Geschichtsschreibung und Sinngeschichte in Iran: Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft, 1933–2011 9004271279, 9789004271272

Bis heute werden die Eroberungen und die Herrschaft der Mongolen von vielen Iranerinnen und Iranern als traumatisches Er

284 38 4MB

German Pages 327 [336] Year 2014

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Geschichtsschreibung und Sinngeschichte in Iran: Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft, 1933–2011
 9004271279, 9789004271272

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
1 Einleitung
2 Theoretische Vorüberlegungen: Geschichtsschreibung und Sinnstiftung
3 Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran
4 Die Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran als Sinngeschichte – eine Analyse
Anhang
Literaturverzeichnis
English Contents
English Summary
Register der Orts- und Personennamen
Sachindex

Citation preview

Geschichtsschreibung und Sinngeschichte in Iran

Iran Studies Editorial Board Ali Gheissari (University of San Diego, CA) Yann Richard (Sorbonne Nouvelle) Christoph Werner (University of Marburg)

VOLUME 10

The titles published in this series are listed at brill.com/is

Geschichtsschreibung und Sinngeschichte in Iran Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft, 1933–2011

von

Anja Pistor-Hatam

LEIDEN | BOSTON

Cover illustration: Das Bild zeigt die Gebetsnische des Ilchan Öldscheitü in der Freitagsmoschee von Isfahan. © KiBiDaNO. Fotograf: Rüdiger Bartelmus (erstellt am 09.09.2001)

This publication has been typeset in the multilingual ‘Brill’ typeface. With over 5,100 characters covering Latin, ipa, Greek, and Cyrillic, this typeface is especially suitable for use in the humanities. For more information, please see brill.com/brill-typeface. issn 1569-7401 isbn 978 90 04 27127 2 (hardback) isbn 978 90 04 27187 6 (e-book) Copyright 2014 by Koninklijke Brill nv, Leiden, The Netherlands. Koninklijke Brill nv incorporates the imprints Brill, Brill Nijhoff, Global Oriental and Hotei Publishing. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, translated, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise, without prior written permission from the publisher. Authorization to photocopy items for internal or personal use is granted by Koninklijke Brill nv provided that the appropriate fees are paid directly to The Copyright Clearance Center, 222 Rosewood Drive, Suite 910, Danvers, ma 01923, usa. Fees are subject to change. This book is printed on acid-free paper.

Inhalt Vorwort  vii 1 Einleitung  1 1 Vorüberlegungen und Fragestellung  1 2 Chronologie der mongolischen Eroberungen und ihrer Herrschaft in Iran  9 3 Die iranischen Autorinnen und Autoren und ihre Schriften  10 2 Theoretische Vorüberlegungen: Geschichtsschreibung und Sinnstiftung  26 1 Historiographie und Sinngeschichte  26 1.1 Theorien der Geschichtsschreibung – eine Einführung  28 1.2 Kontingenz und Sinngebung: Vom Sinn der Geschichte  40 1.3 Exkurs: Über den Umgang mit vormodernen narrativen Quellen der muslimischen Geschichte  47 2 Entstehung und Entwicklung der persischsprachigen Geschichtsschreibung – ein Überblick  52 3 Nationalismus und Geschichtsschreibung  65 3.1 Nationalismus und Nationalismustheorien  66 3.2 Nationalismus und Geschichtsschreibung in Iran  75 3.3 Iranischer Nationalismus als Prozeß – eine Analyse  96 3 Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran  102 1 Gesamtschau: Die Folgen der mongolischen Eroberungen für Iran  104 2 Čengīz Ḫān (1155/56–1227) – großer Feldherr und grausamer Eroberer  134 3 Die mongolische Invasion unter Čengīz Ḫān (1219–1224) – Sieg und Niederlage  139 4 Mongolische Statthalter in Iran (1224–1256) – ein Intermezzo  157 5 Die Invasion unter Hūlāgū (1256–1258) – Schuld und Befreiung  164 6 Die Herrschaft der Ilchane von Iran (1256–1335) – Islamisierung und Iranisierung  177 6.1 „Kampf der Kulturen“  180 6.2 Ġāzān Ḫāns Bekehrung zum Islam – ein Wendepunkt?  188

vi

inhalt

7

Persische Berater und Wesire – Kämpfer für die iranische Sache?  201

4 Die Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran als Sinngeschichte – eine Analyse  209 1 Sinnkonstruktionen und Kohärenzfiktionen  209 1.1 Die „Irritation des Bruchs“  219 1.2 Kohärenzfiktionen und die Umdeutung der Geschichte  230 2 Historisches Denken im interkulturellen Vergleich: Iranische Narrative zur Mongolenzeit  237 2.1 Die Verortung iranischer Historikerinnen und Historiker in ihrem gesellschaftspolitischen Zusammenhang  243 2.2 Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung im Vergleich – Asymmetrien und Ungleichzeitigkeiten  247 Anhang  265 Literaturverzeichnis  268 English Contents  291 English Summary  293 Register der Orts- und Personennamen  321 Sachindex  325

Vorwort Befaßt man sich mit Primärquellen in Sprachen, die über andere Schriftzeichen verfügen als die lateinischen, hat man immer das Problem der Darstellung von Namen und Begriffen in Lateinschrift. Zwar gibt es eine Reihe von Möglichkeiten der Umschrift, doch ist es i. d. R. schwierig, eine Lösung zu finden, die sich konsequent durchhalten läßt. Aber wie soll man vorgehen, wenn persische Texte mongolische Namen und Begriffe enthalten? In welcher Schreibweise sind diese wiederzugeben? In der vorliegenden Untersuchung habe ich mich dafür entschieden, entgegen der allgemein üblichen Vorgehensweise auch die mongolischen Namen und Begriffe nach ihrer – von mir v­ ereinheitlichten – persischen Schreibweise in der Umschrift wiederzugeben (Čengīz Ḫān, Ǧentemūr, Ūlǧāytū). Grundsätzlich halte ich mich an den auf den Richtlinien der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft basierenden „Leitfaden zur Transkription des Neupersischen“ des Fachs Iranistik am Centrum für Nah- und Mitteloststudien der Universität Marburg mit der Vokalisierung nach der modernen neupersischen Aussprache (e/o-Vokalisierung). Namen und Begriffe, die im Deutschen üblich sind, werden überwiegend ohne Diakritika geschrieben. Im Sinne einer geschlechtergerechten Sprache zu schreiben, führt manchmal zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Lesbarkeit einzelner Sätze. Dennoch halte ich es für wichtig, auf die Anwesenheit und gestaltende Kraft von Frauen hinzuweisen. Konsequent verwende ich die weiblichen und männlichen Formen jedoch nur bezogen auf die Gegenwart bzw. die Autorinnen und Autoren der von mir untersuchten Texte. Literaturhinweise werden in Form von Kurztiteln in den Fußnoten angegeben, die ausführlichen bibliographischen Angaben finden sich im Literaturverzeichnis. Auf die „postmoderne Zitierweise“1 habe ich weitgehend verzichtet, daher sind im Literaturverzeichnis auch Titel angeführt, die zwar im Text nicht zitiert werden, aber dennoch einen Einfluß auf dessen Entstehung hatten. Einzelne Buchbeiträge werden bei erster Erwähnung vollständig, im weiteren Verlauf des Textes mit Kurztitel in Anführungszeichen zitiert. Im Falle von Persönlichkeiten, die in den persischen Texten erwähnt werden aber nicht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung stehen, wird in den Fußnoten nur auf die entsprechenden Einträge in der Encyclopædia of Islam bzw. in der Encyclopædia Iranica und die darin angeführte Literatur verwiesen. Im Anhang findet sich eine Liste derjenigen Titel der „westlichen“ und russischen

1 Siehe hierzu Eco, Umberto: „Wie man einen Ausstellungskatalog beantwortet. Anhang“, in: Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschläge, München – Wien 1993, S. 23–25.

© koninklijke brill nv, leiden, ���4 | doi ��.��63/9789004271876_��1

viii

vorwort

Sekundärliteratur, die aus den Publikationen der iranischen Autorinnen und Autoren ermittelt werden konnten. Hinsichtlich der Zeitangaben wird in dem vorliegenden Werk folgendermaßen vorgegangen: In den einführenden Kapiteln wird, wenn es um den Überblick über die iranische Geschichtsschreibung geht, unsere Zeitrechnung (v. u. Z. bzw. n. u. Z.) verwendet. Dort, wo meine Ausführungen maßgeblich oder ausschließlich auf persischen Niederschriften und Belegen basieren, werden die Daten auch nach dem iranischen Hidschra-Sonnenjahr der ausgangssprachlichen Texte angegeben. Wie jede Autorin und jeder Autor, besonders wenn sie oder er wissenschaftlich tätig ist, habe ich mich bei einer ganzen Reihe von Menschen zu bedanken, die mich bei der Arbeit an dem vorliegenden Buch begleiteten, unterstützten, mir zuarbeiteten oder das Manuskript begutachteten: In diesem Sinne schulde ich meinem Mann Dariush Hatam und meiner Freundin Sabine Fischer, meinen Kieler Kollegen und Freunden Lutz Berger und Josef Wiesehöfer sowie den Mitarbeitern am Seminar für Orientalistik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Arash Guitoo, Sebastian Elsässer und Shahriyar Sharafat meinen Dank. Houchang Chehabi (Boston) sei gedankt für seine Kommentare zum Analysekapitel. Mein Dank gilt darüber hinaus all jenen Kolleginnen und Kollegen, die sich verschiedene Vorträge zum Thema in Jerusalem, St Andrews, Marburg, Krakau, New York oder Kiel anhörten und diese entsprechend kommentierten – einiges ist in das Manuskript eingeflossen. Zudem erhielt ich einige wertvolle Hinweise von den mir unbekannten Gutachtern des Verlags. Thanks also to the Brill Ladies! Selbstverständlich liegt die vorliegende Publikation ganz allein in meiner Verantwortung.

1. kapitel

Einleitung 1

Vorüberlegungen und Fragestellung

Den Anstoß zu meiner Beschäftigung mit der modernen iranischen Historiographie zur mongolischen Eroberung und Herrschaft im 13. und 14. Jahrhundert, deren Resultat hier vorliegt, gaben zwei iranische Autoren. In seiner Schrift Dar ḫedmat va ḫiyānat-e roušanfekrān („Über den Dienst und den Verrat der Intellektuellen“) wirft der bekannte Intellektuelle der 1960er Jahre, Ǧalāl Āl-e Aḥmad (1923–69), die Frage auf, ob es nicht allmählich Zeit sei, die mongolische Invasion in Iran neu zu bewerten. Weshalb sollten die Iraner 800 Jahre danach dieses Ereignis immer noch betrauern und die Mongolen weiterhin für jedwede Form der Zerstörung und des Niedergangs in ihrem Land verantwortlich machen?1 Einige Zeit später weckte eine Stellungnahme des iranischstämmigen US-amerikanischen Herausgebers Ahmad Jabbari mein Interesse, die dieser am 27. Mai 2003 im elektronischen Nachrichtenforum adabiyat2 veröffentlichte. Anlaß für seine Äußerung war die Ausstellung „The Legacy of Genghis Khan. Courtly Art and Culture in Western Asia, 1256–1353“, die zwischen November 2002 und Juli 2003 sowohl im Los Angeles County Museum of Art als auch im Metropolitan Museum in New York gezeigt wurde. Kuratiert wurde die Ausstellung von Linda Komaroff (Los Angeles) und Stefano Carboni (New York), die auch den Katalog herausgaben.3 Laut Jabbari starben an die drei Millionen Menschen durch die mongolische Invasion und einem damit verbundenen Genozid, der nur mit der Vernichtung der Juden und Armenier im 20. Jahrhundert vergleichbar sei. Da Čengīz Ḫāns Überfall jegliche Produktion für einen Zeitraum von etwa 30 Jahren unterbrochen habe und die Kunst, die im Anschluß an den Einmarsch der Mongolen entstand, ausschließlich dem iranischen Phönix zu verdanken sei, der sich erneut aus der Asche erhoben habe, sei der Titel der Ausstellung vollkommen unangemessen und zutiefst beunruhigend. Um den Unmut der iranischen Gemeinschaft 1 Āl-e Aḥmad, Ǧalāl: Dar ḫedmat va ḫiyānat-e roušanfekrān, Teheran 1372hš/1993 (zuerst erschienen Teheran 1343–47hš/1964–68); zit. n. Āl-e Aḥmad: Adab va honar, Bd. 1, S. 80–81. Zu Āl-e Aḥmad (1923–69) cf. Clinton: „Āl-e Aḥmad, Jalāl“ sowie u. a. Pistor-Hatam: „Writing Back?” 2 Inzwischen ist der Text nur noch unter http://www.payvand.com/news/03/jun/1074.html zu finden. 3 Komaroff&Carboni: Legacy. © koninklijke brill nv, leiden, ���4 | doi ��.��63/9789004271876_��2

2

1. kapitel

[in den USA?] zu verstehen, solle man nur einmal die auf Hitlers Greueltaten folgende jüdische Kunst als „Hitlers Vermächtnis“ bezeichnen.4 Die Frage, in welchem Verhältnis die Menschen im modernen Nationalstaat Iran zu den mongolischen Invasionen und der Herrschaft der Ilchane (1256– 1335) stehen und inwiefern diese historische Epoche für sie überhaupt von Bedeutung ist, scheint mir besonders unter zwei Gesichtspunkten interessant zu sein: Erstens handelt es sich bei der mongolischen Ära in Westasien um einen wesentlichen Einschnitt in der islamischen Geschichte und um einen bedeutenden Zeitraum für die Geschichte „Irans“.5 Zum ersten Mal seit den arabisch-muslimischen Eroberungen des siebten Jahrhunderts wurden weite Teile muslimischer Gebiete von „Ungläubigen“ erobert und auch gehalten. In der Folge ergab sich eine Teilung in einen persischgeprägten östlichen Teil der damaligen islamischen Welt, von Anatolien über die iranische Hochebene und Zentralasien bis nach Indien, und einen arabischsprachigen Westteil, deren beider Grenze vom Euphrat markiert wurde. Wie zuerst Dorothea Krawulsky6 und dann vor allem Bert Fragner gezeigt hat, entstand „Iran“ als politische Vorstellung in islamischer Zeit erst durch die dortige Mongolenherrschaft. Deren Vertreter beriefen sich auf die vorislamischen Sasaniden (224–651), welche den politischen Begriff „Iran“ eingeführt hatten, um sich wiederum als Erben ihrer Vorgänger zu präsentieren.7 Laut Fragner ist die Mongolenzeit „die große Zeit der Persophonie“, während derer das Persische im Osten der islamischen Welt zur wahrscheinlich wichtigsten „interkontinentalen Kontaktsprache“, ja sogar zu einer „innerasiatischen Weltsprache“ wurde.8 Es ist daher festzuhalten, daß die „Geschicke des Landes Iran [. . .] kontinu4 Vor allem in den USA war die Empörung unter Exiliranerinnen und -iranern offenbar so groß, daß zum Boykott der Ausstellung aufgerufen wurde. 5 Immer dann, wenn der Begriff „Iran“ territorial und/oder politisch nicht klar zu definieren ist, setze ich ihn in Anführungszeichen. 6 Krawulsky: Mongolen, S. 11–17 und vor allem das Kapitel „Zur Wiederbelebung des Begriffes ‚Irân‘ zur Ilkhânzeit“, S. 113–30. 7 Fragner: „Historische Wurzeln“, hier vor allem S. 89. Zudem konnte Hūlāgū, da er kein Sohn, sondern nur ein Enkel von Čengīz Ḫān war, dem von ihm beherrschten Gebiet (ūlūs) nicht seinen eigenen Namen geben. Fragner: „Iran under Ilkhanid Rule“, S. 127. Fragner spricht davon, daß sich die Sasaniden als Erben der Achaimeniden (reg. 558–330 v. u. Z.) ansahen, doch kannten die Sasaniden die Achaimeniden gar nicht. Diesen Hinweis verdanke ich Josef Wiesehöfer (Kiel). 8 Fragner: Persophonie, S. 78–81. „Persophonie“ stellt eine Übersetzung des persischen qalamrou-e zabān-e fārsī dar, das sowohl einen sprachlichen Zustand als auch die sich im Laufe der Zeit verändernde geographische Ausdehnung dieses Zustands bezeichnen soll. Ibid. S. 2. Diskutiert werden einige von Fragners Thesen im zweiten Kapitel, S. 94–96.

Einleitung

3

ierlich bis in die Gegenwart auf einer territorialen Identität [beruhen], die unmittelbar auf das Konzept des mongolischen Il-Chan Reiches zurückgeführt werden kann.“9 Zweitens bedeuteten die mongolischen Invasionen für die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten häufig Krieg, Zerstörung, Hunger, Krankheit, Vertreibung, Verschleppung und – in den muslimischen Regionen – das vorläufige Ende der Vorherrschaft des Islams. Kann das durch diese Erfahrungen hervorgerufene „Trauma“,10 als welches die Folgen des „Mongolensturms“ sowohl von muslimischen als auch von „westlichen“ Autorinnen und Autoren vielfach beschrieben werden, auch nachfolgende Generationen bis in unsere Tage tatsächlich so stark geprägt haben, daß seine Folgen bis heute spürbar sind? Oder muß man nicht vielmehr vermuten, daß dieses „Trauma“ Teil eines Metanarrativs der modernen Geschichtsschreibung ist? Zudem ist es m. E. in Zusammenhang mit der wiederholten öffentlichen Leugnung des Holocaust11 durch den ehemaligen iranischen Präsidenten Maḥmūd Aḥmadīnežād (reg. 2005–13) von Bedeutung, wenn die Kriegsführung der Mongolen – sowohl von iranischen als auch von „westlichen“ Autorinnen und Autoren – mit dem Genozid an den Armeniern oder dem Massenmord an den Jüdinnen und Juden Europas verglichen wurde und wird. Um herauszufinden, welchen Stellenwert die mongolischen Invasionen und die Herrschaft der Mongolen in Iran im modernen iranischen Nationalstaat des 20. Jahrhunderts haben, kommen in erster Linie Texte in Frage, die sich ausdrücklich mit diesem Thema und seiner Bewertung befassen. Hierbei handelt es sich um historische Erzählungen, die vor allem, aber nicht nur, dem 9 10

11

Fragner: „Mongolen“, S. 114. Nach Alexander ereignen sich kollektive Traumata, wenn die Mitglieder einer Gemeinschaft sich als Opfer eines fürchterlichen Geschehens empfinden, welches ihre Erinnerungen für immer prägt und ihre zukünftige Identität maßgeblich und unwiederbringlich verändert. Alexander: „Theory“, S. 1. Gleichzeitig weist der Verfasser darauf hin, daß derartige Traumata nicht etwa natürlicherweise entstehen, sondern von Gesellschaften konstruiert werden. Ibid., S. 2. Siehe hierzu auch unten viertes Kapitel, S. 212–14. Der Begriff „Holocaust“ leitet sich ab von griech. holocaustoma für hebr. ola, zu deutsch „Brandopfer“ nach Martin Luthers Bibelübersetzung. Zum ersten Mal wurde der Begriff im Italienischen (olocausto) für den Mord an Juden in der Toscana 1799 verwendet. In der englischen Berichterstattung über den NS-Völkermord wurde holocaust bereits 1942 benutzt. Einen ersten Eintrag in die Encyclopædia Britannica erfuhr der Terminus allerdings erst in der 15. Auflage von 1974. Seit 1958 läßt sich der Begriff im Französischen als Synonym für den Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden nachweisen. Wyrwa: „ ‚Holocaust‘ “. In Deutschland verbreitete sich „Holocaust“ als Bezeichnung für diesen Massenmord wohl erst mit der gleichnamigen amerikanischen Serie von 1979.

4

1. kapitel

Geschichtsunterricht an Schulen und Hochschulen Irans als Lehrbücher dienten und dienen. Erst während der Regierungszeit von Reżā Šāh Pahlavī (reg. 1925–41) wurde damit begonnen, die Geschichte Irans „von den Anfängen bis in die Gegenwart“ im Sinne einer nationalen und nationalistischen Historiographie zu schreiben. Der zuvor vernachlässigten Mongolenzeit mußte nun ebenfalls Aufmerksamkeit gewidmet und sie mußte in die Nationalgeschichte Irans integriert werden. So entstand ein erster Überblick über diese Epoche, der im Jahre 1933 erschien und auf den unter Moḥammad Reżā Šāh Pahlavī (reg. 1941–1979) und vor allem seit der Etablierung der Islamischen Republik Iran im Jahre 1979 zahlreiche weitere Publikationen folgen sollten. Diese Texte, welche die Grundlage der vorliegenden Untersuchung bilden, und ihre Autorinnen und Autoren werden weiter unten vorgestellt. Als Abhandlungen zur Geschichte, Sprache und Literatur Irans, die in Universitäten gelehrt werden und auch Eingang in den Schulunterricht finden, hatten und haben diese Monographien und Artikel einen großen Einfluß auf das Geschichtsbild, welches Generationen von Iranerinnen und Iranern geprägt hat und auch weiterhin prägt.12 Zudem beziehen sich die Autorinnen und Autoren nachfolgender Werke in hohem Maße auf ihre Vorgängerinnen und Vorgänger, so daß deren Einfluß – neben demjenigen russischer, westeuropäischer und US-amerikanischer Historikerinnen und Historiker – klar erkennbar ist. Bei der Analyse der persischen historiographischen Texte steht nicht im Vordergrund, diese mit wissenschaftlicher Literatur, die außerhalb Irans entstanden ist, zu vergleichen oder sie gar zu dekonstruieren. Im Sinne der hermeneutischen Regel von Rüsen soll es stattdessen darum gehen, die Autorinnen und Autoren vor dem Horizont ihres Selbstverständnisses zu erkennen und sie nicht mit einem Maßstab zu messen, der ihnen fremd ist.13 Dazu muß allerdings der Versuch unternommen werden, das Selbstverständnis der iranischen Autorinnen und Autoren zutage zu fördern und herauszufinden, welche Maßstäbe ihnen möglicherweise fremd sind. Dies wiederum kann nur gelingen, indem die intellektuellen Verbindungen aufgezeigt werden, die unter diesen Autorinnen und Autoren bestehen, und zwar sowohl in einem diachronen, also aufeinander folgenden, als auch in einem synchronen, d. h. in einem Verhältnis der Gleichzeitigkeit. Zudem ist der Hinweis auf diejenigen Einflüsse notwendig, die nicht-iranische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit 12

13

In seiner Untersuchung von historischen Texten des frühen 20. Jahrhunderts kommt Vejdani zu dem Ergebnis, daß die meisten ihrer Verfasserinnen und Verfasser im Schuldienst arbeiteten und Lehrbücher für Schulen und Hochschulen verfaßten. Vejdani: Purveyors. Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 265. Nach Gadamer stellt der Horizont den jeweiligen Rahmen von Vorurteilen des/der Interpret/in dar. Lorenz: Konstruktion, S. 150–51.

Einleitung

5

ihren Schriften auf das Denken und Arbeiten ihrer iranischen Kolleginnen und Kollegen hatten. Da die iranische Historiographie in der Welt ist und das Selbstverständnis, das Denken und Handeln von Iranerinnen und Iranern in Iran und auch außerhalb beeinflußt (hat), ist es notwendig, den Sinn zu erkennen, den ihre Erzählungen der Mongolenzeit verleihen. Daher lautet die zentrale Frage dieser Untersuchung in Anlehnung an Assmanns Sinngeschichte, wie die Geschichte der mongolischen Herrschaft in Iran sich in der modernen iranischen Historiographie entfaltet und welche eigene Semantik und kulturelle Form sie dabei entwickelt.14 Fernerhin stehen die Kohärenzfiktionen im Mittelpunkt, mit deren Hilfe diese Epoche der iranischen Geschichte erzählt wird. Nicht die realen Fakten sind hier von zentraler Wichtigkeit, sondern der Sinn, den die iranischen Autorinnen und Autoren diesen Fakten beimessen.15 „Geschichte“, so Assmann, „ist nicht nur das, was einer Gruppe, einem Volk, einer Kultur objektiv ‚widerfährt‘, sondern auch das, was sie im Rahmen ihrer eigenen Zielsetzungen und Sinnkonstruktionen einerseits handelnd anstrebt und andererseits erinnernd festhält.“16 Im Rahmen einer solchen Analyse, wie aller wissenschaftlichen Untersuchungen, ist die von Paul Ricœur geforderte kritische Distanz einzunehmen, die bestimmt ist von der eigenen Zugehörigkeit zu einer Nation oder Gesellschaft, von kulturellen wie gesellschaftspolitischen Prägungen, Traditionen des wissenschaftlichen Arbeitens und den erkenntnistheoretischen Paradigmata der Zeit, in der wir leben und arbeiten. Seine relative Unabhängigkeit entwickelt das reflexive Bewußtsein aus der Distanzierung ( factor of distanciation) – verstanden als ein aktives Einnehmen von Distanz –, welche die kritische Abhandlung erst ermöglicht. Als historisches Subjekt, so Ricœur, verstehe er sich selbst ausschließlich unter dieser Bedingung der Distanzierung: This process is easy to understand when the mediation between past events and ourselves is secured by texts, and other documents and monuments which have the same objectifying function as writing. [. . .] distanciation, as the dialectical counterpart of participation, is the condition of the possibility of a critique of ideologies, not without, but within hermeneutics.17 14 15 16 17

Assmann: Ägypten, S. 26. Vgl. ibid., S. 19. Ibid., S. 31. Ricœur: „Concept of Ideology“, S. 58–59.

6

1. kapitel

Ergänzen könnte man diese Forderung nach bewußter Distanzierung noch durch Homi Bhabhas Appell, stets ironische Distanz gegenüber den sinnstiftenden symbolischen Fiktionen wie Nation oder anderen Formen von Gemeinschaft – und sicherlich auch der Geschichtsschreibung – einzunehmen.18 Diese ironische Distanz, welcher die Selbst- bzw. Standpunktreflexion19 als Gebot des historisch-kritischen Arbeitens vorausgeht, sollte sich m. E. jedoch auf die eigene Herkunft und Verortung beziehen, während es im Interesse der Sinngeschichte notwendig ist, die Narrative und die sich daraus ergebenden Selbst- und Fremdbilder „der anderen“, sprich die an anderem Ort, zu möglicherweise anderer Zeit und unter anderen Bedingungen zustandegekommenen Schriften, nachzuzeichnen, in ihren historischen und gesellschaftspolitischen Gesamtzusammenhang einzuordnen und nach ihrem Sinn zu fragen. Nicht zuletzt ergibt sich dadurch auch die Distanz zur eigenen Gesellschaft: „Wenn es uns gelingt, fremde Gesellschaften besser zu kennen, so verschaffen wir uns wenigstens die Mittel, uns von der unseren zu lösen, nicht weil diese als einzige absolut schlecht wäre, sondern weil sie die einzige ist, zu der wir Distanz gewinnen müssen.“20 Die Distanz zu den „fremden Gesellschaften“ ergibt sich bereits dadurch, daß man sich die dort gesprochenen und geschriebenen Sprachen aneignen und deren eigene Begrifflichkeiten verstehen muß. Da die von mir untersuchten historischen Erzählungen in persischer Sprache verfaßt wurden, ist die Übertragung der in ihnen verwendeten Wörter und Begriffe bereits eine Interpretation meinerseits. Um auf diesen Umstand hinzuweisen und den des Persischen kundigen Leserinnen und Lesern zu ermöglichen, meine Übertragungen ins Deutsche nachzuvollziehen, gebe ich die wichtigsten persischen Textstellen und Begriffe in Umschrift wieder. An Untersuchungen zu persischsprachiger Geschichtsschreibung sind folgende Titel zu nennen: als erstes die bahnbrechende Arbeit von Julie Scott Meisami, welche sich in Form einer Monographie mit persischer Historiographie bis zum Ende des 12. Jahrhunderts befaßt.21 Ausgesprochen wichtig ist zudem die Monographie von Marilyn Robinson Waldman, die anhand der vormodernen persisch-muslimischen Historiographie ­wesentliche theoretische

18 19 20 21

Bronfen: „Vorwort“, S. xiii. Siehe hierzu Lorenz: Konstruktion, Kapitel „XIV. Objektivität, Subjektivität und die Rolle von Werten“, besonders S. 370 und 418. Lévi-Strauss: Traurige Tropen, S. 388. Scott Meisami: Persian Historiography.

Einleitung

7

Überlegungen zur historischen Erzählung bietet.22 Als weitere Publikationen zur persischen Geschichtsschreibung sind ein Beitrag von Allin Luther23 zu nennen, der sich mit derselben Periode befaßt, sowie die Habilitationsschrift von Stephan Conermann, welche die indo-persische Geschichtsschreibung der Mogulzeit (1118–1707) in den Blick nimmt.24 Einige wenige Artikel sind bisher zur modernen iranischen Historiographie erschienen, darunter die Beiträge von Ali Gheissari, der die Geschichtsschreibung einiger bedeutender Historiker des 20. Jahrhunderts untersucht, deren Interesse vor allem der Kadscharenzeit (1779–1925) galt (erschienen 1995);25 von Abbas Amanat, der nach dem Studium der Geschichte in Iran nach 1979 fragt (erschienen 1989);26 und von Mangol Bayat-Philipp, die sich kurz vor der Revolution von 1978/79 mit dem Konzept der historischen Kontinuität in Iran befaßt (erschienen 1978).27 Zur persischsprachigen Historiographie im modernen Iran liegt als Monographie bisher nur die 2009 eingereichte und bisher noch nicht erschienene Dissertation von Farzin Vejdani über die Zeit von 1900 bis 1941 vor, die die ausgehende Kadscharenzeit bis zur Absetzung von Reżā Šāh Pahlavī umfaßt und sich somit bis auf wenige Jahre der Zeit vor derjenigen Periode widmet, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht.28 Eine detaillierte Analyse iranischer Geschichtsbücher für den Schulunterricht, die Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre erschienen, bietet Haggay Ram in seinem Artikel „The Immemorial Iranian Nation? School Textbooks and Historical Memory in Post-Revolutionary Iran“.29 Zwei kürzlich erschienene Publikationen befassen sich ebenfalls ganz oder doch zumindest teilweise mit Geschichtsschreibung in Iran: Der von Abbas Amanat und Farzin Vejdani herausgegebene Band Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective (New York 2012) und der überaus hilfreiche, von Charles Melville herausgegebene Sammelband Persian Historiography (London – New York 2012). Ein von Ali Ansari herausgegebener weiterer Sammelband zur Geschichtsschreibung, Perceptions of Iran. History, Myths and Nationalism from Medieval Persia to the Islamic Republic, ist Ende 2013 erschienen. 22 23 24 25 26 27 28 29

Waldman: Historical Narrative. Luther: „Islamic Rhetoric“. Conermann: Historiographie. Gheissari: „Truth and Method “. Amanat: „Study of History“. Bayat-Philipp: „Phoenix“. Vejdani: Purveyors. Farzin Vejdani (Tucson/Arizona) war so freundlich, mir eine PDF-Datei seiner Dissertation zur Verfügung zu stellen. Ram: „Immemorial Iranian Nation“.

8

1. kapitel

Vor dem Hintergrund dieser Untersuchungen soll die vorliegende Studie einen Beitrag dazu leisten, die Geschichtsschreibung im modernen Iran aufzuarbeiten, wobei sie sich zumindest teilweise auf die genannten Vorarbeiten stützt.30 Insofern stellt die Erforschung der Erzählungen über die Mongolenzeit31 ein Fallbeispiel dar, das möglicherweise über das eigentliche Thema hinaus auch auf grundsätzliche Fragen und Bedingungen der modernen iranischen Geschichtsschreibung verweisen kann. Nationalgeschichtsschreibung ist selbstverständlich nicht auf Iran beschränkt, ebensowenig wie der Umstand, daß nationalistische Vorannahmen die Geschichtsschreibung ebenso prägen wie die gesellschaftspolitischen Bedingungen, unter denen sie entsteht. Auch die Umdeutung von Geschichte findet in den unterschiedlichsten Staaten der Welt ebenso wie unter Völkern statt, die dem Nationalismus anhängen, ohne in einem eigenen Nationalstaat zu leben.32 In Zusammenhang mit der mongolischen Herrschaft wären vergleichende Studien, die sich der Sinngebung der mongolischen Periode in den historischen Erzählungen heutiger Nationalstaaten von China bis Polen widmen würden, ausgesprochen wünschenswert.33 Im folgenden sollen die iranischen Autorinnen und Autoren, deren Publikationen Grundlage der vorliegenden Untersuchung sind, kurz vorge30

31 32

33

Zur Geschichtsschreibung in Iran siehe die Beiträge „Historiography“ in EIr online. In der Einleitung schreibt Daniel, die Untersuchung der Geschichtsschreibung in Iran sei noch weitgehend unterentwickelt und bibliographische Hinweise zur Geschichtsschreibung in kadscharischer Zeit (1779–1925), unter den Pahlavī-Schahs oder in der Islamischen Republik gebe es nicht. Daniel, E.: „Historiography i. Introduction“, in: EIr online 2010. Überblicksartige Beiträge zur persischsprachigen Historiographie verschiedener Epochen, darunter zur Mongolenzeit (Charles Melville), zur Kadscharenzeit (Abbas Amanat) und zur Herrschaftszeit von Reżā Šāh Pahlavī (Abbas Amanat) sind inzwischen von der EIr publiziert worden. „Second, much remains to be done on perceptions of the nomadic and ‚barbarian‘ Mongols by sedentary and ‚civilised‘ outsiders.“ Jackson: „State of Research“, S. 210. Zur Entstehung von Geschichtsschreibung unter den Bedingungen der Herausbildung moderner Nationalstaaten im Vorderen Orient cf. u. a. Gorman: Historians zu Ägypten und Freitag: Geschichtsschreibung zu Syrien. Zu arabischen Geschichtsmythen cf. Sivan: Mythes, vor allem das Kapitel zu den Kreuzzügen und Sivan: „Symbols“, wo es um die Nation als „ewige Einheit auf unantastbarem Gebiet“ geht. So spielt das mongolische oder tatarische „Joch“ z. B. auch in russischen historischen Narrativen eine Rolle. In Hinblick auf China und Rußland sei an dieser Stelle verwiesen auf Halperin: Russia, Dardess: „Did the Mongols Matter?“, Mote: „A Note on Traditional Sources“ sowie Fragner: „Die Mongolen und ihr Imperium“. Arbeiten, die sich der Sinngeschichte in der modernen chinesischen oder russischen Geschichtsschreibung zu den Mongolen widmen, sind mir nicht bekannt.

9

Einleitung

stellt werden. Mit einer Einführung in Historiographie und Sinngeschichte steckt das zweite Kapitel den theoretischen Rahmen ab, innerhalb dessen ich mich mit meiner Untersuchung bewege – und zwar sowohl in Hinblick auf die eigenen Vorannahmen und die damit verbundene Standortreflexion als auch in Hinblick auf die von mir herangezogenen Theorien. Angesichts der Tatsache, daß die genannten Autorinnen und Autoren ebenfalls von Vorannahmen geprägt sind und in einem sich wandelnden Rahmen nationalistischer Diskurse und historiographischer Traditionen schrieben und schreiben, wird zudem ein Überblick sowohl über die Entstehung der persischsprachigen Geschichtsschreibung als auch über ihre Verquickung mit dem seit dem späten 19. Jahrhundert entstandenen iranischen Nationalismus gegeben. Im dritten Kapitel „Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran (1219–1335)“ sind die Narrative der iranischen Autorinnen und Autoren als paraphrasierte Nacherzählung in verschiedenen Themenblöcken zusammengefaßt, die nach meinem Dafürhalten für das Verständnis der Sinngeschichte von besonderer Bedeutung sind. Im vierten Kapitel erfolgt schließlich die Analyse dieser Narrative innerhalb des in den theoretischen Vorüberlegungen gesetzten analytischen Rahmens. 2

Chronologie der mongolischen Eroberungen und ihrer Herrschaft in Iran

Datum 1219–24

Ereignis I. Phase: Die erste mongolische Invasion unter Čengīz Ḫān

1206

Temūčīn (später Čengīz Ḫān) einigt die mongolischen Stämme und wird Herrscher aller Mongolen Dynastie der Charesmschahs in Iran Regierungszeit des Charesmschahs ʿAlāʼ od-Dīn Moḥammad ca. 450 mongolische Kaufleute in Otrār von Statthalter Ġāyer Ḫān getötet Mongolen unter Čengīz Ḫān erobern Transoxanien, Charesm, Māzandarān, Azerbaidschan, Armenien, Kaukasus Krieg der Mongolen gegen Ǧalāl od-Dīn Menkobernī Rückkehr Čengīz Ḫāns in die Mongolei Tod des Čengīz Ḫān; Aufteilung des Reiches unter seinen vier Söhnen

1157–1220 1200–1220 1218 1219–24 1220–31 1224 1227

10

1. kapitel

1224–56

II. Phase: Mongolische Statthalter in Iran

1232–35 1235–39 1239–43 1243–58

Statthalterschaft des Ǧentemūr Statthalterschaft des Nosal Statthalterschaft des Gorgūz Statthalterschaft des Amīr Arġūn

1256–58

III. Phase: Die mongolische Invasion unter Hūlāgū

1254

Hūlāgū (st. 1265), Bruder des Großkhans Mangū und Enkel Čengīz Ḫāns, verläßt mit seinen Truppen die Mongolei; Aufgaben: a) Zerschlagung der Ismailiten in Iran; b) Unterwerfung des abbasidischen Kalifen Hūlāgūs Herrschaft in Iran Eroberung Bagdads durch die Mongolen unter Hūlāgū; der letzte abbasidische Kalif al-Muʿtaṣim (1242–58) wird getötet

1256–65 1258 1258–1335

IV. Phase: Das Reich der Ilchane von Iran

1260

Niederlage der Ilchane gegen die Mamluken (1256–1516) von Ägypten und Syrien bei ʿAin Ǧālūt in Palästina Regierungszeit des Abāqā Regierungszeit des Aḥmad Tegūdār Regierungszeit des Arġūn Regierungszeit des Geiḫātū Regierungszeit des Ġāzān Ḫān (Maḥmūd) Regierungszeit des Ūlǧāytū (Moḥammad Ḫodābande) Regierungszeit des Abū Saʿīd

1265–82 1282–84 1284–91 1291–95 1295–1304 1304–16 1316–35 3

Die iranischen Autorinnen und Autoren und ihre Schriften

Von den mir bekannten und zugänglichen Monographien und Artikeln oder Buchbeiträgen zur Mongolenzeit34 wurden all diejenigen für diese

34

Nicht nur in quellenkritischer Hinsicht, sondern auch in Hinblick auf einen interkulturellen Vergleich des historischen Denkens sind die Darlegung der Quellen und die Informationen über ihre Verfasserinnen und Verfasser notwendig. Zur Diskussion des interkulturellen Vergleichs des historischen Denkens siehe unten S. 34–39.

Einleitung

11

Untersuchung herangezogen, deren Inhalt für die zugrundeliegende Fragestellung tatsächlich relevant ist, die also, selbst wenn sie sich z. B. überwiegend mit schöner Literatur befassen, dennoch allgemeine Aussagen zu den historischen Ereignissen treffen, die sich im 13. und 14. Jahrhundert ereigneten. Wesentliche und besonders aussagekräftige Werke wurden daher ausführlicher zitiert und stärker zur Grundlage der Erzählung von den Eroberungen der Mongolen und ihrer Herrschaft herangezogen als solche, die nur einzelne Aspekte bestimmter Themen behandeln. An dieser Stelle soll zudem darauf hingewiesen werden, daß ich den Begriff „Geschichtsschreibung“ im Rahmen dieser Untersuchung sehr weit fasse. Bei den Autorinnen und Autoren der von mir analysierten Schriften handelt es sich in der Mehrzahl nicht um methodisch geschulte Historikerinnen und Historiker, sondern um Vertreterinnen und Vertreter anderer Fächer wie z. B. der persischen Literaturwissenschaft oder Absolventen theologischer Hochschulen.35 Ihre Texte verfaßten diese Autorinnen und Autoren, wie bereits erwähnt, überwiegend für die Lehre an Schulen und Hochschulen. „Geschichtsschreibung“ bezeichnet daher historiographische Texte im weitesten Sinne, unabhängig von der Profession ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser. Zeitlich begrenzt wird das hier bearbeitete Material einerseits durch den Beginn der modernen iranischen Geschichtsschreibung unter Reżā Šāh Pahlavī, unter dessen Ägide es vor allem darum ging, Irans „nationale Identität“ historisch zu dokumentieren.36 Bald nachdem drei der Begründer der modernen iranischen Geschichtsschreibung, ʿAbbās Eqbāl,37 Ḥasan Pīrniyā38 und Seyyed Ḥasan Taqīzāde,39 1928 in Paris vereinbart hatten, eine vollständige Geschichte Irans zu schreiben, veranlaßte ein Komitee im Teheraner Erziehungsministerium die Niederschrift und Veröffentlichung historischer Texte, zu denen auch ein Überblick über die Geschichte Irans seit den

35 36 37 38

39

Zur Ausbildung der einzelnen Autorinnen und Autoren siehe unten S. 243–47. Amanat: „Historiography ix. Pahlavi Period“. Cf. auch Andisheh: ʿAbbas Iqbal, S. 124. Zu seiner Person siehe unten S. 13–15. Zu seiner Person, vor allem seinem Beitrag zur Geschichtsschreibung, cf. Atabaki: „Agency“, S. 73–75 und Azimi: „Historiography“, S. 370–77. Siehe außerdem Vejdani: Purveyors, S. 333–42. Zu Taqīzāde (1878–1970), dem politischen Aktivisten, Zeitschriftenherausgeber, Parlamentsabgeordneten, UNO-Botschafter und Professor an der Universität Teheran cf. Epkenhans: Iranische Moderne, besonders S. 34–39 sowie Milani: Eminent Persians, Bd. 1, S. 321–26, Vejdani: Purveyors, S. 343–48 und Katouzian: „Seyyed Hasan Taqizadeh“. Dafür, daß er mein Augenmerks auf den letzten, erst 2012 erschienenen Artikel richtete, danke ich Houchang Chehabi (Boston).

12

1. kapitel

Achaimeniden (558–330 v. u. Z.)40 gehörte, und lud führende Wissenschaftler des Landes dazu ein, die iranische (National)Geschichte zu schreiben, die vor allem in Schulbücher eingehen sollte. Unter den illustren Autoren fanden sich auch Eqbāl und Pīrniyā,41 die tatsächlich jeweils einen Abschnitt davon verfaßten: Pīrniyā beschrieb die vorislamische Geschichte Irans, Eqbāl befaßte sich mit der Zeit von den Mongolen bis zu den Kadscharen. Nur Taqīzāde blieb seinen Anteil, den Zeitraum von der muslimischen bis zur mongolischen Eroberung Irans, schuldig.42 Als erstes Buch über die Mongolen, welches sich in dieses Geschichtsprojekt einreihen läßt, erschien 1312hš/1933 in zwei Bänden die von ʿAbbās Eqbāl verfaßte „Umfassende Geschichte Irans von der mongolischen Eroberung bis zur Verkündung der Verfassung” (Tārīḫ-e mofaṣṣal-e Īrān az estīlā-ye moġūl tā eʿlān-e mašrūṭīyat),43 die damit den Anfang der hier berücksichtigten Texte bildet. Den Endpunkt markiert andererseits als jüngste mir bekannte Publikation Saǧǧād Dādfars Schrift Ḥamle-ye moġūl be-Īrān („Der Angriff der Mongolen auf Iran“), dessen erste Auflage 1388hš/2009 und dessen zweite Auflage 1390hš/2011 in Teheran erschienen. Im folgenden sollen die Autorinnen und Autoren kurz vorgestellt werden, deren Texte in die vorliegende Untersuchung einbezogen wurden.44 Einige von ihnen, wie der bereits erwähnte ʿAbbās Eqbāl, sind bekannte Persönlichkeiten auf dem Gebiet der iranischen Geschichtsschreibung, der Literatur- und anderer Geisteswissenschaften, über die meisten finden sich im Internet entweder auf den Startseiten ihrer Universitäten oder bei Wikipedia (persisch) Hinweise zu ihrer Biographie, über einige wenige konnten jedoch keinerlei Informationen eingeholt werden.45 Daher fallen die Angaben zu den einzelnen Personen und ihren Werken hinsichtlich ihres jeweiligen Umfangs unterschiedlich aus. Die Autorinnen und Autoren werden in chronologischer Folge nach Geburtsjahr aufgeführt, da sich dies einerseits anbietet, andererseits auf 40 41 42

43

44 45

Cf. Schmitt: „Achaemenid Dynasty“. Andisheh: ‘Abbas Iqbal, S. 124. Ibid., S. 139 und Vejdani: Purveyors, S. 310–11, S. 330–32. Ansari zufolge eignete sich Pīrniyā das „westliche“ Narrativ iranischer Geschichte auf Kosten von Irans mythologischer und sagenhafter Geschichte an. Ansari: Politics of Nationalism, S. 103. Dieses Werk wurde zusammen mit einem Band zur vorislamischen Geschichte 1967 mit geringfügig geändertem Titel erneut herausgegeben. Cf. im Literaturverzeichnis Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal. Eine Bewertung der Texte findet an dieser Stelle nicht statt, sondern ist im vierten Kapitel nachzulesen. An dieser Stelle möchte ich Arash Guitoo (Kiel) ganz herzlich danken, der die persischsprachigen Seiten im Internet nach den Namen der von mir genannten Autorinnen und Autoren durchforstete und dabei häufig erfolgreich war.

Einleitung

13

diese Weise erneut darauf hingewiesen wird, wie stark die Rückbezüge jüngerer Veröffentlichungen auf ältere Publikationen sind. Ob sich die Verfasserinnen und Verfasser neuerer Texte mit den älteren Schriften kritisch auseinandersetzen oder schlicht auf diese verweisen, stützen sie ihre eigenen Arbeiten und deren Ergebnisse doch immer auf bereits Vorhandenes und sehen sich ganz offensichtlich in eine Tradition der Geschichtsschreibung eingebunden. Dieser Überblick über den Werdegang der Verfasserinnen und Verfasser historiographischer Texte zur Mongolenzeit ist einerseits in Hinblick auf quellenkritische Überlegungen notwendig. Andererseits müssen im Sinne der Vergleichbarkeit kultureller Praktiken von Geschichtsschreibung diese explizit angesprochen, d. h. die jeweiligen individuellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen historischer Forschung und Erzählung aufgedeckt werden.46 ʿAbbās Eqbāl (Āštiyānī) (1276hš/1897–1334hš/1956) gilt als großer Gelehrter und als einer der Pioniere moderner historischer und literaturwissenschaftlicher Forschung im Iran des 20. Jahrhunderts. Er erhielt seine höhere Bildung am 1851 gegründeten Teheraner Polytechnikum Dār ol-fonūn, an dem er von 1294hš/1916 bis 1302hš/1924 selbst Geographie und Geschichte unterrichtete. Nach zwei Aufenthalten in Frankreich, wo er einerseits als Sekretär der iranischen Botschaft in Paris arbeitete, andererseits an der Sorbonne für Literaturwissenschaft immatrikuliert war, lehrte er von 1315hš/1937 bis 1321hš/1943 an der neugegründeten Universität Teheran. Dort hatte er den Lehrstuhl für Geschichte inne.47 Darüber hinaus wurde er zum Mitglied der iranischen Akademie der Wissenschaften ernannt.48 Von 1327hš/1949 bis zu seinem Tod im Jahre 1334hš/1956 fungierte er als Kulturattaché zuerst in Ankara und schließlich in Rom.49 Eqbāl, selbst kein ausgebildeter Historiker, strebte eine Geschichtsschreibung an, die sich auch sozialen, ökonomischen und 46

47

48 49

Grundlegend für die Vergleichbarkeit kultureller Praktiken der Geschichtsschreibung ist Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 57. An dieser Stelle werden die jeweiligen wissenschaftlichen Werdegänge nur vorgestellt, sie gehen im vierten Kapitel in die Analyse der Texte ein. Andisheh: ‘Abbas Iqbal, S. 74–86; Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal 1933, Vorwort S. 26; Vejdani: Purveyors, S. 19. Eqbāl erhielt auch eine Stelle als Lehrer an der Militärakademie. Milani: Eminent Persians, Bd. 1, S. 944–45. Zu Eqbāls Lebenslauf siehe auch Faṣīḥī: Ǧarāyānhā, S. 242–44. Die Angaben, welche Fächer er an welcher Hochschule genau lehrte, sind nicht einheitlich. Laut Vejdani hatte Eqbāl bereits vor seinem zweiten Aufenthalt in Paris kurzzeitig eine Professur an der 1935 gegründeten Teheraner Universität inne und kehrte später nicht mehr auf diese zurück, was an anderer Stelle jedoch nicht bestätigt wird. Vejdani: Purveyors, S. 285–86. Azimi: „Historiography“, S. 378. Ibid.

14

1. kapitel

k­ ulturellen Fragen widmete. Nach seinen eigenen Worten bemühte er sich um die Klärung der Ursachen und Folgen historischer Ereignisse und distanzierte sich bewußt vom annalistischen Stil vorheriger Generationen von Historikern. Seine Schriften – darunter etliche Lehrbücher – entstanden in einer Zeit, in der sich neben ihm noch andere iranische Wissenschaftler darum bemühten, in der Art der „Orientalisten“, also ausländischer Nahostwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, zu schreiben. Trotz dieser Bemühungen blieb Eqbāl die Interpretation oft schuldig und konzentrierte sich ganz auf die Präsentation der Ereignisse.50 Als Erbe einer literarischen Tradition, die sich in gleicher Weise verschiedenen Wissenschaften, Literatur oder Geschichte widmete, gelang es ihm möglicherweise auch aufgrund der politischen Bedingungen der Pahlavī-Zeit nicht, kritische Analysen der jüngeren Vergangenheit Irans zu publizieren. Ganz Kind seiner Zeit, redete Eqbāl dem iranischen Nationalismus das Wort, indem er sowohl die Schia als „persische Version des Islams“ bezeichnete,51 als auch vom „Geist der iranischen Nation“ (rūḥ-e mellat-e īrānī) als Grundlage für die Einheit und Integrität Irans sprach.52 Dennoch wird Eqbāl sowohl innerhalb als auch außerhalb Irans als einer der geachtetsten Lehrer und Historiker des Landes53 und als Wissenschaftler von kultureller Liberalität und hohem akademischen Anspruch bezeichnet, der eine ganze Generation von Forschern ausbildete und beeinflußte54 – unter ihnen Moḥammad Moʿīn, Moǧtabā Mīnūvī, Ẕabīḥollāh Ṣafā, Īraǧ Afšār und ʿAbd ol-Ḥosein Zarrīnkūb.55 Seine Teilgeschichte Irans gilt auch manch heutigem Iranisten noch als schlüssiges und zuverlässiges Nachschlagewerk.56 Folgende von Eqbāls Schriften wurden für die vorliegende Untersuchung herangezogen: Tārīḫ-e mofaṣṣal-e Īrān: Az moġūl tā enqerāż-e qāǧārīye („Die umfassende Geschichte Irans: Von den Mongolen bis zum Sturz der Kadscharen“), Teheran 71375hš/1996 (die erste Ausgabe erschien 1346hš/1967), welche weitgehend identisch ist mit der oben erwähnten ersten Abhandlung zu 50

51 52 53

54 55 56

Vgl. Andisheh: ʿAbbas Iqbal, S. 129–30. Cf. auch Vejdani: Purveyors, S. 281. Wesentlich für Eqbāls Interpretation iranischer Geschichte war das von ihm immer wieder bemühte Konzept des „Niedergangs“. Azimi: Historiography“, S. 380. Andisheh: ʿAbbas Iqbal, S. 131–38. Ibid., S. 142. Milani: Eminent Persians, Bd. 1, S. 943. Die iranische Historikerin Sīmīn Faṣīḥī ist der Ansicht, Eqbāl habe die Grundlagen für die Methode der Geschichtswissenschaft in Iran gelegt und man folge ihm darin bis heute. Faṣīḥī: Ǧarāyānhā, S. 254. Amanat: „Historiography ix. Pahlavi Period“. Andisheh: ʿAbbas Iqbal, S. 125. Amanat: „Historiography ix. Pahlavi Period“. Eine sehr gute Gesamteinschätzung von Eqbāls Leistungen gibt Azimi: „Historiography“, S. 384.

Einleitung

15

den Mongolen von 1933;57 ferner Tārīḫ-e moġūl va avāyel-e ayyām-e tīmūrī („Die Geschichte der Mongolen und der ersten Tage der Timuriden“), 2 Bde., Teheran 1376hš/1997 und Maǧmūʿe-ye maqālāt-e ʿAbbās Eqbāl-e Āštiyānī („Gesammelte Artikel von ʿAbbās Eqbāl Āštiyānī“, hrsg. von Seyyed Moḥammad Dabīr Siyāqī), Bd. 2, Teheran 1378hš/1999. Ẕabīḥollāh Ṣafā (1290hš/1911–1378hš/1999) war Forscher, Übersetzer, Universitätsprofessor und einer der bedeutendsten Literaturwissenschaftler Irans. In Teheran erhielt er seine höhere Bildung u. a. am Dār ol-fonūn und an der Höheren Lehrerbildungsanstalt, um schließlich an die Fakultät für Literatur der Universität Teheran zu wechseln. Nach einem ersten Abschluß in den Fächern Literatur, Bildung und Erziehung schloß Ṣafā ein Promotionsstudium an und wurde schließlich 1321hš/1942 mit einer Arbeit zu den iranischen Heldenepen an der Universität Teheran promoviert. Seine Arbeit als Mittelschullehrer hatte er bereits 1316hš/1937 aufgenommen, wurde nach der Promotion jedoch zum Dozenten am Lehrstuhl für Literaturgeschichte der Universität Teheran befördert und dort 1327hš/1948 zum Professor ernannt. Im Jahre 1340hš/1961 erreichte er schließlich die höchste Stufe des iranischen Professorenamtes. An der Universität Hamburg lehrte Ṣafā zwei Jahre lang (1341hš/1962–1342hš/1963) als Gastprofessor. Nach seiner Rückkehr nach Iran wurde er zum Direktor der Abteilung für persische Sprache und Literatur und darauf zum Dekan der Fakultät für Literatur der Universität Teheran gewählt. In diesen Ämtern verblieb er bis zum Jahre 1347hš/1968. Auf eigenen Wunsch wurde er nach den Umstrukturierungen an der Universität in den Ruhestand versetzt und führte seine Lehrveranstaltungen seit dieser Zeit als Ehrenmitglied fort. Im selben Jahr ging Ṣafā erneut als Gastprofessor an die Universität Hamburg. Als distinguierter Professor (ostādī momtāz) kehrte er im Jahr darauf an die Universität Teheran zurück und lehrte im Bereich des Promotionsstudiums epische Literatur, Lieder und Dramen. Im Jahre 1357hš/1978 reiste er erneut nach Deutschland und verstarb 21 Jahre später in Lübeck. Im Zusammenhang mit der mongolischen Periode verweisen viele Autorinnen und Autoren auf den ersten Teil des dritten, 1341hš/1962 publizierten Bandes von Ṣafās

57

Beide Schriften basieren wiederum auf einem früher erschienenen Werk, einer der ersten Universalgeschichten persischer Sprache der Moderne, Doure-ye tārīḫ-e ʿomūmī, erschienen in Teheran 1305hš/1926–1310hš/1931. Vejdani: Purveyors, S. 19. Bei dieser historischen Erzählung handelt es sich laut Vejdani um die Schilderung eines Kampfes epischen Ausmaßes zwischen „Zivilisation“ und „Barbarei“, den „Weißhäutigen“ und den „Gelbhäutigen“. Ibid., S. 293.

16

1. kapitel

g­ rundlegendem Werk zur iranischen Literaturgeschichte, Tārīḫ-e adabīyāt dar Īran, welches in fünf Bänden zwischen 1332hš/1953 und 1362hš/1983 erschien.58 Reżā Pazūkī (1291hš/1912–1318hš/1940) erwarb einen Abschluß am Lehrerbildungsinstitut in Teheran in den Fächern Geschichte und Geographie mit einer Arbeit über Teheraner Fabriken. Sein Lehrbuch Tārīḫ-e Īrān az moġūl tā afšārīye („Die Geschichte Irans von den Mongolen bis zu den Afschariden“) erschien 1316hš/1937 und richtete sich vor allem an Oberschüler und Studenten an den Militärakademien.59 Da Pazūkī in weiten Teilen mehr oder weniger wörtlich von Eqbāl abschreibt, ohne allerdings seine Quelle anzugeben, wird sein Buch nicht herangezogen, denn es führt zu keinen zusätzlichen Erkenntnissen.60 Morteżā Rāvandī (1292hš/1913–1378hš/1999) erwarb 1318hš/ 1939 einen ersten Universitätsabschluß (līsāns) am gerichtlichen Zweig der juristischen Fakultät der Universität Teheran, um gleich darauf als Richter tätig zu werden. Nach der Revolution von 1978/79 durften diejenigen seiner zahlreichen Bücher zu Recht, Gesellschaft, Philosophie und Geschichte Irans, die sich mit dem antiken Iran und der Eroberung des Landes durch die muslimischen Araber befaßten, nicht mehr gedruckt werden.61 In Band zwei des Tārīḫ-e eǧtemāʿī-ye Īrān („Gesellschaftsgeschichte Irans“) mit dem Titel Ḥokūmathā va selselehā-ye Īrān az ḥamle-ye aʿrāb tā esteqrār-e mašrūṭīyat („Regierungen und Dynastien Irans von der Eroberung durch die Araber bis zur Verabschiedung der Verfassung“), erstmals erschienen in Teheran im Jahre 1347hš/1969, findet sich ein längerer Abschnitt zur Mongolenzeit.62 ʿAbd ol-Ḥosein Zarrīnkūb (1301hš/1923–1378hš/1999) begann im Jahre 1322hš/1945 das Studium an der Fakultät für persische Literatur der Universität Teheran, wo er zehn Jahre später den Doktortitel in Literatur erwarb. Neben anderen iranischen Gelehrten seiner Zeit, darunter auch sein Lehrer ʿAbbās Eqbāl, war er einige Jahre zuvor bereits eingeladen worden, Artikel für die Enzyklopædie des Islams zu verfassen. Abgesehen von der persischen Literatur(wis-senschaft) beschäftigte sich Zarrīnkūb auch mit ­islamischer ebenso wie „westlicher“ Philosophie und mit islamischer Mystik. 58

59 60 61 62

ّٰ ‫ذ‬ http://fa.wikipedia.org/wiki/‫ � ب�ی�‌ا �ل��ل�ه � فص���ا‬Aufgerufen am 23.2.2012. Das Werk wird in man‫ح‬ chen Bibliographien auch unter dem Titel Tārīḫ-e adabīyāt-e Īrān geführt, der Titel des mir vorliegenden dritten Bandes lautet jedoch wie oben angegeben. Vejdani: Purveyors, S. 373. Man vergleiche z. B. den Beginn von Kapitel zwei: Siyāsat-e Čengīz va as̠arāt-e ḥamle-ye moǧūl bei Pazūkī: Tārīḫ-e Īrān, S. 39–40 mit Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, S. 70–71. Informationen zu Rāvandī finden sich im Klapptext des o. g. Bandes sowie unter http:// ‫ت‬ fa.wikipedia.org/wiki/‫�مر��ض���ى را ون��د �ى‬. Aufgerufen am 30.6.2012. Die Nationalbibliothek in Teheran gibt als Erscheinungsdatum dieses Bandes allerdings 1347hš/1969 an.

Einleitung

17

Nach Erlangung des Doktorgrades wurde ihm eine Stelle an der Fakultät für Theologische Studien (ʿolūm-e maʿqūl va manqūl) angeboten, und wenig später wurde er zum Dozenten an der Universität Teheran befördert. Dort lehrte er die Geschichte des Islams und der Religionen, die Geschichte der dogmatischen Theologie (kalām) und der Debatte der „Sekten“ ( feraq), der islamischen Mystik und der Wissenschaften. Im Anschluß an seine Ernennung zum Professor im Jahre 1960 war Zarrīnkūb auch an der Pädagogischen Hochschule in Teheran tätig. Von 1348hš/1970 bis 1350hš/1972 hielt er sich als Gastprofessor an der University of California in Berkeley sowie in Princeton auf, um anschließend erneut an der Universität Teheran Geisteswissenschaften (ʿolūm-e ensānī), vor allem Literatur und Geschichte, zu lehren.63 In seinem Buch Seirī dar šeʿr-e fārsī („Ein Durchgang durch die persische Dichtung“), erschienen in Teheran 1363hš/1984, findet sich auch ein Abschnitt, in dem sich der Verfasser zu den mongolischen Eroberungen des 13. Jahrhunderts äußert – auf diesen Abschnitt wird in später erschienenen Abhandlungen anderer Autorinnen und Autoren sehr häufig verwiesen. Akram Bahrāmīs (geb. 1310hš/1931) als Lehrbuch konzipiertes Werk mit dem Titel Tārīḫ-e Īrān az ẓohūr-e eslām tā soqūṭ-e Baġdād („Die Geschichte Irans vom Erscheinen des Islams bis zum Fall Bagdads“), erschienen in Teheran 1350hš/1971, behandelt die mongolischen Invasionen des 13. Jahrhunderts. Nach Angaben des Leiters der Abteilung für Geschichte der Höheren Lehrerbildungsanstalt von Teheran, Moḥammad Ǧavād Maškūr, der das Vorwort zu diesem Band verfaßte, bildete sich eine Gruppe von Dozentinnen und Dozenten, um dem Mißstand abzuhelfen, daß die Studierenden nur die Mitschriften der Vorträge ihrer Lehrenden, jedoch keine Geschichtslehrbücher besaßen. Jede/r Lehrende, so die Absprache, sollte denjenigen Teil der iranischen Geschichte, den er/sie lehrte, in einem Band zusammenfassen. Das geplante Gesamtwerk ist in vier Epochen unterteilt: a) die Geschichte des antiken Iran bis zur Islamisierung in zwei Bänden; b) die Geschichte Irans vom Erscheinen des Islams bis zum Fall Bagdads; c) die Zeit der Herrschaft der Ilchane bis zum Erlaß der Verfassung von 1906; und schließlich d) die

63

Alle Angaben zu Zarrīnkūb entstammen folgender Quelle: http://danesh-nameh. roshd.ir/ ‫ح��س�� ن‬ ‫�ع ب���د ا �ل‬. Zum Vergleich cf. http://fa.wikipedia. � ‫ي� �ز ري� ن‌� ك‬ mavara/mavara-index.php?page=�‫�و ب‬ ‫�ز‬ ‫ن‬ ‫�ع ب���د ا �ل‬. Aufgerufen am 23.2.2012. Siehe außerdem Aghaie: „Islam and � ‫ح��س��ي� ري� ن‌� ك‬ org/wiki/�‫�و ب‬ Nationalist Historiography, S. 28–30. Zarrīnkūb verfaßte den Beitrag „The Arab Conquest of Iran and Its Aftermath“ für den vierten Band der Cambridge History of Iran. Zu seinem Werk und dessen Einschätzung cf. Azimi: „Historiography“, S. 418–19.

18

1. kapitel

Geschichte von der Verfassungsrevolution 1906–11 bis zur „Weißen Revolution“ unter Moḥammad Reżā Pahlavī in den 1960er Jahren.64 Manūčehr Mortażavī (1308hš/1929–1389hš/2010) begann sein Studium der persischen Sprache und Literatur 1946 an der Universität Teheran und schloß es vier Jahre später dortselbst ab. Im Jahre 1958 wurde er mit einer Arbeit über die Lage der Literatur in Azerbaidschan während der Herrschaft der Ilchane promoviert. Im folgenden Jahr begann er an der Fakultät für Literatur der Universität von Tabrīz zu lehren, der er auch einige Jahre als Dekan vorstand. Für fünf Monate war Mortażavī dann 1977 überdies Präsident seiner Universität.65 Neben einer Reihe von Studien zur persischen Sprache und Dichtung liegt von Mortażavī ein Werk namens Masāʼel-e ʿaṣr-e Īlḫānān („Probleme der Ära der Ilchane“) vor, welches nach Aussage des Verfassers bereits 1978 gedruckt worden war, zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ausgeliefert werden konnte.66 Zwei weitere Auflagen erschienen 1370hš/1991 und 1385hš/2006. Zu jeder Auflage verfaßte Mortażavī jeweils ein Vorwort, das letzte ist aus dem Jahre 1382hš/2003 datiert, die beiden anderen stammen aus den Jahren 1370hš/1991 und 1358hš/1979.67 Ġolām Reżā Enṣāfpūr (1308hš/1929–1379hš/2000), Autodidakt, Dichter, Drucker, Betreiber und Beschreiber antiker iranischer Sportarten (varzeškārī-ye bāstānī), arbeitete auf Einladung des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Teheran dort als Forscher und publizierte 1352hš/1973 ein Buch über die Geschichte des Wirtschaftslebens der Bauern in Iran. Dieser Band erschien als erster in einer Reihe, herausgegeben vom Dāyerat ol-maʿāref-e ǧāmeʿe-šenāsī va tārīḫī-ye Īrān („Enzyklopädie der Soziologie und Geschichte Irans“) im Jahre 1973, ein zweiter Band mit dem Titel Sāḫt-e doulat dar Īrān: Az eslām tā yoreš-e moġūl („Der Staatsaufbau in Iran: Vom Islam bis zum Überfall der Mongolen“) folgte vier Jahre später. Auch den dritten Band derselben Reihe, der von den „nationalen und islamischen Bewegungen in Iran“ bis zur mongolischen Invasion handelt, steuerte Enṣāfpūr bei.68 64

65 66 67 68

Bahrāmī: Tārīḫ-e Īrān, Vorwort S. i–ii. Band drei, der von Šahīndoḫt Kāmrān geschrieben werden sollte, ist offensichtlich nicht erschienen, zumindest läßt er sich in der Iranischen Nationalbibliothek nicht nachweisen. Die Angabe zu Bahrāmīs Geburtsdatum entstammt dem Eintrag der Iranischen Nationalbibliothek. Weitere Informationen zur Autorin liegen nicht vor. ‫ت‬ �‫�م ن��و چ‬. Aufgerufen am 22.2.2012. In den mir zugängli‫���هر�مر����ض‬ http://fa.wikipedia.org/wiki/ ‫� و��ي‬ chen Angaben zu Mortażavīs Lebenslauf finden sich leider Lücken. Mortażavī: Masāʼel, S. xix. Cf. Ibid., S. xv–xxv. Alle Angaben zu Enṣāfpūr entstammen folgender Quelle: http://www.ensaf-pour.com/ article.aspx?id=46. Aufgerufen am 23.2.2012.

Einleitung

19

Seyyed ʿAbd ol-ʿAlī Dastġeib (geb. 1310hš/1931), der an verschiedenen höheren Bildungsanstalten in Schiras und Fīrūzābād lernte und anschließend als Lehrer tätig war, wurde 1332hš/1953 aufgrund seiner politischen Tätigkeiten69 verhaftet und für ein Jahr in Schiras inhaftiert. Da er nach seiner Freilassung nicht mehr im Staatsdienst arbeiten durfte, wurde er für das Urkundenregister in Schiras und für dortige lokale Zeitungen sowie inoffiziell für die Gesundheitsbehörde tätig. Bereits vor seiner Inhaftierung hatte er für eine große Zahl von Zeitungen in Schiras und Teheran Artikel zu Geschichte, Philosophie, Soziologie und Kunst verfaßt. Im Jahre 1337hš/1958 ging Dastġeib zur Fortführung seiner Ausbildung nach Teheran an die Höhere Lehrerbildungsanstalt. Drei Jahre studierte er dort Philosophie und Pädagogik, doch brach er sein Studium vorzeitig ab. Bis zu seiner auf eigenen Wunsch erfolgten Versetzung in den Ruhestand im Jahre 1359hš/1980 unterrichtete Dastġeib an verschiedenen Mittelschulen, höheren Lehranstalten und Lehrerbildungsanstalten in Schiras und Teheran. Für seine fast 40 Buchpublikationen erhielt er u. a. eine Auszeichnungen des Ministeriums für Kultur und Islamische Führung.70 Zu diesen Veröffentlichungen gehört auch ein Band zum Angriff der Mongolen auf Iran, Hoǧūm-e ordū-ye moġūl be-Īrān, der 1367hš/1988 in Teheran erschien. Moḥammad Aḥmad Panāhī (Semnānī) (geb. 1313hš/1934) arbeitete seit 1356hš/1977 als Experte (kār-šenās) für Geschichte an der Hochschule für Lehrerbildung in Teheran, wo er sich vor allem mit Dichtung, dem Studium der Literatur sowie der Geschichte und Kultur der iranischen Bevölkerung beschäftigte. Zu seinen zahlreichen Publikationen, welche den Bereich der Literatur- ebenso wie denjenigen der Geschichtsforschung umfassen,71 gehört auch die hier verwendete Monographie Čengīz Ḫān, čehre-ye ḫūnrīz-e tārīḫ („Čengīz Ḫān, das Antlitz des [größten] Schlächters der Geschichte“), Teheran 1363hš/1984, die 1373š/1994 in einer zweiten Auflage erschien. Šīrīn Bayānī (geb. 1317hš/1938) erwarb ihren ersten Hochschulabschluß (līsāns) an der geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Teheran. Zur Fortführung ihres Studiums ging sie anschließend nach Paris, wo sie als Doktorandin von Claude Cahen (1909–91) im Jahre 1964 im Fach Geschichte promoviert wurde. Ein Jahr später trat sie in die Abteilung für den Geschichtsunterricht der Fakultät für Literatur und Geisteswissenschaften der 69

70 71

Dabei muß es sich um politische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Ereignissen um die Verstaatlichung des Öls und dem anschließenden Sturz von Ministerpräsident Moḥammad Moṣaddeq, die sog. „Irankrise“ in den 1950er Jahren handeln. http://fa.wikipedia.org/wiki/�‫�ع ب���د ا �ل�ع��ل� د ����ست�� غ����ي� ب‬. Aufgerufen am 23.2.2012. ‫ي‬ Alle Angaben zu Panāhī entstammen folgender Quelle: http://vista.ir/?view=article &id=243127. Aufgerufen am 23.2.2012.

20

1. kapitel

Universität Teheran ein, wo sie 1977 eine Professur erhielt.72 Im Jahre 2006 wurde Šīrīn Bayānī pensioniert.73 Da diejenigen ihrer zahlreichen Publikationen, die sich mit den Mongolen in Iran befassen, über einen längeren Zeitraum veröffentlicht wurden, läßt sich in Bayānīs Fall gut nachvollziehen, inwieweit die gesellschaftspolitischen Veränderungen während der Regierungszeit von Moḥammad Reżā Pahlavī und der Ära der Islamischen Republik Iran Einfluß auf ihre historischen Darstellungen hatten. Bereits 1352hš/1973 erschien eine Sammlung von Aufsätzen, derer zwei sich mit der Mongolenzeit befassen: Hašt maqāle dar zamīne-ye tārīḫ („Sieben Beiträge zur Geschichte“). Ihre erste Monographie zur Mongolenzeit mit dem Titel Īrān dar bar-ḫvord bā moġūl („Iran im Konflikt mit den Mongolen“) veröffentlichte Bayānī nur kurze Zeit später im Jahre 1353hš/1974. Jedoch bildet das dreibändige Werk Dīn va doulat dar Īrān-e ʿahd-e moġūl („Religion und Staat im Iran der mongolischen Epoche“), Teheran 1367hš/1988–1375hš/1996, dessen zweiter Band (Ḥokūmat-e īlḫānī: nabard miyān-e do farhang; „Die Herrschaft der Ilchane: Der Kampf zweier Kulturen“) im Jahre 1381hš/2002 erneut aufgelegt wurde, ihre in Hinblick auf die mongolische Epoche in Iran wichtigste und wohl auch einflußreichste Publikation. Für diese Arbeit erhielt sie im Jahre 1370hš/1991 den Preis für das Buch des Jahres in Iran.74 Amīr Esmāʿīlī (geb. 1319hš/1940) ist ein Dichter und Verfasser verschiedener Lehrbücher, der auch als Geschichtenschreiber (qeṣṣe-nevīs) für verschiedene Presseorgane arbeitete. Nach der Revolution von 1978/79 bemühte er sich zudem um die Auswahl und Übersetzung von Büchern verschiedener Themen aus Geschichte, Kultur und Literatur. Im Verlaufe von über 20 Jahren stellte er im Dienste der Regierung auf diese Weise 30 Titel aus diesen Bereichen zusammen.75 Als eine solche Zusammenstellung von unterschiedlichen Versatzstücken aus Quellen und Sekundärliteratur ist auch sein Čengīz-e ǧahāngošā-ye moġūl („Čengīz, der mongolische Welteneroberer“) zu verstehen, das 1366hš/1987 in Teheran erschien. ʿAbbās Qadyānī (geb. 1342hš/1963) verfaßte ein Buch mit dem Titel Tārīḫ, farhang va tamaddon-e Īrān dar doure-ye moġūl („Geschichte, Kultur und Zivilisation Irans während der mongolischen Epoche“), das 1387hš/2008 in vierter Auflage erschien. Es stellt einen Überblick der im Titel genannten Themen dar, der die bisherige iranische Forschung zusammenfaßt und sich vor allem eng an die Arbeiten von ʿAbbās Eqbāl anlehnt. 72 73 74 75

http://www.daneshju.ir/forum/f972/t105342.html. Aufgerufen am 23.2.2012. ‫ن‬ ‫ ش‬Aufgerufen am 23.2.2012. http://fa.wikipedia.org/wiki/�‫�����يري� ن� �ب�ي��ا �ي‬. Ibid. http://vista.ir/?view=context&id=210756 (‫ ا �م��ير‬- �‫)ا ��س���م�ا �عي����ل‬. Aufgerufen am 23.2.2012. ‫ي‬

Einleitung

21

Rasūl Ǧaʿfarīyān (geb. 1343hš/1964) geriet während der Zeit seiner höheren Schulbildung in Isfahan unter den Einfluß von Vertretern der Ḥouze-ye ʿelmīye von Qom76 und begann sich für den Koranunterricht zu interessieren. Daher wechselte er an eine geistliche Lehranstalt und besuchte gleichzeitig den Unterricht an einer staatlichen Schule in Isfahan. Kurz vor Ausbruch der Revolution ging er im Jahre 1357hš/1978 zur Fortsetzung seiner Ausbildung in religiöser Gelehrsamkeit nach Qom. Dort hatte er an mehreren religiösen Bildungseinrichtungen verschiedene Lehrer, u. a. wurde er zu einem Schüler von Āyatollāh Meṣbāḥ Yazdī,77 mit dessen Werken er sich besonders vertraut machte. Nach der Wiedereröffnung der Hochschulen in der Islamischen Republik Iran lehrte Ǧaʿfarīyān seit 1359hš/1980 an den Universitäten von Isfahan und Teheran islamische Wissenschaften und Geschichte. In seinem umfangreichen Schriftenverzeichnis, das u. a. von Ǧaʿfarīyān herausgegebene Texte aus kadscharischer Zeit auflistet, finden sich sowohl Werke zur Schia als auch historische Abhandlungen.78 Für die vorliegende Untersuchung wurde seine Monographie „Vom Überfall der Mongolen bis zum Untergang der Turkmenen“ (Az yoreš-e moġūlān tā zavāl-e torkmānān) mit einbezogen, die 1387hš/2008 in sechster Auflage erschien. Fereidūn Eslām-Niyā (geb. 1344hš/1965) hat laut Eintrag der Iranischen Nationalbibliothek abgesehen von dem im Rahmen dieser Arbeit herangezogenen Buch zur islamischen Geschichte Irans (Negahī be-tārīḫ-e Īrān baʿd az eslām; „Ein Blick auf die Geschichte Irans nach dem Islam“) noch neun weitere Bücher geschrieben. Diese handeln u. a. von der Geschichte und Geographie der Alexandererzählung, von Arzneimittelkunde, den zehn Freunden des Propheten Muḥammad im Paradies, der Geschichte der Sunniten sowie von einem Einblick in die Gedanken des schiitischen Imams ʿAlī b. Abī Ṭālib. Saǧǧād Dādfar (geb. 1351hš/1972)79 verfaßte ein kleines Büchlein mit dem Titel Ḥamle-ye moġūl be-Īrān („Der Angriff der Mongolen auf Iran“). Hierbei 76

77 78

79

Die dort am Heiligtum der Fāṭeme angesiedelte religiöse Lehranstalt, zu deren bekanntesten Schülern und Lehrern Āyatollāh Ḫomeinī (1280hš/1902–1367hš/1989) gehörte, war seit 1922 von Šeiḫ ʿAbd ol-Karīm Ḥāʼerī (1276hš/1897–1355hš/1976) wiederbelebt und erneuert worden, um sie zu einer Bastion islamischer Gelehrsamkeit und später auch Militanz gegen die Pahlavī-Schahs auszubauen. Algar: „Religious Forces“, S. 743. Zu diesem gegenwärtig sehr einflußreichen Gelehrten cf. Posch: „Ahmadineschad“. Alle Angaben beziehen sich auf folgende Quelle: http://www.hawzah.net/per/person/ 056.htm. Aufgerufen am 23.2.2012. Atabaki bezeichnet Ǧaʿfarīyān als einen der offiziellen Geschichtsschreiber der Islamischen Republik Iran. Atabaki: „Iranian History in Transition“, S. 69. Über sein Geburtsdatum hinaus ließen sich, ebenso wie bei Qadyānī (s. o. S. 20), keine Angaben zu diesem Autor ermitteln.

22

1. kapitel

handelt es sich um einen in zweiter Auflage 1390hš/2011 erschienenen Band der Reihe Tārīḫ be-ḫvānīm („Laßt uns Geschichte lesen“). Wie auf der Rückseite des Umschlags nachzulesen ist, sollen iranische Kinder und Jugendliche aus der Geschichte lernen und sich mit den Höhen und Tiefen der Geschichte ihrer islamischen Heimat (mīhan-e eslāmī) vertraut machen. Abschließend sollen – soweit möglich – auch noch diejenigen Autorinnen und Autoren vorgestellt werden, deren Beiträge in dem 1379hš/2000 erschienenen Sammelband Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān („Die mongolische Invasion in Iran und ihre Folgen“) für diese Untersuchung von Interesse waren. Dieser zweibändige Konferenzband enthält 58 Artikel, die aus zwei in den Jahren 1375hš/1996 und 1376hš/1997 an der Šahīd Beheštī Universität in Teheran abgehaltenen Tagungen hervorgingen. Wie Allāhyār Ḫalʿatbarī, Professor für islamische Geschichte und Organisator der Tagung in seinem Vorwort angibt, entstand die Idee zu dieser Veranstaltung während einer Versammlung der Lehrgruppe für Geschichte der genannten Universität. Man habe sich dem Thema in Gestalt einer Konferenz widmen wollen, um der Bedeutung der Epoche der Ilchane für das wissenschaftliche Studium der Kultur und Zivilisation Irans in dieser Zeit Aufmerksamkeit zu verschaffen.80 Inhaltlich bieten die beiden Konferenzbände ein breites Spektrum an Themen, das von Architektur und Stadtplanung über Handel, Politik und Metallarbeiten bis zu Kunst, Literatur und Religion reicht. Zur Sprache kommen im Rahmen dieser Untersuchung allerdings nur diejenigen Autorinnen und Autoren – diesmal in alphabetischer Reihenfolge –, deren Beiträge dezidiert historisch sind oder solche Anteile enthalten. Nähere Angaben konnten allerdings nur zu 11 der 28 betroffenen Autorinnen und Autoren ermittelt werden:81 Esfandyār Āhanǧīde ist promovierter Historiker und Mitglied der wissenschaftlichen Kommission der Bildungsabteilung an der Teheraner Āzād-e Eslāmī Universität.82 Ḥosein Ālyārī ist Absolvent der

80 81

82

Ḫalʿatbarī: „Moqaddeme“, S. xiii. Dies liegt zum einen daran, daß einige der Autorinnen und Autoren bereits pensioniert sind und daher nicht mehr auf den Internetseiten ihrer Universitäten geführt werden. Zum anderen sind die Angaben über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an iranischen Universitäten häufig schwierig zu finden und nicht immer vollständig. Die verwendeten Informationen konnten nur zum Teil mit anderen ebenfalls im Internet zugänglichen Angaben verglichen werden. Grundsätzlich ist es häufig schwierig, Informationen über Personen des wissenschaftlichen oder öffentlichen Lebens in Iran im Internet zu erhalten. Šīrīn Bayānī, die einen Artikel zur qalandarīya in der Īlḫānzeit beisteuerte, zählt in diesem Fall nicht zu den betroffenen Autorinnen, weil Mystik und Derwischorden nicht als speziell zu bearbeitende Themen ausgewählt wurden. http://ahanjide.persianblog.ir/. Aufgerufen am 23.2.2012.

Einleitung

23

Universität Istanbul, seine Schwerpunkte sind die Geschichte Asiens und die islamische Geschichte, vor allem der Mittleren Periode. Promoviert wurde er 1345hš/1966 im Fach Geschichte, welches er an der Universität von Tabrīz lehrte.83 Badīʿollāh Dabīrīnežād (geb. 1314hš/1935) war Sprachwissenschaftler an der Universität Isfahan und hatte zuvor sowohl an der Hochschule für Lehrerbildung in Teheran als auch an der Sorbonne in Paris persische Sprache und Literatur bzw. Sprachwissenschaft studiert. Promoviert wurde Dabīrīnežād an der Sorbonne im Jahre 1347hš/1968. Von der Universität Isfahan wurde er 1357hš/1978 zum Dozenten ernannt.84 Dāvūd Eṣfahānīyān (geb. 1321hš/1941) erwarb seinen ersten Studienabschluß in Geschichte und Geographie an der Universität von Tabrīz. Anschließend ging er in die Türkei, wo er 1347hš/1968 an der Universität von Ankara mit einer Arbeit zu Iran im I. Weltkrieg promoviert wurde. Sechs Monate verbrachte Eṣfahānīyān 1351hš/1972 in Cambridge, 1354hš/1975 und 1355hš/1976 lehrte er an der Universität von Toronto in Kanada. Zurück in Iran arbeitete er zuerst an der Universität von Isfahan und wurde im Jahre 1366hš/1987 an die Universität von Tabrīz überführt, wo er als Professor für Weltgeschichte (tārīḫ-e ʿomūmī-ye ǧahān) tätig war.85 Seyyed Ebrāhīm Foyūżāt (geb. 1312hš/1933) studierte seit 1346hš/1967 Englisch, verbrachte ein Studienjahr in Großbritannien und ging anschließend an die Universität von Paris, wo er 1357hš/1978 im Fach Soziologie promoviert wurde. Nach seiner Rückkehr nach Iran führte Foyūżāt verschiedene sozialwissenschaftliche Projekte, u. a. für die Universität von Tabrīz, durch.86 Esmāʿīl Ḥasanzāde (geb. 1348hš/1969) studierte Geschichte an der Šahīd Beheštī Universität in Teheran, wo er 1371hš/1992 sein erstes Examen ablegte. Anschließend setzte er sein Studium am Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften fort, um danach ein Promotionsstudium an der Šahīd Beheštī Universität aufzunehmen, wo er sechs Jahre später seine Dissertation verteidigte. Bereits nach seinem ersten Studienabschluß begann Ḥasanzāde als Lehrer zu arbeiten, seit Erlangen des Doktorgrades lehrte er an der Āzād-e Eslāmī Universität in Teheran sowie in Šabestar und Marand. Gleichzeitig arbeitete er für die Abteilung für Geschichte an der Šahīd Beheštī Universität. Im Anschluß an sein Studium wurde Ḥasanzāde Mitglied der historischen Forschergruppe an der Zahrā Universität. Zudem arbeitet er mit dem Zentrum zur Dokumentierung der Islamischen Revolution zusammen, wo 83 84 85

86

http://www.rasekhoon.net/mashahir/show-118227.aspx. Aufgerufen am 23.2.2012. http://www.rasekhoon.net/mashahir/show-118329.aspx. Aufgerufen am 3.2.2012. http://www.tabrizinfo.com/tabriz/talashgaran/esfahaniyan.htm. Aufgerufen am 23.2.2012. Zwar heißt es auf dieser Internetseite, daß Eṣfahānīyān noch heute an der Universität Isfahan lehre, doch wird sein Name auf den entsprechenden über das Internet zugänglichen Seiten der Universität nicht geführt. http://www.rasekhoon.net/mashahir/Show-903739.aspx. Aufgerufen am 24.2.2012.

24

1. kapitel

er zwischendurch als Leiter der Historikergruppe für jenen Bereich fungierte. Seit einiger Zeit ist Ḥasanzāde auch für das Forschungsinstitut Emām Ḫomeinī tätig. Gleichzeitig gibt er die Wissenschaftszeitschrift der Zahrā Universität mit heraus. Ḥasanzādes Publikationen spiegeln seine Forschungsinteressen wider, die sich sowohl auf die Mittlere Periode,87 als auch auf die Epoche der iranischen Geschichte seit der Verfassungsrevolution konzentrieren.88 ʿAbd or-Rasūl Ḫeirandīš (geb. 1336hš/1957) studierte Geschichte und wurde in diesem Fach auch promoviert. Er ist Assistenzprofessor für Geschichte an der Universität von Schiras. Innerhalb der iranischen Geschichte in islamischer Zeit gehört die mongolische Periode zu seinen Forschungsschwerpunkten.89 Unter seinen zahlreichen Publikationen finden sich vor allem Lehrbücher zu verschiedenen historischen Themen. Zudem hat Ḫeirandīš Bertold Spulers Die Mongolen in Iran: Politik, Verwaltung und Kultur der Ilchanzeit 1220–1350 offenbar aus der französischen Übersetzung ins Persische übertragen.90 Nūrollāh Kasāyī/ Kasāʼī (1318hš/1939–1379hš/2000) studierte an der Universität Isfahan arabische Sprache und Literatur. Im Jahre 1348hš/1969 begann er ein Promotionsstudium an der Hochschule für Theologie und islamisches Wissen (Elāhīyāt-o maʿāref-e eslāmī), das er 1353hš/1974 mit der Verteidigung seiner Doktorarbeit abschloß. Ein Jahr später wurde Kasāyī, der bereits während seines Studiums an seiner Hochschule unterrichtet hatte, als Dozent für arabische Sprache und Literatur an die Universität Teheran versetzt. Nach seinem Wechsel von der Abteilung für Koran- und Hadithstudien an die Abteilung für islamische Zivilisation und Geschichte 1364hš/1985 wurde ihm zeitweilig die Leitung dieser Abteilung übertragen.91 Ḥosein Mīr Ǧaʿfarī (geb. 1319hš/1940) begann sein Studium der Geschichte an der Universität von Tabrīz im Jahre 1344hš/1965 und wurde 87

88 89 90

91

Der Begriff „Mittlere Periode“ lehnt sich an M. G. Hodgsons „Middle Period“ an, eine vom europäischen „Mittelalter“ abweichende Bezeichnung, die hervorheben soll, daß der europäisch geprägte Begriff vom „Mittelalter“ nicht einfach auf andere Teile der Welt übertragen werden kann. http://wahr.ir/node/539 Aufgerufen am 24.2.2012, der Eintrag stammt von 2008. http://research.shirazu.ac.ir/faculty/More.asp?ID=91#publications. Aufgerufen am 24.2.2012. Nähere Angaben zu Ḫeirandīšs Werdegang sind nicht zugänglich. Siehe hierzu die Liste seiner Publikationen, aufgeführt von der Iranischen Nationalbibliothek in Teheran. Auch Ḫeirandīš gilt laut Atabaki als offizieller Geschichtsschreiber der Islamischen Republik, zu dessen Aufgaben es vor allem gehört, Schulbücher zu verfassen. Atabaki: „Iranian History in Transition“, S. 69 und zusätzliche Auskunft des Autors. http://www.rasekhoon.net/mashahir/show-118460.aspx. Aufgerufen am 24.2.2012. Der von Kasāyī in Hoǧūm-e moġūl publizierte Artikel „Sar-goẕašt-e dānešmandān va marākez-e dāneš dar ḥamle-ye moġūl“ wurde am 27. Bahman 1388hš/16.2.2010 auch im Internet bei islamichistory.ir veröffentlicht.

Einleitung

25

sieben Jahre später im Fach Geschichte an der Theologischen Fakultät von Istanbul promoviert. Von 1351hš/1972 bis 1358hš/1979 arbeitete er als Dozent an der Universität Isfahan, wo er Seminare u. a. zur Mongolen- und Safavidenzeit anbot.92 Ẕekrollāh Moḥammadī (geb. 1350hš/1971) absolvierte einen großen Teil seiner Schulbildung an der Ḥouze-ye ʿelmīye von Zanǧān und wurde anschließend an der Internationalen Universität Emām Ḫomeinī in Qazvīn zum Studium der Zivilisationsgeschichte (tārīḫ-e tamaddon) zugelassen. Zur Vertiefung seiner religiösen Studien verließ Moḥammadī die Universität Qazvīn und ging 1374hš/1995 nach Qom, um dort an der Ḥouze-ye ʿelmīye und am Institut Bāqer ol-ʿOlūm sein Geschichtsstudium fortzusetzen. Sechs Jahre später schloß er seine Ausbildung ab und arbeitete sowohl am Mahdavīyat-Forschungsinstitut (pažūheš-kade-ye mahdavīyat)93 als auch an der Ḥouze-ye ʿelmīye von Qom.94 Aṣġar Montaẓer ol-Qāʾem (geb. 1959) studierte Geschichte in Isfahan sowie an der Šahīd Beheštī Universität und an der Hochschule für Lehrerbildung in Teheran, wo er seine Doktorarbeit 1999 abschloß. Im Jahre 2012 war er Dekan der Fakultät für Literatur und Geisteswissenschaften der Universität Isfahan, wo er vor allem die frühe Geschichte des islamischen Iran, die Geschichte der Schia und der islamischen Architektur lehrt.95 Ṣāleḥ Pargārī (geb. 1335hš/1956) wurde 1375hš/1996 an der Hochschule für Lehrerbildung in Teheran zur islamischen Geschichte Irans promoviert und arbeitet dort als Dozent mit einem Schwerpunkt auf der islamischen Geschichte Irans bis zur Safavidenzeit.96 Manṣūre S̠ābetzāde wurde 1381hš/2002 im Fach persische Literatur an der Āzād-e Eslāmī Universität in Teheran promoviert, wo sie zuvor studiert hatte. An derselben Universität war sie von 1372hš/1993 bis 1387hš/2008 auch als Dozentin im Bereich persische Sprache, Literatur und Musik tätig. Außerdem lehrte sie an der Universität Teheran und an mehreren Kunst- und Musikhochschulen der Stadt. Zusätzlich ist S̠ābetzāde Musikerin für klassische iranische Musik, sie spielt Santūr.97 92 93

94 95 96 97

http://www.rasekhoon.net/mashahir/show-118522.aspx. Aufgerufen am 24.2.2012. Zur mahdavīyat, d. h. zum Dogma der Verborgenheit und Wiederkehr des 12. Imams in der Zwölferschia, cf. Amir-Moezzi: „Islam in Iran vii. The Concept of Mahdi in Twelver Shi’ism“ und Amanat, A.: „Islam in Iran v. Messianic Islam in Iran“ sowie die dort angegebene weiterführende Literatur. Siehe außerdem Ourghi: Schiitischer Messianismus für eine allgemeine Einführung und Maghen: „Occultation” zur Einschätzung von mahdavīyat als Teil der Innenpolitik des ehemaligen iranischen Präsidenten Maḥmūd Aḥmadīnežād. http://www.rasekhoon.net/mashahir/show-902952.aspx. Aufgerufen am 24.2.2012. http://ltr.ui.ac.ir/en/Montazerolgaem/E-Asgher%20Montazerolgaeim.htm. Siehe auch http:// sih.ir/index.php/fa/interview/64-mos/176-1389-04-14-13-53-51. Aufgerufen am 24.2.2012. http://cvs.tmu.ac.ir/fa/pargari.htm. Aufgerufen am 24.2.2012. http://azad.ac.ir/?siteid=38&pageid=3111. Aufgerufen am 24.2.2012.

2. kapitel

Theoretische Vorüberlegungen: Geschichtsschreibung und Sinnstiftung 1

Historiographie und Sinngeschichte

Will man die moderne iranische Geschichtsschreibung nachzeichnen, einordnen und beurteilen, ist es notwendig, zunächst die „eigene Art des historischen Denkens“1 zu reflektieren. Dies bedeutet, die in diesem Buch gestellten Fragen vor dem Hintergrund dessen zu diskutieren, was Stand der Forschung zur Historiographie in der Debatte der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft ist. Da es zur Geschichtsschreibung eine lange deutschsprachige Tradition gibt und bis heute sehr gute und für meine Fragestellung hilfreiche Beiträge in deutscher Sprache geleistet werden, stütze ich mich vor allem auf entsprechende Publikationen. Selbstverständlich muß der Horizont sich jedoch auch auf diesem Gebiet weiter öffnen, so daß Veröffentlichungen in anderen Sprachen und aus anderen Wissenschaftstraditionen ebenfalls herangezogen werden. Einen ausführlichen Überblick über die Forschung zur Geschichtsschreibung wird es an dieser Stelle allerdings nicht geben, dazu reichen die Verweise auf gelehrte Werke aus, die diesen bereits beinhalten. Stattdessen sollen vor allem diejenigen Aspekte und theoretischen Konzepte von Geschichtsschreibung in den Blick genommen werden, die einerseits für die Reflexion meines eigenen Standorts und andererseits für die Analyse der modernen iranischen Historiographie sinnvoll und notwendig sind. Zur Einordnung der hier diskutierten Texte moderner iranischer Autorinnen und Autoren ist es zudem unabdingbar, einen Abriß der Geschichte der Historiographie in Iran zu geben, anhand dessen überdies deutlich wird, welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Traditionen von Geschichtsschreibung zu beobachten sind. Da Geschichtsschreibung, auch wenn sie im Zeitalter von Nationalstaaten häufig der Herausbildung der Vorstellung von einer ganz bestimmten nationalen Vergangenheit dient, dennoch nicht nur innerhalb der Grenzen einer solchen Nation betrieben wird, sind unzweifelhaft auch Einflüsse über Staats-, Sprach- und andere Grenzen

1 Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 40–41. Damit wird zugleich der Versuch unternommen, mein eigenes vorgegebenes wissenschaftliches Paradigma zu diskutieren und zu reflektieren.

© koninklijke brill nv, leiden, ���4 | doi ��.��63/9789004271876_��3

Theoretische Vorüberlegungen

27

hinweg zu verzeichnen. Durch ihren Gegenstand mit ihnen verbunden,2 haben iranische Autorinnen und Autoren moderner historiographischer Arbeiten von Anfang an auch auf die Veröffentlichungen ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zurückgegriffen, zumal grundlegende Werke häufig in persischer Übersetzung3 vorlagen. Insofern ist ihre Vorgehensweise und sind ihre Einschätzungen meist ebenso von den Texten deutscher, französischer, britischer, US-amerikanischer und russischer Historikerinnen und Historiker geprägt, die sich mit iranischer Geschichte in der Mongolenzeit befaßt haben. Um diese Bezüge zum Vorschein zu bringen, wird im Analysekapitel auf einige der hervorstechendsten Wechselbeziehungen zwischen den inner- und außerhalb Irans publizierten Texten hingewiesen. Zudem findet sich im Anhang eine Aufstellung der entsprechenden Veröffentlichungen, sofern diese in den Fußnoten und Bibliographien der genannten persischen Publikationen erwähnt werden. Erst vor dem hier skizzierten Hintergrund wird es möglich sein, die moderne iranische Geschichtsschreibung zur Mongolenzeit dem Selbstverständnis ihrer Autorinnen und Autoren gemäß zu verstehen und in einen historiographischen Gesamtzusammenhang einzuordnen. Zu diesem Gesamtzusammenhang gehört natürlich auch der gesellschaftspolitische Kontext, in dem sich diese Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bewegten und bewegen. Welche Ausbildung sie genossen, ob sie ausschließlich in Iran oder auch im Ausland studierten und Fremdsprachen erlernten, unter welchen Bedingungen sie ihrer Forschung nachgingen und publizierten – in Zeiten der Pahlavī-Schahs oder der Islamischen Republik Iran – diese Umstände sind für die Rahmenbedingungen, unter denen ihre Arbeiten entstanden, nicht unerheblich. Ohne auf die jeweils konkreten Zustände in Iran eingehen zu wollen, soll doch in der im letzten Kapitel erfolgenden Analyse der genannten Publikationen darauf hingewiesen oder mit der gebotenen Vorsicht erschlossen werden, welchen Einfluß Rahmenbedingungen wie wissenschaftliche Sozialisation und gesellschaftspolitische Anforderungen bzw. Rücksichtnahmen auf politische und ideologische Vorgaben auf die Historikerinnen und Historiker ausübten. Denn schließlich sind auch sie Teil des politischen Spiels.4

2 Zu den damit zusammenhängenden Überlegungen der „Offenheit“ historischer Erzählungen cf. Lorenz: Konstruktion, S. 186. 3 Von welcher Qualität diese Übersetzungen sind und inwiefern sie den jeweiligen ausgangssprachlichen Text adäquat wiedergeben, kann an dieser Stelle nicht überprüft werden. 4 Lorenz: Konstruktion, S. 176. Lorenz bezieht sich hier auf Hayden Whites These, daß die politische Neutralität von Historikern unmöglich sei.

28

2. kapitel

1.1 Theorien der Geschichtsschreibung – eine Einführung Lange bevor Hayden White5 mit seiner postmodernen Theorie der Geschichtsschreibung deren narrative Strukturen „enttarnte“,6 hatten andere bereits im 19. Jahrhundert über das erzählerische Moment in der Geschichtsschreibung nachgesonnen.7 Schließlich veränderte sich die Geschichtsschreibung erst durch ihre Professionalisierung vom Inbegriff einer Darstellungsform zu einer Methode, die von den Regeln historischen Forschens bestimmt wurde. Gleichwohl steht historische Forschung nicht in einem Gegensatz zur Geschichtsschreibung, sondern wird bereits vorab auf die spätere Niederschrift entworfen, d. h. „Geschichtsschreibung ist die Fortsetzung der Forschung mit anderen (literarischen) Mitteln“.8 Daher muß die Geschichtswissenschaft den „Konstitutionszusammenhang der historischen Erkenntnis, der der Forschung und Geschichtsschreibung zugleich voraus- und zugrundeliegt, als geistige Aneignung der menschlichen Vergangenheit durch Erzählen aufweisen und die hier maßgebenden Faktoren systematisch untersuchen“.9 Geschichtswissenschaft beruht zudem auf mehreren grundlegenden Voraussetzungen, zu denen gehört, daß Historikerinnen und Historiker imstande sind, mit Hilfe ihrer – natürlich nicht unfehlbaren – Methoden faktische Erkenntnisse über die Vergangenheit zu sammeln.10 Da ihre historischen Erzählungen Rekonstruktionen sind, die auf faktischen Aussagen basieren, erheben sie den Anspruch, wirklichkeitsadäquat zu sein.11 Mit diesem „fundierten Wahrheitsanspruch historischer Erzählung“ ist sodann die ständige Wechselwirkung mit den fließenden Übergängen zwischen Forschung und Darstellung verbunden.12 Dabei steht jede Beweisführung oder Darlegung, welche von Historikerinnen und Historikern vorgebracht wird, in einem 5 White: Metahistory. 6 Rüsen: „Geschichtsschreibung als Theorieproblem“, S. 31. Zur Kritik an White cf. ibd. sowie u. a. Lorenz: Konstruktion, S. 170–77, S. 180–84 und Carr: Time, S. 59–60. Auf das allgemeine Problem angeblich neuer erkenntnistheroetischer Debatten, die sich häufig nur eines anderen Jargons bedienen als in früheren Zeiten, weist in diesem Zusammenhang u. a. Conermann hin. Cf. Conermann: Historiographie, S. 15. 7 Siehe hierzu Rüsen: „Geschichtsschreibung als Theorieproblem“, S. 17–20. 8 Ibid., S. 27. 9 Ibid. 10 Lorenz: Konstruktion, S. 180. Bei diesen und den folgenden Aussagen handelt es sich um eine Stellungnahme des Autors gegen postmoderne Thesen zur Geschichtsschreibung, die ich mir zu eigen mache. 11 Ibid., S. 181. 12 Ibid., S. 181–82.

Theoretische Vorüberlegungen

29

a­ rgumentativen Kontext, so daß die jeweiligen Forschungsergebnisse diskutiert und von anderen Mitgliedern der Wissenschaftsgemeinschaft als wirklichkeitsadäquate Repräsentationen anerkannt werden – oder eben nicht.13 Die Offenheit historischer Abhandlungen in Hinblick auf das jeweilige Thema (verschiedene Texte zum selben Thema sind durch ihren Gegenstand miteinander verbunden), das (von der Wissenschaftsgemeinschaft bestimmte) wesentliche Beweismaterial und die (von dieser Gemeinschaft festgelegten) methodischen Regeln ermöglichen die Nachvollziehbarkeit und Rationalität von Geschichtsschreibung.14 Sowohl der selektive und perspektivische Charakter der Sprache der Quellen als auch der Historikerinnen und Historiker selbst ist unvermeidlich, weshalb die Forderung nach Objektivität zumindest eingeschränkt werden muß,15 ohne jedoch die o. g. wissenschaftlichen Standards aufzugeben: „Nach der Entdeckung der doppelten Perspektivität historischer Erkenntnis gibt es kein Zurück mehr zur Objektivität im traditionellen Sinne.“16 Die einzige Möglichkeit, Objektivität und Perspektivität miteinander zu verbinden, besteht nach Lorenz in der Standpunktreflexion: Hierbei muß sich der Autor/die Autorin als erkennendes Subjekt erklären und die Perspektive im Forschungsobjekt selbst aufspüren.17 Da Historikerinnen und Historiker innherhalb bestimmter Wertehorizonte [Karl-Otto Apel] arbeiten, müssen diese normativen Perspektiven erkannt und normativer Pluralismus ermöglicht werden. Werthorizonte dienen zudem ebenso wie Theorien dazu, die Vergangenheit aus unterschiedlichen Perspektiven zu untersuchen und dabei zu verschiedenen Ergebnissen zu gelangen. Insofern können sie für die Geschichtswissenschaft durchaus von Nutzen sein.18 Was den Objektivitätsbegriff an sich angeht, so läßt er sich nach Lorenz ausschließlich negativ fassen, indem es einen Konsens darüber gibt, was nicht erlaubt ist. Die Erklärungsmodelle hingegen sind in der Geschichtswissenschaft vielfältig, weil es keine standardisierte Interpretation von Forschungsergebnissen geben kann. Genau aus diesem Grund ist der erwähnte normative Pluralismus notwendig.19 Stock geht das Problem allerdings lakonisch an, wenn er schreibt: „The mature view is that the problem of 13 14 15 16 17 18 19

Ibid., S. 185. Ibid., S. 186. Ibid., S. 369. Ibid., S. 369. Ibid., S. 370. Ibid., S. 385–88. Ibid., S. 399.

30

2. kapitel

objectivity and subjectivity has not disappeared. It has merely been translated into a language that most humanistic scholars do not understand.“20 Es gebe demzufolge keine Objektivität, an der sich Historikerinnen und Historiker orientieren könnten, doch vermöchten sie an ihrer Autorenschaft als subjektiver Handlung festzuhalten.21 The historian cannot take refuge in inductive methods. He has to assume that, in making history, he is also thinking, explaining, and interpreting, and that the primary tool for this activity is writing. He, the facts, and the texts are part of a single process. He is not an innocent bystander.22 Falls die Art und Weise, auf die die zeitgenössischen Akteure die Realität interpretieren, ignoriert werde, bleibe von ihren Texten nichts übrig als ein Schrotthaufen von Fakten.23 Die Subjektivität narrativer Quellen ergibt sich wiederum aus der Tatsache, daß es historische Personen waren, die die Entscheidungen darüber trafen, was sie der Nachwelt überliefern wollten. Historikerinnen und Historiker sind dadurch, daß sie die Vergangenheit nur vermittels der Beobachtung dieser Personen sehen können, deren Beobachtungstheorien letztlich ausgeliefert.24 Ein solcher als Quelle dienender historischer Text, der Ereignisse beschreibt, stellt selbst kein Ereignis, sondern etwas dar, das aus tatsächlichen oder vermeintlichen Begebenheiten entstanden ist. Darin geschilderte Begebenheiten erhalten nur dann einen sinnvollen Platz in einer Geschichte, wenn sie entweder von den Zeitgenossen oder von späteren Geschichtsschreibern und Interpretinnen wahrgenommen, d. h. wenn sie subjektiviert wurden. Geschichtsschreibung befaßt sich also nicht mit der Realität selbst, sondern ausschließlich mit der Beziehung der Interpreten zu ihr. Denn ein Ereignis steht – es sei denn im abstrakten Sinne – nicht allein als ein isoliertes Objekt der Betrachtung, sondern kann nur als ein Element in einer Erzählung verstanden werden, welches in ebendieser Erzählung dargelegt oder angedeutet 20 Stock: Listening, S. 77. 21 Ibid., S. 82. 22 Ibid., S. 82–83. 23 Ibid., S. 88. 24 Lorenz: Konstruktion, S. 390–93. Alonso weist auf die Manipulation der Stimme aus der Vergangenheit als Strategie für den historischen Wahrheitsgehalt hin: setzt man die Stimme eines unpersönlichen Erzählers ein, erliegt man leicht der Illusion einer transparenten Objektivität. Doch unterdrücken einstimmige Narrative die Mehrstimmigkeit und Kontingenz historischer Handlungen und Interpretationen. Alonso: „Effects of Truth“, S. 36.

Theoretische Vorüberlegungen

31

wird.25 Die Aufgabe von Historikerinnen und Historikern besteht dann nicht etwa darin, Beweise zu sammeln, um damit eine einzige unausweichliche Deutung zu liefern, vielmehr müssen sie immer wieder neu etwas aus dem überlieferten Material formen, das sie nicht verändern können. So ist gelebte Geschichte nicht etwa rational oder vernünftig, sondern muß ständig entschlüsselt, entmythologisiert und offengelegt werden.26 Als subjektabhängiges Konstrukt stellt Geschichte einen „inneren Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunft­ sperspektive“ dar27 und dient als „deutend vergegenwärtigte Vergangenheit“,28 und „universelle kulturelle Praxis der erinnernden Vergegenwärtigung der Vergangenheit“ nicht zuletzt der Identitätsbildung, da das Geschichtsbewußtsein, welches Vergangenheit deutet, Gegenwart versteht und Zukunft erwartet, ein notwendiges Medium des Selbstverständnisses und der Bildung einer eigenen Identität ist.29 Geschichte(n) bildet folglich nicht nur Ereignisse, sondern zugleich menschliche Erfahrungen, Handlungen und Leiden ab, wozu auch die menschliche Eigenschaft gehört, Sinn in materiellen und anderen Ereignissen zu suchen.30 Vergangene Erfahrungen sind dabei keineswegs die Voraussetzungen für diejenigen der Gegenwart, doch erhalten sie ihren Sinn erst in der Gegenwart.31 Geschichten sind retrospektiv, da die Konturen der Vergangenheit erst aus dem Blickwinkel der Gegenwart skizziert und festgelegt werden.32 Als ein grundlegender geistiger Akt33 stellt die Erzählung die wichtigste Art dar, in der Erfahrung organisiert und ihr ein Sinn verliehen wird. Die Form der Erzählung ist nach Carr nicht ein Gewand, welches etwas anderes unter sich verbirgt, sondern die der menschlichen Erfahrung und Aktivität inhärente Struktur selbst.34 Darüber hinaus bildet die narrative Struktur auch das organisatorische Prinzip 25 Stock: Listening, S. 80–81. 26 Ibid., S. 94. 27 Karl Ernst Jeismann, zit. n. Straub: „Geschichten erzählen“, S. 99. 28 Rüsen: Historische Orientierung, S. 214–15. 29 Rüsen: „Einleitung“, S. 22–23. Rüsen bezieht sich hier offensichtlich auf Michel de Certeau, der der Geschichtsschreibung die Rolle einer kulturellen Praxis zugeschrieben hat, da sie vergangene Wirklichkeiten in Begriffe und Bilder gegenwärtigen Denkens fasse und für die Gesellschaft Spiegelbilder der Vergangenheit zur Selbstvergewisserung in der Gegenwart bereitstelle. Kaschuba: „Kulturalismus“, S. 85. 30 Carr: Time, S. 20. 31 Ibid., S. 27. 32 Alonso: „Effects of Truth“, S. 34. 33 Angehrn bezeichnet Geschichte als „produktiv-konstruktiven Akt“. Angehrn: „Sinn“. 34 Carr: Time, S. 65.

32

2. kapitel

des Selbst, welches diese Erfahrungen macht und diese Aktivitäten ausübt.35 Somit stellt die Erzählung die existentielle Form menschlicher Zeit dar.36 Als ein „story-telling animal“ erzählt der Mensch seine Geschichten in Form seiner Handlungsweisen ebenso wie durch seine Schriften.37 Dinge müssen einen Sinn ergeben und einen Zusammenhang darstellen, damit der Mensch seinem Leben eine gewisse Einheitlichkeit verleihen kann.38 Die erzählerische Beschaffenheit des Denkens formt den narrativen Text, denn „unsere Erfahrung menschlicher Angelegenheiten [neigt] in der psychosozialen Welt dazu, die Form der Erzählungen anzunehmen, die wir verwenden. Denn Erzählungen werden nicht nur gebildet, um Erfahrungen mitzuteilen, sondern auch und zuerst, um diese zu gestalten.“39 Geschichte kann es nur geben, wenn es auch alltagsweltliche Deutung und wissenschaftliche Interpretation gibt, die eine sinn- und bedeutungsstrukturierte Welt konstruieren.40 Historische Wirklichkeiten sind daher Konstrukte, die durch Akte historischer Sinnbildung geschaffen werden. Sie werden als repräsentativer Zeitverlauf und Zeitzusammenhang verstanden, welche durch diejenigen Ereignisse, Handlungen, Erfahrungen etc. begründet werden, die für ein Kollektiv jeweils von Bedeutung sind. Anders als die Geschichte im Sinne eines Geschehens ist die Geschichte als historischeWirklichkeit eine Repräsentation.41 „Historische Repräsentationen distanzieren das Repräsentierte zuerst und in eigentümlicher Weise zeitlich, um sodann freilich zeitliche Relationen und Zeitzusammenhänge zu bilden.“42 In diesem Sinne steht die Vergangenheit nicht ein für allemal fest, sondern ist etwas Nachträgliches, das an die Rückschau gebunden und veränderbar ist,43 hat also Teil an derjenigen Gegenwart und Praxis, der sie jeweilig dient.44 Gesellschaftlich akzeptiert werden Konstrukte historischen Bewußtseins, wenn sie sich auf bestimmte Anlässe und Beweggründe sowie auf Kriterien stützen, die ihre rationale Annehmbarkeit befördern und Orientierungsfunktionen für die Gegenwart liefern.45 Hierzu gehört auch, daß die Ergebnisse der Vergangenheitsdeutung 35 Ibid., S. 73. 36 Carr: „Reality“, S. 126. 37 Wertsch: „Specific Narratives“, S. 49. 38 Carr: Time, S. 79. 39 Bruner: „Vergangenheit und Gegenwart“, S. 52. 40 Straub: „Geschichten erzählen“, S. 83–84. 41 Ibid., S. 85–87. Siehe hierzu auch Carr: „Reality“, S. 126. 42 Straub: „Geschichten erzählen“, S. 91–92. 43 Ibid., S. 97. 44 Ibid., S. 98. 45 Ibid., S. 98.

33

Theoretische Vorüberlegungen

an die Besonderheiten des Kollektivs im kulturellen und sozialen Sinne und an dessen Interaktionssituation gebunden sind.46



Die gemeinhin völlig selbstverständliche Universalisierung geschichtswissenschaftlicher Konzepte, Ideen und Theorien, die auf dem Wissen, den Erfahrungen und dem Denken von Angehörigen in Europa verwurzelter Gesellschaften beruhen, ist längst Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion geworden.47 Spätestens mit der postkolonialen Geschichtsschreibung, die nach dem Ende der Kolonialherrschaft zunächst in verschiedenen Regionen Asiens vorangetrieben wurde, begann sich eine differenziertere Historiographie vor allem in der – von Europa aus gesehen – außereuropäischen Geschichtsschreibung zu entwickeln: the subaltern began to speak.48 Allerdings kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, der Maßstab (west)europäischen sowie nordamerikanischen Denkens und Handelns werde in vielen Wissenschaften auch weiterhin an eine Welt angelegt, in der doch eine Vielfalt an Kulturen, Geschichten, Sinngebungen und Blickwinkeln vorhanden ist. Um den Fallstricken des eurozentrischen Blicks zu entgehen oder diesen zumindest zu relativieren, ist die eigene Standpunktreflexion notwendig.49 Darüber hinaus ist es m. E. jedoch erforderlich, historisches Denken im Vergleich zu analysieren. Konkret gesagt stellt sich im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung erstens die Frage nach der Verortung der modernen iranischen Geschichtsschreibung zum einen in Iran selbst, zum andern auf dem Gebiet des internationalen wissenschaftlichen Austauschs. Zweitens muß methodisch reflektiert werden, wie mit der Tatsache umzugehen ist, daß iranische Geschichte sowohl von nicht-iranischen als auch von iranischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern50 geschrieben wird, in welchen 46 47

48 49 50

Ibid., S. 99. Mit Erstaunen muß man zur Kenntnis nehmen, daß gerade in Bezug auf analytische Begriffe wie z. B. „Nation“ oder „Revolution“ weiterhin ausschließlich auf „westliche“ Erfahrungen rekuriert wird, die jedoch in eine universalistische Theoriesprache eingehen. Vgl. Conrad&Randeria: „Einleitung“, S. 36. Insofern sind, wie noch zu zeigen sein wird, theoretische Arbeiten „westlicher“ Autorinnen und Autoren für die Untersuchung derartiger Konzepte in außereuropäischen Staaten wie z. B. Iran nur bedingt hilfreich. In Anspielung auf Spivak: „Can the Subaltern Speak?“. S. o. S. 29. Unter „iranischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ verstehe ich hier diejenigen, die in Iran selbst leben und arbeiten, da ich ausschließlich in Iran publizierte persischsprachige Schriften als Primärquellen untersuche. Im europäischen Ausland und

34

2. kapitel

Wissenschaftstraditionen und in welchem historischen Denken diese jeweils verhaftet sind und welche historischen Wirklichkeiten und Sinnbildungen sie erschaffen. Drittens ist schließlich danach zu fragen, was es bedeutet, wenn man die moderne iranische Historiographie von einem nicht-iranischen Standpunkt aus untersucht. Um dieser und weiteren damit zusammenhängenden Fragen nachzugehen, wird u. a. auf das Konzept des bereits mehrfach erwähnten Historikers Rüsen zurückgegriffen, das sich mit dem „interkulturellen Vergleich historischen Denkens“ befaßt.51 Zwar ist auch Rüsens Denken über die Geschichte als Wissenschaft sehr durch die europäische Aufklärung geprägt52 und wurden manche seiner Idealtypen des synchronen Vergleichs für das historische Erzählen bereits vor ihm von Historikerinnen und Historikern angewandt, die sich mit außereuropäischer Geschichte befassen. Doch handelt es sich m. E. bei seinen expliziten Überlegungen um einen auch für die vorliegende Untersuchung in Teilen sehr hilfreichen und wichtigen Ansatz, weshalb dieser im folgenden zusammenfassend erörtert und kommentiert wird. Auf die Tatsache, daß historisches Denken „zutiefst ethnozentrisch“ ist, weist Rüsen selbst hin,53 vernachlässigt aber in diesem Zusammenhang, daß „Europa“ auch im Falle der Geschichtsschreibung anderer Regionen das maßgebliche theoretische Subjekt aller historischen Erzählungen bleibt.54 In methodischer Hinsicht bedeutet dies, daß vor allem Historikerinnen und Historiker europäischer (sowie US-amerikanischer) Herkunft und Prägung diese Vorannahme reflektieren müssen, wenn sie sich mit anderen Regionen der Welt befassen. Zu dem von ihm mitherausgegebenen Band „Die Vielfalt der Kulturen“ (Frankfurt a. M. 1998) hat Rüsen selbst zwei wesentliche Beiträge geleistet, nämlich die Einleitung („Für eine interkulturelle Kommunikation in der Geschichte“) und das Kapitel „Theoretische Zugänge zum interkultu-

51 52

53

54

vor allem den USA ansässige iranischstämmige Historikerinnen und Historiker sind i. d. R. wissenschaftlich dort sozialisiert worden, so daß ihre Beiträge im allgemeinen (mit Ausnahme derjenigen stark iranisch-nationalistischer Tendenzen) den dortigen wissenschaftlichen Paradigmata folgen. Zu Rüsens Definition von „Kultur“ s. u. S. 38. Da das europäisch-westliche Denken die einzige uns mögliche Form des Denkens ist, stellt sich nach Weber-Schäfer die wissenschaftstheoretische Frage, ob wir mit seinen Kategorien in der Lage sind, die geistigen Prozesse anderer Zivilisationen zu erschließen. Cf. Kaschuba: „Kulturalismus“, S. 87. Rüsen: „Einleitung“ S. 24. Rüsen greift gleich zu Beginn des Artikels den „Zusammenprall der Kulturen“ von Samuel Huntington auf, mit dessen Implikationen er sich kritisch auseinandersetzt. Ibid., S. 14. Chakrabarty: „Postcolonialism“, S. 1.

Theoretische Vorüberlegungen

35

rellen Vergleich historischen Denkens“. Die grundlegende Frage, die sich hinter Rüsens Konzept der „Vielfalt“ verbirgt, ist diejenige nach der Einheit, die der Vielfalt nicht dichotomisch gegenübersteht, sondern ihr möglicherweise zugrundeliegt oder sie auf einer höheren Ebene umspannt. Bezogen auf das historische Denken und die Früchte dieses Denkens könne das Fehlen einer solchen Einheit bedeuten, daß es zwischen den verschiedenen Varianten historischen Denkens keine Verbindungen und damit auch keine Verständigung gebe. Mit seinen Überlegungen begibt sich Rüsen auf die Suche nach den Gemeinsamkeiten oder den Universalien – also dem Verbindenden, Einheitlichen – des historischen Denkens in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen Zeit- und Sinnvorstellungen. Um diese verschiedenen Denkweisen miteinander vergleichen zu können und sie dabei einerseits zwar in ihrer Unterschiedlichkeit bestehen zu lassen, sie andererseits jedoch aus der Dichotomie des Eigenen und des Fremden mit den damit zusammenhängenden positiven (eigen, selbst) und negativen (fremd, anders) Zuschreibungen55 zu befreien, entwickelt Rüsen ein theoretisch fundiertes Raster. Dieses Raster stellt er in seinem zweiten Beitrag in Form von Idealtypen vor, anhand derer die Vergleichbarkeit der historischen Erzählungen ermöglicht werden soll. Ethnozentrismus ist nach Rüsen als „kulturelle Strategie der Identitätsbildung“ infolge seiner „Logik“ von Zugehörigkeit und Abgrenzung ebenso universell56 wie das historische Denken als „kulturelle Praxis der erinnernden Vergegenwärtigung von Vergangenheit“, als „Medium des Selbstverständnisses“ und der „Konzipierung des Andersseins der Anderen“.57 Universell sind auch die Wahrheitsansprüche, in denen Rüsen die Chance und den Ausgangspunkt für interkulturelle Kommunikation in der Geschichte sieht, da die Universalität der Wahrheit zur formalen Struktur historischer Erzählungen gehöre, die mit ihrer Hilfe „die Kluft zwischen Universalismus und Partikularität überbrücken“ könne. Als eines der Prinzipien narrativer Sinnbildung beziehe sich Wahrheit auf „Erfahrung, auf Werte und Konzepte von Sinn und Bedeutung zeitlichen Wandels.“58 Zudem versteht Rüsen

55 56 57 58

Vgl. Rüsen: „Einleitung“, S. 16. Ibid., S. 15–16. Ibid., S. 22–23. Ibid., S. 25. Eine dem wissenschaftlichen Wahrheitsbegriff gegenüber kritische Haltung nimmt hingegen Estel ein, indem er sagt, Wissenschaft „liefert, in der prinzipiellen Vorläufigkeit ihrer Bestände, zwar ‚objektive‘ Erkenntnis, aber nicht Wahrheit; sie deckt Zusammenhänge auf bzw. stellt sie her, stiftet aber keine Ordnung; sie gewährt Orientierung, aber nicht Sinn; sie vermittelt Wissen, aber keine Weisheit.“ Estel: Vorurteile, S. 276.

