grelot, Septante; Grelot, Daniel). Doch passt dazu schlecht die Transkription qekel. Hätte o‘ das Lexem auf Hebräisch vorgefunden, hätte sie das Schin am Wortanfang anders transkribiert.

Der griechische Daniel | 269

Umfang der wörtlichen Übereinstimmungen zwischen beiden Erzählfassungen und auch der Umstand, dass V.17 die geänderte Wortfolge der praefatio durchschaut45. Unwahrscheinlich ist ebenfalls der umgekehrte Weg, dass sich der Übersetzer der praefatio bei seiner Übertragung am Vorbild der Haupterzählung orientierte. Denn dann wäre es nicht erklärlich, warum V.17 anders als bei den beiden anderen aramäischen Schlagworten und im Unterschied zu V.27 nicht die Bedeutung des aramäischen Verbs aufnimmt. Das ist nur aus der Orientierung an der praefatio zu erklären. Der Vergleich der Menetekelworte in der praefatio und Dan 5 (in o‘ V.17.2628 und im MT V.26-28) ergibt zusammenfassend folgendes Bild: 1) Die praefatio bietet eine andere Abfolge der Deuteworte als alle anderen Versionen. 2) o‘ übergeht in V.26-28 das mittlere Lexem tql. Vermutlich subsummiert sie es bereits unter dem ersten „es ist gezählt“. Augenscheinlich geht es o‘ um eine sinngemäße Wiedergabe und nicht um eine Wort-für-Wort-Übersetzung. 3) 5,17 orientiert sich in der Wortfolge an dem MT und der o‘-Form von 5,2628. In der Wortbedeutung steht o‘ in V.17 aber unverkennbar der praefatio näher. Da V.17 in der Wortfolge V.26-28, in der Bedeutung aber der praefatio folgt, scheint V.17 beide Versionen miteinander zu vermitteln. Wahrscheinlich wurde V.17 sogar eigens zu diesem Zweck geschaffen, da der Vers im MT kein Äquivalent besitzt. Wie es aussieht, fand die Übersetzerpersönlichkteit die praefatio bereits in ihrer griechischen Sprachgestalt vor und integrierte sie in ihre Übersetzung. Dafür spricht nicht nur V.17, sondern auch eine Reihe von weiteren Angleichungen innerhalb von Dan 5 an die praefatio. Unbezweifelbar ist jedenfalls, dass die o‘-Übersetung des Danielbuchs nicht in einem Zug erfolgte, sondern zumindest mit der praefatio Vorarbeiten benutzte. Allem Anschein nach hat die o‘-Übersetzung nämlich die praefatio bereits vorgefunden und ihre Übertragung nach ihr ausgerichtet. Ist die praefatio ein Einzelfall, oder finden sich noch weitere Beispiele, in denen die o‘-Übersetzung frühere Übertragungen in ihr Werk aufgenommen haben könnte? Der o‘Überschuss in Dan 3 wäre so ein Kandidat für eine solche Entlehnung.

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45 Unausweichlich führt das methodische Ökonomieprinzip zu dem Modell, dass die Angleichung im Zuge der Übersetzung erfolgte. Das Risiko damit einhergehender Simplifizierungen ist dabei einzukalkulieren (aber zu simplifizieren, ist Aufgabe von Modellen).

270 | Bertram Herr

3.2 Das deuterokanonische Gut in Dan 3 In Dan 3 lassen sich o‘ und MT an den Schnittstellen zwischen den deuterokanonischen Einfügungen und dem protokanonischen MT in V.21-23 und V.91[24] einigermaßen gut korrelieren. Erst mit V.24 beginnt das deuterokanonische Plus. Synoptischer Vergleich o‘-Dan 3,21-25 (21) Darauf wurden jene Männer gebunden, während sie ihre Sandalen und ihre Kopfbedeckungen auf ihren Häuptern zusammen mit ihrer Kleidung anhatten, und sie wurden in den Ofen des Feuers geworfen, (22) da die Anordnung des Königs drängte; und der Ofen wurde siebenfach über das Bisherige angefacht, und die Männer, die ausgewählt worden waren, warfen sie gebunden und zum Ofen gebracht in ihn hinein. (23) Die Männer also, die die um Asarja gebunden hatten, entzündete und tötete die aus dem Ofen herauslodernde Flamme;

diese jedoch wurden bewahrt. (24) So betete nun Asarja und Ananja und Mischael und lobsangen dem Herrn, da der König angeordnet hatte, sie in den Ofen hineinzuwerfen. (25) Und indem er hintrat, betete Asarja so, und indem er seinen Mund öffnete, rühmte er den Herrn zusammen mit seinen Gefährten inmitten des Feuers des von unten durch die Chaldäer gewaltig angefachten Ofens und sprach:

o‘-Dan 3,46-51.91 (46) Und als sie die drei auf einmal

in den Ofen hineinwarfen, und der Ofen siebenfach durchfeuert entsprechend seiner Hitze war und während sie sie hineinwarfen, (waren) die, die hineinwarfen, über ihnen, die anderen entfachten unter ihnen Naphtha und Pech und Hanf und Reisig S, (47) da schwoll die Flamme bis zu 49 Ellen über den Ofen, (48) brach aus und entzündete, welche von den Chaldäern sie um den Ofen fand. (49) Doch ein Engel (des) Herrn stieg zusammen mit denen um Asarja in den Ofen und schüttelte die Flamme des Feuers aus dem Ofen (50) und machte die Mitte des Ofens wie pfeifenden Tauwind; und das Feuer berührte sie überhaupt nicht und schmerzte nicht, und belästigte sie nicht. (51) Darauf lobsangen die drei wie aus einem Munde

und verherrlichten und priesen und erhoben den Gott

in dem Ofen, indem sie sagten: ...

Der griechische Daniel | 271

MT-3,24

Da erschrak Nebukadnezzar, der König, und erhob sich in Hast und anhebend sprach er zu seinen Beratern: ...

(91[24]) Und es geschah, als der König sie lobsingen hörte, und stehend schaute er sie lebend. Darauf wunderte sich Nebukadnezzar, der König, und stand eilends auf und sagte seinen Vertrauten:

In V.46-48 scheint sich aber das Geschehen von V.21-23 zu wiederholen, V.46-48 entsprechen inhaltlich V.21-23. Auch V.91 kennt eine solche Doppelung: Der zweite Versteil stimmt recht exakt mit MT überein, in welchem Nebukadnezzar erstaunt aufsteht; aber schon der allein in o‘ enthaltene Versbeginn hatte vermerkt, dass Nebukadnezzar steht. Die derzeit plausibelste Lösung für diese mehrfachen Doppelungen lautet: Der Passus von V.24 bis zum Anfang von V.91 („und es geschah, als der König sie Loblieder singen hörte, und stehend schaute er sie lebend“) entstammt einer eigenständigen Sondertradition von Dan 346, von wo der gesamte Ausschnitt komplett in o‘ hinüberkopiert wurde. In dieser Variante von Dan 3 sprach Asarja sein Gebet noch außerhalb des Ofens, also unmittelbar nach V.20 und noch vor V.21. Dieser Ort ist auch angemessener für ein Errettungsgebet als der freie Fall in den brennenden Ofen. In der extrahierten Erzählung werden die drei Jünglinge erst mit V.46-51 ihrem todbringenden Schicksal überantwortet. Nach dem Lobgesang (V.52-90) ist aus dieser Erzählvariante zu Beginn von V.91 noch die Reaktion des Königs erhalten. Überleitung zum Gebet V.24-25*

Bittgebet Asarjas V.26-45

Exekution

Lobgesang

V.46-51*

V.52-90

Reaktion des Königs V.91*

Der Einbau des Fragments, das V.24-91 umfasst, erfolgte an etwas unglücklicher Stelle; geschickter hätte es der Kopist nach V.20 eingefügt, hätte dann V.46-48 als Ersatz für V.21-23 gelten lassen und sich auch in V.91[24] für die eine oder die andere Version entschieden. Aber augenscheinlich wollte der Kompilator auf keine Aussage seines protomasoretischen Grundtextes verzichten und auch V.46-48 nicht als ungefähren Ersatz für V.21-23 gelten lassen. Die Wiedersprüche, die dadurch zustande kamen, musste er einigermaßen glätten: 1) Wie konnte die herausschlagende Flamme in V.47f die Umstehenden töten, wo doch das Feuer schon in V.23 seine todbringende Wirkung getan hatte? ||

46 So schon 1901 Julius (Danielzsätze, 12), der aber wenig Beachtung fand. Desweiteren: Kottsieper, Zusätze, 222-229; Rogerson, Additions, 803. Etwas anders sieht Bogaert in V.24-90 „un petit euchologe attribué à des martyrs des temps maccabéens“, wobei das Stück nicht unbedingt in eine übergeordnete Erzählung eingebunden gewesen sein müsse (Daniel, 34).

272 | Bertram Herr

2)

3)

Die Lösung lag in einer Differenzierung der Opfer: In V.22f verbrennen die Henker, die die Drei gebunden und in den Ofen gestoßen hatten. In V. 4649 werden zusätzlich die Heizer im Unterteil des Ofens von der Flamme erfasst47. V.46 entfaltet diese Unterscheidung in seinem zweiten Teil peinlich genau, und auch V.22f bestimmen die Gruppe der Henker weit über MT hinausgehend. Das führt zu sogar zwei Verschlimmbesserungen: Einmal werden die drei Bekenner doppelt in den Ofen geworfen, nämlich sowohl am Ende von V.21 als auch von V.22. Sodann sprengt der erneute Rekurs auf die Henker in o‘-V.22 den klaren Zusammenhang, der im masoretischen V.22 zwischen dem extrem überheizten Ofen und der tödlich herausschlagenden Flamme (in o‘ jetzt V.23) gegeben ist48. In der Vorlage stimmt Asarja sein Gebet noch vor dem Fall in den Ofen an, der erst in V.46-48 erfolgt; im jetzigen Kontext sind die drei Freunde bereits mit V.21 in den Ofen gestürzt. – V.23.25 betonen daher nochmals, dass sie sich jetzt im Feuerofen befinden: V.23 beeilt sich mitzuteilen, dass sie heil im Ofen ankamen, der Voraussetzung für ihr nachfolgendes Gebet, und V.25 bemüht sich in seinem zweiten Teil, den Aufenthaltsort der Bekenner nochmals klarzustellen: „inmitten des Feuers des von den Chaldäern gewaltig angefachten Ofens“. Die singularischen Verben von V.24f verraten noch, dass es ehedem Asarja allein war, der das Gebet sprach. Nachdem er aber gemeinsam mit seinen beiden Freunden das Los teilen muss, wird er in V.24f zum Vorbeter des Trios. Bereits V.23 macht ihn in o‘ zum Anführer: „die um Asarja“.

Mit diesen Korrekturen ist der Einschub seinem Kontext leidlich angepasst. Vermutlich lag die erweiterte Parallelerzählung, aus der o‘ schöpfte, bereits auf Griechisch vor. Hätte auch sie noch übersetzt werden müssen, hätten sich die Angleichungen in V.24f wohl besser retuschieren lassen. Dass aber die protokanonischen Verse 21-23 in o‘ bereits auf den Einschub hin formuliert sind 49, spricht eine deutliche Sprache: Die Übersetzung des protomasoretischen Teils hatte den Einschub vor Augen und stimmte ihre Übersetzung auf ihn ab50. So ||

47 Vgl. Delcor, Apocrypha, 454. Eine etwas andere Unterscheidung innerhalb der Gruppe der Verbrennungsopfer sieht Kottsieper, Zusätze, 226-228; doch differenzieren V.23.46-48 nicht nach Bindenden und Hineinstoßenden, sondern vielmehr nach Heizern und Vollstreckern. 48 Durch die Ergänzung in V.22 bezieh sich der Kausalsatz zu Beginn von V.22 wohl anders als in MT auf V.21 zurück. 49 Dazu unverzichtbar: Bogaert, Daniel, 18-19. 50 Vgl. schon de Wette / Schrader, Lehrbuch, 510; anders McLay, Versions, 100-103.115.146148; McLay, Translation, 320-321.

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bereiten schon (die protokanonischen) V.21-23 die Hinzufügung vor, und das in dreifacher Weise: 1) V.22 beschreibt in seiner zweiten Hälfte ausführlich die Gruppe der Henker. Das bereitet ihre Abgrenzung von den Heizern in V.46-49 vor. 2) V.23 schafft mit seiner Schlussnotiz – „diese jedoch wurden bewahrt“ – erst die Voraussetzung für das Gebet inmitten des Feuers (wobei er wieder weniger glücklich V.49f vorwegnimmt). 3) Bereits V.23 hebt Asarja unter seinen Kollegen mit der Wendung „die um Asarja“ hervor. Die o‘-Übersetzung ist also eng auf den Einschub hingeordnet. So scheint die Einfügung von Gebet und Hymnus im Zuge der o‘-Übersetzung vorgenommen worden zu sein.

3.3 Dan 4 – das Paradebeispiel für den o‘-Eigencharakter Dan 4 ist das Kapitel, das in der o‘-Version am stärksten vom MT abweicht. Das gilt nicht nur für den Wortlaut, sondern ebenso für den Kapitelaufbau und die ausführliche Schlusssequenz (V.34[37]- V.34[37]c). Im MT handelt es sich bei dem gesamten Kapitel (3,31[98]-4,34) um eine Rückschau Nebukadnezzars in Briefform, die nur zwischendurch (V.16.25-30) in die Erzählform der dritten Person wechselt. Bei o‘ hingegen ist Dan 4 in einen Erzählrahmen eingebetettet, der in der dritten Person Singular gehalten ist51. Das verändert das gesamte chronologische Gefüge des Kapitels: Der Einleitungssatz (V.1[4]) setzt die Rede Nebukadnezzars in seinem 18. Regierungsjahr an. Bis V.24[27] erzählt Nebukadnezzar, was sich (vermutlich) in den letzten 24 Stunden zugetragen hat. In V.25[28] berichtet dann wieder der Rahmenerzähler in der dritten Person vom Ergehen Nebukadnezzars: Zunächst von seiner unmittelbaren Reaktion (V.25[28]), danach von den Ereignissen ein Jahr später (V.26[29]-30[33]). Mit V.30[33]a lässt er wieder Nebukadnezzar zu Wort kommen. Nebukadnezzar berichtet bis V.33[36] retrospektiv von seiner siebenjährigen Leidenszeit und seiner Erlösung. Er befindet sich damit im 26. Jahr nach seinem Herrschaftsantritt. Dann wechselt er über das präsentische Bekenntnis von V.34[37] zu einem prospektiven Gelöbnis ||

51 Vgl. Bogaert, Relecture, 206. Wenn man MT-Dan 4 als einen Selbstbericht mit eingestreutem Fremdbericht bezeichnen kann, dann handelt es sich bei o‘ um einen Fremdbericht mit wörtlichen Reden in erster Person. Zu anderen formkritischen Ergebnissen gelangen: Albertz, Gott, 28-31; Munnich, Texte, 99-100.

274 | Bertram Herr in V.34[37]a. Schließlich meldet sich in V.34[37]b.c wieder der Rahmenerzähler zu Wort. Er dokumentiert dort die Briefe Nebukadnezzars an seine Untertanen. Durch die Erzählstimme in der dritten Person erhält das Kapitel seine Geschlossenheit. Es ist also nur vordergründig das Abrücken von der Briefform (des MT), das die Umstellung von MT-3,98-110 an das Ende von Dan 4 zwingend nötig macht, der tieferliegende Grund dafür liegt in der Umgestaltung der Zeitlinie in o‘-Dan 4. Solche fundamentalen Abweichungen vom MT gehen weit über die Arbeit eines Übersetzers hinaus. Entweder hat o‘ in dieses Kapitel extrem gestalterisch eingegriffen52, oder sie benutzte eine vom MT gravierend abweichende Vorlage. Für einen stark divergierenden Ausgangstext spricht nicht zuletzt die semitisierende Sprachform des gesamten Kapitels einschließlich des Schlusspassus‘53. R. Albertz und L.M. Wills, nehmen an, dass Dan 4 gemeinsam mit Dan 5;6 vor dem restlichen Danielbuch ins Griechische übersetzt und dann in die Gesamtübersetzung integriert wurde54. Allerdings finden sich in o‘-Dan 4 durchaus semantische Querbezüge zum restlichen Buch: 4,34[37] greift unverkennbar 2,21 auf (vgl. auch 7,25)55. In 4,34[37] scheint Nebukadnezzar sein früheres Gottesbekenntnis von 2,47 auszudehnen und damit auch zu steigern: In 2,47 nennt er ihn „Gott der Götter und Herr der Könige“, in 4,34[37] dann „Gott der Götter und Herr der Herren und Herr der Könige“. Überdies ist Dan 4 in o‘ von einem Leitwort durchsetzt, das auch für das Gesamtbuch eine zentrale Rolle einnimmt: Das Gesamtbuch spielt nämlich mit der Wortwurzel „erhöhen“ / „hoch“ / „Höchster“. Mit ihr diskreditiert o‘ sowohl in den Erzählungen (4,7[10].19[22]3x; 5, praef.2) als auch in den Visionen (8,3(3x).4.10.25; 11,12.36.37) die Selbsterhebung der Machthaber: Von 15 Belegen sind vier in Dan 4 enthalten. Diese Bezüge liegen im MT so noch nicht vor, o‘ schafft sie maßgeblich selbst. Derselbe Wortstamm dient dann aber auch zur Bezeichnung des höchsten Gottes: 2,18.19; 3,93[26].99[32]; 4,11[14].21[24].30[34]c.34[37] 34[37]a; 5, praef; 7,18.22.25(2x).27, bzw. seines Habitus‘ 9,15 – ca. ein Drittel der Vorkommen findet sich in Dan 4. In 12,1 ist es dann Gott, der erhebt. o‘ schafft damit den Kontrast zwischen dem wirklich erhabenen Gott und den überheblichen Herrschern. Für Dan 4 bedeutet das: Entweder war Dan 4 schon vor dem Gesamtbuch ins Griechische übersetzt. Dann dehnte die Gesamtübersetzung die Leitworte aus Dan 4 auf das ganze ||

52 So Tov, Books, 384-386. 53 Vgl. Grelot, Septante, 18-22. 54 Albertz, Gott; Wills, Jew, 144-152; Albertz, Bekehrung, 46-62; Albertz, Setting, 179-183. Ihnen folgt McLay, Versions, 109.145-146.242; McLay, Translation, 306-307.318-319. 55 Vgl. Meadowcroft, Daniel, 171-172. Zu weiteren Anleihen aus Dan 2-6 in V.34[37]-V.34[37]c vgl. Ashley, Book, 240-243.

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Buch aus. Oder – wohl eher – Dan 4 wurde gemeinsam mit den anderen Kapiteln übersetzt, allerdings aus einer vom MT stark abweichenden Textvorlage. Indem wohl schon die Vorlage von o‘ die Briefform von MT-Dan 4 aufgibt (und lediglich Selbstberichte in die Erzählung integriert), gleicht sie Dan 4 an die übrigen Danielerzählungen an. Das geschieht auch durch die Verlautbarungen des Königs am Kapitelende (V.34[37]-V.34[37]c). Denn ähnliches findet sich in den Bekenntnissen von 2,47; 3,95[28] und den königlichen Erlassen von 3,31[98]-33[100]; 6,26-28. Gerade die Gestalt des Finales V.34[37]-V.34[37]c, das weit über den Textbestand des MT hinausgeht, erhärtet die Annahme einer vom MT divergierenden Vorlage. Die Schlusssequenz V.34[37]-V.34[37]c lässt noch semitische Sprachgewohnheiten durchscheinen56 und ist fest mit dem Erzählkorpus verbunden (nur V.34[37]c spielt in dieser Hinsicht eine Sonderrolle im Finale V34[37]V.34[37]c). Der Beginn des Abschnitts liegt in V.34[37] vor. Hier wechselt Nebukadnezzar aus dem Aorist von V.33[36] in die Gegenwart, zugleich eröffnet V.34[37] die wörtliche Rede des Königs (in V.28[31]-33[36] werden die Worte Nebukadnezzars lediglich in indirekter Rede referiert). V.34[37] beginnt mit der Feststellung Nebukadnezzars, dass er Gott lobpreise, und begründet das anschließend hymnisch: „Dem Höchsten danksage ich und lobe den, der den Himmel und die Erde und die Meere und die Flüsse und alles in ihnen erschaffen hat. Ich bekenne und lobe, denn er ist der Gott der Götter und Herr der Herren und Herr der Könige, denn er vollbringt Zeichen und Wunder und ändert Zeitpunkte und Zeitläufe, indem er Königen ein Königtum wegnimmt und andere für sie einsetzt“. Mit V.34[37]a folgt ein dreiteiliges Gelübde (Futur) Nebukadnezzars. Im ersten Teil gelobt der König, Gott und seinen Heiligen ehrfürchtig zu dienen. Worin dieser Dienst besteht, entfaltet der dritte Teil: Der König wird mit all seinen Untertanen Gott beständig Opfer darbringen, gottgefällig leben und jede Gotteslästerung mit der Todesstrafe belegen. Im mittleren Teil begründet er seinen ||

