Geschichtstheater: Formen der »Living History«. Eine Typologie [1. Aufl.] 9783839424469

Geschichte als Theater: Unter dem Sammelbegriff »Living History« oder auch »Reenactment« wird eine ganze Bandbreite von

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Geschichtstheater: Formen der »Living History«. Eine Typologie [1. Aufl.]
 9783839424469

Table of contents :
Inhalt
1.Das postmoderne Chronosyndrom
2.Einführung: Living History
Historische Vorläuferformen
Geschichtstheater am Ende des 20 Jahrhunderts
3.Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen
3.1 Austesten:Experimentelle Archäologie
3.2 Präsentieren: Living History Interpretation
Museumstheater
Themenparks
Historische Stadtführungen
3.3 Pageantry: Historische Festaufzüge 81
>MittelalterRetro

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Wolfgang Hochbruck Geschichtstheater

Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen History in Popular Cultures | Band 10

Editorial In der Reihe Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen | History in Popular Cultures erscheinen Studien, die populäre Geschichtsdarstellungen interdisziplinär oder aus der Perspektive einzelner Fachrichtungen (insbesondere der Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Ethnologie und Soziologie) untersuchen. Im Blickpunkt stehen Inhalte, Medien, Genres und Funktionen heutiger ebenso wie vergangener Geschichtskulturen. Die Reihe wird herausgegeben von Barbara Korte und Sylvia Paletschek (geschäftsführend) sowie Hans-Joachim Gehrke, Wolfgang Hochbruck, Sven Kommer und Judith Schlehe.

Wolfgang Hochbruck (Prof. Dr.) lehrt Nordamerikastudien und Cultural Studies an der Universität Freiburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Drama und Theater sowie Cultural Studies in der Sicherheitsforschung.

Wolfgang Hochbruck

Geschichtstheater Formen der »Living History«. Eine Typologie

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Barbara Kern, Waldkirch, 2009 Lektorat & Satz: Wolfgang Hochbruck Korrektorat: Aynur Erdogan Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2446-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Vorführung einer historischen Magirus-Feuerwehrspritze durch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Denzlingen 2010 beim Historischen Handdruckspritzenwettbewerb in Waldkirch-Siensbach (Photo wh)

S. 34

Drei Säulen der Living History

S. 64

Colonial

Williamsburg:

Running

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Freedom

aus

der

Szenenreihe Revolutionary City (Photo wh) S. 71

Abraham and Mary Todd Lincoln (Photo Fred Priebe)

S. 96

Anhaltspunkte

S. 102 Römertage im Kleinkastell Pohl, Sept. 2012 (Photo wh) S. 104 Grenadiers, 22ème Demi-Brigade de Ligne (Photo O. Schmidt) S. 107 Site Map 135th Anniversary Battle of Shiloh S. 108 135th Anniversary Battle of Shiloh Event Schedule S.123

»Defending the Union« Allegorisches Tableau Vivant aus der Bühnenschau Der Zweite Freiheitskampf. Mitglieder der Geschichtstheatergesellschaft und Schüler der Gottfried-KinkelRealschule Erftstadt-Liblar, 2002 (Photo wh)

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In Kurt Vonneguts Roman Slaughterhouse-Five, or The Childrens’ Crusade (1969) fällt der Protagonist Billy Pilgrim im Dezember als amerikanischer Soldat 1944 während der Ardennenoffensive aus dem Raum-Zeit-Kontinuum heraus: Vergangenheit und Gegenwart verlieren ihre chronologische Sequentialität. Von nun an kann es Billy passieren, dass er die Tür seines Augenoptikergeschäfts in Ilium, New York, im Jahr 1968 hinter sich schließt und sich im Jahr 1945 und als Kriegsgefangener in Dresden wiederfindet – oder im Veteranenhospital, in das er sich selbst nach dem Krieg eingeliefert hat. Dass die Fähigkeit zur nicht-maschinellen Zeitreise in einem der wichtigsten Romane der literarischen Postmoderne als Resultat traumatischer Kriegserlebnisse und als Fehlfunktion, jedenfalls nicht als erstrebenswert auftritt, wirft einen Schatten auf ein Phänomen, dessen Behandlung im 20. Jahrhundert ansonsten eher Faszination spiegelt: Von H. G. Wells Time Machine (1895) über Ray Bradburys »A Sound of Thunder« (1952) bis zu Michael Crichtons Timeline (1999) ist die Zeitreise Wunsch, Traum und technologische Leistung der besonderen Art. Nun bleiben reale Zeitreisen aller Voraussicht nach außerhalb des Rahmens menschlicher physikalischer Machbarkeit, und in der literarischen Fiktion ist die Zeitreise in der Regel entweder sensationalistisches Vehikel einer ansonsten etablierten Strickmustern folgenden Story (wie bei Crichton), Transporter dystopischer Warnung (wie bei Wells), oder parahistorische Phantasie (wie bei Bradbury). Diese drei Impulse, verstärkt um archäologischen Wissensdurst und erlebnisweltlichen Eskapismus, sind auch hinter der Begeisterung sichtbar, mit der in der Postmoderne die imaginierte Dyschronie zur schon volkssportähnlichen kulturellen Betätigung avanciert ist. Die Fahrzeuge anderweitig unauffälliger Menschen werden an den Wochenenden nicht selbst zu Zeitmaschinen im Sinne der Kontraptionen bei Wells, Bradbury und Crichton, aber zu Zeit-Transportern, die ihre Besatzungen an vorher hierzu ausgewählten Orten abliefern, an denen

8 | Geschichtstheater imaginierte Zeit-Sprünge stattfinden. Die überwiegende Mehrzahl dieser Zeit-Sprünge orientiert sich an historisch fassbaren Daten und an Ereignissen, über die sich die Zeit-Reisenden historisches Wissen angeeignet haben. Die Menge dieses Wissens wird subjektiv für ausreichend gehalten, den Zeit-Sprung zu unternehmen. Anders als in manchen Zeitreiseromanen geht es den Zeitspringern dabei nicht um die Reise, sondern um die Ankunft, um die imaginierte Anwesenheit in Anderzeiten und Anderweltlichkeit, die als Erlebniswelt konstruiert wird. Die vermutete Geschichte wird angeeignet, performativ aufbereitet und dramatisch aufgeführt, wobei die wichtigste Grundannahme die ist, es handele sich nicht um eine Aufführung eines historischen Stoffes an sich (also Enactment wie im Geschichtsdrama), sondern um eine Wieder-Aufführung von etwas, was sich so oder zumindest in hinreichender Ähnlichkeit abgespielt hat: Re-enactment. ›Geschichte‹ wird in diesen Inszenierungen kommodifiziert und aus einer Reihe von Möglichkeiten als Unterhaltungsstoff und Identitätsangebot ausgewählt. Dahinter steht häufig die Vermutung, in der imaginierten Vergangenheit seien die Verhältnisse überschaubarer, das Leben im thoreau’schen Sinne ›einfacher‹ und die ökopolitische Lebenssituation sauberer gewesen. Mit derselben Vermutung reisen Besucher in Freilichtmuseen, von denen viele ebenfalls mit Live-Interpretationen belebt sind, die historische Lebensweltlichkeit simulieren. Mit Reenactments und Living History-Interpretationsprogrammen in Museen sind nur die zwei wichtigsten der zahlreichen Typen erfasst, in denen sich die (Wieder-)Aufführung von Geschichte in der Gegenwart manifestiert: Historisierte Teile von Themenparks, die beliebten ›Mittelalter‹-Märkte und Stadtfeste, Stadtführungen durch Nachtwächter und Figurendarsteller in mehr oder weniger historischer Gewandung, die Cons des Live Action Role Play-Hobbys, sogar der periodisch auftretende Retrochic in der Mode gehören mit zur Bandbreite der Erscheinungsformen; sogar der stellenweise schon früher bedenklich an die Disneylandisierung heranreichende Wiederaufbau historischer Gebäude und Gebäudekomplexe in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu diesem gesellt sich gegenwärtig eine zweite (Re-)Konstruktions-Welle, die z.B. in Frankfurt seit 2012 einen ganzen Block des alten Stadtkerns wiedererstehen lässt, 68 Jahre nach seiner Zerstörung und dem modernen Neuaufbau. Selten hat es so viel Geschichte gegeben wie seit Francis Fukuyama das Ende der Geschichte verkündete. Erst recht nicht hat es sie in dieser Menge und Ausprägung als erlebbaren und begehbaren Zeit-Raum gegeben: Schon 1993 listete das Events Diary der English Heritage Assoziation 197 Living HistoryVeranstaltungen auf einer chronotopischen Skala von der römischen

Das postmoderne Chronosyndrom | 9 Invasion Britanniens bis zum Zweiten Weltkrieg. Seither hat die von Reenactments erfasste Zeitspanne weiter ausgegriffen – Neolithikum und Bronzezeit kamen im Gefolge spektakulärer archäologischer Funde wie der Ötztaler Gletschermumie und der Himmelscheibe von Nebra hinzu, und am anderen Ende der Skala sind die Hippiebewegung und der Vietnamkrieg hinzugetreten. Fast scheint es, als sei die »Simulation Frenzy«, wie der Stuttgarter Filmemacher Martin Wolf dieses Phänomen in Kunst, Literatur, Film, Architektur und sogar Stadtplanung einmal genannt hat (pers. Komm., 1999), ein konstitutives Merkmal dieser die vorhergegangenen Perioden von spielerisch über kritisch bis parodistisch spiegelnden Fortsetzung der Moderne. Simon Reynolds Retromania (Reynolds 2012) geht einen Schritt weiter: Das allenthalben zu beobachtende Retrosyndrom interpretiert er als Überbauphänomen des Finanzkapitalismus, das eine so un-real wie das andere; Werte, die früher in Hand- bzw. Industriearbeit geschaffen wurden, werden als Simulationen in einem Paralleluniversum verwaltet (Gross 2012: 59). Dass die Parallelwelten nicht (mehr) getrennt von der sogenannten Realität existieren, soll dieser Band belegen. Auch wenn zu bezweifeln ist, dass die Effekte des Geschichtstheaters jemals in ihrer Reichweite an die der Krise der Investmentbanken heranreicht, sind doch Beispiele aus der neueren Politikgeschichte wie die Einflüsse von Live-Rollenspiel auf die sogenannte Piraten Partei (Kunze 2012: 4) oder das SelbstReenactment alternder amerikanischer Schauspieler in der Politik wie Ronald Reagan oder Clint Eastwood bedenkliche Zeichen für die Nähe von Lebens- und Live-Rollen-Erlebnisweltlichkeit, und für die Verwechslungsgefahr, die davon ausgehen kann. Und schließlich ist es die eigenartige Verbindung aus Konsum und Religion in der Retromania, die Aufmerksamkeit verdient. Es handelt sich bei den im Folgenden geschilderten Phänomenen um Present Pasts im Sinne Andreas Huyssens (Huyssen 2003: 2), um Vergegenwärtigungen, deren Transfer in die Gegenwart sich aber nicht palimpsestartig überschreibt, sondern die eigene Verschiebung thematisiert. In der Praxis wird dabei meistens allerdings nicht mit berücksichtigt, dass die Präsentation von vermeintlicher Vergangenheit tatsächlich eine zweite Ableitung von Geschichte ist – durch den Aufarbeitungs- und Narrativierungsprozess der Geschichtsschreibung gegangen und dann professionell oder von Amateuren museumspädagogisch und geschichtsdidaktisch zum Selbst- oder Fremdkonsum wieder vierdimensional aufbereitet. Die Nähte und Säume bleiben dabei in der Regel in typisch postmodernem Format sichtbar, was den Auftritt vor der Verwechslung mit der realen Vergangenheit bewahrt (oder wenigstens bewahren sollte),

10 | Geschichtstheater ihm aber seine Pastness im Sinne Cornelius Holtorfs (Holtorf 2010, s.u.) belässt. Ich habe zwischen 1994 und 2002 aktiv an Reenactments in USA, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland teilgenommen und danach weiter in Schulen und Museen als Living History Interpreter Vorträge gehalten und Workshops mit Schulklassen und Besuchern durchgeführt. Geschichtstheater war dabei immer didaktisches Vehikel: Die 1996 gegründete Geschichtstheatergesellschaft e.V. entstand aus dem Geist der Geschichtswerkstätten der achtziger Jahre, insofern wir einsehen mussten, dass manche Themen wegen konfligierender Zuständigkeiten oder Interessen unbeachtet geblieben waren und Vorträge und Veröffentlichungen allein nicht viel nutzen würden. Unser Hauptthema war der zivile wie militärische Einsatz der nach der Niederschlagung der Revolutionen aus Europa geflohenen »Achtundvierziger/Fortyeighters« (Hochbruck/Bachteler/ Zimmermann 2000) im amerikanischen Bürgerkrieg, den wir für ein externes Kapitel deutscher Demokratiegeschichte halten, das größere Bekanntheit verdient hat. In diesem Zusammenhang haben wir Schulprojekte, Museumstheater und Vorführungen bei Stadtfesten und Gedenktagen inszeniert; also einen ganzen Teil der Bandbreite, die in diesem Band abgedeckt wird. Von 2007 bis 2010 wurde das Teilprojekt »Geschichtstheater: (Re-) Kon-struktionen nordamerikanischer histori-scher Lebenswelten« der FOR 875 Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Der vorliegende Text ist Fortschreibung und wissenschaftliche Erweiterung des im Vorfeld der Antragsstellung an die DFG entstandenen provisorischen Handbuchs Geschichtstheater, das 2005 und 2006 in kleinen Auflagen in der Schriftenreihe der GTG in Remseck am Neckar erschienen und allem für Praktiker gedacht war. Dank an Aynur Erdogan für ihre Hilfe bei der Endredaktion. Für Unterstützung und Hinweise während der Arbeit an diesem Buch danke ich meiner Frau Sabine, Christina Cott, Christof Ungerer und Jürgen Dick von der GTG, Gordon L. Jones, Tony Horwitz, Cal Kinzer, Douglas A. Harding, Bill Brewster, Joe Reinhardt (†), Bill Rambo, Bill Christen, Doc und Alice Calloway, Charles A. Golden, Michael und Neathery Fuller, Imke Rathje, Carolyn Oesterle, Lena Hauenstein, Barbara und Thomas Kern, David Th. Schiller, Mark Wallis von Past Pleasures, Martin Klöffler und Ullrich Brand-Schwarz von Facing the Past, der »Widow« Betty Barfield und ihrem lebendigen Gatten Brad, sowie Dietmar Schakols (†) und den Kameraden vom von uns dargestellten 3rd Missouri Regt. Volunteer Infantry (U.S.): »We drank from the same canteen«.

  ( , 1 ) h + 5 8 1 *   / , 9 , 1 *  + , 6 7 2 5 <  »People are interested in constructing authentic relationships with a particular retelling of the past, and that past assists in the construction or reaffirmation of a sense of identity« (Rowan 2004: 263)

Diese Studie soll als eine (Ein-)Führung auf die verschiedenen Felder der inszenierten und theatralen Repräsentationen von Geschichte dienen. Sie ist an einer typischen Cultural Studies Kreuzung lokalisiert, wo eine selbst für dieses polydisziplinäre Feld große Zahl von Disziplinen aufeinander trifft: Medienstudien und Theaterwissenschaften, Archäologie, Sozio- und Kulturanthropologie, Tourismusstudien, Militärgeschichte, Literatur- und Erziehungswissenschaft. Auf die Einführung und eine kurze Herleitung des Phänomens folgt im dritten Kapitel eine in dieser Form bisher nicht vorliegende Typologie des Geschichtstheaters. Worum es allenfalls sehr randständig gehen wird, sind die psychosozialen Motivationen der (Schau-)Spieler des Geschichtstheaters. Hierzu gibt es viele Mutmaßungen, manch Denunziatorisches, einige Selbstaussagen und wenig Brauchbares (eine Ausnahme ist Jones 2010). Geschichtstheater sind Präsentations- und Aneignungsformen historischer Ereignisse, Prozesse und Personen mit Praktiken des Theaters – Kostümierung, personalisierende Dramatisierung, Inszenierung – im öffentlichen und halböffentlichen Raum. Dem Begriff Geschichtstheater wird im Folgenden wo möglich der Vorzug vor Jay Andersons Living History gegeben (Anderson 1982), weil damit zum einen die Geschichtlichkeit im Vordergrund steht, gleichzeitig aber die wesentliche Komponente der performativen Darstellung abgebildet ist. Der Begriff Living History ist zudem insofern ungünstig, als er oxymoronisch ist. Es gibt keine Möglichkeit, das Vergangene wieder aufstehen zu lassen (Peterson 1988) und Vergangenheit ist zudem nicht Geschichte, sondern eben Vergangenheit, the past, das außerhalb der Zeitreisephantasie Irreversible und gleichzeitig das niemals in seiner vollen Ausdehnung und Komplexität Greifbare. Im Unterschied zur Vergangenheit ist Geschichte das Narrativ, das die jeweilige Gegenwart sich von diesem Vergangenen auf der Basis des

12 | Geschichtstheater darüber substrathaft noch vorhandenen, des in einem Rekonstruktionsprozess wieder zusammengetragenen und des aus welchen Gründen auch immer wahrgenommenen Wissens gemacht hat. Geschichte impliziert insofern immer die Möglichkeit der Differenz, der anderen und abweichenden, Um-Inter-pretation. Ursprünglich in Geschichten, Legenden, Mythen und im dramatischen Vortrag bzw. Spiel wiedergegeben sind Geschichtsereignisse immer eine Sache der jeweiligen Gesellschaft. Dies trifft auch auf die Geschichtswissenschaft allgemein zu: Sei es auf der Basis neuer Daten, die z.B. im Überschneidungsbereich zur Archäologie eingebracht werden, oder sei es aufgrund wechselnder ideologischer Erscheinungen im hegemonialen Diskurs der Geschichtsschreibenden in ihrer spezifischen Abhängigkeit von den jeweiligen Verhältnissen, können sich die Geschichten von der Geschichte z. T. deutlich verändern. Gleichzeitig hat der wissenschaftliche Diskurs bisher kaum Platz gelassen für Citizen Scholars und sonstige Formen der Beteiligung. Geschichtstheater als Geschichtsschreibung zum Selbermachen, als Participation Historiography (Hochbruck/Schlehe 2010: 18) und als Wiederaneignung der Diskursmacht (Hochbruck 2012: 195ff.) ist insofern eine Konsequenz demokratischer De-Hierarchisierung. In Deutschland ist das in mehreren Schritten zu beobachten. Die Botmäßigkeit vieler Historiker gegenüber kaiserlicher und NS-Autorität war zwar in der Bundesrepublik nicht mehr gefordert, trotzdem ist die unterschwellige Legitimationskrise der Geschichtswissenschaft und die Entstehung der Geschichtswerkstätten seit den siebziger Jahren auch vor diesem Hintergrund zu sehen (Heer/Ullrich 1985). Die Vorbilder kamen aus Skandinavien – Sven O. Lindqvists programmatisches »Gräv där du står« (1978) wertete Lokalgeschichte und ›Geschichte von unten‹ auf – sowie aus Großbritannien und USA. Mit Versuchen zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen (Lüdtke 1989) war der Schritt zur praktischen Aneignung dieser Rekonstuktionen nicht weit. Parallel hierzu spielte sich eine zweite (Wieder-)Aneignung ab: Der fortgesetzte Missbrauch von Volkskunst und Volksmusik durch dieselben Kräfte, die im ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Geschichsbild hegemonial überformt hatten, schien nur wenig Originäres und Brauchbares zurückgelassen zu haben. Die FolkBewegung der siebziger Jahre bediente sich denn auch zunächst bei angelsächsischen und besonders bei irisch-keltischen Quellen und Vorbildern, griff dann aber nach und nach beherzter auf z.B. in Wolfgang Steinitz Sammlung (Steinitz 1954/1962) Vorhandenes oder im Deutschen Volksliedarchiv wiederentdecktes Material zu: Eric Hobsbawms berühmtes Diktum von der Invention of Tradition ließ sich selten so gut als positiver Impuls beobachten. Durch Kommerzialisierung brach

Einführung: Living History | 13 die Folk-Szene als Musikplattform nach 1985 ein; ihre Protagonisten blieben aber z.T. in der linken und der ökologisch-alternativen Szene aktiv. Eine historisch weiter rückwärts gewendete Sproßform wurde Ausgangspunkt und wesentlicher Teil der Mittelalter-Bewegung (s.u. zu den ›Mittelaltermärkten‹) seit 1990. Verständlicher- und angesichts des angehäuften Wissens auch sinnvollerweise bildet trotz der Skepsis gegenüber ihrer Autorität und mehr noch gegenüber ihrem autoritativen Auftreten die akademische Geschichtswissenschaft weiterhin den Hintergrund für die Arbeit von Geschichtstheater jeglicher Art: Tatsächlich sind […] zumindest diejenigen Darstellungen von Geschichte, die in den qualitativ höherwertigen Amateur-Reenactments ebenso wie im historisch und museumspädagogisch begleiteten und reflektierten Museumstheater zur Aufführung kommen, der traditionellen geschichtswissenschaftlichen Forschung in aller Regel sehr direkt verbunden. Zumal, wenn sich die Wiedergaben, Ausstellungen und Vorführungen auf älteres Quellenmaterial stützen, werden in der Regel nicht diese Quellen studiert, sondern deren edierte Ausgaben oder deren in wissenschaftliche Abhandlungen umgegossene Aussagen und Gehalte. Es handelt sich damit bei Museumstheater und sogenanntem Hardcore Reenactment sozusagen um zweite Ableitungen der historischen Ereignisse insofern, als Ablauf und Zusammenhang dieser Ereignisse bereits von etablierten Geschichtswissenschaftlern auf der Basis der Datenlage zu einem sinnstiftenden Narrativ zusammengefügt worden sind (Hochbruck 2009a: 165).

Den ohnedies irreversiblen Begriff Living History neben Geschichtstheater weiter zu verwenden hat zwei Vorteile. Zum einen ist die oxymoronische Diskrepanz zwischen Geschichtsnarrativ und (angestrebter) Lebendigkeit sichtbarer als in Geschichtstheater, das als komplementäre Begleitinstanz (miss-)verstanden werden könnte, zum zweiten liegt in der unhintergehbaren Widersprüchlichkeit auch eine Chance dafür, dass die der ganzen Kulturpraxis zu Grunde liegende Ironie, das permanente ›Als Ob‹, das einer der Grundzüge der (Post-) Moderne ist (und absehbar bleiben wird) auch terminologisch sichtbar bleibt. So nah sich die extremsten Operateure des Hardcore Reenactment und die bestrecherchierten Interpretationsprogramme und ihre Darsteller auch an die Vergangenheit herangearbeitet haben; es bleibt ein nicht überbrückbarer Restbestand an Unzugänglichkeit. Im Sinne Erika Fischer-Lichtes sie als »gar nicht anders denn als einmalige Ereignisse im Hier und Jetzt zu konzeptualisieren« (Fischer-Lichte 2012: 13), ist gleichwohl aus theaterwissenschaftlicher Sicht möglich, greift aber für einen historisch operierenden Cultural Studies Ansatz zu kurz, da ein großer Teil der Spannung ja erst aus dem Verhältnis zwischen der Darstellung in der Gegenwart und dem Bild der Geschichte entsteht. Das

14 | Geschichtstheater Bewusstsein der zwangsläufigen Ironie dieses Verhältnisses zum Beispiel ist bei der ganzen Bandbreite von Möglichkeiten in der kulturellen Postmoderne, die Gegenwart zeitweise und spielerisch in die eine oder andere Richtung zu verlassen nicht immer und auf allen Ebenen vorhanden, was zu Missverständnissen und unfreiwilliger Komik führen kann (s.u.). Die gegenwärtige »Simulation Frenzy« begann nicht erst mit Jean Baudrillards Analyse von »La précession des simulacres« (1978). Die Praxis ging der Theorie voraus. Wiederaufführungen kultisch oder historisch als bedeutsam erlebter oder festgelegter Ereignisse gestalten jeden religiösen Ritus und jedes höfische Zeremoniell, Geschichtsdrama für Nicht-Dabeigewesene gab es schon in der Antike, und in manchen Gesellschaften ist die Epimethie konstitutives Element: So hat z.B. William Faulkner 1948 in Intruder in the Dust im Zusammenhang mit dem als »Pickett’s Charge« legendären Sturm der Konföderierten gegen die Unionsstellungen bei Gettysburg am dritten Juli 1863 die Vergangenheit als nicht nur nicht tot, sondern nicht einmal vergangen bezeichnet (Faulkner 1948: 194). Nun war und ist das ländliche Mississippi, aus dem heraus Faulkner schrieb, eine jener Gegenden, in denen historische Fakten von jeher nur ein Aspekt dessen waren, was als gefühlte Wirklichkeit die erlebte Umwelt ausmacht. Erst mit der Hyperrealität, die Baudrillard auf Grundlage einer mit Fernsehbildern überschütteten Gesellschaft entstehen sah, werden allerdings einerseits die Grenzen zwischen dem Medialen und dem Sozialen aufgelöst und wird Realität eine Lebenswirklichkeit des künstlich (Re-)Produzierten (Barker 2009: 342). Gleichzeitig wird andererseits die Auflösung des Glaubens an Metanarrative und starre Gesetzmäßigkeiten zur Möglichkeit. Schon Friedrich Nietzsche hatte darüber spekuliert, dass Historie nicht etwas Feststehendes sei, und man muss nicht gleich mit Elisabeth Bronfen jedem die Möglichkeit einräumen, »historische Fakten – die nur als originale Anschauungsmetaphern wahrgenommen werden können – umzuschreiben, und zwar für seine Bedürfnisse« (Bronfen 2000: 42), um zu sehen, dass mit der prinzipiellen Abkehr von Metanarrativen auch Hierarchien des Wissenstransfers gelockert werden. Das eröffnet eine Zugriffsfähigkeit, ein Mit-Redenkönnen auch in Fragen der Geschichte und Geschichtlichkeit – eine Entwicklung, die man als Teil des demokratischen Prozesses in den westlichen Gesellschaften generell begrüßen kann, die aber nicht zwingend zum demokratischen Vortrieb genutzt wird, sondern immer auch die Möglichkeit reaktionärer Gegenrede umfasst (Hochbruck 2012: 196). Nicht jeder, der mitredet, ist ein Citizen Scholar im besten Sinne; die neuen Mög-

Einführung: Living History | 15 lichkeiten zur Teilnahme an der Aushandlung von historischen Bedeutungen rechtfertigen keinen Rückzug der Fachhistoriker; im Gegenteil. Das Geschichtswissen der heranwachsenden Generationen wird von Fernsehdokusoaps, ›Mittelalter‹-Markttreiben und Reenactment möglicherweise ebenso stark geprägt wie vom Geschichtsunterricht, wenn nicht sogar stärker. Hinzu kommt, dass Living History trotz der Ausweitung zum Volkssport zahlenmäßig natürlich längst nicht an die Prozentsätze herankommt, die von keiner Sportart (mehr) erreicht werden und also auch nicht von dieser. Für die weit überwiegende Mehrheit der Menschen in den westlichen Ländern (auf die sich diese Studie weitgehend beschränkt) ist eine Reduktion auf rezeptiv dominierte kognitive Prozesse mittlerweile die Regel. Das muss nicht heißen, dass diese Menschen ein Dasein als sprichwörtliche Couch Potatoes führen. Es ist aber unumstritten, dass diese Extremform des rezeptiven Lebens Auswirkungen hat: sechs Stunden Fernsehkonsum bedeuten nun einmal mit einer gewissen Zwangsläufigkeit, um mit David Foster Wallace zu sprechen, Änderungen der Selbstwahrnehmung des Zuschauenden, der sich irgendwann beim Zuschauen zuschaut (Wallace 1997: 34). Aktives Zuschauen ist vielfach bereits die Grenze dessen, was Imagination und Antrieb zulassen. »Aktives Zuschauen« soll deshalb im Folgenden im Sinne der Performance Theory jene Form von geplanter Spontaneität, erlebnisorientierter Handlungsvorgabe und vordergründig begriffener Fiktion einer Realität heißen, die besonders in den beliebten Freizeit- und Themenparks, aber auch in Museen und auf den sogenannten MittelalterMärkten den Zuschauern wegen des – wie Carolyn Oesterle herausgestellt hat (Oesterle 2010) prinzipiell performativen Charakters der Zuschauerbeteiligung Aktivität im Sinne eigener kognitiver, Wissen aquirierender Leistung suggeriert. Hierauf wird näher einzugehen sein, wenn es in Kap. 3 darum geht, die zunehmende Vermischung von Erlebnis-Tourismus, Kunstmarkt und Geschichts-Ort zu analysieren. Diese Studie beschäftigt sich jedoch nicht vornehmlich mit Rezeptions-, sondern mit Produktionsprozessen und –methoden sowie mit den Produzenten: Das Oxymoron der Living History nach Herkunft, Bandbreite ihrer Erscheinungsformen und Einordnung in die Mediengesellschaft. Während Archäologen seit Jahrzehnten durch experimentelle Anwendung Hypothesen zum Gebrauch von Objekten, zu Lebensformen und Alltagspraktiken überprüfen, Freilichtmuseen in Skandinavien, USA, Großbritannien und den Niederlanden mit interaktiven Lernformen durch den Einsatz »historischer Interpretation« mithilfe zeitgenössisch kostümierter und ausgebildeter Darsteller arbeiten, während Zehntausende Reenactments und die immer beliebter werden-

16 | Geschichtstheater den sogenannten Mittelaltermärkte besuchen oder selbst daran teilnehmen, gibt es bisher nur wenige Ansätze, diese Entwicklungen rollenspielerischer Dyschronie kulturtheoretisch einzuordnen oder wenigstens typologisch zu erfassen. ›Präsentation‹ ist dabei bedeutungsmäßig doppelt aufgeladen: Zum einen ist das museologisch informierte Präsentieren historischer Objekte, Fakten und Verhältnisse gemeint, wie es traditionelle Museen über die Bildung, Konservation, Erschließung und letztlich Vermittlung von Sammlungen seit dem frühen 19. Jahrhundert betreiben, zum anderen die spezifische Art, über dramatische Aufführungspraktiken historische Lebenswelten in der ein oder anderen Form in die Gegenwart, ins Präsens zu holen. Im Ergebnis entstehen daraus simulierte Gleichzeitigkeiten von chronotopisch ungleichzeitigen Verhältnissen. Die Mischung historischer Zeitstufen im kulturellen Diskurs ist ein typisches Phänomen der Postmoderne, ermöglicht durch die Dominanz dessen, was Jean Baudrillard Simulakren genannt hat, und der Kultur des »Als-Ob«: Ironie, vom griechischen ǼȚȡȠȞİȚĮ abgeleitet, heisst zunächst einmal genau das, und damit ist der entscheidende Schlüssel für das gesamte Feld der Erscheinungsformen simulierter Zeitverschiebungen/ Dyschronien genannt. Es handelt sich um ein »Als-Ob« auf der Basis historischen Wissens bzw. von Annahmen hierüber konstruierter und simulierter Ander-Zeiten, in die sich Darsteller und Zuschauer bewusst hineinversetzen bzw. einbeziehen lassen. Das Phänomen ist nicht auf Museen und Mittelalter-Märkte beschränkt; es hat nicht einmal von dort aus seinen im Wortsinne dramatischen Aufschwung genommen. In die kulturelle Postmoderne seit den fünfziger Jahren kam der simulierte Zeitsprung über die Art, wie Zitate vergangener Perioden speziell in Kunst und Architektur in die Gegenwart im Wortsinne eingebaut werden. Historische Gebäude etwa werden dabei im Inneren ausgekernt und hochmodernisiert; ihre Fassade bleibt als im Wortsinne vordergründige Simulation des früheren Baus stehen. Der Unterschied zur primär renovatorischen, erhaltenden Bearbeitung wird noch deutlicher, wenn man beobachtet, wie an neu gebauten Häusern Stilelemente aus früheren Epochen als Zitate eingefügt werden. Wir haben uns an diesen Umgang mit historischen Bauten und Baustilen im öffentlichen Raum weitgehend gewöhnt; Widerstand regt sich allenfalls, wenn wie in Braunschweig einem riesenhaften Einkaufszentrums-Block die nachgebaute Fassade der 1960 abgerissenen Kriegsruine des Schlosses als groteske Geschichts-Chimäre vorgeblendet wird. Der historisierende Stil, der Erhalt alter Fassaden und andernorts der historische Vorläuferbauten zitierende Stil eines Neubaus werden zumindest zeitgenössisch auch von der Mehrheit als ästhetisch

Einführung: Living History | 17 ansprechender empfunden als der Beton-Brutalismus der sechziger Jahre. Der dahinter stehende museale Impuls sowie die Tatsache, dass hier Geschichte im Bau- und Renovierungsprozess aus der zeitlichen Abfolge herausgenommen und verräumlicht wird, ist den wenigsten bewusst oder wird es allenfalls da, wo ein nicht mehr vorhandenes Bauwerk wie die Dresdner Frauenkirche als dyschronisches Produkt wieder entsteht. Es handelt sich nicht um ein wirklich neues Phänomen. Das Entfernen von Objekten am ursprünglichen Verwendungsort und ihre Umsetzung in einen reverentiellen Kontext ist schon in den Wunderkammern des 17. Jahrhunderts vorhanden (Greenblatt 1991: 44). Die Entwicklung zur Verräumlichung der Geschichte und zur Dyschronie setzt spätestens mit dem Wechsel von der romantischen Periode zum nationalstaatlichen Geschichtsverständnis des 19. Jahrhunderts ein. Für William Wordsworth waren die Ruinen der Abtei, die er im Titel seiner »Lines Written a Few Miles above Tintern Abbey« erwähnte, Abbild eines pittoresken Verfalls und deshalb schön – in dieser Zeit wurden sogar romantische Ruinen als Neubauten in Gartenanlagen hineingebaut, oder es wurden, wie z. B. in Badenweiler, Gärten um vorhandene Ruinen herum angelegt. Die heute so selbstverständlich erscheinende Um- und Aufwertung der Burg- oder Schlossruine vom Überrest einer weite Teile der Bevölkerung jahrhundertelang unterdrückenden Zwangsherrschaft zum ›schönen‹ Objekt wurde in den folgenden Perioden mehr oder weniger konsequent weitergeführt und -gedacht: Nun wurden Burgruinen nicht nur romantische Bildobjekte und Stichwortgeber, sondern auch noch Ausdruck einer nationalen Geschichte, die es für nationale Sinnstiftung zu erhalten galt. Die Abtei von Tintern ist heute – wie zahllose andere Ruinen im Inund Ausland – in einem mehr oder weniger zufälligen Zustand des Verfalls stabilisiert und sogar stückweise rekonstruiert. Ihren Zweck erhalten sie und andere Burg- und Klosterruinen als touristische Attraktion, wobei der Gedanke des nationalen Erbes im Sinne der Stiftung Denkmalschutz in der Öffentlichkeit längst nicht (mehr) so präsent ist wie die nach wie vor romantische Idee, das so in seinem Zustand aus dem fortlaufenden Verfallsprozess Herausgenommene sei sehenswert. In Einzelfällen wurde die Zeit sogar nicht nur arretiert, sondern – simuliert – zurückgedreht: Burgen wie die Wachenburg bei Weinheim, die Hochkönigsburg im Elsass oder auch das Römerkastell Saalburg wurden wieder- bzw. neu aufgebaut, so, wie man sich ihr historisches Aussehen vorstellte. Hier kommt nun das Phänomen der Dyschronie wieder ins Spiel, bzw. der Anteil der Imagination an der Konstruktion des Historischen als Anderweltlichkeit. Jonathan Swift konnte seine als Gulliver’s Travels

18 | Geschichtstheater bekannt gewordenen Gesellschaftssatiren im 18. Jahrhundert noch auf fiktive Inseln irgendwo im Pazifik in der Nähe des sagenumwobenen Japans verlagern. Im späten 19. Jahrhundert aber waren mit der Erforschung der letzten weißen Flecken auf den Weltkarten und der offiziellen Schließung der amerikanischen Frontier keine real existierenden Orte mehr für Phantasiewelten und Utopien vorhanden – diese wanderten entweder in den Bereich der Science Fiction, also auf die Ebene des technologisch Wundersamen, oder sie verschoben real existierende Orte auf der Zeitschiene. Allerdings phantasierten die wich-tigsten Texte des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts noch vorzugsweise Zukünfte: Herbert George Wells’ ließ seinen Wissenschaft-ler eine aus Metall, Glas, Holz und bezeichnenderweise Elfenbein konstruierte Zeitmaschine erfinden, die ihn am Ort in eine dystopische Züge tragende Zukunft fährt; und in Edward Bellamys Looking Backward (1888) verbringt die Hauptfigur über 100 Jahre in einer unter ihrem Haus eingebauten speziellen und geheimen Schlafkammer, um im Boston des Jahres 2000 zufällig wiedergefunden zu werden und in einer friedlichen, sozialistischen Zukunftsgesellschaft aufzuwachen. Beiden Texten eignete ein Unbehagen an der Gegenwart, das auch in zahlreichen politischen Essays der Zeit augenfällig ist: Die ausgehende viktorianische Periode schloss ein Kapitel enormer und zum großen Teil aus dem Kolonialsystem bezogener Prosperität ab, der erste Weltkrieg kündigte sich nicht nur in fiktionalen apokalyptischen Visionen an. Bellamys Schläfer verschwindet wenige Wochen nach dem Justizmord an den Anarchisten, denen die Haymarket-Bombe zur Last gelegt wurde, aus einer Gesellschaft, in der das, was im Roman das »Rätsel der Sphinx der Arbeits-Situation« genannt wird – die zunehmend brutalisierte Auseinandersetzung zwischen rücksichtsloser Ausbeutung und gewerkschaftlichem und anarchistischem Widerstand – mit einer Welle von Arbeitskämpfen dem gebildeten Großbürger anscheinend eine Flucht aus der Gegenwart nahe legte – in die eine oder die andere Richtung.

+LVWRULVFKH9RUOlXIHUIRUPHQ Ein Jahrhundert später sind utopische Zukunftsvisionen Raritäten, und wenn jemand noch einen solchen Entwurf wagt, dann gerät er zur AntiDystopie wie Ernest Callenbachs Ecotopia (1975). Die Alternative zum großen Entwurf gegen die Gefahren und das Zerstörungspotential der Gegenwart wird statt dessen in einer kuriosen Rückwärtswendung die simulierte Dyschronie: Eine vergleichsweise kleine Flucht in eine Vergangenheit, über die man genug und jedenfalls mehr zu wissen glaubt als über die mögliche Zukunft, und die gegenüber den Denkbarkeiten

Einführung: Living History | 19 dieser Zukunft die Sicherheiten einer idealisierten Raum-Zeitlichkeit mit festen Grenzen suggeriert. Eine der Kuriositäten der ›Mittelalter‹-Szene der Gegenwart ist, dass sich dort eine ganze Reihe der Friedens-, Ökound Menschenrechtsbewegten der siebziger und achtziger Jahre eingefunden zu haben scheint. Hierauf wird zurückzukommen sein. Beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass Idealisierungen und Fluchten in Vergangenheiten keineswegs ein Phänomen allein des ausgehenden 20. Jahrhunderts sind bzw. waren. Tatsächlich waren dystopische wie utopische Perspektiven auf die Zukunft in der Minderzahl; als erlebnisweltliche Praxis konstruiert werden vor allem Phantasien von Vergangenheiten. Die ambivalent ideologisierte ›gute alte Zeit‹ erscheint vor diesem Hintergrund als Resultat der Kombination der Ästhetik der Romantik mit dem nationalstaatlichen Denken des 19. Jahrhunderts. Ihre oberflächlichen Ausdrucksformen sind die Schaffung einer bürgerlichen Erinnerungskultur durch Denkmäler im öffentlichen Raum, opulent ausgestattete Historiendramen auf dem Theater, Kostümbälle, historische Festumzüge an Jahrestagen (Glassberg 1990), und im halb-privaten Bereich durch die beliebte Form der Tableaux Vivants (siehe z.B. Head 1860) in denen in aufwändiger Aufmachung historische Gemälde oder nationalhistorisch bedeutsame Szenen nachgestellt wurden. Besonders in Adelskreisen waren Ritterspiele beliebt; Ausdruck der Sehnsucht nach einer Ritterlichkeit, die man im Mittelalter in dieser Form jedenfalls vergeblich gesucht hätte. Ritter spielen hatte (und hat) dabei eine weit zurückreichende Tradition. Bezeichnenderweise war es der Renaissance-Kaiser Maximilian I, der an seinem Hof Turniere reiten ließ, deren Teilnehmer gekleidet und bewaffnet waren wie Ritter der Stauferzeit – zur selben Zeit, als er in der Waffentechnik Artillerie als systematisch verwendete Waffengattung einführte (vgl. Mullaney 1983: 45). Der offensichtliche Zukunftsvortrieb in Technik und Gesellschaft bringt eine rückwärtsgewandte Flucht in eine Epoche mit sich, die nostalgisch ausgeleuchtet die ideale Zeit des Rittertums eher zu verkörpern schien als die Gegenwart, zumal deren Technologieschübe sich eben anschickten, die Reste dieser Epoche zu beseitigen – einschließlich der Möglichkeit, dass ein notdürftig trainierter Tagelöhner als Kanonier einen jahrelang ausgebildeten Ritter aus dem Sattel schießen konnte. In Japan hatte die gesellschaftliche Oberschicht hierauf mit der Wiederabschaffung von Feuerwaffen reagiert; in Europa wurde nur ein retrospektiv phantasiertes Ideal von Ritterschaft durch eine klassenübergreifende Allianz von Adel und aufstrebendem Geldbürgertum mit Oberschichtsaspirationen über die Zeit gerettet. Wieder-Aufführungen als kulturelle Praxis reichen noch weiter zurück, wobei zwei Stränge zu beobachten sind. Am weitesten zurück

20 | Geschichtstheater reicht sicher das religiöse Ritual, das ursprünglich in den meisten Glaubensrichtungen eine wiederholende oder eine Wiederholung beschwörende Re-zelebration von etwas als identisch Gedachtem darstellte. Sonnwendfeiern, Fruchtbarkeitsfeste, Weihnachten und Ostern zeigen diesbezüglich alle dieselben Strukturen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. So trennt sich im Protestantismus nicht zufällig genau in der Zeit, in der die Ritterzeit im Reenactment theatralisiert auflebt, die Messfeier als teilsäkularisierte, textorientierte Wiedergabe in Erinnerung an das Original von der elaborierten Aufführung des wiederkehrend Gleichen und der Transsubstantiation im Katholizismus. Der Katholizismus ist und bleibt wesentlich dramatischer; die mit Tieren und Menschen inszenierte Nach-Stellung der Geburt Christi durch Francisco de Assis Ferreira de Vasconcellos (Franz von Assisi), 1223 in Greccio ist im Grunde das erste Re-Enactment auch im Sinne des theatertechnischen Begriffs, der mit Victor Turner Reenactments als Role Playing Games im weiteren Sinne zum pädagogischen Spiel rechnet, allerdings mit der Einschränkung, dass es sich immer um Wieder-Aufführungen als bedeutsam interpretierter Ereignisse handelt. Die dramatische Ausrichtung des Katholizismus zeigt sich auch im spätmittelalterlichen Jesuitentheater als auf Entertainment ausgerichteter Zeitgeistbedienung (Turner 1982, 91f. Ricker 2010). Historisches Theater im Sinne einer Wiederaufführung des NichtWiederholbaren mit historisierendem Effekt für Nicht-Dabeigewesene erscheint zum ersten Mal mit ȂȚȜȒIJȠȣ DZȜȦıȚȢ (Die Eroberung von Milet) des Phrynichos (ĭȡȪȞȚȤȠȢ) nach dem Fall der kleinasischen griechischen Kolonie und der Zerstörung der Stadt durch die Perser. Das Stück war ein ambivalenter Erfolg. Zwar vermerkt Herodot (۟ıIJȠȡȓĮȚ 6.21.2, vgl. Chong-Gossard, 2006: 19), sei das Publikum zu Tränen bewegt gewesen, doch wurde das Stück abgesetzt und möglicherweise vernichtet, weil der Autor an das Unglück zu erinnern gewagt hatte (»‫܇‬Ȣ ‫ۻ‬ʌȠȝȞȒıĮȢ Ƞ۞țİ‫ݶ‬Į țĮțȐ«). Genau diese Umwertung eines Ereignisses in dramatisches, hier: tragisches und, wegen des hergestellten Zusammenhangs auch historisiertes Narrativ ist seither Teil des Formenkanons performativer Geschichtsaneignung geworden. Die Reaktion der Griechen verweist auf den im Zusammenhang des Geschichtstheaters wichtigen Aspekt der zeitlichen Distanz, die zwischen Objekt und (Wieder-)Aufführung in der Regel eingehalten wird. Von diesem Strang spaltet sich in römischer Zeit eine Variante ab, die den Schwerpunkt der Darstellung nicht auf das historische Narrativ, sondern auf Theaterarchitektur und zirzensische Effekte legt. Es ist wenig überraschend, dass dies in der römischen Kultur konstruiert werden konnte, in der gelegentlich die Bedeutung der Reihenfolge von

