Geschichte Österreichs: Von den Anfängen bis zur Gegenwart 9783205158592, 3486467085, 3702803041, 9783205780793

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Geschichte Österreichs: Von den Anfängen bis zur Gegenwart
 9783205158592, 3486467085, 3702803041, 9783205780793

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ZÖLLNER · G E S C H I C H T E ÖSTERREICHS

ERICH Z Ö L L N E R

Geschichte Österreichs Von den Anfängen bis zur Gegenwart

8. Auflage

1990

VERLAG

FÜR

GESCHICHTE

R. O L D E N B O U R G

UND

VERLAG

POLITIK MÜNCHEN

WIEN

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Zöllner, Erich: Geschichte Österreichs : von den Anfängen bis zur Gegenwart / Erich Zöllner. - 8. Aufl. - Wien : Verl. f ü r Geschichte u. Politik ; München : Oldenbourg, 1990 ISBN 3-486-46708-5 (Oldenbourg) Gewebe ISBN 3-7028-0304-1 (Verl. für Geschichte u. Politik) Gewebe

© 1990. Verlag für Geschichte und Politik Wien Alle Rechte vorbehalten Schutzumschlag gestaltet von Maria E. Wessely, Wien Herstellung: Druckerei G. Grasl, 2540 Bad Vöslau ISBN 3-7028-0304-1 Verlag für Geschichte und Politik Wien ISBN 3-486-46708-5 R. Oldenbourg Verlag München

INHALT

Vorwort

7

Einführung. Die geographischen Grundlagen

9

I. URGESCHICHTE

16

Von den Anfängen menschlicher Siedlung bis zu den Stammeskulturen der Illyrer und Kelten 16.

II. ÖSTERREICH IN DER RÖMERZEIT (15 v. Chr. — Ende des 5. Jahrhunderts)

25

Eroberung, Sicherung und Verwaltung der Donauprovinzen 25. — Städte und Straßen, Handel und Verkehr 27. — Die germanischen Nachbarn. Markomannenkrieg und Alamanneneinfälle 30. — Die Reorganisation der Provinzen unter Diokletian und Konstantin 32. — Das spätantike Christentum 34. — Das Ende der Römerherrschaft und die Duichzüge der Ostgermanen 35.

III. BAIRISCHES STAMMESHERZOGTUM UND FRÄNKISCHE MARK (6.—10. Jahrhundert)

39

Herkunft und Landnahme der Baiern 39. — Awaren und Slawen 42. — Das Problem der Kontinuität der römischen Kultur 46. — Das Frankenreich und die frühmittelalterliche christliche Mission 49. — Das Ende des agilolfingischen Herzogtums 52. — Die karolingischen Marken im Südosten 54. — Der Zusammenbruch der karolingischen Marken im Ungarnsturm 59.

IV. DIE BABENBERGER UND DAS WERDEN DER ÖSTERREICHISCHEN LÄNDER (976—1246)

61

Die Rüdeeroberung der Mark und die Anfänge der Babenberger in Österreich 61. — Der Name Österreich 63. — Die Konsolidierung der babenbergischen Mark 64. — Markgraf Leopold III. und die Ausbildung des Landesfürstentums 67. — Das Herzogtum Österreich 68. — Die Blütezeit des babenbergisdien Österreich 71. — Krise und Ende des babenbergischen Fürstentums 75. — Politische Geschichte der österreichischen Alpenländer im Hochmittelalter 78. — (Steiermark 78. — Kärnten 81. — Krain 84. — Salzburg 85. — Tirol 87. —Vorarlberg 89.) — Das Siedlungswerk des Hochmittelalters 91. — Wirtschaftsleben des Hochmittelalters 97. — Kirchliche und höfische Kultur 102.

V. DAS SPÄTMITTEL ALTER (1246—1526) UND DIE HABSBURGISCHE „HERRSCHAFT ZU ÖSTERREICH"

111

Der Kampf um das Erbe der Babenberger. König Ottokar 111. — Die Anfänge der Habs burger in Österreich 116. — Das Görzer Grafenhaus, seine Länder und Herrschaften 124 — Ausdehnung und Festigung der habsburgischen Herrschaft in den Ostalpen ländern 128. — Die Herrschaftsteilungen des späteren Mittelalters 136. — Die Zeit de österreichischen Wirren unter Kaiser Friedrich III. 145. — Österreich und Burgund. De Kampf mit Frankreich und Ungarn 150. — Vom Mittelalter zur Neuzeit 155. — Das Sied lungswesen des Spätmittelalters 165. — D a s Wirtschaftsleben des Spätmittelalters 1 6 9 . — Die Geisteskultur des Spätmittelalters 177.

VI. REFORMATION UND GEGENREFORMATION (1526—1648)

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Die Königswahlen des J a h r e s 1526 und die Verwaltungsreform Ferdinands I. 187. — Die Kämpfe in Ungarn (1526—1562) 188. — Reichspolitik und konfessionelle Frage. Das Vordringen des Protestantismus in den habsburgischen Ländern 191. — Die Teilung der Herrschaft über die österr. Erbländer unter den Söhnen Ferdinands I. 196. — Die Regierung Rudolfs II. Gegenreformation und Türkenkampf 199. — Der „Bruderzwist in Habsburg" 205. — Kaiser Matthias und die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges 208. — Der Dreißigjährige Krieg 211. — Der Westfälische Friede 220. — Siedlungswesen und Bevölkerungsverhältnisse im konfessionellen Zeitalter 221. — Das Wirtschaftsleben zur Zeit des „Frühkapitalismus" 224. — Die Geisteskultur des konfessionellen Zeitalters 236.

187

6

Inhalt VII. ÖSTERREICHS AUFSTIEG ZUR GROSSMACHT (1648—1740)

.

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246

W i e d e r a u f b a u und Zweifrontenkampf gegen Türken und Franzosen 246. — Das Türkenjahr 1683 und der österr. Gegenstoß 252. — Der Krieg um das spanische Erbe 257. — Regelung der Erbfolge. Die Pragmatische Sanktion 265. — Neue Kämpfe gegen die Pforte und die Bourbonenstaaten 266. — Bevölkerung und Siedlung 1648—1740 275. — Wirtschaftsleben und Wirtschaftspolitik im Zeitalter des Merkantilismus 278. — Erziehungswesen, Wissenschaft und Kunst der Barockepoche 289.

VIII. REFORM, REAKTION U N D REVOLUTION (1740—1848)

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304

Der Österr. Erbfolgekrieg und der Beginn der Kämpfe um Schlesien 304. — Die Umkehr der Bündnisse und der Siebenjährige Krieg 309. — Die maria-theresianisdien Reformen 313. — Konsolidierung und neue Erwerbungen 316. — Das Jahrzehnt Josephs II. 319. — Ideengehalt und Reformen des Josephinismus 321. — Festigung am Vorabend neuer Krisen. Die Regierung Leopolds II. (1790—1792) 327. — Der Kampf gegen das revolutionäre Frankreich. Der erste Koalitionskrieg (1792—1797) 329. — Vom zweiten zum dritten Koalitionskrieg (1799—1805) 332. — Der Krieg von 1809 und der Freiheitskampf Tirols 338. — Von der Niederlage zur Erhebung. Österreich zwischen Frankreich und Rußland 341 Der Wiener Kongreß 346. — Die Interventionspolitik der Heiligen Allianz und das »System Metternich" 350. — Ferdinand I. und die Staatskonferenz. Die Völker am Vorabend der Revolution 352. — Das Sturmjahr 355. — Bevölkerungspolitik, Bauernschutz und Agrarwirtschaft 1740—1848 361. — Merkantilpolitik und Industrialisierung. Handel, Verkehr und Währungsprobleme 364. — Erziehungswesen und Wissenschaften 376. — Literatur, Theater, Musik und bildende Künste 384.

IX. DIE FRANZISKO-JOSEPHINISCHE EPOCHE U N D DAS ENDE DER MONARCHIE (1848—1918)

398

Der Neoabsolutismus 398. — Von Solferino nach Königgrätz 404. — Der österreichischungarische Ausgleich 411.—Die liberale Ära 413. — Bündnispolitik und Konservativismus. Die Regierung Taaffe 422. — Politische Krise und Nationalitätenkampf (1894—1914) 427. — Die Bevölkerungsbewegung der Franz-Joseph-Zeit 442. — Die Landwirtschaft 445. — Die Industrie 447. — Verkehr, Handel, Geld- und Kreditwesen 455. — Erziehungswesen und Wissenschaften 458. — Literatur, Theater und Publizistik. Das Musikleben 466. — Die bildenden Künste 472. — Der erste Weltkrieg 478.

X. 70 JAHRE V O N DER ERSTEN ZUR ZWEITEN REPUBLIK (1918-1988)

492

D i e A n f ä n g e d e r R e p u b l i k , F r i e d e n s v e r t r a g , G r e n z f r a g e n u n d A n s c h l u ß p r o b l e m 492. — V o m Fried e n s v e r t r a g z u r Krise des J a h r e s 1927 502. — Die S c h w ä c h u n g der ö s t e r r e i c h i s c h e n D e m o k r a t i e 506. — D i e A u s s c h a l t u n g des P a r l a m e n t s u n d d e r S t ä n d e s t a a t 512. — Ö s t e r r e i c h im D r i t t e n R e i c h . D e r zweite W e l t k r i e g 524. — D i e W i e d e r h e r s t e l l u n g d e r R e p u b l i k Ö s t e r r e i c h . D a s B e s a t z u n g s r e gime u n d d e r K a m p f um d e n S t a a t s v e r t r a g 529. — K o a l i t i o n e n u n d E i n p a r t e i e n r e g i e r u n g e n ( 1 9 5 5 — 1 9 8 8 ) 541. — B e v ö l k e r u n g s v e r h ä l t n i s s e 1918 — 1988 553. — D i e W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e d e r R e p u b l i k 559. — G e i s t i g e s L e b e n . W i s s e n s c h a f t u n d K u n s t 573.

Quellen und Literatur

591

Karten und Tafeln

681

Register

.

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692

VORWORT ZUR ERSTEN

AUFLAGE

Dieses Buch ist, wie sein Titel besagt, der Geschichte des österreichischen Raumes von den Anfängen menschlicher Siedlung bis zur Gegenwart gewidmet. Es beschränkt sich also nicht auf eine Geschichte des österreichischen Staatswesens, wenn dieses auch, in all seinen wechselnden Formen, einen Hauptgegenstand der Darstellung bilden muß. In dieser war ich übrigens um ein Gleichgewicht zwischen politischer und Kulturgeschichte bemüht. Wenn der Kulturgeschichte im allgemeinen eigene Kapitel gewidmet sind, so geschah dies in Hinblick auf möglichste Übersichtlichkeit der Textgestaltung; ich bin mir der engen und vielfältigen Zusammenhänge zwischen kultureller und politischer Entwicklung wohl bewußt und glaube, das auch in der Darstellung entsprechend zum Ausdruck gebracht zu haben. Das Buch wendet sich an den Fachhistoriker ebenso wie an den Geschichtsfreund. Im Rahmen des gewählten Umfanges soll ein möglichst eingehendes, dem gegenwärtigen Stand der Forschung entsprechendes Bild geboten werden. Es schien zweckmäßig, auf ein ausgebreitetes Raisonnement zugunsten einer eindringlicheren Tatsachenschilderung zu verzichten. So empfahl sidi auch ein knapper Stil. Ich hoffe aber, daß das Werk nicht allzu materialüberladen wirkt. Eine Gesamtdarstellung der österreichischen Geschichte verfehlt ihren Zweck, wenn der Autor seine bevorzugten Arbeitsgebiete und Themen über Gebühr in den Vordergrund stellt, er muß vielmehr für eine möglichst gleichmäßige Gliederung sorgen und auch das entsprechend behandeln, was ihn sonst vielleicht weniger interessiert. Um Ausgeglichenheit der Stoffbehandlung habe ich midi besonders bemüht, es schien allerdings durchaus vertretbar, Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte ausführlicher zu berücksichtigen, als das sonst bei Arbeiten dieser Art üblich ist. Der Charakter dieses Werkes verbot es, Quellen und Literatur in Fußnoten einzeln auszuweisen; ich habe jedodi ein verhältnismäßig umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis der Arbeit beigefügt, das auch als Auswahlbibliographie zur österreichischen Geschichte gedacht ist. Es ist mir schließlich eine gern erfüllte Pflicht, allen denen zu danken, die mir bei der Durchsicht verschiedener Abschnitte des Werkes oder durch Literaturhinweise besonders behilflich waren, namentlich Anna Coreth, Fritz Fellner, Ludwig Jedlicka, Alphons Lhotsky, Rudolf Neck, Richard Pittioni, Hermann Vetters, Renate Wagner und Konrad Wiche. Die Zeichnung der Kartenbeilagen besorgte Hans Schlosser, Wilhelm Wagner gab zu dieser Arbeit seinen wertvollen Rat. Das Register wurde von Wolfdieter Bihl

Vorwort

8

und Dorothea Magerl angelegt. Beim Lesen der Korrekturen unterstützte midi Heinrich Koller. Mein Dank gilt audi Herrn Dr. Karl Cornides und dem Verlag für Geschichte und Politik für die umsichtige Betreuung des Buches sowie dem Personal der Druckerei R. Spies & Co. für seine sorgfältige Arbeit. Wien, im Oktober 1961

Erich

Zöllner

V O R W O R T ZUR ACHTEN AUFLAGE

In der siebenten Auflage dieses Werkes (1984) wurde die österreichische Geschichte bis zum Jahre 1981 behandelt; nunmehr umfaßt das letzte Kapitel die siebzig Jahre von den Anfängen der Republik 1918 bis 1988, damit bis zu einem Zeitpunkt, an dem sich offenbar eine neue Wende der europäischen, damit auch der österreichischen Geschichte ankündigt. Gesamtdarstellungen der österreichischen Geschichte können weiterhin des Leserinteresses sicher sein. Mit ihren Gestaltungen und Zielsetzungen befaßte ich mich in dem Aufsatz „Bemerkungen zu den Gesamtdarstellungen der Geschichte Österreichs", der nunmehr in einem Sammelwerk ausgewählter Aufsätze von meiner Feder „Probleme und Aufgaben der österreichischen Geschichtsforschung" (1984), herausgegeben von Heide Dienst und Gernot Heiß, ebenfalls im Verlag für Geschichte und Politik (bzw. R. Oldenbourg, München) erschienen ist. Dieser Band enthält nebst anderen Themenkreisen auch weitere Beiträge über den Österreichbegriff und das Österreichbild. Wieder bin ich für Hinweise und Anregungen zu Dank verpflichtet; ich nenne insbesondere den verstorbenen Verleger Karl Cornides, ferner Heide Dienst, Erika Doberer, Othmar Hageneder, Gernot Heiß, Erika Rüdegger, Hermann Vetters, Herwig Wolfram, meinen Bruder Otto und meinen Neffen Wolfgang Zöllner. Wien, im Jänner 1990

Erich

Zöllner

EINFÜHRUNG

DIE GEOGRAPHISCHEN

GRUNDLAGEN

Es ist ein wesentliches Merkmal der österreichischen Geschichte, daß ihr Rhythmus mit dem der Weltgeschichte übereinstimmt, wie das kaum bei der Geschichte eines anderen Staates feststellbar scheint. Die bairisch-fränkische Mark, der Babenbergerstaat und Habsburgs „Herrschaft zu Österreich" entsprechen den drei Hauptperioden des Mittelalters. Als Renaissance, Reformation und Entdeckungen die neue Zeit einleiteten, weitete sich die Macht des „Hauses Österreich" zur Weltstellung und verwirklichte sich im engeren Rahmen Mitteleuropas die wiederholt angestrebte Vereinigung der österreichischen, böhmischen und ungarischen Länder zur Donaumonarchie. Die Pragmatische Sanktion von 1713 soll deren Weiterbestand sichern, während die Friedensschlüsse von Utrecht und Rastatt den Weltkampf um das spanische Erbe beenden. Im 20. Jahrhundert ist es wieder eine Katastrophe von weltweitem Ausmaß, in der die Donaumonarchie zerbricht, und im zweiten Weltkrieg wie in der seinem Ende folgenden Spannung unter den Siegermächten sahen wir das klein gewordene Österreich erneut vor die Frage seiner Existenz gestellt. Wenn Krisen, welche die Welt erschüttern, immer an Österreichs Lebensnerv rühren, so haben sehr oft umgekehrt derartige Konflikte von Österreich ihren Ausgang genommen. Es genügen hier einige Hinweise auf die jüngere Vergangenheit. Man denke an den Mord von Sarajewo 1914, an die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, schließlich an das Geschehen des März 1938, das am Beginn jener sich überstürzenden Ereignisse steht, die den zweiten Weltkrieg einleiteten. In treffenden und oft zitierten Versen hat der Wahlösterreicher Hebbel diese Wechselwirkung charakterisiert, wenn er von Österreich als der kleinen Welt sprach, „in der die große ihre Probe hält". Dem Historiker aber obliegt es, nach den Ursachen zu fragen: Sie sind zunächst in der geographischen Lage Österreichs zu suchen, wenn wir auch gewiß nicht so weit gehen werden, zu behaupten, daß Österreichs Schicksal durch diese Lage unveränderlich vorausbestimmt sei. Die Geschichte der Menschheit zeigt indessen immer wieder die Verflechtung mit den durch die N a t u r in Klima, Bodengestaltung und Lagebeziehungen gestellten Bedingungen und Möglichkeiten, nicht zuletzt dann, wenn die menschliche Kultur, wie es ihrem Wesen entspricht, darangeht, naturgegebene Schwierigkeiten zu meistern.

10

Einführung

Unter den fünf Großlandschaften, die den europäischen Erdteil formen — Nordeuropa, Westeuropa, Mitteleuropa, Osteuropa und mediterranes Europa —, mangelt es Mitteleuropa am meisten an dem, was man „natürliche Grenzen" nennt. Am ehesten wird man im Norden, in Nordsee und Ostsee sowie in der beide verbindenden schleswigsdien Landenge, solche Grenzziehungen nachweisen können; im Süden ist es schon schwieriger, hat doch der Alpenhauptkamm kaum jemals ethnische oder politische Grenzen bestimmt, die klimatische Grenze verläuft eindeutig an den Südhängen. Gegen Westen und Osten aber sind Grenzen in den Gegebenheiten der physischen Geographie nicht ohne Willkür nachzuweisen, hier pflegt man sich denn auch nach den politischen Einheiten, nach den staatlichen Grenzen zu richten. Ebensowenig eindeutig ist auch die innere Gliederung Mitteleuropas, namentlich die Teilung in ein germanisches und ein danubisches Mitteleuropa. Eine Wasserscheide von geringer Höhe trennt die zur N o r d - und Ostsee entwässerten Landschaften vom Einzugsgebiet der Donau. Zu diesem gehört das Gebiet der Republik Österreich, abgesehen vom westlichsten Bundesland Vorarlberg, dessen Gewässer in den Rhein fließen. Das Donauland im engeren Sinne umfaßt nur den kleineren Teil der Fläche des österreichischen Staates und Raumes, doch liegt hier der Bevölkerungs- und Wirtschaftsschwerpunkt, da die Alpen verhältnismäßig dünn besiedelt sind, und zugleich bildete die Donau die wichtigste Verkehrsader seit vorgeschichtlicher Zeit. Dieser Donauweg verbindet die Mitte Europas mit seinem Südosten; die Einmündung in das Schwarze Meer, ein verkehrsärmeres Nebenmeer des Mittelmeeres, mindert wohl seine Bedeutung ebenso wie die Tatsache, daß die Donau, wirtschaftsgeographisch betrachtet, „verkehrt fließt"; es ist nicht schwierig, die mitteleuropäischen Qualitätswaren nach Südosten zu verfrachten, aber nicht so leicht, die größeren Quantitäten der agrarischen Produktion des Südostens gegen die erhebliche Strömung nach Mitteleuropa zu bringen. Heute ist die Verkehrsfunktion der Donau im österreichischen Raum allerdings zum größeren Teil auf die Straßen und Bahnlinien des Alpenvorlandes übergegangen. Von den Donauübergängen besitzen die von Linz, Krems und Tulln seit langem größere Bedeutung, den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt finden wir aber dort, wo der Donauweg von einem von alters her begangenen Fernstraßensystem gekreuzt wird, welches das Wiener Becken über die Mährische Pforte mit den Stromtälern der Oder und Weichsel verbindet und nach Nordosten an die baltische Küste, bis zum Mündungsgebiet der Memel streicht. Diese Bernsteinstraße der Urzeit setzt sich nach dem Donauübergang in einem Straßenbündel fort, das zur Adria führt, wobei in älterer Zeit der Straßenzug am Ostrand der Alpen, über Ödenburg-Steinamanger benützt wurde, während seit dem Mittelalter die Semmeringstraße über die „ostalpine Schrägfurche" bevorzugt wird. Mit dieser Verschiebung nach Westen, für welche die Veränderung der politischen Grenzbildung maßgeblich war, wechselte auch der Donauübergang von

Die geographischen Grundlagen

11

Carnuntum nach Wien, das zur führenden Siedlung im Bereich der österreichischen Donau, ja an dem Strome überhaupt wurde. Hier, im Gebiet von Wien, erreicht der Ostalpenzug das Donautal. Die Ostalpen nehmen den größten Teil des heutigen österreichischen Staatsgebietes ein, so daß man Österreich geradezu als den Ostalpenstaat charakterisiert hat. Man pflegt ihre westliche Grenze in der Regel entlang einer Linie zu ziehen, die Bodensee und Comer See über den Splügenpaß und das Hinterrheintal verbindet. Sie sind weniger hoch als die Westalpen, breiter und fächerförmig gelagert, geologisch klarer gegliedert und leichter auf Paßstraßen zu überqueren. Von diesen wurden für die Nordsüdverbindung zwei Wege wichtig: der eine über die Ehrenberger Klause, den Fernpaß und das Reschenscheideck und weit mehr noch der zweite über Scharnitz und den Brenner. Über sie führt die kürzeste Verbindung von Deutschland nach Italien, durch das Etschtal oder auch weiter östlich zum Piave. Dieses durch vielfache Querverbindungen ergänzte Paß- und Straßensystem hatte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Funktionen, bildet es doch etwa auch die wesentliche natürliche Voraussetzung für das Werden des historischen Landes Tirol. Weiter östlich wurde die wesentlich längere Route über die Salzburger und Kärntner Pässe genommen, von denen man über das Kanaltal, allenfalls auch über den Plöckenpaß und das Tagliamentotal nach Friaul und Venedig gelangen konnte. Einfacher und durch die Geländestruktur geradezu vorgezeichnet ist der inneralpine Ostwestverkehr. In dieser Richtung sind die Alpen durch Längstäler streifenförmig gegliedert, diese Täler verlaufen weitgehend entlang den Grenzen der verschiedenen Gesteinszonen, namentlich — selbst wieder durch Paßübergänge miteinander verbunden — die Oberläufe von Inn, Salzach und Enns zwischen den Zentralalpen und den nördlichen Kalkalpen. Im Süden ergibt sich eine Parallelfurche durch Pustertal und Drautal zwischen dem Zentralzug und der südlichen Kalkzone, während der Oberlauf der Mur, zwischen zwei Zügen der Zone des kristallinen Gesteins zwar keiner geologischen Trennungslinie entspricht, gleichwohl die dritte wichtige Ostwestverbindung herstellt. In ihrem weiteren Verlauf biegen alle diese Flüsse aus dem Ostalpengürtel in die vorgelagerten Ebenen, dadurch werden ihre Täler auch zu wichtigen Verbindungslinien zwischen den Alpen und den angrenzenden Landschaften, die nördlichen Flußtäler führen so in das Alpenvorland, die Etsch in die italienische und Drau und Mur in die pannonische Ebene. Bisweilen weiten sich die Alpentäler zu Beckenlandschaften, die sich in klimatischen Bedingungen und der Vegetation sehr wesentlich von den umliegenden Höhen unterscheiden; das ausgedehnteste und durch seine Verkehrsfunktion wichtigste ist das Klagenfurter Becken, daneben sind etwa das Tamsweger und Judenburger Becken zu erwähnen. Neben den Möglichkeiten des Durchgangsverkehrs und der Dauersiedlung in den inneralpinen Beckenlandschaften, Tälern, und später auch der

12

Einführung

Höhensiedlung auf agrarischer Grundlage, war es der Mineralreichtum, der den wirtschaftenden Menschen seit der Urzeit in die Bergwelt eindringen ließ. Gold, Silber, Kupfer, Blei, Magnesit, Antimon, Graphit, vor allem aber Salz und Eisen waren und sind (heute mit Ausnahme der Edelmetalle) in abbauwürdigen Vorkommen vorhanden, und der Bergbau war in der Wirtschaftsgeschichte der Ostalpenländer stets ein wesentlicher Faktor. Dazu kommt, volkswirtschaftlich nicht minder wichtig, der große Waldbestand, vorwiegend Nadelhölzer, in geringeren Höhenlagen audi Laubwald, und damit der Holzreichtum. Heute noch bedeckt nach vielfachen Rodungen der Wald mehr als ein Drittel des österreichischen Bodens. Im Norden des Alpengürtels zieht sich, gegen Osten schmäler werdend, das Alpenvorland hin, eine Fortsetzung der schwäbisch-bayrischen Hochebene. Landschaftlich weniger eindrucksvoll, ist es doch ungeachtet sehr verschiedener Bodenqualitäten als fruchtschweres Anbaugebiet von höchster Bedeutung. Es ist die wichtigste Kornkammer Österreichs. Besonders in den tiefliegenden Becken, wie dem von Eferding, ist die agrarische Dichte höher als in anderen Teilen Österreichs, auch für städtische Siedlung waren hier die Voraussetzungen, namentlich nahe den Mündungen der Nebenflüsse in die Donau, nicht ungünstig. Wenig einheitlich ist der Landschaftscharakter der östlichen Randlandschaften der Alpen, die eine typische Übergangszone darstellen. Das durch seine Verkehrslage wichtige Wiener Becken zwischen dem vielfach gegliederten und terrassierten „Randbruch der Ostalpen" und dem Abfall der Buckligen Welt, des Rosalien- und Leithagebirges weist klimatisch und tektonisch ungeachtet der stark ausgeprägten landschaftlichen Individualität schon manche Züge der pannonischen Ebenen auf; stärker noch zeigt sich der Steppencharakter im Landschaftsbild des nördlichen Burgenlandes, während das südliche in seinem Aufbau durchaus zum steirischen Hügelland gehört, das der waldigen Gebirgszone nähersteht als den östlich anschließenden Ebenen, wenn auch die Grazer Bucht klimatisch von diesen stark beeinflußt ist. Österreich nördlich der Donau, das oberösterreichische Mühlviertel und die niederösterreichischen Viertel ober und unter dem Manhartsberg (Waldviertel und Weinviertel), steht ebenfalls in enger Verbindung mit außerösterreichischen Landschaften. Mühlviertel und Waldviertel gehören zum waldreichen, spät erschlossenen Südteil der Granit- und Gneislandschaft der böhmischen Masse, während das Weinviertel zum Teil den Charakter eines hügeligen Karpatenvorlandes besitzt, mit stets waldfreien Lößböden, welche die älteste kontinuierlich besiedelte Kulturlandschaft Österreichs darstellen. Heute ergänzt das Weinviertel durch seine Erdölgewinnung die alpenländischen Mineralvorkommen Österreichs. Älter ist seine agrarische Funktion als Getreide- und Weinlieferant; das gilt auch für Teile des Marchfeldes, einer fruchtbaren Bucht der Donauebene.

Die geographischen Grundlagen

13

Der Mannigfaltigkeit der orographischen Gliederung des österreichischen Raumes entspricht auch eine Differenzierung in klimatischer Beziehung. Das K l i m a Österreichs nimmt, wie das Zentraleuropas überhaupt, eine Mittelstellung zwischen dem ozeanischen Klima Westeuropas und dem kontinentalen Klima der osteuropäischen Ebenen ein. Innerhalb Österreichs ist das Klima der Alpen niederschlagsreich und weist längerdauernde Übergangsperioden zwischen Sommer und Winter auf; ähnliche Verhältnisse herrschen im Alpenvorland, mit diesem verglichen härtere Bedingungen im Granitplateau nördlich der Donau. D a s Klima der östlichen Randlandschaften Österreichs ist niederschlagsärmer und in den Temperaturschwankungen extremer; das gilt namentlich für das Karpatenvorland und das Gebiet am Neusiedler See, die schon dem pannonischen Klimabereich angehören. Dementsprechend weicht in diesen Landschaften die Flora von der alpinen stark ab und besitzt nähere Verwandtschaft mit der pontischen Flora, in welche die Pflanzendecke gegen Osten allmählich übergeht. Stärkere Temperaturschwankungen, Kälteseen im Winter und Hitzeperioden im Sommer, sind audi für die inneralpinen Becken charakteristisch. Ungeachtet der Unterschiede in den klimatischen Bedingungen der Landschaften ergibt sich, wenn man von den urgeschichtlichen Perioden der Eiszeiten und Zwischeneiszeiten mit ihren völlig andersartigen klimatischen Verhältnissen absieht, als Gesamtbild der Charakter eines zwar gemäßigten, aber nicht allzu milden, abwechslungsreichen Klimas, das zusammen mit der Bodenbeschaffenheit an den siedelnden Menschen beträchtliche Anforderungen stellt, gleichzeitig aber auch den Anreiz zur körperlichen und geistigen Arbeit bietet, mit der er sich seinen Lebensunterhalt verdienen und seinen Siedlungsraum behaupten kann.

Wie schon angedeutet, sind die Beziehungen und Verbindungen zu den Nachbargebieten mannigfach und historisch von größter Bedeutung; bei der Skizzierung des Baustiles der österreichischen Landschaften ergibt sich ohne weiteres, daß man kaum von einem abgeschlossenen österreichischen Raum sprechen kann, wiewohl der Ostalpenzug für eine klare Dominante in der Reliefbildung sorgt. Österreich war im Verlaufe seiner Geschichte wiederholt tiefgehenden politischen, ethnischen und kulturellen Einwirkungen aus allen Nachbarräumen ausgesetzt, vergleichsweise noch am wenigsten solchen, die unmittelbar aus dem Bereich der Westalpen kamen, wenngleich auch hier der Kontakt etwa in der römischen Zeit oder während der Auseinandersetzung des Hauses Habsburg mit den Eidgenossen recht enge war. Uber die oberitalienische Tiefebene drangen die Römer in die Ostalpen und das Donauland ein, von hier aus kam auf kürzestem Weg der romanische Kultureinfluß durch Jahrhunderte, andererseits griff die Staatsbildung in den Ostalpenländern wiederholt auf die südlich angrenzenden Ebenen und selbst auf

14

Einführung

die Apenninenhalbinsel aus. Noch enger und längerdauernd war die Verbindung mit der Karstlandschaft und ihrem Hinterland; dabei bildete in dieser Partnerschaft Österreich, dem sich hier der nächste Zugang zum Meer öffnete, politisch und kulturell entschieden den aktiveren Teil. Hier befinden wir uns bereits im geographischen Bereich der Donaumonarchie, als deren Kernlandschaften ja die Ostalpen-, Sudeten-, Karpaten- und Karstländer angesehen werden müssen. Von diesen hat man stets den Karpatenraum als eine besonders klar umgrenzte Einheit gewürdigt. Gewiß mit Recht, wenngleich es feststeht, daß in der Geschichte dieser Landschaft neben der Einheit, wie sie der ungarische Staat der Arpaden, Anjou und der späteren Habsburger charakterisierte, auch die Gespaltenheit in der römischen und der frühmittelalterlichen Epoche, in der Zeit des Türkenkampfes und schließlich im 20. Jahrhundert nicht übersehen werden kann; einmal mehr zeigt sich hier, daß geographische Faktoren die politische Grenzbildung nicht fixieren können. Von den Öffnungen, welche die Räume des Karpatenbogens und der Ostalpen miteinander verbinden, ist besonders die Preßburg-Hainburger Pforte, neben ihr auch noch die ödenburger und die Brucker Pforte von Bedeutung. Es handelt sich um Eingänge von Straßen, die auf österreichischem Gebiet bei Wien zusammentreffen. Es sind wahre Heerstraßen. Die ausgedehnte Ungarische Tiefebene übte von urgeschichtlichen Zeiten her stets eine besondere Anziehungskraft auf die Hirtenvölker der eurasischen Steppenländer aus. Hunnen, Awaren und Magyaren wählten sie als Siedlungsraum, Mongolen und Türken stießen durch sie bis in die Randzonen der Ostalpen vor. Die strategische Bedeutung der Ausfallstore aus dem Karpatenbecken zeigte sich zuletzt eindrücklich in den Endphasen des zweiten Weltkrieges. Daß sie durch Jahrhunderte weniger in Erscheinung traten, ergab sich lediglich aus der staatlichen Einigung des Ostalpen-, Karpaten- und Sudetenraumes im Habsburgerreich. Der ebenfalls gegen das Wiener Becken geöffnete böhmisch-mährische Raum ist ebenso wie der ungarische ausgedehnter und klarer umgrenzt als der Ostalpenraum. Böhmens Bedeutung als „Zitadelle Europas" ist vielfach gewürdigt worden. Waldreiche, in früherer Zeit schwer passierbare Gebirgszonen sichern das Land gegen Norden, Westen und Süden. Das durch das Relief bedingte Zusammenstreben der innerböhmischen Verkehrswege sicherte Prag die unbestrittene Stellung als politisches Zentrum. Weniger eindeutig ist das Nebenland Mähren abgegrenzt und gegliedert. Die offene Südgrenze gegen Österreich begünstigte den Verkehr zwischen den Hauptorten Wien und Brünn. Doch ist auch die mäßig hohe Wasserscheide zwischen Böhmen und Mähren leicht überschreitbar, ebenso die innermährische zwischen March und Oder, über welche die Bernsteinstraße führte. Dem Verkehr zwischen Österreich und Bayern dient vor allem der Donauweg, weiter westlich übernehmen die Nordausgänge der Alpentäler

Die geographischen Grundlagen

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diese Funktion. Auch die Nachbarschaft des bayrischen (und darüber hinaus des deutschen) mit dem österreichischen Räume wirkte sich in engen politischen und siedlungsmäßigen Beziehungen vielfach aus. D a s augenfälligste Ergebnis alter Zusammengehörigkeit von wechselnder Intensität ist die Sprachgemeinschaft. Bestrebungen der Habsburger, namentlich im 18. Jahrhundert, durch Erwerbung Bayerns die breite Lücke zwischen dem Streubesitz der Dynastie in Südwestdeutschland und den österreichischen Ländern zu schließen und dadurch die gesamte obere und mittlere Donaulandschaft in die H a n d zu bekommen, bezeugen die Bedeutung, welche man österreichischerseits dem bayrischen R a u m beimaß. In umgekehrter Richtung wirkte die Expansion des Dritten Reiches. Der Versuch einer zusammenfassenden Würdigung der Wirksamkeit von Relief und Boden, Lagebeziehungen und klimatischen Verhältnissen des österreichischen Landes und des mitteleuropäischen Raumes auf die österreichische Geschichte kann angesichts der Vielfalt und Vieldeutigkeit der als wirksam erkennbaren Faktoren zu keiner abschließenden Antwort führen. Doch werden einige Perspektiven deutlich genug sichtbar. Ohne weiteres ergibt sich das Problem von Aufgeschlossenheit und Gefährdung, des fremden Kräften und Ideen Ausgesetztseins, mögen sie positiv oder negativ zu werten sein. Andererseits zeigt sich klar audi die Befähigung des österreichischen Raumes, selbst als Aktivitätszentrum auf seine Nachbarn zu wirken. Drittens vermag Österreich als Durchgangs- und Vermittlungsland für Güter und Werte verschiedenster Art in verschiedenster Richtung zu dienen, und zuletzt ergibt sich eine Funktion als Grenzbezirk weiträumiger geistiger und politischer Machtkomplexe. In der Geschichte Österreichs sind alle diese Möglichkeiten, oft in jähem Wechsel, verwirklicht worden.

I. U R G E S C H I C H T E

Von den Anfängen menschlicher Siedlung bis zu den Stammeskulturen der Illyrer und Kelten Die Spuren menschlicher Tätigkeit lassen sich im österreichischen Raum etwa 180.000 Jahre zurückverfolgen. Sie führen uns in das Diluvium, eine durch beträchtliche und langdauernde europäische Klimaschwankungen charakterisierte Epoche der Erdgeschichte. In den Kälteperioden kam es zu weiträumigen Vergletscherungen; die polare Vereisung reichte nach Süden bis zum Deutschen Mittelgebirge, während im österreichischen Bereich die alpine Vereisung Landschaftsbild und Lebensbedingungen prägte. Man kann vier (?) Perioden starker alpiner Vereisung unterscheiden, sie werden durch drei Zwischeneiszeiten mit weit günstigeren klimatischen Verhältnissen voneinander getrennt. In die Wärmeperiode zwischen dritter und vierter Eiszeit, das Riß-Würm-Interglazial, gehören die ersten Zeugnisse vom Auftreten des Menschen im Räume der Ostalpen; sie sind wesentlich jünger als die ältesten Quellenbelege in anderen Gebieten, die mehr als 400.000 Jahre früher anzusetzen sind. Dieser erhebliche Unterschied wird zum Teil wohl auf Lücken in unserem Fundmaterial beruhen. Dieses ist für die ältere Steinzeit (älteres Lithikum) 1 ) kaum einwandfrei bestimmbar und für das mittlere Lithikum recht spärlich. Es stammt vor allem von zwei Fundstätten, von der unteren Schichte der Gudenushöhle bei Hartenstein im niederösterreichischen Kremstal und von der Drachenhöhle bei Mixnitz in der Steiermark. Diese Fundorte (zu denen noch einige andere steirische Höhlen ergänzendes Material beisteuern) verraten, wie sich der Mensch jener frühen Epochen auf der Jagd verhalten hat. Die Jagd auf Großtiere und das Sammeln von Früch*) Die chronologische Terminologie der urgeschichtlichen Forschung ist vielfachem Wechsel unterworfen. Das gilt besonders für den Begriff „Steinzeit". Die von O. Menghin in seiner Weltgeschichte der Steinzeit, Wien 1931, verwendete Gliederung ist heute überholt. R. Pittioni hat in mehreren programmatischen Aufsätzen und zuletzt in seiner Urgeschichte des österreichischen Raumes, Wien 1954, die in der westeuropäischen Literatur übliche Gliederung insofern modifiziert, als er den Begriff Steinzeit oder Lithikum auf, die bisher als Paläolithikum (Altsteinzeit) bezeichnete Epoche einschränkte. Innerhalb des Lithikums unterscheidet er eine ältere (früher „unteres Paläolithikum"), mittlere („mittleres Paläolithikum"), späte („oberes Paläolithikum") und späteste Steinzeit (bisher „Mesolithikum"). Ausgeschieden ist in dieser noch umstrittenen Neueinteilung aus dem Begriff Steinzeit das Neolithikum (Jungsteinzeit), für das Pittioni den Begriff „Keramikum" (Töpferzeit) nach dem charakteristischesten Schaffenszweig geprägt hat. An das Keramikum schließt sich das „Metallikum" (Metallzeit) an, das sowohl Bronze- wie Eisenzeit umfaßt. Durch diese Neugliederung ist das alte Dreiperiodenschema: Steinzeit — Bronzezeit — Eisenzeit aufgegeben bzw. durch die Reihe Lithikum — Keramikum — Metallikum ersetzt.

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ten bildeten in jener Zeit einer aneignenden Wirtschaft ohne planmäßige Anlage von Vorräten oder Hegung des Wildes die Grundlage der Existenz. Als Werkzeuge und Waffen dienten durch Zuschlagen (Faustkeil) oder Abschlagen (Klinge) bearbeitete Feuersteine, als Wohnstätten benützte man natürliche Schlupfwinkel, vor allem Höhlen. Unsere Quellen gestatten kaum weitergehende Schlüsse auf die Vorstellungswelt des Menschen; daß er eine ausgebildete Sprache besaß, ist indessen unzweifelhaft, die Anzeichen für einen Totenkult können ebensowenig übersehen werden. Die Kulturen des späteren Lithikums, in einer Epoche der Klimaverschlechterung zu Beginn der letzten („Würm"-) Eiszeit, zeigen ein variantenreicheres Bild. Dieser Zeit (ca. 100.000 bis 10.000 v. Chr.) gehören die oberen Schichten der Gudenushöhle an sowie eine Reihe weiterer Fundorte in den Lößzonen, vor allem in Niederösterreich nördlich der Donau, in der Wachau und im Weinviertel (Willendorf, Wösendorf, Krems, Stillfried u. a.). In der Wirtschaft machte sich eine weitergehende Vorsorge geltend, in der Siedlung die Anpassung an wildreiche örtlichkeiten. Bei der Geräteerzeugung sind regionale Unterschiede in der Technik faßbar; so kann man feststellen, daß in Österreich verschiedene Ausprägungen der europäischen Schmalklingenkultur einander begegnen. In bildlichen Darstellungen, Schnitzereien oder Felsbildern, werden religiöse Vorstellungen und das Kunstwollen des Menschen jener Epoche eindrucksvoll fühlbar. Ein Zeugnis dafür gibt die Venus von Willendorf, ein aus Kalkstein verfertigtes weibliches Fruchtbarkeitsidol; eine zweite Statuette aus Elfenbein, von der gleichen Fundstätte, ist weniger gut gearbeitet. Die späteste Steinzeit (das Mesolithikum der älteren Terminologie, ca. 10.000 bis 5000 v. Chr.) ist klimatisch charakterisiert durch das Ende der Vereisung. Der Mensch der nun einsetzenden Wärmeperiode, von dessen Tätigkeit nur wenige österreichische Fundstätten, wie der Galgenberg bei H o r n oder die Zigeunerhöhle bei Gratkorn, zeugen, neigte zu bodenständigerer Siedlung; er errichtete vermutlich Wohnhütten und begann mit der planmäßigen Wildgraszucht, mit dem Anbau von Weizen, Gerste und Hirse. Er war noch immer vorwiegend Jäger, Fischer und Sammler, doch hielt er bereits ein Haustier, den H u n d . Seine Werkzeuge waren oft klein und zierlich; neben diesen Mikrolithen läßt sich als neue und charakteristische Form das Beil nachweisen, welches namentlich die Bearbeitung des Holzes wesentlich erleichterte. In dieser Zeit begann man auch mit der Herstellung von Topfgefäßen aus Ton. Die Tontopfware ist nun das Hauptcharakteristikum des Keramikums (oder Neolithikums, ca. 5000 bis 1800 v. Chr.) 1 ). In dieser Epoche, die mit *) Diese Epoche wird hier im wesentlichen als chronologische Einheit behandelt. Pittioni verwendet die Gliederung: Übergangskeramikum — Frühes Keramikum — Mittleres Keramikum — Spätes Keramikum. Übergangskeramikum und frühes Keramikum entsprechen dem Frühneolithikum, die dritte und vierte Epoche seiner Terminologie dem Voll- bzw. Spätneolithikum. 2

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den Anfängen der orientalischen Stadtkultur und der Entfaltung der ersten Großreiche in Ägypten und Mesopotamien zusammenfällt, begegnen wir in Mitteleuropa einer bäuerlichen Dorfsiedlung. In Österreich, das mit Süddeutschland, den Sudeten- und Karpatenländern zum großen Bereich der donauländischen Kultur gehörte, sind innerhalb dieser die Sonderformen der Linearkeramik und der bemalten Keramik zu unterscheiden. Ihre geographischen Bereiche decken sich zum Teil; die wichtigsten Fundstätten liegen im östlichen Niederösterreich und im Burgenland. Als wichtigste Ableger der nordischen Kulturwelt im österreichischen Raum sind die Badener und die Mondseekultur zu nennen. Auch Ausstrahlungen der westeuropäischen Kulturen lassen sich in Österreich nachweisen; es handelt sich um die weitverbreitete Glockenbecherkultur mit ihren charakteristischen, für die Namengebung gewählten Gefäßformen und die mit ihr verwandte, nach dem rheinischen Fundort benannte Michelsberger Kultur. Die zeitliche Abgrenzung dieser Kulturen gegeneinander ist schwierig und noch nicht befriedigend gelöst. Die donauländische Gruppe ist jedenfalls die älteste und schließt an das Lithikum an; die nordische läßt auf Einwanderung einer neuen, wohl indogermanischen Bevölkerung schließen. In ihrem Bereich vor allem finden wir die Pfahlbauten als besondere Siedlungsform, nicht immer kann festgestellt werden, ob es sich um Strand- oder Wasserbauten handelt, da sich der Wasserspiegel seither wesentlich geändert hat. Zuletzt scheinen die westeuropäischen Kulturen in den österreichischen Raum vorgedrungen zu sein. Die sehr ortsverwurzelte Bevölkerung des Keramikums stellt den Urtyp des durch das Dauerverhältnis zu Tier und Pflanze in Viehzucht und Ackerbau geprägten europäischen Bauerntumes dar. Sie hält und züchtet Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen, zuletzt versteht man es auch, sich des Pferdes als Haustier zu bedienen. Man benützt den vierrädrigen Wagen und einen einfachen Pflug. Der Ackerbau gestattete eine planmäßige Vorratswirtschaft; die vertiefte Kenntnis der Pflanzenfasern ermöglichte auch die Entwicklung neuer Handfertigkeiten, wie des Spinnens und Webens. Auch an den Steinwerkzeugen zeigt sich der technische Fortschritt; sie sind geschliffen und poliert, der erhöhten Verwendbarkeit entspricht die elegantere Gestaltung. Von fernher eingeführte Werkstoffe, etwa Bernstein, deuten auf weitreichende Handelsbeziehungen. Zu Ende dieser Epoche begann bereits die Ausbeutung der alpinen Kupferminen in der Grauwackenzone Salzburgs und Tirols; bei der Verwertung des Kupfererzes dürften aus dem vorderen Orient übernommene Kenntnisse und Fähigkeiten eine Rolle gespielt haben. Mit der Verwendung des Kupfers, zunächst in kalt geschmiedetem Zustand, später mit der Verwendung der Bronze, der Legierung von Kupfer und Zinn (gelegentlich auch Antimon), die wohl ebenfalls zuerst in Vorderasien hergestellt wurde, erschloß sich dem Menschen eine neue Welt. Die Suche nach den Metallvorkommen führte zu einer beträchtlichen Erweiterung des Bewegungs- und Siedlungsraumes. Die Distanzen des Fernhandels ver-

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größerten sich noch. Andererseits ist eine weitergehende Differenzierung lokaler Kulturen feststellbar. In den Teilen der Alpen, die keine Erzvorkommen besaßen und abseits von den Wegen des Metallhandels lagen, hielten sich noch längere Zeit Kulturen neolithischen Charakters. Die Herstellung der Bronzegegenstände, von denen Waffen und Schmuck sich durch besondere Schönheit der Formen auszeichnen, verlangte beträchtliches handwerkliches und künstlerisches Können. Es handelt sich hier nicht mehr um Produkte der Hausindustrie, sondern um Erzeugnisse einer hochentwickelten Schmiedekunst. Eine Spezialisierung verlangte auch der Bergbau, namentlich sobald man auf die Anlage tieferführender Einbaue überging, wie am Mitterberg bei Bischofshofen oder auf der Kelchalpe bei Kitzbühel. Ebenso war die Verhüttung des Roherzes ein komplizierterer, Fachkenntnisse erfordernder Prozeß. Mit der Spezialisierung der Berufe vertieften sich auch die Vermögensunterschiede. In der Hortung von Metallgegenständen, aber auch von Metallbarren, die nach dem Gewicht bewertet wurden und die Funktion eines Naturalgeldes erfüllten, in der Anlage von Güterdepots, wie sie mehrfach aufgefunden wurden, verrät sich ein oft beträchtlicher Reichtum. Diesen bezeugen audi Grabbestattungen mit reichen Beigaben. Die frühbronzezeitliche Flachgräberkultur knüpft im österreichischen Raum im Osten vor allem an die Badener Kultur, im Westen an die Glockenbecherkultur an. Die wichtigsten donauländischen Lokalkulturen sind die nach den böhmischen bzw. westungarischen Hauptfundorten benannte Aunjetitzer und Wieselburger Kultur. Die erste reicht aus dem östlichen Sudetenraum in das Weinviertel, die zweite ist vor allem im östlichen Niederösterreich südlich der Donau und im Burgenland faßbar. Der Westen Österreichs ist von der süddeutschen Entwicklung beeinflußt (Straubinger Typus), der Anschluß an die vorausgehende Zeit ist hier besonders deutlich. Die Keramik ist verhältnismäßig einfach; gegen Ende dieser Epoche wird der Gebrauch der Steinwerkzeuge aufgegeben, während das Bronzeinventar durch Holzgeräte in mannigfachster Gestalt ergänzt wird. Die Waffen- und Gerätverzierungen zeigen abstrakt-geometrische Formen. Die mittlere Bronzezeit ist charakterisiert durch eine neue, anspruchsvollere Bestattungsform mit reichen Grabbeigaben, die Hügelgräber, neben denen sich vereinzelt auch Brandbestattung findet. Das ziemlich spärliche, zumeist aus dem Donauland stammende Fundmaterial gibt nur wenig Aufschlüsse über die Siedlungsverhältnisse. Der Übergang von der mittleren zur späten Bronzezeit, die nach der Beisetzung des Leichenbrandes in Großurnen als Urnenfelderkultur bezeichnet wird, hängt mit ausgedehnten Bevölkerungsverschiebungen in Europa zusammen, deren Ausstrahlungen nach Südosten die ethnische Struktur der Balkanhalbinsel veränderten und die orientalischen Großreiche erschütterten. In dieser Zeit der „Großen Wanderung", als die Paläste von 2·

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Urgeschichte

Tiryns und Mykene in Trümmer sanken und die Seevölker die ägyptische Küste bedrohten, drangen die „Urkelten" nach Süddeutschland vor, die Ostalpen und der Karst dienten als Durchzugsgebiet f ü r die „Uritaliker", die Vorfahren der Träger der lateinischen Hochkultur, während im österreichischen Kaum und auf dem Balkan frühillyrische Stammesbildungen anzunehmen sind. Vermutlich waren alle diese Gruppen von der Lausitzer Kultur venetischer Stämme beeinflußt; jedenfalls ist die niederösterreichische Urnenfelderkultur als eine Ausweitung der Lausitzer Kultur nach Süden zu werten. Westlich der mährisch-niederösterreichischen „Baierdorf-Velatitz-Gruppe" macht sich ein anderer, vom gleichen Ursprung ausgehender Impuls bemerkbar, der über Böhmen, bereits mehrfach modifiziert, auf Oberösterreich, Salzburg und Tirol einwirkte (Gruppe Hötting-Morzg). Zu dieser westösterreichischen Sonderform der Urnenfelderkultur gehören auch die beiden ältesten Schichten von Hallstatt. Die Funde dieser Epoche sind reichlich, es ist mit einem Bevölkerungszuwachs zu rechnen. Zu Ende des 9. vorchristlichen Jahrhunderts bahnte sich in Mitteleuropa erneut eine Kulturwende an. Das Eisen begann die Bronze als wichtigsten Werkstoff abzulösen. Der gleiche Prozeß hatte sich in Vorderasien 600 Jahre früher vollzogen. Das weichere und geschmeidigere Eisen dürfte zuerst in den Großreichen der Hethiter und der Assyrer verwendet worden sein, von ihnen wurde sein Gebrauch an Ägypten und Griechenland weitergegeben; in Italien sind Eisenwerkzeuge und -waffen um 1000 bezeugt. Aus dem Süden und dem Südosten wurde das Eisen auch in die Ostalpenländer importiert, in Kärnten und Krain wurden neue Abbaustätten erschlossen. Die Verwendung beschränkte sich auf die Herstellung von Waffen, während Schmuck und Gefäße noch aus Bronze gearbeitet wurden. Der österreichische H a u p t f u n d o r t der älteren Eisenzeit (800 bis 400 v. Chr.), Hallstatt, dient der Urgeschichtsforschung zur Bezeichnung der ganzen Epoche (auch außerhalb der Ostalpen) als Hallstattzeit. Hallstatt und in einigem Abstand auch Hallein verdanken ihre Bedeutung der Salzgewinnung, die wohl schon im Keramikum aufgenommen wurde, in größerem Ausmaße aber erst in der älteren Eisenzeit einsetzt. Die illyrischen Bergleute bedienten sich dabei noch nicht des Soleverfahrens, sondern bauten das Kernsalz trocken ab. Zahlreiche Materialfunde, wie Holzschaufeln, Salzbutten, Fackeln, Leuchtspäne, Kleidungs- und Nahrungsreste, geben Einblicke in Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse des Hallstätter Bergmannes 1 ). Zur Herstellung der Kleidung bediente man sich des Gerbens der Felle und der Schafwollweberei; einige Stoffunde weisen farbige Muster auf, man verstand sich also auch auf das Färben. Zur Unterkunft dienten Blockhäuser in der Art der Almhütten der Gegenwart. ') In Salz konservierte Leichen verschütteter Bergmänner der Urzeit wurden 1573 in Hallein und 1734 in Hallstatt gefunden; leider wurden Aussehen und Kleidung beim Halleiner Fund nur mangelhaft, beim Hallstätter überhaupt nicht beschrieben.

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Reich war auch die Ausbeute des Hallstätter Gräberfeldes, das mehr als 2000 Bestattungen enthielt, die zum Teil bereits in die Latenezeit gehören. Es handelt sich sowohl um Brandgräber als auch um Körperbeisetzungen. Auch Teilbestattungen kommen vor. Unsachgemäße Aufgrabung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte leider zu unersetzlichen Verlusten. Unter den Grabbeigaben befinden sich viele Bronzen, deren Stilformen die Nachahmung südlicher Vorbilder durch Hallstattschmiede wahrscheinlich machen. Die Freude an auffälligem Schmuck tritt deutlich hervor. Auch die Erschließung anderer Fundorte brachte bemerkenswerte Ergebnisse zur Kunst der Hallstattzeit. Zu nennen sind etwa die Bronzepanzer und Votivhände der Fürstengräber von Klein-Klein bei Leibnitz und der bronzene Kultwagen von Strettweg bei Judenburg. Häufig ist die figurale Darstellung von Tieren. Die Keramik der Hallstattperiode ist durch Graphitverzierungen charakterisiert, die Gefäßformen sind mannigfaltig, doch kannte man noch nicht den Gebrauch der Töpferscheibe. Nicht zuletzt gewähren uns die Hallstattfunde einige Hinweise auf die Heilkunde der Zeit. Durch den Kelteneinbruch wurde die illyrische Hallstattkultur schwer erschüttert. Vor 400 v. Chr. drangen keltische Gruppen von Gallien einerseits nach Spanien und über See zu den Britischen Inseln vor, andere Stöße führten nach Süden und Südosten. Oberitalien wurde keltisiert. Im Jahre 387 erlitten die Römer eine schwere Niederlage an der Allia. 279 wurde Delphi geplündert, gleichzeitig setzten keltische Scharen nach Kleinasien über und gründeten dort die galatischen Fürstentümer. In die Ostalpen rückten die Kelten vermutlich sowohl von Süddeutschland wie von Oberitalien ein. Verhältnismäßig wenig wurden von der keltischen Landnahme die Gebiete Vorarlbergs und Tirols betroffen. Hier hielt sich das Altvolk der Räter, dessen N a m e auf eine vorindogermanische Bevölkerungskomponente deutet, zu dem vor allem aber Restbestände der illyrischen Hallstattbevölkerung, vielleicht auch versprengte etruskische Elemente gehörten. Doch fehlen hier keltische Ortsnamen nicht völlig. Wesentlich stärker und im allgemeinen vorherrschend war der keltische Einschlag in den Talschaften der Salzach, Enns, der oberen Mur, im Kärntner Becken und im Alpenvorland. Die führenden Stämme waren die Noriker und Taurisker, nördlich der Donau und im Sudetenraum die Boier. Der Name der Noriker (Nori, später Norici) ist wohl ebenso wie der der Räter Und der im friaulisch-krainischen Raum siedelnden Carner nichtindogermanischen, der der Taurisker illyrischen Ursprunges, das deutet auf Weiterbestand älterer Bevölkerungsschichten audi im zentralösterreichischen Raum. Doch hat sich hier das Keltentum sprachlich und politisch durchgesetzt, keltisch ist auch der Stammesname der Latobiker im östlichen Kärnten. In den Hügel- und Bedienlandschaften am Alpenostrand überwiegt wieder die illyrische Komponente. Die sprachliche und völkische Uneinheitlichkeit der Ostalpenländer in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten, welche die spätere Romanisierung

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Urgeschichte

zweifellos erleichtert hat, spiegelt sich im Bestand der vorrömischen, von den Römern übernommenen, umgeformten und vielfach weitergegebenen Ortsund Gewässernamen. Wir finden hier rätische Ortsnamen wie Salurnae (Salurn), Scarantia (Scharnitz), Veldidena (Wilten), illyrische wie Agist a (Aist), Arelape (Erlauf), Carnuntum, Aguntum (bei Lienz), Matreium (Matrei), Tergeste (Triest), keltische wie etwa Boiodorum (Innstadt-Passau), Escala (Ischl), Lauriacum (Lorch), Lentia (Linz), Tragisamus (Traisen), Vindobona (Wien). Der Namensbestand ist auch von Sprachen beeinflußt, deren Träger die Ostalpenländer höchstens in ihren Grenzzonen besiedelt oder berührt haben. Der Name der Alpen selbst gilt als ligurisch, der N a m e der Donau (Danuvius) als skythisch, er ist mit osteuropäischen Flußnamen wie Dnjestr, Dnjepr und Don (Danastris, Danapris, Tanais) verwandt. Aus dem Thrakischen dürfte die Bezeichnung der Salzvorkommen mit dem Namensbestandteil „hall" stammen (Hallstatt, Hallein u. ä.). Ungeachtet der Vielfalt meist kleinerer Stämme verschiedener Sprachen und Dialekte, gelang es doch der staatenbildenden Kraft des Keltentums im Verlaufe des 2. vorchristlichen Jahrhunderts, größere Gebiete im Räume der Ostalpen unter Führung des norischen Stammesfürsten zum Königreich Norikum zusammenzufassen. Dessen Grenzen sind in ihrem Verlauf nicht mehr zuverlässig rekonstruierbar, waren wohl auch mehrfach Veränderungen unterworfen. Im Osten werden sie mit den heutigen österreichischen Staatsgrenzen einigermaßen übereingestimmt haben, im Süden verliefen sie ungefähr am Alpensaum, im Norden dürfte man nach einiger Zeit die Donau erreicht haben. Im Westen ist wenigstens streckenweise mit der Inngrenze zu rechnen. So handelt es sich um das Territorium eines Staatswesens mittlerer Größe, das freilich seit seiner Gründung durchaus im Schatten der aufsteigenden römischen Großmacht stand. Das römische Interesse an geordneten Verhältnissen in dem Italien vorgelagerten Alpenglacis mag die norische Staatsbildung gefördert und ihre Anerkennung in ehrenden Formen nahegelegt haben. Wenn es nötig war, vertrat Rom seine Ansprüche recht energisch. Als 186 v. Chr. Kelten aus den Ostalpen in die friaulische Ebene eindrangen und sich anschickten, am unteren Isonzo eine Stadtsiedlung anzulegen, intervenierten römische Diplomaten und Soldaten; die Kelten traten den Rückzug an und die Gründung der römischen Kolonie Aquileia diente offensichtlich der Verhinderung einer Wiederholung solcher Invasionen, wohl auch einer Intensivierung des norisch-römischen Handels. In den folgenden Jahrzehnten kam es noch mehrfach zu Zwischenfällen. 170 v. Chr. protestierten Alpenkelten, vermutlich die Noriker, mit Erfolg gegen Ubergriffe des römischen Feldherrn Gaius Cassius. Um die Jahrhundertmitte wurden römische Goldsucher, welche die Vorkommen des Edelmetalls in den Tauern gemeinsam mit den Einheimischen ausbeuteten, von den Tauriskern verjagt. Unvergleichlich ernsteren Charakter hatte der erste Vorstoß germanischer Stämme in die Ostalpen. Die von ihrer Heimat

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an der jütischen Nordseeküste durch Sturmfluten vertriebenen Kimbern, Teutonen und Ambronen, mit ihnen keltische Mitläufer, erschienen im Jahre 113, nach einem vergeblichen Versuch der Landnahme im bojischen Gebiet, in Noricum und suchten sich das Durchzugsrecht vertraglich zu sichern. Rom, das — unbekannt zu welchem Zeitpunkt — mit den Norikern ein Freundschaftsbündnis geschlossen hatte, entsandte ein Heer unter dem Konsul Papirius Carbo. Dieser leitete seinerseits Verhandlungen mit den Germanen ein, unternahm aber anschließend einen verräterischen Überfall auf ihre Scharen. Er erlitt indessen bei der Siedlung Noreia 1 ) eine empfindliche Niederlage. Die Sieger unterließen einen erfolgversprechenden sofortigen Angriff auf Italien, und als die Kimbern im Jahre 102 über die tirolischen Pässe in Oberitalien eindrangen, endete das Unternehmen mit der Katastrophe des Wandervolkes bei Vercellae. Das folgende Jahrhundert sieht die Kelten Mittel- und Westeuropas weiterhin in der gefahrvollen Situation der Ausgesetztheit gegen zwei überlegene expansive Kräfte, den Druck germanischer Stämme vom Norden und der Ausdehnung des römischen Reiches im Süden. Als die besonders exponierten Helvetier ihre Sitze in den Schweizer Alpen zu räumen suchten, strömten ihnen Gruppen der Boier aus dem Sudeten- und Donauland nach. Auf dem Durchzug durch Noricum belagerten sie Noreia ohne Erfolg. Da überdies von Osten die Daker nachdrückten, suchte sich der norische König Voccio Rückhalt an den mächtigsten Nachbarn zu schaffen. Seine Schwester heiratete den Germanenfürsten Ariovist, einige Jahre später aber unterstützte er dessen siegreichen Gegner Caesar im Bürgerkrieg (49 v. Chr.). Nach der Beendigung der Auseinandersetzungen innerhalb des römischen Staatswesens war es dann nur mehr eine Frage kurzer Zeit, wann Rom zur Besetzung der Ostalpenländer schreiten würde. Während über die äußeren Beziehungen der Alpenkelten bereits mehrere schriftliche Nachrichten vorliegen, ist für die Erforschung ihrer Siedlungs-und Wirtschaftsverhältnisse noch das urgeschichtliche Quellenmaterial ausschlaggebend. Das Fundgut weist die meisten charakteristischen Merkmale der nach dem reichhaltigsten Fundort am Neuenburger See (Westschweiz) als Lateneperiode bezeichneten jüngeren Eisenzeit auf. Die älteste der vier Latenestufen ist allerdings seltener vertreten, erst allmählich hat sich das keltische Element gegen die Hallstattkultur durchgesetzt, das zeigt sich nicht zuletzt gerade an den in Hallstatt selbst gemachten Funden. Die Latenegeräte und ') Die genaue Lage des Schlachtortes ist unbekannt, w e n n auch keinerlei Z w e i f e l darüber besteht, d a ß er sich in den inneralpinen Landschaften des heutigen österreichischen Staatsgebietes südlich der D o n a u befand. Es gab, w i e uns namentlich die Tabula Peutingeriana, eine römische W e g k a r t e aus der späteren Kaiserzeit, v e r r ä t , überdies mehrere O r t e dieses Namens. Vermutlich ist der Schauplatz des K a m p f e s in K ä r n t e n zu suchen. Für eine Identifizierung Noreias mit dem keltischen O p p i d u m auf dem Magdalensberg liegt bisher kein Beweismaterial v o r . Vollends unwahrscheinlich ist die v o n W a l t e r Schmid v o r g e schlagene Lokalisierung bei N e u m a r k t in der Obersteiermark.

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Urgeschichte

Waffen sind zum Teil äußerlich weniger eindrucksvoll als die Erzeugnisse der älteren Eisenzeit. In der Keramik läßt sich der Gebrauch der Töpferscheibe nachweisen, der Graphitgehalt des verwendeten Tones ist sehr hoch. Als charakteristische Form der Tonware fällt die Schnabelkanne auf. Unter den Waffen finden wir zweischneidige Langschwerter, Hiebmesser, Lanze und Schild. Die latenezeitlichen Flachgräber weisen sowohl Körper- wie Brandbestattungen auf. In der späteren Latenezeit sind die Einflüsse der mediterranen Hochkulturen sehr deutlich. Auch die Kelten gingen zur Stadtsiedlung über. Die keltischen Oppida sind überall auf schützenden Höhen angelegt und durch Mauerzüge befestigt. Zu Verteidigungszwecken errichtet, dienten sie auch als Fürstenresidenzen, Märkte, religiöse Zentren. Auf österreichischem Gebiet sind die Anlagen auf dem Braunsberg bei Hainburg, auf dem Oberleiserberg und vor allem auf dem Magdalensberg in Kärnten zu nennen; dieser wurde in römischer Zeit noch großartig ausgebaut. Der Einfluß des Mittelmeerraumes zeigt sich audi deutlich in der keltischen Münzprägung in Gold und Silber, in der zuerst griechisch-makedonische, später römische Vorbilder nachwirkten. Durch die Aufschriften sind uns einige Namen bojischer und norischer Fürsten und Münzherren (Gesatorix, Nonnos, Biatec, Adnamat, Nemet u. a) überliefert, von denen sonstige Nachrichten fehlen. Die Münzschriften sind lateinisch, andere Funde deuten auf einen Einfluß der etruskischen Schrift; so der vielleicht aus kimbrischem Beutegut stammende Helm von Negau mit einer germanischen Weihinschrift im nordetruskischen Alphabet. Durch Votivgaben und römische Nachrichten wissen wir auch einiges über die Religion der Alpenkelten, von der Verehrung der Isis Noreia, der ein Tempel auf dem Kärntner Ulrichsberg geweiht war, von dem später mit Apollo identifizierten Gott Belenus und von dem Kriegsgott, den die Römer Mars Latobius nannten, für dessen Kultbau auf dem Magdalensberg Kaufleute aus Aquileia noch vor der römischen Eroberung Noricums die berühmte Statue des „Jünglings vom Helenenberg", von dem eine Renaissancekopie erhalten ist, als Votivgabe stifteten.

II. Ö S T E R R E I C H I N D E R R Ö M E R Z E I T (15 v. Chr. — Ende des 5. Jahrhunderts)

Eroberung, Sicherung und Verwaltung

der

Donauprovinzen

Nach der Beendigung des Bürgerkrieges durch den Sieg des Octavianus Augustus nahm das junge römische Imperium die Expansionspolitik der Republik auf. Man dachte daran, die Grenzen vom Rhein zur Elbe, vom Südsaum der Alpen über das Donauland zu den Sudeten und ins Marchtal vorzuschieben. Die Verwirklichung dieses großangelegten Planes gelang nur zum Teil. Im Jahre 15 v. Chr. wurde Rätien durch von Gallien und Italien angreifende römische Heere unter dem Befehl der Stiefsöhne des Augustus, Drusus und Tiberius, nach schweren Kämpfen erobert. Die Befriedung des Landes erfolgte erst nach Deportation eines erheblichen Teiles der Bevölkerung. An dem Widerstand der Räter hatten sich auch die norischen Ambisonter an der Salzach beteiligt, sonst aber bedurfte die Besetzung des seit langem unter römischem Einfluß stehenden Königreiches Noricum bis zur Donau nicht der Waffengewalt; vielleicht wurde sie durch ein Vertragswerk vorbereitet. Wenige Jahre später eroberte Tiberius auch das westliche Pannonien, das Land zwischen der Drau im Süden und der Donau im Norden und Osten. Die weitere Verfolgung des augusteischen Programms scheiterte, als ein Aufstand in Illyrien zur Aufgabe eines gegen die Markomannen des Sudetenraumes vorbereiteten Unternehmens zwang (6 n. Chr.), und bald darauf hatte die Niederlage im Teutoburger Wald die Räumung des Gebietes zwischen Rhein und Elbe zur Folge (9 n. Chr.). So blieb Noricum ein Grenzland, das zunächst allerdings weniger gefährdet schien als die Nachbarprovinzen. Da die Bevölkerung Noricums der Okkupation im allgemeinen keinen Widerstand geleistet hatte, galt sie wohl als zuverlässig, konnte daher zum Dienst in Auxiliarformationen des römischen Heeres, wenn nötig audi in einer Art Landsturm, aufgeboten werden. Im Norden schien die Grenze durch die von einer römischen Flottille überwachte Donau und das fast undurchdringliche Waldgebiet am Nordufer genügend gesichert. Immerhin dürfte die nach dem Scheitern des augusteischen Eroberungsprogramms zum Dauerzustand gewordene Grenzlage des Gebietes mitverantwortlich gewesen sein, daß Kaiser Claudius um die Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts den Rechtsstatus Noricums änderte. Aus dem Königreich wurde die Provinz Noricum, an die Stelle des Keltenfürsten trat ein römischer Statthalter (procurator) aus dem Ritterstand. Das bisher zu Noricum gehörige Gebiet östlich des

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Österreich in der Römerzeit

Alpenrandes, das Wiener Bedien vor allem, wurde zur Provinz Pannonien geschlagen und durch die Legionslager in Vindobona (Wien) und Carnuntum (zwischen Deutsch-Altenburg und Petronell) militärisch stärker gesichert; hier befanden sich wichtige Stromübergänge und am Gegenufer offenes, altbesiedeltes Land, die Gefahr eines Frontalangriffes war größer. Als unter Kaiser Trajan die Provinz Pannonien geteilt wurde, wählte man Carnuntum als militärisches Hauptquartier der westlichen Provinz Pannonia superior. Die Anlage der Legionslager folgte in Carnuntum und Vindobona, später in den norischen Garnisonen, abgesehen von zumeist geringfügigen, durch das Terrain bedingten Besonderheiten, einem unveränderlich gleichbleibenden Schema, das überall angewandt wurde, wo das reguläre römische Militär in Garnison stand. Es hatte die Form eines durch Wall, Graben, Ecktürme und verstärkte Torbauten nach außen abgeschlossenen und gesicherten Rechteckes, das von zwei sich rechtwinklig kreuzenden Hauptstraßen durchzogen wurde und in dessen Bereich sich neben den Mannschaftsbaracken auch die Kommandantur, Verwaltungsbauten, Offizierswohnungen, ein Bad, ein Spital, Waffenwerkstätten, Depots und das Legionsheiligtum befanden. Eine eigenartige Ergänzung des Legionslagers bildete das in einiger Entfernung befindliche Lagerdorf, dessen Buden (canabae) von Händlern, Handwerkern und den Lebensgefährtinnen der Soldaten bewohnt wurden. Seit Septimius Severus war es auch dem Legionär gestattet, sich in der dienstfreien Zeit hier aufzuhalten. Die Veteranen ließen sich hier nieder, und es gab auch eine der Zivilstadt vergleichbare Verwaltungsorganisation, die jedoch nach den Grundsätzen des Militärrechtes geordnet war. Rätien, die westliche, in den Jahren 16 und 17 n.Chr. verwaltungsmäßig eingerichtete Nachbarprovinz Noricums, die das flachere Donauland der keltischen Vindeliker ebenso wie das alpine Gebiet rätischer Bergstämme umfaßte, besaß in Augusta Vindelicum (Augsburg) ein natürliches Zentrum der militärischen und zivilen Administration, die gleichfalls von einem Prokurator geleitet wurde. Während sich in Pannonien von Anfang an ständige Legionsstandorte befanden, mußten in Rätien und Noricum die Legionen erst nach dem Markomannenkrieg Garnisonsdienst leisten, vorher besorgten Auxiliartruppen, die zumeist in kleineren Kastellen an der Donaugrenze untergebracht waren, die Grenzwacht. Solche Kastelle befanden sich bei Klosterneuburg, Tulln, Traismauer, Pöchlarn, Mauer an der Url, Lorch, Linz, Schlögen und Passau-Innstadt. Sie deckten den norischen Abschnitt des Limes, der befestigten Reichsgrenze, die verbindende Straße ermöglichte schnelle Truppenverschiebungen. Die territoriale Verwaltungseinheit innerhalb der Provinz bildete der Stadtbezirk (civitas), der die eigentliche städtische Siedlung und ein abhängiges Landgebiet der weiteren Umgebung umfaßte. Den Verwaltungsorganen der civitas stand auch die niedere Gerichtsbarkeit zu, die hohe war in der Regel dem Prokurator vorbehalten. Die Einhebung der in der früheren

Städte und Straßen, Handel und Verkehr

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Kaiserzeit mäßig hohen Steuern erfolgte gleichfalls durch die Beauftragten der civitas, und sie bildete schließlich die Grundlage für die Wehrverfassung, die das Aufgebot der Provinzialen im Kriegsfall ermöglichen sollte. Den Sicherheitsdienst besorgte eine aus ausgedienten Soldaten rekrutierte Polizeiformation (beneficiarii). Städte und Straßen, Handel und

Verkehr

Die Römer bauten zahlreiche, zumeist keltische „oppida", die sie in Noricum, aber auch in den angrenzenden Teilen Rätiens und Pannoniens vorfanden, zu anspruchsvolleren städtischen Siedlungen aus. Der alte Name ging in latinisierter Form auf die Neuanlage über, auch wenn man diese gelegentlich, wie in Virunum, Lauriacum oder Lentia, von der alten Stelle etwas abrückte. Oft verlief die Entwicklung von der älteren einheimischen Siedlung über ein augusteisches Auxiliarkastell und sein Lagerdorf zu einer Stadt im Rechtssinn (municipium). Die ältesten Stadtrechtsverleihungen erfolgten während der Regierung des Kaisers Claudius (41—54 n. Chr.). Claudisches Stadtrecht kommt kaum bei Brigantium (Bregenz), der einzigen rätischen Stadt auf österreichischem Boden, in Frage, gesichert ist es bei Aguntum (nahe Lienz), Teurnia (St. Peter im Holz bei Spittal a. d. Drau), Virunum (am Zollfeld) und Juvavum (Salzburg). Unter den flavischen Kaisern wurde Flavia Solva (Wagna bei Leibnitz) Stadt. Die größte Bedeutung für die Entwicklung des Städtewesens hatte wohl die Regierung des Kaisers Hadrian (117—138), unter dem Vindobona (?), Carnuntum, Cetium (St. Pölten) und Ovilava (Wels) Stadtrechte erhielten; nach der Zäsur der Markomannenkriege folgte unter Caracalla Lauriacum (211—217). Die Stadtanlagen verraten das Vorbild der italischen Stadt, besonders zeigt dies das Stadtbild von Virunum mit seinen rechteckigen Baublöcken und geraden Straßenzügen oder etwa die Anlage von Flavia Solva. Die städtischen Wohnbauten wurden in der Regel in italisch-römischer Bauweise errichtet, häufig ist der Typus des Portikushauses, ebenso findet sich das Peristylhaus griechischen Ursprunges. In den Kleinwohnhäusern der Städte, namentlich aber im norischen Bauernhaus, hielten sich einheimische Formen. Die Sakralbauten knüpfen, meist in bescheideneren Ausmaßen, an mediterrane Vorbilder an. Das Verkehrszentrum der Städte bildete das Forum, ein rechteckiger Marktplatz, um den die öffentlichen Bauwerke lagen. Näher zum Stadtrand finden wir ein oder mehrere Amphitheater, die vor allem Tierhetzen und Gladiatorenspielen dienten; gelegentlich, so in Virunum, gab es auch Bühnentheater. Größere Ausdehnung besaßen in allen römischen Städten die Volksbäder (Thermen). Zur Erhaltung oder Errichtung der öffentlichen Gebäude und zu sonstiger Fürsorge für die bürgerliche Wohlfahrt haben, wie aus zahlreichen Inschriften hervorgeht, die „honestiores", der wohlhabende Teil der Be-

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Österreich in der Römerzeit

völkerung, beigetragen, aus ihren Reihen ergänzte sich auch die Stadtvertretung, sowohl der Stadtrat wie das Viermännerkolleg (quattuorviri) als oberste Stadtbehörde. Die Angehörigen des Munizipaladels besaßen mancherlei Ehrenrechte, die sich zumeist vererbten. Einen hohen gesellschaftlichen Rang nahm zweifellos auch die Priesterschaft ein, namentlich soweit sie den Kaiserkult besorgte (augustales). Die Handwerker der Städte waren in Zünften zusammengeschlossen, doch besitzen wir über ihre Organisationsformen in Noricum und im westlichen Pannonien, anders als etwa in Dakien, nur wenige Nachrichten. Das provinziale Vereinswesen dürfte indessen recht mannigfach gewesen sein, ein religiös-familiärer Hintergrund, wie etwa die Sorge für den Totenkult oder zumindest für das Begräbnis, ist deutlich erkennbar. Die Jugend wurde ebenfalls korporativ erfaßt und einer militärisch-politischen Schulung unterworfen. Diese gesellschaftlichen und zivilisatorischen Formen boten den Rahmen, in dem sich die Romanisierung der Bevölkerung vollzog, in den Städten gewiß viel rascher als auf dem Lande, das in seiner Wirtschaft doch auch manche Formen und Fertigkeiten mediterraner Herkunft übernahm, so in der Anlage der Fluren und gewiß auch in der Herstellung und im Gebrauch von Werkzeugen und Geräten. An eine sehr zahlreiche Einwanderung aus Italien wird man nicht denken müssen; zweifellos sind aber als Soldaten und Kaufleute Angehörige verschiedenster Gebiete des Reiches in die Provinzen gekommen, deren Verkehrssprache untereinander und mit den Einheimischen Vulgärlatein war. Die altansässige Bevölkerung bewahrte, nach ihren in zahlreichen Inschriften überlieferten Namen zu schließen, lange noch ihren illyrisch-keltischen Charakter, begann aber bald auch lateinisch zu schreiben und zu sprechen. Untereinander, mit den Nachbarprovinzen und mit dem italischen Kernland, waren die norischen Städte durch das Netz der Reichsstraßen verbunden. Die großangelegten und weitsichtig geplanten Straßenbauten zählten zu den bedeutendsten technischen Leistungen der Römer im gesamten Imperium. Über ihre Anlage sind wir sowohl durch antike Wegverzeichnisse und Straßenkarten wie durch die erhaltenen, oft allerdings nur schwer im Gelände verfolgbaren Baureste und Trassierungen unterrichtet. Unter den kartographischen Quellen ist das Itinerarium Antonini, ein Verzeichnis der Hauptstraßen und Poststationen aus dem 2. oder 3. Jahrhundert und die wohl nach einer Vorlage des 1. Jahrhunderts, allerdings fehlerhaft und nicht flächentreu gearbeitete Tabula Peutingeriana von Wichtigkeit. Auch einige römische Meilensteine sind erhalten geblieben, doch ist der ursprüngliche Standort oft nicht mehr feststellbar. Die Reichsstraßen wurden mit großer Sorgfalt und solider Fundamentierung angelegt, bei der Trassenführung ist eine sehr geschickte Anpassung an das Gelände feststellbar. Neben den Großstraßen ist mit weniger anspruchsvollen Fahrwegen und Nebenverbindungen zu rechnen, deren Spuren naturgemäß besonders schwer nachweisbar sind.

Städte und Straßen, Handel und Verkehr

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Die wichtigste Westostverbindung bildete die Straße, welche die Donauprovinzen mit Gallien verband und zumeist dem Laufe des Stromes an dessen Südufer folgte. Ihre bedeutenderen Stationen waren: Castra Regina (Regensburg), Castra Batava (Passau), Lentia (Linz), Lauriacum (Enns), Adjuvense (Ybbs), Arelape (Pöchlarn), Namara (Melk), Aelium Cetium (St. Pölten), Comagenae (Tulln), Vindobona (Wien), Ala N o v a (Schwechat), Carnuntum (Petronell). Über Arrabona (Raab) und Aquincum (Ofen) wies sie nach Osten weiter zur unteren Donau. Auf diese Limesstraße traf eine ganze Reihe von Nordsüdrouten, die auf italischem Boden von den Straßenknotenpunkten Verona und Aquileia ihren Ausgang nahmen. So ist die Straßenverbindung zwischen Verona und Augusta Vindelicum zu erwähnen, die, in zwei Zügen angelegt, westlich über die Vallis Venosta (Vintschgau), das Reschenscheideck und den Fernpaß führte, während die wichtigere östliche Straße über den Brenner nach Veldidena (Wilten-Innsbruck) und den Seefelder Sattel verlief. Von Veldidena konnte man aber auch flußabwärts mit der Inntalstraße nach Castra Batava gelangen. Von den von Aquileia ausgehenden Straßen führte eine über den Plöckenpaß nach Teurnia, von hier über den Katschberg und die Radstädter Tauern nach Juvavum, dann über Ovilava zum Donaulimes. Eine zweite, weiter östliche Route verlief über das Kanaltal nach Santicum (Villach), dann über Virunum, den Neumarkter Sattel, die Rottenmanner Tauern und den Pyhrnpaß gleichfalls nach Ovilava. Am stärksten benützte man wohl den östlichsten Straßenzug, welcher die Ostalpen umging und über die Strecke Emona (Laibach) — Celeia (Cilli) — Scarabantia (ödenburg) nach Carnuntum bzw. über einen westlichen Abzweiger nach Vindobona führte. Das dichte Straßennetz der Donauprovinzen ermöglichte einen lebhaften Fern- und Lokalverkehr und damit auch einen intensiven Handel. Ein reger Warenaustausch vollzog sich sowohl mit dem italischen Mutterland wie mit den Nachbarn jenseits der Reichsgrenzen. Aus Italien führte man ö l und Wein ein, doch wurde die Weinkultur in der späteren Kaiserzeit auch in den Provinzen selbst betrieben. Das anspruchsvollere Hausinventar war zumindest zum Teil Importgut; keramische Erzeugnisse, zumeist lackrot gefirnist (terra sigillata) wurde nach Ausweis der Firmenstempel aus Italien und Gallien importiert, in älterer Zeit überwog wohl die italische, später die rheinische Einfuhr. Auch Glaswaren kamen aus dem Westen. Von den germanischen und sarmatischen Nachbarn bezog man Häute, Felle, Honig und Wachs, lebendes und totes Wild. Vermutlich gab es auch einen Sklavenhandel über die Reichsgrenzen. Carnuntum war in römischer Zeit nicht zuletzt als Hauptumschlagplatz des Bernsteinhandels von Bedeutung. Die Provinzen selbst besaßen und erzeugten mancherlei, was ausgeführt werden konnte. Salz und das wegen seiner Güte geschätzte norische Eisen, daneben auch Kupfer, Blei und Edelmetalle waren die wichtigsten Produkte des heimischen Bergbaues. Die Schafzucht lieferte Wolle, Wollstoffe bildeten einen wichtigen

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Österreich in der Römerzeit

Handelsartikel. Die norischen Rinderrassen hatten einen guten Ruf, es gab demnach wohl einen Viehexport, mit Brotgetreide dürften die Donauprovinzen dagegen nur den eigenen Bedarf gedeckt haben. Den Handel über die Grenzen der Provinzen besorgten römische K a u f leute, sie befanden sich schon vor der Eroberung der Ostalpen im Lande. In der Kaiserzeit finden wir sie wieder auch jenseits der Reichsgrenze tätig, zum Beispiel nördlich der Donau am H o f e Marbods. Die römischen Münzen wurden nach Ausweis der Funde auch im freien Germanien als gewohntes Geld verwendet. Der römische Staat behielt sich übrigens immer eine gewisse Kontrolle des Außenhandels vor, die Ausfuhr von Waffen war wohl immer, die von ö l und Wein zeitweilig verboten; in den Friedensschlüssen des Marc Aurel und des Commodus wurde überdies der Grenzhandel auf bestimmte Übergangsorte und Verkehrszeiten beschränkt. Bei alldem machen sich bereits militärisch-politische Gesichtspunkte geltend, und bei der Anlage des römischen Straßennetzes waren gewiß bei aller Rücksicht auf die Bedürfnisse des zivilen Handels und Verkehrs, in erster Linie strategische Erwägungen maßgebend. Solange die Reichsverteidigung stark genug war, erfüllten die römischen Straßen auch ihre militärische Rolle einer Stärkung der Abwehr durch die Ermöglichung rascher Truppenverschiebungen auf größere Distanzen; wenn aber die Wehrkraft des Reiches nachließ oder seine Truppen auf anderen Kriegsschauplätzen gebunden waren, konnten die Römerstraßen audi zu Heerwegen der Feinde des Reiches werden und ihnen tiefes Eindringen in das Hinterland erleichtern. Das zeigte sich im Räume der oberen und mittleren Donau mit großer Deutlichkeit schon im 2. Jahrhundert.

Die germanischen Markomannenkrieg

und

Nachbarn Alamanneneinfälle

Jenseits der norischen Donaugrenze siedelten schon zur Zeit der römischen Besetzung vorwiegend germanische Stämme. Von der Oberpfalz reichte das Siedlungsgebiet der Naristen (oder Varisker) über den bayrischen Wald bis ins westliche Mühlviertel. Aus dem nördlichen Böhmen bis ins österreichische Granitplateau erstreckte sich der Machtbereich des wohl zahlenmäßig stärksten und jedenfalls militärisch bedeutendsten dieser Stämme, der Markomannen. Die hegemoniale Stellung, welche diese unter dem Fürsten Marbod, der sie nach Böhmen geführt hatte, über ihre Nachbarn ausübten, schien den Römern auch nach dem Abbruch des augusteischen Markomannenfeldzuges so gefährlich, daß sie einheimische Gegner Marbods unterstützten, durch welche er schließlich zum Übertritt auf römisches Gebiet gezwungen wurde. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts scheint es zu einer weitgehenden Verschmelzung des markomannischen Stammesstaates

Die germanischen Nachbarn. Markomannenkrieg und Alamanneneinfälle

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mit dem der gleichfalls germanischen Quaden gekommen zu sein, die in Mähren, dem Weinviertel und der westlichen Slowakei siedelten und in ihrer Lebensart bereits unter starkem Einfluß ihrer sarmatischen Nachbarn, namentlich des Reitervolkes der Jazygen im Gebiet zwischen Donau und Theiß, gestanden sein dürften. Zu dem Klientel der Quaden gehörten die keltischen Kotiner und die pannonischen Osen im slowakischen Bergland. Die Nachfolger Marbods hielten mehrere Jahrzehnte mit Rom Frieden. Unter Domitian kam es wieder zu kriegerischen, für die römischen Waffen wenig erfolgreichen Auseinandersetzungen (89 u. 92 n. Chr.), dagegen errang Nerva einen Sieg über die Donausueben, stammverwandte Nachbarn der Quaden (97 n. Chr.); die Grenze war damit wieder für längere Zeit konsolidiert, und die Römer übten weiterhin den entscheidenden Einfluß in den Klientelstaaten aus, namentlich bei der Einsetzung der oft stammesfremden Könige. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts machte sich aber an der Nordgrenze der Stammesgebiete der Donaugermanen der Druck gegen das Schwarze Meer vordringender ostgermanischer Stämme, der Goten, Burgunder und Vandalen, geltend und die Donauvölker bedrohten ihrerseits die römische Grenze. Die ungenügende Ausstattung des Grenzschutzes in Noricum, wo nur Auxiliartruppen standen, überdies Provinzialen und Militär durch eine Epidemie dezimiert waren, rächte sidi. In den mit wechselnder Intensität von 166 bis 180 geführten Markomannenkriegen, in denen es die Römer zumeist mit einer Koalition der germanischen und sarmatischen Stämme der Donaugrenze zu tun hatten, wurden Noricum und Pannonien 170 durch den Einbruch der Germanen furchtbar verwüstet, aber auch Rätien, Dakien und sogar Oberitalien in Mitleidenschaft gezogen. Juvavum und Flavia Solva wurden zerstört, Aquileia belagert. Nach Zurückdrängung der Gegner ging Kaiser Marc Aurel zum Angriff über (172 n. Chr.). Der Widerstand war erbittert, doch blieb der Kaiser erfolgreich, und das Hinterland wurde durch den Ausbau der Kastelle Castra Regina und Lauriacum zu Legionslagern besser gesichert (176?). Marc Aurel dachte schon ernstlich an die Einrichtung einer Provinz Marcomannia, die ungefähr das österreichische Gebiet nördlich der Donau sowie Böhmen und Mähren umfaßt hätte, als er im März 180 in Vindobona starb; sein Sohn und Nachfolger Commodus begnügte sich, das Klientelverhältnis der Donauvölker zum Reich wiederherzustellen und die Räumung eines etwa sieben Kilometer breiten Grenzstreifens nördlich der Donau durch die Germanen zu erzwingen. Die römischen Truppen wurden aber wieder hinter den Strom zurückgenommen und vorübergehend besetzte Garnisonen in der Gegend des Leiserberges und bei Stillfried an der March aufgegeben. Der Enderfolg entsprach so nicht ganz den gemachten Anstrengungen, und die Ummauerung auch grenzfernerer Städte des Hinterlandes wie Ovilava zeigt, daß man sich vor neuen Einfällen nicht sicher fühlte. Die im allgemeinen geringere Qualität

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Österreich in der Römerzeit

der Funde aus der Zeit nach den Markomannenkriegen deutet an, daß der Wohlstand und vielleicht audi die Bevölkerungszahl zurückgegangen waren. Im Jahre 193 riefen die Soldaten der 14. Legion in Carnuntum den Statthalter von Oberpannonien, Lucius Septimius Severus, einen Afrikaner, zum Kaiser aus. Ihr Kandidat setzte sich durch und machte kein Hehl daraus, daß er ein Soldatenkaiser bleiben wolle, die Verwaltung wurde militarisiert, ein Aufstand norischer Provinzialen mit Waffengewalt niedergeworfen (196). Unter der Regierung dieses Herrschers erfolgte eine wichtige Änderung in der Wehrorganisation. Das Gros der Legionssoldaten wurde zu einer recht seßhaften Truppe, deren Angehörige das Leben von Grenzbauern führten und ihre Felder bestellten, nur kleinere und bewegliche Verbände von Kerntruppen (vexillationes) setzte man auch in größerer Entfernung von der Garnison ein. Markomannen und Quaden hielten nach den Kriegen Marc Aurels einige Jahrzehnte Ruhe, selbst die Hinrichtung des Quadenkönigs Gaviomarus durch Kaiser Caracalla scheint keinen bewaffneten Konflikt zur Folge gehabt zu haben. Doch tauchte nunmehr weiter im Westen ein neuer, kraftvoller Gegner auf, die gleichfalls zur suebischen Volksgruppe gehörigen Alamannen, die seit 213 den Limes bedrohten. Caracalla scheint gegen sie recht wenig ausgerichtet zu haben, wenn er audi einen Triumph feiern ließ; der letzte der afrikanischen Dynastie aber, Alexander Severus, versagte völlig bei der Abwehr dieses Feindes und das führte zu seinem Sturz (235). Es herrschte audi in den folgenden Jahren keine Ruhe, Alexanders Nachfolger Maximinus Thrax kämpfte erfolgreicher, doch dauerten die Einfälle an, von denen im allgemeinen der Südosten der später österreichischen Lande weniger betroffen war als die westlichen Gebiete. Im Jahre 268 brachen alamannische Scharen über den Brenner in das Etschland und nach Oberitalien ein und in den folgenden Jahren kam es zu schweren Kämpfen zwischen diesem Stamme und dem Heere des tatkräftigen Kaisers Aurelian. Auch dessen Nachfolger Probus kämpfte oft und mit Erfolg gegen die Alamannen, doch gelang es nicht mehr, alle verlorenen Gebiete wiederzugewinnen, die Grenze verlief fortan an Rhein, Bodensee, Iiier und Donau. Das Dekumatenland zwischen Rhein und Iiier blieb verloren und Brigantium war zu einer ständig bedrohten Grenzstadt des Imperiums geworden. Die Reorganisation

der Provinzen unter Diokletian

und

Konstantin

Der Dalmatiner Diokletian trat ebenso wie seine Vorgänger in hartnäckigen Kämpfen den Alamannen entgegen, er mußte aber auch wieder gegen Quaden und Markomannen ins Feld ziehen; seine Operationen verliefen recht erfolgreich (299). Mehr noch als durch die Germanenabwehr wurde Diokletians Reich durch die Neuordnung der Provinzialverfassung für die Donauländer bedeutsam. Das Prinzip dieser Reform bestand in der

Die Reorganisation der Provinzen unter Diokletian und Konstantin

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Teilung der Provinzen und in der Zusammenfassung mehrerer neuer Provinzen zu größeren Verwaltungseinheiten, den Diözesen und Präfekturen. Rätien zerfiel in eine westliche Neuprovinz — Raetia prima — und in eine östliche — Raetia secunda; zu dieser gehörte auch Nordtirol. Noricum wurde in eine nördliche Provinz zwischen Donau und A l p e n h a u p t k a m m — N o r i c u m ripense — und eine südliche — Noricum mediterraneum — geteilt, wobei Ovilava (und später Lauriacum?) in Ufernoricum, Virunum und später Teurnia in Binnennoricum als Verwaltungssitze fungierten. Oberpannonien zerfiel in die neuen Provinzen Pannonia prima im Norden und Savia im Süden, die Grenze verlief südlich der Drau. Alle diese Provinzen gehörten zur italischen Präfektur, beide Rätien audi zur italischen Diözese. Hingegen waren beide Pannonien und bis zur Regierung des Kaisers Theodosius I. auch die norischen Provinzen Bestandteile der pannonischen Diözese; dann aber kam Noricum zur italischen Diözese, es galt nicht mit Unrecht als Schutzwall der Apenninenhalbinsel. Zivilverwaltung und Militärkommando wurden von Diokletian streng getrennt. Praesides und rectores ersetzten die Prokuratoren als Statthalter, die Praxis der Steuereinhebung wurde wesentlich verschärft. In militärischer Hinsicht unterstand die österreichische Donaugrenze einem dux Pannoniae primae et Norici ripensis, der die Stromstrecke von Boiodorum (Passau-Innstadt) bis Arrabona (Raab) befehligte; westlich davon, von Passau bis zum Oberrhein, erstreckte sich der Kommandobereich des dux Raetiarum. Die Grenzfestungen wurden verstärkt und neu errichtet, die Truppen vermehrt — eine neue Legion, die prima Noricorum, kam nach Favianae und Adjuvense in Garnison. Aber diese Grenztruppen (limitanei) leisteten nur mehr den Wacht- und Kontrolldienst, in konsequentem Ausbau des severischen Grundsatzes wurden schlagkräftigere Formationen des Heeres (comitatenses) an strategisch wichtigen Punkten des Hinterlandes stationiert, um im Ernstfall für den Bewegungskrieg einsatzbereit zu sein. In der diokletianischen Zeit erholten sich die Donauprovinzen wieder. Carnuntum spielt als Schauplatz eines Kaiserkongresses noch einmal eine Rolle in der Reichspolitik (308): Unter dem Einfluß des bereits aus seinem Amte geschiedenen Diokletian sollte das von ihm geschaffene Regierungssystem durch die Erhebung des Licinius zum Augustus des Westens befestigt werden. Die weitere Wirksamkeit der diokletianischen Reichsreform wurde aber wesentlich gerade von dem Manne bestimmt, den man auf dem Kongreß in Carnuntum noch zurückdrängen wollte, von Konstantin. Nach den Siegen über Maxentius und Licinius H e r r im Reich, ergänzte er die Maßnahmen Diokletians in der Steuerpolitik, der Provinzverwaltung und im Heerwesen, in dem fortan die germanischen Söldner, namentlich in den Gardeformationen der „palatini", zahlenmäßig weit überwogen. Die Neuorganisation des Münzwesens durch Einführung des Goldsolidus überdauerte noch den Bestand des weströmischen Reiches. Vor allem aber gab die nach einigem Zögern erfolgte Wendung des Kaisers zum Christentum und der 3

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Österreich in der Römerzeit

konsequente Einbau der Kirche in das römische Recht und in die Staatsverwaltung dem Imperium im letzten Abschnitt seiner Geschichte einen neuen Inhalt. Das spätantike

Christentum

Die Anfänge des norischen Christentums liegen im Halbdunkel der Legende. Phantasievolle, übrigens reichlich späte Nachrichten über Missionsversuche und Erfolge schon in apostolischer Zeit verdienen keine ernsthafte Berücksichtigung. Höchst zweifelhaft ist audi der Bericht über die Teilnahme christlicher Soldaten am Markomannenkrieg Marc Aurels; das „Regenwunder", von dem ein Bild des Zyklus auf der Markussäule in Rom kündet, ein Gewitter, welches die in glühender Hitze kämpfenden römischen Truppen bei einem Zusammenstoß im Jahre 173 rettete, wurde vom Kirchenvater Tertullian auf die Erhörung des Gebetes der Christen zurückgeführt. Man wird indessen nicht daran zweifeln dürfen, daß es in den Donauprovinzen schon vor der offiziellen Duldung durch den Mailänder Vertrag der Kaiser Konstantin und Licinius (313) einzelne Christen und wahrscheinlich auch kleinere christliche Gemeinden gegeben hat. Im Militär können diese Christen neben den Anhängern des ursprünglich persischen Mithraskultes, von dem zahlreiche Andachtsstätten zeugen, nur eine kleine Minderheit gebildet haben. Uberhaupt waren es vor allem die orientalischen Mysterienkulte mit ihren ausgeprägten Jenseitsvorstellungen, mit denen sich das Christentum auseinanderzusetzen hatte, nicht sosehr die griechischrömische Götterwelt, in die audi einheimische, keltisch-illyrische Gottheiten einbezogen worden waren. Der letztlich entscheidende Waffengang aber vollzog sich mit der weltlichen Gewalt. Die schärfste der planmäßig durchgeführten Verfolgungen des christlichen Glaubens und der Kirchenorganisation durch das römisdie Imperium unter Diokletian (304) führte audi zum Martyrium norischer Christen; Florianus, der Amtsvorsteher des Statthalters Aquilinus, wurde nach einer glaubhaften Darstellung bei Lauriacum in die Enns gestürzt. Die nur in späten Handschriften der Karolingerzeit überlieferte Florianslegende zeigt mancherlei Kenntnisse römischer Amtstitel, des Gerichtsvollzugs und der Provinzialtopographie, so daß wir einen historischen Kern des im übrigen legendenhaft ausgeschmückten Berichtes annehmen dürfen, um so mehr, als er durch analoge Angaben im Martyrologium Hieronymianum gestützt wird. Seit der Regierung Konstantins wurde die Kirdienorganisation auch in den Donauprovinzen offen und mit staatlicher Unterstützung ausgebaut; zu der mit den arianischen Lehren befaßten Synode von Serdika entsandte Noricum Vertreter. Aus dem 4. Jahrhundert sind Grabdenkmäler norischer Christen überliefert, ebenso gibt es Hinweise auf den Tempelsturm zu Ende des Jahrhunderts, dem die heidnischen Sakralbauten, sofern sie nicht einfach in Kirchen und Kapellen umgewandelt wurden, zum Opfer fielen.

Das Ende der Römerherrschaft und die Durchzüge der Ostgermanen

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So deutete man Spuren der Zerstörung in den Tempeln des Jupiter Dolichenus in Virunum, des Genius cucullatus in Wabelsdorf (bei Klagenfurt) und des Mars Latohius bei St. Paul im Lavanttal. In der Spätzeit römischer Herrschaft an der Donau, im 5. Jahrhundert, war das Christentum der Alleinherrschaft über die romanisierte Provinzialbevölkerung sehr nahe, nur in entlegenen Gebirgsbezirken gab es nodi Reste des alten Glaubens. Auch unter den auf römisches Gebiet übergetretenen Germanenstämmen überwogen die Bekenner des Christentums; in der Regel handelt es sich hier freilich um Vertreter häretischer, als arianisch geltender Anschauungen, die zwar nicht mehr mit den durdi das Konzil von Nicaea (325) verdammten Lehren des Arius identisch waren, aber von der Orthodoxie abgelehnt wurden. Vom spätantiken Christentum auf österreichischem Boden zeugen zahlreiche Reste kirchlicher Bauten, die durch den Spaten des Archäologen freigelegt wurden. Zum Teil handelt es sich um Einbauten in ältere Profangebäude, wie etwa die apsidenlose, nur durch die halbkreisförmige Priesterbank erkennbare Saalkirche im Lagerspital von Lauriacum, oder die Anlage im Südtor des Amphitheaters der Zivilstadt von Carnuntum. Später baute man größere, künstlerisch bedeutsamere Kirchen, so etwa die Friedhofskirche von Teurnia oder die Bischofskirche von Lavant (bei Lienz), Baptisterium und Kirchen am Hemmaberg bei Globasnitz (Kärnten) und den ältesten Bau der Martinskirche in Linz (?). Gemäß den Beschlüssen der Konzilien der frühchristlichen Zeit sollte die Kirchenorganisation an die der staatlichen Verwaltung anschließen. So wird man mit kleinräumigen Bistümern, die in ihrer Ausdehnung den Stadtbezirken entsprechen, rechnen dürfen. Bischöfe von Teurnia, Virunum, Aguntum und Lauriacum werden im 5. und 6. Jahrhundert erwähnt. Die Bischöfe der Provinzialhauptorte mögen Metropolitanstellung beansprucht haben. Hier könnte ein historischer Anknüpfungspunkt für die Lorcher Legende des hohen und späten Mittelalters zu suchen sein, doch fehlt es durchaus an gesicherten Nachrichten. Ungewiß muß es schließlich bleiben, ob die norischen Bischöfe den Oberhirten von Aquileia oder von Sirmium unterstanden; letzteres würde der weltlichen Organisation des 4. Jahrhunderts eher entsprechen, aber auch zu dieser Frage mangelt es an eindeutigeren Angaben unserer Quellen, selbst eines so einzigartigen Dokumentes wie der Vita sancti Severini, die uns bereits mitten in das Chaos der zusammenbrechenden römischen Herrschaft an der norischen Donau führt. Das Ende der Römerherrschaft

und die Durchzüge

der

Ostgermanen

Unter der Regierung des tatkräftigen Konstantin und wohl noch einige Jahre nach seinem Tode genossen die Donauprovinzen den Frieden. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts aber mußte Kaiser Constantius wieder Feldzüge 3·

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Österreich in der Römerzeit

gegen Quaden und Sarmaten, wohl auch gegen die Markomannen, unternehmen, die zwar erfolgreich verliefen, aber keine Änderung der Grenzziehung brachten. Der Versuch einer Festsetzung nördlich der Donau unter Valentinian I. führte zu schweren Zwischenfällen mit den germanischen Nachbarn und löste, als der römische Oberbefehlshaber der Provinz Valeria, Marcellianus, den zu Verhandlungen geladenen Quadenkönig Gabinius ermorden ließ, eine heftige Reaktion der Anrainer des Imperiums aus. Carnuntum wurde von den Quaden genommen und zerstört, es konnte sich von dem Schlag nie mehr ganz erholen und scheint bis Ende des Jahrhunderts mehr und mehr verfallen zu sein. Zwar gelang es Kaiser Valentinian I., der den Ort als „verlassenes und schmutziges Nest" vorfand, in erfolgreichen Zügen über die Donau die Feinde zu schlagen, und er sorgte auch für die Wiederherstellung zahlreicher militärischer Anlagen; nach seinem Tode (375) gerieten aber die Germanenvölker jenseits der Reichsgrenze unter dem Druck der Hunnen erneut in Bewegung. Der Übertritt der Westgoten auf römisches Gebiet, ihr Sieg gegen Kaiser Valens bei Adrianopel (378) betraf unmittelbar wohl nur die Balkanprovinzen, bildete aber den A u f t a k t zu einer völligen Änderung der Situation durch die Ansiedlung föderierter Germanenvölker auf dem Reichsboden, nicht wie bisher jenseits der Grenze. Bald nach dieser Katastrophe wurden markomannische Gruppen in Ufernoricum und Oberpannonien angesiedelt und unter den Befehl eines Tribuns gestellt, das Kommando der Donauflotte verlegte man von Carnuntum nach Vindobona. Im Jahre 395 wurde indessen der Limes erneut überrannt; besonders schwer wurde das norisch-pannonische Gebiet durch den Ausbruch gotischer und anderer ostgermanischer Scharen aus dem Bereich der hunnischen Herrschaft unter Führung des Heerkönigs Radagais betroffen, damals erlag Flavia Solva und wohl auch Vindobona dem Angriff. Nach ausgedehnten Verwüstungen endete diese Aktion mit der Niederlage des germanischen Heerhaufens bei Faesulae (Fiesole) gegen den Reichsverweser Stilicho (406). Nunmehr verstärkte sich aber die Hunnengefahr, und im Jahre 433 mußte das weströmische Reich in aller Form die Pannonia prima an die Hunnen abtreten. Man wird annehmen dürfen, daß ein erheblicher Teil der romanisierten Bevölkerung das Gebiet räumte, mit Restsiedlungen im Bereiche römischer Anlagen — so auch des Lagers von Wien — ist aber wohl zu rechnen. Als die Goten unter Zustimmung Ostroms nach dem Zusammenbruch der hunnischen Herrschaft Pannonien besetzten (455), soll ihr Machtbereich nach dem freilich 100 Jahre später schreibenden Jordanes von Sirmium bis Vindomina (Wien) gereicht haben. Nördlich des norischen Gebietes hatte sich inzwischen der gleichfalls ostgermanische Stamm der Rugier festgesetzt, der im Waldviertel und im westlichen Weinviertel siedelte; er versuchte audi, die ziemlich hilflose romanische Bevölkerung südlich des Stromes unter seinen Einfluß zu bringen. Die verfallende Organisation des weströmischen Imperiums vermochte den Provinzialen keinen Schutz mehr zu bieten, die Truppen waren

Das Ende der Römerherrschaft und die Durchzüge der Ostgermanen

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zumeist schon abgezogen. Eine hervorragende Quelle, die Lebensbeschreibung des heiligen Severin, gibt uns ein fesselndes Bild der Lage. Die von Severins Schüler Eugippius im J a h r e 511 verfaßte Vita schildert das Wirken des Heiligen, eines aus dem Osten gekommenen Mönches lateinischer Muttersprache, seine Sorge für die vom Imperium im Stiche gelassenen Bewohner Ufernoricums, die von Rugiern, Alamannen, Thüringern und Goten bedroht wurden. Hauptschauplatz von Severins Tätigkeit war Favianis (Favianae, Mautern), vermutlich die bedeutendste Siedlung jener Zeit an der norischen Donau, doch erstreckte sich der W i r kungsbereich Severins auch nach Rätien und Binnennoricum. Die germanischen Herrscher, namentlich die Fürstenfamilie der Rugier, wurden durch Severin zu rücksichtsvollerem Vorgehen gegen die Provinzialen bestimmt. In seinen letzten Lebensjahren traf der Heilige mit dem nach Italien ziehenden skirischen Königssohn Odoakar zusammen und soll ihm Erfolg und Herrschaft prophezeit haben. Odoakars erfolgreicher Staatsstreich (476) bereitete dem weströmischen Kaiserreich tatsächlich das Ende, mag auch der germanische Söldnerführer formell als Reichsverweser des oströmischen Kaisers aufgetreten sein. Noricum verteidigte Odoakar zunächst erfolgreich, das Rugierreich wurde in zwei aufeinanderfolgenden Feldzügen über die Donau vernichtet, die Lage schien aber so bedrohlich, daß Odoakar den Romanen Noricums den Abzug nach Italien befahl. Die Provinzialen, wenigstens die Begüterten, die etwas zu verlieren hatten, gehorchten und nahmen den Leichnam Severins mit, der in Lucullanum bei Neapel seine zweite Ruhestätte fand (488). Einige J a h r e früher hatten die Alamannen den größten Teil der Raetia I I erobert. Odoakars Reich fiel bald nach der Räumung Noricums dem Angriff Theoderichs und seiner Ostgoten, die von den Resten der Rugier unterstützt wurden, zum Opfer. Seit 493 gehörten die Ostalpen zum wohlgeordneten Reich des bedeutendsten der ostgermanischen Könige der Völkerwanderung, auch über das alamannische Siedlungsgebiet in den rätischen Alpen erweiterte er seine Herrschaft nach der Niederlage der Alamannen gegen die Franken Clodwigs (496). Die Volkssage und gelehrte Überlieferung hielten bis ins Spätmittelalter die Erinnerung an die gotische Episode der Geschichte der österreichischen Länder fest. Man hat vielfach auch angenommen, daß gotische Bevölkerungsreste in verschiedenen Gebieten der Ostalpen ansässig blieben, als das Ostgotenreich bereits unter den wiederholten, zähen Angriffen Justinians zusammengebrochen war (552). Das ist nicht ausgeschlossen, läßt sich aber nicht beweisen. I m Norden und Osten des österreichischen Raumes tritt schon gegen Ende des 5. Jahrhunderts das V o l k der Langobarden auf. Diese gerieten vorübergehend unter die Herrschaft der Heruler, eines anderen germanischen Wandervolkes, machten sich aber in einer von der Stammsage festgehaltenen Schlacht gegen deren König Rodulf frei (509) und festigten ihre Herrschaft

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Österreich in der Römerzeit

in Böhmen, Mähren und im Raum nördlich der österreichischen Donau unter der Regierung des Königs Wacho (ca. 511—539?). Gegen Mitte des 6. Jahrhunderts weiteten die Langobarden ihr Siedlungsgebiet in die pannonischen Ebenen aus und gerieten mit den im östlichen Karpatenraum siedelnden Gepiden in Konflikt; nach schweren Kämpfen siegten die Langobarden entscheidend; sie hatten sich zuvor durch Abschluß eines Bündnisses mit dem mongolischen Hirtenkriegervolk der Awaren zu sichern gesucht. Bald nach ihrem Erfolg zogen aber die Langobarden nach Italien ab (568/569), wobei die unangenehme Nachbarschaft der früheren Verbündeten, denen das bisherige Siedlungsgebiet abgetreten wurde, gewiß mitspielte. Mit den in das Langobardenland einrückenden Awaren kamen slawische Stämme. Diese Völkerschaften prallten bei ihrem Vordringen auf einen westgermanischen Stamm: die Baiern, die ihrerseits von dem führenden germanischen Volk, den Franken, abhängig waren. Die in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts beginnende Auseinandersetzung zwischen dem slawisch-awarischen und dem germanischen Element bildet einen Hauptinhalt der folgenden Epoche, der Geschichte des österreichischen Frühmittelalters.

III. BAIRISCHES STAMMESHERZOGTUM UND F R Ä N K I S C H E MARK (6.—10. Jahrhundert)

Herkunft und Landnahme

der Baiern

Herkunft, Stammesbildung und Landnahme der Baiern sind noch nicht ausreichend erforscht; unsere Quellen, die Berichte der spätantiken Schriftsteller, die archäologischen Funde, die Ortsnamen, die bairische Stammessage, das Zeugnis der Volkssprache und ihrer Mundarten, reichen nicht aus, um zu einem gesicherten Ergebnis über die Volkwerdung der Baiern wie über Zeit und Richtung ihrer Einwanderung zu gelangen. Die ältesten Nachrichten, die sich zuverlässig auf den Baiernstamm beziehen, verdanken wir dem ostgotischen Geschichtsschreiber Jordanes und dem italischen Dichter Venantius Fortunatus, die ihre Werke 551 bzw. etwa 568 verfaßten. Ihren kurzen Angaben können wir entnehmen, daß die Baiern damals schon in ihren dauernden Wohnsitzen im Alpenvorland und in den Ostalpen siedelten. Der Aussagewert früherer Quellen ist umstritten; bei einer älteren Erwähnung eines Volkes der „Baianoi" nördlich der pannonisdien Donau im Werke des griechischen Geographen Ptolemäus (150 n. Chr.) und bei der Nennung eines „bairischen Fremdlings" auf einem Runenstein bei Karstad in Norwegen (ca. 200—400 n. Chr.) kann es sich um zufällige Namensgleichheit oder Ähnlichkeit handeln. Unbestimmt sind auch die älteren Vorlagen entnommenen Angaben des Kosmographen von Ravenna (Ende des 7. Jahrhunderts) über eine Gegend „Baias" (Baiahaims?), die wohl in den Sudetenoder Karpatenlandschaften zu suchen ist. Lange Zeit galt es ungeachtet der schwierigen Quellenlage der Geschichtswissenschaft als sicher, daß die Baiern als Nachkommen der Markomannen aus Böhmen kamen; man verwies darauf, daß der Name dieses Landes (Boiohaemum) in abgeläuteter Form im bairischen Volksnamen enthalten ist. Doch scheinen die Markomannen im 4. Jahrhundert keine besondere Rolle mehr gespielt zu haben und es läßt sich auch kein Zusammenhang zwischen ihrer archäologischen Hinterlassenschaft und jener der Baiern feststellen. Überdies war der Boiernname in der Spätantike nicht nur mit Böhmen, sondern gelegentlich auch mit dem westpannonischen Raum verknüpft. Mehrere Forscher gaben daher die Markomannentheorie auf. Unter den neueren Hypothesen zum Problem der Herkunft und Landnahme der Baiern sind vor allem zwei zu beachten, die weniger unvereinbar sind, als es zunächst scheinen mag. Einmal denkt man an Einwanderung aus dem Osten (Pannonien und Karpatenraum) und an das Zusammenwachsen ver-

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sdiiedener germanischer Volkssplitter, vielleicht audi einer Minderzahl ungermanischer (sarmatischer und hunnischer?) Elemente zu einer neuen Gemeinschaft. Einige bairische Ortsnamen erinnern an Heruler und Skiren; die volkstümliche Überlieferung hat viel ostgermanisches Sagengut übernommen. Dann sind die Überlegungen jener Forscher zu berücksichtigen, die weiterhin an Wanderung aus dem böhmischen Raum glauben, zumal sich gerade im Kerngebiet Böhmens germanische Funde bis etwa zu Beginn des 6. Jahrhunderts nachweisen lassen, die in Beziehung zu den bairischen Reihengräbern der folgenden Zeit gebracht werden dürfen, wie sie auch auf österreichischem Boden — etwa bei den Erdarbeiten für die Linzer Industriezone (bei Zizlau) erschlossen wurden. Germanen, die aus Böhmen nach Süden vorstießen, haben andere, zahlenmäßig wohl schwächere Einwanderer aus dem Osten ebenso wie verbliebene germanische Föderaten und Provinzialromanen überschichtet und es kam zur Bildung eines Neustammes, ähnlich, wie sich wenige Jahrhunderte früher germanische Völkerschaften zu den größeren Verbänden der Franken und Alamannen zusammengeschlossen haben dürften. Der Name der Baiern wird doch mit Böhmen zusammenhängen. Weitere archäologische Entdeckungen werden uns vermutlich ein klareres Bild der so bedeutsamen Veränderungen im Siedlungs- und Bevölkerungsbild um die Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert vermitteln. Verschiedene Versuche, die im Hoch- und Spätmittelalter in Regensburg, Salzburg, Tegernsee, Göttweig und Kremsmünster aufgezeichneten Versionen der bairischen Stammessage historisch auszuwerten, brachten keine wirklich brauchbaren Ergebnisse, ebensowenig sind die späteren Überlieferungen der Passauer Diözese, die von der glanzvollen Vergangenheit eines Erzbistums Lorch (Lauriacum) wissen wollen, für die Frühgeschichte der Baiern von Belang. Das älteste Siedlungsgebiet der Baiern nach der Landnahme war das Alpenvorland und die Donauebene Rätiens und Noricums, in die Alpen sind sie später, aber noch im 6. Jahrhundert, eingedrungen. Merkwürdig ist die Tatsache, daß wir unter den alten Gaunamen der Baiern einem Nordgau (nördlich Regensburg), einem Westgau (am rechten Isarufer) und einem Sundergau (Südgau, am Alpennordrand, zwischen Starnberger See und Chiemsee) begegnen, daß aber kein Ostgau genannt wird, wiewohl die Germanen sonst den Osten von allen Himmelsrichtungen als Lagebezeichnung bevorzugten. Möglicherweise ist der Ostgau in dem noch im 6. Jahrhundert slawisierten Gebiet östlich der Enns zu suchen, vielleicht aber mit dem oberösterreichischen Traungau identisch. Zu Ende des 6. Jahrhunderts befanden sich die Baiern bereits in Abhängigkeit vom austrasischen (östlichen) Frankenreich, in die sie wohl schon unter König Theudebert I. (530—548) geraten waren, einem ostfränkischen Herrscher, der in einem Brief an Kaiser Justinian sogar Pannonien unter den von ihm regierten Ländern anführte. An der Spitze des bairischen Stammes

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selbst stand ein Herzog aus der Sippe der Agilolfinger; als erster wird Garibald I. (ca. 555) genannt, etwas später ein Tassilo, dessen Name in der Familie noch zweimal begegnet. Die Agilolfinger waren kein einheimisches bairisches und auch kein fränkisches Geschlecht, sondern, wie der Vergleich verschiedener Quellen nahelegt, burgundischer Herkunft. Die Verknüpfung mancher Burgundersagen, vor allem der Überlieferung vom Untergang der burgundischen Helden im Hunnenkampf, mit der bairisch-österreichischen Landschaft dürfte dann auch mit Familientraditionen des bairischen Herzogshauses zusammenhängen. Neben den Agilolfingern werden im bairischen Volksrecht fünf hochadelige Familien genannt (Huosi, Drozza, Fagana, Anniona, Hahhilinga), deren Vorrechte vielleicht noch auf ursprüngliche Sonderstellung mit dem Baiernvolk vereinigter Kleinstämme hindeuten, doch sind wir auch hier nur auf Vermutungen angewiesen; so hat man die Hosi (Huosi) mit den von Tacitus erwähnten, von den Quaden abhängigen pannonischen Osen, aber auch mit Hessen identifizieren wollen. Die Baiern siedelten seit der Landnahme in Einzelhöfen, Weilern und Dörfern, zum Teil übernahmen sie auch römische Anlagen. Die bäuerliche Siedlung überwog bei weitem, Weiler und Dörfer wurden in zahlreichen Fällen von Gemeinfreien im Sippenverband, andere von adeligen Grundherren angelegt. Sehr bedeutend war der herzogliche Landbesitz, vor allem im Donaugebiet. Uber die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Landnahmezeit fehlen Nachrichten; daß neben den Freien die abhängige Bevölkerung (zum Teil romanischer Abkunft, später auch zahlreiche slawische und andere Kriegsgefangene, aber auch bairische Knechte) zahlenmäßig bedeutend war, darf man wohl aus Quellen des 8. und 9. Jahrhunderts rückschließen; für die Bewirtschaftung der großen Grundherrschaften waren Knechte und Hörige unentbehrlich. Als älteste germanische Neusiedlungen können Ortschaften gelten, deren Namen auf -heim oder -ing(en) endigen. Diese Namensformen finden sich überall im altbairisch besiedelten Gebiet einschließlich von Tirol, Salzburg und Oberösterreich, ebenso auch im alamannischen Vorarlberg. Wir begegnen ihnen aber auch auf bairischem Kolonisationsboden, weil die Bildung dieser Namensformen in spätkarolingischer, ottonischer und späterer Zeit noch üblich war. Der erste Teil dieser Ortsnamen wird gerade bei den älteren Formen in der Regel durch einen Personennamen gebildet. Als Beispiele dieser Namensschicht auf österreichischem Boden seien unter vielen anderen genannt: Geisensham (Gismouteshaim), Humertsham (Humbrehtshaim), Piesenham (Puosinbaim), Siezenheim (Suozzinheim) bzw. Adelmanning (Adalmuntingin), Bachmanning, Eggerding (Ekkihartingin), Gumprechting, Hochholding (Haholtingen), Irnprechting, Itzling (Uzilingin), Ostermieting (Ostirmuntingin), Siegerting (Sigehartingen). Es ist aber in der Regel mehr als problematisch, bei der Erklärung dieser Ortsnamen auf bestimmte Personen oder Familien als Ortsgründer oder Grundherren zu schließen. N u r

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wenn mehrere Ortsnamen der gleichen Landschaft auf ein bestimmtes Geschlecht deuten, sind weiterreichende Schlüsse möglich, so bei den Ortsnamen Greinwaiden (Grimolting), Dietenheim, Tesselberg (Tessilinperch) und Uttenheim in der Gegend von Bruneck, welche die agilolfingischen Personennamen Grimoald, Theodo, Tassilo und U t a enthalten und damit ein eindrucksvolles Zeugnis für das Alter der bairischen Besiedlung in diesem Teil Südtirols ablegen.

Awaren und Slawen Die Awaren, ein Reitervolk innerasiatischer Herkunft, traten nicht viel später als die Baiern in den Gesichtskreis unserer spätantiken Gewährsmänner, als 558 ihre Gesandten am H o f e Justinians erschienen. Über die frühere Geschichte des Volkes äußerte man schon damals verschiedene Vermutungen, doch sind die Awaren wahrscheinlich mit den in chinesischen Quellen zuan-zuan genannten Nomaden zu identifizieren, deren Reich 5 2 2 von ihren früheren Untertanen, Angehörigen türkischer Stämme, zerstört wurde. Die Skelette der europäischen Awaren gräber weisen, wie sich namentlich bei Schädelmessungen ergeben hat, ausgeprägte mongolische Rassenmerkmale auf, und von den europäischen Awaren wie von den zuan-zuan wird in zeitgenössischen Quellen die eigentümliche Haartracht zopftragender Männer als besonderes Charakteristikum erwähnt. In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts erweiterten die Awaren ihren Herrschaftsbereich von den osteuropäischen Ebenen nach Westen, 5 6 1 / 5 6 2 und wieder 5 6 5 / 5 6 6 kämpften sie mit dem König des austrasischen Frankenreiches Sigibert an der Elbe, 567 besetzten sie das siebenbürgische Gepidenland und anschließend die pannonischen und norischen Gebiete der nach Italien abrückenden Langobarden. Damals müssen die Awaren ihren Machtbereich bis an die Grenze des Baiernlandes ausgedehnt haben. So gehörte nun mit dem Sudeten- und Karpatenraum audi der größere Teil Noricums zur weitgedehnten Herrschaft der Awarenchagane, deren Oberhoheit zur Zeit der größten Machtentfaltung in den ersten Jahrzehnten des 7. Jahrhunderts selbst an den südlichen Küstengebieten der Ostsee anerkannt wurde. Die Awaren bildeten in ihrem Reich nur das Herrenvolk; zu ihrer Klientel gehörten verschiedene, meist mit dem Sammelnamen der Bulgaren bezeichnete (später slawisierte) Turkstämme, die Reste der germanischen Gepiden und vor allem slawische Völkerschaften. Slawische Scharen stießen schon bald nach Beginn des 6. Jahrhunderts auf den Balkan vor, gegen sie und gegen hunnische Schwärme benützten die Byzantiner die Hilfe der Awaren, denen es gelang, die Balkanslawen und ihre mitteleuropäischen Stammesgenossen zu unterwerfen. Die Awarenherrschaft hat nun, so drückend sie auch war, gewiß zur Ausbreitung des

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Slawentums beigetragen: Vor den Awaren flüchtend, später in ihrem Gefolge, sind slawische Sippen und Stämme audi in die Ostalpen eingedrungen. Hier stießen diese Slawen mit den Baiern zusammen, deren Herzog Tassilo I. 592 einen Sieg „im Slawenland" errang, 610 wurden die Baiern unter Garibald II. bei Aguntum geschlagen, später gelang es ihnen wieder, die Slawen zurückzudrängen. Im Jahre 626 versuchten die Awaren durch einen gewaltigen, im Zusammenwirken mit den Persern unternommenen Angriff sich Konstantinopels zu bemächtigen; nach der Niederlage der beiden Heere gegen Kaiser Heraklius kam es zu einem schweren Rückschlag. Die Slawen rebellierten, und die Bulgaren machten den Awaren die Herrschaft im Karpatenraum streitig. Die sogenannte Fredegarchronik berichtet von einem fränkischen Kaufmann Samo, der ins Slawenland zog und mit großem Erfolg den slawischen Aufstand gegen die Awaren unterstützte, schließlich König eines unabhängigen Slawenreiches wurde, das sich sowohl gegen die Awaren als audi gegen die Franken König Dagoberts I. und der mit ihnen verbündeten Alamannen und Langobarden behaupten konnte, aber nach Samos Tod bald wieder zusammenbrach. Aus den Quellennachrichten über diese interessante und geheimnisvolle Fürstengestalt kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit entnehmen, daß Samo sowohl über die Slawen der Sudetenländer (Tschechen, Mährer) wie über die Alpenslawen (Karantanen = Slowenen) herrschte; demnach wird auch ein Teil der österreichischen Donaulandschaft zu seinem kurzlebigen Reich gehört haben. Völlig unsicher ist dieLage der Residenz König Samos, man hat sie im Egertal gesucht und auch auf verschiedene Funde aus dem 7. Jahrhundert im Donautal hingewiesen; die eindrucksvollsten weist die Umgebung der Burg von Theben auf, einige archäologische Spuren lassen annehmen, daß sich auch innerhalb der Ruinenmauern des Wiener Römerlagers eine kleinere Siedlung befand. Nach Samos Tod fielen die Sudetenslawen wieder unter awarische Botmäßigkeit zurück, die Alpenslawen hatten ein gleiches Schicksal zumindest zu fürchten. Diese Karantanen, deren Namen an die alten Bewohner des Landes erinnert, unterwarfen sich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts dem bairischen Herzog Odilo, da offenbar eine bairisch-agilolfingische Herrschaft doch wesentlich erstrebenswerter schien als die Rückkehr der Awaren. Doch setzte sich auch die bairische Herrschaft nicht widerstandslos durch; 772 mußte Herzog Tassilo I I I . einen karantanischen Aufstand niederwerfen, der den Zeitgenossen vor allem als heidnische Reaktion gegen die Anfänge der bairischen Slawenmission erschien. Im Donauland war es schon um 700, nach der Liquidierung des Samostaates, zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Baiern und Awaren gekommen, bei der das Gebiet an der Enns verwüstet und die Siedlungen der Gegend, vor allem jedenfalls Lorch, zerstört wurden. Zur Zeit des weitesten Vordringens gegen Westen, wohl in der ersten Hälfte des 7. (und wieder zu Beginn des 8.?) Jahrhunderts erreichte die

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slawische Siedlung im österreichischen Raum folgende Grenzlinie gegen das bairische Stammesgebiet: Im äußersten Westen war das östliche Pustertal einbezogen; Innichen wurde 769 als Kloster zur Slawenbekehrung auf bairischem Volksboden nahe der Slawengrenze errichtet. Weiter im Osten bildete der Zug der Hohen Tauern die Volkstumsgrenze, die anschließend das oberste Ennstal östlich von Radstadt durchquerte. Sie führte weiterhin durch das Salzkammergut ins Trauntal und dieses entlang zur Donau. N ö r d lich der Donau ist östlich vom Haselgraben mit einer, im stark bewaldeten Gebiet wohl recht dünnen slawischen Besiedlung zu rechnen. Die westlichen Ausläufer des slawischen Volksbodens wurden frühzeitig aufgegeben; das gilt insbesondere für Osttirol westlich der Lienzer Klause sowie für das Trauntal, das spätestens 772 wieder in bairischer H a n d war und vor 700, zumindest am Unterlauf, zu Baiern gehörte. Damals und wieder 780 galt die Enns als Grenzfluß. Man darf freilich nicht an geschlossene Volksgrenzen denken. Die Slawen fanden in dem von ihnen besetzten Gebiet eine Bevölkerung vor, die ihnen zahlreiche ältere Orts- und Gewässernamen überlieferte; man wird mit langobardischen und vielleicht rugischen Bevölkerungsresten rechnen dürfen, gewiß auch mit romanischen Bewohnern, dazu kam neben dem stärkeren slawischen Element noch eine awarische Oberschicht. Uber die wirtschaftliche Situation und die Sozialstruktur der Alpenslawen im frühen Mittelalter sind wir noch mangelhafter unterrichtet als über die bairischen Verhältnisse. Ähnlich wie bei den Germanen der Völkerwanderung die Sippe, bildete bei den Slawen die Wohngemeinschaft der Großfamilie Czadruga) die Grundlage der Stammesgliederung. Von den bei slawischen Völkern sonst bezeugten Tausend-, Hundert- und Zehnerschaften (Dekanien) berichten nur vereinzelte, spätere Quellenzeugnisse. Als Richter wird der Zupan genannt, der später an Bedeutung verlor und zu einem Organ der Grundherrschaften wurde. Er dürfte die Slawen gegenüber den Awaren vertreten haben, deren Herrschaft in zeitgenössischen Quellen und späteren, volkstümlichen Uberlieferungen als ungemein drückend geschildert wird, sich aber kaum überall in gleicherweise auswirkte. Der Stammeszugehörigkeit nach sind im österreichischen Raum verschiedene Slawengruppen zu unterscheiden. Nördlich der Donau werden Böhmen und Mährer genannt, südlich des Stromes überwogen die Slowenen, unter denen auch Angehörige anderer slawischer Stämme siedelten, wie Duljeben und Kroaten, auf die verschiedene Ortsnamen deuten; so wird ein Gau Chrowati (um St.Veit an der Glan) und eine Grafschaft Dudleipa (wohl im Murtal um Radkersburg) erwähnt. Kroaten und Serben wanderten im 7. Jahrhundert vermutlich über die Ausläufer der Ostalpen in den Balkan ein und bildeten dort von den Awaren unabhängige Stammesfürstentümer. Gelegentlich hat man auch den karantanischen Kroaten eine besondere Rolle im Kampf der Slowenen gegen die Awaren zugeschrieben, doch fehlen dazu Quellenzeugnisse. Eine bevorrechtete Gruppe der alpenslawischen Bauern bildeten schließlich die Edlinger in

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Kärnten, Steiermark und Krain, für die (in hoch- und spätmittelalterlichen Quellen) Selbstverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit bezeugt ist. Man hat versucht, die Sonderstellung dieser Bauern ethnisch zu begründen und sie auf awarische, kroatische, langobardische oder romanische Abkunft zurückzuführen, vielleicht aber handelt es sich um Nachkommen karolingischer Siedler. So birgt die Frühgeschichte der Alpenslawen ebenso wie die der Baiern eine Menge noch ungelöster, vielleicht kaum lösbarer Probleme. Eine wichtige Quelle für die frühmittelalterliche Siedlungsgeschichte Österreichs bilden die slawischen Ortsnamen. Sie sind recht zahlreich, manche von ihnen dürften Übersetzungen oder Angleichungen vorslawischer Formen darstellen. Es überwiegen im allgemeinen geographische Bezeichnungen, in denen die Eigenart von Boden und Lage des Ortes, besondere Wahrzeichen oder das Landschaftsbild der Umgebung ihren Ausdruck finden, sowie Bildungen mit Hilfe von Personennamen, wie sie audi bei den germanischen Nachbarn häufig sind. Oft finden wir Benennungen nach Wasserläufen: Feistritz (slowenisch bistrica, schnelles Wasser), Flattnitz ( b l a t n i c a , Sumpfwasser), Liesing ( l e s n i c a , Waldbach), Gloggnitz ( k l o k o t n i c a , die Glucksende), Perschling, Ferschnitz ( b e r c i n i c a , Birkenbach), Opponitz ( s o p o t n i c a , Wasserfall, Sprühbach). Die Lage am Berg oder im Tal kommt in den Ortsnamen Görach, Görtschach ( g o r a Berg, gorica Hügel) und Döllach, Dellach ( d o l j e , Tal) zum Ausdruck. Rafing heißt nach seiner Lage in der Ebene (tschech. raven). Wäldern und Bäumen verdanken die Orte Friesach, Fresach, Friesnitz (slowenisch breza, Birke), Ferlach {bor, Föhre), Edlitz ( j e d l a , Tanne), Gaflenz ( j a b l a n , Apfelbaum) ihre Namen. Der Jauerling ist ein Ahornberg (javornik). Als Beispiele für Formen mit Personennamen seien Radkersburg (Radegoysburg), Stammersdorf (Stoymirsdorf), Kreuzenstein (Krizanesstein) erwähnt, die in ihrer hybriden Zusammensetzung bereits die Einschmelzung des slawischen Bevölkerungselements andeuten. Die Awaren bildeten in den Ostalpenländern, auch innerhalb des von ihnen beherrschten Gebietes, nur eine Minderheit. Siedlungs- und namentlich Grabfunde mit interessantem Inventar (Bronzegüsse, dreiflügelige Pfeilspitzen, Steigbügel und Reitersäbel, primitive Keramik) weisen vor allem das niederösterreichische Viertel unter dem Wienerwald und das Burgenland auf; eine awarische Ansiedlung in Kärnten verrät der Ortsname Haimburg (früher Heunburg, Hunnen- oder Awarenburg; slowenisch: Vobre „zu den Awaren"). Zwischen dem bairisch-fränkischen und dem awarisch-slawischen Gebiet kam es vielfach zu freundlichem und feindlichem Kontakt; interessanterweise finden sich unter der Vielzahl meist germanischer Personennamen, welche in bairischen Urkunden und Traditionsnotizen des früheren Mittelalters genannt werden, auch einige wenige, die auf östlichen, wohl awarischen Einfluß deuten, wie Chagan, Ilchagan, Tarchanat, Zotan, Huno. Auch in den Grabbeigaben zeigt sich die Wechselwirkung von Ost und West.

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Das Problem der Kontinuität der römischen Kultur Die romanische Bevölkerung und ihre materielle und geistige Kultur hielten sich in dem von Alamannen und Baiern, Slawen und Awaren eroberten Gebieten sehr ungleichmäßig. Die Frage nach dem Fortleben römischer und romanischer Kulturelemente von der Spätantike in das Mittelalter läßt sich daher auch für den mitteleuropäischen Raum nicht einheitlich beantworten. Die Auffassung, daß die für die Provinzialromanen gewiß ungemein schmerzliche und höchst unerfreuliche Besetzung des Landes durch die „barbarischen" Nachbarn eine einzige Katastrophe von unermeßlichem Ausmaße dargestellt habe, eine Ansicht, die im Zeitalter des Humanismus und später in dem der Aufklärung nahezu Gemeingut der Wissenschaft war, ist längst aufgegeben. Die Germanen und andere Eroberer, wie die Araber, waren durchaus befähigt, römische und griechische kulturelle Leistungen anzuerkennen, allmählich sich anzueignen und an ihnen und an dem kulturellen Erbe der eigenen Vergangenheit anknüpfend, Neues zu schaffen. Das gilt auch für die Slawen, und selbst die asiatischen Reiternomaden haben in Europa nicht nur zerstört, wenn auch vermutlich ihre Formen der Kriegführung und Herrschaft drückender waren als die anderer Völker. Die regionalen Unterschiede in der Bewahrung antiker Kulturgüter zeichnen sich innerhalb des abendländischen Raumes deutlich genug ab. In den Städten Rom und Ravenna und ihrer Umgebung, in eng begrenzten Gebieten, wie Churrätien oder dem byzantinischen Süditalien, besteht wirklich eine Lebenseinheit zwischen Altertum und Mittelalter; in der Provence und in Aquitanien verhält es sich ähnlich. Ganz anders liegen die Dinge im langobardischen Italien und in Nordgallien, wo sich das Romanentum zwar sprachlich und kulturell behauptete, aber wesentliche germanische Einflüsse in Recht, Kunst, Siedlung und Volkssprache zu verzeichnen sind. Dann kommt eine Zone, zu der wir das Rheinland und auch die Provinzen an der oberen Donau rechnen dürfen, nämlich das Limesgebiet und dessen unmittelbares Hinterland. Hier sind romanische Restbestände — nach Osten abnehmend — zwar deutlich erkennbar, das germanische Element überwiegt jedoch. Innerhalb dieses Bereiches ist das westöstliche Gefalle der Kontinuität deutlich; am klarsten innerhalb des österreichischen Raumes in der Ubergangszone vom germanischen zum slawisch-awarischen Siedlungsgebiet. Die Kontinuität römisch-romanischer Kultur- und Lebensformen äußert sich in verschiedenster Weise. Am eindrucksvollsten ist das Fortleben romanischer Bevölkerung in alamannischer, bairischer und wohl auch slawischer Umgebung. Von dem einst viel weiter verbreiteten alpenromanischen Bevölkerungselement haben bis zur Gegenwart die Rätoromanen Graubündens, die Ladiner Südtirols und die Friauler ihre Sprache, die vom Italienischen recht erheblich abweicht, erhalten. Im früheren Mittelalter finden wir darüber hinaus romanische Siedler noch im Süden Vorarlbergs, dem Walgau

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und dem Montafoner Tal, örtlich auch in Nordtirol, in der Umgebung von Salzburg und an einigen Orten Oberösterreichs südlich der Donau. Namentlich in Salzburger Nekrologien und Traditionsnotizen des 8. und 9. Jahrhunderts begegnen uns zahlreiche romanische Personennamen, deren Formen allerdings von der klassischen Latinität weit entfernt sind (Tonazanus, Ursinus, Vivolus, Savolus, Sambazolus, Fidolius und andere); es wird aber auch zusammenfassend von zinspflichtigen romanischen Bauern (Romani tributales) gesprochen. In ihrer Volkssprache bezeichneten die Deutschen die Romanen als Walchen (Welsche), dieses Wort hat sich in Benennungen wie Walgau, Walchenbach, Walchensee, Seewalchen, Straßwalchen, Wals erhalten. Neben diesen „Walchennamen", die von den germanischen Nachbarn gegeben wurden, gibt es auch Ortsnamensformen romanischer Eigenprägung. Wo sie sich häufen, wird man, namentlich bei der Bezeichnung kleinerer Orte, ebenfalls an das Fortleben romanischen Volkstums denken dürfen. Besonders zahlreich sind diese Namen um Salzburg. Neben Wals (790 vicus Romaniscus) sind hier etwa Anif (Anua), Gmain (Muona), Gnigl (Glanicle, janiculum), Grödig (Crethica), Kuchl (Cucullae), Marzoll (Marciolae) und Morzg (Marciaco) zu nennen. Auch die Namen zahlreicher Donaustädte und Kastelle haben sich über die Völkerwanderungszeit erhalten. Castra Regina, Castra Batava, Lentia, Lauriacum, Trigisamum, zwar nicht Vindobona (Vindomina), wohl aber ein kelto-lateinisches Vedunia, dann Arrabona sind in den deutschen Namen Regensburg, Passau, Linz, Lorch, Traismauer, Wien (über Zwischenformen Venia, Wienne) und Raab bewahrt oder weitergebildet worden; andere, wie Joviacum, Cetium, Favianae, Carnuntum sind — meist mit den Siedlungen — untergegangen, doch hatte man im Frühmittelalter von einigen von ihnen, wie etwa Cetium und Carnuntum, noch unsichere Kunde. Salzburg wurde zu Ende des 8. Jahrhunderts sowohl mit dem alten Namen Juvavum (Juvavia) wie auch mit dem neuen Salzburg bezeichnet, wodurch das Nebeneinander romanischer und bairischer Siedler sinnfällig zum Ausdruck kommt. Mauern und Bauten der römischen Siedlungen wurden mancherorts weiter benützt; für Regensburg und Salzburg ist das ausdrücklich bezeugt, anderswo ergibt es sich aus dem archäologischen Befund oder aus dem späteren Stadtbild, wie etwa in Wien und Traismauer. Zuweilen wurde die Siedlung etwas verlagert, doch hielt man am Namen fest, wie in Linz oder Zirl (Teriolis). Gelegentlich begegnen uns auch in späterer Zeit die charakteristischen römischen quadratischen Ackerfluren, weniger die in den Mittelmeerländern übliche Zenturienflur als die wesentlich kleinere Quadraflur, von der im tirolischen Inntal, in Salzburg und Oberösterreich sich Relikte bis zur Gegenwart erhalten konnten. Wichtiger ist, daß darüber hinaus landwirtschaftliche Betriebsformen die Völkerwanderung überdauerten, so Weinbau und Almwirtschaft, deren Fachausdrücke vielfach aus dem Latein entlehnt sind (Keller, Kelter, Most, Spund, Wein; Käse, Senne); auch in der Bienenzucht war das römische Vorbild anregend.

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Eine wesentliche Rolle als wichtigste Verkehrswege zu Lande spielen im früheren Mittelalter noch die römischen Straßen, für deren Erhaltung freilich wenig getan wurde; als „Heidenstraßen" oder „Hochstraßen" werden sie oft erwähnt. Wiederholt hat man auch darauf hingewiesen, daß Verwaltungsgrenzen des Mittelalters an die der römischen Zeit anzuknüpfen scheinen, doch mögen hier die gleichbleibenden geographischen Gegebenheiten mitspielen; die Übereinstimmung antiker und mittelalterlicher kirchlicher und weltlicher Verwaltungsgrenzen ist in Österreich viel weniger gesichert als etwa in den Rheinlanden. Nicht zuletzt aber behauptete sich — gewiß schwer erschüttert und unter vielen Einbußen — das antike Christentum. Seine Träger waren die im Lande verbliebenen Romanen, an sie knüpfte im 7. und 8. Jahrhundert die Mission an. An einigen Orten blieben die Kirchenbauten erhalten, wurden erneuert oder restauriert (so etwa die Bischofskirche von Lavant, die Laurentius· und die Maria-am-Anger-Kirche in Lorch, die Kirche am Georgenberg im oberösterreichischen Kremstal), und man hat sich auch an das alte Patrozinium erinnert. Die Patrozinien der Heiligen Laurentius (etwa in Lorch), Hermagoras (eigentlich Hermogenes, in Kärnten), Zeno, Nonnosus, Sisinnius (vor allem in Tirol) mögen örtlich noch von römischer Zeit her überliefert sein, das könnte auch für einen kleinen Teil der Patrozinien auf den Namen des Apostelfürsten Petrus sowie der Märtyrer Valentin und Aemilian gelten. Naturgemäß war eine solche Kontinuität bodenständigen alten Christentums am ehesten in geschützten Gebirgsgegenden, namentlich im Süden des Alpenraumes, in Kärnten und Südtirol möglich; es ist sogar durchaus wahrscheinlich, daß sich nahe der bairisch-ladinischen Siedlungsgrenze, in Säben, ein kleiner Bischofssitz, den man mitunter für eine Rückzugsstellung des Augsburger Bistums der Raetia secunda hielt, von der Spätantike bis Mitte des 10. Jahrhunderts erhalten hat; dann wurde der Bischofssitz nach Brixen verlegt (967?). Andere Bistümer müssen noch vor Ende des 6. Jahrhunderts untergegangen sein, so Celeia (Cilli), Teurnia und Aguntum, deren Vertreter als Teilnehmer auf einem Konzil in Grado (zwischen 572 und 577) genannt werden. Noch 591 finden wir in einem Schreiben der Bischöfe der Metropole von Aquileia an Kaiser Mauritius die ecclesia Tiburnensis (Teurnia), Breonensis (Birunensis? Virunum?) und Augustana (Augsburg) erwähnt; die Zuwendung der bedrängten Bistümer zum Frankenreich ist angedeutet. Bald darauf fielen aber Teurnia und Virunum dem Awaren- und Slaweneinfall zum Opfer. Aus eigener Kraft konnten die Rückzugsstellungen des bedrängten alpenromanischen Bevölkerungsrestes nicht mehr den Anstoß zur Christianisierung der germanischen und slawischen Einwanderer geben; dazu bedurfte es eines von außen kommenden Impulses, der missionarischen Begeisterung von Iren, Angelsachsen und Franken, mit der Rückendeckung durch die weltliche Macht des fränkischen Reiches.

Das Frankenreich und die frühmittelalterlidie diristlidie Mission

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Wir wissen nur wenig über die Beziehungen des Ostalpenraumes zum fränkischen Reich im 6. und 7. Jahrhundert. Nach dem Tode des kraftvollen Königs Theudebert, der im Bunde mit Gepiden und Langobarden einen Angriffskrieg gegen Byzanz geplant haben soll, erfuhr das austrasische Teilreich unter seinem Nachfolger Theudebald bereits verschiedene Einbußen. Ein Versuch, sich unter Ausnützung des Kampfes zwischen Ostgoten und Byzantinern in Norditalien festzusetzen, hatte nur vorübergehenden Erfolg. 562 erlitt der fränkische Herzog Hemming gegen den byzantinischen Feldherrn Narses eine Niederlage, die zur Liquidierung der fränkischen Stellung in Italien führte. Die Byzantiner suchten sich damals durch ausgedehnte Befestigungsanlagen im südlichen Kärnten gegen Einfalle von Norden zu sichern. Die Landnahme der Langobarden in Italien und der Drude der nachdrängenden Awaren und Slawen beeinträchtigte die fränkische Machtposition weiterhin. Zu Beginn des 7. Jahrhunderts war der bairische Stammesstaat nahezu unabhängig, erst die Regierung des letzten tatkräftigen Merowingerkönigs, Dagobert I. (625—639), brachte wieder eine Verstärkung des fränkischen Einflusses. In dieser Zeit erfolgten die ersten Missionsversuche von Westen her. Das Ausstrahlungszentrum dieser ersten fränkischen Mission lag in Gallien. Vom Kloster Luxeuil in Burgund wandten sich irische und einheimische Mönche nach Osten. Ihr Ziel war zunächst das Stammesgebiet der Alamannen. Unter diesen lehrte bereits der Gründer von Luxeuil, der Ire Kolumban, nachdem er den Widerständen am neustroburgundischen Hof hatte weichen müssen. Er suchte das Land am Bodensee auf und wirkte im Bereich der alten civitas Brigantium (ca. um 600). Von seinen beiden erfolgreichsten Schülern setzte Gallus die Alamannenmission südlich des Sees fort, wo wenig später ein Kloster (St. Gallen) an seine Tätigkeit erinnerte, während Eustasius sich der Baiernmission widmete; sein Begleiter Agilus dürfte der burgundischen Verwandschaft des bairischen Herzogshauses angehört haben. Nach dem Tode des Eustasius wirkten andere Glaubensboten bis zum Ende der Regierung König Dagoberts I., doch waren dieser Missionärsgeneration im Baiernland noch keine dauernden Erfolge beschieden. Das wird noch mehr f ü r die ersten Versuche einer Slawenmission aus dem Westen gelten, die etwa gleichzeitig anzusetzen sind. Amandus, der Gründer des Klosters Elnon an der Scarpe (Flandern), wagte sich zu den Slawen „jenseits der Donau". Hier fehlten damals noch alle Voraussetzungen für die Mission, während in Baiern immerhin einige Stützpunkte gegeben waren. Neben den Resten romanischer Altchristen bekannte sich auch das Herzogshaus zum Christentum, und die bairische Herzogstochter Theodelinde wurde nach ihrer Heirat mit dem arianischen Langobardenkönig Authari (589) eine Vorkämpferin f ü r den Katholizismus im Langobardenreich. Gelegentlich hat 4

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man auch an ein Fortwirken des Arianismus imBaiernstamm gedacht, doch entbehrt diese an sich naheliegende Annahme beweiskräftiger Quellenzeugnisse. Dem vorübergehenden Rückgang der Macht des fränkischen Reiches im Osten im späteren 7. Jahrhundert entsprach eine Erschlaffung des Missionseifers, erst um die Jahrhundertwende, als die karolingischen Hausmeier, zunächst Pippin der Mittlere, an die Reorganisation des Staatswesens schritten, nahm man auch die Mission wieder mit Nachdruck auf. Drei Glaubensboten waren mit zahlreichen Gefährten im bairischen Stammesgebiet in hervorragender Weise tätig. Emmeram kam wohl aus Aquitanien, er begab sich an den bairischen Herzogshof in Regensburg, wirkte dort eine Zeitlang recht erfolgreich, wurde dann aber in eine agilolfingische Familienaffäre verwickelt und vom Sohne des Herzogs tödlich verwundet. Der Rheinländer Rupert, ein Angehöriger oder naher Verwandter des Grafenhauses der Robertiner, kam nach Salzburg. Er war nach dem Bericht seiner sonst ziemlich zuverlässigen ältesten Lebensbeschreibung Bischof von Worms (vielleicht nur ein Weihbischof) und stammte aus königlichem Geschlecht (ein Verwandter der Merowinger oder Karolinger?). Auf seine Tätigkeit geht die Gründung des ältesten österreichischen Klosters, St. Peter in Salzburg, zurück, während seine Nichte Erentrudis das Frauenkloster am Nonnberg errichtete. Die Schenkung des Ortes Salzburg durch Herzog Theodo gab der Mission einen festen Stützpunkt inmitten romanischer, christlicher Bevölkerung. Die bairischen Herzoge blieben der Gründung auch in der Folgezeit gewogen und statteten die Salzburger Kirche weiterhin mit reichem Grundbesitz aus. Unsicher ist, ob Rupert in Salzburg als Klosterbischof irischer Art oder als Diözesanbischof wirkte. Im Alter kehrte er in seine rheinische Heimat zurück, wo er audi starb, die Reliquien wurden noch im 8. Jahrhundert in Salzburg beigesetzt. Bald nach Emmeram und Rupert wirkte Korbinian, der gleichfalls aus dem Westen gekommen war, in Baiern; auf ihn geht das Bistum Freising zurück, doch war er auch in Südtirol tätig, wo er sich in Mais bei Meran öfter aufhielt. Außer der fränkischen Reichsgewalt und Mission gab es für Baiern noch eine weitere Möglichkeit der Befestigung des heimischen, hilfsbedürftigen Christentums: durch Aufnahme direkter Beziehungen zum Papsttum. Herzog Theodo unternahm eine Romreise, er verlangte die Entsendung eines Erzbischofs. Wir kennen die Anweisungen, die der Papst dem erwählten Kandidaten Martinian mitgab. Vom Papst oder seinem Beauftragten wurde Bischof Vivilo von Passau eingesetzt, vielleicht der erste angelsächsische Bischof Baierns. Seither gab es vier bairische Bistümer: Salzburg, Regensburg, Freising und Passau und dazu noch südlich des Alpenhauptkammes das alte Säben, dessen Verhältnis zum agilolfingischen Herzogtum gänzlich ungeklärt ist. Wie weit die von Rupert und seinen Zeitgenossen aufgerichtete Kirchenorganisation Bestand hatte, wie weit die späteren Diözesangrenzen damals

Das Frankenreich und die frühmittelalterliche christliche Mission

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schon in Geltung waren, können wir kaum beurteilen. Die seelsorgerische Arbeit galt ebenso der Belehrung der Heiden wie der Befestigung der so lange vernachlässigten Altchristen im Glauben. Die nächste Missionärsgeneration schuf dann, an Ruperts und seiner Helfer Werk anknüpfend, Dauerndes. Es handelt sich hier vor allem um die Wirksamkeit angelsächsischer Missionäre, die während der Regierung von Theodos Enkel, Herzog Hugbert (725—737), ihre Tätigkeit aufnahmen. Hier ist vor allem Bonifatius (Winfrid) zu nennen. Er war in Baiern nicht nur als Missionär tätig — da hatten seine Vorgänger schon die Hauptarbeit geleistet —, sondern vor allem als Organisator und Kirchenpolitiker. Bonifatius kam 719 ein erstes Mal kurz nach Baiern, bedeutender war seine Wirksamkeit als Prediger und Visitator 733, nach einem Aufenthalt in Rom 738 kam er mit päpstlicher Vollmacht wieder. Eine Synode wurde abgehalten, und die bisherigen Bischöfe, deren rechtmäßige Weihe Bonifatius bezweifelte, mußten mit Ausnahme Vivilos weichen. In Salzburg setzte Bonifatius einen Angelsachsen, Johannes, ein, auch sonst begünstigte er seine Landsleute. Ein Gegner war ihm allerdings gewachsen, der Ire Virgil, der nach dem Tod des Johannes, gestützt von Herzog Odilo, von St. Peter aus das Bistum Salzburg leitete, die Bischofsweihe aber erst nach des Bonifatius Tod erhielt. Große Verdienste erwarb sich Virgil durch die planmäßig in Angriff genommene Christianisierung Karantaniens, dessen Bevölkerung sich Hugiberts Nachfolger, Herzog Odilo (737 bis ca. 748), unterworfen hatte. Die ersten Kirchen wurden an der Stelle des alten Teurnia („Liburnia"), dann bei Maria-Saal und am Ingeringsee errichtet. Die Karantanenmission machte Fortschritte. Klostergründungen von Odilos Sohn und Nachfolger Tassilo III. (ca. 748—787), Innichen im Pustertal (769), wohl auch Molzbichl bei Spittal a. d. Drau und Kremsmünster im oberösterreichischen Kremstal (777), wurden der Unterstützung der Slawenmission gewidmet; ein heidnischer Aufstandsversuch scheiterte (772). Ob die Gründung von St. Pölten als Tochterkloster von Tegernsee noch in agilolfingischer Zeit erfolgte, wie es die Legende will, ist ungewiß. Kremsmünster erhielt bei seiner Gründung Besitz in dem noch unter awarischem Einfluß stehenden Gebiet an der Traisen (Grunzwitigau). Die Klostergründungen beschränkten sich naturgemäß nicht auf die Erfüllung missionarischer Aufgaben im slawischen Bereich; die Anlagen auf altbairischem Boden waren recht zahlreich. Der Adel und die Bischöfe traten mit dem Herzogshaus durch Stiftung neuer Klöster in Wettbewerb; im österreichischen Raum sind noch Mondsee (748) und Mattsee (784) als agilolfingische Gründungen sowie Scharnitz als adelige Stiftung der Huosi (763) zu erwähnen, es ging wie die meisten Adelsklöster in bischöfliches Eigentum über und wurde 772 nach Schlehdorf verlegt; Zell am See im Pinzgau (gegründet vor 790) kam an Salzburg. In den Klöstern mag noch irisches Mönchtum mit dem benediktinischen in Widerstreit und Wetteifer gestanden sein, die benediktinische Regel läßt sich jedenfalls in bairischen Klöstern schon 4*

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in agilolfingischer Zeit nachweisen, in anderen schwankte man zwischen benediktinischen und columbanischen Gewohnheiten, vermutlich gilt dies auch für Mondsee und Kremsmünster, wenn die Tradition auch behauptet, daß Mondsee seine ersten Mönche aus dem Benediktskloster Monte Cassino erhielt. Vielfache Bindungen bestanden zwischen den bairischen Klöstern und der fränkischen Kirche, andere weisen ins langobardische Italien und nach Rom. Die geistesgeschichtliche Bedeutung der seelsorgerischen, pädagogischen und schriftstellerischen Wirksamkeit zahlreicher Angehöriger der altbairischen Kirche kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Bischof Arbeo von Freising, der aus der Meraner Gegend stammte, galt als Verfasser (?) eines althochdeutschen Glossars („Abrogans" ), in dessen Übersetzungen und Neuprägungen sich das Ringen der Volkssprache mit der christlichen Begriffswelt spiegelt. Arbeos Lebensbeschreibungen der Heiligen Emmeram und Korbinian sind wichtige Quellen für unsere Kenntnis der Baiernmission. Virgil von Salzburg hatte naturwissenschaftliche Interessen, er vertrat die Lehre von der Kugelgestalt der Erde und schrieb im Schutze eines Pseudonyms (Aethicus) eine Kosmographie, in der sich auch in dunklen Anspielungen der Gegensatz seiner Anschauungen zu denen des Bonifatius spiegelt. Der von Virgil veranlaßte erste Salzburger Dombau war ein gewaltiges Werk. Bischof (später Erzbischof) Arn von Salzburg, dessen Gestalt schon in die karolingische Epoche überleitet, stand mit dem Gelehrtenkreis um Karl den Großen, namentlich mit dem Angelsachsen Alkuin, in enger Verbindung. Einen Hinweis auf die mannigfaltigen geistigen und künstlerischen Beziehungen Salzburgs, auf fränkische und namentlich angelsächsische Einflüsse, gibt auch der Tassilokelch von Kremsmünster, den der herzogliche Gründer seiner Stiftung widmete. Das uns bekannte Schrifttum ist nahezu ausschließlich von Geistlichen verfaßt, das gilt ebenso für Werke religiös-kirchlichen Inhalts, für hagiographische, liturgische und pastoraltheologische Schriften wie für die juridische Literatur und das Urkundenwesen. Die erhaltenen Handschriften, wie der Cutbercht-Codex aus Salzburg, der Codex Millenarius von Kremsmünster und der Mondseer Psalter in Montpellier, bezeugen in Inhalt und künstlerischer Ausstattung den Hochstand der agilolfingischen und der an sie anknüpfenden karolingischen kirchlich-monastischen Kultur. Das Ende des agilolfingischen

Herzogtums

Die bairische Geschichte des 8. Jahrhunderts steht im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen dem agilolfingischen Herzogtum, dessen tatkräftigste Vertreter nach Unabhängigkeit strebten, und den karolingischen Hausmeiern und (seit 751) Königen, welche die Stellung des Frankenreiches im Südosten ausbauen und festigen wollten. Pippin der Mittlere und Karl Martell vertraten diese fränkische Reichspolitik mit Erfolg. In die Zeit der

Das Ende des agilolfingischen Herzogtums

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Wiederherstellung fränkischer Macht über das Baiernvolk fällt die Kodifizierung des Volksrechtes, der Lex Baiuvariorum, in der die Befugnisse des Königs, der Kirche und des Herzogs, Name und Geltung der adeligen Geschlechter sowie Bestimmungen über die Aufrechterhaltung des inneren Friedens, die Sicherung von Eigentum, Freiheit und der Person der Stammesangehörigen enthalten sind. Das Gesetz ist in lateinischer Sprache abgefaßt, mit gelegentlich vorkommenden althochdeutschen Rechtsausdrücken. Es blieb bis ins 12. Jahrhundert in Gebrauch, nicht wenige erhaltene Handschriften stammen aus österreichischen Klosterbibliotheken. Als Vorbilder für Inhalt und Form des Baiernrechtes dienten die Rechtsaufzeichnungen der Westgoten und namentlich das Stammesrecht der alamannischen Nachbarn. Die Lex Alamannorum war kurze Zeit vor dem Baiernrecht unter Herzog Landfried aufgezeichnet worden. Als im Jahre 743 der Nachfolger des frankenfreundlichen Herzogs Hugbert, Odilo, der vermutlich aus dem alamannischen Zweig des Agilolfingerhauses stammte, sich erneut gegen die fränkische Vorherrschaft erhob, wurde er nach einer vergeblichen Intervention des päpstlichen Legaten Sergius von den Franken des jüngeren Pippin am Lech geschlagen und zur Unterwerfung gezwungen. Nach Odilos Tod und einem mißglückten Usurpationsversuch eines Halbbruders Pippins, Grifo, der mütterlicherseits dem Agilolfingerhaus entstammte, erhielt Odilos junger Sohn Tassilo (III.) das bairische Herzogtum als Lehen; Pippin aber wurde als Tassilos Vormund anerkannt. Die Krönung Pippins zum Frankenkönig und das Bündnis mit dem Papst (754) stärkte die fränkische Stellung noch mehr. 756 nahmen die Baiern am erfolgreichen Langobardenzug Pippins teil und im Jahre darauf leistete Tassilo zu Compiegne Pippin und dessen Söhnen den Vasalleneid. Indessen benützte Tassilo bald die Bindung des fränkischen Königs durch andere Aufgaben, um Baiern aus der Abhängigkeit vom Frankenreich zu befreien. 763 verweigerte er die Heeresfolge in einem Aquitanienzug und suchte in der Folgezeit durch Zusammenwirken mit dem Langobardenkönig Desiderius, dessen Tochter Liutberga er heiratete, seine Position zu stärken. 772 befestigte Tassilo seine Macht weiter durch die Niederwerfung des karantanischen Aufstandes. Es gab aber im bairischen Adel und in der Kirche eine entschieden fränkisch gesinnte Partei, und so zog es Tassilo vor, neutral zu bleiben, als Karl der Große 774 gegen Desiderius zog und das Langobardenreich eroberte. 781 leistete der Baiernherzog dem Sieger in Worms den Vasalleneid und stellte Geisel für seine Treue. Doch schien seine Stellung dem Frankenkönig wohl noch zu bedeutend, 787 erzwang ein fränkisches Heer die völlige Unterwerfung des Herzogs; ein Jahr später wurde er unter Anklage gestellt und wegen verschiedener Vergehen, unter denen der Treuebruch gegen Pippin und Zusammenwirken mit den Awaren erwähnt werden, zum Tode verurteilt und schließlich zur Klosterhaft begnadigt. Damit hatte das Stammesherzogtum der Agilolfinger sein Ende gefunden.

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Bairisches Stammesherzogtum und Fränkische Mark

Der Anwurf der Zusammenarbeit mit den heidnischen Awaren wurde gegen Tassilo kaum grundlos erhoben. Nach dem Sturz des Herzogs erschienen awarische Heere an den Grenzen Baierns, wurden aber am Ybbsfeld und in einem zweiten Treffen an der Donau von Baiern und Franken zurückgewiesen, ebenso scheiterte ein Angriff gegen Friaul. Im Herbst 788 setzte König Karl seinen Schwager Gerold, den Bruder der Königin Hildegard aus schwäbischem Geschlecht, in Baiern als Präfekt ein; gleichzeitig reiften Pläne für eine militärische Eroberung des Awarenreiches. Verhandlungen über Grenzfragen brachten kein befriedigendes Ergebnis. 791 rückten in konzentrischem Angriff drei Heere über die Enns ins Awarenland ein, Befestigungen am Wienerwald und am Kamp wurden genommen, es gelang, tief in das feindliche Gebiet vorzudringen. Feldzüge kleinerer Kontingente brachten in den folgenden Jahren weitere Erfolge. Das Awarenreich hatte längst seine alte Macht eingebüßt, innere Auseinandersetzungen zwischen den Stammesführern schwächten es weiter. Doch kam es noch zu harten Kämpfen, bis die Awaren, deren hinhaltender Kampftaktik nicht so leicht beizukommen war, sich endgültig unterwarfen (803). Den durch die früheren Untertanen, die Slawen, bedrängten Resten des awarischen Volkes wurden Wohnsitze zwischen Fischa und Leitha zugewiesen. Das von Karl dem Großen eroberte Neuland im Südosten stand der bairisch-fränkischen und der slawischen Siedlung offen. Die karolingischen

Marken im

Südosten

Die politische Organisation des eroberten Landes erfolgte in der unter Karl dem Großen und seinen Nachfolgern auch sonst in Grenzregionen üblichen Art durch Einrichtung von Markgrafschaften, denen andere kleinere Grafschaften sowie unter einheimischen Stammesfürsten stehende Gebiete unterstellt waren. 799 fiel Präfekt Gerold I., dem neben Baiern auch die awarischen Marken an der Donau anvertraut waren, in einem Kampf im Osten. Damals wurde die Verwaltung des Markengebietes von der Baierns getrennt. Die Mark an der Donau (der deutsche Ausdruck „Ostmark" ist nicht, die lateinische Entsprechung „marcbia orientalis" erst später bezeugt) umfaßte wohl das eroberte Land zwischen Enns und Wienerwald, östlich davon reichte „Oberpannonien" bis zur Raab, weiter im Südosten lag „Unterpannonien", das sich über den Bakonyerwald und den Plattensee bis in die große ungarische Tiefebene erstreckte; später wurde die fränkische Herrschaft bis nach Syrmien ausgedehnt. Eine gewisse Verbindung bestand zeitweilig zwischen diesem Markenverband und dem altbairischen Traungau westlich der Enns. Auch die karantanischen Häuptlinge unterstanden dem obersten Grenzgrafen. Diesem gleichgeordnet war dagegen der Markgraf von Friaul, der das südliche Markengebiet zwischen Save und Drau, dann

Die karolingischen M a r k e n im Südosten

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Istrien und den Herzog der dalmatinischen Kroaten überwachte. In den Grenzterritorien herrschte nur selten ungestörter Friede. Die karantanischen Slawen verloren die Mehrzahl ihrer einheimischen Häuptlinge bald nach der Niederschlagung des sehr gefährlichen Aufstandes des slawonischen Herzogs Liudewit (819—823) und wurden seither von bairischen Grafen geleitet. Die Aufständischen hatten Beziehungen zu dem Reich der Bulgaren aufgenommen, und es war wohl die bulgarische Gefahr, die Ludwig den Deutschen, den Sohn und Unterkönig Ludwigs des Frommen, bewog, den awarischen Klientelstaat an der Donau zu liquidieren (nach 822). Tatsächlich drangen die Bulgaren vorübergehend im Gebiet zwischen Save und Drau vor (827); Ludwig dem Deutschen gelang jedoch die Rückeroberung (838), ein weiterer bulgarischer Angriff scheiterte (853) und später wurde Ludwig gegen seinen aufständischen Sohn Karlmann durch den Bulgarenkhan Bogoris (Michael) tatkräftig unterstützt. 864 kam es zu einem Zusammentreffen des Bulgarenfürsten mit Ludwig in Tulln. Während damals der Südosten der ungarischen Tiefebene von den turkstämmigen, aber bereits in Slawisierung begriffenen Bulgaren beherrscht wurde, konsolidierte sich im Norden der fränkischen Marken in Mähren und der westlichen Slowakei ein anderes, von Anfang an slawisches Staatswesen. Dieses „großmährische" Reich bildete in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts unter den Fürsten Mojmir, Rastislav und Svatopluk, die von ihren Burgen, von denen eindrucksvolle archäologische Funde zeugen, das Gebiet Mährens und der westlichen Slowakei beherrschten, eine sehr wesentliche Macht. Diese vermochte sich in den Auseinandersetzungen mit Franken und Bulgaren bis zum Magyarensturm zu behaupten und bedeutete zeitweilig, namentlich unter dem kriegerischen Svatopluk, für die karolingischen Marken eine erhebliche Bedrohung. Mojmir verdrängte seinen Vorgänger in Neutra, Pribina, der in die Mark flüchtete. Markgraf Ratbod nahm ihn freundlich auf und in Traismauer empfing Pribina die Taufe. Er wurde einige Jahre später Fürst eines vom Frankenreich abhängigen pannonischen Slawenstaates, dessen Zentrum die Moosburg (Zalavar) am Plattensee bildete. Slowenische und deutsche Kolonisten strömten in dieses Gebiet, das seelsorgerisch von Salzburg betreut wurde. Pribina stand, abgesehen von zeitweiligen Konflikten mit den Grenzgrafen, mit dem Frankenreich in gutem Einvernehmen; als er bei einem mährisdien Einfall den Tod fand, folgte ihm sein Sohn Kozel, der selbständiger handelte. Im dritten Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts hatte die Markenorganisation Veränderungen erfahren. Friaul und Istrien schieden aus dem Verband der südöstlichen Marken aus, das verbleibende Gebiet wurde nunmehr einem Herrn, dem Präfekten des Ostlandes, unterstellt. Dieser beaufsichtigte die Grafen der marchia orientalis, beider Pannonien, Karantaniens und des Gebietes zwischen Save und Drau. Die mächtige Stellung des Präfekten bot den Anreiz zu Aufständen, oft auch zu verräterischen Einvernehmen mit den

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Bairisches Stammesherzogtum und Fränkische Mark

Feinden des Reiches. Das zeigt uns die Regierung der Grenzgrafen Ratbod und Gundaker; aber auch Karlmann, der Sohn Ludwigs des Deutschen, empörte sich wiederholt gegen seinen Vater. Ebenso kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Grafen, in die Fehde der Söhne der Markgrafen Wilhelm und Engelschalk mit dem Grafen Aribo griffen die Mährer ein; das Land wurde verwüstet, die Widerstandskraft gegen den äußeren Feind arg geschwächt. Zu Ende des 9. Jahrhunderts scheinen die Grenzgrafen an der österreichischen Donau und in Karantanien die führenden Stellungen in der Markenorganisation eingenommen zu haben. Arnulf von Kärnten, der Sohn und Nachfolger Karlmanns im Grenzland wie in der Regierung des ostfränkischen Reiches, war auch als König auf die Sicherung des Südostens bedacht. Während die weltliche Organisation der eroberten Marken im 9. Jahrhundert von der des bairischen Altlandes getrennt war, blieb in der kirchlichen Verwaltung die Mark mit dem altbairischen Gebiet in der Salzburger Kirchenprovinz zusammengefaßt, nachdem Salzburg 798 zum Erzbistum erhoben worden war. Bei dieser Entscheidung für die Salzachstadt war das persönliche Vertrauen Karls des Großen zum damaligen Inhaber des Salzburger Bistums, Arn, einer der markantesten kirchlichen Persönlichkeiten der Zeit, wohl ausschlaggebend für den Vorzug vor Regensburg, Freising und Passau. Im Südosten wurde das Donauland bis zur Raab von Passau, Karantanien und Pannonien aber von Salzburg missioniert. Die bairische Mission griff zweifellos auch auf Mähren aus. Die Grenze zwischen den Metropolen Salzburg und Aquileia war strittig, sie wurde 811 durch einen Schiedsspruch des Kaisers entlang der Drau gezogen. Zahlreiche Kirchen wurden erbaut. Erhalten sind von den vielen Werken karolingischer Kirchenbaukunst im österreichischen Raum nur die Martinskirche in Linz und die Kirche von Karnburg, durch Ausgrabungen kennen wir noch einige aus Fundamentresten erschlossene Grundrisse, darunter die Anlage einer der Kirchen in Zalavar am Plattensee. Die Nachricht von der Gründung der Wiener Peterskirche durch Karl den Großen beruht nur auf einer gelehrten Kombination des Wiener Humanisten Wolfgang Lazius, doch dürften die Gotteshäuser zu St. Peter und St. Ruprecht tatsächlich auf karolingische Zeit zurückgehen; die Patrozinienwahl läßt sich durch vorübergehende Zugehörigkeit zum Salzburger Diözesangebiet erklären oder durch Weihe anläßlich der überlieferten Visitationsreise Erzbischof Arns nach Pannonien. Die bairischen Hochstifte und Klöster erwarben reichen Grundbesitz im eroberten Neuland. Herrieden, Mattsee, Mondsee, Moosburg, Niederaltaich, Kremsmünster, St. Emmeran (Regensburg) und Tegernsee besaßen zum Teil sehr ausgedehnte Güter. Noch bedeutender waren die durch mehrere königliche Schenkungen während des 9. Jahrhunderts vermehrten Besitzungen Salzburgs und Passaus; auch die Bistümer Regensburg und Freising beteiligten sich an der Erschließung und Besiedlung des Ostlandes. Besonders

Die karolingisdien Marken im Südosten

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im Weinbaugebiet an der Donau (Wachau), aber audi östlich des Wienerwaldes und in den pannonischen Ebenen läßt sich dieser ausgedehnte geistliche Grundbesitz feststellen. Die genaue Lokalisierung der in den Urkunden genannten Güter ist allerdings nicht immer möglich. Die kirchlichen und weltlichen Besitzungen im Markengebiet gingen letzten Endes durchweg auf königliche Schenkungen zurück, da der Boden im eroberten Lande dem König gehörte und von ihm zu Eigen oder Lehen weitergegeben wurde. Unter den weltlichen Grundherren waren es Angehörige der Grafengeschlechter des Ostlandes und der Adel Altbaierns, die das Kolonisationswerk besonders förderten. Die Namen der kirchlichen und weltlichen Würdenträger begegnen wiederholt in Ortsnamen im Markengebiet (Arnsdorf, Engelschalksdorf=Enzersdorf, Gerolding, Wilhelmsburg, Rapottenstein). Auf eine schon bei der Gründung von Tegernsee und St. Pölten tätige Familie, die im Chiemgau ansässig war, deutet die auffallende Ubereinstimmung von Ortsnamen im Chiemgau und in der Umgebung von Wien: den Ortsnamen Otterkring, Sifferling und Hitzing am Chiemsee entsprechen die gleichfalls benachbarten Ortschaften Ottakring, Sievering und Hietzing in der Wiener Gegend. Aber auch andere Ortsnamen, wie Hacking und Penzing, begegnen sowohl in Niederbayern wie im Markengebiet. In diesen Fällen sind wohl Schlüsse auf die örtliche Herkunft der Siedler gestattet. Die österreichischen Mundarten deuten gleichfalls auf bairische Einwanderung; alamannische und fränkische Siedler mögen in kleinerer Zahl ebenfalls ins Ostland gekommen sein, da Adel und Kirche des Markengebietes vielfache Beziehungen zu diesen Stämmen besaßen. Aus den wenigen verwertbaren Nachrichten über die soziale Lage der Siedler in den südöstlichen Marken geht immerhin hervor, daß der Großgrundbesitz, der mit unfreien Knechten und halbfreien Hintersassen wirtschaftete, überwog. Freier Kleinbesitz war seltener als im Altland, doch scheint die Lage der bäuerlichen Bevölkerung recht günstig gewesen zu sein, namentlich solange sie als Wehrbauern an den militärischen Aufgeboten im Fußdienst teilnahmen. Möglicherweise gehen die innerösterreichischen „Edlinger" zum Teil auf karolingische wehrhafte Kolonisten zurück; auch die Bewohner der Dörfer um die größeren Siedlungen in den donauländischen Marken (etwa um St. Pölten, Tulln und Wien) hat man für Wehrbauern gehalten. Zu Ende der karolingischen Epoche, als der adelige Reiterdienst bereits überwog, haben sich die Verhältnisse verschlechtert, ganz abgesehen von den Verwüstungen durch bulgarische, mährische und ungarische Einfälle. Zahlreich war im altbairischen Traungau und in der Mark offenbar die ständische Schicht der Barschalken, einer zinspflichtigen Bevölkerung mit Erbbesitz, in der romanische Restgruppen eine Rolle gespielt haben dürften. Einige Ortsnamen, namentlich in Oberösterreich (Parschallen im Innviertel, Parschalling am Attersee, Baschallern bei Sierning) und in der Steiermark (Bachsdorf, urkundlich 1126 Parschalchisdorf bei Leibnitz), aber

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Bairisches Stammesherzogtum und Fränkische Mark

auch in Niederösterreich (Pottschall, Pottschollach, 1233 Parschallich bzw. 1314 Porschallich) gehen auf ihre Siedlungen zurück. Um die Mitte des 9. Jahrhunderts wurden der allgemeinen Entwicklung entsprechend die Rechte der Barschalken gemindert (Gerichtsversammlung von Regensburg 848) 1 ). Es war nicht nur die Macht feindlicher Waffen, die in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die südöstlichen Marken des karolingischen Reiches mehr und mehr gefährdete. Die machtvolle Stellung der Salzburger Erzdiözese und das Kulturwerk der bairisch-fränkischen Kirche wurde seit der Jahrhundertmitte auch durch einen missionarischen Vorstoß aus der byzantinischen Welt ernsthaft bedroht. Die gelehrten Brüder Kyrill (oder Konstantin) und Method aus Thessalonike (Saloniki), die bereits durch frühere Missionsarbeit am Schwarzen Meer wertvolle Erfahrungen gesammelt hatten, verlegten ihre Tätigkeit in den Karpatenraum, wo sie unter den Slawen verschiedener Stammeszugehörigkeit völlig unabhängig vom fränkischen Reich und seiner Kirchenorganisation wirkten. Eine Bibelübersetzung und die Liturgie in der Volkssprache erleichterte ihre Mission ebenso wie die von den Fürsten Rastislav und Kozel gewährte Unterstützung; Papst Hadrian II. weihte Method zum Erzbischof von Syrmien und legalisierte so das pannonische Missionswerk. Salzburg protestierte erregt gegen die Beschränkung seiner Metropolitangewalt; die bei diesem Anlaß verfaßte Denkschrift über die Bekehrung der Baiern und der Alpenslawen (Libellus de conversione Bagoariorum et Carantanorum) ist erhalten geblieben und bedeutet für uns eine unschätzbare Quelle zur Kirchen- und Siedlungsgeschichte der Zeit. Method wurde auf einer bairischen Synode gefangengesetzt — Kyrill war 869 in Rom gestorben —, mußte aber auf Einschreiten von Papst Johann V I I I . wieder freigelassen werden und wandte sich in das großmährische Reich von Rastislavs Nachfolger Svatopluk. Inzwischen hatte aber die slawische Liturgie in Rom Bedenken erregt. Method erhielt einen deutschen Bischof Wiching als Suffragan und nach dem Tode des Slawenapostels brach sein Werk in Mähren und Pannonien überhaupt zusammen. Die Schüler Methods wandten sich nach Bulgarien, wo sie bessere Voraussetzungen für ihre Tätigkeit fanden. Die letzten Phasen dieser kirchenpolitischen Auseinandersetzung vollzogen sich bereits im Schatten einer neuen Gefahr. Zum Jahre 862 melden die Annalen des Erzbischofs Hinkmar von Reims zum ersten Male das Auftreten der Magyaren in Pannonien, eines neuen und unbekannten Feindes. Wenig mehr als 40 Jahre später fiel ihm die karolingische Mark im Südosten zum Opfer. ') Karl Lechner vermutet, daß ein im 16. bis 18. Jahrhundert gebrauchter Spottname der Österreicher „Paschaler", der sie als Volk, das stets Ostern (pascha) und andere Feste feiert, charakterisieren sollte, letzten Endes mit der Standesbezeichnung der Barschalken zusammenhängt.

D e r Zusammenbruch der karolingischen Marken im Ungarnsturm

Der Zusammenbruch im

der karolingischen Ungarnsturm

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Marken

Zu Ende des 9. Jahrhunderts mehren sich die Nachrichten fränkischer Annalisten über Aktionen der Ungarn, die sie oft kurz „Hunnen" nennen, ein Name, der den unheimlichen Eindruck und die Erinnerungen spiegelt, welche die Neuankömmlinge weckten. Ostfranken und Mährer haben einander gegenseitig beschuldigt, den gefährlichen Feind, einen Stammesverband teils finnischer, teils türkischer Abkunft, als Verbündeten den Weg nach Pannonien gewiesen zu haben. Gewiß mit Unrecht: die Ungarn fanden die großen Ebenen im Karpatenraum, die letzten Ausläufer der eurasischen Steppenzone, ebenso zielsicher wie vor ihnen Hunnen und Awaren. Gleich diesen Vorgängern kamen sie nicht freiwillig. Als das Reich des Turkvolkes der Chasaren in der Krim und den Steppen nordöstlich des Schwarzen Meeres durch den Doppelangriff von Russen und Petschenegen (eines anderen turkstämmigen Volkes) erschüttert wurde, wich das ungarische Klientelvolk des Chasarenchagans nach Westen aus. Die Magyaren zogen nach ihrer später aufgezeichneten Stammessage von „Lehedien" (dem Lande am Don) nach „Etelköz" (der „Flußenge" Bessarabien), einzelne Trupps fühlten nach Pannonien vor und griffen selbständig oder als Söldner in die Kämpfe zwischen Ostfranken und Mährern ein; 881 kam es zu einem Zusammenstoß mit fränkischen Kräften bei Wien (apud Weniam), das bei dieser Gelegenheit nach vielhundertjähriger Pause erstmalig wieder erwähnt wird. Die Landnahme der Masse des Volkes in Pannonien erfolgte erst um 896 in äußerster Bedrängnis im Kampfe mit den stärkeren Petschenegen. Von der neugewonnenen pannonischen Basis aus beunruhigten die Magyaren in verwüstenden Streifzügen Bulgaren und Byzantiner, Ostfranken und Mährer, auch N o r d italien wurde schwer heimgesucht. 906 vernichteten sie das mährische Reich; Zwistigkeiten zwischen den Söhnen Svatopluks hatten das Ende beschleunigt. Die Baiern hatten zunächst einige Abwehrerfolge, ungarische Scharen wurden 900 vom Grafen Luitpold nördlich der Donau besiegt, andere ein Jahr später an der Fischa geschlagen. Die Errichtung der Ennsburg verrät freilich, daß nunmehr schon das altbairische Gebiet als bedroht gelten mußte, wenn auch andererseits die Raffelstettener Zollordnung (vor 906) die Fortdauer eines lebhaften und geregelten Handelsverkehrs in der Mark an der Donau anzudeuten scheint. Ein großangelegtes Unternehmen sollte die ungarische Gefahr ausschalten. Der bairische Heerbann unternahm im Sommer 907 einen Offensivstoß nach Osten, wurde aber am 4. Juli in einer Schlacht bei Preßburg fast völlig vernichtet. Markgraf Luitpold, zahlreiche andere Adelige, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Säben und Freising fanden dabei den Tod. Damit waren audi die donauländischen Marken verloren, die Enns wurde wieder zur — höchst unsicheren — Grenze, über welche die Ungarn in weitausholenden Zügen wiederholt nach Westen vor-

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Bairisches Stammesherzogtum und Fränkische Mark

stießen. Dem neuen Herzog der Baiern, Arnulf, dem Sohne Luitpolds, gelang es allmählich, die Verteidigung neu zu organisieren, zeitweilige Waffenstillstände brachten dem Lande Ruhepausen, und in einem Konflikt mit König Konrad I. suchte Arnulf sogar bei den Ungarn Zuflucht (916). Später kam es wieder zu Kämpfen, 943 schlug Arnulfs Bruder Berthold die Ungarn empfindlich bei Wels. Die große Wendung aber brachte erst der entscheidende Sieg König Ottos I. bei Augsburg am 10. August 955, als ein mit bairischen Aufständischen zusammenwirkendes ungarisches Angriffsheer vernichtet wurde. Seither war die Gefahr für das ottonische Reich und damit auch für das bairische Altland gebannt, einige Jahre später konnte man an die Rückeroberung der Marken schreiten. Die ungarische Herrschaft bedeutete zweifellos für die Bevölkerung des Markengürtels eine schwere Prüfung. Die Nachrichten über die furchtbaren Verheerungen durch die magyarischen Kriegszüge, über die Niedermetzelung von Männern und Versklavung der Frauen sind schwerlich als Ubertreibungen der Chronisten abzutun. Es lag aber nicht im Interesse der Eroberer, die vorgefundene Bevölkerung zu vernichten, wenn sie einmal unterworfen war; die Tributleistungen kamen den Magyaren selbst zugute. Viele Deutsche und Slawen sind umgekommen, andere geflüchtet, ein nicht unbeträchtlicher Rest hielt sich im Lande. Die Funde der nach dem Hauptfundort bei Gloggnitz benannten deutsch-slawischen Köttlachkultur überbrücken noch die Zeit der ungarischen Herrschaft. Eine gewisse Kontinuität bezeugt auch das Fortleben karolingischer Ortsnamen und Patrozinien. In religiöser Hinsicht waren die Magyaren wie die meisten Steppenvölker tolerant. Wenn sie Kirchen und Klöster plünderten und zerstörten, so trieb sie die Gier nach den Kirchenschätzen, nicht religiöser Fanatismus. Missionarischer Arbeit waren sie zugänglich. So dürfte das kirchliche Leben in den besetzten Gebieten weitergegangen sein. Im Jahre 926 unternahm Bischof Drakulf von Freising eine Reise auf der Donau ins Gebiet östlich der Ennsmündung, auf der er allerdings im Greiner Strudel tödlich verunglückte. Vielleicht steckt sogar in späteren Nachrichten über die legendäre Gestalt des Markgrafen Rüdiger (zuletzt im Nibelungenlied) eine Erinnerung an die Wirksamkeit von deutschen Adeligen im Ostland unter magyarischer Oberhoheit. Die Ungarn selbst ließen sich im niederösterreichischen und steirischen Raum nicht in größerer Zahl nieder. Lediglich einige wenige Ortsnamen an der Thaya bei Staatz (darunter Ungerndorf und Fallbach, urkundlich Valwa; falva=magyarisch Dorf) deuten auf ein vereinzeltes magyarisches Siedlungsnest. Bleibende ethnische oder kulturelle Auswirkungen hat das magyarische Intermezzo im Gebiet westlich von Leitha und March nicht hinterlassen.

IV. D I E B A B E N B E R G E R U N D DAS W E R D E N D E R Ö S T E R R E I C H I S C H E N (976—1246)

Die Rückeroberung

der Mark und die Anfänge in Österreich

der

LÄNDER

Babenberger

Es scheint, daß unmittelbar nach der Lechfeldschlacht noch keine umfassendere Aktion zur Rückgewinnung des alten Markengebietes an der Donau unternommen wurde; Herzog Heinrich von Baiern, König Ottos I. jüngerer Bruder, starb schon 9 5 5 , Heinrichs gleichnamiger Sohn war noch unmündig, der König aber wandte sein Hauptaugenmerk in den folgenden Jahren Italien zu. 962 wurde O t t o im R o m zum Kaiser gekrönt und damit jene Verbindung des deutschen Königtums mit dem imperialen Romgedanken hergestellt, die Jahrhunderte überdauern sollte und auch die österreichische Geschichte mitgeprägt hat. Erst gegen Ende der sechziger J a h r e kam die Offensive gegen Ungarn in Gang und hatte schnellen Erfolg. Bald nach 970 wird ein Markgraf Burkhard genannt, der vielleicht so wie der Rüdiger des Nibelungenliedes in Pöchlarn residierte und wohl zur Verwandtschaft des Baiernherzogs gehörte. Als nun Herzog Heinrich „der Z ä n k e r " gegen Kaiser O t t o I I . , seinen Vetter, rebellierte, schloß sich der Markgraf der Erhebung an — und das kostete Burkhard seine Würde, die er auch nicht wiedererlangte, als Herzog Heinrich die Versöhnung mit dem kaiserlichen H o f erreichte und 985 Baiern, 9 8 9 Karantanien zurückerhielt. Im J a h r e 9 7 6 wird ein Markgraf Luitpold als Nachfolger Burkhards in der Mark genannt. Mit Luitpold beginnt die zweihundertsiebzigjährige Herrschaft der Babenberger in Österreich. Den Namen „Babenberger" gibt die historische Forschung dieser Familie nach dem Beispiele Bischof Ottos von Freising, der selbst dem Hause entstammte und es von dem 9 0 6 hingerichteten, in der Sage aber gefeierten Gegner König Konrads I., Adalbert von Bamberg, ableitet. Zur Klärung der Herkunft und Verwandtschaftsbeziehungen bedarf es freilich noch weiterer Forschungen — nicht der bloßen Freude am genealogischen Detail wegen, sondern weil Kenntnis der babenbergischen Familien- und Besitzgeschichte eine unumgängliche Voraussetzung für ein tiefergehendes Verständnis der Ausbildung der österreichischen Landesherrschaft im Hochmittelalter darstellt. Enge Zusammenhänge verbinden zweifellos auch Babenberger und Arnulfinger; darauf deutet der im 10. J a h r hundert noch seltene N a m e Luitpold und die Erfahrung, daß man bei der Einsetzung von Würdenträgern in jener Zeit die Verwandtschaft mit Vor-

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

gängern im Amt berücksichtigte. Schließlich ist der politische Gegensatz zu der bayerischen Linie der sächsischen Dynastie für die Arnulfinger wie für die ersten Babenberger charakteristisch. Wenn man aber in Luitpold einen jüngeren Sohn Herzog Arnulfs sehen wollte, so hat man damit zuviel behauptet. Man versuchte auch an Arnulfs Bruder Berthold anzuknüpfen — so heißt übrigens auch ein Bruder Markgraf Luitpolds, der den bayerischen Nordgau, wohl ein Erbe nach dem 907 gefallenen Luitpold, verwaltete —, es fehlen indessen konkrete Quellennachrichten. Von Markgraf Luitpolds Gemahlin Richeza wissen wir, daß sie eine Enkelin Ottos I. war, eine Tochter des Salierherzogs Konrads des Roten, der in der Lechfeldschlacht fiel. Luitpolds und Richezas Sohn Heinrich folgte dem Vater in der Markgrafschaft, der Nachfolger Heinrichs war dessen Sohn Adalbert. Die genealogische Stellung Adalberts ist etwas unsicher. Otto von Freising und andere mittelalterliche österreichische Autoren lassen die Stammreihe des Hauses erst mit Adalbert beginnen. So sind wir bei der Rekonstruktion der früheren Geschichte der Babenberger vielfach auf Vermutungen angewiesen1). Unter Burkhard hatte man im Osten bereits die Traisen erreicht, unter Luitpold gilt bereits der Wienerwald mit dem „hangenden Stein" bei Greifenstein als Ostgrenze des Markenbereichs südlich der Donau; nördlich des Stromes war man zunächst auf einen ziemlich schmalen Uferstreifen, der im Osten etwa zur Kampmündung reichte, beschränkt. Im Jahre 991 errang Herzog Heinrich II. von Bayern einen Sieg über die Ungarn; es war vielleicht ein Ergebnis dieses Waffenerfolges, daß man den Wienerwaldgürtel überschreiten konnte. Die unmittelbare Umgebung Wiens war jedenfalls 1002 in deutscher Hand; denn in diesem Jahre schenkte Kaiser Heinrich II., der Sohn des Empörers von 973 und Siegers von 991, dem Markgrafen Heinrich ein Besitztum zwischen Liesing und Triesting und nördlich der Donau 20 Hufen zwischen den Flüssen Kamp und March. Vielleicht hatte man damals auch schon die Leitha erreicht. Die Offensive gegen die Magyaren blieb nicht auf das Donauland beschränkt. Im selben Jahre 976, in dem Luitpold erstmalig als Markgraf bezeugt ist, wurde Karantanien als eigenes Herzogtum Kärnten von Bayern getrennt und dem Arnulfinger Heinrich, einem Sohne von Arnulfs Bruder Berthold, übergeben. Von Kärnten aus wurden Marken in Krain (973 erstmalig erwähnt) und im Räume der späteren Steiermark erobert und eingerichtet, genannt werden die karantanische Mark an der Mur (970), die *) Die bekannten Beinamen der Babenberger (etwa Luitpold der Erlauchte, Adalbert der Siegreiche, Friedrich der Streitbare und andere) wurden systematisch zuerst von Ladislaus Sunthaym in den Tabulae Claustroneoburgenses (1491) verwendet, zum Teil, etwa bei Leopold dem Heiligen oder Heinrich II. Jasomirgott, unter dem Einfluß älterer Chronisten. Ein unbekannter Kopist fügte die Babenbergerbeinamen etwa um 1510 der österreichischen Chronik des Thomas Ebendorfer an, später wurden sie Gemeingut der österreichischen patriotischen Geschichtsschreibung.

Der Name Österreich

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Marken an der Sann (mit Cilli) und von Pettau (980); überdies waren im 11. Jahrhundert auch die Marken Friaul, Istrien und Verona dem Kärntner Herzogtum unterstellt. Damit besaß das römisch-deutsche Reich im Südosten eine wirksame Grenzorganisation. Der Name

Österreich

Markgraf Luitpold erlag 994 in Würzburg dem Pfeil eines Meuchelmörders, dessen Anschlag einem anderen gegolten hatte; in die Regierungszeit seines Sohnes und Nachfolgers Heinrich (994—1018) fallen die ältesten Zeugnisse für das Aufkommen des Namens Österreich (Ostarrichi) als Bezeichnung für das Gebiet babenbergischer Herrschaft an der Donau (oder auch nur eines Teiles davon), zuerst in Urkunden Ottos III. von 996 und 998, von denen die erste freilich erst unter Kaiser Heinrich II. textlich vervollständigt und besiegelt wurde. Es ist recht wahrscheinlich, daß eine entsprechende Benennung schon in karolingischer Zeit für die Mark an der Donau verwendet wurde, so findet sich in einer deutsch-lateinischen Glosse des 9. Jahrhunderts die Gleichsetzung von „oriens" und „Ostarrichi", allerdings ohne ausdrückliche Beziehung auf das Gebiet des späteren Österreich. Damals wurde audi das gesamte ostfränkische Reich gelegentlich als „Ostarrichi" bezeichnet. Im Hochmittelalter ist aber mit dem Wort „Reich" (rtche, rieht) nicht unbedingt die Weiträumigkeit verbunden, die der moderne Sprachgebraudi damit unwillkürlich verknüpft; es handelt sich einfach um den mehr oder weniger ausgedehnten Bereich einer Herrschaft. In der Dichtung wurde noch lange die Bezeichnung „Osterlant", die im 11. Jahrhundert auftaucht, dem Worte „Österreich" vorgezogen, doch gelangte dieses allmählich zu ausschließlicher Geltung. Im amtlichen Sprachgebrauch in lateinischen Urkunden hat endlich das zuerst in einem Diplom König Konrads III. für Klosterneuburg 1147 bezeugte „Austria", das jedenfalls in Anlehnung an fränkische und langobardische Benennungen eines östlichen Reichsteiles (Auster, Austria, Austrasia) gebildet wurde, sich gegenüber den älteren, recht unbestimmten und anspruchslosen Formen „oriens, terra orientalis" und ähnlichen Ausdrücken restlos durchgesetzt1). Das Auftauchen des Namens „Österreich" bedeutet gewiß nicht erst den Beginn der österreichischen Geschichte; nichtsdestoweniger handelt es sich um eine Tatsache von historischer Wichtigkeit, kündigt sie dodi ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl derer an, die ihr Land selbst so benennen und alsbald auch von den Nachbarn als „Österreicher" bezeichnet werden. Mit den Anfängen eines Landesbewußtseins ist zu rechnen, für das dann in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die ältesten greifbaren literarischen Zeugnisse vorliegen. Das deutsche W o r t „Ostmark", das in der historischen und politischen Terminologie des 19. und 20. Jahrhunderts eine große Rolle spielt, wird in mittelalterlichen Quellen für die babenbergische Mark ebensowenig wie für die karolingische verwendet.