36

2. kapitel

„Wahrheit“ als Teil des Diskurses, als eine fundamentale regulative Idee der Argumentation.59 Rüsen zufolge ist jedem historischen Erzählen ein perspektivischer Charakter eigen, da es immer auf Identität bezogen und Identität immer partikular ist.60 Dieser perspektivische Charakter der Geschichte muß als gegeben anerkannt werden, denn gerade die „Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Perspektiven sind Bekräftigung von Wahrheit“, das heißt, daß „die gleichen Tatsachen interpretierend in unterschiedliche Perspektiven einrücken“, da es keine alleinige und „allgemein gültige historische Interpretation der Tatsachen der Vergangenheit gibt“.61 Offensichtlich verwendet Rüsen den Begriff „Wahrheit“ hier im Sinne von „historischer Realität“. So sie denn tatsächlich in eine übergreifende Perspektive geführt würden, könnten die unterschiedlichen Perspektiven auf einen historischen Sachverhalt möglicherweise tatsächlich Raum für Unterschiede und vor allem auch für die „Würde des Andersseins“ geben.62 Voraussetzung dafür wäre jedoch die „universalistische Kategorie der Gleichheit“, d. h. die Annahme der „Gleichheit im Vernunftgebrauch für die Plausibilität der Geschichten“, die einhergehen muß mit dem „Prinzip der wechselseitigen Anerkennung von Unterschieden“.63 Wie die vorliegende Studie zeigt, kann weder die Gleichheit im Vernunftgebrauch noch das Prinzip der wechselseitigen Anerkennung im Falle der Geschichtschreibung zur mongolischen Periode in Iran als gegeben vorausgesetzt werden.64 Unter Zuhilfenahme universeller Elemente des historischen Denkens, wie z. B. narrative Strukturen oder Identitätskonzepte, entwickelt Rüsen Idealtypen, die den Vergleich unterschiedlicher Perspektiven erleichtern oder gar erst ermöglichen. Aus diesem Vergleich ergibt sich die Erkenntnis, daß sich die Unterschiede im historischen Denken nicht aus den ihnen zugrundeliegenden Prinzipien, sondern erst aus deren Konfigurationen ergeben. Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich als Komponenten der kulturellen Differenz 59

60 61 62 63 64

Rüsen: „Einleitung“, S. 28. Als Überblick über den Forschungsstand zum Wahrheitsbegriff dienen die Artikel zu „Wahrheit“ in: Ritter et al.: Historisches Wörterbuch; darin siehe vor allem S. 104–10 zur Diskussion des Wahrheitsbegriffs im 20. Jahrhundert. Ebenfalls einen Überblick über die Diskussion dieses Begriffs bietet Künne: „Wahrheit“. Davidson bezeichnet „Wahrheit“ (truth) schlicht als ein nicht zu definierendes Konzept. Davidson: „Folly“, S. 265. Kritik an Rüsens Wahrheitsbegriff übt auch Rüdiger Graf in einer Rezension: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2006-3-031#note1top. Rüsen: „Einleitung“, S. 27. Ibid., S. 27. Vgl. ibid., S. 29. Ibid., S. 29. Siehe unten viertes Kapitel.

Theoretische Vorüberlegungen

37

bestimmen, die nicht entlang einer einmal gezogenen Demarkationslinie feststehen, sondern diese Linie ständig kreuzen. Aus diesem Vergleich ergibt sich die Einsicht in die „Vielfalt des historischen Denkens“,65 welche gerade durch ihre Komplexität die Dichotomie zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ möglicherweise auflösen kann. Um den von ihm geforderten interkulturellen Vergleich anstellen zu können, ist Rüsen zufolge ein „organisierender Parameter“ erforderlich, welcher die Gemeinsamkeiten ebenso wie die Unterschiede von Historiographie und historischem Denken abbildet. Methodisch ist bei der Erstellung eines solchen Parameters zu berücksichten, daß auch der Vergleich selbst im Kontext einer vorgegebenen Kultur geschieht, daß es also einen „verborgenen Parameter“ in Gestalt eines „vorgegebenen Wissens von Historiographie und historischem Denken“ gibt,66 der diesen Vergleich beeinflußt. Diese vorwissenschaftliche Norm stellt ein erkenntnistheoretisches Problem dar, denn als „verborgene Interpretationsvorgabe [verleiht] sie im Vergleich einer einzelnen Erscheinung des historischen Denkens einen Meta-Status, der über die Wahrnehmung und Interpretation anderer Erscheinungen entscheidet“.67 Um dieses erkenntnistheoretische Problem der „vorausgesetzten Norm“ zu lösen, die sich in der Regel als „die eigene Art des historischen Denkens“ der jeweiligen Historikerin entpuppt, bietet Rüsen unter Verweis auf Assmann eine Theorie des kulturellen Gedächtnisses an. Sie soll nach den „anthropologischen Universalien des historischen Denkens suchen“.68 Zu den wesentlichen Fragen, die diese Theorie zu stellen hat, gehört diejenige nach den Faktoren, die die „Vielfalt von Unterschieden“ bilden: die Umstände, unter denen Geschichtsbewußtsein geformt wird; die Herausforderungen, die es hervorruft; die Funktionen, die es zu erfüllen hat; die kulturellen Praktiken, in denen es sich als Kommunikationsprozeß und Faktor in der Gesellschaft vollzieht; die geistigen Prozesse, „die man ‚Geschichte‘ nennt“.69 Hier trifft sich Rüsen mit Khalidi, der von „allgemeinen Prinzipien historischen Schreibens und Denkens“ ausgeht, welche einem gemeinsamen Milieu entstammen. Zu diesen Prinzipien gehört, daß sich die Geschichtsschreibung in ihrer Zielsetzung an die Ethik und die Politik, in ihrer Methode an die Philosophie 65 66 67 68

69

Rüsen: „Einleitung“, S. 32. Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 40. Ibid., S. 41. Ibid., S. 43. Laut Assmann gibt es im historischen Denken zwei Funktionsfelder, die „Zeitkonstruktion“ und das „kulturelle Gedächtnis“, die man als „anthropologische Universalien“ bezeichnen kann. Assmann: „Zeitkonstruktion“, S. 81–82. Ibid., S. 45.

38

2. kapitel

und die Naturwissenschaften und in ihrem Stil an die Literatur ihres jeweiligen Umfeldes anlehnt.70 Da ein interkultureller Vergleich „Kulturen“ als Vergleichsobjekte voraussetzt, muß dieser Begriff definiert werden. Dies tut Rüsen, indem er zur Vermeidung der ethnozentrischen Vorstellung von Kultur als Einheit und Wesenheit „die Spezifik einer Kultur als Kombination von Elementen [. . .], die von allen anderen Kulturen ebenfalls geteilt werden, dort aber anders kon­ stelliert sind“ bezeichnet. Demzufolge hebt sich jede Kultur von einer anderen nur durch die „unterschiedlichen Konstellationen der gleichen Elemente“ ab.71 Ausgehend von dieser Voraussetzung wird auch die Geschichtsschreibung als „Manifestation von Geschichtsbewußtsein“ verstanden, deren jeweilige Besonderheiten aus einer Synthese unterschiedlicher Elemente bestehen. Lassen sich zumindest wesentliche Elemente in allen Manifestationen von Geschichtsschreibung feststellen, ist eine systematische und vergleichende Analyse möglich. Voraussetzung für diese Analyse ist die Entwicklung einer „Theorie der hauptsächlichen Komponenten dieser spezifischen kulturellen Manifestationen“, d. h. der Geschichtschreibung.72 Wesentlicher Bestandteil dieser Theorie ist die „Identifizierung anthropologischer Universalien“, die das Geschichtsbewußtsein bestimmen. Dazu gehört die Zeiterfahrung ebenso wie der Umgang mit ihr und die Einbindung der mit der Erfahrung zeitlichen Wandels verbundenen Kontingenz.73 Eine besondere Leistung des Geschichtsbewußtseins, welches die Vergangenheit vergegenwärtigt und sie als „akkumulierte Erfahrung zeitlichen Wandels“ deutet, liegt in den vielfältigen Praktiken des historischen Erzählens. Diese Praktiken bringen ihrerseits die Geschichtsschreibung hervor, „als einen möglichen Orientierungsfaktor menschlichen Lebens“. Im interkulturellen Vergleich müssen diese Praktiken systematisch berücksichtigt und ihre jeweils besonderen Formen herausgearbeitet werden, „in denen sich die universellen Aktivitäten der Sinnbildung über Vergangenheit durch Erzählen manifestieren“.74 Abgesehen von den kulturellen Praktiken des Erzählens und dem damit unmittelbar zusammenhängenden Sichtbarwerden von „Geschichte“ muß laut Rüsen zu Vergleichszwecken ferner untersucht werden, wer die Geschichtsschreiber 70

71 72 73 74

Khalidi: „Prinzipien“, S. 100. Khalidi formuliert seine Thesen als Antwort auf Burkes 10 Thesen zum westlichen historischen Denken. Burke: „Westliches historisches Denken“, S. 32–52. Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 48–49. Ibid., S. 49–50. Ibid., S. 50. Ibid., S. 52.

Theoretische Vorüberlegungen

39

sind, d. h. ihre gesellschaftliche Stellung, ihre Verortung im Herrschaftssystem, ihre Ausbildung und Kompetenz sowie ihre Geschlechtszugehörigkeit sind zu erfragen. Zudem muß die Bedeutung von Geschichtsschreibung für die Legitimierung oder Delegitimierung von Herrschaft und die Wichtigkeit, die Geschichtsschreibung in einer Gesellschaft beigemessen wird, untersucht werden. Auch das „Verhältnis der narrativen Ordnung von Ereignissen, die als ‚faktisch‘ präsentiert werden“ sowie die „sprachliche Form der Geschichtsschreibung“ sind wichtig für den Vergleich.“75 Diesen Anforderungen wird in der Einleitung ebenso wie im Analysekapitel der vorliegenden Studie Rechnung getragen. Zu der von Rüsen postulierten Vergleichbarkeit historischen Denkens und damit auch dessen Sichtbarwerdung in Form historischer Erzählungen, die als universelle Aktivitäten der Sinnbildung allen Kulturen gemeinsam sind, kommt die Verwobenheit und Zusammengehörigkeit der modernen Welt und damit die Verflechtung ihrer Geschichte(n) hinzu.76 Ihre Ambivalenz erhalten diese Verflechtungen oder Interaktionen dadurch, daß sich die Entstehung der modernen Welt als eine von verschiedenen Kulturen und Gesellschaften gemeinsam erlebte Geschichte lesen läßt, der zunehmende Austausch von Menschen, Waren und Ideen andererseits gleichwohl das Bedürfnis nach Abgrenzung, Partikularität sowie der Errichtung dichotomischer Strukturen hervorruft.77 Zudem bedeutet Verflechtung nicht die Auflösung von Machtgefügen, welche die Verhältnisse zwischen den verschiedenen darin verwobenen Gesellschaften bestimmen, da die „Betonung der Verwobenheit zunächst noch nichts über die Modalitäten der Interaktion aus[sagt], die von erzwungener Übernahme, freiwilliger Assimilation, gewaltsamer Zerstörung bis zu wechselseitiger Umstrukturierung reicht“.78 Mit Sicherheit läßt sich jedoch sagen, daß Verflechungen und Interaktionen – und dazu gehört auch die Intertextualität – zu einer Auflösung tatsächlicher oder vermeintlicher Dichotomien im historischen Denken beitragen. Vorwegnehmend läßt sich diesbezüglich feststellen, daß es einerseits zu Verflechtungen im historischen Denken von „westlichen“ und iranischen Autorinnen und Autoren ­gekommen ist. Eine Übernahme europäischer Vorstellungen von professioneller Geschichtsschreibung kann hingegen nur bedingt verzeichnet werden. 75 76

77 78

Ibid., S. 57. Zudem schlägt Rüsen verschiedene Idealtypen für den synchronen Vergleich historischen Denkens vor. Ibid., S. 62–67. Conrad&Randeria: „Einleitung“, S. 14–17. Für eine theoretische Abhandlung zur histoire croisée cf. Werner&Zimmermann: „Vergleich“ sowie Werner&Zimmermann: „Beyond Comparison“. Conrad&Randeria: „Einleitung“, S. 17. Ibid., S. 18.

40

2. kapitel

Aus postkolonialer – und postmoderner – Sicht sind Wissen und Wissenschaft keine „Instrumente neutraler oder ‚objektiver‘ Beschreibung“, sondern eng mit den Mechanismen der Macht verwoben.79 Desgleichen gelten analytische Begriffe wie „Nation“, „Revolution“, „Gesellschaft“ oder „Fortschritt“ als Bestandteile einer vorgeblich universalen Theoriesprache, die von europäischen Erfahrungen geprägt ist und die Interpretation anderer lokaler Geschichten daher präfiguriert, wenn nicht gar „europäisiert“.80 Dementsprechend impliziert die Vorstellung vom Nationalstaat an sich immer auch die Vorstellung von einer Geschichte, deren theoretisches Subjekt Europa war und ist.81 Auch weiterhin ist dieses Europa der „stille Bezugsrahmen“ (silent referent) historischen Wissens. Daher müssen sich außereuropäische Historikerinnen und Historiker gewöhnlich auf die Werke ihrer europäischen Kolleginnen und Kollegen beziehen, während dies umgekehrt nicht gilt, was zu einem „Ungleichgewicht der Ignoranz“ (inequality of ignorance) oder zu einer „asymmetrischen Ignoranz“ (asymmetric ignorance) führt.82 In der Theoriebildung ebenso wie in der Geschichtsschreibung sollte es jedoch möglich sein, die darin enthaltenen versteckten Parameter und Konnotationen aufzudecken und sich der Verantwortlichkeit der eigenen Darstellung und Begriffsbildung bewußt zu werden.83 Inwiefern man im Falle der modernen iranischen Geschichtsschreibung von einer solchen Asymmetrie sprechen kann, wird anhand des hier untersuchten Fallbeispiels analysiert. 1.2 Kontingenz und Sinngebung: Vom Sinn der Geschichte Historische Erzählungen dienen als Instrumente in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung über Kontinuität und Wandel, sie sind Konstruktionen sinnhafter und damit moralischer Handlungszusammenhänge, Ableitungen von Verpflichtung und Legitimation.84 Da die Erklärung von Wandel in historischen Texten die Beschreibung einer Vorstellung von Wandel darstellt, muß dieser ebenso im Auge behalten werden wie die Kontinuität.85 Die Erfahrung zeitlichen Wandels sorgt wiederum grundsätzlich für Irritationen, denn sie zerstört die menschliche Vorstellung von einem „unproblematischen Fortgang der Dinge“ in der Welt. Damit sich der Mensch mit dieser Erfahrung in ­seiner 79 Ibid., S. 34. 80 Ibid., S. 36. 81 Chakrabarty: „Postcolonialism“, S. 8. 82 Ibid., S. 1–2. 83 Cf. Coronil: „Jenseits des Okzidentalismus“, S. 209. 84 Faber: „Instrumentalisierung“, S. 293. 85 Stock: Listening, S. 86.

Theoretische Vorüberlegungen

41

Lebenspraxis einrichten kann, muß die mit Wandel häufig einhergehende Kontingenz86 „in eine Vorstellung zeitlicher Ordnung integriert werden“.87 Diese Leistung erbringt das Geschichtsbewußtsein, indem es Erfahrungen deutet und ihnen damit einen Sinn gibt.88 Als „Bruch [. . .] im bisherigen Verlauf der Geschichte“ enttäuschen kontingente Geschehnisse im historischen Narrativ die Erwartungen.89 Diese „Irritation des Bruchs“, der durch solche unerwarteten Vorkommnisse hervorgerufen wird, muß dadurch geheilt werden, daß die Kontingenz in der Geschichte Sinn und Bedeutung erhält.90 Für die Heilung dieses Bruchs ist mithin die Historiographie als „Selbstverständigungswissenschaft“ von großer Bedeutung, denn das durch einen abrupten Bruch wichtiger Traditionen gestörte Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit bewirkt u. U. radikale Veränderungen, die ihrerseits eine Neubesinnung auf die Vergangenheit und mit ihr eine Neudefinition von Identität notwendig machen.91 Erzähltechnisch in der Regel als Mittelteil einer Geschichte verortet, stellt die Kontingenz in der Form überraschender, ungewöhnlicher oder unerwarteter Ereignisse oder Krisen92 – wie im vorliegenden Fallbeispiel die mongolischen Eroberungen – ein kontrastbildendes Ereignis dar, welches das Vorher vom Nachher trennt und daher im Zentrum der erzählten Veränderung steht. Dieser Mittelteil „bildet die Achse und Plattform der erzählerischen Transformation eines 86

Der Begriff der „Kontingenz“ geht bereits auf Aristoteles zurück, der damit das „AndersSein-Können“ bezeichnet. Heuß: „Kontingenz in der Geschichte“, S. 16. Werth spricht von „Schicksalskontingenz“, wenn etwas auch anders sein könnte, aber nicht zu ändern ist. Werth: Kontingenz und Alterität, S. 9. Zur Begriffsdefinition cf. auch Hoffmann: Zufall und Kontingenz, S. 58–59, 61; Graevenitz&Marquardt: Kontingenz. 87 Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 51. 88 Ibid., S. 51–52. 89 Straub: „Geschichten erzählen“, S. 148. 90 Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 50. Durch einen Bruch wie z. B. den Holocaust wird der teleologisch unterstellte Sinnzusammenhang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zerstört, das historische Denken wird von Kontingenzerfahrung überwältigt. Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 14. Ob Naturereignisse, die über die Menschen hereinbrechen oder der Zusammenbruch politischer Ordnungen als kontingente Geschehnisse empfunden bzw. erzählt werden, hängt davon ab, ob ein Naturereignis tatsächlich als Katastrophe und die vorherige Ordnung als unerschütterlich und legitim angesehen wurden. Heuß: „Kontingenz in der Geschichte“, S. 39. 91 Lorenz: Konstruktion, S. 410–11. 92 Heuß spricht im Zusammenhang mit außergewöhnlichen, für Menschen bedrohlichen Naturereignissen, von „Naturkatastrophenkontingenz“. Heuß: „Kontingenz in der Geschichte“, S. 36.

42

2. kapitel

Anfangszustands in einen Endzustand, den Ausgang der Geschichte.“93 Durch ihre Bearbeitung kontingenter Ereignisse setzt sich die Erzählung mit diesen auseinander und ist darum bemüht, „die gefährdete Orientierung beizubehalten“ oder wiederzugewinnen, sie bildet die alte Ordnung um und schaffte eine neue, „die die jeweils relevante Erfahrung des Überraschenden oder Neuen in sich aufgenommen hat.“94 Daher, so Straub, stiftet Erzählen Einsicht, indem es nicht nur beschreibt und plausibilisiert was, sondern auch warum etwas geschah.95 Auf die wesentliche Bedeutung von „Sinn“ macht überdies Luhmann aufmerksam, der diesen als „Grundbegriff der Soziologie“ bezeichnet und seine Funktion analysiert. Zur Erfüllung dieser Funktion bedarf es sinnkonstituierender Systeme, die als solche in Form von z. B. psychischen oder sozialen Systemen einen Sinnzusammenhang darstellen.96 Während der Begriff „Komplexität“ darauf hinweist, daß es mehr Möglichkeiten des Erlebens und Handelns gibt als diejenigen, die gerade geschehen, bedeutet „Kontingenz“, daß diese erlebten und erfahrenen Möglichkeiten auch anders ausfallen können als erwartet. Komplexität wird daher mit Selektionszwang, Kontingenz mit Enttäuschungsgefahr und der Notwendigkeit, sich auf Risiken einzulassen, gleichgesetzt. „Unter der Bedingung komplexer und kontingenter anderer Möglichkeiten gewinnt das Erleben die Form risikoreicher Selektivität.“97 Enttäuschung und Angst, hervorgerufen durch Komplexität und Kontingenz, müssen bewältigt werden, was vermutlich auch durch Rationalisierung der betreffenden Ereignisse geschieht.98 Geschichtsbewußtsein als „geistige Antwort auf die Herausforderung der Kontingenz“ verortet diese in einer narrativen Ordnung, um ihr Sinn und Bedeutung zu verleihen und dadurch menschlichem Handeln wieder einen kulturellen Orientierungsrahmen zu geben.99 Erfahrungen, die keinen Sinn ergeben, weil sie „sich nicht in 93 94 95

Straub: „Geschichten erzählen“, S. 113. Ibid., S. 148. Ibid., S. 148–49. Auch Carr betont nachdrücklich, daß die erzählerische Struktur des Anfangs, der Mitte und des Endes die menschliche Existenz als solche charakterisiere. Carr: „Reality“, S. 126. 96 Luhmann: „Sinn“, S. 28–29. 97 Ibid., S. 33. 98 Ibid., S. 62, 66. 99 Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 150. Rüsen stellt ein „Paradigma der narrativen Sinnbildung des Historischen“ auf, dem er Orientierungsbedürfnis, Methoden der Deutung, Formen der Repräsentation und Funktionen der kulturellen Orientierung zuordnet. Als Dimensionen historischer Sinnbildung benennt er „die politische Strategie der kollektiven Erinnerung“, die „kognitive Strategie der Erzeugung historischen Wissens“ und die „ästhetische Strategie der Poetik und Rhetorik historischer Repräsentation“. Ibid., S. 63–64.

Theoretische Vorüberlegungen

43

den Interpretationszusammenhang integrieren [lassen], der menschliches Handeln kulturell orientiert“, bezeichnet Rüsen als traumatisch. Um mit den Konsequenzen solcher traumatischer Ereignisse und Erfahrungen ­umzugehen, werde Historisierung als „kulturelle Strategie“ eingesetzt und das Trauma erhalte seinen Platz in einer zeitlichen Struktur,100 d. h. in der Mitte der Erzählung. Durch die auf diese Weise erfolgende „Enttraumatisierung durch Historisierung“ wird nach Rüsen das kontingente traumatische Geschehnis als „dunkle Periode“ oder „Schicksal“ anonymisiert, mit Hilfe abstrakter Begriffe in einen sinnvollen Ablauf integriert, durch die Aufhebung seiner Einzigartigkeit normalisiert, mit Hilfe von Moralisierung zivilisiert, durch Veranschaulichung ästhetisiert, als Teil eines Lernprozesses in eine historische Teleologie eingeschrieben und abstrahiert. Durch die Zerlegung des traumatischen Geschehens in seine Einzelteile wird schließlich seine Sinnlosigkeit verneint,101 ihm also Sinn verliehen: „In dieser Hinsicht ist die Geschichtswissenschaft aus rein logischen Gründen eine kulturelle Praxis der Enttraumatisierung. Sie verwandelt Trauma in Geschichte.“102 Ähnlich stellt Cavalli die Muster dar, nach denen menschliche Gesellschaften bei der Konstruktion kollektiver Identitäten mit traumatischen Erinnerungen umgehen. Entweder wird das entscheidende Ereignis als Neubeginn für die betroffene Gruppe oder Gesellschaft verstanden, dann wird der Bruch mit der Vergangenheit besonders betont und das zentrale Ereignis erhält die symbolische Funktion als Endpunkt der Vergangenheit und Beginn einer neuen Epoche (zero point pattern). In diesem Fall wird Kontinuität auch häufig mit einer weiter zurückliegenden Vergangenheit hergestellt und die Idee der Wiedergeburt entwickelt.103 Oder das entscheidende Geschehen wird ganz einfach ignoriert (pattern of re-establishment or reconstruction of continuity).104 In diesen beiden Fällen werden Begebenheiten aus der Vergangenheit entfernt oder verdrängt. Schließlich gibt es aber noch ein drittes Muster, nach welchem intensiv und sorgfältig mit dem Trauma umgegangen (elaboration of memory/ mourning), also „Trauerarbeit“ im Freud’schen Sinne geleistet wird. Anstatt das als verstörend empfundene kontingente Ereignis zu verbannen, muß es gedeutet werden.105 Katastrophen sind eine Bedrohung für die Identität von 100 101 102 103 104 105

Ibid., S. 171–72. Ibid., S. 172–75. Ibid., S. 176. Cavalli: „Memory“, S. 172–73. Ibid., S. 174. Ibid., S. 174. Kritisch sieht Kansteiner den Einsatz psychoanalytischer Methoden bei der Erforschung des Kollektivgedächtnisses in Hinblick auf Traumata. Er vertritt die Ansicht, daß weder das Traumakonzept noch dasjenige der Verdrängung diejenigen Faktoren

44

2. kapitel

Gemeinschaften, abrupte Veränderungen verzerren den Referenzpunkt der alltäglichen Aktivitäten wie derjenigen Bestandteile, mit deren Hilfe Menschen sich als in Zeit und Raum verortete Einheiten erkennen. Sie gehen einher mit der Angst vor Vernichtung, einem Gefühl der Gefahr, aber auch der (Hoffnung auf) Besserung. Wenn alles zerstört ist, nehmen die gesellschaftlichen Eliten eine wesentliche Rolle bei der bewußten Pflege von Erinnerungen ein.106 Diese gesellschaftlichen Eliten oder Trägergruppen, wie Alexander sie unter Berufung auf Max Weber bezeichnet, sind es auch, die das kulturelle Trauma überhaupt erst herstellen. Sie erzählen die Geschichten, die den Mitgliedern ihrer jeweiligen Gesellschaft vermitteln, daß ein Ereignis oder eine Erfahrung sie traumatisiert habe, und verleihen diesen Erfahrungen gleichzeitig Sinn.107 Folglich werden nicht nur der Sinn eines Ereignisses und die o. g. Historisierung als „kulturelle Strategie“ geschaffen, sondern aus kontingenten Ereignissen werden kulturelle, d. h. kollektive Traumata, weil bedeutende Akteure einer Gemeinschaft sie dazu machen.108 Inwiefern die mongolischen Eroberungen der iranischen Hochebene und anliegender Gebiete von gesellschaftlichen Akteuren als kulturelles Trauma konstruiert wurden und werden, ist in der Analyse der persischen historischen Erzählungen nachzulesen.109 Sinn als „verstehbare Bedeutung“, als „Korrelat eines Verstehens“ führt zur Metapher von der „Lesbarkeit der Welt“ [Hans Blumenberg], d. h. daß die Wirklichkeit „in ihrer Bedeutung – in dem, was sie zu verstehen gibt und als was sie sich zu verstehen gibt – erkannt und expliziert werden kann.“110 Den Kern der „Lesbarkeit der Welt“ bildet nach Blumenberg das „Sinnverlangen“, welches wiederum in enger Verbindung mit dem rezeptiven Sinnvernehmen und der interpretierenden Sinnkonstruktion existiert.111 Der Sinn von Geschichte entsteht durch den geschichtlichen Bedeutungszusammenhang, den Historikerinnen und Historiker zum einen in ihrem Nachdenken über

106 107 108 109 110 111

erfassen, die zum Entstehen oder zum Unterbleiben von Kollektiverinnerungen bzw. zur Verspätung öffentlicher Debatten über die Bedeutung von problematischen Ereignissen aus der Vergangenheit führen. Stattdessen sei der Umgang mit diesen Ereignissen vor allem abhängig von politischen Interessen und Opportunitäten, und vergangener Ereignisse könne in Kollektiven nur gedacht werden, sofern sie in den Rahmen zeitgenössischer Interessen paßten. Kansteiner: „Postmoderner Historismus“, S. 126. Cavalli: „Memory“, S. 176–77. Alexander: „Theory“, S. 10–12. Siehe auch ibid., S. 1–2. Siehe unten S. 212–13. Angehrn: „Sinn“, S. 18. Ibid., S. 19.

Theoretische Vorüberlegungen

45

Geschichte antreffen und den sie andererseits durch ihre Arbeit mit erschaffen.112 Denn der Hermeneutik zufolge bedeutet die Rekonstruktion gesellschaftlicher Sinnbedeutungen zugleich die Konstruktion wissenschaftlicher Sinndeutungen.113 Da die Wirklichkeit dem Menschen immer als „gebrochen, gefährdet und bedrohlich erscheint, muß er sich stets der Sinndimensionen seiner Welt vergewissern.114 „Sinn“ trägt eine universalistische Bedeutung in sich und hat somit keinen Plural. Dies führt jedoch nach Galtung zu einem Problem, welches auf dem westlichen Universalismus vor allem deutscher Denker wie Kant und Weber – und, so sei hier ergänzt, in deren Nachfolge vieler anderer deutscher und europäischer Geisteswissenschaftler – beruht: Falls der Sinn menschlicher Geschichte darin bestehe, Chiffren zu erkennen und umzusetzen und diese durch einen Prozeß der Sozialisierung und Kulturalisierung weiterzugeben, und falls diese kollektiven Chiffren dazu führten, daß sich Menschen mit einer grundsätzlich gemeinsamen soziokulturellen Chiffre in Nationen zusammenfänden und Nationen mit einer weitgehend übereinstimmenden Chriffre in Zivilisationen, könne es nicht nur eine Chiffre und somit auch nicht nur einen Sinn geben. Stattdessen gebe es mehrere Bedeutungen (meanings) und eine Vielzahl von Geschichte(n) (plurality of history), so daß von einem Sinn der Geschichte nicht mehr gesprochen werden kann.115 Allerdings ist es sicherlich legitim, in einem abstrakten Sinne vom Sinn der Geschichte zu sprechen und sowohl den Sinn als auch die Geschichte(n) einzelner soziokultureller Einheiten daraufhin konkret zu untersuchen. In seiner Studie Ägypten. Eine Sinngeschichte tut Assmann genau das, aber er geht noch weiter, indem er nach der Geschichte des Sinns fragt und eben das Konzept einer eigenen „Sinngeschichte“ entwickelt. In diesem Konzept spielen die „Kohärenzfiktionen“ eine große Rolle, mit deren Hilfe Erinnerungen und Erfahrungen organisiert werden. Diese sollen allerdings nicht entlarvt oder dekonstruiert werden, um die dahinter verborgenen Realitäten ans Licht zu bringen. Vielmehr geht es Assmann um diese Fiktionen selbst, interessiert er sich für den Sinn, den die Ägypter ihrer Geschichte gaben.116 Der ‚dritte Weg‘, den wir in dieser Studie versuchen, geht davon aus, daß jede Gegenwart sowohl unbewußte ‚Spuren‘, als auch bewußte und 112 Ibid., S. 20–21. 113 Kaschuba: „Kulturalismus“, S. 85. 114 Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 25. 115 Galtung: „Meaning“, S. 90–91. 116 Assmann: Ägypten, S. 19.

46

2. kapitel

s­innhaft konstruierte ‚Botschaften‘ hinterläßt, und daß jeder Rückgriff auf diese zur Vergangenheit gewordene Gegenwart sich sowohl in der sinnhaft konstruierten Form der Erinnerung und Erzählung als auch in der wissenschaftlichen Form der analytischen Geschichtsforschung auf die Vergangenheit beziehen kann.117 Sinngeschichte befaßt sich mit der kulturellen Form von Geschichte und setzt dabei voraus, daß andere Kulturen118 andere Geschichten haben119 – sie unterstellt also, wie von Galtung gefordert, eine Pluralität der Geschichte ebenso wie des Sinns. Weiterhin konkretisiert Assmann sein Konzept einer Sinngeschichte wie folgt: Die Sinngeschichte verfährt relativistisch, d. h. Geschichte wird nicht als universeller, gleichförmiger Rahmen für alle Kulturen verstanden, innerhalb dessen sie sich jeweils entfalten. Stattdessen „entsteht Geschichte überhaupt erst als Funktion dieses Entfaltungsprozesses, den eine jede Kultur aufgrund der ihr eigenen semantischen Möglichkeiten erzeugt.“120 Dasselbe relativistische Prinzip gilt für den Sinn, der nicht für alle Kulturen in gleicher Weise vorgegeben ist, denn jede Kultur entwickelt ihre eigene Semantik, wobei Kulturkontakte und die Möglichkeit der gegenseitigen Verständigung und Übersetzbarkeit mit einbezogen sind. Da die Geschichte einer Kultur oder Gesellschaft nur in Abhängigkeit von der dieser Kultur oder Gesellschaft eigenen kulturellen Semantik zu verstehen ist, „ist auch die Geschichte selbst ein Produkt der Kultur, eine kulturelle Form“.121 Die Problematik dieses relativistischen Zugangs zu Kulturen, der von der Prämisse ausgeht, „daß jede Kultur in ihrer eigenen Wirklichkeit lebt und daß Erkenntnis kulturell determiniert ist“,122 entschärft Assmann durch die Annahme von der kulturimmanenten Pluralität: Weil Kulturen aufgrund ihrer vielfältigen Formen von Vergangenheit, die mit Hilfe verschiedener Medien des kulturellen Gedächtnisses aufbewahrt werden, in unterschiedlich differenzierten Graden plurisystemisch organisiert sind, bemessen sich die Möglichkeiten sowohl des intrakulturellen Wandels 117 Ibid., S. 20. 118 Eine Definition dessen, was genau unter dem Begriff „Kulturen“ im Sinne menschlicher Gemeinschaften zu verstehen ist, gibt Assmann leider nicht. Insgesamt läßt sich sein Kulturverständnis jedoch zusammenfassend so deuten, daß ihm Kultur als „Inbegriff der subjektiven Deutungsleistung des Menschen im Umgang mit sich selbst und seiner Welt“ gilt. Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 18. Vergangenheit ist für Assmann daher stets „kulturelle Schöpfung“. Oexle: „Memoria“, S. 23. 119 Assmann: Ägypten, S. 26. 120 Ibid. 121 Ibid. 122 Ibid., S. 29.

Theoretische Vorüberlegungen

47

als auch des interkulturellen Verstehens nach dem Grad dieser intrakulturellen Vielfältigkeit.123 Als soziale Konstruktionen und symbolische Formen sind Zeit, Geschichte und Wirklichkeit in jeder Kultur und Epoche jeweils unterschiedlich ausgeprägt. „Geschichte ist nicht nur das, was einer Gruppe, einem Volk, einer Kultur objektiv ‚widerfährt‘, sondern auch das, was sie im Rahmen ihrer eigenen Zielsetzungen und Sinnkonstruktionen einerseits handelnd anstrebt und andererseits erinnernd festhält.“124 Als eines der Prinzipien narrativer Sinnbildung benennt Rüsen die „Wahrheit“, die sich auf die Erfahrungen, Werte und Konzepte von Sinn und Bedeutung zeitlichen Wandels beziehe.125 Es drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob es nicht vielmehr die Ansprüche auf Wahrheit sind, die auf eben diese Erfahrungen, Werte und Konzepte erhoben werden. Weiterhin enthalten m. E. die Konzepte von Sinn und Bedeutung gerade diejenigen Kohärenzfiktionen, die einem bestimmten Geschichtsdenken eigen sind. Assmann bezeichnet diese Kohärenzfiktionen in Anlehnung an Jacob Burkhardt auch als „Lügen“, mit deren Hilfe Erinnerungen und Erfahrungen organisiert werden.126 Sinngeschichte basiert folglich auf solchen Kohärenzfiktionen und den damit verbundenen Wahrheitsansprüchen, aber nicht auf Wahrheit. Innerhalb des hier skizzierten Rahmens der Diskussion von Geschichtsschreibung und des Sinns der Geschichte, der die dieser Arbeit zugrundeliegenden „verborgenen Parameter“ offenlegt, soll die moderne iranische Geschichtsschreibung zur mongolischen Periode analysiert werden. Unter Zuhilfenahme einiger wesentlicher Aspekte der oben vorgestellten Vorschläge von Rüsen für eine Theorie des interkulturellen Vergleichs von historischem Denken sowie Assmanns Konzept der Sinngeschichte wird darüber hinaus der theoretische Ansatz der Analyse vervollständigt. Als weitere Voraussetzung dieser Untersuchung wird im folgenden zuerst etwas zum Umgang mit narrativen Quellen gesagt, worauf ein Überblick über die persischsprachige Historiographie in islamischer Zeit folgt. Exkurs: Über den Umgang mit vormodernen narrativen Quellen der muslimischen Geschichte In der modernen iranischen wie außeriranischen Geschichtsschreibung, die sich mit der Region in der Vormoderne befaßt, wird zu einem e­ rheblichen 1.3

123 Ibid., S. 30. 124 Ibid., S. 31. 125 Rüsen: „Einleitung“, S. 25. 126 Assmann: Ägypten, S. 19.

48

2. kapitel

Teil auf historiographische Quellen zurückgegriffen. Auch in diesem Zusammenhang hat sich in der „westlichen“ Wissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt, daß derartige historische Quellen Texte narrativer Art sind, deren Inhalte nicht einfach als Fakten oder Widerspiegelung einer vermeintlichen Realität anzusehen sind und daher von Historikerinnen und Historikern auch nicht als Steinbrüche genutzt werden sollten, aus denen sie sich jeweils herausbrechen, was im Sinne ihrer eigenen Fragestellungen verwendbar ist.127 Stattdessen muß bei der Lektüre und Analyse solcher historischen Erzählungen danach gefragt werden, welche Funktion ein vormoderner Geschichtsschreiber zu erfüllen hatte, welche Wirkung er erzielen wollte und auf welche Art und Weise er seine Ziele erreichte. Zudem gehört die Kenntnis des jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und nicht zuletzt auch religiösen Kontextes zum Verständis einer historischen Erzählung. Denn vormoderne muslimische Geschichtsschreiber verbargen häufig ihre wahren Einschätzungen und persönlichen Überzeugungen, um einerseits ihre jeweiligen Herrscher nicht zu vergrätzen und andererseits die Erwartungen ihrer Leser nicht zu enttäuschen. Literarischer Stil und andere vorgegebene Muster des historischen Erzählens widersprachen daher häufig der „historischen Realität“, die sie darzustellen versuchten.128 Bei der Lektüre der in Iran publizierten historiographischen Texte zur Mongolenzeit wird jedoch deutlich, daß sich diese Erkenntnisse dort bisher nicht durchgesetzt haben. In diesen historischen Erzählungen werden die in mongolischer Zeit entstandenen Geschichtswerke als Quellen herangezogen, die detailliert und wahrheitsgetreu Auskunft über jene Zeit geben.129 Zudem wird den Einschätzungen bedeutender Geschichtsschreiber wie ʿAlāʾ od-Dīn ʿAṭā Malek Ǧoveinī (1226–83)130 oder Rašīd od-Dīn Fażlollāh (ca. 1247–1318)131 vertraut und ihre Beobachtungstheorien nicht thematisiert. Im Zusammenhang sowohl mit der eigenen Standpunktreflexion als auch in Hinblick auf das Konzept einer interkulturellen Geschichtsschreibung ist es daher nötig, den Stand der Forschung, wie er außerhalb Irans zu verzeichnen ist, kurz zu erläutern.

127 128 129 130

Vgl. Waldman: Toward a Theory, S. 4. Ibid., S. 10. Siehe unten S. 247–63. Lane: „Jovayni, ʿAlāʼ-Al-Din“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Bibliographie ibid. Siehe auch Barthold& Boyle: „Djuwainī“ sowie Rajabzade: „Jovayni Family“. 131 Cf. Morgan: „Rashīd al-Dīn Ṭabīb“.

Theoretische Vorüberlegungen

49

Um der vormodernen muslimischen Geschichtsschreibung gerecht zu werden, sind nach Waldman fünf miteinander verbundene Aspekte zu berücksichtigen: die historischen Visionen der Autoren sind eng mit Zeit und Ort ihrer Niederschriften verbunden; muslimisches historisches Erzählen war bewußt didaktisch; muslimische Geschichtsschreiber sahen sich vielfach genötigt, ihre eigenen Werte und Überzeugungen zu verheimlichen; charakteristische Strukturmerkmale sagen unter Umständen etwas über die (sittlichen) Werte des Autors aus; historisches Schreiben war abhängig von den Grenzen, die ihm durch das Genre und dessen stilistische Vorgaben gezogen wurden.132 Für muslimische Geschichtsschreiber der Mittleren Periode stand weniger das Festhalten von „Fakten“ im Vordergrund, als vielmehr das Verfassen einer sinnvollen Erzählung.133 Um den Sinn ihrer Erzählungen zu vermitteln, mußten sie ihr „Rohmaterial“ bearbeiten und ihm einen narrativen Rahmen geben. Insofern liegt das Wesentliche dieser Geschichtsschreibung in der Art und Weise, in der der jeweilige Geschichtsschreiber die Vergangenheit in ihrer Bedeutung für seine eigene Gegenwart darbot.134 Während die arabische Geschichtsschreibung bereits eigene Modelle zur Präsentation einer „verwertbaren“ (usable) – oder vielleicht besser sinnstiftenden – Vergangenheit gefunden hatte, oblag es den ersten persischsprachigen Geschichtsschreibern, solche Muster zu etablieren und diesen eine angemessene sprachliche Form zu verleihen.135 Europäische Orientalisten des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich mit der persischen Geschichtsschreibung der Mongolenzeit befaßten, übten häufig Kritik am ornamentalen Stil dieser Schriften,136 der es ihnen häufig verwehrte, 132 Waldman: Toward a Theory, S. 16. 133 Scott Meisami: Persian Historiography, S. 3. „Thus historical works are not merely records of the past, but literary texts that my be approached through literary analysis.“ Meisami: „History as Literature“, S. 1. Siehe hierzu auch ibid., S. 53–55. 134 Scott Meisami: Persian Historiography, S. 12 und Meisami: „History as Literature“, S. 53. 135 Scott Meisami: Persian Historiography, S. 12–13. Zur klassischen arabischen Geschichtsschreibung cf. Rosenthal: History; Leder: „The Literary Use“; Leder: „Post-klassisch“; Radtke: Weltgeschichte. Zu den Veränderungen, die die arabischen Geschichtsschreiber der Mamlukenzeit vollzogen, indem sie sich verstärkt dem Erzählen einer von ihnen selbst erlebten Gegenwart zuwandten, siehe Haarmann: „Auflösung“ und Humphreys: Islamic History. 136 Luther: „Islamic Rhetoric“, S. 90. Selbst Morgan, einer der bis in die Gegenwart bedeutendsten Forscher zur Mongolenzeit in Iran, äußert in seinem 1986 erschienenen wichtigen Überblickswerk, es sei eine große Erleichterung, daß es von dem weitgehend unverständlichen Werk des Geschichtsschreibers Vaṣṣāf eine Zusammenfassung in modernem Persisch gebe. Morgan: Mongols, S. 21. Zu Vaṣṣāf cf. Jackson: „Waṣṣāf“. Siehe hierzu auch

50

2. kapitel

einen möglichst direkten Zugang zu den „Fakten“ zu bekommen, die sie in diesen Werken suchten. Sie übersahen dabei gerne, daß manche der Autoren selbst kundtaten, ihr hauptsächliches Ziel sei, in prachtvollem Stil zu schreiben, wobei die historischen Ereignisse, von denen sie erzählten, das Material bildeten, welches kunstvoll mit den Ornamenten dieser überschäumenden Rhetorik geschmückt wurde.137 [. . .] a more compelling reason for the historians’ [of the Mongol period, P.-H.] use of excessive verbiage is that it obscures the horrors of the time without denying their existence. The fact that such works were incomprehensible to the rulers to whom they were presented ensured good opportunities for ambiguity, concealment, and double-entendres.138 Da es vor allem am Hofe tätige Sekretäre und Kanzleischreiber waren, die die Geschichtsschreibung betrieben, übernahmen diese den Kanzleistil auch für ihre historischen Erzählungen.139 Sie waren sich dabei stets bewußt, daß ihre Abhandlungen von anderen Schreibern, darunter ihre eigenen Vorgesetzten sowie mißgünstige Gleichrangige und Feinde bei Hofe, immer auch kritischer Betrachtung unterzogen und, falls sie es verdienten, öffentlich vorgetragen wurden. Dementsprechend galten ihre Texte als kunstvolle Zeugnisse sprachlicher Fertigkeit und Virtuosität, die als Gutscheine im Tauschsystem der herrschenden Eliten eingesetzt wurden.140 Historische Erzählungen dienten folglich gleichermaßen als Ausweis der besonderen stilistischen Fähigkeiten ihrer Autoren und wurden daher zuweilen zur Erlangung sozialer oder materieller Günste verfaßt.141

137

138

139 140 141

Melville: „Mongol and Timurid Periods“, der den elaborierten Stil solcher Werke als ­Vehikel für Ironie und als elegante Patina ansieht, welche die Banalität höfischer Ereignisse überdeckte. Ibid., S. 161. Luther: „Islamic Rhetoric“, S. 90; Vaṣṣāf betont in seinem Geschichtswerk selbst, daß er ein vorbildliches Werk persischer Literatur verfassen wolle. Pfeiffer: „Turghid History“, S. 113. Wentker meint, Vaṣṣāf habe eine vollständige „Symbiose aus Form und Funktion seiner Verse“ angestrebt, um „die Geschichte in vollendeter sprachlicher Form darzubieten“. Wentker: „Auf der Suche“ S. 229. Für eine Analyse von Vaṣṣāfs Epos cf. auch Poliakova: „Development“, S. 247–52. Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. Hoffmann bezeichnet die hohe Schreibkunst vor allem des Vaṣṣāf, die für den mongolischen Herrscher Ġāzān Ḫān unverständlich war, als „eindrucksvolles Zeugnis für das kulturelle Beharrungsvermögen“ der ahl-e qalam. Hoffmann: „Wortkunst“, S. 266. Luther: „Islamic Rhetoric“, S. 90 und Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. Luther: „Islamic Rhetoric“, S. 94. Ibid., S. 95.

Theoretische Vorüberlegungen

51

Wie Poliakova gezeigt hat, ist in Ǧoveinīs Werk über die Mongolen die Erzählung selbst den literarischen Regeln (literary etiquette) untergeordnet, denen zufolge die Wirklichkeit nach den vorgegebenen zeitgenössischen Mustern zu schildern war. Dieselben Regeln bestimmten die Auswahl der Geschehnisse durch den Geschichtsschreiber, ihre Interpretation und seine Charakterisierung der historischen Figuren. Während Ǧoveinī auf dieses Regelwerk zurückgriff, als er den mongolischen Großkhan Mangū (reg. 1250–57) nach dem Muster des idealen Herrschers beschrieb, wählte er im Falle des Čengīz Ḫān den Typus des tyrannischen Dämonenkönigs aus der Mythologie.142 Aufgrund der allgemeinen politischen Situation – der Herrschaft der Mongolen – und Ǧoveinīs persönlicher Lage als höfischer Beamter und Geschichtsschreiber in deren Diensten, wäre es ihm nicht möglich gewesen, Čengīz Ḫān schlichtweg als das genaue Gegenteil des idealen Herrschers darzustellen.143 Daher bediente er sich der kanonisierten Beschreibung der historischen Ereignisse, die mit der mongolischen Invasion einhergingen. Auf diese Art und Weise entstand ein Bild von Čengīz Ḫān, das zumindest teilweise durch die Darstellung der Folgen seiner Eroberungszüge geprägt war.144 Dabei ging es Ǧoveinī nicht um die detaillgetreue Beschreibung von tatsächlichen Begebenheiten, sondern darum, seine Ansicht über die Zerstörung einer Zivilisation zum Ausdruck zu bringen. Wer den Text liest, zieht daraus seine/ihre eigenen Schlüsse hinsichtlich des Ausmaßes und der Folgen der Zerstörungen ebenso wie hinsichtlich der Rolle, die Čengīz Ḫān dabei spielte.145 Von Bedeutung ist folglich die Subjektivität der genannten persischsprachigen Quellen, denn auch deren Autoren trafen Entscheidungen, welche Ereignisse sie in welcher Form der Nachwelt überliefern bzw. ihren jeweiligen Herrschern präsentieren wollten oder konnten. Es handelt sich daher auch im Falle dieser Texte um Interpretamente,146 die der Entschlüsselung in Hinblick auf ihre Funktion und ihren Sinn bedürfen.

142 Hierbei handelt es sich um Żaḥḥāk, der auch im Schahname auftritt. Cf. Poliakova: „Development“, S. 244. Wie stark mythische Figuren bis heute einer Rolle spielen, zeigt sich an Ḥasanzādes Hinweis auf den sasanidischen Herrscher Fereidūn, der allerdings nur im Schahname auftritt. Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 456. Siehe unten S. 242. 143 Poliakova: „Development“, S. 244–45. 144 Ibid., S. 245. 145 Ibid., S. 246. 146 Damit bezeichnet Kaschuba sowohl Tradierung als auch Rekonstruktion als „Konstruktion von Wirklichkeit“. Kaschuba: „Verschwinden“, S. 19.

52 2

2. kapitel

Entstehung und Entwicklung der persischsprachigen Geschichtsschreibung – ein Überblick

Um den Autorinnen und Autoren der hier untersuchten historischen Erzählungen zur Mongolenzeit gerecht zu werden, ist es notwendig, die Entwicklung der Geschichtsschreibung in persischer Sprache nachzuzeichnen. Dabei soll der Schwerpunkt einerseits auf der Periode der Ilchane in Iran liegen, da sich in dieser Zeit eine eigenständige Form dieses Genres in persischer Sprache entwickelte, welches wiederum die Grundlage der modernen Historiographie bildet. Andererseits wird das Augenmerk auf die Entstehung dieses Genres im Iran des 19. und 20. Jahrhunderts gerichtet, da es den gesellschaftspolitischen, ideologischen und wissenschaftlichen Rahmen bildet, in dem die hier erwähnten Autorinnen und Autoren ihre eigenen Untersuchungen verfaßten.147 Zu Beginn seines Artikels über die persischsprachige Historiographie in der frühen islamischen Periode stellt Daniel die Frage, seit wann es überhaupt eine solche Historiographie gegeben habe. Er weist darauf hin, daß die geographische Region, die zuvor und auch in späteren Jahren grob als „Persien“ oder „Iran“ bezeichnet wurde und weitestgehend das Herrschaftsgebiet der Sasaniden (224–651)148 umfaßt, von der arabisch-muslimischen Eroberung des Sasanidenreiches bis zur Invasion der Mongolen als politische Einheit nicht existierte. Zudem lägen weder politische, geographische oder philologische Parameter vor, die dabei helfen würden, das zu untersuchende Material einzugrenzen, noch lasse sich sagen, was genau man in der vormongolischen Periode unter einem „historischen Werk“ zu verstehen habe.149 Will man sich ausschließlich der Geschichtsschreibung zu „Iran“ in persischer Sprache zuwenden, wird man beginnend mit der buyidischen Herrschaft (945–1055) auf der iranischen Hochebene fündig, denn erst zu dieser Zeit zeichnet sich die Entstehung einer historiographischen Tradition auf Neupersisch ab.150

147 Einen Überblick über die persischsprachige Geschichtsschreibung mit ähnlicher Schwerpunktsetzung bietet Faṣīḥī: Ǧarāyānhā, S. 19–29. 148 Einführend cf. Shahpur Shazbazi: „Sasanian Dynasty“. 149 Daniel: „Historiography iii. Early Islamic Period“. Für weiterführende Abhandlungen siehe die Bibliographie ibid. Merkwürdig ist nur, daß Daniel die Frage stellt, ob es vor der Etablierung der Safaviden (1501–1722) persische Geschichtsschreibung gab, obwohl er kurz darauf selbst auf die mongolische Geschichtsschreibung hinweist. 150 Ibid.

Theoretische Vorüberlegungen

53

Als wesentlichen Anreiz für die Freisetzung einer enormen Kreativität im persischsprachigen historischen Schrifttum unter mongolischer Herrschaft151 bezeichnet Melville die Tatsache, daß sich auf der iranischen Hochebene zum ersten Mal seit sasanidischer Zeit wieder eine Macht von imperialer Größe etablierte. Den mongolischen Herrschern wurde sehr bald bewußt, wie wichtig es war, die Geschichte ihrer Eroberungen und Errungenschaften festhalten zu lassen, nicht zuletzt deshalb, weil Geschichtsschreibung ein wesentlicher Bestandteil der Literatur ihrer Untertanen war.152 Folglich ermöglichten sie den in ihren Diensten stehenden Schreibern den Zugang sowohl zu den dafür notwendigen Dokumenten als auch zu mongolischen und chinesischen Zeugen.153 Drei Charakteristika der persischen Historiographie in mongolischer Zeit sind besonders hervorzuheben, nämlich zum einen ihre Quantität, zum zweiten die Tatsache, daß sie erstmals seit der arabisch-muslimischen Eroberung zum größten Teil in persischer Sprache verfaßt wurde, und drittens, daß ihre Autoren einen sehr viel weiteren Horizont hatten als ihre Vorgänger, was ihr Interesse für die Themen und Regionen angeht, über die sie schrieben.154 Im Unterschied zu der bis dahin vor allem annalistischen Form der Geschichtsschreibung, wie sie lange Zeit für arabische Niederschriften kennzeichnend war, entwickelten die persischsprachigen Geschichtsschreiber eine eigene literarische Erzähltradition.155 Im Mittelpunkt ihrer historischen Erzählungen stehen der jeweilige Herrscher und seine Taten sowie die Mitglieder seiner Regierung, wodurch die chronologische Struktur eines Werkes vorgegeben war.156 Zu den wichtigsten und einflußreichsten Geschichtsschreibern und hohen Beamten der Mongolenzeit,157 deren Werke zudem von Historikerinnen und 151 Ibid. 152 Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Bibliographie ibid. 153 Rypka: „Poets“, S. 622. 154 Morgan: „Persian Historians“, S. 110. Eine Unterteilung der historischen Werke aus der Mongolenzeit nach verschiedenen Genres hält Melville für schwierig. Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 155. 155 Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. Fragner ist allerdings ebenso wie Meisami der Ansicht, daß sich diese Tradition bis auf Balʿamī zurückführen läßt. Fragner: Persophonie, S. 52; Meisami: „History as Literature“, S. 53–55. 156 Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. 157 Melville weist darauf hin, wie stark die Geschichtsschreiber den gesellschaftspolitischen Spannungen jener Zeit ausgesetzt waren, wie sie sich zwischen verschiedenen Loyalitäten – gegenüber dem Herrscher und seiner Dynastie einerseits sowie der Gemeinschaft der

54

2. kapitel

Historikern inner- und außerhalb Irans noch heute herangezogen werden, zählen Ǧoveinī und Rašīd od-Dīn. ʿAṭā Malek Ǧoveinī gehörte einer Familie von „Männern der Feder“ an, die während der verschiedenen Perioden mongolischer Herrschaft in Iran bedeutende Ämter innehatten. Seit 1243 als Sekretär in Diensten des mongolischen Statthalters Amīr Arġūn Āġā (reg. 1243/4–1256),158 reiste er mehrmals in die Mongolei, wo er bei einem Aufenthalt in Karakorum im Jahre 1251/52 offensichtlich von Freunden dazu angeregt wurde, eine Geschichte der Mongolen zu schreiben, das Tārīḫ-e ǧahān-gošā („Geschichte des Welteroberers“), welches er 1260 beendete. Nach der Eroberung Bagdads durch die Mongolen unter Hūlāgū (reg. 1256–65) erhielt ʿAṭā Malek Ǧoveinī das Amt des Statthalters von Bagdad, das er auch unter Hūlāgūs Nachfolger Abāqā (reg. 1265–82) ausübte. Als hohem Beamten oblag es ihm, die von ihm kontrollierten Gebiete im Sinne seiner mongolischen Herren zu regieren, als Geschichtsschreiber hatte er die Aufgabe, ihre Erfolge gebührend zu würdigen. Dies tat er als ein Mann, der nicht nur Karriere am mongolischen Hof machte, sondern der zudem sehr gebildet, weit gereist und im Umgang mit Männern unterschiedlichster Herkunft im Mongolenreich geschult war.159 Sein Tārīḫ-e ǧahān-gošā ist ein durchdachtes und anspruchsvolles literarisches Werk, das häufig aus erster Hand von den Expansionen des Mongolenreiches berichtet.160 Während ʿAṭā Malek Ǧoveinī als Zeitzeuge die Katastrophe erklären mußte, die nach muslimischer Anschauung durch den Sieg der „Ungläubigen“ über sie hereingebrochen war, hatten sich die Mongolen, als Rašīd od-Dīn seine Universalgeschichte begann, bereits als rechtmäßige Herrscher etabliert und der Islam sich als führende Religion im Reich der Ilchane erneut durchgesetzt.161 In mongolische Dienste gelangte Rašīd od-Dīn Ṭabīb als Arzt, seine eigentliche Karriere am Hofe der Ilchane begann jedoch mit seiner Ernennung zum Wesir, wobei er sich dieses Amt zunächst mit einem anderen Granden teilen mußte. Als Wesir zweier ilchanidischer Herrscher (Ġāzān, reg. 1295–1304, und Ūlǧāytū, reg. 1304–16) hatte er eine hohe Position inne und direkten Zugang zum Regenten. Die Tatsache, daß Rašīd od-Dīn einer jüdischen Familie entstammte und erst im Alter von 30 Jahren zum Islam konvertierte, mag seine

158 159 160 161

Muslime und „iranischer Kultur“ (die er nicht näher definiert) andererseits – ­orientieren mußten und wie sich dies in ihren Chroniken niederschlug. Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 159–61. Cf. Jackson: „Arḡūn Āqā“. Lane: „Jovayni, ʿAlāʼ-Al-Din“. Melville: „Jahāngošā-ye Jovayni“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Bibliographie ibid. Siehe auch Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. Morgan: „Persian Historians“, S. 120.

Theoretische Vorüberlegungen

55

Sicht auf die islamische Geschichte beeinflußt haben:162 Sein Geschichtswerk, das er in Ġāzān Ḫāns Auftrag verfaßte, versammelt nicht nur Materialien zur islamischen und iranischen Geschichte, sondern befaßt sich ebenso mit den Mongolen und anderen Völkern, mit denen diese in Verbindung kamen – aus diesem Grunde wird es auch als „first world history“ bezeichnet.163 Abgesehen von den schriftlichen Quellen, die Rašīd od-Dīn zur Verfügung standen – darunter das Werk seines Vorgängers ʿAṭā Malek Ǧoveinī – zog er in hohem Maße mündlich überlieferte historische Erzählungen heran, die zum Teil direkt aus Ġāzān Ḫāns Munde stammten.164 Das Ǧāmeʿ ot-tavārīḫ versammelt eine ungeheure Menge an Informationen über Ostasien, welche der muslimischen Welt zu einer Zeit einen großen Wissensvorsprung verschafften, zu der China und Iran im Zentrum eines Weltreiches lagen.165 Es gilt als das wichtigste historische Einzelwerk über das gesamte mongolische Reich.166 Als für diese Untersuchung nächste wichtige Etappe der persischsprachigen Geschichtsschreibung ist die Epoche der Kadscharen (1795–1925) zu nennen, die das „lange 19. Jahrhundert“ iranischer Geschichte maßgeblich prägten. In dieser Zeit kam die persische Historiographie – ebenso wie andere Bereiche des gesellschaftspolitischen Lebens – unter den zunehmenden Einfluß „westlicher“ Traditionen und Vorstellungen.167 Aufgrund dieser Einflüsse und der intensiven Auseinandersetzung mit der „westlichen Moderne“ versuchten sich einige der vordenkerischen Köpfe jener Zeit auch in Formen von Historiographie, die von den europäischen wissenschaftlichen Ideen des 19.

162 Melville: „Jāmeʿ al-tawārik“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Bibliographie ibid. Siehe auch Morgan: „Rashīd al-Dīn Ṭabīb“. 163 Melville: „Jāmeʿ al-tawārik“. 164 Melville: „Historiography iv. Mongol Period“. 165 Melville: „Jāmeʿ al-tawārik“. 166 Morgan: „Rashīd al-Dīn Ṭabīb“. Einen kurzen Überblick über lokale Geschichtsschreibung der Mongolenzeit findet sich bei Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 182–84. 167 Dieser Einfluß bestand zum einen in der Entsendung von Studienmissionen seit 1811, zum anderen in den „Übersetzungen“ von Geschichtswerken wie Edward Gibbons The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (Originalausgabe in sechs Bänden, London 1776–88) oder Voltaires Histoire de l’empire de Russie sous Pierre le Grand (1759) und von Biographien wie Voltaires Histoire de Charles Douze (Paris 1732). Cf. Balaÿ: Genèse, S. 42. Siehe auch Amanat: „Historiography viii. Qajar Period“ und Amanat: „Legend“, S. 333–37. Unter den in der Iranischen Nationalbibliothek vorhandenen „Übersetzungen“ aus dieser Zeit finden sich allein 30 Geschichtswerke, darunter auch The History of Iran from the Most Early Period to the Present Time von Sir John Malcolm (London 1829). Balaÿ: Genèse, S. 55, 461–65 und Adamiyat: „Problems“.

56

2. kapitel

Jahrhunderts geprägt waren.168 Hierzu gehört die Hegelsche Vorstellung von den antiken Persern als Auslösern des historischen Prozesses169 ebenso wie der Ariermythos als Kulminationspunkt eines europäischen Metanarrativs iranischer Geschichte.170 Dieses neue Metanarrativ ersetzte die in Iran bis dahin vorherrschenden Vorstellungen von der eigenen Geschichte, löste Mythen durch „Fakten“ ab und entzog das Erzählen von Geschichte dem Zugriff der Allgemeinheit, indem es professionalisiert wurde.171 Mit dieser Professionalisierung und Konzentrierung auf historische „Fakten“ ging seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein klarer und einfacher Stil ebenso einher wie eine genaue und übersichtliche Darstellung von Ereignissen. Beeinflußt wurden derartige Entwicklungen nicht zuletzt durch die 1851 erfolgte Etablierung des Teheraner Polytechnikums Dār ol-fonūn.172 Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts befaßte sich Geschichtsschreibung in Iran vorrangig mit der dynastischen Abfolge, den Nachfolgestreitigkeiten und Machkämpfen sowie der Befriedung der von Nomaden dominierten Randgebiete.173 Geschichte wurde als Instrument der religiösen oder politischen Legitimierung benutzt, um das Versagen des Staates und seiner politischen wie religiösen Eliten ebenso zu vertuschen wie das Aufflackern öffentlichen Unmuts.174 In der Folge unterblieb das Entstehen von Geschichtswissenschaft als einer eigenständigen Disziplin, ein Mangel, der sich in der Pahlavī-Ära fortsetzte und die andauernde Instrumentalisierung der Geschichte zur Herrschaftssicherung erleichterte.175 168 Vgl. Amanat: „Historiography viii. Qajar Period“. Tucker stellt am Beispiel der Chroniken fest, daß bereits im frühen 19. Jahrhundert erste maßgebliche Veränderungen im Gebrauch literarischer Symbole herrscherlicher Legitimität zu beobachten sind. Tucker: „Persian Historiography“, S. 280–82. Derselbe Verfasser betont besonders den Einfluß deutscher wissenschaftlicher Geschichtsschreibung im Iran des 19. Jahrhunderts. Ibid., S. 284–85. 169 Ansari: Politics of Nationalism, S. 16. 170 Ibid., S. 8. Zur Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Arier“ und zum „Ariermythos“ siehe auch Motadel: „Aryan Myth“, besonders S. 130–35 zur Integration dieses Mythos in den iranischen Nationalismus. 171 Ansari: Politics of Nationalism, S. 17 und S. 24. 172 Tucker: „Persian Historiography“, S. 284. Zum Dār ol-fonūn siehe auch den Artikel von Guerny&Nabavi: „Dār al-Fonūn“. 173 Amanat: „Legend“, S. 295. Cf. ibid., S. 314–23 zu staatlich finanzierter Geschichtsschreibung seit der Mitte des 19. Jahrhundert. 174 Ibid., S. 295. 175 Amanat: „Historiography viii. Qajar Period“; Amanat: „Legend“, S. 294 sowie Pistor-Hatam: „Writing Back?“, besonders S. 567.

Theoretische Vorüberlegungen

57

Abgesehen von den erwähnten ersten Versuchen einer modernen iranischen Geschichtsschreibung spielten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts unter iranischen Intellektuellen die Rückbesinnung auf die vorislamische Vergangenheit und die „Reinigung“ der persischen Sprache von allen arabischen Elementen eine große Rolle.176 Diese neue Entwicklung zeigte sich zuerst in dem von Ǧalāl od-Dīn Mīrzā (1827–72)177 verfaßten Lehrbuch, in welchem der Verfasser sich darum bemühte, die seiner Ansicht nach glorreiche vorislamische Vergangenheit Irans im Vergleich zu seinem darauf folgenden Niedergang, verursacht durch die arabischen und türkischen Invasionen, hervorzuheben. Hier zeichnet sich der Beginn einer neuen, bereits von nationalistischen Überlegungen geprägten, historischen Erzählung ab, die das Denken in Iran bis in die Gegenwart beeinflußt.178 Auch wenn es andere iranische Geschichtsschreiber gab, deren Ziel die objektive Suche nach historischen Fakten war, überwogen gegen Ende des 19. Jahrhunderts doch diese, die vorislamische Zeit glorifizierenden nationalistischen Tendenzen. Vor allem Mīrzā Āqā Ḫān Kermānī (1854/55–96)179 unterstrich in seinen Schriften, daß er das historische Erzählen nicht als Chronologie von Ereignissen, sondern als Mittel des Reflektierens und Lernens ansah – eine Vorstellung von Geschichte, die laut Amanat tief im persischen historischen Denken verankert ist.180 Die Geschehnisse der iranischen Verfassungsrevolution von 1906 bis 1911, die Amanat, der hier deutlich seinen eigenen Wertehorizont zum Ausdruck bringt, als „a turning point away from the decadence of Qajar despotism to a new era of national rebirth“ bezeichnet, wurden vor allem in verschiedenen Printmedien verfolgt und beschrieben.181 Als historisches Ereignis 176 Zu diesem Thema cf. einführend Jazayeri: „Modernization“; die Diskussion über die Reform des Alphabets unter persischsprachigen Autoren des 19. Jahrhunderts ist wiedergegeben in Pistor-Hatam: Nachrichtenblatt, S. 226–58. Siehe auch die dort angegebene weiterführende Literatur. 177 Zu seiner Person cf. Amanat&Vejdani: „Jalāl al-Din-Mirzā“. 178 Amanat: „Historiography viii. Qajar Period“ und Amanat: „Legend“, S. 328–30. 179 Zu diesem „revolutionären Denker“ siehe u. a. Bayat: „Mīrzā Āqā Khān“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Biographie ibid. Zu Kermānī siehe auch Amanat: „Legend“, S. 337–43. 180 Amanat: „Historiography viii. Qajar Period“. Unverständlicherweise fehlt in Amanats Artikel ein Verzeichnis der wissenschaftlichen Sekundärliteratur. Da es im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht um die wichtigsten Intellektuellen des 19. Jahrhunderts und ihre Ideen geht, kann dieses Versäumnis hier nicht behoben werden. Allerdings wird in der Erörterung der Entstehung einer nationalen Geschichtsschreibung in Iran noch in diesem Kapitel auf einige dieser Männer und ihre Ideen eingegangen werden. 181 Amanat: „Historiography viii. Qajar Period“.

58

2. kapitel

e­ntwickelte sich die Revolution hingegen erst seit den 1940er Jahren zu einem Gegenstand historischer Narrative.182 Ihre Verfasser erzählten die Geschichte dieser Revolution von ihrem jeweils eigenen politischen oder ideologischen Standpunkt. Dabei betonten sie häufig die Bedeutung der einen oder anderen Gruppe oder Person für den Fortgang bzw. den letztlichen Erfolg der Revolution.183 In der Einleitung zu seiner „Geschichte der iranischen Verfassungsrevolution“ (Tārīḫ-e mašrūṭīyat-e Īrān, erstmals publiziert 1940–43) gibt Aḥmad Kasravī (1891–1946)184 an, er betrachte sich selbst nicht als Historiker und die von ihm zusammengestellten Informationen gründeten auf seinem eigenen Wissen und den Nachforschungen, die er angestellt habe. Es finden sich in dieser Monographie daher weder Hinweise auf seine Quellen noch gar eine Bibliographie, dafür war Kasravī offensichtlich daran gelegen, das Vorhandensein einer iranischen Identität und eines iranischen Patriotismus während der Verfassungsrevolution hervorzuheben.185 Unter der Ägide von Reżā Ḫān, der 1925 zum ersten Schah einer neuen, wenn auch kurzlebigen, Dynastie wurde, prägte der Versuch, eine nationale iranische Identität zu erschaffen, die Geschichtsschreibung.186 Allerdings ist Amanat darin zuzustimmen, daß die Entstehung einer übergreifenden Erzählung von Irans Geschichte nicht einfach ein Produkt der Pahlavī-Ära ist, sondern daß die Anfänge einer proto-nationalistischen Geschichtsschreibung zumindest bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen.187 Als wesentliche Bestandteile einer nationalen iranischen Identität galten neben einer gemeinsamen 182 Eine kritische Einschätzung der Geschichtsschreiber, die sich mit der genannten Periode befaßten, bietet Afshari: „Historians“. Zur Geschichtsschreibung dieser Epoche siehe außerdem das Kapitel „Historiography“ mit den darin enthaltenen Artikeln in Chehabi&Martin: Iran’s Constitutional Revolution sowie die dort angegebene weiterführende Literatur. 183 Afshari: „Historians“, S. 478–486. 184 Zu seiner Person cf. Milani: Eminent Persians, S. 947–52 und Azimi: „Historiography“, S. 384–98. Zu seinen Schriften zum Nationalismus cf. Abrahamian: „Kasravi“. 185 Vaziri: Iran as Imagined Nation, S. 159–60. Zur Art und Weise, in der die Verfassungsrevolution in den folgenden 100 Jahren in Iran rezipiert wurde, cf. Amanat: „Memory and Amnesia“. Amanat wendet sich auch den „forgotten narratives“ des 19. Jahrhunderts zu: Amanat: „Legend“, S. 351–57. 186 Für eine Erörterung des Zusammenhangs von Nationalismus und Geschichtsschreibung in Iran siehe unten das gleichnamige Kapitel. In seiner Analyse iranischer Schulbücher verweist Ram auf die Hervorhebung der Bedeutung des Königtums während der Pahlavī-Ära als wesentlichem Bestandteil des „Iranertums“ seit der Antike. Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 72. 187 Amanat: „Legend“, S. 292–93. M. E. kann er eine proto-nationalistische Geschichtsschreibung für das Ende des 18. Jahrhunderts in diesem Artikel nicht nachweisen.

Theoretische Vorüberlegungen

59

Sprache, dem Persischen, und einer gemeinsamen Religion, der Zwölferschia, vor allem die Bekundung der territorialen Einheit Irans und seiner kulturellen und politischen Kontinuität. Mit Hilfe der Geschichtsschreibung, die in staatlichem Auftrag historische Erzählungen zu verschiedenen Perioden der „iranischen Geschichte“ hervorbrachte, ebenso wie durch das Edieren historischer Quellentexte sollte diese Nationalgeschichte von den Achaimeniden bis zu Reżā Šāh Pahlavī entstehen.188 Dabei sahen manche Geschichtsschreiber ihre Beschäftigung mit dem vorislamischen Iran als ein politisches Projekt an, welches eine direkte Verbindung zur antiken iranischen Vergangenheit herstellen und dadurch die Kluft zwischen der „eigentlichen Herkunft“ der Iraner und ihrer gegenwärtigen Lage überwinden sollte.189 Es ist daher als „integratives Projekt“ der Geschichtsschreibung bezeichnet worden.190 Ein Projekt, welches eine eigene „Iran-Zeit“191 [Mohammad Tavakoli-Targhi] schuf, indem es Vergangenheit deutete, ein Verständnis für die Gegenwart weckte und eine Perspektive für die Zukunft bot.192 So war der oben erwähnte Pīrniyā der Auffassung, eine der größten Herausforderungen des Staates sei, seinen Nationalismus zu bewahren und zu schützen und nicht aus Nachlässigkeit zu verwirken, was er in 2500 Jahren aufgezeichneter und über 4000 Jahren mythischer Geschichte erreicht habe. Zu diesem Zwecke sei die Kenntnis der Geschichte, seien Ausgrabungen, Erhalt und Schutz der nationalen Stätten von großer Bedeutung. Nationen könnten zwar über mehrere Sprachen verfügen, sie hätten jedoch nur eine Geschichte, 188 Vgl. Amanat: „Historiography ix. Pahlavi Period“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Bibliographie ibid. Amanat bringt auch in diesem Beitrag seinen eigenen Wertehorizont wieder deutlich zum Ausdruck, indem er schreibt, ebenso wie die iranischen Geschichtsschreiber der Mongolenzeit seien sich diejenigen der Pahlavī-Ära ihrer „persischen Identität unter fremder Herrschaft“ bewußt gewesen. Ibid. Azimi stellt fest, der entstehende Nationalstaat, verbunden mit moderner hoheitlicher Staatsführung und demokratischer Regierung sei auf eine bürgergesellschaftliche Solidarität, basierend auf historischen kulturellen Errungenschaften und Werten angewiesen gewesen. Die frühe Pahlavī-Zeit sei demzufolge als eine Phase des Übergangs vom heterogenen kadscharischen Reich zum Nationalstaat anzusehen. Daher habe das Studium der Geschichte nicht unbeeinflußt von nationalistischen Bindungen sein können, auch wenn Nationalismus nicht das einzige Leitmotiv historischen Denkens gewesen sei. Azimi: „Historiography“, S. 423–24. 189 Atabaki: „Agency and Subjectivity“, S. 73–75. Atabaki bezeichnet die Ausblendung der unmittelbaren Vergangenheit durch die Geschichtsschreibung der Pahlavī-Ära als „selective amnesia“. Ibid., S. 79 und S. 90. Siehe hierzu auch Amanat: „Memory and Amnesia“. 190 Vejdani: Purveyors, S. 19. 191 Siehe unten S. 78. 192 Siehe oben S. 31.

60

2. kapitel

die als Garant der nationalen Einheit diene.193 Historische Forschung, so war auch Eqbāl überzeugt, sollte betrieben werden, um die Prinzipien und Regeln von Gesellschaften sowie deren Fortschritte und Niedergang zu verstehen und folgenden Generationen als Anleitung zu dienen.194 Schließlich betrachtete er den Erhalt von Handschriften, ihre Edition und Kommentierung als Teil der Sicherung von Primärquellen der iranischen Vergangenheit und des ­nationalen Erbes.195 Obwohl sich zusehends mit den Bedingungen westlicher Geschichts­ s­chreibung vertraute professionelle Historiker an die Arbeit machten, gelang es diesen nur allmählich, Literaturwissenschaftler und Texteditoren bei der Produktion historischer Erzählungen zu ersetzen und ihre eigenen Studien, etwa in Form von Lehrbüchern, an Schulen und Universitäten einzuführen. Bis auf wenige Ausnahmen wurden jedoch auch ihre Arbeiten außerhalb Irans kaum zur Kenntnis genommen, was daran liegen mag, daß z. B. die Publikation von Primärquellen nicht von deren kritischer Analyse oder neuen historischen Ansätzen begleitet wurde.196 Umgekehrt ließ die 1924 eingerichtete Bildungskommission eine beträchtliche Zahl europäischer historiographischer Werke ins Persische übertragen197 – eine Leistung, die seit 1979 offensichtlich nur noch bedingt erfolgt, weshalb der Zugang iranischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum jeweils aktuellen Stand der Forschung stark einschränkt ist. Einen bedeutenden Einfluß auf die Weiterentwicklung u. a. der Geisteswissenschaften hatte die Universität Teheran mit ihrer Zentralbibliothek und ihrem eigenen 1946 gegründeten Verlagshaus.198 193 Azimi: „Historiography“, S. 373. Zu Pīrniyās „vorsichtigem“ Nationalismus siehe Faṣīḥī: Ǧarāyānhā, S. 160–70. Offensichtlich stand Pīrniyā stark unter europäischem, vor allem aber unter deutschem Einfluß, und bezog sich direkt auf Ranke. Ibid., S. 376. Auch die Geschichtstheorie von Ibn Ḫaldūn spielt eine Rolle in seinen Schriften. Ibid., S. 376. Ebenso wie Pīrniyā scheint auch Ādamīyat von Ranke beeinflußt worden zu sein. Ibid., S. 403 und S. 405. 194 Ibid., S. 383. 195 Ibid., S. 384. 196 Amanat „Historiography ix. Pahlavi Period“. Dies mag auch daran gelegen haben, daß die meisten dieser Geschichtsschreiber im Hauptberuf unterbezahlte Lehrerinnen und Lehrer waren, die in erster Linie Lehrbücher verfaßten. Vejdani: Purveyors, S. 345–46. Eine Analyse in Iran verfaßter persischsprachiger Lehrbücher für den Schulunterricht bietet Ram: „Immemorial Iranian Nation“. 197 Azimi: „Historiography“, S. 424. 198 Ibid., S. 425. Azimi gibt als Datum 1926 an, dann wäre der Verlag noch vor der Universität Teheran etabliert worden (möglicherweise handelt es sich um einen Druckfehler). Die

Theoretische Vorüberlegungen

61

Die Kluft zwischen der Geschichtswissenschaft Irans und derjenigen im „Westen“ vergrößerte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zusehends, da man sich in Iran in den Geisteswissenschaften weiterhin mit wissenschaftlich-­ kritischem Denken eher zurückhielt.199 Sicherlich ist dieser Umstand nicht nur auf die mangelnde Ausbildung, die schlechte internationale Vernetzung200 und das geringe Ansehen von Geschichtswissenschaft zurückzuführen. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die gesellschaftspolitische Situation, in der es im Iran des 20. Jahrhunderts nur selten Phasen gab, die gesellschafts- und geschichtskritisches Denken erlaubten, von einer Förderung solchen Denkens in Schule und Hochschule ganz zu schweigen. Während des größten Teils der Pahlavī-Ära führten das Fehlen von politischer Freiheit und die Unmöglichkeit, unparteiisch oder gar kritisch über diese Zeit und über kontroverse Themen zu schreiben dazu, daß sich ernsthafte Historikerinnen und Historiker nicht damit beschäftigten. Diese Zurückhaltung einerseits sowie die Instrumentalisierung von Geschichte für politisch motivierte Verzerrungen und Schönfärbereien offizielle Internetseite des Verlags nennt allerdings das wahrscheinlich korrekte Datum 1325hš/1946. 199 Amanat: „Historiography ix. Pahlavi Period“. Gheissari nennt drei „iranische“ Historiker, denen seiner Ansicht nach sehr wohl etwas daran lag, wissenschaftliche Methodik in die Geschichtsschreibung einzuführen. Gheissari: „Truth and Method“. Dabei handelt es sich allerdings in zwei Fällen, nämlich bei Firuz Kazemzadeh und Hafez F. Farmayan, um Wissenschaftler, die entweder gar nicht oder nur für einige Jahre in Iran, sondern in erster Linie oder ausschließlich in den USA (Yale bzw. Austin) lehrten und forschten. Kazemzadeh (geb. 1924), ein Baha’i, wurde zudem in Moskau als Sohn eines iranischen Diplomaten geboren, wo er auch seine Schulbildung erhielt. http:// bahai.haifa.ac.il/ kazemzadeh/ CV.pdf, aufgerufen am 28.3.2012. Der 2008 verstorbene Fereidūn Ādamīyat studierte Jura in Teheran und verbrachte den größten Teil seines Berufslebens als Diplomat im Ausland. Erst nach seiner Pensionierung wandte er sich der Geschichte zu. Als einziger kann er im strengen Sinne zu den iranischen Wissenschaftlern gezählt werden, da er sowohl seine Ausbildung in Iran absolvierte, als auch seine Tätigkeit als Forscher dort ausübte. Zu Ādamīyats Heranziehung von Verschwörungstheorien in seiner Geschichtsschreibung cf. Chehabi: „Paranoid Style“, S. 162–64. In diesem Beitrag stellt Chehabi fest, daß Ādamīyat seine ablehnende Haltung gegenüber Juden und Bahāʼīs auch auf die amerikanische Iranistin Nikki R. Keddie und Firuz Kazemzadeh übertrug, wobei er letzterem eine „fanatische Feindschaft gegenüber Iran und Iranern“ unterstellte. Kazemzadeh wurde wegen seines Glaubens 1950 eine Anstellung in Iran verweigert, weshalb er in die USA ging. Ibid., S. 164. Eine Einschätzung von Ādamīyats Bedeutung für die iranische Geschichtsschreibung findet sich in Faṣīḥī: Ǧarāyānhā, S. 280–313. 200 Auch Fragner weist darauf hin, daß die Fachhistorikerinnen und -historiker in Iran bereits seit geraumer Zeit von den auf internationaler Ebene stattfindenden geschichtswissenschaftlichen Diskussionen völlig abgeschnitten sind. Fragner: „Historische Wurzeln“, S. 81.

62

2. kapitel

andererseits führten zu erheblichen Frustrationen bei Historikern ebenso wie in der Öffentlichkeit. Allerdings dienten politische Hindernisse hin und wieder auch dazu, die Mängel wissenschaftlicher Arbeiten zu verschleiern.201 Moreover, the prevailing modality of education in the humanities pedagogically discouraged analytical, independent and critical thinking; it nurtured learning by rote and unquestioning deference to elders. It did not teach rigorous reasoning and imaginative synthesizing, and promoted a quasi-textual positivism.202 Zudem führten ein niedriger Status und fehlendes Prestige der Geschichts­ wissenschaften unter Akademikern sowie fehlende attraktive Angebote auf dem Arbeitsmarkt zu einer starken Abwertung dieses Fachs.203 Iranische Historikerinnen und Historiker waren darüber hinaus mehrheitlich davon überzeugt, die Vergangenheit so wiedergeben zu sollen, wie sie gewesen sei, ohne sich mit der Vorläufigkeit ihrer Ergebnisse oder dem Einfluß ihrer eigenen Vorannahmen auseinanderzusetzen, weshalb auch außerhalb Irans geführte theoretische Debatten in den Geschichtswissenschaften weitgehend unbeachtet blieben.204 Dieser Tatbestand bestätigt sich auch bei der Lektüre der zwischen 1933 und 2011 publizierten historischen Erzählungen zur Mongolenzeit, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen. Nach Amanats Ansicht gehen die meisten Historikerinnen und Historiker in Iran in ihren Arbeiten auch zu Zeiten der Islamischen Republik weder methodisch noch analytisch vor. Geschichtsschreibung werde weiterhin vor allem von Enthusiasten betrieben, die ihre Beschäftigung als Zeitvertreib oder als ideologisches Werkzeug betrachteten.205 Vermutlich hängt dies auch damit zusammen, daß das bis heute andauernde sehr viel höhere Ansehen von Natur- und Technikwissenschaften und der gleichzeitige fehlende Respekt für die Geschichtswissenschaft dazu führte, daß Geschichte vor allem als langweilige Abfolge von Kriegen, Sezessionen und dem Aufstieg und Niedergang von Dynastien angesehen wurde (und wird).206 Zwar lasse sich für die Zeit nach 201 Azimi: „Historiography“, S. 428. Azimi weist an dieser Stelle auch auf die Folgen mangelnder Geschichtskenntnisse in der Bevölkerung hin. 202 Ibid., S. 429. 203 Ibid., S. 428–29. 204 Ibid., S. 431. Siehe hierzu auch Ansari: Politics of Nationalism, S. 34. 205 Amanat: „Study of History“, S. 12. Siehe auch Chehabi: „Paranoid Style“, S. 170. 206 Amanat: „Study of History“, S. 6. Wie prekär das Selbstverständnis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Wissenschaftsbereiche in Iran insgesamt ist, läßt sich an

Theoretische Vorüberlegungen

63

der Iranischen Revolution von 1979 ein gestiegenes Interesse an Geschichte verzeichnen, doch konzentriere sich dieses überwiegend auf veröffentlichte Dokumente aus vergangenen Zeiten: Reading documents and other primary materials, rather than critical studies and contemporary research, is a telling phenomenon. To an extent it can be explained by the lamentable paucity of a [sic!] sound historical studies and the general historiographical poverty of the past half century. Moreover, one may suggest that the general reader has become distrustful and tired of polemics, which often in the past replaced critical and balanced historical research.207 Im Gegensatz zu Amanat ist Scot Aghaie der Ansicht, die Wahl der zu bearbeitenden historischen Epochen ebenso wie des Quellenmaterials selbst sei ein wesentlicher Teil der historiographischen Debatten in Iran nach der Revolution von 1978/79. Beides weise auf die Interessen der Historikerinnen und Historiker hin, die mit ihrer Arbeit einen neuen Raum für die jeweiligen Themen schafften. Überdies verkörperten die Veröffentlichungen von Dokumenten eine Strategie der Vermeidung von politischen Auseinandersetzungen, da Primärquellen „für sich selbst sprächen“, auch wenn die Herausgeberinnen und Herausgeber durch ihre Wahl eines Themas und Dokumententyps indirekt bereits vorgäben, was die Dokumente aussagten.208 In Hinblick auf die Mongolenzeit läßt sich dieses Argument nicht bestätigen, da dieses Thema bereits seit 1933 bearbeitet wurde und sich keine wesentlichen Veränderungen in den diesbezüglichen historischen Erzählungen seit 1979 feststellen lassen.209 Nach der Iranischen Revolution etablierte sich aber auch eine eigene islami­ stische Historiographie, zu deren wesentlichen Charakteristika die Übernahme postkolonialer Ansätze, die Kritik an einer „imperialistischen Agenda“ vor allem ausländischer Wissenschaftler und die Nachahmung „westlicher“ Geschichtsschreibung unter dem Einfluß von Nationalismus, Säkularismus, Materialismus oder Marxismus, aber auch das Infragestellen muslimischer historiographischer Traditionen wie der höfischen Geschichtsschreibung gehörten.210 In ihrer Verurteilung „westlicher“ Historiographie konzentrieren

207 208 209 210

der Untersuchung von Khosrokhavar et al zur Existenz einer Wissenschaftsgemeinschaft (scientific community) ablesen. Khosrokhavar: „Report“. Amanat: „Study of History“, S. 6. Scot Aghai: „Islamist Historiography“, S. 235 sowie S. 259–62. Siehe unten drittes und viertes Kapitel. Ibid., S. 23–34.

64

2. kapitel

sich diese Geschichtsschreiber vor allem auf den Orientalismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, anstatt sich mit neueren wissenschaftlichen Ansätzen auseinanderzusetzen. Allerdings, so argumentiert Scot Aghaie, sei dies nicht weiter verwunderlich, da sich diese Phase „orientalistischer Wissenschaft“ sehr gut für die von den islamistischen Geschichtsschreibern entwickelte Art der Kritik eigne. Gleichzeitig reflektiere dieser Umstand ein Muster der Kritik am „Westen“, welches sich bis zu islamischen Modernisten wie Ǧamāl od-Dīn Asadābādī (al-Afġānī, 1838/39–97)211 und Muḥammad ʿAbdūh212 (1849–1905) zurückverfolgen lasse.213 Die eigene, islamistische Historiographie zeichne sich indessen durch die Hervorhebung der Bedeutung der (islamischen) Religion in der iranischen Geschichte, die zentrale Rolle der ʿolamā bei entscheidenden Ereignissen wie Volksaufständen sowie die göttliche Vorherbestimmung aus.214 Allerdings bestimmten die islamistischen Geschichtsschreiber nicht allein die Geschichtsschreibung in der Islamischen Republik, da diese auch weiterhin von Historikerinnen und Historikern unterschiedlicher Überzeugungen und Vorgehensweisen betrieben werde. Trotz vielfacher Konflikte, die letztere mit ihren islamistischen Kolleginnen und Kollegen sowie den staatlichen Behörden auszufechten hätten, arbeiteten sie weiter, üben sich jedoch häufig in pragmatischer Selbstzensur. Im übrigen gebe es auch Übereinstimmungen bezüglich der Arbeitsweisen und des Wertehorizonts der verschiedenen Gruppen, z. B. hinsichtlich der Verwendung postkolonialer Methoden und Fragestellungen.215 Viele Historikerinnen und Historiker aus der Pahlavī-Zeit seien zudem auch heute noch einflußreich, da manche von ihnen weiterhin publizierten und von anderen Neuauflagen ihrer Geschichtswerke erschienen seien.216 Hinzu komme, daß die Bücher dieser Autorinnen und Autoren von nachfolgenden Generationen rezipiert würden, deren Angehörige sich entweder in einer Wissenschaftstradition mit ihnen sähen oder ihre historischen Erzählungen einer kritischen Betrachtung unterzögen. Bezogen auf diejenigen Autorinnen 211 Zu diesem einflußreichen Vordenker und politischen Aktivisten cf. einführend Keddie: „Afḡānī, Jamāl-al-Dīn“. 212 Zu diesem Rechtsgelehrten und islamischen Modernisten cf. einführend Kügelgen: „ʿAbduh, Muḥammad“. 213 Scot Aghai. „Islamist Historiography“, S. 243. Namentlich genannt werden Ignaz Goldziher, Will Durant, Carl Brockelmann und William Montgomery Watt. Faṣīḥī beispielsweise befaßt sich neben der orientalistischen Geschichtsschreibung (wobei sie sich auf Großbritannien und A. K. S. Lambton konzentriert) auch mit marxistischen Ansätzen. Faṣīḥī: Ǧarāyānhā. 214 Scot Aghai: „Islamist Historiography“, S. 234. 215 Ibid., S. 234. 216 Ibid., S. 257. Der Verfasser nennt hier besonders Zarrīnkūb und Ādamīyat. Cf. ibid., S. 258.

Theoretische Vorüberlegungen

65

und Autoren, die sich in ihren Schriften mit der Mongolenzeit befassen, läßt sich diese Aussage bestätigen. Zum einen beziehen sich jüngere Verfasserinnen und Verfasser tatsächlich auf ihre Vorläufer wie z. B. ʿAbbās Eqbāl. Zum anderen leb(t)en und arbeite(te)n einige der erwähnten Personen wie z. B. Šīrīn Bayānī sowohl während der Pahlavī-Ära als auch in der Islamischen Republik und beeinflussen weitere nachfolgende Generationen. Scot Aghai zufolge sind weiterhin mehrfach Versuche unternommen worden, iranische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den aktuellen Debatten oder zumindest den grundlegenden Texten theoretischer Auseinandersetzungen bekannt zu machen, damit sie den Anschluß an die auf internationaler Ebene stattfindende wissenschaftliche Forschung nicht verpassen.217 Zumindest in Hinblick auf die hier untersuchten Texte ist festzuhalten, daß derlei Bemühungen nicht fruchteten. Hält man sich vor Augen, daß es sich bei einem Großteil der Autorinnen und Autoren um Hobbyhistoriker und Enthusiasten handelt, deren Interesse an fachspezifischen Debatten wahrscheinlich eher gering war und ist, ist dies nicht weiter verwunderlich.218 3

Nationalismus und Geschichtsschreibung

Aus den hier untersuchten persischen historischen Erzählungen über die Invasionen der Mongolen und ihre Herrschaft in Iran und weiteren Gebieten Zentral- und Westasiens geht sehr deutlich hervor, daß diese nicht zuletzt unter den Bedingungen des iranischen Nationalstaates verfaßt wurden, wie er sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte. Um die sich auf moderne nationalistische Vorstellungen gründenden Aussagen über „Iran“ oder die „iranische Nation“ während der Mongolenzeit herauszuarbeiten, ist es an dieser Stelle notwendig, einleitend einige Bemerkungen zur Nationalismusforschung und zu den inzwischen auch zahlreich vorhandenen Theorien zu machen. Selbstverständlich kann dabei nicht auf alle Versuche der Erklärung der Entstehung von Nationalismen und die unterschiedlichen Theoriemodelle eingegangen werden, aber einige der für die vorliegende Untersuchung wesentlichen Aussagen sollen doch vorgestellt werden. Anschließend werden Entstehung und Entwicklung des iranischen Nationalismus dargelegt, der nicht zuletzt die nationale Geschichtsschreibung erheblich beeinflußte.

217 Zu diesen Sammlungen von Artikeln und Essays, die z. T. Übersetzungen darstellen, cf. ibid., S. 257. 218 Siehe unten viertes Kapitel.

66

2. kapitel

Abschließend folgt eine Analyse des iranischen Nationalismus vor dem Hintergrund der vorgestellten Nationalismustheorien. 3.1 Nationalismus und Nationalismustheorien Als ausgesprochen hilfreich für die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Nationalismustheorien erweist sich Özkırımlıs zusammenfassende Analyse „Theories of Nationalism. A Critical Introduction“ (zweite Auflage 2010).219 Darin handelt der Autor u. a. den für das Verständnis des iranischen Nationalismus wesentlichen Primordialismus ab, der als Begriff den Glauben beschreibt, die Zugehörigkeit zu einer Nation sei ein „natürlicher“ Bestandteil des Menschen, ebenso wie es Nationen schon immer gegeben habe.220 Nach Ansicht von Nationalisten ist die Nationalität eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft, die Menschheit teilt sich dieser Vorstellung nach in voneinander deutlich unterschiedene Nationen. Nur als Angehörige einer nationalen Gemeinschaft können Menschen daher sich selbst gerecht werden. Zudem ist die Nation der einzige Ort von Souveränität, politischer Macht und Legitimität. Hinzu kommen die Ideen von einer eigenen, einmaligen Geschichte und einem ewigen Heimatland.221 Nationalisten teilen eine gemeinsame Sprache und einen gemeinsamen Referenzrahmen – zu dem der „uranfängliche Wert der Kultur“ gehört222 –, um ihre Ansprüche anzumelden. In allen nationalistischen Narrativen findet sich der Glaube an und die Darstellung der Nation als einer mystischen, zeitlosen, sogar transzendenten Einheit, deren Überleben wichtiger ist als dasjenige ihrer einzelnen Mitglieder.223 Kultur wird zu einem religiösen Objekt, zum Mittelpunkt der Hingabe. Ihr kann dabei die Eigenart eines religiösen Fetischs zugeschrieben werden, eines Idols, das über eigenständige magische Eigenschaften verfügt, die Wirklichkeit von Erfahrungen nach seinem Bilde wiederherzustellen oder umzuwandeln.224 Mit Hilfe dieser Sakralisierung von Nationalkultur erhält der Nationalismus seinen religiösen Charakter.225 Nationalisten vertreten zudem häufig einen 219 Bedauerlich ist nur, daß Özkırımlı offensichtlich nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügt, um auch andere als englischsprachige Publikationen in seine Überlegungen mit einzubeziehen. 220 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 29. Geprägt wurde das Konzept des Primordialismus von Clifford Geertz in seinem Aufsatz „The Integrative Revolution“. 221 Ibid., S. 51. 222 Kapferer: Legends of People, S. 1. 223 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 52. 224 Kapferer: Legends of People, S. 2. 225 Ibid., S. 209.

Theoretische Vorüberlegungen

67

soziobiologischen Ansatz, der Nationen als Gruppen mit gemeinsamer Abstammung bezeichnet.226 Vertreter des Modernismus sind von der Modernität der „Nation“ und des „Nationalismus“ überzeugt. Sie führen das Erscheinen dieser kulturellen Artefakte227 auf Prozesse der Modernisierung der vergangenen zwei Jahrhunderte wie Kapitalismus, Industrialisierung, Verstädterung, Säku­ larismus und die Entstehung des modernen Verwaltungsstaates zurück. „Nationen“ und „Nationalismus“ sind demzufolge nicht nur neue Erschei­ nungen, sondern sie wurden auch zu einer soziologischen Notwendigkeit in der modernen Welt.228 Der Rückgang religiöser Weltanschauungen weckte das Bedürfnis nach einer säkularen Überführung von Fatalität in Kontinuität und von Kontingenz in Sinn.229 Weil er ein modernes politisches Prinzip ist, das von der Übereinstimmung der politischen mit der nationalen Einheit ausgeht, gibt der Nationalismus die Norm für die Legitimität moderner politischer Einheiten vor.230 Dies bedeutet jedoch nicht, daß „Nation“ und „Nationalismus“ zwangsläufig gegeben sind. Stattdessen werden den Nationalismus stützende Traditionen „erfunden“, die Kontinuität suggerieren sollen, indem sie durch Formalisierung, Ritualisierung und Wiederholung direkt auf die Vergangenheit verweisen.231 Das gut ausgestattete Kaufhaus voller Rituale dient der Nutzung alten Materials, um erfundene Traditionen eines neuen Typs für neue Zwecke herzustellen.232 Gemeinschaften, die sich als Nationen verstehen, sind ebenso wie andere Gruppen häufig „vorgestellt“ oder „imaginiert“, denn aufgrund ihrer Größe können ihre Mitglieder weder voneinander wissen, noch einander begegnen oder einander gar kennenlernen. Insofern existiert diese Gemeinschaft nur in der Vorstellungskraft ihrer Mitglieder. In dieser Vorstellung besteht die

226 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 53. 227 Anderson: Imagined Communities, S. 4. 228 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 72. Siehe hierzu besonders Gellner: Nations and Nationalism, hier vor allem S. 125. Gellner bezeichnet Homogenität, Schriftkundigkeit und Anonymität als Schlüsselkriterien für diejenigen Gruppen, in denen Nationalismus entsteht. Ibid., S. 138. 229 Anderson: Imagined Communities, S. 11. 230 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 100–102. Laut Wehler ist die „Legitimationsfiktion [. . .] der Kern des Arguments, dass der Nationalismus ein politisches Phänomen der Neuzeit sei.“ Wehler: Nationalismus, S. 11. Wehler ist zudem der Ansicht, der neuzeitliche Nationalismus sei ein Unikat im „Westen“. Ibid., S. 53–54. 231 Hobsbawm: „Inventing Traditions“, S. 4. 232 Ibid., S. 6.

68

2. kapitel

Nation innerhalb festgelegter Grenzen, an die andere Nationen anstoßen, sie ist souverän und geprägt von intensiver Kameradschaft.233 Bereits Hobsbawm hat darauf hingewiesen, daß „erfundene Traditionen“ sich nicht zuletzt durch ihren Rückbezug auf die Vergangenheit auszeichnen: „Adaptation took place for old uses in new conditions and by using old models for new purposes.“234 Ebenso argumentiert Langewiesche, der schreibt, der Mensch wähle immer aus Vorhandenem und erfinde, was er auffinde. In einem „machtvollen Zwangsgehäuse“ sei die Erfindung des Menschen auch immer „Auffinden im Reservoir des historisch Vorgegebenen“.235 Als „Erfindung der Nation“ bezeichnet er die Neueinkleidung der Geschichte aus dem „Fundus der Vergangenheit“. Sie ist „ein Machtkampf, der über die Zukunft entscheidet, indem er Vergangenheitsbilder durchsetzt“.236 So sieht es im übrigen auch Smith, der die „Erfindung“ von Traditionen als Neuzusammensetzung bereits vorhandener Bestandteile bezeichnet.237 Wissensbestände der symbolischen Kultur interpretieren die Gemeinsamkeiten einer Gruppe oder Nation bzw. bringen diese überhaupt erst hervor, indem sie „unpassende“ Gemeinsamkeiten ausblenden, andere mit Bedeutung aufladen oder Gemeinsamkeiten zur Stützung der Identität der Gemeinschaft erfinden.238 Wie sehr diese Beobachtungen auch auf den iranischen Nationalismus zutreffen, läßt sich weiter unten nachlesen. Aus der Kritik an den modernistischen Erklärungsversuchen erwuchs die Theorie des Ethnosymbolismus, der die Entstehung von Nationalgefühlen bis ins 15. und 16. Jahrhundert in Europa zurückführt, die Bedeutung vormoderner ethnischer Bindungen hervorhebt und die durch den Nationalismus hervorgerufenen Leidenschaften zu erklären versucht.239 Die Dynamik des modernen Kapitalismus und die Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft werden zwar als wesentlicher Faktor bei der Entstehung moderner Nationen erkannt, gleichzeitig wird jedoch bestritten, daß der Nationalismus schlicht die sozio-politische und ideologische Ausprägung dieser Entwicklungen sei.240 Neben Abstammung, Sprache, Territorium, Religion oder Herrschaft könnten „alle möglichen Gemeinsamkeiten zu Kristallisationspunkten der Nationsbildung 233 Anderson: Imagined Communities, S. 6–7. 234 Hobsbawm: „Inventing Traditions“, S. 5. 235 Langewiesche: „Erfindung“, S. 24. 236 Ibid., S. 38. 237 Smith: „Nationalism and Historians“, S. 72 sowie „The Nation“, S. 358–59. 238 Estel: „Nation als Mythos“, S. 52. Siehe hierzu auch Kapferer: Legends of People, S. 211. 239 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 126–28. 240 Estel: „Nation als Mythos“, S. 49–50.

Theoretische Vorüberlegungen

69

bzw. der Ethnogenese werden“.241 Ohne solche Gemeinsamkeiten gebe es keine Gemeinschaften und damit auch keine Nationen.242 Schließlich wird gegen die Modernisten argumentiert, daß Religion nicht überall auf der Welt durch Nationalismus ersetzt worden sei.243 Dies allerdings hat zumindest Anderson auch nie behauptet, der wohlweislich darauf hinweist, es sei kurzsichtig zu meinen, die vorgestellten Gemeinschaften der Nationen seien einfach aus den Religionsgemeinschaften und dynastischen Reichen hervorgegangen und hätten diese ersetzt. Stattdessen habe gleichzeitig mit dem Niedergang heiliger Gemeinschaften, von Sprachen und Geschlechtern ein grundlegender Wandel des Verständnisses von Welt stattgefunden, der es überhaupt erst ermöglicht habe, die Nation „zu denken“.244 Der führende Vertreter der Theorie des Ethnosymbolismus, Anthony D. Smith,245 hebt hervor, daß eine Analyse der kollektiven kulturellen Identität einer Gemeinschaft über mehrere Jahrhunderte notwendig sei; außerdem seien Kontinuität, Wiederholung und Aneignung wesentlich bei der Verbindung, die zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestehe. Smith geht zudem davon aus, daß die Entstehung von Nationen immer auf bereits existierenden ethnischen Gemeinschaften beruht. Die Bedeutung der Erinnerung an goldene Zeitalter, Herkunftsmythen, die Vorstellung vom Auserwähltsein einer Ethnie (ethnic election),246 Helden- und Ahnenverehrung sowie die Bindung an ein Heimatland gehören dieser Theorie zufolge ­weiterhin zu den wesentlichen 241 Ibid., S. 51. 242 Ibid., S. 51–52. 243 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 131. 244 Anderson: Imagined Communities, S. 22. 245 Eine grundlegende Studie, die zudem eine frühere Definition von „Nationalismus“ bereitstellt, ist Smith: National Identity. 246 Die Begriffe „Ethnie“ und „ethnisch“ sind nicht unumstritten, da sie häufig schlicht als Synonyme für „Rasse“ und „rassisch“ dienen. Zudem sind auch „Ethnien“ keine naturgegebenen Gruppen, sondern werden von Menschen gebildet, die für ihre Gemeinschaften nach gemeinsamen Merkmalen wie ein gemeinsamer Name, ein Mythos gemeinsamer Herkunft, geteilte historische Erinnerungen, eines oder mehrere Elemente einer unterscheidbaren gemeinsamen Kultur, Bindung an eine bestimmte Heimat oder ein Solidaritätsgefühl mit bestimmten Teilen der Gemeinschaft suchen. Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 150–51. Siehe hierzu auch Elwert: Nationalismus und Ethnizität, der den Begriff folgendermaßen definiert: „Ethnische Gruppen/Ethnien sind familienübergreifende und familienerfassende Gruppen, die sich selbst eine (u. U. auch exklusive) lokale Identität zusprechen. Dabei sind die Zuschreibungskriterien, die die Außengrenze setzen, wandelbar.“ Ibid., S. 22. Zum Ethnosymbolismus siehe vor allem die Arbeiten von Smith: Ethnicity and Nationalism, National Identity, „The Nation: Invented, Imagined, Reconstructed?“, The Cultural Foundations of Nations oder „Ethno-Symbolism“.

70

2. kapitel

Voraussetzungen für die Bildung und Langlebigkeit nationaler Identitäten.247 Dennoch wird auch die „Ethnie“ nicht als eine ewig vorhandene und unwandelbare Größe angesehen, da die Bedeutung ihrer o. g. Attribute ebenso wie die Selbstwahrnehmung und der Zusammenhalt ihrer Mitglieder ständigem Wandel unterzogen sind.248 Zudem entstehen Ethnien durch Vereinigung und Teilung, d. h. ihre demographischen ebenso wie ihre kulturellen Inhalte wandeln sich. Wandel im kulturellen Gehalt ethnischer Identitäten kann durch einschneidende Geschehnisse wie Krieg, Eroberung, Exil, Versklavung, Immigration oder religiöse Konversion hervorgerufen werden. Allerdings können Smith zufolge selbst derartige radikale Veränderungen das Gefühl der Kontinuität und der gemeinsamen Ethnizität nicht zerstören, da u. a. externe Kräfte wie organisierte Religion,249 das Entstehen von Staaten oder militärische Mobilisierung dazu beitragen, ethnische Identität zu formieren und ihren Fortbestand zu garantieren.250 Wesentlich für die Beantwortung der Frage nach der Identität einer Nation ist nach Smith die Herausbildung eines „ethnischen Kerns“,251 der die Grundlage für die Entstehung einer Nation bildet. Nationen, die auf dem Untergrund solcher ethnischer Kerne entstanden und mächtig sowie kulturell erfolgreich waren, wurden zu Vorbildern für andere. Das ethnische Modell war also soziologisch fruchtbar, so daß auch dort, wo es keine ethnischen Vorläufer gab, das Bedürfnis entstand, eine schlüssige Mythologie und Symbolik herzustellen, um das nationale Überleben und die nationale Einheit zu sichern.252 Neue Ansätze in der theoretischen Debatte über Nationalismus, die z. T. maßgeblich durch die kulturelle Wende in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften geprägt wurden, sind seit dem Ende der 1980er Jahre zu verzeichnen. „Kultur“,253 die ja vor allem von den Ethnosymbolisten 247 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 143. Özkırımlı verweist hier auf Smith: „When is a Nation?“, Myths and Memories und „Genealogy“. 248 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 150, Smith: National Identity, S. 23–24. 249 In seinen jüngeren Schriften hebt Smith die Bedeutung von Religion als wesentliche Quelle für nationale Zugehörigkeit besonders hervor. Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 157. 250 Ibid., S. 150. 251 Dieser „ethnische Kern“ hat gewisse Ähnlichkeiten mit der von Elias Canetti als „Massensymbol“ bezeichneten „Identität“ einer Nation. Hierbei handelt es sich um ein „Wertemuster“, das einer jeden Nation eigen, sogar auf sie zugeschnitten, zugleich aber auch veränderbar ist. Cf. Langewiesche: „Erfindung“, S. 30–32. 252 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 151, Smith: National Identity, S. 38–39. 253 „Kultur“ definiert Fox als eine Reihe von Vereinbarungen und eines aktiv geschaffenen Bewußtseins, welches den einzelnen dabei hilft, ihre Umwelt zu verstehen. Sie ist eine

Theoretische Vorüberlegungen

71

als wesentlicher Bestandteil der Identität ethnischer Gruppen angesehen wurde und wird, wird nun als Konzept betrachtet, um das gestritten, dessen Bedeutung ständig verhandelt, verändert und neu interpretiert wird und das in enger Verbindung mit den Rangordnungen der Machtverteilung steht. Kultur hat demzufolge mehr damit zu tun, worum Menschen miteinander ringen als damit, was sie miteinander teilen.254 Selbst all jene, die über Nationalismus nachdenken, nehmen allein durch ihre für seine Analyse benutzte Wortwahl am Nationalismusdiskurs teil.255 Betrachtet man Nationalismus als diskursives Gebilde, dann ist er keine Doktrin, sondern eine Art zu sprechen, zu denken und zu handeln, eine Möglichkeit, eine Gemeinschaft zu imaginieren. Gemeinsam ist allen Nationalismen die Existenz eines solchen Diskurses, der den jeweiligen kulturellen Rahmen setzt.256 Als Vertreter des Postkolonialismus legt Chatterjee drei Phasen der Entste­ hung von Nationalismen außerhalb Europas fest: In der Phase des Aufbruchs wird der europäische Nationalismus wahrgenommen und als wesentlich für Macht und Fortschritt angesehen. Außereuropäische Nationalisten behaupten, daß die eigene „Rückständigkeit“ sowohl im materiellen als auch im spirituellen Bereich nur durch die Übernahme moderner Errungenschaften aus Europa überwunden werden könne. Während der zweiten Phase der Bewegung erfolgt die historische Konsolidierung des „Nationalen“, und in der dritten, der „Phase der Ankunft“, wird das nationalistische Denken zum bestimmenden Diskurs der Ordnung wie der Organisation von Macht.257 Nach Chatterjees Ansicht entstanden die kreativsten Ergebnisse nationalistischer Imagination in Asien und Afrika durch die Betonung von Differenz, d. h. es bildete sich ein antikolonialer Nationalismus heraus, der sich deutlich von denjenigen Modellen unterschied, die von Europa sowie Nord- und Südamerika vorgegeben waren. Seine eigene Domäne der Souveränität innerhalb der kolonialen Gesellschaft schafft sich der antikoloniale Nationalismus, indem er – bzw. seine Träger – die Welt der sozialen und institutionellen Gebräuche in einen materiellen und einen spirituellen Bereich trennt. Dabei bildet – und hier wird Chatterjees Art Werkzeugkasten, den Menschen im Alltag verwenden. In diesem Sinne besteht kulturelle Produktion in einer kontinuierlichen Aktivität, die sich mit dem anhaltenden gesellschaftlichen Leben in Übereinstimmung befindet. Fox: „Introduction“, S. 10. 254 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 168. Özkırımlı verweist hier auf Billig: Banal Nationalism. 255 Ibid., S. 174. 256 Ibid., S. 187–90. Özkırımlı verweist hier auf Calhoun: Nationalism, „Nationalism and Ethnicity“ und Nations Matter. 257 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 182–85. Özkırımlı verweist hier auf Chatterjee: ­Nationalist Thought.

72

2. kapitel

dichotomisches Konzept zum Klischee – „der Westen“ mit seiner überlegenen Staatskunst, Wissenschaft und Technologie, das materielle „Außen“, während „der Osten“ den spirituellen inneren Bereich mit den wesentlichen Charakteristika kultureller Identität besetzt.258 Schließlich soll an dieser Stelle noch auf das Konzept der Erforschung von Nationalismus eingegangen werden, wie es Özkırımlı nach seiner ausführlichen Diskussion bereits existierender Theorien, die er teilweise mit darin aufnimmt, selbst anbietet. Dieses Konzept ist m. E. grundsätzlich sinnvoll, besonders aber in Hinblick auf die Entwicklung des Nationalismus in Iran und seine heutigen Erscheinungsformen von besonderer Relevanz. Da es wegen der Vielfalt und Heterogenität der als „nationalistisch“ bezeichneten Bewegungen und Ideologien nicht möglich sei, eine umfassende Theorie des Nationalismus zu entwerfen, solle man sinnvollerweise einen theoretischen Rahmen erstellen, der für die Untersuchung partieller Nationalismen zur Verfügung stehe. Dieser würde die allen nationalistischen Vorstellungen gemeine Rhetorik erkennen, ohne jedoch die unverwechselbaren und einzigartigen Merkmale eines jeden Nationalismus zu übersehen.259 Möglicherweise sei es dann auch sinnvoll, Teiltheorien zu formulieren, die die verschiedenen Aspekte nationaler Phänome zu erklären in der Lage seien, anstatt eine einzige Theorie zu schaffen,260 die es laut Callhoun gar nicht geben kann.261 „Nation“ definiert Özkırımlı als ein Symbol mit mannigfaltigen Bedeutungen, um deren Bestimmung und legitimierende Einflüsse verschiedene Gruppen ringen.262 „Nationalismus“ versteht er als einen Diskurs, d. h. als eine bestimmte Sichtweise auf die Welt, als einen Referenzrahmen, der dazu diene, die uns umgebende Wirklichkeit zu verstehen und zu strukturieren. Im Foucault’schen Sinne umfaßt dabei der Diskursbegriff Praktiken, die die Objekte, von denen sie

258 Chatterjee: The Nation and Its Fragments, S. 5–6. Insgesamt bleiben Chatterjees Konzepte mit Indien unter kolonialer britischer Herrschaft verhaftet, können also nicht einfach auf anderer Kolonien übertragen werden. Zudem läßt sich aus seinen Überlegungen nicht ableiten, welche Entwicklungen die aus Kolonien hervorgegangen modernen Nationalstaaten in Hinblick auf ihre nationalistischen Ideen bis heute genommen haben. 259 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 205. Auf die Pluralität der Nationalismen weist auch Fox hin, der davon ausgeht, daß sie in unterschiedlichen kulturellen Traditionen entstehen, die Menschen anwenden. Fox: „Introduction“, S. 7. 260 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 218. 261 Ibid., S. 190. 262 Ibid., S. 206. Özkırımlı bezieht sich mit dieser Definiton auf Verderey: „Whither ‚Nation‘ and ‚Nationalism‘ “.

Theoretische Vorüberlegungen

73

sprechen, gezielt ausbilden.263 Die bisher vorliegenden Ansätze, Nationalismus als Diskurs zu verstehen, hält Özkırımlı für nicht zufriedenstellend, weshalb er die Regeln des Diskurses über Nationalismus und seine Strukturen neu festlegen und seine Charakteristika bestimmen möchte. „Diskurs“ will er dabei verstanden wissen als etwas, das sich nicht nur auf Ideen, sondern gleichermaßen auf Institutionen, Strukturen, Alltagshandlungen und spezielle Rituale bezieht, die sämtliche sozialen Beziehungen bestimmen. Als eine Art, die Welt zu ordnen, geht der Diskurs der gesellschaftlichen Organisation voran und ist nicht von ihr zu trennen.264 Diskurse sind nicht auf Sprache zu reduzieren, sondern sind Aussagen, die innerhalb eines sozialen Kontextes interagieren und gleichzeitig durch diesen bestimmt werden.265 Thus treating nationalism as a form of discourse, as a way of seeing, „a perspective on the world“ [. . .] does not deny its reality; it construes its reality in a different way [. . .]. It argues that nationalism and its paraphernalia are, far from being given, socially constituted and have become „sedimented“ over time.266 Drei Ansprüche verbindet Özkırımlı mit dem nationalistischen Diskurs: Der Identitätsanspruch (identity claim) unterteilt die Welt in „wir“ und „die anderen“, d. h. es werden homogene und stabile Identitäten auf beiden Seiten vorausgesetzt. Dieser Identitätsanspruch ist politisch, weil er den „Werten der Nation“ absolute Priorität verleiht und die Loyalität ihr gegenüber alle anderen Loyalitäten übertrifft. Die Nation ist die einzige Quelle politischer wie sozialer Legitimität und dadurch auch der Souveränität. Der zeitliche Anspruch (temporal claim) behauptet eine „lineare Zeit der Nation“, folglich die Gegenwart einer Nation über Zeitgrenzen hinweg. Der räumliche Anspruch (spatial claim) wird bestimmt von der Fixierung auf ein Territorium, einem Bestreben nach „Heimat“. Daher muß der soziale Raum als nationales Territorium rekonstruiert werden, es entsteht eine unverbrüchliche Verbindung zwischen Nation und natürlicher Umgebung.267 Mit Hilfe der Kombination dieser drei Ansprüche unterscheidet Özkırımlı den nationalistischen von anderen 263 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 206. Eine gute Einführung in die Diskursanalyse bietet Jäger: Kritische Diskursanalyse. Eine Diskussion der Diskurstheorien seit Foucault erfolgt im dritten Kapitel. 264 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 207. 265 Ibid., S. 208. 266 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 208. Özkırımlı zitiert hier Brubaker: Ethnicity. 267 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 208–9.

74

2. kapitel

Diskursen und verleiht ihm sein charakteristisches Merkmal. Dabei sei jedoch im Auge zu behalten, daß alle drei Ansprüche kontingenter und vielfältiger sowie heterogener Natur seien.268 Während der nationalistische Diskurs seine Auswahl von Identität, Geschichte und Territorium als Spiegelung der unveränderlichen „Essenz“ der Nation präsentiere, ohne auf deren innere Vielfalt und Unterschiedlichkeit hinzuweisen,269 könne man nationale Identität auch als etwas begreifen, das „geschieht“, d. h. ein fortlaufender Prozeß sei; daß „Identität“ stets durch die Mannigfaltigkeit von Beziehungen geprägt sei; daß bereits bestehende kulturelle Gemeinsamkeiten und gefühlsbezogene Bindungen unter anderen Umständen ebensogut ganz andere Identitäten hätten hervorbringen können; daß nationalistische Genealogien, die Linearität und Kontinuität anbieten sollen, tatsächlich von Mehrdeutigkeit, Unstetigkeit und Brüchen gekennzeichnet und daß die Geographie einer Nation nicht vorgegeben sei. „In short, it shows us how the choices of the nationalist discourse are actually the sedimented and contingent outcomes of social practices that can be challenged or changed.“270 Zur Erforschung von Nationalismen muß der theoretische Rahmen nach Özkırımlı auch das Vorgehen des nationalistischen Diskurses bzw. die Art und Weise, auf die Menschen zu Teilen einer Nation gemacht werden, berücksichtigen, um die starke emotional begründete Rechtmäßigkeit nationalistischer Ansprüche zu erklären. Seine Vormachtstellung festige der Nationalismus dadurch, daß er sich fortwährend reproduziere und anpasse,271 indem er das Individuum von der Wiege bis zur Bahre als homo nationalis erschaffe und zu einem System absoluter Werte, d. h. einer moralischen Sprache, werde. Dadurch, daß sich der nationalistische Diskurs ständig anpasse, verstecke er alle Spuren seiner Konstruktion und lasse seine Forderungen und Werte als selbstverständlich und vernünftig erscheinen – hierin liege die Quelle seiner Verdinglichung.272 268 Ibid., S. 209. 269 Ibid., S. 209–10. 270 Ibid., S. 210. Ähnlich argumentiert Fox, nach dessen Ansicht Nationalkulturen zeitlich begrenzt sind, weil ihr Charakter und ihre Kraft von der historischen Anwendung abhängen. Sie sind, so Fox weiter, „Plastikkonstruktionen“ keine kulturellen Gegebenheiten. Fox: „Introduction“, S. 4. 271 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 210. 272 Ibid., S. 211. Hier bezieht sich Özkırımlı auf Balibar: „The Nation Form“. Auf die Problematik von Nationen als Untersuchungsgegenstände weisen Berger &Lorenz hin, da transnationale Geschichte als Verflechtungsgeschichte, die europäische, imperiale und Universalgeschichte umfaßt, die Grenzen zwischen Nationen zumindest verschwimmen läßt, wenn nicht gar aufhebt. Berger&Lorenz: „Conclusion“, S. 551.

Theoretische Vorüberlegungen

75

3.2 Nationalismus und Geschichtsschreibung in Iran Moderne iranische Geschichtsschreibung entwickelte sich, wie oben bereits erwähnt, einerseits unter den Bedingungen der Begegnung von Iranern im Inund Ausland mit den zeitgenössischen Vorstellungen davon, was Geschichte sei und wie sich ihre Erforschung zu gestalten habe. Andererseits entstand sie in der Auseinandersetzung mit den theoretischen Diskussionen und praktischen Folgen des modernen Nationalismus in Europa. Im folgenden Abschnitt soll deshalb zunächst zusammenfassend dargestellt werden, wie sich diese Einflüsse auf iranische Intellektuelle seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts auswirkten. Ausgehend von der These, daß es keine nationale Geschichtsschreibung ohne Nationalismus gibt,273 wird dabei vor allem auf die Entstehung des iranischen Nationalismus und seine unterschiedlichen Ausprägungen eingegangen werden. Da die ersten sich als professionelle Historiker begreifenden Geschichtsschreiber unter dem direkten Einfluß staatlich vorgegebener ideologischer Ansprüche standen und überdies davon überzeugt waren, „Iran“ habe, wenn auch nicht als politische, so doch als kulturelle Einheit, seit achaimenidischer Zeit bestanden,274 wirkten sie an der Schaffung einer Geschichte mit, die sie in diesem Sinne erzählten. Europäische Wissenschaftler stellten dafür nicht nur ihre grundlegenden Vorstellungen von Nationalismus oder Geschichtsschreibung zur Verfügung, einige von ihnen trugen mit ihren historischen, archäologischen oder philologischen Forschungsergebnissen und deren Auswertungen darüber hinaus direkt dazu bei, daß sich ihre Idee eines „unsterblichen Iran“ mit den nationalistischen Überlegungen iranischer Vordenker verwob.275 In fabricating a lineage that the modern nation could be proud of, nationalist historians readily adopted and adapted the racial-linguistic views characteristic not only of Orientalists such as Ernest Renan and [Joseph Arthur de] Gobineau, who had been familiar with Persian antiquity as

273 Die moderne Geschichtsschreibung entfaltete ihre Aktivitäten gleichzeitig mit der Entstehung von Nationalstaaten, so daß das Studium der Geschichte in Schulen und Universitäten gleichzusetzen ist mit dem Studium der jeweiligen Nationalgeschichte. Woolf: „Of Nations“, S. 74. 274 Fragner nennt dieses Phänomen „transiranisches Kulturbewußtsein“. Fragner: „Historische Wurzeln“, S. 98. 275 Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness”, S. 164; Vaziri: Iran as Imagined Nation, S. 99, 113, 151–52. Intertextualität stellt nach Berger&Lorenz ein wesentliches Merkmal von Nationalgeschichten dar. Cf.