Einführung: Living History | 21 Panem et Circenses umgekehrt erscheint. Die Schöpfung der beliebtesten Schlachtenspektakelform, der Naumachia (Seeschlacht) wird Cäsar zugeschrieben, der 46 vor Christus auf dem Marsfeld einen künstlichen See anlegen und ein Seegefecht zwischen ›Ägyptern‹ und ›Tyrern‹ (phönizische Einwohner von Tyros) aufführen ließ. Auch im Zirkus Maximus und in anderen Theatern mit Flutungsvorrichtungen wie in Pozzuoli sollen naumachiae aufgeführt worden sein (Theater Dictionary; Smith Dictionary 1875). Charakteristisch an den Überlieferungen ist, dass im Unterschied zum konkreten und zeitlich eindeutig (494 v. Chr.) lokalisierbaren Kampf um Milet die diversen Seeschlachten generische Konstruktionen ohne konkretes Vorbild gewesen zu sein scheinen, oder jedenfalls mit einem Grad der Bezugnahme auf historische Ereignisse, der deutlich hinter den Entertainment-Aspekt zurücktrat. In dieser Trias von (quasi-)religiösem Ritual, historisierender bzw. historisierter Erinnerung und zirzensischem Spektakel liegen die Ursprünge des modernen Geschichtstheaters. Sie werden in den folgenden Jahrhunderten allerdings weder kontinuierlich transportiert noch weiter entwickelt, so dass eine Abfolge, Periodizität oder Einflussnahme nicht konkret belegbar ist. Am ehesten ergibt sich eine gewisse Kontinuität noch im Bereich des religiösen Vollzugs: Weihnachtsspiele und andere religiöse Szenarien ziehen sich bis in die Gegenwart durch, auch wenn sie zwischenzeitlich unter dem Eindruck der Reformation stark zurückgedrängt wurden. Ritterspiele und Tableaux Vivants, Kostümball und Historientheater verbindet bei ihren temporären Fluchten aus der Gegenwart ein von der jeweiligen Gegenwart bezogener technischer und materieller Aufwand: Zeit-Flucht war und ist immer auch eine Frage der Finanzen: die Hochkönigsburg musste ebenso bezahlt werden wie die nachgebaute Ritterrüstung. Der Bauer, der Kleingewerbetreibende, der Tagelöhner des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit träumte sich denn wohl auch eher in die Zukunft als in die Vergangenheit – Revolten, Auswanderung und die Schaffung neuer Staatsgebilde wie das der französischen und mehr noch der amerikanischen Republik haben einen unmittelbaren, Vergangenheiten geradezu negierenden Gegenwartsbezug. Zukunftsvisionen entstehen nicht aus Nostalgie. Mit der zahlenmäßigen Ausweitung und Ausbreitung und der konsequenten gesellschaftlichen Aufwertung des Stadtbürgertums um 1900 wird die simulierte Kurzzeit-Flucht aus Gegenwart und Örtlichkeit für weitere Schichten nicht nur zugänglich, sondern geradezu verbindlich; was Gerhard Schulze »spielerische Kulissen« (Schulze 2002: 9) nennt, wird überall aufgebaut. Die Gründung des ersten mit Living History Interpretationsprogrammen angereicherten Freilicht-

22 | Geschichtstheater museums durch Artur Hazelius in Skansen bei Stockholm ist kein isolierter Akt; sie ist eher logische Konsequenz aus Entwicklungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Eine der Vorgängerformen der Freilichtmuseen, der spätabsolutistische Landschaftsgarten, kannte nicht nur Ruinenarchitektur wie die aus romantischem Geist entstandene sogenannte Löwenburg in Kassel, sondern auch nachempfundene bäuerliche Anwesen wie das am PetitTrianon in Versailles, wobei die Schweiz und Norwegen Muster lieferten, wie Thomas Kühn zusammengetragen hat (Kühn 2009, 54f.). Im 19. Jahrhundert weist er auch schon erste Translokationen als besonders signifikant empfundener Gebäude der Volkskultur nach. Darüber hinaus gibt es einen breiten Kontext historischer Festumzüge und Weihespiele (Pageants), die nach dem Modell religiöser Prozessionen ausgebaut waren und bei denen wichtige Persönlichkeiten der Geschichte der jeweiligen Stadt, Universität etc. in als historisch empfundenen Kostümen mitliefen oder auf Wagen (floats) mitfuhren. Die religiöse Krippenszene erscheint ebenfalls in säkularisierter Form wieder: Lebensgroße, nach Art der Tableaux Vivants arrangierte Figurengruppen in traditionellen Trachten waren eine Publikumsattraktion der Weltausstellung in Paris 1867 (Kühn 2009, 60, Glassberg 1990). Der Übergang in Richtung Living History Interpretation, also die praktische theatrale Darstellung von nicht an ein Ereignis gebundener Lebensweltlichkeit im Rahmen eines (Freilicht-)Museums, wird Ende des 19. Jahrhunderts aus mehreren Richtungen gleichzeitig vorbereitet und vorangetrieben. Zum einen wird 21 Jahre nach den Trachtenpuppen von 1867 auf der nächsten Pariser Weltausstellung 1878 das Publikum in ein nachgebautes friesisches Zimmer samt Figurinen-Spielszene hineingeführt. Die »Hindelooper kamer« wurde »een doorslaand succes omdat de bezoeker er vrij in de expositie kon rondlopen, terwijl met behulp van poppen een levensecht effect werd opgeroepen« (van Laarse 2005:6; vgl. de Jong 2008: 64, 65 (Abb.)). Damit ist die Grenze zwischen dem musealen Objekt und den Besuchern im Wortsinne überschritten, die in der Regel Reverenz erweisende Beobachtung von außen wird ersetzt durch Anwesenheit und Teilnahme. In diesem Beispiel wird die Performativität der Zuschauer, die sich den Raum mit ihren eigenen Bewegungen darin erschließen, gut sichtbar. In ähnlicher Art operieren die schon seit dem 18. Jahrhundert existierenden, im 19. Jahrhundert aber verstärkt zum Zweck der Vergegenwärtigung historischer Ereignisse herangezogenen Panoramen (Oettermann 1993). Das 2000 fertig restaurierte Bourbaki-Panorama in Luzern ist ein beredtes Beispiel für diese Form des Reenactments: Die Zuschauer treten über einen Tunnel von unten auf eine Plattform und damit ein in die Geschichte vom

Einführung: Living History | 23 Grenzübertritt der geschlagenen französischen Ostarmee am 1. Februar 1871 in die Schweiz. 360 Grad um sie herum spielt sich nicht nur große Geschichte ab – die Versorgung der geflohenen Franzosen stellt bis heute einen wichtigen Eckpfeiler des Schweizer Neutralitätsmythos dar –, sondern viele kleine Geschichten, in denen die Ereignisse individualisiert und sentimentalisiert werden. Die Bewegung kommt über die aktive Auswahl betrachteter Bildsequenzen, Verweilen, Wiederholung etc. durch die Zuschauer selbst ins Bild (siehe Finck/Ganz 2000). Aus der entgegengesetzten Richtung kommen die quasi-zoologischen Völkerschauen ins Spiel, mit denen zum Beispiel Hagenbecks Tierpark, oder der Midway der Columbian Exposition Weltausstellung in Chicago 1893 Zuschauer anzogen. Das ›Andere‹ der ausgestellten Eingeborenen war zwar nicht der Geschichte, sondern einer räumlich entfernten Gegenwart entnommen; diese Gegenwart verkörperte jedoch im Rahmen eines auf Fortschrittsglauben basierenden Gesellschaftsbildes die aus dem Kontrast zur kulturellen und politischen Gegenwart der Zuschauer ersichtliche Ungleichzeitigkeit des nur scheinbar Gleichzeitigen. Die Scheinbarkeit wird dadurch verstärkt, dass mitsamt ihren Behausungen ausgestellte Eingeborenengruppen einen traditionellen und damit ihrer tatsächlich gelebten Gegenwart bereits (und spätestens nach ihrer Rückkehr) nicht mehr entsprechenden simulierten Alltag vorstellen sollten (Hinsley 1991: 349). Diese re-inszenierte Lebenswirklichkeit konnte natürlich räumlich nur ausschnitthaft operieren und stellte damit in gleich mehrfacher Hinsicht ein Als-Ob dar. Eine dritte Richtung bringen jene Abenteuer-Surrogate ins Spiel, die ›Museen‹ wie das des legendären P. T. Barnum und reisende Roadshows wie Buffalo Bill’s und andere Wild West Tourneetheater als das ›Andere‹ der neueren Vergangenheit bzw. Gegenwartsgeschichte europäischen und amerikanischen Stadtkulturen nahe brachten (vgl. Rydell/Kroes 2005). Cody und seine Epigonen operieren an der Schnittfläche von Inszenierungen der Geschichte(n) und der Gegenwart, und zwar in der Regel in einer Form, die das gerade in die Vergangenheit Entschwindende noch einmal für all diejenigen inszenierte, die das Original nicht am Originalschauplatz hatten sehen bzw. miterleben können: Die von dem Impresario Sidney Barnett 1872 nach New York (Warren 2005: 161) verbrachten Büffel waren zur gleichen Zeit im Westen dabei, von professionellen Abschlächtern im Auftrag des Militärs massakriert zu werden. Die um 1900 im Congress of Rough Riders vorgeführten Vertreter diverser Reitervölker sind ebenfalls als Figuren der Gegenwart zu denken. Re-inszenierte Ereignisse wie die Schlacht am Little Bighorn spielen dagegen Geschichte nach, aber auch diese ist fast noch Gegenwart – Libby Custer sah als William Codys Ehrengast angeblich etwa

24 | Geschichtstheater vierhundert Mal, wie ihr Mann starb, und von den Akteuren konnten einige Teilnehmer des Kampfs an den Hängen oberhalb des Bighorn gewesen sein. Und noch eine vierte Vorform der Geschichtstheaterformate des 20. Jahrhunderts wurde von findigen Geschäftsleuten im ausgehenden 19. Jahrhundert initiiert: Für die Columbian Exposition 1893 in Chicago werden eine Reihe von Translokationen amerikanischer Gedächtnisorte (im Sinne Pierre von Noras Lieux des Memoires) vorgenommen: Die von der Familie Abraham Lincolns angeblich 1809 bewohnte Cabin aus Kentucky wurde ebenso dorthin verbracht wie das im amerikanischen Bürgerkrieg als Libby Prison gefürchtete frühere Warenlager aus Richmond, in dem die Konföderierten gefangene Unionsoffiziere Verhältnissen untergebracht hatten. Ehemalige Gefangene aus Libby besuchten das in die Stadt am Lake Michigan verbrachte Gebäude und reenacteten sich damit sozusagen selbst. (Klee 1999). Zur gleichen Zeit gründete Artur Hazelius in Skansen die erste Museumsinstitution, die diese Art der Translokation als Bewahrungsmöglichkeit nicht für Ereignisgeschichte, sondern für Lebenswirklichkeit aufgriff und ausbaute. Freilichtmuseen entnehmen ebenfalls der – ungleichzeitigen – Gegenwart historische Gebäude, die dann in den reverentiellen Kontext des Museums versetzt neue Funktionalität als Relikt einer angenommenen Vergangenheit bekommen. Typisch ist somit von Anfang an die Mischung aus Nostalgie eines idealisierten, angeblich guten Landlebens, neben der aber – und relativ unvermittelt – die Nähe der Misthaufen, der Schweine und der Abtritte hinter dem Haus und – implizit – Beruhigung und faszinierte Freude der Besucher darüber stehen, den hier besuchten Zuständen in Richtung Prosperität und Annehmlichkeiten des Stadtlebens entronnen zu sein. Ähnlich der Impuls hinter Pageants: Historische Festumzüge feiern die Vergangenheit als Vorbotin der Gegenwart, in dem sie den historischen Vorläuferzustand in symbolischer oder allegorischer Raumform vergegenwärtigen; er ist dabei gleichzeitig überwundener Schrecken und gefeierte vermeintliche Tradition.

*HVFKLFKWVWKHDWHUDP(QGHGHV-DKUKXQGHUWV Zur Gegenwart hin wird die Bandbreite der Erscheinungsformen der aktiven, spielerischen Geschichtsaneignung breiter aufgefächert. Die wesentliche Sprungstelle kommt mit der zeitgleichen flächendeckenden Verbreitung des Fernsehens als neuer Wissensquelle, der Öffnung des Theaterbetriebs in Richtung der experimentellen und politischen freien Theatergruppen wie der San Francisco Mime Troupe und den Hundert-

Einführung: Living History | 25 jahrfeiern des amerikanischen Bürgerkriegs Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre. Das zunehmend visualisierte Geschichtswissen wird dreidimensional rezipiert und umgesetzt; aus Schwarzpulverschützenvereinen entstehen die ersten Reenactment-Gruppen (Kimmel 1999/ 2000), und die retro-gestylten Kostüme von Interpreters in Freilichtmuseen werden nach und nach durch genauere und sorgfältig auf die Figur hin recherchierte Repliken ersetzt. Sowohl im formellen wie im informellen Bereich wird Geschichte zum Ort und zur Spielart. Während gleichzeitig der amerikanische Historiker Mike Wallace von der kulturindustriellen Produktion als »historicidal« spricht und konstatiert, die westlichen postindustriellen Gesellschaften seien im Zeitalter der »Mickey Mouse History« angelangt (Wallace 1987, 42; Wallace 1996), haben sich noch nie so viele Menschen in den westlichen Industrienationen in der einen oder anderen Form mit Geschichte beschäftigt. Während der History Buff früherer Tage aber damit zufrieden war, Bücher über seine Lieblingsthemen zu lesen und historische Orte zu besuchen (was den Charakter von Wallfahrten annehmen konnte), gehen heutige Hobby-Historiker weiter. Manche gehen regelrecht auf in der Geschichtsarbeit. Sie wählen Berufe, die ihnen Zeit lassen für Recherche und Hobby, und versuchen, so oft wie möglich in die auf der Basis wissenschaftlichen Wissens (Hochbruck 2011a) individuell angeeigneter Vergangenheiten zu leben. Sie recherchieren in ihrer Freizeit, arbeiten auf freiwilliger Basis als Costumed Interpreters im Museum und spielen an anderen Wochenenden als Reenactor im eigenen Geschichtsfilm mit. Damit nicht genug schafft sich die Szene eine eigene Eventkultur im Rahmen raumzeitlich aus der Gegenwart ausgegliedeter, aber in der Regel als »Mittelalter« variabler Dreidimensionalitäten. Den hierauf passenden Begriff des Histotainment haben sich die Organisatoren des RetortenMittelalterortes Adventon bei Osterburken patentieren lassen; gleichwohl wird er in der Szene relativ unbekümmert genutzt, und als Phänomen zieht Histotainment vor allem in der Form der speziell in den 90er Jahren proliferierenden »Mittelaltermärkte« mit ihrer Mischung aus Geschichtslektion, Jahrmarkt, Zirkus und Mitmachhistorie jährlich Hunderttausende von Besuchern an. Wobei für das Verhältnis zwischen stattgefundener Vergangenheit, historischem Wissen darüber und dessen Aufbereitung in der ein oder anderen Form, zunächst nebensächlich ist, ob dabei diese spezielle Freizeitbeschäftigung anderen denkbaren Varianten vorgezogen wird, oder ob diese Beschäftigung Ersatzhandlung ist, was angesichts der Prominenz des Abenteuergestus, des Heldenhaften und des Militärischen besonders den Teilnehmern an Reenactments in der Presse gerne unterstellt wird. Diese Prominenz steht natürlich in einem ursächlichen

26 | Geschichtstheater Zusammenhang mit der generell in der Moderne (einschließlich der Postmoderne) gelebten Tendenz zu bezahlten Ersatzhandlungen für anderweitig ungelebtes Leben – es handelt sich dabei aber eben um ein weit verbreitetes Phänomen, und Reenactments sind, wie zu zeigen sein wird, ein Format, das den Teilnehmern ein hohes Maß an Initiative und Selbstbestimmung überlässt. Es ist insofern auch nicht verwunderlich, dass sowohl institutionalisierte wie freie Formen des Geschichtstheaters in offenen, resilienten demokratischen Gesellschaften einen Boom erleben: Es gibt hier Freiräume sowohl für die aus dem Erlebniswunsch gespeiste Teilnahme an dem, was Gerhard Schulze »Eventfolklore« (Schulze 2002, 76) genannt hat (ohne dann allerdings auf das hier behandelte kulturelle Feld einzugehen), wie auch für selbständige und selbstbestimmte Geschichtsarbeit, und eben auch für Geschichtspräsentation in dramatischer und theatraler Form. Typischerweise war es in USA, wo schon 1931 der Präsident der American Historical Association in seiner jährlichen Ansprache (und noch in zeitgemäß maskulin begrenzter Form) »Everyman His Own Historian« proklamiert hatte (Becker 1931). Zu diesem Zeitpunkt konnte eine solche Aussage auch als Begleittext für die Finanzierung privater historisch-musealer Initiativen wie Colonial Williamsburg und Greenfield Village, Plimoth Plantation und Old Sturbridge durch Wirtschaftsmagnaten gelesen werden. Die Aneignung von Geschichte von unten lief schwerfälliger an (vgl. Bauman/Sawin 1991); in USA stimulierten erst die aus der Bürgerrechtsbewegung einerseits und aus den anlaufenden Hundertjahrfeiern des Bürgerkriegs ab Mitte der fünfziger Jahre des 20sten Jhd. andererseits entstehenden Verwerfungen im wissenschaftlichen Diskurs und in den Medien das öffentliche Interesse an Geschichte (siehe Wiener 1989; Brownawell 1978). In ihrem kulturellen Umfeld wurden zahlreiche Reenactment-Gruppen gegründet, die den Grundstock für die in den achtziger und neunziger Jahren nach Zehntausenden zählende Szene legten. Die gleichzeitige (Wieder) Entdeckung der Folk Culture und auch ihrer radikaleren Vertreter wie der Sänger Woody Guthrie, Joan Baez, Pete Seeger wirkte sich noch nicht unmittelbar aus, beeinflusste aber anscheinend zahlreiche ›Aussteiger‹ und den Aufbau regionaler Projekte, Museen und Living History Farms (Schlebecker/Peterson 1972). Großbritannien erlebte in den achtziger Jahren einen Heritage Boom, (Barthel 1996) der sich in zahlreichen Initiativen zur Rettung vom Verfall bedrohter Kulturgüter manifestierte, in Kostümverfilmungen der Romane von Charles Dickens, Thomas Hardy, Emily Brontë und natürlich und immer wieder Jane Austen. Getragen eher von der

Einführung: Living History | 27 bürgerlichen und konservativen Mittel- und Oberschicht handelte es sich hier auch um die Verteidigung historischer Sinnstiftung gegen den von der konservativen Thatcher-Regierung getragenen und von der amerikanischen Wirtschaftsphilosophin Ayn Rand inspirierten, rücksichtslos gewachsene Traditionen zerstörenden Umbau der britischen Gesellschaft zu einem finanzkapitalistischen Marktplatz, in dem sich jeder selbst der Nächste sein sollte. Auf den Bewahrungsimpuls gründend ließen sich auch hier angesichts des Rückzugs staatlicher Förderung und damit auch hoheitlicher Ideologeme Freiräume schaffen, die zu ersten Museumstheaterprogrammen in Museen und öffentlichen Gebäuden inspirierten und in die Gründung und zum flächendeckenden Ausbau von Reenactment-Organisationen mündeten. Dass Geschichtstheater als Reenactment im ausgehenden 20. Jahrhundert viele Interessenten anzieht, hängt auch mit seiner Bezahlbarkeit zusammen: Während sich in der Renaissance und im 18/19. Jahrhundert nur begüterte Kreise Fluchten in kostümierte Ander-Zeiten leisten konnten, machen die größeren Freizeit- und Kapitalmengen im Kleinbürgertum der Postmoderne Geschichte als Spielfeld zugriffsfähig. Und es ist nicht Bezahlbarkeit, die Zutritt reguliert; es gibt auch und immer wieder demokratisierende Aspekte: Die Erlebniskultur der Themenparks und Abenteuerurlaubsangebote stellt Menschen aus verschiedenen Milieus und Klassenzusammenhängen in die gleiche Warteschlange vor Fahrstände und Buden, belässt sie aber in ihren Milieus. Das gemeinsame aktive Erlebnis im Reenactment führt dagegen bis zu einem gewissen Grad auch zu einer Neuordnung der Milieubestimmung. Fast alle Gruppen im Reenactment-Bereich betonen ihre dishomogene Zusammensetzung, die Kooperation von Zahnarzt und Hilfsarbeiter, Rechtsanwalt und kaufmännischem Angestelltem. Die kleine Flucht in die Geschichte ist damit auch eine Umgehung der sozialen Festlegungen der Arbeitswelt-plus-Alltagskultur, wie sie in dieser Form unter Verwendung der normalen Identitäten im ansonsten diastratisch relativ homogenen Vereinsleben nicht erhältlich ist: Nur die ›Ander-Identität‹ der phantasiert repräsentierten oder miterlebten historischen Figuren garantiert den Durchbruch auf die (vermeintlich) andere Seite. Mitmachhistorie entwickelt sich vor diesem Hintergrund zu einem Wirtschaftsfaktor: Zahlende Zuschauer, Werbung für ausrichtende Städte wie zum Beispiel Minden mit seiner von einem Qualitätswettbewerb und wissenschaftlichem Begleitprogramm flankierten Reenactor-Messe, sowie eine Cottage Industry von Handwerkern und Kleinbetrieben, die Kleidung, Rüstungen, Waffen und Ausrüstungsgegenstände des täglichen Lebens sowie Bücher und Zeitschriften produziert, haben einen Markt

28 | Geschichtstheater geschaffen, in dessen Nischen eine ganze Reihe Menschen Aus- und Einkommen gefunden haben. Reich wird in diesem Feld so schnell niemand, was mittlerweile auch schon wieder an der Auslagerung von Produktionen in Billiglohnländer und z.B. in der Mittelalterszene an Angeboten für Schaukampfgruppen aus Osteuropa liegt. Dagegen ist es wichtig, bei aller Kritik an der postmodernen Spielkultur im Auge zu behalten, dass wie zur Abwehr der Massenunterhaltungsangebote und der Fernseh-Kultur weite Teile des Feldbereichs der simulierten Zeitverschiebungen eine von Individuen selbst organisierte Form kultureller Betätigung sind. Die Mehrzahl der Living Historians in Museen und bei Schulvorführungen sind bestenfalls mit Aufwandsentschädigungen abgespeiste ehrenamtliche Mitarbeiter; viele Reenactments und LARP-Cons werden von Freiwilligen organisiert, die Koordination von Einzelnen und Gruppen verläuft in ähnlichem Rahmen. Der auslösende Anlass für viele Aktive, sich in der Szene zu betätigen, mag die Rezeption von Historienfilmen gewesen sein. Es handelt sich trotzdem um eine Populärkultur von unten, die von der großen Kulturindustrie – und von der immer dort, wo etwas am Markt erfolgreich zu sein scheint, systemimmanent drohenden Disneyfikation – bisher nur am Rande erfasst worden ist. Auf die Gefahr einer entsprechenden Überformung wird noch einzugehen sein.1 An der qualitativen Spitze der Bewegung sind jedoch in Drittweltländern billigst gefertigte Ausrüstungen ebenso verpönt wie die Ritter-und-Burgfräulein-Mentalität zahlloser Ferienspielaktionen. Hier bewegen sich in der Regel in der eigenen Freizeit hergestellte Ausstattungen und erworbene Wissensstände vieler Gruppen und Individuen auf hohen, zum Teil an historischen Befunden und archäologischen Auswertungen direkt orientierten und insofern wissenschaftlichen Anforderungen standhaltenden Qualitätsstandards. Synthetik-Massenware, wie sie in Museums-Shops speziell an Kinder verkauft wird, lehnen auch dem Mainstream zuzurechnende Living Historians ab. Hier zeigen sich in Selbstverständnis, Selbstorganisation, Verhältnis zum kapitalistischen Markt und Kodex des Vermittlungs- wo nicht sogar Erziehungsanspruchs, der von vielen Living Historians als Begründung der eigenen Darstellung zumindest da angeführt wird, wo diese sich im zuschauerbewanderten öffentlichen Raum abspielt, die Hintergründe der Beobachtung, dass sich in der deutschen Mittelalterszene eine Menge Personen versammelt haben, die in den achtziger Jahren zur Umwelt-, 1

»The tremendous popularity of such ›living history‹ exhibits and the influence of movies and television (which stimulates fantasies about achieving illusory states of consciousness) almost certainly have inspired Americans eager to ›reenact‹ the past« Brundage 1998: 565).

Einführung: Living History | 29 Anti-Atomkraft-, Tier- und Menschenrechtsszene zählten. Oft fanden sie sich über den Versuch einer ökologisch-agrikulturellen Aussteigeridentität – die bereits die Komponente einer raum-zeitlichen Ausgliederung aus der Gegenwart implizierte – in der Mittelalterszene ein. Anderen, die den Wiedereinstieg in bürgerliche Erwerbsbiographien vollziehen mussten, dient Living History als Refugium. Über die soziopsychologischen Gründe der jeweiligen Einzelschicksale soll hier nicht spekuliert werden; Tatsache ist, dass es sich in vielen Fällen um Menschen mit fachwissenschaftlicher Vorbildung und/oder handwerklicher Ausbildung und höchsten Ansprüchen an die Qualität der eigenen Arbeiten handelt. Mitglieder der Living History-Szene können gerade wegen ihrer Sozialisation sogar Verbündete gegen die Verthemenparkung von Geschichte sein. Eine Absetzbewegung der Qualitätsbewussteren von der kommerzialisierten Mittelaltermarkt-Szene ist zu beobachten; die Lücken werden häufig aus Osteuropa gefüllt, wo die Begeisterung der Deutschen für das Mittelalter als Einkommensquelle erkannt worden ist. Living Historians wie das Städtische Aufgebot 1476 oder die Agentur Facing the Past arbeiten verantwortungsbewusst seit Jahren mit Museen wie Kommern und Bad Windsheim an der Erarbeitung komplexer narrativer und qualitativ höchstwertiger historischer Szenarien zusammen (vgl. Klöffler 2008, Vahnenbruck 2008, Rauschenbach 2008). In USA waren Reenactors zentral beteiligt, als Mitte der neunziger Jahre ein Versuch des Disney-Konzerns, in der Nähe der Manassas-Schlachtfelder in Virginia einen historischen Themenpark zu bauen, durch jahrelangen, zähen Widerstand vereitelt wurde. Living History ist eben keine Mickey Mouse-Geschichte (Synott 1995: 44-46).2 Insofern ist die Zurückhaltung bis Ablehnung interaktiver Formen der Geschichtsaneignung und -präsentation durch die etablierte Museumswissenschaft – noch eine 2005 erschienene Einführung in die Museologie brachte es fertig, diese Formen nicht einmal zu erwähnen (Flügel 2005) – nicht sonderlich sinnvoll. Die fast durchgängig sehr positive Zuschauerreaktion auf den Einsatz professioneller Schauspieler in der 1848/49. Revolution in Baden–Ausstellung im Badischen Landesmuseum hat gezeigt, dass eine so aufbereitete Ausstellung weder zu Klamauk verkommt, noch sich die von konservativeren Kreisen gerne konstruierten ›seriösen‹ Besucher davon abschrecken lassen (Schmidt/Steinkühler 1999, 69-78 und Photos; vgl. Meiners 2008). 2

Eine [MacNelly/Chicago Tribune] Karikatur im Clarksville, Tennessee, LeafChronicle vom Okt. 7, 1994, zeigte nebeneinander unter der Überschrift »Defeated at Manassas« die Generäle McDowell (1861), Pope (1862) und Mouse (1994).

30 | Geschichtstheater Was die postmoderne Medienwelt einfordert, sind, vordergründig betrachtet, bunte Bilder. Dahinter steht etwas Verständliches: die Einforderung von Anschaulichkeit als Prinzip und Vorstellung. Das Potential, das in vielen seriösen Geschichtstheater-Gruppen in der Szene vorhanden ist, kritisch zu evaluieren, mit seriösen Verbesserungsvorschlägen zu unterstützen, und sinnstiftend zu nutzen, wird deshalb eine der wesentlichen Aufgaben einer offenen Museumspädagogik des frühen 21. Jahrhunderts sein. Ähnliches gilt für den Wissenschaftsbetrieb: Selbst da, wo Wissenschaftler die eigene Theorie- und Methodenbildung als Cultural Studies bezeichnen, scheint oft ein elitärer Gestus durch, der zuschauerzentrierter Anschaulichkeit mangelnde fachliche Qualität unterstellt. Eine konstruktivere Auseinandersetzung und ein reflektierter Austausch der Museen und Wissenschaftler mit den Citizen Scholars werden seit Jahren gefordert. Auf eine kurze Welle der Auseinandersetzung 2007-2010 ist allerdings nicht mehr viel gefolgt – anscheinend meinten Akteure beider Seiten, der Worte wären genug gewechselt (Duisberg 2008; Carstensen/Meiners/Mohrmann 2008; DASV 2011; Hardtwig/Schug 2009). Taten sah man denn auch eher vom Stadtmarketing z.B. in Minden und Meßkirch: In Minden findet seit 2011 der größte deutsche transperiodische Markt statt, der Dank der Offenheit der Verantwortlichen das Zeug zur überregionalen Leistungsschau und Austauschbörse hat. Seit 2012 wird dort in den Kategorien Gruppe, Einzeldarstellung und Nachwuchs ein Preis verliehen, über den eine mit internationalen Wissenschaftlern und Praktikern besetzte Jury zu Rate sitzt. Das schwäbische Meßkirch dagegen hat sich einen Plan zu eigen gemacht, den im Mittelalter nie umgesetzten Plan eines idealtypischen Klosters (sog. Campus Galli) aufzubauen. Technisch-strategisches Vorbild ist die seit 1997 im Bau befindliche Burganlage von Guédelon bei Treigny im Departement Yonne in Burgund, wo mit Freiwilligen unter wissenschaftlicher Leitung ganz im Stil des 13. Jahrhunderts gearbeitet wird (Durand/Baud/Folcher/ Renucci/Reveyron 2005, Bitterli-Waldvogel 2006). Während die Burganlage zeitweise EU-Fördermittel bekam und in den letzten Jahren von mehr als 300.000 Touristen besucht wurde, musste ein Parallelprojekt im U.S. Bundesstaat Arkansas aufgeben. Ob das wesentlich größere karolingische Klosterstadtprojekt tragfähig ist, wird sich zeigen. Worum es im Folgenden nicht gehen wird, ist der vor allem in der Reenactment-Szene zum Teil heftig diskutierte ›A-Faktor‹ (nicht zu verwechseln mit der Zeitschrift gleichen Titels), der Anspruch auf ›Authentizität‹ der Darstellung. Im Bereich der Living History Interpretation ist die materielle Authentizität ohnedies nur einer von vier

Einführung: Living History | 31 konstitutiven Faktoren, aus denen sich die Darstellung zusammensetzt – die anderen sind 2. Fachwissen, 3. pädagogisches Konzept/didaktische Methode, sowie 4. darstellerische Befähigung (vgl. Hochbruck 2011: 82). Die Qualitätsdiskussion ist zwar beileibe nicht überflüssig; es gibt aber keine verbindlichen Standards, sondern nur wiederum mit der Zeit und fortschreitenden Erkenntnisständen weiterentwickelte Qualitätsmerkmale, an denen sich Individuen und Gruppen orientieren. Der von Richard Handler und William Saxton in dieses Thema eingebrachte Begriff des »token isomorphism« (Handler/Saxton 1988: 243; vgl. MacCannell 1973), also einer nicht wirklichen, sondern symbolischpräsentierenden Form-Gleichheit der Darstellung, ist ein hilfreicher Beitrag zur Entschärfung dieser Diskussion. Jay Anderson hatte »living museums…« 1982 noch als »…life-size diorama« bezeichnet, was die Affinität zur theatralischen Inszenierung eher kaschiert (Anderson 1982: 296). Isomorphie hieße allerdings wörtlich, dass Formgleichheit entweder erreicht ist oder zumindest erreichbar. Das mag für die Objekteebene gelten; darüber hinaus reicht es nicht. Dort herrscht das unhintergehbare »Als Ob«, dessen trotzdem spürbare Eindrücklichkeit nach Coleridge einer letztlich bewussten Suspension of Disbelief, einer Ausblendung des eigenen Wissens von der Unmöglichkeit der Identität von Repräsentation und Original geschuldet ist.

Vorführung einer historischen Magirus-Feuerwehrspritze durch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Denzlingen 2010 beim Historischen Handdruckspritzenwettbewerb in Waldkirch-Siensbach (Photo wh)

  % ( 6 7 $ 1 ' 6 $ 8 ) 1 $ + 0 (   ( 5 6 & + ( , 1 8 1 * 6 ) 2 5 0 ( 1  Duke: »This wide and universal theatre presents more woeful pageants than the scene wherein we play in.« (As You Like It, II, 7)

Die Bandbreite der Erscheinungsformen des Geschichtstheaters rangiert von mit wissenschaftlichem Ernst durchgeführten Experimenten, bei denen archäologische Befunde zum Ausgangspunkt für minutiöse Rekonstruktionen und Funktionsforschung genommen werden (Handsmann/Leone 1989, Seeberger 2002, Rosenfeld 2003) über Selbstversuche, die haltbare Aussagen zur historischen Praxis gewinnen sollen (wie der Legende gewordene Marsch über die Alpen der Römergruppe Marcus Junkelmanns; Junkelmann 1986) bis zu marginal historisch informierten Rollenspielformen im Bereich der Fantasy-Szene, die gleichwohl Tausende von Spielern anziehen (Hübner 1995). Die Beispiele zeigen mehrerlei. Zum einen: Kostümierte GeschichtsAufführungen, ob man sie nun mag oder nicht, sind eine Wachstumsbranche. Des weiteren: Die Bandbreite der Erscheinungsformen ist relativ groß. Daraus ergibt sich ein direkt am Zentrum der Praxis angesiedeltes Problem: Die mangelhafte qualitative Unterscheidung zwischen den diversen Formen des Geschichtstheaters, am häufigsten genannt natürlich Reenactment und Living History, im öffentlichen Diskurs. An der Begriffsverwirrung sind von Veranstaltern über Teilnehmer und Medien bis zu Zuschauern und Wissenschaft alle Seiten aktiv beteiligt, und natürlich sind die Grenzen zwischen Geschichte als eventfolkloristischem Kommerz und Geschichte als Theater nicht immer offensichtlich – oder überhaupt vorhanden. Aber auch einzelne Begriffe fransen an den Rändern aus: In einem reich bebilderten Handbuch aus Großbritannien firmieren militärische Reenactors von der Römerzeit bis zum Zweiten Weltkrieg als Living History (Elliot-Wright 2000); historische Festumzüge dagegen laufen Gefahr, von Journalisten als Reenactments angesprochen zu werden; im Fernsehen heißen Reenactments die Spielszenen in historischen Dokumentarfilmen und in der Gedächnisforschung ist Reenactment abgerufenes gelerntes Handlungsmuster (Mulligan/Hornstein 2003). Bei einer Tagung in

34 | Geschichtstheater Hildesheim 2011 schließlich wurde als Reenactment mit einer gewissen terminologischen Folgerichtigkeit die Praxis der Reinszenierung historischer Aufführungen bezeichnet (Roselt/Otto 2011: 8). Was bisher offensichtlich fehlt, ist eine alle Phänomene kritisch erfassende und mit einer gewissen Trennschärfe gliedernde Typologie, auf die Bezug genommen werden kann, wenn es darum geht, eine archäotechnische Vorführung von einer Living History Interpretation und diese wiederum von einem Schlachten-Reenactment zu unterscheiden. Das klingt einfach und ist es in dieser Trias auch, aber speziell im Kontext von Museen wird es schon schwieriger, den Überblick zu behalten, denn inhaltlich sind die qualitativen Unterschiede für nicht mit der Materie einigermaßen Vertraute schwierig als solche zu erkennen. Die Übergänge sind zudem nicht immer deutlich. Hinsichtlich derjenigen Formen der Living History Interpretation, die in Museen oder in deren Kontext aufgeführt werden und für die im letzten Jahrzehnt der Begriff des Museumstheaters/Museum Theatre geprägt worden ist, sind natürlich die höchsten Ansprüche zu stellen. Gleichzeitig gibt es hier durchaus Qualitätsschwankungen, während wie erwähnt unter Reenactment-Hobbyisten jedenfalls in einigen Gruppen eine quasi-wissenschaftliche Schicht der aktiven Geschichtsaneignung Fuß gefasst hat. Allgemeingut ist mittlerweile, dass Geschichtstheater neben der spielerischen auch eine wissensgenerative und eine didaktische Komponente hat. Martin Klöffler hat dies in einem Schaubild so dargestellt:

(Klöffler 2007: 4)

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 35 Nicht alle Individuen und Gruppen recherchieren und rekonstruieren selbst: Natürlich kann man das Wissen und die handwerklichen wie spieltechnischen Fertigkeiten auch übernehmen oder einkaufen – was an der Tatsache nichts ändert, dass der Rechercheaufwand und die (Re)Konstruktionsarbeit von irgendjemand betrieben werden müssen. Die mittlere Säule könnte man auch als zwei voneinander unterscheidbare Elemente auffassen; insofern das Spiel aber immer sowohl für andere als auch für einen selbst stattfindet, ist hier ein autodidaktisches Element vorhanden, das von der Vermittlung zurückverweist auf das Spiel. Geschichtstheater ist insofern wie jede andere Form des Theaters ein kybernetisches System. Hilfreich ist, dass in den letzten Jahren die Bereitschaft zu einer kritischen, aber fairen Auseinandersetzung mit dem Phänomen in den Medien gestiegen zu sein scheint. Die Bereitschaft, mit denunziatorischem Spott über politisch inkorrekte oder in ihrer Reproduktionstechnologie unzulängliche Hobbyisten herzufallen, hat nach einer langen Reihe medialer Hinrichtungen (typische Beispiele: Duhm-Heitzmann 1994, Barth 1996) abgenommen; die Verwendung von angeworbenen Living History-Gruppen höchster Qualität wie Facing the Past in Kommern oder des Städtischen Aufgebots 1476 in Bad Windsheim bzw. der Aufbau eigener Museumstheaterprogramme mit Freiwilligen wie in Kiekeberg hinterlassen Spuren (Vahnenbruck 2008; Duisberg 2008). Die kurze Welle ernsthafter Auseinandersetzung mit dem Thema in der Wissenschaft 2007–2010 scheint ebenfalls zu einer Versachlichung der Diskussion beigetragen zu haben, auch wenn längst nicht alle Beitragenden der Tagungsbände (Carstensen/Meiners/Mohrmann 2008; Duisberg 2008; Schlehe/Uike/Oesterle/Hochbruck 2010, McCalman/ Pickering 2010) von Sinn und Zweck des Geschichtstheaters überzeugt waren. Der folgende Versuch einer Typologie soll eine Grundlage dafür bilden, dass die Auseinandersetzung mit der gesamten Bandbreite der Formen von Living History differenziert und auf der Basis relativ eindeutiger Zuordnungen stattfinden kann. Beispiele aus allen Gebieten werden den wissenschaftlichen Zugriff zusätzlich erleichtern. Zudem soll eine methodisch fundierte Erörterung der Vor- und Nachteile sowie der Reichweite und Möglichkeiten der jeweilig passenden Formen für die Museumspädagogik und den Schulunterricht dieser Zusammenstellung Handbuchcharakter geben. Sie geht damit über eine Reihe von wissenschaftlichen Artikeln und Veröffentlichungen zum Thema hinaus, deren Ausgangspunkt die Texte von Jay Anderson sowie Warren Leon und Roy Rosenzweig waren (Anderson 1984, 1985, 1991; Leon/Rosenzweig 1989), die aber (wie Lowenthal 1996, Marling 1988 und Kuegler 2003) letztlich um das Thema Typologie einen Bogen machten.

36 | Geschichtstheater Grundlage des Funktionierens von Geschichtstheater überhaupt ist natürlich zum einen die grundsätzliche und anscheinend menschheitsweit verbreitete Bereitschaft zum Spiel überhaupt und zum Rollenspiel im Speziellen. Living History ist der Transfer von Spielern und Zuschauern nicht nur als momentane und gegenwärtige Spielform in eine themenweltliche Heterochronie (Foucault); eine Ander-Zeitebene, die in einem begrenzten Raum und für eine begrenzte Zeit vorgibt, eine andere Lebensweltlichkeit abzubilden. Der Begriff der Lebensweltlichkeit ist dabei problematisch. Gemeint ist zunächst Alltagswelt und der Bezug, den Menschen zu den Dingen und Verrichtungen dieser Alltagswelt mit ihren Sonn- und Wochentagen einschließlich der wiederkehrenden Feiertage haben. Auf der Living History-Ebene kann es sich bei der dargestellten ›Geschichte‹ aber immer nur um das Thema handeln, unter dem der begrenzte Raum und die dort dargestellte Zeit künstlich (re-)organisiert worden sind. Die erste grobe Einteilung des Phänomens versuchte Jay Anderson, als er die experimentelle Archäologie, den vermittlungszentrierten Ansatz der Museumspädagogik und die »history buffs« mit ihren Reenactments als drei unterscheidbare Formen identifizierte, eine Einteilung, die er in Time Machines beibehielt (Anderson 1984) und die seither Verwirrung stiftet – dies vor allem, weil es sich eigentlich nicht um eine Typologie handelte, insofern er die drei Phänomene dann doch wieder unter Living History subsumierte. Die Dreiteilung wird im Folgenden im Prinzip beibehalten, aber die Kategorien und ihre Unterformen werden sowohl voneinander unterschieden wie zueinander in Bezug gesetzt. Ausgehend von der am stärksten wissenschaftlich operierenden Form, der experimentellen Archäologie, kann deren Einfluss auf die diversen Gradierungen des Rollenspiels gezeigt werden: Dieser ist am deutlichsten in der Living History Interpretation zu beobachten, die durch ihren ganz nach außen gerichteten Präsentationsanspruch gekennzeichnet wird, lässt sich historisch – wenn auch nicht machtpolitisch – als Impuls in den Pageants als Vorläufer und Parallelformat nachweisen; von diesen führt in Verbindung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen und einem entsprechend veränderten Vermittlungsanspruch eine weitere direkte Linie zum Museumstheater. Dieses wiederum enthält einen hohen Rollenspielanteil, bei dem oft Zuschauer involviert sind. Diese Rollenspielkomponente des Geschichtstheaters ist am stärksten natürlich im Reenactment, das mit dem in den letzten Jahrzehnten unter dem Einfluss der Fantasy-Szene populär gewordenen LARP und dem auf Rollenspiel konzentrierten Geschichtstheater als fachdidaktische Methode in der Schule in einer dritten, autodiegetisch operierenden

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 37 Gruppe zusammengefasst wird. Die kommerziellen ›Mittelalter‹-Märkte und andere historisch beeinflusste Modeerscheinungen aus dem Bereich der Retromania (Reynolds 2012) bilden in der folgenden Darstellung eine eigene Kategorie, ebenso wie – wegen ihrer Transmedialität – Fernsehshows, Dokumentationen und Historienfilme, obwohl diese formal und inhaltlich eher zwischen Reenactment und Museumstheater angesiedelt sind.

$XVWHVWHQ([SHULPHQWHOOH$UFKlRORJLH Eine zum Beleg ihrer Analysen auf experimentelle Praxis ausgreifende Sproßform der Archäologie hat sich seit Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Bemühen der Fachwissenschaft entwickelt, Herstellung, Funktion und Alltagsgebrauch von historischen, an Grabungsorten nachgewiesenen Gegenständen, Kleidung und Behausungen möglichst umfassend zu verstehen bzw. experimentell nachzuweisen, dass bestimmte Fähigkeiten und Möglichkeiten historisch zur Verfügung standen. Als Ausgangsform gehört diese auf wissenschaftliche Erkenntnis fokussierte experimentelle Archäologie nur insofern zum Feld des eigentlichen Geschichtstheaters, als eine aus der eigenen Handlung bezogene Erkenntnis erworben wird. Diese Handlung kann jedoch rein technischer Natur sein und weder Rolle noch Funktion einer historischen Person einbeziehen. Eindeutige Beweise für bestimme Vorgänge in vor- und frühgeschichtlicher Zeit kann die experimentelle Archäologie freilich nicht liefern; auch liegt die vergangene geistige, soziale und religiöse Welt weitgehend außerhalb ihrer Reichweite. Sie ist nur eine von mehreren Möglichkeiten der Erklärung und Interpretation bruchstückhaft vorgefundener Sachverhalte und befasst sich vorwiegend mit technologischen Einzelaspekten (Fansa 2001: 2).

Was experimentelle Archäologie leisten kann, war z.B. die tentative Rekonstruktion einer keltischen Carnyx auf Grund von Fundstücken, Abbildungen und ethnomusikologischem Wissenstransfer. Das Resultat war nicht nur etwas, das aussah wie eine historische Carnyx, sondern ein in der Praxis spielbares Instrument (Purser 1994: 376, 382). Was Jay Anderson im Sinn hatte, war bei genauerem Hinsehen zum einen die Praxis von Archäotechnikern, und zum anderen vierdimensionale Versuche der Vermittlung archäologischer Erkenntnisse – häufig durch die Forscher selbst, die damit im Sinne der von mir entwickelten Typologie allerdings als Living History Interpreters bezeichnet werden sollten. Auch Archäotechniker sind Interpreters; sie stellen allerdings ausschließlich bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten bzw. den Betrieb von Objekten in den Mittelpunkt ihrer Arbeit:

38 | Geschichtstheater Stefan Mäder hat zwar einen Doktor in früh- und urgeschichtlicher Archäologie, aber so richtig sieht er heute nicht danach aus. Er hat eine blaue Hose und einen blauen Pulli an und steht vor gut 50 Zuhörern barfuß in einem durch Besen abgesperrten Bereich. »Das hat nichts mit Magie oder Brimborium zu tun« erklärt er, sondern um Sauberkeit. Kleine Steine könnten die Klinge beim Polieren beschädigen. [...] Seit seiner Beschäftigung mit dem Thema konnte Mäder zwei gravierende Vorurteile aus dem Weg räumen. Zum einen bewies er, dass Schwerter [...] auch einen künstlerischen Eigenanspruch besaßen. Davon zeugen beispielsweise mittelalterliche Beschreibungen und auch Abbildungen. Immer wieder war von Schlangen die Rede, die sich auf den Schwertern befänden. Mäder wies durch aufwändiges Polieren alter Schwerter nach, dass damit die Oberfläche der Schwerter gemeint war: Sind diese richtig poliert, bricht sich das Licht in vielfältiger Weise – es entsteht der Eindruck, als schlängele sich etwas über die Klinge. Anhand mitgebrachter restaurierter Klingen verschiedener Epochen konnte man sich davon ein Bild machen. Die Kunst des Schwertschleifens und -polierens hat Mäder in den vergangenen sechs Jahren in Japan erlernt (Knapp 2005: 15).