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Die Konsolidierung

der babenbergischen

Mark

Während die Angehörigen der Nordgauer Linie der Babenberger zu Beginn des 11. Jahrhunderts in erfolgloser Opposition und Rebellion gegen das Königtum ihre Stellung gefährdeten und ein anderer Sproß des Babenberger Hauses, Herzog Ernst I I . von Schwaben, im Kampf gegen seinen Stiefvater Kaiser Konrad I I . den Untergang fand — ein Ereignis, dessen sich die Volkssage bemächtigte — , festigten die österreichischen Babenberger ihre Position, wenngleich auch sie von Rückschlägen nicht verschont blieben. Die Hauptsorge mußte weiterhin der ungarischen Grenze gelten, und es zeugt von der argwöhnischen Stimmung der österreichischen Bevölkerung, daß bald nach dem Jahre 1000 ein irischer Pilger Koloman, der Sohn eines keltischen Kleinfürsten, in der Nähe von Stockerau für einen ungarischen Kundschafter gehalten und getötet wurde. Als sich — zu spät — Kolomans Unschuld erwies, überführte man den Leichnam nach Melk, wo sich bald ein Kolomankult entwickelte. Schließlich galt der irische Märtyrer geradezu als Österreichs Landespatron. Auch im Norden war Grenzsicherung geboten. Markgraf Heinrich nahm erfolgreich am Kampf gegen den waffengewaltigen Polenherzog Boleslav Chrobry teil, der zeitweilig Mähren besetzt hielt und von dort Österreich bedrohte. Ungarn wie Mähren sind auch die Grenznachbarn, gegen die Heinrichs Sohn und Nachfolger Adalbert (1018—1055) zu kämpfen hatte. Gegen Ungarn kam es zu einem empfindlichen Rückschlag, als 1030 Kaiser Konrad I I . einen Kriegszug unternahm, der das deutsche Heer zunächst bis an die Raab führte. Der Mangel an Lebensmitteln zwang aber zum Rückzug, auf dem Konrad bei (oder in) Wien eingeschlossen und zur Übergabe gezwungen wurde. Nach diesem Unfall mußte das Gebiet östlich einer Linie, die von Tracht an der mährischen Grenze in südlicher Richtung zur Donau gegenüber der Fischamündung führte und dann südlich des Stromes dem Lauf der Fischa folgte, an König Stefan von Ungarn abgetreten werden: die March-Leitha-Grenze ging also vorübergehend verloren. Das offensichtlich wenig freundliche Verhältnis zwischen dem Kaiser und den Babenbergern mag zur Niederlage beigetragen haben. Die Salier verfolgten im allgemeinen eine Politik der Unterstützung der kleineren Lehensträger gegen die großen; diese Haltung läßt sich auch in Österreich feststellen. Als es in den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts erneut gelang, die Grenzen gegen Mähren und Ungarn vorzuschieben, schienen andere Familien den Babenbergern in den neugewonnenen Gebieten den Rang abzulaufen. Im Jahre 1041 war Konrads Sohn und Nachfolger König Heinrich I I I . gegen den aufständischen Böhmenherzog Bretislav endlich erfolgreich; der Sohn des Markgrafen Albrecht, Luitpold, eroberte eine befestigte Siedlung, vermutlich bei Gars, aber schon die nächste Nachricht (1055) über das gewonnene Gebiet im nördlichen Weinviertel zeigt diese „Böhmische Mark" im Besitz eines Grafen Adalbero, der nicht dem baben-

Die Konsolidierung der babenbergischen M a r k

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bergischen Hause angehörte. Als der König in den ungarischen Thronstreit zwischen seinem nicht sehr zuverlässigen Schützling Peter und einem nationalen Kandidaten Samuel Aba eingriff, zeichneten sich Adalbert und Luitpold wieder aus; der Markgrafensohn erhielt die in dem wiedergewonnenen Gebiet im östlichen Weinviertel bis zur March und südlich der Donau zwischen Fischa und Leitha eingerichtete „Neumark" als Lehen, nach seinem vorzeitigen Tode (1043) aber wurde sie einem Markgrafen Siegfried verliehen, den der König in zwei Schenkungen mit gewaltigem Landbesitz (415 Hufen) ausstattete. Die genealogische Herkunft Siegfrieds ist ungeklärt; daß er mit den Babenbergern nichts zu tun hat, steht aber fest. Wohl bekam auch Markgraf Adalbert in mehreren königlichen Schenkungen neuen Besitz zwischen Triesting und Piesting (1035), an der Pielach (1043), zwischen der Zaya und dem Taschibach (1048). Vermutlich standen indessen die babenbergischen Güter, was Ausdehnung und Wert betraf, hinter den Grundherrschaften anderer Familien zurück. Einige altangesessene Geschlechter, offensichtlich im Besitz von Erbgut aus karolingischer Zeit, wie die Grafen von Sempt-Ebersberg oder die Grafen von Wels-Lambach erloschen um die Mitte des 11. Jahrhunderts. Es waren aber nicht die Babenberger, die ihre Güter erbten. Ebersbergisches Besitztum dürfte die von Haus aus schon bedeutende Stellung der Familie der Sigeharde aus dem Chiemgau, der Grafen von Schala-Peilstein-Burghausen, wie sie später genannt wurden, noch gestärkt haben, während die der babenbergischen Mark benachbarte Grafschaft Pitten von den WelsLambachern an die Formbacher überging. Sigeharde wie Formbacher waren beiderseits der Donau, namentlich auch in der Umgebung von Wien, reich begütert. Nördlich des Stromes, in früherer Zeit schon im altbaierischen Attergau, traten die Grafen von Piain (und Hardegg), weiter im Westen das mächtige Geschlecht der Grafen von Poigen (bei Horn) und Rebgau, sowie die Herren von Perg, die Erschließer des Machlandes, stark hervor; bedeutend war auch die Familie der Haderiche, die zur Verwandtschaft der Babenberger gehörte. Im Gebiet westlich des Wienerwaldes sind die auch in den karantanischen Marken fest verwurzelten Herren von Traisen zu nennen, dann die Herren von Lengenbach, die als Domvögte von Regensburg Einfluß erlangt hatten. Diese Familien, zu denen noch mehrere kleinere edelfreie Adelssippen kamen, besaßen nicht nur ausgedehnten Grundbesitz, sondern auch Lehen, Eigenkirchen und Patronatsrechte, Vogteibefugnisse, hohe und niedere Gerichtsbarkeiten, sie legten Burgen an und förderten die Siedlungs- und Rodungstätigkeit nach Kräften, die wieder eine Steigerung der Zahl der Holden, der Einkünfte, eine Erhöhung von Macht und Ansehen zur Folge hatte. Die Mark war schließlich von einer ganzen Reihe mit Immunitätsrechten ausgestatteter kirchlicher Herrschaften durchsetzt. Salzburg, Passau, Freising und Regensburg verfügten über beträchtliche Besitzungen sowohl im i

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Altsiedelland wie auf Markboden. So gehörten etwa die großen Siedlungen Enns, St. Pölten, Herzogenburg, Amstetten und Mautern, zumeist infolge von königlichen Schenkungen, dem Hochstift Passau, überdies verfügte das Bistum durch eine Schenkung Konrads II. über den Zehent des Gebietes nördlich der Donau. Salzburg war namentlich in der Wachau, Freising im Ybbstal und im Marchfeld begütert, Regensburg an der Erlauf etwas bescheidener ausgestattet. Von den baierischen Klöstern übertrafen Tegernsee und Niederaltaich alle anderen durch Umfang und Wert ihres Landbesitzes in der Mark. Angesichts dieser Situation wird man wohl sagen dürfen, daß es um die Mitte des 11. Jahrhunderts trotz der langen und erfolgreichen Herrschaft Adalberts, den spätere Geschichtsschreiber den „Siegreichen" nannten, keineswegs feststand, daß die Babenberger über die oft konkurrierenden geistlichen und weltlichen Gewalten triumphieren würden. Unter Adalberts Sohn und Nachfolger Ernst festigte sich die Stellung des Hauses insofern, als die Leitung der Böhmischen Mark (mit Ausnahme eines Teilgebietes, der Grafschaft Hardegg) sowie der Neumark nach dem Tode der Markgrafen Adalbero und Siegfried in babenbergische Hände kam; anders verhielt es sich mit dem Eigenbesitz der früheren Herren, die Güter des Markgrafen Siegfried finden wir später im Besitz der Sigeharde von Schala und Peilstein. Gleich seinen Vorgängern trat Markgraf Ernst im Ungarnkampfe stark hervor, der freilich — etwa im Jahre 1060 — nicht immer erfolgreich verlief. Vor 1074 allerdings wurde die Ostgrenze des Reiches vorübergehend über die Leitha vorgeschoben, wenigstens vergab König Heinrich IV. im Jahre 1074 Besitz zwischen diesem Fluß und dem Neusiedler See an das Hochstift Freising und traf gleichzeitig Verfügungen über die Befestigung der Stadt Wieselburg. Bald darauf müssen aber diese Besitz- und Herrschaftsansprüche wieder aufgegeben worden sein. Uberhaupt war die Zeit der Expansion gegen den Osten vorbei, seit der ungarische Staat unter König Stefan dem Heiligen (997—1038) dem Christentum gewonnen war, aber als eigenes Königreich mit einem von der Reichskirche unabhängigen Erzbistum Gran seine Eigenständigkeit im Kreise der anerkannten Staaten des christlichen Abendlandes aufrechtzuhalten vermochte, zumal das Land über ein wirksames Grenzsicherungssystem und überhaupt über eine recht beachtliche militärische Kraft verfügte. Infolge verschiedener Thronstreitigkeiten und heidnischer Reaktionsversuche, die zu Interventionen des Auslandes einluden, konnte sich das Werk König Stefans in den nächsten Generationen noch nicht voll auswirken, aber audi die Kraft des deutschen Königtums war seit dem Tode Heinrichs III. geschwächt, und als 1075 der fast ein halbes Jahrhundert dauernde Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium ausbrach, wurde die Reichsgewalt als Machtfaktor an der Südostgrenze für lange Zeit ausgeschaltet. Im gleichen Jahre 1075 fiel Markgraf Ernst als treuer Gefolgsmann König Heinrichs IV., der ein Jahr zuvor noch den baben-

Markgraf Leopold III. und die Ausbildung des Landesfürstentums

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bergischen Besitz durch eine ausgedehnte Schenkung in der Gegend von Scheibbs gemehrt hatte, gegen die aufständischen Sachsen in der Schlacht an der Unstrut. In den Anfangsjahren des Investiturstreites zwisdien König Heinrich IV. und Papst Gregor V I I . verfolgte der Sohn und Nachfolger Emsts, Markgraf Leopold II., eine wechselnde Politik — dieses Schwanken zwischen kaiserlicher und päpstlicher Richtung sollte ein Kennzeichen babenbergischer Politik in den nächsten Jahrzehnten bleiben. Vorerst im königstreuen Lager erhielt Leopold 1076 eine größere Grundschenkung — wieder im Gebiet von Scheibbs, die letzte, die ein Babenberger von einem deutschen Herrscher bekommen sollte: Das herrenlose Neuland w a r damals schon zum größten Teil vergeben. Im Jahre 1078 finden wir Leopold ein erstes Mal auf päpstlicher Seite und nach vorübergehender U n t e r w e r f u n g erhob er sich unter dem Einfluß der geistig und politisch führenden Persönlichkeit im gregorianischen Lager, des aus sächsischem Adel stammenden Bischofs Altmann von Passau, erneut gegen Heinrich. Der König verlieh die M a r k Österreich dem zuverlässigen Böhmenherzog Wratislav, der nun, wohl auch wegen fortdauernder lokaler Grenzstreitigkeiten an der Thaya mit den Österreichern verfeindet, einen Kriegszug in die M a r k unternahm. In der Schlacht von Mailberg siegte das böhmische Heer, unterstützt durch die Mannschaft des Bischofs von Regensburg, gegen die Österreicher (1082). Das Gebiet nördlich der Donau wurde verheert, Leopold mußte sich unterwerfen. Ein Gebietsverlust an der Thaya, südlich von Znaim und Tracht, dürfte die Folge der Niederlage gewesen sein, doch wurde Leopold im Besitz der M a r k belassen. Der M a r k graf hielt sich nunmehr von offener Parteinahme fern, galt aber weiterhin als Anhänger der Reformbewegung, die auch sonst in der Landesbevölkerung durch die Tätigkeit der Reformklöster, vor allem Göttweigs, an Boden gewann. Markgraf Leopold III. und die Ausbildung

des

Landesfürstentums

Das Mißgeschick des Vaters bei der Auflehnung gegen den Kaiser bewog wohl den im österreichischen M a r k g r a f e n a m t folgenden Sohn, Leopold I I I . (1095—1136), vorsichtiger vorzugehen. Als sich aber mit Fortdauer des Kampfes zwisdien Kaiser und Papst unter den Fürsten des Reiches die Ansicht durchzusetzen begann, d a ß die Person Heinrichs IV. das H a u p t hindernis f ü r den Friedensschluß sei, da ging Leopold zum aufrührerischen Kaisersohn Heinrich (V.) über, dessen Schwester Agnes der Markgraf heiratete (1106). Die Verschwägerung mit dem Kaiserhaus erhöhte zweifellos das Ansehen der Babenberger; man kann vermuten, d a ß Agnes eine Mitgift aus königlichem Gut in Österreich in die Ehe mitbrachte. Die großzügige Ausstattung des Stiftes Klosterneuburg, der Bau einer großen P f a l z in seiner Nachbarschaft, die Gründung des ersten österreichischen Zisterzienserklosters s·

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Heiligenkreuz zeugen ebenso wie eine große Landschenkung an Melk, das damals schon als babenbergisches Hauskloster galt, von den Mitteln, über die der Markgraf seither verfügte. Freilich verstand es Leopold selbst recht gut, Macht und Besitz zu mehren. Bei der Gründung von Kleinmariazell im "Wienerwald schaltete er die ihm verwandte Stifterfamilie aus, in Streitfällen mit Göttweig und dem Bischof von Passau zeigte sich der Markgraf als hartnäckiger Wahrer seiner Ansprüche. Während er in den Auseinandersetzungen mit kirchlichen Gegnern sich aber doch meist mit einem Kompromiß begnügen mußte und es bewußt vermied, Konflikte auf die Spitze zu treiben, gelang es dem Babenberger, hochfreie Geschlechter zurückzudrängen; so erwarb er denn auch zu Ende seiner Regierung die Stadtherrschaft von Wien, vermutlich aus sigehardischem Besitz, Klosterneuburg blieb aber Residenz. Die Erfolge in Österreich lenkten die Aufmerksamkeit der Reichsfürsten auf Leopold, so daß er, als die salische Dynastie mit dem Tode Heinrichs V. (1125) erlosch, als Thronanwärter in Betracht gezogen wurde. Der Markgraf lehnte ab und verhielt sich, vor allem um die Wohlfahrt seines Landes besorgt, in den nach der Wahl Lothars von Supplinburg zwischen dem König und den staufischen Brüdern (den Söhnen aus der ersten Ehe von Leopolds Gemahlin Agnes mit Herzog Friedrich von Schwaben) ausbrechenden Kämpfen durchaus neutral. Diese Fürsorge um Österreich, die reichen Stiftungen f ü r die Kirche machten den Fürsten bei Volk und Klerus beliebt, und als Leopold 1136 starb, rühmte Papst Innozenz II. seine Treue zum apostolischen Stuhl. Eine Generation nach Leopolds Tod galt er schon als der „fromme Markgraf" schlechthin und bald wurde sein Grab in Klosterneuburg zur Kultstätte. Schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts bemühte man sich um Leopolds Kanonisation, die schließlich 1485 erfolgte. Seit 1663 gilt Leopold als niederösterreichischer Landespatron; tatsächlich bedeutete die mehr als vierzigjährige Herrschaft des großen Markgrafen einen entscheidenden Abschnitt in der Ausbildung des österreichischen Landesfürstentums; er hat als erster Babenberger den charakteristischen Ausdruck „principatus terrae" urkundlich verwendet, und zu seiner Zeit ist in einer literarischen Quelle, der Lebensbeschreibung des Bischofs Altmann von Passau, erstmalig vom Landrecht („ius illius terrae") die Rede; in dem gleichen Werk kommt auch ein werdendes österreichisches Landesbewußtsein zur Geltung. Das Herzogtum

Österreich

Auffallenderweise folgte auf Markgraf Leopold I I I . keiner der beiden älteren Söhne Adalbert und Heinrich, sondern der drittgeborene Leopold in der Landesherrschaft; er bewährte sich als sehr befähigter Politiker. Für Leopolds IV. Stellung erwies es sich als vorteilhaft, daß die deutschen Fürsten seinen Halbbruder, den Staufer Konrad (III.) im Jahre 1138 zum König wählten. Angesichts der engen verwandtschaftlichen Bande zwischen Baben-

Das Herzogtum Österreich

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bergern und Staufern lag es nahe, daß das österreichische Fürstenhaus im Kampf zwischen dem neuen Königsgeschlecht und den mächtigen Weifen, welche die beiden großen Herzogtümer Bayern und Sachsen besaßen, die Partei der Staufer nahm. Konrad I I I . griff Bayern an und übertrug dessen Herzogtum Markgraf Leopold. Damit waren die Babenberger freilich in einen Kampf verwickelt, dessen Ende nicht abzusehen war, da sich die Weifen in Sachsen behaupteten und auch in Bayern noch Anhänger besaßen; überdies konnte die Mark Österreich leicht zu einem unbedeutenden Nebenland Bayerns absinken. Nach tatkräftiger aber kurzer Regierung starb Leopold I V . im Oktober 1141, es folgte ihm sein wie es scheint weniger begabter Bruder Heinrich II. „Jasomirgott". Der Versuch, durch die Heirat des Babenbergers mit der Witwe des Weifenherzogs Heinrichs des Stolzen, Gertrud, den Konflikt zwischen den um Bayern rivalisierenden Familien beizulegen, scheiterte infolge Gertruds Tod nach kurzer Ehe. Als Herzog Heinrich in ungarische Thronwirren eingriff, wurde er an der Leitha empfindlich geschlagen (1146); ohne Erfolg verliefen auch Fehden mit Salzburg und Regensburg, und bei der Teilnahme am zweiten Kreuzzug wurde der Herzog mit seinem Bruder, Bischof Otto von Freising, in die allgemeine Katastrophe verwickelt. Gleichwohl mehrte die Expedition nach dem Osten insofern das Ansehen des Herzogs und seines Hauses, als er auf ihr die Heirat mit der byzantinischen Prinzessin Theodora Komnena schloß, wieder eine politische Verbindung, die wohl mit Plänen eines Zangenangriffes vom Deutschen Reich und von Ostrom gegen Ungarn zusammenhing; diese Ehe hat der babenbergischen Hofhaltung und vielleicht auch weiteren Kreisen wertvolle byzantinische Kulturelemente vermittelt. Bald trat indessen für die Babenbergermacht eine gefahrvolle Wendung ein. Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152—1190) wollte zu Beginn seiner Regierung den das Reichsgefüge gefährdenden Konflikt mit den Weifen beilegen; so entschloß er sich zur Übergabe Bayerns an Heinrich den Löwen, den Sohn des abgesetzten Herzogs Heinrich des Stolzen. Diese Maßnahme mußte eine empfindliche Schmälerung der Stellung Heinrich Jasomirgotts bedeuten; begreiflicherweise hat sich der Babenberger lange widersetzt. Schließlich kam es durch Vermittlung der Fürsten auf dem Reichstag zu Regensburg im Herbst 1156 nach längeren Verhandlungen zu einem für die weitere Entwicklung Österreichs ungemein bedeutungsvollen Kompromiß. Heinrich Jasomirgott leistete auf Bayern Verzicht und wurde gemeinsam mit seiner Gemahlin Theodora mit Österreich belehnt, das der Kaiser gleichzeitig zum Herzogtum erhob. Durch Übergabe von sieben Fahnen an den Kaiser, von dem das babenbergische Paar zwei als Symbole des österreichischen Fürstenlehens zurückerhielt, wurde in Gegenwart der glänzenden Reichsversammlung eine rechtsgültige Verzichts- und Belehnungszeremonie vollzogen. Bei dieser Gelegenheit hat (am 17. September 1156) der Kaiser eine Urkunde ausgestellt, das — im Gegensatz zur späteren, inhaltsreicheren

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Fälschung Herzog Rudolfs IV. — sogenannte „Privilegium minus". Der Text ist nur abschriftlich erhalten; er besagt, daß die Herzogs würde in männlicher und weiblicher Linie erblich sein soll; ferner wird Herzog Heinrich und seiner Gemahlin für den Fall der Kinderlosigkeit das Recht zugesprochen, einen Nachfolger selbst zu bestimmen (ius affectandi). Ohne Einwilligung des Herzogs sollen keine Gerichtsbarkeiten in seinem Lande ausgeübt werden. Diese Klausel hatte jedenfalls auch finanzielle Bedeutung. Schließlich wird die Pflicht, königliche Hoftage zu besuchen, auf Bayern beschränkt und die Pflicht zur Teilnahme an Reichsheerfahrten auf Kriegszüge an den österreichischen Grenzen. Man hat bezüglich der Bestimmungen über die weibliche Erbfolge und das ius affectandi mit der Möglichkeit byzantinischen Einflusses gerechnet, der wohl auch bei der Mitbelehnung der Frau zum Ausdruck kommen könnte; auch bei der Rangerhöhung (bzw. Rangbewahrung) des Fürstenpaares mag Rücksicht auf byzantinische Empfindlichkeit eine Rolle gespielt haben, doch gab es vergleichbare Regelungen schon in der babenbergischen und staufischen Verwandtschaft. Die Gerichtsklausel richtete sich nicht gegen die kaiserliche Gerichtsbarkeit, sondern eher gegen eine eigenmächtige Ausdehnung der Gerichtsbarkeit und wohl auch andere Rechte der Edelfreien oder der Bischöfe. Wegen der doch recht weitgehenden Bestimmungen sowie wegen des auffallenden Wechsels von objektiver und subjektiver Fassung im Privileg hat man an eine Verfälschung der Barbarossaurkunde (deren Existenz auch durch das Zeugnis Ottos von Freising gesichert ist) zur Zeit Herzog Friedrichs II. gedacht, als 1245 Verhandlungen wegen einer Erhöhung Österreichs zum Königreich im Gange waren. Nach vielen Untersuchungen, die das Problem von allen Seiten beleuchtet haben, kann die Echtheit des Gesamttextes als gesichert gelten, namentlich die früher oft angefochtenen Bestimmungen über die weibliche Erbfolge und das ius affectandi. Kaum lösbar ist hingegen eine andere Frage: Otto von Freising berichtet, der Kaiser habe die Mark Osterreich mit den von altersher dazugehörigen Grafschaften „die man die drei nennt" zum Herzogtum erhoben. Vielerlei Thesen und Hypothesen wurden über die Lage dieser Grafschaften aufgestellt, auch darüber, ob sie mit drei schon in der Raffelstettener Zollordnung (ca. 903) genannten Grafschaften identisch seien. Man hat diese „tres comitatus" vielerorts, in Ober- und Niederösterreich, sogar in Bayern gesucht, auch mit dem Gesamtgebiet des Herzogtums identifizieren wollen. Eine Würdigung der historischen Bedeutung des Privilegium minus muß sich vor zwei Extremen hüten, vor der Bagatellisierung und vor Überschätzung der Tragweite seiner Bestimmungen. Kurze Zeit später erhielten Wratisiav von Böhmen und Heinrich der Löwe in mancher Hinsicht noch weitergehende Sonderrechte; zwei Generationen später sind ähnliche Privilegien nichts besonderes mehr. Es ist aber wesentlich, das Österreich zeitlich an der Spitze steht, daß an das Privilegium minus anknüpfend, Rudolf IV. seine kühnen Ansprüche proklamierte, die im 15. Jahrhundert Reichsrecht

Die Blütezeit des babenbergischen Österreich

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wurden. Schließlich haben sich auch die Bestimmungen über die weibliche Erbfolge, die im österreichischen Thronfolgerecht immer wiederkehren, in der Pragmatischen Sanktion von 1713 endgültig durchsetzen können. Man darf natürlich nicht glauben, Friedrich I. habe eine Trennung Österreichs vom Reiche vorbereiten wollen, nichtsdestoweniger ist die spätere Sonderstellung des Staates ohne die Voraussetzung des Privilegium minus kaum denkbar. Vergessen wir nicht, daß auch einer anderen entscheidenden Verfassungsurkunde des Hochmittelalters, der englischen Magna Charta, bei der Ausstellung noch nicht die Rolle zugedacht war, die sie später spielte, als man sie im Sinne des neuzeitlichen englischen Parlamentarismus interpretierte. 1156 handelte es sich gewiß nur um eine Lösung von Bayern; erst die spätere Entwicklung hat an jenen Ansätzen angeschlossen, die eine völlige Verselbständigung vorzubereiten scheinen. Dadurch ist das Privileg zu einem der Ausgangspunkte für die Bildung eines unabhängigen Staatswesens geworden, ohne daß das 1156 von einem der Beteiligten, soweit wir sehen, gewollt war. Zeitlich mit dem Ereignis von 1156 eng verknüpft sind zwei wesentliche Maßnahmen Herzog Heinrichs, die Verlegung der Residenz von Klosterneuburg nach Wien, das man damals gerne mit dem aus der Vita Severini bekannten Favianis identifizierte, sowie die Gründung des Schottenklosters in der neuen Hauptstadt, in das der Herzog iroschottische Mönche aus dem Jakobskloster in Regensburg berief. Hier sollte er auch mit seiner Gemahlin seine letzte Ruhestätte finden, nach langer Regierung ( f 1177), in deren späteren Jahren er noch zur Auseinandersetzung Kaiser Friedrichs I. mit der römischen Kirche Stellung nehmen mußte. Anfänglich auf staufischer Seite, bezog der Herzog schließlich eine weitgehend neutrale, eher passive Haltung.

Die Blütezeit des babenbergischen

Österreich

Als Heinrichs Sohn Leopold V. die Regierung Österreichs antrat — ein jüngerer Bruder Heinrich wurde mit der Herrschaft Mödling abgefunden — schlossen Kaiser Friedrich I. und Papst Alexander I I I . den Frieden von Venedig, der auch nördlich der Alpen ruhigere Zeiten verhieß. Leopold war aber, ähnlich wie sein Vater, in premyslidische Thronstreitigkeiten in Böhmen und Mähren verwickelt; schließlich konnte sich der von ihm unterstützte Herzog Friedrich durchsetzen. 1178 wurden strittige Grenzfragen zwischen Österreich und seinem nördlichen Nachbarn beigelegt. Es folgte der offene Konflikt Kaiser Friedrichs mit dem mächtigen Weifenherzog Heinrich dem Löwen; Heinrich unterlag und Herzog Leopold wirkte im Fürstengericht mit, das dem Weifen seine Herzogtümer Bayern und Sachsen entzog (1180). Bei dieser Gelegenheit gewann Österreich im Westen das Gebiet zwischen dem Haselgraben und der großen Mühl (im westlichen Mühlviertel), auf das

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man wohl schon früher Ansprüche erhoben hatte. Möglicherweise wurden auch Teile des Traungaues babenbergisch. Die Macht Bayerns, wo die Wittelsbacher den Weifen im Herzogtum folgten, wurde durch die Ausscheidung der Steiermark als eines eigenen Herzogtums weiter geschwächt — und hier sollte sich für die Babenberger bald eine Möglichkeit zu ungeahnter Machterweiterung ergeben. Der letzte steirische Landesfürst aus dem Geschlecht der Otakare war unheilbar krank, konnte auf keine Leibeserben hoffen und suchte die Nachfolge vertraglich zu regeln, um seinem Lande einen Thronfolgestreit zu ersparen. Am 17. August 1186 fand auf dem Georgenberg bei Enns eine Zusammenkunft zwischen Ottokar IV. und Leopold V. von Österreich statt, in der verschiedene Abmachungen über die Nachfolge der Babenberger in der Steiermark getroffen wurden. Zahlreiche steirische und österreichische Adelige sowie Vertreter der Klöster nahmen an den Verhandlungen teil. Es sind damals mehrere Urkunden ausgestellt worden, von denen zwei erhalten sind: Die umfangreichere „Georgenberger Handfeste" sicherte die Rechte der steirischen adeligen Dienstmannen, die zweite Urkunde betraf die Stellung der Landesklöster. Der Herzog von Österreich erhielt die Vogtei über die zahlreichen landesfürstlichen Klöster der Steiermark, ferner die Anwartschaft auf die Eigengüter der Traungauer. Schließlich wurde festgelegt, daß beide Länder, Österreich und Steiermark, stets unter dem selben Fürsten stehen sollten. Der Kaiser wußte gewiß von den weitgehenden Verfügungen des Georgenberger Vertrages, ein Jahr später erteilte er in aller Form seine Genehmigung. 1192 trat der Erbfall ein und Leopold V. wurde von Friedrich Barbarossas Sohn und Nachfolger Heinrich VI. mit der Steiermark belehnt. Der Babenberger war damals gerade vom dritten Kreuzzug zurückgekehrt, an dem er gemeinsam mit Philipp II. von Frankreich und Richard I. von England teilgenommen hatte; der vorausziehende Kaiser Friedrich war 1190 im kleinasiatischen Flusse Saleph tödlich verunglückt. Die Unternehmung verzeichnete als bedeutendsten Erfolg die Eroberung von Akkon. Damals kam es zu einer heftigen auch durch englische Quellen angedeuteten Auseinandersetzung zwischen dem englischen König und Herzog Leopold. Der König ließ ein österreichisches Kampfzeichen (einen Schild oder eine Fahne) von einem erstürmten Turm entfernen, darauf zog sich der Herzog vom Kreuzzug zurück. Der Zwischenfall von Akkon ist also historisch, nicht dagegen die mit dem Kampf um die Stadt verknüpfte Sage von der Wahl des rot-weiß-roten Bindenschildes als Wappen durch den Herzog, dessen weißer Waffenrock bis auf den durch den breiten Schwertgurt bedeckten Streifen von Blut überströmt gewesen sei. Tatsächlich wird der Bindenschild erst auf den Siegeln Herzog Friedrichs II. von Österreich geführt; man vermutete in Anlehnung an das Wappen der von Leopold VI. beerbten Grafen von Poigen-Hohenburg-Wildberg. Auf eine frühere Entstehung des Bindenschildwappens könnte eine Abbildung im Wappenbuch des Peter von Ebulo (1197) deuten; die Darstellung galt einem Ereignis von

Die Blütezeit des babenbergischen Österreich

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folgenschwerster Bedeutung: Der Gefangennahme des englischen Königs in Österreich. 1191 befand sich der junge Kaiser Heinrich V I . in einer schwierigen Lage, der Anhang der Weifen schien die Oberhand zu gewinnen, als der Schutzherr der weifischen Partei, Richard von England, auf der Rückkehr vom Heiligen Land bei dem Versuch, sich durch babenbergisches Territorium durchzuschlagen, in dem Wiener Vorort Erdberg erkannt und festgenommen wurde. Zuerst vom Herzog auf Dürnstein verwahrt, wurde Richard nach vertraglicher Abmachung an den Kaiser übergeben. König Richard mußte für seine endgültige Freilassung ein enormes Lösegeld bezahlen; der Anteil des Herzogs an dieser Summe dürfte erheblich gewesen sein. Man verwendete das Lösegeld für die Neuanlage, Erweiterung und Befestigung von Städten sowie namentlich für die Finanzierung der Wiener Münzprägung durch die vom Herzog privilegierten „Hausgenossen". Dieser Wiener Pfennig trat an die Stelle der älteren Kremser Prägungen der Babenberger und vermochte sich auch gegen den Friesacher Pfennig des Erzbistums Salzburg durchzusetzen. Durch das Vorgehen gegen den Kreuzfahrer Richard zog sich der Herzog freilich den Kirchenbann zu, von dem er erst angesichts des Todes nach einem Reitunfall zu Ende des Jahres 1194 befreit wurde. Den Rest des Lösegeldes mußte man Richard erlassen, Rückzahlungen erfolgten jedoch offensichtlich nicht. Die letzten Maßnahmen des Herzogs hatten der Sicherung seiner Stellung in der Steiermark gegolten. Die Straße von Wien nach Süden wurde durch italienische Arbeiter ausgebaut und zu ihrem Schutze an der ungarischen Grenze die Stadt Wiener Neustadt angelegt. Leopold V. soll selbst die Nachfolge der Söhne geregelt haben. Entgegen den Bestimmungen des Georgenberger Vertrages wurde die Herrschaft über die babenbergischen Länder geteilt, der ältere Sohn Friedrich I., ein hochgebildeter Fürst, erhielt Österreich, sein Bruder Leopold die Steiermark. Als Friedrich 1198 auf einer Kreuzfahrt starb, fiel Leopold das gesamte Erbe zu. Seine Regierung (1194/98—1230) gilt allgemein als glücklichster und hervorragendster Abschnitt der babenbergischen Epoche. Durch die Heirat mit einer byzantinischen Prinzessin — wieder einer Theodora, der Enkelin des Kaisers Isaak Angelos —, wurden alte Beziehungen des österreichischen Fürstenhauses nach dem Südosten erneuert. Die Eroberung Konstantinopels im vierten Kreuzzug (1204) minderte allerdings die politische Bedeutung der Ehe. In der Reichspolitik Leopolds überwogen — auch das entsprach der Tradition des Hauses — die staufischen Sympathien, so war er ein Anhänger Philipps von Schwaben und Schloß sich der Erhebung Friedrichs I I . gegen den Weifenkaiser Otto I V . an (1212). Seinen Eifer für die Kirche bewies der Babenberger durch die Gründung und überaus reiche Ausstattung des Zisterzienserklosters Lilienfeld (ca. 1206) und durch die Erneuerung der Karthause Gairach (1209), aber auch durch scharfes Vorgehen gegen die in Österreich um sich greifende Ketzerbewegung (Katharer,

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Waldenser). Fahrten gegen die Albigenser in Südfrankreich und die spanischen Mohammedaner (1212), ins Heilige Land und nach Ägypten, wo er sich dem Kreuzheer vor Damiette anschloß (1217), liegen auf derselben Linie. Ebenso unterstützte er den Deutschen Ritterorden und die neuen Bettelorden. Verschiedene Maßnahmen des Fürsten scheinen auf den Ausbau einer Landeskirche zu zielen. Mit dem Versuch für Österreich ein Landesbistum Wien durchzusetzen, einem in Hinblick auf die übergroße Ausdehnung der Passauer Diözese gewiß gerechtfertigten Plane, ist der Fürst aber nicht durchgedrungen, obwohl er auf die Bedeutung der aufblühenden Stadt hinweisen konnte und ohne Zweifel auch an die Wiener Favianistradition anknüpfte. Der Widerstand Passaus und namentlich Salzburgs war stärker. Ähnlichen Projekten für die Steiermark kam Erzbischof Eberhard I I . durch die Gründung der Salzburger Eigenbistümer Seckau (1218) und Lavant (1225) zuvor. Andererseits gelang es dem Herzog, die landesfürstliche Schirmvogtei über die Klöster planmäßig auszubauen. Die Adelspolitik des Herzogs erinnert in mancher Hinsicht an das Vorgehen Leopolds des Heiligen. Leopold V I . beseitigte zahlreiche der einst so bedeutenden Herrschaften innerhalb des Landes, er beerbte die Herren von Aspern-Falkenberg (1205), die begüterten Grafen von Poigen (1210) und enteignete die Pernegger (ca. 1219); durch K a u f erwarb er von den Bischöfen von Würzburg Lambach und Wels (1216), von den Haunsbergern die Stadt Linz (1211), von Ulrich von Klamm, der ihm später den Erbbesitz seines Hauses im Machland vermachte, Freistadt im Mühlviertel (1217). Hier bekam das Landesfürstentum eine wichtige Straße nach Böhmen in seine Hand. Den Städten, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts einen gewaltigen Aufschwung erlebten, war der Herzog besonders gewogen. Wien wurde unter seiner Regierung wesentlich erweitert, zu jenem Umfang, den die Stadt bis weit in die Neuzeit beibehielt; er verlieh ihr jedenfalls schon vor 1208 und dann wieder 1221 ein Stadtrecht und wählte sie, nach zeitweiliger Rückkehr nach Klosterneuburg, wieder zur Residenz. Erhalten ist noch ein leopoldinisches Stadtrecht für Enns (1212), auf Privilegierungen für Tulln, Steyr, Laa an der Thaya gibt es ziemlich eindeutige Hinweise. So wurde das Landesfürstentum konsequent ausgebaut und gestärkt; was an fremden Herrschaften die Unabhängigkeit vom babenbergischen (und später vom habsburgischen) H o f wahrte (feuda extra curtem), bildete nur mehr ein dekoratives Relikt früherer Adelsfreiheit, für das Herzogtum bedeutete es keine Gefahr mehr. Überdies kamen neue Landschaften unter babenbergischen Einfluß. 1229 erlangte Herzog Leopold durch K a u f die heimgefallenen Freisingischen Lehen der Grafen von Andechs in Krain, so näherte sich die Macht des Hauses der adriatischen Küste. Neuerwerbungen in Friaul schufen handelspolitisch wertvolle Außenposten, wichtig war namentlich das Patriarchenlehen Pordenone, das Leopold von den Herren von Castello kaufte (vor 1222).

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Wenn nun Leopolds VI. Sorge, babenbergischer Tradition entsprechend, vor allem den eigenen Herrschaften und Ländern galt, hat er die Reichspolitik doch keineswegs vernachlässigt. Die Verbindung seiner Tochter Margarete mit dem Sohne Friedrichs II., dem deutschen König Heinrich (VII.), derzuliebe Leopold den Plan einer Vermählung seiner Tochter mit dem englischen König Heinrich I I I . zurückgestellt hatte, zeugt sichtlich für das Ansehen des Fürsten und seines Hauses, das durch die Vermittlung eines Friedens zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor I X . zu San Germano (jetzt Cassino, 1230) noch gestärkt werden mußte. Leopold hat aber diesen Erfolg nicht lange überlebt, er starb in der Vertragsstadt, die Leiche wurde nach seiner Stiftung Lilienfeld überführt.

Krise und Ende des babenbergischen

Fürstentums

Mit dem Tode des zielbewußten Fürsten und weitblickenden Staatsmannes bahnte sich eine Änderung in der politischen Entwicklung Österreichs an, die dem Lande nicht günstig war. Das lag nicht nur daran, daß dem im Alter von 20 Jahren dem Vater nachfolgenden dritten Sohn Friedrich — zwei ältere Brüder, Leopold und Heinrich, waren schon vor dem Vater gestorben — bei aller persönlichen Energie und kriegerischen Tapferkeit politisches Augenmaß offensichtlich abging. Das eindrucksvolle Schauspiel des ziemlich stetigen Aufstieges landesfürstlicher Machtgeltung darf nicht über andere, unter Umständen feindliche Kräfte hinwegtäuschen. Der Dienstadel, Ministerialen und Ritter, hatte wohl noch augenfällige Elemente rechtlicher Abhängigkeit bewahrt, die etwa in drastischen Bestimmungen über die Kinder aus Ehen von Angehörigen der Ministerialität verschiedener Herren zum Ausdruck kommen — aber dieser Neuadel war schon stark genug, um politische Eigenziele zu verfolgen, dabei sollte er ebenso zum Gegenspieler des Landesfürsten werden, wie früher die edelfreien Geschlechter. Die Erstarkung des Adels in Böhmen und Ungarn blieb gewiß nicht unbemerkt. Ebenso wie die Ministerialität hatte das Stadtbürgertum bisher mit dem Landesfürsten zusammengewirkt, doch auch hier konnten auswärtige Vorbilder, etwa des reichsfreien Regensburg, einen Anreiz bieten, aus der fürstlichen Stadtherrschaft auszubrechen; Reibungen mochten sich überdies bei der Bemessung und Einhebung von Steuern ergeben oder auch in den Beziehungen zu den Judengemeinden. Die Geistlichkeit stand den im Namen der Landesherrschaft oder Vogtei erhobenen Forderungen des Fürstentums, die in Zeiten der Landesnot nachdrücklich geltend gemacht wurden, kritisch gegenüber, dazu kamen strittige lehenrechtliche Fragen. Schließlich mußte der immer wieder ausbrechende Konflikt zwischen Papsttum und Kaisertum auch die Zusammenarbeit zwischen Landesfürstentum und Kirche beeinträchtigen. Überdies waren die Herrscher der Nachbarländer

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

jederzeit bereit, innere Schwierigkeiten in den babenbergischen Herzogtümern auszunützen. Durch die noch vor dem Tode Leopolds VI. erfolgte Vermählung mit Agnes von Andechs-Meran — nach Scheidung einer ersten Ehe mit einer Prinzessin des Hauses Laskaris aus dem griechischen Restkaisertum zu Nicaea (der Name Sophie ist nur unzuverlässig überliefert) — hatte Friedrich mit Hilfe der Mitgift der Braut allerdings seine Stellung im Süden der babenbergischen Länder verstärkt; er nannte sich seither „Herr von Krain" (dominus Carniolae), überdies brachte ihm Agnes die Herrschaften Schärding und Ried in die Ehe; so griff damals Österreich zum ersten Male in das spätere Innviertel aus. Bald nach dem Regierungsantritt Friedrichs kam es aber zu einer Verschwörung babenbergischer Ministerialen unter Führung der kuenringischen Brüder Heinrich, des Landmarschalls von Österreich, und Hadmar. Die Aufständischen brachten wohl einen bedeutenden Teil des Landes nördlich der Donau in ihre Hand, waren indessen den energischen Gegenmaßnahmen des Herzogs nicht gewachsen, der ihre Burgen Aggstein, Dürnstein und Weitra brach und den Aufstand überwand. Hadmar starb während der Kämpfe, Heinrich behielt wohl die Landmarschallwürde, doch ging seither die Bedeutung des Hauses der Kuenringer zurück. Spätere Tradition hat diese Kämpfe falsch gedeutet und aus einer innerpolitischen Auseinandersetzung zwischen Landesfürstentum und Adel eine Aktion des Herzogs gegen üble Raubritter gemacht (wobei womöglich noch Erscheinungen des späteren Mittelalters den Kuenringern angelastet wurden). Umstrittene Mautrechte der Kuenringer mögen eine Rolle gespielt haben, doch kann man mit dieser Familie, die soviel für den Landesausbau geleistet hat, nicht die auch sonst problematische Vorstellung eines verrotteten, vom Straßenraub lebenden Adels verbinden. In den folgenden Jahren führte der Herzog verschiedene, zumeist wenig erfolgreiche Fehden gegen seine Nachbarn, gegen Bayern, Böhmen und Ungarn. Auch das Verhältnis zu Kaiser Friedrich II. wurde zunehmend gespannt, doch hatte der Babenberger ungeachtet einiger Anspielungen zeitgenössischer Quellen an der zweimaligen Erhebung seines Schwagers, des deutschen Königs Heinrich, gegen den Kaiser keinen tätigen Anteil. Der Herzog muß aber mit verschiedensten Kreisen in Konflikt geraten sein, jedenfalls legten seine Gegner innerhalb und außerhalb des Landes, die Vertreter der Städte ebenso wie der Adel, die Kirche und die Nachbarfürsten, ja selbst seine nach Böhmen geflüchtete Mutter Theodora, am Hoftag zu Mainz (1235), Klagen gegen den Babenberger vor, der einer Vorladung nicht Folge leistete, wie er es überhaupt vermied, auf kaiserlichen Hoftagen zu erscheinen. Der Herzog wurde in die Acht erklärt, die der Kaiser in einem umfangreichen Manifest, das die Klagepunkte eindrucksvoll zusammenfaßte, verkündete. Der Staufer wirkte auch selbst bei der Vollstreckung mit; trotz rücksichtsloser Heranziehung aller verfügbaren Mittel, namentlich der

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Kirchenschätze, verlor Herzog Friedrich rasch an Boden und konnte sich nur in Wiener Neustadt und auf der Feste Starhemberg halten. Das zu den Gegnern übergegangene Wien erhielt die Stellung einer Reichsstadt vom Kaiser verbrieft (1237), der auch den steirischen Ministerialen ihre Rechte bestätigte und ihnen versprach, daß ihr Land nicht mehr mit Österreich unter einem Herrscher vereinigt werden solle. Indessen rief der erneut ausbrechende Kampf mit dem Lombardenbund und dem Papsttum den Staufer wieder nach Italien und der Babenberger konnte seine Länder bald zurückerobern. Das Gebiet zwischen Enns und Hausruck hatte damals einen eigenen höheren Richter, damit aber eine der Voraussetzungen für ein eigenes „Land (Osterreich) ob der Enns", später kurz Oberösterreich genannt, wobei diese zweite Bezeichnung ursprünglich das Gebiet zwischen Ybbs und Enns miteinschloß, das seit dem ausgehenden Mittelalter immer zu Niederösterreich gerechnet wird. Osterreich zerfiel also in zwei Länder, die führende Stellung im Lande ob der Enns erlangte alsbald die Stadt Linz, während Wien naturgemäß die Hauptstadt von Niederösterreich und herzogliche Residenz blieb; reichslehenrechtlich bildete Osterreich beiderseits der Enns weiterhin eine Einheit. Unsicher ist, ob damals auch ein österreichisches Landrecht als Fürstenrecht, aber mit Berücksichtigung der bedeutenden Stellung des Adels, schriftlich fixiert wurde. Eine neue und unheimliche Gefahr stieg für die babenbergischen Länder auf, als der Mongolensturm nach der Zerschlagung der russischen Rurikidenfürstentümer Mitteleuropa bedrohte; Polen und Ungarn wurden überrannt. Herzog Friedrich benützte die N o t des Nachbarn zur Besetzung der drei zum Großteil deutsch besiedelten Grenzkomitate Wieselburg, ö d e n b u r g und Eisenburg (1241), die aber vom Babenberger nach dem unerwarteten Abzug der Mongolen nicht lange behauptet werden konnten. In dem wieder voll entflammten Streit zwischen Kaiser und Papst stand Herzog Friedrich zunächst der kaiserlichen Partei nahe, deshalb wurde er auch auf Initiative des fanatischen Legaten Albert Behaim vorübergehend gebannt; Papst Innozenz IV. war aber geneigt, den Herzog für eine Abwendung vom Kaiser entsprechend zu belohnen und die Neuaufnahme des alten Wiener Bistumsplanes Leopolds VI. durch seinen Sohn deutet in der Tat auf eine Besserung der Beziehungen zur Kirche. Des Babenbergers Parteinahme war aber auch dem Kaiser wichtig; es kam in Verona zu Verhandlungen zwischen beiden. Der Staufer dachte wohl angesichts der Kinderlosigkeit Herzog Friedrichs an die Möglichkeit eines Heimfalles der babenbergischen Länder an das Reich; so schien es ihm vertretbar, Österreich und Steiermark zu einem im babenbergischen Mannesstamm erblichen Königreich zu erheben, mit Krain als lehenspflichtigem Herzogtum. Der Kaiser selbst wollte des Herzogs Nichte Gertrud heiraten, um den Anspruch der Staufer auf Nachfolge in der Landesherrschaft zu festigen — andere staufische Ansprüche konnten an einen Sohn Friedrich aus Margaretes Ehe mit König Heinrich

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

anknüpfen. Die Verhandlungen scheiterten, als die Urkunde über die Rangerhöhung der österreichischen Länder schon konzipiert war, vermutlich an dem wohl von kirchlichen Kreisen bestärkten Widerstand Gertruds gegen die Ehesdiließung. So blieb der Königsplan ein nicht realisiertes Projekt 1 ), das aber als Versuch der Konsolidierung einer Hausmacht in den österreichischen Ländern mit der unverkennbaren Nebenabsicht diese Länder zu einem neuen Stützpfeiler des Kaisertums zu machen, jede Beachtung verdient. Die spätere Stellung Österreichs scheint vorweggenommen. In diesen Jahren entfaltete der Herzog eine starke Aktivität, Klöster und Adelige erhielten Privilegien, auch die Städte; die Urkunden für Wien, Wiener Neustadt und Hainburg sind im Text überliefert, ebenso ein Schutzbrief für die österreichischen Juden, der diesen recht günstig war; sein Inhalt wurde überdies von den Judenrechten in Böhmen, Ungarn und Polen übernommen. Recht unversehens kam dann das Ende: Nach einem erfolgreichen Uberfall auf ein böhmisches Heer bei Staatz südlich der Thaya fand Herzog Friedrich am 15. Juni 1246 in der sonst für die österreichischen Waffen günstig verlaufenden Schlacht an der Leitha gegen die Ungarn den Tod. Mit Friedrich erlosch der Mannesstamm des babenbergischen Hauses (die Mödlinger Nebenlinie war schon 1236 ausgestorben), eine im allgemeinen doch glückliche Epoche der österreichischen Geschichte war, wie schon die Zeitgenossen empfanden, zu Ende gegangen. Politische Geschichte der österreichischen im Hochmittelalter

Alpenländer

a) Steiermark Unter den Ostalpenländern ist als erstes die Steiermark in enge Verbindung mit dem babenbergischen Österreich getreten. Auch im steirischen Raum war das karolingische Siedlungswerk durch den Ungarneinfall schwerstem erschüttert, sein staatlicher Rahmen zerstört worden; auch hier bot der Gegenstoß nach der Lechfeldschlacht die Voraussetzung für die Neueinrichtung einer Markenorganisation. Das Herrschaftszentrum der 970 erstmalig erwähnten karantanischen Mark am Mittellauf der Mur war zunächst mit der Hengistburg bei Wildon gegeben; diese ging jedoch bei einem Ungarneinfall um die Mitte des 11. Jahrhunderts vorübergehend verloren und wurde bei der Wiedereroberung zerstört. Graz war in dieser Zeit noch eine kleine Burgsiedlung slawischen Ursprungs. Das politische Schwergewicht verlagerte sich nach Norden. Damals waren schon vier Grafschaften, *) Noch viermal hören wir von Plänen einer Erhebung Österreichs zum Königreich, unter Friedrich III. (nach einer sonst nicht beglaubigten Nachricht des Humanisten Kaspar Bruschius), unter Maximilian I. (insbesondere in den Jahren 1515—1517), unter Ferdinand I. ( 1 5 2 0 / 1 5 2 1 ) und unter Ferdinand II. (1623).

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im Ennstal, um Judenburg, um Leoben und im Mürztal eng mit der Karantanenmark verbunden. Man faßte diese Gegend im 12. Jahrhundert unter dem Begriff der „oberen Mark" zusammen. Um das Jähr 1000 wurde die Karantanenmark ebenso wie die vier Grafschaften von Adalbero von Eppenstein verwaltet, dessen Familie nach ihrer Burg bei Judenburg genannt wurde; sie kam aus dem Ufgau westlich der Enns. Schon Adalberos Vater Markward ist als Markgraf im steirischen Raum bezeugt. Während der Jahre 1012—1035 verband Adalbero mit seiner Stellung an Enns, Mürz und Mur auch die Kärntner Herzogswürde. Nach seiner Absetzung durch Kaiser Konrad II., dessen salisches Haus durch wiederholte, schwere Konflikte mit den Eppensteinern verfeindet war, kam die Karantanenmark, deren Schicksal wohl auch die vier oberen Grafschaften teilten, an Arnold aus der gleichfalls bayerischen Familie der Grafen von Wels und Lambach. Arnolds Sohn Gottfried errang gegen die Magyaren 1042 einen Sieg bei Pitten, damals spätestens wurde das Gebiet zwischen Semmering, Wechsel, der Buckligen Welt und der Piesting mit den steirischen Herrschaften vereinigt. Um 1050 ist das Wels-Lambacher Grafenhaus in einer Fehde mit unbekannten Gegnern, vielleicht den Traungauer Otakaren, untergegangen. Der letzte Angehörige des alten Grafengeschlechtes, Bischof Adalbero von Würzburg, errichtete das Kloster Lambach am früheren Herrensitz der Familie. Die Otakare, ein auch in der Chiemseegegend begütertes Haus, das wohl mit den älteren Otakaren der karolingischen Epoche genealogisch eng zusammenhängt, folgte den Wels-Lambachern im Amte, allerdings mit Ausnahme der Grafschaft Pitten. Diese fiel mit einem Großteil des Welser Familiengutes an Graf Ekbert von Formbach, den Schwiegersohn Gottfrieds von WelsLambach. Erst als die Formbacher 1158 ausstarben, kam auch das Pittener Gebiet mit dem Hauptort Neunkirchen und der Propstei Gloggnitz unter die Herrschaft der Otakare. Es ist in der Tat deren Familie, die in den steirischen Marken und Grafschaften jenes Einigungswerk vollbrachte, welches in Österreich den Babenbergern gelang. Die Otakare haben aber dem neuen Land auch den Namen gegeben, den ihrer Hauptburg Steyr an der Enns, nach der sie sich als „marchiones de Stire" bezeichneten1). Zur Ausbildung des Landesfürstentums in der Steiermark bedurfte es der Überwindung ähnlicher Widerstände wie in Österreich. Die Otakare konnten sich auf ihr Amt als Markgrafen stützen, das ihnen Befugnisse gewährte, welche den anderen gräflidien Familien nicht zukamen; sie sicherten sich überdies die Vogteigewalt über eine ganze Reihe von Klöstern, darunter etwa Garsten, Rein, Gleink, St. Lambrecht, Vorau, Gairach und Seitz, auch das war der Konsolidierung ihrer Stellung sehr förderlich. In den besitzmäßigen Voraussetzungen waren die Otakare anfänglich aber entschieden *) Die Bezeichnung „Steiermark" hat sich zunächst nur in lateinischer Form (Marchia Styriae) durchgesetzt, während die deutsche Volkssprache noch lange „Steier" oder „Steierland" vorzog.

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

schwächer als etwa die weitverzweigten Aribonensippen, über deren genealogische Stellung und Zusammengehörigkeit freilich bisher noch keine genügende Klarheit gewonnen werden konnte, oder als die Eppensteiner, die audi nach Adalberos Sturz über erhebliche Landgüter verfügten; schließlich waren die Besitzungen der Formbacher ebenso umfangreich wie die des Markgrafenhauses. Während des Investiturstreites nahmen die Otakare keine einheitliche Haltung ein, von den beiden Söhnen Markgraf Otakars I. gehörte Adalbero zur kaiserlichen, Otakar II. zur gregorianischen Partei. Er gewann nach dem Tode Adalberos, der im Bruderkampfe fiel, die Oberhand. 1122 starben die kaiserlich gesinnten Eppensteiner aus; auch ihr Besitz kam zum Großteil an die Otakare, die nun mit einem Male als Grundherren alle Konkurrenten überragten. Markgraf Leopold der „Starke" (1122—1129) und namentlich sein Sohn Otakar III. (1130—1164) schalteten die Aribonensippen aus, zu denen auch die mächtigen Herren von Traisen, die Gründer von Stift Seckau (1141), gehörten. Zahlreiche Hochfreie traten in die Ministerialität des Markgrafen. Wichtig war ferner, daß dieser das Bergregal, das Recht Bergbau nach Metall und Salz zu betreiben, mehr und mehr an sich zog. Otakar prägte eigene Münzen und hob Mauten und Zölle ein. Es gelang ihm aber auch eine sehr wesentliche Machterweiterung nach Süden, als er 1147 seinem Oheim mütterlicherseits, dem Grafen Bernhard von Spanheim-Marburg, der, wie viele andere Steirer, vom zweiten Kreuzzug nicht zurückgekehrt war, in Amt und Besitz folgte. Nun wurde das Unterland südlich der Mur und beiderseits der Drau mit der Vogtei über die salzburgische Herrschaft Pettau otakarisch. 1158 fiel der letzte Formbacher Ekbert III. im Heere Friedrichs I. vor Mailand und damit kam auch das Pittener Gebiet an Otakar, der den Weg über den Semmering ausbaute und ein Hospital am Paß errichtete (1160.) Nunmehr konnte sich Otakar III. in jeder Hinsicht als Landesfürst fühlen; in den nächsten Jahren ist denn auch (in einer Urkunde der Markgräfin Mathilde) von der „provincia nostrae ditionis" die Rede, und eine neugegründete Stadt erhielt den charakteristischen Namen Fürstenfeld. Die hochfreien Geschlechter waren weitgehend ausgeschaltet, nur wenige Familien, wie die Peggauer und die Freien von Saneck, die späteren Grafen von Cilli, haben sich noch lange behauptet. Im Adel überwogen die landesfürstlichen Ministerialen, voran das Haus der Stubenberger, denen die Wildonier, Liechtensteiner und Pettauer wenig nachstanden. 1164 starb der Begründer des steirischen Landesfürstentums, nur einen einjährigen Sohn gleichen Namens (Otakar IV.) hinterlassend; bald erschütterten Adelsfehden, die zum Teil mit der Auseinandersetzung zwischen Alexander III. und Friedrich Barbarossa zusammenhingen, das Land. Als die Familie des steirischen Landesherrn offen auf die Seite Alexanders trat, kam es zu Konflikten mit den Herzogen von Österreich und Kärnten; 1176 wurde aber Frieden geschlossen. Einen neuen Wendepunkt in der Geschichte

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der Steiermark brachte das J a h r 1180; Friedrich Barbarossa ging damals nach langem Zögern gegen Herzog Heinrich den Löwen vor und entsetzte das Oberhaupt der mit dem Kaiserhaus rivalisierenden Weifen der Herzogtümer Bayern und Sachsen. Bei dieser Gelegenheit wurde Otakar I V . Herzog der Steiermark. Schwerlich handelte es sich damals um eine bloße Erhöhung von Otakars persönlichem Fürstenrang, wie man in Hinblick auf die umständliche Formulierung einiger Quellen angenommen hat, sondern tatsächlich um die Schaffung eines neuen Herzogtums Steiermark, das von den lehenrechtlichen Banden, die Teile seines Gebietes mit Kärnten und mit Bayern verknüpft hatten, gelöst wurde. Zum Herrschaftsbereich und jedenfalls audi zum Herzogtum Otakars gehörte noch der Traungau mit dem Stammsitz Steyr sowie die Grafschaft Pitten; diese beiden Landschaften sind erst im 13. J a h r hundert zum Herzogtum Österreich gerechnet worden, wobei im Falle von Pitten (und der 1194 gegründeten Stadt Wiener Neustadt) einander widersprechende Angaben verschiedener Quellen noch lange eine gewisse Unsicherheit über die territoriale Zugehörigkeit verraten. Das Herzogtum Otakars IV. fiel nach dem Erlöschen des otakarischen Hauses (1192) den Georgenberger Abmachungen (1186) entsprechend an die Babenberger; der Großteil des Gebietes bildete aber weiterhin ein eigenes Land „Steiermark"; der Landesname erinnert sowohl an die frühere verfassungsrechtliche Stellung als Mark wie an die otakarische Hauptburg Steyr, die nicht mehr zum Lande gehört. b)

Kärnten

Das Herzogtum Kärnten des späteren Mittelalters war — ebenso wie das Bundesland der Gegenwart — wesentlich kleiner als das alte Karantanien, zu dem auch die Gebiete der späteren Steiermark, Krains, ja selbst Teile Niederösterreichs, etwa das Pittener Land, gehört hatten. Im Gegensatz zu den vorgelagerten Marken konnte die Kärntner Kernlandschaft während des Magyarensturmes behauptet werden; in der ottonischen und salischen Reichspolitik spielte Kärnten eine nicht unbedeutende Rolle; im ausgehenden 10. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 11. lösten hier einander Angehörige der Familien der Luitpoldinger, der Salier, des bayerischen Zweiges des Liudolfinger (Ottonen) und der Eppensteiner im Herzogsamt ab: Die politische Geschichte Kärntens ist in dieser Zeit ebenso bewegt wie unübersichtlich. Im gleichen Jahre 976, in dem uns die Babenberger erstmalig als Markgrafen von Österreich genannt sind, wurde Kärnten als eigenes Herzogtum von Bayern getrennt und an den Luitpoldinger Heinrich (I.) verliehen, der zeitweilig dem Salier Otto weichen mußte ( 9 7 8 — 9 8 3 ) , dann aber am Kaiserhof wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Zu Ende des 10. Jahrhunderts werden auch die Namen von drei Grafschaften erwähnt, die das heutige Gebiet Kärntens umfaßten, aber über die 6

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

heutigen Landesgrenzen nicht unbeträchtlich hinausragten: Zur Grafschaft Lurn (Oberkärnten) im Westen gehörte auch das Gebiet Osttirols, im Zentrum lag die Grafschaft Friesach und im Osten die Grafschaft Jaun (später Heunburg); das Gebiet von Villach südlich der Drau wurde im 11. Jahrhundert vorübergehend als Teil Friauls aufgefaßt. Nach Herzog Heinrichs Tod wurde Kärnten für eine Zeit dem bayerischen Herzogtum und damit der Nebenlinie des Kaiserhauses unterstellt, dann aber unter dem ins Land zurückgekehrten Salier Otto, einem entschiedenen Anhänger Kaiser Ottos I I I . , als eigenes Herzogtum verwaltet. Der Kaiser ebnete dem Kärntner Herzogsohn Bruno den Weg zum Pontifikat als erstem deutschen Papst (Gregor V.). Das salische Herzogshaus war aber im Lande wenig verwurzelt, hatte offensichtlich mit Widerständen zu kämpfen und verlor auch das Vertrauen des letzten Sachsenkaisers Heinrich I I . So wurde nach Konrad (1004—1011) dem Sohn und Nachfolger Herzog Ottos das Kärntner Herzogtum ebenso wie die östlich vorgelagerten Marken einem Angehörigen des an Grundbesitz reichsten Hauses der Ostalpen, an Adalbero von Eppenstein verliehen. Für Adalbero war es verhängnisvoll, daß das deutsche Königtum und römische Kaisertum an die rivalisierende Familie der Salier kam; als sich der Herzog zu sichern suchte, sprach man von hochverräterischen Umtrieben, er fiel in die Reichsacht und verlor trotz erbitterten Widerstandes gegen Kaiser Konrad I I . sein Amt. Noch einmal hatte Kärnten einen salischen Herzog (Konrad II., 1036—1039), dann folgten in raschem Wechsel ein Weife, ein Lothringer und ein Zähringer auf den Herzogsstuhl. Als Berthold von Zähringen im Investiturstreit der Sache des Papsttums anhing, gab Heinrich I V . das Herzogtum an Liutold von Eppenstein, dem im Jahre 1090 sein Bruder Heinrich folgte. Da die Eppensteiner auch die Mark Verona beherrschten und der Patriarch von Aquileia gleichfalls kaiserlich gesinnt war, verfügte Heinrich I V . im Grenzraum zwischen Deutschland und Italien über eine starke Position, die als Rückzugsbasis in Zeiten der Bedrängnis diente. Die Gegenkräfte waren freilich mit Erzbischof Gebhard von Salzburg und dem von Salzburg abhängigen Bistum Gurk auch vertreten. Dieses Bistum war mit ansehnlichem Grundbesitz versehen, den Gräfin Hemma von Friesach-Zeltschach zunächst zur Ausstattung eines Nonnenklosters bestimmt hatte. Eher päpstlich gesinnt war auch die ursprünglich rheinische Familie der Spanheimer, die namentlich im Lavanttale begütert war und zeitweilig die Salzburger Vogtei ausübte. Der aufkeimende Gegensatz zu den Eppensteinern wurde aber durch politische Ehen überbrückt und der kinderlose Herzog Heinrich, mit dem die Eppensteiner ausstarben (1122), soll selbst sein Patenkind Heinrich von Spanheim dem Kaiser Heinrich V. zur Nachfolge im Herzogtum empfohlen haben. Die Karantanenmark an der Mur und die ihr angeschlossenen Grafschaften sind damals aus der Machtsphäre des Herzogtums ausgeschieden; die Mark Verona blieb noch eine Zeitlang den Kärntner Herzogen unterstellt, 1152 wurde auch diese Verbindung gelöst.

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In Istrien hat sich eine Nebenlinie der Spanheimer bis 1173 behauptet. Glücklicher war die Familie in Kärnten selbst, auch hier war ihre Aufgabe nicht leicht; die Immunitätsherrschaften Bambergs und Salzburgs sowie die starke Stellung des Landesadels haben die Ausbildung eines einigermaßen geschlossenen Landesfürstentums behindert, die erst im 13. Jahrhundert gelungen ist. Unter den Adelsfamilien sind in Oberkärnten die früh (um 1124) ausgestorbenen Grafen von Lurn und ihre Nachfolger, die Grafen von Görz, deren Einfluß weit über die Landesgrenzen hinausreichte, ferner die Grafen von Ortenburg zu nennen. In Unterkärnten übertrafen die Heunburger alle anderen Familien an Bedeutung. In der Reichspolitik knüpften die Spanheimer, sobald sie das Herzogtum erlangt hatten, an die kaisertreue Frontstellung ihrer Vorgänger an, das gilt namentlich für Herzog Heinrich V. (1144—1161) und Herzog Hermann (1161—1181). Namentlich Hermann förderte aber auch gleich Babenbergern und Otakaren recht erfolgreich den Landesausbau, er legte St. Veit an der Glan als Marktsiedlung an, die alsbald zur Hauptstadt des Landes Kärnten aufblühte, und er ist auch der eigentliche Gründer von Klagenfurt. Ungeachtet ihrer stauferfreundlichen Haltung waren die Spanheimer große Förderer kirchlicher Institutionen. Schon vor der Belehnung mit dem Herzogsamt gründeten sie das Benediktinerkloster St. Paul im Lavanttal, das mit Mönchen aus dem Reformkloster Hirsau besiedelt wurde und in der Kirchenund Geistesgeschichte Kärntens noch eine höchst bedeutsame Rolle spielen sollte. Graf Bernhard, der Bruder Herzog Engelberts, berief lothringische Zisterzienser aus Weiler-Bettnach (Villars) in seine Stiftung Viktring; die Voraussetzung dazu hatte die geistliche Laufbahn des Herzogssohnes Heinrich gegeben, der Abt des lothringischen Stiftes und nachher Bischof von Troyes geworden war. Uberhaupt besaßen die Spanheimer enge Familienbeziehungen zum Westen des Reiches, auch mit dem französischen Königshaus waren sie verschwägert. Nach dem siechen, jung verstorbenen Herzog Ulrich II. (1181—1202) folgte mit Bernhard (1202—1256) noch ein bedeutender Fürst. Er hat sich ausdrücklich als Landesfürst (princeps terrae) bezeichnet und seine Herrschaft in Münzrecht, Zollwesen und Städtepolitik entschieden zur Geltung gebracht; mit seinen Ministerialen arbeitete er dabei gut zusammen, ihre führenden Familien bekleideten die herzoglichen Hofämter. Bernhards kraftvolle Politik brachte ihn in Gegensatz zu Markgraf Heinrich von Istrien und den anderen Angehörigen des reichbegüterten Hauses Andechs-Meran; eine Fehde wurde schließlich auf einem glanzvollen Fürstentag zu Friesach beigelegt (1224), doch fehlte es weiterhin nicht an Spannungen. Durch eine kluge Erwerbspolitik, die freilich auch vor Härten nicht zurückschreckte, brachte Herzog Bernhard die Straßen und Paßübergänge nach dem Süden in seinen Besitz oder doch unter Kontrolle, dabei hatte er im Kanaltal den zähen Widerstand des hier seit langem begüterten Bistums Bamberg zu 6·

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überwinden. Zur Sicherung des Weges über den Loiblpaß nach Krain wurde der Markt Klagenfurt verlegt und durch die herzoglichen Ministerialen von Hallegg befestigt. Nach der Heirat mit der Witwe Friedrichs des Streitbaren, Agnes von Andechs, schien Ulrich (III.), dem Sohn und Nachfolger Bernhards die Landesherrschaft in Krain gesichert. Wenn nun entsprechend der Struktur des hochmittelalterlichen Staatswesens auch in Kärnten Adel und Kirche in der politischen Geschichte führend hervortreten, so bietet die Geschichte dieses Landes auch einen eindrucksvollen Hinweis auf die Rolle des Volkes bei Begründung und Ausübung der Fürstengewalt. Es handelt sich um die berühmten Zeremonien bei der Einsetzung des Herzogs. Wohl schon in der salzburgischen Bekehrungsgeschichte der Baiern und Karantanen des 9. Jahrhunderts angedeutet, sind diese Vorgänge ausführlicher erst in spätmittelalterlichen Quellen dargestellt, in einer österreichischen Fassung des Schwabenspiegels, in der steirischen Reimchronik und im Geschichtswerk des Abtes Johann von Viktring. Aus den nur zum Teil übereinstimmenden Nachrichten kann man erschließen, daß es sich um einen „von alters her" geltenden Brauch handelte, dieser zerfiel in drei Teile: Zuerst fand die älteste und wichtigste Zeremonie statt, die Annahme des Fürsten durch das von einem Edlingerbauern repräsentierte Volk am Fürstenstein von Karnburg. Hier mußte der Fürst verschiedene Fragen beantworten und sich dadurch als ein wohlwollender, rechtsichernder Herr ausweisen. Dann gab der Edlinger den Stein frei, auf dem der Fürst durch Schwerthiebe nach allen Himmelsrichtungen symbolisch seine Schutz- und Schirmgewalt kundtat. Es folgte eine kirchliche Feier in Maria Saal und schließlich die Ausgabe der Lehen an den Adel durch den Herzog und den Pfalzgrafen (in der Zeit, aus der unsere Berichte vorliegen, war das der Graf von Görz) am Herzogstuhl auf dem Zollfelde. Über den Ursprung der Hauptzeremonie am Fürstenstein bestehen verschiedene Auffassungen, man hat sie als Aufnahme des Fürsten in den slawisch-karantanischen Stammesverband, als Erinnerung an die Befreiung vom awarischen Joch, als Bündnis des Fürsten mit den bevorrechteten Edlingern gedeutet: Im Hoch- und Spätmittelalter wird sie jedenfalls als Symbol des Zusammenwirkens von Fürst und Volk bei der Begründung und Ausübung der Herrschaftsrechte aufgefaßt worden sein. Die Bräuche am Fürstenstein wurden bis 1414, die am Herzogstuhl bis ins 17. Jahrhundert geübt; da diese den herkömmlichen Formen des Lehenswesens näher standen als die Bindung der Fürstenmacht an das „niedere" Volk am Fürstenstein, hat man sie länger geschont. c)

Krain

Das Werden des Landes Krain, das seit der Babenbergerzeit durch Jahrhunderte mit Österreich verbunden war, bedarf einer kurzen Charakteristik, wenngleich Krain seit 1918 nicht mehr zum österreichischen Staats-

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gebiet gehört. Die Mark Krain verdankte ihre Begründung gleich Österreich der ottonisch-bayerischen Offensive gegen die Magyaren; spätere Benennungen wie die Formel „Krain und die Windische Mark", in der ein Land mit zwei Namen bezeichnet wird, deuten an, daß man zunächst zwischen zwei Gebilden unterschieden hat, es waren dies Altkrain (Krain im engeren Sinne) und die Mark (Unterkrain); die Grenze zwischen beiden verlief durch ein Waldgebiet bis zur ungarischen Grenze; die Täler der Sottla und der krainischen Gurk gehörten ebenso wie das später steirische Cilli zu der nach dem Sannfluß benannten Mark Saunien. Der südlich der Save gelegene Teil Sauniens kam nach 1036 an die Markgrafen von Krain; diese Vereinigung zweier Marken hielt der Doppelname des Landes fest. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts waren die bayerischen Sempt-Ebersberger Krainer Markgrafen, ihnen folgte Ulrich von Weimar-Orlamünde aus einer jener norddeutschen Familien, die sich in der Ottonenzeit im österreichischen Raum festgesetzt hatten, schließlich belehnte Heinrich IV. in den Nöten des Investiturstreites den getreuen Patriarchen Sighard von Aquileia, zu dessen Kirchenprovinz das Land ja schon gehörte. Zu schwach, um sich selbst gegen die Konkurrenz eines mächtigen Adels und anderer kirchlicher Würdenträger in unmittelbarer Herrschaft zu behaupten, gaben die Patriardien im 12. Jahrhundert das Markgrafenamt als Lehen an die mächtigen Grafen von Andechs, die sich nach ihrem Anteil am Küstenland um den Quarnero (und nicht nach der Tiroler Stadt gleichen Namens!) Herzoge von Meran zu nennen pflegten. Von den Andechsern übernahm dann nach der Heirat mit der diesem Hause entstammenden Gräfin Agnes, wie an anderer Stelle erwähnt, Friedrich der Streitbare den Titel eines Herrn von Krain (1232), später ging dieser an die Spanheimer über. Wir begegnen in der Geschichte Krains im Hochmittelalter vielen charakteristischen Erscheinungen der österreichischen Territorialgeschichte, doch blieb Krain, von der deutschen Siedlung im Hochmittelalter wenig erfaßt, ein slowenisches Bauernland mit deutschem Adel und Klerus sowie deutschem, teilweise auch italienischem Einfluß im Bürgertum der kleinen Städte, unter denen Laibach die erste Stelle einnahm. d)

Salzburg

Zu den mittelalterlichen Herrschaftsbildungen im Ostalpenraum zählt auch ein geistliches Fürstentum, das Erzbistum Salzburg. Im Kerngebiet seiner Kirchenprovinz erlangte der Salzburger Erzbischof weltliche Machtstellung. Von Anfang an war Salzburg mit erheblichem Eigenbesitz namentlich im Salzburggau und im Pongau ausgestattet, den im Früh- und Hochmittelalter herzogliche und königliche Schenkungen noch erheblich erweiterten. Dazu kamen zahlreiche kleinere Erwerbungen von anderer Hand. Auf diesen Ländereien besaßen die Erzbischöfe Immunitätsrechte, die sie

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Privilegierungen Karls des Großen und der Ottonen verdankten. Besondere Bedeutung hatte in dem waldreichen Gebiet auch der Forstbann. 996 erhielt Erzbischof Hartwig das Münzregal und die Markthoheit. Freilich fehlte es nicht an Rückschlägen; die Entwicklung der weltlichen Herrschaftsrechte Salzburgs vollzog sich im Rahmen des ottonisch-salischen Reichskirchensystems; dessen Krise mußte sich schwerwiegend auswirken. Gleidi den anderen Territorien des deutschen Südens wurde auch Salzburg durch den Investiturstreit stark in Mitleidenschaft gezogen. Erzbischof Gebhard I. (1060—1088) hatte zunächst mit dem jungen König Heinrich IV. zusammengewirkt und von ihm ebenso wie von Papst Alexander II. die Zustimmung zur Errichtung des Salzburger Eigen- und Suffraganbistumes Gurk zur Betreuung eines Teils des karantanischen Missionsgebietes erhalten (1072). Bei Ausbruch des Investiturstreites trat Gebhard auf die Seite Gregors VII. und suchte sich durch den Bau verschiedener Befestigungen, darunter der Hohensalzburg, zu sichern. Vor dem zumeist kaiserlich gesinnten weltlichen Adel mußte er aber aus dem Erzbistum weichen, der Gegenerzbischof Berthold von Moosburg erwies sich audi Gebhards Nachfolger Thiemo (1090—1101) militärisch überlegen und siegte bei Saaldorf. Selbst der energischeste der Salzburger Kirchenfürsten der Reformpartei, Erzbischof Konrad I. (1106 bis 1147), geriet mehrere Jahre in arge Bedrängnis. Nach Beendigung des Investiturstreites stärkte er die Salzburger Kirche durch Berufung von augustinischen Regularkanonikern in das Domkapitel (1122), durch Wiederbesiedlung oder Neugründung von Klöstern, wobei er sich auch des jungen Zisterzienserordens bediente. Konrads Nachfolger Eberhard I. hielt die kirchliche und politische Richtung Konrads ein; so unterstützte er Papst Alexander III. während des Konfliktes mit Friedrich Barbarossa. Unter dem Babenbergererzbischof Konrad II. ( 1 1 6 4 — 1 1 6 8 ) kam es zu einer Katastrophe, als die kaisertreuen Grafen von Piain Salzburg überfielen und die Stadt verbrannten (1167); ein zweites nicht minder verheerendes Großfeuer traf die Stadt im Jahre 1200 kurz vor dem Tode Erzbischof Adalberts, auch eines Anhängers Alexanders III. Erzbischof Eberhard II. (1200—1246), einer der hervorragendsten Kirchenfürsten des 13. Jahrhunderts, brach mit der politischen Tradition seiner Vorgänger. Er unterstützte konsequent Kaiser Friedrich II., war auch gleich Leopold von Österreich beim Zustandekommen des Friedens von San Germano beteiligt; schließlich starb er im päpstlichen Bann, erst 1288 wurden seine Gebeine im Salzburger Dom beigesetzt. Durch die Gründung der kleinen Eigenbistümer Chiemsee, Seckau und Lavant, in denen sich das Erzbistum alle Ordinationsrechte vorbehielt, hat Eberhard die kirchliche Position Salzburgs stark ausgebaut, ebenso sicherte er durch zielbewußtes Handeln seine weltlidie Macht. Ein Land Salzburg als Rechtseinheit läßt sich wohl erst im späteren Mittelalter nachweisen, bis zu Ende des 13. Jahrhunderts galt im Erzstift bayerisches Landrecht. Salzburg verfügte aber über gewaltigen Grundbesitz, dem der weltlidie Adel nichts Gleich-

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wertiges entgegenzustellen hatte; es gelang, nach dem Aussterben der Grafen von Peilstein und Lebenau, die weltliche Vogteigewalt zu liquidieren (1225), überdies besaß das Erzstift Grafschaftsrechte, insbesondere die Gerichtshoheit, im Kerngebiet ohne besondere Verleihung, im Lungau, wo einst Kaiser Heinrich II. großen Landbesitz geschenkt hatte, durch kaiserliche Privilegierung (1213) und im Pinzgau durch Übertragung von seiten des Herzogs von Bayern (1228). In unmittelbarer Umgebung der Stadt Salzburg hielt sich die fast ganz von erzbischöflichem Besitz umschlossene Augustinerpropstei Berchtesgaden, in der Regel auf Bayern gestützt, unabhängig. Andererseits gab es meist mit Immunitätsrechten ausgestattete salzburgische Besitzungen außerhalb des geschlossenen Territoriums, im Herzogtum Bayern am Chiemsee und am Inn, in Österreich an der Donau (Arnsdorf in der Wachau, weiter östlich Traismauer), in der Steiermark an der Enns (Admont), an der Mur, Mürz und Drau (ein breiter Landstreifen westlich Leibnitz sowie die Grenzorte Pettau und Friedau), in Kärnten (Maria Saal, Althofen, Friesach, Sachsenburg, Gmünd) und Osttirol (Defreggental); selbst in Friaul vermochte sich Salzburg einige Positionen zu sichern. In diesen Streubesitzungen hatte Salzburg überall gerichtsherrliche Gewalt, ferner Berg-, Münz- und Zollrechte. Der in Friesach geprägte Salzburger Pfennig war lange Zeit die wichtigste in den Ostalpen kursierende Münze. Salzburgische Pfleger und Ministerialen verwalteten die Grundherrschaften und Burgen. e)

Tirol

In dem später Tirol genannten Land hat sich die Grafschaftseinteilung des früheren Mittelalters, zum Teil in Ubereinstimmung mit der germanischen Gliederung in Gaue ebenso wie im Salzburger Gebiet lange erhalten. Im Inntal gab es drei Grafschaften: Das Oberinntal, von der Enge von Finstermünz bis zur Melachmündung, anschließend das Unterinntal bis zum Ziller, schließlich eine dritte Inntaler Grafschaft (später auch als „Landgrafschaft im Gebirge" bezeichnet), deren politisches Geschick sich im späteren Mittelalter mehr im Rahmen der bayerischen als der Tiroler Landesgeschichte vollzog; zu ihr gehörten die Herrschaften Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel. Die Grafschaft im Norital reichte im früheren Mittelalter noch ins Inntal, später verstand man darunter vor allem das Südtiroler Eisacktal bis südlich von Klausen; hier stimmten die Grafschafts- und Diözesangrenzen überein, denn die Grafschaft Bozen gehörte, obgleich altbayerisches Stammesgebiet, zur Diözese Trient. Eigene Grafschaften bildeten audi der Vintsdigau und das Pustertal; das Bozner Unterland gehörte zu der Grafschaft Eppan und Ulten, die ursprünglich nicht dem bayerischen Herzogtum, sondern dem langobardischen Herzogtum Trient unterstellt war. Das spätere Osttirol aber bildete einen Teil der Kärntner Lurngrafschaft und das Ausferngebiet gehörte zum Herzogtum Schwaben.

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

In der Herrschaftsbildung waren im Tiroler Raum beiderseits des Alpenhauptkammes zunächst die geistlichen Würdenträger führend, die schon im 10. Jahrhundert über bedeutsame Immunitätsrechte und erheblichen Grundbesitz verfügten. Im Jahre 1027 übertrug Kaiser Konrad II. die Grafschaften Trient, Bozen und Vintschgau an Bischof Udalrich von Trient; im gleichen Jahr verlieh er an Bischof Hartwig von Brixen die Grafschaft Norital und das Inntal westlich des Ziller. Eine gefährliche Verschwörung süddeutscher Dynasten hatte den Kaiser zu dieser Maßnahme veranlaßt: Die Hauptwege nach Italien sollten durch die zuverlässigen Bischöfe gesichert werden. Die Machtstellung Trients war dabei bedeutender, doch wurde ein Ausgleich geschaffen, als Bischof Altwin von Brixen, ein treuer Anhänger Heinrichs IV., vom König 1091 auch noch die Grafschaft Pustertal erhielt. So schienen sich zwei Länder, Trient und Brixen, auszubilden, und in der Tat wird zu Ende des 12. Jahrhunderts und später der Ausdruck Land (terra, provincia) zur Bezeichnung des Herrschaftsbereiches jedes der beiden Bischöfe verwendet. Eine beginnende Loslösung von Bayern ist damit angedeutet. Die Beziehungen beider Bistümer zum Reich waren weiterhin recht gut. Während der Auseinandersetzungen zwischen Imperium und Sacerdotium hielten die Tiroler Bischöfe auch nach dem Investiturstreit zum Kaisertum, lediglich der bedeutende, gelehrte Bischof Hartmann von Brixen (1140—1164) hatte die Partei Alexanders III. ergriffen, dabei freilich auch nach Möglichkeit die Loyalität gegen Friedrich Barbarossa gewahrt. Umgekehrt stützte dieser Kaiser den Bischof von Trient gegen Unabhängigkeitsbestrebungen seiner Bürger, die ein Bündnis mit den lombardischen Städten anstrebten. Seither wurde Trient als Bestandteil des deutschen Königreiches aufgefaßt und aus dem regnum Italiae ausgeschieden. Ein Zollvertrag zwischen den Bischöfen von Trient und Brixen im Jahre 1202 erleichterte den Handelsverkehr zwischen beiden Fürstentümern; verschiedene Nachrichten bezeugen überdies die Ausübung des von den deutschen Herrschern verliehenen Bergregals durch die Bischöfe. Wiewohl die politische Entwicklung in Tirol während des hohen Mittelalters manche der salzburgischen Geschichte entsprechende Züge aufweist, war das Ergebnis ein anderes: Die weltlichen Gewalten haben sich durchgesetzt, nicht zuletzt durch die zielbewußte Handhabung ihrer von den Kirchenfürsten verliehenen Gerechtsame. Während Salzburg die Vögte ausschaltete, wuchsen sie Trient und Brixen über den Kopf. Unter den Adelsfamilien überragten drei ihre Standesgenossen an Besitz und Einfluß, es sind dies die Grafen von Andechs, die von Eppan und schließlich jene von Tirol. Die vielerorts begüterten Andechser erhielten von Brixen die Grafschaften im Unterinntal und im Pustertal im 12. Jahrhundert als Lehen, überdies waren sie Vögte der Immunitätsherrschaften von Brixen und Freising. Die kaisertreue Haltung der Andechser verschaffte ihnen, wie an anderer Stelle erwähnt, das istrische Titularherzogtum „Meran", doch

Politische Geschichte der österreichischen A l p e n l ä n d e r im H o d i m i t t e l a l t e r

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beeinträchtigte die vermutlich zu Unrecht erfolgte Verwicklung in das Verfahren gegen die Mörder König Philipps von Schwaben audi ihre Tiroler Stellung; ihre Grafschaften erhielten sie wohl zurück, aber die Brixener Vogtei, die einer gräflichen Gewalt im Eisacktal gleichkam, blieb verloren. Als Förderer des aufstrebenden Innsbruck spielten die Andechser weiterhin eine wichtige Rolle; von Otto I I . von Andechs erhielt Innsbruck das Stadtrecht (1239). Mit dem Tode Ottos erlosch der Mannesstamm des Andechser Hauses, dessen Besitz an andere Familien überging. Die Grafen von Eppan und Ulten, Verwandte der Weifen, waren im Etschland ansässig, die Grafengewalt übten sie als Lehensleute des Bischofs von Trient aus. Eine Nebenlinie, die sich nach der Burg Greifenstein bei Terlan nannte, besaß die Bozener Grafschaft, gleichfalls als Trienter Lehen. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts entbrannte zwischen den Eppanern und den Grafen von Tirol eine blutige Fehde, in der schließlich die Tiroler die Oberhand behielten. Dies hatte zur Folge, daß nach dem Erlöschen der Greifensteiner Linie die Grafschaft Bozen an die Tiroler fiel (1165). Die Grafen von Eppan selbst behaupteten sich noch bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, dann starb ihr Haus mit Bischof Egno (von Brixen 1240—1250, von Trient 1250—1273) in männlicher Linie aus. Die Grafen von Tirol hatten im Etschland oberhalb Meran ihr Stammschloß, dessen Name später, nach dem Erlöschen des Grafenhauses, zu dem des Landes Tirol werden sollte. Die Familie stellte die Grafen im Vintschgau und die Vögte von Trient, seit 1165, wie erwähnt, auch die Grafen von Bozen. Gleich den meisten Adelsfamilien des Etschlandes unterstützten sie die Staufer in den italienischen Kämpfen und entfalteten auch sonst eine starke politische Aktivität. Namentlich der letzte des Hauses, Graf Albert, war ein energischer und erfolgreicher Staatsmann. 1210 wurde er Vogt von Brixen; als solcher behauptete er sich auch in einem Konflikt mit Bischof Konrad. Nach dem Ende des Andechser Hauses kamen auch die Grafschaften im Unterinntal und im Pustertal an den Tiroler. Da Albert 1253 ohne männliche Nachkommen starb, wurde freilich eine andere Familie, die der Görzer, Nutznießer der Einigungsarbeit der Grafen von Tirol. Die Ausbildung des Landesfürstentums ist im Tiroler Raum um die Mitte des 13. Jahrhunderts noch nicht abgeschlossen, aber in die Wege geleitet, dabei hatten die Grafengeschlechter, zuletzt die Tiroler, die Bischöfe von Brixen und Trient deutlich überflügelt. f)

Vorarlberg

Die Bildung eines Landes Vorarlberg im äußersten Westen des heutigen österreichischen Staatsgebietes vollzog sich in einem überaus langwierigen, von vielen Rückschlägen gekennzeichneten Prozeß, der erst im 19. Jahrhundert abgeschlossen wurde. Im Hochmittelalter schien man zeitweilig einer

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Konsolidierung in einem vergleichbaren territorialen Umfang nahe zu sein, doch ist eher die Tendenz greifbar, das gesamte schwäbische Herzogtum erneut zu einen; ein Bestreben, das letztlich erfolglos blieb. Im 10. Jahrhundert waren hier heftige Kämpfe zwischen rivalisierenden Gewalten, geistlichen wie weltlichen, im Gange, die Interessen der Bistümer Chur und Konstanz, der Abtei St. Gallen sowie mächtiger Adelsfamilien, unter ihnen vor allem der Burkharde und Udalriche, standen gegeneinander. Die Burkharde, eine Zeitlang Herzoge von Schwaben, starben 973 aus; damit wurden die Udalriche zur unbestritten führenden Familie der Bodenseegegend, insbesondere auch im Rheingau und Walgau, die den Großteil des späteren Vorarlberg umfaßten, während zum Argengau und Alpgau nur Randstriche dieses Landes gehörten. Zahlreiche Zuwendungen der Ottonen, ganz im Sinne ihrer sonstigen Reichspolitik, hatten indessen die Position der Kirche, namentlich Churs, gestärkt und die Grafenrechte unterhöhlt; ebenso war die Spaltung des udalrichischen Hauses in zwei Linien Bregenz und Buchhorn (Friedrichshafen) einer umfassenden Herrschaftsbildung wenig günstig (1043). Immerhin hat die Bregenzer Linie damals nahezu das gesamte Gebiet Vorarlbergs in seiner gegenwärtigen Ausdehnung beherrscht. Während des Investiturstreites bezogen die zwei Linien der Udalriche entgegengesetzte Fronten; die Bregenzer, die sich bald auch durch die Gründung der Benediktinerabtei Mehrerau (1097) der Kirchenreform verbunden zeigten, gehörten der gregorianischen, die Buchhorner der kaiserlichen Partei an; als aber diese Linie schon 1089 erlosch, waren nicht die Bregenzer Verwandten, sondern die weit mächtigeren Weifen Nutznießer. Die um ihr Erbe kämpfenden Bregenzer Grafen unterlagen in der Fehde und büßten selbst einen Teil ihres früheren Besitzstandes ein. Immerhin gelang es dem energischen Grafen Rudolf von Bregenz sich zu behaupten, und seine zweite Ehe mit der Weifin Wulfhilde, einer Schwester Heinrichs des Stolzen, zeugt für die Versöhnung beider Familien. Mit Geschick wahrte Rudolf, als der offene Kampf zwischen Weifen und Staufern ausbrach, das Vertrauen des Kaiserhofes. Rudolfs gleichnamiger Schwestersohn, also ein Angehöriger der nahen Verwandtschaft, ein treuer Gefolgsmann Friedrich Barbarossas, übernahm ein recht ansehnliches Erbe, das er mit seinen reichen Gütern vereinigte. Da dieser jüngere Rudolf nach seinen verschiedenen Würden und Herrschaften bald als Graf von Bregenz, Ramsberg, Lindau, Schweinshut, namentlich auch von Pfullendorf bezeichnet wird und er überdies mit dem kaiserlichen Hof ein rechtes Wanderleben führte, herrschte über die Identität und genealogische Stellung seiner Person lange arge Unklarheit. Der Pfullendorfer hinterließ keine männlichen Nachkommen und vermachte sein Eigengut den Staufern; die Bregenzer Grafschaft aber erhielt sein Schwiegersohn Hugo von Tübingen, der sie schließlich trotz zeitweiligen Unterliegens gegen die weifische Übermacht, behauptete. Hugo verlegte seine Residenz — und das bedeutete für Jahrhunderte einen Wechsel der führenden Siedlung im Lande vor dem

D a s Siedlungswerk des Hochmittelalters

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Arlberg — nach Feldkirch. Er nannte sich seither (ca. 1206) G r a f von Montfort und übernahm damit den Titel einer Ministerialenfamilie romanischen Ursprunges, die schon seit dem 11. Jahrhundert im Lande saß. Das Wappen der Tübingen-Montforter, die Abbildung eines Kriegsbanners (das man später für eine Kirchenfahne hielt) wurde von der Herrschaft Feldkirch und in neuerer Zeit vom Lande Vorarlberg übernommen. Tatsächlich leisteten die Montforter ungemein viel für die siedlungs- und verkehrsmäßige Erschließung des Landes durch Ausbau des Weges über den Arlbergpaß, von dem auch die neuen Städte Feldkirch und Bludenz profitierten; der Aufschwung von Handwerk und Gewerbe in den größeren Siedlungen brachte eine Stärkung des alemannischen Elementes gegenüber dem zurückweichenden Romanentum. Freilich hatte dann die Konkurrenz der 1220 eröffneten Gotthardstraße wieder gewisse Einbußen zur Folge. Im übrigen aber erfolgte um die Mitte des 13. Jahrhunderts mit dem Fall der Staufer die Auflösung des schwäbischen Herzogtums, die einem tatkräftigen Herrengeschlecht wohl den Weg zu eigener Machtgeltung hätte freimachen können; die Montforter aber vergaben diese Aufstiegsmöglichkeit durch Herrschaftsteilungen, um 1235 und dann endgültig 1260. Seither standen einander die Linien Montfort und Werdenberg (diese nannte sich nach einer Burg im schweizerischen Rheintal bei Sargans) nicht selten feindlich gegenüber. Von anderen Familien haben sich die Herren von Hohenems, früher staufische Dienstmannen, deren Burg Kaiser Heinrich V I . zur Verwahrung wichtiger Staatsgefangener gedient hatte, am besten behauptet. Insgesamt aber fügte sich Vorarlberg zu Ende des Hochmittelalters bereits dem Mosaik kleinerer Herrschaftsbildungen ein, wie sie für das alemannische Stammesgebiet so charakteristisch wurden.

Das Siedlungswerk

des

Hochmittelalters

Die Ausbildung der Landesherrschaften in den Ostalpen und Donauländern ist das Werk des Fürstentums; diese Entwicklung ist im Hochmittelalter noch nicht abgeschlossen, bildet aber doch den Hauptinhalt der politischen Geschichte des österreichischen Raumes in jener Zeit; nicht minder wichtig ist indessen der eigentliche Landesausbau, die volle Erschließung des Siedlungsraumes durch und für seine Bewohner. Mit dieser Leistung, an der breiteste Schichten der Bevölkerung unmittelbar beteiligt waren, schließt die hochmittelalterliche Kolonisation an die vorhergehende Epoche sinnvoll an, sie führt fort, was frühere Generationen begannen und was auch im Osten unserer Heimat nicht völlig zerstört wurde. Immerhin besitzt die hochmittelalterliche Siedlungsbewegung in mancher Hinsicht einen anderen Charakter als jene der agilolfingisdi-karolingischen Zeit: Die neue Kolonisation vollzieht sich in engeren Räumen, sie ist dafür intensiver, sie verdichtet die Besiedlung der offenen Landschaften, sie gewinnt durch Rodung neues

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

Land, sie sucht höhergelegene oder sonst schwer zugängliche Böden auf, sie entwickelt neue Siedlungsformen und schafft dabei vor allem aus kleinen Anfängen ein bedeutendes Städtewesen. Die Leitung der Durchführung des Siedlungswesens lag in den Händen von Fürstentum, Adel und Kirche; der König trat nur mehr durch Landschenkungen in Erscheinung. Unter den zu Fürstenrang aufgestiegenen Geschlechtern sind namentlich Babenberger und Otakare, aber auch Eppensteiner, Spanheimer und Andechser zu nennen; die Rodearbeit, welche nicht selten erst brauchbare Verbindungen zwischen den alten Siedlungszentren herstellte, war für die aufsteigende Fürstenmacht des Ostalpenraums eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung und Konsolidierung der Landesherrschaft. Unter den adeligen Familien traten auch in der Siedlungsbewegung die Edelfreien allmählich hinter den Ministerialen zurück, von denen die Kuenringer in Österreich eine Sonderleistung vollbrachten; weniger bedeutend war der Anteil der Ritter, des Kleinadels. Die Kirche, deren Würdenträger fast ausnahmslos adeliger Herkunft waren, spielte im Siedlungswerk eine gewichtige Rolle; Salzburg und Passau knüpften dabei an ältere Besitzrechte an, suchten im Markengebiet die Verluste der Ungarnzeit wieder auszugleichen. Audi Freising und Brixen waren sehr tätig. Unter den monastischen Gemeinschaften hatten zunächst die Benediktiner die Führung. Göttweig leistete von allen Klöstern Niederösterreichs nördlich und südlich der Donau die Hauptarbeit, Admont kolonisierte im steirischen Ennstal, im Lande vor dem Arlberg war Mehrerau bei der Erschließung des Bregenzer Waldes maßgeblich beteiligt. Bekannt ist die landwirtschaftliche Pionierarbeit von Zisterziensern und Praemonstratensern; sie wurde schon von den Zeitgenossen gewürdigt, etwa die Tätigkeit der Reiner Mönche durch die Otakare. Auch Zwettl, Heiligenkreuz, Geras und Baumgartenberg waren im Siedlungswerk sehr aktiv, doch darf man nicht übersehen, daß die Zisterzienser gelegentlich bereits urbar gemachtes Land zur Verfügung gestellt erhielten. Unverkennbar ist schließlich ein Zusammenhang der Ausbreitung der Pfarrorganisation mit dem Landesausbau. Die Bettelorden hingegen hatten an der Siedlung keinen meßbaren Anteil mehr. Die eigentliche Arbeitsleistung vollzog natürlich der in den geistlichen und weltlichen Grundherrschaften tätige dienstpflichtige Bauer; Freibauern finden wir im österreichischen Raum nur in Sonderfällen, die umso seltener sind, je weiter man nach Osten kommt. In Oberösterreich gab es Freisassen im Hausruck, in Niederösterreich freie Gemeinden im Ispertal und mit weniger ausgeprägten Freiheitsrechten im Tal Wachau; im Westen allerdings haben zu Ende der Rodungsepoche die freien Walser, Auswanderer aus dem seit dem 9. Jahrhundert alemannisch besiedelten obersten Rhonetal, eine bedeutende und weitreichende Siedlungstätigkeit entfaltet. Nach Anlage zahlreicher Neusiedlungen in den leichter zugänglichen Landschaften im 10. und 11. Jahrhundert reichte der gute waldfreie Boden

Das Siedlungswerk des Hochmittelalters

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nicht mehr zur Ernährung der anwachsenden Bevölkerung aus; nun suchte man weniger bevorzugte Lagen auf; ausgedehnte Waldgebiete wurden durch Rodungsarbeit gelichtet, auch hier entstanden neue Siedlungen. Klassische Beispiele für diese Gewinnung neuen Siedlungsraumes bieten im österreichischen Raum Waldviertel und Mühlviertel, die ober- und oststeirische Landschaft, der Pinzgau und der Bregenzer Wald. In den Ortsnamen dieser Rodungsgegenden spiegelt sich die Erschließungsarbeit, das Schlagen, Brennen, „Schwenden" und „Reuten" des Waldes; nicht selten enthalten die Siedlungsnamen dieser Epoche auch Hinweise auf die Leiter des Unternehmens, die Dorfgründer und Herren. Charakteristisch sind dabei Formen, bei denen der Personenname (im Genetiv) erhalten, das Grundwort (zum Beispiel -dorf) aber weggelassen ist; so etwa Teichmanns, Dietmanns, Wolfgers, (Groß- und Klein-)Gerungs, Pertholz (=Berchtolds), Preinreichs (.Prunrichestorf 1166) und manche andere; diese Bildungen sind in der Regel etwas früher bezeugt als die eigentlichen Rodungsnamen wie Ottenschlag, Münichreith, Reutte, Äpfelgschwendt; unter diesen Formen sind wohl die -reut-Namen, von denen sich etwa in der Steiermark an die hundert finden, am ältesten. Auch Hinweise auf früheren Waldbestand finden sich, wie zum Beispiel Rottenschachen (Schachen = Waldstück), Eibiswald und andere. Manche Rodungsorte verdankten ihre Entstehung nicht der bäuerlichen Siedlung, sondern dem Holzverbrauch und dem Wohnstättenbedarf des hochund spätmittelalterlichen Bergbaues. Was die Siedlungsformen betrifft, so ist der hochmittelalterliche Landesausbau charakterisiert durch zahlreiche Einzelhöfe, namentlich in den alpinen Waldgebieten zwischen altbesiedelten Tallandschaften und der ebenfalls schon früher genutzten Almenregion; im Gegensatz zu weitverbreiteten Ansichten ist die Einzelhofsiedlung in unserer Heimat in der Regel aber jünger als die ersten Sammelsiedlungen; völlig gefehlt hat der Einzelhof in römischer und slawischer Zeit freilich nicht, und wir kennen auch große Königshöfe der karolingischen Epoche. Unter den hochmittelalterlichen Dorfsiedlungen finden wir Kirchhügelsiedlungen der ottonischen, frühbabenbergischen Zeit, die H a u p t f o r m der Rodungsepoche aber war das Angerdorf, die um eine dreieckige oder linsenförmige Grünfläche, den Anger, aus dem dann der Dorfplatz wurde, planmäßig angelegte Siedlung. Die an die Häuser anschließenden Gärten waren nach außen oft durch eine Hecke abgeschlossen; dieser „Hag" gab dem Dorf eine Art Schutzwall, die Kirche befand sich meist in höherer Lage außerhalb des Dorfes. Im ausgehenden Hochmittelalter entstanden nach 1200 in der Gegend von Litschau und Heidenreichstein Waldhufendörfer, aufgelockerte Sammelsiedlungen, in denen das Prinzip der möglichst gleichmäßigen Beteiligung aller Dorfinsassen an den guten Böden aufgegeben war und die Fluren der Bauern stets unmittelbar an den Hof anschlossen. Sonst herrschten aber neben den älteren Blockfluren die regelmäßigen Gewannfluren namentlich im österreichischen Osten vor; beide

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Typen zumeist mit drei Großfeldern, die gemäß dem Rhythmus der Dreifelderwirtschaft bebaut wurden. Zu den Einzelhöfen gehörten die Einödfluren, Rodungsfluren, die sich im gesamten Ostalpenraum finden. Eine verhältnismäßig erhebliche Zahl von Siedlungen des österreichischen Raumes wuchs im Hochmittelalter allmählich zu städtischer Größe und Bedeutung an, das kam dann zumeist auch in der Rechtsstellung zum Ausdruck. Andere Ortschaften wurden planmäßig als Städte ausgebaut oder überhaupt neu angelegt. Die Zahl der Städte ist im südlichen und östlichen Österreich in dieser Epoche größer als auf altbairischem Boden. Teilweise war, wie schon an anderer Stelle erwähnt, ein Anschluß an römische Anlagen möglich, man hielt auch am Siedlungsnamen fest. Auch Wien hat, was lange verkannt blieb, eine Kontinuität der Besiedlung und einer gewissen Bedeutung seit spätrömischer Zeit bewahrt. Die mittelalterliche Siedlung füllte freilich bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts den Umfang des römischen Lagers noch nicht aus; durch die Stadterweiterungen Herzog Heinrichs, Leopolds V. und Leopolds V I . sprengte Wien aber diesen Rahmen und gewann eine — von den Vorstädten abgesehen — durch Jahrhunderte ziemlich gleichbleibende Ausdehnung. Im allgemeinen sind die Donaustädte entsprechend der Verkehrsbedeutung des Stromes früher aufgeblüht als die anderen; Regensburg kann als erste mittelalterliche Großstadt im bayerisch-österreichischen Gebiet bezeichnet werden, die dann zu Beginn des 13. Jahrhunderts von Wien überflügelt wurde. In der Regel finden wir bei den Städten zwei Wachstumskerne, eine Burgsiedlung und eine Kaufmannsniederlassung — sehr deutlich etwa bei Linz, Krems und Wels — ; erst aus ihrer topographischen und administrativen Verschmelzung, welche die Zustimmung des Burgherrn zur Voraussetzung hatte, entstand die echte, ummauerte Bürgerstadt. Das Kaufmannsrecht (ius mercatorum) wurde zur Grundlage des Stadtrechtes. Wesentlich war bei diesem Vorgang die Ausbildung einer eigenen Niedergerichtsbarkeit; es zeigt sich dabei in Österreich in etwas späterer Zeit eine gleichartige Entwicklung wie im westeuropäischen Gebiet zwischen Loire und Rhein, in dem sich die Charakteristika des hochmittelalterlichen Städtewesens zuerst nachweisen lassen. Die Anwesenheit von Kaufleuten und qualifizierten Handwerkern aus dem Westen wird gewiß eine Rolle gespielt haben. In Wien sind flandrische Tuchfärber genannt, die 1208 von Leopold V I . ein Privileg erhielten; vermutlich gab es auch wallonische Kaufleute, auf die wohl der Name der Wallnerstraße hinweist. Bei der Entstehung der kleineren Städte in den Alpenländern und bei der Entwicklung der Märkte, die von den Städten nicht immer scharf geschieden werden können, sind lokale Voraussetzungen oft deutlicher sichtbar als Erfordernisse des Fernhandels, wenngleich dieser etwa bei der Entwicklung von Villach am wichtigsten Wege aus dem Ostalpenraum nach Friaul oder Venedig oder beim Wachstum von Judenburg eine sehr wichtige

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Rolle spielte. Das bambergische Villach repräsentiert aber audi den T y p der Brückenstadt, ebenso wie das andechsische Innsbruck oder später Bruck an der Mur. Nicht wenige Städte waren vor allem befestigte Plätze; unter diesen vor allem Grenzstädte, wie Drosendorf, Hainburg, Laa an der Thaya, Fürstenfeld und Radkersburg. Andere dienten als Verwaltungsmittelpunkte größerer oder kleinerer Herrschaften wie das kuenringische Dürnstein in der Wachau, das bambergische Wolfsberg im Lavanttal, Steyr als Residenz der Otakare und Hardegg als Vorort der Grafschaft gleichen Namens. Sollte die Stadt einige Bedeutung erlangen, mußten zu der administrativen und militärischen Funktion noch andere Eigenschaften treten; so war Friesach Verwaltungsmittelpunkt der salzburgischen Besitzungen in Kärnten, Sitz eines Archidiakons und Straßensperre, aber dank der nahegelegenen Bergwerke audi wichtige Münzstätte, ferner Station des Durchgangshandels und infolge der hohen Würde seines Stadtherrn auch oftmaliger Schauplatz glänzender Fürstenversammlungen. Bei planmäßigen Städtegründungen oder Verlegungen trat oft die Territorialpolitik der Fürsten in Erscheinung, etwa bei der Anlage Wiener Neustadts durch Herzog Leopold V. an einer Schlüsselstellung zwischen seinen beiden Ländern Österreich und Steier, oder bei der Neuanlage von Klagenfurt durch Herzog Bernhard von Kärnten. Adeliger Einfluß spiegelt sich im Ritterbürgertum verschiedener Städte, namentlich solcher, die (wenigstens zeitweilig) Residenzen waren, wie Wien, Steyr oder Klosterneuburg. Auch sonst können Zusammenhänge zwischen den führenden Stadtfamilien und der Dienstmannschaft der ersten Stadtherren bestehen. In den österreichischen Städten ist schließlich gerade in älterer Zeit das jüdische Element nicht unbedeutend vertreten; im Falle von Judenburg verrät dies der Name der Stadt, in der Nähe anderer Städte des alten Karantaniens gab es Judendörfer, so bei Graz, Friesach und Klagenfurt. Die Erörterung des hochmittelalterlichen Landesausbaues bedarf auch einer Stellungnahme zum Problem der durch die Kolonisierung bewirkten nationalen Veränderungen. Die Neusiedler waren ohne Zweifel überwiegend bairischer Stammesherkunft, zum Teil aus den altbesiedelten Landschaften des österreichischen Raumes, zum Teil aus den auch nach 1156 und 1180 beim bairischen Herzogtum verbliebenen Gebieten. Ihre Stammesherkunft geht aus den österreichischen Mundarten eindeutig hervor, sie ergibt sich auch folgerichtig aus der führenden Beteiligung ursprünglich bairischer Adelsfamilien, bairischer Bistümer und Klöster am Siedlungswerk. An diesem wirkten aber auch Angehörige anderer deutscher Stämme mit. In Vorarlberg drangen die Alemannen des Landes verstärkt durch das Walserelement ins Gebirge und ins südliche Landesdrittel vor. Recht umstritten ist das Ausmaß des Anteils von Franken an der Besiedlung des wiedergewonnenen Territoriums der südöstlichen Marken. Babenberger und Spanheimer hatten starke fränkische Bindungen, das Bistum Bamberg hatte in Kärnten ausgedehnte

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Besitzungen; so wird man annehmen dürfen, daß auch fränkische Siedler in den österreichischen Raum kamen. Eindeutige mundartliche Spuren haben sie aber nicht hinterlassen, auch die Versuche, fränkische Siedlungs- und Hausformen nachzuweisen, brachten keine befriedigenden Ergebnisse. Vielleicht sind Ortsnamen wie Frankenberg und Frankenstein in Kärnten, Frankenreith und Frankenhof in Niederösterreich als Frankensiedlungen in bairischer Umwelt zu deuten, doch könnte auch ein Personennamen Franko die eine oder andere Bildung erklären. Sächsische Einflüsse sind in der ottonischen Zeit ohne Zweifel gegeben; der österreichische Adel besaß manche Familienbeziehungen nach Norden; so wird sächsische Herkunft der Kuenringer vermutet. Auf Sachsensiedlungen könnten Ortsnamen wie Sachsendorf und Sachsenbrunn (Niederösterreich), Sachsengang (Land Wien) und Sachsenburg (Kärnten) hinweisen. Von Interesse ist schließlich die Verschiebung zwischen deutscher und nichtdeutscher Bevölkerung. Das niederösterreichische Donauland ist im wesentlichen bereits in der karolingischen Zeit deutsch geworden, im Alpenvorland verschwanden geringe slawische Reste in der frühbabenbergischen Epoche; die Zeugenlisten der Urkunden und Traditionsnotizen weisen von den national indifferenten kirchlichen Namen abgesehen fast durchaus Personennamen deutscher Herkunft auf. In den Alpenländern abseits der großen Straßen der Siedlungsbewegung hielten sich die Slawen länger; in der Obersteiermark als örtliche Minderheiten bis ins 13. Jahrhundert, in einzelnen Dörfern der Umgebung von Graz bis ins Spätmittelalter. In Kärnten gab es eine größere slowenische Sprachinsel um Obervellach und Mallnitz, daneben kleinere Splittergruppen nördlich der späteren Sprachgrenze bis gegen 1400. Natürlich spielen die Slawen nicht bloß eine passive Rolle, haben sie sich doch auch an der Rodungsarbeit beteiligt, wie verschiedene Ortsnamen andeuten, etwa Lassing, Lassnitz (slow, laz Rodung, Ried) oder Treffning, Treffling (slow, trebiti roden). Aber Geistlichkeit, Adel und Bürgertum waren fast durchwegs deutsch, dazu kam der Zustrom bäuerlicher deutscher Siedler; so wurden die Slawen in ihren zumeist wenig volkreichen Siedlungen allmählich assimiliert. Die letzten Romanen Nordtirols und Salzburgs gaben schon im 10. Jahrhundert ihre Sprache auf, der vorarlbergische Walgau wurde im 13. Jahrhundert deutsch. Etwa um die gleiche Zeit setzte sich in den südlichen Randgebieten Böhmens und Mährens, die zum Teil von Österreich aus durch Rodearbeit erschlossen wurden, das bäuerliche Deutschtum durch. Als privilegierte Stadtbürger aber gab es Deutsche überall über die sich allmählich ausbildenden Sprachgrenzen hinaus inmitten slawischer Umgebung, in Südsteiermark und Krain ebenso wie in den Zentrallandschaften des Sudetenraumes. Wenn wir nach den Gründen der erstaunlichen Erfolge der hochmittelalterlichen Kolonisation fragen, so ist die Antwort nicht schwer zu finden: Das Siedlungswerk gab dem Bauern neuen Boden, neue Höfe, oft auch eine

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gehobene Rechtsstellung, der Erfolg konnte die Arbeit lohnen. Für die adelige und kirchliche Führungsschicht erschloß die Siedlung neue Einnahmen, sie mehrte so die wirtschaftlichen Grundlagen der eigenen Stellung, aber auch Macht und Ansehen: Die Interessen der Siedler wie ihrer Herrschaft gingen so beim Landesausbau H a n d in H a n d ; angesichts so augenscheinlicher Vorteile haben in einer Zeit, die keineswegs frei von nationalen Gegensätzlichkeiten war, auch Fürsten und Adel der Nachbarvölker sich der deutschen Siedler bedient, die über die fortgeschrittene Arbeitstechnik verfügten — der deutsche Schollenpflug war dem slawischen Arl (radio, Hakenpflug) weit überlegen — und deren Tätigkeit daher größeren Nutzen versprach und auf das eigene Volk beispielgebend und anspornend wirken konnte. Noch eindrucksvoller und schon äußerlich glänzender als die bäuerliche war die städtische Siedlung; daraus erklärt sich die Ambition von Fürstentum und Kirche bei Stadtgründung, Stadtausbau, Markt- und Stadtrechtsverleihung. Durch ihre Lebensarbeit erwarben Neubauern und Stadtbürger für sich und ihre Nachkommen das Heimatrecht diesseits und jenseits der Landesgrenzen. So schuf die Siedlungsbewegung eindrucksvolle und bleibende Leistungen friedlicher Kulturarbeit; ohne sie gäbe es kein österreichisches Volk, wie ohne das politische Einigungswerk der Fürsten keine Länder und keinen österreichischen Staat. Wirtschaftsleben

des

Hochmittelalters

Die bäuerliche Gemeinde und die Grundherrschaft sind neben der Familie jene bestimmenden Gemeinschaften, in deren Rahmen sich die wirtschaftende Tätigkeit des Bauern im Mittelalter vollzieht. Die Dorfgemeinde hatte vielerlei Grundlagen; Verwandtschaft („Freundschaft") und Nachbarschaft, Zusammenwirken in Rat und Hilfe unter den Dorfgenossen waren die wichtigsten. Dabei traten im Hochmittelalter die sippenrechtlichen Bindungen wohl schon stark zurück. Am bedeutendsten war die Regelung der nachbarlichen Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung der Fluren; die Einhaltung des Flurzwanges nach den Erfordernissen der Dreifelderwirtschaft im gemeinsamen regelmäßigen Wechsel von Saaten und Brache, gegenseitige Rücksichtnahme bei der Nutzung von Wald und Weide. Sorgsame Waldwirtschaft war notwendig geworden, als der ursprüngliche Reichtum an Wäldern in der Rodungsepoche gemindert worden war. Die Gemeinde sorgte für Instandhaltung von Brunnen, Wegen und Brücken, f ü r Festlegung und Überwachung der Flurgrenzen. Hier gab es oft Streitigkeiten zu regeln und Entscheidungen über Rechtsfragen sind es zumeist, die uns gelegentlich schon im Hochmittelalter Einblicke in das Funktionieren der Gemeinde und ihrer sehr begrenzten richterlichen Gewalt gestatten. Stärker als die Gemeinde tritt in den Quellen die Grundherrschaft in Erscheinung. Es handelt sich hier um einen zentralen Begriff ländlicher Rechts-

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und Wirtschaftsverhältnisse des Mittelalters, aber auch der Neuzeit, bis ins 19. Jahrhundert. Die Grundherrschaft ist nicht bloß eine über bäuerliche Verhältnisse hinausgehende landwirtschaftliche Betriebsform, ist nicht bloß Großgrundbesitz, sondern, wie der Name andeutet, auch Herrschaft über Land und Leute; der Grundherr gab den Boden gegen Verpflichtung zur Abgabenleistung unter wechselnden Rechtsbedingungen an minderfreie Bauern, einen Teil behielt er im Eigenbetrieb und ließ ihn durch Knechte bearbeiten. Diese Eigenwirtschaft wurde im Laufe des Hochmittelalters vielerorts zugunsten des Zinslandes eingeschränkt. Der Herrenhof und der Hof des Verwalters, des Meiers, waren naturgemäß größer als das normale Bauerngehöft; die großen Adelsherrschaften wurden von den Burgen aus verwaltet. Die Einheit des durchschnittlichen Bauernhofes war die Hufe, die nach dem Ertrag, weniger nach dem Grund, geschätzt wurde. In Niederösterreich war die Bezeichnung Lehen (Halblehen) häufiger; hier war die Grundfläche ausschlaggebend, das Lehen umfaßte in der Regel dreißig Joch Ackerboden und dazu noch ausreichende Waldnutzung. Die Abgaben der bäuerlichen Holden wurden im Hochmittelalter zumeist noch in Naturalien geleistet. Die Höhe der Abgaben war in dieser Zeit maßvoll und erträglich. Die österreichischen Bauern der späten Babenbergerzeit galten einem Neidhart von Reuental als sehr wohlhabend; er war freilich kein unparteiischer Beobachter. Im Ackerbau kam, nach den Abgaben zu schließen, die in den Urbaren, den Aufzeichnungen über Rechte und Einkünfte der Grundherrschaften, genannt werden, dem Hafer die meiste Bedeutung zu, an zweiter Stelle ist der Roggen zu erwähnen. Weizen und Gerste werden in älteren Quellen seltener genannt, die Hirse der Slawen ging mehr und mehr zurück. Ziemlich verbreitet war der Flachsbau, unter den Hülsenfrüchten sind Bohnen und Erbsen häufig. Sehr geschätzt war auch der Mohn. Hopfenbau ist im österreichischen Raum seit etwa 1200 nachweisbar. Mit großer Verbreitung und reichem Ertrag ist in den Quellen der Weinbau vertreten, auch in Gebieten wo er heute völlig fehlt, etwa in Oberösterreich und Kärnten. Namentlich die geistlichen Grundherrschaften, aber audi der Herzog von Österreich besaßen ausgedehnte Weingärten. Führend war naturgemäß der Weinbau Südtirols, der Südsteiermark und der niederösterreichischen Weingebiete. Unsere Quellen bezeugen schließlich eine sorgfältige Obstkultur in den „Baumgärten". Unter den Gartenpflanzen wird der Safran als Gewürz und Färbemittel im Hochmittelalter und später viel genannt. Die Viehzucht dürfte in dieser Epoche eher schwächer als später gewesen sein, im grundherrlichen Betrieb wurde sie wohl mehr gepflegt als im kleinbäuerlichen. Am öftesten wird die Schweinehaltung erwähnt, die Rinderzucht läßt sich in späteren Quellen aus Hinweisen über Abgaben von Milchprodukten an die Herrschaft nachweisen. Sie war namentlich in den westlichen Alpenländern mit ihrer alten und reichen Almwirtschaft von Bedeutung. Eine Sonderform der intensiven Viehwirtschaft, die Schwaigen,

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werden besonders in Tirol, Salzburg, Oberkärnten seit der Mitte des 12. Jahrhunderts oft genannt. Es handelt sich um Dauersiedlungen in hochgelegenen Einzelhöfen zum Zweck der Rinder- und Schafzucht; die Grundherrschaft stellte einige Tiere bei, die Schwaigen hatten als Gegenleistungen größere Käseabgaben zu liefern. Die Schafzucht war sonst namentlich im Alpenvorland häufig, wo es viel geeignetes Weideland gab; mehr noch als die Fleischverwertung wurde die Gewinnung und Bearbeitung der Wolle angestrebt. Große Ausdehnung hatte schließlich die Geflügelzucht; das Fastnachthuhn wird als typische Vogtabgabe in hoch- und spätmitteralterlichen Quellen viel erwähnt. Nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung kam der Fischerei und Fischzucht zu; im Waldviertel an der böhmischen Grenze gab es im ausgehenden Hochmittelalter schon Fischteiche. Die Donau- und Seeklöster leisteten Fischabgaben an ihre Vögte. Die Jagd spielte für die Ernährung eine unvergleichlich größere Rolle als in der Neuzeit, zugleich war sie ritterlicher, männlicher Sport. Geringere wirtschaftliche Funktion hatte die traditionsreiche, schon von Römern und Slawen geübte Bienenzucht. Als zweiter Wirtschaftszweig der Urproduktion ist nach der Landwirtschaft der alpenländische Bergbau zu nennen, der sich freilich erst im Spätmittelalter voll entfalten sollte. Der Salzbergbau erreichte erst allmählich wieder die Bedeutung wie in der römischen Epoche, immerhin besitzen wir über ihn mehr Nachrichten als über die anderen Bergbetriebe; für den menschlichen Genuß und als Viehsalz war das Salz eben unentbehrlich. In früherer Zeit erfolgte der Abbau des trockenen Steinsalzes, doch ist man schon im Hochmittelalter zum Soleverfahren übergegangen und nützte auch salzhältige Quellen aus. Oft finden wir mehrere Verfahren nebeneinander. Im bayerischösterreichischen Raum stammen die frühesten mittelalterlichen Zeugnisse für das Salzwesen aus Reichenhall, das von altersher Besitz der bayerischen Herzoge war. Unter anderen Gewinnungsstätten werden auch Hall am Inn, Hallein, (Bad) Hall bei Kremsmünster und Hall bei Admont genannt. Im 12. Jahrhundert gab es auch wieder einen Bergbetrieb im Salzkammergut. Hier hatten die österreichischen Landesfürsten ihre Salinen, von denen Aussee weitaus am wichtigsten war. Die steirischen Otakare, das Kloster Rein und die Babenberger (seit 1211) lösten einander hier im Bergbau und Siedebetrieb ab. Die kleinen „Mitsieder" wurden verdrängt. Da von den Salzgewinnungsstätten schiffbare Flußverbindungen zur Donau führten, spielte das Salz im Donauhandel eine sehr bedeutende Rolle, es stellte lange Zeit die Hauptfracht dar. Den zweiten Platz unter den Bergprodukten der Ostalpen nahm im Hochmittelalter das Eisen ein, auch bei der Eisengewinnung mußte eine langdauernde Unterbrechung während der Völkerwanderung überwunden werden. Im früheren Mittelalter gab es wieder einen primitiven Abbau durch slawische Bergleute im Kleinbetrieb, im Hochmittelalter ist der steirische Erzberg im Besitz der Otakare, wohl schon vor der Verleihung des Berg-

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regals durch Kaiser Friedrich I. im Jahre 1164. Die Otakare, nach ihnen die Babenberger, beschenkten zahlreiche Landesklöster, so Admont, Göss, Seitz, Rein, Seckau und Gairach mit Anteilen am Erzberg, die Besitzentwicklung verlief also ganz anders als im Salzbergbau. Hinter dem steirischen Erzberg standen die anderen Abbaustätten seit jeher zurück; zu nennen ist noch der Hüttenberg und andere Bergbetriebe Kärntens. In der Abbautechnik des Hochmittelalters begegnet uns bereits das auch weiterhin charakteristisch gebliebene Nebeneinander von Stollenbau und Tagbau, die Ausschmelzung des Metalls erfolgte anfangs mit Windöfen, seit dem 12. Jahrhundert mit Blasbälgen; zu Ende des Hochmittelalters wurden die Hammerwerke von den Schmelzöfen getrennt, offenbar mußte man die Hämmer wegen des beginnenden Holzmangels in waldreiche Gegenden verlegen, die außerdem über die nötige Wasserkraft verfügten. Nicht unbedeutend war der Edelmetallabbau. Im Gasteiner und im Rauriser Tal wurde Gold gewonnen, Bergherren waren hier die Grafen von Piain. Für die Münze wichtig war vor allem der Silberbergbau; die Steiermark besaß Silbergruben in der Zeiring und bei Schladming, audi in der Gegend von Friesach befanden sich Silberbergwerke; hier traten die Knappen bei der Empörung, die 1036 zum Tode der Söhne der Gräfin H e m m a von Zeltschach führte, schon früh als revolutionäres Element hervor. Die Bergwerke gingen dann in geistlichen Besitz über. Unter den Tiroler Silbergruben ist zu Ende der Epoche der Kitzbüheler Bergbau zu erwähnen. Hier und auch andernorts wurden Silber- und Kupfererze gemeinsam abgebaut. Der Bergbau wirkte sich in der Finanzwirtschaft der Fürsten und Städte entscheidend aus. Die alpenländische Silbergewinnung bot die Voraussetzungen für die Prägung und für den Erfolg des Friesacher, Kremser und schließlich doch auch des Wiener Pfennigs. Unter den Einnahmen der Landesfürsten aber überflügelten zu Ende des Hochmittelalters die Regalien, insbesondere Münze und Zoll, ganz wesentlich den Ertrag aus den Grundherrschaften. Die wirtschaftliche Stärke und Funktion der Städte des österreichischen Raumes war im einzelnen recht verschieden. Die Mehrzahl der kleineren Städte und Märkte, über die wir zumeist erst vom Ende des 12. Jahrhunderts an etwas eingehendere Nachrichten besitzen, hatten weniger oder nicht viel mehr als tausend Einwohner, dienten als Marktplätze für die Produkte der umliegenden Dörfer und wiesen in ihrer Bevölkerungsstruktur keine krassen sozialen Unterschiede auf. Die mittleren Besitzer, Händler und Handwerker, bildeten die Mehrzahl der Bewohner. In mittelgroßen Städten wie Steyr, Wiener Neustadt, St. Pölten, der Doppelstadt Krems und Stein, in Friesach oder Bozen war die Bevölkerung weniger einheitlich, schuf der Handel oder ein Exportgewerbe die Grundlage der ökonomischen Bedeutung der Siedlung. Wien, die einzige mittelalterliche Großstadt des österreichischen Raumes, wies mit den Taglöhnern und Weinbergarbeitern der Vorstädte, mit Fuhrknechten

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und Hauspersonal ein zahlenmäßig stärkeres Proletariat auf; andererseits befanden sich unter den grundbesitzenden und handeltreibenden Erbbürgern und den Angehörigen der Münzgemeinschaft der „Hausgenossen" Besitzer ungewöhnlich großer Vermögen. Der Amtmann und Münzmeister Leopolds VI., Dietrich, galt seinen Wiener Mitbürgern als „unmäßig reich"; er ist als Besitzer von Fleisch- und Fischbänken, verschiedenen H ö f e n in Stadt und Vorstadt und als Kirchengründer bezeugt und verfügte über bedeutenden politischen Einfluß. Neben den Münzer-Hausgenossen gehörten Tuchhändler, Wildwerker (Kürschner), Fleischhauer und Weinhändler zu den führenden Vermögensklassen, aus denen auch die Mitglieder des inneren Rats gewählt wurden, dem die eigentliche Stadtverwaltung oblag. Die späteren Babenberger dürften die wirtschaftliche Tätigkeit des Wiener Bürgertums durch große Gelddarlehen unterstützt haben. Obwohl den Zinsgeschäften kanonische Zinsverbote entgegenstanden, hat man sie keineswegs verschmäht; immerhin haben kirchliche Bedenken dazu beigetragen, daß im Geldgeschäft das jüdische Element einen unverhältnismäßig großen Anteil behielt, als es aus dem eigentlichen Handel schon weitgehend ausgeschaltet war. Dementsprechend behandelten die kaiserlichen und herzoglichen Judenprivilegien (1238 bzw. 1244) neben Maßnahmen für die persönliche Sicherheit und Gewährleistung der religiösen Einrichtungen vor allem Fragen des Pfandund Kreditrechtes. Über Gewerbe und Handwerk berichten die Quellen im allgemeinen später als über die Kaufmannschaft. Immerhin hören wir von babenbergischen Handwerksordnungen für die Bogner und Pfeilschifter; ein Privileg für die flämischen Tuchfärber Wiens ist im Original erhalten. Die Eisenschmelzer und Eisenschmiede der „Eisenwurzen" hatten einen guten Ruf und wurden schon im 12. Jahrhundert von den ungarischen Königen nach Siebenbürgen berufen. Große Bedeutung für die wirtschaftliche Stellung einer Stadt hatte die Verleihung des Stapelrechtes; in Österreich ist sie erstmalig im Wiener Privileg von 1221 bezeugt. Damals wurde verfügt, daß die oberdeutschen Kaufleute, Regensburger, Passauer und Schwaben, ihre Waren Wiener Händlern verkaufen mußten; die Weiterfahrt nach Ungarn war ihnen versperrt. Dadurch wurde der legitime Donauhandel nach Ungarn zum Monopol der Wiener — offenbar konnte man nur so die übermächtige Position der Regensburger beseitigen, — die 1192 von Herzog Leopold V. wichtige Gerichts- und Handelsrechte verbrieft erhalten hatten. Der durch das Stapelrecht errungene mühelose Zwischenhandel ist freilich nicht selten für eine merkantile Bequemlichkeit der Wiener Kaufmannschaft verantwortlich gemacht worden. Zahlreiche Mautbefreiungen babenbergischer und otakarischer Landesfürsten für österreichische und bayerische Klöster beweisen die Bedeutung des Donauweges für den Handel, namentlich mit Wein, Salz, Eisen und

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Tuchen. Von den Mautabgaben profitierten die Inhaber der Zollstätten, deren übergroße Zahl freilich den Handel behindern mußte. Angaben über das Gesamtvolumen des österreichischen Donauhandels lassen sich f ü r das Hochmittelalter noch nicht geben; soviel ist freilich sicher, daß die Einfuhr von Oberdeutschland, zumeist Salz und Tuche, die österreichische Ausfuhr donauaufwärts beträchtlich übertraf, während die Handelsbilanz mit Ungarn f ü r Österreich günstig gewesen sein muß. Mit dem Zollwesen hängen auch die meisten Angaben über den Handel auf den von N o r d e n nach Süden führenden Alpenstraßen und Paßübergängen zusammen, vor allem über den Durchgangshandel zwischen Deutschland und Italien. In den Privilegien Kaiser Konrads II. und Friedrich Barbarossas f ü r die Bischöfe von Brixen (1027, 1179) spielten die Zollrechte eine wichtige Rolle, ein Zollvertrag zwischen den G r a f e n von Görz und dem Patriarchen von Aquileia (1234) befaßt sich mit den Einkünften aus dem Handelsverkehr der Bayern, Steirer, Kärntner und Österreicher mit Italien. Nach der Erwerbung der Steiermark durch die Babenberger nahmen die österreichischen Donauländer am wichtigen Venedigerhandel Anteil, das k o m m t in den Zolltarifen von Wiener N e u s t a d t deutlich zum Ausdruck. Auch nach N o r den führten aus den Donauländern wichtige Handelsverbindungen; in otakarischen und babenbergischen Marktordnungen f ü r Enns wird der R u ß landhandel — wohl nach dem ruthenischen Ostgalizien — besonders erw ä h n t ; das salzlose Böhmen w a r ein wichtiger Abnehmer der bayrischen, salzburgischen und österreichischen Salinenproduktion. Wenn an einzelnen Handelswaren Mangel herrschte, suchte man ihre Ausfuhr zu stoppen; so erließ Herzog Friedrich II. 1235 ein Verbot der Getreideausfuhr aus seinen Ländern, von dem uns die Klagen Salzburger Annalisten berichten. Von solchen zeitweiligen M a ß n a h m e n abgesehen hatte aber die Intensität des Außen- wie des Binnenhandels schon wegen des Anwachsens der Bevölkerungszahl, des Aufblühens der Städte und der anspruchsvolleren Lebenshaltung seit Beginn der babenbergischen Epoche ganz erheblich zugenommen. Kirchliche und höfische

Kultur

Die Missionsarbeit war zu Beginn des Hochmittelalters im österreichischen R a u m im wesentlichen bereits abgeschlossen, die Organisation der Seelsorge erforderte allerdings noch erhebliche Energien und Mittel; neben ihrer vordringlichsten, in engerem Sinne geistlichen Aufgabe vollbrachte die Kirche aber auch eine imponierende Kulturleistung, einmal durch ihre Teilnahme am Siedlungswerk, dann durch eine gründliche Bildungs- und Erziehungsarbeit. Das Schulwesen war durch die Kirche bestimmt und von Geistlichen geleitet. Die Domschulen von Salzburg und Passau führten eine alte Tradition erfolgreich weiter, eine bedeutende Domschule besaß seit dem

Kirchliche und höfische K u l t u r

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Ende des 10. Jahrhunderts audi Brixen. Unter den Klosterschulen genoß die von Göttweig hervorragenden R u f , den sie Abt Hartmann (1094—1114) verdankte, und hier lernten auch viele junge Adelige. Gute Schulen gab es auch in Seitenstetten und Klosterneuburg, in Kremsmünster galt Abt Alram als Mehrer des Studiums, unter Propst Gerhoh(1132—1169)blühte die Stiftsschule von Reichersberg. In der Steiermark verfügte Admont mit Gottfried und Irimbert von Vemmingen über ausgezeichnete Lehrer. In Kärnten ist St. Paul zu nennen, in Tirol Neustift, Innichen und Georgenberg. Gerade die größeren Klöster besaßen neben den „inneren" Schulen für die Kleriker auch „äußere", deren zumeist adelige Schüler im weltlichen Stande verblieben. Gelegentlich kam es zu Konflikten mit den Zöglingen, namentlich im 13. Jahrhundert, als das Vagantentum immer schwerer zu zügeln war; 1242 trat Bischof Heinrich von Seckau scharf gegen die fahrenden Schüler auf. Unter den Pfarrschulen dürfte die Wiener zu St. Stephan ins 12. Jahrhundert zurückgehen; hier wirkte wohl unter Herzog Heinrich II. Jasomirgott der französische Frühscholastiker Magister Petrus, mit dem der streitbare Propst Gerhoh von Reichersberg, ein Vertreter des konservativen Symbolismus, eine heftige Gelehrtenfehde austrug. Die Bedeutung dieser Schule geht auch daraus hervor, daß sich Kaiser Friedrich II. während der Besetzung Wiens 1237 die Ernennung des Rektors vorbehielt, die sonst dem Herzog von Österreich zustand. Aus dem gleichen J a h r haben wir Nachrichten über eine Stadtschule in Bozen. Auch in kleineren Orten bestanden Pfarrschulen, wie gelegentliche Nennungen von Schulmeistern oder Schülern beweisen. Inhalt und Methode des Unterrichts waren recht konservativ, der Lehrstoff zerfiel in die überlieferten Fachgruppen des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und Quadriviums (Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik); als Lehrbücher wurden alterprobte Werke spätantiker und frühmittelalterlicher Autoren, wie eines Boethius, Martianus Capella, Beda Venerabiiis, Donat, Priscian oder Alcuin verwendet, von Dichtern namentlich Vergil, H o r a z , Ovid, Lucan, Arator gerne gelesen. Auch die Schriften der frühen Scholastiker, Anselm, Abaelard, Gilbert, H u g o von St. Viktor sind in den Klosterbibliotheken vertreten, waren aber schwerlich für den Gebrauch der Schüler bestimmt. Die Pädagogik der Zeit bediente sich drastischer Methoden, bei der Seltenheit der Bücher spielte das Auswendiglernen eine große Rolle, die Strafen waren empfindlich; Walter von der Vogelweide protestierte gegen den übermäßigen Gebrauch der Rute. An den Domkapiteln und in den Klöstern pflegte man das theologische Schrifttum, die religiöse Dichtung und namentlich auch die Geschichtsschreibung. Die Annalistik der österreichischen Klöster vermittelt uns die wichtigsten Nachrichten zur Zeitgeschichte in zumeist recht kurzer Form, nur gelegentlich in ausführlicherer Erzählung. Dabei kam allmählich audi eine landesgeschichtliche N o t e zur Geltung. Führend in dieser Art der Geschichts-

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Schreibung waren Melk, Zwettl, Heiligenkreuz und Kremsmünster; die Zusammenhänge zwischen den Annalen der verschiedenen Klöster bedürfen noch mancher Klärung. Eine selbständige Annalistik entfaltete sich in Salzburg (Annales sancti Rüperti) und vermutlich auch in Tirol, in Georgenberg. Hagiographisches und heimatgeschichtliches Interesse vereinigten sidi in erbaulichen Lebensbeschreibungen von der Art der Vita beati Altmanni aus Göttweig, der Passio Colomanni aus Melk und dem Klosterneuburger Chronicon pii marchionis. Durch Herkunft und Anfänge der Laufbahn gehört auch Bischof Otto von Freising, der bedeutendste Historiker des deutschen Hochmittelalters, in den Kreis der österreichischen kirchlichen Geschichtsschreibung. Seine Werke, die im Sinne einer neuartigen Auffassung augustinischer Gedankengänge geschriebene Weltchronik und das Buch über die Taten Kaiser Friedrichs I. bringen auch wertvolle Nachrichten zur Geschichte Österreichs und des babenbergischen Hauses, dem Otto entstammte. Über die Geschichte seines Klosters und über den Kirchenstreit der Zeit Friedrichs I. schrieb in kurzangebundener Form Magnus von Reichersberg. Das monastische Schrifttum bediente sich nicht nur des Lateins der Kirche als Ausdrucksmittel. Bedeutsame Werke in deutscher Sprache verdankten der Klosterkultur ihre Entstehung. Melk war ein Zentrum religiös-erbaulicher deutscher Dichtung. Die älteste, mit Namen bekannte Autorin in deutscher Sprache, Frau Ava, der wir ein gereimtes Leben Jesu, einen „Antichrist" und ein Gedicht über das jüngste Gericht verdanken, ist wohl mit der 1127 verstorbenen Melker Klausnerin gleichen Namens identisch. Unter Abt Erchanfried schrieb der Laienbruder Heinrich ein Lehrgedicht über die Mahnung des Todes. In einer Handschrift dieses Klosters ist schließlich das „Melker Marienlied" überliefert, in dem die im 12. Jahrhundert mächtig einsetzende Marienverehrung wirkungsvollen Ausdruck fand. Wir kennen auch eine Mariendichtung aus Seckau und auf einem Besitztum des Klosters St. Lambrecht entstand das bedeutsamste Marienheiligtum des österreichischen Raumes, schon im ausgehenden Hochmittelalter ein gern besuchter Wallfahrtsort, die Gnadenkirche von Maria Zell. Die Klosterkultur hatte sich trotz der grundsätzlichen Abkehr von der Welt eine Naturverbundenheit bewahrt; die religiöse Natursymbolik äußerte sich unter anderem in den unter dem gemeinsamen Namen des „Physiologus" bekannten Schriften über das Tierleben, die auf spätantike Vorbilder zurückgehen. Im 11. Jahrhundert wurde in Göttweig eine Verdeutschung der zur Physiologusliteratur gehörenden „Dicta Chrysostomi de natura bestiarum" verfaßt, in Kärnten, wohl in Millstatt, schuf man zur gleichen Zeit eine gereimte Physiologusübersetzung; im Millstätter Kreuzgang fand das Thema seinen Ausdruck durch die bildende Kunst. In die Außenwelt drängte schließlich das geistliche Drama, dessen Anfänge in Osterspielen des Hochmittelalters sichtbar werden. Nach den noch stark liturgisch gebundenen

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Osterfeiern des 12. Jahrhunderts, von denen manche aus Wien und seiner Umgebung stammende Handschriften zeugen, ist vor allem das Klosterneuburger Osterspiel vom Anfang des 13. Jahrhunderts zu nennen, in dem neben zahlreichen lateinischen Weisen die älteste Form des deutschen Liedes „Christ ist erstanden" überliefert wurde. Dem noch kirchlich frommen Spiel sollten bald volkstümliche, derbere Gestaltungen des Stoffes folgen. Die eigenschöpferische literarische Tätigkeit der Klöster war beachtlich, daneben aber lag das Hauptverdienst der emsigen Klosterschreiber doch in der Erhaltung und Verbreitung vieler Werke älterer Generationen in ungemein sorgfältigen, künstlerisch oft hervorragend ausgestatteten H a n d schriften; in Annalen, Chroniken, Necrologien, Urkunden und Traditionsnotizen überlieferten die klösterlichen Scriptorien der Nachwelt überdies die Mehrzahl der historischen Quellenzeugnisse. So bedeutend in Qualität und Zahl der Leistungen der kirchlichmonastische Beitrag zur österreichischen Geisteskultur des Hochmittelalters auch war, fand er doch in den Schöpfungen der ritterlich-höfischen Welt eine annähernd gleichwertige Ergänzung. Kirche und Adel standen einander mit ihren Werken freilich nicht fremd und unvermittelt gegenüber; der hohe Klerus war zumeist adeliger Abkunft und andererseits hatte die ritterliche Standesethik ihre stärksten Grundlagen in den christlichen Sittenlehren. Der Adel, die „Ritterschaft" im weiteren Sinne, umfaßte den Landesfürsten und seine Familie ebenso wie Edelfreie, Ministerialen, Ritter und edle Knechte, man bildete trotz mancher politischer Gegensätze eine Gemeinschaft, die sich im 12. Jahrhundert nach unten ständisch abschloß, untereinander aber durch ritterlichen Lebensstil und ein ausgeprägtes Standesbewußtsein zusammengehalten wurde. Die Grundlagen für diese Haltung wurden schon durch die Erziehung der adeligen Jugend geschaffen, die bei den Knaben durch die Schwertleite abgeschlossen wurde, mit der die Aufnahme in die Gemeinschaft der wehrhaften Ritter in festlichen Formen erfolgte. So erhielten bei der Vermählung Herzog Friedrichs II. 225 Knappen den Ritterschlag. Kundgebungen adeliger Zusammengehörigkeit waren audi die Turniere, von denen das Friesacher 1224 eine große Teilnehmerzahl aufwies; Ulrich von Liechtenstein berichtet von einem von ihm 1227 in Klosterneuburg veranstalteten großen Stechen; hier liegt aber wohl dichterische Übertreibung vor. Zur ritterlichen Erziehung gehörte im übrigen neben der köperlichen Ausbildung in Reiten, Fechten und Jagen auch eine musische Schulung in Spiel und Sang, eine allerdings sehr verschieden intensive geistige Bildung; wir begegnen immerhin hochgelehrten Angehörigen des Ritterstandes wie Rudolf von Ems, während ein so lebhafter Geist wie Ulrich von Liechtenstein des Lesens und Schreibens unkundig war. Besonders sorgfältig war die Erziehung der Fürstensöhne, ausdrücklich wird das etwa von den Babenbergern Friedrich I. und Friedrich II. erwähnt. Bei der Einführung in ritterliche Sitte und Art war der Frau eine wichtige erzieherische Funktion zugedacht, wie ihr über-

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haupt eine wesentliche Stellung in der adeligen Haushaltung zukam. Unter dem Einfluß des französisch-provengalischen Vorbildes hatte sich der gesellschaftliche Ehrenvorrang der Frau durchgesetzt, er kam in den Formen der Werbung und Eheschließung, in der Minnedichtung, aber auch in den Verirrungen des Frauendienstes zu Ausgang des Hochmittelalters zum Ausdruck. Einen guten Einblick in Ideale und Gedanken der Adelswelt gewährt die höfische Dichtung der Epoche, in der man wohl die bedeutendste literarische und überhaupt künstlerische Leistung des Standes sehen darf. Hier ist nun der österreichische Raum hervorragend vertreten. Der erste deutsche Minnesänger, der sich einen Namen zu schaffen wußte, der Kürenberger, gehörte einer ritterlichen Familie an, die sich nach dem Stammschloß bei Linz nannte; aus dem Mühlviertel kam Dietmar von Aist, des Kürenbergers jüngerer Landmann, der volkstümliche wie höfische Form in seinen Liedern gleichermaßen meisterte. Mit dem Babenberger H o f in enger Verbindung stand Herr Reinmar (der „Alte") von Hagenau, wohl eher aus dem Hagenau des Elsaß als dem der St. Pöltener Gegend stammend. Sein Schaffen war der „hohen" Minne gewidmet, der Anhimmelung der Frau ohne Aussicht auf Erhörung. Kraft- und humorvoller war das Minneideal Walters von der Vogelweide, des hervorragendsten deutschen Minnesängers und politischen Spruchdichters des Hochmittelalters. Uber Walters Heimat gibt es mancherlei Vermutungen, den Vogelweidhof, nach dem er sich nannte, suchte man zumeist im Eisacktal bei Laien in Südtirol. Österreich war zumindest seine Wahlheimat; hier lernte er nach eigenen Worten „singen und sagen". V o r 1198 und wieder etwa 1 2 0 3 — 1 2 0 8 wirkte er am Wiener Herzogshof, zwischendurch stand er auch in kaiserlichem Dienst. Als politischer Sprecher trat Walter gegen die überlegene Stellung des „welschen" Papsttums auf, auch sonst traf seine scharfe Kritik den geistlichen Stand; andererseits wandte er sich gegen ketzerische Strömungen und vermochte echtem religiösen Empfinden tiefen Ausdruck zu verleihen. So spiegelt sein Werk, das großen Anklang fand — er habe Tausende betört, bestätigte sein Gegenspieler Thomasin von Zirkläre — in ungemein lebendiger Weise die großen Ideen und Konflikte seiner Zeit. In wirklichkeitsnaher Form schilderte der in Österreich bald nach Walter auftretende Bayer Neidhart von Reuental ländliches Treiben und bäuerliche Liebeswerbung und Lustbarkeit; die eigenen Konflikte mit der bisweilen arg verhöhnten Bauernschaft machten Neidhart für spätere Generationen, die seine Person mit Spaßmachern des 14. Jahrhunderts verquickte, zu einer recht volkstümlichen Gestalt. In zwei Werken, dem Frauendienst und dem Frauenbuch, trat der steirische Ministeriale Ulrich von Liechtenstein als Vertreter eines extravaganten und bizarren Minnedienstes auf; die von ihm selbst geschilderte berühmte ritterliche Reise im Gewände der Frau Venus hat Ulrich in der im Frauendienst beschriebenen Form freilich kaum durchgeführt, dazu reichten seine Mittel nicht, doch enthält sein Werk viele biographisch und kulturgeschichtlich

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interessante Nachrichten. Ebenso wie Neidhart und Ulrich stand auch der vielleicht aus dem salzburgischen Lungau stammende Tannhauser mit dem Hofe Herzog Friedrichs II. in Verbindung. Vom Herzog erhielt er Güter in der Wiener Umgebung; nach dem Tode seines Gönners führte der Tannhauser ein recht unstetes Leben als Fahrender. Er beklagte seine Schwäche gegen die Verlockungen von Wein und Weib — daran knüpfte die Sage an, die ihn der „Frau Welt" erliegen läßt. Der Niederösterreicher Ulrich von Sachsendorf (bei Eggenburg) gehörte ebenfalls zum Hofkreis Herzog Friedrichs; von Ulrich stammen einige Reigen- und Minnelieder, die von gutem Formgefühl zeugen. Auch Tirol stellte mehrere Vertreter der Minnedichtung, von denen der Brixener Ministeriale Rubin und H e r r Walter von Metz dem Vorbilde Walters von der Vogelweide folgten. Das höfische Epos war in Österreich nur durch einen Epigonen vertreten, den vorarlbergischen Ministerialen Rudolf von Ems, einen Dichter von gründlicher Bildung und erstaunlicher Schaffenskraft. Sein historisches Wissen befähigte ihn zur Abfassung einer gereimten Weltchronik, in Behandlung eines beliebten Themas schrieb er einen Alexanderroman, aus der jüdischen Legende stammte das Motiv seines Versromans „Der gute Gerhard", in dem ein Kaufmann als Held der Dichtung auftritt, in „Barlaam und Josaphat" aber stellte Rudolf nach einer lateinischen Vorlage die indische Buddhalegende in verchristlichtem Gewände dar. In den Werken eines Neidhart und eines Rudolf von Ems, zuweilen schon bei Walter von der Vogelweide, ist im Stoff der Rahmen Adel und Kirche bereits gesprengt; gelegentlich aber fand das Volk audi Sprecher aus den eigenen Reihen und in eigener Sache, am eindrucksvollsten im „Meier Helmbrecht" des Innviertier Dichters Wernher des Gärtners, der in schlichter Darstellung das Leben eines jungen Bauernsohnes zeichnet, der höher hinaus will, dem Adel nachäfft und als Strauchdieb zugrundegeht. Aus bürgerlichen Kreisen stammte wohl der Stricker, ein Rheinfranke, der sich in Österreich aufhielt, wo seine Stücke zumeist spielen und wo auch seine Werke überliefert wurden. Neben historisierenden Dichtungen zeichnete er heitere Szenen aus dem bäuerlichen Familienleben; sein „Pfaffe Amis" ist wohl auch als Satire auf den Weltpriesterstand zu werten, dem der Held der Dichtung angehört, der seine Umgebung prellt, zuletzt aber ins Kloster geht. Die „Gäuhühner" schildern den erfolgreichen Widerstand der Bauern gegen Forderungen ihrer Herren. Die bedeutendste Schöpfung der österreichischen Dichtung des Hochmittelalters wird man in der Heldenepik sehen; in keinem anderen Gebiet außer Island ist so reiches germanisches Sagengut erhalten geblieben. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde das bedeutendste deutsche Volksepos durch einen Österreicher aufgezeichnet, der zum Babenbergerhof und zu den Bischöfen von Passau enge Beziehungen gehabt haben muß. Früher dachte man an den Kürenberger, neuerdings wurde der Kapellan Konrad von Ruß-

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Die Babenberger und das W e r d e n der österreichischen Länder

bach als Dichter des Nibelungenliedes in Betracht gezogen. Gute Kenntnis der österreichischen Landschaft und ihrer Menschen spricht aus seinem Werk. Wesentliche Teile der Dichtung spielen an der österreichischen Donau, die Hochzeit Etzels und Kriemhilts findet in Wien statt, Markgraf Rüdiger von Bechelaren (Pöchlarn) ist als Repräsentant höchster ritterlicher Ethik im Zwiespalt zwischen Mannen- und Freundestreue dargestellt, das Hunnenland trägt manche Züge des benachbarten Ungarn. Ältere burgundische Traditionen haben den Stoff gewiß schon in früherer Zeit in Österreich heimisch gemacht, sind doch auch andere Burgundersagen mit der bayerischösterreichischen Landschaft verknüpft. Neben dem Nibelungenlied ist vor allem die Gudrun zu nennen, deren Stoff vom Küstengebiet der Nordsee stammte, aber in Österreich unter inhaltlicher und formaler Einwirkung des Nibelungenliedes aufgezeichnet wurde; sie ist nur in einer späten von Maximilian I. veranlaßten Handschrift vollständig überliefert. Wie das Nibelungenlied mit Österreich, ist das um die Mitte des 13. Jahrhunderts aufgezeichnete Epos von Biterolf und seinem Sohne Dietleib mit der Steiermark verknüpft; mit beredten Worten sind die Vorzüge dieses Landes geschildert. Etwas älteren Datums ist das österreichische der beiden Fragmente des Liedes von Walter und Hiltgund. Die Helden der Biterolfund der Walterdichtung waren Goten; die gotische Heldensage war in Österreich ungemein populär, man hat den Namen des Landes oder einzelner Orte, wie etwa Göttweig, im Hoch- und Spätmittelalter von den Goten ableiten wollen, gelehrte und volkstümliche Überlieferung wirkten dabei zusammen. So nimmt es nicht Wunder, daß zahlreiche kleinere Heldenepen, als deren Zentralgestalt Dietrich von Bern, das epische Abbild des historischen Theoderich, auftritt, etwa der Rosengarten, Dietrichs Flucht, die Rabenschlacht, das Eckenlied und der Laurin entweder von österreichischen Spielleuten aufgezeichnet wurden oder aber in der österreichischen, namentlich der Tiroler Landschaft, spielen. Auch auf dem Gebiete der bildenden Künste hat das österreichische Hochmittelalter selbst Großes geschaffen und ebenso Verständnis für gute Leistungen fremder Provenienz gezeigt. Die sakrale Architektur wurde schon in der ottonischen Zeit, dann aber vor allem unter dem mächtigen Impuls der Reformbewegung in der Salzburger und Passauer Diözese durch eindrucksvolle Werke bereichert. Altmann von Passau und Konrad I. von Salzburg werden in ihren Lebensbeschreibungen nicht zuletzt wegen ihres Baueifers gerühmt. Die romanischen Bauten der Benediktiner und Zisterzienser waren im österreichischen Raum etwa im ersten Bau von Admont, in Lambach, Heiligenkreuz, Viktring und Baumgartenberg vertreten. Freilich sind die Bauten des Hochmittelalters in der Regel durch spätere Ergänzungen oder Umbauten verändert und selbst zerstört worden; denkmalkundliches Interesse darf man im Mittelalter und der früheren Neuzeit nicht voraussetzen, wenn auch Respekt vor den Leistungen früherer Generationen nicht

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gefehlt hat. Die Baukunst des 12. Jahrhunderts brachte als bedeutendste noch erhaltene Leistung die dreischiffige Pfeilerbasilika von Gurk hervor; gewaltige Ausmaße besaß der etwa zur gleichen Zeit errichtete erste Bau der Stephanskirche in Wien, der in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts von Herzog Friedrich II. durch eine frühgotische Neuanlage ersetzt wurde. Die Salzburger Ausgrabungen haben uns schließlich neue Aufschlüsse über den großen fünfschiffigen Dombau um 1200 gegeben. Es handelt sich hier um den größten romanischen Bau des deutschen Sprachgebietes. Eine interessante Sonderform der kirchlichen romanischen Baukunst stellen die zahlreichen Karrner (Beinhäuser) Niederösterreichs und Kärntens dar. Die Freskenmalerei brachte um 1140 im Nonnbergkloster in Salzburg und mehr als 100 Jahre später in Gurk Höchstleistungen hervor. In Klosterneuburg entstand um 1181 der Verduner Altar, ursprünglich eine Ambonenverkleidung, als Großleistung der Grubenschmelzkunst hergestellt von Meister Niklas, einem aus Lothringen berufenen Künstler von europäischer Geltung. In der Spätzeit der Romanik wurde die skulpturale Ausschmückung der etwa um 1220 (?) gebauten Pfarrkirche von Schöngrabern geschaffen. Die neue Richtung der Gotik w a r zunächst in den Bettelordenskirchen, etwa der Dominikanerkirche in Friesach, vertreten; als bedeutendste Leistung ist wohl der in reiner Hallengotik bald nach 1200 begonnene zweischiffige Chor von Lilienfeld zu werten, als Übergangsarchitektur kann man die Capeila speciosa von Klosterneuburg bezeichnen. Hier haben die Babenberger als Bauherren gewirkt, die früher schon die großen Pfalzanlagen von Klosterneuburg und Wien (Burg am H o f ) errichten ließen; der gleichen Zeit entstammten zahlreiche Burgbauten in allen Landschaften des österreichischen Raumes. Besonders eindrucksvoll ist die feste Anlage von Starhemberg, dem Zufluchtsort Herzog Friedrichs II. im Kampf mit dem Kaiser, wo später der babenbergische Schatz von den Deutschordensrittern gehütet wurde, oder der salzburgische Bau auf dem Petersberg in Friesach. Das romanische Kunstgewerbe w a r reich an Stücken guter Qualität; z w a r ging manches verloren, als Fürsten und Adel in Zeiten der Not sich auch an den Kirchenschätzen vergriffen, doch besitzen wir noch wertvolle Werke, wie das Salzburger Reliquienkreuz von 1030, den Rupertikelch von St. Peter und den Speisekelch von Wilten aus dem 12. Jahrhundert. In der Buchmalerei w a r im 11. und audi noch im 12. Jahrhundert die Salzburger Schule führend. In den Riesenbibeln des 11. Jahrhunderts, italienischem Import und Nachschöpfungen italienischer Vorbilder, fand die allgemeine Hinwendung der Zeit zum Bibelstudium ihren Ausdruck. Von der kirchlichen Textilkunst besitzen wir schon wegen der geringen Haltbarkeit des Stoffes wenig Zeugnisse, immerhin ist im Gösser Ornat ein berühmtes Stück vom Ende des Hochmittelalters bewahrt geblieben. Einem Überblick über Österreichs Geisteskultur im Hochmittelalter bietet sich ein Gesamtbild, das wohl mit dem politischen und Wirtschaft-

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Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder

liehen Aufstieg in der gleichen Zeit und mit der großartigen Entfaltung der Siedlung verglichen werden darf; handelt es sich doch um die einzige Epoche der deutschen Literaturgeschichte, in der das Schrifttum des österreichischen Raumes die Spitzenstellung hält, während die bildende Kunst Österreichs gewiß keinen Vergleich mit den Leistungen der Nachbargebiete zu scheuen braucht.

V. DAS S P Ä T M I T T E L A L T E R (1246—1526) U N D D I E H A B S B U R G I S C H E „ H E R R S C H A F T ZU Ö S T E R R E I C H "

Der Kampf um das Erbe der Babenberger.

König

Ottokar

Das Erlöschen des babenbergischen Mannesstammes drohte die staatliche Entwicklung Österreichs und der Steiermark in fremde Bahnen zu lenken; eine Aufspaltung in kleine Herrschaften war nicht mehr möglich, insofern konnte die politische Leistung der Babenberger nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die babenbergischen Länder wurden aber zum Objekt der Politik der Nachbarn, des premyslidischen Böhmen und des arpadischen Ungarn, auch das durch Familienzwist der Dynastie geschwächte wittelsbachische Bayern versuchte einzugreifen. Der Kaiser konnte daran denken, Österreich und Steier als heimgefallene Lehen zu behandeln. Schließlich gab es ein zweifellos von passauischen Kreisen fabriziertes angebliches Testament Herzog Friedrichs I I . , das dem apostolischen Stuhl die Verfügungsgewalt über die babenbergischen Länder zusprach, im übrigen aber als Grundlage für Ansprüche des von Herzog Friedrich I I . geschädigten Bistums Passau dienen sollte. Die Kurie berief sich nie auf dieses Falsifikat, es ist in Rom wohl garnicht bekannt geworden. Das Papsttum beschränkte sich auf die Unterstützung verschiedener Thronwerber. Im Privilegium minus war weibliche Erbfolge vorgesehen; zwar sprach der Wortlaut des Privilegs nur von Töchtern des Herzogs, doch hat man, das geht aus zeitgenössischen Nachrichten eindeutig hervor, in dieser Urkunde auch einen Anspruch der weiblichen Seitenverwandten begründet gesehen, von Friedrichs Schwester Margarete und von seiner Nichte Gertrud, der Tochter eines frühverstorbenen, übelbeleumundeten Bruders Heinrich. So bemühten sich die landfremden Prätendenten zur Legalisierung ihrer Ansprüche um die Ehe mit einer der beiden Babenbergerinnen, deren Ansprüche wohl als ziemlich gleichwertig galten. Gertrud vermählte sich noch im J a h r e 1246 mit dem böhmischen Prinzen Wladislav, dieser starb aber im Februar 1247, bevor er aktiv in die österreichischen Verhältnisse eingreifen konnte. Auch Gertrud machte später eine angebliche letztwillige Verfügung Friedrichs I I . geltend; da sie gute Beziehungen zur römischen Kurie unterhielt, bemühte man sich dort um einen passenden Bewerber aus dem Lager der Fürsten der päpstlichen Partei. Schließlich verfiel man auf Hermann von Baden, der nach Österreich kam und Gertrud heiratete, sich aber im Lande nicht recht durchzusetzen vermochte; ebensowenig Erfolg hatte G r a f O t t o von Eberstein als Reichsverweser in kaiser-

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

lichem Auftrag. Zu Ende des Jahres 1250 starben nacheinander Herzog Hermann und Kaiser Friedrich II., bald auch dessen gleichnamiger Enkel, der Sohn der Babenbergerin Margarete aus ihrer ersten Ehe mit König Heinrich (VII.). So waren die babenbergischen Länder ganz verwaist, nun richteten Angehörige des österreichischen Adels unter dem Eindruck verheerender Einfalle aus Ungarn und Bayern ihre Hoffnung auf den böhmischen Thronerben Ottokar, einen jüngeren Bruder des Wladislaw. Der energische und ehrgeizige Prinz erschien im Herbst 1251 im Lande und setzte sich rasch durch; im Februar 1252 heiratete er die wesentlich ältere Margarete und wurde bald allgemein anerkannt. Damit war aber der Kampf um die babenbergischen Länder keineswegs abgeschlossen; Gertrud hatte sich mit dem ruthenischen Fürsten Roman von Halicz, einem Verwandten des ungarischen Königs, vermählt und sich dadurch der allerdings nicht uneigennützigen ungarischen Hilfe versichert, die ungarische Intervention ging auch weiter, als sich Roman von Gertrud wieder trennte. Die beiden Babenbergerinnen waren eben nur Figuren im Machtkampf der Nachbarstaaten Österreichs. Nach päpstlicher Vermittlung beendete der Frieden von Ofen (1254) vorläufig die Kämpfe: Österreich, einschließlich des Traungaues und des Pittener Gebietes, fiel an Ottokar, während die Ungarn sich die Steiermark sicherten, Gertrud sollte anderweitig entschädigt werden. In den nächsten Jahren suchte Ottokar durch Landfriedenserlässe die inneren Angelegenheiten Österreichs zu ordnen, dabei zeigte sich schon die Tendenz des Einschreitens gegen den Adel, der ihn doch ins Land gerufen hatte, und eine Begünstigung der Kirche, später auch der Städte. Ein Krieg gegen Bayern verlief wenig erfolgreich; neue Komplikationen schuf eine Doppelwahl im Erzbistum Salzburg, wo der zuerst gewählte Kandidat Philipp aus dem Hause der Spanheimer, ein durchaus weltlich gesinnter Fürstensohn, die Weihen vermied, weil er sich Erbansprüche in Kärnten und Krain wahren wollte. Er stützte sich auf Ottokar, der Gegenkandidat Ulrich von Kirchberg, früher Protonotar der babenbergischen Kanzlei, hoffte auf ungarische Hilfe. Er verfügte aber nur über geringe Mittel und fiel 1259 bei einem verzweifelten Vorstoß gegen Salzburg sogar vorübergehend in König Ottokars H a n d . Nach diesen Mißerfolgen wurde Ulrich allmählich audi von der Kurie fallengelassen, die ihn zunächst dem so unkirchlichen Philipp vorgezogen hatte. Beim Ausbruch der Salzburger Wirren nahm der steirische Adel die Gelegenheit wahr, sich der recht drückenden, auf Besatzungen im Lande gestützten ungarischen Herrschaft zu entziehen; dazu war Anlehnung an Ottokar nötig, der dem steirischen Aufstand durch österreichische Kontingente zum Erfolg verhalf. Schließlich kam es zum offenen Kampf zwischen Böhmen und Ungarn, und da siegte nach anfänglichen Unfällen das vereinigte böhmisch-österreichische Heer bei Groißenbrunn über die Ungarn. Im Frieden von Wien verzichteten die Ungarn schließlich zugunsten Ottokars auf die Herrschaft über die Steiermark (1261).

Der Kampf um das Erbe der Babenberger. König Ottokar

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Bald schien es Ottokar nicht mehr nötig, die dynastischen Gefühle der Bevölkerung der babenbergischen Länder zu schonen; er erlangte die Trennung der kinderlos gebliebenen Ehe mit Margarete und vermählte sich mit einer Verwandten des ungarischen Königs, Kunigunde von Halicz. Im übrigen war Ottokar nach Kräften tätig, die in Deutschland nach dem Tode König Konrads IV. (1254) herrschenden chaotischen Verhältnisse auszunützen; nicht umsonst unterstützten seine Vertreter bei der Doppelwahl von 1256 nacheinander beide Bewerber, um jede Konsolidierung der Reichsgewalt zu verhindern, die den eigenen Ausdehnungsbestrebungen entgegenwirken mußte. Immerhin ließ er sich von einem der beiden deutschen Scheinkönige, Richard von Cornwall, im Jahre 1262 schriftlich mit den babenbergischen Ländern belehnen, was dem Rechtsbrauch widersprach. Der Adel hatte Ottokar sowohl in Österreich wie in Steiermark freundlich aufgenommen, notwendigerweise aber mußte er mit jedem Fürsten, der seine Position zu stärken suchte, in Konflikt geraten; von Ottokar trennte ihn überdies das Mißtrauen gegen den Landfremden, der wichtige Ämter in Österreich und namentlich in der Steiermark an Böhmen und Mährer vergab. Im Jahre 1265 begann der König vielerorts die in der Zeit der Wirren ohne landesfürstliche Bewilligung gebauten Burgen zu brechen. Die unzufriedenen Adeligen dürften mit Standesgenossen in den Sudetenländern in Verbindung getreten sein, Ottokar griff ein und ließ den österreichischen Landrichter Otto von Meissau hinrichten. Im Jahre 1268 wurden zahlreiche steirische Adelige verhaftet, schließlich wurde auch der hochangesehene Südsteirer Seifried von Mahrenberg ohne Gerichtsverfahren im Kerker getötet. Diese Politik der H ä r t e gegen eine gewiß schwer zu zügelnde Aristokratie war solange erfolgreich, als sich zum Widerstand in den österreichischen Ländern kein äußerer Feind gesellte, der stärker war als das durch interne Auseinandersetzungen gelähmte ungarische Königtum. Im übrigen hatte sich Ottokar die Unterstützung breiterer Schichten gesichert, vor allem der Stadtbürger und der kleinen Ritter, die er auf Kosten der großen Standesherren bevorzugte. Diese Tendenz sprach aus den ottokarischen Ergänzungen des babenbergischen österreichischen Landrechtes, die etwa ins Jahr 1266 gehören, während der Landfrieden von 1254 dem Adel große Zugeständnisse gemacht hatte. Auch Kirchen und Klöster wurden durch die strenge Friedenswahrung des Landesfürsten geschützt. Besonders das Bistum Passau, das selbst von einem durchaus bedeutenden Prälaten, Bischof Otto von Lonstorf (1254—1265), verwaltet wurde, verdankte Ottokar viel. Den alten babenbergischen Gedanken, Wien zum Landesbistum zu machen, scheint auch Ottokar gehegt zu haben, doch gab er ihn wohl bald auf. Babenbergischer Tradition entsprach es auch, wenn Ottokar gegen die zumeist waldensischen Sektierer scharf vorging. Es blieb ohne alle praktische Bedeutung, wenn Friedrich, der Sohn Gertruds aus ihrer Ehe mit Hermann von Baden, testamentarisch Österreich 8

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den Wittelsbachern und Steiermark seiner Mutter vermachte, bevor er das tragische Schicksal Konradins auf dem Blutgerüst zu Neapel 1268 teilte; bald vertrieb Ottokar Gertrud aus der Steiermark; sie verbrachte ihre letzten Jahre im sächsischen Kloster Seuslitz, wo sie noch Niederlage und Tod ihres Gegenspielers erlebte. Vorerst aber verstärkte sich Ottokars Position noch wesentlich. Philipp von Spanheim, noch immer ohne Weihen, war ein unwilliger, Ulrich von Kirchberg ein untauglicher Erzbischof; der eine wurde vertrieben, der andere dankte ab, und das Salzburger Domkapitel wählte Ottokars Neffen Wladislaw zum Erzbischof (1265—1270). Der im Erzbistum ausgeschaltete Philipp dachte an die Erbfolge in Kärnten, als sein Bruder Ulrich, der dem Vater als Herzog dieses Landes gefolgt war, im Jahre 1269 starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Doch Ulrich vermachte seine Länder Kärnten und Krain, wohl um ihnen Wirren und Thronkämpfe zu ersparen, testamentarisch an König Ottokar. Dieser setzte sich nach erneuten und schweren Waffengängen mit Ungarn, dem er wieder einmal den Rang abgelaufen hatte, in den spanheimischen Ländern auch durch. Im Jahre 1272 wurde er überdies Generalkapitän von Friaul und damit praktisch Herr im Patriarchat von Aquileia. So reichte nunmehr die Herrschaft des Böhmenkönigs von den Sudetenländern bis zur Adria. Ottokar fühlte sich so sicher, daß er gar nicht mehr um eine Belehnung mit Kärnten und Krain ansuchte. Bald aber sollte die Reichsgewalt wiederhergestellt werden, deren Zusammenbruch die Voraussetzung für Ottokars Aufstieg geboten hatte. Am 29. September 1273 wurde Graf Rudolf von Habsburg auf Vorschlag des Erzbischofs von Mainz und des Burggrafen von Nürnberg zum deutschen König gewählt; vergebens hatte der Abgesandte Ottokars opponiert, während die Propaganda des Premysliden nicht ganz mit Recht über den „armen Grafen" spottete, der in Wirklichkeit ein reichbegüterter, kriegserfahrener und weltkluger Herr war und als König bald mit jener zielbewußten Nüchternheit vorging, welche seinen Aufstieg im deutschen Südwesten gekennzeichnet hatte. Ottokar verfügte gewiß über ganz andere Machtmittel — aber gerade das war ein Hauptgrund, warum weder die deutschen Fürsten noch Papst Gregor X . ihn auf dem deutschen Königsthron sehen wollten. Rudolf von Habsburg war ebensowenig wie die deutschen Fürsten gesonnen, die Großmachtstellung Ottokars innerhalb des Reiches hinzunehmen. Die Weigerung des Böhmenkönigs, vor dem Nürnberger Gerichtstag zu erscheinen, gab ebenso wie die Versäumnis des Lehensempfanges einen ausreichenden Rechtsgrund, um über Ottokar die Reichsacht und nach Ablauf eines Jahres die Aberacht zu verhängen. Adel und Prälaten der österreichischen Länder neigten bald zu Rudolf; die Stellungnahme des Papstes Gregor X . und die rudolfinische Propaganda der Bettelmönche beeindruckte wohl auch breitere Volksschichten, doch war die Stellung Ottokars, der gegen alle Regungen der Unzufriedenheit sehr scharf vorging, bis zum Sommer

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1276 ziemlich unerschüttert. König Rudolf verband sich damals mit Ungarn, auch die Wittelsbacher, der Erzbischof von Salzburg, die Görzer Brüder Meinhart und Albert standen auf seiner Seite. Als die Heere des deutschen Königs und seiner Verbündeten in Österreich, Steiermark und Kärnten einrückten, fiel der Adel und die Mehrzahl der Städte rasch von Ottokar ab, nur Wien hielt länger aus. So entschloß sich Ottokar zu kampfloser Unterwerfung. Er verzichtete auf die österreichischen Länder und auf Eger, dagegen wurden ihm Böhmen und Mähren als Lehen wieder übertragen. Rudolf von Habsburg erließ einen Landfrieden für die österreichischen Länder, dessen Bestimmungen eine Bevorzugung des Adels andeuten, der Burgenbau wurde ihm freigegeben. Man mußte aber auch jene Kreise gewinnen, die sich der Fürsorge Ottokars erfreut hatten. Die Städte, als erste Krems und Tulln, erhielten zahlreiche Privilegien; Wien wurde die Reichsunmittelbarkeit bestätigt, die einst Kaiser Friedrich II. (1237) verliehen hatte; den Klöstern gegenüber erwies sich Rudolf als nicht minder großzügig als der Böhmenkönig. Die Erfolge Rudolfs von Habsburg erweckten bei den deutschen Kurfürsten Bedenken; es schien klar, daß er die babenbergischen Länder seinem Hause sichern wolle; so erkaltete bald der Eifer zur Unterstützung der Reichsgewalt, der ohnedies nie groß gewesen war. Andererseits knüpfte Ottokar Verbindungen zu seinen immer noch zahlreichen Anhängern in Österreich und verweigerte die Räumung verschiedener Plätze. Herzog Heinrich von Niederbayern trat offen auf seine Seite, die Kuenringer erhoben sich zu Ottokars Gunsten, eine Verschwörung Wiener Erbbürger unter Führung Paltrams „vor dem Stephansfreithof" wurde aufgedeckt. So kam es wieder zum Kampf zwischen Rudolf und Ottokar und beide suchten Verbündete. Rudolf verfügte diesmal nicht über allzuviel Mannschaft, er konnte sich auf die Ritterschaft der österreichischen Länder und auf das Aufgebot der althabsburgischen Gebiete stützen, der Erzbischof von Salzburg, der Bischof von Basel und der Burggraf von Nürnberg führten einige Verstärkungen zu, ganz Norddeutschland und die Kurfürsten hielten sich ferne; so war es wichtig, daß ein großes ungarisches Heer unter König Ladislaus zu ihm stieß. Im Heere Ottokars standen neben Böhmen und Mährern viele Ritter aus Brandenburg, Thüringen, Schlesien und Polen; während er bisher die deutsche Siedlung in seinen Ländern zum Mißbehagen einer nationaltschechischen Opposition gefördert hatte, appellierte Ottokar im Endkampf an die slawische Solidarität gegen die Deutschen, audi auf der Gegenseite war eine nationale Propaganda tätig, doch wird man diesen Aspekt des Kampfes angesichts der sehr gemischten Zusammensetzung beider Heere wohl nicht überschätzen dürfen. Am 26. August 1278 erfocht Rudolf bei Dürnkrut nach wechselvollem Kampf durch geschickten Einsatz einer Reserve einen vollständigen Sieg, Ottokar wurde auf der Flucht von persönlichen Feinden, wohl Verwandten des hingerichteten Mahrenbergers, gestellt und erschlagen. 8·

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D a s Spätmittelalter und die habsburgisdie „Herrschaft zu Österreich"

Der Sieger drang in rascher Verfolgung des feindlichen Heeres nach Böhmen und Mähren vor; als sich der Widerstand versteifte, Schloß man Frieden, der dem Habsburger die Verfügung über die österreichischen Länder bestätigte. Eine Doppelhochzeit zwischen Kindern Rudolfs und Ottokars sollte den Gegensatz zwischen den Dynastien überwinden helfen. Rudolfs Sohn gleichen Namens heiratete Ottokars Tochter Agnes, während der böhmische Thronerbe Wenzel des deutschen Königs Tochter Guta ehelichte. Die Schlacht am Marchfeld hatte für Österreichs Geschichte epochale Bedeutung. Sie bot die Voraussetzung für die Belehnung der Söhne König Rudolfs mit Österreich und Steiermark, jenen Akt, welcher die sechshundertdreißigjährige Herrschaft der Habsburger im österreichischen Raum begründete. Sie verhinderte eine Entwicklung, durch die Österreich zu einem Nebenland der böhmischen Krone, wie etwa Mähren und später Schlesien, absinken konnte. Den gelegentlich geäußerten Gedanken, daß ein Sieg Ottokars — und damit die Herrschaft dieses Königs über ein überwiegend deutsch besiedeltes Reich — vielleicht zur Eindeutschung der Tschechen geführt hätte, wird man zurückweisen dürfen; der Machtgewinn seiner Dynastie konnte den Bestand des tschechischen Volkes nicht gefährden, eher hätte er eine Expansion des slawischen Adels der Sudetenländer bewirkt. Die Zeitgenossen stellten keine so weitreichenden und problematischen Überlegungen an, auf sie machte der tragische Tod eines Königs, der 26 Jahre erfolgreich über die babenbergischen Länder geherrscht hatte, den stärksten Eindruck. In den Nachrichten der österreichischen Annalisten über Ottokars Schlachtentod überwiegen Sympathie und Anteilnahme, wenn auch feindliche Stimmen nicht fehlen. Erst im Geschichtswerk des steirischen Reimchronisten wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Bild der groß angelegten aber bedenkenlosen Herrscherpersönlichkeit gezeichnet, deren Selbstüberhebung zum Untergang führt, und in deren Schicksal sich die göttliche Vergeltung erweist; ein Bild, das zusammen mit der noch frischen Erinnerung an Napoleon Grillparzers Ottokar so sehr beeinflußte. Ungünstig wirkte sich für die Beurteilung Ottokars auch die unfreundliche Charakteristik aus, die der König in der angeblich vom Beichtvater der Königin Margarete Pernold verfaßten Chronik fand — hier handelt es sich aber um ein von dem Lilienfelder Geschichtsschreiber Chrysostomus Hanthaler im 18. Jahrhundert fabriziertes Machwerk. Tatsächlich müssen wir in Ottokar einen bedeutenden Herrscher sehen, dem Österreich — ebenso wie seinem Gegenspieler Rudolf — viel verdankte; der freilich in den späteren Jahren seiner Regierung, als sich die Widerstände mehrten, unsicher wurde und gegen wirkliche und vermeintliche Gegner mit übermäßiger H ä r t e vorging. Die Anfänge

der Habsburger

in

Österreich

Die großen Reichsfürsten hatten Rudolf von Habsburg beim zweiten Zug gegen Ottokar im Stiche gelassen, daher brauchte der deutsche König

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nach errungenem Sieg auf sie nicht viel Rücksicht nehmen. Schon im Frieden von 1276 hatte er sich der babenbergischen Allodien versichert. G r a f Ulrich von Heunburg und seine Gattin Agnes, die Tochter Hermanns von Baden und Gertruds, verzichteten im Jahre 1279 gegen entsprechende Entschädigung auf ihre Ansprüche. Damit war alle erbrechtliche Problematik ausgeschaltet. Rudolf bemühte sich auch erfolgreich um die kirchlichen Lehen und ernannte 1281 seinen tatkräftigen Sohn Albrecht zum Landesverweser. Ein R a t der Landherren, der aus Edelfreien und Ministerialen bestand, sollte Albrecht bei der Regierung unterstützen; so suchte man die angesichts der energischen Herrscherpersönlichkeit Albrechts aufsteigenden Bedenken des österreichischen Adels zu besänftigen, der sich ja nicht gegen Ottokar erhoben hatte, um ein anderes aber als ebenso drückend empfundenes Regiment anerkennen zu müssen. Zu Weihnachten 1282 erfolgte schließlich die Belehnung der beiden Königssöhne Albrecht und Rudolf „zu gesamter H a n d " (das hieß zu gemeinsamer, ungeteilter Herrschaft) mit Österreich, Steiermark und Krain. Die Kurfürsten gaben ihre Zustimmung, aber die Doppelregierung der Brüder war für österreichische Verhältnisse ungewohnt, so erbat man eine Änderung, und im Vertrag von Rheinfelden (1. Juni 1283) wurde Herzog Albrecht allein mit der Landesherrschaft betraut. Rudolf und seine Erben sollten territorial oder durch Geld entschädigt werden. Die Nichteinhaltung dieser Bestimmung sollte sich tragisch auswirken. Die österreichischen Ministerialen bestätigten in einer eigenen Urkunde den habsburgischen Hausvertrag; tatsächlich dürften sie aber die Alleinherrschaft Albrechts bald unangenehmer empfunden haben als die frühere Regelung. Noch ein anderer Umstand gab dem Adel und darüber hinaus breiteren Bevölkerungsschichten Anlaß zu Unzufriedenheit. Die neuen Herren waren nicht allein gekommen, sondern brachten eine größere Zahl von schwäbischen Gefolgsleuten mit, die nach Ansicht der Einheimischen von den Habsburgern allzusehr begünstigt wurden. Klagen über die „Schwaben", die bald an allem Ungemach Schuld trugen, welches die österreichischen Lande traf, waren zahlreich und heftig. Unter diesen Adeligen aus den schwäbischen Vorlanden errangen bald Hermann von Landenberg als österreichischer H o f marschall und Eberhard von Wallsee als Landrichter ob der Enns führende Stellungen; auch die Familien Oettingen, Hohenberg-Heigerloch, Klingenberg und andere waren am Wiener H o f vertreten, die schwäbische Mundart wurde zu einer Art Hofsprache. Die Habsburger waren ja selbst ein echt alamannisches Geschlecht. In genealogischen Fabeleien des Mittelalters und der Renaissancezeit versuchte man freilich, sie von stadtrömischen Adelshäusern, den Colonna und Pierleoni abzuleiten, bald hat man auch die fränkische Version der Trojanersage und biblische Ahnenlisten für die Habsburgergenealogie verwertet. Neben den Schwaben galten auch dem Südtiroler Ulrich von Taufers, den der Herzog 1289 fallenließ, und vor allem dem Abt Heinrich von Admont heftige Angriffe. Der Abt, ein begabter steirischer Bauern-

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söhn, wurde als Landschreiber und später als Landeshauptmann der Steiermark zum bestgehaßten Feind des Adels; schließlich fiel er einem Mordanschlag zum Opfer. Das erfolgreiche, aber fieberhafte und drastische Handeln Albrechts und der Leute seines Vertrauens, etwa die rücksichtslose Durchführung von Güterkonfiskationen, zeigten, wie wenig der Herzog gesonnen war, ein Landesfürst von des Adels Gnaden zu sein. Das Verhältnis der neuen österreichischen Herrschaft der Habsburger zu den Nachbarn war ebenfalls heikel. Die Belehnung von 1282 betraf auch Krain, doch blieb dieses Land praktisch als Pfand im Besitz Meinhards I I . von Görz-Tirol, dem König Rudolf auch das Kärntner Herzogtum freihielt. Man blieb bei der bisherigen Regelung des Krainer Problems, auch als Meinhard 1286 unter Verzicht auf weitergehende Ansprüche mit dem Herzogtum Kärnten belehnt wurde. Bei grundsätzlicher Aufrechterhaltung des habsburgischen Lehenstitels führte Meinhard die Verwaltung Krains. Grenzkonflikte mit Bayern wurden von Albrecht rasch beigelegt. Verbindungen der Wiener Bürgerschaft mit aufsässigen Adeligen benützte der Herzog unter Ausnützung der Gegensätze zwischen den Erbbürgern und den ärmeren Bevölkerungsschichten, um der Stadt, nachdem ihr Widerstand gebrochen war, die Reichsfreiheit zu entziehen. Die weitere Entwicklung Wiens sollte im Rahmen der habsburgischen Hausmacht vor sich gehen, doch gab sie im späteren Mittelalter noch viele Beweise selbständiger politischer A k tivität. Herzog Albrecht blieb auch in einer heftigen Fehde mit dem Erzbischof von Salzburg erfolgreich, in der es vor allem um Besitzungen und Rechte im Ennstal ging; im J a h r e 1290 vermittelte König Rudolf einen für den Herzog günstigen Vertrag. An der ungarischen Grenze, wo unbotmäßige Magnaten, namentlich die Güssinger, ihrem eigenen König trotzten, aber audi Österreich durch dauernde Einfalle beunruhigten, griff der Herzog scharf durch; es gelang ihm, für einige Zeit zahlreiche Burgen und O r t schaften jenseits der Leitha bis zum Neusiedler See und weiter im Süden die Stadt Güns in seine H a n d zu bekommen. Als ihm sein Vater nach dem Tode Ladislaus' I V . die Stefanskrone zusprach — dabei ein von Ungarn abgelehntes Hoheitsrecht des deutschen Reiches geltend machte—, schienen sich ungeahnte Möglichkeiten zu bieten. Am 15. Juli 1291 starb aber Rudolf von Habsburg, dem Herzog Albrecht seine österreichische Stellung verdankte. Albrecht wäre nun gewiß der berufenste Anwärter auf die deutsche Königskrone gewesen, doch hatten die Fürsten ihn fürchten gelernt und seine Wahl konnte als Anerkennung eines erblichen Thronanspruches der Habsburger gelten und damit das Wahlrecht der Fürsten gefährden oder doch zur Formalität machen. Zwei Söhne Rudolfs, die mehr Sympathien besessen hatten als der energische Albrecht, waren noch vor dem Vater gestorben. Die Pläne der Gegner Albrechts und der Habsburger waren damals sehr weitreichend. D e r T o d König Rudolfs schien die Möglichkeit zu bieten, sein ganzes W e r k aus den Angeln zu heben. In Einverständnis mit Papst

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Nikolaus IV. bildete sich ein umfassendes Bündnis, dem die Könige von Ungarn und Böhmen, der Herzog von Niederbayern, der Graf von Savoyen, die Kirchenfürsten von Salzburg, Aquileia und Konstanz, die lombardischen Städte und auch schon die Eidgenossen angehörten. Albrecht von Österreich und Meinhard II. von Görz-Tirol sollten in Zusammenarbeit mit den zahlreichen Unzufriedenen in ihren Ländern ihrer Herzogtümer beraubt werden. Der gefährlichste Feind der Habsburger stand im Osten. Die Ungarn hatten sich weder dem Spruche König Rudolfs noch der Entscheidung des Papstes gefügt, sondern einen nationalen König, Andreas III., gewählt. Andreas erwies sich allen Gegnern militärisch überlegen und drang, gestützt auf das Bündnis mit dem neuen Salzburger Erzbischof Konrad von Vanstorf, unter schweren Verwüstungen in Österreich vor. Durch einen raschen Friedensschluß unter Verzicht auf die doch nicht realisierbaren ungarischen Ansprüche, schaltete Albrecht diese Gefahr aus. Der König von Böhmen, Wenzel II., zog sich unter dem Einfluß seiner Gemahlin Guta, einer Schwester Albrechts, wieder aus der Allianz zurück. Die Burgen der österreichischen Aufständischen wurden gebrochen, und die Erhebung in der Steiermark durch einen raschen Winterfeldzug über den Semmering niedergeworfen. Dem Erzbischof von Salzburg kam Albrecht durch weitgehende Zugeständnisse in Territorial- und Vogteifragen entgegen. Ebenso tatkräftig hatte Meinhard II. inzwischen eine Kärntner Erhebung niedergeworfen. So war man gemeinsam einer tödlichen Gefahr H e r r geworden. Die Kurfürsten konnte Albrecht aber nicht gewinnen. Zum König wurde im Jahre 1292 Adolf von Nassau gewählt; diesmal hatte man wirklich einen kleinen Grafen erkoren. Der neue König stand vor der Schicksalsfrage, sich eine Hausmacht zu schaffen oder aber ein Schattenherrscher zu bleiben. Bei seinem Kampf um die Erwerbung einer Landesherrschaft in Meißen und Thüringen geriet Adolf mit den Kurfürsten in Konflikt, er wurde seinen Verbündeten vertragsbrüchig und schließlich von den Kurfürsten, die der Ansicht waren, den König nicht bloß wählen, sondern audi absetzen zu können, seines Thrones verlustig erklärt. Sechs Kurfürsten wählten Herzog Albrecht, der 1295 eine erneute Empörung in den österreichischen Ländern überwunden hatte und der allein die nötigen Mittel besaß, um sich durchsetzen zu können, zum Gegenkönig. Er nahm den Kampf auf und siegte entscheidend in der Reiterschlacht bei Göllheim in Rheinhessen, in der der Nassauer fiel. Albrecht legte seine Königswürde zweifelhafter Rechtsgrundlage zurück und wurde nochmals einmütig gewählt. Die Kurfürsten konnten keine Freude an einem mächtigen Herrscher haben, der bald zeigte, daß er mehr war als ihr Werkzeug. Die Gegensätze spitzten sich zu, aber Albrecht hatte vorgesorgt; es war ihm gelungen, in den Reichsfragen eine Zusammenarbeit mit Brandenburg, und vor allem mit Böhmen, dessen Expansion nach Osten abgelenkt werden konnte, einzuleiten und Philipp IV. von Frankreich für ein Familienbündnis zu gewinnen.

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Das S p ä t m i t t e l a l t e r und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

Albrechts Sohn heiratete etwas später (1300) Blanche von Valois; der Ehekontrakt, in dem die Erbfolge der erwarteten Kinder nach dem Grundsatz der Primogenitur geregelt wurde, brachte dieses Prinzip in das österreichische Thronrecht; da die Ehe kinderlos blieb, hatte das aber zunächst keine p r a k tische Bedeutung. Als sich die rheinischen Kurfürsten gegen König Albrecht erhoben, hatten sie sich verrechnet. In schnellen, rücksichtslosen Feldzügen brach Albrecht ihren Widerstand. Und nun ging er, nachdem er schon 1298 seine Söhne zur gesamten H a n d mit Österreich und Steiermark belehnt hatte, an die Mehrung der habsburgischen Hausmacht. Diese sollte die Grundlage des deutschen Königtums werden, das Albrecht offensichtlich nach dem Vorbild des französischen neu zu organisieren unternahm. Durch einen konsequenten Ausbau der Verwaltung schuf sich Albrecht die nötigen Mittel für seine Politik. Wohlhabende Wiener Bürger, die mit ihrem Vermögen für die Gebarung haften konnten, bekleideten das Amt des Landschreibers, dem die Finanzverwaltung unterstand. Die Erfordernisse der landesfürstlichen H o f haltung kontrollierte ein Kammergraf, die Domänenverwaltung unterstand dem Hubmeister, der in den folgenden Jahrzehnten zum Inhaber der wichtigsten Funktion der landesfürstlichen Verwaltung emporstieg. Die herzogliche Grundherrschaft wurde durch rücksichtslose Einforderung entfremdeter Güter wieder konsolidiert, im übrigen durch Ankauf der Grafschaften Litschau und Heidenreichstein (1297) erweitert. In den österreichischen Ländern wie in den althabsburgischen Gebieten wurden Rechte und Einkünfte der Habsburger aus der Grundherrschaft in großangelegten Urbaren aufgezeichnet und außerdem ein Verzeichnis des Ertrages aus den Regalien angelegt. Das landesfürstliche Archiv, früher in Klosterneuburg, dann in Lilienfeld verwahrt, wurde nach Wien gebracht und in die herzogliche Kanzlei eingegliedert. Den ihm beigegebenen R a t der Landherren hatte Albrecht bald umgestaltet, tatsächlichen Einfluß auf die Politik behielt nur die kleine, zumeist aus NichtÖsterreichern bestehende Gruppe der „Heimlichen". Mit gleicher Festigkeit wie gegen den Adel trat Albrecht auch in den Angelegenheiten auf, welche die Landeskirche betrafen. Die Steuerfreiheit des Klerus wurde von ihm nicht anerkannt, die geistliche Gerichtsbarkeit eingeschränkt. Unterstützt von der Propaganda der Bettelorden, die schon seinem Vater sosehr geholfen hatte, ging der Herzog auch gegen Besitzerwerbungen der „toten H a n d " vor. Herzog Rudolf III. erließ nach 1298 entsprechende Verordnungen, die freilich kaum in vollem U m f a n g eingehalten wurden. Nachdem Albrecht seinen Söhnen die Herrschaft in den Donauländern anvertraut hatte, suchte er seine Hausmacht durch Erwerbung der wettinischen Länder Thüringen und Meißen zu erweitern, er stützte sein Vorgehen auf eine frühere Abtretung dieser Territorien an König Adolf von Nassau. Hier gab es allerdings heftigen Widerstand. Im Jahre 1306 wurde aber der

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letzte Premyslide, König Wenzel III., ermordet, Albrecht drang in Böhmen ein und setzte die Wahl seines Sohnes Rudolf als König durch. Unglücklicherweise starb Rudolf schon ein Jahr später, und nun wählte eine andere Partei Herzog Heinrich von Kärnten, einen Sohn Meinhards II. von Görz-Tirol. König Albrecht begab sich in die althabsburgischen Vorlande, um Geld und Truppen für eine großangelegte Unternehmung anzuwerben. Da wurde er am 1. Mai 1308 beim Übergang über die Reuß von seinem Neffen Johann („Parricida") und dessen Komplicen ermordet; die Vorenthaltung des Wittums seiner Mutter Agnes und der im Rheinfeldener Vertrag von 1283 festgesetzten Entschädigungsansprüche verleiteten Johann zur Tat. Unzufriedene aus den Kreisen der von Albrecht in ihrer Stellung bedrohten schwäbischen Freiherren hatten den Anschlag unterstützt. Albrecht wollte zweifellos mit voller Absicht die Bildung einer neuen habsburgischen Nebenlinie durch Johann verhindern; die offensichtliche Schwächung des Hauses durch die Abspaltung der Laufenburger Linie (1232) hatte den König vermutlich zu seiner Haltung bewogen. Die Ermordung Albrechts scheint eine habsburgisch-österreichische Lösung der deutschen Königsfrage in dem Augenblick verhindert zu haben, in dem die Konsolidierung der Reichsgewalt auf dem breiten Fundament einer ausgedehnten Hausmacht unmittelbar bevorzustehen schien. So hat man im 1. Mai 1308 einen „schwarzen Tag" nicht nur der deutschen, sondern auch der österreichischen Geschichte gesehen. Auch in Österreich selbst schien Albrechts Werk schwer gefährdet, gleich nach seinem Tode flammte noch einmal der Aufruhr gegen die habsburgische Herrschaft auf. Nach dem Tode König Albrechts übernahmen die beiden älteren Söhne, die die traditionsreichen Babenbergernamen Friedrich und Leopold erhalten hatten, gemeinsam die Regierung, Leopold fiel die Verwaltung der Vorlande, Friedrich die von Österreich zu. Für die deutsche Königswahl kamen sie nicht in Frage, die Kurfürsten wählten Heinrich VII. von Luxemburg zum König, der eine Zeitlang zögerte, die Belehnung der Habsburger mit ihren Ländern und Herrschaften durchzuführen; als sich seinem Hause Aussicht auf die Erwerbung Böhmens bot, verbündete er sich aber mit ihnen. Diese Wendung der königlichen Politik ermöglichte ein scharfes Vorgehen gegen die Mörder König Albrechts und die Niederschlagung einer Rebellion österreichischer Adeliger und Wiener Erbbürger. Die Haltung der Handwerker erleichterte Herzog Friedrich die Unterdrückung des Patriziats. Als die Habsburger König Heinrich bei der Eroberung Böhmens unterstützten, wo sich der vor kurzem von den böhmischen Ständen zum König gewählte Herzog Heinrich von Kärnten, der Sohn Meinhards II., festgesetzt hatte, wurden sie in Kämpfe mit dem Kärntner und den Wittelsbachern verwickelt. Beim Friedensschluß erhielten sie vom Kärntner Herzog das Sanntal; dadurch wurde die Steiermark nach Süden erweitert. Unglücklich verlief dagegen eine Intervention in einem wittelsbachischen Vormundschaftsstreit, die mit

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Das Spätmittelalter und die habsburgisdie „Herrschaft zu Österreich"

Ungarn verbündeten Habsburger wurden bei Gammelsdorf von Ludwig von Oberbayern geschlagen (1313). Der mit dieser Niederlage verbundene Prestigeverlust war um so unangenehmer, als nach dem Tode König Heinrichs V I I . die luxemburgische Partei mangels eines geeigneten Kandidaten aus den eigenen Reihen, den Wittelsbacher bei seiner Bewerbung um die Königskrone unterstützte, während die habsburgfreundlichen Fürsten für den ältesten der habsburgischen Brüder, Friedrich den Schönen, eintraten. Während der Vorbereitung des Wahlganges heiratete Friedrich die aragonische Prinzessin Isabella; durch das ungemein reichhaltige Aktenmaterial des Kronarchivs von Aragon sind wir über die Verhandlungen, die der Eheschließung vorausgingen, recht gut unterrichtet. Unter Garantie der österreichischen Stände getroffene Abmachungen sollten den Nachkommen des Paares die Alleinherrschaft über alle habsburgischen Länder sichern — aber lebenskräftige Söhne blieben dem Fürstenpaar versagt. Die Kurfürsten konnten sich nicht auf einen der beiden Kandidaten für das römisch-deutsche Königtum einigen; es kam zu einer Doppelwahl, bei der für Ludwig von Oberbayern die Mehrzahl der wirklich zählenden Stimmen abgegeben wurde — zu den Wählern Friedrichs gehörte etwa der frühere Gegner der Habsburger, Herzog Heinrich von Kärnten, der weiterhin die böhmische Kurstimme beanspruchte, obwohl er längst von dem Luxemburger Johann, der zu Ludwigs Wählern zählte, aus dem Lande vertrieben war. D a f ü r verfügte Friedrich über die echten Reichsinsignien und mit dem Erzbischof von Köln über den rechtmäßigen Koronator. Ein Mehrheitswahlrecht war noch nicht festgelegt, die Berechtigung einiger Wähler war umstritten — so mußte der K a m p f entscheiden. Es erwies sich für die Habsburger als höchst nachteilig, daß sie damals in einer Auseinandersetzung mit einer neuen, aufsteigenden Macht verwickelt waren, die sie nicht mehr zu bewältigen vermochten. Innerhalb der althabsburgischen Besitzungen lagen die „Waldstätte" Schwyz, Uri und Unterwaiden; diese Siedlungen freier Rodungsbauern erfreuten sich seit der Erschließung des St.-Gotthard-Passes für den Verkehr zwischen Südwestdeutschland und Italien eines steigenden Wohlstandes, damit hob sich auch ihr politisches Selbstbewußtsein. Uri galt seit Kaiser Friedrich II. als reichsunmittelbar, in Schwyz und besonders in Unterwaiden machten die Habsburger — durchaus zu Recht — Herrschafts- und Vogtrechte geltend. Die Waldstätte arbeiteten zusammen, schlossen Einungen, von denen die des Jahres 1291 besonders wichtig war, in welchen gegen „landfremde Richter" protestiert wurde; Adolf von N a s s a u und Heinrich V I I . , zwei im Gegensatz zu den Habsburgern stehende Könige, bestätigten großzügig die Reichsfreiheit aller Waldstätte unter Ubergehung der habsburgischen Ansprüche. Im Konflikt zwischen Ludwig dem Bayern und den Habsburgern standen die Waldstätte naturgemäß auf Ludwigs Seite. Als sie sich gegen das benachbarte

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Kloster Einsiedeln, auf dessen Gründen sie roden wollten, Übergriffe zuschulden kommen ließen, verhängte König Friedrich die Reichsacht. Sein Bruder Leopold unternahm einen Feldzug gegen Schwyz, wurde jedoch am Berge Morgarten in einem für die Entfaltung seiner Ritter ungünstigen Gelände angegriffen und schwer geschlagen ( 1 3 1 5 ) ; damit hatten sich die Waldstätte ihre Unabhängigkeit gesichert; der „ewige Bund" von Brunnen besiegelte ihr weiteres Zusammenwirken, und König Ludwig bestätigte Freiheit und Reichsunmittelbarkeit. Die erst gegen Ende des Mittelalters aufgezeichnete Sage von Wilhelm Teil und dem Apfelschuß enthält — von dem Bericht über den Burgenbruch vielleicht abgesehen — weit mehr Dichtung als Wahrheit; damals sah man in den Habsburgern, obwohl sie in der deutschen Schweiz wurzelten, schon ein landfremdes Geschlecht. T r o t z des Rückschlages gegen die Schweizer waren die Habsburger im Thronstreit zunächst eher überlegen; als Friedrich aber mit einem österreichischen Ritterheer und ungarischen Hilfstruppen in Bayern einrückte, wurde er — noch bevor er seine Truppen mit den schwäbischen Kontingenten seines Bruders Leopold vereinigen konnte — bei Mühldorf am Inn von Ludwig geschlagen und geriet in Gefangenschaft; Ludwig ließ ihn auf die Burg Trausnitz in der Oberpfalz bringen (1322). Leopold, ohnedies energischer als der Bruder, war jetzt das H a u p t der habsburgischen Partei; er trat mit dem König von Frankreich in Verbindung, während Papst Johannes X X I I . zwischen den Habsburgern und den bisher mit Ludwig verbündeten Luxemburgern vermittelte. Friedrich wurde aus der Haft entlassen, wobei er — wenn wir der Erzählung des im allgemeinen wohlunterrichteten Abtes J o hann von Viktring Glauben schenken dürfen — das Gelöbnis ablegte, in die Gefangenschaft zurückzukehren, falls er seine Brüder nicht zur Annahme der Friedensbedingungen zu gewinnen vermöge. Dieses Versprechen habe Friedrich, obgleich durch den Papst vom Eide gelöst, audi eingehalten. T a t sächlich ist Friedrich jedenfalls nach München zurückgekehrt, es kam zu einem Vertrag, demzufolge beide Könige gemeinsam regieren sollten (1325). Dagegen wandten sich aber die Kurfürsten. Zeitweilig war Ludwig sogar zum Thronverzicht bereit, aber auch Friedrich konnte nicht die Anerkennung des Papstes Johannes X X I I . erlangen, der gerne den französischen König auf dem deutschen Thron gesehen hätte. Im J a h r e 1326 starb Leopold, in dem man die eigentlich treibende Kraft hinter Friedrichs Ansprüchen sehen kann, und es blieb bei Ludwigs tatsächlicher Herrschaft im Reich, während Friedrich wohl den Königstitel behielt, aber in der Politik keine Rolle mehr spielte 1 ). In seinen letzten Lebensjahren hielt sich Friedrich zumeist ') Immerhin würde es der Rechtslage entsprechen, Friedrich den Schönen als Friedrich III. unter den deutschen Königen zu zählen; das war in der österreichischen Geschichtsschreibung audi lange üblich. In neuerer Zeit wird jedoch allgemein erst der nächste deutsche Habsburgerkönig dieses Namens (1442—1493), Maximilians Vater, als Friedrich III. angeführt. Dieser Herrscher ist allerdings der dritte Kaiser des Namens Friedrich.