76

2. kapitel

well as its ­contemporary culture and society, but also of many Western scholars and laypersons in the century from 1850 to 1959.276 Vaziri geht sogar so weit zu behaupten, westliche Akademiker hätten Iran in gewisser Weise kolonialisiert und es habe dort bisher keine ernsthaften Bemühungen gegeben, die eigene Geschichte und nationalistische Methodik der Geschichtsschreibung zu entkolonialisieren.277 Diese Überlegung ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als die wissenschaftliche ebenso wie die ideologische Hegemonie eindeutig in Europa lag, und Iran zwar nie direkt kolonialisiert wurde, aber im „langen 19. Jahrhundert“ unter großem wirtschaftlichen und politischen Einfluß Rußlands und Großbritanniens stand. Letztere Großmacht wurde als maßgeblicher Akteur in der Region erst nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA abgelöst. Ein wesentlicher Aspekt, den Vaziri bei seiner Konzentrierung auf die postkoloniale Kritik allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, ist der Eigenanteil der iranischen Protagonisten an der Aneignung westlicher Nationalismusvorstellungen. Marashi, einer seiner Kritiker, geht diesem Aspekt in einer eigenen Untersuchung besonders intensiv nach und legt dar, wie iranische Intellektuelle des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts einen eigenen Sinn für kulturelle und historische Erinnerung entwickelten und damit eine neue Vorstellung von der iranischen Nation begründeten, die aus dem Zusammenspiel zwischen den traditionellen mythischen Erzählungen Irans und neuen europäischen Denkrichtungen entstand. Unter den ersten Urhebern dieser neuen Auffassung fanden sich vor allem Mitglieder einer hy­bridisierten iranischen Intelligenzija, die zwischen diesen beiden sich zunehmend überschneidenden und miteinander verflochtenen Wissenssystemen standen,278 zu denen sie jeweils Zugang hatten. Eine ihrer wesentlichen 276 Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness“, S. 174. Cf. Gobineau: Trois ans, S. 203 und 217 zu Iran als möglicherweise ältester Nation der Welt, die nicht zu zerstören sei. 277 Vaziri: Iran as Imagined Nation, S. 153. Zu den Einflüssen der Vorstellungen europäischer Iranforscher siehe auch Matin-Asgari: „Academic Debate“, S. 177–78. 278 Marashi: Nationalizing Iran, S. 57. Siehe auch Cole: „Marking Boundaries“, S. 25 und Groot: Religion, S. 144–45. Zu den mythischen Erzählungen gehört vor allem Ferdousīs Schahname, dessen Lektüre (oder Vortrag) ebenso wie derjenige ähnlicher Erzählungen im 19. Jahrhundert stark verbreitet war und zusammen mit Geschichtswerken in dieser Zeit „Iran“ in den Mittelpunkt der Geschichte stellte. Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 96–97; Tavakoli-Targhi: „Historiography“, S. 6–9 und Marashi: Nationalizing Iran, S. 60. Marashi weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Herders Begriff der „Nationalliteratur“ den Standard setzte, nachdem jede „Nation“ im Besitz eines Epos sei, so daß auch das Schahname zur Bildung eines literarischen Kanons in Iran diente. Marashi ibid. Eine

Theoretische Vorüberlegungen

77

Leistungen bestand darin, iranische Kultur mit den Anforderungen der Moderne zu v­ersöhnen, wozu sie sich des „Taschenspielertricks“ (sleight of hand) des angeblichen Vorhandenseins moderner Werte im antiken Erbe bedienten.279 In the process, pre-Islamic Iranian history became a template for a national history on which were drawn nineteenth-century standards of progress and modernity. This authentication of modernity ultimately produced the cultural synthesis capable of projecting Iran as a modern nation within a global system of national communities.280 Befördert wurden diese ersten nationalistischen Ideen nicht nur durch „westliches“ Gedankengut, sondern auch dadurch, daß das kadscharische Iran im Verlaufe des „langen 19. Jahrhunderts“ eine Reihe von Gebieten an Rußland und Großbritannien verlor und ständig der Gefahr des Verlustes seiner territorialen und staatlichen Integrität ausgesetzt war. In ihrem Bemühen, unter Zuhilfenahme einer Ideologie gegen die Versäumnisse und Fehler der kadscharischen Herrscher anzugehen,281 bedienten sich die genannten Intellektuellen auch nationalistischer Konzepte wie „nationale Ehre“, „historische Größe“ und „territorialer Bestand“.282 Hinzu kamen Überlegungen, die sich den Ursachen für das „Zurückbleiben“ Irans hinter den sogenannten zivilisierten Ländern der ausführliche Untersuchung zur Konstruktion von Ferdousī als Nationaldichter und seines Schahname als Nationalepos findet sich bei Marashi: „Nation’s Poet“. Ansari bezeichnet das Schahname gar als „narrative of identity“. Ansari: Politics of Nationalism, S. 297. 279 Marashi: Nationalizing Iran, S. 13. Marashi verzichtet an dieser Stelle auf eine Definition von Begriffen wie „iranische Kultur“ oder „Moderne“, deren Bedeutung sich aus seinem Text erschließen muß. 280 Ibid., S. 85. 281 Insgesamt wurde den Kadscharenschahs, vor allem Nāṣer od-Dīn (reg. 1848–96) und seinem Nachfolger Moẓaffar od-Dīn (reg. 1896–1907), trotz einiger erheblicher Reformbemühungen, die vor allem auf Anregung mancher Regierungsbeamter wie Amīr Kabīr oder im Ausland tätiger Diplomaten wie Mīrzā Ḥosein Ḫān Sepāhsālār entstanden, politisches Versagen bei Irans Versuch, Teil der „zivilisierten Welt“ zu werden, vorgeworfen. Inzwischen gibt es so viele Untersuchungen zur Kadscharenzeit, daß diese hier nicht alle genannt werden können. Verwiesen sei daher nur auf die in Avery: Cambridge History of Iran versammelten Artikel zur Einführung. Zu den Schwierigkeiten, die iranische Diplomaten, Intellektuelle und Kaufleute im 19. Jahrhundert mit ihren Schahs und deren Regierungen hinsichtlich der Innen- und Außenpolitik hatten, sowie zu ihren Forderungen nach einer Modernisierung ihres Landes cf. Pistor-Hatam: Nachrichtenblatt und die darin verzeichnete weiterführende Literatur. 282 Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness“, S. 164–65.

78

2. kapitel

Welt widmeten. Im geopolitischen Kontext der Entstehung von Nationalstaaten bei gleichzeitiger territorialer Eingrenzung Irans durch zwischen 1813 und 1857 abgeschlossene Verträge wurde Iran als „Nationalkörper“ vermenschlicht. Von einer Konföderation von Regionen (mamālek-e Īrān) entwickelte es sich zu einer geschlossenen Einheit (mamlakat/kešvar-e Īrān), von einem Reich zu einem modernen Nationalstaat auf einem festgelegten Territorium, das nun als vereintes Heimatland (vaṭan) angesehen werden konnte.283 By condensing the territorial and spiritual vatans into one entity, the Iranian homeland (vatan-i Iranian) was endowed with subjectivity and agency. This spiritualization of territorial vatan provided the perspectival foundation for the articulation of a cohesive and unified ‚national’ culture, literature, and history – all viewed as the manifestations of the homeland’s soul, spirit, and biography.284 Zu Vorbildern bzw. Vorlagen einer nationalen Identität und Geschichte erkoren sich Intellektuelle oder „figures in Iranian nationalism“285 wie der in Tiflis lebende Mīrzā Fatḥ ʿAlī Āḫūndzāde (Akhundov; 1812–78)286 die antike Dynastie der Achaimeniden sowie die Safaviden (1501–1722). Schließlich kamen als Vorbilder für die Entwicklung eines modernen iranischen „Selbst“ nur solche Herrscherhäuser infrage, deren Hauptstädte auf der iranischen Hochebene gelegen waren und die eine Kultur entwickelt hatten, die nicht mit anderen Völkern außerhalb der Hochebene geteilt wurde.287 Durch diesen Rückgriff auf die „vergessene Geschichte“ Irans entstand eine eigene „Iran-Zeit“, in der die „glorreiche“ vorislamische Zeit mit der „wiedererwachten“ Gegenwart und einer „verjüngten“ Zukunft verbunden wurde.288 Mit Hilfe dieses „inne283 Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 114. Cf. auch Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness“, S. 166–67. Kashani-Sabet weist ebenso wie de Groot zudem auf das Bild von Iran als „Mutter“ während der Verfassungsrevolution hin. Ibid., S. 135–39 sowie Groot: Religion, S. 150. Verträge führten im Falle von Friedensschlüssen nach vorangegangenen Kriegen zu gewaltigen Gebietsverlusten im Kaukasus und dem heutigen Afghanistan (Golestān 1813 und Torkmānčāy 1828 mit Rußland; Paris 1857 mit Großbritannien), in den beiden anderen Verträgen wurde die Staatsgrenze zwischen Iran und dem Osmanischen Reich erneut ausgehandelt (Erzurum 1823 und 1847). 284 Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 116. 285 Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness“, S. 165. 286 Zu seiner Person cf. Algar: „Ākūndzāda“. Für weiterführende Abhandlungen zum Thema siehe die Bibliographie ibid. 287 Cole: „Marking Boundaries“, S. 38–39. 288 Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 97. Cf. auch Tavakoli-Targhi: „Historiography“, S. 6–7.

Theoretische Vorüberlegungen

79

ren Zusammenhang[s] von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive“289 dient auch die Geschichtsschreibung der Identitätsbildung und dem nationalistischen Selbstverständnis seit seinen Anfängen. Das bis dahin vorherrschende übergeordnete islamische Metanarrativ, das die Geschichte in eine vorislamische Zeit der „Unwissenheit“ (ǧāhelīye) und eine islamische Zeit, die durch den Koran „erleuchtet“ wird, einteilte, wurde ersetzt durch ein Narrativ, welches sich an den mythischen Erzählungen Irans orientierte290 und die vorislamische Zeit als Zeit der „Aufklärung“ (ʿaṣr-e monavvar) deutete.291 Nach dieser Lesart endete das „goldene Zeitalter“ Irans mit der Invasion der arabischen Muslime in der Mitte des 7. Jahrhunderts, die seinen Niedergang herbeiführte.292 Neben dieser neuen Zeiteinteilung gründete sich die von Āḫūndzāde entwickelte „essentialistische iranische Identität“293 auf die persische Sprache und das zoroastrische kulturelle Erbe.294 Problematisch an Āḫūndzādes Idee war, daß die Achaimeniden, die zu politischen Zwecken viel in ihrem Reich unterwegs waren, als „Reisekönige“295 nicht nur auf der iranischen Hochebene, sondern auch in Mesopotamien über Residenzen verfügten, die sie je nach Jahreszeit aufsuchten. Zudem läßt eine solche Vorstellung von „Iranertum“ (īrānīyat) die Jahrhunderte außer acht, in denen Abbasiden (749–1258), Mongolen, Timuriden (1405–1506) und viele andere Völker und Dynastien auf der iranischen Hochebene herrschten, ganz abgesehen von den Nicht-Persern am achaimenidischen Hof oder den aus Anatolien stammenden Kızılbaş, die die Safaviden bei ihrer Eroberung Irans unterstützt hatten.296 Mit ihrer Behauptung, die arabischen Muslime trügen die Schuld an Irans Problemen, und mit ihrer Bezeichnung des Islams als „Religion der Araber“297 verbanden Āḫūndzāde und andere Gleichgesinnte wie Mīrzā Āqā Ḫān 289 290 291 292

Karl Ernst Jeismann, zit. n. Straub: „Geschichten erzählen“, S. 99. Vgl. Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 97. Ibid., S. 102. Cole: „Marking Boundaries“, S. 40. Als Atheist hatte Āḫūndzāde keine Probleme damit, das Erscheinen des Islams als für Iran ausschließlich negatives Ereignis zu bewerten. 293 Groot: Religion, S. 150. 294 Cole: „Marking Boundaries“, S. 54. 295 Wiesehöfer: Das frühe Persien, S. 58–59. 296 Cole: „Marking Boundaries“, S. 38–39. 297 Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 102 und Marashi: Nationalizing Iran, S. 72. Tavakoli-Targhi nennt die diesbezüglichen Bemühungen iranischer Nationalisten „de-Arabizing projects of history and language“. Tavakoli-Targhi: „Historiography“, S. 5 sowie S. 11–12.

80

2. kapitel

Kermānī die europäischen Rassentheorien, die die Menschen u. a. in „Arier“ und „Semiten“ einteilten. Als „Arier“ unterschieden sich die Iraner nicht nur von den „semitischen“ Arabern, sondern standen zugleich auf seiten der Europäer, deren Macht, Modernisierung und Fortschritt als nachahmenswert angesehen wurden.298 Desgleichen konnte Āḫūndzāde unter Zuhilfenahme europäischer Rassentheorien seine romantischen Beschreibungen der iranischen Antike ebenso wie seiner „arischen“ Mythologie verstärken und Iran seinen Stellenwert als gleichwertiges und echtes Mitglied einer transeuropäischen Moderne sichern.299 Zwar gab es auch andere iranische Vordenker, die Absolutismus und Willkürherrschaft, mangelnden Schutz der iranischen Binnenwirtschaft vor ausländischen Eingriffen und grundsätzlich das Fehlen von Gesetzen bemängelten und die ihre eigene Identität bzw. diejenige „Irans“ durchaus als (schiitisch-)muslimisch verstanden.300 Doch breiteten sich rassistische Vorstellungen wie der Ariermythos301 als wesentliches Merkmal einer iranischen Identität weiter aus und wurden in der Pahlavī-Ära von den Herrschenden selbst zur Sicherung ihrer Legimitiät und als grundlegender Bestandteil ihres Nationalismusdiskurses übernommen. In der Zeit der Verfassungsrevolution traten die o. g. nationalistisch geprägten Ideologien in den Hintergrund, während die Revolutionäre vor allem dafür kämpften, die Grenzen Irans zu schützen und es im Innern zu stabilisieren. Viele Diskussionen innerhalb und außerhalb des 1906 zum erstenmal gewählten Parlaments befaßten sich mit Konzepten von „Freiheit“, „Patriotismus“ und „Fortschritt“.302 Während die Verteidigung eines gemeinsamen Territoriums oder „Vaterlandes“ (vaṭan) die Vorstellung von der nationalen Einheit aller innerhalb der Grenzen dieses Territoriums lebenden Menschen beförderte, sorgte die Forderung nach kultureller Einheit unter dem Primat der persischen Sprache für die Vormachtstellung einer (Sprach-)kultur über die anderen.303 298 Cole: „Marking Boundaries“, S. 42–43 und Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness“, S. 165– 66. Siehe auch Chehabi: „Iran and Iraq“, S. 202–3 hinsichtlich anti-arabischer Vorurteile. 299 Marashi: Nationalizing Iran, S. 73–75. 300 Cole: „Marking Boundaries“, S. 54. Zur Gruppe der Kaufleute, die diesen sich um ihr eigenes und das Wohl ihres Landes sorgenden Individuen ebenfalls zuzurechnen ist, cf. Pistor-Hatam: Nachrichtenblatt. 301 Siehe hierzu Asgharzadeh: Iran and the Challenge of Diversity. 302 Kashani-Sabet: Frontier Fictions, S. 101. Zu den verschiedenen Vorstellungen von Nationalismus, die während der Verfassungszeit kursierten, cf. Groot: Religion, S. 154–55. 303 Kashani-Sabet: Frontier Fictions, S. 103–4, 110; siehe auch Tavakoli-Targhi: Refashioning Iran, S. 114–15. Zur Bedeutung des Konzeptes von vaṭan-e Īrān als ewiger Heimat, der alle Iranerinnen und Iraner, egal wo sie leben, zugehören, cf. Kashani-Sabet: Frontier Fictions, S. 132. M. E. lassen sich hier deutliche Parallelen zu zionistischen Vorstellungen erkennen.

Theoretische Vorüberlegungen

81

Whereas before, diversity was an attribute of Iranian unity, now ethnic differences threatened Iran’s singularity. National solidarity now demanded cultural homogeneity, which would be achieved through the propagation of the Persian language and Twelver Shi’ism. In an attempt to simulate national unity, constitutional institutions imposed a cultural order that privileged the Persian and Shi’ite heritage of some Iranians over the legacy of others.304 Von zentraler Bedeutung war die Institutionalisierung einer Verbindung von Nation und Staat sowie einer gemeinsamen Sprache und Religion letztlich deshalb, weil sich darin die patriotischen Themen widerspiegelten, die die politische Nation begründeten: die Stärkung und/oder Reformierung des Staates, seine Glaubwürdigkeit und seine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit sowie sein Vermögen, Übergriffen von außen zu widerstehen.305 Vor diesem Hintergrund zeigt sich, daß die Behauptung, Iran und die Zwölferschia seien untrennbar miteinander verbunden, als Idee eine Schöpfung der Verfassungsrevolution war und ihre Rückprojizierung auf die iranische Geschichte einen Anachronismus darstellt.306 Dieses Anachronismus sind sich die iranischen Autorinnen und Autoren, deren historische Erzählungen zur Mongolenzeit hier untersucht werden, nicht bewußt. Vor allem Šīrīn Bayānī hebt in ihren Publikationen, die sowohl vor als auch nach der Iranischen Revolution von 1978/79 erschienen, immer wieder die angeblich enge Verbundenheit Irans mit der Zwölferschia hervor. Sie geht sogar so weit, die Zwölferschia zu einem wesentlichen Bestandteil eines iranischen Nationalismus zu erklären, der den Widerstand „der Iraner“ sowohl gegen die Abbasiden als auch gegen die Mongolen maßgeblich befördert habe.307 Da die Konstitutionalisten darauf angewiesen waren, eine möglichst breite Koalition zu bilden – die auch hochrangige schiitische Rechtsgelehrte mit 304 Ibid., S. 111. 305 Groot: Religion, S. 156–57. 306 Vaziri: Iran as Imagined Nation, S. 171–72. Die persische Sprache diente möglicherweise nicht nur der Einigung im Innern, sondern auch der Abgrenzung nach außen – gegenüber türkisch- und arabischsprachigen Einwohnern Irans (Innen) und dem osmanischen, später türkischen wie den arabischen Nachbarstaaten (Außen). Parallelen ergeben sich auch hier zu europäischen Nationalismen. So vertritt z. B. Segal die Ansicht, die wichtigste Eigenschaft des Franzosentums, die französische Sprache, sei in erster Linie dem pragmatischen Bemühen entsprungen, innerhalb Europas eine Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie und darüber hinaus mit der europazentrierten globalen Wirtschaft herzustellen. Segal: „Nationalism“, S. 313. 307 Siehe unten S. 177–88.

82

2. kapitel

einschloß –, trat der radikal säkulare Nationalismus, wie ihn Āḫūndzāde formuliert hatte, zunächst in den Hintergrund.308 Dies änderte sich allerdings nach dem Zusammenbruch der Verfassungsbewegung mit ihren vielfältigen Versionen von Nationalismus, als sich die Anhänger der neuen nationalistischen Bewegung einem iranischen Nationalismus zuwandten, der statisch, säkularistisch und in einer mythischen Antike verortet war. Nach 1911 gewannen die vorrevolutionären Vorstellungen eines Āḫūndzāde erneut die Oberhand.309 Geleitet wurden die Intellektuellen der nachrevolutionären Zeit von einem Gesellschaftsmodell, welches sich an europäischen Konzepten von Nation und Staat orientierte. Im Zentrum dieses Modells stand die eine „Nation“ (mellat), die von einer ethnisch bestimmten persischen Gruppe getragen werden sollte. Ein auf diese Weise imaginierter iranischer Nationalstaat mit einem hohen Grad an ethnischer Homogenität einerseits und einem niedrigen Grad an kultureller Verschiedenheit andererseits sollte die Menschen vornehmlich aufgrund ihrer sprachlichen Zugehörigkeit aneinander binden.310 The ‚dual society‘ or ‚two cultures‘ phenomenon – in which a secular, pre-Islamic-based nationalism became the official culture of the state and elite classes while Islam became the basis of an increasingly politicized popular identity among the urban and rural masses – is therefore a phenomenon not only of the period preceding the revolution of 1979. The emergence of the dual society was implicit in the nation-building efforts that unfolded in the late nineteenth and early twentieth centuries.311 Eine wesentliche Rolle bei der angeblichen „Wiederentdeckung“ oder „Ausgrabung“ einer verlorenen iranischen Identität spielte Seyyed Ḥasan Taqīzāde (1878–1970), der sich darum bemühte, alten iranischen Mythen, Legenden und Symbolen eine neue Bedeutung zu verleihen, um auf diese Weise etwas Neues zu erfinden, das er beglaubigte, indem er es einem

308 Marashi: Nationalizing Iran, S. 76. 309 Ibid., S. 77. 310 Atabaki, Touraj: „Agency and Subjectivity“, S. 72. Das Ziel der sprachlichen Einheit (etteḥād-e zabān), in der die Sprache als „Klebstoff“ dienen sollte, der die Nation zusammenhielt, wurde nicht erreicht. Stattdessen entfremdete die persische kulturelle Dominanz all jene Bevölkerungsgruppen, die nicht Persisch sprachen. Kashani-Sabet: „Cultures of Iranianness“, S. 208. Im Gegensatz zu Atabaki, der meint, der sprachliche haben den territorialen Nationalismus während der Zeit der Verfassungsrevolution ersetzt, zeigt Kashani-Sabet, wie stark der territoriale Anspruch des Nationalismusdiskurses auch in dieser Zeit vorhanden war. Kashani-Sabet: Froniert Fictions, siehe hier vor allem das vierte Kapitel. 311 Marashi: Nationalizing Iran, S. 14.

Theoretische Vorüberlegungen

83

archaischen iranischen Selbst zuordnete.312 Dabei machte sich Taqīzāde die Ergebnisse der stark vom Orientalismus geprägten Iranforschung in Europa zu eigen, um ein Iran zu schaffen, welches imstande sein sollte, den universellen Standards der Moderne zu entsprechen.313 In dieser romantischen Idee von der „Nation“ als Gemeinschaft spiegelt sich neben dem genannten organischen Kulturverständnis die Konstruktion eines „goldenen Zeitalters“ der Ursprünglichkeit ebenso wie eine historisierte Zeitvorstellung, in der die Nation als Subjekt der Geschichte handelt.314 Viele dieser Vorstellungen von der „iranischen Nation“ – territoriale ebenso wie sprachliche und kulturelle – übernahm Reżā Šāh für die Gestaltung und Durchsetzung seines Nationalismuskonzepts. Die wichtigsten Merkmale dieses Diskurses waren Konformismus, Säkularismus und Autoritarismus. Um den Konformismus durchzusetzen, lehnte die Regierung sprachliche, kulturelle und religiöse Vielfalt ab und verband den Gebrauch des Persischen mit der „nationalen Identität“ und einer gemeinsamen Kultur.315 Von ebenso großer Bedeutung wie die Vorstellungen der genannten iranischen Autoren waren solche außeriranischen Wissenschaftler, die ihre Forschungsergebnisse mit Schlüsselkonzepten wie „Nationalcharakter“ oder „Nationalgefühl“ verbanden, um die Entstehung einer iranischen Nation mit einer lebendigen nationalen Identität während der Herrschaft der Achaimeniden und deren Wiederaufleben im 9. bis 11. Jahrhundert zu beweisen.316 Herzfeld’s idea of Achaemenid Iran as a geo-political concept, as ‚the empire of the Aryans,‘ as well as his idea that the Iranian ‚nation‘ in its combined geographical and political sense emerged during the Achaemenid period, were adopted as the formal ideological framework of the Pahlavi state. These ideas laid the foundation of what Alessandro Bausani calls „Aryan and Neo-Achaemenid nationalism“.317 312 Ibid., S. 79. 313 Ibid., S. 81–82. Zur Bedeutung orientalistischer Geschichtsschreibung über das vorislamische Iran und ihrer Konstruktion der „arischen Rasse“ cf. Asgharzadeh: Iran, S. 61–73. 314 Marashi: Nationalizing Iran, S. 54. 315 Groot: Religion, S. 159. Um das Persische zu standardisieren und von „fremden“ Einflüssen zu „reinigen“, wurde 1935 die Sprachakademie Farhangestān-e zabān-e Īrān gegründet. Zu dieser Akademie, ihrer Geschichte und ihren Nachfolgerinnen cf. Jazayeri: „Farhangestān“ sowie Karimi-Hakkak: „Language Reform Movement“. Asgharzadeh spricht in diesem Zusammenhang von einer „rassistischen Ideologie“. Cf. Asgharzadeh: Iran, S. 85–107. 316 Ashraf: „Iranian Identity iv. 19th–20th Centuries“. 317 Ibid. Auf die Problematik von Aussagen, die Ashraf trotz dieser Feststellung hinsichtlich des „tiefverwurzelten kulturellen Bewußtseins“ und der „kulturellen Besonderheit“ Irans etc. trifft, unten S. 93–95.

84

2. kapitel

Als Höhepunkt dieser Inszenierung von Iran als einer jahrtausendealten Nation, als „Reich der Arier“, ist sicherlich der Festakt der 2500-Jahrfeier in Persepolis im Jahre 1971 zu sehen.318 Anläßlich dieses Ereignisses hielt Moḥammad Reżā Šāh eine Rede, in der er sich direkt an Kyros den Großen (reg. 558–30 v. u. Z.) wandte, den er zum idealen König und „Erfinder der Menschenrechte“ stilisierte.319 Bedeutung wurde den Worten des Schahs dadurch verliehen, daß sie auf die Errichtung eines Staates und seiner Erzeugung von Kultur rekurierten, wie sie bereits im späten 19. Jahrhundert von den Vordenkern eines iranischen Nationalismus imaginiert worden waren. In seiner Rede bemühte sich der Schah darum, das Vorhandensein einer iranischen Nation zu bestätigen, die sich durch die Eintracht von staatlichen Institutionen, sozialen Strukturen und kulturellen Ausgestaltungen auszeichnete. Auf diese Weise beschwor der Schah, der sich selbst als zeitgenössische Verkörperung des Kyros sah, dessen Grab wiederum Irans Ursprung symbolisierte, die „Magie des Nationalismus“ [Benedict Anderson].320 Doch auch während der Regierungszeit von Moḥammad Reżā Šāh fanden gleichzeitig mit dem offiziellen Nationalismusdiskurs Gegendiskurse in Iran statt, die in Hinblick auf die Revolution und die ihr nachfolgende Islamische Republik von Bedeutung sind. Gemeinsam war denjenigen iranischen Intellektuellen, die sich an diesen Nationalismusdiskursen beteiligten, daß sie von einer ursprünglichen, bis in die Achaimenidenzeit zurückreichenden iranischen Nation ausgingen. Ihre Vorstellungen von dieser iranischen Nation unterschieden sich hinsichtlich der Bestimmung von Irans Rolle nach dem Ende des Kolonialismus, seiner Beziehungen zum „Westen“, seiner Regierungsform und schließlich der Rolle der Religion bei der Gestaltung der nationalen Identität.321 Der Machtkampf um Irans Platz in der Welt erreichte zwar seinen vorläufigen Höhpunkt mit der Revolution, doch ist er noch lange nicht ausgefochten. 318 Siehe hierzu Wiesehöfer: „Kyros“. Auf die Problematik von Kyros als Stammvater iranischer Geschichte weist Ansari hin: Durch die Reduzierung dieser Geschichte auf die vergangenen 2.500 Jahre werden alle vorhergehenden Völker und Herrscher ausgeklammert, was wiederum der Festigung des Ariermythos dient. Ansari: Politics of Nationalism, S. 168. 319 Ibid., S. 58–67. Gleichzeitig hatten historische Erzählungen über Kyros – im Gegensatz z. B. zum Schahname – den Vorteil wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit. Ibid., S. 115. 320 Marashi: Nationalizing Iran, S. 4. Für eine kritische Einschätzung siehe auch Aghaie: „Islam and Nationalist Historiography“, S. 26–27; cf. Anderson: Imagined Communities, S. 12. 321 Cf. Aghaie: „Islam and Nationalist Historiography“, S. 24–25.

Theoretische Vorüberlegungen

85

Aghaie vergleicht drei bedeutende Vordenker der 1950er bis 1970er Jahre, nämlich den – auch für diese Untersuchung bedeutenden – ʿAbd ol-Ḥosein Zarrīnkūb, dessen Schriften als wichtige Grundlage der offiziellen Version des Nationalismus dienten, den klerikalen „Chefideologen“322 der Revolution von 1978/79, Morteżā Moṭahharī (1919–79) und den „aufstrebenden Luther“ oder „Voltaire“323 ʿAlī Šarīʿatī (1933–77). Trotz ihrer unterschiedlichen Definitionen dessen, was sie als „iranische Identität“ bezeichnen, glauben auch diese drei Autoren an einen ursprünglichen iranischen Charakter. „Iranertum“ gründet demzufolge auf einer gemeinsamen („arischen“) „Rasse“ und Sprache, einer geteilten Kultur und Geschichte sowie einer unverwechselbaren Nationalität. Wer immer einer der Anforderungen an Abstammung, Herkunfts- und Wohnort, linguistische Einordnung des Namens oder der eigenen Sprache genügt, kann nach dieser Auffassung als „Iraner“ bezeichnet werden.324 Auf diese Art und Weise werden auch historische Persönlichkeiten zu Iranern, die sich dieser Zuschreibung sicherlich selbst nie bewußt waren.325 In Hinblick auf das für den iranischen Nationalismus zentrale Thema der arabisch-­muslimischen Eroberung des Sasanidischen Reiches in der Mitte des 7. Jahrhunderts und der darauffolgenden Islamisierung Irans stimmen die drei genannten Autoren zumindest in ihrer Konstruktion des iranischen „Selbst“ und des arabischen „Anderen“ überein. Während Zarrīnkūb jedoch die These vertritt, die „nationale iranische Identität“ sei in den folgenden zweihundert Jahren von den muslimischen Arabern unterdrückt worden, so daß die Iraner sich hätten zur Wehr setzen müssen, um ihre nationalen Ideale umzusetzen, kommen sowohl Moṭahharī als auch Šarīʿatī – wenig verwunderlich – zu anderen Ergebnissen. Zwar repräsentieren die Araber auch in diesen Erzählungen das böse, unterdrückerische „Andere“, doch werden sie als vom Islam getrennt betrachtet. Šarīʿatī geht sogar so weit, die Grundlage für die Entstehung des iranischen 322 Dabashi: Theology, S. 147–215. 323 Boroujerdi: Iranian Intellectuals, S. 105. 324 Aghaie: „Islam and Nationalist Historiography“, S. 45–46. Zu diesen „Iranern“ gehört auch Abū Ḥanīfa, auf den sich die sunnitische Rechtsschule der Hanafiten zurückführt. Ibid., S. 34. Offensichtlich liegt dieser Zuschreibung die Vorstellung des sasanidischen Īrān-šahr zugrunde, in dessen Zentrum Mesopotamien liegt. Siehe hierzu auch Ansari: Politics of Nationalism, S. 280. 325 Ersichtlich hängen selbst einige im „Westen“ ausgebildete Iranistinnen bzw. ihre Betreuer dieser Form ahistorischer Zuschreibungen an. Als besonders prägnantes Beispiel sei hier das Buch von Davaran: Continuity in Iranian Identity (zu Abū Ḥanīfa daselbst S. 161) genannt. Zur Diskussion über „iranische Identitäten“ vor allem in der vorislamischen Zeit cf. Cereti: Iranian Identity.

86

2. kapitel

Nationalismus im Kampf der Iraner für islamische Gerechtigkeit gegen den „korrupten Rassismus“ der arabischen Eroberer zu sehen.326 Laut Moṭahharī hatte die arabische Eroberung Irans nichts mit der Annahme des Islams durch die damaligen Iraner zu tun, denn diese seien ausschließlich in Zeiten der Unabhängigkeit von arabischer oder muslimischer Herrschaft konvertiert.327 Die Verbindung zwischen dem Islam und Iran hatte dieser Lesart nach zur Folge, daß der Islam erst unter iranischer Führung seine ganze Kraft entfalten konnte.328 Als wesentlicher Teil der islamischen umma wird das „iranische Volk“ von Moṭahharī als „erwähltes Volk“ imaginiert, welches eine bedeutende Rolle in der Geschichte zu spielen hatte.329 Ein weiterer wichtiger Punkt in seiner Argumentation ist die Tatsache, daß er sich besonders darum bemüht zu zeigen, daß das Schiitentum nicht iranspezifisch ist: Wäre das Schiitentum nur der religiöse Ausdruck des iranischen Nationalbewußtseins, dann wäre es nicht mehr Teil des wahren Islams. Zudem müßte man dann davon ausgehen, daß Glaube und Kultur der Iraner vom „Islam“ unterdrückt wurden, denn sonst hätten diese ja keine neue Variante des Islams schaffen müssen.330 The Arab invasion is, thus, treated by Zarrinkub as a traumatic break with Iran’s glorious past, which he calls the ‚calm‘ period. Shariati, on the other hand, argues that, while Iran has a pre-Islamic heritage, it never achieved national consciousness until the external threat of Arab invasion brought the Iranians together and that, more important, the movement against injustice and Arab racism was the primary basis of Iran’s national awakening. Motahhari also accepts Iran’s pre-Islamic heritage, but subordinates it to the glories of Iranians as members of the Muslim community.331 Wie stark außer Zarrīnkūb auch andere Autorinnen und Autoren den „Bruch“ mit der vorislamischen Vergangenheit empfanden, zeigt sich in den historischen Erzählungen zur Mongolenzeit, die sich in ihrer Einschätzung z. T. direkt auf Zarrīnkūb beziehen. Allerdings diskutieren diese vor allem die Frage, 326 Aghaie: „Islam and Nationalist Historiography“, S. 46. 327 Ibid., S. 34. 328 Ansari: Politics of Nationalism, S. 203–4. 329 Ibid., S. 228. 330 Aghaie: „Islam and Nationalist Historiography“, S. 35. Moṭahharī, einer der wenigen Rechtsgelehrten, der sich mit Geschichtsschreibung befaßte, stellte die nationalistische Historiographie der Pahlavī-Ära vehement in Frage und betonte die enge Verbindung von Islam und Iran als Grundlage der Identität. Atabaki: „Iranian History in Transition“, S. 68–69 und S. 74. 331 Aghaie: „Islam and Nationalist Historiography“, S. 47.

Theoretische Vorüberlegungen

87

ob die mongolischen Inavsionen zu einem Bruch mit der vormongolischen Vergangenheit geführt und „den Faden der Erinnerung“ oder „des ­kulturellen Bündnisses“ durchtrennt hätten.332 Ebenso wird Šarīʿatīs Vorstellung von den „ungerechten“ und „rassistischen“ Arabern, gegen die die Iraner gemeinsam Widerstand leisteten, in einigen dieser Schriften übernommen, ohne daß Šarīʿatī jedoch selbst genannt würde.333 Nach dem Sieg der Revolution von 1978/79, der Flucht von Moḥammad Reżā Šāh und der Rückkehr Āyatollāh Rūḥollāh Mūsavī Ḫomeinīs (1902–89) nach Iran begann eine neue Etappe in der Geschichte des modernen iranischen Staates. Mit der Gründung der Islamischen Republik Iran und der Erhebung des Islams nicht nur zur allumfassenden Grundlage der neuen Republik, sondern in Form des Primats der muslimischen Einheit auch zum einigenden Band aller Muslime, schien sich die neue Führung dieses Landes endgültig vom Nationalismus verabschiedet zu haben. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch zu erkennen, daß das Bild, welches sich seit Ḫomeinīs Rückkehr nach Iran im Februar 1979 ergibt, in Hinblick auf die Politik des Regimes deutlich komplizierter ist. Bis heute besteht die Staatsräson der führenden Geistlichen, allen voran des Revolutionsführers (rahbar), im Schutz der territorialen und politischen Integrität Irans334 – eines Konzepts, das, wie oben erwähnt, bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts relevant war. Auf diesem Territorium sollten Sunniten und Schiiten vereint leben, um den iranischen Nationalstaat zu stützen,335 dessen Existenz offensichtlich nicht in Frage gestellt wurde. Dadurch, daß die Islamische Republik Iran als separate iranische Einheit existierte und in dieser Form nicht zur Debatte stand, akzeptierten ihre Führer auch das internationale System von Territorialstaaten und damit die „non-universality of the Islamic community“.336 Folgerichtig stellt Artikel 152 der iranischen Verfassung den Erhalt der Unabhängigkeit wie der Integrität des iranischen Territoriums als wesentliches Element der iranischen Außenpolitik fest.337

332 333 334 335

Siehe unten drittes Kapitel. Siehe z. B. Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 955–56. Ram: „Exporting Iran’s Islamic Revolution“, S. 7. Ibid., S. 14. Siehe hierzu auch Ḫomeinīs Aussage, daß der faqīh – im Gegensatz zu vielen muslimischen Herrschern wie z. B. Reżā Šāh – die nationale Unabhängigkeit und Freiheit wahren könne. Imam Khomeini: „Program“, S. 25. 336 Ram: „Exporting Iran’s Islamic Revolution“, S. 15. Zitat James P. Piscatori nach ibid. 337 Menashri: „Iran’s Revolutionary Politics“, S. 135. Zwar gibt es keinen Unterschied zwischen Muslimen, doch muß der Präsident der IRI ein schiitischer Iraner sein. Ebenso weisen die Vertreter Irans jeden Versuch zurück, den „Persischen Golf“, wie von Vertretern der arabischen Anrainerstaaten gefordert, in „Arabischen Golf“ umzubenennen. Ibid., S. 139.

88

2. kapitel

Revolutionary Iran has genuinely adhered to two visions – the nationalist and the pan-Islamic – which are not necessarily mutually exclusive. A potent cultural asset in Iranian modern history, the nationalist vision has been able to survive as a major force in Iranian political culture, its sometimes ‚Islamicized‘ form notwithstanding. [. . .] [Absatz] Governments come and go, but political cultures endure. Indeed, there is a high degree of continuity in Iranian culture. Revolutions obviously occur within a specific set of pre-existing cultural patterns and many of these are carried over from the old regime.338 Auch in den historischen Erzählungen von der Mongolenzeit – ob sie während der Pahlavī-Ära oder in der Islamischen Republik verfaßt wurden – tritt die nationalistische Vision an vielen Stellen zu Tage. Sie existiert als kulturelles Muster fort und schlägt sich beispielsweise in den Darstellungen der Interaktion von mongolischen Herrschern und iranischen Beratern sehr deutlich nieder.339 Der von den Autorinnen und Autoren behauptete letztliche Sieg des „Iranertums“ über die mongolischen „Fremdherrscher“ gründet auf dieser Vision. Im Gegensatz zu der von einigen von ihnen behaupteten zentralen Bedeutung des Schiitentums wird auf panislamische Ideen allerdings nicht verwiesen. Ganz im Gegenteil waren die sunnitischen Abbasiden nach überwiegender Einschätzung ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zur iranischen Einigung, bei welcher die Schia eine entscheidende Rolle spielen sollte. Von Moḥammad Reżā Šāhs „Vaterland“ (mīhan) entwickelte sich Iran in den Aussagen mancher schiitischer Rechtsgelehrter zum „islamischen Vaterland“, dessen Bedeutung für die Entwicklung der islamischen Zivilisation als Mittlernation gerne hervorgehoben wird.340 Ḫomeinī selbst hatte seine Landsleute in seinen frühen Schriften als ham-mīhanān und Īrān-dūstān („Iranliebende“) angesprochen.341 Zwar rückte er zwischenzeitlich von diesen Konzepten ab und betonte die muslimische Einheit,342 doch machte Ḫomeinī während des Krieges gegen den Irak (1980–88) erneut von nationalistischer

338 Ram: „Exporting Iran’s Islamic Revolution“, S. 21. Siehe hierzu auch Amanat: „Iranian Identity Boundaries“, S. 25. Amanat zufolge ergab eine 2001 durchgeführte Umfrage, daß 86% der Befragten in Iran sehr stolz auf ihre „nationale Identität“ waren. Ibid. 339 Siehe unten S. 201–8. 340 Ram: „Exporting Iran’s Islamic Revolution“, S. 13 und S. 15. 341 Menashri: „Iran’s Revolutionary Politics“, S. 134. 342 Ibid., S. 134.

Theoretische Vorüberlegungen

89

Terminologie Gebrauch.343 Auch griff er nationalistisches Gedankengut auf, als er äußerte, die „große iranische Nation“ verfüge über ein „großes islamisches und nationales Erbe“. Die wichtig­ ­ sten Errungenschaften der Revolution, so Ḫomeinī weiter, seien Irans Unabhängigkeit, seine nationale Souveränität und (die Durchsetzung) seiner nationalen Interessen.344 Sein Nachfolger ʿAlī Ḫāmeneʼī teilte Nationalismus in eine gute (mos̠bat) und eine schlechte (manfī) Form ein: Positiver Nationalismus äußert sich demzufolge in der Verteidigung der Staatsgrenzen gegen Fremde, während negativer Nationalismus versucht, die Muslime zu spalten.345 Als wesentlichen Faktor „kultureller Identität“ bezeichnet Ḫāmeneʼī die persische Sprache, die als Nationalsprache diene.346 Abgesehen davon, daß diese Aussagen von Šarīʿatīs und Moṭahharīs Überlegungen beeinflußt sind, verdeutlichen sie den pragmatischen Ansatz, den die führenden Rechtsgelehrten der Islamischen Republik in Hinblick auf den Nationalismus verfolgen.347 Denn trotz aller panislamischen Rhetorik ist es ihnen bisher weder gelungen, die Revolution in andere muslimische Länder zu exportieren, noch haben sie davon abgesehen, das Territorium des iranischen Staates, wie er unter den Pahlavīs bestanden hatte, gegen den irakischen Angriff zu verteidigen. Amirahmadi legt bis 1995 drei Perioden der ideologischen Entwicklung in Iran fest: Erstens die „Islam-Islam“-Periode, in der die panislamische Ideologie Ḫomeinīs und seiner Anhänger überwog und sowohl der iranische Nationalismus als auch das Schiitentum dahinter zurückstanden. Diese Verherrlichung des Islams auf Kosten der Schia und Irans wurde von den unpolitischen Rechtsgelehrten in Qom ebenso wie von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt.348 Mit der irakischen Invasion – d. h. dem Angriff durch ein muslimisches Nachbarland – und dem darauffolgenden achtjährigen Krieg schien die Ausnutzung der auch weiterhin vorhandenen nationalistischen Gefühle in der Bevölkerung notwendig zu sein, um Iran zu verteidigen. Diese zweite Periode nennt Amirahmadi „Islam-Iran“, da sie die 343 Ibid., S. 139. Interessant ist auch das von Ḫomeinī in seinen Schriften gebrauchte Konzept der „nationalen Apostasie“. Hieran zeigt sich, als wie stark die Verwobenheit der zwölferschiitischen Religion mit der iranischen Nation selbst von Ḫomeinī empfunden wurde: der Abfall vom schiitischen Glauben wird nach dieser Vorstellung als gleichbedeutend mit der Aufgabe der iranischen Staatsbürgerschaft oder mit Verrat angesehen. Cole: „Baha’i Minority“, S. 148. 344 Menashri: „Iran’s Revolutionary Politics“, S. 147. 345 Ibid., S. 143. 346 Paul: „ ‚Iranian Nation‘ “, S. 211. 347 Vgl. Menashri: „Iran’s Revolutionary Politics“, S. 147. 348 Amirahmadi: „Iran“, S. 28.

90

2. kapitel

„iranische Identität“ zwar einerseits als „dem Islam“ gegenüber eigenständig ansah, andererseits jedoch sowohl die Zwölferschia als auch „Iran“ „dem Islam“ unterordnete.349 Mitte der 1990er Jahre beginnt die „Iran-Islam“Periode, in der zwar der Panislamismus weiterhin Teil der offiziellen Rede ist, nun jedoch der Schwerpunkt auf der Schia in Verbindung mit iranischem Nationalismus liegt.350 Inzwischen nimmt auch der säkulare Nationalismus wieder zu, denn iranische Nationalisten argumentieren, da der Islam von den Arabern nach Iran eingeführt worden sei, sei er wesentlich weniger bedeutend für die iranische als für die arabische Identität.351 Während der Präsidentschaft von Moḥammad Ḫātamī (1997–2005) wurde die Debatte um die Vereinbarkeit von Iranertum (īrānīyat) und Muslimsein im Sinne des iranischen islamischen Erbes (eslāmīyat) intensiv und kontrovers diskutiert. Der Präsident selbst stand laut Holliday symbolisch für einen islamistisch-iranischen Diskurs, der sowohl das islamische als auch das vorislamische iranische Erbe als Teil der iranischen Identität anerkennt. Als wesentlich für ein demokratisch geprägtes politisches System gilt den Angehörigen der von Ḫātamī angeführten Reformbewegung sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht der Islam als Bezugsrahmen.352 Dem in Hinblick auf die Nationalismusdebatte insgesamt pragmatischen politischen Ansatz ist möglicherweise auch die Tatsache zu verdanken, daß sich das offizielle Iran seit der Revolution vom politischen Islam weg hin zu einem immer stärker werdenden Nationalismus wendet.353 Auch diese Wendung verläuft weder harmonisch noch einhellig, sondern ist Teil eines Richtungsstreits unter den wesentlichen politischen Akteuren, der unter der Präsidentschaft von Maḥmūd Aḥmadīnežād erheblich an Brisanz gewonnen hat. In guter pahlavidischer Tradition ließ sich der damalige Präsident der Islamischen Republik Iran in Pasargadai und Persepolis ablichten354 und 349 350 351 352

Ibid., S. 29. Ibid., S. 29. Ibid., S. 29. Holliday: „Politicisation“, S. 32–34. Bei diesem Artikel handelt es sich um die Zusammenfassung der wichtigsten Thesen einer unpublizierten Dissertation (Discourses and Counter-discourses of Iranian National Identity during Khatami’s Presidency (1997–2005)), eingereicht an der Universität von Exeter 2007). 353 Siehe Amirahmadi: „Iran“, S. 28. Als Teil eines inoffiziellen nationalistischen Diskurses, der die Legitimation der Islamischen Republik in Frage stellt, wird die starke Antipathie gegenüber dem klerikalen Regime durch anti-arabische Gefühle ausgedrückt. Chehabi: „Iran and Iraq“, S. 204. 354 Hierzu siehe u. a. folgende Internetseiten: http://www.irdc.ir/fa/content/5660/default. aspx und http://www.asriran.com/fa/print/15512. Die Hinweise auf diese Artikel verdanke

Theoretische Vorüberlegungen

91

e­ röffnete Ende 2010 die Ausstellung des Kyroszylinders in Teheran.355 Wie stark der angeblich ideale Herrscher und Erklärer der Menschenrechte durch die Bildungspolitik und die öffentlich zelebrierten Rituale seit der Pahlavī-Zeit mit der „iranischen Identität“ und iranischem Nationalbewußtsein verbunden ist, zeigt auch eine jüngst erfolgte Abstimmung im iranischen Programm der BBC, in dem Kyros als der größte Iraner aller Zeiten den Sieg davon trug.356 Weiterhin ruft die wissenschaftliche Beschäftigung mit Kyros und dem von ihm überlieferten Zylinder heftige Reaktionen von Iranerinnen und Iranern sowohl in Iran selbst als auch im Ausland hervor, denn sie demontiert den Mythos des Kyros.357 Seine Indienststellung durch Maḥmūd Aḥmadīnežād beweist darüber hinaus, daß dieser weiß, auf der Klaviatur eines iranischen Nationalismus zu spielen, der auch nach über 30 Jahren Islamischer Republik zumindest teilweise noch immer von den Erzählungen, den Bildern und den erfundenen Traditionen der Pahlavī-Schahs geprägt ist.358 Der grundlegende Erzählstrang von der „unsterblichen iranischen Nation“, das nicht zuletzt von europäischen Wissenschaftlern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelte Erzählschema der iranischen Geschichte, bleibt auch in der Islamischen Republik maßgeblich für das kollektive Gedächtnis ebenso wie das Selbstverständnis des Landes. Der politische Islam, so Ram, bewegt sich nur innerhalb des iranischen Nationalismus, versieht diesen mit islamischer Terminologie und mit vorgeblich religiösem Sinn.359 Sehr deutlich wird dies nicht zuletzt am „Vulgärnationalismus“ von Maḥmūd Aḥmadīnežād, der laut Ansari charakterisiert wird von einer „nationalen Reinigung“ des Landes von seinen Feinden, der Ausnutzung einer historischen Furcht vor ausländischen Einflüssen und der Verbindung von Stolz und Würde mit der Atomkraft als ich Eilean Layden (Kiel). Der russische Präsident Putin mußte nicht einmal nach Persepolis reisen, als er Teheran im Jahre 2007 besuchte, sondern „Persepolis was brought to him“ – als Wandrelief. Ansari: „Iran under Ahmadinejad“, S. 2. Zu diesen Inszenierungen siehe auch Ansari: Politics of Nationalism, S. 260. 355 Zur wissenschaftlichen Deutung des Kyros-Zylinders cf. Kuhrt: „Ancient Near Eastern History“ und „Cyrus the Great of Persia“. Zur „Konstruktion des Kyros“ im Alten Testament vgl. Asgharzadeh: Iran, S. 49–54. 356 Für diese Hinweise danke ich Josef Wiesehöfer (Kiel), der selbst in die Debatte um die Übersetzung und Deutung der Inschrift des Kyroszylinders involviert war und dessen unpubliziertem Vortrag „Kyros II., König von Persien: Weltreichsbegründer, ‚weiser Fürst‘ und ‚Herrscher ohne Maß‘ “ ich sie entnehme. 357 Ibid. 358 Auch in der Außenpolitik demonstrierte Aḥmadīnežād iranischen Nationalismus als Stolz auf die historischen Leistungen Irans. Cf. Amuzegar: „The Ahmadinejad Era“. 359 Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 67 und S. 78.

92

2. kapitel

einem nationalen Recht sowie der Heiligsprechung der iranischen Nation als durch seine Verquickung mit dem Islam „erwähltes Volk“.360 Kritiker einer inner- und außerhalb Irans weiterhin stark vertretenen „ahistorical definition of authentic ‚Iranian identity‘ “ werfen deren Anhängern vor, ihr Konzept von Identität anhand eines Gerüsts aus Sprache, ausgewählter Geschichtsschreibung und persischem Nationalismus gebildet zu haben, welches ethnische Minderheiten361 ignoriere. Die von Intellektuellen gepflegte romantische Vorstellung von Nation sehe Sprache als wesentliches Kennzeichen von Gemeinschaft und als Quelle nationaler Identität an. Daher verstünden diese den Erhalt der persischen Sprache, Irans lingua franca, als Elixir, welches das Überleben der iranischen Identität garantiere.362 In Verbindung mit dieser Kritik besteht Boroujerdis wichtigste Forderung darin, daß Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Iran beschäftigen, Geschichte nicht als bloßen Teil ihres (kulturellen) Erbes betrachten sollten.363 Iranische Historikerinnen und Historiker, die die Geschichtswissenschaft auf ein Studium des iranischen kulturellen Erbes reduzierten, würden aus der Vergangenheit einen Fetisch machen ( fetishi­ zation of the past).364 [. . .] heritage-ism’ breeds cultural rigidity by insisting on the artificial preservation of order, tradition, continuity, homogeneity, and identity. As a result, ‚historical‘ narrative in the light of ‚heritage-ism‘ tends to neglect anomalies, inconsistencies, transmutations, and ruptures. In short, the discourse of ‚heritage-ism‘ makes the study of history ancillary and trivial.365 360 Ansari: Iran under Ahmadinejad, S. 44–45. 361 Zur Konstruktion ethnischer Minderheiten im Zeitalter von Modernisierung, kapitalistischer Weltwirtschaft und Nationalismus gibt es eine ganze Reihe von Publikationen. Darauf kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht eingegangen werden. 362 Boroujerdi: „Contesting Nationalist Constructions“, S. 43. Der Autor zitiert an dieser Stelle Šāhroḫ Meskūb mit den Worten, „We maintain one nationality or, perhaps better put, our national identity, our Iranianness, through the blessing of language, by means of the vitality of Persian as a refuge.“ Zit. n. ibid., S. 49. Zu Vorstellungen von „iranischer Identität“, wie sie in iranistischen Publikationen außerhalb Irans seit den 1990er Jahren vertreten wurden, cf. Matin-Asgari: „Academic Debate“, S. 171–75. 363 Boroujerdi: „Contesting Nationalist Constructions“, S. 44. 364 Ibid., S. 45. 365 Ibid., S. 45–46. Wie ein Blick in die verschiedenen Publikationen „westlicher“ Autoren zur iranischen Geschichte beweist, beschränkt sich heritage-ism nicht auf iranische Autoren. Als Beispiel sei hier nur auf Bosworth verwiesen, der in einem 1998 erschienen Buchbei-

Theoretische Vorüberlegungen

93

Zu den prominenten Autoren, die den von Boroujerdi konstatierten heritage-ism vertreten, gehören u. a. die beiden Hauptherausgeber der Encyclopædia Iranica, Ehsan Yarshater und Ahmad Ashraf. In einem 1993 veröffentlichten Artikel definiert Yarshater die iranische als „nationale“ Identität, die seit 2500 Jahren existiere und eng mit der Herrschaft über iranisches Gebiet (Īrān-zamīn, Īrān-šahr) verbunden sei. Als Kern dieser iranischen Identität gilt ihm die „persische Ethnizität“ in Verbindung mit der persischen Sprache als wesentlicher Trägerin persischer Kultur, der arischen „Rasse“ und dem Zoroastrismus als „Nationalreligion“.366 In seinen Einträgen zu „iranischer Identität“ in der Encyclopædia Iranica stellt Ashraf fest, iranische Identität sei ein kollektives Gefühl, geteilt von den iranischen Völkern auf den historischen Gebieten Irans. Sie sei historisch und territorial definiert, gründe sich auf eine gemeinsame historische Erfahrung und kulturelle Tradition, darunter Mythen und Legenden, der Völker von Īrān-zamīn.367 In Iran, similar to other societies, kinship and tribal bonds, ethnic and linguistic affiliations, religious and cultural affinities, local and provincial ties, and other communal allegiances have often competed with an overarching Iranian identity. Yet, a deep feeling of pride in Iran’s cultural heritage with Persian literature as its core element, and a consciousness of continuity in a long and distinctive history of the country – particularly, a belief in the ability of the Iranian peoples to survive recurrent periods of upheavals – have served as a cohesive force to resist and ultimately overcome divisive currents.368 Genau diese Elemente eines primoridalistischen und ethnosymbolistischen Nationalismus kennzeichnen auch viele der dieser Untersuchung zugrundeliegenden historischen Erzählungen zur Mongolenzeit. In diesen Erzählungen wird sehr deutlich, wie stark der in diesem Sinne geprägte trag in Zusammenhang mit der 2500 Jahrfeier in Persepolis auf die „continuity of heritage“ in Iran verweist. Bosworth: „Persian Contribution“, S. 218. 366 Zit. n. Matin-Asgari: „Academic Debate“, S. 174–75. Eine Analyse des Eintrags „Iran“ von Yarshater in der EIr erfolgt ibid., S. 181–82. Zur starken Verbindung zoroastrischer „Identität“ mit dem modernen iranischen Nationalismus unter den Pahlavī-Schahs cf. Ringer: „Iranian Nationalism“. 367 Ashraf: „Iranian Identity i. Perspectives“. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß der Autor gängige wissenschaftliche Begriffe und Konzepte einsetzt, um seine nicht auf dem Stand der Forschung befindlichen Ansichten zu verteten. 368 Ashraf: „Iranian Identity i. Perspectives“. Für eine weitere Analyse dieses Artikels cf. Matin-Asgari: „Academic Debate“, S. 182–83.

94

2. kapitel

iranische Nationalismus bis heute das Geschichtsdenken ebenso wie das Selbstverständnis vieler iranischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Iran beeinflußt. Verschiedene Phasen kennzeichnen Ashraf zufolge die Entwicklung der iranischen Identität seit ihrer literarischen Fundierung während der Sasanidenzeit: die Gründungsphase, die geprägt war vom Gefüge antiker und vormoderner ethno-nationaler Identität in der späten Sasanidenzeit; die auf die arabische Eroberung folgende „Phase des Schlummers“;369 das Aufwachen der iranischen kulturellen Identität unter den Regionaldynastien des 9. bis 11. Jahrhunderts; eine komplexe Phase iranischer Identität unter den Seldschuken (1040–1195);370 eine Phase des Wiederauflebens unter Mongolen und Timuriden; die Bildung einer hybriden iranisch-schiitischen Identität in der Safavidenzeit; die Phase der Herausbildung einer modernen nationalen Identität während der letzten beiden Jahrhunderte.371 Genauer geht Ashraf auf die Herausbildung einer iranischen Identität im „Mittelalter“ – worunter er den Zeitraum vom 9. bis 18. Jahrhundert faßt – in einem weiteren Artikel für die Encyclopædia Iranica ein. Darin widmet er sich vor allem der Frage, ob die Verwendung des Begriffs „Iran“ bzw. dessen Fehlen in den muslimischen Quellen vor der Mongolenzeit, etwas über die Existenz einer iranischen Identität aussage.372 Es sei wichtig zu wissen, so der Verfasser, daß der Begriff „Iran“ nur eines der Elemente zur Definierung der iranischen Identität in ihrer ethnischen, kulturellen und territorialen Totalität darstelle. Das Fehlen dieses Begriffs in den muslimischen Quellen könne nicht als Beleg dafür dienen, daß es „Iran“ nicht gegeben habe.373 Schließlich wiesen sowohl die Dynastiegeschichte von der „ursprünglichen mythischen Ära“ bis zur mongolischen Epoche auf eine neue Vorstellung von „Iran“ hin. Hinzu komme ein geographisches Bewußtsein von „Iran“, welches die historische Tiefe der Idee von „Iran“ mit seiner geographischen Breite verbinde.374 In apologetischer Weise verteidigt Ashraf sein Konzept von „iranischer Identität“ gegen ein von ihm behauptetes eurozentrisches Paradigma 369 Offensichtlich bezieht sich der Autor hier auf Zarrīnkūbs Buch Do qarn-e sokūt („Zwei Jahrhunderte des Schweigens“). 370 Diese Phase ist wohl deshalb „komplex“, weil die „iranische Identität“ nach Aussagen des Verfassers in dieser Zeit vielschichtige Veränderungen mit unterschiedlichen Konsequenzen erfuhr. Genaueres ist hierzu nachzulesen bei Ashraf: „Iranian Identity iii. Medieval Islamic Period“. 371 Ashraf: „Iranian Identity i. Perspectives“. 372 Ashraf wendet sich namentlich gegen Vaziri (Iran as Imagined Nation) und Fragner ­(Persophonie). Ashraf: „Iranian Identity iii. Medieval Islamic Period“. 373 Ibid. 374 Ibid.

Theoretische Vorüberlegungen

95

sowie eurozentrische Vorstellungen von nationaler Identität, welche viele Iranhistorikerinnen und -historiker angeblich zugrundelegen. In der vormodernen Geschichte Irans entstand laut Ashraf ein insgesamt schlüssiges historisches und kulturelles Konzept von iranischer Identität, das sich vor allem auf regionale Bindungen wie Geburts- und Wohnorte stützte, die auf iranischem Boden lagen. In der Vorstellung der damaligen Iraner habe ihre Verbundenheit mit der historischen Idee von iranischem Territorium eng mit den Erscheinungsformen ihrer vorgestellten gemeinsamen Herkunft zusammengehangen, die tief in der persischen Mythologie und traditionellen Geschichte verwurzelt gewesen seien. Selbst die herrschenden Türken und Mongolen hätten sich als Erben der persischen Könige und Emire ausgegeben und somit als Iraner gegolten.375 Belief in Iran’s cultural distinctiveness, commemoration of the national festival of Nowruz, dissemination of the idea of ‚Iran‘ through naqqāli and Šāh-nāma kvāni to the masses, and the popularity of Persian poetry among people from all walks of life continued to serve as the foundation of Iranian cultural identity in modern times.376 Da Fragner mit seinen Positionen zur Frage einer nationalen iranischen Identität in den beiden hier zitierten Artikeln von Ashraf direkt angesprochen wird, sollen seine Positionen, auf die sich Ashraf bezieht, an dieser Stelle kurz zusammengefaßt werden: Grundsätzlich spricht Fragner sich gegen die „Übertragung moderner nationalistischer Diskurse auf die Erforschung von Gruppenidentität, Gemeinschaftsbewußtsein und ethnischen Selbstzuordnungen in vormodernen Gesellschaften“ aus.377 Das Vorhandensein solcher Selbstzuweisungen solle nicht negiert, sondern ihr Vorhandensein herausgearbeitet und analysiert werden, „allerdings mit dem Ziel, ihre Kontexte und Bedeutungen nicht auf moderne, nationalistische Konzepte hin zu interpretieren, ihnen vielmehr davon unabhängige

375 Ibid. 376 Ibid. Ein „Kernstück nationaler Identität“ (core national identity) in Iran, das alle Iranerinnen und Iraner gleich welcher unterschiedlichen sozialen Identitäten vereint, macht Ahmadi aus. Trotz aller sozio-politischer und kultureller Verschiedenheiten gebe es grundlegende integrierende Kräfte, die dazu beigetragen hätten, Iran auch in Zeiten zerstörerischer Invasionen sowie äußerer und innerer Krisen als Einheit zu erhalten. Ahmadi: „Unity within Diversity“, S. 127–130. 377 Fragner: Persophonie, S. 6.

96

2. kapitel

Zusammenhänge zuzuschreiben“.378 Im Zentrum der Persophonie steht die Entwicklung des Neupersischen, welches nach Meinung vieler iranischer und nicht-iranischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler „Ausdruck einer ‚persischen Renaissance‘ “ und des Widerstands der Iraner gegen das Arabische gewesen sei.379 Diese These habe iranischen Nationalisten seit dem späten 19. Jahrhundert die Möglichkeit geboten, eine vom Islam losgelöste iranische Identität zu schaffen und diese in die Geschichte rückzuprojizieren.380 Für die romantische Idee eines iranischen Bewußtseins von der eigenen kulturellen Überlegenheit, mit dessen Hilfe sich das Persische als Literatur- und Nationalsprache durchgesetzt habe, gebe es allerdings keinerlei Bestätigung in den Quellen, es sei ein modernes ideologisches Konstrukt.381 Stattdessen signalisiere das Neupersische nicht etwa „eine nostalgische ‚Wiedergeburt‘ immerwährenden iranischen Geistes, sondern die ‚Geburt‘ einer historisch neuen Standardsprache in einem ihr adäquaten, gleichfalls historisch neuen Rahmen, der durch die kulturelle Hegemonie des Islams gekennzeichnet war.“382 3.3 Iranischer Nationalismus als Prozeß – eine Analyse Iranischer Nationalismus, wie er sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte, ist also geprägt vom Primordalismus, d. h. von der Idee einer schon seit grauer Vorzeit währenden Existenz einer iranischen Nation, einer mythischen, zeitlosen Einheit, die sich durch alle historischen Epochen seit den Achaimeniden bewegt. Beeinflußt wurde diese Vorstellung einerseits durch mythische Erzählungen und Legenden wie Ferdousīs (329– 410hq oder 416hq/940–1019 oder 1025)383 Schahname, die zur Konstruktion des iranischen Nationalismus herangezogen wurden, andererseits durch den Einfluß europäischer Modelle von Nation und Nationalstaat. Die verschiedenen o. g. Nationalismustheorien bieten daher jeweils Ansätze, in denen sich zumindest teilweise auch der iranische Nationalismus widerspiegelt. So läßt sich zwar das an europäischen Staaten des 18. und 19. Jahrhunderts entwic­ kelte modernistische Konzept, welches die Herausbildung von Nationen und Nationalismus auf die durch Kapitalismus, Industrialisierung, Verstädterung und Säkularismus sowie das Entstehen des modernen Verwaltungsstaates verursachten Modernisierungsprozesse zurückführt, nicht an Iran anlegen. 378 379 380 381 382 383

Ibid., S. 6. Ibid., S. 22–23. Ibid., S. 22–23. Ibid., S. 24–25. Ibid., S. 33. Zum Autor des Schahname cf. Ménage: „Firdawsī“ sowie den Artikel „Ferdowsi“ mit den Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren in: EIr online 1999.

Theoretische Vorüberlegungen

97

Ebensowenig ging in Iran die religiöse Weltanschauung zurück oder waren gar Druckerzeugnisse zu dieser Zeit bereits so weit verbreitet, daß man vom Vorhandensein einer imagined community sprechen könnte. Doch griffen auch die frühen Vordenker des iranischen Nationalismus auf den Fundus von Traditionen zurück, den sie im „Reservoir des historisch Vorgegebenen“ [Dieter Langewiesche] fanden und für ihre Zwecke in neue Gewänder kleideten: das antike Iran der Achaimeniden, die zoroastrische Religion und die persische Sprache. Durch Formalisierung, Ritualisierung und Wiederholung sollten diese alten Traditionen in neuen Gewändern eine vermeintlich direkte Verbindung zur Vergangenheit herstellen und die unwandelbare Kontinuität des „Iranertums“ abbilden. „Nation“ wurde von den figures in Iranian nationalism [Firoozeh Kashani-Sabet] in einer Zeit gedacht, als in ihrer eigenen Umgebung noch kaum ein grundlegender Wandel des Verständnisses von Welt stattfand. Zu einer tatsächlichen Modernisierung, die von einem Zentralstaat durchgesetzt wurde, der sich nicht mehr religiös, sondern ethnisch – in Hinblick auf die angebliche Herkunft des Schahs und die Konstruktion eines gemeinsamen iranischen Erbes – legitimierte, kam es erst mit der Übernahme der Macht durch Reżā Šāh Pahlavī und die von ihm und seinem Sohn veranlaßten tiefgreifenden Veränderungen in Militär, Verwaltung, Bildung und öffentlicher Repräsentation. Eine Identität für die entstehende bzw. forcierte iranische Nation wurde spätestens in der Zeit der Verfassungsrevolution erschaffen, als ihr „ethnischer Kern“ mit Hilfe des zwölferschiitischen Islams, der persischen Sprache und des Territorialstaates definiert wurde.384 Iranischer Nationalismus bezieht sich maßgeblich auf „Kultur“ oder „kulturelles Erbe“ als Teil dieses Kerns, wobei „Kultur“ nicht als ein den Menschen für die Bewältigung ihres Alltags zur Verfügung stehender Werkzeugkasten [Richard Fox] begriffen wird, sondern ausschließlich im Sinne der „Hochkultur“, d. h. vor allem der in persischer Sprache vorliegenden Schriftzeugnisse.385 Ähnlich wie Wehler im europäischen Kontext386 spricht auch Chatterjee von drei Phasen der Entstehung des Nationalismus in außereuropäischen Gesellschaften. Iranische Nationalisten nahmen in der ersten Phase die 384 Zwar beziehe ich mich hier auf eine Idee des Ethnosymbolismus, halte diese jedoch für eine Konstruktion von Nationalisten und nicht für eine analytische Kategorie. 385 Dieses Verständnis von Kultur bzw. Hochkultur definiert Gellner wie folgt: „[. . .] Kultur, high culture or great tradition, a style of conduct and communication endorsed by the speaker as superior, as setting a norm which should be, but also often is not, satisfied in real life, and the rules of which are usually codified by a set of respected, norm-giving specialists within the society.“ Gellner: Nations and Nationalism, S. 92. 386 Wehler definiert in Anlehnung an Miroslav Hroch drei typische Phasen der Entwicklung von Nationalismus und Nationsbildung: die erste Phase ist geprägt von Interessen der Intellektuellen, die zweite von Intellektuellen- oder Elitennationalismus, und in der

98

2. kapitel

Ideen der europäischen Nationalismen wahr und sahen die Nationalstaaten Europas mit ihren nationalistischen Ansprüchen im Innern wie nach außen als wesentliche Ursachen für die politische, ökonomische und militärische Macht dieser Staaten an. Allerdings läßt sich die Frage nach den Ursachen für das „Zurückbleiben“ Irans hinter den europäischen Großmächten bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, als nationalistische Überlegungen noch keine Rolle spielten, sondern der Erhalt des damaligen kadscharischen Staates im Vordergrund stand. Das Interesse iranischer Diplomaten und Regierungsmitglieder galt allen Bereichen, die diesem Ziel dienen konnten, in erster Linie der besseren militärischen Ausbildung und Bewaffnung der eigenen Soldaten und Offiziere, in zweiter Linie dann auch Fragen der Bildung (für Jungen und Männer) insgesamt, der Organisation des Staatsapparates und der Infrastruktur. Erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen nationalistische Überlegungen mit ein, die das islamische durch ein iranisches Metanarrativ zu ersetzen bestrebt waren. In der zweiten Phase wird nach Chatterjee das Nationale konsolidiert, und in der dritten Phase wird es zum bestimmenden Diskurs der Organisation von Macht. Auch hier muß im Falle Irans entgegengehalten werden, daß die Konsolidierung des Nationalen keinesfalls in einer bestimmten Phase als abgeschlossen, sondern vielmehr als ein Prozeß anzusehen ist, der mit der Verfassungsrevolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann und bis heute nicht beendet ist. Inwiefern das Nationale als Diskurs der Organisation von Macht und Legitimität seit der Pahlavī-Zeit eine Rolle spielte, ist bereits dargelegt worden. Möglicherweise läßt sich Chatterjees durch seine Ost-West-Dichotomie etwas gezwungen wirkendes Konzept387 nur deswegen schwer auf Iran übertragen, weil dieses trotz der starken Einflußnahme europäischer Mächte und der USA sowie trotz zeitweiliger Besetzungen nie eine Kolonie im klassischen Sinne war. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß dieses Konzept grundsätzlich daran krankt, daß es zu statisch ist und die Prozeßhaftigkeit der Entwicklung von Nationalismus ebensowenig reflektiert wie das Wehlersche. Özkırımlı ist darin zuzustimmen, daß es sinnvoller ist, einen theoretischen Rahmen für die Untersuchung partieller – und damit auch außereuropäidritten Phase gewinnt die Idee des Nationalismus an Einfluß und es gelingt ihr, Massenbewegungen zu mobilisieren. Wehler: Nationalismus, S. 42. 387 Mit seinen Schriften Ġarbzadegī und Ḫedmat va ḫiyānat zeigte sich Ǧalāl Āl-e Aḥmad als ein iranischer Intellektueller, der genau auf diese vermeintliche Dichotomie abzielte und gegen den angeblichen westlichen Materialismus wütete. Statt sich zu sehr nach Westen zu orientieren, solle Iran vielmehr den Blick Richtung Indien oder Japan wenden. Cf. Hillmann: „Cultural Dilemmas“ und Clinton: „Āl-e Aḥmad, Jalāl“.

Theoretische Vorüberlegungen

99

scher – Nationalismen zu erstellen, als nach einer umfassenden Theorie des Nationalismus zu streben, wie es andere versucht haben. Für Iran läßt sich feststellen, daß der Identitätsanspruch als Teil des nationalistischen Diskurses, der den „Werten der Nation“ absolute Priorität verleiht und sie als einzige Quelle politischer und soziale Legitimität ansieht,388 nicht zu erfüllen ist. Zwar unterteilen auch iranische Nationalisten bis in die Gegenwart die Welt in „wir“ und „die anderen“, doch spielt der religiöse Bezug im nationalistischen Diskurs in der Regel eine große Rolle. Der Anspruch, einzige oder zumindest maßgebliche Quelle der politischen und sozialen Legitimation sei der Islam (in seiner zwölferschiitischen Ausprägung), wurde bereits während der Zeit der Verfassungsrevolution erhoben und wirkte sich auf den Inhalt der Verfassung aus. Während der Herrschaft der Pahlavī-Schahs verlor dieser Anspruch allerdings offiziell seine Geltung und wurde zugunsten der Vorstellung von einer nationalen Identität zurückgedrängt, die sich bis auf das antike Persien zurückführte. Als Teil eines mal mehr, mal weniger nationalistisch geprägten Gegendiskurses, der sich mit der Etablierung der Islamischen Republik Iran überdies politisch durchsetzte, blieb der Islam jedoch als Legitimationsquelle bestehen. Falls jedoch der zwölferschiitische Islam als wesentlicher Teil der nationalen Identität verstanden wird, kann den nationalen Werten zumindest in einigen Diskursen absolute Priorität verliehen werden.389 In Hinblick auf den zeitlichen Anspruch des nationalistischen Diskurses ist die als „IranZeit“ [Mohamad Tavakoli-Targhi] bezeichnete „lineare Zeit der Nation“ [Umut Özkırımlı] durch den Rückgriff auf die „glorreiche“ vorislamische Zeit sowie einzelne Phasen der islamischen Zeit gegeben. Schließlich bleibt noch der räumliche Anspruch mit seiner Fixierung auf ein Territorium und seinem Bestreben nach „Heimat“. Bereits die frühen nationalistischen Denker legten Wert auf den „territorialen Bestand“ Irans, das seit Anfang des 19. Jahrhunderts erhebliche Gebietsverluste hatte hinnehmen müssen. Innerhalb dieser bis 1857 festgelegten Grenzen sollte Iran ein vereintes Heimatland auf einem endgültig festgelegten Territorium sein, das nicht nur subjektiviert und mit Handlungsmacht ausgestattet wurde, sondern dem überdies eine Seele, ein Geist und eine Biographie zugeschrieben wurden, die sich in seiner „Nationalkultur“, seiner Literatur und Geschichte manifestierten. Zwar wurden Irans Grenzen in der Folgezeit wiederholt verletzt – zuletzt durch den irakischen Angriff von 1980 –, doch blieben sie bis heute bestehen. Welche Bedeutung der räumliche Anspruch in Iran selbst gegenwärtig noch hat, läßt sich nicht zuletzt daran ablesen, daß dem Schutz der territorialen Integrität 388 Siehe oben S. 73–74. 389 Siehe unten S. 257–58.

100

2. kapitel

des Landes sogar in der Verfassung der Islamischen Republik höchste Priorität eingeräumt wird. Als „Essenz“ der Nation oder Kern des Iranertums wurden zu unterschiedlichen Zeiten unter unterschiedlichen politischen Bedingungen verschiedene Komponenten ausgemacht, die auf verschiedene Art und Weise miteinander kombiniert wurden: das antike Iran der Achaimeniden – mit Kyros dem Großen als Ursprungsmythos – und der Sasaniden; der Ariermythos, das zoroastrische Erbe, die Herrschaft der Safaviden sowie die persische Sprache als Elixir, welches das Überleben der iranischen Identität garantiert; der (zwölferschiitische) Islam – mit den Iranern als auserwähltem Volk – und die Bestimmung eines iranischen Nationalkörpers. Löst man diese „Essenz“ der Nation auf und betrachtet nationale Identität mit Özkırımlı stattdessen als einen fortlaufenden Prozeß, der durch eine Mannigfaltigkeit von Beziehungen geprägt ist und in seiner Entwicklung keinesfalls teleologisch verläuft, erkennt man die Mehrdeutigkeiten ebenso wie die Widersprüchlichkeiten dieses Prozesses. Darüber hinaus zeigt sich nicht nur seine kontingente Natur, sondern bei genauerem Hinsehen wird zudem deutlich, daß sich den Vordenkern von Nationalismus und seinen politischen Akteuren immer mehrere Möglichkeiten im Fundus nationalistischer Rhetorik, Rituale und Vorstellungen boten, aus denen sie schöpfen konnten. Bis heute hat sich der nationalistische Diskurs auch in Iran fortwährend angepaßt und erneuert, einerseits als Teil eines Diskurses der Herrschenden, andererseits als Gegendiskurs in weiten Bevölkerungsteilen. Die dem iranischen homo nationalis während der PahlavīZeit im Bildungswesen, beim Militär und in öffentlichen Ritualen eingeprägten Ansprüche dieses Argumentationszusammenhanges bestehen auch im offiziellen Diskurs der Islamischen Republik in teilweise modifizierter Form fort. Aus Geschichtsbüchern iranischer Schulen läßt sich ablesen, wie stark die Bestrebungen sind, den nachwachsenden Generationen vermittels historischer Erzählungen eine Identität zu vermitteln, die sich sowohl auf die Vorstellung von einer iranischen Nation als auch auf die iranische Version des zwölferschiitischen Islams stützt. Auch wenn dies in öffentlichen Verlautbarungen z. T. anders klingen mag, verweisen die von Ram untersuchten Schulbücher darauf, daß die Loyalität zur Heimat von Nationalismus und Islam geprägt sein sollte.390 Doch nicht nur im Innern dient der Rückgriff auf die „lineare Zeit der Nation“ der Begründung von Stolz und Würde, sondern auch nach außen muß 390 Siehe hierzu Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 82 und S. 84. Die Verfassung der Islamischen Republik bietet keinerlei Möglichkeit zu einem demokratischen Umgang mit der heterogenen Zusammensetzung der Bevölkerung in „ethnischer“, sprachlicher oder religiöser Hinsicht. Siehe hierzu u. a. Mojab&Hassanpour: „Politics of Nationality“, S. 241.

Theoretische Vorüberlegungen

101

das Bild einer iranischen Nation vermittelt werden, die sich direkt zurückführt auf den „Begründer der Menschenrechte“ und damit die („westlichen“) Gegner Irans mit ihren eigenen Waffen schlagen soll. In den folgenden beiden Kapiteln wird anhand einer Zusammenfassung der persischsprachigen historischen Erzählungen der Mongolenzeit sowie ihrer Analyse gezeigt, wie stark sich sowohl tradierte Vorstellungen von Geschichtsschreibung als auch der Einfluß nationalistischer Diskurse auf diese Texte auswirken. Publikationen zur Mongolenzeit, die an Schulen und Hochschulen gelehrt wurden und werden, geben wesentliche Aspekte des iranischen Nationalismus wieder, wie er seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert entstand und unter veränderten politischen Bedingungen fortentwickelt wurde. Anhand der hier untersuchten Texte zeigt sich, wie groß die Wirkung nationalistischer Diskurse auf die jeweiligen Autorinnen und Autoren war und ist.

3. kapitel

Historische Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran Im folgenden Kapitel werden Narrative iranischer Autorinnen und Autoren vorgestellt, die von den mongolischen Eroberungen und der Herrschaft der Mongolen in Iran erzählen. Dabei wird darauf verzichtet, diese Erzählungen zu kommentieren, sondern sie werden zusammenfassend wiedergegeben und thematisch miteinander in Bezug gesetzt. Wiederholungen sind bei diesem Vorgehen unvermeidlich. Eine Kommentierung und Interpretation der Texte sowie ihre Einordnung in die einleitend diskutierten Rahmenthemen Historiographie, Sinngeschichte, den interkulturellen Vergleich historischen Denkens, Geschichtsschreibung und Nationalismus erfolgen in der Analyse. Auch dieser Überblick über ausgewählte historiographische Themen der Mongolenzeit beruft sich auf die eingangs diskutierte Grundannahme, daß historische Wirklichkeiten Konstrukte sind, die erst durch den Akt historischer Sinnbildung erschaffen werden.1 Als historische Wirklichkeit ist Geschichte daher eine Repräsentation, die Teil an derjenigen Gegenwart und Praxis hat, der sie dient2 – in diesem Fall dem modernen iranischen Nationalstaat und seiner nationalen Geschichtsschreibung seit der Pahlavī-Zeit. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, handelt es sich bei den Verfasserinnen und Verfassern der hier untersuchten Texte nicht in erster Linie um Personen, die ein Studium der Geschichtswissenschaft absolviert haben. Nur elf der 30 Autorinnen und Autoren haben tatsächlich Geschichte studiert, die übrigen vertreten entweder andere Fächer wie Literaturwissenschaft oder Philosophie bzw. sind (oder waren) in Berufen außerhalb der Universität tätig.3 Überwiegend haben wir es also mit „Hobbyhistorikern“ oder Enthusiasten zu tun, die sich mit der mongolischen Periode befassen. Auch in Hinblick auf ihre Schriften sei noch einmal darauf verwiesen, daß der Begriff „Geschichtsschreibung“ hier sehr weit gefaßt wird und daher alle historiographische Texte einschließt, unabhängig von der Profession ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

1 Straub: „Geschichten erzählen“, S. 85–87. 2 Ibid., S. 97–98. 3 Ein genauerer Überblick über die Autorinnen und Autoren findet sich im folgenden vierten Kapitel.

© koninklijke brill nv, leiden, ���4 | doi ��.��63/9789004271876_�04

Historische Erzählungen

103

Bei der weitgehend chronologischen Wiedergabe der Erzählungen wird der besseren Lesbarkeit halber und um einen unmittelbareren Eindruck zu erzielen, auf die Verwendung der indirekten Rede weitgehend verzichtet. Um diesen direkten Eindruck zu erhalten, werden auch Anführungszeichen nur dann gesetzt, wenn es sich um längere wörtliche Zitate handelt.4 Durch die Chronologie ergibt sich bereits bei der Lektüre dieser Zusammenfassungen die Möglichkeit, auf rote Fäden, Einflüsse von einer Generation auf die nächste und auf die Verortung der Autorinnen und Autoren in ihrem jeweiligen historischen und soziopolitischen Kontext zu achten. Daher werden die verschiedenen Narrative auch nur geringfügig miteinander verflochten. Namentliche Hinweise auf andere iranische Autorinnen und Autoren, deren Werke herangezogen wurden, finden sich nur selten. Fußnoten und Literaturverzeichnisse fehlen i. d. R., aber auch im Fließtext gibt es kaum Hinweise auf andere Publikationen zum selben Thema. Zu den von den jüngeren namentlich erwähnten älteren Autoren gehören vor allem ʿAbbās Eqbāl, Ẕabīḥollāh Ṣafā und ʿAbdol Ḥosein Zarrīnkūb sowie die Historikerin Šīrīn Bayānī. Um möglichst nah an der Erzählweise der persischen Texte zu bleiben, habe ich die im Deutschen häufig fremd klingenden zahlreich verwendeten Metaphern beibehalten und übersetzt, mich also für die Verfremdung (  foreignization) entschieden.5 Zudem habe ich mich darum bemüht, den Geist der literarischen persischen Erzählweise einiger Autorinnen und Autoren zumindest ansatzweise ins Deutsche zu übertragen. Eine genauere literatur- oder sprachwissenschaftliche Analyse der historischen Erzählungen kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht erfolgen. Auf eine genaue Schilderung der mongolischen Feldzüge wird in den folgenden Darstellungen ebenso verzichtet wie auf die detaillierte Beschreibung der Herrschaft der Ilchane in Iran, da sich diese in den Werken kompetenterer Kolleginnen und Kollegen nachlesen lassen. Hier soll es ausschließlich darum gehen, anhand einiger ausgewählter, in den Texten wiederkehrender maßgeblicher Themen der Ereignisgeschichte denjenigen Erzählungen nachzuspüren, die uns einen Hinweis auf die Sinnkonstruktion der erzählten Geschichte(n) geben können. Das folgende Kapitel „Gesamtschau“ bietet daher einen Überblick über diejenigen historischen Erzählungen, die die Mongolenzeit 4 Dies bedeutet ferner, daß auf die Anführungszeichen bei dem sehr häufig erwähnten problematischen Begriff „Rasse“ (nežād) oder „rassisch“ (nežādī) verzichtet wird, da er zum gängigen Vokabular der Autorinnen und Autoren gehört. Zwar hat nežād auch die Bedeutung „Herkunft“ oder „Abstammung“, doch scheint mir in den hier bearbeiteten Texten „Rasse“ die korrekte Übersetzung zu sein. 5 Zur Übersetzung persischer Metaphern cf. Sedighi: „Translating“.

104

3. kapitel

insgesamt betrachten und beurteilen. Beginnend mit der ersten mongolischen Invasion unter Čengīz Ḫān in den Jahren 1219 bis 1224 bewerten sie diese ebenso wie Hūlāgūs Feldzug von 1256–1258 und die sich daran anschließende Herrschaft der mongolischen Ilchane in ihren Auswirkungen auf Iran und die angrenzenden Gebiete in kultureller, gesellschaftlicher, politischer, psychologischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Die folgenden Kapitel bieten ferner eine Zusammenfassung derjenigen Texte, die sich detailliert mit Čengīz Ḫān als Person, mit den Gründen für seinen Sieg bzw. die Niederlage „der Iraner“, der Zeit der mongolischen Herrschaft zwischen 1224 und 1256, der Zerschlagung der Ismailiten und der Eroberung Bagdads durch Hūlāgū sowie der Herrschaft der Ilchane in Iran mit den beiden Schwerpunkten der Bekehrung Ġāzān Ḫāns (reg. 1295–1304) zum Islam sowie dem „Kampf der Kulturen“ zwischen Mongolen und Iranern befassen. Schließlich widmet sich das letzte Kapitel der Rolle, die die persischen Wesire an den mongolischen Höfen spielten. Die Auswahl der entsprechenden Textstellen erfolgt aufgrund des in der Einleitung dargelegten Erkenntnisinteresses, welches sich auf die Sinngeschichte richtet, die die iranischen Autorinnen und Autoren mit Hilfe ihrer Darstellungen der Mongolenzeit konstruieren. 1

Gesamtschau: Die Folgen der mongolischen Eroberungen für Iran

In einer Gesamtschau faßt ʿAbbās Eqbāl die Ergebnisse der mongolischen Eroberungen zusammen und verweist sowohl auf deren seiner Ansicht nach negative wie positive Folgen. Insgesamt, so stellt er fest, gehörten die Eroberungen der besiedelten östlichen islamischen Länder durch das wilde Volk der Mongolen (qoum-e vaḥšī-ye moġūl) zu den wichtigsten historischen Ereignissen in dieser Region. Hinsichtlich des Einflusses des mongolischen Überfalls auf Iran findet man in der Geschichte möglicherweise nichts vergleichbares. Die Eroberungen des grausamen Volkes der Tataren gingen mit einer solchen Geschwindigkeit vonstatten und waren so unbarmherzig (bī-raḥmāne), daß sie nach d’Ohsson6 eher einem himmlischen denn einem historischen Ereignis ähnelten. Gebe es die Berichte der zeitgenössischen Geschichtsschreiber nicht, so Eqbāl, könne man kaum glauben, daß es derartige verheerende Schäden für die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten tatsächlich gegeben habe.7 Schlimmer noch als das Morden und Plündern sowie die 6 Zu der von Eqbāl und den anderen Autorinnen und Autoren verwendeten Sekundärliteratur siehe Anhang. 7 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 100.

Historische Erzählungen

105

Zerstörung der Länder waren der Schaden8 und die Erniedrigung (tanazzol),9 die die mongolischen Eroberungen der islamischen Zivilisation (tamaddon-e eslāmī)10 sowie den arabisch- und persischsprachigen Wissenschaften zufügten. Erst einige Zeit nach der Ermordung tausender Gelehrter, Dichter und Literaten, der Verbrennung von Bibliotheken, der Zerstörung von Medresen und anderen Stätten der Gelehrsamkeit wurde deutlich, daß kein Mensch mehr übriggeblieben war, der sich Wissenschaft und Literatur hätte aneignen können, und daß kein Buch mehr vorhanden war, um dieses Wissen noch zu erlernen. Nach der Zerstörung und dem Morden schwächte daher die Unwissenheit die vormals kultivierten Länder.11 Allerdings gab es in den islamischen Ländern auch Regionen, die nicht „unter die Hufe der mongolischen Reittiere gerieten“12 wie der Süden Irans, Teile Anatoliens und Westindien. Diese Landstriche wurden zu Zentren der persischen Sprache und zu Zufluchtsorten (malǧāʾ) derjenigen, die dem allgemeinen Gemetzel (qatl-e ʿāmm) hatten entfliehen können, denn die dort herrschenden Fürsten förderten die persische Dichtung und Literatur. Hätten die Mongolen diese Orte ebenfalls verwüstet, dann wären auch die Werke der dortigen Dichter und Literaten „dem Verderben zum Fraß vorgeworfen worden“.13 Andererseits, so Eqbāl, taten die Mongolen auch gute Dinge, als da wären die Vereinigung der von ihnen eroberten Länder unter einer Zentralverwaltung, die Sorge für die Sicherheit der Wege, die Förderung von Handelsbeziehungen, der Aufbau politischer Beziehungen zwischen Asien und Europa, der Austausch zwischen Gelehrten verschiedener Herkunft, Glaubens und Sprache, die 8 9 10

Ibid., S. 100. Ibid., S. 108. Unter „Zivilisation“ (tamaddon) versteht Eqbāl die „Summe der Maßnahmen, die der Mensch vom Beginn der Schöpfung bis heute [geschaffen hat], um sich die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse des Lebens zu erleichtern.“ Hinzu kommen diejenigen Maßnahmen, die der Mensch ergreife, „um seinem Herzen Ruhe zu verschaffen und um inneren Frieden zu finden.“ Zu diesen Maßnahmen rechnet Eqbāl Handwerk und Kunst, Literatur, Dichtung, Gelehrsamkeit und Religion. Cf. Eqbāl: Maǧmūʿe-ye maqālāt, S. 125 und 128. Im Dienste der „allgemeine Weltzivilisation“ müßten alle besiedelten Orte vor den Angriffen „wilder nomadisierender Schurken“ geschützt werden. Ibid., S. 129–30. 11 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 106–7. So sieht es auch Zarrīnkūb, der mit Eqbāl zudem darin übereinstimmt, daß sich die eigentlichen Schäden für die Literatur in Iran erst sehr viel später zeigten. Zarrīnkūb: Seirī, S. 74–75. 12 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 107. 13 Ibid., S. 107–8. Laut Ṣafā konnten an diesen Zufluchtsorten (panāh-gāhhā) viele Männer aus Wissenschaft und Literatur sowie die großen alten Familien als Bewahrer (ḥāfeẓān) der alten iranischen Kultur und Zivilisation überleben. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 103.

106

3. kapitel

Verbreitung der chinesischen Malerei in den islamischen Ländern und der persischen Sprache sowie des Islams in Ostasien, und der Einsatz iranischer Wesire und Berater in den nicht-islamischen Gebieten wie in der chinesischen Verwaltung.14 Obwohl die zweihundert Jahre der mongolischen Eroberungen und Herrschaft zu den schwierigsten historischen Epochen in den islamischen Ländern im allgemeinen und in Iran im besonderen zählten, hält Eqbāl sie dennoch für eine der bedeutendsten Epochen der iranischen Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Einige der größten Dichter, Schriftsteller und Philosophen Irans wie Moulānā Ǧalāl od-Dīn Rūmī (st. 1273),15 Saʿdī (st. 1292),16 Ḥāfeẓ (st. 1389),17 ʿAṭā Malek Ǧoveinī und Naṣīr od-Dīn Ṭūsī (st. 1274)18 lebten zu dieser Zeit. Bis in die Anfänge der Timuridenzeit reichte die Epoche dieser Granden, anschließend begann die Zeit des Niedergangs (enḥeṭāṭ) von Wissenschaft und Literatur in Iran, die ihren Tiefpunkt in den Tagen der Safaviden und Afscharen (1722–96) erreichte. Einen Fortschritt erzielten die Ilchane von Iran hingegen nur insofern, als sie die Kunst der Geschichtsschreibung förderten.19 In Hinblick auf Handel und Handwerk zählt die Herstellung von direkten Verbindungen zwischen den Ländern Ost- und Westasiens durch die Etablierung eines einzigen tatarischen Reiches laut Eqbāl zu den größten positiven Einwirkungen der mongolischen Eroberungen. Wichtigstes Ergebnis dieser Verbindungen war die Vermischung (eḫtelāṭ) zweier alter Zivilisationen, der chinesischen und der iranischen. Durch ihre Vereinigung unter einer mongolischen Herrschaft konnten die Völker dieser beiden zuvor blühenden Zivilisationen einander viel von ihren jeweiligen Kenntnissen und ihrem Wissen vermitteln. Auf diese Weise begann die Durchdringung Irans und anderer islamischer Länder mit der chinesischen sowie die Durchdringung Chinas mit der iranischen und islamischen Zivilisation. In China verbreiteten sich die persische Sprache, iranische Sitten und islamische Bildung, 14 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 109. Zarrīnkūb weist ebenfalls darauf hin, daß die Mongolen, die für ein Unglück veranwortlich waren, wie es in der Geschichte nicht fürchterlicher (hāyeltar az ān) vorgekommen sei, dennoch für die Verbreitung der Sitten und Gebräuche (adab) und der Kultur (  farhang) Irans und des Islams in ihren östlichen Herrschaftsgebieten sorgten. Zarrīnkūb: Seirī, S. 77. 15 Cf. Ritter&Bausani: „Djalāl al-Dīn Rūmī“. 16 Cf. Davis: „Saʿdī“. 17 Cf. Wickens: „Ḥāfiẓ“; siehe auch die zahlreichen Beiträge verschiedener Autoren unter dem Stichwort „Hafez“ in EIr online. 18 Zu diesem Mathematiker und Astonomen cf. Saliba: „Ṭusi, Naṣir-al-Din“ sowie Daiber&Rageb: „al-Ṭūsī“. 19 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 496.

Historische Erzählungen

107

während in Iran und anderen islamischen Ländern eine Reihe von Gelehrten mit buddhistischen Bräuchen, der chinesischen und mongolischen Sprache und Schrift sowie der Gelehrsamkeit jener Region vertraut wurden.20 Hinsichtlich der Frage nach dem Einfluß, den die Mongolen auf die von ihnen unterworfenen Völker ausübten bzw. inwiefern diese jeweiligen Völker ihrerseits die Mongolen beeinflußten oder gar zur Assimilierung zwangen, gibt Eqbāl folgende Antwort: Wenn zwei Völker (qoum) zusammstoßen, gibt es eine Zeit, während derer ein gewaltiger Konflikt zwischen der natürlichen Fähigkeit (esteʿdād-e feṭrī) und der Lebensweise (ǧens-e maʿīšat) dieser beiden Völker besteht. Letztendlich gewinnt dasjenige Volk die Oberhand, das mehr Kraft für das Ergreifen von Maßnahmen hat, dessen Verwaltungskunst und politische Erfahrung größer und dessen Zivilisation und Sitten, d. h. die Grundlagen des geistigen Lebens, stärker verwurzelt sind, vor allem dann, wenn die Mitglieder dieses Volkes einen mächtigen Garanten in Literatur, Erzählungen und Volkssagen besitzen, mit dessen Hilfe sie ihren Faden der Erinnerung (rešte-ye etteṣāl) an die Vergangenheit ihrer Ahnen spinnen können. Obwohl die Mongolen durch ihre Eroberungen viele besiedelte Stätten in China, Transoxanien, Iran, Syrien und dem Irak zerstörten, eine unüberschaubare Zahl von Gelehrten töteten und Millionen von Büchern und wertvollen Handschriften vernichteten, gelang es ihnen nicht, die beiden alten zivilisierten Völker/Nationen (mellat) Iran und China auszumerzen. Stattdessen erhob sich schon nach kurzer Zeit die Flamme der Leidenschaft (šoʿle-ye šūr) der iranischen und chinesischen Nationalitäten (mellīyat-e īrānī-o čīnī), die nur für kurze Zeit vom „kalten Atem einer Gruppe räuberischer Nomaden erstickt“ worden war, lehnte sich auf und verbreitete den Islam und den Buddhismus sowie die persische und chinesische Literatur unter Čengīz Ḫāns Söhnen.21 [. . .] die chinesischen, iranischen, uigurischen und christlichen Wesire, Berater und führenden Künstler nahmen an den Mongolen die Rache der Unterworfenen (enteqām-e maġlūbīn) [. . .] und bürdeten ihnen ihre Sprache, Religion und die Grundlagen von Verwaltung und Regierung auf.22 In jedem Fall, so Eqbāl an anderer Stelle, übten die Mongolen, dadurch daß sie eine Verbindung zwischen Orient und Okzident herstellten und weil viele chinesische, uigurische, tibetische, europäische und armenische Gelehrte 20 21 22

Ibid., S. 554. Ibid., Bd. 1, S. 81–82. Ibid., Bd. 2, S. 449.

108

3. kapitel

in ihre Hauptstadt zogen, einen verhältnismäßig großen Einfluß auf die Zivilisation und Bildung Irans während der Zeit ihrer Regierungsgewalt aus.23 Zudem führte die mongolische Herrschaft dazu, daß nicht zuletzt durch die iranische Regentschaft in Bagdad das Persische zu neuem Leben erwachte.24 Bereits unter den Seldschuken und anderen türkischen Herrschern hatte das Eindringen türkischer und mongolischer Wörter in das Persische begonnen, welches in der Mongolenzeit noch zunahm. Gleichwohl gehörten diese Wörter in ihrer Mehrzahl zu einer Gruppe von Begriffen, die überwiegend in der mongolischen Verwaltung und Regierung gebraucht wurden oder einen Bezug zu ihren Sitten und Gebräuchen hatten. Daher verschwanden die meisten dieser Begriffe mit dem Niedergang der Mongolen wieder, während einige in die Sprachen anderer türkischer Völker wie den Timuriden, Turkmenen und Safaviden aufgenommen wurden.25 Zwar verstanden die Mongolen laut Eqbāl die Feinheiten der persischen Sprache und Dichtung nicht, so daß der Markt für Dichtkunst, abgesehen von der mystischen Dichtung, aber besonders der Panegyrik,26 darniederlag, doch erhielt die Geschichtsschreibung großen Aufschwung. Angeregt von dieser Kunst waren die mongolischen Herrscher daran interessiert, die Überlieferungen und Erinnerungen der Vorväter ihrer Völker zu bewahren.27 Von den Uiguren oder Manichäern,28 die nach Eqbāl über eine glänzende Zivilisation verfügten und in der Region Ostturkistan die Bannerträger (ʿalamdār) der iranischen Zivilisation aus der Zeit der Sasaniden waren, übernahmen die Mongolen die Schrift. Zudem schlossen sich die Uiguren Čengīz Ḫān bei seinem Feldzug gen Westen an.29 Dieselben türkischen Uiuguren (qoum-e tork-e ūyġūr) hatten im ersten Jahrhundert der Hidschra die von Völkern der arischen 23 24 25

Ibid., S. 496. Ibid., S. 513. Ibid., S. 515–16. Ǧaʿfarīyān hingegen meint, daß sich bis heute eine Anzahl türkischmongolischer Wörter im Persischen findet. Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 136. Ṣafā konstatiert den dauerhaften Eingang mongolischer Wörter ins Persischen und bietet eine Wörterliste an. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 308–10. Zu diesem Thema siehe Knüppel: „Mongols ii. Mongolian Loanwords in Persian“ und die darin erwähnte Literatur. 26 Siehe hierzu vor allem Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 530–31. 27 Ibid., S. 514–15. 28 Zur Religion des Manichäismus cf. Böhling: „Manichäismus“ und Sundermann: „Manicheism I. General Survey“. 29 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 415. Dieselbe Auffassung vertritt Dastġeib, der die uigurische als „arische“ Zivilisation bezeichnet, deren Angehörige die iranische in Hinblick auf Malerei und Kleidung nachahmten. Dastġeib: Hoǧūm, S. 137. Nach Dastġeib hatten die Manichäer erheblichen Einfluß auf die Mongolen und führten diese nach Iran. Dies stehe

Historische Erzählungen

109

Rasse (aqvām-e āryāʾī-nežād) besiedelten Regionen Zentralasiens erobert. Sie wurden die Erben der alten Zivilisation der Tocharen30 und Sogdier31 und übernahmen deren Religion und Schrift. Noch vor jedem anderen türkischmongolischen Volk wählten sie Seßhaftigkeit und Zivilisation.32 Malerei hatte für die Religion Mānīs, der die Uiguren anhingen, eine besondere Bedeutung. Quelle dieser Malerei war sowohl Eqbāl als auch Šīrīn Bayānī33 zufolge die iranische Malerei der Sasanidenzeit, die die Manichäer unter Türken und Uiguren verbreiteten: Nach der Eroberung der uigurischen Gebiete durch die Mongolen des Heeres von Čengīz Ḫān und dem Aufgehen dieses Volkes in den Tataren, wurde der o. g. Malstil durch die Mongolen in China verbreitet. Der Geschmack der Meister dieser zivilisierten Region, die selbst seit altersher mit dieser Kunst vertraut war, übte [dort] Einfluß auf diese [Malerei] aus. Nach und nach wurde die iranische Malkunst der Manichäer, nachdem sie durch die Hände der uigurischen und mongolischen Völker gegangen war, in China zu einer besonderen Kunst. Es ist dieselbe Malerei, die in der Ära der Ilchane mittels chinesischer Künstler nach Iran zurückkehrte und als ‚chinesische Kunst‘ bekannt wurde.34 Aufgrund der Tatsache, so Eqbāl weiter, daß einerseits auf Anordnung der Ilchane chinesische Künstler nach Iran geholt wurden und sie andererseits großes Interesse am Erhalt ihrer mongolischen Sitten und Gebräuche hatten, sowie als Folge der Reisen von Iranern nach China, verbreitete sich der in Zusammenhang mit den Weltuntergangsszenarien der Manichäer. Auch Čengīz Ḫān sei Manichäer gewesen. Ibid., S. 210–11. 30 Zu diesem Volk, das möglicherweise am oberen Oxus siedelte und von griechischen Historikern und Geographen als Tokharoi bezeichnet wurde, cf. Barthold&Bosworth: „Ṭukhāristān“, mit Angaben zu weiterführender Literatur zu den Tocharen. 31 Zu diesem zentralasiatischen iranischen Volk cf. Barthold&Bosworth: „al-Ṣughd“. 32 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 554–55. 33 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 65. Die Miniaturmalerei war laut Bayānī eine Hinterlassenschaft der Kunst der sasanidischen Epoche, die vermittels der Manichäer nach China überführt wurde. Viele Jahrhunderte später kehrte sie mit Hilfe der Mongolen an ihren Ursprungsort (ḫāst-gāh-e aṣlī-ye ḫvod) zurück. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 559. Foyūżāt, der sich ansonsten durchaus an Bayānī orientiert, ist hier zurückhaltender. Ihm zufolge brachten die Mongolen chinesische Künstler nach Iran, so daß die iranische Malerei unter deren Einfluß geriet. Foyūżāt: „Taḥavvol-e farhangī“, S. 875. 34 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 555. Qadyānī übernimmt diese Einschätzung fast wörtlich von Eqbāl. Qadyānī: Tārīḫ, S. 30.

110

3. kapitel

chinesische Malstil in Iran. Auf diese Weise hielten unter dem Einfluß der chinesischen Maler, der chinesischen Federn und Tinte sowie durch die Art der Farbgebung und der Darstellung bestimmter den Muslimen unbekannter Tiere neue Details und Elemente Einzug in die iranische Malerei. So wurden z. B. mongolische Gesichter mit Mandelaugen (čašmhā-ye bādāmī) und runden Wangen üblich.35 Laut Ẕabīḥollāh Ṣafā griffen in der fast zweihundertjährigen Epoche, die vom Angriff der Mongolen bis zu den Einfällen Tīmūrs (reg. 1360–1405)36 in Iran andauerte, mongolische, tatarische und andere wilde oder halbwilde Gelbhäutige (zard-pūstān-e vaḥšī yā nīm-vaḥšī) aus Zentralasien kommend Iran an, zerstörten einen großen Teil der iranischen Hochebene und legten viele Länder in Schutt und Asche, so daß außer ihren Namen auf den Buchseiten nichts übrigblieb. Das gnadenlose Töten und die aufeinanderfolgenden Gemetzel, die Folterungen und Beleidigungen, die Bildung von Türmen aus menschlichen Schädeln, die Errichtung von Mauern aus Gefangenen, Ziegeln und Kalk, das Abschlagen von Köpfen und die exemplarische Bestrafung, die Beleidigung der Würde wehrloser Menschen, Diebstahl und Raub, Verbrechen, Lug und Trug, die Auflehnung gegen das religiöse Gesetz, gegen Moral und Menschlichkeit sowie weiteres Unheil zeichnen diese Epoche aus.37 Die Schwäche und Kraftlosigkeit der Iraner war das Ergebnis einer Überraschung, hervorgerufen durch den wolkenbruchartigen Einfall (īlġār-e seil-āsā) der Mongolen. Als die Menschen zur Besinnung kamen und Maßnahmen für den Widerstand ergreifen wollten, fanden sie sich bereits gefangen und gefesselt in den Händen der Mongolen wieder und gingen mit großer Geschwindigkeit ihrer Auslöschung entgegen. Angesichts der Verwirrung und der Trauer über all diese schrecklichen Ereignisse floß Blut aus der Feder eines jeden Schreibers, der darüber berichtete.38 Und „[. . .] der Schmutz dieses beschämenden Ereignisses wurde nie vom Rocksaum der iranischen Nation gewaschen.“39 Ein Ereignis wie der Sieg eines wilden Nomadenvolks, welches über keinerlei gute Sitten der Seßhaftigkeit verfügt und außer Überfall, Töten und Plündern nichts kennt, bringt Ṣafā zufolge natürlicherweise die Grundfesten der 35 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 557–58. 36 Seine Eroberungszüge in Iran fanden zwischen 1370 und 1405 statt. Siehe auch Manz: „Tīmūr Lang“. 37 Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 1. 38 Ibid., S. 59. In Anlehnung an Ǧoveinī bezeichnet der Autor die Mongolen als arme und hungrige nomadische Wilde, die auf Beute aus waren und nach dem Überfall auf Iran zu Reichtum gelangten. Ibid., S. 68. 39 Ibid., S. 87.

Historische Erzählungen

111

besiegten Gesellschaft ins Wanken, führt zu ihrem Niedergang und ihrer Schwächung und fördert verschiedene gesellschaftliche Verderbnisse zutage.40 Durch solche Überfälle von Wilden wurden Zivilisationen zerstört und ein Großteil der Machthaber getötet, so daß nur schwache Individuen und Flüchtlinge, die in Höhlen und Wüsten Zuflucht gesucht hatten, zurückblieben. Mit anderen Worten, die prominenten gesellschaftlichen Schichten verschwanden und die schwachen, verwirrten Menschen, die sich später mit den zerstörten Werken zufriedengaben, blieben übrig. Von diesen wurden wiederum einige von der Pest und anderen Krankheiten erfaßt und starben, so daß die Überlebenden schwache Gemeinschaften bildeten, welche weder die Energie hatten, noch ein Bedürfnis nach Instandsetzung und Wiederaufbau verspürten oder gar deren Notwendigkeit empfanden. Auf diese Weise kam es zum vollständigen Niedergang der iranischen Zivilisation.41 Eine Beschäftigung mit Ästhetik und künstlerisches Arbeiten waren in Zeiten von Armut und Chaos gefährlich.42 Auch die Gefangennahme großer Gruppen von Menschen und ihre Verschleppung trugen laut Ṣafā zur Schwächung der Denkungsart der Iraner bei.43 Die schlimmste und gefährlichste Folge des mongolischen Angriffs war jedoch der intellektuelle Niedergang, der mit jedem schweren, zerstörerischen Überfall einhergeht. Durch die mongolische Invasion verloren große Städte, die zu den wichtigsten Zentren von Wissenschaft und Gelehrten gezählt hatten, ihre Einwohner und wurden zerstört. Auf einmal verschwanden die meisten Familien, die in Regierung, Wissenschaft und Bildung sowie als Beschützer von Gelehrten und Literaten tätig gewesen waren. Falls sie überlebten, wurden sie so arm, daß sie selbst Schutz bei anderen suchen mußten.44 Die Ursachen für das Zerreißen des Fadens der Verbindung des vor- mit dem nachmongolischen Iran liegen darin begründet, daß die Mongolen fast alle wichtigen Zentren von Wissen und guten Sitten im Osten Irans ebenso wie einen großen Teil der literarischen und wissenschaftlichen Werke vernichteten. In der persischen Literatursprache kam es folglich zu Verderbtheit, und ein großer Teil der nationalen Überlieferungen und Traditionen, die im Streit um die Überlegenheit des Islams und der Araber durch einen eigenen Stil bis zur mongolischen Epoche gerettet worden waren, fielen dem Vergessen anheim.45 40 41 42 43 44 45

Ibid., S. 77. Ibid., S. 78. Ibid., S. 302. Ibid., S. 82. Ibid., S. 83, 302–3. Ibid., S. 303.

112

3. kapitel

Während das einfache Volk kaum etwas von der neuen Situation wußte, so Ṣafā weiter, machten sich die Vertreter des religiösen Rechts und der damit verbundenen Politik zugunsten ihrer eigenen Stellung mit den verdorbenen Statthaltern und anderen Elementen der Gesellschaft gemein. Nur eine Gruppe kam aus diesem Zustand sicher heraus. Ihre Angehörigen verspürten den Schmerz im Herzen und die Last auf der Seele. Entweder zeigten sie diesen Schmerz im Dienste des Volkes durch die Belehrung und Anleitung der Gewaltherrscher und Mächtigen, äußerten ihn in Form von Kritik oder bedienten sich des Spottes und Scherzes.46 Denjenigen Iranern, die sich in dieser Zeit um ihre vergangene und zukünftige Geschichte sorgten, so Ṣafā, gelang es unter großen Anstrengungen, ihre halbtote Kultur (  farhang-e nīm-ǧān) zu retten. Zu Beginn dieser dunklen, furchterregenden Epoche gab es noch bewundernswerte Begabungen und Fähigkeiten, die aus der strahlenden Flamme der vormongolischen Zivilisation leuchteten. Doch am Ende führten Armut, fehlende Ordnung und die innere Zerissenheit der Gesellschaft zu einem schrecklichen zivilisatorischen und kulturellen Verfall, dessen Folgen man seit dem Ende des 8. Jahrhunderts der Hidschra im geistigen Leben der Iraner beobachten kann.47 Die mit den Eroberungen einhergehenden Grausamkeiten sowie die Tatsache, daß alles in die Hände der Wilden fiel, die Wissen und Kunst selbstverständlich nicht wertschätzten, führte zu einer wissenschaftlichen und intellektuellen Erniedrigung der Iraner. Zu Beginn der mongolischen Epoche war diese grausame Vernichtung noch nicht spürbar, doch allmählich wurde sie immer offensichtlicher, bis man am Ende die intellektuelle Banalität erkennt.48 Trotz dieses Unglücks erstrahlte die große iranische Idee (andīše-ye boland-e īrānī), repräsentiert durch Größen wie Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, Saʿdī, Ǧoveinī und andere in dieser dunklen Epoche in neuem Licht. Beim Studium der Literaturgeschichte Irans erscheint jene Epoche, in der drei der größten Dichter und Denker wie Moulānā Ǧalāl od-Dīn Balḫī Rūmī, Saʿdī oder Ḥāfeẓ lebten, als eine sehr bedeutende.49 Ṣafā zufolge gibt eine Nation, die auf solch unglückselige und abscheuliche Weise von einer Gruppen von Wilden besiegt und zertreten wird und die sieht, wie die Würde, der Besitz und das Leben ihrer Angehörigen zum Spielball in 46 47

48 49

Ibid., S. 87–88. Ibid., S. 2. Gleich im Anschluß weist der Autor allerdings darauf hin, daß es seit der Mitte des 8. Jahrhunderts eine starke Förderung der persischen Literatur gab, durch die diese erneut zum Leben erweckt wurde. Ibid. Ibid., S. 83, 305. Ibid., S. 3.

Historische Erzählungen

113

den blutbefleckten Händen der wilden Sieger wird, natürlich ihren nationalen und rassischen Wert (arzeš-e mellī-o nežādī) auf, verachtet ihn oder erinnert sich nicht mehr daran. Gegen die Mongolen wurde zumeist der Glaubenskrieg ausgerufen, der Widerstand fand nicht in Form des nationalen oder rassischen Kampfes statt. So heftig war der Angriff der Mongolen, daß er den Iranern einen großen Teil ihrer übriggebliebenen natürlichen nationalen Eigenschaften entriß und gleichzeitig die alte rassische Idee (andīše-ye nežādī-ye qadīm) dem Vergessen anheim gab.50 Nach Manūčehr Mortażavī gehört die Epoche des mongolischen Angriffs (ḥamle-ye moġūl) zweifellos zu den bedeutendsten historischen Ereignissen der Welt im allgemeinen und Irans – vor allem in Hinblick auf die Herrschaft der Ilchane – im besonderen. Alle Quellen von China bis Europa berichten von diesem Ereignis als furchtbar (sahm-gīn) und blutvergießend (ḫūn-bār). Sie erzählen von einem Zeitalter der Zerstörung (vīrānī) und des Stillstands (rokūd), in dem hinsichtlich der Zivilisation das unterste zu oberst gekehrt wurde.51 Selbstverständlich kann man das ungeheure Ausmaß des Gemetzels und der Zerstörung sowie anderer sich aus der Herrschaft eines halbwilden nomadischen Volkes (qoumī nīme-vaḥšī-o biyābānī) ergebender Erschütte­ rungen nicht leugnen.52 Doch darf die Richtigkeit dieses Urteilsspruches nicht den Blick auf die hinsichtlich der in Iran und Kleinasien vordringlichen Themen dieser Zeit trüben. Tatsächlich wird jedoch das Urteil über die Übertragung positiver und bedeutender Aspekte aus Wirtschaft und Kultur Ostasiens nach Europa und Iran, über die unparteiische Politik der Ilchane auf dem Gebiet der Gedankenfreiheit und über das Verbot des übertriebenen nationalen (qoumī) und religiösen (maẕhabī) Eifers (ʿaṣabīyat) sowie über die Schaffung der größten Stätten der Gelehrsamkeit durch die Ilchane von einem Vorhang aus Fanatismus, Abneigung und Voreingenommenheit getrübt.53 Die Lage in Iran nach der Eroberung von Alamūt und der Besitzergreifung von Bagdad wirft daher die Frage auf, ob die historischen Überlieferungen den Grad dieses fürchterlichen Unglücks nicht übertrieben haben. Diese Frage stellt sich auch deshalb, weil derartige Nachrichten auf dem Wege über die Schilderungen voreingenommener (motaʿaṣṣeb) Geschichtsschreiber auf uns gekommen sind. Offensichtlich gründeten sich ihr Widerwille und ihre Voreingenommenheit nicht auf das Resultat der Augenzeugenschaft, sondern eher auf die durch die Erschütterung der sunnitischen Religion und Gemeinschaft und schließlich 50 Ibid., S. 83–84. 51 Mortażavī: Masāʾel, S. xv. 52 Ibid., S. xx. 53 Ibid., S. xv–xvi.

114

3. kapitel

durch den Fall von Bagdad und die Tötung des abbasidischen Kalifen hervorgerufenen Empfindungen.54 Es ist jedoch notwendig, Geschichte nicht aus einem traditionellen und nationalen (na-sonnatī-o qoumī), sondern aus einem neutralen Blickwinkel und unter einem philosophischen Gesichtspunkt zu betrachten.55 Einige Jahrzehnte nach dem Überfall von Čengīz Ḫān berichtet die Geschichtsschreibung laut Mortażavī von der Errichtung der größten und zuvor nie dagewesenen Ansammlung von Wissen in den Gelehrtenzentren von Tabrīz, der Vergrößerung und Besiedlung dieser und vieler anderer Städte Irans, der offiziellen Anerkennung der Schia unter Ūlǧāytū (reg. 1304–16), den erstaunlich zivilisierten Gesetzen des Ġāzān Ḫān, der Bewegung der Geschichtsschreibung sowie der dauerhaften Verbreitung von Landwirtschaft, Handwerk und Handel und dem Wohl der Allgemeinheit. Es ist sehr verwunderlich, daß all diese Errungenschaften in nur wenigen Jahrzehnten in einem völlig zerstörten Land möglich waren. Als angebliche Tatsache galt auch der durch den Überfall der Mongolen verursachte kulturelle und literarische Niedergang. Doch merkwürdigerweise brachten in derselben finsteren Zeit viele große Geschichtsschreiber, Dichter und Mystiker ihre Werke hervor.56 Auch wenn viele dieser bedeutenden Männer ihre Wurzeln in der Erde der Zivilisation und den historischen Bedingungen der vormongolischen Vergangenheit hatten, kann man sie dennoch keiner anderen Epoche als derjenigen der Mongolen zurechnen.57 Die Epoche der Ilchane gilt Mortażavī als die größte Zeit der iranischen Geschichtsschreibung, selbst wenn man deren Bedeutung unter den Samaniden (892–999), Ghaznawiden (977–1186) und Seldschuken berücksichtigt. Als Gründe dafür sind zu nennen: erstens das Interesse der Mongolen und ihrer Herrscher an der Verewigung ihres Namens und der Bewahrung ihres Erbes, welches in Zusammenhang mit der bei Chinesen und Uiguren üblichen Aufzeichnung vergangener Ereignisse zu sehen ist; zweitens die großen Ereignisse, die mit den mongolischen Eroberungen einhergingen, ebenso wie die Errichtung ihres riesigen Imperiums, welche die Geschichtsschreiber zur Aufzeichnung veranlaßten; drittens das Aufeinandertreffen verschiedener 54 55

56 57

Ibid., S. xxii–xxiii. Ibid., S. xxii–xxiiii. Der Verfasser stellt an anderer Stelle in seinem überarbeiteten Vorwort klar, daß es sich bei dem vorliegenden Werk nicht um ein Geschichtsbuch handele. Stattdessen wolle er u. a. Aspekte der Individual- und Sozialpsychologie sowie der Philosophie einbringen. Ibid., S. xxiv–xxv. Ibid., S. xxii–xxiii. Ibid., S. xv–xvi.

Historische Erzählungen

115

Gedanken und Ansichten und die Entstehung von Beziehungen mit unterschiedlichen Nationen sowie das Eindringen chinesischer und mongolischer Kenntnisse in Iran, welche das Interesse an anderen Völkern und ihrem Wissen beförderten; viertens der Einfluß wichtiger ilchanidischer Persönlichkeiten wie vor allem Ġāzān Ḫāns; fünftens die Gelehrsamkeit von Familien wie derjenigen der Ǧoveinīs und Rašīd od-Dīns, die ihrerseits andere Geschichtsschreiber, Gelehrte und ʿolamā anregten.58 Zu den positiven Aspekten der mongolischen Herrschaft gehört laut Mortażavī auch die allmähliche Zügelung des mongolischen Drachen durch die fähigen Männer Irans. Sie setzten diesen gezügelten Drachen auf den Weg des Fortschritts von Wissenschaft und Gelehrsamkeit, so daß Schulen gegründet, Handel und Wirtschaft belebt und Fanatismus und Ketzerei verboten wurden. Die großen muslimischen ilchanidischen Herrscher übten ihren Einfluß aus, und die Verbreitung des Schahname von Ferdousī, des Diwan von Ǧalāl od-Dīn Balḫī Rūmī und der Werke von Saʿdī wurde gefördert.59 Besonders die Regierungszeiten von Ġāzān Ḫān und Ūlǧāytū zählen, obwohl es sich um eine Fremdherrschaft (ḥokūmat-e bīgāne) handelte, hinsichtlich der Errichtung wohltätiger Einrichtungen und Stätten der Gelehrsamkeit, des Sufitums, von Handwerk, Kunst und Handel, der Kultivierung des Landes, der Freiheit des Glaubens, der Wohlfahrt, der Gesetze, der gesellschaftlichen und der Wirtschaftsbeziehungen sowie der Unterdrückung von Tyrannei zu den außergewöhnlichen und einzigartigen Epochen des Landes.60 Beider Herrscher Neigung zur Schia hatte laut Mortażavī erheblichen Einfluß auf die Mäßigung (taʿdīl) von Unterdrückung und Grausamkeit sowie auf den Schutz der Pläne der iranischen Wesire für Wissenschaft und Wohlstand im Lande.61 In Hinblick auf den Islam, so Mortażavī, läßt sich festhalten, daß dieser nach den Angriffen der Mongolen fortdauerte. Falls man die fanatische Politik des Kalifen von Bagdad und die Aktionen der ismailitischen Kämpfer nicht zur Offenbarung der Macht und des Einflusses des Islams rechnet, dann wurde der Islam durch ihre Beseitigung auch nicht geschwächt. In diesem Sinne war die Herrschaft der Ilchane in Iran zudem nicht von Schaden für den Islam. Unzweifelhaft verschwand die besondere islamische Zivilisation der vormongolischen Zeit durch den furchterregenden Angriff dieses Volkes und lebte während der Epoche der Ilchane von Iran in anderem Gewande und in

58 59 60 61

Ibid., S. 371–75. Ibid., S. xvi. Ibid., S. 8. Ibid., S. 187.