Das Zitat verdeutlicht mehrere Eckdaten der Forschungs- und Präsentationspraxis, die für die Archäotechnik Standard geworden sind: Erstens, die Konzentration auf eine konkrete, in der Regel handwerklich geprägte Fragestellung. Zweitens die Interdisziplinarität des Ansatzes – die im vorliegenden Fall eine besonders weite Brücke schlägt. Drittens eine hohe lebensweltliche Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit des Experiments für die Zuschauer: Im vorliegenden Fall durfte ein Neunjähriger praktisch ausprobieren, was Mäder vorstellte. Archäotechniken lassen sich auch über den Museums- bzw. Workshop-Kontext hinaus weiterreichen. Wie man Steinzeit selbst erleben kann, hat z.B. Friedrich Seeberger für die Außenstellen Urgeschichtliches Museum Blaubeuren und Federseemuseum Bad Buchau des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart zusammengestellt: Waffen, Schmuck und Instrumente, nachgebaut und ausprobiert, verheißt der Untertitel der populären Publikation (Seeberger 2002). Die Konzentration auf das Handwerkliche bei gleichzeitiger Abgrenzung von dem, was insbesondere im bei der Verwendung von Schwertern naheliegenden ›Mittelalter‹-Kontext als »Magie und Brimborium« empfunden werden könnte, bedingt die Absenz weiterer Historisierungsmerkmale in der Archäotechnik. Wo allerdings Ausrüstungen und Kleidung sowie deren Funktionserprobung Teil des Projekts sind, weil eine vollständige Reproduktion historischer Lebensweltzustände angestrebt wird, werden natürlich auch diese historischen Kleidungsstücke und Gegenstände authentisch rekonstruiert. Solche Experimente, bei denen Gegenwartsmenschen über bestimmte Zeiträume hinweg in an historische Bedingungen angenäherten Umgebungen Lebensverhältnisse zu rekonstruieren suchen, sind

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 39 reflektiert, kontrolliert, und werden im Hinblick auf den zu erzielenden wissenschaftlichen Einsichts- und Wissenszugewinn organisiert. Der Kreis der Beteiligten ist dabei zwar nicht notwendig auf Fachwissenschaftler beschränkt; ob es sich bei den Probanden um Spezialisten handelt oder nicht, wird aber anders als in den für den TVMarkt aufbereiteten Doku-Shows (s.u.) in der Regel eine Frage der Versuchsanordnung sein. Für Hobbyhistoriker, speziell wenn sie auch Living HistoryProgramme machen, ist es nach Aussagen von Beteiligten oft sinnstiftend, schon vorliegende bzw. publizierte Einsichten der experimentellen Archäologie, für die eigene Praxis wiederum experimentell nachzuvollziehen und sich neben dem unerlässlichen theoretischen Geschichtswissen auch die Praxis selbst anzueignen. Eine Carnyx gehört heute zum Stolz von qualitativ guten Keltengruppen (vgl. Purser 1994: 383). Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie experimentelle Archäologie außerhalb eines universitären oder überhaupt institutionellen Kontextes funktionieren kann, ist der Marsch einer aus Fach- und Hobbyhistorikern gemischten Gruppe von 28 Civil War Reenactors auf den Spuren einer Gruppe Soldaten des Unionsgenerals Sherman durch Georgia, wobei erbeutete Lebensmittel mitgeschleppt werden mussten; so, wie Uncle Billy’s Boys im Herbst 1864 als Foraging Party unterwegs gewesen wären (Christen 1994 und pers. Komm. 2013). Die Bewegung der experimentellen Archäologie entwickelte sich in den sechziger Jahren analog zur Hinwendung zur Alltagsgeschichte, zu Geschichtswerkstätten und »Barfußhistorikern« in die Breite. Unter dem Eindruck des Transfers von an die experimentelle Archäologie angelehnten Versuchsanordnungen in die Reenactment-Szene und in FilmShows (s.u.) ziehen sich viele Archäologen in der jüngsten Vergangenheit allerdings anscheinend eher auf ihr Kerngeschäft zurück und versuchen allzu populären Bildwelten entgegenzuwirken (Dixon 2007), wo sie sie nicht zu ihren Zwecken nutzen können (Holtorf 2010). Dass die von vornherein als Interpretationen bezeichneten Aufbereitungen von Geschichtswissen in der Living History Interpretation oder auch das Museumstheater nicht unpolitisch oder ideologiefrei operieren können, ist deutlich. Dass allerdings auch die scheinbar auf Handwerkliches konzentrierte experimentelle Archäologie dieser Bedingtheit nicht entgeht, muss erst am Beispiel verdeutlicht werden. Im Fall der Dresdner Frauenkirche etwa entstand die experimentelle Archäologie vom Objekt her. So war die von dem venezianischen Theatermaler Giovanni Battista Grone ausgemalte Kuppel zunächst von einem Passauer Malerbetrieb mit Acrylharzfarbe angegangen worden, bevor die Dresdner Peter Taubert und Christoph Wetzel sich nicht nur –

40 | Geschichtstheater nach Entfernung der Farbschäden – an die Rekonstruktion der Originalmalereien machten, sondern dies mit nach Originalrezepten angerührten Farben zu bewerkstelligen suchten: 45 bis 48 Eier mussten jeweils in den Farbtopf geschlagen werden; die glibbrige Masse wurde mit Pigmentpulver, Nelkenöl und einem Granulat aus Salmiakgeist und getrocknetem Quark verrührt. So entstand eine Mischung mit relativ fettigem Charakter«, wie Taubert erklärt. Eigens für die Farbe wurde ein Kühlschrank in die Kuppel gehoben–»die Eier verdarben ja so leicht«, sagt Taubert (Kohl 2005: 3).

Vordergründig geht es hier um technische Detailfragen. Die Tragweite eines technischen Details kann jedoch schnell politische Züge annehmen: Bevor der Dresdner Zimmerer Sebastian Schulz sein Angebot für eines der Baulose zum Wiederaufbau der Frauenkirche abgab, hatte er einige Arbeit und Zeit in Recherchen gesteckt. Schulz recherchierte alte Unterlagen, besuchte andere Kirchen, die Baumeister Bähr errichtet hatte, und fand heraus, dass die Ausschreibung fehlerhaft war. Statt Douglasien, wie jetzt von den Architekten gefordert, hatte man für Emporen und Gestühl ursprünglich nur Tannenholz verwandt. Hingegen waren die Kirchenbänke bei den Nazis in Eichenholz erneuert worden. Das Eichengestühl sollte die Kirche zum Dom aufwerten, doch es verschlechterte hörbar die Akustik. »Tanne hat dagegen eine dämpfende Wirkung«, meint Schulz, deshalb hätten die Altvorderen auch das weiße, fast astfreie Holz in die Frauenkirche eingebaut–»der Zimmermann Bähr verstand auch was von Akustik.« Schulz bekam den Auftrag [...].(Kohl 2005: 3).

Der Kontext dieses Beispiels eröffnet den Blick auf wichtige Aspekte des Typus. Die Entscheidung zum Wiederaufbau der Frauenkirche war zunächst eine wesentlich politische gewesen, auch wenn die Initiatoren in der Regel als primär kunstgeschichtlich inspirierte Idealisten dargestellt werden. Bei der Entscheidung wurden von Anfang an zwei verschiedene Agenden diskutiert: Zum einen Wiederaufbau als Teil der politisch gewollten Rückerstellung eines Vorkriegs-Stadtbildes, wie es in einer Reihe anderer deutscher Innenstädte zu einer den Zweiten Weltkrieg städtebaulich ungeschehen machenden Disneylandisierung geführt hat. Leicht damit zu verwechseln, aber doch versetzt dazu, stand der Wunsch nach einem Wiederaufbau dessen, was Baumeister George Bähr geplant hatte, was aber schon zu seinen Lebzeiten nicht in allen Punkten nach Plan ausgeführt worden war. Erst die Vor-Ort-Praxis des Aufbaus machte daraus ein archäologisches Experiment, bei dem der (Wieder)Aufbau dann letztlich anders umgesetzt wurde, als es manchen seiner Befürworter bis heute klar geworden sein dürfte. Zimmermeister Schulz betrieb mit der Entscheidung für das ›frühere‹ Holz eine Zäsur mit politischer Tragweite: Die Abkehr von der nazi-germanischen Eiche signalisierte wie eine Reihe anderer bautechnischer Entscheidungen eine

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 41 Wendung gegen eine Rückerstellung des im Februar 1945 im Bombenangriff ausgebrannten und danach eingestürzten Kirchenbaus. Tatsächlich wurde die Frauenkirche in der im November 2005 eingeweihten Form erstmalig so aufgebaut, wie sie Bähr ursprünglich entworfen hatte. Statt einer Rückkehr zum politischen Zustand 1945 wurde das Original des 18. Jahrhunderts archäologisch (re-)konstruiert. Der scheinbar nur Kleinigkeiten betreffende Unterschied ist in Wirklichkeit ein großer: Gegen nationalistische Politik, für historische Authentizität. Die Frauenkirche von 2005 ist originalgetreuer, als es das Original je war. Russell G. Handsman und Mark P. Leone haben ähnlich gelagerte politische Implikate von Entscheidungen für und gegen bestimmte archäologische Rekonstruktionen in den U.S.A. kritisch analysiert (Handsman/Leone 1989: 117). Die Problematik wirft ein Licht auf einige der bekanntesten frühen Beispiele experimenteller Archäologie. Ende des 19. Jahrhunderts versuchte Magnus Anderson mit dem Nachbau eines Wikinger-Drakkars nach Nordamerika zu fahren, um den Nachweis zu führen, dass die Vorfahren der Norweger schon um 1000 das nordamerikanische Festland erreicht haben konnten. Allerdings ging es hier nicht primär um das Erkenntnisinteresse von Wissenschaftlern: Die Reise fand im Kontext der World Columbian Exposition in Chicago 1893 statt und hatte eine erheblich nationalhistorische Komponente. Das positive Ergebnis der Reise bestätigte eher nationalistisches Wunschdenken als ein historisch-archäologisches Forschungsdesiderat, zumal das Schiff auch noch bis Chicago durchfuhr. In dieselbe Kerbe schlug der Fund des angeblichen Runensteines von Kensington, Minnesota, der beweisen sollte, dass Wikinger nicht nur bis Neufundland gekommen waren (wo die bisher einzige eindeutig nachgewiesene Siedlung in L’Anse aux Meadows liegt), sondern auch bis in den stark von – welch ein Zufall–Skandinaviern besiedelten Mittelwesten. Hypothesen-Beweisfahrten mit politischer Reichweite waren auch sämtliche Reisen des Norwegers Thor Heyerdahl, von denen die ersten mit dem Balsafloß Kon-Tiki und den Papyrusbooten Ra I und II in Pazifik und Atlantik die bekanntesten sind (Ralling/Heyerdahl 1989). Der englische Geograph Timothy Severin ging noch weiter. Seine Brendan Voyage verließ den Bereich historisch-archäologischer Forschung in Richtung einer Interpretation der Navigatio Sancti Brendanis Abbatis, einer Heiligenlegende aus dem achten Jahrhundert, wonach der irische Mönch Brendan mit einigen Brüdern in einem Coracle, dem offenen traditionellen Lederboot, Nordamerika erreicht haben konnte. Erfolgreiche Reisen nach Faröer und Island sowie nach Neufundland bestätigten, dass die seefahrerischen Teile der Brendan-Legenden praktisch im Bereich des Möglichen lagen (Leippe 1979, Severin 2005).

42 | Geschichtstheater Im Idealfall ist die experimentelle Archäologie nicht Selbstzweck, sondern bereitet den Boden für Living History Interpretation. In Kanada befindet sich mit der früheren französischen Kolonialfestung auf Cape Breton/Nova Scotia das Paradebeispiel für eine ineinandergreifende Kombination von klassischer Archäologie, experimenteller Archäologie, historischer Restauration sowie Interpretation durch Living Historians (Fry 1969, Moore 1981: 54). In Deutschland ist in diesem Bereich z.B. das AGIL-Projekt in diese Richtung unterwegs und bietet Kurse für Living History Interpreters und Reenactors an (Andraschko 2008). Ein bemerkenswertes Beispiel experimenteller Archäologie war schließlich das von NASA und Ford-Konzern unterstützte Projekt, die Flugmaschine der Brüder Wilbur und Orville Wright nachzubauen – nicht nur als ausstellungsfähiges Museumsobjekt, sondern mit dem Ziel, den Flug zum 100. Jahrestag der Originalveranstaltung nachzustellen Da die Brüder aus (berechtigter) Angst vor Ideen-Diebstahl nur sehr wenig schriftlich festhielten und die Original-Maschine nicht erhalten ist, war dies ein hochgradig aufwändiges Unternehmen, das Spürsinn und wissenschaftliche Detailarbeit sowie fliegerische Übung im Simulator etc. erforderte und involvierte – und das am 17. 12. 2003 am Originalschauplatz wegen Regens und schlechter Windverhältnisse in den Matsch fiel (Jacobs 2003:29, Bruenjes 2003).

3UlVHQWLHUHQ/LYLQJ+LVWRU\,QWHUSUHWDWLRQ Living history interpreters. . . must be historians, anthropologists and effective teachers (Stacy F. Roth)

Living History Interpretation ist konkret nur jene historisch seit dem späten 19. Jahrhundert verwendete geschichtspädagogische Praxis, bei der Museumsmitarbeiter oder Mitglieder von Living History-Gruppen in materiell der historischen Periode angenäherter Kostümierung Fertigkeiten oder Verhältnisse einer von ihnen präsentierten Periode darstellen und erläutern. In Nordamerika ist diese Vermittlungspraxis am weitesten verbreitet und quasi flächendeckende Praxis in Freilichtmuseen; große Einrichtungen wie Colonial Williamsburg (s.u.) beschäftigen Tausende von Mitarbeitern, darunter je nach Saison 800 bis 1200 Costumed Interpreters (Weldon/Josey 2008). Schon 1991 bezeichnete sie John Krugler als Hauptquelle historischen Wissens für viele Amerikaner (Krugler 1991: 347). Das mag auch über zwanzig Jahre später noch übertrieben sein, aber dass die außerschulischen Bildungsorte einschließlich Fernsehprogramme und Computerspiele längst gerade unter den jüngeren Generationen die Oberhand haben, ist unbestritten; dass in

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 43 diesen Medien die Vermittlung hauptsächlich über Personalisierung und Sentimentalisierung läuft, auch. Dass Living History Interpretation eine fachdidaktische Methode sein kann, über die Bildungsinhalte vermittelt werden können, wird deshalb von konservativeren Historikern und Museumsleitungen gerne bestritten, und was Gavin Baldwin aus einem in Colonial Williamsburg geführten Interview mitbrachte, würde diese Skepsis wegen der Nähe zur Spaßkultur der Themenparks nicht mindern: Education does not have to be boring. Some visitors come for the aesthetics which can be a form of entertainment but they don’t come with a theme park mentality. They expect education and are surprised that it’s fun (aus »Williamsburg Conversation I« in Goodacre/Baldwin 2002: 103).

Hier ist einzuhaken. Der Begriff der Interpretation lässt sich in seiner Verwendung für das Thema auf Freeman Tildens zuerst 1957 erschienenes Buch Interpreting Our Heritage zurückführen, der eine erste Beschreibung der Vermittlungspraxis von historischem, ethnologischem und Naturwissen durch Angestellte und Ehrenamtliche in Museen und Park Service Einrichtungen versuchte. An educational activity which aims to reveal meanings and relationships through the use of original objects, by firsthand experience, and by illustrative media, rather than simply to communicate factual information (Tilden 1977: 8. Heraushebung im Original).

Bei Bernd Hey, dessen Verwendung von Interpreter für die vorliegende Studie übernommen wird, liest sich das so: Ich benutze den amerikanischen Ausdruck, da mir ein deutsches Pendant zu fehlen scheint. »Interpreter« bedeutet ja auch »Dolmetscher«, und so wie ein Dolmetscher leiht der Interpreter seine Stimme denen, die sonst unverständlich blieben: in diesem Falle den stummen Zeugnissen der Geschichte, der Natur oder der Zivilisation. Der Interpreter ist in mehreren Rollen vorstellbar: er entwickelt Interpretations- und Lernprogramme, arrangiert erläuternde Ausstellungen, prüft und verbessert das Medienangebot für seinen Bereich, betreut und führt Besuchergruppen und Einzelpersonen, erläutert und gibt Antworten auf Fragen usw. Anders als der Reiseleiter ist er weit mehr der Anwalt der ihm anvertrauten Dinge als der der Besucher; dem entspricht es, daß er zumeist in einem bestimmten Bereich oder an einem bestimmten Platz stationiert ist, wo er von den Besuchern aufgesucht wird. Auch wenn er Gruppen führt, ist er nicht deren ständiger Begleiter, sondern übergibt sie, wenn sie den von ihm speziell betreuten Bereich verlassen, an seine Kollegen. Es versteht sich, daß er in seinem Bereich ausgesprochen kompetent ist [...]. Auffallend ist ferner, wie intensiv amerikanische Interpreter in Technik und Methodik der Interpretation geschult werden; amateurhafte »Kastellanführungen« sind bei solch professionell ausgebildeten Leuten weit seltener als bei den

44 | Geschichtstheater europäischen Schloß-, Burg- und Stadtführern, wo man sich zu oft mit (im schlechten Sinne) Dilettanten behilft (Hey 1988: 37f.).

Die Verwendung von Living History Interpretation schwankt zwangsläufig zwischen geschichtsdidaktischer kritischer Qualität, die zumindest als Möglichkeit der ansonsten vom Gebäude- und Objektensemble vermittelten Nostalgie-Dosis eine kritische Perspektive gegenüberzustellen in der Lage ist, und einer Verstärkung des Wohlfühl-Charakters, der mit dem Besuch von Freilichtmuseen verbunden zu sein scheint und zusammenhängt mit der Suggestion heiler Welten aus harmonischen oder zumindest Konflikte letztlich immer harmonisierenden Spielszenen. Allgemein scheint Übereinstimmung zu herrschen, dass Artur Hazelius interaktive Living History zuerst im von ihm geleiteten Freilichtmuseum Skansen bei Stockholm nach 1891 einführte. Dabei handelte es sich allerdings noch nicht um für diesen Zweck angeworbene und ausgebildete Interpreters. Was unter Living History vereinnahmt wurde, war für die Musiker und Handwerker, die Hazelius nach Skansen holte, Living, Teil ihres Lebens, auch wenn die Nachfrage danach im Alltag geschwunden sein mochte. Immerhin führte Hazelius so die interaktive Präsentationstechnik ein, mit der in der Nachfolge die meisten Freilichtmuseen arbeiten sollten, und die als Residualform vielerorts weltweit und in Deutschland fast ausschließlich anzutreffen ist: Praktiker, die mit bestimmten Handwerksberufen – es handelt sich fast immer um Handwerksberufe – vertraut sind, führen ihre Fertigkeiten vor. Diese Kategorie der Living History – eigentlich eine überlebende Geschichte in der Gegenwart – ist die zunächst einmal logischste und quasi natürlichste. Sie ist aber auch problematisch, wie klarer wird, wenn man die Person und das Schicksal Ishis berücksichtigt. Der letzte, 1911 lebend in die Hände der weißen Hegemonialkräfte in den USA gefallene, Yahi-Indianer überlebte, weil er am Ende einer Zwischen-Zeit auftauchte. Wenige Jahre zwischen ca. 1903 und 1910 hatten gereicht, im Meinungsbild der mehrheitlich weißen Kalifornier im Bezug auf die Ureinwohner des Gebiets einen Wandel auszulösen, der vor allem daraus zu erklären ist, dass es quasi keine Ureinwohner mehr gab. Nach ihrer vermeintlich endgültigen Ausrottung wurden sie zu Nostalgieobjekten in der Hinsicht, dass zumindest Wissenschaftler nun den Verlust ihrer Sprachen und materiellen Kultur beklagten, die nicht einmal für anthropologische und museale Zwecke aufgezeichnet worden waren. Schon Thomas Jefferson, der dritte Präsident der USA, hatte diese wissenschaftliche Erfassung initiiert – die USA konstruierten daraus den Indianer als eine Art räumlichen Vorfahren. In diesem Rahmen waren die Native Americans museologisch und antiquarisch interessant. Ishi, der durch Zufall und eigenes Geschick den

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 45 Tod seiner ganzen Gruppe und aller Angehörigen überlebt hatte, war insofern ein Glücksfall: Mit dem Mann, von dem man als »Ishi« sprach,3 konnte die Aufzeichnung seiner Kultur noch fünf Jahre lang nachgeholt werden, bevor er 1916 an Tuberkulose starb. Diese Jahre hatte er als lebendes Inventar des Völkerkundemuseums der Universität von Kalifornien in Berkeley verbracht; hatte für Forscher, Studenten und Zuschauer Alltagsfertigkeiten vorgeführt, die für ihn Vergangenheit waren – in seiner Gegenwart lebte er in amerikanischer Alltagskleidung in einem winters geheizten Zimmer des Museums, das nach seinem Tod ebenfalls Teil des Museums wurde. Die Übertragung des unfreiwilligen Living Historians Ishi auf die internationale Praxis der Darstellung als Residualform durch noch lebende Praktiker einer als Relikt der Vergangenheit erlebten Fertigkeit ist nicht zu weit hergeholt. Hier wie dort ist die Endlichkeit des Systems vorgezeichnet, auch wenn viele mit alten Schustern, Schmieden und Besenbindern arbeitende Museen daraus noch keine Schlüsse gezogen haben. Videoaufzeichnungen der Vorführungen sind kein Ersatz – auch von Ishi waren Filmaufnahmen gemacht worden; das Material ging durch unsachgemäße Lagerung verloren. Die logische Fortsetzung von Vorführungen mit Substratcharakter ist die Gegenwartspraxis, noch vorhandenes Wissen in rudimentärer AnlernForm an Mitarbeiter, Praktikanten oder wiederum Ehrenamtliche weiterzugeben, so dass diese dann ihrerseits saisonal Handwerke und Alltagsgeschäft vorführen. Mit dem Abtreten der Praktiker und der Weitergabe an eine Generation, für die das Handwerk im Wesentlichen im Museumskontext existiert, wird dabei eine Grenze überschritten. Die Konsequenz, die einige größere amerikanische Museen wie Colonial Williamsburg schon früh (Poirier 2007, Gaynor 2005) und seit 2007 z.B. auch das Ecomusée d’Alsace aus diesem Engpass und der Gefahr gezogen haben, dass Vorführungen alter Fertigkeiten nur noch Auslaufmodellcharakter zu haben drohten, war die konsequente Organisation einer Fortführung der Handwerksvorführungen durch ausgebildete Spezialisten. Sofern sie als Eigenbetriebe organisiert waren, konnten diese Museen problemloser als z.B. ihre deutschen Gegenstücke dies auf Grund der geltenden Ausbildungsgesetzgebung können, die Fortführung der dargestellten handwerklichen Berufe insofern sichern, als Angestellte in alten Berufen professionelles Training erhielten. Das Colonial Williamsburg Museum schloss schon 1936 einen entsprechenden Vertrag 3

Ceram 1991: 92 – Wie der Anthropologe Karl Kroeber von der Universität von Kalifornien in Berkeley notierte, war es in der Yahi-Kultur tabu, den eigenen Namen auszusprechen – »Ishi« hieß wohl Mann – seinen wirklichen Namen hat der letzte Yahi nie wieder gehört.

46 | Geschichtstheater mit Williamsburg Craftsmen, Incorporated ab. Die ersten auf dieser Basis eingeführten Handwerksbetriebe waren eine Möbelschreinerei, eine Schmiede und eine Zinngießerei, wozu binnen weniger Jahre Schuhmacher, Kerzenzieher, Spinner, Weber und Perückenmacher stießen (Poirier 2007: 48; Theobald 2001:30). Die Produkte der als Vorführung oder auch darüber hinaus betriebenen Werkstätten werden im eigenen Museumsshop und über andere Vertriebswege verkauft. Michael Kammen hat beobachtet, dass der qualitativ hochwertige Retrochic der Produkte aus Colonial Williamsburg zusammen mit der patriotischen Botschaft, die von den dort hergestellten GründerväterzeitMöbeln ausging, schon in den 30er Jahren eine Nachfrage bewirkte. […] in the late 1930s the corporation that administered Williamsburg began to manufacture and sell reproductions of early American furniture. The administration simply could not resist the nationwide enthusiasm for colonial material culture and decorative arts, a trend that began soon after the highly successful opening of the American Wing of the Metropolitan Museum of Art (Kammen 1997: 140; vgl. Theobald 2001: 66).

Was als Versuch begann, eine Reihe von Residual-Fertigkeiten zu erhalten, indem sie in Ausbildungsstellen fortgesetzt wurden, ist in Williamsburg über die Jahre in ein eigenes Department of Historic Trades ausgewachsen, das für einige Jahre sogar sein eigenes Journal of Historic Trades herausgab (Gaynor 2005: 56; Poirier 2007: 50). Wie Bilder von den frühen Handwerkern (Gaynor 2005: 54, 55) belegen, trugen diese zunächst keine der dargestellten historischen Periode angepassten Kostüme; erst ab ca. 1970 scheinen diese verbindlich geworden zu sein. Von hier aus geht Living History Interpretation mehrere Wege. Auch wenn verschiedentlich zu lesen ist, die Idee der Living History-Museen habe sich von den Anfängen in Skansen auf andere europäische Länder ausgebreitet, ist dies nur für das Format des historischen Freilichtmuseums und seine gelegentlichen Handwerksvorführungen zutreffend, nicht für die permanente Besiedelung von Museumsbauten mit Interpreters. Living History Interpretation ist auch nicht einfach mit kostümierten Führungen gleichzusetzen. Vielmehr sind Handwerks- und Musikvorführungen, historisch ausstaffierte Guides und auf der Basis experimenteller Archäologie oder historischer Wissensstände entwickelte Szenarien drei voneinander unterscheidbare Formate, die chronologisch aufeinanderfolgend entstanden, aber in verschiedenen Museums- und Veranstaltungskontexten alle gleichzeitig fortbestehen. Zu unterscheiden sind zunächst einmal faktuale einerseits sowie personale und transpersonale Interpretationsansätze andererseits. Living History als Vorführung eines Substrats vergehender dörflicher Handwerkskultur durch noch lebende Praktiker ist zwar theatrikal und also

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 47 Geschichtstheater, insofern es sich um eine Situation handelt, in der A etwas vorführt und B dabei zusieht, wobei eine Interaktion zwischen Vorführenden und Zuschauern entsteht. Sie ist aber jedenfalls in der Regel nicht im intentionalen Sinne dramatisch, als A dabei handlungsbzw. werkstückzentriert operiert, also faktual. Die vorführenden Praktiker interpretieren (im Sinne von veranschaulichender Darstellung) ihre Handlungen, sind aber nicht gezwungen, den eigenen Auftritt zu reflektieren. Richard Bauman und Patricia Sawin (Bauman/Sawin 1991: 293, 297, 308) belegen allerdings, dass Musiker und Handwerker, die zur Vorführung ihrer Fertigkeiten angeheuert worden sind, sich im Einzelfall sehr wohl mit der Frage ihrer Identität und mit dem impliziten Anforderungsprofil auseinandersetzen. Die Übernahme ihrer Rolle durch dafür nur angelernte Kräfte und die Einbindung der Darstellung von Aktivitäten in kostümierte szenische Zusammenhänge überschreitet dagegen deutlich die Grenze zum Dramatischen: Zum einen wurde hierfür die Fertigkeit im und für das dyschrone Umfeld der Präsentation gelernt. Sollte sie getrennt von direkter Anchauung über die experimentelle Archäologie erst rekonstruiert werden, weil die eigentliche Fertigkeit längst verloren ist und die dargestellte Zeit zu weit zurückliegt, wird in der Umsetzung für Zuschauer auch der Rahmen der Archäotechnik verlassen – für den Archäotechniker steht wie für den noch gelernten Handwerker die Fertigkeit im Zentrum. Die Grenze ist fließend, aber wer eine Fertigkeit erst und möglicherweise nur für die Vorführung im Museum gelernt hat, entwickelt dazu in jedem Fall ein anderes, zwangsläufig auf Zuschauerinteraktion hin reflektiertes Verhältnis und Selbstverständnis. Das Dramatische der auf Interaktion hin ausgerichteten Präsentation lässt sich zu szenischen Abläufen hin ausbauen: Mit der Fertigkeit und ihrer Vorführung wechselt das Verhältnis zu historischen Personen. Einen Sonderfall stellt der mit historischen Methoden als Museum bewirtschaftete Hof oder die Farm dar. Die Arbeit dort ist ja nicht primär an die Zuschauerinteraktion gebunden, sondern muss abhängig von den Jahreszeiten und der Struktur des Ortes, Zahl und Art der Tiere etc. permanent getan werden, sie tendiert dazu, weder spektakulär noch besonders abwechslungsreich zu sein. Selbst an einem für seine histoische Farm berühmten Ort wie dem Freilichtmuseum Old Sturbridge Village in Massachusetts, wo 1970 die wichtige Association for Living History, Farms and Agricultural Museums (ALHFAM) gegründet wurde, steht diese Farm in der Werbung, auf der Webpage etc. hinter den abwechslungsreicheren versammelten Bauten der Town zurück. Dabei wird ein nicht unerheblicher Teil der auch für Biologen, Ethnobotaniker

48 | Geschichtstheater u.a. relevanten Forschung dort geleistet.4 Es handelt sich also auch hier um Living History Interpretation, wobei eine gewisse Zögerlichkeit, teuer von Schneidern angefertigte historische Kleidung im Einsatz auf dem Acker zu ruinieren, verständlich ist – eine relative Distanz der Ausstattung, wie sie etwa in Kiekeberg zwischen der eine bäuerliche Famiie repräsentierenden Darstellungsgruppe und dem permanenten ›Museumsbauer‹ Johannes Bur zu beobachten ist, ist insofern nachvollziehbar und sinnvoll. Wie bei einer historischen Farm erfordert auch ein MuseumsdorfFormat wie in Deutschland üblich für die Interpreters einer historischen Fertigkeit keine Verbindung ihrer Tätigkeit mit einer konkreten historischen Persönlichkeit. Auch ohne diesen direkten Bezug ist aber eine graduelle Identifikation mit der an der Funktion hängenden Rolle vermutlich unvermeidbar: Der Richard Schechner-Schüler Stephen Eddy Snow, der 1984 und 1986 verschiedene Figuren in Plimoth Plantation in Massachusetts darstellte und eine Studie über den Performance-Aspekt der Living History Interpretation geschrieben hat (Snow 1993), hat sich hierzu ausführlich geäußert: Je enger die Verbindung zu einer bestimmten Zeitebene oder historischen Ereignissen allerdings gehandhabt wird, und erst recht in den nordamerikanischen Zentralen der Living History Interpretation Praxis, trifft man auf Interpreters konkreter historischer Figuren. Das nahe der archäologischen Fundstelle aufgebaute Plimoth Plantation, wo jedes Jahr 1627 ist, Colonial Williamsburg in Virginia, wo die Revolutionsperiode von ca. 1770 bis 1790 den Zeithorizont darstellt, und die nach ihrer vollständigen Schleifung im 18. Jahrhundert am Originalort teil-wiederaufgebaute französische Kolonialfestung Louisbourg auf Cape Breton, sind drei Beispiele verschiedener Interpretations-arten für ›historische‹ Figuren, die nachstehend in den Abschnitten über die Themenwelten der Interpretationsorte ausführlicher behandelt werden. Die theatrikale Affinität ist bisher vor allem in nordamerikanischen Freilichtmuseen in zuschauerorientierte Geschichtstheaterformate umgesetzt worden, die sich als für alle anderen Programme stil- und formbildend durchgesetzt haben. Prinzipiell sind diese Formate alle interaktiv, d.h. Zuschauer können und sollen Fragen stellen, die von den Interpreters beantwortet werden. An dieser Stelle kommen die KostümGuides ins Spiel: Wie Dokumente und Fotos aus Colonial Williamsburg belegen, gab es dort seit den fünfziger Jahren in mehr oder weniger historischer Kleidung ausstaffierte, hauptsächlich weibliche Guides, die Gäste begrüßten und durch Häuser führten (Theobald 2001: 29; vgl. 4

Siehe Schlebecker 1968; Schlebecker/Peterson 1972 und die diesbezüglichen Artikel in den jährlichen Proceedings der Association for Living History, Farms and Agricultural Museums (ALHFAM).

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 49 Carlson 2000: 241) – eine Tätigkeit, die nichts mit handwerklicher Fähigkeit zu tun hat, sondern mit Präsentationstechnik, und die ihr Wissen nicht notwendig aus eigener Anschauung oder experimenteller Archäologie bezieht, sondern aus dem reduzierten Format eines Guides für Guides. Angelesenes und einstudiertes Wissen wird dann weitergegeben, wobei die ursprünglich noch vorherrschende Dissoziation von Kostüm und Person (»ich trage ein Kleid, wie es damals getragen wurde – bleibe aber ich«) anscheinend unter dem Eindruck der sich öffnenden Theaterszene und der beginnenden Popularität von Reenactments in den späten fünfziger/frühen sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zum Figuren-Rollenspiel ergänzt wurde. Eine besondere Form der Interpretation ist [...] das Rollenspiel, in dem der Interpreter in Rolle und Kostüm einer historischen Person schlüpft, die – sei es als Typ, sei es als tatsächlich belegte historische Persönlichkeit - in dem von ihm betreuten, in diesem Fall historischen Lern-Environment [...] früher gelebt hat. Dieses Spiel kann bis zur zeitweiligen Aufgabe der eigenen Persönlichkeit gehen, indem der Interpreter sich aus der eigenen Zeit ganz zurückzieht und nur noch die von ihm interpretierte Gestalt zu sein vorgibt […]. (Hey 1988: 37)

Hierzu ist anzumerken, dass Interpetation keine Übersetzung ist, sondern eine Mediation, die hochgradig von Wissen und Fähigkeiten der Interpretierenden abhängt. Es sind in der Regel denn auch nicht die Interpreters in Museen, die Programme entwickeln oder Ausstellungen arrangieren; dafür gibt es Museumspädagogen und Historiker. Die Interpreters füllen diese Programme mit Leben – hierin liegt der zentrale Unterschied zwischen einer (meist) musealen, Qualitätskontrolle unterworfenen Form – der Living History Interpretation – und den selbstentwickelten und außermusealen Programmen, die in Gruppen oder aus der Initiative Einzelner entstehen. Heys spirituelle Grenzerfahrung suggerierende Vorstellung von der »Aufgabe der eigenen Persönlichkeit« macht allerdings eine Ausführung zu den verschiedenen Techniken der Interpretation notwendig. Die nachstehende Typformenübersicht gibt die Bandbreite verschiedener Methoden der Interpretation unabhängig davon wieder, ob der Kontext museale Living History, ein Markt, eine Festveranstaltung oder das Rahmenwerk eines Reenactments ist. Die gebräuchlichste, am leichtesten verständliche und zugängliche Form der Figurenpräsentation ist die Third Person Interpretation, am ehesten als Personenbericht zu übersetzen: Eine in historischem Kostüm ausstaffierte Person erklärt, erläutert und/oder führt vor, was er oder sie weiß bzw. vorführen kann. Diese Form ist auch für in Rollenspielen ungeübte Interpreters relativ schnell anzueignen. Die Erzählsprache kann zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechseln, Vergangenheitsform

50 | Geschichtstheater überwiegt. Die in der Regel kostümierten Darsteller berichten über die von ihnen wiedergegebenen Personen, ihr Leben, ihre Tätigkeiten, ihre Erfahrungen, und führen dabei von diesen Personen beherrschte Fertigkeiten und Praktiken, falls vorhanden auch angefertigte Objekte oder Gegenstände aus dem Besitz dieser Personen vor. Sie können dabei eine bestimmte historische Figur vergegenwärtigen oder Erfahrungen und Erlebnisse mehrerer verschiedener historischer Figuren zu einer Kompositfigur verknüpfen. Composite Character. Auch Representative Interpretation oder Documentary Interpretation: Ein fiktiver First Person-Charakter, der sich auf eine Vielzahl real existierende [sic] Personen, Primärquellen und demographische Daten zurückführen lässt. Die dargestellte Szene ist aus verschiedenen Quellen zusammengestellt. Der Composite Character soll damit einen repräsentativen Querschnitt durch eine Gesellschaftsschicht oder Personengruppe darstellen. (Glückler/Sturm 2001: 3)

Was Ingo Glückler und Andreas Sturm hier für die im homodiegetischen Erzählmodus als Ich-Erzähler vortragende Figur beschrieben haben, gilt übertragen genau so für die Erzählung in der Personenberichtform. Der Schwerpunkt liegt hierbei allerdings klarer auf den in heterodiegetischem Erzählmodus vermittelten historischen Figuren und ihrer Situation, also auf den Inhalten, nicht auf dem aktiven Rollenspiel. Figureninterpretation als Personenbericht ist deshalb zum einen relativ wissenschaftsnäher – nicht zwingend inhaltlich, aber in der Art der Vermittlung über eine sozusagen generische Figur, hinter deren historischer Fiktion die didaktisch-belehrende Funktion erkennbar bleibt. Dieser Figur fehlt entsprechend das Element des personalen Bezugs zum Dargestellten und ggf. auch zum Ort, das viele Zuschauer unter dem Einfluss des personalisierenden und sentimentalisierenden Fernsehens zu erwarten scheinen, weshalb an vielen Orten mit First Person Interpretation/ Personenspiel (Roth 1998) operiert wird. In Plimoth Plantation wurde diese Interpetationsform sogar verbindlich gemacht. Die Größe dieses Schrittes für die Theatralität der Darstellung und den Effekt auf die themenweltliche Anordnung wird häufig unterschätzt. Das bewusst und erklärend ironische »Als Ob« im Vergangenheitsmodus wird in dieser Form zugunsten eines Erzählpräsens aufgehoben. Die Darsteller bleiben im Kontakt mit Zuschauern in ihrer Rolle als historische Figur; Durchbrechungen dieses Modus sind Ausnahmen und werden als Ausnahmen kenntlich gemacht. Im Museum Theatre Format, d.h. wenn die Figur einen Text deklamiert oder mehrere Figuren szenisch interagieren, ohne dass Zuschauereinrede möglich ist, ist diese Art des 5

Dank an Andreas Sturm für die Überlassung dieses früher auf einer Webpage verorteten Textes.

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 51 Personenspiels offensichtlich einfacher durchzuhalten als im interaktiven Dialog mit den aus der ›anderen‹ Zeitebene stammenden Zuschauern. Es kann sich bei der Ich-Person wieder um eine erfundene bzw. eine auf der Basis von Quellentexten und Objekten generierte Figur (Composite Character) handeln, oder um eine recherchierte, namentlich bekannte historische Person. Die Perspektive der historischen Ich-Persönlichkeit ist aber zwangsläufig begrenzt, was sie für den Einsatz in interaktiven Situationen wieder problematisch macht – der von Glückler und Sturm aus der von ihnen beobachteten Praxis angeführte britische Bogenschütze etwa, der von seinem Erleben der Niederlage bei Towton 1461 erzählt, stellt dieses Ereignis in den Vordergrund. Ob er über den Kontext allerdings viel hätte sagen können, ist fraglich – die meisten der im homodiegetischen Erzählduktus beleuchteten fiktiven, aber im historischen Detail recherchierten ›Froschperspektiven‹ erweisen sich als problematisch, sobald die Figuren als Wissensvermittler angesprochen werden, was in der Personenberichts-Perspektive weit unproblematischer ist, insofern die Interpreters in das vermittelnde Lehrformat wechseln können. Personenbericht und Personenerzählung in Freilichtmuseen favorisieren scheinbar eine Geschichte ›von unten‹ – scheinbar, weil die eingenommene Froschperspektive beim näheren Hinsehen die Grands Recits meistens intakt lässt (vgl. Faber 2008a: 88). Schlossführungen und ähnliches werden zwar in der Regel nicht vom ›Fürsten‹ selbst, sondern von Domestiken oder sonstwie nachgeordneten Figuren vorgenommen (Pelz 2004: 33); die damit erreichte Klassenebene der Mehrzahl der Besucher signalisiert aber zunächst einmal, wie stark Freilichtmuseen und Museen überhaupt diskursiv eingebunden sind. Die Präsentation des Abweichenden und des Dissenses ist immer riskant: »Museum villages are not highly populated with Loyalists or Luddites, Antifederalists or Wobblies [...] Molly Maguires or Copperheads« (Schlereth 1992: 350). Die mittlerweile in U.S. Museen auch in den ehemaligen Sklavenhalterstaaten eingeführte Darstellung von afrikamerikanischer Geschichte und Sklaverei-Erzählungen belegt hauptsächlich deren Aufnahme in den Kanon als erzählbar (re-)konstruierte Geschichte. Dabei ist es nicht so, dass Living History dem hegemonialen Diskurs folgen müsste. Sie kann kontradiskursiv eingesetzt werden; ihre Nutzung etwa für von der mehrheitlich mittlerweile akzeptierten Geschichte abweichende Privatprogramme im Sinne eines in persönlichen Gesprächen zu hörenden »You won’t read about this in the history books, but […]« bei Reenactments in denselben ehemaligen Sklavenhalterstaaten belegt den Fortbestand einer regional früher dominanten Variante der Bürgerkriegsgeschichte. Es ist gleichwohl ebenso gut möglich, progress-

52 | Geschichtstheater ive oder bisher vielleicht einfach nur nicht institutionell repräsentierte Inhalte zu verbreiten; bleibende Effekte werden sich allerdings nur einstellen, wenn das Geschichtstheater hierbei nur ein Teil einer koordinierten Kampagne ist, die auch wissenschaftliche und Medienplattformen nutzt (vgl. Hochbruck 2011: 84). Die Verbreitung dissidenter Inhalte über Geschichtstheater belegt die prinzipielle Verwandtschaft der Form auch mit politischem Straßentheater – was Martin Maria Kohtes in Anlehnung an R. G. Davis Guerilla Theater genannt hat (Kohtes 1990: 82). Im First Person-Format auftretende Persönlichkeiten der Geschichte verlangen wegen ihres Bekanntheitsgrades mehr Studium der existierenden Figurenbilder bzw. der über die Figur im Umlauf befindlichen Stereotypen: George Washington und Abraham Lincoln sind in USA besonders beliebt; bei den Jahrestreffen der Lincoln-Darsteller-Gesellschaft kommen über Hundert »Abes« zusammen. Ihre Darstellung verlangt erheblichen Aufwand in der Maske: Offensichtliche Abweichungen vom über Photos, Gemälde etc. rezipierten Original können in unfreiwillige Komik auslaufen. First Person Modus ist grundsätzlich mit dem Problem konfrontiert, dass zwei Zeitebenen miteinander vereinbart werden müssen, d.h. die Interpreters müssen entweder agieren, als seien die Besucher trotz ihrer offensichtlich inkongruenten Kleidung, ihrer Fotoapparate und ihres Benehmens ebenfalls Vergangenheitsfiguren, oder sie simulieren Erstaunen über deren Merkwürdigkeiten. Es ist sinnvoll, Zuschauer auf diese Interaktionsform vorzubereiten. You don’t have to imagine how life was in northeast Wisconsin 100 years ago! When you leave Heritage Hill’s Visitor Center, you will actually experience the past through living history … The people who »live« in Heritage Hills’ historical structures eat, work, dress and talk as though they were living in bygone days. To them, modern conveniences and language patterns do not exist […]. (Heritage Hill State Park WI Info Folder, zit. nach Kammen 1997: 219)

Einfacher durchzuhalten als die permanente Zeitreisefiktion ist eine My time/your time–Variante, in der die First Person beibehalten werden kann, ohne die Zeitdistanz vorgeblich zu ignorieren. Eine andere Form, die First Person-Figur in die Gegenwart der Zuschauer zu bringen, ist der Modus der Geistergeschichte: Die Personenerzählung erfolgt über das in der Rückschau dargestellte ›Damals‹. Eine verhältnismäßig neue Variante der Zuschauerkommunikation ist die sogenannte Second Person Interpretation, bei der Zuschauer einbezogen und zum Ausprobieren von Handlungen, Bewegungen und handwerklichen Griffen aufgefordert und dabei angeleitet werden. Es gab zwar speziell diese Selbst-Erlebensform als angeleitete Zuschauer-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 53 aktivität sowohl spontan aus der Interaktion mit Darstellern erwachsend als auch in Handwerks-Workshops schon früh; erst in den letzten Jahren wird sie aber als eigene Form beschrieben (Magelssen 2006: 291). Der Unterschied besteht darin, dass Museen die Performativität der Zuschauerinteraktion zu berücksichtigen gelernt haben (Oesterle 2010) und versuchen, diese systematischer zu involvieren. Die geschichtsdidaktische Überlegung, die hinter der Systematisierung des wörtlich zu nehmenden Personenbegreifens steht, stammt aus der Schuldidaktik und ist entfernt verwandt der Betroffenheitsdidaktik, mit der Zuschauer in Museen wie dem Flanders Fields Museum in Ieper (Belgien) oder dem Holocaust Museum in Washington über eine mit der Eintrittskarte zugeloste und an verschiedenen Stationen im Museum aktualisierbare Identität einer historischen Person diesen anverwandelt werden. Näher an der Praxis ist der raum-zeitliche Trick, mit dem Besucher sich im Museum der Bürgerrechtsbewegung im ehemaligen Lorraine Motel in Memphis, TN (wo im April 1968 Martin Luther King ermordet wurde), über Videobildschirme und herumstehende Gipspappefiguren plötzlich als ›Teilnehmer‹ in Schlüsselsituationen wiederfinden und zur Auseinandersetzung mit diesen Momenten der Geschichte genötigt werden. Die grundsätzliche Distanz zwischen der dargestellten Rekonstruktion von angenommener vergangener Lebenswirklichkeit und der jetzt-zeitigen Erlebniswirklichkeit der Zuschauer (für die dieser Besuch im Museum oder in jedem Fall dieser Eintritt in die ›Vergangenheit‹ und dieses Zusammentreffen nicht Alltag sind, sondern Abenteuer), wird in der Personenberichtsform zur Reflektion einladend in den Vordergrund gestellt, während die Personenspielform darüber hinaus zum identifikatorischen Theater ausgreift. Zwar meint z.B. Stephen Eddy Snow, dass Zuschauer wie Akteure sich der Nicht-Identität historischer und dargestellter Welten, also der Ungleichzeitigkeit von Lebenswelt und Themenwelt, immer bewusst seien. Sein Versuch einer theoretischen Unterfütterung dieser Einlassung aus dem Geiste Brechts ist aber wegen seiner Theoriebildung bereits von Scott Magelssen zurückgewiesen worden (Snow 1993: 147, 181; Magelssen 2004: 68) und ist im Brecht’schen Sinne in der Tat absurd. Tatsächlich ist ein Verfremdungseffekt im Sinne einer wiederholt diskursiv eingebrachten DeFamilisierung eher für die Praxis des Personenberichts zu argumentieren: Die aktive Übernahme und Auseinandersetzung mit einer Figurendarstellung – einschließlich der Personenspielform – kann allerdings wie oben angesprochen wegen ihres autodidaktischen Charakters eine Erfahrung im Sinne der Brecht’schen Lehrstücktheorie bewirken (Hochbruck 1997), also ein Verständnis der sozialen und historischen Rolle der dargestellten Figur über die Anverwandlung im dramatischen

54 | Geschichtstheater Spiel. Als systematisch angestrebte Erfahrung ist dies bereits Museumstheater im engeren Sinne; von einem spontanen Erlebnis dieser Art berichten vor allem Reenactors. ›Belebend‹ wenn auch nicht im Sinne von Living History Interpretation wirken auch die anderen Formen der Live Interpretation – was in den bisherigen Theorien zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass die historische Kostümierung zunächst einmal als Authentifizierungsmerkmal funktioniert und damit ähnlich der Uniform von National Park Rangers eine Autoritätsebene signalisiert, auch wenn sie nicht denselben offiziell-autoritativen Charakter hat. Es ist aber in diesem Zusammenhang zu beobachten, dass auch vordergründig zivil gekleidete Guides oft durch Abzeichen autorisiert sind, oder sich in ihrer Kleidung wenigstens ein Stück weit ›historisiert‹ haben, ähnlich den Handwerkern, wodurch sie an der Atmosphäre des historischen bzw. historisierten Raums partizipieren. Eine Besonderheit stellt das »Red T-Shirt«-Format dar, mit dem z.B. in Old Sturbridge eine Ebene zwischen Besuchern und Interpreters im Personenspielmodus eingezogen wurde – eine Art Ombudsperson für desorientierte Besucher, die mit der Spieltechnik Schwierigkeiten haben, aber auch für die 1st Person-Figuren, die nicht aus der Rolle fallen wollen. Living History Interpretation Techniques6 Personen-

Theatrale

form

Intensiät

1st. Ps.