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

in völliger Zurückgezogenheit auf Schloß Gutenstein im Wienerwald auf, wo er 1330 starb. Begraben wurde er in der von ihm gestifteten Kartause Mauerbach. Friedrich der Schöne darf als der erste Habsburger gelten, dem Österreich, wo er zu Beginn seiner Regierung noch heftige Widerstände zu überwinden hatte, wirklich zur Heimat geworden war. In seiner Zeit taucht nun auch eine charakteristische Bezeichnung auf, die dartut, daß Österreich als Hauptland der Habsburger angesehen wurde. Es handelt sich um den namentlich in Urkunden, gelegentlich aber auch in erzählenden Quellen genannten Begriff „Herrschaft zu Österreich" (dominium Austriae). Mit dieser Bezeichnung kann zunächst die Familie der Habsburger gemeint sein, an die später ja auch der Begriff „Haus Österreich" anknüpfte, ferner die fürstliche Gewalt in den von ihnen beherrschten Gebieten, nicht nur in den Ostalpenländern, sondern auch in den althabsburgischen Vorlanden — gerade hier findet sich diese Bezeichnung oft — schließlich dient sie (verhältnismäßig selten) auch als territorialer Sammelbegriff an Stelle der Aufzählung aller habsburgischen Länder und Herrschaften. Nach Friedrichs Tod trafen seine Brüder Albrecht II. und Otto ein Abkommen mit Ludwig dem Bayern, in dem dieser als deutscher König anerkannt wurde. Die Habsburger aber schieden für lange Zeit aus dem Kreise der Bewerber um das deutsdie Königtum aus. Man begnügte sich mit bescheideneren Zielen. Durch eine geheime Abmachung mit Ludwig suchten sich die Habsburger die Erbfolge in Kärnten und Krain für den Fall des Aussterbens der meinhardinisch-görzischen Dynastie zu sichern. Fünf Jahre später trat die vorausgesehene Situation tatsächlich ein.

Das Görzer Grafenhaus,

seine Länder und

Herrschaften

In den Jahren des Zwischenreiches, als Ottokar seine Herrschaft über die babenbergischen Länder ausdehnte, versuchten auch andere Fürsten die Gunst der kaiserlosen Zeit zu nutzen. Im Ostalpenraum gelang das außer dem Böhmenkönig keinem besser als dem Grafen Meinhard IV. von Görz, dessen Werk sich, da ihm der Anschluß an die wiederhergestellte Reichsgewalt glückte, als weit beständiger erwies als die ephemere Machtballung des Premysliden. Vom Arlberg bis zum Karst reichten um die Jahrhundertwende die Länder und Herrschaften eines Hauses, das im Bündnis mit den Habsburgern zur Macht aufgestiegen war, eine Zeitlang mit ihnen rivalisierte und schließlich bis zum Ende des Mittelalters eine Position nach der anderen an Habsburg-Österreich abgab. Die Grafen von Görz waren ohne Zweifel aribonischer Herkunft, aus dem Kärntner Lurngau kamen sie an den Isonzo; zu Beginn des 12. Jahrhunderts sind sie als Herren von Görz und als Vögte von Aquileia nach-

Das Görzer Grafenhaus, seine Länder und Herrschaften

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weisbar. Wir befinden uns hier am östlichen Rand der Landschaft Friaul, einst einer Grenzmark der Langobarden und Franken gegen Awaren und Slawen, im Hochmittelalter Zentrum der geistlichen und weltlichen Herrschaft der zumeist deutschstämmigen Patriarchen von Aquileia. Diese Kirchenfürsten waren als Parteigänger des Kaisers 1076 mit der Mark Friaul, 1077 mit Krain und Istrien belehnt worden. In den folgenden Jahrhunderten spielt sich in Friaul und den Nachbargebieten eine Auseinandersetzung zwischen den Patriarchen und dem weltlichen Adel, in Istrien auch mit den Städten ab, in der die Patriarchen mehr und mehr an Boden verloren. Noch mehr als die Bistümer Trient und Brixen wurde das Patriarchat von seinen Vögten, die aus Beschützern der kirchlichen Immunitätsherrschaften zu ihren gefährlichsten Feinden geworden waren, bedrängt und bedroht. Im Jahre 1149 nahm Graf Engelbert II. von Görz den Patriarchen gefangen, erst das Eintreten der steirischen Otakare und der Andechser gab dem Kirchenfürsten die Freiheit wieder. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts gewann der Patriarchenstaat unter Wolfger von Erla und Berthold von Andechs noch einmal größere Stärke, die Görzer Grafen suchten, da Friaul ihrem Zugriff wieder verschlossen war, ihre Stellung in Istrien und Kärnten zu festigen. Dabei ging Graf Meinhard III. im Einvernehmen mit seinem Schwiegervater Albert von Tirol vor. Ein Vorstoß gegen die Spanheimer scheiterte aber 1252, als der „erwählte" Erzbischof von Salzburg, Philipp, die Verbündeten bei Greifenburg schlug und den Grafen von Tirol gefangennahm. Der Frieden von Lieserhofen brachte den Görzern arge Einbußen, die allerdings dadurch aufgewogen wurden, daß Graf Meinhard III. nach dem Tode seines Tiroler Schwiegervaters durch einen Anteil am Tiroler Erbe entschädigt wurde; er erhielt den Großteil Südtirols sowie Tiroler Streubesitz in Kärnten und Friaul, während ein anderer Schwiegersohn Alberts von Tirol, der bayerische Graf Gebhard von Hirschberg vorwiegend mit Nordtiroler Gebiet ausgestattet wurde. Nach dem Tode seiner Tante Elisabeth von Hirschberg (1263) riß der energische Sohn Meinhards III. gleichen Namens den Großteil des Hirschberger Erbes an sich und damit an das Haus Görz. In den Jahren 1267 und 1271 teilte dann Meinhard IV. den Görzer Gesamtbesitz mit seinem jüngeren Bruder Albert. Die weit verstreuten Herrschaften östlich der Haslacher Klause, das Pustertal, die Besitztümer in Kärnten und Friaul, die Stammburg und Grafschaft Görz sowie istrisches Gebiet erhielt Albert; Meinhard behielt sich die weitaus geschlossenere Grafschaft Tirol vor. Die beiden Görzer Linien wurden nie mehr miteinander vereinigt; Meinhard und Albert wirkten wohl, ohne Konflikte ganz vermeiden zu können, meist politisch zusammen, später aber verbreiterte sich die Kluft zwischen den „Meinhardinern" und „Albertinern" mehr und mehr. Meinhard IV. — als Graf von Tirol der zweite dieses Namens — stand, wie es den Traditionen seiner Familie entsprach, im staufischen Lager. Er heiratete die Witwe König Konrads IV., Elisabeth von Bayern, dadurch

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wurde er Stiefvater Konradins, dessen Zug nach Süditalien er durch Offenhaltung der Alpenwege unterstützte, während sein Bruder Albert mit Überfällen und Mordanschlägen gegen die Guelfen Friauls wütete. Beide verfielen wiederholt dem Bann, einer damals doch schon etwas abgestumpften Waffe der Kirche, und als Gebannter ist Meinhard von Tirol auch gestorben. Völlig unreligiös eingestellt war er indessen nicht, nach dem tragischen Ende Konradins (1268) und dem Tode Elisabeths (1273) ließ er das Zisterzienserstift Stams im Oberinntal als Gedächtnisstiftung und auch als Begräbnisstätte der Tiroler Grafen errichten. Die Bruderschaften hieß er seiner im Gebet zu gedenken, und die Klöster hat Meinhard nicht selten reich beschenkt; die Hochstifte Trient und Brixen (später auch Aquileia) aber waren notwendigerweise Objekte und Opfer einer zielstrebigen und nüchternen Machtpolitik. Aus einem Großteil ihrer Territorien, aus adeligen Herrschaften, deren Besitzer in die Ministerialität gezwungen wurden, und aus dem eigenen Hausgut bildete er, an das Werk des alten Tiroler Grafenhauses sinnvoll anknüpfend, das historische Land Tirol, wie es dann durch Jahrhunderte festen Bestand hatte. So steht er als vielleicht eindrucksvollste Erscheinung inmitten der Reihe der Begründer und Vollender des Landesfürstentums von Leopold dem Heiligen bis zu Rudolf dem Stifter. Die Verwaltung Tirols wurde mit Hilfe bürgerlicher und ritterlicher Amtleute vorbildlich geordnet und eine Angleichung höchst verschiedener Herrschaftsrechte im Rahmen der allgemeinen Fürstengewalt erreicht. Wichtig war, daß 1282 in einem Weistum des Bischofs von Chur festgestellt wurde, daß der Graf von Tirol (und seine Herrschaft) niemals zu den Herzogtümern von Bayern oder Schwaben gehört habe. Das war zwar unrichtig, zeigt aber doch, daß ein eigenes Land Tirol sich von den Nachbargebieten zu scheiden begann; den bayerischen Landfrieden von 1281 hat man nicht mehr als verbindlich anerkannt. Meinhard ließ ein Tiroler Landrecht aufzeichnen, von dem allerdings nur kleine Bruchstücke erhalten sind. So wurde die Grafschaft Tirol bald als Einheit und auch als Reichslehen aufgefaßt, während sie ursprünglich aus Trienter und Brixener Lehen gebildet worden war; seit etwa 1300 bezeichneten sich Meinhards Nachfolger, die die Früchte seiner staatsmännischen Leistung ernteten, ausdrücklich als Landesfürsten. Mit Rudolf von Habsburg wirkte Meinhard II. konsequent zusammen; in der entscheidenden Auseinandersetzung mit Ottokar erwies er sich als kampfstarker Verbündeter. Zur Marchfeldschlacht traf sein Kontingent allerdings zu spät ein, nichtsdestoweniger mußte der Tiroler Landesherr belohnt werden. Kärnten dürfte ihm von Anfang an zugedacht gewesen sein, eine Belehnung schon im Dezember 1282, als die Söhne Rudolfs Österreich erhielten, unterblieb wohl nur, weil Meinhard damals gebannt und in heftige Konflikte mit Trient und Aquileia verwickelt war, es gab wohl auch Meinungsverschiedenheiten wegen Krain. Schließlich erfolgte 1286 die Belehnung Meinhards mit dem Herzogtum Kärnten, dadurch stieg er in den

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Reichsfürstenrang auf, Krain wurde von ihm als Pfandschaft für die König Rudolf gewährten Darlehen verwaltet, doch hielten die Habsburger die Ansprüche auf dieses Land aufrecht. Einige Jahre später wehrte Meinhard II. gemeinsam mit Albrecht I. von Österreich den Generalangriff auf die Neuordnung im Südosten ab. Im Rahmen der gegen Habsburger und Görzer gerichteten Koalition war es auch zur Erhebung Kärntner Adeliger unter Führung des Grafen von Heunburg gekommen; Meinhards Sohn Ludwig geriet in die H a n d der von Salzburg unterstützten Aufständischen, Albert von Görz schloß mit dem Erzstift Frieden. Aber in der Schlacht am Wallersberg siegten im März 1293 die Gefolgsleute Meinhards vollständig über den Feind, das Landesfürstentum hatte auch in Kärnten seine Gegner überwunden. Auf Kärntner Boden, in Greifenburg an der Drau, starb Meinhard II., der sich sonst zumeist in Tirol aufgehalten und das neuerworbene Herzogtum eher als Nebenland angesehen hatte, auf der Höhe seiner Erfolge, im Jahre 1295 als einer der reichsten Fürsten seiner Zeit. Es war ihm stets zugute gekommen, daß er einen guten Blick für Geld- und Wirtschaftsfragen besaß. Die Einkünfte aus seinen Ländern, namentlich Tirols, hatte er wesentlich zu steigern gewußt, Beziehungen zu italienischen Bankhäusern vermittelten ihm die Kenntnis moderner Finanzpolitik und des Kreditwesens, er schuf ferner ein einheitliches Tiroler Zollsystem und zog aus der Münzprägung reichen Gewinn. Auch bei der Verwaltung des Grundbesitzes sah Meinhard auf den Ertrag. Die grundherrliche Gerichtsbarkeit, die für die östlichen Alpenländer charakteristisch blieb, vermochte er fast völlig auszuschalten, so bewahrten ihm auch die Tiroler Bauern ein gutes Andenken. Die Söhne Meinhards II., Otto (1295—1310), Ludwig (1295—1305) und Heinrich (1295—1335), übernahmen die Herrschaft in den Ländern ihres Vaters entsprechend dessen Wunsch zur „gesamten H a n d " , ohne Teilung. König Adolf verweigerte ihnen die Belehnung, Albrecht I., auf dessen Seite sie standen, gewährte sie nach seinem Sieg ohne weiteres (1299). Die Meinhardiner folgten auch weiterhin der habsburgischen Politik, eine Wendung trat erst ein, als Heinrich von Kärnten sich nach dem Tode des letzten Premysliden um die böhmische Krone bemühte. Habsburgische Truppen rückten in Kärnten ein, dann schien die Situation Heinrichs sich nach der Ermordung König Albrechts wieder zu bessern. Mit dem selbstbewußten Adel Böhmens wurde Heinrich aber nicht fertig, und da er nach den ersten Rückschlägen aus dem Lande flüchtete, verlor er bald nach seiner Wahl Böhmen an die Luxemburger; es blieb ein leerer Anspruch und eine schwere Verschuldung. Bei der Doppelwahl von 1314 unterstützte Heinrich Friedrich den Schönen, dann betrieb er eine Schaukelpolitik. Die Habsburger hatten ihm norditalienische Erwerbungen wie Treviso und Padua unterstellt, doch wandten sich diese Städte, durch die übermäßigen Steuerforderungen Heinrichs verstimmt, bald den Scaligern von Verona zu. Die weitere politischdynastische Geschichte Kärntens stand im Schatten der Auseinandersetzung

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zwischen den führenden Familien des Reiches, den Wittelsbachern, Luxemburgern und Habsburgern. Als König Johann von Böhmen, gestützt auf die guelfische Partei, sich eine norditalienische Herrschaft zu sichern suchte, fühlten sich Habsburger und Wittelsbacher gleichermaßen durch die Einkreisung ihrer süddeutschen Territorien gefährdet. Es kam zu jenem Vertrag, in dem die Habsburger mit Kaiser Ludwig die zu erwartende meinhardinische Erbschaft aufteilten (1330), der Kaiser behielt sich Nordtirol vor. Die Habsburger trafen überdies durch Verhandlungen mit Bamberg und Salzburg sowie mit den Grafen von Ortenburg Vorbereitungen für die Erwerbung Kärntens. Recht bescheiden nimmt sich neben dem glanzvollen Aufstieg der Meinhardiner in Kärnten und Tirol das Geschick der albertinischen Linie in den altgörzischen Besitzungen aus. Hier, in der unfruchtbaren Karstlandschaft, die auch nicht die gleiche Gunst der Verkehrslage wie Tirol besaß, waren die wirtschaftlichen Fundamente der Herrschaftsbildung viel schmäler. G r a f Albert I I . versuchte wohl eine Verbreiterung seines Machtbereiches gegen Friaul hin, aber in langwierigen Kämpfen gelang ihm auf die Dauer nur die Erwerbung von Cormons; das wichtigere Triest ging wieder verloren, und im istrischen Küstengebiet lief Venedig den Görzern den Rang ab. Ungemein ungünstig wirkte sich schließlich das Prinzip der Herrschaftsteilungen für die Machtstellung der albertinischen Linie aus. 1303 erhielt von den Söhnen G r a f Alberts I I . der ältere Heinrich I I . die Besitzungen in Istrien, auf dem Karst und in K r a i n ; Albert I I I . bekam das Pustertal, Lienz und das Oberkärntner Drautal. Heinrich von Görz wäre noch der Mann gewesen, das Schicksal zu wenden, er versuchte, nicht ohne Erfolg, sich zum Herrn von Friaul zu machen, besetzte Cividale, Treviso und zielte auch auf Padua, sein unerwartet früher Tod (1323) hatte indessen sofort den Zusammenbruch der Stellung in Friaul zur Folge. Albert I I I . aber vergab alle Aussichten für seine Linie durch eine Dreiteilung der Herrschaft unter seinen Söhnen. So gab es nun insgesamt vier albertinisch-görzische Grafschaften vom Pustertal bis Istrien, keine von ihnen bildete einen nennenswerten politischen oder wirtschaftlichen Faktor. Beim Erlöschen des meinhardinischen Mannesstammes hat man sich um die Angehörigen der albertinischen Linien und ihrer Erbansprüche denn auch nicht gekümmert.

Ausdehnung und Festigung der habsburgischen in den Ostalpenländern

Herrschaft

D a im Kampfe um Kärnten und Krain verschiedene Ansprüche, Rechtsauffassungen und Mächtegruppierungen gegeneinander standen, kam alles darauf an, wer schneller handelte. Das gelang den Habsburgern. Als Heinrich von Kärnten 1335 starb, konnte sich seine Tochter Margarete nur in Tirol behaupten; die Habsburger wurden von Kaiser Ludwig mit Kärnten

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belehnt und sicherten sich auch das bisher verpfändete Krain, das sich widerstandslos unterwarf, während in Kärnten Herzog Otto nach anfänglichem Zögern des Landeshauptmannes Konrad von Aufenstein seinen Einzug halten und sich der Zeremonien am Fürstenstein und am Herzogsstuhl unterziehen konnte. Dagegen erwies es sich als unmöglich, das von dem Kaiser gleichfalls den Habsburgern zugesprochene Südtirol, wo Margarete viele Sympathien besaß und ihr auch eine luxemburgische Streitmacht zur Verfügung stand, zu erobern. K ä m p f e zwischen den vom Kaiser wenig energisch unterstützten Österreichern und König Johann von Böhmen forderten im Gebiet nördlich der Donau viele Opfer, vermochten aber doch keine entscheidende Wendung der Lage herbeizuführen. Nach einigen Jahren kam es zu einer völligen Änderung der Fronten; die Tiroler Verhältnisse wurden für diesen Wechsel ausschlaggebend. Die Ehe der Erbin von Tirol, Margarete „Maultasch" — ihr Beiname ist zeitgenössisch und könnte tatsächlich mit einer Mißbildung ihres Gesichtes zusammenhängen, auch von dem Schlosse Maultasch hat man ihn (wohl zu Unrecht) abgeleitet —, mit dem Luxemburger Johann Heinrich war sehr unglücklich, die Tiroler waren mit ihrem Herrscher, einem rohen Patron, ebenfalls unzufrieden; Johann Heinrich wurde aus dem Lande vertrieben, und Margarete heiratete Ludwig, den Sohn des Kaisers gleichen Namens, ohne Scheidung oder kirchliche Dispens. So schien das Land Tirol dem Hause Wittelsbach und damit auch Bayern zuzufallen, das seine Ansprüche niemals aufgegeben hatte. In einer vom Kaiser bestätigten Urkunde des neuen Landesfürsten wurden die Rechte der Tiroler Landschaft namentlich in Hinblick auf Gesetzgebung und Steuerbewilligung verbrieft (1342). Die Luxemburger ließen sich nicht ohne weiteres ausschalten; ein von Italien aus unter dem deutschen Gegenkönig Karl (IV.) operierendes Heer wurde aber schließlich zum Rückzug gezwungen, die Macht der Wittelsbacher hatte sich vorderhand behauptet. In den habsburgischen Ländern hatten seit dem Tode Friedrichs des Schönen dessen jüngere Brüder Albrecht II. (1330—1358) und Otto (f 1339) gemeinsam regiert, ohne allerdings immer zu harmonieren; nach dem Tode des Bruders, dessen Hofhaltung wohl ein Zentrum kulturellen Schaffens war, der aber selbst durch eine unstete und eigenwillige Politik die Machtstellung seines Hauses eher beeinträchtigt hatte, bewährte sich Albrecht in höchst unruhigen und unerfreulichen Verhältnissen als besonnener und umsichtiger, stets auf die Wahrung des Friedens bedachter Herrscher. Ein körperliches Gebrechen — der Herzog war, vermutlich infolge eines Giftmordversuches, gelähmt — verstärkte seine Abneigung gegen militärische Aktionen. In dem wittelsbachisch-luxemburgischen Streit, der nach der Vertreibung Johann Heinrichs aus Tirol mit großer Heftigkeit losbrach, bewahrte er eine konsequente Neutralität. Allerdings war der Herzog durch eine Reihe von K a t a strophen, die in den dreißiger und vierziger Jahren aufeinander folgten, in 9

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seinen Ländern zur Genüge in Anspruch genommen. Heuschreckenschwärme, die Mißernten hervorriefen (1338), Überschwemmungen größten Ausmaßes (1340,1342) und Erdbeben (1348) richteten schwerste Schäden an; eine Pestepidemie von bisher nicht erlebter Schwere dezimierte die Bevölkerung der österreichischen Länder (1348—1349) und darüber hinaus fast ganz Europas. Die Erregung der dieser vernichtenden Seuche gegenüber hilflosen Bevölkerung kam in den ekstatischen Bußübungen der Geißler und in wilden Judenverfolgungen zum Ausdruck; ohne Kenntnis der bakteriologischen Voraussetzungen der Ansteckung glaubte man in den Juden, denen man aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen auch sonst gerne mißtraute, die Schuldigen gefunden zu haben. Die Verfolgungen forderten viele Opfer, wurden aber vom Herzog unterdrückt. Ungeachtet der so schwierigen Zeitumstände gelang es Albrecht, die landesfürstlichen Einnahmen durch zweckmäßige Maßnahmen zu steigern. Kärnten und Krain verlieh er eine neue Landesordnung, die gerichtlichen Zweikämpfe wurden abgeschafft. Auf wiederholten Reisen durch seine Länder suchte und fand Albrecht den für die erfolgreiche Ausübung seiner Fürstengewalt so wichtigen persönlichen Kontakt mit der Bevölkerung; eine soziale Note seiner Regierungstätigkeit ist unverkennbar. Eine wesentliche Festigung des Landesfürstentums bedeutete es, daß Albrecht von Kaiser Karl IV. ein „Privilegium de non evocando" (ca. 1348—1354, bestätigt 1361) erhielt; dadurch wurden Ladungen seiner Untertanen vor fremde Gerichte einschließlich des Königsgerichtes verhindert; es sei denn, daß man ihnen in Österreich den Rechtsgang verweigerte. Schließlich wurde der Herzog doch zur militärischen Austragung eines Konfliktes veranlaßt; die Eidgenossen hatten ihr Bündnis auf Luzern, eine unter österreichischer Herrschaft stehende Stadt, und dann auch auf die Reichsstadt Zürich ausgedehnt (1352); die schiedsgerichtliche Austragung verschiedener Streitigkeiten scheiterte. Albrecht II. zog zweimal vor Zürich, konnte die Stadt wohl nicht nehmen, erreichte aber immerhin, daß die Landschaft Glarus und die Stadt Zug, welche die Gelegenheit zur Abschüttelung der österreichischen Herrschaft benützt hatten, diese wieder anerkannten. So war die Entscheidung um die Vorherrschaft im Gebiet südlich von Hochrhein und Bodensee vorderhand vertagt. Bald nach der Beendigung der Feldzüge gegen Zürich erließ Albrecht II. eine Hausordnung (1355), in der er verfügte, daß seine Söhne ihre Länder ungeteilt und gemeinsam verwalten sollten; die adeligen Landherren beschworen diese Entscheidung, der die tatsächliche Entwicklung dann nicht entsprach. Albrecht II., der mit Johanna, der Erbtochter des Grafen Ulrich von Pfirt, vermählt war und daher diese elsässische Grafschaft den vorländischen Besitzungen der Habsburger anfügen konnte, hinterließ bei seinem Tode (1358) vier Söhne, von denen zunächst nur der älteste, der neunzehnjährige Rudolf, allein für eine aktive Regierung in Frage kam.

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Der junge Herzog Rudolf IV., hinter dessen Aktionen wir allerdings auch den Einfluß anonym bleibender Ratgeber, etwa seines Kanzlers Johann von Platzheim, annehmen müssen, zeigte sehr bald, daß er gewillt war, die Geltung seines Hauses und der von ihm beherrschten Länder zu mehren. Zwei Jahre vor Rudolfs Regierungsantritt hatte Kaiser Karl IV. die Unklarheiten der Königswahl durch das Reichsgesetz der Goldenen Bulle beseitigt. Dieses Gesetz regelte aber nicht nur das Wahlverfahren, sondern erhöhte auch die Stellung der Kurfürsten durch wertvolle Vorrechte; ihre Länder wurden als unteilbar erklärt. Durch seine Verbindung mit den Kurfürsten stärkte Karl IV. seine Position gegenüber den mit den Luxemburgern rivalisierenden österreichischen und bayerischen Dynastien, die vom Kurfürstenkolleg ausgeschlossen waren, was im Falle der bayerischen Wittelsbacher weitgehend der bisherigen Übung, im Falle der Habsburger zumindest den Machtverhältnissen widersprach. Rudolf IV. unternahm eine Gegenaktion mit Mitteln, deren sich sein Zeitalter nicht selten bediente: er ließ in seiner Kanzlei Urkundenfälschungen anfertigen; es handelte sich um fünf Stücke, die als Originale Heinrichs IV., Friedrichs I., Friedrichs II. und dessen Sohnes Heinrich (VII.) sowie Rudolfs von Habsburg präsentiert wurden. Von diesen Fälschungen war die Urkunde auf den Namen Heinrichs IV. (Henricianum) überdies mit wörtlich inserierten Texten angeblicher Privilegien Julius Caesars und Neros für Österreich ausgestattet. Der Inhalt dieser Inserte erweckte sofort Widerspruch, die maßgebliche humanistische Autorität der Zeit, Francesco Petrarca, hat die Pseudoantiken zornig verworfen. Die anderen Stücke, von denen das angebliche Privileg Friedrichs I. am wichtigsten ist, haben der Kritik länger widerstanden und sind nach verschiedentlich geäußerten Bedenken erst im 19. Jahrhundert durch Johann Friedrich Böhmer und Wilhelm Wattenbach vollends entlarvt worden. Das angebliche Barbarossa-Privileg wurde unter Benützung des Textes der echten Urkunde von 1156 als wesentlich inhaltsreicherer „Freiheitsbrief" hergestellt — daher auch der Name Privilegium mains, im Gegensatz zum echten, kürzeren Privilegium minus. Der Inhalt des rudolfinischen Falsifikats gab Österreich gewaltige Vorrechte hinsichtlich des Lehenempfanges, der Herrschaftssymbole (Zinkenkrone und Zepter), der Gerichtsbarkeit durch Ausschluß aller Appellation an den Kaiser, es ordnete die Erbfolge im Sinne der Primogenitur und sah (ebenso wie das echte Privileg) nötigenfalls auch weibliche Thronfolge vor; das Herzogtum Österreich einschließlich der angeschlossenen Gebiete sollte gleich den Ländern der Kurfürsten unteilbar sein; die Reichsheerpflicht wurde auf die symbolische Stellung von zwölf Mann auf die Dauer eines Monats in Kriegen mit Ungarn beschränkt. Bei Feierlichkeiten soll der Herzog von Österreich als Pfalzerzherzog gelten und seinen Platz zur Rechten des Kaisers, unmittelbar nach den Kurfürsten, haben. Der hier mehr gelegentlich erwähnte Erzherzogtitel, den Rudolf aber audi auf seinem prächtigen Siegel führte, wurde freilich erst wieder im 9·

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15. Jahrhundert aufgenommen und dann oft von dem Herzogtum Kärnten, dessen Landesfürst als Reichserzjägermeister fungierte, abgeleitet, seit dem 16. Jahrhundert kann er als habsburgisches Charakteristikum gelten. Der Tenor der Fälschung war auf eine Minderung der reichsfürstlichen Pflichten abgestimmt, mochte auch Rudolf Österreich stolz als „Herz und Schild des Reiches" bezeichnen, vor allem aber ging es ihm um eine Hebung von Macht und Ansehen der Herrschaft zu Österreich. Kaiser Karl IV., dem Herzog Rudolf beglaubigte Abschriften der Urkunden sandte, nahm die Angelegenheit mit der ihm eigenen Ruhe und Sachlichkeit auf; er war geneigt, einzelne Punkte zu genehmigen, andere hat er abgelehnt; seine Notizen sind erhalten. Ein habsburgischer Kaiser, Friedrich III., bestätigte das Privileg 1442 und 1453, das zweite Mal mit Zustimmung der Kurfürsten, so wurde es Reichsrecht. Für die historisch-staatsrechtliche Entwicklung Österreichs hat aber das Privilegium maius nicht ganz die Bedeutung, die ihm gelegentlich zugemessen wird, die späteren Habsburger haben sich nur selten seiner bedient. Im übrigen verwehrten alle Fürsten des ausgehenden Mittelalters, ob sie nun weitgehende Privilegien besaßen oder nicht, der Reichsgewalt Eingriffe in ihre Territorien. Eine lebhafte Tätigkeit entfaltete Rudolf IV. auch bei der Regierung und Verwaltung seiner Länder. Mehr noch als sein Vorgänger betrieb er eine aktive Sozialpolitik; immer auf die Mehrung der wirtschaftlichen Grundlagen seiner Herrschaft bedacht. Die traditionelle Abgabenfreiheit von Adel und Klerus wurde von Rudolf nicht anerkannt. Den Verzicht auf den jährlichen „Münzverruf" — die regelmäßige Einziehung der umlaufenden Münze und ihren Eintausch unter für die Bevölkerung ungünstigen, für den Münzherrn aber ertragreichen Bedingungen — glich er durch die als Gegenleistung geforderte Getränkesteuer („Ungeld") aus, die bald einen sehr wesentlichen Bestandteil der landesfürstlichen Einnahmen ausmachte. Interessant sind seine Bestrebungen, den Zunftzwang in Gewerbe und Handwerk zu beseitigen und den freien Wettbewerb zu fördern; die Zechen wurden sogar verboten, treten aber nach seiner Regierung wieder hervor. Den babenbergischen Plan der Errichtung eines Wiener Bistums nahm Rudolf wieder auf, ohne durchdringen zu können. Er erreichte nur die Einrichtung eines exempten Kollegiatkapitels zu St. Stephan und nahm mit großer Energie den gotischen Neubau des Langhauses der Kirche in Angriff; diesen Maßnahmen verdankte er seinen Beinamen „der Stifter". Der Stadt Wien war Rudolf überhaupt sehr gewogen. Durch Steuererleichterungen suchte er die Bautätigkeit anzuregen und Zuzug in die Stadt zu leiten. Seine Sorge für die Geltung der Stadt Wien bewies Rudolf audi durch die Gründung der Universität (1365), der freilich zunächst kein durchschlagender Erfolg beschieden war, der Plan der Anlage eines eigenen Universitätsviertels blieb unausgeführt, und die päpstliche Bestätigung versagte vorerst der Hochschule die theologische Fakultät. Mit dem Kirchenbau und der Hochschulgründung trat

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Rudolf ganz deutlich mit dem Kaiser selbst in Wettbewerb: Wien sollte hinter dem P r a g des Veitsdomes und der Karlsuniversität nicht zurückbleiben. Im Verhältnis zum Kaiser, mit dessen Tochter K a t h a r i n a Rudolf seit 1353 vermählt war, wechselten Konflikte mit zeitweiliger Zusammenarbeit. Der selbstbewußte Herzog, der ohne Zweifel die Ansicht hatte, d a ß eigentlich seinem H a u s e die Krone des Reiches gebühre, w a r ein schwieriger P a r t n e r . Das Zögern Karls IV., die Forderungen, die aus den staatsrechtlichen Fälschungen Rudolfs sprachen, insgesamt anzuerkennen, bewog Rudolf zu einem Bündnis mit verschiedenen Gegnern des Luxemburgers. Die Verträge von T y r n a u (1360) und Budweis (1361) brachten nur eine vorübergehende Entspannung, erst im K a m p f um Tirol gelangten Kaiser und H e r z o g zu einem Einverständnis im Zusammenwirken gegen die Wittelsbacher. Im Februar 1364 schlossen Rudolf und K a r l im N a m e n ihrer Dynastien wechselseitige Erbverträge, in denen die künftige Vereinigung der österreichischen und böhmischen, aber auch — da schon eine Erbeinigung zwischen Rudolf und König Ludwig von U n g a r n bestand — der ungarischen Länder ins Auge gefaßt wurde. Der Konflikt mit dem Kaiser hatte Rudolf arg behindert, als er bald nach Regierungsantritt vom Patriarchen von Aquileia, Ludwig della Torre, wegen verschiedener habsburgischer Besitztümer, die einst dem Patriarchat gehört hatten, in eine Fehde verwickelt wurde. D a Rudolf im Felde erfolgreich blieb, hätte er sich bei einiger Rückenfreiheit wohl die Herrschaft über Friaul sichern können. Wie entschlossen der H e r z o g handeln konnte, bewies er bei der Sicherung Tirols f ü r sein H a u s . Die Geschichte dieses Landes gestaltete sich nach der Vertreibung J o h a n n Heinrichs und der Abwehr der luxemburgischen Gegenaktion weiterhin recht bewegt. Ludwig „der Brandenburger" stützte sich wohl mehr auf zuverlässige bayerische Adelige als auf die Einheimischen, immerhin verdankte ihm Tirol verschiedene zweckmäßige Gesetze, so etwa zur Regelung der Beziehungen zwischen G r u n d h e r r e n und H o l d e n , er förderte überdies gleich Meinhard II. H a n d e l und Verkehr. Durch Vermittlung H e r z o g Albrechts von Österreich erlangten Ludwig und seine Gemahlin schließlich auch die Lösung vom Kirchenbann, der seit ihrer den kirchlichen Vorschriften sosehr widersprechenden Eheschließung auf ihnen lastete. Ohne Zweifel versuchte der österreichische H e r z o g den Übergang Tirols in habsburgische H a n d vorzubereiten. Der U m s t a n d , d a ß Ludwig und Margarete nur einen sehr schwächlichen Sohn Meinhard hatten, stellte in der T a t eine Möglichkeit des Territorialerwerbes in Aussicht, wobei allerdings mit entschiedener wittelsbachischer Gegenwirkung geredinet werden mußte. Es existiert übrigens eine U r k u n d e mit dem D a t u m 2. September 1359, in der die Herzogin Margarete die Herrschaft über Tirol den Habsburgern f ü r den Fall des erbenlosen Todes von Gatten und Sohn in Aussicht stellt, doch läßt sich der Verdacht nicht von der H a n d weisen, d a ß dieses D o k u m e n t erst im J a h r e 1363, als beide

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bereits verstorben waren, hergestellt wurde, um Bedenken der Tiroler Standesherren gegen den Übergang des Landes unter die Herrschaft des Hauses Österreich zu beruhigen. Jedenfalls begab sich Rudolf IV. nach dem Tode Meinhards im Jänner 1363 trotz der schwierigen Wegverhältnisse mitten im Winter eilends nach Tirol; er gewann den Adel, die Städte und die Bischöfe von Brixen und Trient für sich; Margarete übergab das Land formell den Habsburgern, führte aber in deren Namen die Regierungsgeschäfte weiter. Im Februar 1364 erlangte Rudolf die Belehnung durch Kaiser Karl IV., der Tirol, das für die Luxemburger ja doch verloren war, lieber in österreichischen als in bayerischen Händen sah. Im Oktober 1363 hatte Margarete, gewiß nicht ohne Druck von seiten Rudolfs IV., ganz auf die Regierungsgeschäfte verzichtet und sich nach Niederösterreich begeben; 1369 starb sie in Wien. Angriffe der Bayern auf Nordtirol vermochte Rudolf, unterstützt durch das Landesaufgebot, abzuweisen; triumphierend schrieb er an den Dogen von Venedig, alle Straßen von Deutschland nach Italien stünden unter seiner Herrschaft. In der Tat war die Bedeutung der Erwerbung gar nicht zu überschätzen, Österreichs spätere Italienpolitik stützte sich weitgehend auf die Stellung in Tirol, überdies war die Territorialverbindung zwischen dem althabsburgischen Landbesitz auf schwäbischem Stammesboden und den Herzogtümern im Südosten nahezu hergestellt. Als Rudolf IV. sich Tirols bemächtigte, unterstützten ihn die Görzer Brüder Albert IV. und Meinhard VII., von denen jener die Görzer Besitzungen in Inneristrien (Grafschaft Pisino oder Mitterburg) und in der Windischen Mark, dieser die Stammburg Görz, das Pustertal und den Kärntner Streubesitz innehatte, ohne selbst Ansprüche zu erheben. Albert Schloß 1364 mit Rudolf einen Erbvertrag ab, der den Habsburgern die Erbfolge in den Besitzungen Alberts zusicherte. 1374, neun Jahre nach dem Tode Rudolfs IV., trat der Erbfall ein, durch den die Habsburger ein kurzes Stück der Küste am Quarnero gewannen. Istrien blieb seither durch Jahrhunderte zwischen Österreich und der Republik Venedig geteilt, die sich etwa zur gleichen Zeit die Herrschaft über die meisten istrischen Küstenstädte sicherte. Meinhard VII. hatte bereits im Jahre 1361 die Erbfolge in seinem Anteil der Görzer Herrschaften, falls er ohne Söhne sterben sollte, dem österreichischen Herzog zugesagt, der wieder die Vermählung seines jüngsten Bruders Leopold (III.) mit Meinhards Tochter Katharina in Aussicht stellte. Es kam aber zu einem Konflikt Rudolfs mit Meinhard, als der Patriarch von Aquileia den Kampf, in dem er 1361 unterlegen war, erneuerte und sich mit dem Herrscher von Padua, Franz von Carrara, verbündete. Rudolf IV. suchte gleichfalls Helfer und zog Herzog Barnab0 Visconti von Mailand auf seine Seite, dessen attraktive Tochter Viridis, vom Vater fürstlich ausgestattet, unter Bruch des dem Görzer gegebenen Versprechens, nunmehr zur Gattin Herzog Leopolds erkoren wurde. Der gekränkte Meinhard trat auf die Seite der Feinde Rudolfs. Dieser aber starb auf der Reise zu seinen wenig

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eifrigen Verbündeten am 27. Juli 1365 in Mailand, erst sechsundzwanzig Jahre alt. Die Bedeutung des Fürsten, freilich auch die Gefahren seiner sprunghaften Politik, würdigte schon die Geschichtsschreibung des österreichischen Spätmittelalters. Die in den letzten Regierungsjahren Friedrichs des Schönen deutlicher werdende Verwurzelung der Habsburger in Österreich wurde durch Rudolf IV. besiegelt, der zeitlebens als Österreicher und Wiener fühlte und seiner Einstellung in pathetischen Worten Ausdruck verlieh. Durch eine Neuordnung der Erbfolge im Sinne einer gemeinsamen Regierung aller Brüder, bei Wahrung gewisser Vorrechte des Ältesten, hatte Rudolf IV. im November 1364, als sich die strikte Einhaltung des Primogeniturprinzips als undurchführbar erwies, einer Herrschaftsteilung vorzubeugen versucht. Dieser Regelung entsprechend regierten nach Rudolfs Tod seine Brüder Albrecht III. (1365—1395) und Leopold III. (1365—1386) zunächst gemeinsam; noch galt es, die bayerischen Bestrebungen, im Bunde mit König Ludwig von Ungarn den Habsburgern Tirol wieder zu entreißen, mit zusammengefaßter Macht abzuwehren. Das gelang den Brüdern in Zusammenarbeit mit Bischof Johann von Brixen trotz eines Aufstandes der mächtigen Aufensteiner in Kärnten. Da die Habsburger auch von Kaiser Karl IV. unterstützt wurden, verzichteten die Wittelsbacher im Frieden von Schärding (1369) auf Tirol, sie erhielten außer einer großen Geldentschädigung einige Städte, darunter Schärding und Rattenberg. In den nächsten Jahren waren die Habsburger trotz der inzwischen eingetretenen Erschöpfung aller Geldmittel weiterhin recht tätig. Ein erster Versuch der Erwerbung von Triest scheiterte, aber es gelang, wieder im Friaulischen Fuß zu fassen; ferner wurde die Herrschaft Adelsberg angekauft, die Herrschaft Duino (Tybein) erobert; dazu kam nach dem Tode Albrechts IV. von Görz die von Rudolf IV. vorbereitete Einverleibung Inneristriens und der görzischen Herrschaften auf der Windischen Mark in den habsburgischen Machtbereich. Die Adria war erreicht, das Landesfürstentum in Krain konsolidiert. Bei der Erwerbung Tirols hatte der Wunsch nach einer Territorialverbindung zwischen den „Vorlanden", wie man die althabsburgischen Besitzungen zu nennen begann, und dem Südosten mitgespielt; er war audi geltend, als die Habsburger sich im Lande vor dem Arlberg festsetzten. Die Beziehungen der Habsburger zu dem wichtigsten Herrengeschlecht des Landes und seinen beiden Linien Montfort und Werdenberg, die einander konsequent bekämpften, sind freilich älter. Graf Hugo I. von Werdenberg diente Rudolf von Habsburg als Landgraf in Oberschwaben und er hat wohl dem König eine feindselige Politik gegen die Montforter Verwandten nahegelegt. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts spielte der Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und den Habsburgern auch nach Vorarlberg. Die Macht der Werdenberger und Montforter war durch immer wieder erneute Teilungen ganz

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herabgekommen, die kleinen Ritter zählten kaum, das Bürgertum der Städte Feldkirch, Bludenz und Bregenz gewann demgegenüber an Geltung, hatte aber doch nicht die politischen Entfaltungsmöglichkeiten wie in den freien Reichsstädten. Zu Ende des 14. Jahrhunderts trat auch das bäuerliche Element, namentlich in den Walser Gemeinden und im Bregenzer Wald, stärker hervor. In diesen kleinräumigen Herrschaftskomplexen setzten sich die Habsburger 1363 fest, als sie die Herrschaft Neuburg am Rhein von der Familie der Thumben erwarben. 1375 aber verkaufte Graf Rudolf III. von Montfort-Feldkirch den Großteil seiner Herrschaft an die Habsburger, die nun die wichtigste der Vorarlberger Positionen an sich gebracht hatten. Noch weiter im Nordwesten, in der Nachbarschaft älterer Besitzungen im Schwarzwald, gewannen die Habsburger Boden. Im Jahre 1368 kaufte sich die Stadt Freiburg im Breisgau von der Herrschaft ihres schwer verschuldeten und den Bürgern verhaßten Grafen los und unterstellte sich den Habsburgern. Karl IV. belehnte die Habsburger überdies mit der Landgrafschaft im Breisgau. Freiburg und der Breisgau blieben seither durch Jahrhunderte Bastionen Österreichs am Oberrhein und Hochburgen österreichischer Staatsgesinnung.

Die Herrscbaflsteilungen

des späteren

Mittelalters

Wiewohl die gemeinsame Regierung der habsburgischen Brüder keineswegs erfolglos war, ergaben sich doch wiederholt Schwierigkeiten, deren Gründe unter anderem auch in der Verschiedenheit der Temperamente des zurückhaltenden, besonnenen Albrecht und des leidenschaftlich tätigen Leopold, dann in widerstrebenden außenpolitischen Tendenzen der Brüder zu suchen sind. Im Jahre 1370 hatten sie bereits die Einkünfte geteilt, schließlich gab der Ältere dem Drängen Leopolds nach einer Teilung der Herrschaft nach; Wünsche von Vertretern des Adels verschiedener habsburgischer Länder können dabei mitgewirkt haben. Im Vertrag von Kloster Neuberg im Mürztal (25. September 1379) erhielt Albrecht die Herrschaft über Österreich ober und unter der Enns einschließlich der Stadt Steyr und des Salzkammergutes, aber ohne Wiener Neustadt und das Pittener Gebiet (dessen Sonderstellung noch einmal zum Ausdruck kommt). Leopold wurde der weit ausgedehntere übrige Landbesitz, also Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol, die Vorlande und die Neuerwerbungen im Süden an der Adria zugesprochen; überdies erhielt er die erhebliche Summe von 100.000 fl. Die Vertragsbestimmungen scheinen eine ausgesprochene Bevorzugung des energischeren jüngeren Bruders zu verraten, doch dürfte in der Geldzahlung wohl audi die größere Finanzkraft von Albrechts Anteil zum Ausdruck kommen, wo die größeren Städte und die wichtigeren Abbaustätten des ertragreichen Salzbergbaues lagen, wo man

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vor allem auch über die Donauzölle verfügte. Verschiedene Vertragsbestimmungen dienten der Wahrung eines Zusammenhanges der beiden Herrschaftsbereiche; im Falle des Erlöschens einer Linie sollte die andere folgen, die Herzoge sollten weiterhin Titel und Herrschaftssymbole aller Länder und Gebiete führen, überdies war ein gegenseitiges Vorkaufsrecht bei Gebietsveräußerungen und gegebenenfalls Vormundschaft über unmündige Waisen der anderen Linie vorgesehen. Der Bruderlinie schädliche Bündnisse sollten vermieden, Feindangriffe gemeinsam abgewehrt werden. Tatsächlich kam es aber nur selten zu einer wirksamen Zusammenarbeit. Eine Teilung bedeutete auf jeden Fall auch eine Schwächung, so beurteilten schon Albrechts III. Hofdichter Peter Suchenwirt und später Thomas Ebendorfer die Ereignisse. Wenn auch die österreichische Geschichte zur Zeit der spätmittelalterlichen Teilungen (1379—1490) der großen Linie zu entbehren scheint, so lassen sich doch in genealogischer, territorialer und politischer Hinsicht gewisse Konstanten feststellen: Bei den Albertinern, Albrecht III. und seinen Nachkommen, folgte jeweils ein einziger Sohn dem Vater in der Herrschaft, bis diese Linie in der vierten Generation mit Ladislaus Postumus erlosch (1457); die Leopoldiner mit ihrem reicheren Kindersegen spalteten sich in einen steirischen und einen Tiroler Zweig; dieser fand im Jahre 1496 sein Ende, in jenem, von dem die habsburgische Herrschaft wieder geeint wurde, blühte das Haus weiter. Aus der Anwendung der Familienpolitik auf die territorialen Verhältnisse ergab sich die Gliederung der habsburgischen Gebiete in zwei, später drei Ländergruppen; die österreichischen Donauländer unterstanden den Albertinern, alle anderen Besitzungen der leopoldinischen Linie. Geographisch bildete die albertinische Herrschaft einen Annex zum luxemburgischen Machtbereich, so waren die Albertiner denn audi schwächere Verbündete dieses Hauses, das zeitweilig die römischdeutsche mit der böhmischen und ungarischen Krone vereinigte. Die Leopoldiner handelten selbständiger, die von ihrer Aktivität bedrohten Nachbarn, Venedig im Süden, die Eidgenossen im Westen, waren ihre Gegenspieler, die Beziehungen zu den Wittelsbachern besserten sich. Vielleicht hängt mit den Herrschaftsteilungen auch die Durchsetzung einer neuen Gesamtbezeichnung für die Habsburgerdynastie zusammen. Die früheste bekannte Nennung des Begriffes „Haus Österreich" (domus Austriae) in einem Schreiben Kardinal Napoleon Orsinis (1326) gehört wohl schon in die Zeit Friedrichs des Schönen. Diese Bezeichnung löste in der Folge die ältere, an sich seltener gebrauchte Formel „Herrschaft zu Österreich" ab und sollte den Aufstieg des habsburgischen Geschlechtes zur Weltgeltung begleiten, alsbald sprach man außerhalb der Länder deutscher Zunge von der Casa d'Austria oder der Maison d'Autriche in selbstverständlicher Beziehung auf die Habsburger, audi jener Zweige der Familie, des spanischen vor allem, die nicht mehr über die österreichischen Länder herrschten. Im Sprachgebrauch

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

des Spätmittelalters aber kommt sehr deutlich zum Ausdruck, daß „Haus Österreich", ähnlich der verdrängten älteren Benennung, nicht nur die Dynastie, sondern auch die Gesamtheit der von ihr beherrschten Gebiete betreffen kann; es mag sein, daß der seit 1379 durch die mehrfach wiederholten Teilungen aufgelockerten Einheit der Sammelbegriff „Haus Österreich" eher entsprach als „Herrschaft zu Österreich"; es gab jetzt eben mehrere Herrschaften, aber audi weiterhin nur ein Fürstenhaus. Nach der Neuberger Teilung trat Leopold als Vorkämpfer einer aktiven Territorialpolitik in südlicher und westlicher Richtung in Erscheinung. Während eines Krieges zwischen Venedig und seinem Erbfeind Genua, der von den Carrara in Padua und von Ungarn unterstützt wurde, geriet die Lagunenstadt zeitweilig in arge Bedrängnis. Die Triestiner benützten die Situation zur Abschüttelung der erst vor wenigen Jahren errichteten venezianischen Herrschaft und unterwarfen sich — zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit zu schwach — Herzog Leopold, der die Autonomie der Stadt respektierte (1382). Auch auf schwäbischem Boden war Leopold III. zunächst recht erfolgreich, wenngleich sich hier von Anfang an der Widerstand der bündischen Bewegungen gegen den offensichtlichen Versuch der politischen Einigung Schwabens unter habsburgischer Führung geltend machte, denn das war beabsichtigt, als Leopold 1379 von König Wenzel um die große Summe von 40.000 fl. die Landvogtei in Ober- und Niederschwaben erwarb. Im Jahre 1381 kaufte er die Herrschaft des Grafen von Hohenberg zwischen Neckar und Donau. Bald aber spitzte sich das Verhältnis zum schwäbischen Städtebund und zur Eidgenossenschaft mehr und mehr zu. Herzog Leopold ging gegen die Eidgenossen keineswegs aggressiv vor, obgleich ihn der Adel drängte. Erst als die Luzerner und ihre Verbündeten ins habsburgische Herrschaftsgebiet einbrachen, unternahm er, unterstützt von Adel und Städten der Vorlande, einen Vorstoß gegen Luzern. Sein Heer unterlag aber bei Sempach dem beweglicheren Fußvolk des Gegners, der Herzog fiel (1386). N u n schlossen sich Zug und Glarus offen der Eidgenossenschaft an, ein Heer Albrechts III., das die Lage retten und Sempach rächen sollte, unterlag nach höchst ungeschickten Operationen bei Näfels den Glarnern (1388). Die Habsburger, denen südlich des Hochrheins nur ein Teil des Aargaus und der Thurgau verblieb, mußten in einem Waffenstillstand (1389), der 1394 und 1412 verlängert wurde, die geänderte Situation hinnehmen. Angesichts der verschlechterten Lage wurde Albrecht III. schon im Jahre 1386 von den Söhnen Leopolds III. als Vormund anerkannt, dadurch trat eine vorübergehende Festigung des Zusammenhalts der habsburgischen Macht ein. Eine Stärkung der bedrohten Stellung im Lande vor dem Arlberg brachte der Kauf der Herrschaft Bludenz mit dem Tale Montafon (1394). Abgesehen von der mißglückten Intervention in der Auseinandersetzung mit den Eidgenossen verlief die Regierung Albrechts III. ziemlich friedlich.

Die Herrschaftsteilungen des späteren Mittelalters

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Eine Fehde mit den Grafen von Schaunberg, welche versuchten, im Grenzgebiet zwischen Bayern und Oberösterreich ein eigenes Territorium um ihre Burg, das Kloster Wilhering, den Donauhafen Aschach und die 1367 erworbene Stadt Eferding zu bilden, endete mit einem raschen Erfolg des Herzogs (1380), der es verstanden hatte, die Wittelsbacher ins Bündnis zu ziehen. Die Schaunberger mußten die lehen- und landrechtliche Abhängigkeit von Österreich anerkennen, von ihrer Sonderstellung blieb ihnen schließlich nur der Blutbann vom Reich. Seine Residenz Wien förderte Albrecht III. nach Kräften, durch die unter ihm durchgeführte Universitätsreform — damals erhielt die Hochschule auch die langersehnte theologische Fakultät — gewann die Gründung seines Vorgängers erst wirkliche Lebenskraft (1385). Nach dem Tode Albrechts III. ergab sich eine gewisse Spannung, als der Sohn des Verstorbenen, Albrecht IV., und der älteste der leopoldinischen Brüder, Wilhelm, der als Senior des Gesamthauses Vorrechte beanspruchte, sich nicht ohne weiteres einigen konnten. In zwei Vertragswerken wurden schließlich die Herrschaftsrechte der Habsburger geregelt. In Hollenburg einigten sich Albrecht und Wilhelm (1395) über gemeinsame Regierung in allen Ländern, die Vasallen sollten beiden schwören, die Einkünfte gleichmäßig geteilt werden; tatsächlich übte Wilhelm einen gewissen Einfluß auf die albertinischen Donauländer aus. Im Wiener Vertrag (1396) beschlossen die beiden älteren leopoldinischen Brüder Wilhelm und Leopold (IV.) eine Verwaltungsteilung, an Wilhelm fielen Steiermark, Kärnten, Krain, die Besitzungen an der adriatischen Küste und in Friaul, Leopold erhielt Tirol und die Vorlande. Beide sollten für die jüngeren Brüder sorgen, Wilhelm für Ernst, Leopold für Friedrich. Die drei territorialen Verbände, die sich bei den Verträgen von 1395 und 1396 abzeichnen, blieben auch für die späteren Abmachungen maßgeblich, die geläufigen Namen dieser Ländergruppen: „Niederösterreich" (für die albertinischen Länder Österreich unter der Enns und das Land ob der Enns), „Innerösterreich" (für Steiermark und die anderen Länder des wilhelminischen Anteils) und „Oberösterreich" (Tirol und die Vorlande; für die letzteren wurde audi der engere Sammelbegriff Vorderösterreich üblich) haben sich allerdings erst im 16. Jahrhundert durchgesetzt. Im Jahre des Wiener Vertrages wurde zum ersten Male ein österreichischer Ländertag einberufen, der wegen der nach der Schlacht von Nikopolis (1396) drohender gewordenen Türkengefahr beraten sollte. In den zunächst bei besonderen Anlässen, später aber regelmäßig zusammentretenden Landtagen des ausgehenden Mittelalters wurde für das Mitbestimmungsrecht der Stände, das sich schon früher geltend gemacht hatte, eine dauernde Einrichtung geschaffen. Zu den Hauptagenden der Landtage gehörten alsbald die Steuerbewilligung, Beschlüsse über weitergehende Kriegsdienstleistungen, Zustimmung zu dynastischen Verträgen welche die Interessen des Landes berührten, sowie die Mitwirkung bei der Friedenswahrung in Notzeiten.

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D a s Spätmittelalter und die habsburgisdie „Herrschaft zu Österreich"

Die ständische Vertretung gliederte sich auf den österreichischen Landtagen im allgemeinen in die Gruppen der Prälaten, der Herren, der Ritter und der Städte und Märkte. Zu den Prälaten, die als Geistliche einen gewissen Ehrenvorrang, aber nicht den stärksten politischen Einfluß besaßen, zählten die Äbte und Pröpste der Landesklöster, die unter der Schirmvogtei des Landesherrn standen. Der Adel ist — abgesehen von Tirol — in die Gruppen der Herren und der Ritter gegliedert. Der Herrenstand hatte sich aus den Familien der großen Ministerialen und einiger weniger noch ins Spätmittelalter dauernder Edelfreier konstituiert. Dieser Stand stellte auf den Landtagen meist das eigentlich aktive Element. Aus seinen Reihen kam der Landeshauptmann, in Niederösterreich der Landmarschall. Zahlenmäßig stärker war — wenigstens während des Mittelalters — der Ritterstand, zu dem auch einzelne Ritterbürger der Städte, dann die edlen Knechte gehörten. Von dem Herrenstand trennte ihn eine zeitweilig starke Rivalität. Die landesfürstlichen Städte und Märkte waren nicht allzu zahlreich in den Landtagen vertreten, es fehlten jene Städte, die zum engeren Kammergut des Fürsten zählten, ebenso die adeligen oder geistlichen Grundherrschaften angehörigen Städte und Märkte. N u r ausnahmsweise — in Tirol, vorübergehend auch in Salzburg — waren die Bauern auf den Landtagen vertreten. In Tirol gab es auf den Landtagen Sprecher der „Täler und Gerichte", der Bauern in den landesfürstlichen Herrschaften. In den anderen Ländern konnten Adel und Prälaten auch als Vertreter ihrer Holden gelten, das war für diese nicht sehr günstig, da in vielen Fragen die Interessen doch sehr verschieden, oft geradezu entgegengesetzt waren. Die „gemeine Landschaft", die „Landleute", die „vier Parteien", wie man die Gemeinschaft der ständischen Vertreter nannte, und das Landesfürstentum waren vielfach aufeinander angewiesen. Wiederholt wurden die Stände zur Bekräftigung und als Bürgen der Haus- und Herrschaftsverträge herangezogen; in einzelnen Ländern hatten sie selbst ihre Rechte früh energisch geltend gemacht. Die Mitbestimmung der Stände über die Landesangelegenheiten in geregelten verfassungsmäßigen Formen begann jedenfalls nicht erst mit der Einberufung der Landtage, man kann hier bis auf die Aktivität der steirischen Adeligen beim Abschluß der Georgenberger Verträge (1186), ja sogar bis zu den Beschlüssen des österreichischen Landtaidings gegen Heinrich IV. (1081) zurückgreifen; im 13. und 14. Jahrhundert mehren sich die Quellenhinweise auf die politische Aktivität des Landvolkes und seiner Stände, das gilt ebenso für die habsburgischen Länder wie für die anderen Gebiete der Ostalpen, namentlich auch für die geistlichen Fürstentümer. Wo noch der Rahmen der Landeseinheit fehlte, kam es zu Bündnissen, wie etwa in den Herrschaften vor dem Arlberg im Jahre 1391; hier wirkten Grafen, Ritter, die Städte Feldkirch und Bludenz, aber auch bäuerliche Gemeinden zur Friedenswahrung zusammen; das Beispiel der Schweiz war gegeben, doch hatte der Bund keine antihabsburgische Tendenz.

D i e Herrsdiaftsteilungen des späteren Mittelalters

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Die Albertiner waren im allgemeinen bereit, mit der benachbarten, überlegenen Macht der Luxemburger zusammenzuarbeiten. In diesem Hause gab es aber zu Beginn des 15. Jahrhunderts keine einheitliche Familienpolitik. Während der Regierung des unbedeutenden Königs Ruprecht von der Pfalz (1400—1410) standen die Luxemburger gegeneinander im Kampf. Sigismund von Ungarn nahm seinen Bruder König Wenzel von Böhmen gefangen und übergab ihn den habsburgischen Herzogen Wilhelm und Albrecht IV. in Verwahrung; als es Wenzel gelang, der Gefangenschaft zu entkommen und den Kampf gegen Sigismund wieder aufzunehmen, kam es zu einer ernsten Entzweiung zwischen dem ungarischen König und den Habsburgern, die aber dann doch auf einem Kriegszug gegen König Wenzel und Markgraf Jost von Mähren mitwirkten. Während dieser Unternehmung erkrankte Albrecht IV. an der Ruhr, der er in Klosterneuburg, erst 27 Jahre alt, erlag. Der Herzog hatte die kriegerischen Händel seiner Nachbarn höchst ungern mitgemacht, er zog ein stilles Leben vor und hatte sich nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land (1398) oft zurückgezogen auf Schloß Laxenburg oder in der Kartause Mauerbach aufgehalten. Aus seiner Ehe mit Johanna von Bayern hinterließ er einen noch unmündigen Sohn, Albrecht (V.). Es hatte sich schon zu Albrechts IV. Lebzeiten gezeigt, daß die Angehörigen der leopoldinischen Linie auch untereinander nicht einig waren, die wiederholten Versuche des Ältesten, Wilhelm, eine Vorzugsstellung zu behaupten, stießen auf den Widerstand Leopolds IV. Dazu kamen noch verschiedene außenpolitische Ansichten, Wilhelm Schloß sich Wenzel, Leopold aber Sigismund an; dieser Zwist hatte einen ungarischen Einfall in Österreich zur Folge. Als Herzog Wilhelm 1406 starb, machte sich sehr deutlich die Stärke der ständischen Position bemerkbar. Ein Ausschuß der österreichischen Stände entschied über die Dauer der Vormundschaft für Albrecht V., die bis zum 24. April 1411 befristet wurde. Die Aufteilung der habsburgischen Länder unter den leopoldinischen Brüdern wurde in der Weise geordnet, daß Leopold als Ältester Österreich, Kärnten und Krain, Ernst „der Eiserne" die Steiermark, Friedrich, den man zuerst ausschalten wollte, die Vorlande und Tirol verwalten sollte. Die Zwistigkeiten unter den Brüdern, namentlich zwischen Leopold und Ernst, dauerten aber trotz verschiedener Schlichtungsversuche der Stände und König Sigismunds weiter an. Diese Auseinandersetzung blieb keineswegs auf das Herrscherhaus beschränkt. Die Herzoge warben ausländische Soldtruppen, überdies kam es zu Einfällen ungarischer und mährischer Banden, Gegenaktionen zur Wahrung des Landfriedens hatten keinen durchschlagenden Erfolg. In den Parteiungen zeichnet sich auch eine soziale Note ab. Die großen Landherren und das Wiener Patriziat hielten zu Herzog Ernst, Ritter und Handwerker unterstützten Leopold. In Wien kamen diese Gegensätze am stärksten zum Ausdruck, als der Bürgermeister Konrad

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

Vorlauf die Hinrichtung von fünf Handwerkern veranlaßte, die im Rat gegen Herzog Ernst Stellung genommen hatten. Als bald darauf Herzog Leopold in Wien einzog, ließ er seinerseits Vorlauf und zwei Ratsherren, Hans Rock und Konrad Rampersdorfer, enthaupten. Einig waren sich die Brüder nur in dem Bestreben, die Vormundschaft über Albrecht zu verlängern, doch wurde ihr Mündel von den Vertretern der Stände 1411 entführt. Herzog Leopold starb, und nach längeren Verhandlungen wurde schließlich in einem zu Wien abgeschlossenen Vertrag eine Regelung getroffen, die in territorialer Hinsicht an die Abmachungen von 1395 und 1396 anknüpfte. Albrecht V. erhielt die niederösterreichischen Länder, Ernst die innerösterreichischen und Friedrich Tirol und die Vorlande. Allmählich trat im Machtbereich des Hauses Österreich wieder Ruhe ein; sie sollte indessen nicht lange dauern. Höchst schwierig hatte sich von Anfang an die Lage Herzog Friedrichs IV. gestaltet. Als er in einen Streit zwischen der Abtei St. Gallen und ihrer bäuerlichen Untertanen in Appenzell zugunsten des schwer bedrängten Abtes eingriff, wurde seine Heeresmacht von den Appenzellem in der Schlacht am Stoß (1405) geschlagen, die Erhebung griff auf das rechte Rheinufer über, und es bildete sich der „Bund ob dem See", dem die meisten vorarlbergischen Gemeinden angehörten, nur Herrschaft und Stadt Bregenz leisteten nach einigem Zögern energischen Widerstand. Ein Vorstoß der Bündischen über den Arlberg nach Tirol bis Landeck verlief trotz erfolgreicher Kämpfe schließlich ergebnislos. Der Sieg des schwäbischen Ritterheeres vom „Georgenschild" über die Bauern, welche Bregenz belagerten, rettete die Lage f ü r Friedrich; 1408 wurde Frieden geschlossen, dabei wurde den Vorarlberger Bauern verbrieft, daß die gebrochenen Adelsburgen nicht wieder errichtet werden sollten. In den Nöten des Kampfes mit den Appenzellem hatte Herzog Friedrich auch dem Adel Tirols manche Zugeständnisse machen müssen, seine weitere Regierung war dann durch den Kampf gegen die von allen äußeren Feinden des Hauses Österreich unterstützte Adelsmacht gekennzeichnet, selbst Herzog Ernst stand vorübergehend auf der Seite der Gegner Friedrichs. Der Herzog blieb aber erfolgreich, als der Tiroler Adel unter Führung Heinrichs von Rottenburg während eines Konfliktes mit dem Bistum Trient von ihm abfiel, in dessen Gebiet der Herzog, alte Aspirationen seiner Vorgänger aufnehmend, landesfürstliche Rechte geltend machen wollte (1410). Schon bei dieser Auseinandersetzung hatte König Sigismund eine für Friedrich wenig günstige Haltung eingenommen, auf dem Konstanzer Konzil brach dann der alte Gegensatz zwischen den Leopoldinern und dem luxemburgischen Königshaus wieder offen aus. Als der Herzog in höchst unüberlegter Weise, in Verkennung der politischen Situation, dem von der Absetzung bedrohten Papst Johann X X I I I . die Flucht vom Konstanzer Konzil ermöglichte, wo König Sigismund die Lage beherrschte, konnte er Johanns Schicksal nicht

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wenden, zog sich selbst aber die Reichsacht zu, die von den Eidgenossen, ungeachtet des von ihnen vor kurzem beschworenen fünfzigjährigen Friedens, sofort zur Eroberung des Aargaus, der Grafschaften Kiburg und Lenzburg benutzt wurde. Damals ging den Habsburgern ihre Stammburg verloren (1415). Auch der von Oswald von Wolkenstein geführte Tiroler Adel schlug erneut los. Durch Rückkehr nach Konstanz suchte Herzog Friedrich den Konflikt beizulegen, allein Sigismund zeigte keinerlei Rücksicht und nahm den Herzog gefangen. Erst eine abenteuerliche Flucht nach Tirol setzte Friedrich instand, wirksamen Widerstand gegen seine Bedränger zu leisten. Landesfürst, Städte und Bauernschaft fanden sich zur Zusammenarbeit gegen den Adel, der die Gelegenheit zur Schaffung reichsunmittelbarer, kleinerer Herrschaften ausnützen wollte und damit die Einheit des Landes Tirol bedrohte. Schließlich kam es zu einem Abkommen (1418), in dem Friedrich, abgesehen von den Verlusten an die Eidgenossen, seine Herrschaften behauptete. Die verpfändeten Gebiete löste der Herzog wieder ein; durch eine zielbewußte und sparsame Finanzpolitik verschaffte er sich die nötigen Mittel und widerlegte seinen Spottnamen „Friedel mit der leeren Tasche". In Vorarlberg bestand die Pfandschaft der Herrschaft Feldkirch unter Friedrich von Toggenburg allerdings bis zu dessen Tod (1436), die Feindschaft der Eidgenossen verzögerte die Wiedererwerbung der Herrschaft. In Tirol dauerten die K ä m p f e des Herzogs gegen den Adel noch eine Zeitlang an, den längsten Widerstand leistete die reichbegüterte Familie der Starkenberger, bis ihre Hauptfeste Greifenstein 1426 erobert wurde. Seither war der Herzog unbestrittener Herr im Lande, die Unterstützung durch Bauern und Städte hatte sich entscheidend ausgewirkt. Durch ihre Haltung behaupteten Bürger und Bauern ihre politischen Rechte; die Bauern sicherten sich die Zugehörigkeit zu den Landständen und damit auch zu den Landtagen, ebenso wahrten sie sich die Selbstverwaltung in den Gemeinden; ein Sieg des Adels hätte ihre Stellung dagegen gewiß arg beeinträchtigt. Der Herzog aber erweiterte seine Macht wesentlich, als er nach dem Tode seines Bruders Ernst ( 1 4 2 4 ) die Vormundschaft über dessen Söhne Friedrich (V.) und Albrecht ( V I . ) erlangte und damit einen wesentlichen Einfluß auf die Regierung Innerösterreichs. Die Regierungstätigkeit Albrechts V . in den niederösterreichischen Ländern gestaltete sich zunächst recht erfolgreich; ihm gelang, was man so lange vergebens erstrebt hatte, die Sicherung des Landfriedens und die Durchführung einer Gerichtsreform. Das landmarschallische Gericht ersetzte das alte Hoftaiding. Der fähige und uneigennützige Hubmeister Berthold von Mangen brachte die Finanzen in Ordnung. Die Zusammenarbeit mit König Sigismund, dessen Tochter Elisabeth der Herzog 1421 heiratete, funktionierte gut, führte allerdings zu einer Verstrickung der albertinischen Länder in die hussitischen Wirren. Mit der allgemeinen religiösen Erregung hing zweifellos der Ausbruch einer großen, diesmal durch den Landesfürsten

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

geförderten Judenverfolgung zusammen, die in Wien einigen H u n d e r t der reicheren Juden das Leben kostete. Verdächtigungen wegen angeblicher Zusammenarbeit mit den Hussiten — die allerdings selbst die Juden verfolgten — spielten bei dem Vorgehen des Herzogs, der die Gelegenheit zu ausgiebigen Vermögenskonfiskationen benützte, eine wesentliche R o l l e . Es ist im übrigen gewiß nicht ausgeschlossen, d a ß die Sozialrevolutionären Ideen der radikaleren Parteigänger Hussens in den ärmeren Kreisen der Bevölkerung Anklang fanden; in Glaubenssachen mögen Sektierer waldensischer Richtung oder andere Unzufriedene S y m p a t h i e für Hussens Lehre gehabt haben, es k a m jedenfalls zu Ketzerprozessen. Einige Zeit predigte der Gefährte des böhmischen R e f o r m a t o r s , Hieronymus von P r a g , in W i e n . D e r nationale Fanatismus und die barbarische Kriegführung der Hussiten waren aber nicht geeignet, in deutschen Landen für ihr Ideengut werbend zu wirken. I n den ersten J a h r e n nach dem offenen Ausbruch der K ä m p f e operierte Herzog Albrecht mit wechselnden Erfolgen in M ä h r e n , das Sigismund ihm als böhmisches Lehen zusprach ( 1 4 2 3 ) . Hussitische Einfalle forderten schwere O p f e r unter der österreichischen Bevölkerung, namentlich ein Massaker nach der Eroberung der Grenzstadt R e t z ( 1 4 2 5 ) , zwei J a h r e später erlitten die Österreicher eine schwere Niederlage bei Z w e t t l . Auch in den folgenden J a h r e n wurde das Gebiet nördlich der Donau schwer heimgesucht, 1 4 2 9 mußte Eggenburg eine längere Belagerung aushalten, 1431 gelang endlich ein bedeutender Abwehrerfolg bei Kirchberg an der W i l d . D a die Ritterheere in den Hussitenkriegen ebenso wie schon früher in den K ä m p f e n mit den Schweizern versagten, auch zahlenmäßig zu schwach waren, rief man wiederholt größere Aufgebote der Landesbevölkerung zusammen. D i e „Viertel"-Einteilung der österreichischen D o n a u länder hängt mit der damals getroffenen Verteidigungsorganisation eng zusammen. Auch Söldner wurden angeworben, und nach Beendigung der böhmischen W i r r e n spielten tschechische Söldner in den österreichischen Fehden eine große Rolle. Erst nach Beilegung der hussitischen Streitigkeiten konnte K ö n i g Sigismund nach Böhmen zurückkehren ( 1 4 3 6 ) ; nach des Königs T o d ging, wie es die bestehenden Verträge und des letzten Luxemburgers Wunsch nahelegten, Sigismunds Machtstellung auf Albrecht V . über. Zuerst wurde Albrecht in Ungarn ziemlich widerspruchslos zum K ö n i g gewählt ( J ä n n e r 1 4 3 8 ) , es k a m ihm zugute, d a ß seine G a t t i n , Sigismunds Tochter Elisabeth, vom Adel als Landesherrin anerkannt wurde. I m M ä r z 1 4 3 8 erlangte Albrecht — als zweiter Herrscher seines N a m e n s — die römisch-deutsche Königswürde; größere Schwierigkeiten gab es wegen religiöser und nationaler Bedenken in Böhmen, doch wurde er schließlich im J u n i 1 4 3 8 von einer Mehrheit der Stände gewählt und bald allgemein anerkannt. D a m i t w a r zum ersten M a l e der österreichische Herzogshut mit der böhmischen, ungarischen und deutschen K r o n e durch einen Fürsten zusammengefaßt, doch hatte Albrecht, ungleich

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D i e Zeit d e r österreichischen W i r r e n u n t e r Kaiser Friedrich I I I .

den späteren Königen und Kaisern des habsburgischen Hauses, seine Stellung gewissermaßen von den Luxemburgern geerbt. Albrecht bekleidete seine neuen Würden nicht lange genug, als d a ß man die innere Stärke seiner Position wirklich beurteilen könnte, seine Herrscherqualitäten wurden aber überall gewürdigt. Im O k t o b e r 1439 starb er an der Ruhr, die er sich auf einem erfolglosen Feldzug gegen den neuen türkischen Feind, der Ungarn von Südosten bedrohte, zugezogen hatte. Erst nach des Gatten T o d gebar Königin Elisabeth einen Sohn Ladislaus (mit dem Beinamen Postumus, der Nachgeborene). Der König hatte letztwillig verfügt, d a ß Friedrich V. von Innerösterreich mit der Königin und neun Räten die Vormundschaft über den erwarteten Leibeserben führen sollte. Dieser Bestimmung wurde Rechnung getragen, außerdem bestellte man Friedrich als Senior des Hauses Österreich auch zum Vormund Siegmunds, des Sohnes Friedrichs IV. von Tirol. Die Zeit der österreichischen

Wirren unter Kaiser Friedrich

III.

Der vorzeitige Tod König Albrechts II., dem man jedenfalls zubilligen muß, d a ß er die Regierung energisch geführt hatte, leitete einen rund ein halbes J a h r h u n d e r t dauernden höchst unerfreulichen Abschnitt der österreichischen Geschichte ein; eine Zeit der Wirren, die im wesentlichen mit der in verschiedenen Formen und unter verschiedenen Titeln geführten Regierung Friedrichs V. (III.), des älteren Sohnes H e r z o g Emsts von Innerösterreich, zusammenfällt. Friedrich mußte allerdings zeitweilig den Ständen, dann Albrechts II. Sohn Ladislaus, dem eigenen Bruder Albrecht VI. und insbesondere Siegmund von Tirol wesentliche Mitherrschaftsansprüche in den Ländern des österreichischen Raumes zugestehen, er hat diesen auch sonst weder gegen den äußeren Feind noch gegen Widersacher im Innern zu wahren gewußt, konnte schließlich aber seinem Sohne Maximilian eine imposante Machtstellung hinterlassen. Der junge Ladislaus durfte kraft seiner A b k u n f t wohl als meistberechtigter T h r o n p r ä t e n d e n t f ü r die ungarische und böhmische Krone gelten; es gab aber in beiden Ländern nationale, vorwiegend durch den Adel gestellte Parteien, die ein deutsches, im Augenblick nur durch ein Kind repräsentiertes Herrscherhaus ablehnten und einen Nichtdeutschen, womöglich aus dem eigenen Lande, vorgezogen hätten. In Ungarn kam es zur K a n d i d a t u r des Jagelionen Wladislaw von Polen, eine Zeitlang dachte man daran, ihn mit Albrechts W i t w e Elisabeth zu vermählen, doch diese hielt am Thronanspruch ihres Sohnes fest. So wurden beide K a n d i d a t e n gekrönt, Ladislaus als dreimonatiges Kind, der Jagellone immerhin als sechzehnjähriger Jüngling (1440), allerdings hatte ein geglückter C o u p der H o f d a m e Helene K o t t a n n e r dem Habsburgerkind die echte Kroninsignie gesichert. Wladislaw behauptete nach dem baldigen Tod Elisabeths ziemlich unangefochten das Feld, doch fiel er schon 1444 in der unglücklichen Schlacht von Varna gegen die Türken. 10

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

Nun hätte man wohl Ladislaus Postumus als König anerkannt, aber Friedrich, im Februar 1440 zum deutschen König gewählt, wollte sein Mündel nicht ausliefern, und so wählte der ungarische Reichstag den siebenbürgischen Adeligen Johannes Hunyadi zum Reichsverweser ( 1 4 4 6 ) ; bald darauf unternahm dieser einen Einfall in Österreich, ohne Friedrich zu einer Änderung seiner Haltung bewegen zu können. Ganz ähnlich verlief die Entwicklung in Böhmen. Hier war der Utraquist Georg Kunstaldt auf Podiebrad der Erwählte der Stände, der zuerst die Stellung eines obersten Hauptmannes (1444), dann die eines Reichsverwesers bekleidete; audi er verlangte vergeblich und gewiß nicht mit großem Nachdruck die Auslieferung des Ladislaus. Auch den albertinischen „niederösterreichischen" Ländern und ihren Ständen wollte Friedrich den angestammten Herrscher nicht freigeben, ohne aber selbst eine wirksame Regierungstätigkeit zu entfalten. Hier gab es nun einen überaus betriebsamen Sprecher und Führer der ständischen Opposition, der es gerne einem Hunyadi oder Podiebrad gleichgetan hätte, den aus niedrigem bayerischen Adel stammenden Hubmeister Ulrich von Eytzing, dem sein Amt und eine reiche Heirat die nötigen Mittel zu politischer Aktivität verschafft hatten. Als geschickter Demagoge betätigte er sich mit großem Erfolg in der Stimmungsmache gegen Friedrich, dessen Unterlassungssünden genügend Anlaß zur Unzufriedenheit boten. Der König hatte es inzwischen auch verstanden, sich im Reich unbeliebt zu machen. Er versuchte noch einmal, die österreichische Politik gegen die Schweizer zu aktivieren, eine Spaltung zwischen Zürich und den übrigen Eidgenossen bot eine gute Gelegenheit. Friedrichs geheimes Bündnis mit dem König von Frankreich hatte die zuchtlosen Scharen der armagnakischen Söldner ins Rheinland gerufen ( 1 4 4 4 ) ; der erbitterte Widerstand der Schweizer und Elsässer veranlaßte sie zum Rückzug; als Friedrichs Politik durchschaut wurde, verlor er für lange Zeit alle Sympathien im Reich. Die Tiroler erzwangen bei dieser Gelegenheit die Freigabe Herzog Siegmunds, des Sohnes Friedrichs von Tirol (1446), den Friedrich — ähnlich seiner in Österreich gegenüber Ladislaus geübten T a k t i k — auch nach Erlangen der Großjährigkeit nicht aus der Vormundschaft hatte entlassen wollen. Während dieser Vorgänge litt das Land nördlich der Donau dauernd unter Verwüstungen durch böhmische, mährische, ungarische und auch einheimische Banden; die Söldnerführer Pankratz von Holitsch, Leonhard Arberger, Benes Cernahorsky von Boskowitz unternahmen ausgedehnte Plünderungszüge. König Friedrich blieb passiv; einige Erleichterung brachte ein Kriegszug des Grafen Ulrich von Cilli ins Marchfeld (1450). I m nächsten J a h r e forderte eine aktive Minderheit der Stände unter Ulrich von Eytzing vom König ultimativ die Freilassung des Ladislaus Postumus. Friedrich antwortete aber ausweichend und begann zu Ende des Jahres 1451 einen Romzug, auf den er vorsichtshalber Ladislaus mitnahm. Am 19. März 1452 erfolgte seine Krönung zum Kaiser, die letzte, die in R o m vollzogen werden sollte;

D i e Z e i t d e r österreichischen W i r r e n u n t e r K a i s e r Friedrich I I I .

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fortan blieb die höchste W ü r d e des Reiches, f ü r das sich nach der E n t f r e m dung Italiens der N a m e „Heiliges Römisches Reich Deutscher N a t i o n " einzubürgern begann, mit einer einzigen Unterbrechung (durch den Wittelsbacher Karl V I I . , 1742—1745) bis zur Auflösung des Reichsverbandes (1806) im Besitze der Habsburger. U n g e f ä h r in den gleichen Tagen, da Friedrich in R o m eine Kaiserkrone gewann, drohte ihm der Verlust Österreichs. Die ungarischen, böhmischen u n d österreichischen Gegner des Kaisers schlossen zu Wien einen Bund, belagerten den aus Italien Heimkehrenden in Wiener N e u s t a d t und zwangen ihn zur Auslieferung des Ladislaus (September 1452). D e r dreizehnjährige K n a b e w u r d e im T r i u m p h nach Wien gebracht, dann nach Prag, wo m a n ihn zum König von Böhmen krönte. N a t u r g e m ä ß w a r Ladislaus nur ein Werkzeug in der H a n d der eigentlichen Machthaber; in Österreich wechselte die Spitzenstellung wiederholt zwischen dem Eytzinger und Ulrich von Cilli; schließlich gewann der steirische Graf die O b e r h a n d und leitete bis zu seiner E r m o r d u n g durch Ladislaus H u n y a d i in Belgrad (1456) die Politik des jungen Königs. A m 23. N o v e m b e r 1457 starb König Ladislaus in P r a g ; manche Zeitgenossen vermuteten einen von dem nach der Königskrone strebenden Georg von Podiebrad angezettelten Giftmord. Mit Ladislaus erlosch die albertinische Linie der Habsburger, sein Tod beendete aber auch die Personalunion der österreichischen, ungarischen und böhmischen Länder, in der man einen episodischen Vorläufer der späteren Donaumonarchie sehen kann. Natürlich versuchte Friedrich I I I . von der Position, die Ladislaus wenigstens dem N a m e n nach eingenommen hatte, einiges zu retten. Auf Böhmen mußte er gegenüber Georg von Podiebrad sofort verzichten. In U n g a r n gab es aber in den westlichen Komitaten Adelige, welche ein Königtum der H u n y a d i s ablehnten. Angehörige dieses Kreises, auch Österreicher und Steirer, die jenseits der ziemlich aufgelockerten Grenze auf ungarischem Boden Besitz hatten, wählten im Februar 1458 auf Schloß Güssing Friedrich zum König von U n g a r n . Eine zahlenmäßig weit stärkere, gewissermaßen nationalungarische Partei erkor jedoch Matthias H u n y a d i („Corvinus"), und dieser setzte sich durch, zumal Friedrich auch in Österreich bald in eine sehr bedrängte Lage geriet. Friedrich I I I . hatte, als er nach dem Tode des Ladislaus Postumus seine Ansprüche auf die albertinischen Länder beiderseits der Enns anmeldete, mit Rivalen aus der eigenen Dynastie zu rechnen. Siegmund von Tirol ließ sich anderweitig entschädigen, aber Friedrichs tätiger jüngerer Bruder Albrecht V I . trat dem Kaiser um so entschiedener entgegen, und der Antagonismus beider sollte in den nächsten Jahren (1458—1463) erneutes Unheil über die österreichischen Länder bringen. Vorerst gelang es dem Kaiser allerdings, einen wirklichen Erfolg zu erzielen, als er Eigengut und Lehen der mit Ulrich ausgestorbenen G r a f e n von Cilli in einer längeren Fehde gegen den G r a f e n H a n s von G ö r z an das H a u s Österreich brachte. Die unterlegenen Görzer, die neben vielen anderen auch Erbansprüche erhoben hatten, mußten ιο·

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

überdies ihren K ä r n t n e r Streubesitz östlich der Lienzer Klause im Frieden von Pusarnitz an Friedrich abtreten (1460), nachdem ihnen noch schwerere Einbußen gedroht hatten. Es k a m ihnen zugute, d a ß Friedrichs Lage sich inzwischen wieder verschlechtert hatte. Im J a h r e 1458 w a r es nach langwierigen Verhandlungen zu einer Regelung gekommen, nach der Kaiser Friedrich I I I . die Regierung des Erzherzogtums unter der Enns, Erzherzog Albrecht die des Landes ob der Enns übernahm. D e r Kaiser konnte sich aber auch jetzt in Niederösterreich nicht durchsetzen. Das flache Land wurde von den Söldnerbanden der feindlichen Brüder und ihrer inländischen und auswärtigen Parteigänger verwüstet. Hungersnöte brachen aus, da die Ernte nicht eingebracht werden konnte. Der Kaiser blieb, wie schon in den K ä m p f e n gegen die Stände, seinen Söldnern den Lohn schuldig und kam, von ewigen Geldsorgen bedrängt, auf den Gedanken, die Lage durch Ausprägung minderwertiger Münzen zu meistern. Es trat eine arge Inflation ein, als das Land mit diesen „Schinderlingen" überschwemmt wurde. Schließlich verweigerte die Bevölkerung überall die Annahme. Im J a h r e 1460 wurde diese Währungskrise durch Ausprägung einer höherwertigen M ü n z e einigermaßen behoben, das Vertrauen in den Wiener Pfennig blieb aber erschüttert. Die Fehden gingen weiter, am unangenehmsten w a r die Auseinandersetzung zwischen den H a u p t l e u t e n des Kaisers und dem Söldnerführer G a m a r e t Fronauer wegen strittiger Besitzansprüche. G e w i ß entsprach es dem Rechtsdenken des Mittelalters, Ansprüche unter Umständen auch durch Fehde durchzusetzen. Die Fehdegegner bemühten sich auch meistens, gewisse Rechtsformen einzuhalten, und G a m a r e t Fronauer, der sich im Marchfeld festgesetzt hatte, machte, wie einige J a h r e f r ü h e r Georg von Puchheim, ein anderer Widersacher Friedrichs, die G r ü n d e geltend, die ihn zur „Absage" an den Kaiser veranlaßt hatten. Die zur Fehde angeworbenen Söldnerhaufen bestanden zum Großteil aber aus höchst unerfreulichen Elementen, die sich hemmungslose Ausschreitungen zuschulden kommen ließen und deren unbeglichene Soldansprüche überdies immer wieder zur Erneuerung der Fehden führten. Den Zeitgenossen schienen, wie aus den Schilderungen eines Thomas Ebendorfer deutlich hervorgeht, die unerfreulichen Formen der F e h d e f ü h r u n g und ihre üblen Folgen f ü r das Land offenbar wesentlicher als die oft problematischen Gründe, welche die Fehdehelden zur Rechtfertigung ihres Tuns verkündeten. Tatsächlich f ü h r t e das Überhandnehmen der Fehde das Fehderecht ad absurdum, zur W a h r u n g des Landfriedens aber w a r der Kaiser zu schwach. So wuchs die Unzufriedenheit, und Albrecht V I . f a n d viel Unterstützung, als er nach gründlicher diplomatischer Vorbereitung in Niederösterreich einfiel (Juni 1461). Seine Anhänger gewannen auch in Wien unter Führung des populären Demagogen W o l f g a n g H o l z e r die O b e r h a n d und begannen, den Kaiser in der Burg zu belagern. Ein böhmisches Entsatzheer, das der Krainer Ritter Andreas Baumkircher herbeirief, der sich schon 1452 bei der

Die Zeit der österreichischen Wirren unter Kaiser Friedrich I I I .

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Verteidigung von Wiener N e u s t a d t ausgezeichnet hatte, befreite Friedrich aus seiner Isolierung. In Wien übernahm aber Erzherzog Albrecht das Regiment; er brachte auch einen verräterischen Anschlag Holzers, der insgeheim die Partei gewechselt hatte, zum Scheitern; H o l z e r w u r d e hingerichtet. Freilich verbesserten sich die allgemeinen Zustände auch unter Albrecht VI. nicht wesentlich, er schien die H o f f n u n g e n , die man auf ihn gesetzt hatte, ebensowenig zu erfüllen wie sein kaiserlicher Gegner. Der unerwartete Tod Albrechts V I . machte zu Ende des Jahres 1463 Friedrich I I I . wieder zum H e r r n der österreichischen D o n a u l ä n d e r . Der Kaiser ging jetzt besonnen vor, die Lage entspannte sich auch infolge des ö d e n b u r g e r Vertrages mit dem jungen König von Ungarn, Matthias Corvinus (1463). Friedrich I I I . behielt den ungarischen Königstitel, den er seit der Güssinger Wahl durch eine G r u p p e westungarischer Magnaten geführt hatte, verzichtete aber auf eine Realisierung seiner Ansprüche. Damals erfolgte auch eine Erbeinigung mit Matthias Corvinus, so verblieben den Habsburgern gewisse Aussichten auf die ungarische Krone. Wichtig war, d a ß der Kaiser mehrere im burgenländischen R a u m gelegene Herrschaften jenseits der Leithagrenze behauptete, die er seit dem Tode König Wladislaws besetzt hatte, nämlich Forchtenstein, Kobersdorf, Eisenstadt, Güns und Rechnitz, dagegen mußte ö d e n b u r g an Matthias übergeben werden. Die kaiserlichen Herrschaften sollten wohl staatsrechtlich weiter zu U n g a r n gehören, wurden aber von der niederösterreichischen K a m m e r verwaltet. In dieser Zeit vorübergehender Beruhigung errang Friedrich auch einen kirchenpolitischen Erfolg. Schon im J a h r e 1461 hatte der Kaiser ein Bistum in Laibach errichten lassen, das f ü r Teile Krains und der Südsteiermark zuständig wurde. W ä h r e n d eines zweiten römischen Aufenthaltes erlangte Friedrich von Papst Paul II. die Verwirklichung des jahrhundertealten Planes der österreichischen Landesfürsten zur Errichtung eines Wiener Bistums. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das dem Kaiser treu ergebene Wiener N e u s t a d t Bischofssitz (1469). Die Ausdehnung dieser landesfürstlichen Bistümer w a r allerdings sehr gering, der heftige Widerstand Passaus verzögerte die wirkliche Einrichtung des Wiener Bistums durch Jahre. Neue U n r u h e rief eine Erhebung des Krainer Adeligen Andreas Baumkircher hervor, eines Mannes, der bisher Friedrich I I I . konsequent unterstützt hatte, wie der Kaiser ja überhaupt in den leopoldinischen, innerösterreichischen Ländern, in denen er einen ganz unbezweifelbaren Anspruch auf die Landesherrschaft besaß, weniger mit Widerständen zu k ä m p f e n hatte. Baumkircher fühlte sich wohl nicht genügend f ü r seine Dienste belohnt, er k n ü p f t e mit Matthias Corvinus an und befehdete den Kaiser im Bunde mit anderen Adeligen. Ein Vermittlungsversuch der innerösterreichischen Stände f ü h r t e zu einem Vergleich, als aber Baumkircher nach G r a z kam, um Durchführungsverhandlungen beizuwohnen, ließ der Kaiser, der vor einem M o r d anschlag Baumkirchers gewarnt worden war, diesen und seinen Bundes-

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genossen Andreas Greisenecker verhaften und beide ohne Verfahren hinrichten (1471). In dem Jahre der Liquidierung der Baumkircherhändel gelang dem Kaiser noch eine nicht unwichtige Erwerbung. Er kaufte von den Herren von Wallsee Fiume („St. Veit am Pflaum") und gewann dadurch einen weiteren Adriahafen. In den siebziger Jahren machte sich schließlich sehr nachdrücklich ein Feind bemerkbar, dessen Macht durch Jahrhunderte eine Bedrohung Österreichs bleiben sollte. Die Niederlagen abendländischer Heere bei Nikopolis (1396) und Varna (1444) gegen die Türken hatten große Bestürzung hervorgerufen; unter den Kreuzfahrern, die angespornt durch die Predigt des Johannes Capistrano, der in Wien großen Zulauf fand, gemeinsam mit den Ungarn Belgrad im Jahre 1456 aus der Türkennot retteten, befanden sich zahlreiche Österreicher. Friedrich I I I . gründete den Georgsorden (1468), dessen Stammsitz das Kloster Millstatt wurde, zum Zwecke des Türkenkampfes, doch fehlten der Ordensgemeinschaft Menschen und Mittel, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Die Türken hatten sich in Bosnien festgesetzt und bedrohten damals besonders Innerösterreich. Die Nachrichten über die österreichischen Türkenkämpfe im 15. Jahrhundert sind nicht immer zuverlässig; von einem glänzenden Sieg Herzog Emsts des Eisernen bei Radkersburg 1418 erzählen etwa erst weit spätere Autoren. Sicher ist aber, d a ß die Türken in den Jahren 1473, 1476, 1478, 1480 und 1483 über Krain nach Kärnten vorstießen und das Land arg verwüsteten. Der verheerende Einfall von 1476 bildete den Anlaß zur Organisation eines Bundes der Kärntner Bauern, die gegen den Adel murrten, der — selbst im Schutze seiner Burgmauern — das offene Land seinem Schicksal überließ. Aber die Bauern unterlagen, als sie sich 1478 bei Goggau den durch das Kanaltal eindringenden Türken stellten. Diesen waren weder Aufgebote des Adels noch Bauernscharen gewachsen; nur die Soldtruppen des Fürsten bildeten ein geeignetes Instrument der Abwehr, vorausgesetzt, d a ß er über die Mittel zu ihrer Bezahlung verfügte.

Österreich und Burgund Der Kampf mit Frankreich und Ungarn Zu Beginn der siebziger Jahre, als der Kaiser f ü r einige Zeit seine Lage wieder konsolidiert hatte, begann Westeuropa in der Politik des Hauses Österreich an Bedeutung zu gewinnen. Die Entwicklung in Tirol und den Vorlanden gab zu dieser Westwendung den unmittelbaren Anstoß. Erzherzog Siegmund erfreute sich als freigebiger und lebenslustiger Fürst in den ersten Jahren seiner Regierung großer Beliebtheit. Auf seine Anrechte an den albertinischen Ländern hatte er bald verzichtet, um so energischer vertrat er seine Rechte als Tiroler Landesherr gegen das Bistum Brixen. Es kam

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ihm dabei zugute, daß Bischof Nikolaus von Kues ungeachtet seiner hervorragenden Qualitäten auf vielen Wissensgebieten in seinen Regierungshandlungen wenig Geschick zeigte und kaum Sympathien bei der Bevölkerung besaß. Als der Bischof die Nonnen von Sonnenburg, die sich wegen strittiger Gerichtsfragen an den Herzog gewandt hatten, mit Waffengewalt aus ihrem Kloster verdrängte und überdies die längst vernachlässigte Lehensabhängigkeit großer Gebiete Tirols von seinem Bistum allzusehr betonte, unternahm Siegmund seinerseits einen Gewaltstreich; nach einem erfolgreichen Uberfall auf den Kusaner in Bruneck (1460) erpreßte der Herzog vom Bischof eine Verzichterklärung auf die Streitobjekte, die Nikolaus nach seiner Freilassung allerdings widerrief. Papst Pius II. (Enea Silvio Piccolomini) verhängte über Tirol das Interdikt; doch wurde diese Maßnahme vom Klerus kaum beachtet. Folgenschwerer war der Appell an die Feinde des Herzogs, dessen Herrschaften anzugreifen, denn die Schweizer benützten, wie einst bei der Ächtung Friedrichs IV., die Gelegenheit, um Eroberungen zu machen; damals ging mit dem Thurgau das letzte größere Besitztum südlich des Hochrheins den Habsburgern verloren; es verblieb ihnen nur das Fricktal mit der Stadt Laufenburg. Nach dem Tode von Bischof und Papst (1464) wurde Siegmund vom Bann gelöst und das Interdikt aufgehoben. Das Landesfürstentum hatte sich behauptet und ging bald zum Gegenangriff über. Im Jahre 1474 bewilligten die Tiroler Stände eine Türkensteuer; diese wurde nun auch von den Bewohnern der bischöflichen Territorien eingehoben. Die Bedrängnis durch die Eidgenossen dauerte aber an, Siegmund fühlte sich diesem Gegner nicht ganz gewachsen. So suchte er einen Bundesgenossen und glaubte ihn in der neu aufgestiegenen Macht der Herzoge von Burgund zu finden, die unter Ausnützung der Möglichkeiten, die sich im Grenzraum Deutschlands und Frankreichs boten, zahlreiche Herrschaften durch eine glückliche Familienpolitik zu einem Staat zusammengefügt hatten, der allerdings die Lehensabhängigkeit von den Nachbarreichen noch nicht zu sprengen vermochte und überdies aus zwei durch das Herzogtum Lothringen getrennten Territorien bestand, dem kleineren altburgundischen oder „oberländischen" und dem größeren niederländischen, das sich von Artois und Flandern bis Friesland erstreckte. Im Jahre 1465 folgte auf den etwas schwerfälligen Herzog Philipp den Guten, den Begründer des Ordens vom Goldenen Vließ, sein leidenschaftlicher Sohn Karl „der Kühne" in der Herrschaft. Die Errichtung eines territorial geschlossenen, von den Nachbarn völlig unabhängigen Königreiches Burgund war sein offen angestrebtes Ziel. Siegmund wollte nun durch Zusammenarbeit mit dem Burgunder die Eidgenossen in die Zange nehmen; er verpfändete — ständig in Geldverlegenheit — an Karl im Vertrag von St. Omer (1469) den Sundgau, die Grafschaft Pfirt, Alt-Breisach und den Schwarzwald. Tatsächlich leistete Karl dem Habsburger gegen die Eidgenossen aber keine Unterstützung. Siegmund versuchte nun die Zusammenarbeit durch eine engere dynastische Bindung zu intensivieren.

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Karl der Kühne hatte keine männlichen Nachkommen, nur eine Tochter Maria; es war wohl auch die Unsicherheit über die Zukunft seiner Länder, die den Herzog nebst den Impulsen des eigenen Temperaments zu einer sprunghaften und unkonsequenten Politik veranlaßte. Siegmund unterbreitete Karl das Projekt einer Ehe Marias mit dem Kaisersohn Maximilian und bewog auch den Kaiser zu einer Zusammenkunft mit dem Burgunderherzog in Trier, auf der die nötigen Vereinbarungen getroffen werden sollten. Tatsächlich brachte die Trierer Konferenz (Herbst 1473) zwar eine eindrucksvolle Schaustellung fürstlichen Reichtums, namentlich durch Karl den Kühnen, die Verhandlungen verliefen aber bei beiderseitigem Mißtrauen ergebnislos und wurden vom Kaiser unvermittelt abgebrochen. Bald darauf hatte der Versuch des Herzogs, sich der tatsächlichen Herrschaft im Erzbistum Köln im Zusammenwirken mit dem Erzbischof Rupprecht von der Pfalz zu bemächtigen, einen Reichskrieg zur Folge; nach dem Scheitern der Belagerung der Stadt Neuß mußte sich Karl zurückziehen. In dieser Situation vollzog Siegmund von Tirol einen wohlerwogenen Frontwechsel; er suchte nun die an Burgund verpfändeten Gebiete zurückzuerlangen; andererseits verzichtete er in einem zu Konstanz abgeschlossenen Vertrag, der „Ewigen Richtung" (März 1474), auf alle Ansprüche gegen die Schweizer. Das war der erste wirkliche Frieden zwischen den Eidgenossen und dem Hause Österreich, vorher war es nur zu zeitweiligen Waffenruhen gekommen. Siegmund und die Schweizer verbanden sich mit den oberrheinischen Städten und den Bischöfen von Basel und Straßburg gegen den Burgunder, der die Auslösung verweigerte. Der H a ß gegen die „Welschen" flammte auf, in den strittigen Herrschaften erhob sich die Bevölkerung, der brutale burgundische Statthalter Peter von Hagenbach geriet in die Hände seiner Feinde und wurde hingerichtet. Es folgten Kämpfe zwischen den Schweizern und Burgund; die Eidgenossen siegten bei Hericourt (1475). Karl dem Kühnen gelang wohl die Eroberung Lothringens, im Kampf gegen die Schweizer hatte er aber weiterhin kein Glück, seine Truppen unterlagen bei Grandson und Murten (1476). Als Karl die inzwischen wieder verlorengegangene lothringische Hauptstadt Nancy belagerte, wurde das burgundische Heer vor der Stadt von Lothringern und Schweizern entscheidend besiegt, der Herzog fiel (1477). In seiner Bedrängnis im Kampfe mit den Eidgenossen hatte der burgundische Herzog wieder Verhandlungen mit dem Kaiser aufgenommen und die Vermählung seiner Tochter mit Maximilian erneut in Aussicht gestellt; jetzt war in der Tat mit der H a n d Marias auch das gewaltige Burgundererbe fällig. Maximilian eilte in die Niederlande und vermählte sich mit der Tochter Karls des Kühnen in Gent (19. August 1477). Um den Anspruch des Hauses Österreich auf die verwaisten burgundischen Länder durchzusetzen, bedurfte es aber erst des Waffenentscheids, denn naturgemäß trat sofort auch der Lehensherr Karls für dessen französische Kronlehen, König Ludwig XI.,

Österreich u n d B u r g u n d . D e r K a m p f mit F r a n k r e i c h u n d U n g a r n

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auf den Plan. In langjährigen, immer wieder erneuerten K ä m p f e n blieb Maximilian, der 1479 bei Guinegate im Artois einen ersten großen Sieg errang, weitgehend erfolgreich. N u r Bourgogne und Picardie fielen vom Burgundererbe an Frankreich, den weitaus größeren Teil vermochte Maximilian zu behaupten. Der im J a h r e 1482 nach dem Tode Marias geschlossene Frieden von Arras w a r allerdings wenig günstig, die späteren K ä m p f e Maximilians mit den Franzosen brachten aber doch die Befestigung der habsburgischen Herrschaft in diesem Raum. Seit 1477 sprach man gerne vom „ H a u s Österreich und Burgund", der Aufstieg der habsburgischen Dynastie zur Weltgeltung bereitete sich vor. Zu den alten Traditionen der Vorlande und des Donauraumes kamen die neuen Interessen des westeuropäischen Küstensaumes und die Erbschaft des burgundisch-französischen Gegensatzes. In den burgundischcn Ländern gab es ein starkes, wenn auch widerspruchsvolles Staatsbewußtsein, als Burgunder und Niederländer fühlten Maximilians Kinder aus der Ehe mit Maria, die 1482 bei einem J a g d u n f a l l das Leben verlor, ähnlich empfanden auch noch die Enkel Karl (V.) und Ferdinand (I.). Karl V. k ä m p f t e um die alte burgundische H a u p t s t a d t Dijon, während Frankreich wieder den Verlust seiner Lehen Flandern und Artois nicht verschmerzen konnte. W ä h r e n d Burgund den vollen Einsatz der Persönlichkeit Maximilians erforderte, dessen Lage nach dem Tode seiner Frau, die als eigentliche Landeserbin galt, entschieden schwieriger wurde, k a m es im Osten der habsburgischen Macht zu einer überaus kritischen Situation. Matthias Corvinus, der ehrgeizige und fähige König von U n g a r n , hatte seine Macht über Teile von Mähren und Schlesien ausgedehnt, der Tod des Böhmenkönigs Georg befreite ihn von einem gleichwertigen Gegner. Seine Ansprüche auf Böhmen konnte Matthias gegen den Jagelionen Wladislaw I I . nicht durchsetzen; doch benützte er dessen Anerkennung durch Friedrich I I I . zu einer militärischen Aktion gegen Niederösterreich (1477), bis der Kaiser sich im Vertrag von G m u n d e n zur Belehnung des Corvinus mit Böhmen bereit fand, ohne d a ß allerdings dadurch die Stellung Wladislaws erschüttert worden wäre. Eine arge politische Ungeschicklichkeit Friedrichs, der dem zu ihm geflüchteten früheren Erzbischof von Gran, J o h a n n Beckensloer, das Salzburger Erzbistum zuwenden wollte, obwohl der Erzbischof Bernhard von R o h r ungeachtet einer früheren Zusage die A b d a n k u n g verweigerte, f ü h r t e zu einer Intervention des Matthias Corvinus, dem Bernhard von R o h r die Salzburger Festen in Kärnten und Steiermark öffnen ließ. D a sich Friedrich I I I . auch aus dem bedrohten Niederösterreich zurückzog, eroberte der U n g a r n k ö n i g hier zahlreiche Plätze, nach langer Belagerung fiel Wien (1485), dann Wiener N e u s t a d t (1487), nur in Krems behauptete sich eine kaiserliche Besatzung. Ein Reichsaufgebot unter Albert von Sachsen hatte wenig Erfolg, und auch Maximilian konnte dem bedrängten Vater keine H i l f e bringen. Seit Ende 1484 kämpfte er wieder gegen die Franzosen, diesmal mit recht wech-

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selndem Erfolg. Im Februar 1486 war er zum römischen König gewählt worden; Friedrich hatte die Kandidatur nur sehr vorsichtig gefördert, sei es, daß er die eigene Stellung nicht beeinträchtigen wollte oder weil die Kurfürsten jeder Begründung eines dynastischen Anspruches auf die Königskrone ablehnend gegenüberstanden. Nach der Rückkehr in die Niederlande wurde Maximilian von den Bewohnern Brügges, die ihm seine englandfreundliche Handelspolitik vorwarfen, gefangengenommen (1488); erst gegen große Zugeständnisse ließ man ihn nach Eintreffen eines Reichsheeres frei. Friedrich III. erzwang aber eine Revision der Vereinbarungen, die Maximilian mit den Niederländern notgedrungen hatte treffen müssen. Höchst heikel war auch die Situation des Hauses Österreich in Tirol und den Vorlanden. Siegmund von Tirol hatte 1487 einen Krieg mit Venedig begonnen, ihn zunächst aber sehr lässig geführt; zuletzt gelang es, ein vordringendes venetianisches Heer bei Calliano an der Etsch entscheidend zu schlagen, doch dann wurde, da sich die Kriegsereignisse sehr ungünstig auf den Handel auswirkten, Frieden geschlossen. Als der freigebige Landesfürst sich mehr und mehr in Schulden verstrickte, überredeten ihn seine Hofleute zum Verkauf des Landes Tirol an Bayern; eine besonders verderbliche Rolle spielte bei diesen Intrigen der Hofmeister Gaudenz von Matsch, der wohl auch das unsinnige Gerücht aufbrachte, Kaiser Friedrich plane die Ermordung Siegmunds. Ein Landtag schaltete diese Hofclique aber aus (1487), Matsch und seine Freunde wurden vertrieben, Siegmund mußte die den Bayern gemachten Versprechungen widerrufen. Schließlich gelang es Maximilian im März 1490, Siegmund gegen eine hohe Abfindung zur Abdankung zu bewegen. Damit war die Lage im wichtigen Verbindungsstück zwischen Burgund und den Donauländern gesichert. Maximilian war eine Zeitlang bereit, zugunsten einer Aussöhnung mit Matthias Corvinus Opfer zu bringen, vielleicht selbst die Abtretung Niederösterreichs. Das hat der alte Kaiser verhindert. Der Tod des Ungarnkönigs im April 1490 brachte die Lösung: Matthias hinterließ nur einen unehelichen Sohn, der nicht als Thronerbe anerkannt wurde. In einem mühelosen Feldzug vermochte Maximilian die verlorengegangenen Gebiete zurückzugewinnen. Er schien jetzt sogar gute Aussichten auf den ungarischen Thron zu haben, da sein Gegenkandidat Wladislaw von Böhmen ihm an Energie weit unterlegen war; verschiedene westungarische Städte fielen in Maximilians H a n d , aber als er sich zum Sturm auf Ofen anschickte, meuterten seine Söldner, deren Ansprüche wegen Mangels an Geldmitteln nicht befriedigt werden konnten, und Maximilian mußte sich zurückziehen. Schließlich beendete der Frieden von Prcßburg (1491) den Thronstreit, neue Schwierigkeiten mit Frankreich bewogen Maximilian zum Nachgeben. Die Vertragsbestimmungen ähnelten denen von ödenburg 1463. Sie sahen unter anderem einen Anspruch Maximilians auf die Stephanskrone vor, falls Wladislaw II. oder seine Söhne ohne männliche Erben stürben. Nach einigen Bedenken wegen der Aus-

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Schaltung ihres Wahlrechtes stimmten auch die ungarischen S t ä n d e dieser Regelung zu. A m 19. August 1493 starb in Linz Kaiser Friedrich I I I . nach 58 J a h r e n seiner Regierung in Innerösterreich, 53 als deutscher K ö n i g u n d 41 als römischer Kaiser. Schon wegen der langen D a u e r seiner Herrschaft gewann Friedrich I I I . f ü r Österreichs Geschichte erhebliche Bedeutung. Seine C h a rakteristik fällt in der Regel wenig günstig aus, Festigkeit und Beharrlichkeit wird m a n ihm aber nicht absprechen k ö n n e n , an T a t k r a f t fehlte es ihm allerdings durchaus. D a Friedrich alle Gegenspieler überlebte, blieb seine Politik schließlich erfolgreich; der G l a u b e a n die S e n d u n g seines H a u s e s m a g ihn in seiner H a l t u n g auch in bedenklichen Situationen b e s t ä r k t haben. Die D e u tung der f ü n f Buchstaben A E I O U , die dem Herrscher als E i g e n t u m s m a r k e dienten u n d die er seiner Unterschrift h i n z u z u f ü g e n pflegte, auf die Mission Österreichs h a t er g e k a n n t u n d geübt, w e n n auch k a u m erdacht 1 ).

Vom Mittelalter

zur

Neuzeit

Beim T o d e des Vaters ü b e r n a h m M a x i m i l i a n eine H a u s m a c h t , die unvergleichlich größer u n d weiter gelagert w a r als die seiner V o r g ä n g e r ; höchstens Albrechts I I . k u r z f r i s t i g e H e r r s c h a f t im D o n a u r a u m k ö n n t e mit ihr verglichen w e r d e n . Ein Fürst, dessen M a c h t s p h ä r e an der flandrischen Küste begann, im O s t e n aber n u r bis H a i n b u r g reichte, k o n n t e nicht in Wien residieren. Tatsächlich b e v o r z u g t e M a x i m i l i a n Innsbruck sowie das L a n d Tirol, bei dessen B e v ö l k e r u n g er große, durch manche Legende (Kaiser M a x auf der M a r t i n s w a n d ! ) festgehaltene P o p u l a r i t ä t genoß, w o er in den E r t r ä g nissen der Silbergruben die nötigen Mittel f ü r seine u n t e r n e h m e n d e Politik f a n d u n d im übrigen auch seiner Jagdleidenschaft huldigen k o n n t e . Die Vielfalt der wechselnden Interessen u n d die A u s d e h n u n g des Reiches wie der H a u s m a c h t brachten es allerdings ebenso wie das T e m p e r a m e n t des Fürsten mit sich, d a ß M a x i m i l i a n selten längere Zeit an einem O r t weilte. Beim Verzicht auf eine energische V e r f o l g u n g der ungarischen P l ä n e h a t t e auch die Rücksicht auf die B i n d u n g durch Frankreich im Westen m i t gespielt. M a x i m i l i a n suchte, gestützt auf E n g l a n d , auch in der Bretagne F u ß zu fassen; durch V e r m ä h l u n g mit A n n a , der Erbtochter des letzten H e r z o g s F r a n z , „ p e r procuratortm" (durch einen bevollmächtigten Vertreter), wollte er mit der Fürstin auch das L a n d an sich fesseln. Die Franzosen eroberten ') In Friedrichs N o t i z b u c h sind auf der ersten Seite der 1437 begonnenen N i e d e r schrift — jedoch als späterer Nachtrag — v o n der H a n d des Kaisers die bekannten Versionen „Alles erdreicb ist Österreich unterthan" und „Austriae est imperare orbi universo" eingetragen; bald gab es auch verschiedene andere, gelegentlich österreidifeindliche D e u tungen. Als programmatische staatspolitische Devise Friedrichs III. wurde das A E I O U erst von dem Präfekten der Wiener H o f b i b l i o t h e k Petrus Lambeck in einer Publikation des Jahres 1666 aufgefaßt.

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aber die Bretagne, A n n a heiratete den französischen König Karl V I I I . , λναϊ Maximilian als persönliche Beleidigung ( „ B r a u t r a u b " ) e m p f a n d , überdies w u r d e die Verlobung des D a u p h i n s mit Maximilians Tochter Margarete gelöst und die Habsburgerin eine Zeitlang in Frankreich festgehalten. England und Spanien, seine Verbündeten, ließen Maximilian in den nun ausbrechenden K ä m p f e n bald im Stich, doch errang sein Heer noch einen schönen Sieg bei D o u r n o n in der Franche C o m t e (Jänner 1493). Der von den Schweizern auf G r u n d der militärischen Lage vermittelte Friede von Senlis (23. Mai 1493) w a r nicht ungünstig, der Großteil des Burgundererbes verblieb Maximilian, Margarete kehrte in die Niederlande zurück. D a sich der französische König einer aktiven Italienpolitik zuwandte, schien eine längerdauernde E n t spannung im niederländischen Grenzgebiet nicht unwahrscheinlich. N u r episodische Bedeutung hatte Maximilians reichlich törichte Hilfsaktion f ü r einen englischen Thronprätendenten, den Schwindler Perkins Warbeck, der als Sohn König Eduards IV. gegen die Tudors a u f t r a t (1494—1495). D a n n aber schuf der französische Einbruch in Italien eine bedrohliche Situation, die im wesentlichen durch die überlegene Diplomatie der Venetianer gemeistert wurde. Auch Mailand, Spanien und der Papst fanden sich mit dem Kaiser in der „Heiligen Liga" zu gemeinsamem Vorgehen; dabei kam es im Mai 1495 zu einer der damals zur Stärkung politischer Bündnisse üblichen dynastischen Heiratsverträge zwischen Maximilian und Ferdinand von Aragon, nachdem Maximilian selbst durch die im M ä r z 1494 erfolgte Verehelichung mit Bianca Maria Sforza, die eine enorme Mitgift mitbrachte, sein Interesse an den italienischen Angelegenheiten in gleicher Weise besiegelt hatte. I m O k t o b e r 1496 heiratete Maximilians Sohn Philipp, der die burgundischen Länder verwaltete, weil er als Sohn der Burgunderin Maria als Einheimischer galt und daher den Niederländern sympathischer w a r als der Vater, die spanische Prinzessin J o h a n n a ; deren Bruder Juan, der voraussichtliche Erbe der spanischen Reiche, vermählte sich mit Philipps Schwester Margarete. Im Gegensatz zu der burgundischen H e i r a t dachte man bei den spanischen Allianzen nicht an einen Erbfall f ü r das H a u s Österreich; erst der T o d Juans und anderer Angehöriger der spanischen Dynastie ließ die Krone auf Philipp und das H a u s Österreich übergehen. Die in Italien zuerst sehr erfolgreichen Franzosen waren durch die Koalition ihrer Gegner im Rücken bedroht und mußten sich den Rückzug nach N o r d e n erkämpfen, behaupteten aber wichtige Positionen in Nordwestitalien; ein Zug Maximilians, den die deutsche Opposition an einem rechtzeitigen und entscheidenden Eingreifen gehindert hatte, gegen Asti und Livorno (1496) scheiterte aus Geldmangel und an der mangelnden Unterstützung durch die Venetianer. In dieser Zeit unternahm Maximilian auch einen Anlauf zur Reichsreform; es hatten sich in der Verfassung des Heiligen Reiches deutliche Schwächen gezeigt, die im Vergleich mit der Leistungsfähigkeit der Monarchien des Westens oder der Republik Venedig besonders k r a ß wirkten.

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Über die Agenden und die Beschlußfassung der Reichstage herrschten höchst verschiedenartige Ansichten, die Minderheit folgte keineswegs dem Votum der Majorität, es gab keine Organe, welche die D u r c h f ü h r u n g von Beschlüssen garantieren konnten. Im Wormser Reichstag (1495) wurde nun ein „ewiger L a n d f r i e d e n " verkündet, der die Abstellung des Fehdewesens bezweckte, das sich von einer unzulänglichen Form der Rechtswahrung zu einer allgemeinen Landplage entwickelt hatte. O h n e augenblicklichen Erfolg hat der ewige Landfrieden doch eine allmähliche Befriedung eingeleitet. Das Reichskammergericht w u r d e als oberste Justizbehörde eingesetzt, es blieb eine wichtige Institution bis zur Auflösung des Heiligen Reiches, wenn auch die meisten Fürsten ihre Staaten seiner Rechtsprechung mehr oder minder zu entziehen vermochten. Am schlechtesten funktionierte die allgemeine Reichssteuer, der „gemeine Pfennig", an der der ewig geldbedürftige König so großes Interesse hatte. U m zu einer wirklichen Reichsreform zu gelangen, hätte es eines Zusammenwirkens zwischen Maximilian und der vom Erzbischof von Mainz, Berthold von Henneberg, geführten ständischen O p p o sition bedurft, aber das w a r nicht zu erreichen; fortan bezeichnete die Formel „Kaiser und Reich" mehr den in der Reichsverfassung wurzelnden politischen Zwiespalt als die höhere Einheit. Nach einigen Jahren erneuerte man die Reformversuche. Im J a h r e 1500 wurde ein Beschluß über ein Reichsregiment, eine A r t Reichsregierung, gefaßt. Maximilian wehrte sich gegen diese Institution, die ihn zum politischen Gefangenen der Reichsstände gemacht hätte; sie blieb ohne Bedeutung, und die damals eingeleitete Kreiseinteilung konnte erst unter Karl V. realisiert werden. Nicht gerade dauerhaft w a r das Organisationswerk Maximilians bei der N e u o r d n u n g der Verwaltung der österreichischen Länder; doch ist er als der große Anreger aus der Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung nicht wegzudenken. An seine Leistungen a n k n ü p f e n d , richtete sein Enkel Ferdinand I. eine in den Grundzügen beständige Behördenorganisation auf. Maximilian konnte sich auf das Vorbild entwickelter Landesverwaltungen stützen, doch ist es unsicher, ob auf ihn das Beispiel der Tiroler oder der burgundischen Einrichtungen den entscheidenden Einfluß ausübte. Die persönliche Leistung des Herrschers darf aber nicht unterschätzt werden. Maximilian f a ß t e die nieder- und innerösterreichischen Länder zu einer höheren Verwaltungseinheit zusammen, ebenso Tirol und die Vorlande. Im J a h r e 1490 wurden f ü r Tirol, 1493 f ü r die nieder- und innerösterreichischen Gebiete zentrale Verwaltungsbehörden, die den N a m e n Regiment oder Regierung führten, in Innsbruck und Linz (später Wien) eingerichtet, ebenso f ü r das landesfürstliche Finanzwesen Schatz- oder R a i t k a m m e r n . Die O r ganisation eigener Kammergerichte mußte wegen des ständischen Widerstandes bald wieder aufgegeben werden. Den Innsbrucker Behörden wurde eine vorländische Regierung mit dem Sitz in Ensisheim im Elsaß untergeordnet. Die Verwaltung der Hauslande und des Reiches wollte man

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

womöglich durch gemeinsame Behörden am königlichen Hof dirigieren. So wurde 1498 ein H o f r a t als oberste Verwaltungs- und Justizstelle, eine H o f kammer als Finanzbehörde begründet und die Hofkanzlei neu geordnet. Auch für ein geordnetes Archivwesen wurde Sorge getragen. Mit dem Gedanken der Gründung eines zentralen habsburgischen Hausarchivs in Innsbruck konnte Maximilian allerdings nicht durchdringen. In den späteren Jahren seiner Regierung ließ er verschiedene Veränderungen im Aufbau der Behördenorganisation vornehmen. Im Zusammenwirken mit den ständischen Vertretern der Erbländer, die — wie schon mehrfach vorher — im Jahre 1518 wieder einen gemeinsamen Ausschußlandtag in Innsbruck beschickten, wurde schließlich eine neue Verwaltungsordnung vorbereitet, die jedoch zu Lebzeiten Maximilians nicht mehr recht zur Ausführung kam. Wichtig waren die Bestimmungen über ein Zusammenwirken der Länderaufgebote bei der Kriegführung. Im Jahre 1498 unternahm Maximilian den ergebnislosen Versuch, den Thronwechsel in Frankreich zu einem Vorstoß gegen die Bourgogne auszunützen; hier versagte ihm aber das Reich und mit den Niederlanden sogar sein Sohn die Gefolgschaft. Ein Jahr später kam es, nicht ohne Zutun der französischen Diplomatie, zu einer höchst verlustreichen Auseinandersetzung mit den Schweizern und den nur lose mit der Eidgenossenschaft verbundenen Graubündnern. Maximilian suchte den Frieden zu wahren; es lag ihm an einem guten Einvernehmen mit den Schweizern, deren Solddienste er für seine Kriegszüge auswerten wollte. Der Versuch, die Reichsreform auf die Eidgenossenschaft auszudehnen und lokale Gegensätze, darunter auch umstrittene habsburgische Herrschaftsrechte in Graubünden, namentlich im Engadin und im Münstertal, hatten nach örtlichen Scharmützeln doch den Ausbruch des Kampfes zur Folge, in dem sich die Schweizer allen Gegnern überlegen erwiesen. Die Vorarlberger und Tiroler erlitten eine Niederlage bei Frastanz, ungünstig war auch der Ausgang der Schlacht an der Calven im oberen Vintschgau, die Schwaben wurden bei Schwaderloh (in der Nähe von Konstanz) und bei Dornach an der Birs besiegt. Im Frieden von Basel wurden zwar verschiedene österreichische Herrschaftsrechte in Graubünden anerkannt, die Eidgenossen und ihre zugewandten Orte schieden aber de facto aus dem Reich aus. Frankreich benützte die Situation, um sich im Herzogtum Mailand festzusetzen, der Herzog Ludwig („der Mohr"), der lange mit Geschick die benachbarten Großmächte gegeneinander ausgespielt hatte, geriet in Gefangenschaft. Im Jahre 1504 sah sich Maximilian schließlich veranlaßt, den französischen König mit Mailand zu belehnen, um wenigstens den Schein der Zugehörigkeit des Herzogtums zum Reich zu wahren. Allerdings hatte Maximilian in der Zwischenzeit seinerseits seine Position an den Nordostgrenzen Italiens etwas verbessert. Trotz lebhafter diplomatischer Gegenarbeit der Republik Venedig gelang es dem König nach dem Tode des Grafen Leonhard von Görz, des letzten Angehörigen der albertinischen Linie

V o m M i t t e l a l t e r zur N e u z e i t

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seines Hauses, die „vordere Grafschaft G ö r z " im Pustertal und die „hintere Grafschaft" mit der Stammburg am Isonzo an das Haus Österreich zu bringen (1500). Wäre Görz venetianisch geworden, hätte Österreich schwerlich seine Stellung in Triest und Inneristrien behaupten können. Vertragliche Abmachungen mit dem Görzer kurz vor dessen Tode und mit seinem Hauptmann Virgil von Graben hatten die Besitznahme Maximilians vorbereitet. Dem diplomatischen Erfolg in Görz folgte ein militärischer im Pfälzer Krieg, der wegen der Rivalität der Pfälzer und der Münchener Wittelsbacher um das Territorium der erloschenen Landshuter Linie ausgebrochen war. Maximilian trat für seinen Schwager Albrecht von Bayern-München ein, der wohl auch die berechtigteren Erbansprüche besaß, die bayerischen Stände hatten sich an den König um Entscheidung des Streites gewandt. Als Entschädigung für Maximilians Eintreten sagte Herzog Albrecht dem König den bayerischen Anteil am Tiroler Inntal zu. D a sich die Pfälzer, die auf französische Hilfe hofften und böhmische Söldner angeworben hatten, nicht fügten, kam es zu Kämpfen, in denen Maximilian, vom schwäbischen Bund unterstützt, die Oberhand gewann. Er siegte unter tapferstem persönlichem Einsatz am Wenzenberg (1504) und eroberte Kufstein mit H i l f e der schweren Artillerie, für deren Ausrüstung er viel Sorge und Geld verwendet hatte. Nach dem Siege erlangte Maximilian von Bayern die Abtretung der Herrschaften Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg, die dem Lande Tirol angeschlossen wurden; die Pfälzer mußten die Landvogtei Hagenau und die Ortenau abtreten. D a f ü r wurden sie mit dem später als Oberpfalz bezeichneten Gebiet nördlich von Regensburg entschädigt. Die Regelung des Erbfolgestreites war jedenfalls ein beachtlicher Erfolg Maximilians. Im Jahre 1506 sollte Philipp der Schöne die spanische Erbschaft, die sich so unerwartet eingestellt hatte, antreten, doch starb er noch im gleichen Jahre, und die vormundschaftliche Regierung Ferdinands von Aragonien für die unmündigen Söhne Karl und Ferdinand verfolgte mehrfach eine den Interessen Maximilians widersprechende Politik. Der deutsche König plante damals einen Romzug; erst die Kaiserkrönung gab die Voraussetzung, seinen älteren Enkel K a r l noch zu Lebzeiten Maximilians zum König krönen zu lassen und die Herrschaft im Reich dem Hause Österreich zu sichern. Das Unternehmen wurde aber von Venedig verhindert; die Republik sperrte dem Herrscher den Durchzug. D a nahm Maximilian in Trient (am 4. Februar 1508) den Titel „erwählter römischer Kaiser" an — dadurch war die Kaiserwürde von Rom und dem Papsttum getrennt. Fortan nannten sich die römischdeutschen Könige unmittelbar nach ihrer Wahl römische Kaiser. Papst Julius I I . , erfreut über das Ausbleiben der militärischen Romfahrt, erkannte nidit die Konsequenzen des Schrittes Maximilians, der sich wohl selbst der Tragweite seines Vorgehens nicht ganz bewußt war, vermutlich aber eine Trennung des Kaisertums von Deutschland und eine Übertragung an Frankreich befürchtet hatte.

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

Maximilian konnte es den Venetianern nicht verzeihen, daß sie seinen Romzug verhindert hatten, er wollte die Beleidigung seiner Person und Würde rächen und unternahm einen schlecht organisierten Angriff gegen die Republik; daraus entstand der langjährige Friauler Krieg, der beide Gegner schwere Opfer kostete und Maximilians Bewegungsfreiheit lahmlegte. Im Felde war der Kaiser wenig erfolgreich, doch brachte seine Tochter Margarete die „Liga von Cambrai" zustande, ein Bündnis mit Frankreich, dem Papst und Spanien, dem Venedig zu Lande nicht gewachsen war. Als aber die Franzosen nach ihrem Sieg bei Agnadello übermächtig zu werden drohten, wechselte der Papst die Partei, ihm folgten die meisten anderen Angehörigen der Liga, auch England und die Schweizer wandten sich gegen Frankreich; der Kaiser zögerte, diese Schwenkung mitzumachen. Als Julius II. erkrankte, scheint Maximilian — nach dem Tode der Bianca Maria wieder verwitwet — den phantastischen Plan gehegt zu haben, selbst das Pontifikat anzustreben, als Kaiser wollte er zugunsten seines Enkels Karl abdanken, die Fugger sollten die Papstwahl durch ausgiebige Bestechung der Kardinäle finanzieren. Der Papst erholte sich jedoch wieder, und es kam zu einem erneuten Frontwechsel. Frankreich arbeitete jetzt mit Venedig zusammen, Maximilian gelang es dagegen, ein großes antifranzösisches Bündnis zusammenzubringen. An der Spitze eines englischen Heeres, dem viele deutsche Söldner angehörten, siegte er bei Guinegate (oder Therouanne), wo er vor 34 Jahren seine ersten militärischen Lorbeeren errungen hatte; Mailand vermochte er den Franzosen aber nicht zu entreißen, die es nach dem Sieg gegen die Schweizer bei Marignano (1515) noch ein Jahrzehnt behaupteten. Die Bundesgenossen fielen ab, schließlich wurde zu Brüssel Frieden geschlossen (1516). Zwei Jahre später folgte der Frieden mit Venedig. Das Ergebnis des langjährigen Kampfes war eine Verbesserung der Isonzogrenze, dann die Erwerbung des Gebietes von Cortina d'Ampezzo und der „Welschen Confinen": Ala, Riva, Torbole, Rovereto und einiger anderer Orte. Dagegen ging die altösterreichische Herrschaft Pordenone in Friaul verloren. Auch das bis zuletzt behauptete Verona mußte geräumt werden. In den letzten Regierungsjahren Maximilians spielte der Osten in der Politik des Kaisers wieder eine größere Rolle. Es ging um die Festhaltung der 1491 erworbenen, 1506 nach einer Demonstration militärischer Macht bestätigten Erbfolgerechte in den unter der jagellonischen Dynastie stehenden Ländern der Stephans- und Wenzelskrone. Maximilian strebte ebenso wie im Falle der burgundischen Länder und Spaniens nach einer Ergänzung der politischen Zusammenarbeit durch eine Familienverbindung. Er erreichte dies — nach Aufgabe der Unterstützung des Deutschen Ordens gegen das ebenfalls von den Jagellonen beherrschte Polen — durch die Wiener Doppelhochzeit (1515), der längere diplomatische Verhandlungen auf einem prunkvollen Fürstenkongreß vorausgingen. Maximilian adoptierte den neunjährigen Ludwig, den Sohn König Wladislaws II. von Ungarn und Böhmen,

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stellte ihm auch die Möglichkeit der Erlangung des deutschen Königsthrones in Aussicht — das war schwerlich ganz ernst gemeint. Der ungarische Prinz wurde mit Maximilians Enkelin Maria vermählt; der Kaiser trat mit der zwölfjährigen Schwester Ludwigs Anna vor den Altar; diese zweite Verbindung sollte aber ungültig sein, wenn innerhalb eines Jahres einer der beiden Enkel Maximilians, Ferdinand oder Karl, sich zur Ehe mit Anna entschiede. Im Jahre 1516 gab Ferdinand eine entsprechende Erklärung ab. Der zehn Jahre später eingetretene Erbfall bot zusammen mit den staatspolitischen Konsequenzen der burgundischen Heirat Maximilians und der spanischen Philipps eine Grundlage für die ebenso populäre wie maliziöse Auffassung des Habsburgerreiches als eines aus heterogenen Bestandteilen zusammengeheirateten Gebildes, eine Ansicht, die in den bekannten, einem Ovid-Zitat (Heroiden 13, 84) nachgebildeten und oft gedankenlos zitierten Versen „Bella gerant alii, tu felix Austria nube, Nam que Mars aliis, dat tibi regna Venus" zum Ausdruck kommt. Mit dem Heiraten allein war es nicht getan; das zeigte schon zu Maximilians Zeit der Verlauf der Dinge, soweit er die Bretagne betraf. Man mußte die Gebiete, auf die man dynastische Ansprüche erhob, audi mit Waffengewalt zu erobern oder wenigstens zu behaupten imstande sein. Die Tendenz der Mehrung der habsburgischen Hausmacht ist unter den Triebkräften der Politik Maximilians gewiß am deutlichsten faßbar, damit dachte er auch der Stärkung des Reiches und des deutschen Volkes am besten zu dienen. Dem deutschen Volk, an dessen Führungsschicht er wiederholt in pathetisch-nationalen Tönen appellierte, fühlte sich Maximilian persönlich verbunden, obwohl unter seinen Vorfahren durch den Erbeinfluß der Frauen Romanen- und Slawentum bei weitem überwogen. Den Glanz des Kaisertums, der unter seinem Vater völlig zu verblassen schien, vermochte Maximilian neu zu beleben, seine Aktionen waren, wenn auch nicht immer erfolgreich, zumeist eindrucksvoll, und der Herrscher verstand es, sich einer wirksamen politischen Propaganda zu bedienen, für die er die zahlreichen Künstler und Gelehrten seines Hofes ausgiebig heranzog. Auch die weitläufigen und phantastischen Arbeiten über die Habsburgergenealogie sollten der Mehrung des Ruhmes der Dynastie und der eigenen Person dienen. An echten, unmittelbaren geistigen und künstlerischen Interessen fehlte es Maximilian aber keineswegs, als Sammler und Mäzen übertraf er alle älteren Habsburger. Maximilian hatte sich in der letzten Zeit seiner Regierung sehr um die Wahl seines Enkels Karl, der seit 1516 sowohl in Spanien wie in den Niederlanden regierte, zum römischen König bemüht. Des Kaisers Tod (12. Jänner 1519) verhinderte vorderhand einen Erfolg dieser Anstrengungen. Es schien unsicher, ob die Habsburger, deren gewaltige Macht die Kurfürsten erschreckte, die Kaiserkrone behaupten würden; auch das Verhältnis der deutschen Erbländer der Habsburger zu der spanisch-niederländischen Herr-

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

schaft Karls V. war noch zu regeln; diese Frage hing wieder eng mit dem Problem einer habsburgischen Länderteilung zwischen Karl V. und seinem Bruder Ferdinand zusammen, der vielen deutschen Fürsten sympathischer war als der verschlossene, undurchschaubare Karl. Die Zahl der Kandidaten bei der Kaiserwahl — von einer solchen kann man nach Maximilians Proklamation von 1508 bereits sprechen — war recht groß, schließlich spitzte sich die Wahlhandlung auf einen Kampf zwischen Karl V. und Franz I. von Frankreich zu; dabei setzte sich der Habsburger dank des Geldes der Fugger, der Truppen des schwäbischen Bundes und der franzosenfeindlichen Volksstimmung durch. Ihm kam auch zugute, daß der Anspruch seiner Familie nach drei aufeinanderfolgenden Habsburgern auf dem römisch-deutschen Thron bereits als legitim galt. Unmittelbar nach seiner Wahl gelang Karl V. eine Erwerbung, die für die Stellung Österreichs und Habsburgs im deutschen Süden entscheidend werden konnte, falls man sie festzuhalten vermochte. Herzog Ulrich von Württemberg war nach einem Angriff gegen die Reichsstadt Reutlingen in Konflikt mit dem schwäbischen Bund geraten, der sein Land eroberte und es gegen Ersatz der Kriegskosten dem Kaiser übergab. Ein großes südwestdeutsches Territorium der Habsburger und eine breite Landbrücke zwischen dem Elsaß und den Ostalpenländern schienen gesichert. Aber 1534 ging Württemberg wieder an sein altes Herrscherhaus verloren, als die Kräfte der Habsburger im Türkenkampf gebunden waren. Nach der Frankfurter Wahl bedurfte noch die Regierung in den habsburgischen Erbländern des Reiches einer Regelung zwischen Karl V. und Ferdinand. Im Wormser Vertrag (1521) wurden die nieder- und innerösterreichischen Länder Ferdinand zugesprochen. In einer zweiten, zunächst geheimgehaltenen Vereinbarung zu Brüssel (1522) wurden auch Tirol, Württemberg und die Vorlande Ferdinand unterstellt. Seither gab es zwei Linien des Hauses Habsburg, die österreichisch-deutsche und die spanisch-niederländische, mit der vorderhand auch die römisch-deutsche Kaiserkrone verbunden war und der — auch in Hinblick auf die gewaltige Machterweiterung der spanischen Krone im Zeitalter der Entdeckungen — unbedingt die Führung zukam. Die österreichische Linie sicherte sich aber die Anwartschaft auf Ungarn und Böhmen, als Ferdinand die Eheschließung mit der Jagellonin Anna vollzog (1521), zu der er sich 1516 bereit erklärt hatte. Inzwischen war es in Niederösterreich, noch in Abwesenheit Ferdinands, zu einem Vorstoß der Stände, vor allem des Adels und der Stadt Wien, gegen das landesfürstliche Regiment, die von Maximilian eingesetzte Verwaltungsbehörde, gekommen. Seinen Mitgliedern, unter denen der oberste Hauptmann Georg von Rottal, der Kanzler Dr. Johann Schneidpöck und der Wiener Bischof Slatkonia eine führende Rolle spielten, wurde Bestechlichkeit und sogar Verrat vorgeworfen. Die Mehrheit der Stände setzte ein neues Regiment ein, nachdem sich in Wien eine radikale Opposition durchgesetzt

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hatte. In diesem neuen Regiment begegnen die N a m e n von Familien, die, wie die Puchheim und Eytzinger, schon unter Friedrich I I I . stark hervorgetreten waren, ferner der Wiener Stadtrichter H a n s Rinner und als der eigentlich f ü h r e n d e Kopf der Universitätsprofessor Martin Siebenbürger. Das neue Regiment setzte sich durch, die Mitglieder des alten flüchteten nach Wiener Neustadt. In den anderen Ländern verhielten sich die Stände etwas vorsichtiger, in Tirol flammten d a f ü r bäuerliche U n r u h e n auf. Als Erzherzog Ferdinand im Juni 1522 aus Brüssel zurückkam, begab er sich nach Wiener N e u s t a d t und übernahm den Vorsitz in einem überwiegend aus Landfremden gebildeten Gerichtshof, der zwischen dem alten und dem neuen Regiment entscheiden sollte; dieses Gericht trat, wie nicht anders zu erwarten, f ü r das alte Regiment ein; die H a n d l u n g e n des neuen wurden als unrechtmäßig erklärt, acht seiner führenden Mitglieder hingerichtet. Die Stadt Wien verlor viele Freiheiten, den Großteil ihrer Autonomie und mußte auch auf ihre Gerichtsbarkeit und das Münzwesen verzichten. Ihr während des 15. Jahrhunderts, aber auch f r ü h e r schon oft eindrucksvoll hervorgetretener politischer Eigenwille w a r f ü r J a h r h u n d e r t e gebrochen. Die Stände aber hatten eine Hauptschlacht verloren, die zweite seit den mißglückten A u f ständen gegen Albrecht I. Die ständische Auseinandersetzung war nur das Vorspiel eines härteren und viel opferreicheren Konfliktes. In den Jahren 1524—1526 wurden die habsburgischen Länder nach vielen früheren Anzeichen und Vorläufern — in dem K ä r n t n e r Bauernbund von 1470 und dem innerösterreichischen Bauernkrieg von 1515 wird man die wichtigsten auf österreichischem Boden sehen können — von heftig losbrechenden Bauernaufständen e r f a ß t , die im großen deutschen Bauernkrieg kulminierten. Dabei zeigte sich, d a ß die religiöse Bewegung, die durch Luthers A u f t r e t e n (1517) ausgelöst worden war, auch in Österreich F u ß gefaßt hatte, obwohl Ferdinand I. 1523 durch ein Verbot der Reformationsschriften der von Wittenberg ausgehenden P r o p a ganda entgegenzuwirken suchte. Die soziale und die kirchliche Bewegung aber waren in den österreichischen Erblanden ebenso wie im Reich eng miteinander verknüpft. Von der allgemeinen Entwicklung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der österreichischen Bauernschaft im späteren Mittelalter ist an anderer Stelle die Rede. Vermehrung der Abgaben, Erhöhung der Robotleistungen, ungenügender Schutz gegen den Landesfeind waren in den Beschwerden anläßlich der innerösterreichischen Bauernunruhen geltend gemacht worden. Jetzt aber w a n d t e man sich nicht nur gegen Verletzungen des alten Herkommens, sondern suchte auch das „göttliche Recht" im Geiste der Heiligen Schrift zu verwirklichen. Bei der Bewegung des Jahres 1525 ging im österreichischen Räume die Initiative von Tirol aus, einem Lande, w o es den Bauern nicht übermäßig schlecht ging, wo man aber mit dem Spanier Gabriel de Salamanca, einem

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

Günstling Ferdinands I., der es verstand, bei der Finanzverwaltung aus dem Lande große Summen herauszupressen, besonders unzufrieden war. Die Erhebung begann mit der Befreiung des Brixener Fischers Peter Passler, eines Mannes, der mit einem Konkurrenten in Streit geraten war und gegen diesen und die Brixener Obrigkeit, die ihm Rechtshilfe verweigerte, als „Absager" bäuerliche Fehde geführt hatte; dabei war er gefangengenommen worden. Nach der Befreiung Passlers, der ersten Machtprobe der Unzufriedenen, ergriff die Bewegung das ganze Land. Der bald weithin anerkannte Führer des Aufstandes Michael Geißmayr, darf — mehr als Florian Geyer oder der recht egoistische Götz von Berlichingen — als die hervorragendste Gestalt des Bauernkrieges überhaupt gelten. Er suchte in seiner „Tiroler Landesordnung" einen neuen Staat mit rein bäuerlichem Volksgefüge zu schaffen. Das war eine Utopie, aber einzelne Forderungen, wie die nach Verstaatlichung der Bergwerke, staatlichem Handelsmonopol und einer autarken Landwirtschaft muten merkwürdig modern an. Geißmayr sah wohl als einziger der Bauernführer außenpolitische Aspekte des Kampfes, er war mit den Eidgenossen und mit Venedig in Verbindung, er griff auch in die Salzburger Kämpfe ein und wurde schließlich nach seiner Flucht nach Venedig von einem gedungenen Mörder tödlich getroffen. Neben Geißmayr findet sich in Tirol auch eine gemäßigte Richtung, welche die 64 Meraner Artikel proklamiert hatte. Sie verlangte ein einheitliches Bauernrecht, die Vertreter der Bauern in den Landtagen suchten das Meraner Programm durchzusetzen. Einiges hat man erreicht; mittlerweile waren aber die Bauern in den Nachbarländern geschlagen worden, das wirkte sich bei den Verhandlungen ungünstig aus. Die neue Landesordnung (1526) wurde einige Jahre später (1532) wieder zu ungunsten der Bauern abgeändert, doch gingen sie nicht aller Verbesserungen ihrer Lage verlustig. Die Meraner Artikel wurden schließlich in einem Nachbarland, in Graubünden, mit unwesentlichen Änderungen in die Landesverfassung eingebaut. Zu zwei Aufständen kam es in Salzburg (1525/26). Die „24 Artikel gemeiner Landschaft Salzburg" hatten ein beachtliches geistiges Niveau und verraten die Urheberschaft befähigter Köpfe. Die Salzburger errangen bei Schladming auch einen militärischen Erfolg gegen ein Kontingent der steirischen Stände; die Erneuerung des Aufstandes durch radikale Elemente brachte aber eine völlige Niederlage. Die Bestimmungen einer ersten Einigung wurden beseitigt, die Stadt Schladming, mit ihren Bergknappen ein Zentrum der revolutionären Bewegung, wurde zerstört; das Stadtrecht sollte sie erst 400 Jahre später zurückerhalten. In den anderen Ländern blieb es, abgesehen von unbedeutenden Bewegungen im Attergau und einigen Strichen Niederösterreichs, völlig ruhig. Die Bauernbewegung war auch in den österreichischen Ländern, abgesehen vom Tiroler Teilerfolg, durchaus gescheitert, doch kam es hier wenigstens nicht zu der krassen Verschlimmerung der Stellung der Bauern wie in den Aufstandsgebieten des Reiches.

D a s Siedlungswesen des S p ä t m i t t e l a l t e r s

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Noch waren die letzten K ä m p f e mit den aufständischen Bauern nicht abgeschlossen, als die Nachricht von Niederlage und Tod König Ludwigs I I . in der Türkenschlacht von Mohäcs (26. August 1526) in Wien eintraf. Böhmen, Ungarn und ihre Nebenländer konnten habsburgisch werden, vorausgesetzt, daß Erzherzog Ferdinand seine Rechte aus den Verträgen von 1491 und 1515 durchzusetzen verstand, aber auch den Türken erfolgreichen Widerstai d zu leisten vermochte. Die Einigung und Behauptung einer monarchischen Union der Donauländer stand nun als richtungweisendes Ziel vor der österreichischen Linie der Habsburger; in der Durchführung dieser Aufgabe sollte die Politik des Hauses Österreich einen Hauptinhalt für Jahrhunderte finden. Das Siedlungswesen

des

Spätmittelalters

Das österreichische Hochmittelalter war eine Zeit des Landesausbaues und der Siedlungsintensivierung. Von der folgenden Epoche kann man das nicht behaupten. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts und später wurden in verschiedensten Gegenden Ortschaften und Fluren aufgegeben; die grundherrschaftlichen Urbare nennen zahlreiche „öde" Orte, leerstehende und baufällige Höfe, noch öfter verwilderte Felder. Von zahlreichen Ortschaften, die in den Urkunden des Hochmittelalters genannt werden, fehlen in der späteren Zeit überhaupt Quellennachrichten, alle diese Siedlungen wurden verlassen, die Fluren gingen in den Besitz der Nachbarn über oder die H e r r schaft verwendete sie als Weideland. Bei manchen der nach Angabe der Urbare „zu ö d r e c h t " bebauten Fluren ist wohl noch mit einem gewissen, sehr geringen Ertrag zu rechnen. Hochgelegene Dauersiedlungen verwandelte man in Almen; die Bevölkerung ging jedenfalls auch in Ortschaften zurück, die erhalten blieben, andere größere Siedlungen mögen wieder einen Bevölkerungszuwachs durch Zuwanderer verzeichnet haben. W i r finden nämlich in der Zeit des spätmittelalterlichen Siedlungsrückganges an verschiedenen Orten zahlreiche Kleinhäusler, aber auch grundbesitzlose Inwohner („Herbergsleute"), was doch darauf hindeutet, daß ungeachtet der vorherrschenden Tendenz mancherorts noch immer zu wenig Boden zur Verfügung stand. Der Prozentsatz an „Wüstungen", wie man die abgekommenen O r t schaften und Fluren zu nennen pflegt, war recht groß, namentlich in einem breiten Streifen im Osten des österreichischen Raumes. Im Wiener Bedien wurden im späteren Mittelalter nahezu 30 Prozent der Ortschaften verlassen, recht hoch liegen auch die entsprechenden Zahlen im Marchfeld. In der Steiermark sind die Wüstungen besonders im oststeirischen Gebiet häufig, im Westen des Landes am seltensten. Viele Wüstungen gab es seit Ende des 13. Jahrhunderts aber auch im oberösterreichischen Hausruck, namentlich in der Zone des Kleinbesitzes der dortigen Freieigner.

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D a s S p ä t m i t t e l a l t e r u n d die habsburgische „ H e r r s c h a f t zu Ö s t e r r e i c h "

Die Ursachen für die große Zahl der keineswegs auf den österreichischen Raum beschränkten spätmittelalterlichen Wüstungen sowie für die landschaftlichen Schwankungen des Wüstungsvorganges liegen zumeist nicht klar zutage. Von den verschiedenen in Erwägung gezogenen Voraussetzungen dieses Phänomens wird noch die Rede sein. In Gebieten, die eben noch bedeutende kolonisatorische Leistungen aufzuweisen hatten, ist die Erscheinung der Wüstungen jedenfalls besonders auffallend. Tatsächlich ist die Siedlungstätigkeit in Österreich im späteren 13. Jahrhundert zurückgegangen, wenn auch nicht zur Gänze erloschen. Die von Österreich ausgehende Besiedlung der südlichen Randgebiete Böhmens und Mährens gewann zu Ende des Jahrhunderts noch Raum; das westungarische Deutschtum tritt, namentlich in den Städten ödenburg, Wieselburg und Preßburg, stärker als früher hervor. Schließlich begannen zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Oberkärntner Grafen von Ortenburg die krainischen Grenzwälder gegen Kroatien zu roden; darauf ging das erst im 20. Jahrhundert durch Umsiedlung liquidierte Deutschtum der Gottschee zurück. In Südtirol drang das Deutschtum im Bozener Unterland und im Fersental weiter vor, andere Siedler faßten auch jenseits der Landesgrenzen in den Sieben und Dreizehn Gemeinden Venetiens Fuß; halb gelehrte, halb volkstümliche Tradition führte diese Siedlungen später zu Unrecht auf die Kimbernzüge zurück. Auch die Siedlungsbewegung der Walser ging im 14. Jahrhundert noch weiter. In Siedlungs- und Flurformen schuf diese Zeit freilich wenig Neues. Nicht selten findet man ziemlich regelmäßige, aber aufgelockerte Anlagen, Zeilen- und Reihendörfer. Bemerkenswerter ist die Entwicklung der Stadtsiedlung im späteren Mittelalter. Namentlich Premysl Ottokar und die ersten Habsburger traten auf österreichischem Boden als Städtegründer oder durch planmäßigen Ausbau älterer Anlagen hervor. Hier wären etwa die steirischen Städte Bruck an der Mur, Leoben, Knittelfeld, Hartberg zu nennen; etwa zur gleichen Zeit wurden Gmünd, Wolfsberg, St. Andrä und St. Leonhard in Kärnten erstmalig als Städte bezeichnet, erhielten damals wohl auch ihre Stadtmauern und wurden später weiter ausgebaut. Erzbischof Friedrich II. von Walchen (1270—1284) legte Radstadt im Ennstal an, 1289 erhielt der Ort das Recht der anderen erzstiftischen Städte. Im Westen des österreichischen Raumes wird Bludenz zu Ende des 13. Jahrhunderts als Stadt bezeichnet und erhielt eine entsprechende Satzung; Bregenz, in Römerzeiten wichtigste Siedlung im Lande vor dem Arlberg, gewann erst im 14. und 15. Jahrhundert Funktion und Rechtsstellung einer Stadt zurück. Im Osten des heutigen Österreich erhielt Eisenstadt 1373 sein Stadtrecht. In Tirol erlangten etwa Meran, Sterzing, Lienz, Kitzbühel und Kufstein — als Siedlungen wesentlich älter — im späteren Mittelalter den Rang von Städten. Wir sehen, es handelt sich zumeist um Kleinstädte; weder das organische allmähliche Wachstum noch die bewußte Stadtplanung geht in dieser Epoche über eine recht begrenzte Größenordnung hinaus, manchmal ist der Mißerfolg deutlich. Marchegg, die

D a s Siedlungswesen des S p ä t m i t t e l a l t e r s

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ottokarische Grenzfestung gegen Ungarn, konnte niemals ihren allzu großzügig angelegten Mauerring ausfüllen. Schrattenthal, das Zentrum der Grundherrschaft des ständischen Führers Ulrich von Eytzing, ist trotz seines Stadtrechtes eine unbedeutende Siedlung von Dorfcharakter geblieben. Vöcklabruck, als Markt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts genannt, wurde wohl von Herzog Albrecht II. zur Stadt erhoben, blieb aber eine mit Finanznöten kämpfende Kleinstadt, ebenso wie Gmunden kleiner und bevölkerungsärmer als die älteren der sieben landesfürstlichen Städte Oberösterreichs. Einige spät ausgebaute Märkte und Städte zeigen aber doch eine eindrucksvolle Anlage, so Rattenberg in Tirol (Stadtanlage von 1396), das sein altes Stadtbild bis zur Gegenwart in den wesentlichen Zügen wahren konnte. Rechteckige, oft nahezu quadratische Plätze sind für die Formen des 14. Jahrhunderts charakteristisch. Von mittelalterlichen Hausformen ist in Österreich wenig erhalten, die ältesten Stadtansichten geben jedoch ein ausreichendes Anschauungsmaterial, etwa die Wiener im Gemälde des Meisters des Albrechtsaltars (1439), auf den Bildern im Schottenstift (1470), in Schedels Weltchronik (1496) und auf dem Babenbergerstammbaum in Klosterneuburg (1497). Diese Bilder zeigen hochgiebelige Häuser, oft mit vorspringenden oberen Stockwerken und äußerster Ausnützung des Raumes. Die Straßen waren dementsprechend zumeist eng und lichtlos, die sanitären Verhältnisse ungünstig. Die starke Verbauung begünstigte ebenso wie die Schindeldächer der Häuser das Umsichgreifen von Großfeuern, die — so etwa in Wien 1276, 1326 und 1525 — arge Verheerungen anrichteten. Das Bild der Bevölkerungsbewegung in den städtischen Siedlungen ist günstiger als jenes, welches das Land bietet. Zwar überwogen schon in der mittelalterlichen Stadt, soweit wir zuverlässige Nachrichten besitzen, die Todesfälle die Geburten; auf die Kinderarmut der Wiener Handwerkerfamilien weist Enea Silvio Piccolomini ausdrücklich hin. Die Städte glichen dieses Manko aber durch Zuzug vom Lande aus; Bestimmungen gegen die Landflucht im Landfrieden König Rudolfs von 1276 oder in der steirischen Landeshandfeste Friedrichs III. (1445) blieben ohne durchschlagenden Erfolg, zumal eine Preis- und Absatzkrise der landwirtschaftlichen Produkte im 14. und 15. Jahrhundert den Zug zur Stadt noch verschärfte. So ist es audi kein Zufall, daß wir gerade in Stadtnähe zahlreiche Ortswüstungen finden. Im allgemeinen erreichten die Städte zu Ende des Mittelalters jene Bevölkerungszahlen, die sie mit geringen Erhöhungen bis zu Beginn der Industrialisierung behielten. Die Städter machten im späteren Mittelalter etwa 10 bis 15 Prozent der Gesamtbevölkerung der österreichischen Länder aus; die wirtschaftliche und oft auch die politische Stellung der Städte war aber stärker, als es dieses Zahlenverhältnis vermuten läßt. Die spätmittelalterliche Bevölkerungsbewegung weist im übrigen kein statisches Bild auf, dafür sorgten neben Kriegszerstörungen und lokalen Unglücksfällen (Bränden, Überschwemmungen) vor allem die großen Seuchen

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D a s Spätmittelalter und die habsburgisdie „Herrschaft zu Österreich"

jener Epoche. Der „Schwarze Tod" der Jahre 1348—1349 forderte ungeheuerliche Opfer — das steht fest, mögen auch die Berichte der einen oder anderen Quelle übertrieben sein. Etwa 25—35 Prozent der europäischen Bevölkerung fielen nach vorsichtigen Schätzungen dieser Pestkatastrophe zum Opfer. In Österreich wütete die Seuche furchtbar, die angegebenen Zahlen — etwa 40.000 Tote in Wien, wohl mit Einschluß der Vorstädte — können freilich kaum stimmen. Seuchenherde blieben auch nach dem Abklingen der Epidemien wirksam, so kam es immer wieder zu neuen Ausbrüchen; im Jahre 1381 soll es in Wien 18.000 Seuchentote gegeben haben, schwere Seuchenjahre waren auch 1399, 1410—1411, 1436 und 1521. Das Ausmaß dieser Katastrophen erklärt sich durch Unkenntnis der Ursachen und der Übertragung der Krankheit, durch unzulängliche, ja sinnwidrige, die Ansteckung fördernde Maßnahmen. Geißlerumzüge und Judenverfolgungen als Begleiterscheinungen der Seuchen spiegeln den unheimlichen Eindruck auf eine Bevölkerung, die sich nicht zu helfen wußte und in die religiöse Ekstase flüchtete. Große Erdbeben zu Beginn des Katastrophenjahres 1348 mit den Bergstürzen vom Dobratsch und von der Görlitzen, den Kircheneinstürzen in Villach, die ebenfalls viele Opfer forderten, trugen sehr zur allgemeinen Panik bei. Nach den großen Menschenverlusten um die Mitte des 14. Jahrhunderts fehlte es an einem Menschenüberschuß für die Kolonisation; es war schwierig genug, die Abgänge zu ersetzen; auch die Versuche tatkräftiger Fürsten, etwa Rudolfs IV., durch Steuerbegünstigungen die Bautätigkeit in den Städten zu fördern, hatten keinen durchschlagenden Erfolg. Mit Seuchen, Fehden, Kriegen, Mißernten, Einbrüchen von Schwärmen der Wanderheuschrecken waren Hungersnöte verbunden. Der Transport größerer Quantitäten von Lebensmitteln war schwierig und brauchte Zeit, der Ausgleich zwischen Überschuß- und Mangelgebieten vollzog sich nur stockend. Eine schwere Hungersnot herrschte 1277 in Kärnten und Steiermark, man wußte sogar von Fällen von Kannibalismus zu berichten; eine ähnliche Situation schildert Thomas Ebendorfer um die Mitte des 15. Jahrhunderts in dem von Fehden heimgesuchten Niederösterreich. Mit den Hinweisen auf Seuchen und Hungersnöte, auf Fehden und Kriegszüge, auf wirtschaftliche Krisenerscheinungen sind doch auch schon verschiedene Ursachen des Siedlungsrückganges angedeutet. Gewiß hatte man auch in der vorhergehenden Epoche des Landesausbaues Siedlungen und Fluren auf weniger geeigneten, nicht genügend ertragreichen Böden angelegt und mußte dann der Ungunst der örtlichen Verhältnisse weichen. In den Tälern war man Überschwemmungen ausgesetzt. Die Hochwässer der Donau und ihrer Nebenflüsse rissen zahlreiche Dörfer weg. So wurde die karolingische Siedlung Traisenburg 1180 von der Donau weggeschwemmt, die Pfarre nach Pfarrkirchen verlegt und, als auch hier die Fluten drohten, 1343 nach Stollhofen übertragen. In Kärnten mußte wegen der Überschwemmungsgefahr eine Ortsverlegung von Altenmarkt (bei Möllbrücke) nach Sachsenburg

D a s Wirtschaftsleben des S p ä t m i t t e l a l t e r s

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d u r c h g e f ü h r t w e r d e n . Selbst die zumeist z u m armseligen Rinnsal z u s a m m e n geschrumpfte W i e n vernichtete durch ein H o c h w a s s e r die V o r s t a d t Schöffstraße. Diese Beispiele lassen sich leicht v e r m e h r e n . W e n n in der siedlungsgeschichtlichen E n t w i c k l u n g des österreichischen S p ä t m i t t e l a l t e r s neben einigen günstigen Aspekten im allgemeinen das N e g a t i v e zu überwiegen scheint, so lag das aber zweifellos weniger in U m ständen höherer G e w a l t b e g r ü n d e t , als in einer grundlegenden V e r ä n d e r u n g der Wirtschaft u n d d a m i t auch der Wirtschaftspolitik. I m f r ü h e r e n M i t t e l alter b e r u h t e Macht u n d Reichtum der Herrenschicht weitgehend auf dem Landbesitz u n d den E i n n a h m e n aus der G r u n d h e r r s c h a f t , so lag es im u r eigensten Interesse der Herrschenden, die Siedlung nach K r ä f t e n zu f ö r d e r n . I m späteren M i t t e l a l t e r fehlt es bereits oft a m geeigneten Boden, z u m a n d e r n aber f a n d e n F ü r s t e n t u m und Kirche a n d e r e u n d ergiebigere Einnahmsquellen, die das u n m i t t e l b a r e Interesse am mühevollen Landesausbau erlahmen ließen. D e r Ü b e r g a n g v o n der N a t u r a l - z u r Geldwirtschaft ist so gesehen ebenso Voraussetzung wie S y m p t o m f ü r die Verschiebung der W e r t e . Das Wirtschaftsleben

des

Spätmittelaltcrs

Die Quellen, die von bäuerlichem Wirtschaften im späteren Mittelalter berichten, v o r allem die herrschaftlichen U r b a r e , d a n n die W e i s t ü m e r ( A u f zeichnungen über das Gewohnheitsrecht bäuerlicher Gemeinden), U r k u n d e n u n d literarische Zeugnisse, spiegeln ein vielfältiges Bild. D i e landwirtschaftlichen Betriebsformen h a t t e n sich gegenüber f r ü h e r allerdings nicht g r u n d legend geändert. U n t e r den P r o d u k t e n des Ackerbaues g e w a n n der Weizen weiter an Boden, bei der W a l d n u t z u n g machte sich — namentlich auf dem Boden der großen H e r r s c h a f t e n — im 13. J a h r h u n d e r t eine geregelte Forstwirtschaft geltend, in der landwirtschaftlichen I n d u s t r i e spielten M ü h l e n u n d Brauereien schon eine wichtige Rolle; im 15. J a h r h u n d e r t gibt es bereits auch P a p i e r m ü h l e n u n d G l a s h ü t t e n . U n t e r den G e n u ß m i t t e l n machte das Bier dem heimischen W e i n z u n e h m e n d K o n k u r r e n z , 1454 erließ Ladislaus P o s t u m u s ein V e r b o t der B i e r e i n f u h r nach Österreich, doch w i r d in dieser V e r o r d n u n g der W e i n noch als ein H a u p t p r o d u k t Österreichs bezeichnet. Die g r u n d besitzlosen „ I n w o h n e r " u n d die Kleinhäusler lieferten der landwirtschaftlichen I n d u s t r i e das nötige A r b e i t e r m a t e r i a l . Die soziale D i f f e r e n z i e r u n g ist in dieser Epoche auch auf d e m L a n d e schon recht erheblich; das örtlich f ü h l b a r w e r d e n d e W a c h s t u m eines L a n d p r o l e t a r i a t s k o n n t e durch V e r b o t s b e s t i m m u n g e n nicht u n t e r b u n d e n w e r d e n . Eine erhebliche soziale Ungleichheit der bäuerlichen B e v ö l k e r u n g ergab sich auch aus der großen Verschiedenheit in den Rechtsverhältnissen zwischen Bauer u n d H e r r s c h a f t . Seit der zweiten H ä l f t e des 13. J a h r h u n d e r t s lassen sich höchst ungleichwertige A r t e n der Bodenleihe deutlicher unterscheiden. A m verbreitetsten w a r die Freistift. Sie w a r in der Regel in J a h r e s f r i s t

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

kündbar, dadurch wurde der Holde weitgehender Willkür ausgesetzt. Wenn es auch nicht im Interesse des Grundherrn lag, planlos Holden abzustiften, so hatte er doch Gelegenheit, bei Erneuerung der Leihe eine Erhöhung der Leistungen und Abgaben zu verlangen. Die Freistiftbauern dürften bei der Ungewißheit ihres Schicksals wohl auch keinen übermäßigen Ehrgeiz bei der Bebauung des Landes entwickelt haben. Die Freistift war vor allem in Oberund Niederösterreich, in der Steiermark, im größeren Teil Kärntens, in Osttirol und in den Randgebieten Salzburgs üblich. Diese Leiheform war im 14. Jahrhundert von den Herrschaften mehr und mehr durchgesetzt worden, während bis gegen 1300 eher eine Tendenz zur Vererblichung feststellbar ist. Eine andere Leihe war das Leibgeding, eine Leihe auf Lebenszeit einer oder zweier Personen, etwa von Vater und Sohn. In diesem Falle hatte der Bauer immerhin die Gewißheit der Versorgung für das Leben und eine Möglichkeit der Vorbereitung des Uberganges auf die Nachkommen. Diese Leiheform war in den bayerisch-österreichischen Grenzlandschaften, insbesondere in Salzburg, ziemlich häufig. Am günstigsten war der Bauer beim Erb- oder Kaufrecht gestellt; da blieb der Besitz den Nachkommen gesichert, oft war auch der Bauer berechtigt, über ihn frei zu verfügen, ihn zu verkaufen oder zu verschenken, in der Regel aber hat er ihn vererbt. In Tirol, in Teilen Vorarlbergs und Salzburgs, im oberen Drautal in Kärnten, an einzelnen Orten der Steiermark finden wir das Erbrecht häufig; zahlreichen Bauern war es hier gelungen, diese bessere Leihe von der Herrschaft zu erkaufen. Alle diese „gebundenen" Leihen bedingten ein Untertänigkeitsverhältnis; anders stand es um die freien Leihen, an denen alle ständischen Schichten ohne Einbuße ihrer Rechtsstellung teilhaben konnten. Zu diesen freien Leihen gehörten vor allem das Burgrecht und das Bergrecht, beide sind schon früh, im 12. Jahrhundert, bezeugt. Beim Burgrecht handelt es sich um die Ausdehnung städtischer Rechtsgewohnheiten auf Landbesitz, so finden wir es denn auch namentlich in der Umgebung der Städte. Diese Leiheform drang sogar in das Lehenswesen ein und verdrängte kleinere Lehen, denen doch persönliche Abhängigkeit vom Lehensherrn anhaftete. Steuern und Robotleistungen fielen beim Burgrecht oft weg, die Hauptabgaben bestanden im Grundzins und den Vogtrechten. Das Bergrecht herrschte in Weinbaugegenden Niederösterreichs vor, in späterer Zeit finden wir es auch in Südmähren und in der Steiermark. Das Bergrecht war erblich, die Abgaben bestanden aus Geld und Wein, oft gelang es, durch eine einmalige Geldzahlung die Abgabepflicht abzulösen. Die besonders günstige Leiheform hängt jedenfalls eng mit der Blüte des Weinbaues und des Weinhandels im späteren Mittelalter zusammen. Bei den meisten Leihen wurden die Naturalabgaben im Spätmittelalter mehr und mehr durch Geldzahlungen ersetzt, das gilt namentlich für die Grundzinse. Die Abgabenleistungen wurden erhöht, je mehr die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sanken, das war im 15. Jahrhundert in einem bedenklichen Ausmaß der Fall und für den Bauernstand, dessen Pro-

D a s Wirtschaftsleben des S p ä t m i t t e l a l t e r s

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duktion über den Eigenbedarf hinaus gesteigert war, um so unangenehmer, als die städtischen Gewerbe ihre Preise halten oder erhöhen konnten. Daher empfanden die Bauern ihre Abgaben an die Herrschaft als besonders d r ü k kend. Auch die Robotleistungen wurden härter. Hussiten- und T ü r k e n einfälle, Gefahren durch innere Fehden verursachten immer wieder A n f o r derungen bäuerlicher H a n d - und Spanndienste f ü r Befestigungsanlagen. Die Erhöhung der Forderungen dieser A r t durch die Herrschaften, deren positive Funktion des Schützens und Schirmens der U n t e r t a n e n immer mehr durch den Staat übernommen wurde, w a r f ü r die Krise des bäuerlich-herrschaftlichen Verhältnisses mitverantwortlich, die in den Bauernunruhen des 15. J a h r h u n d e r t s und im großen Bauernkrieg von 1525 ihre dramatischen H ö h e p u n k t e finden sollte. Bei den früheren dieser Erhebungen wurden zumeist Roboterhöhungen, neue Steuern und andere als ungerecht empfundene Abgaben zum A n l a ß genommen, um Rückkehr zum alten Recht zu verlangen. D e r Einfluß reformatorischer Ideen brachte dann in die späteren Kundgebungen der bäuerlichen Bewegung ein neues Element, es geht um das von der Bibel abgeleitete „göttliche Recht", es wurden radikalere Reformen verlangt und Abgaben, von denen in der Heiligen Schrift noch keine Rede war, verweigert. Wirklich umstürzend w a r aber erst das P r o g r a m m eines Michael Geißmayr, der eine grundlegend neue Gesellschaftsordnung wollte. Im Gegensatz zur Landwirtschaft steht der österreichische Bergbau des Spätmittelalters im Zeichen eines bedeutsamen Aufschwunges. Das gilt ebenso f ü r das Salzwesen wie f ü r den Metallbergbau. Die landesfürstlichen Salinen in Aussee wurden ausgebaut, der Berg- und Siedebetrieb modernisiert. Der Ritter Nikolaus von Röhrenbach baute im A u f t r a g e des Landesfürsten im J a h r e 1288 die Salzgewinnung bei H a l l im Inntal nach österreichischem Vorbild aus. Ebenso w a r er in H a l l s t a t t tätig, wo die W i t w e Albrechts I. Elisabeth den seit langem aufgegebenen Salzbergbau erneuern ließ. Die gleichfalls neu angelegten Salzpfannen in der Gösau fielen einem Salzburger Angriff zum O p f e r ; das Erzstift befürchtete die K o n k u r r e n z f ü r die eigene leistungsfähige Saline von Hallein. Die Einkünfte aus dem Bergbetrieb und der Grundherrschaft im oberen T r a u n t a l gehörten der „ K a m m e r " der H a b s burger; damit hängt die Bezeichnung Salzkammergut f ü r diese Gegend zusammen. An der Spitze der landesfürstlichen Verwaltung stand zunächst ein Bergamtmann; seit 1334 sorgte ein Bergmeister f ü r die technische, ein Pfleger f ü r die finanzielle Leitung. Besonderer Wert wurde auf eine sorgsame H o l z wirtschaft gelegt; Holzmangel w a r lebensgefährlich f ü r jeden Grubenbetrieb. Die Salinenarbeiter (Häuer, Sieder, Dörrer, Holzknechte und Fuhrleute) besaßen ein ausgeprägtes Standesbewußtsein und waren nicht immer leicht zu befriedigen. Im J a h r e 1392 k a m es wegen verschiedener Mißstände zu einem schweren, blutig niedergeworfenen A u f s t a n d . Im allgemeinen aber funktionierte der landesfürstliche Salzbetrieb recht gut, die Förderung w a r bedeutend.

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D a s S p ä t m i t t e l a l t e r und die habsburgische „Herrschaft zu Ö s t e r r e i c h "

Das steirische Eisenwesen hatte um die Mitte des 13. Jahrhunderts durch zweckmäßige Heranziehung der Wasserkraft zum Schmelz- und Schmiedeprozeß und durch die Verwendung besserer Öfen eine erhebliche Produktionsausweitung erfahren. Die Zahl der Arbeitskräfte nahm ebenso zu wie der Bedarf an Kohle und an Lebensmitteln. Die Versorgung der Arbeiter mit Nahrung und Material, den sogenannten „Pfennwerten", erfolgte im großen durch die Unternehmer; die Arbeiter waren mit dieser wohl unvermeidlichen Regelung nicht immer zufrieden, es wurde über minderwertige Qualität der Lieferungen und über hohe Preise geklagt. Der Abbau des steirischen Erzberges erfolgte unter planmäßiger Aufteilung der Arbeit zwischen Innerberg (Eisenerz) und Vordernberg, auch der Export wurde entsprechend geregelt. Die Innerberger lieferten nach Steyr, von dort zumeist über den Wasserweg nach Deutschland, Ungarn und Böhmen. Die Vordernberger benützten die Straße über den Stapelort Leoben nach Venedig. Die Leobener Bürger riefen im Jahre 1415 eine Verkaufsgenossenschaft ins Leben, welche die Gewinne den Kapitalanteilen entsprechend auszahlte. Weitere technische Fortschritte im Hüttenwesen, die Verwendung hochgemauerter Stücköfen, die Einsetzung der Welschhämmer und Streckhämmer, endlich die Anlage der großen Rad werke im 15. Jahrhundert, gaben die Möglichkeit zu großzügiger Arbeit mit gutem Ertrag. Der Landesfürst griff auch hier in den Berg- und Hüttenbetrieb ein; die Verfügungen Friedrichs I I I . von 1448 und namentlich die „Reformation" von 1 4 8 9 — 1 4 9 2 führten zu einer Kontrolle der Löhne und Preise, aber auch der Lebensmittelversorgung der Arbeiter. Weniger bedeutend war die Förderung am Kärntner Hüttenberg, der Absatz wurde hier auch durch die Gegensätze zwischen dem Erzbischof von Salzburg und den Habsburgern beeinträchtigt; diese suchten das salzburgische Althofen zugunsten ihrer Landeshauptstadt St. Veit auszuschalten. Vom innerösterreichischen Eisenbergbau war eine leistungsfähige Eisenindustrie abhängig, so wurde das Innerberger Eisen in der „Eisenwurzen" Ober- und Niederösterreichs verarbeitet, die Steyrer Messerschmiede waren als hochqualifizierte und spezialisierte Handwerker gut organisiert. Eine ziemlich rege Tätigkeit herrschte auch im Bleibergbau. Die nicht unbedeutenden Kärntner Lagerstätten bei Bleiburg, Windisch-Bleiberg und Bleiberg bei Villach wurden durch verschiedene kleinere Unternehmer betrieben, bis die Fugger zu Ende des 15. Jahrhunderts diese Gewerken verdrängten. Kupfer wurde zumeist im Rahmen des gewinnversprechenden Silberbergbaues gewonnen, die Silber-, Gold- und Kupfervorkommen finden sich ja zumeist an den gleichen Plätzen. Unter den Edelmetallen stand im spätmittelalterlichen Bergbau das Silber an erster Stelle, im 14. und 15. J a h r hundert spielte daneben die Goldgewinnung in Rauris und Gastein noch eine gewisse Rolle. Bei der Silbergewinnung hatten die steirischen Bergwerke von Schladming und in der Zeiring große Bedeutung. Ihre Bergordnungen wurden von anderen alpenländischen Abbauorten übernommen, die Schladminger

Das Wirtschaftsleben des Spätmittelalters

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fand sogar ins venetianische Bergrecht Eingang. Im Jahre 1361 w a r das Zeiringer Bergwerk Schauplatz einer furchtbaren Katastrophe; bei einem Wassereinbruch sollen angeblich 1400 Knappen ums Leben gekommen sein; erst 30 Jahre später konnte man die Arbeit wieder aufnehmen. Auch in Kärnten gab es mehrere Silbererzgruben, so im Lavanttal, im Gurktal und bei Obervellach. Adelige und bürgerliche Gewerken finanzierten den Abbau; die Arbeit der Häuer erfolgte im Akkord, auch Frauen und Kinder wurden zur schweren Bergarbeit herangezogen. Den bedeutendsten Aufschwung nahm das Tiroler Bergwesen. Nach den Bischöfen von Trient und Brixen nützten auch die Grafen von Tirol das Bergregal gründlich aus, verliehen aber die Schürfrechte an verschiedene Unternehmer. Auch in diesem Lande wird gegen Ende des 15. Jahrhundertseine Anzahl kleinerer Gewerken durch die Fugger abgelöst, die eine großzügige, vereinheitlichte Organisation des Bergwesens durch ihre Faktoren aufbauen ließen. Bei den nicht seltenen sozialen Konflikten zwischen Unternehmern und Bergleuten vermittelte die landesfürstliche Kammer oder das Berggericht. Zu Ende des 15. Jahrhunderts belief sich die jährliche Produktion der Schwazer Gruben, der reichsten von allen — neben ihnen sind noch Rattenberg, Sterzing und Klausen zu nennen — auf 12.000 kg Silber und 22.000 q Kupfer. Diese reiche Ausbeute bildete die Grundlage des Tiroler Münzwesens, namentlich für die Ausprägung des Haller Unzialis Siegmunds des „Münzreichen", die das Zeitalter der silbernen Großmünze, des Talers, einleitete. Hoch war auch die Zahl der im Silberbergbau Beschäftigten, zur Zeit der Blüte betrug sie, die Familienangehörigen, die zum Teil mitarbeiteten, eingerechnet, etwa 30.000 Köpfe. Die Wirtschaftsstruktur der spätmittelalterlichen Stadt und ihrer Bevölkerung ist nach Durchforschung eines ziemlich breiten Quellenmaterials in den großen Zügen bekannt. In der Regel waren die besitzstärksten Bevölkerungsschichten auch Träger der politischen Macht — soweit diese nicht noch beim Stadtherrn lag. So waren die Wiener Ratsbürger Großkaufleute, Grundherren und reich gewordene Handwerker, alle hatten — zumeist mehrfachen — Hausbesitz. Ein wesentlicher Teil von Grund und Boden in der Stadt w a r allerdings — und das gilt auch für die Mehrzahl der anderen Städte (in sehr ausgeprägtem Maße etwa für Krems, St. Pölten, Salzburg und Friesach) — in den Händen der Kirche. Die Ratsbiirgerfamilien vermochten sich in ihrer Bedeutung oft durch Jahrhunderte zu behaupten. So finden wir in Wien die Kleber von 1208 bis 1417, die Poll von 1239 bis 1539, die Würfel von 1285 bis 1523, die Eslarn von 1271 bis 1491 in bedeutsamer Stellung. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts verloren diese alteingesessenen Familien allerdings gegenüber rasch hochgekommenen Glücksrittern von der Art des angeblich aus Preßburg eingewanderten Bürgermeisters Wolfgang Holzer an Terrain. Geldentwertung, unvorsichtige wirtschaftliche und politische Spekulationen ließen das Erbbürgertum absinken; zu übermäßigen Vermögenskonzentrationen, wie etwa in Augsburg in den Händen der Fugger,

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

Welser und einiger anderer Familien, war es in Wien übrigens nie gekommen. Ähnlich wie in Wien verlief die Personalgeschichte der Vermögensbildung in den kleineren Städten. Zahlenmäßig stärker als die Erbbürger waren die Handwerker, die im Spätmittelalter schon überall in Zechen und Bruderschaften organisiert sind. Verbote der Landesfürsten, zunächst gegen weitergehende Einungen über die Preisbildung und den Ausschluß der Konkurrenz, unter Rudolf IV. audi gegen die Zechen selbst, hatten keinen bleibenden Erfolg. Die Zechen besaßen neben den beruf liehen auch soziale und religiöse Funktionen; man überwachte die Einhaltung der Sonntagsruhe, unterstützte kranke Mitglieder, sorgte für anständige Begräbnisse und hielt regelmäßige gemeinsame Beratungen, Mahlzeiten und Gottesdienste ab. Städtische Beschaumeister überprüften Qualität, Maße und Gewichte der Waren. Dauernder Kampf herrschte zwischen den Handwerkern der Zechen und den „Störern", oft tüchtigen Arbeitern, denen aus irgendeinem Grund der Eintritt in die Zechen verwehrt wurde, etwa wegen unehelicher oder unehrlicher Geburt; diese Auseinandersetzung ging in den Jahrhunderten der Neuzeit mit steigender Schärfe weiter. In den kleineren Städten — nicht in Wien — war in den Zechenordnungen oft auch Zugehörigkeit zur „deutschen Nation" gefordert. Seit dem 15. Jahrhundert sind Bestimmungen über die berufliche Ausbildung, den Weg vom Lehrjungen zum Meister, erhalten. Die Behandlung der Lehrjungen war oft überhart, auch mit den Gesellen, die sich in eigenen Zechen zusammenschlossen, gab es wiederholt Konflikte, so in Wien in den Jahren 1418—1439. Die einzelnen Gewerbe hatten bestimmte Standorte, die zum Teil in Straßennamen bis zur Gegenwart überliefert sind (Wien: Bognergasse, Wollzeile, Tuchlauben, Bäckerstraße und andere). Oft waren aber bestimmte Handwerke und gewerbliche Betriebe für die Wirtschaft ganzer Städte charakteristisch, so in Österreich die eisenverarbeitenden Berufe der Schmiede, Messerer, Schlosser für Steyr, Leoben, Waidhofen, Ybbs. Einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung der Städte bildete schließlich das Gesinde, dazu gehörte das Hauspersonal ebenso wie die Taglöhner für auswärtige Arbeiten; Rechte und Pflichten dieser Leute waren in eigenen Gesindeordnungen geregelt. Diese Ordnungen befaßten sich mit Lohnansprüchen, Neuaufnahmen von Personal und Lösung des Dienstverhältnisses sowie mit dem Verhalten gegen den Hausherrn und seine Familie. Die niedrigste Stellung in der sozialen Stufung der Bevölkerung nahmen jene Personen ein, welche der sozialen Fürsorge zur Last fielen, doch hat man immerhin zwischen Fällen von unverschuldeter, „redlicher" Verarmung und Menschen unterschieden, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren. Es gab lizenzierte Bettler, die ein eigenes Abzeichen trugen; auf Bettelbetrug standen strenge Strafen. Die sozial Deklassierten wurden vom Rat überwacht, in der Regel durch einen eigenen Beamten, den Sterzermeister. Besonders kritisch war die Situation vermögensloser Fremder, Landstreicher

Das Wirtschaftsleben des Spätmittelalters

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und „gartender", Solddienst suchender Knechte, gegen sie wurde beim geringsten Verdacht rigoros vorgegangen. Der Handel des Spätmittelalters stützte sich noch immer weitgehend auf die Wasserstraßen. Das geht unter anderem aus der erheblichen Bedeutung der Donauzölle unter den Einnahmequellen der Landesfürsten hervor. Auf der Donau und dem Inn finden wir im 14. Jahrhundert bereits auch die Bergfahrt stromaufwärts, den „Gegentrieb" mit Pferdezug im Gange, unter Benützung der Treppelwege an den Ufern. Zur Überquerung der größeren Wasserläufe benötigte man weiterhin zumeist Uberfuhren. Erst 1439 wurden alle drei Wiener Donauarme überbrückt, über den Arm zwischen der Stadt und dem Werd (Leopoldstadt) gab es schon früher Brücken. Im Jahre 1463 erhielt Krems, 1497 Linz eine Donaubrücke. Auch die Schifffahrt auf den Seen war recht rege, so gab es eine bedeutende Frachtschiffahrt auf dem Bodensee. Im Spätmittelalter wurden aber auch die Landwege besser als vorher gepflegt. Mit dem Straßenregal war audi eine Sorgepflicht des Landesfürsten für die Straßen gegeben, so ausdrücklich in einem Privileg König Albrechts I. für die Grafen von Tirol. Man verstand sich auch auf die Anlage von Kunstbauten; c. 1307 baute der Bozener Bürger Heinrich Kunter einen Saumweg durch die Eisackschlucht von Bozen nach Klausen (Kuntererweg). Tirol verfügte seit dem 14. Jahrhundert im Rodwesen über einen großzügig organisierten Transportdienst. Durch diesen war für eine geregelte Ablöse der Fuhrleute gesorgt, die jeweils nur kürzere Strecken befuhren, und man richtete geeignete Stationen (Rodstätten) und Magazine (Pallhäuser) ein. Auch die Straßenzölle brachten dem Landesfürsten große Erträge, die grundherrlichen Mautstellen wurden allmählich eingezogen. Zollordnungen und Zollregister sind nun auch unsere ergiebigsten Quellen für die Intensität des Verkehrs auf den großen Handelsstraßen, dem Donauweg und den nordsüdlichen Uberlandverbindungen der Alpen. Die beiden Hauptfrächten donauabwärts nach Wien waren Salz und Tuch; die Wiener übernahmen den Weitertransport nach Ungarn. Ihr Gewinn war enorm. König Johann von Böhmen versuchte 1326 den deutschen Handel unter Ausschaltung Wiens auf dem Landweg über Brünn nach Ungarn zu leiten; diese längere und beschwerlichere Route konnte sich aber nicht recht durchsetzen. Die Wiener versuchten, auch die Nordsüdverbindungen über Zeiring und Semmering für ausländische Kaufleute zu sperren; dadurch war namentlich der Handel von Prag und Breslau betroffen. Die Bergfracht auf der Donau bestand vor allem aus Wein, die Ausfuhr nach Süddeutschland betrug um 1400 im Jahr etwa 100.000 hl; an der Verfrachtung hatten neben den Wienern auch Kremser, Ybbser, Klosterneuburger und oberdeutsche Kaufleute Anteil. Als 1390 die Stadt Passau ein Stapelrecht für Wein erhielt, war den Wienern der Zugang zu den oberdeutschen Tuchmärkten gesperrt, das wirkte sich nach einiger Zeit für den Wiener Handel recht unangenehm aus. Die österreichische Ausfuhr nach Ungarn umfaßte zum Großteil Transit-

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

waren, Produkte der niederländischen und westdeutschen Textilindustrie sowie heimische Eisenwaren. Die Holzausfuhr wurde durch die Verbote der österreichischen Landesfürsten gedrosselt, welche die Wälder schonen und nur für den eigenen Bergbau und den österreichischen Bau- und Brennholzbedarf heranziehen wollten. Von Ungarn kam auch im späteren Mittelalter hauptsächlich Lebendvieh, dann Fleisch und Häute. Die Wirren um die Mitte des 15. Jahrhunderts haben ebenso wie das Passauer Stapelrecht den österreichischen Handel geschädigt; während das Handelsvolumen Wiens um 1400 etwa gleich groß wie jenes von Augsburg war, sank es nach 1500 auf ein Zwanzigstel des Augsburger Umsatzes. Das Wiener Stapelrecht, einst eine Grundlage des Wohlstandes der Stadt, ließ sich nicht mehr halten und mußte 1515 aufgegeben werden. Der alpenländische Durchgangshandel von Deutschland nach Italien stützte sich zum Teil auf den Salztransport nach Süden; ebenso gingen Leinen und Wolle nach Italien, von dort kamen Seide und Wein sowie levantinische Baumwolle. Von Tirol wurde Kupfer nach beiden Richtungen ausgeführt, dagegen war die für die landesfürstliche Münzprägung schädliche Silberausfuhr durch hohe Zölle eingeschränkt. Die salzburgisch-kärntnerischen Paßstraßen, an sich wohl weniger begangen als die Tiroler Wege, hatten eine gewisse Bedeutung für den Handel zwischen Italien und Böhmen. Als Tiroler Haupthandelsplatz galt Bozen, dessen Messen im Spätmittelalter noch an Bedeutung gewannen. Im Donauland kam den Linzer Märkten eine ähnliche Funktion zu. Hier wie dort begann der Warenaustausch im Stichhandel mehr und mehr dem Geld- und Wechselverkehr zu weichen. Das Vordringen der Geldwirtschaft ist ja überhaupt ein Charakteristikum unserer Epoche, doch ging dieser Prozeß in Österreich langsamer vor sich als im Westen und Süden. Für die habsburgischen Länder war es bedenklich, daß der Wiener Pfennig an Wert verlor, denn auch nach Aufgabe des Münzverrufs (1359) änderte sich das nicht. Schon vor diesem Zeitpunkt war die Wiener Münze durch Verbote der Anjoukönige aus dem Verkehr gedrängt worden, der ungarische Goldgulden beherrschte bald — wenigstens als Rechnungseinheit — auch den Wiener Markt. Das Ende aller Bedeutung des Wiener Pfennigs kam mit den inflatorischen Erscheinungen der Zeit der „Schinderlinge" während der Kämpfe Friedrichs III. mit seinem Bruder (besonders in den Jahren 1456—1460). Im Westen des österreichischen Raumes wurde wohl auch der Pfennig entwertet, hier fand man aber schon im 13. Jahrhundert im Vierer (mit dem Doppelkreuz, daher später „Kreuzer") eine geeignete Kleinmünze; im 15. Jahrhundert wurde der Haller Unzialis (1486) als Großmünze geprägt, die zum Vorbild der böhmischen und sächsischen Taler werden sollte. 1524 sorgte schließlich die Wiener Münzordnung Ferdinands I. für eine einheitliche Talerwährung auf Silberbasis in den habsburgischen Erblanden. Die Eßlinger Reichsmünzordnung des gleichen Jahres wurde in Österreich nicht befolgt.

Die Geisteskultur des österreichischen Spätmittelalters

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Der Westen Österreichs war auch in der Kreditwirtschaft führend. Meinhard I I . errichtete in Bozen und Meran Leihbanken und ging mit italienischen Bankhäusern Kreditgeschäfte ein. In der Mitte des 15. J a h r hunderts besorgten dann vor allem oberdeutsche Kaufleute in allen österreichischen Ländern in großem Stil Geldüberweisung und Wechselverkehr. Das kirchliche Zinsenverbot wurde damals längst nicht mehr beachtet, die bedeutende Rolle der Juden im Geld- und Pfandgeschäft war überdies mit der großen Verfolgung von 1421 für lange Zeit zu Ende gegangen.

Die Geisteskultur

des österreichischen

Spätmittelalters

Das geistige Schaffen des Spätmittelalters steht — als Ganzes betrachtet — nicht mehr in gleichem Ausmaß im Zeichen der Kirche wie das der vorhergehenden Epoche. Die Emanzipation einer Laienkultur auf breiterer Grundlage als früher machte Fortschritte, das Bürgertum der Städte, die Gelehrten der Universitäten ergänzten die Schöpfungen kirchlicher und adelig-höfischer Kreise. Im österreichischen Erziehungswesen war indessen bis zur Wiener Universitätsgründung das geistliche Schulwesen mit seinen Dom-, Kloster- und Pfarrschulen tonangebend. Die Zahl dieser Schulen hatte sich im späteren Mittelalter vermehrt, wir finden sie auch in kleineren O r t schaften. Die bedeutendste der österreichischen Pfarrschulen, jene von St. Stephan in Wien, änderte ihren Status; sie wurde, als Herzog Albrecht I. 1296 auf das Schulpatronat verzichtete, zur städtischen Lateinschule. Bürgermeister und R a t bestimmten den Schulrektor und sorgten für die Besoldung der Lehrer. In der Schulordnung von 1446 werden bereits fünf Wiener Schulen genannt, neben der Universität und der Stephansschule die Schulen bei den Schotten, zu St. Michael und im Bürgerspital. Die Wiener Schulordnung von 1446 gibt im übrigen auch Einblick in die Unterrichtsweise und zeigt dabei grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Betrieb des früheren Mittelalters, nur einige neue Lehrbücher waren zu den alterprobten Werken dazugekommen. Im 14. und 15. Jahrhundert sind auch in den meisten anderen österreichischen Städten ähnliche Lateinschulen bezeugt. Es fehlte nicht an bedeutenden Lehrerpersönlichkeiten fast durchwegs geistlichen Standes. In Wien wirkte um 1300 Magister Ulrich, der auch als Arzt, Maler und Dichter tätig war und den die Vagantendichtung als weitberühmten Lehrer feierte. Auch Konrad von Megenberg, nach 1342 Rektor der Stephansschule, ein bedeutender Ubersetzer und verantwortungsbewußter politischer Publizist, bezeugt den Rang der Anstalt; sie vermochte auch nach der Universitätsgründung noch eine wichtige Rolle im Wiener Geistesleben zu spielen. Unter den österreichischen Klosterschulen wiesen etwa St. Florian um 1300 und Klosterneuburg — dieses namentlich im 15. Jahrhundert — erhebliche wissenschaftliche Leistungen auf.

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Das Spätmittelalter und die habsburgisdie „Herrschaft zu Österreich"

Mit der Gründung der Wiener Universität (1365), der zweiten hohen Schule Mitteleuropas nach Prag (1348), wo in Lehrkörper und Studentenschaft zunächst ebenfalls das deutsche Element überwog, übrigens auch der zweiten habsburgischen Gründung nach der wenig bedeutenden Universität in Treviso (1318), das zum Machtbereich Friedrichs des Schönen gehört hatte, tritt ein neuer Faktor in die österreichische Kultur. Freilich bedurfte es erst der Reformen Albrechts III. (seit 1383), der Berufung der Pariser Professoren und der Bewilligung der theologischen Fakultät, daß sich die Wiener Hochschule kraftvoll entfalten konnte. Der Herzog war großzügig genug, um der Universität die Festlegung ihrer Statuten im einzelnen zu überlassen; diese Arbeit wurde dann in sachlicher Form in kurzer Zeit durchgeführt. Die Grundgesetze der Universität (Gesamtstatut 1385, Fakultätsstatuten 1389) blieben etwa 170 Jahre ziemlich unverändert in Geltung. Die Zahl der Hörer nahm rasch zu, bald war die Tausendergrenze überschritten. Unter der in vier „Nationen" (eher Landsmannschaften, die österreichische, ungarische, rheinische und sächsische Nation) gegliederten Studentenschaft überwogen zumeist die Süddeutschen und die Hörer aus den habsburgisch-österreichischen Ländern; Norddeutschland war nur schwach vertreten. In den Jahren 1383 bis etwa 1450 vermochte die Wiener Universität in den geistigen Auseinandersetzungen der Zeit bedeutsam hervorzutreten, sie besaß vor allem hervorragende Repräsentanten der Theologie und der Naturwissenschaften. Heinrich von Langenstein, ein Hesse, der tätigste der aus Paris gekommenen Lehrer, ist hier in erster Linie zu nennen; er errang als Mathematiker und Astronom fast ebensolche Autorität wie als rationalistischer Theologe und konservativer Nationalökonom. Der gleichen Generation gehörten die berühmten Kanzelredner und Dogmatiker Nikolaus von Dinkelsbühl, Heinrich Totting von Oy ta und Gerhard von Kalkar an. Die großen Theologen der Wiener Universität waren, abgesehen von dem Dominikaner Johann Nider, einem Mystiker, Vertreter der scholastischen Philosophie, und zwar der „via moderna" des Occamismus, allerdings in einer gemäßigten Form. In dem halben Jahrhundert nach 1400 trat die Theologie gegenüber der Astronomie zurück; das Dreigestirn Johann von Gmunden, Georg von Peuerbach und Johannes Regiomontanus (Müller), zwei Oberösterreicher und ein Franke, sicherten der Wiener astronomischen Schule europäische Bedeutung. Die astronomischen Tafeln Johanns von Gmunden, das Buch Peuerbachs über die Finsternisse, seine Entdeckung der Sinusrechnung, schließlich die Ephemeriden Regiomontanus', der später in Nürnberg die erste Sternwarte Deutschlands errichtete, stellen in der Tat Marksteine in der Entwicklung der Naturwissenschaften dar. Galeazzo de Santa Sophia aus Padua und sein einheimischer Schüler Johann Aygel wirkten in der Anatomie bahnbrechend durch ihre trotz der Bedenken kirchlicher Kreise am menschlichen Leichnam durchgeführten Demonstrationen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verlor die Wiener Universität infolge der unglückseligen

D i e Geisteskultur des österreichischen Spätniittelalters

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politischen Verhältnisse viele Hörer, die Auseinandersetzung zwischen Scholastik und Humanismus führte vermutlich auch zu persönlichen Reibungen in der Professorenschaft, das Neue vermochte sich erst nach massiver Unterstützung durch den Hof durchzusetzen; ausschlaggebend war dabei das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Maximilian und dem Superintendenten Bernhard Perger von Stainz, der die Universitätsreform in humanistischem Sinne durchführte. Außerhalb der Alma mater Rudolfina hatten sich die neuen Ideen schneller Geltung zu schaffen vermocht. Das Schrifttum des späteren Mittelalters weist zunächst im Einklang mit der Ausweitung des Kreises derer, die lesen und schreiben können, ein Vordringen der Muttersprache auf, doch ist die lateinische Literatur nach wie vor bedeutend vertreten, und um die Mitte des 15. Jahrhunderts läßt sich eine erneute stärkere Wendung zur Latinität unter humanistischem Einfluß feststellen. Unter den lateinischen Autoren zu Beginn der Epoche, im 13. Jahrhundert, nimmt wohl der gelehrte Zisterzienser Gutolf von Heiligenkreuz den ersten Rang ein; er verfaßte neben einem Traktat über das Kirchenrecht und einer lateinischen Grammatik zwei aufschlußreiche Werke zur Geschichte seiner Zeit, die „Translatio sanctae Delicianae", die Geschichte der Überführung von Heiligenreliquien aus Prag nach Wien, in der auch eine kurze Beschreibung der Stadt Wien mit vielen bleibenden Elementen des Lokalpatriotismus, dem Lobe des Weines, der Donau und der landschaftlichen Schönheit, untergebracht ist, und die „Historia annorum 1264—1279"; beide Schriften sind wichtige Quellen zur Geschichte der ottokarischen Herrschaft. Gutolfs zweites Werk gehört in die österreichische Klosterannalistik, die im Spätmittelalter noch zahlreiche Vertreter aufweist. Zu nennen sind die eigentlich nach Klosterneuburg gehörende „Continuatio Vindobonensis" und die Wiener Dominikanerannalen („Continuatio Praedicatorum"). Die Kremsmünsterer Geschichtsquellen enthalten viel Sagengut zur bayerisch-österreichischen Frühgeschichte, am wichtigsten ist die vom Mönch Berthold von Kremsmünster verfaßte, früher einem „Bernardus Nörtens" zugeschriebene Chronik. Die bedeutendste historiographische und überhaupt literarische Leistung des 14. Jahrhunderts schuf der Kärntner Abt Johann von Viktring im „Liber certarum historiarum", dem Buch verbürgter Geschichten. Den wohl aus Lothringen stammenden Verfasser verbanden enge persönliche Beziehungen mit dem Hof der Görzer und der Habsburger; er war also gut unterrichtet und verstand es, seine Gedanken in kurzer und bündiger Form wiederzugeben. Wir verdanken ihm wertvolle Nachrichten zur Geschichte Kärntens. Eine spätere Redaktion Johanns ist durch den „ A n o n y m u s Leobiensis" überliefert, der im Rahmen einer Art Weltchronik die österreichische und steirische Landesgeschichte stärker betonte. Etwa gleichzeitig mit Johann schrieb ein anderer gelehrter Abt, Engelbert von Admont, ein vielseitiger, hochangesehener Autor, von dem theologische, naturwissenschaftliche und pädagogische Schriften erhalten sind; 12·

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

seine Abhandlung über die Wahl König Rudolfs von Habsburg ist verschollen. In der deutschen Literatur des 13. und 14. Jahrhunderts überwog das Laienelement bei weitem die Kleriker. Wir begegnen Vertretern des späteren Minnesanges und der ritterlichen Romandichtung. Der Pleier, ein Salzburger Ritter, verfaßte vor allem Nachdichtungen älterer Werke; der Kärntner Ulrich von dem Türlin widmete seinen weitläufigen Versroman „Willehalm" König Ottokar. Aus der gehobenen Schicht des Stadtbürgertums stammte wohl Meister Heinrich von Wiener Neustadt, ein Dichter, Theologe und Mediziner, der viel in Wien weilte, wo er den Freisinger H o f als Lehen besaß. Heinrich machte die weitverbreitete Erzählung von König Apollonius von Tyrus zum Inhalt eines längeren Versromans „Apollonius von T y r l a n d " , den der Verfasser mit abenteuerlich-phantastischen Episoden ausschmückte. G a n z anders geartet war Heinrichs Lehrgedicht „Von Gottes Zukunft", das die Erlösungstat Christi und das jüngste Gericht behandelte. Wir haben ferner zwei Vertreter der deutschen Reimdironistik zu würdigen, einer Gattung, die im österreichischen R a u m Rudolf von Ems als erster gepflegt hatte: den Wiener Bürger Jans der Jansin Enikel und den steirischen Ritter Ottokar „ouz der Geul". J a n s besaß nur geringe dichterische Gestaltungskraft, von seinen beiden Werken, der nach dem System der sechs Weltalter ausgebauten Weltchronik und dem der österreichischen Geschichte gewidmeten Fürstenbuch, bietet das zweite einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte Wiens unter den letzten Babenbergern, einer Epoche, die Jans als die „gute alte Zeit" verherrlichte. Schon dem U m f a n g nach imponierend ist das Werk des steirischen Reimchronisten Ottokar „ouz der Geul", aus dem Geschlecht der Herren von Strettweg, der späteren Grafen Galler; ein Autor, den Grillparzer, der ihm den berühmten Lobspruch auf Österreich in den Mund legte, ebenso wie viele ältere Historiker, irrig der Familie Horneck zurechnete. Ottokar verfaßte eine nachmals verschollene Kaiserchronik und die in mehreren Handschriften, allerdings nicht ganz vollständig überlieferte Reimchronik, einen gewaltigen Torso von fast 100.000 Versen. Im Vordergrund der sonst der Reichsgeschichte gewidmeten Darstellung stehen die Ereignisse in Österreich und der Steiermark während der Zeitspanne vom Tode Friedrichs des Streitbaren bis zur Regierung Friedrichs des Schönen. Der Reimchronist war ungeachtet seiner Abneigung gegen die schwäbische Gefolgschaft der neuen Herren habsburgisch gesinnt, im übrigen lebte er noch in staufischen Traditionen. So war K a r l von Anjou für Ottokar der Prototyp politischen Verbrechertums, auch für das Papsttum des 13. Jahrhunderts hatte der Autor wenig Sympathien. Bekannt ist sein scharfes, kaum gerechtes Urteil über König Ottokar. Als standesstolzer Angehöriger des steirischen Adels war der Reimchronist auch ein liebevoller Schilderer höfischer Festlichkeiten und altertümlicher Rechtsbräuche; seine Quellenkenntnis ist beachtlich. Wir verdanken Ottokar ferner einige lebendige Berichte über bemerkenswerte Naturereignisse.