56 Vgl. Grelot, Septante, 21-22.

276 | Bertram Herr Entschluss mit der Erfahrung der Wunderkraft Gottes: Gott verleiht das Königtum, gebietet über Leben und Tod und wirkt unfassbare Wunder. Dementsprechend erlässt Nebukdadnezzar V.34[37]b eine Enzyklika, in der er allen Reichsbewohnern seinen Beschluss mitteilt: Alle sollen Gott nach dem Vorbild des Königs gottesdienstlich verehren. Nebukadnezzar begründet seine Entscheidung damit, dass Gott ihn wieder in seine Herrschaft eingesetzt habe. V.34[37]c zitiert erneut eine Reichsenzyklika Nebukadnezzars. Sie gibt den Absender an sowie die Adressaten, hebt mit einem formelhaften Gruß an und greift damit ein antikes Briefformular auf. Im Briefkorpus bekennt sich Nebukadnezzar zur Einzigkeit Gottes, seiner Wundermächtigkeit und seiner unaufhörlichen Herrschergewalt. Dieser letzte Brief (V.34[37]c) fällt gegenüber dem ersten, V.34[37]b, was die praktischen Konsequenzen für das Gesamtreich angeht, seltsamerweise ab: Er enthält keine Aufforderung an die Untertanen, wie der unmittelbar vorausgehende Brief (V.34[37]b) und bleibt selbst hinsichtlich der Motivation Nebukadnezzars merkwürdig blass. An den Brief V.34[37]b stößt er unvermittelt an; eine Erklärung, weshalb auf das erste noch ein zweites Schreiben folgt, bleibt aus. Vor die Entscheidung gestellt, welcher der beiden Briefe dem Finale sekundär zugewachsen ist, kommt man kaum um den Schluss herum, dass V.34[37]c dem Kapitel erst im Nachhinein angehängt wurde. Denn V.34[37]-V.34[37]b sind inhaltlich fest mit Dan 4 verwachsen.  Nur der erste Brief V.34[37]b „berichtet wirklich, was Nebukadnezzar widerfahren ist (37B.8-11), während der zweite, eben weil schon alles gesagt ist, nur noch pauschal darauf zurückverweist (37C.3f)“57.  Sowohl V.34[37] als auch V.34[37]a ziehen übereinstimmend die Lehre aus Dan 4: Gott entzieht Königen die Herrschaft und überträgt sie anderen.  In V.34[37]-V.34[37]b folgt Nebukadnezzar dem, wozu ihn der Engel in V.30c[34] auffordert: Gott zu dienen und ihn zu verherrlichen. Entsprechend lobpreist Nebukadnezzar Gott in V.34[37]; in V.34[37]a will er Gott im Gottesdienst und wohl auch durch seinen Lebenswandel die Ehre geben; und in V.34[37]b verpflichtet er alle seine Untertanen, es ihm gleich zu tun, wie er es bereits in V.34[37]a ankündigte.  V.34[37] lehnt sich deutlich an MT-V.34 an. In MT-V.34a und der ersten Hälfte von V.34[37] lobt Nebukadnezzar jeweils (performativ) den Himmelsgott, der zweite Versteil rechtfertigt die Haltung des Königs: MT begründet sie in V.34aβb mit Gottes Gerechtigkeit und (daraus resultierend) seiner Macht, Hochmütige zu erniedrigen. Auch o‘-V.34[37] nimmt Bezug auf Gottes Stellung und seinem Eingreifen in die menschlichen Geschicke: ||

57 Albertz, Gott, 27.

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o‘ begründet Nebukadnezzars Entschluss mit Gottes höchster Position und seiner Wunder- und Geschichtsmacht, die einschließt, Könige einfach auszuwechseln. Über V.34[37] ist die gesamte Schlusssequenz V.34[37]-V.34[37]b unauflöslich mit dem protokanonischen Dan 4 verbunden. Allem Anschein nach fand o‘ V.34[37]-V.34[37]b bereits in ihrer semitischen Vorlage vor. V.34[37]c stammt dann aber von einer späteren Hand. Sie vermisste den Briefeingang des MT 3,31[98]-33[100] und wollte ihn anscheinend nachreichen. Denn dass V.34[37]c eng mit 3,31[98]-33[100] verwandt ist, ist unbestritten. Beide beginnen mit der Angabe des Absenders Nebukadnezzar, der Nennung der Adressaten, nämlich der gesamten Erdbevölkerung, und einer Grußformel (MT-3,31). Die Adressatenangaben von o‘ lassen sich als eine Abkürzung der Reihe des MT auffassen, wobei der Dativ dem aramäischen lamed dativum entspricht58. Dann rekurriert Nebukadnezzar auf Gottes Wundertaten an ihm (MT-3,32). Schließlich preist er Gottes Herrschergewalt (MT-3,33). Dass die Ergänzung von V.34[37]c bereits im semitischen Original den masoretischen Kapitelanfang 3,31[98]-33[100] nachholen wollte, ist nicht sehr wahrscheinlich. Eher könnte der Nachtrag im Zuge der Übersetzung oder noch später erfolgt sein, als beide Erzählversionen vorlagen und miteinander abgeglichen wurden. Da aber V.34[37]c in der Diktion der o‘-Übersetzung gehalten ist59, spricht einiges dafür, dass die o‘-Übersetzung selbst diesen Nachtrag vornahm. Sollte V.34[37]c aber von der o‘-Übersetzung selbst herstammen, dann muss ihr die eigenwillige Gestalt von Dan 4 bereits vorgegeben gewesen sein.

3.4 Zwischenbilanz Die bisherigen Stichproben ergeben folgendes Bild: o‘ legt ihrer Übertragung einen Text zugrunde, der dem MT nahe kommt. Sie ordnet aber die Kapitel um. ||

58 Meadowcroft, Daniel, 34; vgl. bereits Charles, Commentary, 104. 59 Vgl. die Adressatenliste mit 6,26; „zunehmen“ mit 11,39; „bekanntmachen“ mit 4,18; 5,7.9.12.16; 9,22.23; 10,14.21; 11,2; „der große Gott“ mit 2,45; 4,20(23).30(33)a.30(33)c; 9,4; „Gelehrte“ mit 1,4.19.20; 2,10.14.18.21.24(2x).48; 4,18; „Wundertaten“ mit 3,43; 4,34a; „Königsmacht“ mit 4,34; 5, praef.23.30; 7,22 vgl. auch 7,27; „auf ewig“ mit Dan 2,4.20.28.44; 3,9.89.90 (2x); 12,3.7; Susanna 63; „Vollmacht“ mit 3,97(30); 4,17.27.31(3x).34(37)b; 5,4.7.16.29; 6,4; 7,14(3x).26.27(2x); Bel et Draco 25; „Generation“ mit 6,27(2x); 4,34(37)b (in anderem Sinne auch 9,1); „senden“ mit Dan 3,2.28; 4,10.20.22; 10,11; 11,42; Bel et Draco 36; Susanna 29; „Brief“ 3,98(31); 4,34(37)b; „die seienden“ mit 2,21 – ganz abgesehen von den Allerweltswörtern „Völker“ und „Königsherrschaft“.

278 | Bertram Herr Das wirkt sich auf die Texte aus. Für Dan 5 lässt sich daraus ein Gutteil der Kürzungen herleiten. Bei manchen Texten schöpft o‘ jedoch aus einer anderen Quelle als der protomasoretischen. Das wird besonders an Dan 4 deutlich. Aber auch die praefatio von Dan 5 oder die deuterokanonischen Passagen von Dan 3 dürfte die o‘-Übersetzung aus Paralleltraditionen gewonnen und in den protokanonischen Text eingetragen haben – auch wenn nicht ganz ausgeschlossen ist, dass sie erst später eingefügt wurden. Am ehesten wird man bei Susanna60 und Bel et Draco an eine spätere Hinzufügung denken61. Aber bereits das älteste o‘-Manuskript (967) um 200 n.Chr. behandelt alle drei Danielschriften als ein Buch, indem sie das Danielkorpus durch Seitenumbruch von den benachbarten Büchern abgrenzt, aber keinen Seitenumbruch zwischen den Danielschriften vornimmt, und die Danielsammlung endlich mit einer eigenen subscriptio („Daniel“) abschließt (967: 37v)62. Bei der Beschäftigung mit o‘-Dan muss man also mit eigenwilligen Vorlagen, Übersetzungsvorarbeiten, einer kreativen Übersetzungsleistung und noch nachfolgenden Bearbeitungen rechnen63. Jedenfalls wird ein geradezu archivarisches Interesse von o‘ sichtbar. Gewissenhaft bewahrt sie parallele Traditionen64, das gilt auch für Bel et Draco und Susanna. Damit sind wir aber bei unserem zentralen Thema angelangt: Was ist das Anliegen der o‘-Übersetzung und was treibt sie an?

||

60 Vgl. Kay, Susanna, 643. 61 Ein Leitwort in Bel et Draco, se,bomai (Bel et Draco 2.3.4.22.26), findet sich in den protokanonischen Kapiteln nicht. Nur die deuterokanonischen 3,33.90 verwenden es noch. Dagegen gebrauchen 3,12.14.18.28; 4,30c[34]; 6,16[17].20[21].26[27] ; 7,14 latreu,w; 3,17.41; 11,12 fobe,w (vgl. 3,12; 4,16; 10,12.19; Susanna 2.57) und 4,30c[34]; 6,27[28] douleu,w (vgl. 4,18[21]) für die Gottesverehrung. In Bel et Draco sucht man diese Verben vergebens. Lediglich die Proskynese kommt im protokanonischen Dan 3 (12x); Dan 6 (2X) und in Bel et Draco (3x) vor. Dieser Befund könnte dafür sprechen, dass Bel et Draco und das protokanonische Danielbuch nicht von ein und derselben Person übersetzt wurden. Auch der Themawortfamilie „hoch“ kommt, wie schon festgestellt, in Bel et Draco; Susanna keine Bedeutung zu. Das weist ebenfalls auf eine Übersetzung der deuterokanonischen Anhänge hin, die unabhängig vom protokanonischen Buch vonstatten ging. Vgl. auch Wysny, Erzählungen, 153; Beobachtungen in gegenläufiger Richtung bei Julius, Danielzusätze, 17. 62 Vgl. Steussy, Gardens, 164. 63 Verlockend wäre die Hypothese, dass o‘ sowohl Dan 4, die praefatio und Dan 3,24-91[24] aus ein und derselben Quelle geschöpft habe; aber beweisen lässt sich das nicht. 64 Vgl. auch den Nachtrag von 4,34[37]c, um den vermissten Briefeingang nachzuholen.

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4 Buchübergreifende Tendenzen und das Profil der o‘-Übersetzung Will man eine Schwachstelle bei der an sich vorbildlichen Untersuchung von Dan 4-6 in o‘ und im MT durch R. Albertz ausmachen, dann wohl die: R. Albertz arbeitet zwar das semantische Beziehungsgeflecht innerhalb von Dan 4-6 sorgfältig auf. Er verfolgt aber die Stichwortbezüge nicht konsequent genug über Dan 4-6 hinaus; das würde sein Ergebnis verändern65. Und er fragt auch nicht nach weiteren Querverweisen von Dan 4; 5 oder 6 in andere Buchteile66. Dann ergäbe sich ein weitaus geschlosseneres Bild des o‘-Danielbuches. Die Isolierung von Dan 4-6 würde damit hinfällig. Um das Profil der Übersetzung herauszuarbeiten, ist dies aber nötig: Den roten Fäden nachzugehen, die sich durch die Übersetzung ziehen. Bereits eingangs wurde das als ein Desiderat benannt. Einiges davon schälte sich eben schon bei der Diskussion der o‘-Eigentümlichkeiten heraus. Anderes möchte ich abschließend noch zusammentragen.

4.1 Der literarische Anspruch: o‘ sorgt für Stringenz Bereits der veränderte Buchaufbau macht ein Hauptanliegen von o‘ deutlich: Es geht o‘ um Stimmigkeit im Ablauf des Buchganzen67. Schon die einheitliche Übersetzungssprache trägt dazu bei. Ein Hauptanliegen der Studie von T.J. Meadowcroft ist es, herauszustellen, dass o‘ Informationen offenlegt, die MT möglichst lange zurückhält68. o‘ trägt damit zur Verstehbarkeit der Erzählungen bei69, MT hält dagegen die Spannung höher. In den Einzelkapiteln vermeidet o‘ weitgehend Redundanzen. In Dan 5 lässt sie jede Wiederholung, die verzichtbar ist, weg und gelangt so zum bündigeren Text. Die Aufzählungen von Beamten (3,2), Musikinstrumenten (3,5) oder der drei Freunde in Dan 3 kürzt o‘ bei erneuter Nennung konsequent ab (vgl. zu den Beamten V.3, zu den Instrumenten V.7.10.15 und zu den Dreien V.19.23 [vgl. ||

65 Gegen Albertz, Bekehrung, 48; Albertz, Gott, 27-28.67-71.92-94.126-128.150.156.159-163. 66 Vgl. Meadowcroft, Daniel, 52-53. 67 Vgl. Settembrini, Sapienza, 32. 68 Meadowcroft, Daniel. 69 In 1,2 bezieht o‘ die Deportation allein auf die Tempelgeräte und vereindeutigt so MT. In 1,11-16 identifiziert o‘ den untergeordneten Aufseher des MT mit dem Obereunuchen von V.310. In beiden Fällen trägt o‘ zur Kohärenz der Erzählung bei (vgl. Settembrini, Sapienza, 36[Anm. 66].38[Anm. 70]).

280 | Bertram Herr auch V.25.46.49.51]). Ähnlich geht sie an vielen Stellen des Buches vor. A. Bludau70 und T.J. Meadowcroft71 haben diese Textstellen minutiös zusammengetragen. Bei anderer Gelegenheit macht o‘ wundersame Vorgänge verständlicher: Etwa die Bewahrung der drei Jünglinge im Feuerofen durch einen Engel, der das Feuer aus dem Ofen wirft in 3,49f. Oder Dan 4 erklärt die Strafe Nebukadnezzars als Verbannung und Gefängnisaufenthalt (V.22f[25f].29[32].30[33]a) oder aber als geistige Umnachtung (30[33]b). In Bel et Draco 14-21 bedient sich Daniel detektivischer Ermittlungsmethoden72 und in Susanna 51-55 eines Kreuzverhörverfahrens, statt sich allein auf göttlichen Beistand zu verlassen. Durchgehend vereindeutigt o‘ verklausulierte Zeit- und Ortsangaben des MT. Wo MT in 4,13,29; 8,17; 11,40; 12,1 von unbestimmten Zeiträumen spricht, wählt o‘ präzise Zeitbegriffe: in 4,13[16].29[32] „Jahr“, in 8,17; 11,40; 12,1 „Stunde“, und in 8,14 präzisiert o‘ die „Abend-Morgen“ als „Tage“. An der schwierigen Stelle 9,26f berechnet o‘ den Religionskonflikt unter Antiochus IV. augenscheinlich nach seleukidischer Zeitrechnung73 (die weit über den seleukidischen Raum gebräuchlich war74). Schillernde geographische Bezeichnungen vereindeutigt sie ebenfalls75: Die kitîm von 11,30 entschlüsselt o‘ korrekt als „Römer“, jāwān in 8,21; 10,20; 11,2 als „Hellenen“. „Das Land Schinar“ (1,2) wird in o‘ zu „Babylon“76. – In allen Fällen hätte sich o‘ auch mit Transkriptionen behelfen können (vgl. Gen 10,4.10; 11,2; 14,1.9; Num 24,24; 1Chr 1,7; Jes 23,1.12). Die Chiffre „Süden“ entschlüsselt o‘ richtig mit „Ägypten“ (11,5.6.9.11.14.15.25.29.40). Nur den „Norden“ des MT behält sie bei (11,6.7.8.11.13.15.40). Die mythologischpejorative Wertung des Ausdrucks ist o‘ wohl geläufig. Insgesamt vereindeutigt o‘ also die apokalyptisch-verschleiernde Sprache des MT. Daniels Weissagungen bezieht sie dadurch auf Ereignisse der Vergangenheit77, sie blickt auf die Religionskrise unter Antiochus IV. zurück. Das macht o‘ verständlicher. Damit nimmt sie den Danieloffenbarungen aber auch viel von ihrer eschatologischen Brisanz78. Die Übersetzung scheint aus einem ||

70 Bludau, Übersetzung, 53-58.144.149-150.153. 71 Meadowcroft, Daniel, 133.135.136-144. 72 Vgl. VanderKam, Additions, 1548. 73 Hitzig, Buch, 162-163; Fraidl, Exegese, 7-9; McCrystall, Studies, 39-40.45-46; Rigger, Siebener, 44-45; vgl. Meadowcroft, Daniel, 259-260. Vgl. auch das o‘-Sondergut in 12,9. 74 Golzio, Zeitrechnung, 585-587. 75 Meadowcroft, Daniel, 256-258. 76 Auch den Fluss von 10,11 bestimmt o‘ korrekt als den „Tigris“. 77 Zu 11,14 vgl. van der Koij, Case, 72-80 und zu 8,9.11; 11,14 Beyerle, Faith, 250-263. 78 Vgl. auch Meadowcroft, Daniel, 186-187.190.

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Umfeld zu stammen, in dem eine eschatologische Naherwartung keine große Rolle mehr spielte. Dafür spricht auch der o‘-Überschuss in 12,13. Im letzten Vers des Kapitels fügt o‘ ein: „Denn noch sind es Tage und Stunden zu (der) Erfüllung (des) Endes“. o‘ betont die Distanz zwischen den Lebzeiten Daniels und der Endzeit79. Für eine abgeflaute Naherwartung spricht auch der neue Aufbau des Danielbuchs in o‘. Das Buch läuft nicht mehr auf die apokalyptischen Kapitel als sich immer weiter steigernde Höhepunkte zu wie im MT; Daniels Offenbarungen sind in o‘ Episoden einer paradigmatischen Geschichte80. Daniels Lebenserzählung endet mit Bel et Draco und Susanna (967; 88-Syh: Susanna; Bel et Draco). Die apokalyptischen Offenbarungsberichte sind in die Erzählungen ein- und ihnen untergeordnet. Die paradigmatischen Erzählungen stehen im Vordergrund.

4.2 Der kulturelle Hintergrund: alexandrinisch-intellektuelles Milieu Dass o‘ die Chiffre „Süden“ so unumwunden mit „Ägypten“ auflöst, könnte noch einen ganz besonderen Grund haben: Die Bezeichnung „Süden“ für Ägypten würde tatsächlich seltsam anmuten, wenn die Übersetzung in Ägypten angefertigt wurde81. Für eine Übersetzung im judäischen Mutterland gibt es keine Anzeichen. Im Gegenteil: Überschwängliche Umschreibungen Judäas im MT nimmt o‘ zurück (11,16 „das Land“, 11,41 „mein Land“; vgl. 8,9). Das spricht eher für Distanz. R. Glenn Wooden hat gezeigt, dass die Übersetzung von Dan 1 die alexandrinischen Bildungsinstitutionen des Museions und der königlichen Bibliothek in Alexandria mit ihrem Lehrpersonal vor Augen hat 82. Auch das Motiv des göttlich verehrten Lindwurms in Bel et Draco83 und der Brauch, Tempelböden zu bestreuen und Türen zu versiegeln, könnte für einen ägyptischen Ursprung sprechen84. Für die o‘-Übersetzung von Daniel gibt es also gute Grün-

||

79 Vgl. Raurell, Doxa, 520-532 bes. 528; vgl. auch zu o‘-9,27: McCrystall, Studies, 258.260. 80 Vgl. hierzu Steussy, Gardens, 167.171.174.181.192 81 Vgl. Bogaert, Relecture, 216-217. 82 Wooden, Recontextualitzation, 47-68. 83 So auch Moore, Daniel, 25.26. Zur Bedeutung des Drachen vgl. Haag, Bel, 36. Der Doppelnatur einer Riesenschlange und eines mythischen Fabelwesens versuche ich mich durch den Terminus „Lindwurm“ anzunähern. 84 Vgl. Fritzsche, Handbuch, 120.121; Roth, Life, 43; Wysny, Erzählungen, 154-156.200-203. Dezidiert anders jedoch Kottsieper, Zusätze, 251-252; Albertz, Exilszeit, 30-31.

282 | Bertram Herr de, sie in Ägypten zu verorten und dort innerhalb der Bildungsschicht85. Aus der Schicht der Gebildeten muss die Übersetzung nicht nur hervorgegangen sein, weil kostspieliges Schreibmaterial, Mehrsprachigkeit und die Ausbildung in Lesen und Schreiben natürlich Sache der begüterten Oberschicht sind. Auch nicht alleine wegen des gehobenen Griechisch, in das Daniel übertragen wurde86, muss man die Übersetzung als ein Produkt der Bildungsschicht ansehen. Und auch nicht nur wegen des fast schon archivarisch zu nennenden Interesses, mit der o‘ Paralleltraditionen in ihre Übersetzung hinüberrettet: die deuterokanonischen Partien in Dan 3; Bel et Draco; Susanna; die praefatio von Dan 5 und vielleicht auch die o‘-Sonderform von Dan 4. o‘-Daniel zeigt insbesondere deutliche Sympathie für die heidnischen Gelehrten und die staatliche Führungsebene: Das Konkurrenzmotiv im MT, das die Überlegenheit jüdischer Gläubiger über heidnische Experten und deren Unfähigkeit demonstriert, spart o‘ in Dan 4 vollständig und in Dan 5 weitgehend (bis auf V.787; vgl. V.11) aus88. In Dan 2 behält sie das Überlegenheitsmotiv bei; aber dort geht Daniels Bemühen dahin, seinen überforderten Kollegen solidarisch aus der Bredouille zu helfen (V.24). Und in Dan 1 geht es nicht darum, Daniels heidnische Mitschüler zu düpieren; Daniels Überlegenheit und die seiner Freunde setzt vielmehr das hohe Ansehen der Gelehrten voraus. Die hellenistische Kultur findet in o‘ mehr Wohlwollen als im MT. Seine Sprachfähigkeit macht das dritte und vielleicht auch das zweite Tier in Dan 7 (V.5f) menschlicher als im MT und stellt sie so dem ersten, mit seinen menschlichen Zügen, an die Seite89. Das vierte Tier von Dan 7 (das die Epoche, der die Übersetzung angehört, repräsentiert!) ist in o‘ (V.7; anders als im MT) nicht wesensmäßig schlechter als die anderen; es gebärdet sich nur anders (ähnlich auch der letzte König des Kapitels in V.24). Den heidnischen Königen und seinen Spitzenbeamten begegnet Daniel in o’ gleichfalls freundlicher als im MT 90. o‘ reduziert in 6,4[5] die Verschwörer auf die zwei Kollegen Daniels. In V.24[25] ||

85 Vgl. Albertz, Setting, 182, und auch Albertz, Gott, 42.91.129.166-168. 86 Vgl. Neef, Daniel, 3016. 87 Das erste Auftreten der Omenexperten in V.7 und ihr Versagen („und sie kamen herein, wegen der Erscheinung, um die Schrift zu sehen, doch die Deutung der Schrift konnten sie dem König nicht deuten“) hat im MT keine Entsprechung und dürfte eine falsch eingetragene Randglosse zu V.8 sein. 88 Nach Meadowcroft, (Daniel, 43) setzt das Daniel von den heidnischen Manitkern ab. Diese Deutung wird jedoch durch 4,15[18].16[19]) konterkarriert. 89 Vgl. Meadowcroft, Daniel, 222f; zu Konjekturversuchen hinsichtlich V.19 vgl. Pace Jeansonne, Translation, 94; Ziegler / Munnich, Susanna, 342; doch bezeugen 967 und 88-Syh die o‘Variante einhellig. 90 Vgl. hierzu und zum Folgenden Meadowcroft, Daniel, 70-71.110-112.