Personenspiel

Technik

Figuren-ebene

Basis

Szenisches

Konkrete Figur

›Authentizität‹

Ausagieren 3rd. Ps. 2nd Ps.

Personenbericht Besucheraktion

Interaktion

Generische

Wahrschein-

Besuchern

Figur

lichkeit

Selbst-

Übernahme

Neugier,

erprobung

einer

Kompetenz-

Erläuterung

mit

Figurenposition

erwerb

Metaebene

Position

Guide

Aussensicht

Uniform

hohe Formalität

+ Autorität

Zivil

informell

+ Wissen

Alle Interpretationsformate sind »environmental theatre« im Sinne Richard Schechners (Schechner 1981: 22; vgl. Snow 1993: 7), das heißt, sie beziehen ihre Authentifizierung nicht zwingend aus einem Theatergebäude. Der Erzählrahmen ist gleichwohl räumlich bedingt, und das in

6

weiterentwickelt aus Goodacre/Baldwin 2002: 12.

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 55 stärkerem Maße als in einem ›normalen‹ Theater, insofern der bespielte Raum die historische Zeitebene der Darstellung unterstützen muss: das historische Gebäude, in oder vor dem Living History Interpreters Zuschauerkontakt aufnehmen, das Feld, das Waldstück, die Straße – die Rolle determiniert den Raum und umgekehrt der Raum die Rolle und Erzählfunktion. Im Fall eines von Living History Interpreters bespielten Freilichtmuseums ist diese Relation eindeutig. In modernen Museumsräumen, in Schulen etc., werden Geschichtstheaterprogramme deshalb nicht unmöglich; sie erfordern dann nur ein weiter gehendes Verständnis von Performanz und Theatralität. Diese Ausweitung enthält allerdings den von der Ebene des Schauspielerischen gesehen eher nebensächlichen Unterschied zwischen Living History Interpretation und Museumstheater: Living History Interpretation ist in der Regel räumlich/situationell eingebunden und meistens die szenische/erläuternde Ebene vor den Gegenständen bzw. historischen Bedingung-en, während Museumstheater dieselbe Eingebundenheit nicht notwendig aufweist: Die Objekte sind zwar da, können aber in den Vitrinen bleiben, das Szenario wird in einem dafür hergerichteten Theaterraum des Museums oder einem Seminarraum/Klassenzimmer gespielt, wobei Text und Spiel im Zentrum der Zuschauererfahrung stehen – wo sie nicht überhaupt direkt mit einbezogen werden, oder das Spiel mit ihnen entwickelt worden ist. Für Living History Interpretation als – meistens – objekt- oder situationsbezogene dramatische Einzelleistung wie für die inszenierende Praxis der Museumstheaters (Findlater 1996) gilt, dass die objektivierbare Authentizität der physischen Ausstattung nur eine von vier Komponenten ist, aus denen sich die Qualität der Vermittlung zusammensetzt (vgl. Hochbruck 2009a: 171): Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ

Fachwissen materielle Qualität pädagogisches Konzept & didaktische Ausrichtung darstellerische Befähigung

Keine dieser Komponenten darf fehlen. Materielle Qualität und Fachwissen sind dabei Basisvoraussetzungen für eine überzeugende Präsentation – der leider auch im Schulsystem heute völlig überzogene Fokus auf Kompetenzen generiert im schlimmsten Fall vermittlungsmethodenbewusste Dummschwätzer. Gleichzeitig wird eine Ausrüstung in Museumsqualität gepaart mit profundem Detailwissen die Zuschauer nicht beeindrucken, wenn die Vermittlung scheitert: Mängel in pädagogischem Konzept und didaktischer Ausrichtung verzeiht man

56 | Geschichtstheater allenfalls einer Schaufensterpuppe – womit allerdings der Zweck der Living History Interpretation verfehlt wäre. Zu versuchen, in allen Bereichen erstklassig zu sein, ist natürlich das Ziel des engagierten Geschichtstheaters und für Gruppen und Einzeldarsteller, die als Living History Interpreters mit Museen arbeiten wollen, schlechthin unabdingbar. Der Mindener Wettbewerb 2012 war in dieser Hinsicht nach der Qualitäts- und Zertifizierungsdiskussion 2008/9 eine gute Gelegenheit zu einem Überblick über die Qualitätsentwicklung der letzten Jahre. Die ausgezeichneten Gruppen und Einzeldarsteller waren in allen Bereichen in ihrem Feld richtungsweisend. Im Zweifelsfall überzeugt die Paarung Fachwissen & darstellerische Fähigkeit mehr als die materielle Qualität. Ein Problem der Living History Interpretation ist die Begrenzung des eigenen Zeit-Raumes, wo diese nicht von den Ereignissen (französische Revolution, amerikanischer Bürgerkrieg etc.) vorgegeben wird. »Mittelalter« etwa kann in der laufenden Praxis so ziemlich alles vom Jahr 600 bis 1600 umfassen, und tritt gerade auf Märkten etc. auch in dieser Bandbreite auf. Ähnlich divers können wenigstens für Kenner der Materie »römische« Geschichtstheatertage aussehen, wenn von der republikanischen Periode bis zur ausgehenden Kaiserzeit alles versammelt ist. Für private Gruppen sind die zeitlichen Grenzen der für sie möglichen Darstellungen natürlich auch finanziell vorgegeben: Mitglieder von Darstellungsgruppen der napoleonischen Periode, und beileibe keine Dilettanten in materieller wie schauspielerischer Hinsicht, deren Uniformierung und Ausrüstung für die Zeit der Revolutionsarmee historisch korrekt ist, sind in dieser Aufmachung bei Waterloo im Grunde falsch, werden von Veranstaltern in der Regel aber genommen, in nicht unberechtigter Hoffnung darauf, dass die weit überwiegende Mehrheit der Zuschauer die Feinheiten der Unterschiede nicht erkennt. Damit wird allerdings eine riskante Richtung eingeschlagen. Wenn Zuschauer eines Stadtfestes mit historischem Festaufzug oder Besucher von Reenactments nicht über die relativen Freiheiten der Ausstattung aufgeklärt werden, die sich Veranstalter und Teilnehmer aus finanziellen Gründen herausnehmen, dann ist das schon grenzwertig, insofern damit dem Publikum pauschal potentiell vorhandene Qualifikationen in der Unterscheidungsfähigkeit abgesprochen werden – solche Veranstaltungen ziehen aber gerade Geschichtsbegeisterte an, die, wie sich in den Diskussionen am Rande der Veranstaltung und in den ›Feldlagern‹ schnell herausstellt, manchmal brauchbares Detailwissen haben. Im Museum wäre eine entsprechende Einstellung völlig indiskutabel, da sie dem grundlegenden didaktischen Anspruch zuwiderläuft: Denen, für die

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 57 man einen Bildungsauftrag hat, darf man die dazu notwendigen Unterscheidungsfähigkeiten nicht absprechen. Leider sind es oft finanzielle Erwägungen, die in diesem Zusammenhang dazu führen, dass Einzeldarsteller oder Gruppen aus dem Reenactment- oder Mittelaltermarkt-Szenenbereich angeworben werden, weil Museumsleitungen über die Popularität solcher Vorführungen ihre Zuschauerzahlen nach oben korrigieren wollen. Der Preis hierfür wird dort gezahlt, wo man ein Museum dadurch zum Themenpark degradiert und den eigenen Auftrag unterläuft (Sturm/Beyer 2008).

0XVHXPVWKHDWHU Without seeking to limit what it can be, Museum Theatre is the use of drama or theatrical techniques within a museum setting or as part of a museum’s offerings with the goal of provoking an emotive and cognitive response in visitors concerning a museum’s discipline and/or exhibitions (Hughes 1998: iii).

Catherine Hughes Definitionsversuch lässt eine Lücke zu dem hin, was Drama genannt werden könnte, wo der Einbezug von »theatrical techniques« gereicht hätte. Interessanterweise fehlt der Begriff des Acting, obwohl hier von anderen Autoren zumindest implizit eine Linie gezogen worden ist. Während die Living History Interpretation von der Seite der fertigkeitszentrierten Vorführung kommt, für die Handwerker und ihre angelernten Nachfolger bei Bedarf Aus- und Fortbildungen in Interktionstechniken für den Umgang mit Zuschauern bekommen, liegt beim Museumstheater der Schwerpunkt auf der szenisch-schau-spielerischern Interaktion untereinander und mit den Zuschauern. Eine Reihe von Museen hat daraus in der Vergangenheit den Schluss gezogen, dass sie tatsächlich Schauspieler angeheuert haben. Aus Kostengründen geschieht dies aber vielerorts nur temporär, also etwa für die Tourismussaison, oder für bestimmte Ausstellungen, wie Betty Doak-Elder anhand der verschienenen etwa im Herman-Grima Haus in New Orleans, im sogeannten Tyron Palace in New Bern NC und im Old Cowtown Museum in Wichita KS verwendeten Strukturen erklärt hat (Doak-Elder, 1981: 811). Wie weit damit der Volksbildungsanspruch der Museen eingelöst wird oder lediglich der Kassenstand am Jahresende aufge-essert werden soll, ist hier nicht Thema; nur so viel: das Museum, stellt Catherine Hughes fest, besetzt eine mittlere Position im Feld sozialer Erfahrungsorte – irgendwo zwischen Disneyland und Klassenzimmer (Hughes 1998: 27).

58 | Geschichtstheater In Deutschland, wo öffentliche Gelder für Museumsarbeit zur Verfügung stehen, ist der Popularitätsdruck niedriger; entsprechend zögerlicher gehen viele Museen mit populären Programmformaten um. Das erste Museum in Deutschland, das professionelle Schauspieler für (lose) geskriptetes Geschichtstheater begleitend zu einer Ausstellung anheuerte, scheint das Badische Landesmuseum Karlsruhe gewesen zu sein, für die Ausstellung 1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden (Schmidt/Steinkühler 1999). Mit szenischem Spiel wurde allerdings schon vorher experimentiert, etwa im Rheinischen Freilichtmuseum in Kommern. Dort hatte es auch die ersten dokumentierten Versuche mit Living History Interpretation gegeben (Kuntz/Kuntz 1978), und in den neunziger Jahren lud das Museum Gruppen und Individuen ein, Programme zu entwickeln, die Michael Faber etwas irreführend als »personale Geschichtsinterpretation durch Rollenspiel« bezeichnet hat (Faber 2008b: 120) – das wäre nämlich Living History Interpretation – und als »Gespielte Geschichte« (ebd. und Faber 2008a: 80), was sowohl die zwischen erster und dritter Erzähl-person, also Bericht und Spiel hin und her wechselnde Figuren-interpretation umfasst, als auch die von ihm als »Reenactment« bezeich-neten Museumstheater-Auftritte von dazu angeworbenen Agenturen wie Facing the Past, die ausgearbeitete, multipersonale Spielszenen aufführen (Faber 2008a: 92ff.; Brand-Schwarz/ Klöffler/Körver 2008). Seine Einlassungen spiegeln die verständliche Vorsicht des Wissenschaftlers gegenüber neuen didaktischen Formaten – und ihren Trägern: Schließlich ist Drama – wie jedes literarische Genre – eine hyperstrukturierte Diskursform; d.h. die Idee einer Darstellung von Lebenswirklichkeit ist schon auf dieser Basis ein Problem. Selbst wo die ausführenden Gruppen sich der sozialen, linguistischen, biologischen und technischen zwangsläufigen Diskrepanzen bewusst sind (vgl. BrandSchwarz/Klöffler/ Körver 2008: 73), sind die Gefahren von ÜberDramatisierung, Stilisierung, und unfreiwilliger Parodie schon virulent, bevor eine Diskussion des historischen Wahrheitsgehalts (de Jong 2008: 75) überhaupt begonnen hat. Ein Problem der Qualitätssicherung, das ebenso eher mit der Individualisierung des Narrativs im Aneignungsprozess durch die Darsteller zu hat, als mit der »Naturalismus-Spirale« (Walz 2008: 32; vgl. Magelssen 2007: 84ff.), ist die Tendenz zur ›Verbesserung‹ der Erzählung: dramatischer, romantischer, sentimentaler, besser zur Identifikation geeignet (Hoch-bruck 2011: 83). Schauspiel ist Unterhaltung, und Qualität in der Living History Interpretation ist wie im Museumstheater nicht allein an Spielfreude und schauspielerisches Talent gebunden. Ein wichtiger Punkt der Qualitätssicherung sowohl für Living History Interpretation wie im Museumstheater ist deshalb die – für Zuschauer

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 59 unsichtbare – Frage nach der Existenz eines Storyboards: Ist die Interpretation von den Darstellern selbst entwickelt worden oder wurde sie vom Museum vorgegeben; sind die Interpreters mit dem Programm an das Museum herangetreten und machen sie ihre Vermittlungstätigkeit als Freiwillige, oder sind sie angestellt? Wird die Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Vortrag regelmäßig kontrolliert; wie wird die Darstellung weiterentwickelt? In Kiekeberg etwa ist das Programm der Landbevölkerungsdarsteller zwischen Leitung, Museumspädagogen und Interpreters abgesprochen und wird gemeinsam auf der Basis von Erfahrungen, Rückmeldungen und (finanziellen) Möglichkeiten weiterentwickelt – ein kybernetisches System (Duisberg 2008: 115). In Colonial Williamsburg erhalten alle angestellten Interpreters – deren Zahl sich seit 1980 von 350 bzw. 500 in den Sommermonaten mehr als verdoppelt hat (Anon. 1980: 1) – ein zehnwöchiges Training in historischem Hintergrundwissen, Schauspieltheorie und -praxis sowie Übungen in ihren Rollen; die Teilnahme an regelmäßigen Nachschulungen, Fachvorträgen und Fortbildungen wird erwartet. Die dargestellten Szenen sind von Historikern und Theaterleuten entwickelt worden, die Erarbeitung der Figuren obliegt allerdings den Darstellern selbst (Teunissen 2010: 187f.), wobei Biographie und Charakter-merkmale natürlich zueinander passen müssen. Viele historische Figuren sind gut belegt; bei anderen – etwa bei Sklaven – muss faktenbasierte Imagination die Lücken auffüllen (Teunissen 2010: 189; Johnson 1996/7: 10f.; Brennan 1995; Greenman 1995/6). Dass der zeitliche Schnitt in Colonial Williamsburg bei 1800 gelegt wurde, und nicht z.B. 1791, 1794 oder 1807, was jeweils begründbar gewesen wäre, scheint eine Horizontwahl unter Umgehung einer Diskussion ideologischer Argumentationen gewesen zu sein. Nimmt man die Bezeichnung »Colonial« Williamsburg wörtlich, hätte die Schnittstelle eigentlich 1783 liegen müssen, als die Herrschaft im Lande an die neuen alten Herren überging. Die Verlängerung der Zeitperspektive bis 1800 signalisiert eine Aufnahme der Blütezeit der frühen Republik ins ideologische Boot, das damit noch deutlicher einer patriotischen Sinnstiftung gewidmet ist. Der zeitliche Rahmen Colonial Williamsburgs mit der enthaltenen ideologischen Sprungstelle macht den ganzen Ort zu einem synekdochischen Rip van Winkle-Village, das kollektiv wie Douglas Adams’ Restaurant at the End of the Universe aus der späten Kolonialperiode in die Gründerväterjahre wandert, um irgendwann und irgendwie wieder zurückzurutschen. Die meisten Freilichtmuseen Europas überspannen dagegen größere Zeitspannen, was wiederum bei der Kostümierung der Interpreters Schwierigkeiten macht, wenn Besucher von einem Haus

60 | Geschichtstheater zum nächsten und übernächsten möglicherweise jeweils hundert Jahre springen müssten. Die Bandbreite der Interpretationsformate, mit denen vor allem in den U.S.A. und Großbritannien zur Verbesserung der Vermittlung im Sinne von Zuschauerbindung, aber auch didaktischer Ergebnissicherung gearbeitet worden ist, ist groß. Auch in diesem Punkt kann Colonial Williamsburg in Virginia exemplarisch stehen. Der seit den ausgehenden zwanziger Jahren unter der Ägide von W. A. R. Godwin und mit dem Geld des Magnaten John D. Rockefeller jr. betriebene Rückbau der ehemaligen Hauptstadt von Virginia in ihren für das Ende des 18. Jahrhunderts belegten Bauzustand hat nach dem Abriss hunderter unzeitgemäßer und der Restaurierung noch vorhandener bzw. dem Wiederaufbau belegter Strukturen mehrere Straßenzüge mit einer Vielzahl von historischen Werkstätten, Wohn- und Funktionsgebäuden sowie öffentlichen Einrichtungen ausstaffiert, die ganzjährig bespielt werden. Die ›Authentizität‹ bzw. was Markus Walz und Scott Magelssen ›Naturalismus‹ nennen, finden ihre Grenzen an den typischen Annehmlichkeiten eines Touristenbetriebs: Mülltonnen, Getränkeautomaten und Toiletten sowie die vorgeschriebenen Zugangsmöglichkeiten für Behinderte sind zwar geschickt getarnt und in das Gesamtbild integriert, aber eben auch wieder nicht so effektiv, dass sie nicht gefunden werden könnten, und die zahlreichen Sitzbänke entlang der zentralen Duke of Gloucester Street geben dem Ambiente zwar ein Gefühl von Gemütlichkeit, wären aber so schlicht nicht da gewesen. Sie sind eindeutig für eine Zuschauerschaft mit überproportionalen Anteilen älterer Leute sowie von Familien mit Kindern gedacht. Dieser Ansatz setzt sich in Struktur und Zielrichtung der im Department of Interpretive Training for the Historic Area zusammengefassten Living History Interpretation und Museumstheater-Typen fort. Das u.a. von Mark Wallis von der britischen Past Pleasures Agentur trainierte Personal von Colonial Williamsburg ist dem Interpretationskonzept des Museums folgend in drei verschiedene Kategorien kostümierter Vorführungstechnik aufgeteilt. Für die Zuschauer ist diese Differenzierung zunächst nicht sichtbar, und in der laufenden (dritten) Ausgabe des Official Guide to Colonial Williamsburg werden die Typformen nicht geschieden. Den verschiedenen Fähigkeiten sind aber verschie-dene Orte zugewiesen und korrelieren verschiedene Interaktions-formen: A.) Craftspeople, also jene, die Handwerke ausüben und auch vorführen können, in den jeweiligen Werkstätten, die in einer eigenen Karte verzeichnet sind. Viele von ihnen sind Meister ihres Fachs, die auch Lehrlinge ausbilden (auch wenn weder der

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B.)

C.)

D.)

E.)

F.)

eine noch der andere Begriff 1:1 ins deutsche Ausbildungssystem übertragbar sind, da es das duale System mit Berufsschule in USA so nicht gibt). Die anderen historischen Gebäude haben zugeordnete Historical Site Interpreters, die für Erklärungen zur Verfügung stehen und einführende Szenen spielen. Orientation Interpreters verschiedener Funktionen können auf offener Straße oder in Interaktion mit Handwerkern und HausInterpreters angetroffen werden: Sie sind die ersten kostümierten Darsteller, auf die Besucher treffen. Sie geben historisch kontextualisierende, aber auch konkret gegenwartsverankerte Hinweise z. B. auf Restrooms, und sie kontrollieren beim Eintritt in programmrelevante Gebäude die Eintrittskarten – das Gelände ist ansonsten außerhalb der durch temporäre Absperrungen gesicherten Revolutionary City – Theatervorführungen (s.u.) frei zugänglich. Sie operieren grundsätzlich in Personenberichtform, sofern ihnen historische Fragen gestellt werden; die Authentizität der Kostümierung wird relativ leger gehandhabt, insofern sie auch dadurch von den in Personenspielform operierenden Interpreters unterscheidbar sein sollen (Weldon/Josey 2008). Diese zweite Gruppe ist aus den Hostesses der ersten Jahrzehnte des Museums entwickelt worden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Einzelshows und Sonderprogrammen wie z.B. die abendliche Einführung in das Leben der afrikamerikanischen Bevölkerung. Dieses Programm involviert Zuschauer, die sich hierfür angemeldet haben, auch aktiv. Hiervon wiederum getrennt ist die über drei Tage verteilte Show Revolutionary City, die von einem eigenen Drama (Sub-)Department organisiert und koordiniert wird. Die Schauspieler sind z.T. aus dem Hausdienst rekrutiert bzw. aufgestiegen, mehrheitlich stammen sie aber aus Theaterstudien-Programmen wie dem des örtlichen William & Mary College (pers. Komm., Williamsburg, Mai 2008). In den Sommermonaten werden weitere Studierende angeworben, die so praktische Erfahrung aufbauen können. Bei der Show selbst handelt es sich um eine ganze Reihe von elaborierten, ca. 20–25 minütigen Szenarios, zwischen denen die Zuschauer wechseln können. Die Show ist in einem eigenen, abgegrenzten Gebiet angesiedelt und wird nur einmal am Tag nachmittags gespielt; die Gesamtdauer/Tag ist ca. zwei Stunden. Um diese Spielszenen, aber auch um die Werkstatt-, Haus- und Straßen-Interpreters herum, gibt es weitere größere Gruppen Kostümierter, wenn etwa die lokale Militia drillt und paradiert,

62 | Geschichtstheater wenn die berühmten Fifes and Drums oder eine andere Marching Band durch den Ort zieht, oder auch wenn Besucher in historischer Gewandung auflaufen. Auch wenn die Miliz- und Militärauftritte im Vergleich mit älteren Programmen in Bib-liothek und Archiv in Williamsburg nach Zahl und Gewichtung deutlich abgenommen zu haben scheinen, ist gerade der Effekt von marschierenden Musikgruppen nicht zu unterschätzen. Entsprechend gibt es auch hierfür eigene Zusatzprogramme. G.) Außerhalb des Museumsbetriebs, aber in Verbindung mit der Lokation gibt es Abend- und Nachtprogramme sowie als Eigenbetrieb ein dem 18. Jahrhundert nachempfundenes und mit den Mitteln des ausgehenden 18. Jahrhunderts operierendes Theater – Williamsburg hatte eines der ersten Theater in Nordamerika; die Einbindung dieser Living History Interpretation ist insofern wichtiger Programmteil (Weldon/Josey 2008; Goyens 2003: 15). Zum Zeitpunkt meines Besuchs 2008 waren die Programmverantwortlichen mit der zweiten Überarbeitung ihrer Gesamtkonzeption beschäftigt. Die erste, veröffentlicht 1985, hieß Teaching History at Colonial Williamsburg; sie nahm zum ersten Mal einen stark sozialgeschichtlich geprägten Standpunkt ein. Zuvor hatte es zwar eine Art generelle Richtlinie gegeben, die Williamsburg als Schrein des Amerikanismus zelebrierte. Diese Politik wirkte bereits historisch besser integriert als die ursprüngliche, im Wesentlichen auf ein weißes, wertkonservatives Mittelklassepublikum abzielende Ausstellung, als die Williamsburg begonnen hatte (Teunissen 2010: 178). Der 1979 gefasste Beschluss, nicht mehr kostümierte Guides, sondern präzise recherchierte und lebensweltlich ausgestattete Living Historians zu verwenden und Alltagsleben zu präsentieren, bewirkte eine Revolution, die vor Ort Unterschichtenund afrikamerikanische Perspektiven sichtbar gemacht hat (vgl. Matthews 1999 und Wells 1993). Eine eigene afrik-amerikanische Tour von Williamsburg wurde den Programmen beigefügt (Butler 1981). Der Versuch, durch die Inszenierung einer Sklavenauktion 1994 die Problematik drastisch vorzuführen, brachte Williamsburg so sehr in die Schlagzeilen wie kein anderes Ereignis seiner jüngeren Geschichte (Magelssen 2007: Cover; Magelssen 2006: 295; Walvin 2010: 73), während der neueste, nicht minder revolutionäre Schritt kaum beachtet worden zu sein scheint: 2008 war das Personal der afrikamerikanischen Interpreter Abteilung ethnisch integriert worden, d.h. die Rollen von ›schwarzen‹ Sklaven und Bediensteten wurden nicht mehr nur von Afrikamerikanern, sondern auch von Kaukasiern, Asiaten und Hispanics gespielt. Typischerweise begannen die Kontroversen über die Ausrichtung des Museums und seines Museumstheaters erst zu einem Zeitpunkt, als die

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 63 Verhältnisse bereits deutlich in Richtung integrativer Sozialgeschichte verschoben waren. Sie müssen nicht im Einzelnen wiederholt werden.7 Wichtig ist, dass Teaching History at Colonial Williamsburg als Untertitel bereits Becoming Americans hatte, aus dem heraus die 1998er Revision entwickelt wurde: Becoming Americans: Our Struggle to Be Both Free and Equal (Carson 1998). In einem dritten Schritt wurde seit 2006 mit der Revolutionary City die Idee der Education for Citizenship in den Mittelpunkt gerückt. Es ist einleuchtend, dass dieser eindeutige, eminent politische Anspruch nicht allein durch die Präsentation von historischen Gebäuden und Objekten sowie handwerklichen Fähigkeiten eingelöst werden kann, und dass auch über das aus den fünfziger Jahren stammende Video The Story of a Patriot (1957) die Zeit eigentlich hinweggegangen war. Trotzdem wurde es in einer im Wesentlichen die Originalfarben restaurierenden Version 2004 auf dem Höhepunkt der Bush’schen Restauration als DVD wiederaufgelegt. In der gleichen Art sind auch die Personenspiel-Figuren Thomas Jefferson und Patrick Henry erhalten geblieben. Diskussionen, ob man diese Form der Darstellung aufgeben solle, wurden nicht zu dieser Konsequenz geführt. Als Zuschauer-Attraktion erscheinen sie auf absehbare Zeit unersetzlich, auch wenn ihre Prominenz zurückgefahren worden ist. Die Haus-Guides verweisen in ihrer Führungspraxis zurück auf die Tatsache, dass Colonial Williamsburg ursprünglich aus der Tradition der amerikanischen House Museums kam, die z.T. schon im 19. Jahrhundert Wohnstätten polithistorischer Persönlichkeiten wie Jeffersons Monticello als Quasi-Wallfahrtsorte der Civil Religion wieder herrichteten: The »inculcation of home religion« was often proposed as the »ultimate answer to matters in the public sphere,« including social heterogeneity, political conflict, and the effects of the disestablishment of religion. Churchlike, mystical, and character-shaping, the home of mid-century American ideology reflected the era’s millenialism, which stressed the endless perfectibility of social institutions through evangelism, imparted largely by women as agents of revival ministers. One highly public manifestation of this »domestic religion« was the nineteenth-century house museum. (West 1999: 1)

Am deutlichsten ist dieser Prozess mit seinen Anklängen an Hagiographie und Reliquienverehrung in George Washingtons Mount Vernon dokumentiert, wie Karal Ann Marling ausgeführt hat (Marling 1988).

7

Siehe die Auseinandersetzung zwischen Richard Handler, Eric Gable und anderen einerseits und den Verteidigern des »Old Museum«: Handler/Gable, 1997; Handler/Gable/Lawson, 1992; Handler/Gable 1994; Carson, 1994), sowie die Sondernummer 20.3 (1998) des Public Historian.

64 | Geschichtstheater Die Fortentwicklung Colonial Williamsburgs zu einem politischen Lernort, der aus den Interaktionen zwischen Zuschauern und Akteuren eine kritische Auseinandersetzung mit der Demokratiegeschichte des Landes entstehen lassen will, ist vor diesem Hintergrund in der Tat revolutionary (Magelssen 2007: 30). Wenn etwa in die 2008 selbst beobachtete ( und auf eine historische Quelle szenisch aufgebaute, siehe Kelly 1996: 3) Verfolgung eines Loyalisten, den Anhänger der Revolution teeren und federn wollen, mehrheitlich weibliche Schauspieler hineinrufen, Joshua Hardcastle sei zwar ein Großmaul, aber gehe es nicht in einer Demokratie um Freiheit der Meinungsäußerung? dann wird dadurch der Vigilanten-Mob aus Schauspielern und ihnen bereitwillig folgenden Zuschauern sehr effektiv ausgebremst und ein im doppelten Wortsinne dramatischer Lerneffekt erzielt. In einem anderen Szenario, Running for Freedom, stehen sich drei Sklaven gegenüber, von denen einer seine gesicherte und relativ bequeme Position gefährdet sieht und lieber bleiben möchte, während eine der Frauen ihr Heil – und ihre Freiheit – bei den Briten suchen wird. Die Umkehrung des Konzepts der Freiheit als amerikanisches Grundgut und der angesichts der Möglichkeit der Freiheit zögernde Sklave sind Brüche mit narrativen Konventionen, die beobachtbar unter den Zuschauern Verwirrung stiften und Diskussionen auslösen – was die Programmdirektoren so intendiert hatten (vgl. Teunissen 2010: 186).

Colonial Williamsburg: Running for Freedom aus der Szenenreihe Revolutionary City (Photo wh)

Weil es sich bei der Umsetzung des für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich selbstkritischen Revolutionary City-Programms eben wegen dieser Selbstkritik um ein riskantes Unterfangen handelte, wäre zu erwarten gewesen, dass publikumswirksame historische Persönlichkeiten im Personenspielformat gleichzeitig betont worden wären. Tatsächlich

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 65 wurden diese aber eher abgebaut mit der Begründung, es gäbe zum einen zunehmend Besucher mit Themenparkerwartungen, die mit den historischen Personen jedenfalls in deren gespielter ›Ich‹-Form nicht umgehen könnten, und zum anderen gäbe es einen lästigen Besuchertypus, der es sich zur alleinigen Aufgabe gemacht habe, die in First Person agierende Interpreter-Person durch Fragen aus dem Konzept zu bringen bzw. dazu zu bringen, aus der Rolle zu fallen (pers. Komm., 2008, vgl. Goodacre/Baldwin 2002: 103). Ähnliche Beobachtungen kamen aus Plimoth Plantation, das diese Interpretation-Strategie mit großer Konsequenz über Jahrzehnte angewendet hatte, seit 1969 die seinerzeit revolutionäre Idee des neuen Direktors James Deetz umgesetzt und der Nachbau der zum amerikanischen Mythos gehörenden Puritanersiedlung konsequent auf das Jahr 1627 umgestellt wurde (Magelssen 2007: 25). Alle im Besitz des Museums befindlichen Antiquitäten wurden durch nachgebaute Möbel, Werkzeuge etc. ersetzt und Isochronie hergestellt – die anzutreffenden Interpreters waren die in diesem Jahr nachweisbaren Personen. Lediglich der benachbarte Wampanoagdorfnachbau beschloss, den Zeitsprung nicht mitzumachen und bei der Personenberichtsform zu bleiben. Mittlerweile setzt Plimoth zusätzliche uniformierte Guides ein, die Handwerksvorführungen im Craft Center finden in der Gegenwart statt, und die historische Persönlichkeiten spielenden Interpreters in der Erzählgegenwart von 1627 bestehen auch nicht mehr darauf, um jeden Preis in dieser Zeitebene zu verharren. Zu den genannten Gründen kam auch die Einsicht, dass ein extremes Verharren im Zeithorizont eine ebenso extreme Limitierung des Wissens-horizontes bedingte, was dem Bildungsanspruch der Einrichtung letztlich zuwiderlief (vgl. Ettema 1987: 73). Dieser Bildungsanspruch richtet sich ja letztlich nicht nur an Menschen mit Affinitäten zu Rollenspiel und Theater, sondern versucht, eine möglichst breite Sektion von Bevölkerungsschichten zu erreichen. Je weiter man dieses Netz auswirft, umso weniger scheint Personenspiel/First Person Interpretation letztlich das größte gemeinsame Vielfache zu sein. Die ursprüngliche Idee, den ganzen Spiel-Ort Plimoth in die historische Zeitebene von 1627 zu transponieren, war von den speziell in Film und Fernsehen populären Zeitmaschinen-Phantasien der siebziger Jahre stärker inspiriert, als sich konsequent durchhalten ließ und als letztlich wünschenswert war. Lehr/lerntheoretisch ist es etwa sinnvoller, die haptische Ebene zu verstärken, also Besucher selbst Dinge auspro-bieren und anfassen zu lassen – insofern war die Auswechselung der Antiquitäten durch moderne Nachbauten sinnvoll. Die theoretische Ebene des Begreifens aber funktioniert über Reflektion, und diese wird durch den Kontakt mit

66 | Geschichtstheater Figuren, die offensichtlich kontrafaktisch auf ihrer Zeitebene beharren, nicht erleichtert – insofern war schon die Auslagerung des Craft Center aus dem Spiel-Raum sinnvoll. Schließlich verweist die Weigerung der Wampanoag, ihre eigenen Vorfahren in der ›Ich‹-Form nachzuspielen, auf eine in Zeiten des allgegenwärtigen Enter-tainments nur noch bedingt wahrnehmbare ethische Ebene, die den ›spielerischen‹ Umgang mit Vorfahren als respektlos und makaber empfinden könnte. Dass ausgerechnet die dem Theater und jeglichen Vergnügungen gegenüber feindseligen Puritaner aus Plimoth so begeistert nachgespielt wurden und werden, ist ohnedies einer der schon hysterisch komischen Aspekte der ganzen Living History-Diskussion. Eine Konsequenz, die aus den Einsichten über die Diversität des Publikums und die notwendige Ausweitung des Suchers auf alle Altersgruppen, Ethnien und Bildungsschichten in Colonial Williamsburg gezogen wurde, ist die bereits erwähnte Trennung in verschiedene Kategorien und Spielorte. Die elaborierten Szenarien von Revolutionary City etwa richten sich relativ einseitig an Jugendliche und Erwachsene. Sie stellen Anforderungen an Mit-Denkfähigkeit und an die Bereitschaft, vorgefasste Meinungen zu überdenken. Die Interpreters in den Häusern und auf den Straßen sowie in den Sonderprogrammen sind dagegen speziell in der Interaktion mit Kindern bzw. Familien ausgebildet (Graft 2001, 1996; Schone 1997; Schwarz 1990). Hier ist eine Bruchstelle für authentisches Personenspiel bereits von außen erkennbar, insofern der Grad und die Art der Aufmerksamkeit, die Kindern entgegengebracht werden, sich über die Jahrhunderte deutlich geändert hat: Egal ob im Personenspiel- oder -berichtmodus, Interpreters werden auf Kinder eingehen, sich auf Augenhöhe mit ihnen begeben und sie besonders ansprechen. Ähnliches gilt für Seniorenprogramme (Howells 1996).

7KHPHQSDUNV Mit ihrem programmrelevanten Verhalten gegenüber Gruppen und Typen von Besuchern mit besonderen Bedürfnissen stehen Museen einerseits im Einklang mit ihrer eigenen Bildungspolitik, andererseits ist die manchmal bis an den Rand der Kompromittierung der Ausstellungen gehende Verbeugung vor den Zuschauern ein Indiz für die relative Nähe zu den auf Entertainment und Konsum ausgerichteten Themenparks. Die Idee der Themenparks war bis in die erste Dekade des 21. Jahrhunderts im Wesentlichen mit Vergnügungsparks vermischt worden; Tivoli, Prater, Coney Island–Amüsement gegen Geld, Abenteuer reduziert auf den berechenbaren Thrill der Fahrstände (Kasson 1978; Adams 1991). Dagegen ist der historische Hintergrund der Themenpark-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 67 idee, eine greifbare Erlebnisweltlichkeit zu konstruieren, religiös – auch wenn dies angesichts der Reduzierung des Erlebnisses vom zumindest vermutet Religiös-Erhabenen auf die Unterhaltung im Themenpark der Gegenwart zunächst überraschen mag. Der Palestine Park in Chautauqua, New York, bestand 1874 aus einem halben Hektar Gelände mit »a scaled Jordan River, Galilee, and Jerusalem« in denen Besucher symbolisch durch das Heilige Land spazieren konnten, »many decked out in ›oriental‹ costume« (Rogers 2003: 60, zit. nach Ron 2010: 113). Die Distanz verringert sich, wenn man berücksichtigt, dass schon Walter Benjamin von Konsum als einer Form religiösen Vollzugs gesprochen hat, und dass der Gründervater der amerikanischen Supermärkte auf der grünen Wiese, Sam Walton, den Erfolg dieses Konzepts und damit seinen wirtschaftlichen Erfolg präzis an den Themenparkcharakter knüpfte, den seine Wal-Mart Supermärkte in anderweitig erlebnisweltlich verarmten Gegenden haben würden. Eigentlich sollte angesichts dieses Hintergrunds die Differenz zwischen Themenpark und Freilichtmuseum auch dann deutlich sein, wenn der Themenpark unter der Signatur »historisch« für sich wirbt. In der Praxis ist das schwieriger: Schon die Themenparks der Walt Disney Corporation waren von der Jahrmarkthaftigkeit, vom bunten Sammelsurium der Attraktionen hin zu thematisch arrangierten Wechselgeographien abgewichen, unter denen Frontierland und Adventureland mit ihren Zitaten und Verweisen auf den Zuschauern bekannte Szenarien wie den ›Wilden Westen‹ und Tarzans Urwald der Hoch-Kolonialzeit einen Grad an Historizität reklamierten (vgl. Fjellman 1992). Und auch wenn die –lands der Disney-Parks keine kohärente historische Sicht vermitteln, sind sie doch nur graduell von Attraktionen wie den deutschen WesternStädten Pullman City I (bei Eging am See in Bayern) und II (bei Hasselfelde im Harz) entfernt, deren Immersionsziel stärker isochron organisiert ist, sonst aber ebenso auf Konsumfreude und Begeisterung an abgesichert vorgefertigtem Abenteuer setzen. Scott Lukas hat viel zur Versachlichung der Diskussion beigetragen, in der eine Generation von Historikern in Themenparks nichts anderes als illegitime Repräsentationsversuche zu sehen fähig war (Lukas 2010: 135). Er verweist völlig zu Recht darauf, dass die Suche nach Authentizität ebenso wie eine Kritik an Inauthentizität in Aufführungen ›mittelalterlicher‹ Tournamente oder der sehr beliebten und deshalb unter welchem Namen auch immer proliferierenden ›Rittermahle‹ genau so gut unterbleiben könne, da die Terminologie der Authentizität in diesem Zusammenhang insgesamt unangebracht sei (Lukas 2010: 136f.). Dem kann man zustimmen: Die Situationen des ›Rittermahls‹ oder des Schauturniers sollten nicht mit museumspädagogisch aufbereiteter Living

68 | Geschichtstheater History Interpretation und nicht einmal mit höherklassigen Reenactments verwechselt werden. Als Aufführungen sind sie strukturell wie Mittelaltermärkte angelegt; d.h. es gibt keine verbindliche Qualitätsrichtlinie. Es geht primär um den Erlebniswert für die Besucher. Es geht auch nicht um objektivierbare Realität, sondern um eine imaginierte »heightened reality« im Sinne der Disney Imagineers (Imagineers 2005: 23). Mark Gottdieners Definition des ›Themenhaften‹ ist hilfreich: »…themed material forms that are products of a cultural process aimed at investing constructed spaces with symbolic meaning and at conveying that meaning to inhabitants and users through symbolic motifs« (Gottdiener 2001: 5). Es kommt also in Themenparks auf die Symbolhaftigkeit des Dargestellten im Unterschied zu den konkreten (wenn auch vielleicht typischen) Befunden des Museums an. Skansen, Kiekeberg und Colonial Williamsburg sind demnach sowohl hinsichtlich ihrer Sammlungs- wie Ausstellungskonzepte Freilichtmuseen, während Disneyland in Anaheim ebenso ein Themenpark ist wie in Orlando, Paris oder Tǀkyǀ. Dabei ist noch nichts darüber ausgesagt, ob es nicht in Museen auch Vergnügungs-Rides gibt; hier entscheidet die relative Einbettung in das Gesamtbild. In Williamsburg heißt Ride genau das: Kutschfahrt, vielleicht Ritt auf einem Pferd oder Esel. Die in relativer Nähe zu Colonial Williamsburg errichteten Bush Gardens (Magelssen 2007: 77) dagegen sind ein Park mit historisch-europäischen Motiven nach dem Konzept des Europa Park in Rust/Baden und damit eindeutig Themenpark. Während allerdings in Bush Gardens das aufgeklebte Etikett (»Der [sic] Autobahn« für einen simplen Autoscooter, »Der Roto [sic] Baron« für ein Doppel(!)deckerkarussell, »Curse of DarKastle« für eine Geisterbahn8) auch die einfacher gestrickten Gemüter nicht von der Historizität der Darstellung überzeugen sollte, ist der Europa Park komplexer angelegt, insofern über einzelne historische oder historisierte Gebäude eine geschichtliche Tiefenstruktur sozusagen neben – also nicht ›hinter‹ im Sinne eines echten Hintergrunds, sondern als überschriebene Zusatzqualität – den Fahrständen zumindest angedeutet ist. Dasselbe gilt für die Disney-Parks, deren verkleinerte Main Street von der Idee her Williamsburg und Greenfield nachempfunden sein könnten (Synott 1995: 45, vgl. Marling 1991: 200). Insofern mögen die diversen Disney-Parks zunächst den Eindruck des ›Historischen‹ erwecken – jedenfalls bis man Sleeping Beauty’s Castle erreicht. Die Komplexität der historischen Tiefenstruktur ist letztlich die einzige Unterscheidungskategorie, die wirklich greift. Sie manifestiert 8

SeaWorld Parks & Entertainment. Bush Gardens Williamsburg. http:// seaworldparks.com/en/buschgardens-williamsburg/Attractions (9. Feb. 2013)

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 69 sich in der didaktischen Ausrichtung des Ansatzes und damit in der Möglichkeit, über das Repräsentierte entweder in Programmbroschüren, über angebrachte Marker und Interpretationsschautafeln oder auf Nachfrage von den zivilen, uniformierten oder kostümierten Interpreters weitere Informationen einzuholen. Die ›Pastness‹ der Themenparkgebäude ist im Zweifelsfall keine, sondern deren Simulation – ihr Aussehen verweist auf ein Original, das irgendwo anders steht oder gestanden hat, und das man über erlernte Muster kognitiv wiederzuerkennen glaubt (Sorkin 1992: 216) – dies gilt übrigens sogar für das entfernt an Neuschwanstein erinnernde Disney-Schloss. Wesentlich ist aber nicht nur, dass diese Nach-Bauten den Originalen ähnlich sehen (Holtorf 2010: 30), sondern ihre synekdochische Qualität; die Tatsache, dass sie »totemically exaggerated for ease of recognition« (Fjellman 1992: 275) das phantasierte ›Ganze‹ zu repräsentieren vorgeben. Das gilt prinzipiell sogar dort, wo es keine konkreten Gebäude gibt, sondern wie im Fall des ›Heiligen Landes‹ aus der Sicht amerikanischer protestantischer Touristen, die Amos Ron untersucht hat, nur Gelände, das so aussieht, wie es zu Zeiten Christi auch schon ausgesehen haben könnte. Diesen nicht schon von anderen Denominationen mit Kirchen etc. überschriebenen Orten mit ihrem »natural and informal look« können insofern Zeitreisequalitäten zugeschrieben werden, was die Initiatoren solcher Metonymien nicht davon abgehalten hat, die von ihnen gefundenen Räume noch ›natürlicher‹ zu gestalten, als man sie vorgefunden hatte (Ron 2010: 117, 118).9 Julian Barnes hat mit England, England (1998) die wohl gelungenste Parodie der Verthemenparkung öffentlicher Räume geschrieben: Der Wirtschaftsmagnat Sir Jack Pitman zieht aus dem maroden England alle »heritage«-trächtigen, positiv affizierten Schaustücke auf der Isle of Wight zusammen, wo nun Shakespeare-Geburtsort, National Gallery, Doppeldeckerbusse und Wembley Stadion zusammen mit Schönheiten der Landschaft einschließlich Herrensitzen und reetgedeckten Cottages eine räumlich konzentrierte Replik des Originals so lange simulieren, bis die Simulation selbst zum Original wird. Die als Schauspieler angeworbenen Living Historians übernehmen tatsächlich die ihnen nur als Schaustück zugedachten Rollen – mit Ausnahme der Original-Royal Family, die bereits gegen Honorar in die Simulation übergesiedelt war, und der echten Mannschaft von Manchester United, die im Park-Stadion spielt, während ihre Spiele in Manchester von einer SchauspielMannschaft mit gleichem Ergebnis nachgespielt werden. 9

Der populäre Holy Land Experience-Themenpark mit ›historischen‹ Nachbauten und Aufführungen biblischer Geschichten befindet sich allerdings in Orlando, Florida – unweit Disneyland.