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Schon vor der Jahrhundertwende schrieb ein niederösterreichischer Ritter der Zwettler Gegend eine zeitkritische Dichtung in Gesprächsform; als der Versuch einer Identifizierung des Verfassers scheiterte — man dachte an den in der Dichtung genannten Spielmann Seyfried Helbling — gab man dem Werk die Bezeichnung „Kleiner Lucidarius" nach dem als Muster dienenden deutschen Lucidarius des 12. Jahrhunderts. Unser Autor verschonte mit seiner Kritik kaum einen Stand, sein stark ausgeprägtes österreichisches Landesbewußtsein richtete sich vor allem gegen die Fremden. Allmählich gelang der in diesem Werk noch ablehnend glossierten habsburgisdien Dynastie, die Kluft zu überbrücken, die sie von der Landesbevölkerung trennte. Ihr H o f wurde ein Zentrum künstlerischen und literarischen Schaffens. Otto der Fröhliche galt als Freund ritterlicher Sänger und höfischer Spaßmacher von der Art des Neidhart Fuchs; Rudolf IV. zählte einen gelehrten Diditer vom Range des Sachsen Heinrich von Mügeln zu seiner Umgebung. Der Diditer widmete dem Herzog die deutsche Fassung seiner ungarischen Chronik und beendete in Wien — eineinhalb Jahrhunderte vor Martin Luther — eine deutsche Bibelübersetzung. An die habsburgische Residenz zog schließlich Heinrich der Teichner, wohl ein Obersteirer, ein maßvoller, etwas melancholischer Kritiker seiner Umwelt, ein Freund aller Armen und Verfolgten, dessen Werk weite Verbreitung fand. Peter Suchenwirt, ein jüngerer Freund des Teichners, dem er einen schönen Nachruf verfaßte, war Reimsprecher am H o f e Albrechts III., an dessen Preußenfahrt er teilnahm. Suchenwirts „Ehrenreden" und zeitgeschichtliche Dichtungen besitzen kulturhistorischen Quellenwert, so begrenzt die musische Begabung des Autors auch war. Der H o f Albrechts I I I . ist auch als Zentrale einer reichen Übersetzungstätigkeit aus dem Lateinischen ins Deutsche von Bedeutung. Der führende K o p f bei dieser Arbeit war Albrechts H o f k a p l a n Leopold Stainreuter, ein Augustiner, der in Paris studiert hatte. Stainreuter übersetzte unter anderem das Werk des Kardinals Wilhelm Durandus über die liturgischen Gebräuche der katholischen Kirche und versah es mit einer interessanten Vorrede, ferner verdeutschte er die Kirchengeschichte Cassiodors; seine wichtigste Leistung wurde jedoch eine Eigenschöpfung, die „österreichische Chronik von den 95 Herrschaften", eine fabulöse Urgeschichte Österreichs, dem eine glanzvolle und phantastische, völlig wirklichkeitsfremde Vergangenheit angedichtet wurde. Nichtsdestoweniger fand das mit genauen Angaben von N a m e n und Daten ausgerüstete Werk Glauben, und Enea Silvio Piccolomini konnte spotten, daß die Österreicher diese Chronik wie die Heilige Schrift verehren. Als Dichter betätigte sich auch ein Staatsmann Albrechts I I I . und Leopolds III., Graf H u g o von Montfort-Bregenz, der nach der Schlacht von Sempach das schwierige Amt eines Vogtes im Aargau und Thurgau, später das des Landeshauptmannes der Steiermark bekleidete. H u g o belebte noch einmal die Minnedichtung, mit ihm und dem etwas jüngeren Oswald von Wolkenstein erlischt sie. Oswald, ein Tiroler Adeliger aus dem Grödnertal,

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

besaß von beiden die urwüchsigere dichterische Begabung; ein wildbewegtes Schicksal führte ihn in den Orient, nach Schweden, Rußland, West- und Südeuropa und ließ ihn später tätigen Anteil an der Erhebung des Tiroler Adels gegen Herzog Friedrich IV. nehmen. Oswalds übermäßig kraftvoller Lebensstil drückte sich in seinem Werk aus, in dem wir neben der Minnedichtung Kneip- und Fehdelieder vertreten finden; zuletzt widmete der Wolkensteiner sich auch religiösen Themen. Auch im 15. Jahrhundert blieb die habsburgische Hofhaltung ein Stützpunkt literarischen Schaffens. Albrecht V. (II.) übernahm als Schwiegersohn und Nachfolger Kaiser Sigismunds luxemburgische Traditionen des Mäzenatentums und erbte auch bedeutende Bibliotheksbestände. Dabei kam man ein erstes Mal mit dem Geist des Humanismus in Berührung, für den kein geringerer als Petrarca durch seine Beziehungen zum Prag Karls IV. Pionierarbeit geleistet hatte. Von diesem Einfluß durchaus unberührt sind allerdings die lebendigen, deutsch geschriebenen Memoiren der Hofdame der Kaiserin Elisabeth, Helene Kotanner, mit dem dramatischen Höhepunkt der Schilderung der Entwendung der Stephanskrone für den jungen Ladislaus Postumus. Schon in der spannunggeladenen Atmosphäre der Auseinandersetzung zwischen alten scholastischen und neuen humanistischen Ideen vollzog sich das ungemein reichhaltige und vielseitige Schaffen Thomas Ebendorfers von Haselbach, den man wohl als letzten vollgültigen Vertreter einer wesentlich mittelalterlichen Gedankenwelt in Österreich bezeichnen darf. Seine Tätigkeit war freilich trotz zahlreicher diplomatisch-politischer Aufträge nicht sosehr mit dem Hof als mit der Universität Wien verknüpft, deren prominenter Professor, Dekan und Rektor Ebendorfer war. Das wissenschaftliche Werk des Gelehrten war zunächst vorwiegend der Theologie gewidmet, neben einem Kommentar zu Jesaias und anderen exegetischen Schriften verfaßte er zahlreiche deutsche und lateinische Predigten. In späteren Jahren wandte sich Ebendorfer der Geschichtsschreibung zu; die Verbundenheit mit der engeren Heimat Niederösterreich spricht deutlich aus seinem wichtigsten historischen Werk höchst persönlicher Prägung, der österreichischen Chronik; außerdem verdanken wir seiner unermüdlichen Feder noch ein Papstbuch, eine Kaiserchronik, eine Chronik der Passauer Bischöfe, einen Schismentraktat und ein Tagebuch über seine Tätigkeit als Vertreter der Wiener Universität am Basler Konzil. Zeitlebens entschiedener Parteigänger der konziliaren Richtung schärfster Form, verbaute sich Ebendorfer wohl selbst eine glänzendere kirchliche Laufbahn; er brachte es nur zum Pfarrer von Perchtoldsdorf. Auch mit Kaiser Friedrich III., der ihn zunächst sehr förderte, geriet Ebendorfer in Konflikt; der Monarch schien ihm die Hauptschuld an den traurigen Verhältnissen in Österreich nach der Jahrhundertmitte zu tragen. Einer ganz anderen Welt gehörte Enea Silvio Piccolomini an; er entstammte dem Adel der Toskana und kam etwa 1437 nach Österreich, wo es

D i e Geisteskultur des österreichischen Spätmittelalters

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ihm zunächst nicht sehr gefiel; Zeugnis dessen ist ein berühmter Brief über Wien und die Wiener, deren Wohlleben, Unglauben und Sittenlosigkeit Enea geißeln zu müssen glaubte. Auch von der Universität hielt er nicht viel. Als Literat erwarb sich Piccolomini bald großes Ansehen, Friedrich III. krönte ihn mit dem Dichterlorbeer und zog ihn an die kaiserliche Kanzlei. Hier entfaltete der Italiener als Vorkämpfer des Humanismus alsbald eine lebhafte Werbetätigkeit für das Neue. In zwei Fürstenspiegeln und im „Pentalogus" vertrat Enea ein humanistisches Erziehungsideal der allseitigen Menschenbildung mit besonderer Berücksichtigung der Schulung der Prinzen für ihre späteren Aufgaben als Herrscher. Da Enea einen angenehmen, flüssigen Stil schrieb, wurden seine Schriften gerne gelesen; am populärsten war allerdings die Liebesnovelle Euryalus und Lucretia, von der sich der Autor später distanzierte. Von Eneas historischen Schriften gibt die Historia Austriae seu Friderici tertii einen wichtigen Beitrag zur Zeitgeschichte; in der Persönlichkeitsschilderung liegt der eigentliche Reiz dieses Werkes. Ähnlichen Charakter hat eine Geschichte Böhmens. Piccolomini versuchte durch Vorträge auf akademischem Boden dem humanistischen Gedankengut auch in Universitätskreisen Geltung zu verschaffen, das gelang zunächst nur im begrenzten Fachgebiet der Rhetorik. Am H o f e fand Enea mehr Gefolgschaft. Erzherzog Maximilian wurde in humanistischem Sinne erzogen; der Musiker und Bibliophile der Hofgesellschaft, Johann Hinderbach, später Bischof von Trient, spielte dabei eine bestimmende Rolle. Eine bemerkenswerte humanistische Aktivität herrschte auch am H o f e Siegmunds von Tirol, dessen hochgebildete Gattin Ellinor von Schottland selbst schriftstellerisch tätig war. Hier wirkte eine Zeitlang Johann Fuchsmagen aus Hall, ein Sammler von Format; später trat er als Jurist und Diplomat in den Dienst Kaiser Friedrichs. In Tirol war schließlich die bedeutendste Persönlichkeit tätig, die im österreichischen Raum frühhumanistische Ideen vertrat, der Rheinländer Nikolaus von Kues (Cusanus), als Bischof von Brixen Erzherzog Siegmunds unglücklicher politischer Gegenspieler. Die Kämpfe zwischen Friedrich III. und seinen ständischen Gegnern, später mit Albrecht VI. und Matthias Corvinus beeinträchtigten das literarische und wissenschaftliche Schaffen Wiens und Niederösterreichs in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in empfindlichster Weise. Erst als Maximilian sich durchgesetzt hatte, änderte sich das Bild. Jetzt gelang die Berufung anerkannter Humanisten; als 1497 Konrad Celtes nach Wien kam, hatte man einen zugkräftigen Lehrer und erfolgreichen Organisator gewonnen. Die Mitglieder der von ihm begründeten gelehrten Donaugesellschaft (Sodalitas literaria Danubiana), darunter ein Cuspinian, Konrad Peutinger, Ladislaus Sunthaym, Stabius und andere, gaben dem Geistesleben der maximilianischen Regierung, aber auch den Anfängen der ferdinandeischen Epoche ihr Gepräge. Die Scholastik war — von der theologischen Fakultät abgesehen — aus dem Feld geschlagen. D a ß es so gekommen war, lag nicht

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Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

zuletzt am Kaiser. Es läßt sich freilich nicht verkennen, daß dieser manche Begabung allzusehr an die eigenen, oft skurril-phantastischen dynastischen und genealogischen Ideen gefesselt hat, wie etwa Ladislaus Sunthaym, oder insbesondere Jakob Mennel aus Bregenz, der jahrelang umfangreiches genealogisches Material sammelte und eine sechsbändige Fürstliche Chronik („Geburtsspiegel") über Maximilians trojanisch-fränkische Abstammung publizierte. Wenn der Humanismus am Hof und an der Universität gesiegt hatte und bald auch vom Adel aufgenommen wurde, so bedeutete das nicht, daß er um 1500 schon das gesamte Geistesleben beherrschte. So schrieb damals unbeschwert von den neuen Ideen der Kärntner Pfarrer Jakob Unrest von St. Martin am Techeisberg eine deutsche Chronik Österreichs ganz im Stile der spätmittelalterlichen Historiographie. Die mittelalterliche Schwankdichtung halbhistorischen Inhalts besaß ebenfalls noch erfolgreiche Vertreter. Philipp Frankfurter, wohl ein Wiener, schrieb das Schwankbuch vom Pfaffen vom Kahlenberg, etwa gleichzeitig erschien eine ähnliche Sammlung, die Neidhart Fuchs zum Helden hatte. Frankfurters Buch wurde mehrfach übersetzt und fand große Verbreitung, erst der Ruhm Till Eulenspiegels stellte später den Pfaffen vom Kahlenberg in den Schatten. Vorwiegend in alten Bahnen bewegte sich auch das volkstümliche Schauspiel religiösen Inhalts, dem im 15. Jahrhundert viele Werke gewidmet waren, die in ihrer oft derb-drastischen Art ungeachtet gelegentlicher Bedenken kirchlicher und gelehrter Kreise von einem breiten Publikum höchst beifällig aufgenommen wurden. Einer der prominentesten Spielleiter war der Wiener Holzschnitzer Wilhelm Rollinger; so hat er denn auch in den Rückenlehnen des dem Brandunglück von 1945 zum Opfer gefallenen Chorgestühls von St. Stephan Szenen eines Wiener Passionsspieles dargestellt (1476). Die bildende Kunst des Spätmittelalters brachte in allen Bereichen ihres Schaffens, das ganz im Zeichen der Gotik stand, Bedeutendes hervor. In der Baukunst war sowohl die durch Einwirkungen aus dem deutschen und böhmischen Raum befruchtete Kathedralgotik wie namentlich die Hallengotik der Zisterzienser und Bettelorden eindrucksvoll vertreten. Den Hallen von Heiligenkreuz, Neuberg an der Mürz, St. Lamprecht, der Kirchen der Minoriten und Augustiner in Wien steht der kathedrale Umgangschor von Zwettl und die in der Hallengotik geplante, aber im Kathedralenstil mit hervorragender Portalplastik (Paulussturz) reich ausgestattete Wiener Stephanskirche gegenüber, an deren gotischem Ausbau die österreichischen Landesfürsten von Rudolf IV. bis Friedrich III. — die beide in der Kirche in eindrucksvollen Hochgräbern beigesetzt wurden — mit dem Wiener Bürgertum zusammengewirkt hatten. Der ausgebaute Südturm ist in Ausmaß und Formgebung das hervorragendste Werk des mittelalterlichen Turmbaues auf österreichischem Boden (vollendet 1433), das im feingegliederten Turmhelm von Maria am Gestade, im Turm von Straßengel bei Graz und in den

Die G e i s t e s k u l t u r des österreichischen S p ä t m i t t e l a l t e r s

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Anlagen der Wiener und der Wiener-Neustädter „Spinnerin am Kreuz" andere bedeutende Leistungen ergänzen. Die Großbauten sollten auch Denkmäler der Bauherren sein; so wurde St. Stephan mit Stifterfiguren aus dem Hause Habsburg reich ausgestattet, während die Wappenwand der Georgskapelle in Wiener Neustadt oder Maximilians Wappenturm auf der Innsbrucker Burg die Bedeutung von Land und Dynastie im Spiegel der heraldischen Symbolik manifestieren sollten. Die Herrenschicht, Landesfürst und Stände, errichtete als Wehr-, Wohnund Repräsentationsbauten, als Herrschafts- und Verwaltungszentren zahlreiche Burgen oder baute ältere Anlagen aus. Zu nennen sind etwa Neuems (Glopper) in Vorarlberg (1345), die Wasserburgen Burgau (ca. 1400) südöstlich von Hartberg und Heidenreichstein im Waldviertel, das die Puchheimer im 15. Jahrhundert erweiterten, dann das bescheidenere, aber seit seiner Erbauung (1471) stilecht erhaltene Schachenstein bei Mariazell. Herzog Siegmund, der Herr Tirols, errichtete sieben Burgen, die alle seinen Namen trugen, als mächtigste Siegmundskron bei Bozen. Unter den Schöpfungen der Plastik entstanden im Zeichen der spätmittelalterlichen Hochblüte der Marienverehrung Madonnenstatuen in Stein (Dienstbotenmadonna zu St. Stephan ca. 1320, die Madonnen von Klosterneuburg und Admont) und in Holz (die „schönen Madonnen" vom T y p der Krumauer Statue). Im 15. Jahrhundert entwickelte sich eine sehr volkstümliche Altarschnitzkunst, von der namentlich Tirol zahlreiche Werke aufweist. Hervorragende Spitzenleistungen wurden in dem Altar des Südtirolers Michael Pacher in St. Wolfgang und im Kefermarkter Altar geschaffen. Schon im Zeichen der Renaissance stehen die Bronzestatuen des (leeren) Maximiliangrabes der Hofkirche in Innsbruck, in denen die genealogische Phantasie des Hofkreises ihren Ausdruck fand. Vielfältig sind die Leistungen der Malerei dieser Epoche. Ein unbekannter Künstler erweiterte um 1330 das Werk des Nikolaus von Verdun durch eindrucksvolle Tafelbilder zum Flügelaltar. Das Brustbild Rudolfs IV. (von Heinrich Vaschang?, heute im Wiener Diözesanmuseum) gilt als das älteste erhaltene zeitgenössische Fürstenporträt im Räume nördlich der Alpen. Die Ideen und die Helden der Adelswelt begegnen uns im Freskenzyklus von Schloß Runkelstein bei Bozen (ca. 1400). Die Tafelmalerei des Albrechtsaltars und des Schottenmeisters stellten biblische Szenen in ein heimisches Landschafts- und Stadtbild. Der Vergangenheit des Landes Österreich und seinem heiligen Fürsten waren die Bilder der Leopoldslegende von Rueland Frueauf dem Jüngeren und Erhard Altdorfer gewidmet, ähnlichen Motiven entsprang der Babenbergerstammbaum von Klosterneuburg (1489). Ebenso behandelte die Glasmalerei, die in Wien, Klosterneuburg und Lilienfeld hochwertige Arbeiten schuf, neben kirchlichen auch historisch-genealogische Themen. Die Buchmalerei, welche im 14. Jahrhundert auch manches gute Werk monastischer Herkunft aufzuweisen hat, besaß in der Wiener H o f -

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D a s Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich"

schule ein Atelier, von dessen Leistungsfähigkeit die Illuminationen der deutschen Ubersetzung des Rationale Durandi der Zeit Albrechts I I I . zeugen. Die Bruderschaft des Hospizes von St. Christoph am Arlberg erhielt in ihrem Hauptbuch die eindrucksvollste Schöpfung der Wappenbuchkunst des deutschen Sprachgebiets (vor 1400 angelegt). Ein Jahrhundert später erschienen im Dienste der Propaganda Maximilians in reicher Illustration die der Verherrlichung des Fürsten gewidmeten Werke des „Theuerdanck", „Weißkunig" und „ F r e y d a l " . D a s österreichische Kunstgewerbe des späteren Mittelalters schuf wertvolle Goldschmiedearbeiten, namentlich liturgische Geräte in Salzburg, Klosterneuburg und Wien. Der Siegelschneidekunst gelang im großen Reitersiegel Rudolfs IV. eine glänzende Leistung. Eine besondere Blüte erreichte unter tatkräftiger Förderung Herzog Siegmunds und Kaiser Maximilians die Harnischerzeugung (Plattnerkunst), in der hervorragende Könner wie Konrad Seusenhofer tätig waren. Die Textilkunst erzeugte reichbestickte Meßgewänder, Altarantependien, Heroldskostüme, Bildteppiche und gewirkte Decken aller Art. In der Tapisserie waren wohl immer Burgund und Italien führend, aber die west- und südeuropäischen Verbindungen der Habsburger brachten diese vorbildlichen Schöpfungen auch nach Österreich. Die Sammler- und Mäzenatentätigkeit der Habsburger hatte überhaupt größte Bedeutung für die Kunstförderung; der Hausschatz war reichhaltig; nach vorübergehender Teilung wurde er von Friedrich I I I . wieder zusammengefaßt und wesentlich vermehrt; noch mehr verdankten die habsburgischen Sammlungen dem Wirken Maximilians, unter dem auch der reiche Burgunderschatz an das H a u s Österreich kam; allerdings weiterhin in den Niederlanden verwahrt wurde. Auch in anderer Hinsicht wurde Maximilians Tätigkeit richtungweisend für die Zukunft, falls die Hofmusikkapelle in Wien, für deren Ausgestaltung bald audi der Wiener Bischof Georg Slatkonia großes Interesse zeigte, wirklich auf ihn zurückgeht. Die Wiener Musikkultur empfing jedenfalls zu Ende des Mittelalters noch Impulse von entscheidender Bedeutung.

VI. R E F O R M A T I O N U N D G E G E N R E F O R M A T I O N (1526—1648)

Die Königswahlen

des Jahres 1526 und die Ferdinands 1.

Verwaltungsreform

Von vornherein standen die Aussichten für eine habsburgische Thronkandidatur in Böhmen besser als in Ungarn. Immerhin war auch in Prag mir Schwierigkeiten zu rechnen, da die böhmischen Stände das Erbrecht von Ferdinands Gemahlin Anna nicht anerkannten. Andere Thronwerber, vor allem die bayerischen Wittelsbacher, rivalisierten mit Ferdinand. Audi der habsburgfeindliche Papst Clemens VII. arbeitete dem Erzherzog entgegen. Es kam Ferdinand zugute, daß seine Unterhändler, an ihrer Spitze Siegmund von Dietrichstein und Siegmund von Polheim, mit Takt und diplomatischem Geschick auftraten; schließlich gelang es ihnen — auch unter Aufwand erheblicher Geldmittel — die ausschlaggebenden Würdenträger des Königreiches, die zunächst bayerisch gesinnt waren, doch umzustimmen. Am 23. Oktober 1526 wurde Ferdinand gewählt. Die Stände der Nebenländer der Wenzelskrone, Schlesiens, der Lausitz und Mährens, die an der Prager Wahl nicht teilgenommen hatten, bestätigten Ferdinand unter Berufung auf den Erbanspruch Annas ohne eigene Wahlen als Landesfürsten. Bald sollte sich zeigen, daß man mit dem Habsburger nicht so umgehen konnte wie mit den Jagellonenkönigen, die sich der Macht der Stände gebeugt hatten. In Ungarn galt der Wojwode von Siebenbürgen Johann Zapolya (Szapolyai), seit er einen anfangs sehr erfolgreichen Bauernaufstand mit drakonischer H ä r t e und Grausamkeit niedergeworfen hatte, als Führer der Adelsmehrheit. So wählte eine starke Partei aus Ungarn, Siebenbürgen und Slawonien im November 1526 den Wojwoden zu Stuhlweißenburg zum König. Der Anhang Ferdinands war schwächer, doch gehörten zu ihm die Königinwitwe Maria, eine kluge Politikerin mit Sympathien für den Protestantismus, ferner der Palatin Bathory, die Zipser und Siebenbürger Sachsen, einige Magnaten und die Kroaten. Diese Gruppe wählte am 17. Dezember 1526 zu Preßburg Ferdinand. Ein kurzfristiger Waffenstillstand gab beiden Parteien Gelegenheit zur Sammlung ihrer Kräfte. Der Habsburger nützte die Zeit auch zur Neuordnung seines Behördenapparates. Die Mehrung von Besitz und Aufgaben der österreichischen Linie des Hauses Habsburg erforderte eine Neuordnung der Verwaltung, die über die schon unter Maximilian feststellbaren Anfänge einer Zentralisierung wesentlich hinausging. Am 1. Jänner 1527 erließ König Ferdinand die „Hofstaats-

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R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

Ordnung", welche für die Zentralverwaltung der österreichischen, aber auch der böhmischen und ungarischen Länder dauerhafte Grundlagen schuf, die ungeachtet mehrerer Reformen bis 1848 wirksam bleiben sollten. Als ranghöchste der neuen Behörden wurde der Geheime R a t angesehen, in dem die dynastischen Angelegenheiten, die Familien- und Außenpolitik beraten wurde; hier wirkten die vom Herrscher berufenen Räte mit den obersten Hofwürdenträgern zusammen, die Zahl der Mitglieder war zunächst auf sechs beschränkt. Als oberste Justizbehörde fungierte der H o f r a t , dem längere Zeit auch die Mitglieder des Geheimen Rates angehörten. Im Jahre 1537 wurde die Wirksamkeit des Hofrates nach Beschwerden von ungarischer und böhmischer Seite auf die Erbländer und das deutsche Reich eingeschränkt. Nach dem Thronverzicht Karls V. bekam der H o f r a t auch den Charakter einer Reichsberufungsinstanz, daraus erwuchs ein Kompetenzenstreit mit dem Reichskammergericht. Es war aber gerade die Möglichkeit einer Einwirkung auf Reichsangelegenheiten, welche dem H o f r a t für lange Zeit besondere Bedeutung sicherte. In Verwaltungssachen besaß er nur ein Vorschlagsrecht. Die Hofkanzlei war schon im Mittelalter als Schreibstelle des Landesfürsten entstanden, auch nach den Reformen Ferdinands bildete sie ein zwar wichtiges, aber untergeordnetes und ausführendes Amt, keine echte Behörde. Anfänglich in drei Abteilungen für die österreichischen Ländergruppen und in zwei für Böhmen und Ungarn gegliedert, wurde sie 1559 auf die Erbländer beschränkt; Böhmen und Ungarn erhielten eigene Kanzleien. Der H o f k a m m e r , die für die Finanzen und die Verrechnung zuständig war, unterstanden Länderkammern in Wien, Innsbruck, Prag und Preßburg. Obwohl die H o f k a m m e r keineswegs reibungslos funktionierte und das Bewilligungsrecht der Stände als arger Hemmschuh wirkte, bildete sie doch, sobald sich die Neuorganisation eingespielt hatte, ein besseres Instrument der Finanzverwaltung als die älteren Behörden. Die H o f k a m m e r konnte sich aber bei der Finanzierung der Türkenkriege nicht bewähren, als die Aufbringung von Sold, Munition und Proviant für die Truppen rasch verfügbare Mittel erforderte. So wurde im Jahre 1556 der Hofkriegsrat eingerichtet, dessen Gliederung im allgemeinen auf die Ländergrenzen keine Rücksicht nahm, der daher eine Zentralbehörde im vollen Sinne des Wortes bildete. Für die Erfordernisse der Landesverteidigung gegen die Türken geschaffen, konnte der Hofkriegsrat den später sich mehrenden Agenden nicht voll gewachsen sein; man hat dieser Behörde nur zu gerne eine H a u p t schuld für alle militärischen Mißerfolge während der langen Dauer ihres Bestandes zugeschrieben. Die Kämpfe in Ungarn

(1526—1562)

In Ungarn mußten nach der Doppelwahl von 1526 die Waffen entscheiden. Naturgemäß verfügte Ferdinand über stärkere Kräfte als Zapolya, doch gehörte es zu den wesentlichen Merkmalen des jahrhundertelangen

D i e K ä m p f e in Ungarn

18V

T ü r k e n k a m p f e s , d a ß das H a u s H a b s b u r g k a u m jemals seine gesamten Mittel gegen den türkischen Feind und seine ungarischen T r a b a n t e n konzentrieren konnte. Der sich mehr und mehr verstärkende konfessionelle Gegensatz im Reich und den Erbländern wirkte lähmend, dazu kam noch das Gegenspiel der habsburgfeindlichen europäischen Mächte. Frankreich suchte, selbst von der habsburgischen Macht an mehreren Fronten bedroht, nach Verbündeten im Rücken des Gegners, der „allerchristlichste König" f a n d H i l f e beim Sultan, mit dem ihn seit 1536 ein förmliches Bündnis vereinte. Auch England, Venedig, Polen, Bayern, selbst der Kirchenstaat hatten zeitweilig an der antiösterreichischen Koalition Anteil, während Wien versuchte, eine Verbindung mit Moskau herzustellen. Die anderen Bündnispartner wechselten, aber das Zusammenspiel der Türkei mit Frankreich und jenes der beiden Linien des Hauses H a b s b u r g bildete f ü r lange Zeit die Dominante der europäischen Politik. D a die T ü r k e n nach dem Sieg bei Mohacs U n g a r n wieder geräumt hatten, setzte sich Ferdinand gegen Z ä p o l y a durch, der nach Polen floh. Ferdinand wurde am 3. N o v e m b e r 1527 in Stuhlweißenburg gekrönt. Versuche, die Türken zur Anerkennung der Rechte des Habsburgers auf Ungarn zu bestimmen, scheiterten indessen. Im J a h r e 1528 erfolgten Einfälle in Krain und 1529 unternahm Sultan Soliman, ein Herrscher, dessen Macht wohl einen Vergleich mit jener Karls V. gestattete, nach umfangreichen Rüstungen einen Zug gegen Österreich. Die ungarischen Stellungen Ferdinands gingen rasch verloren. Preßburg, Wiener N e u s t a d t , Bruck an der Leitha hielten wohl stand, konnten aber den Vormarsch des Sultans gegen Wien nicht hindern. Immerhin gelang es, die Stadt rechtzeitig mit einer ausreichenden Besatzung von 18.000 M a n n , darunter auch böhmische und spanische Kontingente, sowie mit starker Artillerie zu versehen. Ein vielfach bewährter T r u p p e n f ü h r e r , Graf N i k l a s Salm, übernahm die Leitung der Verteidigung. Die Vorstädte wurden niedergebrannt, um den Feind an gedeckter Annäherung zu hindern. Die T ü r k e n erreichten Ende September die Umgebung der Stadt; mit Minensprengungen und Sturmläufen gegen den Kärntnertorabschnitt suchten sie vergeblich die Verteidigung zu überwinden. Nachdem ein letzter Sturm am 14. O k t o b e r gescheitert war, trat das türkische H e e r bei ungünstigen Witterungsverhältnissen den Rückzug an. Es fehlte an Kräften zu einer nachhaltigen Verfolgung; die Tataren hatten inzwischen das Viertel unter dem Wienerwald furchtbar verheert. Immerhin gelang es, Ferdinands Position in Ungarn durch Besetzung der wichtigen Festungen Raab, K o m o r n und G r a n zu verbessern, bald wurden auch Erlau und T o k a j gewonnen. Im J a h r e 1531 knüpfte Ferdinand Verhandlungen mit Zäpolya an, doch k a m es zu keiner Einigung. Auch die Türken lehnten alle Friedensvorschläge Ferdinands ab. Im Sommer 1532 versuchte der Sultan erneut gegen Wien vorzustoßen, diesmal wählte man den Anmarsch weiter im Süden, doch leistete die kleine Festung Güns, welche der kroatische Edel-

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Reformation und Gegenreformation

mann Nikolaus Jurischitsch energisch verteidigte, erfolgreich Widerstand, und schließlich zogen die Türken über steirisches Gebiet nach Süden ab. Die in Niederösterreich streifenden Tataren („Renner und Brenner") unter Kasim Beg wurden auf ihrem Rückzug durch die Wienerwaldtäler gestellt und bis zur Vernichtung geschlagen; die Erinnerung an diese Ereignisse blieb sowohl in der österreichischen wie in der türkischen Volkssage sehr lebendig. Die Anwesenheit eines starken Heeres Karls V. im Gebiet von Wien hatte im Herbst 1532 die Türken zum Abzug veranlaßt; es gelang aber nicht, die Reichstruppen zu offensivem Einsatz auf ungarischem Boden zu verwenden. So ging eine gute Gelegenheit zur Rückeroberung Ungarns ungenutzt vorüber. I m Jahre 1537 versuchte ein Heer Ferdinands die Stadt Esseg zu erobern, die bei den türkischen Feldzügen einen wichtigen Etappenplatz gebildet hatte, doch erlitten die habsburgischen Truppen, von uneinigen Führern befehligt und durch Seuchen und Lebensmittelmangel geschwächt, bei Gorian eine schwere Niederlage. Es blieb auch ohne Bedeutung, daß Ferdinand im Februar 1538 zu Großwardein nach Geheimverhandlungen einen Frieden mit Zapolya Schloß, der dem Habsburger für den Fall des Todes des Gegenkönigs die Herrschaft über ganz Ungarn verhieß. Dieser Vertrag wurde nicht eingehalten, denn die Anhänger Zapolyas riefen nach dessen Tod (1540) seinen Sohn Johann Siegmund zum König aus. Zwei Versuche Ferdinands, Ofen zu erobern, scheiterten, der zweite endete mit der Vernichtung seines Heeres (1541). Damals setzten sich die Türken in der Stadt und in Mittelungarn fest und eroberten nach einem erfolglosen Gegenstoß eines von Markgraf Joachim I. von Brandenburg geführten Heeres (1542) die wichtigsten Städte zwischen Plattensee und Theiß. Schließlich kam es im J a h r e 1547 zu einem Waffenstillstand, den Ferdinand mit einem jährlichen „Ehrengeschenk" von 3 0 . 0 0 0 Dukaten erkaufen mußte. In dieser Zeit zeichnete sich bereits die Dreiteilung Ungarns ab, die für eineinhalb Jahrhunderte charakteristisch bleiben sollte. Das „königliche" Ungarn umfaßte das nordwestliche Kroatien, dann die angrenzenden ungarischen Gebiete westlich des Plattensees, die Grenze kreuzte östlich von R a a b die Donau und reichte im Nordosten mit wechselndem Verlauf bis über die Zips. Im nordöstlichen Ungarn begann der Herrschaftsbereich Zapolyas und der späteren Fürsten von Siebenbürgen, die neben diesem Land auch einen vorgelagerten Streifen der ungarischen Tiefebene beherrschten. Das Zentrum Ungarns aber, vom Mittelgebirge bis über die Theiß, seit 1551 einschließlich des Temeser Banats, unterstand als türkisches Paschalik der Pforte. I m J a h r e 1551 schien es, als sollte Ferdinand auch in den Besitz Siebenbürgens kommen. Königin Isabella, die Witwe Johann Zapolyas, war zu einem Verzicht bereit, es kam zu Karlsburg zu einem entsprechenden Abkommen, doch rückten gleichzeitig mit den Truppen Ferdinands auch die

Reichspolitik und konfessionelle Frage. D a s Vordringen des Protestantismus

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Türken ein, die damals Temesvar eroberten. Arge Ausschreitungen der landfremden Truppen Ferdinands und eine Reaktion auf die Ermordung von Isabellas Berater und Staatsmann Kardinal Georg Utissenitsch („Bruder Georg") durch Leute des Generals Castaldo führten einen Umschwung herbei. Ein Feldzug des Kurfürsten Moritz von Sachsen im Herbst 1552 blieb erfolglos. Bald wurde Johann Siegmund in Siebenbürgen und den anschließenden Komitaten als König anerkannt; man kehrte hier auch unter die Oberhoheit des Sultans zurück. Ein erster Angriff der Türken auf Sziget scheiterte (1556), da die Festung rechtzeitig entsetzt wurde. Schließlich gelang dem Gesandten Ferdinands, Ogier Ghislain de Busbeck, der Abschluß eines achtjährigen Friedens unter Anerkennung des augenblicklichen Besitzstandes In diesem Vertrag von Konstantinopel ( 1 5 6 2 ) verpflichtete sich Ferdinand zur weiteren Zahlung des 1547 vereinbarten jährlichen Ehrengeschenkes.

Reichspolitik und konfessionelle Frage Das Vordringen des Protestantismus in den habsburgischen

Ländern

Seit den Erwerbungen von 1526 war die Bevölkerung der Hausmacht der österreichischen Habsburger in nationaler Hinsicht noch viel uneinheitlicher als früher. In den alten Erbländern hatte das deutsche Element entschieden überwogen, zu der größeren slowenischen, sozial kaum gegliederten Bauernbevölkerung und ladinischen, friaulischen, italienischen und kroatischen Siedlern im Süden und Südosten der Erblande kamen nun die national selbstbewußten führenden Völker der böhmischen und ungarischen Länder. Das Mißtrauen gegen die Deutschen bei Magyaren und Tschechen bildete für die habsburgische Politik einen Störungsfaktor, doch spielte der nationale Gegensatz neben den Auseinandersetzungen zwischen Dynastie und den vom Adel geführten Ständen eine sekundäre, wenn auch die Schwierigkeiten verstärkende Rolle. Den gefährlichsten Konfliktstoff bildete seit den zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts in den Habsburgerländern und im Reich aber die Glaubensspaltung. Der konfessionelle Streit wurde mit seinen politischen Konsequenzen zum eigentlichen Hauptthema der inneren Geschichte Österreichs bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges; aufs engste verknüpft mit der ständischen Frage hatte der Glaubenskampf sehr wesentliche Folgen für die Stellung Österreichs und seiner Dynastie im Reich und in Europa. Die protestantischen Glaubenslehren gewannen in Österreich sehr rasch an Boden. W i r finden sie schon in den ersten Jahren der Regierung Ferdinands I. in allen Schichten der Bevölkerung, in adeligen Kreisen ebenso wie bei Bergknappen, Bürgern, Studenten und in der Bauernschaft verbreitet, auch der Klerus war keineswegs immun. Am eindrucksvollsten ist die Aufnahme durch den Adel. Christoph Jörger, der Sohn des Hauptmannes

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des Landes ob der Enns, wurde im Jahre 1522 Protestant, ihm folgten die Eltern; bald schlossen sich die Starhemberg, Polheim, Dietrichstein, Khevenhüller, Ungnad, Puchheim, Zinzendorf und andere Familien dem Beispiel der Jörger an, die durch Generationen Vorkämpfer des Protestantismus stellten. Adelssöhne und andere Studenten zogen an die norddeutschen Universitäten, nach Wittenberg vor allem, um die neue Lehre kennenzulernen; Wien verlor den Großteil seiner Hörer. In den Offizinen der österreichisdien Städte wurden Reformationsschriften gedruckt, zuerst in Wien 1521 ein Werk des Joachim von Watt. Im Jahre 1524 wurde der reiche Wiener Bürger Kaspar Tauber als Anhänger der neuen Lehre hingerichtet. In St. Pölten, Waidhofen, Linz, Wels, Gmunden, Klagenfurt begegnen uns schon vor der Mitte der zwanziger Jahre zahlreiche Protestanten. Es nimmt nicht wunder, daß unter diesen Umständen 1523 ein Verbot des protestantischen Schrifttums erfolglos blieb. Im Jahre 1527 erließ Ferdinand I. erneut ein Generalmandat gegen die Lutheraner. In dieser Verordnung ist nun auch von den „unerhörten Lehren" der Wiedertäufer die Rede, die in bäuerlichen Kreisen lange Zeit viel stärkeren Anklang fanden als das Luthertum. Die Täufer wandten sich ebenso gegen die weltliche wie gegen die kirchliche Ordnung, sie bekannten sich zur Gütergemeinschaft und wurden wegen ihres Radikalismus in Glaubenssachen und wegen des Mangels eines Rückhalts an den Ständen von Anfang an blutig verfolgt. Der Schwabe Balthasar Hubmaier organisierte das Täufertum in den österreichischen Donauländern und in Südmähren, wo Nikolsburg zu einem Zentrum der Sekte wurde. Im Jahre 1528 wurde Hubmaier nach erfolgreicher Werbetätigkeit in Wien festgenommen und verbrannt. Audi in Salzburg und Steiermark gab es viele Täufer und demgemäß viele Märtyrer dieser Sekte. Der bedeutendste österreichische Wiedertäufer war der Pustertaler Jakob Huter; in seiner Tiroler Heimat hatte die Sekte vielerorts Fuß gefaßt. Um den dauernden Verfolgungen, die einige hundert Opfer gefordert hatten, auszuweichen, führte Huter zahlreiche Taufgesinnte nach Mähren, wo er ihre Gemeinde neu organisierte und in den „Haushaben" oder Bruderhöfen Gütergemeinschaften einrichten ließ. In mancher Hinsidit hatten diese Täufer verwandte Anschauungen wie die slawisdien „böhmischen Brüder" des Peter Chelcicky. Gewaltakte, wie sie von den westfälischen Täufern verübt wurden, lehnten die österreichisch-mährischen Glaubensgenossen ab, doch hatten die Vorgänge in Münster gewiß eine ungünstige Auswirkung auf Österreich. Als Jakob Huter 1535 nach Tirol zurückkehrte, wurde er in Klausen gefangen und im Februar 1536 in Innsbruck verbrannt. Die „Huterischen Brüder" konnten sich in Mähren bis zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges behaupten, dann zwangen sie die Ereignisse erneut zur Emigration. Eine gewisse Klärung in Glaubensfragen trat ein, als die deutschen Anhänger Luthers auf dem Augsburger Reichstag (1530) ihr Bekenntnis überreichten. Da die Katholiken auf ihrer Ablehnung der „confessio

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Augustana" beharrten, k a m es 1531 zur G r ü n d u n g des Bundes der protestantischen Fürsten und Städte zu Schmalkalden in Thüringen. Andererseits brachte die Wahl Ferdinands zum römischen König am 5. J ä n n e r dieses Jahres einen wichtigen Erfolg des Hauses Österreich. Der K a m p f gegen F r a n zosen und T ü r k e n zwang Karl V. trotz seiner unerschütterlichen katholischen Gesinnung zur Zurückhaltung; auf dem N ü r n b e r g e r Reichstag von 1532 wurde eine vorläufige Verständigung mit den Protestanten gefunden. Bald darauf ging aber die protestantische Fürstenpartei zum Angriff über; ein Heer Philipps von Hessen, den England und Frankreich finanziell unterstützten, eroberte das habsburgische Württemberg, das an die alte Dynastie zurückfiel (1534). Im Frieden von Kaaden fanden sich die Habsburger mit der Tatsache des Verlustes ab; es blieb ihnen die Führung des Herzogstitels und die nominelle Lehenshoheit. In den habsburgischen Ländern machte indessen die protestantische Sache weitere Fortschritte. Zu Ende 1541 berief König Ferdinand einen Ausschußlandtag der österreichischen und böhmischen Länder nach Prag ein, der eine Türkenhilfe organisieren und vor allem finanzieren sollte. Die ständischen Vertreter traten aber vor allem f ü r die kirchlichen Forderungen des Protestantismus ein, das Verlangen nach dem Laienkelch stand v o r d e r h a n d noch im Vordergrund. Die Niederlage der Schmalkaldner bei Mühlberg (1547) gegen das Heer Karls V. brachte eine W e n d u n g der Machtverhältnisse; die Reichsstadt Konstanz, die sich voreilig den Schmalkaldnern angeschlossen hatte, w u r d e österreichisch. Wichtiger war, d a ß Ferdinand I. seine Stellung in den Sudetenländern entschieden festigte, er gewann das an Sachsen verkaufte H e r z o g t u m Sagan und die der fränkischen Linie der Hohenzollern verpfändeten Fürstentümer O p p e l n und Ratibor zurück. In Böhmen ging Ferdinand energisch gegen die Stände vor, die sich in der kritischen Situation vor der Schlacht von Mühlberg höchst widerspenstig gezeigt hatten. In Österreich stand der Landesfürst als „advocatus ecclesiae", nicht die Kirche selbst, an der vordersten Front des A b w e h r k a m p f e s gegen die neuen Lehren. Die von Ferdinand I. durchgeführten Visitationen, an denen auch katholische Laien teilnahmen, gaben Einblick in die bedenkliche Situation der alten Kirche. Die Visitationsberichte von 1528, 1536, 1544 und 1561 zeigen klar ein ziemlich stetiges Vordringen des Protestantismus. In einer Stellungnahme zur Salzburger Provinzialsynode von 1549 vertraten namentlich die K ä r n t n e r und Steirer Stände entschieden protestantische Auffassungen. Die Zahl der katholischen Osterkommunikanten ging bis 1560 ständig zurück. Die evangelische P r o p a g a n d a griff über das deutsche Sprachgebiet bereits zu den Südslawen aus. H a n s U n g n a d von Sonneck, der Landeshauptmann der Steiermark, begünstigte den slowenischen Theologen Primus Trüber, der die Bibel in seine Muttersprache übersetzte; U n g n a d mußte allerdings sein A m t 1556 aufgeben, er unterstützte d a n n von seinem württembergischen Exil Trubers Arbeit. Auch eine kroatische Bibelübersetzung wurde damals 13

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hergestellt. Der Protestantismus drang bei den Südslawen freilich nicht durch, indessen befruchtete die Übersetzungstätigkeit ihre Volkssprachen und hob deren literarische Geltung. Der protestantische Adel nützte die Situation zur Erwerbung von Kirchengütern, doch blieben die meisten Klöster bestehen, mochten auch viele Mönche und Nonnen ihre Zellen verlassen. Auch auf den Weltklerus übte Luthers Kampf gegen den Zölibat eine erhebliche Anziehungskraft aus. In dieser bedenklichen Lage versuchte Ferdinand I. solange wie möglich einen konfessionellen Ausgleich herbeizuführen, doch erwiesen sich mit dem Fortschreiten des von den Protestanten, von einer Episode abgesehen, nicht beschickten Konzils von Trient (1545—1562) die dogmatischen Differenzen mehr und mehr unüberbrückbar und das Entgegenkommen in Einzelfragen, wie etwa der fallweise auch den Katholiken eingeräumten Kommunion in beiden Gestalten, konnte über die Wesensunterschiede nicht hinwegtäuschen. So blieb nur mehr die Möglichkeit einer Rückgewinnung der Protestanten für die Lehren der alten Kirche, sei es durch Überzeugung, sei es durch Gewalt; beide Methoden wurden versucht. Im Jahre 1551 wandte sich Kurfürst Moritz von Sachsen, der protestantische Verbündete Karls V. im Schmalkaldner Krieg plötzlich gegen den Kaiser, den er fast in Innsbruck überrascht und gefangengenommen hätte. Der Augsburger Religionsfrieden (1555), dem das Haus Österreich zustimmen mußte, nachdem protestantische und auch katholische Reichsfürsten sich mit dem König von Frankreich verbündet hatten, der die Gelegenheit zur Besetzung von Metz, Toul und Verdun nutzte, führte im Reich immerhin für etwa 60 Jahre zu einer Dämpfung des konfessionellen Kampfes. Die in Augsburg vereinbarte, der Gewissensfreiheit widersprechende Formel „cuius regio, eius religiodie den Landesfürsten zum Herrn über das Glaubensbekenntnis seiner Untertanen machte, wurde naturgemäß auch von Ferdinand I. für seine Hausmacht beansprucht; sie konnte den österreichischen Protestanten verderblich werden. Immerhin gestattete Ferdinand damals die Kommunion unter beiden Gestalten, im Gegensatz zu einem ein Jahr vorher erlassenen Mandat. In den fünfziger Jahren machten sich schon die ersten wesentlichen Ansätze zu einer wirksamen katholischen Gegenoffensive in Österreich bemerkbar, die sich nicht auf den Machteinsatz des Herrschers beschränkte. Unter den Bischöfen gab es bedeutende Persönlichkeiten, zu nennen sind namentlich die Bischöfe Fabri und Nausea von Wien, weniger erfreulich waren die Zustände in Salzburg und Passau. Folgenreich wurde die Berufung des Jesuitenordens nach Wien, dann auch nach Prag und Innsbruck; zunächst kamen vorwiegend Nichtdeutsche, doch Petrus Canisius aus Nimwegen, der vier Jahre in Wien weilte und hier an der Universität und in der Seelsorge wirkte, errang einige, vorerst gewiß bescheidene Missionserfolge. Vorübergehend verwaltete er als Administrator das Bistum. In Wien schuf Canisius

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auch sein Hauptwerk, den Katechismus, der gerade in seiner kurzen, gemeinverständlichen Fassung sich als außerordentlich brauchbares Instrument der Glaubenslehre bewährte und seit 1555 zahlreiche Auflagen und Übersetzungen erlebte. Karl V. dankte ab, nachdem sein Versuch einer Rückgewinnung von Metz gescheitert war; er war nicht bereit, die Tatsache der Glaubensspaltung hinzunehmen. Mit ihm resignierte der letzte und vielleicht bedeutendste Vertreter des mittelalterlichen Universalismus auf dem Kaiserthrone; er hatte den Reichsgedanken bis zur Idee der Weltherrschaft gesteigert. So viele Erfolge ihm auch beschieden waren, zuletzt scheiterte er an dem Zusammenwirken des französischen Königtums mit den wichtigsten Reichsständen und an der Verquickung des politischen Kampfes mit der konfessionellen Auseinandersetzung, deren Beilegung er vergeblich versucht hatte. Karl war ebensowenig wie Ferdinand ein bedenkenloser und fanatischer Gegenreformator, gleich dem jüngeren Bruder verband er mit unbedingter Loyalität und Ergebenheit für die katholische Kirche das ehrliche Bemühen um Beilegung des Glaubensstreites. Als Ferdinands Versuch, während des dritten Abschnittes des Trienter Konzils das Programm seines „Reformationslibells" durchzudrücken, mißglückt war, stand die Erfolglosigkeit dieser Bestrebungen fest. Der Wunsch Karls V., daß sein Sohn Philipp die Nachfolge im Reich antreten sollte, sollte sich als ebenso unerfüllbar erweisen, wie der Plan, das Kaisertum zwischen beiden Linien des Hauses Habsburg wechseln zu lassen. Philipp wurde von den deutschen Fürsten, nicht nur von den Protestanten, abgelehnt und auch Ferdinand wirkte insgeheim zugunsten der eigenen Kandidatur gegen den Neffen. Als Philipp die Königin Maria von England heiratete, verzichtete er auf das römisch-deutsche Kaisertum (1553). Einige Zeit nach dem Rücktritt Karls V. wurde Ferdinand I. als „erwählter römischer Kaiser" proklamiert (1558). Es blieb ohne Bedeutung, daß Papst Paul IV., ein Neapolitaner und wie viele seiner Landsleute ein Feind Spaniens und der Habsburger, Ferdinand die Anerkennung versagte und man an der Kurie den Kaiser als Protestantenfreund verdächtigte. Pauls Nachfolger Pius IV. akzeptierte Ferdinands Kaisertum ohne weitere Bedingungen. So war die Führung im Reich an die österreichisch-deutsche Linie der Habsburger übergegangen. In langer und trotz vieler Rückschläge im wesentlichen erfolgreicher Regierung hatte sich Ferdinand I. die Achtung seiner Völker erworben, in deren Länder er als Fremder gekommen war. Anerkennung spricht auch aus den Charakteristiken, die fremde Diplomaten, etwa der Venetianer Giustiniano, vom Herrscher gaben. Die Festsetzung des Hauses Österreich in Böhmen und Ungarn, die Einrichtung einer wirksamen Zentralverwaltung, die Aufnahme und Führung des Abwehrkampfes gegen die Türken sowie gegen die protestantische Bewegung sind die wichtigsten Leistungen seiner 13·

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Tätigkeit als Herrscher; seine geistigen Interessen kamen den habsburgischen Sammlungen, der Hofbibliothek und der Wiener Universität zugute. Die Teilung der Herrschafl über die österreichischen unter den Söhnen Ferdinands I.

Erbländer

Ferdinand I. hatte bereits im Jahre 1554 in Abänderung früherer Verfügungen, die auf gemeinsame Herrschaft gezielt hatten, die Teilung der Regierung der Erbländer unter seinen Söhnen angeordnet. Der älteste Sohn Maximilian (II.), der mit einer Kusine, der Tochter Karls V., Maria, seit 1548 vermählt war, erhielt die österreichischen Donauländer, einschließlich des gesamten Salzkammergutes, überdies sicherte man ihm die Thronfolge in Böhmen und Ungarn zu; noch zu Lebzeiten des Vaters wurde er 1562 und 1563 in diesen Ländern gekrönt. Im Jahre 1562 erfolgte auch die Wahl zum römischen König. Der Zweitälteste Sohn Ferdinand, auf dessen Einfluß beim Vater vielleicht die Teilungsverfügung zurückzuführen ist, wurde mit Tirol und den Vorlanden ausgestattet. Er heiratete ohne Wissen Ferdinands I. im Jahre 1557 die schöne und gebildete Augsburger Patriziertochter Philippine Welser; die Nachkommen aus dieser, von der Kurie erst 1576 anerkannten Ehe galten nicht als ebenbürtig. Karl, der dritte Sohn Ferdinands I., heiratete Maria, eine Tochter Herzog Albrechts V. von Bayern. Karl fiel der innerösterreichische Komplex mit den Hauptländern Steiermark, Kärnten und Krain zu, einschließlich der österreichischen Gebiete an der Adria. Die Erfahrungen aus der Geschichte des Hauses Österreich im späteren Mittelalter sprachen gegen eine Erneuerung des Teilungsprinzips; das Mißtrauen gegen den ältesten, zum Protestantismus neigenden Sohn, die Furcht vor gefährlichen Aktionen der zurückgesetzten jüngeren Angehörigen der Familie, vielleicht auch die Überlegung, daß in kleineren Herrschaftsbereichen der Macht der Stände leichter Widerstand geleistet werden könnte, mögen schließlich dem Teilungsgedanken noch einmal zum Sieg verholfen haben. Da die Söhne Ferdinands I. doch wesentlich besser zusammenarbeiteten als die Habsburger des späteren Mittelalters, hatte die Lösung von 1564 nicht die gleichen üblen Konsequenzen wie frühere Teilungsverträge. In manchen Kreisen hatte man erwartet, daß Maximilian II. (1564 bis 1576) nach dem Tode des Vaters offen zum Protestantismus übertreten würde. Maximilian hatte aber Ferdinand gelobt, dem katholischen Bekenntnis stets treu zu bleiben. Rücksicht auf die spanischen Habsburger muß mitgespielt haben. Maximilian war auch durch die gehässigen Auseinandersetzungen innerhalb des protestantischen Lagers verärgert, in denen sich die Parteigänger Melanchthons und des Flacius Illyricus aus dogmatischen Gründen bekämpften. Die ersten Forderungen der protestantischen Stände der ihm unterstellten österreichischen Länder wies Maximilian zurück. Dann

Die T e i l u n g der H e r r s c h a f t ü b e r die österreichischen E r b l ä n d e r

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brachte ein erneutes Aufflammen des T ü r k e n k a m p f e s eine Unterbrechung in der konfessionellen Auseinandersetzung. Nach dem Tode Ferdinands I. unternahm der junge J o h a n n Siegmund Z ä p o l y a einige Angriffe gegen das kaiserliche U n g a r n , zu größeren Erfolgen reichten seine Streitkräfte nicht aus, auch der Pascha von Temesvar w u r d e zurückgeschlagen. D a n n aber rückte noch einmal der alte Sultan Soliman ins Feld. Die Türken zogen von Esseg über die D o n a u vor die Festung Sziget und eroberten sie nach einmonatiger Belagerung. Nikolaus Zrinyi, der Ban von Kroatien, welcher die Verteidigung geleitet hatte, fiel mit dem größten Teil der Besatzung; der Sultan w a r kurz vor der Einnahme der Festung gestorben. Maximilian verfügte über ein starkes Heer, unterließ es aber, die T ü r k e n anzugreifen, lediglich ein Vorstoß innerösterreichischer K r ä f t e nach Kroatien brachte einige Erfolge. Lagerseuchen dezimierten die Armee Maximilians, der als Feldherr versagt hatte. Schließlich w u r d e 1568 zwischen dem Kaiser und dem neuen Sultan Selim II., trotz der Störungsversuche J o h a n n Siegmunds, zu Adrianopel Frieden geschlossen. D a Z ä p o l y a viel zu schwach war, um allein weiterzuk ä m p f e n , trat er unter Verzicht auf den ungarischen Königstitel der W a f f e n ruhe bei; seither nannte er sich lediglich Fürst von Siebenbürgen. Als er 1571 starb, folgte ihm der weit bedeutendere Stefan Bathori. Bathori w u r d e zum Widersacher des Kaisers, als nach dem Tode des letzten Jagellonen Sigismund August die Frage der polnischen Thronfolge A k t u a l i t ä t erlangte. Zunächst wählten die Polen Heinrich von A n j o u ; eine Gegenkandidatur von Maximilians Sohn Ernst blieb erfolglos. Als aber Heinrich 1574 das Land verließ, um nach dem Tode seines Bruders Karls I X . den französischen T h r o n zu besteigen, w a r die polnische Krone wieder vakant. Diesmal kandidierte Kaiser Maximilian selbst, er hatte unter dem litauischen und preußischen Adel, auch unter den Kirchenfürsten, einigen Anhang, doch lehnten die meisten Polen die K a n d i d a t u r des deutschen H e r r schers ab. So blieb es ohne Bedeutung, d a ß eine Minderheit Maximilian wählte; der K a n d i d a t der Adelsmehrheit, Stefan Bathori, setzte sich im Dezember 1575 durch und bewährte sich in den folgenden Jahren als kraftvoller und erfolgreicher Regent, sein Bruder Christoph aber w u r d e Fürst von Siebenbürgen. Inzwischen w a r die konfessionelle Auseinandersetzung in den österreichischen D o n a u l ä n d e r n weitergegangen. Maximilian II. wollte den P r o testanten weniger gewähren, als sie sich erhofft hatten, aber er verzichtete auch auf eine katholische Gegenoffensive. Die Einrichtung des Klosterrates zur Überwachung und H e b u n g der monastischen Institutionen (1568), die in Anschluß an die P r ü f u n g der Ergebnisse der Visitation von 1566 erfolgte, welche höchst unerfreuliche Zustände aufgezeigt hatte, diente immerhin der katholischen Erneuerung. Der kühlen, distanzierten Einstellung des Kaisers zur Glaubensspaltung und ihren Fragestellungen, die er wohl allzuleicht als Theologenzank abtat, entsprach es, d a ß Maximilian an die Möglichkeit einer

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ausgleichenden, christlichen „Universalreligion" dachte; man erzählte, er habe beteuert, er wolle weder Papist noch Lutheraner, sondern nur Christ sein. Den österreichischen Protestanten befahl der Kaiser eine einheitliche Kirchenordnung auszuarbeiten. Dieses Werk besorgte David Chytraeus aus Rostock; seine „Christliche Kirchenagenda" wurde auf Wunsch des Kaisers in einigen Punkten abgeändert, dann erließ Maximilian die „Assekuration" (1571). In diesem Dokument erhielten die Protestanten weitergehende Rechte zugebilligt, als ihnen die Konzession von 1568 gewährt hatte. Nunmehr wurde den Herren und Rittern, aber auch ihrem Gesinde und den bäuerlichen Untertanen die Ausübung des protestantischen Kultus in ihren Schlössern, Häusern und Gütern, außer in den landesfürstlichen Städten und Märkten, zugestanden. Schließlich gestattete man dem Adel sogar einen öffentlichen Gottesdienst in Wien (1574). Audi außerhalb der ständischen Kreise herrschte bei der Stadtbevölkerung der Protestantismus entschieden vor. Eine ähnliche Politik der Beschwichtigung und der halben Gewährung wie in Österreich verfolgte Maximilian gegenüber den in verschiedene Richtungen gespaltenen böhmischen Protestanten. Auch die Regierungstätigkeit der Brüder Maximilians in ihren Teilherrschaften stand vorwiegend im Zeichen der konfessionellen Auseinandersetzung. In den Gebieten unter Erzherzog Ferdinand, in Tirol und den Vorlanden, hatte der Katholizismus eine stärkere Stellung als anderswo. Die Bauernschaft war vom Luthertum weniger erfaßt worden, die Täufer aber wurden blutig unterdrückt oder zur Auswanderung gezwungen. Der Adel blieb in der Mehrzahl katholisch, in den Städten und Märkten gab es allerdings, namentlich in den Bergwerksorten, ein stärkeres protestantisches Element. Der Montanunternehmer Hans Stainperger wirkte energisch für die Augsburger Konfession. Andererseits zeigte Herzog Ferdinand von Anfang an, daß er entschlossen war, die Alleinherrschaft des alten Glaubens wiederherzustellen, dem die Mehrheit der Bevölkerung ohnedies treu geblieben war. Die Jesuiten wirkten in Innsbruck erfolgreich durch ihre Schule, auch hier war Petrus Canisius eine Zeitlang tätig. Später trat besonders der Franziskaner Johannes Nas, ein vom Erzherzog geschützter Jesuitengegner, als Hof prediger bedeutsam hervor. So hatte in Tirol das katholische Landesfürstentum unter einem fähigen und beharrlichen, auch als Kunstförderer sehr tätigen Regenten in den siebziger Jahren die Hauptarbeit in der Wiederherstellung des katholischen Landescharakters bereits geleistet. Die schärfsten Formen nahm der konfessionelle Konflikt in den innerösterreichischen Ländern an. Karl II. war dem Katholizismus aus Uberzeugung zugetan, seine Gemahlin Maria von Wittelsbach, die er 1571 geheiratet hatte, übertraf ihn noch an Entschiedenheit des Bekenntnisses und wohl auch an persönlicher Energie. Vorerst allerdings mußte der Erzherzog vor der Offensive der protestantischen Stände beträchtlich zurückweichen. Maximilians Zugeständnisse stärkten die Durchschlagskraft der Forderungen

Die Regierung R u d o l f s II. Gegenreformation und Türkenkampf

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der innerösterreichischen Protestanten. So kam es schließlich im Februar 1572 zu der „Religionspazifikation". Der Erzherzog betonte in einer Erklärung vor dem Grazer Landtag seine unverbrüchliche Treue zur katholischen Religion, sicherte aber dem H e r r e n - und Ritterstand, samt Familien, Gesinde und „angehörigen Religionsverwandten" — darunter verstanden die adeligen Stände ihre bäuerlichen Untertanen — Glaubensfreiheit zu, ferner das Recht auf H a l t u n g von Predikanten und Schulen „bis zu einem allgemeinen, christlichen und friedlichen Vergleich". Städte und Märkte waren von den Zugeständnissen ausgenommen, doch gab es gerade hier protestantische Prediger und Lehrer. Beide Konfessionen wetteiferten, durch ein wirksames Erziehungswesen die Jugend in ihrem Sinne zu beeinflussen; auf katholischer Seite waren dabei auch in der Steiermark die Jesuiten führend, die im Jahre der Pazifikation ihr Grazer Kolleg gründeten. In Karls Ländern machten sich wiederholt die Anforderungen des Türkenkampfes geltend; damit war die Notwendigkeit gegeben, den Ständen gegen Steuerbewilligungen in Glaubenssachen entgegenzukommen. Gewissenskonflikte quälten den Erzherzog, schließlich bestätigte er 1576 die früheren Zugeständnisse. Bald sollte er noch weiter zurückweichen müssen. Am 12. Oktober 1576 starb Kaiser Maximilian II. in Regensburg. Er hatte als letzter Habsburger des 16. Jahrhunderts noch eine vermittelnde H a l t u n g im konfessionellen Kampf eingenommen, nunmehr gewann, durch seinen Sohn und Nachfolger Rudolf II. verkörpert, die entschieden katholische, gegenreformatorische Richtung endgültig die Oberhand.

Die Regierung Rudolfs IL Gegenreformation und Türkenkampf Rudolf war am spanischen H o f e unter Ausschaltung aller nichtkatholischen Einflüsse erzogen worden. Er wurde schon während der Regierung des Vaters zum König von Ungarn (1572) und Böhmen (1575) gekrönt, ebenso gelang es Maximilian II. im Oktober 1575 die Wahl seines ältesten Sohnes zum römisch-deutschen König durchzusetzen. Vier jüngere Brüder Rudolfs wurden bei einer Erbteilung im April 1578 zunächst mit Geld und Anteilen am Familienschatz abgefunden. Maximilian (III.)» Ernst und Matthias bewarben sich im Jahre 1586 ebenso wie Ferdinand von Tirol um die polnische Krone. Maximilian wurde von einer Adelspartei gewählt, unterlag aber dem Gegenkandidaten Prinz Siegmund von Schweden und dem Kronfeldherrn Jan Zamoyski im K a m p f . Der Habsburger wurde auf schlesischem Boden, bei Pitschen (1588) gefangengenommen und zum Thronverzicht gezwungen, den er später eidlich bestätigte. Die Ehe König Siegmunds mit der steirischen Habsburgerin Anna, einer Tochter Erzherzog Karls, führte ebenso wie die kirchenpolitische Zusammenarbeit im Sinne der Gegen-

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reformation alsbald zu einem Ausgleich zwischen dem Hause Österreich und der neuen Dynastie Polens. Zwei der habsburgischen Brüder, Ernst und Albrecht, schieden nach einigen Jahren aus der österreichischen Politik aus. Erzherzog Ernst starb 1595 nach kurzer Regentschaft in Inner- und Niederösterreich als Statthalter der Niederlande, während der ursprünglich für die geistliche Laufbahn bestimmte Albrecht seit 1598 die Regierung der Niederlande als Landesfürst führte, wobei er sich gut bewährte. Seine Ehe mit der spanischen Habsburgerin Isabella K l a r a Eugenia blieb kinderlos, so kamen die südlichen Niederlande nach seinem Tode (1621) wieder an Spanien. Maximilian wirkte, seit 1585 Koadjutor (Deutschmeister) des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens, nach dem mißglückten polnischen Abenteuer als Regent in Innerösterreich und Tirol und wenig erfolgreich als Feldherr im Türkenkampf. Matthias hatte 1577—1582 versucht, in den Niederlanden als dritte Kraft zwischen Spanien und den Aufständischen zu operieren, nach dem Scheitern dieses Abenteuers hielt er sich zumeist im Land ob der Enns auf; seit 1595 konnte er endlich als Statthalter des Kaisers die niederösterreichischen Länder verwalten. Bald wurde er aber zum entschiedensten Gegenspieler Rudolfs, als persönliche und politische Gegensätze zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und seinen jüngeren Verwandten führte. Als kraftvollste Persönlichkeit trat bei der Behandlung aller politischer und kirchlicher Probleme in diesen Jahren immer mehr der energische Prälat Melchior Klesl in den Vordergrund; er wurde auch zum eigentlichen Motor der nun in den österreichischen Donauländern voll einsetzenden Gegenreformation. Hier war die Lage des Katholizismus trotz mancher Teilerfolge der Jesuiten noch recht trist. Auch in Niederösterreich hat die vorerst durch Erzherzog Ernst als Statthalter verkörperte landesfürstliche Gewalt die ersten nachhaltigen Einbrüche in die protestantische Front erzielt. Der evangelische Gottesdienst am Wiener Landhaus wurde eingestellt, die Prediger, unter ihnen der bedeutende Josua Opitz, mußten die Stadt verlassen. Eine von den Bürgern dem Erzherzog im Juli 1579 vorgetragene Petition blieb erfolglos; die Protestanten im Hofdienst wurden entfernt, führende protestantische Bürger verhaftet. Der Widerstand der Stände konnte wohl schwerer gebrochen werden, aber hier gab es eine einflußreiche katholische Minderheit, der unter anderem Mitglieder der großen Adelsfamilien Liechtenstein, Trautson, Harrach und Breuner angehörten, die auf Seite des katholischen Herrscherhauses standen. Es erwies sich als verhängnisvoll, daß selbst in dieser gefahrdrohenden Situation der Gegensatz zwischen den Anhängern Melanchthons und des Flacius Illyricus nicht überwunden werden konnte; daher gelang es nicht, eine einheitliche und wirksame lutherische Kirchenorganisation aufzubauen; die Calvinisten standen ohnedies abseits. Auf katholischer Seite verfügte man nicht nur über die Staatsgewalt, sondern besaß auch in dem vom Jesuiten Georg Scherer bekehrten Wiener Bäckersohn

Die R e g i e r u n g R u d o l f s I I . G e g e n r e f o r m a t i o n u n d T ü r k e n k a m p f

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Melchior Klesl einen eifrigen und erfolgreichen Seelsorger, glänzenden O r ganisator und ungemein geschickten Politiker. Als Propst von St. Stephan und Offizial des Bischofs von Passau, seit 1588 als Administrator des Bistums Wiener N e u s t a d t , nahm Klesl eine weitreichende Tätigkeit auf. Mit Energie ging er den Schäden in den eigenen Reihen zu Leibe, dann w a n d t e er sich vor allem der R ü c k f ü h r u n g der Städte und M ä r k t e zum Katholizismus zu. Innerhalb eines Jahrzehnts gelang es ihm, dem alten Glauben in einigen größeren Städten, nicht ohne Einsatz äußerer Druckmittel, zum Übergewicht zu verhelfen; so wurden Bruck an der Leitha, Baden, H a i n b u r g , Retz und andere O r t e katholisch. Auch in Wien erzielte Klesl 1585—1588 große Erfolge. Auf heftigeren Widerstand traf man in der Doppelstadt Krems und Stein sowie in W a i d h o f e n an der Ybbs. In Oberösterreich setzte die Rekatholisierung etwas später ein; in diesem L a n d e hatte der Protestantismus seine stärkste Position. H i e r standen seit 1592 der katholische Landeshauptmann H a n s J a k o b Löbl von Greinburg und der einer krainischen Adelsfamilie entsprossene Calvinist Georg Erasmus von Tschernembl als politische Führer der Konfessionen einander gegenüber. Ein A u f s t a n d protestantischer Bauern, dem sich auch Niederösterreicher anschlossen, und der 1592 ausgebrochene Türkenkrieg verhinderten v o r d e r h a n d noch schärfere Formen des konfessionellen K a m p f e s innerhalb der ständischen Kreise. Der protestantische Adel m u ß t e erkennen, d a ß die bäuerliche Erhebung neben und vor den religiösen auch Sozialrevolutionäre Tendenzen hatte und sich gegen die Herrschaften richtete, daher ließ er aus Standesrücksichten eine wirksame Solidarität mit den Glaubensgenossen in der Bauernschaft durchaus vermissen. D e r A u f r u h r wurde niedergeworfen; der soziale Zwiespalt im evangelischen Lager hat auch später der protestantischen Sache sehr geschadet. In den Ländern und Gebieten des Herzogs Ferdinand ging die Gegenreformation nach 1576 erfolgreich und schon ziemlich widerstandslos weiter. Protestantische Reste hielten sich noch im Tiroler Anteil der Salzburger Diözese, und in Vorarlberg gab es einige Zeit noch Kryptocalvinisten, die vom benachbarten G r a u b ü n d e n unterstützt wurden. Erzherzog Ferdinands Gattin Philippine starb im J a h r e 1580, von ihren beiden Söhnen, zwei recht unerfreulichen N a t u r e n , w u r d e Andreas, ohne die Weihen empfangen zu haben, Bischof von Konstanz und Brixen, später auch Statthalter über die vorderösterreichischen Herrschaften. Der zweite Sohn Karl wurde mit der Markgrafschaft Burgau, ferner mit Nellenburg und Hohenberg ausgestattet; er erbte auch die hervorragende Ambraser Kunstsammlung des Vaters. Erzherzog Ferdinand heiratete nach dem Tode der Philippine die Prinzessin Anna K a t h a r i n a von M a n t u a ; er erhoffte sich von dieser Verbindung ebenbürtige männliche Erben, doch gebar ihm A n n a K a t h a r i n a nur drei Töchter, deren jüngste A n n a im J a h r e 1611 ihren Vetter, den König und späteren Kaiser Matthias, ehelichte. Nach dem Tode Erzherzog Ferdinands (1595) regierte der Deutschmeister Erzherzog Maximilian als Statthalter in Tirol.

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R e f o r m a t i o n und Gegenreformation

In Innerösterreich errang bald nach dem Tode Kaiser Maximilians die Sache des Protestantismus einen letzten, ziemlich problematischen Erfolg, durch den die Errungenschaften der Jahre 1572 und 1576 nicht nur bestätigt, sondern auch erweitert schienen. V o r dem innerösterreichischen Generallandtag in Bruck an der Mur gewährte der um die „Türkenhilfe" kämpfende Landesfürst am 9. Februar 1578 mündlich Zugeständnisse, welche die Predikanten in Graz, Judenburg, Klagenfurt und Laibach betrafen; in allgemeiner Form war auch von der Wahrung der Gewissensfreiheit der Bürger die Rede. Die Landstände hielten damit die Tolerierung des Protestantismus auch in den landesfürstlichen Städten und Märkten für gesichert und ließen die „Brucker Pazifikation" mit den Erklärungen und Bewilligungen von 1572 und 1576 in einem „Libell" zusammenfassen. Erzherzog K a r l wurde wegen seiner Zugeständnisse von katholischer Seite heftig angegriffen. Er ließ eine Fassung der Pazifikation publizieren, in der von den Bürgern keine Rede war; man hat diese Einschränkung als Verfälschung durch den Vizekanzler Dr. Wolfgang Schranz erklärt; jedenfalls dürften die Protokolle des Landesfürsten wie der Stände jeweils die für die eigene Glaubenspartei günstige Formulierung der wohl absichtlich unklar formulierten Brucker Versprechungen des Erzherzogs enthalten. In der Grafschaft Görz, dem Gebiet Innerösterreichs, in dem der Protestantismus am schwächsten war, wurde bereits 1579 die Ausweisung der Prediger angeordnet. Im J a h r e 1585 wurde das Grazer Jesuitenkolleg zur Universität ausgebaut. Landesfürstliche Religionskommissionen ersetzten vielerorts evangelische Predikanten durch katholische Geistliche. Das Vorgehen des Landesfürsten wurde durch die energischen Bischöfe von Seckau und Lavant, Martin Brenner und Georg Stobaeus nachhaltig unterstützt. Nach dem Tode Erzherzog Karls ( 1 5 9 0 ) verwalteten die Erzherzoge Ernst und Maximilian Innerösterreich bis zum Regierungsantritt von Karls Sohn Ferdinand ( I I . ) im J a h r e 1595. Mit ihm kam der entschiedenste Vertreter der Gegenreformation aus den Reihen der Dynastie zur Herrschaft, dem es gelingen sollte, den Protestantismus zuerst in Innerösterreich und dann in den andern habsburgischen Ländern, außer Ungarn und Schlesien, fast völlig zu beseitigen. Von Söldnern begleitete Reformationskommissionen zogen durch das Land, schlossen und zerstörten protestantische Kirchen, verbrannten die evangelischen Bücher und vertrieben die Prediger. Ähnlich scharf wie in der Steiermark ging man in Kärnten vor. Zuletzt kamen die Landeshauptstädte Graz und Klagenfurt an die Reihe (1600), geschont wurde nur der Adel. In Krain setzte die Gegenreformation etwas später ein, hier hatte sie dann, von Laibach abgesehen, einen schnellen Erfolg zu verzeichnen. An lokalen Grenzkämpfen entzündete sich unter der Regierung Kaiser Rudolfs I I . ein langjähriger Türkenkrieg ( 1 5 9 2 — 1 6 0 6 ) . Die Osmanen sahen in den Verträgen von Konstantinopel und Adrianopel nur Waffenstillstände;

Die Regierung Rudolfs II. Gegenreformation und Türkenkampf

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kleinere Aktionen gegen den kaiserlichen Besitz, mit weniger als 4000 Mann und ohne Kanonen, bedeuteten in ihren Augen keinen Friedensbruch. Im Kleinkrieg versuchten sie der kaiserlichen Stellung im Lande Abbruch zu tun, Ortschaften zur Huldigung und Steuerleistung zu zwingen und ihr eigenes Herrschaftsgebiet so zu vergrößern. Die Verteidigung der langgestreckten, strategisch wenig günstigen Grenzlinie wurde von kaiserlichen Söldnern verschiedener Nationalität und lokalen Aufgeboten besorgt. Den Ungarn war es im allgemeinen lieber, wenn keine fremden Truppen ins Land kamen, doch beanspruchten sie stets eine ausgiebige Geldhilfe. Zum Grenzsicherungssystem gehörte auch die Vorbereitung von Feuersignalen („Kreidfeuer"), welche die Annäherung des Feindes künden sollten, bis tief ins Hinterland. Diese Maßnahmen haben in der Regel nur unzulänglich funktioniert, weder Grundherren noch Untertanen waren bereit, auch nur bescheidene Opfer für die Signalstationen zu bringen. Im Südosten, an der windischen Grenze zwischen Drau und Save sowie an der kroatischen Grenze zwischen Save und Meer übernahm 1578 Erzherzog Karl von Innerösterreich die Verteidigung, die er durch die Erbauung der starken Festung Karlstadt an der Kulpa stärkte. An wichtigen Grenzabschnitten wurden Wachthäuser und Schanzen errichtet. Die innerösterreichischen Länder brachten zur Verteidigung des ihnen anvertrauten Grenzabschnittes große Geld- und Blutopfer. Im kaiserlichen Kroatien siedelte man orthodoxe, serbische Flüchtlinge aus dem türkischen Gebiet an, diese „Uskoken" erwiesen sich als ein ebenso kriegstüchtiges wie schwer zu zügelndes Element. Aus Grenzkämpfen im kroatischen Abschnitt entwickelte sich schließlich ein sehr langwieriger Krieg (1592—1606), nachdem Rupprecht von Eggenberg in Zusammenwirken mit anderen Befehlshabern einen Einfall des Paschas von Bosnien durch den glänzenden Erfolg von Sissek abgewehrt hatte. In den folgenden Jahren wechselten Siege und Niederlagen. Raab, die Vormauer Wiens, ging verloren, doch gelang 1598 durch einen geglückten Überfall die Rückgewinnung, die Einnahme wurde durch Inschriften auf Kreuzen und Wegzeichen im ganzen Reich gefeiert. Gran, Veszprim und Stuhlweißenburg wechselten mehrfach den Besitzer. Die Siebenbürger standen seit 1595 auf kaiserlicher Seite, wurden aber in ihrer Haltung schwankend, als nach dem Herrschaftsverzicht des jungen Siegmund Bathori kaiserliche Truppen unter General Basta das Land besetzten und man trotz der Warnung des militärischen Führers gegenreformatorische Maßnahmen aufnahm. Bald wurde die Lage chaotisch. Siegmund Bathori widerrief seinen Rücktritt und trat mit den Türken in Verbindung; der unternehmende Wojwode der Walachei, Michael, griff in die Kämpfe ein, wurde aber auf Geheiß Bastas ermordet (1601). Michaels Nachfolger Radul Scherban war kaisertreu und errang Erfolge gegen die Türken und ihren Anhang, daraufhin wiederholte Siegmund Bathori seinen Verzicht (1602). N u n fühlte man sich in Wien sicher und verschärfte noch die Maßnahmen gegen die Protestanten. Deshalb wandten sich

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R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

aber die überwiegend deutschen und lutherischen Bergstädte Oberungarns und die Siebenbürger Sachsen vom Kaiser ab, den sie bisher konsequent unterstützt hatten. Basta suchte durch drakonische Strenge die Situation zu retten, der Widerstand versteifte sich jedoch, und als Rudolf II. sich auch gegenüber den Forderungen des ungarischen Reichstages intransigent zeigte, trat der calvinische Adelige Stephan Bocskai, bisher ein loyaler Anhänger des Kaisers, an die Spitze der Unzufriedenen, die ihn zum Fürsten von Siebenbürgen wählten. Bocskai fand audi in Oberungarn viele Anhänger. Die kaiserlichen Truppen mußten sich nach Westen zurückziehen und die Türken konnten diese Wendung zur Rückgewinnung verschiedener Plätze ausnützen; schließlich huldigte Bocskai dem Großvezir. N u n galt es Frieden zu schließen; zu einem früheren Zeitpunkt, vor Bocskais Erhebung, als die Pforte, von Persien und kleinasiatischen Aufständischen bedrängt, sich um eine Waffenruhe bemühte, wären die Bedingungen wesentlich günstiger gewesen, man hätte das türkische Ubergewicht in Ungarn brechen können. Immerhin gelang Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich im Frieden von Wien zunächst die Beilegung des K a m p f e s mit den Ungarn, denen Religionsfreiheit zugebilligt wurde, die man stillschweigend auch auf die Calviner ausdehnte. Bocskai erhielt zu seinem siebenbürgischen Fürstentum einige nordostungarische Komitate, doch sollten diese an das H a u s Österreich zurückfallen, falls er ohne männliche Erben stürbe. Die Vertragsbestimmungen wurden auf Verlangen der mißtrauischen Ungarn von den österreichischen und böhmischen Ständen bestätigt. Der Kaiser legte in geheim gehaltenen Aufzeichnungen einen Vorbehalt fest: Er sei nur dem Zwange der Verhältnisse gewichen. Nach dem Abschluß des Wiener Friedens nahmen auch die Verhandlungen mit den Türken einen günstigen Fortgang. Im November 1606 wurde der Friede von Zsitva Torok (an der Zsitvamündung, zwischen den Festungen Gran und Komorn) geschlossen. Die Pforte erkannte zum ersten Male Österreich und den Kaiser als gleichberechtigte Macht an; die jährliche, von den Türken als Tribut aufgefaßte Zahlung wurde durch ein einmaliges Geldgeschenk abgelöst. Auch für den künftigen diplomatischen Verkehr wurde beiderseitige Gleichberechtigung festgesetzt. Manche Bestimmungen des Vertrages waren allerdings unklar gehalten und die türkische Fassung wich von der lateinischen nicht unerheblich ab. Daraus ergaben sich später Schwierigkeiten. Die militärischen Positionen dienten als Grundlage zur Absteckung der Grenzen. Daher blieben beiden Teilen ihre Eroberungen, den Türken Kanizsa und Erlau, dem Kaiser Waitzen und das durch seine Lage wichtige Nograder Komitat. Rudolf wollte längere Zeit die Friedensabmachungen sabotieren, obwohl er weder genügend Truppen noch Geld für eine erfolgreiche Weiterführung des K a m p f e s besaß; ähnlich ablehnend verhielt sich Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich. Schließlich mußte man dem Drucke der Verwandten und der Ungarn nachgeben. Als Wortführer der ungarischen Stände trat bei den Verhandlungen

D e r „Bruderzwist in H a b s b u r g "

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der tatkräftige Lutheraner Stephan Illeshazy hervor, der 1608 zum Palatin gewählt wurde. Bald nach den beiden Friedensabkommen starb Stephan Bocskai. Er hatte Valentin Hommonai, einen kaiserfreundlichen Magnaten, als Nachfolger vorgeschlagen, die Siebenbürger wählten jedoch Siegmund Rakoczi, der bald zugunsten Gabriel Bäthoris, eines Vertreters der angesehensten Familie Siebenbürgens, zurücktrat.

Der „Bruderzwist

in

Habsburg"

Kaiser Rudolf I I . besaß bedeutende geistige Anlagen; den bildenden Künsten und den Naturwissenschaften war er besonders zugetan, als Sammler und Mäzen übertraf er die meisten Angehörigen seines kunstverständigen Geschlechtes, doch fehlte es ihm in jüngeren Jahren auch nicht an gesundem Urteil in politischen Angelegenheiten. Mit zunehmendem Alter machten sich allerdings in immer kürzer werdenden Abständen geistige Störungen bemerkbar, schwermütige Tatenlosigkeit wechselte mit heftigen Ausbrüchen des J ä h zorns. Von tiefem Mißtrauen gegen seine Verwandten, die höfische Umgebung, wie gegen alle Fremden erfüllt, wechselte er wiederholt seine Mitarbeiter, entzog ihnen grundlos seine Gunst und ließ die Regierungsgeschäfte unerledigt. Aus widersprechenden Ansichten über den Türkenfrieden, den der Kaiser zu verhindern gesucht hatte, ergab sich schließlich ein heftiger Konflikt mit seinen Verwandten, der „Bruderzwist in Habsburg". Der Keim zu dieser Auseinandersetzung war schon früher gelegt worden, als die jüngeren Brüder, insbesondere Matthias, Herrschaftsansprüche gestellt hatten, die nicht erfüllt wurden. Unter dem Eindruck immer beunruhigenderer Nachrichten über das Gebaren des Kaisers äußerten die Erzherzoge im Jahre 1605 dem Monarchen gemeinsam ihre Bedenken wegen der drohenden Folgen seiner Maßnahmen für die Dynastie, ohne Gehör zu finden; immerhin erhielt damals Matthias die nötigen Vollmachten für die Verhandlungen mit Ungarn und Türken. Schließlich kam man auf Anregung Klesls in Wien am 25. April 1607 in geheimgehaltener Abmachung überein, Matthias de facto als H a u p t des Hauses anzuerkennen. Als der Kaiser die Erneuerung des Türkenkampfes betrieb und Matthias von seinen Ratgebern zu trennen suchte, trachtete Matthias nach einem Einvernehmen mit den ungarischen und österreichischen Ständen, obwohl deren hervorragendste Vertreter Protestanten waren. Als markanteste ständische Politiker bewährten sich neben Tschernembl, dem zielbewußten Wortführer der Oberösterreicher, und dem nicht uneigennützigen Ungarn Illeshazy, namentlich der Mährer Karl von Zierotin, ein besonnener, jedem Gewaltakt abholder Angehöriger der Brüdergemeinde, und sein katholischer Landsmann Karl von Liechtenstein. In Preßburg

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Reformation und Gegenreformation

schlossen im Februar 1608 Österreich und Ungarn, allerdings unter Absenz des katholischen Klerus und einiger dem Kaiser noch ergebener Adeliger, ein Bündnis zur Aufrechterhaltung des inneren und äußeren Friedens. Die Mährer traten nadi Absetzung des Landeshauptmannes Ladislaus von Berka, eines sehr unbeliebten Parteigängers Kaiser Rudolfs, dem Bunde bei. Die Böhmen blieben dem Kaiser vorderhand treu, eine von Matthias nach Caslau einberufene Tagung scheiterte infolge ihrer Absage. Erfolglos blieb auch ein spanischer Vermittlungsversuch. Die außenpolitische Situation war höchst unerfreulich. Heinrich IV. schmiedete seinen gegen das Haus Österreich, gegen Spanien und das Kaisertum gerichteten „großen Plan", erbitterte Feinde der Habsburger im Reich, wie Christian von Anhalt, mit dem Tschernembl im Bündnis stand, hofften auf den Zusammenbruch der österreichischen Macht. Ein Gewaltstreich des Herzogs von Bayern gegen die Reichsstadt Donauwörth führte zum Bündnis einer aktivistischen Partei deutscher Protestanten, der „Union" (1608), ein Jahr später trat das Gegenbündnis der katholischen „Liga" unter bayerischer Führung ins Leben. Während dieser bewegten Ereignisse drang Matthias mit Truppenmacht in Böhmen ein; schließlich kam es zum Vertrag von Lieben (24. Juni 1608), in dem Matthias die Regierungsgewalt in Ungarn, Österreich beiderseits der Enns und Mähren erhielt, während er zugunsten Rudolfs auf Tirol und die Vorlande verzichtete. N u n aber mußte sich Matthias mit den Forderungen seiner ständischen Verbündeten auseinandersetzen. Die Mährer begnügten sich mit einer sehr allgemein gehaltenen Zusicherung religiöser Toleranz. In Österreich kam es zu schweren Konflikten, da sich Tschernembl und sein Anhang weniger leicht abfinden ließen. Die Oberösterreicher standen geschlossen hinter dem kämpferischen Calvinisten, dagegen gab es in Niederösterreich schon eine bedeutendere katholische Minderheit, und auch die Mehrzahl der Städte blieb fern, als die protestantischen Stände in Horn zusammentraten, während die Katholiken in Wien Matthias huldigten. Es kam ihm zugute, daß die Ungarn ihn gegen entsprechende konfessionelle und politische Konzessionen im November 1608 zum König wählten; damals erhielten auch die ungarischen Städte und Märkte Religionsfreiheit zugesichert. Schließlich kam es nach langen Verhandlungen, während der man sogar die Rückgabe der von Matthias verwalteten Länder an den Kaiser in Betracht zog, am 19. März 1609 zu einer Abmachung zwischen Matthias und dem Horner Bund. Karl von Zierotin hatte vermittelt. Die protestantischen Mitglieder des Herren- und Ritterstandes erhielten eine Bestätigung der Freiheiten, die ihnen in den Konzessionen Maximilians II. verheißen waren, den Städten wurden in allgemeiner Form ihre „alten Gewohnheiten" bestätigt; das bedeutete noch nicht Glaubens- und Kultusfreiheit, doch sollten die Oberösterreicher Gelegenheit haben, ihre diesbezüglichen Forderungen vorzutragen. Ein Jahr später aber gelang es Tschernembl, der mit dem ungarischen Palatin Thurzo, dem Nachfolger Illeshazys, in Verbindung getreten

Der „Bruderzwist in Habsburg"

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war und diesmal auch Zierotin auf seine Seite zog, eine ausdrückliche Zusage für die Städte zu erlangen. In diesen hatte freilich der Katholizismus in den letzten Jahrzehnten seine Stellungen schon wesentlich gefestigt. Protestantisch war damals — von Oberösterreich abgesehen — außerhalb der Adelskreise nur mehr eine Minderheit der Bevölkerung. Inzwischen hatte sich auch in Böhmen das Blatt gewendet. Rudolf II. setzte dem Verlangen der Mehrheit der böhmischen Stände nach Bewilligung ihrer religionspolitischen Forderungen hartnäckigen Widerstand entgegen. Als die Stände aber mit Waffengewalt drohten, erließ Rudolf am 9. Juli 1609 den „Majestätsbrief", in dem zwar formell nicht von Protestanten sondern von Utraquisten die Rede war, der aber tatsächlich die weitgehendsten Konzessionen an den Protestantismus und an die ständische Macht enthielt, die vom Hause Österreich während der Epoche der Gegenreformation zugestanden wurden. Der Majestätsbrief gewährte dem Adel und den Städten Kultusfreiheit, das Recht des Kirchen- und Schulbaues, Kontrolle der Universität und Einsetzung eines Ständeausschusses, der „Defensoren", zur Verteidigung der eingeräumten Rechte. In einer ergänzenden Vereinbarung von Katholiken und Protestanten über Detail- und Ausführungsfragen wurde auch vom Recht des Kirchenbaues auf königlichen Gütern gehandelt; darunter verstanden die Protestanten auch das Kirchengut. Die weitere Politik des Kaisers war durch seine persönliche Abneigung gegen Matthias bestimmt; Rudolf gedachte nicht ihm, sondern einem Sohne Karls von Innerösterreich, dem Erzherzog Leopold, Bischof von Passau, der in den weltlichen Stand zurückkehrte, die Nachfolge im Reich zu. Leopold hatte bereits Truppen geworben, die in Passau und im Land ob der Enns übel hausten. Im Jänner 1611 zogen sie gegen Prag, um die Lage zugunsten Rudolfs II. zu wenden. Sie überrumpelten den Hradschin, scheiterten aber vor der Stadt und mußten den Rückzug antreten. Damit war der Kaiser bloßgestellt, die Stände wandten sich Matthias zu, der gleichfalls mit Truppenmacht ins Land rückte und zum König von Böhmen gekrönt wurde. Rudolf behielt nur die Prager Burg als Residenz, sein Tod beendete am 20. Jänner 1612 den Bruderzwist. Inzwischen war in der Außenpolitik nach schwerer Krise eine Entspannung eingetreten. Der Tod des letzten Herzogs von Jülich und Kleve hatte die Nachfolgefrage in diesem westdeutschen Gebiet aktuell werden lassen. Pfalz-Neuburg, Brandenburg und Sachsen erhoben Erbansprüche, auch Rudolf II. hatte sich eingeschaltet und Erzherzog Leopold nach Jülich entsandt. Gegen eine Festsetzung der Habsburger im strittigen Territorium verband sich die Union mit ihrem Schutzherrn Heinrich IV. von Frankreich. Die Ermordung König Heinrichs durch einen religiösen Fanatiker und der Tod des kriegslustigen Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz retteten den Frieden, nachdem es schon zu Feindseligkeiten gekommen war. Der Übertritt des erbberechtigten Sohnes des Neuburgers zum Katholizismus schuf

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Reformation und Gegenreformation

eine neue Situation, schließlich wurde das umstrittene Gebiet zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg geteilt (1614). Der Ausbruch eines europäischen Krieges auf deutschem Boden war noch einmal verhindert worden. Als der Bruderzwist im Hause Habsburg seinem Ende entgegenging, kam es audi im Erzbistum Salzburg zu einer Herrschertragödie. Der ehrgeizige und begabte W o l f Dietrich von Raittenau führte ein energisches und selbstherrliches Regiment unter Ausschaltung der Landstände und M i ß achtung des alten Herkommens. Der junge Kirchenfürst machte auch aus seinen Beziehungen zu der schönen Salzburger Bürgerstochter Salome Alt kein Hehl. In seinen gegenreformatorischen Aktionen hielt W o l f Dietrich nach stürmischem Anfang M a ß und suchte seine protestantischen Untertanen durch geistlichen Unterricht der katholischen Kirche zurückzugewinnen. Die Stadt Salzburg begann der Erzbischof unter Opferung älterer Gebäude, darunter des brandbeschädigten romanischen Domes, großzügig neu aufzubauen. Zum Verhängnis wurde W o l f Dietrich eine Auseinandersetzung mit dem Bayernherzog Maximilian wegen strittiger Salinenrechte. Nach Abweisung eines unüberlegten Angriffs des Erzbischofs rückte Maximilian in Salzburg ein. W o l f Dietrich wurde auf der Flucht — schon auf Kärntner Boden — gefangengenommen und zur Abdankung genötigt (1612). Die Nachfolge im Erzbistum übernahm ein entfernter Verwandter und persönlicher Gegner W o l f Dietrichs, der Vorarlberger Markus Sitticus von Hohenems, der dann in ähnlichem Stile regierte. Von den Parteiungen im Reich hielten sich beide Erzbischöfe fern, so traten sie auch nicht der Liga bei.

Kaiser Matthias und die Vorgeschichte

des Dreißigjährigen

Krieges

Nach dem Tode Rudolfs I I . wurde Matthias recht bald, am 13. Juni 1612, zum Kaiser gewählt. Der Wahlakt war geschickt vorbereitet worden; es kam Matthias zugute, daß er den Protestanten weniger gefährlich schien als etwa Ferdinand von Innerösterreich. Tatsächlich suchte Melchior Klesl, seit 1611 die führende Persönlichkeit im „Geheimen R a t " und der eigentliche Leiter der Politik — im Volksmund hieß er der „Vizekaiser" — , damals in einer bemerkenswerten und sehr staatsmännischen Wendung gegenüber seiner früheren Haltung einen Ausgleich („Komposition") mit den Protestanten im Reich. E r fürchtete mit Recht den Ausbruch eines Religionskrieges, der infolge der außenpolitischen Bündnisse von Union und Liga unabsehbare Konsequenzen haben konnte. Eine aktive Außenpolitik gegen die Türken sollte ein Ventil für die konfessionellen Spannungen schaffen. Mit seinen Plänen ist Klesl aber am Regensburger Reichstag (1613) wegen der Intransingenz beider Lager nicht durchgedrungen. Die Protestanten lehnten die Beschlüsse der katholischen Mehrheit der Reichsstände in allen wichtigeren Angelegenheiten ab, die Haltung der Katholiken versteifte sich ebenfalls.

Kaiser M a t t h i a s und die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges

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Trotz der nunmehr größeren Zurückhaltung in kirchenpolitischen Fragen war Klesls geistliche Laufbahn weiterhin sehr ehrenvoll. Nachdem er längere Zeit das Wiener Bistum als Administrator geleitet hatte, wurde er 1614 Bischof und 1615 Kardinal. Durch sein selbstbewußtes und wenig taktvolles Auftreten machte sich Klesl indessen im Kreise des Herrscherhauses höchst unbeliebt; einen Plan Erzherzog Maximilians, den Bischof zu beseitigen, wiesen die anderen Habsburger zurück. Im Laufe der J a h r e erwarb der Prälat ein großes Vermögen, man hat ihn später, ohne Beweise zu besitzen, der Bestechlichkeit verdächtigt. T r o t z Klesls diplomatischen Geschicks mehrten sich die Schwierigkeiten des Kaisers in allen Ländern. Unübersichtlich gestaltete sich die Lage in Ungarn, obwohl die Türken Ruhe hielten. In Siebenbürgen verscherzte sich Gabriel Bathori durch ein willkürliches Regiment alle Sympathien. Verschwörungen gefährdeten seine Herrschaft, und im Krieg mit dem Wojwoden der Walachei Radul Scherban wurde Bathori, anfangs erfolgreich, bei Kronstadt völlig besiegt. Dennoch scheiterte ein Versuch des Kaisers Siebenbürgen zu gewinnen vor den Mauern von Hermannstadt. Bathori näherte sich aber, um seine Feinde im Lande niederwerfen zu können, wieder dem Kaiser. Als ein anderer Bewerber um die Herrschaft in Siebenbürgen, ein früherer Anhänger Bathoris, der begabte und energische Gabriel Bethlen, mit türkischer Unterstützung ins Land rückte, unterlag Bathori; er wurde ermordet, Bethlen war Herr des Landes. Nach einiger Zeit wurde er vom Wiener H o f im Frieden von Tyrnau als Fürst von Siebenbürgen anerkannt (6. Mai 1615), das gegenseitige Verhältnis blieb allerdings gespannt. Wenig später gelang es, den Türkenfrieden durch den Vertrag von Wien (14. Juli 1615) um 20 J a h r e zu verlängern. Im Jahre 1615 brach ein kriegerischer Konflikt zwischen dem Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich und der Republik Venedig wegen des Seeraubes der im kroatischen Küstenland um die Stadt Zengg angesiedelten Uskoken aus; die Venetianer versuchten ihrerseits den österreichischen Handel an der Adria abzuwürgen. Ferdinand hatte wenig Truppen zur Verfügung, doch verhinderte die hartnäckige Verteidigung der Festung Gradiska, bei der sich der Oberst Albrecht von Wallenstein besonders auszeichnete, größere Erfolge der Gegner. Schließlich wurde am 26. September 1617, nachdem Frankreich und Spanien vermittelt hatten, zu Madrid ein Frieden abgeschlossen. Nach Zengg kam eine deutsche Besatzung, die Uskoken wurden gezügelt, die Venetianer räumten einige besetzte Grenzorte. Da die Frage der Adriaschiffahrt offen blieb, war der Madrider Vertrag keineswegs günstig, doch verschaffte er Österreich Ruhe an einer Nebenfront, als die politische Entwicklung in Böhmen sich immer bedrohlicher gestaltete. Das Königreich Böhmen war in konfessionellen, aber audi schon in nationalen Belangen ein heißer Boden. Nach der Explosion der Hussitenzeit, der das innerböhmische Deutschtum großenteils zum Opfer gefallen war, u

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Reformation und Gegenreformation

erstarkte das deutsche Element wieder durch erneute Zuwanderung; die nordwestlichen Landesteile waren immer deutsch geblieben. Im Jahre 1615 faßte der böhmische Landtag, in dem der tschechische Adel den Ton angab, mehrere Beschlüsse, die eine heftige antideutsche Stimmung verraten, obwohl die maßgeblichen Adelsführer wie Matthias T h u m und Leonhard Colonna von Fels Landfremde halbdeutscher Abkunft waren. Die deutsche Sprache sollte im amtlichen Verkehr und in der Öffentlichkeit, aber auch im Gottesdienst weitgehend ausgeschaltet werden, die Kinder von Einwanderern wurden zum Erlernen und zum Gebrauch der tschechischen Sprache verhalten. Ähnliche Tendenzen zeigten sich im mährischen Landtag. Auch die sozialen Gegensätze waren in den Sudetenländern beträchtlich, so zog man es im entscheidenden K a m p f auf böhmischer Seite vor, die Bauern nicht zu bewaffnen. Entscheidende Bedeutung hatte jedoch die konfessionelle Spannung, die durch den Majestätsbrief nicht behoben war, zumal in der Auslegung des Dokumentes Meinungsverschiedenheiten herrschten. Der Majestätsbrief räumte den Protestanten das Recht des Kirchenbaues auf königlichem Gut ein, zu dem sie aber auch das Kirchengut rechneten; die Katholiken lehnten diese Ansicht ab. Die Differenzen führten zu den Kirchenbaukonflikten in Braunau und Klostergrab. D a Beschwerden der Braunauer Protestanten gegen die Einstellung des Kirchenbaues zurückgewiesen wurden, plante die radikale Partei unter Matthias T h u m , die sich wenig früher, im Juni 1617, bei der Wahl Erzherzog Ferdinands zum König von Böhmen hatte überrumpeln lassen, eine Aktion, welche den Bruch unvermeidlich machen sollte. So kam es zum Prager Fenstersturz. A m 23. Mai 1618 begab sich eine Deputation der Stände auf den Hradschin, nach heftigen Auseinandersetzungen warf man die verhaßtesten der königlichen Landesstatthalter, Jaroslav von Martinitz und Wilhelm von Slavata sowie ihren Geheimschreiber Philipp Fabrizius aus dem Fenster in den Burggraben; alle drei überlebten jedoch den Sturz. Schwieriger als die Durchführung dieses Gewaltaktes war die Sicherung und Organisation des Landes, mußte man doch mit einer Reaktion aus Wien rechnen. Wilhelm von R u p p a trat an die Spitze eines dreißigköpfigen ständischen Direktoriums, Matthias T h u m , der eigentliche Initiator der Bewegung, übernahm den Befehl über eine rasch geworbene Truppenmacht. Gegen die Katholiken ging man scharf vor, die Jesuiten wurden des Landes verwiesen. Während man den Untertanen der katholischen Herrschaften das protestantische Bekenntnis freigab, sah man von einem entsprechenden Zugeständnis an die katholischen Bauern des protestantischen Adels ab. In Wien herrschte erhebliche Verwirrung. Kaiser Matthias stützte sich wie immer auf den R a t Klesls und wollte gleich diesem den Frieden; man verhandelte mit den böhmischen Ständen, die indessen ihre Rüstungen weiterführten. Eine von König Ferdinand geleitete und durch die katholischen Flüchtlinge aus Böhmen verstärkte Kriegspartei sah den Zeitpunkt

Der Dreißigjährige Krieg

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f ü r die Erzwingung einer militärischen Entscheidung gekommen. Klesl w a r dieser Gruppe besonders verhaßt; Ferdinand ließ ihn durch den H o f k a m m e r präsidenten Breuner festnehmen und nach Tirol bringen, wo er in Ambras und Georgenberg konfiniert wurde. Später erhielt er die Erlaubnis, sich nach Italien zu begeben; im Jahre 1627 kam er nach Wien zurück, bereits wieder zu Ansehen gekommen, aber ohne politischen Einfluß; hier ist er am 18. September 1630 gestorben. Der Verlauf des ersten Jahrzwölfts des großen Ringens schien seine Befürchtungen zu widerlegen, dann trat jene Wendung ein, die er, weitblickender als seine Gegner, befürchtet hatte. Klesls sehr erhebliches Vermögen wurde bei seinem Sturz konfisziert und bei der Finanzierung der kaiserlichen Kriegführung verwertet.

Der Dreißigjährige

Krieg

Seit Klesls Sturz hatte die durch Spanien unterstützte österreichische Kriegspartei ein Übergewicht; unvermeidlich wurde der offene Ausbruch des Kampfes aber erst durch den Tod Kaiser Matthias' am 20. März 1619. Der zwar ehrgeizige aber willensschwache Kaiser hatte die politische Situation nicht zu meistern vermocht, trotzdem waren alle Friedenshoffnungen von seiner Person abhängig, denn nachdem Erzherzog Maximilian, der Regent Tirols und der Vorlande, schon 1618 gestorben war, übernahm mit Ferdinand der kompromißloseste Gegenreformator, den alle Protestanten fürchteten, die Führung des Hauses Österreich. Ferdinands Stellung war allerdings noch keineswegs gefestigt. Die böhmischen und mährischen Truppen T h u m s rückten in Niederösterreich ein und überschritten bei Fischamend die Donau, um den Vormarsch auf Wien antreten zu können. Eine Deputation der protestantischen niederösterreichischen Stände versuchte am 5. Juni 1619, geführt von Paul J a k o b Grafen Starhemberg und Andreas Freiherrn von Thonradel, einen Verzichtfrieden mit Böhmen und Entgegenkommen in Glaubenssachen von Ferdinand erwirken zu können. Der Landesfürst blieb aber fest, das Eintreffen von Kürassieren zur Verstärkung der Stadtgarnison und die demonstrative Einrückung der T r u p p e in den Burghof machte auf die Bevölkerung und die Ständevertretung großen Eindruck. Später sind die Vorgänge bei der „Sturmpetition" allzusehr dramatisiert worden; die protestantischen Adeligen waren zwar entschieden, aber nicht unehrerbietig aufgetreten. Die böhmischen Truppen wagten keinen Angriff auf Wien mehr, bald zogen sie sich in ihr Land zurück. Auch dort hatte sich die Position der Kaiserlichen verbessert, als der vom katholischen, aber habsburgfeindlichen Herzog von Savoyen gesandte Söldnerführer Ernst von Mansfeld vom kaiserlichen Feldherrn Bouquoy geschlagen wurde. Ferdinand begab sich zur Kaiserwahl nach F r a n k f u r t und wurde am 28. August trotz aller Bedenken der Protestanten einstimmig gewählt, seltsamerweise 14*

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R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

erhielt er audi die Stimme des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, den zwei T a g e vorher die Aufständischen nach Absetzung Ferdinands zum König von Böhmen gewählt hatten und alsbald in Prag krönten. In der auf beiden Seiten wenig zielbewußten Kriegführung schien gegen Ende des Jahres eine Wendung zugunsten der Böhmen einzutreten, als sich ihnen der Fürst von Siebenbürgen Gabriel Bethlen anschloß, der sehr rasch das kaiserliche Ungarn nördlich der Donau eroberte. Abermals rückten die Truppen der Gegner des Kaisers bis vor Wien, das von Ferdinand in Verteidigungsbereitschaft gesetzt wurde. Der Vorstoß eines katholischen Gegners Bethlens, des Valentin Drugeth von Hommonai, aus Polen in den Rücken der Truppen des Fürsten von Siebenbürgen zwang diesen zum Rückzug, der seinerseits wieder den Rückmarsch der Böhmen auslöste. Mit Bethlen schloß Ferdinand einen Waffenstillstand, der jenem die Regentschaft über das besetzte Gebiet überließ. Im Jahre 1620 trat der internationale Charakter des Ringens um die Länder der Wenzelskrone deutlicher hervor. Es wurde wichtig, daß sich im Reich der Bund der katholischen Reichsstände, die Liga, neu konstituiert hatte; der energische Herzog von Bayern Maximilian stellte ein schlagkräftiges ligistisches Heer unter dem alterprobten Feldherrn Johann Tserklaes Freiherrn von Tilly auf. Bedeutsam war es auch, daß Kurfürst Johann Georg von Sachsen den Kaiser unterstützte; damit war das protestantische Lager gespalten. Hatte man auf Seite des Pfälzers auch auf katholische Gegner Habsburgs gehofft, so wurde man, von Savoyen abgesehen, enttäuscht; namentlich König Ludwig X I I I . von Frankreich wollte nicht die böhmischen Rebellen gegen ihren Herrn unterstützen. Während des Vormarsches T h u m s und Bethlens hatten sich die oberösterreichischen Stände unter dem Einfluß Tschernembls etwas vorschnell zum kaum verhüllten Anschluß an die Böhmen bewegen lassen. Sie vermochten aber den einrückenden Truppen der Liga keinerlei Widerstand zu leisten, das Land wurde besetzt und entsprechend einer früheren Abmachung vom Kaiser an Bayern bis zur Ersetzung der Kriegskosten verpfändet. Die Ligisten überquerten die Donau, im Waldviertel wurde die Vereinigung mit den Kaiserlichen unter Bouquoy vollzogen. D a s Heer rückte gegen Prag und siegte, als Tilly trotz des Zögerns Bouquoys einen Angriff auf die am Weißen Berg notdürftig verschanzten, durch ungarische Verbände verstärkten Böhmen wagte, nach kurzem K a m p f e entscheidend. Friedrich von der P f a l z floh, ohne eine Verteidigung Prags zu versuchen, er verließ Böhmen, und bald begab sich der weidlich verspottete „Winterkönig" in die Niederlande. Böhmen, Mähren und Schlesien waren nunmehr für Österreich gesichert. Gabriel Bethlen schloß zeitgerecht einen nicht ungünstigen Frieden, der ihm einen Teil seiner Eroberungen beließ. Die Lausitzen wurden an den Kurfürsten von Sachsen verpfändet, der vom Norden in Böhmen eingerückt war. In Böhmen und Mähren wirkten kaiserliche Kommissionen unter Füh-

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rung Karls von Liechtenstein und des Kardinals Dietrichstein. Die Führer des Aufstandes wurden, soweit sie nicht geflohen waren, hingerichtet, andere kompromittierte Adelige verloren ihren Besitz. Viele Protestanten verließen das Land. Kaiser Ferdinand war der Ansicht, daß Böhmen durch den Aufstand seine Privilegien verwirkt habe, er zerschnitt den Majestätsbrief Rudolfs II. Ein entscheidender Schlag fiel mit der „Verneuerten Landesordnung" von 1627, die Böhmen und seine Nebenländer zum Erbkönigreich des Hauses Habsburg machte, das Wahlrecht der Stände sollte erst beim Erlöschen der Dynastie wieder in Kraft treten; die Einflußnahme des Landtages wurde auf die Finanzangelegenheiten beschränkt, die böhmische H o f kanzlei nach Wien verlegt. Zahlreiche landfremde Herren erwarben in Böhmen und Mähren große Güter, der Adel änderte seinen Charakter durch den Zustrom katholischer, romanischer und deutscher Familien. Die Regierung betrieb keine Germanisierungspolitik, doch brachte der Absolutismus notwendigerweise auch eine stärkere Verwendung und Verbreitung der deutschen Sprache des Hofes; das Tschechische verlor an Geltung 1 ). Kaiser Ferdinand war nun unangefochten Herr im eigenen Hause und es hatte keine allzugroße Bedeutung, daß in den zwanziger Jahren die Sonderstellung der Vorlande wieder deutlicher zutage trat. Auf Erzherzog Max war 1619 dessen jüngerer, für den geistlichen Stand bestimmter Vetter Erzherzog Leopold, der die kirchlichen Würden eines Bischofs von Passau (und später auch von Straßburg) erlangt hatte, zunächst als Gubernator gefolgt. Im Jahre 1625 gab Leopold — übrigens ein recht fähiger Politiker — seine geistlichen Ämter ab und vermählte sich mit der Prinzessin Claudia von Medici. Ein Jahr später gelang es dem Erzherzog, vom Kaiser als erbberechtigter Landesherr Tirols und der schwäbischen, bald auch der übrigen vorländischen Herrschaften, anerkannt zu werden. Um die Mitte der zwanziger Jahre kam es in Oberösterreich zu einer schweren Krise. Bei der Einsetzung katholischer Geistlicher ereigneten sich in dem an Bayern verpfändeten Land örtliche Unruhen, die in der Gegend von Frankenburg größeres Ausmaß annahmen. Der bayerische Statthalter Adam Freiherr von Herberstorff, ein Konvertit, ließ eine Reihe von Verhaftungen durchführen und unter Bruch einer gegebenen Zusage 38 Männer um ihr Leben würfeln, von diesen 17 hängen. Dieses „Frankenburger Würfelspiel" und ein kaiserliches Reformationspatent gaben den unmittelbaren Anlaß zu offenem Aufstand der protestantischen Bauern, die in ') D i e tschechisdinationale Tradition, aber audi die slawophile Geschichtsschreibung des Westens, für die das audi unter dem Eindruck der internationalen Spannungen v o r dem ersten Weltkrieg geschriebene Buch v o n Ernest Denis, „La Boheme depuis la Montagne Blanche" (1903), charakteristisch ist, hat die Ereignisse v o n 1620 und 1627 stets als eigentlichen Beginn eines „Martyriums" des tschechischen Volkes unter habsburgisdier Herrschaft gedeutet; tatsächlich standen damals aber die Auseinandersetzungen zwischen Absolutismus und Ständemacht, zwisdien Katholizismus und Protestantismus durchaus im Vordergrund.

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Reformation und Gegenreformation

Stephan Fadinger und seinem Schwager Christoph Zeller begabte Führer fanden. Teils freiwillig, teils gezwungen schlossen sich auch die Bürger einiger Städte an; Linz konnte aber trotz längerer Belagerung, bei der Fadinger den Tod fand, nicht genommen werden. Es kam zu weiteren Rückschlägen, im September 1626 wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der Kaiser versprach in einem Begnadigungspatent den Bauern wenigstens die Milderung ihrer sozialen Lasten. Als bayerische Truppen einrückten, erhoben sich die Bauern erneut, wurden aber von Kaiserlichen und Bayern unter Gottfried Heinrich von Pappenheim bei Eferding und bei Gmunden geschlagen. Schwere, blutige Verluste und drakonische Strafmaßnahmen brachen den Widerstand. Im Jahre 1628 kam Oberösterreich wieder unter habsburgische Herrschaft. Damals wurde die Gegenreformation in den österreichischen Ländern weiter verschärft; in einigen Jahrzehnten gelang es, in dem wieder katholisch gewordenen Land die Erinnerung an die Erhebung von 1628 und deren Geist weitgehend zu tilgen. Im Jahre 1627 ergingen kaiserliche Patente für Ober- und Niederösterreich, welche die Rekatholisierung zum Abschluß bringen sollten. Es folgte ein Mandat für Innerösterreich am 1. August 1628. Ein gewisser Unterschied in der Behandlung der Länder ergab sich aus der Bereitwilligkeit Ferdinands, an den für die loyalen protestantischen Adeligen Niederösterreichs erlassenen Toleranzbestimmungen festzuhalten; sonst aber mußte auch der bisher geschonte Adel weichen. So kam es zu einer großen Auswanderungswelle. Bauern und Städter, Kaufleute und Adelige zogen außer Landes, mit ihnen verlor Österreich viele Tausende wertvoller Menschen. Die meisten Auswanderer wandten sich in protestantische Fürstentümer und Reichsstädte Süddeutschlands. Es waren vor allem die Ansprüche der Bundesgenossen des Kaisers, Spaniens und Bayerns, welche nach dem Sieg in Böhmen zur Weiterführung des Kampfes im Westen führten. Die Pfalz wurde erobert, dann griffen die Truppen des Kaisers und der Liga die feindlichen Söldnerführer Ernst von Mansfeld und Christian von Anhalt in Norddeutschland an. Als Christian IV. von Dänemark, an den sich die norddeutschen Protestanten wandten, intervenierte, unterlagen seine Truppen dem Heere der Liga unter Tilly und der kaiserliche Befehlshaber Albrecht von Wallenstein drang in Jütland ein. Der Friede von Lübeck (1629) schien Ferdinands II. Herrschaft über Deutschland und die Vormachtstellung des Hauses Österreich zu sichern. Die Uberspannung der konfessionellen Forderungen durch das Restitutionsedikt von 1629, in dem der Kaiser die Entwicklung im Reich auf den Stand beim Abschluß des Augsburger Religionsfriedens zurückzuschrauben suchte, spornte die Protestanten zu verzweifeltem Widerstand an. Wallenstein, der das Wahlrecht der Kurfürsten beseitigen und Deutschland in ein Erbreich umwandeln wollte, erkannte ebenso wie die spanische Diplomatie die Ge-

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fahren einer unrealistischen Religionspolitik, doch Ferdinand verpaßte aus Gewissensgründen die politischen Möglichkeiten. Ein anderer schwerer Fehler war die allerdings erst unter stärkstem Druck der Fürsten, namentlich Maximilians von Bayern, erfolgte Entlassung Wallensteins auf dem Regensburger Fürstentag im Juli 1630; zu dieser Maßnahme trugen audi Einwirkungen der französischen Diplomatie bei, die bereits unter Leitung des nüchternen und weitblickenden Kardinals Richelieu stand. Verbittert äußerte Wallenstein, der sich auf seine böhmischen Güter zurückzog — er hatte bei den Konfiskationen von 1620 die Herrschaften Reichenberg und Friedland erworben, später hatte ihm Ferdinand noch das Herzogtum Mecklenburg verliehen — der Kaiser werde diesen Affront bereuen. Wallensteins Absetzung erfolgte zu einer Zeit, da der schwedische König Gustav Adolf bereits am deutschen Ufer der Ostsee stand und in der Stadt Stralsund, die Wallenstein vorher vergeblich belagert hatte, einen festen Stützpunkt besaß. Reichliche französische Subsidien sicherten Gustav Adolf die finanziellen Grundlagen für eine weitreichende Kriegführung, zu der eine schlagkräftige, im Zusammenwirken der Waffengattungen sorgfältig geschulte Armee zur Verfügung stand. Gustav Adolf verfolgte neben protestantischen auch nationalschwedische Ziele; das „Dominium maris Baltici die Herrschaft über die Ostsee, bildete den Hauptprogrammpunkt. Die norddeutschen protestantischen Fürsten zögerten trotz bedeutender Anfangserfolge der Schweden, offen auf ihre Seite zu treten; so erhielt Tilly, der die vereinigten ligistischen und kaiserlichen Truppen befehligte, im April 1631 die Möglichkeit zur Eroberung der Stadt Magdeburg, die bei der Einnahme in Flammen aufging. Das Entsetzen, welches der Brand von Magdeburg in der öffentlichen Meinung Norddeutschlands hervorrief, die ganz zu Unrecht an bewußte Brandstiftung durch Tilly glaubte, zwang die deutschen Protestanten zum Zusammenwirken mit Gustav Adolf. Am 17. September 1631 schlugen die Schweden trotz Flucht der sächsischen Verbündeten das sieggewohnte Heer Tillys bei Breitenfeld in der Nähe von Leipzig, nach einem zweiten Sieg bei Rain am Lech stand den Schweden Bayern offen. München fiel, nur die Festung Ingolstadt behauptete sich. Auch Tirol schien bedroht, doch hatte Erzherzog Leopold für ausreichende Verteidigungsmaßnahmen gesorgt. In seiner Notlage wandte sich Ferdinand II. wieder an Wallenstein. Es war nicht leicht, den tief Gekränkten, der mittlerweile audi mit Schweden in Verbindung getreten war, für kaiserliche Dienste zu gewinnen. Nach längeren Verhandlungen in Göllersdorf übernahm Wallenstein, dessen hochgeschraubte Forderungen auf fast unbeschränkte Vollmachten bewilligt werden mußten, aber wieder das Kommando und sein Geschick und großes Ansehen ermöglichten die Organisation einer starken Armee. Es gelang ihm, Gustav Adolf zur Aufgabe des Vorstoßes gegen die österreichischen Länder zu zwingen; im befestigten Lager zu Nürnberg wehrte Wallenstein Anfang

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R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

September 1632 den Angriff der Schweden erfolgreich ab. Die K ä m p f e verlagerten sich nach Sachsen. Die Schweden griffen am 16. November 1632 Wallensteins Heer bei Lützen an. Die Kaiserlichen waren durch die voreilige Detachierung der Truppen Pappenheims geschwächt, von denen nur die Reiterei rechtzeitig in die Schlacht eingreifen konnte. In dem mit Erbitterung geführten K a m p f fielen Gustav Adolf und Pappenheim, schließlich behaupteten die Schweden das Schlachtfeld, Wallenstein zog sich über Leipzig nach Böhmen zurück. Zu Prag hielt er ein Blutgericht über die Offiziere, welche bei Lützen versagt hatten. In der folgenden Zeit wurden Kriegführung und persönliches Verhalten Wallensteins immer undurchsichtiger. Es liefen von seinem Heerlager Verbindungen zu der böhmischen Emigration; ein abgefangener Unterhändler, Sesima Rasin, erklärte, der Generalissimus habe nach der böhmischen Krone gestrebt. Wallenstein führte auch mit dem schwedischen Feind Geheimverhandlungen, welche den Weisungen aus Wien widersprachen. Piccolomini unterrichtete Ferdinand von einem Plan des Generalissimus, Mitteleuropa aufzuteilen und die Herrschaft des Hauses Österreich zu stürzen — die Richtigkeit dieser Information ist allerdings kaum überprüfbar. Es ist nun kaum nationaltschechisches Ressentiment, wie Josef Pekar annahm, noch echte „reichische Gesinnung", wie Heinrich von Srbik vermutete, als Triebkraft für Wallensteins Handeln anzusehen. Wohl gab es unter den Feldherren des Dreißigjährigen Krieges einen, der an das Reich dachte und wirklich ein deutscher Patriot war, — den Sachsen H a n s Georg von Arnim — aber dieser wirkte im Feindeslager, so gut er konnte, den Plänen Wallensteins entgegen, die ihm das Reich den äußeren Feinden auszuliefern schienen. Der Friedländer stand herkunfts- und gesinnungsmäßig eher zwischen den N a tionen. Es war Verbitterung über die feindlichen Kreise am Wiener H o f , über Bayern und Spanien, Rachsucht über wirkliche und vermeintliche Kränkungen wirksam, wenn Wallenstein das hochverräterische Einvernehmen mit dem Gegner suchte. Damit betrat er einen verhängnisvollen Weg, von dem er, trotz gelegentlichen Zögerns, das seine Verhandlungspartner mißtrauisch machte, kein Zurück mehr fand. In Wien erweckte es besonderen Ärger, daß Wallenstein nach einem Sieg gegen eine schwedische Heeresgruppe bei Steinau den in Gefangenschaft gefallenen böhmischen Erzrebellen Matthias T h u m wieder freiließ und dann dem Herzog von Bayern, als die Schweden im November 1633 Regensburg eroberten, jede H i l f e versagte. Auch die Zuteilung eines K o r p s an eine in Süddeutschland eingerückte spanische Armee lehnte Wallenstein ab. Noch bedenklicher war es, daß er sich von seinen Offizieren am 12. Jänner 1634 eine Loyalitätserklärung (den ersten Pilsner Schluß) unterfertigen ließ, in deren endgültiger Ausfertigung die im Konzept enthaltene Einschränkung auf die Dauer seiner kaiserlichen Dienste weggelassen wurde. N u n ergriff man in Wien, durch kaisertreue Offiziere von allen Vorgängen informiert,

Der Dreißigjährige Krieg

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geeignete Gegenmaßnahmen. Die Mehrzahl der Truppen verweigerte Wallenstein die Gefolgschaft. Als gegen den Generalissimus ein Proskriptionspatent mit der Aufforderung ihn lebend oder tot unschädlich zu machen, erlassen wurde, begab er sich von Pilsen nach Eger, um die Vereinigung mit den Schweden vorzubereiten, fiel aber in der Nacht zum 25. Februar 1634, ebenso wie sein Schwager Trcka und seine Anhänger Kinsky, Ilow und Neumann, dem von einem Triumvirat kaiserlich gesinnter Offiziere, dem Iren Walter Butler und den Schotten John Gordon und Walter Leslie organisierten Mordanschlag zum Opfer. Man hat Ferdinand II. wegen des Vorgehens gegen Wallenstein scharfe Vorwürfe gemacht. Tatsächlich ließ sich der Monarch aber von drei geheimen Räten (Fürst Eggenberg, Bischof Wolfrath von Wien und Graf Maximilian Trauttmansdorff), die nicht zu den ausgesprochenen Wallensteingegnern gehörten, ein Gutachten über die Vergehen des Generalissimus ausarbeiten; der Vorgang ähnelte einem Geheimprozeß, allerdings ohne Verteidigungsmöglichkeit für den Angeklagten, dessen Schuld erwiesen schien. Entgegen weitverbreiteter Ansicht war der Beichtvater des Kaisers Pater Wilhelm Lamormain S. J. nicht an der Vorbereitung der Aktion gegen Wallenstein beteiligt, doch hat er sie in einem theologischen Gutachten gerechtfertigt. Das Jahr 1634 brachte den kaiserlichen Truppen und ihren Verbündeten große Erfolge. Im Sommer wurde Regensburg zurückgewonnen und am 6. September siegten die spanischen, kaiserlichen und bayerischen Truppen nach ihrer Vereinigung bei Nördlingen entscheidend über die Schweden. Schon vorher hatte der Kaiser Verhandlungen mit Sachsen aufgenommen, die dann im Mai 1635 zum Abschluß des Friedens von Prag führten. Diesem Vertrag schlossen sich bald die wichtigsten Reichsstände an; der Verzicht des Kaisers auf die Durchführung des Restitutionsediktes in Norddeutschland hatte eine Voraussetzung zum Vergleich geboten. N u r die vom Untergang bedrohten süddeutschen Protestanten hielten noch zu Schweden und der Krieg wäre wohl zu Ende gegangen, wenn nicht Frankreich offen in den Kampf eingegriffen hätte, während es bis dahin mit diplomatischen Mitteln gegen den Frieden arbeitete. Schweden wäre allerdings gegen Einräumung einiger Küstenplätze an der Ostsee zur Beilegung des Kampfes zu gewinnen gewesen; in Wien aber hoffte man in Verkennung der Auswirkungen des Kriegseintrittes Frankreichs auf noch günstigere Bedingungen. In der folgenden lange währenden Endphase des Krieges kämpften auf kaiserlicher Seite neben Spanien und Bayern bald auch Sachsen und zeitweilig Brandenburg, beim Gegner an der Seite Frankreichs und Schwedens die Niederlande und Savoyen, kleinere deutsche Fürstentümer, wie Hessen, sowie das schlagkräftige Heer der süddeutschen Protestanten unter Führung Herzog Bernhards von Weimar, der enge mit den Franzosen zusammenarbeitete. Diese hatten, wenig kriegserfahren, trotz bedeutender Truppenstärke vorderhand nur geringe Erfolge, dagegen siegte im Jahre 1636 der

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Reformation und Gegenreformation

schwedische General Baner bei Wittstock nahe der Ostseeküste über eine kaiserlich-sächsische Armee. Am 15. Februar 1637 starb Kaiser Ferdinand II., der während aller Wechselfälle des Krieges eine feste, wenn auch nicht immer politisch kluge Haltung bewahrt hatte; die moderne Idee der Staatsraison, von der sich ein Richelieu leiten ließ, war ihm fremd, für Ferdinand bestimmte die religiöse Überzeugung die Politik. Ratgeber wie der fanatische Konvertit Kaspar Schoppe (Scioppius) und Pater Lamormain bestärkten ihn in dieser Einstellung. Das Verantwortungsbewußtsein des Fürsten in Glaubenssachen bot für ihn auch die Voraussetzung, die Einführung absolutistischer Regierungsformen unter Brechung des Widerstandes der konfessionell feindlichen und politisch unzuverlässigen Stände vor dem eigenen Gewissen und vor den Untertanen zu rechtfertigen. Die Regierungsgrundsätze Ferdinands III. glichen denen des Vaters in der Unbedingtheit der Loyalität gegenüber der katholischen Sache, doch war seine politische Praxis nüchterner. Die Kriegführung nahm indessen zusehends eine ungünstige Wendung; ausschlaggebend für das Schicksal des kaiserlichen Elsaß und seiner loyalen Bevölkerung, die sich nach Kräften am Abwehrkampf beteiligte, wurde der Fall der Festung Breisach, die nach dem Scheitern aller Entsatz versuche vom tapferen Kommandanten Reinach am 17. Dezember 1638 an Bernhard von Weimar übergeben werden mußte. Bernhards früher Tod brachte die Franzosen wenig später in den Besitz des von einer deutschen protestantischen Armee eroberten Landes. Die Weimarer Truppen wurden von Frankreich in Sold genommen. Andererseits scheiterte ein schwedischer Vorstoß gegen Prag, und im Juni 1639 errang Piccolomini bei Diedenhofen einen bedeutenden Erfolg gegen die Franzosen. Im Jahre 1640 schlossen sich Hessen und Braunschweig-Lüneburg, die über einige Truppenmacht verfügten, der schwedisch-französischen Koalition an. Auf einem Reichstag zu Regensburg suchte der Kaiser Voraussetzungen für einen Friedensschluß zu schaffen; der Vorstoß eines schwedischen Heeres gegen die Stadt gefährdete den Reichstag, scheiterte aber an energischen Gegenmaßnahmen. Im Jahre 1641 übernahm mit Lennart Torstenson ein genialer Feldherr das Kommando über die schwedische Armee; er errang große Erfolge gegen die kaiserlichen Truppen und siegte auch in der blutigen zweiten Schlacht von Breitenfeld am 2. November 1642 gegen Piccolomini und Erzherzog Leopold Wilhelm; die Schweden besetzten große Teile Schlesiens und Mährens. Noch verhängnisvoller war der sich immer deutlicher abzeichnende Niederbruch der spanischen Macht. Im Jahre 1640 brachen große Aufstände in Katalonien und Portugal aus, der man nicht mehr Herr werden konnte; in der Folgezeit gab es auch in Neapel und Sizilien schwere Unruhen. Immer dringender wurde das spanische Verlangen nach Unterstützung durch kaiserliche Heerführer und Truppen, die in Deutschland kaum entbehrt werden konnten. In den Niederlanden errang der französische Feldherr

Der Dreißigjährige Krieg

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Prinz Conde bei Rocroi einen entscheidenden Sieg gegen die Spanier (1643), weniger günstig verliefen die Kampfhandlungen der Franzosen in Südwestdeutschland, wo ihnen die schlagkräftige und gut geführte bayerische Armee unter Franz von Mercy entgegentrat. Im Zusammenwirken mit den Kaiserlichen vernichtete Mercy im November 1643 eine französisch-weimarische Armee bei Tuttlingen durch glänzend durchgeführten Überfall; einem Angriff Condes hielt er in der ohne Entscheidung abgebrochenen Schlacht von Freiburg im August 1644 stand und im Mai 1645 siegten die Bayern bei Mergentheim wieder über ein französisches Heer unter Turenne; erst der Tod Mercys in der Schlacht von Allerheim am 3. August 1645 bereitete, obwohl die Franzosen bald den Rückzug antraten, auch auf diesem Kriegsschauplatz eine Wendung vor. Inzwischen hatten die Schweden unter Torstenson weitere Erfolge errungen. Es brachte den Kaiserlichen keine wesentliche Entlastung, als die Ufer der N o r d - und Ostsee wieder zum Kriegsschauplatz wurden und sich die schwedische Armee einem neuen Gegner zuwandte. In überraschenden, schnell geplanten und durchgeführten Operationen zwang Torstenson Dänemark, das den bedrohlichen Aufstieg Schwedens fürchtete und zum Anschluß an den Kaiser neigte, aber kaum gerüstet war, zu Verhandlungen, die schließlich mit dem Frieden von Brömsebro abgeschlossen wurden. Ein den Dänen zu Hilfe geschicktes kaiserliches Heer unter Gallas wurde von dem Feldherrn durch anstrengende Märsche in einem ausgehungerten Land zugrunde gerichtet. Bald drangen die Schweden wieder nach Süden vor. Am 24. März 1645 erlitt ein kaiserliches Heer bei Jankau in Südböhmen eine vernichtende Niederlage; die Schweden brachen in das österreichische Donauland nördlich des Stromes ein, besetzten zahlreiche Orte, darunter die Doppelstadt Krems und Stein. Die Forcierung des Stromes gelang aber nicht und bei der Belagerung der durch den in kaiserlichen Dienst getretenen französischen Hugenotten De Souches energisch verteidigten Stadt Brünn erlitt Torstenson schwere Verluste. Seine Hoffnung auf ein Zusammenwirken mit dem siebenbürgischen Fürsten Georg Rakoczy schlug fehl, als der Ungar in Verhandlungen zu Rampersdorf und Linz in politischen und konfessionellen Fragen zu einem Einvernehmen mit dem Kaiser gelangte. Andererseits mußte Sachsen in einen Waffenstillstand mit den Schweden einwilligen, die Besatzungsrechte in Leipzig und Torgau erhielten. Im Jahre 1646 stießen schwedische Truppen unter dem neuen Oberbefehlshaber Wrangel nach Bayern und Vorarlberg vor, Bregenz wurde erobert. Maximilian von Bayern, bisher die stärkste Stütze des Kaisers, schloß im März 1647 mit Frankreich und Schweden den Neutralitätsvertrag von Ulm; ein Versuch der Generale Werth und Sporck, die bayerischen Truppen dem Kaiser zuzuführen, scheiterte. Im Sommer fielen die Schweden in die Sudetenländer ein und eroberten Eger, dann trat der Herzog von Bayern wieder auf die Seite des Kaisers. Am 17. Mai 1648 erlitt die vereinigte kaiserlich-bayerische Armee durch Schwe-

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Reformation und Gegenreformation

den und Franzosen eine Niederlage bei Zusmarshausen, nach der Bayern erneut vom Feind überflutet wurde. Doch gelang es den Kaiserlichen unter dem aus den Niederlanden abberufenen Piccolomini bald wieder das Land zu befreien. Ein geglückter Überfall des schwedischen Generals Königsmark auf den Hradschin und die Prager Kleinseite, während sich Alt- und Neustadt hielten, sollte die letzte bedeutendere Waffentat des dreißigjährigen Ringens sein. Der Westfälische

Friede und

Österreich

Seit dem J a h r e 1640 waren Bemühungen um die Herbeiführung des Friedens im Gange, doch verzögerte Frankreich die Verhandlungen solange es konnte. Ungünstig wirkte sich auch der Einfluß einer Partei der „Extremisten" am Wiener H o f aus, welche aus konfessionellen Gründen gegen alle Zugeständnisse war, die sich angesichts der feindlichen Waffenerfolge dann als unvermeidlich erwiesen. Frankreich und Schweden stellten drückende Forderungen, doch gelang es den kaiserlichen Vertretern, vor allem dem Hauptgesandten Maximilian Grafen Trauttmansdorff und dem für die Probleme der Vorlande zuständigen Juristen D r . Isaak Volmar in zähen Verhandlungen zu erträglichen Bedingungen zu gelangen. Territorialverluste waren nicht zu vermeiden, hielten sich aber in mäßigen Grenzen. An F r a n k reich trat der Kaiser den Sundgau, die Landgrafschaft Ober- und Unterelsaß, die Landvogtei über zehn Reichsstädte des Elsaß (ohne Straßburg!) und die Stadt Breisach ab; in Philippsburg erhielt Frankreich Besatzungsrecht. D a f ü r bekam der Kaiser eine Geldentschädigung. E r verpflichtete sich, das gegen Frankreich weiterkämpfende Spanien nicht zu unterstützen, doch fand man Wege, diese Bestimmung zu umgehen. D a die Niederlande mit Spanien Frieden schlossen, brachte der Westfälische Friede auch diesem Staat eine gewisse Erleichterung, doch legte Spanien ebenso wie der Papst erfolglos Einspruch gegen die Ratifizierung der Verträge ein. Die beiden Lausitzen hatte der Kaiser schon im J a h r e 1620 an Sachsen verpfändet, sie gingen nunmehr endgültig an dieses Kurfürstentum über. Die Stellung des Kaisers im Reich war arg geschwächt, neben Sachsen hatte auch Bayern, das zu F r a n k reich tendierte, durch die Erwerbung der Oberpfalz und der siebenten K u r würde an Einfluß gewonnen, vor allem aber konnte Brandenburg-Preußen sein Territorium wesentlich erweitern. Die Rheinpfalz wurde (mit der achten Kurwürde) ihrer Dynastie zurückgegeben. Die Schweiz und die Niederlande schieden aus dem Reichsverband aus, die verbleibenden Reichsstände erhielten völlige politische Handlungsfreiheit; die Bestimmung, daß ihre Bündnisse nicht gegen „Kaiser und Reich" gerichtet sein sollten, blieb wirkungslos. Das Reich bildete seither einen losen Staatenbund, dessen Zusammenhalt nur mehr durch Wahl und Person des Kaisers, die Reichstage und zwei miteinander konkurrierende Justizbehörden, Reichskammergericht und Reichshofrat, verkörpert wurde. Eine echte Reichsreform war kaum mehr

Siedlungswesen und Bevölkerungsverhältnisse im konfessionellen Zeitalter

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möglich. Bemühungen des Regensburger Reichstages von 1653 in dieser Richtung sollten erfolglos bleiben. Höchst bedenklich war der Einfluß des Auslandes, wobei sich Schweden und Dänemark auf Sitz und Stimme im Reichstag für ihre norddeutschen Besitzungen stützen konnten, Frankreich auf sein tatsächliches politisches Übergewicht. Angesichts der hoffnungslosen Auflockerung des Reichsverbandes verschob sich das Schwergewicht der politischen, militärischen und finanziellen Grundlagen der Macht des Hauses Österreich mehr denn zuvor auf die Erblande. Hier hatte der Westfälische Friede die Entscheidungen von 1620 und 1627 bestätigt: den Triumph von Absolutismus und Katholizismus. Dieses Ergebnis spiegelt sich in den konfessionellen Bestimmungen des Friedensvertrages: N u r für Teile Schlesiens und für den niederösterreichischen Adel wurde Freiheit zur Ausübung des augsburgischen Bekenntnisses zugesagt. Die Krone Schweden und die Protestanten im Reich behielten sich das Recht gewaltloser Intervention zugunsten der österreichischen Protestanten vor. Allmählich erlosch aber deren offener Widerstand, die protestantischen Adeligen Niederösterreichs konvertierten oder wanderten aus, zuletzt die Zinzendorff im 18. Jahrhundert, doch gab es noch durch fast eineinhalb Jahrhunderte, bis zum Toleranzpatent Josephs II. (1781) Geheimprotestanten in einzelnen Gegenden der Alpenländer, vor allem im Salzkammergut und in Kärnten. In Wien waren Protestanten im Personal der fremden Gesandtschaften und unter den privilegierten fremden Kaufleuten, den „Niederlegern" tätig, namentlich Buchhändler und Buchdrucker. Auch in der österreichischen Armee dienten weiterhin Protestanten, oft in bedeutender Stellung. Nach Beendigung des dreißigjährigen Ringens hielt man ein stehendes Heer von neun Regimentern zu Fuß und zehn zu Pferd weiter unter Waffen. Dieses Heer, nicht die Reichsaufgebote, um die erst in langwierigen Reichstagsverhandlungen gefeilscht werden mußte, bildete, durch halbreguläre Grenzerformationen und ungarische Milizen verstärkt, fortan die eigentliche Militärmacht des Kaisers. Die österreichischen Zentral- und Länderbehörden hatten für ihn ganz andere Bedeutung als die Relikte der Reichsverwaltung; die Einkünfte aus den Erbländern beliefen sich schon längst auf ein Vielfaches der Reichsabgaben. Die Position der Habsburger war also aus verschiedenen Gründen in ihrer Hausmacht viel fester gefügt, als jene im Reich, man begann den österreichischen Staatsgedanken höher zu werten als die Reichsidee. So markiert der Westfälische Friede einen Wendepunkt auch in Österreichs Geschichte. Siedlungswesen

und Bevölkerungsverhältnisse

im konfessionellen

Zeitalter

Nach der rückläufigen Bewegung im späteren Mittelalter können wir im 16. Jahrhundert wieder eine Zunahme der Bevölkerung und in einigen Gegenden auch eine regere Siedlungstätigkeit verzeichnen. Zu Neurodungen

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Reformation und Gegenreformation

kam es wohl nur mehr in begrenzten Räumen, etwa im Wienerwald, wo aus Holzhauersiedlungen etliche kleinere und größere Ortschaften, wie Gersthof, Dornbach oder Hainfeld hervorgingen, dann im Gföhler- und im Drossenwald, wo das Adelsgeschlecht der Greiß in seinen Waldämtern für eine planmäßige Einzelhofsiedlung sorgte. In kleinerem U m f a n g wurde auch im landesfürstlichen „Freiwald" im Mühlviertel im 16. Jahrhundert gerodet. U m die zur Zeit der Gegenreformation wieder stark besuchten Gnadenkirchen und Wallfahrtskapellen bildeten sich oft Ortssiedlungen, wie MariaTaferl oder Maria-Dreieichen. Zur Unterbringung der anwachsenden Bevölkerung wurden verschiedentlich zu bereits bestehenden Ortschaften „Neustifte" angelegt oder wenigstens neben den älteren und größeren Bauernhöfen von der besitzarmen Bewohnerschaft Keuschen errichtet. Eine höchst unerwünschte Folge der Bevölkerungsvermehrung war die weitgehende Teilung und Zersplitterung des bäuerlichen Besitzes, etwa in Tiroler Hochgebirgstälern, so daß die landesfürstliche Regierung schon 1571 die Lebensfähigkeit der Kleingüter bezweifelte. Auch in den Weinbaugebieten finden wir eine ähnliche Entwicklung der Besitzverhältnisse. Die Flurformen der beginnenden Neuzeit weisen gegenüber älteren Anlagen keine wesentlichen Änderungen auf, sie sind im allgemeinen aber regelmäßiger begrenzt. D a s gilt audi für die Siedlungen selbst. Bei den Wohnbauten ging man vom Holz- zum Steinbau über; die Vierkanter Oberösterreichs und des westlichen Niederösterreich erhielten damals ihr imposantes Aussehen. Auch in den Städten wurden anspruchsvollere Bürgerhäuser gebaut, später haben recht oft Barockfassaden diese Bautätigkeit verhüllt. Die Städte wurden kaum erweitert, doch erhielten viele von ihnen ein neues Gesicht, als der Basteiengürtel der modernen, venetianischen Befestigungsmethode mit seinen Courtinen, Ravelins und Contreescarpen die mittelalterliche Zinnenmauer ersetzte. Solche Anlagen begegnen uns in Wien, Graz, Klagenfurt und Linz, sowie in zahlreichen kleinen Grenzstädten des Südostens. Während des Dreißigjährigen Krieges befestigte Erzbischof Paris Lodron auf diese Weise die Stadt Salzburg. Trotz der im allgemeinen nicht sehr augenfälligen Veränderungen im Siedlungsbild und des nur geringen Ansteigens der Bevölkerungsdichte zeigt die Bevölkerungsgeschichte der Epoche kein statisches Bild. Gegenreformation und Türkenkriege führten zu empfindlichen Bevölkerungsverlusten, es fehlte aber auch nicht an Versuchen, diese Einbußen wieder abzugleichen. Die türkischen Invasionen des 16. Jahrhunderts konnten zwar größere Siedlungen nicht dauernd vernichten, doch machten die Tataren viele Gefangene und brachten sie außer Landes. Viele Häuser wurden in den Wienerwaldgebieten und der Oststeiermark niedergebrannt. Im Jahre 1586 drangen die Türken wieder weit in die Steiermark vor. Unter den Neusiedlern verwüsteter Ortschaften sind die Kroaten des Burgenlandes und Niederösterreichs zu er-

Siedlungswesen und Bevölkerungsverhältnisse im konfessionellen Zeitalter

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wähnen, einzelne kroatische Gruppen gelangten bis nach Südmähren. Im Marchfeld wurden Dörfer der Herrschaften Orth, Marchegg und Schloßhof besiedelt, doch ist die kroatische Sprache hier und in den niederösterreichischen Orten am Leithagebirge im 18. und 19. Jahrhundert erloschen. Im Burgenland, wo die Nadasdy und Batthyany das Siedlungswerk förderten, konnte sich das Kroatentum im Grenzraum des deutschen und magyarischen Sprachgebietes, in den Bezirken von Neusiedl, Eisenstadt, Oberpullendorf und Güssing bis zur Gegenwart halten. Die Siedler stammten vor allem aus dem kroatischen Küstenland („Wasserkroaten"), aber auch aus der Zagreber Gegend und aus Slawonien. Natürlich gab es auch zahlreiche deutsche Neusiedler aus den österreichischen Erbländern und aus dem Reich. So sind 1628 bis 1629 Tiroler aus den Tälern des Lech und Inn nach Niederösterreich gekommen. Die Glaubenskämpfe hatten weitaus stärkere Auswirkungen für die Bevölkerungsstruktur der österreichischen Länder als die Türkennot. Unter den Anhängern der neuen Lehren wurden die Täufer als erste verfolgt, daher räumten sie schon im 16. Jahrhundert die österreichischen Länder, um in Mähren und in Nordwestungarn (der heutigen Slowakei) eine Zuflucht zu suchen, später leisteten sie den militärischen Forderungen der Obrigkeit ebenso Widerstand wie vordem den konfessionellen. So führten weitreichende Wanderungen die Täufer ins südliche Rußland, dann über See in die Vereinigten Staaten und nach Kanada, wo bis heute blühende Gemeinden der „Hutterischen Brüder" bestehen, in denen die Erinnerung an die alte Heimat noch wach ist. Die Lutheraner wurden wohl schon im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts von stärkeren gegenreformatorischen Pressionen betroffen, ihre Auswanderung setzt in größerem Ausmaß aber erst nach 1600 ein. Seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges, vor allem aber nach den Erlässen der Jahre 1625 und 1628, sowie nach 1648, standen sie vor der Alternative der Rückkehr zum Katholizismus oder der Auswanderung. Die Zahl dieser Glaubensflüchtlinge war hoch, sie betrug wohl mehr als hunderttausend Personen aus dem Gebiet innerhalb der heutigen Grenzen des österreichischen Staates. Die Flüchtlinge zogen in die Reichsstädte Regensburg, Nürnberg, Augsburg, Ulm und Lindau, nach Württemberg, Ansbach-Bayreuth, aber auch in die Schweiz und nach Norddeutschland, versprengte Gruppen kamen selbst nach Schweden und in die schwedischen Ostseeprovinzen. In manchen Gegenden Frankens stellten die österreichischen Exulanten einen großen Prozentsatz der Gesamtbevölkerung, vielfach suchten sie Ortschaften auf, die im Kriege schwer gelitten hatten und beteiligten sich am Wiederaufbau. Eine Emigrantengruppe, die um 1600 ihre Heimat verließ, gründete Freudenstadt im Schwarzwald. Manche der österreichischen Auswanderer brachten es in der neuen Heimat durch Talent und Energie zu einer bedeutenden Stellung, wie etwa der Organisator der brandenburgischen Armee unter

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Reformation und Gegenreformation

dem großen Kurfürsten, Feldmarschall Georg von Derfflinger, der aus Neuhofen bei Linz stammte. Die gegenreformatorischen Maßnahmen hatten in der Struktur des Adels und des Bürgertums erhebliche Wandlungen zur Folge. An die Stelle der ausgewanderten protestantischen Adeligen traten nicht selten Angehörige romanischer Familien wie die Silva-Tarouca, Hoyos, Piccolomini, Clary, Attems oder Colloredo. Die romanische Zuwanderung aus dem katholischen Süden machte sich auch im Bürgertum der Städte, namentlich Tirols und Innerösterreichs, bemerkbar. Der Adel ergänzte sich weiters aus reichgewordenen einheimischen Bürgerlichen; so verlieh der Herrscher den Eggenberg und Stürgkh den Adel, eine andere Aufstiegsmöglichkeit boten Verwaltung und Militär, diesen Laufbahnen verdankten die Emmerberg, Berchtold, Windhag, Gallas und Aldringen ihren Adelsrang. D a Österreich von den unmittelbaren Kampfhandlungen des Dreißigjährigen Krieges weniger betroffen wurde — die meisten Verluste brachte der oberösterreichische Bauernaufstand und der Schwedeneinfall ins nördliche Niederösterreich — ist es hier trotz der Glaubensflüchtlinge nicht zu den ungeheuren Menschenverlusten gekommen, die der Krieg in anderen Gebieten des deutschen Sprachraumes forderte. In der Zeit vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis zur Mitte des 17. J a h r hunderts wurden die österreichischen Länder schließlich mehrfach von Seuchen heimgesucht; neben der Pest werden auch andere epidemische K r a n k heiten genannt; der „englische Schweiß" grassierte 1529 und die rote Ruhr traf in furchtbarer Weise 1542 das Heer Ferdinands I. vor Ofen. Auch während des Dreißigjährigen Krieges traten Epidemien auf; im J a h r e 1645 forderte die Pest zahlreiche Opfer im Donauland.

Das Wirtschaftsleben

zur Zeit des

„Frühkapitalismus"

Schon im Verlauf des 15. Jahrhunderts machten sich in den Wirtschaftsverhältnissen Mitteleuropas, etwa in den süddeutschen Städten Wandlungen bemerkbar, die mit der Entwicklung des Kreditwesens, der Handelsspekulation, aber auch mit der Blüte des alpenländischen Bergbaues und den steigenden Geldbedürfnissen des in weitreichende politische Unternehmungen verwickelten Fürstentums zusammenhängen. Im 16. Jahrhundert versuchen Fürstentum und Stände das Wirtschaftsleben der Länder durch ihren Verwaltungsapparat, durch möglichst planvolle und gründliche Ausnützung aller Quellen den eigenen politischen und finanziellen Ansprüchen dienstbar zu machen. Diese Einflüsse machen sich in allen Bereichen der Wirtschaft geltend, nicht zuletzt in den grundherrlich-bäuerlichen Beziehungen. Die Quellen geben uns Hinweise auf die nach wie vor höchst verschiedenartigen Ausmaße des bäuerlichen Besitzes, aber auch auf gewisse Nivel-

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lierungstendenzen in der Rechtslage der Bauern. An Besitzeinheiten und Wohnstätten werden neben ganzen, halben oder Viertellehen bzw. Huben, auch Keuschen, Chaluppen, Batzenhäusel, Kleinstätten, Hauerhäuser genannt und neben den Besitzern größerer oder kleinerer „behauster Güter" und der nicht an einen bestimmten Haushalt gebundenen „freien Uberlandgründe" werden, wie schon im ausgehenden Mittelalter, die besitzlosen „Inwohner" erwähnt, die sich bei den Herrschaften oder größeren Bauern als Knechte und Mägde verdingten, oder aber eine Hausindustrie betrieben. Kleinviehhaltung, Spinnen und Weben, Holzverarbeitung und Glasbläserei gaben einen kärglichen, oft durch Absatzschwankungen bedrohten Unterhalt; wir hören Klagen über die Zunahme dieses der Not ausgesetzten ländlichen Proletariats, das bei vielen Zusammenrottungen und Unruhen maßgeblich beteiligt w a r . Die Rechtsverhältnisse der Bauern sind im 16. und 17. Jahrhundert zumeist schriftlich fixiert. Die Ansprüche der Herrschaften wurden von den Pflegern und Hofrichtern der weitgehend bürokratisierten Gutsverwaltungen in der Regel nachdrücklichst vertreten. Trotz der angelegentlichen Betonung der Notwendigkeit glimpflicher Behandlung der „Untertanen" — dieser Ausdruck wird für die bäuerlichen Holden mehr und mehr üblich — fehlte es nicht an Härten bei Bemessung und Einhebung der Abgaben, bei den Robotforderungen und bei der Ausübung des Jagdrechtes. Die Robotleistungen wurden gegenüber früher erhöht. Es w a r durchaus eine Ausnahme, wenn in Tirol abweichend von dieser Tendenz geringe oder gar keine Robotdienste verlangt wurden. Dazu kam die Einhebung der landesfürstlichen Rustikalsteuer, einer der wichtigsten staatlichen Einnahmsquellen, von der die Herrschaften oft Beträge für sich selbst abzweigten. Höchst unangenehm empfanden die Bauern die wiederholt gestellte Forderung, Produkte ihrer Wirtschaft nur dem Grundherrn zu verkaufen. Einige Adelige, wie der Steirer Siegmund von Eibiswald oder der Oberösterreicher Karl Jörger galten als Bauernschinder, doch bildeten sie wohl unerfreuliche Ausnahmen. Gelegentlich traten die Herren doch auch für die Rechte ihrer Untertanen ein, wenn sie die Ausübung von Gewerben gegen die Beschwerden städtischer Zechen verteidigten, oder selbst gegen militärische Einquartierungen bei den bäuerlichen Untertanen protestierten. Andererseits begann auch das Landesfürstentum sich der Bauernschaft anzunehmen. In einer Polizeiordnung von 1542 wurde eine Preisregelung für bäuerliche Produkte getroffen, die offensichtlich die Bauern vor Ausbeutung schützen sollte, im Jahre 1573 wandte sich eine Verordnung Rudolfs II. gegen übermäßige Abgabenforderungen der Grundherrschaft. Fallweise wurden auch landesfürstliche Kommissionen zur Regelung von Streitigkeiten zwischen Herren und Bauern eingesetzt. Von einem planmäßigen behördlichen Bauernschutz kann man aber in der frühen Neuzeit noch nicht sprechen; Klagen der Bauern bei der Landesregierung wurden nicht immer erledigt.

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Reformation und Gegenreformation

Die Leiheformen des Mittelalters blieben audi im 16. und 17. Jahrhundert in Geltung; die Freistift war noch häufig, doch hat man recht oft durch Geldzahlung ihre Umwandlung in Erbzinsrecht erreicht. Im Jahre 1570 legte der Kaiser seinen Bauern und denen des geistlichen Kammergutes diese Ablösung nahe. Manchen Untertanen gelang es auch, sich vom Zehent oder anderen Abgaben freizukaufen. Jedenfalls überwogen die Erbzinsrechte allmählich alle anderen Leiheverhältnisse. So kommt es zu einem gewissen Ausgleich in der Rechtsstellung der Bauern gegenüber der mittelalterlichen Mannigfaltigkeit. Bei den Grundherrschaften erfolgte die Ausbildung von Großwirtschaften durch K a u f kleinerer Güter oder Einbeziehung von Ödland. Diese Erweiterungen wurden im 16. und 17. Jahrhundert in der Regel aber nicht auf Kosten der Bauern durchgeführt; man hat vielmehr gleichzeitig nicht selten auch herrschaftliches Dominikalland an die Untertanen zur Bewirtschaftung ausgegeben, steuerlich allerdings nicht dem Rustikalland gleichgestellt. Für die Strukturveränderung der Herrschaftsverhältnisse wurde es bedeutsam, daß die Habsburger in ihren Geldnöten im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts einen großen Teil ihrer Kammergüter verkauften und audi auf die hohe Gerichtsbarkeit verzichteten. Die landesfürstliche Herrschaftsverwaltung funktionierte schlecht, der Erlös der Abgaben der Holden reichte angeblich oft nur zur Bezahlung der Herrschaftsbeamten aus, deren Verwaltung sich als kaum kontrollierbar erwies. So stieß man besonders in den Donauländern den Grundbesitz mit allen seinen Rechten ab, den Wald- und Jagdbesitz hat der Landesfürst jedoch behalten. Wesentliche Herrschaftsveränderungen brachte naturgemäß die Gegenreformation mit der Ausweisung zahlreicher Adeliger. Der geistliche Grundbesitz nahm wieder zu. Die Funktionen der bäuerlichen Gemeinden verloren im 16. und 17. Jahrhundert stark an Bedeutung. Die Taidingsversammlungen wurden unregelmäßiger einberufen, die Bauern verloren ihr Interesse an dieser Einrichtung, die Niedergerichtssachen wurden mehr und mehr von den Herrschaftskanzleien erledigt. Die Bauern klagten über willkürliche Strafen, offensichtlich hat man ihnen Vertretung abweichender Rechtsauffassungen gerne als Ungehorsam des Untertans angelastet. Immerhin konnte das Taiding Gelegenheit zur Vorbringung von Beschwerden geben und zur Besprechung von Wirtschafts fragen allgemeineren Interesses. Eine gewisse Rolle bei der Abgabeneinhebung, weniger bei der Gerichtsbarkeit, spielten die untertänigen Grund- und Dorfrichter, die von den Bauern gewählt wurden; da sie nur Entscheidungen geringerer Bedeutung ohne Befragung der Obrigkeit treffen durften, war ihr Ansehen gering. Es war in ihrer Doppelstellung schwierig, es sowohl der Herrschaft wie der Gemeinde recht zu tun. In den landwirtschaftlichen Betriebsmethoden gab es gegenüber dem Mittelalter einige Veränderungen. Man begann sich auch mit der Theorie

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der Landwirtschaft angelegentlicher zu befassen. Die Dreifelderwirtschaft wurde durch den Anbau von Grünfutterpflanzen, vor allem Klee, ergänzt. Die neuen Futtermittel gestatteten eine Vermehrung des Viehbestandes; auf den Dominikaigründen der großen Grundherrschaften bevorzugte man zumeist ohnedies die Viehzucht, die als ertragreicher galt, gegenüber dem Ackerbau. Man stellte auch verschiedene Versuche mit fremdländischen Kulturpflanzen an. Die Liechtenstein legten auf ihren Gütern in Feldsberg, Nikolsburg und Eisgrub Maulbeerbaumkulturen an, doch war diesen Experimenten aus klimatischen Gründen kein dauernder Erfolg beschieden. Von den Pflanzen der Neuen Welt hatte nur der Mais schon etwas weitere Verbreitung gefunden, auch den Tabak begann man im 17. Jahrhundert mehrfach zu bauen; die Bauern lernten ihn von den Soldaten kennen und schätzen. Die Kartoffel wurde nur ganz vereinzelt als Gartenpflanze gehegt; sie hatte noch keine volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Grundherrschaften haben sich den Tendenzen der Zeit zur Kapitalisierung keineswegs entzogen. Die Herrschaften wurden als Wirtschaftsunternehmen geführt. Die Untertanen sollten die Produkte ihrer Wirtschaft nur dem Grundherrn verkaufen, zumindest besaß dieser ein Vorkaufsrecht. Dieser „Anfeilzwang" drückte die Preise. Andererseits sollten die Bauern soweit möglich nur die im Rahmen der Grundherrschaft betriebenen Wirthäuser und Tavernen besuchen, die wieder von herrschaftlichen Weinkellern, Brauereien und Mühlen beliefert wurden. Die Grundherren unterhielten aber auch Ziegelöfen, Glasbläsereien, Sensenschmieden, Sägen und betrieben einen Garn- und Leinwandhandel. Zu den Landgewerben zählte man auch die Papiererzeugung, die infolge der Zunahme der Schriftlichkeit im amtlichen und privaten Verkehr und des großen Bedarfs der Druckpresse einen starken Aufschwung nahm. Die meisten Papiermühlen befanden sich in kleineren Ortschaften, außerhalb der Städte. Weinbau und Weinhandel Österreichs besaßen in der früheren Neuzeit noch erhebliche Bedeutung; der Dreißigjährige Krieg brachte Exportschwierigkeiten und leitete insofern eine Wende ein, als Bayern, bisher ein Hauptkonsument des „Osterweines", auf das aus heimischem Hopfen erzeugte Bier überging. Andererseits profitierten Weinbau und Weinhandel im 17. Jahrhundert an den großen Heereslieferungen. In Österreich dürfte der Bierverbrauch schon im 16. Jahrhundert nach den Beschwerden der Städte über die Zunahme ländlicher, herrschaftlicher und bäuerlicher Brauereien zu schließen, stark angestiegen sein. Auch der Obstmost spielte eine Rolle als billiges Volksgetränk. Der alpenländische Bergbau erreichte um die Wende des Mittelalters zur Neuzeit seine höchste Blüte. Große Bedeutung hatte in den folgenden Jahrhunderten in der Kammerwirtschaft des österreichischen Landesfürstentums weiterhin das Salzwesen, dazu gehörte der Abbau ebenso wie der Sudbetrieb, die Wald- und Transportwirtschaft, ferner der Salzhandel. Die Erwerbung 15·

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Reformation und Gegenreformation

der böhmischen Länder, die eigener leistungsfähiger Salinen entbehrten, vergrößerte das Absatzgebiet für die Gewinnungsstätten in Tirol, Salzburg und im Salzkammergut. In Krain und im südlichen Kärnten machte allerdings das Meersalz aus den istrischen Salzgärten dem Salz aus dem Kammergut starke Konkurrenz. Zu den alten landesfürstlichen Salinen in Aussee, Hallstatt und Hall in Tirol kam 1563 die Anlage eines Salzbergwerkes bei Bad Ischl. Die Sudhütten hatten großen Holzbedarf, so legte man eine Soleleitung von Hallstatt in das waldreichere Gebiet von Ebensee, wo im Jahre 1607 der Siedebetrieb aufgenommen wurde. Die Ausweitung der Produktion bedingte bergtechnische, administrative und wirtschaftliche Neuerungen. Die wichtigsten Maßnahmen innerhalb der hier behandelten Epoche sind in den beiden „Reformationslibellen" von 1524 und 1563 angeordnet, zu denen 1656 noch ein drittes kam. In diesen Erlässen, welche die ärarische Sonderstellung des Salzkammergutes besonders hervorheben, finden sich auch Aufschlüsse über die soziale Lage der Bergarbeiter, die einen harten Existenzkampf führten. Die Verwaltung war sich der Notlage der Knappen, die sie und ihre Familienangehörigen zu Nebenverdiensten zwang, durchaus bewußt. Man versuchte die Lebenshaltungskosten etwa durch Beistellung kleiner Grundstücke zu senken, sträubte sich aber gegen Lohnerhöhungen. Die Anhänglichkeit der Bergleute an die protestantischen Lehren hatte wiederholte Kontrollen der Obrigkeit in Glaubenssachen zur Folge. Der alpenländische Eisenbergbau erlebte im 16. und 17. Jahrhundert in raschem Wechsel „Würde" und „Unwürde", Blüte und Krise. Der Abbau der Hauptgewinnungsstätte, des steirischen Erzberges war um 1520 durch Streitigkeiten der Eisenerzer und Vordernberger Gewerken beeinträchtigt, damals wurde die „Ebenhöhe" und damit eine feste Grenze der beiderseitigen Anteile festgesetzt. Unangenehme Probleme schuf auch hier der wachsende Holzmangel. Gegen den Widerstand der adelig-ständischen Kreise gelang es aber lange nicht, eine sparsame Waldwirtschaft durchzusetzen. Der Absatz des Eisens war bis in die achtziger Jahre des 16. Jahrhunderts recht gut, es bildete einen wichtigen Ausfuhrartikel und für die innerösterreichischen Landesfürsten trotz bedeutender Auslagen die wichtigste Einnahmsquelle. Im Jahre 1564 betrugen diese Einnahmen etwa 300.000 fl. Die Transportbedingungen wurden von Erzherzog Karl durch Beseitigung von Hindernissen für die Ennsschiffahrt und durch Straßenbauten verbessert. Im Schmelzprozeß wurden die Stucköfen allmählich durch die moderneren Floßöfen (mit Dauerbetrieb) ersetzt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts trat aber eine Absatzkrise ein, die sich bis zum Dreißigjährigen Krieg ständig verschärfte. Die Entfernung kundiger Bergleute und Montanunternehmer durch die Gegenreformation um 1600 wirkte sich ungünstig aus; es war aber auch die landesfürstliche Regierung, welche durch eine zweckmäßige Neuorganisation des Bergwesens eine gewisse Wendung zum Besseren einleitete. Im Jahre 1625 veranlaßte man die Gründung der Innerberger Hauptgewerk-

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schafl. Die Zahl der Arbeitsstätten wurde ebenso wie jene der Bergleute verringert, die Verwaltung vereinfacht. Durch diese Maßnahmen konnte ein Zusammenbruch verhindert werden, die Lage Innerbergs blieb aber weiterhin kritisch. Vordernberg, dessen Absatzgebiet von den politischen Wirren des Glaubenskampfes weniger betroffen war, hielt sich besser. Die Leobener Eisenindustrie arbeitete überdies billiger als die von Steyr. Die obersteirische Stadt konnte im 16. Jahrhundert nicht die glänzende wirtschaftliche Blüte Steyrs erreichen, wurde aber andererseits von dessen Zusammenbruch um 1600 verschont. Eine gewisse Bedeutung hatte weiterhin der Hüttenberg, die Kärntner „Haupteisenwurzen", dessen Förderung allerdings weniger als ein Drittel der Ausbeute des steirischen Erzberges betrug. Das „Waldeisen" der kleinen steirischen und kärntnerischen Eisengruben verlor hingegen trotz Errichtung einiger neuer Betriebsstätten mehr und mehr an Geltung. Der Bleibergbau florierte bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, den reichsten Ertrag gab der Villacher Bleiberg, später zeichnete sich eine allmähliche Erschöpfung der Kärntner Lagerstätten ab, von denen noch Raibl, der Jauken und Windisch-Bleiberg Erwähnung verdienen. In Idria (Krain) wurde schon zu Ende des 15. Jahrhunderts Quecksilber gewonnen, die Förderung stieg stetig an. Das Metall wurde damals bei der Ausbildung des Amalgamierungsverfahrens für die Goldausscheidung wichtig. Die Finanzierung der Quecksilbergewinnung in Idria erfolgte durch drei Gewerkengruppen, deren Mitglieder zumeist der innerösterreidhische Adel stellte. Man schloß sich zu einem Kartell zusammen und um die Mitte des 16. Jahrhunderts setzte eine Hochkonjunktur ein. Als sich in den siebziger Jahren Krisenerscheinungen zeigten, wurde der Bergbau von Erzherzog Karl in habsburgischen Besitz überführt, aber bald wieder an Pächter („Appaltatoren") ausgegeben, die vor allem für den eigenen Gewinn arbeiteten. Die Knappen litten schwer unter den gesundheitsschädlichen Einwirkungen des Quecksilbers, so mußte man für medizinische Vorbeugungs- und Schutzmaßnahmen sorgen. Im 16. Jahrhundert, namentlich in seiner ersten Hälfte, war der Silberbergbau sehr ertragreich. Das Schwazer Bergwerk am Falkenstein, in dem auch Kupfer gewonnen wurde, hatte damals seine Blütezeit, später ging die von den Fuggern finanzierte Förderung zurück; man hatte eben einen übermäßigen Raubbau betrieben. Um 1600 betrug die jährliche Silberförderung mit 2000 kg nur noch ein Sechstel der Gewinnung der Jahre um 1500. Im Tiroler Landreim des Georg Rösch (1558) und in dem etwa gleichzeitigen Schwazer Bergwerksbuch wird noch der reiche Bergsegen gerühmt. Kleinere Silberbergwerke gab es in Tirol damals bei Kitzbühel am Röhrerbühl, bei Rattenberg und Gossensaß. Gegenüber den Silbergruben Tirols und des neuerworbenen Böhmen (Joachimsthal) hatten die steirischen Bergwerke geringere Bedeutung, die Zeiring war erschöpft, und Schladming wurde durch

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Reformation und Gegenreformation

Bauernkrieg und Gegenreformation schwer geschädigt. Die alpenländischen Bergleute, namentlich die Tiroler, waren auch im Ausland hochangesehene Spezialisten, so wurden viele in ferne Länder berufen; nach England in die Minen des Seenbezirkes von Cumberland, selbst in russische und südamerikanische Gruben, natürlich auch in die böhmischen und ungarischen Länder der Habsburger. Der Kupferbergbau im nordungarischen Neusohl bildete mit seiner reichen Ausbeute die bedeutendste montanistische Einnahmsquelle der Hofkammer, nachdem er zuvor eine Hauptvoraussetzung für den unvergleichlichen Aufstieg der Fugger geboten hatte. Die Besetzung der ungarischen Bergstädte während des Dreißigjährigen Krieges durch die Truppen Bethlens leitete aber den Niedergang des oberungarischen Bergbaues ein. Die Förderung in den alpenländischen Goldbergbauen war recht begrenzt, hatte aber doch für die Münze Bedeutung. Die Kärntner Bergorte Obervellach, Großkirchheim und Kliening bei St. Leonhard im Lavanttal wären zu nennen. Die Konjunkturschwankungen sind hier besonders deutlich. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die kleineren einheimischen Gewerken von Unternehmern abgelöst, die allzusehr auf raschen Gewinn drängten, freilich auch das nötige Kapital für den technischen Ausbau eines Großbetriebes besaßen. Ein persönliches Verhältnis zur Bergarbeiterschaft, mit der die Unternehmer kaum Kontakt hatten, war nicht mehr gegeben, die Verwalter (Bergpfleger) wirtschafteten oft sehr eigennützig; so war es zumeist für Betrieb und Belegschaft von Vorteil, wenn der Landesfürst eingriff. Aber auch der Goldbergbau ging zu Ende des 16. Jahrhunderts bei steigenden Kosten und unter der nunmehr fühlbarer werdenden überseeischen Konkurrenz zurück, der Betrieb an der Kliening wurde 1589, der Abbau bei Großkirchheim 1640 eingestellt. Die an den Alpenflüssen, namentlich an der Drau, betriebene Goldwäscherei hatte nur geringe Bedeutung. Die Geschichte der österreichischen Städte und Märkte ist während des konfessionellen Zeitalters einerseits durch die Hinneigung der Mehrzahl ihrer Bewohner zu den neuen Glaubenslehren, andererseits durch das Bestreben des Landesfürstentums zur Einschränkung der städtischen Autonomie gekennzeichnet. Schließlich macht sich, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen, ein Gegensatz zwischen den Stadtbürgern und den adeligen Ständen geltend. Ferdinand I. nahm durch die Ordnung von 1526 die Stadt Wien und ihre Verwaltungsorgane unter seine straffe Kontrolle. Die Zusammensetzung der beiden Ratskörperschaften änderte sich wohl nicht wesentlich, doch deutet die Tendenz zur „Verlängerung" der Ämter in der H a n d einiger weniger Personen ein Erschlaffen des kommunalpolitischen Interesses weiterer Kreise an. Wo es Widerspruch gegen die landesfürstlichen Maßnahmen gab, hat man ihn bestraft. So hatte die Opposition der Bürgerschaft von Krems und Stein gegen die Durchführung der Gegenreformation in der Doppelstadt (1589) einen Privilegienentzug bis zum Jahre 1615 und die Verwaltung durch

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einen landesfürstlichen Kommissär zur Folge. Sonst aber sah man darauf, daß die Stadtrichter — Bürgermeister gab es nur in den größeren Städten — als landesfürstliche Beamte fungierten. Das wurde um 1600 zur Regel. In den Reformationsordnungen der Städte und Märkte Innerösterreichs, die Erzherzog Ferdinand II. in den Jahren 1599 und 1600 erließ, sind neben den religionspolitischen Anordnungen auch Verfügungen über den weiten Bereich der „Polizei" enthalten: der Sorge für die öffentliche Wohlfahrt, der Kontrolle der Sicherheitsverhältnisse und der Verwaltung. Aus dem Geist der landesfürstlichen Überwachungs- und Kontrolleinrichtungen könnte man wohl auch die 1527 erlassene „Neue Polizei- und Ordnung der Handwerker und des Dienstvolkes" erklären, die für die nieder- und oberösterreichischen Länder galt. Durch diese Kundmachung wurden die Zechen der Handwerker aufgehoben. Tatsächlich handelt es sich hier aber um eine Maßnahme, die den städtefeindlichen Wünschen der adeligen Stände entgegenkam. Der Landesfürst hat sich offensichtlich nicht um die Durchführung der Ordnung von 1527 gekümmert. So geriet sie allmählich in Vergessenheit und die Zechen lebten wieder auf. örtlich werden die Abschließungstendenzen des Handwerkes sogar deutlicher. Es gelang den Meistern, die Zahl der Werkstätten zu beschränken, so war dem Nachwuchs der Aufstieg arg erschwert. Die Gesellen mußten Meisterwitwen oder -töchter heiraten, wenn sie eine Werkstatt übernehmen wollten. Unter diesen Umständen mußten die Auseinandersetzungen zwischen Gesellen und Meistern weitergehen. Andererseits führte das bürgerliche Handwerk einen erbitterten Abwehrkampf gegen verschiedene, jedenfalls als unbefugt angesehene Konkurrenten. Zu diesen gehörten nicht nur Pfuscher und „Störer", sondern auch hofbedienstete und hofbefreite Handwerker (und Kaufleute), deren Zahl in den Residenzstädten recht groß war und die nicht nur für die Versorgung des Hofes arbeiteten. Auch die Militärhandwerker beschränkten sich nicht auf den Bedarf der Truppe; so hatten die Angehörigen der Wiener Stadtguardia gewerblichen Nebenverdienst, zunächst als Bäcker und Fleischhauer. Die vermögenderen Bürger und der Landadel hatten sich in ihrer Lebensführung vielfach aneinander angeglichen, die Städte beschwerten sich jedoch über gewerbliche und Handelstätigkeit im Rahmen der adeligen Grundherrschaften, während der Adel den Bürgern beim Erwerb von Grund und Boden Schwierigkeiten machte, selbst aber in den Besitz von „Freihäusern" zu kommen trachtete, die in den Städten lagen, aber von bürgerlichen Abgaben und Verpflichtungen sowie von der Stadtgerichtsbarkeit eximiert waren. Tatsächlich blieben die beiderseitigen Absperrversuche ohne dauernden Erfolg. Im Jahre 1552 schloß die Stadt Wien mit den Ständen einen Vertrag über die Freihäuser. Mit der zunehmenden Einflußnahme des Landesfürstentums auf die gewerblichen Organisationsformen hängt es wohl zusammen, daß sich im 16. Jahrhundert die Handwerker mehrfach in territorialen Verbänden

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R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

zusammenschlossen. Eine weitreichende Vereinigung hatten im Mittelalter nur die Steinmetze besessen. Nunmehr traten verschiedenste Gewerbe Niederösterreichs in Landesverbände zusammen, wie die Lebzelter, Siebmacher, Lederer, Huter, Färber und Bierbrauer, andere, wie die Schmiede, Sattler und Tischler hatten Organisationen, die auch auf die Nachbarländer ausgriffen. Diese Gewerbe sollten aber nur in Städten und Märkten arbeiten, das Dorfgewerbe wurde von den städtischen Handwerkern ebenso konsequent wie vergeblich abgelehnt. Die wirtschaftliche Lage der einzelnen Gewerbe gestaltete sich höchst verschiedenartig. Manche, wie die Bogner und Pfeilschnitzer, fielen der fortschreitenden Technik, in diesem Falle der Waffenerzeugung, zum Opfer; ihre Angehörigen mußten sich umstellen. Der Siegeszug des Papieres ließ die Pergamenter verschwinden. Andere Gewerbe verdankten eben diesem technischen Fortschritt ihre Entstehung, wie etwa die „Kleinuhrmacher", welche Taschenuhren erzeugten. Sehr zahlreich waren in den österreichischen Ländern die Angehörigen der Textilgewerbe, doch galten ihre Waren, mit den westdeutschen und niederländischen verglichen, weiterhin als qualitativ unterlegen, die Tuchmacherei kam zu keiner rechten Blüte. Anders stand es allerdings um die namentlich in Oberösterreich weit verbreitete Leinwandindustrie, die im 16. Jahrhundert ungeachtet scharfer Auseinandersetzungen zwischen Dorf- und Stadtwebern, mit gutem Ertrag arbeitete. Einen entschiedenen Aufschwung nahm im 16. Jahrhundert auch die Glasindustrie. Für die Wirtschaft des Landes Tirol gewann sie große Bedeutung, auch in Niederösterreich gab es zahlreiche Glashütten. Die wichtigste Produktion lieferte indessen — der Tradition entsprechend — das österreichische Eisengewerbe. Wegen der mannigfachen Verbindung mit unmittelbaren fiskalischen Interessen suchte man Eisenverarbeitung und Eisenhandel einheitlich zu organisieren. Diesen Bestrebungen verdankte die Eisenobmannschaft zu Steyr (1584) ihre Gründung. Unter den ihr unterstellten eisenverarbeitenden Gewerben werden Messerer, Sensen-, Sichel-, Klingen- und Nagelschmiede genannt; aber auch Eisenhändler und Schiffleute, sowie die Versorgung mit H o l z und Proviant wurden von der Obmannschaft beaufsichtigt. Innerhalb der Eisengewerbe verloren die Messerer gegenüber den Sensenschmieden an Terrain, deren Erzeugnisse in ganz Europa wegen ihrer hervorragenden Q u a l i t ä t anerkannt waren. D a s Zentrum ihrer Produktion lag im oberösterreichischen Kremstal, um Kirchdorf und Micheldorf; nach ihrem Vorbild arbeiteten auch die anderen österreichischen Werkstätten mit Ausnahme der Tiroler und Kärntner. Einen guten Ruf erlangten ebenso die Büchsenmacher von Ferlach in Unterkärnten. Die wirtschaftliche Expansion und dementsprechend der Rohstoffbedarf des eisenverarbeitenden Gewerbes war bedeutend; der Eisenerzabbau konnte ihm kaum genügen. Der Eisenhandel florierte ebenso wie das Eisengewerbe bis nach 1600; die Kompagnie von Steyr (1581) bewährte sich aber nicht sonderlich. Während des Dreißig-

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jährigen Krieges kam es nach vorübergehender Rüstungskonjunktur zu einem schweren Rückschlag. Der europäische Handel begann seit Ende des Mittelalters zunehmend neue Wege zu benützen; diese Veränderungen waren für die österreichischen Länder keineswegs günstig, beeinträchtigten sie doch sowohl den Donau- wie den Alpenstraßenverkehr. Der Donauweg führte von Raab stromabwärts ins türkische Gebiet, in dem man Geleitbriefe benötigte und mit Risken zu rechnen hatte, denen sich die österreichischen und süddeutschen Kaufleute nicht ohne weiteres unterzogen. Die Städte und Märkte im türkischen Ungarn waren verarmt, ihr Warenbedürfnis ging zurück, der Südosthandel versprach also wenig Ertrag. Naturgemäß sollte auch eine Stärkung des türkischen Feindes durch Export kriegswichtiger Waren (Waffen und überhaupt Metallwaren) vermieden werden. Nicht zuletzt litt die Intensität des Donauhandels durch die allzustarke Erhöhung der landesfürstlichen Mauten, besonders zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Was die Einfuhr betraf, so hatte der ungarische Ochsentrieb für Österreich weiterhin wesentliche Bedeutung, auch die Getreideeinfuhr war zeitweilig recht hoch, ungarischen Wein ließ man dagegen nur in Jahren heimischer Mißernten zu. Erheblich war schließlich der Kupfertransport aus Oberungarn. Wenn der Handel auf der Donau und entlang der Uferstraßen nach Ungarn im 16. und 17. Jahrhundert, im ganzen gesehen, eher an merkantiler Bedeutung verloren haben dürfte, hatte der Wasserweg andererseits Wichtigkeit für Truppentransporte, die Kaiserlichen wie die Türken hielten auf dem Strom auch Kriegsfahrzeuge (Tschaiken); zeitweilig erhöhte der starke Armeebedarf den kaufmännischen Profit. Intensiver als das Ungarngeschäft war jedenfalls der Donauhandel mit Süddeutschland. Die traditionellen Güter bildeten weiterhin die Hauptkontingente: Einfuhr von Tuchen nach Österreich, Ausfuhr von Wein und Metallwaren. Die Einfuhr des bayerischen und salzburgischen Salzes in das österreichische Gebiet nördlich der Donau konnte durch Ausweitung der eigenen Produktion gestoppt werden. Innerhalb der Grenzen der habsburgischen Erbländer spielte der Holzhandel eine beträchtliche Rolle, so wurde Holz auf dem Donauweg aus Oberösterreich für den Bedarf der Stadt Wien verfrachtet. Wichtig war auch der oberösterreichische Leinwandhandel. Im späteren 16. Jahrhundert bahnte sich im Italienhandel über die Alpenstraßen, namentlich mit Venedig, eine recht bedenkliche Wendung an. Die Atlantikhäfen verdrängten die alten Küstenstädte des Mittelmeers allmählich von den führenden Positionen im Seeverkehr. Venedigs kommerzielle Bedeutung begann zurückzugehen. Ein Gutachten der Regierung der „oberösterreichischen" Länder Erzherzog Ferdinands weist bereits im Jahre 1561 auf diese Veränderung hin. Auch die süddeutschen Städte bekamen die Schwergewichtsverlagerung des europäischen Handels zu spüren. Immerhin war das venetianische Geschäft für die Händler aus Salzburg und Steyr noch bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts recht wichtig.

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R e f o r m a t i o n und G e g e n r e f o r m a t i o n

Auch die von der Entwicklung in Ungarn besonders stark betroffene Stadt Wien suchte sich in den Nordsüdhandel stärker einzuschalten. Die charakteristische, konservative, auf Ausschaltung einer betriebsameren Konkurrenz bedachte Haltung der Wiener Kaufmannschaft machte sich insoweit geltend, als man gewissermaßen als Ersatz für das seit 1515 durchbrochene Niederlagsrecht die Semmeringstraße für fremde Kaufleute sperren wollte. Maximilian II. kam diesen Bestrebungen 1573 durch eine entsprechende Verfügung nach. Als Export- und Transitartikel im Handel nach Süden werden besonders Metallwaren, Rinderhäute, Wachs und H a r z erwähnt; aus Venedig kamen dagegen Glas, ö l , Seife und italienischer Wein (Malvasier und Muskateller). Die Konkurrenz der Kaufleute der österreichischen Donauländer und der Tiroler mit den Salzburgern im Italienhandel führte zu Absperrmaßnahmen gegen die Salzburger durch Errichtung einer Maut zu Kremsbrücke am Fuße des Katschbergpasses. Dieser Mautkrieg sicherte dem Tiroler Brennerweg das Ubergewicht über die Salzburg—Kärntner Routen. Für die Handelsbeziehungen mit Böhmen und Mähren war die politische Verbindung mit diesen Ländern seit 1526 vorteilhaft, während sich andererseits die Verlagerung des nordosteuropäischen Handels in Richtung zu den Nord- und Ostseehäfen abträglich auswirkte. Zur Zeit Rudolfs II. dürfte die Verlegung der habsburgischen H o f haltung nach Prag die wirtschaftliche Bedeutung dieser Stadt gegenüber Wien und auch Linz gehoben haben. Nach Böhmen wurde Salz, Eisen und Wein exportiert, vom Norden kamen Erzeugnisse der böhmischen Glasindustrie, Tuche, ferner Produkte der nordosteuropäischen Länder, wie etwa Wachs oder Pelzwaren. Handel und Geldwirtschaft des österreichischen Raumes sind in dieser Epoche durch die starke Beteiligung auswärtigen Kapitals charakterisiert. In der Finanz- und Währungskrise zur Zeit Friedrichs I I I . hatte die österreichische Kaufmannschaft schwere Verluste erlitten. Seither mußte die Finanzkraft der Oberdeutschen herangezogen werden, wenn der H o f Geld benötigte. Schon die Politik Maximilians I. wäre ohne das Geld der Fugger nicht denkbar gewesen; erst recht gilt das für K a r l V. und Ferdinand I. Die großen Bargeldreserven der Oberdeutschen ermöglichten ihnen riskante Geldgeschäfte, zu denen eben auch Darlehen an die H o f k a m m e r gehörten, welche selten termingerecht zurückgezahlt wurden. Auch im Dienst der Kammer standen finanziell erfahrene Beamte. Tüchtige und redliche Finanzbeamte wie die Reichspfennigmeister Georg Ilsung von Tratzberg, ein Augsburger, und Zacharias Geizkofler, ein in Oberdeutschland tätiger Tiroler, verstanden es immer wieder, neue Geldquellen für den H o f und seine Behörden zu erschließen, wobei Geizkoflers Aufgabe zur Zeit Rudolfs II. besonders schwierig war. Die Oberdeutschen bemächtigten sich seit Ende des 15. Jahrhunderts der Bergwerke in den Alpen und Karpaten. Im Neusohler Kupferbergbau lösten

Das Wirtschaftsleben zur Zeit des „ F r ü h k a p i t a l i s m u s "

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süddeutsche Firmen von den Fuggern und Manlich bis zu den Paller und Weiß einander ab. Aber auch der weiträumige Uberlandhandel wurde von den fremden Kaufleuten beherrscht. Der Zusammenbruch zahlreicher Nürnberger und Augsburger Handelshäuser in der zweiten Hälfte des 16. J a h r hunderts verminderte allerdings den Einfluß der „Oberländer". Seither traten Salzburger Großkaufleute in den habsburgischen Ländern stärker hervor; in größerem Stile trieben auch Italiener und Niederländer Handel. Unter den ausländischen Hausierern finden wir verschiedenste Nationalitäten vertreten, Lombarden, Savoyarden, Schotten. Auch zahlreiche Bewohner der Alpenländer fanden als wandernde Kleinwarenhändler ihr Verdienst. Der Anteil der Juden am Handel begann nach den Rückschlägen des 15. J a h r hunderts wieder stärker zu werden, einzelne privilegierte Händler, aber auch Ärzte oder Gelehrte, erlangten gegenüber der Masse ihrer in unsicheren Verhältnissen lebenden Glaubensgenossen bedeutende Sonderrechte. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts erhöht sich der Anteil der Österreicher im Geldgeschäft und Großwarenhandel. Der Wiener Kaufmann und Ratsherr Lazarus Henckel (von Donnersmarck) — freilich ein eingewanderter Zipser aus Leutschau — schuf sich durch Tuch- und Holzhandel einen beträchtlichen Reichtum. Mit seinem Kompagnon M a x Rehlinger führte er das Neusohler W e r k zu neuer Blüte, während des Türkenkrieges Kaiser Rudolfs gewährte er dem H o f e bedeutende Anleihen. Auch adelige Grundherren fungierten als Geldgeber des Hauses Österreich. Als bedeutender Montanunternehmer machte sich der protestantische Tiroler Hans Stainperger verdient, der in Schladming und in der Eisenindustrie von Steyr, im Bergwesen Böhmens und des Salzkammergutes arbeitete. Im Jahre 1600 wurde er in Schladming im Zuge der gegenreformatorischen Maßnahmen der innerösterreichischen Regierung Erzherzog Ferdinands verhaftet und verlor sein Vermögen, leistete aber noch später dem Wiener Hofe im ungarischen Bergbau gute Dienste. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts gelang es, die Unterschiede zwischen den Währungen der Erblande, der ungarischen und böhmischen Länder zu verringern und allmählich abzugleichen; die technischen Einrichtungen der Münzprägung wurden verbessert. Die österreichische Talerwährung stützte sich auf hochwertige Silbermünzen, die allerdings vielfach ins Ausland abwanderten, von wo schlechteres Geld hereinkam. Während des Dreißigjährigen Krieges wurden auch in Österreich die minderwertigen „Kipper"Münzen geprägt, die in der „ C a l a d a " von 1623 zu einem Bruchteil ihres Nennwertes eingelöst werden mußten, da man sonst kein Mittel sah, der Inflation Herr zu werden. Erst allmählich gelang es, das Vertrauen der Bevölkerung, die etwa 87 Prozent ihres Bargeldbesitzes eingebüßt hatte, für die stabilisierte Währung zu gewinnen. Die Kipperzeit und die charakteristischen Begleiterscheinungen der Geldkrise, vor allem das hemmungslose Spekulantentum, blieben noch lange in düsterer Erinnerung.

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Reformation und Gegenreformation

Die Geisteskultur

des konfessionellen

Zeitalters

Das Erziehungswesen stand im 16. und im beginnenden 17. Jahrhundert in Österreich ganz im Zeichen der religiösen Auseinandersetzungen. Diese Feststellung gilt wohl weniger f ü r die deutschen Elementarschulen, als f ü r jene Anstalten, welche höhere Bildung vermitteln sollten. Die Zahl der deutschen und deutsch-lateinischen Schulen war bedeutend, wir finden sie in allen größeren und auch in manchen kleineren Ortschaften. Die Schulmeister der kleinen, wenig angesehenen „Winkelschulen" verfügten allerdings oft nur über mangelhafte Kenntnisse; ihr Stand war nicht sehr geachtet, die Besoldung unzureichend. Viele Lehrer waren daher zu allerlei Nebenverdiensten gezwungen. Es bedeutete einen großen Fortschritt, wenn die Landesregierung f ü r eine einheitliche Schulordnung sorgte, wie sie im Jahre 1586 Erzherzog Ferdinand in vorbildlicher Weise f ü r die deutschen Schulen Tirols verfügte. In den inner- und niederösterreichischen Ländern erhielten die meisten städtischen Schulen im Verlaufe des 16. Jahrhunderts einen ausgeprägt protestantischen Charakter. Die Wiener Bürgerschule zu St. Stephan blieb stets katholisch, doch gab es in der Stadt und in den Vorstädten protestantische, deutsche und lateinische Schulen. Audi im höheren Schulwesen finden wir die größere Aktivität zunächst auf protestantischer Seite, das Eingreifen der Jesuiten brachte aber audi im Erziehungswesen eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Große Bedeutung f ü r den Bildungsgang der jungen Adeligen hatten die ständischen Landschulen, die im 16. Jahrhundert errichtet wurden. Ihre Lehrpläne und Unterrichtsmethoden schlossen sich den pädagogischen Vorbildern an, die von Melanchthon, J a k o b Sturm und Valentin Trotzendorf in den evangelischen Schulen des Reiches geboten wurden. In Niederösterreich gab es ständische Schulen in Wien und H o r n , dann die hervorragende Schule in Loosdorf bei Melk. In diesen Anstalten lehrte man neben der Muttersprache und Latein auch Griechisch und Hebräisch. Im Lande ob der Enns gab es protestantische Schulen in einigen Städten und eine adelige Landschaftsschule, die 1574 von Enns ins Linzer Landhaus verlegt wurde. Diese Schule hatte ausgezeichnete Lehrer, so den Historiker und G r a m m a tiker Hieronymus Megiser, den schlesischen Dichter Georg Calaminus; audi kein geringerer als Johannes Kepler unterrichtete hier. Die Steirer brachten ihre Landschaftsschule im Eggenberger Stift in Graz unter (1574); David Chytraeus besorgte die Schulordnung. Eine andere ständische Schule gab es in Judenburg. In den sechziger Jahren errichtete man auch in Klagenfurt und Laibach Schulen f ü r den Nachwuchs des ständischen Adels und der Bürgerschaft. Auf katholischer Seite hatten die alten Klosterschulen audi im 16. Jahrhundert manchenorts tüchtige Leistungen zu verzeichnen. So nahm Mondsee damals einen besonderen Aufschwung, einen guten Ruf hatte auch das

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Nonnenkloster G ö ß als Schule steirischer Adelstöchter. Die zweifellos bedeutendsten Erfolge erzielten auf katholischer Seite aber die Jesuiten. Sie gründeten in den größeren Städten, in Wien, Innsbruck, G r a z und Linz G y m nasien, später übernahmen sie auch die protestantischen Schulen. Entscheidenden Einfluß erlangten sie schließlich auf die Universitäten. Die kurze humanistische Blüte der Wiener Universität hatte im G r u n d e schon mit dem Tode Maximilians I. ihr Ende gefunden, des Schutzherrn der neuen Richtung, die sich nur auf der Artistenfakultät voll durchzusetzen vermochte. Das Eindringen protestantischer Ideen, denen sich prominente Lehrer anschlossen, wie vor allem Joachim von W a t t (Vadianus), der Begründer der Literaturwissenschaft und spätere R e f o r m a t o r seiner H e i m a t stadt St. Gallen, f ü h r t e zu Spannungen zwischen den Theologen und den anderen Fakultäten; ein offener Anschluß der Universität an die neue Lehre w a r indessen nicht möglich. Die österreichischen Studenten verließen scharenweise Wien, um nach Wittenberg, Jena, Leipzig, Heidelberg oder Tübingen zu gehen; f ü r L a n d f r e m d e aber bot die Universität an der stets gefährdeten Türkengrenze erst recht wenig Anziehendes, so kamen nur wenige. U n t e r ihnen ist der Kronstädter Johannes H o n t e r u s (Groß) zu nennen, der später selbst in K r a k a u lehrte, geographische Werke publizierte und der R e f o r m a t o r seiner sächsischen Landsleute in Siebenbürgen wurde. Ferdinand I. unternahm an der Wiener Universität einige gutgemeinte Reformversuche, die schließlich zur „nova reformatio" (1554) f ü h r t e n , durch welche die Universität unter Einschränkung ihrer Autonomie zu einer staatlich streng überwachten, dem katholischen Glaubensgut verbundenen Lehranstalt wurde. Der landesfürstliche Superintendent w a r mehr noch als zu Maximilians Zeit die entscheidende Persönlichkeit in der Universitätsverwaltung. Wohl kamen nun wieder einige bedeutendere Gelehrte an die Hochschule, unter ihnen Niederländer und Italiener. Seit 1551 lehrten auch Jesuiten an der Universität, wie etwa Petrus Canisius, Lambert Auer und später Martin Becanus, doch wurde das 1554 gegründete Jesuitenkolleg bald zur gefährlichen, zeitweilig übermächtigen K o n k u r r e n z f ü r die ältere Schule. Im J a h r e 1593 betrug die H ö r e r z a h l am Kolleg etwa das Fünffache (1000 Studenten) der Universitätsfrequenz. Nach dem Regierungsantritt R u d o l f s II. verschwanden die meisten Protestanten aus dem Lehrkörper, die D o k t o r a n d e n mußten den römischkatholischen Glauben bekennen. Schließlich drangen die Jesuiten auch in den Lehrkörper der artistischen Fakultät ein und durch die „sanctio pragmatica" von 1623 wurde das, Jesuitenkolleg mit der Universität vereinigt. Tatsächlich haben sich die von den Jesuiten beherrschten Fakultäten (Theologen und Artisten) in der Folge besser entwickelt als die beiden anderen; der O r d e n verstand es, Lehrkräfte aus den verschiedensten Ländern Europas an seine Hochschulen zu bringen, der Lehrplan w a r nach der „ratio studiorum" zweckmäßig und systematisch aufgebaut. U n t e r den Ordenstheologen an der Wiener Universität hatten in der ersten H ä l f t e des 17. Jahrhunderts

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Reformation und Gegenreformation

besonders der Hebraist Scipio Scambata und der Patristiker Balthasar Cordier einen ausgezeichneten Ruf. Im Jahre 1585 wurde die Universität Graz als Jesuitenstiftung begründet. Auch diese Hochschule, die nur eine theologische und eine artistische Fakultät besaß, zog bedeutende Lehrer an, unter denen Peter Pazman und Wilhelm Lamormain später kirchenpolitisch stark hervortraten. Als prominente Mathematiker sind der Belgier Honorius Durand und der Schweizer Habakuk Guldin zu nennen; Guldin lehrte eine Zeitlang auch in Wien. Eine Gründung der Gegenreformation war auch die Universität Salzburg, die durch Zusammenarbeit der bayerischen und schwäbischen Benediktinerabteien ins Leben gerufen wurde (1617, Eröffnung 1623). Nach Erlangung der kaiserlichen und der päpstlichen Bestätigung nahm die Stiftung einen großen Aufschwung, wegen der beträchtlichen Hörerzahl hatte sie für die Stadt audi erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Den Ruf der Salzburger Hochschule begründeten Theologen und Juristen, während eine dauernde Einrichtung medizinischer Studien nicht gelang. Es wurde schon angedeutet, daß viele österreichische Studenten an auswärtige Hochschulen gingen. D a f ü r waren keineswegs nur konfessionelle Gesichtspunkte maßgeblich. Adelige Studenten pflegten im Rahmen einer „Kavalierstour" eben auch die berühmten Universitäten West- und Südeuropas zu besuchen. Dabei wählten die Protestanten allerdings in der Regel den Weg über die deutschen protestantischen Hochschulen, während die Katholiken in Ingolstadt, Prag oder Löwen inskribierten. Dann gingen die Anhänger beider Konfessionen nach Frankreich, vor allem an die Sorbonne, ferner nach Italien, wo viele Österreicher in Bologna oder Padua dem Rechtsstudium oblagen, gelegentlich wurden auch holländische und englische Hochschulen besucht. Die Kavalierstour sollte nicht nur dem Fachstudium, sondern vor allem audi der Erweiterung der Sprachkenntnisse und der Aneignung und Verfeinerung gesellschaftlicher Umgangsformen dienen. Wenn nun das Studium der Adelssöhne nicht allein und nicht einmal in erster Linie durch wissenschaftliche Motive bestimmt war, so beweisen uns die reichen Bestände der Adelsbibliotheken doch, daß Interesse für die Hauptwerke der Wissenschaft und Weltliteratur bestand; natürlich spielt auch hier wieder der konfessionelle Gesichtspunkt eine Rolle. Die bedeutendste humanistische Privatbibliothek Österreichs scheint allerdings dem Bischof von Wien, Johann Fabri, gehört zu haben; auch ein Großunternehmer wie der Tiroler Gewerke Hans Stainperger zählte 3000 Bände sein Eigen. Über die ansehnlichsten Bücherbestände Österreichs verfügte die Wiener Hofbibliothek; Kaiser Maximilian II. ließ zu ihrem planmäßigen Ausbau eine Bestandsaufnahme und Katalogisierung durch Hugo Blotius vornehmen. Auch Ferdinand von Tirol war ein großer Büchersammler. Das humanistische Schrifttum Österreichs ist keineswegs unbedeutend. Gelehrte lateinische Dichtung finden wir vertreten im Kreise der Schul-

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meister der ständischen Anstalten, dabei ist allerdings unverkennbar das auswärtige Element führend. Fruchtbare Schriftsteller waren der in Wien tätige Franke Paulus Melissus und der in Linz wirkende schlesische Dichter und Pädagoge Georg Calaminus, dann der am Eggenberger Stift lehrende Sachse Georg Osius. Urwüchsige Begabung verraten die lateinischen Gedichte des gebildeten, auch im diplomatischen Dienst tätigen Aristokraten Christoph von Schallenberg, eines Oberösterreichers aus dem Mühlviertel. Eine Generation später versuchte sich H a n s Ludwig von Kuefstein, der den Weg vom protestantischen Politiker zum Katholizismus fand, als Ubersetzer der spanischen Literatur. Auf katholischer Seite ist ferner unter den lateinischen Poeten der Krainer Thomas Chrön zu erwähnen, später als Bischof von Laibach einer der bedeutendsten Vertreter der katholischen Reform. N u r gelegentlich wurde das Monopol des Latein für das wissenschaftliche Schrifttum unterbrochen, so durch die deutsch verfaßte Logik des Salzburgers Ortolf Fuchsberger, der in Mondsee lehrte (1534). In der Zeit des Glaubensstreites blühte auch Dichtung und Übung religiöser Erbauungs- oder Kampflieder, deren Verfasser nicht immer bekannt sind. Von Süddeutschland befruchtet war die Meisterdichtung unter den protestantischen Handwerkern der oberösterreichischen Städte. In Steyr gab es eine Meistersingerschule; der bedeutendste Meister, Paul Freudeniediner, wirkte vor allem in Wels und Eferding; aus seinen Liedern spricht bisweilen recht deutlich die Abneigung des überzeugten Lutheraners gegen Calvinismus und Katholizismus. Im Dreißigjährigen Krieg ist dann der Meistergesang überall erloschen. Ein gebürtiger Niederösterreicher war der Neuschöpfer des kunstvollen deutschen Bühnendramas, Paul Rebhuhn, der vermutlich aus Waidhofen an der Ybbs nach Sachsen kam, wo er im protestantischen Schul- und Pfarrdienst wirkte ( t 1546). Als Dramatiker versuchte sich auch der Wiener Schottenschulmeister Wolfgang Schmeltzl, ein zugewanderter Pfälzer. Am besten gelang ihm aber der gereimte Lobspruch auf Wien, in dem er den behaglidien Lebensstil seiner Wahlheimat rühmte. Ein sehr fruchtbarer Schriftsteller war schließlich der gelehrte Schottenorganist Johann Rasch, der sich kritisch mit den Schwächen seiner Zeit, etwa Astrologie und Pseudoprophetismus auseinandersetzte und im „Weinbuch" ein Lehrgedicht über den niederösterreichischen Weinbau schuf. In den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg besuchten gelegentlich englische Schauspielergruppen Österreich, sie traten auch vor dem H o f e auf. Besondere Bedeutung für die Entwicklung der Bühnenkunst gewannen dann die Jesuiten, die Aufführungen lateinischer Schulstücke klassischer oder zeitgenössischer Autoren veranstalteten, aber auch Stücke wählten, von denen sie sich eine Wirkung auf weitere Kreise versprachen. Aus der Jesuitenbühne wurde schließlich eine Art Wiener Hoftheater. Audi an der erzbischöflichen Residenz zu Salzburg und an der Benediktineruniversität pflegte man das geistliche Schauspiel.