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lässt o‘ lediglich diese und ihre Familien bestrafen. Auch der König wird noch stärker als im MT zu einem Opfer: Die Intriganten erlassen selbst das Verbot (V.5f[6f]); Dareios braucht es nur noch in Kraft zu setzen (V.8f[9f]). Und dann nageln sie den König darauf fest, es in jedem Fall auch umzusetzen (V.12[13]). Erst danach rücken sie mit ihrer Anklage heraus (13[14]). – Darius hat keine Chance. Der König erweist sich ebenso in Bel et Draco als ein gutwilliger Dialogpartner Daniels. Sowohl hier als auch im protokanonischen Teil legt o‘ den Akzent auf die Bekehrung des Königs und indirekt damit auch auf die der gesamten Menschheit. Deutlich entwickeln Bel et Draco 28.4191 und das o‘Sondergut in 2,47; 4,30c[34]-34[37]c; 6,27[28] das Thema der Heidenbekehrung 92 und werden darin nur noch von dem universalen Gotteslob des Benedicite 3,5790 übertroffen. Die Ergänzungen in 3,2 betonen diesen universalen Horizont ausdrücklich. Nach 9,6 haben die Propheten sogar zu „jedem Volk auf der Erde“ gesprochen (laut MT: „zum ganzen Volk des Landes“) 93. Dareios‘ Glaubensbekenntnis (6,26f[27f]) erhebt ihn in die Gesellschaft herausragender Glaubenszeugen94. Denn der König erhält in 6,1 die Ehrenbezeichnung „voll an Tagen“, die sonst nur Abraham (Gen 25,8), Isaak (35,29), David (1Chr 23,1; 29,28), Jehojada (2Chr 24,15) und Ijob (42,17) zuerkannt wird. Zum anderen wird Daraios V.28[29] „mit seinen Vätern versammelt“. Das ist eine Auszeichnung, die sonst besonderen Glaubenszeugen zuteil wird (Gen 25,8; 35,29; 49,29.33; Num 27,13; Dtn 32,50; Jdt 16,22; 1Makk 2,69; 14,30; vgl. auch Gen 25,17; Theodotion-Bel et Draco 1). Insgesamt begegnet o‘ den heidnischen Staatsrepräsentanten und Gelehrten mit noch größerer Sympathie als der MT. Vermutlich standen die Übersetzungskreise der ägyptischen Führungsschicht nahe oder trugen sogar selbst Verantwortung. Ich vermeide es, von einem o‘-„Übersetzer“ zu sprechen. Nicht so sehr, weil es nicht mehr so sehr en vogue ist, sich mit Autoren-Persönlichkeiten zu beschäftigen. Schon eher, weil man beim o‘-Danielbuch von mehreren beteiligten Händen ausgehen muss: von den Traditionen der Textvorlagen über die (stufenweise) Übersetzung bis hin zu diversen Nachbearbeitungen. Aber ich habe auch erhebliche Zweifel, ob die maßgebliche Übersetzungsleistung von einer männlichen Person erbracht wurde. Einmal ist da die o‘-Version der Susannaerzählung. Dass sie überkommene Autoritätsstrukturen einer Kritik unterzieht, ist ||

91 Vgl. Schüpphaus, Verhältnis, 62. 92 Vgl. Rießler, Textgeschichte, 595-596; Albertz, Bekehrung, 50-58; Albertz, Gott, 27.3132.35.38-41.90-91.118-119.124-125.127-129.149-150.167-169. Diese Autoren sehen die Redaktionsgeschichte allerdings in umgekehrter Richtung von o‘ auf MT hin. 93 Vgl. Bogaert, Relecture, 212. 94 Vgl. Meadowcroft, Daniel, 110.

284 | Bertram Herr allgemein anerkannt. Christina Leisering hat die diesbezügliche Forschung zusammengefasst und das aufklärerische Potential der o‘-Susanna-Fassung hinsichtlich überkommener Geschlechterrollen aufgearbeitet: „Gegen eine konservative Geschlechterideologie, die die Handlungsmöglichkeiten von Frauen in der Gesellschaft stark einzuschränken versucht, stellt sie [die o‘-SusannaErzählung, B.H.] liberale Rollenbilder, die Frauen moralische und intellektuelle Autorität zusprechen und die Machtfülle der traditionellen (männlichen) Autoritäten in Frage stellen“95. Man könnte diese Autoritäts- und Geschlechterkritik auf eine Sondertradition der Susanna-Erzählung abschieben, die nicht sonderlich viel mit dem übrigen Danielbuch gemein hat, wäre da nicht noch eine andere Stelle, an der auch Frauen eine wichtige Rolle zukommt: In Dan 5 des MT treten Frauen in zweifacher Weise in Erscheinung. Einmal beteiligen sich in 5,2f ebenfalls die Frauen und Mätressen des Königs an seinem Gelage und dem Missbrauch des Tempelgeschirrs. Gehe ich zu weit, wenn ich hierin eine moralische Kritik am König heraushöre? Die Teilnehmerinnen werden in einem Atemzug mit dem Abusus von Alkohol (V.2) und von Tempelgeräten (V.3) genannt. Spielt hier nicht androzentrische Phantasie eine Rolle, die die weibliche Gesellschaft unversehens auch sexuell konnotiert und das Staatsbankett zu einer verruchten und frivolen Veranstaltung abgleiten lässt? o‘ streicht einfach die weibliche Gesellschaft96. Die zweite Stelle, an der eine Frau in Dan 5 wichtig wird, ist im MT V.10-12. Es handelt sich wohl um die Königinmutter, denn sie betritt erst im Nachhinein den Festsaal. Und sie erinnert sich an die Vorgänge unter dem vorangegangen König Nebukadnezzar. In o‘ (V.9-12) dagegen ist die Königin anscheinend die Gemahlin des amtierenden Königs Baltasar. Ihren Wissensvorsprung bezieht sie nicht aus Erinnerungen an frühere Zeiten, wie im MT. Sie ist einfach die bessere Beraterin (abgesehen von Daniel die beste in der gesamten Staatsspitze) und eigentlich wäre sie auch der bessere König! Vielleicht hat o‘ eine konkrete Pharaonin vor Augen. Jedenfalls verschiebt sie das Frauenbild – etwas plakativ gesprochen – von einem passiven Sexualobjekt (V.2f) zu einer klug und umsichtig handelnden Persönlichkeit (V.10-12). Diese Akzentsetzungen in Susanna und Dan 5 deuten eher auf die Übersetzungsarbeit einer Frau. Das halte ich für das Ägypten der hellenistisch-römischen Zeit, in der Königinnen wichtige Positionen einnahmen, gar nicht für ausgeschlossen. ||

95 Leisering, Susanna, 280. 96 Ähnlich entlastet o‘ die Frauen und Kinder der betrügerischen Priesterschaft in Bel et Draco 21f: Während nach Theodotion der König Kinder und Frauen mit den Priestern gemeinsam der kollektiven Todesstrafe überantwortet, schweigt o‘ „von einer Bestrafung der Frauen und Kinder, lediglich die (verantwortlichen!) Priester werden Daniel übergeben“ (von Loewenclau, Buch, 293).

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Dass sich Frauen also, besonders die der Oberschicht, mit religiösen Texten beschäftigen und sie auch übersetzen, ist fast schon naheliegend. Beweisen lässt sich mit diesen Überlegungen zwar noch nichts; aber wenn in der Septuaginta eine Frau Übersetzungsarbeit geleistet hat, dann bei Daniel.

4.3 Das Hauptthema: das Bekenntnis zum Gott Israels Der alles bestimmende Maßstab für alle Handelnden im o‘-Danielbuch ist das Bekenntnis zu dem einen Gott97. „Gott ist Gott, der Herr, und außer ihm gibt es keinen anderen“ (Bel et Draco 41)98. „Einer ist der Gott“, verkündet Nebukadnezzar seinen Untertanen in 4,34[37]c. Wie ein roter Faden durchzieht das Thema das Danielbuch. Den Konditionalsatz von 3,17 im MT verwandelt o‘ in einen Kausalsatz, die Bedingung in ein Bekenntnis: „Denn der Gott im Himmel ist unser einziger Herr“. Und die Feinde der Gottgläubigen sollen einsehen, so die Bitte von 3,45, dass Gott „allein der Herr“ ist. Der Eingottglaube ist das bestimmende Thema des o‘-Danielbuchs. Polytheistische Assoziationen vermeidet o‘ konsequent: Den aramäischen Plural „Götter“ übersetzt o‘ in 2,11; 3,92[25] singularisch mit „Engel“99; den „Geist der heiligen Götter“ (MT-5,11; zum selben Ausdruck in 4,6 hat o‘ keine Entsprechung) umschreibt sie in 5,12 mit „ein heiliger Geist“. Wenn o‘ in 3,12 ebenfalls die „Götter“ des aramäischen Textes vermeidet („… sie dienten deinem Götzenbild nicht und fielen vor deinem goldenen Standbild nicht nieder …“), kann das auf derselben Zurückhaltung gegenüber den heidnischen Gottheiten beruhen und braucht nicht bedeuten, dass das Standbild den König selbst repräsentiert, wie M. Delcor vorschlägt100. In 7,13 bieten sämtliche o‘-Handschriften einen Text, der in der Forschung oft an eine (durch monotheistisches Denken motivierte) Identifizierung des „Alten an Tagen“ mit dem, der „wie ein Menschensohn“ erscheint, denken ||

97 Vgl. Meadowcroft, Daniel, 187-188; Moore, Daniel (1977), 28.44.51; Moore, Daniel (1992), 20.26 98 Vgl. Schüpphaus, Verhältnis, 61-62; Davies, Bel, 657; Wysny, Erzählungen, 203.320-322. Im Unterschied zu o‘ geht es Theodotion in Bel et Draco um die Probe auf die Lebendigkeit der vom König verehrten Götter, bzw. von Daniels Gott. Da das Thema der Lebendigkeit ein fester Topos der alttestamentlichen Götzenbildpolemik ist, könnte Theodotion in dieser Hinsicht einen ursprünglichen Zug von Bel et Draco bewahrt haben; die Neuausrichtung der Erzählung auf die Einzigartigkeit Gottes könnte auf einer Umaktzentuierung der Erzählung durch o‘ resultieren. 99 Vgl. dazu Meadowcroft, Daniel, 187. 100 Delcor, Cas, 32-35.

286 | Bertram Herr ließ101. Doch ist die Lesung an dieser Stelle textkritisch umstritten102 und interpretatorisch schwierig (vgl. das passivum divinum in V.14)103. Die o‘-Übersetzung von Daniel entstammt allem Anschein nach einem intellektuellen Milieu, in dem eine große Plausibilität für monotheistisches Denken herrschte. Das gesamte Buch demonstriert den Eingottglauben eindrucksvoll; aber es hält es nicht für nötig, ihn argumentativ zu verteidigen. Auch Susanna zeichnet sich durch ihr ausschließliches Gottvertrauen aus: V.35.35a. Ebenso ist der Eingottglaube in Dan 5 der entscheidende Maßstab: In der Erzählung von Schuld und Strafe Dan 5 bleibt eine ausdrückliche Bekehrung des Königs naturgemäß aus. Mehr als der MT (5,23b) insistiert o‘ jedoch darauf, dass Baltasar Gott hätte huldigen sollen (praef.; 5,4.23). Das ist nicht der einzige Fall, in dem o‘ negative Beispiele positiven Vorbildern kontrastierend gegenüberstellt. Auf den gezielten Gebrauch von „hoch“, „erhöhen“ und „Höchster“ in o‘-Danielbuch wurde bereits hingewiesen. Er dient dem Gegensatz zwischen Selbstvergottung und der Anerkennung des wahren Gottes. Und er macht die Könige Nebukadnezzar (Dan 4) und Baltasar (Dan 5) durchsichtig auf den widergöttlichen Seleukiden von Dan 7;8;11, nämlich Antiochus IV. Dieses Bezugssystem stellt erst o‘ her. Eine ähnliche Transparenz auf Antiochus IV. erreicht o‘ mit dem Wortstamm „verwüsten“/ „wüst“ / „Verwüstung“: 4,19[22] erklärt, dass Nebukadnezzer den Jerusalemer Tempel verwüstet habe. Der MT kennt keine Entsprechung zu dieser Feststellung. In 8,11.13(2x); 9,17.18.27; 11,24 ist es hingegen Antiochus IV., der das Heiligtum verwüstet hat, und in 9,27; 11,31; 12,11 entweiht er es mit einem Verwüstungs-Greuel. Der MT verbietet in 6,6.8.13, ein Gesuch an einen Gott oder einen Menschen zu stellen außer an den König selbst. o‘ übergeht die menschliche Komponente (6,5[6].7[8].12[13]) und ordnet so den König den Göttern zu. o‘ hat damit sicherlich das Selbstverständnis der hellenistischen Könige und des Epiphanes im Visier. Wenn die Religionskrise unter Antiochus IV. im o‘-Danielbuch allerdings auf Schritt und Tritt durchscheint, dann ist das o‘-Danielbuch, wie schon konstatiert, mehr ein Buch des geschichtlichen Rückblicks als der apokalyptischen Vorausschau. Denn für o‘ ist der Konflikt mit Antiochus IV. Geschichte. ||

101 Vgl. Lust, Daniel, 62-69; Koch, Menschensohn, 369-385; Kreuzer, Exkurs, 3007; Kreuzer, Papyrus, 77-78; Neef, Daniel, 3028. 102 Vgl. Ziegler, Susanna, 170; Segal, Powers, 202; Pace Jeansonne, Translation, 97-98; Yarbo Collins, Son, 540-541.553-557; Ziegler / Munnich, Susanna, 42-43.338; Reichardt, Endgericht, 220-226. 103 Vgl. neben der bedenkenswerten Analyse von Hofius (Septuaginta-Text, 80-90) etwa auch: Bruce, Version, 22-40; Kim, Son, 22-25; Meadowcroft, Daniel, 223-230; Stuckenbruck, Son, 275-276; Reynolds, Son, 70-80; Reichardt, Endgericht, 226-232.

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Im vorderen Buchteil verstärkt o‘ die Bilderkritik, die die aramäischen Danielerzählungen ohnehin schon durchzieht (Dan 3: Kolossalbild; Dan 5: Götzenbildverehrung). o‘ lässt das Thema zusätzlich in 1,2 anklingen („Götzentempel“) und nimmt es in 6,27[28] gezielt wieder auf. Bel et Draco entfaltet es aufs breiteste (vgl. Bel et Draco 2): Ob handgefertigtes Standbild (Bel) oder kreatürliches Untier (Draco), beide Male entlarvt Daniel den Götzenkult. Während die Götzen nur verzehren, ernährt Gott den Daniel (Bel et Draco 33-39)104.

5 Auswertung Das Frappierende bei diesen o‘-Umakzentuierungen ist: Sie hängen alle miteinander zusammen. Die Vereindeutigung, die geschichtliche Transparentmachung, der Antiheld Antiochus IV., der Eingottglaube, die Enteschatologisierung, das Bekehrungsmotiv oder die Sympathie für die hellenistische Bildungswelt, selbst die Korrekturen bei den Geschlechterrollen in Dan 5 und Susanna. Denn das Thema der Geschlechtergerechtigkeit wird ebenfalls getragen durch eine alle Buchthemen untermalende Melodie, nämlich: Gott allein verschafft Recht 1) Daniel und seinen Freunden gegenüber einem anmaßenden König (Dan 16; Bel et Draco) 2) dem Gottesvolk in der Religionsverfolgung (Dan 2; 7-12) 3) und der ungerecht angeklagten Susanna. Der Glaube an den einen Gott ist das zentrale Thema des o‘-Danielbuchs, aus dem sich die anderen Anliegen herleiten. Wenn wir bedenken, dass es sich bei der o‘-Übersetzung um einen mehrstufigen Prozess handelt: von den Textvorlagen über Teil- und Gesamtübersetzungen bis hin zu den nachfolgenden Bearbeitungen – dann ist das o‘-Danielbuch ein überraschend homogenes Produkt. Alle Facetten fügen sich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammen. Dabei entfernt sich das o‘-Danielbuch merklich von seinem kanonischen Vorbild, dem MT, und seinem erfolgreicheren Konkurrenten Theodotion. Ist es daher gerechtfertigt, bei o‘ von einem „apokryphen“ Danielbuch zu sprechen? Damit würde man m.E. dem o‘-Danielbuch nicht gerecht. In erster Linie handelt ||

104 Mittmann-Richert, Daniel’s Prophecy, 115. Die intertextuellen Bezüge, in denen MittmannRichert (Erzählungen, 114-238; Daniel’s Prophecy, 103-123) die deuterokanonischen Danielzusätze sieht – ihr folgt Haag (Sühnopfer, 194-220; Zeitalter, 210-221) –, sind allerdings nicht so eindeutig, als dass sie weitgehende Schlüsse erlaubten.

288 | Bertram Herr es sich bei o‘-Daniel um eine Ausgabe und Übersetzung des kanonischen Danielbuchs – zugegebenermaßen um eine stellenweise äußerst freie und produktive Übersetzung. Denn zwischen „kanonisch“ und „apokryph“ existiert ein breiter Übergang: Manche kirchliche Schriften sind (räumlich oder zeitlich) für einen weiteren oder eingeschränkteren Kreis approbiert oder sie wurden stärker oder weniger stark kirchlich rezipiert. Nicht jede Kinderbibel ist deshalb schon apokryph, weil sie markant vom kanonischen Wortlaut abweicht. Insofern dürfen auch wir das o‘-Daniel-Buch wertschätzen, wie es die Kirche der ersten Jahrhunderte ebenfalls schätzte. Immer wieder werden sogar Stimmen laut, die bedauern, dass die Theodotion-Version das o‘-Danielbuch so gänzlich aus dem Kanon verdrängte105. Auch wer so empfindet, kann das Rad der (Kanon-)Geschichte nicht zurückdrehen. Immerhin: Es hätte nicht viel gefehlt, da wäre das o‘-Danielbuch sogar ganz verloren gegangen. Und doch hat o‘ einen entscheidenden Beitrag zu unserem Kanon beigesteuert: Ohne o‘ hätten es die deuterokanonischen Ergänzungen zu Daniel (unter der Autorität Theodotions) wohl nie und nimmer zu kanonischer Geltung gebracht – die deuterokanonischen Zusätze von Dan 3 unterscheiden sich in o‘ und Theodotion nur in Varianten106. Und auch im Neuen Testament wirkt o‘-Daniel nach (vgl. etwa o‘-7,13 und Offb 1,14)107. So stehen wir vor dem Paradox, dass das o‘-Danielbuch Teile zu unserer Bibel beigetragen hat, ohne selbst im Kanon rezipiert worden zu sein. Oftmals macht man für dieses Ergebnis die größere Originaltreue Theodotions im Gegensatz zu o‘ geltend (so schon Hieronimus in seinem Vorwort zu Daniel: Migne 18, 1291)108. Dennoch könnte es einen noch tieferen Sinn haben, dass nicht o‘, sondern Theodotion in den christlichen Kanon gelangte. Denn o‘Daniel ist ein wesenhaft rückschauendes Buch. Den Christen der alten Kirche könnte aber die Theodotion-Ausgabe, die mit dem hebräisch-aramäischen Original eher in die Zukunft (christlich gesprochen also auf Christus und die Parusie) blickt, mehr gesagt haben als die historisierende o‘-Ausgabe. o‘ hatte ihr Danielbuch vielleicht zu sehr auf die ägyptisch-hellenistische Bildungsschicht hin entworfen. So gesehen können uns die antiken Danielausgaben ein Hinweis darauf sein, dass das Christentum eine wesenhaft zukunftsgerichtete Religion ist. ||

105 Vgl. Albertz, Gott, 18; Albertz, Bekehrung, 61, und noch entschiedener: Leisering, Susanna, 283. 106 Vgl. Bennett, Prayer, 627. 107 Vgl. Kreuzer, Papyrus, 78. 108 Vgl. Bludau, Übersetzung, 24-25 (der auch auf 9,24-27 eingeht, wo o‘ ganz eigene Wege geht).