116

3. kapitel

vorzüglicher Manier wieder auf. Diese neue islamische Zivilisation hatte viele Vorzüge gegenüber ihrer vormongolischen Vorgängerin.62 Eine der wesentlichen Errungenschaften der Mongolen war nach Mortażavī das Fehlen jeglichen religiösen Eifers/Fanatismus, weshalb er diese Zeit als Epoche religiöser Freiheit (doure-ye āzādī-ye maẕhab-o dīn) bezeichnet. Zwar könnte man Phasen der Bevorzugung von Christen und Juden und damit zusammenhängende Maßnahmen gegen die Muslime während der mongolischen Herrschaft als Zeichen religiösen Eifers bezeichnen. Doch sind diese vorübergehenden Erscheinungen keine Belege für die Existenz von Fanatismus, sondern verweisen stattdessen auf gesellschaftliche und religiöse Veränderungen sowie die Zerstörung überkommener Fanatismen.63 Da die Mongolen die Religion ihrer Vorväter gegenüber Christentum und Islam als schwach ansahen, gaben sie sie auf. Gleichzeitig fehlte ihnen eine unveränderliche Überzeugung, die gewöhnlich aus den Traditionen von Volk und Familie hervorgeht und nachgeahmt wird, so daß sie keinen Fanatismus entwickeln konnten.64 Wie man an der Vernichtung (qalʿ-rīše) der Ismailiten sieht, waren zu dieser Zeit sunnitischer Fanatismus und der Bann über andere Glaubensrichtungen (  feraq) üblich. Die Abneigung der sunnitischen Fanatiker gegen Angehörige anderer islamischer Glaubensgemeinschaften, vor allem gegen die Ismailiten, war so stark, daß die ʿolamā ebenso wie die Bevölkerung erfreut darüber waren, daß eine islamische Glaubensrichtung durch ein fremdes und wildes Volk zerstört wurde. „Der Fanatismus trübte so sehr den Blick, daß die Empfindungen des Patriotismus (vaṭan-ḫvāhī) und der Nationalstolz (ġorūr-e qoumī) darüber vergessen wurden.“65 Letztlich, so Mortażavī weiter, verhielten sich die gebildeten Muslime ebenso wie das gemeine Volk nicht anders als die Mongolen, denn sie töteten die Ismailiten, verbrannten ihre Bücher und luden dieselben Wilden aus der Mongolei (vaḥšīyān-e Moġūlestān), nachdem diese einmal gekommen waren, getötet, gebrandtschatzt, geraubt hatten und wieder fortgegangen waren, dazu ein, ein zweites Mal und mit noch größerer Macht zu kommen, um die eigenen Glaubensbrüder, die Ismailiten, zu vernichten. 62 63

64

65

Ibid., S. 186–87. Ibid., S. 259. Als Beleg dafür sieht er u. a. die unterschiedliche Geschichtsschreibung von ʿAṭā Malek Ǧoveinī und Rašīd od-Dīn im Verhältnis zu nicht-islamischen Völkern und Religionen an. Ibid., S. 266–67. Ibid., S. 259–60. Obwohl der Verfasser das mangelnde Interesse der Mongolen an religiösem Eifer betont, bezeichnet er die sich daraus ergebenden politischen Handlungsweisen als widersprüchlich, wie z. B. des Buddhisten Hūlāgū Verehrung der Glaubensgenossen seiner christlichen Frau, denen er Kirchen bauen ließ, oder die Ernennung des Muslims Naṣīr od-Dīn Ṭūsī zu seinem Berater. Ibid., S. 283–90, hier besonders S. 283. Ibid., S. 262.

Historische Erzählungen

117

Was ist erstaunlicher: die Grausamkeit eines wilden, unzivilisierten Volkes, welches nach Eroberung strebt und sich nicht mit der Religion der Bevölkerung in den eroberten Gebieten befaßt, oder ein zivilisiertes und gebildetes Volk, das mit der Waffe des Fanatismus das Ketzertum (rāfeżīye) und das Ismailitentum vernichtet und für das Verschwinden dieser muslimischen Glaubensrichtungen mit Buddhisten und Christen paktiert?66 Moḥammad Aḥmad Panāhī zufolge stürzten sich dunkle Tataren aus dem Herzen eines riesigen Gebietes in Zentralasien auf die zivilisierten Länder jener Zeit. Sie formten eine Organisation, bildeten eine nie zuvor gekannte Einheit und wurden zu einer Macht, die ihre Herrschaft vom Stillen Ozean bis zum Schwarzen und zum Mittelmeer ausdehen konnte.67 Historische Verwunderung (ḥeirat-e tārīḫī) besteht dahingehend, daß ein völlig unbekanntes Volk aus den Steppen und Höhen im Norden Chinas verblüffend schnell gut organisierte Länder und fortschrittliche Zivilisationen zerstampfte und vernichtete und ein Reich von größeren Ausmaßen als es die mächtigsten Herrscher besaßen, einnahm. Der Angriff der Mongolen vernichtete nicht nur abertausende ihnen fremde Menschen (ensān-e bīgāne) und zerstörte Städte und Dörfer, historische, wissenschaftliche und kulturelle Werke, sondern brachte auch bedeutende kulturelle, politische und geographische Veränderungen mit sich. Spuren dieser Veränderungen blieben viele Jahrhunderte lang nicht nur in denjenigen Gegenden erhalten, die das Schlachtfeld des Überfalls der Mongolen waren, sondern waren auch in weiter entfernten Regionen spürbar.68 Gemäß mongolischem Brauch wurde an jedem Ort, an dem die Bevölkerung Widerstand leistete, der Befehl zu Gemetzel und völliger Zerstörung der Stadt gegeben. Dieses Verbrechen, das selbst ein wichtiges Propagandamittel (vasīle-ye tablīġī-ye mohemmī) zum Nutzen der Mongolen und zur moralischen Schwächung der Bevölkerung in ihrem Angriffsgebiet war, führte dennoch zu Erzählungen über den mutigen Widerstand des Volkes.69 Nach Amīr Esmāʿīlī brachten die unzivilisierten und kulturlosen (dūr az tamaddon-o farhang) mongolischen Nomadenstämme riesige Gebiete, die reich an Kultur und Zivilisation waren, unter ihre blutige Herrschaft. Es gelang ihnen, kultivierte und wohlhabende Regionen, die über solide Befestigungen und kriegserprobte Soldaten verfügten, unter die Hufe ihrer Reittiere zu 66 Ibid., S. 266. 67 Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 39. 68 Ibid., S. 13. 69 Ibid., S. 37.

118

3. kapitel

zwingen und hunderttausende Menschen zu töten. Anstatt sich Luxus, Reichtum und Muße hinzugeben und schließlich die Flucht zu ergreifen, hätten die stolzen Herrscher den Fuß in den Steigbügel setzen, sich auf die Spitze ihres Schwertes konzentrieren und den Feind von ihrem Gebiet vertreiben sollen.70 Von einem Kampf (nabard) zwischen Siegern und Besiegten ist bei Bayānī die Rede, die diesen Kampf auf die Auseinandersetzung zwischen den unterschiedlichen Überzeugungen bzw. zwischen zwei ungleichen Kulturen (do farhang-e nā-hamgūn-o nā-barābar) bezieht.71 Während sich die siegreichen Mongolen um die Aufbürdung ihrer Herrschaft bemühten, planten die besiegten Iraner mit Gewandheit, Sorgfalt und Geschick die „Befreiung ihrer historischen Identität und ihrer Überzeugungen“ (neǧāt-e hovīyat-e tārīḫī-o moʿtaqedāt-e ḫvīš).72 Nach und nach gelang es ihnen, behutsam die Macht wieder in die eigenen Hände zu nehmen, um erneut die eigenen Sitten und Gebräuche, die eigene Kultur und Zivilisation von fremdem Einfluß zu säubern.73 Der Angriff der Mongolen auf Iran und andere Regionen war eines der größten historischen Ereignisse der Welt, so ʿAbd ol-ʿAlī Dastġeib. Čengīz Ḫāns blutiger Angriff auf die Zivilisation und Kultur Irans und der Welt hatte aufgrund der Zerstörungen, des Tötens, der Verschleppung und des Plünderns verheerende Folgen: Der bluttriefende Schwertschlag des Mongolen und sein schrecken­ erregender Überfall zerstörten auch die Kultur und das spirituelle Kapital unserer Nation. Unsere Niederlage war gewaltig, gefolgt von Hoffnungslosigkeit und Brüchen sowie einer grenzenlosen Verbreitung des Sufitums.74 Als Beispiel für Geschichtsfälschung durch Sufis in Zusammenhang mit dem Mongolensturm benennt Dastġeib die Legende von der Tötung des

70 Esmāʿīlī: Čengīz, S. 345. 71 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. vii. Einen kulturellen Konflikt macht auch Ḥasanzāde zwischen nomadischen Türken und Mongolen einerseits und seßhaften Iranern andererseits aus. Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 462–63. 72 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. vii–viii. 73 Bayānī: Hašt maqāle, S. 223. Ich danke Shahriyar Sharafat (Kiel) für seine Unterstützung bei der Suche nach einer passenden Übersetzung für pīrāstan. 74 Dastġeib: Hoǧūm, S. 11.

Historische Erzählungen

119

Derwischscheichs Maǧd od-Dīn Baġdādī.75 Anstatt mit ihren Landsleuten und Glaubensbrüdern zu leiden, nutzten einige Sufis die günstige Gelegenheit und behaupteten, dieser Scheich sei auf Befehl des Charesmschahs ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad (reg. 1200–20) ertränkt worden. Diese Tat habe den Zorn Gottes hervorgerufen,76 und die Mongolen seien daraufhin nach Iran gekommen, um dort alles im Feuer des Zorns zu verbrennen und Millionen fremder Menschen zu töten, weil diese gesündigt und ihr Herz an die Welt gehängt hätten. Nach Ansicht der Sufis griffen die Mongolen Iran nicht aus materiellen Gründen oder wegen der Ränke des abbasidischen Kalifen an, sondern aufgrund der Sünden des Volkes (gonāh-e mardom); sie seien die Armee Gottes (ǧond Allāh) und die Verkörperung seines Zorns gewesen.77 Da es sich beim Angriff der Mongolen um ein organisiertes Verbrechen (tabah-kārī-ye motamarkez-o sāzmān-yāfte) handelte, so Dastġeib weiter, und Čengīz Ḫān seinen Regimentern und Heerführern versprach, mit ihnen die Welt zu erobern, kann man sagen, daß es ebenso wie im Falle von Hitlers neuer Ordnung einen Zusammenhang zwischen der Grundlage des mongolischen Imperiums und einer heiligen und mystischen Macht sowie Menschenopfern gab. Ebenso wie in Hitlers Deutschland wurden auch bei den Überfällen der Mongolen diejenigen, die das Gemetzel überlebt hatten, zum Füllen von Gräben und für den Transport von Materialien wie Steinen und Holz benutzt.78 Sowohl Čengīz Ḫāns als auch Hitlers Kämpfe waren nicht ausschließlich wirtschaftlich motiviert, sondern wurden von besonderen moralischen und sittlichen Ordnungsvorstellungen geleitet. „Mit anderen Worten dachten die mongolischen Kräfte ebenso wie die Mächte in Hitlers Deutschland, das Töten anderer Menschen sei Teil ihrer moralischen, göttlichen, religiösen und sittlichen Pflichten“.79 Das allgemeine Gemetzel, welches nach den Mongolen auch Nazideutschland durchführte, ließ die Mongolen schrecklicher und mächtiger erscheinen, als sie tatsächlich waren. Aus diesem Grund ließen sie auch ihre Gefangenen vor dem Heer marschieren, um zahlreicher zu wirken und 75 76 77

Ibid., S. 18–19. Ibid., S. 21. Ibid., S. 22. Bereits Aḥmad Kasravī (1891–1946), den Lloyd Ridgeon den „Sufi Castigator“ nennt, macht in zwei Kapiteln seiner Schrift Sūfīgarī, die sich der Mongolenzeit widmen, „die Sufis“ verantwortlich dafür, daß die Iraner sich nicht gegen die Mongolen verteidigt hätten, und bezichtigt sie der Verbreitung von Lügen. Zu diesen gehört die o. g. Geschichte von der Ertränkung des Sufischeichs Maǧd od-Dīn Baġdādī. Ridgeon: Sufi Castigator, S. 104–15. Den Hinweis auf Kasravī verdanke ich dem Autor des genannten Buches, Lloyd Ridgeon (Glasgow). 78 Dastġeib: Hoǧūm, S. 14–15. 79 Ibid., S. 49.

120

3. kapitel

weniger Verluste zu erleiden.80 Die Tötung von hundertausenden Menschen und die Zerstörung sämtlicher Städte und Dörfer belegen, daß der Angriff der Mongolen nicht ausschließlich das Ziel verfolgte, einen Feind zu besiegen.81 Čengīz Ḫāns Kriegsmaschinerie und seine heilige imperiale Ordnung dienten letztlich dem Zweck, „um den Preis der Vernichtung der Welt, die Welt zu beherrschen“.82 Schließlich kam Čengīz Ḫān mit seinen Regimentern nicht in den Westen, um eine Hochzeit zu feiern, sondern weil die Expansion und das Verlangen nach Herrschaft ein Teil seiner Militärmaschine waren. Der Mongolenherrscher, Attila und Hitler waren alle aus demselben Holz geschnitzt, denn Krieg, Zerstörung und Machtergreifung (solṭe-garī) gehörten zu ihren Regeln. Nur mit militärischer Macht waren sie daher aufzuhalten.83 Im Vergleich mit dem Überfall der Mongolen auf Iran zählen Nebukadnezars II. (reg. 597–87 v. u. Z.) Angriff auf die Juden und die Zerstörung Jerusalems nichts, denn die Mongolen zerstörten Städte, von denen jede einzelne um ein Vielfaches größer war als Jerusalem, und sie töteten viel mehr Menschen als die Gemeinschaft der Israeliten umfaßt hatte.84 Anstatt nach dem Überfall wieder abzuziehen, wie es der von Ǧoveinī zitierte Spruch85 nahelegt, so Dastġeib weiter, breiteten die Mongolen auf der verbrannten Erde ihre Habseligkeiten aus und bereiteten sich auf dem Leichenberg (tall-e aǧsād) ein fürstliches Gastmahl. Sie saugten das Volk aus und korrumpierten die Kultur und Gesellschaft Irans in hohem Maße.86 Hätten die Mongolen Iran nicht überfallen, hätte es dort möglicherweise schneller als in Europa neue Wissenschaften und Industrien gegeben. Weshalb muß man sich dann überhaupt mit dem Angriff der Mongolen auf Iran befassen, anstatt die damit verbundenen schrecklichen Ereignisse „auf dem Müllhaufen der 80

Ibid., S. 115–16. An anderer Stelle spricht der Autor von „hitlerischem Gemetzel“ (qatl-e ʿāmm-e hītlerī). Ibid., S. 139. 81 Ibid., S. 139. 82 Ibid., S. 141–42. Der Autor nennt das Heer von Čengīz Ḫān auch „Mordmaschine“ (māšīn-e ādam-košī). Ibid., S. 197. 83 Ibid., S. 162. Den nach Freiheit verlangenden Mächten der Welt und der militärischen Kraft der Roten Armee gelang es schließlich nach grauenhaften Kämpfen, „das faschistische Raubtier in seiner eigenen Höhle in Berlin“ zu vernichten. Ibid., S. 162. Qadyānī erwähnt bei seiner Aufzählung brutaler Überfälle, Kriege und Gemetzel in der Weltgeschichte auch den osmanischen Genozid an den Armeniern. Qadyānī: Tārīḫ, S. 11. 84 Dastġeib: Hoǧūm, S. 316. Nīšābūr, Herat, Samarkand, Buchara, Rey und Bagdad werden an anderer Stelle als „Millionenstädte“ bezeichnet. Ibid., S. 124. 85 „Āmadand-o kandand-o sūḫtand-o koštand-o bordand-o raftand“ („Sie kamen, rotteten aus, brandschatzten, töteten, plünderten und zogen wieder ab“). Zit. n. Ibid., S. 11. 86 Ibid., S. 34.

Historische Erzählungen

121

Geschichte“ zu entsorgen? Es gibt jedoch keinen solchen Müllhaufen, denn wir leben ebenso wie unsere Vorfahren auf dem Feld der Geschichte. Letztlich ist diese ein organisches Geflecht, in dessen verschiedene Schichten die Geschehnisse und Erlebnisse vergangener Generationen einfließen und zur Grundlage späterer Veränderungen und Fortschritte werden. Daher besteht ein Zusammenhang zwischen dem mongolischen Angriff und der Vernichtung unserer Zivilisation und Kultur, dem Niedergang der folgenden Epochen, den Siegen von Timuriden und Safaviden, dem späteren Sieg der Europäer und dem Zurückbleiben Irans in der Karawane von Wissenschaft und Handwerk.87 Im Vergleich zu den durch die Mongolen hervorgerufenen Zerstörungen sind nach Dastġeib positive Einflüsse wie die Verbreitung der persischen Sprache in Asien, der Austausch von Gesandten, die Entstehung wertvoller Geschichtsbücher in Iran, die Beziehungen zwischen den Händlern oder der Fortschritt der Astrologie nur ein Tropfen im Meer. Ohne den mongolischen Angriff hätte all dies auf einem höheren Niveau stattgefunden und zu besseren Ergebnissen geführt.88 Viele Geschichtsschreiber haben die Epoche vor der Mongolenherrschaft als goldenes Zeitalter der iranischen Kultur bezeichnet. Nach dem Überfall der Araber wurde Iran schnell wieder selbständig und entwickelte sich zum Zentrum eines großen spirituellen Erwachens, in dem angesehene Philosophen und Gelehrte ausgebildet wurden. Sein Einfluß auf den Fortschritt der menschlichen Zivilisation war so groß, daß einige sowjetische Orientalisten diesen mit dem Einfluß der alten Griechen verglichen haben. Doch nach den Mongolen fielen Wissenschaft und Literatur in Iran auf den tiefsten Grad an Stagnation und Erniedrigung zurück. Aus diesem Grund ist anzunehmen, „daß die Mongolen der menschlichen Freiheit und dem menschlichen Bewußtsein keinen Dienst erwiesen und ihr Angriff nichts weiter mit sich brachte als Verderbtheit und Zerstörung.“89 Wir, die wir immer noch den donnergleichen Blitzschlag der Mongolen auf unserer Haut und in unserem Fleisch verspüren, glauben, daß der Überfall der Mongolen [. . .] keinen anderen Nutzen als die Zerstörung hatte und daß die menschliche Kultur dadurch einen nicht wiedergutzumachenden Verlust erlitt.90 87 88

Ibid., S. 15–16. Ibid., S. 38. Ṣafā hingegen bestreitet eine weitere Verbreitung der persischen Sprache im 7. und 8. Jahrhundert der Hidschra und behauptet, sie habe eher an Einfluß verloren. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 314. 89 Dastġeib: Hoǧūm, S. 39. 90 Ibid., S. 124.

122

3. kapitel

In dem von der Universität Šahīd Beheštī herausgegebenen Konferenzband Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān beschäftigen sich mehrere Autorinnen und Autoren mit den Folgen der mongolischen Eroberungen. In der Geschichte Irans ereigneten sich Dāvūd Eṣfahānīyān zufolge vor allem drei Angriffe auf seine Zivilisation, Kultur und Existenz: die Invasion Alexanders d. Großen, der Angriff der Araber und der Mongolensturm. Der Mongolensturm war die stärkste und zugleich katastrophalste Angriffswelle zentralasiatischer Völker auf die iranische Hochebene (  falāt-e Īrān), der verheerendste Angriff ihrer Geschichte und eine habgierige, ausbeuterische und von Rache getriebene Aggression.91 Einige Gebiete waren jedoch vor den Plünderungen dieses zerstörerischen (moḫarreb) Volkes sicher, so daß dort die Zivilisation und die grundlegenden Bräuche Irans geschützt wurden. Hierzu gehörten die Region Fārs unter den Salghuriden,92 die sich den Mongolen unterworfen hatten, wohin die Granden aus Wissenschaft und Literatur fliehen und wo sie die alte Kultur Irans festigen konnten; Kleinasien, das iranische Emigranten mit offenen Armen aufnahm, die zahlreiche Bücher ebenso wie iranische Sitten und Gebräuche vor den katastrophalen Plünderungen in Sicherheit brachten; und das Ufer des Flusses Sind, wo die Fürsten dieser Region ebenso wie die Sultane von Delhi und die Herrscher von Bengalen intensiv mit der iranischen Kultur vertraut waren.93 Eine weitere Folge des Mongolensturms war nach Petrushevsky das Entstehen einer neuen Art von nomadischer Wirtschaft, die sich auf das Netzwerk der Stammesorganisation gründete und das Ziel dauerhafter kriegerischer Auseinandersetzungen, Unterdrückung und einmaliger Grausamkeit verfolgte. Aufgrund der Zerstörungen und des Gemetzels und weil die Bevölkerung Irans vor den angreifenden Völkern nicht geschützt wurde, entwickelten die Menschen allmählich das Gefühl, es fehle ihnen dauerhaft an Sicherheit, sie kapitulierten vor dem Feind und zeigten sich der Religion gegenüber gleichgültig.94 Ungeachtet der zerstörerischen Folgen des Mongolensturms, so Eṣfahānīyān, hatte dieser ebenso wie die Gestaltung der mongolischen Herrschaft in Iran auch eine Reihe günstiger Folgen, die über einen längeren Zeitraum zum Nutzen des Fortschritts von Wirtschaft und Politik in Iran sowie zu engeren Verbindungen mit den Völkern Asiens und Europas führten. Zu 91 Eṣfahānīyān: „Ta‌ʾïsīr-e īlġār“, S. 71. Der Autor verwendet den Begriff īlġār für die mongolische Invasion (wörtl. „Einfall wilder Stämme in Iran“), so daß „Mongolensturm“ als Übersetzung angemessen scheint. 92 Zu dieser Atabegdynastie cf. Bosworth: „Salghurids“. 93 Eṣfahānīyān: „Ta‌ʾïsīr-e īlġār“, S. 76. 94 Ibid., S. 78.

Historische Erzählungen

123

diesen Folgen gehört der Sturz des Kalifats von Bagdad durch Hūlāgū und das Ende der geistigen Herrschaft der Abbasiden über Iran. Unbestreitbar wollten die abbasidischen Kalifen die kämpferische (mobārez) iranische Bevölkerung mit aller Macht auslöschen, sie zerschlugen die dortigen Freiheitsbewegungen durch Betrug, Täuschung, Ränke und die Stiftung von Verwirrung unter den Menschen, und behinderten die Entstehung eines mächtigen nationalen Staates in Iran. Auf dem Wege der Errichtung einer politischen und wirtschaftlichen Einheit waren die Herrschaft der Kalifen und ihre spirituelle Durchdringung Irans ein gewaltiges Hindernis.95 Schließlich wirkte sich die Etablierung der mongolischen Herrschaft von Ostasien bis an die Grenzen Syriens, Mesopotamiens, Rußlands und Osteuropas sehr günstig auf die Wirtschaft Irans wie der übrigen Gebiete aus. Hindernissse wurden beseitigt, die verschiedenen Völker kamen einander näher, und zum erstenmal bemühten sich die Gelehrten darum, sich miteinander auszutauschen. Europäische Reisende berichteten von ihren Besuchen bei den Mongolenherrschern, und der Handel zwischen Orient und Okzident nahm zu.96 Ebenso sieht Eṣfahānīyān einen dauerhaften mongolischen Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur in Iran. Im Gegensatz zu der Feststellung, daß „jede Bewegung, die auf tiefem philosophischem Verlangen basiert und humanistische Ziele verfolgt“, von Dauer sein wird, und jede Handlung, die militärischer Aggression und eiligem Nutzen dient, oberflächlich und ohne Dauer ist, hat die mongolische Invasion langanhaltende Spuren hinterlassen, die bis in die Gegenwart reichen.97 Laut Ṣāleḥ Pargārī war die Herrschaft der Mongolen von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da zwischen ihnen und der iranischen Bevölkerung keinerlei Vertrautheit existierte. Das Gemetzel der Feldzüge hatte zwischen der mongolischen Herrschaft und der Bevölkerung in Iran eine tiefe Kluft geschaffen, so daß die Menschen nur Widerwillen und Hoffnungslosigkeit gegenüber den Mongolen empfanden. Um diesen Widerwillen zu überwinden und dem Volk näherzukommen, mußten sich die mongolischen Herrscher selbst mit der iranischen Gesellschaft gleichsetzen. Doch gab es in der mongolische Gesellschaft, die durch ein nomadisches Wanderleben geprägt war und nach den Gesetzen der yāsā handelte, keinerlei Verträglichkeit und Übereinstimmung mit der zivilisierten iranischen Gesellschaft und der islamisch-iranischen Kultur.98 Zwei Tendenzen lassen sich als Folge dieses 95 Ibid., S. 79–80. 96 Ibid., S. 80. 97 Ibid., S. 71. 98 Pargārī: „ʿElal-e forū-pāšī“, S. 348–49.

124

3. kapitel

Konflikts in der Politik der Ilchane aufzeigen: die eine Gruppe der Mongolen blieb ihrer Vorliebe für das Nomadentum und die yāsā verhaftet, sie kümmerte sich vor allem um den Wegeschutz, ließ jedoch das städtische Leben ebenso wie die Landwirtschaft verfallen. Die andere Gruppe hingegen hing dem städtischen Leben an und wollte die zivilisierte iranische Gesellschaft schützen, weil ihre Mitglieder deren Kultur und Religion als Notwendigkeit ansahen. Aufgrund ihrer Einstellung waren sie den einflußreichen iranischen Persönlichkeiten verbunden. Zu einer vollkommenen Übereinstimmung zwischen der iranischen und der mongolischen Gesellschaft kam es jedoch auch während der Regierungszeit der muslimischen Ilchane nicht.99 In moralischer Hinsicht erlebte die iranische Gesellschaft ihre schlimmste Zeit, denn infolge des mongolischen Angriffs wurde das Leben der Menschen heimgesucht von Unordnung und Unruhe, die offiziellen Sitten brachen zusammen und die moralischen Werte verkamen. Die moralische Verderbtheit der Mongolen, ihre Hurerei und ihre Unmäßigkeit beim Weingenuß beschleunigten diesen Verfall noch.100 Ḥasan Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī zufolge wurde die iranische Nation (mellat-e Īrān) beständig von vielen Unglücken heimgesucht. Vom Untergang der Sasaniden bis zum Einfall der Mongolen kam Iran nicht zur Ruhe. Gegen die Angriffe der Soldaten der usurpatorischen arabischen Kalifen leisteten die Iraner Widerstand, doch waren die Beleidigungen und die Verachtung, die die Kalifen und ihre Vertreter den Iranern entgegenbrachten, tödlicher als ihre Schwertschläge. Trotz ihres Widerstandes gelang es den Iranern nicht, den fremden Einfluß (nofūz-e ḫāreǧī) auszurotten, und ihre Kämpfe erstickten in iranischem Blut.101 Mit Hilfe einer Lebensweise, die sich an die Zivilisation und Kultur der Sasaniden anlehnte, griffen die Iraner die Herrschaft der Kalifen an, so daß „das arabische Kalifat ganz die iranische Manier übernahm“.102 Nach dem entsetzlichen Überfall der Mongolen brach die jahrhundertealte islamische Zivilisation zusammen, doch der Widerstand der Iraner machte einige leuchtende Seiten in der Geschichte dieser Nation aus. Auf der Suche nach einer Bresche gelang es ihnen, der Herrschaft der Ilchane eine iranische Färbung zu geben. Gleichzeitig machten sich jedoch auch Kummer, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit in der Bevölkerung breit.103 Statt eines

99 100 101 102 103

Ibid., S. 349–50. Ibid., S. 360. Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 396–97. Ibid., S. 397. Ibid., S. 397–98.

Historische Erzählungen

125

aktiven Widerstandes wie ihn Abū Muslim104 oder Bābak105 geführt hatten, war zu dieser Zeit nur noch passiver Widerstand möglich. Man kehrte den Angelegenheiten des Lebens den Rücken und wandte sich der Gnosis zu. Tod, Blutvergießen, Raub und Plünderungen trieben die iranische Gesellschaft unter den Mongolen in Zersetzung und Verderbnis, Heuchelei, Betrug, Heimtücke, Lüge und Verrat.106 Dennoch besaß die persische (pārsī) Lyrik und Prosa eine solche Widerstandskraft, daß sie sogar in der unglücklichsten Epoche der iranischen Geschichte nicht nur ihr Ansehen und ihre Größe zu schützen wußte, sondern ihren Reichtum sogar vermehrte. Eine Bestätigung der Behauptung, der fruchtbringende Baum der persischen Poesie und Prosa sei auch in dieser Epoche nicht vertrocknet, sondern habe Knospen und Früchte getragen, ist das Erscheinen von Saʿdī und Ḥāfeẓ in diesen wirren Zeiten.107 Allerdings, so Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādi an anderer Stelle, kann man diese beiden Berühmtheiten nicht der Mongolenzeit in Rechnung stellen. Stattdessen bilden sie den Abschluß der persischen Literatur des 4. bis 6. Jahrhunderts der Hidschra und sind als Fortsetzung ihrer Dichterkollegen jener Zeit anzusehen.108 Letztlich weist das Eindringen türkischer und mongolischer Wörter in die persische Poesie und Prosa darauf hin, daß die iranische Nation ihre nationale Hingabe und ihren nationalen Stolz verloren hatte.109 Als Naturkatastrophe (sāneḥeʾī āsemānī) bezeichnet Dabīʿollāh Dabīrī­nežād die Invasion der Mongolen, da diese von einer solchen Gewalt war, daß man nicht von einem historischen Ereignis sprechen kann.110 In der Geschichte insgesamt, vor allem aber in der Geschichte Irans, gab es kein Ereignis, welches ähnlich tiefgreifende Spuren hinterlassen hätte.111 Dennoch zeichnete sich die Epoche der mongolischen Herrschaft nicht zuletzt wegen der in dieser Zeit lebenden Fackelträger der Wissenschaft, der Literatur und der Philosophie und ihre bedeutenden Fortschritte aus. Durch ihre Bemühungen und ihre Schaffenskraft trugen diese Männer zur Erneuerung der Kultur und 104 Abū Muslim löste den Aufstand gegen die Umayyaden in Chorasan aus. Cf. Yūsofī: „Abū Moslem Korāsānī“ sowie Moscati: „Abū Muslim“. 105 Zu diesem Anführer eines Aufstandes im Azerbaidschan des frühen 9. Jahrhunderts cf. Yūsofī: „Bābak Korramī“. Eine hochinteressante Analyse der „symbolischen Identität“ von Bābak in der iranischen Geschichtsschreibung ist nachzulesen bei Atabaki: „Iranian History in Transition“. 106 Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 401. 107 Ibid., S. 395. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Fażīlat: „Yoreš-e moġūl“, S. 857–59. 108 Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 404. 109 Ibid., S. 409. 110 Dabīrīnežād: „Ta‌ʾïsīr-e farhang“, S. 569 und 576. 111 Ibid., S. 576.

126

3. kapitel

Zivilisation des iranischen Volkes bei und verbreiteten die iranische Kultur im Herrschaftsbereich der Mongolen, so daß sie zweifellos nicht ohne Einfluß auf die mongolische Gesellschaft blieb.112 Ähnlich äußert sich Esmāʿīl Ḥasanzāde, der den Überfall der Mongolen in kultureller, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht als katastrophales Ereignis ansieht und die Bedeutung der Übernahme der Verwaltung durch iranische Beamte hervorhebt, da die Mongolen keine Kenntnis von diesen Dingen hatten.113 Unter den Mongolen gewann der Handel laut Masʿūd Šarqī an Bedeutung, den diese durch die Sicherung der Handelswege und der Karawanen unterstützten. Zudem wurden diese Wege wie z. B. die Seidenstraße zu Zentren der Begegnung verschiedener Kulturen. Die Angehörigen der chinesischen, iranisch-islamischen, russischen, indischen und europäischer Kulturen trafen dort aufeinander und tauschten sich aus.114 Durch das Eindringen von Iranern am chinesischen Hof während der Regierungszeit von Qūbīlāy Ḫān (reg. 1264–94) kam es zu einer Blüte des Handels insgesamt, vor allem aber der Handelsgeschäfte mit Seide, zur Verbreitung der persischen Sprache und des Islams in China.115 Unter dem Einfluß der beiden großen Zivilisationen von China und Iran, ergänzt Seyyed Ebrāhīm Foyūżāt, wurde eine neue Kultur geschaffen.116 Insgesamt jedoch stellt der Mongolensturm in Iran eine historische und kulturelle Zäsur dar, so Foyūżāt weiter, die zu einer Vermehrung von Unterwürfigkeit, Unaufrichtigkeit und Heuchelei führte und dem Land einen solchen Schaden zufügte, daß dieser auch heute noch in Kette und Einschuß des Lebens der Iraner sichtbar ist. Die Standhaftigkeit der iranischen Nation gegenüber diesem schrecklichen Überfall und den tausend Jahren Fremdherrschaft gehört zu den Wundern des gesellschaftlichen Lebens.117 Zweifellos, so heißt es bei Farīd Qāsemlū, hinterließ der Angriff der Mongolen mit der Zerstörung ganzer Städte, dem Verbrennen von Bibliotheken und dem Töten von Menschen Spuren in der wissenschaftlichen Entwicklung in den nachmongolischen Epochen und führte zu Veränderungen im gesellschaftlichen Leben und in der Forschung. Doch wie jedes andere Phänomen ging auch der mongolische Angriff, der als unerwartete Erscheinung auftrat und die Vernichtung mit sich brachte, wieder zu Ende.118 Iran war nach 112 Ibid., S. 590. 113 Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 436. 114 Šarqī: „Teǧārat“, S. 793–94. 115 Ibid., S. 795. 116 Foyūżāt: „Taḥavvol-e farhangī“, S. 875. 117 Ibid., S. 879–80. 118 Qāsemlū: „Negarešī“, S. 885 und 894.

Historische Erzählungen

127

dem Mongolensturm in kultureller Hinsicht so schwach geworden, daß selbst nach Jahrhunderten die Folgen dieser Schwäche noch nicht beseitigt waren. Der Niedergang (enḥeṭāṭ), der sich hinsichtlich der Architektur und des Städtebaus sowie anderer wesentlicher gesellschaftlicher Bereiche zeigt, erschließt sich auf den ersten Blick.119 Gleichzeitig war der Mongolensturm nicht die einzige Ursache für diese Zerstörung der Fundamente der iranischen Kultur und ihres wissenschaftlichen Milieus. Stattdessen muß man einen Teil der Gründe für diese Zerstörung im Iran vor dem Überfall der Mongolen suchen, selbst wenn der entscheidende Schlag erst durch die Mongolen erfolgte.120 Bereits die Seldschuken hatten durch ihr übles Benehmen gegenüber den Wissenschaften, den Gelehrten und Gebildeten die wissenschaftlichen Fundamente in Iran erheblich geschwächt. Die Mongolen machten diesen Kranken dann völlig kraftlos, und den letzten und endgültigen Schlag versetzte ihm die gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage in Iran nach dem Mongolensturm.121 Eine Wiederbelebung der iranischen Zivilisation wie nach den vergangenen Angriffen war in diesem Fall wegen der innenpolitischen Auseinandersetzungen der mongolischen Herrscher von Iran, der dadurch gegebenen unsicheren politischen und schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht erfolgreich.122 Nach Qāsemlū war der Überfall der Mongolen ein so beängstigender seelischer Schlag für die Iraner, daß er zu einer Veränderung ihrer Denkweisen und Überzeugungen führte und sie eine Neigung zur Innerlichkeit entwickelten. Eine Zahl von Rechtsgelehrten deutete den Mongolensturm als Gottes Strafe für Unglauben und Vielgötterei. In der Folge nahm die Bedeutung des Sufitums zu, es entstanden viele Konvente, die Menschen zogen sich vor der Welt zurück, es kam zu einer nationalen Erniedrigung (taḥqīr-e mellī) und zur Etablierung einer neuen anstelle der traditionellen Herrscherklasse.123 Vom Niedergang der Sasaniden bis in die Gegenwart wurde Iran Nūrollāh Kasāyī zufolge so viele Male von inneren und äußeren Aggressoren unterworfen, daß es die Einsicht in die eigenen Angelegenheiten aus der Hand gab und eine Zeit der Demütigung verbrachte, bis sich die chaotischen Zustände allmählich beruhigten. Die Herrschaft der Araber wurde von den Iranern deshalb akzeptiert, weil sie die Überbringer des Islams, die Verkünder von Brüderlichkeit, Gleichheit und Gerechtigkeit waren. Dem Islam waren sie sehr 119 120 121 122 123

Ibid., S. 891. Ibid., S. 892. Ibid., S. 893. Ibid., S. 894–95. Ibid., S. 898–99.

128

3. kapitel

gewogen, doch waren sie nicht einverstanden mit der Herrschaft derjenigen Araber (tāzīyān), die arrogant (ḫvod-kāme) und rassistisch (nežād-gerāyān) waren. Den Seldschuken gelang es, sich dauerhaft in Iran niederzulassen, weil sie einerseits die Wächter des Kalifats und Beschützer der Anhänger der sunnitischen Rechtsschulen waren, die die Mehrheit in Iran bildeten, und andererseits iranische Sekretäre und Wesire mit der Verwaltung ihres Reiches betrauten.124 Im Falle der Mongolen stellt sich die Lage anders dar, denn diese waren keine Muslime, sondern Ungläubige raubgierigen Charakters (derande-ḫū), rachsüchtig (kīne-ǧū) und blutrünstig. Sie griffen Gesellschaften an, die geschwächt waren durch die Pflege ihres ererbten Wohlstands, durch Meinungsverschiedenheiten und die Kämpfe verschiedener Sekten (  ferqe) untereinander sowie dadurch, daß sie vielfach in Verderbtheit und Korruption, Lasterhaftigkeit und Unzucht versanken. Von den abergläubischen und in Unwissenheit verharrenden Untertanen und den treulosen und lasterhaften Würdenträgern konnte weder eine Hoffnung auf die Einheit der Nation (vaḥdat-e mellat) noch auf das Bemühen des Staates ausgehen. Die Zustände waren so verheerend, daß einige glaubten, Čengīz Ḫān sei ein Zeichen göttlichen Zorns.125 Eine der wesentlichen Ursachen für die Vernichtung so vieler großer Städte durch die Mongolen ist in der Feindschaft der Anführer der Rechtsschulen und der geheimen Verbindung einer dieser Gruppen zu den Mongolen zu suchen, die für die Kapitulation oder die Öffnung der Stadttore sorgten. Erst nach den Verwüstungen des Mongolensturms beruhigte sich der sektiererische Fanatismus, da der alltägliche Überlebenskampf vorrangig wurde.126 In Iran und anderen islamischen Regionen hatten die Menschen lange vor dem Mongolensturm alle tieferen Gedanken, die Einheit von Religion und Volk aufgegeben. Sie waren oberflächlich, dumm und in sich gespalten, während ihre Herrscher sich durch Inkompetenz auszeichneten. Diese Situation ebnete den Mongolen den Weg und führte zur bedingungslosen Kapitulation aller Ortschaften.127 Parvīz Alborz spricht ebenso wie Ṣafā von einem Faden bzw. einer Kette des kulturellen Bündnisses (rešte-ye peivand-e farhang) aus der abbasidischen Zeit, die diesem Autor zufolge allerdings trotz des Sieges der kulturlosen Nomaden und dummen Gewalttäter, trotz des Gemetzels und der ungeheuren Katastrophe der mongolischen Invasion nicht riß. Die große iranische 124 Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 955–56. Zu den gesellschaftlichen Verwerfungen in Iran nach der Ankunft der Araber cf. ibid., S. 959–60. 125 Ibid., S. 957–58. 126 Ibid., S. 967–69. 127 Ibid., S. 995.

Historische Erzählungen

129

Idee (andīše-ye boland-e Īrān) dauerte an, auch wenn moralische Verderbtheit, Diebstahl, Bestechlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber Gelehrsamkeit, Edelsinn und Weisheit die Oberhand gewannen.128 Diejenigen stolzen Iraner, die sich hatten retten können,129 erhoben sich an ihren Zufluchtsorten zum Kampf für die Fortdauer der Unabhängigkeit ihres nationalen Lebens und waren bestrebt, ihre Kultur und die Wiederbelebung ihrer Poesie und Literatur zu schützen.130 Schließlich gelang es dem Iranischen (īrānī) mit seiner glanzvollen Kultur und Vergangenheit, das Empfinden der mongolischen Unterdrücker zu wecken. Auf die gleiche Art und Weise wie es in der Vergangenheit bereits die erobernden Völker der Turaner, Griechen, Araber (tāzī) und Türken zu seiner tiefen, reinen und farbenprächtigen Kultur gezogen hatte, besiegte das Iranische nun das wilde Volk der Tataren durch seine Religion und seine Bräuche.131 Laut Esfandyār Āhanǧīde konnten die persische Literatur, die reiche Kultur und Religion Irans den unzivilisierten Nomaden Widerstand leisten. Dennoch finden sich Spuren der Mongolen in der Kultur, Literatur und Dichtung und bis zu einem gewissen Maße auch im Wortschatz der persischen Sprache.132 Ebenso wie Bayānī133 verwendet er die Metapher vom Phönix aus der Asche: Welches Mysterium verbirgt sich hinter der Geschichte dieser Region, die mehrere Male am Abgrund der Nichtexistenz gestanden hat? Viele Ereignisse in Iran stehen für die Vernichtung einer leistungsfähigen Zivilisation, dennoch hat diese alte Region tausende Male Invasionen, Überfälle und Angriffe verschiedener Völker erduldet. Jedes Mal schien es, als würde ihr Name nicht erhalten bleiben. Doch wie der Phönix aus der Asche (qoqnūs az ḫākestar) erhebt sich Iran abermals in größere Höhe, hartnäckiger und dauerhafter als je zuvor, steht aufrecht und setzt sein Leben fort.134 Unter den Künsten des Orients, so Manṣūre ïSābetzāde, ist die iranische Kunst vortrefflich, welche das alte iranische Volk (qoum-e kohan-e īrānī) mit 128 Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 84–86. 129 Der Autor legt eine Namensliste der von den Mongolen getöteten Dichter vor (S. 84). 4000 Gelehrte seien allein im Irak getötet worden. Ibid. 130 Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 86. 131 Ibid., S. 86–87. 132 Āhanǧīde: „Degargūnīhā“, S. 55. 133 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 356–57. 134 Āhanǧīde: „Degargūnīhā“, S. 53. Die richtige Schreibweise müßte lauten qqns, das als „qaqnos“, nach Alavi noch als „qoqnos“ zu vokalisieren wäre.

130

3. kapitel

beispielloser Umsicht und Ausdauer geschaffen und der menschlichen Zivilisation dargeboten hat. Dabei ließen sich die Iraner von vielen alten Völkern der Zivilisationen Mesopotamiens, Aschurs, Ägyptens, Chinas, Roms usw. inspirieren.135 Die beständige Festung der iranischen Kunst hat sich als die häufigste Form des Widerstandes gezeigt, der dauerhaft gegen die Angriffe durch Fremde und den grausamen Überfall der Mongolen wirkte. Dadurch, daß sie herrliche Werke schufen und ihr künstlerisches Erbe wie ihre Traditionen bewahrten, zeichneten die Iraner das hervorragendste Porträt ihres Widerstandes.136 Während der Mongolenzeit traten in der iranischen Malerei Veränderungen auf, die jedoch keinesfalls unter dem Einfluß nichtiranischer Malerei entstanden, da die iranische Form aus sich selbst schöpfte. Insofern war der mongolische Einfluß auf die iranische Kunst nur äußerlich bedingt und beschränkte sich auf Dinge wie die Kleidung und Kopfbedeckung der abgebildeten Menschen.137 Eine starke künstlerische Festung trat dem räuberischen Überfall der Mongolen entgegen,138 und „immer hat eine innere Kraft (nīrūʾī darūnī) unsere Kunst geschützt und die iranische Kultur vor der Zerstörung und dem Verschwinden bewahrt.“139 Nachdem sich die Mongolen in Iran niedergelassen hatten, beschränkte sich ihre Förderung der bildenden Kunst Sūdābe Meʿmārzāde zufolge zuerst auf die Stickerei für ihre Zelte. Erst als mit Aḥmad Tegūdār (reg. 1282–84) ein muslimischer Ilchan an die Macht kam, wurde das Eindringen von zentralasiatischer und chinesischer Kunst befördert. Während der Zeit der monglischen Herrschaft wurde die Miniaturmalerei in Iran einer grundlegenden Veränderung unterzogen. Einen wesentlichen Beitrag zur Erarbeitung neuer Stile und Ideen leistete dabei die von Rašīd od-Dīn in Tabrīz gegründete Schule. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Veränderungen um solche lokaler Art, die ihren Ursprung in der vormongolischen Zeit hatten. Als Zeitpunkt für diese Veränderungen kommt am ehesten das Jahr 1370 infrage. In jedem Fall jedoch begann die neue iranische Malkunst während der Herrschaftszeit der Ilchane, genauer gesagt während der Regierungszeit von Abū Saʿīd (reg. 1316–1324), Gestalt anzunehmen.140 Da sich keine der bekannten illustrierten Manuskripte wie das Schahname der Zeit vor dem 14. Jahrhundert zuordnen lassen, muß man davon ausgehen, daß das Interesse an der Illustrierung von Epen 135 136 137 138 139 140

Sābetzāde: „Dež-e honar“, S. 381. Ibid., S. 382. Ibid., S. 384. Ibid., S. 394. Ibid., S. 382. Meʿmārzāde: „Taṣvīr-sāzī“, S. 1120–21.

Historische Erzählungen

131

der Epoche der Ilchane entstammt oder zumindest eine starke Verbreitung in diesem Jahrhundert erfuhr. Viele Aristokraten hatten ein Interesse an den Helden der alten Sagen, daher unterstützten sie die Abschrift und Illustrierung von Epen. Außerdem waren sowohl die Wiederentdeckung der alten epischen Traditionen der Sogdier141 als auch die zunehmende gesellschaftliche Sicherheit und Festigung jener Zeit für die genannte Entwicklung hilfreich. Doch das entscheidende Argument sind wahrscheinlich die Aktivitäten, die unter dem Schutz und durch die Ermutigung von Ġāzān Ḫān Gestalt annahmen, wie die Errichtung des Tabrīzer Stadtviertels Rabʿ-e Rašīdī und die Aufzeichnung der vergangenen Taten, Sitten und Bräuche der Mongolen.142 In keiner historischen Epoche Irans, so Ḥosein Mīr Ǧaʿfārī, war die Kunst der Geschichtsschreibung so hoch entwickelt wie in der ilchanidischen und nie erreichten ihre Werke die Größe und Bedeutung der Geschichtswerke jener Zeit. Neben Rašid od-Dīn und Vaṣṣāf (st. 1323)143 zählt ʿAṭā Malek Ǧoveinī zu den bedeutendsten Geschichtsschreibern, doch ist sein Tārīḫ-e ǧahān-gošā die wichtigste Quelle für die Mongolen und die damaligen Ereignisse.144 Neben den Eindrücken, die er auf seinen Reisen an den Hof des Großkhans sammelte, flossen auch Informationen über Čengīz Ḫān und seine Nachfolger in eines der bedeutendsten historischen und literarischen Werke ein.145 Rasūl Ǧaʿfarīyān stellt in seiner Monographie als eine der wesentlichsten Folgen der mongolischen Epoche heraus, daß in dieser Zeit die Bezeichnung Īrān oder besser gesagt Īrān-zamīn erneut auflebte und in offiziellen Schriftzeugnissen verwendet wurde.146 Da der Herrschaftsbereich der Ilchane (ūlūs) mit der Hauptstadt Tabrīz einen eigenen Namen mit historischen Wurzeln benötigte, fiel unter Beteiligung der Iraner am Hof die Wahl auf Īrān bzw. Īrān-zamīn. Zum ersten Mal seit dem Ende der Sasaniden wurde dieser Name wieder verwendet, dessen Gegenpart Tūrān ebenfalls erneut ins Leben gerufen wurde und den ūlūs des Ǧaġatāy bezeichnete. Natürlich kam der Name Īrān im Schahname und einigen geographischen Werken vor, allerdings nur als historische Vorstellung von Iran in der Sasanidenzeit, denn in den ersten Jahrhunderten der islamischen Epoche existierte kein Land namens 141 Zur iranischsprachigen Region Sogdien in Zentralasien cf. Vaissière: „Sogdiana iii. History and Archeology“. 142 Meʿmārzāde: „Taṣvīr-sāzī“, S. 1122–25. Die Verfasserin beruft sich u. a. auf Oleg Grabar. Zum Rabʿ-e Rašīdī cf. Khafipour: „Hospital“. 143 Zu diesem bedeutenden Geschichtsschreiber der Mongolenzeit cf. Jackson: „Waṣṣāf“. 144 Mīr Ǧaʿfarī: „ʿĀlāʾ od-Dīn“, S. 1259. 145 Ibid., S. 1266. 146 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 11.

132

3. kapitel

Īrān. Als dann Rašīd od-Dīn und Ḥamdollāh Mostoufī147 in ihren Werken von Īrān schrieben, meinten sie damit jenes Land, das als Īrān politisch unabhängig war. Sein Gebiet reichte vom arabischen Irak bis nach Herat und von Gīlān bis an den Persischen Golf. Dieses Īrān war nicht kleiner als dasjenige der Sasaniden. Man kann deshalb schlußfolgern, daß zum ersten Mal seit den Sasaniden unter den Ilchanen die Unabhängigkeit Irans Gestalt annahm – ein Erbe, welches die Safaviden später übernahmen.148 Die hundert Jahre vom Angriff auf Iran bis zum Ende der mongolischen Herrschaft stellten laut Ǧaʿfarīyān eine Periode der historischen Unterbrechung zwischen dem islamischen Iran der vor- und der nachmongolischen Zeit dar. Da die kulturelle und religiöse Standhaftigkeit der islamischen Welt jener Zeit wesentlich stärker war als die politische, war diese das bedeutendste Werkzeug des Bündnisses und der Verbindung der Menschen zwischen diesen beiden Epochen. Trotz der Härten, die die islamische Welt vor allem im Osten trafen, wurden die kulturellen Beziehungen der Zeit vor und nach den Mongolen nicht völlig voneinander getrennt.149 Für einen muslimischen Iraner ist es daher wichtig, daß er mit Augenmerk auf den historischen Dimensionen dieser Entwicklungen die gesellschaftlichen und kulturellen Werke kennt und sie sich zum Vorbild nimmt. Obwohl die Mongolen hinsichtlich ihres Landes und ihrer Rasse (nežād) keine Beziehungen zur iranischen Geschichte hatten, kann die Kenntnis ihrer Geschichte und der Besonderheiten ihres Volkes (qoum) von dem Moment an, als sie als solches erwähnt werden und die östlichen Teile der islamischen Welt erobern, durchaus nützlich sein.150 Es ist wahr, so Ǧaʿfarīyān weiter, daß der Angriff der Mongolen schwerwiegende Folgen für den Islam und die Muslime hatte. Doch muß man auch beachten, daß dieser Angriff der Grund für die Auswanderung zahlreicher Muslime in den Westen Chinas und sogar in die Mongolei war. Dadurch wurde der Islam in diesen Gegenden verbreitet. Bis heute stehen die Uiguren in China unter dem Einfluß des Islams und der persischen Sprache. Obwohl die große Macht der Muslime zu Gereiztheit bei Christen und Buddhisten führte, hinderten diese Macht ebenso wie die kulturelle Überlegenheit der Muslime sie daran, den Khan gegen die Muslime einzunehmen.151 Durch die Zerstörungen der Mongolen vor allem in Transoxanien und Chorasan gingen nicht nur die Bewässerungsanlagen verloren, sondern es wurden Bücher vernichtet, viele 147 Zu diesem Historiker und Geographen der Ilchanzeit cf. Melville: „Ḥamd-Allāh Mostawfi“. 148 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 124. 149 Ibid., S. 15. 150 Ibid., S. 16. 151 Ibid., S. 37–38.

Historische Erzählungen

133

Gelehrte flohen gen Westen und die religiösen Wissenschaften verschwanden aus dem Osten. Der Zusammenbruch der Wirtschaft tat ein übriges zur Schwächung des Gelehrtendaseins. Auch unter den Ilchanen konnte nur ein Teil der religiösen Wissenschaften zu neuem Leben erweckt werden, so daß bis auf die Sufiliteratur nur in Ägypten und Syrien noch wertvolle religiöse Werke entstanden.152 Gleichzeitig fanden viele iranische Gelehrte Zuflucht außerhalb des mongolischen Einflußbereiches, wo sie Ruhe für ihr literarisches Schaffen hatten. Auch in Iran selbst kehrte unter den Ilchanen eine neue Generation von Gelehrten tatkräftig auf die Bühne zurück und brachte bedeutende kulturelle Erzeugnisse hervor.153 Die Hinwendung vieler Menschen zum Sufitum und dessen zunehmende Bedeutung nach dem Mongolensturm sieht Ǧaʿfarīyān kritisch. In den Derwischkonventen suchten die Menschen Zuflucht vor den Mongolen, sie wollten dort dem Tod entgehen und geistigen Beistand finden. Die andere Seite der Medaille ist, daß diese starke Hinwendung zur Mystik negative Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung hatte. So stehen Weltflucht, Entsagung, Enthaltsamkeit und Frömmigkeit im Gegensatz zu gesellschaftlicher Verantwortung. Auch der unter den Sufis verbreitete Fatalismus schwächte die Übernahme jener Verantwortung. Darüber hinaus halten die Sufis das Studium an einer Medrese für falsch, denn sie erkennen nur den Weg auf der Suche nach Wahrheit an und konzentrieren sich auf das Verborgene. Aus diesem Grund nahmen die Derwischkonvente die Stelle der Medresen ein, und an die Stelle von Predigt, Freitagsgebet und rituellem Gebet traten Versammlungen mit Gesang, Gerede und dem Vortrag von Gedichten.154 Wie einige andere Autoren ist Dādfar davon überzeugt, daß die Iraner letztlich die endgültigen Sieger (  fāteḥān-e nehāʼī) waren, denn es dauerte nicht lange, bis die wilden Mongolen und ihre Führer unter den Einfluß der iranischen und islamischen Kultur gerieten und deren Reizen erlagen. Mit großem Eifer bemühten sich die Iraner um die Wahrung ihrer Identität (hovīyat) und darum, den Aggressor zu unterwerfen. So gelang es ihnen nicht nur, bis in die mongolischen Machtzentren vorzudringen, sondern auch die persische Schrift und Sprache (ḫaṭṭ-o zabān-e fārsī) im gesamten Herrschaftsgebiet der Mongolen zu verbreiten. Durch seine überlegene Kultur und Zivilisation

152 Ibid., S. 48–50. 153 Ibid., S. 67. 154 Ibid., S. 131–33. Nach Bayānī ersetzte die Mystik die Philosophie in den Medresen und übte einen starken Einfluß auf die Dichtkunst aus. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 656.

134

3. kapitel

verwandelte ein Volk, das bezwungen zu sein schien, seine Niederlage in einen Sieg.155 2

Čengīz Ḫān (1155/56–1227) – großer Feldherr und grausamer Eroberer

Eqbāl charakterisiert Čengīz Ḫān als entschlossenen und willensstarken (bā ʿazm-o erāde), sehr klugen (besyār ʿāqel) und geschickten (modabber) Mann. Stets war er beherrscht und gab niemals auf, bis er sein Ziel erreicht hatte. Vor unangenehmen Ereignissen schreckte er nicht zurück, und allen Begebenheiten begegnete er mit Gelassenheit (ḫūn-sardī) und Ruhe.156 Ähnliche Eigenschaften schreibt auch Dastġeib dem Mongolenherrscher zu, den er als einen der großen Krieger der Welt bezeichnet. Čengīz Ḫān stach durch Gewandheit, Geschicklichkeit und Mut hervor. Er war listig (ḥīle-gar) und entschieden,157 verfügte über Entschlußkraft, starken Willen und Vernunft,158 war kühn (dalīr) und weitblickend (dūr-andīš).159 Abgesehen davon, daß er ein fähiger Heerführer war, zeichnete sich Čengīz Ḫān als ebenso guter Politiker aus, der nicht nur ein großes Reich errichtete, sondern diesem auch eine politische Ordnung gab.160 Zweifellos, so Morteżā Rāvandī, war Čengīz Ḫān ein kluger, vernünftiger und geschickter Mann, doch habe Gerechtigkeit keinesfalls zu seinen Eigenschaften gezählt.161 Durch seine Strategie der Tötung vieler Menschen, die zum Widerstand in der Lage waren, wollte Čengīz Ḫān diesen Widerstand brechen und die unterworfenen Völker einschüchtern und schwächen. Zudem sollten sie davon abgehalten werden, Aufstände gegen die mongolischen Sieger zu wagen.162 Da Čengīz Ḫān an keine Religion (dīn) und keine Nation (mellat) glaubte, so Eqbāl, waren ihm Fanatismus (taʿaṣṣob) und die Bevorzugung einer Nation

155 Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 81–82. Ähnlich formuliert es auch Qadyānī: Tārīḫ, S. 11–12. 156 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 70. 157 Dastġeib: Hoǧūm, S. 110. 158 Ibid., S. 114. 159 Ibid., S. 121. 160 Ibid., S. 117. Salmāsīzāde spricht dem Mongolenherrscher hervorragende Eigenschaften zu, zu denen ein scharfer Verstand, Weisheit (hūšmandī), Einsicht (āgāhī), Wachsamkeit (bīdārī), Mut (šoǧāʿat-o delāvarī) und Scharfsichtigkeit (tīz-bīnī) gehörten. Salmāsīzāde: „Homā-ye eqbāl“, S. 730. 161 Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 287–88. 162 Ibid., S. 294.

Historische Erzählungen

135

gegenüber einer anderen fremd.163 Er hielt sich laut Bayānī aus allen religiösen, nationalen und sonstigen Fanatismen heraus und sah alle Völker und Religionen als eins an.164 Dies sieht Dastġeib genauso, der Čengīz Ḫāns Reich ein harmonisches Zusammenspiel verschiedenster militärischer, politischer und administrativer Erfahrungen durch die Wesire, Sekretäre und Heerführer aus 20 Nationen attestiert. Alle Religionen hatten in seinem Reich ihre Freiheit, worin ein wichtiger Grund für Čengīz Ḫāns Erfolg lag.165 Gleichzeitig zitiert Eqbāl jedoch auch andere Charaktereigenschaften des mongolischen Khans: Čengīz Ḫān war einer der grausamsten (ḫūn-ḫvārtarīn) und unbarmherzigsten (bī-raḥmattarīn) Welteroberer, die es in der Geschichte gab. Ein derartiges Ausmaß an Not und Elend, wie es seine Eroberungen verursachten, war auch darauf zurückzuführen, daß der Mongolenherrscher sehr rachsüchtig (kīne-keš) und grausam (saḫt-keš) war. Das Töten der Einwohner einer großen Stadt und die Auslöschung einer halben Million Menschen, das Abschlachten von Frauen, Kindern und Kranken auf seinen Fingerzeig hin bereitete ihm keinerlei Probleme. Allerdings, so Eqbāl weiter, wäre es Čengīz Ḫān nicht gelungen, solch riesige Gebiete zu erobern und zu beherrschen, hätte er nicht über das dazu notwendige Geschick, die Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt. Es ist ein Fehler zu glauben, er sei politisch unfähig gewesen und habe ausschließlich aus Liebe zur Eroberung von Ländern und zum Töten von Menschen seine Feldzüge geführt.166 Stattdessen muß man sagen, daß Čengīz ein Eroberer war, der zur Erreichung [seines] Ziels und für eine Politik der Überwindung von Hindernissen auf seinem Weg [dorthin] jedwede Form von Grausamkeit, Elend und Zerstörung ohne den leisesten Zweifel gestattete. Seine Aufmerksamkeit richtete sich ausschließlich auf den Erfolg.167 Bei der widerlichen Tat (ʿamal-e zešt) des Gemetzels, bei dem er nicht zwischen Arm und Reich, Groß und Gering, Frau und Mann, Muslim und Nichtmuslim unterschied, so Eqbāl weiter, wich Čengīz Ḫān nicht vom Wege der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit (ṭarīq-e ʿadālat-o bī-ṭarafī) ab. Im Gegensatz zu einigen seiner Söhne und späteren Eroberern wie Tīmūr und

163 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 445–46. 164 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 111–12. 165 Dastġeib: Hoǧūm, S. 117–18. 166 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 443–444. 167 Ibid., S. 444.

136

3. kapitel

Nāder Šāh Afšār (reg. 1736–47)168 legte er beim Töten von Menschen vollkommene Zurückhaltung und Kaltblütigkeit an den Tag. Niemals ließ er sich unter dem Eindruck von Überlegenheit, Wut oder Zorn zu so abscheulichen Dingen wie dem Herausreißen der Augen von Gefangenen, dem Abtrennen von Ohren und Nasen oder dem Errichten von Schädelpyramiden hinreißen.169 Sofern sich die Herrscher der zu erobernden Gebiete den Mongolen ergaben, setzte Čengīz Ḫān einen Oberbefehlshaber (šaḥne) und einen Statthalter (ḥākem) ein. Zeigten sich die Herrscher eines Gebietes oder die Bewohner einer Stadt allerdings feindselig, so wurden sie und ihre Städte vernichtet.170 Einige zeitgenössische Geschichtsschreiber, die keinen Groll gegen Čengīz Ḫān hegten, charakterisierten ihn daher als gerecht, auch wenn diese Zuschreibung auf den ersten Blick merkwürdig erscheint.171 Akram Bahrāmī widerspricht Eqbāl, auf den sie sich häufig beruft, in ihrem 1971 erschienenen Werk, denn sie hält es angesichts des grausamen Vorgehens des Mongolenherrschers für übertrieben, ihn als einen gerechten Mann (mardī ʿādel) zu bezeichnen.172 Den zeitlichen Abschnitt von Čengīz Ḫāns Einmarsch in Iran bis zu seiner Rückkehr in die Mongolei bezeichnet Mortażavī als eine Epoche des Tötens, der Plünderung, der Zerstörung und des Überfalls.173 Er verweist zudem auf Historiker wie Eqbāl – den er allerdings nicht namentlich erwähnt –, die der Ansicht sind, Čengīz Ḫān habe Grausamkeit, Wildheit und Grobheit mit Fähigkeit, Gerechtigkeit und dem Fehlen von Fanatismus gepaart.174 Trotz seiner Grausamkeit verfügte Čengīz Ḫān auch über ein starkes spirituelles Leben, so Dastġeib. Er war ein Kind seiner Zeit und seines Volkes und hatte nie die Absicht, der Zerstörer der zivilisierten Welt zu sein. Aber das Gerede von Gerechtigkeit ist billig, denn Čengīz Ḫān war nie ohne Groll und persönliches Interesse am Morden und Rauben.175 Panāhī zufolge stehen alle Beispiele, die manche Historiker anführen, um zu beweisen, daß Čengīz Ḫān ein gerechter Herrscher gewesen sei, im Zusammenhang mit grausamer Tötung und fehlender Nachsicht. In Wahrheit entsprach diese Gerechtigkeit (ʿadl), gepaart mit Wahrheitsliebe, Disziplin und Aufrichtigkeit, ausschließlich

168 Zu diesem Herrscher siehe Tucker: „Nāder Shah“. 169 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 444–45. 170 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 91–92. 171 Ibid., S. 71. 172 Bahrāmī: Tārīḫ-e Īrān, S. 860. 173 Mortażavī: Masāʾel, S. 5, 271. 174 Ibid., S. 272. Der Autor beruft sich an dieser Stelle auf d’Ohsson. 175 Dastġeib: Hoǧūm, S. 141.

Historische Erzählungen

137

der eigenen aggressiven Logik der Mongolen.176 Da hinter Čengīz Ḫān eine Gruppe von Personen mit eigenen Beweggründen und Zielen stand, waren all die Eigenschaften, die die Geschichtsschreiber dem Mongolenherrscher selbst zuschrieben, möglicherweise ihre Erfindung und ihrer Phantasie entsprungen.177 Als er in die Mongolei zurückkehrte, hinterließ er ein Meer aus Blut und Leichenberge (daryāʾī az ḫūn-o kūhhāʾī az aǧsād-e košte-šodegān).178 Eqbāl zufolge waren Čengīz Ḫāns grausame Methoden jedoch dieselben, derer sich alle seine Nachbarn bedienten. Die Ermordung der Bevölkerung von Samarkand im Jahre 609hq/1212 n. u. Z. durch ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad Ḫvārazmšāh,179 der Angriff der Heere seines Vaters auf die Einwohner des Irak im Jahre 590hq/1193 n. u. Z. sowie die Tötung der Einwohner von Tiflis und die Plünderung der Stadt durch seinen Sohn Ǧalāl od-Dīn Menkobernī180 im Jahre 623hq/1226 n. u. Z. waren von derselben Art.181 „Hinsichtlich ihrer Abscheulichkeit (šanāʿat) gab es keinen Unterschied zur Form des Mordens und des Betragens (ṭarz-e koštār-o raftār) der Mongolen.“182 Laut Mortażavī gehören die Roheit und die von den Mongolen verübten Grausamkeiten ebenfalls in den Bereich der üblichen Eroberungspolitik und sind nicht in Fanatismus und Rachsucht begründet. Auch verbiete die yāsā Krieg und unsinniges Blutvergießen.183 Hier widerspricht Dastġeib, der die Aussage, man könne nicht alles den Mongolen anlasten und müsse ihre Invasion in eine Reihe mit den Feldzügen des Charesmschahs und anderer stellen, denn die Mongolen hätten die Zerstörungen und das Gemetzel ihrer Vorgänger nur zu Ende gebracht, als Geschichtsfälschung bezeichnet.184 Die Gründe für den Angriff der Mongolen werden auf diese Weise auf den Kopf gestellt, denn ohne auf die Intrigen des abbasidischen Kalifen und andere konkrete historische Ereignisse 176 Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 78–80. 177 Ibid., S. 93. 178 Ibid., S. 200. 179 Zu ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad cf. Bosworth: „ʿAlāʾ-al-Dīn Moḥammad“; zu den Charesmschahs insgesamt cf. Bosworth: „Khwārazm-Shāhs“ und Bosworth: „Khwarazmshahs“. 180 Zur Frage der Etymologie dieses Namens cf. Boyle: „Djalāl al-Dīn Khwārazm-Shāh“ sowie Bosworth: „Jalāl-al-Dīn Kvārazmšāh (I) Mengübirni“. Neben dem historischen Ǧalāl od-Dīn, der nach Bayānī zwar das Kriegshandwerk aber nicht die Staatskunst beherrschte, gab es offensichtlich noch einen idealisierten Ǧalāl od-Dīn, der als Held tapfer gegen den Feind kämpfte. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 121–22. 181 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 71–72. Dies bestätigt auch Ḥoseinī Kāzerūnī: „Čengīz Ḫān“, S. 505. 182 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 72. 183 Mortażavī: Masāʾel, S. 169–70. 184 Dastġeib: Hoǧūm, S. 21–22.

138

3. kapitel

hinzuweisen, wird die Schuld dafür allein den Charesmschahs und den eigenen Vorfahren in jener Zeit gegeben.185 So besteht z. B. der Unterschied von Ǧalāl od-Dīn Menkobernīs Angriff auf Georgien zum mongolischen Einfall darin, daß er ebenso wie die Ghaznawiden und Seldschuken zwar dazu gezwungen war, bei der Ausdehnung seines Territoriums eine Gruppe von Menschen zu töten, doch sobald er eine Gegend beherrschte, zählte deren Bevölkerung zu seinen Untertanen und er machte sich daran, die Region zu kultivieren.186 Laut Eqbāl verglichen einige Historiker Čengīz Ḫān zwar mit Attila dem Hunnen und seine Feldzüge mit einem Sturm (ṭūfān) oder einem reißenden Gebirgsstrom (seil), und hielten den mongolischen Überfall (hoǧūm-e moġūl) für die Auswanderung von Nomaden, doch widerlegen Čengīz Ḫāns Vorbereitungen auf den Angriff auf die Länder des Charesmschahs, seine Vorsicht in militärischen Angelegenheiten, seine Eingliederung von besiegten Militärs, die Nutzung von Beratern, Experten und Wegweisern sowie das Vorrücken seines Heeres anhand korrekter Karten diesen Vergleich.187 Dastġeib stellt hingegen fest, daß Čengīz Ḫān ganz offensichtlich keine präzise Vorstellung von der Größe Irans hatte, denn er war mit Kriegsführung beschäftigt und konnte nichts Genaues über Verwaltung, Politik und Militär eines ihm unbekannten großen Landes wie Iran wissen.188 Allerdings diente die Entsendung von Kaufleuten und Botschaftern dem mongolischen Herrscher zum Nachrichtenerwerb, weshalb er auch Gesandte an den Charesmschah schickte.189 Von der Geographie Transoxaniens hatte er jedoch genaue Kenntnisse.190 Als weitere Gründe für den Erfolg der Mongolen unter Čengīz Ḫān, die diese – im Gegensatz zu den Schwächen der islamischen Herrscher – selbst zu verantworten hatten, führt Eqbāl die Geschicklichkeit (kār-dānī) des Mongolenherrschers, seine Standhaftigkeit (ïsabāt), seine Geduld (ṣabr), seine Gelassenheit oder Kaltblütigkeit (ḫūn-sardī) sowie das Fehlen von Hochmut

185 Ibid., S. 23–24. Abgesehen von Mīnovī (Sīrat Ǧalāl od-Dīn), den er hier zitiert, spricht Dastġeib auch Barthold und Boyle jede wissenschaftliche Grundlage bei ihrer Einschätzung der Gründe für Čengīz Ḫāns Angriff ab. Ibid., S. 25–26. 186 Ibid., S. 142. 187 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 445. Laut Dādfar bereitete Čengīz Ḫān sich auch innerlich auf seinen Feldzug gegen Iran vor, indem er sich mehrere Tage auf die Spitze eines Berges zurückzog, um mit entblößtem Haupt den Himmelsgott um Beistand zu bitten. Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 35–36. 188 Dastġeib: Hoǧūm, S. 159. 189 Ibid., S. 160. 190 Ibid., S. 188.

Historische Erzählungen

139

(ʿadam-e ġorūr) und Anmaßung (naḫvat) an. Seine yāsā191 diente der Ordnung der Mongolen, die sich alle seinem Befehl unterzuordnen hatten. Zwischen Čengīz Ḫān, seinen Söhnen und Heerführern herrschte vollkommene Einmütigkeit, niemand widersprach ihm. Schließlich gehörten seine Soldaten alle einer Rasse (nežād) an, sie verfügten über eine gemeinsame Sprache, teilten Sitten und Gebräuche und waren durch ein gemeinsames Ziel vereint.192 Laut Bahrāmī wurde die yāsā von den Mongolen so sehr verehrt, wie der Koran von den Muslimen.193 Eine ähnliche Bedeutung spricht Ǧaʿfarī-yān der yāsā als einem heiligen Text (matn-e moqaddas) zu, in dem u. a. festgelegt war, daß jedes Volk, das sich den Mongolen unterwarf (īl šavad) von diesen nicht angegriffen wurde.194 3

Die mongolische Invasion unter Čengīz Ḫān (1219–1224) – Sieg und Niederlage

Iranische Historikerinnen und Historiker des hier behandelten Zeitraums gehen häufig der Frage nach, welches die Gründe für die Niederlage der Charesmschahs gegenüber den Mongolen waren, obwohl erstere offenbar über ein wesentlich größeres Aufgebot an Kämpfern verfügten. Eqbāl führt eine ganze Reihe von Gründen für diese Niederlage an:195 Im Heer von ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad Ḫvārazmšāh befanden sich vor allem türkische Söldner, die eher seiner Mutter Torkān Ḫātūn196 gegenüber loyal waren als ihm. Ihr einziges Ziel war das Erringen von Beute. Ohnehin war der große Einfluß der Mutter des Schahs einer der wesentlichen Gründe für die Schwäche seines Reiches.197 Der Schah selbst bedrohte den abbasidischen Kalifen in Bagdad, gegen das er einen Eroberungszug führte. Zudem ließ er den Namen des Kalifen sowohl von den Münzen als auch aus den Freitagsgebeten in seinem Herrschaftsbereich 191 Eine Diskussion über die Frage der Existenz, Entstehung oder Kodifizierung der yāsā kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Stattdessen sei vor allem auf Morgan: Mongols, S. 96–98 verwiesen. 192 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 99–100. 193 Bahrāmī: Tārīḫ-e Īrān, S. 860–61. 194 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 21. Einen solchen heiligen Charakter spricht auch Ṣafā der yāsā zu. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 72. 195 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 93–100. 196 Cf. Bosworth: „Terken Kātun“. 197 Dies sieht auch Bahrāmī so, die die Auseinandersetzungen zwischen Mutter und Sohn neben den Schwächen in Verwaltung und Militär für einen entscheidenden Grund für den Sturz der Charesmschahs hält. Bahrāmī: Tārīḫ-e Īrān, S. 853.

140

3. kapitel

entfernen. Daraufhin wandten sich viele Muslime von ihm ab.198 Darüber hinaus war die Bevölkerung in weiten Gebieten des Reiches mit der Herrschaft des Schahs unzufrieden. Dies war einer der Gründe dafür, daß es beim Angriff der Mongolen zu keiner Einigung der Muslime kam.199 Die schlechte Regierung und Verwaltung taten ein übriges, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu verstärken.200 Sowohl ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad als auch seine Mutter waren berüchtigt für ihre Grausamkeit, die sie alle Gegner und sogar die Einwohner einer ganzen Stadt wie Samarkand töten ließ.201 Abgesehen von der Konkurrenz zwischen Mutter und Sohn herrschte unter den Emiren und Heerführern des charesmischen Reiches Uneinigkeit bis hin zu offenen Feindschaften. Während die einen der Beziehungen zu den Ismailiten202 verdächtigt wurden, boten andere ihre Dienste dem Mongolenherrscher an, um den Schah zu stürzen.203 ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad selbst, so Eqbāl weiter, war ein entscheidungsschwacher Mann, dessen Eroberungszüge gegen die Qarāḫiṭāy204 in Transoxanien letztlich nicht in seinem Interesse lagen.205 Ein erstes Gefecht mit einer von Čengīz Ḫāns Sohn Ǧūǧī geführten mongolischen Einheit, aus dem der Schah siegreich hervorging, löste in ihm große Angst vor der Kriegskunst der Mongolen aus. Aus diesem Grund wollte er ihnen auf keinen Fall noch einmal direkt begegnen. Auf seine Soldaten und die Bevölkerung insgesamt hatten seine Furcht und seine Flucht eine verheerende Wirkung, so daß die Disziplin der Armee ebenso wie die Bereitschaft zur Verteidigung in der Bevölkerung zerbrachen.206 Als Grund für die erste mongolische Invasion auf die iranische Hochebene nennt Eqbāl die Ermordung einer Gruppe von 450 bis 500 mongolischen Kaufleuten, die nach Abschluß eines Friedensvertrages zwischen Čengīz 198 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 93. 199 Ibid., S. 96–97. 200 Ibid., S. 97. 201 Ibid., S. 93–94. 202 Zur Einführung cf. Madelung: „Ismāʿīliyya“, vor allem den Abschnitt zur Nizāriyya in Iran sowie Nanji: „Nizāriyya“; siehe auch Daftary: „Ismaʿilisims iii. Ismaʿili history“. Grundlegend für die Mongolenzeit ist außerdem Hodgson: „Ismāʿīlī State“. 203 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 95. 204 Zu diesem zentralasiatischen Volk, welches auch als „Kitai“ bekannt ist, cf. Bosworth: „Ḳarā-khiṭāy“. 205 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 95–96. 206 Ibid., S. 97. Ṣafā bemerkt hierzu, daß beim Angriff der Mongolen dasselbe geschah wie bei der Invasion der Araber, da in beiden Fällen der Oberbefehlshaber von Iran vor den Nomaden geflohen sei, ohne Widerstand zu leisten. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 8.

Historische Erzählungen

141

Ḫān und ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad Ḫvārazmšāh aus dem Herrschaftsgebiet der Mongolen nach Otrār in Transoxanien gekommen waren. Ġāyer Ḫān, der Emir von Otrār, dem ersten Ort auf charesmischem Boden, der die Waren der Kaufleute begehrte, erklärte dem Schah, es handele sich bei ihnen um Spione und ließ alle bis auf einen töten.207 Diesem einen gelang die Flucht, und er überbrachte Čengīz Ḫān die Nachricht von diesem schrecklichen Ereignis (vāqeʿe-ye hāyele). Auf Čengīz Ḫāns Forderung, ihm den Emir auszuliefern, ging der Charesmschah nicht ein, da es sich bei jenem um einen Verwandten seiner Mutter handelte und seine eigenen Soldaten demselben Volk entstammten. Obendrein ließ er den Gesandten des Mongolenherrschers töten und rief mit dieser dummen Tat (ḥarakat-e safīhāne) dessen Zorn hervor. Dadurch, so Eqbāl, „löste er den reißenden Gebirgsstrom (seil) des Mongolenangriffs (hoǧūm-e moġūl) in Richtung der besiedelten islamischen Länder aus“.208 Doch blieb der Charesmschah nicht der einzige Herrscher, dem Fehlverhalten angesichts der nahenden Mongolen unterstellt werden muß. Auch der habgierige und wollüstige Kalif von Bagdad an-Nāṣir li-Dīn illāh (reg. 1180–1225) war verantwortlich für die Schwäche der islamischen Länder und deren Spaltung.209 Schließlich wendet sich Eqbāl der Bevölkerung des charesmischen Reiches zu, die sich tapfer gegen die Mongolen verteidigte: „Die Selbstlosigkeit, Tapferkeit und Aufopferung, die sie angesichts dieses gewaltigen Ereignisses an den Tag legte, sind ein Zeichen für ihre außerordentliche Energie und ihren Edelmut.“210 Doch verhinderten die Feindschaft unter den militärischen und zivilen Führern, der häufige Verrat der türkischen Soldaten und das Fehlen einer guten Führung sowie die Flucht des Schahs den Erfolg dieser mutigen Verteidigung. Eqbāl führt auch einige Beispiele für die Verteidigung einzelner Städte an. Der Widerstand und die Tapferkeit der Bevölkerung (mardom) von Charesm, Nīšābūr, Herat und anderer Orte zeigte ihre Kampfeslust (rūḥ-e selaḥ-šūrī) und ihren Eifer (ġeirat), die stärker waren als die Tapferkeit und Standhaftigkeit der angreifenden Mongolen. Dennoch siegten diese aufgrund ihres systematischen Vorgehens und der vernünftigen Überlegungen ihres Khans, während auf seiten des Charesmschahs Disziplinlosigkeit und die Zerstörung der Grundlagen des Staates zu dessen Niedergang führten.211

207 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 416–17. 208 Ibid., S. 417. In fast identischen Worten beschreibt Momtaḥen die Ereignisse. Momtaḥen: „Naqš“, S. 1193. 209 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 98. 210 Ibid., S. 99. 211 Ibid., S. 99.

142

3. kapitel

Den wesentlichen Grund für den grausamen Angriff (ḥamle-ye vaḥšīyāne) der Mongolen auf Iran sieht Rāvandī in der irrsinnigen Handlungsweise (aqdām-e ǧonūn-āmīz) des Charesmschahs. Nachdem sein Statthalter in Otrār, der nach den Waren der mongolischen Kaufleute gierte, diese hatte töten lassen, obwohl der Schah ihn nur beauftragt hatte zu beobachten, ob es sich bei ihnen tatsächlich um Spione handeln könnte, hätte er ihn an Čengīz Ḫān ausliefern sollen. Stattdessen nahm er Rücksicht darauf, daß Ġāyer Ḫān sowohl seiner eigenen Mutter als auch einem Großteil der führenden Militärs im Land nahestand, und ließ die Boten des Mongolenherrschers töten.212 Zwar waren die angreifenden mongolischen Heere denjenigen des Schahs zahlenmäßig unterlegen, doch verfügte letzterer weder über Unterstützung in der Bevölkerung noch des Kalifen von Bagdad, der Čengīz Ḫān dazu ermunterte, den Schah anzugreifen.213 Ġolām Reżā Enṣāfpūr hat eine Reihe von Erklärungen, warum es den Mongolen so schnell gelang, Iran zu erobern. ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad Ḫvārazmšāh gab sich Ausschweifungen mit Alkohol und Frauen hin, während in seinem Herrschaftsgebiet gleichzeitig ein heftiger Kampf sowohl zwischen Schiiten und Sunniten als auch zwischen den Anhängern der verschiedenen sunnitischen Rechtsschulen sowie der Ismailiten gegen den Staat und die Feudalherren tobte. Sowohl bei Feldzügen in Iran im 5. Jahrhundert der Hidschra, als auch während der Feldzüge des Charesmschahs gegen die Qarāḫiṭāy kam es zu unmenschlichen Grausamkeiten.214 Wie zur Zeit der Sasaniden, als protestierende Menschenmassen nach Arabien gingen und mit den Arabern unter Führung von Salmān-e Fārsī215 zurückkehrten, waren die Zustände in Iran unter den Charesmschahs so schlimm, daß sie diesmal in den fernen Osten gingen und mit den Mongolen unter der Führung von Maḥmūd Yalavāǧ216 zurückkamen.217 Abgesehen davon, daß das mißliche Verhalten von Ġāyer Ḫān und des Charesmschahs die Ursache dafür war, daß die Barriere zu Gog und Magog 212 Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 285. 213 Ibid., S. 286. 214 Enṣāfpūr: Sāḫt-e doulat, S. 674–76 und S. 680. 215 Cf. Levi della Vida: „Salmān al-Fārisī“. 216 Cf. Bosworth: „Maḥmūd Yalawač“. 217 Enṣāfpūr: Sāḫt-e doulat, S. 687. Momtaḥen hält Maḥmūd Yalavāǧ und seinen Sohn Masʿūd für zwei der bedeutendsten muslimischen Berater der mongolischen Großkhane, die durch ihr diplomatisches Geschick mancherorts das Töten und die Zerstörung durch die Mongolen unter Čengīz Ḫān verhindern konnten und sich anschließend an den Wiederaufbau machten. Momtaḥen: „Naqš“, S. 1187–88.

Historische Erzählungen

143

(ya‌ʾǧūǧ-o ma‌ʾǧūǧ) brach,218 hält Mortażavī die Uneinigkeit der islamischen Länder und Regierungen für eine der wesentlichen Ursachen ihrer Niederlage gegenüber den Mongolen. Zu den diese Uneinigkeit befördernden Konflikten gehören die Feindschaft des abbasidischen Kalifen von Bagdad und des Charesmschahs; die fehlende Einigkeit der Herrscher von Rūm, Bagdad und Charesm hinsichtlich der gegen die Mongolen zu ergreifenden Maßnahmen; innenpolitische Auseinandersetzungen im mamlukischen Herrschaftsgebiet, bei den Rumseldschuken und am Hofe des Kalifen sowie schließlich die schiitisch-sunnitischen Konflikte und vor allem die Feindseligkeiten der Sunniten gegenüber den Schiiten.219 In einer Zeit, in der die Schiiten von den Sunniten als Anhänger der Ismailiten, als Ketzer und Ungläubige verleumdet und unterdrückt wurden, griffen die Mongolen Iran an.220 Sie zerschlugen das abbasidische Kalifat und beraubten die Angehörigen der Mehrheitskonfession (maẕhab-e akïsarīyat) ihrer Unterstützung durch den Staat. Aufgrund der mit der mongolischen Herrschaft einhergehenden Veränderungen der soziopolitischen Bedingungen wurde eine den gesellschaftlichen Bestrebungen in Iran förderliche Grundlage bereitet. Zwar wurden die Ismailiten zu Opfern der Mongolen, doch gelang es ihren schiitischen Brüdern, die große historische Umwälzung, die sich durch die Aufhebung der politischen und gesellschaftlichen Traditionen in der islamischen Welt ergaben, für sich zu nutzen.221 Dennoch dauerten die Konflikte auch während der Herrschaft der Ilchane an, als die unbedingte Herrschaft der sunnitischen Rechtsschulen ins Wanken geriet und die Schiiten dem Wunsch und dem Bedürfnis der iranischen Gesellschaft entsprechend ihre Existenz erklärten. Diese Streitigkeiten, zu denen neben Verdächtigungen auch die Erklärung zum Ungläubigen (takfīr) von Schiiten durch Sunniten gehörte, ebenso wie die Auseinandersetzungen unter den vier sunnitischen Rechtsschulen, erleichterten den Mongolen ihre Herrschaft und die Festigung ihres Staates.222 Nach den Worten von Panāhī war ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad ein mutiger und kriegerischer Mann, der sein Reich dank seines Kampfgeistes und seiner 218 Mortażavī: Masāʾel, S. 71. In Europa wurden die Mongolen mit Gog und Magog, „the barbarous nations who, according to the Book of Revelation, would overrun the civilised world at the end of time“ verglichen. Jackson: State of Research, S. 209. Auch muslimische Autoren wie Ibn al-Aṯīr bemühten offenbar diesen Vergleich. Morgan: Mongols, S. 17. Für eine ausführlichere Beschreibung siehe Donzel&Ott: „Yādjūdj wa-Mādjūdj“. 219 Mortażavī: Masāʾel, S. 147–56. 220 Ibid., S. 157–58. 221 Ibid., S. 158–59. 222 Ibid., S. 159–60. Cf. ibid. auch S. 160–64.

144

3. kapitel

militärischen Begabung erheblich vergrößert hatte. Doch anstatt den Mongolen beharrlich Widerstand zu leisten und sein Land zu verteidigen, verlor er auf erstaunliche Weise sein seelisches Gleichgewicht und floh von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf.223 Gleichzeitig verbreitete er Angst und Schrecken vor den Mongolen unter der Bevölkerung, die sich auf den Widerstand vorbereitet hatte, und lehrte sie das Fürchten vor deren Wildheit.224 Dennoch zeigen der Widerstand einiger lokaler Statthalter und die Tapferkeit und der Mut der Bevölkerung vieler Städte, daß es einen Geist der Kampfeslust und des Enthusiasmus im Volk gab – eine solche Kampfeslust und Standhaftigkeit kannte man selbst von den angreifenden und siegreichen mongolischen Soldaten nicht.225 Die Gründe für die Niederlage Irans, so Panāhī weiter, sind vor allem darin zu sehen, daß der Schah durch seine ununterbrochenen und ziellosen Kriegszüge große Unzufriedenheit unter der Bevölkerung hervorrief.226 Seine Regierung war innerlich zerrüttet, die Ordnung seines zahlenmäßig starken und gut organisierten Heeres gründete sich auf verschiedene Rassen (nežādhā) und Nationalitäten (mellīyathā), die keine gemeinsame Ordnung hatten und, obwohl sie unter einem gemeinsamen Banner standen, miteinander konkurrierten. Zudem bildeten seine Mutter Torkān Ḫātūn und ihr Gefolge einen eigenen Staat im Staate.227 Schlimmer als Torkān Ḫātūn war jedoch der Kalif von Bagdad, ein habgieriger und lüsterner Mann auf dem Thron des Kalifats der Muslime. Unter dem Einfluß seiner Konkurrenz zu ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad hatte er islamische Territorien als Spielzeug seiner Begehrlichkeit und Mißgunst eingenommen und unnötigerweise Blut vergossen.228 Die Verbrechen (ǧenāyāt) dieses wilden und blutvergießenden Volkes in unserem Land (mīhan), so Panāhī, waren keinesfalls vergleichbar mit dem Töten und den Raubzügen, die die Mongolen auf ihrem eigenen Gebiet unternommen hatten. In Iran führten sie ihre Hinterlist (makr), Heimtücke (ḫiyānat), Falschheit (do-rūʾī), Unbarmherzigkeit (bī-raḥmī) und Grausamkeit (qasāvat) auf ihre höchste Stufe. Durch das Studium der gesellschaftlichen Situation in Iran kommt man zu dem Ergebnis, daß es Čengīz Ḫān nur durch rohe und wilde Taten gelang, die Herrschaft in Iran zu erringen.229 Unzweifelhaft waren 223 Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 10. 224 Ibid., S. 35. 225 Ibid., S. 33. 226 Ibid., S. 17–18. 227 Ibid., S. 10–11. 228 Ibid., S. 11. 229 Ibid., S. 112–13.

Historische Erzählungen

145

die vom Mongolenherrscher gesandten Kaufleute, allesamt seine Verwandten und Günstlinge, nicht frei von politischen und Spionageabsichten. Diese hinterlistige Politik war ein Mittel, welches Čengīz Ḫān einsetzte, denn er war in der Logik der Diplomatie seiner Zeit, vor allem in der Täuschung, sehr bewandert. Der Charesmschah beherrschte diese Form der Diplomatie nicht, weshalb er die Kaufleute töten ließ und weitere falsche Entscheidungen traf, als sich der Angriff der Mongolen abzeichnete.230 ʿAbd ol-Ḥosein Zarrīnkūb macht die Unterdrückung und Tyrannei des Charesmschahs und seine Feindschaft mit dem abbasidischen Kalifen dafür verantwortlich, daß die lokalen Herrscher den Schah fürchteten. Auf diese Weise wurde der Weg für die Eroberungen durch die Mongolen frei.231 Dastġeib wiederum bemüht sich nach eigenen Worten um soziologische Erklärungen: der Angriff der Mongolen auf Iran und den Osten Europas sowie ihre erstaunlichen Erfolge machen es erforderlich, über dieses Ereignis und andere Invasionen wie diejenigen Alexanders des Großen, der römischen Kaiser, Attilas und Tīmūrs sowie Hitlers und Mussolinis in jüngerer Zeit nachzudenken, um zu verstehen, welche Beweggründe diese fähigen Köpfe auf das Schlachtfeld trieben. Wie kam es dazu, daß tausende anderer Menschen ihren Befehlen gehorchten und töteten bzw. sich töten ließen? Weshalb versank der mongolische Soldat auf Befehl des Großkhans in blutrünstiger Trance oder raubgieriger Leidenschaft, so daß er auf seinem Pferd wie ein Pfeil auf das Schlachtfeld schoß? Doch sehr viel bedeutender ist die Frage danach, warum die Soldaten des Charesmschahs, die auf den meisten Schlachtfeldern siegreich gewesen waren, auf einmal so schwach und elend wurden und von den Schlachtfeldern flohen.232 Zudem weisen historische Berichte darauf hin, daß viele der türkischen und tatarischen Stämme im Verlaufe der Invasion zu den Mongolen überliefen, die türkischen Soldaten des charesmischen Heeres sich aufgrund ihrer gemeinsamen Herkunft den Mongolen anschlossen und auch einige Heerführer des Schahs vor Verrat nicht zurückschreckten.233 Nach Ansicht der meisten Historiker, so Dastġeib, war ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad durch seine Unfähigkeit und Unbesonnenheit für den Angriff der Mongolen unter Čengīz Ḫān verantwortlich, doch sind diese Vorwürfe 230 Ibid., S. 121. 231 Zarrīnkūb: Seirī, S. 70. 232 Dastġeib: Hoǧūm, S. 35. 233 Ibid., S. 177–79. Dies schützte die türkischen Soldaten, die Verrat an ihrem Herrscher und Heerführer begangen hatten, Dādfar zufolge jedoch nicht vor den Mongolen. In Samarkand wurden sie ebenso niedergemetztelt wie die Zivilbevölkerung. Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 47–48.

146

3. kapitel

nichts weiter als Legenden und Beschuldigungen.234 Sie stehen außerdem im Widerspruch zu den historischen Ereignissen wie zu den Berichten iranischer Geschichtsschreiber, die alle vom Heldenmut des Schahs in seinem Kampf gegen die Mongolen berichten. Letztlich war es auch nicht Angst vor den Mongolen, die ihn nach seinen Niederlagen umtrieb, sondern die Furcht vor internen Verschwörungen.235 Selbstverständlich, so Dastġeib weiter, kann man auch nicht sagen, der Schah habe keine Fehler begangen. Zu diesen Fehlern gehörte, daß er seiner Mutter Torkān Ḫātūn und ihren Leuten zu viel Platz bei der Einmischung in die Angelegenheiten des Landes einräumte. Ihr Beitrag zu der ungeheuren Katastrophe der Niederlage und der Zerstörung Irans durch den Mongolensturm ist nicht weniger bedeutend als derjenige des Kalifen. Ein weiterer Fehler des Sultans bestand darin, daß er den Oberbefehl über seine Truppen nicht in einer Hand beließ und das Ausmaß der Katastrophe nicht richtig einschätzte,236 sondern den mongolischen Angriff wie die vorherigen Razzien verschiedener türkischer Stämme ansah.237 Schließlich beging er noch den Fehler, sich vom Oberkommando an der Spitze seines Heeres zurückzuziehen. Anstatt zu fliehen, hätte der Sultan bleiben und sterben sollen.238 Da der Sultan den Oberbefehl aufgab und aufgrund seiner fehlenden Entschlossenheit in einem der schwierigsten Augenblicke in der Geschichte des Landes, ist er als verantwortlich und als schuldig anzusehen. Er ist nicht deswegen schuldig, weil er sich nicht durch Geld und Geschenke der Mongolen bestechen ließ, nicht weil er die mongolischen Spione-Kaufleute tötete und auch nicht, weil er sich nicht dem ränkeschmiedenden Kalifen unterwarf. Sondern er ist schuldig, weil er sich der Verantwortung gegenüber seinen inneren Feinden entzog und den Ratschlägen seines Sohnes und anderer Berater nicht folgte.239 Doch, meint Dastġeib, kann man die Vergangenheit nicht mit heutigen Maßstäben messen.240 Desweiteren wird laut Dastġeib ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammads Streit mit dem abbasidischen Kalifen zu seinen Vergehen gezählt. Man sollte jedoch nicht vergessen, daß vor dem Charesmschah bereits andere lokale Herrscher wie

234 Dastġeib: Hoǧūm, S. 148. 235 Ibid., S. 163. 236 Ibid., S. 190. 237 Ibid., S. 197. 238 Ibid., S. 190. Solṭān Moḥammads Flucht nach Indien und auf eine Insel im Persischen Golf ist nach Ansicht des Autors eine Erfindung. Ibid., S. 164. 239 Ibid., S. 203. 240 Ibid., S. 166.

Historische Erzählungen

147

der Saffaride Yaʿqūb Leiïs,241 die Buyiden oder Seldschuken dem jeweiligen Kalifen Widerstand leisteten. Diese Widerstände waren jeweils weniger persönlichen Motiven geschuldet, sondern in wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Notwendigkeiten begründet. In Anlehnung an ähnliche Forderungen des seldschukischen Herrschers Malekšāh (reg. 1072–92) verlangte der Charesmschah vom Kalifen, seinen Namen im Freitagsgebet nennen zu lassen. Als dieser sich weigerte, zog er gen Bagdad. Letztlich wollte ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad nichts weiter, als daß der Kalif etwas von seiner politischen Macht abgebe und ihm eine Stellung ähnlich der der Buyiden und Seldschuken einräume.242 Bereits während der Herrschaft der Umayyaden (661–750) entstanden in Iran einzelne nationale und religiöse Bewegungen, die zurückgeschlagen wurden, noch bevor Iran zur Zielscheibe der Herrschaft der Abbasiden wurde. Sowohl Saffariden (861–1003)243 als auch Samaniden erfüllten mit Hilfe ihrer direkten Beziehungen zu den Abbasiden in gewisser Weise die althergebrachten Wünsche des iranischen Volkes und gewannen vor allem während der ersten Phase abbasidischer Regierungsgewalt mit dem iranischen Element (ʿonṣor-e īrānī) die Oberhand, so daß die Araber mit den Iranern – anders als unter den Umayyaden – verbunden waren. Die Beziehungen der halbautonomen Dynastien iranischer Herrscher zu den Abbasiden waren mal stürmisch, mal ruhig, doch war keine von ihnen jemals in der Lage, mit Bagdad zu brechen. Ebenso wie zur Zeit der Sasaniden schritt Iran voran, und es wurden tiefgreifende Reformen durchgeführt.244 Wenn sich nun ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad Scharmützel mit dem Kalifen von Bagdad lieferte, so lag das daran, daß dieser sich nicht in die politischen Angelegenheiten des Charesmschahs einmischen sollte. Denn eines der Hindernisse bei dessen Errichtung eines großen iranischen Imperiums – welches vom Ural bis zum Persischen Golf und vom Sind bis zum Euphrat reichte245 – waren die Ränke und Feindseligkeiten des Kalifen, dem es in erster Linie darum ging, die frühere Macht der Abbasiden wiederherzustellen.246 Das Ergebnis des Weges, den der Kalif zur Stärkung seiner Macht einschlug, war die Vernichtung eines riesigen Teils der

241 Cf. Bosworth: „Yaʿqūb b. al-Layth al-Ṣaffār“ und Bosworth: „Yaʿqub b. Layṯ b. Moʿaddal“. 242 Dastġeib: Hoǧūm, S. 148–50. Genauso sieht es Momtaḥen: „Naqš“, S. 1202. 243 Cf. Bosworth: „Saffarids“. 244 Dastġeib: Hoǧūm, S. 166–69. 245 Ibid., S. 316. 246 Ibid., S. 170–71, 224–25.

148

3. kapitel

damaligen islamischen Welt.247 Der bestialische Überfall (yoreš-e saboʿāne)248 der mongolischen Horde auf Iran und die Zerstörung eines großen Teils dieser Region sowie die Tötung von Millionen Menschen wurden in der islamischen Welt nicht mit Achselzucken zur Kenntnis genommen. Ein solch beispielloses Ereignis mußte begründet, gedeutet und beurteilt werden. Obwohl der Finger der Anklage auf Bagdad und den Kalifen an-Nāṣīr zeigte, waren die sunnitischen Geschichtsschreiber, die die Stellung des Kalifen als heilig betrachteten, dazu gezwungen, ihm zur Hilfe zu kommen und den Schuldigen anderswo ausfindig zu machen.249 Bei der Beurteilung des Charesmschahs, so Dastġeib weiter, haben Barthold und andere Historiker heutige Maßstäbe angelegt, anstatt die historischen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Der Schah wird beschuldigt, den Befehl gegeben zu haben, die unschuldigen mongolischen Gesandten in Otrār töten zu lassen. Tatsächlich gibt es Beweise dafür, daß der Statthalter von Otrār die mongolischen Kaufleute ohne die Erlaubnis des Schahs töten ließ, auch wenn Rašīd od-Dīn und Ǧoveinī anderes berichten.250 Šihāb od-Dīn Moḥammad Nasavī,251 derjenige Geschichtsschreiber, der dem Schah am nächsten war, sagt, Ġāyer Ḫān, der Statthalter von Otrār, habe die Kaufleute ohne die Einwilligung seines Herrschers aus Habgier getötet, während andere behaupten, der Schah selbst sei auf ihre Waren aus gewesen. Keiner dieser Geschichtsschreiber stellt sich jedoch die Frage, warum ein gerechter und mächtiger Herrscher sich der Waren der mongolischen Kaufleute hätte bemächtigen sollen. In Wahrheit hatte Ġāyer Ḫān recht und es handelte sich bei ihnen tatsächlich um Spione.252 Die Anzahl der Kaufleute, die Nasavī noch mit vier angibt, erreicht in anderen Berichten 450 bis 500, um die Habgier des Schahs oder seines Statthalters zu unterstreichen. Sollte die niedrige Zahl stimmen, wäre zu fragen, welches Interesse Ġāyer Ḫān oder ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad an ihnen gehabt haben sollten. Falls jedoch die Anzahl der mongolischen Kaufleute tatsächlich bei 500 lag, kann man vermuten, daß sie bis auf jene vier Personen, die von Nasavī erwähnt werden, mit Sicherheit die Vorhut der feindlichen Armee bildeten. In diesem Fall hätte man nicht darauf hoffen dürfen, daß ihnen dieselbe Ehererbietung erwiesen würde, wie sie sich Kaufleuten gegenüber geziemte.253

247 Ibid., S. 178. 248 Ibid., S. 185. 249 Ibid., S. 156. 250 Ibid., S. 154. 251 Zum Biographen des Charesmschahs ʿAlāʾ od-Dīn cf. Jackson: „al-Nasawī“. 252 Dastġeib: Hoǧūm, S. 157. 253 Ibid., S. 165.

Historische Erzählungen

149

Bayānī greift einige der genannten Topoi ebenfalls auf und erweitert sie um weitere Punkte: Zu den Gründen für die Niederlage der Iraner gehörte, daß diese die Charesmschahs immer als fremde Usurpatoren (bīgāne-ye ġāṣebī) betrachteten. Sie waren fremde Türken (torkān-e bīgāne), die sich während ihrer gesamten Regierungszeit auf den Stammesfeudalismus ihres Heimatlandes stützten.254 Alle wichtigen Angelegenheiten waren den charesmischen Türken übertragen, denen es trotz ihrer militärischen Erfolge an der äußeren Front, an der inneren Front nicht gelang, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Aufstände von geistlichen und anderen Anführern und die Auseinandersetzungen innerhalb der herrschenden Schicht prägten die Situation im Lande. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn dann ein fremdes und lärmendes Volk (qoumī bīgāne-o por-ḫorūš) Iran überfällt, dessen Anführer in der Art eines Propheten (payāmbar-gūne) auftritt.255 Einen weiteren Grund für den Sieg der Mongolen sieht Bayānī in der psychologischen Verfaßtheit der Bevölkerung. Unter den Menschen im Iran der damaligen Zeit herrschte die Erwartung, das Ende der Welt stehe kurz bevor. Diese Erwartung wurde dadurch geschürt, daß islamische Gelehrte und Derwischscheichs Aussprüche des Propheten und seines Cousins und Schwiegersohns ʿAlī b. Abī Ṭālib zitierten, die auf das Erscheinen eines Volkes aus dem Osten verweisen, welches als Gog und Magog (ya‌ʾǧūǧ-o ma‌ʾǧūǧ) bzw. als Türken und Tataren bezeichnet wird.256 In Hinblick auf die Nationalpsychologie (ravān-šenāsī-ye mellatī) erhielten diese Prophezeiungen eine besondere Bedeutung, denn einer der offensichtlichen Gründe für die Niederschlagung Irans war „die Verbreitung dieser Art von untauglichen und entmutigenden Nachrichten und Erzählungen“.257 Möglicherweise glaubte die Bevölkerung, daß der Widerstand gegen den göttlichen Willen zwecklos war. Anstatt all seine Kräfte gegen den Feind zu mobilisieren, verharrte das Volk (mardom) in Ewartung dessen, was da kommen möge. Doch schließlich, als der Feind vor den Festungsmauern der Städte stand, erhoben sich die Menschen, besiegten ihre Furcht und kämpften tapfer.258 254 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 75 und S. 85. 255 Ibid., S. 86. 256 Ibid., S. 94–96. Auf diese Überlieferung weist auch Ṣafā hin, der in diesem Zusammenhang ebenfalls von Gog und Magog sowie dem Anbruch des Tages des Jüngsten Gerichts spricht. Einige Autoren bezeichneten die Inavsion der Mongolen als göttliche Strafe. Andere wiederum sahen im Mongolensturm eine Möglichkeit zum Neuanfang und zur weiteren Verbreitung des Islams. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 106, 109. 257 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 96. 258 Ibid., Čengīz Ḫān soll sich selbst als Strafe Gottes bezeichnet haben. Ibid., S. 101. Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 54–55. Dieser Bericht geht offensichtlich auf Ǧoveinī zurück. Cf. Biran: Chinggis Khan, S. 57.

150

3. kapitel

Kritisch betrachtet Bayānī auch die Rolle der muslimischen Geistlichen (rūḥānīyān), die sie in zwei große Gruppen einteilt. Zur ersten Gruppe gehören diejenigen Geistlichen, die einen Groll auf die Charesmschahs hatten und die Abbasiden (750–1258) unterstützten. Als sie die Grundfesten der Macht der Charesmschahs wanken sahen, bereiteten sie sich darauf vor, sich dieser mit der Waffe (ḥarbe) der Mongolen zu entledigen. Weiter gehören diejenigen Geistlichen zu dieser Gruppe, die sich gleichzeitig von ihren eigenen Konkurrenten bzw. von anderen religiösen Gruppierungen (  feraq) befreien wollten. Als Beispiele führt Bayānī die Schafiiten von Rey an, die den dortigen mongolischen Kommandeur veranlaßten, die Hanafiten259 der Stadt zu ermorden. Ein anderes Beispiel sind die Schiiten von Nīšābūr, die die Stadttore öffneten, damit die dortigen Sunniten „von den Hufen der Pferde der Angreifer zertrampelt würden“.260 Auch solche Geistliche gehörten dazu, die die Gelegenheit nutzten, um sich auf die Seite des Feindes zu schlagen. Nach dem Sieg der Mongolen und der Einrichtung lokaler Regierungen erhoben sie sich jedoch gegen die Mongolen und zerstörten dadurch das Vertrauen der Sieger in den Islam und die Muslime. Da die Mongolen Lüge und Heuchelei zu den schlimmsten Eigenschaften zählten, war dies von großer Bedeutung, denn die Geistlichen waren ständige Gesprächspartner des Khans. Sie waren mit dem Koran in den Händen vor ihre Stadttore getreten, um um Gnade zu bitten. Später brachen sie dann den [Friedens-]Vertrag und zwangen dadurch die Mongolen zur Eroberung. Zur zweiten Gruppe gehörten diejenigen Geistlichen, die das Volk zum Kampf gegen den Feind ermunterten und selbst Kriegskleidung anlegten, zu den Waffen griffen und bis zum letzten Mann an vorderster Front kämpften.261 Anstatt in diese verschiedenen Gruppen zu zerfallen, hätten die Geistlichen sich zusammenschließen sollen. Angesichts der vergeblichen Hoffnung auf Hilfe durch den Kalifen und aufgrund des Unvermögens der lokalen Regierungen hätten sie sich in den Städten verbünden und gemeinsam vorgehen müssen. Die Konflikte zwischen den verschiedenen religiösen Gruppierungen einerseits und unter den unterschiedlichen geistlichen Oberhäuptern andererseits waren gleichwohl so groß, daß eine solche Zusammengehörigkeit unmöglich war. Als Folge des mongolischen Sieges, der Zerstörung von Moscheen und Medresen, der Tötung von Scheichs, Imamen und Rechtsgelehrten sowie des Fehlens einer Einheit unter den 259 Für Hinweise zu Literatur zu den sunnitischen Rechtsschulen cf. den von den Herausgebern verfaßten Hinweis unter „Madhhab“, in: EI2 Bd. XII (Supplement), Leiden 2004, S. 551 sowie die Einträge zur jeweiligen Rechtsschule. 260 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 124. 261 Ibid., S. 125.

Historische Erzählungen

151

Überlebenden trat eine starke spirituelle Schwächung der Menschen ein. An die Stelle des Korans trat die yāsā, und die Gesetze des Islams wurden außer Kraft gesetzt.262 Laut Fereidūn Eslām-Niyā findet sich unter den zeitgenössischen Geschichtswerken keines, das nicht vom Eifer (taʿaṣṣob) gegen Türken und Sunniten bestimmt ist. Bewußt oder unbewußt beschreiben ihre Verfasser die Epoche der Charesmschahs als eine finstere Zeit des Krieges, des Blutvergießens und der Verwüstung. Hingegen existiert keine Geschichte, die in Iran und in gerechter Weise geschrieben wurde.263 Im Gegensatz zu dem Bild, das viele Geschichtsschreiber von ihm zeichnen, war Ǧalāl od-Dīn Menkobernī ein mutiger und gerechtigkeitsliebender Wohltäter und ein großer Held Irans.264 Auch leisteten die Einwohner von Charesm den Mongolen einen nie dagewesenen erbitterten Widerstand.265 Nach Ǧaʿfarīyān lautet die zentrale Frage in Zusammenhang mit dem Angriff der Mongolen auf die islamische Welt, ob sie von Anfang an geplant hatten, Iran einzunehmen oder ob jemand sie dazu aufforderte. Aus historischer Sicht begann dieses Ereignis mit der Geschichte (dāstān) von der Tötung einer Anzahl muslimischer Kaufleute in Otrār. Zweifellos kann diese dumme Tat einen Herrscher wie Čengīz Ḫān provoziert haben, doch darf man nicht außer acht lassen, daß sich die gewaltige Kraft am anderen Ufer des Syr-Darya notgedrungen in Bewegung setzen mußte. Nach seinem Sieg über China war Čengīz Ḫān sicherlich daran interessiert, weitere Gebiete zu erobern. Auch die Christen Europas, besonders aber die Kreuzfahrer, sind für den Angriff der Mongolen auf die islamische Welt verantwortlich gemacht worden, denn sie hofften auf einen Sieg im Orient und hatten schon seit Jahrzehnten religiöse Propaganda unter den Mongolen verbreitet.266 Zwar reichte das riesige Reich der Charesmschahs vom Irak bis nach Transoxanien, so Ǧaʿfarīyān weiter, doch fehlten ihm die notwendige Ordnung und das erforderliche Gemeinschafts- oder Zughörigkeitsgefühl (ʿaṣabīyat).267 Unter der Bevölkerung waren die Schahs unbeliebt und ihr Mißverhalten gegenüber angesehenen Rechtsgelehrten und alteingesessenen Familien schuf ihnen viele Feinde. Die Gleichgültigkeit der Bevölkerung war einer der 262 Ibid., S. 127–28. 263 Eslām-Niyā: Negahī, S. 120. 264 Ibid., S. 137–38. 265 Ibid., S. 135. 266 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 23–25. 267 Zu diesem Begriff, den Ibn Ḫaldūn (1332–1406) seiner in frühislamischer Zeit negativen Konnotation entkleidete, cf. Gabrieli: „ʿAṣabiyya“.

152

3. kapitel

wesentlichen Gründe für die Mißerfolge der Charesmschahs beim Kampf gegen die mongolischen Invasoren. Hinzu kam, daß der Kalif von Bagdad wegen seiner Auseinandersetzungen mit den Charesmschahs nicht dazu bereit war, diese vor den Mongolen zu schützen. An der Richtigkeit der Behauptung, der Kalif habe die Mongolen aufgefordert, nach Chorasan einzudringen und den Schah zu beseitigen, gibt es allerdings ernsthafte Zweifel. Doch selbst wenn dem so gewesen wäre, hätte darin kein wesentlicher Grund für den Angriff der Mongolen bestanden,268 denn sie beabsichtigten ohnehin, die islamische Welt zu erobern und interessierten sich nicht im geringsten für die Wünsche des abbasidischen Kalifen.269 In den Schilderungen der Feldzüge von Čengīz Ḫān in Charesm und Chorasan ist die Rede von der Tötung tausender Menschen. Bei der Nennung solcher Zahlen muß man sich immer bewußt sein, daß sie in der Regel stark übertrieben sind und man ihnen nicht vertrauen kann. Wäre während eines Gemetzels tatsächlich eine Million Menschen umgekommen, wäre dies so nicht hingenommen worden.270 Saǧǧād Dādfar preist zuerst den Charesmschah ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad als einen der berühmtesten Herrscher seiner Zeit, dessen Herrschaftsgebiet das größte seit der Seldschukenzeit war, da es ganz Iran, Transoxanien, Charesm sowie weite Teile Turkistans und Indiens umfaßte.271 Sein größter Fehler war jedoch, den Statthalter von Otrār nicht an Čengīz Ḫān auszuliefern, nachdem dieser die mongolischen Kaufleute hatte töten lassen, um an ihre Waren zu gelangen. Durch diese törichte Tat lieferte er dem Mongolenführer den Grund für seinen Angriff.272 Die Frage, ob der Charesmschah ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad dadurch, daß er die nach Otrār gekommenen mongolischen Kaufleute als Spione hinrichten ließ, die Invasion unter Čengīz Ḫān auslöste, beschäftigt auch einige der Autorinnen und Autoren des Konferenzbandes Hoǧūm-e moġūl be Īrān va peyāmadhā-ye ān. Ḥosein Ālyārī spricht die Schuld an der mongolischen Invasion unter Čengīz Ḫān allein ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad zu. Dessen Anmaßung, Begierde und Habgier einerseits sowie Schwäche, Unfähigkeit und Ängstlichkeit andererseits führten dazu, daß er, nachdem er den Mongolenkhan zuerst provoziert hatte, schließlich kläglich verlor. Ohne die Ereignisse von Otrār und ohne die unglückselige Politik des Charesmschahs wäre es zumindest für einige weitere Jahre nicht zu den grausamen Überfällen der Mongolen auf Iran gekom268 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 22–23. 269 Ibid., S. 43. 270 Ibid., S. 32. 271 Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 28. 272 Ibid., S. 35–37 und S. 43.

Historische Erzählungen

153

men, da Čengīz Ḫān u. a. noch stark in China und Zentralasien beschäftigt war.273 Während der militärischen Auseinandersetzungen beging ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad den unverzeihlichen Fehler, große Teile seiner Armee in den Städten und Festungen zu stationieren. Zudem hinderte ihn seine Angst, die sich aus seiner Unentschlossenheit ergab, daran, sich an die Spitze eines Teils seines Heeres zu setzen.274 Während das charesmische Heer den Mongolen, deren Anzahl nicht mehr als 200.000 betrug, zahlenmäßig überlegen war, verfügten die Mongolen ihrerseits über bessere Disziplin und ausgefeiltere Technik. Auch die Gegnerschaft einiger militärischer Befehlshaber zum Schah verschaffte den Mongolen einen Vorteil.275 Die Tötung der Kaufleute in Otrār veranlaßte schließlich die dortige Bevölkerung dazu, dem Aufruf des Schahs zum Glaubenskrieg gegen die Mongolen nur sehr zurückhaltend Folge zu leisten. Als die Leute jedoch von den strategischen Absichten der Mongolen – der Zerstörung der eroberten Regionen und unmenschlicher Taten (aʿmāl-e ġeir-e ensānī) wie der Tötung von Menschen und der Verwendung von Gefangenen als lebender Schutzschilder – erfuhren, begannen sie Widerstand zu leisten. Allerdings gab es im ganzen Reich keine einheitliche Führung, so daß das gemeine Volk mit seinem Widerstand keinen Erfolg hatte.276 Nach ʿAbd or-Rasūl Ḫeirandīš ist es notwendig, einen neuen Blick auf die Quellen zu werfen, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen sich der Vorfall von Otrār ereignete. Er kommt schließlich zu dem Ergebnis, daß man mit Rücksicht auf die politischen und militärischen Bedingungen jener Zeit die Ereignisse von Otrār nicht als einen Vorfall ansehen darf, der vom Charesmschah hätte vermieden werden können, dessen Handlungen damals als die einzig möglichen erschienen.277 Auch Seyyed ʿAbbās Rażavī sieht in erster Linie wirtschaftliche und politische Gründe für das Vordringen der Mongolen. Nomadische Völker suchten i. d. R. unterlegene Nachbarn, um deren Gebiete zu erobern, daher wandten sich die Mongolen gen Iran. Der wichtigste Grund für ihre Invasion lag darin, daß sie die Handelswege zwischen China und dem Westen kontrollieren wollten. Nur mit Hilfe des Handels eröffnete sich ihnen ein Spielraum, so daß sie über die Seidenstraße und damit auch über iranisches Gebiet bis zum Mittelmeer vorstoßen konnten. Auch ohne die Tötung der Kaufleute in Otrār hätten die Mongolen Iran früher oder später angegriffen. Schließlich war auch die Provokation der Mongolen durch 273 Ālyārī: „Čengīz“, S. 45. 274 Ibid., S. 46. 275 Ibid., S. 48. Ālyārī beruft sich an dieser Stelle auf Kafesoğlu. 276 Ibid., S. 49. 277 Ḫeirandīš: „Vāqeʿe“, S. 567–68.

154

3. kapitel

Gegner der Charesmschahs wie die Abbasiden ein Grund für die Invasion in Iran. Grundsätzlich ziehen die Araber Nutzen aus jeder fremden Kraft, um den Bestand ihrer Herrschaft zu sichern, ganz egal, welchen Schaden diese fremde Kraft der islamischen Welt zufügen wird.278 Maḥbūbe Šarafī sieht folgende Gründe für den Überfall der Mongolen auf das Gebiet der Charesmschahs: Charesm befand sich in unmittelbarer Nähe zu dem von den Mongolen beherrschten Gebiet, und seit altersher hatten die in Zentralasien siedelnden Turkvölker ein Auge auf die iranische Hocheben geworfen, weshalb die Mongolen auf die Ghaznawiden, Seldschuken und andere folgten. Zudem neigten die Mongolen dazu, Handel zu treiben und waren ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, eigene Produkte zu verkaufen oder gegen Erzeugnisse der Seßhaften einzutauschen. Ihr Führer war verantwortlich, für gute Handelsbedingungen zu sorgen, weshalb Čengīz Ḫān den Weg nach Westen frei machen und die Seidenstraße unter seine Kontrolle bringen wollte.279 Auch wenn einige Historiker wie Ālyārī die Tötung der mongolischen Kaufleute in Otrār als alleinigen Grund für das Vordringen der Mongolen ansehen, so bedeutet dies laut Šarafī doch nicht, daß es in den folgenden Jahren nicht ohnehin zu einem Angriff gekommen wäre.280 Man kann in diesem Zusammenhang davon ausgehen, daß die von Čengīz Ḫān nach Abschluß seines Vertrages mit dem Charesmschah entsandte Gruppe tatsächlich aus Kaufleuten bestand, denn er hatte großes Interesse am Handel mit den Nachbarländern. Andererseits wollte er genau über die Lage in diesen Ländern informiert sein, so daß er mit der Entsendung der Gruppe wahrscheinlich zwei Ziele verfolgte, nämlich den Handel zu fördern und gleichzeitig seinen Nachbarn auszukundschaften.281 Wie Ibn Aṯīr282 berichtet, wollte der Kalif von Bagdad die Charesmschahs mit Hilfe der Mongolen schwächen, weshalb er Čengīz Ḫān dazu veranlaßte, deren Gebiet anzugreifen. Der Kalif fühlte sich durch den Schah bedroht, der ihm seine Herrschaft streitig machte und einen Aliden an seine Stelle setzen wollte.283 Letztlich ist die Niederlage des Schahs auch auf interne Probleme wie seinen Umgang mit angesehenen Scheichs,

278 279 280 281 282

Rażavī: „ʿElal-e tahāǧom“, S. 647–51. Šarafī: „ʿElal-e tahāǧom“, S. 775–77. Ibid., S. 778. Ibid., S. 771. Zu ʿIzz ad-Dīn Abū l-Ḥasan ʿAlī Ibn al-Aṯīr (555hq/1160–630hq/1233) cf. Rosenthal: „Ibn al-Atīr“. 283 Šarafī: „ʿElal-e tahāǧom”, S. 781–87.