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Reformation und Gegenreformation

Die österreichische Geschiehtsschreibung des 16. Jahrhunderts brachte einige wichtige Leistungen hervor. Ein wesentliches Verdienst erwarb sie sich durch das lebhafte Interesse an der eigenen Landesgeschichte, die mit schärferer Kritik als bisher betrieben wurde. Die adeligen Stände förderten diese Historiographie, der Hof unterstützte besonders genealogisch-dynastisch gerichtete Arbeiten. Cuspinian schuf schon 1527 in der „Austria" eine allerdings fragmentarisch gebliebene Landesbeschreibung Österreichs. Der Wiener Arzt Wolfgang Lazius gab seiner Heimatstadt in der 1546 erstmalig gedruckten „Vienna Austriae" eine Stadtgeschichte mit manchen sonst nicht überlieferten, oft nur mangelhaft beglaubigten Nachrichten. Andere Werke dieses Verfassers waren der Völkerwanderung und der Habsburgergenealogie gewidmet. Sein Plan einer umfangreichen Geschichte Österreichs blieb in den Vorarbeiten stecken, von denen eine Sammlung von Landkarten Österreichs am wichtigsten ist. Der Wiener Universitätsprofessor Ursinus Velius, der dem Hause Österreich auch als Prinzenerzieher diente, verfaßte ein Werk „De hello Pannonico" über die ersten Jahre des Türkenkampfes Ferdinands I. Die humanistische Gelehrsamkeit förderte auch die Kenntnis fremder, entlegener Länder. Siegmund von Herberstein, ein gelehrter, weltkundiger Diplomat, lernte im Dienst der Habsburger Rußland kennen, von dem er in seiner „Moscovia" (1549) die erste wissenschaftliche Landesbeschreibung gab, andere Reisen führten ihn nach West- und Südeuropa. Herbersteins Selbstbiographie und eine Familiengeschichte zeugen von der vornehm-weltmännischen Art dieses innerösterreichischen Aristokraten. Auch andere österreichische Adelige wurden vom Geist des Zeitalters der Entdeckungen erfaßt. Im Jahre 1588 reiste Georg Christoph Fernberger von Eggenberg in die arabischen Länder und über Vorder- und Hinterindien bis Südchina; sein Gefährte Christoph von Teufel, dessen Bericht über die abenteuerliche Reise erhalten ist, wandte sich nach Persien und Armenien. Kaiserliche Gesandte vermittelten ein besseres Wissen über die Türkei, durch Ankauf und türkische Geschenke erwarben sie zahlreiche orientalische Handschriften für die Hofbibliothek. Einer dieser Diplomaten, der flandrische Edelmann Ogier Ghiselain de Busbeck, der viele Jahre am Wiener Hof verbrachte, gab in seinen „Vier Briefen aus der Türkei" (1555—1562) ein farbenreiches Kulturbild der östlichen Großmacht; er brachte die Tulpe, Hyazinthe und den Flieder ins Abendland, zeichnete Proben der Sprache der Krimgoten auf und entdeckte das Monumentum Ancyranum des Augustus, die „Königin der Inschriften", in Ankara für die europäische Wissenschaft. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts waren adelige, zumeist protestantische Historiker im Auftrag der österreichischen Stände tätig. Reichart Streun von Schwarzenau verfaßte große Werke über die Genealogie der Herrengeschlechter, über Landesgeschichte und Landrecht, doch gelangten sie nicht zum Druck. Ein anderer Niederösterreicher, der Freiherr Job H a r t -

Die Geisteskultur des konfessionellen Zeitalters

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mann Enenkel, ergänzte Streuns genealogische Sammlungen und plante eine Ausgabe österreichischer Geschichtsschreiber. Von dieser Edition erschien nur das Fürstenbuch seines Namensvetters Jans Enenkel, das von dem in Österreich wirkenden Schwaben Hieronymus Megiser herausgegeben wurde. Megiser trat auch als Linguist, Genealoge und Pädagoge hervor, von ihm stammte unter anderem eine türkische Grammatik. Die bedeutendste Leistung der Epoche auf dem Gebiet der österreichischen Stadtgeschichte schuf der Historiker von Steyr, Valentin Preuenhuber, in seinen 1625—1630 verfaßten Annales Styrenses. Der Konvertit Franz Christoph Khevenhüller gab in seinen „Annales Ferdinandei" die offizielle österreichische Version des politischen und konfessionellen Ringens unter Ferdinand II. Der fleißige Kompilator Matthias Burgklehner, ein Tiroler, der im Dienste der Landesregierung stand, verfaßte in dem mit einer zwölfblättrigen Karte und schönen heraldischen Darstellungen ausgestatteten Ehrenwerk „Tirolischer Adler" die Landesgeschichte seiner Heimat. Mark Sittich von Wolkenstein schuf in 14 leider nur zum Teil erhaltenen Bänden eine prächtige Landesbeschreibung Südtirols. Dem aus Trient stammenden Leibarzt Erzherzog Ferdinands von Tirol, Hippolyt Guarinoni, verdanken wir medizinische, kulturgeschichtliche und erbauliche Schriften; beim Bau der Kirche von Volders bewährte er sich als origineller Architekt. Ein anderer Hofmann Erzherzog Ferdinands, der Holländer Gerard van Roo, reinigte in seinen erst postum (1592) erschienenen „Annales" die Habsburgergenealogie von manchen Legenden. Die österreichischen Zentren wissenschaftlicher Arbeit blieben von dem Aufschwung der Naturwissenschaften im 16. und 17. Jahrhundert nicht unberührt. Es sind freilich vor allem ausländische Gelehrte von hohem Rang, die vom Hofe oder von den Ständen ins Land gerufen, hier bedeutende Leistungen hervorbrachten. Das gilt insbesondere für die Astronomie. Der berühmte Tycho de Brahe verbrachte seine letzten Lebensjahre am Prager Hof Rudolfs II.; enger ist das Werk Johannes Keplers mit Österreich verknüpft. Nach mehrjähriger Tätigkeit in Graz, wo er seine erste Ehe Schloß, dann in Prag, beriefen ihn die Stände 1612 als „Landschaftsmathematiker" nach Linz, hier heiratete er nach dem Tode der ersten Frau eine Oberösterreicherin und fand er das dritte seiner Gesetze über die Umlaufbahnen der Planeten. Im Jahre 1619 veröffentlichte er sein astronomisches Hauptwerk, die „Harmonie der Welt". Vor der Gegenreformation wich Kepler 1627 aus Oberösterreich, nach kurzem zweiten Aufenthalt in Prag wirkte er in Schlesien unter dem Schutze Wallensteins, wurde aber schlecht bezahlt und starb schließlich in Regensburg, wohin er sich zu einer Vorsprache am Fürstentag begeben hatte (1630). Der konfessionelle Kampf hatte auch in der wissenschaftlichen Forschung unheilvolle Konsequenzen; Errungenschaften des gegnerischen Lagers wurden mißtrauisch aufgenommen. So lehnten die protestantischen Stände Innerösterreichs die notwendige und zweckmäßige 16

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Reformation und Gegenreformation

gregorianische Kalenderreform schon deswegen ab, weil sie vom Papst ausging; nichtsdestoweniger gelangte sie in den kaiserlichen Ländern zur Durchführung (1583). Breiteren Widerhall als die nüchterne astronomische Forschung fanden astrologische Lehren, auch ernste Gelehrte entzogen sich nicht den Wünschen ihrer Umgebung nach astrologischen Deutungen. Viele wissenschaftliche Entdeckungen der Epoche vollzogen sich im Halbdunkel der Tätigkeit der Alchimisten, die nach Möglichkeiten zur künstlichen Herstellung der Edelmetalle suchten, es gab unter diesen Leuten manche abenteuerliche Naturen und selbst Schwindler. Nicht wenige Alchimisten zog es an den Hof Rudolfs II. nach Prag, auch Erzherzog Maximilian der „Deutschmeister" hatte für Goldmacherei, Schatzsuche und Geisterbeschwörung viel übrig. Nüchterner waren im allgemeinen die naturwissenschaftlichen Interessen Maximilians II., doch befaßte er sich auch mit mechanischen Spielereien, sowie mit exotischen Tieren und Pflanzen. Er berief den bahnbrechenden Botaniker Charles de l'Ecluse (Clusius) aus Arras an den Wiener Hof. Clusius führte die Roßkastanie in Österreich ein, die aus den großen Gärten Wiens seither nicht wegzudenken ist. Als Protestant verließ er nach dem Tode seines kaiserlichen Gönners Österreich, veröffentlichte aber 1583 in Antwerpen ein grundlegendes Werk über die Flora Österreichs und Ungarns. Vielfach mit Österreich verknüpft war das unstete Leben des bedeutendsten und zugleich umstrittensten der deutschen Ärzte des 16. Jahrhunderts, des Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus. Dieser kam schon als Kind von neun Jahren mit seinem aus schwäbischem Adel stammenden Vater nach Kärnten in die Stadt Villach. Hier erhielt er Einblick in das ärztliche Schaffen des Vaters und in den Bergwerksorten der Ostalpen machte er sich mit der Chemie vertraut, deren Erkenntnisse er als erster planmäßig der Medizin nutzbar machte. Dem Lande Kärnten widmete er eine kurzgefaßte Chronik. Paracelsus hielt es freilich nirgends länger an einem Ort, auch in Basel nicht, wo er Universitätsvorlesungen in deutscher Sprache hielt und seine Fachkollegen heftig angriff. Für die Erkenntnis der Berufskrankheiten und die Behandlung der Wundinfektion, für die Heilung der Syphilis und für die Entwicklung der Chirurgie waren seine Lehren von größter Bedeutung, die Zeitgenossen aber konnten ihm nicht gerecht werden. Salzburg, Innsbruck, Meran, Wien und Klagenfurt waren weitere Stationen seiner Lebensreise, in Salzburg ist er 1541 gestorben. Ein Naturforscher, namentlich Botaniker, von Rang war auch der Leibarzt Ferdinands I., Pietro Andrea Mattioli, während der H o f a r z t Maximilians II., der Schlesier Johann Krafft (Crato), ein theologisch und humanistisch hochgebildeter Lutheraner, schon wegen seiner Tätigkeit zugunsten einer Versöhnung der Konfessionen im Sinne der Politik seines Herren Erwähnung verdient, bei dem er wiederholt auch für protestantische Anliegen eintrat.

D i e G e i s t e s k u l t u r des k o n f e s s i o n e l l e n Z e i t a l t e r s

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Die Kunst des 16. J a h r h u n d e r t s steht in E u r o p a im Zeichen der Baugedanken und Stilformen der Renaissance. Die neue Richtung k a m aus Italien in die österreichischen Länder, ebenso wie später der Frühbarock, der nach 1600 die Renaissance ablösen sollte. Die Ideen der Renaissancekunst setzten sich in Österreich erst allmählich und verhältnismäßig spät durch, man h a t die Abneigung einheimischer Baumeister gegen den fremden Stil und ihre Rivalität mit den Italienern d a f ü r geltend gemacht; die unsichere Lage im Osten des durch die Türken gefährdeten österreichischen Raumes setzte namentlich der E n t f a l t u n g der Architektur Grenzen, der konfessionelle Zwist lähmte den Kirchenbau. Man hat auch die gotischen Formen nicht so leicht aufgegeben, wenngleich Österreich f ü r das Nachleben der Gotik weniger eindrucksvolle Zeugnisse besitzt als etwa England, Frankreich oder Böhmen. Spätgotische Stilformen weist noch die Innsbrucker H o f k i r c h e auf, dasselbe gilt f ü r den K l a g e n f u r t e r D o m . Bald nach 1600 schuf der Linzer H i o b Eder die Pfarrkirche von Waldhausen ganz in gotischer Baugesinnung; die Rückkehr zum alten Stil sollte offenbar in einigen Bauten der Gegenreformation den Erfolg der alten Kirche symbolisieren. Die Protestanten errichteten in ihrer nie ganz gesicherten Position nur wenige neue Gotteshäuser; Beachtung verdient die später barockisierte Kirche von Loosdorf, welche H a n s Wilhelm von Losenstein 1587 erbauen ließ. Die Renaissanceprofanbauten des 16. J a h r h u n d e r t s sind keineswegs unbedeutend. In der inneren Stadt Wien erinnern Schweizer Tor, Amalient r a k t und Stallburg an die Ausgestaltung der kaiserlichen Burg in dieser Zeit. Das Lustschloß Maximilians II. „auf der H e i d e " vor Wien („Neugebäude"), von dem Baureste bei der Anlage des Wiener Krematoriums benützt wurden, sollte auch der Unterbringung der kaiserlichen Sammlungen dienen. Dieses italienischen und französischen Vorbildern folgende Bauwerk w a r schon im 17. J a h r h u n d e r t arg verfallen. Ein etwas freundlicheres Schicksal hatte Schloß Ambras bei Innsbruck mit dem prunkvollen Spanischen Saal, ein Bau Ferdinands von Tirol. Als Repräsentationsbauten der Ständemacht entstanden die Landhäuser in Wien, G r a z und Linz. U n t e r den arkadengeschmückten Adelsschlössern der Zeit sind die Rosenburg und die Schallaburg in Niederösterreich, ferner Schloß Porcia in Spittal an der D r a u besonders hervorzuheben. Ältere Burganlagen wurden ebenso wie die Stadtfortifikationen in der neuen italienischen Manier ausgebaut und befestigt. Im 16. J a h r h u n d e r t erhielten Hochosterwitz und Landskron ihre Bastionen und Torbauten, um die Mitte des 17. J a h r h u n d e r t s wurden im türkenbedrohten G r e n z r a u m die Riegersburg und Forchtenstein großzügig neugestaltet und verstärkt. U m 1600 erstanden die ersten bedeutenden Bauten des österreichischen Frühbarock, fast durchweg von Italienern errichtet. Hauptschauplatz ihrer Tätigkeit w a r zunächst Salzburg, wo sie vom Kunstverständnis und dem großzügigen Mäzenatentum selbstbewußter Kirchenfürsten, eines Wolf Dietrich, Marcus Sitticus und Paris Lodron angezogen wurden. Santino Solari ιβ·

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Reformation und Gegenreformation

erbaute, nachdem ein Vorhaben Vincenzo Scamozzis steckengeblieben war, den großräumigen neuen Salzburger Dom; auf Solari geht auch das anmutige Lustschloß Hellbrunn mit seinen in jener Zeit sehr beliebten "Wasserkünsten zurück. Ein anderes Zentrum frühbarocker Bautätigkeit bildete die innerösterreichische Residenzstadt Graz, wo Pietro de Pomis als Architekt, Plastiker, Maler und Medailleur eine vielseitige Wirksamkeit entfaltete. Die Jesuiten errichteten in Wien und Innsbruck große Ordenskirchen, darüber hinaus hat ihre Mutterkirche U Gesu, wo der Ordensgründer Ignatius von Loyola sein Grab gefunden hatte, dem neuen Stil auch nördlich der Alpen ein bestimmendes Vorbild gegeben. In den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts betätigte sich eine Reihe italienischer Architekten beim barocken Neubau der Wiener Schottenkirche; die hier genannten Namen Allio und Carlone begegnen mit anderen Vertretern der beiden fruchtbarsten in Österreich tätigen italienischen Künstlerfamilien bei zahlreichen Schöpfungen der Barockepoche. Höchst bemerkenswert sind die großartigen Leistungen der monumentalen Grabplastik um die Wende des 16. Jahrhunderts, in Seckau (Grabmal Karls I I . und Marias von Innerösterreich), in Innsbruck (Grabkapelle Ferdinands und der Philippine Welser) und Graz (Mausoleum Ferdinands I I . ) . Weniger bedeutend war die Malerei, am wichtigsten noch — aus dem Spätmittelalter in unsere Epoche ragend — die Werke des Donaustiles; zu nennen sind hier der auch als Baumeister schon unter Maximilian tätige Tiroler J ö r g Kölderer und der in die Zukunft weisende Vorarlberger W o l f Huber. Der H o f m a l e r Ferdinands I., J a k o b Seisenegger, wohl ein Niederösterreicher, wirkte als fleißiger Porträtist. Die wichtigsten Leistungen des Kunstgewerbes stammen aus den H o f werkstätten, in denen zahlreiche in- und ausländische Meister besonders mit Goldschmiedearbeiten und mit dem Steinschnitt beschäftigt waren, auch die Harnischkunst brachte noch gute Leistungen hervor. Die Sammlungen des Hauses Österreich erhielten in der Zeit von Ferdinand I. bis Ferdinand I I I einige ihrer wertvollsten Bestände. Die Richtung der Ankäufe und Anfertigungen wechselte nach Geschmack und Geldmitteln der Herrscher. Ferdinand I., der seine Schätze in den zeitgemäßen Formen der „Kunst- und Wunderkammer" aufbewahrte und auf den das Münzkabinett zurückgeht, interessierte sich insbesondere für Medaillen. Am innerösterreichischen H o f e Karls und Ferdinands I I . wurde die Baukunst bevorzugt, doch liebte Karl auch Tapisserien. Ferdinand von Tirol, einer der verständigsten Kunstfreunde, war für die Werke der Plattnerei, der damals eine großartige Spätblüte beschieden war und für die Porträtmalerei besonders empfänglich; in Schloß Ambras legte er eine bedeutende Kunstsammlung an. Der „Deutschmeister" Erzherzog Maximilian hatte landesgeschichtliches Interesse, er ließ in Carnuntum graben und ihm verdankt Klosterneuburg den Erzherzogshut und die wertvolle Büste Leopolds I I I . Kaiser Rudolf I I . endlich bevorzugte besonders das Kunstgewerbe, für ihn wurde die wertvolle habsburgische

D i e G e i s t e s k u l t u r des konfessionellen Z e i t a l t e r s

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H a u s k r o n e angefertigt. Plastiker, Maler, Steinschneider, Goldschmiede, U h r macher, Medailleure befanden sich in großer Zahl unter seinem H o f p e r s o n a l . Die Plünderung seiner Sammlungen durch Bayern, Sachsen und Schweden und die dadurch hervorgerufenen Verluste erschwerten lange Zeit das Urteil über die Bedeutung des Herrschers als Kenner und Mäzen, heute ist sie anerkannt. Seit Kaiser Matthias w u r d e der T y p der „Kunst- und W u n d e r k a m m e r " durch den des nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten angeordneten Barockkabinettes abgelöst; der politisch so wenig erfolgreiche Fürst gab den Sammlungen seines Hauses eine durchaus zweckmäßige Organisation. Die unter Ferdinand I. neu konstituierte H o f k a p e l l e bildete das wichtigste Zentrum der Musikpflege, daneben hatte Salzburg, w o 1617 die erste italienische O p e r a u f g e f ü h r t wurde, größere Bedeutung. Bis um die Mitte des 16. J a h r h u n d e r t s überwogen am Wiener H o f e die einheimischen Musiker, dann folgte eine Zeit der Vorherrschaft der Niederländer, die seit 1580 in zunehmendem M a ß e von den Italienern abgelöst wurden. Daneben pflegte man die musikalische Lokaltradition, deren Schöpfungen in Lautenbüchern und Quodlibetsammlungen festgehalten sind. Im G r u n d e bestätigt die Musik den Eindruck, welchen die bildende Kunst der Zeit bietet: Bedeutende Leistungen, die m a n gewiß keinesfalls wird missen wollen und die aus Österreichs künstlerischer Tradition auch gar nicht fortzudenken sind, andererseits aber doch das Phänomen der Überwältigung der durch den Glaubensstreit geschwächten eigenen schöpferischen K r ä f t e Österreichs durch das romanische, vor allem italienische und wallonische Element. Wissenschaft und Literatur vervollständigen das Bild einer Epoche, in der Österreich in geistiger Hinsicht, im ganzen gesehen, mehr empfangen als gegeben hat.

VII. ÖSTERREICHS AUFSTIEG ZUR (1648—1740)

Wiederaufbau

und Zweifrontenkampf

GROSSMACHT

gegen Türken

und

Franzosen

Nach Beendigung des dreißigjährigen Ringens galt es zunächst, die schweren Verluste zu ersetzen, die der Krieg auch den österreichischen Ländern zugefügt hatte; so ging man außenpolitischen Verwicklungen aus dem Wege und verlängerte den bestehenden Vertrag mit der Türkei. In den neun letzten Regierungsjahren der Regierung Ferdinands I I I . herrschte also Frieden. Es bedeutete für den Kaiser einen Erfolg, als es ihm gelang, nach längeren Verhandlungen auf dem Regensburger Reichstag die Wahl seines Sohnes gleichen Namens zum römisch-deutschen König durchzusetzen (Ferdinand I V . ) , doch starb der Erwählte ein J a h r später an den Blattern. Ungünstig wirkte sich auch aus, daß nach dem Tode des Grafen Trauttmansdorff (1650) dem Wiener H o f kein hervorragender Staatsmann mehr zur Verfügung stand; am bedeutendsten war noch der Reichsvizekanzler G r a f Ferdinand Kurz. Mehr Einfluß besaß der Obersthofmeister Johann Weikhard G r a f Auersperg, der sich indessen dem starken französischen Einfluß allzu zugänglich zeigte und im übrigen vor allem auf die eigene Karriere bedacht war. D e r Präsident des Hofkriegsrates, Wenzel Eusebius Fürst Lobkowitz und der Hofkammerpräsident Ludwig Georg G r a f Sinzendorf standen zunächst noch in der zweiten Reihe. In Tirol war es inzwischen zur Tragödie eines durchaus pflichtbewußten Staatsdieners gekommen. Der führende Beamte der Tiroler Linie der Habsburger, Kanzler Wilhelm Biener, der der Erzherzogin Claudia ( 1 6 3 2 — 1 6 4 6 ) und deren Sohn Ferdinand K a r l treu gedient und zum Ausbau der landesfürstlichen Stellung gegen ständische Widerstände wesentlich beigetragen hatte, fiel persönlicher Feindschaft zum Opfer; er wurde nach einem rechtswidrigen Verfahren ohne zureichende Gründe zum Tode verurteilt und in Rattenberg hingerichtet (1651). Nach dem Tode des älteren Kaisersohnes Ferdinand (1654) galt dessen ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmter und erzogener Bruder Leopold als Thronerbe. In Österreich, dem sich Böhmen anschloß, wurde er anstandslos anerkannt, bald folgte auch die Wahl zum König von Ungarn; im Reich aber konnte man gegen den Widerstand der durch Kardinal Mazarin geleiteten französischen Politik zunächst nicht durchdringen. Deshalb und wegen des bedrohlichen Vordringens schwedischer Truppen in Polen befand man sich beim Ableben Kaiser Ferdinands I I I . (2. April 1657) in einer recht kritischen Situation.

Wiederaufbau und Z w e i f r o n t e n k a m p f gegen Türken und Franzosen

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Die französische Diplomatie konnte die Wahl Leopolds zum Kaiser indessen nur hinausschieben, nicht verhindern. Kardinal Mazarin dachte an den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria als Gegenkandidaten, doch der Wittelsbacher lehnte ab; der Versuch, die deutschen Fürsten für die Wahl Ludwigs XIV. zu gewinnen, war von Anfang an aussichtslos. Als es dem Wiener Hof gelang, Brandenburg zur Unterstützung der Kandidatur Leopolds zu veranlassen, war die Entscheidung gefallen. Leopold wurde am 18. Juli 1658 gewählt; er hatte sich zuvor allerdings eine von Mazarin propagierte Wahlkapitulation gefallen lassen müssen, die ihm die Unterstützung Spaniens in dem noch andauernden Krieg mit Frankreich untersagte. Die dem französischen König immerhin auferlegte „Reziprozitätsklausel", welche Kaiser und Reich gegen Aktionen des westlichen Nachbarn sichern sollte, hatte demgegenüber geringere Bedeutung, da gerade zur gleichen Zeit westdeutsche Fürsten unter dem Erzbischof Johann Philipp von Mainz sich zum „Rheinbund" zusammenschlossen, der stark zu Frankreich tendierte: Die Rheinbundfürsten dürften die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtes zwischen Habsburg und Bourbon angestrebt haben, dabei überschätzten sie aber sichtlich ihre eigenen Möglichkeiten. Die drohende Macht Frankreichs, das im Pyrenäenfrieden (1659) zu einem erfolgreichen Abschluß des langwierigen Krieges mit Spanien gelangte, — die Heirat Ludwigs X I V . mit der spanischen Infantin Maria Theresia sollte den Frieden besiegeln — wirkte sich auch bei der Liquidierung des schwedisch-polnischen Krieges aus, in den Österreich im Jahre 1658 eingegriffen hatte. Nach der Thronentsagung der Tochter Gustav Adolfs, Königin Christine von Schweden (1654), die wenig später in der Innsbrudker Hofkirche ihren Übertritt zum Katholizismus vollzog, bestieg Pfalzgraf Karl Gustav von Zweibrücken den Thron der nordischen Großmacht. Er benützte die Proteste des aus der alten schwedischen Dynastie stammenden Königs Johann Kasimir von Polen gegen die Regelung der schwedischen Thronfolge zu einem Angriff auf den polnischen Staat, der gleichzeitig gegen den Zaren und die aufständischen ukrainischen Kosaken kämpfen mußte. Im Sommer und Herbst des Jahres 1655 vermochte die schwedische Armee in schnellem Siegeslauf große Teile Polens zu erobern, im folgenden Jahre überwand Karl Gustav einen Rückschlag mit brandenburgischer Hilfe. Audi der Fürst von Siebenbürgen, Georg II. Räkoczi, Schloß sich den Schweden an. Der drohende Niederbruch Polens bedeutete für Österreich eine gewaltige Gefahr und der kaiserliche Gesandte in den nordischen Ländern Franz Freiherr von Lisola drängte auf eine Intervention; ihm gelang es auch, Brandenburg auf die Seite des Kaisers zu ziehen. Karl Gustav hatte inzwischen Dänemark angegriffen und auf dem neuen Kriegsschauplatz große Erfolge erzielt. Kaiserliche Truppen unter Melchior von Hatzfeld und Montecuccoli drangen jetzt aber in Polen nach Norden vor und griffen dann die schwedischen Positionen in Pommern und Jutland an; die Unterstützung durch eine holländische

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Flotte gestattete auch Vorstöße auf die dänischen Inseln. Indessen hatte Frankreich durch den Pyrenäenfrieden freie H a n d gewonnen, sein Einfluß entschied in Polen und Holland für den Frieden, der Kaiser und Brandenburg mußten den Verhandlungen beitreten. Am 3. Mai 1660 wurde der Frieden von Oliva unterzeichnet, der Schweden den Gewinn Schonens und damit einen Anteil an der Kontrolle des Sundes, ferner Brandenburg die Souveränität über Preußen (seit dem Vertrag von Wehlau) bestätigte, während Österreich auf jeden Landgewinn verzichten mußte, aber doch eine weitere Ausbreitung Schwedens in Norddeutschland verhindert hatte. In Polen gewann in den nächsten Jahren freilich der französische Einfluß das Ubergewicht. Der so problematische Friede an der Türkengrenze hatte Österreich während des Dreißigjährigen Krieges immerhin Rückenfreiheit gewährt. Die unruhige Politik Georgs II. Rakoczi rief aber die Osmanen erneut auf den Plan, die an seine Stelle als Fürst von Siebenbürgen ihren Strohmann Achaz Barcsai zu bringen trachteten. Barcsai konnte sich nicht durchsetzen, aber Rakoczi unterlag bei Klausenburg im Mai 1660 einem weit überlegenen türkischen Heer und starb kurz nach der Schlacht an seinen Wunden. So unfreundlich zumeist die Stellung der Fürsten Siebenbürgens gegen die kaiserliche Politik gewesen war, eine völlige Unterwerfung des Landes durch die Pforte konnte man nicht zulassen. Ein kaiserliches Heer unter Montecuccoli half Johann Kemeny, einem früheren Feldherrn Rak0czis, der sidi jetzt um das Fürstentum bewarb, während die Türkei einen anderen Prätendenten, Michael Apafi, unterstützte. Als sich Montecuccoli aus dem ausgesogenen Land zurückzog und Kemeny bei Schäßburg gegen Apafi fiel, schien der Kampf um Siebenbürgen entschieden. Zwischen dem Wiener Hof und der Pforte wurden Verhandlungen geführt, die einen schleppenden Verlauf nahmen. Wegen der Angst vor Schweden und Franzosen hätte man österreichisdierseits gerne den Frieden aufrechterhalten, aber die Türken begannen — verärgert über die hinhaltende Verhandlungstaktik der kaiserlichen Diplomatie — im Frühjahr 1663 den Angriff. Mit der Eroberung der Festung Neuhäusel errangen sie Ende September einen bedeutenderen Erfolg. N u n mehr sammelten sich auch die kaiserlichen Streitkräfte, unterstützt von ungarischen Aufgeboten unter dem Feldherrn und Dichter Nikolaus Zrinyi sowie von Zuzug aus dem Reich, darunter stärkeren brandenburgischen und sächsischen Einheiten. Der Rheinbund stellte ebenfalls Truppen und dieses eine Mal schickte auch Frankreich — im Gegensatz zu seiner traditionellen Türkenpolitik — ein Korps von etwa 6000 Mann; es erhoffte sich davon eine weitere Hebung seines Ansehens und Einflusses im Reich. Den Operationen der wenig einigen Verbündeten fehlte zunächst ein großer Zug. Die N o r d armee unter De Souches brachte wohl den Türken bei Leva eine schwere Niederlage bei, andererseits wurde im Süden die von Zrinyi errichtete Festung Serinvar aufgegeben. Am 1. August 1664 errang aber Montecuccoli durch einen Angriff auf das im Übergang über die Raab befindliche türkische

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Heer bei Mogersdorf, nördlich von Sankt Gotthard, einen bedeutenden Erfolg. Der Kampfausgang bewog den Großvezir Achmed Köprülü zur Aufnahme von Friedensverhandlungen, die schon am 10. August zum Abschluß des Friedens von Vasvar (Eisenburg) führten, dessen Bedingungen dem Schlachtensieg allerdings nicht entsprachen. Der türkische Vasall Apafi blieb Herr von Siebenbürgen, man leistete sogar wieder ein „Ehrengeschenk" von 200.000 Talern und überließ den Türken Großwardein und Neuhäusel. Die allgemeine Lage Österreichs war eben — da französische Truppen im Reich standen und in Polen eine neue Krise drohte — recht ungemütlich, so schien der Friedensschluß mit der Pforte eine Atempause und — ebenso wie jener von Zsitva Torok — Rückenfreiheit zu bieten. Graf Walter Leslie, der neue österreichische Gesandte in der Türkei, hielt wohl das Osmanische Reich nur mehr für ein Schattenbild früherer Größe; in einigen Jahren sollte sich aber zeigen, daß von ihm noch große Gefahr drohen konnte. Eines Ereignisses jener Zeit muß hier kurz gedacht werden, obwohl es uns in ganz andere Zusammenhänge führt. Im Jahre nach dem Frieden von Vasvar erlosch die Tiroler Linie der Habsburger mit Erzherzog Sigmund Franz (1662—1665), dem jüngeren Bruder und Nachfolger von Erzherzog Ferdinand Karl (1646—1662) als Landesfürst von Tirol. Während Ferdinand Karls Regierung wegen seiner allzu prunkvollen Hofhaltung dem Lande viele Lasten aufbürdete, führte sich Sigmund Franz als haushälterischer, tüchtiger Fürst ein. Gleich seinem Vater Leopold V. beim Regierungsantritt im Besitz geistlicher Ämter und Pfründen, wollte audi Sigmund Franz sich säkularisieren lassen und dachte an eine Heirat; ein früher Tod verhinderte diese Pläne und Tirol fiel mit den Vorlanden an Kaiser Leopold I., der immerhin den Innsbrucker Behörden, insbesondere dem „oberösterreichischen" Geheimen Rat, weiterhin eine recht selbständige Stellung gestattete. Die zweite Epoche der habsburgisch-österreichischen Herrschaftsteilungen war nach hundertjähriger Dauer aber zu Ende gegangen. Wenden wir uns wieder dem Osten zu. Begreiflicherweise war man in Ungarn mit den Ergebnissen des ersten Türkenkrieges Kaiser Leopolds wenig zufrieden. Der protestantische Teil des Adels fühlte sich überdies durch die weitergehende Gegenreformation bedroht, doch befanden sich auch viele Katholiken unter den Mißvergnügten. Eine Gruppe von Magnaten, deren geistige Führung zuerst Nikolaus Zrinyi, dann dem Palatin Wesselenyi zukam, strebte nach Einschränkung und schließlich audi nach Abschüttelung der habsburgischen Herrschaft. Nach dem Tode Nikolaus Zrinyis (1664) und Wesselenyis (1667) trat der Hofrichter Franz Nadasdy an die Spitze der „Magnatenverschwörung", weitere prominente Mitglieder waren Peter Zrinyi, der jüngere Bruder von Nikolaus, Peters Schwager Franz Frangepany und der steirische Graf Hans Erasmus von Tattenbach. Bald bekamen die österreichischen Organe von dem Komplott Wind, sogar von der Hohen Pforte kam eine Warnung vor der ungarischen Untreue. Die Versdiwörer,

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wenig entschlossene Männer, schwankten, als sie die Unsicherheit ihrer Situation zu schrecken begann, zwischen Unterwerfung und weiterem Widerstand. Ein kaiserlicher Brief versprach Zrinyi Gnade. Als er und Frangepany nach Wien reisen wollten, wurden sie gefangen genommen; vorher hatten schon die innerösterreichischen Behörden Tattenbach festnehmen lassen. Eine Erhebung in Oberungarn brach schnell wieder zusammen, dann versicherte man sich auch Nadasdys. Im April 1671 erfüllte sich das Schicksal der drei ungarischen Magnaten, die zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden, ein Appell an die „dementia Austriaca" blieb erfolglos; zu Ende des Jahres erlitt auch Tattenbach die Todesstrafe. Andere Aufrührer kamen mit Kerkerstrafen und Güterkonfiskation davon. Nach dem Willen der kaiserlichen Staatsmänner sollte ein absolutistisches Regime eingeführt werden, auch gegenreformatorische Maßnahmen wurden wieder aufgenommen, obwohl die Hauptverschwörer Katholiken gewesen waren. Als Antwort auf den neuen Kurs erfolgte ein wilder Ausbruch in den nördlichen Komitaten, der von Siebenbürgen und von den Türken unterstützt wurde. Die aufständischen „Kuruzzen" (Kreuzfahrer) und die kaisertreuen „Labanczen" (Fußgeher) bekämpften einander mit erbitterter Grausamkeit. Diese Entwicklung war um so unangenehmer, weil zur gleichen Zeit das diplomatische Gegenspiel zwischen Frankreich und Österreich in offenen Krieg überging. Man kann nicht sagen, daß Österreich der sich immer deutlicher abzeichnenden Hegemonie des unter dem Sonnenkönig und seinen tüchtigen Ministern mächtig erstarkten französischen Staates konsequent entgegengearbeitet hat. Dem widersprach schon die politische Haltung der zunächst führenden Staatsmänner Kaiser Leopolds, eines Auersperg und eines Lobkowitz. Nach dem Tode König Philipps IV. von Spanien dachte man sogar an gemeinsame Aufteilung der spanischen Monarchie. Österreich blieb der Tripelallianz zwischen Holland, England und Schweden fern, als sich diese Mächte gegen Ludwig X I V . zur Wehr setzten, der in Verfechtung mehr als zweifelhafter Erbansprüche einen Angriff gegen die spanischen Niederlande unternahm, den man früher gerne den „ersten Raubkrieg" nannte, heute aber höflicher nach dem französischerseits proklamierten Erbprinzip als Devolutionskrieg bezeichnet. So war, nachdem eben erst Kaiser Leopold die spanische Prinzessin Margarete Theresia geheiratet hatte (1666), ein Keil zwischen beide Linien des Hauses Österreich getrieben worden. Die dem Ansehen der kaiserlichen Macht wenig günstige Entwicklung führte am Wiener Hof zu einer Mißstimmung gegen den leitenden Minister Auersperg, die sich noch verstärkte, als man erfuhr, daß er mit französischer Hilfe die Kardinalswürde angestrebt hatte; so wurde er 1669 aus seinem Amt und aus Wien entfernt. Fürst Lobkowitz, der jetzt unter den österreichischen Staatsmännern an die erste Stelle rückte, verfolgte aber im großen und ganzen die alte Linie einer frankreichfreundlichen, unentschlossenen Politik. Das zeigte sich sehr deutlich, als Ludwig X I V . einen Angriff gegen die eigentlichen Urheber der

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Tripelallianz, die niederländischen „Generalstaaten" vorbereitete und der Kaiser sich in einem Geheimvertrag zur N e u t r a l i t ä t verpflichtete. Als die politische und militärische Lage im Westen immer bedenklicher wurde, mußte man sich im Juni 1672 doch zu einem Defensivbündnis mit H o l l a n d entschließen, im August folgte ein entsprechendes A b k o m m e n mit Brandenburg und da die Bündnispartner Taten forderten, zog eine kaiserliche Armee unter Montecuccoli an den Niederrhein. Sie konnte aber infolge der Wiener Weisungen, größeren K ä m p f e n aus dem Wege zu gehen, nicht viel erreichen: überdies Schloß Brandenburg im Juni 1673 einen Sonderfrieden. Im gleichen J a h r e gelang es Montecuccoli aber, seinen großen Gegner Turenne auszumanövrieren und das rechte Rheinufer von französischen T r u p p e n zu säubern. N u n k a m es zum Abschluß von Bündnissen zwischen D ä n e m a r k , England, H o l l a n d und Spanien, auch Brandenburg trat wieder in den K a m p f ein. Inzwischen hatte Ludwig X I V . nach A u f g a b e des holländischen U n t e r nehmens die spanische Franche C o m t e erobert und die vielfachen Meinungsverschiedenheiten zwischen den verbündeten T r u p p e n f ü h r e r n und Diplomaten verhinderten durchschlagende Erfolge an der W e s t f r o n t ; dagegen begründete die brandenburgische Armee ihren Ruf durch den Sieg gegen die schwedischen Verbündeten Ludwigs bei Fehrbellin. Einen M o n a t nach dieser Schlacht errang Montecuccoli einen taktischen Vorteil im Gefecht von Saßbach, in dem Turenne fiel; noch bedeutender w a r ein Sieg des auf kaiserlicher Seite k ä m p f e n d e n Herzogs von Lothringen, dessen Land von den Franzosen besetzt war, an der Conzer Brücke bei Trier am 11. August 1675. D e r Ausgang des Krieges w a r f ü r die Verbündeten nichtsdestoweniger ungünstig. Wohl eroberte man im September 1676 die von den Franzosen besetzte Festung Philippsburg, aber im nächsten J a h r e erlitten Spanier und H o l l ä n d e r Niederlagen und die Franzosen gewannen am 16. N o v e m b e r 1677 durch einen überraschenden Vorstoß das wichtige Freiburg im Breisgau. Nicht die militärische, sondern die diplomatische Überlegenheit verschaffte indessen Frankreich den so günstigen Frieden von N i m w e g e n (1679). Es gelang den französischen Staatsmännern und Agenten, die Gegner zu trennen und zu Sonderfriedensverhandlungen zu bewegen. Gegenüber dem Reich gab Ludwig das Besatzungsrecht in Philippsburg auf und gewann jenes in Freiburg. Spanien verlor die Franche C o m t e und wieder einige flandrische Grenzplätze. D e r H e r z o g von Lothringen bekam sein Land zurück, durfte seine Städte aber nicht befestigen. D e r durch Frankreich diplomatisch isolierte K u r f ü r s t von Brandenburg m u ß t e die eroberten schwedischen Gebiete herausgeben. Von seinen Verbündeten, insbesondere vom Kaiser, im Stiche gelassen, Schloß er sich in plötzlicher W e n d u n g Frankreich an, gewährte den f r a n zösischen T r u p p e n Durchmarschrecht und versprach Unterstützung des französischen K a n d i d a t e n bei der Kaiserwahl. Bald erhielt Ludwig X I V . von Kursachsen ähnliche Zusicherungen. Bayern, dessen Neutralitätspolitik eine der Voraussetzungen f ü r die Auflösung der Koalition geboten hatte,

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Österreichs Aufstieg zur G r o ß m a c h t

war schon zehn J a h r e früher derartige Bindungen mit Ludwig X I V . eingegangen. Das Versagen der kaiserlichen Politik, an dem der sonst tüchtige, von Lobkowitz geförderte Hofkanzler Johann Paul Hocher nicht unbeteiligt war, hatte katastrophale Folgen: Ludwig X I V . begann seine „Reunionen", die Annexion deutschen Gebietes unter verlogenen Rechtsvorwänden, nach Scheinverfahren, in denen er zugleich Partei und Richter war. Mitten im Frieden besetzte er so auch am 30. September 1681 die freie Reichsstadt Straßburg gegen den Willen ihrer Bürger und am gleichen Tage die Festung Casale am P o im Mantuanischen. Bald sollte aber im Osten noch eine tödliche Gefahr für die österreichischen Kernlande aufsteigen; der letzte mächtige Vorstoß der Osmanen in das H e r z Mitteleuropas.

Das Türkenjakr

1683 und der österreichische

Gegenstoß

Die oberungarischen Aufständischen, die seit der Aufdeckung der Magnatenverschwörung gegen das Haus Österreich kämpften, besaßen in Emmerich Tököli einen jungen und energischen Führer, der in den siebziger Jahren recht geschickte Operationen durchführte und sich so mitten im kaiserlichen Ungarn eine feste Stellung schuf. Während eines Waffenstillstandes knüpfte er auch Beziehungen zu den Verhandlungen des ödenburger Reichstages (1681), auf dem man den Protestanten Freiheit des Kultus gewährte und den historischen Traditionen des Adels durch Erneuerung der altungarischen Palatinswürde entgegenzukommen suchte. Schließlich entschloß sich Tököli aber endgültig zum Anschluß an die Hohe Pforte und es waren nicht zuletzt seine Ambitionen, die neben der Tätigkeit französischer Diplomaten den ehrgeizigen Großvezir K a r a Mustapha trotz aller Friedensbemühungen des kaiserlichen Residenten in Konstantinopel Kunitz und des Sonderbotschafters Caprara zur Aufnahme eines Angriffskrieges bestimmten. Der Politik des Sonnenkönigs kam diese Entwicklung sehr gelegen; jetzt versuchte sie, eine Kräftigung der Abwehr gegen den türkischen Angriff zu verhindern, dabei hatte man trotz Einsatzes fähiger Agenten und starker Geldmittel aber keinen Erfolg. König Johann I I I . Sobieski von Polen, dessen Wahl im Jahre 1674 als Erfolg der französischen Partei gewertet worden war, konnte nicht verkennen, welche Gefahren ein Zusammenbruch der kaiserlichen Macht auch für Polen heraufbeschwören mußte. Am 31. März 1683 wurde der polnisch-österreichische Bündnisvertrag vom lange widerstrebenden Warschauer Reichstag angenommen, am 2. Mai vom Kaiser ratifiziert. Ein Hauptverdienst kam bei der Mobilisierung der abendländischen Kräfte gegen die Osmanengefahr Papst Innozenz X I . zu, der auch durch sehr erhebliche Subsidienzahlungen die österreichischen und polnischen Rüstungen unterstützte. Hilfsgelder trafen noch von Savoyen, Toskana, Genua, Spanien

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und Portugal ein. Nach längeren Verhandlungen erhielten die kaiserlichen Diplomaten auch die Zusicherung militärischer Unterstützung durch Bayern und Sachsen, sowie durch kleinere Reichsstände; Brandenburg stand dagegen noch zu sehr unter französischem Einfluß. Zunächst waren die kaiserlichen Truppen, die unter Führung des sehr fähigen Generalleutnants Herzog Karl von Lothringen standen, auf sich selbst und die nicht sehr ins Gewicht fallende Unterstützung durch die ungarische „Insurrektion" unter dem habsburgisch gesinnten Palatin Nikolaus Esterhazy angewiesen. Man wollte den Türken zuvorkommen und die Festungen Gran und Neuhäusel vor dem Eintreffen der türkischen Hauptarmee erobern, beide Unternehmungen mußten aber abgebrochen werden und die österreichischen Truppen zogen sich auf eine Defensivstellung hinter der Raab zurück. Die Raablinie wurde bald von den Tataren umgangen; Karl von Lothringen mußte erneut den Rückzug antreten. Er versorgte Wien mit einer ausreichenden Besatzung und setzte mit dem Gros seiner Truppen auf das Nordufer der Donau über, um das Eintreffen von Verstärkungen abzuwarten. Die Verteidigungsanlagen Wiens waren im 17. Jahrhundert ausgebaut und unmittelbar vor Eintreffen des Belagerungsheeres in fieberhaften Anstrengungen verstärkt worden. Am 14. Juli begann die Belagerung der von 11.000 Soldaten und etwa 5000 Mann starken Aufgeboten von Bürgern, Hofbefreiten und Studenten gehaltenen Stadt. Die Verteidigung wurde durch den energischen General Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg geleitet, dem Graf Zdenko Kaplirs zur Seite stand; auch Bürgermeister Andreas Liebenberg bewährte sich durch Aufopferung und Umsicht, bis er während der letzten Tage der Belagerung wie viele andere Verteidiger der Ruhr erlag. Die Besatzung verfügte über eine gute Artillerie, in den Nahkämpfen um die Festungswerke bewährten sich improvisiert hergestellte Handgranaten als wirksame Abwehrwaffen. Die Türken konzentrierten ihren Angriff auf den Abschnitt zwischen Burg- und Löwelbastei. Sie wurden lange im Vorfeld festgehalten, doch am 3. September gelang ihnen die Einnahme des erbittert verteidigten Burgravelins und es drohte eine Sprengung der Hauptmauer, wie sich die Türken überhaupt im Minenkrieg sehr geschickt erwiesen. Ihre tatarischen Hilfstruppen verwüsteten inzwischen weite Gebiete Niederösterreichs, wo die Mißstimmung eines Teiles der bäuerlichen Bevölkerung gegen die Grundherrschaften und die Kirche die Organisation des Widerstandes erschwerte. Allmählich wurden die Truppen des Herzogs von Lothringen durch das Eintreffen von Kontingenten der Kurfürsten von Bayern und Sachsen, sowie der schwäbisch-fränkischen Kreistruppen verstärkt, zuletzt vereinigten sich am 31. August die polnischen, zumeist aus Kavallerie bestehenden Verbände — etwa 20.000 Mann — mit dem Heer, das nun eine Gesamtstärke von ungefähr 70.000 Mann hatte und Stellungen auf dem Rücken des

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Kahlengebirges bezog, das die Türken nicht genügend gesichert hatten. König Johann Sobieski übernahm den nominellen Oberbefehl über die vereinigten christlichen Streitkräfte. Der temperamentvolle und kluge Kapuzinerpater Marco d'Aviano feuerte Offiziere und Mannschaften für den bevorstehenden Kampf an. Am 12. September kam es zur entscheidenden Entsatzschlacht um Wien, in der ein erfolgreicher Vorstoß des linken, aus Kaiserlichen und Sachsen gebildeten Flügels den Kampf entschied; ein mutiger erster Angriff der polnischen Reiterei w a r in höchst ungünstigem Gelände stecken geblieben. Die Niederlage der Türken w a r vernichtend, das vom Herzog von Lothringen umsichtig geführte Entsatzheer ergriff die Offensive und eroberte am 26. Oktober die Stadt Gran. Der große Erfolg ließ die planmäßige Weiterführung eines Gegenstoßes als aussichtsreich erscheinen. Der Kaiser schloß mit Polen und der Republik Venedig ein Angriffsbündnis, die „Heilige Liga". Frankreich w a r durch einen Waffenstillstand, bei dessen Abschluß allerdings die unrechtmäßigen Reunionen hingenommen werden mußten, zunächst neutralisiert worden. Die nächsten Jahre brachten den in Ungarn kämpfenden kaiserlichen und verbündeten Truppen unter der Führung des Herzogs von Lothringen bedeutende Erfolge; im August 1685 wurde Neuhäusel erobert. Die Hohe Pforte w a r nunmehr friedensbereit; Tököli wurde von den Türken gefangengesetzt und so vorübergehend ausgeschaltet. Inzwischen mehrten sich freilich die Spannungen innerhalb der christlichen Koalition. Sobieski schwenkte auf seine frühere franzosenfreundliche Politik ein, der ehrgeizige Kurfürst von Bayern blieb ein schwieriger Partner. U m so erfreulicher w a r für Österreich eine Wendung in der Politik Brandenburgs. Verärgert durch die von Ludwig X I V . verkündete Aufhebung des Edikts von Nantes, in dem einst Heinrich IV. den Hugenotten alle nötigen Sicherungen gewährt hatte, wandte sich der Große Kurfürst, in dessen Länder ein großer Zuzug französischer protestantischer Flüchtlinge kam, wieder dem Kaiser zu. Ein brandenburgisches Hilfskorps leistete wertvolle Dienste bei der Eroberung der von einer kleinen türkischen Besatzung unter entschlossenen Führern heroisch verteidigten Stadt Ofen, die am 2. September 1686 nach längerer Belagerung fiel. In der Folgezeit eroberten die kaiserlichen Truppen die meisten ungarischen Festungen und am 12. August 1687 errang Karl von Lothringen gemeinsam mit dem bayerischen Kurfürsten einen großen Sieg bei H a r s a n y in der Nähe des alten Schlachtfeldes von Mohacs. Nunmehr rückten die Kaiserlichen auch in Siebenbürgen vor. Ihre Waffenerfolge gaben freilich auch die verlockende Möglichkeit, in den neugewonnenen Gebieten ein straffes, absolutistisches Regime einzurichten, dabei machte sich namentlich der General C a r a f f a durch drakonisches Vorgehen verhaßt. Die Verhandlungen mit dem ungarischen Reichstag führten immerhin zu einer Bremsung der nicht mehr ganz zeitgemäßen gegenreformatorischen M a ß nahmen, andererseits verzichtete der ungarische Adel auf das ihm durch die

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Goldene Bulle König Andreas II. (1222) verliehene Widerstandsrecht und der Preßburger Reichstag gab die Anerkennung eines Erbanspruches des habsburgischen Mannesstammes auf die Stefanskrone. Z u r gleichen Zeit, im H e r b s t des Jahres 1687, wurden auch mit dem Fürsten und den Ständen Siebenbürgens Verhandlungen g e f ü h r t ; Apafi behielt auf G r u n d des Vertrages von Blasendorf die Fürstenwürde bis zu seinem T o d (1690), sein Sohn verzichtete nach langem Widerstreben 1697 auf das G r o ß f ü r s t e n t u m , das militärisch seit 1688 durch kaiserliche T r u p p e n gesichert w a r und auch nach einer Niederlage gegen Tököli bei Zernest (1690) behauptet werden konnte. Inzwischen hatten die kaiserlichen Waffen an der D o n a u weitere Fortschritte gemacht; K u r f ü r s t M a x Emanuel, der nach E r k r a n k u n g des Herzogs von Lothringen den Oberbefehl erhalten hatte, eroberte im September 1688 Belgrad, andere Verbände drangen in Bosnien und der Walachei vor; eine Aufstandsbewegung der Serben w a r den Angriffsunternehmungen der kaiserlichen T r u p p e n günstig. Österreicher und Reichstruppen besetzten Nis, Widdin und Pristina. Unterdessen hatte allerdings Ludwig X I V . einen neuen Angriffskrieg gegen das Reich, insbesondere gegen die P f a l z eröffnet, es w a r nicht möglich, weitere T r u p p e n f ü r den südöstlichen Kriegsschauplatz freizubekommen; bei der Behandlung der serbischen und albanischen Bevölkerung wurden überdies arge Fehler begangen. So trat nach dem Tode des fähigen Generals Piccolomini ein schwerer Rückschlag ein, im Herbst 1690 gingen die Eroberungen südlich der Save, einschließlich Belgrads, wieder verloren, zahlreiche serbische Flüchtlinge, etwa 30.000 Familien wanderten unter F ü h r u n g des Patriarchen Arsen Cernojevic von Ipek nach Südungarn aus, wo sie unter G e w ä h r u n g einer kirchlichen und politischen Autonomie angesiedelt wurden. Die ungarischen Eroberungen konnten von Österreich behauptet werden, als die Kaiserlichen und Reichstruppen unter Markgraf Ludwig von Baden in der an dramatischen Wechselfällen reichen Schlacht von Slankamen am 19. August 1691 nach schweren Verlusten einen vollständigen Sieg über Großvezir M u s t a p h a Köprülü, der im K a m p f e fiel, und sein Türkenheer errangen. D e r Markgraf von Baden ging nun an die bedrängte R h e i n f r o n t ab; seine Nachfolger bewährten sich keineswegs. So schleppte sich der Türkenkrieg einige J a h r e weiter, bis P r i n z Eugen von Savoyen an die Stelle des Kurfürsten August II. von Sachsen trat, der im J a h r e 1696 als Nachfolger J o h a n n Sobieskis auf den polnischen Königsthron berufen wurde. Mit dem Prinzen Eugen übernahm ein General das K o m m a n d o , der in den nächsten J a h r e n den R u h m des bedeutendsten H e e r f ü h r e r s der österreichischen Geschichte erringen sollte; nachdem ihm die zunächst in F r a n k reich, im Lande seiner Jugend — Eugen w a r 1663 in Paris als Sohn des Prinzen Eugen Moritz von Savoyen-Carignan und dessen Gattin O l y m p i a (Mancini) geboren worden — angestrebte Karriere versagt worden w a r . Im J a h r e 1683 flüchtete Eugen aus Frankreich und trat in den kaiserlichen

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Österreichs A u f s t i e g zur Großmacht

Dienst, er wirkte bereits an der Wiener Entsatzschlacht mit und zeichnete sich in den nächsten Jahren in Ungarn und Italien als tapferer und umsichtiger Truppenführer aus. Als der Savoyer im Jahre 1697 nach dem Vorschlag des Hofkriegsratspräsidenten Ernst Rüdiger Grafen Starhemberg den Oberbefehl über die kaiserliche Armee in Ungarn erhielt, gelang es ihm in kürzester Zeit, das Vertrauen der Soldaten zu gewinnen, die er am 11. September 1697 zu einem entscheidenden Sieg über die türkische Armee führte, die nahe der Ortschaft Zenta beim Theißübergang angegriffen und vernichtend geschlagen wurde. In den nächsten Jahren überschattete die Frage der spanischen Thronfolge, welche mit dem bevorstehenden Erlöschen des spanischen Zweiges des Hauses Österreich in ein akutes Stadium treten mußte, alle anderen Probleme. Es lag im Interesse Österreichs, mit der Türkei zum Frieden zu kommen und die Hohe Pforte, deren Heere auch gegen Venedig und Polen verlustreich und wenig glücklich gekämpft hatten, war ihrerseits friedenswillig. So führten die Verhandlungen, die man im November 1698 bei den Ruinen von Karlowitz (südlich von Peterwardein) eröffnet hatte, am 26. Jänner 1699 zum Friedensschluß, dessen Bedingungen der für die christlichen Verbündeten günstigen militärischen Lage entsprachen. G a n z Ungarn, mit Siebenbürgen und dem größten Teil Slawoniens, aber mit Ausnahme des Temeser Banates, fiel an den Kaiser. D a s H a u s Österreich verfügte nunmehr über ein wohlabgerundetes, geschlossenes Territorium, dessen Achse die Donau bildete und das den R a u m der Ostalpen, der Sudeten- und Karpatenländer erfüllte. Schon vor dem großen Türkenkrieg war der K a m p f im Westen zu Ende gegangen, freilich bedeutete der Friede von Rijswijk (1697) mehr einen Waffenstillstand; die diplomatische Auseinandersetzung um die spanische Thronfolge war bereits im Gange. Die Generäle Ludwigs X I V . hatten den Krieg unter schweren Verwüstungen der angegriffenen Länder und unter weitgehender Mißachtung der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter abendländischen Gegnern bereits gültigen Regeln geführt; diesmal stand aber das ganze Reich unter Waffen, wesentlicher noch war der Beitritt Englands und der Niederlande zu der europäischen Koalition gegen den Sonnenkönig. Die „glorreiche Revolution" in England (1688) hatte dem Königtum der Stuarts, die zuletzt ganz von Frankreich abhängig waren, ein Ende bereitet; zwar dachten wenig weitblickende Kreise am Wiener H o f noch an eine Intervention zugunsten des entthronten katholischen Königs Jakobs II., aber die Realpolitik machte doch eine Zusammenarbeit mit dem siegreichen Protestanten Wilhelm III. von Oranien notwendig; so kam es nach schwierigen Verhandlungen zum Bündnis mit den Seemächten. Audi Savoyen stand vorerst im Lager der Koalition. Der Erfolg der militärischen Operationen entsprach freilich nicht den Erwartungen, die Zusammenarbeit der Verbündeten funktionierte schlecht und der Hauptteil der kaiserlichen Truppen war überdies im Türkenkampf gebunden. Während die vereinigte

D e r Krieg um das spanische Erbe

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englisch-niederländische F l o t t e den b e d e u t e n d e n Seesieg v o n La H o g u e über die F r a n z o s e n d a v o n t r u g (1692), k o n n t e n sich diese zu L a n d e gut b e h a u p t e n . I m J a h r e 1696 verließ der H e r z o g v o n S a v o y e n die K o a l i t i o n , der italienische Kriegsschauplatz w u r d e neutralisiert. So f ü h r t e n die schon 1693 eingeleiteten V e r h a n d l u n g e n zwischen Frankreich u n d einzelnen V e r b ü n d e t e n schließlich z u m Frieden. Die französische D i p l o m a t i e v e r s t a n d es, wie schon in N i m wegen, die Meinungsverschiedenheiten unter den Alliierten auszunützen, namentlich die Seemächte w a r e n bereit, eigene Wege zu gehen. I m m e r h i n gab der Friede von R i j s w i j k dem Kaiser Freiburg u n d Breisach, dem Reich Kehl, P h i l i p p s b u r g u n d die meisten R e u n i o n e n zurück, dagegen m u ß t e m a n auf S t r a ß b u r g verzichten. Eine im letzten Augenblick auf V e r l a n g e n Frankreichs eingebaute Religionsklausel, d e r z u f o l g e die gegenreformatorischen M a ß n a h m e n in den von Frankreich aufgegebenen Reunionsgebieten nicht rückgängig gemacht w e r d e n d u r f t e n , v e r s t i m m t e die protestantischen Reichsf ü r s t e n gegen den Kaiser, dessen stilles E i n v e r s t ä n d n i s m a n — nicht zu Unrecht — als entscheidend f ü r die Einschaltung der Klausel ansah. D e r Verzicht auf S t r a ß b u r g k a n n Leopold weniger angekreidet w e r d e n , hier darf m a n sich nicht durch die P r o p a g a n d a der Seemächte beeinflussen lassen, welche alle M i ß e r f o l g e dem B ü n d n i s p a r t n e r anlasteten, selbst aber m e h r an der Sicherung der spanischen N i e d e r l a n d e als an der U n t e r s t ü t z u n g der deutschen Interessen a m O b e r r h e i n interessiert w a r e n .

Der Krieg um das spanische Erbe D i e französische D i p l o m a t i e erwies sich der österreichischen a u d i bei dem T a u z i e h e n a m M a d r i d e r H o f überlegen, das dem offenen K a m p f um die spanische E r b f o l g e vorausging. Die Teilungsabsichten, die zuerst in G e h e i m v e r h a n d l u n g e n zwischen den Seemächten und L u d w i g X I V . geäußert w u r d e n , riefen in Spanien E m p ö r u n g h e r v o r : Die Westmächte wollten dem bayerischen K u r p r i n z e n Joseph F e r d i n a n d , dem Sohn einer H a b s b u r g e r i n , das H a u p t l a n d , die Kolonien u n d die spanischen N i e d e r l a n d e überlassen, dem D a u p h i n die M e h r z a h l der spanischen Besitzungen in Italien u n d G r e n z abschnitte in den P y r e n ä e n übergeben, w ä h r e n d E r z h e r z o g K a r l , der jüngere Sohn Kaiser Leopolds I. mit M a i l a n d abgespeist w e r d e n sollte. D e r spanische K ö n i g K a r l I I . e r k l ä r t e den K u r p r i n z e n testamentarisch z u m Universalerben, doch starb der junge Wittelsbacher völlig u n e r w a r t e t wenige M o n a t e später. In M a d r i d w i r k t e w o h l die K ö n i g i n M a r i a A n n a , die aus dem H a u s e P f a l z N e u b u r g stammte, zugunsten der österreichischen Pläne, m e h r E r f o l g h a t t e jedoch das H a u p t der profranzösischen P a r t e i , der f ü h r e n d e M a d r i d e r Minister K a r d i n a l P o r t o - C a r r e r o . Ein zweiter in L o n d o n zwischen den U n t e r h ä n d l e r n L u d w i g s u n d den Seemächten abgeschlossener T e i l u n g s v e r t r a g w ä r e f ü r Österreich nicht ungünstig gewesen, er verhieß dem E r z h e r z o g K a r l 17

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

Spanien, die Niederlande und die Kolonien, während Frankreich allerdings die italienischen Besitzungen und Lothringen erhalten sollte, dessen Herzog man mit Mailand zu entschädigen gedachte. Der Kaiser zögerte zuzustimmen, nun gewannen aber die Franzosen in Madrid ganz die Oberhand, dem sterbenden König wurde ein Testament zugunsten eines Enkels Ludwigs XIV., des Herzogs Philipp von Anjou, abgerungen; die Bevölkerung Kastiliens, die sich von dem bourbonischen Kandidaten ein Ende der langen Kriege mit Frankreich und die Aufrechterhaltung des spanischen Großreiches erhoffte, war mit dieser Wendung der Dinge durchaus einverstanden. Da aber Ludwig X I V . das gesamte spanische Erbe seinem Hause sichern und gegebenenfalls auch mit Frankreich vereinigen wollte, französische Truppen in Spanien und die Nebenländer einmarschierten und der „Universaldominat" des Hauses Bourbon alle Nachbarn Frankreichs erneut bedrohte, kam es wieder zum Zusammenschluß der gegnerischen Kräfte. Der Kriegserklärung des Kaisers schlossen sich im Reich Brandenburg und Hannover an, im Frühjahr 1702 nahmen auch die Seemächte den Kampf auf. Eine arge Einbuße erlitt diese Abwehrfront, als Kurfürst Max Emanuel von Bayern in der Hoffnung auf territoriale Gewinne und auf Rangerhöhung ebenso wie sein Bruder Joseph Clemens von Köln, trotz verzweifelter Bemühungen österreichischer Unterhändler, auf Seite Ludwigs trat, den in den Anfangsphasen des Krieges auch Portugal und Savoyen unterstützten. Für Österreich besonders bedrohlich war eine ungarische Erhebung unter Franz II. Raköczi, der mit allen Feinden Österreichs, namentlich mit Ludwig X I V . zusammenzuarbeiten suchte. Die neue Bewegung der Kuruzzen, in deren Anfangsstadium auch Sozialrevolutionäre Bestrebungen der unter hartem Steuerdruck lebenden ungarischen Bauern eine Rolle spielten, band durch viele Jahre starke österreichische Kräfte; die kuruzzischen Streif scharen bedrohten zeitweilig auch Wien, dessen Vorstädte durch die Errichtung des Linienwalls gesichert werden mußten. Der Kampf gegen die französischen Heere wurde zunächst auf drei Fronten ausgefochten: In Italien, am Rhein und in den Niederlanden; bald wurde Spanien zum vierten europäischen Kriegsschauplatz, außerdem führten die Seemächte mit Frankreich und Spanien einen Kolonialkrieg in Ubersee. Die Zahl der aufgebotenen Truppen übertraf die Heeresstärken des 17. Jahrhunderts; zwar wurde der vierzehnjährige spanische Erbfolgekrieg (1701—1714) in schonenderen Formen geführt als die Türkenkämpfe oder der Dreißigjährige Krieg, die finanziellen Anforderungen an die kaiserliche Kammer waren aber trotz der englischen Subsidien gewaltig. Noch vor der Allianz mit den Seemächten nahm der Kaiser den Kampf mit den in Italien eingedrungenen Franzosen auf. In glänzenden Operationen überflügelte Prinz Eugen durch gewagte Flankenmärsche die französischen Stellungen und siegte bei Carpi und Chiari (1701) über die französischen Feldherren Catinat und Villeroy; dieser wurde bei einem Überfall auf

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Cremona gefangengenommen. Ein neuer französischer Feldherr, der Herzog von Vendome erhielt erhebliche Verstärkungen, doch schlug Prinz Eugen bei Luzzara seinen Offensivstoß zurück. Mittlerweile hatten auch die englisch-niederländischen Truppen in Belgien, wo sich die Franzosen schon vor Kriegsbeginn festgesetzt hatten, recht erfolgreich gekämpft; mit dem offenen Anschluß der Wittelsbacher an Frankreich trat aber eine Krise ein. Es war ein Glück für Österreich, daß der fähige französische Feldherr Villars sich mit seinem Plan eines rasdien Vorstoßes der bayerisch-französischen Truppen entlang der Donaulinie nicht durchzusetzen vermochte. Der statt dessen unternommene Versuch des Kurfürsten M a x Emanuel zur Eroberung Tirols scheiterte nach erheblichen Anfangserfolgen am erbitterten Widerstand des Tiroler Landesaufgebots, als dessen Führer sich der Pfleger von Landeck, Michael Sterzinger, hervorragend bewährte. Nun erst wollten die Bayern zur Offensive gegen die österreichischen Hauptländer antreten, eine französische Armee unter Marschall Tallard drang über den Schwarzwald vor und vereinigte sich mit den kurfürstlichen Truppen. Inzwischen waren aber bereits erfolgreiche Gegenmaßnahmen getroffen worden. Die Armee Marlboroughs täuschte ihre Gegner und rückte in Süddeutschland ein, wo man sich mit den kaiserlichen und Reichstruppen unter dem Markgrafen von Baden und dem Prinzen Eugen vereinigte. Marlborough und Eugen operierten in vollstem Einverständnis und siegten in der erbitterten Schlacht von Hochstädt (oder Blindheim, engl. Blenheim) nach Durchbrechung des feindlichen Zentrums durch eine gewaltige Kavallerieattacke entscheidend über die etwas stärkere französisch-bayerische Armee, deren Reste sich nach Westen zurückziehen mußten. Bayern wurde jetzt von kaiserlichen Truppen besetzt, doch rief die Einquartierung und Besteuerung, sowie namentlich der Versuch, Truppen auszuheben, eine Bewegung unter der bäuerlichen Bevölkerung hervor, die treu zum Hause Wittelsbach hielt. M a x Emanuel, der Bayern gerne mit Sizilien oder den Niederlanden vertauscht hätte, verdiente diese Anhänglichkeit allerdings keineswegs. Der Aufstand wurde von der österreichischen Armee blutig niedergeworfen; über die Kurfürsten von Bayern und Köln verhängte man die Reichsacht. Im J a h r e 1705 hatten die Verbündeten wenig Erfolge, immer wieder kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den koalierten Mächten, namentlich die Holländer waren schwer für größere Aktionen zu gewinnen. Die Kriegsführung wurde überdies durch eine ganz ungeheuerliche, erst von der französischen kriegsgeschichtlichen Forschung im 20. Jahrhundert aufgedeckte Spionageaffäre beeinträchtigt. Ein hoher Offizier in kaiserlichem Dienst, der General Hieronymus von Erlach, ein gebürtiger Berner, verriet durch viele Jahre Operationspläne an den französischen Feind, dem er unter dem Decknamen Baron d' Elcin Agentendienste leistete; sein Treiben konnte nicht entlarvt werden. I m J a h r e 1706 trat der altgewordene Markgraf Ludwig von Baden von seinem Kommando zurück. Im gleichen J a h r e siegte 17*

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

Marlborough bei Ramillies und eroberte Brüssel; nach und nach bemächtigte man sich der spanischen Niederlande. Im Jahre 1703 hatte der Herzog Viktor Amadeus von Savoyen in Fortführung der traditionellen, durch die geographische Situation des Landes mitbedingten Schaukelpolitik seiner Dynastie die Partei gewechselt, seither wurde er von den Franzosen hart bedrängt. Schwächere österreichische Truppen unter Guido Starhemberg und Wirich Daun halfen bei der Verteidigung des gebirgigen Landes. Nach dem Fall der meisten Festungen belagerten französische Truppen die Hauptstadt Turin. In anstrengenden Märschen führte Prinz Eugen, der im Jahre 1705 wieder den Befehl an der italienischen Front übernommen hatte, kaiserliche und preußische Truppen von Tirol nach Piemont, wo man sich mit den Savoyarden vereinigte; am 7. September 1706 entsetzten die Verbündeten durch den Sieg vor Turin die Stadt und zu Beginn des nächsten Jahres kam es zu einem Abkommen, auf Grund dessen die Franzosen Italien räumten. Inzwischen hatte Österreich einen neuen Herrn erhalten. Kaiser Leopold I. war am 5. Mai 1705 gestorben, nach 48jähriger Regierung, während der viele Krisen überwunden wurden und die Macht Österreichs wesentlich gesteigert werden konnte. Leopolds älterer Sohn Joseph I. folgte dem Vater in der kaiserlichen Würde und als Herrscher der österreichischen Länder; er war ein energischer, selbstbewußter und ehrgeiziger Fürst, dessen Regierungsantritt große Hoffnungen erweckte. Im Gegensatz zu dem jüngeren, auch geistig mehr Spanien zugewandten Erzherzog Karl fühlte Joseph sehr entschieden als Deutscher; dabei wirkte sich nicht nur die Erziehung durch seinen Lehrer Hans Jakob Wagner von Wagenfels aus, sondern auch die allgemeine, durch die französischen Angriffskriege erregte Zeitstimmung. Die kaiserlichen Rechte wurden nachdrücklicher betont als jemals in dem halben, seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges vergangenen Jahrhundert. In konfessionellen Dingen dachte Joseph I., obgleich durchaus bewußter Katholik, anders als die habsburgischen Herrscher des 17. Jahrhunderts. Bei der Gestaltung der Beziehungen zu den protestantischen Staaten und der Kurie ließen sich Monarch und Hof — zu den Beratern Josephs gehörten neben erprobten Paladinen Leopolds auch neue Männer — vor allem von politischen Motiven leiten. Dadurch gelang es auch, eine äußerst heikle Situation zu bereinigen, die sich in der ersten Phase des nordischen Krieges, nach dem erfolgreichen Vorstoß des Schwedenkönigs Karls X I I . gegen Sachsen ergeben hatte, als schwedische Truppen in Schlesien österreichisches Gebiet durchzogen. Neben anderen Zwischenfällen führten auch Klagen der schlesischen Protestanten wegen Einengung der ihnen im Westfälischen Frieden gewährten Freiheiten zu einer gefährlichen Spannung zwischen dem unberechenbaren und gefürchteten skandinavischen Kriegsfürsten und dem Kaiserhof. Da der Wiener Hof alle seine Truppen gegen Ludwig X I V . und die ungarischen Aufständischen benötigte, mußte man den konfessionellen

D e r K r i e g um das spanische Erbe

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Forderungen Karls X I I . nachgeben, wobei Marlborough als Vermittler auftrat. Im Vertrag von Altranstädt (1707) wurden den schlesischen Protestanten ihre Rechte erneut verbrieft und durch Schweden garantiert; weitergehende Forderungen ließ K a r l X I I . schließlich fallen. Nach dem Sieg von Turin wünschten die Seemächte einen Angriff gegen Toulon zur Vernichtung von Flotte und Handel Frankreichs im Mittelmeer; das schwierige Unternehmen, dem Österreich nur ungern zugestimmt hatte, scheiterte jedoch. Dagegen nahm ein kleineres österreichisches Heer unter Graf Wirich Daun den Spaniern Neapel und Süditalien ab. Während dieser Aktionen an der Südfront kam es zu einem Konflikt mit der Kurie, als kaiserliche Truppen in den Kirchenstaat einrückten und man die Herzogtümer Parma und Piacenza als Reichslehen behandelte, während andererseits auch die Kurie eine Lehenshoheit beanspruchte. Nicht zuletzt war man in Wien darüber gereizt, daß Papst Clemens X I . in der Frage der spanischen Thronfolge eher Philipp von Anjou als Erzherzog Karl zuneigte. Der politische Konflikt war von einer publizistischen Auseinandersetzung begleitet, in der von Österreich nationalkirchliche und konziliaristische Ideen geltend gemacht wurden. Im Jahre 1708 kam es sogar zum Ausbruch von Feindseligkeiten, in denen die der erhofften französischen Unterstützung entbehrenden päpstlichen Truppen schnell unterlagen. Clemens X I . mußte schließlich einlenken, seine Truppen entlassen und Erzherzog K a r l als König von Spanien anerkennen. Die Stellung des habsburgischen Prätendenten auf der iberisdien H a l b insel war von Anfang an recht unsicher. N u r der Anschluß Portugals an die Sache der Alliierten (1703), sowie die Operationen holländisch-britischer, als Protestanten aber bei der spanischen Bevölkerung verhaßter Truppen, hatten es Karl ermöglicht, in Spanien Fuß zu fassen. Die wichtigste Basis seiner Macht bildete Katalonien, dessen Bevölkerung stets treu zu ihm stand; das im Jahre 1705 eroberte Barcelona konnte man gegen alle spanischfranzösischen Angriffe behaupten. Im Sommer 1706 wurde Madrid für kurze Zeit besetzt, konnte aber gegen einen kastilischen Aufstand nicht gehalten werden. Überdies verstand sich Karl nur schlecht mit den englischen K o m mandeuren, dem eigenwilligen und energischen Grafen Peterborough und dessen weniger befähigten Nachfolgern Lord Stanhope und Lord Galway. Mehr Erfolg hatten die Verbündeten auf dem niederländischen Kriegsschauplatz. Als die Franzosen die Offensive ergriffen, zog Prinz Eugen mit den an Rhein und Mosel stehenden kaiserlichen Truppen der Armee Marlboroughs zu Hilfe und die vereinigten Heere errangen am 11. Juli 1708 bei Oudenaarde wieder einen großen Sieg über die Franzosen unter Vendöme und dem Herzog von Burgund. Nach längerer Belagerung wurde Ende 1708 die hartnäckig verteidigte Festung Lille erobert, der Weg nach Frankreich schien offen. Ludwig X I V . war dem Frieden geneigt, bei den Verhandlungen im H a a g im Frühjahr 1709 überspannten aber die Verbündeten den Bogen,

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

als sie die militärische Unterstützung durch Frankreich bei der geplanten Liquidierung von Philipps V. spanischem Königtum verlangten. So gingen die Kämpfe weiter. Am 11. September 1709 erfocht ein großes Heer der Verbündeten bei Malplaquet noch einen sehr verlustreichen Sieg über die Franzosen unter Villars; im November des Jahres verhandelte man wieder in Gertruydenburg an der Maas und erneut versagten sich die Verbündeten den weitgehenden, wenngleich verklausulierten Konzessionen Ludwigs, der auf das Elsaß oder doch auf Straßburg verzichten und zum Endkampf gegen König Philipp Hilfsgelder zahlen wollte. So ging die Gelegenheit, dem Reich, dessen Fürsten in ihren Forderungen freilich keineswegs einig waren, eine „Barriere" am Oberrhein zu schaffen, wieder vorüber und bald deutete sich eine verhängnisvolle Wendung an. Im Herbst des Jahres 1710 mußte man nach anfänglichen Erfolgen in Spanien und vorübergehender, erneuter Besetzung von Madrid, den Rückzug an die katalanische Küste antreten. Viel entscheidender war jedoch der Regierungswechsel in England, wo ein Ministerium der Tories die Whigs abgelöst hatte. An die Stelle einer Partei von Reedern und Großkaufleuten, welche die Kriegspolitik, von der man sich die Vernichtung der französischen Konkurrenz und die Vorherrschaft in Ubersee versprochen hatte, zu stützen bereit war, traten Grundbesitzer, denen diese Ziele fernerstanden. Überdies wirkte sich die nach jahrelangem Kampf ja verständliche Friedenssehnsucht aus. So leitete das englische Kabinett Geheimverhandlungen mit Frankreich ein. Zu Beginn des Jahres 1711 wurde Marlborough im englischen Kommando durch den Herzog von Ormond ersetzt, der die Kriegsführung Eugens mehr behinderte als unterstützte. Entscheidend für eine weitere Schwächung der Koalition wurde dann ein anderes Ereignis: Am 17. April 1711 starb Kaiser Joseph I., erst 32 Jahre alt, nach kurzer Krankheit an den Blattern. Er hinterließ aus seiner zuletzt recht unglücklichen Ehe mit Amalia Wilhelmine von Braunschweig-Lüneburg nur zwei Töchter. Jetzt war Erzherzog Karl der alleinige Erbe aller habsburgischen Ansprüche. Eine Vereinigung der österreichischen Länder mit der spanischen Gesamtmonarchie lag aber nicht im Sinne der Seemächte, die sich um das europäische Gleichgewicht bemühten, das dem Ausbau der eigenen kolonialen Machtstellung so nützlich war. Von einer Sorge wurde Österreich gerade zur krisenhaften Zeit des Thronwechsels und der Erschütterung der Allianz allerdings befreit: Nach manchem vergeblichen Versuch gelang es, den ungarischen Aufstand beizulegen. Wenn frühere Bemühungen gescheitert waren, so lag das hauptsächlich daran, daß Rakoczi von Anfang an die Wiederherstellung des Fürstentums Siebenbürgen verlangte, daß er — kühner und unversöhnlicher geworden — auf dem Konföderationsreichstag von Onod nach blutiger Niederwerfung der Opposition in den eigenen Reihen sogar die Absetzung des Hauses Österreich ausgesprochen hatte (1707). Im Felde blieben aber

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die durch Aktionen der ungarländischen Serben (Raizen) unterstützten habsburgischen Truppen unter dem rücksichtslosen General Heister überlegen; sie siegten bei Tyrnau (1704) und Trentschin (1708). Ein loyaler ungarischer General des Kaisers, Graf Johann Palffy, bewog schließlich, als Rakoczi nach Polen geflüchtet war, dessen Waffengefährten Alexander Kärolyi zum Frieden von Szatmar (29. April 1711); den Rebellen, deren Armee sich auflöste, wurde eine Amnestie zugesichert, die traditionelle ungarische Glaubensfreiheit bestätigt. Rakoczi machte von der Möglichkeit des Ausgleichs mit dem Kaiser keinen Gebrauch. Der Fürst ging ins polnische, ins französische und schließlich ins türkische Exil. Verhältnismäßig schnell gelang es, die Wahl Erzherzog Karls zum römisch-deutschen Kaiser (Karl VI.) durchzusetzen. Die wittelsbachisdien Kurfürsten waren durch die Reichsacht von der Wahl ausgeschaltet; verschiedene Intrigen Ludwigs X I V . fanden keine Resonanz, die schon anachronistischen Bemühungen der Kurie, in die Wahlverhandlungen einzugreifen, blieben gleichfalls erfolglos. Die Formulierung der Wahlkapitulation nahm allerdings einige Zeit in Anspruch. Am 12. Oktober 1711 wurde schließlich Karl einstimmig gewählt. Dann begab sich Prinz Eugen nach Holland und England, wo Marlborough inzwischen völlig in Ungnade gefallen war. Die Mission Eugens blieb aber ganz erfolglos. Zu Beginn des Jahres 1712 wurden in Utrecht Friedensverhandlungen eröffnet und sehr bald zeigte es sich, daß die Sympathien des neuen englischen Toryministeriums, seiner Unterhändler und Agenten, nicht den österreichischen Verbündeten des 13jährigen Kampfes, sondern den Franzosen galten, mit denen man hinter dem Rücken des Verbündeten zu weitgehendem Einvernehmen gelangte. Prinz Eugen suchte durch militärische Erfolge die Situation zu verbessern, aber auf die englischen Truppen war nicht mehr zu rechnen, die Holländer erlitten bei Denain eine arge Schlappe und schlossen sich ganz England an; Preußen wollte schließlich seine Truppen für den Kampf gegen Schweden freibekommen, der große Gewinne verhieß. So schlossen fast alle Verbündeten des Kaisers (England, Holland, Preußen, Savoyen und Portugal) am 11. April 1713 den Frieden zu Utrecht. Die Weiterführung des Kampfes durch die jetzt zahlenmäßig den Franzosen stark unterlegenen kaiserlichen Truppen brachte keinerlei Erfolge; Villars eroberte Landau und Freiburg im Breisgau. Freilich war der Staat Ludwigs X I V . durch den langen Krieg sehr erschöpft; so kam es im November 1713 zur Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen dem Kaiser und Frankreich, die von den beiden Feldherren, Prinz Eugen und Villars in der badischen Festung Rastatt geführt wurden. Eugen erwies sich als sehr zäher Unterhändler; durch die Drohung mit dem Abbruch der Verhandlungen gelang ihm schließlich die Abweisung einiger überheblicher französischer Bedingungen. Am 17. März 1714 wurde der Friedensvertrag unterzeichnet; das Reich trat am 7. September 1714 zu Baden (im Aargau) dem Frieden bei, der ihm die Stadt Landau kostete, sonst

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Österreichs Aufstieg zur G r o ß m a c h t

aber die Westgrenze unverändert ließ. Die Franzosen hatten die besetzten Gebiete zu räumen. Österreich gewann durch den Rastätter Frieden vom spanischen Erbe die südlichen, bisher mit Spanien vereinigten Niederlande, deren Territorium etwa dem des späteren Belgiens und Luxemburgs entsprach, allerdings bekamen die Holländer in den nunmehr kaiserlichen Niederlanden eine „Barriere,", nämlich das Besatzungsrecht in einer Reihe von Festungen. In Italien erhielt Österreich Mailand, Mantua, Mirandola, sowie den festländischen Teil des Königreiches Neapel und die Insel Sardinien. K a r l V I . verzichtete also stillschweigend auf das spanische Hauptland und die Kolonien, brauchte aber Philipp V . nicht ausdrücklich anzuerkennen. Die Wittelsbacher bekamen ihre Länder zurück, mußten aber auf die von Frankreich für sie verlangte Geldentschädigung verzichten. Prinz Eugen suchte schon in Utrecht und wieder in Rastatt einen Weg, um die Erwerbung Bayerns für das Haus Österreich im Tausch mit den abgelegenen Niederlanden, mit denen man die Wittelsbacher entschädigen wollte, durchzusetzen. An einer derartigen Lösung hatten aber weder die Seemächte noch Frankreich ein Interesse, gleichwohl wurde in einer Rastätter Vertragsklausel die Möglichkeit für einen bayerisch-niederländischen Tausch offengehalten und seither verschwand dieses Projekt nicht mehr aus der habsburgischen Politik des 18. Jahrhunderts. Der Hauptgewinner des spanischen Erbfolgekrieges war gewiß G r o ß britannien, die Niederlande waren trotz Barriererecht und Scheidesperre gründlich überflügelt worden. Das Reich besaß weiterhin eine leicht verwundbare Westgrenze, sein Südwesten sollte bald wieder zum Exerzierplatz französischer Armeen werden; für Österreich war die Gesamtbilanz des Krieges trotz der Enttäuschungen der beiden letzten J a h r e nicht so ungünstig. Von den gewonnenen Gebieten hatten die norditalienischen Territorien den größten Wert; die kaiserlichen Niederlande und Neapel waren militärisch schwer zu behauptende Außenposten; Belgien wurde überdies durch den Barrierevertrag, dessen Bestimmungen allerdings in zähen Verhandlungen im Jahre 1718 etwas gemildert werden konnten, und durch die Scheidesperre, die den Hafen von Antwerpen schon seit 1648 lahmlegte, in seinen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten abgedrosselt. Immerhin war Österreich durch die Friedensschlüsse von Karlowitz und Rastatt endgültig zur Großmachtstellung aufgestiegen. Von den beiden Linien des Hauses Habsburg war die spanische von Beginn der Regierung Karls V . bis zu Ende der Herrschaft Philipps I I I . führend gewesen; die österreichische bildete zwar kein dynastisches Anhängsel, wie man sich bagatellisierend ausgedrückt hat, stand aber doch erst an zweiter Stelle. Jetzt war die spanische Linie erloschen, die österreichisch-deutsche mächtiger als je zuvor, aber mit K a r l V I . als einzigem lebenden männlichen Habsburger vom Aussterben des Mannesstammes unmittelbar bedroht; damit ergab sich in einer dynastisch denkenden Zeit

Regelung der Erbfolge. Die Pragmatische Sanktion

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auch eine bedenkliche Gefährdung von Bestand und Zusammenhang der habsburgischen Länder. So hatte man schon während des Ringens um das spanische Erbe gesucht, dieser prekären Situation zu steuern.

Regelung

der Erbfolge.

Die Pragmatische

Sanktion

Bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die Länder der habsburgischen Hausmacht staatsrechtlich ungeachtet der Einrichtungen der Zentralverwaltung und ihrer oft untereinander rivalisierenden Behörden im wesentlichen nur durch das gemeinsame Oberhaupt, durch die Person des Herrschers zusammengehalten; während der Teilungen des Hauses in verschiedene Linien waren besondere Abmachungen getroffen worden, die auf einen sehr begrenzten erbrechtlichen Zusammenhang und auf gemeinsames politisches Vorgehen abzielten. Im Testament Ferdinands I I . (1635) finden wir allerdings bereits den aus dem spanischen Recht stammenden Grundsatz, alle Länder und Herrschaften zu einem „Majorat" (Fideikommiß) zusammenzufassen und die Thronfolge nach dem Recht der Erstgeburt (Primogenitur) zu regeln. Die Ausdehnung dieses Grundsatzes auf die Gebiete der spanischen Habsburger scheiterte schon 1703 — abgesehen von den Ansprüchen der Bourbonen — am Widerstand der Seemächte, daher mußten Kaiser Leopold und sein älterer Sohn Joseph zugunsten Erzherzog Karls feierlich ihren Ansprüchen auf das spanische Erbe entsagen. Dieser Verzicht wurde aber durch eine geheime Abmachung, das „pactum mutuae successionis" eingeschränkt, welche gegenseitiges Erbrecht der von Josef und Karl erwarteten habsburgischen Linien, im Falle des Erlöschens des Mannesstammes auch eine Erbfolge der Frauen, nach dem Grundsatz der Primogenitur vorsah. Dabei wurde in einer allerdings nicht ganz eindeutigen Form ein Vorrecht der Töchter Josephs festgelegt. Nach dem Tode Josephs und der Rückkehr Karls nach Österreich erhoben sich unter den habsburgischen Erzherzoginnen Rangstreitigkeiten, die eine Regelung erforderten, welche in Einklang mit den Erbrechten zu erfolgen hatte. Es kam auch — in sichtlicher Opposition zu Ungarn — zu einem Vorstoß des kroatischen Landtages, der die Klärung der Frage der Thronfolge zur Wahrung des Zusammenhanges Kroatiens mit den österreichischen Ländern wünschte. Am 19. April 1713 versammelte Kaiser Karl VI., dessen Ehe mit der Konvertitin Elisabeth Christine von Braunschweig bis zu dieser Zeit noch kinderlos war, seine Räte; das Pactum von 1703 wurde verlesen und daran schloß sich eine Feststellung des Kaisers an: Seine Länder seien unteilbar und untrennbar („indivisibiliter ac inseparabiliter") zusammengehörig. Im Falle des Aussterbens des habsburgischen Mannesstammes, sollten Karls (erwartete) Töchter bzw. deren Nachkommen, nach dem Erlöschen des karolinischen Frauenstammes die Töchter

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

Josephs I. und schließlich alle anderen (von Leopold I. abstammenden) Habsburgerinnen erbberechtigt sein. Diese Erklärung wurde unter der Bezeichnung „Pragmatische Sanktion" notariell beglaubigt. Da dem Kaiser nach einem im Jahre 1716 geborenen und nach wenigen Monaten gestorbenen Sohn nur mehr Prinzessinnen geschenkt wurden, Maria Theresia (* 1717), Maria Anna (* 1718) und Maria Amalia (* 1730), wurde die Sicherung des Bestandes der Monarchie und der Thronfolge im Sinne der Pragmatischen Sanktion zur bestimmenden Richtlinie der inneren und äußeren Politik Karls VI. In den Jahren 1720 und 1721 wurde zunächst von den Landständen der meisten außerungarischen Länder die Pragmatische Sanktion zur Kenntnis genommen; vom Tiroler Landtag mit einigem Zögern, sonst ohne wesentlichen Widerstand. Man verpflichtete sich zur Verteidigung der vorgesehenen Erbfolgeordnung; die in der Pragmatischen Sanktion nachdrücklich ausgesprochene Idee der untrennbaren Vereinigung aller Länder wurde in den Landtagserklärungen kaum behandelt, nichtsdestoweniger hat später die lange Geltung dieses „Staatsgrundgesetzes" den Einheitsgedanken im Habsburgerstaat vertieft. Am schwierigsten war naturgemäß die Vorbereitung der Annahme der Pragmatischen Sanktion durch Ungarn. Sie wurde aber mit Umsicht eingeleitet, der Prestigegewinn in dem siegreichen Türkenkrieg von 1716—1718 wirkte sich aus, ebenso die bereits erfolgte Zustimmung von Kroatien (1721) und Siebenbürgen (März 1722); schließlich nahmen die „Tafeln" der ungarischen Stände und Magnaten nach einer mitreißenden Rede des Preßburger Komitatsnotars Franz Szluha das Gesetz einstimmig an. Dieser rechtlich völlig unanfechtbare Beschluß hatte große Bedeutung für die Sicherung der habsburgischen Stellung in Ungarn während der nächsten beiden Jahrhunderte. Auch die Außenpolitik Karls VI. war nach 1713 durch Bemühungen gekennzeichnet, die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion durch die deutschen und europäischen Staaten zu erlangen; diese Politik verstrickte in den späteren Jahren der Regierung des Kaisers die österreichische Monarchie allerdings in zahlreiche diplomatische und militärische Konflikte. Bei dem Ausbruch des ersten Waffenganges nach Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges waren jedoch andere Voraussetzungen maßgebend. Neue Kämpfe

gegen die Pforte und die

Bourbonenstaaten

Die Lage der Türkei hatte sich seit dem so verlustreichen Vertrag von Karlowitz nicht unwesentlich gebessert. Mit Österreich herrschte während des spanischen Erbfolgekrieges Frieden; die Entwicklung der Ereignisse im Nordischen Krieg schien zeitweilig Möglichkeiten eines erfolgreichen Vorstoßes in die Ukraine zu bieten. Zwar störte die Niederlage König Karls X I I . bei Poltawa die türkisdien Pläne, mit Schweden gegen Rußland zusammen-

Neue K ä m p f e gegen die P f o r t e und die Bourbonenstaaten

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zuwirken, doch verliefen die bald ausbrechenden Kämpfe zwischen den Türken und Russen in Bessarabien für die Pforte erfolgreich. Allerdings machte Zar Peter durch diplomatisches Geschick die Folgen seiner militärischen Niederlage wenigstens zum Teil wieder wett. Die Türken griffen nunmehr auf Betreiben des Großvezirs Damad Ali die Besitzungen der Republik Venedig an; der Hauptstoß richtete sich gegen die Halbinsel Morea (Peloponnes), die bald erobert wurde, dann wandte man sich gegen Korfu, wo man aber auf energischen Widerstand stieß. Für Österreich konnte eine weitere Stärkung der türkischen Macht verderblich werden, so intervenierte es zunächst auf diplomatischem Wege zugunsten Venedigs. Auf die schroffe Ablehnung durch die Hohe Pforte erfolgte die Kriegserklärung Österreichs. Prinz Eugen übernahm das Kommando der Truppen, die nahe der Grenze, bei der Festung Peterwardein versammelt wurden. Hier kam es auch zur Schlacht, die am 5. August 1716 mit der völligen Niederlage der Türken endete. Nun führte Eugen die kaiserliche Hauptmacht ins Banat, dessen Hauptort, die stark ausgebaute Sumpffestung Temesvar, nach kurzer, energisch geführter Belagerung im Oktober 1716 genommen wurde. Im Sommerfeldzug des Jahres 1717 marschierte die österreichische, durch ein bayerisches Kontingent und zahlreiche ausländische Freiwillige verstärkte österreichische Armee vor Belgrad, das von einer gegen 30.000 Mann starken Besatzung verteidigt wurde. Es gelang nicht, die Festung vor Anzug eines türkischen Entsatzheeres zu nehmen, die Situation der Belagerungsarmee zwischen der Festung und dem türkischen Feldheer wurde kritisch. Prinz Eugen griff aber am 16. August 1717 überraschend das türkische Heer an. Der dichte Morgennebel begünstigte Anfangserfolge und verhinderte wohl auch ein Eingreifen der Stadtbesatzung, führte aber auch zur Lösung des Zusammenhanges zwischen den einzelnen Angriffskolonnen. Durch energisches persönliches Eingreifen bannte Eugen die Krise und errang schließlich einen entscheidenden Sieg, nach dem sich die Festung sofort ergab. Der im Lager vor Belgrad — wohl von einem bayerischen Soldaten — in Wort und Ton gesetzte Reitermarsch vom Prinzen Eugen hielt seither die Erinnerung an die volkstümlichste der zahlreichen Waffentaten des Savoyers lebendig. Während des Krieges hatten Anhänger Rakoczis einige Einfälle nach Ungarn unternommen, fanden aber keinerlei Rückhalt an der Bevölkerung und wurden leicht abgewiesen. Die Bestimmungen des Friedens von Passarowitz (Pozarevac, 1718) waren so eindeutig wie der Verlauf des Krieges. Die Grenzziehung entsprach im wesentlichen dem militärischen Besitzstand. Die Pforte mußte das Banat, den bisher türkischen Teil Syrmiens, die kleine Walachei bis zur Aluta, Nordserbien und einen Grenzstreifen im nördlichen Bosnien an Österreich abtreten, dessen Erfolg durch den Abschluß eines günstigen Handelsvertrages ergänzt wurde. Im Krieg mit Venedig waren die Türken erfolgreicher gewesen und so behielten sie das eroberte Morea.

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Österreichs Aufstieg zur G r o ß m a c h t

Während des Türkenkrieges war es zu wichtigen diplomatischen Abmachungen des Kaisers mit den westlichen Mächten gekommen. Das nunmehr bourbonische Spanien war bestrebt, die Einbußen, welche die Weltstellung des Staates durch die Abtretung der europäischen Nebenländer erlitten hatte, wieder wettzumachen; dabei richteten sich die Angriffsabsichten des eigentlichen Leiters der Politik, des Ministers Giulio Alberoni vor allem auf seine italienische Heimat. Für eine Rückgewinnung der südlichen Niederlande fehlten Spanien ja alle Möglichkeiten. Unterstützt wurde Alberoni vor allem durch Elisabeth Farnese, die zweite Gemahlin Philipps V., welche für ihre Söhne eine fürstliche Ausstattung mit Landbesitz auf der Apenninenhalbinsel erhoffte. Diese Pläne blieben nicht unbekannt; der Kaiser suchte sich bei Ausbruch des Türkenkrieges durch eine Allianz mit England zu sichern, das seit der Thronbesteigung Georgs I. von Hannover (1714) und dem Sturz des Torykabinetts wieder engere Beziehungen zu den früheren Verbündeten anknüpfte. Audi Österreich war mit der Lage der Dinge in Italien nicht ganz zufrieden; man strebte vor allem nach dem Besitz von Sizilien, das im U t rechter Frieden an Savoyen gefallen war und unvergleichlich mehr Wert als das kaiserliche Sardinien besaß, das man als Tauschobjekt zu verwenden gedachte. Als nun Alberoni im August 1717 spanische Truppen auf Sardinien und im folgenden J a h r e auf Sizilien landen ließ, reiften die englisch-österreichischen Verhandlungen, denen Frankreich und die Niederlande beigezogen wurden, zum Erfolg. Am 2. August 1718 wurden in London die Vertragsbestimmungen der „Quadrupelallianz" von den Vertretern des Kaisers, Großbritanniens und Frankreichs unterzeichnet; erst der Beitritt der Niederlande hätte dieses „Viererbündnis" vollzählig gemacht; er unterblieb aber wegen interner Schwierigkeiten der Generalstaaten. I m Bündnis war der Austausch von Sardinien (das an Savoyen kam, das so zum „Königreich Sardinien" wurde) und Sizilien vorgesehen; der Kaiser sollte seinerseits auf Spanien auch offiziell verzichten; die Söhne der Elisabeth Farnese erhielten unter einschränkenden Bedingungen eine Expektanz auf Parma, Piacenza und Toskana. K a r l V I . leistete tatsächlich trotz schwersten inneren Widerstrebens den Verzicht auf Spanien. Savoyen stimmte notgedrungen dem Austausch des ja doch kaum haltbaren Siziliens mit Sardinien zu. Zur Brechung von Spaniens Widerstand bedurfte es erst der Vernichtung seiner Flotte durch die Engländer bei Cap Passaro an der sizilischen Küste und des Sturzes des Ministers Alberoni; Operationen der Franzosen im Pyrenäengebiet und der Türkenfrieden von Passarowitz trugen das ihre bei, um Philipp V . zu Beginn des Jahres 1720 zum Beitritt zur Allianz und zur Zurückziehung seiner Truppen aus den umstrittenen Gebieten zu veranlassen. Die territorialen Verfügungen der Quadrupelallianz ergänzten die großen Gewinne von Passarowitz: Die Monarchia Austriaca hatte die größte Ausdehnung erhalten, welche sie jemals besitzen sollte; die Grenzen des freilich keineswegs geschlossenen Machtkomplexes reichten vom Kanal bis zur Südspitze Italiens,

Neue Kämpfe gegen die Pforte und die Bourbonenstaaten

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vom Schwiebuser Kreis im nordwestlichen Schlesien bis zur walachischen Aluta. Man war sich bewußt, daß die innere Stärke der habsburgischen, durch die Kaiserkrone überhöhten Hausmacht nicht der imposanten räumlichen Ausdehnung entsprach. Die einzelnen Provinzen wiesen in ihrem nationalen und kulturellen Gepräge, in ihren wirtschaftlichen Kräften und politischen Rechten größte Verschiedenheiten auf; trotz aller Anstrengungen merkantilistisch denkender Wirtschaftspolitiker und Verwaltungsbeamter gelang es noch nicht, aus der weitläufigen Monarchie ein „Totum", ein einigermaßen einheitlich organisiertes Ganzes zu bilden. In den nächsten Jahren kam es zu mehrfachen Komplikationen im verwirrenden diplomatischen Spiel der europäischen Mächte. Handelspolitische Rücksichten sprengten die Zusammenarbeit des Kaisers mit den Seemächten und führten die bisherigen Gegner Österreich und Spanien zusammen. Die kaiserlichen Niederlande litten schwer unter den drückenden Bestimmungen der Scheidesperre und des Barrieretraktates; bald nach dem Ende des spanischen Erbfolgekrieges hatten aber großzügig organisierte und vom Kaiser unterstützte Versuche flämischer Kaufleute, mit Indien Handel zu treiben, bedeutende Erfolge. Sofort traten die Seemächte auf den Plan, deren K a u f mannschaft im Kolonialhandel Monopolansprüche stellte und sich gegen die neue Konkurrenz völlig unduldsam zeigte. Anfängliches Zurückweichen des Kaisers verstärkte nur die Forderungen der Seemächte; schließlich nahm aber Karl V I . die „Kompagnie von Ostende" unter seinen Schutz. Die spanischen Überseegebiete sollten für die gesperrten englischen und niederländischen Besitzungen Ersatz bieten. I m Frühjahr 1725 wurden in Wien die nötigen Abmachungen getroffen. Friedens- und Bündnisverträge ergänzten das Handelsabkommen. Die Verträge waren von dem nicht ganz seriösen spanischen Unterhändler Baron von Ripperda in Wien vorbereitet und dann trotz der Bedenken Prinz Eugens abgeschlossen worden; im November 1725 folgte ein noch engeres Bündnis. Inzwischen kamen aber Gegenmaßnahmen in Gang; Frankreich, — damals gerade durch einen Familienkonflikt von dem anderen Bourbonenstaat getrennt — Großbritannien (mit ihm Hannover) und Preußen schlossen im September 1725 ein Bündnis zu Herrenhausen (bei Hannover), das an militärischer Kraft der österreichisch-spanischen Allianz entschieden überlegen war. So mußte man sich in Wien nach neuen Bundesgenossen umsehen: Im Sommer 1726 verband man sich mit Rußland und im Oktober 1726 wechselte König Friedrich Wilhelm I . von Preußen die Partei und schloß mit dem Kaiser den Geheimvertrag von Wusterhausen, von dem er sich eine günstige Erledigung seiner Erbansprüche auf Jülich und Berg versprach. Der Ausbruch eines europäischen Krieges schien unvermeidlich, als die Spanier mit der Belagerung Gibraltars begannen. Nun griff aber Frankreich ein, dessen Regierungschef Kardinal Fleury ebensowenig wie der Wiener H o f einen Krieg wollte. Als Kaiser K a r l V I . im Jahre 1727 einer provisorischen Aufhebung der Kompagnie von Ostende (auf sieben Jahre)

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zustimmte — daraus wurde später eine Dauerlösung — kam es zu einer vorübergehenden Entspannung. Auf einem Kongreß zu Soissons bemühte sich der Kaiser, den Seemächten weiter entgegenzukommen; inzwischen hatte aber Spanien, namentlich als sich die Hoffnungen auf eine dynastische Verbindung mit dem Hause Österreich als trügerisch erwiesen, Geheimverhandlungen mit England und Frankreich angeknüpft, die im November 1729 zu dem Vertrag von Sevilla führten, dem alsbald auch die Niederlande beitraten. Philipp V. erklärte alle Verträge mit dem Kaiser für nichtig, gab den Seemächten ihre Vorherrschaft im Handel mit den überseeischen Besitzungen Spaniens zurück und erhielt dafür eine weitgehende Unterstützung der Ansprüche auf Parma und Piacenza zugesagt. Der Vertrag von Sevilla war unter Bruch aller vorherigen spanischen Zusicherungen an Österreich erfolgt; die Habsburgermonarchie war nunmehr ziemlich isoliert, lediglich im König von Preußen besaß man einen bedeutenderen Bundesgenossen; Rußland verhielt sich recht reserviert. Freilich war auch die gegnerische Allianz nicht fest gefügt. Unter den westlichen Verbündeten machte sich bald wieder der Gegensatz zwischen den zurückhaltenden Seemächten und den angriffslustigen Bourbonenstaaten bemerkbar. Prinz Eugen suchte trotz aller Enttäuschungen das traditionelle Bündnis mit Großbritannien zu erneuern; nach langwierigen Verhandlungen kam es im März 1731 zum zweiten Wiener Vertrag, in dem England die Pragmatische Sanktion anerkannte, während der Kaiser sich verpflichtete, seine Erbtochter (Maria Theresia) nicht mit einem Prinzen mit großem Hausbesitz zu vermählen, Österreich endgültig die Kompagnie von Ostende aufgab und spanische Garnisonen in Toskana, Parma und Piacenza zuließ. Bald gaben auch die Niederlande und Spanien ihre Zustimmung zu den getroffenen Abmachungen. In den Jahren 1731 und 1732 kam es schließlich auch, während die europäischen Mächte ihre Gegensätze auf diplomatischem Wege beizulegen suchten, zu einer militärischen Intervention österreichischer Truppen in Korsika, wo sich die Bevölkerung gegen die genuesische Herrschaft erhoben hatte; Österreich befürchtete das Eingreifen der Bourbonenstaaten — tatsächlich kam die Insel ja im Jahre 1766 an Frankreich — zog aber nach der Befriedung Korsikas seine Streitkräfte wieder zurück. Ein unerfreuliches, fast schon anachronistisch anmutendes Ereignis störte zu Beginn der dreißiger Jahre den politischen und religiösen Frieden im Reich. Erzbischof Leopold Firmian von Salzburg (1727—1744) unternahm große Anstrengungen zur Rekatholisierung der vielen Protestanten in seinem Lande — etwa einem Fünftel der Gesamtbevölkerung. Schon unter Erzbischof Max Gandolf waren (neben Prozessen gegen „Zauberer" und „Hexen") in den Jahren 1684/85 gegen 1000 Protestanten aus dem zu Salzburg gehörenden Defreggental ausgewiesen worden. Im Jahre 1731 schlossen die durch eine nachdrückliche Mission verbitterten und um ihre Glaubensfreiheit bangenden Protestanten in Schwarzach den „Salzbund", in dem sie sich zum Zusammenhalt um

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ihres Bekenntnisses willen verpflichteten; dabei kam es zu Äußerungen des Unwillens gegen den Erzbischof, der kaiserliche Truppen anforderte, die Bauern der Rebellion anklagte und schließlich zur Auswanderung zwang. So mußten im Jahre 1732 mehr als 20.000 protestantische Salzburger ihre Heimat verlassen, die meisten wandten sich nach Ostpreußen; der Hohenzollernstaat gewann durch die verspätete gegenreformatorische Maßnahme Firmians ebenso wie einst durch die französischen Hugenottenausweisungen tüchtige und arbeitskräftige Bürger. Die kaiserliche Regierung hatte nichts getan, um das Vorgehen des Erzbischofs von Salzburg zu bremsen; doch kann man seine Maßnahme nicht, wie das gelegentlich geschieht, dem österreichischen Absolutismus anlasten. Die Vorgänge in Salzburg behinderten auch die Versuche Karls VI., eine Reichsgarantie für die Pragmatische Sanktion zu erlangen. Immerhin waren die drei geistlichen Kurfürsten für die Garantie eingestellt, positiv war auch die Haltung des Königs von Preußen und durch den zweiten Wiener Vertrag hatte man Hannover, dessen Kurfürst zugleich englischer König war, gewonnen. Trotz des heftigen Widerstandes Bayerns, dem sich Kursachsen anschloß, endeten die Verhandlungen und Abstimmungen am Regensburger Reichstag mit einem vollen österreichischen Erfolg, die Garantie wurde ausgesprochen. Gleichzeitig aber verschärften sich die Gegensätze zwischen dem Kaiser und den Bourbonenstaaten. Am 1. Februar 1733 starb König August von Polen, die polnische Thronfolgefrage — seit der Mitte des 17. Jahrhunderts fast stets eine Angelegenheit der europäischen Bündnispolitik — bekam wieder einmal unmittelbare Aktualität. Die französische Diplomatie arbeitete für Stanislaus Leszczynski, der schon während des Nordischen Krieges durch einige Jahre als schwedischer Schützling König von Polen war. Die Nachbarstaaten Polens — Österreich, Preußen, Rußland — unterstützten zuerst die Kandidatur des Prinzen Emanuel von Portugal, eines Neffen Karls VI. Man erkannte aber bald, daß dieser Bewerber keine Aussichten hatte und so wandten sich namentlich Rußland und Österreich Kurfürst August III. von Sachsen, dem Sohn des verstorbenen Polenkönigs zu. Die polnische Nationalpartei wurde dadurch in ihrem Entschluß für Stanislaus bestärkt, der im September 1733 gewählt wurde, aber schon ein Monat später, nadi dem Einmarsch russischer Truppen, August i i i . weichen mußte. Dieses Ereignis bot nun den erwünschten Anlaß für den schon seit längerem vorbereiteten Angriff der Bourbonenstaaten auf Österreich, obwohl die österreichische Armee gar nicht polnischen Boden betreten hatte. Man wußte aber, daß in Wien der Herzog von Lothringen als aussichtsreichster Kandidat für die H a n d der Erbtochter Maria Theresia galt, damit drohte sein Land, um dessen Erwerbung sich die französische Politik seit langem bemühte, mit Österreich vereinigt zu werden — und das wollte man unbedingt verhindern. So besetzten französische Truppen Lothringen und überschritten den Rhein. Gleichzeitig eröffneten Frankreich

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und Savoyen-Sardinien die Feindseligkeiten in Oberitalien, die Spanier aber griffen das Königreich beider Sizilien an. Österreich rechnete auf die Unterstützung der Seemächte, diese blieben jedoch neutral und der russische Verbündete war von den Kriegsschauplätzen weit entfernt. Ein Angebot des Königs von Preußen als gleichberechtigter Verbündeter mit seiner gesamten, sehr beträchtlichen Kriegsmacht in den K a m p f am Rhein einzugreifen, wurde in Wien zurückgewiesen; man begnügte sich mit dem preußischen Anteil an der Reichshilfe in H ö h e von 10.000 M a n n ; die seit dem Nordischen Krieg sosehr angewachsene Macht des Hohenzollernstaates sollte am Rhein, wo seine Dynastie die Erbfolge in Jülich und Berg anstrebte, nicht allzusehr in Erscheinung treten. Tatsächlich hätte man auf österreichischer Seite jeden Mann benötigt, dies um so mehr, als Bayern wieder entschieden zu den Bourbonenmächten neigte und die Rheinfront im Rücken bedrohen konnte. Die kaiserliche Armee aber war in den letzten Jahren ziemlich vernachlässigt worden. Der sehr gealterte Prinz Eugen, dem das Kommando am Rhein zufiel, besaß nicht mehr die frühere Tatkraft; er konnte die von den Franzosen belagerte und zähe verteidigte Festung Philippsburg nicht entsetzen, verhinderte allerdings weitere Vorstöße des Feindes. Höchst ungünstig verliefen die österreichischen Operationen in Italien. Die Schlacht von Parma (29. Juni 1734), in welcher der kaiserliche Kommandeur General Mercy, der verdiente Kolonisator des Banats, fiel, brachte keine Entscheidung, dagegen wurden die Österreicher bei Guastalla am 19. September 1734 geschlagen. Am schlimmsten stand es in Süditalien, wo man nur über ganz unzureichende Kräfte verfügte, so daß die zahlenmäßig überlegenen Spanier nach einem Sieg bei Bitonto das neapolitanische Festland und bald audi die Insel Sizilien eroberten. Der Feldzug des Jahres 1735 brachte am Rhein keine besonderen Ereignisse, doch traten die Franzosen an der Mosel den Rückzug an und das Eintreffen eines russischen Hilfskorps stärkte die militärische Position der kaiserlichen und Reichstruppen. In Oberitalien errang ein neuer Befehlshaber, G r a f Andreas Ludwig Khevenhüller, lokale Erfolge. Während des Jahres 1735 nahmen die kriegführenden Mächte Verhandlungen auf. Zwar scheiterte ein Vermittlungsversuch der Seemächte, aber eine direkte österreichisch-französische Fühlungnahme brachte bald konkrete Ergebnisse; am 3. Oktober 1735 wurde der Vorfriede von Wien unterzeichnet. Die Bedingungen waren für Österreich nicht ungünstig. Neapel und Sizilien sollten an eine bourbonische Nebenlinie unter Don Carlos fallen und nicht mit Spanien vereinigt werden. Die Lombardei blieb — mit Ausnahme eines Grenzstreifens um N o v a r a und Tortona, der an Sardinien kam — in österreichischem Besitz, außerdem erhielt man mit Parma und Piacenza einen, territorial allerdings nicht gleichwertigen, Ersatz für die Abtretungen im Süden. Toskana wurde dem Herzog Franz Stefan von Lothringen und Bar zugesagt, der auf sein Stammland (mit Ausnahme der

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Grafschaft Falkenstein) verzichten mußte. Lothringen wurde dem aus Polen vertriebenen König Stanislaus zugewiesen; nach seinem Tode sollte es an Frankreich fallen, das damit das Ziel einer durch viele Generationen zähe verfolgten Ausdehnungspolitik erreichte (1766). Von einer lothringischhabsburgischen Erbheirat hatte man jetzt in Versailles nichts mehr zu befürchten, so erfolgte auch die französische Garantie der Pragmatischen Sanktion — allerdings unter Vorbehalt der Rechte Dritter. Erst nach langwierigen Verhandlungen zur Beruhigung der verärgerten Verbündeten Frankreichs wurde am 18. November 1738 im dritten Wiener Vertrag der Friedensschluß zwischen Frankreich und Österreich bestätigt, dem alsbald alle anderen beteiligten Mächte beitraten. Während der den polnischen Thronfolgekrieg abschließenden diplomatischen Aktionen war am 21. April 1736 jener Mann gestorben, der seinen Zeitgenossen mehr als irgend ein anderer die nicht zuletzt durch seine Erfolge zur Großmacht aufgestiegene Habsburgermonarchie zu repräsentieren schien: Prinz Eugen von Savoyen. Als hervorragender Heerführer und nüchtern denkender Staatsmann von unbedingter Loyalität in dem einmal gewählten kaiserlichen Dienst, als großzügiger und verständnisvoller Mäzen prägte Eugen Österreich den Stempel seiner überragenden Persönlichkeit auf. Wenn man ihn als deutschen Helden gefeiert hat, so ist das freilich — nicht nur in Hinblick auf romanische Herkunft und Erziehung — irreführend. Der Prinz hielt sich vor allem dem Kaiser und dem Hause Österreich verpflichtet; eine „Reichsgesinnung" kann man aus seinen Worten und Schriften kaum konstruieren. Allerdings genoß er das vollste Vertrauen der Reichsstände und zählte in politischen Belangen zur „deutschen Partei" am H o f e Karls VI., einer Gruppe, der die Spanier (meistens Katalanen) und Neapolitaner gegenüberstanden, denen sich der Monarch besonders verbunden fühlte. Im übrigen genoß der Savoyer das menschliche Vertrauen Karls ebenso wie jenes Leopolds oder Josephs. Gegenteilige Auffassungen gehen in der Regel auf eine Fälschung Josef v. Sartoris zurück, auf die sogenannten „hinterlassenen Schriften des Prinzen Eugen von Savoyen". In den letzten Lebensjahren Eugens wurde allerdings sein Einfluß durch den des rasch emporgestiegenen Freiherrn Johann Christoph von Bartenstein zurückgedrängt. Zusammenarbeit mit den Seemächten und mit Preußen, dessen große Entwicklungsmöglichkeiten er erkannte, dazu womöglich eine dynastische Bindung durch Erbheirat mit Bayern — das waren die Prinzipien von Eugens Politik; gegen die Bourbonenmächte, insbesondere gegen Frankreich empfand er stetes Mißtrauen. Der Prinz vertrat also trotz mancher Enttäuschungen die traditionellen Bindungen Österreichs gegenüber dem sich allmählich anbahnenden „renversement des alliances", jener Umkehr der Bündnisse, für die Bartenstein, wenigstens im Sinne einer Liquidierung der habsburgisch-bourbonischen „Erbfeindschaft" wirkte. Allerdings schien auch Eugen ein zeitweiliges Einvernehmen mit Frankreich, wodurch 18

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man Rückenfreiheit im Türkenkampf gewinnen konnte, von Wert und Bedeutung. Für die Probleme der Verwaltung, für die wirtschaftspolitischen Bestrebungen des Merkantilismus hatte Eugen geringeres Interesse. In den letzten Jahren vermochte er auch nicht mehr die nötigen finanziellen Mittel für die Erhaltung eines genügend großen und schlagkräftigen Heeres zu erlangen. Verhängnisvoller aber war, daß nach dem Tode Eugens — wie sich bald zeigen sollte — kein Heerführer von Rang mehr zur Verfügung stand. Der zweite Türkenkrieg Karls VI. (1737—1739) entfachte sich an einem türkisch-russischen Konflikt, der durch das Streben Rußlands nach Beherrschung der Nordküste des Schwarzen Meeres ausgebrochen war. Durch den Bündnisvertrag von 1726 war Österreich zur Stellung eines Hilfskorps verpflichtet; als ein Vermittlungsversuch keinen Erfolg hatte, wollte man als selbständige kriegführende Macht auftreten. Die von Bartenstein geleitete kriegslustige Partei der Wiener Staatsmänner gedachte wohl, sich an türkischem Gebiet für die Verluste durch den polnischen Erbfolgekrieg schadlos zu halten; man entwickelte ausgiebige Eroberungspläne. Mit Rußland wurde ein neues Bündnis geschlossen; das in diesem vorgesehene Zusammenwirken der Armeen hat aber in keiner Weise funktioniert. Man unterschätzte von Anfang an den türkischen Feind, dessen Armeen von dem zum Islam übergetretenen General Claude Alexandre de Bonneval (Achmet Pascha), der den österreichischen Dienst — wie schon vorher den französischen — nach üblen Affären 1726 hatte verlassen müssen, gründlich reorganisiert worden waren. Die österreichischen Operationen wurden im Sommer 1737 mit der Eroberung der Festung Nis erfolgreich eröffnet, dann aber kam es zu Rückschlägen in Bosnien, audi Nisch ging wieder verloren. Ein Friedenskongreß in Niemirow (Podolien) scheiterte. An Stelle des Generals Seckendorff trat als Leiter der militärischen Aktionen Graf Lothar Königsegg, nur nominell führte Herzog Franz Stefan von Lothringen den Oberbefehl. Nach siegreichen Gefechten bei Kornya und Mehadia gab es auch im Jahre 1738 wieder Mißerfolge; nun mußte auch Königsegg abtreten, aber sein Nachfolger Wallis versagte nicht minder. Durch seine Entschlußlosigkeit wurde die Schlacht von Grodka zu einer Niederlage (22. Juli 1739), die Armee ging auf Belgrad zurück. Inzwischen waren Friedensverhandlungen eingeleitet worden, in die sich audi der französische Botschafter bei der Hohen Pforte, Marquis Louis de Villeneuve einschaltete. Seine Tätigkeit war nicht ausschließlich gegen Österreich gerichtet, wie man lange Zeit anzunehmen geneigt war; die Forderungen der Türken stiegen naturgemäß mit ihren unerwarteten Erfolgen. Die Diplomaten des Kaisers zeigten sich jedenfalls unsicher und unentschlossen. Die Verhandlungen kamen zum Abschluß, als der österreichische Bevollmächtigte Graf Neipperg, der weitere Rückschläge befürditete, die meisten Eroberungen von Passarowitz, darunter die Festung Belgrad, aufgab. Mit Nordserbien gingen auch der österreichische Anteil an Bosnien und die kleine Walachei verloren.

Bevölkerung und Siedlung 1648—1740

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Schlimmer als die Territorialverluste w a r die Prestigeeinbuße, welche dieser unglückliche Friede von Belgrad (18. September 1739) f ü r Österreich bei den christlichen Balkanländern zur Folge hatte. Für diese Völker stand seither Rußland, das sich im Kriege ganz gut behauptet hatte und dem man sich durch das gemeinsame orthodoxe Bekenntnis ohnedies besonders verbunden fühlte, bei allen Kombinationen zur Befreiung vom Türkenjoch an erster Stelle. Tief gesunken war das Ansehen der österreichischen Monarchie und ihrer Armee auch bei den europäischen Mächten; die eigene Bevölkerung aber mußte, durch zahlreiche, zuletzt sieglose Kriege übermäßig in Anspruch genommen, in ihrer Loyalität schwankend werden. So schien die Thronerbin Maria Theresia vor eine undankbare und fast unlösbare Aufgabe gestellt, als Karl VI., der letzte Angehörige des habsburgischen Mannesstammes, am 20. Oktober 1740 einer schnell verlaufenden, tückischen Krankheit erlag.

Bevölkerung

und Siedlung

1648—1740

Die zweite H ä l f t e des 17. Jahrhunderts steht im Zeichen der Bemühungen um Behebung der Schäden des Dreißigjährigen Krieges und der Ersetzung der Menschen- und Materialverluste durch die Türkeneinfälle. Nach der großen Offensive gegen die P f o r t e aber galt es, die gewonnenen, zum Teil schwer verwüsteten Gebiete wieder urbar zu machen und ihre recht schüttere Besiedlung zu intensivieren. Geleitet wurden die entsprechenden Maßnahmen mehr und mehr durch den Behördenapparat des absoluten Staates; die Initiative der Grundherrschaften beschränkte sich auf kleinere Unternehmungen. Zu diesen gehörten, wie in der vorhergehenden Epoche, lokale Rodungen, etwa im Gebiet von Schrems und Litschau an der böhmischen Grenze oder im Wienerwald. Auch die Anlage von Neustiften älterer O r t schaften nahm ihren Fortgang. Nach dem Türkenjahr 1683 mußten die zerstörten Siedlungen wieder aufgebaut und neue Siedler angesetzt werden. Wenn audi die anscheinend so genauen Zahlen einer zeitgenössischen Publikation, des „Theatrum Europaeum", das von 14.933 verbrannten Ortschaften und 88.209 verschleppten Menschen spricht, nicht überprüfbar und zumindest, was die Anzahl der Orte betrifft, weit übertrieben sind, so besteht doch kein Zweifel, d a ß die Verluste hoch waren. Besonders stark war das niederösterreichische Viertel unter dem Wienerwald betroffen; das Land konnte aus eigener Kraft den Menschenverlust nicht ersetzen, kurz vor dem Feindeinbruch hatte ja die Pest ebenfalls viele O p f e r gefordert. Aus den Traumatriken der durch die Ereignisse von 1679 und 1683 betroffenen Ortschaften geht hervor, daß zahlreiche Neusiedler aus Steiermark, Oberösterreich, Tirol, Salzburg, Franken, Schwaben und der P f a l z kamen, die in manchen Orten, wie Mödling, Gumpoldskirchen, Laab am Walde, zu Ende des 17. Jahrhunderts nahezu die 18·

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

Hälfte der Gesamtbevölkerung stellten. Die Türken müssen viele Gefangene verschleppt haben — türkische Quellen sprechen von der großen Zahl kriegsgefangener Frauen, deren Preis im Sklavenhandel daher sehr gesunken sei — andere wurden vom Entsatzheer befreit. Andererseits sind, wie Nachrichten über „Türkentaufen" — etwa in der Wiener Vorstadtpfarre St. Ulrich — bezeugen, türkische Kriegsgefangene im Lande geblieben; wohl nur wenige kehrten später in ihre Heimat zurück, wie jener Osman Aga, der einen lesenswerten Bericht über seine Erlebnisse in Wien und Kapfenberg überliefert hat. Mehr Menschen als der Türkenkrieg hatte gewiß die Pest von 1679 hinweggerafft, die besonders Wien, Niederösterreich und Steiermark betraf. Uber die Wiener Verluste informieren Aufzeichnungen des Familienarchivs der Grafen Harrach; ihnen zufolge wären in Wien selbst 59.486, in den Vorstädten 30.470 Menschen der Pest erlegen. Diese Zahlen können unmöglich stimmen; auf Grund der Wiener Totenbeschaulisten kam man auf die Zahl von etwa 8000 Pestopfern in Stadt und Vorstädten. Auch diese Verluste waren schwer genug. Der tüchtige Arzt Paul Sorbait machte sehr vernünftige Vorschläge zur Bekämpfung der Seuche, konnte aber gegen die allgemeine Apathie nicht durchdringen. Während des Wütens der Pest fanden feierliche Einzüge prunkvoller fremder Gesandtschaften statt, die große Menschenansammlungen hervorriefen und so die Ansteckung förderten. In Graz forderte die Seuche angeblich 3465 Todesopfer — ein Fünftel der Bevölkerung; einige kleinere Ortschaften verloren die Mehrzahl der Bewohner. Auffallend sind die großen Unterschiede in den Sterblichkeitsziffern, wir finden völlig verschonte und schwerst betroffene Orte in engster Nachbarschaft. Die Pestseuche von 1713, die letzte, die Wien betraf, kostete die Stadt immerhin etwa 2500 Menschenleben. Unter den nunmehr gegen die Seuchen getroffenen Abwehrmaßnahmen ist insbesondere die Einrichtung einer „Pestfront" (militärischer Kordon und Kontumazstationen) an der türkischen Grenze gemäß kaiserlicher Patente von 1710 und 1728 bemerkenswert. Die Wendung in der geopolitischen Lage, der Aufstieg Österreichs zur Großmacht spiegeln sich deutlich in der Bevölkerungsbewegung und der Siedlungstätigkeit. Die Verminderung der Feindgefahr gestattete den Ausbau der Wiener Vorstädte, in die sich das Bevölkerungsschwergewicht der kaiserlichen Residenz verlagerte. Die Wiener Bevölkerungszahl stieg bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf etwa 175.000 Einwohner. Neue Vorstädte, mit planmäßig angelegten, rechtwinklig verlaufenden Straßenzügen und Häuserblöcken entstanden; so die nach Kaiser Joseph I. benannte Josephstadt, Neulerchenfeld und der Aisergrund. Während der Kuruzzenwirren erwies es sich als notwendig, die Vorstädte durch den Linienwall wenigstens notdürftig zu sichern. Auch Provinzstädte, wie die Landeshauptstädte Innsbruck und Graz oder die fürsterzbischöfliche Residenz Salzburg wurden nach den Städtebauprinzipien der Barockepoche ausgebaut und erweitert. Mit der zunächst zaghaft einsetzenden Industrialisierung bildeten sich manchenorts

Bevölkerung und Siedlung 1648—1740

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Werksiedlungen mit wenig ansprechenden Fabriks- und Arbeiterwohnbauten, doch war man noch weit von der Trostlosigkeit der Massenquartiere und Elendsviertel des nächsten Jahrhunderts entfernt. Das Hauptarbeitsfeld der planmäßigen, staatlich geförderten Siedlungstätigkeit lag naturgemäß in den „Neoaquisita", in den neugewonnenen Gebieten im Süden Ungarns, in der Tolnau und Baranya („Schwäbische Türkei"), der Batschka und vor allem im Temesvarer Banat. Besonders das erst 1718 gewonnene und als kaiserliches Domanialgebiet verwaltete Banat war durch den Krieg und die Verwahrlosung in der Türkenzeit arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Weite Gebiete an den Flüssen waren versumpft, andere schienen nur zur Viehwirtschaft, wie sie von herumziehenden Walachen und Serben betrieben wurde, geeignet. Dennoch gelang es, hier eine blühende Kulturlandschaft zu schaffen, aus Weidegründen wurde Ackerland, eine Weizen- und Gerstenkammer der Monarchie, man bemühte sich auch um gewerbliche Betriebe und um industrielle Anlagen. Prinz Eugen und der tüchtige Gouverneur Claudius Florimund Graf Mercy, ein ausgezeichneter Organisator, riefen süddeutsche Kolonisten, Franken, Schwaben, Pfälzer, aber auch Niederösterreicher und Deutschböhmen ins Banat und nach ganz Südungarn; im östlichen, gebirgigen Teil des Banats wurden Bergleute aus den Alpenländern, vor allem Tiroler und Steirer, angesiedelt. Die meisten dieser Siedler — deren übliche Gesamtbezeichnung „Donauschwaben" also, was die Herkunft betrifft, nicht ausreichend ist — kamen auf dem Wasserweg; sie hatten sich in den vorländischen Donaustädten Ehingen und Günzburg, viele auch in Wien eingeschifft. Neben den Deutschen wurden ungarische, serbische, bulgarische und albanische Siedler angesetzt, vereinzelt wurden selbst romanische Lothringer und Italiener zum Landesausbau herangezogen, österreichische Militäringenieure und Baumeister leiteten Landesvermessung und Siedlungsanlagen. Der unglückliche Türkenkrieg von 1737—1739 brachte einen Stillstand in der Weiterführung des großartigen Kulturwerkes; die Siedlungen des südlichen und östlichen Banats wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen; als Belgrad abgetreten werden mußte, räumten die deutschen Siedler und ein Teil der serbischen Bevölkerung die Stadt. Die maria-theresianische Zeit brachte dann die Neuaufnahme der Südostsiedlung in noch größerem Umfang. Während man im konfessionellen Zeitalter viele Protestanten des Landes verwiesen hatte, suchte man nunmehr die Bevölkerungszahl — fast um jeden Preis — zu vermehren. Freilich waren Katholiken als Einwanderer unbedingt bevorzugt und vielfach noch ausschließlich zugelassen, es fehlt auch nicht an Maßnahmen ausgeprägt gegenreformatorischen Charakters. Diese sind natürlich nicht auf die habsburgischen Länder beschränkt; hier hatte die konfessionelle Auswanderung während des Dreißigjährigen Krieges ihr größtes Ausmaß erreicht und war dann rasch abgeflaut. Anders in Salzburg: Im Jahre 1685 mußten über 1000 salzburgische Untertanen — Ost-

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

tiroler Protestanten aus dem Defreggental und Dürrnberger Bergknappen — ihre H e i m a t verlassen. Die meisten Auswanderer gingen, wie etwa audi Joseph Schaitberger, der Verfasser des bekannten „Exulantenliedes", nach Süddeutschland, einige gelangten bis in die nordamerikanische Quäkerkolonie Pennsylvanien. Die große Salzburger Emigration des Jahres 1731 betraf etwa 22.000 Personen, fast ein Fünftel der Landesbewohner; die meisten von ihnen kamen aus dem Pongau und Pinzgau. Diesmal w a n d t e sich die Mehrzahl nach Ostpreußen, wo sie in den Gegenden von Gumbinnen und Goldap angesiedelt wurden und sich als tüchtige Bauern glänzend bewährten. Der nationale H a ß unserer Zeit hat nach dem Ende des zweiten Weltkrieges den Nachkommen der Glaubensflüchtlinge ihre neue H e i m a t wieder geraubt. Eine kleinere Gruppe der Salzburger wurde von den Niederländern in der Provinz Seeland angesiedelt, einige wenige verschlug es in die englische Kronkolonie Georgia in Nordamerika, wo sie das Städtchen Eben-Ezer gründeten. Zur Zeit der großen Salzburger Emigration k a m es audi zu Ausweisungen aus dem Salzkammergut. Man konnte bei einer Glaubensüberprüfung 1200 Protestanten ausfindig machen. Eine Auswanderung in protestantische Gebiete des „Reiches" wollte man verhindern, — hier machte sich eben schon „populationistisches" Denken fühlbar — so schob man diese Protestanten nach Ungarn (Siebenbürgen) ab, wo ihnen ja Kultusfreiheit zustand. Diese „Landler" (d. h. aus dem „Landl" Oberösterreich), die unter Maria Theresia weiteren Zuzug erhielten, wurden in einigen deutschen Orten angesiedelt, bewahrten aber gegenüber den Siebenbürgener Sachsen bis zur Gegenwart viele Züge ihrer Eigenart.

Wirtschaftsleben

und Wirtschaftspolitik

im Zeichen des

Merkantilismus

In der zweiten H ä l f t e des 17. Jahrhunderts machten sich — zuerst in Frankreich, — alsbald aber auch, dem hier gegebenen Beispiel folgend, in Mitteleuropa Ansätze zu einer vom H o f e und seinen Ministern geleiteten Lenkung der Volkswirtschaft geltend. Es ist bekannt, d a ß sich die damals getroffenen Maßnahmen vor allem zugunsten der „Kommerzien", des Handels und der gewerblichen (einschließlich der eben erst ins Leben gerufenen industriellen) Produktion auswirkten. Es wurden zu ihrer Förderung in Österreich eigene Behörden eingerichtet; 1666 das Wiener Kommerzkollegium, 1705 die Kommerzdeputation der Länder, 1714 die Merkantilkommissionen. Die Landwirtschaft wurde nicht in gleicher Weise gefördert; gelegentlich konnte sogar der Anschein einer Zurücksetzung entstehen. Immerhin machte sich auch auf agrarischem Gebiet ein Wandel geltend; eine ältere Form der patriarchalischen Wirtschaftsführung mit der noch als selbstverständlich empfundenen beherrschenden Einheit von H a u s halt und Betrieb, ohne ausgeprägte Rücksichtnahme auf M a r k t - und

Wirtschaftsleben und Wirtschaftspolitik im Zeichen des M e r k a n t i l i s m u s

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Verkehrsverhältnisse, ein Wirtschaften, wie es noch in dem bedeutenden Werk „Georgica Curiosa" (1682) des niederösterreichischen Landedelmannes Wolf Helmhard von Hohberg vorausgesetzt wird, tritt nun allmählich zurück. Nichtsdestoweniger hat sich das ständisch-adelige Denken im Bereich der Grundherrschaft, ihrem Lebens- und Wirtschaftsstil, viel länger gehalten, als anderswo. Die schon in der Zeit der ständisch-konfessionellen Auseinandersetzung bemerkbaren Verschiebungen in den Besitzverhältnissen der großen Herrschaften nahmen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihren Fortgang; der Landesfürst gab weitere Herrschaften ab, der Herrenstand profitierte daran und drängte auch die Ritter zurück, die zahlenmäßig innerhalb des Adels zur Minderheit werden. Andererseits stiegen reich gewordene Beamte, Kaufleute und Handwerker in die adelige Grundherrenschicht auf. Die geistlichen Herrschaften zeigen nach Überwindung der Nöte des konfessionellen Kampfes wieder Ausdehnungstendenzen. Die Rechtsverhältnisse der bäuerlichen Untertanen unterscheiden sich im Zeitalter des Absolutismus nicht wesentlich von den Zuständen zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Die bäuerliche Selbstverwaltung wurde allerdings noch weiter eingeengt; die Weistümer sind nunmehr, soweit sie nicht älteres Gewohnheitsrecht bewahrten, Satzungen der Obrigkeit, die ziemlich ungehindert Abänderungen vornehmen konnte. Das Interesse der Bauern an der weitgehend entwerteten Dorfgemeinde schien zu erlöschen. Andererseits begannen sich nun die Bemühungen um einen landesfürstlichen Bauernsdiutz etwas stärker auszuwirken. Der im Jahre 1679 erlassene „Tractatus de iuribus incorporalibus" und vor allem die Hofkammerinstruktion Kaiser Leopolds I. von 1681 enthielten Bestimmungen gegen „unbillige Beschwerung" der Untertanen. Karl VI. erließ Verordnungen gegen den Anfeilzwang, gegen grundherrlichen Getreidewucher und zur Erleichterung des Frondienstes. Wie weit sich diese Bestimmungen im einzelnen tatsächlich auswirkten, ist nicht leicht feststellbar; die Machtmittel des absoluten Staates wurden gegen die grundherrlichen Obrigkeiten nicht nachdrücklich eingesetzt. Leichter war die Realisierung der Verordnungen auf den landesfürstlichen Kammergütern; das hatte namentlich für den Westen der österreichischen Länder, für Tirol und Vorarlberg Bedeutung; hier war die wirtschaftliche und soziale Lage der Bauern in der Regel aber ohnedies seit langem besser. Unter den bäuerlichen Leiheformen überwog in den Ostalpen- und Donauländern das Erbzinsrecht (Kaufrecht) schon entschieden, häufig war audi das Leibgedinge in Geltung. Recht hart empfanden die noch mit Freistiftgütern ausgestatteten Bauern die Höhe der „Veränderungsgebühren", die sie schwer belasteten, während die Grundherrschaften bei nachdrücklicher Eintreibung entsprechende Gewinne erzielten. Die Robotforderungen konnten sich ebenfalls höchst unangenehm auswirken, mancher stolze Barockbau verdankte seine Errichtung in verhältnismäßig kurzer Zeit der rücksichtslosen Aus-

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nützung der Hand- und Spanndienste der Untertanen. Die im „Tractatus" vorgesehene Robotablöse durch Geld wurde nicht realisiert. Auch drei Robotpatente Karls VI. hatten keine durchgreifende Wirkung. Im allgemeinen betrieb man den Anbau der seit dem Mittelalter üblichen Getreidesorten in der herkömmlichen Art, doch begann die echte Brache aus der Dreifelderwirtschaft zu verschwinden und der Anbau von Klee und anderen Futterpflanzen wurde schon planmäßig gefördert. Der steigenden Rücksichtnahme auf die Erfordernisse einer Volkswirtschaft entsprach es auch, daß man zur Verwandlung von Weingärten in Ackerland riet, ein Prozeß, der durch die steigenden Absatzschwierigkeiten der heimischen Weine und vielleicht audi durch klimatische Veränderungen gefördert wurde. Ziemlicher Beliebtheit erfreute sich der Tabakanbau; im Jahre 1659 wurden Tabakpflanzer aus Frankfurt am Main nach Oberösterreich geholt. In mehreren österreichischen Ländern gab es private Tabakfabriken, bis im Jahre 1722 in Hainburg eine eigene kaiserliche Tabakfabrik errichtet wurde, an die der auf herrschaftlichen und bäuerlichen Gütern angebaute Tabak abgeliefert werden mußte. Verschiedene Versuche galten der Verbesserung des landwirtschaftlichen Gerätes. Im Jahre 1662 meldete etwa Joseph Locatelli das Patent einer Sämaschine an; vier Jahre später brachte Freiherr Siegfried Christoph von Breuner eine zweite, wesentlich verbesserte Maschine heraus. In der Viehzucht blieb weiterhin die Grundherrschaft führend; man bemühte sich um Verbesserung der Qualität der heimischen Rinderrassen durch Einfuhr von holländischem und schweizerischem Zuchtvieh. Mit merkantilistischen Bestrebungen für die Textilindustrie hing es zusammen, daß in unserer Epoche die Schafzucht einen nicht unbedeutenden Aufschwung nahm, im allgemeinen haben die Merkantilisten aber den Ackerbau der extensiven Weidewirtschaft vorgezogen; das zeigte sich sehr deutlich bei den Maßnahmen der kaiserlichen Verwaltungsorgane in den neugewonnenen ungarischen Gebieten, vor allem im Banat. Auch die Waldwirtschaft wurde in der Zeit des Merkantilismus intensiviert. Die neuen Industrien benötigten ebenso Brenn- und Bauholz wie die zunehmende Bevölkerung der Städte. So führte man forstwirtschaftliche Reformen durch, um unter Vermeidung eines Raubbaues gesteigerte Nutzungen zu erreichen. So kam es etwa im Jahre 1681 zur Neueinrichtung der Verwaltung des kaiserlichen Wienerwaldes (Waldamt Purkersdorf), die dann 1718 durch eine neue „Waldamtinstruktionsordnung" weiter ausgebaut wurde. Der Wienerwald lieferte Palisaden für die Festungsanlagen der Stadt sowie Wagen-, Schiffs- und Brennholz; nach 1694 wurde durch Einrichtung eines Schwemmbetriebes auf der Triesting, Tulln und Wien dem Holzbedarf der kaiserlichen Residenzstadt Genüge geleistet und der Holzpreis gedrückt. Zusammenfassend wird man überhaupt sagen können, daß sich die nachhaltigsten Einwirkungen auf die Landwirtschaft und auf die Lebens-

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haltung der bäuerlichen Bevölkerung nicht aus den meist doch eher zaghaften und wenig folgerichtigen Fürsorgemaßnahmen des absoluten Staates und seiner Behörden f ü r die Bauern ergaben, sondern aus den vor allem auf Gewerbe und Industrie gerichteten merkantilistischen Bestrebungen, deren Konsequenzen freilich erst f ü r spätere Generationen sich einschneidender auswirkten, und z w a r in einem recht positiven Sinn. Vorerst aber war man noch nicht soweit. W i r besitzen einen ziemlich zuverlässigen Maßstab f ü r die wirtschaftliche Situation einer Bevölkerungsschicht in den Preisen, die die Produkte ihrer Arbeit erzielen und den Löhnen, welche f ü r diese Arbeitsleistung bezahlt werden. Nach diesem Prinzip betrachtet, w a r die Lage der bäuerlichen Bevölkerung ganz Mitteleuropas in der Zeit von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. J a h r h u n d e r t s im Durchschnitt ziemlich ungünstig, denn es herrschte ein offensichtliches Mißverhältnis zwischen den niedrigen Erträgen der Landwirtschaft und den hohen Preisen f ü r gewerbliche und industrielle Produkte. Wenn wir uns den „Kommerzien" zuwenden, so ist es zweckmäßig, zuerst jene Wahlösterreicher zu würdigen, denen bei der theoretischen G r u n d legung, aber auch bei der praktischen Vorbereitung und Durchsetzung merkantilistischer Wirtschaftspolitik besondere Bedeutung zukam. Es handelt sich um drei protestantische Konvertiten aus dem „Reich": J o h a n n Joachim Becher, Philipp Wilhelm von H ö r n i g k und Wilhelm von Schröder. Der originellste und vielseitigste der drei w a r Becher, den ein abenteuerlicher Lebensweg aus dem Rheinland über Bayern und Österreich in die N i e d e r lande und nach England führte. Seine Interessen waren keineswegs auf Wirtschaftsfragen beschränkt, auch als Alchimist, Pädagoge und Theologe hat sich der selbstbewußte M a n n versucht. Sein merkantilistisches H a u p t werk, der „Politische Diskurs von den eigentlichen Ursachen des A u f - und Abnehmens der Städte, Länder und Republiken (1668)" behandelt die Gefahren, die der Volkswirtschaft durch Vermögenskumulation in wenigen H ä n d e n ( M o n o p o l i u m ) , durch allzu viele kapitalslose Kleinhandwerker (Polypolium) oder durch künstliche Konkurrenzbeschränkungen ( P r o p o l i u m ) drohen. D e r Außenhandel soll durch Kompagnien organisiert werden. Als praktischer Unternehmer w a r Becher nicht recht erfolgreich, die von ihm geschaffenen Seidenmanufakturen in München und Walpersdorf (bei St. Pölten, 1666) konnten sich gegen den Widerstand der Zünfte und das Mißtrauen des Fiskus nicht behaupten. Der von ihm begründeten (ersten) „Orientalischen Handelskompagnie" (1667), die nicht schlecht arbeitete, bereitete das Türkenjahr 1683 ein Ende, in dem auch das große M a n u f a k t u r h a u s am T a b o r bei Wien, das als Musterbetrieb f ü r die Entwicklung von chemischen, metallverarbeitenden und Textilfabriken gedacht war, unter Bechers Nachfolger Wilhelm von Schröder ein gleiches Schicksal hatte. Schröder, dessen alchimistische Neigungen an ähnliche Interessen Bechers erinnern, w a r auch sonst als Unternehmer — in der W o l l m a n u f a k t u r in H a i n b u r g — und als Finanz-

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beamter einige Jahre in der Habsburgermonarchie tätig. Er hatte während jugendlicher Wanderjahre und später als kaiserlicher Agent die fortgeschrittenen Textilindustrien der Niederlande und Englands kennengelernt und wollte die gewonnenen Erfahrungen in Österreich verwerten, konnte sich aber nicht durchsetzen. In der ungarischen Kammer zu Preßburg erwarb er sich Verdienste bei der Aufdeckung von Durchstechereien. In einem wichtigen theoretischen W e r k „Fürstliche Schatz- und Rentkammer" (1686) suchte Schröder die Ubereinstimmung der wahren Interessen des absoluten H e r r schers und des Volkes zu erweisen; das Funktionieren der Volkswirtschaft soll durch detaillierte statistische Untersuchungen (Manufakturtabellen) kontrolliert werden. Einen wichtigen Platz räumte Schröder schließlich dem Bankenkredit bei der Finanzierung der Industrien ein. Bechers Schwager Philipp Wilhelm von H ö r n i g k kam als Sekretär des Freiherrn Christoph de Royas y Spinola, eines fähigen Diplomaten Leopolds I., nach Österreich, war als Royas' Gutsverwalter in Hartberg (Oststeiermark) tätig und lernte das Habsburgerreich auf einer großen Reise, während der er statistisches Material über die gewerbliche Tätigkeit sammelte, genauer kennen; er arbeitete dann für die oberösterreichischen Stände und im Dienste des Bischofs von Passau. Sein nationalökonomisches Hauptwerk mit dem schwungvollen, oft zitierten Titel „Österreich über alles, wenn es nur w i l l " (1684), wurde nach anfänglicher Ablehnung zur 13mal aufgelegten Programmschrift des österreichischen Merkantilismus. H ö r n i g k verwies sehr nachdrücklich auf die günstigen, natürlichen Voraussetzungen des österreichischen Wirtschaftsraumes und auf die Möglichkeiten, sie besser nutzbar zu machen; in seinen Gedankengängen spielte der Aufbau einer durch Einfuhrverbote geschützten Musterindustrie eine zentrale Rolle, dabei berücksichtigte er mehr als Becher die Probleme der Rohstoffversorgung und der Heranbildung eines Stockes qualifizierter Arbeiter. In der Anlage von Musterindustrien waren die frühen Merkantilisten der leopoldinischen Zeit, wie schon angedeutet, nicht recht glücklich, ihre vorwiegend den Textilien gewidmeten Manufakturen gingen bald ein, wobei die Indolenz und der schlechte W i l l e des unredlichen Hofkammerpräsidenten Sinzendorf gewiß mitverantwortlich waren. I m Grunde handelte es sich aber wohl um unvermeidliche Kinderkrankheiten einer Industriepolitik ohne praktische Erfahrung, die gegen so viele Schwierigkeiten ankämpfen mußte. Erfolgreich hielt sich von den Großbetrieben die im Jahre 1672 errichtete Linzer Wollzeugfabrik des Christian Sind, auch ihr blieben empfindliche Rückschläge bei raschem Besitzerwechsel und ständigem Streit mit den Landwebern, aber auch mit den Linzer Stadtbehörden, nicht erspart. Immerhin zählte man hier im Jahre 1725 schon 4415 Arbeiter, dazu kamen fast ebenso viele für die Fabrik in Heimarbeit tätige Spinner und Weber. Eine zweite, wesentlich kleinere Tuchfabrik wurde im Lande ob der Enns in Langhalsen bei Neufelden errichtet. H i e r ist wohl auch auf einen Vorläufer der mer-

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kantilistischen Textilmanufakturen hinzuweisen: Reichsvizekanzler Graf Kurz organisierte um 1650 in großem Maßstab die Tuchmacherei und Färberei in Horn. Ein wesentliches Augenmerk wandten die Kameralisten der Luxus- und Geschmacksindustrie zu; der Wiener Markt hatte einen großen Bedarf an Luxusartikeln; solange man auf Import aus Westeuropa, womöglich aus dem feindlichen Frankreich, angewiesen war, wurde die Handelsbilanz schwer belastet. Schon in den Jahren 1659 und 1671 waren Verordnungen gegen den Verbrauch kostbarer ausländischer Waren erschienen; 1712 erneut ein Luxusedikt für die Erblande. Im Jahre 1697 errichtete nun ein zugewanderter Italiener, Bratti, eine Seidenweberei vor dem Schottentor und legte damit den Grundstein für die im Laufe des 18. Jahrhunderts zur Blüte aufsteigende Wiener Seidenindustrie am Schottenfeld, dem „Brillantengrund". Der Genfer Tafterzeuger Francois Dunant wurde unter sehr günstigen Bedingungen 1717 zur Übersiedlung nach Wien bewogen; seinem Unternehmen blieb freilich auf die Dauer ein voller Erfolg versagt. Im nächsten Jahre errichtete Claudius Innozenz Du Paquier in Wien eine Porzellanmanufaktur, deren Erzeugnisse einen guten Ruf erlangten. Von den Gründungen in der Umgebung Wiens wurde die Anlage der großen Baumwollmanufaktur in Schwechat durch die (zweite) Orientalische Handelskompagnie (1722) zur Keimzelle der Textilindustrie des Wiener Beckens. Gewisse Anknüpfungsmöglichkeiten bot den Merkantilisten die heimische Glaserzeugung. Mit den venetianischen Waren konnte man freilich weder in der Qualität noch im Preis konkurrieren. So erhielten zwei Italiener im Jahre 1701 die Erlaubnis zur Errichtung einer Spiegelfabrik in Neuhaus in Niederösterreich, die allerdings erst 1709 zu arbeiten begann. In den Alpenländern gab es seit alters eine leistungsfähige, auf handwerklicher Grundlage arbeitende Metall- vor allem Eisenindustrie, dann Salinenbetriebe, Papiermühlen, Glashütten und Bierbrauereien; die merkantilistischen Fabrikengründungen setzten hier aber im allgemeinen etwas später ein als an der Donau. Freilich gibt es auch hier Vorläufer: So gründete Carl Aschauer aus Primiero (Südtirol), der noch während der letzten Zeit des Dreißigjährigen Krieges eine Reise nach Schweden unternommen und dort die Metallverarbeitung studiert hatte, im Jahre 1649 eine Messingfabrik in Achenrain mit einigen hundert Arbeitern. Eine 1682 in Innsbruck eingerichtete Gold- und Silberdrahtzieherei ging bald wieder ein. In Salzburg hatte Fürsterzbischof Johann Ernst Graf Thun merkantilistischen Ehrgeiz, die von ihm veranlaßte Gründung einer Glasfabrik in St. Gilgen wollte aber nicht gedeihen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kommt es dann zur Anlage von Textilmanufakturen in der Steiermark; im Jahre 1720 wurde in Graz eine größere Fabrik errichtet, die hauptsächlich der Herstellung von Barchent gewidmet war. Auf die schlesische und böhmische Tucherzeugung, die mengen- und qualitätsmäßig in der Produktion der deutsch-slawischen

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Erblande an erster Stelle stand und einen großen Teil ihrer Erzeugnisse zu exportieren vermochte, muß hier nicht näher eingegangen werden. Zu den im Zeichen des Merkantilismus geförderten Wirtschaftszweigen gehörte selbstverständlich auch das Berg- und Hüttenwesen. Auf diesem Gebiete hatte der österreichische Staat allerdings schon vor Jahrhunderten eingegriffen, zuerst beim Salzwesen, dem klassischen österreichischen Monopol, später beim Eisen. Die absolutistische Wirtschaftspolitik brauchte hier also nur alte Traditionen weiterzuführen und auszubauen. Das Salzamt wurde durch eine Visitationskommission unter dem Hofkammerrat Klemens von Radolf in den fünfziger Jahren des 17. Jahrhunderts reformiert. Man sorgte für die Erneuerung der technischen Ausrüstung der Salinen und bemühte sich auch um die Organisation des Salzhandels, die ausländische Konkurrenz wurde verdrängt und man konnte die Produktion der eigenen Salinen wesentlich steigern, obwohl gelegentliche Unterschleife unredlicher Organe und ein unverhältnismäßig großer Personalstand diese Entwicklung zu beeinträchtigen drohten. Auch in der Förderung und Verhüttung des Eisenerzes ist gegen Ende des 17. Jahrhunderts, nach einschneidenden Verwaltungsreformen der Jahre 1678 und 1679 in der Innerberger H a u p t gewerkschaft: und nach einer Produktionsregelung, die sich nach den Erfordernissen der wieder günstiger werdenden Absatzverhältnisse richtete, eine positive Wendung eingetreten; um die Jahrhundertwende ergaben sich allerdings wegen einer Erhöhung der Lebensmittelpreise Schwierigkeiten bei der Erstattung der Naturallöhne für das Bergpersonal. Die Roheisenproduktion nahm aber weiter zu und um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte man im Innerberger Bereich wieder die 100.000 Zentner Jahresproduktion der Blütezeit vor 1600 erreicht. Auch der Vordernberger Abbau und Schmelzprozeß entwickelte sich zufriedenstellend. Seit 1711 erschloß man schließlich ein neues Eisenvorkommen bei Radmer, wo schon seit längerer Zeit Kupfer gewonnen wurde. Wichtig war die allgemeinere Einführung des Sprengbetriebes in den Erzbergwerken um die Jahrhundertwende, die sehr wesentlich zur Erhöhung der Produktionsziffern beitrug, das gilt für die steirischen Abbauorte ebenso wie für den Kärntner Hüttenberg. Die Gewinnung der Kupfer- und Edelmetallerze stand seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zunehmend unter der Konkurrenz der Minen in Übersee, gegen die auf die Dauer nicht mehr recht aufzukommen war. Im Jahre 1657 gaben die Fugger den Schwazer Bergbau ab; ihre Tiroler Bergwirtschaft war schwer verschuldet. Die Kameralverwaltung übernahm jetzt die Betriebsführung. Große Gewinne waren nicht mehr zu erzielen, doch blieben die Bilanzen aktiv und man konnte um die Mitte des 18. Jahrhunderts noch mit einem bescheidenen Überschuß rechnen. Gelegentlich fand man in den Alpen doch noch neue abbauwürdige Erzlager; so organisierte Hans Adam Stampfer von Walchenberg nach einem Zufallsfund die Kupfergewinnung in der Fragant in Oberkärnten. Als weitaus wichtigster inner-

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österreichischer Montanbetrieb galt aber der Quecksilberbergbau von Idria in Krain, wo man um die Mitte des 17. Jahrhunderts jährlich etwa 2000 Zentner des begehrten flüssigen Metalls gewann. Die absolutistische Wirtschaftspolitik griff naturgemäß auch nachdrücklich in die Handwerksorganisationen ein. Unter Ferdinand III. und Leopold I. wurden zahlreiche Ordnungen für verschiedene Handwerke und Gewerbe erlassen, die zum Großteil für ganze Länder gelten sollten, während in älterer Zeit jede Stadt in der Regel ihre eigenen Ordnungen hatte. Oft waren es die Stände, die auf „Landordnungen" drängten, deren Bestimmungen sie entscheidend zu beeinflussen hofften; es gelang ihnen aber nicht, ihre Absichten zur Gänze durchzusetzen. Die kaiserlichen Handwerkskommissionen gaben vor ihren autoritativ gefällten Entscheidungen doch auch den Zunftvertretern Gelegenheit, ihre Anliegen in detaillierten Eingaben vorzubringen. Zumeist traten die Zünfte leidenschaftlich für eine Beschränkung der Zahl der Betriebe, für Erschwerung und Vermehrung der Meisterstücke, für Erhöhungen der Gebühren und der Strafen für die Gesellen ein und damit hatten sie auch weitgehend Erfolg. Die von der legalen Berufsausübung ausgeschlossenen Elemente vermehrten aber nur die Zahl der Störer, der unbefugten Konkurrenten des bürgerlichen Handwerkes. Becher rechnete 1679 auf 100.000 Handwerksmeister und Gesellen der Erblande 50.000 „Störer". Da in der Zeit der stehenden Heere und des gesteigerten höfischen Aufwandes auch die Zahl der Militärhandwerker, der Hofbefreiten und mit besonderen kaiserlichen Privilegien versehenen — zumeist protestantischen — „Dekretisten" beträchtlich zunahm, blieb die Lage des bürgerlichen H a n d werks schwierig. Gegen die „Diktatur der Zünfte", deren ängstliche und immer überspannter werdende Prohibitivmaßnahmen gegen die Konkurrenz der Außenstehenden und gegen das Nachdrängen der Gesellen im Grunde recht deutlich die Furcht vor einer sich ankündigenden Umgestaltung der Wirtschaftsstruktur verraten, wurde von merkantilistischer Seite scharf protestiert. Schröder war überhaupt für die Aufhebung der „vermaledeiten und als die ärgste Pest von ganz Deutschland verfluchten Zünfte". Soweit ist man behördlicherseits nicht gegangen, man hielt aber die Zünfte von den neu eingeführten Manufakturen ferne; der Terminus „Fabrik" bezeichnete in der merkantilistischen Epoche weniger den Großbetrieb mit zahlreichen Beschäftigten und mechanisierter Arbeitsweise, als vielmehr das privilegierte, gewerbliche Unternehmen außerhalb der Zünfte. Diese Sonderstellung war naturgemäß Anlaß zu ständigen Protesten des Handwerks. Jene Handwerke, an denen ein Staatsinteresse offenkundig gegeben war, haben die staatlichen Behörden aber bewußt gefördert. So siedelte man 1656 in Wiener Neustadt niederländische und westdeutsche Waffenschmiede an, deren „Armaturenmeisterschaft" die kaiserlichen Truppen mit Waffen versorgte. Ein wehrwichtiges Gewerbe übten auch die Salniterer und Pulvermacher aus, die auf Grund

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eines landesherrlichen Regals den Salpeter sammelten und selbst sogenannte „Salpetergärten" anlegten. Besonders ungünstig gestaltete sich im späteren 17. Jahrhundert die soziale Lage der Handwerksgesellen. Von den Zünften wurden sie sehr stiefmütterlich behandelt und die Behörden gingen gegen sie viel schärfer als gegen die Meister vor; namentlich dann, wenn die Gesellen ihre Unzufriedenheit mit der Ungunst ihrer Lebens- und Berufsverhältnisse durch Zusammenrottungen und gewaltsamen Widerstand äußerten, wie etwa zu Beginn des 18. Jahrhunderts mehrfach die Wiener Schuhknechte. Die Verordnungen des Regensburger Reichstages von 1731 und die Generalhandwerksordnungen Karls VI. für die österreichischen Länder im folgenden Jahr, welche die Zünfte unter straffere landesfürstliche Kontrolle stellten, fanden die schärfsten Formulierungen, wenn es sich um die Gesellen handelte. Obwohl die österreichische Produktion in vielen Wirtschaftszweigen vor allem für den lokalen Gebrauch arbeitete, gab es, wie ja schon in den früheren Epochen, einen nicht unbedeutenden Binnen- und Außenhandel mit den traditionellen Waren: Träger dieses Handels waren allerdings vielfach Ausländer oder Angehörige konfessioneller und nationaler Minderheiten. Die aus Österreichern zusammengesetzten Kaufherren- und Krämerzünfte lagen in stetem Konflikt mit den Genossenschaften der Niederlagsverwandten, denen zumeist deutsche Protestanten angehörten, die sich keineswegs auf den ihnen verbrieften Handel mit ausländischen Waren beschränkten. Im Donauhandel mit der Türkei waren serbische Händler sehr tätig. Audi Griechen und Armenier betrieben den Südosthandel. Sehr stark waren im Groß- und Kleinhandel die Juden vertreten, zwischen ihnen und den christlichen Kaufleuten bestand ein heftiger Konkurrenzkampf, der im Jahre 1671 zu einer Vertreibung der Wiener Juden führte, einer Maßnahme, bei der freilich auch konfessionelle Gesichtspunkte eine große Rolle spielten. Der Ubertritt zum Christentum befreite von den Bestimmungen des Ausweisungsdekretes, doch wurde von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht. Der Staat zog aus seinem Außenhandel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch keinen allzugroßen Nutzen, selbst nicht aus dem Handel mit Gütern, die aus den staatlichen, gewöhnlich an Pächter (Appaltatoren) ausgegebenen Unternehmen stammten. Die Bedeutung der staatlichen Monopole für den Exporthandel war ungleich; das Salz wurde im Inland verbraucht, den Eisenhandel betrieben die Innerberger und Vordernberger Gewerkschaften in eigener Regie, wenn auch unter staatlicher Aufsicht; 1661 erhielt Graf Albrecht Sinzendorf den Sensenappalto, ein Monopol für den Verkauf der Erzeugnisse der nieder- und oberösterreichischen Sensenschmiede. Unmittelbar dem Staate unterstanden seit Leopolds I. Regierung zuerst der Quecksilber- und dann der Kupferhandel. Beide brachten zeitweilig erhebliche Gewinne, doch arbeitete der innerösterreichische H o f -

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kammerrat Abondio Inzaghi, dem die Übernahme des Idrianer Bergbaubetriebes und des Quecksilberhandels in die Regie der Kammer und eine Steigerung der Ergiebigkeit zu danken waren, allzusehr für die eigene Tasche. Die Aufdeckung seiner Amtsmißbräuche führte im Jahre 1669 zu Inzaghis Sturz, er hatte die Quecksilberagenden als unredlicher Kaufmann, nicht als Beamter geführt. Große Schwierigkeiten gab es auch mit dem „niederungarischen" Kupfer in Neusohl und Schmöllnitz. Die staatliche Verkaufsorganisation funktionierte nicht und schließlich geriet man sowohl im Kupfer- wie im Quecksilberhandel um die Jahrhundertwende völlig in Abhängigkeit vom holländischen Kapital, das große Summen vorgestreckt hatte. Erst im Jahre 1724 konnten die holländischen Quecksilberanleihen, 1733 die auf Kupfer abgelöst werden; seitdem hatte man gute Exporterfolge. Im privaten Exporthandel war die Ausfuhr schlesischer Leinwand weitaus am wichtigsten, freilich machten sich schon Absperrungsmaßnahmen des Auslandes geltend, das ja auch eine merkantilistische Schutzpolitik verfolgte. Zur Umgehung auswärtiger Zollschranken und zur Förderung eigener Fluß- und Seehäfen versuchte man von Staats wegen, den Export in gewisse Richtungen zu lenken. So kam es beim Friedensschluß von Passarowitz auch zu einem Handelsabkommen mit der Türkei; schon nach den Eisenburger und Karlowitzer Verträgen hatte man einen Levantehandel über den Donauweg zu organisieren begonnen. Die erste Orientalische Handelskompagnie von 1667 exportierte Eisenwaren und Tuche, eingeführt wurden Wolle, Häute und vor allem Lebendvieh zur Versorgung des Wiener Fleischmarktes. Nach 1699 waren balkanische Händler, aber auch Holländer und Engländer im Südosthandel tätig, doch blieb die österreichische Bilanz im Türkenhandel passiv. Im Jahre 1719 nahm eine zweite Orientalische Kompagnie von Wien aus den Donauhandel in die Türkei wieder auf, das damals österreichische Belgrad fungierte als wichtiger Umschlagplatz. Trotz aller Anstrengungen konnte man sich aber gegen die balkanischen Händler nicht recht durchsetzen. Günstiger war dagegen die Entwicklung des Verkehrs auf der oberen Donau, auf der regelmäßige Schiffsverbindungen eingerichtet wurden. Mit der Tätigkeit der zweiten Orientalischen Kompagnie hängt ferner die planmäßige Intensivierung des Mittelmeerhandels zusammen. Schon unter Leopold I. hatte man, nicht zuletzt unter dem Einfluß der Initiative Bechers, sich in den Adriahandel stärker einzuschalten versucht, größeren Umfang nahm der österreichische Seehandel im Süden aber erst an, als im Jahre 1719 Triest und Fiume durch Karl VI. zu Freihäfen erklärt wurden. Auch hier war die zweite Orientalische Kompagnie tätig, die Handel nach Spanien, Portugal und sogar mit den wegen ihres Seeraubes gefürchteten Barbareskenstaaten Nordafrikas trieb. Das toskanische Livorno und die süditalienischen H ä f e n wurden als Stützpunkte benützt. In diese Zeit fallen auch die ersten, schließlich fehlgeschlagenen Versuche, Österreich eine taugliche Kriegsflotte zu schaffen. Da der österreichische Export über Hamburg,

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Stettin und Danzig mit Transportschwierigkeiten kämpfen mußte und durch Zölle behindert wurde, versuchte man ihn über Triest umzuleiten. Das gelang nicht recht und die Venetianer versuchten den österreichischen Adriahandel wie in früherer Zeit zu behindern. Die Markusrepublik besaß aber nicht mehr genügend Macht zur Sperre der österreichischen Seewege. Die Orientalische Kompagnie, die sich auch, wie an anderer Stelle ausgeführt, mit der Anlage von Fabriken versuchte, wurde schließlich ein Opfer der Verbindung mit einem Lotterieunternehmen, das Bankrott machte und die Kompagnie in seinen Zusammenbruch verwickelte. In die Zeit Karls V I . fallen auch die ersten kolonialen Unternehmungen Österreichs; in Zusammenhang mit den bereits entsprechend gewürdigten Bestrebungen zur Aktivierung der Handelskompagnie von Ostende kam es zur Gründung von Faktoreien an der Ostküste Vorderindiens, an der Koromandelküste südlich von Madras (Sadatpatnam 1719) und an der Gangesmündung (Banki Basar 1 7 2 2 ) ; auch im chinesischen Kanton besaß man eine Niederlassung. Die indischen Stützpunkte überlebten die Kompagnie von Ostende etliche J a h r e und hielten sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Unter Karls Regierung entschloß man sich auch zu einer großzügigen Straßenbaupolitik, nachdem während des 17. Jahrhunderts für die wichtigsten Verkehrsverbindungen der Monarchie wenig getan worden war. Neue Kunststraßen erschlossen die Adriahäfen für das Hinterland, die Saumwege über den Semmering und den Loiblpaß wurden zu breiten Fahrstraßen ausgebaut, auch durch den Wienerwald eine Straße angelegt. A u f Wunsch Karls V I . führte Erzbischof Franz Anton G r a f von Harrach Straßenbauten im Salzburgischen durch. Weniger befriedigend ging der Ausbau der Verbindungen von Wien in die Sudetenländer vor sich. Auch für die Schiffbarmachung der Flüsse wurde einiges geleistet; unter Leopold I. und K a r l V I . tauchte zum erstenmal das Projekt eines Donau-Oderkanales auf, ohne verwirklicht zu werden. Eine wichtige Maßnahme war schließlich die Verstaatlichung der Post, zunächst in den deutschen und böhmischen Erbländern ( 1 7 2 2 ) ; dadurch wurde der Briefverkehr verbessert, beschleunigt und verbilligt. Wollte man den Binnenverkehr und den Transithandel in den habsburgischen Ländern beleben, so war es auch notwendig, etwas gegen die Unmenge von privaten und landständischen Mauten zu tun, welche die Waren beträchtlich verteuerten. Es gelang, mehrere dieser Binnenzollstationen einzuziehen, doch blieb die Hauptarbeit zur Erlangung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes der nächsten Generation überlassen. Für seine großen militärischen und wirtschaftspolitischen Unternehmungen benötigte der Staat enorme Geldbeträge; das alte und schlechte Mittel der Verpfändungen genügte nicht, so hielt man sich an spekulative Unternehmer, die imstande waren, das nötige Bargeld bei Bedarf schnell aufzubringen, das sie dem Fiskus, der seine Verpflichtungen in der Regel sehr schlecht erfüllte,

Erziehungswesen, Wissenschaft und K u n s t der Barockepoche

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allerdings nur gegen hohe Verzinsung liehen. Einer dieser Geldgeber war der Hofbankier Samuel Oppenheimer, dessen Bankhaus seit dem Ende der siebziger Jahre bis zum Bankrott (1703) dem H o f große Darlehen gewährte, aber nach undurchsichtigen und bedenklichen Operationen zusammenbrach. Oppenheimers Nachfolger Samson Wertheimer arbeitete einwandfrei, es war aber doch notwendig, sich anders zu behelfen. Die Errichtung eines an sich recht modern eingerichteten Banco del Giro (1703) wurde infolge personeller Mängel zu einem Fehlschlag; im Jahre 1705 begann aber die Tätigkeit des Wiener Stadtbanco, der sich auf Kapital und Kredit der Stadt Wien stützte und gut funktionierte, während eine staatliche „Universalbancalität" (gegr. 1715) bald wieder liquidiert werden mußte. Die mit Finanzangelegenheiten befaßten Behörden der Zentralverwaltung waren schon deshalb ihren Aufgaben nicht recht gewachsen, weil es an tüchtigen und uneigennützigen Beamten gemangelt zu haben scheint. Nach der Mißwirtschaft ihres 1680 enthobenen Präsidenten Georg Ludwig Grafen Sinzendorf wurde für die Hofkammer eine neue Dienstordnung geschaffen, aber ein wirklicher Wandel trat erst ein, als mit dem Grafen Gundakar Starhemberg (1703) ein energischer und fähiger Beamter die Leitung der Kammer übernahm. In den letzten Jahren der Regierung Karls V I . ging es mit den Staatsfinanzen wieder abwärts; sie waren der übermäßigen Beanspruchung durch die langdauernden und kostspieligen Kriege nicht gewachsen, die H o f haltung benötigte ebenfalls gewaltige Beträge. Erziehungswesen,

Wissenschaft und Kunst der

Barockepoche

Das Schulwesen Österreichs ist nach dem Siege der Gegenreformation und dem Zusammenbruch der protestantischen Schulen durch ausgeprägt katholisch-kirchlichen Charakter gekennzeichnet. In den Schulordnungen aller Lehranstalten, von den niederen Schulen — deren Lehrer oft auch als Kirchendiener fungierten — bis zu den Universitäten wurde nachdrücklichst für die unzweifelhafte Katholizität von Lehrern und Schülern Sorge getragen. Die niederen Schulen litten ein wenig darunter, daß die Jesuiten, die im katholischen Schulwesen weiterhin führend waren, entsprechend der Ordenstradition und der eigenen gelehrten Ausbildung, ihr Augenmerk fast durchweg der höheren lateinischen Schule widmeten und die Elementarerziehung vernachlässigten; erst die Tätigkeit der Piaristen brachte hier einen gründlichen Wandel. Andererseits dürfte es zur größeren Breitenwirkung beigetragen haben, daß man auf den Lateinunterricht in den niederen Schulen, wie ihn humanistischer Ehrgeiz angestrebt hatte, verzichtete. An praktischem pädagogischen Verständnis für die Aufgaben der Kindererziehung wird es vielen österreichischen Lehrern der Barockzeit nicht gemangelt haben, doch fehlte ein Bahnbrecher von Rang, wie ihn die im konfessionellen Kampf unterliegende böhmische Brüderunität in Johann Arnos Comenius (1592 19

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bis 1670) hervorgebracht hatte, dessen Hauptwerke, der „Orbis pictus" und die „Große Unterrichtslehre" für die Zukunft richtungweisend werden sollten. Von der Verwirklichung des von Comenius vertretenen Gedankens einer allgemeinen Schulpflicht war man freilich in allen europäischen Ländern noch weit entfernt. Das mittlere Schulwesen war in Österreich durch zahlreiche Ordensgymnasien der Jesuiten und Benediktiner vertreten, hinter denen die alten städtischen Lateinschulen zumeist weit zurückblieben, wenn sie nicht überhaupt eingingen. Die Ordensschulen hatten eine ziemlich ausgeprägte soziale Note; man verzichtete auf ein Schulgeld und ermöglichte dadurch auch aus bescheidenen Verhältnissen stammenden begabten Kindern den Besuch. Das wissenschaftliche Niveau der österreichischen Barockuniversitäten war recht ungleichmäßig. Die Jesuiten, welche Graz und Wien beherrschten, konzentrierten ihr Interesse auf Theologie und aristotelisch-scholastisdie Philosophie; auf diesen Gebieten vermochten sie auch Bedeutendes zu leisten. Die „weltlichen" Fakultäten der Jurisprudenz und Medizin, die in Graz überhaupt fehlten, kamen in Wien sehr herab; selbst ein ausgezeichneter Mediziner wie Paul Sorbait, der sich zur Pestzeit und während der Türkenbelagerung rühmlichst bewährte, konnte trotz aller Bemühungen für sein Fach keinen Wandel schaffen. Die Universitätsbibliothek war völlig unzulänglich. Unter Karl VI. nahm man an diesen Zuständen bereits Anstoß; es entsprach freilich dem Denken der Zeit, daß man eine Besserung nur von der Verstärkung des staatlichen Einflusses erhoffte. Im Jahre 1677 wurde auch in Innsbruck eine Universität errichtet, man wollte einmal die Stadt, die durch die Auflassung der Tiroler Hofhaltung (1665) gelitten hatte, entschädigen, dann aber für Südwestdeutschland eine katholische Hochschule schaffen, die weniger der Feindesgefahr ausgesetzt war, wie Freiburg im Breisgau, das ja bald für einige Jahre an Frankreich verloren ging. Der längst wieder rein katholische Charakter des Landes Tirol gab eine weitere Empfehlung. Mit allen vier Fakultäten ausgestattet, verdankte Innsbruck seinen Ruf von Anfang an der Theologie. Eine andere Gründung der Barockzeit war die Universität Breslau (1702), die aus dem Jesuitengymnasium der Stadt hervorging und vorderhand nur eine theologische und philosophische Fakultät besaß. Ein etwas anderes Bild als die Universitäten in den habsburgischen Erbländern bietet die Salzburger Benediktineruniversität, wo man gerade die Rechtswissenschaft sorglich pflegte und in Coelestin Sfondrati über einen Juristen von europäischem Rang verfügte. Der vor allem als Dichter bedeutende Simon Rettenbacher hielt philosophische und historische Vorlesungen. Für die Geschichtsschreibung gewannen die Barockuniversitäten überhaupt grundsätzliche Bedeutung, weil damals Geschichte als eigenes Lehrfach eingeführt wurde, die vorländische Universität Freiburg im Breisgau war damit schon früher vorangegangen. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts

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begann man nun audi Geschichtslehrbücher für Unterrichts- und Studienzwecke zu verfassen. Hier stand man aber doch noch am Anfang und die Geschichtsschreibung des Hochbarock gruppierte sich im wesentlichen noch um die traditionellen Zentren des kaiserlichen Hofes, der Landstände in den Provinzen und der monastischen Institutionen. Am H o f e — oder für den Hof — pflegte man eine dynastische, teils genealogische, teils apologetisch-biographische Historiographie, in deren kupferstichgeschmückten Prachtwerken auch die großen staatspolitischen Ereignisse gebührend gewürdigt werden. Trotz des offiziösen Charakters dieser Geschichtsschreibung und der abhängigen Stellung der Autoren ist manches Bleibende geschaffen worden. Unter den genealogischen „Ehrenwerken" älteren Stiles wird man unbedenklich der „Dissertatio polemica de prima origine augustissimae domus Habsburgico-Austriacae" (1680) des Laibacher Domdechanten Johann Ludwig Schönleben den ersten Rang zuerkennen dürfen, einer wahren Fundgrube für die Ideologie der habsburgischen Hausmystik der Barockepoche. Der Dichter Sigismund von Birken erweiterte und veröffentlichte 1668 den noch nicht gedruckten Fuggerschen Ehrenspiegel des Hauses Österreich; Birkens Veränderungen haben freilich den historischen Wert dieser, von einem lange Zeit unbekannt gebliebenen Autor, dem Augsburger Stadtschreiber Clemens Jäger, stammenden Arbeit eher vermindert. Ziemlich unkritisch gehalten ist auch das zweibändige (anonym erschienene) Werk Johann Christoph Beers „Der durchlauchtigsten Ertzherzogen zu Österreich Leben, Regierung und Großtaten . . .", im Grunde handelt es sich hier nur um eine Aneinanderreihung zahlreicher Regentenbiographien, die aber wegen ihres Materialreichtums bis heute einen gewissen Wert besitzt. An Umfang und an wissenschaftlicher Bedeutung übertreffen die acht Bände der „Commentarii Aug. Bibliothecae Caesareae Vindobonensis" des aus Hamburg stammenden Wiener Hofbibliothekars Petrus Lambeck, in denen er Geschichte und Bestände der ihm anvertrauten Sammlungen sachverständig erläuterte, alle vorher genannten Werke; für die Hofbibliothek ist damals überhaupt viel getan worden. Die lange Regierung Leopolds I. gab den Hofhistoriographen Gelegenheit, sich mit der Gestalt dieses Herrschers zu beschäftigen. In elegantem Italienisch schrieb Conte Galeazzo Gualdo-Priorato die dreibändige „Historia di Leopoldo Cesare" (1670—1674), von der des Autors Landsmann, Johann Baptist Comazzi, einen vielgelesenen Auszug verfaßte. Der gelehrte schwäbische Jesuit Franz Wagner behandelte unter Heranziehung von Aktenmaterial in zwei mächtigen Bänden der „Historia Leopoldi magni Caesaris" (1719, 1731) in lateinischer Sprache mit großer Gründlichkeit die leopoldinische Epoche. Die Möglichkeit zu objektiver Darstellung besaß am ehesten der Leipziger Gottlieb Eucharius Ringk, der einige Jahre in Wien arbeitete, aber vom H o f e unabhängig war und nicht nur den Herrscher, sondern auch seine Länder 19·

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und Völker würdigte. Wagner und Ringk versuchten sich auch als Biographen Josephs I. Für Karl V I . verfaßte der Kärntner Jesuit Marcus Hansiz, dessen Hauptverdienste auf dem Gebiet der Kirchengeschichtsschreibung liegen, zwei Jubiläumsschriften; zahlreiche Historiker — neben Österreichern auch Italiener, Niederländer, Engländer und Franzosen — schrieben über Prinz Eugen, dessen erfolgreiche Feldzüge ja genügend Stoff boten; so erschien das sechsbändige Werk der „Helden-Thaten" des Savoyers. Eine Universalgeschichte und den „Ehrenruff Teutschlands, der Teutschen und ihres Reiches" verfaßte der Prinzenerzieher am Hofe Leopolds I., Hans Jakob Wagner von Wagenfels, ein gebürtiger Wiener Neustädter. Er verteidigte deutsche Sprache und Volkssitte gegen den übermächtigen französischen politischen und kulturellen Einfluß. Wir finden hier Anschauungen, die unter Kaiser Josephs I. Regierung noch Terrain gewinnen sollten. Wagner, ein hochgebildeter Mann, war im übrigen kein bornierter Nationalist, sondern ein toleranter Denker, den nur die Notlage des in Ost und West bedrängten Reiches zu schärferen Formulierungen veranlaßte. Genealogie und Landesgeschichte boten, wie in früheren Zeiten, den Stoff für die ständische Geschichtsschreibung, deren Verfasser, zumeist Adelige, in unserer Epoche in der Regel dem Katholizismus angehören. Der Familiengeschichte des nieder- und oberösterreichischen Adels widmeten Johann Wilhelm Freiherr von Wurmbrand (1705) und Georg Adam Freiherr von Hoheneck (1727—1747) ihre Arbeiten. Matthias Fuhrmann schrieb das volkstümliche, vaterländische Geschichtswerk „Altes und Neues Österreich" (1734—1737) und brachte auch eine Wiener Stadtgeschichte „Altes und Neues Wien" (1738/39) heraus. Die eigentliche Glanzleistung der ständischen Landeshistoriographie muß man aber in dem vierbändigen, reichbebilderten Werk „Die Ehre des Herzogtums Krain" von Johann Weikhard von Valvasor sehen, in dem der deutschösterreichische Adelige Valvasor seiner Heimat Krain, ihrer Karstlandschaft und dem slowenischen Bauernvolk, von dem er mit echter Sympathie spricht, ein schönes Denkmal gesetzt hat; wir verdanken ihm auch zwei Topographien von Kärnten. Für Werke dieser Art war mit einem interessierten Leserkreis gebildeter Schichten zu rechnen. Das galt auch für die durch Kupferstiche des Matthäus Merian berühmt gewordene „Topographia Austriae" (1642—1673 bzw. deutsch 1677 veröffentlicht), zu der der obersteirische Exulant Martin Zeiller um die Mitte des 17. Jahrhunderts in seinem Zufluchtsort Ulm die nötigen Vorarbeiten durchgeführt hatte. Georg Matthäus Vischer, ein gebürtiger Tiroler, schuf im Auftrag der Stände gut ausgestattete und durch ihr Abbildungsmaterial noch heute sehr wertvolle Topographien von Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark. Ähnlich wie in der vorhergehenden Epoche galten die historisch-topographischen Interessen der Adelskreise nicht nur der eigenen Heimat, sondern auch weit entlegenen, schwer zugänglichen Landstrichen, wie sie etwa Diplomaten im kaiserlichen Dienst kennenlernen

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konnten. Die aufsteigende Macht Rußlands zog den auf Herbersteins Spuren wandelnden Baron Augustin Mayerberg in ihren Bann. In seinem „Iter in Moscoviam" (ohne Jahr, 2. Aufl. franz. 1688) gab er interessante Mitteilungen zur russischen Landes- und Volkskunde. Johann Peter Korb berichtete 1698 über eine Gesandtschaft zu Peter dem Großen. Dieses Werk wurde aber wegen seiner herben und offenherzigen Sprache aus außenpolitischen Rücksichten beschlagnahmt. Die geistliche Barockgeschichtsschreibung weist in Österreich Werke auf, die sich den durch gründliche und planmäßige Quellenkritik ausgezeichneten, berühmten Leistungen der französischen Benediktiner der Kongregation von St. Maur oder der holländischen Jesuiten durchaus zur Seite stellen lassen. Schon eine frühe Arbeit, die seinem Stift Zwettl gewidmeten „Annales Austro-Claravallenses" des aus Schlesien stammenden Zisterzienserabtes Bernhard Linck, die freilich erst viele Jahre nach der Fertigstellung (1646) gedruckt wurden (1723—1727), zeigt die Vorzüge auf ausgedehnte Quellenbasis gestellter Studien. Die glänzendsten Leistungen vollbrachte die barocke Klostergeschichtsschreibung in Melk. Neben Anselm Schrambs „Chronicon Mellicense" (1702) und Philibert Huebers „Austria ex archivis Mellicensibus illustrata" (1722) ist vor allem das unvergängliche Lebenswerk der Brüder Bernhard und Hieronymus Pez zu nennen. Der mehr philologisch interessierte Bernhard schuf im sechsbändigen „Thesaurus anecdotorum" eine wohlkommentierte Ausgabe wissenschaftlicher Handschriften aus Klosterbibliotheken, während Hieronymus eine Sammlung erzählender Quellen zur österreichischen Geschichte „Scriptores rerum Austriacarum" in drei Bänden — ein vierter blieb ungedruckt — herausgab, die bis heute unentbehrlich geblieben ist. Ähnlich wie in Westeuropa kam es auch in Österreich zu einer quellenkundlichen Kontroverse zwischen den auf ihre Schätze stolzen Benediktinern und skeptischen Jesuiten. Wortführer waren Bernhard Pez und der Kärntner Jesuit Marcus Hansiz, der französischen und italienischen Vorbildern nachstrebend, den Plan einer „Germania sacra", einer deutschen Kirchengeschichte, hegte. Von dieser konnten freilich, ebenso wie von der von Hansiz geplanten Geschichte Kärntens, nur vorbereitende Studien erscheinen. Wertvolle Veröffentlichungen verdankt die österreichische Geschichte auch dem St. Pöltner Chorherrn Raimund Duellius, vor allem je zwei Bände „Miscellanea" und „Excerpta", die urkundliches und genealogisches Material enthalten, ferner Studien über die Geschichte des Deutschen Ritterordens, über die Altertümer der Stadt Cilli und über König Friedrich den Schönen. Eine markante Persönlichkeit war der aus den Rheinlanden stammende Abt Gottfried Bessel vonGöttweig, der Initiator des prachtvollen Barockneubaus seines Stiftes, ein vielseitig tätiger, politisch interessierter Prälat. Sein „Chronicon Gottwicense" (1732) ist nicht, wie man nach dem Titel vermuten könnte, eine Göttweiger Stiftsgeschichte, sondern eine großangelegte hilfswissenschaftliche Arbeit über Urkunden- und Buchschriften,

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sowie zur historischen Geographie; ein Werk, das in der Geschichte der historischen Wissenschaften einen Ehrenplatz einnimmt. Wir müssen noch zweier Männer gedenken, die schon in die maria-theresianisdie Epoche hineinragen. P. Chrysostomus Hanthaler von Lilienfeld, ein Innviertier, beeinträchtigte seinen Ruf als ausgezeichneter Numismatiker, Urkundenforscher und Kirchenhistoriker allerdings durch in seine „Fasti Campililienses" (1747 bis 1754) eingebaute Fälschungen, die er in der verfehlten Meinung, dadurch den Ruf seines Klosters zu mehren und wohl auch aus gelehrter Eitelkeit produzierte. Die von ihm verfaßten und geschriebenen „Chroniken", welche von Autoren der Babenbergerzeit stammen sollten, sowie Einschübe in Urkundentexte haben in die Geschichtsschreibung über das österreichische Hochmittelalter arge Verwirrung gebracht. Ein Vorderösterreicher, Marquard Herrgott aus Freiburg im Breisgau, Mönch, später Abt von St. Blasien im Schwarzwald, auch als Historiker und Diplomat in kaiserlichem Dienst tätig, schuf durch wissenschaftliche Qualität wie durch prachtvolle Ausstattung ausgezeichnete Werke zur Geschichte der Dynastie. Namentlich seine „Monumenta Augustae Domus Austriacae", eine Sammlung der bildlichen und dinglichen Quellen zur Geschichte der Babenberger und Habsburger können als Abschluß und Höchstleistung der österreichischen Barockhistorie gelten, die ungeachtet ihrer sonst eher konservativen Einstellung durch Schärfung der Quellenkritik und ein sehr modern anmutendes Interesse an den Realien Methode und Stoffgebiet der Geschichtswissenschaft entschieden bereichert hat. Neben der historiographischen Leistung sind die länder- und völkerkundlichen Arbeiten österreichischer Ordensleute der Barockepoche zu erwähnen; Missionäre aus der Habsburgermonarchie, durchweg Jesuiten, hatten einen sehr beachtlichen Anteil an der wissenschaftlichen Erschließung der außereuropäischen Länder. In China war der deutsch schreibende Trientiner Martin Martini seit 1643 tätig; sein 1655 in Wien gedruckter „Atlas Sinensis" gilt als Standardwerk. Neben Martini wirkte der Linzer P. Johann Grueber als Mathematiker, Astronom und Geograph im Reiche der Mitte. Grueber gelang eine waghalsige Reise von Peking nach Tibet, von dessen Hauptstadt Lhasa er nach glücklicher Uberquerung der Himalajapässe sich zu den Jesuitenniederlassungen in Indien durchschlug. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wirkte ein anderer Linzer Jesuit, Xaver Friedel, an der großangelegten Landesaufnahme Chinas durch seinen Orden in hervorragender Weise mit. Auch auf den südostasiatischen Inseln und in Südamerika unternahmen Missionäre aus den österreichischen Alpenländern und Sudetendeutsche erfolgreiche Forschungsreisen, unter ihnen der tatkräftige Pater Samuel Fritz aus Trautenau, der den Amazonas bereiste und sein Stromgebiet kartographisch aufnahm, aber auch in der Missionierung und Kultivierung der Indianer, sowie in der Erforschung ihrer Sprachen Großes leistete.

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Von dem Anteil der österreichischen Missionäre an der Erforschung der Erde abgesehen, begegnen uns im barocken Österreich kaum Bahnbrecher der Naturwissenschaften oder der Mathematik. Einen ansehnlichen Stand und eine gute Tradition hatte die Landesvermessung, in der drei Wahlösterreicher, der Sachse Daniel Suttinger und die Norditaliener Leander Graf Anguissola und Jakob Marinoni ausgezeichnete Leistungen aufzuweisen hatten. Der aus Brünn stammende, zeitweilig audi im Missionsdienst im Fernen Osten tätige Georg Kammel, verfaßte grundlegende Schriften über die Flora der Philippinen. Eine hervorragende Forscherpersönlichkeit hätte Österreich mit Gottfried Wilhelm Leibniz gewinnen können. Leibniz hatte bedeutenden Anteil an der Gründung der „Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften" (1700) gehabt, war aber dann durch die weitere Entwicklung dieser gelehrten Gesellschaft schwer enttäuscht worden. Nach mehrjährigen Vorbereitungen legte er dem Kaiser 1714 einen Organisationsentwurf für eine Wiener Akademie der Wissenschaften vor; auch Prinz Eugen war an dem Projekt interessiert und im Jahre 1715 galt die Verwirklichung des Akademieplanes als gesichert. Noch waren Finanzierungsschwierigkeiten zu lösen, als Leibniz 1716 starb. Wohl interessierten sich weiterhin einige einflußreiche Männer, vor allem der kaiserliche Historiograph und Numismatiker Apostolo Zeno, für die Akademie, es fehlte aber nunmehr an einer wirklich treibenden Kraft und so kam man nicht mehr weiter. Die schönsten Leistungen der deutschen Dichtung der Barockepodie sind auf einem in jener Zeit österreichischen Boden entstanden, freilich nicht in den Ostalpenländern, sondern in Schlesien, dem Lande der Toleranz unter den habsburgischen Gebieten, wo die Schöpfungen der ersten und zweiten sdhlesischen Dichterschule jene Voraussetzungen schufen, an die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die großen Künder der höchsten Blüte des deutschen Geistes anknüpfen konnten. Die deutsche Literatur des altösterreichischen Raumes ist in der hier behandelten Zeit gewiß hinter den Werken der Schlesier etwas zurückgeblieben, hat aber doch manche originelle und kraftvolle Leistung aufzuweisen. Der protestantische Adel, auch jener Niederösterreichs, der nach den Bestimmungen des Westfälischen Friedens Anspruch auf Duldung hatte, verlor mehr und mehr den Boden unter den Füßen, nichtsdestoweniger ist er bis zum Schluße geistig schöpferisch geblieben. Wolf Helmhart von Hohberg, den man mit Recht als echten und bedeutenden Repräsentanten adeligen Lebensstiles diarakterisiert hat, schuf neben seinem Hauptwerk „Georgica Curiosa oder Adeliges Land- und Feldleben", das uns ein lehrhaftes aber doch auch lebendiges Bild österreichischer Grundherrschaft und Landwirtschaft vermittelt, auch „Georgica" in Versen zum gleichen Thema und verfaßte mit dem „Habspurgischen Ottopert" und der „Unvergnügten Proserpina" historisch-epische Dichtungen, von denen der „Ottopert" den Protestanten, der sein Leben im Regensburger Exil beendete (1688) als der Dynastie ergebenen Patrioten ausweist.