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Simone Paganini1

Ein Judentum ohne Mose? Beobachtungen zum Buch Henoch und zu den Schriften vom Toten Meer Im Zusammenhang mit der Erforschung der Dead Sea Scrolls hat in den vergangenen Jahren besonders das nicht-kanonische Henochbuch2 eine besondere Stellung eingenommen. Obwohl die aramäischen Fragmente bereits 1976 von Jozef Milik veröffentlicht worden waren3, erhielt die Henoch-Forschung ihren großen Aufwind erst gut 20 Jahre später dank des monumentalen Kommentars von George Nickelsburg4 und der Werke von Gabriele Boccaccini5 bzw. der Tätigkeit seines „International Enoch Seminar“6. Boccaccinis These von einem „enochic Judaism“ nun wird der vorliegenden Untersuchung als Ausgangspunkt dienen. In der Folge wird die Frage erörtert, ob in der zwischentestamentlichen Zeit ein Judentum ohne Mose denkbar gewesen ist und ob es in der israelitischen Gesellschaft tatsächlich Menschen gab, die ein solches Judentum gelebt

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1 Der Autor ist Research Associate am Department for Old Testament Studies der University of Pretoria. 2 Die Frage nach der Anzahl der Henochbücher bzw. ob es zielführender sei, von mehreren Büchern anstatt von einem einzigen aus mehreren Teilen bestehenden Henochbuches zu sprechen, ist in diachroner Hinsicht nicht nur interessant, sondern sogar notwendig. Die Behandlung dieser Frage würde aber die Grenzen dieses Aufsatzes sprengen. Daher wird in dieser Studie durchgehend die Bezeichnung „Henochbuch“ gebraucht. Auch wird auf die einzelnen Teile des Buches wie auf Teile eines Ganzen Bezug genommen. Natürlich ist die Problematik komplex und die vorgeschlagenen Lösungsversuche sind nicht immer zufriedenstellend. Dennoch ist es für die hier diskutierte Problematik nicht maßgeblich, ob es sich bei Henoch um ein einziges Buch oder um eine Sammlung von fünf Büchern handelt, ist für die Bestimmung eines „enochic judaism“ doch die Endfassung des Buches und seine Stellung im Judentum des zweiten Tempels von entscheidender Bedeutung und nicht die Art und Weise, wie diese Komposition zustande gekommen ist. Für eine knappe Präsentation der Problematik siehe: Knibb, Book, 36-55. Zur diachronen Fragestellung selbst bietet die Monographie von Bachman, Welt, eine interessante, methodisch durchwegs saubere Darstellung. 3 Milik, Book. 4 Nickelsburg, 1 Enoch. 5 Insbesondere Boccaccini, Hypothesis, und Boccaccini, Roots. 6 http://www.enochseminar.org. 2013 findet die Tagung zum 7. Mal statt. Siehe auch Boccaccini, Introduction, 9-13.

296 | Simone Paganini haben7. Natürlich können an dieser Stelle lediglich einige Aspekte hervorgehoben werden und es besteht daher auch kein Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Studie versteht sich dennoch in Tradition ähnlicher Bemühungen, die jüdische Gesellschaft der zwischentestamentlichen Zeit näher zu beschreiben. Die Texte, die aus dieser Zeit stammen, bilden eine privilegierte Grundlage für diese Analyse. Hinter ihrer Botschaft verbergen sich einzelne Menschen und Autorengruppen, Gemeinschaften, mit ihren Hoffnungen und Ängsten, mit ihrem Glauben und ihrer Theologie. All dies ist in ihren Schriften heute noch erkennbar, und auch wenn es schwierig ist, die einzelnen Gruppen namentlich zu benennen, kann man dennoch unterschiedliche Strömungen und Haltungen identifizieren und darstellen. Ausgehend vom Henochbuch und von seiner vermeintlichen Ablehnung bzw. Zurückweisung der Gestalt des Mose wird zunächst jene These dargestellt, die unter dem Begriff des „enochic judaism“ bekannt geworden ist (1). In diesem Kontext ist es aber auch notwendig, die theologischen Hauptmerkmale des Henochbuches zu skizzieren, will man dieses in der Folge zu anderen Schriften mit ähnlichem theologischen Gehalt in Beziehung setzen. Anhand dieser Schriften wird es dann möglich sein, die Frage nach den unterschiedlichen Formen des Judentums sinnvoll zu stellen und zu beantworten8 (2). Anschließend sollen auf der Basis dieser Schriften und ausgehend von ihrem Legitimationsprozess andere Strömungen und Gruppierungen identifiziert werden, die ihrerseits nicht mit dem Bild eines mosaischen Judentums übereinstimmen (3). Schließlich werden die zuvor diskutierten Beobachtungen in drei abschließenden Thesen zusammengefasst sowie einige Schlussfolgerungen vorgestellt (4).

1 Henoch im Judentum des zweiten Tempels Einer der ersten modernen Kommentatoren des Henochbuches, Robert Henry Charles, merkte bereits 1893 an, dass das Henochbuch „for the history of theological development the most important pseudoepigraph of the first two centuries B.C.“ sei9. Seine Meinung wurde vielfach aufgegriffen10 und führte dazu, ||

7 Die letzte sehr ausführliche Studie zum Thema ist die Arbeit von Heger, Challenges, insbesondere das 4. und das 5. Kapitel. Seine Schlussfolgerungen, Henoch sei keinesfalls als Alternative zum mosaischen Judentum zu deuten, sondern lediglich „komplementär“ dazu, wird im Schlussparagraphen dieses Aufsatzes diskutiert. 8 Ähnlich auch Collins, Enoch, 345-350. 9 Charles, Book, 18.

Ein Judentum ohne Mose? | 297

dass man nicht nur das Henochbuch als Paradigma der Apokalyptik ansah, sondern auch die Sammlung solcher Schriften, in denen Henoch als Protagonist vorkommt, sowie jener Schriften, die eine ähnliche theologische Einstellung vertreten11, als „henochische Schriften“ betrachtete. Das Henochbuch wäre demnach Teil eines viel breiter angelegten Projektes, das ursprünglich dafür gedacht war, eine von der Tradition abweichende Form des Judaismus zu unterstützen. Während der Entwicklung des Judaismus vom Exil bis zur rabbinischen Zeit bildeten die Impulse der henochischen Literatur einen Gegenpol zum offiziellen zadokidischen Judentum. Diese These ist nur prima facie gewagt, bei näherer Betrachtung jedoch greift sie nicht einmal weit genug. Ausgehend von den vielen Schriften dieser Zeit lässt sich nämlich ein Bild des Judentums erkennen, das überaus vielfältig und differenziert war. Die henochische Strömung war in diesem großen Gefüge lediglich eine von vielen „Gegenstimmen“.

1.1 Enochic Judaism Gabriele Boccaccini hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten am meistens die Diskussion über die Rolle der Henoch-Tradition beeinflusst und geleitet12. Er erkennt im Henochbuch „…a complex and dynamic trend of thought” und dass das Buch „cannot be fit into a unitary scheme.“13 Somit hätte auch die henochische Bewegung keinen monolithischen Charakter, sondern wäre eher als eine Zusammensetzung aus unterschiedlichen Ideen und Einstellungen zu betrachten. Boccaccini zeigt aber auch, dass das zadokidische Judentum als Mainstream innerhalb der jüdischen Gesellschaft angesehen werden kann14. Dieses „offizielle“ Judentum wird mit der Vorstellung eines „mosaischen“ Judentums gleichgesetzt, die Torah ist seine maßgebliche und autoritative Schriftensammlung. Auf dieser Basis sind ein Vergleich und eine Auswertung der Ähnlichkeiten und – vor allem – der Unterschiede innerhalb der mannigfaltigen Tendenzen und Strömungen des Judentums nicht nur möglich, sondern sogar ||

10 Siehe dazu die knappe, aber trotzdem erschöpfende Darstellung in Knibb, Book, 17-24. 11 Wie das Jubiläenbuch, das Testament der zwölf Patriarchen oder das 4. Ezrabuch. 12 Boccaccini, Hypothesis, 12-26.70-79.165-200, ist jenes Werk, das bahnbrechend die Diskussion in Gang gebracht hat. Siehe dazu die Rezeption auch im deutschsprachigen Raum: Albani, Judaism, 85-101. 13 Boccaccini, Hypothesis, 12 14 Albani, Judaism, 85-101, und Ellens, Enochians, 147-153, diskutieren diese Frage mit Blick auf die henochische Literatur.

298 | Simone Paganini notwendig und auch zweckdienlich, will man die unterschiedlichen Positionen identifizieren. Zentral für die Position Boccaccinis ist seine Interpretation über den Ursprung des Bösen im ersten Teil des Henochbuches. 1Hen 6-16 vermittelt nämlich die Vorstellung, dass die Wächter, die gefallenen Engel sind, für das Böse, für das Leid und für die menschliche Sündhaftigkeit verantwortlich sind. Das Böse wurde noch vor dem Beginn der eigentlichen Geschichte von ihnen „produziert“. Der Mensch wäre demnach ein unmündiges Wesen, das lediglich als Opfer von unbesiegbaren Mächten, sein Existenz bestreiten kann. Bereits an dieser Stelle unterscheidet sich die henochische von der alttestamentlichen Tradition (Gen 6,1-4)15. Nach Boccaccini gründen diese und andere Differenzen in einer innerpriesterlichen Auseinandersetzung, die einen starken Kontrast zwischen henochischem und zadokidischem / mosaischem Judaismus bezeugt. Die Überlegung, dass die Botschaft des Henochbuches eine Alternative zur mosaischen Torah darstelle, wurde mit einigen Differenzen auch von George Nickelsburg aufgegriffen16, wenngleich für ihn der Schwerpunkt der henochischen Theologie nicht so sehr in der Vorstellung vom Bösen, sondern in der Erwartung eines künftigen Gerichtes liegt. In diesem Sinn ist das Henochbuch zutiefst Apokalypse17 und teilt eine Vision der Realität, die im hellenistischen Judentum ab dem Ende des 3. Jh. v.Chr. immer verbreiteter wurde. Demnach beeinflussen und lenken Engel und Dämonen das Leben und die Handlungen der Menschen in einer oft unerklärlichen und unverständlichen Art und Weise. Seher und Wahrsager sind die einzigen, die die Entwicklungen in der Geschichte und im Leben der einzelnen Menschen verstehen und erklären können. Entgegen der Vorstellung von einer ursprünglichen kollektiven Verantwortung des ganzen Volkes und einem allgemeinen Gericht gegen die Völker und die Erde, wie sie etwa in den alttestamentlichen Prophetenbüchern häufig spürbar wird, tritt immer mehr die Überzeugung von einer individuellen Strafe und einer persönlichen Haftung für die je eigenen Handlungen in den Vordergrund. Das Gericht betrifft nicht nur das Kollektiv als solches, sondern die einzelnen Individuen selbst.

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15 „Enochic Judaism defends a distinctive system of thought that is generative idea… in a particular conception of evil, understood as an autonomous reality antecedent to humanity’s ability to choose”. Boccaccini, Hypothesis, 12. 16 Nickelsburg, 1 Enoch 1, 50-56, und ausführlicher in Nickelsburg, Wisdom, 123-132. 17 Nickelsburg, Construction, 51-64, schreibt von einer „apocalyptic contruction of reality“.

Ein Judentum ohne Mose? | 299

Mit diesem Sitz im Leben entwickeln sich die Traditionen, die im Henochbuch verschriftlicht wurden18. Sie stellen vor allem einen Versuch dar, am gut etablierten Judentum der ersten beiden Jahrhunderte v.Chr. Kritik zu üben. Diese Kritik bleibt aber nicht rein negativ, vielmehr schlägt das Henochbuch auch mögliche Lösungen vor. In der Folge gilt die Aufmerksamkeit nicht so sehr den einzelnen konkreten Kritikpunkten, sondern vielmehr jenen grundlegenden Elementen, die diese untermauern. Die Kritik konzentriert sich vor allem auf das Symbol des mustergültigen Judentums schlechthin: gegen den Tempel. 1Hen 89,73 –„Und sie fingen an zu bauen, wie zuvor, und sie brachten jenen Turm oben hoch, und er wurde der hohe Turm genannt, und sie fingen wieder an einen Altar vor dem Herrn zu errichten, aber alles Brot auf ihm war verunreinigt und nicht rein.“ Texte wie dieser stellen einen harten Bruch mit der Tradition des Tempels und seiner Theologie dar und bedeuten somit eine klare Infragestellung der vorherrschenden Rolle des Priestertums am zentralen Heiligtum in Jerusalem. Ein zweiter Aspekt dieser kritischen Einstellung, die das Henochbuch kennzeichnet, ist die Abwesenheit Mose. Nicht der israelitische Führer ist der Mittler der Offenbarung Gottes und der Fürsprecher für das Volk, sondern Henoch selbst. In dieser Hinsicht teilt das Henochbuch eine ähnliche Tradition wie z.B. die Tempelrolle (11Q 19). Diese Beobachtung reicht zwar nicht aus, um die Tempelrolle der Henoch-Literatur zuzuordnen, sie bezeugt allerdings die Tendenz, sich von der mosaische Tradition zu distanzieren, die im Judentum der damaligen Zeit möglicherweise verbreiteter war19, als vielfach angenommen wird. Zusammen mit dem Gebrauch eines Solarkalenders stellen diese beiden Kritikpunkte die prominente Rolle der mosaischen Tradition in Frage und erlauben, weitere Überlegungen zu den unterschiedlichen Formen des Judentums um die Zeitenwende anzustellen20.

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18 Es braucht nicht zu überraschen, dass die diachrone Entstehung des Henochbuches ein heiß debattiertes Thema darstellt. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist aber von einem Konsens noch weit entfernt. Dazu: Bachmann, Welt. 19 Heger, Challenges, 170, scheint die Rolle der Tempelrolle zu unterschätzen. In der Tat stellt die Tempelrolle zumindest einen Versuch dar, sich von der mosaischen Tradition zu distanzieren. Dazu Paganini, Priester, 253-262, mit weiteren Literaturangaben. 20 Wie Boccaccini, Hypothesis, 75-76, zurecht betont, handelt es sich dabei nicht um eine schematische und starre Dichotomie zwischen henochischem und zadokitischem Judentum, sondern vielmehr um die unterschiedliche Sensibilität einerseits einer apokalyptischen, visionären Sicht der Realität und der Eschatologie und andererseits der pragmatischen Interpretation von derselben Realität durch die priesterorientierte Eliteklasse.

300 | Simone Paganini Hinter den Autoren und Rezipienten des Henochbuches kann durchaus eine geschlossene – wenngleich ausdifferenzierte – Gemeinschaft wahrgenommen werden: Das Henochbuch bezieht sich nämlich vielfach auf eine klar abgrenzbare Gruppe der Gerechten, die lediglich einen Teil des Volkes ausmachen. Eine ähnliche Tendenz findet sich in vielen anderen Schriften dieser Zeit21 und zeigt eine verbreitete Abneigung gegenüber einer zentralisierten Form des Judentums am Jerusalemer Tempel.

1.2 Grundmerkmale der theologischen Tradition des Henochbuches Welche Rolle die theologische Tradition Henochs innerhalb dieser breiten, z.T. reaktionären Bewegung spielt, ist umstritten. Während G. Nickelsburg und G. Boccaccini die These vertreten, die henochische Vision stelle eine klare Alternative zur mosaischen Torah22 dar, sind E.P. Sanders und M. Elliott der Meinung, dass im Henochbuch lediglich eine Form von „covenantal nomism“ zu erkennen sei23. P. Heger hat hingegen in seiner kürzlich erschienenen Studie versucht, die Henoch-Tradition als „complementary“ zur mosaischen Torah zu sehen. Ohne die verschiedenen Positionen ausführlich diskutieren zu wollen, darf man doch anmerken, dass die zuletzt genannten Autoren von einer allzu einheitlichen Vorstellung des antiken Judentums ausgehen. Eine vermehrte Aufmerksamkeit gegenüber den Unterschieden der diversen Schriften – wie sie Nickelsburg und Boccaccini – vorexerzieren, führt hingegen zu einer etwa anderen Sicht. Zunächst erscheint es jedoch ratsam, die zentralen Inhalte und theologischen Vorstellung des Henochbuches kurz darzustellen. Diskussion und Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen hatten nämlich zweifelsohne konkrete Auswirkungen auf Leben der Menschen24 und sie wurde aber auf der Basis von gewichtigen religiösen Überzeugungen geführt.

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21 Dazu kann man zweifelsohne auch Teile der später kanonisch gewordenen Bücher des heutigen Alten Testaments rechnen. Das Ende des Jesajabuches ist ein klares Beispiel einer gespaltenen jüdischen Gesellschaft. 22 Nickelsburg, Wisdom, 123-132. 23 Sanders, Paul, 346-362; Elliott, Covenant, 23-38. Ähnlich argumentiert auch Hartman, Meaning, 24-55. 24 Das beste Beispiel ist sicherlich 4QMMT.

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Gewiss ist die Darstellung vom Ursprung des Bösen ein Hauptanliegen des Henochbuches. Nichtsdestotrotz interessiert sich die theologische Ausrichtung des Buches insgesamt viel mehr dafür, wie der Endpunkt hinter der vom Bösen hervorgerufenen unheilvollen Situation der Welt aussehen wird. Das Henochbuch beschäftig sich vor allem mit der Auffassung von einem unvermeidbaren Gerichtes, das bereits eingesetzt hat und im konkreten Leben bzw. in der Geschichte des Volkes erkennbar ist25. Diese Vorstellung, die sowohl eine räumliche als auch eine zeitliche Dimension aufweist, wird mit apokalyptischen Zügen beschrieben. Engel und Dämonen beeinflussen und leiten – wie bereits betont – nicht nur die gesamte Geschichte, sondern auch, ja d.h. primär die Existenz der einzelnen Menschen. In diesem Sinne – und darin liegt vielleicht die größte Neuheit der theologischen Haltung des Henochbuches gegenüber der Torah – ist das Gericht nicht ein kosmisches Ereignis für Israel und die Völker, sondern vielmehr der Moment der individuellen Bestrafung bzw. Belohnung für den einzelnen. Diese apokalyptische Konstruktion der Realität spiegelt sich auch in den Merkmalen wieder, welche die Weltanschauung des Henochbuches kennzeichnen26. Insbesondere im ersten Teil des Buches ist die Geschichte der Wächter von Bedeutung. Die massive Präsenz dieser engelhaften Gestalten und die geographische Darstellung des Jenseits sind Elemente, die in keiner anderen Schrift in einer derartig massiven Dichte vorkommen. Zwar sind die Traditionen rund um die Entstehung der Sünde und die Strafe für den Sündenfall, die Flut und die Beschreibung der Rolle der gefallenen Söhne Gottes ansatzweise auch in manchen Texten des Alten Testaments belegt27, eine detaillierte Darstellung der Engel, sowie des Zusammenhangs zwischen Sünde und Flut haben im biblischen Text aber keine Grundlagen28.

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25 Ähnlich auch Nickelsburg, 1 Enoch 1, 37-56. 26 So treffend Sacchi, Origini, 7-1.3 27 Bedenbender, Traces, 39-48, und vor allem Davidson, Angels, beschäftigen sich eingehend mit diesem Thema. Die Funktion des Noachs und seine Beziehung zu Henoch wird ausführlich in Peters, Noah, 116-122, beschrieben. 28 Collins, Judaism, 223-224. Diese Beobachtung gilt auch für die Entwicklung der Rolle Henochs in Gen 5,22.

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2 Unterschiedliche Formen des Judentums? Vielfach wird im Henochbuch eine ausgesonderte Gruppe präsentiert. Sie besteht aus Gerechten und erscheint als abgrenzbare Gemeinschaft. Diese Menschen werden als „Pflanzung der Gerechtigkeit und der Wahrheit“ (Hen 10,16) oder aber auch als „die erwählten Gerechten von der ewige Pflanzung der Gerechtigkeit“ (Hen 93,10) beschrieben. Es besteht kein Zweifel, dass diese Formulierungen eine Chiffre für eine abgesonderte Gruppe innerhalb der jüdischen Gesellschaft der zwischentestamentlichen Zeit darstellten29. Das Judentum präsentiert sich in den ersten beiden Jahrhunderten vor Chr. als die Summe teils ganz unterschiedlicher Gruppierungen, die sich jede durch ihre eigenen Überzeugungen hervorhebt. Es ist heute nicht mehr möglich, jede dieser Gruppierungen mit ihren spezifischen Charaktermerkmalen zu rekonstruieren. Die Analyse ihrer Schriften erlaubt es uns dennoch, einige Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Sammlung der Dead Sea Scrolls30 zeigt ebenso eindeutig ||

29 In den vergangenen beiden Jahrzehnten hat sich die Debatte rund um die abweichenden Formen des einen Judentums bzw. über unterschiedliche, voneinander getrennte „Judaismen“ zugespitzt. Die Darstellung dieser ohne Zweifeln sehr interessanten und teils auch aufschlussreichen Diskussion würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Die Beobachtungen, die an dieser Stelle aber dennoch angeführt werden, zeigen deutlich, dass die Problematik auf einer ersten Ebene verhältnismäßig einfach zu lösen ist und zwar durch eine grundlegende Akzeptanz der These einer Judentumvielfalt. Dies impliziert aber eine Notwendigkeit, sich von einer monolithischen Vorstellung des Judentums zu distanzieren, will man die unterschiedlichen Facetten und Schattierung seiner Entwicklung in vorchristlicher und später in christlicher Zeit zu verstehen. Mutatis mutandis sind solche Beobachtungen auch hilfreich, um die Beziehung zwischen Frühchristentum und Judentum zu verstehen. Dazu Reed, Judaism, 242-344. 30 Die Annahme, Qumran sei das Zentrum der Schriftrollenherstellung gewesen, ist seit Beginn der Ausgrabungen in den 1950er Jahren immer wieder von Archäologen in Frage gestellt worden. Wenn die Verbindung zwischen den Essenern und Qumran immer mehr als unhaltbar dargestellt wurde, dann bedeutet dies aber nicht, dass die Existenz der Essenismus innerhalb des Judentums verneint werden müsse. Sehr wahrscheinlich waren die Essener eine jüdische Gruppierung, die ähnlich wie die Sadduzäer, Zeloten oder Herodianer leider keine exklusiv mit ihnen in Verbindung zu bringenden materiellen Spuren hinterlassen haben. Was die Siedlung von Qumran betrifft, bestehen keine archäologischen Anhaltspunkte, die Essener als ihre Bewohner anzunehmen. Die drei berühmten Tintenfässer, die in der Siedlung gefunden wurden, bezeugen zusammen mit Graffiti und Ostraka, dass die Einwohner von Qumran, oder besser: dass einige Einwohner von Qumran schriftkundig waren. Die Herrschaftsperiode von Herodes dem Großen brachte Judäa und besonders der Region um das Tote Meer einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Während der Zeit des Zweiten Tempels war die Region um das Tote Meer ein Sammelpunkt für Menschen unterschiedlichsten sozialen Milieus. Mitglieder der jüdischen Aristokratie entdeckten ebenso das angenehm milde Winterklima wie auch

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wie überzeugend, dass die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen jüdischen Gruppierungen sehr ausgeprägt war. Die Spannungen zwischen Henochiten und Zadokiten ist nur ein Aspekt dieser Situation. Auch die Autoren der Damaskusschrift lassen sich deutlich z.B. von den Autoren der YahadSchriften unterscheiden. Diese haben wiederum mit den Autoren der Tempelrolle31 nur wenig gemeinsam. Auch wenn einige Aspekte ähnlich erscheinen, sind die theologischen Einstellungen, die der Tempelrolle zugrunde liegen, mit denen von 4QMMT dennoch nicht miteinander zu vereinbaren. Nichtsdestotrotz ist all diesen Schriften eine gewisse Distanz zur „traditionellen“ Form des Judentums gemeinsam. Diese Distanz konkretisiert sich auf markante Weise besonders in der Einstellung gegenüber der Gestalt des Mose bzw. gegenüber dem Sinai-Bund oder dem Gesetz des Mose32. Zwar trifft es zu, dass in den angeführten Schriften so wie im Henochbuch keine explizite Polemik gegen Mose bzw. gegen die Sinai-Torah stattfindet, man findet aber auch keine explizite Referenz zur Torah des Mose als Bedingung für die Zugehörigkeit zum Judentum33. Gerade innerhalb der Dead-Sea-Scrolls-Sammlung und vor allem in jenen Schriften, die Mose zugeschrieben werden, spielt er eine wesentliche Rolle. ||

wohlhabende Priesterfamilien, die sich am Toten Meer niederließen, um ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen, der Landwirtschaft nachzugehen etc. Qumran dürfte ursprünglich als Landgut einer solchen Priesterfamilie ausgebaut worden sein. Mit der Zeit veranlassten der gesellschaftliche Wandel und der gewaltsame Kampf um das Hohepriesteramt immer mehr Priester dazu, den traditionellen Tempeldienst hinter sich zu lassen und in die Wüste zu ziehen. Manche von ihnen – wie etwa Johannes der Täufer – lebten als Asketen in der Wüste, andere bildeten Interessengemeinschaften. In Qumran, aber auch in der Nähe von Jericho, fanden sich solche Priestergruppen zusammen. Die meisten waren stark reaktionär ausgerichtet, vertraten eine strikte Observanz der religiösen Gesetze und verurteilten scharf die Nachlässigkeit des offiziellen Priestertums. Getrennt vom Tempel und dem traditionellen Opferkult erhielt das Leben in absoluter ritueller Reinheit für sie enorme Bedeutung. Diese abtrünnigen Priester betrieben in Qumran Landwirtschaft und fanden in der Produktion von rituell reinen Keramikgefäßen eine zusätzliche und lukrative Einnahmequelle. Die Schriftrollen vom Toten Meer sind nicht in Qumran produziert worden – sie stammen eher aus Bibliotheken von Jerusalem und Jericho. Sie sind daher nicht die Schriftsammlung einer einzigen sektiererischen Gruppe, sie zeigen vielmehr ein Schnittbild der jüdischen Gesellschaft dieser Zeit. Siehe dazu auch Paganini, Qumran, 160-166. 31 Paganini, Tempelrolle, 381-396. 32 Dazu ähnlich auch Adler, Enoch, 384-387. 33 Eine Ausnahme bildet CD 15,9.12; 16,2.5. Die an diesen Stellen geforderte Rückkehr zur Torah des Mose ist zwar maßgeblich, die Inhalte der Torah scheinen dennoch korrigiert zu werden. Ähnliches gilt auch für die klar deuteronomisch-orientierte Legislation der Tempelrolle und für die häufigen Bezüge zum „Buch des Mose“ in 4QMMT. Dazu Paganini, Wörtern, 289-296.