70 | Geschichtstheater Die hochgradig britische Komik von Barnes’ Szenarien gefriert etwas gegen den Hintergrund der Tatsache, dass viele Besucher keinen Unter-schied zwischen Themenpark und Freilichtmuseum machen, und dass Freilichtmuseen zunehmend versuchen, den Besucherbedürfnissen durch Jahrmärkte und durch den Einsatz von Museumstheater als Klamauk (Faber 2008a und b) nachzukommen. In der Praxis zeigen sich insofern Überschneidungen, und nicht nur in der Gegenwart: Auch Skansen ver-suchte schon mit Volksfesten Geld in die Kassen zu bekommen (Kühn 2009: 191) und dort, wie auch z. B. in Mystic Seaport, zeigen Karten auch Buden und Fahrbetriebe, die den Appeal für von Geschichte eher unangerührte Publikumselemente zu erhöhen. Das auf der Basis persönlicher Vorlieben und Geschichtsverständnisses zusammengeraffte para-historische Sammelsurium ausgestellter Gebäude und Objekte in Henry Fords Museum lässt Barnes’ Roman als britische imaginative Kopie einer prä-existenten amerikanischen Realität erscheinen. Das um die gleiche Zeit wie Williamsburg gegründete Greenfield Village des Magnaten Henry Ford kann insofern schon von seiner Struktur her nicht als regionale und auch nicht im engeren Sinne als historische, sondern eher als nationalmythologische Versammlung von Bauten zum Thema ›amerikanische Traditionen‹ gelten, und ist von daher eher Themenpark. Natürlich gibt es deutliche Abweichungen von klassischen Themenparks wie dem ein Vierteljahrhundert jüngeren Disneyland. Die Masterminds allerdings waren hier wie dort autokratische Persönlichkeiten, deren persönliche Vorlieben massive Auswirkungen auf das Ausstellungsergebnis hatten (Barndt 2007: 385f.). Henry Fords Sammeltätigkeit schuf eine Mischung aus fürstlicher ›Wunderkammer‹ der frühen Neuzeit und historischer Arche Noah. Das von dem Vater des »History is Bunk«-Diktums (Butterfield 1956: 56; zit. St. Louis Post-Dispatch, 15. Juli 1919; vgl. Wallace 1996: 9) bereitgestellte Gelände bei Dearborn, auf dem neben Fords Industriemuseum das später Greenfield genannte Early American Village entstand, sah in loser und unsystematischer Folge den Zuzug einer Windmühle von Cape Cod, des Gerichtsgebäudes von Logan County, in dem Abraham Lincoln als Anwalt aufgetreten war, zweier Sklavenhütten, einer Feuerwache aus New Hampshire, eines Dorfladens, einer Dorfkneipe, einer Schusterwerkstatt mit Laden, einer englischen (!) Schmiede und eines Schweizer Alpenchalets, einer Reihe Gebäude aus Fords eigener Jugend sowie Thomas Alva Edisons Werkstatt Menlo Park (Wallace 1996: 11). Eine Karte von Greenfield aus dem Jahr 2005 (The Henry Ford 2005) weist zwar die Feuerwache nicht aus, dafür aber die Häuser des KetchupMagnaten H.J. Heinz, des Lexikon-Herstellers Noah Webster und des

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 71 nationalen Poeta Laureatus Robert Frost, Wohnhaus und Fahrradladen der Gebrüder Wright, und die Martha-Mary Kapelle, benannt nach Fords Mutter und Schwiegermutter respektive. Diese Sammlung-als-Ansammlung von Friends of Henry reicht sogar über seine direkte Einflussnahme hinaus: 1983 schenkten Nachfahren seines Freundes und Mit-Wirtschaftsmagnaten Harvey Firestone, des Reifenfabrikanten, die alte Farm der Familie aus Ohio dem Greenfield Village – wohin sie tranferiert und wo sie wieder aufgebaut wurde. Nimmt man dann noch in die Rechnung, dass hier wie in Disneyland manche Gebäude nach Gutdünken verändert wurden – die auf ¼ -Größe verniedlichte Ford-Fabrik könnte ähnlich auch in Disneylands Main Street USA stehen – dann wird der Eindruck, es hier mit einem historischen Themenpark zu tun zu haben, noch stärker (vgl. Van West 1989: 8). Dem entgegen stehen allerdings die Bemühungen der Kuratoren und Direktoren, über die eingesetzten Formen der Living History Interpretation und des Museumstheaters eine seriösere Vermittlungspraxis zu erreichen, als die Anlage ursprünglich hergab. Ein großer Teil der Interpretation findet durch uniformierte Guides statt; kostümierte Interpreters arbeiten in Personenbericht-Format. Anders als in Williamsburg ist in Greenfield allerdings auch das Museumstheater noch eher eines der großen Persönlichkeiten, was aber nicht Oberklasse bedeutet, sondern Erfinder und herausragende Politiker und Personen, die Henry Ford persönlich beeindruckten wie der Agrowissenschaftler George Washington Carver: Ein von professionellen und für diese Theatereinlagen angeheuerten Schauspielern vorgeführter Skit behandelt die Brüder Wright, ein anderer Thomas Alva Edison, und im Gelände begegnet man im Personenspiel zwei der qualitativ besten Abraham & Mary Todd Lincolns (2008 Fred & Bonnie Priebe; siehe Photo). Auch die bis heute weitgehend unkritisch verbreitete Botschaft von der nostalgischen Vergangenheit und der permanent besser werdenden Gegenwart qualifiziert Greenfield als Themenpark (vgl. Wallace 1996: 12). Greenfield und das ganze THF-Ensemble schreiben Geschichte nach dem Sinn Fords: Ursprünglich nicht als Museum im eigentlichen Sinne intendiert, sondern als Bildungseinrichtung, konstruiert das THF eine friedliche Nachbarschaft aus ländlicher Idylle und der fordistisch-industriellen Arbeitswelt, die diese verdrängt (Barndt 2007: 384). Der Nachsatz zu »History is Bunk«, in dem Ford erklärte »We

72 | Geschichtstheater want to live in the present, and the only history that is worth a tinker’s damn is the history we make today« erhält vor diesem Hintergrund eine neue Bedeutungsebene: Kerstin Barndt hat bereits darauf hingewiesen, dass der handarbeitende tinker in »Ford’s own work force of unskilled assembly-line« aufgegangen sei (Barndt 2007: 385). Der Anspruch, in der Gegenwart Geschichte zu machen, lässt sich darüber hinaus als Erkenntnis der Tatsache lesen, dass sich Ford auf der Basis seiner Wirtschaftsmacht auch zum Herrn über die Repräsentation von Geschichte aufschwingen, sie einsammeln, auswählen, ausstellen und damit seiner Ideologie gehorchen lassen konnte. Natürlich signalisiert eine Mehrzahl an historischen Strukturen auf dem Gelände des heutigen Greenfield Village einen musealen Anspruch. Wäre dieser absolut zu setzen, müsste aber Plimoth Plantation als Themenpark gelten, insofern dort vor Ort nicht einmal eine historischarchäologische Basis wie in Colonial Williamsburg vorhanden ist, und somit auch keine Rekonstruktion vorliegt, sondern lediglich eine Konstruktion auf der Basis historischer Erkenntnisse, die ihrerseits mittlerweile einen historischen Blick auf frühere Rekonstruktionspraktiken erlauben. Hinzu kommt das Gesamtensemble des THF mit seinem Museumsgebäude, der ehemaligen Rouge Plant, und dass die Ford Rotunda, von der Weltausstellung in Chicago 1934 hierher transferiert, nicht mehr da ist, lag an einem Brand 1962 (Barndt 2007: 397). Die Organisation von historischen Theaterszenarien, wie sie in Greenfield zu sehen sind, und von kostümiertem Personenspiel allein ist auch kein absolutes Kriterium für eine Kategorisierung als Living History Museum. Bezieht man z.B. die ›Westernstädte‹ Tombstone und Old Tucson in Arizona mit ein, dann zeigt sich, dass die Theatralität des Geschichtstheaters in Themenparks Qualitäten aufweist, die ortsabhängig und in der Konsumorientierung verankert sind. Wie erwähnt dachte Henry Ford von seinem idealen Dorf als von einer Bildungsinstitution – die Besucher sollten aber nicht etwas lernen, sondern präzis seine Geschichtsideologie ›einkaufen‹. Disneys Main Street U.S.A. operierte ähnlich, während dem Themenparkbetreiber der Gegenwart die exakte ideologische Mitnahme prinzipiell egal sein kann, so lange die Kasse stimmt, also die finanzkapitalistische Konsumgesellschaft nicht in Frage gestellt wird. Diese Einbettung an sich übernimmt die Rolle der didaktischen Fingerzeige Das Feuergefecht in der Nähe des O.K.-Corral in Tombstone am 26. Oktober 1881 zwischen den Earp-Brüdern und Doc Holliday auf der einen und den Clanton- sowie McLaury-Brüdern auf der anderen Seite ist ein Beleg für diese These. Es ist Teil der Folklore des amerikanischen Westens als Wild West, samt dem Satz an Ideologemen, die davon trans-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 73 portiert werden: Mythos des Self-Made Man, des Faustrechts des Stärkeren und der nur mühsam und vielerorts durch Vigilantentum überwunenen Gesetzlosigkeit. Tatsächlich ist Tombstone zu diesem Folklore-Ort als permanente Wild West Show aber erst geworden, nachdem die Weltwirtschaftskrise es beinahe in eine der anderen Mythen des Westens verwandelt hätte; in eine Geisterstadt. Einer von den übrig gebliebenen Einwohnern angestrengten Kampagne, mit Western-»Helldorado«Tagen, einer Rekonstruktion des Boot Hill-Friedhofs und einer Anerkennung erst des Bird Cage Theaters und letztlich des ganzen Ortes als National Historic Landmark, gelang es, dieses Schicksal abzuwenden. Die Western-Tage schlossen natürlich technisch und inhaltlich an Buffalo Bills und andere Wandertheater sowie an die Filme der Periode an: […] in October 1929, nine months after Wyatt Earp’s death, »The Town Too Tough to Die« mounted its first Helldorado celebration. Tombstone’s citizens, fighting for economic survival, presented all stuff of myth; stagecoach robberies; Indian attacks; a reenactment of the gunfight on the vacant lot, now part of the O.K. Corral. (Marks 1996: 22)

Der Ausgangspunkt war ähnlich dem von Colonial Williamsburg. Wieder stand im ökonomischen Hintergrund die Wirtschaftskrise, hier verschärft durch die geographisch und politisch ungünstige Lage: Tombstone zeigte um 1930 einen Bauzustand, der es zu einem quasi-musealen Ort machte. Anders als in Williamsburg mit seinen 150 Jahre zurückliegenden, an die Gründerväter angeschlossenen Geschichtslektionen in 3-D war der kulturelle Artikulationsrahmen hier allerdings der des mit dem populären Western-Film verbundenen Kultes der Gewalt. Tombstone zeigte dieselbe Vergangenheit in der Gegenwart, mit der Buffalo über Land gereist war – der Unterschied lag darin, dass Tombstone fest verortet war und Transport und Aufbau von Kulissen entfallen konnten. Eine Reihe von Filmen, die die Stadt zum Teil selbst als Kulisse benutzten, verschoben die Perspektive weiter in Richtung Wild WestThemenpark. Wo Williamsburg eine immerhin dreißig Jahre durchlaufende Zeitschleife als chronotopische Grundlage hat, wurden Zeit und Raum für Tombstone extrem reduziert und verdichtet. Die Gewerbetreibenden weiteten unter Führung der örtlichen Handelskammer das quasifilmische Western-Spektakel konsequent auf Ganzjahresbasis aus, Häuserfronten wurden nach Photos oder auch nach generellen Vorstellungen vom ›Westen‹ an den erwünschten Gesamteindruck angepasst bzw nachgebaut (Hochbruck 2008: 57). Wenn Paula Mitchell Marks Tombstone als »a kind of theme park and memorial to the event that happened there on October 26, 1881« (Marks 1996: 422) identifiziert, dann ist diese Vermischung typologisch relevant – der Status eines Freilichtmuseums wird nicht einmal reklamiert, es geht auch offensichtlich nicht

74 | Geschichtstheater um Bildung, sondern um eine kontinuierliche Show, zu der wechselnde Touristen anreisen, die für die Mitglieder der seit 1948 existierenden diversen Straßentheatergruppen aber immer gleich bleibt (vgl. Luhr 2001: 24; Rathje 2005: 23). Ungünstig für den Tourismus ist an diesem selbst gemachten Groundhog Day, dass er auf einen Tag begrenzt ist – in Colonial Williamsburg dauert das Revolutionary City-Programm drei Tage; gebucht und verkauft werden gerne gleich ganze Wochen.10 Die Problematik eines Orts-als-Themenpark wird noch deutlicher, wenn das nur wenige Autostunden nördlich von Tombstone gelegene Old Tucson mit in die Überlegung einbezogen wird. »Old« Tucson ist nämlich genau das nicht; es ist ein Phantasie-Nachbau einer Stadt des Südwestens für die Zwecke der Filmindustrie. Sie war zum Beispiel in Rio Lobo mit John Wayne zu sehen. Für Zuschauer, denen der Unterschied zwischen Western History und Western Movie ohnedies bereits verschwimmt, ist die Distanz zwischen beiden Orten nicht erkennbar. In Tombstone oder auch in ähnlicher Weise in Deadwood, S.D., oder wahlweise Rothenburg ob der Tauber, hat man sich in das Schicksal ergeben, historischer Themenpark zu sein, in dem die Tatsache, dass die Häuser anders als in Old Tucson bewohnt sind, über ihre synekdochische Verweisstruktur nicht hinwegtäuschen kann.  Treten in einem Themenpark Figuren in historischen Kostümen auf, ist deren Funktion also in ähnlicher Weise synekdochisch bzw. totemisch. Über den Authentizitätsstandard der Living History Interpretation in Museen ist deren Geschichtstheaterpraxis dagegen von der eines Themenparks nicht absolut unterscheidbar, denn damit wird eine qualitative Kategorisierung ins Spiel gebracht, die angesichts der praktischen Rezeption Probleme bereitet. Es gibt schlechterdings keine Möglichkeit, Rezeption hundertprozentig zu antizipieren. Für Historiker und Museologen ist die Unterscheidung über die vermittelten Wissensbestände und die Darstellungsform offensichtlich, Soziologen werden die einseitige Konsumausrichtung des Themenparks betonen, die diesen näher an eine Shopping Mall heranrückt als an ein Museum. Natürlich hat auch Colonial Williamsburg eine Reihe von Produktlinien mit dem Logo der Einrichtung, die ähnlich in Themenpark-Shops gefunden werden könnten. Besucher können aber eben auch ihre elfjährige Tochter in einem Laden in Repliken von Kleidungsstücken des ausgehenden 18. Jahrhunderts einkleiden, die qualitativ einen vernünftigen Kompromiss zwischen

10 In dem Film Groundhog Day (Dir. Harold Ramis, 1993) wird der zynische Fernsehmoderator Phil Connors (Bill Murray) in einer Zeitschleife gefangen, die ihn in dem pennsylvanischen Nest Punxutawney diesen Tag immer und immer wieder erleben lässt.

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 75 Touristen- und Museumsqualität darstellen, während diese Option in Disneyland nicht besteht. Die Verthemenparkung eines gut gemachten Museums von Besucherseite ist allerdings ein Phänomen, dem eine Museumsadministration hilflos gegenübersteht. Während viele historische Themenparks Kostümierung einladen und wie z.B. Pullman City II in Hasselfelde/Harz Rabatte gewährt, wird diese Praxis z. B. in Colonial Williamsburg geduldet, aber nicht gefördert. Wenn also Kinder oder ganze Familien im Plastiktüll der Südstaatenbälle der fünfziger Jahre auflaufen, lässt das primär Rückschlüsse auf das Verständnis dieser Besucher hinsichtlich des Ortes zu, an dem sie zu sein glauben. Vor diesem Hintergrund gibt es in jedem der großen, thematisch organisierten Freilichtmuseen anekdotale Evidenz über Besucher, die angesichts der Geschlossenheit thematisch organisierter Interpretation durch kostümiertes Personal und vor allem angesichts der Ausrichtung auf unterhaltende Instruktion für die ganze Familie (Wallace 1981, 89-90) kognitiv auf ›Themenpark‹ schalten – und das heißt im Zweifelsfall Disneyland. Costumed employees in the Historic Area at Colonial Williamsburg sometimes like to ridicule the »clueless« visitor … the one who gets off the bus at the Duke of Gloucester Street and expects to find a theme park, complete with thrilling rides. This visitor is part of the mythology of the place. Interpreters tell and retell the story about the visitor who, stooping to get a closer look at one of the nearly tame squirrels that are everywhere scurrying or begging for tidbits, asked: »Is it mechanical?« The clueless visitor who thinks live squirrels are clever simulacra is a kind of stereotype. Such people do, however, exist–as we discovered while interviewing, at random, visitors on the streets of the reconstructed city. […] When we explained that we wanted to know what visitors to Colonial Williamsburg thought of the way the museum reconstructed the past, the woman (a teacher of »gifted children K through 12«) exclaimed: »Oh, this is a museum? I thought it was an attraction–a theme park!« (Handler/Gable 1997: 28).

Dezidiert ›historische‹ Themenparks formen im Grunde eine eigene Kategorie, die in dieser Form besonders außerhalb Europas populär ist. Es handelt sich meistens um privatwirtschaftlich geführte, in einigen Ländern aber auch staatlich unterstützte (Schlehe/Uike-Bormann 2010) ganzjährig bespielte Konstruktionen mit attraktiven Angeboten für die ganze Familie. Die Attraktionen etwa im ›deutschen‹ Glückskönigreich oder in Canadian World (Hendry 2010) sowie im beliebtesten TƝma PƗku Japans, dem ›holländischen‹ Huis Ten Bosch (Schlehe/Uike-Bormann 2010: 63ff.) stellen denn auch eher eine auf der Basis Pastness einschließender Gegenwart operierende Unterhaltungsindustrie als im Sinne der Museen thematisierte Geschichte dar.

76 | Geschichtstheater Pastness is an idea that can be applied to the quality or condition of physical objects. These objects may be buildings but they could also be portable artefacts. In neither case do they need to be particularly old in the sense that they originated in the past–although they must be old in the sense that they possess pastness. […]Pastness is […] an idea that can be built into physical objects (Holtorf 2010: 27).

Cornelius Holtorfs Argumentation an diesem Punkt klingt zirkelschlüssiger, als sie ist: Pastness ist eine zwischen Konstrukteuren und Rezipienten ausgehandelte Sicht auf die Vergangenheit. Wenn in Disneys Animal Kingdom in Florida ›afrikanische‹ Häuser so aufgebaut wurden, dass sie halb verfallen aussehen, dann führt von ihnen eine Verweislinie direkt zurück zu den konstruierten romantischen Ruinen in Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts einerseits, aber auch zu den seither im halbverfallenen Zustand erhaltenen Ruinen des Mittelalters. Beiden Gebäudetypen eignet Pastness, insofern sie für Produzenten wie Rezipienten ›authentische‹ Zeugen und damit Träger eines ganzen Satzes von Konzepten über das ›Mittelalter‹ in einer Art sind, wie es der historische Schuttkegel eines nicht als Ruine erhaltenen Keep nicht sein kann. Dasselbe gilt für den Europa Park, der ebenfalls eine Reihe von historischen Verweisen da und dort in die Präsentationen eingearbeitet hat; diesen eignet jedoch zum einen ein gewisser Grad an Zufälligkeit – die ›Ritterburg‹ z.B., das aus dem 15. Jahrhundert stammende Haus Balthasar, befand sich schlicht auf dem Gelände, und als man an die Erfolge von Disneys Pirates of the Carribean Shows anschließen wollte, gab es Platz im nötigen Umfang nur im ›niederländischen‹ Teil (pers. Komm. Miro Gronau, Europa Park, 2007). Das führte dann zu der technisch wie darstellungspraktisch sehr interessant gemachten Piraten in Batavia-Installation, die mit einem Sammelsurium aus einem von Thailand bis Kalimantan und Bali reichenden Großraum um Indonesien (Schlehe/Uike-Bormann 2010: 60f.) stammenden Versatzstücken, einschließlich Tänzerinnen, Exotik und Kolonialzeit signalisierte. Diese Zeit bleibt aber wie der Raum relativ unspezifisch – die ›Piraten‹-Szenerie und die Papp-Gips-Bauten signalisieren 17. bis 18. Jahrhundert analog den Disney-Installationen, während die Uniformen der Soldaten eigentlich die des Koninklijk Nederlandsch-Indisch Leger sein müssten, aber diesen nicht ähnlich sehen. Möglicherweise sind sie an das niederländische Korps Mariniers des ausgehenden 19. Jahrhunderts angelehnt. Faktisch kommt es darauf allerdings nicht wirklich an, solange die Uniformen und die Figuren darin als europäisch erkennbar sind, da der Themenpark im Unterschied zum Museum seine methodisch am ehesten aus filmischer Anschaulichkeit abgeleitete ›Geschichtlichkeit‹ eben nur im weiteren Sinne von Pastness im Sinne Cornelius Holtorfs atmosphärisch evozieren muss, um erfolgreich zu sein, und nicht mit authenti-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 77 schem Material. Besucher können die relative Historizität des Vorgeführten auch vollständig ignorieren. Der Fokus des (Freilicht-)Museums muss dagegen auf dem Lerneffekt aus der repräsentierten Geschichte liegen, wobei die Präzision der Darstellung methodisch wie didaktisch essentiell ist. Wenn dann noch bereits der Sammlung und dem Transfer bzw. Wiederaufbau dasselbe in sich stimmige Konzept zugrunde liegt, ist die Einbettung von Living History Interpretation und Museumstheater eigentlich kein Problem. In dieser Hinsicht wären etwa die sieben Freilichtmuseen BadenWürttembergs ähnlich unproblematisch zu bespielen, wie das in Bad Windsheim bereits mit Erfolg getan wird, während das Ecomusée d’Alsace anfangs unter der Sammelbegeisterung seiner Macher eher litt, als dass es davon profitierte, weil das Ausstellungskonzept nicht Schritt gehalten hatte. Gegen diesen Hintergrund wird es leichter, Unterschiede festzumachen. Sabine Schindlers Kritik etwa und Marguerite S. Shaffers Bezeichnung von Colonial Williamsburg als »Republican Disneyland« (Schindler 2003: 163ff, Shaffer 1998) sind deutlich überzogen: Dass in Virginia nach wie vor eine grundlegend amerikanische und patriotische Botschaft transportiert wird, kann nicht überraschen; diese ist schlicht Geschäftsbasis. Carroll Van Wests und Mary S. Hoffschwelles Klage von 1984, das Museum verschlafe die Gegenwart, ist trotzdem so auf keinen Fall zu halten (Van West/Hoffschwelle 1984) – Education for Citizenship ist eindeutig ein Zukunftskonzept, dem allenfalls seine eigene Fortschrittlichkeit und die Finanzen in die Quere kommen könnten (vgl Carson 1998: 2, 19f., 30). Museen wie Colonial Williamsburg oder auch Old Sturbridge, denen Mike Wallace noch 1981 vorgeworfen hatte, »selections and silences of such an order« zu präservieren und auszustellen, »that they falsified reality and became instruments of class hegemony« (Wallace 1981, 88), haben zwischenzeitlich den Anschluss an die selbstironische und -kritische Postmoderne gefunden; für das von ihm im gleichen Atemzug genannte Greenfield gilt das so nicht. Sonderfälle des Themenparkkonzepts sind z.B. der im Aufbau befindliche Histotainment-Park von Adventon nahe Osterburken und das Römerkastell Pohl, auf die im Zusammenhang mit der Verortung von Reenactments noch einzugehen sein wird (s.u.), sowie die noch nicht realisierte Klosterstadt St. Gall bei Messkirch. Ein besonderer Fall ist auch das glücklicherweise bisher ebenfalls nicht realisierte potemkinsche Römerspektakel Flavia Park auf dem Gelände eines Teils der noch im Grund befindlichen Ruinen des römischen Flavia Solva bei Wagna in der Steiermark:

78 | Geschichtstheater Weil die wertvollen Grundmauern der Römerstadt unter den landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen auch weiterhin geschützt werden müssen, wird der Erlebnispark in Form von »römisch adaptierten« Containern und Filmkulissen in Originalgröße der antiken Stadt gebaut. [...] Container werden als Arbeits- und Verkaufsraum eingerichtet, von Gerüststangen umgeben und mit Netzen bespannt. Darauf sind unterschiedliche Hausfronten gedruckt. So entsteht der Eindruck einer Kulissenstadt. Der Container-Innenhof hat einen Porticus aus Holzsäulen und ein echtes Ziegeldach (Fresenberger n.d. [2001]).

Es ist nicht deutlich, ob die im Grunde schon fast zynisch parodistische Ebene dieses Projektes irgendwo reflektiert wird. Eine Steigerung ist gleichwohl möglich: In Celebration Florida hat die Disney Corporation in der Nähe des Walt Disney World Resort eine ganze Ortschaft gegründet, die in der Tradition von Walt Disneys erfundener Selbst-Vergangenheit der Main Street USA in Disneyland und der ebenso konstruierten Vergangenheit Henry Fords in Dearborn gefühlte amerikanische Tradition aus der Virtualität der Ideologiesphäre heraus verräumlicht. Der Grundstein wurde am 18.11.1995 gelegt – dem Geburtstag von Mickey Mouse. Die ersten Bewohner konnten in die nach einem streng überwachten historisierenden Formenkanon gebauten Häuser am 4. Juli 1997 einziehen, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag (Ross 1999). Die retroperspektivierte bauliche Anlage, relative Autofreiheit und Privatisierung der meisten Service-Leistungen sowie die vom Disney-Konzern überwachten Verhaltensregeln bei gleichzeitiger Absenz demokratischer Institutionen wie Stadtrat und Bürgermeister weisen simultan in eine imaginiert ›einfachere‹ Vergangenheit wie in eine regulierte Zukunft dystopischen Zuschnitts (vgl. Leggewie 1998).

+LVWRULVFKH6WDGWIKUXQJHQ Eine Sonderform des Geschichtstheaters, die seit den neunziger Jahren enorm proliferiert, sind historische Stadtführungen. Qualität und Ausprägung variieren dabei auf einer breiteren Skala als bei der Living History Interpretation in Freilichtmuseen, da es diesseits der Publikumsreaktion keine außerhalb des Programms stehende kontrollierende Instanz und bei wirtschaftlichem Erfolg auch keinen Anreiz zur Qualitätsverbesserung gibt. Insofern sind diese Führungen den Reenactments näher als dem Museumstheater. Ob die Führung aus der Stadt ein Museum macht oder einen Themenpark, hängt vom pädagogischen Konzept und der didaktischen Ausrichtung ab. Es gibt Führungen, die von Museen ausgehen, teils auch von Museumspersonal durchgeführt werden und dazu noch thematisch im Museum Präsentiertes mit auf, in und manchmal unter den Straßen Sichtbarem verschränken.

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 79 Die andere Herangehensweise lädt den Ort im Sinne Mark Gottdieners mit symbolischen Bedeutungen und diese Bedeutungen typenhaft verkörpernden Figuren auf (Gottdiener 2001: 5) – klassisch sind die allgegenwärtigen ›Nachtwächterführungen‹, bei denen oft genug ein dunkles Cape, Robin-Hood-Mütze, Piratenhemd und Motorradstiefel sowie Spieß und Laterne den Besuchern ›Nachtwächter‹ signalisieren. Derart totemistisch überhöht werden die von der Figur transportierten Inhalte prinzipiell zwischen Städten transferier- und konvertierbar. Vor demselben Problem stehen alle Kostümführungen. Die Szene ist durch die ›Nachtwächter‹ vorgeprägt; Führungen in Schlössern und Burgen, Rathäusern und offenen Stadträumen werden deshalb oft von begabten und mit ihrer interpretatorischen Aufgabe verwachsenen Einzeldarstellern durchgeführt, deren Wissen und didaktische wie pädagogische Befähigungen außer Frage stehen, die aber entweder bei der Beschaffung ihrer Kostüme schlecht beraten wurden oder wegen der sichtbaren Mängel anderer Darstellungen meinen, auf diesen Bereich komme es nicht an: Grundsätzlich muss für alle ›historischen‹ Führungen gelten, was oben zu den Vorführungsstrategien und Qualitätsmerkmalen ausgeführt wurde: Moderne Brille und Schuhwerk gehen, solange man im Personenberichtmodus bleibt und diese Mängel selbst thematisiert – wer Personenspiel affektiert und dabei für die Zuschauer offensichtliche Mängel in der Ausstattungsqualität aufweist, schadet sich selbst, der dargestellten Geschichte, und anderen Darstellern im Feld. Insofern ist der mittlere Weg, den viele von professionellen Schauspielern vorgetragene Kostümführungen einzuschlagen suchen, mit Stolersteinen übersät, wie ein exemplarischer Blick auf den z. B. von Freiburg Kultour/Freiburg Living History gesteuerten Kurs zeigt: Einzelne im Programm enthaltene dargestellte Figuren sind namentlich gekennzeichnet wie die historisch belegte »Catharina Stadellmenin«, die – relativ wohlhabende Witwe eines sie misshandelnden zeitweiligen Stadtrats – 1599 wegen ihrer neu gewonnenen Freiheit denunziert und als eine der letzten drei angeblichen Hexen in Freiburg hingerichtet wurde – ein historischer Marker am Martinstor erinnert daran. Recherchiert hatten ihren Fall ursprünglich Historiker- und Frauenforscherinnen in den achtziger Jahren (Roecken/Brauckmann 1989); verarbeitet worden war er in einem der zahlreichen populären historischen Romane der letzten Jahrzehnte, in Astrid Fritz’ Die Hexe von Freiburg (Fritz 2003). Unter demselben reißerischen Titel wird ihr Fall in den historischen Stadtführungen rubriziert; im Programm von TV-Südbaden erscheint sie für den 30. April 2012 »anlässlich der bevorstehenden Walpurgisnacht«

80 | Geschichtstheater auch als »Schauspielführung«.11 Die Schauspielerin wird in Broschüre und Webdarstellung bildlich durch schwarzen Umhang, blassen Teint und mimisch an Stereotypen der Hexendarstellung angelehnt – Zielortung ist zumindest auf dieser Werbeebene nicht die historische Figur und der Unsinn der Hexenverfolgung, sondern symbolische Aufladung und Hyperrealität. Andere Figuren werden technisch und konzeptuell ähnlich behandelt: Ob »Berthold Schwarz–Erfinder des Schwarzpulvers« je in Freiburg lebte, wird von Historikern bezweifelt – auf dem Rathausbrunnen steht aber eine Statue des Franziskaners und von daher ist es verständlich, dass sich die Firma ihn ebensowenig entgehen lässt wie »Ritter Berthold von Zähringen«, den Stadtgründer, der ebenfalls als Stadtführer-Figur erscheint. Kinderprogramme arbeiten nicht mit Personen, sondern mit Kniepuppen, und »Die Wanderhure« ist völlig fiktional und aus der unter dem Pseudonym ›Iny Lorentz‹ (i.e. Iny Klocke und Elmar Wohlrath) veröffentlichten Romanreihe gleichen Titels bzw. deren Sat1-Fernsehverfilmungen entlehnt. Die Begrenzungen dessen, was als Schnittfläche zur Living History Interpretation gemessen werden kann, werden hieraus bereits deutlich. Geschichte wird wie in der Living History Interpretation und im Museumstheater personalisiert und romantisiert; die Frage ist – wie auch bei den anderen Typen des Geschichtstheaters – wie weit bei der Überarbeitung der didaktische Anspruch der Geschichtswissensvermittlung kompromittiert wird. Dass sowohl historisch belegte wie generische Figuren bzw. Figurentypen dem Grundmuster einer historischen Stadtführung überschrieben werden, ist Standard; der Einsatz legendärer und fiktionaler Figuren und die Verwendung von symbolisch aufgeladenen Stereotypzeichnungen in sensiblen Bereichen verweisen allerdings auf mögliche Defizite. Dass historische Stadtführungen auch ohne Fiktionalisierungen oder Anleihen bei zweifelhaften Stereotypen auskommen können, belegen ebenso einzelexemplarisch die Stadt- und Türmerführungen in Waldkirch. Seit über fünfzehn Jahren werden diese Führungen angeboten, wobei die Bandbreite von der Führung durch eine Einzelperson bis zur inszenierten abendfüllenden Führung mit Bewirtung und Musik reicht. Der Schwerpunkt der Darstellung ist Living History Interpretation, Lebenswirklichkeit mit der Einschränkung, dass das ›Fest‹, an dem die Besucher teilnehmen, eine Art besonderes Ereignis darstellt. Alle Aussagen sind recherchiert und belegbar, die Ausstattung aller Beteiligten 11 »Schauspielführung Catharina Stadellmenin – Die Hexe von Freiburg« 30.4.2012. http://www.tv-suedbaden.de/Service/Veranstaltungstipps/DieseWoche/Veranstaltung/217730/ (18. Februar 2013).

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 81 wurde über die Jahre immer wieder selbstkritisch überarbeitet und nachgebessert bzw. komplett ausgetauscht. 2009 unterzog sich die Gruppe einer auf die pädagogisch-didaktische und theaterpraktische Ebene begrenzten Qualitätsanalyse. Einziger Schwachpunkt war die Sprachverwendung: Die im Personenspiel gehaltene Führung simuliert den historischen Sprachstand des Alemannisch/Süddeutschen in der rezipierten Form des Hybrids, das bei sogenannten Mittelaltermärkten verwendet wird (s.u.). In beiden Fällen wird der bespielte Raum im weiteren Sinne zum Themenpark: Lokal- und Regionalgeschichte werden personalisiert und schauspielerisch aufbereitet; der Schwerpunkt liegt für die Zuschauer auf dem durch Schauspiel und identifikatorisches Angebot generierten Erlebniswert. Diesseits des Vermittlungsgedankens erfüllen die historisch kostümierten Figuren, insbesondere dann, wenn sie Persönlichkeiten zugeordnet sind, denselben Zweck wie die Darsteller von Thomas Jefferson und Patrick Henry in Williamsburg, des Ehepaars Lincoln in Greenfield oder der diversen Pilgrims in Plimoth: Sie sind nostalgische Identifikationsfiguren und Platzhalter für eine Periode der Geschichte, die in der Regel durch das ihr überformte Narrativ herangeholt und scheinbar vertrauter gemacht wird, und mit der eine Auseinandersetzung stattfindet, ohne dass man dafür irgendwelche Unannehmlichkeiten der dargestellten Periode in Kauf nehmen müsste – Hässlichkeit verkauft sich schlecht. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme der Figur »Die Jüdin« in das Programm von Freiburg Kultour/Freiburg Living History bemerkenswert, denn obwohl die historische Periode durch ihre Präsenz in den Lehrplänen von Schulen, Gedenkstätten, Gedenktagen und -reden, den ›Stolpersteinen‹ etc. wenigstens in Deutschland die meistrepräsentierte Geschichtsphase überhaupt ist, gab es bisher kaum Versuche, sich ihr mit den Mitteln des Geschichtstheaters zu nähern

3DJHDQWU\+LVWRULVFKH)HVWDXI]JH Gedenkfeiern sind zunächst eine Erinnerungsform unabhängig vom Geschichtstheater; Paraden ebenfalls. Es ist aber schon im ausgehenden 19. Jahrhundert zu beobachten, dass Gedenkfeiern und Paraden mit Geschichtstheaterelementen versetzt werden. Speziell die Sowjetarmee und ihr Nachfolger, die russischen Streitkräfte, benutzen Paraden zu historischen Anlässen, um einzelne Truppenkontingente in den Uniformen und Fahrzeugen der Periode aufmarschieren und -fahren zu lassen. Die Vermischung von Gegenwart und kostümierter Vergangenheit stellt

82 | Geschichtstheater im einfachen räumlichen Nach- und Miteinander Bezüge her, die sich argumentativ nicht immer herstellen ließen und in dieser Simplizität möglicherweise nicht akzeptiert würden. Das Gleiche gilt für Festaufzüge aus historischen Anlässen. Anders als die Modezeitschrift Pageantry Magazine vermuten lassen würde, haben die auf Englisch Pageants genannten Festaufzüge nichts mit Mode und glamuröser Ausstaffierung zu tun, sondern mit autozelebratorischen, theaterhaften Inszenierungen kultureller Praxis mit meistens kommunalbzw. regionalpolitischer Ausrichtung, vor dem Hintergrund eines ideologisierten, meist konservativen Wertesystems. Als etwa die historisch gewandete Schauspielerin Thalia Prokopiou fünf Monate vor Beginn der olympischen Sommerspiele 2000 mit einem Hohlspiegel im Tempel der Hera im antiken Olympia eine Fackel in Brand setzte, wurde damit eine Zeremonie wiederholt, die jedes Mal für olympische Spiele reinszeniert wird. Die ihrerseits rituelle Wiederholung eines vermutet so oder so ähnlich aufgeführten Rituals vor Zuschauern und Medien lässt die Szenerie als Festaufzug erscheinen. Die Inszenierung in rezipiert historischen Kostümen ist dabei typischerweise für Pageants keine Reinszenierung von Lebensweltlichkeit (wie in der Living History Interpretation) sondern wird durch ihre symbolische Aufladung und para-religiöse Feierlichkeit charakterisiert. Es ist diese Anlehnung an den Pomp religiöser Ein- und Auszüge und Prozessionen, die den säkularen Festzügen auch schon früherer Jahrhunderte zu besonderen Jahrestagen von Fürstengeburtstagen, Städte-gründungen, Universitätsjubiläen und Ähnlichem eigneten. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird daraus im angloamerikanischen Raum die populäre Form des Pageant als stationärer oder an Stationen festgemachter historischer Festaufzug entwickelt. In ihrer elaborierten Form nahm diese den Charakter kompletter Theaterstücke an. Wolfgang Hartmann (Hartmann 1976) und David Glassberg haben zum Thema wichtige Recherchen geliefert: Historical pageantry entered a landscape at the turn of the century that was dense with historical imagery. Many of the themes it expressed were like those in other media–museums, monuments, murals–that also put forth versions of the public history. […] Public historical imagery is an essential element of our culture, contributing to how we define our sense of identity and direction. It locates us in time, as we learn about our place in a succession of past and future generations, as well as in space, as we learn the story of our locale. […] Public historical imagery, by giving recognition to various group and individual histories, also suggests categories for our understanding the scale of our social relations and the relative position of groups in our society. (Glassberg 1990: 1)

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 83 In der Veröffentlichung historischer Bildwelten aus dem Geist eines teils romantischen, teils fortschrittsgläubigen Konservatismus ergänzen die Historischen Festaufzüge um 1900 die ersten Freilichtmuseen, und noch heute sind Parallelen sichtbar in der Vereinnahmung des Pageant in seiner beweglichen Form als Parade sowohl in Freilichtmuseen (das Fife and Drum Corps in Colonial Williamsburg) wie in Themenparks (die regelmäßigen Parades im Europapark und Disneyland). Anders als in den Themenpark-Paraden sind die Pageants dabei in gewisser Weise solipsistisch: Über die Community, die sich feiert, für diese Gemeinde, und im Wesentlichen von der Gemeinde personell und finanziell getragen und selbst produziert. In ihrer beweglichen Form als Parade bzw. Festumzug, marschieren historische Themen als laufende/reitende Gruppen gegebenenfalls auch noch in chronologischer Ordnung mit; besondere Schwerpunkte werden von Festwagen (engl. floats) gebildet. Auf den Festwagen ist oft eine historische Szene als stehendes Bild erfasst; als Tableau Vivant, sofern lebende Darsteller in historischem Kostüm verwendet werden.

Charakteristika lokaler/regionaler Pageants: Ort: a) entweder improvisierte oder, speziell bei regelmäßig wiederholten Schauspielen, auch ortsfeste Freilichtbühnen. b) Wanderinszenierung zu mehreren aufeinanderfolgend besuchten historischen Orten, die dann als Kulissen dienen. Figuren: werden nicht entwickelt, sondern typisiert. Darsteller: überwiegend lokal rekrutierte Laien; nur für größere Rollen werden manchmal Schauspieler angeworben. Szenenfolge: a) lose strukturiert, einer chronologisch sortierten Thematik folgend entwickelt. b) Themenwagen, thematisch passende oder affine Gruppen und Kapellen. Pageants zielen auf größtmöglichen Konsens der sie tragenden Gemeinschaft. Insofern ist der historische Festaufzug nicht mit den komischkritischen Festwagen von Karnevalsumzügen zu verwechseln, die diese Floats parodierten und heute zumindest in Deutschland alleine übriggeblieben sind.12 In USA sind Parades mit Pageant-Charakter üblich und

12 Die Kostümierungen der Hoch-Zeit der historischen Festumzüge der wilhelminischen Jahrhundertwende landeten vereinzelt im Kostümfundus von Theatern und Filmausstattern, wo sich auch gelegentlich historische Originalbekleidung finden lässt.

84 | Geschichtstheater vielerorts populär wie die Steuben-Parade in New York, Umzüge zum Nationalfeiertag, zum St. Patricks Day, Christopher Street Day oder sonst zu einer Reihe von ethnischen oder von Gruppeninteressen geleiteten Anlässen. Historische Pageants sind abgesehen von einzelnen Floats und historischen Uniformen am Unabhängigkeitstag oder in der Steubenparade selten geworden. Impuls und Format des Pageant als Parade hat aber wie schon erwähnt die Themenparkindustrie adaptiert: To be sure there are parades - probably a dozen a day–each one a highly orchestrated spectacle played to an audience that docilely accepts crowd control. »No climbing in trees.« »Cross the street only where indicated.« »People in front must be seated.« It goes without saying that no one is expected to get swept up with the marchers as kids might have done in some bygone era of small town circus parades. Disney World may well represent the culmination of the centuries’ long campaign of suppression waged against carnival, which aimed first to marginalize it and later to exterminate it or render it harmlessly touristic (Kuenz/Klugman/Waldrep/Willis 1995: 4).