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Eine stärkere dichterische Begabung als Hohberg, dessen eigentliche Bedeutung nicht durch eine vorwiegend literarische Wertung erfaßt werden kann, besaß ohne Zweifel die niederösterreichische Adelige Katharina von Greiffenberg. Aus ihren „Geistlichen Sonetten, Liedern und Gedichten" spricht vor allem die religiöse, evangelische Überzeugung der Verfasserin; die „Siegessäule der Buße", während des Türkenkrieges von 1663/64 entstanden, spiegelt die Abwehrstimmung, die Protestanten und Katholiken doch zeitweilig zum Kampf gegen den „Erbfeind der Christenheit" einigen konnte. Als fruchtbarer Ubersetzer italienischer, französischer und lateinischer Werke, darunter der „sermones fideles" des Bacon of Verulam vermittelte Johann Wilhelm von Stubenberg dem deutschen Volk bedeutende Schöpfungen der Weltliteratur. Ein Katholik war Adam von Lebenwaldt aus Sarleinsbach im Mühlviertel, Dichter und Arzt, von Kaiser Leopold I. gekrönter „poeta laureatus", er zeigt sich in seinen Epigrammen deutlich von den Schlesiern beeinflußt und versuchte sich auch mit einem volkstümlichen, gegen Kurpfuscherei und Aberglauben gerichteten „Land-, Stadt- und Hausarzneibuch". Ungewöhnliches formales Talent und gewaltige Schaffenskraft verraten die zumeist lateinischen Dichtungen des aus Aigen bei Salzburg stammenden hochgebildeten Kremsmünsterer Benediktiners Simon Rettenbacher. Als Vorbild dienten ihm die Oden des Horaz, die Not der Zeit, der Doppelangriff von Türken und Franzosen veranlaßten ihn zu seinem bekanntesten Gedicht „Germania invicta, si conjuncta". Auch als Übersetzer hat der unermüdliche Mann Bedeutendes geleistet. Virgil Gleissenberger, Abt von Ossiach, schrieb ein lateinisches Epos über König Boleslav II. von Polen, dessen Grab man in seinem Stift zu beherbergen glaubte. Die eigentliche publizistische Großleistung des österreichischen Barockkatholizismus schuf der sprachgewaltige Hofprediger Kaiser Leopolds I., der Augustinermönch Abraham a Sancta Clara, ein aus dem Hegau nach Wien gekommener Schwabe, der mit seinem bürgerlichen Namen Johann Ulrich Megerle hieß. Die Predigten des Paters Abraham hatten schon wegen seines treffenden Wortwitzes ungeheuren Zulauf, seine Schriften konnten ebenfalls mit einem großen Leserkreis rechnen. Für uns haben sie nicht zuletzt als Quellen für Gesellschaftskritik und Wirtschaftsstil der Epoche Bedeutung. Berufsbeamtentum und Handelsstand schneiden bei Abraham besonders schlecht ab; in der satirischen Schrift „Judas, der Erzschelm" wettert er gegen unredliche Handelssitten und vertritt im übrigen eine sehr konservative, doch wohl überlebte, vormerkantilistische Wirtschaftsauffassung. In „Merks Wien!" nahm er die Pestseuche zum Anlaß, um gegen eine oberflächliche, leichtsinnige Lebensführung zu polemisieren. Angesichts der Türkennot verfaßte Pater Abraham in Graz, wo er sich einige Jahre aufhielt, zur Belebung des Abwehrwillens die zündende Volksschrift „Auf, auf, ihr Christen!". Die konfessionelle Polemik trat bei Abraham a Sancta Clara trotz einiger temperamentvoller Ausfälle schon merklich zurück, insofern leitet sein Werk

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auch in geistiger Hinsicht in das 18. Jahrhundert über, an dessen Schwelle es verfaßt wurde. Besonderes Interesse empfanden die Menschen des österreichischen Barock für das Schauspiel. Im Barocktheater wirkten alle Künste zusammen; Musik und Tanz waren ebenso wichtig wie das gesprochene Wort, vor allem aber bediente man sich großzügig der Theatermaschinen und Dekorationen, die gelegentlich geradezu zur Hauptsache wurden. Das Schauspiel hatte große Bedeutung in der Glaubenspropaganda der Gegenreformation gehabt, dann in der prunkvollen Darstellung ihres Sieges. Das galt etwa für die Jesuitentheater in Wien, Graz und Innsbruck, für die Bühnen der Benediktiner in Salzburg oder Kremsmünster, zu denen dann noch die Aufführungen der Piaristen kamen, zunächst in kleineren Städten, wie dem niederösterreichischen Horn. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden auf den Ordensbühnen wahre Prunkstücke dargeboten, so die berühmte „Pietas victrix" des Nicolaus Avancinus auf dem Wiener Jesuitentheater. Auch der Wiener Hof liebte derartige Stücke; zu einem überwältigenden Schauspiel wurde der 1667 im Wiener Burghof aufgeführte „Wettstreit zwischen Luft und Wasser" dank eines Großeinsatzes der Theatertechnik und den Höhepunkt dieser Gattung bildete wahrscheinlich die Prunkoper „Ii pomo d'oro" des Francesco Sbarra mit der Musik von Marco Antonio Cesti; eine Variation des antiken Motives des Parisurteils zu Ehren der jungvermählten Kaiserin Margarethe Theresia. Unser Zeitalter ist überhaupt identisch mit der Blüte der italienischen Oper nördlich der Alpen, die bis zum Tode Karls VI. dauerte. Dieser literarisch anspruchsvolle Monarch hatte in Apostolo Zeno seinen Hofdichter von Rang, nach dessen Abgang (1729) die Ära des besser unter seinem Künstlernamen Metastasio bekannten Römers Pietro Trapassi begann, eines überaus fruchtbaren Verfassers von Operntexten, dessen Gestalt noch die maria-theresianische Epoche beherrschen sollte. Neben der so stark romanisch gefärbten höfischen und kirchlichen Bühnenkunst gab es ein urwüchsiges Volkstheater, in dem die heitere Muse dominierte. Der Schlesier Johann Baptist Adolph und der Steirer Joseph Anton Stranitzky waren die Wegbereiter des Wiener Volksstückes, die Figur des witzigen Dieners Hans Wurst beherrschte Stranitzkys Stegreiftheater und errang größte Volkstümlichkeit. Der Musikpflege kam in der Barockepoche in den höfischen Kreisen die große musikalische Begabung der drei komponierenden Kaiser, Ferdinand III., Leopold und Joseph, entgegen, die die Hofkapelle sehr förderten und von denen namentlich Leopold die italienische Oper pflegte. Am H o f e des ebenfalls sehr musikalischen Karls VI. wirkte der «Oststeirer Johann Joseph Fux (1660—1741), der eine große Zahl von Kompositionen, namentlich Messen, Opern und Oratorien schuf und ein hochgeschätztes Lehrbuch „Gradus ad Parnassum" schrieb. Sein und anderer in Wien tätiger

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Meister Wirken legte das Fundament für die Schöpfungen der österreichischen Klassiker der Musik seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Auch in der Barockmusik beobachten wir, neben den höfischen und kirchlichen Zentren und mannigfach mit diesen in Verbindung, das kraftvolle Gedeihen einer volkstümlichen Kunstpflege; die Liederbücher der Zeit haben uns manche Melodien und auch den einen oder anderen Namen ihrer Schöpfer bewahrt. Gänzlich unhistorisch ist freilich die so populär gewordene Gestalt des Wiener Straßensängers und Sackpfeifers Augustin und seiner Abenteuer während der Pestseuche 1679. Das „Lied vom lieben Augustin" wurde erst um 1800 auf diese legendäre Figur gemünzt, die alsbald als Urwiener Type gelten sollte. Das Jahr 1648, das wir zur Begrenzung der Epoche des höfischen Absolutismus gegenüber der früheren Zeit gewählt haben, bezeichnet in der österreichischen Kunstgeschichte gewiß keine echte Zäsur; die müßte man mit dem Siege des Barock schon früher, etwa um 1620, ansetzen: Man kann höchstens sagen, daß die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges Voraussetzungen für eine stärkere Belebung künstlerischer Tätigkeit bot. In dieser Hinsicht bleibt allerdings die Bedeutung von 1648 hinter der des Türkenjahres 1683 zurück, nach dem ein unvergleichlich machtvollerer Auftakt künstlerischen Schaffens einsetzte. Die bildende Kunst wird in der Barockepoche in der Regel noch von den drei charakteristischen und traditionellen Führungskreisen des Hofes, Adels und der Kirche finanziert und gefördert, doch begann auch das Bürgertum großzügiger zu bauen, oft unter Heranziehung bedeutender Architekten. Die drei Monarchen unserer Epoche, Leopold, Joseph und Karl VI. waren den Künsten geneigt. Wir verwiesen auf Vorliebe und Begabung für die Musik; Leopold besaß überdies eine starke Neigung für Architektur und darstellende Kunst. Die Interessen seiner charakterlich so verschiedenartigen Söhne Joseph und Karl gingen auch auf dem Gebiet der Kunstförderung auseinander. Joseph übertraf den Vater noch an musikalischer Begabung. Als Bauherr konnte er wegen der Kürze seiner Regierung und der Kriegsnöte nicht so hervortreten, wie er wollte, für die kaiserlichen Kunstsammlungen hat er nichts Wesentliches geleistet, vielmehr manches wertvolle Stück verschenkt. Karl VI. hat diese Sammlungen dagegen sorglich gepflegt; besondere Vorliebe hatte er für die Numismatik. Für alle drei Herrscher war schließlich aus politischen Rücksichten eine Art Notwendigkeit gegeben, hinter dem großen Gegner Ludwig X I V . und seinem Versailles in der Entfaltung künstlerischen Aufwandes nicht allzuweit zurückzubleiben. Neben den Monarchen müssen wir noch einen älteren Habsburger rühmlich erwähnen, Erzherzog Leopold Wilhelm, der sich als Statthalter der spanischen Niederlande eine große Gemälde- und Gobelinsammlung angelegt hatte, mit der er 1656 nach Wien übersiedelte. Sein Besitz ist zu einem Grundstods der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums geworden.

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Es entsprach den künstlerischen Interessen des Hofes und der Zeit überhaupt, daß man auch nach planmäßiger, womöglich akademischer Schulung der bildenden Künstler strebte. I m J a h r e 1692 errichtete der aus Südtirol stammende H o f - und Kammermaler Peter Paul Strudel eine zunächst private Kunstschule, die er mit Unterstützung von Subventionen des Hofes zu einer „Academia von der Malerey, Bildhauer-, Fortifikations-, Perspektiv- und Architekturkunst" machen wollte. Nach Strudels Tod (1714) schien seine Idee und das Institut dem Untergang geweiht; im J a h r e 1725 ließ aber Karl V I . die „Akademie der bildenden Künste" unter Leitung des Hofmalers J a k o b van Schuppen errichten; die neue Anstalt erfreute sich alsbald guten Besuches und Rufes. Wenden wir uns der Aristokratie zu. Unter den adeligen Kunstmäzenen ist neben dem Prinzen Eugen, dessen Sammlungen leider zum Großteil von seiner verständnislosen Nichte Viktoria verschleudert wurden, vor allem Karl Eusebius von Liechtenstein zu nennen, der Begründer der Liechtensteingalerie und ein großer Bauherr, der in den siebziger Jahren des 17. J a h r hunderts ein ausführliches Werk über Architektur verfaßte, in dem das Streben nach Nachruhm als eine Hauptwurzel aristokratischen Mäzenatentums deutlich zutage tritt. Ebenso wie das absolute Herrschertum und der Adel besaßen auch die gegenreformatorische Kirche und ihre Prälaten ein Bedürfnis nach Repräsentationsprunk; die an anderer Stelle gewürdigte, seit der Mitte des 17. Jahrhunderts so deutliche gefühlsmäßige Zuwendung der Söhne und Enkel jener Generationen, die noch den Ideen der Reformatoren verpflichtet gewesen waren, zum Barockkatholizismus, hat gleichfalls zum gewaltigen Aufschwung der Sakralkunst das Ihre beigetragen. Die Apotheose der Erfolge gegen die „Häretiker" und nach 1683 der Siege gegen die „heidnischen" Türken bot wichtige Anregungen und Gestaltungsmöglichkeiten für Plastik und Malerei. Die Kunst des Barock zeigt in ihren Themen, Allegorien und Devisen überhaupt mannigfaltigste Beziehungen zu den geistigen und kirchlichen Strömungen, zu den politischen und militärischen Kämpfen der Zeit. U m die Mitte des 17. Jahrhunderts ist die österreichische Baukunst nach wie vor Domäne der Italiener. Domenico Sciassia baute in St. Lambrecht und Mariazell. Im J a h r e 1677 begann Giovanni Carlone den Kirchenbau in Garsten; im Stile der Carlone erfolgte auch die Barockisierung der Stiftskirche von Vorau. 1667 wurde durch Carlo Martino Carlone das Eisenstädter Esterhazyschloß barock ummantelt. Unter den Wiener Sakralbauten vor 1683 ist die Ausgestaltung der Kirche „Zu den neun Chören der Engel" durch Errichtung einer Monumentalfassade durch Carlo Antonio Carlone ( 1 6 6 2 ) zu nennen, unter den Profanbauten das Palais Starhemberg (erbaut nach 1650, jetzt Unterrichtsministerium); seit 1667 arbeitete Carlo Canevale am Deutschordenshaus. In der eng verbauten Stadt konnte man aber nur nach Opferung älterer Objekte Neues schaffen, freier Raum stand nicht mehr zur

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Verfügung und vor den Mauern drohte der türkische Angriff. Nach 1683 wurde das anders. In der Stadt schloß man Brandlücken und im Bereich der Vorstädte baute man die mit Gärten ausgestatteten Sommerpalais der Hocharistokratie. So entstanden die beiden Liechtensteinpalais in der Stadt und in der Rossau als Werke des Domenico Martineiii unter Mitwirkung zahlreicher anderer, italienischer und deutsdher Architekten, Bildhauer und Stukkateure. Giovanni Pietro Tencala schuf das Stadtpalais Dietrichstein (später Palais Lobkowitz) mit seiner imposanten Fassade. Zur gleichen Zeit erbaute Caspar Zugalli in Salzburg die Erhartkirche im Nonntal und die Kajetanerkirche. Die Zahl der bedeutenden italienischen Architekten ist mit den Genannten noch keineswegs erschöpft, aber nun tritt eine erste Generation bedeutender Österreicher stark hervor, unter ihnen als Bahnbrecher Johann Bernhard Fischer von Erlach, ein Schüler Berninis. Fischer (1656—1723), ein gebürtiger Grazer, vereinigte römische und französische Baugedanken mit eigenen, originellen Ideen und setzte sich im Wettstreit mit den Italienern am Kaiserhof durch. Im Jahre 1688 erbaute er für den Grafen Althan Schloß Frain an der T h a y a in Südmähren; im folgenden Jahre wurde er der Lehrer des Kronprinzen Joseph in der Architektur und 1692 entwarf er einen großartigen Plan für das kaiserliche Lustschloß zu Schönbrunn, der Versailles überbieten wollte und das Hauptgebäude auf der Anhöhe vorsah, auf der sich seit 1775 die Gloriette erhebt. Als sich Bedenken wegen der zu gewärtigenden gewaltigen Kosten geltend machten, wurde nach einem einfacheren Projekt Fischers 1696/97 zu bauen begonnen; sein Sohn Joseph Emanuel setzte die Arbeit fort, die zu Beginn der maria-theresianischen Zeit von Nicolaus Pacassi unter sehr wesentlichen Abänderungen fertiggestellt wurde. Joseph Emanuel vollendete auch des Vaters Planung der Hofbibliothek; in klassizistischem Spätstil schuf der Sohn noch den Reichskanzleitrakt der Hofburg. Auch an den Wiener Stadtpalais des Prinzen Eugen (Finanzministerium) und des Grafen Strattmann (Ungarische Gesandtschaft) war Johann Bernhard Fischer tätig; den Höhepunkt und Abschluß seines Schaffens in Wien bedeutete der Bau der Karlskirche (1716), der auf Grund eines Gelöbnisses Kaiser Karls V I . nach dem Erlöschen der Pestseuche von 1713 in Angriff genommen wurde. In Salzburg, wo Erzbischof Johann Ernst Graf Thun (1687—1709) mit der italienischen Künstlertradition brach, errichtete der große Architekt um die Jahrhundertwende neben anderen Sakralbauten die Kollegienkirche für die Universität. Fischers Bauten gelten bis heute als Inbegriff und Hauptleistungen der österreichischen Barockkultur; sein N a m e ist vielleicht der hervorragendste der österreichischen Kunstgeschichte und jedenfalls der erste seiner Epoche. Der große Konkurrent des älteren Fischer war Lucas von Hildebrandt (1668—1745); in Genua als Sohn eines deutschen Offiziers und einer italienischen Mutter geboren, ist auch er unter dem Eindruck der italienischen und französischen Kunst aufgewachsen. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts

Erziehungswesen, Wissenschaft und Kunst der Barockepodie

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finden wir ihn in Wien tätig als der vom Prinzen Eugen und vom Reichsvizekanzler Friedrich K a r l von Schönborn bevorzugte Architekt. Die Stadt verdankt ihm große Palaisbauten, das für den Grafen Franz Mansfeld errichtete, bald von der Familie Schwarzenberg erworbene und nach ihr benannte Palais, an dessen Innenarchitektur und Gartenanlagen später auch die beiden Fischer mitwirkten, ferner die Gartenpalais des Prinzen Eugen, das obere und das untere Belvedere ( 1 7 1 4 — 1 7 2 2 ) , mit denen er, unterstützt vom Gartenarchitekten Dominique Girard, die bedeutendste Leistung des österreichischen Schloßbaues vollbrachte. Die barocken Neubauten der Wiener Peterskirche und des Stiftes Göttweig, das monumentale Treppenhaus von Schloß Mirabell in Salzburg sind weitere repräsentative Schöpfungen der langen und erfolgreichen künstlerischen Laufbahn Hildebrandts. Als dritter der großen österreichischen Barockbaumeister ist der Tiroler J a k o b Prandtauer ( 1 6 6 0 — 1 7 2 7 ) zu würdigen, der sich nach St. Pölten wandte und in den österreichischen Donauländern tätig war, wo ihm mit dem Kirchen- und Stiftsbau von Melk ein wahres Meisterwerk gelang. Das Kunstverständnis und die erfolgreiche Wirtschaftsführung des Bauherrn Abt Berthold Dietmayr sicherten die nötigen Mittel und der tatkräftige Prälat setzte auch Inangriffnahme und Vollendung des Baues trotz heftiger Opposition im Konvent durch. Es kam Prandtauer bei seinen Werken, unter denen noch Stift Herzogenburg, die Wallfahrtskirche am Sonntagsberg und wesentliche Bauteile von Stift St. Florian zu erwähnen sind, — auch in Dürnstein war sein Einfluß geltend, — sehr zugute, daß er trotz der Größe seiner Vorhaben sparsamer und rechenhafter als andere Architekten arbeitete. Er schonte alte Anlagen und baute sie in seine Pläne ein; so war ihm zumeist auch ein glücklicher Abschluß beschieden. An Prandtauers Werk schließen sich die Bauten von Matthias Steinl in Dürnstein und Zwettl an, sowie jene von Prandtauers Neffen, Josef Mungenast aus Schnann in Tirol, der die Kirche von Altenburg in großzügiger Weise neugestaltete und das Stiftsgebäude, unterstützt von bayerischen Stukkateuren, reich ausstattete. Donato Feiice d'Allio, der Sproß einer seit Jahrzehnten in Österreich schaffenden italienischen Künstlerdynastie, schuf die Kirche der Salesianerinnen auf dem Rennweg in Wien, deren Kloster von der Witwe Josephs I., Kaiserin Wilhelmine Amalie, gegründet worden war. Allio entwarf auch die Pläne für den Stiftsneubau von Klosterneuburg, das nach Karls V I . Willen zu einer Klosterresidenz, einem österreichischen Eskorial werden sollte; nach langen Unterbrechungen wurde nur etwa der vierte Teil der geplanten Anlage vollendet; dennoch besitzt das Bauwerk eine mächtige Gesamtwirkung. Eindrucksvoll ist namentlich auch die Innenarchitektur mit großen Prunksälen und der Flucht der Kaiser- und Erzherzogszimmer. In Oberösterreich wirkte Johann Michael Prunner, der die eigenartige Wallfahrtskirche von Stadl-Paura mit dreieckigem, das Dreifaltigkeitspatrozinium symbolisierenden Grundriß sowie die Kirche von Spital am

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Österreichs Aufstieg zur Großmacht

Phyrn erbaute. In Tirol gehen zahlreiche Barockbauten auf die Künstlerfamilie Gumpp zurück, unter den bedeutendsten das Landhaus in Innsbruck, das der Hofbaumeister Georg Anton Gumpp in monumentaler Wucht, italienischen Vorbildern folgend, erriditete. Von ihm und Johann Martin Gumpp stammen noch zahlreiche Innsbrucker Adelspalais; beide waren auch bei der barocken Umgestaltung des Stiftes Stams und seiner Kirche tätig. In Mehrerau bei Bregenz errichtete Anton Beer eine prachtvolle Klosterkirche (1740, 1808 abgebrochen). Die zahlreichen, hochbegabten, zumeist dem Bregenzer Wald entstammenden, vorarlbergischen Barockbaumeister wirkten aber vor allem in Südwestdeutschland und in der Schweiz. Die Kunstauffassung des Hochbarock bot den Plastikern reiche Entfaltungsmöglichkeiten. Ein frühes charakteristisches Werk ist die Pestsäule am Graben in Wien, die nach dem Erlöschen der Pest von 1679 errichtet wurde. Uberhaupt setzte man damals gerne Denksäulen und Bildstöcke, viele Marien-, Annen- und Dreifaltigkeitssäulen, nach 1723 kamen dazu zahlreiche Johann-von-Nepomuk-Standbilder. Der bedeutendste österreichische Barockplastiker Georg Raffael Donner, ein Niederösterreicher aus dem Marchfeld, war ein Schüler des im Stift Heiligenkreuz tätigen Giovanni Giuliani; Donner arbeitete zumeist in Blei, er verband italienische und französische Barockformen mit klassizistischen Motiven und schuf sich durch zahlreiche Werke in Wien (Brunnen am Neuen Markt, Apotheose Karls VI.), Salzburg, Preßburg und Gurk (Pieta) frühzeitig einen berühmten Namen. Balthasar Permoser gelang die als elementarer Ausdruck barocken Kunstempfindens sehr bezeichnende Apotheose des Prinzen Eugen. Joseph Thaddäus Stammel, ein Steirer, in dem der Geist des gotischen Kunsthandwerks noch sehr lebendig war, schnitzte aus Holz die „Vier letzten Dinge", die in der Bibliothek des Stiftes Admont, für das er auch sonst tätig war, aufgestellt wurden. In der Malerei wiederholt sich der Vorgang der Ablösung der Italiener, etwa des bedeutenden Andrea Pozzo, durch heimische Meister. Zu nennen sind die großen Freskenmaler Johann Michael Rottmayr aus Salzburg, Daniel Gran aus Wien und der Pustertaler Paul Troger; von ihnen stammen die bedeutendsten Wandgemälde der Barockbauten Niederösterreichs, Wiens und Salzburgs. In Tirol war Kaspar Waldmann tätig, der das Haller Damenstift mit Fresken schmückte. Die großen Leistungen der bildenden Kunst, vor allem der Architektur des österreichischen Hochbarock, sind längst voll und ganz anerkannt. Georg Dehio hat in seiner monumentalen Geschichte der deutschen Kunst die Epoche der drei Kaiser Leopold, Joseph und Karl mit Recht als goldenes Zeitalter der österreichischen Kunstgeschichte charakterisiert; darüber hinaus darf man der österreichischen Barockbaukunst wohl eine Spitzenstellung im künstlerischen Schaffen Europas um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert einräumen. Den zweiten Platz in einer — gewiß durchaus problematischen — Rangordnung der Künste wird man dem Barocktheater zubilligen dürfen.

Erziehungswesen, Wissenschaft und Kunst der Barockepoche

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Die große Stunde der österreichischen Musik war ungeachtet der günstigen Atmosphäre des Hofes und deutlicher Symptome des beginnenden Aufstieges noch nicht gekommen. Ebenso fallen Wissenschaft und Literatur, trotz einiger Namen von dauernder Geltung, neben der bildenden Kunst deutlich ab. Sowohl in den Einzelleistungen der Wissenschaften, wenigstens in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen, als auch im Niveau der allgemeinen Volksbildung, zeigt sich ein gewisses Zurückbleiben hinter den protestantischen Teilen des Reiches, das sich während der nächsten Generationen trotz aller Anstrengungen nicht ganz aufholen ließ. Soviel wird man auch bei Zurückweisung von ausschließlich negativen Pauschalurteilen über das österreichische Erziehungswesen der Barockepoche doch feststellen müssen. Das zunächst führende, romanische, fast ausschließlich italienische Element wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts mehr und mehr von den Leistungen der einheimischen Künstler erreicht, gelegentlich übertroffen, blieb aber weiterhin wirksam. Es hat ungemein befruchtend gewirkt und zusammen mit dynastisch-politischen Bindungen nach Süden und Westen, sowie im Rahmen der bereits vollzogenen konfessionellen Entscheidung der österreichischen Kultur eine eigenartige Färbung verliehen, die sie von dem übrigen deutschen Sprach- und Kulturraum viel stärker als bisher differenzierte. Gegenströmungen aus dem Geist des in Österreich sehr fühlbaren deutschen Barocknationalismus, der aus der Abwehrstimmung gegen Türken und Franzosen erwachsfn war, konnten daran nichts ändern; auch die Bemühungen um die Überbrückung der konfessionellen Gegensätze im Sinne eines Leibniz hatten noch keinen durchschlagenderen Erfolg. Im Zeichen der stärkeren Abgliederung von den außerhabsburgischen Gebieten des Reiches waren schließlich manche wirtschaftspolitische Bestrebungen des nach Autarkie tendierenden absoluten Staates wirksam und Einflüsse der nichtdeutschen Volksgruppen der Monarchie mögen angesichts der fühlbar werdenden Absonderung Österreichs vom Binnendeutschtum stärker als bisher in Erscheinung getreten sein, namentlich im kosmopolitischen aristokratischen und kirchlichen Milieu der Residenzstadt Wien; in einem vorderhand noch recht bescheidenen Ausmaß auch in der Zusammensetzung der Bevölkerung und im Gepräge der bürgerlichen Kultur. Andererseits hat das Deutschtum gerade in der Barockepoche in den Sudetenländern weiter an Raum und Geltung gewonnen. Angesichts der so widerspruchsvollen Aspekte in nationaler Hinsicht und der konfessionellen Gebundenheit genießt der österreichische Barock in der Regel nur wenig Sympathien bei den Gefolgsleuten slawischer und deutscher Nationalismen. Schwerlich aber wird man — bei aller gebotenen Reserve gegen ultrapatriotische Klischeevorstellungen — leugnen können, daß Österreich in dieser Epoche einen mächtigen Aufschwung politischer und geistiger Geltung erlebte.

VIII. REFORM, REAKTION UND REVOLUTION

(1740—1848)

Der österreichische Erb folgekrieg und der Beginn der Kämpfe um Schlesien Man hatte in Wien gehofft, daß die europäischen Mächte ihre Zusagen und Garantien für die Pragmatische Sanktion im kritischen Augenblick auch einhalten würden; nach dem Tode Karls V I . mußte man bald erkennen, daß man sich entschieden getäuscht hatte. Die 23jährige Maria Theresia stand vor einer ungemein schwierigen, kaum zu bewältigenden Aufgabe. Mit der Feindschaft Bayerns war zu rechnen gewesen. Es hatte als einziger Staat die Pragmatische Sanktion nicht anerkannt. Kurfürst Karl Albert erklärte den von seiner Gemahlin Maria Amalie, der zweiten Tochter Josephs I., anläßlich ihrer Vermählung (1722) geleisteten Verzicht für ungültig. Der Wittelsbacher griff auf ein Testament Ferdinands I. von 1543 zurück und auf einen Ehevertrag von dessen Tochter Anna (1546), welche den bayerischen Prinzen Albert (V.) geheiratet hatte. Die Einsicht in die Originaldokumente ergab allerdings, daß Annas wittelsbachischen Nachkommen nur für den Fall des Aussterbens der ehelichen — nicht, wie man behauptet hatte, der männlichen — Nachkommenschaft Ferdinands und Karls V. ein Erbfolgeanspruch zustand. Bayern blieb nichtsdestoweniger bei seinen rechtlich kaum begründbaren Ansprüchen. Auch Sachsen trat auf den Plan. Wohl hatte auch Maria Josepha, die ältere Tochter Josephs I., die mit dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August vermählt war, im Jahre 1719 gleichfalls auf alle österreichischen Erbfolgeansprüche verzichten müssen. Sachsen legte aber gegen die Übertragung der böhmischen Kurstimme an Franz Stephan, den Gemahl Maria Theresias, Verwahrung ein. Mit der Feindschaft Bayerns und Sachsens, zweier Mittelstaaten ohne entscheidende militärische Kraft, konnte die österreichische Monarchie fertig werden. Zwar wurde namentlich Bayern durch Frankreich unterstützt. Der hochbetagte Leiter der französischen Außenpolitik, Kardinal Fleury, war aber gegen kriegerisches Vorgehen und er hätte sich, da König Ludwig X V . seine Ansichten teilte, gegen die Kriegspartei unter dem auf militärische Lorbeeren hoffenden Grafen Belle-Isle wohl durchgesetzt, wäre nicht durch den erfolgreichen Angriff Preußens auch im Westen die Entscheidung für den Krieg gegen Österreich gefallen. Wenige Monate vor dem Tode Karls V I . war in Preußen ein Herrscherwedisel erfolgt. Friedrich I I . bestieg den Thron der Hohenzollern. Dank der großen Sparsamkeit seines Vaters verfügte Preußen über die Mittel zur Haltung eines starken und schlagkräftigen Heeres, das sich im spanischen Erb-

Der österreichische Erbfolgekrieg und der Beginn der K ä m p f e um Schlesien

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folgekrieg und im nordischen Krieg bewährt hatte. Der norddeutsche Staat w a r durch eine erfolgreiche dynastische Politik längst den üblichen, beschränkten Verhältnissen der deutschen Staatenwelt entwachsen; sein Verhältnis zu Österreich w a r aber bisher trotz zeitweiliger T r ü b u n g der Beziehungen nicht ausgesprochen feindlich gewesen; Ehrgeiz und Begabung des jungen Königs waren noch recht unbekannt, so neigte man in Wien zur Unterschätzung der von N o r d e n drohenden G e f a h r und hatte militärisch keineswegs vorgesorgt. König Friedrich vermochte bald ein Konfliktsmotiv zu finden, indem er alte hohenzollersche Aspirationen auf Teile Schlesiens wieder a u f n a h m . Diese Bestrebungen bezogen sich auf das 1621 dem hohenzollerschen M a r k g r a f e n J o h a n n Georg in Vollstreckung der Reichsacht entzogene H e r z o g t u m Jägerndorf, sowie auf erbrechtliche Ansprüche auf die Herzogtümer Liegnitz, Brieg und Wohlau. Z w a r hatte der große K u r f ü r s t 1686 gegen Abtretung des Schwiebuser Kreises auf diese Fürstentümer verzichtet, sein Sohn und Nachfolger Friedrich, der erste König von Preußen, hatte aber schon als K u r p r i n z in einem Geheimvertrag die Rückstellung des Kreises versprochen und nach seiner Thronbesteigung auch vollzogen. So vertrat man in Berlin die Ansicht, die früheren Ansprüche seien wieder a u f gelebt. In ähnlicher Weise hatten preußische Diplomaten schon bei früheren Verhandlungen argumentiert; fraglich ob mit Recht, denn der K u r p r i n z hatte ja eine geforderte Geldentschädigung f ü r die Rückgabe von Schwiebus tatsächlich erhalten, im übrigen gingen Friedrichs Forderungen über die Gebiete der genannten H e r z o g t ü m e r hinaus. In den mit Österreich a u f genommenen Verhandlungen machte Friedrich wohl einige Konzessionen; Maria Theresia aber fühlte, d a ß ein kampfloser Territorialverzicht größeren Umfanges f ü r eine Großmacht untragbar sei. D e r T o d der Zarin A n n a von R u ß l a n d beraubte Österreich allerdings kurz vor Kriegsbeginn eines Bundesgenossen, überdies w u r d e die östliche Großmacht durch den Ausbruch eines Krieges mit Schweden beschäftigt. Großbritannien aber, der traditionelle Verbündete Österreichs, w a r mit Frankreich und Spanien bereits in einen Kolonialkrieg verwickelt und der Premier Robert Walpole dachte ebensowenig wie zur Zeit des polnischen Erbfolgestreites an eine tatkräftige Unterstützung Österreichs. A m 16. Dezember 1740 überschritten die preußischen T r u p p e n die österreichischen Grenzen, der protestantische Bevölkerungsteil Schlesiens begrüßte sie freundlich. Die meisten Städte wurden von der preußischen Armee nahezu k a m p f l o s besetzt, nur die Festung Glogau leistete längeren Widerstand. Ein zahlenmäßig schwächeres österreichisches H e e r erlag unter General Neipperg, der zunächst nicht ungeschickt operiert hatte, am 10. April 1741 bei Mollwitz trotz eines erfolgreichen Reiterangriffes der Stoßkraft dcr feindlichen Infanterie. Dieser Erfolg der preußischen Waffen wurde zum Angriffssignal f ü r alle Feinde Österreichs. Bayern, Sachsen und Spanien griffen die Habsburgermonarchie an, deren Aufteilung in weitreichenden

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Reform, Reaktion und Revolution

Abmachungen vorweggenommen wurde. Der Löwenanteil war mit Böhmen, Oberösterreich, Tirol und den Vorlanden dem Kurfürsten von Bayern zugedacht. Sachsen sollte Mähren und Teile Schlesiens erhalten. Frankreich wollte die Niederlande gewinnen und Spanien den habsburgischen Besitz in Italien. H ä t t e K a r l Albert, den französische „Hilfstruppen" unterstützten, sich gegen Wien gewandt, wäre die Lage Maria Theresias noch bedenklicher geworden. Er begnügte sich aber mit der Besetzung Oberösterreichs und zog dann nach Böhmen; in beiden Ländern huldigten die Stände. Im Vormarsch gegen Wien kam man nur bis zur Traisen. Im Herbst des Jahres 1741 besserte sich Maria Theresias Lage wieder. Es gelang ihr durch die mitreißende Wirkung ihrer Erscheinung und Persönlichkeit, den zögernden ungarischen Reichstag, trotz einer nicht unbedenklichen Opposition der Vertreter der Theißkomitate, zu gewinnen. Sie sicherte der Versammlung zu, die ungarische Verfassung zu achten und hat sich an dieses Versprechen später auch stets gehalten. Die vom Reichstag beschlossene Insurrektion des Adels und Truppenwerbung machte großen Eindruck; wenn sich die Aufgebote dann tatsächlich nur auf etwa 20.000 Mann beliefen, so waren sie in der augenblicklichen Bedrängnis doch von Bedeutung. Nicht minder wichtig erwies sich eine Vertrauenskrise innerhalb der Österreich feindlichen Koalition; sächsische Ansprüche auf Teile Schlesiens bewogen Friedrich II., mit Österreich den Geheimvertrag von Kleinschnellendorf zu schließen, in dem Österreich auf Niederschlesien verzichtete und die Festung Neiße räumte. Freilich wurde dieser Vertrag bekannt, Friedrich erklärte ihn für gebrochen und nahm im November 1741 den K a m p f wieder auf. Österreich nützte die sehr kurze Atempause immerhin aus, man versammelte um Wien eine Armee, zu Ende 1741 gingen die österreichischen Truppen zum Angriff über und am 24. Jänner gewannen sie Linz zurück — am gleichen Tage war Kurfürst Karl Albert von Bayern als K a r l V I I . in Frankfurt zum römisch-deutschen Kaiser gewählt worden; der erste Nichthabsburger, der seit mehr als 300 Jahren diese Würde bekleidete. Im Februar 1742 besetzten die Österreicher auch München. Allerdings nahm wenig später Friedrich II. seinerseits die Offensive auf und stellte diesmal sogar Forderungen auf Abtretung von Teilen Böhmens, nämlich der Kreise von Königgrätz und Pardubitz. Dieses Ansinnen wies Maria Theresia zurück; als aber Friedrich am 17. Mai 1742 bei Chotusitz (unweit Caslau) eine österreichische Armee unter K a r l von Lothringen, dem jüngeren Bruder Franz Stefans, schlug, kam es unter englischer Vermittlung zu Friedensverhandlungen. Nach den Präliminarien von Breslau verzichtete Österreich im Frieden von Berlin (28. Juli 1742) auf Schlesien (und die Grafschaft Glatz), mit Ausnahme der Herzogtümer Teschen, Troppau (südlich der O p p a ) und Jägerndorf. Eine härtere Haltung des britischen Bevollmächtigten Maria Theresias, Earl H y n d f o r d , hätte vielleicht ganz Oberschlesien retten können. Damit war der erste schlesische Krieg beendet. I m September 1742 schloß auch Sachsen Frieden.

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Höchst bedeutungsvoll wurde in der Folgezeit für Österreich ein Wechsel im britischen Kabinett. Robert Walpole, der jede effektive Hilfeleistung für Maria Theresia vermieden hatte, wurde durch Lord Carteret abgelöst. Dieser entfaltete sofort eine energische diplomatische Tätigkeit und vornehmlich seiner Vermittlung war es zuzuschreiben, daß Karl Emanuel III. von Sardinien auf Seite Österreichs trat; auch in Sachsen bewirkte der englische Einfluß und die aufsteigende Eifersucht gegen das so mächtig erstarkte Preußen einen Stimmungswandel. Den Franzosen gelang wohl noch ein Vorstoß in Bayern, dagegen mußten ihre Truppen nach einem verlustreichen Winterfeldzug Böhmen aufgeben und Maria Theresia konnte in Prag gekrönt werden. Das Jahr 1743 brachte Österreich und seinen Verbündeten schöne Erfolge. Graf Traun siegte am italienischen Kriegsschauplatz bei Camposanto am Panaro über die Spanier und die aus englischen, holländischen und österreichischen Kontingenten zusammengesetzte „pragmatische Armee" krönte ihren Offensivstoß gegen die in Westdeutschland operierenden Franzosen durch den Erfolg von Dettingen am Main (27. Juni 1743); der wittelsbachische Kaiser Karl VII. aber mußte vor den Österreichern erneut aus dem Lande flüditen. Preußen versuchte ohne Erfolg, das wankende Kaisertum durch einen Fürstenbund mit antiösterreichischer Tendenz zu stützen. Die Zusammenarbeit zwischen England, Sardinien und Österreich war inzwischen im Herbst 1743 durch den Wormser Vertrag bekräftigt worden, der nun die verspätete formelle Kriegserklärung Frankreichs an die Verbündeten zur Folge hatte. Als im Sommer 1744 eine österreichische Armee unter Karl von Lothringen im Elsaß vordrang und sich Straßburg näherte, fürchtete Friedrich II. für seinen schlesischen Gewinn und marschierte in Böhmen ein; die österreichischen Truppen wurden vom Rhein zurückberufen. Da aber Sachsen in den Krieg gegen Preußen eingriff, mußte König Friedrich mitten im Winter den Rückzug antreten, der ihm erhebliche Verluste kostete und Kaiser Karl VII., den das französische Bündnis um viele Sympathien gebracht hatte, räumte zum dritten Male sein bayerisches Stammland vor dem Anmarsch der Österreicher. Am 20. Jänner 1745 beendete der unerwartete Tod des Wittelsbachers sein unglückseliges Kaisertum. Da Bayerns Verbündete Frankreich und Preußen in der Frage der Kaiserwahl nicht einig waren, zog es Karl Alberts Sohn und Nachfolger Maximilian Joseph vor, am 22. April 1745 mit Maria Theresia den Friedensvertrag von Füssen zu schließen, in dem der Bayer die Pragmatische Sanktion anerkannte und seine Kurstimme dem Gemahl Maria Theresias zu geben versprach. Dieser wurde denn audi am 10. Oktober 1745 in Frankfurt gewählt und gekrönt. Damals schien, da auch Rußland dem Anschluß an Österreich und England geneigt war, die Besiegung Preußens nur mehr eine Frage der Zeit zu sein. Aber nun zeigte sich die Feldherrnkunst Friedrichs in hellstem Licht. Er siegte gegen das unter Karl von Lothringen unvorsichtig nachdrängende 20·

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Reform, Reaktion und Revolution

österreichisch-sächsische Heer bei Hohenfriedberg (4. Juni 1745) und schlug einen weiteren Angriff des Lothringers bei Soor zurück (30. September 1745), während ein anderes preußisches Heer unter Leopold von Dessau den Sachsen bei Kesselsdorf eine empfindliche Niederlage beibrachte. Die Sachsen mußten den Kampf einstellen und Maria Theresia nahm wieder Verhandlungen mit Preußen auf, die zum Frieden von Dresden führten (25. Dezember 1745). Die Beendigung des zweiten schlesischen Krieges entsprach auch den Intentionen der britischen Politik, der an einer Intensivierung der österreichischen Anstrengungen gegen den eigenen Hauptfeind Frankreich lag. Der Kampf gegen Frankreich verlief an den Landfronten indessen recht ungünstig. In den Niederlanden führte der Marschall Moritz von Sachsen die französischen Truppen gegen die Verbündeten zu den Siegen von Fontenoy, Roucaux und Lagfeld, die holländische Festung Bergen op Zoom mußte sich ergeben. Zur See waren allerdings die Engländer stärker und ein anfangs erfolgversprechender Versuch des Stuartprätendenten Prinz Charles, den Krieg nach England zu tragen, endete mit der Niederlage bei Culloden (1746) und der Tragödie seiner Anhänger im schottischen Hochland. In Italien errang die österreichische Armee nach einer Reihe von Mißerfolgen im Juni 1746 einen großen Sieg bei Piacenza, ein Vorstoß in die Provence blieb aber ergebnislos. Eine Krise im Verhältnis der beiden Bourbonenstaaten und der Anmarsch eines russischen Hilfskorps an die Rheinfront stärkten dann wieder die Position Maria Theresias, die durch ein Defensivbündnis mit der östlichen Großmacht audi einigermaßen gegen einen Angriff Preußens gesichert war. Die militärischen Operationen waren festgefahren, so leiteten die Gegner Friedensverhandlungen in Aachen ein, die im Oktober 1748 zum Friedensschluß führten. Wie einst in Rijswijk und Utrecht wurde Österreich von den Seemächten, die mit Frankreich einen Vorvertrag abgeschlossen hatten, vor vollendete Tatsachen gestellt. Die gegenseitigen Eroberungen wurden im allgemeinen herausgegeben, aber Österreich mußte zugunsten Don Philipps von Spanien auf Parma, Piacenza und Guastalla verzichten. Preußen wurde von den vertragschließenden Mächten der Besitz Schlesiens garantiert. Mit dem Frieden von Aachen war der „österreichische Erbfolgekrieg" beendet. Der Habsburgerstaat hatte sich gegen eine Koalition, die ihn teilen wollte und der zeitweilig Frankreich, Spanien, Preußen, Bayern und Sachsen angehört hatten, viel besser behauptet, als man dies nach dem unglücklichen zweiten Türkenkrieg Karls VI. und angesichts des anfänglich völlig desolaten Zustandes der Armee hatte hoffen können. Der Verlust Schlesiens, der wirtschaftlich am besten entwickelten Provinz, war allerdings schmerzlich. Auch im Völkergefüge der Habsburgermonarchie war durch den Verlust des überwiegend deutsch besiedelten Landes eine bedenkliche Änderung eingetreten, deren Konsequenzen man wohl nicht von Anfang an erkannt hat. Klar aber zeichnete sich der österreichisch-preußische Gegensatz als künftiges H a u p t -

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Die Umkehr der Bündnisse und der Siebenjährige Krieg

problem der Reichsverfassung und der österreichischen Außenpolitik ab, während in Westeuropa der französisch-britische Antagonismus alles andere überschattete. Schon die Friedensverhandlungen in Aachen zeigten, daß die alten Fronten, ohnedies seit 1714 durch wiederholte österreichisch-französische Fühlungnahmen aufgelockert, an Bedeutung verloren hatten. Das war auch die Uberzeugung des in Aachen an der Spitze der österreichischen Delegation auftretenden Grafen (seit 1763 Fürsten) Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, dessen Persönlichkeit der österreichischen Politik in den nächsten Jahrzehnten eine neue Richtung weisen sollte.

Die Umkehr

der Bündnisse

und der Siebenjährige

Krieg

Die Überprüfung der traditionellen Bündnispolitik beschäftigte nach dem Aachener Frieden die Beratungen der Konferenzminister am Wiener Hof. Als Graf Kaunitz schon im Jahre 1749 für eine Lösung des Bündnisses mit den Seemächten und für Knüpfung einer Verbindung zu Frankreich, zur Bekämpfung des von ihm als Hauptfeind betrachteten Preußen eintrat, stieß er noch auf den Widerstand der Mehrheit der zuständigen Räte, setzte aber seine Ansichten bei der Monarchin durch. An Krieg durfte man allerdings noch nicht denken, das Heer mußte reorganisiert werden. Bei dieser Arbeit bewährte sich das administrative Talent des Grafen Leopold Daun; die alte Einrichtung der Militärgrenze wurde reformiert. Im Jahre 1752 wurde die Mariatheresianische Militärakademie in Wiener Neustadt für die Offiziersausbildung errichtet, eine Institution, die sich in der Folgezeit sehr bewährte. Es erwies sich für die österreichische Außenpolitik als schwierig, Frankreich zu gewinnen, wo mit starken, traditionsbedingten Widerständen zu rechnen war. An diesen und an dem steten preußischen Störfeuer scheiterten alle Bemühungen verschiedener zwischen Wien und Versailles verkehrender Agenten und vorerst auch die diplomatische Kunst des als Botschafter nach Paris gesandten Grafen Kaunitz. Indessen kam es im Jahre 1754 in N o r d amerika zu Zusammenstößen zwischen angloamerikanischen und französischen Streitkräften, die sich bald zu einem Kolonialkrieg ausweiten sollten; so verlangte Großbritannien von Österreich Bündnishilfe. Bald trat klar zutage, daß Österreich vor allem an einen Krieg mit Preußen dachte, an dem die Seemacht in ihrer bedrängten Lage aber unmöglich mitwirken konnte, während es vom österreichischen Standpunkt aus betrachtet, gewagt war, Truppen in die Niederlande und an den Rhein zu senden, wenn den habsburgischen Kernländern ein preußischer Einfall drohte. Es war aber erst der von Friedrich II. übereilte Abschluß der Konvention von Westminster mit England im Jänner 1756, der Frankreich alarmierte, empörte und schließlich zum Abschluß einer Defensivallianz mit Österreich (1. Mai 1756)

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R e f o r m , R e a k t i o n und Revolution

geneigt machte. In Österreich, aber audi in Rußland, war man über die Haltung Englands schwer verstimmt. Mit Rußland vereinigte die H a b s burgermonarchie schon seit mehreren Jahren ein Defensivbund, und die Zarin Elisabeth, die Friedrich und Preußen haßte, war über alle vertraglichen Verpflichtungen hinaus angriffslustig. Frankreich war dagegen audi jetzt für eine Offensive gegen Friedrich noch nicht gewonnen. Angesichts des nicht voll befriedigenden Verlaufes der Verhandlungen mit Frankreich hoffte Kaunitz wohl auf eine Angriffsaktion des Gegners, denn bei einem Verteidigungskrieg mußte die alliierte Macht weiterreichende Verpflichtungen eingehen. Der König von Preußen hatte tatsächlich durch die Illoyalität eines österreichischen Beamten von den österreichischen und russischen militärischen Vorbereitungen Nachricht erhalten und war auch von England, mit dem er erneut Verhandlungen aufnahm, gewarnt worden. Er setzte seine Truppen in Kriegsbereitschaft und ging, als Anfragen über die nunmehr offen betriebenen österreichischen Rüstungen und Truppentransporte ausweichend beantwortet wurden, selbst zum Angriff über. Seine Truppen überschritten die Grenzen Sachsens, das versucht hatte, sich aus den beiderseitigen Bündnissen herauszuhalten. Die Frage nach der eigentlichen „Kriegsschuld", die man gerne mit der Suche nach einem „primären" Angriffswillen im Jahre 1756 verquickt hat, ist viel diskutiert worden. Es kann nicht bezweifelt werden, daß Maria Theresia und Kaunitz die Möglichkeiten einer Rückgewinnung Schlesiens zu nützen trachteten, andererseits hatte aber Friedrich durch dreifachen Angriff — zuerst im Dezember 1740, dann wieder nach dem Vertrag von Kleinschnellendorf und schließlich erneut im Jahre 1744 — gezeigt, daß er für die Grenzen des österreichischen Nachbarn eine dauernde Gefahr bedeutete: Schwerlich kann man es der Wiener Politik vorwerfen, daß sie da nicht nur an Abwehr dachte. Wollte man die traditionelle Vormachtstellung in Deutschland zurückgewinnen, dann mußte Preußen geschlagen, Schlesien ihm wieder genommen werden. Die Angriffsstrategie König Friedrichs hatte Erfolg. Die Sachsen wurden im Lager von Pirna eingeschlossen und schließlich zur Kapitulation gezwungen. Eine österreichische Armee unter General Browne, der versuchte, den Sachsen Entsatz zu bringen, wurde bei Lobositz in Nordböhmen von den Preußen abgewehrt (1. Oktober 1756); bei diesem im Grunde unentschieden gebliebenen K a m p f zeigte sich aber, daß die K a m p f k r a f t der reorganisierten österreichischen Armee wesentlich zugenommen hatte. Jetzt bewährte sich auch Kaunitz' diplomatisches Geschick. Es gelang ihm endlich, das französische Bündnis im zweiten Vertrag von Versailles zu präzisieren. Im Falle des Kriegserfolges sollte Frankreich einen Teil der Niederlande erhalten; der Rest war Don Philipp von Spanien zugedacht. Österreich sollte Schlesien, allenfalls noch weiteres preußisches Territorium, dann die im Aachener Frieden aufgegebenen Gebiete von Parma, Piacenza und Guastalla als Entschädigung und Siegespreis bekommen.

D i e U m k e h r der Bündnisse und der Siebenjährige Krieg

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Im Winter herrschte Kampfruhe, im Frühjahr nahm Friedrich die Offensive wieder auf. Zu seinen Feinden hatte sich im März 1757 audi Schweden gesellt, das von seiner Festung Stralsund gegen das preußische Pommern operieren konnte. Der Preußenkönig wollte jetzt Österreich entscheidend schlagen, bevor dessen Verbündete mit stärkeren Kräften in den Kampf eingreifen konnten. Das gelang nicht. Zwar siegten die Preußen am 6. Mai 1757 in der Schlacht bei Prag, in der sowohl der österreichische Befehlshaber Browne wie Friedrichs Feldmarschall Schwerin fielen. Die Besatzung der Stadt hielt sich aber standhaft und eine österreichische Entsatzarmee unter Feldmarschall Grafen Leopold Daun schlug die Preußen bei Kolin am 18. Juni 1757; es war der erste große Schlachtensieg über den gefürchteten Gegner. Maria Theresia stiftete damals den nach ihr benannten höchsten österreichischen Militärorden, dessen Großkreuz Daun erhielt. Inzwischen hatten auch die Franzosen in Westdeutschland den Vormarsch aufgenommen und die Hannoveraner bei Hastenbeck besiegt, die Russen rückten in Ostpreußen ein. Aber nun errang Friedrich bei Roßbach einen überaus populären Sieg über die Franzosen und die Reichstruppen (5. N o vember 1757) und einen Monat später gelang ihm ein noch wichtigerer Erfolg bei Leuthen (5. Dezember 1757) gegen eine zahlenmäßig stärkere österreichische Armee unter dem „Unglücksfeldherrn" Karl von Lothringen, der zuvor Schweidnitz und Breslau genommen hatte. Im Jahre 1758 standen die Preußen, deren Bündnis mit England sich gefestigt hatte, auf mährischem Boden. Die Belagerung der starken Festung Olmütz scheiterte jedoch, als General Gideon von Laudon, der bei dieser Gelegenheit zum erstenmal als draufgängerischer Truppenführer hervortrat, durch einen geglückten Überfall bei Domstadtl den preußischen Nachschub unterband. Das Kriegsglück begann sich zu wenden. Wohl blieb der Preußenkönig in der blutigen Schlacht bei Zorndorf über die Russen erfolgreich, doch dann gelang Daun der Erfolg von Hochkirch in Sachsen nach einem Überraschungsangriff auf das Lager Friedrichs (14. Oktober 1758). Hochkirch brachte zwar keine weiterreichende Entscheidung, aber das nächste Jahr 1759 verlief für die preußischen Waffen unheilvoll. Am 12. August 1759 erlitt Friedrich die vernichtende Niederlage von Kunersdorf (in der Neumark) gegen eine vereinigte österreichisch-russische Armee unter Laudon und Saltykow. Allerdings war es stets schwierig, die russischen Verbündeten zu einer einvernehmlichen, zielbewußten Kriegführung zu gewinnen und so wurde auch der große Sieg von Kunersdorf, nach dem der Preußenkönig verzweifelte und sich mit Selbstmordabsichten trug, nicht annähernd ausgenützt. Immerhin gelang es noch im Herbst des gleichen Jahres dem Feldmarschall Daun, Dresden einzunehmen und ein preußisches Korps unter General Finck bei Maxen zur Übergabe zu zwingen („Finkenfang"). Auch auf der diplomatischen Front errang Österreich Erfolge, durch neue Verträge mit Frankreich und Rußland wurden die Abmachungen über eine allfällige Abtretung der österreichischen Niederlande hinfällig. Im

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R e f o r m , Reaktion und Revolution

Jahre 1760 trat aber erneut ein Umschwung ein. Im Juni siegte Laudon noch bei Landshut (in der Grafschaft Glatz) über den preußischen General Fouque. In der Schlacht bei Liegnitz erlitt der österreichische Feldherr aber am 15. August 1760 infolge des Ausbleibens der erwarteten Unterstützung durch Daun und Lacy eine Niederlage gegen Friedrich; eine kurzfristige Besetzung Berlins durch leichte österreichische und russische Verbände — die zweite in diesem Krieg — hatte keinen wesentlichen Einfluß auf die Kampfführung. Am 3. November 1760 siegte der Preußenkönig nach wechselvollem Schlachtenverlauf bei Torgau über Daun und Lacy. Im nächsten Jahre kam es wieder zu besserem Zusammenwirken der Österreicher und Russen, doch brachte 1761 keine großen militärischen Entscheidungen; die Anstrengungen des Krieges lasteten schon schwer auf allen Beteiligten. Österreich mußte sogar die Truppenstärke vermindern. Kaunitz hatte zweifellos die materielle Leistungsfähigkeit der Habsburgermonarchie überschätzt; verschiedene Reorganisationsmaßnahmen in der Verwaltung, von denen noch zu reden sein wird, konnten daran nichts Wesentliches ändern. Unter diesen Umständen begann man an den Frieden zu denken. Für den Preußenkönig schien sich die Lage noch einmal bedrohlich zu gestalten, als durch einen Regierungswechsel in England im Oktober 1761 das Kabinett Pitt gestürzt wurde und Lord Bute eine Kursänderung vorbereitete. Andererseits starb im Jänner 1762 die Kaiserin Elisabeth von Rußland, eine erbitterte Gegnerin Friedrichs II., ihr Nachfolger Peter III. schloß mit Preußen Frieden und es kam sogar zu einem Bündnis, von dem freilich Kaiserin Katharina II., die nach der Ermordung Peters im Juli 1762 zur Macht gekommen war, zurücktrat. Am Friedensschluß hielt sie aber fest. Audi Schweden schied aus dem Kampf aus. Die Anwesenheit russischer Truppen verhalf Friedrich noch zum Sieg im Gefecht von Burkersdorf, die Österreicher räumten Schlesien. Unter sächsischer Vermittlung kam es am 15. Februar 1763 zum Abschluß des Friedens von Hubertusburg zwischen Österreich und Preußen, auf Grund des territorialen status quo. Die Österreicher räumten die noch von ihren Truppen gehaltene Grafschaft Glatz und mußten Preußen erneut im Besitze Schlesiens bestätigen. Der preußische König versprach seine Zustimmung zur Kaiserwahl von Maria Theresias Sohn, des Kronprinzen Joseph. Einige Tage vorher hatten die Westmächte den Frieden von Paris geschlossen, der Frankreich den Großteil seines amerikanischen Kolonialgebietes kostete; England war also der große Sieger des siebenjährigen Ringens, Preußen aber hatte seinen neuerworbenen Rang als mitteleuropäische Macht behauptet. Die Pentarchie der Großmächte (England, Frankreich, Preußen, Österreich und Rußland) sorgte für die Erhaltung des europäischen Gleichgewichtes; der Gegensatz zwischen Österreich und Preußen aber beherrschte das politische Leben des römisch-deutschen Reiches. Zwar hat man sich in Österreich mit dem Verlust Schlesiens allmählich

Die maria-theresianischen R e f o r m e n

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abgefunden, wiewohl bei Joseph I I . und K a u n i t z noch gelegentlich Gedanken einer erneuten Wendung gegen Preußen auftaudien, das auch K o m p e n sationen in anderen deutschen Gebieten zu verhindern suchte. Es w a r wohl denkbar, daß auf diplomatischem Wege eine Zusammenarbeit der beiden führenden Mächte im Reich eine Zeitlang mühselig aufrechterhalten wurde, auf die D a u e r mußte die Bewahrung eines friedlichen Gleichgewichts der K r ä f t e aber schwierig sein und im Falle eines K a m p f e s w a r Österreich infolge seiner komplizierten, durch innere Spannungen geschwächten Struktur und durch seine gefährlicheren Nachbarn benachteiligt.

Die maria-theresianischen

Reformen

Schon w ä h r e n d der ersten J a h r e der militärischen Auseinandersetzungen mit Preußen und den anderen Feinden hatte sich, bald nach Regierungsbeginn Maria Theresias, deutlich gezeigt, d a ß die finanzielle und militärische Leistungskraft des seit der Zeit des großen K u r f ü r s t e n zentralistisch organisierten preußischen Staates der Habsburgermonarchie überlegen war. So begann m a n in Österreich, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Erfolge der preußischen Administration in den verlorenen schlesischen Ländern, mit Verwaltungsreformen, die zunächst noch keinen ganz planmäßigen C h a r a k t e r haben, sondern eher tastenden Versuchen gleichen. Wesentlich w a r , d a ß im J a h r e 1742 die außenpolitischen Agenden und die Angelegenheiten des Herrscherhauses der österreichischen H o f k a n z l e i entzogen und einer neugebildeten „ H o f - und Staatskanzlei" zugewiesen wurden. Die Bedeutung dieser M a ß n a h m e zeigte sich klar, als mit Graf K a u n i t z ein selbständig denkender Diplomat die Leitung der neuen Hofstelle übernahm. Die H e r r scherin veranlaßte ferner, um einen besseren Überblick über alle staats- und verwaltungsrechtlich wichtigen U r k u n d e n und Akten zu ermöglichen, audi die G r ü n d u n g eines zentralen H a u s - , H o f - und Staatsarchivs, dessen A u f b a u vom H o f s e k r e t ä r Theodor Anton T a u l o w von Rosenthal in zweckmäßiger Weise durchgeführt w u r d e (1749). Die schwerfällig operierende H o f k a m m e r wurde reformiert und schließlich in einer zunächst allerdings nicht recht geglückten Form die Trennung von Justiz und Verwaltung eingeleitet. Selbstredend k a m es auch zu R e f o r m e n in der Militärverwaltung, der H o f k r i e g s r a t und das 1746 in den R a n g einer selbständigen Hofstelle erhobene Generalkriegskommissariat haben sich dann audi ganz gut bewährt. In einer heiklen Angelegenheit, der Frage der Beilegung des chronischen Konfliktes zwischen den Wiener Hofstellen, den ungarischen Ständen und den südungarischen Serben, f a n d man den Ausweg durch die Begründung der „Hofdeputation in Banaticis, Transsylvanicis et Illyricis" als zuständiger Behörde. Wirklich grundlegende Reformen konnten erst durchgeführt werden, als der Aachener Frieden Österreich eine mehrjährige Atempause sicherte. Die

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R e f o r m , R e a k t i o n und Revolution

nunmehr eingeleiteten Maßnahmen gingen über eine bloße Neuorganisation der Verwaltung hinaus und tragen den Charakter einer Staatsreform. Ihre Durchführung ist in der Hauptsache ein Verdienst des Grafen Friedrich Wilhelm von Haugwitz, eines schlesischen Konvertiten, der nach Verlust des größten Teiles seines Heimatlandes an Preußen zum Leiter der Verwaltung von Restschlesien in Troppau ernannt wurde. Haugwitz war stark durch die erheblichen Mehreinnahmen beeindruckt, die Preußen gegenüber der früheren österreichischen Verwaltung in Schlesien erzielte. Es war eben gelungen, die Scheidung von landesfürstlichem und ständischem Finanzwesen zu überwinden. Durch Schaffung von sowohl für die politische wie für die Finanzverwaltung verantwortlichen Behörden in den Ländern und in Wien suchte Haugwitz für die Habsburgermonarchie dasselbe zu erreichen. Haugwitz führte seine Reform zunächst in Österreichisch-Schlesien, dann in Kärnten und Krain durch. Maria Theresia folgte den Haugwitz'schen Reformvorschlägen trotz des Widerstandes der meisten Räte. Als oberste Behörde für die politische und Finanzverwaltung der österreichischen Länder (einschließlich Böhmens, aber ohne Ungarn) wurde das „Directorium in publicis et cameralibus" geschaffen. Diesem unterstand in den einzelnen Ländern die „Repräsentation und Kammer", als kleinste Behörden kamen die „Kreisämter" dazu, deren Namen an verwandte ältere böhmische Einrichtungen anknüpft. Da von den Kreisämtern die Stände schärfer überwacht werden konnten, waren sie in Adelskreisen besonders verhaßt. Auch sonst machten sich Versuche der Sabotage des Neueinrichtungswerkes bemerkbar, doch griff Haugwitz, der des Einverständnisses der Monarchin sicher war, scharf und energisch durch. Die Rechtspflege wurde in konsequenter Fortführung der Maßnahmen zu Beginn der Reformperiode durch die Schaffung einer Obersten Justizstelle von der Verwaltung völlig getrennt. Alle diese Behörden waren den österreichischen und böhmischen Ländern gemeinsam, während Ungarn und die Niederlande ihre älteren feudalen Institutionen behielten. In Ungarn ist Maria Theresia mit größter Behutsamkeit vorgegangen. Immerhin sind verschiedene verwaltungsmäßige und vor allem wirtschaftspolitische Maßnahmen getroffen worden, um den Zusammenhang mit Österreich zu festigen. Im Jahre 1776 wurde der Adriahafen Fiume Ungarn zugesprochen, das so unmittelbaren Anteil am Mittelmeerhandel gewann. Auf eine harte Probe wurde das Organisationswerk von 1749 während des Siebenjährigen Krieges gestellt, dessen Verlauf trotz der sorgsamen diplomatischen Vorbereitung nicht den Erwartungen entsprach. Der Staatskanzler Kaunitz neigte dazu, die Schuld an der sichtbar werdenden Erschöpfung des Staatswesens den Schwächen der Haugwitz'schen Verwaltungsreform beizumessen. Die Spitzenbehörde, das Direktorium, hat in der Tat die Erwartungen nicht ganz erfüllt. So trennte man 1760 die Finanzen von der politischen Verwaltung, die eine wurde der Hofrechenkammer, die

Die maria-theresianisdien Reformen

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andere der vereinigten österreichisch-böhmischen H o f k a n z l e i unterstellt. Auch in den Landesstellen (nunmehr „Gubernien") wurden entsprechende M a ß n a h m e n durchgeführt. Durch die Schaffung eines Staatsrates bildete man andererseits 1761 eine allen Hofstellen (Vereinigte H o f k a n z l e i , Staatskanzlei, Oberste Justizstelle, H o f k a m m e r , Hofrechenkammer und H o f kriegsrat) übergeordnete, beratende Körperschaft, die f ü r eine Koordinierung der Behördenarbeit sorgen sollte. Die von K a u n i t z durchgesetzten Ä n d e r u n gen brachten freilich gutenteils nur oberflächliche Korrekturen der älteren Reform, einige J a h r e später erwiesen sich erneut einige Modifikationen notwendig (1765). Nichtsdestoweniger bildete der maria-theresianische Verw a l t u n g s a p p a r a t das tragfähige Gerüst des österreichischen Staatswesens bis zum S t u r m j a h r 1848. In den sechziger Jahren greifen die Reformen auf das kirchenpolitische Gebiet über. Sie zeugen bereits von einem Geist, den man zumeist als „Josephinismus" bezeichnet, obwohl man natürlich immer wußte, d a ß der Sohn Maria Theresias weder der Urheber noch der Alleinverantwortliche w a r . Schon während Reformation und Gegenreformation w a r es gelegentlich zu Konflikten zwischen Kirche und Landesfürstentum gekommen. Das Selbstbewußtsein von Dynastie und Bürokratie w a r durch das Gefühl der eigenen glaubenskämpferischen Leistung mächtig gesteigert worden, audi der Kirche gegenüber. Im 18. J a h r h u n d e r t machten sich in Österreich auch Einflüsse geltend, die aus dem Ideengut des Jansenismus stammten, einer vom Weihbischof Cornelius Jansen in Ypern entfachten kirchlichen Bewegung. Es handelte sich dabei weniger um die theologischen, als um die betont staatskirchlichen Lehren dieser Richtung. Einflußreidie Angehörige des Hofkreises, unter ihnen Maria Theresias Leibarzt und wissenschaftlicher Berater Gerhard Van Swieten und der Beichtvater der Kaiserin, Ignaz Müller, Propst des Chorherrenstiftes St. Dorothea in Wien, waren Jansenisten. Starke Beachtung fanden in Österreich auch die dem Staatskirchentum günstigen Ansichten des Trierer Weihbischofs J o h a n n Nikolaus von H o n t h e i m (Justinus Febronius), der allerdings 1778 einen Widerruf leistete. Aufklärerische Tendenzen verschiedenster A r t begannen sich auf die offizielle Kirchenpolitik auszuwirken. Staatskanzler K a u n i t z w a r W o r t f ü h r e r und Bahnbrecher einer entschiedenen Kontrolle der Kirche durch die Staatsgewalt. Die staatskirchlichen M a ß n a h m e n wurden zunächst auf lombardischem Boden eingeleitet, später von der österreichisch-böhmischen H o f k a n z l e i auch in den K e r n ländern der Monarchie angewandt. Charakteristisch sind namentlich M a ß nahmen gegen die monastischen Institutionen, wie etwa das Verbot eines Ordenseintrittes vor dem 24. Lebensjahr. T r o t z persönlicher Bedenken hat sich Maria Theresia schließlich im J a h r e 1773 auch dem Vorgehen gegen den Jesuitenorden angeschlossen. Andere Verordnungen galten einer Überp r ü f u n g der Verbindungen des österreichischen Klerus mit der Kurie; die Steuerfreiheit der Geistlichkeit w u r d e beseitigt. Diese M a ß n a h m e n sind

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Reform, Reaktion und Revolution

um so auffallender, als Maria Theresia persönlich noch ganz einer Kirchenfrömmigkeit älteren Stiles, ohne jede aufklärerische Note, huldigte und — obgleich Tochter einer Fürstin aus protestantischem Hause — gegen Protestanten und Juden recht intolerant sein konnte. Was sonst in den späteren Jahren Maria Theresias an Reformen durchgeführt wurde, gehört — abgesehen von den Verwaltungsmaßnahmen im Zuge der Eingliederung der Neuerwerbungen Galizien, Bukowina und Innviertel, zumeist in den Bereich der „Sozialgesetzgebung" des Wohlfahrtstaates und ist in seinen Auswirkungen an anderer Stelle zu behandeln. Das gilt insbesondere für Maria Theresias Initiative zugunsten der Bauernschaft, für die Schulreform und für viele Maßnahmen der Finanz-, Gewerbe- und Bevölkerungspolitik. In der Rechtspflege huldigte Maria Theresia eher konservativen Prinzipien, ihre Strafgerichtsordnung (Nemesis Theresiana, 1768) sah noch sehr harte Strafsätze vor; erst nach langem Bemühen des Staatsrates Joseph von Sonnenfels wurde die Folter 1776 abgeschafft.

Konsolidierung

und neue

Erwerbungen

Am 27. März 1764 wurde Maria Theresias ältester Sohn, Joseph II., zum römisch-deutschen König gewählt, nach dem Tode seines Vaters (18. August 1765) folgte er ihm ohne weiteres in der Kaiserwürde. Auf die österreichische Politik hatte Joseph trotz der Stellung als „Mitregent" aber nur einen begrenzten, vor allem Militärangelegenheiten und Außenpolitik betreffenden Einfluß. Von Friedrich II. trennte ihn (ebenso wie Kaunitz) gegenseitiges Mißtrauen, dennoch kam es zu einer gemeinsamen Aktion großer Bedeutung, an der audi Rußland maßgeblichst beteiligt war, der ersten Teilung Polens (1772). Die innere Stärke der gekrönten polnischen Adelsrepublik entsprach nicht entfernt der immer noch gewaltigen territorialen Ausdehnung dieses Staatswesen. Im Siebenjährigen Kriege hatten preußische und vor allem russische Truppen wiederholt polnisches Gebiet durchzogen, ohne daß sie jemand daran hätte hindern können. Der russische Einfluß war vorherrschend, er wurde übermächtig, als der Günstling Katharinas II., Stanislaus Poniatowski, zum König gewählt worden war (1764). Ein russisch-türkischer Krieg gewährte dem Lande noch eine Gnadenfrist, inzwischen traten Joseph I I . und Friedrich I I . in zwei Zusammenkünften zu Neisse (1769) und Mährisch-Neustadt (1770) miteinander in Fühlung. Der russische Versuch, sich in den Donaufürstentümern (Moldau und Walachei) festzusetzen, der Österreichs Ostflanke bedrohte, führte an den Rand eines österreichisch-russischen Konfliktes, der die Habsburgermonarchie als Bundesgenossen des türkischen Erbfeindes gesehen hätte. Maria Theresia konnte einen derartigen, im Inland ebenso wie bei den christlichen Balkanvölkern unpopulären Waffengang vermeiden und dabei die Türkei vorerst

Konsolidierung und neue Erwerbungen

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doch vor einem weiteren russischen Vorstoß bewahren. J e t z t wurde aber die polnische Frage hoch aktuell. Nach Ausschreitungen in den 13 Zipser Städten, die einst im Frieden von Lublau (1412) von Ungarn an die Krone Polen v e r p f ä n d e t worden waren, marschierten — übrigens auf A u f f o r d e r u n g des polnischen Königs — österreichische T r u p p e n ein, die die Besetzungsaktion aber auf drei altpolnische Starosteien mit dem wertvollen Salzbergwerk von Wieliczka ausdehnten. R u ß l a n d u n d Preußen verhandelten indessen schon über eine Annexion weiterer polnischer Gebiete; im August 1772 schloß sich Österreich nach heftigem Widerstreben Maria Theresias, die sich — von K a u n i t z im Stich gelassen — gegen Joseph II. nicht mehr durchsetzen konnte, einem russisch-preußischen Abkommen an. D e r Anteil an der Beute der ersten Teilung Polens wurde in einem nach den alten ruthenischen Fürstentümern Halicz und Wladimir „Königreich Galizien und Lodomerien" genannten K r o n l a n d mit der H a u p t s t a d t Lemberg zusammengefaßt, das von den Ostgrenzen Schlesiens bis zum Bug reichte, im Westen polnisch und im Osten ruthenisch besiedelt w a r und namentlich der Landwirtschaft gute Entwicklungsmöglichkeiten bot. R u ß l a n d h a t t e Grenzgebiete östlich der D ü n a und des D n j e p r an sich gebracht, Preußen erhielt mit der Landverbindung zwischen Ostpreußen und Pommern das kleinste, aber wertvollste Gebiet, in der Hauptsache früheres Ordensland, mit einem erheblichen Prozentsatz deutscher Bevölkerung. Diese „erste polnische Teilung" stellt ohne Zweifel einen der übelsten A k t e der Großmachtpolitik des 18. Jahrhunderts dar. Vom österreichischen S t a n d p u n k t w a r die Schwächung des ungefährlichen, katholischen Staates im N o r d e n und das Näherrücken Rußlands besonders bedenklich. Maria Theresia, von Gewissensbissen wegen der Teilnahme an einer als unrecht empfundenen H a n d l u n g gequält, hat doch auch die Gefahren der Teilungspolitik richtiger beurteilt als ihre Ratgeber; andererseits läßt sich nicht leugnen, d a ß Österreich allein zu schwach war, um die Teilung zu verhindern, d a ß ein Beiseitestehen das Kräfteverhältnis gegenüber Preußen und R u ß l a n d weiter verschlechtert hätte und d a ß die Habsburgermonarchie ebenso wie der Hohenzollernstaat im Falle eigener Zurückhaltung damit rechnen mußte, d a ß ganz Polen zur Beute Rußlands würde. Drei J a h r e nach der Gewinnung Galiziens gelang — wieder k a m p f l o s — die Erwerbung der Bukowina, dadurch w u r d e eine Verbindung Galiziens mit Siebenbürgen hergestellt. Österreich hatte den russisch-türkischen Frieden von Kütschük-Kainardsche vermittelt, nun m u ß t e die Türkei, ohne dieser Vermittlung viel zu verdanken, auch f ü r Österreich ein territoriales O p f e r bringen. Immerhin w a r dieser Landgewinn wenigstens auf dem Vertragswege zustandegekommen und die Bewohner der Bukowina hatten den Wechsel der Staatszugehörigkeit gewiß nicht zu bereuen. Aus dem dünn bevölkerten, völlig verwahrlosten Gebiet schuf die österreichische Verwaltung in jahrzehntelanger Arbeit ein Musterland der Monarchie.

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Reform, Reaktion und Revolution

Einige Zeit nach Regelung der polnischen und türkischen Angelegenheiten, führte die Frage der Erbfolge in Bayern zu neuen, nicht ungefährlichen Verwicklungen. Die Hauptlinien des Hauses Wittelsbach standen vor dem Erlöschen, die Ehen des bayerischen Kurfürsten M a x Joseph und des Herzogs K a r l Theodor von Pfalz-Sulzbach waren kinderlos geblieben. Als nächster Anwärter kam Herzog Karl von Pfalz-Zweibrücken in Frage, der so auf Grund seiner Doppelstellung in Bayern und der Pfalz H e r r einer beträchtlichen süddeutschen Hausmacht werden konnte. Kaunitz bewog nun K a r l Theodor nach dem Tode des Kurfürsten M a x Joseph zu einem Vertrag, in dem höchst problematische Erbansprüche der Habsburger auf Niederbayern anerkannt wurden. Die Herrschaft Mindelheim — auf die noch am ehesten österreichische Rechte geltend gemacht werden konnten — und die ehemals böhmischen Lehen in der Oberpfalz sollten ungeachtet des Widerspruches der Bevölkerung sofort an Österreich abgetreten werden, ö s t e r reichische Truppen besetzten diese Gebiete; erneut mißachteten Joseph I I . und Kaunitz die Warnungen Maria Theresias. Nun erhob aber Preußen, das eine Verbreiterung der Basis der österreichischen Stellung im Reich unbedingt verhindern wollte, heftigen Einspruch, und der erbberechtigte Herzog von Pfalz-Zweibrücken schloß sich an. Preußische Truppen rückten in Böhmen ein, mußten aber nach einigen Monaten unblutiger Operationen wieder das Land verlassen. Kaiser Joseph hatte während seiner Anwesenheit bei der österreichischen Armee allerdings bewiesen, daß ihm alle Befähigung zum Feldherrn abging, wie er überhaupt für militärische Angelegenheiten mehr Interesse als Talent besaß. Nach zunächst vergeblichen Versuchen gelang es der Initiative Maria Theresias, diesen als „Kartoffelkrieg" und „Zwetschkenrummel" ironisierten bayerischen Erbfolgekrieg durch den Frieden von Teschen (13. Mai 1779), bei dem Rußland und Frankreich als Vertragsbürgen fungierten, zu liquidieren. Als Entschädigung für seine sonstigen Ansprüche erhielt Österreich den bayerischen Innkreis mit etwa 6 0 . 0 0 0 Einwohnern, der als „Innviertel" dem Lande ob der Enns angeschlossen wurde. Das war wenig im Vergleich zu dem, was man sich erhofft hatte, und noch war nicht vorauszusehen, daß diese Erwerbung dauerhafter sein sollte, als alle anderen Eroberungen des 18. Jahrhunderts. Der Abschluß des Teschener Friedens war Maria Theresias letzter außenpolitischer Erfolg; am Zustandekommen der Entrevue von Mohilew zwischen Kaiser Joseph und Katharina I I . (1780), die wieder zu einer Annäherung zwischen Österreich und Rußland führte, war sie nicht beteiligt. Am 29. November 1780 ist Maria Theresia, nach 40jähriger Regierung, aber erst 63 J a h r e alt, gestorben. In einer außerordentlich kritischen Situation an die Spitze des österreichischen Staatswesens gestellt, hat sie den Gefahren standgehalten, die seinen Bestand bedrohten und die gewiß nicht geringer waren, als jene, denen die Habsburgermonarchie im ersten Weltkrieg erlegen ist. Die erlittenen Verluste sind, wenigstens, was den territorialen Umfang

D a s J a h r z e h n t Josephs II.

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betraf, im späteren Verlauf ihrer Regierung ausgeglichen worden; die römisch-deutsche K a i s e r w ü r d e konnte nicht zuletzt durch die Festigkeit der letzten althabsburgischen Monarchin dem neuen H a u s e Habsburg-Lothringen b e w a h r t bleiben. M a r i a Theresia fühlte in der T a t ganz bewußt als Trägerin der Traditionen des habsburgisdien Hauses, obwohl sie in ihrer Erscheinung und g e w i ß audi in ihrem N a t u r e l l mehr die Tochter ihrer weifischen Mutter Elisabeth Christine als des melancholischen Karls V I w a r . Das W e l t b i l d der Monarchin entstammte allerdings dem Barockkatholizismus österreichischer P r ä g u n g , ein felsenfestes Gottvertrauen gab der Herrscherin in schweren Bedrängnissen einen sicheren H a l t . Das Denken der A u f k l ä r u n g blieb M a r i a Theresia fremd und unsympathisch, doch schenkte sie Männern, die w i e H a u g w i t z , Kaunitz, V a n Swieten und Sonnenfels den neuen Ideen zugetan waren, ihr Vertrauen, und die theresianische Staatsreform entsprach in ihren Ergebnissen, trotz schwierigster Voraussetzungen den auch sonst feststellbaren Tendenzen des a u f g e k l ä r t e n Absolutismus. Die Regierung M a r i a Theresias hat unter Schonung der historischen Landesgrenzen dem Staatsganzen einen festeren Zusammenhalt gegeben und das Staatsbewußtsein wesentlich gestärkt; die politischen, administrativen und vor allem die kulturellen Leistungen und Errungenschaften der theresianischen Epoche haben sich f ü r alle Länder und Völker des Habsburgerreiches positiv ausgewirkt. Das Jahrzehnt Josephs II. Kaiser Joseph hatte schon w ä h r e n d der späteren Regierungszeit M a r i a Theresias gute Einblicke in die Regierung und V e r w a l t u n g der Habsburgermonarchie gewonnen; in zahlreichen Reisen — meist unter dem Inkognito eines Grafen von Falkenstein (einer aus dem lothringischen Erbe an Österreich gefallenen linksrheinischen Grafschaft bei W o r m s ) hatte er fremde Fürstenhöfe und die Erblande kennengelernt. Nach dem Tode der ersten Gemahlin, Isabella von P a r m a (1763), der Joseph herzlich zugetan w a r , und dem Hinscheiden der zweiten Gattin, der ungeliebten Wittelsbacherin M a r i a Josepha (1767), w i d m e t e der Kaiser sich ganz seiner politischen A u f g a b e . Als selbständiger Herrscher hielt Joseph unter Einfluß und Zustimmung von Kaunitz an einer antipreußischen Politik im Bündnis mit Frankreich fest; K a t h a r i n a von R u ß l a n d konnte zu einer freundlichen H a l t u n g bestimmt werden. Die erste außenpolitische Frage, die Joseph mit Energie, aber nur mit sehr geringem Erfolg in Angriff nahm, betraf das Verhältnis zwischen den österreichischen Niederlanden und H o l l a n d ; B a r r i e r e t r a k t a t und Scheidesperre sollte beseitigt werden. Tatsächlich gelang es z w a r , das holländische Besatzungsrecht in den Barrierefestungen zu liquidieren, dagegen stieß der Versuch, eine Aufhebung der seit 1648 bestehenden Scheidesperre und damit

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Reform, Reaktion und Revolution

eine Belebung des Handels von Antwerpen zu erwirken, auf den heftigen Widerstand der Generalstaaten, die bereit waren, ein Kriegsrisiko einzugehen. So mußte der Kaiser gegen eine geringfügige Grenzverbesserung und eine Geldentschädigung im Vertrag von Fontainebleau (1785) die Scheidesperre anerkennen. Die Belgier waren enttäuscht und ein anderer Plan des Herrschers, sie in Aufnahme älterer Kombinationen als Tauschobjekt für Bayern zu verwenden, mußte ihre Loyalität auf eine überharte Probe stellen. Infolge der Gegenwirkung Preußens, das einen Fürstenbund gegen Österreich organisierte, und mangelnder Unterstützung durch Frankreich, das kein Interesse an der Beseitigung seines alten Verbündeten Bayern hatte, scheiterte auch dieses Projekt. Im Jahre 1786 starb Friedrich II. und bald nach dem Tode des großen Gegners Österreichs plante Joseph, dessen Außenpolitik der Konsequenz entbehrte, ein Zusammengehen mit Preußen. Dadurch wären allerdings Frankreich und Rußland der Habsburgermonarchie entfremdet worden. Kaunitz war für den neuen Kurs unzugänglich, wobei neben seinen starken gefühlsmäßigen Ressentiments gegen Preußen wohl auch das Gefühl der Gefahr einer Einkreisung der beiden mitteleuropäischen Staaten durch ein Zusammengehen Rußlands mit den Westmächten eine Rolle spielte. Man blieb also bei der alten Konzeption der Außenpolitik und im Zeichen des russischen Bündnisses wirkte man an einem Krieg gegen die Türkei mit, den letztlich die auch für Österreich höchst bedenklichen Eroberungs- und Aufteilungspläne Katharinas II. verschuldet hatten; die Feindseligkeiten begannen allerdings, nicht ohne anglo-französische Einwirkung, die Türken. Uber die Bündnisbestimmungen hinaus, die (ähnlich wie 1738) nur zur Stellung eines Hilfskorps verpflichtet hätten, trat Österreich als selbständig kriegführende Macht in den K a m p f ein (1788). Der Kriegsverlauf entsprach aber keineswegs den Erwartungen. Feldmarschall Graf Lacy, ein ausgezeichneter Organisator, aber kein Heerführer von Format, verteilte die kaiserlichen Truppen in einer Kordonaufstellung entlang der Grenze und als die Türken zum Angriff übergingen, trat man einen überstürzten Rückzug an; Kaiser Josephs Anwesenheit bei de: Armee hatte sich angesichts seiner Unentschlossenheit wieder höchst negativ ausgewirkt. Im Jahre 1789 wandte sich allerdings das Blatt. Der alte Laudon übernahm das Kommando an der Donaufront und eroberte nach kurzer Belagerung Belgrad. Prinz Josias von Koburg siegte gemeinsam mit den Russen bei Foksani und Martinesti. Von den Türken drohte keine Gefahr mehr. U m so bedenklicher war die sonstige Lage. In Preußen hatte die Außenpolitik des Ministers Hertzberg einen ausgeprägt antiösterreichischen Zug; er arbeitete mit den Seemächten zusammen und suchte Fühlung mit Schweden und der Türkei. Österreichs französischer Bundesgenosse war durch den Ausbruch der Revolution gelähmt. Überdies brachen Unruhen in den habsburgischen Ländern aus. In den Niederlanden kam es zu offenem Aufruhr, die Lage in Ungarn war höchst gespannt, die überstürzte Durchführung der

Ideengehalt und Reformen des Josephinismus

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josephinischen Reformen rief in diesen Gebieten, deren traditionelle Sonderstellung Maria Theresia geschont hatte, den Widerstand der privilegierten Schichten, bald aber audi weiterer Kreise hervor. Im streng katholischen Belgien verursachten schon die kirchenpolitischen Maßnahmen Josephs große Aufregung, dessenungeachtet schritt der Kaiser an eine völlige Umgestaltung der Verwaltungsorganisation; bald fanden sich katholisch-konservative und revolutionäre Gruppen zu einer eigenartigen, kurzfristigen Kampfgemeinschaft gegen die österreichische Herrschaft zusammen. Als Joseph II. eine Steuerverweigerungskampagne der Brabanter Stände mit der Aufhebung der Verfassung, namentlich des Privilegs der Joyeuse Entree von 1355, beantwortete, kam es zu einer offenen Aufstandsbewegung; nur die habsburgisch gesinnte Provinz Luxemburg blieb loyal. Die schwachen österreichischen Truppen mußten aus Brüssel weichen, die Aufständischen verkündeten die Unabhängigkeit des Landes, das sofort von Preußen und den Seemäditen als selbständiger Staat anerkannt wurde (Ende 1790). Die Magyaren standen der Regierung Josephs von allem Anfang an mit größtem Mißtrauen gegenüber; der Monarch hatte ihre Gefühle schon durch den Verzicht auf die Krönung mit der Stephanskrone verletzt und 1784 dieses geheiligte Symbol der ungarischen Staatlichkeit sogar nach Wien bringen lassen. Als Joseph weder den Reichstag noch die Komitatsversammlungen einberief und schließlich die Komitatsverfassung überhaupt beseitigte, ferner die deutsche Sprache an Stelle der lateinischen zur Amtssprache erhob, war die Empörung allgemein. Eine gewisse Rolle spielten bei dieser Entwicklung auch preußische Agenten; ungarische Kreise dachten, von dieser Seite aufgemuntert, an eine neue Königswahl; unter den Kandidaten befand sich Herzog Karl August von Weimar, ein Teil der Korrespondenz wurde von Goethe, seinem Minister, bestritten. Der Herzog lehnte schließlich aber ab. Kaiser Joseph zog seine Anordnungen im Jänner 1790 zurück, ohne daß sich allerdings die Stimmung im Lande gebessert hätte, man sah im Nachgeben eher ein Symptom der Schwäche. Die innen- und außenpolitische Situation der Habsburgermonarchie war äußerst trist, als der seit langem kränkelnde Kaiser am 20. Februar 1790 starb; er hinterließ seinem jüngeren Bruder Leopold, bisher Großherzog von Toskana, eine äußerst gefährdete Herrschaft. Ideengehalt

und Reformen

des

Josephinismus

Wir haben schon darauf hingewiesen, daß es Ideen und Reformen jenes Typs, den man gerne mit der Etikette „Josephinismus" versieht, schon vor dem Regierungsantritt Josephs II. gegeben hat. Verschiedenste geistige Strömungen und Traditionen trafen im Österreich der theresianisch-josephinischen Epoche zusammen und prägten insgesamt die Eigenart der offiziellen, staatspolitischen Auffassungen, die namentlich auf dem Gebiet der Kirchen21

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Reform, Reaktion und Revolution

politik deutlich zum Ausdruck kommen, in der man den Josephinismus im engeren, eigentlichen Sinn zu sehen pflegt. Reminiszenzen an die alte, ins Mittelalter zurückreichende landesfürstliche Kirchenvogtei, kaiserlichghibellinische Tradition — keineswegs glaubensfeindlich, aber argwöhnisch gegenüber der Kirche, insbesondere ihrer römischen Spitze als politischem Faktor — vereinigten sich mit jansenistischen und febronianischen, staatskirchlichen Bestrebungen. Den Staatsmännern des aufgeklärten Absolutismus schienen — nicht nur in Österreich und hier jedenfalls weder zuerst, noch am entschiedensten — die altverbrieften Sonderrechte der katholischen Kirche und ihrer Institutionen, insbesondere der monastischen Einrichtungen, geradezu als Staat im Staate; man verglich die Lage mit den ungleich einfacheren, von der Perspektive des Staates aus gesehen, geradezu erfreulichen Verhältnissen bei den protestantischen Landeskirchen, deren Hierarchie nicht über die Staatsgrenzen hinausreichte und die demgemäß keine kirchlichen Weisungen vom Ausland empfangen mußte. Das Bündnis mit den Bourbonenstaaten legte wieder neidvolle Wünsche auf „gallikanische Freiheiten" nahe und in manchen Maßnahmen (etwa gegen die Jesuiten) folgte man dem französischen Beispiel. Vom Westen kam auch der Geist der Aufklärung und die Ideen von Quesnay, Montesquieu, weniger jene Voltaires oder der Enzyklopädisten, haben auch am Wiener Hof und in den Zentralbehörden bereitwillige Aufnahme gefunden. Natürlich durfte man nicht verkennen, daß der „neue Geist" für das monarchisch-konservative österreichische Staatsgebilde gefährlich werden konnte — Joseph II. erlebte am Abend seines Lebens noch den Ausbruch der Französischen Revolution — so wollte man möglichst rasch zu einem Ausgleich gelangen, die Gefahren der neuen Ideologien entschärfen und diese, soweit möglich, der Monarchie dienstbar machen. Dabei ist der Herrscher allzu hastig vorgegangen und hat gelegentlich, wie Friedrich II. drastisch formulierte, den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Das Einvernehmen mit dem Volk oder mit repräsentativen Vertretern hat man nicht gesucht; der Hof ging selbstherrlich vor; alle Reformen sollten zwar dem Volke zugutekommen, seine Mitwirkung schien aber entbehrlich und im Grunde als verzögernd und erschwerend gar nicht wünschenswert. Die autoritativbarsche Art, in der Verordnungen und Gesetze verkündet wurden, machte auch viele vollberechtigte und an sich vorteilhafte Maßnahmen der Josephiner höchst unpopulär. Auf dem Gebiete der Verwaltung strebte man nach möglichster Vereinheitlichung der Spitzenbehörden, die Zahl der leitenden Bürokraten sollte möglichst klein sein; jene der Mitglieder des Staatsrates wurde etwa auf vier vermindert. Sehr klar zeigen sich die Tendenzen einer möglichst weit vorgetragenen Zentralisierung in der Zusammenfassung der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei, der Hofkammer und der Ministerialbancodeputation zu einer von einem obersten Kanzler geleiteten Vereinigten Hofstelle (1782),

Ideengehalt und Reformen des Josephinismus

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der die gesamte politische und finanzielle Verwaltung der österreichischen Länder (einschließlich Galiziens) unterstehen sollte, während man die illyrische und siebenbürgische Hofkanzlei der ungarischen eingliederte. In der Länderverwaltung schloß man die Gubernien benachbarter Länder zusammen, bildete etwa ein gemeinsames innerösterreichisches Gubernium für Steiermark, Kärnten und Krain, knüpfte also an einen Territorialkomplex des späteren Mittelalters und des konfessionellen Zeitalters an; in ähnlicher Weise wurden die Verwaltungen von Mähren und Schlesien, von Galizien und der Bukowina, sowie der verschiedenen Territorien des Küstenlandes zusammengefaßt. Man kann nicht behaupten, daß sich diese aufgeblähten Verwaltungskörper bewährten, auch dem angestrebten Ziel der Zentralisierung kam man kaum näher, eher w a r die durch das Haugwitzsche System angebahnte Vereinigung der nichtungarischen Länder durch die neuen Länderkomplexe aufgelockert. Sehr charakteristisch für den Herrscher und seine Paladine w a r die Abneigung gegen alle Arten von Sonderstellungen und Privilegien, mochten sie auch historisch berechtigt oder sonst vertretbar sein. Der Monarch wurde weder in Ungarn noch in Böhmen gekrönt, er verzichtete auch überall auf die traditionellen Landeshuldigungen. Die Stände behielten in den Gubernien als dekorativen Rest früherer Bedeutung die Vertretung durch zwei Räte. Die städtische Selbstverwaltung wurde stark eingeschränkt; kaiserliche Wahlkommissare überwachten die Wahlen der Magistrate. Es entsprach dem Wesen des Josephinismus, daß die Monarchie sowohl Wohlfahrts- wie Polizeistaat sein sollte. Das Staatswesen hatte durch eine aufgeklärte Regierung und Verwaltung die besten Bedingungen für das Wohlergehen seiner Bürger zu schaffen; zur Erfüllung dieses Programmes sollte nicht zuletzt auf Ordnung, Sitte und Sicherheit geachtet werden. Seit 1749 befaßte sich eine Polizeikommission mit diesen Obliegenheiten; 1782 schuf der Präsident der niederösterreichischen Regierung, Joseph Anton Graf Pergen, Landespolizeidirektionen und legte so das Fundament für eine dauerhafte Organisation des gesamten Polizeiwesens. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Zensur zu verweisen. Joseph II. w a r an sich kein Freund einer scharfen Handhabung der Zensur, doch wurde seine namentlich gegen Verunglimpfungen der eigenen Person großzügige Einstellung mißbraucht und so sah das Zensurgesetz von 1781 eine straffe Kontrolle der Druckschriften und insbesondere der Presse vor. Die Zensur wurde freilich ungleichmäßig gehandhabt und der höhere Klerus protestierte gegen das Überhandnehmen kirchenfeindlicher Literatur. Auf dem Gebiet des Rechtswesens hat der Josephinismus bedeutende und segensreiche Leistungen aufzuweisen. Die unter M a r i a Theresias Regierung eingeleitete Trennung von Justiz und Verwaltung wurde konsequent weitergeführt, die grundherrliche Patrimonialgerichtsbarkeit weitgehend eingeschränkt. Das gilt freilich nur für die deutschen Erbländer, in

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Reform, Reaktion und Revolution

Ungarn und den Niederlanden kam es nicht so weit. Hier mußte man auch auf die Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, dessen erster Teil 1786 erschien, verzichten. Das in diesem Werk publizierte Eherecht entsprach im wesentlichen einem schon 1783 publizierten Ehepatent; die hier vorgeführte Definition der (weiterhin ausschließlich vor den kirchlichen Behörden geschlossenen) Ehe als bürgerlicher Vertrag rief schärfsten Widerstand der Kirche hervor. Das unter Maria Theresia noch in konservativem Sinne verfaßte Strafgesetzbuch wurde 1787 in erneuerter Gestalt herausgebracht; das Prozeßrecht geordnet. Die Todesstrafe hat Joseph (abgesehen vom standrechtlichen Verfahren) aufgehoben, andererseits sah das josephinische Gesetz schwere Kerker-, Arbeits- und Züchtigungsstrafen vor. Das Kernstück der josephinischen Gesetzgebung bildeten die kirchenpolitischen Maßnahmen und Verordnungen. Der Kaiser war, wie audi Papst Pius VI. bei seinem Wiener Besuch (1782) feststellen konnte, ein überzeugter und frommer Katholik, das hinderte ihn jedoch nicht, aus Erwägungen des staatlichen Interesses und auch im Sinne des humanitären Denkens seines Jahrhunderts, das Prinzip der religiösen Duldung zu vertreten. So erließ er am 13. Oktober 1781 das Toleranzpatent, das den größeren Gemeinschaften der nichtkatholischen Christen, nämlich Lutheranern, Kalvinern und Griechisch-Orthodoxen bürgerliche Gleichheit mit der katholischen Bevölkerungsmehrheit sowie Kultusfreiheit gewährte. Gewisse einschränkende Bestimmungen, etwa über den Kirchenbau (keine Türme und Glocken, kein Straßenportal!), sollten einen gewissen Vorrang der „dominanten" römisch-katholischen Konfession weiterhin sicherstellen. Die protestantischen Gemeinden konnten sich nun aber offen organisieren; im Raum des heutigen Österreich entstanden etwa 50 Toleranzgemeinden, die meisten im Bereiche des späteren Burgenlandes und in Kärnten. Im Jahre 1784 wurde das österreichische Konsistorium aus Teschen nach Wien verlegt und für die Anhänger des Helvetischen und des (zahlenmäßig weit überwiegenden) Augsburger Bekenntnisses zweigeteilt. Da die Zahl der sich nun offen zu ihrem Glauben bekennenden Protestanten überraschend groß war, wurden im Dezember 1782 Verfügungen getroffen, die, wie etwa ein mehrwöchiger Religionsunterricht beim zuständigen katholischen Pfarrer, gewisse Hemmnisse bedeuteten. Trotz dieser Einschränkungen charakterisierte aber das Toleranzpatent doch den Beginn einer neuen Ära der österreichischen Kirchenpolitik, die schließlich zur völligen Gleichberechtigung aller anerkannten Religionsgemeinschaften führen sollte. Gegen die schwerer kontrollierbaren Sekten ist der Josephinismus aber mißtrauisch geblieben und nicht selten sehr nachdrücklich vorgegangen. Die Juden erhielten durch eine eigene Verfügung zwar noch keine völlige bürgerliche Gleichstellung, aber doch wesentliche, bisher verweigerte Rechte; sie wurden zu den Handwerken, Gewerben, der industriellen Betätigung und zu den Hochschulstudien zugelassen; noch bestehende, diskriminierende

Ideengehalt und Reformen des Josephinismus

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Kleidungsvorschriften wurden aufgehoben. In jüdischen Kreisen war die Aufnahme dieser Regelung zwiespältig; das zur Emanzipation drängende, zahlenmäßig geringere und oft recht wohlhabende Judentum der westlichen Erbländer begrüßte sie zumeist freudig, den Orthodoxen schien die neue Richtung dagegen bedenklich. Audi antisemitische Widerstände in der christlichen Bevölkerung regten sich — gelegentlich hören wir allerdings audi von katholischen Bedenken gegen die „zu weit gehende Toleranz" für die Protestanten. Die Josephiner im Klerus waren der Toleranzidee aber freundlich gesinnt und Erzbischof Hieronymus Colloredo von Salzburg, dessen Regierungsweise überhaupt viele Parallelen zu jener Josephs II. aufweist, begrüßte das Toleranzpatent in einem berühmt gewordenen Hirtenbrief. Im allgemeinen fand jedenfalls die zeitgemäße Toleranzgesetzgebung weniger Widerstände als manche anderen Reformen des Herrschers. Die nach außenhin spektakulärste und in ihrem Verlauf wohl audi dramatischeste kirchenpolitische Aktion Josephs II. betraf die monastischen Institutionen. Der Josephinismus war den Klöstern wenig freundlich gesinnt. Die Mönche, oft geistig hodistehende Menschen, kamen zum Ärger der Staatstheoretiker nicht nur als Zölibatäre für die Volksvermehrung, dieses Lieblingsthema der Populationistik des 18. Jahrhunderts, nicht in Frage, sondern ihre Begabung diente audi sonst kaum der Öffentlichkeit. Insoferne wurde das Mönch tum negativer beurteilt als der Weltklerus; der ausgedehnte Grundbesitz der „toten H a n d " gab einen weiteren Anstoß. Schon unter Maria Theresia kam es zu zahlreichen Klosteraufhebungen in der Lombardei; auch die Beseitigung des Jesuitenordens konnte als Präjudiz gelten. Indessen schien Joseph II. ein Vorgehen gegen die Klöster zunächst nicht vordringlich, erst ein Ereignis von nur lokaler Bedeutung — interner Streit in der Kartause Mauerbach bei Wien — bot den Anlaß zu ausgedehnteren Nachforschungen und schließlich zu der folgenschweren Entscheidung (29. N o vember 1781), alle Klöster aufzuheben, die nichts für die Jugenderziehung oder Krankenpflege leisteten, deren Insassen sich nur einem beschaulichen Leben widmeten. Die Durchführung der Aktion oblag der „Geistlichen H o f kommission", die auch den Gelderlös verwaltete; eine Tendenz zur Auflösung gerade wohlhabender Klöster ist wenigstens in der zweiten Hälfte des josephinisdien Jahrzehnts unverkennbar. Mehr als 400 Klöster verfielen der gnadenlosen Liquidierung, darunter mehrere Anstalten, denen in der österreichischen Kulturgeschichte eine hervorragende Rolle zukam, wie Mondsee, Baumgartenberg, Seckau, Neuberg, Ossiach, St. Paul im Lavanttal, Gaming, Mauerbach und das Wiener Dorotheenstift. Andere Klöster, wie etwa Kremsmünster, entgingen nur um Haaresbreite einer mutwilligen Auflösung; im Falle von Lilienfeld wurde diese nach zweijähriger Dauer von Josephs Nachfolger Leopold rückgängig gemacht. Die Verbindungen der noch bestehenden Ordensniederlassungen zu ausländischen Häusern wurden möglichst eingeschränkt, die monastischen Exemtionen beseitigt. Diese Maß-

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Reform, Reaktion und Revolution

nähme kam, wenigstens in formaler Hinsicht, den Bischöfen zugute, in deren Reihen es etliche Parteigänger des Josephinismus gab, unter denen Graf Karl Herberstein in Laibach als der wohl radikalste zu nennen ist. In Wien folgte auf den dem Josephinismus nahestehenden Erzbischof Trautson mit dem Kardinalerzbischof Christoph Anton Graf Migazzi freilich ein entschiedener und beharrlicher Gegner der neuen Ideen. Ein wichtiges Anliegen der Josephiner betraf unmittelbar den Episkopat: Die Diözesanregulierung, der Versuch einer Angleichung der kirchlichen an die territorialen Grenzen. Damit hatte man nur Teilerfolge. Das Bistum Passau, einst der Träger der Mission im österreichischen Donauland, wurde gänzlich ausgeschaltet, Oberösterreich dem Bistum Linz unterstellt, Niederösterreich zwischen den Diözesen von Wien — dessen Erzbischof zugleich die neue, beide Kronländer umfassende Kirchenprovinz leitete — und St. Pölten (wohin man das ältere Bistum Wiener Neustadt verlegt hatte) aufgeteilt. Der Umfang der Salzburg unterstehenden Diözesen von Seckau, Gurk und Lavant wurde wesentlich erweitert, doch ließen sich die Salzburger Metropolitanrechte nicht beseitigen. Aussichtslos war schließlich der Versuch einer Diözesanregulierung in der Streulage der vorderösterreichischen Besitzungen. Unter allen geistlichen Amtsträgern konnte am ehesten der Pfarrer auf Sympathie und Förderung von seiten der Josephiner rechnen; er sollte allerdings nicht nur für die Kirchentreue, sondern auch für eine patriotisch-zuverlässige staatsbürgerliche Haltung der ihm anvertrauten Gemeindemitglieder Sorge tragen. Dem Josephinismus ist schließlich die Errichtung zahlreicher neuer Pfarren zu verdanken, niemand sollte mehr als eine Stunde Weges zur Pfarrkirche haben. So wurden zahlreiche neue Kirchen gebaut, dafür andere, die überflüssig schienen, zugesperrt oder abgerissen. Aus dem Religionsfond wurden die Mittel für eine staatliche Besoldung der Weltpriester {„Kongrua") beigestellt — eine Regelung, die sich in Österreich bis 1938 hielt. Mit diesen Maßnahmen konnte sich die Kirche abfinden, bedenklicher war es schon, daß (seit 1783) staatliche Generalseminarien für den Priesternachwuchs sorgen sollten; dadurch hoffte man die Heranbildung der jungen Priester besser überwachen zu können. Großes Ärgernis erregten bei der katholischen Bevölkerung verschiedene Eingriffe in das Glaubensleben; die meisten Prozessionen — deren Zahl seit der Gegenreformation allerdings übermäßig angeschwollen war — wurden verboten, die Wallfahrten radikal eingeschränkt, die Bruderschaften aufgelöst und viele Feiertage abgeschafft. Audi in die Gottesdienstordnung griff man ein; die Kirchenmusik und selbst die Zahl der Kerzen auf dem Altar wurde zum Politikum; den peinlichen Höhepunkt dieser Maßnahmen bildete die allerdings rasch wieder sistierte Verordnung über die Ersetzung der Totensärge durch Säcke. Das Mißfallen der Behörden fanden auch verschiedenste Volksbräuche; vom Perchtenlaufen bis zum „Fensterin", Wetterläuten, Jodeln und Peitschenknallen unterlagen sie oft grotesk anmutenden Verbotsbestimmungen.

Festigung am Vorabend neuer Krisen. Die Regierung Leopolds II.

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Es wäre ungerecht, wollte man Ideen und Maßnahmen der Josephiner nur nach den bürokratischen Auswüchsen und taktischen Fehlern beurteilen. Gewiß bleibt noch viel Problematisches übrig, audi wenn man von diesen Dingen absieht; der Wunsch nach Überwachung und Bevormundung aller Lebensäußerungen verrät eine massive Fehleinschätzung der Aufgabe des Staates. Andererseits waren viele Reformen nur allzusehr berechtigt und die folgende Zeit sollte Joseph I I . und seine Helfer in mindest ebenso vielen Belangen rechtfertigen als widerlegen. Nicht minder umstritten als die Verwaltungsreformen und die staatskirchlichen Maßnahmen war auch die in vieler Hinsicht schon in der maria-theresianischen Epoche angebahnte Sozialgesetzgebung des Herrschers, die sich namentlich zugunsten der Bauernschaft auswirkte, wovon noch ausführlicher die Rede sein wird; es genügt vorderhand der Hinweis auf die Aufhebung der Leibeigenschaft in jenen Ländern, in welchen sie noch bestand (1781), auf die Robotpatente ( 1 7 7 1 — 1 7 8 9 ) , die Versuche der Urbarregulierung und der Neuordnung der Grundsteuer. Gerade diese Verfügungen haben sich im Ganzen gesehen, sehr bewährt und ebenso wie die Maßnahmen für die Volksgesundheit in weiten Kreisen das Andenken an den Volkskaiser Joseph verklärt. Der „Josephinismus" wurde nicht von Joseph I I . geschaffen, er hat auch, trotz vieler Mißerfolge, mit dem Tode des Kaisers nicht sein Ende gefunden; er prägte vielmehr in vieler Hinsicht das weltanschauliche Profil eines Großteils gerade der geistig tätigsten und politisch interessiertesten Schichten der Habsburgermonarchie bis zum Ende dieses Reiches und josephinisches Gedankengut bestimmte in vielfältigen Abwandlungen die Programme der politischen Parteien ebenso wie die Staatsauffassung der grundsätzlich unpolitischen oder zumindest zur Unparteilichkeit verpflichteten gehobenen Staatsbeamten, der Offiziere und selbst vieler Kleriker.

Festigung am Vorabend

neuer Krisen. Die Regierung

(1790—1792)

Leopolds

II.

In unglaublich kurzer Zeit löste Leopold I I . eine Reihe heikler und gefährlicher Probleme, deren Bereinigung zur Konsolidierung des schwer erschütterten Staatskörpers unumgänglich notwendig war. Ganz im Gegensatz zu dem verstorbenen Bruder war Leopold, der während einer 25jährigen, recht erfolgreichen Herrschaft in Toskana eine gründliche Kenntnis der Regierungspraxis erworben hatte, ein geschickter, kühl rechnender Taktiker mit ausgeprägtem Sinn für das Mögliche, den er bei Behandlung innen- und außenpolitischer Aufgaben bewährte, während er in kirchlichen Angelegenheiten schon in Toskana geringere Sicherheit gezeigt hatte. Ursprünglich stark beeinflußt von den Lehren Montesquieus und der Physiokraten hatte Leopold einst in einem Brief an seine Schwester Maria Christine, die Statt-

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Reform, Reaktion und Revolution

halterin Belgiens, geradezu ein Bekenntnis auf eine nicht nur dem Wohle des Volkes, sondern auch seiner Zustimmung verpflichtete Auffassung des Herrscheramtes abgelegt. In Österreich hat Leopold unter dem Eindruck der Schwierigkeiten des Bruders und der Entwicklung in Frankreich sich zu einer konservativeren Politik entschlossen, ohne allerdings alle Maßnahmen des verstorbenen Kaisers aufzuheben. Gegenüber Preußen verstand es Leopold trotz der Opposition von Kaunitz, nach einer gewissen Distanzierung von Rußland, einzulenken und im Juli 1790 den Weg zu einem Ausgleich zu finden, der in der Reichenbacher Konvention festgelegt wurde. Hier war schon ein Verständigungsfrieden ohne Annexionen mit der Türkei vorgesehen und der preußische Kanzler Hertzberg mußte seine ehrgeizige, im übrigen wenig durchdachte Politik einer Expansion auf österreichische Kosten liquidieren. Der Türkenkrieg wurde durch den Frieden von Sistowa (4. August 1791) schließlich tatsächlich beendet. Österreich erhielt nur einige lokale Grenzverbesserungen (Alt-Orsova, den Unadistrikt und die Donauinsel Ada-Kaleh). In Belgien rückten schon vor Ende des Jahres 1790 starke österreichische Kontingente ein. Parteienkämpfe unter den Aufständischen hatten diese Wendung beschleunigt und im Haager Kongreß (Dezember 1790) wurde Österreich der Besitz Belgiens von den europäischen Mächten garantiert. Die unzufriedenen Elemente Ungarns mußten nach der Unterzeichnung der Reichenbacher Konvention auf die erhoffte Unterstützung des Auslandes verzichten, während es Kaiser Leopold gelang, die südungarischen Serben zu gewinnen. Nach langen Verhandlungen kam es auf dem Reichstag von Ofen zu einer Einigung; Leopold wurde zum König von Ungarn gekrönt. Die deutsche Amtssprache fiel, der Anteil der Stände an der Gesetzgebung wurde gefestigt. In der Frage der Aufrechterhaltung und der Fortführung der josephinischen Reformen schlug man auch in den österreichischen Ländern den Weg des Kompromisses ein. Es kam zur Aufgabe der übertriebenen administrativen Zentralisierungsmaßnahmen, zur erneuten Trennung der politischen und der Finanzverwaltung nach Liquidierung der Vereinigten Hofstelle. Die Stände erhielten manche Rechte zurück, insbesondere bei der Steuereinhebung und bei der Erfassung für den Heeresdienst. Weitergehende ständische Forderungen lehnte der Herrscher aber ab: die Mehrzahl der Reformen für den Bauernstand — allerdings nicht die Grundsteuer und die Robotregulierung — sowie die Neuregelung des Unterrichtswesens, für das der Herrscher echtes Verständnis besaß, blieben in Geltung. Was die Kirchenpolitik betraf, so wurden die Generalseminarien beseitigt, einige wenige aufgelöste Klöster wieder hergestellt. Der Erfolg bei der Konsolidierungsarbeit im Innern und der diplomatischen Ausgleichspolitik mit Preußen, den Seemächten und der Türkei konnte freilich nicht über die möglichen Konsequenzen der dramatischen Zuspitzung der Lage in dem theoretisch noch immer verbündeten Frankreich

D e r K a m p f gegen das revolutionäre Frankreich. D e r erste Koalitionskrieg

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hinwegtäuschen. Leopold arbeitete keineswegs zielbewußt gegen die revolutionäre Bewegung in diesem Lande. Die Bedrängnis seiner Schwester Maria Antoinette und seines Schwagers Ludwigs X V I . beeinflußten trotz aller menschlichen Sorge die gefühlsmäßigen Entscheidungen abholde kühle realpolitische Haltung des Monarchen nicht wesentlich. Überdies mußten als Voraussetzung jeder Intervention in Frankreich zunächst die restlichen in Reichenbach noch nicht beigelegten Gegensätze zwischen Österreich und Preußen liquidiert werden; vorderhand kam es nach einer Zusammenkunft der beiden Monarchen nur zu einer allgemein gehaltenen Erklärung, dem französischen Königshaus bei Unterstützung durch die anderen europäischen Mächte zu H i l f e zu kommen. Katharina von Rußland war diesen Plänen günstig gesinnt, aber England lehnte ab. Nachdem Ludwig X V I . die Verfassung — gewiß nicht ohne Druck — beschworen hatte, war Leopold wieder zu einem Ausgleich bereit, es kann keine Rede davon sein, daß er den Krieg wollte. Auch das Angebot Lothringens durch den Grafen von Artois beirrte den Kaiser nicht in seiner Haltung. Zu Beginn des Jahres 1792 mußte er allerdings erkennen, daß die Revolution noch nicht zu Ende war, und als das Königspaar gefangengesetzt wurde, schien auch er zu einer Aktion zu neigen. Sein unerwarteter T o d am 1. März 1792 entriß aber Österreich den politisch hoch befähigten Herrscher zur Unzeit. Es gingen Gerüchte von einem Attentat der Jakobiner oder Freimaurer, doch entbehrten diese Mutmaßungen der Grundlage; der Kaiser erlag vermutlich einer Rippenfellentzündung. Der Kampf

gegen das revolutionäre Frankreich. (1792—1797)

Der erste

Koalitionskrieg

Der Tod Kaiser Leopolds bezeichnet in mancher Hinsicht eine wichtige Zäsur in der österreichischen Geschichte: Ein halbes Jahrhundert staatlicher Reformarbeit im Geist des aufgeklärten Absolutismus österreichischer P r ä gung, wenngleich zunächst unter einer dem Ideengut der Aufklärung fremd oder ablehnend gebliebenen Monarchin, ging zu Ende. Man hatte mit konservativen Widerständen kämpfen müssen, aber den Staat doch gründlich gewandelt. Nun aber waren es die Ideen von 1789, verstärkt durch die erstaunliche Stoßkraft der Heere des revolutionären Frankreich, mit denen man sich zu messen hatte; der K a m p f ging um die Aufrechterhaltung der alten Ordnung des monarchischen Europa, daher gewannen in Österreich die konservativen Elemente wieder an Gewicht. Ihnen kann man audi den neuen Monarchen zurechnen, wenngleich im politischen Charakterbilde von Franz I I . ( 1 7 9 2 — 1 8 3 5 ) josephinische Züge keineswegs fehlen. Leopolds ältestem Sohne, der nun zur Regierung kam, wird man Willenskraft, Ausdauer und nüchternes Pflichtbewußtsein nicht absprechen können, als geistige Persönlichkeit hatte er aber weit geringeres Format als Onkel und Vater;

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R e f o r m , R e a k t i o n und Revolution

auch die jüngeren Brüder Karl und Johann waren Franz an Talent, Phantasie und Aufgeschlossenheit für das Neue entschieden überlegen. Als leitenden Staatsmann (Kabinettsminister) setzte Kaiser Franz den Grafen Franz de Paula Colloredo-Wallsee, seinen früheren Erzieher (Ajo) ein. Bald nach dem Herrscherwechsel trafen nach aggressiven französischen Noten die Kriegserklärungen der Pariser Nationalversammlung in Wien und Berlin ein. Die Aktion war von der girondistischen Partei ausgegangen, deren revolutionäre Zuverlässigkeit in Paris schon damals angezweifelt wurde, die daher die Erregung der Massen auf den äußeren Feind ablenken wollte. Die ersten Kampfhandlungen der Revolutionsarmeen verliefen keineswegs erfolgreich, Angriffe gegen die belgischen Grenzfestungen wurden abgewiesen. So glaubte man an den mitteleuropäischen H ö f e n allzugerne an einen militärischen Spaziergang der kampferprobten österreichisch-preußischen Truppen nach Paris; Rußland und Sardinien schlossen sich, ohne allerdings tatsächlich in die K ä m p f e einzugreifen, der Koalition an. Ein törichtes Manifest der Verbündeten, in dem schwerste Vergeltungsmaßnahmen angedroht wurden, steigerte den Widerstandswillen der französischen Bevölkerung und besiegelte überdies das Schicksal der königlichen Familie. Nach der Kanonade von Valmy trat das alliierte Heer im September 1792 den Rückzug an; die Franzosen konnten starke Kräfte gegen Belgien in Marsch setzen und brachten durch den Sieg bei Jemappes (6. November 1792) ganz Belgien in ihre H a n d . Auch das deutsche, linksrheinische Gebiet ging schnell verloren. D a s konservative Europa hatte gegenüber dem revolutionären Frankreich eine klägliche Schwäche bewiesen. Der weitere Verlauf des Krieges zeigte immer stärker werdende Risse im Gefüge der Koalition, der nach französischen Kriegserklärungen noch England, Spanien und Holland beigetreten waren. Als Preußen und Rußland im Jänner 1793 unter Ubergehung Österreichs die zweite Teilung Polens vereinbarten, bahnte sich in Wien ein Kurswechsel an. Franz von Thugut, der nunmehr als „Direktor der auswärtigen Angelegenheiten" in den Vordergrund trat, war von tiefer Abneigung gegen Preußen erfüllt. Insofern knüpfte er an die außenpolitische Richtung von Kaunitz an, doch fehlte dem ehrgeizigen Emporkömmling die große Linie des alten Staatskanzlers, der ein J a h r später starb. Die leidenschaftlichen Angriffe, die Heinrich von Sybel vor einem Jahrhundert gegen Thuguts Politik führte, sind freilich nicht in vollem U m f a n g berechtigt und waren vor allem von der Tendenz diktiert, die ihrerseits höchst unerfreuliche Haltung Preußens während des ersten Koalitionskrieges zu rechtfertigen. Im Frühjahr 1793 kam es vorübergehend zu einer günstigen militärischen Wendung im Kriege gegen Frankreich und nach dem Sieg von Neerwinden (17. und 18. März 1793) rückten die Österreicher wieder in Belgien vor. Der von den Kommissaren des Nationalkonvents drangsalierte französische Befehlshaber Dumouriez übte Verrat und ging zu den Österreichern über. Auch die Lage an der Rheinfront war für die

D e r K a m p f gegen das revolutionäre Frankreich. D e r erste Koalitionskrieg

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Verbündeten nicht ungünstig. Die französische Republik war im Rücken überdies durch den großen Volksaufstand in der Vendee und durch lokale Erhebungen im Süden bedroht. Jetzt stellte das revolutionäre Frankreich aber durch die „levec en masse" des Kriegsministers Carnot neue Armeen ins Feld; die Österreicher wurden bei Wattignies (15. und 16. Oktober 1793) und im Sommer des folgenden Jahres bei Fleurus (26. Juni 1794) geschlagen. Die belgischen Festungen wurden aufgegeben und Thugut veranlaßte sogar den Rückzug auf das rechte Rheinufer. Der alte Plan der österreichischen Politik, Belgien gegen Bayern einzutauschen, den man neuerdings aufgegriffen hatte, war von den Verbündeten, zuletzt insbesondere von Großbritannien, verhindert worden, es scheint fast als ob Thugut durch die Räumung Belgiens vor allem diesen Staat treffen wollte. Mit Preußen aber kam es zum Bruch, als nach der Niederwerfung der patriotischen Erhebung unter Thaddäus Kosciuszko die polnische Frage wieder aktuell wurde. Diesmal fanden sich Österreich und Rußland zu gemeinsamem Vorgehen; am 3. Jänner 1795 vereinbarten beide Mächte vertraglich die dritte Teilung Polens; dabei wurde auch für Preußen ein angemessener Anteil vorgesehen. Das norddeutsche Königreich war aber durch das selbständige Vorgehen der Höfe von Wien und St. Petersburg vor den Kopf gestoßen worden und zog sich seinerseits von der Koalition zurück. Am 5. April 1795 Schloß Preußen mit Frankreich den Frieden von Basel, in dem Frankreich das linke Rheinufer geopfert wurde; selbst ein preußisch-österreichischer Krieg schien damals nicht ausgeschlossen. Auch Spanien zog sich vom Kampf zurück; Holland wurde als Batavische Republik zu einem Vasallenstaat Frankreichs. In der Frage der territorialen Abgrenzung im polnischen Raum kam man schließlich zu einer Einigung; Österreich erhielt damals das Gebiet um die Stadt Krakau, sowie einen als „Westgalizien" bezeichneten breiten Landstreifen entlang der Flüsse Pilica, Weichsel und Bug, mit den Städten Lublin, Cholm und Sandomir. Den Kampf am Rhein mußte Österreich fortan freilich fast ganz allein, nur von den süddeutschen Kleinstaaten unterstützt, ausfechten. Nichtsdestoweniger errangen die österreichischen Generale Wurmser und Clerfayt im Jahre 1795 einige Erfolge; der Kampfwillen der österreichisch-britisch-russischen Koalition stieg vorübergehend wieder an. Im Jahre 1796 fiel aber die Entscheidung zugunsten Frankreichs. Am süddeutschen Kriegsschauplatz hielt wohl Erzherzog Karl der französischen Offensive stand; in den Schlachten von Amberg (24. August) und Würzburg (3. September 1796) wurde die Armee Jourdan zurückgeworfen; Bayern Schloß allerdings angesichts des Vormarsches einer anderen Armee unter Moreau mit Frankreich einen Waffenstillstand. Zum Hauptkriegsschauplatz wurde jetzt Italien, wo Napoleon Bonaparte, dessen militärischer Genius sich immer glänzender bewährte, die Sarden zum Ausscheiden aus der Koalition zwang und die Österreicher aus der Lombardei fast ganz verdrängte. Die starke Festung Mantua wurde von dem nach Italien abberufenen General

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Reform, Reaktion und Revolution

Wurmser zähe verteidigt, mußte sich aber nach den schweren Niederlagen der Entsatzarmeen bei Castiglione, Bassano, Arcole und Rivoli am 14. Jänner 1797 den Franzosen ergeben. Angesichts dieser Unglücksfälle und auch aus innenpolitischen Gründen begann die Haltung der Verbündeten Österreichs unsicher zu werden und so war es gar nicht angebracht, daß Thugut erste Friedensfühler des Gegners zurückwies. Als aber Napoleons Truppen in die Ostalpenländer eindrangen, kam das Aufgebot der wehrfähigen Bevölkerung zu spät, um den Feind aufhalten zu können. Die beiden Oberbefehlshaber Napoleon und Erzherzog Karl schlossen am 18. April 1797 den Vorfrieden von Leoben, dem am 17. Oktober der Frieden von Campo Formido (so richtig statt Campo Formio) bei Udine folgte. Österreich mußte auf Belgien und die Lombardei Verzicht leisten und der Abtretung des linken Rheinufers zustimmen. Andererseits erhielt es die Stadt Venedig und einen Großteil des festländischen Territoriums der Republik, ferner Istrien und Dalmatien. Im Westen Oberitaliens wurden zwei Satellitenstaaten Frankreichs, die ligurische und die cisalpine Republik eingerichtet. Der Friedensschluß zwischen dem römisch-deutschen Reich und der französischen Republik war einem Kongreß zu Rastatt vorbehalten; mit dem österreichischen Breisgau wollte man den H e r z o g von Modena entschädigen. Die Härte des Kampfes gegen Frankreich hatte auch ihre Konsequenzen für die österreichische Innenpolitik. Die entsprechend ausgebaute Polizei fahndete nach verkappten Anhängern der Revolution; im Jahre 1794 gelang die Aufdeckung einer Wiener „Jakobinerverschwörung", deren zum Teil aus angesehenen Kreisen stammende Teilnehmer zum Tode oder zu schweren Kerkerstrafen verurteilt wurden. Das Unterrichtswesen, die Presse, das Vereinsleben unterlagen einer peinlichen Überwachung. Von einer „öffentlichen Meinung" konnte kaum mehr die Rede sein, da sich jedermann bemühte, keinerlei Verdacht aufkommen zu lassen. In Budapest war es ebenfalls zu einer Konspiration gekommen, die blutig unterdrückt wurde. A n dererseits hatte die Teilnahme der Tiroler Bauern am K a m p f gegen die eindringenden Franzosen (Gefecht von Spinges 2. April 1797) und der Erfolg des Aufgebotes von 1797 gezeigt, daß ein großer Teil der Bevölkerung von patriotischem Opferwillen beseelt war, das mißtrauische und ideenlose Regime schien aber kaum in der Lage, diese Gesinnung für den Staat wirklich nutzbar zu machen.

Vom zweiten zum dritten Koalitionskrieg

(1799—1805)

Der zur Herbeiführung des allgemeinen Friedens noch im Jahre 1797 einberufene Rastätter Kongreß endete mit einem Mißerfolg; die französischen Unterhändler zogen die Beratungen in die Länge, nützten die Verstimmung zwischen Österreich und Preußen gründlich aus und traten mit

Vom zweiten zum dritten Koalitionskrieg

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ungarischen und polnischen Unzufriedenen in Verbindung; überaus provokant benahm sich audi General Bernadotte, der französische Gesandte in Wien. Andererseits schienen die Kräfte Frankreichs durch die ägyptische Expedition Napoleons geschwächt und verzettelt zu sein und England versuchte eine neue europäische Koalition gegen Frankreich zusammenzubringen. Ein vorschneller Angriff neapolitanischer Truppen endete allerdings mit einem völligen Mißerfolg, die Franzosen besetzten den festländischen Teil des Königreiches beider Sizilien und riefen die Parthenopäische Republik aus. Audi an der Rheinfront nahmen die Franzosen die Feindseligkeiten auf; ihre Gesandten blieben solange wie möglich inmitten des österreichischen Aufmarschgebietes. Am 28. April 1799 wurden sie bei der lange verzögerten Abreise überfallen und zwei der Unterhändler getötet; es handelte sich bei dieser nie restlos aufgeklärten Affäre vermutlich um die Tat ungarischer Husaren, die möglicherweise von einer militärischen Kommandostelle beauftragt waren, den Gesandten die Papiere, unter denen man Spionagematerial vermutete, wegzunehmen und ihnen einen „Denkzettel" zu verabreichen. Die österreichische Regierung hatte mit dem „Rastätter Gesandtenmord" jedenfalls nichts zu tun. Der zweite Koalitionskrieg begann für die Verbündeten recht günstig. In Süddeutschland siegte Erzherzog Karl im März 1799 bei Ostrach und bei Stockadi über seinen alten Gegner Jourdan und im Juni schlug er eine andere französische Armee unter Massena bei Zürich. Auch in Italien, wo eine russische Armee unter Suworow die Österreicher unterstützte, operierte die Koalition vorerst äußerst erfolgreich, die Kämpfe bei Cassano, am Tidone und an der Trebbia und die große Schlacht von Novi (15. August 1799) endeten mit Siegen der Verbündeten. Die auseinandergehenden politischen und militärischen Pläne der Alliierten störten aber die weitere Zusammenarbeit und wieder erwies sich Thuguts Art mit den Verbündeten umzugehen als bedenklich, zumal man es mit einem mißtrauischen, leicht gereizten Autokraten wie den Zaren Paul zu tun hatte und auch Suworow bei unbestrittenen militärischen Fähigkeiten nicht leicht zu einvernehmlicher Kriegführung zu gewinnen war. Der kaum verhüllte Versuch Thuguts, die zurückgewonnenen Gebiete Piemonts zu annektieren, führte zu Mißhelligkeiten, und eine unglückliche Änderung des Kriegsplanes gab den Franzosen wieder ein militärisches Ubergewicht. Nach mühevollem Alpenübergang kam der in die Schweiz beorderte Suworow mit seinen Truppen doch zu spät, um die Niederlage eines anderen russischen Heerführers, Korssakow, bei Zürich zu verhindern; die russischen Truppen setzten sich nach Süddeutschland ab und wurden schließlich vom Zaren abberufen: Rußland schied im Oktober 1799 aus der Koalition aus. Inzwischen war Napoleon aus Ägypten zurückgekehrt; der erfolgreiche Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November 1799) gab ihm eine überlegene Machtstellung als erster Konsul. Sein Eingreifen an der italienischen

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Reform, Reaktion und Revolution

Front brachte wieder eine Wendung, er eroberte Mailand und gewann schließlich die entscheidende Schlacht von Marengo trotz anfänglich beträchtlicher Vorteile der Österreicher unter Melas durch das noch rechtzeitige Eingreifen der Generale Desaix und Kellermann (14. Juni 1800). Die Österreicher zogen sich hinter den Mincio zurück, dann kam es auf dem oberitalienischen Kriegsschauplatz zu einem Waffenstillstand. In Süddeutschland gingen die K ä m p f e weiter, nach ergebnislosen Friedensverhandlungen errangen die Franzosen unter Moreau einen entscheidenden Sieg bei Hohenlinden (3. Dezember 1800) über die unter dem nominellen Oberbefehl des 18jährigen Erzherzogs Johann stehende österreichische Armee, die Bayern räumen und hinter die Enns zurückgehen mußte. Jetzt kam es zu Luneville in Lothringen zu Verhandlungen, die am 9. Februar 1801 mit dem Friedensschluß endeten. Die Bestimmungen waren für Österreich erträglich und wichen nicht sehr von jenen des Jahres 1797 ab. Die Abtretung des linken Rheinufers wurde besiegelt, ebenso die Erwerbung der venetianischen Gebiete bestätigt. Der Herzog von Modena erhielt den Breisgau und die Ortenau, der Herzog von Toskana wurde mit Salzburg (einschließlich Berchtesgaden) ausgestattet. Die deutschen Reichsfürsten sollten für die Verluste auf dem linken Rheinufer im restlichen Reichsgebiet entschädigt werden. Dies geschah tatsächlich durch den unter Mitwirkung Frankreichs und Rußlands zustandegekommenen Reichsdeputationshauptschluß ( 1 8 0 3 ) ; Österreich, das am linken Rheinufer nur die kleine Grafschaft Falkenstein verloren hatte, gewann die Territorien der Fürstbistümer Trient und Brixen, die de facto freilich schon seit langem als Teile von Tirol gelten konnten. In den Wiener Zentralbehörden kam es nun zu einigen personellen Veränderungen, denen auch eine, durch den unglücklichen Verlauf des Krieges ja naheliegende Neuorientierung in der Außenpolitik entsprach. An die Stelle des Franzosen- und Preußenfeindes Thugut trat Ludwig G r a f Cobenzl, während Colloredo sein Amt behielt. Beide Staatsmänner standen von vornherein unter der Suggestion der überlegenen Macht Frankreichs, operierten daher zunächst vorsichtig. Positiv zu werten war, daß Erzherzog K a r l als neuer Präsident des Hofkriegsrates durch zweckmäßige Maßnahmen die Armee stärkte; an Stelle der bisher lebenslänglichen Dienstzeit trat eine Verpflichtung auf zehn bis vierzehn Jahre. Eine neue Zentralbehörde, das Staatsund Konferenzministerium, sollte für Koordinierung der Verwaltung sorgen; auch das Finanz- und Rechnungswesen wurde neu organisiert, ohne daß es allerdings zu einer wirklichen Besserung der infolge der großen Kriegs- und Rüstungsausgaben schwierig gewordenen Finanzlage kam. Nach einem J a h r zehnt wenig planmäßiger Verwaltungsreformen (zuerst 1792, dann 1794, schließlich 1802) hatte man sich von den zentralistischen Tendenzen des josephinischen Jahrzehnts wieder entfernt. An der strengen Überwachung der Öffentlichkeit durch Polizei und Zensur hielt man nach wie vor unerbittlich fest.

V o m zweiten zum d r i t t e n K o a l i t i o n s k r i e g

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Anschließend an die Verhandlungen von Luneville hatte man auch den Versuch einer Beilegung des britisch-französischen Konfliktes unternommen; der Frieden von Amiens (1803) hatte jedoch nur ein J a h r Bestand, und beim Neuausbruch der K ä m p f e suchte England wieder auf dem Kontinent Bundesgenossen zu mobilisieren. Zunächst fand es bei Rußland eine günstige Resonanz, namentlich nach der Krönung Napoleons zum Kaiser der Franzosen, die den Zaren Alexander verärgert hatte. Anders verhielt sich der Wiener H o f . Man sah in Napoleons Kaiserwürde die konsequente Folgerung aus der tatsächlich überragenden Stellung als erster Konsul, aber audi das Positivum einer Uberwindung der Revolution. Andererseits hatte das Vordringen Frankreichs zum Rhein, die Ausschaltung der geistlichen Fürstentümer sowohl im Kurfürstenkolleg wie im Reichsfürstenrat eine protestantische Mehrheit zur Folge; die Wahl eines Habsburgers zum Kaiser war unter diesen Umständen unsicher; dazu kam noch das französische Übergewicht und die Gefahr einer völligen Auflösung des Reiches. So dachte man am Wiener H o f an die Schaffung einer im Hause Habsburg erblichen Kaiserwürde, die dem neuen französischen Kaisertum wenigstens dem Range nach gleichwertig und weniger gefährdet als das römisch-deutsche Kaisertum wäre. In diesem Sinne war eine Denkschrift des Grafen Cobenzl an Kaiser Franz gehalten. Der neue Kaisertitel sollte sich auf die Gesamtheit aller habsburgischen Länder beziehen. Am 10. August 1804 teilte Kaiser Franz den Beschluß auf Annahme des Titels „Kaiser von Österreich" einer Versammlung hoher Staatswürdenträger mit; am folgenden Tag fand die Veröffentlichung durch ein kaiserliches Patent, und am 7. Dezember 1804 die Verkündigung in feierlicher Form statt; von einer Krönung sah man ab. Der Kaisertitel bezog sich implicite auch auf Ungarn, doch erklärte man, um nationale und ständische Empfindlichkeiten zu schonen, daß Verfassungen und Rechte der Länder nicht angetastet würden. Der eingeschlagene Weg war rechtlich zweifellos anfechtbar; einmal hatte man sich nicht um die Zustimmung der erbländischen Stände gekümmert, dann war auch die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches verletzt worden; man hatte Kurfürsten und Reichstag übergangen. Freilich suchte man noch Zusammenhänge zu wahren. Das österreichische Wappen von 1804 war noch von der römischen Kaiserkrone überhöht; die Farben schwarz-gelb (schwarz-gold) waren die des Reiches, auch der Doppeladler stammte aus dem Reichswappen. Im übrigen trug Franz I I . noch die römisch-deutsche Kaiserkrone. Erst nach einer erneuten Niederlage im Felde ging diese verloren; damit hatte aber audi die Stunde des Unterganges dieses Reiches geschlagen. Österreich hatte sich zunächst, wie schon erwähnt, von der englischen Bündnispolitik distanziert, man mußte aber doch mit französischen Aktionen in Italien rechnen und es gab auch im eigenen Lager eine Kriegspartei. Ihr gelang es schließlich auch, den Kaiser zu gewinnen, während Erzherzog Karl die Erfolgsaussichten skeptisch beurteilte. Im August 1805 trat Österreich

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Reform, Reaktion und Revolution

der englisch-russischen Koalition bei, der sich auch Schweden anschloß. Schließlich hoffte man auf den Beitritt Preußens. Tatsächlich ist der dritte Koalitionskrieg höchst unglücklich geführt worden. In Süddeutschland traten Baden, Württemberg und Bayern auf die Seite Napoleons, der von seinem Lager in Boulogne schneller auf dem Kriegsschauplatz erschien, als man erwartet hatte. Der österreichische Befehlshaber General Mack rückte zwar durch Bayern bis an die Illerlinie, wurde aber von Napoleon umgangen und nachdem er die Rückzugsmöglichkeiten nicht auszunützen vermochte, in Ulm mit 2 3 . 0 0 0 Mann zur Kapitulation gezwungen (20. Oktober 1805). Demgegenüber fiel es weniger ins Gewicht, daß Erzherzog K a r l auf dem italienischen Kriegsschauplatz bei Caldiero ( 2 9 . — 3 1 . Oktober 1805) die angreifende Armee Massena zurückwerfen konnte. Karls Truppen und die zum Schutze Tirols bestimmten Streitkräfte unter Erzherzog Johann wurden an die Donaufront berufen, kamen aber zu spät, um die Besetzung Wiens durch Napoleon (13. November 1805) und dessen Donauübergang zu verhindern. Inzwischen war eine russische Armee unter Kutusow nach einem erfolgreichen Gefecht bei Loiben nach Mähren eingerückt. T r o t z der anfänglichen Unglücksfälle war die Situation der Alliierten keineswegs aussichtslos, man war Napoleon an Truppenstärke etwas überlegen und konnte das Eintreffen weiterer russischer Kräfte und der Österreicher unter den Erzherzogen K a r l und Johann abwarten; Napoleon war von seinen Operationsbasen weit entfernt, für einen Winterfeldzug nicht recht gerüstet. Überdies war nun doch mit dem Eingreifen Preußens zu rechnen, das durch die Verletzung des eigenen Territoriums im Fürstentum Ansbach-Bayreuth schwer verstimmt war und mit Rußland den Potsdamer Vertrag geschlossen hatte. Der verfehlte militärische Ehrgeiz des Zaren Alexander ließ dann Österreicher und Russen noch vor dem Eintreffen von Verstärkungen die „Dreikaiserschlacht" von Austerlitz wagen, die am 2. D e zember zu einer schweren Niederlage der Alliierten führte. Nach der Schlacht von Austerlitz überließ Zar Alexander Österreich seinem Schicksal und kehrte nach Rußland zurück; zweifellos hätte eine andere Haltung Österreich Gebietsabtretungen größeren Umfanges erspart. Der preußische Bevollmächtigte Haugwitz schloß mit Napoleon den Vertrag von Schönbrunn, in dem der Hohenzollernstaat gegen Abtretung von Ansbach-Bayreuth das von den Franzosen besetzte Hannover erhielt. Österreich war nun völlig isoliert und mußte in Preßburg drückende Friedensbedingungen Napoleons akzeptieren: Venetien, Istrien und Dalmatien fielen an das neugebildete Königreich Italien; in Süddeutschland mußten die restlichen vorderösterreichischen Gebiete, zum Großteil althabsburgische Besitzungen, sehr zum Mißvergnügen ihrer Bewohner an die deutschen Verbündeten Napoleons abgetreten werden; Bayern erhielt zudem noch Tirol (mit Vorarlberg, Brixen und Trient), dagegen kam als bescheidener Ersatz

V o m zweiten zum dritten Koalitionskrieg

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f ü r territorial weit umfangreichere Verluste Salzburg mit Berchtesgaden an Österreich. Erzherzog Ferdinand von Habsburg-Toskana, erst vor kurzem in Salzburg installiert, wurde mit einem Großherzogtum W ü r z b u r g entschädigt. Bei der A u s f ü h r u n g der Friedensbedingungen k a m es noch zu einem unangenehmen Zwischenfall, als sich russische Seestreitkräfte, unterstützt von montenegrinischen Banden, in C a t t a r o festsetzten, das erst mit erheblicher Verspätung den Franzosen übergeben werden konnte. Die unmittelbare Folge der österreichischen Niederlage waren wichtige Veränderungen in Deutschland. N a p o l e o n dachte eine Zeitlang unter dem Einfluß des letzten geistlichen Reichsfürsten Deutschlands, Fürstprimas K a r l Theodor von Dalberg, daran, sich selbst die römisch-deutsche Kaiserkrone aufs H a u p t zu setzen und das Reich Karls des Großen, verkörpert durch die Herrschaft über Frankreich, Deutschland und Italien, zu erneuern. Dies mißlang infolge der abwartenden H a l t u n g des Wiener Hofes, der über die Bestimmungen des Preßburger Friedens nicht hinausgehen wollte. N u n veranlaßte N a p o l e o n die Bildung des Rheinbundes, dessen Mitglieder ihr Ausscheiden aus dem Reich verkündeten. In dieser Situation legte F r a n z II. nach heftigen Drohungen Napoleons am 6. August 1806 die römische Kaiserkrone zurück und gab gleichzeitig die Auflösung des „Heiligen Römischen Reiches" bekannt. Dieses einst durch die Kaiserkrönung O t t o s I. 962 begründete Staatswesen entbehrte längst jeglicher politischen oder gar militärischen Macht. Gelegentlich Gegenstand gutmütigen Spottes, w a r es aber doch im deutschen Denken und Fühlen tief verwurzelt, und die mitleidlose Liquidierung unter dem ultimativen Druck einer Macht, die schon seit langem als „ E r b f e i n d " galt, trug zur Anfachung eines deutschen Nationalbewußtseins bei, das wesentlich schärfere Prägung erhielt, als dies zur Zeit des alten Reiches, dessen Wiederherstellung bald zum mystischen Sehnsuchtsziel der deutschen R o m a n t i k wurde, jemals der Fall gewesen war. Im gleichen und folgenden J a h r e (1806/1807) erlitt Preußen nach einem schnellen, zielbewußten Feldzug Napoleons trotz verspäteter russischer Unterstützung eine schwere Niederlage; vernichtende Friedensbedingungen waren die Folge: Fast alle Gebiete westlich der Elbe gingen verloren, die Armee mußte stark reduziert werden, französische Garnisonen besetzten die wichtigsten Festungen. Kaiser F r a n z lehnte damals das vielleicht nicht ganz ernst gemeinte napoleonische Angebot einer Rückgabe Schlesiens als Preis f ü r ein Bündnis ab; angesichts der französischen Ubermacht lag es sowohl im österreichischen wie im russischen Interesse, daß Preußen nicht ganz vernichtet wurde. Andererseits hatte man auch die Bündnisvorschläge Preußens und R u ß l a n d s zurückgewiesen. Nach dem Tilsiter Frieden w a r Österreich schließlich gezwungen, sich an der von N a p o l e o n verfügten Kontinentalsperre gegen England zu beteiligen; immerhin sollte sich diese M a ß n a h m e zugunsten der heimischen Industrie auswirken, deren überlegener K o n k u r r e n t ausfiel.

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Reform, Reaktion und Revolution

Der Krieg von 1809 und der Freiheitskampf

Tirols

In Wien bestimmte ein neuer Mann, Graf Johann Philipp Stadion, seit Dezember 1805 die Außenpolitik. Mit diesem katholischen, schwäbischen Aristokraten und seinem ihm geistesverwandten Bruder Friedrich Lothar kam ein neuer Zug in die Regierungsgeschäfte der Habsburgermonarchie. Nach H e r k u n f t und eigenem Geschichtsbilde dem Alten Reich auch gefühlsmäßig stark verbunden, suchte er nun durch Erneuerung und Stärkung der politischen und militärischen Kräfte der Monarchie die Voraussetzungen zu schaffen, die es gestatten sollten, der Ubermacht Napoleons entgegenzutreten. Großen Eindruck machte damals allenthalben der heftig aufflammende Widerstand des spanischen Volkes gegen das willkürliche Eingreifen Napoleons in die Angelegenheiten der Pyrenäenhalbinsel. Es stand f ü r Stadion und seinen Kreis fest, daß der Kampf gegen Frankreich auch in Österreich zu einer Sache des Volkes gemacht werden müßte. Mit dem gebürtigen Schlesier Friedrich von Gentz verfügte man schon seit einigen Jahren über einen gewandten und geistvollen Publizisten, der die öffentliche Meinung zum Kampf gegen Napoleon anfeuern sollte; auch der österreichische Botschafter in Paris, Klemens Lothar Graf Metternich, der schon die ersten Proben seines ungewöhnlichen diplomatischen Talents abgelegt hatte, neigte der Kriegspartei zu, die am H o f e selbst durch die temperamentvolle Kaiserin Maria Ludowika, die dritte Gemahlin Kaiser Franz', vertreten war. Erzherzog Johann stand Stadions Gedankenwelt ebenfalls recht nahe, er versprach sich viel von einer großzügig organisierten Volksbewaffnung. Erzherzog K a r l schätzte dagegen die Erfolgsaussichten eines Krieges weniger optimistisch ein, obwohl man das Heer beträchtlich verstärkt und durch Landwehrformationen ergänzt hatte. Die Stimmung der T r u p p e war gut und der österreichische Soldat hat sich 1809 sehr tapfer geschlagen. Im Februar 1809 beschloß man in einer Konferenz der verantwortlichen Staatsmänner den Krieg zu wagen. Es zeigte sich allerdings sehr schnell, daß man — abgesehen von England und dem weit entfernten und militärisch schwachen Schweden nicht mit Bundesgenossen rechnen konnte. Rußland trat — gewiß eigene Ziele verfolgend — auf Seite Napoleons, und Preußen blieb unter diesen Umständen neutral, zumal der vorsichtige Hardenberg den entschlossenen Freiherrn vom Stein als Leiter der Politik abgelöst hatte. Der erste österreichische Kriegsplan sah eine Zangenoperation von Böhmen und von Tirol vor, dessen Aufstand gegen die unpopuläre bayerische Herrschaft unter maßgeblicher Beteiligung des fähigen, aber ziemlich skrupellosen Freiherrn Joseph von H o r m a y r und Erzherzog Johanns vorbereitet wurde. Tatsächlich ist man dann anders verfahren. Die H a u p t armee unter Erzherzog Karl rückte frontal über den Inn vor, während schwächere Verbände unter dem Erzherzog Ferdinand gegen das Großherzogtum Warschau und unter Erzherzog Johann in Oberitalien operierten.

Der Krieg von 1809 und der Freiheitskampf Tirols

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Napoleon traf wieder überraschend schnell am Kriegsschauplatz ein, in einer Reihe von Gefechten wurden die Österreicher im Räume von Regensburg zurückgeworfen, bald rückten die Franzosen in Oberösterreich ein, wo ihnen General Hiller im Gefecht von Ebelsberg schwere Verluste beibrachte, dann aber doch den Weg zu weiterem Vormarsch freigab. Am 13. Mai 1809 wurde Wien nach kurzer Beschießung vom Feind besetzt. An den Nebenfronten war die Situation günstiger. Erzherzog Ferdinand hatte Warschau erobert, die Armee Johanns schlug bei Sacile den Vizekönig von Italien, Eugen Beauharnais, zurück. In Tirol hatte die Volkserhebung unter Andreas Hofer, trotz wenig glücklicher Operationen der zur Hilfe gesandten österreichischen Truppen, große Anfangserfolge. Nun gelang auch ein Sieg am Hauptkriegsschauplatz; in der Schlacht von Aspern und Eßlingen erlitt Napoleon, dessen Armee den Donauübergang noch nicht abgeschlossen hatte, durch die Österreicher unter Erzherzog Karl seine erste Niederlage (21. und 22. Mai). Dieser Sieg ist freilich nicht voll ausgenützt worden. Napoleon konnte beträchtliche Truppenverstärkungen heranziehen, während Erzherzog Johann nach seinem Marsch durch Westungarn infolge eines unglücklichen Gefechtes bei Raab, zur kriegsentscheidenden Schlacht von Wagram zuspätkam. Die zahlenmäßig wesentlich schwächeren Österreicher wurden nach zweitägigen Kämpfen und erbittertem Widerstand geschlagen (5. und 6. Juli 1809). Nach einem weiteren kurzen Gefecht bei Znaim schloß Erzherzog Karl mit den Franzosen einen Waffenstillstand. Kaiser Franz entließ seinen Bruder vom Oberbefehl. Die Hoffnungen auf fremde Unterstützung hatten getrogen. Ein englisches Landungskorps blieb unter schweren Verlusten im versumpften Küstengebiet der Niederlande stecken, heroische Einzelaktionen beherzter Truppenführer in Norddeutschland, des Majors Ferdinand von Schill und des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig, scheiterten. Noch hielt sich Tirol erfolgreich gegen eine feindliche Übermacht, trotzdem entschloß man sich zum Frieden. Es kam zu langwierigen Verhandlungen in Schönbrunn, die von Metternich zunächst recht geschickt geführt wurden, die Generäle Liechtenstein und Bubna waren dagegen ihren diplomatischen Aufgaben nicht ganz gewachsen. Während den Verhandlungen verursachte der mißglückte, gegen Napoleon gerichtete Attentatsversuch des jungen Friedrich Stapß aus Naumburg große Aufregung; der Zwischenfall mag zur Beschleunigung des Friedensschlusses beigetragen haben. Die Bestimmungen des Friedens von Schönbrunn, der am 14. Oktober 1809 unterzeichnet wurde, waren freilich drückend. Die Neuerwerbung Salzburg, das Innviertel, sogar Teile des Hausrudiviertels mußten an Bayern abgetreten werden. Osttirol, die Gebiete Kärntens südlich der Drau, ganz Krain, Kroatien südlich der Save wurde mit dem schon 1805 abgetretenen Istrien und Dalmatien als „Illyrische Provinzen" Frankreichs zusammengefaßt. Die Habsburgermonarchie verlor ihren Zugang zum Meer

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Reform, Reaktion und Revolution

und mußte überdies eine sehr hohe Kriegsentschädigung zahlen; das Heer sollte auf einen Stand von 150.000 Mann herabgesetzt werden. Nach dem Gebot des Schönbrunner Vertrages mußte Österreich die noch heldenhaft kämpfenden Tiroler im Stich lassen; das geschah nun freilich in einer Art und Weise, die dem Wiener Hof keine Ehre machte. Der Tiroler Aufstand hatte überraschend schnell um sich gegriffen. Die bayerische Herrschaft war im Lande, obwohl sie — etwa im Finanzwesen — manche positiv zu wertende Reformen brachte, gründlich verhaßt: Man hatte den Namen Tirols ausgelöscht, beleidigte durch überstürzte Säkularisierungsmaßnahmen das religiöse Empfinden der Bevölkerung, die auch die Konskription für die bayerische Armee ablehnte. Das vielfach ungeschickte und barsche Auftreten der bayerischen Beamten war nicht geeignet, dem neuen Landesherrn Freunde zu gewinnen. Am ehesten fand sich noch das Bürgertum von Innsbruck mit den aufklärerischen, traditionsfeindlichen und antikirchlichen Tendenzen der Regierung Montgelas ab, während die Bauernschaft und der größte Teil des Klerus entrüstet waren. Die Verfassungs- und Verwaltungsänderungen der Bayern gaben übrigens gegenüber legitimistischen Bedenken maßgeblicher Wiener Kreise den Vorwand zur Unterstützung der Aufstandsbewegung durch den Wiener H o f . Joseph von Hormayr verwies auf die Formel „non autrement" des Preßburger Vertrages, mit der freilich nur gemeint war, daß Bayern die von Österreich abgetretenen Gebiete mit denselben Rechten übernehmen sollten, wie sie die Habsburger besessen hatten; Hormayr gab aber der Stelle die Auslegung, die Bayern seien verpflichtet, „nicht anders" als die Habsburger zu regieren, und hätten durch ihre Maßnahmen den Friedensvertrag verletzt. Neben Hormayr spielte auch Erzherzog Johann bei der Vorbereitung des Aufstandes eine Rolle; mit Andreas Hofer, dem Besitzer des Gasthofes „zum Sand" im Passeiertal, wurde in Wien der Plan des Tiroler Volksaufstandes ausgearbeitet. Tatsächlich haben die Tiroler, unter deren Führern neben H o f e r noch der Inntaler Joseph Speckbacher und der Klausener Kapuzinerpater Joachim Haspinger besonders hervortraten, sich hervorragend geschlagen, obgleich die Unterstützung durch reguläre Truppen unter dem Feldmarschalleutnant Johann Gabriel Marquis Chasteler de Courcelles nicht die erhoffte Entlastung brachte, denn Chasteler wurde von den Bayern am 13. Mai 1809 bei Wörgl geschlagen. Innsbruck ging verloren, wurde aber durch die Tiroler in den Bergiselkämpfen am 25. und 29. Mai zurückgewonnen. Zu Ende des Monats wurde in Tirol durch eine Eigenmächtigkeit Hormayrs auch der Inhalt einer unüberlegten Botschaft des Kaisers Franz bekannt; er wolle keinen Frieden schließen, der Tirol wieder von Österreich trennen würde. Nach dem Sieg bei Wagram konnte Napoleon wieder bedeutendere Truppenkontingente nach Tirol schicken, die Innsbruck und andere Städte besetzten. Er gab seinen Generälen überdies Anweisungen zu rücksichtslosem Vorgehen gegen die Bevölkerung, doch wurden diese Befehle nur zum Teil befolgt. Die

V o n der Niederlage zur Erhebung. Österreich zwischen Frankreich u. R u ß l a n d

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schlecht informierten Tiroler hielten das Vorgehen des Feindes f ü r einen Bruch des Waffenstillstandes. Noch einmal trat eine Wendung ein, als die Tiroler im Eisacktal in der „Sachsenklemme" bei Ladritsch eine feindliche Division vernichteten, eine andere Abteilung bei der Pontlatzer Brücke aufrieben und den französischen Marschall Franz Joseph Lefebvre nach einer weiteren Iselbergschlacht (13. August 1809) zur Räumung des Landes zwangen. Andreas H o f e r wurde Landeskommandant. Im Oktober drangen dann wieder die Bayern vom Norden und die Franzosen vom Süden in Tirol vor, ein letzter Bergiselkampf ging gegen die feindliche Übermacht verloren (21. Oktober 1809). In einem Aufruf versprachen die Franzosen Amnestie im Falle der Waffenstreckung, doch setzte H o f e r , verwirrt durch einander widersprechende Nachrichten, den Widerstand noch eine Zeitlang mit örtlichen Erfolgen fort. Schließlich mußte er flüchten, sein Versteck auf der Pfandleralm im Passeiertal wurde durch einen herabgekommenen Bauern, Franz Raffl, verraten. H o f e r fiel in Gefangenschaft und wurde nach einem Scheinprozeß in Mantua, gemäß dem Wunsche Napoleons, zum Tode verurteilt und am 20. Februar 1810 am Festungswall erschossen. Das gleiche Schicksal traf seinen Mitkämpfer Peter Mayr, den Wirt „an der M a h r " , der alle ihm gebotenen Ausflüchte abgewiesen hatte, am selben Tag in Bozen. Die beiden Südtiroler wurden, wie gegen 2500 ihrer in den Kämpfen 1796/97 und 1809 gefallenen Landsleute von beiden Seiten des Brenners, zu Blutzeugen f ü r die Freiheit und Einheit Tirols; Napoleon aber teilte das Land, das 1805 zur Gänze an Bayern abgetreten worden war, um Tirols Widerstandskraft zu schwächen. Der Süden (Welschtirol und das Bozener Gebiet) fielen an das Königreich Italien, der Rest (einschließlich Meran und Brixen) verblieb bei Bayern. Bald nach Ausbruch der K ä m p f e hatte Napoleon auch erwogen, Tirol und Vorarlberg an die Schweiz anzuschließen, doch ging der schweizerische Altlandammann H a n s von Reinhard, dem diese Vorschläge gemacht wurden, darauf nicht ein.

Von der Niederlage zur Erhebung. Österreich Frankreich und Rußland

zwischen

Das Jahr 1809 zeigte, wie immer man die Fehler der politischen und militärischen Führung beurteilen mag, Leistungskraft und Opferwillen der Bevölkerung der Habsburgermonarchie in eindrucksvollster Weise. Gewiß waren nicht alle Gebiete des Reiches in gleicher Weise am Abwehrkampf beteiligt; das relativ stärkste Kontingent der Armee stellte, wie immer seit Maria Theresias Tagen, die Militärgrenze; das Aufgebot der Landwehr fand in den deutschen Alpen- und Donauländern ein lebhaftes Echo, während man in einigen Bezirken Böhmens auf Schwierigkeiten stieß; Versuche Napoleons, durch Manifeste und Flugschriften Ungarn und Böhmen zur

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R e l o r m , R e a k t i o n und R e v o l u t i o n

Erhebung zu veranlassen, blieben aber völlig wirkungslos, noch bildeten Landespatriotismus und Kaisertreue starke Klammern des Vielvölkerstaates. Wenn man unterlegen war, so durfte man das dem Umstand zuschreiben, daß das politische Reformwerk Stadions und das militärische Erzherzog Karls noch nicht abgeschlossen waren, als man den K a m p f wagte, und daß man allein gegen das französische Kaiserreich und seine Satelliten hatte kämpfen müssen. Die Niederlage ließ aber auf die Leistungen des Volkes vergessen und seit 1809 gewannen die für kurze Zeit zurückgestellten Prinzipien eines konservativen Absolutismus wieder die Alleinherrschaft. Diesen Grundsätzen fühlte sich auch der neue Leiter der österreichischen Außenpolitik, G r a f Metternich, verpflichtet. D a ß Österreich überhaupt noch eine annehmbare Stellung im europäischen Staatensystem einnehmen konnte, verdankte es freilich in erster Linie gerade Metternichs geschickter und vorsichtiger Diplomatie, die als ersten weithin sichtbaren Erfolg das Zustandekommen der Heirat Napoleons mit einer Tochter des österreichischen Kaisers, Erzherzogin Maria Luise, buchen konnte. Napoleons widerspruchsvolle Stellung als Uberwinder, aber auch Vollender der Revolution, als absoluter Monarch, doch ohne die Aura der Legitimität, überdies ohne Hoffnung auf Nachkommenschaft aus seiner Ehe mit der wesentlich älteren Josephine Beauharnais, von der er sich nun scheiden ließ, bewog den Korsen, nach Verbindung mit einer alten Dynastie zu streben. Als der Petersburger H o f sich allen Heiratsabsichten Napoleons unzugänglich zeigte, wandte dieser sich nach Wien und bewarb sich, unterstützt durch die Vermittlung des Pariser Botschafters K a r l Grafen Schwarzenberg, um die H a n d Maria Luisens. Am 11. März 1810 fand in Wien die kirchliche Trauung statt, bei der Erzherzog Karl als Vertreter Napoleons fungierte; im April wurde dicZeremonie wiederholt. Die Geburt eines Kronprinzen am 20. März 1811 schien Napoleon die Zukunft seines Hauses zu sichern. Wenn man in Wien eine wesentliche Milderung der Friedensbedingungen von Schönbrunn erhofft hatte, — Metternich wollte vor allem die Illyrischen Provinzen, die den Zugang zur Adria sperrten oder doch einen Teil von ihnen zurückgewinnen — so täuschte man sich; es wurde lediglich ein Zahlungsaufschub für die Kriegsentschädigung gewährt. Die finanzielle Lage Österreichs blieb aber höchst schwierig, man hatte, wie schon in früheren Zeiten, alle Zahlungsund Kreditnöte durch Emission von Papiergeld zu überwinden gesucht; als um 1810 der Umlauf der Banknoten eine Milliarde Gulden überschritt, war es klar, daß man sie nicht mehr zum vollen Wert einlösen konnte; die Einziehung zu einem Fünftel des Nennwertes, die durch ein Patent vom 20. Februar 1811 verfügt wurde, bedeutete im Grunde einen Staatsbankrott. Die „Wiener Währung" des wegen der einschneidenden Abwertung verhaßten Hofkammerpräsidenten Grafen Josef Wallis brachte noch keine wirkliche Besserung, erst nach Beendigung der napoleonischen Kriege wurde die Währung konsolidiert.

V o n der N i e d e r l a g e z u r E r h e b u n g . Österreich z w i s c h e n Frankreich u. R u ß l a n d

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Als N a p o l e o n zum K a m p f gegen R u ß l a n d rüstete, gewann f ü r ihn das Bündnis mit Österreich an W e r t und Wichtigkeit. In der Vorgeschichte des Feldzuges der Großen Armee in R u ß l a n d spielten auch in besonderer Weise Österreich berührende Probleme, die Reibungen der Großmächte auf der Balkanhalbinsel, eine Rolle. H i e r w a r es im J a h r e 1804 zu einer Erhebung der unter türkischer Herrschaft stehenden Serben unter der F ü h r u n g eines ehemaligen Korporals der österreichischen Grenzertruppe, D j o r d j e Petrovic, genannt K a r a d j o r d j e , gekommen. Der A u f s t a n d w a r zunächst recht erfolgreich, als sich allmählich die türkische Übermacht auswirkte, hätte eine G r u p p e der Aufständischen eine österreichische Schutzherrschaft über Serbien akzeptiert. N a p o l e o n verhinderte aber eine österreichische Intervention. So wandten sich die Serben an R u ß l a n d , das mit den T ü r k e n seit 1806 im Kriege stand. Als die Russen größere militärische Erfolge hatten, änderte N a p o l e o n seine H a l t u n g , doch scheute Metternich vor Verwicklungen auf dem Balkan zurück. Er trat aber f ü r eine militärische Unterstützung der Operationen Napoleons gegen R u ß l a n d ein, die ihm erfolgversprechend schienen. Die Südflanke der großen Armee w u r d e von einem österreichischen K o r p s von 30.000 M a n n unter Fürst K a r l Schwarzenberg gedeckt, w ä h r e n d im N o r d e n die Preußen eine ähnliche A u f g a b e zugewiesen bekamen. Schwarzenberg trachtete von A n f a n g an, seine T r u p p e n zu schonen, es gelang ihm auch, sie aus der Katastrophe der Großen Armee auf ihrem Rückzug von Moskau herauszuhalten. Ähnlich vorsichtig verhielt sich Metternich als Leiter der österreichischen Außenpolitik. E r gab wohl seine Zustimmung zum Abschluß eines Waffenstillstandes mit den wieder vorrückenden Russen (30. J ä n n e r 1813), Schloß sich aber dem Ende Februar zu Kaiisch geschlossenen preußisch-russischen Bündnis nicht an, w ä h r e n d Großbritannien und auch Schweden dieser Allianz sofort beitraten. Metternichs abwartende T a k t i k ist namentlich in der preußischen Geschichtsschreibung herb kritisiert worden; man m u ß aber verstehen, d a ß Österreich die Zeit zur Aufstellung einer stärkeren Truppenmacht und zur Heranziehung aller verfügbaren finanziellen Mittel nützen wollte. So schritt Metternich auch gegen die Verschwörung des „Alpenbundes" ein, von der eine neue Erhebung in Tirol als A u f t a k t zum allgemeinen K a m p f gegen N a p o l e o n geplant wurde. D e r Freiherr von H o r m a y r — wieder einer der aktivsten Teilnehmer — und sein Mitarbeiter D r . Alois Schneider wurden verhaftet, der gleichfalls kompromittierte Erzherzog J o h a n n unter polizeiliche Überwachung gestellt. Der Erzherzog durfte sich seither etliche J a h r e nicht nach Tirol begeben; das war ein H a u p t g r u n d , w a r u m der den Alpenländern und ihrem Volke so wohlgesinnte Habsburger sich f o r t a n in die Steiermark wandte, die seinem Wirken bald unendlich viel verdanken sollte. Metternichs Handlungsweise war, von staatspolitischer Perspektive aus gesehen, zweifellos richtig: Der A u f s t a n d in Tirol hätte die Zusammenarbeit mit Bayern, das sich zunächst neutral verhielt, unmöglich gemacht, diesen Staat vielmehr erneut in die

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R e f o r m , Reaktion und Revolution

Arme Napoleons getrieben und die österreichischen Alpenländer der Gefahr eines feindlichen Zangenangriffes aus Italien und Süddeutschland ausgesetzt. Metternich kündigte Napoleon und der preußisch-russischen Allianz eine bewaffnete Friedensvermittlung an, doch ging Napoleon auf seine Vorschläge nicht ein und bei Großgörschen und Bautzen errangen die Franzosen im Mai 1813 noch militärische Erfolge. Immerhin gelang es Metternich, Napoleon zum Abschluß eines Waffenstillstandes zu bewegen (Poischwitz, 4. Juni 1813), während dessen Dauer weitergerüstet wurde. Eine dramatische Unterredung Metternichs mit dem französischen Kaiser in Dresden zeigte große Meinungsverschiedenheiten auf; der wenige Tage später einberufene Friedenskongreß in Prag verlief ergebnislos, da Napoleon nicht auf die Forderungen der Verbündeten eingehen wollte. Die Alliierten verlangten die Liquidierung des Großherzogtums Warschau, die Rückgabe polnischen Gebietes und Danzigs an Preußen, der illyrischen Provinzen an Österreich und die Auflösung des Rheinbundes. Die Waffenstillstandsfrist verstrich, am 11. August 1813 erklärte Österreich den Krieg. Gentz verfaßte ein Kriegsmanifest, das trotz unglücklicher Beeinflussung der Textgestaltung durch Kaiser Franz anfeuernd wirkte. N u n standen sich stärkere Heere als in allen bisherigen K ä m p f e n gegenüber, die Verbündeten hatten ein leichtes zahlenmäßiges Übergewicht, überdies war die Qualität des französischen Heeres seit den enormen Verlusten auf dem russischen Feldzug schwächer geworden. Doch zeigte sich Napoleon auch jetzt als bedeutender Feldherr, während seine Generäle zumeist geschlagen wurden. Bei den Verbündeten gab es die unvermeidlichen Schwierigkeiten des Koalitionskrieges; zunächst schon bei der Nominierung des Oberbefehlshabers. Zar Alexander, dessen militärische Ambitionen seine Fähigkeiten, von denen er 1805 so bedenkliche Proben abgelegt hatte, weitaus überstiegen, beanspruchte den Oberbefehl, schließlich einigte man sich aber auf den schon bewährten österreichischen General Fürsten K a r l Schwarzenberg, der wohl keine außergewöhnlichen Feldherrengaben besaß, aber als gewandter Diplomat mit den Empfindlichkeiten der gekrönten Häupter in seinem Lager fertigzuwerden verstand. Die österreichischen Truppen operierten auf dem norddeutschen H a u p t kriegsschauplatz, von russischen und preußischen Kontingenten unterstützt, im Verband der von Schwarzenberg geführten Böhmischen Armee, mit der die Schlesische Armee unter Blücher (Preußen, Russen) und die Nordarmee unter Bernadotte (Russen, Preußen, Schweden) zusammenwirken sollten. Napoleon errang wohl bei Dresden am 26. und 27. August einen Abwehrsieg gegen Schwarzenberg, doch unterlagen seine Generäle bei Großbeeren und an der Katzbach gegen die Nordarmee und die Truppen Blüchers; das K o r p s Vandamme wurde beim Versuch, Schwarzenberg den Rückzug zu verlegen, bei Kulm (29. und 30. August) vernichtet, Napoleon mußte sich zurückziehen und erwartete bei Leipzig den Großangriff der Verbündeten.

V o n der N i e d e r l a g e zur E r h e b u n g . Österreich z w i s c h e n Frankreich u. R u ß l a n d

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Die „Völkerschlacht" von Leipzig wurde nach mehrtägigen K ä m p f e n (14., 16.—18. Oktober) zugunsten der drei verbündeten Armeen entschieden, deren Aufmarsch sich nach den Plänen des österreichischen Generalstabschefs R a d e t z k y vollzogen hatte. Immerhin gelang es N a p o l e o n nach Westen auszubrechen und seine T r u p p e n über den Rhein zurückzuführen. Ein Versuch der Bayern, die sich am 8. O k t o b e r im Vertrag von Ried — unter Zusicherung entsprechender Entschädigungen f ü r die Rückgabe altösterreichischen Gebietes — den Verbündeten angeschlossen hatten, gemeinsam mit österreichischen Kontingenten den Franzosen den Rückzug zu sperren, endete mit der Schlacht von H a n a u (30. O k t o b e r 1813). Noch vor Jahresende 1813 hatte schließlich die von General Hiller gut geführte innerösterreichischo Armee die illyrischen Provinzen und Venetien besetzt. M a n stand nun vor der Notwendigkeit, durch einen Feldzug nach Frankreich die Macht Napoleons zu brechen, der ein überaus günstiges Friedensangebot, das ihm die „natürlichen Grenzen Frankreichs" (Rhein, Alpen und Pyrenäen) zusicherte, abgelehnt hatte. Metternich und auch Kaiser F r a n z hätten N a p o l e o n nach Möglichkeit gerne geschont: Familienrücksichten des Kaisers und die nicht unberechtigte Furcht Metternichs vor einem Übergewicht Rußlands, in dessen Schlepptau Preußen zu segeln schien, spielten bei diesen Überlegungen eine wesentliche Rolle. Der Feldzug des Jahres 1814 brachte infolge arger Meinungsverschiedenheiten zwischen den militärischen Führern der Verbündeten, namentlich zwischen Blücher und Schwarzenberg, noch verschiedene Rückschläge. Im Februar 1814 k a m es zu einem Friedenskongreß in Chätillon; auf diesem wies N a p o l e o n das Angebot der Grenzen von 1792 zurück; jetzt ermannten sich aber die Verbündeten und nach den Siegen bei Bar-sur-Aube (27. Februar), Laon (9. und 10. März), folgte der entscheidende Schlag von Arcis-sur-Aube (20. und 21. M ä r z 1814). Jetzt w a r der Vormarsch auf Paris nicht mehr aufzuhalten. A m 31. M ä r z zogen die Alliierten in die französische H a u p t s t a d t ein. Am 4. April d a n k t e N a p o l e o n zugunsten seines Sohnes ab, aber inzwischen h a t t e sich der f ü h rende französische Staatsmann Talleyrand f ü r die Rüdekehr der Bourbonen entschieden und auch die hohen Militärs fielen von N a p o l e o n ab. So mußte er bedingungslos auf den T h r o n verzichten. In dieser kritischen Situation hatte sich Maria Luise nach einigem Zögern, vermutlich unter Einfluß von dritter Seite, von Napoleon ferngehalten. Die H e r z o g t ü m e r P a r m a und Piacenza, schon im 18. J a h r h u n d e r t ständiges O b j e k t dynastischer Tausch- und Entschädigungspläne, waren ihr und ihrem Sohne als souveränes Fürstentum zugedacht, doch w u r d e 1817 dem Knaben das Thronfolgerecht zugunsten der Bourbonen genommen. Als H e r z o g von Reichstadt ist er nach einem kurzen, freudlosen Leben 1832 in Wien gestorben. Maria Luise heiratete nach dem Tode Napoleons auf St. Helena (1821) den G r a f e n A d a m Albert von N e i p p e r g ; beider Nachkommen erhielten unter dem N a m e n Montenuovo den Fürstentitel.

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R e f o r m , Reaktion und Revolution

Nach kurzen Verhandlungen in der französischen H a u p t s t a d t wurde am 30. M a i 1814 der erste Pariser Frieden geschlossen, in dem Frankreich sehr glimpflich d a v o n k a m und sogar einige Eroberungen der Revolution, vor allem Savoyen, behalten durfte. Zur Regelung der umfassenden, europäischen Fragen wurde die Einberufung eines Kongresses nach Wien vereinbart. Der Wiener

Kongreß

Die Wahl der österreichischen H a u p t s t a d t zum Tagungsort der glänzendsten Fürsten- und Diplomatenversammlung, die E u r o p a je gekannt hatte, bedeutete schon allein einen entschiedenen E r f o l g der Politik Metternichs, trotz der Belastungen, welche die Kosten des anspruchsvollen K o n gresses (18. September 1814 bis 9. Juni 1815) dem österreichischen Budget verursachen sollten. Unter den anwesenden gekrönten H ä u p t e r n trat in Gesellschaft und Politik besonders Z a r Alexander stark in den Vordergrund, dem der K ö n i g von Preußen, Friedrich Wilhelm I I I . , zumeist sekundierte. Den Vorsitz der Diplomatenkonferenz führte Metternich, dem Gentz als Sekretär zur Seite stand. Von den auswärtigen Großmächten war Rußland durch Nesselrode, Stadielberg und R a s u m o v s k y repräsentiert, England durch Castlereagh und Wellington, Preußen durch H a r d e n b e r g und Wilhelm von H u m b o l d t . Frankreich wurde von T a l l e y r a n d energisch und geschickt vertreten. Es war keine R e d e davon, daß es als besiegter S t a a t behandelt wurde, es stand vielmehr bald gleichberechtigt im Kreise der Großmächte. D a z u trug neben der gewandten Diplomatie Talleyrands einmal die dem nationalen H a ß fremde, aristokratische Atmosphäre des Kongresses bei, vor allem aber auch der immer stärker zutage tretende Gegensatz zwischen den früheren Verbündeten, der bald zur Bildung einer neuen Front führte, an der Österreich, England und Frankreich einerseits, Preußen und Rußland andererseits einander gegenüberstanden. D i e Schwierigkeiten einer Lösung der sächsischen und der polnischen Frage hatten zu dieser Zuspitzung der Situation zu Jahresbeginn 1815 geführt, so daß vorübergehend sogar die G e f a h r eines Krieges zu drohen schien. Schließlich k a m es zu einem K o m promiß. D i e Nachricht von der Rückkehr N a p o l e o n s von E l b a nach F r a n k reich f a n d die Großmächte bereits einig und während des Intermezzos der 100 Tage, noch vor dem Waffenentscheid von Waterloo (18. J u n i 1815) wurde die Arbeit des Kongresses beendet, dessen Schlußakte a m 9. Juni 1815 unterzeichnet. Österreichs Politiker glaubten, was den eigenen S t a a t betraf, mit dem Ergebnis zufrieden sein zu dürfen, weniger günstig w a r die Stimmung in weiteren Kreisen. Recht unpopulär wurde von den politisch Interessierten der deutschen Gebiete Österreichs (und ganz Deutschlands) die Regelung der deutschen F r a g e aufgenommen. Durch Ausarbeitung einer Föderativverfassung hatte man zu einer Berücksichtigung sowohl der österreichischen wie der

Der Wiener Kongreß

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preußischen Organisationsvorschläge gelangen können. Österreich sollte wohl den Vorsitz in der Bundesversammlung in F r a n k f u r t am Main haben, in der 39 Staaten vertreten waren, doch schmerzte die A u f g a b e der römischdeutschen Kaiserwürde nicht nur romantische, der Vergangenheit zugewandte Gemüter. Es w a r aber klar, d a ß Preußen von jeder A r t der Wiedererrichtung dieses Kaisertums höchst unangenehm berührt sein mußte. N u r unter äußersten Schwierigkeiten w a r es Metternich gelungen, den Hohenzollernstaat zum Verzicht auf die schon zugesagte Einverleibung ganz Sachsens zu gewinnen und mit dem halbierten sächsischen Staat immerhin noch eine gewisse Deckung f ü r die österreichische N o r d g r e n z e zu behalten. Neben Sachsen konnte man auch Bayern und H a n n o v e r gegen preußische Hegemoniebestrebungen mobilisieren, einer zu starken Belastung des österreichischpreußischen Verhältnisses wollte Metternich ausweichen. Demgegenüber wog es f ü r den stets nüchtern rationalistisch denkenden Staatsmann nicht schwer, d a ß eine G r u p p e deutscher Fürsten F r a n z die deutsche Kaiserkrone anbot und Patrioten wie der Freiherr vom Stein, der am K o n g r e ß nur als P r i v a t mann teilnahm, geradezu leidenschaftlich die Wiederherstellung des Kaisertums forderten. Die Verfassungsprobleme der Bundesstaaten sollten nach den in der Bundesakte verankerten Intentionen Metternichs allenfalls durch Wiederherstellung der alten landständischen Verfassungen gelöst werden. In den N ö t e n des K a m p f e s gegen N a p o l e o n h a t t e man die Völker nicht zuletzt durch Verfassungsversprechungen mobilisiert und bei der Stange gehalten; namentlich in Preußen w a r eine derartige Zusage in aller Form gegeben worden. Jetzt aber versuchte man die Öffentlichkeit mit den ständischen Institutionen abzuspeisen, die einmal eine durchaus sinnvolle Funktion im Rahmen des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Staates besessen hatten, nun aber nicht mehr genügten. Bei der Verwirklichung territorialer Ansprüche verfolgte die österreichische Diplomatie die Tendenz der Abstoßung schwer haltbarer Außenposten, um d a f ü r eine geschlossene, möglichst abgerundete, geographische Einheit der Monarchie zu gewinnen. Großen Wert legte man, althabsburgischen Traditionen entsprechend, auf eine Sicherung der italienischen Stellung. Die um das bisher G r a u b ü n d e n unterstellte Veltlin vergrößerte Lombardei und Venetien wurden als vereinigtes lombardo-venetianisches Königreich direkt Österreich angeschlossen. Im Süden waren Toskana unter dem Bruder des Kaisers, Erzherzog Ferdinand III., und Modena untei F r a n z I V . von Habsburg-Este, als habsburgische Kleinstaaten dem österreichischen Gebiet vorgelagert. D a z u kam noch die Herrschaft Maria Luises in P a r m a und Piacenza. Der Kirchenstaat und das bourbonische Königreich beider Sizilien wurden wiederhergestellt, wobei das heikle Problem der Herrschaft Joachim Murats, jenes Marschalls und Schwagers Napoleons, der als König von Neapel 1814 vom Korsen abgefallen war, sich im nächsten J a h r e aber, voll Mißtrauen gegen die Kongreßmächte, dem Abenteuer der

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R e f o r m , Reaktion und R e v o l u t i o n

100 T a g e angeschlossen hatte, durch Murats Erschießung nach einem mißglückten Einfall in das inzwischen wieder bourbonisch gewordene Süditalien im Oktober 1815 seine dramatische Lösung f a n d . Metternich hatte Italien eine dem Deutschen Bunde ähnliche Verfassungsorganisation zugedacht; es sollte eine „Lega Italica" unter österreichischem Vorsitz gebildet werden, doch gelang es dem Staatsmann nicht, gegen Kaiser F r a n z und die italienischen Fürsten durchzudringen; es blieb bei einzelnen Militärbündnissen. Es wäre wohl möglich gewesen, dem lombardovenetianischen Königreich mit den vorgelagerten habsburgischen Gebieten eine habsburgisch-italienische Staatsräson aufzuprägen, oder wenigstens das Nationalbewußtsein der Italiener nicht zu kränken. Einsichtsvolle Militärs und Beamte, wie Feldmarschall Bellegarde, dessen Nachfolger General Bubna, dann der Gouverneur von M a i l a n d G r a f Strassoldo, richteten entsprechende nachdrückliche Mahnungen an den Wiener H o f ; allein Kaiser F r a n z war d a f ü r nicht zu haben. D i e italienischen Provinzen sollten „gut österreichisch" gemacht werden, die dabei angewandten Polizeimethoden erbitterten aber gerade die gebildeten Bevölkerungsschichten und man erreichte das Gegenteil dessen, was man bezweckte. Selbstredend fielen die neofranzösischen „Illyrischen Provinzen" an Österreich zurück. Sie wurden nach vorübergehender Verwaltung als K ö n i g reich Illyrien im wesentlichen wieder nach den alten Provinzialgrenzen aufgeteilt. Metternich hegte im J a h r e 1816 den Gedanken eines südslawischen Königreiches im Rahmen der Monarchie, dem auch Dalmatien und K r a i n angehören sollten, aber auch in diesem Falle beugte er sich dem Widerstand des Kaisers, und 1822 wurde der Großteil der illyrischen Gebiete an U n g a r n zurückgegeben. Dalmatien, das in früheren Jahrhunderten einen Z a n k a p f e l zwischen U n g a r n und der Republik Venedig gebildet hatte, verblieb einschließlich des Territoriums der Republik R a g u s a als eigenes Königreich im Verband der österreichischen Länder. Vorderhand konnten die südslawischen Gebiete noch als ein Bollwerk der Kaisertreue gelten, die halben Lösungen der franziszeischen Zeit sollten aber die Zukunft schwer belasten. Im Nordosten der Monarchie k a m der 1809 an Rußland abgetretene Tarnopoler Kreis wieder an das österreichische K r o n l a n d Galizien und Lodomerien, während aus dem Gebiet der S t a d t K r a k a u und ihrer unmittelbaren Umgebung ein Freistaat gebildet wurde. D e r größte Teil des polnisch besiedelten Gebietes, einschließlich des schon 1809 von Österreich abgetretenen Westgaliziens, fiel an Rußland, doch wurde diesem „ K o n g r e ß p o l e n " vorderhand eine weitgehende Autonomie zugebilligt. Schließlich die Alpenländer. D i e Wiedervereinigung Tirols und Vorarlbergs mit Österreich war eine Selbstverständlichkeit, ebenso kamen die abgetretenen Teile Oberösterreichs wieder zurück. Schwieriger gestaltete sich die Salzburger Frage. Es stand lediglich fest, daß die südlichen Teile des ehemaligen geistlichen Fürstentums zur Sicherung der Verbindung mit Tirol

Der Wiener Kongreß

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an Österreich fallen sollten. Ein Teil der österreichischen Staatsmänner, dem Metternich nahestand, t r a t d a f ü r ein, die Stadt Salzburg und ihre Umgebung bei Bayern zu lassen. Das Salzburger Problem w a r infolge der Verquickung aller süddeutschen Territorialfragen mit einem anderen eng verknüpft: jenem des Breisgaus. Österreich sollte f ü r den Salzburger Verzicht das wichtigste Gebiet der Vorlande, eben den Breisgau, in Einklang mit den Wünschen der dortigen Bevölkerung, zurückbekommen. D a m i t hätte Österreich auch eine wichtige Position an der deutschen Westgrenze behauptet. Audi an die überrheinische P f a l z hat man gedacht. Derartige westdeutsche Besitzungen mußten allerdings die traditionellen Reibungen mit Frankreich erneuern, überdies w a r der isolierte Breisgau militärisch auf jeden Fall schwer zu behaupten. So waren die Militärs unter F ü h r u n g Schwarzenbergs und der von ihnen und persönlichen Gegnern Metternichs vorübergehend gewonnene Kaiser dagegen, man opferte das Kernstück der alten Vorlande und damit — abgesehen vom Besatzungsrecht in der Bundesfestung Mainz — die Stellung im alten Kerngebiet des Reiches. Der Breisgau k a m also an Baden, die linksrheinische P f a l z an Bayern, d a f ü r erhielt Österreich den größten Teil des Salzburgerlandes mit seiner H a u p t s t a d t , allerdings ohne das Gebiet des Flachgaus am linken Salzachufer, dem sogenannten „Rupertiwinkel" mit den Städten Laufen und Tittmoning sowie ohne Berchtesgaden. Salzburg wurde bis 1848 von Oberösterreich aus verwaltet, eine Regelung, mit der die Bevölkerung keineswegs zufrieden war, wenn auch der Anschluß an Österreich der bayerischen Lösung vorgezogen wurde. M a n wird den Staatsmännern des Wiener Kongresses zubilligen, d a ß sie bei der Behandlung des besiegten Gegners M a ß hielten — Frankreich k a m auch beim zweiten Pariser Frieden trotz einiger K o r r e k t u r e n an der deutschen und belgischen Grenze und der Abtretung Savoyens glimpflich davon. Die während des Kongresses gelegentlich, namentlich vom Reichsfreiherrn vom Stein vorgebrachte Anregung, Elsaß und Lothringen an Österreich zu geben, w o f ü r sich historische und dynastische Argumente ins Treffen f ü h r e n ließen, während die Bewohner dieser Länder ganz offensichtlich bei F r a n k reich bleiben wollten, wurde von österreichischer Seite nicht ernstlich behandelt. Von vornherein verzichtete man auf eine Wiedererwerbung der einstmals österreichischen Niederlande (Belgien und Luxemburg), die mit H o l l a n d zu den „Vereinigten N i e d e r l a n d e n " zusammengeschlossen wurden; in Luxemburg hatte eine starke, österreichisch eingestellte Partei vergeblich auf die Wiederherstellung der habsburgischen Herrschaft gehofft. W e n n man anerkennen muß, d a ß die Siegermächte 1814/15 Frankreich maßvoll behandelten, so sind andererseits ihre Unterlassungssünden deutlich; im G r u n d e w u r d e keines der großen Probleme — die deutsche, italienische und polnische Frage — ernsthaft zu lösen versucht. Demokratische und nationale Bestrebungen der Völker waren den führenden Kongreßpolitikern fremd oder unsympatisch, die Berücksichtigung erschien zumindest nicht vor-

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Reform, Reaktion und Revolution

dringlich, denn die allgemeine Friedenssehnsucht verhieß für eine Zeitlang Ruhe. In konservativ-christlichen Anschauungen hoffte man ein Gegengewicht zu den gefährlichen Ideen von 1789 und verwandten Gedankengängen zu finden: Der Geist des Christentums sollte — wenigstens grundsätzlich — die Politik der „Heiligen Allianz" leiten; jenes am 26. September 1815 zunächst als Dreiervertrag zwischen dem Kaiser von Österreich, dem Zaren und dem König von Preußen begründeten Weltfriedensbundes, dem alsbald alle europäischen Staaten beitraten — mit Ausnahme Englands, das sich fernhielt, und der Pforte, deren Sultan man als Nichtchristen den Beitritt verwehrte. Die Interventionspolitik der Heiligen Allianz und das „System Metternich" D i ; österreichische Außenpolitik war nach 1815 durchaus auf ein Zusammenwirken der befreundeten Mächte gegen revolutionäre Bewegungen in allen Teilen Europas gerichtet. Das Verhältnis zum Zaren war allerdings nicht ungetrübt — die natürlichen Gegensätze Österreichs und Rußlands begannen sich, verstärkt durch persönliche Ressentiments, abzuzeichnen. Auf dem Kongreß zu Aachen ( 1 8 1 8 ) kam es aber wieder zu einer Annäherung; vorher hatte der österreichische Kaiser auf der Fahrt durch Westdeutschland begeisterte, fast demonstrative Huldigungen der katholischen Bevölkerung des Rheinlandes erlebt. Die Besatzungstruppen wurden aus Frankreich zurückgezogen. Unruhen in Neapel führten zur Einberufung der Kongresse von Troppau (November 1820) und Laibach (Jänner 1821), auf denen das Eingreifen österreichischer Truppen beschlossen wurde, das alsbald zu den gewünschten Resultaten führte, freilich ebenso wie eine anschließend erfolgte Intervention auf piemontesischem Gebiet Österreich bei den Italienern nicht beliebter machte. Ein weiterer Kongreß wurde im Herbst 1822 in Verona abgehalten; er war den revolutionären Bewegungen in Spanien und dessen Kolonien gewidmet, aber auch schon mit der griechischen Frage beschäftigt. Österreich hatte es jetzt auch mit England zu tun, das, ebenso wie Rußland, den Freiheitskampf des griechischen Volkes, der auch die begeisterte Bewunderung der öffentlichen Meinung Deutschlands fand, zu unterstützen gedachte, während Metternich aus grundsätzlichen Erwägungen und auch in Hinblick auf die bedenklichen Folgen eines russischen Vordringens auf dem Balkan, die „legitime" Herrschaft des Sultans nicht angetastet haben wollte. Die Grenze mit der Türkei, durch Jahrhunderte eine Hauptsorge der Habsburgermacht, schien dem Leiter der österreichischen Außenpolitik jetzt „sicherer als das M e e r " . Die Gegenseite war aber aktiver und stärker. Die offene Intervention einer anglo-französischen Flotte und der russischen Armee ( 1 8 2 7 ) gab Griechenland die Freiheit, die der Londoner Kongreß im Februar 1830 bestätigte.