304 | Simone Paganini Seine Gestalt wird darin aber sehr unterschiedlich charakterisiert und bewertet34. Es ist einerseits offensichtlich, dass es wohl nicht möglich war, von Mose abzusehen, wollte man sich als Mitglied des Judentums definieren35. Andererseits war die eigene Einstellung Mose gegenüber dafür bestimmend, zu welcher Spielart des Judentums man sich zählte. In diesem Sinn spielt die Henoch-Tradition eine prominente Rolle36 und sie ist durchaus auch in Verbindung mit manchen späten Schriften des Alten Testaments in Verbindung zu bringen. Die biblische Weisheitsliteratur z.B. verzichtet ohne wesentliche Ausnahmen auf explizite Bezüge zur mosaischen Torah. In ihr kann man durchaus Ansätze erkennen, die auch der Henochtradition entsprechen37. Ähnliches gilt auch für das Buch Jesus-Sirach, das kaum Interesse für die konkreten Vorschriften der Torah zeigt38, und für die weisheitliche Literatur der Dead Sea Scrolls. In ihr kann man zweifelsohne sowohl Bezüge als auch direkte Anspielungen auf die Vorschriften der Torah erkennen, die Rolle und die Wichtigkeit der Torah an sich werden dennoch selten behandelt. Bereits diese knappen Beobachtungen genügend um festzustellen, dass das Judentum im 2./1.Jh. v.Chr. generell nicht ausschließlich mit der „offiziellen“ Torah bzw. mit Mose in Verbindung zu bringen war. Mose und die Torah waren zwar Elemente, die neben anderen Aspekten für die Identität der jeweiligen Gruppen konstitutiv waren, sicherlich aber nicht die einzigen.

3 Weise des Legitimationsprozesses Die theologischen Einstellungen, die in den unterschiedlichen Schriften vertreten werden, können variieren, auch sind sie bestimmend für die Identifikation unterschiedlicher Gruppierungen, doch ist ihre korrekte Interpretation oft ||

34 Ausführlich in Fabry, Mose, 131-134. 35 Für die Autoren der Tempelrolle ist es z.B. unmöglich, sich auch noch von den sprachlichen Eigenheiten des Deuteronomiums zu distanzieren. Dennoch wird eine vom Deuteronomium abweichende Gesetzgebung entwickelt. Dazu Paganini, Wörtern, 278-288. 36 Collins, Judaism, 224-227, diskutiert ausführlich das Interesse der Henoch-Tradition für die Idee des Bundes und kommt zum Schluss, dass bereits innerhalb der alttestamentlichen Schriften aus der hellenistischen Zeit eine gewisse Abneigung gegenüber dieser Tradition festzustellen ist. 37 Knibb, Literature, 197-203. Auf der Ebene der Weisheit und ihrer Beziehung mit der Henochliteratur wird die Frage sehr gut in Nickelsburg, Wisdom, 123-132, entfaltet. 38 Collins, Wisdom, 42-61. Ausführlich in Reiterer, Interpretation, 209-231. Siehe dazu auch Argall, Reflections, 337-351.

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schwierig. Auf der einen Seite wird vermehrt versucht, die Unterschiede hervorzuheben, um das einheitliche Bild des Judentum zu zersetzen, auf der anderen Seite ist die Versuchung groß, die vielfältigen Entwicklungslinien auf Facetten einer einzigen Tradition zu reduzieren. Im Zusammenhang mit dem Henochbuch muss man daher feststellen, dass die Rolle Henochs als „Mittler“ (gegen Mose) ein deutlicheres Signal ist als etwa der Ursprung des Bösen39, will man jene Differenzen innerhalb der Schriften herausarbeiten, die auf andere jüdische Gruppen schließen lassen. Von a priori Annahmen freier ist dagegen eine Analyse, die sich auf die Art und Weise der Vermittlung unterschiedlicher Inhalte konzentriert. Dies sind die bedeutsamsten Elemente, die den Legitimationsprozess und die Differenzen zwischen den unterschiedlichen Traditionen begründen. Dieser Legitimationsprozess ist im Exodus- und im Deuteronomiumsbuch mit einer Verschriftungstätigkeit in Verbindung zu bringen. Die höchste Stufe der Autorisierung geschieht durch JHWH selbst, wenn er mit seinem Finger schreibt (Ex 31,18; Dtn 9,10). Die Promulgierung des Gesetzes durch die Verschriftungstätigkeit Mose (Dtn 30) steht folglich auf einer niedrigeren Stufen und beinhaltet – neben der mosaischen Autorenschaft – zwei zusätzliche Aspekten: das Schreiben als aktive Leistung Mose und die Torah – nämlich das am Sinai verlautbarte Gesetz mit seiner im Deuteronomium erfolgten Auslegung – als Inhalt. Mose ist dennoch derjenige, der allein als Mittler zwischen Volk und Gott steht und mit seiner Gestalt als autoritative Instanz agiert40. Er darf das Gesetz dem Volk nicht nur mitteilen, sondern auch autorisieren und auslegen. Im Henochbuch verschwindet Mose. Weder er noch die Torah werden genannt. Der Versuch, eine Alternative zum mosaischen Judentum zu schaffen, ist evident. Der alleinige Mittler der Weisheit und der Offenbarung ist nunmehr Henoch. Nicht zuletzt ist er älter als Mose und genießt insofern umso größere Autorität. Im Jubiläenbuch ist noch eine weitere Variante zu beobachte41. Die Autorität der Gesetzgebung hängt innerhalb des Jubiläenbuches nämlich sehr stark von seiner Verschriftung ab. Auch im Jubiläenbuch wird JHWH eine Schreibertätigkeit zugesagt: die himmlischen Tafeln, aus denen der Engel vorliest, hat er selbst geschrieben. Die Tätigkeit des Engels wird ebenfalls als „Schreiben“ ein||

39 Eine ähnliche theologische Einstellung ist u.a. auch in 4Ezr, Jub, Test der zwölf Patriarchen festzustellen. 40 Paganini, Legitimationsprozess, 271-280. 41 Heger, Challenges, 163-204, gelingt es trotz seiner sehr guten methodischen Herangehensweise nicht, diese Unterschiede wahrzunehmen und gewinnbringend auszuwerten. Das Jubiläen- und Henochbuch können unmöglich Frucht der gleichen Bewegung sein.

306 | Simone Paganini geführt: Er soll schreiben lassen. Schließlich muss auch Mose – als drittes und letztes Glied dieser eigenartigen Autorisation schaffenden Reihenfolge – schreiben, was ihm der Engel aus den himmlischen Tafeln vorliest. Inhalt der Tafeln ist zunächst Jub 2-50, in weiterer Folge aber das ganze Gesetz. Die Rolle Mose ist hier lediglich „that of the amanuensis“42. Die Autorität des Schreibers Mose steht klar unterhalb der Autorität dessen, was er schreibt. Die im Jubiläenbuch vermittelte und von Mose verschriftete Torah genießt demnach eine höhere Stellung als Mose selbst43. Auch bleibt kein Platz für Interpretation oder für Mose als Mittler einer Offenbarung44. Der Entwurf eines neuen Tempels, eines mithilfe eines ungewohnten Festkalenders neu geregelten religiösen Lebens und eine zwar an die Torah erinnernde, bei genauerem Hinsehen jedoch grundlegend anders gestaltete Legislation bilden ein innerhalb der jüdischen Literatur des zweiten Tempels einmaliges Werk. Dieses Werk ist mehr als das Ergebnis der Arbeit priesterlich orientierter Schriftgelehrter, die mit dem Ziel, ihrer Ablehnung gegenüber dem offiziellen Tempel in Jerusalem und seinen Gesetzen Ausdruck zu verleihen, eine pseudepigraphische Komposition schaffen hätten wollen. Der letzte Teil der Tempelrolle gibt Worte aus dem Deuteronomium wider, die allerdings nicht von Mose, sondern von JHWH selbst in der ersten Person gesprochen werden. Das Deuteronomium als die verschriftete Moab-Tora wird somit an den Sinai zurückversetzt und ohne das Zwischenglied Mose von Gott selbst promulgiert45. Damit beansprucht die Tempelrolle für sich eine höhere Autorität als das Deuteronomium. Diese Autorität gründet nicht in der Verschriftung von – direkt wie im biblischen Text oder durch einen Engel wie im Jubiläenbuch – gehörten Worten Gottes, sondern allein in der unvermittelten Promulgation durch JHWH am Sinai46.

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42 Najman, Sinai, 66-67. 43 Peters, Noah, 116-122. 44 In diesem Sinne kann man das Jubiläenbuch und das Henochbuch Gewinn bringend vergleichen: Borgonovo, Jubilee’s rapprochement, 29-35, und Kvanvig, Jubilees, 243-261. 45 Diese Tatsache wurde von allen Kommentatoren beobachtet. Das Versetzen der deuteronomischen Gesetze in die zweite Sinai-Perikope hat allerdings zu den verschiedensten Schlussfolgerungen geführt. Diese variieren von einer Hochpreisung der Tempelrolle als sechstes, die Gesetze im Eigentlichen vollendendes Buch der Tora bis hin zur Disqualifizierung der Aussagen der Tempelrolle als unglaubwürdige Inszenierung. Einen Forschungsüberblick bietet Maier, Tempelrolle, 20-35. 46 Ohne ins Detail gehen zu können, kann man ein ähnliches Vorgehen auch in mehreren Sektenschriften beobachten. Der Bund bzw. die Offenbarung wird durch andere „Gestalten“ vermittelt: den Lehrer, den Maskil oder die unterschiedlichen Messias-Gestalten.

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Mose kommt auch in der Tempelrolle explizit nicht vor47. In diesem Kontext teilt die Tempelrolle die Einstellung des Henochbuches. Die Autorität des Textes steht direkt in Zusammenhang mit der Art der Vermittlung: Henoch ist viel älter als Mose und die Tempelrolle ist unvermittelte Gegenwart der Stimme Gottes am Sinai. Die unterschiedliche Art und Weise der Vermittlung der jeweiligen Botschaft lässt unmissverständlich darauf schließen, dass die Autoren der Schriften unterschiedliche Auffassungen vertreten haben und zu unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb der jüdischen Gesellschaft gehörten.

4 Schlussthesen Die angeführten Beobachtungen erlauben es, drei abschließende Thesen zu formulieren: 1. In der Analyse der einzelnen Werke ist es erforderlich, klar zu unterscheiden. Man nimmt nämlich mehrere Traditionsstränge wahr; diese dürfen aber nicht pauschal vereinheitlicht werden, sind die verschiedenen theologischen Haltungen doch von großer Wichtigkeit. Will man die unterschiedlichen Gruppen, die als Autoren der Schriften in Frage kommen, identifizieren, ist es hilfreich, die in der Erzählung beschriebene Art und Weise der Vermittlung zu analysieren. In diesem Zusammenhang erkennt man deutlich, dass – trotz der teilweisen Deckungsgleichheit der Inhalte – die anders besetzten Rollen eines Mittlers zwischen Gott und Volk an unterschiedliche Gruppierungen denken lassen. 2. Obwohl diese Gruppierungen voneinander verschieden sind und auch eine abweichende theologische Basis haben, die zu unterschiedlichen Auffassungen führt, teilen sie in ihren Schriften dennoch „biblische“ Traditionen und bringen sie zu einer für die jeweilige Gruppe autoritativen bzw. sinngebenden Synthese. 3. Trotz der mannigfaltigen Ansätze bleibt Mose die zentrale Gestalt. Entscheidend ist jedoch die Haltung ihm gegenüber. Neben dem mosaischen Judentum existieren Gruppierungen, die Mose in ihren Schriften entweder ablehnen oder in seine Autoritär mindern. Insofern ist es durchaus realistisch ||

47 Paganini, Wörtern, 289-296. Die „Entmosaisierung“ innerhalb der Tempelrolle hat die gleiche Funktion wie die Einführung von Henoch als Mittler in das Henochbuch. Das hermeneutische Selbstverständnis beider Werke lässt diese als eine neue Form der Torah erscheinen. Es geht dennoch nicht unbedingt um eine endgültige Alternative oder gar ein Ersetzen des Deuteronomiums, sondern – zumindest im Fall der Tempelrolle – um seine richtige, einzig gültige Auslegung.

308 | Simone Paganini anzunehmen, dass es in der Zeit „zwischen den Testamenten“ ein Judentum „ohne Mose“ gegeben habe.

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Autorinnen und Autoren des Bandes Prof. Dr. Egbert Ballhorn, Institut für Katholische Theologie, Technische Universität Dortmund Dr. Jeremy Corley, St. Patrick’s College, Maynooth, Ireland Prof. Dr. Renate Egger-Wenzel, Kath.-Theol. Fakultät, Universität Salzburg Prof. Dr. Thomas R. Elßner, Phil.-Theol. Hochschule, Vallendar Doz. Dr. Bertram Herr, Erzbischöfliches Diakoneninstitut, Köln Prof. Dr. Simone Paganini, Institut für Katholische Theologie, RheinischWestfälische Technische Hochschule Aachen Prof. Dr. Friedrich V. Reiterer, Kath.-Theol. Fakultät, Universität Salzburg Prof. Dr. Johannes Schnocks, Kath.-Theol. Fakultät, Westfälische WilhelmsUniversität Münster Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger, Kath.-Theol. Fakultät, Universität Wien Prof. Dr. David Volgger, Facoltà di Teologia, Pontificia Università Antonianum, Rom Prof. Dr. Marie-Theres Wacker, Kath.-Theol. Fakultät, Universität Münster

Sachregister a`ma,rthma 168

Achill 176f., 179f., 183, 185 Achior 29, 38, 40f. Ägypten 161, 172, 181 Albertz 254, 260, 262, 265f., 273f., 276, 279, 281ff., 288 Alexander 44, 168, 174f., 177ff., 187 Alexanderroman 30, 32, 35f., 46 Alexandria 172, 281 Alexandrien(s) 220, 223 Allatius 254 Alkimos 122ff. Anaxarchos 182 Äneas 179, 185 Antiochos IV. 115, 118 Antiochus 261, 280, 286f. apokryph(en) 287, 288 Apokryphen 253 Arphaxad 32f. Arzt 192, 194 Asarja(s) 270ff. Atheismus 140 Auslegung der Schrift 157 Ausschluss 120 Autorität 305ff. Axiochos 186 Baltasar(s) 258f., 261, 263, 266, 284, 286 Bankette 191, 201, 204 Baruch 229f., 235ff. Bedrohungen 170 befehlen 182 Belschazzar(s) 263, 265, 266 Betulia 39, 42 biblische Metaphysik 143 Bildung 171f., 174, 187, 193f., 199f., 202, 208 Bittpsalm(s) 216, 219f. Bludau 253, 259, 280, 288 Bogaert 255, 259, 264f., 271ff., 281, 283 bonum physicum 146 Bugati 255 Bundesformel 114 Bußgebet(e/es) 236, 241f., 243, 248f.

Codex Chisianus 255 Dareios 258ff., 263, 283 David 263f., 283 Dekalogfassungen 215 Delcor 272, 285 deuterokanonisch 93 Deuteronomium(s) 304ff. di,kaioj 164, 168, 170, 183 Diaspora 111, 248 Diegese 230ff. dikaiosu,nh 163, 168f., 183 Dike 182 doing judaism 59ff., 63, 65, 68, 71, 74, 80, 82, 84, 89 Ehre 171, 177, 185f., 191, 196, 198, 205, 208 Ehrengeschenk 164, 170f., 176 Ehrenpreis 176 Eigentum 176, 181 Eingottglaube 285ff. Endgericht 144f., 148 Ephebie 172 Eschatologie 144 Exil(s) 240, 243ff. Feinde 170 Feindschaft 64, 68, 74f., 89 Folter 164, 174 Frau(en) 284f. Freundschaft 191f., 194, 201ff., 208 Frevler 131f., 135, 138ff., 147f. Frühjudentum 218 Fürbittgebet 239, 247 Gaza 44 Gebet 64f., 77, 80ff., 88f. Gebet um Weisheit 134, 150, 153 Gefallenen 120f., 126 Gefangenschaft 3ff., 11 Genuss 141 Genusssucht 141 gerecht 182f.

314 | Sachregister Gerechte(n) 161ff., 166, 169f., 182f. Gerechtigkeit 129ff., 138, 141, 143f., 149f., 152f., 157, 163, 169, 182f. Geschichte Israels 135, 154 Geschichtsschreibung 29ff., 35 Gesellschaft 169f., 187 Gesetz(e) 163f., 169ff., 181f., 303, 305f. Gewalt 2, 4f., 12, 22f., 111f., 115, 125 Glaubenskrise 40 Gläubigen 162, 167, 169f. Glück 130f. Gordon 180 Gorgias 138 Gottebenbildlichkeit 151 Gotteskindschaft 162, 164, 183 Gottesleugner 161, 168, 171, 174, 176 Gottesnamen(s) 217, 220 Gotteszorn 114, 118f. Göttinger Septuaginta 213 Grieche(n) 172, 174, 178f., 187 griechische Identität 169 Großkönig 34, 45f. Größtkönig 46 Gymnasium 95ff. Handeln Gottes 148 Hapaxlegomena 193, 195, 198, 201, 204, 208 Heiden 112 heilige Geist 137 Heiligtum 179f. Hellenen 49 Hellenismus 174, 191f. hellenistisch 161, 169, 171ff., 177, 181, 183, 187 Hellespont 178f. Henoch(s) 295ff., 299ff., 300f., 304f., 307 Henochbuch(es) 295ff., 305ff. Herakles 180, 183 Herr 34f., 38ff., 45 Herrschaft 132ff., 139, 145, 149, 167, 179ff., 183 herrschen 182 Hexapla 254f. Hieronymus 254 Historikerpoet 30 Historiographie 30 Holofernes 29, 34f., 37ff., 41f., 46, 50f.