Die Verwechslung von Pageant und Carnival in der vorliegenden Passage lässt die Themenparkindustrie als geradezu bösartig erscheinen; tatsächlich liegt aber in den im letzten Satz scheinbar als Alternative formulierten Formaten der Marginalisierung/Auslöschung und der touristischen Umwidmung eine zeitliche Abfolge versteckt. Die versuchte Verdrängung und die zunehmende internalisierte Kontrolle von karnivalesken Impulsen haben Mikhail Bakhtin und Peter Sloterdijk als Teil hegemonialen Drucks und zivilisatorischer Prozesse beschrieben; bemerkenswert ist eigentlich eher, dass weder Verdrängung noch Kontrolle je wirklich vollständig gelungen sind. Historische Festaufzüge haben in ihrer theatralischen Form als Selbst-Spiel einen Bezug zu den Reenactments, insofern es sich um eine ereigniszentrierte Form der Aufführung mit relativer Annäherung an historisch belegte materielle Bedingungen handelt. Die materiellen Authentizitätsmaßstäbe sind gegenüber den Standards der Living History Interpretation deutlich reduziert, der didaktische Anspruch dagegen einseitig zugespitzt. Zu diesem Zweck werden in Pageants von den Autoren zur stärkeren mythologisch-ideologischen Verankerung gerne allegorische oder mythische Figuren eingebaut. Der Festspielcharakter von Pageants ist in Schauspiel und Festumzug gleichermaßen präsent, in der zur Gegenwart hinzutretenden Form des Reenactments als Pageant vor Zuschauern (s.u.) ist sie weniger deutlich sichtbar. Am deutlichsten wird diese Verbindung überall da, wo entweder Geschichte eklektizistisch behandelt oder der politische Charakter der Veranstaltung offensiv vorgetragen wird. So ist auffällig, dass Bürgerkriegs-Reenactments in den ehemaligen Konföderierten

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 85 Staaten von Amerika dazu tendieren, Siege der Rebellen nachzustellen; und in Polen machen der Sieg von Tannenberg 1410 und das Nationalepos Na Polu Chwaly von Henry Sienkiewicz (1906) über diesen Sieg Ritterkämpfe zum zelebrierten Volkssport (Ludwig 2000: 9; Roser 2002: 68; Bijas/Raijer 2000: 15). Die diversen skandinavischen Wikingerfeste und Mittelalterveranstaltungen wie die jährliche Medeltidsveckan pa Gotland sprechen für sich (Gustafsson 1998). Ihrer Intentionalität nach sind solche Aufzüge, ob als Parade, szenische Bilderschau oder Reenactment, identitätserhaltend; das gilt besonders für Festspiele, die regelmäßig zu Jahrestagen oder auch häufiger als Stadtfeste gefeiert werden wie die einwöchigen Staufener Stages oder das über vier Wochenenden verteilte Kaltenberger Ritterturnier (siehe Kommer, 2011: 185, der dieses Turnier allerdings für einen Mittelalter-Markt hält). In Einzelfällen sind Pageants sogar identitätsstiftend – siehe z.B. das von dem afrikamerikanischen Kulturwissenschaftler und politischen Aktivisten W.E.B. du Bois geschriebene Massen-Festspiel The Star of Ethiopia (Du Bois 1915), das jedenfalls als identitätsstiftend intendiert war, aber nur vier Produktionen sah. Alle Festaufzüge werden von einem kommerziellen Rahmen umgeben, besonders dann, wenn es sich bei dem Festaufzug um das zentrale Ereignis eines lokal oder regional gefeierten z.B. Jahrestages handelt. Darin treffen sie auf eine andere historische Spielform des Pageant, die im Unterschied zu der von Glassberg definierten und zentral untersuchten identitätsstiftenden politischen Selbstfeier allerdings von vornherein kommerziell strukturiert war: Die vor allem mit dem Namen Buffalo Bills verbundene Wild West Show (Warren 2004). Mit ihrem Hintergrund in der Kultur des Zirkus waren dies wandernde Shows, ihre historische Perspektive die einer Fast-Noch-Gegenwart ähnlich den Völkerschauen – William F. Cody zeigte weltweit in Hunderten von Wiederholungen die Niederlage der U.S. Kavalleristen unter George A. Custer am Little Big Horn, wobei sich die Aufführungen im Zuschauerring natürlich zeitlich immer weiter vom historischen Datum im Juni 1876 entfernten. Wild West-Shows anderer Veranstalter zeigten vor allem generische Szenarien. Ortsfeste Einrichtungen inszenierten gelegentlich ähnliche Shows: Coney Island Freizeitpark spielte um 1905 Gefechte des Burenkriegs nach, wofür unter Einwanderern Veteranen beider Seiten angeworben worden waren (Burns 1991). Zur Gegenwart hin wird aus dem Pageant als selbstversichernde Machtdemonstration hegemonialer Kräfte eine eher dem frühneuzeitlichen Fair zuneigende Veranstaltungsart mit historischer Ausrichtung. Politisch unverdächtige und tourismusfördernde Feiern sind alle, die vor die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zurückgehen und vorzugsweise

86 | Geschichtstheater solche, die sich auf mittelalterliche Daten, Ereignisse oder Feste wie die Landshuter Hochzeit 1475 beziehen. Diese können dann mit großen Festspielen, Theateraufführungen, Turnieren und ähnlichem gefeiert werden – Geschichtstheater für alle in Großchoreographie über mehrere Tage oder wie z.B. in Landshut sogar gestreckt über drei volle Wochen. Zum eigentlichen Festaufzug kommen noch die Buden und Fahrstände einer Kirmes, Festzelte, Musikaufführungen. Aus solchen Kombinationen, Wanderzirkussen und Rahmenprogrammen historischer Jahrestage wurde von geschäftstüchtigen Händlern und Handwerkern seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit den sogenannten Mittelaltermärkten zusätzlich zum schon vorhandenen Spektrum noch eine eigene und von einem konkreten Erinnerungsdatum unabhängig buchbare Form geschichtstheaterverwandter Markt-Wirtschaft entwickelt.

0LWWHODOWHU0lUNWH Das Mittelalter stellt innerhalb des Komplexes der GeschichtstheaterPraxis zumindest in Deutschland mit Sicherheit sowohl personell wie von der Breitenwirkung her den größten Block. Innerhalb dieses Blocks wiederum halten die Marktszene und, teilweise damit verflochten, die Musikszene die größten Anteile. Hintergrund dieser Mittelalterbegeisterung ist sicherlich die relative Gefahrlosigkeit, mit der das sogenannte Mittelalter – also alles zwischen Merowingern und Spätrenaissance, wenn man sich auf einem durchschnittlichen Mittelaltermarkt umsieht – in Deutschland bespielt werden darf. Besonders beliebt ist, was als Kuriosität erscheinen mag, das späte 15. Jahrhundert. Noch vor den Bauernkriegen, der Renaissance mit ihrem dramatischen Wandel in den Wissenschaften und der Feuerwaffenverwendung ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gelegen, sind diese Jahrzehnte die letzten des historischen Mittelalters und gleichzeitig in der Rekonstruktion etwas unäufwändiger und dabei besser dokumentiert als das staufische und salische Hochmittelalter. Die absolutistische Fürstenherrschaft, erst recht die Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts und das Kaiserreich, sind politisch eindeutig besetzt und bringen einen hohen Erklärungsbedarf mit sich; alles nach 1918 ist hochproblematisch und im Zweifelsfall Polittheater (wobei die Grenze bis vor ca. 15 Jahren noch näher an 1870 lag, s.u.). ›Ritter‹ spielen dagegen ist politisch unverdächtig und war schon in Kindertagen erlaubt, ähnlich wie ›Indianer‹. Heute ist vor allem deshalb die flächendeckende Identität von ›Kinderaktionen‹ mit den unausrottbaren ›Rittern und Burgfräulein‹ eines der zentralen Probleme ernsthafter Living History Interpretation (Hochbruck 2010). Mittelaltermärkte sind die ethno-ökonomisch ideale Variante des kindlichen

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 87 Ritterspiels für Erwachsene: Zusätzlich zum Markt gibt es oft noch ein Turnier, ein Feldlager, einen Festaufzug oder alle drei. Die Belebung mittelalterlicher Burgen und Stadthöfe durch Veranstaltungen hatte sich fast natürlich aus der Wendung der deutschen Teile der Folk-Szene der siebziger Jahre zum Mittelalter ergeben. Die Vernutzung großer Teile der deutschsprachigen Folklore durch Kaiserreich, Nationalsozialisten und Adenauerzeit lässt die auch unter den Reenactors zu beobachtende Wendung zum Mittelalter wiederum fast natürlich erscheinen. Gruppen wie Elster Silberflug und Tanzbär experimentierten schon Mitte der siebziger Jahre mit historisierender ›Gewandung‹, wie der Fachterminus in der Szene später heißen sollte, mit nachgebauten Instrumenten von der Radleier bis zum Trumscheyt, und mit mehr oder weniger vermutet historischer Aufführungspraxis. Den Beginn der kommerziellen Marktszene hat Sven Kommer in einem Interview mit einem leider nicht identifizierten Teilnehmer auf 1979/80 verzeitet (Kommer 2011: 187). Der erste Marktverein ist demnach Kramer (ursprünglich möglicherweise Kramerey) Zunft und Kurtzweyl gewesen; diese Gruppierung ist auch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts noch wesentlicher Faktor der Marktzene. Charakterisiert sind die von diesem oder einem der epigonalen Marktvereine auf Bestellung irgendwelcher Veranstalter durchgeführten Mittelaltermärkte durch ihren hohen Unterhaltungswert mit Musik, Schauvorführungen und Mitmach-Spielständen, durch ihren hohen Konsumanreiz mit kulinarischen Angeboten und einer Vielzahl von Verkaufsständen, und durch ihre relative Geschlossenheit. In der Regel ist für die Gesamtveranstaltung (falls es sich um ein Stadtfest oder Ähnliches handelt) oder für den Markt ein Eintrittsgeld zu entrichten – der Eintritt wird zum Ritual, insofern Kinder oft nach Größe gemessen werden: Wer kleiner ist als ein Schwert, darf billiger oder umsonst hinein. Manche Märkte tauschen Gegenwartsgeld in eigene Marktwährung (Kommer 2010: 189), andere sollen Rabatte für Besucher in Gewandung gegeben haben – eine Praxis, die aus eigener Anschauung nicht bestätigt werden kann und auch kontraproduktiv wäre, insofern viele Marktbesucher sich kleidungsmäßig an-mittelaltern, was subjektiv auch mit Lederhose und Dirndl, Winzer-, Fischer- oder ›Piratenhemden‹ und der ganzen Palette des Retro-Chic angeht. Die Mittelaltermärkte sind auch in dieser Hinsicht das im Sinne Bakhtins durchaus nicht negativ gemeinte karnivaleske andere Ende des an Living History Interpretation im Museum gestellten Qualitätsanspruchs; hier zählen weder pädagogischer Anspruch noch Fachwissen oder Ausstattungsqualität, sondern die Didaktik des Entertainment.

88 | Geschichtstheater Was nicht heißt, das die Aussteller und Beschicker dieser Märkte entsprechende Qualifikationen durchgehend nicht hätten oder sich dem verweigerten. Es ist nur einfach situativ nicht gefragt. Tatsächlich sind die Aussteller und Spieler zum großen Teil handwerklich geschulte und produzierende Living Historians, Musiker und Schausteller die sich in den in historischen Authentizitätsfragen deutlich reduzierten Umgebungen der Mittelaltermärkte ein Zubrot – oder überhaupt ihr Auskommen – verdienen. Die Vorführungen sind in der Regel von guter schauspielerischer bzw. künstlerischer Qualität, da das breit angesprochene Publikum auf dieser Ebene auf Qualitätsmängel negativ reagieren würde. Historische Authentizität der Ausrüstung ist dagegen eine Frage des persönlichen Ethos, zeit-räumliche Perspektivierung eher Zufall, auch wenn die meisten Aussteller in die Grobkategorie Spätmittelalter zu fallen scheinen. Viele Märkte kombinieren Vorführungen von Produktionsprozessen – nicht zu verwechseln mit Handwerksvorführungen im Sinne von Living History Interpretation, diese sind rar (Kommer 2010: 189) – mit dem Verkauf der Produkte (meistens), Ess-, Trink- und Fahrständen (es gibt handbetriebene Karusselle und sogar Riesenräder!) mit Musikvorführungen, Spielszenen und Schaukämpfen. Für letztere werden von Veranstaltern eigens Gruppen und Einzelpersonen angeheuert, sofern sie nicht gleich die ganze Produktpalette eines überregionalen Anbieters einkaufen, der dann nach den Wünschen der Veranstalter Programme zusammenstellt. Deren professioneller Umgang mit einem zuschauerorientiert aufbereiteten ›Mittelalter‹ mag zwar gelegentlich ans Zynische grenzen, ist aber als Praxis der Variante vorzuziehen, dass historische Jahrestage und sonstige historisch relevanten Events rein auf den Geldbeutel schielenden Marketing-Agenturen und/oder wohlmeinenden Amateuren überlassen werden. Eine besondere Rolle und Bedeutung kommt der mittelalterlichen Musik zu, die eigentlich eine eigene kulturhistorische Interpretationsform bildet und deshalb hier nur im Rahmen der Momente behandelt werden soll, an denen sie mit dem Geschichtstheater in der Aufführungspraxis zusammentrifft. Rekonstruktionen sind schwierig und umstritten; die passend »Ein Traum vom Mittelalter« übertitelte Habilitationsschrift von Annette Kreutziger-Herr wurde entsprechend kontrovers aufgenommen (Kreutziger-Herr 2003; Berger 2005). Natürlich gehören Aufführungen von klassischen Stücken auf historischen Instrumenten oder deren Nachbauten im Grunde zum Geschichtstheater, sind sie doch das Äquivalent der Archäotechnik: Erkundungen von Praktiken der Vergangenheit auf deren eigenem Terrain. Vieles von dem, was als ›Mittelalter‹-Musik in den siebziger Jahren im Zusammenhang des Folk Revival in Umlauf kam, hatte jedoch mit der historischen

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 89 Periode nicht wesentlich mehr zu tun als Wagners Lohengrin auch schon. Insofern nur wenig Originalmaterial in verlässlicher Form überliefert ist (Lewon 2003) und dieses auch noch wesentlich aus dem Bereich des Kunstliedes stammt und sich für ein gegenwärtiges Publikum eher komplex und merkwürdig anhört, hielten sich viele Gruppen unter Auslassung der NS-Zeit an ihre Vorläufer in der WandervogelJugendbewegung um 1900 – der dort als vermuteter Zugriff auf ursprüngliches Volksliedgut erschienene Zupfgeigenhansel gab sinnvollerweise gleich einer der bahnbrechenden frühen Folk-Gruppen (1972) den Namen. Von Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz stammte auch eine der ersten Sammlungen von Liedmaterial, das faktisch weit überwiegend aus dem 19. Jahrhundert und z.T. auch erst wiederum aus der Wandervogel-Bewegung stammte (Schmeckenbecher/Friz 1978). Anders als in der Reenactment-Szene (s.u.) gingen viele FolkGruppen über den puristischen Weg, sich ihre Repertoires forschend und rekonstruierend zu erarbeiten, schnell hinaus, da das Anliegen nicht eine objektrealistische Rekonstruktion, sondern eine wesentlich politisch motivierte Überwindung von NS- und Kaiserzeit mit ihren Vernutzungen deutschsprachiger Volkskultur war. Entlehnungen, Anpassungen und Transfers z.B. deutscher Lieder und Tänze in Anlehnung an die Spielpraxis der seinerzeit sehr populären Iren und Schotten, die als Einzelgruppen und als Irish Folk Festival on Tour mit wechselnder Besetzung durchs Land zogen, waren deshalb selbstverständlich; auch französische, niederländische und skandinavische Quellen waren willkommen. Weiterhin wurden in der gespielten Praxis überlieferte Volksliedmelodien über Spielweise und Instrumentalisierung zeitlich in Richtung Mittelalter – oder was dafür gehalten wurde – zurückadaptiert. Vermutlich schon aus dieser historisch-politischen Lage heraus war und ist insofern an der Musikszene immer schon eine Bereitschaft zu erkennen gewesen, sich mit der prinzipiellen Unmöglichkeit der exakt replizierenden Repräsentation offensiv auseinanderzusetzen. Gruppen wie Ougenweide verbanden deshalb schon Mitte der siebziger Jahre die gefundenen Texte z.T. mit neuen-alten Melodien und Rockelementen: Für die Stücke, die Ougenweide in einige Folgen der TV-Geschichtsserie Dokumente Deutschen Daseins (Zenkel 1977-79) einspielte, wurde von der experimentierfreudigen Gruppe z.B. Lützows Wilde Jagd, ein deutsch-nationales Männergesangsvereins-Paradestück der Kaiserzeit, auf die Melodie von Pase el agoa, eines aus dem späten 15./frühen 16. Jahrhundert stammenden Liedes aus dem Cancionero de Palacio aufgesungen – wodurch das Stück entschieden dazugewann. Zu Gegenwart hin gehen die Versuche einer rekonstruierenden Singund Spielweise weiter zurück; dagegen werden in der Szene in typisch

90 | Geschichtstheater postmoderner, oft spielerisch ironischer Manier Stile und Formen gemischt. Es ist sicher kein Zufall, dass einer der komisierenden Verfremdungseffekte in A Knight’s Tale mit Heath Ledger (2001) die Verwendung von We Will Rock You von Queen am Anfang des Films war. Gleichauf entstanden etwa gleichzeitig die Punk-Folk-Varianten mit vielen Dudelsäcken und Schlagwerk z.B. von Corvus Corax oder In Extremo und Metal-, House- und HipHop-Adaptionen einerseits sowie lustige und lehrreiche bis grenzdebile Kinderspiel-Varianten andererseits. Wobei es auch hier qualitativ wie didaktisch ansprechende Experimente gibt: Elster Silberflug waren in den siebziger Jahren unter den Gruppen, die eine experimentell-archäologisch recherchierte Folk-Musik zu rekonstruieren suchten. Heute bedienen sie den musikalischen Mittelalter-Kindermarkt und spielen entsprechend auf mittelalterisierten Kinderfesten. Das zusammen mit einer von ihnen eingespielten CD 1999 herausgebrachte Buch Markt, Musik & Mummenschanz führt unter dem Untertitel Stadtleben im Mittelalter weiter aus, dass dies ein »MitmachBuch zum Singen, Tanzen, Spielen, Schmökern, Basteln und Kochen« sei (Floerke/Schön 1999). Diesem didaktischen Anspruch wird das Buch durchaus gerecht – wirklich mittelalterlich ist zwar Weniges von dem, was in dem Buch enthalten ist, einschließlich der Illustrationen von Vanessa Paulzen. Immerhin sind aber vereinzelt lateinische (das »Ave Maria«) und sogar althochdeutsche (der »Lorscher Bienensegen«) Texte in dem Band enthalten und können Interesse wecken (Floerke/Schön 1999: 95, 61), aber ein schönes und liebevoll gemachtes und mit einem unaufdringlichen pädagogischen Lernimpuls angetriebenes Nachmachund Mitspielbuch ist es auf jeden Fall und insofern ein Libretto für kindgerechtes Geschichtstheater bzw. für speziell von Kindern zwischen 4 und 14 Jahren im doppelten Wortsinne Nach-Spielbares. Linguistisch sind die Mittelaltermärkte ähnlich divers wie hinsichtlich der anzutreffenden Zeitschiene: Marktsprache, manchmal auch etwas abwertend als ›Marktsprech‹ apostrophiert, signalisiert den Versuch, die in aller Regel im Personenspielmodus arrangierten Auftritte von Akteuren und Marktbeschickern linguistisch zu unterfüttern. Genau-ere sprachwissenschaftliche Analysen scheinen noch keine größere Verbreitung gefunden zu haben; eine Reihe von Best Practice-Vorschlägen aus der Szene selbst geben aber über strukturelle Modi Auskunft: Ihrzen & Euchzen Gebet ein »e« den Verben Englisch ist out! Altbackene Worte Latein ist excellent des Genetivs Nutzung

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 91 Den Konjunktiv gäb’s auch Aus Neu mach’ Alt geschraubte Sätze

(Dreyfuß 2013)

Die Anfänge der Marktsprache werden zumindest von Hajo Dreyfuß dem Rittermahl-Veranstalter Claus Fentzloff zugeschrieben und datieren demnach in die ausgehenden sechziger Jahre. Für die Marktszene wurde Fentzloffs Moderation seiner Veranstaltungen in künstlich gealtertem Deutsch als »Ritter Claus« aufgegriffen: Und so durchforsteten die studierten Sprachwissenschaftler Barbara und Hermann Degener diverse Archive, um schließlich in den Polizeiverordnungen der Stadt Nürnberg aus dem 13. bis 15. Jahrhundert fündig zu werden. Aus dieser reichhaltigen Quelle und mancherlei anderem Stückwerk gestalteten sie eine eigene »Markt-Ordnung«, die gleichermaßen fundiert und unterhaltsam war und zum Beginn der Veranstaltung verlesen werden konnte. Auch dieses Werk war so hervorragend gelungen, daß es in den folgenden Jahren vielerorts und immer wieder gerne als Vorlage für eigene Veranstaltungen verwendet wurde. (Dreyfuß 2013 »Geschichte«)

Als Quellen nennt Dreyfuß unter anderem: Grimmelshausens Simplicissimus, Goethe und Schillers Gedichte und Balladen, die Hausmärchen der Gebrüder Grimm, der Prinz Eisenherz-Comic und die deutsche Bibelübersetzung sowie die Tischreden Martin Luthers. Offensichtlich sind aber auch Improvisationen und Analogiebildungen, für die Begriffe wie der bekannte Zupfgeigen-Hansel Pate gestanden haben könnten und die hauptsächlich über Metonymiebildungen laufen wie »Handgeklapper« statt »Applaus« (vgl. Floerke/Schön 1999: 38, wo in dem Lied »Seid gegrüßet« von Ulrich Freise eine Reihe marktsprachlicher Termini erklärt werden). Im Netz existiert noch eine ganze Reihe weiterer Glossare, und insgesamt kann Marktsprache sicher als »Fansprache« (Reitz 2010) gelten – allerdings handelt es sich anders als beim Klingonischen oder Elbischen nicht um eine vollständige Kunstsprache mit dem Anspruch auf Eigensprachlichkeit, sondern linguistisch betrachtet um einen Soziolekt, und ökonomisch um einen Trade Jargon, einen für den Handel zwischen zwischen zwei Gruppen entwickelten Code. Leider hat sich dieser für das Sammelsurium der Märkte durchaus passende Handelsjargon auf die Ebene der Kostüm-Führungen ausgeweitet, so dass ›Nachtwächter‹ und andere in dem offensichtlich un-ernsten Jargon versuchen, Geschichtswissen zu vermitteln. Damit wird dem ohnehin schon arg zugerichteten Mittelalterbild eine weitere Ebene der Hyperrealität eingezogen (Hassemer 2010: 132). Die Proliferation der Mittelalter-Märkte, wie sie den Veranstaltungskalendern der führenden Zeitschrift auf diesem Feld, Karfunkel, zu

92 | Geschichtstheater entnehmen ist, zeigt symptomatisch, wie breitenwirksam der Nostalgic Turn in der Kulturpraxis ist – oder wenigstens war. Seit ca. 2005 scheint allerdings einerseits eine gewisse Sättigung eingetreten zu sein, während andererseits manche der Markt-Gruppen qualitative Neuorientierungen erkennen lassen. Ein Teil bewegt sich unter dem Eindruck der stärker gewordenen LARP-Szene (s.u.) in Richtung Fantasy, wie Sven Kommer beobachtet hat (Kommer 2010: 188); an anderen regelmäßig bespielten Orten wie dem Burgmarkt Herzberg, wird mehr auf Qualität geachtet: Herzberg ist »›Szenetreff‹, Publikum und Ökonomie … werden billigend in Kauf genommen, um so (kostenlosen) Raum für die eigenen Aktivitäten zu haben« (Kommer 2010: 191). Ob hier, wie Sven Kommer weiter vermutet, Museumsqualität erreicht oder gar übertroffen wird, sei dahingestellt. Im Sinne der hier vorgestellten Typologie aber wird ein Vergleich mit einem Reenactment vor Publikum zeigen, dass hier offenbar eine Grenze erreicht wird: • • •

Das Spiel ist im Wesentlichen homodiegetisch orientiert von den eigenen Leuten und für die eigenen Leute Zuschauer sind geduldet bis erwünscht, der didaktische Schwerpunkt Außenrepräsentation ist aber nicht erste Priorität das Treffen wird als interne Leistungsschau verwendet

All diese Merkmale sind auch für Reenactments konstitutiv.

+LQHLQYHUVHW]HQ5HHQDFWPHQWV [...]contemporary reenactment is indicative of history’s recent affective turn, i.e. of historical representation characterized by conjectural interpretations of the past, the collapsing of temporalities and an emphasis on affect, individual experience and daily life rather than historical events, structures and processes. (Agnew 2007: 299)

Unter der Bezeichnung Reenactment läuft in der gegenwärtigen Medienkultur eine ganze Reihe von Reproduktionsformen, wie schon in der Einführung erwähnt. Hier soll mit Reenactment nur konkret jene Gruppe von Geschichtstheater-Spielern gemeint sein, die ihre historischen Darstellungen als Hobby betreiben und dafür mindestens eine historische Periode reenacten, meistens als Mitglieder einer Gruppe mit demselben Ziel. Der primäre Unterschied zum Museumstheater bzw. der Living History Interpretation ist der homodiegetische Charakter dieses

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 93 Geschichtstheaterformats, weshalb man auch zwischen Darstellung und »Nach-stellung« (Patrick Köstel, pers. Kommunikation, Aug. 2000) unterscheiden könnte, da der Schwerpunkt tatsächlich nicht auf einer metonymischen Ähnlichkeit zwischen dem Original und der Reproduktion im Hinblick auf deren Vermittlung gegenüber Besuchern liegt, sondern in der Synekdoche: Reenactors operieren in der Hoffnung auf die gelingende Immersion in einen Ausschnitt eines Ereignisses. Für manche heißt das die Verfolgung des Period Rush oder History Flash, wie dieser quasi-epiphanäre Moment in der angloamerikanischen Szene genannt wird: Aus der gelungenen Nach-Stellung heraus entsteht ein subjektives Erlebnis der so gerade erlebten Situation als geschichtlich. Die Suche nach diesen Momenten hat nach Aussage von Betroffenen zumindest mildes Suchtpotential. Eine gewisse Ironie liegt darin, dass das scheinbare Fenster in die Geschichte im Moment der Reflektion als ›So könnte es ausgesehen haben‹ natürlich schon wieder geschlossen ist. Reenactments - sind ereignisorientiert, d.h. es werden punktuell entweder konkrete Ereignisse oder aber daran angelehnt aufgebaute typologisch ähnliche bzw. generische Ereignisse aufgeführt – aus dem amerikanischen Bürgerkrieg etwa die Schlacht von Gettysburg, an deren 135-Jahr-Reenactment 1998 in relativer Nähe zum Originalschauplatz ca. 15.000 Reenactors teilgenommen haben sollen, und als Beispiele für den zweiten Typus generische Battles, die dann auch in Davenport/Iowa, Boscobel/Wisconsin, in Weston Park/Shropshire, oder im mainfränkischen Külsheim stattfinden können; - konzentrieren sich in ihrer Auswahl von nachzustellenden Ereignissen auf Schlachten und andere militärische Operationen, oder auf andere historisch prominente, durch hohe Visibilität gekennzeichnete Anlässe - sind nicht primär zuschauerorientiert, obwohl ihr Inszenierungsformat dies nahelegt. Die bei Groß-Reenactments in USA nach zehntausenden zählenden zahlenden Zuschauer sind aus ökonomischen und zeremoniellen Gründen von den Veranstaltern eingeladen; vom Standpunkt der Reenactors sind sie häufig nur in Kauf genommenes Beiwerk, nicht (wie bei Living History Interpretation) Klienten eines wahrgenommenen Bildungsauftrags. - haben ähnlich den Pageants Zeremonialcharakter, sind von ihrer Theatrikalität geographisch verschobene historische Festaufzüge, wobei die Herstellung von Bedeutung anders als bei den geskripteten und inszenierten Pageants im Reenactment stärker in

94 | Geschichtstheater der möglichen Beeinflussung und damit Verantwortung des Einzelnen liegt.

Die meisten Reenactments und so ziemlich alle, die in den Medien wahrgenommen werden, beziehen sich auf militärische Operationen. Reenactments haben dabei ein im Vergleich zur oxymoronischen Living History ähnlich gelagertes Terminologieproblem; impliziert doch der Begriff, dass das Originalereignis dann logisch ein Enactment, also eine Inszenierung gewesen sein müsste. An der Wortwahl verdeutlicht sich aber auch bereits ein Teil des hier im Wortsinne zur Schau gestellten Geschichtsverständnisses, das historische Großereignisse als theatralische Schaustücke sieht, die sich szenisch segmentiert rekonstruieren lassen. Zu den Persönlichkeiten und Typen der Reenactors gibt es jenseits von häufig denunziatorischen Presseberichten wenig Brauchbares. Kritiker gehen selbstverständlich von einem gewissen Authentizitätsstandard aus (z.B. Allred 1996; Turner 1989). Der Historiker und langjährige Reenactor Calvin C. Kinzer hat 1999 in der HobbyistenZeitschrift Camp Chase Gazette eine Dreiteilung dessen vorgeschlagen, was er unter der Überschrift »Living History« als •

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apostrophierte (Kinzer 1999). Tatsächlich sind hier Reenactors gemeint, also jene Hobby-Historiker, die speziell in Europa und Nordamerika über die ihnen vorausgegangenen Generationen der History Buffs und Sammler in Richtung aktiver Re-Aneignung der Geschichte(n) hinausgehen (Hochbruck 2012). Der Nationalpark-Ranger und Reserveoffizier Douglas A. Harding unterscheidet in Reenactors–Asset or Menace bei seinem Versuch, Museen von der Nützlichkeit von Reenactors zu überzeugen, lakonisch die »re-creators«, also jenen, die sich um die Schaffung möglichst exakter Repliken des von ihnen Dargestellten auf Objekt- und Ereignisebene bemühen und damit Kinzers HardcoreKategorie entsprechen, von den »recreators«, den Urlaubern (Harding n.d. [1996]: 4f.). Was Kinzer und Harding verbindet, ist die qualitative Typologisierung. Man kann Reenactors entlang dieser Linie unterscheiden – tatsächlich ist das sogar am verhältnismäßig einfachsten, da es objektivierbare Gradierungen der Annäherung in der Ausrüstung und Kleidung an Museumsexemplare oder Fundbestände gibt. Die Einseitigkeit dieses AFaktor, wie Udo Brühe sogar die von ihm herausgegebene deutsche Hobbyisten-Zeitschrift genannt hat, wobei ›A‹ für ›Authentizität‹ gelesen wird, beinhaltet nun allerdings die Gefahr ein-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 95 seitiger Hierarchisierung, aus der regelmäßig Konflikte entstehen. Der AFaktor (nicht die Zeitschrift) entzweit regelmäßig Gruppen intern, insofern manche Mitglieder nach ›Verbesserung‹ streben und dabei andere hinter sich lassen (Jones 2010: 227). Tatsächlich wäre es sinnvoller, wenn ›A‹ für Attitude stünde: Einstellung. Es soll im Folgenden versucht werden, im Rahmen dieses typologischen Versuchs eine auf Einstellung zum Hobby aufbauende Kategorisierung zu finden. Zur Begründung: Vom Standpunkt der Objektivierbarkeit her betrachtet waren die Uniformen, in denen die erste Generation ernst zu nehmender Reenactors des amerikanischen Bürgerkriegs um 1960 auflief (Kimmel 1999-2000), weit von den in Museen erhalten gebliebenen Exemplaren entfernt – die Einstellung aber, mit der die Jungen in diesen zum Teil bereits selbst hergestellten Uniformen auftraten, war bereits präzis die, mit der heute Hardcores an ihre Darstellung herangehen – oder Purists wie Bill Christen (Christen 1994: 44) sie lieber genannt wissen wollte, weil in der internen Diskussion Hardcore mit fundamentalistischer Verbissenheit assoziiert wurde. Umgekehrt waren diejenigen, die damals mit BB-Guns und in blauen bzw. grauen wollenen Arbeitshemden loszogen, weil ihnen der gemeinsame Spaß weit vor jeglichem Anspruch an Authentizität rangierte, seinerzeit genau so farby13 wie heute, obwohl sich der durchschnittliche Standard weit erhöht hat. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Gruppen, die sich für ihr Hobby der Familienfreundlichkeit verschrieben haben und im Lager Frauen und Kinder samt entsprechenden und notwendigen Annehmlichkeiten in den Zelten untergebracht haben, in ihrer Ausrüstung höchsten Standards folgen. Wenn sie trotzdem nicht als Hardcore-Puristen qualifizieren, dann weil für diese Eingrupperung Kategorien angelegt werden, die über materielle Authentizität hinausgehen und an die vier Qualitätsmerkmale bzw. Voraussetzungen anschließen, die (siehe oben) für die Living History Interpretation erarbeitet wurden. Einstellungstypologisch gibt es demnach wenigstens drei Kategorien, wobei dazwischen Abstufungen existieren: 13 Der Begriff »farby« im Civil War Hobby ist eine Lehnprägung aus dem Deutschen; aufgebracht hat ihn Gerry Rolph, der um 1960 eine der ersten Reenact-ment-Gruppen leitete (siehe Kimmel 1999) und in Maryland Deutsch lehrte (›Jonah Begone‹ 1999: 51). Insofern bis heute im Civil War Reenactment als Faustregel gelten kann: je bunter, desto inauthentischer, war die Wortwahl in Anlehnung an »farbig« logisch, die Kreation eines (Jugend-) Gruppenideolekts in Abgrenzung zu anderen Reenactors mit niedrigeren Authentizitätsstandards auch. Aus dem Adjektiv wurde das Nomen »Farb« abgeleitet, mit dem bis heute Individuen oder ganze Gruppen tituliert werden, deren Standards niedriger sind als der eigene.

96 | Geschichtstheater



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• Fantasy Historisches Live-Rollenspiel: Mainstream • Zeremonialspiel • Kampfsport •

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• Militärische Rekonstruktion • Zivile Rekonstruktion Diese Einteilung geht davon aus, dass neben dem Interesse an Geschichte und ihrer Aneignung eine Grundlage und Ausgangspunkt des Geschichtstheaters in seiner Form als aktives Reenactment die Lust am Verkleiden und am Anders-Sein ist. Das Deutsche kennt ein grammatisch Imaginäres, das von Kindern in Spielsituationen benutzt wird und das besagt: ›Ich wär’ jetzt …‹ Kindern mit der nötigen Phantasie reicht ein Stück Holz und ein Pappkartonschild für ihr wär’ eines Ritters. Für die Imagination sind damit genug Anhaltspunkte geschaffen, die authentisches Erleben ermöglichen. Im Grunde wechselt zwischen den weiteren der oben genannten Schaubild-Kategorien hauptsächlich Zahl, Menge und Verteilung dieser Anhaltspunkte je nach wiederum historischer Erkenntnisstufe (s.o.), Szenario und Selbstverständnis der Gruppe oder des Individuums. Die Diskussion um vermeintliche und vermutete Authentizitäten und Inauthentizitäten lässt sich insofern dahingehend fassen, dass auf der Basis zunehmend eingeworbenen Wissens auch die Ansprüche an die Qualität der eigenen Darstellungspraxis steigen. ›Authentizität‹ ist also ein gradiertes Phänomen, das auf der Basis von über eine Reihe von Kategorien verteilten Anhaltspunkten in Anspruch genommen wird, ohne dass daraus jemals ein Absolutheitsanspruch abgeleitet werden kann: Tatsächlich verändert sich lediglich die Zahl, die Verteilung auf die relevanten Gebiete (materielle Ausstattung, Aussehen, Sprache etc.) und die Interaktivität der für die eigene Nach-Stellung als notwendig gesetzten Anhaltspunkte. Faktisch ist der Unterschied zum Kinderspiel relativ, während die Erreichbarkeit einer 1:1 Replikation des Originals immer nur für Objekte, nie für die Gesamtheit der Impression möglich ist (vgl. Hochbruck 2011a: 229).

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 97

Größe

Gesundheitszustand

Kleidung Alter Anhaltspunkte Fertigkeiten Sprache Verhalten

Wissen

Ausbildung

Es ist offensichtlich, dass es technisch gesehen eine ganze Reihe von Anhaltspunkten gibt. Gleichzeitig ist es deutlich, dass einige Punkte nicht erreichbar sind: So hat sich die Durchschnittsgröße in den letzten 100 Jahren deutlich nach oben verändert, weshalb die Ausrüstung z.B. mit originalgetreu großen Hüten oder Jacken klar Unsinn ist, die ausgegebenen Decken aber ein Streitpunkt sind, obwohl einsichtig sein müsste, dass das proportionale Verhältnis zwischen der Replik und dem Reenactor nicht mehr stimmt. Andere Punkte wie die Frage nach dem Durchschnittsalter würden bei strenger Handhabung einen größer werdenden Anteil der derzeit aktiven Reenactors vom Feld schicken, auch wenn man einkalkuliert, dass Bewohner von Staaten der westlichen Welt, in denen sich die Kultur des Geschichtstheaters weit überwiegend ausgebreitet hat, heute im Schnitt jünger aussehen und gesünder sind als früher. Die Frage nach dem Gesundheitszustand lässt ein präzises Replikat wiederum nicht wünschenswert erscheinen: Von den ca. 720.000 Toten des amerikanischen Bürgerkriegs wäre ungefähr ein Viertel in diesen Jahren ohnedies gestorben, und die Mehrheit starb an Krankheiten und nicht etwa bei den Schlachten und Gefechten. Der durchschnittliche Gesundheitszustand der im Ersten Weltkrieg zur britischen Armee eingezogenen Industriearbeiter war so miserabel, dass mehrfach die Standards gesenkt wurden, um die Rekruten nicht massenweise wieder nach Hause schicken zu müssen. Diese Fakten sind im Reenactment nicht abbildbar. Es ist schließlich nicht die Präzision des Replikats an sich, sondern die Frage nach der Bewertung der jeweiligen Anhaltspunkte, die Erfolg oder Misserfolg der Nachstellung in der eigenen Auffassung wie in der Auffassung durch andere ausmachen.

+LVWRULVLHUHQGHV.RVWPVSLHO/$53 Für viele Geschichtstheater-Spieler, die es als Hobby für sich selbst betreiben, hat sich die Wertigkeit der Anhaltspunkte gegenüber dem

98 | Geschichtstheater kindlichen Spiel nicht wesentlich verändert: In Cowboy-Clubs, bei Westernfesten14 und Fantasy-Rollenspielen können sie ihrer Imagination freien Lauf lassen. Im Hinblick auf ihre Historizität und Objektivierbarkeit handelt es sich natürlich bei einer Veranstaltung auf diesem Niveau um ein historisierendes Kostümspiel – es wird aber auch gar nicht mehr angestrebt; die Zufriedenheit der Mitspieler ergibt sich nicht aus einer Repräsentation nach außen, sondern aus dem internen Spaß. Die Mitglieder dieser Szene tauchen bei Schwarzpulver-Wettbewerben und auf Mittelaltermärkten auf, bleiben ansonsten in der Regel unter sich bzw. veranstalten ihre eigenen historisch informierten LARP-Cons. Ein distinktives Element des als LARP – Live Action Role Play – bezeichneten Umgangs mit Geschichte ist ein Zurücktreten des historischen Anspruchs: Selbst wenn zum Phantasie-Spiel nicht auch noch PhantasieGeschichte einschließlich phantastischer Lebewesen hinzutritt, liegt der Schwerpunkt der Aufführung nicht auf dem historischen Anteil und Gehalt, sondern auf dem persönlichen Story-Erlebnis. Der nur reduziert eingeforderte Anspruch an Authentizität der Oberflächenform mag im Vergleich zu vielen Reenactments und erst recht Mittelaltermärkten kaum auffallen, weil einzelne Spieler sehr viel Wert darauf legen. Andere erscheinen dafür im ›Nachtwächter‹-Kostüm mit Stulpenstiefeln und Motorradhose. Zum Zweiten steht das Live Action nicht für dasselbe, was in Living History gemeint ist, sondern bezeichnet den Unterschied von den gleichfalls unter den gleichen Leuten populären Brett- und Papier-und-Bleistift-Spielen, die alle auf den Fantasy-Rollenspiel-Klassiker Dungeons and Dragons zurückführbar sind – und auf den britischen Weltkriegsleutnant und Mediävisten J.R.R. Tolkien. Der ›klassische‹ und am häufigsten verwendete Hintergrund ist eine Fantasywelt. Damit ist eine Welt gemeint, die archaisch, meist mittelalterlich, ist, in der Mythen, Magier, Krieger usw. existieren. Ausgangspunkt für nahezu alle diese phantastischen Reiche war und ist die Welt, die J.R.R. Tolkien in seinen Büchern (›Der kleine Hobbit‹, ›Der Herr der Ringe‹, [...] entworfen hat, genannt Mittelerde (explizit in dieser Welt wird ›MERS‹ (Mittelerde Rollenspiel) gespielt). (Brandt 2004: 15)

Einige Spielwelten – etwa die von Warhammer (Mittelalter) und Arthur Pendragon (Britannien, 5.-6. Jahrhundert) – lehnen sich enger an historische Vorbildwelten an als andere; der Spiel- und Fantasy-Charakter bleibt aber immer erhalten, und es geht nicht um Lebensweltlichkeit, sondern um Gut/Böse-Unterscheidungsmöglichkeiten. LARP hat auch von seiner Entstehung her weniger mit Geschichtstheater zu tun; es 14 Damit soll nicht unterstellt werden, dass Geschichtstheater über den amerikanischen Westen grundsätzlich in Kostümfeste ausartet; es finden sich auch hier alle Schattierungen und Typen (siehe Kuegler 2003).

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 99 entstand ursprünglich auf der Basis in der Fantasy-Szene zirkulierender Romane, Comics, Filme und Brett- sowie Stift-und-Papier-Rollenspiele. Von diesen her hat sich die vierdimensional gespielte Praxis entwickelt, wobei wiederum weder Freilichtmuseen noch Reenactments Pate und Vorbild waren, sondern die Society for Creative Anachronism (O’Donnell 2004), deren Mitglieder Zeitalter und Anhaltspunktekategorien der Ritter & Burgfräulein in kreativer Reorganisationsform auf ihre Gegenwartswelt übertrugen und die davon allerdings recht unbeeindruckten Vereinigten Staaten in sechs Königreiche aufteilten. Die LARP-Szene Europas hat phantasiegesteuerte parahistorische Spiele also nicht erfunden, aber eigene Formate entwickelt: Veranstaltungen werden als sogenannte Cons organisiert, deren Rahmenhandlung sich eine Spielleitung vorher überlegt hat, und in denen Plots, vorher ausgedachte Probleme oder spieltechnische Hindernisse von den Mitspielern gelöst werden müssen. Die Mitspieler können ausschließlich humanoid sein, Bandbreite bleibt gleichwohl: Ritter, Knappen, Feen, Trolle, Zwerge, Zauberer, Mönch, Bauer, Gaukler, Hexe, Musiker, was immer, werden je nach Spielsystem möglicherweise im Wortsinne zu.sammengewürfelt. Es gibt auch Western- und Kolonial-LARPs; dominierend sind aber die mittelalterisierten Storylines, die in Deutschland auch mehr Teilnehmer als Reenactments ziehen; Schätzungen gehen bis zu 5-6.000 (pers. Komm. Erik-Jens Burlefinger, 2013). Die Rollenspielszene operiert vergleichsweise hermetisch: Außenstehende werden wegen der schlechten Presse, die das Hobby immer wieder in der Regenbogen-Journaille und auch in normalerweise seriösen Presseorganen bekommt, zögerlich aufgenommen. Zudem sind Regelwerke und Figuren LARP stärker als unter Reenactors Teil des Gruppendiskurses, was auch unter dem Thema gegenüber Aufgeschlossenen Befremden auslösen kann (Brandt 2004: 62). Dieses Befremden wird durch die Konzentration auf Konflikt und Gewalt, wie sie zumindest im Diskurs der Öffentlichkeit mit den Fantasy-Spielen assoziiert werden, nicht besser. Daß Gewalt in den Fantasy-Rollenspielwelten unverzichtbar ist, ergibt sich meist schon aus dem Weltbild – das Böse schlechthin läßt sich nicht bekehren, sondern muß vernichtet werden. Diese Art der Stellung zur Gewalt teilen Rollenspiele allerdings nicht nur mit Kino, Film und Fernsehen von James Bond bis zu Kinderzeichentrickfilmen, sondern auch mit großen Teilen der Weltliteratur vom Alten Testament bis hin zu Grimms Märchen. Ohne Schwerterklirren und funkelnde Rüstungen wäre Fantasy eben nicht Fantasy. (Brandt 2004: 84f.)

Wenige Rollenspieler und Reenactors sind nun allerdings obsessive Heldentypen oder neigen zur Gewaltverherrlichung, auch wenn viele Presseberichte dies suggerieren (siehe zum Thema: Hübner 1996: 34,

100 | Geschichtstheater 71). Die Schaffung von Rückzugsräumen aus dem Alltag und manchmal eine nicht hinreichend bewältigte Gegenwart gehören sicher zu den Motivationen der Beteiligung am LARP, aber auch von Spielformen wie Westernclubs entsprechend groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ironie des ›Als Ob‹ der eigenen Existenz in der ›Anderwelt‹ von Individuen nicht mehr als ironisch verstanden wird. Das gehört aber bereits in den Bereich der Soziopsychologie und ist in dieser Typologie nicht Thema. Im Grunde eine eigene regionale Kategorie sind die sogenannten Kölner Stämme (Hartmann/Schmitz 1991), deren »Ethnographie im urbanen Umfeld« mehr oder weniger konkret verortete Landsmannschaften wie Afrikaner, Wikinger, Hunnen, Mongolen, Tartaren und Schotten ebenso umfasst wie an Funktionsbeschreibungen festgemachte Bezeichnungen als Kannibalen (auch in der Variante »Minschefresser«), Nomaden, Barbaren, »Böschräuber«, Buschtrommler und Gladiatoren, aber auch die Römerkohorte Opladen und die japanophile, mittlerweile hochklassige Gruppe Takeda (Hartmann/Schmitz 1991: 5). Die Bandbreite reicht also vom spielerischen Verkleiden bis zur ernsthaften Auseinandersetzung mit traditionellen Kulturen und ihrer ethnologischen Ausgestaltung; Geschichte spielt im Schnitt eine nachgeordnete Rolle.