D i e Interventionspolitik der H e i l i g e n Allianz und das „System Metternich"

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Tagungsbeschlüsse und Regierungsvereinbarungen sollten audi die Probleme lösen, die sich aus der Ablehnung der offiziellen Politik durch die deutsche Öffentlichkeit und in den meisten Teilen der Monarchie ergaben. Das Wartburgfest, eine Demonstration demokratischer und nationaler Gesinnung im Deutschen Studententum (1817), dann die Ermordung des für einen russischen Spion gehaltenen Dichters August Kotzebue durch einen radikalen Studenten gaben den nicht unerwünschten Anlaß zu den Beratungen des August 1819 in Karlsbad und zu den dort gefaßten „Karlsbader Beschlüssen", die von der Bundesversammlung ungeachtet einigen Widerstandes angenommen wurden. Man traf einschneidende Zensurmaßnahmen und Sanktionen gegen „demagogische Verbindungen", zu denen man vor allem die Turnvereine und Burschenschaften zählte. Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission sollte allen umstürzlerisdien Organisationen nachforschen. Die Wiener Schlußakte von 1820, die gleichfalls die Sanktion des Bundestages fanden, schränkten sogar die Befugnisse der an sich schon unzulänglichen landständischen Institutionen ein und betonten die Rechte der Fürsten. Wenn Erlässe und Verbote den Gang der politischen Ereignisse entscheidend bestimmen konnten, dann hatte man allerdings alles mögliche getan, zumal die Geltung der Karlsbader Beschlüsse im Jahre 1824 noch auf unbestimmte Zeit verlängert wurde. Die französische Julirevolution (1830) brachte den ersten tiefen Einbruch in das konservative europäische System. Der Widerhall des Ereignisses war auch in Österreich bedeutend, doch konnte die Staatsgewalt hier und in Deutschland, wo es nur zu verspäteten, lokalen Demonstrationen kam, dem Hambacher Fest (1832) und dem törichten Sturm radikaler Studenten auf die Frankfurter Hauptwache (1833), mit allen Schwierigkeiten nach außen hin fertig werden. Auf der Apenninenhalbinsel intervenierten österreichische Truppen in Modena, Parma und im Kirchenstaat, wo es zu Unruhen gekommen war; die polnische Erhebung wurde nach heftigen Kämpfen von den Russen überwältigt. In Belgien aber siegte die Revolution, und seither hatten die liberalen Kräfte in Westeuropa das Übergewicht. Demgegenüber suchte Metternich im solidarischen Vorgehen Preußens, Rußlands und Österreichs, Mittel- und Osteuropa gegen die Revolution zu immunisieren. Nach 1830 sollte sich die Unzufriedenheit mit den herrschenden Zuständen audi in Österreich noch vermehren; Hauptschuldiger war in den Augen der demokratisch und liberal gesinnten Kritiker Fürst Metternich, der seit 1821 jene Würde eines Staatskanzlers bekleidete, die seit dem Rücktritt des Fürsten Kaunitz von der Politik solange nicht erneuert worden war. Metternich, der „Fürst von Mitternacht", wie ihn ein unfreundliches Wortspiel nannte, wurde zum bestgehaßten Staatsmann, das „System Metternich" zum Sammelbegriff für eine als reaktionär abgestempelte Regierungsform. Heinrich von Srbik unterzog — nicht ohne heftigen Widerspruch — das über-

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Reform, Reaktion und Revolution

lieferte, namentlich durch Treitschke geprägte, Metternichbild einer Berichtigung; der großen Linie von Srbiks Ausführungen kann man wohl audi heute noch folgen. Metternich hielt einen Ausgleich zwischen Konservativismus und Revolution, wenn nicht, wie etwa in England, besondere historische Voraussetzungen vorlagen, für unmöglich; in der liberalen Idee sah er demgemäß ein widerspruchsvolles, auf die Dauer unhaltbares Kompromiß. Während Metternich sich unbedingt zur monarchischen Staatsform bekannte, spielte das Legitimitätsprinzip, abgesehen von der durch diesen Grundsatz diktierten Entscheidung zugunsten der Thronfolge Ferdinands I., nicht jene Rolle als Zentralbegriff des staatstheoretischen Denkens des Fürsten, an die man gerne geglaubt hat. Als geistige Macht zur Stütze der bestehenden Ordnung sollte nach den Intentionen des Staatskanzlers der Katholizismus dienen. Zweifellos hat Metternichs Einfluß Milderungen des josephinischen Kirchenregiments bewirkt, wenn es dem Staatskanzler auch nicht gelang, mit einem Konkordatsplan (1816) durchzudringen. Gewiß war Metternichs Katholizismus im Wesen noch ein Gewächs des 18. Jahrhunderts, erst unter dem Einfluß seiner dritten Gemahlin, Gräfin Melanie Zichy-Ferraris und ihrer mystisch-schwärmerischen Geistigkeit, dürfte sich das etwas geändert haben. Außenpolitisch bekannte sich Metternich zum europäischen Gleichgewicht in Form der Pentarchie, in Deutschland zu einer einvernehmlichen Politik mit Preußen, wobei es seiner überlegenen Persönlichkeit gelang, auf die Minister Ancillon und Wittgenstein bestimmend einzuwirken. Eine straffere Organisation des Deutschen Bundes hielt Metternich aber für ausgeschlossen. Stets wurde der Fürst — sowohl seiner Befähigung als seiner Wirksamkeit nach — als Diplomat höher eingeschätzt als in seinen innenpolitischen Maßnahmen; er selbst war wohl ähnlicher Ansicht und äußerte, er habe manchmal Europa, nicht aber Österreich geleitet. Als „Kutscher Europas" bezeichneten ihn denn auch maliziöse Zeitgenossen. Während Metternich die Kunst der Menschenbehandlung im Umgang mit Leuten seines Standes oder gekrönten Häuptern virtuos beherrschte, fehlte ihm durchaus das Organ zur Lenkung der Massen; in den vierziger Jahren ist im übrigen eine Abnahme der Aktivität des alternden Staatsmannes unverkennbar, in den letzten Jahren seiner öffentlichen Wirksamkeit ist ihm nichts wesentliches mehr gelungen. Ferdinand

I. und die Staatskonferenz. Die Völker am der Revolution

Vorabend

Am 2. März 1835 starb Kaiser Franz; mit ihm sank eine eigenwillige, nicht unbedeutende Herrscherpersönlichkeit ins Grab. Das Bild, das die patriotische Legende vom „guten Kaiser Franz" gezeichnet hat, entspricht freilich nicht der Wirklichkeit, und zuletzt hatte der Monarch, der sich gerne mit dem Staat identifizierte, auch viel von seiner zeitweiligen Popularität

Ferdinand I. u. die Staatskonferenz. Die Völker am Vorabend der Revolution

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eingebüßt. Die intelligenteren Beobachter erkannten wohl, daß sein patriarchalisches Gehaben nicht ganz echt war. Als Nachfolger wurde gemäß Franzens letztwilliger, von Metternich beeinflußter Entscheidung, sein ältester, geistig ganz unbedeutender Sohn Erzherzog Ferdinand trotz vieler Bedenken bestätigt. Die eigentlichen Geschäfte führte seit Dezember 1836 nach längeren Auseinandersetzungen, namentlich zwischen Metternich und Graf Franz Anton Kolowrat, eine „Staatskonferenz" unter dem Vorsitz des Erzherzogs Ludwig, der als ständige Mitglieder die beiden Gegenspieler angehörten, ferner der Thronfolger (und jüngere Bruder des Herrschers) Erzherzog Franz K a r l , dessen temperamentvolle und ehrgeizige Gemahlin Sophie entschieden gegen Metternich eingestellt war. Die Erzherzoge Karl ( | 1847) und Johann wurden weiterhin von der Regierung ferngehalten. Gelegentlich zog man einige leitende Minister zu den Beratungen der Konferenz heran. Der Kaiser griff selbst kaum in die Geschäfte ein, die Beschlüsse der Staatskonferenz wurden von ihm in der Regel anstandslos genehmigt. So bot Kaiser Ferdinand mit seinem Mangel an Kräften des Geistes und des Willens wohl das seltsamste Zerrbild eines „absoluten" Herrschers. Während die innere Verwaltungsarbeit und namentlich die Finanzen vor allem von Kolowrat gelenkt wurden, war die Außenpolitik auch unter dem neuen Monarchen Metternichs Hauptarbeitsgebiet. Als sich ein Konflikt zwischen der Hohen Pforte und ihrem unbotmäßigen Vasallen, dem Vizekönig Mehmed Ali von Ägypten, zu einer weltpolitischen Affäre ausweitete, setzte sich Österreich gemeinsam mit England zugunsten der Türkei ein und wies Frankreich, die Hauptstütze Mehmed Alis, zurück. Frankreichs völlig unbegründete Forderung nach „Kompensationen" am Rhein rief in Deutschland patriotische Aufregung hervor, schließlich ging diese Krise aber vorbei. Ernster konnten für die Monarchie polnisch-nationale Bestrebungen werden, die ihr Zentrum in der kleinen Stadtrepublik K r a k a u hatten. Als es im Februar 1846 zu einer Adelserhebung in Galizien kam, die noch vor dem Eingreifen österreichischen Militärs am handfesten Widerstand der polnischen und ruthenischen Bauern scheiterte, die eine Wiederkehr der oligarchischen Willkür einer Adelsclique fürchteten, annektierte Österreich im Einvernehmen mit Preußen und Rußland den Freistaat Krakau. Die Vorgänge von 1846 ließen im polnischen Nationalgefühl einen tiefen Stachel zurück, spätere Generationen konnten und wollten nicht verstehen, daß der polnische Bauer die kaiserlich-österreichische Herrschaft einer „Unabhängigkeit" vorzog, die ihm alle Errungenschaften der österreichischen Bauernschutzgesetzgebung zu gefährden schien. Weitere Einschränkungen des Untertänigkeitsverhältnisses sicherten denn audi forthin die Ruhe in Galizien. Während in diesem Lande der Gedanke einer Paralysierung staatsfeindlicher politischer Bestrebungen durch materielle Besserstellung breiterer 23

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Reform, Reaktion und Revolution

Bevölkerungsschichten zu triumphieren schien, blieb Metternich mit dieser Methode in Italien ein entscheidender Erfolg versagt, obwohl auch hier die bäuerliche Bevölkerung den nationalen Bestrebungen reserviert gegenüberstand. Im übrigen war die Haltung der italienischen Bevölkerung durch regionale Unterschiede charakterisiert. Am stärksten erwiesen sich die zur Unabhängigkeit strebenden, in der Mehrzahl republikanisch gesinnten Elemente in der Lombardei, etwas schwächer waren sie in Venetien, am geringsten in Welschtirol und im Küstenland vertreten. Von den habsburgischen Nebenlinien in Italien besaß nur die toskanische infolge ihrer erfolgreichen Verwaltungsarbeit einigen Rückhalt im Volk. Für den Bestand der Habsburgermonarchie viel schwerwiegender als die Bestrebungen der Randvölker, wie der Polen und der Italiener, sowie der eben wieder erst zu politischem Selbstbewußtsein erwachenden Ruthenen und Rumänen, waren die Vorgänge bei Tschechen und Magyaren. In Böhmen ist im Vormärz das Heimat- und Landesbewußtsein, das Tschechen und Deutsche zu einigen vermochte, noch eine wirksame Kraft, im Adel blieb es noch länger politisch bedeutsam, sonst aber sollten sich die Wege beider Nationen scheiden. Der von den Tschechen vertretene Wunsch nach Wiederherstellung des böhmischen Staatsrechtes, der Rückgängigmachung der durch die Entscheidungen von 1627 (Verneuerte Landesordnung) und 1748 (gemeinsame böhmisch-österreichische Zentralbehörden) bestimmten Entwicklung, fand bei den Sudetendeutschen keinen Widerhall. Auch die panslawistischen Gedanken, zunächst mehr im literarischen als im politischen Bereich faßbar, konnten keine Anziehungskraft auf die Deutschen ausüben, mußten sie viel eher bedenklich machen.Die machtvolle kulturelle Renaissance des Tschechentums, das damals eine Reihe hervorragender Köpfe hervorbrachte, unter denen dem Historiker Franz Palacky die erste Stelle zuzuweisen ist, wurde aber anerkannt und begrüßt. Unter der Masse der Slowaken war der Widerhall der tschechischen Erneuerungsbewegung noch gering, bei dem diesem Volke entsprossenen, führenden politischen Dichter der Slawen der Habsburgermonarchie, Jan Kollar, ist sie aber ebenso wie eine ausgeprägt panslawistische Tendenz entschieden fühlbar. Allerdings war bei den Nationalitäten Ungarns, am stärksten bei den ungarländischen Deutschen, das ungarische Staatsbewußtsein, das sie den Bestrebungen des Magyarentums verband, noch sehr wirksam. Die Ungarn hatten sich 1835—1840 die magyarische Staatssprache an Stelle der lateinischen erkämpft. Noch wichtiger war die Erweiterung der bisher nur durch den Adel und Klerus repräsentierten politischen Nation auf das ganze Volk, wie sie Graf Stephan Szedienyi anstrebte. Selbstredend hielt auch er an der Einheit der Länder der Stephanskrone fest. Die stärkste politische Idee der südslawischen Stämme (Serben, Kroaten und Slowenen) der Habsburgermonarchie verkörperte im Vormärz der von Ljudevit Gaj und anderen Führern propagierte Illyrismus, der unter An-

Das Sturmjahr

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k n ü p f u n g an den N a m e n einer nichtslawischen U r b e v ö l k e r u n g (der schon bei der Benennung der illyrischen P r o v i n z e n des napoleonischen Kaiserreiches eine Rolle gespielt h a t t e ) die Vereinigung der drei S t ä m m e anstrebte, ähnliche G e d a n k e n g ä n g e Metternichs h a t t e der S t a a t s k a n z l e r , wie e r w ä h n t , dem W i d e r s t a n d des Kaisers F r a n z preisgegeben. Die S c h ö p f u n g einer gemeinsamen südslawischen Schriftsprache gelang n u r z u m Teil, d a das Slowenische nicht einbezogen w e r d e n k o n n t e ; die politischen Bedenken sollten später aber bei den K r o a t e n stärker sein, die eine B e v o r m u n d u n g durch die z a h l e n m ä ß i g stärkeren o r t h o d o x e n Serben fürchteten u n d diesen, wie den M a g y a r e n gegenüber, R ü c k h a l t in W i e n suchten. I n den deutschösterreichischen A l p e n - u n d D o n a u l ä n d e r n w a r unter den Angehörigen des mächtig a u f s t r e b e n d e n B ü r g e r t u m s l i b e r a l - d e m o k r a t i sches G e d a n k e n g u t weitverbreitet, die k o n s e r v a t i v e n „ G u t g e s i n n t e n " stellten in diesen Kreisen n u r eine M i n d e r h e i t dar, w ä h r e n d sie in den westlichen A l p e n l ä n d e r n auf stärkere Gefolgschaft rechnen k o n n t e n . H i e r herrschte ü b e r h a u p t ein a n d e r e r Geist als in der U m g e b u n g Wiens. D a s zeigte sich, als es 1837, nicht zuletzt unter dem E i n f l u ß der Tiroler Stände, zur Ausweisung mehrerer h u n d e r t Zillertaler P r o t e s t a n t e n k a m , die sich zumeist nach Preußisch-Schlesien w a n d t e n . I m übrigen s t a n d das Regime den Z i r k e l n katholischer R o m a n t i k e r , die nach E r n e u e r u n g des religiösen Lebens strebten, wie dem bedeutenden Wiener Kreis um Klemens M a r i a H o f b a u e r , höchst reserviert gegenüber. I m m e r h i n holte m a n aus dieser U m g e b u n g den N a c h folger v o n Friedrich G e n t z (f 1831) als f ü h r e n d e n , offiziösen Publizisten des Regimes: K a r l E r n s t Jarcke. D i e abhängige Presse f a n d freilich wenig Resonanz, dagegen w u r d e n zahlreiche ausländische Druckerzeugnisse eingeschmuggelt u n d — gerade, weil sie v e r b o t e n w a r e n — mit Begeisterung gelesen u n d weitergegeben. D a s galt etwa f ü r die scharfen K r i t i k e n des h e r r schenden Kurses in den Schriften des unter d e m P s e u d o n y m Charles Sealsfield bald zu literarischem R a n g aufgestiegenen S ü d m ä h r e r s K a r l Postl („Austria as it is", 1828) u n d des F r e i h e r r n V i k t o r von A n d r i a n - W e r b u r g („Österreich u n d dessen Z u k u n f t " , 2 Bde., 1842, 1847), aber natürlich auch f ü r etliche m i n d e r w e r t i g e P a m p h l e t e . W e n n n u n die B r e i t e n w i r k u n g der systemfeindlichen P r o p a g a n d a begrenzt w a r , weil ein stärkeres politisches Interesse noch nicht alle Volksschichten e r f a ß t h a t t e , machte sie doch die in den vierziger J a h r e n auch durch eine Z u s p i t z u n g der sozialen Krisenerscheinungen in dem anwachsenden städtischen I n d u s t r i e p r o l e t a r i a t beunruhigte öffentliche Meinung f ü r revolutionäre I n i t i a t i v e n empfänglich. Das

Sturmjahr

N a c h d e m der H e r b s t des V o r j a h r e s infolge einer k a t a s t r o p h a l e n E r n t e im Zeichen von H u n g e r k r a w a l l e n gestanden w a r , begann das J a h r 1848 höchst bewegt mit dem „ M a i l ä n d e r Z i g a r r e n r u m m e l " , einem Raucherstreik 23·

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italienischer Patrioten, der den österreichischen Fiskus treffen sollte. Auch in Böhmen herrschte eine Krisenstimmung. Die Nachricht von der Pariser Februarrevolution zündete aber zuerst in Ungarn, wo Ludwig Kossuth sofort eine demokratische Repräsentativverfassung forderte; auch in Wien verlangte man ziemlich ungescheut und in öffentlichen Debatten eine „Konstitution", nämlich eine Repräsentativverfassung westlichen Musters. Petitionen entsprechenden Inhalts wurden an H o f und Behörden gerichtet. Am temperamentvollsten traten die Studenten auf, ihre Adresse an den H o f wurde zurückgewiesen, man beschloß, sich nun an die am 13. M ä r z zusammentretenden Stände zu wenden. Eine große Menschenmenge sammelte sich vor dem Landhaus in der Herrengasse und drang dann in H o f und Gänge des Gebäudes ein. Der Arzt D r . Adolf Fischhof hielt eine Ansprache, die Proklamation Kossuths wurde verlesen. Die bedrängten Stände wollten eine eigene, naturgemäß sehr höfliche und gemäßigte Adresse an den H o f richten. D a die Lage bedenklich schien, erhielt ein Pionierbataillon Befehl, die Herrengasse zu säubern. Ein bedauerlicher Schießbefehl forderte zahlreiche Opfer. Nun wuchsen Barrikaden in den engen Straßen der Inneren Stadt Wien aus dem Boden, in den Vorstädten zündeten unverantwortliche Elemente Fabriken an, Polizeistuben wurden gestürmt, einige Beamte gelyncht. Angesichts dieser Zuspitzung der Situation suchte man am H o f e unter dem Einfluß der Erzherzoge J o h a n n und Franz K a r l , man nannte audi dessen Gemahlin Sophie, der Volksstimmung ein Opfer zu bringen. Nichts konnte populärer sein, als die Entlassung Metternichs; man scheute sich nicht, den Mann, der auf eine zuletzt gewiß recht unglückliche Weise, aber stets in vollster Loyalität, der Dynastie und dem Staate jahrzehntelang gedient hatte, in wenig taktvoller Form fallenzulassen. Im übrigen schwankte man zwischen Gewalt und weiterem Nachgeben. Die Wiener Bürgerschaft stellte eine Nationalgarde auf, die Studenten formierten in dieser eine eigene Akademische Legion. Am 14. M ä r z erfolgte die Aufhebung der Zensur, ein Pressegesetz sollte folgen. Den Polizeiminister Josef Grafen Sedlnitzky und den (vielleicht nicht ganz mit Recht) ebenso unbeliebten Bürgermeister Ignaz Czapka ereilte das Schicksal Metternichs. Die Gefallenen des 13. M ä r z wurden in würdiger Form bestattet, der Feldkaplan der Akademischen Legion, Professor Anton Füster, ein revolutionär gesinnter katholischer Geistlicher, trat dabei eindrucksvoll in Erscheinung. Die Wiener revolutionäre Bewegung hatte also beträchtlichen Erfolg, doch konnte nicht übersehen werden, daß sie — von einigen Aktionen in Graz abgesehen — in den deutschen Gebieten der Monarchie ziemlich isoliert war. Dagegen herrschte in Lombardo-Venetien seit dem 17. März 1848 offener Aufruhr, der bedenkliche Formen annahm, als am 24. März König K a r l Albert von Sardinien an der Spitze seiner Truppen die lombardische Grenze überschritt. J e t z t war audi Tirol bedroht, die Deutschtiroler organisierten die Verteidigung des Landes. D e r Abwehrerfolg des hochbetagten

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Oberkommandierenden der kaiserlichen Truppen auf dem italienischen Kriegsschauplatz, Feldmarschall Grafen Joseph Radetzky, bei Santa Lucia (6. Mai 1848) stoppte bis auf weiteres die Erfolge der italienischen Revolutionäre, die inzwischen auch die Regenten der habsburgischen Nebenlinien aus ihren Fürstentümern vertrieben hatten. In Böhmen hemmte der trotz gelegentlicher Verbrüderungsszenen steigende Gegensatz zwischen Deutschen und Tschechen die revolutionäre Bewegung, und diese nahm schließlich mehr und mehr einen tschechischnationalen Charakter an. Noch bedrohlicher war die Lage in Ungarn, vorderhand aber versuchte man noch ein Kompromiß zu finden, der Palatin Erzherzog Stefan Viktor ernannte eine Regierung unter Graf Ludwig Batthyany, in der Kossuth die führende Rolle spielte. Als er nun immer deutlicher Ungarn von der Gesamtmonarchie trennen wollte, kam es zu Aktionen des Widerstandes, zuerst bei den Serben Südungarns unter dem Grenzeroffizier Stratimirovic, und ebenso verweigerten die Kroaten unter dem energischen Banus Josef Baron Jellacic der Budapester Regierung den Gehorsam. Auch unter den Slowaken und Rumänen gärte es. Inzwischen war es in Wien zu einem Umbau der Staatsverwaltung gekommen, dessen Bedeutung umso größer ist, weil er das Sturmjahr überdauerte. Die Hofstellen, Hofkanzleien und Hofkammern wurden durch Ministerien ersetzt oder überhaupt liquidiert, an die Stelle des Staatsrates und der Staatskonferenz trat der Ministerrat. Metternichs alter Gegner Kolowrat, anfangs in führender Stellung, trat im April 1848 zugunsten des bisherigen Außenministers Grafen Ficquelmont zurück, auch Baron Karl Friedrich von Kübeck, der zunächst das Finanzressort leitete, schied bald aus. Als Vertreter der äußersten Rechten konnte seither nur mehr der Kriegsminister Graf Theodor Baillet-Latour gelten. Das Ministerium schwankte zwischen Zugeständnissen an die revolutionäre Volksstimmung und halbem Widerstand. Am 25. April wurde eine vom Innenminister Franz Baron Pillersdorf zum Teil nach dem Muster der belgischen Konstitution ausgearbeitete Verfassung verkündet. Sie galt nur für die niditungarischen Länder, auch die italienischen Besitzungen wurden nicht erwähnt. Die Volksvertretung sollte durch zwei Kammern gebildet werden, die Wahlen ins Unterhaus waren an eine bestimmte Steuerleistung gebunden, das Oberhaus sollte sich aus Vertretern des Großgrundbesitzes und aus vom Kaiser nominierten Mitgliedern zusammensetzen. Dem Kaiser stand auch ein Vetorecht gegen Beschlüsse beider Kammern zu. Diese Einschränkungen ließen das Volk der eben errungenen „Konstitution" nicht froh werden. Ficquelmont wurde zum Ziel feindseliger Angriffe und trat am 4. Mai zurück. Pillersdorf wurde nun sein Nachfolger als Regierungschef und verkündete eine Wahlordnung, die ebenfalls unpopulär war. Eine Sturmpetition revolutionärer Wiener erzwang am 15. Mai in der von militärischem Schutz entblößten Hofburg die Zurücknahme der Verfassung und die Zusage eines

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Reform, Reaktion und Revolution

allgemeinen und gleichen Wahlrechtes. Die Hofkreise blieben aber nicht untätig, es gelang, den Kaiser zur heimlichen Abreise nach Innsbruck zu veranlassen, wo man ihn mit Jubel aufnahm; in Wien kam es zu Kundgebungen des Unmutes unter den im Grunde eher kaisertreu eingestellten Kleinbürgern, der Hof verpaßte aber durch allzuscharfe Proklamationen die Gelegenheit zu kampflosen Erfolgen und bald gewannen in Wien wieder radikale Elemente das Übergewicht. Ein Versuch der Auflösung der Akademischen Legion blieb erfolglos, örtlich kam es zu Schießereien und zum Barrikadenbau. Der aus 20 Mitgliedern bestehende Sicherheitsausschuß wurde unter Leitung von Dr. Adolf Fischhof zur eigentlichen Autorität der Hauptstadt. Diese Institution versagte aber, als es im August im Wiener Prater zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen Nationalgarden und den wegen Lohnkürzungen erregten Arbeitern kam. Am 8. Juli trat das Ministerium Pillersdorf zurück, Anton Baron Doblhoff übernahm am 19. Juli die Bildung einer neuen Regierung, die stärker demokratisch orientiert war, als ihre Vorgängerin, wenn man auch den Vorsitz und das Außenamt einem alten Mitarbeiter Metternichs, dem Freiherrn Johann Philipp von Wessenberg, anvertraut hatte und Doblhoff sich mit dem Innenministerium begnügte; ein markantes Mitglied war der Justizminister Dr. Alexander Bach, einer der Sprecher der Revolutionäre in den Märztagen, nun aber mehr und mehr der Rechten zuneigend. Jetzt wurde auch der konstituierende Reichstag einberufen, dem Vertreter der einzelnen Nationalitäten und verschiedenster politischer Richtungen angehörten, wobei die Gemäßigten gegenüber den Radikalen ein zahlenmäßiges Übergewicht hatten. Das Nationalitätenproblem zeigte sich sogleich in aller Schärfe, als ein Antrag Fischhofs, Deutsch als Verhandlungssprache — nicht etwa als Staatssprache — zu akzeptieren, von der slawischen Mehrheit, unter der die Tschechen Palacky und Rieger führend hervortraten, abgelehnt wurde. Die Verfassungsberatungen drohten zu versanden. Schwung kam in die Beratung erst, als der Deutschschlesier Hans Kudlich am 26. Juli 1848 seinen kurzen und bündigen Antrag auf Aufhebung des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses stellte, der nach einer längeren Diskussion über die Entschädigungsfrage in der veränderten Fassung des Abgeordneten Joseph von Lasser am 7. September 1848 angenommen wurde. Damit hatten die Bauern erlangt, was sie wollten, ihr Interesse an der Revolution, deren Fortgang das Erreichte gefährden konnte, begann zu erlösdien. Inzwischen war der Hof nach Wien zurückgekehrt, die Stellung der Dynastie und des ganzen monarchischkonservativen Systems war stärker geworden, da Radetzky auf dem italienischen Kriegsschauplatz neue Erfolge errungen hatte und nach der (ersten) Schlacht von Custozza (25. Juli 1848), in der die Piemontesen besiegt worden waren, Mailand zurückgewonnen werden konnte. Kurz nach der Einnahme der Stadt wurde mit Sardinien ein Waffenstillstand geschlossen (6. August 1848). Schon vorher hatte Alfred Fürst Windischgrätz nach mehr-

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tägigen Unruhen und Kämpfen am 15. Juni 1848 Prag erstürmt und damit audi in Böhmen der Reaktion zum Sieg verholfen. Fehler von revolutionärer Seite, wie die Verweigerung einer Dankadresse für die in Italien auch gegen den äußeren Feind siegreich gewesene Armee durch die Mehrheit des Reichstages, die sich von der Linken mitreißen ließ (13. September 1848), verschlimmerten die Lage. Die Haltung des Reichstages entsprach übrigens nicht mehr ganz der öffentlichen Meinung Wiens — vom übrigen Deutschösterreich zu schweigen. Die revolutionäre Begeisterung des besitzenden Bürgertums war schon abgekühlt, patriotische Stimmungen gewannen die Oberhand. Grillparzer schrieb sein Huldigungsgedicht an Radetzky („Glückauf mein Feldherr, führe den Streich . . . " ) und Johann Strauß Vater komponierte den Radetzkymarsch. Die Tiroler aber verteidigten ihre Heimat mit der Waffe gegen die Streifscharen der italienischen Insurgenten. In Ungarn klärten sich die Fronten nach anfänglicher Unsicherheit. Wohl hatte der Wiener Hof im Streit zwischen der Budapester Regierung und den Kroaten zunächst gegen deren Banus Jellacic entschieden; alsbald aber ergab sich die natürliche Verbindung zwischen dem kaisertreuen Banus und dem Hof gegen Ungarn. Um die Mitte September 1848 traten die Kroaten den Vormarsch gegen Budapest an, wurden aber nach Anfangserfolgen gegen die österreichische Grenze abgedrängt. Als die Ungarn nach einer erfolglosen Vorsprache am H o f e sich am 18. September an den österreichischen Reichstag wandten, wurden sie von einer vorwiegend aus Slawen zusammengesetzten Mehrheit zurückgewiesen. Die revolutionär gesinnten Wiener Bevölkerungsschichten sympathisierten freilich mit den Magyaren. Diese Haltung hatte eine blutige Entladung zur Folge, als am 6. Oktober 1848 das zumeist aus Oberösterreichern rekrutierte Grenadierbataillon Richter von Wien nach Ungarn abgehen sollte. Man suchte den Abmarsch zu verhindern, ein Teil der Truppe meuterte, die Vorstadtgarden und die Akademische Legion griffen in den sich entspinnenden Straßenkampf ein und behielten schließlich, infolge der schwächlichen Haltung des kommandierenden Generals Auersperg, gegenüber den loyal gebliebenen Truppen die Oberhand. Auch die monarchistisch gesinnten Stadtgarden wurden überwältigt, dabei kam es selbst im Stephansdom zu Blutvergießen, das Zeughaus am Hof und das Kriegsministerium wurden gestürmt, der Kriegsminister Graf Latour gelyncht. Der Hof verließ die Stadt und begab sich nach Olmütz; wenige Tage später wurde der Reichstag nach der kleinen mährischen Stadt Kremsier verlegt. Gleichzeitig rüstete man zum Kampf gegen Wien. Windischgrätz, nunmehr Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen in den Erbländern, und Jellacic begannen am 26. Oktober mit der Beschießung der österreichischen Hauptstadt. Diese war unzulänglich gerüstet, der Stadtkommandant Wenzel Messenhauser, ein begabter Literat, war seiner militärischen Aufgabe nicht recht gewachsen, der ihm zur Seite stehende polnische General Joseph Bern konnte sich in dem ungewohnten Milieu auch nicht durchsetzen. Man hoffte

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Reform, Reaktion und Revolution

auf Unterstützung von außen, aber es kamen nur einige Grazer Studenten und einige revolutionär gesinnte Linzer Bürger. Die deutsche Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche sandte eine Deputation mit Robert Blum als Vertreter der Linken an der Spitze. Am 28. Oktober entschloß sich Messenhauser, die Kapitulation der Stadt anzubieten, eine entsprechende Vereinbarung wurde getroffen; auf die Nachricht von der Annäherung ungarischer Entsatztruppen entschloß man sich aber zum Weiterkämpfen. Die Ungarn wurden indessen bei Schwechat von Jellacic zurückgeworfen, und am 31. Oktober erstürmte Windischgrätz auch die innere Stadt. Die eindringenden Truppen ließen sich schwere Ausschreitungen zuschuldenkommen. Noch bedauerlicher war die rasch und rücksichtslos organisierte Verfolgung der prominenten Anhänger der Revolution. Messenhauser und Robert Blum, dessen Immunität als Abgeordneter das Militärgericht bewußt ignorierte, sowie eine Anzahl von Journalisten wurden hingerichtet. Die radikaleren Führer waren zumeist schon geflohen. Der Wiener Erfolg ließ das Prestige von Windischgrätz ins Ungemessene steigen, ihm war nicht zuletzt die Betrauung seines Schwagers, des Fürsten Felix Schwarzenberg, mit der Regierungsbildung zuzuschreiben. Schwarzenberg verstand es, bedeutende Mitarbeiter zu finden, wie den gemäßigt konservativ gesinnten Grafen Franz Stadion (Inneres), den bekehrten Revolutionär Alexander Bach (Justiz), schließlich den hervorragend begabten Handelsminister Karl Freiherrn von Bruck, einen westdeutschen Protestanten. Auch der Finanzminister Philipp Baron Krauß war ein ausgezeichneter Fachmann. Mit einem Lippenbekenntnis zur konstitutionellen Monarchie stellte Schwarzenberg am 27. November 1848 sein Ministerium dem Kremsierer Reichstag vor. Eine ändere Frage aber reifte der Lösung entgegen. Kaiser Ferdinand war seiner Aufgabe schon in ruhigen Zeiten nicht gewachsen gewesen, noch weniger in der gegebenen kritischen Situation, in der er trotz redlichsten Bemühens und entschiedener Scheu vor Gewaltanwendung, sich stets dem härteren Willen der Männer seiner Umgebung hatte beugen müssen. Nach langem Bemühen gelang es, nicht ohne unerfreuliche Täuschungsmanöver, den Kaiser zur Abdankung zu bewegen. Am gleichen Tag, dem 2. Dezember 1848, bestieg der achtzehnjährige Erzherzog Franz, ein Neffe des Kaisers aus der Ehe des Erzherzogs Franz Karl mit der wittelsbachischen Prinzessin Sophie, als Kaiser Franz Joseph I. den Habsburgerthron — das war der Beginn einer langen Regierung, unter der der letzte Wegabschnitt der Geschichte der Monarchie zurückgelegt werden sollte. Noch war der Kampf gegen die Revolution nicht beendet, noch tagte der österreichische Reichstag in Kremsier und die deutsche, auch von österreichisehen Vertretern beschickte Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche; in Ungarn sollte es noch zu schweren Rückschlägen kommen, aber die Initiative war auf jene konservativen Kreise übergegangen, die für mehr als ein Jahrzehnt ziemlich uneingeschränkt die Richtung der offiziellen Politik bestimmen sollten.

Bevölkerungspolitik, Bauernschutz und Agrarwirtschaft 1740—1848

Bevölkerungspolitik,

Bauernschutz 1740—1848

und

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Agrarwirtschaft

Im 18. Jahrhundert setzte in Europa jener Prozeß der Industrialisierung ein, der mehr als irgendein anderes Geschehen seit der Völkerwanderung des frühen Mittelalters die Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur unseres Erdteils prägen sollte. Die Industrialisierung war als Vorgang und als Ergebnis zu einem nicht unwesentlichen Teil das Produkt planvoller, wirtschaftspolitischer Maßnahmen, deren Anfänge, wie wir sahen, schon auf das 17. Jahrhundert zurückgehen. Diese Bestrebungen blieben allerdings keineswegs auf die Förderung der Industrie beschränkt. Allmählich entwickelte sich aus älteren merkantilistischen Lehren ein System der politischen Ökonomie, von dem besonders die Vermehrung der Bevölkerung gefordert wird. Diese „Populationistik" hatte in Österreich prominente Vertreter in dem später nach Preußen ausgewanderten Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi und in dem hohen österreichischen Staatsbeamten Joseph Freiherrn von Sonnenfels. Eine tolerante Regierung soll ihrer Ansicht nach die Einwanderung fördern und auch für die Zunahme der alteingesessenen Untertanen sorgen, denn die Bevölkerungsvermehrung stärke die militärische und wirtschaftliche Kraft des Staates und diene so seinem Wohle und dem aller Bürger. Humanitäre Erwägungen ergänzen die ökonomischen Prinzipien und so gehen Förderung der Industrialisierung, Intensivierung der Landwirtschaft, Toleranzgesetzgebung, Maßnahmen für die Volksgesundheit, Schulund Justizreformen H a n d in H a n d . Betrachten wir zunächst die Landwirtschaft. Anders als ältere Bestrebungen zugunsten der bäuerlichen Untertanen hatte die Bauernschutzgesetzgebung der maria-theresianischen Epoche merklichere, unmittelbare Erfolge. Die Beseitigung der grundherrlichen Steuereinhebung und die Einschränkung der Patrimonialgerichtsbarkeit, dann die konsequente Scheidung von bäuerlichem und herrschaftlichem Besitz durch den theresianischen Kataster von 1751 machten sich für den Bauern doch fühlbar. Eine Robotablösung wurde wenigstens auf den kaiserlichen Gütern ernsthaft in Angriff genommen. Joseph II. schlug, wie auf allen anderen Gebieten, audi beim Bauernschutz ein rascheres Tempo ein. Obwohl Maria Theresia die Sorge für den Landmann mehr Herzenssache war, galt Joseph II. nach dem Untertanenpatent vom 1. November 1781 als eigentlicher Schutzherr und Freund der Bauernschaft; sein Andenken blieb lange lebendig. Tatsächlich hatte sich die Aufhebung der „Leibeigenschaft" zunächst auf die Länder der Wenzelskrone bezogen, doch wurde sie auch in Österreich verkündet, um Klarheit über die Rechtslage zu schaffen. Die Verfügung brachte das Ende der Beschränkung der persönlichen Freizügigkeit des Bauern und sicherte ihn gegen ein willkürliches „Abstiften" durch den Grundherrn. Noch hatte der Bauer aber kein freies Eigentum an Grund und Boden und der Herrschaft blieben etliche

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R e f o r m , R e a k t i o n und Revolution

obrigkeitliche Befugnisse. Einen weiteren Schritt vorwärts hätte die Urbarialregulierung von 1789 (auf Grund des josephinischen Katasters von 1787) bedeuten können, die gleichmäßige Besteuerung von Dominikai- und Rustikalland vorsah, doch wurde die Verordnung von Leopold II. wegen verschiedener Anfangsschwierigkeiten bei der Durchführung widerrufen. Nach einer genaueren Bodenaufnahme durch den franziszeischen Kataster (1817) knüpfte man im Vormärz an den josephinischen Versuch an, Besitzgrößen und Bodenertrag wurden in möglichst einwandfreier Weise festgestellt, und nun konnte eine angemessene, nicht zu hohe Grundsteuer eingehoben werden. Allmählich erkannte man auch auf ständischer Seite die Problematik der alten, bäuerlichen Dienste, die so ungern geleistet wurden und schlug insbesondere eine Ablöse der bei den Bauern verhaßten Robot vor; es waren mehr bürokratische Bedenken und geringe Einsicht der Regierungsstellen als grundherrliche Widerstände, die diesen Plan vor Ausbruch der Revolution von 1848 nicht mehr Wirklichkeit werden ließen. Die Revolution brachte dann mit der Bauernbefreiung eine Lösung der Bindungen, die durch Jahrhunderte zwischen Herrschaft und Bauern bestanden hatten, aber nicht mehr sinnvoll waren. Aus den mit obrigkeitlichen Rechten ausgestatteten Grundherren wurden bloße Großgrundbesitzer — das Dominikalland war ihnen ja verblieben — eine Änderung, mit der sich echte Konservative, wie Fürst Alfred Windischgrätz, nicht abfinden wollten. Tatsächlich gestaltete sich aber das Verhältnis des von Zins und Robot befreiten Bauern zum jeweils tonangebenden Adeligen, der für die früheren Untertanen das Prestige der „Herrschaft" behielt, in der Regel viel besser als früher — das sollte auch in der innenpolitischen Frontenbildung des letzten Abschnittes der Geschichte der Donaumonarchie zum Ausdruck kommen. Nicht minder wichtig als die rechtlichen Veränderungen erwiesen sich für die Agrarwirtschafl die allmähliche Einführung zweckmäßiger Betriebsmethoden, wie sie in den österreichischen Ländern seit etwa 1760 durch verschiedene „ökonomische Gesellschaften" propagiert wurden. Fortschrittlich gesinnte Grundherren, wie die Schwarzenberg, Hoyos und Liechtenstein leisteten dabei Pionierarbeit. D a s gilt einmal für die qualitative Verbesserung des Viehbestandes durch planmäßigere Züchtung, dann für die Propagierung ertragreicher Getreidesorten und zweckmäßiger Düngung, für die allgemeine Verbreitung der Futterpflanzen und insbesondere für die Popularisierung des Kartoffelanbaues. Die Kartoffel gewann seit den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts an Popularität und wurde schließlich während der Franzosenkriege zum unentbehrlichen Volksnahrungsmittel, außerdem verwendete man sie auch zur Branntweinerzeugung. Die Absperrung vom überseeischen Rohrzucker durch die Kontinentalsperre kam wieder dem heimischen Zuckerrübenbau zugute, der sich rasch entwickelte. Alle diese Fortschritte konnten freilich nicht verhindern, daß eine Reihe schlechter

B e v ö l k e r u n g s p o l i t i k , B a u e r n s c h u t z u n d A g r a r w i r t s d i a f t 1740—1848

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Ernten in den Jahren 1816—1818 (namentlich 1817) empfindliche Lebensmittelknappheit und in manchen Gegenden geradezu Hungersnöte zur Folge hatte. Allmählich setzte sich w ä h r e n d des V o r m ä r z die unter dem Einfluß der bahnbrechenden Forschungen und Schriften von Albrecht Daniel Thaer nach englischem Vorbild auch in Mitteleuropa eingeführte Fruchtwechselwirtschaft durch, die auf die Brache verzichten konnte und nach und nach auch bei den kleineren bäuerlichen Betrieben die Dreifelderwirtschaft ersetzte, wenn nicht eine zu geringe Bodengüte diese Umstellung erschwerte oder verhinderte. Für die Realisierung der Gedankengänge von Thaer in Österreich machte sich besonders der K ä r n t n e r Arzt, Schulmann und agronomische Schriftsteller J o h a n n Burger hochverdient. O h n e die Modernisierung der Landwirtschaft (und ohne den Ausbau der Verkehrsmittel, insbesondere der Eisenbahnen) w ä r e es nicht möglich gewesen, die rasch anwachsende Bevölkerung der Industriestädte zu ernähren. Infolge der Bedürfnisse der neueren Industrien und der Bauwirtschaft (einschließlich des Schiffsbaues) stieg der H o l z b e d a r f , der schon in der älteren Berg- und Hüttenindustrie ein lebenswichtiges Problem dargestellt hatte, trotz der Heranziehung von Torf und Braunkohle gewaltig an; daher begann man von Staats wegen einer sorgfältigen Waldwirtschaft und der A u f f o r s t u n g abgeholzter Gebiete ein erhöhtes Augenmerk zuzuwenden. In der theresianischen und josephinischen Zeit ging die Besiedlung der südungarischen Gebiete durch vorwiegend deutsche Kolonisten in erhöhtem Ausmaße weiter, im V o r m ä r z flaute diese Kolonisationsbewegung wieder ab. Das große Siedlungsunternehmen stand im allgemeinen im Zeichen der Populationistik, doch spielten bei der in den J a h r e n 1752—1757 erneuerten Ausweisung protestantischer Oberösterreicher nach Siebenbürgen gegenreformatorische Tendenzen noch eine H a u p t r o l l e . Die Aktion w a r schlecht organisiert, die D u r c h f ü h r u n g kostete mehr als einem Drittel der 2600 Landesverwiesenen das Leben. Kleinere G r u p p e n protestantischer Süddeutscher kamen damals aus der H a n a u e r Gegend und aus Baden freiwillig nach Siebenbürgen. Viel stärker waren die Züge nach dem Banat. Nach dem Frieden von H u b e r t u s b u r g entwickelte sich die Ansiedlungsbewegung unter der Initiative des Staatsrates Egyd Freiherrn von Borie sehr gut, mehr als 50.000 Personen kamen damals nach Südungarn, etwa 25.000 folgten in einer erneuten Siedlungswelle unter der Regierung Kaiser Josephs II., zu dessen Zeit man allerdings unter dem Einfluß physiokratischer Gedanken nicht mehr in erster Linie an die Bevöikerungsvermehrung, sondern an die Intensivierung und H e b u n g der Landwirtschaft dachte. Die Mehrzahl der fast durchweg katholischen Siedler k a m wie zur Zeit Karls V I . aus dem Südwesten des Reiches, unter der Minderheit aus den Ostalpenländern waren besonders Oberösterreicher, Steirer und Tiroler vertreten. Wieder waren audi Nichtdeutsche beteiligt. Nebenströme der Immigranten wurden nach Galizien, insbesondere in das Gebiet östlich des Sans, sowie in die Bukowina gelenkt.

R e f o r m , R e a k t i o n und R e v o l u t i o n

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N u r örtlich kam es auch in den deutschen Erbländern zur Ansetzung von Neusiedlern, so etwa von Tirolern in Theresienfeld bei Wiener Neustadt. Nach den Franzosenkriegen erlahmte allmählich das Interesse der staatlichen Stellen, doch ging eine private Einwanderungsförderung noch bis über die Jahrhundertmitte weiter.

Merkantilpolitik

und Industrialisierung. Währungsprobleme

Handel, Verkehr

und

Wir wiesen darauf hin, daß in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die gewerblich-industrielle Entwicklung stark im Zeichen behördlicher Führungs- und Lenkungsversuche stand. Für Handwerk und Gewerbe wurde die Verfügung des Jahres 1754, welche Polizei- und Kommerzgewerbe unterschied, von größter Wichtigkeit. Als Polizeigewerbe galten die, deren Absatz mehr den lokalen Bedarf deckte (u. a. Fleischer, Bäcker, Wirte, Schlosser, Schneider, Fuhrleute, Seifensieder usw., aber auch Buchdrucker!), als Kommerzgewerbe jene, die en gros erzeugten und exportierten, also in der Regel industriell arbeiteten (u. a. Textilgewerbe und Textilhandel, Metallverarbeitung, Handschuhmacher, Gerber, Juweliere, Optiker, Uhrmacher, aber auch Hausierer, Maler, Bildhauer usw.). Die Polizeigewerbe wurden von der Hofkanzlei, die Kommerzgewerbe von dem 1762 neugegründeten Kommerzhofrat beaufsichtigt. Die Bemühungen Maria Theresias, Josephs und ihrer Berater galten der Beseitigung aller Hemmnisse, die nach der vorherrschenden, gewiß nicht unbegründeten Auffassung, dem Aufschwung der wirtschaftlichen Produktion entgegenstanden. Der Zunftzwang, der die gewerbliche und oft auch die industrielle Arbeit behinderte, wurde unter Maria Theresia gemildert, unter Joseph II. für das Textilgewerbe und die Metallindustrie aufgehoben. Die von einigen Zünften verhängten Heiratsverbote für Gesellen wurden beseitigt, andererseits wollte man das traditionelle Wandern der Handwerksgesellen, wenn es über die Staatsgrenzen führte, einschränken. Nach Josephs II. Tod wurden ganz analog zur sonstigen Entwicklung der Dinge die staatlichen Eingriffe in Gewerbe und Industrie abgeschwächt; während der langen und schweren Franzosenkriege vermied man es erst recht, Gewerbetreibende und Handwerker, deren Dienste man für die Verpflegung und Ausrüstung der Armee benötigte, zu reizen. Die Zünfte gewannen wieder an Gewicht, und auch im Vormärz ist es nicht zu der von liberalen Kreisen gewünschten „Gewerbefreiheit" gekommen, die für die kleineren, durch den Aufschwung der Großindustrie bedrohten handwerklichen Betriebe nicht unbedenklich war. Trotz der angedeuteten Gefahrenmomente für die kapitalsschwächeren Handwerker, waren diese in der Lage, qualitativ bedeutende Leistungen zu

Merkantilpolitik u. Industrialisierung. Handel, V e r k e h r u. W ä h r u n g s p r o b l e m e

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schaffen, im Vormärz gaben Geschmack und technisches Interesse des Biedermeier verschiedenen Handwerkern, wie den Möbeltischlern, Drechslern, Kunstschlossern, Taschnern, Handschuhmachern, Pfeifendrehern, den Erzeugern musikalischer Instrumente, Optikern und Glasbläsern, Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Es darf nicht vergessen werden, daß begabte H a n d w e r k e r Pionierarbeit bei der technischen Ausgestaltung der gewerblichen und industriellen Produktion leisteten. Der Wiener Feinmechaniker Simon Plößl erwarb einen hervorragenden Ruf durch seine Mikroskope und Fernrohre, Ignaz Bösendorfer durch seine mit größter Sorgfalt gebauten Klaviere. Beide hatten auch kommerziellen Erfolg. Nicht selten aber verkannten die Zeitgenossen die Wichtigkeit bedeutender technischer Neuerungen und Erfindungen. Der in Wien lebende Schneider Josef Madersperger aus Kufstein entwickelte seit 1815 das Prinzip des Maschinennähens, erhielt wohl auch einige Anerkennung, nicht aber die Möglichkeit der Auswertung seiner Erfindung. Schließlich starb er 1850 in Armut. Die Industrie benötigte noch viele Anregungen aus dem technisch fortgeschritteneren Westeuropa, so kamen Fabrikanten, Ingenieure und Facharbeiter aus dem Westen, aus England, Frankreich, dem Rheinland, der Schweiz und Italien; auch Belgien sandte, namentlich solange es österreichisch war, zahlreiche Spezialisten. Andererseits spielten die Deutschen, einschließlich der Deutschösterreicher, eine Pionierrolle in den Sudetenländern, der tschechische Anteil an der Entwicklungsarbeit der Industrien w a r sehr gering, das sollte sich erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich ändern. Auch die Sozialstruktur des Großunternehmertums erfuhr W a n d lungen. Zu Beginn der maria-theresianischen Epoche waren ziemlich viele Adelige als Fabriksgründer tätig; ihre Beziehungen zum H o f e mögen ihnen bei der Inanspruchnahme behördlicher Wirtschaftshilfe zugute gekommen sein. Später, als sich unter Kaiser Franz der Staat zurückzog, überwiegen die Bürgerlichen durchaus unter den Industriellen. Während die staatliche Wirtschaftspolitik im 18. Jahrhundert, wie erwähnt, gerne leitend, regelnd und verbietend, gelegentlich auch mit materiellen Zuschüssen die Industrialisierung zu fördern und in bestimmte Bahnen zu lenken versuchte, änderte sich das nach der Jahrhundertwende. Kaiser Franz trat, ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen Ansichten, dafür ein, dem Unternehmertum freie Entfaltungsmöglichkeit zu gewähren, ihm aber auch die Sorge für die Finanzierung zu überlassen. Erste Versuche, der Wirtschaft durch Einrichtung von Handelskammern eine offizielle Interessenvertretung zu geben, blieben unmittelbar nach dem Wiener Kongreß nodi ohne Erfolg; in den dreißiger Jahren kam es zur Einrichtung von Provinzialkommerzkommissionen, die von Repräsentanten der Wirtschaft beschickt waren und die Landesregierungen beraten sollten. Größere praktische Bedeutung hatten die Industrie- und GeWerbeausstellungen, die nach dem Prager Beispiel (1791) wesentlich später von den anderen Ländern (Graz 1832,

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Linz 1833, Klagenfurt 1838 usw.) gezeigt wurden. Die erste Reichsausstellung fand in Wien 1835 statt. Auch kaufmännische, Gewerbe- und Industrievereine bemühten sich mit wechselnden Erfolgen um die Wirtschaftsförderung. Nicht selten sind es Mißerfolge und Niederlagen, welche den Anstoß zu tiefergreifenden Reformen geben. Der Verlust des größten Teiles Schlesiens hatte einen Anlaß zur Neuorganisation der Verwaltung geboten, er war auch von wesentlicher Bedeutung für die Förderung der Industrie durch Maria Theresia, denn jenes Land war vordem bei weitem die gewerblich und industriell bestentwickelte Provinz der Habsburgermonarchie gewesen. Man mußte also einen Ersatz für die verlorenen schlesischen Produktionsstätten schaffen. Die diesbezüglichen Bestrebungen kamen vor allem der böhmischen Textilindustrie zugute, aber doch auch den Alpen- und Donauländern, wo schon einige Musterindustrien bestanden, die freilich zumeist hart um ihre Existenz kämpfen mußten. Zu der älteren niederösterreichischen Baumwollmanufaktur in Schwechat kamen neue Gründungen in Friedau (1752), Neukettenhof (1765), Ebreichsdorf (1773) und an anderen Orten. Der Gründer der Friedauer Fabrik, der aus dem Elsaß stammende Großhändler Johann Fries, galt mit Recht bald als einer der reichsten Männer Österreichs. Im Jahre 1754 errichtete er auch eine Samtfabrik im Wiener Vorort Döbling, andere Samtmanufakturen folgten. Einen beträchtlichen Aufschwung nahm die Seidenweberei im Viertel unter dem Wienerwald, namentlich in der Wiener Vorstadt Schottenfeld. Bis zu Ende des 18. Jahrhunderts war die Monarchie wohl noch auf den Import angewiesen, doch brachte der Ausfall der französischen Konkurrenz während der Revolution eine fühlbare Erleichterung. In den späteren Jahren des Vormärz verzeichnete die Seidenindustrie eine Hochkonjunktur, 1845 arbeiteten in Wien nicht weniger als 430 Seidenwebereien. Seidenzeugfabriken gab es sonst noch in den südlichen Provinzen der Monarchie, in der Lombardei, in Welschtirol und Görz, aber auch in den Sudetenländern. Versuche, neben der Seidenindustrie auch der in Lombardo-Venetien blühenden Seidenzucht Eingang in die österreichischen Donauländer zu verschaffen, scheiterten zumeist schon aus klimatischen Gründen. Im Gesamthaushalt des Staates hatte freilich die Rohseide noch größere Bedeutung als die Seidenwaren; dieses Bild ergibt sich wenigstens aus den vormärzlichen Handelsbilanzen. In Vorarlberg, wo es eine alte Leinwanderzeugung gab, entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine bedeutende heimische Textilindustrie, die vorwiegend Baumwolle verarbeitete und durch die Tätigkeit Schweizer Unternehmer im Lande befruchtet wurde (1764 K a s p a r de Trave aus Rorschach in Bregenz, 1794 Samuel Vogel aus Mühlhausen im Elsaß, 1825 Melchior Jenny aus Glarus, beide in H a r d ) ; zu den Ausländern gesellten sich einheimische Unternehmer, Johann Joseph Ganahl, Joseph Anton Rhomberg und Franz Martin Hämmerle. Es kam zur Gründung von

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Familienbetrieben, die sich in der Folgezeit sehr widerstandsfähig erwiesen. Die alte Linzer Wollzeugfabrik wurde 1754 in staatlichen Betrieb genommen, die Produktion stieg bis in die achtziger J a h r e stark an, dann setzten Absatzschwierigkeiten ein, die auch durch die A u f n a h m e der Teppichwirkerei, der ersten in Österreich, nicht überwunden werden konnten. Zur Zeit der größten Blüte arbeiteten mehr als 40.000 Menschen, weitaus die meisten in Heimarbeit an verschiedenen O r t e n Oberösterreichs, f ü r die Fabrik, ein Stand, dem nur die Schwechater Spinnerei nahegekommen sein dürfte. Im J a h r e 1854 wurde das traditionsreiche Linzer Unternehmen eingestellt. Es kam viel darauf an, ob die Unternehmer sich rechtzeitig den technischen Fortschritten a n p a ß t e n ; um die J a h r h u n d e r t w e n d e w a r man zum Spinnen und Weben mit Maschinen übergegangen, ein englischer Fachmann, John Thornton, stattete die Baumwollfabrik zu Pottendorf (gegr. 1801) großzügig aus. Große Bedeutung hatte neben dem Weben auch das Färben der Baumwolle. Die Wiener Textilindustrie errang einen guten Ruf durch das Geschick im E n t w e r f e n und Erzeugen modischer Stoffe. Die Schafwollwarenindustrie verfügte im Vormärz in Vöslau und Guntramsdorf über leistungsfähige Fabriken, die heimische Schafzucht, die ziemlich florierte, stellte die Wolle zur Verfügung. In der Gesamtwirtschaft der Monarchie t r a t allerdings sowohl die Schafwoll- wie die Leinwanderzeugung gegenüber den Sudetenländern zurück. Immerhin hatte die oberösterreichische Leinwanderzeugung noch eine wichtige Funktion hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten und des Ausmaßes der P r o d u k t i o n , der f ü r den Binnen- und Außenhandel erhebliche, nach 1800 allerdings geminderte Bedeutung zukam. Eine recht gute Entwicklung nahm die Wiener Samterzeugung, in der neben und nach Fries besonders der H a m b u r g e r U n t e r nehmer Engelbert König (seit 1768) erfolgreich tätig war. In den Alpenländern florierte die Lodenweberei. U n t e r den auf Grundlage der österreichischen Landwirtschaft arbeitenden Industrien k a m es den sehr zahlreichen Bierbrauereien zugute, d a ß der H o p f e n b a u von den Grundherrschaften gefördert wurde. Einige G r o ß unternehmen überflügelten alle anderen. Zu Ende des 18. J a h r h u n d e r t s begann der Aufstieg der Bierbrauerdynastie Dreher, als der schwäbische Brauer F r a n z A n t o n Dreher aus Pfullendorf das Schwechater Brauhaus erwarb, w o dann sein Sohn Anton Dreher unter A n w e n d u n g neuer Gärungsund Mälzungsmethoden das „Lagerbier" erzeugte. Im J a h r e 1838 errichtete F. Knabel in Puntigam bei G r a z eine Großbrauerei. Der Übergang von einem fremden auf einen heimischen Rohstoff vollzog sich im Bereich der Zuckerindustrie. Solange man den aus Westindien stammenden Rohzucker bezog, m u ß t e man sich auf die R a f f i n a d e beschränken; so gründete Maria Theresia 1750 die erste österreichische Zuckerraffinerie im Freihafen Fiume. In Niederösterreich w u r d e 1785 eine Raffinerie in Klosterneuburg angelegt, 1791 folgte die Errichtung einer bald sehr gut

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gedeihenden Raffinerie in Wiener Neustadt. Auch in Wien gab es einige Zuckerfabriken. Einige Jahre nach der Jahrhundertwende bemühte man sich zur Zeit der Kontinentalsperre (1811) um die Gewinnung von Ahornzucker, nachdem erste Versuche des Kommerzienrates Van Thys 1766 bald eingestellt worden waren; allein der Ahornzucker konnte nur einen verschwindenden Bruchteil des heimischen Bedarfes decken. Wesentlich war dagegen die Umstellung auf Rübenzucker, obwohl die ersten Fabriken — St. Pölten (1803) und Inzersdorf (1810) — nur eine kurze Lebensdauer hatten. Auch bei einem zweiten Anlauf in den dreißiger Jahren kam man mit Gründungen in Nieder- und Oberösterreich, Steiermark und Kärnten über die Anfangsschwierigkeiten nicht hinweg; von Dauer war dagegen die Fabrikgründung in Dürnkrut. Das Marchfeld wurde zum donauländischen Hauptanbaugebiet der Runkelrübe. Wesentlich rascher entwickelte sich die Rübenzuckerproduktion in Mähren und Schlesien, wo fortan das Schwergewicht der um die Jahrhundertmitte mächtig aufblühenden österreichischen Zuckerindustrie lag. Eine Verschiebung der Rohstoffgrundlage vollzog sich auch bei der Papiererzeugung. Die alten Papiermühlen wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch mechanisierte Papierfabriken ersetzt, das aus Holz gewonnene Zellulosepapier übertraf in den Produktionsziffern bei weitem das alte Hadernpapier. Die Anforderungen an die Papierfabrikation wurden infolge des steigenden Bedarfs der Druckereien, Büros und Ämter immer größer. Der Großverleger Thomas von Trattnern hatte sich schon 1767 seine eigene Papiermühle in Franzensthal bei Ebergassing (Niederösterreich) errichtet, andere Mühlen entstanden in Thalberg, Voitsberg und Graz (Steiermark), Tarvis (Kärnten), Klein-Neusiedl (Niederösterreich). Im Vormärz konnte Klein-Neusiedl bereits als Muster einer technisch gut ausgerüsteten Papierfabrik gelten. Mit modernen Maschinen und großer Kapazität arbeiteten damals auch die Fabriken von Jonathan UfTenheimer (Wiener Neustadt) und Andreas Leykam (Graz). Im Rahmen der holzverarbeitenden Industrie (zu der die Papierfabrikation freilich erst seit dem Siegeszug des Zellulosepapiers zu rechnen ist) entwickelte sich die Möbelindustrie im Zeichen der Biedermeierkultur, in welcher der Möbelkunst eine zentrale Stellung zukam, sehr erfolgreich. Neben vielen Kunsttischlern arbeiteten Großbetriebe, wie jener von Josef Danhauser (seit 1804) und Michael Thonet (seit 1842) in Wien. Thonet war von Metternich aus dem Rheinland nach Wien berufen worden, seine Bugmöbel hatten europäischen Ruf. Wichtig war auch die Klaviererzeugung, als führend galten die Wiener Firmen Streicher (1794) und Bösendorfer (1828). Am eindrucksvollsten ist wohl die Expansion der Metallindustrie; freilich ist auch in diesem Sektor ein gewisses Zurückbleiben der österreichischen Donau- und Alpenländer hinter der Entwicklung in Böhmen und Mähren unverkennbar. Die Verwaltung der steirischen und Kärntner Abbaustätten,

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welche das Erz f ü r die Eisen- und Stahlindustrie lieferten, w u r d e gründlich reorganisiert, der Staat zog sich zurück, und Joseph II. liquidierte das alte staatliche Versorgungssystem der Lebensmittel- und Holzwidmungsbezirke. Die Selbstverwaltung der Montanunternehmer, namentlich der Innerberger Gewerken, funktionierte freilich nicht ganz befriedigend. So wurden die Eisenerzer Bergbetriebe im J a h r e 1808 wieder vom Staat übernommen; die Innerberger Hauptgewerkschaft w a r seither ein wesentlich ärarisches U n t e r nehmen. In Vordernberg veranlaßte Erzherzog J o h a n n die G r ü n d u n g einer Radmeisterkommunität, die rationeller arbeitete als die Einzelbetriebe, doch blieben diese in privater H a n d . Im V o r m ä r z fanden die technischen Errungenschaften der englischen Stahlerzeugung allmählich in Österreich Eingang, insbesondere das Puddlingverfahren, das die alte Herdfrischerei mit Holzkohlen ersetzte. D e r enorme Holzbedarf der Montanindustrie bildete trotz der zusätzlichen Verwendung von Torf und Braunkohle ein hartes Problem, erst gegen Mitte des 19. J a h r hunderts ging man zur Steinkohlenfeuerung über. Die Verbesserung der Verhüttungstechnik und die Ersetzung der traditionellen H ä m m e r durch W a l z w e r k e (zuerst durch die Brüder Rosthorn zu P r ä v a l i in Südkärnten) f ü h r t e zu einer sehr erheblichen Steigerung der Produktionszahlen der eisenverarbeitenden Industrie; die wichtigsten Abnehmer, Eisenbahnen, Rüstungsindustrie, Brücken- und Maschinenbau, waren eben selbst in steter Expansion begriffen. So wurden in P r ä v a l i Schienen, in Wien Lokomotiven, in Steyr und Ferlach Gewehre, in Wien, Wiener N e u s t a d t , Neunkirchen, G r a z A n d r i t z sowie in zahlreichen böhmischen und mährischen Fabriken Maschinen erzeugt. In den vierziger Jahren aber beginnt der Aufstieg der Metallwarenindustrie von Berndorf und St.Veit an der Triesting. Sensen, Sicheln, Nägel, N a d e l n wurden in der Regel noch in H a m m e r w e r k e n erzeugt; die Sensenproduktion der traditionellen oberösterreichischen Erzeugungsstätten war sehr bedeutend und exportierte besonders nach Osteuropa. In N a d e l b u r g bei Wiener N e u s t a d t (gegr. 1751) versuchte man auch die maschinelle N a d e l erzeugung, und im V o r m ä r z verdrängten die D r a h t w a l z w e r k e die alten Drahtziehereien. Guten Absatz finden in dieser Zeit auch die vielfältig verwendeten Messingwaren; ihrer Erzeugung diente eine große Fabrik in ö d (Niederösterreich), eine der Gründungen der Familie Rosthorn. Recht beachtlich w a r die Entwicklung der chemischen Industrie. Es handelt sich hier um die Erzeugung von Farbstoffen (Bleiweiß u. a.), A m moniak, Alaun, Vitriol, und man rechnete damals auch Kerzenerzeugung und Seifensiedereien zu diesem Industriezweig. Schon 1759 hatte J o h a n n Michael von H e r b e r t in K l a g e n f u r t eine Bleiweißfabrik errichtet. Ludwig Robert, ein Franzose, gründete F a r b w a r e n f a b r i k e n in H i m b e r g (Niederösterreich) und Oberalm bei Hallein. Ignaz von Mitis stellte in seiner Fabrik in Kirchberg am Wechsel (gegr. 1797) aus K u p f e r s u l f a t das Mitisgrün her. J o h a n n N e p o m u k Reithoffer (aus Feldsberg, Niederösterreich) begann um 24

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1830 mit der Erzeugung von Kautschuk- und Gummiwaren. Im Jahre 1837 nahm Gustave de Milly die Erzeugung von Stearinkerzen in Wien auf. Die Millykerzen und die gleichfalls in Wien produzierten Apollokerzen hatten guten Absatz. Die Industrie anderer habsburgischer Länder konnte sich unter Umständen im Konkurrenzkampf verhängnisvoll auswirken. D a s zeigt das Schicksal der donauländischen Glaserzeugung, die vielfach der überlegenen böhmischen — zu der nach 1797 bzw. 1815 noch die altrenommierte venezianische Glasindustrie kam — weichen mußte; so wurde 1830 die alte, staatliche Glasfabrik in Neuhaus aufgegeben. Etwas besser hielt sich die steirische Glasproduktion. Eine Sonderindustrie, die Erzeugung von Kunstedelsteinen aus Glasfluß, die von Joseph Straßer in Wien während der Regierung Maria Theresias aufgenommen worden war und der Verfertigung billigen „falschen" Schmuckes diente, setzte sich dagegen in ganz Europa und auch im modischen Zentrum Paris durch („pierres de Strass"). Zu der Ausbeute der traditionellen österreichischen Montanprodukte Eisen, Buntmetalle, Salz, kam im 19. Jahrhundert die immer rascher ansteigende Kohlengewinnung. Die Notwendigkeit, den Holzverbrauch für Heizzwecke zugunsten lohnenderer anderweitiger Verwertung einzuschränken, die nach den englischen Erfahrungen allmählich durchdringende Kenntnis des wesentlich größeren Brennwertes der Kohle, insbesondere der Steinkohle, die Möglichkeit diese auch zur Leuchtgasgewinnung zu verwerten — seit 1817 gab es zum Beispiel in Wien Gasbeleuchtung — führte schon im Vormärz zur Erschließung und Ausbeutung der Kohlenlager in den Alpen- und Sudetenländern. Zu Ende des Vormärz begann man bei den Eisenbahnen zur Kohlenfeuerung überzugehen. Die Industrialisierung führte zu einer tiefgehenden Veränderung der Bevölkerungsstruktur der von diesem Vorgang erfaßten österreichischen Landschaften. Der Anteil der Städter an der Gesamtbevölkerung nahm erheblich zu, durch den Wandel von Landgemeinden zu Industrieorten bildeten sich neue Bevölkerungsschwerpunkte. Der Menschenbedarf der Industrie hatte Wanderungsbewegungen größeren Umfanges zur Folge, es ergaben sich recht gravierende Verlagerungen im sozialen und unter U m ständen auch im nationalen Gefüge des Volkes. Die Einwohnerzahlen der Städte waren vom Ende des Mittelalters bis Mitte des 18. Jahrhunderts, abgesehen von lokalen, nicht allzusehr ins Gewicht fallenden, mäßigen Zunahmen, ziemlich stabil geblieben. Die Hauptstadt Wien bildet in diesem statischen Bild allerdings eine gewisse Ausnahme. Innerhalb der Stadtmauern wohnten im Spätmittelalter etwa 25.000 Menschen, mit den Vorstädten mögen es etwa doppelt so viele gewesen sein. Im Jahre 1754 wurden aber innerhalb des Linienwalles (Stadt und Vorstädte) 175.460 Einwohner gezählt; die Zunahme fällt zum Teil in die Zeit nach der zweiten Türkenbelagerung, als die Stadt von einer Grenz-

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festung zur Metropole eines Großreiches geworden war, doch ist auch schon im 17. Jahrhundert mit einem stärkeren Bevölkerungszuwachs zu rechnen. Im Jahre 1796 wurden 235.098 Wiener registriert, während der Franzosenkriege kam es zu einem Bevölkerungsrückgang (1810: 224.548 Einwohner), der aber bald überwunden wurde, und um die Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die Stadt 431.147 Bewohner. In den Zentralbehörden fand man die Zunahme des Proletariats nicht unbedenklich und bemühte sich, freilidi noch ohne großen Erfolg, um eine Begrenzung des Wachstums der hauptstädtischen Industrie. Die Wiener Neubürger stammten in früherer Zeit meist aus Niederösterreich, daneben stellten Zuwanderer aus den Alpenländern, aus den Vorlanden und den Sudetenländern nur kleinere Kontingente. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts beginnt aber die Einwanderung aus den Sudetenländern, insbesondere aus Mähren, zu überwiegen. An ihr waren sowohl Tschechen wie Deutsche beteiligt, jene stärker unter den Arbeitern, diese mehr im Mittelstand vertreten. Kleinere, aber einflußreiche und oft vermögende Volksgruppen bildeten in der kaiserlichen H a u p t - und Residenzstadt Polen, Italiener, Magyaren, Griechen (einschließlich der aus konfessionellen Gründen ihnen angeschlossenen makedonischen Rumänen) und Armenier. Die Widerstandskraft gegen die assimilatorische Wirkung der deutschsprachigen Mehrheit war recht verschieden, am stärksten dann, wenn der nationale Unterschied durch den konfessionellen und durch eine starke Tradition ergänzt wurde, wie etwa bei den Wiener Griechen. Fremdvölkische Elemente gab es naturgemäß auch in der Garnison, im Vormärz meist „zuverlässige" Polen und Ruthenen aus Galizien. Die Juden waren noch immer verschiedenen Beschränkungen unterworfen, namentlich was den Erwerb von Landbesitz und die Ausübung öffentlicher Ämter betraf. Ihre Zahl war gering, stieg aber im Rahmen der allgemeinen städtischen Entwicklung Wiens, das auch zum Zentrum der österreichischen Juden wurde. Audi in diesem Falle überwog die Zuwanderung aus Böhmen und Mähren, dann kam jene aus Ungarn. Vorderhand fehlte noch das ärmere, fluktuierende ostjüdische Element. Die wohlhabenden jüdischen Bankiers und Industriellen hatten neben dem wirtschaftlichen auch einen bedeutenden gesellschaftlichen Einfluß. Die Behandlung der bevölkerungsgeschichtlichen Konsequenzen der Industrialisierung kann sich nicht auf die Hauptstadt beschränken. Andere Zentren der neuen Industrien befanden sich im Viertel unter dem Wienerwald, dessen älteste Großbetriebe in Wiener Neustadt, Pottendorf, Vöslau, Neunkirchen, Schwechat, Himberg, Guntramsdorf standen. Zu Ende unserer Epoche wurden Berndorf und Ternitz Industriesiedlungen. Westlich des Wienerwaldes blieb von Anfang an St. Pölten führend. In der Steiermark bewirkte die Steigerung von Produktion und Beschäftigtenzahl der Eisenindustrie ein wesentliches Anwachsen der Bevölkerung der obersteirischen Städte Leoben, Bruck, Knittelfeld, Judenburg, Mürzzuschlag und Eisenerz, die stürmische Entwicklung ursprünglich dörflicher Siedlungen wie Donawitz 24·

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und Kapfenberg gehört zum größeren Teil allerdings erst in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Wachstum von Graz und der Orte seiner Umgebung (Andritz, Gratkorn, Gratwein, Puntigam) wurde durch die Papier-, Metallwaren und Brauereiindustrie bewirkt. In Oberösterreich konzentrierte sich die Entwicklung der Industrie vor allem um Linz, Steyr, Wels und Gmunden; die Bevölkerungszunahmen sind aber, abgesehen von Linz, ziemlich bescheiden. Uberhaupt dürfen wir nicht übersehen, daß ungeachtet der bemerkenswerten Vermehrung der industriell tätigen Bevölkerung in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts noch gegen 70 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs in der Agrarwirtschaft tätig waren. Der Arbeiter des Vormärz war nicht mehr der gesuchte Spezialist der merkantilistischen Epoche, auch nicht mehr der Heimarbeiter, der während des theresianischen Zeitalters seine Waren in die großen Textilfabriken lieferte, sondern der bei der immer mehr mechanisierten Herstellung von Massenartikeln, die geringe Ausbildung erforderte, beschäftigte Proletarier. Neben den Männern arbeiteten Frauen und Kinder, oft unter den ungünstigsten, aller Hygiene spottenden Bedingungen und in unmäßig langer, meist 14stiindiger Arbeitszeit. Der Lohn war in der Regel gering, nur in einzelnen Industrien konnten geschickte, hochqualifizierte Facharbeiter auf eine gute Bezahlung rechnen; sie litten auch weniger unter der Eintönigkeit einer abwechslungslosen, geisttötenden Tätigkeit. Die Bergknappen, die doch eine alte Tradition Sozialrevolutionären Kampfgeistes und auch entsprechendes Standesbewußtsein hatten, gerieten nach Aufnahme der Großbetriebe (etwa im Kohlenbergbau) eher ins Hintertreffen. Das Angebot an Arbeitskräften war eben groß, daher die Bezahlung gering, dagegen erforderte der Schichtwechsel früher als anderswo eine Begrenzung der Arbeitszeit (in der Regel auf acht Stunden). Erste Ansätze einer politischen Arbeiterbewegung hatten bis 1848 trotz kurzfristiger Anwesenheit von Wilhelm Weitling und Karl Marx in Wien wenig Erfolg, doch kam es wiederholt zu Hungerkrawallen und man fühlte, daß unter den Arbeitern ein großes Reservoir für revolutionäre Bewegungen vorhanden war. Deshalb versuchte man auch behördlicherseits — wie schon erwähnt wurde — die Konzentration der Industrie in den größeren Städten zu vermeiden. Im Sturmjahr traten die Arbeiter schon stark hervor, doch folgten sie meist noch der Initiative der Studenten, unter denen Anton Willner geradezu als „Arbeiterkönig" galt. H a n d in H a n d mit dem Ausbau der Industrien ging jener der Verkehrsverbindungen, insbesondere der Eisenbahnen. Ohne sie wäre der rasche Transport der Rohstoffe und Industrieprodukte über bedeutende Wegstrecken, aber auch die Ansammlung einer oft von weither gekommenen Arbeiterschaft an alten und neuen industriellen Zentren und deren rasches Wachstum nicht möglich gewesen. Audi Werksbahnen entstanden, die erste in Eisenerz. In den Jahren 1827—1832 wurde die vor allem für den Salz-

M e r k a n t i l p o l i t i k u. I n d u s t r i a l i s i e r u n g . H a n d e l , V e r k e h r u. W ä h r u n g s p r o b l e m e

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transport nach Böhmen bestimmte Pferdeeisenbahn Linz—Budweis angelegt; an sich die erste größere Eisenbahn des Kontinents, aber als P f e r d e b a h n im G r u n d e schon bei ihrem Bau überholt, zumal die billig hergestellte Trasse die spätere Umstellung auf den D a m p f b e t r i e b verhinderte. Als erste D a m p f bahn wurde nach den Plänen F r a n z X a v e r Riepls von einem Bankenkartell unter F ü h r u n g des Hauses Rothschild in den J a h r e n 1836—1847 die KaiserF e r d i n a n d - N o r d b a h n von Wien über Brünn und das nordmährisch-schlesische Industrierevier nach Oderberg geführt, wo man 1848 den Anschluß an das preußische Bahnnetz herstellte und damit eine direkte Verbindung Wien— H a m b u r g schuf. Die N o r d b a h n hatte größte wirtschaftliche Bedeutung und spielte auch eine wichtige Rolle bei der mährischen Z u w a n d e r u n g nach Wien. Als ersten Abschnitt der Südbahn, die Wien mit den A d r i a h ä f e n verbinden sollte, nahm man 1841 die Strecke Wien—Gloggnitz in Angriff; der Semmering blieb v o r d e r h a n d noch unbezwungen, d a n n f ü h r t e eine weitere Teilstrecke von Mürzzuschlag nach G r a z (1844) und Cilli (1846). A u d i in den ungarischen und italienischen Gebieten der Monarchie setzte damals der Bahnbau ein. Im J a h r e 1829 wurde die k. k. privilegierte Erste Donaudampfschifffahrtsgesellschaft gegründet; im J a h r e 1834 f u h r man bereits von Wien bis zur D o n a u m ü n d u n g , freilich bot der noch unregulierte Strom der S d i i f f a h r t große Schwierigkeiten. Dennoch hatte die österreichische Gesellschaft, die gegenüber dem Ausland stets die F ü h r u n g behielt, guten Erfolg, um die J a h r h u n d e r t m i t t e verfügte sie bereits über 50 Dampfschiffe. Allerdings verlagerte sich das Schwergewicht des Frachten- und Personenverkehrs von den Flüssen ebenso wie von den Straßen auf die Eisenbahnen, daher w u r d e der Ausbau von Kanälen trotz mancher Projekte nur mehr in bescheidenem M a ß e gefördert. U m die J a h r h u n d e r t w e n d e h a t t e man noch den Wiener N e u s t ä d t e r K a n a l angelegt, dem freilich auch nur eine sehr geringe wirtschaftliche Funktion zukam. U n t e r Maria Theresia wurden vorübergehend wieder koloniale Unternehmungen versucht. Holländische Seefahrer legten in österreichischem Dienst eine Station an der Delagoabai ( O s t a f r i k a ) an, auch an der indischen Malabarküste und auf den N i k o b a r e n f a ß t e man Fuß. Nach Ablauf eines Jahrzehntes (1775—1785) gab man alle Faktoreien und S t ü t z p u n k t e wieder auf; die Rücksicht auf die traditionellen Kolonialmächte spielte dabei eine wesentliche Rolle. Im V o r m ä r z bemühte man sich nicht mehr um überseeische Besitzungen, wohl aber schuf man allmählich eine leistungsfähige Seeschiffahrt, die von den H e i m a t h ä f e n Triest, Venedig und Fiume operierte. In den dreißiger Jahren begann der österreichische Lloyd seine Tätigkeit, die vor allem dem Verkehr mit der Levante, Indien und dem Fernen Osten gewidmet war. Es wirkte sich allerdings ungünstig aus, d a ß die zuständigen Behörden der Erfindung der Schiffsschraube durch Joseph Ressel aus C h r u d i m kein Verständnis entgegenbrachten.

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R e f o r m , R e a k t i o n und R e v o l u t i o n

Der Vormärz brachte auch wichtige Veränderungen im Nachrichtendienst. Regelmäßige Postwagenverbindungen gab es schon seit 1748. Im Jahre 1813 wurde das erbländische Postregal der Grafen Paar abgelöst, die Post vom Staat übernommen. D a s erleichterte die Briefzensur, die in der Ära Metternich mit Leidenschaft und Geschick arbeitete. Im Fernmeldewesen unternahm das Militär verschiedene Versuche mit dem optischen Telegraphen nach französischem Vorbild, in den vierziger Jahren begann dann der Ausbau eines Netzes der Elektrotelegraphie entlang den Eisenbahnlinien, das vorderhand allerdings nur für den staatlichen Nachrichtendienst bestimmt war. Die Entwicklung des österreichischen Handels, namentlich des Außenhandels während der Epoche von 1740—1848 ist recht aufschlußreich. Sie wird naturgemäß durch den Wechsel von Krieg und Frieden wie durch die Veränderungen des Territorialbestandes der Monarchie ganz wesentlich geformt. Wir haben dabei schon eine Möglichkeit, auch die Quantitäten einigermaßen zu verfolgen, da es seit 1776 (mit Unterbrechungen) bereits Handelsstatistiken der Gesamtmonarchie gibt. Infolge einer eine Zeitlang noch bestehenden Verflechtung der österreichischen Wirtschaft mit dem 1740 verlorengegangenen Schlesien sowie der Nordorientierung des 1772 erworbenen Galizien, das sich allerdings ziemlich rasch dem österreichischen Wirtschaftsraum einordnete, war der Exporthandel über die N o r d - und Ostseehäfen zunächst noch umfangreicher als jener über Triest, trotz der ausgiebigen Förderung dieser Hafenstadt, deren Bevölkerung sich unter Maria Theresias Regierung verdreifachte. Geringfügiger blieb bis in den Vormärz der Balkanhandel, obwohl auch er in der theresianischen Epoche wesentlich zunahm. Man versuchte auch Neuland für den österreichischen Handel zu erschließen. So wurde nach Beendigung der kolonialen Versuche 1785 eine österreichischamerikanische Handelsgesellschaft gegründet; die Franzosenkriege und die Kontinentalsperre brachten aber für die Entwicklung des Ubersee- und Englandhandels eine einschneidende Zäsur. Unter den österreichischen Exportgütern nehmen Eisenwaren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Spitzenstellung ein, dann kam es infolge der wachsenden schwedischen, englischen und schließlich auch westdeutschen Konkurrenz zu einem starken Rüdsgang. Ungünstig wirkte sich in der Gesamthandelsbilanz der Monarchie noch vor der Jahrhundertwende der Verlust des hochindustrialisierten Belgien aus, während nach 1815 besonders die Erwerbung Venetiens und die Wiedergewinnung der Lombardei das Bild günstig beeinflußten. Der H a f e n von Venedig wurde unter der österreichischen Verwaltung sehr gefördert. Im Vormärz bildeten Rohseide und Textilien (Woll- und Seidenwaren) den weitaus wichtigsten Ausfuhrartikel, während die Bergprodukte (insbes. Metalle), Flachs und Leinenwaren stark zurückgingen. Die Handelsbilanzen der einzelnen Länder waren naturgemäß verschieden, am stärksten ist der Export aus Niederösterreich und Böhmen. Ungarn bietet ein wesentlich ungünstigeres Bild, hier gab es eben wenig

Merkantilpolitik u. Industrialisierung. H a n d e l , Verkehr u. Währungsprobleme

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Industrien; zweifellos war das Land von den theresianischen und josephinischen Kommerzbehörden weniger gefördert worden als die Erblande, es galt vor allem als geeignetes Absatzgebiet für österreichische Waren und die Ausfuhr österreichischer Textilien nach Ungarn betrug ein Mehrfaches der Ausfuhr über die Grenzen der Gesamtmonarchie. Dabei bestand gegenüber Ungarn noch eine Zollschranke, während sonst die Binnenzölle allmählich aufgehoben wurden. Nach außen aber sollten Schutzzölle und sogar Einfuhrverbote (1784 für verschiedene auch im Inland erhältliche Waren, wie Glas, Porzellan, Uhren, Wirkwaren usw.) die österreichische Industrie vor übermächtiger Konkurrenz schützen. Die Zollordnung von 1835 schuf dann für längere Zeit stabile Verhältnisse im Sinne der Schutzzollpolitik. Den Anschluß an den deutschen Zollverein, der eine Zeitlang zur Debatte stand, hat man auf Grund der Bedenken der Kommerzbehörden und der Wirtschaftskreise unterlassen. Die Tendenz zur Vereinheitlichung, die für die Reformen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts charakteristisch ist, zeigte sich auch in der Währungspolitik. Unter Maria Theresia wurde 1750 der von Österreich und Bayern vereinbarte, dann von den meisten deutschen Staaten (außer Preußen und den Hansestädten) übernommene Konventionsmünzfuß (20 Gulden = 10 Taler, auf 1 Kölner Mark) eingeführt; diese Münze behauptete sich bis 1858. Die Maria-Theresientaler waren sorgfältig geprägt, und als sie bei der Bezahlung der nach Österreich importierten Waren ins Ausland strömten, insbesondere über Triest und das toskanische Livorno in die östlichen Mittelmeerländer, wurden sie infolge der Wertschätzung durch die Orientalen bis weit nach Äthiopien und Arabien zum bevorzugten Zahlungsmittel, das sich bis ins 20. Jahrhundert behaupten konnte. Daraus ergab sich für den österreichischen Fiskus eine nicht unbedeutende Einnahmequelle. Infolge der Erfordernisse der Finanzierung des Siebenjährigen Krieges mußte man 1762 vorübergehend Papiergeld ausgeben. Während der napoleonischen Kriege suchte man sich wieder durch „Bancozettel" zu behelfen, aber diesmal gelang die Einlösung zum Nennwert nicht; es kam, wie schon erwähnt, zur Abwertung auf ein Fünftel und zum Staatsbankrott (1811). Die Befreiungskriege wurden wieder mit Papiergeld finanziert, dessen Kurs ständig sank. Erst durch Gründung einer österreichischen Nationalbank (1816) gelang es, Ordnung zu schaffen. Die Finanzlage der Monarchie blieb aber während des ganzen Vormärz kritisch; im Staatshaushalt gab es ein ständiges Defizit, man mußte sich mit Anleihen behelfen, die großenteils durch das Haus Rothschild gegeben oder vermittelt wurden. Dessen im Jahre 1820 durch Salomon Rothschild gegründetes Wiener Geldinstitut nahm im Vormärz einen großen Aufschwung; Metternich und sein Publizist Gentz pflegten sorgfältig die Verbindung mit dem unentbehrlichen Geldgeber. Andere Bankhäuser waren auf die Dauer weniger erfolgreich; Fries & Co. brach 1826 zusammen, Geymüller & Co. fallierte 1841.

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R e f o r m , R e a k t i o n und R e v o l u t i o n

Erziehungswesen

und

Wissenschaften

Das Geistesleben unserer Epoche weist ein an vielfältigen Übergängen reiches Neben- und Nacheinander verschiedenster weltanschaulicher, religiöser und politischer Strömungen auf, die auch in der offiziellen Staatspolitik, so einheitlich starr sie zu Zeiten anmuten mag, zur Geltung kommen. In der Zeit Maria Theresias stehen gemäßigt aufklärerische Tendenzen im Vordergrund. Das zeigt sich unter anderem in der Arbeit der Behörden und ihrer Beauftragten für das Schulwesen, der der Stempel der pflichtgemäßen Sorge des Wohlfahrtsstaates für die Untertanen aufgedrückt ist; damit steht nicht in Widerspruch, daß man sich vielfach auf Schulmänner aus den Reihen des katholischen Klerus stützte, der ja zum Teil ähnlichen Anschauungen huldigte. Die Regierung Maria Theresias kündete auch im Erziehungswesen den Anbruch einer neuen Zeit an. Schon im ersten theresianischen Jahrzehnt kam es zu lokalen, schulischen Initiativen, etwa durch den Jesuitenpater Parhammer in Graz und Wien. Die Hauptarbeit wurde aber erst später, seit der Autonomie der Studienkommission (1760), geleistet. Am bedeutendsten erwies sich die Schaffung einer Grundschule (Volksschule), welcher bereits der Gedanke einer allgemeinen Schulpflicht zugrunde lag, der freilich nur unter erheblichen regionalen Unterschieden im Tempo, allmählich, bei den Mädchen später als bei den Knaben, verwirklicht werden konnte. Die Kaiserin berief den Abt Ignaz Felbiger von Sagan (Preußisch-Schlesien), dessen „Schulordnung" maßgeblich für die Neuorganisation des niederen Schulwesens wurde (1774). Den Volksschulen, an denen Lesen, Schreiben und Rechnen gelehrt wurde, waren die Hauptschulen übergeordnet, an denen zunächst auch ein Lateinunterricht vorgesehen war, schließlich errichtete man Normalschulen als Lehrerbildungsanstalten. Die Wiener Studienhofkommission überwachte das gesamte Schulwesen; der aus dem Vermögen des aufgelösten Jesuitenordens gespeiste Studienfonds gab die nötige finanzielle Basis. Die Aufhebung des Jesuitenordens, der zahlreiche Gymnasien geleitet hatte, machte sich im Mittelschulwesen sehr bemerkbar. Der Piaristenorden trat nunmehr im Schulwesen an die führende Stelle, auch die Stiftsgymnasien der alten Orden spielten eine wichtige Rolle, doch wurden manche von ihnen durch die josephinischen Klosteraufhebungen betroffen. So verringerte sich die Zahl der Gymnasien, während jene der Volksschulen unter Joseph II. noch erhöht wurde. Auf Maria Theresia gehen noch zwei wichtige Gründungen mittlerer Schulanstalten mit Sonderaufgaben zurück; einmal das Theresianische Kollegium bzw. dessen 1751 verselbständigte Oberstufe, die Theresianische Ritterakademie, die der Ausbildung junger Adeliger für den öffentlichen Dienst gewidmet war und großen Anklang fand, dann die Orientalische Akademie (1754, später Konsularakademie) zur Schulung für die Vertretung des Staates im Ausland.

Erziehungswesen und Wissenschaften

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D e r A u f b a u eines modernen Schulwesens erfolgte keineswegs widerstandslos; kirchliche Bedenken wegen einer Infizierung breiterer Bevölkerungsschichten durch areligiöse P r o p a g a n d a wurden laut, dazu k a m ein Widerstand der Grundherren gegen die Schulpflicht f ü r die bäuerliche J u g e n d , der wohl auch von den Primitiveren unter den Eltern geteilt wurde, die eine Beeinträchtigung der Feldarbeit fürchteten. D i e S t ä n d e suchten jedenfalls die Volksschule in die H a n d zu b e k o m m e n , diese Vorstöße wurden aber von den staatlichen Behörden zurückgewiesen. In der franziszeischen Zeit w u r d e die staatliche Schulaufsicht noch verstärkt, der Geist allerdings w a r ein anderer geworden: D i e Isolierung der Schüler und Lehrer vor revolutionären Ideen w u r d e zur H a u p t s o r g e . D i e Geistlichkeit sollte nach dem Volksschulgesetz von 1804 den S t a a t bei der Überwachung der Schulen unterstützen; die Lehrer waren verpflichtet, sich ausschließlich der vorgeschriebenen Lehrmittel zu bedienen. D a s N i v e a u der Mittelschulen ging im Durchschnitt eher zurück. F ü r die naturwissenschaftlich-technische Ausbildung, deren Bedeutung f ü r S t a a t und Wirtschaft g a n z augenfällig w a r , hatte K a i s e r F r a n z aber etwas übrig; so w u r d e in Wien 1809 die erste Realschule gegründet, G r a z folgte 1845. A l s höhere technische Lehranstalt w u r d e 1815 in Wien das Polytechnikum errichtet und großzügig ausgestattet. A u f den Universitäten w u r d e in der theresianisch-josephinischen Epoche die konfessionelle durch die staatliche B e v o r m u n d u n g abgelöst. M a r i a Theresia w a n d t e der Wiener Universität schon in den vierziger J a h r e n des 18. J a h r h u n d e r t s ihre besondere A u f m e r k s a m k e i t zu, m a n w a r durch die A b w a n d e r u n g zahlreicher österreichischer Studenten an ausländische U n i versitäten verstimmt und beunruhigt. D i e Herrscherin b e a u f t r a g t e ihren Leibarzt, den aus H o l l a n d nach Wien berufenen G e r h a r d v a n Swieten, der f ü r sie die maßgebliche und unbedingt vertrauenswürdige A u t o r i t ä t in allen wissenschaftlichen Angelegenheiten war, mit der Ausarbeitung einer U n i versitätsreform. V a n Swieten erneuerte zunächst die Studienordnung der medizinischen F a k u l t ä t (Patent v o m 7. F e b r u a r 1749), in analoger Weise wurden später auch die drei anderen Fakultäten umgebaut. Studiendirektoren vertraten den S t a a t an den F a k u l t ä t e n . D i e Jesuiten wurden noch vor der A u f h e b u n g ihres O r d e n s Schritt f ü r Schritt aus den Schlüsselpositionen im L e h r k ö r p e r verdrängt, Kirche und Bibliothek des O r d e n s wurden nach dessen A u f h e b u n g (1773) der Universität zugesprochen. Protestanten (1778) und J u d e n (1782) wurden zu den Studien und zur G r a d u i e r u n g zugelassen. Ähnlich wie in Wien ging m a n in G r a z und Innsbruck vor, doch w u r d e diesen Universitäten der S p a r e i f e r K a i s e r J o s e p h s verhängnisvoll, der sie — unter Aufrechterhaltung begrenzter Promotionsrechte — in L y z e e n verwandelte. D i e deutsche Sprache wurde an Stelle des Latein zur allgemeinen Unterrichtssprache der Universitäten. D e r wissenschaftliche R a n g der A n stalten w a r weiterhin im allgemeinen eher bescheiden, m a n wollte eben nicht Gelehrte, sondern akademisch qualifizierte Staatsdiener ausbilden.

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Reform, Reaktion und Revolution

Nichtsdestoweniger hatten die juridische und namentlich die medizinische Fakultät der Universität Wien unverkennbare Studicnerfolge zu verzeichnen; sie verfügten über einige hervorragende Lehrer, die sich auch unter weniger günstigen Bedingungen durchzusetzen vermochten. Unter den Juristen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind Karl von Martini, Anton von Riegger, Joseph von Sonnenfels und Joseph Valentin Eybel zu nennen; durchweg entschiedene Josefiner, die die offiziösen Staatslehren vortrugen. Während der Zeit der ärgsten Bedrängnis der Monarchie in den Franzosenkriegen vollendete Franz Zeiller, auf den Vorarbeiten Martinis weiterbauend, das monumentale Werk des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Zeiller verfaßte seine Arbeit im Geiste der Aufklärung und des Naturrechtes, in einer Diktion von klassischer Kraft und Prägnanz; das ABGB bildet seit 1811 bis heute die Grundlage des österreichischen Zivilrechtes. Die „Erste Wiener medizinische Schule" hatte in dem Anatomen Lorenz Gasser, den Klinikern Maximilian Stoll und Leopold Auenbrugger ausgezeichnete Kräfte. Auenbrugger wandte als erster die Perkussion des Brustkorbes zur Diagnose an, auch der Exjesuit Maximilian Stoll war ein hervorragender, bei der Bevölkerung Wiens sehr angesehener Internist. Lukas Johann Boer, dessen Wirken noch weit in den Vormärz reichte, reformierte die Geburtshilfe. Man wird überhaupt auf die Anstrengungen des Regimes und seiner Berater auf dem Gebiete des öffentlichen Gesundheitswesens — ganz im Sinne der Ideen der Aufklärung — hinweisen müssen. Spitäler, Gebäranstalten und Irrenhäuser wurden errichtet. Angesichts des eigenartigen hierarchischen Aufbaues des österreichischen Gesundheitswesens in jener Zeit kam es sehr wesentlich auf die Person des „Protomedicus" am kaiserlichen H o f e an, der mit weitgehenden Vollmachten, aber auch mit größter Verantwortung ausgestattet war. In Gerhard van Swieten hatte dieses Amt einen ausgezeichneten Vertreter, auch der nach Van Swietens Tod (1772) ernannte Anton von Störck war ein Anatom von Rang und bahnbrechender Heilmittelforscher, der allerdings bei der Besetzung der Lehrstühle der medizinischen Fakultäten und Kliniken nicht immer eine glückliche H a n d hatte. Nach dem Ableben Störcks (1803) wäre der berufene Nachfolger der Direktor des 1783 auf Veranlassung Josephs II. errichteten Wiener Allgemeinen Krankenhauses, Johann Peter Franck, gewesen, ein Mediziner von europäischem Ruf und ausgezeichneter Organisator, der Isolierzimmer und Unfallstationen einrichtete und überhaupt ein mustergültiges Sanitätswesen schuf, das dann von den anderen europäischen Staaten nachgeahmt wurde. Der freimütige Gelehrte war nicht der Mann nach dem Herzen des Kaisers Franz, der ihm Johann Andreas Stifft vorzog, dessen wahrhaft reaktionäre Haltung sich im Vormärz verhängnisvoll auswirken sollte. Im übrigen waren trotz aller anerkennenswerten Bemühungen um die Volksgesundheit die Verhältnisse wenig befriedigend, die Kindersterblichkeit raffte den größeren Teil der Neu-

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geborenen hinweg, das Kindbettfieber forderte einen hohen Zoll unter den Müttern. Zu Beginn der dreißiger Jahre verursachte eine Choleraepidemie, die auch den Pestkordon an der Militärgrenze überwand, der sich 1814 bei der Abhaltung einer in der europäischen Türkei grassierenden Pestseuche bewährt hatte, stärkere Verluste unter der Wiener Bevölkerung. Andererseits hatte Österreich nach verschiedenen Versuchen mit anderen Immunisierungsmethoden noch vor der Jahrhundertwende die Jennersche Schutzpockenimpfung (Vakzination) übernommen, und diese gefährliche Krankheit ging sehr zurück. In der ferdinandeischen Zeit setzte die Arbeit der älteren Angehörigen der Zweiten Wiener medizinischen Schule ein, die dann in der franzisko-josephinischen Ära einen glänzenden Aufstieg nahm. Im Jahre 1834 nahm Karl Rokitansky seine Tätigkeit als Professor der Anatomie auf, 1846 erhielt Josef Skoda die Leitung der medizinischen Klinik. Es ist nicht uninteressant, daß nach dem Wegfall der äußeren Schwierigkeiten des Staates, nach Beendigung der napoleonischen Kriege, das wissenschaftliche Niveau der österreichischen Universitäten eher weiter absank. Der Staat kümmerte sich mehr um die Überwachung der als politisch unzuverlässig geltenden Studenten und Professoren als um die Förderung der Wissenschaft — mit Ausnahme der naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen. Es kam zu unerfreulichen Maßnahmen gegen Gelehrte, die sich bei den Vorlesungen nicht an die vorgeschriebenen, oft arg veralteten Lehrbücher hielten oder wegen ihrer weltanschaulichen Haltung mißliebig waren. Zu den Opfern gehörten der Theologe Bernhard Bolzano (Prag), der Religionswissenschaftler Vinzenz Weintritt, der Philosoph Leopold Rembold (Wien), der Historiker Julius Schneller (Graz) und sogar der Wiener Gynäkologe Lukas Boer. Die ängstliche Absperrung vom Auslande, insbesondere von dem Aufschwung der Wissenschaften und der Blüte der Literatur im deutschen Sprachgebiet jenseits der schwarz-gelben Grenzpfähle, wirkte sich höchst unerfreulich aus. Es war gewiß kein Zufall, wenn die bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen vielfach jenseits des scharf überwachten akademischen Bodens vollbracht wurden. Sehr deutlich zeigt sich ein Übergewicht der wissenschaftlich tätigen Beamten an Bibliotheken, Archiven und Museen sowie einiger monastischer Gelehrter gegenüber den Universitätslehrern im Bereiche der Geschichtsforschung, von der theresianischen Epoche bis zum Ende des Vormärz. Ein Gutteil der Arbeit war nach wie vor der Quellenedition gewidmet. Der gelehrte Wiener Piarist Adrian Rauch veröffentlichte drei Bände „Rerum Austriacarum Scriptores" (1793), der Grazer Jesuit Erasmus Fröhlich sammelte zwei Bände steirischer Urkunden (1757). Auf Marquard Herrgotts aus dem Barock in die neue Zeit hinüberragende Gestalt wurde schon verwiesen. Als Forscher wie als Darsteller versuchte sich recht erfolgreich der gebürtige Wiener Franz Ferdinand Schrötter, Hofrat der Staatskanzlei; sein „Grundriß des österreichischen Staatsrechtes" (1775) und die unvollendet gebliebene

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„österreichische Geschichte" (1779) zeugen von dem kritischen Geist Schrötters, der als der Schöpfer des österreichischen Staatsrechtes gelten darf. Der Augustinerchorherr Aquilinus Julius Caesar publizierte drei Bände „Annales ducatus Styriae" (1768—1779), der vierte fiel der Zensur zum Opfer. Von ihm stammen auch kirchenrechtliche und kirchengeschichtliche Abhandlungen. Ein höchst gelehrtes Werk zur Frühgeschichte Salzburgs schuf der auch als Archivar und Rechtsgelehrter hervorragende Johann Franz Thaddäus Kleimayrn in den „Nachrichten vom Zustande der Gegenden und Stadt Juvavia" (1784). Eine sehr bedeutende Leistung kann man in der Bibliographie der österreichischen Geschichte von Johann Nikolaus Vogel und Leopold Gruber (Specimen Bibliothecae Germaniae Austriacae, 3 Bde., 1779—1785) sehen, als Mäzen des Werkes fungierte Joseph Wendt von Wendtental. Gregor Gruber, gleich dem eben genannten Leopold Gruber ein Piarist, war ein recht tüchtiger Praktiker der Urkundenforschung, wie schon vor ihm der Exjesuit Joseph Benedikt Heyrenbach, von dessen Arbeiten freilich nur der kleinere Teil im Druck erschien. Ein anderer Exjesuit, der aus Enzesfeld in Niederösterreich stammende Joseph Hilarius Eckhel, verfaßte als Direktor des kaiserlichen Münzkabinetts seine achtbändige „Doctrina nummorum veterum" (1792—1798), ein Werk, das als eine Hauptgrundlage der modernen, wissenschaftlichen Numismatik gelten darf. Die Tradition der monastischen Geschichtsschreibung fand ihre beste Vertretung im Stift St. Florian. Der Chorherr Franz Kurz schrieb seine „Beiträge zur Geschichte des Landes Österreich ob der Enns" (1805—1809) mit planmäßiger Verwertung von Urkunden und Akten, ebenso stützte er sich in seinen Lebensbildern der mittelalterlichen Habsburger vor allem auf urkundliches Material. Erst seit ihm wurde man sich des Wertes der Archive als Sammelplätze ungedruckter Geschichtsquellen so richtig bewußt. Im Sinne von Kurz arbeiteten in St. Florian auch der Vorarlberger Jodok Stülz, der es zum Propst des Stiftes brachte, und der Deutschmährer Joseph Chmel, ein unermüdlicher Sammler, dessen Leistung in der Regel nur mit wohlwollender Herablassung beurteilt wird, aber doch echte Anerkennung verdient. Chmel wurde im Jahre 1834 an das Haus-, H o f - und Staatsarchiv berufen und veröffentlichte alsbald eine Fülle tüchtiger Arbeiten zur Geschichte des Spätmittelalters. Audi Joseph Freiherr von Hormayr war als Leiter des Haus-, H o f - und Staatsarchivs eifrig tätig, nachdem er von der Festungsstrafe wegen Beteiligung an der Alpenbundaffäre (1812) begnadigt worden war. Wir verdanken Hormayr nebst anderen Arbeiten eine Geschichte Wiens (9 Bde., 1823—1825), das biographische Sammelwerk ö s t e r reichischer Plutarch (20 Teile, 1807—1814) und die Herausgabe historischgeographischer Fachzeitschriften. Später trat Hormayr in bayerische Dienste (1828) und verleumdete sein Vaterland und seine früheren Brotherren in peinlichster Art. Eduard Maria Fürst Lichnowsky schrieb eine achtbändige, durch die heute noch verwendbaren Urkundenregesten von Ernst Birk

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ergänzte Geschichte des Hauses Habsburg ( 1 8 3 6 — 1 8 4 4 ) , die freilich nur die Zeit bis zum Ende der Regierung Friedrichs I I I . behandelte und eher den älteren T y p der Regentengeschichtsschreibung repräsentiert. All das von den genannten Forschern und Autoren geschaffene wird man, so verdienstlich und — etwa im Falle von Eckhel und Kurz — in die Zukunft weisend es war, gewiß nicht mit den Werken eines Niebuhr oder eines Ranke auf eine Stufe stellen wollen. Wahrhaft europäische Schätzung erlangte dagegen der Steirer Josef Hammer Freiherr von Purgstall als hervorragender Orientalist, namentlich durch seine „Geschichte des osmanischen Reiches" (2. Aufl. 1835, 4 Bde.) und durch seine literaturgeschichtlichen Arbeiten und Übersetzungen. Auch Kardinal Khlesl erhielt eine umfangreiche Biographie von Hammers Feder (4 Bde., 1 8 4 7 — 1 8 5 1 ) . Weniger materialreich, aber glänzend geschrieben waren die Schilderungen der Landschaften des östlichen Mittelmeerraumes und des griechischen Freiheitskampfes durch den später im diplomatischen Dienst in Athen und Stambul tätigen Grafen Anton Prokesch-Osten sowie die „Fragmente aus dem Orient" des scharfblickenden und hochgebildeten, auch journalistisch tätigen Südtirolers J a k o b Fallmerayer (2 Bde., 1845). In allen Territorien der Monarchie wurden auch Organisationen der landeskundlichen Forschung geschaffen, in Steiermark kam es durch die Initiative des Erzherzogs Johann 1811 zur Gründung des Landesmuseums Joanneum (1811) und seines Lesevereines, dann des innerösterreichischen Geschichtsvereins (1843); die Initiative des Erzherzogs und seiner Gesinnungsfreunde wirkte auch auf die anderen Länder befruchtend. Im Jahre 1823 entstand das Museum Ferdinandeum in Innsbruck und als älteste heute noch bestehende, landeskundliche Zeitschrift begann schon 1811 in Klagenfurt die „Carinthia" zu erscheinen. So sehen wir, wie sich im Vormärz ein beachtlicher Aufschwung des wissenschaftlichen Heimatgedankens abzeichnet, der im übrigen nicht auf die Deutschösterreicher beschränkt ist, sondern auch Slawen und Magyaren erfaßte; es genügt wohl, auf den Kreis um Franz Palacky und Joseph Dobrovsky hinzuweisen. Auch bei der Würdigung der Naturwissenschaften ist es nicht zweckmäßig, von den Hochschulen auszugehen. Es muß vor allem auf Gründung eines Naturalienkabinetts und eines physikalischen Kabinetts im Rahmen der Sammlungen des Herrscherhauses durch Maria Theresias Gemahl Franz Stefan hingewiesen werden, der übrigens eine Anzahl französischer und lothringischer Künstler und Gelehrter nach Wien zog. Für das Naturalienkabinett ließ Franz Stefan die vermutlich größte damals existierende naturwissenschaftliche Sammlung, jene des Johann von Baillou, ankaufen, die dann unter Maria Theresia durch Ignaz von Born und unter Kaiser Franz durch Karl von Schreibers zielbewußt und zweckmäßig ausgebaut wurde. Im J a h r e 1753 wurde Nikolaus Joseph Jacquin, der ebenso wie Gerhard van Swieten aus Leiden kam, zum Professor der Botanik und der Chemie

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an der Universität Wien bestellt. Er unternahm ausgedehnte botanischzoologische Reisen und hielt das Ergebnis seiner Forschungen in umfangreichen Veröffentlichungen fest, darunter dem grundlegenden Werk „Flora Austriaca" (5 Bde., 1773—1778); das mitgebrachte exotische Material aber wurde den kaiserlichen Sammlungen einverleibt. Schon Born hatte Erze und Mineralstufen gesammelt und untersucht, der eigentliche Begründer der wissenschaftlichen Mineralogie in Österreich ist aber Friedrich Mohs aus Gernrode. Dieser Wahlösterreicher führte im Vormärz ausgedehnte mineralogisch-geognostische Forschungsarbeiten in den Alpenländern durch und arbeitete am Joanneum und am kaiserlichen Naturalienkabinett. Die meisten mineralogischen Studien der Epoche standen noch in engem Zusammenhang mit praktischen montanistischen Arbeiten. Die Landesvermessung und geographisch-kartographische Untersuchungen lagen im Interesse der Staatsverwaltung, die aus fiskalischen und militärischen Gründen diese Studien förderte. Zwei Autodidakten, die Bauernsöhne aus Oberperfuß Peter Anidi und Blasius Hueber, lieferten unter Maria Theresia ein ausgezeichnetes Kartenwerk über ihre Tiroler Heimat. Für die Erforschung der österreichischen Alpenländer, sowohl in erdkundlichen und montanistischen als auch in volkskundlichen Untersuchungen leistete der in jungen Jahren in den österreichischen Dienst getretene Georg Belsazar Hacquet, ein gebürtiger Bretone, eine wahre Pionierarbeit. In unserer Epoche erschien schließlich eine ganze Reihe von landeskundlichen Werken; der nebstbei auch als Schauspieler und Komödiendichter erfolgreich tätige Friedrich Wilhelm Weiskern (1769), dann C.W. Blumenthal (1816, 1834) und Franz Xaver Schweickhardt (1831—1840) behandelten in mehrbändigen Werken Niederösterreich, Friedrich Sartori (1816) und Karl Schmutz (1822/23) die Steiermark, Johann Jakob Staffier (1847) Tirol und Vorarlberg. Auch über die Sudeten- und Karpatenländer erschienen Arbeiten. Einen sehr rühmlichen Anteil nahmen Österreicher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an der Erforschung der Neuen Welt, namentlich Südamerikas. Zwei Jesuiten, der Schlesier Florian Baucke und der Steirer Martin Dobrizhoffer hinterließen uns wertvolle Nachrichten über Land und Leute in Paraguay, wo sie bis zur Aufhebung des Jesuitenstaates (1767) tätig waren. Der Deutschböhme Thaddeus Haenke aus Kreibitz erforschte um die Jahrhundertwende — vor Alexander von Humboldt — die Andenund La-Plata-Länder. Er war auf verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten tätig und wurde unter anderem der entscheidende Anreger der chilenischen Salpetergewinnung. Da er nur in spanischer Sprache publizierte, geriet sein Name in Österreich unverdienterweise in Vergessenheit. Der Steirer Benedikt Hermann veröffentlichte zuerst montanistische Studien über die österreichischen Alpenländer und ging dann 1783 nach Rußland, wo er sich große Verdienste um die Erschließung der sibirischen Bergschätze und ihre Verhüttung erwarb; wir verdanken ihm auch wichtige naturwissen-

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schaftliche Werke über den Ural und Sibirien. Die Wienerin Ida Pfeiffer, eine tatkräftige und unerschrockene Forscherin, unternahm in den vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts ausgedehnte Reisen, die sie in alle Weltteile führten und von ihr in fesselnden Werken beschrieben wurden. Im J a h r e 1755, mit anderen Städten verglichen recht spät, erhielt Wien eine große ständige Sternwarte am Jesuitenkolleg. Der hier tätige Pater Maximilian Hell hatte als Astronom europäischen R u f und bewährte sich 1769 auf einer dänischen Expedition auf die Insel Wardoe vor der nördlichsten Küste Norwegens durch exakte Beobachtung und Berechnung einer Sonnenfinsternis, während alle anderen zum gleichen Zweck unternommenen Nordfahrten ergebnislos blieben. Als hervorragender Astronom galt auch Placidus Fixlmillner von Kremsmünster, wo ebenfalls eine prächtige Sternwarte erbaut wurde. Joseph Johann Littrow, ein Deutschböhme aus Bischofteinitz, lehrte Astronomie an den Universitäten Krakau (1807), Kasan (1816) und Wien ( 1 8 1 9 — 1 8 4 0 ) und weckte durch seine ebenso gelehrten wie klar geschriebenen Arbeiten das Interesse weiterer Kreise an der wissenschaftlichen Sternkunde; sein Werk wurde in Wien von seinem Sohne Karl ( f 1877) erfolgreich weitergeführt. Unter den führenden Vertretern der Naturwissenschaften im Vormärz wäre noch der aus Franken stammende Physiker und Industrietechniker Johann Joseph Ritter von Prechtl zu nennen, der das Wiener Polytechnikum von dessen Eröffnung (1815) an durch 35 J a h r e erfolgreich leitete; Andreas Baumgartner lehrte Physik und Mathematik an der Universität Wien, er war ein Mann von wahrhaft vielseitigster Bildung, ein sehr geschickter Organisator und so wie Prechtl einer jener Männer, die es verstanden, eigene und fremde wissenschaftliche Erkenntnisse der technischen Entwicklung zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Seine energische Initiative bewährte sich bei der Leitung der Porzellanmanufaktur, der Tabakfabriken, bei der Neuanlage des Telegraphenwesens und auch bei den Anfängen des Baues der Südbahnstrecke über den Semmering. Ein Sohn italienischer Eltern, K a r l Freiherr von Birago, rüstete im Vormärz die österreichische Armee mit hervorragendem, an der Donau in Wien und Tulln entwickelten Ponton- und Kriegsbrückenmaterial aus, das später von den anderen Militärmächten nachgeahmt wurde. Nach mehreren vergeblichen Anläufen kam es im J a h r e 1847 zur Gründung der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sdion während der theresianischen Epoche hatte Johann Christoph Gottsched, der deutsche „Literaturpapst", um 1749 die Eröffnung einer Akademie angeregt, deren vornehmlichste Aufgabe die Pflege der deutschen Sprache sein sollte, und im Rahmen der maria-theresianischen Schulreform war als krönender Abschluß der Neuordnung des Erziehungswesens eine naturwissenschaftlich orientierte Akademie vorgesehen gewesen (1774), um deren Gründung sich namentlich der Hofastronom Maximilian Hell bemühte; man kapitulierte aber vor den

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Reform, Reaktion und Revolution

unvermeidlichen Finanzierungsschwierigkeiten, und Maria Theresia hielt — ganz im Sinne ihres mehr praktisch ausgerichteten Reformprogrammes — eine Akademiegründung nicht für vordringlich. In der franziszeischen Zeit stieß man auf den Widerstand des einflußreichen kaiserlichen Leibarztes Stifft, und erst den unermüdlichen Bemühungen Hammer-Purgstalls (seit 1837) gelang es, Metternich für das Akademieprojekt zu gewinnen; am 14. Mai 1847 erlangte man die kaiserliche Genehmigung, und die ersten 40 Mitglieder wurden ernannt, neben Deutschösterreichern auch Slawen, Magyaren und Italiener.

Literatur,

Theater,

Musik und bildende

Künste

Zur Zeit des Hochbarock waren Italienisch und in zweiter Linie auch Spanisch die führenden Fremdsprachen in höfisch-adeligen Kreisen gewesen, in der Wissenschaft bediente man sich noch vorzugsweise des Lateinischen. Gerade während der Regierung der deutschbewußten Maria Theresia wurde Französisch, vordem wegen des politischen Gegensatzes zu Frankreich eher verpönt, zur Gesellschaftssprache, die auch das aristokratische Familienleben zu beherrschen begann. Das Deutsche gewann in der Wissenschaft und als wichtigste Amts- und Vermittlungssprache der Monarchie an Raum, und die gewaltige Entfaltung der deutschen Literatur in ihrer klassischen Epoche blieb nicht ohne Wirkung auf Österreich. Zwar fehlen zunächst noch Autoren, deren geistige Persönlichkeit mit Klopstock, Lessing, Wieland, Goethe oder Schiller auch nur annähernd verglichen werden könnte; immerhin versuchte man den einen oder anderen Großen für Wien und Österreich zu gewinnen. So kamen vorübergehend Gottsched, Wieland, Lessing und Winckelmann nach Wien, doch blieben diese Fühlungnahmen ohne dauerndes Ergebnis. Von den politischen Ratgebern Maria Theresias und Josephs II. suchte besonders Sonnenfels das Verständnis für die deutsche Literatur und das Theater zu fördern, der Hof hielt am traditionellen Mäzenatentum der Habsburger auch in einer Zeit betonter Sparsamkeit fest. Ein Freund der Literatur und Wissenschaft war auch der letzte regierende Fürsterzbischof von Salzburg, Hieronymus Graf Colloredo-Wallsee (1772—1803, f 1812). Unter den großen österreichischen Adelsfamilien traten namentlich die Liechtenstein und Lobkowitz, unter den ungarischen Magnaten die Esterhazy als Kunstförderer in Erscheinung. Im Wiener Geistesleben des Vormärz spielten die Salons gebildeter und wohlhabender Damen eine wichtige Rolle. Die gastfreundliche Dichterin Karoline Pichler, Verfasserin vielgelesener historischer Romane und unbedeutender Ritterdramen und die jüdische Bankiersgattin Franziska (Fanny) Arnstein, in deren Haus während des Wiener Kongresses namentlich die Norddeutschen viel verkehrten, hatten die größten Erfolge. Sehr angesehen war auch Gräfin Johanna von Purgstall,

Literatur, Theater, Musik und bildende K ü n s t e

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eine gebürtige Schottin (Baronin Cranstown), zu deren Kreis zahlreiche führende Schriftsteller zählten. D a s Vereinsleben wurde, namentlich in der franziszeischen Zeit, durch das grundsätzliche Mißtrauen der Behörden und die polizeiliche Uberwachung stark behindert. Die Freimaurer hatten unter Maria Theresia und ihren Söhnen trotz vorübergehenden Verbotes (1765) nicht unerheblichen Einfluß gehabt, namentlich unter den Staatsmännern Josephs gab es zahlreiche Freimaurer, auch unter den Künstlern fand die Gesellschaft Eingang, so gehörten H a y d n und Mozart Freimaurerlogen an. Im Jahre 1797 wurden aber die Freimaurer und andere geheime Gesellschaften verboten. D a s gleiche Schicksal war später der „Wildensteiner Ritterschaft auf blauer E r d e " beschieden, die ca. 1790 von dem Burgenländer Anton D a v i d Steiger, einem vielseitigen, auch als Naturforscher und Montanunternehmer nicht unbedeutenden Manne, gegründet worden war. Die Wildensteiner, zu denen zahlreiche in- und ausländische Aristokraten, auch Angehörige regierender Familien, dann vor allem Künstler, Gelehrte und Geistliche gehörten, veranstalteten ihre Zusammenkünfte auf Schloß Seebenstein in der Buckligen Welt (Niederösterreich) unter Einhaltung eines romantischen Zeremoniells, das mittelalterlich sein sollte, machten sich aber auch durch Spenden für wohltätige Zwecke verdient. Im Jahre 1823 wurde die Gesellschaft auf Grund einer Denunziation aufgelöst. Auch die gleichermaßen harmlose, der Politik eher abgewandte Vereinigung der „Ludlamshöhle", der sich vor allem Schriftsteller und bildende Künstler angeschlossen hatten, fiel dem obrigkeitlichen Argwohn zum Opfer. Schließlich schuf sich die politisch und literarisch interessierte Wiener Gesellschaft im juridisch-politischen Leseverein (1841) eine nach längerem Widerstand doch behördlicherseits anerkannte Organisation. Inwiefern beeinträchtigte das Wirken und Walten von Zensur und Polizei überhaupt das geistige Leben im Vormärz? Zweifellos wirkte sich das Prinzip der Präventivzensur im Buchhandel übel aus, es mußten eben alle Druckschriften vorgelegt werden, die einheimischen im Manuskript, so konnten Veränderungen erzwungen werden, die sich in der Regel auf den Wert des Inhalts negativ auswirkten. Im allgemeinen wurden gewichtigere, teuere Werke milder beurteilt als billige, man fürchtete insbesondere die Wirkung auf die breiten Massen und das machte sich insbesondere bei der Pressezensur geltend. Gelegentlich wurden, von allgemeinen Verboten abgesehen, die betreffenden Werke nur den Fachleuten gegen Revers zugänglich gemacht. Die politische Dichtung, überhaupt zeitkritische Themenstellung, war verpönt. Indessen waren auch historische Stoffe vor Verboten nicht sicher, wenn man Anspielungen witterte. So hatte Grillparzer Schwierigkeiten mit König Ottokar und dem Treuen Diener seines Herrn. Die Eingriffe ins Theaterleben gaben Zeitgenossen und Nachwelt Anlaß zur Belustigung, durch Abänderungen und Streichungen machte sich die Zensur oft lächerlich; 25

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war überdies bei Volksstücken nie gegen das Improvisieren der Schauspieler, so strenge dieses auch verboten war, ganz gefeit. Weniger Bedeutung hatten die Eingriffe der Zensur in inländische Presseorgane, die in der Mehrzahl wenig Anklang fanden, namentlich die „Wiener Zeitung" und der „ ö s t e r reichische Beobachter" galten als Sprachrohre der Regierung. Vor 1815 war die Publizistik lebendiger gewesen; so erschienen von 1 7 8 5 — 1 8 1 3 Josef Richters „Briefe eines Eipeldauers", in denen mit Mutterwitz und gesundem Humor das Wiener Kulturleben aus der Perspektive der ländlichen U m gebung betrachtet wurde. Später gab das „Wiener Sonntagsblatt" Joseph Schreyvogels der Hauptstadt ein Organ von ansprechendem geistigen Niveau. In Salzburg wirkte zur Zeit des Erzbischofs Hieronymus Colloredo, Lorenz Hübner, ein Weltpriester, als bedeutender Publizist. Nach der Stille des Vormärz brachte das Sturmjahr ein mächtiges Anschwellen der journalistischen Produktion mit vielen unerfreulichen Exzessen radikaler Organe. In der österreichischen Dichtung der theresianischen Epoche begegnet man vielfach der Nachahmung deutscher und französischer Vorbilder. Wichtig war die Tätigkeit von Michael Denis aus Schärding, der die erste deutsche Nachdichtung der (nur teilweise echten) altschottischen Ossianlieder herausgab (1768), sich aber auch für altnordische Epik und slawische Volkslieder interessierte. Alois Blumauer aus Steyr war, ebenso wie Denis, durch den Jesuitenorden gegangen; nach Versuchen in ernster Dichtung schuf er in der Travestie auf die Äneis Vergils ein Denkmal seines scharfen, ironischen Geistes. Während Denis auf den Spuren Klopstocks wandelte, standen Blumauer und der Wiener Johann von Alxinger unter Wielands Einfluß. U m die Mitte des 18. Jahrhunderts vollzogen sich wichtige Entscheidungen in der Entwicklung des österreichischen Theaters. In Wien setzten sich allmählich, nicht ohne amtlichen Druck, die klassischen Stücke gegen die beliebten Stegreifkomödien Gottfried Prehausers (des Nachfolgers Stranitzkys am Wiener Kärntnertortheater) und Joseph K u r z ' und deren Helden Hans Wurst und Bernardon durch. Im J a h r e 1741 wurde in einem ehemaligen Ballhaus das Burgtheater errichtet, das seither nicht nur der Aufführung von Sprechstücken, sondern auch der von Opern diente. Unter Initiative Kaiser Josephs wurde das bisher verpachtete Theater in die direkte Verwaltung des Hofes übernommen, seit 1 7 7 6 sollte es als „Deutsches Nationaltheater", unter Ausschaltung des Opernrepertoires, geführt werden, doch wechselten noch längere Zeit deutsche Sprechstücke und Singspiele mit Opern ab, die zumeist italienische Texte hatten. In der bedeutenden Theaterstadt Salzburg wurde seit 1775 die traditionsreiche Universitätsbühne zugunsten des erzbischöflichen Hoftheaters ausgeschaltet. In G r a z eroberte das deutsche Schauspiel das 1776 erbaute Ständetheater. In Tirol erlebte das Volkstheater der bäuerlichen Gemeinden und kleinen Städte, getragen von der Begeisterung einer großen Zahl von Laienschauspielern, ungeachtet behördlicher Eingriffe und Verbote, eine gewaltige Entfaltung und Breitenwirkung.

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Im Vormärz hatte das Wiener Burgtheater in dem schon genannten Joseph Schreyvogel, der nur den Titel eines Hoftheatersekretärs führte, den eigentlichen, sehr bedeutenden Leiter und erfolgreichen Regisseur, der Schiller, Goethe, Kleist, die klassischen Spanier und auch Grillparzer spielen ließ. Mit der Wienerin Antonie Adamberger, der Westfälin Sophie Schröder und dem Lausitzer Heinrich Anschütz verfügte er über hervorragende Schauspieler. Adolf Bäuerle, der Sohn eines zugewanderten schwäbischen Fabrikanten, wurde zum Beherrscher des Wiener Volksstückes; die lustige Figur des Parapluiemachers Staberl sicherte seinen Stücken volle Kassen, auch als Journalist hatte er mit der „Theaterzeitung" (1806—1859) lange Zeit guten Erfolg; doch geriet er gegen Ende seines Lebens in Not. Vorläufer seiner Art Volksdichtung waren der hochbegabte Philipp Hafner, der liebenswürdige Karl Friedrich Hensler aus Vaihingen in Württemberg und der robustere Emanuel Schikaneder aus Straubing, der besonderes Geschick in der Zeichnung des Wiener Lokalkolorits hatte; unter Bäuerles Zeitgenossen sind Karl Meisl und Joseph Alois Gleich als fruchtbare Autoren anspruchsloser aber erfolgreicher Lustspiele zu nennen. Unvergleichlich höheres literarisches Niveau hatten die Werke Ferdinand Raimunds (1790—1836), der als Schauspieler bereits einen guten Ruf hatte, als er zur Feder griff und in wenigen Jahren jene Märchen- und Zauberstücke schrieb, die seinem echten, naiven Genius Unsterblichkeit sicherten. Schärfer war der Humor Johann Nestroys (1801 —1862), in dessen Zeitkritik sich schon der Geist der Revolution ankündigte, ohne daß allerdings der Dichter dem politischen Sinn des Volkes voll vertraut hätte (1848 „Freiheit in Krähwinkel"). Seit der Jahrhundertwende verzeichnen wir einige bedeutendere Leistungen der ernsten Dichtung. Heinrich Joseph von Collin unternahm dramatische Versuche im klassischen Stil; seine „Wehrmannslieder" (1809) brachten ihm die Verfolgung durch Napoleon und angeblich auch das Mißfallen des Kaisers Franz über die unverlangte patriotische Anstrengung ein. Heinrichs Bruder Matthäus hatte als Publizist („Jahrbücher der Literatur") mehr zu bieten, denn als historisierender Dichter. Christian Freiherr von Zedlitz, ein nach Wien gekommener, von gemäßigt liberalem und josephinischem Gedankengut durchdrungener, schlesischer Edelmann, hatte als Lyriker große Erfolge, vor allem aber wurde sein dem Napoleonmythos gewidmetes Gedicht „Die nächtliche Heerschau" berühmt; als Dramatiker vermochte er sich nicht recht durchzusetzen. Der prominenteste unter den literarisch tätigen liberalen Aristokraten war ohne Zweifel Anton Alexander Graf Auersperg (1806—1876), der unter dem Pseudonym Anastasius Grün schrieb. Seine Dichtungen „Spaziergänge eines Wiener Poeten" (1831) und „Schutt" (1835) fanden wegen der freimütigen liberalen, audi ziemlich ausgeprägt antiklerikalen Haltung ein lebhaftes Echo. Bemerkenswert war auch das Verständnis des aus dem Krainer Hochadel stammenden Aristokraten für seine slowenischen Landsleute, er übersetzte die Dichtungen des bedeutendsten sloweniw

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sehen Autors France Preseren. Auerspergs Versuche, im Jahre 1848 die Slowenen für das Zusammengehen mit den Deutschen und für die Vertretung in der Frankfurter Paulskirche zu gewinnen, hatten aber keinen durchschlagenden Erfolg mehr. Der ungarländische Schwabe Nikolaus Nimbsch von Strehlenau (Lenau) fand mit seiner romantischen Lyrik großen Anklang; in den epischen Dichtungen „Savonarola" (1837) und „Die Albigenser" (1842) machten sich gleichfalls antikirchliche Ressentiments geltend, dabei ist die Gegenwartsbezogenheit trotz der historischen Hülle unverkennbar. Ernst Freiherr von Feuchtersieben, ein nicht unbedeutender Wiener Psychiater (Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde, 1845) verfaßte die einst vielgelesene Schrift „Zur Diätetik der Seele" (1838), die zahlreiche Auflagen erlebte. Feuchtersieben, der seine zeitkritischen Gedanken in eine sehr ansprechende aphoristische Form kleidete, begrüßte die Revolution, wurde aber von deren Verlauf ebenso wie Grillparzer und Stifter sehr enttäuscht. Der Innsbrucker Hermann von Gilm, ein an Schillers Vorbild gewachsener Dichter, gehörte zu der liberalen Opposition des Landes, das bezeugen seine „Jesuitenlieder" und die „Zeitsonette aus dem Pustertal"; als ihn sein Lebensweg aus der Heimat nach Wien führte, erlahmte bald seine Feder. Eine der deutschen Klassik vergleichbare Leistung schuf in Österreich Franz Grillparzer (1791—1872); er schrieb seine wichtigsten Werke im Vormärz, veröffentlichte sie zum Teil allerdings erst später. Wiewohl Grillparzer von den Ideen der deutschen Romantik nicht unberührt blieb — das beweist sein dramatisches Frühwerk, die „Ahnfrau" (1816) — ist seine geistige Persönlichkeit doch vor allem durch ein Uberwiegen aufklärerischjosephinischen Ideengutes charakterisiert. Dem österreichischen Vielvölkerstaat und seinem Herrscherhaus fühlte sich der Dichter auch dann eng verbunden, wenn er an Dynastie und Staatsmännern scharfe Kritik übte — das war keineswegs selten, und Grillparzers Urteil über Kaiser Franz und Metternich nahm schließlich ungemein schroffe Formen an. Grillparzer war aber ein loyaler Staatsbeamter, von 1832 bis 1856 leitete er sehr gewissenhaft das Wiener Hofkammerarchiv; Versuche, in den Bibliotheksdienst überzutreten, scheiterten. Aus Geschichte und Mythos der Völker des Habsburgerreiches nahm Grillparzer manchen Stoff seiner Werke. In „Libussa" (1844) schöpfte er aus der böhmischen Sage und sagte eine Zeit slawischer Vorherrschaft voraus. „Ein treuer Diener seines H e r r n " (1828) führt uns ins ungarische Mittelalter, die Novelle „Das Kloster von Sendomir" (die zum Vorbild für Gerhart Hauptmanns Drama „Elga" wurde), spielt im polnischen Adelsmilieu. Vor allem aber zog den Dichter die Geschichte des Herrscherhauses, seines Aufstieges und seiner Krisen an. In dem Drama „König Ottokars Glück und Ende" (1823) fesselte wohl die Gestalt Ottokars von Böhmen den Dichter mehr als der idealisierte Rudolf von Habsburg; doch spricht aus dem Stück,

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das manche Fährlichkeiten der Zensur zu überwinden hatte, nicht nur ein stolzes Bekenntnis zur österreichischen Heimat, sondern auch zur Reichsidee österreichischer Prägung. Der Nationalismus jeglicher Spielart, ob deutscher oder slawischer Provenienz, schien Grillparzer bedenklich; diese Gesinnung spricht aus seinem heute so prophetisch anmutenden, 1849 verfaßten Epigramm „Der Weg der neueren Bildung geht von Humanität durch Nationalität zur Bestialität". In seinem dramatischen Meisterwerk „Ein Bruderzwist in Habsburg", dessen Stoff ihn lange beschäftigte, stattete der Dichter Kaiser Rudolf II., mit dem er eine gewisse Geistesverwandtschaft fühlte, mit autobiographischen Zügen aus und ließ ihn die eigenen Anschauungen des Maßhaltens und pessimistischer Reserve als Maxime staatsmännischer Klugheit rühmen. Unverkennbar ist in Grillparzers Geisteshaltung ein antiklerikaler Zug; als dieser in dem Gedicht „Die Ruinen des Campo Vaccino in Rom" (1819) klar zum Ausdruck kam, schien eine Zeitlang sogar die amtliche Stellung des Dichters gefährdet. Verdrossen über die Bevormundung des österreichischen Geisteslebens durch das „System Metternich" erwartete Grillparzer auch von der Revolution kein positives Ergebnis; er mißtraute den Regierten ebenso wie den Regierenden; man kann gewiß nicht sagen, daß er sich täuschte. Nach Grillparzer, aber vor allen anderen, ist unter den Dichtern Österreichs der Platz Adalbert Stifters (1805—1868). Ein Sohn des deutschen Böhmerwaldes, verbrachte Stifter sein Leben zumeist in Oberösterreich — als Zögling von Kremsmünster und Linzer Schulrat — und in Wien. Verhältnismäßig spät zum Dichter gereift, schuf er eine Reihe von Novellensammlungen, von den „Studien" über die „Bunten Steine" bis zu den „Erzählungen", die ihn alle als Meister der N a t u r - und Menschenschilderung ausweisen. Seine Romane, von denen der „Nachsommer" in den Kreis um die Fürstin Marianne Schwarzenberg, die Witwe des Feldherrn der Befreiungskriege, einführt und der „Witiko" im böhmischen Mittelalter spielt, fanden schon wegen ihres Umfanges nur den Gefallen eines engeren Leserkreises, gehören aber ebenfalls zu den klassischen Werken der deutschen Prosa. Bemerkenswert ist die Ausschaltung jeglicher nationaler Animosität in den Schilderungen aus der böhmischen Geschichte. Zu Lebzeiten vergessen, ist Stifter, der auch als Landschaftsmaler das Mittelmaß weit überragte, heute in seiner Bedeutung längst gewürdigt. Weiter links als Grillparzer und Stifter stand der erfolgreiche Lustspielautor Eduard von Bauernfeld (1802—1890), seine Meisterwerke „Bekenntnisse" (1834), „Bürgerlich und Romantisch" (1835), vor allem aber die Satire auf die Verzögerungstaktik des vormärzlichen Systems „Großjährig" (1846), verraten seine weltanschauliche Position; im Sturmjahr zählte Bauernfeld zu den Radikalen, später mäßigte auch er sich. Unter den dichtenden Frauen schuf sich Betty Paoli (eigentlich Babette Glück) als Lyrikerin und Novellistin, aber auch durch ihre Ubersetzungen einen ausgezeichneten Namen.

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Auch die Mundart kam zu ihrem literarischen Recht. Der Wiener Franz Castelli, der audi die Schicksalstragödie der Romantiker travestierte, ist vor allem als begabter Dialektdichter von Bedeutung. Die stärkste dichterische K r a f t auf diesem Gebiet entfaltete aber Franz Stelzhamer aus Großpiesenham im Inn viertel (u. a. „Lieder in obderennsischer M u n d a r t " 1837). So ansehnlich einer gerechten Beurteilung die literarische Leistung Österreichs wenigstens in der zweiten Hälfte der hier behandelten Epoche scheinen muß, in der Schätzung der Nachwelt und wohl auch schon vieler Zeitgenossen steht sie etwas im Schatten der unvergleichlichen Entfaltung des musikalischen Schaffens. Hier können zu diesem nur einige kürzere Bemerkungen gemacht werden, mit denen eher eine kulturgeschichtliche Einordnung als eine musikgeschichtliche Würdigung versucht wird. Später als im Bereiche der bildenden Kunst, aber noch entschiedener, gelang es in der Musik die italienischen Vorbilder zu überwinden. Schon das Werk von Christoph Willibald Gluck (1714—1787), des gebürtigen Oberpfälzers, ist vielfältig mit Österreich und Wien, wo er auch sein Leben beschloß, verbunden. Mit Glucks Auftreten begann der Siegeszug der deutschen Opernmusik. Im Kärntnertortheater fand 1762 die Uraufführung von „Orpheus und Eurydice" und 1767 jene der „Alceste" statt; zu den italienischen Barock- und Rokokoopern kam nun, dem auch sonst bemerkbaren Stilwandel entsprechend, die antikisierende Reformoper, die nach klassischer Einfachheit des musikalischen Ausdruckes strebte. Ein tüchtiger Komponist war der Wiener Karl Ditters von Dittersdorf, der Gluck und H a y d n nahestand, im Dienste geistlicher und weltlicher Würdenträger musizierte und komponierte und dabei mit seinen komischen Opern, Oratorien und Konzerten viel Beifall fand. Joseph H a y d n (1732—1809), geboren im niederösterreichischen Rohrau, in Wien und später im Eisenstädter Schloß des Fürsten Esterhazy als Kapellmeister tätig, hatte als erster unter den Prominenten auf die traditionelle Italienreise verzichtet, er fand seinen Stil in der Heimat. Die von ihm erdachte Kammermusik in Form der Streichquartette, seine zahlreichen Symphonien, seine Oratorien („Schöpfung" 1799, „Jahreszeiten" 1801) ließen H a y d n s Ruhm über die Grenzen des Vaterlandes dringen, als berühmter Meister reiste er zweimal nach England, wo man ihn enthusiastisch feierte. Im Jahre des Wiener Aufgebotes und eines ersten Aufwallens patriotischer Begeisterung (1797) schuf er das Kaiserlied, zu dem Leopold Lorenz Haschka einen schlichten, volkstümlichen Text schrieb. Josephs Bruder Michael H a y d n wirkte vor allem in Salzburg und gewann Bedeutung als Reformator der Kirchenmusik. Wolfgang Amadeus Mozart (1756—1791) wuchs in der kunstfreundlichen Atmosphäre seiner Geburtsstadt, der fürsterzbischöflichen Residenz Salzburg, auf, kam aber schon im Kindesalter als musikalisches Wunderkind mit seinem Vater Leopold auf Reisen in ganz Europa herum. D a s fürstliche

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Mäzenatentum hat sich Mozart gegenüber nicht recht bewährt, mit Erzbisdiof Hieronymus Colloredo kam es zu einem heftigen Konflikt, und audi als kaiserlicher Kammerkompositeur in Wien (seit 1787) war Mozart nicht besonders gut gestellt; zwischendurch war er auch als freischaffender Künstler tätig. In die Wiener Zeit, in der der Komponist seinen eigenen, von den Vorbildern gelösten klassisdien Stil fand, fallen die großen Opernerfolge: „Die Entführung aus dem Serail" wurde 1782 als deutsches Singspiel, „Figaros Hochzeit" 1786 mit italienischem Text im Hoftheater aufgeführt. Es folgte die Erstaufführung von „Don Giovanni" („Don Juan", 1787) in Prag und der „Zauberflöte" (1791) im Wiener Vorstadttheater Emanuel Schikaneders. Bald nach Mozarts frühem Tod kam Ludwig van Beethoven (1770 bis 1827) aus seiner Heimatstadt Bonn, in der damals der jüngste Sohn Maria Theresias, Erzherzog Maximilian, residierte, nach Wien, wo er seinen Musikunterricht abschloß und in den adeligen Kreisen der Lobkowitz, Lichnowsky und Kinsky trotz seines schwierigen Temperaments verständnisvolle Förderung fand. Auch Erzherzog Rudolf, für dessen Inthronisation in Olmütz Beethoven in späteren Jahren die „Missa solemnis" schrieb, unterstützte tatkräftig den Komponisten. An den politischen und geistigen Auseinandersetzungen der Zeit nahm Beethoven leidenschaftlichen Anteil; in späterer Zeit (seit 1800) veranlaßte ihn seine zunehmende Taubheit zu stärkerem Abschluß von der Öffentlichkeit; nur gelegentlich — etwa bei einer glanzvollen Akademie zur Zeit des Wiener Kongresses — trat er im gesellschaftlichen Leben der Residenz in den Vordergrund. Sonst hatte sich Beethoven in Wien eingelebt, hier entstand die Folge seiner Sonaten, Symphonien und Streichquartette, 1805 wurde seine Oper „Fidelio" (in erster Fassung) uraufgeführt. So wies der Meister verschiedene ausländische Angebote, darunter das besonders verlockende des Königs von Westfalen (1809) ab. Bewegte sich Beethoven, wenngleich freier Künstler revolutionärrepublikanischer Weltanschauung, noch im Umkreis adeligen Mäzenatentums, dem er in früheren Jahren wesentliche Förderung verdankt hatte, so vollzog sich das Schaffen von Franz Schubert (1797—1828) ganz im bürgerlichen Milieu, dem der in Wien als Sohn deutsch-mährischer Eltern geborene Komponist entstammte und dem sich audi seine Freunde, zu denen nebst anderen Schwind und Bauernfeld zählten, zugehörig fühlten. Der „Liederfürst" knüpfte an eine alte Wiener Liedtradition an, übertraf aber alle Vorgänger und Zeitgenossen an Melodienreichtum, Stimmungsgehalt und kompositorischem Geschick. Audi seine Symphonien und die Kammermusik erwiesen sich als unvergängliche Leistungen. Der schöpferischen Kraft der großen Meister entsprachen Aufnahmsfähigkeit und Kunstverständnis breiterer Bevölkerungsschichten. Die Hausmusik blühte in der Zeit um den Wiener Kongreß wie nie zuvor, zahlreiche Liebhaberquartette wurden gebildet. In größerem Rahmen veranstaltete man Wohltätigkeits- und „Spirituell"-Konzerte; verschiedene Vereinigungen, wie die „Wiener Ton-

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künstlersozietät", die „Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen" und die 1812 gegründete, zukunftsreiche „Gesellschaft der Musikfreunde" entfalteten eine verdienstvolle Wirksamkeit. Im Jahre 1817 entstand ein Wiener Konservatorium als Vorläufer der Musikakademie. Der Pflege des Gesanges widmete sich seit 1843 der „Wiener Männergesangverein". Die Tendenz zur Bildung musikalischer Vereinigungen und Institutionen war übrigens nicht auf Wien beschränkt; wir begegnen ihr ebenso in Graz, Linz, Klagenfurt; in Salzburg wurde 1841 das „Mozarteum" begründet. Ebenso vermerken wir die Tätigkeit einer hochwertigen Instrumentenindustrie, rühriger Musikverleger und die Ansätze zu einem Musikzeitschriftenwesen. Vor allem aber ist die — gegenseitige — Befruchtung von Klassik und Volksmusik wichtig. Am deutlichsten kommt sie in der Tanzmusik zum Ausdruck. Aus dem volkstümlichen Tanz der Alpenländer, namentlich Oberösterreichs — vom „Landl" ob der Enns stammt seine Bezeichnung „Landler" — entwickelte sich um die Jahrhundertwende der Wiener Walzer; als Komponisten und Kapellmeister errangen Joseph Lanner (seit 1829 Hofballmusikdirektor) und Johann Strauß Vater wahre Triumphe. Die Militärmusik vermittelte der Hauptstadt die Weisen aller Volksstämme der Monarchie. Wenden wir uns den bildenden Künsten zu. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts klang die glanzvolle Epoche des österreichischen Barock allmählich aus; der Spätbarock, in dessen Werken klassizistische Einflüsse gegenüber gelegentlichen Sympathien für die leichteren Formen des Rokoko im allgemeinen überwiegen, brachte aber noch einige bemerkenswerte Schöpfungen hervor. Dem Rokoko war Nikolaus Pacassi zugewandt, dem wir die Weiterführung verschiedener Trakte der Wiener H o f b u r g sowie des Baues von Schönbrunn verdanken. Von Pacassi stammt auch die Kaiserspitalkirche (später Gardekirche) am Rennweg. Der Lothringer Jean Nicolas Jadot, vorübergehend Hofbaudirektor Maria Theresias, errichtete in den Formen des westeuropäischen Rokoko den Aulabau der Alten Universität (1753—1755), der jetzt die österreichische Akademie der Wissenschaften beherbergt. Unter den Rokokokirchen ist die Pfarrkirche von Wilten bei Innsbruck zu erwähnen, die in den fünfziger Jahren nach Plänen von Franz de Paula Penz errichtet wurde und als Vorbild für andere Tiroler Kirchen diente. Als hervorragendste Leistung der Sakralkunst im Rokokostil darf aber die Innenausgestaltung der Kirche von Wilhering gelten, deren Eindruckskraft auf dem Zusammenspiel von Innenarchitektur, Plastik, Malerei und Lichtwirkung beruht. Als prominentester Vertreter der klassizistischen Richtung war Joseph Emanuel Fischer von Erlach, der freilich nicht an die Originalität des Vaters Johann Bernhard heranreichte, schon während der Regierung Karls VI. tätig, nach ihm ist in der theresianischen Epoche Johann Gotthard H a y perger aus Steyr, der Vollender von St. Florian und Erbauer der Bibliothek von Admont zu nennen. Eine Generation später errichtete Ferdinand von

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Hohenberg in klassizistischer Manier das Palais Fries (später Pallavicini) am Wiener Josephsplatz und den Kolonnadenbau der Gloriette in Schönbrunn (1775). Zu Ende des Jahrhunderts und im Vormärz wurde man noch nüchterner. In betont einfach gehaltenen Bauformen entstehen in der franziszeischen Zeit ärarische Zweckbauten: Kasernen, Regierungsämter, Magazine. Fast bedeutender als im Bauen ist jedoch das Ergebnis dieser Zeit im Zerstören und Profanieren. Aufgelassene Klöster wurden zu Schulen, Fabriken und Gefängnissen, überzählige Kirchen einem weltlichen Zweck gewidmet oder abgetragen. So wurde die „capella speciosa" in Klosterneuburg demoliert und Maria am Gestade in Wien entging nur um Haaresbreite der Zerstörung, ebenso der eindrucksvolle aber „funktionslos" gewordene Stadtturm von Enns — man fürchtete, daß die Demolierungskosten den Ertrag aus dem Verkauf der Bruchsteine übersteigen würden. Aus dem Kloster Garsten wurde ein Gefängnis, die Minoritenkirche in Wien wurde völlig ausgeräumt, jene in Stein in ein Tabakmagazin verwandelt, während man die Dominikanerkirche in Krems immerhin als Theater adaptierte. In den Neubauten des 19. Jahrhunderts wirkte die klassizistische Richtung weiter. Peter Nobile errichtete in dieser Baugesinnung das äußere Burgtor und den Theseustempel in Wien (1820—1824), nach Brandkatastrophen wurde er zum Neubau des stark beschädigten Schlosses Mirabell in Salzburg (nach 1818) und des Alten Theaters (Schauspielhaus) in Graz (1824/25) herangezogen. Der fruchtbarste Architekt des Vormärz war aber Joseph Kornhäusel, der den Wiener jüdischen Stadttempel in der Seitenstettengasse (1826), das Josephstädter Theater und nach Abbruch des gotischen Kreuzganges in den Jahren 1826—1832 den klassizistischen Neubau des Schottenklosters errichtete. Er war auch am Absdiluß des langwierigen Klosterneuburger Stiftbaues beteiligt und schuf bei der Ausgestaltung des aufblühenden Kurortes Baden das Rathaus, Badeanstalten, Villen und Bürgerhäuser. Im Auftrage des Erzherzogs Karl entwarf er mit der großzügigen Anlage der (zu Ende des zweiten Weltkrieges total zerstörten) Weilburg den wichtigsten österreichischen Schloßbau der Zeit. Auch der „Husarentempel" bei Mödling stammt von Kornhäusel. Werke Paul Eduard Sprengers sind die in der ferdinandeischen Zeit errichteten nüchternen Bauten des Münzamtes, Zollamtes und der Finanzlandesdirektion im dritten Wiener Bezirk Landstraße. Die Wohnhäuser der mächtig anwachsenden Städte ahmten in bescheideneren Formen die Stilgedanken der Monumentalbauten nach, die räumlichen Ausmaße der Wohnblöcke wurden erweitert; eine gewisse Neigung zur Schablone ist unverkennbar. Zu Ende der Epoche droht bereits die Zinskaserne. Audi in der Industriearchitektur läßt sich die Einwirkung der Repräsentativbauten erkennen, ebenso in den Festungsanlagen der Zeit, wie in der Tiroler Franzensfeste (1833—1838) und in den maximilianeischen Türmen der Stadtbefestigung von Linz (1831—1836).

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Romantisch-historisches Denken, das vor allem in der Malerei zur Geltung kam, tritt uns in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auch im Bereich der Architektur entgegen. Die Anlage der Franzensburg bei Laxenburg wurde in mehreren Bauphasen 1 7 9 8 — 1 8 3 6 in Nachahmung einer mittelalterlichen Burg errichtet; dabei verwertete man Kirchen- und Klosterarchitektur aus Anlagen, die dem josephinischen Klostersturm zum Opfer gefallen oder durch ihn geschädigt worden waren (Säusenstein, Waldhausen, Kremsmünster, capella speciosa von Klosterneuburg); daß dieses Material aus recht verschiedenen Stilepochen kam, wurde kaum berücksichtigt. Es entstanden damals aber auch die ersten Werke der Neogotik auf österreichischem Boden, zum Teile, wie etwa der Neubau von Schloß Anif bei Salzburg ( 1 8 3 8 — 1 8 4 8 ) , vom englischen Vorbild beeinflußt. Damals errichtete man aber auch jene künstlichen Ruinen, die, ebenso wie die Rittergesellschaften der Zeit, der Sehnsucht der Romantik nach historischem Alter Ausdruck geben sollten, wie etwa der Schwarze Turm (1810) und das sechseckige „Pfefferbüchsel" ( 1 8 1 8 ) im Liechtensteinschen Naturpark bei Mödling. Gelegentlich hatten die Klassizisten ähnliche romantische Anwandlungen — wie ja die beiden Stilrichtungen keineswegs immer einander unversöhnlich gegenüberstanden — so baute Hohenberg schon 1778 eine „römische" Ruine in Schönbrunn. In den Werken der Plastik zeichnen sich im wesentlichen die selben Entwicklungslinien und Richtungen ab, wie in den Schöpfungen der Architektur. Zunächst noch dem Barock verbunden ist das W e r k des eigenwilligen Schwaben Franz X a v e r Messerschmidt ( 1 7 3 6 — 1 7 8 3 ) , dessen Schaffen sich ganz auf österreichischem Boden, vor allem in Wien, abspielte. Seine Statuen Maria Theresias ( 1 7 6 6 , Barockmuseum) und der Jungfrau (1767/68, Savoyisches Damenstift), insbesondere aber die merkwürdigen 49 „Charakterköpfe" mit ihren oft bizarren Physiognomien zeugen von der Vielseitigkeit einer zuletzt schon etwas pathologische Züge aufweisenden Begabung, die auch durch die anthropologisch-naturwissenschaftlichen Lehren der Zeit beeinflußt war. In den Formen der Statuen der großen Parks, der Grabdenkmäler und Brunnenfiguren, schließlich der Reiterstandbilder der Fürsten auf den Wiener Plätzen macht sich, ebenso wie in den Bauwerken, die allmähliche Wendung zum Klassizismus geltend. Balthasar Ferdinand Moll schuf den Zinndoppelsarkophag Franz Stefans und Maria Theresias in der Wiener Kapuzinergruft (1753) noch in barocker Stilisierung, sein Denkmal Franz Stefans im Burggarten (1781) weist bereits klassizistisches Gepräge auf, ebenso der Mosesbrunnen Johann Martin Fischers auf dem Franziskanerplatz (1798). Streng klassizistisch gehalten sind die Werke des Tirolers Franz Zauner, so das Denkmal Josephs I I . ( 1 7 9 5 — 1 8 0 7 ) und der Karyatidenschmuck des Palais Pallavicini (1786). Sehr charakteristisch ist audi das Marmorgrabmal der Erzherzogin Maria Christine in der Wiener Augustiner-

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kirche (1798—1805) von Antonio C a n o v a . Eine Generation später trat Joseph Klieber, mit dem Kornhäusel gerne zusammenarbeitete, als Bauplastiker stark in Erscheinung. U n t e r den Malern des Spätbarock überragte der in Österreich heimisch gewordene Bodenseeschwabe F r a n z Anton Maulbertsch (1724—1796) alle Zeitgenossen. Vermutlich angespornt durch italienische Vorbilder und im Banne der Werke R e m b r a n d t s f a n d er in seinen Kirchenmalereien zu ekstatisch anmutender Ausdrudeskraft. Die Fresken in der Wiener Piaristenkirche, in der Korneuburger Augustinerkirche, in Schloß H a l b t h u r n (Burgenland), in der Bischofsresidenz zu Kremsier (Mähren) und schließlich ein prachtvolles Spätwerk in der Dorfkirche zu Sümeg in U n g a r n sind zu nennen. Auch als Zeichner und Radierer k a n n Maulbertsch ersten Rang von w a h r h a f t europäischer Bedeutung beanspruchen. An Fruchtbarkeit w u r d e er noch von J o h a n n M a r t i n Schmidt aus G r a f e n w ö r t h (1718—1801, „Kremser Schmidt") übertroffen, der aus seiner gut organisierten, mit zahlreichen Gesellen arbeitenden Werkstatt Altarbilder f ü r zahlreiche Kirchen Niederösterreichs, der Steiermark und Salzburgs lieferte. Auch sein Stil und insbesondere seine Farbgebung k n ü p f e n deutlich an R e m b r a n d t an. Als bedeutender Freskenmaler ist schließlich noch der K ä r n t n e r Josef Ferdinand Fromiller anzuführen, der den Landhaussaal in K l a g e n f u r t großzügig ausmalte. In Tirol machte sich vor allem der Einfluß des bayerischen Spätbarock und R o k o k o geltend. So schuf Cosmas D a m i a n Asam die Fresken in der Pfarrkirche (jetzt D o m ) zu Innsbruck. Eine Vorliebe f ü r Kleinfiguren und Scheinarchitektur ist f ü r diese Richtung charakteristisch. I n einem klassizistischen Stil und unter Berücksichtigung barocker Traditionen arbeitete in d e r Z e i t um die J a h r h u n d e r t w e n d e Friedrich Heinridi Füger, der als Leiter der Akademie der bildenden Künste einen größeren Schülerkreis beeinflussen konnte, aber unter den Romantikern auf Widerstand stieß. Klassizist w a r auch J o h a n n Peter K r a f f t (1780—1856), der beim führenden französischen Maler dieser Richtung, Louis D a v i d , gelernt hatte. Krafft, ein zum Wiener gewordener Hesse, wählte seine Themen aus den Befreiungskriegen und aus dem Leben des Kaisers F r a n z — durch diese zeitnahe H a l t u n g ist ein gewisser Gegensatz zu den älteren Klassizisten gegeben, die antike oder auch biblische Stoffe bevorzugten. U m 1830 stattete K r a f f t den Festsaal des Reichskanzleitraktes der Wiener H o f b u r g mit drei großen Wandgemälden aus, die das Pathos der Franzosenkriege zum Ausdruck bringen. Ein genialer Außenseiter, der Tiroler Joseph A n t o n Koch (1768—1839), der mit seinen Darstellungen der römischen C a m p a g n a und des Schweizer Gebirges zum Erneuerer der deutschen Landschaftsmalerei wurde, weilte zumeist in Rom, in Wien konnte er sich nicht recht durchsetzen. Dem religiösen Empfinden der R o m a n t i k e r entsprach in der Malerei die Kunst der N a z a r e n e r , die von der gegen die herrschende klassizistische

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Reform, Reaktion und Revolution

Lehre der Akademie opponierenden Runde der Wiener Lukasbrüder ihren Ausgang nahm und in dem nach Wien gekommenen Deutschböhmen Joseph Führich (1800—1876) ihren bedeutendsten Vertreter hatte, dessen Zyklen aus der biblischen Geschichte großen Anklang fanden, später aber, wie die Werke der Nazarener überhaupt, mit unangebrachter Herablassung beurteilt wurden. Die deutsche Märchen- und Sagenwelt spiegelt sich in den phantasievollen und anmutigen Werken des Wieners Moritz von Schwind (1804 bis 1871), der zwar Österreich verließ, bevor er die volle Höhe seines Schaffens erreicht hatte, und sich nach München wandte, aber die Wiener Tradition wahrte. Als Biedermeiermaler in einem engeren Sinne, als Interpreten der Stimmung und des Lebensstiles des österreichischen, namentlich des Wiener Bürgertums des Vormärz, können Kraffts Schüler, der Genremaler und Porträtist Joseph Danhauser, der ungemein populäre und unermüdlich tätige Graphiker Josef Kriehuber, von dem sich zahlreiche Angehörige der Wiener Gesellschaft porträtieren ließen, genannt werden. Ähnlich erfolgreich war Moritz Michael Daffinger, als stärkste Begabung dieses Kreises kann Friedrich Amerling (1803—1887) gelten; dessen Jugendwerke — ebenfalls zumeist Porträts — besonders deutlich für sein Talent Zeugnis ablegen. Wirklich bahnbrechend war die Leistung Ferdinand Waldmüllers (1783—1865). Realistische und idealistische Züge vereinigten sich in seinen Bildern; seine Genremalerei hat neben dem künstlerischen auch hohen kulturgeschichtlichen Wert, gibt sie doch viele Einblicke in das Wien seiner Zeit. Waldmüller war aber vor allem ein Landschaftsmaler von hohem Rang, schon vor den französischen Impressionisten verstand er es, das Sonnenlicht in der Bildwirkung zu überzeugendem Ausdruck zu bringen. Waldmüllers kompromißlos kämpferische Haltung brachte ihn zweimal in Konflikt mit der Akademie, voll erkannt wurde seine Bedeutung zu Lebzeiten wohl nur in England, allgemeine kunstgeschichtliche Würdigung erlangte er — und mit ihm die Wiener Malerei der Zeit, die lange im Schatten der populären Historienmaler gestanden war, — erst nach der Jahrhundertausstellung in Berlin (1906). Auch das österreichische Kunstgewerbe hat in der hier behandelten Epoche manches bedeutende Werk hervorgebracht. Das gilt etwa für die künstlerischen Schmiedearbeiten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die nach der Jahrhundertwende allmählich der Massenproduktion der Gußeisenwaren weichen mußte. Im Biedermeier entwickelte sich eine sehr bedeutende Kunsttischlerei. Da weitere bürgerliche Kreise die Erzeugnisse dieses Handwerks abnahmen, konnte es mit gutem Absatz rechnen. Das stilvolle Biedermeiermobiliar bildete einen ganz wesentlichen Bestandteil der bürgerlichen Wohnkultur des Vormärz; auch bedeutende Künstler, wie Joseph Danhauser — selbst ein Tischlersohn — fertigten Entwürfe für die Möbeltischlerei. Europäische Geltung besaß, namentlich unter der Leitung von

Literatur, Theater, Musik und bildende Künste

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Conrad Freiherrn von Sorgenthal (1785—1805), die Wiener Porzellanmanufaktur; etwa ein Jahrzehnt nach Sorgenthals Tod setzte dann unter weniger befähigten Nachfolgern ein unaufhaltsamer Niedergang ein. Während der Epoche von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts verlor in Europa die alte, „feudale", dynastisch-aristokratisch geführte und bestimmte Sozialordnung ihre Grundlagen. Die beginnende Industrialisierung und Technisierung veränderte das Siedlungs- und bald auch das Landschaftsbild; die bürgerliche Gesellschaft konstituierte sich, ihrer selbst bewußt, als autonome Lebensgemeinschaft neben Dynastie, Adel und Kirche. Die alten Gewalten blieben in der politischen und militärischen Auseinandersetzung noch einmal Sieger; ihre Zeit aber war im Begriffe abzulaufen. Die Toleranz für die Akatholiken, die Zusammenballung der Industriearbeiter in den Städten, die Lösung der Bauern von der Herrschaft, das konnte man nicht mehr verhindern — und wollte es auch kaum. Ein neuer Geist verkörperte sich im aufklärerischen, später im liberalen Denken durchaus loyaler, zum österreichischen Staatsgedanken stehender Beamten und Offiziere. Der Josephinismus versuchte, die neuen Ideen mit den Lebensgesetzen der Habsburgermonarchie in Einklang zu bringen, ohne allerdings vollen Erfolg zu haben. Diese Entwicklungen, Strömungen und Gegenströmungen zeigen sich auch im Bereiche der Kunst. Der frei tätige Künstler löste allmählich den Bediensteten von H o f , Adel und Klerus ab; im Biedermeier begegnet uns eine in ihren Formgebungen und Idealen bürgerliche Kunstauffassung. Im übrigen bedienen sich Staat und Gesellschaft der Kunst für ihre eigenen Zwecke; bisher vor allem Sakralkunst, verlagert sie sich nun mehr in profane Bereiche. D a ß in dieser kritischen Zeit sozialer und geistiger Neuorientierung, während langdauernder, verlustreicher Kriege und in wenig erfreulichen, entbehrungsreichen Nachkriegsjahren Literatur und bildende Künste, vor allem aber die Musik, echte Werte von Dauer zu schaffen vermochten, kann als vollgültiger Beweis für die Fruchtbarkeit des österreichischen Kulturbodens gelten, die es urwüchsigen Begabungen ermöglichte, sich trotz aller Schwierigkeiten durchzusetzen und auch — gewiß nicht ohne tragische Ausnahmen — entsprechende Anerkennung zu finden.

IX. D I E F R A N Z I S K O - J O S E P H I N I S C H E E P O C H E U N D DAS ENDE D E R M O N A R C H I E (1848—1918)

Der

Neoabsolutismus

Das J a h r 1849 sollte den vollen Sieg der monarchisch-konservativen Kräfte in Österreich bringen — freilich erst nach einem schweren Rückschlag und nicht ohne fremde Hilfe. Mit Sardinien allerdings wurde die Armee Radetzkys schnell fertig. Als König Karl Albert den Waffenstillstand gekündigt hatte, wurden seine Truppen in einem elftägigen Feldzug in den Schlachten von Mortara (21. März) und N o v a r a (23. M ä r z 1849) entscheidend geschlagen und der letzte Widerstand in den italienischen Provinzen Österreichs war gebrochen, als Venedig am 22. August 1849 kapitulieren mußte. In Ungarn drang Windischgrätz bis zur Theiß vor, dann aber erfolgte der Gegenstoß der Revolutionsarmee unter dem sehr fähigen General Artur Görgey; Windischgrätz, ein politisierender Offizier mit eigenen Ideen, aber kein Feldherr, dann auch sein Nachfolger im Kommando, Feldzeugmeister Ludwig Freiherr von Weiden, der den Fürsten herb kritisiert hatte, indessen nicht mehr vermochte, erlitten einige empfindliche Schlappen und wurden nach Westen zurückgedrängt. Kossuth rief die Republik aus. Im Mai 1849 erlangte Kaiser Franz Joseph nach einem Besuch bei 7.ar Nikolaus die russische Waffenhilfe. Die neuformierte kaiserliche Armee rückte unter dem ebenso fähigen wie rücksichtslosen Freiherrn Julius von H a y nau erneut vor, die Kroaten griffen in Südungarn an und die Russen drangen über die K a r p a then ein. Am 13. August 1849 kapitulierte Görgey bei Vilagos (nahe Arad) vor den Russen. Eine drakonische Militärgerichtsbarkeit fällte zahlreiche Todesurteile, Militär und Polizei teilten sich in die Niederhaltung des Landes, von dem man Siebenbürgen, Kroatien-Slawonien und die Woiwodina (Banat und Batschka) abtrennte. Restungarn wurde in fünf Distrikte eingeteilt, die Komitatsverwaltung beseitigt. Feldzeugmeister H a y n a u , der als Gouverneur nicht mit der Wiener Regierung harmonierte, wurde im Juli 1850 von seinem Posten abberufen. Für die Nationalitäten waren die Maßnahmen der Regierung nicht ungünstig, das allzu autoritär auftretende Regime konnte sich aber auch bei ihnen nicht recht beliebt machen und den Magyaren blieb es verhaßt. Namentlich die vorwiegend tschechischen Beamten, die Bach ins Land sandte (Bach-Husaren), wurden abgelehnt. Inzwischen war auch die Zeit des Reichstages von Kremsier abgelaufen. Er wurde am 7. März 1849 von der Regierung unter Einsatz von Militär

Der Neoabsolutismus

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aufgelöst. Die große Leistung dieses Reichstages liegt in seinem Verfassungsentwurf. M a n setzte sich sehr ernsthaft mit den Problemen von Zentralismus und Föderalismus auseinander und suchte nach einer Lösung der politischen Organisationsfragen Österreichs — von U n g a r n sah man ab — die alle Nationalitäten befriedigen konnte. Sollte man die historischen K r o n länder unverändert beibehalten oder aber sich nach den ungemein verzahnten und oft schwer feststellbaren Volksgrenzen richten? Nach Vorlage von E n t w ü r f e n des Deutschböhmen Ludwig von Löhner und des Tschechen F r a n z P a l a c k y einigte man sich schließlich auf den E n t w u r f des Deutschschlesiers K a j e t a n Mayer, der eine Bewahrung der historischen Einheiten, aber ihre Untergliederung in nationale Kreise vorsah; neben den Landtagen sollte es Kreistage als weitere Vertretungskörperschaften geben. Was die konstitutionelle Verwaltungsteilung betraf, so wurde das demokratische Prinzip insoferne gewahrt, als der Kaiser nur ein aufschiebendes Vetorecht gegen die Beschlüsse des Reichstages besitzen sollte und auch die Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Reichstag festgelegt war. Die Regierung arbeitete einen Gegenentwurf aus, der ein zentralistisches Regiment f ü r die Gesamtmonarchie zum Inhalt hatte, wobei der Einbau des absoluten Vetorechtes des Monarchen und des Notverordnungsrechtes der Regierung (§ 14) gegebenenfalls die Ausschaltung des in zwei K a m m e r n gegliederten Reichsrates ermöglichte. Als die Abgeordneten von den Plänen der Regierung, den Reichstag aufzulösen, erfuhren, erklärten sie sich bereit, die Regierungsvorlage anzunehmen. Nichtsdestoweniger w u r d e der Reichstag am 7. M ä r z 1849 aufgelöst; man wollte eben überhaupt keine von einer Volksvertretung beschlossene Verfassung und gab den Regierungsentwurf als „oktroyierte Verfassung" durch ein kaiserliches Manifest bekannt. T a t sächlich blieb auch diese Verfassung nur auf dem Papier, der Reichstag wurde niemals einberufen. Lediglich ein Reichsrat aus ernannten Mitgliedern und mit beratender Funktion, der in nicht öffentlichen Sitzungen tagte, trat ins Leben. Das eigentliche Verhängnis hat man immer darin gesehen, daß die im Kremsierer Entwurf enthaltene erste und letzte von den Nationalitätenvertretern in gütlicher Übereinkunft gefundene, geeignete verfassungsmäßige Form f ü r ein friedliches Zusammenleben der Völker wenigstens der Westhälfte der Habsburgermonarchie als O p f e r von Schwarzenbergs autokratischem Prinzip gegenstandslos geworden war. Der Neoabsolutismus unterschied sich in einer wesentlichen Hinsicht, ungeachtet sonstiger Schwächen, sehr vorteilhaft vom Immobilismus des vormärzlichen Regimes: Es wurde energisch gearbeitet. Verschiedene Reformen galten der inneren Verwaltung. Im R a h m e n der Territorialadministration wurden die Kreise in politische und Gerichtsbezirke untergeteilt, die Kreisgrenzen in Anschluß an die Ideengänge des Kremsierer Verfassungsentwurfes vielfach den Sprachgrenzen angepaßt. Als kleinste Einheiten sollten sich die autonom verwalteten Gemeinden der Staatsverwaltung einfügen. Bald nach

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

Veröffentlichung des Gemeindegesetzes mußte aber sein Urheber Stadion krankheitshalber das Innenressort an Bach abgeben, und durch das Silvesterpatent wurde das moderne Gemeindegesetz außer Kraft gesetzt; die Gemeindevorsteher wurden fortan nicht gewählt, sondern ernannt. Uberhaupt sollte die von der Regierung und den Ländern abhängige Bürokratie auch in der lokalen Verwaltung das Heft in der H a n d behalten. Immerhin war das Beamtentum der fünfziger Jahre wesentlich besser gestellt als jenes des Vormärz, pflichtbewußt, arbeitsam und unbestechlich. Die Polizei spielte in dem autoritär geführten Staat naturgemäß eine große Rolle. Zur Verbesserung der Sicherheitsverhältnisse auf dem Lande wurde als neues Exekutivkorps 1849 die Gendarmerie geschaffen und unter den Befehl des Generalinspektors Johann Freiherr von Kempen gestellt. Die Armee sollte nach den Plänen von Radetzkys Generalstabschef H e ß organisiert werden, doch kam man, namentlich wegen der ungünstigen Einwirkung des beim Kaiser hochangesehenen Generaladjutanten Grafen Grünne, eines selbstbewußten Lebemannes, trotz Aufwendung beträchtlicher Geldmittel nur zu sehr begrenzten Ergebnissen. Weit erfolgreicher war die von Baron Krauß in Angriff genommene und von Karl Ludwig von Bruck weitergeführte Handels- und Finanzpolitik; wichtige Maßnahmen betrafen die Beseitigung der Zwischenzollinie, welche die österreichischen und ungarischen Länder voneinander trennte, die Staatshilfe für die bäuerlichen Ablösezahlungen im Zuge der Entschädigung der adeligen Grundherren sowie die Einführung einer allgemeinen Grundsteuer und der Einkommensteuer. Durch eine verfehlte Anleihepolitik geriet man allerdings seit Mitte der fünfziger Jahre in immer schlimmere Finanznöte, die auch Bruck nicht mehr bewältigen konnte. Zu den erfolgreichsten Reformen des neoabsolutistischen Regimes gehörte zweifellos die Umgestaltung und Erneuerung des Erziehungswesens durch den Unterrichtsminister Leo Grafen Thun-Hohenstein, der an Bestrebungen seines konstitutionell gesinnten Vorgängers Sommaruga anknüpfen konnte. Die Reorganisation der Gymnasien, Realschulen und Hochschulen, von der noch die Rede sein soll, hat sich in der Folgezeit sehr bewährt. Graf Leo Thun betätigte sich auch als einer der führenden Männer im Rahmen der Bemühungen um eine enge Zusammenarbeit des Regimes mit der katholischen Kirche. Durch kaiserliche Verordnungen vom 13. und 23. April 1850 wurden verschiedene, von kirchlicher Seite als besonders drückend empfundene josephinische Maßnahmen beseitigt; dem Klerus der freie Verkehr mit der Kurie bewilligt, der kirchliche Einfluß auf die Schule ebenso verstärkt, wie die Disziplinargewalt der Bischöfe. Das „placetum regium" fiel und mit ihm die Kontrolle des Herrschers über die kirchlichen Verlautbarungen. Seither betrafen die Hauptwünsche der Kirche vor allem das Eherecht. Schließlich setzte sich die Auffassung durch, daß alle Kirche und Staat betreffenden Fragen in Form eines Konkordates am besten zu lösen wären. Der neue Erzbischof von Wien, Josef Othmar von Rauscher,

Der Neoabsolutismus

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f ü h r t e als staatlicher Bevollmächtigter die Verhandlungen mit Rom, die nach zweieinhalbjähriger Dauer erfolgreich abgeschlossen werden konnten und deren Ergebnis in Form eines kaiserlichen Patents am 13. N o v e m b e r 1855 veröffentlicht wurde. Das K o n k o r d a t hat das Eherecht, einschließlich der Ehegerichtsbarkeit ganz in kirchlichem Sinn geordnet, das Erziehungswesen katholisch-konfessionell ausgerichtet, den Religionsfonds der Kirche übergeben. Das K o n k o r d a t w u r d e in liberalen Kreisen des In- und Auslandes als T r i u m p h Roms abgelehnt, auch die alten Josephiner, unter ihnen etwa der Polizeiminister Kempen, waren schwer verstimmt. Es sollte sich später f ü r die Kirche als Belastung erweisen, d a ß sie durch das K o n k o r d a t ihre Sache allzusehr mit der des absoluten Staates verbunden hatte, während man diesem von A n f a n g an Willfährigkeit gegenüber der kurialen Diplomatie v o r w a r f . Einer ersten Erschütterung w a r das absolutistische Regime schon etliche Zeit vor Abschluß des Konkordates ausgesetzt, als Fürst Felix Schwarzenberg am 5. April 1852 starb; Kaiser Franz Joseph leitete nunmehr direkt die Regierung im Sinne der Ideen Kübecks, der allerdings persönlich mehr und mehr zurücktrat. Der neue Außenminister, Karl Ferdinand Graf BuolSchauenstein, w a r vor allem bemüht, es dem Monarchen recht zu tun, dem es seinerseits z w a r nicht an Festigkeit und Selbstgefühl, wohl aber an Erf a h r u n g auf außenpolitischem Gebiete fehlte. Als schicksalhaftes Problem kündigte sich der Gegensatz zu R u ß l a n d an, von dem man noch 1849 unterstützt worden war, aber andererseits durch einen schwer vermeidbaren Interessengegensatz auf dem Balkan getrennt wurde. Schon in den Jahren 1852—1853 w a r es zu Mißhelligkeiten gekommen, als Österreich in einem Konflikt zwischen der Türkei und dem kleinen, zu Ende des 18. J a h r h u n d e r t s selbständig gewordenen Montenegro intervenierte. Montenegros ehrgeiziger Fürst Danilo Petrovic hatte sich zu unklugen Aggressionsakten gegen türkisches Gebiet hinreißen lassen; als die P f o r t e einen energischen Gegenschlag organisierte, rettete nur Österreichs Eingreifen den Bestand des Fürstentums. R u ß l a n d , das ein Monopol des Schutzes aller Christen im türkischen Reich, insbesondere aber der Orthodoxen, beanspruchte, w a r verärgert. D e r Gegensatz versteifte sich, als die Westmächte England und F r a n k reich den türkischen Widerstand gegen russische Expansionspläne, in denen man eine G e f a h r f ü r die Meerengen sah, ermutigten und Österreich Vermittlungsaktionen unternahm, die in R u ß l a n d , wo man Unterstützung des eigenen Standpunktes erhofft hatte, wieder verstimmten. Bedenklich w a r auch, d a ß Österreich zu keinem Einvernehmen mit Preußen und den anderen deutschen Bundesstaaten gelangen konnte. Als die Westmächte R u ß l a n d den Krieg erklärten (27. M ä r z 1854) und d a n n in Zusammenwirken mit den Türken, überdies unterstützt durch ein sardinisches Korps, T r u p p e n in der K r i m landeten, band eine an den Ostgrenzen der Monarchie aufgestellte österreichische Armee, die schließlich die D o n a u f ü r s t e n t ü m e r (Moldau und 26

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

Walachei) besetzte, starke russische Kräfte. Auch bei der Einleitung von Friedensfühlungsnahmen ließ man sich allzuleicht von den Westmächten vorspannen, deren ultimative Forderungen von Österreich weitergegeben und unterstützt wurden. In Rußland empfand man das Verhalten Österreichs angesichts der eigenen Waffenhilfe gegen Ungarn als Ungeheuerlichkeit, und das Vertrauen des Westens hatte der Habsburgerstaat, wie sich bei den Friedensverhandlungen zu Paris, die den Krimkrieg beendeten, sehr deutlich zeigen sollte, doch nicht erlangt. Eine gewisse Bedeutung hatte es, daß Rußland den Südteil Bessarabiens an das neugeschaffene, theoretisch noch von der Pforte abhängige Fürstentum (seit 1881 Königreich) Rumänien abgeben mußte und dadurch seinen Anteil an der unteren Donau verlor; im Friedensvertrag wurde auch die freie Donauschiffahrt garantiert. Vielleicht wäre es für Österreich möglich gewesen, die Donaufürstentümer zu gewinnen, aber die Westmächte knüpften an diese territoriale Erweiterung die Bedingung der Aufgabe Lombardo-Venetiens und dazu konnte man sich in Wien nicht entschließen; kein Staat gibt hochkultivierte Gebiete auf, mag auch die politische Haltung ihrer Bevölkerung feindselig sein, um dafür verarmte und ausgesogene Landstriche zu gewinnen; überdies wäre die Feindschaft Rußlands durch die Annexion der Fürstentümer noch gesteigert worden. Auch so war die Zusammenarbeit der drei konservativen Monarchien der Mitte und des Ostens zu Ende gegangen, mit ihr eine Zeit relativer außenpolitischer Sicherheit für den Habsburgerstaat. Nochmals bot sich eine Gelegenheit, wenigstens Preußen zu gewinnen. Im J a h r e 1848 hatte Neuenburg — zugleich hohenzollersches Fürstentum und Kanton der Eidgenossenschaft — die Bindung mit Preußen gelöst, eine Erhebung der Royalisten wurde im Herbst 1856 unterdrückt. König Friedrich Wilhelm I V . wollte militärisch zugunsten seiner Anhängerschaft intervenieren und erbat sich die österreichische Unterstützung mit dem Versprechen eigener Hilfeleistung in einem italienischen Krieg. Österreichs H o f und Regierung verhielten sich ablehnend und Preußen mußte seine Rechte in Neuenburg liquidieren. Diese Lösung war an sich sehr vernünftig, sie bereitete einer labilen und gefährlichen Zwitterstellung Neuenbürgs das Ende; aber nunmehr war man in Berlin gründlich gegen Österreich verstimmt. Napoleon I I I . hatte schon während der Pariser Verhandlungen versucht, die italienische Frage aufs Tapet zu bringen. In Geheimbesprechungen mit dem sardinischen Minister Cavour (Plombieres, Juli 1858) verpflichtete er sich zur nicht ganz uneigennützigen militärischen Unterstützung der Einigung Italiens. In einer provokativ gehaltenen Neujahrsansprache an den österreichischen Botschafter in Paris, Alexander Freiherrn von Hübner, kamen die aggressiven Absichten des Kaisers der Franzosen deutlich genug zum Ausdruck. Es gelang diesem, Rußland zu einer freundlichen Haltung zu bewegen, englische Vermittlungsversuche blieben ergebnislos. Die Politik Preußens, in dessen Diplomatie sich bereits der Einfluß Ottos von Bismarck

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abzuzeichnen begann, war schon mit Rücksicht auf Rußland einer Unterstützung Österreichs abhold; unter diesen Umständen fiel die Österreichfreundschaft der deutschen Mittelstaaten nicht ins Gewicht. Verhängnisvoll wirkte sich auch die latente Geldnot des österreichischen Staates aus; sie spielte eine Rolle bei der übereilten Absendung eines Ultimatums an Sardinien und beim vorzeitigen Friedensschluß. Im Frühjahr 1859 konzentrierten Sardinien und Österreich bedeutende Truppenkontingente im Grenzgebiet; angesichts der Schwierigkeit eine längere Dauer der Mobilisierung finanziell durchzuhalten, kam es am 22. April zur Absendung des Ultimatums, das von Sardinien abgelehnt wurde. Österreich erklärte den Krieg und galt so als Angreifer, obwohl die Politik der Gegenseite die Spannungen erst in bedrohlichem M a ß verstärkt hatte. Frankreich trat nun an die Seite Sardiniens und setzte starke Streitkräfte nach Oberitalien in Marsch. Die österreichischen Operationen standen von Anfang an unter einem Unstern; der Oberbefehlshaber Franz G r a f Gyulai war wenig entschlossen und versäumte es, die Sarden vor Eintreffen der Franzosen energisch anzugreifen. Nach ungünstigen Ergebnissen der ersten Gefechte kam es am 4. Juni 1859 bei Magenta zu einer Schlacht zwischen den österreichischen und den vereinigten französisch-sardinischen Truppen, die nach wechselndem Kampfverlauf mit dem Sieg der Verbündeten endete. Die Österreicher räumten die Lombardei und zogen sich hinter den Mincio zurück; nach Eintreffen von Verstärkungen unternahm man noch einen Offensivstoß, der jedoch in der ungemein blutigen Schlacht von Solferino (24. Juni 1859) mit einer erneuten Niederlage endete. Immerhin besaßen die österreichischen Truppen im „Festungsviereck" Pesdiiera— Mantua—Legnago—Verona eine starke Rückhaltstellung, und unter dem Druck der deutschen öffentlichen Meinung schien Preußen einem Eingreifen doch geneigter zu sein. Im französischen Lager sah man die Schwierigkeiten einer Fortführung des Kampfes. So kam es zu Waffenstillstand und Vorfrieden von Villafranca (8. bzw. 15. Juli 1859); die hier getroffenen V e r einbarungen wurden mit einigen finanzielle Probleme betreffenden Ergänzungen im Frieden von Zürich (10. November 1859) bestätigt. Napoleon gelang es, den König von Sardinien für eine Reduzierung der territorialen Erwerbswünsche zu gewinnen; die Versprechungen an verschiedene Häupter der ungarischen Emigration wurden in Paris überhaupt ignoriert. Österreich trat die Lombardei — ohne die von den österreichischen Truppen gehaltenen Festungen Mantua und Pesdiiera — an Napoleon ab, der sie an Sardinien übergab. Kaiser Franz Joseph hatte auf eine Rückkehr der habsburgischen Dynastie nach Modena und Toskana gehofft, aber Volksabstimmungen entschieden für den Anschluß an Sardinien, dessen Truppen bald auch die Romagna besetzten. Der Kirchenstaat war seither auf das Patrimonium Petri beiderseits des Tiber beschränkt. Eine Aktion Garibaldis führte schließlich zum Sturz der bourbonischen Dynastie in Süditalien. So 26*

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monorchie

wurde weitaus der größte Teil der Apenninenhalbinsel unter dem Hause Savoyen geeinigt, das aber auf sein Stammland und auf Nizza zugunsten Frankreichs verzichten mußte. Napoleon hätte freilich in Italien eine föderalistische Lösung — etwa einen Bund unter dem Ehrenvorsitz des Papstes, wie mit Franz Joseph vereinbart, — vorgezogen, die zentralistische Ordnung entsprach mehr den englischen Vorstellungen. Im übrigen war es klar, daß der italienische Nationalstaat früher oder später auch Venetien fordern würde. Von Solfcrino nach

Königgrätz

Die Niederlage im Felde hatte ihre unvermeidlichen Konsequenzen für die österreichische Innenpolitik. Das absolutistische Regime konnte die italienischen Niederlagen nicht überleben, indessen kam es noch nicht zu einer irgendwie konsequenten Demokratisierung. Zunächst erfolgte ein Personenwechsel. Buol, Bach, Kempen und Grünne wurden ausgebootet. Die Leitung der Außenpolitik übernahm Graf Rechberg, das Innenressort fiel dem polnischen Grafen Agenor Goluchowski zu. Goluchowski und der Unterrichtsminister Leo Thun neigten politisch den Slawen zu; verschiedene ihrer Maßnahmen erregten das Mißtrauen der Deutschösterreicher. Die Schillerfeier 1859 hatte einen demonstrativ nationalen Charakter; an den Universitäten traten die Burschenschaften, bisher durch Verbote behindert, offen hervor. Der Nationalitätenstreit begann sich zu verschärfen. Den Ungarn wollte der Kaiser, nicht zuletzt unter dem Einfluß seiner dem magyarischen Wesen besonders gewogenen Gemahlin Elisabeth, etwas entgegenkommen. Die Einteilung in fünf Distrikte wurde liquidiert, die Komitatsverfassung wieder eingeführt. Mit diesen Maßnahmen allein konnte man die Magyaren freilich nicht gewinnen. Vor allem aber war es nun notwendig, auch in den österreichischen Kronländern eine Wendung zum Konstitutionalismus zu versuchen. Allerdings kam es erst nach längeren Auseinandersetzungen zu einer Einigung der verantwortlichen Männer. Am 20. Oktober 1860 verkündete die Regierung das „Oktoberdiplom". Dieses Dokument wurde durch ein kaiserliches Manifest eingeleitet, in dem auf die Pragmatische Sanktion als Grundlage der Einheit der Monarchie und die im Jahre 1848 gewährten Grundrechte verwiesen wurde. Der Inhalt des Oktoberdiploms stellt im übrigen ein Kompromiß zwischen föderalistischen und zentralistischen sowie zwischen den bisher verfolgten autoritären und neuen liberal-demokratischen Tendenzen dar. In der Regel als vorwiegend föderalistisch charakterisiert, hatte das Diplom insofern eine gesamtstaatlich-zentralistische Note, als es einen Reichsrat vorsah, der auch die Länder der Stephanskrone einschließen sollte und dem vor allem die Gesetzgebung in fiskalischen und militärischen Angelegenheiten zukam. Für die übrigen Sektoren des öffentlichen Lebens waren aber die Landtage

Von Solferino nach Königgrätz

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mit verhältnismäßig weitgehenden Befugnissen zuständig. Die Einbeziehung der ungarischen Länder in den Reichsrat reizte, ebenso wie das Festhalten an der unmittelbaren Abhängigkeit der Nebenländer Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien von Wien, die Empfindlichkeit der Magyaren; es zeigte sich bald, daß man sie nicht zufriedenstellen, aber auch nicht mehr niederhalten konnte. Als sie zum Mittel der Steuerverweigerung griffen, erwies sich einmal mehr, daß das ungarische altkonservative Element, auf dessen R a t sich der H o f gestützt hatte, nicht als repräsentativer Vertreter der politisch aktiven Kreise des Landes gelten konnte. Neben den Magyaren opponierten audi die deutschen Liberalen unter der Führung des Finanzministers Ignaz Plener. D a zu den politischen Nöten noch eine fiskalische Krise kam — ausgelöst durch die Kosten der administrativen Änderungen und die Verminderung der Staatseinnahmen infolge des ungarischen Steuerstreikes — war das Schicksal des Oktoberdiploms und des Staatsministers Goluchowski besiegelt. Dieser trat im Dezember 1860 zurück, seine Stelle übernahm der führende Deutschliberale Anton Ritter von Schmerling. D a das Oktoberdiplom als „unwiderrufliches Verfassungsgesetz" galt, gab man dem „Februarpatent 1861", nach dem man den Staatsumbau nunmehr durchführen wollte, den Charakter einer „endgültigen" Fassung des Oktoberdiploms. Tatsächlich besteht zwischen beiden Verfassungsdokumenten nicht der zumeist behauptete unversöhnliche Gegensatz. Der Reichsrat erhielt ein Statut, das die schon im Oktoberdiplom angedeutete Scheidung zwischen einer engeren und einer weiteren, auch Ungarn umfassenden Vertretung unterstrich und die Befugnisse dieser Körperschaften erweiterte. Die Statuten der österreichischen Landtage wurden vereinheitlicht. Wiewohl die österreichischen Länder durch die Existenz des nur ihnen übergeordneten „engeren" Reichsrates gegenüber Ungarn als Einheiten niederer Ordnung qualifiziert wurden, ihren Landtagen nur höchst begrenzte Funktionen blieben und der Dualismus zwischen Österreich und Ungarn stark genug zum Ausdruck kam, verstärkte sich die nunmehr von dem geschickten Politiker Franz Deäk geführte ungarische Opposition. N u r durch drastische Anwendung der Exekutivgewalt konnte wenigstens die Verwaltungsarbeit in Ungarn aufrechterhalten werden. Die Möglichkeiten, welche der Widerstand der ungarischen Nationalitäten gegen die siion deutlicher hervortretenden magyarischen Herrschaftsgelüste bot, wurden ebenso wie vor 1859 österreichischerseits nicht entsprechend ausgenützt. Der demokratische Charakter der Verfassungsreform war insofern recht begrenzt, als die Reichsratsabgeordneten von den Landtagen entsandt wurden, die ihrerseits auf Grund eines äußerst eingeschränkten Wahlrechtes, das den Besitz begünstigte, gewählt worden waren. Überdies übten Magyaren, zeitweilig auch Siebenbürger und Kroaten, Absenz. Als von Schmerling rumänische und sächsische Vertreter Siebenbürgens zur Mitarbeit gewonnen werden konnten, schieden Tschechen und Polen aus, die seine großdeutsche

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

Politik ablehnten. Die politische Struktur des Reichsrates bietet ein nicht uninteressantes Bild. Das nationale Element spielte bereits eine erhebliche Rolle, war aber noch nicht so dominant, wie wenige Jahre später. Unter dem Begriff „föderalistische Rechte" verstand man eine Interessengemeinschaft, die von den Vertretern des Feudaladels über die Tschechen unter Palacky und Rieger, die Polen unter Smolka, bis zu den Deutschklerikalen meist alpenländischer Herkunft reichte. In der „deutschen Linken" oder „Verfassungspartei" wirkten verschiedene Gruppen, die gemäßigten Liberalen ebenso wie die stärker deutschnationalen „Autonomisten", jene mit Karl Giskra, diese mit Moriz von Kaisersfeld als bedeutendsten Sprechern. Als einzige nennenswerte slawische Gruppe unterstützten die ruthenischen Abgeordneten die deutsche Linke. Die deutschen, ungarischen, polnischen und böhmischen Angelegenheiten zeichneten sich mehr und mehr als H a u p t probleme ab. Im Jahre 1864 ließen sich bereits Ansätze zu einem Ausgleich mit den vom realistischen und verantwortungsbewußten Franz Deak geführten Magyaren erkennen. Wesentliche Vorstöße der regierenden Kreise richteten sich gegen das Konkordat; noch blieb es in Geltung, allein das Protestantenpatent von 1861, das den Angehörigen der evangelischen Bekenntnisse völlige Gleichberechtigung und Selbstverwaltung brachte, sowie Beschlüsse gegen die Tätigkeit der Jesuiten im Schulwesen deuteten eine Änderung der offiziellen Linie auch in der Kirchenpolitik an. Da dem Kaiser diese antikirchliche Tendenz Schmerlings und der Verfassungspartei wenig sympathisch war, verschlechterte sich die Position des Staatsministers, dessen Person überdies als Haupthindernis einer Aussöhnung mit Ungarn galt, mehr und mehr. Immerhin hielt er sich bis Juni 1865. Als aber Deak in einem berühmten Artikel im „Pesti N a p l o " (Ostern 1865) eine eindrucksvolle und gemäßigte Formulierung des ungarischen Standpunktes fand, ließ der Kaiser Schmerling fallen und betraute den Statthalter Böhmens, Graf Richard Belcredi, mit der Führung der Regierung. Im September 1865 sistierte Belcredi den ohnedies nur mehr von einer Minderheit beschickten Reichsrat und regierte in absolutistischer Form. Inzwischen waren in der deutschen Bundespolitik wichtige Entscheidungen gefallen. Ohne Zweifel hatte sich der für die auswärtigen Angelegenheiten Österreichs nach 1859 verantwortliche Mann, Bernhard Graf Rechberg, nach besten Kräften um eine Politik des Einvernehmens mit Preußen bemüht und die Zusammenarbeit mit den deutschen Mittelstaaten oder mit den außerdeutschen Mächten demgegenüber zurückgestellt. Im Jahre 1862 kam es aber zu einer Krise, als der zwischen Preußen und Frankreich abgeschlossene Freihandelsvertrag unverkennbar antiösterreichische Tendenzen verriet. Überdies trat im Oktober 1862 mit Otto von Bismarck ein selbstsicherer, zielstrebiger Staatsmann an die Spitze der preußischen Außenpolitik, der von vornherein bestrebt war, den Zustand des labilen Gleichgewichts im

Von Solferino nach Königgratz

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Deutschen Bund zugunsten einer Hegemonie des eigenen Staates zu liquidieren und dabei gegebenenfalls einer bewaffneten Auseinandersetzung mit dem Habsburgerstaat nicht aus dem Wege zu gehen. In der öffentlichen Meinung Deutschlands überwog wohl eine österreichfreundliche Stimmung, während die meisten europäischen Mächte, vor allem R u ß l a n d , Italien und — in seltsamer Verkennung der Lage — auch das Frankreich Napoleons I I I . zu Preußen tendierten. Im Bundestag w u r d e Preußen meistens majorisiert, da die kleineren Staaten seine Ausdehnungsbestrebungen fürchteten; als aber Österreich unter starker Initiative Kaiser F r a n z Josephs im J a h r e 1863 eine Bundesreform in seinem Sinne versuchte — man strebte die Erneuerung der Kaiserwürde an —, scheiterte dies an der Absage Preußens. Der auf dem Fürstenkongreß von F r a n k f u r t mit großer Mehrheit angenommene österreichische Reformvorschlag, in dem ein Fünferdirektorium unter österreichischem Vorsitz, ein Bundesgericht und ein mit effektiven Vollmachten ausgestatteter Bundesrat vorgesehen waren, w u r d e von Bismarck mit Gegenvorschlägen beantwortet, die eine deutsche Volksvertretung auf G r u n d direkter Wahlen forderten, was das von politischen und nationalen P r o blemen zerrüttete Österreich gar nicht annehmen konnte. Der preußische Schritt w a r denn auch wohl nur unternommen worden, um den österreichischen P l a n zum Scheitern zu bringen, nicht um eine brauchbare Alternative zu bieten. Ein aktuelles Problem der deutschen und europäischen Politik f ü h r t e zu einem letzten, vorübergehenden Zusammenwirken Preußens und Österreichs im R a h m e n des deutschen Bundes, gab aber dann auch den A n l a ß zum entscheidenden Bruch: Die schleswig-holsteinische Frage. Schon im J a h r e 1848/49 w a r es zu einer Erhebung der überwiegend deutschen Bevölkerung der beiden Fürstentümer und des kleinen Lauenburg gegen dänische Unifizierungsbestrebungen gekommen, doch ließen die deutschen Großmächte nach kurzer, erfolgreicher militärischer Intervention Schleswig-Holstein im Stich. Als nun 1863 die dänische Regierung unvorsichtigerweise selbst die Bestimmungen des ohnedies f ü r D ä n e m a r k sehr günstigen Londoner Vertrages von 1852 brach, der immerhin noch eine Sonderstellung der Fürstentümer im Verbände der Länder der dänischen Krone bestätigt hatte, forderte die öffentliche Meinung Deutschlands den K a m p f um Schleswig-Holstein. T a t sächlich griff der Deutsche Bund militärisch ein, wobei allerdings die deutschen Mittelstaaten und die beiden Großmächte getrennt vorgingen; D ä n e m a r k hoffte vergeblich auf englische H i l f e und mußte schließlich im Frieden von Wien beide H e r z o g t ü m e r abtreten. Die österreichischen T r u p p e n hatten im Verlauf dieses Feldzuges gegen einen z w a r gut verschanzten, letztlich aber doch hoffnungslos unterlegenen Gegner bei Oeversee und Veile Waffenerfolge davongetragen. Z u r See w a r D ä n e m a r k weitaus stärker als zu Lande, immerhin hielt sich ein österreichisch-preußisches Geschwader unter Admiral Tegetthoff am 9. Mai 1864 im Seegefecht von Helgoland sehr ehrenvoll.

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

Die Schwierigkeiten der schleswig-holsteinischen Frage zeigten sich erst nach dem Sieg im Felde in vollem Umfange. Die Sieger mußten zu einer Einigung über die Elbherzogtümer kommen. Deren Bevölkerung hätte am liebsten die Bildung eines eigenen deutschen Bundesstaates unter dem Erbprinzen Friedrich V I I I . von Augustenburg gesehen, der gut begründete Herrschaftsansprüche stellen konnte. Preußen, das zunächst nur Lauenburg erhielt, wollte auch Schleswig und Holstein zum Ausbau seiner Stellung an N o r d - und Ostsee für sich behalten. Österreich suchte das zu verhindern. Daß man mitentscheiden wollte, ist durchaus zu verstehen, hatte man doch auch mitgekämpft. Bismarck war wohl geneigt, Österreich in Italien entgegenzukommen, angeblich auch zur Unterstützung einer Wiedereroberung der Lombardei bereit, aber Österreich war mit Recht die Stellung im deutschen Bund wichtiger. Der preußische Staatsmann ließ zunächst noch eine Lösung im Einvernehmen mit Österreich als möglich erscheinen; da die Zustimmung der Habsburgermonarchie zur Einverleibung der Elbherzogtümer sich als unerreichbar erwies, vereinbarte man zu Gastein im August 1865 vertraglich die Teilung der Administration, Holstein sollte durch Österreich, Schleswig durch Preußen verwaltet werden. Das war nun freilich ein Provisorium. Als sich im Frühjahr 1866 die Gegensätze wieder zuspitzten, nicht ohne Schuld des Leiters der deutschen Politik Österreichs, Ludwig von Biegeleben, eines ehrlich großdeutsch gesinnten Hessen, der Bismarck diplomatisch nicht entfernt gewachsen war, schloß Preußen am 8. April 1866 mit Italien eine gegen Österreich gerichtete Allianz, die die Bundesakte verletzte. Ein Vermittlungsversuch des preußischen Diplomaten Freiherrn Anton von Gablenz, eines Bruders des in Holstein kommandierenden österreichischen Generals, scheiterte. Die Fühlungnahmen zur Einberufung eines europäischen Kongresses, auf dem Frankreich und Italien auch über Venetien sprechen wollten, blieben ergebnislos. Nachdem Österreich — gegen die Bestimmungen des Gasteiner Vertrages — die Entscheidung über Schleswig-Holstein dem Deutschen Bund zugewiesen hatte, besetzte Preußen Holstein. In dieser bedrohlichen Situation kam der seltsame Vertrag Österreichs mit Napoleon III. zustande, der die Abtretung Venetiens selbst für den Fall eines glücklichen Ausganges eines österreichisch-preußischen Krieges vorsah, während sich Frankreich nur zur Neutralität verpflichtete (12. Juni 1866). Inzwischen hatte Preußen ein „Bundesreformprogramm" veröffentlicht (10. Juni), in dem der Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen Bund verlangt wurde; als eine Abstimmung im Bundesrat mit neun gegen sechs Stimmen die von Österreich verlangte Mobilisierung gegen Preußen beschloß (14. Juni), erklärte der preußische Gesandte die Bundesverfassung für erloschen, und der Krieg begann. Auf der einen Seite kämpften Österreich und die meisten Mittelstaaten, darunter im Norden Hannover, Sachsen, Hessen-Kassel, im Süden Bayern, Baden und Württemberg, auf der anderen Preußen, die Hansestädte, die norddeutschen Kleinstaaten und das verbün-

Von S o l f e r i n o nach K ö n i g g r ä t z

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dete Königreich Italien. Von vornherein stand fest, d a ß die Entscheidung auf dem nördlichen Kriegsschauplatz fallen würde. H i e r hatten die österreichischen T r u p p e n , zu denen sich die Sachsen durchschlagen konnten, w ä h rend die H a n n o v e r a n e r kapitulieren mußten und die K ä m p f e der süddeutschen Staaten in der Maingegend gegen detachierte preußische K r ä f t e ungünstig verliefen, gegen einen an A u s b i l d u n g und B e w a f f n u n g überlegenen Gegner zu k ä m p f e n . Die preußische Infanterie w a r schon seit einigen J a h r e n mit einem Hinterlader, dem Zündnadelgewehr, ausgerüstet, dessen Feuerschnelligkeit wesentlich größer w a r als die der österreichischen V o r d e r l a d e r ; dagegen erwies sich die österreichische K a v a l l e r i e der preußischen gegenüber als durchaus gleichwertig und die Artillerie v e r f ü g t e über das bessere Geschützmaterial. Infolge des A u f g e b o t s einer L a n d w e h r besaßen schließlich die preußischen T r u p p e n auf dem H a u p t k r i e g s s c h a u p l a t z auch eine — allerdings geringfügige — zahlenmäßige Überlegenheit. V o r allem aber waren sie besser geführt, ihr Generalstabschef H e l m u t h von M o l t k e vereinigte hohes strategisches K ö n n e n mit fester Entschlußkraft. D e r österreichische K o m m a n d e u r auf dem nördlichen Kriegsschauplatz, Feldzeugmeister L u d w i g von Benedek, verkörperte mehr den T y p des tüchtigen, bei der A r m e e beliebten H a u d e g e n s und besaß überdies nur auf dem italienischen K r i e g s schauplatz — wo E r z h e r z o g Albrecht das K o m m a n d o übernahm — wirkliche Landeskenntnis. A u f der S ü d f r o n t verliefen die K ä m p f e für Österreich günstig. A m 24. J u n i 1866 siegten die Österreicher bei C u s t o z z a über einen Feind, der es versäumte, seine Übermacht z u s a m m e n z u f a s s e n ; dann mußte m a n allerdings wegen der ungünstigen Entwicklung im N o r d e n Venetien aufgeben und den Großteil der T r u p p e n der S ü d a r m e e an die D o n a u transportieren. Die preußischen Armeen wandten sich nicht, wie m a n im österreichischen H a u p t q u a r t i e r vermutet hatte, gegen Mähren, sondern gegen Böhmen. In den einleitenden Gefechten des Feldzuges blieben meist die Preußen erfolgreich (bei Podol, H ü h n e r w a s s e r , Schweinschädl, S k a l i t z , N a c h o d ) , nur bei T r a u t e n a u siegte am 27. J u n i 1866 General G a b l e n z über ein preußisches K o r p s . Benedek verzweifelte angesichts der bereits erlittenen schweren Verluste an der Möglichkeit einer günstigen W e n d u n g und riet telegraphisch dem H o f zum Friedensschluß; K a i s e r F r a n z J o s e p h ließ aber durchblicken, daß er die A n n a h m e einer Hauptschlacht erwarte. So k a m es am 3. J u l i 1866 zur Entscheidung des Feldzuges bei K ö n i g g r ä t z . In einer sehr starken Stellung mit dem A n g e l p u n k t beim D o r f e C h l u m hielten die Österreicher dem A n s t u r m der preußischen A r m e e des Prinzen Friedrich K a r l stand, bis unvorsichtige Aktionen den rechten Flügel entblößten und die neueintreffende A r m e e des preußischen K r o n p r i n z e n die Schlacht entschied. Durch die A u f o p f e r u n g der österreichischen K a n o n i e r e und Reiter konnte eine völlige K a t a s t r o p h e vermieden werden, doch gestaltete sich der Rückzug über die

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Elbe sehr verlustreich, viele Soldaten ertranken. N u r mit Mühe gelang es, den Rest der Armee an die Donaulinie zurückzuführen. Benedek wurde seines Kommandos enthoben, glaubte sich zum Schweigen verpflichtet und wurde nach dem Krieg in peinlichster und unverantwortlichster Weise als Sündenbock bloßgestellt — darüber besteht kein Zweifel, mag auch manche „Benedeklegende" die Vorgänge vor und nach Königgrätz noch mehr dramatisiert haben. Am 22. Juli wurde ein Waffenstillstand, am 6. August der Vorfriede von Nikolsburg und am 22. August der Friede von Prag geschlossen. Ein Einfall ungarischer Legionäre unter dem Achtundvierzigergeneral Klapka in Nordungarn verlief zu Ende Juli ergebnislos, da sich die slowakische Bevölkerung nicht am Unternehmen beteiligen wollte. Im übrigen hatte auch eine Proklamation der einrückenden Preußen an die „Bewohner des glorreichen Königreiches Böhmen", ein Versuch zur Zusammenarbeit mit dem schon stark entwickelten tschechischen Nationalismus, keinen Anklang gefunden. Im Süden hatte Admiral von Tegetthoff am 20. Juli vor der dalmatinischen Insel Lissa durch entschlossene Anwendung der Rammtaktik noch einen glänzenden Sieg über die überlegene italienische Flotte unter Admiral Persano erfochten; ein Erfolg, der freilich für den Fortgang des Krieges ohne Bedeutung war. Österreich trat Venetien an Napoleon ab, Südtirol und die Isonzolinie wurden erfolgreich verteidigt. Bismarck gelang es, schwächliche Vermittlungsversuche Napoleons und dessen Kompensationsforderungen zurückzuweisen, er bremste aber auch allzuweitgehende Forderungen der eigenen Militärpartei und verzichtete auf Gebietsabtretungen Österreichs und Sachsens, für dessen Bestand sich Franz Joseph dem sächsischen König gegenüber ehrenwörtlich verpflichtet hatte. In territorialer Hinsicht hielt sich Preußen freilich durch die Erwerbung von Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt und naturgemäß auch Schleswig-Holstein schadlos, die Lücke zwischen den rheinischen und den altpreußischen Landen wurde geschlossen und mit den noch bestehenden norddeutschen Staaten, einschließlich Sachsens, der Norddeutsche Bund vereinbart; gleichzeitig wurde Süddeutschlands Selbständigkeit festgelegt. Der Absdhluß des italienischen Krieges zog sich länger hinaus, da Italien neben Venetien auch Teile Südtirols und des Küstenlandes bekommen wollte; man lenkte erst ein, als Bismarck jede Unterstützung verweigerte und wieder österreichische Verstärkungen nach Süden abgehen konnten. Mit der Entscheidung von 1866 war eine wesentliche Voraussetzung für die Bildung des preußisch-kleindeutschen Nationalstaates geschaffen und 1866 markiert auch einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte der Einigung Italiens. Diese Entwicklung ist von den Zeitgenossen als sinnvoll und von der Nachwelt lange Zeit als geradezu selbstverständlich angesehen worden. Für Österreich hatte der Verlust der Stellung in Deutschland und Italien, mit dem man sich gewiß nicht ohne weiteres abfand, zur unmittel-

D e r österreichisch-ungarische Ausgleich

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b a r e n K o n s e q u e n z , d a ß die Lösung der ungarischen F r a g e zum H a u p t p r o b l e m w u r d e . I m übrigen sollte sich freilich zeigen, d a ß die italienischen A s p i r a t i o n e n gegenüber der D o n a u m o n a r c h i e noch nicht erschöpft w a r e n , d a ß sie auch mit einer gewissen Resonanz rechnen k o n n t e n , o b w o h l n u r mehr wenige h u n d e r t t a u s e n d Italiener im V e r b ä n d e der Monarchie lebten. A n dererseits w u r d e n f ü r 10,000.000 Deutschösterreicher mit der A u f l ö s u n g des Deutschen Bundes nicht mit einem Schlage alle T r a d i t i o n e n ausgelöscht, die sie mit den Deutschen jenseits der schwarzgelben G r e n z p f ä h l e v e r b a n d e n . S t ä r k e r als bisher f ü h l t e m a n auch, d a ß m a n im eigenen S t a a t n u r eine M i n d e r h e i t w a r , der n u n m e h r der R ü c k h a l t , den der Deutsche Bund ungeachtet seiner Schwächen i m m e r h i n geboten h a t t e , sehr fehlte.