Homer 174, 176f., 187 hybride 213, 224 Ideal(e) 171, 174 Idee des Guten 134 Identität 1, 21, 24, 57, 65, 67, 72, 78f., 82, 85, 111f., 122f., 126 Identitätskonstruktion 111f., 115, 118, 122, 127 Identitätskriterien 169 Ijob 146, 152 Ilias 172, 174, 176, 182f., 185ff. Imperativ-Reihung 218 ivscu,j 169 Jamnia 36 Jeremia 124ff. Jerusalem(s) 236, 239ff., 243ff., 247ff. JHWH 34, 45 Jubiläenbuch 297, 305f. Judäer 111, 122 Judas 115ff. Juden 111, 119, 122, 125, 127 Judenfeindschaft 70, 74 Jüdin 77ff. Judit 29ff., 33, 35f., 41f., 49, 51f. Kairoer Geniza 214 Kanon(s) 229f., 244, 247, 249f., 254, 288 kanonische(n/r) 213, 253, 256f., 287f. Kind des Herrn 164 Kind Gottes 170 Kinderlosigkeit 145 Kleitarch 30 Kleitos 182 Kohelet 146f. König 133ff., 145, 149ff., 155, 157 Konkurrenzmotiv 282 konnektive Gerechtigkeit 145 Kränze 37 Krieg 32ff., 36, 39, 45, 50f., 114f., 118, 121, 124, 126 Kyros 258f., 263 Legitimationsprozess 296, 304f. Leontopolis 221 Lev 4 126

Sachregister | 315 Lob der Väter 215f. Lukrez 173 Lust 263f., 286 Lysias 122f. Macht 161, 163, 167, 169, 174ff., 178f., 181, 187f. Machtbewusstsein 174 Machtinstrumentarien 174 Machtträger 169 Makarismus 216 Makedonier 172 makedonisch 177, 187 makkabäische Bewegung 98, 101f., 105 malum morale 146 malum physicum 145f. Märtyrer 117f., 121, 124 Martyrium 116, 126 Meadowcroft 263f., 274, 277, 279f., 282f., 285f. Mimesis 230ff., 239 Minderheit(en) 9f., 22 Moab 223 Monotheismus 81ff., 112 Mose 295f., 299, 303ff. Munnich 255ff., 262f., 273, 282, 286 Mysterien Gottes 143 Mythen 132 Nabuchodonosor 32ff., 37ff., 41, 45, 49ff. Naherwartung 281 Nebukadnezzar(s) 258, 261, 270f., 273ff., 280, 284ff. neuplatonisch 186 Nikanor 119, 123ff. no,moj 163, 168f. Norm 169, 182 Onias 124f. Onias-Tempel 221 Opfer 179f. Orakel 180 Origenes 254ff. Ozias 39f.

paidei,a 164, 169, 171, 174 Papyrus 967 256ff., 262f., 278, 281f.

Parallelomania 208 Pausanias 178, 181 Perser 43 Perspektive(n) 56ff., 64, 66f., 69, 71f., 77, 82, 86, 88 Philipp II. 51, 178 Philo 172, 183, 186, 220 Philosophenkönigen 133 Plato 172 platonische Ontologie 142 platonische Philosophie 129 Politeia 129f., 132, 152 praefatio 257, 265ff., 278, 282 Prophet(en) 184 Prophetie 218 prophetische Geschichtsschreibung 107 Proskynese 63ff. Proskyneseverweigerung 63, 83 Protesilaos 179f. Prüfung 144 Ptolemaios I. 181 4QMMT 300, 303 Quodvultdeus 259 Razis 118, 124 recht 182 rechtens 176, 182 Rechtsanspruch 168 Regent 180, 182, 185 Reichtum 196, 205ff. Reintegration 120 Reisen 191f., 200 Religion 29, 49 Ruhm 171, 183, 185 Sabbat 98ff., 119, 125f. Sabbathalacha 99, 101ff. Sapientia Salomonis 129f., 132, 139, 157 Schläfen Moabs 223 Schlange 184 Schutzgötter 185 Seele(n) 164, 186 Segen Aarons 222 showing 231f., 239 Siegesstreben 186 Sirachschweigen 220, 221

316 | Sachregister Sohn Gottes 164, 170 Sokrates 131ff., 138, 152 Speer 176ff. speererworben 175ff., 181 Sprachenwechsel 263 Stereotype(n) 74f. Stereotypenbildung 74 stereotypisiert 57 Stereotypisierung 57 Sühne 120f., 126 Sündopfer 120f. Syh 255ff., 259, 263, 281f. Syrohexapla 255 Tektonik 214, 218f. telling 231f. Tempel(s) 113ff., 117, 124, 218f., 221ff., 225, 295f., 299f., 302f., 303, 306 Textebenen 232, 234ff., 239f., 242, 250 Themis 182 Theodotion(s) 254ff., 266, 283ff., 287f., 288 Theologin 41, 52 Theophilus von Antiochien 136 Tod(e) 162, 164ff., 169ff., , 179, 181, 185f. Todesurteil 174, 176, 186 Tora 126, 135, 157f. Torah 297f., 300f., 303ff.

Tugend(en) 133, 149, 195ff., 199 Tun-Ergehen-Zusammenhang(s) 145f. Tyros 35f., 43 unbeschränkte Machtvollkommenheit 183 Ungerechtigkeit 129, 131, 133, 144 Unsterblichkeit 133, 142f., 153, 186 Unsterblichkeit der Seele 133 Vater 164, 181, 184f. Verfehlungen 164, 169 Verfolgung 174 Verkünderin 41 Vernichtungskrieg 34 Vernunft 157f. Weisheit 129ff., 140, 142, 144f., 149ff. Weltordnung 134 Wert(e) 174, 185 Widerstand(s) 1, 22ff. Wille Gottes 157 Wills 274 Zehnt 12f., 15 Zeugung 184 Zeussohnschaft 46 Züchtigung 144

Stellenregister Altes Testament Gen 1,26 Gen 1,28 Gen 2,5 Gen 2,7 Gen 5,22 Gen 6,1-4 Gen 9,4 Gen 10,4 Gen 10,10 Gen 11,2 Gen 11,29 Gen 11,31 Gen 14,1 Gen 14,9 Gen 15,1 Gen 16,5 Gen 17,10-13 Gen 20,7 Gen 20,17 Gen 24,4 Gen 24,33 Gen 25,8 Gen 25,17 Gen 25,20 Gen 28,1-4 Gen 29,12 Gen 29,15 Gen 29,15-30 Gen 34 Gen 34,16 Gen 35,22 Gen 35,29 Gen 38,17 Gen 38,20 Gen 38,23 Gen 38,29 Gen 39,3 Gen 39,22 Gen 39-41 Gen 41,51 Gen 48,16 Gen 49,29

140, 151 20 166 140 301 298 24 280 280 280 13 13 280 280 171 39 24 124 124 13 19 283 283 13 13 101 101 13 96 96 96 283 17 17 17 16 14 14 21 14 167 283

Gen 49,33

283

Ex 3,9f Ex 3,15 Ex 4,22 Ex 7,5 Ex 7-17 Ex 12 Ex 12,2-5 Ex 14,4 Ex 14,18 Ex 15,2 Ex 17,8-16 Ex 19,1 Ex 20 Ex 20,8 Ex 20,12 Ex 23,14-15 Ex 23,17 Ex 23,19 Ex 31,18 Ex 32,11-14 Ex 32,13 Ex 34,16 Ex 34,23 Ex 34,26 Ex 23 Ex 32 Ex 34,12-16 Ex 34,15-16

161 167 170 226 156 34 17 226 226 140 124 16 215 24, 225 20 12 12 17 305 124 225 13 12 17 95 95 95 95

Lev 3,17 Lev 4,13-21 Lev 4,13-35 Lev 4,20 Lev 4,26 Lev 4,31 Lev 4,35 Lev 5,1 Lev 7,26 Lev 7,26-27 Lev 11

17 121 121 121 121 121 121 206 17 24 17, 24

318 | Stellenregister Lev 11-12 Lev 17,12 Lev 17,14 Lev 19,13 Lev 19,23-25 Lev 21,10-12 Lev 22,27f Lev 23,5f Lev 23,7f Lev 24,10 Lev 27,30-33 Lev 29-46

24 17 17 15 25 108 17 34 34 206 12 24

Num 6,22-26 Num 6,22-27 Num 11 Num 14,13-20 Num 16,10 Num 18,8 Num 18,12f Num 18,20-32 Num 18,24-32 Num 19,11-22 Num 20 Num 21 Num 22,8 Num 22,14 Num 23,6 Num 23,17 Num 24,17 Num 24,24 Num 25 Num 25,1-15 Num 25,3 Num 25,7f Num 25,8 Num 25,11 Num 25,12f Num 26,55 Num 27,13 Num 28,26 Num 33,53 Num 36,1-13

222 222 156 124 101 171 12 12 12f. 18 156 156 223 223 223 223 223 280 103 102 102 103 103 102f. 103 168 283 12 168 18

Dtn 1,1 Dtn 4,7-8 Dtn 4,25

237 88 95

Dtn 4,28 Dtn 5 Dtn 5,12 Dtn 5,16 Dtn 5,29 Dtn 6,24 Dtn 7,1-4 Dtn 7,2 Dtn 7,2-4 Dtn 7,3 Dtn 7,25 Dtn 7,25-26 Dtn 7,26 Dtn 8 Dtn 8,6 Dtn 9,7 Dtn 9,10 Dtn 9,26 Dtn 9,26-29 Dtn 9,27 Dtn 10,12 Dtn 12,16 Dtn 12,21 Dtn 13 Dtn 13,7-8 Dtn 13,13 Dtn 13,14 Dtn 14,3-21 Dtn 14,21 Dtn 14,22-29 Dtn 14,23 Dtn 14,28 Dtn 15,9f Dtn 15,23 Dtn 16,16 Dtn 17,19 Dtn 18,4 Dtn 18,4f Dtn 20 Dtn 20,3-4 Dtn 21,22-23 Dtn 21,23 Dtn 24,9 Dtn 24,14f Dtn 25,17 Dtn 26,12 Dtn 26,12-14

95 215 24 20 80 80 95 95 95 13, 24 120 120 120 156 80 225 305 83 65, 124 225 80 17 17 105 95 206 95 17, 24 17 12 80 13 15 17 12 80 13 12 105 118, 126 9, 23 23 225 15 225 12 13

Stellenregister | 319 Dtn 27,16 Dtn 28,26 Dtn 28,58 Dtn 30 Dtn 31,12f Dtn 31,17 Dtn 31,21 Dtn 32,8f Dtn 32,36 Dtn 32,42 Dtn 32,50

20 24 80 305 80 94f. 94 88 116 225 283

Jos 8,29 Jos 23,1 Jos 23,6 Jos 23,14

23 94 2 226

1Kön 2,3 1Kön 3,5-13 1Kön 3,6-9 1Kön 5,11 1Kön 8,22-53 1Kön 9,25 1Kön 12,1-19 1Kön 12,4 1Kön 12,26-33 1Kön 12,28 1Kön 12,28-33 1Kön 12,29 1Kön 12,32 1Kön 14,11 1Kön 18,26 1Kön 21,24

2 152 134, 153, 241 94 241 12 4 4 12 3f. 3 4 3 24 3 24

Ri 2,14 Ri 4 Ri 4f Ri 4,4 Ri 4,4-6 Ri 4,6 Ri 8,34 Ri 11,27 Ri 14,10-20

94 2 2 2 2 2 94 39 20

2Kön 14,6 2Kön 18,19 2Kön 19,4 2Kön 19,6 2Kön 19,14-19 2Kön 19,19 2Kön 19,22 2Kön 21,13 2Kön 23,25

2 45 9 9 241 241 9 3 2

Rut 3,9-12 Rut 4,1-12

13 13

1Sam 2,6 1Sam 2,7 1Sam 3,1 1Sam 3,20 1Sam 12,11 1Sam 14,47 1Sam 15

167 207 108 108 94 94 63

1Chr 1,7 1Chr 14,17 1Chr 17,17-26 1Chr 17,20 1Chr 23,1 1Chr 29,28

280 224 241 225 283 283

2Sam 3,35 2Sam 7,7 2Sam 7,18-29 2Sam 7,22 2Sam 7,25 2Sam 7,25f 2Sam 21,1-14 2Sam 24,10

15 241 241 224 241 241 23 242

2Chr 7,16 2Chr 11,15 2Chr 11,16 2Chr 13,8 2Chr 15,7 2Chr 16,12 2Chr 23,18 2Chr 31,4-6 2Chr 33,4 2Chr 35,7 2Chr 35,7f 2Chr 35,19

167 3 12 3 171 194 2 12 167 17 17 2

320 | Stellenregister Esra 3,2 Esra 6,13-22 Esra 7 Esra 7,6 Esra 7,27-9,15 Esra 9 Esra 9,1-2 Esra 9,8 Esra 10,11

2 4 21 2 4 13, 241 95 242 95

Neh 1 Neh 1,1 Neh 2 Neh 2,3 Neh 2,13 Neh 5,14-19 Neh 6,7 Neh 8,1 Neh 9 Neh 9,2 Neh 9,32 Neh 10,31 Neh 13 Neh 13,1-3 Neh 13,15-22

237f. 237 21 225 225 21 108 2 241 95 241 95 13 95 100

Tob 1 Tob 1,1 Tob 1,2 Tob 1,3 Tob 1,4 Tob 1,4-9 Tob 1,5 Tob 1,6 Tob 1,7 Tob 1,8 Tob 1,9 Tob 1,10 Tob 1,10f Tob 1,13 Tob 1,13-22 Tob 1,14 Tob 1,15 Tob 1,16f Tob 1,17 Tob 1,17-19 Tob 1,18

5 4, 24, 238 5, 8, 24 8, 12, 15 2, 4, 12, 24 12 4, 24 5, 12 12 2, 10, 12f. 13 3, 5, 8, 17 17, 21 14, 21 3 10 5, 9f. 15 5, 9f., 23 22 5, 9f., 23

Tob 1,19 Tob 1,20 Tob 1,21 Tob 1,21-22 Tob 1,22 Tob 2,1 Tob 2,2 Tob 2,3 Tob 2,4 Tob 2,5 Tob 2,5f Tob 2,7 Tob 2,7-8 Tob 2,8 Tob 2,9 Tob 2,10 Tob 2,11-13 Tob 2,12 Tob 2,14 Tob 3,2 Tob 3,4 Tob 3,5 Tob 3,6 Tob 3,8 Tob 3,9 Tob 3,10 Tob 3,11 Tob 3,15 Tob 4,2 Tob 4,3 Tob 4,3f Tob 4,4 Tob 4,5 Tob 4,7-11 Tob 4,10 Tob 4,12 Tob 4,12f Tob 4,14 Tob 4,15 Tob 4,16f Tob 4,17 Tob 4,18 Tob 4,21 Tob 5,3 Tob 5,7 Tob 5,10 Tob 5,13f

5, 10, 23 6, 10 10, 14 14 3, 14 15 16 6, 9f., 24 23 18 15 23 22 6, 10, 23 18, 23 14 15 15ff. 15, 17 242 6, 8ff. 6, 8 10 10, 19 8, 10 10 167 8, 10, 13, 19 10 10, 23 20 10, 21, 23 22 15 10 13 13 15 205 15 23, 197 15 15 15 15 10, 15 5

Stellenregister | 321 Tob 5,14 Tob 5,15 Tob 5,15f Tob 6,12 Tob 6,12f Tob 6,12-8,9 Tob 6,13 Tob 6,14 Tob 6,15 Tob 6,16 Tob 7,3 Tob 7,9 Tob 7,10 Tob 7,11 Tob 7,12 Tob 7,12/13 Tob 7,13 Tob 7,14 Tob 7,16-17 Tob 7,17 Tob 8,2-3 Tob 8,4-8 Tob 8,9 Tob 8,10 Tob 8,11 Tob 8,12 Tob 8,18 Tob 8,19 Tob 8,19/20 Tob 8,21 Tob 10,2 Tob 10,10 Tob 10,11 Tob 10,13 Tob 10,13/12 Tob 11,9 Tob 11,14 Tob 11,19 Tob 12 Tob 12,1 Tob 12,1-3 Tob 12,5 Tob 12,8-10 Tob 12,9 Tob 12,12 Tob 12,12f Tob 12,13

12 15 15 18 13 18 2, 10, 18 10 10, 23 13, 19 8, 24 18 13, 18f. 10, 19 2, 13 19 2, 19 20 20 14 20 20 20 10, 23 23 10, 23 23 18 20 10, 20 10 20 10, 19f. 10 20 10 8 14, 20 25 15 15 15 15 10 10, 23 22 10

Tob 12,18 Tob 13 Tob 13,2 Tob 13,3 Tob 13,5 Tob 13,6/8 Tob 13,8 Tob 13,10 Tob 13,10/12 Tob 13,12/14 Tob 13,14/16 Tob 13,16 Tob 13,16-18 Tob 14 Tob 14,1-11 Tob 14,2 Tob 14,3 Tob 14,4 Tob 14,4c Tob 14,4f-i Tob 14,5 Tob 14,8 Tob 14,9 Tob 14,10 Tob 14,10/8 Tob 14,10f Tob 14,11 Tob 14,12 Tob 14,13 Tob 14,14 Tob 14,15 Tob 18,18

14 3, 5 6, 8, 167 3, 6, 8f. 3, 6, 8f. 7 3, 8 3, 8 7 7 7 8 3 5, 25 11 10, 15, 23 10 7ff., 11 3 3 4, 7f. 23 7, 23 10f., 14 7 15 10, 23 10, 21, 23 20, 23 10 4, 8, 10f. 23

Jdt 1,1-5 Jdt 1,6 Jdt 1,7-11 Jdt 1,9 Jdt 1,11-12 Jdt 1,12 Jdt 1,16 Jdt 1-7 Jdt 2,1 Jdt 2,2 Jdt 2,3 Jdt 2,6 Jdt 2,7 Jdt 2,13

32 32 32 3, 31 33 33 33 29, 51 33 33 33 34 34 35

322 | Stellenregister Jdt 2,16-18 Jdt 2,25 Jdt 2,27 Jdt 2,28 Jdt 3,1 Jdt 3,2 Jdt 3,3 Jdt 3,4 Jdt 3,6 Jdt 3,7 Jdt 3,8 Jdt 4,4 Jdt 4,4-5 Jdt 4,9-10 Jdt 6,2 Jdt 6,4 Jdt 6,5 Jdt 7,12 Jdt 7,13 Jdt 7,19 Jdt 7,22 Jdt 7,24 Jdt 7,27 Jdt 7,27-28 Jdt 7,29 Jdt 7,32 Jdt 8,12-17 Jdt 8,17 Jdt 8-16 Jdt 10,5 Jdt 16,22

35 50 36, 50 36 37 37, 42 37 37 38 37 29, 38 31 51 51 38, 41 38, 46 38 39 39 39 39 39 40 40 40 40 42 42 29 17 283

Est 1,1 Est 1,1-8 Est 1,15 Est 1,17 Est 1,22 Est 2,5 Est 2,5-6 Est 2,5-7 Est 2,6 Est 2,7 Est 2,8-9 Est 2,10 Est 2,15 Est 2,20 Est 2,21-23

70 58 70 70 70 55, 58, 60f., 68, 78 61 61f., 77f. 60, 78 60f. 85 77, 79f. 77f. 77, 79f. 69

Est 3,1-2 Est 3,2 Est 3,3 Est 3,4 Est 3,5-6 Est 3,6 Est 3,7 Est 3,8 Est 3,8-9 Est 3,9 Est 3,10 Est 3,11 Est 3,12 Est 3,13 Est 3,13[1] Est 3,13[3] Est 4,1 Est 4,12 Est 5,9 Est 5,9b Est 5,9-13 Est 5,13 Est 5,14 Est 6,1-12 Est 6,4 Est 6,5 Est 6,10 Est 6,10b Est 6,13 Est 6,14 Est 7 Est 7,4 Est 8,3 Est 8,5 Est 8,6 Est 8,7 Est 8,8 Est 8,9 Est 8,10 Est 8,11 Est 8,12[2] Est 8,15 Est 8,17 Est 9 Est 9,4[2] Est 9,29 Est 9,31

63 55, 63 71 62f., 79 63 69, 79 79 63, 69, 71, 73, 86 62, 69, 74 69 70 63 70, 72 70, 72, 77, 79 45 171 63 81 66f. 66 66 66f. 67 76 67 67 66 67 76, 79 76 85 85 85 85 77, 79 68, 85 71 70 71 85f. 45 59 71 57 59 66ff., 77f. 68

Stellenregister | 323 Est 10,3 Est 13b Est A,1 Est A,1-3 Est A,1-17 Est A,2 Est A,3 Est A,4-10 Est A,6 Est A,8 Est A,9 Est A,12-16 Est A,17 Est B,1 Est B,1-7 Est B,4 Est B,4-5 Est B,5 Est B,6 Est C,1-10 Est C,11 Est C,14 Est C,14-25a Est C,14b-30 Est C,17-18 Est C,2 Est C,5-7 Est C,6 Est C,8 Est C,9 Est C,25b-30 Est D,7 Est D,15 Est E,1 Est E,1-9 Est E,1-16 Est E,1-24 Est E,2 Est E,10 Est E,10,3 Est E,10-18 Est E,13 Est E,13-14 Est E,15 Est E,16 Est E,17-18 Est E,19-24

59, 68 66 58f. 58, 61f., 78 61 59 59 77 62 62 77 69 62f. 59, 70 72 73f., 82, 88 72 73f., 87 72 64 80 80f. 81 80 83 65 64 65 65 65 81 83 83 70 86 86 85 59 86 63 86 63 87 87 87 86 86

Est F,6

63

1Makk 1 1Makk 1f 1Makk 1,1-7 1Makk 1,1-10 1Makk 1,8-9 1Makk 1,9 1Makk 1,10 1Makk 1,11 1Makk 1,11-15 1Makk 1,12 1Makk 1,13 1Makk 1,14f 1Makk 1,15 1Makk 1,16-19 1Makk 1,16-28 1Makk 1,20-28 1Makk 1,21-23 1Makk 1,21-24 1Makk 1,23 1Makk 1,29-40 1Makk 1,41 1Makk 1,41-53 1Makk 1,41-64 1Makk 1,43 1Makk 1,44-50 1Makk 1,45 1Makk 1,47 1Makk 1,48 1Makk 1,49 1Makk 1,49f 1Makk 1,52 1Makk 1,52f 1Makk 1,54 1Makk 1,54-61 1Makk 1,56 1Makk 1,57 1Makk 1,58 1Makk 1,59 1Makk 1,61-63 1Makk 1,62-63 1Makk 1,63 94, 1Makk 1,64 97, 1Makk 2 1Makk 2,1 1Makk 2,1-14

97f. 93, 102f., 105, 108 97 97f. 97 94 97 93ff., 103f. 94, 97f. 95 95 95 25, 94, 96f. 97 97f. 97 106 97 97 97f. 22 97 97f. 22, 97 97f. 22 22 22, 25 22 25 94 97 107 97 16 16, 94 16 107 97 97 103 102 98, 101, 103, 106, 108 103 98

324 | Stellenregister 1Makk 2,1-27 1Makk 2,1-28 1Makk 2,6 1Makk 2,9 1Makk 2,15-28 1Makk 2,17 1Makk 2,18 1Makk 2,20 1Makk 2,21f 1Makk 2,24f 1Makk 2,24-26 1Makk 2,26 1Makk 2,27 1Makk 2,28 1Makk 2,29 1Makk 2,29-38 1Makk 2,29-41 1Makk 2,31 1Makk 2,34 1Makk 2,34-37 1Makk 2,36 1Makk 2,37 1Makk 2,38 1Makk 2,39 1Makk 2,39-41 1Makk 2,39-48 1Makk 2,40 1Makk 2,40f 1Makk 2,41 1Makk 2,42 1Makk 2,42-44 1Makk 2,45-48 1Makk 2,49-64/70 1Makk 2,49-70 1Makk 2,50 1Makk 2,51 1Makk 2,54 1Makk 2,60 1Makk 2,69 1Makk 3,41 1Makk 4,10 1Makk 4,15 1Makk 4,23 1Makk 4,44-47 1Makk 4,46 1Makk 5,58 1Makk 6,12

102 98, 102 9, 103 36 98 101 106 94, 101 101 103 101 102f. 94 101f. 102 98, 105 105 99 99 99 99 99, 101 101f. 98 98, 100, 105 98 98 93, 98, 100ff. 98, 101 102 98 98 105 98 94, 101 106 94, 103 100 283 106 94 36 106 107 106f., 218 36 106

1Makk 7,12 1Makk 7,28-30 1Makk 7,42 1Makk 8,6 1Makk 9,27 1Makk 9,43-49 1Makk 9,54 1Makk 10,20 1Makk 10,21 1Makk 10,60 1Makk 10,62 1Makk 10,89 1Makk 11,9 1Makk 11,24 1Makk 11,57-58 1Makk 13,36 1Makk 13,37 1Makk 14,30 1Makk 14,35 1Makk 14,38 1Makk 14,39 1Makk 14,41 1Makk 14,43-44 1Makk 14,47 1Makk 15,40

102 124 225 45 106 103f. 107 106 108 106 106 106 94 106 106 106 106 283 107 107 106 106, 108, 218 106 108 36

2Makk 2,21 2Makk 4,9-17 2Makk 5,15 2Makk 5,27 2Makk 5,61 2Makk 5,62 2Makk 6,4 2Makk 6,5 2Makk 6,6 2Makk 6,7 2Makk 6,10 2Makk 6,11 2Makk 6,18-31 2Makk 7 2Makk 7,5 2Makk 7,6 2Makk 8 2Makk 8,1 2Makk 8,1-5 2Makk 8,2 2Makk 8,2-4

118 96 97 115, 126 22 22 22 22 22 22 118 105 22 22, 116, 118f., 121, 126 116 115f., 126 117, 126 117f., 126 117 117 117f.