Historische Erzählungen

155

Tyrannei und Unterdrückung sowie seine Auseinandersetzungen mit seiner Mutter Torkān Ḫātūn zurückzuführen.284 Was die Schuldfrage angeht, so liegt die Verantwortung für den Angriff der Mongolen laut Kasāyī zu einem erheblichen Teil bei ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad, der die drohende Gefahr zu gering einschätzte und durch seinen Eigensinn und seine Nachlässigkeit die Bevölkerung in seinem Herrschaftsbereich zum Opfer seiner Anmaßung werden ließ.285 Aber auch der Kalif an-Nāṣīr trägt Schuld an dem, was dem Islam und den islamischen Gebieten im Osten geschah, denn er soll einen Briefwechsel mit den Mongolen unterhalten haben, um mit ihrer Hilfe die Gefahr, die ihm seitens des Charesmschahs drohte, zu bannen. Es dauerte allerdings nicht lange, bis dasselbe Feuer auch Bagdad entflammte und der Sitz der Abbasiden im Jahre 656hq/1258 dasselbe erleben mußte wie die Städte auf charesmischem Gebiet zuvor.286 Die mongolische Epoche reiht Seyyed ʿAlī Moḥammad Saǧǧādī in eine Gesamtbetrachtung des Aufstiegs und Niedergangs von Dynastien ein, der er ein Zitat aus der Story of Civilization voranstellt: „A great civilization is not conquered from without until it has destroyed itself from within“.287 Auch wenn die Begründer einer jeden Dynastie fleißige Männer waren, die keine Mühe scheuten, bis sie die Grundlagen ihrer Herrschaft errichtet hatten, so setzten sich ihre Nachfolger an den gedeckten Tisch, gaben sich der Völlerei hin und mißachteten Gott und sein Volk. Solche von innen vermoderten Gebilde wurden dann mit der Wurzel herausgerissen.288 Auch die innenpolitische Situation unter dem Charesmschah ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad hatte das Reich bereits geschwächt, bevor Čengīz Ḫān auch nur einen Fuß in die Gegend gesetzt hatte.289 Auf Gott können die Menschen ihre Taten jedenfalls nicht zurückführen, denn „Gott tut den Menschen kein Unrecht. Vielmehr tun die Menschen sich selbst Unrecht.“290 Moḥmmad Salmāsīzāde ist sich sicher, daß der Angriff der Mongolen, selbst wenn er nicht der vernichtendste und qualvollste aller derartigen 284 Ibid., S. 790–91. 285 Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 960–61. 286 Ibid., S. 963. 287 Durant, Will&Ariel: The Story of Civilization, 11 Bde., New York 1935–75, hier Bd. 3, S. 776. In persischer Übersetzung lautet der Satz: „Yek tamaddon-e bozorg tā az darūn monhadem na-šode bāšad az bīrūn maġlūb nemī-šavad.“ Saǧǧādī: „Balā-ye yazdān“, S. 701. 288 Ibid., S. 702. Anlehnungen scheint der Autor in diesem Fall bei Ibn Ḫaldūns Geschichtstheorie gemacht zu haben. Hierzu siehe u. a. Al-Azmeh: Ibn Khaldūn und Simon: Ibn Khaldūn. 289 Saǧǧādī: „Balā-ye yazdān“, S. 707. 290 Ibid., S. 711. Koran 10:44.

156

3. kapitel

Überfälle gewesen wäre, nicht nur die politischen, administrativen und wirtschaftlichen Strukturen des Landes zerstörte, sondern auch die dauerhaftesten psychischen (rūḥī-ravānī) Nachwirkungen hinterließ. Es sieht ganz danach aus, als ob die kollektive Angst und Furcht wesentlich mehr zu Schwächung und unwiderruflicher Niederlage beigetragen hätten als der eigentliche militärische Angriff der Mongolen.291 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, welche Auswirkungen das gesamte Feld von Angst (tars, eżṭerāb, harās) und ihre Folgen wie Ohnmacht (nā-tavānī), Schwäche (żaʿf ) und Flucht (gorīz) auf ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad und die Bevölkerung von Iran hatte.292 Angst wird auf zweierlei Art und Weise erzeugt, nämlich durch tatsächliche Beweise und Augenzeugenschaft oder durch Einbildung und Aberglauben. Die größte Wirkung haben Handlungen, die unter der Bevölkerung und den Herrschenden Furcht und Schrecken verbreiten, etwas, das die Mongolen auf die Spitze trieben.293 Bereits Monate vor dem militärischen Angriff ließ Čengīz Ḫān mit Hilfe von als Kaufleute und Händler verkleideten Untergebenen einen psychologischen Krieg gegen seine Feinde führen. Diese Kaufleute und Händler sowie die mit ihnen verbündeten Notabeln und Imame beschrieben die mongolischen Soldaten als finstere und furchterregende Nacht, als brüllendes, wogendes Meer und als Menge, so endlos wie der Sand in der Wüste.294 In den Ortschaften, die auf dem Weg der Eroberungen des Čengīz Ḫān lagen, erhielten die Menschen Nachricht von den grausamen Taten der Mongolen und von den Orten, an denen der Widerstand der Bevölkerung gebrochen worden war.295 Die dadurch erzeugte Angst vor den Mongolen führte zu irrealen Handlungen und zu Aberglaube, wodurch der Bevölkerung die Kraft zum Nachdenken, Entschlossenheit, Wille und als Ergebnis überhaupt jede Form der Reaktion entzogen wurde. Entweder unterwarf sie sich daher bedingungslos oder ergriff die Flucht.296 Ein weiterer Grund für die große Angst vor den Mongolen war der Glaube an deren göttliche Eigenschaften bzw. an den göttlichen Beistand, der ihnen gewährt wurde. Gott unterstütze Čengīz Ḫān und fördere den mongolischen Staat, die mongolischen Soldaten seien Soldaten 291 Salmāsīzāde: „Homā-ye eqbāl“, S. 725. 292 Ibid., S. 727. Der Autor verwendet persische Übersetzungen (tars, eżṭerāb, harās) der englischen Begriffe fear, anxiety und panic. 293 Ibid., S. 727–28. Das Ziel der Mongolen, so auch Moʿtakef, war die Verbreitung von Panik (sarāsīmegī), Furcht (bīm) und Angst (harās) in denjenigen Ländern, die die Mongolen angriffen, sowie die Ausschaltung von Leuten, die zum Widerstand fähig waren. Moʿtakef: „Īrān dar zīr-e saiṭare“, S. 1102–3. 294 Salmāsīzāde: „Homā-ye eqbāl“, S. 729. 295 Ibid., S. 730–31. 296 Ibid., S. 735.

Historische Erzählungen

157

Gottes, und Gott werde sie jedes Volk beherrschen lassen, das ihnen zürne. Den Menschen, die im Schlaf der Ignoranz und Verderbtheit lebten, habe Gott zu ihrer Erweckung und zur Bestrafung der Sünder Čengīz Ḫān geschickt. Während Ǧoveinī die Mongolen als Verstärker der göttlichen Religion und als Vertraute Gottes bezeichnet, gehen Vaṣṣāf und andere so weit, vom Prophetentum des Čengīz Ḫān und seiner Nachfolger zu sprechen. Dieses von den Mongolen gezeichnete Bild diente dazu, die Einwohner Irans in jener Zeit in Angst und Schrecken zu versetzen.297 Das falsche und fehlerhafte Wissen über die Angreifer und ihre besonderen Merkmale wurzeln in den Tiefen der Persönlichkeit der Menschen jener Epoche und stellen ein unseliges Erbe auch für die Menschen unseres blutigen Zeitalters dar. Man fürchtet sich vor dem Wagnis des Krieges, hat die Legende von der Niederlage gegen die Mongolen verfaßt und an Eigenheiten und Besonderheiten der Mongolen geglaubt, an die sie nicht einmal selbst glaubten. Die eigene Unkenntnis hat die Iraner daher erneut besiegt. Da ihren Herzen fortwährend das Gift der Angst eingeflößt wird, haben sie weder die Möglichkeit zum Kampf noch zur Flucht, denn „diejenigen, die in Furcht leben, sind niemals befreit.“298 Als wichtigstes Beispiel dafür, wie dem Volk verschiedene Formen von Angst eingeredet wurden, muß Salmāsīzāde zufolge ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad dienen, denn der Eindruck, den die Niedergeschlagenheit des Sultans auf die Bevölkerung machte, war sehr groß. Aufgrund des Chaos unter seinen Emiren hinsichtlich der militärischen und politischen Entscheidungen sowie wegen Träumen, Prophezeiungen und anderen Trugbildern, wurde sein Geist verwirrt und der Weg der Vernunft war ihm versperrt. So war der Charesmschah davon überzeugt, den Mongolen keinen Widerstand leisten zu können und ergriff daher die Flucht.299 4

Mongolische Statthalter in Iran (1224–1256) – ein Intermezzo

In ihrem Buch Īrān dar bar-ḫvord bā moġūl. Az marg-e Čengīz tā āmadan-e Holāgū („Iran im Konflikt mit den Mongolen. Von Čengīz‘ Tod bis zur Ankunft 297 Salmāsīzāde: „Homā-ye eqbāl“, S. 742–43. 298 Ibid., S. 743–44. Das Zitat (pers. ānān ke dar tars zendegī mī-konand hargez rahā nīstand) stammt aus Burton, Robert: The Anatomy of Melancholy, Berlin 1866 (erste Auflage 1621). Im Original lautet es: „They that live in fear are never free, resolute, secure, merry, but in continual pain . . . No greater misery, no rack, no torture like unto it.“ Zit. n. Martin: „Etiological Considerations“, S. 3. Der Autor spricht hier in der ersten Person Plural von „wir“ und „uns“. 299 Salmāsīzāde: „Homā-ye eqbāl“, S. 733–35, 738.

158

3. kapitel

Hūlāgūs“) widmet sich Bayānī vor allem den dreißig Jahren der Regierung mongolischer Statthalter in Iran nach dem zweiten mongolischen Angriff (tahāǧom-e dovvom-e moġūl be-Īrān), der nach der ersten Invasion unter Čengīz Ḫān nun der Niederschlagung von Ǧalāl od-Dīn Menkobernī, dem Sohn von ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad Ḫvārazmšāh, diente. Eine der wichtigsten Fragen, die sich Bayānī zu jener Periode stellt, ist diejenige nach der Art und Weise des Konflikts respektive des Kontaktes der Iraner mit dem herrschenden Volk der Mongolen. Gehorchten die Iraner den Siegern oder unternahmen sie Schritte hin zu einem politischen Kampf? Überließen sie den fremden Herrschern (ḥokkām-e bīgāne) das Feld oder bemühten sie sich darum, so schnell wie möglich die Belagerung einzuleiten und selbst die Führung zu übernehmen? Diejenigen Familien, die an der Spitze der verschiedenen Provinzen standen und sich während des mongolischen Angriffs kampflos unterwarfen, waren fast alle Türken und Turkmenen. Ihrer Ansicht nach war es gleich, ob man von iranischen oder mongolischen Herrschern regiert wurde, und sie strebten danach, ihren jeweiligen Rang zu festigen und ihre Autonomie zu erhalten.300 Hinsichtlich der Iraner ist positiv (nouʿ-e moïsbat) zu vermerken, daß es in den von den Mongolen beherrschten Gebieten Irans301 immer wieder zu Aufständen gegen die mongolischen Garnisonen und zu Kämpfen von Anhängern der Ismailiten kam. Letztlich waren es diese Unruhen, die den Anlaß für Hūlāgūs Feldzug und die vollkommene Vernichtung (nā-būdī-ye hamīšegī) Irans boten.302 Negativ (nouʿ-e manfī) schlägt zu Buche, daß bedeutende iranische Persönlichkeiten zu wichtigen Aufgaben in der Verwaltung verpflichtet wurden, die diese sehr schnell beherrschten, und die mongolischen Herrscher an die Hand nahmen.303 Ihre Bemühungen waren allzu oft geleitet vom Streben nach einer hohen Stellung und dem Erwerb von Reichtum. Zur Erreichung dieser Ziele schreckten diese miteinander konkurrierenden Personen selbst vor der Umschmeichelung der Fremden, vor Zwietracht, Ränkeschmieden und Heimtücke nicht zurück. Daher heilten sie nicht nur den Schmerz des zerstörten Landes und des müden, armen und vom Krieg geschlagenen Volkes (mellat-e ḫaste-o faqīr-o ǧang-zade) nicht, sondern steigerten seinen Schmerz durch ihr Verhalten noch zusätzlich.304 300 Bayānī: Īrān, S. 85. 301 In erster Linie ist hier wohl Chorasan gemeint, welches die Autorin auch erwähnt. 302 Bayānī: Īrān, S. 7. 303 Ibid., S. 7–8. 304 Ibid., S. 8. Ähnlich bewertet die Autorin das Verhalten der iranischen Kaufleute, die Čengīz Ḫāns Vertrauen genossen und u. a. als seine Gesandten agierten. Während der Zeit, in der sich die mongolische Herrschaft etablierte und der Handel florierte, interes-

Historische Erzählungen

159

Gleich zu Beginn der mongolischen Herrschaft in Iran, unter der Statthalterschaft von Ǧentemūr (reg. 1232–35),305 mischten sich Iraner in die Regierungsgeschäfte ein, so Bayānī weiter. Mit Hilfe iranischer Wesire wie Bahāʾ od-Dīn Ǧoveinī,306 der lange Jahre als oberster Finanzchef (ṣāḥeb-dīvān) für die Mongolen tätig war,307 wurde die gesamte wichtige Regierungsarbeit in die Hände von Iranern gelegt. Zumindest für den Beginn ihrer Tätigkeit gibt es keine Anzeichen dafür, daß diese Persönlichkeiten ihren Einfluß auf die Regierungsangelegenheiten nutzten, um die Verheerungen des Krieges zu lindern und die Bevölkerung auch in spriritueller Hinsicht (taqvīyat-e rūḥīye) zu stärken, da sie vor allem mit ihrem beruflichen Aufstieg und der Anhäufung ihres Vermögens beschäftigt waren. Doch hätten sie ohne ihre Stellungen und ihr Vermögen dieses Ziel überhaupt erreichen können?308 Ähnliche Fragen stellte sich Rāvandī, der wissen möchte, bis zu welcher Grenze sich diejenigen Iraner, denen es gelungen war, in das Innere der Regierungsangelegenheiten vorzudringen, für die Milderungen der kriegsbedingten Zerstörungen engagierten. Inwiefern unterstützten sie die Denkungsart (taqvīm-e rūḥī) der leidgeprüften Bevölkerung? Nutzten sie ihre Stellungen und Fähigkeiten, um sich gegenüber den Siegern für die Erneuerung der materiellen und spirituellen Rechte des unterworfenen Volkes einzusetzen? Die Antworten auf diese Fragen, so Rāvandī, sind unklar und schwierig, da sie zuerst einmal negativ sind. Unter den Mongolen ins Amt beförderte iranische Statthalter verbrachten die meiste Zeit damit, ihre Stellung zu verbessern und ihren Reichtum zu vermehren. Durch diese Aktivitäten waren sie so sehr gebunden, daß ihnen kaum Zeit blieb, sich um die Behandlung der Schmerzen der Bevölkerung zu kümmern.309 Allerdings waren die eigentlichen Herrscher in Iran die verschiedenen mongolischen Emire, die als Gesandte ihrer Herren mit zahlreichen Befugnissen ausgestattet waren.310 Zudem darf nicht sierten sich die iranischen Kaufleute, die Einfluß am Hof hatten, in keinster Weise für den Schutz und den politischen Nutzen ihres Landes, sondern es ging ihnen ausschließlich um ihren persönlichen Vorteil und den Erwerb von Reichtümern. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 64. 305 Cf. Jackson: „Čīn Tīmūr“. 306 Ein kurzer Abschnitt zu ihm findet sich in dem seinem Sohn ʿAlāʾ od-Dīn ʿAṭā Malek gewidmeten Artikel von Barthold&Boyle: „Djuwainī“. Siehe auch Rajabzade: „Jovayni Familiy“. 307 Beide Ämter waren zumindest später unter den Ilchanen identisch. Cf. Hoffmann: „Wortkunst“, S. 264 und Heinrichs: „Ṣāḥib“. 308 Bayānī: Īrān, S. 18. 309 Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 299. 310 Ibid., S. 299–300.

160

3. kapitel

verschwiegen werden, daß die iranischen Staatsmänner ihren mongolischen Herren in ihrer Gier und ihrer Anhäufung von Besitz in nichts nachstanden.311 Unter dem mongolischen Statthalter Gorgūz (reg. 1239–43) wurde Bahāʾ od-Dīn Ǧoveinī zum ṣāḥeb-dīvān aller Länder Irans ernannt und vertrat seinen Herrn, als dieser zum Großkhan in die Mongolei reisen mußte.312 Gorgūz war der erste mongolische Herrscher, der zum Islam übertrat. Bayānī bezeichnet ihn zudem als einen Regenten, der sich um Gerechtigkeit (ʿadl-o enṣāf ) bemühte und der ein Reformer und Intellektueller war (mard-e moṣleḥ-o roušanfekr).313 Amīr Arġūn, der dritte mongolische Statthalter in Iran, setzte die von Gorgūz eingeleiteten Maßnahmen und Reformen durch. Bei der Etablierung eines Regierungssitzes (dīvān-ḫāne yā maqarr-e ḥokūmatī) mischte Amīr Arġūn die iranische Weise (sabk-e īrānī) mit der mongolischen Sitte, die vorsah, daß die Khane alle Angelegenheiten im Zelt regelten, und konzentrierte die Regierungsangelegenheiten an einem einzigen Ort.314 Mortażavī stimmt dieser positiven Einschätzung der beiden mongolischen Statthalter zu, die durch ihren Einsatz für die Instandsetzung im Lande und die Durchsetzung von Sicherheit und Gerechtigkeit den Boden für die spätere Herrschaft der Ilchane bereiteten. Daher nennt er diese Epoche die Zeit zwischen Tod und Auferstehung (barzaḫ). Allerdings war auch diese Periode ungünstig für den Fortschritt von Wissenschaften und Traditionen oder die Errichtung von Stätten der Gelehrsamkeit.315 Bahāʾ od-Dīn Ǧoveinī blieb laut Bayānī auch unter Arġūn im Amt des ṣāḥebdīvān und wurde zusätzlich in den Rang eines Repräsentanten (qāʾem-maqām) in den von den Mongolen eroberten westlichen Provinzen Irans erhoben. Sein Sohn ʿAṭā Malek wurde persönlicher Sekretär (dabīr-e maḫṣūṣ) des Statthalters und begleitete diesen auf mehreren Reisen in die Mongolei und nach China.316 Mit der Wahl von Goyūk (reg. 1246–49) zum Großkhan in Karakorum endete diese friedliche Periode in Iran. Er entfernte alle Iraner von seinem Hof und entsandte den mongolischen Feldherrn Īlčīkdāy, der einen Feldzug gegen jegliche Aufrührer führen und auch das abbasidische Kalifat angreifen sollte. Im Zuge dieser militärischen Kampagne wurden alle Reformmaßnahmen, die

311 Ibid., S. 301. 312 Bayānī: Īrān, S. 24–25, S. 27. 313 Ibid., S. 28. 314 Ibid., S. 37–38. 315 Mortażavī: Masāʾel, S. 7. 316 Bayānī: Īrān, S. 41.

Historische Erzählungen

161

Gorgūz und Arġūn unternommen hatten, zunichte gemacht.317 Dennoch stößt man in dieser Zeit auf ein Phänomen von beträchtlicher Bedeutung, so Bayānī: Hierbei handelt es sich darum, daß das siegreiche Volk (qoum-e ġāleb) in kultureller und zivilisatorischer Hinsicht (az ǧehat-e farhangī-o tamaddonī) eine stufenweise Niederlage durch das unterworfene Volk (qoum-e maġlūb) erlitt, wobei die Mongolen Tag für Tag und nach und nach von den unsichtbaren dünnen Fäden der geistigen Kraft Irans (qodrat-e maʿnavī-ye Īrān) von Kopf bis Fuß eingesponnen wurden.318 Während in Iran nach dem ersten mongolischen Überfall noch Krieg herrschte, fanden Iraner bereits einen Weg in das Herz der Regierung des Feindes (dar qalb-e ḥokūmat-e došman). Sie veranlaßten den schamanistischen oder buddhistischen Herrscher, ein Siegel mit dem Namen des Propheten herzustellen und seine Befehle damit zu siegeln. Außerdem gaben sie ihm zu verstehen, daß er sein riesiges Reich nicht ohne iranische Hilfe würde regieren können. Als der Großkhan Mangū jedoch seinen Bruder Hūlāgū nach Iran schickte, brachte dieser „den letzten Funken Hoffnung im Herzen des Volkes jener Gegend zum Erlöschen“.319 Zuvor hatte Arġūn indes die Statthalterschaften der verschiedenen Provinzen Irans an Iraner übertragen, und zum ersten Mal hatte ein Iraner das Amt des Oberbefehlshabers (sepahsālār) erhalten.320 Außerdem erließ der Großkhan Befehle, die zu erheblichen Erleichterungen für seine Untertanen in Iran führten.321 Obwohl selbst Christ, verlieh Mangū Muslimen Einfluß und Macht, die persische Sprache wurde an seinem Hof gepflegt und ein Teil des Schriftverkehrs auf Persisch verfaßt, so daß sich diese Sprache vermittels der persischen Schreiber und Übersetzer bis nach China verbreitete. In Iran selbst nahm Amīr Arġūn das iranische Wesen (ǧanbe-ye īrānī) an.322 Desungeachtet muß daran erinnert werden, so Bayānī, daß es trotz der Reformen und der Versuche zur Stabilisierung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung weiterhin Armut und Aufstände gab. Soldaten wurden vor allem

317 Ibid., S. 46. 318 Ibid. Als Beleg dient ihr ein Schreiben von Goyūk an Papst Innozenz, das in persischer Sprache verfaßt wurde. 319 Ibid. 320 Ibid., S. 50. 321 Ibid., S. 51–52. 322 Ibid., S. 55.

162

3. kapitel

zur Niederschlagung der Ismailiten und ihrer Helfer ausgeschickt.323 Während dieser unsicheren und kriegerischen Epoche setzten die Ismailiten von ihren Festungen aus den Kampf gegen das fremde Element/Prinzip (ʿonṣor-e bīgāne) fort, welches sie ebenso auslöschen wollten wie dessen Unterstützer.324 Vor ihren Kämpfern (  fedāʾīyān), die in Iran, Transoxanien und China unterwegs waren und hin und wieder die Verteidigung der iranischen Patrioten (vaṭanparastān-e īrānī) übernahmen, hatten die verschiedenen Herrscher keinen Moment Ruhe. Obwohl die Ismailiten die Herrschaft der Charesmschahs als feindlich ansahen, unterstützten sie doch Ǧalāl od-Dīns Kampf gegen die Mongolen.325 Abgesehen von den Ismailiten setzten sich auch schiitische Gruppen (dasteǧāt-e šīʿī-maẕhabī), über die es jedoch keine gesicherten Informationen gibt, gegen die Mongolen zur Wehr. Im gemeinen Volk (ʿāmme-ye mardom) blühte das Schiitentum, dessen Angehörige eine tatkräftige und wichtige Minderheit bildeten.326 Unter dem Großkhan Qūbīlāy (reg. 1260–94), so Bayānī weiter, gelangten Iraner mehr als je zuvor zu Macht und Einfluß am zentralen Regierungssitz der Mongolen, so daß sie die eigentlichen Hauptpersonen (gardānande) in Politik und Wirtschaft des Reiches waren. Besonders geschätzt wurden diejenigen Iraner, die nach China gegangen waren, wo sie häufig den Chinesen gegenüber bevorzugt wurden und allmählich immer stärkeren Einfluß auf die Regierung gewannen.327 Die Herrschaftszeit von Mangū bis Qūbīlāy war eine Periode iranischer Macht in Nordchina und der Mongolei.328 Allerdings kam es auch zu massiven Widerständen chinesischer und mongolischer Höflinge gegen die Iraner, welche zu einer Schwächung des iranischen Einflusses am Hofe führten.329 Das in Zusammenhang mit den Iranern am Hof des Großkhans 323 324 325 326 327

Ibid., S. 55–56. Ibid., S. 72 und S. 84. Ibid., S. 72–73. Ibid., S. 56. Ibid., S. 59. Laut Rāvandī waren die Iraner in China so zahlreich, daß sie eigene Städte gründeten und man von einer iranischen „Kolonie“ sprechen kann. Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 302. 328 Bayānī: Īrān, S. 65. An Ogadāys islamfreundlicher Politik war laut Bayānī zuvor Kritik geübt worden, da er den Muslimen zu große Macht verliehen hätte. Buddhisten und „Gelbe“ (zard-nežādān) intrigierten gegen die Iraner und Muslime am Hof des Großkhans. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 133–135. Nach Aussage des Geschichtsschreibers Ǧūzǧānī soll Ogadāy insgeheim Muslim geworden sein. Ibid., S. 139. Dies schreibt auch Momtaḥen, der den Großkhan zudem als edelmütig, freigiebig, gerecht und milde gegenüber den Muslimen beschreibt. Momtaḥen: „Naqš“, S. 1213. 329 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 153, 156–60.

Historische Erzählungen

163

interessanteste Thema ist, daß diese iranischen Persönlichkeiten in Peking Hūlāgūs Vorgehen in Iran nicht verhinderten. Offensichtlich hatten die Iraner von Rang und Namen in China ihre Wurzeln in Iran gekappt und empfanden keinerlei Verantwortung mehr gegenüber ihrer ursprünglichen Heimat (mouṭan-e aṣlī-ye ḫvod). Aus diesem Grund rüsteten sich die Ismailiten, um Iraner wie den obersten Richter (qāżī ol-qożāt) von Iran, der die Mongolen zum Kampf gegen die Ismailiten aufgefordert hatte, zu töten.330 Die sunnitischen Geistlichen gehörten ohnehin zu ihren ärgsten Feinden.331 Letztlich blieb den Iranern in China, von denen viele dorthin verschleppt worden waren, keine Möglichkeit, sich so weit fort von Iran mit dem Wohle ihres eigenen Landes zu befassen und Schaden von ihm zu wenden. Mehr als den Schutz ihres eigenen Vorteils und desjenigen anderer Iraner vor Ort durfte man von ihnen nicht erwarten. Darüber hinaus dachten sie womöglich weniger an ihre ursprüngliche Heimat, nachdem sie in der neuen Heimat lokale Beziehungen geknüpft und Familien gegründet hatten.332 An anderer Stelle vermutet Bayānī hingegen, die Iraner am Hofe des Großkhans hätten die planlose Einmischung der mongolischen Herrscher in Iran verhindert.333 Ungeachtet der Tatsache, daß nach Bayānī die Mongolen die materiellen und spirituellen Lebensgrundlagen der Iraner auf eine Weise zerstört hatten, daß ein blühender kultivierter Zustand in dieser Region auf den ersten Blick unmöglich schien, brachten kurze Perioden von Frieden und Sicherheit sehr schnell wieder diejenige Wohlfahrt und Kultiviertheit hervor, die sich aus dem materiellen und spirituellen Reichtum Irans (ġanā-ye māddī-o maʿnavī-ye Īrān) speisten.334 In der Morgendämmerung ihrer Niederlage durch die Mongolen begannen die Iraner mit großer Bedächtigkeit damit, sich um die Zerschlagung der siegreichen Elemente zu bemühen. Mit derselben Bedächtigkeit, doch ohne innezuhalten, setzten sie ihren steinigen Weg, der einige Male durch neue Überfälle wie die Überschwemmungen der Wasser im Frühling abgeschnitten wurde, bis zur Erreichung [dieses] Zieles fort.335 330 Bayānī: Īrān, S. 60. 331 Ibid., S. 74. 332 Ibid., S. 65. Viele Iraner wurden aus Ṭūs/Mašhad verschleppt. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 140. 333 Ibid., S. 156. 334 Bayānī: Īrān, S. 86. Von einer „Wiederbelebung“ (aḥyā) der iranischen Kultur und Zivilisation spricht Bayānī an anderer Stelle. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 150. 335 Bayānī: Īrān, S. 87.

164 5

3. kapitel

Die Invasion unter Hūlāgū (1256–1258) – Schuld und Befreiung

Zwar hatten die Mongolen den größten Teil der islamischen Länder erobert und wurden von der dortigen Bevölkerung gezwungenermaßen als Herrscher anerkannt, schreibt Eqbāl, doch gab es immer noch Gebiete, die sie nicht hatten bezwingen können. Zu diesen Gebieten gehörten die Festungen der Ismailiten in Alamūt und im Süden des Alborz-Gebirges sowie der Herrschaftsbereich des abbasidischen Kalifen von Bagdad.336 Zudem wurden Ägypten und Syrien von den Ayyubiden (1171–1250) beherrscht. Den Mongolen war die Feindschaft zwischen den Muslimen bekannt und sie beabsichtigten, Ismailiten und Abbasiden zu vernichten und sich die letzten islamischen Gebiete in Westasien zu unterwerfen. Zu Hilfe kamen ihnen dabei einerseits ihre muslimischen Untertanen, die hofften, die Unterdrückung und Verderbtheit der Ketzer (malāḥede)337 auf diese Weise loszuwerden, und andererseits die Armenier, die wegen ihrer religiösen Feindschaft zu den Muslimen die Eroberung Bagdads wünschten und die von den Kreuzfahrern bekämpften Muslime in Ägypten und Syrien besiegen wollten.338 Die Ismailiten wurden geschlagen und ihre Bibliotheken verbrannt, bis auf diejenigen Bücher, die ʿAṭā Malek Ǧoveinī vor den Flammen retten konnte.339 Als sich Hūlāgū mit seinen Truppen in Hamedān aufhielt, schickte er dem Kalifen al-Mustaʿṣim (reg. 644–56hq/1247–58) eine Botschaft, in der er seine Unterwerfung (īl) verlangte. Allerdings ging al-Mustaʿṣim nicht auf diese Forderung ein, sondern versuchte dem Mongolenführer Furcht einzujagen und befahl ihm, nach Chorasan zurückzukehren. Dieses törichte Verhalten versetzte Hūlāgū in Wut, die sich noch steigerte, als der Kalif ihm in einem weiteren Schreiben die Folgen darlegte, die das Aufbegehren von muslimischen Lokalfürsten wie dem Charesmschah ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad nach

336 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 482. 337 Damit sind wohl die Ismailiten gemeint. 338 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 483. 339 Ibid., S. 485–87. Die Rolle des ʿAṭā Malek sieht Mortażavī etwas anders: Obwohl Hūlāgū damit einverstanden war, die kostbare Bibliothek von Alamut vor Plünderung und Zerstörung zu schützen, überließ ʿAṭā Malek einen großen Teil der Bücher, die seiner Ansicht nach Zeugnisse für die Verirrungen der Ismailiten waren, den Flammen. Dieses Verhalten führt der Verfasser auf den verbreiteten sunnitischen Fanatismus zurück. Mortażavī: Masāʾel, S. 266. Ihm folgt Mīr Ǧaʿfarī, der auch der Ansicht ist, der anti-ismailitische Fanatismus im Iran dieser Zeit sei zumindest problematisch gewesen. Mīr Ǧaʿfarī: „ʿAlāʾ od-Dīn“, S. 1268–70. Als einziger Autor weist er jedoch darauf hin, daß man ʿAṭā Malek Ǧoveinī im Kontext seiner Zeit verstehen muß. Ibid., S. 1269.

Historische Erzählungen

165

sich gezogen hatte.340 Obwohl Eqbāl das Verhalten des Kalifen als töricht oder dumm (safīhāne) bezeichnet, weist er ihm auch positive Attribute zu: der Kalif war ein gläubiger (motadayyen), großzügiger (nīkū-kār), tugendhafter (ʿafīf ) und moralischer (ḫvoš-aḫlāq) Buchliebhaber von ruhigem Wesen (ārām-ṭabʿ), der über einen guten Schreibstil verfügte. Allerdings war er auch ein unentschlossener (bī-ʿazm) und unvernünftiger (sost-ra‌ʾy) Herrscher, der keine Kenntnisse von politischen und die Regierung betreffenden Angelegenheiten besaß. Außer seinem Wesir Ibn al-ʿAlqamī341 waren die Höflinge, die zum Pöbel gehörten, ebenso wie die Bevölkerung Bagdads unfähig, schwach und habgierig.342 Bis zu Hūlāgūs Ankunft in Bagdad verschwendeten diese Leute keinen Gedanken daran, den Menschen in den bereits von den Mongolen eroberten Gebieten zu helfen und ließen sich deren Schicksal keine Warnung sein.343 Während unter den Höflingen und militärischen Befehlshabern des Kalifen keinerlei Einvernehmen herrschte, fanden unter Bagdads Bevölkerung heftige Glaubenskämpfe statt, die im Jahre 650hq/1252 n. u. Z. zu einem Kampf (ǧang) zwischen Sunniten und Schiiten führten. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen plünderte der älteste Sohn des Kalifen das schiitische Stadtviertel von Bagdad344 und das Heiligtum von Imam Mūsā al-Kāẓim.345 Diese Taten riefen den Widerwillen der Schiiten der Stadt gegen die Abbasiden hervor, und auch Ibn al-ʿAlqamī, selbst Schiit, war innerlich beleidigt und gekränkt.346 Als die Mongolen vor Bagdad lagen, brachte er dem Kalifen die Lage zu Gehör, doch dieser hörte nicht auf ihn. Obwohl der Wesir die Soldaten des Kalifen in den ǧehād gegen die Mongolen führte, wurde er des Verrats bezichtigt. Nach der Eroberung Bagdads schickte ihn Hūlāgū als Wesir in die Stadt und stellte ihm einen mongolischen Befehlshaber (šaḥne) zur Seite. Beide kümmerten sich um Bagdads Wiederaufbau.347 Hinsichtlich der Rolle, die Ibn al-ʿAlqamī, den Eqbāl als einen der größten Gelehrten seiner Zeit bezeichnet, beim Fall Bagdads spielte, kommt er 340 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 489. 341 Zu seiner Person cf. Boyle: „Ibn al-ʿAlḳamī“. 342 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 487. 343 Ibid., S. 488. 344 Es handelt sich um das Stadtviertel al-Karḫ. Cf. Streck: „al-Karkh“. 345 Zu diesem zwölferschiitischen Imam cf. einführend Kohlberg: „Mūsā al-Kāẓim“. 346 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 488. 347 Ibid., S. 491. Den Wiederaufbau unter den Ilchanen in Iran hebt auch Mašhadīzāde hervor: Mit derselben Leidenschaft, mit der sie zuvor zerstört hatten, legten die Mongolen nun Hand an die Besiedlung und den Wiederaufbau von Städten an, die sie früher dem Erdboden gleichgemacht hatten, bauten breite Straßen und errichteten Stadtmauern, Bazare und Karawanserails. Mašhadīzāde: „Negāhī goẕarā“, S. 1089–92.

166

3. kapitel

zu folgender Einschätzung: Die meisten muslimischen Geschichtsschreiber, vor allem diejenigen sunnitischen Glaubens, die das Ende des abbasidischen Kalifats bedauerten, schreiben, daß Ibn al-ʿAlqamī aufgrund der Tatsache, daß er Schiit war und wegen der Vorfälle im Bagdader Stadtviertel Karḫ einen Haß auf die Abbasiden verspürte und dazu entschlossen war, sie zu vernichten und Hūlāgū zum Herrscher über Bagdad zu machen. Daher schickte er entsprechende Botschaften an diesen ebenso wie an Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, in denen er ihnen die schlechte Verteidigungslage Bagdads kundtat. Dieselben Geschichtsschreiber berichten, daß er während des Kampfes den Befehl gab, einen Damm zu zerstören, so daß eine große Zahl von Soldaten des Kalifen ertrank. Schiitische Autoren hingegen sprechen Ibn al-ʿAlqamī von dieser Schuld frei, denn sie wissen von den Querelen am abbasidischen Hof und der Feindschaft unter den Emiren und Militärführern.348 Dennoch, so Eqbāl weiter, „kann man nicht sagen, daß Ibn al-ʿAlqamī [. . .] keinerlei Einfluß auf den Erfolg von Hūlāgūs Sache und auf den Sturz der abbasidischen Familie hatte.“349 Als Iraner350 und Schiit haßte er die abbasidischen Kalifen und die Sunniten. Zusätzlich wurde dieser Haß durch die o. g. Übergriffe auf das Stadtviertel Karḫ, dem viele Schiiten zum Opfer fielen, und das Heiligtum des Mūsā al-Kāẓim genährt. Eine politische Feindschaft verband ihn mit den unfähigen Beamten und Emiren des Kalifen, der seinerseits untauglich und feige war und keinerlei Interesse an den Regierungsangelegenheiten hegte. Ibn al-ʿAlqamīs Freundschaft mit Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und seine Verbundenheit mit dessen Lehre beeinflußten ihn möglicherweise ebenfalls.351 Einige Geschichtsschreiber, so Eqbāl weiter, sind der Ansicht, daß Iraner Hūlāgū aufhetzten und zu seinen Feldzügen antrieben: Sie sagen, daß dieses Volk, welches den Arabern noch immer feindlich gesinnt sei, die Zerstörung des Ruhms und der Macht des antiken Iran sowie die Niederwerfung der sasanidischen Herrschaft nicht vergessen [und deshalb] die Mongolen nach Bagdad gelockt habe, damit diese das letzte Zeichen, welches noch von der Herrschaft der Araber im Osten kündete, beseitigten. Sie behaupten sogar, einige Iraner hätten die Mongolen veranlaßt, die Bücher des Kalifen aus Rache für diejenigen Bücher, die die

348 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 186. 349 Ibid., Bd. 1, S. 187. 350 Dies ist eine offensichtlich falsche Zuschreibung. Cf. den o. g. EI-Artikel. 351 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 187.

Historische Erzählungen

167

Araber bei der Eroberung von Madāʾen in den Tigris warfen, in denselben Fluß zu schleudern.352 Letztlich ist laut Eqbāl die Frage nicht zu klären, ob diese Überlieferungen wahr sind oder nicht. Es ist daher nicht möglich zu wissen, ob es sich hierbei um Vorhaltungen der Sunniten gegenüber den schiitischen Iranern handelt, oder ob sich die Iraner zu jener Zeit tatsächlich einmischten. Genauso unmöglich ist es festzustellen, ob Ibn al-ʿAlqamī tatsächlich an der Zerstörung des abbasidischen Kalifats beteiligt war. Ohne die Aussagen derjenigen, die voreingenommen sind, zu prüfen, kann man nicht sagen, daß der Wesir keinen Einfluß auf den Verlauf der Dinge nahm. Während die sunnitischen Geschichtsschreiber sein Verhalten unter dem Eindruck des Geschehenen als Verrat ansahen, glaubten Ibn al-ʿAlqamī und seinesgleichen an die Befreiung aus den Händen der Feinde ihrer Religion.353 Nachdem bereits einige seiner Vorgänger als Wesire am abbasidischen Hof Schiiten gwesen waren, erhielt mit Ibn al-ʿAlqamī einer der großen schiitischen Männer und Vortrefflichsten seiner Zeit dieses Amt, so Ṣafā. Wie die anderen schiitischen Wesire wurde ihm sein Posten von anderen Mitgliedern der Entourage des Kalifen geneidet. Zudem kam es auch wegen der Plünderungen und Tötungen im schiitischen Bagdader Stadtviertel Karḫ zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ibn al-ʿAlqamī und dem Gefolge des Kalifen, die dazu führten, daß er Hūlāgū dabei half, die Stadt einzunehmen.354 Hinsichtlich der Frage, ob Ibn al-ʿAlqamī diesen tatsächlich zur Einnahme Bagdads anstiftete, gibt es unter den Geschichtsschreibern unterschiedliche Meinungen. Es läßt sich jedoch festhalten, daß die Schiiten in Iran und im Irak jener Zeit die Stärke der Mongolen begeistert nutzten, um das letzte Zeichen der Macht der sunnitischen Eiferer zu Fall zu bringen. Man sollte auch nicht vergessen, daß die Schiiten Irans im 6. Jahrhundert der Hidschra glaubten, das Erscheinen des mahdī 355 würde mit der Ankunft eines Heeres türkischer Glaubenskämpfer zusammenfallen. Diese Idee setzte sich im 7. Jahrhundert 352 Ibid., S. 188. Gleichermaßen verweist Bayānī auf Ibn Ḫaldūn, der ihr zufolge schreibt, daß nach Meinung der Iraner die Zerstörung der Bagdader Bibliotheken angesichts dessen, daß die Araber im Zuge ihrer Eroberung Irans Bibliotheken zerstört hatten, noch zu wenig gewesen sei. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 578. 353 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 188. 354 Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 135. 355 Nach dem zwölferschiitischen Islam wird der seit dem Ende des 9. Jahrhunderts in die Verborgenheit entrückte 12. Imam Muḥammad al-Mahdī eines Tages als Erlöser wiederkehren.

168

3. kapitel

fort, so daß die Zusammenarbeit schiitischer Männer, unter ihnen Ibn al-ʿAlqamī und Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, mit Hūlāgū ein Ergebnis dieser Vorstellung sein könnte.356 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī wurde zu einem der mächtigsten Männer seiner Zeit und sorgte durch seinen großen Einfluß auf den Mongolenherrscher für die Stärkung der Schia.357 Manche Schiiten schenkten der historischen Wahrheit laut Ṣafā keine Beachtung und behaupteten sogar, Hūlāgū, der Buddhist war, und seine erste Frau, eine Christin, hätten unter dem Einfluß von Naṣīr od-Dīn Ṭūsī den Islam angenommen. Auf diese Weise hielten viele Schiiten ihre Zusammenarbeit mit Hūlāgū für rechtens. Zudem glaubten sie, die Widersacher der Familie des Propheten mit Hilfe der Türken entfernen zu können. Als Hūlāgū Iran unterworfen hatte, ermunterten sie ihn daher, die Dynastie der Abbasiden auszulöschen. Und wo immer es ihnen möglich war, erleichterten sie ihm seine Aufgabe durch ihre Unterwerfung, so daß Hūlāgū zum Zeitpunkt seines Eintreffens in Bagdad nicht nur aus der Stadt selbst Unterstützung erhielt, sondern man auch aus Naǧaf, Kūfa und Ḥilla kam, um sich ihm zu ergeben.358 Da schiitische Beobachter die Unterstützung Hūlāgūs durch angesehene Schiiten freimütig eingestanden und diese mit der o. g. Überlieferung des ʿAlī b. Abī Ṭālib rechtfertigten, ist es unnötig, auf der Zurückweisung der Aussagen sunnitischer Geschichtsschreiber, die einen der Gründe für den Untergang des Kalifats in der Zusammenarbeit des Ibn al-ʿAlqamī mit dem Mongolenführer sahen, zu bestehen.359 Hinsichtlich der Art und Weise, wie die Ereignisse der Mongolenzeit sowohl in den zeitgenössischen als auch in den später entstandenen historischen Werken dargestellt werden, muß man, so Mortażavī, darauf achten, daß Ton und Urteil der Geschichtsschreiber sich von einander unterscheiden, je nachdem, ob ihre Verfasser außerhalb des mongolischen Gebietes lebten oder dort ansässig waren. Zwar ist die Aufnahme der grundlegenden Ereignisse im großen und ganzen einheitlich, doch sind die Qualität der Überprüfung der Grundlagen und die Folgerungen aus jenen Ereignissen sowie ihre Bewertung an die Art und Weise der Beobachtung, die Methode des Urteils und die Gefühle und Gewohnheiten der jeweiligen Geschichtsschreiber gebunden. Geschichtswerke, die zur Zeit der Ilchane in Iran verfaßt wurden, sind durch eine besondere Methode charakterisiert. Ihre Autoren standen einerseits unter dem Einfluß ihres religiösen und nationalen Gewissens, andererseits mußten sie sich 356 Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 135–38. 357 Ibid., S. 141. 358 Ibid., S. 138–39. 359 Ibid., S. 140.

Historische Erzählungen

169

mit Wut und Feindseligkeiten gegenüber den neuen Herrschern zurückhalten. Daher begnügten sie sich in den meisten Fällen mit dem Chronistentum und verzichteten auf eine Beurteilung der geschilderten Ereignisse. Dennoch hallen hin und wieder bei der Schilderung der Zerstörungen und Plünderungen der Länder und des Tötens ihrer Einwohner Teile jener qualvollen Ereignisse und unbeschreiblichen Katastrophen wider, ohne daß die Verfasser die unbarmherzigen Mörder verfluchen. Unter der Befehlsgewalt von Čengīz Ḫān und seinen Nachfolgern beschrieben die Chronisten in begünstigendem Tonfall den mongolischen Angriff wie ein vorherbestimmtes Geschehnis und erzählten gleichgültig von den damit zusammenhängenden Begebenheiten wie der Eroberung von Bagdad und der Niederwerfung des abbasidischen Kalifats.360 Geprägt war die Atmosphäre, in der diese Werke entstanden, vom Fehlen religiösen Eifers/Fanatismus und religiöser und politischer Verpflichtungen; es war möglich, das Unglück der Muslime und die Erwähnung ihrer Unterdrückung zu beschreiben; die Darstellung des Tötens und Plünderns findet sich auch in den offiziellen Dokumenten der mongolischen Herrscher, die dies anscheinend als Teil ihrer Politik der Einschüchterung (siyāsat-e erʿāb-o taḫvīf ) ansahen; da die zivilen staatlichen Angelegenheiten iranischen Wesiren und Führern oblagen, basierte die Beurteilung der Geschichtswerke auf deren Einschätzung, auf die sich der Ilchan und seine mongolischen Notabeln stützten; schließlich formten der bunte Vorhang der persischen Literatursprache und der farbige Schleier der erschaffenen Prosa ebenfalls eine Haube über den Einzelheiten der Bedeutungen, so daß die Hinweise und Zweideutigkeiten eines Autors nur iranischen Literaten und Gelehrten verständlich waren.361 Im Gegensatz zu den muslimischen Geschichtsschreibern in Indien, Ägypten und Syrien, dem Magreb und Kleinasien, die dieses Ereignis als irreparable Katastrophe und historisches Unglück ansahen, widmeten die Geschichtsschreiber der Ilchanzeit laut Mortażavī der Bedeutung der Eroberung von Bagdad und ihren islamischen Gesichtspunkten keine Aufmerksamkeit, sondern schilderten sie als natürlichen Vorfall oder sogar als notwendige Entwicklung.362 Dabei ergeben sich die Unterschiede in den Ansichten der Geschichtsschreiber nicht aus ihren unterschiedlichen politischen Verpflichtungen. Es ist demzufolge unglaubwürdig, daß sich die Widersprüche in der Beurteilung der erörterten Ereignisse ausschließlich aufgrund der Rücksichten, die die iranischen Historiker einerseits zu nehmen hatten, und der Freiheit der Gedanken und der Feder der außerhalb des 360 Mortażavī: Masāʾel, S. 75–76. 361 Ibid., S. 77–80. 362 Ibid., S. 81–82.

170

3. kapitel

mongolischen Herrschaftsbereichs lebenden Geschichtsschreiber andererseits ergeben haben sollen:363 Anders ausgedrückt, wenn wir ein solches Urteil fällen, ignorieren wir das historische Wesen (ṭabīʿat-e tārīḫī) und das vernachläßigte Verlangen des iranischen Volkes. Der Untergang des fünfhundertjährigen abbasidischen Kalifats und der Fall des historischen Zentrums arabischer Macht und Herrschaft waren für das iranische Volk nicht nur eine traurige und verdrießliche Angelegenheit, sondern zählten aus Sicht des unerwarteten/plötzlich erwachten (nāh-gāh) nationalen Gewissens zu den wahren alten Wünschen.364 Die Überlieferungen von der Einmischung des Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und der Einfluß anderer iranischer Ratgeber bei Hūlāgūs Feldzug gegen Bagdad erzählen in jedem Fall von der politischen Gegenwart von Iranern, schreibt Mortażavī weiter. Mit Blick auf die Geschichte kann man leicht verstehen, daß Hūlāgūs Ankunft in Bagdad und die Zertrümmerung der Knochen des letzten abbasidischen Kalifen in Wirklichkeit das Verlangen und den Wunsch nach Rache der Iraner widerspiegeln und der Endpunkt eines langen Weges sind, den Menschen wie Yaʿqūb b. Leiïs in Iran in den vorhergehenden Jahrhunderten zurückgelegt hatten. Zwei scheinbar gegensätzliche politisch-religiöse Strömungen fallen in dieser Zeit ins Auge: einerseits wurde die ismailitische Bewegung, die man als eine Erscheinung des nationalen, religiösen und intellektuellen Widerstands in Iran gegen die arabische Herrschaft ansehen kann, von den Mongolen besiegt; andererseits unterstützten und ermutigten Iraner den Feldzug gegen Bagdad und die Vernichtung der abbasidischen Herrschaft, die während der islamischen Geschichte Irans der antagonistische Pol aller iranischen Bewegungen war. Tatsächlich zeigten sich hier die beiden gesellschaftlichen Empfindungen in Iran, d. h. die sichtbaren traditionellen Überzeugungen einerseits und das verborgene gesellschaftliche Gewissen andererseits. Durch die Wahrnehmung dieser historischen Gelegenheit begünstigte der gesellschaftliche Geist Irans die neue militärische und politische Macht der Mongolen, die mächtig genug war, das Ziel der Unabhängigkeit vom arabischen Kalifat zu erreichen. Nach Jahrhunderten erfolgloser Aufstände, nationaler und religiöser Bewegungen, dem Auftreten von Banden, Jungmännerbünden und Derwischorden sowie der Herrschaft mächtiger türkischer Dynastien365 war das Erscheinen einer 363 Ibid., S. 82–83. 364 Ibid., S. 83. 365 Mortażavī erwähnt Ghaznawiden und Seldschuken. Ibid., S. 85.

Historische Erzählungen

171

Macht unvermeidlich, die unabhängig und ohne Verpflichtungen gegenüber überkommenen Überzeugungen und Traditionen der islamischen Epoche und fähig zur Gewährung der heimlichen Wünsche der iranischen Gesellschaft war.366 Auch Mortażavī hebt die Rolle hervor, die sowohl Naṣīr od-Dīn Ṭūsī als auch Ibn al-ʿAlqamī bei der Eroberung von Bagdad spielten. Beide unterstützten Hūlāgūs Bestreben, die Stadt zu erobern und es gelang ihnen, seine Zweifel zu zerstreuen, die er angesichts des Angriffs auf einen Ort hegte, welchen die Muslime ansich als nicht zu erobern und unter göttlichem Schutz stehend ansahen.367 Grundsätzlich gehörten die Eroberung Bagdads und die Zerschlagung des abbasidischen Kalifats zu den wesentlichen Zielen der Mongolen auf diesem Feldzug. Schließlich ging es ihnen um die Vernichtung aller militärischen, politischen und geistlichen Zentren im Osten und Westen von Čengīz Ḫāns Imperium.368 Hūlāgū hatte den klaren Auftrag, den Kalifen zuerst zu Unterwerfung und Gehorsam aufzufordern und ihn im Falle seiner Weigerung anzugreifen. Dieser eindeutige Befehl des Großkhans zeigt, daß man am Hof in Karakorum den Auftrag an Hūlāgū im Wissen um die Lage in den angrenzenden Ländern erteilt hatte. Insofern muß bezweifelt werden, was die meisten muslimischen Geschichtsschreiber behaupten, nämlich daß Hūlāgū über die Schwäche des Kalifats nicht informiert gewesen sei und vor seiner Beratung durch Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und das Einholen astrologischer Gutachten nicht gewagt hätte, Bagdad anzugreifen.369 Abgesehen von Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, der Hūlāgū auf seinem Feldzug gegen Bagdad begleitete und auch bei der Tötung des Kalifen seine Hand im Spiel hatte,370 gehört nach Ansicht von Mortażavī das Verhalten des Wesirs Ibn al-ʿAlqamī in den Zusammenhang dieser Ereignisse. Während die meisten sunnitischen Geschichtsschreiber ihn beschuldigen, aus Haß gegen das abbasidische Kalifat und wegen der Angriffe auf das schiitische Viertel Karḫ und das Heiligtum des Imams Mūsā al-Kāẓim den Mongolenführer nach 366 Ibid., S. 84–85. 367 Ibid., S. 23. Als einen weiteren wesentlichen Grund für die Eroberung Bagdads und die Zerschlagung des abbasidischen Kalifats betrachtet Mortażavī den Einfluß der europäischen Christen, deren Herrscher wie der Papst die Mongolen dazu bewogen, die westliche islamische Welt anzugreifen. Das Thema der „christlichen Schuld“ soll im Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht behandelt werden. Siehe hierzu auch Ibid., S. 102–24. Zum Verhalten des christlichen Europa gegenüber den Mongolen und zu den dortigen Urteilen über Čengīz Ḫān cf. ibid. S. 278–83. 368 Mortażavī: Masāʾel, S. 25. 369 Ibid., S. 26. 370 Ibid., S. 31.

172

3. kapitel

Bagdad geleitet zu haben, damit die Ungläubigen für die Schiiten Rache an den Sunniten nähmen und die abbasidische Dynastie auslöschten, halten viele schiitische Historiker Ibn al-ʿAlqamī des Verrats für nicht schuldig. Hūlāgū hätte ihrer Ansicht nach dem Ibn al-ʿAlqamī niemals vertraut, wäre dieser tatsächlich ein Verräter gewesen.371 Nach der Überprüfung der wichtigsten Quellen ergibt sich folgendes Bild: Obwohl Ibn al-ʿAlqamī kein Verräter und nicht direkt am Schriftwechsel mit Hūlāgū beteiligt war, den er auch nicht nach Bagdad einlud, unternahm er ganz offensichtlich nicht die notwendigen Schritte, um die Gefahr zu bannen. Er war tief getroffen von den antischiitischen Ausschreitungen in Karḫ und den ihm entgegengebrachten Mißachtungen und Beleidigungen durch Angehörige des abbasidischen Hofes ebenso wie der Weigerung des Kalifen, seine aufrichtigen Ratschläge anzunehmen. Ibn al-ʿAlqamī nahm seine Verantwortung wahr, während er den Abbasiden gegenüber keinerlei Achtung oder Zuneigung verspürte. Hätte er durch seine Gedanken und durch sein Verhalten die Sunniten verraten, wäre dies in Hinblick auf seine eigene religiöse Überzeugung und in Hinblick auf die Schiiten nur natürlich gewesen.372 Unverständlich sei, schreibt hingegen Zarrīnkūb, daß nicht nur muslimische Herrscher, sondern auch Gelehrte wie Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und Ibn al-ʿAlqamī aus Gründen des religiösen Fanatismus (taʿaṣṣobāt-e maẕhabī) und der Vergeltung (maïsūbāt), den ungläubigen Hūlāgū (Hūlāgū-ye kāfer) unterstützten. Obwohl es ihnen gelang, einigen Leuten das Leben zu retten, kann man sie nicht von ihrer Teilnahme und ihrer Verantwortung für diese Tragödie freisprechen.373 Nach Ansicht von Dastġeib war Ibn al-ʿAlqamī ein Verräter. Gemeinsam mit Gleichgesinnten nährte er jahrelang den Haß auf die Abbasiden. Ihm war bekannt, daß der damalige Kalif Čengīz Ḫān ermuntert hatte, Iran anzugreifen, was Millionen von Menschen das Leben kostete. Und er nutzte seinen Einfluß, um die abbasidische Herrschaft zu schwächen.374 Auch Naṣīr od-Dīn Ṭūsī war ein wichtiger Akteur, der Hūlāgūs Nähe suchte, um ihn zur Eroberung Bagdads zu treiben und später davon zu überzeugen, den abbasidischen Kalifen zu töten.375 Während der gesamten Geschichte des abbasidischen Kalifats hatten die Schiiten laut Bayānī auf eine günstige Gelegenheit gewartet, um diesem einen tödlichen Schlag zu versetzen und sich von seinem Joch (yūġ) zu 371 Ibid., S. 28. 372 Ibid., S. 29–30. 373 Zarrīnkūb: Seirī, S. 72–73. 374 Dastġeib: Hoǧūm, S. 361–66. 375 Ibid., S. 367.

Historische Erzählungen

173

befreien. Zu Zeiten der Charesmschahs nutzten sie deren Politik und fanden ein Schlupfloch in ihrem Machtbereich, um ihrer Stimme vermittels eines sunnitischen türkischen Sultans Gehör zu verschaffen376 und sich seiner als Waffe gegen das Kalifat zu bedienen.377 ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad zog seinerseits die schiitische Karte, um gegen den abbasidischen Kalifen in den Krieg zu ziehen. Da der Kalif an-Nāṣir die Gefahr erkannte, die ihm drohte, suchte er Verbündete unter den Ismailiten und in schiitischen Jungmännerbünden (ǧavān-mardān, fotovvat).378 Nach einem Angriff auf eine Pilgerkarawane aus dem Reich des Charesmschahs durch vom Kalifen angeheuerte ismailitische Kämpfer ersetzte der Schah den Namen des Kalifen im Freitagsgebet durch seinen eigenen. Seinen Krieg gegen den Kalifen begann er mit einer List, indem er eine Versammlung von Rechtsgelehrten zwang, diesen als unrechtmäßigen Herrscher und allein die Familie des dritten Imams al-Ḥusain als rechtmäßige Herrscherin zu bezeichnen.379 Für den Kalifen war der Sieg der Mongolen über ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad nach Bayānī ein Grund zur Freude. Er konnte nicht ahnen, was der Großkhan, der über die Zusammenarbeit des Kalifen mit den Ismailiten verärgert war, plante.380 Der Kalif al-Mustanṣir (reg. 1226–42) sah sich mit dem Erstarken der schiitischen Jungmännerbünde und den Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten in den Stadtvierteln Bagdads sowie mit dem neuen Herrscher von Charesm, Ǧalāl od-Dīn, und den näherrückenden Mongolen konfrontiert. Während die Mongolen gen Isfahan vorrückten, war Ǧalāl od-Dīn unterwegs nach Bagdad, so daß der Kalif sich um einen Friedensschluß mit ihm bemühte. Ǧalāl od-Dīns Hilferuf, als dieser von den Mongolen gejagt wurde, erhörte er indes nicht. Für die Mongolen war der Weg nach Bagdad nach dem Sieg über den Charesmschah frei, und der Kalif mußte den Dschihad ausrufen, um sich gegen die anrückenden Heere zu verteidigen. Erneut war ihm die Führung der islamischen Welt zugefallen, deren spirituelle und materielle Leitung er nun wieder innehatte.381 Zu den wichtigsten Gründen für den Fall des Kalifats, so Bayānī weiter, zählte die Rolle, die die Schia (tašayyoʿ) dabei spielte. Seit der Eroberung Irans durch die Araber hatten die Iraner nie ihre nationale und kulturelle Identität (hovīyat-e mellī-o farhangī) bei gleichzeitiger Wahrung des Islams vernachlässigt. 376 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 276. 377 Ibid., S. 267. 378 Ibid., S. 269–71. 379 Ibid., S. 274–76. 380 Ibid., S. 281–82. 381 Ibid., S. 293–99.

174

3. kapitel

Zugleich waren Iraner von Anfang an Anführer der Schia, und eine sehr bedeutende Minderheit, die aus dieser Nation (mellat) hervorging, machte Iran zum schiitischen Zentrum. Um die Macht mangels militärischer Stärke kampflos zu ergattern und um eine wirklich unabhängige Herrschaft zu errichten, stand den Schiiten nur der Weg des politischen Kampfes im Schutz des Glaubens zur Verfügung. Mittels des Prinzips der taqīye382 suchten sie dabei Zuflucht im verborgenen Kampf, so daß sie während der mehr als fünfhundertjährigen Herrschaft der Abbasiden über Iran mehrfach bedeutende Erfolge bei der Verminderung ihres Einflusses erzielten. Diese Erfolge zeigten sich zum einen in der Gestalt von Bewegungen wie denen der Āl-e Leiïs und der Āl-e Būye (Buyiden, reg. 945–1055),383 zum anderen im Gewande der Seldschuken oder der Charesmschahs. Zu guter letzt kam die schiitische Hand auch aus dem Ärmel der Mongolen hervor und beendete somit die Angelegenheit für immer.384 Obwohl die Schiiten insgesamt den Sturz der Abbasiden, die ihrer Ansicht nach die Rechte der Familie des ʿAlī b. Abī Ṭālib mit Füßen getreten hatten, als verdienstvolle Handlung ansahen, hatten in Gestalt von Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und Ibn al-ʿAlqamī ein iranischer und ein arabischer Schiit den größten Einfluß auf das Geschehen.385 Darin, daß Naṣīr od-Dīn Ṭūsī wesentlich am Sturz der Abbasiden beteiligt war, sind sich die Quellen einig, so Bayānī. Als Schiit sah Naṣīr od-Dīn Ṭūsī diesen Sturz als seine religiöse und nationale Pflicht (taklīf-e šarʿī-o mellī) an, und als die Zeit reif war, brauchte er dies auch nicht mehr geheimzuhalten. Sobald Naṣīr od-Dīn Ṭūsī in Hūlāgūs Nähe kam, begann er mit seiner politischen Arbeit, zeigte den Mongolen den Weg, nahm mit den Schiiten im arabischen wie im persischen Irak Verbindung auf und agierte als deren Anführer.386 Während Naṣīr od-Dīn Ṭūsī von außen Einfluß auf den Sturz der Abbasiden nahm, tat Ibn al-ʿAlqamī dies von innen. Seiner Ansicht nach waren die Abbasiden nicht in der Lage, Krieg gegen einen so mächtigen Feind wie die Mongolen zu führen, so daß er die Angelegenheit lieber ohne Krieg und Blutvergießen geregelt hätte.387 Zu den Schiiten von Bagdad, die vor allem im Westen der Stadt lebten, unterhielt der Wesir gute Beziehungen. So 382 Die „Verheimlichung“ der eigenen Überzeugung im schiitischen Sinne. Cf. Strothmann&Djebli: „Taqiyya“. 383 Cf. Cahen: „Buwayhids or Būyids“ sowie Nagel: „Buyids“. 384 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 304–5. 385 Ibid., S. 305. 386 An dieser Stelle (S. 307) weist Bayānī darauf hin, daß Naṣīr od-Dīn Ṭūsī zwischenzeitlich Ismailit war. Ibid., S. 305–9. 387 Ibid., S. 309–11.

Historische Erzählungen

175

nahm er sich das, was sich im Jahre 656hq/1258 n. u. Z. im Stadtviertel von Karḫ ereignete, besonders zu Herzen und entschloß sich zur Zusammenarbeit mit den Mongolen.388 In diesem Zusammenhang muß die Frage diskutiert werden, so Bayānī, ob der Wesir seinen Herrn und sein Vaterland (mouṭen) verriet oder ob er ehrlich und rechtschaffen war. Näherte er sich dem Feind ausschließlich aus Rachsucht und zum Schutz der eigenen Stellung oder suchte er nach einer Lösung, um die Zerstörung des Irak und vor allem Bagdads zu verhindern? Letzteres ist wahrscheinlich richtig, denn als Ibn al-ʿAlqamī von Hūlāgūs Absicht erfuhr, Bagdad zu erobern, unternahm er politische Schritte, da er von den begrenzten Möglichkeiten seiner Regierung einerseits und von der überlegenen Macht des Feindes andererseits wußte. Nachdem seine Maßnahmen keinen Erfolg gehabt, sich ihm die sunnitischen türkischen Militärführer widersetzt hatten und der Kalif weiterhin äußerst sorglos war, setzte sich Ibn al-ʿAlqamī direkt mit dem Mongolenführer in Verbindung.389 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī muß über diese Verbindung erfreut gewesen sein und den Wesir dazu ermuntert haben, das abbasidische Kalifat zu schwächen. Auf diese Weise trugen die Maßnahmen von Ibn al-ʿAlqamī und Naṣīr od-Dīn Ṭūsī dazu bei, Hūlāgūs Zweifel zu mindern und seine Kriegspläne reifen zu lassen. Ibn al-ʿAlqamīs Austausch mit Hūlāgū wurde in Bagdad bekannt, und seine Gegner warfen dem Wesir vor, die Stadt militärisch zu schwächen.390 Es kam zu starken Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Gruppen am Hof des Kalifen, deren eine die militärische Auseinandersetzung mit den Mongolen suchte (die Oberbefehlshaber und Heerführer, Sunniten und Türken), währen die andere den Konflikt durch Unterwerfung friedlich regeln wollte (Ibn al-ʿAlqamī, seine iranischen Freunde, die Schiiten, der Kalif).391 Nach der Eroberung Bagdads, so Bayānī weiter, blieb Naṣīr od-Dīn Ṭūsī Berater des mongolischen Khans und ließ sich in Ḥilla nieder. Der andere der beiden Helden (qahramān), Ibn al-ʿAlqamī, war Zeuge des Endes seines Herrn und leitete die Rache der Schiiten an den Sunniten in die Wege, bevor er kurz darauf im Amt des Wesirs von Bagdad starb. Er hatte einen ʿAlīden mit dem Kalifat betrauen und die islamische Welt unter schiitischen Einfluß bringen wollen.392

388 389 390 391 392

Ibid., S. 312–14. Ibid., S. 314. Ibid., S. 315. Ibid., S. 319. Ibid., S. 338–42.

176

3. kapitel

Die Iraner hatten wiederum mit Hilfe eines fremden Volkes, das nach und nach von der iranischen Kultur verwandelt worden war, den arabischen Irak in Besitz genommen, und Bagdad wurde erneut zur Basis iranischer Kultur (pāy-gāh-e farhang-e īrānī).393 Nach Kasāyī deuteten einige arabische Geschichtsschreiber den Einfluß von schiitischen Elementen auf den abbasidischen Kalifen und seine Regierung, indem sie behaupten, diese seien dem mongolischen Herrscher bei der Eroberung Bagdads und der Vernichtung des Kalifen zu Diensten gewesen. Falls dem so gewesen wäre, hätte es jedoch nicht wenige iranische Elemente gegeben, die ihrerseits Parteigänger des Kalifats und der sunnitischen Rechtsschulen gewesen wären, wie die Familie Ǧoveinī oder der große Dichter Saʿdī. Zudem wäre das Ausmaß der Katastrophe ohne Männer mit den Fähigkeiten eines Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, eines Ibn al-ʿAlqamī oder der Ǧoveinīs im Herrschaftsgebiet des Kalifats und im Heer von Hūlāgū wesentlich größer gewesen.394 Männer vom Schlage der Ǧoveinīs, Naṣīr od-Dīn Ṭūsīs oder Rašīd od-Dīns leiteten erneut fließendes Wasser in das vertrocknete Flußbett der Kultur und Zivilisation Irans und des Islams und sorgten dafür, daß das im Krieg besiegte Iran, nachdem sich der Staub des Gemetzels und der Zerstörung gelegt hatte, ein weiteres Mal auf dem kulturellen Feld die Oberhand gewann.395 Wie andere Fremde, die nach Iran eingeritten waren, wurden die Mongolen während der Zeit ihrer Herrschaft besiegt und allmählich selbst zu Iranern. Sie erwarben iranische Ehre und Ehrgeiz und waren bestrebt, sich mit der ruhmreichen Geschichte Irans zu verbinden.396 Dem letzten abbasidischen Kalifen al-Mustaʿṣim bescheinigen die Quellen Ǧaʿfarīyān zufolge Unfähigkeit sowie Hingabe an Luxus und Laster. Interne Auseinandersetzungen zwischen Iranern und Türken, Schiiten und Sunniten, der Zivil- und der Militärverwaltung sind ebenfalls zu verzeichnen. Mächtigster Wesir dieser Zeit war Ibn al-ʿAlqamī, ein Schiit, dem unterstellt wurde, er Briefe an Hūlāgū geschrieben, sich mit den Mongolen verbündet und die Absicht gehabt, ihnen Bagdad zu übergeben. Allerdings wurde diese, durch den militärischen Oberbefehlshaber (davātdār) verbreitete Verleumdung, dem Kalifen offenbart. Zu diesem Zeitpunkt war der Sturz der Abbasiden durch langfristige Veränderungen bereits angelegt und der wolkenbruchartgie (seil-āsā) Angriff der ungläubigen Mongolen fand statt. Jedoch führte der 393 Ibid., S. 344. 394 Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 986–87. 395 Ibid., S. 988. 396 Ibid., S. 990.

Historische Erzählungen

177

Konflikt zwischen dem sunnitischen Heerführer und dem schiitischen Wesir dazu, daß in den Quellen die Schiiten beschuldigt werden, zum Fall Bagdads beigetragen zu haben. Ibn al-ʿAlqamī war sich der Tatsache bewußt, daß es keine Chance gab, den Mongolen zu widerstehen und es besser gewesen wäre, die Angelegenheiten Bagdads auf eine Art und Weise zu regeln, daß das Kalifat nach Möglichkeit weiterbestehen konnte und Raub und Totschlag in der Stadt vermieden würden.397 Nach dem Sturz des Kalifat verringerte sich der sunnitische Einfluß und verschiedene Gruppen konnten sich freier der Verbreitung ihres jeweiligen Glaubens widmen. Auch die Schiiten freuten sich daher über die Niederschlagung der Abbasiden, doch heißt dies nicht, daß sie mit der mongolischen Herrschaft zufrieden gewesen wären.398 Großen Einfluß auf die Politik und vor allem die Kultur in der Mongolenzeit hatte laut Ǧaʿfarīyān Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, der zuvor freiwillig oder unter Zwang im Dienste der Ismailiten gestanden hatte. Da Hūlāgū ihn zu sich holte und den Mongolen bewußt war, daß sie bei der Lösung der Probleme in der islamischen Welt auf den Einfluß der iranisch-muslimischen Gelehrten angewiesen waren, hörte man auf ihn und es gelang ihm, das Erbe der islamischen Zivilisation zu retten.399 6

Die Herrschaft der Ilchane von Iran (1258–1335) – Islamisierung und Iranisierung

Nach dem Ende der Eroberungen festigten die Mongolen unter Hūlāgū ihre Kontrolle über die verschiedenen Provinzen und ließen sich dauerhaft in Iran nieder. Den neuen Herrschern war nach Bayānī bewußt, daß sich in einer zerstörten Region kein Wohlstand herbeiführen ließ, weshalb sie mit dem Wiederaufbau begannen, damit die Staatskasse zur Sicherung ihrer Herrschaft und zum Ausbau der Handelswege gefüllt würde. Auch die Iraner, vertreten durch zwei herausragende Persönlichkeiten, den Statthalter im Körper der Regierung, Šams od-Dīn Ǧoveinī, und den Statthalter in ihrem Geiste, Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, verfolgten ein gemeinsames Ziel. Dieses bestand in der Erneuerung ihrer Nation und Kultur durch die Zügelung des Fremden (mahārkardan-e bīgāne) und im Sieg über die Regierung.400

397 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 44–46. 398 Ibid., S. 63–64. 399 Ibid., S. 52. 400 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 348–50.

178

3. kapitel

Laut Bayānī war Naṣīr od-Dīn Ṭūsī unbestreitbar ein Genie, das zum Nutzen seiner kulturpolitischen Ziele auf der Suche nach einer großen Arena war. Im Laufe seines Lebens klopfte er an die Türen verschiedener bedeutender Machtbereiche, wobei er bei den Ismailiten Einlaß fand, vom abbasidischen Kalifen jedoch abgewiesen wurde. Einlaß gewährten ihm auch die Mongolen, bei denen er auf die beste Weise empfangen wurde und eine herausragende Stellung erhielt – beide Seiten befriedigten durch diese Zusammenarbeit ihre hohen Ansprüche.401 Die Quellen schweigen darüber, wie Naṣīr od-Dīn Ṭūsī zuerst den Weg zu den Ismailiten fand und anschließend an ihrer Zerschlagung mitwirkte. In seinem Werk Aḫlāq-e Nāṣerī verliert er selbst kein Wort darüber, daß er sich bei den Ismailiten unwohl gefühlt haben könnte. Zwanzig Jahre später erneuerte er gleichwohl sein Vorwort zu diesem Buch, aus dem hervorgeht, daß er während des ersten Mongolensturms die Festungen der Ismailiten als sicherste Orte und als Inseln der Ruhe im Sturm und Schnittpunkte des Denkens in Iran ansah.402 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī hätte auch sicherere und weit entferntere Orte wie Syrien und Ägypten in Betracht ziehen können, doch entschied er sich dafür, in Iran zu bleiben, um aus den letzten Zuckungen des Sunnitentums Vorteile für die Gestaltung der Schia zu ziehen.403 Die Tatsache, daß er einen Zufluchtsort gesucht hatte, erwähnte Naṣīr od-Dīn Ṭūsī in seinem ursprünglichen Vorwort wohl deshalb nicht, da er Angst vor anti-ismailitischem Gedankengut hatte. Diese Furcht war insonfern nicht unbegründet, als sich in seinem eigenen Gedankengut eine gewisse Neigung zu ismailitischem Denken finden läßt. Als Naṣīr od-Dīn Ṭūsī zu Hūlāgū ging, hielt er das Schicksal der Ismailiten für besiegelt. Nach ihrer Niederschlagung bezeichnete er sie dann als Abtrünnige (ḫāreǧ az dīn, mortad).404 Möglicherweise war zu Beginn der ilchanidischen Herrschaft der Anteil von Naṣīr od-Dīn Ṭūsī an der Erneuerung des Daseins der iranischen Kultur größer als derjenige aller anderen, meint Bayānī. Ihm gelang es, das Ende des Fadens aus dem Knäuel des verlorengegangenen Landes freizulegen, und den dichten Staub, den die mongolischen Reittiere hinterlassen hatten, abzuwischen.405 Seine Begabung erfüllte sich am besten beim Schutz der Existenz

401 402 403 404 405

Ibid., S. 250. Ibid., S. 251. Ibid., Bd. 2, S. 579. Ibid., Bd. 1, S. 251–52. Ibid., S. 350–51. Einige Quellen, führt Bayānī an, gehen sogar so weit zu behaupten, sein Einfluß auf den Khan sei so groß gewesen, daß er diesen heimlich zum Muslim gemacht habe. Ibid., S. 351.

Historische Erzählungen

179

Irans.406 Hinsichtlich seiner Verantwortung für Iran und das Iranische ist Naṣīr od-Dīn Ṭūsī daher nur mit Ferdousī zu vergleichen. Während dieser nach dem Überfall der Araber das Persische wiederbelebte, muß man Naṣīr od-Dīn Ṭūsī als Retter der iranischen Kultur nach dem Angriff der Mongolen ansehen. Er sammelte ein Extrakt der gesammten Kultur Irans in der Absicht, diese bunte Hinterlassenschaft zu ordnen und die „Essenz des Lebens auf die Gedankenwüste zu tröpfeln“.407 Abgesehen davon, daß Naṣīr od-Dīn Ṭūsī nach Bayānī als Aufseher über sämtliche religiöse Stiftungen (ouqāf ) zur wirtschaftlichen Erholung des Landes beitrug, erreichte er nach dem Sturz des Kalifats auch eine Verbesserung der politischen und gesellschaftlichen Situation der Schiiten.408 Als Erneuerer (eḥyāʾ-konande) der Schia, die den Kristallisationspunkt (tabalvor) der iranischen Ideen und Gedanken bildete und sich viele Jahrhunderte lang wegen der Existenz des Kalifats und der sunnitischen Regierungen in Iran getarnt und keine Möglichkeit zur Verbreitung gehabt hatte, ließ er diese ihr Haupt erheben und sich für den Tag, an dem sie die offizielle Religion Irans werden würde, in der Gesellschaft festsetzen.409 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī sorgte dafür, daß sich die heimlichen Kämpfe der Schiiten auf der Grundlage der taqīye zu offenen Auseinandersetzungen wandelten, und er verursachte die Ausbreitung des Schiitentums, welches später zur offiziellen Religion in Iran wurde.410 Zu den größten Leistungen des Naṣīr od-Dīn Ṭūsī gehört nach Bayānī ferner die Errichtung des Observatoriums von Marāġe, welches das Zentrum der Gelehrsamkeit von Anatolien bis China darstellte. Überall, wohin er Hūlāgū begleitete, sammelte er Bücher ein, um bedeutende Bibliotheken zu errichten.411 Sein wichtigstes Problem war, geeignete Männer für die Wiedererrichtung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Säulen des Landes zusammenzubringen. So fanden ehemalige Notabeln, Ismailiten, Leute aus dem Umfeld des Charesmschahs, Gelehrte, Geistliche, Dichter und Literaten Zuflucht bei Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und halfen nicht nur dabei, die durch das Schwert des Feindes herbeigeführten Wunden zu heilen, sondern beschäftigten sich auch mit kulturellen und politischen Angelegenheiten und beeinflußten den Wiederaufbau des Landes.412 An diesem Mittelpunkt der Wissenschaften und der Künste wurden 406 407 408 409 410 411 412

Ibid., Bd. 2, S. 407. Ibid., S. 404. Ibid., Bd. 1, S. 351. Ibid., Bd. 2, S. 404. Ibid., Bd. 1, S. 352. Ibid., S. 352. Ibid., S. 352.

180

3. kapitel

nicht nur Beispiele der iranischen Zivilisation gesammelt, die in den Städten vor der Vernichtung standen, sondern er diente zudem der Zusammenkunft von eigenen und fremden Gelehrten und Künstlern aller Völker und Gruppierungen, so daß sich neue Gedanken aus Ost und West dort mit der iranischen Zivilisation vermischten. Nachdem die Ruhe nach dem Sturm (ārāmeš baʿd az ṭūfān) eingekehrt war, kam eine große Zahl von Persönlichkeiten nach Marāġe, um dort zu arbeiten. Sie leisteten einen erheblichen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes.413 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī war es laut Bayānī auch, der einen Fürstenspiegel über die guten Sitten der Herrschaft in Iran verfaßte und die Tradition einführte, iranischen Staatsbediensteten die Verantwortung für die Staatsgeschäfte zu übertragen. Auf diese Weise konnten sie den militärischen Befehlshabern und Stammesführern der Mongolen den Handlungsfaden entreißen.414 6.1 „Kampf der Kulturen“ Den Feldzug, den Hūlāgū unternahm, der seine buddhistischen Söhne und zwei fanatische christliche Ehefrauen im Gefolge hatte, bezeichnet Bayānī als Religionskrieg (ǧang-e maẕhab). An die Provinzstatthalter in Iran schickte Hūlāgū die Mitteilung, daß er die Ismailiten unterwerfen wolle. Diese setzten ihre Bestrebungen für eine „nationale und kulturelle iranische Existenz ohne die Vermischung mit der fremden türkischen und mongolischen Kultur und Rasse“ (ḥayāt-e mellī-o farhangī-ye īrānī bedūn-e āmīzeš bā farhang-o nežād-e bīgāne-ye torkī-o moġūlī) unermüdlich fort.415 Das Durcheinander nach dem Sieg der Mongolen über die Charesmschahs nutzten die Ismailiten zur Stärkung ihrer spirituellen und materiellen Macht. Einerseits setzten sie sich ebenso wie die Mongolen für die Schwächung der sunnitischen Herrscher ein. Andererseits bemühten sie sich darum, alle iranischen Wesire und Kommandanten, die sich den Mongolen ergeben hatten, sowie diejenigen Geistlichen, die in den Städten und Dörfern gegen die Ismailiten agitierten, zu töten. Städte, die keine Regierung mehr hatten und deren Einwohner nicht unter fremde Besatzung fallen wollten, wurden den Ismailiten übergeben.416 Trotz dieses Machtzuwachses gab es zwei ursächliche Gründe für die gleichzeitige Schwächung der Ismailiten: Neben den internen Gründen, die auf die Probleme zwischen den oberen und unteren Rängen der Ismailiten zurückzuführen sind, spielten vor allem äußere Gründe eine Rolle. Zu diesen zäh413 Ibid., Bd. 2, S. 404–5, 579. 414 Ibid., S. 370–72. 415 Ibid., Bd. 1, S. 201. 416 Ibid.

Historische Erzählungen

181

len die Einheit von Sunniten und Schiiten, die sich in ihrer Bekämpfung der Ismailiten trotz aller sonstigen Gegensätze einig waren. Außerdem öffneten die Ismailiten die Tore ihrer Festungen lange Zeit allen Fremden jeder Gruppierung. Diese Gelehrten, Künstler, Handwerker, Literaten und Ärzte, ob Sunniten, Schiiten, Juden oder Christen, die an den Hof des jeweiligen dāʿī 417 eingeladen worden waren, versetzten den Ismailiten mit Hilfe der Mongolen den größten Schlag. Der erste Feind der Ismailiten waren die Sunniten, die ihre Grundlagen schwächten; ihr zweiter Feind waren die Mongolen, die die sunnitische Regierung stürzten; ihr dritter Feind waren die Schiiten, die letztlich den endgültigen Sieg errangen.418 Durch das Ziel der Mongolen, die Ismailiten zu vernichten, veränderte sich die Einstellung der Zwölferschiiten gegenüber ihren schiitischen Brüdern (  ferqe-ye barādar), so daß sie den Mongolen bereitwillig halfen, ihre Konkurrenten zu beseitigen.419 Bayānī zufolge war die islamische Religion in Iran sehr eng mit der dortigen Nationalkultur (  farhang-e mellī) verbunden. In Folge der mongolischen Invasionen wurde die Bevölkerung Irans Augenzeugin der Auslöschung ihrer Nationalität und Kultur (nā-būdī-ye mellīyat-o farhang-e ḫvīš). In ihrer Angst und Verzweiflung griffen die Menschen im Staub der Hufe der mongolischen Lastund Reittiere nach dem Rettungsanker (rīsmān) der Religion. Um ihre nationale Existenz (mouǧūdīyat-e mellī) zu verteidigen, verschanzten sie sich hinter dieser Barrikade, die zu den wichtigsten Zusammenhalt stiftenden Ursachen unter den Völkern zählt und ein Mittel zur Schaffung der Einheit des Landes sowie eine Gewähr für seine Verteidigung ist. Seit der mongolischen Epoche nahm die hilfreiche Rolle der Religion in den politischen Angelegenheiten zu, bis sie schließlich unter den Safaviden zur Einheit des Landes und zu seiner territorialen Ausdehnung wie zur Zeit der Sasaniden (224–651) führte.420 In der Einleitung zu Band zwei ihres Werkes Dīn va doulat dar Īrān-e ʿahd-e moġūl („Religion und Staat in Iran zur Zeit der Mongolen“), welcher den Titel Ḥokūmat-e īlḫānī. Nabard-e do farhang („Die Herrschaft der Ilchane: Der Kampf zweier Kulturen“) trägt, setzt sich Bayānī ausführlich mit den auch von Eqbāl angesprochenen beiden Elementen/Prinzipien (ʿonṣor), dem mongolischen und dem iranischen, auseinander. Während der Regierungszeit der Ilchane, so Bayānī, werden wir beständig Zeugen zweier gegenläufiger Bemühungen: einerseits dem Bemühen der mongolischen Regierung um die Festigung der Grundlagen ihrer Herrschaft und deren Anerkennung durch die iranische 417 „Derjenige, der zum wahren Glauben aufruft“. Cf. Hodgson: „Dāʿī“ sowie Daftary: „Daʿī“. 418 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 202. 419 Ibid., S. 250. 420 Ibid., S. vii.

182

3. kapitel

Bevölkerung; andererseits dem Bemühen des Volkes um die Erneuerung seines nationalen und kulturellen Lebens (ḥayāt-e mellī-o farhangī). Da die Verwaltung des Staates nicht von den Mongolen selbst übernommen wurde, beteiligte sich das iranische Element erfolgreich daran und begann seinen heimlichen Krieg gegen das Fremde. Macht kämpfte gegen Macht (qodrat dar-barābar-e qodrat) und Kultur gegen Kultur (  farhang dar-barābar-e farhang), wobei scharfe Waffen wie Verwaltung und Religion zum Einsatz kamen. Die Heftigkeit der manchmal verborgenen, manchmal offenen Kämpfe des Volkes gegen das Fremde zu dieser Zeit ist beispiellos. Erneut enthüllen uns diese Bemühungen das Geheimnis der Beständigkeit Irans (rāz-e baqā-ye Īrān).421 In einer Ära „nationaler und kultureller Erschütterung“ (dourān-e tazalzol-e mellī-o farhangī) stellte sich die grundsätzliche Frage, ob es möglich war, das große alte Iran (Īrān-e kohan-sāl-o bozorg) durch ein mongolisches Territorium zu ersetzen. Nachdem die Fremden ganze Gebiete zerstört und viele Staatsdiener, Lehrer, Gelehrte, Imame und Scheichs gefangengenommen, in alle Winde zerstreut oder getötet hatten, nahmen sie den Platz der Iraner als Grundbesitzer ein und bildeten eine neue Schicht, die man als feudalistisch, aristokratisch, stammeszugehörig, militärisch bezeichnen kann.422 Auf diesen Ansturm der Mongolen und von Angehörigen chinesischer, tibetischer und uigurischer Stämme, die ihre eigenen Religionen mitbrachten, mußte die iranische Gesellschaft reagieren. Sich auf das eigene Kulturgut stützend (be-ettekā-ye poštovāne-ye farhangī-ye ḫvod) wählte sie die Zerstörung oder Absorbierung dieser Elemente.423 Die schärfste Waffe im Kulturkampf zwischen dem siegreichen und dem besiegten Volk war die Religion (dīn), so Bayānī weiter. Da Čengīz Ḫān als eine Art Prophet (peyāmbar-gūne) diesen Kampf mit der Verbreitung der yāsā – in der er die Grundlagen des Schamanismus zusammengestellt hatte – in den eroberten Gebieten begonnen hatte und seine Nachfolger ihm darin folgten, mußten die Unterworfenen mit derselben Waffe gegen ihren Gegner antreten. Erfolgreich würde derjenige sein, dem es gelänge, mit Hilfe seiner Religion diejenige des anderen zu bezwingen. Das Ergebnis dieses Kampfes war, daß sich in der Epoche der Ilchane die wesentlichen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf der Achse der Religion (bar meḥvar-e dīn) ereigneten.424 Unter dem Joch (yūġ) der Mongolen war das Volk diesem kulturellen Angriff (tahāǧom-e farhangī) ausgesetzt, der dadurch, daß die abergläubi421 422 423 424

Ibid., Bd. 2, S. xi. Ibid., S. 366. Ibid., S. 367. Ibid., S. 367–68.

Historische Erzählungen

183

schen Gedanken sehr schnell Verbreitung in der vom Krieg angeschlagenen Bevölkerung fanden, materielle, spirituelle und moralische Folgen hatte. So nahmen die schamanischen Geistlichen den Platz der islamischen ein und krallten sich in Kette und Einschuß des Gewebes der Seele des Volkes. Doch setzten an dieser Stelle die überlebenden iranischen Intellektuellen an, die so lange Druck ausübten, bis sie das halb versenkte Schiff aus dem Strudel des Untergangs ans Ufer gerettet hatten. Erneut zeigte sich die Bedeutung und Kraft der alten iranischen Kultur (  farhang-e rīše-dār-e īrānī), die eine erstaunliche Widerstandskraft bewies.425 In dieser schweren Zeit (ǧavv-e siyāh) kam die Bevölkerung endlich wieder zur Besinnung. Iran durfte nicht verlorengehen. So wie es bis zu diesem Zeitpunkt im Verlaufe der Jahrhunderte und Epochen und im Angesicht großer Gefahren nicht verlorengegangen war. Die kundigen Vorfahren der Bevölkerung hatten schwere Schläge einstecken müssen, waren [dann aber] aufgewacht und hatten für den Kampf mit dem Fremden (bīgāne) eine wichtige Säule ihrer Kultur, nämlich die Religion, ausgewählt und diese als Waffe für die Befreiung eingesetzt. Es begann ein erbarmungsloser und verborgener Kampf, und am Ende erstrahlte der Glanz von Tradition und Kultur (sonnat-o farhang) unter seinem Banner. Die Iraner waren erfolgreich, sie herrschten über sich selbst. [. . .] Unter unseren Fabeln haben wir eine Legende von einem Vogel namens Phönix (qoqnūs), der, obwohl er ein ums andre Mal durch Alter und Schwäche verbrennt, aus seiner Asche neu ersteht und niemals stirbt.426 Einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen das Fremde leistete nach Bayānī die Schia, welche sie als die „bedeutendste Gestalterin der Geschichte jener Epoche“ bezeichnet.427 Zwar stellt das Schweigen bzw. das Fehlen von Quellen zum Studium dieses Kampfes und der Art der Gestaltung der Schia ein Problem dar, doch kann man trotz des Schweigens der Quellen und ihrer Unzulänglichkeit nicht verhehlen, daß die Schiiten beständig jede passende Gelegenheit nutzten, bis sie die Durchsetzung ihrer verlorenen Rechte, als die sie die Bekräftigung der Herrschaft der Familie des ʿAlī b. Abī Ṭālib ansahen, ermöglichen konnten.428 Zwei Gründe können für das Fehlen von entsprechenden Quellen angeführt werden: erstens die vollendete Verstellung der 425 426 427 428

Ibid., S. 368–69. Ibid., Bd. 1, S. 356–57. Ibid., Bd. 2, S. 570. Ibid., S. 570.

184

3. kapitel

Schiiten (taqīye) und damit der Verzicht auf jede Dokumentierung; zweitens das Schweigen der sunnitischen Geschichtsschreiber hinsichtlich der diese Sekte betreffenden Ereignisse, da sie diese nicht für wichtig erachteten oder nichts von ihnen wußten.429 Doch waren die Beendigung der sunnitischen Herrschaft der Charesmschahs, die Auslöschung der ismailitischen Kraft und die Vernichtung des abbasidischen Kalifats, welches sich selbst als spirituelles Oberhaupt der islamischen Welt gesehen hatte, sowie die vollkommen verworrene Lage in Iran Gründe genug für die Erhebung und die Machtergreifung der Schia. Vor allem die Zwölferschiiten hatten nie zuvor in ihrem Bestehen eine solch günstige Gelegenheit vorgefunden:430 „Die Schiiten betrachteten die Mongolen als Mittel zur Befreiung von der Herrschaft der Sunniten.“431 In diesen Zeiten der Wirren, so Bayānī weiter, bedurfte es eines Führers, um die Spaltung und Zersetzung zu beenden, das Land von Tötung, Plünderung und Unterdrückung zu befreien, das Fremde zu entfernen, das Volk/die Nation von Verderbnis und Tyrannei zu erlösen und auf diese Weise das Recht seinem rechtmäßigen Inhaber zuzuführen. Dieser Führer (zaʿīm) konnte nach schiitischer Auffassung nur der Imam sein, auf dessen Erscheinen sie seit Jahrhunderten warteten. Ein Mittel, das die Schiiten zur Erreichung ihres hohen Ziels zur Verfügung hatten, war das Märtyrertum (šahādat), welches sie unverzüglich auf Engelsflügel setzte und ins Paradies beförderte. Seit Jahrhunderten war die Schia mit der iranischen Nationalität (mellīyat-e īrānī) verbunden, ebenso wie mit Unterdrückung und Märtyrertum. Aus diesem Grunde wurde sie von den Leidtragenden der Gesellschaft wie der Landbevölkerung, den Handwerkern und Gewerbetreibenden, den Bazar- und Kleinhändlern unterstützt. Diese hielten sich selbst für die Märtyrer der Gesellschaft (šahīd-e eǧtemāʿī) und wollten dadurch, daß sie an den Berg des Märtyrertums (ǧabal-e šahādat) klopften, ihre Forderung zum Ausdruck bringen. Bei den Sunniten führte dies zu der Überzeugung, es seien nur die Barfüßigen, die der Schia zuneigten.432 Auch in politischer Hinsicht hatten die schiitischen Iraner eigene Vorstellungen, denn sie wollten sich unter dem Banner der Religion vor dem Angriff der Fremden schützen. Während der Epoche der Mongolen, die 429 Ibid., S. 571. 430 Ibid., S. 570–71. Auch Ḥasanzāde bezeichnet die Mongolenzeit als eine Phase, in der aufgrund der Zerrüttung der religiösen Überzeugungen und der Duldung nicht-sunnitischer Doktrinen der Boden für die Entwicklung und Ausbreitung der Zwölferschia bereitet worden sei. Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 461. 431 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 571. 432 Ibid., S. 571.

Historische Erzählungen

185

eine Zeit des Versuchs war, hielten sie die Grundlage für bereitet, ihre eigenen Wünsche zu befördern, schreibt Bayānī.433 Mehr als je zuvor dachten die Schiiten nun über ihren weiteren Weg nach. Seit Jahrhunderten hatten sie taqīye geübt, um sich vor ihren Feinden zu schützen, doch jetzt konnten sie die Fundamente für das Ergreifen der Herrschaft durch die Schia in Iran legen.434 Bereits zu der Zeit, als die Führung der Charesmschahs aufgrund des Vordringens der Mongolen ins Wanken geriet, hatte die iranische Schia eine solche Stärke erreicht, daß sie bald darauf als Hebel (be-ṣūrat-e ahromī) im nationalen Kampf gegen das Fremde erschien. Ihre Anhänger überwachten nicht nur die Arbeit der Regierung, sondern fanden auch Einlaß in die Häuser sowie zu den vertraulichen Sitzungen und beeinflußten die Regierungsbeamten durch Einflüsterungen bzw. übten selbst hohe Regierungsämter aus.435 Sie streiften nicht nur die Verheimlichung ihres wahren Glaubens ab, sondern vertraten ihre Überzeugungen ohne Angst. Wie groß die Macht dieser Gruppe war, zeigte sich daran, daß der Charesmschah ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad einen schiitischen Geistlichen als Kalifen aller Muslime einsetzen wollte.436 Nachdem die Herrschaft der Charesmschahs beendet und das Kalifat der Abbasiden beseitigt worden war, unternahmen die Schiiten laut Bayānī einen weiteren großen Schritt. Da viele Medresen zerstört und Moscheen verlassen worden waren und die sunnitischen Geistlichen vielerorts die Flucht ergriffen hatten, nahmen Schiiten etliche der freigewordenen Posten ein „und es verging nur wenig Zeit seit dem Angriff der Mongolen, bis Iran unter den Einfluß der Macht der schiitischen Geistlichen geriet.“437 Während der Herrschaft der Ilchane erlebten die Schiiten des Reiches verschiedene Phasen. Gegen den Widerstand der Sunniten bemühte sich Arġūn (reg. 1284–91), der befürchtete, die durch das Schamanentum und die yāsā geprägte mongolische Kultur könne durch die iranischen Würdenträger ausgelöscht werden, um die Wiederbelebung ebendieser Kultur. Während die Schiiten Schutz bei ihm suchten und zunehmend Macht errangen, spürten die Sunniten die ihnen drohende Gefahr.438 Zwar wurde das Sunnitentum später unter dem Ilchan Ġāzān erneut zur offiziellen Religion erhoben, so Bayānī, doch konnte dies die Existenz der Schia nicht mehr gefährden.439 Ġāzān, der unter starkem 433 434 435 436 437 438 439

Ibid., S. 571–72. Ibid., S. 572. Ibid., S. 572–73. Ibid., S. 573. Ibid., S. 578. Ibid., S. 595–96. Ibid., S. 598.

186

3. kapitel

schiitischen Einfluß stand, wurde von verschiedenen Ratgebern – unter ihnen Rašīd od-Dīn – davor gewarnt, die Schiiten zu bevorzugen. Schließlich war der überwiegende Teil der Iraner sunnitischen Glaubens und hätte sich gegen ihn erheben können. Außerdem gehörten die Soldaten seines Heeres, das er gerade gegen Ägypten und Syrien führen wollte, ebenfalls der Sunna an. Kurz nach der Niederlage seiner Truppen starb Ġāzān, und so wurde die Ernennung der Schia zur offiziellen Religion Irans aufgeschoben.440 Das Schicksal wollte es, daß dieser mongolische Khan zum Wohle der [damaligen] Zeit sunnitischer Muslim wurde und auch zum Nutzen jener Religion beitrug. Falls er nicht so früh verstorben wäre, hätte es während seiner Zeit vielleicht dazu kommen können, daß die Schia zur offiziellen Religion geworden wäre. Die Dauer der Herrschaft dieses Khans war [allerdings] so kurz, daß die Schiiten nicht die Möglichkeit hatten, die Situation von politischer Seite vorzubereiten, so daß die Angelegenheit auf die Zeit seiner Nachfolger verschoben wurde. Andererseits begannen die Sunniten, die die Gefahr gespürt hatten, heftigen Widerstand zu leisten. In dieser Situation hatten die Schiiten weiterhin nicht den Mut zur Enthüllung ihres Glaubens.441 Erst als Ūlǧāytū sich dem schiitischen Islam anschloß, wurde dieser zur offiziellen Religion in Iran. Vor die Wahl gestellt, diesen Schritt ebenfalls zu vollziehen, schlossen sich die meisten Mitglieder seiner Entourage laut Bayānī dem Herrscher an. Zuerst ließ der Sultan das Freitagsgebet in schiitischem Sinne ändern, dann führte er eine neue Münzprägung ein.442 Doch es war die Ernennung des Schiiten Saʿd od-Dīn Sāvaǧī zum Wesir, die das Ziel, die Schia endgültig durchzusetzen, in greifbare Nähe rücken ließ. Dieser unternahm sofort eine Reihe von Maßnahmen, um die anderen Religionen und Sekten zu schwächen und setzte seine Verantwortung für die schiitischen Angelegenheiten um.443 Aufgrund der Aufstände im ganzen Land, die die Schiitisierung des Freitagsgebets nach sich gezogen hatten, und beeinflußt von seinen sunnitischen Höflingen, kehrte Ūlǧāytū, „die Geheimnisse seines Herzens für sich behaltend“, zum Sunnitentum zurück. Somit war die schiitische Bewegung, die ausgezogen war, ganz Iran einzunehmen, erneut

440 441 442 443

Ibid., S. 600. Ibid., S. 601. Ibid., S. 604. Ibid., S. 605–6.

Historische Erzählungen

187

geschwächt. Damit das Samenkorn, das sie gesät hatte, aufgehen konnte, waren noch viele weitere Jahre nötig.444 Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der Schia hatte Bayānī zufolge die Provinz Fārs mit der Stadt Schiras im Süden. Ihre Bevölkerung hegte einen starken Wunsch nach Unabhängigkeit, nach der Wiederbelebung des Ruhms und der Größe Irans (maǧd-o ʿaẓamat-e Īrān) und nach einem Schlag gegen den Körper des fremden Elements. Noch immer fanden sich dort Familien, die sich selbst der Dynastie der Sasaniden zugehörig fühlten, während sich die Sasaniden ihrerseits auf die Achaimeniden zurückführten. Dies war ganz offensichtlich einer der Gründe, weshalb Schiras zu den bedeutenden Sammelplätzen der Schia gehörte. Abgesehen von ihrer Abstammung von der Familie des Propheten sahen sich die ursprünglichen Familien jenes Ortes als Nachfahren der Granden der Geschichte an, darunter die Buyiden. Sie wollten die Herrschaft und die Wiederbelebung der Traditionen und der großen vergangenen Kultur in die eigenen Hände nehmen. Mehr als jede andere Gruppe verlangten die Schiiten von Fārs auch nach der mongolischen Einnahme der Provinz nach Unabhängigkeit.445 Auch andere Provinzen wie der arabische Irak oder Chorasan gerieten immer stärker unter schiitischen Einfluß. Manche Städte wie Qom, Kāšān oder Rey und andere waren bereits vor dem Mongolensturm mehrheitlich von Schiiten bewohnt gewesen. Zur Erreichung ihrer Ziele sammelten die Schiiten möglichst viele Anhänger, übten Einfluß auf die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundfesten in den Regionen aus und bildeten Herde des Widerstandes und Kampfes gegen die Zentralregierung.446

444 Ibid., S. 609–10. 445 Ibid., S. 593–94. 446 Ibid., S. 610–11. Āžand versteht den Kampf der Sarbedārān von Chorasan (1337–1405) gegen Mongolen und Türken als einen Kampf der islamischen Kultur zwölferschiitischer Schule gegen türkische und mongolische Tradition und Kultur, auch wenn letztere sich als Muslime ausgaben. Sie kämpften gegen das Fremde (bīgāne-setīzī) und gaben nicht auf, bis sie das mongolische Element (ʿonṣor-e moġūl) aus Chorasan vertrieben hatten. Āžand: Qiyām-e šīʿī, S. 213. Rāvandī, der sich verschiedenen Freiheitsbewegungen des Volkes (nahżathā-ye āzādī-ḫvāhāne-ye mardom) im Herrschaftsgebiet der Ilchane widmet, betrachtet diese vor allem vor dem Hintergrund von mongolischem Imperialismus, Feudalismus und Klassenkampf. So zitiert er Rašīd od-Dīns Aussage, die Führer und Helfer der Aufständischen seien Wegelagerer und die beteiligte Bevölkerung Gauner. Interessanterweise, so Rāvandī, beteiligten sich auch arme Mongolen an diesen Aufständen und kämpften an der Seite der Bevölkerung. Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 329. Zu den Sarbedārān cf. Melville: „Sarbadārids“.

188

3. kapitel

Zu keiner anderen Zeit, so Bayānī, war die Zahl der einflußreichen und bekannten schiitischen Geistlichen so groß und nie waren sie so aktiv wie während der Mongolenzeit. Die Gelehrten dieser Epoche verfaßten Werke, die zu den bedeutendsten der schiitischen Rechtsgelehrsamkeit (  fiqh) zählen.447 Für besonders einflußreich hält Bayānī das Sufitum in der mongolischen Periode, welches viele Menschen als Rettungsanker betrachteten.448 Zu den Gründen für das Aufblühen des Sufitums gehörten die Niederlage gegen einen mächtigen Feind und die Beraubung der spirituellen und materiellen Kraft des Volkes. Damit hing auch der Bruch zusammen, der durch die Kultur des siegreichen Volkes herbeigeführt worden war und den die alltäglichen Regeln und Traditionen des Sufitums kitten konnten. Schließlich kam es zu einer Rückbesinnung auf die vorislamische Kultur Irans, die durch den offensichtlichen Stillstand und die Apathie in der Religion des Islams hervorgerufen wurde. Als Folge der Niederlage wurden die gesellschaftlichen Schichten auseinandergerissen und es entstanden neue Gruppen, die den Platz der vormaligen Edlen und Notabeln einnahmen. Eine neue Schicht der Stammesaristokratie griff nach den großen Ländereien und dem Reichtum des Landes, und die Angehörigen des produzierenden Gewerbes fielen unter das Joch einer neuen feudalistischen Klasse. Daher spiegelten die mystischen Orden die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Gier der neuen Herren wider, denn die Menschen suchten in der Mystik eine heilsame Arznei für all ihre Leiden.449 Zudem war das Sufitum stark beeinflußt von der vorislamischen Kultur, besonders von den Traditionen des Mitrakultes,450 des Zoroastrismus451 und des Manichäismus, für die die Bevölkerung in jener Zeit ein besonderes Interesse hegte.452 Abgesehen von der Wiederbelebung der Bräuche aus dem antiken Iran unter den Abbasiden und Buyiden war das Sufitum selbst „ein Amalgam aus der Kultur der Epochen vor und nach dem Islam in Iran.“453 6.2 Ġāzān Ḫāns Bekehrung zum Islam – ein Wendepunkt? Noch bevor Ġāzān Ḫān zum Islam konvertierte, war bereits Aḥmad Tegūdār Muslim geworden. Seine gut zweijährige Herrschaft, so Bayānī, führte durch die von den Ǧoveinīs ergriffenen Maßnahmen zu bedeutenden Fortschritten 447 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 637–38. 448 Ibid., S. 653. 449 Ibid., S. 658–59. 450 Cf. Schmidt: „Mithra“. 451 Cf. Malandra: „Zoroastrianism i. Historical Review“. 452 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 662. 453 Ibid., S. 662–63.

Historische Erzählungen

189

in Hinblick auf die Wiederbelebung der iranischen Kultur und den Zwang zum Rückzug des fremden Elementes. Täglich mußten die Mongolen mehr von ihren traditionellen Grundlagen Abstand nehmen. Ihre Prinzen und Emire nahmen sich adlige iranische Frauen und konvertierten zum Islam. Sie führten ihre Abstammung auf die Könige der Epochen vor dem Islam zurück und fanden darin einen Anlaß zu Ruhm und Ehre. Diese Verhältnisse verliehen den Herzen Hoffnung und den Blinden Sehkraft.454 Religiöse Stiftungen wurden wieder aufgebaut, der Gebetsruf wieder eingeführt, der Genuß von Alkohol verboten und Maßnahmen zur Durchführung des alljährlichen ḥaǧǧ ergriffen.455 Bedauerlicherweise war diese Epoche des Mongolensäuberns (moġūl-zedāʾī) zur Entfernung aller Einflüsse, die sich in Kette und Einschuß des Machtbereichs gekrallt hatten, sehr kurz. Weder in dieser Zeit noch danach konnte der mongolische Aberglaube beseitigt werden.456 Mit dem Sieg des Ilchans Arġūn über Aḥmad Tegūdār und seinem Machtantritt erhielten die Mongolen erneut den Vorrang vor den Iranern, wodurch die Sache der Nationalität und Religion einen erneuten Einbruch erlitt. Durch die Tötung von Aḥmad Tegūdār und Šams od-Dīn Ǧoveinī457 sowie den Tod seines Bruders ʿAṭā Malek wurden die Iraner zum Schweigen gebracht. Da Arġūn ein fanatischer Buddhist war, der einen fanatischen Juden zum Wesir hatte, muß man diese Epoche als einen der Höhepunkte der Macht der jüdischen und buddhistischen Sitten in Iran ansehen. Gemeinsam arbeiteten Buddhisten und Juden an der Tötung des Islams (qatl-e mosalmānī).458 Arġūn soll sogar eine Truppe nach Mekka gesandt haben, um die Kaaba in einen buddhistischen Tempel zu verwandeln.459 Aufgrund der Tatsache, so Bayānī weiter, daß Arġūn den Juden Saʿd od-Doule460 zum Wesir ernannte, wurde die dreißigjährige Arbeit der Ǧoveinīs zerstört und eine Persönlichkeit an die Spitze der Regierung gesetzt, die, obwohl mit der Nationalität (mellīyat) vertraut, der Religion (dīn) fremd war. Zwar schmerzte es die Muslime, daß der Wesir ein 454 Ibid., S. 412–13. 455 Ibid., S. 413. 456 Ibid., S. 414. 457 Zu seiner Person cf. Biran: „Jovayni, Ṣāḥeb Dīvān“. 458 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 420–21. Mortażavī spricht in diesem Zusammenhang von einer Verschwörung gegen den Islam. Mortażavī: Masāʾel, S. 201. Auch Eslām-Niyā schreibt, die Feinde des Islams, zu denen vor allem Juden und Christen gehörten, reichten einander die Hände, um den Islam und die Muslime gänzlich zu vernichten. Den jüdischen Wesir Saʿd od-Doule bezeichnet er als „Kreuzritter“ (ṣalībī). Eslām-Niyā: Negahī, S. 161–64. 459 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 425. 460 Cf. Krawulsky: „Saʿd al-Dawla“.

190

3. kapitel

Jude war, der alle Posten an seine Verwandten verteilte und keine Muslime an der Regierungsarbeit beteiligte, doch leistete er sehr gute Arbeit. Die von Saʿd od-Doule durchgeführten Reformen sind nur mit denjenigen Ġāzān Ḫāns zu vergleichen, und man kann sogar sagen, daß Ġāzān den Maßnahmen des Saʿd od-Doule folgte und diese mit den Regeln und Gesetzen des Islams vermischte.461 Nach der Ermordung des Saʿd od-Doule durch iranische Notabeln kam es zur Ermordung von Juden in ganz Iran seitens der Bevölkerung. Wohl nie zuvor hatte es dort eine solche Feindschaft gegen dieses Volk (qoum) gegeben.462 Ġāzāns Bekehrung zum Islam markiert in den Augen vieler Autorinnen und Autoren einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der mongolischen Herrschaft. So heißt es bei Eqbāl ebenso wie bei Mortażavī: Amīr Nourūz,463 auf dessen wiederholte Aufforderung sich Ġāzān vor Antritt seiner Herrschaft mit dem Islam befaßte, erklärte ihm, daß er, falls er den Islam annehme, dauerhaft zum Herrscher Irans werde.464 Die Muslime würden unter seiner Regierung aus ihrer demütigenden Lage befreit und von der Schmach, Untertanen der ungläubigen Tataren zu sein, befreit werden. Zur Belohnung werde Gott ihm und seinen Soldaten Beistand und Sieg gewähren. Kurz darauf konvertierte Ġāzān – und mit ihm ca. 100.000 weitere Mongolen – zum Islam und nahm den Namen „Maḥmūd“ an. Im Wettstreit zwischen den beiden Prinzipien/Elementen (ʿonṣor), dem muslimischen und iranischen auf der einen Seite und dem tatarischen und christlichen auf der anderen [. . .], errang das muslimische und iranische Prinzip den politischen Sieg. Die Ilchane von Iran nahmen nicht nur den Islam an, sondern schlossen sich während Ġāzāns Herrschaft [. . .] der Schia an, welche die vorherrschende Religion (maẕhab) der Iraner war, und wurden [dadurch] zu Verbreitern der islamischen Sitten.465 In Maḥmūd Ġāzāns Hauptstadt Tabrīz wurden wie im gesamten Reich auf seinen Befehl die Kirchen, Synagogen, buddhistischen und zoroastrischen Tempel zerstört, die Götzen der Ungläubigen und Heiden vernichtet und 461 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 423–24. 462 Ibid., S. 246–47. 463 Amīr Nourūz war ein zum Islam konvertierter mongolischer General, der Ġāzāns Antritt der Herrschaft maßgeblich abgesichert hatte. Morgan: Mongols, S. 160. Nach Grousset war Amīr Nourūz‘ Einfluß wesentlich verantwortlich für die Zerstörung von Kirchen und Tempeln. Grousset: Empire, S. 454. 464 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 257; Mortażavī: Masāʾel, S. 204. 465 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 257.

Historische Erzählungen

191

auf den Straßen verstreut; die Kirchen wurden in Moscheen umgewandelt. Christen mußten einen groben Gürtel von einer bestimmten Farbe und Juden eine eigene Kopfbedeckung tragen, die sie von den Muslimen unterscheiden sollte. Besonders in Bagdad, wo viele Christen lebten, waren diese häufigen Anfeindungen ausgesetzt. Nach seiner Annahme des Islams befolgte Maḥmūd Ġāzān während seines restlichen Lebens die Bräuche, Sitten und Regeln dieser Religion, so Eqbāl weiter. Er bemühte sich darum, auch diejenigen seiner Soldaten, die noch immer Götzendiener oder Buddhisten waren, zum Islam zu bekehren.466 Hinsichtlich seiner Charaktereigenschaften läßt sich sagen, daß Ġāzān Ḫān mutig (rašīd) und kampferprobt (ǧang-āzmūde) war und keine Angst vor dem Tod hatte. Gesandte aus fremden Ländern interessierten ihn ebenso wie Philosophen und Gelehrte, die er gern befragte. Mit den Angehörigen der verschiedenen Religionen verbrachte er viel Zeit im Streitgespräch, und er duldete keine Tyrannei seitens seiner Staatsdiener und Heerführer.467 Neben der mongolischen Sprache hatte Maḥmūd Ġāzān Kenntisse des Persischen und ein wenig auch des Arabischen, Chinesischen, Tibetischen und Lateinischen. Als ein den Künsten zugewandter Mann beherrschte er Malerei und Schmiedekunst; er widmete sich der Chemie, der Astronomie und der Pflanzenkunde.468 Bei der Umsetzung seiner eigenen Gebote war Maḥmūd Ġāzān äußerst genau und hart, weshalb die Zeit seiner Herrschaft nicht weniger grausam war als andere Epochen.469 Dennoch bezeichnet Eqbāl ihn wegen seiner Reformen, seiner gesetzgeberischen und seiner regen Bautätigkeit als einen der größten Herrscher des Orients: Obwohl der Vergleich mit [Männern] wie Kūroš dem Großen, Dārīyūš I. und den hochgestellten Herrschern der Sasaniden nicht richtig ist, muß man Ġāzān doch besonders hinsichtlich seiner Staatsführung und -verwaltung als einen der bedeutendsten Herrscher Irans und in jedem Fall [. . .] als den größten Herrscher der Dynastie der Ilchane anerkennen.470 Im Anschluß an den Überfall der Mongolen zeigte sich nach Mortażavī der Mechanismus der Anpassung (enṭebāq) in der iranischen Gesellschaft, die fleißig an der Zerstörung der mongolischen Macht über die religiöse, 466 Ibid., S. 283. 467 Ibid., S. 284. 468 Ibid., Bd. 2, S. 513. 469 Ibid., Bd. 1, S. 285. 470 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 512.

192

3. kapitel

administrative, politische und gesellschaftliche Sphäre Irans arbeitete und eine ilchanidische Regierung schuf, die seit der Zeit des Ilchans Ġāzān hinsichtlich ihrer nationalen und historischen Strategie als eine vollständig iranische Herrschaft angesehen wurde.471 Zweifellos markiert der Regierungsantritt von Ġāzān Ḫān – und vor allem seine Bekehrung zum Islam – einen Wendepunkt in der iranischen Geschichte, da die Regierung der Ilchane von nun an eine solche vollkommen iranische und islamische Manier (rang-e eslāmī-o īrānī) annahm, daß man seine Herrschaft in der islamischen Geschichte Irans als erste große iranische Herrschaft und Regierung ansehen kann. Hinsichtlich ihrer Ausdehnung und ihres Glanzes ist sie mit der Epoche der Sasaniden, in Hinblick auf ihre geographische Einheit und ihre politische und gesellschaftliche Unabhängigkeit mit der Ära der Safaviden zu vergleichen.472 Dank der gesellschaftlichen und religiösen Entwicklungen setzte sie zudem den heftigen konfessionellen Fanatismen (taʿaṣṣobāt-e maẕhabī) ein Ende und beraubte die sunnitische Glaubenslehre ihrer Anhänger.473 Laut Ṣafā konnten die Iraner, anstatt den strengen Regeln der Tataren zu folgen, endlich wieder nach den sich auf den Islam gründenden Gesetzen leben bzw. die von den Mongolen eingeführten Regeln reformieren. Ġāzān Ḫān hauchte gemeinsam mit seinen muslimischen Emiren dem Kern des Islams in Iran neues Leben ein,474 rettete ihn vor dem Untergang und bewahrte ihn vor dem Übergewicht der anderen Religionen, die dabei waren, sich in Iran auszubreiten.475 Seine Erlasse bildeten zusammen eine eigene yāsā, die diejenige des Čengīz Ḫān entkräftete. Die Annahme des Islams durch Ġāzān Ḫān muß man als den Ausgangspunkt einer großen Veränderung in der Geschichte der Ilchane von Iran und ihn selbst als einen islamischen Herrscher (pādešāh-e eslām) oder vielmehr als einen Herrscher Irans (pādešāh-e Īrān) ansehen. Ġāzān Ḫān ist mit jenen Sultanen zu vergleichen, die vor dem Angriff der Mongolen aus den Reihen der Turkmenen oder der gelbhäutigen muslimischen Soldaten hervorgingen und die kaum etwas von ihren iranischen Glaubensgenossen trennte.476 Seit Ġāzāns Regierungszeit, so Rāvandī, geriet 471 Mortażavī: Masāʾel, S. 85. 472 Ibid., S. 86, 88, 60. An anderer Stelle heißt es, Ġāzān Ḫān sei der Schia sehr zugetan gewesen, habe dies jedoch nicht gezeigt. Mortażavī verweist auch auf E. G. Browne, der von Ġāzāns Pilgerfahrt nach Karbalāʾ berichtet und meint, er sei im Herzen Schiit gewesen. Ibid., S. 239–43. 473 Ibid., S. 86. 474 Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 127–30. 475 Ibid., S. 130. 476 Ibid., S. 130.

Historische Erzählungen

193

die Regierung Irans immer stärker in die Hände von Iranern, so daß allmählich die ureigene Unabhängigkeit (esteqlāl-e dīrīn) Irans wiederhergestellt wurde.477 Abgesehen von der von Mortażavī bereits erwähnten Errichtung des größten iranischen Reiches in der islamischen Epoche, zählen die fortschrittlichen Gesetze zur Sicherung von Ordnung und Gerechtigkeit sowie zur Unterbindung der Unterdrückung und Willkür durch höfische und Verwaltungselemente sowie die Säuberung der Einrichtungen zur Rechtsprechung und das Eindämmen von Fanatismen und religiösen Konflikten zu den wesentlichen Elementen der Regierungszeit des Ġāzān Ḫān. Wirtschaft, Handel und Stiftungswesen erhielten passende Regelwerke, Stätten der Gelehrsamkeit wurden errichtet und die Gelehrten in ihrer Arbeit unterstützt. In Hinblick auf ihre Bedeutung und die Tiefe ihrer menschlichen und gesellschaftlichen Ziele ist diese Epoche in der iranischen Geschichte einzigartig und bewunderungswürdig.478 Zudem sorgte Ġāzān Ḫān für die gesellschaftliche Unabhängigkeit Irans und leitete darüber hinaus seine religiöse Unabhängigkeit ein (tamhīd-e esteqlāl-e maẕhabī), was zu den bedeutendsten Werken im historischen Leben des iranischen Volkes während der islamischen Ära zählt. Nach sieben Jahrhunderten wurden unter Ġāzān Ḫān erneut die Bedingungen für die Etablierung „einer großen geographischen und religiösen Einheit, vereint und unabhängig unter dem Namen Iran“ geschaffen.479 Seine Regierung nahm die iranischen Elemente auf, sein politischer Stil und seine Strategie beinhalteten den Aspekt der Anpassung, nicht des Zwangs, so daß die zufällige Übereinstimmung der Politik dieses Ilchans mit dem historischen Wesen des iranischen Volkes die gesellschaftlichen und politischen Grundlagen zusammenführte, welche die nationale Einigung (touḥīd-e mellī) und das Entstehen eines großen Staates begünstigten. In dieser Übereinstimmung lag das Geheimnis des Erfolges von Ġāzān Ḫān, selbst wenn man seine außergewöhnliche Persönlichkeit, sein politisches Talent und seine Weisheit bei der Wahl seiner politischen Richtlinien in Hinblick auf die gesellschaftlichen Notwendigkeiten in der iranischen Sphäre nicht unberücksichtigt lassen kann.480 Nach seinem Tod trauerte die iranische 477 Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 309. Der Autor faßt die Einschätzung sowjetischer Wissenschaftler zusammen, das Mongolenreich sei eine der imperialistischen Mächte des Mittelalters gewesen, dem es nur mit Hilfe seines durch das Schwert herbeigeführten Sieges gelungen sei, alle Teile des Reiches unter einem Banner zu versammeln. Zu den verschiedenen Völkern und Stämmen hätten die Mongolen keinerlei dauerhaften wirtschaftlichen, nationalen (mellī) und kulturellen Beziehungen unterhalten. Ibid., S. 330. 478 Mortażavī: Masāʾel, S. 86–87, 172–73. 479 Ibid., S. 87. 480 Ibid., S. 88–89.

194

3. kapitel

Bevölkerung um ihn, denn sie spürte Verbundenheit und Zuneigung zu diesem Herrscher und hegte keine Rachegedanken mehr. Ġāzān Ḫān beseitigte die schwarze Wolke der Erniedrigung und der Demütigung, die die fremden Herrscher über die Denkungsart der Iraner ohne Achtung für ihr Wohlergehen geworfen hatten.481 Nach Mortażavī beginnt die Erneuerung des islamischen Lebens erst mit Ġāzān. Die Phase der ilchanidischen Herrschaft teilt er in zwei Perioden, nämlich die Zeit vor Ġāzān Ḫān und die Zeit danach. Aufgrund seiner bedeutenden Förderung des Islams und des islamischen Rechts kann dieser zurecht als einer der größten muslimischen Herrscher betrachtet werden.482 Einige Historiker, so Mortażavī an anderer Stelle, übertragen ihre angemessene Abneigung gegen die Unterdrückung durch die Mongolen auf die gesamte Periode mongolischer Herrschaft in Iran. Sie trennen dabei nicht das Wahre vom Falschen und berücksichtigen nicht die Vorzüge einiger großer und fähiger Ilchane wie Ġāzān, Ūlǧāytū und Abū Saʿīd, sondern sehen deren Regierungszeiten als Fortsetzung der Herrschaft eines fremden Volkes und seiner Unterdrückung Irans an. Dabei zählt diese Zeit in Hinblick auf die Verbreitung von Wissenschaft und Literatur, die Ehrerbietung gegenüber den Rechtsgelehrten, die Religionsfreiheit und das Verschwinden des religiösen Fanatismus zu den glänzendsten Epochen der iranischen Geschichte.483 Die Reihe bedeutender Veränderungen, die sich während der Epoche der Ilchane ereigneten, war laut Mortażavī keinesfalls ein Zufall, sondern stellt eine Etappe in der natürlichen und zwangsläufigen Entwicklung (taḥavvol-e ṭabīʿī-o ǧabrī) der iranischen Geschichte dar. Es ist zu vermuten, daß die Grundlagen des historischen wie des gesellschaftspolitischen Fortgangs, die zur Schaffung der safavidischen Herrschaft und zum Erscheinen und zur Bildung der iranischsten und antiarabischsten islamischen Konfession (żohūr-o takvīn-e īrānītarīn-o żedd-e ʿarabītarīn maẕhab-e eslāmī)484 sowie zur heftigsten Manifestation der alten Wünsche und der Schwierigkeiten der iranischen Gesellschaft in Gestalt des Konflikts zwischen den Safaviden und den Osmanen – den Nachfolgern des Kalifats von Bagdad – führten, während der Regierungszeit von Ġāzān Ḫān und Solṭān Moḥammad Ḫodābande Ūlǧāytū sowie durch die iranischen Säulen des ilchanidischen Staates gelegt wurden.485 Die Frage, ob die ilchanidischen Herrscher mehr aus politischen als aus Glaubensgründen zum Islam kon481 482 483 484 485

Ibid., S. 217. Ibid., S. 198. Ibid., S. 272–74. Gemeint ist hier die Zwölferschia. Ibid., S. 89 und S. 173.