+LVWRULVFKHV/LYH5ROOHQVSLHO Historisches Live-Rollenspiel als organisierte GeschichtstheaterKategorie entspricht dem, was geläufig auch und gerade innerhalb der Szene als Mainstream bezeichnet wird: Die als Hobby betriebene Tätigkeit wird im Wesentlichen für die eigene Gruppe bzw. innerhalb der eigenen Szene durchgeführt, wobei die Aufführungen je nach portraitierter Zeit und Ausrichtung der Gruppe mehr den Charakter eines Zeremonialspiels (Drill, Parade, Tanz- oder andere Schauvorführung) oder von Kampfsport (Stichwort Battle Reenactment, also Gefechtsdarstellung) haben. Während das Niveau recht hoch sein kann, ist das zentrale Anliegen weiterhin die befriedigte Spielfreude; entsprechend familienfreundlich sind die Gruppen ausgerichtet. Geradezu symbolisch für dieses Hobbyniveau ist die im Zelt als Kiste getarnte Kühlbox. Aus Sicht der Hardcore-Ebene sind die Mainstream Rollenspieler Farbs; tatsächlich ist die Durchlässigkeit in beide Richtungen aber größer als zum (Fantasy-) Larp (siehe unten). Wie Anna-Lena Hauenstein festgestellt hat (Hauenstein 2008: 47), können die materiellen Darstellungsebenen ähnlich sein; der Hauptunterschied liegt auf der Ebene des Selbstverständnisses: Während Reenactments sich an historischen Daten und Fakten zumindest

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 101 oberflächlich orientieren und die Hobbyisten sich in der Regel als generische Figuren präsentieren, wird im Live Action Role Play das Spiel auf Personenaktion ausgerichtet und die Spieler sind nicht mit ihrer eigenen Identität im Spiel-Modus dabei, sondern in einer phantasierten Version und in der Regel unter angenommenem Namen. Die Abgrenzung ist nicht ganz trennscharf. Unter Reenactors werden diejenigen, die Spiel und Personenfantastik nicht auseinanderhalten können, mit einer gewissen Skepsis betrachtet, aber als harmlos gesehen. Sie können in Führungsrollen aufsteigen, sollten sich aber nicht zu Ernst nehmen – weniger, weil ein Mitspieler nicht Napoleon, ein Ritter oder General sein dürfte, als weil in der Vergangenheit Medienvertreter diese Mitspieler immer wieder als komisch bis lächerlich vorgeführt haben: »Die Fortsetzung der Realität mit anderen Mitteln« übertitelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Foto von Daniel Pilar auf ihrer Frontseite am 3. Nov. 2009, das den »Führungsstab der Konföderierten Armee der Südstaaten« unter »General Ben MacCoy« (bürgerlich: Klaus Bunde) beim Golden Toast und Becel-Margarine Frühstück zeigte. Im Text wurde das an sich harmlose, aber ausgerechnet am 11. September stattfindende Kriegsspiel dann auch noch mit World of Warcraft gleichgesetzt und – zu Recht – konstatiert: »Es stimmt so gut wie nichts auf diesem Bild«. Für die Vertreter der Hardcore-›Authentik‹ sind alle Ausreißer in der materiellen Ausstattung farby. Mainstreamer benutzen dasselbe Adjektiv in der Regel zur Bezeichnung anderer Verbände oder Individuen, die sich auf einem niedrigeren Ausrüstungs- oder Ausbildungsstand befinden, als es der eigene innerhalb der Mainstream-Kategorie ist oder zu sein scheint. Diese stellt auch deswegen keine einheitliche Größe dar, sondern weist in sich deutliche Unterschiede auf. Durchgehend nehmen alle Einheiten und Vereine dieser Kategorie an Events teil, meistens Reenactments, wobei Veranstalter und beteiligte Organisationen bereits signalisieren, welches Niveau der Nach-Stellung in Ausrüstungsstandards, Konformität und Grad der Immersionsbereitschaft angesprochen ist: Man bleibt unter sich. Wo diese Reenactments veranstaltet werden, hängt zumindest in Deutschland von der dargestellten Periode ab – es ist offensichtlich, dass für einige Perioden wie etwa den French and Indian War (1755-1763) oder den in der Szene als ›Einstiegsperiode‹ beliebten amerikanischen Bürgerkrieg in Europa keine Zeit-Räume vorhanden sind; umgekehrt sind Römer und Kelten in Nordamerika ohne autochthone Veranstaltungsorte. Die Römerdarstellung nahm mit und durch den Einfluss der Truppe des Geschichtsdozenten Marcus Junkelmann in den achtziger Jahren enormen Aufschwung; der Zug dieser Gruppe über die Alpen verband

102 | Geschichtstheater auf beeindruckende Weise Reenactment und Archäotechnik, fügte dem auf der Basis historischer Funde und Literatur vorhandenen Wissen praktische Erfahrung hinzu und erreichte in der fachwissenschaftlichen wie didaktischen Aufarbeitung hohes Qualitätsniveau (Junkelmann 1985, 1986) und richtungsweisende Funktion – dass dieser Richtungsweisung seither nicht immer gefolgt worden ist, ist nicht Marcus Junkelmann anzukreiden. Das Niveau der Darstellung römischer Zeiten ist gleichwohl in Ausrüstung wie didaktischer Präsentation in Deutschland vergleichsweise hoch. Für Römer gibt es zudem seit der Erhebung des Limes zum UNESCO-Weltkulturerbe eine ganze Reihe von Möglichkeiten, an entsprechend fremdenverkehrswirksamen Tagen dort aufzutreten. Entlang des Limes sind innerhalb weniger Jahre eine ganze Reihe von Projekten, Aufbau- und Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen worden. In Pohl im Rhein-Lahn-Kreis etwa entstand in der Nähe des historischen Ortes ein komplettes Kleinkastell neu. Beteiligt an diesem Aufbau war die eigentlich in Köln beheimatete Römergruppe Flavii, die bei der offiziellen Eröffnung federführend war und das Kastell auch in Zukunft regelmäßig bespielen wird.

Römertage im Kleinkastell Pohl, Sept. 2012 Foto: wh

In teilweise mittelalterlichem Zustand erhaltene oder wieder aufgebaute Innenstädte, Burgen bzw. deren Ruinen stellen quasi-natürliche Räume für Mittelalter-Events dar, was den Märkten, Stadtfesten und Turnieren natürlich Vorschub geleistet hat – was aber nicht bedeutet, dass entsprechende Veranstaltungen nicht auch in Duisburg oder Gelsenkirchen stattfinden. Ein Unikat das privat aufgezogene Projekt Adventon bei Osterburken, wo regelmäßig kleine und große Veranstaltungen für Zuschauer stattfinden, dazu Leistungswettbewerbe innerhalb der Szene, und wo Individuen, Familien und Gruppen Flächen für eigene Behau-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 103 sungen angemietet haben – eine Datscha-Kultur im Living HistoryFormat, in der Ausbreitungsfläche für Mittelaltergruppen aller Art zur Verfügung steht. Die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit funktioniert als Qualitätssicherung. Ritterturniere gibt es als Sonderveranstaltungen, auf einigen Burgen und in einigen Städten auch als im jährlichen Turnus wiederkehrende Events, was ein Stück weit analog der spätmittelalterlichen belegten Praxis und der nordamerikanischen Rodeo-Szene zu Rundreisephänomenen führt, bei denen Ritter-Darsteller und ihr Tross während der Reenactment-Saison an vielen Wochenenden unterwegs sind. Dass mittelalterliches Kriegsgeschehen nachgestellt wird, ist eher selten – so trifft man Gruppen und Einzeldarsteller, die Persönlichkeiten oder beteiligte Verbände aus der Schlacht von Worringen (1288) oder der Gulden Sporen Slag von Kortrijk präsentieren, nicht aber die Schlacht selbst. In Großbritannien gibt es Nachstellungen etwa der Schlacht von Bosworth (Wenzel 2012: 49) Einer der Hauptgründe für die Zurückhaltung bei Kampfspielen mag die Verletzungsgefahr sein: Je größer die Distanz, desto eher schaden die bei Reenactments ab der friederizianischen Periode hauptsächlich verfeuerten Schwarzpulver-Blankladungen niemandem, während ein Armbrustbolzen oder ein Langbogen-Pfeil, ein Wurfger oder ein Schlag mit dem Goedendag schlecht zu simulieren sind, wenn man nicht wie im LARP etwa bei der Society for Creative Anachronism mit silbernem Tape umwickeltes Holz oder gar Gummi verwenden will, das auch für Uneingeweihte nicht wie Schwert oder Speer aussieht. Hier ist also, je enger die Kampfspielführung die Kontrahenten zusammenführt, desto mehr sorgfältiges Training notwendig. Das wiederum geht im Turniermaßstab an, ist aber für Massenevents schlecht durchführbar oder kontrollierbar. Lagerleben und Drillvorführungen mit allenfalls kleineren Schaugefechten sind auch für Reenactments der Friederizianischen Periode typisch, während die Szene der Napoleonischen Periode, trotz der vergleichbar teuren Ausrüstung, vermutlich wegen der höheren Relevanz für Nationalmythen mehr Interessierte anzieht und entsprechend größere Events ausrichten kann. Zusätzlich zu den in der Szene regelmäßig veranstalteten Lagern und Leistungsschaus hat die genau zweihundert Jahre zurückliegende Phase über die letzten beiden Dekaden auch für eine Menge Jahrestagsveranstaltungen gesorgt, wobei die Initiative oft von den jeweiligen Orten ausging, die über die Ausrichtung eines Reenactments als Attraktion Touristen anzuziehen suchten. Die zwei Centennien scheinen bereits ähnlich wie das Stichwort ›Mittelalter‹ einen Reflex auszulösen, der ›sichere Distanz‹ und Zugriffsfähigkeit signalisiert.

104 | Geschichtstheater

Grenadiers, 22ème Demi-Brigade de Ligne

Es ist zu beachten, dass besonders Großveranstaltungen wie dem regelmäßig in Fünfjahresschritten wiederkehrenden Waterloo-Reenactment ihre nationalmythische Aufladung deutlich anzumerken ist, was dem Distanzreflex nicht zu Schaden scheint. Die napoleonische Periode hat insgesamt mittlerweile den Charakter eines für Gesamt-Europa relevanten und zugriffsfähigen Erinnerungsorts (angelehnt an Pierre Nora) angenommen. 2005 war Austerlitz Sammelfläche für Tausende von Reenactors nicht nur aus allen ursprünglich beteiligen Ländern, sondern weit darüber hinaus, und während 2006 der Jahrestag von Jena und Auerstedt vergleichsweise klein ausfiel, wird interessant sein zu sehen, was im Herbst 2013 passieren wird, wenn der Völkerschlacht bei Leipzig gedacht wird. Der patriotische Bombast einschließlich Auftritt Wladimir Putins, den russische Nationalisten 2012 um den 200. Jahrestag von Borodino auf das Schlachtfeld von Borodino stellten (Cheauré 2013: 30f, Nohejl 2013: 67), wird sicher nicht als Vorbild dienen, weil sich die Veranstalter damit außerhalb des pan-europäischen Konsenses stellten, der z.B. in Austerlitz 2005 für die Schauveranstaltung zum 200. Jahrestag der vernichtenden russisch-österreichischen Niederlage zusammengestellte französische Grenadierbattalione nicht nur aus Franzosen formierte, sondern auch aus Deutschen, Italienern, Niederländern und sogar Engländern. Umgekehrt bestanden manche der Reenactment-Gruppen, die den österreichischen Gegner gaben, neben Österreichern aus Polen, Slovaken, Deutschen und – Franzosen. Das war kein Zufall, sondern ist seit Jahren Programm. Die Einlassung des kommandierenden österreichischen ›Generals‹ (Romain Baulesch, in: Kastenholz 2000) beim 200. Jahrestags-Reenactment von Marengo 1996, die Hobbyistenszene habe die europäische Einigung längst vollzogen, und mit Blick auf die seinerzeit schon dabei befindlichen Russen und Polen die EU bereits spielerisch erweitert, ist Aus-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 105 druck dieser Programmatik. Die Reenactment-Szene ist in der Tat im Hinblick auf die Schaffung gemein-europäischer historischer Identität als Spielraum weiter fortgeschritten als die Politik, und mit besseren multilateralen Effekten als die nur auf Shareholder-Value schielende Wirtschaft und die Finanzmärkte. Geschichte wird zunehmend als gemeinsam verwaltetes Kulturgut wahrgenommen, die internationalen Treffen wirken tatsächlich in einem noch zu erforschenden Maße als europäische Integration von unten. Die Civil War Szene, die ohnedies in Europa keine Landbasis hat, zeichnet sich wie die Napoleoniker durch wechselseitige Besuche und Integration von nicht der jeweiligen Nationalität angehörigen Mitspielern aus. Beliebt sind natürlich Europa bereisende Amerikaner, für die es Pauschaltouren einschließlich Omaha Beach und Belleau Wood gibt. Wegen der Atopie eines Bürgerkriegsgefechts im Herzen Europas finden diese Veranstaltungen in der Regel auf Truppenübungsplätzen und privaten abgeschlossenen Geländen statt. Auch wenn Napoleonik und Civil War-Reenactments möglichst große historische Nähe zum Original für sich zu verbuchen suchen, weichen sie in einem Punkt aus Sicherheitsgründen von der überlieferten Praxis ab: Es wird nicht nur mit Blankladungen gearbeitet, diese werden auch nicht mit dem Ladestock verdämmt – zu oft feuerten aufgeregte Novizen im sprichwörtlichen Eifer des Gefechts ihre Ladestöcke gegen die andere Seite ab. Es zeichnet sich gegenwärtig ab, dass nach dem Tod der letzten aktiven Teilnehmer auch der Erste Weltkrieg in ähnlicher Form wie die napoleonische Periode eine Umwertung in der Wahrnehmung erfährt. Die möglicherweise erste öffentliche Vorführung einer deutschen Erster Weltkriegs-Reenactmentgruppe könnte die vom Vf. beobachtete beim Bonnland-Fest auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg im Sommer 2000 gewesen sein; ein weiterer Schritt ist das gemeinsame Bespielen der Feste Kaiser Wilhelm bei Mutzig im Elsass durch deutsche und französische Gruppen seit einigen Jahren. Die weitaus meisten Reenactments finden als lokale Pageants in typischen Raumanordnungen statt. Die nachstehend abgedruckte Karte sowie das Programm des Reenactments der Civil War Schlacht von Shiloh in Tennessee 1997 zum 135. Jahrestag ist in so weit sehr typisch. Es gibt, wie Gordon Jones (2001) festgestellt hat, mehrere Stufen der Annäherung, die hier alle abgebildet sind. Die Zuschauerparkplätze und die umgebenden Privatgelände bildeten den äußersten Rahmen. Davon bereits getrennt und mit Zugangsschleusen zum Lagerbereich befinden sich die Parkplätze für die Teilnehmer. Die Lagerbereiche der gegnerischen Kräfte sind an entgegengesetzte Enden positioniert – das

106 | Geschichtstheater U.S. Lager ausgewählter Einheiten hoher Qualität ist in diesem Fall sogar Teil des Spielgeländes, da es historisch am Morgen des 6. April 1862 von konföderierten Truppen angegriffen wurde. Auf dem Weg zum Spielfeld kamen Zuschauer am abgetrennten Lager für Zivildarstellungen sowie an den Sutlers vorbei. Deren Bereich war auch aus dem Militärlager der Konföderierten zugänglich – Yankees mussten weiter laufen. Die Abfolge der Ereignisse mit einem Tag Zeitüberschneidung zu den Originaldaten (und dazu passend Dauerregen, der am Samstag zur völligen Überflutung des Geländes und zum Abbruch der Veranstaltung führte) war so organisiert, dass genug Zeit für Interna blieb und am Samstag Abend mitgereiste Familien beim Ball-Abend ihre Kleider auspacken konnten. Getrennte Messen für beide Seiten gehörten ebenfalls zum Rahmenprogramm. Vor jedem Schaugefecht wurden Waffen und (Blank-)Munition inspiziert, um Unfälle zu verhindern. Angesichts der kampfsporttechnischen Natur der Veranstaltungen, der gelegentlichen Nahkämpfe und der nicht immer auszuschließenden Überidentifikation eines Reenactors mit einem beim Original-Event dabei gewesenen Vorfahren ist die Verletzungshäufigkeit vergleichsweise gering. Der häufigste Schadensfall sind Hitzeerschöpfungen durch Wassermangel. Ein Schlachten-Reenactment ist zunächst einmal ein Spektakel für die Zuschauer und Kampffeld-Karaoke für die Beteiligten. Die Praxis dieses Karaoke oszilliert zwischen harmlosem Spieltrieb, kontrolliertem Aggressionsabbau durch Kampfsport, und einem verdeckten Militarismus, der fiktive Heldenrollen freigiebig auch an im Lebensalltag diesbezüglich zu kurz Gekommene vergibt. Die Nähe zu den Festaufzügen ist offenkundig, eine echte Schlacht findet natürlich nicht statt: There is little or no visual similarity to the historical accounts of actual Civil War battles or to the photographs documenting the carnage of their aftermath. There is no terror, no grief, no bloodshed, no bodies blown apart, no sickening stench of death. In essence, there is no battle at a Civil War reenactment (Jones 2001: 29).

Die Autorenschaft an diesen Veranstaltungen liegt in einer kollektiven Annahme über Fakten und Daten des Originals; diesem Kollektiv wird die individuelle Positionierung nachgeordnet (Schneider 2011: 32ff.).

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 107

108 | Geschichtstheater

Das zentrale authentifizierende Moment des Reenactment ist die Annäherung an Medialisierungen: durch Zeichnungen, Gemälde, zur Gegenwart hin Photographien oder Filme. Eine nachgerade typische Reaktion auf eine vermeintlich authentische (also isomorphe nach Handler/Saxton 1988: 246) Darstellung echot Jenny Thompson, die über eine Gruppe amerikanischer Reenactors deutscher Waffen SS schreibt, dass diese eine »[...]most vivid and disturbing impression« hinterlassen hätten: »[...]they looked as if they’d stepped out of a 1944 newsreel« (Thompson 2004: 3). Ganz abgesehen davon, dass hierbei ein Wechsel von Schwarz-Weiß auf Farbe unterschlagen wird, ist die Aussage persönlich und nicht objektivierbar. Vergleichbare Aussagen finden sich in

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 109 großer Zahl, und der darin ausgedrückte Impressionismus in Reenactment-Situationen ist zirkulär: Er kommt von einem rezipierten filmischen Bild-Eindruck her und geht über den Versuch der isomorphen Replikation zurück zu einer Rezeption der Replikation als filmisch. An dieser Stelle kommt ein autoreflexives Moment zum Tragen, das im Museumstheater anders angelegt ist. Die auch in First Person-Modus klientenzentrierte Darstellungsweise der Interpreters stellt diesen immer nicht-kostümierte Andere gegenüber, in denen nicht die eigene Auftrittsform gespiegelt wird wie im Reenactment. Wenn die Darstellung für die Zuschauer aussieht wie im Film, dann ist ihre positive Reaktion einigermaßen gesichert – für die Living History Interpreters mit Blick auf die Zuschauer ist diese Film-Analogie ausgeschlossen. Eine weitere theoretische Differenzierung von Living History Interpretation/Reenactment ist herstellbar, wenn man die respektiven Voraussetzungen der Transmission der respektiven Bildwelten berücksichtigt. Im Fall von Living History Interpretation gehen Planung und wissenschaftlicher Einfluss der Darstellung voraus. Das Filmisch-Szenische ist nur in so weit anvisiert, als es Vehikel für ein Simile ist. Im Reenactment ist das Verhältnis metonymisch. Das »besondere Verhältnis« ist über die Repräsentationsform phantasiert: Reenactments sind keine Beteiligungen am dargestellten Krieg, sondern selbst-gedrehte filmische Varianten davon, an denen man gleichzeitig teilnehmen und sich dabei zusehen kann (fast immer ist auch irgendwo noch ein Fotoapparat oder eine Videokamera in Aktion, auch wenn es Gruppen gibt, die das unterbinden). Reenactors spielen primär für sich selbst und gegenseitig, wofür auch die große Zahl unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindender Reenactments und der von konkreten historischen Vorgaben gelösten Gefechts-Tacticals spricht. Das spezifisch Filmische an der Theatrikalität des Reenactments ist also selbst-versichernd: Man sieht gut aus, wenn es wie im Film aussieht. Populäre Bildwelten aus Gemälden, Stichen, Photographien und Filmen sind so oft reproduziert worden, dass sie selbst mythische Proportionen und metonymische Funktion bekommen haben; ihre angenommenen repräsentationalen Qualitäten werden als Realität über-identifiziert. Diese Realität wird als im Hobby-Rahmen wiederholbar angenommen, indem isomorphe Kleidung, Ausrüstung etc. angelegt wird und szenische Aktivitäten aus der dahingehend interpretierten Vergangenheit ausgeführt werden. Teilnehmer treten hierdurch in einen oft als mythisch beschriebenen Kontakt mit dieser Vergangenheit, wobei die bekannte Repräsentation der Vergangenheit als Ersatz-Wahrheit aufgefasst wird. [...]they [reenactors] try to create authentic-looking moments that are judged authentic because they resemble other representations that document history,

110 | Geschichtstheater or, more precisely, what history looks like. The creation of an authentic war experience, therefore, does not rely on replicating history, but on duplicating elements from its authentic representations. In this way, reenactors create their own war representation–an »illusion for ourselves,« as John Loggia describes it–that appears authentic-looking. Understanding the concept of a successful illusion is, in essence, the missing link to understanding reenacting (Thompson 2004: 170).

Das traf bereits für die Ritter Kaiser Maximilians zu und für ihre Wiederholungen von Turnieren der Stauferzeit. Es wirft ein sehr schräges Licht auf Reenactments des Zweiten Weltkriegs, die in Deutschland bisher nur vereinzelt auf amerikanischen Truppenübungsplätzen stattgefunden haben. Es gibt allerdings einen klandestinen Schlachten-Tourismus von Weltkrieg 2-Reenactors ausgerechnet in osteuropäische Staaten. Die Absenz einer jenseits der autonomen Gruppenebene definierten Verbindlichkeit der Objektivität verweist auf die Problematik der zwangsläufigen Ideologisierung des Dargestellten. Die Wahl der dargestellten Zeit und der portraitierten Figuren ist, anders als im raum-zeitlich bestimmten Freilichtmuseum, unter diesem Gesichtspunkt im Reenactment-Hobby immer eine ethische Entscheidung, die Verantwortlichkeit beinhalten sollte. Man darf sich insofern fragen, was manche Reenactors glauben, was sie – vor allem vor Publikum – eigentlich darstellen, und ob ›Spaß‹ eine adäquate Bezeichnung hierfür ist. Festgehalten sei nur, dass der Spaß am Hobby Reenactors keineswegs von den Effekten freispricht, die ihre Aktivitäten auf andere haben können bzw. die ihr Auftreten bewirken mag. An dieser Stelle kommt zum Tragen, dass Gordon Jones unter Reenactors eine Annahme einer absoluten Wahrheit, die ihnen aufgrund ihrer persönlichen Recherchen zugänglich sei, beobachtet hat (Jones 2001: 15). Das eröffnet Möglichkeiten zu Geschichtsrevisionismus als Geschichtstheater. Die von manchen Reenactors anscheinend geradezu genossene politische Inkorrektheit, auf die sich Journalisten und Kritiker mit eben so großer Vorliebe stürzen (Horwitz 1999 Allred 1996, Dunning 2002, Farmer 2005), hat Birgit Hofmann dazu gebracht, im Civil War Hobby »mythological farbyism« als Unterscheidungskriterium vorzuschlagen (Hofmann 2005). Im Kontext der vorliegenden Studie ist dieses Monitum nur im Kontext der didaktischen Wirkmächtigkeit von Reenactments wesentlich. Der zirzensisch-karnevaleske Charakter der Veranstaltungen, von den Paraden und Schaugefechten über die geskripteten und spontanen Einlagen bis zu den Ladies Teas, Modenschauen und abendlichen Bällen ist eigentlich offensichtlich. Über Bestandsaufnahmen und die Versicherung, es handele sich um typisch postmoderne Hybridformen, ist die Forschung in diesem Bereich trotzdem nur unwesentlich hinausgekommen (Cullen 1995: 175, Hall 1994). Zudem ist die politische

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 111 Komponente dieser Veranstaltungen zu wenig untersucht. Oft werden sie einseitig als militaristische Kriegsglorifizierung abqualifiziert. Wobei es nicht so ist, dass es dazu keinen Anlass gäbe: Der Kommandant des B 29 - Bombers Enola Gay, der die Atombombe auf Hiroshima warf, spielte z.B. 1976 bei einer 2. Weltkriegs-Show der sogenannten Confederate Air Force in Texas mit einer Rauchbombe bei einem Reenactment des Einsatzes vom 6. August 1945 mit – und er hätte dies auch wiederholt, wenn das Spiel nicht wütende Reaktionen in Japan und auch in den USA hervorgerufen hätte (Engelhardt 1996: 233, Chandler 1980: 263).15 Nimmt man an, dass die Konzentration auf kriegerische Erlebnisweltlichkeit eigentlich nicht als Verherrlichung des Krieges an sich gedacht ist, dann begibt sich jede Suche nach Ursachen und Grundsätzlichkeiten wieder auf den unsicheren Grund der Motivationssuche. Am eingängigsten scheint eine Erklärung, die Reenactments als LiveRollenspiel in der Nachfolge von Kampfsportarten wie (Eis-)Hockey, Football und Rugby und zusätzlich in Verbindung mit filmischer Vorbildhaftigkeit als Ersatz-Abenteuer interpretiert. Der konstruktive Impuls dieses Moments ist beachtlich. Auch wenn wie oben bereits angesprochen die angestrebte Isomorphie meistens auf der Ebene des Film-Analogen stehen bleibt, sind Reenactors doch nicht damit zufrieden, mit Filmen und anderen vorgefertigten Produkten der Kulturindustrie als Abenteuer-Ersatz abgespeist zu werden. Reenactment ist dagegen wenigstens Ersatz-Abenteuer: In relativ kontrollierter Umgebung und mit herabgesetztem Gefährdungspotential verglichen mit dem Original, aber doch mit erheblichem Körpereinsatz und psychischer Involvierung. Hinzu kommt eine relative Wahrscheinlichkeit, dass physische Anstrengung und Außergewöhnlichkeit der Situation in kleineren Blessuren oder auch nur schlichter Erschöpfung resultieren, die in Anlehnung an Stephen Cranes Roman The Red Badge of Courage (1895) als Auszeichnungen nach Hause mitgenommen werden. Zudem signalisiert die Teilnahme einen temporären Ausstieg aus der »(sub-)urban material abundance«. Die Hoffnung, bei der »quest to find a better past, with better men« (Jones 2010: 221) erfolgreich zu sein, mag eine immer wieder nur temporär zu erfüllende Illusion verfolgen – aber immerhin das: Reenactment bedeutet eine selbstzugewiesene Befähigung (Empowerment würde man im Englischen sagen), sich Geschichte anzueignen. Der Event ist dann auch weniger der eigene (fiktionalheroisierende) Kriegsfilm als die eigene Dokufiktion. Dieser Aspekt der zum historisch zumindest Faktoiden hin begrenzten Fiktionalität unterscheidet nicht nur Reenactors und LARPer; 15 Tibbets flog weiterhin die B 29 bei der jährlichen Show, sein Einsatz wurde im Programm aber nicht mehr als Hiroshima-Reenactment ausgewiesen.

112 | Geschichtstheater anders als die LARP-Spieler behaupten viele Reenactors aller Perioden von sich auch, bei ihren öffentlichen Auftritten den Anspruch zu haben, den Zuschauern etwas beizubringen (siehe z.B. Archambault 1994: 34). Eine noch größere Zahl nennt als Beweggrund, das Andenken der dargestellten Militärs zu ehren (Thompson 2004: 114). Das ehrende Andenken rückt Reenactments zum einen klar in die Nähe von Pageant und Ritual, was der angestrebten Authentizität widerspricht. Problematischer ist aber an beiden Angaben, dass sowohl edukatorischer wie ehrender Impuls eine Distanz zum Objekt voraussetzen, die sich wiederum mit dem angestrebten Nach-Erleben nicht verträgt. Die bereits erwähnte ultimative Fiktion des Nach-Erlebens, die Reenactors als Period Rush oder History Flash erleben, ist schon im Normalbetrieb des Reenactments nie mehr als das: Fiktion, und zwar auf der Basis gelernter Vor-Bilder im doppelten Wortsinne: einerseits zeitlich, andererseits ideologisch. Es geht um das Erlebnis eines Moments, in dem Gegenwart und nachgestellte Geschichte (nicht Vergangenheit) im subjektiven Empfinden zur Deckung kommen.16 Die Tatsache, dass es sich bei diesen scheinbaren Zeitreisen um Unmöglichkeiten handelt, wird nicht bestritten. Trotzdem ist die versuchte Immersion populär, und faktisch ist es ja objektivierbar tatsächlich so, dass eine größere Annäherung nicht möglich ist. Gleichzeitig sind diese Momente nicht vermittelbar, sondern nur erlebbar – eine der unwidersprochenen Attraktionen des Reenactment und aller Formen des Live Action-Rollenspiels als Hobbies. Während sich einige Puristen völlig in die angestrebte Erlebnisweltlichkeit zurückziehen, gibt es tatsächlich – um zum Vermittlungsanspruch zurückzukehren – sehr viele Reenactors, die sich gutmütig bis bereitwillig für interessierte Zuschauer Zeit nehmen und Fragen beantworten, Ausrüstung etc. erklären, und so eine Geschichtsdidaktik von unten betreiben. Diesen Aspekt machen sich manche Museen zu Nutze, oder sie könnten ihn wenigstens nutzen – und zwar nicht nur im Sinne eines gesponsorten »Authentizitätsmarketing« (Christian Jaletzke, Varusschlacht Museum und Park Kalkriese), sondern als genutzte Ressource, wie Douglas A. Harding, einer der Spezialisten auf diesem Gebiet, in seinem Ausbildungs-handbuch betont I think we need to look at ways that we can make our resources more available to them. We need to take this into consideration when developing interpretive programs and offer more for this group. … many of our future 16 Das Phänomen lässt sich auch im weniger an historische Fakten gebundenen LARP verfolgen, wie Johanna Koljonen festgestellt hat: Dort geht es allerdings vor allem um die Vorleistung einer situationalen Immersion, sogenanntes »360º Role-Playing« (Koljonen 2007: 175).

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 113 interpreters are now members of these groups. […] We don’t want to close our doors to them, nor do we really want to give them their own key. But in these times of smaller budgets, re-enactors are a resource that we can utilize. (Harding 1994: 6)

Selbstverständlich ist damit ein gewisser Mehraufwand verbunden: Living History Interpretation ist vielerorts ein Bruch mit der strikt hierarchisierten Präsentation; Interpreters sind letztlich auch mit Training und bereitgestelltem Programm nicht in der Art und Weise kontrollierbar, in der Bildtafeln, Textseiten und Vitrinen fixierte und damit kontrollierte Textsorten darstellen. Doug Hardings Plädoyer für eine Einwerbung von Reenactors für Living History Interpretation ist aber auch deshalb sinnvoll, weil es Gruppen und Individuen gibt, die in Darstellung und Vermittlungsqualität weit über die Stereotypen von Kriegsspiel und Kostümfest hinaus- und in den Museumsbereich hineinreichen.

5HHQDFWPHQWLQ0XVHXPVTXDOLWlW Wenn die dritte Kategorie des Reenactments, der Hardcore- oder Puristenmodus der größtmöglichen Annäherung, erst hier erscheint, dann aus zwei Gründen: Zum einen legt dieser Modus besonders hinsichtlich der Authentizität der Reproduktion Maßstäbe an, die von manchen Museen nicht erreicht werden (und wegen finanzieller Restriktionen oft auch gar nicht erreicht werden können) während manche Reenactors kleine Vermögen in ihre Ausrüstung investieren. Zum Zweiten kommt es aus genau diesem Grund zu Überschneidungen in ganz eigenem Format. Hardcore strebt nicht Museumsqualität an, sondern darüber hinaus. Es ist auf 24 Stunden am Tag ausgebaut und auf die gesamte eigene Person ausgeweitet. Einige beschränken sich in dieser Ausweitung nicht auf die Zeiten der Reenactments selbst und konstruieren um den Event herum Märsche, Lager und Ähnliches. Manche Aktionen gehen in Kooperation mit Museen noch weiter: Unter der Bezeichung Belebung (nicht zu verwechseln mit »Verlebendigung«, siehe Korff 1985) werden tage- oder wochenweise Museumsgehöfte, -dörfer, ein Schloss, Kastell oder Fort durch eine Puristengruppe übernommen. Für diese Aktionen steht als Ausgangspunkt immer noch der in der Geschichtstheater-Szene legendäre Marsch der Römer-Gruppe um Marcus Junkelmann über die Alpen (Junkelmann 1985, 1986). Puristen versuchen, die Erlebnisweltlichkeit des Reenactments mit der Lebenswelt zu vertauschen. In Einzelfällen wird dies in den Alltag hineingetragen: Vor allem im Mutterland der Exzentrizität, England, leben Living Historians im Wortsinne, die sich privat in eine gelebte Vergangenheit zurückgezogen haben und mit einigem Aufwand und

114 | Geschichtstheater Detailgetreue z.B. die zwanziger oder die vierziger Jahre – es gibt auch Viktorianer und Tudorzeit-Biosphärenbewohner – künstlich aufrecht erhalten bzw. rekonstruieren (Bossmann 1999). Im Vergleich zu den Mainstream-Reenactments (an denen natürlich, wenn sie wie z.B. Gettsyburg 1993 oder Shiloh 1997 eine gewisse Größe und Attraktivität haben, auch viele Puristengruppen teilnehmen) mit ihrem Freitag-bis-Sonntag-Schema gibt es bei Puristengruppen eine breite Schnittfläche zur experimentellen Archäologie. Erwin Keefer hat eine Reihe solcher Experimente in dem von ihm zusammengestellten Band Lebendige Vergangenheit (2006) zusammengetragen, der das bisher wichtigste Buch in dieser Richtung ist, weil es in ansprechend ediertem Format Artikel aus der Praxis der experimentellen Archäologie, der Archäotechnik und des Reenactment im Museum versammelt. Ein besonderes Beispiel für eine Puristen-Operation ist das bereits erwähnte (s.o., S. 38) ohne Museumsunterstützung organisierte Reenactment einer fouragierenden Kompanie Unionssoldaten 1864, das zwar auf die übliche Freitag-bis-Sonntag Zeitschiene begrenzt werden musste, aber mit großer Präzision Zeit (November 1864), Ort (rechter Flügel der marschierenden Verbände am Ocmulgee River in einem National Forest Gebiet bei Monticello, Georgia), Einheit (12th Wisconsin Infanterie in exakter historischer Marschausrüstung einschließlich scharfer Munition) und Ziel (25 amerikanische Meilen Marschleistung, davon der größere Teil mit ca. 200 Pfund fouragierten Süßkartoffeln) replizierte. Der von Bill Christen für die seinerzeit noch als Printversion erscheinende Hobbyzeitschrift Camp Chase Gazette (Christen 1994) geschriebene Bericht gibt einen lebhaften Eindruck der Ausgangskriterien und des Zielgedankens, ist aber natürlich in seiner Darstellung der Anstrengungen und Reflektionen sowie mit den Tipps für Nachahmer für die Hobbyszene selbst gedacht. Ähnliches gilt für Berichte über Museums-Belebungen als temporäre Immersionen in die andere Lebensweltlichkeit im länger dauernden Selbstversuch, sei es als kolonialfranzösische Familie der Mitte des 18. Jahrhunderts in einem dafür zur Verfügung gestellten Haus in der Festung Louisbourg (Bouchard 2012), oder als Kelten im Federseemuseum Bad Buchau (Bofinger/Hoppe 2006), oder als in authentisch nachgearbeiteter Gewandung nachgewanderte Pilgerreise auf den Mt. Saint Odile im Elsass (Kern 2013). Die genannten Beispiele signalisieren mehrerlei: Zunächst einmal, dass solche Operationen, wenn auch mit erheblichem vorhergehenden Planungs- und Rechercheaufwand und der Fähigkeit zum langen Atem in der Durchführung, möglich sind. Zum Zweiten, dass der Wissenszugewinn, der experimentell in solchen Übungen eingeworben werden kann,

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 115 erheblich zu sein scheint. Und zum dritten, dass diese grammatische Formulierung als Möglichkeitsform eines der wenig reflektierten Probleme solcher Übungen anzeigt: Leider erreicht nur sehr wenig von dem, was an experientiellen Werten und Einsichten gewonnen wird, brauchbare Dokumentierungsform. Ausnahmen stellen die Beiträge von Kai Vahnenbruck (2008) und Ute Rauschenbach (2008) vom Städtischen Aufgebot 1476 über Belebungen im Freilichtmuseum Bad Windsheim dar, während die meisten der anderen Beiträge in den beiden für die deutsche Museumslandschaft bahnbrechenden Bänden von Heike Duisberg und von Jan Carstensen, Uwe Meiners und Ruth.-E. Mohrmann Museumsprogramme behandeln – wie etwa Adrian de Jong (2008) über Programme in niederländischen Freilichtmuseen. Eine weitere Besonderheit sind die Beiträge von Martin Klöffler (z.T. mit Ullrich Brand-Schwarz und Kristian Körver) in diesen und anderen Bänden sowie im Web, die die Arbeit der Agentur Facing the Past spiegeln (2007, 2008). Gruppen und Einzeldarsteller mit hohen Ansprüchen entstehen nicht von selbst. Wo das obere Niveaulimit nicht schon von der Wahl des Vereins an sich vorgegeben ist, ist es eine beobachtbare Tendenz vieler Gruppen, im Lauf der Zeit Verbesserungen vorzunehmen, sich an den in der jeweiligen Epoche und Szene führenden Leuten zu orientieren und eine eigene Identität zu entwickeln. Gordon Jones hat den »lava-lamp effect« (Jones 2010: 233) beschrieben, mit dem sich solche Gruppen zusammenfinden und wieder spalten. Übersehen hat er dabei nur die Wahlmöglichkeit, mit der einzelne Reenactors sich um die Mitgliedschaft in Hardcore-Gruppen bewerben können – für den amerikanischen Bürgerkrieg sind das in Deutschland z.B. die zur Historischen Darstellungsgruppe München gehörende 5th Virginia und auf Unionsseite die sogenannte German Mess (Wolff/Hass/Brink 2012). Beide kooperieren bei gemeinsamen Drill Camps. In der Römerzeit gibt die Kaiserzeit und Spätantike darstellende VEX LEG VIII AUG (Legio 8 Augusta) die Schlagzahl vor; sie erhielt 2012 den Mindener ReenactorPreis in der Gruppenkategorie. Viele Vereine sind auf eine Periode spezialisiert; andere wie die HDGM haben mehrere Zweige von der keltischen Eisenzeit bis zum 19. Jahrhundert, mit vielen Mitgliedern in verschiedenen Perioden ›präsent‹. Eine ganz besondere Figur ist der ebenfalls beim Mindener Reenactor-Preis 2012 ausgezeichnete Jörg Nadler, der von Beruf Fischer an der Schlei ist und seinen Beruf in acht verschiedenen Perioden historisch korrekt ausüben kann (Nadler 2012). Wenn Museen lediglich zu besonderen Anlässen und ohne gründliche Recherche ihre Ausstellungen mit Geschichtstheater attraktiver machen wollen, führt das häufig zu Missgriffen: Es gibt

116 | Geschichtstheater immer Zuschauer, die Qualitätsmängel erkennen, wobei der Missgriff gar nicht im Bereich der Ausstattung liegen muss. Wie erwähnt gibt es Reenactors, die mit Überzeugung politisch inkorrekt sind oder ideologische Überzeugungen vertreten, die vielleicht noch randständig mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, nicht aber mit dem Volksbildungsauftrag von Museen im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sind. Das machte die Situation in Paderborn-Schloss Neuhaus 2008 so prekär, als ein angebliches Nicht-Vollmitglied einer im Rahmenprogramm der Ausstellung Eine Welt in Bewegung. Unterwegs zu Zentren des frühen Mittelalters angeheuerten Germanengruppe mit einer Nazi-Tätowierung auf dem Bauch abgelichtet wurde (Hochbruck 2012: 201). Das Portfolio der Gruppe wies auf an archäologischen Funden orientierte Qualität und war durch eine ganze Reihe von Medienauftritten gut unterbaut. In der Szene wurde allerdings bereits kolportiert, dass Anzahl und Größe der Swastiken und Wolfsangeln auf der Ausrüstung der Gruppe im Verhältnis zu den historisch belegten Quantitäten überdimensioniert waren (Schwarzenberger 2008; Banghard 2009). Dem Geschichtstheater hat dieser Skandal geschadet, was auf den Tagungen in Cloppenburg und Kiekeberg deutlich hörbar wurde. Dass auch nicht mehr alle Zuschauer ein traditionelles Bildungsbedürfnis mitbringen, speziell wenn Geschichtstheater angekündigt wurde reicht nicht aus, deshalb pauschal zu große Nähe zu Esoterik und Gegenweltsuche und Kompromittierung des wissenschaftliichen Anspruchs zu befürchten. Speziell der Bereich der Germanen- und Keltendarstellung ist zwar in dieser Hinsicht bekanntermaßen anfällig – es nutzt nur nicht viel, die Auseinandersetzung mit den Mustern ironischdenunziatorischer Psychologisierung zu führen (Cantzen 2008). Innerhalb des Wissenschaftsapparats und zwischen Wissenschaft und Geschichtstheater-Szene wurde die Diskussion um denkbare Dokumentationsformen von Qualitätsmerkmalen und zur Qualitätskontrolle auf den Paderborner Fall hin trotz der Möglichkeiten, die sich aus der Situation ergaben und die eine Beschäftigung mit den Reichweiten und Qualitäten des Geschichtstheaters herausforderten, nur für kurze Zeit intensiver geführt (Duisberg 2008; Carstensen/Meiners/Mohrmann 2008. Eine unabhängige, mit Fachleuten bestückte Agentur, die Prüfungen hätte durchführen und Zertifizierungen ausstellen können, war zwar im Gespräch, traf aber unter dem ambivalenten Eindruck des Wirkens der Akkreditierungsagenturen in der deutschen Universitätslandschaft auf nur begrenzte Begeisterung unter den Fachleuten. Am anderen Ende der Gleichung fürchteten Reenactors, man könne in ihr Hobby hineinredigieren – was nicht geplant war. Gefragt war lediglich nach einem

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 117 Modus der Qualitätskontrolle an der Schnittstelle zwischen Reenactment und Museum. Immerhin wurde beim 2. Waldkircher Museumsgespräch im April 2009 eine Reihe von Kriterien zusammengetragen, die in den Entwurf des nachstehend wiedergegebenen Portfolios zur Selbstevaluation eingebaut wurden. Eine solche Selbstevaluation kann dann bei Museen oder anderen Veranstaltern vorgelegt werden – wobei diese wiederum sich im Klaren darüber sein müssen, was sie wollen und bezwecken: Soll die angeworbene Gruppe Kinder bespaßen oder authentische Handwerksabläufe vorführen? Ist szenisches Theater gefragt, soll Musik dabei sein, geht es um die möglichst präzise Vorführung von Lebensweltlichkeit oder braucht man atmende Ausstellungsfiguren? Und: Die Anwerbung qualitativ hochwertiger Darstellungen ist kaum kostenneutral zu gestalten.17

Entwurf eines Portfolios zur Selbstevaluation A. Kurzvorstellung: Organisationsform Ɣ Dargestellte Epoche(n) ͻ Schwerpunktbildung ͻ ggf. strukturelle Merkmale (Familie, Hof, Reisegruppe, Kompanie …) Ɣ Zusammensetzung der Gruppe Ɣ Personenzahl/ggf. Variablen je nach Auftrittsform B. Historisches Fachwissen Quellenbelege für Rekonstruktion (Kleidung, Accessoires, Sachkultur, Verhalten etc.) Ɣ Publikationen (Fachliteratur, Internet) Ɣ Ausbildung/Spezialisierung in Bezug auf die Rekonstruktion Ɣ Bildungshintergrund Ɣ

C. Materielle Ausstattung Ausstattung, Requisiten Å Replikate/ggf. Verwendung von Originalen Kategorie (Museumsqualität/Theatergruppe/Schaukampf o. Ä.)

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D. Didaktisches Konzept & Dramaturgie Formulierung des Ziels Modus der Interpretation • WĞƌƐŽŶĞŶďĞƌŝĐŚƚ

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17 In diesem Punkt herrscht Uneinigkeit in der Szene zwischen denen, die zum Selbstkostenpreis aufzutreten bereit sind oder für die Möglichkeit einer längeren Belebung sogar drauflegen, und denjenigen, die gerne professionell arbeiten würden, finanziell damit aber nicht genug Einkommen erwirtschaften können, so lange die Reenactors billiger sind (siehe Sturm/Beyer 2008).