Stellenregister | 325 2Makk 8,3 2Makk 8,4 2Makk 8,5 2Makk 8,8-36 2Makk 8,17 2Makk 8,23 2Makk 8,24 2Makk 8,25-28 2Makk 8,26 2Makk 8,27 2Makk 8,29 2Makk 8,34-36 2Makk 9,15 2Makk 10,34 2Makk 10,35 2Makk 12 2Makk 12,8 2Makk 12,8-9 2Makk 12,9 2Makk 12,14 2Makk 12,29-31 2Makk 12,31-32 2Makk.12,34 2Makk 12,38 2Makk 12,39 2Makk 12,40 2Makk 12,41 2Makk 12,42 2Makk 12,43 2Makk 12,44 2Makk 12,45 2Makk 14,23-25 2Makk 14,24 2Makk 14,24-25 2Makk 14,25 2Makk 14,31 2Makk 14,38 2Makk 14-15 2Makk 15 2Makk 15,1f 2Makk 15,1-5 2Makk 15,12 2Makk 15,14 2Makk 15,16 2Makk 15,24 2Makk 15,25 2Makk 15,25-27

117 9, 117f. 117, 119f., 125 123 118 119 119 104 126 119 119 119 23 9 9 119, 126 36 120 36 9 126 104 119 104, 126 120 36, 120 120 120f. 120 120 120f. 126 124 123 123f. 126 118 123 123f., 126 104 104 125 125 124 9 124 124

2Makk 15,26 2Makk 15,27 2Makk 44-45

124f. 124f. 120

Ijob 7,2 Ijob 31,16-20 Ijob 31,20 Ijob 31,35 Ijob 42,5 Ijob 42,10 Ijob 42,17

15 15 13 152 152 152 283

Ps 1 Ps 7,8 Ps 7,10 Ps 8,28 Ps 9,14 Ps 9,36 Ps 11,7 Ps 14 Ps 14,1 Ps 15,1 Ps 16,10 Ps 17,45 Ps 18,5 Ps 18,7 Ps 18,17-20 Ps 22,5 Ps 30,4 Ps 44 Ps 44,8 Ps 46,3 Ps 47,12 Ps 49,14 Ps 53 Ps 60 Ps 66,12 Ps 70,18 Ps 72,17 Ps 74 Ps 78 Ps 79

142 220 220 220 167 225 220, 242 140 140 220 140 220 140 140 140 170 140 114, 220 170 45 78 167 140 220 202 224 167 114f., 220 220 112ff., 117f., 122, 126, 220 220 220 117 224

Ps 79,1 Ps 79,1-3 Ps 79,1-4 Ps 79,3

326 | Stellenregister Ps 79,4 Ps 79,5 Ps 79,5-12/13 Ps 79,6 Ps 79,6b Ps 79,7 Ps 79,8 Ps 79,8b Ps 79,9 Ps 79,10 Ps 79,11 Ps 79,12 Ps 79,13 Ps 80 Ps 83 Ps 85 Ps 86,17 Ps 94,3 Ps 94,5 Ps 96,5 Ps 96,8 Ps 97,5 Ps 102,13 Ps 106,23 Ps 109,5-6 Ps 110,5-6 Ps 119,37 Ps 123,3 Ps 127,3-5 Ps 128 Ps 130,7 Ps 131,8 Ps 135,13 Ps 144,11 Ps 144,12 Ps 145,17 Ps 147,19

220 220 220 114, 122, 220 220 220 114f., 220 220 114, 220 114f., 119, 122, 220 220 220 220 220 220 220 170 45 161 45 78 46 167 124 223 223 242 224 146 146 242 225 167 224 224 242 169

Spr 1,14 Spr 2 Spr 2,6 Spr 2,8 Spr 2,9 Spr 2,11 Spr 2,12 Spr 6,6-8 Spr 6,8a-c+

168 153f. 154 154 129 153 154 199 199

Spr 8 Spr 8,22 Spr 11,4 Spr 11,13 Spr 11,18 Spr 12,13 Spr 15,11 Spr 18,18 Spr 18,21 Spr 19,26 Spr 20,19 Spr 20,20 Spr 22,1 Spr 23,1-2 Spr 23,6-8 Spr 25,21-22 Spr 27,21 Spr 28,20 Spr 28,24 Spr 30,17 Spr 31,4-5

154 154 206 203 171 206 167 168 206 20 203 20 205 204 204 197 202 206 20 20 204

Koh 1 Koh 1,1 Koh 3,7 Koh 5,9 Koh 7,1 Koh 7,15 Koh 9,7-9 Koh 9,7-10 Koh 9,14

237f. 237 206 206 205 146 141 141 45

Weish 1 Weish 1,1 Weish 1,1f Weish 1,1-2 Weish 1,1-3 Weish 1,1-6,21 Weish 1,1-15 Weish 1,2 Weish 1,4 Weish 1,4-5 Weish 1,5 Weish 1,6 Weish 1,6a Weish 1,6b Weish 1,6c

165 134ff., 141, 149 143 137 138 134f. 135f., 149, 165 136, 165 135, 137, 165 138 137 135, 138 137 137 137

Stellenregister | 327 Weish 1,6d Weish 1,6f Weish 1,6-10 Weish 1,10f Weish 1,11 Weish 1,12 Weish 1,13 Weish 1,13f Weish 1,14 Weish 1,15 Weish 1,16 Weish 1,16-2,1a Weish 1,16-2,1b Weish 1,16-2,9 Weish 1,16-2,14 Weish 1,16-2,24 Weish 1,16-5,23 Weish 1,23 Weish 2 Weish 2,1 Weish 2,1b Weish 2,1-5 Weish 2,1-20 Weish 2,1b-5 Weish 2,1b-9 Weish 2,1b-20 Weish 2,2-20 Weish 2,2a Weish 2,2b Weish 2,3 Weish 2,4 Weish 2,5 Weish 2,5b Weish 2,6-9 Weish 2,6-20 Weish 2,8 Weish 2,9 Weish 2,10a Weish 2,10-12 Weish 2,10-20 Weish 2,10-24 Weish 2,11 Weish 2,12 Weish 2,12a Weish 2,13 Weish 2,13-20 Weish 2,14

137 165 137f. 165 138f. 162 162, 165 166 135, 139, 166 133, 136 132, 138f., 165 162, 165 162 168 148 131, 135, 138f., 162 131 166 139, 141, 165, 187 140, 165 166f. 139 139 162f., 166f. 164f., 173 172 139 166f. 166f. 165f. 165f. 165, 186 166f. 162f., 168f. 140 165 165 168 162f., 168 141, 164 165 132, 168f. 165, 169 168 170 162, 164, 170 165

Weish 2,15 Weish 2,16 Weish 2,17 Weish 2,17-20 Weish 2,18 Weish 2,19 Weish 2,19-20 Weish 2,20 Weish 2,20-23 Weish 2,21 Weish 2,21f Weish 2,21ff Weish 2,21-24 Weish 2,22 Weish 2,23 Weish 2,24 Weish 3,1 Weish 3,1-9 Weish 3,1-12 Weish 3,2 Weish 3,3 Weish 3,4 Weish 3,5 Weish 3,7 Weish 3,8 Weish 3,9 Weish 3,10 Weish 3,11 Weish 3,12 Weish 3,13 Weish 3,13ff Weish 3,13-4,6 Weish 3,14 Weish 3,16-19 Weish 3-4 Weish 4,1 Weish 4,3 Weish 4,3-6 Weish 4,7f Weish 4,7-20 Weish 4,10f. Weish 4,15 Weish 4,17 Weish 4,19 Weish 4,20 Weish 5 Weish 5,1-13

165 165, 170 165 138f. 170 165 132 165 139 143, 165 139 165 139, 162, 164f., 170 131, 165 133, 165f. 165f. 131ff., 143f. 166 135, 139, 142f. 143 143 133, 143 144, 165 144 145 165 145 145 145 145, 165 146 135, 145 145 166 151 145, 165, 196 145 147 148 135, 147 148 165 148 133, 165 148 135 148

328 | Stellenregister Weish 5,1-23 Weish 5,5 Weish 5,13 Weish 5,14 Weish 5,15f. Weish 5,16 Weish 5,17 Weish 5,23 Weish 6,1 Weish 6,1-21 Weish 6,3 Weish 6,3f Weish 6,3ff Weish 6,7 Weish 6,9 Weish 6,9-11 Weish 6,12 Weish 6,16 Weish 6,21 Weish 6,22 Weish 6,22-10,21 Weish 6,22-11,1 Weish 6,22-25 Weish 6,23 Weish 6,24 Weish 6,25 Weish 7 Weish 7,1-6 Weish 7,7 Weish 7,8-10 Weish 7,9f. Weish 7,11 Weish 7,12 Weish 7,13 Weish 7,13-21 Weish 7,14 Weish 7,15 Weish 7,17 Weish 7,26 Weish 7,27 Weish 7,28 Weish 7-8 Weish 8 Weish 8,1 Weish 8,2 Weish 8,7 Weish 8,9

134, 148 132 149, 196 165 166 133, 165 149 133 136, 149 135f., 149 149 149 165 165 136, 149 150 136 165 132, 134, 136, 150 150 135, 150 134, 157 150 165 150 151 152 151 151, 157 152 165 152 165 152, 157 152 152, 158 165 152 223 153, 158, 219 152 150f. 153 152 153 196 153, 165

Weish 8,17 Weish 8,20 Weish 8,21 Weish 9 Weish 9,1-2 Weish 9,4 Weish 9,5 Weish 9,9 Weish 9,10-12 Weish 9,13-18 Weish 9,16 Weish 9,17 Weish 9,19 Weish 9-10 Weish 10 Weish 10,1-3 Weish 10,1-11,1 Weish 10,4 Weish 10,5 Weish 10,6-9 Weish 10,10-12 Weish 10,12 Weish 10,13-14 Weish 10,15 Weish 10,15-11,1 Weish 10,15-21 Weish 10,21 Weish 11,1-3 Weish 11,1-19,22 Weish 11,2-19,22 Weish 11,4-14 Weish 11,5 Weish 11,15-12,27 Weish 11,15-16,14 Weish 11,16 Weish 11,22f Weish 11,26 Weish 11-19 Weish 12 Weish 12,10 Weish 12,13 Weish 12,19 Weish 13,1-15,19 Weish 13,7 Weish 13,16 Weish 14,3f Weish 14,8

153, 165 153 165 134, 150, 153f. 154 154 165 155 155 157 157 157 155 154 30, 150, 154f. 155 158 155 155 155 155 165 155 161f. 162 155 165 156 156 135, 157f. 156 156 156 156 156, 165 165 165 132, 135, 156 168 165 165 165 156f. 165 165 165 165

Stellenregister | 329 Weish 14,11 Weish 14,21 Weish 14,30 Weish 15,2 Weish 15,9 Weish 15,11 Weish 15,13 Weish 15,15 Weish 16,1-4 Weish 16,5-14 Weish 16,8f Weish 16,15-29 Weish 16,18 Weish 16,22 Weish 16,26 Weish 16,28 Weish 16-19 Weish 17,1-18,4 Weish 18,1f Weish 18,5-19,22 Weish 18,5-25 Weish 18,21 Weish 19,1-5 Weish 19,2 Weish 19,6-22

165 165 165 165 165 165 165 165 157 157 165 157 165 165 165 165 30 157 165 157 157 165 157 165 157

SirProl 21 Sir 1,1 Sir 1,1-30 Sir 1,12 Sir 1,13 Sir 1,24 Sir 2,5 Sir 2,12 Sir 2,18 Sir 3,1-16 Sir 3,7 Sir 3,30 Sir 4,7 Sir 5,11-12 Sir 5,13 Sir 6,5 Sir 6,5-17 Sir 6,6-7 Sir 6,10 Sir 6,26 Sir 6,32-33

213 191 195 199 199 225 202 191 215 20 196 15 199 206 206 192, 195, 201, 208 208 202 202 201 201

Sir 6,33 Sir 6,34 Sir 6,36 Sir 6-7 Sir 7,1-36 Sir 7,7 Sir 7,11 Sir 7,15 Sir 7,16 Sir 7,18 Sir 7,27 Sir 7,28 Sir 7,31 Sir 8,1-19 Sir 8,5 Sir 8,5-7 Sir 8,6 Sir 8,6-7 Sir 8,7 Sir 8,8 Sir 8,17 Sir 8,19 Sir 9,10 Sir 9,12 Sir 10,19-11,6 Sir 10,20 Sir 10,22 Sir 10,24 Sir 11,1 Sir 11,1-6 Sir 11,3 Sir 11,4 Sir 11,19 Sir 11,21-28 Sir 11,22 Sir 12,1-2 Sir 12,1-7 Sir 12,5 Sir 12,7 Sir 12,8-9 Sir 12,10 Sir 13,12 Sir 13,22 Sir 13,24-14,19 Sir 14,12 Sir 15,1 Sir 15,9

198 198 198 206 196 196 207 201 225 196, 203 20, 196 225 195f. 215 225 215 215 215 225 198 203 204 203 225 199 217 217 217 199 199 199 217 206 207 197 197 194 198 197 202 203 203 195, 203, 208 141 225 217 217

330 | Stellenregister Sir 15,11 Sir 15,11-18,14 Sir 15,13 Sir 15,18 Sir 16,2 Sir 17,8 Sir 17,10 Sir 17,13 Sir 18,4 Sir 18,5 Sir 18,18 Sir 18,24 Sir 18,25 Sir 19,8 Sir 19,13-17 Sir 19,20 Sir 20,1 Sir 20,19 Sir 20,31 Sir 22,6 Sir 23 Sir 23,1 Sir 23,1-6 Sir 23,4 Sir 23,11 Sir 23,14 Sir 23,23 Sir 24,23 Sir 25,25 Sir 27,16 Sir 27,17 Sir 28,6 Sir 28,7 Sir 29,8-13 Sir 30,6 Sir 30,20 Sir 31,5 Sir 31,8-9 Sir 31,8-11 Sir 31,9 Sir 31,11 Sir 31,12-32,13 Sir 31,13 Sir 31,15 Sir 31,25 Sir 31,25-32,13 Sir 31,26

217 195 217 217 217 225 225 225 225 218, 225 195, 198, 208 225 225 206 202 196 206 195, 208 206 195 217 215, 217 215 217 196 225 196 215f. 222 203 196 225 225 15 203 217 206 207 216 215f. 225 192, 204 225 205 204 204 204

Sir 31,28-29 Sir 31,29-30 Sir 32,1-2 Sir 32,4 Sir 32,6 Sir 32,11 Sir 32,19 Sir 32,24 Sir 32/35,16a.c Sir 33,1 Sir 33,14-15 Sir 34,9 Sir 34,9-11 Sir 34,10ff Sir 34,12 Sir 35/32,12 Sir 35/32,14c Sir 35/32,22 Sir 36 Sir 36,1 Sir 36,1-5 Sir 36,1-9 Sir 36,1-17 Sir 36,2b Sir 36,3 Sir 36,3b Sir 36,4 Sir 36,4a Sir 36,5 Sir 36,5-17 Sir 36,6 Sir 36,6-9 Sir 36,7 Sir 36,7b Sir 36,8a Sir 36,8b Sir 36,9 Sir 36,10 Sir 36,10a Sir 36,10b-12 Sir 36,10-17 Sir 36,11 Sir 36,12 Sir 36,13 Sir 36,14a Sir 36,14b Sir 36,15

204 204 204 204 195, 208 204 200 217 217 217 192 225 200 192 192 217 217 217 213ff., 217ff., 223 214ff. 218 218 213ff., 217ff., 224 214 215f. 214 214ff. 214 218 214 218 218 225 214, 218, 225 214 214 215, 218, 223 216, 218 218 218 218 214, 217f. 218, 222 218, 221 218 218 218f.

Stellenregister | 331 Sir 36,15a Sir 36,15b Sir 36,16 Sir 36,17 Sir 36,23 Sir 36,23-37,15 Sir 37,1 Sir 37,5 Sir 37,11 Sir 37,16-18 Sir 37,27 Sir 37,31 Sir 38,1 Sir 38,1-15 Sir 38,4 Sir 38,9 Sir 38,12 Sir 38,13/14 Sir 38,20 Sir 38,22 Sir 38,24-39,11 Sir 39,4 Sir 39,12 Sir 39,12-35 Sir 39,16 Sir 39,33 Sir 39,35 Sir 40,10-11 Sir 40,26c Sir 40,27 Sir 41,3 Sir 41,3-4 Sir 41,4 Sir 41,12 Sir 41,15 Sir 42,15 Sir 42,15-43,33 Sir 42,16b Sir 42,17 Sir 42,17a Sir 42,17b Sir 42,17c Sir 42,21 Sir 43,24 Sir 42,24-25 Sir 43,5 Sir 43,9

218 214, 218 214, 217f., 222 214, 217, 219 201 201 201 203 200 206 195 195 217 192, 194 217 217 217 217 207 225 200 193 225 195 217 217 217 197 217 217 225 207 217 197, 205 206 216ff., 225 216 217 218, 225 217 217 217 225 192, 216 192 217 217

Sir 43,24-33 Sir 43,27 Sir 43,28 Sir 43,29 Sir 43,30 Sir 43,31 Sir 43,31a Sir 43,32 Sir 43,33 Sir 44,1 Sir 44,1-15 Sir 44,1-50,24 Sir 44,2 Sir 44,8 Sir 44,13-14 Sir 44,13-15 Sir 44,16 Sir 44,17-49,13 Sir 44-50 Sir 45,6 Sir 45,9 Sir 45,16 Sir 45,20 Sir 45,21 Sir 45,23 Sir 45,24 Sir 45,25e Sir 45,25-26 Sir 45,26 Sir 46,3 Sir 46,5 Sir 46,6 Sir 46,9 Sir 46,10 Sir 46,11 Sir 46,13c Sir 46,14b Sir 46,16 Sir 46,17 Sir 46,19 Sir 47,5 Sir 47,6 Sir 47,10 Sir 47,11 Sir 47,13 Sir 47,14-21 Sir 47,18a

215f. 216 216 217 216f. 225 218 216 217 191, 205, 215f. 216 215 217 225 197, 205 207 217 191 30, 191, 193, 197 222 222 217 222 217 217 225 215 215 215 217 217 217 217 217 217 217 217 217 217 217 217 217 222 217 222 215 217

332 | Stellenregister Sir 47,22 Sir 48,3 Sir 48,4 Sir 48,4-11 Sir 48,11 Sir 48,20 Sir 48,22 Sir 49,3 Sir 49,6 Sir 49,12 Sir 49,13 Sir 50,1 Sir 50,7 Sir 50,11 Sir 50,13 Sir 50,16 Sir 50,17c Sir 50,19b Sir 50,19c/d Sir 50,20 Sir 50,22 Sir 50,22-24 Sir 50,23 Sir 50,24 Sir 50,28/29 Sir 51,1 Sir 51,1-12 Sir 51,8 Sir 51,10 Sir 51,11 Sir 51,12 Sir 51,13 Sir 51,13-30 Sir 51,14 Sir 51,22 Sir 51,23-30 Sir 51,30

217 217 215 215 215f. 217 217 217 222 217, 222 215 222 222 222 217, 222 222 217 217 217 217 215 216f. 215 215 217 215, 217 215 217 217 217 217 192 215 222 217 215 167, 217