Historische Erzählungen

195

vertierten, wie sie von einigen Historikern diskutiert wird, ist ebenso nebensächlich wie die Frage, ob ihre Neigung zur Schia als eine Reaktion auf die sunnitischen Herrscher von Ägypten und Syrien anzusehen ist, so Mortażavī. Schließlich ist das Motiv der Ilchane bei der Stärkung des Islams im allgemeinen und der Schia im besonderen unerheblich.486 Nach Bayānī kann man die Epoche der Herrschaft der ersten Ilchane bis zum Regierungsantritt des Muslims Ġāzān als Schauplatz des Ringens des iranischen mit dem fremden Element (ʿonṣor-e īrānī-o bīgāne) bezeichnen, bis schließlich das eine das andere endgültig besiegte.487 An diesem gnadenlosen Kampf zwischen feindlichen Gruppen nahm auf der einen Seite das mongolische Element unter Führung der Prinzen und mit Unterstützung der feudalistischen Stammesaristokratie, sowie auf der anderen das iranische Element unter Führung der Wesire und mit Unterstützung der Staatsbediensteten teil. Als es dem iranischen Element gelang, den sechsten Ilchan in der Mitte seines Lebens zum Islam zu führen, brachte es seinen Gegner für immer zu Fall und erweckte mit der Waffe der Religion die iranische Nationalität und Kultur zu neuem Leben. Von dieser Zeit an wurden die Plätze der Sieger und der Besiegten getauscht.488 Nur wenige buddhistische Geistliche folgten dem Aufruf, ebenfalls zum Islam überzutreten, nachdem Ġāzān sich öffentlich zum Muslim sunnitisch-hanafitischer Rechtsschule erklärt hatte. Sie verließen Iran, während die Angehörigen der anderen religiösen Minderheiten in große Not gerieten und sich strengen Vorschriften zu unterwerfen hatten.489 Während die Dschingisiden vor Ġāzān Ḫān großes Interesse an der eigenen Rasse (nežād), den Vorfahren und ihren Leistungen gezeigt hatten, nahm dieses Interesse nun ab, so Bayānī weiter, und es kam zu einer Erneuerung der iranischen Sitten und Gebräuche sowie zu einer erneuten Herrschaft der Iraner über ihre Kultur. Aus diesem Grunde erreichte das Wirken der Mongolen als siegreiches Element in dieser Epoche sein Ende.490 Ġāzān erbte laut Bayānī ein Land, in dem die von seinen Vorfahren angerichteten Schäden noch nicht beseitigt waren. Er mußte das Land einigen, die Staatskasse füllen, das Volk zufriedenstellen und für eine starke Religion und Kultur sorgen. In Übereinstimmung mit den iranischen Traditionen und den islamischen Vorschriften machte er sich an Reformen in allen Bereichen und erließ neue Gesetze.491 Durch 486 Ibid., S. 173–74. 487 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 435. 488 Ibid., S. 436. 489 Ibid., S. 449. 490 Ibid., S. 451. 491 Ibid., S. 459.

196

3. kapitel

die Stärkung der Herrschaft von Ġāzān Ḫān und seine Reformmaßnahmen wurde Iran so mächtig, daß die Beziehungen zu Peking, dem Zentrum des mongolischen Reiches, abgebrochen wurden.492 Seine wichtigste Errungen­schaft war allerdings, daß es ihm gelang, die Einheit (vaḥdat) Irans von Herat bis zum Euphrat zu bewahren.493 Wir sehen also, daß aus Ġāzāns Ärmel eine iranische Hand hervorkommt, um die iranische Kultur mit der Waffe der Religion ein weiteres Mal zum Leben zu erwecken und ihren erhabenen historischen Glanz ein weiteres Mal erstrahlen zu lassen. Erneut herrschte ein progressiver menschenfreundlicher (ensān-dūstāneʾī) Wille über die Gesellschaft, damit Staat und Nation auf dem Wege des Fortschritts befördert würden. Die Epoche von Ġāzān Ḫān muß man als Periode der nationalen und kulturellen Wiederbelebung Irans nach dem Überfall der Mongolen bezeichnen, in der die iranische Religion und Sprache (dīn-o zabān-e īrānī) erneut offiziell anerkannt wurden.494 Letztlich, so Eslām-Niyā, wurden die Angriffe von Christen und Mongolen auf die islamische Welt und die Besetzung eines großen Teils der islamischen Heimat/des islamischenVaterlandes (vaṭan-e eslāmī) zu einem Mittel, um ihre Völker mit dem Islam vertraut zu machen, so daß viele von ihnen zu Muslimen wurden. Auf diese Weise bewahrheitete sich Gottes Wort, denn „Gott wird sein Licht vollenden, auch wenn es den Ungläubigen zuwider ist“.495 Ġāzān Ḫāns Konvertierung war für die Iraner sowohl in religiöser als auch in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht von großem Nutzen, da sie wieder nach den Regeln des Islams leben konnten, Medresen und Moscheen wiederaufgebaut wurden, größere Steuergerechtigkeit herrschte und die Beziehungen zu den nicht-muslimischen Mongolen abgebrochen wurden.496 Auch Ġāzān Ḫāns Nachfolger Moḥammad Ḫodābande Ūlǧāytū war Muslim. Ihm legten Eqbāl zufolge Höflinge nahe, angesichts des Streits unter den Muslimen die Schia zu wählen, wie es bereits sein Vorgänger Ġāzān getan habe.497 Verschiedene Äußerungen von schiitischen Vertrauten sowie ein 492 Ibid., S. 465. 493 Ibid., S. 471. 494 Ibid., S. 466. 495 Eslām-Niyā: Negahī, S. 178. Koran 61:8. 496 Eslām-Niyā: Negahī, S. 177–78. 497 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 315. Laut Bayānī konnten die Schiiten den Ilchan Ġāzān wegen seiner Liebe zur Prophetenfamilie für sich gewinnen und Einfluß auf ihn nehmen.

Historische Erzählungen

197

Traum, den Ūlǧāytū auf einer Reise nach Naǧaf im Irak hatte, führten schließlich dazu, daß er sich tatsächlich zur Zwölferschia bekehrte.498 In der Folge von Ūlǧāytūs Bekehrung zur Schia ließ der Herrscher die Namen der drei ersten rechtgeleiteten Kalifen aus dem Freitagsgebet entfernen und durch ʿAlī, al-Ḥasan und al-Ḥusain ersetzen. Unter den zahlreichen schiitischen Gelehrten, die an Ūlǧāytūs Hof kamen und den schiitischen Glauben weiter verbreiteten, war auch al-ʿAllāma al-Ḥillī.499 Dieser große Gelehrte festigte zusammen mit weiteren schiitischen Rechtsgelehrten den Glauben des Herrschers, so daß sich die Sunniten vergebens bemühten, Ūlǧāytū wieder von der Schia abzubringen.500 Allerdings stellte er einige Zeit nach seiner Annahme des schiitischen Islams fest, daß die meisten Menschen in Iran ihm nicht folgten, sondern Sunniten blieben,501 wobei sie einen gewissen Eifer/Fanatismus (taʿaṣṣob) an den Tag legten. Dies führte dazu, daß der Herrscher, der selbst nicht fanatisch war,502 seine Parteinahme für die Schia verminderte, gegen Ende seines Lebens zum Sunnitentum zurückkehrte und die Namen der rechtgeleiteten Kalifen wieder ins Freitagsgebet aufnehmen und auf die Münzen prägen ließ.503 Ursprünglich neigte Ūlǧāytū auch nach Mortażavīs Darstellung dem hanafitischen Sunnitentum zu, doch mühten sich Teile seiner Umgebung, ihn davon abzubringen. Unter dem Eindruck der heftigen Auseinandersetzungen zwischen Hanafiten und Schafiiten verloren die mongolischen Emire den Glauben an den Islam, und auch der Sultan war nahe daran, sich von dieser Religion abzuwenden.504 Doch hatte Ūlǧāytū sich lange Zeit mit dem Islam beschäftigt Der Herrscher stand dieser Sekte so nahe, daß manchmal berichtet wird, er sei selbst Schiit gewesen. Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 484. 498 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 316, Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 485 und Mortażavī: Masāʾel, S. 220 sowie ibid., S. 229–30, 245–46. Die Autorin und die Autoren sind sich nicht schlüssig, ob der große schiitische Gelehrte al-ʿAllāma al-Ḥillī oder der mongolische Emir Ṭarmṭāz letztlich den Ausschlag für Ūlǧāytūs Bekenntnis zur Schia gab. Siehe auch Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 601–2. 499 Für erste Hinweise zu dieser bedeutenden schiitischen Persönlichkeit der Mongolenzeit cf. Jafri: „al-Ḥillī“. 500 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 317. Ūlǧāytū fertigte nach Ǧaʿfarīyān eine Schrift mit Koranversen an, in der er seinen Übertritt zur Schia begründete. Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 108–9. 501 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 318. 502 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 527. 503 Ibid., S. 527 und Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 318, Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 486 und Mortażavī: Masāʾel, S. 230–31, 255–56. 504 Mortażavī: Masāʾel, S. 220. Ġāzān Ḫān hielt sich mit seinem Bekenntnis zur Schia zurück, da er die antischiitische Stimmung in der Bevölkerung fürchtete. Ibid., S. 161.

198

3. kapitel

und verstand, daß es keinen Zweifel an der Rechtlichkeit des Islams und an seiner Überlegenheit über andere Religionen gab. Auch weil er davon überzeugt war, daß die Fehler an den Hanafiten und Schafiiten und nicht am Islam selbst lagen, konnte und wollte er nicht gegen seinen Herzenswunsch und gegen das Vermächtnis seines Bruders Ġāzān den Islam ablehnen und erneut dem toten Buddhakult huldigen.505 Nachdem Ūlǧāytū die schiitischen Bräuche hinsichtlich des Freitagsgebets und der Münzprägung angeordnet hatte, traten in der islamischen Gesellschaft Irans, die bis dahin nicht den geringsten Widerstand gegen die Herrschaft der Mongolen an den Tag gelegt hatte, auf einmal Anzeichen von Empörung und Aufruhr zu Tage, so daß der Herrscher aus Furcht vor einer allgemeinen Erhebung wieder Abstand davon nahm, diese Gepflogenheiten durchzusetzen. Die Mehrheit der Sunniten verabscheute den Herrscher nicht etwa deshalb, weil er ein Mongole und ein Fremder (bīgāne), sondern weil er Schiit war.506 Durch die Annahme des Islams zeigt sich Mortażavī zufolge auch in diesem Abschnitt der iranischen Geschichte, daß das ursprünglich siegreiche Volk letztlich von der Politik und dem intellektuellen Einfluß des iranischen Elements besiegt und von der iranischen Zivilisation vereinnahmt wurde. Bis auf eine Handvoll mongolischer Wörter, Namen und Titel, einige wenige Traditionen und Stammbäume blieb von den Mongolen keine Spur zurück.507 Darüber hinaus läßt sich die Neigung der beiden Ilchane zur Schia – auch Ġāzān entschied sich nämlich für die Schia508 – dadurch begründen, daß die Mongolen unbelastet von sunnitischen Traditionen waren. Sie verstanden den Islam als Religion Muḥammads und seiner Familie, die Bevorzugung von ʿAlī b. Abī Ṭālib erschien ihnen daher natürlicher, die erbliche Herrschaft würdiger und eher mit den Regeln der yāsā von Čengīz Ḫān vereinbar als diejenige der Kalifen Abū Bakr, ʿUmar und ʿUṯmān.509 Eine Annahme des sunnitischen Islams hätte als eine Art Unterordnung unter die Politik und die Grundlagen 505 Ibid., S. 230–31, 255–58. 506 Ibid., S. 161. Laut Eslām-Niyā war es Ibn Taimīya, der Ūlǧāytū dazu brachte, sich wieder von der Schia zu lösen. Eslām-Niyā: Negahī S. 172. Einführend zu diesem Gelehrten des 14. Jahrhunderts cf. Laoust: „Ibn Taymiyya“. 507 Mortażavī: Masāʾel, S. 192. 508 Dem Autor zufolge will die Mehrzahl der zeitgenössischen Historiker nicht verstehen, daß Ġāzān sich für die Schia entschied, obwohl verschiedene Geschichtsschreiber seiner Zeit darauf hinweisen. Ibid., S. 237. Siehe auch S. 239–45. Auch Ǧaʿfarīyān spricht von der offensichtlichen Neigung Ġāzān Ḫāns zur Schia. Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 97. 509 Mortażavī: Masāʾel, S. 235. Der Autor spricht an dieser Stelle von ǧomhūrīyat-e eslāmī („islamischer Republik“) – im Gegensatz zur erblichen Herrschaft? – als Grundlage der sunnitischen Rechtsschulen.

Historische Erzählungen

199

des abbasidischen Kalifats angesehen werden können, welches die Mongolen beseitigt hatten.510 Schließlich erkannte Ġāzān Ḫān, daß der sunnitische Islam auch weiterhin unter dem Einfluß des abbasidischen Kalifats stand und eine Waffe in den Händen der Mamluken (1256–1516) war. Daher stärkte er die Schia in Iran und verbreitete sie zugunsten der Unabhängigkeit (esteqlāl) des Landes wie zur Stärkung seiner eigenen Herrschaft gegenüber Ägypten.511 Bayānī bezeichnet die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Richtungen im Islam als Krieg der Sekten. Während vor Ġāzān Ḫāns Herrschaftsantritt Kämpfe zwischen den Völkern/Nationen und Religionen geherrscht hatten, wurde die Zeit danach dadurch bestimmt, daß jede islamische Konfession und Sekte um die Gunst des Herrschers rang. Unter Ūlǧāytū setzten sich mal die Hanafiten, mal die Schafiiten und mal die Schiiten durch.512 Der Umstand, daß die Schia letztlich zur offiziellen Religion Irans wurde, hatte seine Wurzeln in seiner Regierungszeit.513 Zu Beginn von Ūlǧāytūs Herrschaft bemühten sich die hanafitischen Geistlichen (rūḥānīyān), ihn unter ihren Einfluß zu bringen. Sie gaben nicht nur keiner anderen Sekte (  ferqe) die Möglichkeit zur Verbreitung, sondern verleumdeten diese auch noch. Nicht zuletzt wegen der Zerstrittenheit der einzelnen Glaubensrichtungen, die auch zu Konflikten in der Armee führten, wandten sich viele führende Mongolen wieder vom Islam ab.514 Betrachtet man die Spuren, die Ūlǧāytū hinterließ, so wird deutlich, daß zu seiner Zeit die iranische Kultur ihre vollkommene Herrschaft wiedererrungen hatte und die Regierung der Ilchane zugleich auf dem Höhepunkt von Macht und Ruhm angelangt war. Diese Herrschaft der iranischen Kultur wird nicht ohne Grund erwähnt, denn Ūlǧāytū besuchte den Ṭāq-e Kesrā515 und war stark von diesem Gebäude beeindruckt.516 Ġāzān Ḫāns Regierung sieht Pargārī, einer der Autoren des Konferenzbandes Hoǧūm-e moġūl be Īrān, nicht als entscheidenden Wendepunkt an. Zwar führte er grundlegende Reformen in der Religionspolitik durch, weil er mit großer Weisheit erkannte, daß er dem Islam während seiner Regentschaft Priorität (sar-louḥeh) einräumen mußte. Doch obwohl er die Herrschaft der Ilchane aus der Krise führte, die urbane Gesellschaftspolitik und die Zentralisierung stärkte, begründete seine Politik keine grundlegend neue Entwicklung, da es 510 Ibid., S. 235. 511 Ibid., S. 238. 512 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 477. 513 Ibid., S. 479. 514 Ibid., S. 481–82. 515 Zu den Überresten des sasanidischen Palastes von Ktesiphon cf. Keall: „Ayvān-e Kesrā“. 516 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 480–81. Bayānī verweist hier auf al-Qāšānī.

200

3. kapitel

weiterhin keine harmonischen Regierungsstrukturen gab.517 Anders sieht dies Seyyed Ebrāhīm Foyūżāt, der von einer Epoche der Erneuerung im Leben der Iraner spricht, die mit der Herrschaft von Ġāzān Ḫān und seiner Bekehrung zum Islam begann. Nach einer Epoche des Zerfalls kam durch die offizielle Einführung der iranischen Religion und Sprache (dīn-o zabān-e īrānī) neues Leben in die iranische Kultur. Umsichtige Herrscher legten die yāsā, die zuvor die mongolische Fremdherrschaft bestimmt hatte, beiseite und kapitulierten vor der mächtigeren Kultur und Zivilisation der Iraner.518 Verschiedene Erforscher der Mongolenzeit wie Mortażavī, Bayānī und Ǧaʿfarīyān weisen laut Aṣġar Montaẓer ol-Qāʾem darauf hin, daß eine genauere Untersuchung der intellektuellen und religiösen Situation in Iran unter mongolischer Herrschaft notwendig ist. Allerdings sprechen sie architektonische Hinweise wie Inschriften als Anhaltspunkte für diese Situation kaum an.519 Aufgrund der Tatsache, daß die Inschriften der islamischen Architektur Irans aus der Zeit der Ilchane den Bräuchen und Überzeugungen mit schiitischer Grundlage, vor allem hinsichtlich des Imamats von ʿAlī b. Abī Ṭālib, besondere Aufmerksamkeit widmen, läßt sich schließen, daß sich die Gesellschaft jener Zeit der Schia zuwandte. Sowohl im Mausoleum von Ūlǧāytū in Solṭānīye als auch in den Moscheen von Natanz und Varāmīn erscheint ʿAlīs Name gleich nach „Allāh“ und „Muḥammad“, und der Hinweis „walī allāh“ („Freund Gottes“) wird dem Glaubensbekenntnis hinzugefügt. Ebenfalls im Mausoleum von Solṭānīye findet sich der Zusatz „waṣīy rasūl allāh“ („Bevollmächtigter des Gesandten Gottes“) zu ʿAlīs Namen, welcher ein Hinweis auf den schiitischen Glauben ist. Die genannten Inschriften widersprechen der These, die Ilchane seien nach der Ermordung von Saʿd od-Dīn Sāvaǧī zum Sunnitentum zurückgekehrt. In und um Isfahan deuten die Inschriften an verschiedenen Gebäuden ferner an, daß in einer Hochburg der Sunna die Hinweise/Bräuche (šeʿār) schiitisch waren und die allgemeine Tendenz in Richtung der Schia ging. Hinzu kommt, daß sich die Aufmerksamkeit der Ilchane auf die Gräber der Nachkommen von ʿAlī b. Abī Ṭālib und al-Ḥusein richteten, die Mausoleen in Karbalāʾ, Kāẓimain und Naǧaf restauriert und neue emāmzādes520 errichtet wurden.521 Insofern sind die genannten Inschriften wertvolle Belege für die Lage der Religionsgeographie im islamischen Iran und dafür, daß die Schiiten 517 Pargārī: „ʿElal-e forū-pāšī“, S. 353–54. 518 Foyūżāt: „Taḥavvol-e farhangī“, S. 876–77. 519 Montaẓer ol-Qāʾem: „Šeʿār-e šīʿe“, S. 1238. 520 Zu diesen Mausoleen, die die Gräber der Nachfahren von Imamen beinhalten sollen, cf. den Artikel „Emām-zāda“ mit den Beiträgen mehrerer Autoren in EIr online 1998. 521 Montaẓer ol-Qāʾem: „Šeʿār-e šīʿe“, S. 1251–54.

Historische Erzählungen

201

die Epoche der Ilchane für das Wachstum der Schia, ihre weitere Verbreitung und den allmählichen Übergang von der Sunna zur Schia insbesondere in den Derwischorden nutzten. In aller Stille wurde auf diese Weise die Grundlage für die offizielle Anerkennung der Schia gelegt.522 7

Persische Berater und Wesire – Kämpfer für die iranische Sache?

Auch im Zusammenhang mit der Bedeutung der iranischen Berater, Wesire und Gelehrten unterstreicht Mortażavī die Vorzüge der Periode ilchanidischer Herrschaft. Die größte Ehre für die Errungenschaften jener Zeit gebührt diesen Männern, deren Ruhm verstärkt wird, indem man das Halfter um den Hals des feuerspeienden Drachen kenntlich macht, welches die Grausamkeit des Drachen schwächte und ihn auf den Weg der Kultiviertheit und des Fortschritts sowie zum Wiederaufbau des Landes leitete.523 Als schlimmsten Verdacht, unter den man in der Epoche der Ilchane geraten konnte, bezeichnet Mortażavī die Vermutung, Beziehungen zu den Herrschern und den Muslimen von Syrien und Ägypten, also den Mamluken, zu unterhalten – viele unschuldige Wesire und Emire fielen dem zum Opfer.524 Ohnehin war die Zeit der mongolischen Herrschaft in Iran eine Epoche des Verrats, der Verschwörungen und des Blutvergießens.525 Zwar hatte der genannte Verdacht einen anti-abbasidischen und anti-arabischen Charakter und ergab sich aus den politischen und militärischen Interessen der Ilchane, doch spielten religiöse Überzeugungen dabei keine Rolle. In den feindlichen Beziehungen der Ilchane zu den Mamluken kann man eine Art Zusammenstoß des iranischen mit dem nicht-iranischen Element (rang-e taṣādof-e ʿonṣor-e īrānī-o ġeir-e īrānī) sowie die Einwirkungen der allmählichen Neigung des iranischen Staates und der Gesellschaft in Richtung der freien Religionswahl erkennen.526 Nach Zarrīnkūbs Darstellung handelte es sich bei den Herrschern der ungläubigen Ilchane (īlḫāne-ye kāfer) allerdings um wilde, grausame und unbarmherzige (vaḥšī-tabʿ-o bī-raḥm-o saḫt-keš) Männer. Selbst die muslimischen Emire, Beamten und Wesire beteiligten sich an den Grausamkeiten, um die Ilchane zufriedenzustellen, und übertrieben es damit sogar noch. Diese 522 Ibid., S. 1255. 523 Mortażavī: Masāʾel, S. 274–75. 524 Ibid., S. 129–30. Laut Ǧaʿfarīyān war die Tötung von Wesiren ein Brauch aus dem antiken Iran. Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 93. 525 Mortażavī: Masāʾel, S. 138. 526 Ibid., S. 130.

202

3. kapitel

Zustände waren der Grund für die „grundlegende moralische und gesellschaftliche Erschütterung (tazalzol-e mabādī-ye aḫlāqī-o eǧtemāʿī), für die mangelnde Sicherheit und die Ausbreitung von Gewalt.“527 Seit der Islamisierung Irans wurden laut Bayānī die Angelegenheiten zwischen den Kontrahenten nicht mehr mit dem Schwert erledigt, sondern es begann der Krieg der Feder (ǧang-e qalam), aus dem das iranische Element immer siegreich hervorging. Nach und nach fanden die ursprünglichen führenden Familien Eingang in die neue mongolische Regierung, sammelten kenntnisreiche und fähige Individuen um sich und errangen allmählich aus dem Innern die Herrschaft über den Geist und die Gedanken der Sieger. Als das Fremde dann zur Besinnung kam, hatte es sich bereits in ein anderes Volk und Selbst verwandelt. Diese Gruppe von Iranern, die wie die wiesenreichen Gegenden in sturmdurchtosten Wüsten tief verwurzelt ist, läßt in stürmischen Zeiten den Kopf hängen. Doch sobald es wieder ruhiger wird, richtet sie sich auf und läßt die Wüste ergrünen. Auch zur Zeit der Mongolen begaben sich die übriggebliebenen iranischen höfischen Familien mit Hilfe der Gelehrten und Geistlichen, die als einzige Gruppen verschont worden waren, ohne Zeit zu verlieren an den fremden Hof, um ihn zu erobern und die unterbrochenen Geschäfte fortzuführen. Aus Erfahrung wußten diese sorgetragenden Männer, daß man, falls man eine Flut nicht aufhalten kann, zumindest Dämme am Beginn des Weges bauen muß, um ihr so viel Zerstörungskraft wie möglich zu nehmen. Daher traten diese Leute schon vor der Etablierung der ilchanidischen Herrschaft in die Dienste der Mongolen, um überall Dämme zu errichten und dem Lande zu nutzen.528 Zu den wichtigsten Familien unter den Staatsbediensteten gehörten nach Bayānī die Ǧoveinīs, die bis zu den Ilchanen bereits zwei fremde Herrschaften hinter sich hatten. Bahāʾ od-Dīn Moḥammad, der den Charesmschahs als Leiter des Finanzwesens (mostoufī-ye dīvān) gedient hatte, sah beim Angriff der Mongolen das Ende seines bisherigen Herrn gekommen und trat in derselben Funktion (ṣāḥeb-dīvān(-e mamālek)) in die Dienste des ersten mongolischen Statthalters von Iran. Er besaß das Vertrauen der Mongolen, sorgte für Vorteile der Iraner in der Finanzverwaltung und die Wahrung der Rechte der iranischen Bevölkerung.529 Durch seine Nähe zum mongolischen Statthalter konnte er sowohl dessen Interesse an der Kultur Irans erregen als auch die gegen diese gerichteten Angriffe abwehren. Seine beiden Söhne Šams od-Dīn und ʿAlāʾ od-Dīn ʿAṭā Malek führte Bahāʾ od-Dīn in die Amtsgeschäfte ein. 527 Zarrīnkūb: Seirī, S. 73. 528 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 383. 529 Ibid., S. 384–85.

Historische Erzählungen

203

Hūlāgū dienten die Ǧoveinīs als Berater bei seinen Eroberungen, und nach der Etablierung der Ilchane stieg Šams od-Dīn erst zum ṣāḥeb-dīvān und später zum obersten Wesir des Landes auf. Dieser scharte Gelehrte um sich, vertraute ihnen feinsinnige Aufgaben an und legte sozusagen die iranischen Angelegenheiten in iranische Hände.530 ʿAṭā Malek wiederum wurde zum persönlichen Sekretär von Amīr Arġūn, dessen Sohn Amīr Nourūz die Ǧoveinīs zur Annahme des Islams bewegten.531 An zweien der bedeutendsten Ereignisse jener Zeit war ʿAṭā Malek beteiligt, nämlich an der Niederschlagung der Ismailiten und des abbasidischen Kalifats durch Hūlāgū. Soweit es ihm möglich war, so Bayānī, verhinderte er die Zerstörung der ismailitischen Bibliotheken und ihrer astronomischen Geräte auf den eroberten Festungen. Gleichzeitig verbarg er seine Feindschaft gegen die Ismailiten jedoch nicht. Nach der Eroberung Bagdads erhielt ʿAṭā Malek die Regierungsgewalt über diese Stadt und die angrenzenden Regionen – er saß auf dem Thron des Kalifen: „In der Geschichte des Islams war dies das erste Mal, daß die Herrschaft über Bagdad in die Hände eines Iraners fiel.“532 Als ʿAṭā Malek zusätzlich die Provinz Šūštar übertragen bekam, gehörte auch der letzte Teil des Territoriums des abbasidischen Kalifen zu seinem Einflußbereich.533 Durch die Heirat mit einer Nachfahrin der Abbasiden,534 durch die Besteigung des abbasidischen Throns nach Art der sasanidischen Könige in Ktesiphon sowie durch seinen Versuch der Wiederbelebung des iranisch-islamischen Verwaltungsapparates war er mit den Abbasiden gleichgestellt.535 Mit der Unterstützung seiner iranischen Mitstreiter, vor allem seines Bruders Šams od-Dīn und Naṣīr od-Dīn Ṭūsīs, begann ʿAṭā Malek laut Bayānī sogleich seine Politik für ein wiederhergestelltes Bagdad beim Aufbau von Verwaltung und Kultur iranisch zu gestalten.536 Infolgedessen wurde der Schriftverkehr in der Kanzlei von Arabisch auf Persisch bzw. Mongolisch umgestellt. Zudem kümmerte sich ʿAṭā Malek vor allem um die iranisch-muslimische Basis in der Provinz Naǧaf, deren überwiegend schiitische Einwohner von der Familie 530 531 532 533 534 535

Ibid., S. 385–86. Ibid., S. 386. Ibid., S. 387. Ibid., S. 398. Ibid., S. 401. Ibid., S. 402–3. In all diesen Ausführungen folgt ihr z. T. wörtlich Mīr Ǧaʿfarī: „ʿAlāʾ od-Dīn“, S. 1270–76. Allerdings macht er eine Ausnahme, indem er, sich auf Abel-Rémusat beziehend, darauf hinweist, die Leute der damaligen Zeit hätten nicht dieselbe Vorstellung von Vaterland und Nation (mīhan) haben können, wie man sie gegenwärtig habe. Ibid., S. 1283. Abel-Rémusat: Observations. 536 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 387.

204

3. kapitel

Ǧoveinī geschützt wurden.537 Insgesamt bemühte sich ʿAṭā Malek, während er den Wiederaufbau vorantrieb, darum, das iranische Element die Oberhand erringen zu lassen und um die Schwächung seiner mongolischen und christlichen Gegner.538 Ebenso wie die Barmakiden539 strebten die Ǧoveinīs danach, durch Zusammenarbeit mit der fremden Macht und durch scheinbare Zustimmung, das verflossene Wasser Irans wieder in sein Bachbett zu leiten.540 Nun, da sich die Familie Ǧoveinī in weniger als einem Jahrhundert nach verschiedenen Kämpfen gegen fremde Elemente an die Spitze der Regierung Irans hochgearbeitet hatte und sich selbst als Nachfolgerin der Kalifen (ǧā-nešīn-e ḫolafā)541 ansehen konnte, war sie soweit, die kurzen und zarten Wurzeln der schamanischen und buddhistischen Fremden schädigen und schwächen zu wollen.542 Bayānī zufolge wurde Šams od-Dīn Ǧoveinī nach dem Khan zur wichtigsten Person im Staate. Um die Lage in Iran, wie sie vor dem Überfall der Mongolen gewesen war, wiederherzustellen, bediente er sich des fremden Elements sowie der Gesetze der yāsā. Er übernahm die Verantwortung für die Verteidigung der iranischen Kultur und der Rechte der Bevölkerung, als Schamanismus, Buddhismus und Christentum im Aufwind waren. In seiner Zeit wurde die Verwaltung, wie sie aus den Epochen der Seldschuken und der Charesmschahs überliefert war, zu einem Monopol der Iraner, so daß die Mongolen sich schon bald nur noch mit militärischen Angelegenheiten beschäftigten.543 Als Beschützer der Geistlichkeit vor den Fremden sorgte er durch den Wiederaufbau von Medresen, Moscheen und Derwischklöstern für die Stärkung des Islams. Ebenso wie sein Bruder ʿAṭā Malek war Šams od-Dīn ein Schüler (morīd) des Dichters Saʿdī, der die Arbeit der Brüder auch dichterisch würdigte.544 Die Bewahrung des Iranertums (īrānīyat), die Wiederbelebung der landwirtschaftlichen Tradition und die Steuerverwaltung gehörten zu den Einflußbereichen der Ǧoveinīs.545 Ein derartiger Einfluß und 537 Ibid., S. 396–97. 538 Ibid., S. 398. 539 Zu dieser Familie von Sekretären und Wesiren der frühen Abbasidenzeit cf. Barthold&Sourdel: „al-Barāmika“ und Abbas: „Barmakids“. 540 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 403. 541 Einen Nachweis für diesen Anspruch zu erbringen, sei zwar schwierig, so die Autorin, aber nicht unmöglich. Ibid., S. 388. 542 Ibid., S. 388. 543 Ibid., S. 389. 544 Ibid., S. 389–90. 545 Ibid., S. 390–91.

Historische Erzählungen

205

eine solche Macht einer iranischen Familie rief natürlich den Widerstand der feudalen mongolischen Stammesherrn hervor, die mit Šams od-Dīn einen hartnäckigen Konkurrenten beseitigten.546 Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Ilchanzeit war laut Bayānī der Arzt und Wesir Rašīd od-Dīn Faẓlollāh. Gemeinsam mit seinen Söhnen und seiner Familie ist er in Hinblick auf das Wiederaufleben der iranischen Kultur und den Aufbau von Verwaltung und Regierung mit der Familie Ǧoveinī vergleichbar. Sein Werk begann er zur Zeit des Ilchans Abāqā (reg. 1265–82), an dessen Hof er als Arzt kam. Unter Arġūn nahm seine Macht zu, möglicherweise mit Hilfe des Wesirs Saʿd od-Doule; Geiḫātū (reg. 1291–95) übertrug ihm die Aufsicht über die Finanzen (vezārat-e dīvānī) und Ġāzān überließ ihm die Verwaltung des Stiftungsvermögens.547 Unter Ūlǧāytū schließlich erhielt er das Wesirsamt zusammen mit einem weiteren Amtsträger.548 Rašīd od-Dīn hielt sich in seinem bedeutenden Geschichtswerk über die Mongolen Ǧāmeʿ ot-tavārīḫ „nicht mit dem offenen Aussprechen der Wahrheit zurück und konnte das wahre Erscheinungsbild jener Epochen (čehre-ye ḥaqīqī-ye īn dourān) für nachfolgende Generationen bewahren.549 Ursprünglich einer jüdischen Familie entstammend, behaupteten seine Feinde, Rašīd od-Dīn sei trotz seines Übertritts zum Islam heimlich weiterhin ein Jude und ein Gegner des Islams geblieben. Seine Schriften jedoch verweisen auf sein Muslimsein und seine Liebe zum Islam.550 Rašīd od-Dīn war ein Ideologe der mongolischen Verwaltung, so Bayānī weiter, der nicht nur die Mongolen zivilisieren wollte (motamadden sāzad), sondern auch eine zentrale Herrschaft wünschte. Unter dem Deckmantel der Religion ergriff er kulturelle Maßnahmen in seinem Stadtviertel Rabʿ-e Rašīdī in Tabrīz. Zweifellos kann man sagen, daß Rašīd od-Dīn mit dieser Akademie der Wissenschaften in Rabʿ-e Rašīdī im Wettstreit mit Ġāzān Ḫān obsiegte, denn ein Mongole konnte und durfte beim kulturellen Wirken eines Iraners nicht Vorrang haben.551 Bayānī spricht davon, daß das Bemühen der Iraner, ihre Obliegenheiten soweit wie möglich in ihre eigenen Hände zu nehmen und das Fremde von ihren operativen Angelegenheiten fern zu halten, Leben kosten konnte. Bis auf 546 547 548 549 550 551

Ibid., S. 392–93. Ibid., S. 489. Ibid., S. 492. Ibid., S. 490. Ibid., S. 490–93. Ibid., S. 489.

206

3. kapitel

eine Ausnahme gab es unter den Ilchanen keinen Wesir, der im Streit und in den Ränkespielen nicht sein Leben verloren hätte.552 Ein großes Verbrechen der damaligen Zeit für einen iranischen Staatsmann war es, Beziehungen zu Ägypten und Syrien zu unterhalten. Doch welchen Einfluß hatten die Iraner in dem Geplänkel zwischen Mongolen und Arabern tatsächlich? Aus den Kriegen, die die Mongolen gegen ihre Gegner führten, zogen die Iraner keinen Nutzen außer der Vergrößerung des Territoriums und der Vermehrung der Einkünfte, denen jedoch der durch die Leere der Staatskasse hervorgerufene Zerfall und der Verlust ihrer Söhne gegenüberstanden. Zu Beginn, als die Mongolen noch keine Muslime geworden waren, hofften die Iraner, diese Kriege würden die Mongolen schwächen und sie könnten sie daher zu Fall bringen. Doch als die Mongolen sich an die iranische Kultur gewöhnt hatten bzw. als die Iraner darin erfolgreich waren, sie mit iranischen Sitten und Kultur vertraut zu machen, hofften sie, daß sich Ruhm und Ehre Irans mit ihrer Hilfe erneuern ließen. Doch obwohl das iranische Gebiet wie zu Zeiten der Achaimeniden und Sasaniden von Herat bis zum Euphrat reichte, wurde dieser Wunsch nicht erfüllt. Dennoch gelang es dem materiell und spirituell zertrümmerten Iran, ein weiteres Mal die Herrschaft und die Überlegenheit zu erringen – dies war jedoch nur aufgrund der unermüdlichen Anstrengungen der Staatsmänner und Eliten der iranischen Kultur möglich.553 Ẕekrollāh Moḥammadī geht in seinem Beitrag zu Hoǧūm-e moġūl be Īrān der Frage nach, warum während der Regierungszeit der Ilchane so viele ihrer Wesire getötet wurden. Ein wichtiger Grund war das rauhe und hitzige Temperament der mongolischen Herrscher, deren Zorn auch durch Kleinigkeiten geschürt wurde. Dann faßten sie den Beschluß zur Auslöschung ihrer größten und ergebensten Diener, der Wesire. Es kam zu kollektiven Hinrichtungen der Familien von Wesiren und anderen Granden und zu exemplarischen Bestrafungen. Zu deren Vollzug gehörten die Zerteilung einzelner Glieder und Körperteile, die in verschiedene Städte geschickt oder gekocht und gegessen wurden.554 Zwar wußten die ilchanidischen Herrscher, die Šams od-Dīn Ǧoveinī, Amīr Nourūz oder Rašīd od-Dīn töten ließen, was sie ihren Wesiren zu verdanken hatten,

552 Ibid., S. xii. 553 Ibid., Bd. 3, S. xiii. 554 Moḥammadī: „Taḥlīlī bar ǧarayān“, S. 1026. Der armenische Historiker Hayton ist die Quelle für die Legende, ein Vasall der Mongolen sei nach seiner Hinrichtung als Verräter nach tatarischem Brauch zweigeteilt und verspeist worden. Cf. Hillenbrand: „Muʿīn al-Dīn Sulaymān Parwāna“.

Historische Erzählungen

207

doch konnte man von diesen Männern, die nach den Gesetzen des Stammes erzogen worden waren, nichts anderes erwarten.555 Der wichtigste Grund für die Tötung von Wesiren war Moḥammadī zufolge deren Verleumdung durch ihre Nachfolger, deren Freunde oder Parteigänger. Problematisch war in diesem Zusammenhang die Zweiteilung des Wesirats nach chinesischem Vorbild. Zudem begünstigte das Klima bei Hofe die Zunahme von Verleumdungen, da die Verleumder das Wohlwollen der Ilchane hatten. Schließlich waren auch persönliche Interessen im Spiel, das Verlangen nach Überlegenheit, die Suche nach Machtfülle, Ehrgeiz, Neid und Vorteilssucht, die zu den Eigenschaften der meisten Wesire jener Zeit gehörten. Selbst die vortrefflichsten von ihnen wie Šams od-Dīn Ǧoveinī und Rašīd od-Dīn bildeten darin keine Ausnahme. Zum Tod eines Beschuldigten konnten vor allem drei Vorwürfe führen: Der Vorwurf, heimliche Beziehungen zu den Mamluken in Ägypten und Syrien zu unterhalten und einen Briefwechsel mit ihnen zu führen, war deshalb so schwerwiegend, weil die Mongolen den Mamluken in der Schlacht von ʿAin Ǧālūt (1260) unterlegen waren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Mongolen niemals besiegt worden, und ihr wichtigster Feind blieben die Mamluken. Der Vorwurf der Unterschlagung von Staatsgeldern ist offensichtlich darauf zurückzuführen, daß die Ilchane, zu deren angeborenen Charaktereigenschaften Habgier und Begierde gehörten, den großen Reichtum der Wesire kannten. Viele Männer in herausragender Stellung wurden der Unterschlagung bezichtigt, und ihre Besitztümer mit der Begründung konfisziert, sie hätten ihre Reichtümer, die auf dem Geld der Allgemeinheit gründeten, während ihrer Tätigkeit als Wesir erworben, weshalb diese Reichtümer für das Gemeinwohl aufzuwenden seien. Daher gehöre ihr Besitz nicht ihnen persönlich, sondern sei Eigentum des Staates, welcher ihn im Falle von Entlassung oder Tod beschlagnahmen müsse. Ein weiterer Vorwurf war, den Vater des jeweils neuen Ilchans vergiftet zu haben.556 Abschließend läßt sich laut Moḥammadī sagen, daß die Regierungszeit der Ilchane in Hinblick auf ihre Innenpolitik eine Epoche der schlechten Gedanken, der Heimtücke und des fehlenden Großmuts, der Intrige und Verleumdung, des Blutvergießens und der Grobheit war, da all diese Eigenschaften in keiner anderen Epoche der iranischen Geschichte anzutreffen sind. Durch ihre Unterstützung schufen die Sultane das entsprechende Milieu für Verleumder und Neider, und ihre enge Verbundenheit mit einzelnen Personen konnte sich

555 Moḥammadī: „Taḥlīlī bar ǧarayān“, S. 1027. 556 Ibid., S. 1039–52.

208

3. kapitel

urplötzlich in Zorn, Wut und hartherzige Handlungen verwandeln. Aufgrund des Gemetzels und wegen der Schwächung der staatlichen Ordnung hatten die Wesire schließlich nicht nur keinen Erfolg bei den Mongolenherrschern, sondern man kann sogar sagen, daß all diese Hinrichtungen die wesentliche Ursache für die genannte Schwächung waren.557 557 Ibid., S. 1054.

4. kapitel

Die Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft in Iran als Sinngeschichte – eine Analyse Basierend auf dem im zweiten Kapitel vorgestellten theoretischen Rahmen und dem Überblick über die Entstehung von Geschichtsschreibung und Nationalismus in Iran werden die im dritten Kapitel wiedergegebenen historischen Erzählungen nachfolgend analysiert. Vorwegnehmend kann konstatiert werden, daß das in diesen Narrativen hervorstechende Geschichtsdenken sowohl in einer literarischen Tradition von Mythen und Legenden, als auch im iranischen Nationalismus verortet ist. 1

Sinnkonstruktionen und Kohärenzfiktionen

Moderne Staaten halten als sozio-kulturelle Orte eine Anzahl von Geschichten und anderen kulturellen Werkzeugen bereit, um ein kollektives Gedächtnis zu entwerfen und ihre Bürgerinnen und Bürger mit offiziellen Darstellungen der Vergangenheit zu versorgen.1 Auf diese Art und Weise wird Geschichte geschöpft und die objektive Modernität der Nationalstaaten häufig mit einem subjektiven Altertum versehen. Diese „geschöpfte gemeinsame Geschichte“ wird sodann zum „Bezugspunkt des politischen Handelns“.2 Narrative Schemata (schematic narrative templates) oder Meistererzählungen (metanarratives) stellen dabei einen erzählerischen Rahmen zur Verfügung, der zu vielen Umschreibungen (instantiations) in spezifischen Narrativen paßt. Sie gehören zu einer nach kulturellen Milieus je unterschiedlichen Erzähltradition und sind der bewußten Reflexion nicht unbedingt zugänglich.3 Zwar kann das Erzählschema eine unterschiedliche Anzahl bestimmter Charaktere, Ereignisse, Daten und Sachverhalte enthalten, doch bleibt die grundlegende 1 Wertsch: „Specific Narratives“, S. 50. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf das gleichzeitige Vorhandensein von Gegenerinnerungen und Gegendarstellungen, die ebenfalls Einfluß auf die Vorstellung von der Vergangenheit einer „Nation“ oder anderen vorgestellten Gemeinschaften haben können. 2 Elwert: Nationalismus, S. 7–8. 3 Wertsch: „Specific Narratives“, S. 50–57.

© koninklijke brill nv, leiden, ���4 | doi 10.1163/9789004271876_005

210

4. kapitel

Fabel relativ konstant und enthält z. B. folgende Motive: eine Ausgangssituation (initial situation), in der die eigene Bevölkerung friedlich lebt und keine Bedrohung für ihre Nachbarn darstellt; den Beginn der Aggression einer ausländischen Macht, welche wiederum zu einer Krisensituation führt, in der der Aggressor großes Leid über eine friedliche Bevölkerung bringt und deren vollständige Niederlage herbeiführt; schließlich wird der Aggressor von diesem zuvor unterlegenen heldenhaften Volk besiegt. Ein offensichtlicher Grund für die Allgegenwärtigkeit eines solchen Erzählschemas ist die Tatsache, daß es sich auf tatsächliche Erfahrungen stützt. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen werden derartige Erzählschemata erstellt und spielen eine wesentliche Rolle dabei, immer wieder neue Darstellungen der Vergangenheit in diesem vorgegebenen Rahmen zu konstruieren.4 Obwohl sich Wertsch bei seiner Untersuchung auf russische Geschicht­s­ erzählung stützt, läßt sich das von ihm herausgearbeitete narrative Schema genausogut auf Iran anlegen. Dessen Rolle als unschuldiges Opfer fremder Aggression, welches am Ende jedoch als eigentlicher Sieger dasteht, nimmt zumindest in der modernen iranischen Historiographie einen bedeutenden Platz ein. Von der Eroberung Irans durch Alexander den Großen, der die Dynastie der Achaimeniden – die eigentlichen Begründer „Irans“, folgt man der iranischen Nationalgeschichte – zu Fall brachte, über die Invasion der muslimischen Araber bis zu den „Mongolenstürmen“ wird dieses Erzählschema eingesetzt.5 Darüber hinaus wird dasselbe Erzählschema bis heute verwendet, denn auch die neuere Geschichte Irans ist geprägt von militärischen Niederlagen, der Dominanz und Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes durch die Großmächte Rußland und Großbritannien im 19. und frühen 20. sowie der USA seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Überdies sieht sich das offizielle Iran derzeit erneut in der Opferrolle, da es umgeben ist von einigen ihm feindlich gesonnenen Nachbarstaaten, in denen sich teilweise sogar US-amerikanische Militärbasen befinden. In Hinblick auf die Atom­ debatte fürchtet die iranische Regierung zudem, ihrer Rechte zur Produktion von Atomstrom beraubt zu werden. [. . .] the reality of the victimization of ‚true‘ Iran, that is, ‚Aryan‘ Iran for nationalists and ‚Muslim‘ (in reality: Twelver Shi’ism) Iran for Islamists, is maintained in countless conversations, allusions and routinely (and unself-consciously) invoked interpretive schemes. Thus the history of 4 Ibid., S. 58. 5 Siehe hierzu auch Ram: „Immermorial Iranian Nation“.

analyse

211

Iran popularized among average Iranians by school textbooks never presents Iranian history as the record of cross-fertilization of different cultures but always as the victimization of virtuous Iranians by cruel and unscrupulous non-Iranians, with political conflicts always interpreted as clashes of ‚national‘ cultures.6 Opfer fremder Aggressoren sind dazu „verdammt, über das Geschehene nachzugrübeln, es wiederzubeleben und Alternativen zu reflektieren“,7 bzw. ihre Niederlagen zu zentralen Bezugspunkten zu machen und Nutzen aus ihnen zu ziehen.8 Mit Hilfe der auf die Zukunft gerichteten Erinnerung der Verlierer ist es diesen möglich, Niederlagen zu verarbeiten, durch sie zu gewinnen und den nationalen Zusammenhalt zu stärken. Dies geschieht vor allem dort, wo eine Nation ihre Identität auf Opferbewußtsein gründet. In solchen Fällen wird die Erinnerung an erlittenes Leid und Unrecht wach gehalten, um unter äußerem Druck den Zusammenhalt einer Gemeinschaft zu forcieren, Ansprüche zu legitimieren und Gegenwehr zu mobilisieren.9 Zwar kann die Geschichtsschreibung der Verlierer komplexer, instruktiver und von größerem Erkenntnisgewinn sein als diejenige der Sieger, weil sie von einem „Reflexionsprozess der tiefgreifenden Selbstkritik“ geprägt wird, doch stützt sich ihre Gedächtnisstrategie häufig eher auf Selbstauratisierung und Mythenbildung.10 Dies bedeutet, daß die „reale Erfahrung der nationalen Erniedrigung durch ein Arsenal von phantasmatischen Umdeutungen beantwortet“ wird, nämlich durch Gegenentwürfe, die die Niederlage beispielsweise in spirituelle oder moralische Erhöhung verwandeln.11 6

Chehabi: „Paranoid Style“, S. 170. Dieser Artikel widmet sich vor allem den modernen Verschwörungstheorien in der iranischen Geschichtsschreibung. Zu diesen cf. auch Ashraf: „Conspiracy Theories“. Amanat führt die Opferrolle des „Iranian element (ʿonsor-e Irani)“ auf den frühen Nationalismus der Pahlavī-Zeit zurück. Amanat: „Identity Boundaries“, S. 22. 7 Burke: „Geschichte“, S. 297. 8 Assmann: Schatten, S. 64. 9 Ibid., S. 65. 10 Ibid., S. 69–70. 11 Ibid., S. 70. Eine besondere Form der spirituellen Erhöhung läßt sich in den polnischen Umdeutungen historischer Ereignisse beobachten, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts der polnische „nationale Messianismus“ als „typisches Phänomen der polnischen Romantik“ entstand. Dieser wird „überwiegend kompensationstheoretisch erklärt, indem

212

4. kapitel

Auf diese Weise werden die Verlierer enttäuschungsfest; sie vermögen es, ihr Gesicht zu wahren und die Erfahrung der Erniedrigung in Mythen der Erhöhung umzudeuten. Verlust von Ehre führt auf diese Weise zur Steigerung von Ehre; Verlierer in der Schlacht werden zu spirituellen Siegern.12 Im Falle der Opfer von Gewalt unterscheidet Assmann zwischen dem aktiven (lat. sacrificium) und dem passiven Opfer (lat. victima): während die aktiven Opfer den Angreifern Widerstand leisten, können sich die passiven Opfer, die sich aufgrund der gegen sie gerichteten überwältigenden Aggression in einem asymmetrischen Verhältnis befinden, das zu ihrer Vernichtung führt, nicht zur Wehr setzen.13 Daher sind die möglichen Traumata, die aktive und passive Opfer erleiden, nach unterschiedlichen Kriterien zu analysieren. Laut Assmann sollten Niederlagen zudem nicht einfach mit Traumata gleichgesetzt werden, da letztlich die Art des Umgangs mit Niederlagen und mit ihrer Aufnahme in das kollektive Gedächtnis bzw. ihrer Tilgung daraus entscheidend ist.14 Als empirisches wissenschaftliches Konzept wird das kulturelle Trauma, welches in Zusammenhang mit der kollektiven Verarbeitung von Niederlagen von besonderem Interesse ist, wie folgt definiert: Cultural trauma occurs when members of a collectivity feel they have been subjected to a horrendous event that leaves indelible marks upon their group consciousness, marking their memories forever and changing their future identity in fundamental and irrevocable ways.15

man drauf hinweist, dass die Entwicklung messianistischer Ideen die Folge historischer Niederlagen und Katastrophen seien, denen man mit spezifischen Strategien der Sinnstiftung beizukommen suchte: Die Teilung sowie der Verlust der Eigenstaatlichkeit und der Novemberaufstand von 1830/31 erweisen sich in der messianistischen Perspektive nicht als Schlusspunkte eines historischen Verhältniszusammenhangs, sondern sind Wegmarken einer ihrer vollständigen Entfaltung harrenden Heilsgeschichte, die sich in und durch das Leid Polens verwirklichen werde“. Gall: „Messianismus“, S. 51. Diesen Hinweis verdanke ich Ulrike Jekutsch (Greifswald). 12 Assmann: Schatten, S. 70. 13 Ibid., S. 73–74. 14 Ibid., S. 68. Kritisch setzt sich Kansteiner mit der philosophischen, psychologischen und kulturwissenschaftlichen Traumaforschung in Zusammenhang mit dem Holocaust auseinander. Kansteiner: „Menschheitstrauma“. 15 Alexander: „Theory“, S. 1.

analyse

213

Ein kulturelles Trauma entsteht folglich nicht von alleine, sondern es wird von einer Gesellschaft hergestellt.16 Damit dies erfolgen kann, muß aus einer sozialen eine kulturelle Krise werden, d. h. die Darstellung einschneidender Ereignisse ist wesentlich, wenn die gesellschaftlichen Akteure sich „entscheiden“, den von ihnen empfundenen sozialen Schmerz als eine existenzielle Bedrohung ihres Selbstverständnisses, ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft zu begreifen.17 Gesellschaftliche Trägergruppen behaupten eine solche grundlegende Verletzung und die Entweihung eines heiligen Wertes oder beanspruchen die Erzählung von einem zerstörerischen sozialen Prozeß für sich, sie fordern emotionale, institutionelle und symbolische Wiedergutmachung. Es sind die Mitglieder dieser Trägergruppen, die sowohl die ideellen als auch die materiellen Interessen, die notwendigen gesellschaftlichen Positionen und die Eloquenz besitzen, um in der Öffentlichkeit Sinn herzustellen.18 Um ihre Zielgruppe davon zu überzeugen, daß sie infolge eines Ereignisses oder einer Erfahrung tatsächlich traumatisiert wurde, müssen die Akteure der Träger­ gruppe eine überzeugende Geschichte erzählen und bei ihrer Herstellung von Sinnkonstruktionen erfolgreich sein.19 Zum Traumaprozeß selbst gehören die genaue Bestimmung des der Gemeinschaft zugefügten Schmerzes, die Ermittlung der Opfer, die Zuschreibung der Verantwortung sowie die ideellen und materiellen Konsequenzen des als traumatisch beschriebenen Vorfalls. In der Folge eines solchen Prozesses verändert sich die betroffene Gemeinschaft, die sich neu erinnern muß, denn Erinnerung ist nicht nur gesellschaftlich bedingt und in ständigem Fluß begriffen, sondern zudem eng mit dem jeweiligen Selbstgefühl verbunden.20 Verhaltensweisen wie die Zerstörung von Städten und Dörfern, das Hinterlassen verbrannter Erde, die Tötung großer Bevölkerungsgruppen, der Einsatz von Gefangenen als Schutzschilde oder die Errichtung von Schädel­ pyramiden sind von Kriegen und Eroberungszügen verschiedener historischer Epochen und in unterschiedlichen Gegenden der Welt bekannt. Jedoch stammt das Konzept des Genozids, das vor dem Hintergrund des Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung Europas durch das nationalsozialistische Deutschland von Raphael Lemkin (1900–59) entwickelt und in Artikel II 16 17 18 19 20

Ibid., S. 2. Ibid., S. 10. Ibid., S. 11–12. Alexander beruft sich hier auf Max Webers „Träger“ bzw. „Trägergruppen“, die er carrier groups nennt. Ibid., S. 12. Alexander spricht hier allerdings nicht von „Sinnkonstruktionen“, sondern von successful meaning work, was m. E. jedoch den „Sinnkonstruktionen“ entspricht. Ibid., S. 22.

214

4. kapitel

der UN-Konvention von 1948 aufgenommen wurde, aus der jüngeren Vergangenheit.21 Inzwischen ist dieses – ebenso wie andere eng mit dem Diskurs der Moderne verbundene Konzepte wie „Trauma“, „Leiden“, „Grau­ samkeit“ etc. – weltweit verbreitet22 und wird in verschiedenen Zusam­ menhängen z. T. kontrovers diskutiert. Zur Bezeichnung des Genozids an den Jüdinnen und Juden Europas hat sich inzwischen der Begriff „Holocaust“ durchgesetzt, der im deutschsprachigen Raum allerdings erst seit etwa den 1980er Jahren in dieser ausschließlichen Bedeutung verwendet wird.23 Im Unterschied zu den deutschsprachigen Publikationen gebrauchen englischsprachige Texte holocaust auch nach dem Ende des II. Weltkriegs wesentlich unbefangener. Ihre Autoren und bedienen sich dieses Begriffs überdies im Zusammenhang mit den mongolischen Eroberungen Irans und angrenzender Gebiete. So spricht Hodgson vom „Mongol holocaust“, und auch Lapidus verwendet diesen Begriff in Zusammenhang mit den mongolischen Invasionen.24 In beiden Fällen wird der Terminus offensichtlich nicht mit dem jüdischen Holocaust in Verbindung gebracht, während Saunders die mongolische Invasion auf der iranischen Hochebene als „cold and deliberate genocide [. . .] which has no parallel save that of the ancient Assyrians and the modern Nazis“25 bezeichnet und somit einen direkten Vergleich zwischen den Ereignissen zieht. In seinem bereits in der obigen Einleitung zitierten Rundschreiben eines elektronischen Verteilers im Internet setzt der iranischstämmige Verleger Ahmad Jabbari die mongolischen Invasionen des 13. Jahrhunderts in Iran mit den Genoziden an den Armeniern im Osmanischen Reich und dem Holocaust an den Jüdinnen und Juden in Europa gleich. Er entrüstet sich darüber, daß zwei Ausstellungen in den USA Čengīz Ḫāns „Erbe“, genauer gesagt die höfische Kunst und Kultur Westasiens in den Jahren 1256 bis 1353, würdigten: Nearly three million perished in an act of genocide that finds its parallels only in the extermination of Jews and the Armenians in the 20th century. Given that the Genghis invasion disrupted all kinds of production for 21 Jones: Genocide, S. 51. 22 Alexander: „Theory“, S. 25. 23 Siehe auch oben S. 3, FN 11. 24 Hodgson: „Ismāʿīlī State“, S. 476; Lapidus: History, S. 226. Die genannten englischsprachigen Autoren sind nicht die einzigen, die den Begriff holocaust für die mongolischen Invasionen verwenden, weitere Beispiele ließen sich anführen. 25 Saunders: History, S. 56. Nach Saunders richteten die Mongolen unter Čengīz Ḫān wesentlich größeren Schaden an als Attila in Europa. Ibid., S. 70.

analyse

215

nearly three decades and that, the art that followed was wholly that of the Iranian phoenix rising from the ashes (rather than the contributions of its brutal nomadic invaders), we find the title of this exhibition least appropriate and troubling. An analogy that may best explain the displeasure of the Iranian community with this title would be to name Jewish art following Hitler’s atrocities as ‚The Legacy of Hitler‘.26 Aus Jabbaris Worten spricht die Empörung darüber, daß das Trauma, welches die Iraner der damaligen Zeit seiner Ansicht nach erlebten und das er, um ihm angemessenes Gewicht zu verleihen und größtmögliche Aufmerksamkeit zu erlangen, auch mit dem Holocaust vergleicht, nicht gewürdigt wird. Augen­ scheinlich kursiert in Iran ebenso wie unter Iranerinnen und Iranern im Ausland eine Erzählung über die Mongolenzeit, die von einer traumatischen Erfahrung ausgeht und im kollektiven Gedächtnis verankert wurde. Zudem herrscht die allgemein verbreitete Vorstellung vor, daß Čengīz Ḫān und seine Erben nichts als Zerstörung hinterließen („that they left no legacy beyond destruction“).27 Die Anerkennung des Schmerzes der damaligen und – aufgrund der vorausgesetzten kollektiven Erinnerung auch gegenwärtigen – Gemeinschaft wird auf diese Weise eingefordert, denn ihre Angehörigen werden als hilflose Opfer (victimae) eines Vernichtungskrieges angesehen. Verantwortlich waren für diesen Krieg, für die unzähligen Toten und massiven Zerstörungen dieser Erzählung nach allein die Mongolen. Jabbari verweist in seiner Reaktion zudem auf das wiedererstarkende Selbstgefühl der traumatisierten Opfer: durch den mythischen Phönix, der aus der Asche des zerstörten Landes aufsteigt, erhält „Iran“ seine Ehre wie sein Selbstwertgefühl wieder und aus Erniedrigung wird Erhöhung. In diesem kurzen Zitat, das ein wesentlicher Auslöser für die vorliegende Untersuchung war, klingen viele der Motive an, die die oben wiedergegebenen historischen Erzählungen über die mongolischen Angriffe prägen. Allerdings kommt der Begriff „Holocaust“ bzw. der direkte Vergleich mit dem Massenmord an der jüdischen Bevölkerung Europas nur in zweien dieser Texte vor. Im einen Fall handelt es sich um die 1988 veröffentlichte Monographie des Mittel­ schullehrers und Zeitungsmitarbeiters Seyyed ʿAbd ol-ʿAlī Dastġeib. Darin vergleicht er Čengīz Ḫān sowohl mit Attila als auch mit Hitler, bezeichnet die 26

Inzwischen ist der Text nur noch unter http://www.payvand.com/news/03/jun/1074.html zu finden. 27 Biran: Chinggis Khan, S. 74 [Hervorhebung von mir]. Biran weist zudem darauf hin, daß sich die Vorstellung von Čengīz Ḫān unter dem Eindruck des Nationalismus in den Gesellschaften des Vorderen Orients gewandelt habe. Ibid., S. 128–31.

216

4. kapitel

Invasionen der Mongolen als organisiertes Verbrechen und behauptet, das Menschenopfer sei ihnen, ebenso wie den Nationalsozialisten, eine Art heiliger Pflicht gewesen. Um den Preis ihrer Vernichtung hätten die Mongolen die Welt erobern und beherrschen wollen, wofür sie eine mächtige Militärmaschine in Gang gesetzt hätten.28 Nach einer ausführlichen Beschreibung der von den Mongolen verursachten Grausamkeiten und Zerstörungen stellt Dastġeib in seiner Erzählung eine direkte Verbindung zu sich selbst und anderen heutigen Iranerinnen und Iranern her, die noch immer die Folgen der mongolischen Angriffe spürten und davon überzeugt seien, daß die Mongolen nichts als Zerstörungen verursacht und der menschlichen Kultur einen unwiederbringlichen Verlust zugefügt hätten.29 Im anderen Fall handelt es sich um den damaligen Präsidenten der Universität Šahīd Beheštī in Teheran, den promovierten Architekten Hādī Nadīmī, der in seinem in den vorliegenden Konferenzband aufgenommenen Grußwort zwar den Begriff „Holocaust“ nicht verwendet, jedoch von sechs Millionen unschuldiger Menschen spricht, die den Mongolen zum Opfer gefallen seien. Auch fast 800 Jahre nach dieser Katastrophe seien die dadurch verursachte Not und die schädlichen Auswirkungen nicht vergessen.30 Der direkte Vergleich der mongolischen Eroberungen im Westasien des 13. mit dem Massenmord an der jüdischen Bevölkerung Europas im 20. Jahrhundert ist in Hinblick auf die Konstruktion von Sinn in vielerlei Hinsicht ein geschickter Schachzug, denn dadurch wird erklärt, warum es den Mongolen überhaupt gelingen konnte, Iran zu erobern. Da sie so grausam und gut organisiert waren wie das nationalsozialistische Deutschland und über eine ebensolch mächtige Militärmaschinerie vefügten, war Widerstand zwecklos. Insofern wurden die Menschen in Iran ebenso zu passiven Opfern der Mongolen wie die Juden und Jüdinnen in Europa Opfer ihrer Mörder wurden. Infolge dieser Umdeutung der Geschichte leugnen die drei genannten Autoren, daß es einen Krieg mit der Armee des charesmischen Herrschers gab, die sich den Mongolen zumindest teilweise widersetzte. Verschwiegen werden der Widerstand gegen die Eroberer, den die Einwohner zahlreicher Städte in Transoxanien und Charesm leisteten, weshalb sie nach der Einnahme ihrer Städte gnadenlos niedergemetzelt oder versklavt wurden. Auch ist nicht die Rede von den Helfern der Angreifer, die zu ihnen überliefen, ihnen den Weg 28 Dastġeib: Hoǧūm, S. 16. 29 Ibid., S. 124. 30 „Payām-e raʼīs-e dānešgāh“, in: Hoǧūm-e moġūl, Bd. 1, S. ix–xi, hier S. x. Eqbāl spricht noch von einer halben Million getöteter Menschen, während Dastġeib „Millionen Menschen“ erwähnt. Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 445 und Dastġeib: Hoǧūm, S. 156.

analyse

217

zeigten und die Stadttore öffneten. Wie aus den oben wiedergegebenen Erzählungen hervorgeht, handelt es sich bei der Deutung der mongolischen Eroberungen als Genozid um eine Umdeutung, die von anderen Autorinnen und Autoren so nicht geteilt wird. Zwar beschreiben auch sie die mongolischen Invasionen nicht zuletzt deshalb als außerordentlich grausam, um eine Erklärung dafür zu finden, warum diese siegreich waren, doch stilisieren sie die Unterlegenen nicht pauschal zu Opfern eines Genozids. Vor dem Hintergrund einer iranischen Nationalgeschichtsschreibung scheint es plausibler zu sein, die Mongolenzeit so darzustellen, daß sie mit dem Bild eines immer wieder neuerstarkenden Iranertums in Übereinstimmung zu bringen ist. Dies gelingt, und darum soll es im folgenden ausführlicher gehen, vor allem durch eine andere Form der Sinnkonstruktion oder Umdeutung der Geschichte: mit Hilfe ihrer überlegenen (islamisch-)iranischen Kultur und Zivilisation sei es den Iranern gelungen, die Mongolen zu bezwingen, sie hätten den mongolischen Drachen gezähmt und ihre Niederlage in einen Sieg verwandelt.31 Diese Umdeutung greift Nadīmī in seinem Grußwort ebenfalls auf: Die islamische Kultur Irans habe einen neuen Sprung gewagt, das wilde Nomadenvolk mit Hilfe des Islams und der Regeln der Herrschaft gezähmt und auf diese Weise rechtschaffene und wohltätige Herrscher wie Maḥmūd Ġāzān und Moḥammad Ḫodābande (Ūlǧāytū) hervorgebracht.32 Sicherlich sind die mongolischen Invasionen für die Bevölkerungen in den betroffenen Regionen als Kontingenzerfahrungen zu bezeichnen. Die damit verbundenen dramatischen Ereignisse, die Zerstörungen und Grausam­ keiten, denen die Menschen in ihren Städten und Dörfern ausgesetzt waren, wurden in den verschiedenen Narrativen der Chronisten jener Zeit übereinstimmend niedergelegt. Historisches Erzählen soll Kontingenz thematisieren und durchdringen, es soll Kontingenzerfahrungen in eine Vorstellung zeitlicher Ordnung integrieren, um sie dadurch aufzuheben und zu bewältigen.33 Einem Ereignis, welches jeglichen Sinns entbehrt und von den Betroffenen als 31

32 33

Laut Amanat deutet der Wunsch, arabische, türkische oder mongolische Eroberer zu den „zivilisierten Weisen“ der antiken Iraner zu bekehren, auf eine Tendenz der Inklusion und nicht der Exklusion. Amanat: „Identity Boundaries“, S. 5. Dies kann anhand der im Rahmen dieser Untersuchung herangezogenen historischen Erzählungen nicht bestätigt werden, es sei denn man versteht unter „Inklusion“ auch den vermeintlichen Sieg über die „Fremden“ – oder ihre „Zähmung“ – durch Iranisierung und Islamisierung. Die von Amanat konstatierte „civilizing mission“, die das nationale Narrativ der Pahlavī-Zeit solchen Figuren wie Naṣīr od-Dīn Ṭūsī und Rašīd od-Dīn zuschreibe, kommt jedoch in den hier zitierten Texten ebenfalls zum Ausdruck. Ibid., S. 22. „Payām-e raʼīs-e dānešgāh“, in: Hoǧūm-e moġūl, Bd. 1, S. ix–xi, hier S. x. Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 51; Straub: „Geschichten erzählen“, S. 143.

218

4. kapitel

ein Schicksalsschlag erlebt wird, verleiht das historische Erzählen Sinn und Bedeutung, es heilt die durch das kontingente Geschehnis hervorgerufene „Irritation des Bruchs“ und stellt die Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit wieder her,34 bietet Orientierung und stiftet Einsicht, indem es beschreibt und plausibilisiert warum etwas geschah.35 Diese Aufgabe der Geschichtsschreibung, als „Selbstverständigungswissenschaft“ [Chris Lorenz] Antworten auf die Herausforderungen kontingenter Erfahrungen von Gesellschaften zu finden,36 erhält im Rahmen dieser Untersuchung noch eine weitere Dimension: Es gilt, die Epoche der mongolischen Eroberungen und ihrer Herrschaft in eine Historiographie zu integrieren, die fast 800 Jahre später von diesen Ereignissen erzählt, und ihnen im Zusammenhang mit einer Nationalgeschichte „von den Anfängen bis in die Gegenwart“ ihren Platz zuzuweisen und einen Sinn zu verleihen. Insofern spielt dabei weniger die unmittelbare Bewältigung von Kontingenz und daraus möglicherweise erwachsender kultureller Traumata eine Rolle, sondern vielmehr ihre mittelbare Bewältigung, indem ihr mit Hilfe von Kohärenzfiktionen im Rückblick durch historisches Erzählen ein Sinn verliehen wird. Mithin dienen diese Narrative trotz wechselnder politischer Konstellationen und erheblicher sozialer Veränderungen im Iran des 20. und 21. Jahrhunderts u. a. der fortdauernden Idee von einem ewigen, unzerstörbaren Iranertum und der diese Fiktion unterstützenden Umdeutung der Ereignisse, so daß das Iranertum zum wahren Sieger über die Mongolen – und alle anderen Invasoren – erklärt werden kann. Damit erfüllen sie einen Zweck der Geschichtsschreibung, der darin besteht, einen inneren Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung herzustellen und auf diese Weise sowohl ein Verständnis von Gegenwart als auch eine Zukunftsperspektive zu vermitteln.37 Den vergangenen Erfahrungen in Iran unter den Mongolen wird retrospektiv ein Sinn gegeben, der die Selbstwahrnehmung der gegenwärtigen iranischen „Nation“ – oder doch zumindest ihrer jeweils bestimmenden gesellschaftlichen Trägergruppen – bestätigt und ihr damit Sicherheit bietet und eine Perspektive für die Zukunft eröffnet.38 Sinngebung als Universalie des

34 Straub, ibid., S. 148; Rüsen: „Theoretische Zugange“, S. 50. 35 Straub: „Geschichten erzahlen“, S. 148–49. 36 Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 150. 37 Karl Ernst Jeismann, zit. n. Straub: „Geschichten erzählen“, S. 99; Rüsen: Historische Orientierung, S. 214–15. 38 Wie eingangs bereits erwähnt, ist Geschichtsschreibung immer retrospektiv, denn die Konturen der Vergangenheit werden aus dem Blickwinkel der jeweiligen Gegenwart gezeichnet.

analyse

219

historischen Denkens läßt sich folglich hinsichtlich der hier analysierten Quellen bestätigen. Im folgenden werden die oben wiedergegebenen historischen Erzählungen dahingehend analysiert, welche Sinnkonstruktionen sich aus ihnen ergeben und welche Kohärenzfiktionen im Sinne einer Umdeutung historischer Ereignisse darin zu finden sind. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Autorinnen und Autoren nicht alle immer einheitlich argumentieren, sondern daß durchaus unterschiedliche Einschätzungen zu den verschiedenen hier ausgewählten Themen vorliegen und eine Vielfalt des historischen Denkens im Sinne Rüsens zu beobachten ist. Zudem kommt es innerhalb der Argumentationsweisen einzelner Autorinnen und Autoren durchaus zu Widersprüchen, worauf, falls nötig, ebenfalls verwiesen wird. 1.1 Die „Irritation des Bruchs“ Übereinstimmend werden die Eroberungen und die Herrschaft der Mongolen über den östlichen Teil der islamischen Welt oder „Iran“ in den o. g. Narrativen als einschneidendes und unvergleichliches Ereignis beschrieben. Die nach Alexander zur Konstruktion eines kulturellen Traumas wesentlichen Bestandteile werden bestimmt: der Schmerz der (iranischen) Opfer, die Verantwortung der (mongolischen) Angreifer und die ideellen Konsequenzen (für die Entwicklung der iranischen Kultur und Zivilisation).39 Unter den drei Angriffen auf die Zivilisation, Kultur und Existenz Irans (durch Alexander d. Großen, die muslimischen Araber und die Mongolen) sei dieser der verheerendste gewesen. Durch die Zerstörung der Stätten von Wissenschaft und Gelehrsamkeit, die Verbrennung von Bibliotheken und die Tötung, Gefangen­ nahme oder Flucht von Gelehrten sei ein Bruch mit der vormongolischen Geschichte Irans in islamischer Zeit herbeigeführt worden. Wie tiefgreifend diese Zäsur war, wird von den Autorinnen und Autoren allerdings unterschiedlich beurteilt. Während es einerseits heißt, der Faden der Verbindung des nach- mit dem vormongolischen Iran sei zerrissen worden,40 heißt es andererseits, dieser Faden der kulturellen Verbindung aus abbasidischer Zeit sei trotz der Katastrophe nicht gerissen und die iranische Idee habe ungeachtet der zunehmenden moralischen Verderbtheit unter mongolischer Herrschaft angedauert.41 Das Bündnis zwischen den Menschen beider Epochen habe fortbestanden und es sei zu keiner völligen Trennung der kulturellen Beziehungen gekommen, denn die kulturelle und religiöse Standhaftigkeit der islamischen 39 Cf. Alexander: „Theory“, S. 15. 40 Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 303. 41 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 81–82; Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 84–86.

220

4. kapitel

Welt sei zu jener Zeit stärker gewesen als die politische.42 Dennoch seien die Folgen für Iran tiefgreifend gewesen, besonders in Hinblick auf die Gemütslage der Menschen. Durch die mongolischen Invasionen hätten die Einwohner Irans einen beängstigenden seelischen Schlag erlitten, der zu Veränderungen in ihren Denkweisen und Überzeugungen und zum tiefsten Grad der Stagnation geführt habe. Erniedrigung und Demütigung, Hoffnungslosigkeit, Kummer und Enttäuschung sowie ein Gefühl des dauerhaften Fehlens von Sicherheit seien kennzeichnend für diese Veränderungen gewesen. Hinzu seien die Kapitulation vor den Ereignissen, Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Religion, Unterwürfigkeit und Heuchelei gekommen. Die durch den Einfall der Mongolen völlig verblüffte Nation habe ihre Werte aufgegeben und sei durch diese nationale Erniedrigung schwach und kraftlos geworden.43 Nicht alle Autorinnen und Autoren teilen diese pessimistische Ansicht, da sie trotz der in der „Nationalpsychologie“ angeblich vorhandenen Tendenz zum Aberglauben auch die Tapferkeit, Selbstlosigkeit, den Edelmut und die Kampfeslust der Bevölkerung betonen.44 Darüber hinaus hätten die von den Mongolen verursachten Zerstörungen tiefe Spuren in der wissenschaftlichen Entwicklung hinterlassen und zu einschneidenden Veränderungen im gesellschaftlichen Leben Irans geführt. Durch die Vernichtung der damaligen iranischen Zivilisation und Kultur sei es zu einem Niedergang gekommen, der dazu geführt habe, daß die Europäer später die Iraner auf diesen Gebieten hätten besiegen können. Ohne die Schwächung der iranischen Denkungsart durch den Tod so vieler Gelehrter wäre es in Iran schneller als in Europa zu modernen Wissenschaften und Industrien gekommen. Bis heute seien diese Folgen der mongolischen Periode in Iran zu spüren.45 Indessen sei auch die vormongolische iranische Gesellschaft nicht frei von Mängeln gewesen, denn die Kämpfe der Angehörigen verschiedener islamischer Glaubensrichtungen untereinander und die Feindschaft unter den Führern der sunnitischen Rechtsschulen hätten ebenso wie Verderbtheit, 42 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 15. 43 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 100 und S. 108; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 59 und S. 87; Dastġeib: Hoǧūm, S. 34; Eṣfahānīyān: „Taʾs̠īr-e īlġār“, S. 78; Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 401; Foyūżāt: „Taḥavvol-e far-hangī“, S. 879–80; Qāsemlū: „Negarešī“, S. 891–93 und S. 898–99. 44 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 96; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 54–55; Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 84–86. 45 Dastġeib: Hoǧūm, S. 16; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 83, 305; Foyūżāt: „Taḥavvol-e farhangī“, S. 879–80; Qāsemlū: „Negarešī“, S. 885–894.

analyse

221

Korruption und Aberglaube in der Bevölkerung, die Dummheit und Inkompetenz ihrer Herrscher sowie die Lasterhaftigkeit ihrer Würdenträger zur Schwächung der Gesellschaft beigetragen. Weder habe Hoffnung auf eine Einheit der Nation bestanden, noch habe man auf das Bemühen des Staates um das Wohl der Bevölkerung setzen können. Einen weiteren Grund für die Schwäche des Staates unter den Charesmschahs sehen einige Autoren in einer verstärkten Hinwendung der Menschen zum Sufitum, welche wegen der damit verbundenen Entsagung und des Fatalismus negative Folgen für die Gesell­ schaft gehabt habe. Diese Tendenz hätte sich nach der ersten mongolischen Invasion noch verstärkt, als Teile der Bevölkerung Zuflucht in Derwisch­ konventen suchten und den Erklärungen mancher Sufis Glauben schenkten, Čengīz Ḫān sei ein Beweis für den Zorn Gottes und sein Werkzeug zur Bestrafung der Muslime.46 In ganz anderem Licht sieht eine Autorin die Bedeutung des Sufitums in Iran, da sie die Mystik als „Arznei“ bezeichnet. Zudem schreibt sie dem Sufitum eine wichtige Funktion in der Verbindung zur vorislamischen iranischen Vergangenheit zu, da es als „Amalgam aus der Kultur der Epochen vor und nach dem Islam in Iran“ stark beeinflußt sei von vorislamischen Religionen wie dem Mitraskult, dem Zoroastrismus und dem Manichäismus.47 Neben den Mißständen, die innerhalb der vormongolischen Gesellschaft Irans herrschten, und der ungeheuren Kraft der mongolischen Angreifer, gab es offenbar noch weitere im Reiche der Charesmschahs liegende Gründe, die zu ihrer Niederlage führten. Zuerst einmal wird dem Schah selbst eine erhebliche Schuld daran zugesprochen, daß die Mongolen überhaupt bzw. daß sie zu diesem Zeitpunkt angriffen und siegreich waren. Obwohl dem Schah von einigen Autoren auch positive Eigenschaften zugeschrieben werden,48 hat er sich der überwiegenden Meinung nach doch politisch sehr unklug verhalten. Seine Feindschaft zum abbasidischen Kalifen, die dazu geführt habe, daß dieser eher mit den Mongolen paktierte, als einem anderen muslimischen Herrscher zu Hilfe zu kommen, die aus den vielen Kriegen und schlechter Regierungsführung herrührende Unzufriedenheit in der Bevölkerung und interne Querelen in der Führungsschicht hätten den Schah und die Widerstandskraft seines Reiches

46 Dastġeib: Hoǧūm, S. 18–22; Qāsemlū: „Negarešī“, S. 898–99; Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 957–58; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 131–33. 47 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 653–663. 48 Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 10; Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 28; cf. besonders Dastġeib: Hoǧūm, S. 148 und S. 168.

222

4. kapitel

erheblich geschwächt.49 Was die internen Querelen angeht, so seien es vor allem die Mutter von ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad, Torkān Ḫātūn, und ihre türkische Entourage gewesen, die eine Art Staat im Staate gebildet, sowie die miteinander im Streit liegenden Militärführer, die den Staat entkräftet hätten.50 Vereinzelt werden die Charesmschahs insgesamt sogar als fremde Türken und Usurpatoren bezeichnet, die für einen Stammesfeudalismus gestanden hätten und deren Militär deshalb schwach gewesen sei, weil es von keiner gemeinsamen Nationalität, „Rasse“ und Ordnung getragen worden sei.51 Politische und militärische Fehlentscheidungen sowie Angst und Unentschlossenheit des Schahs hätten den zahlenmäßig unterlegenen Mongolen ihre Invasion erheblich erleichtert. Als entscheidendes Ereignis, das teils als wesentlicher oder gar einziger Auslöser, teils als Vorwand für eine Invasion beschrieben wird, die ohnehin stattgefunden hätte, da die Mongolen die Handelswege zum Mittelmeer und nach Europa unter ihre Kontrolle hätten bringen wollen, gelten die Ereignisse in der Grenzstadt Otrār. Ob ein Großteil der bis zu 500 mongolischen Kaufleute, darunter auch solche islamischen Glaubens, nun tatsächlich Spione und eine Vorhut der feindlichen mongolischen Armee war oder nicht, ob der Statthalter von Otrār sie auf Geheiß des Schahs töten ließ oder aus Habgier eigenmächtig handelte, wird ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammads Weigerung, seinen Statthalter an Čengīz Ḫān auszuliefern, als törichte, dumme und den damaligen diplomatischen Gepflogenheiten zuwiderlaufende Tat bezeichnet.52 Damit sei, um bei der bereits bemühten Metapher zu bleiben, der Damm gebrochen und Čengīz Ḫān habe gar keine andere Wahl gehabt, als das Reich des Charesmschahs umgehend anzugreifen. Selbst wenn die Verbindung zu dem, was die vormongolischen Gesellschaften in den von den Mongolen eroberten muslimischen Gebieten auszeichnete, nicht abriß, sondern nach Meinung vieler Autoren eine gewisse Kontinuität gewahrt wurde – bzw. gewahrt werden mußte, um die Kohärenzfiktion des unzerstörbaren kulturellen iranischen Erbes plausibel erscheinen zu lassen –, 49 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 93–97; Enṣāfpūr: Sāḫt-e doulat, S. 674–76 und S. 680; Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 11 und S. 35; Zarrīnkūb: Seirī, S. 70; Dastġeib: Hoǧūm, S. 148–50; Momtaḥen: „Naqš“, S. 1202; Ālyārī: „Čengīz“, S. 46; Šarafī: „ʿElal-e tahāǧom“, S. 790–91. 50 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 93 und S. 95; Bahrāmī: Tārīḫ-e Īrān, S. 853; Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 10–11; Dastġeib: Hoǧūm, S. 190. 51 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 75 und S. 85–86; Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 10–11. 52 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 417; Mortażavī: Masāʾel, S. 71; Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 285; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 23–25; Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 35–37 und S. 43; Ālyārī: „Čengīz“, S. 45; Momtaḥen: „Naqš“, S. 1193.

analyse

223

sei der Einbruch doch gewaltig gewesen. Im Vergleich zu den als seßhaft, kultiviert und zivilisiert beschriebenen und auf hohem kulturellen Niveau agierenden Iranern, die auf dem Gebiet der Charesmschahs über bedeutende Stätten der Gelehrsamkeit verfügten, werden die Mongolen als dunkle, wilde, gelbhäutige Tataren, als unzivilisierte und kulturlose Nomaden beschrieben.53 Diese Dichotomie dient ebenfalls der Verstärkung des Gegensatzes zwischen Eroberern und Eroberten. Sie soll einerseits darauf hinweisen, daß einem solchen Ansturm von blutrünstigen Wilden, die gnadenlos gegen die gegnerische Bevölkerung vorgingen und ohne Respekt vor den Errungenschaften der überlegenen Kultur alles niederbrannten, nicht widerstanden werden konnte, auch wenn dies einige mutige Menschen versuchten. Andererseits jedoch hätten die besiegten Iraner über ein kulturelles Erbe verfügt, zu dem der Islam ebenso gehört habe wie die in neupersischer Sprache verfaßte Literatur und die von ihren staatstragenden Familien gepflegte hohe Staatskunst. Dadurch sei es ihnen am Ende gelungen, die Herrschaft der Fremden mit Klugheit und Bedacht zu beenden und selbst den feuerspeienden mongolischen Drachen zu besiegen.54 Auf diese Weise wird die militärische Niederlage in einen spirituellen Sieg umgedeutet, der auf die angebliche religiöse und kulturelle Überlegenheit der ursprünglichen Opfer zurückgeführt wird. Obwohl Čengīz Ḫān als einer der grausamsten und unbarmherzigsten Welteroberer beschrieben wird, gestehen ihm viele Autoren doch auch diejenigen (positiven) Eigenschaften zu, die notwendig sind, um einen solchen Eroberungszug durchzuführen: Entschlossenheit, Willenskraft, Geschick, Mut und Kaltblütigkeit.55 Manch eine/r geht sogar so weit, Čengīz Ḫān Gerechtigkeit 53 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 100; Mortażavī: Masāʾel, S. xvi und S. xx; Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 39 und S. 112–13; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 1 und S. 83–84; Esmāʿīlī: Čengīz, S. 345; Dastġeib: Hoǧūm, S. 11; Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 86–87; Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 81–82; Qadyānī: Tārīḫ, S. 11–12; Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 35; Zarrīnkūb: Seirī, S. 73. 54 Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 86–87; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 15; Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 81–82; Qadyānī: Tārīḫ, S. 11–12; Bayānī: Īrān, S. 46; Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 304–5 und S. 348–50; Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 988–90; Mortażavī: Masāʾel, S. 274–75. Siehe auch oben 6.1. „Kampf der Kulturen“. Die auf die Sasaniden zurückgeführte hohe iranische Staatskunst diente bereits Ṭabarī als Modell für das Königtum im islamischen Staat, während die biblischen Propheten seine Vorstellungen vom Prophetentum prägten. Cf. Mårtensson: Tabari, S. 56 und 76. 55 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 70; Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 444–45; Dastġeib: Hoǧūm, S. 110, S. 114, S. 117 und S. 121. In diesem Zusammenhang kommt es hin und wieder zu Widersprüchen, wenn z. B. Eqbāl dem Mongolenherrscher zuerst unterstellt, er sei nicht rachsüchtig gewesen, sondern habe stattdessen bei seinen Entscheidungen große Kaltblütigkeit an den Tag gelegt, ihm an anderer Stelle aber dann doch Rachsucht

224

4. kapitel

zu attestieren, da er unparteiisch und kein Eiferer gewesen sei.56 Dem wird jedoch auch widersprochen, denn ein Herrscher, der so grausam vorgehe, könne nicht als gerecht bezeichnet werden. Zudem sei seine Gerechtigkeit ebenso wie seine Wahrheitsliebe, Aufrichtigkeit und Disziplin ausschließlich der aggressiven Logik der Mongolen entsprungen.57 Als gerechte Herrscher werden nur diejenigen Mongolenherrscher bezeichnet, die zum Islam übertraten, wie die Statthalter Gorgūz und Amīr Arġūn sowie die Ilchane Ġāzān, Ūlǧāytū und Abū Saʿīd, denn die Gerechtigkeit eines Herrschers ist nach Ansicht der Autorinnen und Autoren in der Regel eng mit seiner Zugehörigkeit zum Islam verbunden. Widerspruch ernten desgleichen die Versuche dreier Autoren, das grausame Vorgehen der mongolischen Eroberer im Zusammenhang mit demjenigen anderer Herrscher jener Zeit zu sehen, da diese Form der Grausamkeit Bestandteil der damals üblichen Eroberungspolitik gewesen sei, und auch die Charesmschahs ebenso wie ihre Nachbarn sich ähnlicher Methoden bedient hätten.58 Diese Kontextualisierung, die zugleich als das Bemühen verstanden werden kann, den Mongolen etwas von ihrer Unvergleichlichkeit, ihrer Wildheit und ihrem Schrecken zu nehmen, wird von einem vierten Autor als Geschichtsfälschung abgetan, denn ebenso wie die Seldschuken und die Ghaznawiden seien die Charesmschahs bei der Ausdehnung ihres Territoriums zum Töten von Menschen gezwungen gewesen. Im Gegensatz zu den Mongolen hätten sie die von ihnen eroberten Regionen anschließend jedoch kultiviert.59



Eine gewaltige Irritation lösten die Eroberung von Bagdad, dem Sitz des abbasidischen Kalifen, durch mongolische Truppen unter Hūlāgū am 4. Ṣafar 656hq/10. Februar 1258 und die darauf folgende Ermordung des Kalifen in der damaligen islamischen Welt aus. Zwar war dieses Ereignis insofern vorhersehbar gewesen, als Hūlāgū den Auftrag erhalten hatte, die noch übrigen Feinde unterstellt. Siehe hierzu das Kapitel 2. Čengīz Ḫān (1155/56–1227): großer Feldherr und grausamer Eroberer. 56 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 71; Mortażavī: Masāʾel, S. 272. 57 Bahrāmī: Tārīḫ-e Īrān, S. 860; Dastġeib: Hoǧūm, S. 141; Panāhī: Čengīz Ḫān, S. 78–80; Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 287–88. 58 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 71–72; Mortażavī: Masāʾel, S. 169–70; Ḥoseinī Kāzerūnī: „Čengīz Ḫān“, S. 505. 59 Dastġeib: Hoǧūm, S. 21–26.

analyse

225

der Mongolen, also vor allem die Ismailiten und die Abbasiden, zu unterwerfen. Da der Kalif sich gleichwohl weigerte, der Aufforderung Hūlāgūs nachzukommen, ihn im Kampf gegen die Ismailiten zu unterstützen und als Oberherrn anzuerkennen, war sein Schicksal besiegelt. Während ihres ersten Feldzugs unter Čengīz Ḫān hatten die Mongolen ihre Strategie deutlich gemacht, die da lautete, entweder Unterwerfung oder Vernichtung. Doch offensichtlich, so heißt es in den hier analysierten historischen Erzählungen, waren weder dem Kalifen noch der Bevölkerung in den damals noch von den Mongolen verschonten Gebieten das Schicksal der bereits Unterworfenen eine Warnung.60 Ebenso wie dem Charesmschah wird auch dem Kalifen von Bagdad eine erhebliche Mitschuld an der erneuten mongolischen Invasion gegeben. Zwar wird al-Muʿtaṣim als gläubig und tugendhaft beschrieben, doch sind andere Attribute wie töricht, dumm und wankelmütig sowie die Aussage, er habe die Kunst des Regierens nicht beherrscht, sehr viel häufiger und im Zusammenhang mit seiner Verantwortung letztlich entscheidend.61 Während sich der Kalif darüber gefreut habe, daß sein Widersacher ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad von den Mongolen geschlagen worden war, habe er den Hilferuf von dessen Sohn und Nachfolger Ǧalāl od-Dīn überhört, dessen Niederlage letztlich den Weg für Hūlāgū nach Bagdad freigegeben habe.62 Von den iranischen Autorinnen und Autoren wird die Schuldfrage nicht nur hinsichtlich des abbasidischen Kalifen gestellt, sondern, da dies ein Topos in einer ganzen Reihe historischer Erzählungen zeitgenössischer sunnitischer Geschichtsschreiber ist,63 diskutieren sie vor allem die Frage, welche Rolle die Schiiten im allgemeinen sowie Ibn al-ʿAlqamī und Naṣīr od-Dīn Ṭūsī im besonderen bei der Einnahme von Bagdad spielten. Ibn al-ʿAlqamī, der schiitische Wesir des sunnitischen Kalifen, so die überwiegende Meinung, habe einen starken Einfluß auf die Vorgänge in Bagdad kurz vor der Eroberung der Stadt gehabt. Jedoch sei er kein Verräter und nicht direkt am Austausch von Botschaften mit Hūlāgū beteiligt gewesen, ein schuldhaftes Verhalten lasse sich ihm nicht nachweisen, stattdessen sei er von seinen Gegnern am abbasidischen Hof verleumdet worden.64 Dieser Freispruch wird jedoch nicht von allen Autoren geteilt, denn es gibt auch Stimmen, die Ibn al-ʿAlqamī als Verräter bezeichnen und ihn des religiösen Fanatismus bezichtigen: aus Gründen des 60 Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 488. 61 Ibid., S. 487; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 44. 62 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 293–99. 63 Siehe hierzu auch Pistor-Hatam: „Ursachenforschung“, S. 317–21. 64 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 186; Mortażavī: Masāʾel, S. 29; Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 312–14; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 44–46.

226

4. kapitel

Hasses und der Vergeltung seien er und andere Schiiten wie Naṣīr od-Dīn Ṭūsī den Mongolen in ihrem Kampf gegen die Abbasiden behilflich gewesen.65 Diese Motive werden auch von denjenigen Autorinnen und Autoren nicht verschwiegen, die der Ansicht sind, Ibn al-ʿAlqamī habe in erster Linie nach einer Lösung für die friedliche Übergabe Bagdads gesucht. Dennoch stellen sie ihn als einen Mann dar, der als Schiit das abbasidische Kalifat und die Sunniten gehaßt habe und vor allem durch die von einem Sohn des Kalifen angeführten Übergriffe auf das schiitische Stadtviertel Karḫ und das Heiligtum des Imams Mūsā al-Kāẓim in Bagdad beleidigt und gekränkt worden sei. Hätte er die Sunniten tatsächlich verraten, wäre dies in Hinblick auf seine Zugehörigkeit zur Schia daher nur natürlich gewesen66 – die vermeintliche Schuld bzw. Verantwortung Ibn al-ʿAlqamīs für den Fall Bagdads wird folglich umgedeutet in einen Akt der Befreiung. Insgesamt wird den Schiiten von Iran und im arabischen Irak ein Verlangen nach Rache sowie der langgehegte Wunsch nach dem Untergang der Abbasiden unterstellt. Dieser „gesellschaftliche Geist“ Irans oder „heimliche Wunsch“ der iranischen Gesellschaft67 sei mit der Erwartung des 12. Imams einhergegangen, dessen Ankunft mit dem Erscheinen eines Heeres türkischer Glaubenskämpfer aus dem Osten zusammenfallen sollte.68 Schon lange hätten die Schiiten darauf gewartet, zum tödlichen Schlag gegen die Abbasiden auszuholen, um sich vom Joch des Kalifats zu befreien. Während sie sich zuvor des Charesmschahs – allerdings vergeblich – als Waffe gegen den Kalifen bedient hätten, benutzten sie jetzt die Mongolen für denselben Zweck – und waren diesmal erfolgreich. Nie hätten die Iraner seit der Eroberung Irans ihre nationale und kulturelle Identität bei gleichzeitiger Wahrung des Islams vernachlässigt. Von Anfang an sei Iran ein Zentrum der Schia gewesen, deren Anhänger die Möglichkeit des verborgenen politischen Kampfes im Schutze des Glaubens genutzten hätten.69 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, der große schiitische Gelehrte, habe bei der Umsetzung dieses Wunsches eine wesentliche Rolle gespielt. Er habe Hūlāgū nach Bagdad begleitet, sich aktiv am Sturz der Abbasiden beteiligt und bei der Tötung des Kalifen seine Hand im Spiel gehabt, habe als Anführer der Schiiten agiert und sei schließlich zu einem der mächtigsten Männer seiner Zeit geworden.70 Die Tatsache, daß es sich bei der Vorstellung einer 65 Zarrīnkūb: Seirī, S. 72–73; Dastġeib: Hoǧūm, S. 361–66. 66 Mortażavī: Masāʾel, S. 30; Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 293–99. 67 Mortażavī: Masāʾel, S. 83. 68 Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 135–38. 69 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 267, S. 276 und S. 304–5. 70 Mortażavī: Masāʾel, S. 23 und S. 84; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 141; Dastġeib: Hoǧūm, S. 367; Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 305–9.

analyse

227

unauflöslichen Verbundenheit Irans mit der Zwölferschia um eine Kohärenzfiktion handelt, die während der Periode der Verfassungsrevolution entstand, und durch ihre Rückprojizierung auf die Geschichte daher als Anachronismus anzusehen ist,71 bleibt den hier zitierten Autorinnen und Autoren verborgen, bzw. würde von ihnen möglicherweise gar bestritten. Folgt man diesen historischen Erzählungen, dann wandelte sich im Falle der mongolischen Eroberung Bagdads und der Auslöschung des abbasidischen Kalifats die „Irritation des Bruchs“ in den Augen der zeitgenössischen Iraner und Schiiten, die hier in eins gesetzt werden, in ein lang herbeigesehntes erfreuliches Ereignis, nämlich ihre Befreiung vom abbasidisch-arabisch-sunnitischen Joch. Was sich für die arabisch-sunnitische Welt als Katastrophe ungeheuren Ausmaßes dargestellt haben mag, nämlich der Sturz des Kalifen durch den Herrscher eines „ungläubigen“ Volkes, erhält in dieser Konstruktion einen Sinn, nämlich die Befreiung Irans und der Schiiten. Dieselben Schiiten, die sich über die Zerschlagung der Abbasiden gefreut hatten, waren nach Aussage eines Autors gleichwohl nicht mit der mongolischen Herrschaft zufrieden72 – die gerufenen Geister mußten nun ihrerseits bezwungen werden. Haben wir es im Falle der Befreiung der Schiiten und Iraner vom arabischsunnitischen Joch73 durch die Mongolen mit einer Kohärenzfiktion im Rahmen der Umdeutung von Geschichte zu tun, die wiederum die Niederlage in einen Sieg verwandelt bzw. die Folgen dieser Niederlage doch zumindest ins Positive wendet, weisen die Autorinnen und Autoren der zitierten historischen Erzählungen nichtsdestoweniger auf Konsequenzen der mongolischen Eroberungen und ihrer Herrschaft hin, die sie per se durchaus positiv bewerten. Eine generelle Beurteilung der historischen Überlieferungen aus der Mongolenzeit hält fest, daß die Wahrnehmung der sich aus der mongolischen Herrschaft ergebenden Vorteile wahrscheinlich durch Fanatismus, Vorein­ genommenheit und Abneigung getrübt sei.74 Im Widerspruch dazu steht eine andere Einschätzung, die diese förderlichen Einflüsse im Vergleich zu den Zerstörungen für äußerst gering hält und davon ausgeht, daß all die positiven Folgen ohne den mongolischen Angriff auf einem höheren Niveau und mit

71 Vaziri: Iran as Imagined Nation, S. 171–72. 72 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 63–64. 73 In Schulbüchern aus der Pahlavī-Zeit wird den Bewohnern der iranischen Hochebene nach der arabisch-muslimischen Eroberung eine fortdauernde nationale Identität zugeschrieben, die sie auch unter dem „Joch“ arabischer Herrschaft beibehielten. Nur auf diese Art und Weise ließ sich die Vorstellung von 2500 Jahren iranischer Geschichte und Monarchie überhaupt herstellen. Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 74. 74 Mortażavī: Masāʾel, S. xv–xvi und S. xxii–xxiii.

228

4. kapitel

besserem Erfolg herbeigeführt worden wären.75 Dennoch läßt sich sagen, daß die hier untersuchten historischen Erzählungen überwiegend zu dem Ergebnis kommen, die Förderung von Handel und Wirtschaft sowie der Ausbau und die Sicherung der Handelswege seien erst durch die mongolische Zentralverwaltung ermöglicht worden. Die Beziehungen zwischen Asien und Europa, der Austausch von Gelehrten aus aller Herren Länder, der Einfluß der chinesischen Kunst auf die iranische, die Verbreitung sowohl der persischen Sprache als auch des Islams in Ostasien sowie der Einsatz iranischer Wesire und Berater am mongolischen Hof in China seien den Mongolen anzurechnen. Unter ihrer Herrschaft sei es zu einer Vermischung der beiden alten Zivilisationen Irans und Chinas gekommen, woraus eine neue kulturelle Blüte erwachsen sei. Auf die von den Mongolen geförderte Kunst der Geschichtsschreibung76 wird in diesem Zusammenhang ebenso verwiesen wie auf einige der „Fackelträger“ von Wissenschaft, Literatur und Philosophie im Iran jener Zeit. Bedeutende Poeten wie Saʿdī und Ḥāfeẓ, so wendet ein Autor hingegen ein, seien keine Schöpfungen der Mongolenzeit, sondern bildeten den Abschluß einer Reihe von Dichtern aus der vormongolischen Epoche.77 Hinsichtlich des Eindringens mongolisch-türkischer Wörter in die persische Sprache sind sich diejenigen Autoren, die sich diesbezüglich äußern, nicht einig. Während ein Autor diese Einflüsse als nur vorübergehend ansieht, gehen andere davon aus, daß sie dauerhaft seien und auf den Verlust von nationaler Hingabe und Stolz in Iran verwiesen.78 Als wesentlicher Beitrag der Mongolen wird die Freiheit des Glaubens angesehen, die übertriebenen nationalen und religiösen Eifer ersetzt habe. Diese Einschätzung bezieht sich vor allem auf den Islam, denn nach der Konvertierung des Ilchans Ġāzān waren Nichtmuslime keine gleichwertigen oder gar bevorzugten Untertanen mehr, und es kam durchaus zu Übergriffen. In diesem Zusammenhang heißt es auch, der Islam sei durch die Niederschlagung der Ismailiten und die Beseitigung des abbasidischen Kalifats keinesfalls geschwächt worden, sondern eine neue islamische Zivilisation, frei von sunnitischem Fanatismus und seinem Bann über andere (muslimische) Glaubens­ richtungen sei unter den Ilchanen entstanden. Diese habe ihren Höhepunkt schließlich in der offiziellen Anerkennung der Schia durch den Ilchan Ūlǧāytū 75 Dastġeib: Hoǧūm, S. 38. 76 Siehe hierzu Kapitel 1.3. Exkurs: Über den Umgang mit vormodernen narrativen Quellen der muslimischen Geschichte. 77 Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 404. 78 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 515–16; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 136; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 308–10; Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 409.

analyse

229

erreicht.79 Kritisch sieht ein Autor die Freude der Zeitgenossen über die Zerschlagung der Ismailiten, denn in diesem Fall habe Fanatismus gegenüber Patriotismus und Nationalstolz überwogen. Die Ismailiten, die an verschiedenen Stellen auch als Vorkämpfer des nationalen und religiösen Widerstands in Iran gegen die arabische Herrschaft und für eine nationale iranische Existenz ohne Vermischung mit der mongolischen Kultur und „Rasse“ bezeichnet werden,80 seien von den Mongolen auf Einladung anderer Muslime vernichtet worden. Diese hätten sich auf eine Stufe mit den Mongolen begeben, indem sie Ismailiten töteten und ihre Bücher verbrannten.81 Von Bedeutung war die mongolische Herrschaft, vor allem aber die Regierung der Ilchane, ferner in Hinblick darauf, daß, so ein Autor, Iran unter einer Zentralverwaltung vereinigt gewesen sei.82 Ein anderer weist gar darauf hin, daß erst unter den Mongolen das Konzept von Īrān oder Īrān-zamīn wiederbelebt worden sei und zum ersten Mal seit dem Fall der Sasaniden die Unabhängigkeit Irans erneut Gestalt angenommen habe. Obwohl der Einfall der Mongolen als ein dramatisches, grausames und einschneidendes Ereignis mit schwerwiegenden Folgen für Iran und einen großen Teil der damaligen islamischen Welt beschrieben wird, habe der dadurch erfolgte Bruch, d. h. in diesem Fall die Abspaltung nicht nur Irans, sondern aller Gebiete von Herat bis zum Euphrat, zur Wiederherstellung von Īrān-zamīn, also eines Territoriums, das zuletzt von den Sasaniden zentral verwaltet worden war, geführt.83 Nur folgerichtig wird daher die Einsetzung von ʿAtā Malek Ǧoveinī als Statthalter von Bagdad als Herrschaft eines Iraners dargestellt, der von einer Kombination aus dem Thron des abbasidischen Kalifen von Bagdad und der Sasaniden von Ktesiphon aus das gesamte Herrschaftsgebiet des Kalifen unter seinen Einfluß brachte.84 Auch in dieser Deutung der historischen Überlieferungen kommt

79 Mortażavī: Masāʾel, S. xxii–xxiii und S. 186–87. 80 Einer alten Erklärung des Phänomens der Ismāʿīlīya in Iran zufolge wurde diese schiitische Richtung von persischen Zoroastriern erfunden, die sich über den Sieg der Araber ärgerten und den Islam mit Hilfe des Dualismus unterwandern und letztlich ersetzen wollten. Hodgson: „Ismāʿīlī State“, S. 453. 81 Mortażavī: Masāʾel, S. 262 und S. 266. 82 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 109. 83 Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 11 und S. 124. Der Autor bezieht sich hier warhscheinlich auf das Konzept von Īrān-zamīn des Schahname, wie es von mongolischen Geschichtsschreibern aufgegriffen wurde. Cf. Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 163. Da Ǧaʿfarīyān vollständig auf bibliographische Hinweise verzichtet, lassen sich andere Einflüsse nicht ermitteln. 84 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 398 und S. 401–3; Mīr Ǧaʿfarī: „ʿAlāʾ od-Dīn“, S. 1270–76.

230

4. kapitel

die iranische Hand wieder aus dem Ärmel des mongolischen Gewandes hervor, denn der gezähmte und gelenkte Drache war dazu eingesetzt worden, das alte Iran in neuem muslimischen (schiitischen) Gewande wiederherzustellen.85 1.2 Kohärenzfiktionen und die Umdeutung der Geschichte Um die Niederlage in einen Sieg zu verwandeln, muß der vor allem durch ihre militärische Überlegenheit und besondere Graumsamkeit der Kriegsführung begründeten mongolischen Eroberung eine spirituelle oder moralische Erhöhung der besiegten Iraner gegenübergestellt werden. Liest man die obigen historischen Erzählungen genau, dann stellt man fest, daß dies im Lichte der darin teilweise beschriebenen Dekadenz und der Verfallserscheinungen in der iranischen Gesellschaft am Vorabend der mongolischen Invasion nicht ganz einfach ist. Dennoch bemühen sich die meisten der Autorinnen und Autoren darum, den Akzent auf die geistige Überlegenheit des „Iranischen“ zu legen, welches sich in erster Linie auf ein kulturelles Erbe gründe und demnach dem von Boroujerdi konstatierten heritage-ism86 zuzurechnen ist. Siegreich, so die Autorinnen und Autoren der hier untersuchten Texte, sei letztendlich dasjenige Volk, das über mehr Kraft in Form von Verwaltungskunst, politischer Erfahrung, Sitten und Gebräuchen sowie über die Grundlagen des geistigen Lebens, als da wären Literatur und Volkssagen, die den Faden der Erinnerung mit der Vergangenheit der Ahnen verknüpften, verfüge. Iran, welches durch die Feder, nicht durch das Schwert, islamisiert worden sei, führe immer einen „Krieg der Feder“, aus dem es stets als Sieger hervorgehe.87 Selbst 85 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 304–5. 86 Siehe hierzu oben S. 92–93. 87 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 81–82; Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī: „Molāḥeẓāt“, S. 395–97; Alborz: „Seirī dar šeʿr“, S. 84–87; Dādfar: Ḥamle-ye moġūl, S. 81–82; Qadyānī: Tārīḫ, S. 11–12; Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 986–88; Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 383. Iranischen Schulbüchern zufolge, die 1978 bzw. 1980 gedruckt wurden, unterwarfen sich auch die Griechen (Alexander d. Gr. und die Seleukiden) der „verführerischen Macht“ der iranischen Kultur und Zivilisation und wurden zu Iranern. Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 73. Ebenso wurden die arabischen Kalifen, an deren Höfen iranische Berater, Wesire und Ärzte tätig waren, „iranisiert“. Ibid., S. 75. Interessanterweise wurde dieser Topos zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch von dem osmanischen Staatsmann und Schriftsteller Süleiman Nazif aufgegriffen, der – als Kritiker turanistischer und türkistischer Vor­ stellungen von Geschichte und Literatur und Bewunderer der persischen Literatur – ebenfalls davon spricht, daß die Iraner zwar durch das Schwert von Arabern und Türken besiegt, jedoch intellektuell nie unterworfen worden seien. Siehe hierzu den noch unveröffentlichten Vortrag von Farzin Vejdani „Contesting Iranian Nationalism in early

analyse

231

unter dem Großkhan Goyūk, der die in Iran durchgeführten Reformen der mongolischen Statthalter Gorgūz und Amīr Arġūn rückgängig machen ließ, hätten die Sieger in kultureller und zivilisatorischer Hinsicht eine stufenweise Niederlage erlitten. Führende iranische Familien hätten die Herrschaft über den Geist und die Gedanken des Siegervolkes errungen und es dadurch verwandelt; umsichtige mongolische Regenten hätten vor der mächtigen Kultur und Zivilisation Irans kapituliert und seien schließlich zu Iranern geworden.88 Im Zusammenhang mit dieser Form eines stark von primordialistischen und ethnosymbolistischen Vorstellungen geprägten iranischen Nationalismus,89 der hier zum Ausdruck kommt, ist erneut auf die oben bereits erwähnten Publikationen von Ehsan Yarshater und Ahmad Ashraf hinzuweisen: Die beiden Herausgeber der Encyclopædia Iranica vertreten genau diese Kohärenzfiktion einer 2500 Jahre alten „nationalen“ iranischen Identität, zu deren wesentlichen Bestandteilen eine „persische Ethnizität“ mit dem Neupersischen als Träger ihrer Kultur gehören. Diese Identität sei ein kollektives Gefühl, welches die „iranischen Völker“ auf einem definierten historischen Territorium teilten.90 Jedoch endet die enge Verquickung zwischen iranischen Nationalistinnen und Nationalisten im In- und Ausland dort, wo Yarshater den Zoroastrismus zur „Nationalreligion“ erklärt.91 Zwar mag es in Iran in bestimmten Bevölkerungsschichten ebenso wie unter Auslandsiranerinnen und -iranern eine Tendenz zur Abkehr vom Islam und zur Hinwendung zum Zoroastrismus und anderen Religionen wie dem Bahaʼitum geben, doch sind solche Äußerungen in den hier untersuchten Publikationen nicht zu finden. Am intensivsten hat Šīrīn Bayānī an einer Umdeutung der Geschichte der Mongolenzeit gearbeitet, deren zwischen 1988 und 1996 erschienenes dreibändiges Werk Dīn va doulat dar Īrān-e ʿahd-e moġūl möglicherweise auch deshalb so erfolgreich ist. In Hinblick auf die zentrale Bedeutung, die sie dem schiitischen Islam als wesentlichem Bestandteil einer iranischen Identität und den Schiiten als Vorkämpfern einer iranischen Unabhängigkeit beimißt – wobei sie Twentieth-Century Istanbul (1914–1918)“, gehalten Anfang August 2012 auf der ISISKonferenz in Istanbul. 88 Bayānī: Īrān, S. 46 und S. 50. Auf diese Form der Umdeutung, d. h. daß „Fremde“ zu Iranern (gemacht) werden, wurde während der Pahlavī-Zeit ebenso zugegriffen wie im gegenwärtigen Iran. Cf. Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 76 und S. 80–81. 89 Zum Ethnosymbolismus s. o. S. 68–71. 90 Siehe oben S. 93. 91 Yarshater wiederum stützt sich auf die Ideen von Āḫūndzāde, also direkt auf einen der Begründer des iranischen Nationalismus. Siehe oben S. 93.

232

4. kapitel

nicht nur den Zwölferschiiten, sondern auch den Ismailiten eine wesentliche Beteiligung zugesteht –, integriert sich ihre Kohärenzfiktion sehr gut in die politische Landschaft der Islamischen Republik Iran.92 Auch wenn Morteżā Moṭahharī als einer der wesentlichen Vordenker der Revolution von 1979 dem Schiitentum nicht die Rolle der iranischen Nationalreligion zusprechen will und der Behauptung von einer Unterdrückung „der Iraner“ durch „den Islam“ nach den arabisch-muslimischen Eroberungen vehement widerspricht, sind diese Vorstellungen doch auch im offiziellen Iran der „Iran-Islam“-Periode,93 in der der Schwerpunkt der offiziellen Ideologie auf der Schia in Verbindung mit nationalistischen Vorstellungen liegt, weit verbreitet.94 Bayānī weist nicht erst seit 1979 auf die vermeintlich besondere Bedeutung der Schia hin, sondern tut dies bereits in ihrem 1974 publizierten Buch (Īrān dar bar-ḫvord bā moġūl. Az marg-e Čengīz tā āmadan-e Holāgū), das sich mit der Zeit zwischen den Eroberungszügen von Čengīz Ḫān und Hūlāgū befaßt. In dieser Monographie schreibt sie, daß die Schiiten eine tatkräftige und bedeutende Minderheit im Volk bildeten, die sich neben den Ismailiten gegen die angreifenden Mongolen unter Čengīz Ḫān zur Wehr setzte. Im Zuge der Feldzüge Hūlāgūs hätten die Schiiten die Mongolen gleichwohl als Mittel zu ihrer Befreiung von der sunnitischen Herrschaft betrachtet.95 Weder in dem 1974 publizierten Buch noch in den später veröffentlichten Bänden ist Bayānī allerdings in der Lage, den von ihr behaupteten schiitischen Widerstand zu belegen, stattdessen verweist sie auf ungesicherte Informationen ebenso wie auf das Gebot der taqīye, also der Verheimlichung der wahren Überzeugung, die Schiiten in überwiegend sunnitischer Umgebung zumindest erlaubt, wenn nicht gar geboten ist, und auf die Tatsache, daß die Mehrzahl der Geschichtsschreiber des 13. und 14. Jahrhunderts Sunniten waren.96 Bayānīs Umgang mit der Geschichte belegt, daß Realitäten, die der gewählten historischen Erzählung widersprachen, nicht erst in Zeiten der Islamischen Republik

92

Die Bedeutung der Zwölferschia für die iranische Geschichte und Identität, ihre „Iranisierung“ und ein Verständnis von Religion als Zivilisation sind allerdings älter und lassen sich bereits in Eqbāls Schriften nachweisen. Vejdani: Purveyors, S. 302. Bayānī führt insofern eine Tradition fort, die sie auf die Spitze treibt. Zur Schiitisierung der iranischen Geschichte siehe auch Atabaki: „Iranian History in Transition“, S. 74. 93 Amirahmadi: „Iran“, S. 29. 94 S. o. S. 90. 95 Bayānī: Īrān, S. 56. 96 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 304–5 und ibid., Bd. 2, S. 571.

analyse

233

schlicht ignoriert oder verändert wurden, sondern daß diese Form der Geschichtsschreibung bereits zuvor betrieben wurde.97 Im Zentrum dieser Kohärenzfiktion vom schiitischen Kampf um die iranische Unabhängigkeit steht Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, dessen schillernde Persönlichkeit Bayānī durchaus thematisiert: er habe eine gewisse Neigung zur Ismāʿīlīya gehabt, diese jedoch verschwiegen, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Zudem habe Naṣīr od-Dīn Ṭūsī auf der Suche nach Einflußmöglichkeiten an die Türen verschiedener Machthaber geklopft, sei vom abbasidischen Kalifen abgewiesen worden und habe schließlich Einlaß bei den Ismailiten gefunden. Darüber hinaus seien die ismailitischen Bergfestungen ein sicherer Rückzugsort vor den anstürmenden Mongolen unter Čengīz Ḫān gewesen.98 Als seine religiöse ebenso wie nationale Pflicht bezeichnet Bayānī die Beteiligung des Naṣīr od-Dīn Ṭūsī am Sturz der Abbasiden, für den er sich habe einsetzen können, als die Zeit dafür reif war, sprich, als Hūlāgū seinen Rat bei diesem Unternehmen verlangte.99 In ihrer Einschätzung ist Bayānī nicht allein, denn auch andere Autorinnen und Autoren sehen in Naṣīr od-Dīn Ṭūsī die Personifizierung der politischen Präsenz der Iraner und ihres nationalen Gewissens.100 Nach dem Sturz der Abbasiden wurde Naṣīr od-Dīn Ṭūsī laut Bayānī zum Anführer der Schiiten im Herrschaftsgebiet der Ilchane und zu einem der bedeutendsten Erneuerer der iranischen Kultur, wenn nicht gar zu ihrem Retter. Gleichzeitig verbesserte er dieser Erzählung zufolge die politische und gesellschaftliche Situation der Schiiten und förderte die Ausbreitung des Schiitentums.101 Als Ursprungsmythos des zwölferschiitischen Islams gilt das Martyrium des dritten Imams al-Ḥusein, der gemeinsam mit seinen Getreuen von Truppen des umayyadischen Kalifen Yazīd I. (reg. 680–83) in der Schlacht von Karbalāʾ im Jahre 680 getötet wurde. Insofern wird dem Märtyrertum, welches als notwendiger Teil einer Geschichte von Ungerechtigkeit und Unterdrückung angesehen wird, in der Zwölferschia ein hoher Stellenwert beigemessen. Darauf bezieht sich auch Bayānī, wenn sie das besondere Engagement der Schiiten im Kampf gegen Abbasiden und Mongolen betont, da diese das Märtyrertum als 97

Zu dieser Art des Umgangs mit Geschichte während der Präsidentschaft von Maḥmūd Aḥmadīnežād cf. Ansari: Politics of Nationalism, S. 263. 98 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 250–51 und ibid., Bd. 2, S. 579. Zu anderen, eher wissensbezogenen Gründen, die Naṣīr od-Dīn Ṭūsī dazu bewegt haben könnten, sich den Ismailiten anzuschließen, cf. Madelung: „Naṣīr ad-Dīn Ṭūsī’s Ethics“. 99 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 305–9. 100 Cf. u. a. Kasāyī: „Sar-goẕašt-e dānešmandān“, S. 988; Ǧaʿfarīyān: Yoreš, S. 52. 101 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 1, S. 352 und ibid., Bd. 2, S. 404.

234

4. kapitel

Mittel zur Erreichung ihres Ziels einsetzten.102 Erneut werden „die Iraner“ – diesmal in ihrer Funktion als Schiiten – als Leidtragende dargestellt, als Opfer von Willkür und Unterdrückung, denen neben dem „Kampf der Feder“ nur der Kampf im Verborgenen, das Leiden und die Bereitschaft, ihr Leben für die gemeinsame Sache zu geben, bleiben. Allerdings sind sie als Märtyrer keine passiven Opfer mehr, sondern setzen ihr Leben – ihrem Vorbild al-Ḥusein folgend – in einem ungleichen Kampf bewußt aufs Spiel. Schließlich stellt Bayānī eine weitere Verbindung her, die die Vorstellung von einer Verkettung des antiken mit dem schiitisch-islamischen Iran und dem „nationalen Kampf“ gegen die mongolischen „Fremdherrscher“ weiter festigen soll: Von besonderer Bedeutung sei die Schia während der Ilchanzeit in der Provinz Fārs – der antiken Persis – gewesen. Dort habe die Bevölkerung sich besonders nach Unabhängigkeit und der Wiederbelebung iranischen Ruhms sowie der Niederschlagung des „fremden Elements“ gesehnt. Führende Familien hätten sich den Sasaniden und Achaimeniden verbunden gefühlt, einige sich auf den Propheten oder die schiitischen Buyiden zurückgeführt.103 Ohne daß Bayānī dies noch deutlich sagen muß, werden hier die Fäden einer iranischen Identität miteinander verknüpft, wie sie seit der Verfassungs­ revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts Teil des offiziellen nationalistischen Diskurses war: die antike Persis, die für die Achaimeniden steht, wird verbunden mit dem Propheten des Islams und der schiitischen Dynastie der Buyiden.104 Von der persischen Sprache ist an dieser Stelle nicht die Rede, aber das ist in diesem Zusammenhang auch gar nicht nötig, da ihr wesentlicher Anteil am iranischen kulturellen Erbe außer Frage steht. Der „Kampf der Kulturen“, den Bayānī im zweiten Band ihres o. g. Werkes beschwört, wurde ihrer Erzählung nach in erster Linie mit den Waffen von Religion und Verwaltung – den klassisschen Bereichen der Feder – geführt. Gegen die Mongolen sei der Islam, insbesondere seine schiitische Variante, ins Feld geführt und gegen die yāsā eingesetzt worden, der wiederum eine ebenso große Bedeutung für die Mongolen beigemessen wird wie sie der Koran für die Muslime hat. Wesentliche politische und gesellschaftliche Veränderungen 102 Ibid., S. 571. 103 Ibid., S. 593–94. 104 Eine solche Verbindung hatte lange zuvor bereits Eqbāl in seinem 1932 erschienen Werk Ḫānedān-e Noubaḫtī gezogen, der die Kontinuität einer vorislamischen iranischen Identität in abbasidischer Zeit durch eine schiitische Familie von Verwaltungsbeamten mit zoroastrischen Wurzeln gewährleistet sieht und ihnen das Streben nach „iranischer Unabhängigkeit“ unterstellt. Azimi: „Historiography“, S. 379 und Vejdani: Purveyors, S. 303–9.

analyse

235

hätten sich demzufolge auf „der Achse der Religion“ ereignet. Gegen das mongolische Joch, das ein kultureller Angriff auf Iran gewesen sei, habe die iranische Kultur eine erstaunliche Widerstandskraft bewiesen. Und obwohl sich der Schamanismus in das Gewebe, genauer gesagt in Kette und Einschuß, der Seele des Volkes gekrallt habe, sei es dem „iranischen Element“ gelungen, die „fremden Elemente“ zu zerstören bzw. zu absorbieren.105 Als Endpunkt dieser Absorbierung, der bereits kurze Phasen der „Säuberung“ von mongolischem Einfluß vorangegangen waren, gilt Bayānī ebenso wie anderen Autoren die Konvertierung des Ilchans Ġāzān: Durch seine Bekehrung zum Islam wurde der Gegner für immer zu Fall gebracht, Sieger und Besiegte tauschten die Plätze, das islamisch-iranische Prinzip gewann die Oberhand, die Schia wurde zur vorherrschenden Religion in Iran, dessen religiöse Unabhängigkeit dadurch eingeleitet wurde.106 Insofern könne man die Zeit der Ilchane als Ver­ suchszeitraum betrachten, in dem das Fundament für die Schia in Iran gelegt worden sei. Ġāzān sei einer der größten (muslimischen) Herrscher des Orients sowie einer der bedeutendsten Gebieter Irans gewesen; er sei nicht nur ein islamischer (pādešāh-e eslām), sondern eben auch ein iranischer Herrscher (pādešāh-e Īrān) gewesen, mit dem sich die ilchanidische zu einer iranischen Herrschaft gewandelt habe. Unter seiner Befehlsgewalt sei die mongolische Macht über Iran zerstört und der so wichtige Mechanismus der Über­ einstimmung der Politik der Regierenden mit dem historischen Wesen des iranischen Volkes eingeführt worden. Diese Übereinstimmung wiederum habe die Grundlage für die Einheit gebildet und die Entstehung eines großen Staates begünstigt. Auf diese Weise seien die territoriale Einheit Irans von Herat bis zum Euphrat gewahrt sowie die Fundamente für die historische und gesellschaftspolitische Entwicklung gelegt worden, die am Ende zur safavidischen Herrschaft geführt hätten.107 Ġāzāns Herrschaft sei ein Wendepunkt gewesen, denn er habe die iranisch-islamische Art vollständig übernommen und dadurch die Erniedrigung und Demütigung der Iraner beseitigt. Die Abneigung gegen die mongolische Unterdrückung solle nicht auf die großen Ilchane Ġāzān, Ūlǧāytū und Abū Saʿīd übertragen werden, da sich mit ihnen nicht die 105 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 367–69. 106 Ibid., S. 435–36. Ġāzān Ḫāns diesbezügliche Bedeutung war bereits von Rašīd od-Dīn hervorgehoben worden. Cf. Aubin: Emirs mongols, S. 53. 107 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 466 und S. 471; Mortażavī: Masāʾel, S. 89 und S. 173; Montaẓer ol-Qāʾem: „Šeʿār-e šīʿe“, S. 1255. Während die safavidische Herrschaft in Iran von den meisten Autorinnen und Autoren als wesentliche Epoche der schiitisch-iranischen Nationswerdung angesehen wird, hält Eqbāl sie – seinem Niedergangsparadigma folgend – allerdings für einen Höhepunkt des Niedergangs. Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 496.