118 | Geschichtstheater • • Ɣ Ɣ Ɣ Ɣ

WĞƌƐŽŶĞŶƐƉŝĞů DŽĚĞƌĂƚŝŽŶ Zuschauerbeteiligung Sprachmodus Drehbuch Publikumspezialisierung (Kinder/Allgemeinpublikum/Fachpublikum)

E. Schauspielerische Fähigkeiten Sprache /Körpersprache Rollenspiel

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F. Referenzen Angabe der Referenzen (Museen, Veranstaltungen) Medien (Print, Dreharbeiten) eigene Veröffentlichungen

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G. (Organisatorische) Angaben Kosten Angaben zu Ab-/Versicherungϭϴ

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*HVFKLFKWVWKHDWHUDOVIDFKGLGDNWLVFKH0HWKRGH Eines der interessantesten Phänomene im Zusammenhang mit Geschichtstheater ist seine mögliche praktische Funktion als Lehrstücktheater im Sinne Bertolt Brechts. Die Übernahme einer nicht der eigenen Lebensweltlichkeit entsprechenden Rolle in einer erlebnisweltlichen Darstellung resultiert zwangsläufig in einem gewissen Maß an Auseinandersetzung mit dieser Rolle. Besonders in denjenigen Fällen, in denen wie im Süden der Vereinigten Staaten üblich konföderierte Reenactors bei Wochenendveranstaltungen auch je einen Tag als Unionssoldaten auflaufen müssen, um einigermaßen ausbalancierte Teilnehmerzahlen zu generieren, resultiert die Übernahme der ›anderen‹ Perspektive häufig in einer intensiveren Auseinandersetzung mit dieser ›anderen‹ Seite (Hochbruck 1996: 105). Aber selbst die Auseinandersetzung mit einer Darstellung, die als das ›Eigene‹ empfunden wird, kann den von Brecht beschriebenen Effekt haben: Es liegt dem Lehrstück die Erwartung zugrunde, daß der Spielende durch die Durchführung bestimmter Handlungsweisen, Einnahme bestimmter 18 Erweitert auf Basis des Protokolls des 2. Waldkircher Museumsgesprächs – Dank für die konstruktiven Beiträge an Martin Klöffler, Andreas Sturm, Angharad Beyer, Ingo Glückler, July Sjöberg, Sven Kommer, Barbara und Thomas Kern.

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 119 Haltungen, Wiedergabe bestimmter Reden und so weiter gesellschaftlich beeinflußt werden kann. […] Es braucht sich keineswegs nur um die Wiedergabe gesellschaftlich positiv zu bewertender Handlungen und Haltungen zu handeln; auch von der (möglichst großartigen) Wiedergabe asozialer Handlungen und Haltungen kann erzieherische Wirkung erwartet werden (Brecht 17/1977: 1024).

In künstlerischen Adaptionen von Reenactments wird das hier sichtbare Potential bereits genutzt; am offenkundigsten vielleicht in Jeremy Dellers Reenactment 2001 der »Battle of Orgreave« von 1984, in der sich auf einem der von der Thatcher-Regierung mit brutalem Kalkül provozierten Höhepunkte des Bergarbeiterstreiks berittende Polizei und streikende und demonstrierende Miners gegenüberstanden (Deller 2001, cf. Kitamura 2010). Deller warb vor Ort Original-Teilnehmer an. Als Vorsichtsmaßnahme gegen denkbare Versuche, wenigstens das Reenactment zu gewinnen, wurden dabei manche Miners in Polizeiuniformen gesteckt. Leider fehlt anscheinend jede Nachbereitung und vor allem Nachschau, was für Perspektivveränderungen dieser Seitenwechsel bei den Akteuren möglicherweise zur Folge hatte. Natürlich ist eine gänzlich unkritische Immersion ebenso möglich wie eine rein eskapistische Motivation der Teilnahme am Geschichtstheater: Wer unter der Woche in der sogenannten freien Wirtschaft permanent gegen ethische Grundsätze verstößt, weil das Gesetz der Profitmaximierung und die Sorge um den Arbeitsplatz dazu zwingt, kann am Wochenende beim Ritterspiel wenigstens in der Fiktion dem Tugendideal von Êre, Staete, Triuwe und Mâze folgen. Es fehlen auch Studien mit Reenactors, die Rollenwechsel vornehmen, im Vergleich mit anderen, die nur eine Form der Nachstellung praktizieren – nachgefragt werden müsste, ob mit dem Rollenwechsel auch eine kritische Distanz zur Hauptrolle zustande gekommen ist. Die Möglichkeit zur Gewinnung kritischer Distanz aus der spielerischen Übernahme einer Rolle wird seit Jahren in der Geschichtsdidaktik genutzt; die intensive methodische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Rollenspiels von Lotte Herkommer und Manfred Lissek ist älter als die Popularität des Geschichtstheaters in Deutschland (1973). Allerdings fällt auf, dass einige Artikel zum Thema über methodische und technische Probleme bis zum völligen Versagen berichten (Meier 2007: 331; Dehne 1991: 92). Aus Sicht des Geschichtstheaters und auch aus Sicht mancher Historiker (Neu 2010) ist wenigstens ein Teil dieser Probleme Mängeln in der Auseinandersetzung sowohl mit dem historischen Material wie mit der Schauspielsituation gedankt. Wie Elisabeth Hank gezeigt hat, sind die Einwände gewichtig. Sie betreffen vor allem den drohenden Verlust kritischer Reflektion weil

120 | Geschichtstheater (1) […] sich […] identifikatorische, nachempfindende Geschichtserzählung, Relikte des Historismus, eingeschlichen haben […]; (2) […] suggestive Veranschaulichung, Psychologisierung und unhistorische Vergegenwärtigung hinterrücks die Erfolge des arbeitsunterrichtlichen Unterrichts aufheben; (3) […] der strukturgeschichtlich Ansatz zugunsten personalisierender Geschichtsbilder wieder aufgegeben werde (Hank 1991: 360).

Es ist bisher leider weder möglich gewesen, diese Einwände zu entkräften, noch in jedem Punkt über-zeugende Gegenmodelle zu entwerfen. Was grundlegend fehlt, sind brauchbare Vorlagen: Die von Franz Hohmann versammelten Szenen und Rollenspiele für den Geschichtsunterricht sind zum Teil unfreiwillig komisch (Hohmann 2008); wie überhaupt Geschichtstexte seltener der Ausgangspunkt für entsprechende Projekte zu sein scheinen als im weiteren Sinne literarisch-dramatische. Elisabeth Hanks Bericht über eine eigene – recht gut gelungene – Regiearbeit fußt auf einer Adaption der Bauernoper von Yaak Karsunke (Libretto) und Peter Janssens (Musik) (Karsunke /Janssens 1973). Die von meiner eigenen Geschichtstheatergesellschaft entworfene Szenenfolge Der Zweite Freiheitskampf, die wir mehrfach mit Schulklassen in Workshops auf Schulbühnen gestellt haben, war ebenfalls eine eher künstlerisch-dramatische Produktion als eine im engeren Sinne historische, obwohl die Rollenauseinandersetzung mit dem Stoff in Reflektionsrunden eingefordert wurde und die Schülerreaktionen den Erfolg der intendierten Mischung aus kritischer Distanz und erlebnisweltlicher Einfühlung nahelegten. Die Lage wird dadurch verschlimmert, dass ein großer Teil der Arbeit mit Rollenspiel im Geschichtsunterricht auch noch auf den Bereich der Nachstellung von rituellen Handlungen abzielt (Neu 2010: 62): In diesen Bereich wagen sich die meisten Museen in ihrer Living History Interpretation nicht vor, und im Reenactment sind die dahingehenden Versuche, ob es sich um Nachstellungen religiöser Handlungen durch ›römische‹ Auguren, ›indianische‹ Medizinleute oder wen auch immer handelt, permanent in Gefahr, in Klamauk abzugleiten. Wenn dann noch in der Nachbereitung nach den Empfindungen der Schüler gefragt wird, denen dazu jegliches affektives Relevanzkriterium fehlt, dann ist Tim Neu unbedingt Recht zu geben, wenn er von dieser zu Unrecht unter dem Label der Handlungsorientierung verbreiteten Methodenform warnt (Neu 2010: 67). Weder die den Symbolen zugrunde liegende Motiviertheit noch die im rituellen Gesamtrahmen kommunizierte Vieldeutigkeit sind durch bloßes Nachstellen erfahrbar, weil den Schülern die Vertrautheit mit den kulturellen Deutungssystemen fehlt, aus denen Rituale wie Symbole gleichermaßen

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 121 stammen; die Rituale sind für sie nicht lesbar (vgl. Goffman 1993). Zugegebenermaßen könnte das dadurch ausgeglichen werden, dass man im Vorfeld der Re-Inszenierung genügend Kontextualisierungsarbeit leistet, aber auch dann würde sich die performative Kraft der Vorbilder nicht einstellen, und zwar deshalb, weil Rituale nicht an bewusstes Wissen, sondern an tief verwurzelte Dispositionen der Beteiligten appelieren, die in langwierigen Sozialisations-und Erziehungsprozessen erworben werden (Neu 2010: 68).

Pierre Bourdieu (Bourdieu 1998), auf den sich Tim Neu hier am Schluss beruft, schließt nirgends aus, dass einige dieser Sozialisationsergebnisse vielleicht so tief verwurzelt sein könnten, dass sie Archetypencharakter angenommen haben, weshalb sie wenigstens innerhalb des unterrichteten Kulturkreises wieder aufrufbar wären. Gleichzeitig zeigt der Handbuchbeitrag zum Rollenspiel als Methode von Klaus-Ulrich Meier, in welche Richtung die Rollenspiel-Praxis gehen könnte. Ausgehend von der Gefahr des Abgleitens in »unhistorischen Klamauk«, die proportional mit der Ritualisierung des nachgestellten Ereignisses als »Haupt- und Staatsaktion« größer werde, weil »der Erwartungsdruck an die historische Korrektheit sowohl auf Lehrer- wie auf Schülerseite sehr zu steigen« scheine, schließt Meier: Freier (und unterrichtlich fruchtbarer) kann sich die historische Phantasie an solchen historischen Inhalten entfalten, die etwa den Alltag der »kleinen Leute« in den Mittelpunkt stellen oder aber Haupt- und Staatsaktionen aus der Perspektive »von unten« beobachten (Meier 2007: 328).

Sortiert man gleichzeitig die wohl als kostümfrei zu denkenden Varianten von Rollenspiel im Geschichtsunterricht als funktionszentriertes Plan- (Edel 1993) bzw. Simulationsspiel (Steinberg 1975) aus, dann ist der Schlüsselbegriff für gelingendes Rollenspiel der der »genügend[en] Kontextualisierungsarbeit« (s.o. Neu 2010: 68). Hier kann Geschichtstheater als Mittel und Methode ansetzen. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit relativ einfachen Mitteln, die aber die nötigen Anhaltspunkte (s.o., S. 95) bereitstellen, ein auch über mehrere Tage ausgedehntes Geschichtstheater-Spiel funktionieren kann, sind die »Ventures into History« (Loftus/Röllke/Tafferner 2010) in »Svierte«/Schwerte, wo das Ehepaar Regina und John Loftus und Paul Röllke seit Jahren als Ferien-Sommeraktion ein historisches Stadtspiel organisieren (Loftus/Röllke 2008). Dieses Spiel beinhaltet alles: Lernen über Handwerk und Handel im Spätmittelalter, Familien- und Stadtgesellschaftsstrukturen, Bedrohungen, Arbeitsverhältnisse und Verantwortlichkeiten, religiöse Feiern und zivile Feste. In dieser Mischung baut das Stadtspiel auf der von der Sozialgeschichtsschreibung der siebziger Jahre beeinflussten Lehr-/Lerntheorie auf, die auch Neu und Hank

122 | Geschichtstheater angesprochen hatten und die noch 1990 ein ganzes Handbuch für historische Stadtspiele hervorgebracht hatte (Baier/Frei 1990). Auf dieser Ebene ist Regina Loftus zuzustimmen, wenn sie meint, es sei im Grunde egal, ob der Eimer, in dem Wasser vom Brunnen geschleppt werden muss, aus dem richtigen Holz mit handgeschmiedeten Dauben zusammengeböttchert wurde, oder aus dem Baumarkt stammt: Der Lerneffekt läuft über das Wasserholen vom Brunnen anstelle des gewohnten Aufdrehens eines Hahns im Haus. Es schadet aber nicht, auch in diesem Punkt präzise zu arbeiten, und genau hier liegt die breite Schnittfläche zwischen Geschichtstheater als Schulmethode, Stadtspiel und Reenactment bzw. Belebung in Museumsqualität offen: In diesem Modus kann interaktiv mit einer Adaption der Living History Interpretation in der sogenannten »Zweiten Person« gearbeitet werden (s.o., S. 53) – und zwar am besten, indem man weder einer Lehrperson noch den von Loftus und Röllke eingesetzten Teamers abverlangt, sich vorher alles erarbeitet zu haben, sondern in dem man gleich mit Geschichtstheaterpraktikern arbeitet, die in der entsprechenden Qualität Angebote machen können. Die Ergänzung zum Schaubild könnte so aussehen: Personenform 2nd Ps.

Theatrale Intensiät Besucheraktion

Technik

Figuren-ebene

Selbsterprobung

Übernahme einer Neugier, Figurenposition Kompetenzerwerb

Geschichtstheater im Schulkontext »2nd Ps.« Mitmachtheater Selbsterprobung

Übernahme einer eigenen Figur

Basis

Neugier, Kompetenzerwerb

Die vom Museumsevent bekannte Struktur verändert sich dadurch natürlich ein Stück weit: Es erfolgt eigentlich keine Ansprache in der zweiten Person, sondern die Schüler übernehmen selbst die Verantwortung für Figuren und wechseln damit aus der Besucherrolle in eine aktive, partizipierende und potentiell spieltragende Position und Funktion. Wegen des unterschiedlichen Hintergrunds in Wissen, Erfahrung und Spielpraxis und wahrscheinlich auch auf der Ausrüstungsebene bleibt auf jeden Fall eine relative Distanz zwischen den Schülern als Novizen und den Geschichtstheaterpraktikern; diese kann aber für kritische Reflektion genutzt werden. Im Ansatz konnte der Erfolg dieses Formats schon bei Schulprojekten beobachtet werden, wenn die Schüler in der Abschluss-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 123 reflektion berichteten, wie sie sich ihre Rollen und Funktionen erarbeitet hatten, und wie das Zusammenspiel mit den Mitgliedern der Geschichtstheatertruppe plötzlich die ›Geschichte‹ im Sinne des angelesenen Wissensmaterials wesentlich begreifbarer im Sinne konkreter Zugriffsfähigkeit wurde.

»Defending the Union« Allegorisches Tableau Vivant aus der Bühnenschau Der Zweite Freiheitskampf. Mitglieder der Geschichtstheatergesellschaft und Schüler der Gottfried-Kinkel-Realschule Erftstadt-Liblar, 2002

Es ist der bewusste methodische Einsatz der Grenze zwischen der an Originalgetreue orientierten Visualisierung und der Distanz zum Original, die diese Reflektionsleistung befördert. In dieser Auseinandersetzung mit einem scheinbaren Original wird Brechts Lehrstück-Ansatz für das Geschichtstheater an Schulen zugriffsfähig: Im angelernten Spiel werden situative Positionen, Verantwortlichkeiten und Verhalten trainiert bzw. erschlossen und Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit verantwortlichem Handeln gezeigt. Die Svierter Stadtspiele sind in diesem Zusammenhang richtungsweisend.

7UDQVIHULHUHQ796KRZV  Die meisten TV-Dokumentationen operieren mittlerweile in sentimentalisiertem Docudrama-Format, oft aus der Perspektive einer homodiegetischen Ich-Erzählfigur (Breitbart 1981: 120), zum Teil mit gestaffelten historischen Ebenen und entweder stummen Kostümszenen, über die eine Erzählerstimme gelegt wird, oder mit kurzen Dialog-Rollenspielen

124 | Geschichtstheater (siehe Hochbruck 2009b). Ebenfalls mit historischem Rollenspiel arbeitete die Generation von TV-Dokusoaps, die nach der Jahrtausendwende für einige Jahre gedreht wurden und in denen Freiwillige in der Art einer Belebung eines Museumsshauses, einer Farm oder eines Schiffs vor laufenden Kameras an historische Bedingungen angelehnte Situationen durchlebten. Typisch ist, dass es sich nicht um konkrete, sondern um generische Situationen handelte, die aber Qualitäten aufwiesen, in denen sich nationale Mythen und kulturelle Stereotypen begegneten: Die Viktorianische Gesellschaft in Großbritannien, die Besiedelung des Landes durch weiße Siedler in USA und Australien, der einsame Waldbauernhof in Deutschland. Die Mode kam zuerst anscheinend in Großbritannien auf (1900 House, Wall to Wall/Channel 4, 1999), fand sofort Nachahmer und Fortführer in USA (Frontier House, PBS 2002 – drei Familien als Homesteaders in Montana in den 1880ern) und Australien (Outback House, ABC TV, 2005 – eine Schaffarm in New South Wales, 1861) und ab 2002 auch in Deutschland. Obwohl sie in der Rezeption bisher unter derselben Sigle laufen, gab es drei eng aufeinanderfolgende, aber deutlich unterscheidbare Typen dieser TV-Serials. Typ 1, der als Überlebenskurs für Anfänger apostrophiert werden könnte, operierte mit einer Mischung aus Big Brother und dem Verhältnis, das Besucher von Freilichtmuseen traditionell zu den Ausstellungen entwickelten. Die Akteure, die vor der Kamera vorgeführt wurden, waren keine Living Historians und keine experimentellen Archäologen, sondern in Rolle und Situation eingesetzte Amateure. Die angebliche Fragestellung nach historischen Verhältnissen wurde nicht mit den Mitteln einer von kritischer Sozialgeschichte informierten Wissenschaftlichkeit beantwortet und es wurde auch nicht versucht, mit Living History Interpreters bzw. erfahrenden Reenactors ›Belebungen‹ durchzuführen. Statt dessen wurden Familien und Personen als Teilnehmer ausgewählt, deren Unfähigkeit gerade groß genug war, um eine völlige Blamage zu verhindern, aber genug Probleme zu kreieren, um voyeuristische Impulse zu bedienen und so einen Medienerfolg zu garantieren. Gleichzeitig versorgten diese Serien ihre Gegenwartszuschauer mit einem suggestiv vorgefertigten Eindruck davon, wie sie sich verhalten hätten können – was Anja Schwarz in ihrem einsichtsvollen Essay zu Outback House »past conditional« nennt (Schwarz 2010, 21). Gemeinsam ist den Serien damit, dass die Grundmythen und Stereotypen letztlich eher verstärkt werden, weil die personalisierte Fernseh-Geschichtsschreibung nicht im Bezug auf ihre historischen Anteile revisionistisch angelegt ist, sondern im Bezug auf persönliche Empfindungen im Rahmen des vorgegebenen Modus konjek-

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 125 tural. Die erste dieser Serien im deutschen Fernsehen war Schwarzwaldhaus 1902: Es gab ein Leben vor Web, WC und Waschmaschine – wir wollen zeigen, wie dieses Leben aussah, und wissen, ob wir es überhaupt noch leben könnten. Indem wir 100 Jahre technischen Fortschritt wegnehmen, können wir überhaupt erst illustrieren und begreifbar machen, wie gewaltig und grundlegend dieser Fortschritt war. »Schwarzwaldhaus 1902.de« wird im Jahr 2002 im ERSTEN gesendet. Unsere Zeitreise 100 Jahre zurück führt uns damit ins Jahr 1902: Wir werfen einen Blick zurück in eine vergangene Welt des Überlebens, in einer Naturlandschaft voller Mythen. Wie haben unsere Vorfahren es nur geschafft, dieser rauhen Gegend das, was sie zum Leben brauchten, abzuringen? Wie war es ohne die Dinge, die für uns heute so selbstverständlich sind? Mit unserem Experiment wollen wir besser verstehen lernen, woher wir kommen. Um vielleicht dann ein bisschen besser zu verstehen, wo wir heute sind (SWR 2001).

Es ging also hauptsächlich darum, Gegenwartsmenschen vor laufender Kamera der Annehmlichkeit dieser Gegenwart zu berauben. Die für den Schwarzwaldhof 1902 aus 700 Bewerbern ausgewählte Familie Boro aus Berlin verhielt sich wohl ziemlich präzise so, wie es den Filmemachern vorschwebte, den Rest besorgten Kamera und Schnitt. Die Nähe zu den in derselben Zeit populären Big Brother-Shows war deutlich; es schließt sich damit ein Kreisbogen zur Gleichzeitigkeit des Ungleich-zeitigen, die in Europa zuletzt in den Völkerschauen um 1900 zu beob-achten gewesen war. Die Produktion erhielt einen Grimme-Preis. Die Ausrichtung des weniger historischen als psychosozialen TVExperiments Typ 2: Klassenkampf wird anhand der beiden 2004 und 2005 im gleichen, jeweils historisch adaptierten Gutshof in Belitz, Gemeinde Prebberede in Mecklenburg-Vorpommern, gedrehten Varianten der zweiten Generation dieser Dokusoaps deutlich. Waren im Schwarzwaldhof die Unfähigkeit im Umgang mit den Unbillen der Natur und der Willens- und Anpassungsschwäche vor allem der Kinder an reduzierte Wohlstandsverhältnisse thematisiert worden, ging es in Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus (Heise 2004) und Abenteuer 1927 – Sommerfrische (Heise/Doberstein 2005) darum, diastratisch auseinanderklaffende Herrschaft und Bedienpersonal zusammenzusperren: Akribisch werden für diese Zeitreisen Ausstattung und Kostümierung rekonstruiert, Standes- und Benimmregeln festgelegt sowie telegene, teamfähige Menschen mit jeweils geeigneten Hobbys oder Berufen über die Zeitschleuse in die Vergangenheit gebeamt. Im Gutshaus des Jahres 1927 angekommen, haben die Herrschaften der ersten Etage dann sechs Wochen lang den Stress des Nichtstuns mit Partys [sic], Ausflügen, Dichten und Musizieren zu bekämpfen. Die unten im Souterrain schrubben sich zeitgleich die Finger wund, laufen sich Blasen und bekommen Druckstellen vom Vatermörder. Mit diesem Sozio-Experiment, das nur Übelwollende an

126 | Geschichtstheater »Big Brother« erinnert, will die ARD »eine Zeit, die man nur aus Erzählungen und Büchern kennt, wieder lebendig und fühlbar machen«, so die Producerin Rosemarie Wintgen (Gähler 2005: 33).

Hier ist zu widersprechen: Es hat nichts Übelwollendes, hinter der experimentellen Aufkündigung des demokratischen Sozialstaats eine Version von Big Brother zu sehen. Es ging letztlich nur oberflächlich um Geschichte. Das Ergebnis des Laborversuchs, bei dem im Prinzip relative Gleichheit gewohnte Bundesbürger zu drastisch verschärften sozialen Differenzkonditionen zusammengekoppelt wurden waren vorhersagbar Frustrationen und Tränen. Historisch Interessierte schreckten die Serien nach kurzer Zeit eher ab, obwohl die recherchierte Ausrüstung z.T. von ausgewiesenen Spezialisten zusammengestellt worden war.19 Nicht einmal das funktionierte bei der WDR/Arte-Auswanderer-Saga Windstärke 8 (Erstsendung Mai-Juni 2005). Die im Vergleich zu den beengten Verhältnissen auf den historischen Auswandererschiffen lächerliche Auslastung der Bremen mit nur neunzehn Auswanderern machte dieses TV-Experiment von Beginn an zur Farce. Mehrere andere Faktoren brachen die Form nicht wieder einholbar auf: Die notwendigerweise mitwirkenden Seeleute brachten ein Element des Spezialistentums in Spiel, das bei den vorherigen Produktionen gefehlt hatte und damit eine Gruppe, die nicht wie die Knechte und Hausmägde, Chauffeure und Diener in den Gutshäusern zu schurigeln war. Zweitens konnte sich der aushilfsweise eingesprungene Regisseur Dominik Wessely gegenüber einigen der ›Auswanderer‹ nicht durchsetzen (Wessely 2005). Weder in Kleiderordnung noch Einstellung waren diese zu bewegen, sich an die historischen Vorgaben zu halten. Der Artikel des exklusiv mitreisenden Stern-Teams versprach zwar »[...]im Fernsehen wird, geschickt geschnitten, alles so aussehen wie vor 150 Jahren«. Davon konnte die Rede nicht sein (Kühn/Andrews 2005: 48-49, 54, 56). Insofern es wieder nicht darum gegangen war, eine Dokumentation zu erstellen, sondern soziale Spannungen und Wehleidigkeiten beobachten zu können (Schwellenbach 2007: 22), wäre das assertive Verhalten der Ausgewanderten sogar zu begrüßen gewesen, hätte es sich um eine bewusst demokratische Antwort auf die ent-demokratisierende Zumutung der Situation gehandelt, in die nur immer wieder einmal kurze sogenannte Wissensinseln mit historischen Zeichnungen und Photographien sowie kurzen Passagen aus Tagebüchern und Briefen eingestreut 19 Parallel zur Doku-Soap war noch eine historische Dokumentation ins ARDProgramm gestellt worden: »Die zwanziger Jahre.«, Sendedaten am 10, 17, und 19 Oktober 2005; jeweils 21:45, während Abenteuer 1927 – Sommerfrische in vier Blocks vom 11.-14., 18-.21., und 25.-28. Oktober sowie 1.-4. November 2005, jeweils 18:50 im Vorabendprogramm lief.

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 127 waren. Es ging den renitenten Mitreisenden aber nicht um Aufhebung der sozialen Unterschiede, sondern um persönliche Befindlichkeit: »Ich will mich amüsieren« (Kühn/Andrews 2005: 58). Immerhin bereiteten die Pseudo-Meuterer von der Bremen den Boden für einen dritten Typus der historisch-dokumentarischen TVShow, der diesen Namen schon eher verdiente. Den Typ 3 kennzeichnen Spezialistenwissen und Übungen in Solidarität für Fortgeschrittene. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war aber nicht die misslungene Historizität der Windstärke-Produktion, sondern wiederum Vorläufer im britischen Raum: The 1940s House (Channel 4, 2001) legte in Abwandlung des zweiten Typus schon mehr Emphase auf die Fähigkeit der Bewohner, unter Kriegsbedingungen zu kooperieren, und im BBC 2 Vierteiler The Trench spielten 2002 aus Hunderten von Bewerbern ausgewählte Freiwillige zwei Wochen lang einen Westfront-Schützengraben im Herbst 1916 nach. Offiziere und Unteroffiziere der Gruppe stammten dabei von einer renommierten und zum harten Kern der Puristen gehörenden Living History Truppe, den sogenannten »Khaki Chums«, die von der BBC als Spezialisten angeworben worden waren und die für die Show Nähe zum historischen Vorbild herstellten (van Emden 2003: 2, 16, 22). Das Ergebnis war allerdings ähnlich langweilig, wie es die Zeit außerhalb der Gefechtssituationen in den Gräben des Ersten Weltkriegs vermutlich tatsächlich war – und addierte Authentizität in Form von simulierten Artillerieeinschlägen wollte man den Probanden wohl doch nicht zumuten. Ein wesentlich weiter in Richtung Living Science (Braun 2007: 66) ausgearbeitetes Projekt im deutschen Fernsehen, bei dem zwei Familien und mehrere Einzelpersonen für zwei Monate in eine nach wissenschaftlich verifizierten Befundlagen rekonstruierte Steinzeitsiedlung versetzt wurden, wurde vom Stern als – natürlich – »Ötzi Experiment« betitelt (Braun 2007: Frontseite). Bermerkenswert war hier, dass nicht nur eine ganze Reihe von echten wissenschaftlichen Experimenten und Auswertungsreihen an dem Projekt hing, sondern dass man auch Menschen ausgesucht hatte, die aufgrund ihres Vorwissens und ihrer Lebensweise speziell für die Aufgabe geeignet scheinen mussten. Die Familie Junker-Matthes lebte schon vorher ohne Elektrizität und fließendes Wasser als Schafzüchter auf einem kleinen Bauernhof, die Burbergs arbeiteten als Krankenschwester und Töpfer. Es hatte sich auch wirklich um experimentelle Archäologie gehandelt, insofern Ergebnisse vorhergegangener Forschung im Praxisversuch zum Teil falsifiziert wurden. Und es war eine Übung in Solidarität und Kooperation geworden, die funktioniert hatte (Braun 2007: 70).

128 | Geschichtstheater Die drei typologischen Formen–mäßig vorbereitete Freiwillige in schwieriger Situation, Freiwillige in sozial stratifizierter Stress-Situation, und Freiwillige unter Anleitung durch Living Historians/Reenactors – weisen in verschiedene didaktische Richtungen. Während die dritte Form für den Geschichtsunterricht nützliche Beobachtungen ermöglicht, gehörten die ersten beiden Typen im Grunde zur LARP-Szene, wenn auch nur teilfreiwillig. Als nicht vorher eingeübte Kreuzung aus Living History-Museum und Big Brother sind sie für die experimentelle Archäologie genau so unbrauchbar wie für die Geschichtsdidaktik. Auch als Geschichtstheater markieren sie eine kuriose Hybridform: Reenactment für Nicht-Hobbyisten und ohne Manual und Wörterbuch, sozusagen. Letztlich sind sie Teil des Circus Maximus Syndroms einer überhitzten Kulturindustrie, aber es ist immerhin interessant, dass dafür historische Zeiträume und Zustände gewählt werden, deren Lokalisierung in der angeblich überwundenen Vergangenheit die Zuschauer in einer implizit um so lebenswerteren Gegenwart verortet. Versuchte Zweitverwertungen wie die TV-Bücher nach den Serien (z. B. Bulge 2004) wurden meist schon kurze Zeit später verramscht; längerfristige Wirkungen in die erweiterte Reenactment-Szene gibt es allenfalls im Mittelalter-Bereich, wo der von Helfried Spitra, dem Leiter des geschichtlichen Arbeitskreises der ARD, für die Abenteuer Mittelalter Serie der zweiten Gruppe als Küchenchef angeworbene Michael Kirchschlager mit seinem Buch Ich will ein guter Koch sein. Küchengeheimnisse des Mittelalters und der Renaissance (2004) reüssierte und eine Reihe von Nachahmern lostrat. Im Unterschied zu den TV-Sozioexperimentserien konstruierten die seit den achtziger Jahren in der Regel mit einigem Aufwand historisch authentifizierten Heritage Movies rekonstruierte Vergangenheiten als nostalgische Sehnsuchtsräume. Ob es sich bei diesen Filmen, von denen besonders die britischen und amerikanischen Jane Austen–Verfilmungen ein weites Publikum fanden, um eine Art teilfreiwilliges LARP gehandelt hat, kann offen bleiben: für die Schauspieler reichte es, entsprechend aufdrapiert zu erscheinen, Texte gelernt und Gestik ein-studiert zu haben; den Rest besorgten Regie, historische Berater (so diesen denn jemand zuhörte), Cutter und das Halbwissen der Zuschauer. Britische Produktionen tendierten dabei zu größerer Originalgetreue als amerikanische, obwohl auch dort bei den Kostümen gelegentlich Modernisierungen vorgenommen wurden, wenn die Schauspieler dadurch besser aussahen (Paul/Harden 2004: 30). Für das Geschichtstheater im Sinne dieser Studie sind die Heritage Movies nur an der Stelle von Interesse, wo eine Konstruktion wie das Schlachtengemälde Gettysburg den kompletten Kreisschluss schaffte, als sie Tausende Reenactors als Statisten anwarb, die dann den Film mitdrehten, den sie in ihren

Bestandsaufnahme: Erscheinungsformen | 129 Reenactments vorher schon, nur cinematographisch unvollkommener, inszeniert hatten (Maxwell 1993).

 

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Ob es an Kutten und Gugeln angelehnte Oberbekleidung, spätviktorianische Damenhemden oder die paillettenbesetzten Flitterkleidchen der Flappers der 20er Jahre sind – im heutigen Angebot und Gebrauch signalisieren diese an historische Vorbilder angelehnten Kleidungsstücke eines der Legate der Postmoderne, die in Zitat- und Versatzstückchen die strenge Form der Moderne hinter sich gelassen hat. Auf der Ebene der Mode geschieht dies ungehinderter und mit weniger Konsequenzen als sonst irgendwo im kulturellen Feld. Stemming from the late 1960s concept of »retrochic« developed by the Paris avant garde, retro fashion embraced the use of revival or period styles from certain counter-cultural examples of alternative consumerism. Although retrochic began as an impromptu anti-fashion, it soon blossomed into a profitable, commercial style known by fashion critics as »the nostalgia industry.« Retro become associated with a playful, postmodern nostalgia where the past is used as a storehouse of fashion. But what distinguished the retro fashion of the 1990s from older forms of revivalism, was the cavalier and eclectic disregard for the past. Designs and styles were used without sentimentality or discrimination; the aura of a previous style inspired revelry more than reverence. Retro was a form of pastiche, less concerned with historical context than with the fashionable and hip qualities of »pastness.« Retro can thus be defined as a process of scripting history into nostalgic narratives of the chic and trendy. (Grainge 2005)

In der Regel kümmert es die TrägerInnen – Retro-Fashion-Artikel werden weit überwiegend für den weiblichen Markt hergestellt – nicht sonderlich, welcher Periode das Zitat entnommen ist, das sie tragen. Ob es engere Zusammenhänge mit den soziohistorischen TV-Experimenten und Heritage Movies der achtziger und neunziger Jahre gibt, müsste genauer untersucht werden, anzunehmen ist es. Retro-Fashion in der Architektur ist ein facettenreicheres Phänomen (Maak 1999: 15), dessen postmoderne und teilweise dekonstruktivistische Theatralik für die Struktur des öffentlichen Raums nicht unterschätzt werden sollte. Eine Rückwendung zum historischen Detail und Zitat ist nach der radikalen Modernisierung in deutschen und britischen Großstädten nach dem Zweiten Weltkrieg, und nach der revolvierenden

132 | Geschichtstheater Überbauung des Alten durch immer neue Bauten in den USA ein tiefer Einschnitt in das Verhältnis zu den historischen Lebenswelten überhaupt. Insofern es sich bei den Retrofassaden um Kulissen der alltäglichen Lebenswelt von heute handelt, wird die Gegenwart zu einer Form des Geschichtstheaters. So viel Geschichte – im Sinne ubiquitärer Zugriffsfähigkeit bzw. Aufdrängung in Form von hergestellten Fassaden und Ambientes, Markern, Infotafeln und Hinweischildern (während traditionelle Denkmäler eher versteckt werden) – war nie.  Es gab auch noch nie so viele Variationen, in denen auch historisch weniger Interessierte mit Geschichte und Pastness in Kontakt kommen konnten. In ihrer Mehrheit historisch ausgerichtete Themenprogramme (»Theming«) in Hotels und Restaurants, Shopping Malls und als Städtebaumaßnahmen, zeigt Scott Lucas, haben über ihre erlebnisweltliche Dimension hinaus Einfluss auf die Lebensweltlichkeit (Lucas 2010: 141) gewonnen. Dass dabei regionale Traditionen bewusst gemacht oder gefördert werden, ist seltener als die Vermischung und Ausbreitung von Stilen und Formen im Sinne der Disneyfikation, so dass dann die gleichen toskanisch angemuteten Häuser ebenso in Nordholland wie an den Hängen des Schwarzwalds zu stehen kommen, wenn auch mit (hoffentlich) anderer Wärmedämmung als die Vorbilder in der Toskana. Die resultierende Beliebigkeit wirkt einem schärferen Geschichtsbewusstsein entgegen. Im Unterschied zur relativen Beliebigkeit der postmodernen Rückkehr zum Zierrat und zu rezipierten Formen in der Architektur haben ökonomisch motivierte Anpassungen an reale oder vermeintliche Zuschauererwartungen stärkere Rückwirkungen auf das vermittelte Geschichtsbild: Auf Mittelaltermärkten trifft man viele Handwerker und Musiker, die ursprünglich eher experimentell-archäologisch gearbeitet und dadurch Wissensstände verbessert haben, deren Repertoire und Produktpalette aber der Zuschauernachfrage folgend auch z.B. auf Holzschwerter und deren musikalische Äquivalente hin erweitert worden sind. Die Verniedlichung geschichtlicher Bedingungen, die dadurch wie auch durch die »Ritter« und »Burgfräulein« auf Burgen und bei Kinderfreizeiten bewirkt wird, steht im Widerspruch zum Bemühen von Museen und Puristengruppen, stereotype Geschichtsbilder zu überwinden (Leon 1987: 143). In diesem Zusammenhang ist allerdings ein weiterer Faktor zu bachten. Was diese Typologie bisher wegen ihrer Struktur nicht deutlich machen konnte, ist die personale Durchlässigkeit vieler Bereiche. Die scheinbar zwanglose, wenn auch nicht immer spannungsfreie Koexistenz lässt sich unter anderem aus der Mischung von Artikeln in Karfunkel

›Retro‹-Schluss | 133 ablesen.20 Das dominierende ›Mittelalter‹ überspannt wie schon erwähnt etwa zehn Jahrhunderte und überlappt mit dem Fantasy-Bereich – man beachte die Verbreitung von ›Hexen‹ im Anzeigenteil, in dem auch RetroFashion und LARP-Artikel angeboten werden. Auch wenn dies vordergründig kurios klingt, wird doch dadurch eine Wahlmöglichkeit eröffnet: Wer sich in Richtung einer puristischeren Darstellung verbessern möchte, findet ebenso Quellen wie diejenigen, die im wesentlichen Spaß am Spiel haben. Die bereits erwähnte erweiterte Produktpalette von Handwerkern kann ähnlich wirken, insofern das Augenmerk auch auf qualitativ hochwertige und historisch nachweisbare Produkte gelenkt werden kann. Dass die gleichen Personen, die an archäologischen Experimenten teilnehmen, als Living History Interpreters in Museen und Schulen auftreten, und am Rande eines Reenactments ein entsprechendes Szenario anbieten, aber auch für den eigenen Spaß am Reenactment teilnehmen, ist weit verbreitet: Das aus experimenteller Archäologie gewonnene Wissen wird in die Interpretation wie in die ReenactmentPraxis integriert. Ein Versuch, die Unterschiede zwischen den Typen in eine Übersicht zu fassen, ist die folgende Liste. Stichworte und Punkteskala können nur einen groben Überblick über die Bandbreite der Erscheinungsformen von interaktiver Geschichtsvermittlung vermitteln. Es wird aber deutlich, wie die Schwerpunkte gelagert sind. Die unterschiedlich starken Zwischenstriche verdeutlichen jeweils Abstufungen im grundlegenden Verhältnis zur historischen Faktenebene. Der Schritt zwischen Living History und Reenactment hat insofern im Schema eine andere Qualität als die Sprungstelle zum LARP, auch wenn beide zu den Rollenspielformaten gehören: Reenactments müssen in aller Regel auch in ihrer HarcoreVersion Abstriche gegenüber den historischen Teilnehmerzahlen, Wetterbedingungen etc. vornehmen, bestehen aber auf Einhaltung der Rahmendaten an Ausrüstung, Kleidung und so weiter, während LARP grundsätzlich eher der Selbst-Imagination des Individuums dient und in den meisten seiner Erscheinungsformen einen großen Fantasyanteil zulässt. Gradierungen können dabei auch innerhalb einer der nachstehenden Typisierungen von praktizierender Gruppe zu Gruppe sehr unterschiedlich ausfallen.

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Karfunkel. Zeitschrift für erlebbare Geschichte, Re-enactment und Histotainment (hg. Michael Wolf) hält sich auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt seit über 20 Jahren und mischt populär zugänglich aufbereitetes Geschichtswissen, praktische Handreichungen und Anleitungen für die Herstellung und Handhabung von historischer Kleidung etc., EventBerichte und Rezensionen. Eine Reihe anderer Blätter und Fanzines sind eingestellt worden oder zirkulieren nur noch in Web-Versionen.

134 | Geschichtstheater Schaubild: Präsentationsformen historischer Lebenswelten Experimentelle Archäologie

Living History Interpretation -------------Museumstheater

ƔƔƔ ⊗⊗⊗ xxx (∇) ƔƔ ⊗⊗ xx(x) ∇∇∇

--------------Hardcore Reenactors als Interpreters

Reenactments

Ɣ (⊗) x ∇∇∇

Historische Shows und Ɣ ⊗ Themenparks (Mittelalter-) Märkte x(x) ∇∇∇ -----------------Festaufzüge/Pageants (Ɣ) historische Stadtführer ⊗

- Erforschung historischer Praktiken durch wissenschaftlich gesicherte, maßstabsgetreue Rekonstruktion - Aneignung von Geschichte auf wissenschaftl. Basis; Vorführung mit Bildungsanspruch, interaktive Form - Medialisierung als dramatisierte ReKreation/Aufführung historischer Lebenswelt - Residual: Praktiker als Museumshelfer - integrierter Einsatz in TV-Dokumentationen und Spielfilmen - Mischung mit professionellen Rollenspielern in Filmen - Aneignung von Geschichte auf Basis populärer Wissensstände; kollektive Recreation in historischer Form - (Live Action) Rollenspiel unter relativer Annäherung an historisch belegte materielle Bedingungen - Kommerzieller Rahmen, reduzierter Authentizitäts-Anspruch

--------- -------- Kommunal- oder regionalpolitischer Rahmen, mit deutlich reduziertem Authentizitäts-Anspruch

x(x) ∇∇∇ sozialgeschichtliche TV-Experimente

Ɣ x (⊗)⊗ ∇∇∇

Live Action Role Play (Ɣ) (LARP) (⊗) (x) ∇∇∇ RetroFashion (⊗) (x) ∇∇

- Einsatz von Laien in auf der Basis populärer Wissensstände konstruierten historischen Lebenswelten; Kamerabeobachtung /kameratische Metaebene a) Rollenspiel auf Basis populärer Wissensstände, über rezipierte Geschichte hinausgehend b) Fantasy Rollenspiel Spielerische Rückgriffe mit begrenzter historischer Reflektion als Modephänomen

›Retro‹-Schluss | 135 Punkteskala: Ɣ = Wissenschaftlicher Erkenntnisansatz ⊗ = Reflektion und Dokumentation = Vermittlungsanspruch x ∇ Gradierung: ƔƔƔ ƔƔ Ɣ (Ɣ)

= Einsatz speziell ausgebildeter Fachkräfte = Entertainment-Faktor = dominant = stark = vorhanden = gelegentlich zu beobachten

Rolle, Funktion, und typologisches Formenspektrum des Geschichtstheaters sollten aus den vorhergehenden Kapiteln deutlich geworden sein. Die Verschiebung der Wirkmächtigkeit vom geschriebenen Wort zum Bild, und vom Bild zum Simulacrum hat auch die Transmissionswege historischen Wissens beeinflusst. Die Ergänzung der traditionellen Leserund Betrachterrolle durch alle Sinne ansprechende, aktivierende Interaktionsformen im Geschichtsunterricht und Museum ist auffällig. Vor diesem Hintergrund erscheinen aktive Formen der Aneignung von Geschichtswissen in theatraler Form im Reenactment oder LARP als weiter über Rezeptions- und prästrukturierte Interaktionsformate hinausgehende Auseinandersetzung mit raum-/zeitlich aufgefächerten und themenzentrierten Arrangements historischer Wissensszenarien (Gottdiener 2001: 5). Im transatlantischen Vergleich zeigt sich dabei eine kuriose Inversion der Verhältnisse: Während in USA und Canada die Museen teilweise sehr progressive, auf gesellschaftliche Resilienz und Fortschreibung des Demokratisierungsprozesses hin arbeitende Living History Interpretation-Programme initiieren, sind es in Deutschland eher einzelne Gruppen, die in diese Richtung arbeiten, während die Museen in der Mehrzahl konservativer ausgerichtet sind und auch eher mit technischem Aufwand eine Verlebendigung ihrer Ausstellungen zu erreichen suchen. Die Problematik der Finanzierung eigener Programme und sicher auch der damit verbundene Aufwand, der Mangel an brauchbaren Qualitätsnachweisen und die Verunsicherung durch den Skandal von 2008 und die Befürchtung, man könne mit den Mittelaltermärkten verwechselt werden, lässt eine weiter reichende Änderung dieser Verhältnisse auf absehbare Zeit nicht wahrscheinlich erscheinen. Gleichzeitig sind in Nordamerika deutlich höhere Prozentsätze der Reenactors als in Europa geschlossen konservativen Weltbildern verpflichtet,

136 | Geschichtstheater obwohl beiderseits des Atlantik Wurzeln der gegenwärtigen Geschichtstheaterszene in der Hippie-Bewegung nachweisbar sind. Das hindert Schulen und andere Bildungseinrichtungen dort nicht daran, sie in erheblichem Umfang in die Wissensvermittlung einzubeziehen, was allerdings wesentlich in der stärker auf Einbezug der Community angewiesene Schulstrukturen begründet ist, und nicht daran, dass man in USA die Sinnhaftigkeit der Integration von außerhalb schulischer oder universitärer Strukturen verorteten Wissens durchgehend bereits anerkannt hätte. Die Bereitschaft dazu ist allerdings vergleichsweise größer. Zgymunt Baumans Einlassung über die »cloakroom community … in which visitors to a spectacle dress for the occasion, abiding by a sartorial code distinct from those codes they follow daily« wohernach sie »to their ordinary mundane and different roles« zurückkehren (Bauman 2000: 201), greift auf jeden Fall insofern zu kurz, als sie auf der Objekt- und Verkleidungsebene stehen bleibt. Die Teilnehmenden des Geschichtstheaters sind nicht nur Besucher im Sinne passiver Rezeption, sondern Mit-Akteure in der Nachverhandlung von historischen Wissensständen. Auch wenn es nie eine ausschließlich durch Schulcurricula geprägte Geschichtsvermittlung gegeben hat, ist doch die gegenwärtige Situation mit ihren überlappenden und proliferierenden Vermittlungs- und eben auch Aneignungspraktiken ohne Präzedenz. Eine Rückkehr zu den hierarchisierten Formatvorlagen wird es nicht geben. Geschichtstheater wird absehbar sowohl in Museen wie in den visuellen Medien und erst recht in der selbstbestimmten Nachstellungsform als Live-Rollenspiel eine zentrale Rolle bei der Definition dessen spielen, was Geschichte gewesen sein wird. Die von P. Knight gestellte Frage, ob akademische Historiker Geschichtstheater ernst nehmen sollten (Knight 2000) ist insofern uneingeschränkt affirmativ zu beantworten.

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Historische Lebenswelten in populären Wissenskulturen/History in Popular Cultures Elisabeth Cheauré, Sylvia Paletschek, Nina Reusch (Hg.) Geschlecht und Geschichte in populären Medien September 2013, 316 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-8376-2373-4

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