Jes 23,1 Jes 23,12 Jes 33,2 Jes 34,2 Jes 36,4 Jes 37,15-20 Jes 38,17 Jes 42,5 Jes 45,6

280 280 224 224 45 241 170 166 225

Jes 45,14 Jes 48,1 Jes 48,10 Jes 52,5 Jes 58,7 Jes 64,3

224 225 202 9 15 225

Jer 1,1 Jer 1,2 Jer 16,7 Jer 17,18 Jer 22,13 Jer 23,12 Jer 25,9 Jer 27,12 Jer 29 Jer 29,1 Jer 32,12 Jer 36 Jer 36,4 Jer 45,1 Jer 51[44],17

237f. 238 15 225 15 246 94 243 237ff., 244 237, 251 246 246 246 246 94

Klgl 1,18 Klgl 3,25

242 219, 225

Bar 1 Bar 1,1 Bar 1,1-15aα Bar 1,2 Bar 1,3 Bar 1,3-4 Bar 1,4 Bar 1,5-7 Bar 1,6f Bar 1,7 Bar 1,8 Bar 1,9 Bar 1,10 Bar 1,11 Bar 1,12 Bar 1,13 Bar 1,14 Bar 1,15 Bar 1,15aβ Bar 1,15aβ-3,8 Bar 1,16

249 237, 240f., 250f. 236 239f., 243 237, 239f., 245 239 245 239 239, 248 245 239 239 239f., 248f. 244, 249 244, 247 241, 249 240f., 244, 249, 251 241f., 244, 249 241 236 246

Stellenregister | 333 Bar 1,19 Bar 1,19-22 Bar 1,19f Bar 1,21 Bar 2,2 Bar 2,6 Bar 2,11 Bar 2,15-3,8 Bar 2,17f Bar 2,19 Bar 2,20f Bar 2,21 Bar 2,30-32 Bar 2,33 Bar 2,34 Bar 3 Bar 3,1 Bar 3,5 Bar 3,5-8 Bar 3,7 Bar 3,7f Bar 3,8 Bar 3,9 Bar 3,9-4,4 Bar 4,1 Bar 4,4 Bar 4,5-5,9

245f. 245 246 251 2 242, 246 242 242 230 246 243 246 244 246 246 241 245 246 245 244 246 242, 244 242, 245 236 169 245 236

Ez 11,13 Ez 13,5 Ez 23,4 Ez 24,17 Ez 29,5 Ez 29,6 Ez 30,26 Ez 35,12 Ez 36,4 Ez 36,7 Ez 39,4

124 124 3 15 24 226 226 9 94 94 225

Dan 1 Dan 1,1 Dan 1,2 Dan 1,3-7 Dan 1,4 Dan 1,5 Dan 1,8

259, 263, 282 258 279, 287 21 277 259 17

Dan 1,8-16 Dan 1,11-16 Dan 1,17 Dan 1,18 Dan 1,18-21 Dan 1,19 Dan 1,20 Dan 1,21 Dan 1-3 Dan 1-4 Dan 1-6 Dan 1-12 Dan 2 Dan 2,1 Dan 2,4 Dan 2,10 Dan 2,11 Dan 2,14 Dan 2,18 Dan 2,19 Dan 2,20 Dan 2,21 Dan 2,24 Dan 2,28 Dan 2,44 Dan 2,45 Dan 2,47 Dan 2,48 Dan 2-4 Dan 2-7 Dan 3 Dan 3,1 Dan 3,2 Dan 3,3 Dan 3,5 Dan 3,7 Dan 3,9 Dan 3,10 Dan 3,12 Dan 3,14 Dan 3,15 Dan 3,17 Dan 3,18 Dan 3,19 Dan 3,20 Dan 3,21

21 279 14 259 21 277 277 259 254 256 60, 287 257 282, 287 258f. 277 277 285 277 274, 277 274 277 274, 277 277, 282 277 277 277 274f., 283 277 263 263 65, 253f., 270f., 278f., 282, 287f. 258f. 277, 279, 283 279 279 65, 279 277 279 278, 285 278 279 278, 285 278 279 271 271f.

334 | Stellenregister Dan 3,21-23 Dan 3,21-25 Dan 3,22 Dan 3,22f Dan 3,22f[25f] Dan 3,23 Dan 3,24 Dan 3,24f Dan 3,24-25 Dan 3,24-90 Dan 3,24-91 Dan 3,24-91[24] Dan 3,25 Dan 3,26-45 Dan 3,28 Dan 3,29[32] Dan 3,30[33]a Dan 3,30[33]b Dan 3,31 Dan 3,31[98]-33[100] Dan 3,31[98]-4,34 Dan 3,32 Dan 3,33 Dan 3,41 Dan 3,43 Dan 3,46 Dan 3,46-48 Dan 3,46-49 Dan 3,46-51 Dan 3,47f Dan 3,49 Dan 3,49f Dan 3,51 Dan 3,52-90 Dan 3,57-90 Dan 3,89 Dan 3,90 Dan 3,91 Dan 3,91[24] Dan 3,92[25] Dan 3,93[26] Dan 3,95[28] Dan 3,96 Dan 3,97[30] Dan 3,98[31] Dan 3,98-110 Dan 3,99[32]

270ff. 270 272f. 272 280 271ff., 279 270f. 272 271 271 271 278 272, 280 271 277f. 280 280 280 277 275, 277 273 277 278 278 277 272, 280 271 272f. 270f. 271 280 273, 280 280 271 283 277 277f. 270f. 270f. 285 274 275 9 277 277 274 274

Dan 4

259ff., 268, 273f., 277ff., 282, 286 Dan 4,1 258f. Dan 4,1[4] 273 Dan 4,6 285 Dan 4,7[10] 274 Dan 4,10 277 Dan 4,11[14] 274 Dan 4,13 280 Dan 4,13[16] 280 Dan 4,15[18] 262, 282 Dan 4,16 273, 278 Dan 4,16[19] 262 Dan 4,17 277 Dan 4,18 277 Dan 4,18[21] 278 Dan 4,19[22] 261f., 286 Dan 4,20 277 Dan 4,20[23] 277 Dan 4,21[24] 274 Dan 4,22 277 Dan 4,24[27] 273 Dan 4,25[28] 273 Dan 4,25-30 273 Dan 4,26[29] 258 Dan 4,26[29]-30[33] 273 Dan 4,27 277 Dan 4,28[31]-33[36] 275 Dan 4,29 280 Dan 4,29[32] 280 Dan 4,30 260 Dan 4,30[33] 258, 261 Dan 4,30[33]a 273, 277 Dan 4,30b 261 Dan 4,30[33]c 277 Dan 4,30[34]c 274, 276, 278 Dan 4,30[34]c-34[37]c 283 Dan 4,31 277 Dan 4,33[36] 273, 275 Dan 4,34 276f. Dan 4,34[37] 273f., 276 Dan 4,34[37]a 274ff. Dan 4,34[37]a-c 257 Dan 4,34[37]b 276f. Dan 4,34[37]b.c 274 Dan 4,34[37]c 262, 273, 276ff., 285 Dan 4,34[37]-34[37]b 276f.

Stellenregister | 335 Dan 4,34[37]-34[37]c Dan 4,34aβb Dan 4,37B.8-11 Dan 4,37C.3f Dan 4-6 Dan 4-8 Dan 5

Dan 5,1 Dan 5,2 Dan 5,2f Dan 5,3 Dan 5,4 Dan 5,5 Dan 5,6 Dan 5,7 Dan 5,7f Dan 5,7-9 Dan 5,8 Dan 5,9 Dan 5,9-12 Dan 5,10 Dan 5,10bβ Dan 5,10-12 Dan 5,11 Dan 5,11f Dan 5,12 Dan 5,13f Dan 5,14 Dan 5,15 Dan 5,16 Dan 5,16a Dan 5,17 Dan 5,18-21 Dan 5,22 Dan 5,23 Dan 5,23b Dan 5,24 Dan 5,26 Dan 5,26-28 Dan 5,26-29 Dan 5,27 Dan 5,28aβ Dan 5,29 Dan 5,30 Dan 5,31[6,1]

275 276 276 276 254, 257, 279 263 257ff., 265f., 268f., 274, 277, 279, 282, 284, 286f. 265 260, 262, 266 284 284 260, 265, 277, 286 260, 266 260, 262, 266 260, 262, 277, 282 266 267 260 260, 262, 277 284 260 260 284 260, 282, 285 260 260, 262, 277, 285 260 260 260 260, 262, 267, 277 260 260, 265ff. 259 260 260, 262, 266, 277, 286 286 260 266f. 265ff. 267 267ff. 267 260, 277 277 258f.

Dan 5-6 Dan 6 Dan 6,1 Dan 6,1[2] Dan 6,2[3] Dan 6,3[4] Dan 6,4 Dan 6,4[5] Dan 6,5[6] Dan 6,5f[6f] Dan 6,6 Dan 6,7[8] Dan 6,8 Dan 6,8f[9f] Dan 6,9[10] Dan 6,12[13] Dan 6,13 Dan 6,13[14] Dan 6,15[16] Dan 6,16[17] Dan 6,20[21] Dan 6,24[25] Dan 6,26 Dan 6,26[27] Dan 6,26f[27f] Dan 6,26-28 Dan 6,27 Dan 6,27[28] Dan 6,28 Dan 6,28[29] Dan 6,29 Dan 6,29b Dan 7 Dan 7,1 Dan 7,2-12 Dan 7,4 Dan 7,5f Dan 7,7 Dan 7[8] Dan 7,13 Dan 7,14 Dan 7,18 Dan 7,22 Dan 7,24 Dan 7,25 Dan 7,26

256 258ff., 263f., 268, 274, 278f. 258, 283 264 260 260 277 264, 282 262, 264, 286 283 286 286 286 283 264 283, 286 286 283 264 278 278 282 277 278 283 275 277 260, 278, 283, 287 260 263f., 283 263 263 258ff., 282, 286 258, 263 4 260 282 282 262 285, 288 277f., 286 274 274, 277 282 274 277

336 | Stellenregister Dan 7,27 Dan 7-8 Dan 7-12 Dan 8 Dan 8,1 Dan 8,3 Dan 8,4 Dan 8,9 Dan 8,10 Dan 8,11 Dan 8,12 Dan 8,13 Dan 8,14 Dan 8,17 Dan 8,21 Dan 8,25 Dan 8,36 Dan 8,37 Dan 8-12 Dan 9 Dan 9[10] Dan 9,1 Dan 9,3 Dan 9,4 Dan 9,6 Dan 9,9-14 Dan 9,11 Dan 9,13 Dan 9,15 Dan 9,17 Dan 9,18 Dan 9,20 Dan 9,22 Dan 9,23 Dan 9,26f Dan 9,27 Dan 9,28[29] Dan 9,29 Dan 9-12 Dan 10[11] Dan 10,1 Dan 10,11 Dan 10,12 Dan 10,14 Dan 10,19 Dan 10,20 Dan 10,21

274, 277 256 254, 287 258ff., 286 258 274 274 281 274 274, 286 274 286 280 280 280 261, 274 274 274 263 241, 260f. 262 258f., 263, 277 262 241, 262, 277 283 242 2 2 241, 274 286 286 262 277 277 280 286 263 263 256, 263 262 258f. 277 278 277 278 280 277

Dan 11 Dan 11,2 Dan 11,5 Dan 11,6 Dan 11,7 Dan 11,8 Dan 11,9 Dan 11,11 Dan 11,12 Dan 11,13 Dan 11,14 Dan 11,15 Dan 11,16 Dan 11,21-45 Dan 11,24 Dan 11,25 Dan 11,29 Dan 11,30 Dan 11,31 Dan 11,39 Dan 11,40 Dan 11,41 Dan 11,42 Dan 12,1 Dan 12,3 Dan 12,7 Dan 12,11 Dan 12[13] Dan 12,13 Dan 13,3 Dan 13,62 Dan 14,8 Dan 14,31 Dan 14,41 Dan 15-17 Dan 16[19] Dan 19[22]

286 277, 280 280 280 280 280 280 280 261, 278 280 280 280 281 23 286 280 280 280 286 277 280 281 277 274, 280 277 277 286 262 281 2 2 9 225 225 266 282 274

Sus 2 Sus 29 Sus 35 Sus 35a Sus 51-55 Sus 57 Sus 63

278 277 286 286 280 278 277

Bel et Draco 1

283

Stellenregister | 337 Bel et Draco 2 Bel et Draco 3 Bel et Draco 4 Bel et Draco 14-21 Bel et Draco 22 Bel et Draco 25 Bel et Draco 26 Bel et Draco 33-39 Bel et Draco 36 Bel et Draco 41

278, 287 278 278 280 278 277 278 287 277 285

Hos 1,1 Hos 11,1 Hos 13,14

238 170 167

Joel 1,1 Joel 4,11f

238 94

Am 1,1 Am 7,1-6

238 124

Jona 1,1 Jona 4,2-4

238 241

Mi 1,1 Mi 1,5

3, 238 3

Nah 1,7 Nah 1,9-3,19

225 3, 11

Zef 1,1

238

Hag 1,1 Hag 1,10f Hag 1-3 Hag 3,15-17

238 106 107 106

Sach 1,1 Sach 1,16 Sach 1,17 Sach 4,9 Sach 6,14 Sach 6,15 Sach 8,9 Sach 8,10 Sach 12,2 Sach 12,6

238 107 106 107 225 107 107 106 94 94

Sach 14,14 Mal 1,14 Mal 3 Mal 3,14-18 Mal 3,24

94 45 147 146 2

Neues Testament Mt 1,1 Mt 5,43-48 Mt 6,1-4 Mt 7,12 Mt 9,27 Mt 20,8 Mt 20,30 Mt 20,31 Mt 25,35f Mt 27,57f

238 197 15 205 224 15 224 224 15 23

Mk 12,26

2

Lk 2,22 Lk 6,30 Lk 12,16-21 Lk 17,13 Lk 24,44

2 15 206 224 2

Joh 7,23 Joh 19,31

2 23

Apg 10,7 Apg 13,38 Apg 15,5 Apg 16,1 Apg 24,24 Apg 28,23

225 2 2 78 78 2

1Kor 9,9

2

2Kor 9,7 Hebr 10,28

15 2

Offb 1,14

288

338 | Stellenregister Apokryphen 1Esra 5,48 1Esra 7,6 1Esra 7,9 1Esra 8,3 1Esra 9,39

2 2 2 2 2

Ahiqar aram. §53

203

2Bar

229

3Bar

229

1Hen 6-16 1Hen 10,16 1Hen 89,73 1Hen 93,10

298 302 299 302

Jub 2,29 Jub 2,30 Jub 2-50 Jub 22,16 Jub 50,8 Jub 50,12

99 99 306 17 99 99f.

3 Makk 6,12

224

Ode 14,20 Ode 14,24

224 224

PsSal 2,2 PsSal 7,2 PsSal 8,4 PsSal 8,27 PsSal 8,28 PsSal 9,8 PsSal 10,2 PsSal 11,7 PsSal 14,2

224 225 225 225 218, 225 225 225 225 225

Schriften vom Toten Meer CD 15,9 CD 15,12 CD 16,2 CD 16,5

303 303 303 303

CD XI 7b-9a CD XI 10b-11a 1QS 1,10 1QM 2,8f 4Q 251,1-2 4Q 251,4-5 4Q 256,6 11Q 19

99 99 197 99, 100 99 99 99 299

Rabbinische Texte Abot III 2b Abot IV 19 Bava Meṣi‘a 9.12 Berakot IV 4b Berakot IX 5a.d Bikkurim 3 Ḥagiga 1 Ḥullin 1 pT Ketubot 1.1 [25a] Kidduschin 1.1 bT Kidduschin 68b bT Men 109b Middot 3,8b Middot 4,2a pT Mo’ed Qaṭan 3.8 Pe’ah 5 Pe’ah 8 Pesachim X 5b Schawuot 6,15.22 Sota V 4 Sota VII 5d Sota VIII 1c.e Sukka V 4d Tacan. 31a Tamid VII 4 Zevaḥim 13

217 217 15 217 217 12 12 13 20 20 24 222 217 217 15 13 12, 13 217 16 217 217 217 217 23 217 12

Jüdisch-hellenistische Literatur Josephus A.J. 11,6,5 A.J. 11,212-213 A.J. 11,340-347 A.J. 12,3,3-4 §§138-146 A.J. 13,1.1 §5 A.J. 13,62-73

74 74 51 193 106 222

Stellenregister | 339 A.J. 13,255, 281 A.J. 18,8,1 A.J. 19,5,1 B.J. 1,31-33 B.J. 7,420-430

31 172 172 222 222

Philo Al. Opif. 1,17 Al. Plant. § 50 Al. Prob. 1,110 Al. Prob. 1,113

183 222 186 186

Griechische und lateinische Werke Arrian Al. anab. 1,11,5 Al. anab. 2,15,6 Al. anab. 2,15,7 Al. anab. 2,16,3 Al. anab. 2,18,2 Al. anab. 2,18,3 Al. anab. 2,20,1-3 Al. anab. 2,21,4 Al. anab. 2,24,3,5 Al. anab. 2,24,6 Al. anab. 2,26,3 Al. anab. 2,27,3 Al. anab. 2,27,7 Al. anab. 7,4,2

180 43 43 44 44 44 44 44 44 44 45 45 45 175

Diodor Diod. 17,1,5 Diod. 17,17,1-2 Diod. 18,39,5

183 178 181

Euripides Andr. 155 Hec. 102f Hec. 478 Tr. 518 Tr. 574

177 177 177 177 177

Herodot Hdt. 7,136 Hdt. 74,2

64 177

Horaz Oden 1,36,15 Oden 2,3,13

173 173

Homer Il. 1,113-115 Il. 1,133-139 Il. 1,186 Il. 1,323-326 Il. 1,334-348 Il. 1,341-345 Il. 1,353-355 Il. 1,413f Il. 6,208 Il. 6,209 Il. 9,225-306 Il. 9,342-343 Il. 9,343 Il. 9,345 Il. 9,408-409 Il. 9,412-413 Il. 11,784 Il. 20,194 Il. 20,319-322 Il. 20,325-328

176 176 176 176 176 176 185 183 45, 174 45, 175 176 177 176 177 186 185 45, 174 185 185 185

Isokrates Antid. 253-257 Antipatr. 4 Demon. §§1-12 Demon. §2 Demon. §7 Demon. §8 Demon. §13 Demon. §14 Demon. §16 Demon. §17 Demon. §18 Demon. §§18-52 Demon. §19 Demon. §20 Demon. §21 Demon. §22 Demon. §24 Demon. §§24-25 Demon. §25 Demon. §26

206 202 195 207 196 197 195f. 205 195f. 205 198 194 200 193, 195, 201f., 208 205 195, 203, 208 202f. 208 202f. 203

340 | Stellenregister Demon. §27 Demon. §29 Demon. §31 Demon. §32 Demon. §§33-34 Demon. §34 Demon. §35 Demon. §36 Demon. §37 Demon. §38 Demon. §40 Demon. §41 Demon. §42 Demon. §43 Demon. §45 Demon. §46 Demon. §47 Demon. §50 Demon. §51 Demon. §52 Nicocl. 5-9

206 194, 197f., 207 95, 198, 204, 208 204 194 200 195, 200 199 205 207 200 206 204, 207 205, 207 202 199 199 197 198 199 206

Justin Iust. 11,11 Iust. 12,16

184 184

Livius Liv. 34,58,4-6 Liv. 35,16,6

181 181

Lukrez Lucr. 3,912-915

173

Pindar Pi. Frg. 129.130B

186

Plato Apol. 40b Apol. 40a Apol. 41,a-c Gorg. 469b Gorg. 509b Phaedr. 245c Phaedr. 67b Phileb. 57c-d Rep. 338e1-339a3 Rep. 339b7-8

186 186 186 138 138 187 186 200 183 183

Rep. 341a1-2 Rep. 343c3-5 Rep. 343d2-3 Rep. 388c1-2 Rep. 344c5-6 Rep. 344c6-8 Rep. 350c Rep. 350d Rep. 351d Rep. 354a Rep. 354b Rep. 357b Rep. 358a Rep. 361b Rep. 361e-362a Rep. 364b Rep. 365d Rep. 377d-389b 1 Rep. 380b Rep. 380c Rep. 392b Rep. 427e-434c Rep. 441c-444a Rep. 443d Rep. 473c-e Rep. 613a-b Rep. 618e Symp. 208c Symp. 209d

182 183 183 182 183 183 129 129 133 130 129 131 131 131 132 132 131 32 132 132 131 133 134 134 133 133 133 186 186

Plutarch Alex. 2,1 Alex. 2,4 Alex. 3,2 Alex. 12 Alex. 18,1 Alex. 24 Alex. 27,3 Alex. 27,4 Alex. 27,5 Alex. 27,6 Alex. 28,1 Alex. 52,3 Alex. 54,4

183 184 184 44 180 51 184 184 46, 184 47, 184 46 182 47

Pseudo-Platon Ax. 366a

187

Stellenregister | 341 Ax. 371a Ax. 372a

186 187

Sophokles Ai. 894

177

Theognis Thgn. 71-72 Thgn. 145-148 Thgn. 155-160 Thgn. 415-418 Thgn. 869-872 Thgn. 1162

200 207 207 202 203 204

Theophilus Autolyc. 1,2

137

Thukydides I 128,7

177

Vita Alexandri V. Alex. 1,28 V. Alex. 1,29 V. Alex. 1,30 V. Alex. 1,31-34

35 35 35 35

V. Alex. 1,35 V. Alex. 1,41 V. Alex. 1,42 V. Alex. 1,43-45 V. Alex. 1,46 V. Alex. 2,1-6 V. Alex. 2,6 V. Alex. 2,17,7 V. Alex. 2,18,1 V. Alex. 2,22,5 V. Alex. 2,22,8 V. Alex. 2,22,9

35 35 35 36 36 36 36 46 50 46 46 33

Xenophon Anab. 4,10-12 Hell. 5,2,5

64 177

Papyri P. Berolinensis 8935 P. Insinger 25,2 P. Insinger 25,7 P. Insinger 34,18-21

194 200 200 207