236

4. kapitel

Regierungsgewalt eines fremden Volkes, sondern eine der glänzendsten Epochen der iranischen Geschichte verbinde,108 die, so könnte man ergänzend hinzufügen, durch die Erhöhung des „Iranischen“ und seinen Sieg über die Aggressoren ausgelöst wurde. Diese Kohärenzfiktion von Islamisierung und Iranisierung des ilchanidischen Herrschers, der die Zeit der Erniedrigung beendete und eine neue Epoche iranischer Geschichte eröffnete, kann sich durchaus auf zeitgenössische Quellen und deren historische Erzählungen stützen. So bemühte sich Rašīd od-Dīn mit seinem Ǧāmeʿ ot-tavārīḫ nicht nur darum, die Mongolen in die Geschichte Irans und der Welt zu intergrieren, sondern zudem einen starken Gegensatz zwischen Ġāzān Ḫāns Herrschaft und derjenigen seiner „heidnischen“ Vorgänger zu konstruieren.109 Der Īlḫān Ġāzān Ḫān, in Anlehnung an Alexander den Großen auch als „Philosophenkönig“ bezeichnet, wird in verschiedenen Schriften des 13. und 14. Jahrhunderts als Förderer des Islams angesehen, wodurch die besondere Bedeutung seiner Ägide hervorgehoben wird.110 Unter direktem Bezug auf das Schahname entsteht die Herrschaft der Ilchane in manch historisch-literarischer Erzählung als weiterer Zyklus iranischen Königtums, welches seinen Höhepunkt unter Ġāzān Ḫān erreichte111 – die große Nähe von Mythos und Geschichte tritt hier klar zu Tage. Sein Übertritt zum Islam – ob nun aus pragmatischen Gründen und eher oberflächlich geschehen oder tatsächlich dem eigenen Glauben geschuldet – führt in diesen Erzählungen dazu, daß Ġāzān eine neue kulturelle Identität verliehen und eine neue Ära in der Geschichte Irans eingeleitet wurde,112 welche als überzeitliche Einheit konstruiert wird. Im Rahmen der hier analysierten Sinngeschichte, die im 20. und 21. Jahrhundert geschrieben wurde, ist diese neue Ära gleichbedeutend mit dem Sieg des „iranischen Elements“, dem Beginn eines Siegeszugs der Schia und der Neugründung eines iranischen Nationalstaats.

108 Siehe u. a. Mortażavī: Masāʾel, S. 217 und S. 272–74. Als Wendepunkt sehen folgende Autoren und eine Autorin die Herrschaft von Ġāzan Ḫān an: Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 1, S. 257; Eqbāl: Tārīḫ-e mofaṣṣal, S. 512; Ṣafā: Tārīḫ-e adabīyāt, S. 127–30; Rāvandī: Tārīḫ-e eǧtemāʿī, Bd. 2, S. 309; Mortażavī: Masāʾel, S. 88–89 und S. 204; Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 466 und S. 471. Als einziger widerspricht hier Pargārī: „ʿElal-e forū-pāšī“, S. 353–54. 109 Melville: „History and Myth“, S. 140. 110 Ibid., S. 141. 111 Ibid., S. 142. Melville analysiert das Ġāzān-nāme von Ḫvāǧe Nūr od-Dīn Aždarī aus dem 14. Jahrhundert. 112 Ibid., S. 143. Zur Idealisierung des antiken persischen Königtums siehe auch Amanat: „Identity Boundaries“, S. 5.

analyse

2

237

Historisches Denken im interkulturellen Vergleich: Iranische Narrative zur Mongolenzeit

Soll geschichtliche Wirklichkeit (re)konstruiert und im Sinne der Gegenwart gedeutet werden, so muß der selektive und perspektivische Charakter der Sprache der Quellen Berücksichtigung finden,113 es muß die Art und Weise beachtet werden, auf die die zeitgenössischen Akteure ihre Realität interpretierten114 und die Subjektivität der Quellen erkannt werden, denn ihre Autoren entschieden, was sie der Nachwelt überliefern wollten.115 Daher sind nachfolgende Historikerinnen und Historiker im Sinne einer doppelten Hermeneutik [Charles Taylor] den Beobachtungstheorien der zeitgenössischen Geschichtsschreiber ausgeliefert.116 Ihre Aufgabe besteht demzufolge darin, die ihnen vorliegende(n) Geschichte(n) zu entschlüsseln, zu entmythologisieren und offenzulegen.117 Im Falle der Geschichtsschreibung der Mongolenzeit, die der modernen iranischen Historiographie zu diesem Thema als wichtigste narrative Quelle dient, hieße das, die politischen ebenso wie die literarischen Funktionen zu kennen, die ihre Autoren zu erfüllen hatten oder erfüllen wollten, und über die gesellschaftlichen, politischen, religiösen und auch literarischen Verhältnisse ihrer Zeit im Bilde zu sein.118 Über die politischen Funktionen der beiden bedeutendsten Geschichtsschreiber der Mongolenzeit in Iran, deren Werke die modernen iranischen Autorinnen und Autoren als Quellen für ihre historischen Erzählungen nutzen, sind sie ebenso im Bilde wie über den religiösen Kontext. Auch die Bedeutung der persischsprachigen Historiographie wird an vielen Stellen betont und als Errungenschaft jener Epoche bezeichnet. Allerdings werden die entsprechenden Werke weder als literarische Quellen angesehen, noch ihr subjektiver Gehalt problematisiert. Ebensowenig wird der Umstand reflektiert, daß sich Geschichtsschreiber wie Ǧoveinī und Rašīd od-Dīn bei ihren Beschreibungen der mongolischen Eroberungen des Schahname als eines Subtextes bedienten.119 Dies sollte m. E. jedoch nicht als Behauptung einer „iranischen Identität“ oder des Versuchs,

113 Lorenz: Konstruktion, S. 369. 114 Stock: Listening, S. 88. 115 Lorenz: Konstruktion, S. 390–93. 116 Ibid., S. 391–92. 117 Stock: Listening, S. 94. 118 Siehe hierzu Waldman: Toward a Theory, S. 10. 119 Zum Schahname als Subtext cf. Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 192–94.

238

4. kapitel

die neuen Herrscher zu „iranisieren“120 gedeutet werden – zumindest nicht ohne diese Konzepte in ihrem historischen Rahmen genauer zu definieren –, sondern spricht vielmehr für ein „kulturelles Beharrungsvermögen“ der Männer der Feder,121 das sich wesentlich auf das Schahname als mythische Vorlage für überlieferte hohe Regierungskunst stützt. Auf diese Weise und durch die Übernahme des Typus des tyrannischen Dämonenkönigs aus der Mythologie122 formten die Chronisten der Mongolenzeit Geschichte tatsächlich zum Mythos.123 Im Rahmen der Konstruktion einer Sinngeschichte, die für ihre Plausibilisierung Kohärenzfiktionen und Mythenbildung benötigt, und die sich für einzelne Teile auf die Beobachtungstheorien der Geschichtsschreiber der Mongolenzeit stützen muß, ohne deren doppelte Hermeneutik zu problematisieren, ist die genannte Haltung der iranischen Autorinnen und Autoren indes nicht verwunderlich. Es bietet sich daher an, Rüsens eingangs bereits zitierter hermeneutischer Regel folgend, die Verfasserinnen und Verfasser der untersuchten historischen Erzählungen zur Mongolenzeit vor dem Horizont ihres Selbstverständnisses zu verstehen, ohne sie dabei an Maß­ stäben zu messen, die ihnen ihrer wissenschaftlichen Sozialisierung und ihrer gesellschaftspolitischen Rolle nach offensichtlich fremd sind.124 Welches Geschichtsverständnis den Arbeiten derjenigen Autorinnen und Autoren zugrundeliegt, die sich dezidiert dazu äußern, soll im folgenden erläutert werden. Geschichte, so heißt es im Vorwort des Buches von Mortażavī, müsse aus einem neutralen Blickwinkel und von einem philosophischen Standpunkt aus betrachtet werden.125 Sie sei ein organisches Geflecht, in dessen Teile Geschehnisse und Erlebnisse einflössen und die Grundlage späterer Ver­ änderungen und Fortschritte bildeten – weshalb es auch keinen „Müllhaufen der Geschichte“ geben könne, auf dem sich unliebsame Ereignisse wie die Invasion der Mongolen einfach entsorgen ließen.126 Mißbilligend äußert sich Eslām-Niyā über diejenigen Geschichtswerke, die sich mit der Epoche der 120 Ibid., S. 192–94. Inwieweit und ob das Schahname überhaupt als Grundlage einer „iranischen Identität“ („Iranian-ness“) dienen kann, diskutiert Davis anhand der Fragen von Territorialität, Ethnizität und Religion. Davis: „Iran and Aniran“. 121 Hoffmann: „Wortkunst“, S. 266. 122 Poliakova: „Development“, S. 244. 123 Vgl. Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 197. 124 Rüsen: Zerbrechende Zeit, S. 265. 125 Mortażavī: Masāʾel, S. xx. 126 Dastġeib: Hoǧūm, S. 15–16.

analyse

239

Charesmschahs befassen, und unterstellt ihren Verfassern insgesamt antisunnitischen und anti-türkischen Fanatismus, da sie den Charesmschah Ǧalāl od-Dīn Menkobernī in schlechtem Licht darstellten.127 Einer kritischen Analyse unterzieht er diese Erzählungen jedoch nicht, und es entsteht der Eindruck, als lehne er die darin getroffenen Aussagen über den Schah vor allem deshalb ab, weil ihm eher das legendäre Bild des charesmischen Kämpfers gegen die Mongolen vor Augen steht als die historische Persönlichkeit.128 In Hinblick auf die persischen Geschichtsschreiber jener Zeit schreibt Bayānī über Rašīd od-Dīn, er habe sich nicht mit dem Aussprechen der Wahrheit zurückgehalten und das wahre Erscheinungsbild jener Epoche für zukünftige Generationen bewahrt.129 Eqbāl weist darauf hin, aus welchen chinesischen, mongolischen oder uigurischen Quellen Rašīd od-Dīn selbst schöpfte und listet die anderen bedeutenden Autoren jener Zeit und ihre Werke auf, allerdings ohne sie kritisch zu kommentieren.130 Stattdessen nutzen die im Rahmen dieser Untersuchung vorgestellten Historikerinnen und Historiker ihre Quellen als Darstellungen einer vermeintlichen historischen Wirklichkeit. Im Mittelpunkt der historischen Narrative zur Mongolenzeit stehen Rašīd od-Dīn und ʿAṭā Malek Ǧoveinī als Lieferanten von Informatio­ nen, vor allem aber als Akteure, deren politischer Einfluß und deren Gestaltungsmöglichkeiten in ihren Ämtern als iranische Wesire und Berater mongolischer Herrscher die Kohärenzfiktion vom letztendlichen Sieg des „iranischen Elements“ über die Mongolen personifizieren. In dem im Jahre 2000 erschienenen Konferenzband Hoǧūm-e moġūl finden sich zwei Beiträge, die sich tatsächlich darum bemühen, die Geschichtsschreibung der Mongolenzeit zu entschlüsseln. Während Vahhāb Valī in seinem Beitrag darauf hinweist, daß man über die Mongolenzeit nur unzureichend unterrichtet sei und die vorhandenen Berichte über ihre

127 Eslām-Niyā: Negahī, S. 119–20. Neben anderen Autoren weist Ratchnevsky darauf hin, daß es keine glaubwürdigen Berichte über einige der den Mongolen zugeschriebenen Grausamkeiten wie das Aufschlitzen von Bäuchen, um darin angeblich versteckte Perlen zu finden, gibt. Stattdessen schildert er einige der von Ǧalāl od-Dīn verübten Greuel. Ratchnevsky: Genghis Khan, S. 161. 128 Vor allem im nachrevolutionären Iran wurde Ǧalāl od-Dīn als Kämpfer gegen die Mongolen hoch gelobt. Cf. Biran: Chinggis Khan, S. 131. Eslām-Niyās Buch erschien im Jahre 2004. 129 Bayānī: Dīn va doulat, Bd. 2, S. 490. 130 Eqbāl: Tārīḫ-e moġūl, Bd. 2, S. 479–93.

240

4. kapitel

Eroberungen nur teilweise glaubwürdig seien,131 wirft Esmāʿīl Ḥasanzāde einen genaueren Blick auf die Ideen von ʿAṭā Malek Ǧoveinī und Rašīd od-Dīn Fażlollāh, wie sie in deren Niederschriften durchscheinen. Er fragt nach der Wirkung der Werke von Geschichtsschreibern auf die verschiedenen türkischen und mongolischen Herrscher in Iran und die Angehörigen der Eliten und verweist auf die Vielschichtigkeit der historischen Erzählungen. Seiner Ansicht nach vertritt Ǧoveinī eine traditionelle Geschichtsschreibung mit verschiedenen Stilmitteln sowie dem Einstreuen von Koranversen und Hadithen.132 Ǧoveinīs Geschichtsdenken werde bestimmt von der hanafitischen Rechtsschule ebenso wie von seinem Staatsdenken. Gedanken zu solchen Bereichen wie Wirtschaft und Gesellschaft fehlten allerdings völlig. Ferner stehe Ǧoveinī in der Tradition von Chronisten wie Ṭabarī (838–923),133 Yaʿqūbī (9. – frühes 10. Jh.),134 Ibn Miskawaih (st. 1030),135 Masʿūdī (st. 1030)136 und Ibn Aṯīr.137 Den weltlichen Nutzen der Geschichtsschreibung sehe Ǧoveinī darin, „Salbe auf die Wunden der ausgeplünderten Menschen zu streichen“, um durch die Darstellung der Kraft des mongolischen Heeres als vom Schicksal gewollt, ihre Qualen zu lindern. Ǧoveinī spreche die Unterdrückungen und das erbarmungslose Töten an, tadele jedoch gleichzeitig den Widerstand, der den Mongolen entgegengebracht wurde.138 Schlüsselbegriffe seines Werkes seien die göttliche Vorsehung (qażā-o qadar) bzw. die „Macht der Geschichte“ (ǧabr-e tārīḫ), denn er verstehe den Aufstieg und Niedergang von Staaten und Herrschern als Ausdruck des göttlichen Willens. Daher habe er den Überfall der Mongolen auf Iran und ihre Morde mit himmlischen Strafen wie der Sintflut verglichen, die in diesem Fall den Ungläubigen unter den Muslimen gelten sollten.139 Seine Absicht bei der Niederschrift seines Geschichtswerks habe darin bestanden, zukünftigen Generationen seine tyrannische Zeit zu

131 Valī: „Ġourī dar andīše-ye Čengīz Ḫān“, S. 1317. Valīs Beitrag fließt nicht in das dritte Kapitel ein, da er sich zu den dort diskutierten Themen nicht äußert. 132 Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 438. 133 Zu diesem berühmten Gelehrten siehe Bosworth „al-Ṭabarī“. 134 Zu diesem frühen arabischen Geschichtsschreiber und Geographen siehe einführend Zaman: „al-Yaʿḳūbī“. 135 Zu diesem Philosophen und Geschichtsschreiber siehe einführend Arkoun: „Miskawayh“. 136 Zu diesem arabischen Historiographen siehe einführend Pellat: „al-Masʿūdī“. 137 Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 440–41. 138 Ibid., S. 441–42. 139 Ibid., S. 446–47.

analyse

241

Gehör zu bringen,140 in der die islamische Welt unter die Hufe der mongolischen Reittiere geraten und alle Pfeiler der Gesellschaft eingestürzt seien.141 Im Mittelpunkt von Rašīd od-Dīns Geschichtsbild (tārīḫ-negārī) stehe Iran, während andere Regionen weniger intensiv behandelt würden.142 Im Gegensatz zu Ǧoveinī habe er eine Zeit der relativen Ruhe und Blüte erlebt, die Ḥasanzāde in Anlehnung an Boyle als pax mongolica (ṣolḥ-e moġūlī) bezeichnet. In den Jahren, die zwischen den beiden Geschichtsschreibern lagen, habe sich das Mongolenreich konsolidiert. Dennoch sei Rašīd od-Dīn in seinem Denken von einem engen Zusammenhang zwischen Herrscher und Militär bzw. zwischen Militär und staatlicher Ordnung ausgegangen,143 und habe als Schafiit mit sufischen Einflüssen vor allem unter dem Eindruck von Suhrawardī144 und al-Ġazzālī (st. 1111) gestanden. Gleichzeitig sei er jedoch auch durch seine politische Tätigkeit und durch die Ämter, die er im Dienste der Mongolen ausübte, geprägt worden, was sich in seiner – mit einer großen Zahl türkisch-mongolischer Begriffe versehenen – Terminologie widerspiegele, die wiederum nicht ohne Auswirkungen auf die Erneuerung des kulturellen Lebens in Iran geblieben sei.145 Auch wenn die Kultur der iranischen Seßhaftigkeit (yek-ǧāh-nešīnī-ye īrānī) bei ihrer Vermischung mit dem türkischen Element eindeutig überlegen gewesen sei, habe die von den Mongolen bereitgestellte Basis eine große Bedeutung gehabt. Insgesamt lasse sich der Kampf der iranischen Tradition mit den fremden mongolischen Angreifern aus den Werken von Rašīd od-Dīn und Ǧoveinī deutlich herauslesen.146 Zum Herrschaftskonzept iranischer Denker, welches sich mit dem Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen verbinden lasse, gehöre die Vorstellung vom „Schatten Gottes“ (ẓell Allāh) auf Erden, der auch Rašīd od-Dīn und Ǧoveinī anhingen. Ǧoveinī vertrete in seinem Geschichtswerk die Auffassung, die Mongolen seien dieser „Glanz Gottes“ ( farre-ye īzadī), nicht zuletzt wegen ihrer Niederschlagung der (ketzerischen) Ismailiten.147 Auf der Basis dieses Konzepts hätten sich die iranischen Hofchronisten bemüht, eine grundlegende Gesetzlichkeit für das Regieren zu erstellen, um die mongolische 140 Ibid., S. 444. 141 Ibid., S. 447. 142 Ibid., S. 454. 143 Ibid., S. 456–57. 144 Zu diesem Gelehrten siehe einführend Ziai: „al-Suhrawardī“. 145 Ḥasanzāde: „Negarešī“, S. 456. 146 Ibid., S. 464–65. 147 Ibid., S. 448.

242

4. kapitel

Herrschaft zu iranisieren (īrānī kardan). Ihren Höhepunkt habe die Iranisie­ rung mit der Konvertierung von Ġāzān und seinem Nachfolger Ūlǧāytū zum Islam erreicht.148 Das Vakuum, das durch den Sturz des abbasidischen Kalifats entstanden sei, hätten die Ilchane durch ihren Anspruch auf rechtmäßige Vertretung der Herrschaft nach Ansicht der Geschichtsschreiber ausgefüllt. Gleichzeitig merkt Ḥasanzāde an, daß sowohl Rašīd od-Dīn als auch Ǧoveinī die Regierung von Ġāzān Ḫān mit den sasanidischen Herrschern Ḫosrou Anūšīrvān (reg. 631–33) und Fereidūn verglichen habe.149 Allerdings ist Fereidūn eine Gestalt aus dem Schahname und kein sasanidischer König.150 Der Irrtum, dem Ḥasanzāde hier unterliegt, ist erkennbar ein Beweis dafür, daß in Iran Wissensformen ausgebildet wurden, die weiterhin dem Mythos von Legenden verhaftet sind. In seinem Beitrag arbeitet Ḥasanzāde heraus, welchen offensichtlichen Einflüssen sowohl Ǧoveinī als auch Rašīd od-Dīn unterlagen, er fragt nach der Wirkung ihrer Werke auf Herrscher und Eliten – ohne diese Frage jedoch zu beantworten – und vertritt die von anderen iranischen Autorinnen und Autoren geteilte Überzeugung, aus ihren historischen Erzählungen ließe sich der Kampf der iranischen Tradition mit den fremden mongolischen Angreifern herauslesen. In Übereinstimmung mit seinen Kolleginnen und Kollegen ist Ḥasanzāde der Ansicht, mit Ġāzān Ḫāns Konvertierung zum Islam sei die Iranisierung der Ilchane erreicht worden, als deren zweites Standbein ein eigenes iranisches Herrschaftskonzept gedient habe. Im Zusammenhang mit Ǧoveinīs Vorstellung von Geschichtsschreibung, die offensichtlich darin besteht, der Kontingenz der mongolischen Eroberungen einen Sinn zu verleihen,151 indem sie zum unvermeidlichen Ausdruck eines göttlichen Willens erklärt werden – eine Sinnkonstruktion, der viele seiner Zeitgenossen anhingen –, kommt die oben erwähnte doppelte Hermeneutik zum Tragen. Allerdings ist sich Ḥasanzāde dieser Tatsache nicht bewußt: zwar gibt er Ǧoveinīs Worte zusammengefaßt wieder, doch reflektiert er seine eigene Position als heutiger Historiker, der sich ebenfalls mit der Deutung historischer Ereignisse befaßt und ihnen möglicherweise genauso einen Sinn verleiht, nicht. Ebensowenig setzt sich Ḥasanzāde damit auseinander, daß er den Beobachtungstheorien der beiden Geschichtsschreiber ausgeliefert ist, sondern begnügt sich stattdessen mit deren Beschreibung. Daß Ǧoveinī eine 148 149 150 151

Ibid., S. 464. Ibid., S. 462. Cf. Tafażżolī: „Ferēdūn. Iranian Mythic Hero“. Laut Morgan fühlten sich die muslimischen Historiker dazu verpflichtet, sich mit der Frage nach dem „Warum“ zu befassen. Morgan: Mongols, S. 17.

analyse

243

kanonisierte Schilderung der historischen Ereignisse vorlegte und gerade nicht seine eigenen Ansichten über die Zerstörung einer Zivilisation zum Ausdruck brachte, so daß er es seinen Lesern überließ, eigene Schlüsse zu ziehen,152 entgeht auch diesem Autor. Die Verortung iranischer Historikerinnen und Historiker in ihrem gesellschaftspolitischen Zusammenhang Um einen „interkulturellen Vergleich historischen Denkens“ wie ihn Rüsen vorschlägt, vorzunehmen, muß der kulturelle bzw. gesellschaftspolitische Kontext von Geschichtsschreibung in den Blick genommen werden. Dazu gehört in diesem Fall die jeweilige gesellschaftspolitische Situation in Iran ebenso wie die soziale Stellung der Historiker, ihre eventuelle Verortung im Herrschaftssystem, ihre Ausbildung und Kompetenz sowie ihre Geschlechts­ zugehörigkeit. Zudem ist die Bedeutung von Geschichtsschreibung für die Legitimierung bzw. Delegitimierung der jeweils Regierenden genauso wesentlich wie die ihr von der Gesellschaft zugemessene Bedeutung.153 Sieht man sich also die Biographien derjenigen iranischen Autorinnen und Autoren an, die sich mit der Mongolenzeit befaßt haben, kommt man zu folgenden Ergebnissen: Lediglich drei der 30 in der Einleitung angeführten Personen sind Frauen, von denen wiederum nur eine (Bayānī) studierte Historikerin ist und als Professorin gearbeitet hat. Eine zweite Frau ist zwar Hochschullehrerin, doch wurde sie im Fach persische Literatur promoviert, was sie neben Musik auch an der Āzād-e Eslāmī Universität unterrichtet. Nur von elf dieser Autorinnen und Autoren läßt sich mit Sicherheit sagen, daß sie im Rahmen eines Studiums der Geschichte ausgebildet wurden (Pazūkī, Bayānī, Āhanǧīde, Ālyārī, Eṣfahānīyān, Ḥasanzāde, Ḫeirandīš, Mīr Ǧaʿfarī, Moḥammadī, Montaẓer ol-Qāʼem, Pargārī), neun von ihnen haben die Promotion als Abschluß,154 vier erhielten Professuren an iranischen Universitäten (Bayānī, Eṣfahānīyān, Ḫeirandīš, Montaẓer ol-Qāʼem). ʿAbbās Eqbāl, der Literaturwissenschaft studiert hatte, wurde schließlich auf einen Lehrstuhl für Geschichte an der Universität Teheran berufen. Zu denjenigen Professoren und Hoch­ schuldozenten, die andere Fächer als Geschichte lehrten, gehören Ṣafā, der Professor für Literaturgeschichte war, Zarrīnkūb, der Literatur, Philosophie und Mystik lehrte, Mortażavī, der persische Sprache und Literatur unterrichtete, Dabīrīnežād als Dozent für Sprachwissenschaft sowie Kasāyī, der 2.1

152 Poliakova: „Development“, S. 245–46. 153 Rüsen: „Theoretische Zugänge“, S. 57. Es soll hier nur auf diejenigen Aspekte des kulturellen Kontexts eingegangen werden, die plausibel dargelegt werden können. 154 Zu Ḥasanzāde gibt es diesbezüglich keine Angaben.

244

4. kapitel

arabische Sprache und Literatur lehrte und die Abteilung für islamische Zivilisation und Geschichte an der Universität Teheran leitete. Die übrigen weisen eine ganze Palette von Berufen auf: Richter, Dichter und Drucker, Mittelschullehrer, Pressemitarbeiter, Bildungsforscher, Projektmitarbeiter oder Mitglied einer theologischen Hochschule. In Hinblick auf ihre Einbindung in die internationale Forschungslandschaft ist von Interesse, ob diese Autorinnen und Autoren über Auslandserfahrung als Studierende oder Lehrende verfügen. Angaben zu solchen Auslands­ aufenthalten finden sich über neun Personen, von denen sieben an ausländischen Universitäten studierten, und zwar an Universitäten in Paris (Eqbāl, Bayānī, Dabīrīnežād, Foyūżāt), Istanbul (Ālyārī, Mīr Ǧaʿfarī) und Ankara (Eṣfahānīyān), bzw. als Lehrende in Hamburg (Ṣafā), Berkeley und Princeton (Eqbāl) sowie in Cambridge und Toronto (Eṣfahānīyān) tätig waren. Es sind folglich die älteren Wissenschaftler (und eine Wissenschaftlerin), die über Auslandserfahrung verfügen, die jüngeren Autorinnen und Autoren absolvierten ihre jeweilige Ausbildung bereits in der Islamischen Republik und hatten womöglich weniger Gelegenheit, entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Allerdings bedeutet ein Studium an einer ausländischen Hochschule oder der wissenschaftliche Austausch, den man dort erfahren kann, nicht zwangsläufig, daß jemand hinsichtlich der Forschung auf seinem oder ihrem Gebiet auch nur in diesem Land auf dem neuesten Stand bleibt oder sich die dortigen wissenschaftlichen Gepflogenheiten zu eigen macht. Die relativ große Zahl von „Hobbyhistorikern“ oder Enthusiasten, die sich der Mongolenzeit widmen, trägt ebenfalls nicht dazu bei, diese Forschung auf ein hohes wissenschaftliches Niveau zu heben, welches heutigen internationalen Ansprüchen genügen würde.155 Fragt man nach der Verortung der iranischen Autorinnen und Autoren im jeweiligen Herrschaftssystem und ihrem Wertehorizont, so kann man von Eqbāl sicherlich sagen, daß er insofern Teil dieses Systems war, als er von der Regierung Reżā Šāhs mit der Abfassung eines Abschnitts der iranischen Nationalgeschichte beauftragt wurde. Mit Hilfe dieses Überblickswerkes, welches die iranische Geschichte „von den Anfängen bis in die Gegenwart“ (re)konstruieren sollte, und anderer Publikationen wurde eine eigene „IranZeit“ [Mohamad Tavakoli-Targhi] geschaffen, die wiederum dazu diente, die

155 Als Beispiel sei an dieser Stelle noch einmal auf Rasūl Ǧaʿfarīyān verwiesen, der ohne geschichtswissenschaftliche Ausbildung zu den offiziellen Geschichtsschreibern der Islamischen Republik zählt.

analyse

245

Herrschaft der Pahlavīs zu legitimieren.156 Als einer der ersten Berufshistoriker hing auch Eqbāl dem Mythos von einem ewig währenden Iranertum bzw. einem „Geist der iranischen Nation“ sowie der Vorstellung an, die Schia sei eine „persische Version des Islams“.157 Nationalismus war eines der bedeutendsten Themen in seinem Leben und Werk: er wandte sich gegen die azerbaidschanische Autonomiebewegung von 1940, schrieb über den Beitrag Irans zur menschlichen Zivilisation und sorgte sich um die Unzulänglichkeit und Aushöhlung seiner nationalen Einheit.158 Als kritischer Beobachter der von Reżā Šāh durchgeführten Reformen und als Befürworter individueller Freiheitsrechte159 gehörte Eqbāl aber keinesfalls zur gesellschaftspolitischen Führungsschicht seiner Zeit. Ähnlich wie Eqbāl argumentiert auch Zarrīnkūb, der ein wichtiger Vordenker des iranischen Nationalismus war und seine diesbezüglichen Ideen in seinen Werken deutlich zum Ausdruck brachte. Damit unterstützte auch er die offizielle Version des Nationalismus, wie er unter Moḥammad Reżā Šāh verbreitet wurde. Da sich wesentliche Bestandteile nationalistischer Vorstellungen zudem in der Islamischen Republik erhalten haben, opponieren Autorinnen und Autoren, die sich diese zu eigen machen, nicht unbedingt gegen das derzeitige Regime. Ganz im Gegenteil fügt sich manche Argu­ mentationsweise, wie am Beispiel des Werkes von Bayānī gezeigt werden konnte, sogar sehr gut in die derzeitige Ideologie – vor allem die jüngste „IranIslam“-Periode [Hooshang Amirahmadi] – ein, in der die Verbindung des zwölferschiitischen Islams mit iranischem Nationalismus im Vordergrund steht. Eine Legitimierung von Herrschaft ist damit insoweit verbunden, als man Iran nach dieser Lesart seit 1979 als von jeglicher „Fremdherrschaft“ befreit verstehen und den endgültigen Sieg der Schia – der nach Bayānī religiös-nationalen Waffe Irans – begrüßen kann. Mit ihrer Hervorhebung der Bedeutung des (schiitischen) Islams in der iranischen Geschichte erfüllt diese Autorin darüber hinaus eine wesentliche Bedingung der islamistischen Historiographie,

156 In Übereinstimmung mit den Bemühungen der Regierung um Zentralisierung, nationale Einheit und Konformität und mit der damit einhergehenden Sorge vor nomadischen, türkischsprechenden Bevölkerungsteilen, die diesen Zielen entgegenstanden, zeigt Eqbāl die Bedrohung auf, die für die städtische Zivilisation Irans in seiner Geschichte von Nomaden ausgegangen sei und für welche Zerstörungen diese in Gestalt der Mongolen tatsächlich verantwortlich seien. Cf. Vejdani: Purveyors, S. 296 und 298. 157 Andisheh: ‘Abbas Iqbal, S. 131–38 und S. 142. 158 Azimi: „Historiography“, S. 381–82. 159 Ibid., S. 382–83.

246

4. kapitel

die sich nach der Revolution etablierte.160 Offensichtlich hat sich Moṭahharī mit dem von ihm maßgeblich geprägten Gegendiskurs in diesem Fall nicht durchsetzen können:161 Der schiitische Islam bleibt nicht nur für Bayānī und andere hier zitierte Autorinnen und Autoren ein wesentlicher Bestandteil der iranischen Identität und wird – trotz des damit verbundenen Anachronismus – sogar als „persische/iranische Religion“ bezeichnet. Aufgrund der Tatsache, daß seit 1979 eine umfassende, wenn auch nicht in allen Teilen erfolgreiche „Islamisierung“ aller Bildungseinrichtungen stattfand, die meisten Universitäten staatlich sind und alle Universitäten staatlicherseits kontrolliert werden, und da es immer wieder von offizieller Seite zu verbalen Attacken auf die Geisteswissenschaften kommt, die größtenteils als „unislamisch“ und „westlich“ gebrandmarkt werden,162 sind Konsequenzen für Geschichtslehrende unausweichlich. Abgesehen davon werden immer wieder Professorinnen und Dozenten entlassen oder räumen freiwillig ihre Posten, weil sie dem Regime nicht genehm sind oder unter ihren Arbeitsbedingungen leiden. Gleichzeitig gibt es jedoch „offizielle Historiker“ in der Islamischen Republik, die den Auftrag haben, vor allem Lehrbücher für Schulen und Universitäten zu verfassen. Geschichtswissenschaftliche Forschung findet in Iran in einem Klima statt, welches gesellschafts- und geschichtskritisches Denken zumindest stark einschränkt, in dem es weiterhin an Respekt ebenso wie an Verständnis für Geschichte als wissenschaftlicher Disziplin mangelt. Selbst neuere Ansätze wie die postkoloniale Geschichtsschreibung haben, wie die vorliegende Studie bestätigt, nicht dazu geführt, den Anschluß der Mehrzahl der iranischer Historikerinnen und Historiker an die internationale Forschung zu gewährleisten. Dies ist nicht zuletzt auch darin begründet, daß Geschichtsschreibung in Iran häufig als „ideologisches Werkzeug“ [Abbas Amanat] dient und es sowohl während der Pahlavī-Zeit als auch in der Islamischen Republik an politischer Freiheit fehlte und fehlt, sich kritisch mit kontroversen Themen zu befassen.163 160 Zur Hinzufügung „wahrer schiitisch-islamischer“ zu den bereits vorhandenen „nationalen Ehrungen“, die „den Iranern“ in der Islamischen Republik zugeschrieben wurden, siehe auch Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 80. Rams Analyse zufolge war die Einsetzung des zwölferschiitischen Islams als „Staatsreligion“ unter den Safaviden eine Maßnahme, Einheit und Einheitlichkeit herzustellen und Iran von seinen sunnitischen Nachbarn (Osmanen, Usbeken) zu unterscheiden. Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 81. 161 S. o. S. 85–86. 162 Siehe hierzu z. B. Ansari: Politics of Nationalism, S. 266 und S. 283. 163 S. o. S. 62.

analyse

247

Folgt man Ansari, dann wurde die den Iranern eigene Erinnerung bzw. wurden ihre eigenen historischen Erzählungen seit dem 19. Jahrhundert durch ein europäisches Metanarrativ der „persischen“ Geschichte ersetzt. Ihre Erzählungen, die einem neuen Zeitalter wissenschaftlicher Rationalität nicht entsprachen, wurden der literarischen Sphäre zugeordnet, ihre Mythen sollten durch „Fakten“ ersetzt werden.164 Allerdings konnten nur wenige iranische Intellektuelle im 19. Jahrhundert diesen Vorgaben folgen, so daß es an einer kritischen Masse mangelte, die aus Europa kommende Ideen tatsächlich hätte verarbeiten und übertragen können. Als Resultat wurde das intellektuelle Korpus vereinfacht und in leicht zu verdauende Teile zerlegt, die häufig nichts mehr mit den ursprünglichen Konzepten zu tun hatten.165 Iranische Geschichtsschreibung ist, wie die vorliegende Untersuchung belegt, bis heute sehr stark bestimmt von der Verortung des Geschichtsbewußtseins in einer literarischen Tradition von Mythen und Legenden einerseits und den ideologisch dominierten Narrativen verschiedener politischer Strömungen andererseits. Eine tatsächliche Professionalisierung der Historiographie im „westlichen“ Sinne hat in Iran demzufolge nur bedingt stattgefunden, worauf auch die weiterhin hohe Zahl an nicht geschichtswissenschaftlich ausgebildeten Autorinnen und Autoren – zumindest von Texten über die Mongolenzeit – hinweist. 2.2 Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung im Vergleich – Asymmetrien und Ungleichzeitigkeiten In seiner Theorie eines interkulturellen Vergleichs von Geschichtsschreibung geht Rüsen von der „Annahme der Gleichheit im Vernunftgebrauch“ aus, der für die Plausibilität der Geschichten notwendig sei und mit dem „Prinzip der wechselseitigen Anerkennung von Unterschieden“ einhergehen müsse.166 Da die Narrative von der Mongolenzeit, wie gezeigt, stark von Umdeutungen und Kohärenzfiktionen geprägt sind, die ihrerseits auf die gesellschaftspolitischen Umstände und den damit verbundenen Einfluß nationalistischer und religiöser Ideologien zurückgeführt werden können, sind sie bei kritischer Betrachtung nicht immer plausibel. Den Standards der Fachwissenschaft, die als Parameter eingangs offengelegt wurden,167 wie Nachvollziehbarkeit und Rationalität sowie Standpunktreflexion genügen diese Untersuchungen häufig nicht. Darüber hinaus setzen sich die Autorinnen und Autoren nicht mit der 164 165 166 167

Ibid., S. 17. Ibid., S. 29. Rüsen: „Einleitung“, S. 29. Siehe zweites Kapitel.

248

4. kapitel

Vorläufigkeit ihrer Ergebnisse oder damit auseinander, wie ihre eigenen Vorannahmen ihre historischen Erzählungen beeinflussen. Mehrheitlich, so läßt sich aus den Texten schließen, sind sie offensichtlich der Annahme, die mongolische Vergangenheit nicht wirklichkeitsadäquat, sondern wirklichkeitsgetreu wiederzugeben. Einzig unter der Prämisse, sie im Rahmen einer relativistischen Sinngeschichte zu verstehen, die Kohärenzfiktionen nicht dekonstruiert, sondern sie innerhalb dieser Sinngeschichte als plausibel begreift, ist die Anerkennung großer Teile der vorliegenden Erzählungen folglich überhaupt möglich. Dazu gehört auch, daß man die Ergebnisse dieser Vergangenheitsdeutung an die iranischen Autorinnen und Autoren und die Gesellschaft, in der sie leben und arbeiten, bindet und ein Bewußtsein dafür entwickelt, daß historische Wirklichkeiten immer Konstrukte sind, die durch Akte historischer Sinnbildung geschaffen werden und einen Kontinuität stiftenden Zusammenhang herstellen.168 Das heißt, daß Geschichte selbst das Produkt einer Kultur oder Gesellschaft mit einer ihr jeweils eigenen Semantik ist.169 Dabei wird der Relativismus der Sinngeschichte insofern aufgehoben, als – und auch dies konnte anhand der hier analysierten historischen Erzählungen gezeigt werden – es sowohl in intra- als auch in interkultureller Hinsicht doch zu einer gewissen Vielfalt des historischen Denkens kommt und die Mehrstimmigkeit und Kontingenz historischer Handlungen nicht etwa durch einstimmige Erzählung unterdrückt wird.170 Zum Prinzip der wechselseitigen Anerkennung gehört die Wahrnehmung und Einbeziehung der außerhalb Irans publizierten Geschichtsforschung durch die Kolleginnen und Kollegen in Iran. Im Falle der historischen Erzählungen von mongolischer Eroberung und Herrschaft ist jedoch festzustellen, daß sich die Autorinnen und Autoren der nach der Revolution verfaßten Niederschriften nicht mit dem neuesten Stand der internationalen Forschung zu ihrem Thema befaßt haben. Wie die im Anhang angeführte Aufstellung der in den hier untersuchten Texten angeführten außeriranischen Publikationen zeigt, reichen diese von französischsprachigen Veröffent­ lichungen des 19. bis zu englischsprachigen Werken des 20. Jahrhunderts. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf dem Erscheinungszeitraum der viel zitierten Cambridge History of Iran zwischen 1968 und 1986, die mit großem zeitlichen Verzug inzwischen größtenteils ins Persische übersetzt worden ist.

168 Straub: „Geschichten erzählen“, S. 85–87 und S. 128. 169 Assmann: Ägypten, S. 26. Zum Kulturbegriff s. o. S. 31–38. 170 Siehe hierzu Alonso: „Effects of Truth“, S. 36.

analyse

249

Dafür, daß nach 1979 außerhalb Irans erschienene Veröffentlichungen nicht hinreichend rezipiert werden,171 mag es verschiedene Gründe geben, über die hier allerdings nur spekuliert werden kann. Möglicherweise liegt dies an der Einkaufspolitik von Universitätsbibliotheken und deren Unterfinanzierung oder es fehlen Mittel für Übersetzungen aus Fremdsprachen.172 Offensichtlich ist das Interesse gerade an der Mongolenzeit nicht bedeutend, handelt es sich doch hierbei um eine Zeit, in der die persischsprachige Geschichtsschreibung zwar fest etabliert wurde und einen enormen Schub erlebte, die jedoch zugleich aufgrund der Folgen der mongolischen Eroberungen und der Herrschaft von „Ungläubigen“ über Muslime im allgemeinen Bewußtsein eher negativ besetzt ist. Erst im Zuge der Erstellung einer umfassenden National­ geschichte rückte die Mongolenzeit seit den 1930er Jahren wieder in das Zentrum der Betrachtung. Allerdings ist die Anzahl der zu diesem Thema publizierten Schriften mit 20 Monographien, die den Mongolen entweder ganz oder in großen Teilen gewidmet sind, und etwa 60 Artikeln in einem Zeitraum von 80 Jahren insgesamt nicht sehr hoch.173 Insofern handelt es sich wohl um einen eher marginalen Gegenstand der modernen iranischen Geschichtsschreibung.174 In anderen Fällen, wie z. B. der Rezeption fremdsprachiger Werke zur vorislamischen Zeit, ist es offensichtlich dem Verdienst einer größeren Gruppe von Wissenschaftlern in Iran geschuldet, daß durch Eigeninitiative und finanzielles Engagement eine große Zahl fremdsprachiger 171 Kleinere, in Iran stattfindende Konferenzen, zu denen ausländische Kolleginnen und Kollegen eingeladen werden, wie der „International Congress on Qutb al-Din Shirazi“, der im Mai 2006 in Teheran und Schiras stattfand, oder die Konferenz zu Rašīd od-Dīn (Ṭarḥ-e aḥyā-ye rabʿ-e rašīdī) in Tabriz 2005, tragen sicherlich zum Austausch bei. Für den Hinweis auf diese Konferenzen danke ich Judith Pfeiffer (Oxford). Konferenzbände liegen in beiden Fällen leider nicht vor. Selbst in erst kürzlich in Iran erschienenen überblicksartigen Büchern zur Mongolenzeit gibt es jedoch keine Hinweise auf die neuere außeriranische mongolenzeitliche Forschung. 172 Falls mangelnde finanzielle Mittel tatsächlich ein wesentlicher Grund für das Fehlen der Ergebnisse aktueller internationaler geschichtswissenschaftlicher Forschung in iranischen Bibliotheken sein sollten, kann man nur mit Kurt Tucholsky ausrufen: „Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger!“ Tucholsky, Kurt: „Avis an meinen Verleger“, in: Die Weltbühne Nr. 9 (1.3.1932), S. 345. 173 Bei diesen Zahlen handelt es sich um die Anzahl der mir bekannten Werke zur Mongolenzeit. Von den ca. 60 Artikeln wurden, wie oben bereits erwähnt, nur diejenigen herangezogen, die für die in der vorliegenden Arbeit entwickelte Fragestellung relevant waren. 174 Dies bestätigt Biran, die schreibt, „the period does not loom large in modern Iranian historiography“. Biran: Chinggis Khan, S. 131.

250

4. kapitel

Texten ins Persische übersetzt worden ist – wenn auch häufig ohne Rücksprache mit den Verfassern.175 Der jüngste in den Fußnoten oder Bibliographien der untersuchten Texte genannte Autor ist der 1945 geborene David Morgan, der auch weiterhin wissenschaftlich aktiv ist. Jüngere Historikerinnen und Historiker, die sich außerhalb Irans mit der Mongolenzeit befassen, kommen in den für diese Untersuchung herangezogenen persischen Niederschriften nicht vor.176 Stattdessen greifen ihre Autorinnen und Autoren bei der von ihnen zitierten nicht-persischen Sekundärliteratur auf Werke zurück, die zwar um die Mitte des 20. Jahrhunderts maßgeblich waren und z. T. bis heute als Standardwerke zur Mongolengeschichte gelten mögen, deren Umgang mit den Quellen und der Interpretation ihrer Aussagen vielfach jedoch nicht mehr zeitgemäß sind. Zumindest in diesem speziellen Fall kann daher nicht die Rede von einer Asymmetrie der Wahrnehmung wissenschaftlicher Erkenntnisse sein,177 da die Ergebnisse der dominierenden Wissenschaftskultur in weiten Teilen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen werden. Die fehlende Rezeption der außerhalb Irans publizierten o. g. Forschungsliteratur durch iranische Wissen­ schaftlerinnen und Wissenschaftler führt ferner dazu, daß sich diese vielfach nicht an den neueren Debatten beteiligen, dadurch nicht zum aktuellen Forschungsstand beitragen und ihre Arbeiten deshalb von ihren ausländischen Kolleginnen und Kollegen nicht wahrgenommen werden. Bei der Ermittlung der verwendeten Primär- und Sekundärliteratur stellt sich zudem das Problem, daß viele iranische Autorinnen und Autoren bis in die Gegenwart ganz oder zumindest teilweise darauf verzichten, Fußnoten und Bibliographien anzuführen. Sie verweisen zwar auf die von ihnen genutzten Primärquellen – die nicht selten mit bloßer Nennung des Autors direkt in den Text eingefügt sind –, Hinweise auf die verwendete Sekundärliteratur sind jedoch eher spärlich gesät. In manchen Fällen findet sich allerdings eine kurze Bibliographie am Ende eines Buches oder Artikels. Selbst in dem von der Šahīd Beheštī Universität herausgegebenen Konferenzband haben die Herausgeber 175 Diesen Hinweis gab mir mein Kieler Kollege Josef Wiesehöfer. Da es seit den 1990er Jahren offenbar eine starke Hinwendung iranischer Historikerinnen und Historiker zur Sasanidenzeit gibt, die während der Pahlavī-Ära zugunsten der Achaimenidenherrschaft vernachlässigt wurde, könnte dieses forcierte Interesse eine weitere Erklärung sein. Siehe hierzu auch Ansari: Politics of Nationalism, S. 229. 176 Ohne Vollständigkeit anzustreben sei hier nur verwiesen auf D. Aigle, Th. Allsen, R. Amitai, M. Biran, B. Forbes-Manz, B. Hoffmann, P. Jackson, J. Kolbas, D. Krawulsky, G. Lane, Ch. Melville und J. Pfeiffer. 177 S. o. S. 40.

analyse

251

darauf verzichtet, diesbezüglich einheitliche Standards durchzusetzen. Eine Identifizierung europäischer oder russischer Autoren und ihrer Werke wird häufig noch dadurch erschwert, daß die jeweiligen Titel dieser Publikationen z. T. eher willkürlich ins Persische übertragen werden oder daß sowohl der Name eines Autors als auch der Titel eines Werkes in Lateinschrift falsch geschrieben sind, so daß sich die Frage stellt, ob diese überhaupt einmal angesehen wurden. Inwiefern außerhalb Irans arbeitende Mongolenzeithistoriker und -historikerinnen die Arbeiten ihrer Kolleginnen und Kollegen in Iran wahrnehmen, läßt sich kaum beurteilen. Diese Frage kann hier vorläufig nur insoweit beantwortet werden, als sich in den englischen, deutschen und französischen Publikationen, die im Rahmen dieser Untersuchung herangezogen wurden, kaum Hinweise auf die moderne persischsprachige Geschichtsschreibung zur Mongolenzeit finden. Zwar sind vor allem Eqbāl und Bayānī auch außerhalb Irans bekannt, doch zieht man deren Veröffentlichungen für eigene Arbeiten offenbar nicht heran.178 Die Einbindung vor 1979 entstandener „westlicher“ Sekundärliteratur in die vorliegenden persischen historischen Erzählungen sowie die sich daraus ergebenden Einflüsse auf die Deutung der Mongolenzeit und die Konstruktion von Sinn ist beträchtlich.179 Doch auch manche Überlegungen aus der später entstandenen Forschungsliteratur decken sich zumindest teilweise mit denjenigen in den untersuchten persischen Texten. Um die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Niederschriften zu verdeutlichen, sollen einige Kernaussagen zu den Folgen mongolischer Eroberung und Herrschaft im folgenden zusammenfassend wiedergegeben werden. Bei der Lektüre dieser Schriften wird sehr schnell deutlich, daß wir es auch hier mit durchaus unterschiedlichen Sichtweisen auf die Mongolenzeit zu tun haben, und zwar nicht nur, wenn man die älteren mit den Schriften jüngeren Datums vergleicht, sondern selbst in Hinblick auf Texte, die in etwa zur selben Zeit erschienen. Bereits 1971 schrieb Lewis, die meisten Wissenschaftler würden inzwischen darin übereinstimmen, daß die nachteiligen Folgen der mongolischen Eroberungen weder so stark, noch so langlebig oder so umfassend gewesen 178 Eqbāls Schriften sind inzwischen veraltet, auch wenn es weiterhin heißt, es handele sich dabei um solide Arbeiten. Siehe hierzu z. B. Biran: Chinggis Khan, S. 131. Bayānīs dreibändiges Werk zur Mongolenzeit ist zwar bekannt, doch scheint es bisher kaum genauer rezipiert worden zu sein. 179 Anspruch auf Vollständigkeit wird hier nicht erhoben, da es nicht Aufgabe dieser Untersuchung ist, sämtliche Details der Mongolenforschung aus verschiedenen Ländern und in verschiedenen Sprachen zu untersuchen.

252

4. kapitel

seien, wie man einmal geglaubt habe.180 Als Beispiel für europäische Orientalisten, die auf der Grundlage zeitgenössischer Berichte die Mongolen als die Zerstörer der großen muslimischen Zivilisation der Mittleren Periode ansähen, nennt er E. G. Browne, der den „Mongolensturm“ – vor den Ereignissen des Holocaust in Europa – als Katastrophe beschrieb, die das Angesicht der Erde dauerhaft verändert habe. Diese Katastrophe „inflicted more suffering on the human race than any other event in the world’s history of which records are preserved to us.“181 Ähnlich beurteilt Saunders in seiner hochgelobten, 1971 zum ersten Mal erschienenen „History of the Mongol Conquests“ die Mongolen, indem er Čengīz Ḫān als „Alexander of barbarism“ und als „the nomad who wreaked vengeance on civilization“ bezeichnet, der sich dennoch hin und wieder über die reine Zerstörungswut erhob.182 Zwar hätten die türkischen Stämme der Ghaznawiden und Seldschuken ein neues „rassisches Element in arisches Gebiet“ gebracht, doch keiner dieser Eindringlinge habe zerstörerischer gewirkt als die Mongolen.183 Die Folgen der mongolischen Invasion für Iran seien desaströs gewesen, gleichwohl sei die persische Kultur schließlich wieder zu neuer Größe emporgestiegen: The educated class of Persia was decimated; scholars, teachers and officials perished in their thousands in the massacres; the cultural and educational life of the nation was disrupted, and the peasants were often harried from field and farm by mounted horsemen who despised tillage and sought only grazing land for their stock. It might seem impossible that Persia should ever rise again after these prostrating blows. Yet human societies have an infinite capacity for recovery, given even a brief period of rest and peace, and the most brutal and ignorant conqueror cannot wish to reign over a wrecked and unproductive land. The story of China was repeated in Persia, with certain noteworthy variations; once their rule was firm and unchallenged, the Mongol princes looked around for trained and experienced administrators to rebuild the shattered economy and augment the revenues of the state. The fascination which an advanced culture has for untutored minds exercised as powerful an effect 180 Zit. n. Lewis: Islam in History, S. 181. Viele Jahre später formuliert es Jackson ähnlich, indem er auf die stärkere Kontextualisierung und Historisierung der Entstehung von nomadischen Imperien hinweist. Jackson: „State of Research“, S. 194. 181 Zit. n. Lewis: Islam in History, S. 179–80. 182 Saunders: History, S. 63. Morgan bezeichnet diese Monographie als „the obvious introduction to the history of the Mongol Empire.“ Morgan: Mongols, 29. 183 Saunders: History, S. 128.

analyse

253

in Persia as in China, and under the patronage of the Il-khans, Persian art and letters rose to a new heigth of brilliance and sophistication.184 Ebenso wie mit den Arabern sei Iran mit den Mongolen verfahren, indem es die Eroberer „gefangennahm“, so daß diese jeweils als annehmbare Nach­ ahmungen der Sasaniden endeten.185 Allerdings unterschieden sich die mongolischen von den arabischen Eroberungen dahingehend, daß letztere zu einem klaren Bruch mit der sasanidischen und zoroastrischen Vergangenheit und einem Neubeginn in der Geschichte der Nation geführt habe. Erstere hingegen sei wie ein Orkan über Iran hinweggefegt, doch letztlich habe sich dessen Nationalcharakter in seiner Folge kaum verändert. Während die Iraner die arabische Religion angenommen hätten, hätten die Mongolen die „persische Religion“ akzeptiert.186 Nachdem er schlimmste Verletzungen ertragen habe, sei es dem Islam schließlich gelungen, diese „grausamen Heiden“ ( ferocious pagans) zu zähmen.187 Die kulturelle Beständigkeit des Landes sei trotz der enormen materiellen Schäden gesichert worden und die persische Sprache, kaum beeinträchtigt, habe sich gewissermaßen als offizielle Sprache im mongolischen Reich durchgesetzt.188 Unter Ġāzān Ḫān sei das ilchanidische Herrschaftsgebiet schließlich zu einem „nationalen persischen Königreich“ geworden.189 In diesen Einschätzungen von Browne und Saunders sind deutliche Parallelen zu denjenigen der iranischen Autorinnen und Autoren zu erkennen, von denen einige sich auf diese beiden Iranforscher beziehen. Andere Historikerinnen und Historiker, die sich mit den Mongolen und ihren Eroberungen befassen, haben sich tatsächlich differenzierter geäußert. Zwar werden die Invasionen von vielen von ihnen in Hinblick auf ihre Zerstörungen und das Ausmaß der Auslöschung der Zivilbevölkerung als einmalig bezeichnet, doch gilt dieses Vorgehen als psychologische Kriegsführung, die den Gegner einschüchtern und jeglichen Widerstand schon im Vorfeld

184 Ibid. 185 Saunders: Nomad, S. 95. An anderer Stelle spricht Saunders von einem Chinesen als „tamer of Mongol ferocity“. Ibid., S. 48. 186 Ibid., S. 102. Verwiesen sei an dieser Stelle auch noch einmal auf Gobineaus Vorstellung von Iran als alter, unzerstörbarer Nation. Gobineau: Trois ans, S. 203 und S. 217. 187 Saunders: History, S. 55. Auch Hodgson ist der Ansicht, die muslimischen Gesellschaften hätten die „heidnischen“ Mongolen absorbiert und konvertiert und dadurch ihre Stärke gezeigt. Hodgson: Venture, Bd. 2, S. 371. 188 Saunders: Nomad, S. 102. 189 Saunders: History, S. 136.

254

4. kapitel

brechen sollte und zur damaligen Zeit nicht unüblich war.190 Überdies haben in den vergangen zwei Jahrzehnten viele Wissenschaftlerinnen und Wissen­ schaftler auf die Besonderheiten des mongolischen Imperiums und die Rolle der mongolischen als Kontaktkultur191 oder der Mongolen als Medium hingewiesen, welches erst die Möglichkeiten transkultureller und transkontinentaler Beziehungen geschaffen habe.192 Die Frage, warum die Mongolen als Vermittler so offen für Einfluß von außen waren, beantwortet Allsen damit, daß sie nicht nur die ökonomischen Produkte seßhafter Gesellschaften benötigten, sondern auch deren kulturelle Errungenschaften, vor allem während der Phasen der Eroberung und Errichtung von Staaten. Gesellschaften, die ihre materielle und kulturelle Umgebung verließen und in ein davon sehr verschiedenes Milieu eindrängen, seien notwendigerweise offener für Neu­ erungen und daher auch anpassungsfähiger. Die Mongolen seien zwar in ihrem Ursprungsgebiet kulturell konservativ gewesen, hätten sich bei ihren Eroberungen hingegen offen und flexibel gezeigt: Free from the parochialism and bias generated by high cultures and scholastic intellectual traditions, particularly in the realm of science and religion, the Mongols, despite the disinclination of their subjects, became the chief promoters of cultural change and exchange.193 Wie oben gezeigt, bewerten auch viele der iranischen Autorinnen und Autoren die Offenheit und den fehlenden religiösen Eifer der Mongolen positiv, der ihrer Meinung nach in starkem Gegensatz zu den innermuslimischen Auseinandersetzungen stand.194 190 Siehe hierzu Petrushevsky: „Socio-Economic Condition“, S. 484; Ratchnevsky: Genghis Khan, S. 168; Biran: Chinggis Khan, S. 65. Morgan vergleicht das Vorgehen von Čengīz Ḫān mit demjenigen des US-Präsidenten Truman bei der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben: „The apparent rationale was that if the population of one city was subjected to a frightful massacre, the next city would be more likely to surrender without resistance, thus avoiding unneccessary Mongol casualties.“ Morgan: Mongols, S. 93. 191 Fragner: „Die Mongolen“, S. 104. 192 Allsen: Culture and Conquest, S. 193. 193 Ibid., S. 198. 194 In den von der Šahīd Beheštī Universität herausgegebenen Konferenzbänden sind auch Beiträge versammelt, die sich mit einzelnen kulturellen Aspekten wie Kunsthandwerk oder Architektur in der Mongolenzeit befassen und damit in den Kontext der eingangs erwähnten Ausstellung zur „Legacy of Genghis Khan“ passen würden.

255

analyse

Sowohl Zentral- und Westasien als auch China erlangten ihren Status als die produktivsten Regionen der damals bekannten Welt während und nach den mongolischen Eroberungen wieder.195 Viele der irrigen Vorstellungen, die über die Mongolen kursierten und kursieren, stammten aus denjenigen Teilen Europas, die außerhalb der von den Mongolen eroberten Gebiete lagen. In der mittelalterlichen Literatur entstanden Vorstellungen von den Mongolen, die sich auf ihre Gleichsetzung mit den barbarischen Völkern Gog und Magog gründeten. Auch die Behauptung, die Mongolen seien Kannibalen, läßt sich auf derartige Auffassungen zurückführen.196



Ein Thema, welches in den oben zitierten Passagen bereits vorweggenommen wurde, soll an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen werden, nämlich die Vorstellung von der iranischen „Nation“,197 ihrem „Nationalcharakter“ (character of the nation)198 oder einem „nationalen persischen Königreich“ (national Persian kingdom),199 wie sie von nicht-iranischen Forscherinnen und Forschern verteten wurden. Bereits das vorislamische Iran soll über eine „nationale Ideologie“ verfügt haben,200 die hohen Beamten des islamischen Iran hätten das „persische Nationalgefühl“ genährt und die Mitglieder alteingesessener Großadelsfamilien seien eine „nationalistisch fühlende Schicht“ gewesen.201 Diese Teile der Bevölkerung Irans hätten die Epoche vom Niedergang der Sasaniden bis zu den Eroberungen der Mongolen als Interregnum angesehen,202 in dem sich der sunnitische Islam mit seiner Idee von der Einheit und Unteilbarkeit der islamischen Gemeinschaft als unvereinbar mit vorislamischen iranischen Vorstellungen vom „persischen Nationalstaat ,Irân‘ “ herausgestellt habe.203 Wäre es Ūlǧāytū gelungen, die Schia in Iran dauerhaft zu etablieren, „so wäre der persische Nationalstaat der Safawiden bereits im 14. 195 Biran: Chinggis Khan, S. 99. 196 Jackson: „State of Research“, S. 209. 197 Der englische Begriff nation hat verschiedene Bedeutungen, darunter auch „Volk“ oder „Land“ bzw. „Staat“, so daß man bei seiner Interpretation Vorsicht walten lassen muß. 198 Saunders: Nomads, S. 102. 199 Saunders: History, S. 136. 200 Krawulsky: Mongolen und Ilkhâne, S. 113. 201 Ibid., S. 120. 202 Ibid., S. 118–19. 203 Ibid., S. 125.

256

4. kapitel

Jahrhundert vorweggenommen worden“.204 Eng verbunden mit dieser Vor­ stellung von einer bereits im antiken Iran vorherrschenden Idee von einer „Nation“ ist die Idee von einer „Sonderrolle“ der iranischen Geschichte und Zivilisation, die vor allem unter nicht-iranischen Forscherinnen und Forschern verbreitet war. Diese Idee läßt sich sehr gut mit modernen nationalistischen Konzepten in Iran vereinbaren, so daß beide Vorstellungen einander durch das 20. Jahrhundert hindurch205 und sogar bis heute wechselseitig befruchten. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der ehemalige Präsident Aḥmadīnežād die „iranische Nation“ quasi heiliggesprochen und sie wegen ihrer Verbindung zum Islam als „auserwähltes Volk“ bezeichnet hat.206 Čengīz Ḫān, der in den zentralasiatischen Staaten heute als großer Eroberer und Staatengründer gilt, auf den man sich gerne beruft, wurde mit der Entstehung der Nationalstaaten im Vorderen Orient marginalisiert und erhielt erneut die Rolle des „verfluchten Feindes“ zugeschrieben.207 Zuvor war es den zeitgenössischen und ihnen nachfolgenden pro-mongolischen Geschichts­ schreibern gelungen, mit Hilfe der Vorstellung von Čengīz Ḫān als eines göttlichen Werkzeugs sowie durch die Umdeutung seiner schamanistischen Funktionen in sunnitisch-hanafitische, den Mongolenherrscher – zumindest im türkisch-persischen kollektiven Gedächtnis – in eine ehrenwerte monotheistische Figur und den Gründer muslimischer Dynastien zu verwandeln. Dieselben historiographischen Quellen enthalten jedoch auch Elemente, die, wie bereits gezeigt, als Grundlage für das Paradigma vom „verfluchten Feind“ genutzt werden können.208 Nationalistische Vorstellungen, wie sie sich im 19. und 20. Jahrhundert im Vorderen Orient entwickelten, zeichneten Čengīz Ḫān als Fremden, der furchtbare Zerstörungen anrichtete und wieder verschwand, ohne Spuren zu hinterlassen. Zu diesem Bild des Mongolenherrschers trugen „westliche“ und russische Vorstellungen, wie sie während desselben Zeitraums veröffentlicht wurden, nicht unwesentlich bei.209 In der Geschichtsschreibung 204 Ibid. 205 Fragner: „Iran under Ilkhanid Rule“, S. 121. Auch E. G. Browne bezeichnete „die Iraner“ als „auserwähltes Volke“ (chosen people), das einzigartig unter den Völkern sei. Ansari: Politics of Nationalism, S. 45. 206 S. o. S. 91–92. 207 Biran: Chinggis Khan, S. 3. 208 Ibid., S. 121. Zum Bestand religiöser Strategien der Sinngebung, vor allem der von Sufis angebotenen Erklärungen, cf. DeWeese: „Throat“. 209 Biran: Chinggis Khan, S. 128–29. Charakteristisch für dieses Bild des Mongolenherrschers, der kam, brandschatzte, plünderte und tötete, um dann wieder zu verschwinden, ist der berühmte Satz von Ǧoveinī, den dieser im übrigen auch nur zitiert, und der in fast jedem persischen Werk über die Mongolen erscheint, „āmadand-o kandand-o sūḫtand-o

analyse

257

des modernen iranischen Nationalstaats wurden, wie in dieser Studie gezeigt, die Mongolen, deren ilchanidischer Staatsgründer Hūlāgū die Kadscharen noch zu einem ihrer Vorväter erkoren hatten,210 erneut zu blutrünstigen Zerstörern, denen es jedoch – ebensowenig wie anderen Angreifern vorher und nachher – nicht gelang, Iran und die iranische Kultur zu zerstören.211 Moderner iranischer Nationalismus, der auch die Grundlage dieser Kohärenzfiktion bildet, ist – wie alle Nationalismen – selbst eine Kohärenz­ fiktion. In dieser finden sich verschiedene Bestandteile theoretischer Konzepte wie des Primordialismus, des Ethnosymbolismus oder des Modernismus.212 Die Autorinnen und Autoren der hier untersuchten historischen Erzählungen von der Mongolenzeit vertreten mit ihren Sinnkonstruktionen einen primordialen Ansatz. Dieser gründet sich auf die Nation als einzigen Ort der Legitimität, ein ewiges Heimatland Iran – dessen Grenzen kaum jemals definiert werden, es sei denn als Reich der Ilchane, welches sich von Herat bis zum Euphrat erstreckte – und die Bedeutung einer gemeinsamen Sprache sowie die Betonung des Wertes der gemeinsamen Kultur (und Religion!). Ganz im Sinne der seit dem 19. Jahrhundert entwickelten nationalistischen Vorstellungen wird „Iran“ als eine mythische, zeitlose, transzendente Einheit von den Achaimeniden bis heute und in die Zukunft führend erschaffen und seine „Nationalkultur“ als Fetisch213 sakralisiert. Mit diesem primordialistischen Ansatz verquickt sind ethnosymbolistische Ideen, die von einem Gefühl der Kontinuität und einer gemeinsamen ethnischen Identität ausgehen und dabei die Vielfältigkeit der Bevölkerung Irans in Hinblick auf „ethnische“ Zugehörigkeit, Sprache, Religion und Lebensweise völlig außer acht lassen. Grundlage der iranischen Nation ist demzufolge eine Art „ethnischer Kern“, wie ihn Smith postuliert.214 Erinnerungen an ein „goldene Zeitalter“ – je nach Diskurs wäre dies ein islamisches bzw. ein vorislamisches –, die Entstehung von Herkunftsmythen – also die Rückführung auf die Achaimeniden – und die

210 211

212 213 214

koštand-o bordand-o raftand“ („Sie kamen, rotteten aus, brandschatzten, töteten, plünderten und zogen wieder ab“). Fragner: „Historische Wurzeln“, S. 91. Siehe hierzu auch Biran: Chinggis Khan, S. 131. Die Blutrünstigkeit des jeweiligen Gegners ist ein Topos, der zumindest bis in die Antike zurückreicht, denn auch die Römer denunzierten die gegnerischen Parther als blutrünstige Barbaren. Siehe hierzu Lerouge: L’image des Parthes und Hauser: „Die ewigen Nomaden“. Für diesen Hinweis danke ich Josef Wiesehöfer (Kiel). Zur Erläuterung dieser Theorien siehe oben 3.1. Nationalismus und Nationalismustheorien. Siehe Kapferer: Legends of People, S. 1. S. o. S. 70.

258

4. kapitel

Vorstellung vom Auserwähltsein der eigenen Ethnie – durch die Verbindung der iranischen Nation mit dem Islam – gehören ebenso zu primordialistischen Vorstellungen wie Helden- und Ahnenverehrung und die Bindung an ein Heimatland.215 Kontingente und tiefgreifende Ereignisse wie Kriege und Eroberungen, aber auch religiöse Konversion können diesem Konzept zufolge den kulturellen Gehalt von Ethnien zwar verändern, führen jedoch nicht zur Zerstörung eines Gefühls der Kontinuität und der gemeinsamen Ethnizität.216 Wesentlicher Bestandteil der von Fragner als „transiranisches Kultur­ bewußtsein“ bezeichneten Kohärenzfiktion ist daher das „Iranertum“ oder ein „iranischer Geist“, der sich wie der Phönix aus der Asche nach jeder Eroberung durch fremde Invasoren von neuem erhebt. In Form des Staates der Ilchane manifestierte sich das Iranertum demzufolge erneut und blieb dadurch den Nachfahren in stärkerer Erinnerung als das längst untergegangene Sasanidische Reich.217 Somit wird der Beginn einer neuen Epoche festgelegt, die einen Bruch mit der direkten Vergangenheit darstellt. Gleichzeitig wird die kollektive Identität dadurch gestützt, daß eine Verbindung zu einer weiter zurückliegenden Vergangenheit hergestellt wird und die Vorstellung von einer Wiedergeburt entsteht bzw. forciert wird.218 Auch die biologistische Vorstellung von einer gemeinsamen Abstammung fehlt in diesem nationalistischen Diskurs nicht, denn als „Fremde“ werden die türkischen Invasoren wie Ghaznawiden und Seldschuken bezeichnet, ebenso wie – ebenfalls als Türken – vereinzelt die Charesmschahs, besonders aber Torkān Ḫātūn, ihre Entourage und weite Teile des Militärs, und natürlich die Mongolen, die als Nicht-Iraner, als Nomaden und „Ungläubige“ „das Andere“ oder „das Fremde“ schlechthin personifizieren. Erst durch ihre „Iranisierung“, d. h. durch die Annahme des Islams, den Gebrauch der persischen Sprache und durch ihre „Zähmung“ seitens persischer Verwaltungsbeamter konnte ihnen diese Fremdheit genommen werden. Im Sinne des modernistischen 215 S. o. S. 69–70. 216 Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 150. 217 Fragner: „Historische Wurzeln“, S. 98. Wie die Analyse von Ram zeigt, ist diese Kohärenzfiktion in den von ihm untersuchten Schulbüchern allgegenwärtig. Ram: „Immemorial Iranian Nation“, S. 77. Daß auch heutige „westliche“ Autoren dieser Vorstellung noch anhängen, beweist Lane, der den ilchanidischen Staat als Repräsentanten einer iranischen Wiedergeburt und der Wiedereinsetzung der persischen Kultur in vorderster Reihe des Islams ansieht. Lane: Early Mongol Rule, S. ix. Auch Melville rekurriert in Zusammenhang mit den mongolischen Chronisten auf das Bild von Iran als Phönix aus der Asche. Melville: „Mongol and Timurid Periods“, S. 207. 218 Siehe hierzu Cavalli: „Memory“, S. 172–73.

analyse

259

Ansatzes kann an dieser Stelle festgehalten werden, daß auch die moderne iranische Geschichtsschreibung darum bemüht ist, der Vergangenheit einen Sinn zu verleihen, der für die mongolische Eroberung und Herrschaft vor dem Hintergrund der primordialen Idee von Nation konstruiert wird. Darüber hinaus greifen die Autorinnen und Autoren auf die in Iran bis heute verbreitete Vorstellung, die bereits von den Geschichtsschreibern der Mongolen vertreten wurde, zurück, daß man aus der Geschichte lernen könne.219 Historisches Erzählen soll demnach ein Mittel des Nachdenkens und Lernens sein, eine Ansicht, die auch in anderen Teilen der Welt sehr verbreitet ist (historia magistra vitae) und daher möglicherweise im Rüsenschen Sinne als Universalie des Geschichtsdenkens gelten kann. Grundsätzlich setzt die „Vorstellung, aus der Geschichte lernen zu können, [. . .] den Glauben an Kontinuität und Regelhaftigkeit voraus“.220 Kritisch könnte man fragen, inwieweit es überhaupt möglich ist, aus der Geschichte zu lernen, um für die Gegenwart Rückschlüsse aus ihr zu ziehen, noch gar, um Fehler zu vermeiden, wenn sich jede historische Situation doch völlig anders darstellt und Kontingenzen nicht eingeplant werden können. Bleibt man allerdings im Rahmen der Sinngeschichte, dann ist diese Vorstellung unbedingt plausibel, denn wenn sich die Ereignisse im Sinne des Erzählschemas von fremden Aggressoren, die das eigene Land überfallen, letzten Endes gleichwohl von dessen Bewohnern aufgrund ihrer überlegenen Kultur besiegt werden, stets wiederholen, wird das Lernen aus der Mongolengeschichte sinnvoll. Überträgt man dieses narrative Schema auf die gegenwärtige politische Situation, lassen sich manche der Aussagen aus den hier untersuchten persischen Texten dahingehend interpretieren, daß es weder heute noch in Zukunft eine Macht gibt und geben wird, der es gelingen könnte, Iran zu vernichten. Ebenso wie nach dem Mongolensturm, dem furchtbarsten Ereignis, das Iran nach Meinung der meisten Autorinnen und Autoren bisher widerfahren ist, würde sich das Land auch nach einem israelischen oder US-amerikanischen Angriff erneut wie der Phönix aus der Asche erheben und in neuem Glanz erstrahlen. Schließlich ist der Nukleus des Iranertums nach dieser primordialistischen nationalistischen Vorstellung unzerstörbar. Als Referenzrahmen dient der nationalistische Diskurs in Iran heute überdies dazu, die Wirklichkeit zu verstehen und zu strukturieren. In dieses Schema passen denn auch viele der Beiträge zur Mongolenzeit, ganz besonders augenfällig dann, wenn sie sich direkt auf aktuelle Diskussionen 219 S. o. S. 57. 220 Assmann: „Zeitkonstruktion“, S. 84.

260

4. kapitel

beziehen und beispielsweise Iran als Opfer eines Genozids oder gar eines Holocaust darstellen.221 An diesem diskursiven Prozeß, der Özkırımlı zufolge fortlaufend eine nationale Identität immer wieder neu herstellt, beteiligen sich die Autorinnen und Autoren der hier untersuchten Schriften, indem sie auf den Fundus bereits vorhandener Vorstellungen und Metanarrative zurückgreifen,222 um die Mongolenzeit und ihre Auswirkungen auf Iran in den nationalistischen Diskurs einzubringen. Da es sich bei ihren Veröffentlichungen zu einem erheblichen Teil um Texte handelt, die für den Unterricht an Schulen und Universitäten verwendet werden, ist ihr Einfluß auf das Geschichtsebenso wie das Selbstverständnis der iranischen Gesellschaft nicht gering zu schätzen. Als Teil einer gesellschaftlichen Trägergruppe konstruieren sie das Trauma der Niederlage gegen die Mongolen, welches je nach Lesart stärker oder schwächer ist und sogar bis heute fortwirkt, und stellen zugleich Sinnkonstruktionen zur Verfügung, um dieses in Kette und Einschuß (tār-o pūd) Irans gewobene kulturelle Trauma zu bewältigen. Die in den untersuchten Texten enthaltenen Kohärenzfiktionen dienen der Selbstvergewisserung und Identitätskonstruktion, weshalb sie nicht einfach als „Lügen“ zu entlarven sind, sondern in ihrer Sinngebungsfunktion verstanden werden müssen. In diesem Zusammenhang wurde bereits darauf hingewiesen, daß es dabei auch um Fragen staatlicher Legitimität sowie um diejenigen Wahrheitsstandards geht, die Historikerinnen und Historiker durch ihre Erzählungen vermitteln. Eng verknüpft mit der Eigenwahrnehmung ist die hergestellte kollektive Erinnerung, die nicht zuletzt auf Kohärenzfiktionen wie der Stilisierung Irans zum ewigen Opfer aufbaut. Solche Kohärenzfiktionen werden schließlich durch die modernen Narrative von der Mongolenzeit gefestigt und haben einen erheblichen Einfluß auf politisches Denken und Handeln, denen sie eine Legitimation bieten. Hätte es die Mongolen nicht gegeben, Iran wäre „dem Westen“ heute überlegen und die Araber hätten längst eine Atombombe gebaut.223 221 Lane, wohlgemerkt ein „westlicher“ Wissenschaftler, bezeichnet die Anschläge vom 11. September 2001 und die darauffolgenden Aktionen der USA unter ihrem Präsidenten George W. Bush als „in many ways a repeat performance of Hülegü Khan’s westward march from Mongolia in the 1250s“. Lane: Genghis Khan, S. 77–78. Auch in der islamischen Welt wurden Vergleiche mit den Mongolen gezogen, als die US-Armee und ihre Verbündeten im April 2003 im Irak einmarschierten. Biran: Chinggis Khan, S. 131. 222 S. o. S. 68, 97 und 100. 223 Zur arabischen Atombombe zitiert Lewis einen hohen syrischen Beamten. Lewis: Islam in History, S. 179. Niethammer bezeichnet diese Form der aus defensiven Differenzerfahrungen entstandenen Identitätspolitik als schwach, da sich in ihr die Paranoia des Opfers ausdrücke, eine objektive biologische Identität vorgetäuscht werde und mystische

analyse

261

Chatterjees Annahme, in Asien und Afrika hätte sich ein antikolonialer Nationalismus herausgebildet, der sich deutlich von den europäischen Modellen unterscheide,224 läßt sich für Iran nicht bestätigen. Dennoch bemühen auch die Autorinnen und Autoren der historischen Erzählungen von der Mongolenzeit gerne die Dichotomie seines Ost-West-Klischees, diesmal gegen die „unzivilisierten Barbaren“ aus dem Osten gewendet: Iran besiegte die Mongolen wegen seiner überlegenen Kultur und mit Hilfe seiner Religion (der Zwölferschia), letztlich also aufgrund seines mit den wesentlichen Charakteristika kultureller Identität besetzten spirituellen inneren Bereichs – die spirituell Überlegenen besiegen ihre Gegner am spirituellen Ort, dem Orient. Eine weitere zu diesem Klischee gehörige Kohärenzfiktion ist die Vorstellung von der Zwölferschia als wesentlichem Bestandteil iranischer Identität seit der Islamisierung des Landes und der iranisch-schiitischen Abwehrhaltung gegenüber den überwiegend sunnitischen Arabern.225 Auch diese ist stark im kollektiven Gedächtnis verankert und dient trotz des Gegendiskurses vieler schiitischer Rechtsgelehrter wie Morteżā Moṭahharī226 und trotz des revolutionären Ideals der Herstellung einer alle Muslime umfassenden umma als wesentlicher Bestandteil einer eigenen, von den arabischmuslimischen Nachbarn abgegrenzten iranischen Identität. Historische Erzählungen von der Mongolenzeit, die sowohl von iranischen als auch von nicht-iranischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschrieben wurden, teilen ihre Primärquellen, in erster Linie die historiographischen Schriften aus jener Zeit und unmittelbar danach, in solche, welche inner- und solche, welche außerhalb des mongolischen Herrschaftsbereichs entstanden und daher aus verschiedenen Perspektiven verfaßt wurden (sunnitisch/schiitisch, mongolisch/mamlukisch, Zeitzeugen/Nachgeborene, Augenzeugen/distanzierte Beobachter etc.). Wie anhand der oben wiedergegebenen Kernaussagen aus einigen Werken der „westlichen“ Sekundärliteratur deutlich wird, unterscheiden sich deren Beurteilungen der mongolischen Eroberungen und selbst ihre Kohärenzfiktionen wie diejenige von einem ewigen Iranertum bzw. einer schon in vorislamischer Zeit bestehenden iranischen Nation nicht immer wesentlich von dem, was man in der Mehrzahl der

Konstruktionen über das eigene Herkommen hinwegtäuschten. Niethammer: Kollektive Identität, S. 266. 224 Chatterjee: The Nation and Its Fragments, S. 5–6. S. o. S. 71–72. 225 Siehe hierzu auch Fragner: „Historische Wurzeln“, S. 79. 226 S. o. S. 85–86.

262

4. kapitel

persischen Niederschriften findet. Sehr deutlich wird daher in der vorliegenden Untersuchung, daß einige der Kohärenzfiktionen, die dem Nationalismus geschuldet sind, von iranischen und nicht-iranischen Autorinnen und Autoren geteilt werden und einander wechselseitig befruchten. Im Unterschied zu den ausländischen Historikerinnen und Historikern haben die iranischen im Rahmen ihrer nationalen Geschichtsschreibung jedoch die Aufgabe der Sinnstiftung. Sie müssen die Mongolenzeit in die „lineare Zeit der Nation“ [Umut Özkırımlı] einordnen und den jeweiligen gesellschaftspolitischen Anforderungen an Sinnkonstruktionen genügen. Hierzu wird seitens dieser Autorinnen und Autoren auch ein Identitätsanspruch erhoben, der eine homogene iranische ebenso wie eine homogene mongolische Identität voraussetzt. Den nationalen Werten kann insofern absolute Priorität verliehen werden, als der schiitische Islam Teil davon ist. Schließlich formulieren die historischen Erzählungen auch einen räumlichen Anspruch, indem sie ein bestimmtes – oder häufig eher unbestimmtes – Gebiet als „Iran“ definieren.227 Die Perspektiven der hier zitierten Autorinnen und Autoren auf die mongolische Geschichte sind nicht nur hinsichtlich fachwissenschaftlicher Standards, sondern auch in Hinblick auf die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen Geschichtsschreibung betrieben wird, durchaus verschieden. Inwiefern die Resultate dieser Geschichtsschreibung außerhalb Irans als plausibel anerkannt werden, hängt nicht zuletzt von den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Paradigmata ab. Bis in die 1970er Jahre waren die Überschneidungen und Verflechtungen noch sehr intensiv, danach setzte sich in der außerhalb Irans betriebenen Mongolenforschung unter heutigen Historikerinnen und Historikern eine wesentlich differenziertere, enger an geschichtswissenschaftlichen Standards orientierte Vorgehensweise durch, die auch ihren Blick auf die Quellen veränderte. In der Folge berücksichtigen die Historikerinnen und Historiker den narrativen Charakter der Quellen ebenso wie die Tatsache, daß sie selbst den Beobachtungstheorien der zeitgenössischen Geschichtsschreiber ausgeliefert sind.228 Mit diesem quellenkritischen Ansatz und dieser Standortreflexion heben sie sich in der Mehrzahl deutlich von den Erzählungen ihrer Vorgänger ab. Diesen Weg sind die hier zitierten iranischen Autorinnen und Autoren nicht mitgegangen, weshalb das Prinzip der wechselseitigen Anerkennung in den letzten dreißig Jahren nur noch vereinzelt zur Geltung kommt. Ihre historischen Erzählungen von der Mongolenzeit sind daher 227 Cf. Özkırımlı: Theories of Nationalism, S. 208–9. 228 Siehe hierzu oben S. 30 und S. 48.

analyse

263

zwar verschiedene historische Interpretationen, die die „gleichen Tatsachen interpretierend in unterschiedliche Perspektiven einrücken“,229 doch die Plausibilität der Narrative kann in weiten Teilen nur dann anerkannt werden, wenn man sie als Beiträge zu einer Sinngeschichte liest, die Raum für in ihrem Rahmen durchaus plausible Kohärenzfiktionen läßt. 229 Rüsen: „Einleitung“, S. 27.

Anhang Auf folgende Autorinnen und Autoren (nach Geburtsdatum geordnet) und ihre Publikationen wird in den hier untersuchten historischen Erzählungen über die Mongolenzeit verwiesen:1

• d’Ohsson, Abraham Constantin Mouradgea (1779–1851): Histoire des Mongols depuis • • • • • •

Tchinguiz-Khan jusq’à Timour Bey ou Tamerlan, 4 Bde., Paris - Amsterdam 1824–1852.2 Abel-Rémusat, Jean Pierre (1788–1832): Observations sur l’histoire des Mongols orientaux, de Ssanang-Ssetsen, Paris 1832. Dulaurier, Edouard (1808–1881): „Les Mongols d’apres les historiens armeniens“, in: Journal Asiatique 11 (1858), S. 192–255 und 16 (1860), S. 273–322. Barthold, Wasilij Wladimirowitsch (1869–1930):3 Histoire des Turcs d’Asie Centrale, Paris 1945; Four Studies on the History of Central Asia, 3 Bde., Leiden 1956; Turkestan down to the Mongol Invasion, London 31968 (teilweise Übersetzungen aus dem Russischen). Pope, Arthur Upham (1881–1969): Persian Architecture, Teheran 1965 (weitere Auflagen erschienen 1969, 1976, 2001) / Meʽmārī-ye Īrān, Teheran 1365hš/1986 (weitere Auflagen erschienen 1370hš/1991, 1382hš/2003, 1388hš/2009, 1390hš/2011). Wladimirzow, Boris Jakowlewtisch (1884–1931): Le régime social des Mongols. Le féodalisme nomade, Paris 1960 (Übersetzung der russischen, posthum erschienenen Publikation von 1934). Grousset, René (1885–1952): Histoire de la Chine, Paris 1942; L’Empire des Steppes: Attila, Gengis-Khan, Tamerlan, Paris 1939 / The Empire of the Steppes. A History of Central Asia, New Brunswick 1970 / Emperātūrī-ye ṣaḥrā-navardān, Teheran 1353hš/1974; Le Conquérant du monde: vie de Gengis-khan, Paris 1944 / Conqueror of the World, New York 1966.

1 Hinzu kommen die persischen Übersetzungen einzelner kleiner Beiträge, zu denen in den hier untersuchten Texten die bibliographischen Angaben fehlen. Verzichtet wird an dieser Stelle auf die Angabe französischer oder englischer Übersetzungen arabischer oder persischer Primärquellen ebenso wie auf die Angaben von Autorinnen und Autoren, deren Werke sich nicht mit den Mongolen befassen. 2 Laut David Morgan wird dieses Werk bis heute als die beste umfassende Geschichte der Mongolen bezeichnet, „though I suspect that it is more often commended than read.“ Morgan: Mongols, S. 28. 3 Cf. Bregel, Yu.: „Barthold, Vasiliĭ Vladimirovich“, in: EIr online 1988.

© koninklijke brill nv, leiden, 2014 | doi 10.1163/9789004271876_006

266

anhang

• Petrushevsky, Iljya Pavlovich (1898–1977): „The Socio-Economic Condition in Iran • • • • • • • •

under the Īl-Khāns“, in: Boyle, J. A. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran. Bd. V: The Saljuq and Mongol Periods, Cambridge 1968, S. 483–537; Islam in Iran, Albany 1985 / Eslām dar Īrān (az hoǧūm tā pāyān-e qarn-e nohom-e heǧrī), Teheran 1354hš/19654 (Übersetzungen aus dem Russischen). Wilber, Donald Newton (1907–1997): The Architecture of Islamic Iran: The Il Khanid Period, Princeton 1955 / Meʿmārī-ye eslāmī-ye Īrān dar doure-ye Īlḫānān, Teheran 1365hš/1986. Saunders, John Josef (1910–1972): The History of the Mongol Conquest, London 1971 (Neuauflage Philadelphia 2001) / Tārīḫ-e fotūḥāt-e moġūl, Teheran 21363hš/1984 und 31372hš/1993 (erste Auflage o. J.). Phillips, Eustace D.: The Mongols, London 1969. Spuler, Bertold (1911–1990): Die Mongolen in Iran: Politik, Verwaltung und Kultur der Ilchanzeit 1220–1350, Leipzig 1939 (zweite, erweiterte Auflage Berlin 1955; dritte, erweiterte Auflage Berlin 1968; vierte, erweiterte Auflage, Leiden 1985) / Tārīḫ-e moġūl dar Īrān, Teheran 19725 / Les Mongols dans l’histoire, Paris 1967. Lambton, Ann K. S. (1912–2008): Landlord and Peasant in Persia, Oxford 1953 (London 21991) / Mālek-o zāreʿ dar Īrān (unvollständige biblioraphische Angaben, kein Eintrag in der Nationalbibliothek Teheran). Boyle, John Andrew (1916–1978):6 (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. V: The Saljuq and Mongol Periods, Cambridge 1968 / Tārīḫ-e Īrān-e Kembrīǧ. Az āmadan-e Salǧūqīyān tā forū-pāšī-ye doulat-e Īlḫānān, Teheran 1366hš/1987. Lewis, Bernard (geb. 1916): The Origins of Ismailism (1940, Neuauflage 1974); The Assassins: A Radical Sect in Islam, London 1967 (überarbeitete Neuauflagen 1987 und 2002); der persische Titel Fedāʼīyān-e esmāʽīlī, o. O., o. J. ist in der Nationalbibliothek in Teheran nicht verzeichnet, dort findet sich nur der Sammelband Esmāʽīlīyān dar tārīḫ, Teheran 1363hš/1984. Frye, Richard N. (1920–2014): (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. IV: From the Arab invasion to the Saljuqs, Cambridge 1975 / Tārīḫ-e Īrān-e Kembrīǧ. Tārīḫ-e Īrān az ẓohūr-e eslām tā āmadan-e doulat-e salǧūqīyān, Teheran 1363hš/1984.

4 Die iranische Nationalbibliothek gibt kein Erscheinungsdatum für die persische Übersetzung an. In den mir vorliegenden persischen Texten werden hingegen sowohl 1350 als auch 1354hš genannt. Offensichtlich wurden die Übersetzungen direkt aus dem Russischen von Karīm Kešāvarz angefertigt. Ein kurzer Eintrag bei Wikipedia bezeichnet ihn als Mitglieder der Tūde-Partei und führt eine Liste seiner Übersetzungen aus dem Russischen. http:// ‫ك����ا ز‬ ‫�ش‬ � �‫�ري�ـ‬ ‫ ك‬. fa.wikipedia.org/wiki/�‫ور‬ ‫م‬ 5 Ende, Werner et al.: „Spuler, Bertold“ in: EIr online 2010. 6 Cf. Jackson, Peter: „Boyle, John Andrew“, in: EIr online 1989.

Anhang

267

• Hodgson, Marshall G. S. (1922–1968): The Order of the Assassins: The Struggle of the

Early Nizâri Ismâʿilis against the Islamic World, Diss. 1955 (Neuauflage Philadelphia 2005) / Ferqe-ye esmāʽīlīye, Teheran 61387hš/2008 (persischsprachige Ausgaben existierten seit 1964). Amoretti, Biancamaria Scarcia (geb. 1939): „Religion in the Timurid and Safavid Periods“, in: Jackson, Peter und Laurence Lockhart (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. VI: The Timurid and Safavid Periods, Cambridge 1986, S. 610–55. Morgan, David O. (geb. 1945): The Mongols, Oxford 1986 (22007) / Moġūlhā, Teheran 1371hš/1992 (21389hš/2010).

• •

Literaturverzeichnis 1

Persischsprachige Quellen

Āhanǧīde, Esfandyār: „Degargūnīhā-ye monāsabāt-e arżī va mālīyātī dar ʿaṣr-e moġūlān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, 2 Bde., Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 53–70. Alborz, Parvīz: „Seirī dar šeʿr-e eǧtemāʿī va enteqādī-ye ʿaṣr-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, 2 Bde., Teheran 1379hš/2000, Bd.1, S. 83–115. Āl-e Aḥmad, Ǧalāl: Adab va honar-e emrūz-e Īrān, Maǧmūʿe-ye maqālāt 1324–1346, 4 Bde., Teheran 1373hš/1994. Ālyārī, Ḥosein: „Čengīz va ʿAlāʼ od-Dīn Moḥammad-e Ḫvārazmšāh“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 41–51. Āžand, Yaʿqūb: Qiyām-e šīʿī-ye sarbedārān, Teheran 1363hš/1985. Bayānī (Nadūšān Eslāmī), Šīrīn: Dīn va doulat dar Īrān-e ʿahd-e moġūl, 3 Bde., Teheran 1367hš/1988–1375hš/1996 [zweite Auflage Bd. 2 von 1381hš/2002]. ——— Hašt maqāle dar zamīne-ye tārīḫ, Teheran 1352hš/1973. ——— Īrān dar bar-ḫvord bā moġūl. Az marg-e Čengīz tā āmadan-e Holāgū, Teheran 1353hš/1974. Dabīrīnežād, Badīʿollāh: „Taʾs̠īr-e farhang va madanīyat-e īrānī dar qoum-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va peyāmadhā-ye ān, 2 Bde., Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 569–92. Dādfar, Saǧǧād: Ḥamle-ye moġūl be-Īrān, Teheran 21390hš/2011 (erste Auflage 1388hš/ 2009). Dastġeib, ʿAbd ol-ʿAlī: Hoǧūm-e ordū-ye moġūl be-Īrān, Teheran 1367hš/1988. Enṣāfpūr Ġolām Reżā: Sāḫt-e doulat dar Īrān: Az eslām tā yoreš-e moġūl, Teheran 1356hš/ 1977. Eqbāl, ʿAbbās: Ḫānedān-e Noubaḫtī, Tehran 1311hš/1932. ——— Maǧmūʿe-ye maqālāt-e ʿAbbās-e Eqbāl-e Āštiyānī (Hrsg. Seyyed Moḥammad Dabīr Siyāqī), Bd. 2, Teheran 1378hš/1999. ——— Tārīḫ-e mofaṣṣal-e Īrān az estīlā-ye moġūl tā eʿlān-e mašrūṭīyat, 2 Bde., Teheran 1312hš/1933. ——— Tārīḫ-e mofaṣṣal-e Īrān: Az moġūl tā enqerāż-e qāǧārīye [Bd. 2 zu Pīrniyā, Ḥasan: Tārīḫ-e Īran: Az āġāz tā enqerāżāt-e Sāsānīyān; erste Ausgabe 1967, hrsg. von Moḥammad Dabīr Siyāqī], Teheran 71375hš/1996. ——— Tārīḫ-e moġūl va avāyel-e ayyām-e teimūrī, 2 Bde. i.e., Teheran 1376hš/1997.

literaturverzeichnis

269

Eṣfahānīyān, Dāvūd: „Taʾs̠īr-e īlġār-e moġūl dar masīr-e tārīḫ-e Īrān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 71–82. Eslām-Niyā, Fereidūn: Negahī bar tārīḫ-e Īrān baʿd az eslām, Orūmīye 1383hš/2004. Esmāʿīlī, Amīr: Čengīz-e ǧahāngošā-ye moġūl: revāyat-e tārīḫ, Teheran 1366hš/1987. Fażīlat, Maḥmūd: „Yoreš-e moġūl be-Īrān va bāz-tāb-e ān dar zabān va adabīyāt-e fārsī“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 839–69. Foyūżāt, Seyyed Ebrāhīm: „Taḥavvol-e farhangī dar ʿaṣr-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 871–81. Ǧaʿfarīyān, Rasūl: Az yoreš-e moġūlān tā zavāl-e torkmānān (qarn-e haftom tā nohom-e heǧrī), Teheran 61387hš/2008 [Tārīḫ-e Īrān-e eslāmī. Daftar-e sevvom]. Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī, Ḥasan: „Molāḥeẓāt-e taṭbīqī dar adabīyāt-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 395–409. Ḫalʿatbarī, Allāhyār: „Moqaddeme“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. xiii–xvi. Ḥasanzāde, Esmāʿīl: „Negarešī bar taʼs̠īr-e andīšehā-ye ʿAṭā Malek Ǧoveinī va Rašīd od-Dīn Fażlollāh“ in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 435–74. Ḫeirandīš, ʿAbdorrasūl: „Vāqeʿe-ye hāyele-ye Otrār“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 555–68. Ḥoseinī Kāzerūnī, Seyyed Aḥmad: „Čengīz Ḫān dar āʼīne-ye dourān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 493–523. Kasāyī, Nūrollāh: „Sar-goẕašt-e dānešmandān va marākez-e dāneš dar ḥamle-ye moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 955–965. Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va peyāmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000. Mašhadīzāde, Nāṣer: „Negāhī goẕarā be-šahr-nešīnī va šahr-sāzī dar Īrān pas az hoǧūm-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1089–95.

270

Literaturverzeichnis

Meʿmārzāde, Sūdābe: „Taṣvīr-sāzī-ye doure-ye īlḫānān-e moġūl dar Īrān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va peyāmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1115–44. Mīnovī, Moǧtabā (Hrsg.): Sīrat Ǧalāl od-Dīn-e Menkobernī/Šehāb od-Dīn Muḥammad Ḫorandīzī Zeidarī Nasavī, Teheran 21365hš/1986. Mīr Ǧaʿfarī, Ḥosein: „ʿĀlāʾ od-Dīn ʿAṭā Malek va vīžegīhā-ye gūn-ā-gūn-e Ǧahān-gošā-ye Ǧoveinī“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1259–86. Moḥammadī, Ẕekrollāh: „Taḥlīlī bar ǧarayān va zīr-kašīhā-ye doure-ye īlḫānān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va peyāmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1025–54. Momtaḥen, Ḥosein ʿAlī: „Naqš-e ḫeir-ḫvāhāne-ye Maḥmūd Yalavāǧ-e Salmān va pesaraš Masʿūd dar fetne-ye moġūlān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1187–1235. Montaẓer ol-Qāʾem, Aṣġar: „Šeʿār-e šīʿe dar katībehā-ye ās̠ār-e meʿmārī-ye doure-ye īlḫānī“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1237–55. Mortaẓavī, Manūčehr: Masāʼel-e ʿaṣr-e Īlḫānān, Teheran 1385hš/2006. Moʿtakef, Farīde: „Īrān dar zīr-e saiṭare-ye moġūlān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1097–1114. Nouẕarī, ʿEzatollāh: Īrān va tāriḫ, Schiras 1382hš/2004. Panāhī (Semnānī), Moḥammad Aḥmad: Čengīz Ḫān, čehre-ye ḫūnrīz-e tārīḫ, Teheran 1373š/1994 (erste Auflage von 1363hš/1984). Pargārī, Ṣāleḥ: „ʿElal-e forū-pāšī-ye ḥokūmat-e īlḫānān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 347–63. Pazūkī, Reżā: Tārīḫ-e Īrān az moġūl tā afšārīye, Teheran 1316hš/1938. Qadyānī, ʿAbbās: Tārīḫ, farhang va tamaddon-e Īrān dar doure-ye moġūl, Teheran 41387hš/2008. Qāsemlū, Farīd: „Negarešī bar as̠ar-e ḥamle-ye moġūl dar taġyīr-e mabādī-ye ʿelmī-ye Īrān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 883–905.

literaturverzeichnis

271

Rāvandī, Morteżā: Tārīḫ-e eǧtemāʿī-ye Īrān, Bd. 2: Ḥokūmathā va selselehā-ye Īrān az ḥamle-ye aʿrāb tā esteqrār-e mašrūṭīyat, Teheran 32536/1977. Rażavī, Seyyed ʿAbbās: „ʿElal-e tahāǧom-e moġūlān be-Īrān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 639–52. S̠ābetzāde, Manṣūre: „Dež-e honar dar taqābol-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 1, S. 381–94. Ṣafā, Ẕabīḥollāh: Tārīḫ-e adabīyāt dar Īrān. Az avāyel-e qarn-e haftom tā pāyān-e qarn-e haštom-e heǧrī, Bd. 3, Teil 1, Teheran 61368š/1989. Saǧǧādī, Seyyed ʿAlī Moḥammad: „Balā-ye yazdān yā ḫaṭā-ye solṭān“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 701–11. Salmāsīzāde, Moḥammad: „Homā-ye eqbāl va ṣedā-ye edbār“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 725–44. Šarafī, Maḥbūbe: „ʿElal-e tahāǧom-e moġūlān va naqš-e ḫalīfe-ye ʿabbāsī dar īn tahāǧom”, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 765–92. Šarqī, Masʿūd: „Teǧārat dar ʿahd-e īlḫānān-e moġūl“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 793–801. Valī, Vahhāb: „Ġourī dar andīše-ye Čengīz Ḫān bar mabnā-ye yāsā“, in: Maǧmūʿe-ye maqālāt-e avvalīn semīnār-e tārīḫī. Hoǧūm-e moġūl be Īrān va pey-āmadhā-ye ān, 2 Bde., Dānešgāh-e Šahīd Beheštī, Teheran 1379hš/2000, Bd. 2, S. 1317–51. Zarrīnkūb, ʿAbdol Ḥosein: Do qarn-e sokūt, Teheran 1384hš/2006. ——— Seirī dar šeʿr-e fārsī. Baḥs̠ī enteqādī dar šeʿr-e fārsī va taḥavvol-e ān bā namūnehāʼī az šeʿr-e šāʿerān, va ǧostoǧūʼī dar aqvāl-e odabā va taẕkere-nevīsān, Teheran 1363hš/1984.

2 Sekundärliteratur Abbas, I.: „Barmakids“, in: EIr online 1988. Abel-Rémusat, Jean Pierre: Observations sur l’Histoire des Mongols orientaux, de Ssanang-Ssetsen, Paris 1832. Abrahamian, Ervand: „Kasravi: The Integrative Nationalist of Iran“, in: Kedouri, Elie (Hrsg.): Toward a Modern Iran, London - New Jersey 1980, S. 96–131.

272

Literaturverzeichnis

Adamiyat, Fereydoun: „Problems in Iranian Historiography“, in: Iranian Studies 4 (1971), S. 132–56. Afshari, Reza: „The Historians of the Constitutional Movement and the Making of the Iranian Populist Tradition“, in: International Journal of Middle East Studies 25 (1993), S. 477–94. Aghaie, Kamran: „Islam and Nationalist Historiography: Competing Historical Narratives of the Iranian Nation in the Pahlavi Period“, in: Studies in Contemporary Islam 2 (2000), S. 21–47. Ahmadi, Hamid: Unity within Diversity: Foundations and Dynamics of National Identity in Iran, in: Critique: Critical Middle Eastern Studies/Middle Eastern Critique 14 (2005), S. 127–47. Aigle, Denise (Hrsg.): L’Iran face à la domination mongole. Etudes réunies et présentées par Denise Aigle, Teheran 1997. Al-Azmeh, Aziz: Ibn Khaldūn. An Essay in Reinterpretation, London 1982. Alexander, Jeffrey C.: „Toward a Theory of Cultural Trauma“, in: Alexander, Jeffrey C. et al. (Hrsg.): Cultural Trauma and Collective Identity, Berkeley usw. 2004, S. 1–30. Algar, Hamid: „Ākūndzāda“, in: EIr online 2011. ——— „Religious Forces in Twentieth-Century Iran“, in: Avery, Peter et al (Hrsg.): The Cambridge History of Iran. Volume 7: From Nadir Shah to the Islamic Republic, Cambridge 1991, S. 732–64. Allsen, Thomas T.: Culture and Conquest in Mongol Eurasia, Cambridge/Mass. 2001. Alonso, Ana Maria: „The Effects of Truth: Re-Presentation of the Past and the Imagining of Community“, in: Journal of Historical Sociology 1 (1988), S. 33–57. Amanat, Abbas: „Historiography ix. Pahlavi Period (1 [1925–1941]), EIr online 2012. ——— „Historiography viii. Qajar Period“, in: EIr online 2004. ——— „Iranian Identity Boundaries. A Historical Overview“, in: Amanat, Abbas und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012, S. 1–33. ——— „Islam in Iran v. Messianic Islam in Iran“, in: EIr online 2007. ——— „Legend, Legitimacy and Making a National Narrative in the Historiography of Qajar Iran (1785–1925)“, in: Melville, Charles (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012, S. 292–366. ——— „Memory and Amnesia in the Historiography of the Constitutional Revolution“, in: Atabaki, Touraj (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009, S. 23–54. ——— „The Study of History in Post-Revolutionary Iran: Nostalgia, Illusion, or Historical Awareness?“, in: Iranian Studies 22 (1989), S. 3–18. ——— und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012. ——— und Farzin Vejdani: „Jalāl al-Din-Mirzā“, in: EIr online 2008.

literaturverzeichnis

273

Amirahmadi, Hooshang: „Iran: From Political Islam to Secular Nationalism“, in: Eurasian Studies 2 (1995), S. 28–29. Amir-Moezzi, M. A.: „Islam in Iran vii. The Concept of Mahdi in Twelver Shi’ism“, in: EIr online 2007. Amuzegar, Jahangir: „The Ahmadinejad Era: Preparing for the Apocalypse“, in: Journal of International Affairs 80 (2007), Bd. 2, S. 35–54. Anderson, Benedict: Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism, London 21991. Andisheh, Linda: ‘Abbas Iqbal Ashtiyani (1897–1956): A Study in Modern Iranian Intellectual History, Salt Lake City 1982 [unveröffentl. Dissertation]. Angehrn, Emil: „Vom Sinn der Geschichte“, in: Depkat, Volker et al (Hrsg.): Wozu Geschichte(n)? Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie im Widerstreit, Stuttgart 2004, S. 15–30. Ansari, Ali M.: „Iran under Ahmadinejad: Populism and Its Malcontents“, in: International Affairs 84 (2008), S. 1–18. ——— Iran under Ahmadinejad. The Politics of Confrontation, London 2007. ——— The Politics of Nationalism in Modern Iran, Cambridge usw. 2013. Arkoun, M.: „Miskawayh“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 7, Leiden 1993, S. 143–144. Asgharzadeh, Alireza: Iran and the Challenge of Diversity. Islamic Fundamentalism, Aryan Racism and Democratic Struggle, New York - Basingstoke 2007. Ashraf, Ahmad: „Conspiracy Theories“, in: EIr online 2011. ——— „Iranian Identity i. Perspectives“, in: EIr online 2006. ——— „Iranian Identity iii. Medieval Islamic Period“, in: EIr online 2006. ——— „Iranian Identity iv. 19th–20th Centuries“, in: EIr online 2006. Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichts­politik, München 2006. ——— und Dietrich Hart (Hrsg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Frankfurt a. M. 21993. Assmann, Jan: Ägypten. Eine Sinngeschichte, München - Wien 1996. ——— „Zeitkonstruktion und Gedächtnis als Basisfunktionen historischer Sinnbildung. Eine Reaktion auf Peter Burkes Thesen“, in: Rüsen, Jörn (Hrsg.): Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte, Göttingen 1999, S. 81–98. Atabaki, Touraj: „Agency and Subjectivity in Iranian National Historiography“, in: Atabaki, Touraj (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009, S. 69–92. ——— (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009. ——— „Iranian History in Transition: Recasting the Symbolic Identity of Babak Khorramdin“, in: Amanat, Abbas und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012, S. 63–76.

274

Literaturverzeichnis

Aubin, Jean: Emirs mongols et vizirs persans dans les remous de l’acculturation, Paris 1995. Azimi, Fakhreddin: „Historiography in the Pahlavi Era“, in: Melville, Charles (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012, S. 367–435. Balaÿ, Christophe: La genèse du roman persan moderne, Teheran 1998. Balibar, Étienne: „The Nation Form: History and Ideology“, in: New Left Review 13 (1990), S. 329–61. Barthold, W. und C. E. Bosworth: „al-Ṣughd“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 9, Leiden 1997, S. 772–3. ——— und C. E. Bosworth: „Ṭukhāristān“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 10, Leiden 2000, S. 600–602. ——— und J. A. Boyle: „Djuwainī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 2, Leiden 1965, S. 606–607. ——— und Sourdel, D.: „al-Barāmika“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 1, Leiden 1960, S. 1033–1035. Bayat, Mangol: „Mīrzā Āqā Khān Kirmānī: A Nineteenth-Century Persian Nationalist“, in: Middle Eastern Studies 10 (1974), S. 36–59. Bayat-Philipp, Mangol: „A Phoenix Too Frequent: The Concept of Historical Continuity in Modern Iranian Thought“, in: Asian and African Studies: Annual of the Israel Oriental Society 12 (1978), S. 203–220. Berger, Stefan und Chris Lorenz: „Conclusion: Picking up the Threads“, in: Berger, Stefan und Chris Lorenz (Hrsg.): The Contested Nation: Ethnicity, Class, Religion and Gender in National Histories, Basingstoke usw. 2008, S. 531–52. Billig, Michael: Banal Nationalism, London 1995. Biran, Michal: Chinggis Khan, Oxford 2007. ——— „Jovayni, Ṣāḥeb Dīvān“, in: EIr online 2009. Böhlig, Alexander: „Manichäismus“, in: Müller, Gerhard et al. (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, Bd. 22, Berlin 1992, S. 25–45. Boroujerdi, Mehrzad: „Contesting Nationalist Constructions of Iranian Identity“, in: Critique: Critical Middle Eastern Studies/Middle Eastern Critique 12 (1998), S. 43–55. ——— Iranian Intellectuals and the West. The Tormented Triumph of Nativism, Syracuse 1996. Bosworth, C. E.: „ʿAlāʼ-al-Dīn Moḥammad“, in: EIr online 2011. ——— „Jalāl-al-Dīn Kvārazmšāh (I) Mengübirni“, in: EIr online 2007. ——— „Ḳarā-khiṭāy“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 4, Leiden 1978, S. 580–583. ——— „Khwārazm-Shāhs“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 4, Leiden 1978, S. 1065–1068.

literaturverzeichnis

275

——— „Khwarazmshahs“, in: EIr online 2009. ——— „Maḥmūd Yalawač“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden London 12 Bde., Bd. 6, Leiden 1991, S. 577. ——— „The Persian Contribution to Islamic Historiography in the pre-Mongol Period“, in: Hovannisian, Richard und Georges Sabagh (Hrsg.): The Persian Presence in the Islamic World, Cambridge 1998, S. 219–36. ——— „Saffarids”, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London, 12 Bde., Bd. 8, S. 795–98. ——— „Salghurids“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 8, Leiden 1995, S. 978–979. ——— „al-Ṭabarī, Abū Djaʿfar Muḥammad b. Djarīr b. Yazīd“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 10, Leiden 2000, S. 11–15. ——— „Terken Kātun“, in: EIr online 2009. ——— „Yaʿqub b. Layṯ b. Moʿaddal“, in: EIr online 2002. ——— „Yaʿqūb b. al-Layth al-Ṣaffār“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 11, Leiden 2002, S. 254–255. Boyle, J. A.: „Djalāl al-Dīn Khwārazm-Shāh“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 2, Leiden 1965, S. 392–393. ——— „Ibn al-ʿAlḳamī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 3, Leiden 1971, S. 702. Bronfen, Elisabeth: „Vorwort“, in: Bhabha, Homi K.: Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000, S. ix–xiv. Brubaker, Rogers: Ethnicity without Groups, Cambridge 2004. Bruner, Jerome S.: „Vergangenheit und Gegenwart als narrative Konstruktionen“, in: Straub, Jürgen (Hrsg.): Erzählung, Identität und historisches Bewußtsein: Die psycho­ logische Konstruktion von Zeit und Geschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität 1, Frankfurt a. M. 1998, S. 46–80. Burke, Peter: „Geschichte als soziales Gedächtnis“, in: Assmann, Aleida und Dietrich Hart (Hrsg.): Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung, Frankfurt a. M. 21993, S. 289–99. ——— „Westliches historisches Denken in globaler Perspektive - 10 Thesen“, in: Rüsen, Jörn (Hrsg.): Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte, Göttingen 1999, S. 32–52. Cahen, C.: „Buwayhids or Būyids“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 1, Leiden 1960, S. 1350–1357. ——— „The Historiography of the Seljuqid Period“, in: Lewis, Bernard und Peter M. Holt (Hrsg.): Historians of the Middle East, Oxford 1962, S. 59–78. Calhoun, Craig: Nationalism, Buckingham 1997.

276

Literaturverzeichnis

——— „Nationalism and Ethnicity“, in: Annual Review of Sociology 19 (1993), S. 211–39. ——— Nations Matter: Culture, History and the Cosmopolitan Dream, London - New York 2007. Carr, David: „The Reality of History“, in: Rüsen, Jörn (Hrsg.): Meaning and Representation in History, New York - Oxford 2006, S. 123–36. ——— Time, Narrative and History, Bloomington 21991. Cavalli, Alessandro: „Memory and Identity. How Memory is Reconstructed after Catastrophic Events“, in: Rüsen, Jörn (Hrsg.): Meaning and Representation in History, New York - Oxford 2006, S. 169–82. Cereti, Carlo G. (Hrsg.): Iranian Identity in the Course of History. Proceedings of the Conference held in Rome, 21–24 September 2005, Rom 2010. Chatterjee, Partha: Nationalist Thought and the Colonial World: A Derivative Discourse?, New Jersey 1986. ——— The Nation and Its Fragments: Colonial and Postcolonial Histories, Delhi - Oxford 1995. Chehabi, Houchang E.: „Iran and Iraq. Intersocial Linkages and Secular Nationalism“, in: Amanat, Abbas und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012, S. 191–216. ——— „The Paranoid Style in Iranian Historiography“, in: Atabaki, Touraj (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009, S. 155–76. ——— und Vanessa Martin (Hrsg.): Iran’s Constitutional Revolution. Popular Politics, Cultural Transformations and Transnational Connections, London 2010. Clinton, J. W.: „Āl-e Aḥmad, Jalāl“, in: EIr online 2011. Cole, Juan R.: „Marking Boundaries, Marking Time: The Iranian Past and the Construction of the Self by Qajar Thinkers“, in: Iranian Studies 29 (1996), S. 35–56. ——— „The Baha‘i Minority and Nationalism in Contemporary Iran“, in: Shatzmiller, Maya (Hrsg.): Nationalism and Minority Identities in Islamic Societies, Montreal 2005, S. 127–163. Conermann, Stephan: Historiographie als Sinnstiftung. Indo-persische Geschichts­ schreibung während der Mogulzeit (932–1118/1516–1707), Wiesbaden 2002. Conrad, Sebastian und Shalini Randeria (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2002. ——— „Einleitung. Geteilte Geschichten - Europa in einer postkolonialen Welt“, in: Conrad, Sebastian und Shalini Randeria (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2002, S. 9–49.

literaturverzeichnis

277

Coronil, Fernando: „Jenseits des Okzidentalismus. Unterwegs zu nichtimperialen geohistorischen Kategorien“, in: Conrad, Sebastian und Shalini Randeria (Hrsg.): Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2002, S. 177–218. Dabashi, Hamid: Theology of Discontent. The Ideological Foundation of the Islamic Revolution in Iran, London 1993. Daftary, F.: „Daʿī“, in: EIr online 1993. ——— „Ismaʿilisims iii. Ismaʿili history“, in: EIr online 2007. Daiber, H. und F. J. Rageb: „al-Ṭūsī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden London 12 Bde., Bd. 10, Leiden 2000, S. 746–752. Daniel, Elton L.: „Historiography iii. Early Islamic Period“, in: EIr online 2012. ——— „The Rise and Development of Persian Historiography“, in: Melville, Charles (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012, S. 101–54. ——— „The Sāmanid ‚Translations‘ of al-Ṭabarī“, in: Kennedy, Hugh (Hrsg.): Al-Ṭabarī. A Medieval Muslim Historian and His Work, Princeton 2008, S. 263–97. Dardess, John W.: „Did the Mongols Matter? Territory, Power, and the Intelligentsia in China from the Northern Song to the Early Ming“, in: Franke, Herbert und Denis Twitchett: The Cambridge History of China, Bd. 6: Alien Regimes and Border States, 907–1368, New York 1994, S. 111–34. Davaran, Fereshteh: Continuity in Iranian Identity. Resilience of a Cultural Heritage, New York 2010. Davidson, Donald: „The Folly of Trying to Define Truth“, in: The Journal of Philosophy 93 (1996), S. 263–278. Davis, Dick: „Iran and Aniran. The Shaping of a Legend“, in: Amanat, Abbas und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012, S. 37–48. Davis, R.: „Saʿdī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 8, Leiden 1995, S. 719–723. DeWeese, Devin: „‘Stuck in the Throat of Chingīz Khān‘: Envisioning the Mongol Conquests in Some Sufi Accounts from the 14th to the 17th Centuries“, in: Pfeiffer, Judith und Sholeh A. Quinn (Hrsg.): History and Historiography of Post Mongol Central Asia and the Middle East. Studies in Honor of John E. Woods, Wiesbaden 2006, S. 23–60. Donzel, E. van und C. Ott: „Yādjūdj wa-Mādjūdj“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 11, Leiden 2002, S. 231–234. Dunlop, D. M.: „Balʿamī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. I, Leiden 1960, S. 984–985. Durant, Will und Ariel: The Story of Civilization, 11 Bde., New York 1935–75.

278

Literaturverzeichnis

Elwert, Georg: Nationalismus und Ethnizität: Über die Bildung von Wir-Gruppen, Berlin 1989. Epkenhans, Tim: Die iranische Moderne im Exil. Bibliographie der Zeitschrift Kāve, Berlin 1916–1922, Berlin 2000. Estel, Bernd: „Nation als Mythos“, in: Frindte, Wolfgang und Harald Pätzold (Hrsg.): Mythen der Deutschen. Deutsche Befindlichkeiten zwischen Geschichten und Geschichte, Opladen 1994, S. 49–85. ——— Soziale Vorurteile und soziale Urteile, Opladen 1983. Faber, Karl-Georg: „Zur Instrumentalisierung historischen Wissens in der politischen Diskussion“, in: Koselleck, Reinhart et al (Hrsg.): Objektivität und Parteilichkeit in der Geschichtswissenschaft, München 1977, S. 270–316. Farmayan, Hafez F.: „Observation on Sources for the Study of Nineteenth-Century Iranian History“, in: International Journal of Middle East Studies 5 (1974), S. 32–49. Faṣīḥī, Sīmīn: Ǧarāyānhā-ye aṣlī-ye tārīḫ-negārī dar doure-ye pahlavī, Maschad 1372hš/1993. Forbes Manz, Beatrice: „Local Histories of Southern Iran“, in: Pfeiffer, Judith und Sholeh A. Quinn (Hrsg.): History and Historiography of Post Mongol Central Asia and the Middle East. Studies in Honor of John E. Woods, Wiesbaden 2006, S. 267–80. Fox, Richard: „Introduction“, in: Fox, Richard (Hrsg.): Nationalist Ideologies and the Production of National Cultures, Washington 1990, S. 1–14. Fragner, Bert G.: „Historische Wurzeln neuzeitlicher iranischer Identität: zur Geschichte des politischen Begriffs ,Iran‘ im späten Mittelalter und in der Neuzeit“, in: Macuch, Maria et al. (Hrsg.): Studia semitica necnon iranicha, Rudolpho Macuch septuagenario ab amicis et discipulis dedicata, Wiesbaden 1989, S. 79–100. ——— „Iran under Ilkhanid Rule in a World History Perspective“, in: Aigle, Denise (Hrsg.): L’Iran face à la domination mongole. Etudes réunies et présentées par Denise Aigle, Teheran 1997, S. 121–31. ——— „Die Mongolen und ihr Imperium“, in: ders. und Andreas Kappeler (Hrsg.): Zentralasien 13. bis 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft, Wien 2006, S. 103–119. ——— Persische Memoirenliteratur als Quelle zur neueren Geschichte Irans, Wiesbaden 1979. ——— Die „Persophonie“. Regionalität, Identität und Sprachkontakt in der Geschichte Asiens, Halle - Berlin 1999. ——— und Andreas Kappeler (Hrsg.): Zentralasien 13. bis 20. Jahrhundert. Geschichte und Gesellschaft, Wien 2006, S. 103–119. Freitag, Ulrike: Geschichtsschreibung in Syrien 1920–1990. Zwischen Wissenschaft und Ideologie, Hamburg 1991.

literaturverzeichnis

279

Friedländer, Saul: „Im Angesicht der ,Endlösung‘: Die Entwicklung des öffentlichen Gedächtnisses und die Verantwortung des Historikers“, in: Borchmeyer, Dieter und Helmut Kiesel (Hrsg.): Das Judentum im Spiegel seiner kulturellen Umwelt. Symposium zu Ehren von Saul Friedländer, Neckargemünd 2002, S. 207–23. Gabrieli, F.: „ʿAṣabiyya“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 1, Leiden 1960, S. 681. Gall, Alfred: „Der polnische Messianismus: Sakralisierung als Säkularisierung“, in: Ritz, German (Hrsg.): Geschichtsentwurf und literarisches Projekt. Studien zur polnischen Hoch- und Spätromantik, Wiesbaden 2010, S. 48–84. Galtung, Johan: „The Meaning of History. Enacting the Sociocultural Code“, in: Rüsen, Jörn (Hrsg.): Meaning and Representation in History, New York - Oxford 2006, S. 89–107. Geertz, Clifford: „The Integrative Revolution: Primordial Sentiments and Politics in the New States“, in: ders. (Hrsg.): Old Societies and New States: The Quest for Modernity in Asia and Africa, New York 1963, S. 105–57. Gellner, Ernest: Nations and Nationalism, Oxford 1983. Gheissari, Ali: „Truth and Method in Modern Iranian Historiography and Social Sciences“, in: Critique: Critical Middle Eastern Studies/Middle Eastern Critique 6 (1995), S. 39–56. Gobineau, Joseph Arthur de: Trois ans en Asie, Paris 1980. Gorman, Anthony: Historians, State and Politics in Twentieth Century Egypt. Contesting the Nation, London 2003. Graevenitz, Gerhard von und Odo Marquardt (Hrsg.): Kontingenz, München 1998. Groot, Joanna de: Religion, Culture and Politics in Iran. From the Qajars to Khomeini, London - New York 2007. Guerny, John und Negin Nabavi: „Dār al-Fonūn“, in: EIr online 2011. Haarmann, Ulrich: „Auflösung und Bewahrung der klassischen Formen arabischer Geschichtsschreibung in der Zeit der Mamluken“, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 121 (1971), S. 46–60. Halperin, Charles J.: Russia and the Golden Horde. The Mongol Impact on Medieval Russian History, London 1985. Hauser, Stefan: „Die ewigen Nomaden? Bemerkungen zu Herkunft, Militär, Staatsaufbau und nomadischen Traditionen der Arsakiden“, in: Meißner, B. et al. (Hrsg.): Krieg, Gesellschaft, Institutionen, Berlin 2005, S. 163–208. Heinrichs, W. P.: „Ṣāḥib“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 8, Leiden 1995, S. 830–831. Herbert, Martin: „Etiological Considerations“, in: Mattis, Sara G. und Thomas H. Ollendick (Hrsg.): Panic Disorder and Anxiety in Adolescence, Oxford 2002, S. 3–20. Heuß, Alfred: „Kontingenz in der Geschichte“, in: Bubner, Rüdiger et al. (Hrsg.): Kontingenz. Neue Hefte für Philosophie 24/25 (1985), S. 14–43.

280

Literaturverzeichnis

Hillenbrand, Carole: „Muʿīn al-Dīn Sulaymān Parwāna“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 7, Leiden 1993, S. 479–80. Hillmann, Michael: „Cultural Dilemmas of an Iranian Literary Intellectual”, in ders.: Iranian Culture: A Persianist View, London 1990, S. 119–44. Hobsbawm, Eric.: „Introduction: Inventing Traditions“, in: Hobsbawm, Eric und Terence Ranger (Hrsg.): The Invention of Tradition, Cambridge 1992, S. 1–14. ——— Nations and Nationalism since 1780, Cambridge usw. 1990. Hodgson, M. G. S.: „Dāʿī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 2, Leiden 1965, S. 97–98. ——— „The Ismāʿīlī State“, in: Boyle, John A. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran. Bd. 5: The Saljuq and Mongol Periods, Cambridge 1968, S. 422–82. ——— The Venture of Islam. Conscience and History in a World Civilization. Bd. 2: The Expansion of Islam in the Middle Periods, Chicago 1977. Hoffmann, Arnd: Zufall und Kontingenz in der Geschichtstheorie. Mit zwei Studien zu Theorie und Praxis der Sozialgeschichte, Frankfurt a. M. 2005. Hoffmann, Birgit: „Wortkunst im Dienste der Welteroberer: Ein vergleichender Blick auf persische Gelehrte, Bürokraten und Dichter unter den mongolischen Ilkhanen“, in: Ritter, Markus et al (Hrsg.): Iran und iranisch geprägte Kulturen. Studien zum 65. Geburtstag von Bert G. Fragner, Wiesbaden 2008, S. 259–71. Holliday, Shabnam: „The Politicisation of Culture and the Contestation of Iranian National Identity in Khatami’s Iran“, in: Studies in Ethnicity and Nationalism 7 (2007), S. 27–44. Humphreys, Stephen R.: Islamic History. A Framework for Inquiry, London - New York 1991. Imam Khomeini: „Program for the Establishment of an Islamic Government“, in: Luft, Paul und Colin Turner (Hrsg.): Shiʿism. Critical Concepts in Islamic Studies. Volume IV Shʿism, State and Government, Abingdon - New York 2008, S. 17–37. Jackson, P.: „Arḡūn Āqā“, in: EIr online 2011. ——— „Čīn Tīmūr“, in: EIr online 2011. ——— „al-Nasawī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, Leiden - London 12 Bde., Bd. 7, Leiden 1993, S. 973–974. ——— „The State of Research: The Mongol Empire, 1986–1999“, in: Journal of Medieval History 26 (2000), S. 189–210. ——— „Waṣṣāf“, in: EI2 CD-ROM, Leiden 2004. Jäger, Siegfried: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung, Münster 52009. Jafri, S. H. M.: „al-Ḥillī“, in: EI2 CD-ROM, Leiden 2004. Jazayeri, M. A.: „Farhangestān“, in: EIr online 1999. ——— „The Modernization of the Persian Vocabulary and Language Reform in Iran“, in: Fodor, István und Claude Hagège (Hrsg.): Language Reform. History and Future, 3 Bde, Hamburg 1983, Bd. 3, S. 240–67.

literaturverzeichnis

281

Jones, Adam: Genocide. A Comprehensive Introduction, Oxford - New York 2006. Kansteiner, Wulf: „Menschheitstrauma, Holocausttrauma, kulturelles Trauma: Eine kritische Genealogie der philosophischen, psychologischen und kulturwissenschaftlichen Traumaforschung seit 1945“, in: Jaeger, Friedrich und Jörn Rüsen (Hrsg.): Handbuch der Kulturwissenschaften. Bd. 3: Themen und Tendenzen, Stuttgart - Weimar 2004, S. 109–37. ——— „Postmoderner Historismus - Das kollektive Gedächtnis als neues Paradigma der Kulturwissenschaften“, in: Jaeger, F. und B. Liebsch (Hrsg.): Handbuch der Kulturwissenschaften, Bd. 2: Paradigmen und Disziplinen, Stuttgart - Weimar 2004, S. 119–139. Kapferer, Bruce: Legends of People, Myths of State, Washington 1988. Karimi-Hakkak, Ahmad: Language Reform Movement and Its Language: The Case of Persian, in: Jernudd, Björn und Michael J. Shapiro (Hrsg.): The Politics of Language Purism, Berlin - New York 1989, S. 81–104. Kaschuba, Wolfgang: „Kulturalismus: Kultur statt Gesellschaft?“, in: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), S. 80–95. ——— „Kulturalismus: Vom Verschwinden des Sozialen im gesellschaftlichen Diskurs“, in: ders. (Hrsg.): Kulturen - Identitäten - Diskurse. Perspektiven Europäischer Ethnologie, Berlin 1995, S. 11–30. Kashani-Sabet, Firoozeh: „Cultures of Iranianness: The Evolving Polemic of Iranian Nationalism“, in: Keddie, Nikki R. und Rudi Matthee (Hrsg.): Iran and the Surrounding World. Interactions in Culture and Cultural Politics, Seattle - London 2002, S. 162–81. ——— Frontier Fictions. Shaping the Iranian Nation, 1804–1946, Princeton 1999. Katouzian, Homa: „Seyyed Hasan Taqizadeh: Three Lives in a Lifetime“, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East 32 (2012), S. 195–213. Keall, E. J.: „Ayvān-e Kesrā“, in: EIr online 1987. Keddie, Nikki R.: „Afḡānī, Jamāl-al-Dīn“, in: EIr online 2011. ——— und Rudi Matthee (Hrsg.): Iran and the Surrounding World. Interactions in Culture and Cultural Politics, Seattle - London 2002. Khafipour; Hani: „A Hospital in Ilkhānid Iran: Toward a Socio-economic Reconstruction of the Rabʿ-i Rashīdī“, in: Iranian Studies 45 (2012), S. 97–117. Khalidi, Tarif: „Nach gemeinsamen Prinzipien suchen. Ein Plädoyer und einige Hinweise auf die islamische Tradition“, in: Rüsen, Jörn (Hrsg.): Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte, Göttingen 1999, S. 99–105. Khosrokhavar, Farhad et al.: „Report on Science in Post-Revolutionary Iran - Part II: The Scientific Community’s Problems of Identity“, in: Critique: Critical Middle Eastern Studies/ Middle Eastern Critique 13 (2004), S. 363–82. Knüppel, Michael: „Mongols ii. Mongolian Loanwords in Persian“, in: EIr online 2010. Kohlberg, E.: „Mūsā al-Kāẓim“, in: EI2 CD-ROM, Leiden 2004.

282

Literaturverzeichnis

Komaroff, Linda und Stefano Carboni (Hrsg.): The Legacy of Genghis Khan. Courtly Art and Culture in Western Asia, 1256–1353, New York 2002. Koselleck, Reinhart: Vergangene Zukunft, Frankfurt 1979. Krawulsky, Dorothea: Mongolen und Ilkhâne. Ideologie und Geschichte, Beirut 1989. ——— „Saʿd al-Dawla“, in: EI2 CD-ROM, Leiden 2004. Kügelgen, Anke von: „ʿAbduh, Muḥammad“, in: EI3 online 2008. Künne, Wolfgang: „Wahrheit“, in: Martens, Ekkehard und Herbert Schnädelbach (Hrsg.): Philosophie. Ein Grundkurs, Bd. 1, Hamburg 1994, S. 116–71. Kuhrt, Amelie: „Ancient Near Eastern History: The Case of Cyrus the Great of Persia“, in: Williamson, H. G. M. (Hrsg.): Understanding the History of Ancient Israel, Oxford 2007, S. 107–127. ——— „Cyrus the Great of Persia: Images and Realities“, in: Heinz, M. und M. H. Feldman (Hrsg.): Representations of Political Power: Case Histories from Times of Change and Dissolving Order in the Ancient Near East, Winona Lake  2007, S. 169–191. Lane, George: Early Mongol Rule in Thirteenth-Century Iran. A Persian Renaissance, London - New York 2003. ——— Genghis Khan and Mongol Rule, Westport/Conn. 2004. ——— „Jovayni, ʿAlāʼ-Al-Din“, in: EIr online 2009. Langewiesche, Dieter: „Was heißt Erfindung der Nation?“, in: Beer, Mathias: Auf dem Weg zum ethnisch reinen Nationalstaat? Europa in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 2004, S. 19–40. Laoust, H.: „Ibn Taymiyya“, in: EI2 CD-ROM, Leiden 2004. Lapidus, Ira: A History of Islamic Societies, Cambridge 22002. Leder, Stefan: „The Literary Use of the ‚Khabar‘. A Basic Form of Historical Writing“, in: Conrad, L. und A. Cameron (Hrsg.): Late Antiquity and Early Islam, Princeton 1992, S. 277–315. ——— „Post-klassisch und prä-modern: Beobachtungen zum Kulturwandel in der Mamlukenzeit“, in: Conermann, Stefan und Anja Pistor-Hatam (Hrsg.): Die Mamlūken. Studien zu ihrer Geschichte und Kultur. Zum Gedenken an Ulrich Haarmann (1942–1999), Schenefeld 2003, S. 289–312. Lerouge, Charlotte: L’image des Parthes dans le monde gréco-romain. Du début du Ier siècle av. J.-C. jusqu’à la fin du Haut-Empire romain, Stuttgart 2007. Levi della Vida, G.: „Salmān al-Fārisī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 12, Leiden 2004, S. 701–702. Lévi-Strauss, Claude: Traurige Tropen, Frankfurt a. M. 21978. Lewis, Bernard: Islam in History: Ideas, Men and Events in the Middle East, London 1973. ——— und Peter M. Holt (Hrsg.): Historians of the Middle East, Oxford 1962. Lorenz, Chris: Konstruktion der Vergangenheit. Eine Einführung in die Geschichtstheorie, Köln 1997.

literaturverzeichnis

283

Luhmann, Niklas: „Sinn als Grundbegriff der Soziologie“, in: Habermas, Jürgen und Niklas Luhmann: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt a. M. 1971, S. 25–100. Luther, K. Allin: „Islamic Rhetoric and the Persian Historians, 1000–1300 A.D.“, in: Studies in Near Eastern Culture and History in Memory of Ernest T. Abdel-Massih, Ann Arbor 1990, S. 90–98. Madelung, W.: „Ismāʿīliyya“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 4, Leiden - London 1998, S. 198–206. ——— „Naṣīr ad-Dīn Ṭūsī’s Ethics Between Philosophy, Shi’ism, and Sufism“, in: Hovannisian, Richard G. (Hrsg.): Ethics in Islam, Malibu/Cal. 1985, S. 85–101. Maghen, Ze’ev: „Occultation in Perpetuum: Shi’ite Messianism and the Politics of the Islamic Republic”, in: Middle East Journal 62 (2008), Bd. 2, S. 232-257. Mahdavi, Asghar: „The Significance of Private Archives for the Study of the Economic and Social History of Iran in the Late Qajar Period“, in: Iranian Studies 16 (1983), S. 243–78. Malandra, W. W.: „Zoroastrianism i. Historical Review“, in: EIr online 2005. Manz, Beatrice F.: „Tīmūr Lang“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 10, Leiden - London 2000, S. 510–13. Marashi, Afshin: Nationalizing Iran. Culture, Power & the State, 1870–1940, Seattle 2008. ——— „The Nation’s Poet: Ferdowsi and the Iranian National Imagination“, in: Atabaki, Touraj (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009, S. 93–111. Mårtensson, Ulrika: Tabari. Makers of Islamic Civilization, London 2010. Matin-Asgari, Afshin: „The Academic Debate on Iranian Identity. Nation and Empire Entangled“, in: Amanat, Abbas und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012, S. 171–90. Meisami, Julie S.: „History as Literature“, in: Melville, Charles (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012, S. 1–55. Melville, Charles: „Between Tabriz and Herat: Persian Historical Writing in the 15th Century“, in: Ritter, Markus et al. (Hrsg.): Iran und iranisch geprägte Kulturen. Studien zum 65. Geburtstag von Bert G. Fragner, Wiesbaden 2008, S. 28–38. ——— „Ḥamd-Allāh Mostawfi“, in: EIr online 2003. ——— „Historiography iv. Mongol Period“, in: EIr online 2003. ——— „History and Myth: the Persianization of Ghazan Khan“, in: Jeremiás, Éva (Hrsg.): Irano-Turkic Cultural Contacts in the 11th–17th Centuries, Piliscsaba 2003, S. 133–60. ——— „Jahāngošā-ye Jovayni“, in: EIr online 2008. ——— „Jāmeʿ al-tawārik“, in: EIr online 2010.

284

Literaturverzeichnis

——— „The Mongol and Timurid Periods, 1250–1500“, in: Melville, Charles (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012, S. 155–208. ——— (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012. ——— „Sarbadārids“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 4, Leiden - London 1998, S. 47–49. Ménage, V. L.: „Firdawsī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 2, Leiden - London 1998, S. 198–206. Menashri, David: „Iran’s Revolutionary Politics: Nationalism and Islamic Identity“, in: Binder, Leonard (Hrsg.): Ethnic Conflict and International Politics in the Middle East, Gainesville 1999, S. 131–54. Milani, Abbas: Eminent Persians, 2 Bde., New York 2008. Mojab, Shahrzad und Amir Hassanpour: „The Politics of Nationality and Ethnic Diversity“, in: Rahnema, Saeed und Sohrab (Hrsg.): Iran after the Revolution: Crisis of an Islamic State, London 1995, S. 229–250. Morgan, David O.: The Mongols, Oxford 1986. ——— „Persian Historians and the Mongols“, in: ders. (Hrsg.): Medieval Historical Writing in the Christian and Islamic World, London 1982, S. 109–25. ——— „Rashīd al-Dīn Ṭabīb“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 8, Leiden - London 1998, S. 443–44. Moscati, S.: „Abū Muslim“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 1, Leiden - London 1998, S. 141. Motadel, David: „Iran and the Aryan Myth“, in: Ansari, Ali (Hrsg.): Perceptions of Iran. History, Myths and Nationalism from Medieval Persia to the Islamic Republic, London - New York 2013, S. 119–45. Mote, F. W.: „A Note on Traditional Sources for Yüan History, in: Franke, Herbert und Denis Twitchett: The Cambridge History of China, Bd. 6: Alien Regimes and Border States, 907–1368, New York 1994, S. 689–726. Nagel, T.: „Buyids“, in: EIr online 1990. Nanji, A. „Nizāriyya“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 8, Leiden - London 1998, S. 84. Niethammer, Lutz: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbek 2000. Özkırımlı, Umut: Theories of Nationalism. A Critical Introduction, Basingstoke - New York 22010. Ourghi, Mariella: Schiitischer Messianismus und Mahdi-Glaube in der Neuzeit, Würzburg 2008. Pellat, Ch.: „al-Masʿūdī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 6, Leiden - London 1998, S. 784–89.

literaturverzeichnis

285

Petrushevsky, Ilja P.: „The Socio-Economic Condition of Iran under the Īl-Khāns“, in: Boyle, John A. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran. Bd. 5: The Saljuq and Mongol Periods, Cambridge 1968, S. 483–537. Pfeiffer, Judith: „‘A Turghid History of the Mongol Empire in Persia’. Epistemological Reflections Concerning a Critical Edition of Vaṣṣāf’s Tajziyat al-amṣār va tazjiyat al-aʿṣār“, in: Pfeiffer, Judith und Manfred Kropp (Hrsg.): Theoretical Approaches to the Transmission and Edition of Oriental Manuscripts. Proceedings of a Symposium Held in Istanbul, March 28–30, 2001, Beirut 2007, S. 107–29. Pistor-Hatam, Anja: „‚Eine Zeitung ist wie ein Spiegel, der Schönes und Häßliches reflektiert‘“. Von der Aussagekraft einer sprudelnden Quelle zur iranischen Geschichte am Ende des 19. Jahrhunderts, in: Eckert, Andreas und Gesine Krüger (Hrsg.): Lesarten eines globalen Prozesses. Quellen und Interpretationen zur Geschichte der europäischen Expansion, Hamburg 1998, S. 67–78. ——— „History and Its Meaning in the Islamic Republic of Iran: The Case of the Mongol Invasion(s) and Rule“, in: Ansari, Ali (Hrsg.): Perceptions of Iran. History, Myths and Nationalism from Medieval Persia to the Islamic Republic, London - New York 2013, S. 165–83. ——— Nachrichtenblatt, Informationsbörse und Diskussionsforum: Aḫtar-e Estānbūl (1876–1896) - Anstöße zur frühen persischen Moderne, Hamburg 1999. ——— „Übersetzungen innerhalb des islamischen Kulturraums. Übersetzungen zwischen den drei klassischen islamischen Sprachen Arabisch, Persisch und Türkisch vom 10. bis 16. Jahrhundert“, in: Kittel, Harald et al. (Hrsg.): Übersetzung Translation - Traduction. Ein internationales Handbuch zur Übersetzungsforschung, 3 Bde., Berlin - New York 2007, Bd. 2, S. 1220–1231. ——— „Ursachenforschung und Sinngebung. Die mongolische Eroberung Bagdads in Ibn Ḫaldūns zyklischem Geschichtsmodell“, in: Conermann, Stephan und Anja Pistor-Hatam (Hrsg.): Die Mamlūken. Studien zu ihrer Geschichte und Kultur. Zum Gedenken an Ulrich Haarmann (1942–1999), S. 313–34. ——— „Writing Back? Jalal Al-e Ahmad’s (1923–69) Reflections on Selected Periods of Iranian History“, in: Iranian Studies 40 (2007), S. 559–78. Poliakova, E. A.: „The Development of a Literary Canon in Medieval Persian Chronicle: The Triumph of Etiquette“, in: Iranian Studies 17 (1984), S. 237–56. Posch, Walter: „Ahmadineschad und die Prinzipalisten. Irans politische Rechte und die Perspektiven für einen neuen Elitenkompromiss“, in: SWP-Studien 2011/S 35, Dezember 2011. Radtke, Bernd: Weltgeschichte und Weltbeschreibung im mittelalterlichen Islam, Beirut 1992. Rajabzade, H.: „Jovayni Family“, in: EIr online 2009. Ram, Haggay: „Exporting Iran’s Islamic Revolution: Steering a Path between Pan-Islam and Nationalism“, in: Terrorism and Political Violence 8 (1996), S. 7–14.

286

Literaturverzeichnis

——— „The Immemorial Iranian Nation? School Textbooks and Historical Memory in Post-Revolutionary Iran“, in: Nations and Nationalism 6 (2000), S. 67–90. Ratchnevsky, Paul: Genghis Khan. His Life and Legacy (übers. u. ediert von Thomas N. Haining), Oxford 1991. Ricœur, Paul: „Can There Be A Scientific Concept of Ideology?“, in: Bier, J. (Hrsg.): Phenomenology and the Social Sciences, Den Haag 1978, S. 44–59. Ridgeon, Lloyd: Sufi Castigator. Ahmad Kasravi and the Iranian Mystical Tradition, London - New York 2006. Ringer, Monica M.: „Iranian Nationalism and Zoroastrian Identity: Between Cyrus and Zoroaster“, in: Amanat, Abbas und Farzin Vejdani (Hrsg.): Iran Facing Others: Identity Boundaries in a Historical Perspective, New York 2012, S. 265–75. Ritter, H. und A. Bausani: „Djalāl al-Dīn Rūmī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 2, Leiden - London 1998, S. 393–97. Ritter, Markus et al. (Hrsg.): Iran und iranisch geprägte Kulturen. Studien zum 65. Geburtstag von Bert G. Fragner, Wiesbaden 2008. Rosenthal, Franz: A History of Muslim Historiography, Leiden 1968. ——— „Ibn al-Athīr“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 3, Leiden - London 1998, S. 723-25. Rüsen, Jörn et al (Hrsg.): Die Vielfalt der Kulturen, Frankfurt. Erinnerung, Geschichte, Identität 4, Frankfurt a. M. 1998. ——— „Einleitung: Für eine interkulturelle Kommunikation in der Geschichte“, in: Rüsen, Jörn et al (Hrsg.): Die Vielfalt der Kulturen, Frankfurt. Erinnerung, Geschichte, Identität 4, Frankfurt a. M. 1998, S. 12–36. ——— „Geschichtsschreibung als Theorieproblem der Geschichtswissenschaft. Skizze zum historischen Hintergrund der gegenwärtigen Diskussion“, in: Koselleck, Reinhard et al (Hrsg.): Formen der Geschichtsschreibung, München 1982, S. 14–36. ——— Historische Orientierung. Über die Arbeit des Geschichtsbewußtseins, sich in der Zeit zurechtzufinden, Köln usw. 1994. ——— (Hrsg.): Meaning and Representation in History, New York - Oxford 2006. ——— „Theoretische Zugänge zum interkulturellen Vergleich historischen Denkens“, in: Rüsen, Jörn et al. (Hrsg.): Die Vielfalt der Kulturen, Frankfurt. Erinnerung, Geschichte, Identität 4, Frankfurt a. M. 1998, S. 37–73. ——— (Hrsg.): Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte, Göttingen 1999. ——— Zerbrechende Zeit: Über den Sinn der Geschichte, Köln usw. 2001. Rypka, Jan: „Poets and Prose Writers in the Late Saljuq and Mongol Periods“, in: Boyle, John A. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran. Bd. 5: The Saljuq and Mongol Periods, Cambridge 1968, S. 550–625. Saliba, G.: „Ṭusi, Naṣir-al-Din“, in: EIr online 2009.

literaturverzeichnis

287

Saunders, John J.: The History of the Mongol Conquests, Philadelphia 22001. ——— „The Nomad as Empire Builder: A Comparison of the Arab and Mongol Conquests“, in: Donner, Fred M. (Hrsg.): The Expansion of the Early Islamic State, Aldershot usw. 2008, S. 37–62. Schmidt, H.-P.: „Mithra“, in: EIr online 2006. Schmitt, R.: „Achaemenid Dynasty“, in: EIr online 1983. Scot Aghai, Kamran: „Islamist Historiography in Post-Revolutionary Iran“, in: Atabaki, Touraj (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009, S. 233–63. Scott Meisami, Julie: Persian Historiography to the End of the Twelfth Century, Edinburgh 1999. Sedighi, A.: „Translating Persian Metaphors into English“ in: Seyed-Gohrab, Ali Asghar (Hrsg.): Metaphor and Imagery in Persian Poetry, Leiden - Boston 2012, S. 205–14. Segal, Daniel A.: „Nationalism, Comparatively Speaking“, in: Journal of Historical Sociology 1 (1988), S. 301–21. Shahpur Shazbazi, A.: „Sasanian Dynasty“, in: EIr online 2005. Simon, Róbert: Ibn Khaldūn. History as Science and the Patrimonial Empire, Budapest 2002. Sivan, Emmanuel: Mythes politiques arabes, Paris 1995 (hebr. Tel Aviv 1988). ——— „Symbols et rituels arabes“, in: Annales ESC 4 (1990), S. 1005–17. Smith, Anthony D.: The Cultural Foundations of Nations, Oxford 2008. ——— „Ethno-Symbolism“, in: Leoussi, A. S. (Hrsg.): Encyclopedia of Nationalism, New Brunswick - London 2001, S. 84–87. ——— „The Genealogy of Nations: An Ethno-Symbolic Approach“, in: Ichijo, A. und G. Uzelac (Hrsg.): When is the Nation?, London - New York 2005, S. 94–112. ——— Myths and Memories of the Nation, Oxford 1999. ——— National Identity, London 1991. ——— “Nationalism and the Historians”, in: Smith, Anthony D. (Hrsg.): Ethnicity and Nationalism, Leiden usw. 1992, S. 58–80. ——— „The Nation: Invented, Imagined, Reconstructed?“, in: Millenium. Journal of International Studies 20 (1991), S. 353–68. ——— „When is a Nation?“, in: Geopolitics 7 (2002), S. 5–32. Spivak, Gayatri Chakravorty: „Can the Subaltern Speak?“, in: Nelson, Cary und Lawrence Grossberg (Hrsg.): Marxism and the Interpretation of Culture, Chicago 1988, S. 271–313. Stock, Brian: Listening for the Text: On the Usage of the Past, Baltimore 1990. Straub, Jürgen (Hrsg.): Erzählung, Identität und historsiches Bewußtsein: Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität 1, Frankfurt a. M. 1998.

288

Literaturverzeichnis

——— „Geschichten erzählen, Geschichten bilden. Grundzüge einer narrativen Psychologie historischer Sinnbildung“, in: Straub, Jürgen (Hrsg.): Erzählung, Identität und historsiches Bewußtsein: Die psychologische Konstruktion von Zeit und Geschichte. Erinnerung, Geschichte, Identität 1, Frankfurt a. M. 1998, S. 81–169. Streck, M. [Lassner, J.]: „al-Karkh“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 4, Leiden - London 1998, S. 652–53. Strothmann, R. und M. Djebli: „Taqiyya“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 10, Leiden - London 2000, S. 134–36. Sundermann, W.: „Manicheism I. General Survey“, in: EIr online 2009. Tafażżolī, Aḥmad: „Ferēdūn. Iranian Mythic Hero“, in: EIr online 2012. Tavakoli-Targhi, Mohamad: „Historiography and Crafting Iranian National Identity“, in: Atabaki, Touraj (Hrsg.): Iran in the 20th Century. Historiography and Political Culture, London 2009, S. 5–21. ——— Refashioning Iran. Orientalism, Occidentalism and Historiography, New York 2001. Tucker, Ernest: „Nāder Shah“, in: EIr online 2006. ——— „Persian Historiography in the 18th and Early 19th Century“, in: Melville, Charles (Hrsg.): Persian Historiography. A Study of Persian Literature X (Hrsg. Yarshater, Ehsan), London - New York 2012, S. 258–91. Vaissière, E. de La: „Sogdiana iii. History and Archeology”, in: EIr online 2011. Vaziri, Mostafa: Iran as Imagined Nation. The Construction of National Identity, New York 1993. Vejdani, Farzin: Purveyors of the Past: Iranian Historians and Nationalist Historiography, 1900–1941, Yale University 2009 [erscheint 2014 unter dem Titel Making History in Iran: Education, Nationalism, and Print Culture]. Verderey, Katherine: „Whither ‚Nation‘ and ‚Nationalism‘?“, in: Daedalus 122 (1993), S. 37–46. Waldman, Marilyn Robinson: Toward a Theory of Historical Narrative: A Case Study in Perso-Islamicate Historiography, Columbus/Ohio 1980. Wang, Q. Edward und Franz L. Fillafer (Hrsg.): The Many Faces of Clio: Cross-cultural Approaches to Historiography, Oxford 2007. Wehler, Hans-Ulrich: Nationalismus. Geschichte - Formen - Folgen, München 2001. Wentker, Sibylle: „Auf der Suche nach der persischen Seele“, in: Ritter, Markus et al (Hrsg.): Iran und iranisch geprägte Kulturen. Studien zum 65. Geburtstag von Bert G. Fragner, Wiesbaden 2008, S. 221–31. Werner, Michael und Bénédicte Zimmermann: „Beyond Comparison: Histoire Croisée and the Challenge of Reflexivity“, in: History and Theory 45 (2006), S. 30–50. ——— „Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen“, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607–36.

literaturverzeichnis

289

Wertsch, James V.: „Specific Narratives and Schematic Narrative Templates“, in: Seixas, P. (Hrsg.): Theorizing Historical Consciousness, Toronto 2004, S. 49–62. White, Hayden: Metahistory. The Historical Imagination in 19th Century Europe, Baltimore 1973. Wickens, G. M.: „Ḥāfiẓ“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 3, Leiden - London 1998, S. 55–57. Wiesehöfer, Josef: „Kyros, der Schah und 2500 Jahre Menschenrechte. Historische Mythenbildung zur Zeit der Pahlavi-Dynastie“, in: Conermann, Stephan (Hrsg.): Mythen, Geschichte(n), Identitäten: Der Kampf um die Vergangenheit, Schenefeld 1999, S. 55–68. Woods, John E.: „The Rise of Tīmurīd Historiography“, in: Journal of Near Eastern Studies 46 (1987), S. 81–108. Woolf, Daniel: „Of Nations, Nationalism, and National Identity. Reflections on the Historiographic Organization of the Past“, in: Wang, Q. Edward und Franz L. Fillafer (Hrsg.): The Many Faces of Clio: Cross-cultural Approaches to Historiography, Oxford 2007, S. 71–103. Wyrwa, Ulrich: „‚Holocaust‘. Notizen zur Begriffsgeschichte“, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung 8, Frankfurt a. M. - New York 1999, S. 300–11. Yūsofī, Ġ. Ḥ.: „Abū Moslem Korāsānī“, in: EIr online 2011. ——— „Bābak Korramī“, in: EIr online 2011. Zaman, M. Q.: „al-Yaʿḳūbī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 11, Leiden - London 2002, S. 257–58. Ziai, H.: „al-Suhrawardī“, in: The Encyclopædia of Islam. New Edition, 12 Bde., Bd. 9, Leiden - London 1998, S. 782–84.

3

Hilfsmittel und Nachschlagewerke

Avery, Peter et al. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. 7: From Nadir Shah to the Islamic Republic, Cambridge 1991. Boyle, John A. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. 5: The Saljuq and Mongol Periods, Cambridge 1968. Der Koran. Übersetzung von Adel Theodor Khoury. Unter Mitwirkung von Muhammad Salim Abdullah, Gütersloh 1987. Frye, Richard N. (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. 4: From the Arab Invasion to the Saljuqs, Cambridge 1975. Jackson, Peter und Laurence Lockhart (Hrsg.): The Cambridge History of Iran, Bd. 6: The Timurid and Safavid Periods, Cambridge 1986. Ritter, Joachim et al. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 12, Basel 2004.

English Contents Historiography and the History of Meaning in Iran: Historical Narratives on Mongol Invasions and Rule, 1933–2011 Preface  vii 1 Introduction  1 1 Preliminary Considerations  1 2 Chronology of the Mongol Invasions and Rule in Iran  9 3 Iranian Authors and Their Texts  10 2 Theoretical Considerations: Historiography and the Construction of Meaning  26 1 Historiography and the History of Meaning  26 1.1 Theories of Historiography: An Introduction  28 1.2 Contingency and the Construction of Meaning  40 1.3 Excursus: On the Handling of Pre-Modern Historiographic Sources  47 2 The Emergence and Development of Persian Historiography: An Overview  52 3 Nationalism and Historiography  65 3.1 Nationalism and Its Theories  66 3.2 Nationalism and Historiography in Iran  75 3.3 Analysis: Iranian Nationalism as an Ongoing Process  96 3 Historical Narratives on the Mongol Conquests and Rule in Iran  102 1 Overall View: The Consequences of the Mongol Invasions in Iran  104 2 Čengīz Ḫān (1155/56–1227): Great Commander and Cruel Invader  134 3 The Mongol Invasion under Čengīz Ḫān (1219–24): Victory and Defeat  139 4 The Mongol Governors in Iran (1224–56): An Interlude  157 5 The Mongol Invasion under Hūlāgū (1256–1258): Responsibility and Liberation  164

292

English Contents

6 The Rule of the Ilkhanids in Iran (1256–1335): Islamization and Iranization  177 6.1 The “Clash of Cultures”  180 6.2 Ġāzān Ḫān’s Conversion to Islam: A Turning Point?  188 7 The Persian Advisers and Viziers: Fighters for the Iranian Cause?  201 4 Analysis: Narratives of the Mongol Conquests and Rule in Iran: The History of Meaning  209 1 Constructions of Meaning and Fictions of Coherence  209 1.1 The “Irritation of the Breach”  219 1.2 Fictions of Coherence and the Reinterpretation of History  230 2 Historical Thought in an Intercultural Perspective: Iranian Narratives on the Mongol Era  237 2.1 The Situatedness of Iranian Historians in Their Socio-Political Context  243 2.2 A Comparison of Historical Consciousness and Historiography: Asymmetries and Asynchronicities  247 Appendix  265 Bibliography  268 English Contents  291 English Summary  293 Register der Orts- und Personennamen  321 Sachindex  325

English Summary 1 Introduction It was Āl-e Aḥmad who first prompted my interest in modern Iranian historiography vis-à-vis the Mongol conquests and rule in thirteenth- and fourteenthcentury Iran. He claims that the Mongols, eight hundred years after their conquests, were still held responsible for the presumed deterioration in the country, suggesting that it was time to reconsider their invasions.1 When in 2003, Ahmad Jabbari complained about the exhibition The Legacy of Genghis Khan: Courtly Art and Culture in Western Asia, 1256–1353, which was shown in Los Angeles and New York, respectively, my curiosity was again roused. According to Jabbari, three million people died during the Mongol invasions and their “genocide,” a tragedy that could only be compared to the “extermination of Jews and the Armenians in the 20th century.”2 The “Iranian community,” Jabbari continues, was deeply upset by the inappropriate title of this exhibition. As far as modern Iranians’ attitude toward the Mongol invasions and the rule of the Ilkhanids (1256–1335) is concerned, two considerations are especially revealing: first, the fact that “Iran,” for the first time since the Arab conquests of the seventh century, again came to denote a political entity. Second, the Mongolian conquests brought about war, destruction, starvation, disease, displacement, and temporarily ended Islamic rule. Could it really be that the “trauma” caused by these incidents as it is described by Muslim and Western authors alike, has continued to effect generations to come until the present? Or could this alleged “trauma” not simply be seen as part of a meta-narrative of modern historiography? In order to locate answers to these questions, this work will study historical narratives on the Mongol era published in Iran from the 1930s to the present. The majority of these narratives were written and published as textbooks to be taught at schools and universities, where they have made a large imprint on public historical consciousness. My aim in analyzing these Persian historiographical texts is neither to compare them to scholarly literature written outside of Iran nor to deconstruct them. Rather than applying standards to these 1 Āl-e Aḥmad, Ǧalāl, Dar ḫedmat va ḫiyānat-e roušanfekrān, Tehran 1372hš/1993, quoted in Āl-e Aḥmad, Adab va honar, vol. 1, 80–81. 2 Jabbari’s complaint can now only be found at http://www.payvand.com/news/03/jun/1074 .html.

© koninklijke brill nv, leiden, ���4 | doi 10.1163/9789004271876_008

294

English Summary

texts that might be unfamiliar to their authors, they shall instead be evaluated on the basis of their own self-concepts.3 To arrive at an understanding of these self-concepts, the authors’ intellectual ties, be they synchronic or diachronic, will need to be considered. So, too, will the way in which non-Iranian scholars influenced their Iranian colleagues through their historical narratives. Many writers of historical narratives on the Mongol era cannot be considered professionals in the sense that they were educated as historians. Therefore, the term “historiography” as it is used here refers to historiographical texts in the widest sense, regardlessof their authors’ education or profession. This volume will provide short bibliographies of the authors cited, beginning with ʿAbbās Eqbāl (1897–1956) and ending with Saǧǧād Dādfar (b. 1972), and including the relevant contributions to conference proceedings published in 2000. All of these authors will be further discussed in the concluding chapter. Apart from the self-concepts of Iranian historians, the most vital aspect of my analysis will be devoted to “history and meaning” (Sinngeschichte, J. Assmann),4 exploring such questions as: What is the meaning bestowed on the Mongol era by modern historical narratives written in Iran? How are fictions of coherence constructed to give meaning to the historical events of the epoch? Such an analysis, in addition to scholarly work in general, necessarily involves distanciation, that is, an “active taking of distance,” or “the condition of the possibility of a critique of ideologies, not without, but within hermeneutics.”5 Chapter two of this volume defines the theoretical framework of this study. An introduction to historiography and the history of meaning reveals my own presuppositions (Vorannahmen) in addition to my own viewpoint (Stand­ punktreflexion) in regard to the theories used. Because the Iranian authors discussed were also affected by their own presuppositions alongside the changing conditions regarding nationalist discourses and historiographical traditions, this chapter also includes an overview of Persian historiography and its entanglement with Iranian nationalism. The third chapter re-narrates the Iranian authors’ narratives under various thematic headings that are particularly relevant to the history of meaning. The fourth chapter provides an analysis of these narratives within the framework of the theoretical considerations explored in chapter two. 3 Rüsen, Zerbrechende Zeit, 265. 4 Assmann, Ägypten, 19–26; English translation in Jan Assmann, The Mind of Egypt: History and Meaning in the Time of the Pharaohs (Cambridge, 2003). 5 Ricoeur, “Concept of Ideology,” 58–59.

english summary

295

In my analysis of the historical narratives on the Mongol period under review, I will come to the following conclusions:

· Present-day carrier groups in Iran consider the Mongol invasions a trauma,

a genocide, or even a holocaust, and call for recognition of the pain suffered by their ancestors and—due to the nation’s collective memory— themselves. In order to transform defeat into victory, the narrative of the Iranian phoenix persistently rising from the ashes is used to reinterpret history: helped by their superior (Islamic-) Iranian culture and civilization, the Iranians successfully overcame the Mongols and tamed the Mongolian dragon. According to a frequently repeated narrative, the Mongol conquest of Baghdad and the fall of the Abbasid caliph transforms itself from an “irritation of the breach” for contemporary Iranians and Shiites into a long-desired, hailed event, that is, the liberation from the Abbasid-Arab-Sunni yoke. Most authors quoted in this study emphasize the mental superiority of “Iranianness” on the basis of cultural heritage. Therefore, their views are in accordance with Boroujerdi’s notion of “heritage-ism.” By reinterpreting history in relation to Ġāzān Ḫān’s conversion to Islam, the Mongol enemy is seen as forever subdued, conquered and conquerors are seen as having changed places, the Islamic-Iranian principle as having prevailed, and Shiite Islam as having become the predominant religion in Iran. This fiction of coherence speaks of the beginning of a new era, equivalent to the victory of the “Iranian principle,” the triumph of the Shia, and the reestablishment of an Iranian nation-state. According to primordial nationalist assumptions, the nucleus of Iranianness is ultimately indestructible. Iranian historiography up to this day is strongly determined by the contextualization of historical consciousness in a literary tradition of myths and legends and the ideologically dominated narratives of various political currents. Only by assuming that these narratives are to be understood in the context of a relativistic history of meaning that, instead of deconstructing these fictions of coherence recognizes them as plausible, is it at all possible to appreciate large parts of their content. Because the Iranian authors cited in this study have not accepted new paradigms in international historiographical research, the “principle of mutual recognition” has only rarely been applied during the last thirty years.

· · · ·

· · · ·

296 2

English Summary

Theoretical Considerations: Historiography and the Construction of Meaning

1 Historiography and the History of Meaning In order to retrace, classify, and appraise modern Iranian historiography, one has to reflect “one’s own manner of historical thought.”6 Consequently, the basic questions formulated in this study have to be situated in the context of international historiography. This chapter will do so, in addition to providing a survey of Persian historiography in order to point to the differences and similarities among diverse traditions of the field. As a matter of course, national historiographies are still influenced from across national borders or linguistic boundaries. Bound by their common subject, modern Iranian historians have always reverted to academic texts published by foreign scholars, whose works were often translated into Persian. In order to place these authors’ selfconcepts into the general framework of historiography, the socio-political context in which they were educated and worked needs to be kept in mind. After all, historians are part of the political game.7 1.1 Theories of Historiography: An Introduction Historiography is based on several constitutive assumptions, one of them being that, assisted by their uninfallible methods, historians are able to collect pieces of data about the past.8 Because their historical narratives are reconstructions based on factual evidence, they claim to be realistic.9 At the same time, each strand of an argument set forth by a historian is part of a context of reasoning, in which the results of one scholar’s research may or may not be accepted as adequate representations of past reality by other scholars.10 The forthrightness of a historical treatise, the essential evidence, combined with the methodical rules laid down by a community of scholars, allows the traceability and logical reasoning of historiography.11 As regards the question of a scholar’s objectivity concerning her subject matter, she has to reveal herself as a cognitive subject framed by certain normative values (Wertehorizont). In reflecting her own viewpoint, she has to detect the normative perspectives 6 Rüsen, “Theoretische Zugänge,” 40–41. 7 Lorenz, Konstruktion, 176. 8 Ibid., 180. 9 Ibid., 181. In the absence of an adequate English term, I translate the German wirklichkeits­ adäquat as “realistic.” 10 Ibid., 185. 11 Ibid., 186.

english summary

297

inherent in her object of study.12 In other words, the historian, “the facts, and the texts are part of a single process. He is not an innocent bystander.”13 Narrative sources, in turn, are subjective, because historical figures decide what they wish to hand down to ensuing ages. Therefore, historians who can only look at the past through the lens of these figures’ observations are at the mercy of their observation theories.14 Furthermore, history as historical reality is a representation, bounded by retrospection and changeability, and is therefore part of the present and the code of practice it observes at a given time.15 In order to be accepted, constructs of historical awareness have to be based on certain causes, motivations, and criteria, which promote their rational acceptability and provide a guiding function for the present.16 To avoid the pitfalls of Eurocentrism, historical thought has to be analyzed in a comparative manner. More precisely, as regards this study, one has to look at the situatedness (Verortung) of modern Iranian historiography in Iran on the one hand, and at the realm of international academic exchange on the other. In addition, since Iranian history is written by Iranian as well as nonIranian scholars, their scholarly traditions and historical reasoning as well as creation of historical realities and meaning have to be taken into account. The German historian Jörn Rüsen has theorized on the “intercultural comparison of historical thinking.” His considerations led him to search for similarities or universals of historical thought in different cultures with various conceptions of time and meaning.17 According to Rüsen, there is no exclusive and generally accepted historical interpretation of historical facts, because the same facts are always seen through different lenses. As such, the perspectival nature of historical narrative and the diversity of historical thought need to be accepted as a given.18 To accommodate multiple perspectives on historical circumstances presupposes a “universal category of equality,” which includes the assumption of “equality in the use of reason to establish the plausibility of histories,” accompanied by the “principle of the reciprocal appreciation of differences.”19 As regards modern Iranian authors’ narration of the Mongol

12 Ibid., 370, 385–88. 13 Stock, Listening, 83. 14 Lorenz, Konstruktion, 390–93. 15 Straub, “Geschichten erzählen,” 97–98. 16 Ibid., 98. 17 Rüsen, “Einleitung,” 16. 18 Ibid., 27, 32. 19 Ibid., 29.

298

English Summary

period of Iranian history, it will be shown that Rüsen’s universal category of equality is difficult to maintain. 1.2 Contingency and the Construction of Meaning As a basic principle, human experience of temporal change provokes confusion, especially when change is attended by contingency. By integrating experiences of contingency into a concept of temporal order, historical consciousness construes experiences and gives them meaning.20 The confusion brought about by a breach or rupture (Irritation des Bruchs) has to be mended by historiography, which infuses historical contingency with significance.21 Historical narrative enables comprehension, because it not only describes and makes plausible what, but also why something happened.22 As a “mental response to the challenges of contingency,” historical consciousness situates contingency in a narrative structure, giving it meaning while offering a cultural frame of orientation to human action.23 In the case of traumatic experiences, historiography transforms trauma into history.24 Acting on the assumption that there are multiple meanings and a “plurality of history,”25 one can only speak of the history of meaning (Sinngeschichte) in an abstract sense. Fictions of coherence play an important part in Jan Assmann’s theory of “history and meaning.” Since, as Assmann states, our world is a “meaningful structure,” whose “meaning is made up of collective projections and fictions [. . .], narration and the construction of fictions of coherence is not simply and solely the work of historians, but rather a necessary condition for any kind of historical awareness, any experience of history.”26 1.3 Excursus: On the Handling of Pre-Modern Historiographic Sources This chapter provides an overview on pre-modern historical narratives and their value as literary sources, as discussed by Scott Meisami, Luther, Melville, and Poliakova. As will be shown in the conclusion, the Iranian authors under review neither consider their pre-modern historiographic sources as belonging to a literary genre, nor do they expound on the problem of their subjective content. 20 Ibid., 51–52. 21 Ibid., 50. 22 Straub, “Geschichten erzählen,” 149. 23 Rüsen, Zerbrechende Zeit, 150. 24 Ibid., 176. 25 Galtung, “Meaning,” 91. 26 Assmann, The Mind of Egypt, 7–8.

english summary

299

The Emergence and Development of Persian Historiography: An Overview To appreciate the historical thought of modern Iranian historians, it is necessary to understand the traditions of Persian historiography. For this reason, chapter two addresses the current state of research on Iranian historiography on the Mongol era and the nineteenth century to the present. In other words, it relates directly to the historiographical sources used by historians of the Mongol period on the one hand, and to the development of modern Iranian historiography on the other hand. 2

3 Nationalism and Historiography 3.1 Nationalism and Its Theories As the historical narratives on the Mongol invasions and rule in Central and Western Asia reviewed in this study indicate, they were clearly influenced by the needs of the Iranian nation-state as it had been developing since the early twentieth century. In order to formulate statements on “Iran” or the “Iranian nation” during the Mongol era that are clearly based on modern nationalist assumptions, it is necessary to discuss the current research on nationalism. This discussion is based mainly on Umut Özkırımlı’s “Theories of Nationalism” and his theoretical considerations. One of Özkırımlı’s main arguments is that, due to the diversity and heterogeneity of nationalist movements and ideologies, it is impossible to create a comprehensive theory of nationalism. Rather, it is more prudent to devise a theoretical framework for the study of particular nationalisms and then augment it with theories capable of explaining the various aspects of national phenomena.27 According to Özkırımlı, “nationalism” is a discourse that represents a particular worldview, serving as a frame of reference that helps us understand and organize our surrounding reality. In this sense, “discourse” not only relates to ideas, but also to institutions, structures, daily routines, and specific rituals that dominate all social relations.28 As a “perspective on the world,” nationalism construes its reality and is itself socially constituted.29 3.2 Nationalism and Historiography in Iran Modern Iranian historiography developed amid the context of Iranians’ encounters with contemporary notions of history and historiography at home and abroad and, in equal measure, amid their encounters with the theoretical 27 Özkırımlı, Theories of Nationalism, 205. 28 Ibid., 206–207. 29 Ibid., 208.

300

English Summary

discussions and practical consequences of European nationalisms. This chapter offers a précis of the ways in which these processes have affected Iranian intellectuals since the mid-nineteenth century. Based on the assumption that there is no national historiography without nationalism, it will recount the emergence of Iranian nationalism and its various characteristics. The chapter will also discuss the interrelatedness of Iranian historical research and the scholarly output of non-Iranians. 3.3 Analysis: Iranian Nationalism as an Ongoing Process Iranian nationalism has been shaped by the primordial notion that an Iranian nation has existed since time immemorial. This idea was influenced by mythic narratives and legends like Ferdousī’s Shahnameh as well as by European models of nationhood. Early figures of Iranian nationalism fell back on a storehouse of traditions they found in the “reservoir of the historically pre-given” [Langewiesche]: the ancient Iran of the Achaemenids, Zoroastrianism, and the Persian language. Through modes of formalization, ritualization, and repetition, these former traditions, albeit clothed in new garments, were thought to be connected to the past and to reflect the indisputable continuity of “Iranianness.” This kind of nationalism evidently alludes to “culture” or “cultural heritage,” whereupon “culture” is solely understood in the sense of “high culture,” that is, first and foremost as texts presented in Persian. At the same time, an identity claim [Özkırımlı] that prioritizes “the values of the nation” and perceives them as the single source of political and social legitimacy cannot be discerned in Iranian nationalism at large, since religion often figures prominently in its discourses. Although Islam was repressed as a major element of national identity under the Pahlavī-Shahs, it did play an important role in some of the contemporary counter-discourses. However, even if Shiite Islam is regarded as the most vital aspect of the “values of the nation,” these may still gain priority, as seems to be the case in the “Iran-Islam” phase of the Islamic Republic.30 As far as the temporal claim [Özkırımlı] of nationalist discourse is concerned, the recourse to a glorious pre-Islamic era as well as selected phases of the Islamic era became established.31 A spatial claim had already been made by early Iranian nationalists who emphasized the territorial existence of the Iranian “homeland,” invested with a soul, spirit, and biography that manifested itself in its national culture, literature, and history. However, as the definition of a nation is an “ongoing process” and “the choices of the nationalist discourse

30 31

Amirahmadi, “Iran,” 29. See also Tavakoli-Targhi, Refashioning Iran, 97.

english summary

301

are actually the sedimented and contingent outcomes of social practices that can be challenged or changed,”32 nationalist discourses in Iran—be they official or counter-discourses—have equally been continually adjusted and remade. Both inwardly and outwardly, the recourse to the linear time of the nation [Özkırımlı] provides a basis for pride and dignity, conveying the image of an Iranian nation that traces itself back to the “founder of human rights”, i.e. Cyrus the Great, and, in this way, beats Iran’s Western enemies at their own game. 3

Historical Narratives on the Mongol Conquests and Rule in Iran (1219–1335)

This section presents Iranian authors’ historical narratives of the Mongol conquests and rule in Iran. These accounts are not commented on, but are instead re-narrated in relation to each other. Commentaries and interpretations of the texts as well as their contextualization concerning the already discussed general themes (historiography, nationalism, the history of meaning, and intercultural comparison of historical thought) will take place in the final analysis. The chronological sequence of these narratives—with regard to their respective dates of publication—will allow the reader to detect recurrent themes, influences from one generation to the next, and the authors’ situatedness in their respective historical and socio-political contexts. With the help of a number of selected relevant themes in regard to the history of events, only those narratives that allude to the construction of meaning are addressed here. As a basic principle, this overview of historiographical sketches from the Mongol era is based upon the assumption that historical realities are constructions created by the act of the historical production of meaning.33 This chapter does not describe the Mongol invasions or their rule in Iran. Instead, it traces those narratives that can shed light on the construction of meaning in regard to recurrent themes that arise in the retelling of historical events. In this regard, the “Overall View” provides an overview of those narratives that examine the Mongol period in Iran in general. The authors of these narratives express their views concerning Čengīz Ḫān’s invasions of 1219–24, Hūlāgū’s campaign of 1256–58, the subsequent rule of the Ilkhanids, and the cultural, social, political, psychological, and economic repercussions of these events. Other parts of this chapter deal with Čengīz Ḫān as an individual, the reasons for his victories, and, correspondingly, the defeat of “the Iranians.” 32 Özkırımlı, Theories of Nationalism, 210. 33 Straub, “Geschichten erzählen,” 85–87.

302

English Summary

Equal attention is paid to the period 1224–56, and to the final abasement of the Ismailis and the Abbasid caliph. As regards Ilkhanid rule, two aspects will be highlighted: first, the conversion of the Ilkhan Ġāzān to Islam, and, second, the “clash of cultures” between the Mongols and Iranians. The last part of this chapter will attend to the Persian viziers as the courtiers of the Mongol rulers. 4

Analysis: Narratives of the Mongol Conquests and Rule in Iran: The History of Meaning

Based on the theoretical framework established in chapter two and the overview of the development of historiography and nationalism in Iran, this chapter sets forth an analysis of the narratives presented in chapter three. It can already be stated that the historical thought that underlies these narratives is closely connected to a literary tradition of myths and legends on the one hand and Iranian nationalism on the other. 1 Constructions of Meaning and Fictions of Coherence As socio-cultural sites, modern states have a storehouse of narratives and other cultural tools at their disposal to fabricate a cultural memory and supply their citizens with official accounts of the past.34 In this way, history is crafted and the objective modernity of nation-states is furnished with a subjective antiquity. This “crafted common history,” then, becomes the “point of reference of political action.”35 In the process, schematic narrative templates or metanarratives “provide a narrative framework that is compatible with many instantiations in specific narratives.”36 These meta-narratives “belong to particular narrative traditions that can be expected to differ from one cultural setting to another” and are “not readily available to conscious reflection.”37 One such meta-narrative, called the “triumph-over-alien-forces,”38 can be easily applied to Iran: In their initial situation the Iranians are living in peace, posing no threat to other peoples; this situation is brutally interrupted by the aggression of an alien force—Alexander the Great, the Arabs, the Mongols—which, in turn, leads to a period of crisis and defeat that is again overcome by the 34 Wertsch, “Specific Narratives,” 50. 35 Elwert, Nationalismus, 7–8. 36 Wertsch, “Specific Narratives,” 51. 37 Ibid., 57. 38 Ibid.

english summary

303

triumph over the alien invader by the culturally superior Iranian people.39 Nations that establish their identity based on victim consciousness or victimization, bear suffering and injustice in remembrance in order to bring about their society’s solidarity, legitimize their claims, and mobilize resistance.40 Consequently, historiography as it is written by the defeated is often charac­ terized by self-auratization and myth-making. Hence, the response to the real experience of national humiliation lies in an arsenal of phantasmal reinterpretations—counter-proposals, transforming defeat into spiritual or moral elevation. In this way, the losers on the battlefield are able to save face and become the mental victors.41 Aggression by an alien force like the Mongols, who wrought havoc in the regions they conquered, is undoubtedly devastating for the populations concerned. However, cultural trauma only occurs when the members of such a collective are convinced that they have been subjected to “a horrendous event that leaves indelible marks on their group consciousness, marking their memories forever, and changing their future identity in fundamental and irrevocable ways.”42 Thus, cultural trauma is created when the members of a society, more specifically carrier groups, allege a fundamental threat to their selfimage, claiming “emotional, institutional, and symbolic reparation and reconstitution.”43 To convince a wider audience of their collective trauma, the carrier group has to “engage in successful meaning work.”44 In the case of Iran, present-day carrier groups consider the Mongol invasions a trauma, a genocide, or even a holocaust, and call for recognition of the pain suffered by their ancestors and—due to the collective memory—themselves.45 The direct or indirect comparison of the Mongol conquests to the destruction of European Jewry in the twentieth century is a skillful maneuver as far as the construction of meaning is concerned. This analogy explains why the Mongols were at all able to conquer Iran: because they were as brutal, well-equipped, and wellorganized as Nazi Germany, resistance was futile. Like the Jews who were slaughtered, the Iranian people of this period thus became passive victims who had no chance to defend themselves, given the overwhelming aggression 39 For this narrative, see ibid., 57–58. 40 Assmann, Schatten, 65. 41 Ibid., 70. 42 Alexander, “Theory,” 1. 43 Ibid., 10–11. 44 Ibid., 12. 45 Dastġeib, Hoǧūm, 16, 124; “Payām-e raʼīs-e dānešgāh,” in Hoǧūm-e moġūl, vol. 1, ix–xi, especially x.

304

English Summary

directed against them in an asymmetrical war. This reinterpretation of history conceals, among other things, the fact that the Khwarezmian military, not to mention entire towns, did indeed resist the Mongol advance, as well as that the aggressors in some cases were helped by townsfolk who opened their gates to them. Although they do also characterize the invasions as exceedingly vicious, not least to explain the Mongol victory, the majority of the authors quoted here do not regard the conquered as victims of a genocide. Amid the backdrop of a national historical narrative, it seems more plausible to depict the Mongol era in such a manner as to harmonize it with a continually resurrected Iranian identity. This narrative of the Iranian phoenix persistently rising from the ashes succeeds mainly as the consequence of another form of the construction of meaning or reinterpretation of history: aided by their superior (Islamic-) Iranian culture and civilization, Iranians overcame the Mongols; they tamed the Mongolian dragon, transforming their defeat into victory. In view of the definition of historiography as a “science of self-understanding,”46 modern Iranian historiography’s task is to integrate the Mongol era into a national historical narrative coming into existence eight hundred years later and to give meaning to this era in the context of this particular history that is to be told “from its beginnings to the present day.” For that reason, the historical narrative does not concentrate on the immediate coming to terms with contingent events and the possibly resulting traumas. Instead, it gives meaning to these events retrospectively by using fictions of coherence. Despite the changing social and political circumstances, these narratives advance the notion of an eternal, indestructible Iranianness and the reinterpretation of events confirming this fiction, in order to declare Iranianness as the true victor that defeated the Mongols and all other invaders. Accordingly, these narratives confirm and protect the self-awareness of the present-day Iranian nation, offer it security, and open a future perspective. 1.1 The “Irritation of the Breach” The historical narratives under analysis describe the Mongol invasions and rule in Iran as a dramatic event beyond comparison. Congruently, they also comprise the main components for the construction of this cultural trauma: the pain of the Iranian victims, the guilt of the Mongol aggressors, and the ideational consequences their conquest had for the further advance of Iranian civilization.47 The Mongol invasion is seen as the most devastating of all the 46 Lorenz, Konstruktion, 410. 47 See Alexander, “Theory,” 12–15.

english summary

305

assaults on the civilization, culture, and existence of Iran. The Mongols’ destruction of science and scholarship, burning of libraries, and killing and capturing of scholars brought about a rupture with the pre-Mongol era in Islamic Iran. Yet, how profound this rupture was, is a matter of debate. While some authors claim that the thread of the bond (rešte-ye etteṣāl) between preMongolian and Mongolian Iran had been torn,48 others disagree. The latter maintain that despite increasing moral corruption under the Mongols, the idea of Iran nonetheless persisted.49 Accordingly, the link between the people of both epochs was maintained, and there was no detachment of their cultural relations because the cultural and religious steadfastness of the contemporary Islamic world was stronger than its political constancy.50 However, the consequences of the Mongol invasions and rule did profoundly affect the people’s disposition. The inhabitants of Iran suffered a frightful emotional blow, which led to changes in their way of thinking and convictions and ultimately gave rise to the lowest level of stagnation. These developments were characterized by humiliation and abasement, despair, grief, and frustration, as well as a sense of permanent insecurity, to which were added feelings of capitulation, a lack of interest in their own religion, servility, and hypocrisy. A nation that had been completely stupefied by the Mongol invasion abandoned its values and became weak and feeble.51 However, not all the authors cited agree with this pessimistic assessment. Despite the tendency to superstition they detect in the population, they also emphasize its courage, altruism, nobility, and pugnacity.52 Furthermore, according to the cited narratives, the devastation wrought by the Mongols left a profound imprint on the scholarly development as well as social life of Iran. The destruction of the former Iranian civilization brought about a decline that subsequently led to European superiority in the cultural domain. Even now, these effects of the Mongol period in Iran are still to be felt.53 Nevertheless, Iranian society in pre-Mongolian times was not perfect. Fighting among the adherents of different Islamic beliefs; hostilities among the leaders of Sunni law schools; corruption, and superstition among the 48 See, for example, Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 303. 49 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 81–82; Alborz, “Seirī dar šeʿr,” 84–86. 50 Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 15. 51 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 100, 108; Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 59, 87; Dastġeib, Hoǧūm, 34; Eṣfahānīyān, “Taʾs̱īr-e īlġār,” 78; Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī, “Molāḥeẓāt,” 401; Foyūżāt, “Taḥavvol-e farhangī,” 879–80; Qāsemlū, “Negarešī,” 891–93, 898–99. 52 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 96; Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 54–55; Alborz, “Seirī dar šeʿr,” 84–86. 53 Dastġeib, Hoǧūm, 16; Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 83, 305; Foyūżāt, “Taḥavvol-e farhangī,” 879– 80; Qāsemlū, “Negarešī,” 885–94.

306

English Summary

population; rulers’ brutishness and incompetence; and their dignitaries’ profligacy all contributed to the impairment of society. There was neither the hopedfor national unity, nor could one expect that the state would care for the well-being of its population. Sufism is also blamed for the weakness of the Khwarezmian state. Due to its austerity and fatalism, the population’s increasing embrace of Sufism had negative consequences for society. This tendency even intensified after the Mongol invasion, when people sought refuge in convents and believed what many a Sufi told them: that Čengīz Ḫān was proof of God’s wrath and His tool to castigate the Muslims.54 Bayānī, however, calls mysticism a form of medicine and ascribes an important function to it, since Sufism served as a bond with Iran’s pre-Islamic cultures and religions.55 Apart from the grievances in pre-Mongol Iran and the enormous power of the Mongolian aggressors, there were further factors contributing to the defeat of the realm of the Khwarazm Shah. The shah was primarily held responsible for the Mongol invasion and victory at this particular time. Even if some positive qualities are attributed to ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad,56 the authors agree that he acted unwisely. The shah’s enmity with the Abbasid caliph, the people’s discontentedness, as well as internal factionalisms in the political and military leadership, impaired his empire’s ability to resist the Mongolian forces.57 As far as internal factionalisms are concerned, the shah’s mother, Turkān Ḫātūn, her Turkic entourage, and the quarrelling military commanders are blamed for having enfeebled the state.58 Occasionally, the Khwarazm Shahs at large are seen as “foreign Turks” and usurpers, marked by tribal feudalism, lacking a common nationality, “race,” and organization in their military.59 Wrong decisions in the political as well as the military sphere, combined with the shah’s indecisiveness, helped facilitate the invasion of the numerically inferior Mongols. Even if the Mongols were to invade Iran in any event, to obtain control of the trade routes to the Mediterranean and farther on to Europe, the narratives under review agree that the killing of nearly five hundred Mongolian 54 Dastġeib, Hoǧūm, 18–22; Qāsemlū, “Negarešī,” 898–99; Kasāyī, “Sar-goẕašt-e dāneš­ mandān,” 957–58; Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 131–33. 55 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 2, 653–63. 56 Panāhī, Čengīz Ḫān, 10; Dādfar, Ḥamle-ye moġūl, 28; see Dastġeib, Hoǧūm, 148, 168. 57 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 93–97; Enṣāfpūr, Sāḫt-e doulat, 674–76, 680; Panāhī, Čengīz Ḫān, 11, 35; Zarrīnkūb, Seirī, 70; Dastġeib, Hoǧūm, 148–50; Momtaḥen, “Naqš,” 1202; Ālyārī, “Čengīz,” 46; Šarafī, “ʿElal-e tahāǧom,” 790–91. 58 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 93, 95; Bahrāmī, Tārīḫ-e Īrān, 853; Panāhī, Čengīz Ḫān, 10–11; Dastġeib, Hoǧūm, 190. 59 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 75, 85–86; Panāhī, Čengīz Ḫān, 10–11.

english summary

307

merchants in the border town of Otrār triggered their invasion at this particular time. Whether or not the majority of these merchants, who included quite a few Muslims, were really spies and an advance party of the Mongol army; and whether the governor of Otrār had them killed at the order of the shah or had acted independently and out of greed, the shah committed a grievous error. ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad’s refusal to deliver his governor to Čengīz Ḫān is seen as a foolish act that ran counter to contemporary diplomatic practices. Because of this unwise decision, the Mongol ruler had no choice but to order the immediate attack of the shah’s empire.60 Despite the measure of continuity prior to and following the Mongol invasion claimed by many of the authors quoted in this study—not least to make plausible the fiction of an indestructible Iranian heritage—the rupture is still deemed enormous. While “the Iranians” are described as sedentary, sophisticated, civilized, acting on a very high cultural level, and disposing of distinguished sites of scholarship, the Mongols are depicted as dark, wild, yellow-skinned Tatars, and uncivilized, uncultured nomads.61 This dichotomy serves to strengthen the contrast between conquered and conquerors. On the one hand, it promotes the view that there was no way to resist the onslaught of bloodthirsty savages who mercilessly advanced into foreign territory, lacking any kind of respect for an already existing, superior culture. On the other hand, the conquered Iranians possessed a cultural heritage that encompassed Islam, Persian literature, and statesmanship as it was cultivated by its leading families. Thus, assisted by wisdom and solicitude, they later succeeded in ending foreign rule and beating the fire-breathing Mongolian dragon.62 In this way, a military defeat is reinterpreted as a mental victory ascribed to the supposed religious and cultural superiority of the original victims. Even though Čengīz Ḫān is described as one of the world’s most brutal and merciless conquerors, several authors mentioned here credit him with those qualities necessary to achieve such a conquest: decisiveness, volition, aptitude, 60 Eqbāl, Tārīḫ-e mofaṣṣal, 417; Mortażavī, Masāʾel, 71; Rāvandī, Tārīḫ-e eǧtemāʿī, vol. 2, 285; Ǧaʿfa-rīyān, Yoreš, 23–25; Dādfar, Ḥamle-ye moġūl, 35–37, 43; Ālyārī, “Čengīz,” 45; Momtaḥen, “Naqš,” 1193. 61 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 100; Mortażavī, Masāʾel, xvi, xx; Panāhī, Čengīz Ḫān, 39, 112–13; Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 1, 83–84; Esmāʿīlī, Čengīz, 345; Dastġeib, Hoǧūm, 11; Alborz, “Seirī dar šeʿr,” 86–87; Dādfar, Ḥamle-ye moġūl, 81–82; Qadyānī, Tārīḫ, 11–12; Panāhī, Čengīz Ḫān, 35; Zarrīnkūb, Seirī, 73. 62 Alborz, “Seirī dar šeʿr,” 86–87; Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 15; Dādfar, Ḥamle-ye moġūl, 81–82; Qadyānī, T ārīḫ, 11–12; Bayānī, Īrān, 46; Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 304–305, 348–50; Kasāyī, “Sargoẕašt-e dānešmandān,” 988–90; Mortażavī, Masāʾel, 274–75.

308

English Summary

courage, and cold-bloodedness.63 Some even go so far as to describe him as possessing fairness, given his impartiality and lack of bigotry.64 Yet others disagree, arguing that a ruler who acted with such brutality could in no way be called just—and that his fairness, voraciousness, candor, and discipline originated solely from the Mongols’ aggressive logic.65 Apparently, only those Mongol rulers who converted to Islam could be described as just, because a ruler’s justice has to be closely connected to his being a Muslim. Three authors attempt to place the cruel behaviour of the Mongol conquerors into perspective and compare them with contemporary rulers, asserting that this kind of cruelty was part of the then-common policy of conquest, shared by the Khwarazm Shahs and their neighbours.66 This attempt at contextualization can also be understood as an effort to diminish the Mongols’ singularity, ferocity, and horror. Protesting against this supposed distortion of history, another author claims that other conquerors like the Seldjukids, the Ghaznavids, and the Khwarazm Shahs themselves had been forced to kill people when they wished to expand their territories. Contrary to the Mongols, however, these conquerors had subsequently cultivated the subjugated regions.67



The conquest of Baghdad and the assassination of the Abbasid caliph in 1258 caused an enormous irritation in the contemporary Islamic world. In fact, this incident had been predictable insofar as Hūlāgū had been assigned to subdue the remaining enemies of the Mongols. As the caliph nonetheless refused to assist Hūlāgū in his war against the Ismailis, his fate was sealed. Apparently, neither the caliph nor the population residing in areas not yet invaded by the Mongols took the fate of the already conquered as a warning.68 In the narratives discussed here, the Abbasid caliph, like the Khwarazm Shah, is largely blamed for the next Mongol invasion. Even though al-Muʿtaṣim is portrayed as 63 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 70; Eqbāl, Tārīḫ-e mofaṣṣal, 444–45; Dastġeib, Hoǧūm, 110, 114, 117, 121. 64 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 71; Mortażavī, Masāʾel, 272. 65 Bahrāmī, Tārīḫ-e Īrān, 860; Dastġeib, Hoǧūm, 141; Panāhī, Čengīz Ḫān, 78–80; Rāvandī, Tārīḫ-e eǧtemāʿī, vol. 2, 287–88. 66 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 71–72; Mortażavī, Masāʾel, 169–70; Ḥoseinī Kāzerūnī, “Čengīz Ḫān,” 505. 67 Dastġeib, Hoǧūm, 1–26. 68 Eqbāl, Tārīḫ-e mofaṣṣal, 488.

english summary

309

a devout Muslim, his foolishness and instability are seen as more important.69 While rejoicing in the defeat of his adversary, ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad, he overheard the latter son’s cry for help. Ǧalāl od-Dīn’s defeat ultimately paved the way for the Mongol conquest of Baghdad.70 Since the question of Shiite guilt concerning the fall of Baghdad is a leitmotif in many historical narratives written by contemporary Sunni authors, modern Iranian historians, too, discuss the role played by Shiites, mainly the Abbasid vizier Ibn al-ʿAlqamī and the scholar Naṣīr od-Dīn Ṭūsī. Ibn al-ʿAlqamī is especially seen as having had a strong influence on the events leading to the fall of the Abbasid capital. Yet, according to several authors, he was no traitor and never directly communicated with Hūlāgū. Instead, the vizier was defamed by his adversaries at the Abbasid court.71 Still, this removal of guilt is not supported by all writers, leading to characterizations of Ibn al-ʿAlqamī as a traitor and a religious fanatic whose feelings of hatred and vengeance prompted him, along with other Shiites like Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, to help the Mongols in their battle against the Abbasids.72 Even those authors who are of the belief that Ibn al-ʿAlqamī was mainly in search of a means of bringing about Baghdad’s peaceful surrender do not remain silent concerning his probable motives. They present him as a man who, as a Shiite, hated the Abbasid caliphate and the Sunnis, and had been especially offended by the recent attacks on the Shiite quarter Karḫ and Imām Mūsā’s sanctuary. Had he indeed betrayed the Sunnis, this would therefore have only been natural.73 Thus, Ibn al-ʿAlqamī’s presumed guilt, or his alleged responsibility for the overthrow of the Abbasids, is reinterpreted as an act of liberation. Overall, the Iranian and Iraqi Shiites’ desire for revenge and their long-cherished yearning for the downfall of the Abbasids are clearly insinuated. This Iranian “social spirit” or “covert desire” went hand in hand with the anticipation of the Twelfth Imam,74 whose advent was believed to involve the arrival of an army of Turkish ġāzīs from the East.75 For many years, the Shiites had been waiting to strike out against the Abbasids and liberate themselves from the 69 Ibid., 487; Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 44. 70 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 293–99. 71 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 186; Mortażavī, Masāʾel, 29; Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 312–14; Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 44–46. 72 Zarrīnkūb, Seirī, 72–73; Dastġeib, Hoǧūm, 361–66. 73 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 186; Mortażavī, Masāʾel, 29–30; Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 312–14; Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 44–46. 74 Mortażavī, Masāʾel, 83. 75 Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 135–38.

310

English Summary

caliphal yoke. Whereas before they had used the Khwarazm Shah to achieve their goal, albeit in vain, they now employed the Mongols toward the same aim. As they were devout Muslims, the Iranians had never disregarded their national and cultural identity. From the beginning, Iran was the center of the Shia, whose followers had engaged in a surreptitious political battle protected by their faith.76 It was the great Shiite scholar Naṣīr od-Dīn Ṭūsī who played a major role in implementing the Shiites’ plan. He accompanied Hūlāgū to Baghdad, actively participated in the overthrow of the Abbasids and the killing of their caliph, acted as the leader of the Shia, and ultimately went on to become one of the mightiest men of his age.77 If one goes along with this narrative, the Mongol conquest of Baghdad and the fall of the Abbasid caliph transforms itself from an “irritation of the breach” for contemporary Iranians and Shiites—who are ostensibly equalized—into a long-desired, hailed event, that is, the liberation from the Abbasid-Arab-Sunni yoke. Whereas the overthrow of the Abbasid caliph by the leader of a heathen people might have constituted an enormous catastrophe for the Arab-Sunni world, it assumes different meaning in the historical narratives deployed by modern Iranian authors: the liberation of Iran and the Shiites. This fiction of coherence reinterprets history in order to transform defeat into victory. Still, the same Shiites who had rejoiced in the downfall of the Abbasids were by no means content with Mongolian rule.78 Apparently, the spirits summoned now had to be overcome. On the other hand, the authors of the historical narratives quoted in this study also point to consequences of the Mongol invasion and rule that they deem positive. One general assessment of the historical traditions of the Mongol era is that the perception of the benefits of Mongol rule had been clouded by fanaticism, prejudice, and animosity.79 Contradicting this approach, another author concludes that these supposedly beneficial effects were only marginal and would have come about in the absence of the Mongol conquest, on a higher level and with better results.80 All the same, the overall conclusion of these narratives is that the advancement of trade and the economy, in addition to the development of an infrastructure and the safeguarding of trade 76 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 267, 276, 304–305. 77 Mortażavī, Masāʾel, 23, 84; Ṣafā, Tārīḫ-e adabīyāt, 141; Dastġeib, Hoǧūm, 367; Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 305–309. 78 Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 63–64. 79 Mortażavī, Masāʾel, xv–xvi, xxii–xxiii. 80 Dastġeib, Hoǧūm, 38.

english summary

311

routes, were only realized thanks to the centralized Mongol rule. Moreover, the vast Mongol empire facilitated the exchange of cultural goods and scholars and furthered the diffusion of Islam and the Persian language in East Asia. Although, as Ǧaʿfarīyān affirms, the Mongol conquests were a dramatic, brutal, and far-reaching event, the resulting rupture, in this case the secession of the regions from Herat to the Euphrates, led to the reestablishment of Īrānzamīn, the former land of the Sassanians.81 Consequently, the appointment of ʿAtā Malek Ǧoveinī as governor of Baghdad is depicted as the rule of an Iranian who sat on a throne in Ktesiphon/Baghdad wherefrom he controlled the former caliph’s entire dominion.82 In this, as in other interpretations of historiographical traditions, the Iranian hand again emerges from the Mongol sleeve, deploying the tamed and guided dragon to restore ancient Iran in new (Shiite) Muslim garb.83 As far as religion is concerned, according to the narratives discussed, the Mongols offered freedom of belief, which replaced the previously exaggerated national and religious intolerance. Contrary to commonly held views, Islam was not enfeebled by the defeat of the Ismailis and the overthrow of the Abbasid caliphate. Instead, a new Islamic civilization developed under the Ilkhanids that was free of Sunni fanaticism and its ban on other Islamic persuasions. This civilization reached its peak when the Īlḫān Ūlǧāytū officially recognized Shiite Islam.84 1.2 Fictions of Coherence and the Reinterpretation of History In order to transform defeat into victory, it is essential to counter the Mongol conquest that was made possible due to the Mongols’ military supremacy and particularly cruel warfare, with the spiritual and moral elevation of the defeated Iranians. By closely studying the mentioned historical narratives, one discovers that this is a difficult feat, given the often-described decadence and symptoms of decline in Iranian society on the eve of the Mongol invasion. Nonetheless, most authors try to place emphasis on the mental superiority of “Iranianness” on the basis of cultural heritage. In this way, they are completely in accord with what Boroujerdi calls “heritage-ism.”85 As maintained by these modern-day historians, the people that is culturally more powerful will 81 Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 11, 124. 82 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 2, 398, 401–403; Mīr Ǧaʿfarī, “ʿAlāʾ od-Dīn,” 1270–76. 83 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 304–305. 84 Mortażavī, Masāʾel, xxii–xxiii, 186–87. 85 Boroujerdi, “Contesting Nationalist Constructions,” 45–46.

312

English Summary

ultimately prevail. Iran, which had been Islamized by the pen rather than the sword, always fought a war of the pen and emerged victorious.86 More so than any other writer, Bayānī has engaged in a reinterpretation of the Mongol era. In regard to the fundamental significance she ascribes to Shiite Islam as an element of Iranian identity and to the Shiites as champions for Iran’s independence, her fiction of coherence well integrates into the political landscape of the Islamic Republic.87 Since she cannot prove the alleged Shiite resistance, Bayānī not very convincingly argues that this is due to taqīye and to the fact that the majority of thirteenth- and fourteenth-century historians were Sunnites.88 At the center of this fiction of coherence in the Shiite battle for Iranian independence stands Naṣīr od-Dīn Ṭūsī. Without leaving out the problematic aspects of his biography, Bayānī speaks of Naṣīr od-Dīn Ṭūsī’s religious as well as political obligation to help overthrow the Abbasids when the time had come.89 In her appraisal of Naṣīr od-Dīn Ṭūsī, Bayānī is joined by other authors who also see in him the personification of the Iranians’ political presence and national consciousness.90 Shiite Islam relies on the martyrdom of Ḥusain, who was killed in the battle of Karbalāʾ in 680, as its origin myth. Referring to the significance of martyrdom, Bayānī emphasizes the crucial commitment of Shiites who fought against the Abbasids and the Mongols, using martyrdom as a means of achieving their aim.91 Again, Iranians—this time as Shiites—are described as sufferers, victims of arbitrariness and oppression, who can only fall back on the war of the pen, their secret struggle, and their willingness to give their lives for the common cause. In the ongoing “clash of cultures” evoked by Bayānī in the second volume of Dīn va doulat dar ʿahd-e moġūl, Iranians use religion and administration to fight the Mongols. Islam, mainly Shiite Islam, was brought into play against the yāsā, and the “Iranian element” finally succeeded in destroying and absorbing the “foreign elements.”92 For Bayānī, as for other authors, the final 86 Eqbāl, Tārīḫ-e moġūl, vol. 1, 81–82; Ḥāǧǧ Seyyed Ǧavādī, “Molāḥeẓāt,” 395–97; Alborz, “Seirī dar šeʿr,” 84–87; Dādfar, Ḥamle-ye moġūl, 81–82; Qadyānī, Tārīḫ, 11–12; Kasāyī, “Sar-goẕašt-e dānešmandān,” 986–88; Bayānī, Dīn va doulat, vol. 2, 383. 87 Eqbāl also remarks on the Shia’s significance for Iranian history and identity. Already in her first book on the Mongols, published in 1974, Bayānī argues that the Shiites comprised an important minority in Iran and considered the Mongols as a means to liberate themselves from Sunni rule. Bayānī, Īrān dar bar-ḫvord, 56. 88 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 1, 304–305, and vol. 2, 571. 89 Ibid., vol. 1, 305–309. 90 See, for example, Kasāyī, “Sar-goẕašt-e dānešmandān,” 988; Ǧaʿfarīyān, Yoreš, 52. 91 Bayānī, Dīn va doulat, vol. 2, 571. 92 Ibid., 367–69.

english summary

313

point of assimilation was reached when Ġāzān Ḫān converted to Islam. Through his conversion the enemy was forever subdued, conquered and conquerors changed places, the Islamic-Iranian element prevailed, and Shiite Islam became the predominant religion in Iran, whose religious independence was thus initiated.93 Ġāzān Ḫān, it is said, was one of the greatest rulers of the Orient and Iran; apart from being a Muslim, he also was an Iranian ruler, so that the Ilkhanid regime was transformed into an Iranian reign.94 This fiction of coherence concerning the Islamization and Iranization of the Ilkhanid ruler, who brought an end to a period of humiliation and initiated a new era in Iranian history, is supported by contemporary narrative sources like Rašīd od-Dīn’s Ǧāmeʿ ot-tavārīḫ.95 In the style of the Shahnameh, some verse-chronicles describe the rule of the Ilkhanids as “another cycle of Iranian kingship, brought to a peak with the reign of the philosopher king and just ruler, Ghazan Khan.”96 There is obviously a great proximity of myth and history in these narratives. In the context of the construction of meaning as it is discussed in this study, this new era is identified with the victory of the “Iranian element,” the triumph of the Shia, and the reestablishment of an Iranian nation-state. Historical Thought in Intercultural Perspective: Iranian Narratives on the Mongol Era Historical reality needs to be reconstructed and interpreted within the context of the present, the selective and perspectival character of sources’ language, and the way in which contemporary protagonists interpret their reality. Additionally, the subjectivity of the sources has to be considered, as authors are those who decide what to pass down to ensuing ages.97 Put another way: “Historical writing does not treat reality; it treats the interpreter’s relation to it.”98 Subsequent historians are therefore obliged to decode, demythologize, and unfold history as it is presented in the available narratives.99As regards the historiography of the Mongol era, this means that the historian needs to recognize the political and literary functions the authors of historical narratives had to perform. At the same time, s/he needs to be well informed as to the political, religious, and literary conditions of the time. Modern Iranian authors, of 2

93 Ibid., 435–36. 94 Ibid., 466, 471; Mortażavī, Masāʾel, 89, 173; Montaẓer ol-Qāʾem, “Šeʿār-e šīʿe,” 1255. 95 Melville, “History and Myth,” 140. 96 Ibid., 142. 97 Lorenz, Konstruktion, 390–93. 98 Stock, Listening, 80. 99 Ibid., 94.

314

English Summary

course, are well aware of the political roles performed by ʿAtā Malek Ǧoveinī and Rašīd od-Dīn Faẓlollāh, two of the most distinguished historians of the Mongol era. They are also knowledgeable about the religious circumstances in which these figures operated. However, their œuvre is neither regarded as belonging to a literary genre nor is the problem of its subjective content addressed. Moreover, the authors do not reflect the fact that the mentioned historians use the Shahnameh as a subtext when writing about the Mongol conquests.100 Besides having to rely on the observation theories of contemporary historians, this is not surprising, given the context of the construction of meaning that needs fictions of coherence and myth-making. As a result, it is important to appreciate the self-concepts of the Iranian authors quoted in this study and to consider their understanding of history and historical writing. Among them, only Ḥasanzāde devotes himself to the ideas and observation theories presented in the works of Ǧoveinī and Rašīd od-Dīn.101 He addresses the kinds of influences to which they were subjected, inquires as to the effects of their writings on rulers and elites—without, however, answering his own questions—and, like his colleagues, is convinced that they are infused with a narrative concerning a battle fought by the “Iranian tradition” against the Mongol aggressor. Moreover, Ḥasanzāde offers an account of Ǧoveinī’s concept of historiography, which apparently consists of assigning meaning to the contingency of the Mongol conquests by declaring them to be God’s will. Yet, he does not consider his own position as a present-day historian who is equally concerned with the interpretation of historical events. The fact that Ǧoveinī presents a canonized narrative and does not just express his own views, escapes his attention.102 2.1

The Situatedness of Iranian Historians in Their Socio-Political Context To undertake an “intercultural comparison of historical thought,” one has to focus on the cultural and socio-political contexts of historiography, respectively. In our case, this includes the socio-political conditions in Iran as well as the social position of historians, their situatedness in the system of government and rule, their education, their competence, and gender. Additionally, historiography’s significance for the legitimization and delegitimization of the ruling elites is as important as the significance ascribed to it by society.103 100 101 102 103

Melville, “Mongol and Timurid Periods,” 192–94. Ḥasanzāde, “Negarešī.” Poliakova, “Development,” 245–46. Rüsen, “Theoretische Zugänge,” 57.

english summary

315

Examining the biographies of the Iranian authors who are engaged in Mongol history, one reaches the following conclusions: Of the thirty authors whose works have been studied, only three are female, of whom one was educated as a historian while working as a professor (Bayānī). Only ten studied history at university, eight of them completing a Ph.D., three of whom were offered professorships at Iranian universities. Those who did not study history either received university degrees in literature, philosophy, or languages, or else worked as poets, schoolteachers, journalists, or instructors at theological seminaries. Seven of the older authors spent some time studying or teaching at foreign universities. However, the mere fact of having spent time abroad as a student or scholar does not necessarily mean that one embraces the scholarly conventions of that country or stays current vis-à-vis international academic paradigms. Finally, the large number of amateur historians or enthusiasts turning to the Mongol period does not make for a high level in accordance with international standards. As to the situatedness of the Iranian authors mentioned, Eqbāl may be considered as part of the system, because he was asked by Reżā Šāh’s government to write part of the Iranian national history. With this survey work, which was supposed to reconstruct Iranian history “from the beginnings to the present,” as well as through other publications, a distinct “Iran-time” [Tavakoli-Targhi] was established to legitimize the rule of the Pahlavī shah. Although nationalism was among the most important subjects in his life and work, Eqbāl kept his distance and did not belong to the socio-political elite of his time.104 Similar to Eqbāl, Zarrīnkūb argued on behalf of nationalism and supported its official version as it was propagated under Moḥammad Reżā Šāh. Because essential components of nationalist ideas have been preserved in the Islamic Republic, authors who adopt these ideas do not necessarily oppose the current regime. On the contrary, Bayānī’s reasoning, for example, complies very well with the present official ideology that emphasizes the correlation between Shiite Islam and Iranian nationalism. The ruling elite of the Islamic Republic is legitimized insofar as the narrative of Iran’s ultimate liberation from any kind of foreign rule was achieved by the revolution of 1979 and the final victory of Shia Islam. Undoubtedly, the attempted Islamization of all educational institutions, the fact that most Iranian universities are state-run, and that the humanities are frequently under attack by officials, has had its impact on historians. Historical research is taking place in a difficult climate that at the minimum limits critical socio-political and historical thought. This climate is characterized by a lack of respect and comprehension for historiography as a scholarly discipline. 104 Azimi, “Historiography,” 381–83.

316

English Summary

Even new approaches like post-colonial studies have not enabled the majority of Iranian (amateur) historians to gain access to the latest international scholarly developments. Not least, this originates in the fact that historiography is often used as an “ideological tool” [Amanat] in Iran. In accordance with Ansari, it is important to recognize that over the course of the nineteenth century Iranian memories and historical narratives were replaced by a European meta-narrative. Histories provided by Iranians “were relegated to the realm of literature, redeemed only by their artistic and aesthetic qualities.” They had to be substituted by “facts.”105 However, only a few intellectuals were able to implement these new standards, leading to a “simplification of the intellectual corpus into digestible morsels which often bore little relation to the complex realities of intellectual life in the West.”106 As this study shows, Iranian historiography up to this day is strongly determined by the role of historical consciousness in a literary tradition of myths and legends and the ideologically dominated narratives of various political currents. Contrary to “the West,” only a limited professionalization of historiography has taken place in Iran. This observation is further supported by the small number of academically trained historians, at least as regards the Mongol period. 2.2

A Comparison of Historical Consciousness and Historiography: Asymmetries and Asynchronicities Rüsen’s theory of an “intercultural comparison of historical thought” is based on the premise of “consistency in the use of reason.” According to him, this consistency is essential for the plausibility of narratives and requires the “principle of mutual recognition of dissimilarities.”107 As indicated in this study, modern historical narratives of the Mongol period are largely affected by reinterpretations and fictions of coherence, which have to be ascribed to sociopolitical conditions and associated nationalist and religious ideologies, respectively. On closer examination, therefore, they often lack plausibility and do not comply with standards of scholarly analysis such as confirmability, rationality, and the reflection of the individual scholar’s own viewpoint. Only on the assumption that these narratives should be understood in the context of a relativistic history of meaning that, instead of deconstructing these fictions of coherence recognizes them as plausible, is it at all possible to appreciate large portions of their content. In doing so, the consequences of this construction of the past have to be closely linked to the Iranian authors and 105 Ansari, Politics of Nationalism, 17. 106 Ibid., 29. 107 Rüsen, “Einleitung,” 29.

english summary

317

their surrounding society. At the same time, it is necessary to generate an awareness as to the fact that historical realities are always constructs established by the historical creation of meaning and that they thereby produce a coherence of continuity.108 That is to say, history itself is the product of a culture or society with its own semantic paradigms.109 The relativist approach of the history of meaning may be compensated insofar as the historical narratives point to a diversity of historical thought in an inter- as well as in intracultural perspective. In this way, the polyphony and contingency of historical actions cannot be suppressed by a monophonic narrative.110 The “principle of mutual recognition” involves the fact that scholars in Iran and abroad are reciprocally aware of each other’s work. However, in the case of the historical narratives discussed here, it is important to note that hardly any publications on the Mongol era published in European languages after 1979 are recognized.111 In other words, Iranian authors writing about this period do not pay attention to current international academic research. Conversely, it is difficult to determine to what extent scholars working abroad on the Mongol period are aware of what is being done in Iran. At the present, it can only be stated that, as far as the relevant references studied, one rarely encounters any allusions to the related Persian publications. Still, the pre-1979 impact of “Western” (and Russian) secondary literature on the Mongol period on the construction of meaning by Iranian authors is considerable. To illustrate the interdependency of various texts, a quintessential view of the consequences of the Mongol invasion and rule shall be presented here. E. G. Browne, for example, was of the opinion that the “catastrophe” of the Mongol conquests “inflicted more suffering on the human race than any other event in the world’s history of which records are preserved to us.”112 Even after the annihilation of the European Jewry by Nazi Germany and its collaborationists, Hodgson and Lapidus refer to the Mongol invasions as a “holocaust,”113 while Saunders calls it “a cold and deliberate genocide [. . .] which has no parallel save that of the ancient Assyrians and modern Nazis.” He also accentuates the rise of “Persia” after these “prostrating blows” under the rule of Ġāzān Ḫān, who allegedly transformed Iran into “a national Persian kingdom in which the Mongol ruling

108 Straub, “Geschichten erzählen,” 85–87, 128. 109 Assmann, Ägypten, 26 (Assmann, Egypt, vii, 13). 110 On polyphony and monophony in narratives see Alonso, “Effects of Truth,” 36. 111 The exception to this is the work of David Morgan. 112 Quoted in Lewis, Islam in History, 179–80. 113 Hodgson, “Ismāʿīlī State,” 476; Lapidus, History, 226.

318

English Summary

class must ultimately be submerged in the mass of Iranian-speaking Muslims.”114 Closely related to the idea of an Iranian nation that already existed in antiquity was that of a special role attributed to Iranian history and civilization, a notion largely shared by many non-Iranian scholars. This perception is consistent with modern nationalist concepts in Iran, such that both ideas have been mutually sustaining for more than a hundred years. Similar to other nationalisms, modern Iranian nationalism is a fiction of coherence, combining, among other things, various characteristics found in theoretical concepts like primordialism, ethno-symbolism, and modernism. In their constructions of meaning, the authors of the historical narratives on the Mongol period discussed here clearly advance a primordial approach. This approach is based on the view of the nation as the only site of legitimacy, that is, the everlasting homeland of Iran, bounded by a common language, culture, and religion. In the spirit of nationalist concepts originating in the nineteenth century, “Iran” has existed as a mythic, transcendental entity from the time of the Achaemenids up until the present and continuing into the future. A major element of this fiction of coherence, also called “trans-Iranian cultural awareness,”115 is “Iranianness,” or the “Iranian spirit” rising like the phoenix from the ashes after each foreign invasion. The other major aspect of this nationalist discourse is the biologistic approach, wherein all invaders are labelled “non-Iranians,” “nomads,” or “infidels,” and are seen as strangers par excellence. Only when these foreigners were “Iranianized,” that is, by converting to Islam, using the Persian language, and through their taming at the hands of Persian administrators, advisors, and viziers, could they discard their foreignness. Furthermore, the authors cited here believe—as did historians of the Mongol era and beyond—that lessons can be learned from history. Historical narrative, therefore, should be a means for reflection and learning. Staying within the framework of a history of meaning, this concept is surely plausible, since if the events related to the meta-narrative “triumph-over-alien-forces” are forever repeated, it is indeed reasonable that lessons might be learned from the Mongol period. Transferred to today’s political situation in Iran, some of the statements given in the historical narratives under review could be interpreted to the effect that there will never be a power that could possibly destroy Iran. Just as after the Mongol conquest—the most dreadful catastrophe that ever happened to Iran, according to the narratives quoted here—the country 114 Saunders, “History,” 25, 136. 115 Fragner, “Historische Wurzeln,” 98.

english summary

319

would again rise like a phoenix from the ashes and shine resplendently in a new light if it were attacked by American or Israeli forces. According to this primordial nationalist assumption, the nucleus of Iranianness is ultimately indestructible. Moreover, the nationalist discourse in present-day Iran provides a frame of reference to understand and structure reality. Partaking in a discursive process that continuously reproduces national identity, the said authors revert to a storehouse of already existing ideas and meta-narratives, in order to draw the Mongol period and its effects on Iran into the nationalist discourse. Since these authors’ publications largely consist of textbooks taught at schools and universities, they exert considerable impact on the historical and self-awareness of Iranian society. As part of a carrier group, they create the trauma of defeat by the Mongols that—depending on one reading or another—can be more or less powerful, even today. Additionally, they provide constructions of meaning meant to overcome this cultural trauma woven into Iran’s warp and woof (tār-o pūd). As stated above, the fictions of coherence included in the historical narratives analyzed in this study serve as vehicles of identity and self-assurance. Therefore, they cannot simply be exposed as “fabrications,” but have to be recognized as constructs that imbue often contingent historical events with meaning. In this context, it has also been indicated that questions of governmental legitimacy are involved, as are standards of truth conveyed by historical narratives. Closely linked to self-awareness is the established collective memory that builds on fictions of coherence like the permanent victimization of Iran. If nothing else, these fictions of coherence are consolidated by modern historical narratives on the Mongol era and have a significant bearing on political thought and action. Modern Iranian authors studying Mongol history are assigned the task of giving meaning to history. They need to integrate this era into the “linear time of the nation” [Özkırımlı] and to comply with the requirements of society regarding the construction of meaning. In this respect, their outlook on Mongol history diverges not only from international academic standards but also in regard to the varying conditions of historical writing. To what extent these historical narratives’ conclusions are accepted as plausible abroad depends not least on the respective academic paradigms. Until the 1970s, the entanglements of historical narratives written inside and outside of Iran were relatively firm. After that point, however, a more sophisticated approach, tightly linked to the standards of historical science, became widely accepted among international historians of the Mongol period. This approach changed the way these historians perceived their sources. Consequently, they made allowance for the narrative character of these sources and the fact that

320

English Summary

they themselves depended on the observation theories of contemporary historians. The Iranian authors cited here have not gone along with these new paradigms, wherefore the “principle of mutual recognition” has only rarely been applied in the last thirty years. As a result, their historical narratives may offer different interpretations of history that decode the same facts from multiple perspectives. However, these narratives can for the most part only be accepted as plausible if one reads them as contributions to a history of meaning that leaves room for fictions of coherence, which in this context have to be recognized as credible.

Register der Orts- und Personennamen ʿAbdūh, Muḥammad  64 ʿAin Ǧālūt  207 ʿAlāʾ od-Dīn Moḥammad  119, 137, 139–148, 152–153, 155–158, 164, 173, 185, 222, 225 ʿAlī b. Abī Ṭālib  21, 149, 168, 174, 183, 198, 200 Abāqā  54, 10 Abbasiden  79, 81, 88, 123, 147, 150, 154–155, 164–166, 168, 172, 174, 176, 185, 188, 203, 225–227, 233 Abū Bakr  198 Abū Muslim  125 Abū Saʿīd  130, 194, 224, 235 Achaimeniden  2n7, 12, 78–79, 83, 96, 100, 187, 206, 210, 234 Afġānī, al Siehe Asadābādī, Ǧamāl od-Dīn Afscharen  106 Ägypten  5n14, 8n32, 10, 45, 46n119, 47n126, 130, 133, 164, 169, 178, 186, 195, 199, 201, 206, 248n169 Āhanǧīde, Esfandyār  22, 129n132, 129n134, 243 Aḥmad Tegūdār  10, 130 Aḥmadīnežād, Maḥmūd  3, 25n93, 90, 91, 233n97, 256 Āḫūndzāde, Mīrzā Fatḥ ʿAlī  78–79, 82, 231n91   al-ʿAllāma al-Ḥillī  197 Alamūt  113, 164 Alborz-Gebirge  164 Alborz, Parvīz 128, 129n128, 129n130, 230n87, 219n41, 220n44, 223nn53–54 Āl-e Aḥmad, Ǧalāl  1, 98n387 Alexander d. Große  122, 145, 210, 236 Ālyārī, Ḥosein 22, 152, 153n273, 153n275, 154, 222n49, 222n52, 243–244 Amīr Arġūn  54, 160–161, 203, 205, 224, 231 Amīr Nourūz  190, 203, 206 Araber  16, 79, 85, 111, 121–122, 127, 128n124, 129, 140n206, 147, 154, 166, 167n352, 173, 179, 210, 219, 229n80 Arġūn, Ilchan  10, 54, 185, 189 Armenier  1 Asadābādī, Ǧamāl od-Dīn  64

Aschur  130 Attila  120, 138, 214n25, 215 Bābak  125 Bagdad  54, 108, 113, 115, 120n84, 123, 139, 141–144, 147, 152, 154–155, 164–166, 168–171, 173–176, 191, 194, 203, 224–226, 229 Bahrāmī, Akram  17, 18n64, 136n172, 139, 222n50, 224n57 Bayānī, Šīrīn  19–20, 22n81, 65, 81, 103, 109n33, 118, 129, 133n154, 135, 137n180, 149–150, 158–163, 167n352, 172–175, 177–188, 189nn458–459, 190n461, 195, 196nn497–498, 199–200, 202–205, 206n553, 220n44, 221n47, 222n51, 223n54, 225n62, 225n64, 226nn69–70, 229n84, 230n85, 230n87, 231n88, 232–234, 235n105, 236n108, 239, 243–245 Bengalen  122 Buyiden  147, 174, 187–188, 234 Čengīz Ḫān  vii, 1, 2n7, 9, 19, 51, 104, 108–109, 114, 117n67, 119, 120n82, 128, 131, 134–136, 137n176, 137n181, 138–139, 141–142, 144–145, 149n258, 151–152, 154–156, 158, 169, 171n367, 172, 182, 192, 198, 214n25, 215, 221–223, 224n55, 224nn57–58, 240n131 Charesmschah  119, 138–139, 141, 145–148, 152–155, 157, 164, 173, 179, 185, 225, 239 China  8, 55, 106–107, 109, 113, 117, 126, 130, 132, 151, 153, 160–162, 179, 228, 252 Chorasan  125n104, 132, 152, 158n301, 164, 187 Dabīrīnežād, Badīʿollāh  23, 125, 243 Dādfar, Saǧǧād  12, 21, 134n155, 138n187, 145n233, 152n271, 221n48, 222n52, 223nn53– 54, 230n87 Dastġeib, Seyyed ʿAbd ol-ʿAlī  19, 108n29, 118–121, 134–138, 145–146, 147n242, 147n244, 148, 172, 216n28, 216n30, 220n43, 220n45, 221n46, 221n48, 222nn49–50, 223n53, 223n55, 224n57, 224n59, 226n65, 226n70, 228n75, 238n126 Delhi  122

322

Register der Orts- und Personennamen

Enṣāfpūr, Ġolām Reżā  18, 142n214, 142n217, 222n49 Eqbāl, ʿAbbās  11–13, 14n53, 14n56, 15–16, 20, 60, 65, 104–109, 110n35, 134–141, 164–167, 181, 190–191, 196, 197n498, 197nn500–503, 216n30, 219n41, 220n43, 222nn49–50, 222n52, 223n53, 223n55, 224n56, 224n58, 225nn60–61, 225n64, 228n78, 229n82, 230n87, 234n104, 235n107, 236n108, 239, 245n156 Eṣfahānīyān, Dāvūd  23, 122n91, 122n93, 220n43, 243 Eslām-Niyā, Fereidūn  21, 151n263, 189n458, 196, 198n506, 238, 239n127 Esmāʿīlī, Amīr  20 Euphrat  2, 147, 196, 206, 229, 235 Fārs  122, 187, 234 Ferdousī  77n78, 96, 115, 179 Fereidūn  21, 51n142, 61n199 Fīrūzābād  19 Foyūżāt, Seyyed Ebrāhīm  23, 109n33, 126, 200n518, 220n43, 220n45 Ǧaʿfarīyān, Rasūl  21, 108n25, 131–133, 139n194, 151, 152n268, 176–177, 197n500, 198n508, 200, 201n524, 220n42, 221n46, 222n52, 223n54, 224n155, 225n61, 225n64, 227n72, 228n78, 229n83, 233n100, 244n155 Ǧalāl od-Dīn Menkobernī  9, 137, 151, 158 Ǧalāl od-Dīn Mīrzā  57 Ǧalāl od-Dīn Rūmī  106 Ġāyer Ḫān  9, 141, 142 Ġāzān  10, 50n138, 54, 104, 114–115, 131, 185, 188, 190–196, 197n504, 198–199, 205, 217, 224, 228, 235–236, 242 Ġazzālī  241 Geiḫātū  10 Ǧentemūr  vii, 10 Georgien  138 Ghaznawiden  114, 138, 154, 170n365, 224, 252, 258 Gīlān  132 Gog und Magog  142, 143n218, 149, 255 Gorgūz  10, 160–161, 224 Ǧoveinī  51, 54, 106, 110n38, 112, 116n63, 120, 131, 148, 149n258, 157, 164, 176, 204–207, 229, 237, 239–242, 256n209

Ǧoveinī, ʿAlāʾ od-Dīn ʿAṭā Malek  48, 54–55   Ǧoveinī, Bahāʾ od-Dīn  159–160 Ǧoveinī, Šams od-Dīn  177, 189 Griechen  121, 129, 230n87 Ǧūǧī  140 Ḥāfeẓ  106, 112, 125, 228 Ḫalʿatbarī, Allāhyār  22 Ḫāmeneʾī, ʿAlī  89 Ḥasan, al-  197 Ḥasanzāde, Esmāʿīl  23, 51n142, 118n71, 126n113, 184n430, 240n132, 240n137, 241–243 Ḫātamī, Moḥammad  90 Ḫeirandīš, ʿAbd or-Rasūl  24, 153 Herat  120n84, 132, 141, 196, 206, 229, 235, 257 Ḥilla  168, 175 Hitler, Adolf  2, 119, 215 Ḫomeinī, Āyatollāh Rūḥollāh Mūsavī  21n76, 24, 87, 89n343 Ḫosrou Anūšīrvān  242 Hūlāgū  2n7, 10, 54, 104, 116n64, 123, 161, 164, 166–168, 171–172, 175–180, 203, 224–226 Ḥusain, al-  173, 197 Ibn al-ʿAlqamī  165–168, 171–172, 174–177, 225–226, 309 Ibn al-Aṯīr,   143n218, 154 Ibn Miskawaih  240 Ilchane  2, 10, 17–18, 20, 22, 52, 54, 103, 106, 109, 113–115, 124, 130–131, 143, 160, 168, 177, 181–182, 185, 187n446, 190–192, 194–195, 198–201, 203, 206–207, 224 Īlčīkdāy  160 Indien  2, 72n258, 98n387, 146n238, 152 Irak  88, 107, 129n129, 132, 137, 151, 167, 174, 176, 187, 197, 226, 260n221 Īrān  12, 14, 16–20, 60, 18n64, 20–22, 58, 78, 80n303, 83n315, 85n324, 88, 93, 122, 124, 129, 131, 136n172, 139n193, 139n197, 152, 156n293, 158n300, 158n302, 159n308, 160n312, 160n314, 160n316, 162n328, 163n330, 163n335, 222n50, 223n54, 224n57, 229, 231n88, 232n95 Ismailiten  10, 104, 116, 140, 142–143, 158, 162–164, 173, 177–180, 203, 225, 228, 232, 233 Israeliten  120

Register der Orts- und Personennamen Jabbari, Ahmad  1 Jerusalem  viii, 120 Juden  1, 3, 61n199, 116, 120, 181, 189, 191, 214 Kadscharen  7, 12, 14 Karbalāʾ  192n472, 200, 233 Karḫ  165n344, 166–167, 171, 175, 226 Kāšān  187 Kasāyī , Nūrollāh  24, 87n333, 128n124, 155, 176, 221n46, 223n54, 230n87, 233n100 Kasravī, Aḥmad  58, 119n77 Kāẓimain  200 Kermānī , Mīrzā Āqā Ḫān  57, 80 Kleinasien  113, 122, 169 Ktesiphon  199n515, 203, 229 Kūfa  168 Kyros  84, 91, 100 Magreb  169 Maḥmūd Yalavāǧ  142 Malekšāh  147 Mamluken  10, 199, 201 Mangū  10, 51, 161 Manichäer  108–109 Marāġe  179 Masʿūdī  240 Mekka  189 Mesopotamien  79, 85n324, 123, 130 Mīr Ǧaʿfarī  24, 243 Moḥammad Ḫodābande Siehe Ūlǧāytū Moḥammadī, Ẕekrollāh  25, 206n554, 207n555, 243 Mongolei  9, 10, 54, 116, 132, 136, 160 Montaẓer ol-Qāʾem, Aṣġar  25, 243 Mortażavī, Manūčehr  18, 113n51, 114–116, 136–137, 143, 160, 164n339, 168–171, 189n458, 190–191, 192nn471–472, 193–194, 197n498, 197nn503–504, 198, 200–201, 222n52, 223nn53–54, 224n56, 224n58, 225n64, 226n66, 226n70, 227n74, 229n79, 229n81, 235n107, 236n108, 238 Moṭahharī, Morteżā  85, 86n330, 232, 246, 261 Mūsā al-Kāẓim  165–166, 171, 226 Mussolini, Benito  145 Mustanṣir, al-  173 Mustaʿṣim, al-  164, 176 Mystik  16, 22n81, 133, 188, 221

323

Nāder Šāh Afšār  136 Nadīmī, Hādī  216–217 Naǧaf  168, 197, 200, 203 Nasavī, Šihāb od-Dīn Moḥammad  148 Nāṣir li-Dīn illāh, an-  141 Naṣīr od-Dīn Ṭūsī  106, 112, 116n64, 166, 168, 170–172, 174–180, 217n31, 225–226, 233 Natanz  200 Nīšābūr  120n84, 141, 150 Otrār  9, 141–142, 148, 151–154 Panāhī, Moḥammad Aḥmad  19, 117n67, 136, 137n176, 143, 144, 221n48, 222nn49–51, 223n53, 224n57 Pargārī, Ṣāleḥ  25, 123n98, 199, 200n517, 236n108, 243 Pazūkī, Reżā  16 Peking  163, 196 Persepolis  84, 90, 91n354, 93n365 Phönix  1, 129, 183, 215, 258 Pīrniyā, Ḥasan  11–12, 60n193 Qadyānī, ʿAbbās  20 Qarāḫiṭāy  140, 142 Qom  21, 25 Qūbīlāy  126, 162 Rabʿ-e Rašīdī  131, 205 Rašīd od-Dīn, Fażlollāh  48, 54, 116n63, 130, 132, 148, 186, 205, 206–207, 217n31, 235n106, 236–237, 239–242, 249n171 Rāvandī, Morteżā  16, 134n161, 142, 159, 162n327, 187n446, 192, 193n477, 222n52, 224n57, 236n108 Rey  120n84, 150, 187 Reżā Šāh Pahlavī  4, 7, 8n30, 11, 59, 83–84, 87 Rom  13 S̠ābetzāde, Manṣūre  25, 130n135 Saʿd od-Dīn Sāvaǧī  186, 200 Saʿd od-Doule  190 Saʿdī  106, 112, 115, 125, 176, 204 Ṣafā, Ẕabīḥollāh  14–15, 103, 105n13, 108n25, 110–112, 121n88, 128, 139n194, 140n206, 149n256, 258, 167, 168, 192, 219n40, 220nn43–45, 223n53, 226n68, 226n70, 228n78, 236n108

324

Register der Orts- und Personennamen

Safaviden  25, 52n149, 78–79, 100, 106, 108, 121, 132, 181, 192, 246n160 Saffariden  147 Saǧǧādī, Seyyed ʿAlī Moḥammad  155 Salghuriden  122 Salmān-e Fārsī  142 Samaniden  114, 147 Samarkand  120n84, 137, 140, 145n233 Šarīʿatī, Alī  85, 87 Sasaniden  2, 52, 100, 108, 124, 127, 131, 142, 147, 181, 187, 191–192, 206, 223n54, 229, 234, 253 Schafiiten  150, 198, 199 Schiras  19, 24, 249n171 Seldschuken  94, 108, 114, 127–128, 138, 147, 154, 170n365, 174, 204, 224, 252, 258 Sind  122, 147 Sogdier  109, 131 Solṭānīye  200 Suhrawardī  241 Šūštar  203 Syrien  8n32, 10, 107, 133, 164, 169, 178, 186, 195, 201, 206 Ṭabarī  223n54, 240 Tabrīz  18, 23, 114, 130–131 Ṭāq-e Kesrā  199 Taqīzāde, Seyyed Ḥasan  11 Tataren  104, 109, 117, 129, 149, 190, 192, 223

Tīmūr  110, 135, 159n305 Timuriden  15, 79, 94, 108, Tocharen  109 Torkān Ḫātūn  139, 144, 146, 155, 222, 258 Transoxanien  9, 107, 132, 140–141, 151–152, 162 Turaner  129 Türken  95, 109, 118n71, 129, 149, 151, 158, 168, 175–176, 187n446, 222, 230n87, 258 Turkistan  152 Turkmenen  21, 108, 158 Uiguren  108, 114, 132 Ūlǧāytū  vii, 10, 54, 114–115, 186, 194, 196–200, 205, 217, 224, 228, 235, 242, 255, 311 ʿUmar  198 Umayyaden  147 ʿUṯmān  198 Varāmīn  200 Vaṣṣāf  49n136, 50nn137–138, 131, 157 Yaʿqūbī  240 Yaʿqūb Leis̠  147 Zarrīnkūb, ʿAbd ol-Ḥosein  14, 16, 17n63, 64n216, 85–86, 103, 105n11, 106n14, 145, 172, 202n527, 222n49, 223n53, 226n65, 243

Sachindex Aggressor  127, 133, 210–211, 236, 259 Anerkennung  36, 114, 181, 201, 215, 228, 247–248, 262 Angriff  12, 19, 21, 89, 99, 110, 113, 115, 117–122, 126, 132, 137–138, 140, 142, 145, 151–152, 154–155, 158, 169, 173, 176, 179, 182, 184–185, 192, 202 Angst  42, 44, 140, 144, 146, 153, 156, 178, 181, 185, 191, 222 Ariermythos  56, 80, 84n318, 100 Befehlshaber  165 Befreiung  118, 164, 167, 183–184, 226–227, 232 Bekehrung  104, 188, 190, 192, 197, 200, 235 Besiegte  118, 235 Buddhismus  107, 204 Buddhisten  116n64, 117, 132, 162n328, 189, 191 Christen  116–117, 132, 151, 171n367, 181, 189n458, 191, 196 Chronist  169, 238 dāʿī  181 Denkungsart  111, 159, 194, 220 Derwisch  119 Dichter  18, 20, 105–106, 112, 114, 129n129, 176 Dichtung  17–19, 105n10 Drache  115, 201, 217, 223, 230 Eifer  113, 116, 133, 141, 151, 197, 228, 254 Einheit  8n32, 14, 35, 38, 52, 59–60, 66–67, 70, 75, 78, 80, 87–88, 95n376, 96, 117, 123, 128, 140, 150, 181, 192–193, 196, 221, 235–236, 245, 246n160, 255 Emir  95, 141, 159, 197n498 Erinnerung  42n99, 43, 46, 69, 76, 87, 107, 211, 213, 215, 230, 247, 258, 260 Erniedrigung  105, 112, 121, 127, 194, 211–212, 215, 220, 235–236 Erzählschema  91, 209, 210 Ethnosymbolismus  68–69, 97n384, 231n89, 257

Fanatismus  113, 115– 117, 128, 134–137, 164n339, 169, 172, 193–194, 197, 225, 227–228, 239 Feder  54, 110, 169, 230, 234, 238 Freiheit  61, 80, 87, 115–116, 120n83, 121, 135, 169, 228, 246 Fremdherrschaft  115, 126, 200, 245 Fremdherrscher  88, 234 Führer  87, 133, 154, 184, 187n446 Gemetzel  105, 110, 117, 119, 120n80, 120n83, 123, 137 Genozid  1, 3, 120n83 Gerechtigkeit  86, 127, 134–136, 160, 193, 223 Geschichtsbewußtsein  31, 37–38, 41–42, 247 Geschichtsschreiber  21n78, 24n90, 30, 38, 48–49, 51, 53–54, 57, 58n182, 59, 60n196, 64, 75, 104, 113–114, 121, 131n143, 136–137, 146, 148, 151, 166–169, 171, 176, 184, 198n508, 225, 232, 237–239, 240nn134–135, 242, 262 Geschichtsschreibung  viii, 3, 6, 8, 9, 11–13, 26, 13n46, 27–29, 30, 31n29, 33–34, 37–40, 47–50, 52–53, 55–58, 59n189, 60, 61n199, 62–63, 64n213, 65, 75–76, 79, 83n313, 86n330, 92, 101–102, 106, 108, 114, 116n63, 131, 209, 211, 218, 228, 233, 237, 239–240, 242–243, 246–247, 256n206, 259n219 Grausamkeit  112, 115, 117, 122, 135–136, 140, 144, 201, 214, 224 Hanafiten  85n324, 150, 198, 199 historisches Denken. Siehe Geschichtsbewußtsein  33 Holocaust  3, 41n90, 212n14, 214–215, 252 Identität  3n10, 11, 31, 36, 41, 43, 58, 59n188, 68–69, 70n251, 71–72, 74, 78, 80, 82, 83–85, 86n330, 88n338, 89–95, 97, 99–100, 118, 125n105, 133, 173, 211, 226, 227n73, 231, 232n92, 234, 236–237, 238n120, 246, 257, 260 Ignoranz  40, 157

326 Iranertum  79, 85, 90, 218, 245, 258, 261 Iranisierung  177, 217n31, 232n92, 236, 242, 258 Irritation  40–41, 218–219, 227 Islamisierung  17, 85, 177, 202, 217n31, 236, 246 Kaaba  189 Kalif  10, 114–115, 141, 144, 147, 152, 154–155, 164, 172–173, 175 Kampf  20, 86, 104, 118, 129, 142, 146, 150, 152, 157–158, 162–163, 165, 174, 180–183, 185, 187n446, 195, 223n54, 225–226, 233–234, 241 Kohärenzfiktion  5, 45, 222, 227, 231–233, 236, 239, 257, 258n217 Kontingenz  30n24, 38, 40–42, 67, 217, 242, 248 Koran  21, 24, 79, 139, 155n290, 196n495 Krieg der Feder  202, 230 Kultiviertheit  163, 201 Kultur  5, 19–20, 22, 24, 33, 34n51, 37–38, 46, 54n157, 66, 68, 69n246, 70, 77–78, 83–85, 93, 97, 105n13, 106n14, 112–113, 117, 118, 120–127, 129–130, 133, 163n334, 176–178, 180–183, 185, 187–189, 195–196, 199–200, 202–206, 214, 216–217, 219–223, 229, 230n87, 231, 233, 235, 258n217 Malerei  106, 108n29, 109–110, 130, 191 Manichäismus  108n28, 188, 221 Märtyrertum  184, 233 Metanarrativ  3, 56, 79, 98 Mitrakult  188 Modernismus  67, 257 Mongolensturm  3, 118, 122, 126–128, 133, 146, 149n256, 187, 252 Nation  5–7, 8n32, 14, 26, 33n47, 40, 58nn185–186, 60n196, 65–70, 72–74, 75n275, 76, 81–84, 89, 91–92, 94n372, 96, 99, 100–110, 112, 118, 124, 126, 128, 134, 174, 177, 184, 196, 203n535, 209n1, 211, 218, 220–221, 227n71, 227n73, 230n87, 231n88, 245, 246n160, 253, 258n217, 261n224 Nationalcharakter  83, 253, 255 Nationalgefühl  83, 255 Nationalgeschichte  4, 59, 75n273, 210, 218, 244

Sachindex Nationalstolz  116, 229 Niedergang  1, 57, 60, 62, 69, 79, 108, 111, 114, 121, 127, 141, 220, 240–241 Nomaden  56, 107, 110, 128–129, 138, 140n206, 223, 245n156, 258, 257n211 ʿolamā  64 Opfer  3n10, 155, 166, 201, 210–213, 215–216, 219, 223–234, 260 Patriotismus  58, 80, 116, 229 Persophonie  2, 53n155, 94n372, 95n377 Postkolonialismus  71 Primordialismus  66, 257 Prophet  21 Rache  107, 122, 170–172, 175, 226 Rasse  69n246, 83n313, 85, 93, 103n4, 109, 132, 139, 180, 195, 222, 229 Rechtsschule  85n324, 128, 150n259, 195, 220, 240 Revolution  7, 16, 18, 20–21, 23, 33n47, 40, 58, 63, 81, 84, 85, 87n334, 87n336, 88n338 ṣāḥeb-dīvān  159–160, 202 Schahname  51n142, 76n278, 84n319, 96, 115, 130–131, 229n83, 236–237, 238n120, 242 Schamanismus  182, 204, 235 Schmerz  112, 158, 213, 219 Sekte  17, 128, 184, 197n497 Seßhaftigkeit  109–110, 241 Sieg  54, 87–88, 91, 104, 110, 121, 134, 139, 149–151, 173, 177, 180, 189–190, 217, 223, 227, 229n80, 230, 236, 239, 245 Sinn  5–6, 31, 35, 40–42, 44–47, 49, 51, 67, 76, 91, 213, 216, 218, 227, 242, 248n169 Sinngeschichte  5–6, 8n33, 9, 26, 45–47, 102, 104, 209, 236, 238 Sinnkonstruktion  5, 44, 103, 217   Stamm  122 Statthalter  9–10, 54, 136, 142, 144, 148, 152, 157–160, 177, 202, 222, 224 Sufi  118, 119n77 Sufitum  115, 133, 188, 221 taqīye  174, 179, 184–185, 232 Trägergruppe  44, 213, 260

327

Sachindex Trauma  3, 43, 212–215 Überfall  1, 18, 21, 110–111, 114, 118, 120–121, 124, 126–127, 130, 138, 148, 154, 161, 179, 191 Umdeutung  216 Unabhängigkeit  193 Ungläubige  54, 128, 143, 258 Unterwerfung  164 Vaterland  80, 88, 175, 203n535 Verbrechen  110, 117, 119, 144, 206, 216 Verfassung  12, 16, 18, 17, 100n390 Verfassungsrevolution  18, 24, 57, 58n185, 78n283, 80–81, 82n310, 97–99 Verflechtung  39 Verlierer  211–212 Vernichtung  1, 44, 112, 116, 120–121, 126, 128–129, 147, 158, 170–171, 176, 180, 184, 212, 216, 220 Vielfalt  33, 34, 36–37, 72, 74, 83, 219, 248 Volk  5, 47, 86, 92, 100, 104, 107, 109, 112, 116–117, 120, 123, 128–129, 134, 139, 140n204, 141, 144, 149–150, 153, 155, 157–158, 161, 162, 166, 170, 182, 184, 190, 195, 198, 202, 210, 230, 232, 255n197

Wesir  54, 165, 167, 174, 176, 186, 189, 201, 203, 205–207, 225 Widerstand  81, 87, 110, 113, 117, 125, 129, 134, 140n206, 141, 144, 147, 149, 151, 153, 156, 185–186, 198, 205, 212, 216, 232, 240, 253 Wiedergeburt. Siehe Phönix  43, 96, 258 yāsā  123, 137, 139, 151, 182, 185, 192, 198, 200, 204, 234 Zerstörung  1, 3, 51, 105, 113, 116–117, 121, 126, 130, 135–136, 141, 142n217, 146, 148, 150, 153, 164n339, 166–167, 175–176, 182, 190n463, 191, 203, 213, 215, 219, 243, 254 Zivilisation  15n57, 20, 22, 24, 51, 88, 105–108, 111–115, 117–118, 121–122, 124–127, 129–130, 133, 163n334, 176–177, 180, 198, 200, 217, 219–220, 228, 230n87, 231, 232n92, 243–244, 245n156 Zoroastrismus  93, 188, 221, 231