Der österreichisch-ungarische

Ausgleich

N a c h dem R ü c k t r i t t Schmerlings h a t t e n die von W i e n mit den ungarischen P o l i t i k e r n g e f ü h r t e n V e r h a n d l u n g e n eine aussichtsreichere F o r m angenommen. Die Sistierung der V e r f a s s u n g durch Belcredi w a r jenseits der Leitha nicht unerwünscht, und w e n n m a n d o r t auch b a l d einsah, d a ß man nicht mit allen F o r d e r u n g e n im Geiste von 1848 durchdringen k o n n t e , m u ß t e doch andererseits a m H o f e die „ V e r w i r k u n g s t h e o r i e " aufgegeben werden, die U n g a r n wegen der E r h e b u n g von 1848/49 aller staatsrechtlichen P r i v i legien verlustig erklärte. I n der ersten H ä l f t e des Jahres 1866 w a r das Ausgleichswerk schon ziemlich weit gediehen, d a n n brachte der K r i e g noch einmal eine U n t e r b r e c h u n g der V e r h a n d l u n g e n . Z u A n f a n g des J a h r e s 1867 k a m es in Österreich zu einem Regierungswechsel. D e r mit dem sich a n b a h n e n d e n D u a l i s m u s nicht einverstandene Föderalist Belcredi t r a t zurück, an seine Stelle k a m Freiherr F e r d i n a n d von Beust, f r ü h e r sächsischer Ministerp r ä s i d e n t , der zu E n d e 1866 u n t e r Belcredi bereits die auswärtigen A n gelegenheiten der Monarchie geleitet h a t t e . Beust v e r h a n d e l t e nicht ohne Geschick mit den U n g a r n , an deren Spitze neben F r a n z D e a k besonders der aus der Pariser E m i g r a t i o n zurückgekehrte t e m p e r a m e n t v o l l e u n d beredte G r a f Julius A n d r a s s y h e r v o r t r a t ; eine leidenschaftliche Fürsprecherin f a n d e n die ungarischen S t a a t s m ä n n e r in Kaiserin Elisabeth, die schon in den kritischen T a g e n nach K ö n i g g r ä t z ihren G e m a h l b e s t ü r m t hatte, den U n g a r n e n t g e g e n z u k o m m e n . N a t u r g e m ä ß w a r die Position des W i e n e r H o f e s nach dem verlorenen Krieg ü b e r h a u p t schwächer geworden. Andererseits besaßen D e a k u n d A n d r a s s y — anders als Kossuth und dessen Epigonen — die k l a r e Einsicht, d a ß der magyarische Anspruch auf Herrschaft über alle L ä n d e r der S t e p h a n s k r o n e sich n u r i n n e r h a l b des g r ö ß e r e n R a h m e n s der H a b s b u r g e r monarchie verwirklichen ließ. I m L a u f e der V e r h a n d l u n g e n bildeten Beust u n d A n d r a s s y , die sich gut v e r s t a n d e n , eine d r ä n g e n d e G r u p p e , der bedächtige D e a k u n d F r a n z Joseph w i r k t e n eher bremsend. N a c h d e m der

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Monarch aber einmal zu den Vereinbarungen der Politiker seine Zustimmung gegeben hatte, war trotz slawischer Gegenminen der Ausgleich gesichert. Dem Einfluß Deaks gelang es, eine sichere Mehrheit für das Ausgleichswerk im ungarischen Reichstag zu gewinnen. Ungarischerseits sah man damals (und auch später) im Ausgleichswerk einen Vertrag Ungarns mit seinem König, nicht aber mit Österreich. Erst gegen Jahresende 1867 wurde dann der Ausgleich gemeinsam mit anderen Gesetzen, die der verfassungsmäßigen Neuordnung der österreichischen Reichshälfte galten, auch von beiden Häusern des österreichischen Reichsrates angenommen. Der Kaiser hatte den entsprechenden ungarischen Gesetzesartikel (XII) im Juni 1867 sanktioniert und gab auch dem österreichischen Gesetzeswerk im Dezember dieses Jahres seine Zustimmung. Worin bestand nun der wesentliche Inhalt des Ausgleichs, dessen grundsätzliche Voraussetzung die Pragmatische Sanktion als einziges älteres, auch von ungarischer Seite als verbindlich angesehenes, Staatsgesetz bilden sollte? Als „pragmatisch gemeinsame Angelegenheiten" wurden durch die Ausgleichsgesetze neben der Person des Herrschers (des Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn) das Auswärtige, das Heer- und Kriegswesen sowie das Finanzwesen, sofern es zur Deckung der Kosten der gemeinsamen Angelegenheiten diente, festgelegt. Dementsprechend gab es drei gemeinsame kaiserliche und königliche (k. u. k.) Ministerien, kurz „Reichsministerien" genannt, für Äußeres, Krieg und Finanzen. Die Reichsminister waren den Delegationen verantwortlich, Ausschüssen von je 60 Mitgliedern, die aus jedem der beiden Parlamente gewählt und zu in der Regel gesonderten Sitzungen einberufen wurden. Die Delegationsbeschlüsse mußten übereinstimmen und bekamen durch die Bestätigung des Kaisers Gesetzeskraft. Viel Mühe kostete stets die Regelung der finanziellen Bestimmungen des Ausgleichs. Unter anderem mußten Vereinbarungen über verschiedene „paktiert gemeinsame Angelegenheiten" getroffen werden, wie etwa die Staatsschulden, von denen Ungarn einen Teil übernahm, Handel und Zölle, indirekte Steuern, die Währung (durch eine gemeinsame Nationalbank) und die Grenzeisenbahnen. Das eigentlich schwerwiegende Problem der alle zehn Jahre stattfindenden Ausgleichsverhandlungen bildete die Frage der Bemessung der beiderseitigen Anteile an der Kostendeckung der gemeinsamen Angelegenheiten. Um den Schlüssel, die sogenannte „Quote", wurde zähe gerungen; 1867 hatte man den ungarischen Anteil mit 30 Prozent festgesetzt. Es blieb für die spätere Politik der Monarchie charakteristisch, daß Ungarn zwar stets einen wesentlich geringeren Teil der Kosten trug, aber grundsätzlich gleichberechtigt und tatsächlich infolge der eindeutigeren innenpolitischen Machtverhältnisse Österreich überlegen war. In der Tat fragt sich, ob man überhaupt von einem „Österreich" sprechen konnte; de iure standen den „Ländern der ungarischen Krone" die „im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder" gegenüber, die inoffiziell als „Zis-

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leithanien", Land diesseits der Leitha, bezeichnet wurden. Der N a m e Österreich kam im offiziellen Sprachgebrauch nur im Gesamttitel „österreichischungarische Monarchie" und im Titel des Monarchen „Kaiser von Österreich und König von U n g a r n " vor; erst seit 1915 gab es auch ein „österreichisches" Wappen. Eine sehr bedenkliche Konsequenz des Ausgleichswerkes ergab sich aus der Verschlechterung der Lage der ungarländischen Nationalitäten; den Magyaren wurde unter anderem die erprobte Einrichtung der Militärgrenze preisgegeben, die bis 1873 fiel; die Grenzertruppen wurden von der k. u. k. Armee übernommen, neben der es auch eine österreichische Landwehr und die ungarische Honved gab. Da^ Königreich Kroatien-Slawonien, dessen Verhältnis zu Ungarn durch ein eigenes Ausgleichswerk geregelt wurde, behielt eine Autonomie innerhalb Ungarns, die sich auf Verwaltung, Justiz, Kultus und Unterricht erstreckte. Ungeregelt war die Stellung Dalmatiens, das einst mit Kroatien zu Ungarn gehört hatte, aber schon im Mittelalter von der Republik Venedig erobert worden war und 1797 bzw. 1815 an Österreich kam. Das Land verblieb auch nach 1867 unter österreichischer Verwaltung, doch hielten Ungarn und Kroatien an ihren Ansprüchen fest.

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Das Februarpatent hatte sich wenigstens grundsätzlich auf die Gesamtmonarchie bezogen; jetzt mußte man Verfassungsgesetze schaffen, die lediglich die Westhälfte der Monarchie betrafen; schließlich k a m 1867 den deutsch-liberalen Abgeordneten der verfassungstreuen Linken nach Zahl und persönlichem Einfluß eine besondere Bedeutung zu, die durch die taktisch recht unkluge Absenz der Tschechen vom Reichsrat noch gesteigert wurde. Die Forderungen des deutschen Bürgertums entsprachen der politischen Tradition des Liberalismus; es ging insbesondere um eine Einschränkung der Konkordatsbestimmungen, eine Begrenzung des Notverordnungsrechtes der Regierung und die Sicherung der staatsbürgerlichen Rechte des einzelnen. Nach Uberwindung verschiedener Schwierigkeiten brachte man die (nach der Zeit ihrer Annahme bzw. der Sanktion durch den Kaiser am 21. Dezember 1867) so genannten „Dezembergesetze" durch. Von diesen betrafen zwei die richterliche Gewalt (bzw. das Reichsgericht), eines legte den Ausgleich mit Ungarn fest, ein anderes befaßte sich mit der in zwei Kammern (Abgeordnetenhaus und Herrenhaus) geteilten, auf Grund des damals üblichen Klassenwahlrechtes zu wählenden Volksvertretung. An dem N o t v e r ordnungsrecht der Regierung (§ 14) wurde mit gewissen Einschränkungen festgehalten. Das Gesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger sollte die Rechtsgleichheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Staatsbürger, die Unverletzlichkeit des Eigentums und andere „Grundrechte" festlegen;

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unter seinen Paragraphen ist besonders Artikel 19 mit der einleitenden Formulierung „Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache" hervorzuheben; dieser Artikel und seine Auslegung hatten zentrale Bedeutung für das österreichische Nationalitätenrecht. Ein weiteres Gesetz präzisierte Stellung und Rechte des Kaisers, unter dessen Befugnissen der Oberbefehl über die Armee und die Führung der auswärtigen Politik besonders betont wurden. Zu Beginn des Jahres 1868 wurde Fürst K a r l ( „ C a r l o s " ) Auersperg zum österreichischen Ministerpräsidenten ernannt, zu seinem Kabinett gehörten prominente Liberale wie Johann Nepomuk Berger, Ignaz Plener und vor allem — als Justizminister — der populärste, aber allzu dogmatisch denkende und agitierende deutschböhmische Politiker Eduard Herbst. Als Vertrauensmann des Kaisers galt mit Recht der Kriegsminister Graf Eduard TaafFe. Im Parlament begann nach Erledigung des Verfassungswerkes der K a m p f um die Herbstschen Entwürfe dreier Gesetze, die ganz wesentlich in das stets heikle Problem der Beziehungen zwischen Kirche und Staat eingriffen, sie betrafen insbesondere Ehe, Schule und interkonfessionelle Verhältnisse. D a s Ehegesetz machte die durch das Konkordat herbeigeführte weitgehende Ausschaltung der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches für katholische Ehen rückgängig; jetzt wurde wieder die staatliche an Stelle der kirchlichen Gerichtsbarkeit zuständig. Dagegen sah man weiterhin von einer obligatorischen Ziviltrauung für Katholiken ab. D a s Schulgesetz betonte die staatliche (anstatt der kirchlichen) Schulaufsicht, es wurde ergänzt durch das vom Unterrichtsminister Leopold Hasner, Ritter von Artha, eingebrachte „Reichsvolksschulgesetz" (vom 14. Mai 1869) das die interkonfessionelle, achtjährige, staatliche Pflichtschule durchsetzte. Von der laizistischen Schulgesetzgebung anderer Staaten unterschied sich das Gesetz insofern, als es die Bedeutung der religiös-sittlichen Erziehung nicht leugnete und den obligatorischen konfessionellen Religionsunterricht beibehielt. D a s dritte der Maigesetze von 1868 regelte die interkonfessionellen Beziehungen (gemischte Ehen, Religionswechsel usw.). Es war unvermeidlich, daß die „Maigesetze", die bis zu einem gewissen Grade schon einen Bruch des Konkordats bedeuteten, auf schärfsten kirchlichen Widerstand stießen. Papst Pius I X . verurteilte die „leges abominabiles". Der streitbare Bischof von Linz, Franz Josef Rudigier, der sich in einem Hirtenbrief gegen die Neuerungen wandte, wurde zu einer vierzehntägigen Arreststrafe verurteilt, vom Kaiser allerdings sofort begnadigt. Der Kaiser war über die hier skizzierte Entwicklung aus Gewissensgründen überhaupt wenig erfreut; zwar verhielt er sich gegenüber der Regierungspolitik stets loyal, wirkliche Sympathien für den Liberalismus besaß er aber nicht. Die Stellung des „Bürgerministeriums" Karl Auersperg war

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auch durch persönliche Meinungsverschiedenheiten der führenden Politiker der Monarchie gefährdet. Namentlich der Reichskanzler (Außenminister) Beust und Auersperg harmonierten nur wenig. So versuchte Beust gewissermaßen auf eigene Faust, dem Ausgleich mit U n g a r n ein J a h r später einen mit den Tschechen folgen zu lassen. Er unterschätzte den dogmatischen Starrsinn der tschechischen Führung; diese verlangte die reine Personalunion mit Österreich und sogar das Recht, gegebenenfalls einen nichthabsburgischen König zu wählen. Die realistischer operierenden Polen setzten immerhin die innere polnische Amtssprache und eine Sonderstellung f ü r Galizien durch. Außenpolitisch standen die J a h r e nach 1866 im Zeichen der Bemühungen Napoleons III., den wachsenden preußischen Einfluß in Europa einzudämmen oder zumindest Frankreich Kompensationen zu versdiaffen. Er erreichte allerdings nur die Neutralisierung Luxemburgs, das zum D e u t schen Bund gehört hatte und in dessen H a u p t s t a d t bisher eine preußische Besatzung stationiert war. Der Botschafter Frankreichs am Wiener H o f , H e r z o g von G r a m o n t , schlug schon im F r ü h j a h r 1867 den Abschluß eines Bündnisses vor, doch scheiterte er an der vorsichtigen Reserve Beusts. Als man in Paris den Faden neu zu k n ü p f e n versuchte, zerstörte die Nachricht von der Katastrophe Kaiser Maximilians von Mexiko erneut die französischen Bündnishoffnungen. Erzherzog Maximilian, der jüngere, liebenswürdige und begabte Bruder Franz Josephs hatte als Vizekönig in der Lombardei eine Versöhnungspolitik verfolgt; seit 1859 lebte er zumeist zurückgezogen auf Schloß M i r a m a r e bei Triest. H i e r erhielt er 1863 das Angebot der mexikanischen Kaiserkrone durch eine konservativ-kirchliche Partei, die sich mit französischer H i l f e gegen ihre liberalen Gegner durchzusetzen schien. Maximilian nahm an, nachdem er auf alle Ansprüche in Österreich verzichtet hatte. Er k a m im Mai 1864 nach Mexiko, konnte sich aber nicht behaupten, nachdem N a p o l e o n I I I . die französischen T r u p p e n unter dem Eindruck der immer drohender werdenden H a l t u n g der Vereinigten Staaten zurückgezogen hatte. Maximilians eigene K r ä f t e wurden bald überwältigt, sein letzter Zufluchtsort, die Festung Queretaro fiel durch Verrat, und Maximilian wurde hier am 19. J u n i 1867 auf G r u n d eines kriegsgerichtlichen Todesurteils gemeinsam mit seinen Anhängern, den Generälen Miguel Miramon und Thomas Mejia erschossen. Maximilians ehrgeizige Gemahlin, die belgische Prinzessin Charlotte, hatte vergeblich versucht, in Europa H i l f e zu erlangen, noch vor dem Untergang des Gemahls brach sie zusammen; hochbetagt starb sie in völliger geistiger Umnachtung erst im J a h r e 1927. D a die öffentliche Meinung Österreichs in N a p o l e o n I I I . einen H a u p t schuldigen der mexikanischen Tragödie sah, w a r ein G r u n d mehr gegeben, einem Bündnisangebot anläßlich einer Salzburger Zusammenkunft im August 1867 auszuweichen. Auch der Pariser Besuch des österreichischen Herrschers im H e r b s t 1867 brachte trotz allen Gepränges kein konkretes Ergebnis. Im J a h r e 1869 plante N a p o l e o n einen Dreibund mit Österreich

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und Italien, aber dieser scheiterte an den ausgiebigen italienischen territorialen Ansprüchen. In Wien waren am ehesten scharf antipreußisch eingestellte Militär- und Hofkreise unter Erzherzog Albrecht für einen Revanchekrieg gegen Preußen, doch wollte man noch Zeit für die Beendigung einer Heeresreform. So kam es im Frühjahr 1870, als Albrecht in Paris und der französische General Lebrun in Wien verhandelten, wieder nur zu unverbindlichen Vorschlägen. Freilich hoffte das Kabinett Gramont doch auf österreichische und italienische Intervention, als es am 19. Juli 1870 den Krieg an Preußen erklärte. Indessen war man sich am österreichischen Hof keineswegs einig, schließlich entschied Kaiser Franz Joseph gegen Erzherzog Albrecht und Beust für eine einfache („unbewaffnete") Neutralität. Der Anschluß Süddeutschlands an Preußen, die Stimmung der Deutschösterreicher, vor allem aber die raschen Erfolge der deutschen Heere, all das sprach gegen einen Kriegseintritt auf französischer Seite. Nachdem am 1. September unter dem Schlag von Sedan das zweite napoleonische Kaiserreich zusammengebrochen war, dachte niemand mehr an Intervention zugunsten der französischen Republik. Der Artikel IV des Prager Friedens, in dem an sich nur von deutschen Bünden die Rede war, hätte noch eine Möglichkeit gegeben, gegen die Bildung des neuen deutschen Kaiserreiches der Hohenzollern zu protestieren, doch hätte Österreich hiezu der Unterstützung anderer Mächte bedurft; als Beust erkannte, daß dies nicht zu erreichen war, hat er sich als Realpolitiker mit den gegebenen Tatsachen abgefunden. Damit war für absehbare Zeit die Hoffnung aufgegeben, die Vormachtstellung Österreichs in Deutschland zurückzugewinnen. Vor allem aber verschärfte sich der Zwiespalt im politischen Denken der Deutschösterreicher. Wer bisher „großdeutsch" gefühlt hatte, der vertrat auch den politischen Anspruch der Monarchie im deutschen Raum, jetzt wurden die österreichischen Großdeutschen als Deutschnationale zwangsläufig zu politischen Satelliten des oft kritiklos verherrlichten kleindeutsch-preußischen Staates; der großdeutsche Gedanke, entstanden aus dem Gegensatz zu den Machtansprüchen des Preußentums, wandelte sich in dessen Diener. Auf der anderen Seite hatte der österreichische Staatsgedanke bisher eine starke deutsche Färbung gehabt, nunmehr wäre eine übernationale „großösterreichische" Idee für den Vielvölkerstaat zweifellos das Gegebene gewesen — ihrer Verwirklichung stand aber der Dualismus und die Herrschaft der Magyaren über die Nationalitäten der östlichen Reichshälfte entgegen; bald bezeugte es sich immer deutlicher, daß unter den Angehörigen der Völker der Monarchie das Volksbewußtsein wenigstens im politisch führenden Bürgertum den österreichischen Staatsgedanken an Intensität in der Regel übertraf. Zu einer einfachen Scheidung nach Nationalitäten ist das Parteiengefüge der Habsburgermonarchie indessen nie gekommen, soziale und konfessionelle Trennungslinien kreuzten sich mit den nationalen. Die Verpolitisierung ergriff breite Schichten, mochten diese auch vorderhand durch das Zensus-

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Wahlrecht von der A b g a b e des Stimmzettels ausgeschlossen sein. In den späteren sechziger J a h r e n begann sich der nach außenhin herrschende deutsche Liberalismus bereits aufzusplittern. Im J a h r e 1867 bildeten sich in G r a z , auf einem dem nationalen G e d a n k e n günstigen Boden, und in Wien erste O r g a n i s a t i o n s f o r m e n der d a m a l s vielfach noch „autonomistisch" genannten deutschnationalen Bewegung. D i e P r o g r a m m e hatten neben der Betonung des deutschen G e d a n k e n s entsprechend der josephinischen T r a d i t i o n starke antikirchliche, bald auch — im G e g e n s a t z zu den Altliberalen — antisemitische und schließlich antiparlamentarische A k z e n t e ; die Volksvertretung galt nicht länger als geeigneter Boden zur Durchsetzung „nationaler B e l a n g e " . V o n der Ausgliederung Galiziens, der B u k o w i n a und D a l m a t i e n s aus der österreichischen Reichshälfte erhoffte m a n sich eine deutsche Vorherrschaft in den alpenländisch-sudetischen Restgebieten. D i e K o n s e r v a t i v e n unter dem alten Fürsten Windischgrätz, denen auch Goluchowski und Belcredi recht nahestanden, polemisierten gegen die Ideen von 1848 und den Deutschliberalismus. Wichtig w a r es, daß man von den feudalen Kreisen einen Weg zu breiteren Volksschichten f a n d . N a c h 1875 brachte der Freiherr K a r l von Vogelsang, ein katholischer K o n v e r t i t aus Mecklenburg, der sich in der Tageszeitung „ D a s V a t e r l a n d " ein geeignetes Sprachrohr schuf, eine neue N o t e in die konservative Bewegung. Vogelsang wollte eine christliche S o z i a l r e f o r m unter Betonung berufständischer Gesichtspunkte; sein politisches H a u p t a n l i e g e n w a r die E r h a l t u n g des Mittelstandes, und in dessen Milieu f a n d m a n auch ein gewisses Echo; noch stärker w a r dieses bei den Bauern, denen die großbürgerlichen, städtischen Führer der Liberalen in der Regel wenig zu bieten hatten und wegen ihrer antikirchlichen H a l t u n g auch nicht sympathisch waren. In Tirol und in den slawischen Agrargebieten besaßen die K o n s e r v a t i v e n ein entschiedenes Übergewicht über die Liberalen, auch sonst w a r mit ihnen zu rechnen, bis sie selbst einer jüngeren, kirchentreuen Bewegung weichen mußten. E r f o l g l o s waren Liberale, Deutschnationale und auch die K o n s e r v a t i v e n gegenüber den Arbeitern; die katholischen Gesellen vereine fanden in Österreich viel weniger R e s o n a n z als etwa an Rhein und Ruhr. D i e österreichischen Arbeiter wandten sich in ihrer Mehrheit den Sozialdemokraten zu. D i e Arbeiterbildungs- und Facharbeitervereine waren in der Regel sozialistisch orientiert; es g a b auch eine recht rührige Arbeiterpresse. D i e sozialdemokratische Partei stand zunächst mehr unter dem Einfluß der Ideen von F e r d i n a n d Lassalle als des marxistischen Gedankengutes. In der Öffentlichkeit traten die österreichischen S o z i a l d e m o k r a t e n von A n f a n g an ziemlich stark hervor; im J a h r e 1869 waren sie auf dem Eisenacher K o n g r e ß stark vertreten, nachdem m a n schon im V o r j a h r e in Wiener N e u s t a d t einen allgemeinen Arbeitertag abgehalten hatte. N a c h einer ersten großen D e m o n stration in Wien erkämpften sich die österreichischen Arbeiter 1870 das „Koalitionsrecht", d a m i t das Recht auf legale Streiks. Allerdings hatten die 27

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Arbeiter ebenso wie die Kleinbürger und Kleinbauern noch kein Wahlrecht und bald wurde die sozialistische Bewegung durch die Spaltung in „Gemäßigte" und „Radikale" empfindlich geschwächt. Am 12. April 1870 folgte das Ministerium Potocki der über Wahlreformfragen gestürzten Regierung Karl Auersperg. Die bedeutendste M a ß nahme der neuen Regierung, die nur ein Alter von zehn Monaten erreichte, war die Kündigung des durch die Gesetzgebung von 1868 schon recht durchlöcherten Konkordates. G r a f Beust versuchte zunächst im J a h r e 1869 den freiwilligen Verzicht der Kurie auf das Konkordat zu erreichen, hatte damit aber keinen Erfolg. Die Verkündigung des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes auf dem Vatikanischen Konzil, unter Widerstand der meisten österreichischen Bischöfe, namentlich des Kardinals Rauscher von Wien, gab den erwünschten Vorwand zur Aufstellung der These, der Konkordatsvertrag sei infolge einer wesentlichen Veränderung der N a t u r des einen Vertragspartners hinfällig geworden. Der Kaiser stimmte dieser Auffassung im Kronrat vom 30. August 1870 zu. Im diplomatischen Verkehr mit der Kurie verhielt man sich aber höflich, ein ernstes Schreiben des Kaisers an den Papst verfehlte seinen Eindruck nicht; zu einem Kulturkampf wie in Deutschland ist es in der Habsburgermonarchie nicht gekommen. Bei den Wahlen des Jahres 1870 erlitt die liberale Verfassungspartei entschiedene Einbußen, ein linksliberaler Flügel („Fortschritt") trat seither etwas stärker hervor. Der Rückgang der Liberalen, gewiß auch ein Ergebnis des deutsch-französischen Krieges, dessen Ausgang die Angst vor dem siegreichen Preußen vergrößerte, war den Konservativen und Slawen günstig. Im Februar 1871 übernahm der Führer der feudal-konservativen Gruppe, G r a f K a r l Sigmund von Hohenwart, die Regierungsbildung. In Geheimverhandlungen wurde die tschechische Opposition für die Mitarbeit gewonnen. Der neue Ministerpräsident galt als Feind deutschliberaler, zentralistischer Tendenzen, demgemäß hatte er im deutschen Sprachgebiet Österreichs eine schlechte Presse. Bald zeigte sich, daß von den neuen Männern der aus Schwaben stammende Professor der Nationalökonomie Albert Schäffle die Schlüsselstellung einnahm. Ihm war das Handels- und Ackerbauministerium übertragen worden, doch beschränkte sich die Planung des Ministers keineswegs auf sein ihm eher ungewohntes Ressort. Schäffle vertrat kleinbürgerlichreformerische Ideen, die einiges von dem, was bald Vogelsang und später K a r l Lueger verkündeten, vorwegnahmen. Seine Gedanken über die Neuordnung Österreichs wurden von ihm schriftlich und mündlich dem Kaiser zur Kenntnis gebracht und vom Monarchen gebilligt. Der Öffentlichkeit wurden Regierungsbildung und Regierungsprogramm in fast überfallsartigüberraschender Form am 7. Februar 1871 mitgeteilt. Als Hauptaufgabe hatte sich das Kabinett die Durchführung eines Ausgleichswerks mit den Tschechen gestellt. U m gegen die deutsche Mehrheit der Volksvertretung gesichert zu sein, vertagte man das Parlament; als

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eigentlichen Verhandlungspartner dachte man sich den böhmischen Landtag, dessen Wahlrecht geändert wurde. D e r mährische Landtag n a h m eine reservierte, der schlesische eine ablehnende H a l t u n g ein. Die Verkündigung der „Fundamentalartikel" durch den böhmischen Landtag (10. O k t o b e r 1871), die eine Gleichstellung Böhmens mit U n g a r n und eine völlige Föderalisierung des österreichischen Teiles der Habsburgermonarchie vorsahen, f a n d ein unfreundliches Echo bei Deutschen und Magyaren. Alsbald verlangten die Vertreter anderer historischer Einheiten, wie Tirols, oder der Nationalitäten, namentlich der Slowenen und Ruthenen, gleichartige Rechte wie Böhmen. Andrassy erklärte das ungarische Ausgleichswerk f ü r gefährdet, er vereinigte sich mit dem Reichskanzler Beust zu unüberwindbarem Widerstand. Der Kaiser, bereits verstimmt durch tschechische Forderungen, die das Heerwesen betrafen (Rekrutenbewilligung), ließ in einem Reskript die Fundamentalartikel ablehnen. Die Tschechen, denen die A n n a h m e sicher schien, waren vor den Kopf gestoßen. D a s Scheitern des Kabinetts H o h e n w a r t , das am 30. O k tober 1871 zurücktrat — freilich w u r d e auch H o h e n w a r t s Gegner Beust von seiner Stellung als Reichskanzler entlassen und als Botschafter nach London entsandt — verschärfte den deutsch-slawischen Gegensatz wesentlich. Als unvermeidliche Konsequenz von H o h e n w a r t s Sturz ergab sich die Heranziehung der Deutschliberalen zur Regierungsbildung. Fürst Adolf Auersperg (der Bruder von „Carlos") w u r d e Ministerpräsident, das Portefeuille des Innern übernahm Baron Lasser, das Unterrichtsressort erhielt D r . K a r l von Stremayr, während Universitätsprofessor D r . Glaser mit der Justiz, Freiherr von H o r s t mit der Landesverteidigung und Banhans mit dem Handelsressort ausgestattet wurden; eine nicht unwichtige Rolle spielte auch der Minister ohne Portefeuille Joseph Unger. Das Ministen am AuerspergLasser erreichte immerhin das ansehnliche Regierungsalter von sieben Jahren. Eine der ersten Leistungen der Regierung bestand in der D u r c h f ü h r u n g eines neuen Wahlgesetzes, demzufolge der Reidisrat nicht mehr über die Landtage, sondern durch direkte W a h l der vier Kurien der G r o ß g r u n d besitzer, der Städte, H a n d e l s k a m m e r n und Landgemeinden — freilich nur von etwa sechs Prozent der Bevölkerung — gewählt wurde; diese Verordnung, die auch Rücksicht auf die Sicherung einer deutschen Mehrheit nahm, ging nach einigem Widerstand von föderalistischer Seite durch; wieder war die Opposition durch die Absenz der Tschechen geschwächt. W e n n nun die N e u w a h l e n zu Ende des Jahres 1873 f ü r die herrschende Partei keineswegs erfolgreich verliefen, vielmehr eine entschiedene Stärkung der föderalistischen Kreise brachten, so hing dies wohl in erster Linie mit einem der dramatischesten Ereignisse der Finanzgeschichte der Epoche zusammen, mit dem großen „Krach" vom „schwarzen Freitag", dem 9. Mai 1873, dem großen Zusammenbruch zahlreicher schlecht fundierter Bank- und Industrieunternehmungen, an denen nicht wenige mehr oder weniger prominente liberale Politiker in der einen oder anderen Form (meist als Aufsichtsrats27·

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D i e franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

mitglieder) beteiligt gewesen waren. N u r infolge des eingeschränkten Wahlrechts war es nicht zu einem politischen Erdrutsch gekommen; aber die Zuwendung der ärmeren Schichten in Stadt und Land zu den antiliberalen Kräften, teils zur Sozialdemokratie, teils zu konfessionell-antisemitischen Gruppen war unverkennbar. In Militär- und Hofkreisen aber spielte man mit dem Gedanken, das kompromittierte konstitutionelle System überhaupt zugunsten autoritärer Regierungsformen beiseitezuschieben. So weit ist es freilich nicht gekommen; die Regierung behauptete sich im Amt. Verschiedene Durchführungsgesetze zur Aufhebung des Konkordates wurden im Jahre 1874 unter dem Einfluß des Kaisers in einer für die Kirche möglichst konzilianten Form erledigt; das Gesetz über ein staatliches Klosteraufsichtsrecht überhaupt zurückgestellt. Bei den Ausgleichsverhandlungen, die alle zehn Jahre und daher wieder 1876/77 fällig waren, kam es zu einer geringfügigen Änderung der Quote (68,6 : 31,4 Prozent) zugunsten Österreichs. Andererseits wurde die Nationalbank (nunmehr österreichischungarische Bank) in dualistischer Form neugeordnet. Manchen Männern, wie dem kompromißlosen Eduard Herbst, war die Haltung der Regierung in den Ausgleichsverhandlungen zu weich; die Schwierigkeiten des Kabinetts verstärkten sich, sein Fall wurde aber erst durch die bosnische Frage besiegelt. Die Außenpolitik der Doppelmonarchie hatte unter Beusts Nachfolger, dem Grafen Julius Andrassy, eine entschiedene Wendung zur Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich genommen. Auch mit Rußland und Italien hielt man Fühlung, und die drei Kaiser und der König von Italien trafen 1873 in Wien anläßlich der Eröffnung der Weltausstellung zusammen. Andrassy fürchtete aber einen übermächtigen Einfluß Rußlands, das auf dem Balkan stärker in Erscheinung zu treten begann, daher intensivierte er eine diplomatische Zusammenarbeit mit Bismarck und hatte auch wesentlichen Erfolg, besonders seitdem der deutsche Kanzler durch persönliche und politische Gegensätze vom russischen Außenminister Gortschakow mehr und mehr getrennt wurde. Versuchen von französischer und besonders englischer Seite, Österreichs Zusammenarbeit mit Deutschland zu stören, trat Andrassy entgegen. In den türkischen Balkanprovinzen mit christlicher Bevölkerung, namentlich in Bulgarien, kam es im Jahre 1876 zu Aufständen; die Serben griffen die Türken an, wurden aber geschlagen. Im Frühjahr 1877 erklärte Rußland an die Pforte den Krieg, der trotz hartnäckigen türkischen Widerstandes schließlich zu einem durchschlagenden Erfolg der von Rumänien und den bulgarischen Aufständischen unterstützten russischen Heere führte. Österreich konnte angesichts dieser Situation nicht untätig bleiben, verschiedentlich dachte man an Krieg, schließlich aber setzte sich der Gedanke durch, gemeinsam mit Deutschland und England der von Rußland geplanten Neuordnung, die sich in den Bestimmungen des Friedens von San Stefano (3. März 1878) abzeichnete, diplomatisch entgegenzutreten. Es bedurfte noch

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der Überwindung mancher Fährlichkeiten, bis am 13. Juni 1878 der Berliner Kongreß eröffnet werden konnte, auf dem vor allem die territoriale Neuordnung des Balkans entschieden werden sollte. Nach etwa einen Monat dauernden Verhandlungen kam es zu Kompromissen, die mehr den Bedürfnissen und Wünschen der Großmächte als jenen der kleinen Staaten entsprachen, immerhin aber die letzte umfassende, friedliche Regelung der europäischen Fragen vor dem ersten Weltkrieg darstellen. Rußland mußte seine weitgespannten Ziele reduzieren; es erhielt das bisher rumänische Südbessarabien, Rumänien wurde mit der Dobrudscha entschädigt und ebenso wie die gleichfalls vergrößerten Staaten Serbien und Montenegro auch de jure unabhängig. Bulgarien, dem im Vertrag von San Stefano Unabhängigkeit und weite Ausdehnung bis zur Ägäis zugedacht war, blieb als tributäres Fürstentum auf das Gebiet nördlich des Balkangebirges beschränkt, südlich davon erstreckte sich „Ostrumelien", als eine türkische, vorwiegend von Bulgaren besiedelte Provinz unter einem christlichen Statthalter. Für Österreich-Ungarn war insbesondere die Entscheidung über Bosnien und die Herzegowina von größter Wichtigkeit. Beide Provinzen, die das natürliche Hinterland Dalmatiens bildeten, waren von einer serbo-kroatisch sprechenden, konfessionell uneinheitlichen Bevölkerung bewohnt. Die orthodoxen Serben stellten die zahlenmäßig stärkste Gruppe dar (über40Prozent), die politische und wirtschaftliche Macht lag jedoch in den Händen der Moslems (über 30 Prozent), insbesondere der großen Grundbesitzer (Begs). N u r die katholisch-kroatische Minderheit (ca. 25 Prozent) wünschte von Anfang an den Anschluß an Österreich, die Mohammedaner hätten die Fortdauer der türkischen Herrschaft und die Orthodoxen den Anschluß an Serbien vorgezogen. In einer Zusammenkunft in Reichstadt in Nordböhmen hatten Andrässy und Gortschakow schon vor Ausbruch des russisch-türkischen Krieges auch das bosnische Problem erörtert, dabei war zumindest Bosnien, nach Andrassys Auffassung aber auch die kleinere Herzegowina, der Doppelmonarchie für den Fall eines Zusammenbruches der türkischen Herrschaft auf dem Balkan zugesichert worden. Auf beide Gebiete richteten sich naturgemäß auch Aspirationen Serbiens und Montenegros. In Berlin wurde nun festgelegt, daß Österreich Bosnien und die Herzegowina besetzen und verwalten solle; in einer geheimen Konvention mit der Pforte erklärte Andrassy, daß die Hoheitsrechte des Sultans weiterbestünden — praktisch hatte das freilich keine Bedeutung. Österreich besetzte auch den strategisch wichtigen Sandschak Novipazar, durch den Serbien von Montenegro getrennt wurde; in diesem Gebiet blieb die Verwaltung aber in türkisdien Händen. Die Okkupation von Bosnien und der Herzegowina erforderte entgegen optimistischeren Vorhersagen ein großes militärisches Aufgebot, es kam zu heftigen Kämpfen mit islamischen Freischaren bei Maglaj, Jajce und Banjaluka, bis aller Widerstand gebrochen war.

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Einer ausgezeichneten Verwaltung teils durch militärische, teils durch zivile Behörden gelang es nach Überwindung der unvermeidlichen Anfangsschwierigkeiten, die Mehrzahl der Bewohner des Okkupationsgebietes mit der österreichischen Herrschaft zu versöhnen, die dem Lande erst eine mächtige Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte ermöglichte und ein leistungsfähiges Schul- und Sanitätswesen schuf. Österreichs Kulturleistung in Bosnien und der Herzegowina wird dadurch gewiß nicht geringer, weil man sie nach dem Ersten Weltkrieg in der slawischen und der westeuropäischen Publizistik gerne bagatellisierte oder leugnete. Bündnispolitik

und Konservativismus.

Die Regierung

Taaffe

Bald nach Abschluß des Berliner Kongresses begann sich eine innen- und außenpolitische Neuorientierung der Doppelmonarchie abzuzeichnen. Die Verfassungspartei sah in der Okkupation Bosniens eine Stärkung des slawischen Elementes in der Habsburgermonarchie und war daher gegen diese Erwerbung, die den Kaiser, der sich nach den Verlusten in den früheren Jahren seiner Regierung erstmalig in der Funktion eines „Mehrers des Reiches" sehen konnte, mit Genugtuung erfüllte. Infolge der ständigen Opposition der Kreise um Giskra und Herbst mußte das Ministerium Auersperg zurücktreten. Nach einer Ubergangsregierung unter Stremayr und N e u wahlen, die der „Vereinigten Linken" erneut viel Boden kosteten, wurde am 12. August 1879 das Kabinett unter Graf Eduard Taaffe neugebildet. Die Regierung stützte sich auf den feudal-konservativen H o h e n w a r t k l u b sowie auf Tschechen und Polen, eine Koalition, die sich als recht dauerhaft erwies und mit dem stolzen N a m e n „Eiserner Ring" bezeichnet wurde. Sie sollte sich 15 Jahre behaupten. Bald nachdem in der Innenpolitik Zisleithaniens eine konservative, slawenfreundliche Richtung die Oberhand gewonnen hatte, wurde außenpolitisch eine enge Bindung der Doppelmonarchie an das Deutsche Reich geknüpft, der zwei Jahre später der Abschluß des Dreibundes, der auch Italien einbezog, folgen sollte. Die nach dem Berliner Kongreß noch deutlicher als zuvor erkennbare Verstimmung russischer Regierungskreise gegen Bismarck und Deutschland, der Druck einer mehr und mehr durch allslawische und wohl auch allorthodoxe Gefühle gelenkten Petersburger Politik auf die Doppelmonarchie, führten notwendigerweise Wien und Berlin zusammen; zeitweilig fürchtete der deutsche Reichskanzler sogar den Ausbruch eines Krieges mit dem Zarenreich. Bismarck wollte das Bündnis mit Österreich-Ungarn möglichst enge gestalten, er gedachte sogar, es in die Verfassungen beider Staaten einzubauen und durch wirtschaftliche Abmachungen zu ergänzen. Mitteleuropapläne, die während des ersten Weltkrieges auftauchten, scheinen hier vorweggenommen zu sein. Man einigte sich schließlich auf ein Defensivbündnis,

B ü n d n i s p o l i t i k und K o n s e r v a t i v i s m u s . D i e R e g i e r u n g T a a f f e

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weitergehende Pläne Bismarcks wies Andrassy von sich. Die wichtigsten Bestimmungen des am 7. Oktober 1879 in Wien abgeschlossenen Vertrages besagten die gegenseitige Hilfsverpflichtung im Falle eines russischen Angriffes auf einen der beiden Vertragspartner; für den Fall des Angriffs einer dritten Macht verpflichtete man sich zu wohl wo! lender Neutralität, die zu aktiver Hilfe werden sollte, sobald der Angreifer die Unterstützung R u ß lands gewänne. Der Vertrag war geheim, doch konnte sein Inhalt an Rußland mitgeteilt werden, um vor einem Angriff zu warnen. Zu dieser Veröffentlichung kam es tatsächlich am 3. Februar 1888, als sich der österreichische Gegensatz zu Rußland noch weiter verschärft hatte. Die Vertragsdauer des Bündnisses von 1879 war mit fünf Jahren festgesetzt, bei Nichtkündigung sollte automatisch eine Verlängerung um drei J a h r e eintreten. Tatsächlich ist der Vertrag immer wieder verlängert worden und bis zum Ende des ersten Weltkrieges unverändert in Kraft geblieben; der Dreibund von 1882 hat diesen „Zweibund" nicht ersetzt, sondern ergänzt. Sehr bemerkenswert an der Formulierung des Vertrages von 1879 ist der Umstand, daß Andrassy für den Fall eines französischen Angriffes, mit dem das deutsche Reich doch audi rechnen mußte, keine Beistandsverpflichtungen Österreichs anerkannte; man wollte eben nicht in den deutsch-französischen Antagonismus einbezogen werden. Unmittelbar nach Abschluß des Zweibundvertrages demissionierte Andrassy, durch die neue Richtung der österreichischen Innenpolitik verärgert; sein Nachfolger als Reichsaußenminister wurde Baron Heinrich von Haymerle, dem, nach seinem frühen Tod im Oktober 1881, G r a f Gustav K ä l n o k y folgte. Unter Kälnokys im allgemeinen recht vorsichtiger, nicht immer aber glücklicher Amtsführung, wurde am 20. Mai 1882 der erste Dreibundvertrag zwischen der Doppelmonarchie, dem Deutschen Reich und Italien unterzeichnet. Die Initiative zu diesem Vertrag hatte die Diplomatie Italiens ergriffen, wo man wegen der römischen Frage und neuerdings auch wegen der französischen Besetzung von Tunis in einer wenig verhüllten Gegnerschaft zu Frankreich stand, das einst die Einigung Italiens so sehr unterstützt hatte. Der Dreibundvertrag bestand aus acht Artikeln, von denen die Bestimmungen der Punkte 2, 3 und 4 von entscheidender Bedeutung sind. Italien erhielt die Zusicherung der Unterstützung der beiden Vertragspartner für den Fall eines unprovozierten französischen Angriffes und nahm eine entsprechende Verpflichtung gegenüber Deutschland auf sich. Die Bündnisverpflichtung sollte aber auch gelten, wenn einer oder zwei der Vertragspartner von zwei oder mehreren (im Vertragstext nicht namentlich genannten) Großmächten angegriffen würden. Schließlich versprachen die anderen Partner wohlwollende Neutralität, wenn eine der vertragschließenden Mächte sich aus Gründen der eigenen Sicherheit zur Führung eines Krieges veranlaßt sehen sollte. Durch eine Zusatzerklärung („ManciniDeklaration") wurde auf Wunsch Italiens festgestellt, daß der Vertrag nicht

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gegen England gerichtet sei. Italien erwartete von diesem Staat eine Unterstützung seiner Afrikapolitik und scheute auch wegen seiner exponierten Küsten jede Möglichkeit eines Konfliktes mit der führenden Seemacht. Italien zog aus dem neuen Vertrag sichtlich die bedeutendsten Vorteile, es erlangte die H i l f e beider Vertragspartner gegen einen französischen Angriff, während es bei einem russischen Angriff auf Österreich nur zur Neutralität verpflichtet war. Überdies war das italienische Bündnis weder in österreichischen Regierungskreisen noch bei der Bevölkerung populär; das Mißtrauen gegen den neuen Bundesgenossen, dessen Staatsbildung auf Kosten Österreichs vor sich gegangen war und von dem man angesichts der Tätigkeit der Irredenta in Welschtirol und im Küstenland mit Recht annahm, daß sein Appetit auf österreichisches Territorium noch nicht gestillt war, blieb stets wach; die italienischen Gefühle für Österreich waren womöglich noch unfreundlicher. Während der Zweibund von 1879 stets unverändert in Kraft blieb, wurde der Dreibund zweimal modifiziert. Im Jahre 1887 erhielt Italien in zwei Zusatzabkommen das Mitbestimmungsrecht für den Fall der Veränderung des status quo „in den Gebieten des Balkans oder der ottomanischen Küsten und Inseln in der Adria und im Ägäischen Meer" zugesprochen; die Doppelmonarchie und Italien sollten im Einvernehmen, unter gegenseitiger Verständigung und Schadloshaltung operieren. Außenminister K a l noky hat sich bei der Aufnahme dieser Bestimmungen zweifellos ungeschickt verhalten, umsomehr, als Italien zunächst nur die Nennung der Küsten und Inseln, nicht aber des Balkans gefordert hatte, auf dem Österreich wirklich vitale Interessen besaß, während Italiens Balkanpolitik mehr eine Frage des nationalen Prestiges war. Im Jahre 1891 wurde Italien für seine Aspirationen in Nordafrika (Cyrenaika, Tripolis und Tunis) die Unterstützung Deutschlands für eine Aktion „nach vorhergehender Übereinkunft" zugesagt. Wie man sieht, sind also die späteren Ergänzungen des Dreibundvertrages durchaus zugunsten Italiens ausgefallen. Der ausgeprägt defensive Charakter des Dreibundes ermöglichte eine anderweitige, selbständige Bündnispolitik, von der später Italien ausgiebigen Gebrauch machte. Was Deutschland betrifft, so betonte Bismarck immer wieder den Wert der russischen Freundschaft und 1887 Schloß er den Rückversicherungsvertrag mit Rußland, der dessen Neutralität für den Fall eines französischen Angriffes auf Deutschland, als Gegenleistung Deutschlands Neutralität bei einem Angriff der Habsburgermonarchie auf Rußland sichern sollte. Eine gewisse Ergänzung erfuhr der Dreibund durch eine österreichisch-rumänische Verteidigungsallianz, die im Oktober 1883 geschlossen und 1913 noch einmal erneuert wurde. Deutschland schloß sich dieser Vereinbarung an. Seit der Mitte der achtziger J a h r e zeigte sich immer deutlicher die Empfindlichkeit der österreichischen Balkanpolitik, als König Milan von

Bündnispolitik und Konservativismus. D i e Regierung Taaffe

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Serbien, Österreichs Schützling, der eben erst (1885) vergeblich dem H a b s burgerreich sogar die Annexion Serbiens angeboten hatte, in einem Krieg mit dem durch den Anschluß Ostrumeliens vergrößerten Bulgarenstaat unterlag. N u r das Eintreten Österreichs zugunsten Serbiens zwang die Bulgaren zum Frieden unter Verzicht auf Territorialgewinn. Bald darauf wurde der siegreiche Herrscher Bulgariens, Alexander von Battenberg, gestürzt; sein Nachfolger, Z a r Ferdinand, saß als verschlagener Politiker fester im Sattel und betrieb eine Schaukelpolitik zwischen den Großmächten. Im J a h r e 1889 verzichtete König Milan von Serbien zugunsten seines Sohnes Alexander; seither wuchs der russische Einfluß im Lande. Inzwischen bahnten sich in Österreichs Innenpolitik in der Ä r a Taaffe verschiedene, schicksalhafte Entwicklungen an. D e r Ministerpräsident, konservativer Katholik und feudaler „Böhme", also Landespatriot, der weder als Tscheche noch als Deutscher fühlte — seine Familie w a r irischer H e r kunft —, vor allem aber Vertrauensmann des Kaisers, m u ß gewiß als Politiker höher eingeschätzt werden, als dies deutschnationale oder liberale Antipathie lange wahrhaben wollte. T a a f f e w a r jedenfalls ein geschickter T a k t i k e r und versuchte bei allen kleinen Zugeständnissen das Grundsätzliche zu wahren. Durch die Sprachenverordnungen von 1880, welche den Gebrauch der äußeren tschechischen Amtssprache gegebenenfalls auch in den rein deutschen Gebieten der Sudetenländer vorsahen, erleichterte T a a f f e den Tschechen, die in der Regel allein beide Sprachen beherrschten, das Vordringen in der Beamtenschaft. Durch die Teilung der Prager Universität (1882) kamen die Tschechen zu einer nationalen Hochschule, auch die Tätigkeit des Justizministers P r a z a k w a r ihnen günstig. Immerhin ging aber T a a f f e nicht in so brüskierender Weise vor wie später sein Nachfolger Badeni und man m u ß sagen, d a ß die Taaffeschen Sprachverordnungen weitgehend gerechtfertigt waren und bis zu einem gewissen Grade einfach die unvermeidliche K o n sequenz der politischen und kulturellen Entwicklung des tschechischen Volkes darstellten; auch die Serbokroaten Dalmatiens — die große Mehrheit der Bevölkerung dieses Landes — meldeten ihre Sprachwünsche an. Auf weite Sicht beurteilt, ist T a a f f e mit seiner Versöhnungspolitik freilich gescheitert. Der N a t i o n a l i t ä t e n k a m p f in Böhmen nahm immer größere Ausmaße an; als T a a f f e im J ä n n e r 1890 in Wien Ausgleichsverhandlungen durchführte, scheiterten diese am Widerstand der demokratischen, aber auch nationalistischen Partei der Jungtschechen, die im V o r j a h r e die traditionalistischen Alttschechen in den Landtagswahlen besiegt hatte, und nun Forderungen stellte, die auch Taaffe nicht erfüllen konnte. So versuchte er, sich den einst so scharf bekämpften Deutschliberalen wieder zu nähern. Verhältnismäßig am erfolgreichsten w a r T a a f f e mit seiner konservativreformerischen Sozialpolitik, die in mancher Hinsicht an Bismarcks Vorbild gemahnt. Die bäuerliche Erbfolge wurde geregelt und es k a m zu einer recht begrenzten, aber immerhin schon wirksamen Arbeiterschutzgesetzgebung

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(Gewerbeinspektion, Arbeitszeitbegrenzung, Unfall- und Krankenversicherung). Die meisten Hoffnungen der Arbeiterschaft gingen freilich nicht in Erfüllung, und als es um die Mitte der achtziger Jahre immer wieder zu Arbeiterunruhen und Gewaltakten radikaler oder anarchistischer Elemente kam, versuchte man es mit Polizeigewalt und Verbotsgesetzgebung. Zu Ende des Jahres 1888 gelang es dann Viktor Adler, dem bedeutendsten Führer der Sozialdemokraten, auf dem Parteitag von Hainfeld die Spaltung der Arbeiterbewegung in Gemäßigte und Radikale zu überwinden; nun bekam die sozialdemokratische Partei wieder politisches Gewicht. Um ihren Massenanhang in der Volksvertretung zur Geltung zu bringen, bedurfte es allerdings einer Ausdehnung des Wahlrechts auf die besitzärmsten Bevölkerungsschichten. Das schien nun 1893 bevorzustehen. Schon im Jahre 1882 hatte Taaffe zur Demokratisierung des Wahlrechts ein wenig beigetragen, als die Zensusgrenze (die Mindeststeuerleistung der Wahlberechtigten) von zehn auf fünf Gulden herabgesetzt wurde, damals bekamen Teile des Bauern- und Kleinbürgertums das Wahlrecht. Im Juli 1893 veranstalteten die Sozialdemokraten Wahlrechtskundgebungen, Taaffe proponierte im Reichsrat eine Vorlage, die zwar noch nicht das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht bringen sollte, wohl aber im Rahmen des Kurienwahlrechts innerhalb der Kurien der Städte und Landgemeinden das Wahlrecht auf alle Staatsbürger ausdehnte. Gegen diese Vorlage vereinigten sich wesentliche Gruppen der bisherigen Regierungskoalition, die Feudalen unter Hohenwart und die Polen mit der liberalen Opposition. Die Wahlvorlage fiel und mit ihr die Regierung, die eine Politik kleinerer, taktischer Zugeständnisse — man sprach boshaft vom „Fortwursteln" — zur Virtuosität gesteigert hatte. Was nachher kam, waren mehr als zwei Jahrzehnte österreichischer politischer Krisen, die schließlich in die große Weltkatastrophe einmündeten. Noch ist eines düsteren Ereignisses zu gedenken, das in Taaffes Regierungszeit fiel: Am 30. Jänner 1889 endete Kronprinz Rudolf im Jagdschloß Mayerling durch Selbstmord; seine Geliebte, Baronin Mary Vetsera, nahm er in den Tod mit. Die „Tragödie von Mayerling", über die unendlich viel, meist allerdings in höchst unseriöser Weise, geschrieben und kombiniert wurde, ist in ihren unmittelbaren Voraussetzungen ungeklärt geblieben. Persönliche Zusammenstöße Rudolfs, der in der Politik nicht zum Zuge gekommen war, mit dem Vater und die Enttäuschungen einer überaus unglücklichen Ehe mit der belgischen Prinzessin Stephanie haben jedenfalls eine Rolle gespielt. Rudolf neigte persönlich den Deutschliberalen und den Magyaren zu, er war antirussisch eingestellt, aber auch — namentlich nach dem Regierungsantritt Wilhelms II. — gegen eine allzu enge Zusammenarbeit mit Deutschland; im übrigen war dem Kronprinzen die Vorliebe des Vaters für die Uniform durchaus fremd. Thronfolger wurde jetzt Rudolfs Cousin Erzherzog Franz Ferdinand von Habsburg-Este, der sich später als

Politische K r i s e und N a t i o n a l i t ä t e n k a m p f

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ehrgeiziger und zielstrebiger Politiker entpuppte und mit dem Kaiser auch nicht zu harmonieren vermochte. Weltanschaulich war Franz Ferdinand ganz anders orientiert als Rudolf und streng konservativ-katholisch eingestellt. Das Ende Rudolfs erschütterte besonders seine Mutter, Kaiserin Elisabeth, die nach einem ruhelosen Leben, meist von Kaiser Franz Joseph getrennt, selbst einen tragischen Tod finden sollte, als sie am 10. September 1898 am Genfer See dem sinnlosen Mordanschlag eines anarchistischen Dummkopfs, Luigi Luccheni, zum Opfer fiel. Politische Krise und Nationalitätenkampf (1894—1914) In den zwanzig Jahren des Friedens, die der Monarchie nach der Sprengung des „Eisernen Ringes" Taaffes noch beschieden waren, sind die deutschliberalen Gegner des Kaiserministers tatsächlich niedergerungen worden — allerdings nicht durch Konservative vom Schlage Taaffes. Die Deutschnationalen, deren Anfänge bereits erwähnt wurden, hatten in Georg von Schönerer, dem Besitzer von Schloß Rosenau im Waldviertel, einen radikalen Führer gefunden, dessen ziemlich unverhüllt propagiertes Endziel der Anschluß der deutschösterreichischen Gebiete, einschließlich der Sudetenländer, an das Deutsche Reich war. Bei ihrem Idol Bismarck, dessen Politik die österreichischen Deutschnationalen verherrlichten, aber nicht recht verstanden, fanden sie keine Gegenliebe, da er den Bestand der Donaumonarchie als unerläßliche Voraussetzung für die Sicherheit Deutschlands und wohl auch für den deutschen Kultureinfluß im südöstlichen Mitteleuropa ansah. Während der antiklerikale Affekt der Deutschnationalen erst um die Jahrhundertwende heftigere Formen annahm, begann der Antisemitismus schon früher eine Hauptattraktion ihres weltanschaulich-politischen Konzepts zu werden. Das Großdeutsche „Linzer Programm" von 1882, das weitgehend den früheren autonomistischen Forderungen entsprach und engste Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reidi sowie die deutsche Staatssprache in Österreich verlangte, auch einige soziale Forderungen enthielt, war noch zum Teil von Juden ausgearbeitet worden; der spätere Sozialistenführer Viktor Adler und der Historiker Heinrich Friedjung hatten mitgewirkt. Gegen Mitte der achtziger Jahre sorgte Schönerer aber für einen radikal antisemitischen Kurs, wer nicht mehr mitmachen konnte oder wollte, mußte aus der Bewegung der „Vereinigten Christen", in der vorderhand noch Deutschnationale und Christlichsoziale zusammenwirkten, ausscheiden. Ein unüberlegter Exzeß brachte aber Schönerer 1888 ins Gefängnis und um seinen Reserveoffiziersrang, die Mehrzahl der Anhänger der „Vereinigten Christen" folgte seither der christlichsozialen Bewegung Dr. Karl Luegers und die Deutschnationalen spalteten sich ihrerseits. Schönerer hatte nur mehr eine Splittergruppe („Alldeutsche") hinter sich; erfolgreicher operierte anfangs Karl Hermann Wolf,

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der Führer der „Deutschradikalen", bis ihn schließlich private Affären um sein politisches Renommee brachten. Bei all dem darf man nicht vergessen, daß die werbende Kraft des großdeutschen Gedankens sich nicht auf die Anhänger radikal-nationalistischer Gruppen beschränkte, daß er auch im gemäßigt liberalen und im katholischen Lager Anhänger hatte und daß im Nationalitätenkampf deutsche Vereine, wie etwa der 1880 gegründete „Deutsche Schulverein", eine lebhafte Tätigkeit für das Grenz- und Inseldeutschtum entfalteten; über ähnliche Organisationen verfügten auch Slawen und Italiener. Unter den christlich bzw. katholisch orientierten Parteien verdrängten die Christlichsozialen um die Jahrhundertwende die Konservativen von der ersten Stelle. Die Konservativen waren in den westlichen Alpenländern, vor allem in Tirol, zu einer wirklichen Volkspartei geworden, in Wien und den österreichischen Donauländern schuf erst die christlichsoziale Bewegung eine Massenbasis für die antiliberalen Kräfte christlicher Prägung. Dr. Karl Lueger, ihr bedeutendster Führer, begann seine Karriere als liberaler Politiker, ging aber unter dem Einfluß des Gemeinderates Dr. Ignaz Mandl bald eigene Wege. Er trat mit Vogelsang und dem niederösterreichischen Führer der Konservativen, Prinz Aloys Liechtenstein, in Verbindung; 1887 trat er dem durch Ludwig Psenner und Adam Latschka gegründeten „Christlichsozialen Verein" bei, seit 1891 bildete die „Christlichsoziale Partei" im politischen Kampf unter Luegers Führung einen sehr maßgeblichen Faktor. Lueger verstand es, nicht ohne demagogische Rhetorik, vor allem das Kleinbürgertum und den gewerblichen Mittelstand Wiens zu gewinnen, auch in seiner Agitation spielte ein konfessionell-ökonomisch gefärbter Antisemitismus eine recht erhebliche Rolle. Im Gegensatz zu Schönerer bekannte sich Lueger rückhaltlos zum österreichischen Staatsgedanken, konnte aber nichtsdestoweniger lange Zeit nicht das Mißtrauen der konservativen H o f - und Militärkreise sowie des hohen Klerus überwinden. Schließlich wurden die Christlichsozialen von ihren Gegnern, wie dem Kardinal Schönborn von Prag und dem Wiener Dominikanerpater Albert Maria Weiß in Rom verketzert; sie hatten aber den Nuntius Antonio Agliardi auf ihrer Seite. Prinz Liechtenstein Schloß sich ihrer Bewegung an und der führende christlichsoziale Theoretiker Professor Franz Martin Schindler, ein aus Deutschböhmen stammender Theologe, gewann das wohlwollende Interesse des sosehr sozialreformerisch interessierten Papstes Leo X I I I . für die christlichsoziale Partei (1895). Inzwischen hatte der politisch aufgeschlossene und organisatorisch begabte Sattlergehilfe Leopold Kunschak 1892 mit der Sammlung der christlichen Arbeiter begonnen, ohne allerdings eine annähernd so starke Gefolgschaft gewinnen zu können, wie die Sozialdemokraten. Die sozialdemokratische von Viktor Adler geeinte Partei hatte ihre Massenbasis in der Arbeiterschaft der niederösterreichischen, steirischen und

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böhmisch-mährischen Industriereviere; in der Öffentlichkeit trat sie bei den jährlichen Maifeiern seit 1890 schon stark hervor. In weltanschaulicher H i n sicht w a r man von den Thesen Lassalles längst zu jenen Marxens übergegangen, die in der politischen Praxis oft (allerdings uneingestandenermaßen) revidiert werden mußten. Es k a m zu lebhaften theoretischen Auseinandersetzungen, in denen namentlich K a r l K a u t s k y mit programmatischen Schriften hervortrat. Im K a m p f gegen die politischen Gegner w a r Engelbert Pernerstorfer, der lange zwischen dem deutschnationalen und dem sozialistischen Gedanken geschwankt hatte, der energischeste M i t k ä m p f e r Adlers, wichtig auch wegen seiner Tätigkeit f ü r die sozialistische Kulturbewegung. Die österreichische Sozialdemokratie w a r grundsätzlich international eingestellt, bekam aber am eigenen Leib den N a t i o n a l i t ä t e n k a m p f zu spüren; die einheitliche Partei mußte in einen Verband der Nationalitätenparteien verwandelt werden und auch dieser Verband wurde später von den tschechischen Sozialdemokraten, deren Politik gelegentlich einen nahezu nationalistischen C h a r a k t e r annahm, gesprengt. Dieses Schicksal traf freilich auch ganz anders geartete übernationale Gemeinschaften. D e r konservative H o h e n w a r t k l u b zerfiel 1896 im Parlament in den slawisch-christlichen Verband, der vor allem als Repräsentant von Ruthenen, Kroaten und Slowenen gelten konnte und in die deutsche, konservative Volkspartei. Wie sehr aber die N a t i o n a l i t ä t e n f r a g e zum politischen H a u p t p r o b l e m der Monarchie geworden war, das zeigt der Verlauf der Ereignisse unter den Regierungen nach der Ära Taaffe. Auf die Regierung T a a f f e folgte ein Kabinett unter dem Fürsten Alfred Windischgrätz, das sich auf eine Koalition der liberalen Vereinigten Linken, der Anhänger H o h e n w a r t s und der Polen stützte. Die Regierung behandelte die Frage der W a h l r e f o r m , an der Taaffe gescheitert war, wenig nachdrücklich; der Widerstand in den eigenen Reihen, namentlich bei den Polen, war da zu groß. Zu Fall kam Windischgrätz aber über eine Detailfrage des Voranschlages f ü r 1895, der Einrichtung von slowenischen Parallelklassen am deutschen Gymnasium der südsteirischen Stadt Cilli. In M a r b u r g gab es bereits eine entsprechende Regelung, das Bürgertum der kleineren Stadt Cilli fühlte sich aber durch die U n t e r w a n d e r u n g aus den umliegenden slowenischen D ö r f e r n bedroht; als Windischgrätz das den Slowenen schon vor längerer Zeit gegebene Versprechen einlösen wollte, ließ ihn die Vereinigte Linke im Stich. Nach einem kurzlebigen Ubergangsministerium unter dem G r a f e n Kielmannsegg k a m es zur Bildung der vom Kaiser gewünschten „Regierung der starken H a n d " unter dem Statthalter Galiziens, Graf Kasimir Badeni, neben dem noch zwei weitere Polen, E d u a r d Rittner und Leon Bilinski dem österreichischen Kabinett angehörten, während Graf Agenor Goluchowski (der Jüngere) schon seit 1895 k. u. k. Außenminister war. Badeni hatte einen guten Start. Es gelang ihm, die Jungtschechen durch A u f h e b u n g des nach

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argen Ausschreitungen über Prag verhängten Belagerungszustandes, zu gewinnen. Besondere Schwierigkeiten gab es in Wien, die Christlichsozialen hatten die Mehrheit im Stadtrat erlangt und Lueger wurde zum Bürgermeister gewählt. Eine Wiederholung der Wahl hatte das gleiche Ergebnis, beide Male verweigerte der Kaiser der Bürgermeisterwahl aber seine Zustimmung; stürmische Straßenkundgebungen der Anhänger Luegers waren die Folge. Eine dritte Wahl sah wieder Lueger als Sieger; der Kaiser bewog ihn zu einem kurzfristigen Verzicht. Nachdem ein Jahr lang Luegers Parteifreund Strobach das Bürgermeisteramt geführt hatte, übernahm das H a u p t der Wiener Christlichsozialen im April 1897 endgültig diese Würde und entfaltete in den nächsten Jahren eine sehr aktive und bedeutsame kommunalpolitische Tätigkeit. Die Gas- und Elektrizitätswerke wurden ebenso von der Gemeinde übernommen wie die Straßenbahnen, eine zweite Hochquellenwasserleitung zur Trinkwasserversorgung erbaut (die erste war noch ein Werk der liberalen Gemeindeverwaltung), das städtische Gesundheitswesen ganz wesentlich gefördert. Die Stadt Wien nahm im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. Weniger erfreulich war Luegers parteiliche Personalpolitik mit ihrer planmäßigen Ausschaltung aller anders Orientierten. Dieses Beispiel machte Schule. Ministerpräsident Badeni gelang es im Jahre 1897 noch jene Wahlreform durchzubringen, die weder Taaffe noch Windischgrätz zustandegebracht hatten. Die vier Wählerkurien wurden durch eine fünfte ergänzt, zu der alle männlichen Staatsbürger (über 24 Jahre) wahlberechtigt waren, allerdings fielen auf diese „Allgemeine Kurie" nur 72 der insgesamt 425 Mandate. In diese Kurie zogen nun bei den Neuwahlen im März 1897 die 15 ersten Sozialdemokraten in den österreichischen Reichsrat ein; die Christlichsozialen brachten insgesamt 26 Abgeordnete durch, die Deutschnationalen 47, die deutschliberalen Gruppen zusammen 77. Das Uberwiegen der Zensuskurienmandate ließ die Massenparteien zahlenmäßig in der Volksvertretung noch nicht entsprechend zur Geltung kommen, doch stellten sie einige sehr aktive Abgeordnete. Nach dem Erfolg der Wahlrechtsreform stürzte Badeni über seine Sprachenverordnungen. Die erste verlangte die zweisprachige Amtsführung aller Zivilbehörden Böhmens, die zweite verfügte die perfekte Erlernung beider Landessprachen durch alle Beamte innerhalb der nächsten drei Jahre. Analoge Bestimmungen wurden für Mähren erlassen. Die Verordnungen betrafen naturgemäß vor allem die deutsche Beamtenschaft, dennoch hatte Badeni jegliche Fühlungnahme mit den deutschen Parlamentariern vermieden. Die Reaktion war dementsprechend heftig, es kam zu schweren Straßendemonstrationen in Wien und anderen Städten und zu wüsten Szenen im Reichsrat. Als die Opposition die Durchbringung der Regierungsanträge durch Dauerreden zu verhindern suchte — diese Art der „Obstruktion" war noch die mildeste — und es sogar zu Handgreiflichkeiten kam, ließ

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Badeni auf G r u n d der in tumultuöser Sitzung durchgepeitschten „lex F a l k e n h a y n " einige Abgeordnete durch die Polizei entfernen. Die U n r u h e n steigerten sich und der Kaiser verfügte am 28. N o v e m b e r 1897 die Schließung des Parlamentes und den Rücktritt Badenis. Der polnische Graf hinterließ eine u n d a n k b a r e Erbschaft. Sein Nachfolger, Baron Gautsch von F r a n k e n t h u r n , unter Badeni Unterrichtsminister, regierte mit H i l f e des Notverordnungsrechtes der Regierung (§ 14), der Reichsrat w a r arbeitsunfähig. Gautsch suchte die Sudetendeutschen durch eine Revision der böhmisch-mährischen Kreiseinteilung nach den nationalen Siedlungsgrenzen zu gewinnen; das brachte ihm wieder die Opposition der Tschechen ein. Die Badenischen Sprachenverordnungen revidierte Gautsch durch die vernünftige, wenn auch verschieden interpretierbare Formulierung, d a ß jeder Beamte die im Dienste notwendigen Sprachen beherrschen müsse. Auf das Kabinett Gautsch folgte schon im M ä r z 1898 ein Ministerium unter dem G r a f e n F r a n z Thun-Hohenstein, eines zwischen den Nationalitäten stehenden, aber doch eher den Tschechen geneigten böhmischen Feudalen. Thun versuchte, den leidigen Sprachenstreit auf dem Verhandlungsweg beizulegen, hatte aber ebensowenig Erfolg wie seine Vorgänger, und wieder wurde der K a m p f auf die Straße hinausgetragen. Die nationalen Leidenschaften waren schon sosehr entfesselt, d a ß auch einsichtsvolle Politiker nicht mehr den Weg der Verständigung gehen konnten, wollten sie nicht das O d i u m des nationalen Verrates auf sich nehmen. Im übrigen w a r die H a l t u n g der einzelnen Volksgruppen nicht nur durch parteipolitische, sondern auch durch regionale Unterschiede differenziert. W ä h r e n d die Deutschen der Sudetenländer nach national abgegrenzten Verwaltungsbezirken strebten, wollten Steirer, K ä r n t n e r und Tiroler an der Einheit ihrer Länder festhalten, wobei allerdings dem Trentino eine Autonomie innerhalb Tirols zugestanden wurde. Anders als die Welschtiroler hielten die Italiener von Görz-Gradisca, Triest und Istrien und selbst die kleine italienische Minderheit Dalmatiens zäh an ihren historisch begründeten Vorrechten fest. Die Polen wollten den Ausbau ihrer Minderheitenrechte in österreichischSdilesien, aber Vorherrschaft in Galizien, wo sie die Ruthenen niederzuhalten gedachten. Auch die Intensität der Auseinandersetzung w a r sehr verschieden, in Böhmen etwa stärker als in Mähren oder Schlesien, verhältnismäßig gering auch in der vielsprachigen Bukowina. In der hohen Beamtenschaft, im aktiven Offizierskorps, im Hochklerus und in Teilen der Aristokratie w a r ein schwarzgelber Staatspatriotismus noch sehr lebendig, während sich die subalternen Beamten, die Reserveoffiziere und der niedere Klerus mehr ihren Nationalitäten als dem Staat verpflichtet fühlten. Dabei wechselt allerdings die H a l t u n g der angeführten ständischen G r u p p e n von Volk zu Volk. W ä h rend der Klerus bei Polen und Tschechen, besonders aber auch bei den Slowenen, nicht selten an der Spitze nationaler Bewegungen stand, argwöhnten deutschnationale Kreise, daß der katholische Klerus deutscher

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Muttersprache und jedenfalls die Repräsentanten des politischen Katholizismus national unzuverlässig seien; diese Stimmung verstärkte sich, als die konservative, katholische Volkspartei der Alpenländer in parlamentarischen Abstimmungen vorübergehend mit den Slawen zusammenarbeitete. So setzte zur Zeit der Badenischen Sprachenverordnungen die von Schönerer unterstützte „Los-von-Rom"-Bewegung ein, der zwar kein durchschlagender Erfolg beschieden war, die aber immerhin zum Übertritt von über 7 0 . 0 0 0 Personen zum Protestantismus oder Altkatholizismus führte. Die meisten nationalistischen Gruppen waren auch antisemitisch eingestellt. Diese Tatsache blieb nicht ohne Rückwirkung auf die Haltung der Juden. Der Wiener Schriftsteller und Redakteur Theodor Herzl rief die nationaljüdische, zionistische Bewegung ins Leben, fand damit freilich nur bei einer Minderheit seiner Glaubensgenossen Anklang; die Wiener Juden hielten zumeist am Assimilationsgedanken fest. Die antisemitischen Strömungen waren nicht zuletzt stark ökonomisch bedingt, gelegentlich machte sich der Nationalitätenkampf auch sonst auf wirtschaftlichem Gebiet fühlbar, wenn gepredigt wurde, geschäftliche Transaktionen vorzugsweise mit Angehörigen des eigenen Volkes abzuwickeln, oder wenn in Grenzgebieten und national umkämpften Ortschaften Grundstücke und Häuser aufgekauft wurden, um die eigenen Positionen zu stärken. Immerhin schien der Hinweis auf gemeinsame wirtschaftliche Interessen zwar nicht eine Überwindung des Nationalismus, wohl aber eine gewisse Ablenkung vom akuten Nationalitätenkampf zu gestatten. Das war wenigstens die Meinung eines der fähigsten Staatsmänner der Spätzeit der Monarchie, Ernest von Koerber, der nach dem Übergangsministerium ClaryAldringen, das die Sprachenverordnungen liquidiert und die Ausgleichsverhandlungen mit der Herabsetzung der Quote auf 65,6 Prozent erfolgreich geführt, allerdings nicht im Reichsrat abgeschlossen hatte, und nach dem kurzlebigen Kabinett Wittek, am 18. Jänner 1900 sein Ministerium präsentieren konnte. Er hielt sich nahezu fünf J a h r e im Amte. Koerber sah bald ein, daß auch er mit dem Versuch einer Neuordnung der zum nationalen Zankapfel gewordenen böhmischen Kreisverwaltung nicht durchdringen konnte, so ging er nun an die Ausarbeitung einer großangelegten wirtschaftlichen Planung, mit dem Hauptprogrammpunkt eines energischen Ausbaues der Verkehrsverbindungen durch Eisenbahn- und Kanalbauten, wofür große Kapitalien vorgesehen waren. Tatsächlich ist dann wenigstens das Eisenbahnprogramm zu einem erheblichen Teil verwirklicht worden. Die Ausgleichsverhandlungen, die sich durch mehrere J a h r e hingeschleppt hatten, wurden zu Ende 1902 abgeschlossen. Andererseits war Koerbcrs Verhältnis zu Kaiser Franz Joseph nicht besonders gut, den nationalistischen Gruppen konnte er es auf keinen Fall recht machen, so reichte die Gegnerschaft bald von den Tschechen und Polen bis zu den Deutschen, vor allem aber lehnten ihn die Ungarn ab; daher demissionierte Koerber zu Jahresende 1904.

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In den so wechselvollen Beziehungen der beiden Reichshälften war es nach etlichen ruhigeren Jahren zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer erneuten krisenhaften Zuspitzung gekommen. Während der Ausgleichsverhandlungen stellte der ungarische Ministerpräsident Koloman Szell sehr weitreichende Forderungen, überdies verweigerte der ungarische Reichstag die verlangte Erhöhung des Truppenkontingents. Das gemeinsame Heer war den Ungarn, namentlich der Unabhängigkeitspartei, die die Traditionen Kossuths pflegte, aber auch den konservativen Anhängern des Grafen Apponyi ein Dorn im Auge. Auf heftige Angriffe gegen das gemeinsame Heer reagierte der Kaiser mit dem berühmten Armeebefehl von Chlopy (einem galizischen Manöverort) vom 16. September 1903, „Gemeinsam und einheitlich wie es ist, soll mein Heer bleiben". T r o t z dieser energischen Worte ist man aber wenig später in Heeresfragen (Aufstellung einer Honvedartillerie und sprachlichen Zugeständnissen) den Ungarn weiter entgegengekommen. Eine schwere Belastung des inneren Gefüges der Monarchie bildete die immer rücksichtsloser werdende ungarische Nationalitätenpolitik; systematisch suchte man die sozial aufsteigende Schicht den Nationalitäten zu entfremden. Diese Politik hatte allerdings keine rassisch-aggressive Tendenz, man akzeptierte vielmehr jeden, der sich dem Magyarentum anschließen wollte, und nicht wenige haben diesen Schritt ziemlich freiwillig getan, besonders unter den Deutschen (mit Ausnahme der Siebenbürger Sachsen), Juden und Ruthenen, während der Widerstand der Rumänen und Serben schon wegen ihres Rückhalts an der orthodoxen oder unierten Kirche stärker war; eine Mittelstellung nahmen die Slowaken ein. Die Kroaten waren durch die Sonderstellung ihres Landes ein wenig geschützt, litten aber doch durch den terroristischen Eifer magyarischer oder „magyaronischer" Bane wie Khuen-Hedervary und Cuvaj. Die ungarische Nationalitätenpolitik wurde im Auslande, wo man die komplizierten Verfassungsverhältnisse der Doppelmonarchie kaum würdigte, gerne den Österreichern in die Schuhe geschoben. Es erwies sich als arger Fehler, daß die Krone, um die Magyaren nicht zu verstimmen, eine ernsthafte Fühlungnahme mit den Kroaten vermied. Gelegentlich kam es dann zu absonderlichen Bündnissen, so im Herbst 1905, als ein Teil der kroatischen Abgeordneten, verärgert über die Haltung Wiens, in der „Resolution von Fiume" sich mit Forderungen der Unabhängigkeitspartei und Apponyis sowie serbischen Wünschen identifizierte. I m gleichen Jahre 1905 ergab sich noch einmal die Möglichkeit, die Herrschaft der zahlenmäßig nicht allzu starken, adelig-großbürgerlichen Schichten Ungarns zu brechen, die sowohl in der liberalen Regierungspartei von Koloman und Stephan Tisza, wie unter den Anhängern des jüngeren Kossuth und Apponyis den Ton angaben. Im Jänner des Jahres hatte die Unabhängigkeitspartei einen Wahlsieg errungen und alsbald ein kompromißloses Forderungsprogramm aufgestellt. Stephan Tisza mußte demissionieren, der Herrscher betraute den General Geza von Fejerväry mit der Regierungs28

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bildung. Der eigentliche Kopf des Kabinettes war der Innenminister Joseph Kristoffy, der vorschlug, durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechtes die Mehrheitsverhältnisse in der ungarischen Volksvertretung grundlegend zu ändern. Im Februar 1906 wurde sogar der Reichstag aufgelöst und durch Militär geräumt. Es wäre wohl möglich gewesen, durchzudringen; man ließ sich aber auf ein Kompromiß ein, die ungarische Koalition verzichtete auf ihr Militärprogramm der weitgehenden Armeetrennung, behielt aber die politische Macht. Ihre Wahlreformversprechungen hat sie dann nicht erfüllt und vor allem die Magyarisierung in hemmungsloser Weise fortgesetzt. Die Bedeutung der ungarischen Krise von 1905 — und deshalb mußte sie etwas ausführlicher gewürdigt werden — liegt eigentlich in ihren Konsequenzen für den österreichischen Reichsteil. Nach dem Sturz der Regierung Koerber hatte wieder Baron Paul Gautsch die Kabinettsbildung übernommen. Der Vorschlag des allgemeinen Wahlrechts für Ungarn ließ gleiche Wünsche in Österreich laut werden; eine gewisse Rolle spielte wohl auch der Umstand, daß in Rußland als Folge der sonst gescheiterten Revolution von 1905 in der „Duma" eine Volksvertretung geschaffen worden war — hinter dem reaktionären Zarenreich wollte man keinesfalls zurückbleiben. Freilich stellten sich der Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts auch in Österreich starke Widerstände jener Gruppen entgegen, die eine Verminderung des politischen Einflusses befürchten mußten; der adelig-feudalen und mancher deutschen und polnischen Kreise, die eine Erschütterung ihrer Positionen im sozialen und nationalen Kampf vorhersahen. Den Ausschlag für die schließliche Durchsetzung der Wahlrechtsvorlage dürfte nicht zuletzt die Haltung des Kaisers gegeben haben. Man versprach sich in H o f - und Regierungskreisen von dem allgemeinen Wahlrecht eine Stärkung der konfessionellen und sozialistischen Massenparteien, eine Schwächung der bürgerlich-nationalistischen Gruppen und damit eine Milderung des Nationalitätenkonfliktes; diese Hoffnungen sind dann nicht ganz in Erfüllung gegangen. Gautsch brachte die Wahlrechtsvorlage im Februar 1906 ein, konnte aber nicht durchdringen; nach dem Ubergangskabinett Hohenlohe folgte ein arbeitsfähiges Ministerium unter Max Wladimir Freiherrn von Beck, welches das Wahlgesetz zu Jahresschluß 1906 durchbrachte. Die Deutschen und Italiener verlangten im Kampf um die Wahlvorlage eine Berücksichtigung ihrer höheren Steuerleistung, die slawischen Völker wollten nur die Wählerzahl gelten lassen; es kam, wie meist in Österreich, zu einem Kompromiß, das allerdings mehr dem Zahlenprinzip entsprach. Die Deutschen, die mehr als 63 Prozent der zisleithanischen Steuerleistung aufbrachten, aber nur 35 Prozent der Bevölkerung ausmachten, erhielten 43 Prozent der Sitze, weil die Wahlkreise im deutschen Gebiet im Durchschnitt weniger Wähler hatten, als jene im slawischen Bereich. Ähnlich waren die Italiener und die Rumänen der Bukowina zahlenmäßig etwas bevorzugt, die Ruthenen benachteiligt, aber gerade sie hatten gegenüber den früheren

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Verhältnissen am meisten profitiert. Man darf die Wahlreform wegen dieses Nachwirkens des einst herrschenden Zensusgedankens nicht unterschätzen; im Mai 1907 wurde das Parlament zum erstenmal nach dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht gewählt, 30 Jahre zuvor hatten nicht mehr als sechs Prozent der männlichen Bevölkerung überhaupt das Wahlrecht besessen. Den Frauen sollte erst die Republik das Wahlrecht bringen. Die ersten Wahlen nach dem neuen Wahlgesetz brachten den erwarteten Vorstoß der Massenparteien. Die Sozialdemokraten stellten 87 Abgeordnete (darunter 49 Deutsche), die Christlichsozialen brachten es zusammen mit den letzten Konservativen, die sich ganz gut gehalten hatten, auf 96 Mandate. Zum deutschen Nationalverband gehörten 90 Abgeordnete verschiedener Richtungen, in der Mehrzahl Parteigänger gemäßigter Gruppen, wie der Deutschen Volkspartei, der Deutschen Agrarier und der Deutschen Fortschrittspartei, aber auch 13 Deutschradikale unter Κ . H . Wolf, während nur drei Schönerianer gewählt wurden. Schönerer selbst war durchgefallen, seine Partei war der eigentliche Verlierer der Wahl. Während der Wahlrechtskämpfe war es zu einem regionalen, aber nicht unwichtigen Erfolg der nationalen Verständigungspolitik gekommen. Im Jahre 1905 wurde der „mährische Ausgleich" im Einvernehmen der Tschechen und Deutschen des Landes beschlossen. Seither erfolgte die Wahl des Landtages auf Grund des Wählerkatasters nach nationalen Kurien, die Mandatszahlen von Deutschen und Tschechen standen fest, nur innerhalb der nationalen Kurie kämpften die Parteien um die Mandate. Zwar konnte nach diesem Prinzip ein Deutscher nur Deutsche und ein Tscheche nur Tschechen wählen — aber etwas anderes war ohnedies nicht mehr zu erwarten. Ein ähnlicher nationaler Ausgleich sollte noch im Jahre 1910 in der viersprachigen Bukowina gelingen; im Jahre 1914 war er in Galizien zwischen Polen und Ruthenen bereits abgesprochen, als der erste Weltkrieg ausbrach. Die nationalen Gegensätze waren also nicht unüberbrückbar; eine Verständigung war leichter, wenn es an Einwirkungen von außen fehlte, wie etwa in der Zeit vor und während des russisch-japanischen Krieges, als Rußlands Interesse nach Osten gerichtet war und der Panslawismus vorübergehend an Aktualität verlor. D a s sollte sich bald nach 1905 wieder ändern. Man hat sich in Österreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in einigen ernsthaften theoretischen Arbeiten mit dem Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie beschäftigt. Von sozialdemokratischer Seite traten besonders die späteren Führer der Partei, K a r l Renner (1899, 1902) und Otto Bauer (1907) mit programmatischen Schriften hervor; Renner, der unter den Pseudonymen „Synopticus" und „Rudolf Springer" publizierte, suchte durch Aufwerfung des Prinzips der Personalautonomie eine neue Diskussionsbasis zu schaffen. Eine gewisse praktische Bedeutung erlangten verschiedene Elemente dieser Arbeiten, als die sowjetische Nationalitäten20·

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politik nach 1917 an sie anknüpfte. Viel beachtet wurde das Buch des dem Thronfolger nahestehenden siebenbürgischen Rumänen Aurel Popovici „Die vereinigten Staaten von Großösterreich" (1906), das 15 nationale, staatliche Einheiten für die 11 Nationalitäten der Monarchie vorsah, weil die räumliche Aufspaltung der deutschen, italienischen und magyarischen Siedlungsgebiete berücksichtigt wurde. Alle diese gutgemeinten und von dem Bestreben nach einer möglichst gerechten Lösung des österreichischen Nationalitätenproblems zeugenden Vorschläge krankten daran, daß die Widerstandskraft der politischen Gegebenheiten ihrer Verwirklichung übermächtig entgegenstand, daß im übrigen mehr das Bild des jeweils gewünschten Lösungsversuches, nicht aber der Weg, dieses Ergebnis zu erreichen, gezeigt wurde. Die nach den Wahlen von 1907 personell ergänzte Regierung Beck hatte noch etliche Erfolge, die Ausgleichsverhandlungen wurden beendet und die Quote mit 63,6 P r o z e n t : 36,4 Prozent zugunsten Österreichs abgeändert, auch das österreichische Budget, die Rekrutierungsvorlagen und die Verstaatlichung der Nordbahn wurden ziemlich reibungslos bewilligt. Bei seinen Verhandlungen zur Beilegung der Spannungen in Böhmen hatte aber Beck trotz des guten mährischen Beispieles keinen Erfolg. Bedenklich war auch der Konflikt Becks mit seinem bisherigen Gönner, dem Erzherzog-Thronfolger, wegen der Wahlreform und des angeblich zu weitgehenden Entgegenkommens gegenüber der ungarischen Regierung in den Ausgleichsverhandlungen. Höchst unangenehm erwies sich schließlich die „Affäre Wahrmund", ein Streit um die Person des Innsbrucker Professors des Kirchenrechts, Ludwig Wahrmund, der sich demonstrativ in antikirchlichem Sinne geäußert hatte. Die katholischen Kreise forderten, unterstützt vom päpstlichen Nuntius, seine Entlassung; die Antiklerikalen sahen die Lehrund Lernfreiheit bedroht. Schließlich regelte der Unterrichtsminister Marchet die Affäre durch ein Kompromiß, Wahrmund wurde nach Prag versetzt. Die Aufregung hielt aber an, Bede und Marchet gerieten immer mehr in die Ungnade des Hofes und am 15. November 1908 wurde Beck entlassen, gerade als sich die Doppelmonarchie in einer sehr schweren außenpolitischen Krise befand. Nach dem Verlust der Stellung in Deutschland und Italien schien der Balkan das einzige Feld für eine aktive österreichische Außenpolitik zu bieten; in diesem Sinne konnte auch die Okkupation Bosniens und der Herzegowina gedeutet werden. Seit Graf Agenor Goluchowski der Jüngere als Nachfolger Kalnokys die Führung der auswärtigen Angelegenheiten der Monarchie übernommen hatte (1895), war allerdings die Erhaltung des status quo zum bescheidenen Ziel der österreichischen Balkanpolitik geworden. Das Hauptproblem bildeten die Beziehungen zu Serbien, und diese entwickelten sich keineswegs günstig. Die Ermordung des Königs Alexander Obrenovic und seiner Gemahlin durch serbische Offiziere im Belgrader

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Schloß (11. Juni 1903), die Einsetzung König Peters aus der Dynastie K a r a djordjevic, vor allem aber die Vorherrschaft der russophilen radikalen Partei unter N i k o l a Pasic im serbischen politischen Leben, brachten immer mehr Elemente der Spannung in das Verhältnis zwischen der Doppelmonarchie und dem benachbarten Balkanstaat. Eine bedenkliche Zuspitzung erreichte diese kritische Entwicklung mit dem „Schweinekrieg" von 1906, der dem Ablauf eines österreichisch-serbischen Handelsvertrages folgte. Serbien w a r auf den Agrarexport nach Österreich angewiesen, der aber namentlich von den ungarischen Grundherren ungern gesehen wurde, da er den Absatz ihrer eigenen P r o d u k t e konkurrenzierte; auch die Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches, die den österreichischen Viehexport erschwerte, spielte eine ungute Rolle. Jedenfalls k a m es zu einer A r t Wirtschaftskrieg der Monarchie, die ihren M a r k t sperrte, mit Serbien, das aber bald Ersatzmärkte in anderen Ländern fand. D a m a l s erst ist der H a ß weiterer bäuerlicher Schichten des serbischen Volkes gegen Österreich-Ungarn voll aufgeflammt. Nach Goluchowski wurde ein Staatsmann von ganz anderer Mentalität und gewiß bedeutenden Formates Leiter der österreichischen Außenpolitik: Aloys Lexa Freiherr von Aehrenthal (1906); er und der ungefähr gleichzeitig an die Spitze des russischen Außenministeriums getretene Alexander Iswolski wurden zu den großen Gegenspielern in den Balkanfragen, beide strebten nach Erfolgen, die sie kaum anders als gegeneinander erreichen konnten. Aehrenthal war wohl der Begabtere und es ist ihm audi gelungen, bei seinem H a u p t c o u p , der Annexion Bosniens und der Herzegowina, Iswolski zu düpieren — allerdings unter Begleitumständen, die fast zu einem europäischen Krieg geführt hätten. Schon der österreichische Plan einer Salonikieisenbahn über den Sandschak N o v i p a z a r — realisiert w a r davon nur die bescheidene Strecke Wien bis Aspang — erregte in R u ß l a n d gewaltig, man scheint sogar an Krieg gedacht zu haben, doch w u r d e diese Frage beigelegt. Das nächste Projekt Aehrenthals betraf eine Änderung der verfassungsrechtlichen Stellung Bosniens und der Herzegowina; diese Länder sollten auch de jure in die Habsburgermonarchie einverleibt und damit die O k k u p a t i o n in eine Annexion verwandelt werden. Eine erhebliche Rolle spielten dabei die Pläne der jungtürkischen Revolutionäre, die nach dem Sturze des Sultans Abdul H a m i d das parlamentarische System einzuführen gedachten und audi in den Gebieten von Bosnien und der Herzegowina, die ja formell noch der Oberhoheit des Sultans unterstanden, Wahlen durchführen wollten, was Österreich unmöglich zulassen konnte. Es w ä r e wohl möglich gewesen, die Veränderung der Rechtsstellung Bosniens und der Herzegowina im Einvernehmen mit den Großmächten durchzuführen, während Aehrenthal, der eine Verquickung aller möglichen anderen Probleme mit der Annexionsfrage fürchtete, nachdem er Iswolski auf einer Zusammenkunft inBudilau (Mähren) in unbestimmter Form auf die Annexion vorbereitet hatte, diese überraschend proklamieren wollte. Durch ein grobes Versehen des österreichischen Bot-

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schafters in Paris wurde die Annexion drei Tage vor der geplanten Mitteilung an die Mächte der Öffentlichkeit bekannt (3. Oktober 1908). Gleichzeitig erfuhr man allerdings audi von dem österreichisch-ungarischen Verzicht auf das Besatzungsrecht im Sandschak Novipazar. In Rußland und Serbien gab es Kriegsalarm, natürlich protestierte die Türkei, auch England reagierte sehr unfreundlich, selbst die Bundesgenossen Deutschland und Italien waren verstimmt. Aehrenthal gelang es immerhin, kriegerische Ausweitungen zu vermeiden, die Türken erhielten eine Geldentschädigung. Da Rußland von Fernostkrieg und Revolution noch nicht ganz erholt war, Deutschland der Doppelmonarchie entschieden sekundierte und Frankreich sich am Entrüstungssturm seiner Verbündeten nicht beteiligt hatte, wurde der Frieden bewahrt, Serbien, das sich am meisten exponiert hatte, mußte den Rückzug antreten. Die Annexionskrise endete mit einer gereizten Polemik zwischen Aehrenthal und Iswolski in der englischen Zeitschrift „Fortnightly Review"; was blieb, war eine weitere Verschlechterung des Verhältnisses zu Rußland und Serbien. Ähnlich ungünstig waren die Rückwirkungen auf die Beziehungen zum italienischen Dreibundpartner. Italien besaß damals schon weitgehende Bindungen mit Frankreich — also gerade jener Macht, gegen die ihm der Dreibund Rückhalt gewähren sollte. Es hatte sich schon im Jahre 1900 über seine Interessen in Tripolis mit Frankreich geeinigt, zwei Jahre später hatte Italiens Außenminister Prinetti gleichzeitig mit Verhandlungen mit den Dreibundpartnern weitgehende Abmachungen mit Frankreich geschlossen, die unter anderem Italiens Neutralität vorsahen, falls Frankreich an Deutschland „in Verteidigung seiner Ehre" den Krieg erklären würde. Gleichzeitig wurde Italiens Balkanpolitik forciert, man blickte insbesondere auf Albanien, durch dessen Besitz man die Straße von Otranto völlig beherrscht hätte. Das Problem der italienischen „Kompensationen" für den Fall einer Verstärkung der österreichischen Balkanposition stellte sich jetzt so dar, daß Italien entweder österreichisches Gebiet oder aber die Sperre der Adria durch eine Festsetzung in Albanien verlangen konnte. Nach der Annexionskrise, in der allerdings Aehrenthal wenig Rücksicht auf die Verbündeten der Doppelmonarchie genommen hatte, trat Italiens damaliger Außenminster Tittoni, anläßlich eines Besuches des Zaren in Italien, mit der russischen Regierung in Verbindung und Schloß den Vertrag von Racconigi, der namentlich die Balkanfragen betraf und bewußt jeder Ausdehnung des Habsburgerreiches einen Riegel vorschieben sollte, während man einander für die eigenen Expansionspläne, die die Meerengen und Tripolis betrafen, Unterstützung zusagte. Zu all dem kam als weitere Belastung das unvermindert fortbestehende Problem des Irredentismus. Das Mißtrauen nahm in Österreich zu und der Generalstabschef der k. u. k. Armee, Conrad von Hötzendorf, befaßte sich immer wieder mit dem Gedanken eines „Präventivkrieges" gegen Italien, ohne allerdings bei Aehrenthal ein geneigtes O h r zu finden.

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In der österreichischen Innenpolitik kam es nach Becks Sturz zur Bildung eines Kabinetts unter dem Freiherrn Richard von Bienerth-Schmerling, dessen Amtszeit durch einen merkwürdigen, wiederholten Wechsel von O b struktion und echter Arbeit im Reichsrat charakterisiert ist. Ausgleichsversuche zwischen den Deutschen und Tschechen in Böhmen scheiterten wieder einmal, dagegen gelang es, einige wirtschaftspolitische Vorlagen durchzubringen. Im Frühjahr 1911 kam es zu Neuwahlen in das Parlament — den zweiten auf Grund des allgemeinen Wahlrechts und den letzten in der Monarchie. Die Wahlen brachten den nach dem Tode Luegers (1910) durch interne Streitigkeiten zwischen den Anhängern Albert Gessmanns und Ernst Verganis geschwächten Christlichsozialen namentlich in Wien schwere Verluste, die Sozialdemokraten behaupteten sich besser, wurden aber durch die Extratouren ihrer tschechischen Parteigenossen geschädigt, während die deutschfreiheitliche und nationale Gruppe durch den Zusammenschluß zum Deutschen Nationalverband gewann. Unter den deutschösterreichischen A b geordneten waren 99 Mitglieder dieses Verbandes, 74 Christlichsoziale und 44 Sozialdemokraten; 14 nicht parteigebundene „Wilde" vertraten verschiedene Richtungen. Auf Bienerth folgte, nach einem kurzfristigen Übergangskabinett unter Gautsch, ein Ministerium unter dem Grafen K a r l Stürgkh, dessen Regierung sich wieder mehrere J a h r e bis zum gewaltsamen Ende ihres Chefs ( 1 9 1 6 ) behaupten sollte. Wieder gab es deutsch-tschechische Ausgleichsverhandlungen, und man prägte das Wort, daß nur mehr eine „papierdünne W a n d " beide Nationen trenne. Nach einer Krise, die im Sommer 1913 zur Sistierung des böhmischen Landtages führte, war im Herbst dieses Jahres die Haltung beider Volksgruppen und ihrer Repräsentanten recht versöhnlich, die nationalistischen Phrasen waren wegen der langen Dauer des Zwistes doch schon etwas abgenützt, man sehnte sich nach Verständigung. Es scheint fast, daß H o f und Regierung bremsten, andere Mutmaßungen gingen dahin, daß sich der Thronfolger das Ausgleichswerk in Böhmen als verheißungsvollen Auftakt seiner Herrschaft vorbehalten habe. Die Wehrvorlagen der Regierung wurden parlamentarisch erledigt; seit Jahresbeginn 1914 regierte Stürgkh aber nach Wiedereinsetzen der Obstruktion mit dem § 14, ohne Reichsrat. Am 12. Februar 1913 wurde die Öffentlichkeit durch die blutige T a t eines Einzelgängers erschreckt, der den volkstümlichen sozialdemokratischen Abgeordneten Franz Schuhmeier erschoß. Großes Unbehagen verursachte wenig später die Affäre des Obersten Alfred Redl, des Generalstabschefs des Prager Korps und früheren Offiziers des Nachrichtendienstes der k. u. k. Armee, der Ende Mai 1913 als Spion entlarvt und zum Selbstmord gezwungen wurde. Auch in Ungarn kam es zum Konflikt zwischen Regierung und Reichstag. Gelenkte Wahlen sicherten im J a h r e 1910 der liberalen Partei Stephan Tiszas eine starke Mehrheit, doch begnügte sich der Parteichef vorerst mit der Stellung eines Präsidenten des Abgeordnetenhauses, die Regierungs-

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D i e franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

bildung übernahm sein Anhänger Ladislaus von Lukacs. Im Herbst 1912 brachte man die von der Krone geförderte Wehrvorlage durch, die obstruierende Opposition wurde durch die Polizei aus dem Reichstag entfernt. Im Sommer 1913 übernahm endlich Tisza selbst die Regierungsbildung. Zeitweilig schien es, als ob er den Nationalitäten, die außer den Kroaten und Siebenbürger Sachsen im Reichstag kaum mehr vertreten waren — unter 413 Abgeordneten gab es nur fünf Rumänen und drei Slowaken — etwas entgegenkommen würde, doch hielt auch er an der uneingeschränkten magyarischen Suprematie fest. Damit verärgerte Tisza zwar den Gönner der kleinen Völker der Monarchie, den Thronfolger Franz Ferdinand, sonst aber imponierte in Wiener Hofkreisen das neue Budapester Regime der eisernen Faust ganz gewaltig. Tisza besaß vor allem das Vertrauen des alten Kaisers, mit dem ihn das Beharren auf der einmal getroffenen Lösung von 1867 verband. In der Bevölkerung Österreichs besaßen freilich die herrschenden ungarischen Schichten wenig Sympathie; Christlichsoziale, Sozialdemokraten und Deutschnationale verurteilten gleichermaßen die Magyarisierungspolitik, gegen die sich schon im Jahre 1907 eine einstimmig angenommene Protestresolution des österreichischen Reichsrates gewandt hatte. In der Außenpolitik kam es immer wieder zu Spannungen mit dem italienischen Dreibundpartner. Im September 1911 begann Italien unter ganz nichtigem Vorwand einen Krieg gegen die Türkei, um Tripolis und die Cyrenaika zu erobern. An sich hatte Italien von den anderen Dreibundmächten und auch von den übrigen maßgeblichen europäischen Staaten für seine nordafrikanischen Pläne freie H a n d bekommen, die Art und Weise seines Vorgehens, ohne Konsultierung der Verbündeten, mit denen man gerade Dreibundverhandlungen führte, zu einer Zeit, da sich eine Annäherung zwischen Deutschland und der Türkei abzeichnete, mußte jedoch verstimmen. Conrad von Hötzendorf wollte wieder den Präventivkrieg gegen Italien, er scheiterte aber am Widerstand Aehrenthals und des Kaisers und mußte für einige Zeit vom Posten des Generalstabschefs zurücktreten. Es wäre vielleicht damals möglich gewesen, zu einer Annäherung an Rußland zu gelangen, das wegen Italiens Vorgehen für seine Meerengenpläne fürchtete, auch zwischen Frankreich und Italien herrschte gerade eine gewisse Spannung. Vor allem aber gab der italienisch-türkische Krieg den Anlaß zu einer folgenschweren Veränderung der Lage und des Kräfteverhältnisses auf dem Balkan, da die Balkankleinstaaten die Schwierigkeiten der Türkei für ihre eigene nationale Expansionspolitik nützen wollten. Nach längeren Verhandlungen hatten im Frühjahr 1912 Serbien, Bulgarien, Montenegro und Griechenland ein Bündnis geschlossen, das in den üblichen Formen zunächst von der Wahrung der eigenen Territorien und Interessen sprach, aber vor allem die Aufteilung der europäischen Türkei und gemeinsame Kriegführung gegen jede Großmacht, „die ebenfalls türkisches Gebiet besetzen wolle", vorsah; dieser Passus bezog sich praktisch

Politische K r i s e und N a t i o n a l i t ä t e n k a m p f

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auf die Habsburgermonarchie. D e r eigentliche Schmied des Bündnisses w a r der russische Gesandte in B e l g r a d , N i k o l a j H a r t w i g . In Österreich-Ungarn hatte nach dem verfrühten T o d Aehrenthals G r a f L e o p o l d Berchtold die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernommen. Seine I n i t i a t i v e für eine I n t e r v e n t i o n der G r o ß m ä c h t e zur W a h r u n g des B a l k a n f r i e d e n s blieb, ebenso wie ein gemeinsamer Schritt Österreichs und R u ß l a n d s in K o n stantinopel, erfolglos. M o n t e n e g r o schlug im O k t o b e r 1 9 1 2 los, die anderen B a l k a n b u n d s t a a t e n schlossen sich an und in einem Feldzug von wenigen Wochen wurde die T ü r k e i vernichtend geschlagen. R u ß l a n d und Frankreich vereinbarten nun ihrerseits eine Abmachung zur Verhinderung eines österreichisch-ungarischen Territorialgewinnes. Berchtold ging es jedoch tatsächlich m e h r um die Bildung eines albanischen N a t i o n a l s t a a t e s , der Serbien den W e g zur A d r i a sperren und im G r u n d e auch eine Festsetzung Italiens an der Gegenküste der A d r i a verhindern sollte. Es gelang ihm immerhin, den italienischen P a r t n e r , der auf den vorherrschenden Einfluß in Albanien aspirierte, für das A l b a n i e n p r o j e k t zu gewinnen. Als montenegrinische T r u p pen die albanische G r e n z s t a d t S k u t a r i besetzten, k a m es zu einer schweren K r i s e , doch setzte sich in der A d r i a f r a g e Österreich durch. Serbien stellte nun Ersatzansprüche an B u l g a r i e n ; im B u n d e mit R u m ä n i e n und Griechenland k a m es zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Bulgaren, die nervös geworden, gegen die Serben losschlugen, aber im zweiten B a l k a n k r i e g im S o m m e r 1 9 1 3 den größten Teil ihrer Eroberungen verloren. Berchtold h a t t e vergeblich zugunsten Bulgariens zu intervenieren versucht, damit aber nur R u m ä n i e n verstimmt, dessen lockere B i n d u n g an den D r e i b u n d ohnedies im wesentlichen nur auf der persönlichen H a l t u n g des hochbetagten K ö n i g s C a r o l I . beruhte. V e r l a u f und Ergebnis der beiden B a l k a n k r i e g e verschlechterten die politische und strategische Position Österreichs erneut. Zu denen, die der G a n g der Entwicklung beunruhigte, gehörte nicht zuletzt der T h r o n f o l g e r F r a n z F e r d i n a n d . D i e K o n s t a n t e in seinen außenpolitischen Überlegungen bildete die T e n d e n z einer Herstellung besserer Beziehungen zum zaristischen R u ß land mit dem Fernziel einer Wiederherstellung des Dreikaiserbündnisses zum Schutze gegen die revolutionären K r ä f t e . F r a n z F e r d i n a n d verlangte auch die Pflege eines guten Einvernehmens mit R u m ä n i e n und seine Rücksichtnahme auf R u ß l a n d verbot eine allzu aggressive H a l t u n g gegen Serbien. Nichtsdestoweniger w a r man in diesem L a n d e über die H a l t u n g des T h r o n folgers besorgt. In seinen R e f o r m p l ä n e n zur Neugestaltung der H a b s b u r g e r monarchie spielte nach einer Zeit, die im Zeichen des K r o n l a n d f ö d e r a l i s m u s älteren Stiles gestanden w a r , der „ T r i a l i s m u s " eine gewisse R o l l e , der G e d a n k e einer E r g ä n z u n g der dualistischen S t a a t s f o r m durch einen dritten Staatsteil, der aus den südslawischen L ä n d e r n der Monarchie gebildet werden sollte, w o f ü r die Sonderstellung Bosniens und der H e r z e g o w i n a eine Ausgangsbasis bilden konnte. D a b e i gedachte der T h r o n f o l g e r sich v o r allem

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Die franzisko-josephinische Epoche und das E n d e der Monarchie

auf die katholische, traditionell habsburgtreue kroatische Bevölkerung zu stützen. Diese Gedankengänge waren in Serbien bekannt und wurden als unvereinbar mit der großserbischen Idee und allenfalls auch für den Bestand des eigenen Staates gefährlich noch zu einer Zeit gefürchtet (1912), in der der Thronfolger bereits zu einer föderativen Neugestaltung der Monarchie unter Berücksichtigung des Nationalitätenprinzips, aber mit (wenigstens vorläufiger) Beibehaltung des Dualismus tendierte. In Österreich aber setzten breite Schichten der Bevölkerung angesichts des Immobilismus des alten Kaisers ihre Hoffnungen auf den energischen und selbstbewußten Thronfolger, in dessen Wohnsitz am Wiener Belvedere eine rege politische Tätigkeit beobachtet werden konnte; etliche Nationalitätenvertreter und Politiker pflegten die Verbindungen zum Thronfolger sehr sorgfältig, bekannt waren namentlich die Beziehungen christlichsozialer Kreise zum Belvedere. Alle diese Zukunftshoffnungen — und darüber hinaus der Friede von ganz Europa — wurden tödlich getroffen, als am 28. Juni 1914 der anläßlich eines Manöverbesuches in Bosnien weilende Thronfolger und seine Gattin Sophie in Sarajewo von jugendlichen bosnischen Attentätern serbischer Nationalität ermordet wurden. Die Bevölkerungsbewegung

der

Franz-Joseph-Zeit

Die Gesamtbevölkerung der Monarchie betrug im Jahre 1857 (einschließlich Lombardo-Venetiens) nach einer vielleicht nicht ganz zuverlässigen Schätzung 32,261.000 Personen; im Jahre 1869 zählte man (ohne die beiden inzwischen verlorenen Provinzen) infolge des starken Bevölkerungszuwachses 35,812.000 Einwohner, im Jahre 1900 lebten in der Doppelmonarchie (ohne das Okkupationsgebiet) 46,974.000 Menschen, und diese Zahl stieg bis 1910 unter Einbeziehung der inzwischen annektierten Länder Bosnien und Herzegowina auf 51,390.000 Personen. In diesen Zahlen spiegelt sich die Bevölkerungsentwicklung des industriellen Zeitalters; selbstredend war das Wachstum nicht gleichmäßig auf alle Landschaften und Orte der Monarchie verteilt, sondern es kulminierte in der sprunghaften Zunahme der Großstädte und Industriereviere. Wien hatte im Jahre 1851 (einschließlich der Vorstädte) 431.147 Einwohner; diese Zahl stieg bis zum Jahre 1890 auf 827.567 Personen. Während die seit 1857 mit der Stadt in acht und seit 1874 in zehn Bezirken zusammengefaßten Vorstädte in rechtlicher Hinsicht, trotz räumlicher Trennung durch Wall, Graben und Glacis, zumeist schon seit Jahrhunderten zu Wien gehört hatten, wurden 1890 auch die Vor orte, bisher selbständige Gemeinden jenseits der „Linie", mit zusammen 562.745 Bewohnern als Bezirke 11—19 (später 11—20) in Groß-Wien einbezogen. Um die Jahrhundertwende zählte die mächtig vergrößerte Stadt 1,891.090 Seelen; 1905 kam der weitgedehnte 21. Bezirk Floridsdorf nördlich der

D i e Bevölkerungsbewegung der F r a n z - J o s e p h - Z e i t

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Donau dazu, dem 1910 noch die Marchfeldgemeinde Strebersdorf zugeschlagen wurde. Durch diese Eingemeindungen, durch Zuwanderung und durch den Flüchtlingszustrom des ersten Weltkrieges stieg die Stadtbevölkerung weiter an, um 1916 mit etwa 2,239.000 Einwohnern einen Höchststand zu erreichen. Dabei verlagerte sich das Bevölkerungsschwergewicht mehr und mehr in die Außenbezirke, die Bevölkerung des Stadtkerns (1. Bezirk) ging infolge der „Citybildung" mehr und mehr zurück, hier wichen die Wohnhäuser Geschäftslokalen und Ämtern. Ein ähnliches Bild zeigen in kleineren Dimensionen Linz und Graz. Die oberösterreichische Hauptstadt hatte 1850 26.600 Einwohner, um die Jahrhundertwende bereits 83.400, während des ersten Weltkrieges wurde die Hunderttausendergrenze überschritten, auch hier hatten verschiedene Eingemeindungen stattgefunden. Im Jahre 1849 gab es 52.000 Grazer, aber anläßlich der Volkszählung von 1880 stand G r a z schon an der Grenze der ersten Hunderttausend (97.800) und es erreichte 1910 bereits die Zahl von 151.700 Einwohnern; unter den alpenländischen Städten nahm es unbestritten die erste Stelle ein. Kleinere Städte wiesen oft eine noch bedeutendere prozentuelle Bevölkerungszunahme auf. Berndorf im Triestingtal stieg in der franzisko-josephinischen Zeit von wenigen Hundert auf über 7000 Einwohner an, ebenso eindrucksvoll ist das Wachstum verschiedener obersteirischer Industrieorte (Donawitz, Kapfenberg, Knittelfeld usw.). D a s Wachstum der Bevölkerung der industriellen Zentren wurde durch die Landflucht aus den vorwiegend agrarischen Gebieten ermöglicht, wobei die niederösterreichischen Industrieorte, einschließlich Wiens, in gegenüber der ersten Jahrhunderthälfte noch verstärktem Maße von Einwanderern aus Böhmen und Mähren aufgesucht wurden. Etwa zwei Drittel dieser Zuwanderer stammten aus tschechischen Bezirken, das Verlangen nach tschechischen Schulen rief seit der Jahrhundertwende einige Aufregung im Wiener Bürgertum hervor. Die Mehrzahl der Zuwanderer neigte aber zur sprachlichen Assimilation. Das hängt wohl mit der Herkunft der meisten dieser slawischen Neuwiener aus dem weniger nationalistischen Mähren und mit ihrer sozialen Position — es handelte sich vorwiegend um Arbeiter und H a n d werker — zusammen. Unter den Wiener Schuhmachern, in etwas geringerem Maße auch unter den Tischlern und Schneidern, gab es viele tschechische Lehrlinge, Gesellen und auch Meister. Die sudetendeutschen Einwanderer gehörten meist dem gewerblichen Mittelstand an, sie stellten auch viele Beamte und Lehrer. Die jüdische Bevölkerung Wiens nahm in der franziskojosephinischen Zeit absolut und im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung stark zu; der jüdische Bevölkerungsanteil betrug zu Beginn des Weltkrieges etwa 9 Prozent und stieg während des Krieges durch Flüchtlinge vorübergehend weiter an. Im Wiener Wirtschafts- und Kulturleben spielten Juden, namentlich als Kaufleute, Ärzte, Rechtsanwälte, Literaten und Journalisten eine recht erhebliche Rolle; ungeachtet des zunehmenden Antisemitismus gab es

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D i e franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

viele und enge gesellschaftliche Verbindungen zur christlichen Bevölkerungsmehrheit und auch verhältnismäßig viele Mischehen. Die starke assimilierende Kraft Wiens stellte aber fast schon eine Ausnahmeerscheinung dar, die tschechischen Zuwanderer in die deutschen Gebiete Böhmens, etwa in das nordwestböhmische Braunkohlenrevier, ließen sich nicht mehr entnationalisieren, und die Binnenwanderungen brachten auch in anderen Kronländern einen neuen Aspekt in das Nationalitätenproblem der Monarchie. Diese zahlenmäßig erfaßbare Seite der nationalen Frage spiegelt sich in den Statistiken der Volkszählungen von 1880 bis 1910. Hier können nur die prozentuellen Verschiebungen innerhalb der Gesamtbevölkerung kurz erörtert werden. Aus ihnen geht hervor, daß von einer Germanisierung keine Rede mehr sein kann, die Deutschen hielten knapp ihre Prozentsätze in der Bevölkerung der österreichischen Reichshälfte (1880: 36,8, 1910: 35,6 Prozent), ähnlich knapp behaupteten sich die Tschechen (23,8 bzw. 23,0 Prozent) und die Ruthenen (12,8 bzw. 12,6 Prozent), etwas stärkere Einbußen erlitten die Slowenen (5,2 bzw. 4,5 Prozent) und Italiener (3,1 bzw. 2,7 Prozent), die größten Fortschritte machten die Polen (14,9 bzw. 17,8 Prozent), in absoluten Zahlen nahmen aber alle Volksgruppen zu. In Ungarn gab es einen gewaltigen, man kann wohl auch sagen gewaltsamen Vorstoß der Magyaren (in Ungarn einschließlich Kroatien-Slawonien von 41,2 auf 48,1 Prozent) und die stärksten Aderlässe bei Deutschen (12,5 zu 9,8 Prozent) und Slowaken (11,9 zu 9,4 Prozent); bei den Slowaken mag auch die starke Auswanderung zur Geltung kommen, entscheidend war aber doch die forcierte Magyarisierung. Gegenüber den Totalumstürzen in der Bevölkerungsstruktur weiter europäischer Landstriche durch Aussiedlungs- und Vernichtungsmaßnahmen während und nach dem zweiten Weltkrieg, aber auch gegenüber den stärkeren Veränderungen nach 1918 nehmen sich die angeführten Differenzen bescheiden aus, es handelt sich um Auswirkungen der verschieden starken Geburtenrate der einzelnen Volksgruppen, dann um Zuwachs oder Abbröckeln von Randschichten, hervorgerufen durch assimilatorische Wirkungen von Binnenwanderung, Schule, Kirche und sozialen Umschichtungen, in der ungarischen Reichshälfte gewiß auch unter Einsatz staatlicher Faktoren. Einige Worte noch zur Auswanderung. Ein erheblicher Teil des österreichischen Bevölkerungsüberschusses fand den Weg über See. Das Staatsgrundgesetz von 1867 enthielt unter anderem audi das Prinzip der Freiheit der Auswanderung. Diese führte mehr als 90 Prozent aller Menschen, welche die Doppelmonarchie verließen, um sich eine neue Existenz aufzubauen, in die Vereinigten Staaten. Im Jahre 1903 wandten sich von 222.000 Auswanderern aus Österreich-Ungarn 206.000 in die USA. Die Monarchie stellte von 1861 bis 1890 4,2 Prozent und 1891 bis 1920 nicht weniger als 20 Prozent der Gesamteinwanderungszahlen in die Vereinigten Staaten. Es ist freilich kaum möglich, festzustellen, wieviele dieser Menschen aus dem

Die Landwirtschaft

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Gebiete des heutigen, kleinen Österreich stammen. I m m e r h i n ist es interessant, d a ß unter den im J a h r e 1900 in den U S A ansässigen Personen ausländischer H e r k u n f t 276.000 „Österreicher", 157.000 „ B ö h m e n " und 145.000 „ U n g a r n " gezählt w u r d e n .

Die

Landwirtschaft

Die R e v o l u t i o n h a t t e die B a u e r n b e f r e i u n g , die Abschaffung und A b lösung des grundobrigkeitlichen Verhältnisses beschlossen, dem Absolutismus oblag die D u r c h f ü h r u n g der n o t w e n d i g e n M a ß n a h m e n . M a n begnügte sich in Österreich (nicht aber in U n g a r n ) , zwei D r i t t e l des ermittelten Ablösewertes den G r u n d h e r r e n tatsächlich auszubezahlen, von dieser reduzierten S u m m e m u ß t e je eine H ä l f t e v o m Staate u n d von den Bauern aufgebracht w e r d e n . M a n bediente sich bei dieser Regelung f ü n f p r o z e n t i g e r G r u n d entlastungsobligationen, die Ablöse w a r f ü r den Bauern — anders als f r ü h e r in P r e u ß e n u n d später in R u ß l a n d — in der Regel nicht drückend u n d f ü r den G r u n d b e s i t z e r mehr als ausreichend; manche von diesen beteiligten sich mit den erzielten E i n n a h m e n an g r ö ß e r e n industriellen u n d finanziellen U n t e r n e h m u n g e n . Auch Bodenmeliorationen w u r d e n d u r c h g e f ü h r t . Die A u f h e b u n g des j a h r h u n d e r t e a l t e n Abhängigkeitsverhältnisses bot den Bauern gewiß nicht n u r Vorteile; manchem fehlte es an I n i t i a t i v e u n d allen an E r f a h r u n g u m die neue Freizügigkeit richtig a u s z u w e r t e n . Gefährlich w a r vor allem eine T e n d e n z zu unüberlegten V e r k ä u f e n oder zu allzu weitgehenden Erbteilungen. H i e r h ä t t e der S t a a t eingreifen müssen, v e r s ä u m t e das aber. So mancher Bauernbesitz fiel auch dem Treiben übler S p e k u l a n t e n zum O p f e r ; schwere H y p o t h e k a r s c h u l d e n h ä u f t e n sich an. D i e Z a h l der von nichtbäuerlichen Elementen e r w o r b e n e n Wirtschaften w a r in einzelnen L ä n d e r n erschreckend groß. So k a m es in der zweiten J a h r h u n d e r t h ä l f t e zu Krisenerscheinungen im österreichischen B a u e r n t u m , die allerdings nicht ausschließlich oder auch n u r in erster Linie der N e u o r d n u n g von 1848 zuzuschreiben sind. E i n m a l h a t t e der alpenländische „ K ö r n d l b a u e r " gegen das Ubergewicht der billigeren ungarischen G e t r e i d e p r o d u k t i o n einen sehr h a r t e n S t a n d . D i e ungarischen M ü h l e n eroberten den österreichischen M a r k t , ja schließlich sogar jenen der nördlichen u n d westlichen E x p o r t p a r t n e r Österreichs. Auch das Schlachtvieh w u r d e großenteils aus U n g a r n in die I n d u s t r i e b e z i r k e Österreichs geliefert. Allmählich machte sich auch die K o n k u r r e n z der überseeischen L ä n d e r gelt e n d , aus K a n a d a , den Vereinigten Staaten u n d Argentinien k a m — n a mentlich seit E n d e der sechziger J a h r e — Weizen, aus S ü d a m e r i k a Fleischkonserven, die heimische Schafzucht verlor den inländischen W o l l m a r k t an den australischen I m p o r t oder w u r d e a n d e r e n , ergiebigeren landwirtschaftlichen P r o d u k t i o n e n geopfert. A m schwierigsten w a r gegen E n d e des 19. J a h r -

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

hunderts die Lage der Bergbauern, die zumeist in einem schweren Existenzkampf standen. Bei der Einführung eines modernen landwirtschaftlichen Betriebes, der Ausnützung der Maschinenkraft, der Beschaffung von Kunstdünger und modernen Futtermitteln blieb der Bauer — und gerade der konservative und mit größeren Geländeschwierigkeiten kämpfende Bergbauer — hinter dem Großgrundbesitz zurück, dessen weiträumigere Verhältnisse eine rationelle Wirtschaft nahelegten, der auch die nötigen Geldmittel für Investitionen besaß und dem auswärtige Saisonarbeiter (meist Slowaken) die nötige Arbeitskraft zur Verfügung stellten. Schließlich aber fand die Bauernschaft, unterstützt von reformerischen Nationalökonomen, doch geeignete Mittel zur Selbstbehauptung. Vorschußkassen und seit etwa 1890 Raiffeisenkassen gaben einen stärkeren finanziellen Rückhalt. Zu diesen Einrichtungen bäuerlicher Kreditgenossenschaften traten noch Verkaufs- und Betriebsgenossenschaften. Seit den siebziger Jahren gab es auch einige mehr oder minder politisch ausgerichtete Bauernbünde. Die größte Bedeutung erlangten der Tiroler und der niederösterreichische Bauernbund (1904 bzw. 1906 gegründet), als Vorläufer kann der niederösterreichische Bund „Mittelstraße" (1877) gelten. Neben diesen katholischkonservativen Bünden gab es auch kleinere, Schönerer nahestehende Organisationen. Auch der Staat raffte sich zu Taten auf. Nach verschiedenen Anläufen wurde 1883 ein Kommassationsgesetz durchgebracht, das der Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke diente; die Beseitigung der oft sehr argen Gemengelage der Äcker ersparte den Bauern Zeit und Arbeit, ermöglichte auch eine zweckmäßigere Verwendung der Maschinen. Die Durchführung des Gesetzes erforderte freilich langwierige Vermessungs- und Schätzungsarbeiten, die oft sehr verschiedene Bodengüte innerhalb der Dorffluren war einzukalkulieren und verständliches bäuerliches Mißtrauen zu überwinden. Dazu traten agrartechnische Verbesserungen. Die Fruchtwechselwirtschaft drang weiter vor, Maschinen wurden angeschafft, die Wirtschaft wurde auf die aussichtsreichste Produktion umgestellt, so intensivierte man in Vorarlberg die Viehzucht, nach dem Vorbild der Schweiz, auf Kosten des Ackerbaus. Der durch verschiedene Schädlinge bedrohte Weinbau wurde durch geeignete Maßnahmen und Schutzmittel, insbesondere durch die Einführung der gegen die Reblaus immunen amerikanischen Rebe, vor dem Zusammenbruch gerettet. Eine wirtschaftliche Besserstellung der ländlichen Bevölkerung brachte in verschiedenen Gebieten, namentlich dem Salzkammergut, Südtirol, Salzburg und Kärnten, schließlich der Aufschwung des Fremdenverkehrs. Die Landflucht — an sich ein Phänomen fast aller Jahrhunderte der österreichischen und europäischen Geschichte — nahm in der Zeit der Hochindustrialisierung freilich an Umfang noch zu. Im Gegensatz zu dem

Die Industrie

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sonstigen Bild der Bevölkerungsbewegung zeigen uns die Statistiken eine nicht geringe Z a h l bäuerlicher G e m e i n d e n , deren Bevölkerungszahl abgen o m m e n h a t . Sehr empfindlich w u r d e von der Landflucht das B e r g b a u e r n t u m betroffen. Die jüngeren Bauernsöhne, die keine Aussicht auf Besitznachfolge h a t t e n , aber auch Knechte u n d M ä g d e zog es in die S t a d t m i t ihren weniger saisongebundenen Arbeitsmöglichkeiten, mit m e h r Freiheit u n d billigen V e r gnügungen u n d einem stetigen Bedarf an A r b e i t s k r ä f t e n . Auch das U n t e r offizierskorps der A r m e e zog die bäuerliche J u g e n d a n ; der aus dem a k t i v e n Militärdienst entlassene „Zertifikatist" w u r d e bei Einstellung in den Staatsdienst b e v o r z u g t . Auf das Ventil, das neben der S t a d t u n d der A r m e e die A u s w a n d e r u n g bot, w u r d e schon hingewiesen.

Die

Industrie

U n t e r den verschiedenen Wirtschaftszweigen der Epoche darf n a t u r g e m ä ß der industrielle Sektor infolge seiner s p e k t a k u l ä r e n Entwicklung besondere Beachtung beanspruchen. Von den auf landwirtschaftlicher G r u n d lage arbeitenden I n d u s t r i e n litt die österreichische Müllereiwirtschaft, wie schon angedeutet, unter der ungarischen und ausländischen preisdrückenden K o n k u r r e n z , die sich seit E n d e der f ü n f z i g e r J a h r e geltend machte u n d in den achtziger J a h r e n so verschärfte, d a ß m a n in einen schweren, d a u e r n d e n K r i s e n z u s t a n d geriet, der nicht m e h r behoben w e r d e n k o n n t e . A u d i G r o ß betriebe, wie die m o d e r n s t ausgestattete Schoellersche D a m p f m ü h l e in E b e n f u r t h (seit 1853) h a t t e n unter dieser E n t w i c k l u n g zu leiden. Recht erfolgreich arbeiteten dagegen die Bierbrauereien. D e r D y n a s t i e D r e h e r glückte es sogar, in den klassischen W e i n l ä n d e r n Italien und U n g a r n festen F u ß zu fassen u n d auch d o r t G r o ß b r a u e r e i e n f ü r Lagerbier einzurichten und auszubauen. Durch A u s n ü t z u n g der Fortschritte der Kältetechnik gelang es, H a l t b a r k e i t u n d G ü t e der eigenen P r o d u k t i o n weiter zu verbessern. N e b e n den Dreherschen Brauereien n a h m e n die v o n A d o l f I g n a z M a u t n e r von M a r k h o f begründeten oder ü b e r n o m m e n e n Betriebe (Wien-St. M a r x , F l o r i d s d o r f , Schwechat) eine sehr gute Entwicklung, z u m a l auch die Erzeugung von P r e ß h e f e , Essig u n d Spirituosen a u f g e n o m m e n w e r d e n k o n n t e . D i e Zuckerindustrie n a h m einen h e r v o r r a g e n d e n Aufschwung. D e r heimische Rübenzucker schlug den kolonialen R o h r z u c k e r ganz aus dem Felde u n d in der Spätzeit der Monarchie w u r d e der österreichisdie Zucker einer ihrer wichtigsten E x p o r t a r t i k e l , o b w o h l auch der einheimische V e r brauch ständig z u n a h m . Freilich lag das Schwergewicht sowohl des Zuckerrübenbaues wie der Zuckerindustrie in den S u d e t e n l ä n d e r n , von 218 F a b r i ken lagen n u r sechs auf d e m Boden des heutigen Österreich: D ü r n k r u t , H o h e n a u , Leopoldsdorf im M a r c h f e l d u n d Bruck an der Leitha in N i e d e r österreich, H i r m u n d Siegendorf im B u r g e n l a n d — mit A u s n a h m e v o n D ü r n -

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

krut durchweg Gründungen der franzisko-josephinischen Epoche und zumeist aus Deutschland stammender Unternehmer. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gelang es, die Papierindustrie durch die Herstellung brauchbaren Holzschliffpapiers auf eine breitere, von der heimischen Forstwirtschaft gebotene Rohstoffbasis zu stellen; seit den siebziger Jahren ging man auf das Zellstoffpapier über; eine Fabrik in Leopoldstein bei Eisenerz, die bald einem Brandunglück zum Opfer fiel, und eine zweite in Stuppach bei Gloggnitz (1872 bzw. 1876) nahmen das neue Verfahren auf. Durch die Umstellung von Hadern auf Holzprodukte wurde erst die Massenproduktion, welche die Bedürfnisse von Presse, Schule, Behörden, Verlagswesen und verschiedener Wirtschaftszweige befriedigen konnte, ermöglicht. Neue große Fabriken verdrängten die alten Papiermühlen, auch Papier und Zellstoff wurden zu wichtigen Ausfuhrartikeln der österreichischen Alpen- und Donauländer. In einer Zeit intensiven Bauens florierte auch die Bautischlerei und Möbelindustrie, für letztere war die Spannung zwischen den Bedürfnissen der Massenproduktion und Bestrebungen nach gediegener handwerklicher, den Forderungen kunstgewerblicher Kreise entsprechender Ausführung charakteristisch. Die österreichischen Möbel aus gebogenem Holz behaupteten eine führende Stellung. Die Montanwirtschaft und die von ihr abhängige Schwerindustrie entwickelten sich seit der Jahrhundertmitte ungemein expansiv. Im Jahre 1848 betrug die gesamtösterreichische Kohlenförderung 8,7 Millionen, im Jahre 1904 aber 338,6 Millionen Meterzentner. Die forcierte Produktion war namentlich in dem ergiebigen mährisch-schlesischen Kohlenrevier in der H a n d sehr finanzkräftiger Unternehmer, der Rothschild und Gutmann, die am Kapitalmarkt einen entsprechenden Rückhalt hatten. In Steinkohle war man allerdings stets auch auf Einfuhr aus Deutschland angewiesen. Die alpenländische Kohlengewinnung konnte mit jener der Sudetenländer weder qualitativ noch quantitativ konkurrieren. In den mittelsteirischen Revieren gab es immerhin reichere Lager guter Glanzkohle, an Steinkohle stand nur die kleine Förderung von Grünbach den mächtigen schlesischen Lagern (Ostrau-Karwin) gegenüber. Aber auch in Braun- und Glanzkohle entfielen auf die Alpenländer nur etwa 12 Prozent der Gesamtförderung. Die ungünstigeren Verhältnisse auf dem Kohlensektor führten zeitweilig auch zur Verlagerung der Verhüttung des steirischen Eisenerzes. An sich war allerdings die Förderung des Eisenerzes in den Alpenländern etwa doppelt so groß als jene in Böhmen (Nurcic). Seit 1863 bediente sich die Verhüttung in Österreich des Bessemerverfahrens; das seit 1879 ebenfalls angewandte Thomas-Gilchrist-Verfahren gestattete dann die bessere Auswertung der phosphorreichen böhmischen Erze. Die alpenländische Eisenindustrie, die durch höhere Kosten gegenüber der sudetischen, deutschen und englischen Konkurrenz behindert war, nahm aber doch an der allgemeinen Aufwärts-

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entwicklung entsprechenden Anteil, zumal schließlich die Siemenshochöfen eine Verwertung der B r a u n k o h l e f ü r die Stahlgewinnung ermöglichten. D i e Eigentumsverhältnisse wechselten; die Innerberger H a u p t g e w e r k schaft k a m v o m S t a a t an die C r e d i t a n s t a l t (1868), schließlich wurden aber alle zählenden steirischen und K ä r n t n e r Hüttenbetriebe 1881 zur „ ö s t e r reichisch-alpinen Montangesellschaft" zusammengefaßt und damit der größte alpenländische Industriekonzern begründet. E s w u r d e vor allem eine Stahlproduktion größten Stiles betrieben, und D o n a w i t z konnte vor dem ersten Weltkrieg als größte S t a h l w e r k s a n l a g e des Kontinents gelten. D i e K a p f e n berger Werke der Alpine gingen 1894 an die F i r m a Gebrüder Böhler & Cie. über; der „ B ö h l e r s t a h l " errang bald den R u f eines hervorragenden österreichischen Spezialstahles. A m V o r a b e n d des ersten Weltkrieges führte M a x M a u e r m a n n , der zuerst selbständig und dann f ü r die Schoeller & BleckmannWerke arbeitete, auf der Adriaausstellung in Wien 1913 als erster nichtrostenden Stahl vor. In der Auswertung dieser Erfindung blieb m a n jedoch hinter der westdeutschen Industrie zurück. N e b e n Eisen und Stahl traten die Buntmetalle in B e r g b a u und Industrie Österreichs in den H i n t e r g r u n d . Der alpine K u p f e r b e r g b a u (Brixlegg, K i t z bühel, Mitterberg) hatte infolge der Bedürfnisse der A r m e e (Artilleriebronze) und der Elektrowirtschaft aber doch eine gewisse Bedeutung; auch das K ä r n t n e r Bleivorkommen wurde durch die Bleiberger Bergwerksunion voll ausgenützt, bei beiden Metallen waren aber I m p o r t e notwendig. Recht wichtig wurde der A b b a u von G r a p h i t , zumal auf die Monarchie etwa ein Drittel der Weltproduktion entfiel, das Mineral wurde in Südböhmen und in geringerem M a ß e in Niederösterreich und Obersteiermark gefördert. Zink wurde in K ä r n t e n und Südtirol gewonnen und verhüttet. V o n erheblicher Bedeutung waren auch die alpenländischen Rohmagnesitlager in der Veitsch (seit 1881), zu denen später der A b b a u bei Radenthein in K ä r n t e n (1904 erschlossen) kommen sollte; der Magnesit w a r f ü r die Auskleidung der Hochöfen unentbehrlich. Seit Mitte des 19. J a h r h u n d e r t s w u r d e die E r d ö l p r o duktion Galiziens ausgebaut, die donauländischen L a g e r waren noch unbekannt. D i e metallverarbeitende Industrie war vollbeschäftigt und wurde ständig erweitert, die traditionelle steirische Sensenindustrie lieferte noch immer zwei Drittel ihrer P r o d u k t i o n f ü r den E x p o r t , auch die Werkzeugindustrie arbeitete zufriedenstellend, verlor jedoch gegenüber Remscheid und Solingen an Boden. D i e Maschinenindustrie lieferte die L o k o m o t i v e n , insbesondere die Gebirgslokomotiven f ü r die österreichischen Bahnen. In Wien (Simmering, F l o r i d s d o r f ) , Wiener N e u s t a d t und G r a z wurden große L o k o m o t i v f a b r i k e n und Eisenbahnwerkstätten errichtet oder ausgebaut. Z u Beginn unserer Epoche wurden die bahnbrechenden Entwicklungsarbeiten noch zum großen Teil von auswärtigen Fachleuten, wie dem E n g l ä n d e r J o h n H a s w e l l oder dem Preußisch-Schlesier Wilhelm von Engerth, geleistet. In Ternitz entstand 29

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ein großes Schienenwalzwerk. Der Württemberger Karl Ludwig Freiherr von Reichenbach investierte große Kapitalien, scheiterte aber an den von der österreichischen Regierung der englischen Konkurrenz gewährten Zollbegünstigungen. Auf Reichenbach folgte einer der größten Industriepioniere der franzisko-josephinischen Epoche, Alexander Schoeller, der Sproß einer rheinischen Industriellenfamilie, der auch in Wien, Reichenau, Neunkirchen, in ungarischen und böhmisch-mährischen Anlagen auf den Gebieten der Montanistik und Metallindustrie führend tätig war und daneben in der Zucker- und Mühlenindustrie eine sehr erfolgreiche Aktivität entfaltete. Heinrich Bleckmann aus Solingen übernahm einen älteren Betrieb in Mürzzuschlag und gestaltete ihn zu einer bedeutenden Werkzeug- und Waffenfabrik aus. Der große Waffenschmied der Monarchie war aber Joseph Werndl aus Steyr, dessen Unternehmen (seit 1869 unter dem Namen „österreichische Waffenfabriksgesellschaft") vor allem Infanterie- und Jagdwaffen erzeugte. Es besteht gewiß kein Zweifel, daß die Blüte der Schwerindustrie (nicht nur der Waffenerzeugung) zum guten Teil auf der Dauerkrise der europäischen Außenpolitik im Zeitalter des klassischen Imperialismus und dem dadurch ausgelösten Wettrüsten, strategischen Straßen-, Bahn- und Brückenbauten und ähnlichen Erscheinungen beruhte. Während die neuen Großfirmen sich immer mächtiger entfalteten, setzte ein — schon in den letzten Jahren des Vormärz fühlbares — Sterben der wirtschaftlich schwächeren, traditionsgebundenen Hammerwerke und Kleineisenschmieden ein. Einige Gewerkenfamilien allerdings konnten sich rechtzeitig auf den Großbetrieb umstellen, so die Mayer-Melnhof, von denen Donawitz ausgebaut wurde. Erhebliche Wichtigkeit erlangte im technischen Zeitalter die Erzeugung von Spezialmaschinen und Apparaturen. Im Jahre 1852 kam es zur Gründung dreier wichtiger Unternehmungen auf diesem Gebiet. Franz Wertheim aus Krems schuf feuerfeste eiserne Kassen, er ist der Erfinder des Panzerschranks, später ging seine Fabrik audi auf den Bau von Aufzügen und Förderanlagen über. Conrad Schember aus Hessen errichtete in Atzgersdorf eine Fabrik für Qualitätswaagen aller Größenordnungen. Der Szegediner Joseph Körösi gründete die Andritzer Maschinenfabrik, die sich später auf Bergbetriebsausrüstung und Turbinenbau spezialisierte. Mit der Erzeugung von Pferdewagen begann schon im Vormärz die Wiener Tätigkeit des Rheinländers Heinrich Lohner, dessen Nachkommen Luxuswagen von europäischem Ruf und später Autokarosserien und Elektromobile erzeugten und exportierten. Im Dienste der Lohner- und der Wiener Neustädter Austro-Daimler-Werke entwickelte Ferdinand Porsche seit 1900 seine ersten bedeutenden Kraftwagenkonstruktionen. Ein Grazer Schlosser, Johann Puch, schuf im Jahre 1899 die Grazer Fahrradwerke, die bald auch den Motorradbau aufnahmen und zu einem Großbetrieb aufstiegen. Eine erhebliche Rolle spielte in der Metallindustrie die Herstellung von Werkzeugen, Bestecken, Dosen, Schmuck usw. aus verschiedenen Legierungen,

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die das teure Edelmetall ersetzen sollten. Im Berndorfer K r u p p b e t r i e b w u r d e die galvanische Versilberung (,,Alpacca"-Erzeugung) betrieben, ebenso wurde Packfong, eine Kupfer-Nickel-Zink-Legierung, zur Herstellung verschiedener Gebrauchsgegenstände, D r ä h t e und Beschläge verwertet. Die Elektrizitätswirtschaft entwickelte sich mächtig; die Stromerzeugung stützte sich noch vor allem auf kalorische W e r k e auf Kohlenbasis, die Ausnützung der alpenländischen Wasserkraft w u r d e aus zu weitgehender Rücksicht auf den Kohlenbergbau abgestoppt. Immerhin wurden einige kleinere Bahnlinien mit elektrischem Betrieb geführt und die Wiener Straßenbahn auf diesen umgestellt. Die Industrie verwendete elektrolytische und elektrothermische Verfahren, Elektromotoren dienten in stetig vermehrtem Maße als Antriebsmittel, die elektrische Beleuchtung f a n d Eingang in öffentliche Anlagen und in private Haushalte. Einige G r o ß f i r m e n (zuerst Siemens & Halske, nach Vereinigung mit den österreichischen Schuckertwerken Siemens & Schuckert, ferner A E G - U n i o n und andere) montierten elektrische Anlagen und erzeugten Elektromaschinen. Die chemische Industrie Österreichs blieb trotz guter Ansätze und mancher Erfolge hinter der deutschen und westeuropäischen Entwicklung merklich zurück. Die Kleinbetriebe wichen auch auf diesem industriellen Sektor den Großfirmen; zu Beginn des 20. J a h r h u n d e r t s hatte der Industriezweig eine gute K o n j u n k t u r ; aus einheimischen (zum Beispiel Salz) und noch mehr aus importierten Rohstoffen (Schwefel, Schwefelkies, Chilesalpeter) wurden verschiedene Säuren, Chlorkalk, Soda und N a t r o n erzeugt. Eine ausgezeichnete Stellung nahm Österreich auf dem W e l t m a r k t in der Glaserzeugung ein, deren Schwergewicht indessen durchaus auf den Sudetenländern, insbesondere Böhmen, beruhte. In Glaswaren betrug die A u s f u h r der Monarchie um die J a h r h u n d e r t w e n d e etwa das Elffache der E i n f u h r . Hohlglas, Tafelglas, Spiegelglas, Glühbirnen und andere Beleuchtungskörper, Flaschen und Gablonzer Glaswaren wurden exportiert. D!e staatliche Zollpolitik k a m der Industrie entgegen. Für die künstlerische Gestaltung der Erzeugnisse w a r die Zusammenarbeit mit dem Wiener Kunstgewerbemuseum von Wichtigkeit. W ä h r e n d es in der Glasindustrie immerhin auch in Österreich im engeren Sinne, namentlich in Tirol, der Steiermark und Niederösterreich, eine ins Gewicht fallende Erzeugung gab und führende Firmen ihren Sitz in Wien hatten, verlagerte sich die Porzellanerzeugung fast zur Gänze nach Böhmen, eine Entwicklung, bei der die Erschließung der großen Kaolinlager der Karlsbader Gegend eine Rolle spielte. Die Wiener staatliche P o r z e l l a n m a n u f a k t u r w u r d e 1865 der böhmischen K o n kurrenz geopfert. E t w a zwei Drittel der P r o d u k t i o n der Monarchie waren f ü r den E x p o r t bestimmt. Z u m Porzellangeschirr trat ergänzend die billigere, auch in den D o n a u - und Alpenländern gefertigte Steingutware, die erste österreichische Fabrik f ü r das bald viel verwendete P r o d u k t wurde 1870 in Floridsdorf errichtet. 29·

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Die österreichische optische Industrie hätte gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit gehabt, da man an die grundlegenden Forschungen von Josef Petzval anknüpfen konnte, nach dessen Angaben schon 1841 von Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer in Wien das erste „Porträtobjektiv" entwickelt wurde, dessen Lichtstärke Momentaufnahmen gestattete und die Photographie revolutionierte. Aber Petzval und Voigländer gerieten über die Erfinderrechte in Streit und in den sechziger Jahren verlegte Voigtländer seine Produktion von Wien ganz in eine zweite Fabrik in Braunschweig, und der zweite hervorragende Wiener Hersteller optischer Präzisionsinstrumente, Simon Plößl, starb ohne Erben. So geriet die österreichische optische Industrie gegenüber Deutschland, England und den Vereinigten Staaten ins Hintertreffen. Erst um die Jahrhundertwende wurde durch Carl Reichert etwas Terrain aufgeholt. Es kann aber erwähnt werden, daß der steirische Priester August Musger als erster eine Zeitlupe (Zeitdehner) konstruierte und 1904 als Patent anmeldete. Die österreichische Textilindustrie entwickelte sich im allgemeinen recht erfolgreich. Einige ihrer traditionellen Zweige zeigen allerdings eine entgegengesetzte Tendenz. Die Wiener Seidenindustrie verlor nach der J a h r hundertmitte, als die Schutzzölle wegfielen, an Absatz, viele Betriebe wurden in deutsche Gebiete Böhmens und Mährens verlagert; hier kam es trotz starker ausländischer Konkurrenz zu einer gewissen Erholung. Auch die Leinenindustrie entwickelte sich wenig günstig, doch vermochte man einen Export von Qualitätsstoffen aufrechtzuerhalten. Die Schafwollweberei stellte sich von Streichgarn auf Kammgarn um, als Rohstoff verdrängte die australische allmählich die einheimische Wolle. Vereinzelt gab es noch in den Alpenländern bedeutendere Produktion (Viktring, Kärnten), doch trat diese gegenüber der Erzeugung Mährens zurück. Die Baumwollspinnereien und Webereien vermehrten ihren Umsatz. Im Lande ob der Enns gab es große Spinnereien in Linz und Kleinmünchen, das Zentrum der österreichischen Baumwollindustrie lag aber nach wie vor im niederösterreichischen Viertel unter dem Wienerwald, daneben sind noch Harland (bei St. Pölten) und Trumau (im Waldviertel) zu erwähnen. Auch in Vorarlberg, dessen Textilindustrie sich in ruhiger Kontinuität entfaltete und fast zur Gänze in heimischen Besitz überging, überwog die Baumwollweberei, daneben trat die Stickerei in Lustenau immer stärker hervor. In Niederösterreich war GroßSiegharts (Hetzer & Söhne) ein wichtiges Stickereizentrum. Der österreichische Wäscheexport, besonders in Baumwollwäsche, entwickelte sich in der franzisko-josephinischen Epoche sehr stark, auch die Herrenkonfektion (Proßnitz und Wien) und in geringerem Maße die Wiener Damenmode lieferten über die Grenzen. Die Qualitätslederartikel Wiener Erzeugung errangen europäischen R u f , die billigere Ware konnte allerdings im Ausland gegen die Konkurrenz von Offenbach nicht recht aufkommen. In der Handschuherzeugung führten Prag

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und Wien; die österreichischen Schuhmacher exportierten vor allem Damenschuhe nach Westeuropa, insbesondere England. Die Teppicherzeugung stützte sich auf böhmische und niederösterreichische Großfirmen, zu nennen ist die Teppich- und Wollwarenfabrik von Philipp H a a s in Ebergassing. Eine Jutefabrikation von Bedeutung gab es in den Sudetenländern und in Niederösterreich (Wien, Pöchlarn). In einer Zeit starker Bevölkerungsvermehrung und Bautätigkeit vergrößerten alle Zweige der Bauwirtschaft ihr Volumen. Dabei zeigen sich die üblichen Konzentrationserscheinungen. Die Ziegelerzeugung wurde von zahlreichen kleineren, über Niederösterreich verteilten Ziegeleien auf einzelne Großbetriebe in der Nähe Wiens verlagert. Hier sammelte sich ein sozial besonders schlecht gestelltes Proletariat an. Die Entwicklung neuer Baustoffe wirkte sich industriell aus, im Jahre 1855 wurde die erste österreichische Zementfabrik in Perlmoos errichtet, die Keimzelle eines Großunternehmens, da die Zementerzeugung einen raschen Aufschwung nahm. Zu den wesentlichen Fortschritten auf dem Bausektor gehörte die Einführung des Stahlbetons, der von dem zum Wahlösterreicher gewordenen Württemberger Gustav Aloys W a y ß , in Anschluß an erste Versuche des Pariser Gärtners Monier, entscheidend verbessert, ausgewertet und propagiert wurde. Trotz verschiedener Krisen und Rückschläge bietet die Großindustrie der Epoche im ganzen doch ein imponierendes Bild des Aufschwunges. Dabei muß freilich gesagt werden, daß diese Entwicklung zum größeren Teil den Sudetenländern zugute kam, die durch natürliche Reichtümer, industrielle Tradition und staatliche Förderung weitaus die Führung einnahmen. Dies muß betont werden, um falsche Perspektiven zu vermeiden, da hier vor allem von den österreichischen Alpen- und Donauländern die Rede ist. Von 3100 Großbetrieben der österreichischen Reichshälfte hatten im Jahre 1900 nicht weniger als 1846 ihren Sitz in den Sudetenländern. Wenden wir uns den unerfreulichen Begleiterscheinungen der industriellen Entwicklung zu, so ist zunächst auf die ständige Verschärfung des Existenzkampfes des Kleingewerbes hinzuweisen. Hier handelt es sich allerdings um eine europäische, keineswegs auf Österreich beschränkte Erscheinung; fast überall triumphierte das Großkapital auf Kosten der verarmenden mittleren und kleineren Betriebe. Deren Besitzer waren allerdings oft nicht ganz unschuldig an ihrem Schicksal, da sie sich modernen Werbungsmethoden und einer Rationalisierung der Arbeit so lange verschlossen, bis es zu spät war. Im Jahre 1859 wurde durch die den Geist des Liberalismus atmende „Gewerbeordnung" die fast unbeschränkte Gewerbefreiheit verfügt; nur bei ganz wenigen Gewerben waren noch Befähigungsnachweis und Konzession vorgeschrieben. Die Folge w a r eine Verschlechterung der Warengüte und ein Vordringen des Pfuschertums. Aber nur durch gediegene Arbeit hätte das H a n d w e r k der Konkurrenz der billigen Massenproduktion der Fabriken standhalten können. Im Jahre 1883 wurde durch eine Gewerbegesetznovelle

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die Zahl der konzessionierten Gewerbe wesentlich erhöht, die Befähigungsnachweise verschärft und vermehrt. Damals trat eine gewisse Wendung ein. Die Sozialgesetzgebung Taaffes kam nicht nur der Fabrikarbeiterschaft, sondern auch dem Kleingewerbe zugute und die fortschreitende Demokratisierung des Wahlrechts stärkte die politische Stellung des „kleinen Mannes", der nunmehr audi in der Wirtschaft mehr zu berücksichtigen war. Womöglich noch prekärer als die Lage der Handwerker, war die der kleinen Kaufleute; zahlreiche „Greißler" Wiens und der Provinzstädte waren der Situation nicht mehr gewachsen. D a ß auch für den Kleinkaufmann Aufstiegsmöglichkeiten bestanden, wenn er mit der Zeit ging, beweist freilich der Aufstieg des Hauses Julius Meinl, dessen Begründer 1862 in Wien als kleiner Geschäftsmann sich auf Qualitätslebensmittel, insbesondere Kaffeemischungen, spezialisierte, bald den Wiener Markt eroberte und schließlich über die Monarchie ein Netz von Filialgeschäften legen konnte. Trotz allmählichen Anlaufens staatlicher und privater Fürsorgemaßnahmen war die soziale Lage der Arbeiterschaft der Industriebetriebe wenig erfreulich, wenn sie sich auch bis gegen Ende der Epoche gebessert hat. Die Arbeitsbedingungen waren von einzelnen Ausnahmen abgesehen ziemlich schlecht, die Vorkehrungen gegen gesundheitliche Schädigung vielfach unzulänglich; vor allem aber waren die Wohnverhältnisse des rasch anwachsenden Großstadtproletariats furchtbar. Um die Jahrhundertwende ist eine Besserung der allgemeinen Situation der Arbeiterschaft unverkennbar. Während man in den sechziger Jahren noch die Polizei für ein geeignetes Instrument zur Lösung sozialer Probleme gehalten hatte, änderte sich das seit dem Auftreten von Männern wie Schäffle und Vogelsang, die jungliberalen Kreise waren ebenfalls für die Lebensfrage der ärmeren Bevölkerungsschichten aufgeschlossener als die Väter, und das steigende Gewicht der sozialistischen Bewegung gab den Forderungen der Arbeiterschaft jenen Nachdruck, der zum Erfolg notwendig war. Zu den vielen unguten Erscheinungen des Wirtschaftslebens der Epoche trug gewiß auch der Umstand bei, daß eben nicht nur die Wirksamkeit solider und verantwortungsbewußter Unternehmer mit der Expansion der österreichischen Industrie verbunden ist. Zu den Charakteristiken der „Gründerzeit" gehörte nicht nur Unbildung und Stillosigkeit mancher Emporkömmlinge, vereinigt mit auftrumpfendem Prunken mit jüngst erworbenem Reichtum; das war mehr eine Frage des Geschmacks. Hemmungsloses Spekulantentum aber führte zu schweren Krisen und nicht selten mußten die Gerichte eingreifen. Der „große Krach" des 9. Mai 1873 war nicht zuletzt die Folge fieberhafter und oft völlig unüberlegter Spekulationen in Börsenspiel und Bankgeschäft; an den Nachwirkungen dieses Zusammenbruches litt das österreichische Wirtschaftsleben etwa vier Jahre lang. Es kam wiederholt zu unangenehmen Gerichtsprozessen, Schuldige und Sündenböcke waren oft schwer von einander zu unterscheiden.

Verkehr, H a n d e l , Geld- und Kreditwesen

Verkehr, Handel, Geld- und

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Kreditwesen

Der Ausbau des Eisenbahnnetzes, der im Vormärz eben erst eingesetzt hatte, wurde in der franzisko-josephinischen Epoche weitergeführt und im wesentlichen audi abgeschlossen; allerdings zog sich der Staat von den Eisenbahnen zurück; man hatte nicht mehr die nötigen Geldmittel. Die Südbahn wurde 1859 an eine private Gesellschaft verkauft, nachdem der Bau der schwierigen Semmeringstrecke unter der ausgezeichneten Leitung von Karl von Ghega noch unter staatlicher Verwaltung 1848—1854 durchgeführt worden war. Damals entstand die erste europäische Gebirgsbahn mit zahlreichen Tunnels und Viadukten. Die österreichische Industrie stellte entsprechend leistungsfähige Berglokomotiven zur Verfügung. Die Südbahngesellschaft baute auch die 1867 eröffnete Brennerbahn aus. Privater Ini tiative entsprang der Bau der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn, zunächst von Wien bis Linz (1858), dann nach Salzburg (1860) und der Abzweigung von Wels nach Passau (1861). Während die Südbahn bis 1924 in privaten Händen blieb, wurde die Westbahn 1882 vom Staat übernommen und über den Arlberg nach Westen ausgebaut. Staatsbesitz wurde damals auch die 1867 bis 1874 gebaute Kaiser-Franz-Joseph-Bahn, die Wien mit Prag und Eger verband. In den achtziger Jahren wurden vorwiegend Lokalbahnen gebaut, erst die Regierung Körber wandte ihr Interesse wieder den Hauptstrecken zu. In dem Jahrzehnt nach 1900 erfolgten die großen Bauunternehmungen der Tauern-, Karawanken-, Wocheiner- und Phyrnbahn. Die Wocheinerbahn wurde bis Triest weitergeführt. Auch die ersten elektrischen Lokalbahnen wurden angelegt; nach einer böhmischen Linie folgte 1904 die Stubaitalbahn und 1912 die Mittenwaldbahn. Seit 1896 gab es ein eigenes Eisenbahnministerium, unter dessen Leitern namentlich Heinrich von Wittek (1897 bis 1905) durch Fachkenntnis und Initiative hervorragte. Im Pariser Vertrag war nach Beendigung des Krimkrieges audi die Freiheit der Donauschiffahrt proklamiert worden, vor allem aber erwiesen sich Anstrengungen zur Regulierung des Stromes als notwendig. In Österreich begannen die Arbeiten 1856, das Wiener Teilstück wurde 1869 in Angriff genommen, der Donaukanal mit Wehr und Schleusen ausgestattet. Die Donaudampfschiffahrt intensivierte den Personen- und Frachtenverkehr. Die Kanalbaupläne Koerbers, insbesondere der Donau-Oder-Kanal, blieben jedoch Projekte. Wiewohl Österreich nicht zu den traditionellen Seemächten gehörte, entwickelte sich seine Seeschiffahrt in der franzisko-josephinischen Ära in recht zufriedenstellender Weise. Zu Beginn des ersten Weltkrieges besaß sie eine Tonnage von etwa 1,000.000 Bruttoregistertonnen. Die Öffnung des nach den Plänen des Südtirolers Alois Negrelli von Moldelbe angelegten Suezkanals — der Anteil des Österreichers wurde freilich von dem glücklichen Vollender des Kanals, Lesseps, beharrlich verschwiegen — erschloß

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D i e franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

1869 neue Verbindungen nach Indien und Ostasien, die ebenso wie die Linien im östlichen Mittelmeer vom österreichischen Lloyd befahren wurden, während die Cosulichlinie den Frachten- und Auswandererverkehr nach Nordamerika bestritt. Der H a f e n von Triest wurde ausgebaut; seine Wichtigkeit stieg nach der Herstellung leistungsfähiger Bahnlinien ins Hinterland; die Stadt erlebte in den letzten Jahren vor dem ersten Weltkrieg in wirtschaftlicher Hinsicht ihre goldene Zeit, die Umschlagziffern von 1913 wurden durch Jahrzehnte nicht mehr erreicht. Trotzdem blühte der Irredentismus. Zur Zeit des Neoabsolutismus dachte man in Österreich wieder an koloniale Unternehmungen und Stützpunkte, doch kam man nicht über Kundfahrten im Roten Meer hinaus (1857). In den achtziger Jahren interessierten sich Industrie- und Flottenkreise an den Salomoninseln in der Südsee, eine Expedition (1896) blieb jedoch ohne dauernde Ergebnisse. Sowohl der Binnen- wie der Außenhandel der Monarchie vergrößerten ihr Volumen mächtig. Die von N a t u r aus recht verschieden, zumeist aber gut ausgestatteten Landschaften der Monarchie ergänzten einander in wirtschaftlicher Hinsicht umso besser, als die Verkehrsverhältnisse einen schnelleren und umfangreicheren Warentransport als je zuvor gestatteten. Die Binnenzölle verschwanden. Ein besonderes Kapitel im Wirtschaftsleben der Monarchie bildeten — nicht erst seit 1867 — die Beziehungen zwischen den österreichischen Ländern und Ungarn. Der Absolutismus beseitigte 1851 die Zwischenzollinie, seither wurde der Warenaustausch zwischen der stark industrialisierten Westhälfte und dem reichen ungarischen Agrarland intensiviert. Diese Beziehungen hatten nun freilich auch ihre Kehrseite für den jeweils schwächeren Wirtschaftssektor. Während die alpenländische Bauernschaft unter dem Preisdruck der billigeren Agrarprodukte Ungarns in Absatzschwierigkeiten geriet, konnte die ungarische Industrie und auch das Bankkapital des Landes mit Österreich nicht konkurrieren. Es war naturgemäß auch schwierig, die verschiedenartigen Interessen beider Reichshälften auf eine beide Teile befriedigende Außenhandelspolitik zu einigen. So arbeitete die ungarische Unabhängigkeitspartei für eine Wirtschaftstrennung und die „Tulpenbewegung" forderte die grundsätzliche Bevorzugung der ungarischen Erzeugnisse vor den österreichischen. Nichtsdestoweniger blieb der Handel zwischen beiden Reichshälften sehr rege. Die wichtigsten Einfuhrartikel aus Ungarn nach Österreich bildeten Getreide, Mehl und Schlachtvieh, dann noch Eier, Wolle, Wein und Tabak, während nach Ungarn vor allem Textilien (einschließlich von Kleidern), Maschinen, Lederwaren, Holz und Holzwaren gingen. Die Probleme des Außenhandels der Monarchie spiegelten sich in der staatlichen Zollpolitik und in den Handelsverträgen. Die Verträge des Jahres 1853 mit Preußen wirkten sich mit ihren Zollsenkungen und der Aufhebung der Ausfuhrzölle im allgemeinen günstig aus, der Umfang des

V e r k e h r , H a n d e l , G e l d - und K r e d i t w e s e n

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Handels nahm zu und schließlich stieg sogar der Zollertrag, da der Schmuggel an Bedeutung verlor. Im J a h r e 1862 trat das Allgemeine Deutsche Handcisgesetzbuch f ü r alle Bundesstaaten, und damit auch f ü r Österreich, in Geltung, doch bedeutete andererseits der preußisch-französische Zollvertrag des gleichen Jahres eine starke Schädigung der österreichischen Interessen. Die österreichische Industrie bedurfte noch des Schutzes, ihr w a r mit den freihändlerischen Tendenzen westeuropäischer Prägung nicht gedient. Das J a h r 1866 bereitete auch der wirtschaftlichen Stellung Österreichs im Rahmen des Deutschen Bundes ein Ende, doch schloß man 1868 mit dem norddeutschen Bund einen Handelsvertrag, der später in den Vertrag mit dem neuen Deutschen Kaiserreich überging. Die Handelspolitik der folgenden J a h r e ist im übrigen durch das Ringen um einen Ausgleich zwischen ungarischen Frcihandelsbestrebungen und den Schutzzoll wünschen der österreichischen Industrie gekennzeichnet, die gegen die übermäßig starke deutsche, englische und französische K o n k u r r e n z k ä m p f e n mußte. Im J a h r e 1878 ging man zum „autonomen Zollschutz" über, der Zollfreiheit f ü r die E i n f u h r von Getreide und Mehl und nur einen niederen Viehzoll vorsah. Die meisten Zollexklaven und Freihandelshäfen der Monarchie (außer Triest und Fiume) wurden im J a h r e 1880 liquidiert, Bosnien und Herzegowina dem österreichischen Zollgebiet einverleibt. Die deutsche Zollpolitik der Bismarckära war Österreich ungünstig, die hohen Getreidezölle und die Sperre oder Erschwerung der Österreich-ungarischen Viehausfuhr hemmten den Außenhandel der Doppelmonarchie. U n t e r Bismarcks Nachfolger Caprivi kam es dann auch auf wirtschaftlichem Gebiet zum Einvernehmen zwischen den Z w e i b u n d p a r t n e r n , das durch Verträge mit Italien, der Schweiz und Belgien ergänzt wurde. Mit Rumänien gab es in den achtziger Jahren einen Zollkrieg; Österreich hatte zum Schutze der eigenen Viehzucht, der der deutsche M a r k t gesperrt war, seinerseits den Viehverkehr aus Rumänien gestoppt. Ähnliche Bedingungen herrschten, mit verschärften Begleiterscheinungen politischer N a t u r , beim Ausbruch des „Schweinekrieges" mit Serbien nach der J a h r h u n d e r t w e n d e . Die Handelsbilanz mit Deutschland, Italien und den östlich benachbarten Kleinstaaten w a r aktiv, das wirkte sich audi in der Gesamtbilanz des H a n d e l s der Doppelmonarchie aus, so d a ß in den meisten Jahren der f r a n zisko-josephinischen Ära der W e r t der A u s f u h r jenen der E i n f u h r übertraf. Eine Forcierung der industriellen A u s f u h r nach Südosteuropa mußte aber daran scheitern, d a ß die agrarischen Handelsinteressen Ungarns anders orientiert waren. Unter den wichtigsten österreichisch-ungarischen Ausfuhrartikeln wies das Getreide, abgesehen von der Qualitätsgerste f ü r Brauereizwecke, Rückgänge auf. Bei der Viehausfuhr zeigten sich große Schwankungen, doch blieb die A u s f u h r von Schlachtvieh und Zugtieren bedeutend. Sehr wichtig und umfangreich w a r der H o l z e x p o r t . Die A u s f u h r der Industrieartikel nahm zu, wenngleich nicht in dem Ausmaße des deutschen oder westeuropäischen

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Die franzisko-josephinische E p o d i e und das E n d e der Monarchie

Industrieexportes. Einen gewaltigen Aufschwung nahm der Zuckerexport, sehr stark war auch die Ausfuhr von Textilien (einschließlich der Konfektionswaren), dann von Glas und Glaswaren. Auch bei Eisenwaren, nicht jedoch bei Maschinen, gab es einen Exportüberschuß. Zu den wichtigen Ausfuhrartikeln zählten noch Holzwaren, Papier und Lederwaren, während Rohleder importiert werden mußte. Im Geld- und Kreditwesen gab es einige wichtige Veränderungen. Als man 1848 um die deutsche Einheit kämpfte, versuchte man auch eine Vereinheitlichung der Währungsverhältnisse, ohne über halbe Maßnahmen hinauszukommen. Im Jahre 1866 schied Österreich aus dem deutschen Münzverein aus, zu einer wirklichen Neuordnung und zum Übergang zur Goldwährung kam es aber — nicht ganz reibungslos — erst 1892, als die Krone den Gulden als Währungseinheit ersetzte. Der geschäftliche Zahlungsverkehr erfuhr eine wesentliche Vereinfachung durch die Einführung des Scheck- und Clearingverkehrs nach dem System von Georg Coch mittels des 1882 gegründeten Postsparkassenamtes. Der Kapitalbedarf der Industrie und des Handels wurde in zunehmendem Maße durch Großbanken gedeckt. Am mächtigsten entwickelte sich von diesen die Creditanstalt für Handel und Gewerbe (1856), eine Gründung des Hauses Rothschild unter Mitwirkung kapitalstarker Adeliger wie der Fürstenberg, Schwarzenberg und Auersperg. Zu dieser Industriebank trat für den Hypotheken- und Wechselverkehr die Allgemeine Oesterreichische Bodencreditanstalt, die sich vorwiegend auf französisches Kapital stützte, und die an Verkehrs- und Montanunternehmungen interessierte Anglo-österreichische B a n k (beide 1864), die von London aus gegründet worden war. Schließlich wurde im J a h r e 1880 die Länderbank von der Pariser Union Generale des Paul Eugene Bontoux ins Leben gerufen. Die Länderbank vermochte sich aus der Katastrophe der Union Generale (1882) ebenso herauszuhalten, wie die 1881 vom gleichen Konsortium begründete Alpine Montangesellschaft. Erziehungswesen

und

Wissenschaften

Unter den vielen Projekten der J a h r e 1848/49 gab es auch Pläne zur Reform der Volksschulen; diese kamen jedoch nicht zur Ausführung. Das Konkordat von 1855 unterstrich den konfessionellen Charakter der Volksschulen, die Belastung der Lehrpersonen nicht nur mit dem meist gerne übernommenen Kirchenchor, sondern gelegentlich auch mit dem Mesnerdienst, erregte viel Mißvergnügen. Die Wirksamkeit der Schulpflicht wurde durch die Fortdauer der Kinderarbeit in den Fabriken und durch die Heranziehung der Bauernkinder zur Landarbeit beeinträchtigt. Ein wesentlicher Schritt weiter erfolgte mit dem Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869; wichtig war die Einrichtung der interkonfessionellen öffentlichen Volksschule und die Festlegung der Schulpflicht auf acht Jahre. Zur Schulaufsicht wurden

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durch verschiedene Gesetzgebungsakte Landes-, Bezirks- und Ortsschulräte gegründet. Die Erfüllung der Schulpflicht ließ weiterhin zu wünschen übrig. Der Prozentsatz von Analphabeten blieb, namentlich in der südslawischen und ruthenischen Bevölkerung, hoch; wesentlich günstiger lagen die Verhältnisse bei Deutschen und Tschechen. Verschiedene Versuche der Durchbrechung des interkonfessionellen C h a r a k t e r s der Volksschule und der H e r a b setzung der Dauer der Schulpflicht scheiterten im wesentlichen. Die Bestimmungen des Reichsvolksschulgesetzes w u r d e n durch die Einrichtung von Bürgerschulen (1883) und die Neuordnung des Lehrerbildungswesens ergänzt. Seit den siebziger J a h r e n entstanden auch zahlreiche Staatsgewerbeschulen. Die Gymnasien wurden in der neoabsolutistischen Ä r a von sechs auf acht Klassen erweitert, sie übernahmen nunmehr audi Teile jener Funktionen, die bisher den philosophischen Fakultäten zugefallen waren. Die Ausbildung der Lehrkräfte w u r d e sorgfältig geregelt, man berief audi tüchtige ausländische Mittelschullehrer. Ein erheblicher Teil der Gymnasien w u r d e weiterhin von den geistlichen Orden unterhalten, die Jesuiten übernahmen 1856 die Leitung des Gymnasiums in Feldkirdi (Stella Matutina), das sie zu ihrer führenden Lehranstalt ausbauten. U n t e r den M a ß n a h m e n späterer J a h r e ist namentlich die Einriditung von R e a l g y m n a s i e n und Reformrealgymnasien unter dem Unterrichtsminister Gustav Marchet zu erwähnen (1908); das R e a l g y m n a s i u m w u r d e in der Folge die meistfrequentierte Mittelschultype. Auch M a r d i e t s R e f o r m der Reifeprüfungsordnung hat sich sehr b e w ä h r t . Eine besondere Note gab dem Erziehungswesen der Epoche der K a m p f um die Frauenbildung, der ja nur einen Ausschnitt aus dem allgemeinen R i n gen um die Gleichberechtigung der Frauen darstellte, jenem Ringen, in dem seit den siebziger J a h r e n M a r i a n n e Hainisch (geb. Perger) als Organisatorin und Publizistin die erste Rolle spielte. Im J a h r e 1866 w u r d e der Wiener Frauenerwerbsverein gegründet und 1892 erhielt Wien das erste Mädcheng y m n a s i u m ; gegen Ende des J a h r h u n d e r t s erlangten die Frauen audi Zutritt zu den Universitäten. Die Revolution des J a h r e s 1848 hatte den österreichischen Universitäten die von Studenten und akademischen Lehrern so stürmisch verlangte Lehrund Lernfreiheit gebracht; allein um den bekannten Schwächen der österreichischen hohen Schulen abzuhelfen, bedurfte es einer echten R e f o r m und diese erhielten sie, ebenso w i e die Gymnasien, unter dem Unterrichtsminister Grafen Leo Thun-Hohenstein (30. September 1849, prov. Gesetz über die Organisation der akademischen Behörden). Der Minister w u r d e durch den Philosophen F r a n z Serafin Exner, der aus P r a g k a m , und den Philologen H e r m a n n Bonitz aus Stettin unterstützt, die auch bei der Gymnasialreform m i t w i r k t e n . M a n gewährte den Universitäten eine weitgehende wissenschaftliche und administrative Autonomie und stellte die philosophische F a k u l t ä t , die bisher noch viel von ihrem vorbereitenden, einführenden C h a r a k t e r be-

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wahrt hatte, den anderen Fakultäten gleich. Die wissenschaftliche Forschungsarbeit wurde gegenüber der bisher überwiegenden Ausbildung f ü r den Beruf stärker betont und ein bei allen Spannungen doch sehr fruchtbares Verhältnis von Forschung und Lehre ermöglicht. Zahlreiche neue Lehrkanzeln wurden errichtet, die Vorträge von Privatdozenten ergänzten jene der Professoren. Die letzten, mehr grundsätzlichen Bindungen der Gesamtuniversität an die Kirche, die noch zu Schwierigkeiten bei der W a h l nichtkatholischer Dekane führten, wurden 1873 durch ein neues, Thuns R e f o r m lediglich ergänzendes Organisationsgesetz liquidiert. Im J a h r e 1884 bezog die Wiener Universität ihr neues Heim an der Ringstraße, 1895 w u r d e der N e u b a u der Grazer Universität abgeschlossen. Die Ausbildung f ü r Technik und Gewerbe, f ü r Land- und Forstwirtschaft und f ü r die kaufmännische L a u f b a h n , verlangte die G r ü n d u n g oder den Ausbau zahlreicher Fachschulen; einige von diesen wurden zu Hochschulen erweitert. So erwuchs aus dem Polytechnikum des V o r m ä r z die Wiener Technische Hochschule (1866), zu der dann jene in G r a z kam (1872). Im J a h r e 1872 wurde auch die Hochschule f ü r Bodenkultur gegründet und mit ihr die alte Forstlehranstalt in M a r i a b r u n n vereinigt. Aus der ursprünglich ständischen Montananstalt in Vordernberg (1840), die 1849 als staatliches Institut nach Leoben verlegt wurde, erwuchs 1861 die Bergakademie, die 1895 den R a n g und 1904 endlich auch den N a m e n einer „Montanistischen Hochschule" erhielt. Die Veterinärakademie (seit 1852, früher k. k. Tierspital) wurde 1897 zur Hochschule erhoben. In der Schätzung weiterer Kreise, aber audi im fachmännischen Urteil ausländischer Gelehrter, k a m innerhalb der österreichischen Wissenschaft der Wiener medizinischen Schule ein besonderer R a n g zu, der nicht selten durch das Schlagwort „Wien, das M e k k a der Medizin" charakterisiert wurde. Die Zweite Wiener medizinische Schule, deren A n f ä n g e in den V o r m ä r z zurückreichten, entfaltete sich unter dem Anatomen Karl von Rokitansky, dessen jüngeren Fachkollegen Joseph H y r t l , dem Internisten Joseph Skoda — übrigens dem Bruder des Begründers der Pilsener Skodawerke — dem bahnbrechenden Erforscher der H a u t k r a n k h e i t e n Ferdinand H e b r a , dem Physiologen Ernst Brücke in eindrucksvollster A r t . Ungemein tragisch verlief Leben und Wirken des Entdeckers der Ursachen des Kindbettfiebers u n d Apostels der Antisepsis, Ignaz Semmelweis, der etliche J a h r e in Wien tätig w a r und als „Retter der M ü t t e r " immer in Ehren genannt werden m u ß . U n t e r den Chirurgen ragte die imponierende Persönlichkeit von Theodor Billroth aus Rügen hervor, der als kühner und erfolgreicher O p e r a t e u r neue Wege wies und dem in seinem akademischen L e h r a m t eine ganz ungewöhnliche p ä d agogische Begabung besondere Erfolge eintrug. Ein hervorragender Lehrer war auch der Internist und Neurologe H e r m a n n N o t h n a g e l . Einer jüngeren Generation gehörten der O r t h o p ä d e Adolf Lorenz, der Schüler Billroths Anton von Eiseisberg und der Psychiater Julius von

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W a g n e r - J a u r e g g a n ; dieser ein Schüler eines gleichfalls grundlegenden F o r schers, R u d o l f von K r a f f t - E b i n g . Zu einem O p f e r seines Berufes wurde der berühmte R ö n t g e n o l o g e G u i d o H o l z k n e c h t . In G r a z w i r k t e unter anderem T h e o d o r Escherich, der Begründer der österreichischen Säuglings- und K i n d e r fürsorge. Zöglinge der W i e n e r medizinischen Schule aber waren als a k a demische Lehrer, als Spezialisten und als praktische Ä r z t e in allen L ä n d e r n Europas, aber auch in A m e r i k a und Vorderasien tätig. D i e juridischen F a k u l t ä t e n der österreichischen Universitäten zählten seit den fünfziger J a h r e n eine ganze Reihe ausgezeichneter Lehrer. Es genügt, hier den N a m e n R u d o l f s von Ihering, eines gebürtigen Friesen, des bedeutendsten Vertreters des römischen Rechts in seiner Zeit, zu nennen, der freilich nicht allzu lange in W i e n blieb, oder jenen J o s e p h Ungers, des auch politisch tätigen R e f o r m a t o r s der Lehre vom Privatrecht. E m i l S t r o h a l und Joseph Freiherr von Schey waren ausgezeichnete L e h r e r des Bürgerlichen Rechtes, J u l i u s Glaser schuf eine neue österreichische Strafgerichtsordnung, als ausgezeichneter K r i m i n a l i s t galt W i l h e l m Erich W a l b e r g , und das Staatsrecht w a r durch E d u a r d B e r n a t z i k vorbildlich vertreten. Als bedeutender, auch bei der Beilegung internationaler S t r e i t f ä l l e im H a a g e r Gerichtshof tätiger Völkerrechtslehrer ist Heinrich Lammasch, ein mutiger V o r k ä m p f e r der Friedensbewegung, zu erwähnen. U b e r die G r e n z e n , insbesondere nach Südosten, wirkten R u f und Lehre des Begründers der soziologischen Staatslehre, Ludwig G u m p l o w i c z . U n t e r den N a t i o n a l ö k o n o m e n ragte zuerst der geistvolle Lorenz von Stein hervor, später vor allem C a r l Menger, der Schöpfer der Lehre vom Grenznutzen und damit der Begründer einer dieser Auffassung folgenden österreichischen Schule der Volkswirtschaft, deren Lehren durch das W i r k e n des glänzenden Dreigestirns Friedrich von Wieser, Eugen von B ö h m - B a w e r k und Eugen von Philippovich eine wahrhaft weltweite R e s o n a n z fanden. U n t e r den Philosophen t r a t der gebürtige B a y e r Friedrich J o d l stark in den Vordergrund, dessen H a u p t w e r k „Geschichte der E t h i k " den R u f des auch im öffentlichen Leben sehr interessierten, wenngleich der P a r t e i p o l i t i k nicht verhafteten A u t o r s begründete. E r n s t Mach, V e r k ü n d e r des „ E m p i r i o kritizismus", eines sensualistischen Positivismus, w a r auch ein P h y s i k e r von R a n g . In G r a z w i r k t e als R e p r ä s e n t a n t der Experimentalpsychologie Alexius von Meinong. E i n e langjährige Forschertätigkeit entfaltete F r a n z B r e n t a n o (ein V e r w a n d t e r von Clemens und B e t t i n a B r e n t a n o ) als Erkenntnistheoretiker und Psychologe, mehr als zwei J a h r z e h n t e davon als akademischer Lehrer an der W i e n e r U n i v e r s i t ä t . B r e n t a n o beeinflußte mit seiner L e h r e vom „intentionalen W e s e n " der psychischen Erscheinungen einen großen Schülerkreis. D i e später sehr bedeutsame und eine Zeitlang fast zur M o d e philosophie gewordene L e h r e der P h ä n o m e n o l o g i e seines aus dem alten Österreich stammenden Schülers E d m u n d Husserl ist ohne B r e n t a n o kaum denkbar.

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In die Spätzeit vor dem ersten Weltkrieg fallen das Werk Otto Weiningers und die aufsehenerregenden Anfänge der bald heftig umstrittenen Forschungen und Thesen Siegmund Freuds, seiner Lehre von den unbewußten Seelenvorgängen und der sexuellen Wurzel menschlicher Leistungen. Freuds Psychoanalyse stieß mit ihren schockierenden Feststellungen von Anfang an auf heftigen Widerstand fachlicher und noch mehr außerfachlicher Kreise; das positive Echo war im westlichen Ausland entschieden größer als in Österreich. Freud schuf aber doch sehr wesentliche Voraussetzungen der modernen Tiefenpsychologie und Psychotherapie. Die Forschungs- und Lehrtätigkeit der Philologen vollzog sich in einer ruhigeren Atmosphäre. Unter den Germanisten ragten die Literaturhistoriker Wilhelm Scherer und J a k o b Minor sowie der Kärntner Linguist Primus Lessiak besonders hervor, unter den Wiener Slawisten schufen sich Vatroslav von Jagic und Konstantin Jirecek einen sehr angesehenen R u f , ähnliche Schätzung genossen die Orientalisten Leo Reinisch und Joseph Karabacek, die Romanisten Adolph Mussafia und Wilhelm Meyer-Lübke. Unter den klassischen Philologen nahm wohl Wilhelm von Härtel den Spitzenplatz ein, ein ausgezeichneter Gräzist war auch K a r l Schenkl. Europäischen R u f errang der Anglist K a r l Luick. Die österreichische Geschichtsschreibung und Geschichtsforschung hatte, ungeachtet einiger ansprechender Leistungen im Vormärz, nach 1848 viel aufzuholen. Unterrichtsminister G r a f Thun gab die Anregung zur Gründung des Instituts für österreichische Geschichtsforschung ( 1 8 5 4 ) ; man erhoffte sich von der Erforschung und Lehre der österreichischen Geschichte die Stärkung einer staatsbürgerlichen loyal-patriotischen Gesinnung. Tatsächlich schrieben Lehrer und Schüler des Instituts manchen wichtigen Beitrag zur österreichischen Geschichte; in der Zeit zwischen dem Sturmjahr und dem Ende der Monarchie sind die Arbeiten von Heinrich Zeißberg, Heinrich Friedjung und Oswald Redlich zu erwähnen, obgleich sich diese Gelehrten keineswegs ausschließlich mit österreichischer Geschidite befaßten. Der Napoleonbiograph August Fournier und der große Kenner der Geschidite Italiens und der allgemeinen Wirtschaftsgeschichte, Ludo Moritz Hartmann — übrigens ein Bahnbrecher des vorbildlich organisierten österreichischen Volksbildungswesens — widmeten ihr Interesse von vornherein überwiegend Problemen der allgemeinen Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Im Zentrum der Studien des Instituts standen aber die historischen Hilfswissenschaften (vor allem Paläographie und Urkundenforschung), die von einem Wahlösterreicher, dem gebürtigen Norddeutschen Theodor von Sickel, auf eine neue methodische Grundlage gestellt wurden. Auch der Schöpfer der modernen wissenschaftlichen Genealogie, O t t o k a r Lorenz, entstammt der Wiener Schule. Charakteristisch war schließlich die Verbindung mit der Kunstgeschichte, unter deren Vertretern Franz WickhofF, Alois Riegl und der zum Wiener gewordene Tscheche M a x Dvorak hervorragten. Auf dem Gebiet

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der alten Geschichte machte sich Eugen Bormann besonders verdient, unter den Archäologen Friedrich August Benndorf, der Initiator großangelegter Grabungen in Griechenland und Kleinasien. In Innsbruck wirkte Julius Ficker anregend und geradezu bahnbrechend als Rechtshistoriker, Mediaevist und Hilfswissenschaftler; die österreichische Geschichte w a r durch Alfons Huber, der später nach Wien kam, trefflich vertreten. In G r a z repräsentierten Franz Krones und Karl Uhlirz die österreichische, J o h a n n Loserth die mittlere und neuere Geschichte, unter den Rechts- und Verfassungshistorikern ragte Arnold Luschin von Ebengreuth hervor, auch als Numismatiker ein Gelehrter von Rang und N a m e n . Die Geographie, innerhalb der entsprechend der allgemeinen Tendenz zur Spezialisierung Morphologie und Kulturgeographie stärker als f r ü h e r auseinandertraten, hatte in Friedrich Simony, dem Meister der Hochgebirgsforschung sowie in Eduard Richter und Albrecht Penck ausgezeichnete N a m e n aufzuweisen. Im J a h r e 1856 w u r d e die österreichische Geographische Gesellschaft gegründet, die der Organisation und Finanzierung der Forschungsarbeit diente. U n t e r den Forschungen in Übersee ist die Erdumseglung der Fregatte N o v a r a , 1857—1859, zu erwähnen, die viele naturwissenschaftliche Ergebnisse zeitigte. In den nördlichen Polargewässern scheiterte z w a r der Versuch der durch das auch sonst vielfach bewährte Mäzenatentum des G r a f e n H a n s Wilczek ermöglichten Expedition von K a r l Weyprecht und Julius Payer, die Nordostpassage zu forcieren, am harten Winter 1872/73, doch wurde im Sommer 1873 die mächtige Inselgruppe Franz-Josephs-Land entdeckt. Weyprecht gab auch die Anregung zur einheitlichen Organisation der internationalen Polarforschung, in deren R a h m e n Österreich eine Station auf der Insel Jan M a y e n (1882/83) anlegte. Ein anderes Feld österreichischer Forschung w a r A f r i k a . Emil H o l u b unternahm in den siebziger und achtziger J a h r e n große Reisen durch S ü d a f r i k a , von wo er große zoologische Sammlungen heimbrachte. Rudolf Slatin wirkte in ägyptischen Diensten im Sudan, geriet in die Gefangenschaft der aufständischen Mahdisten, konnte sich aber befreien. Für die Erschließung des Sudans hat er Großes geleistet. Dem österreichischen Alpinisten Ludwig Purtscheller gelang gemeinsam mit dem deutschen Forscher H a n s Meyer die Erstbesteigung des Kilimandscharo (1889), O s k a r Baumann entdeckte eine Nilquelle (1892). Andreas Reischeck hatte seit 1877 Anteil an der Erschließung Neuseelands und der ethnologischen Untersuchung des Maorivolkes. Z u m unvergleichlichen Aufschwung der Naturwissenschaften im 19. J a h r h u n d e r t haben Österreicher sehr wesentlich beigetragen. Die große Tradition der Wiener astronomischen Schule w u r d e von Theodor Oppolzer fortgesetzt, dessen K a n o n der Finsternisse bis zur Gegenwart sich als grundlegendes W e r k behauptet hat. E d m u n d Weiß richtete 1876—1883 die Wiener Universitätssternwarte ein, die damals als größte der E r d e gelten konnte. Johann Palisa errang außerhalb der engeren Fachkreise große Popularität

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als erfolgreicher „Planetoidenjäger", er hat insgesamt 120 dieser Himmelskörper entdeckt, sowie als eifriger Volksbildner. Johann Holetschek war ein hervorragender Kometenkenner. Die theoretische Physik hatte in dem deutsch-böhmischen Kleinhäuslersohn Josef Loschmidt einen Bahnbrecher der Molekül- und Atomforschung aufzuweisen (Loschmidtsche Konstante), der seine ersten grundlegenden Arbeiten als bescheidener Lehrer an einer Wiener Volks- und Unterrealschule veröffentlichte. Als eigentlicher Begründer der bedeutenden österreichischen Physikerschule gilt Josef Stefan, ein windischer Kärntner und Sohn analphabetischer Eltern, dem eine rasche und erfolgreiche akademische Laufbahn beschieden war. Stefan befaßte sich insbesondere mit dem Problem der Wärmestrahlung und dem Wärmeleitvermögen der Gase. Unter den Jüngeren ragte Ludwig Boltzmann hervor, der in Graz, Wien, Leipzig und München lehrte und dessen Arbeiten über Elektromagnetismus, kinetische Gastheorie und mechanische Wärmetheorie weltweite Anerkennung fanden und weiteren Forschungsarbeiten die Richtung wiesen. Boltzmanns Nachfolger an der Wiener Universität, Friedrich Hasenöhrl, ein hervorragender Lehrer, wurde der Wissenschaft allzu früh durch den Tod an der italienischen Front entrissen (1915); seine Arbeiten zur Theorie der Strahlung bewegter Körper haben — auf einem engeren Arbeitsgebiet — einige Ergebnisse Einsteins vorweggenommen. Unter den Pionieren des Maschinenbaues sind namentlich der Professor der Mechanik und Maschinenlehre an der Wiener Technik, Adam Freiherr von Burg und dessen Schüler Johann Radinger zu nennen, unter den Elektrotechnikern besonders der Erbauer zahlreicher elektrischer Bahnen und sonstiger Anlagen, Carl Hochenegg, ein Bruder des bedeutenden Chirurgen und Krebsforschers Julius Hochenegg. Für das neue Gebiet der Radiotechnik waren die Arbeiten von Ernst Lecher, der an die grundlegenden Untersuchungen von Heinrich Hertz anknüpfte, und des jungverstorbenen Robert von Lieben wesentlich. Lieben war der Entdecker des Prinzips der Elektronenverstärkerröhre, die nach Liebens Tod weiterentwickelt wurde und die Radiotechnik revolutionierte. Die Reihe der bedeutenden Chemiker der Epoche leitet Anton Schrötter von Kristelli ein, der am Wiener Polytechnikum den Chemieunterricht reformierte und unter anderem durch den Hinweis auf die Herstellung des ungiftigen, amorphen, roten Phosphors der Zündholzerzeugung neue Möglichkeiten schuf. Friedrich Rochleder gilt als Vater der Pflanzenchemie, auf dem Gebiet der organischen Chemie erwarben sich noch Adolph Lieben und Zdenko Hans Skraup besondere Verdienste. Rudolf Wegscheider wirkte erfolgreich in der physiologischen Chemie. Fritz Pregl und Friedrich Emmich entwickelten in den letzten Jahrzehnten der Monarchie die mikrochemische Forschung in Österreich. Karl Auer von Welsbach, der Sohn des Direktors der H o f - und Staatsdruckerei Alois Auer, eines bedeutenden Verbesserers

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der Buchdrucktechnik, verwertete die „seltenen Erden" 1895 für sein besonders hell brennendes Gasglühlicht, schuf 1898 die erste gut funktionierende elektrische Metallfadenlampe (aus Osmiumdrähten) und entwickelte das automatische Feuerzeug. Unter den Montanisten ist Peter Tunner, Professor der Eisenhüttenkunde in Vordernberg und später in Leoben an erster Stelle zu nennen, ein ebenso hervorragender Fachgelehrter wie Organisator. Peter Rittinger trug wesentlich zu den Fortschritten der bergmännischen Aufbereitungstechnik bei. Unter den Geologen errang Eduard Sueß einen ganz überragenden R u f . Wie wir sehen, ist das Schwergewicht der Forschung in der franziskojosephinischen Zeit schon auf die Hochschulen verlagert. Einige bahnbrechende Entdeckungen aber geschahen jenseits des akademischen Bodens. Der deutschmährische Pater Gregor Mendel aus Heinzendorf fand im Garten seines Brünner Augustinerklosters auf Grund seiner Versuche an Pflanzenhybriden durch eine konsequente und systematische Merkmalanalyse die später nach ihrem Entdecker benannten Vererbungsgesetze. Die gefundenen Gesetzmäßigkeiten gipfelten in der „Dominanzregel" und der „Spaltungsregel". Im Jahre 1865 berichtete Mendel über seine Ergebnisse dem Naturforschenden Verein in Brünn, im folgenden Jahr erschien die Arbeit im Druck, doch dauerte es noch 35 Jahre, bis die Bedeutung seiner Entdeckung wirklich begriffen und von der Wissenschaft akzeptiert wurde. Auch die Erfinder aus dem Kreise der Handwerkerschaft dürfen nicht vergessen werden. Hier ist zunächst auf Peter Mitterhofer zu verweisen, den Tischler und Zimmermann aus Partschins bei Meran, der im J a h r e 1866 brauchbare Schreibmaschinen herstellte, die vom Kaiser erworben wurden. Man sah aber nicht die Möglichkeit und Notwendigkeit einer industriellen Fertigung, und so trat die Schreibmaschine wenige J a h r e später von Amerika, nicht von Österreich, ihren Siegeszug durch die Welt an. Die Weiterentwicklung und industrielle Auswertung blieb auch dem „elektrischen R a d " (1867) eines anderen Südtirolers, Johann Kravogl aus Lana, versagt, der mit seiner Maschine, der Vorläuferin des Elektromotors und der Dynamomaschine, auf der Pariser Weltausstellung berechtigtes Aufsehen erregte. Siegfried Marcus aus Malchin in Mecklenburg kam als 22jähriger nach Wien, wo er eine Mechanikerwerkstatt betrieb und 1864 den ersten Benzinmotor der Welt herstellte, ein J a h r später trieb dieser Motor schon ein allerdings recht primitives „Auto" und 1875 stellte Marcus ein wesentlich entwickelteres Fahrzeug her; auch in diesem Falle kam es aber nicht zur industriellen Produktion, die zehn Jahre später an Daimler und Benz anknüpfte. Marcus aber betätigte sich noch auf mancherlei anderen technischen Gebieten als Erfinder. Nicht selten blieb den österreichischen Erfindern öffentliche Anerkennung und behördliche Unterstützung versagt, wobei allerdings berücksichtigt werden muß, daß den offiziellen Stellen ja eine Unmenge von unbrauch30

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Die franzisko-josephinisdie Epoche und das Ende der Monarchie

baren Vorschlägen gemacht wurde und die zweifellos gebotene Reserve nur allzuleicht auch wirklichen Leistungen verhängnisvoll werden konnte. Gelegentlich war man recht großzügig, so wurden dem französischen Ehepaar Curie f ü r seine entscheidenden Versuche, die zur Entdeckung und Reindarstellung des Radiums führten, erhebliche Mengen Joachimstaler Pechblende von den österreichischen Behörden kostenlos zur Verfügung gestellt. Literatur,

Theater und Publizistik.

Das

Musikleben

Die Dichtung der franzisko-josephinischen Epoche steht in den ersten Jahrzehnten nach 1848 noch in erheblichem Ausmaß im Zeichen jener Schriftsteller, die schon im Vormärz eine führende Stellung einnahmen, eines Grillparzer, Stifter, Bauernfeld, Anastasius G r ü n und Nestroy. Friedrich Hebbel verbrachte damals seinen Lebensabend in Wien. Doch drängte bereits eine jüngere Generation nach vorne. Ludwig Anzengruber (1839—1889), ein Wiener oberösterreichischbäuerlicher Abkunft, schrieb seine ernsten und heiteren Volksstücke und Erzählungen, die alle in bäuerlichem oder kleinbürgerlichem Milieu spielen, in kraftvoller Sprache und mit unverkennbar freisinnig-kulturkämpferischer Tendenz. Der gleichaltrige, aber tragisch f r ü h verstorbene Franz Michael Felder, ein Kleinbauernsohn aus dem Bregenzer Wald, erwies sich mit seinen zum Teil in der M u n d a r t seiner vorarlbergischen H e i m a t geschriebenen Erzählungen als ungemein begabter Repräsentant der österreichischen D o r f geschichte. Der Wiener Vorstadt entstammte Ferdinand Kürnberger; er versuchte sich zunächst als Dramatiker und gehörte zu den Revolutionären und Flüchtlingen des Sturmjahres; seine eigentliche Meisterschaft entwickelte er als Publizist mit kultur- und zeitkritischen Aufsätzen. Robert Hamerling, ein Sohn des Waldviertels, wirkte, zeitlebens schwerleidend, zumeist in Graz. Ein erfolgreicher Epiker spätromantischer Prägung, stand er gleichermaßen im Banne hellenisch-klassischer und germanischer Ideale, als Dramatiker konnte er sich nicht durchsetzen. Volkstümlicher war das Werk des Steirers Peter Rosegger (1843—1918). Seine Erzählungen werden immer ihren literarischen und menschlichen Wert behalten, überdies dürfen sie als wichtige kulturgeschichtliche Zeugnisse der Steiermark jener Tage gelten. Das Bestreben des Autors, volkserzieherisch zu wirken, ist unverkennbar, aber nie aufdringlich. Rosegger besaß ein ausgeprägtes deutsches Volksbewußtsein, aber er verband es mit einem ebenso klaren Bekenntnis zur Toleranz, nicht nur in nationalen, sondern auch in konfessionellen Belangen. Den antiösterreichischen, fanatischen Deutsch-Nationalismus und seine Träger hat er in der Figur des Johann H ä f e n p e i f e r aus Oberabelsberg scharf und treffend charakterisiert. Viel leidenschaftlicher w a r die nationale Gesinnung des Vorauer Chorherrn O t t o k a r Kernstock, eines sehr begabten Lyrikers und nicht unbedeutenden Germanisten. Wesentlich älter als die eben Genannten war der

Literatur, Theater und Publizistik. D a s Musikleben

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liberale Tiroler Adolf Pichler aus Erl, ein bedeutender Geologe und Professor der Universität Innsbruck, der sich erst in seinen späteren Jahren literarisch betätigte und in seinen Verserzählungen ansprechende Lebensbilder aus den Dörfern seiner Heimat zeichnete. Als Dramatiker hatte er, trotz der Anerkennung Hebbels, keinen Erfolg. Noch in die franzisko-josephinische Epoche fiel der wesentlichere Teil des Schaffens zweier jüngerer naturalistischer Tiroler Dichter, Franz Kranewitter und Karl Schönherr. Kranewitters Hauptwerk ist ein Zyklus von Dramen im bäuerlichen Milieu „Die sieben Todsünden", während in dem reichen Oeuvre K a r l Schönherrs die historischen Dramen hervorragen, deren Stoff aus Tirols Vergangenheit geschöpft ist. Der größte Wurf gelang dem Dichter aber mit der realistischen Komödie „ E r d e " und ihrer beherrschenden Kraftgestalt des alten Grutz. Die bedeutendste Erzählerin der Epoche war ohne Zweifel Marie von Ebner-Eschenbach (1830—1916), als geborene Gräfin Dubsky von Trebomyslic eine mährische Aristokratin slawischer Abkunft, die nach Wien zog, hier heiratete und in deutscher Sprache schrieb, während andererseits eine gebürtige Wienerin, Barbara Pankl, als Bozena N e m c o v a zur vielleicht bedeutendsten tschechischen Schriftstellerin wurde. Die Ebner schrieb in vollendeter Sprache, mit epischer Kraft und ausgeprägtem sozialen Empfinden ihre Romane und Novellen, die ihr für immer einen hervorragenden Platz im österreichischen Schrifttum sichern. Die historischen Romane der Oberösterreicherin Enrica von Handel-Mazzetti haben Reformation und Gegenreformation Österreichs als historischen Hintergrund; mit „Jesse und M a r i a " (1906) schuf die katholische Dichterin ihre beste und dauernde Leistung. Unter den Schriftstellern, deren Leben und Schaffen weit über den Untergang der Monarchie hinauswirkt, deren Hauptwerk aber doch noch der franzisko-josephinischen Epoche angehörte, nahm Richard Kralik einen führenden Platz in der katholischen konservativen Front ein. Als Kulturphilosoph, Dramatiker, historischer Schriftsteller, Literaturkritiker und selbst als Kirchenpolitiker entfaltete er eine erstaunlich vielseitige Tätigkeit. Seine Polemik mit dem rheinischen Vorkämpfer der katholischen Moderne, Karl Muth, ist in die Geschichte der deutschen Literatur eingegangen; auch im eigentlichen „Modernistenstreit", der um die Jahrhundertwende den Katholizismus bewegte, hat Kralik Partei bezogen, freilich im Sinne der extremen Richtung des Integralismus, die sogar den Wiener Erzbischof Kardinal Friedrich Gustav Piffl verdächtigte, aber ihrerseits nicht die Billigung des Vatikans fand. In politischer Hinsicht vertrat Kralik einen schwarzgelben Patriotismus, der durch ein romantisch gefärbtes Deutschbewußtsein ergänzt wurde. In der Großstadt Wien und beim Katholizismus landete nach einem ausgedehnten Jugendspaziergang durch verschiedene Weltanschauungen und manche Länder Europas der Linzer Hermann Bahr. Durch publizistische 30·

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Die franzisko-josephinische Epoche und das Ende der Monarchie

Unterstützung junger, moderner Talente der Dichtung, der bildenden und darstellenden Künste, erwarb er sich große Verdienste. Als Literaturkritiker, als politischer Publizist betont österreichischer Gesinnung, hat er wohl größere Bedeutung denn als Epiker und Dramatiker, doch gelangen ihm einige bühnenwirksame Stücke. Wenige Jahre vor dem ersten Weltkrieg (1910) begründete Ludwig von Ficker in Innsbruck den „Brenner-Kreis", der nach einer Kulturreform aus christlicher Lebenshaltung strebte. Der bedeutendste Kopf der Gruppe war Theodor Haecker. Weitaus die bedeutendste lyrische Leistung der Epoche stellt—nicht nur wegen der Mühelosigkeit der Form, die raschen Erfolg verbürgte — das Werk des Pragers Rainer Maria Rilke (1875—1926) dar, eines Soldatensohnes, der keinerlei Neigung zum Militär fühlte und bald seiner künstlerisch-literarischen Ader folgte. Daß er sich trotz der Herkunft aus der erhitzten Atmosphäre der böhmischen Hauptstadt stets unbedingte nationale und religiöse Toleranz bewahrte, darf man ihm hoch anrechnen; weite Reisen durch Europa bis Rußland und der Verkehr in einem internationalen Künstlerkreis bestärkten ihn erst recht in seiner weltbürgerlichen Gesinnung. Eine frühreife Begabung verrieten schon die ersten literarischen Versuche Hugo von Hofmannsthals (1874—1929), audi er war ein hervorragender Meister der Form; an seinen dramatischen Versuchen bestechen vor allem die lyrischen Stellen. Kulturgeschichtlich wichtig ist sein Anteil an der Wiedererweckung des Barocktheaters, nicht zuletzt durch Übersetzungen aus den romanischen Sprachen, sowie seine Erneuerung mittelalterlicher Mysterienspiele. Audi als Nachdichter antiker Stoffe hat er sich bewährt. Für Richard Strauß schrieb Hofmannsthal zahlreiche wertvolle Operntexte. Aus allen Werken spricht der vornehme, verhaltene Lebensstil der kultivierten Gesellschaftsschichten der Spätzeit des Habsburgerreiches. Auch die Arbeiterschaft fand, neben literarischen und publizistischen Sekundanten aus anderen Kreisen, einen hervorragenden Dichter aus den eigenen Reihen in dem jung verstorbenen Alfons Petzold, dem eine ungewöhnliche, namentlich lyrische Begabung eignete. Dem jüdischen Wiener Bürgertum gehörte der Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler an, der sich durch die Szenenfolge des „Anatol"-Zyklus und das Drama „Liebelei" einen angesehenen Namen schuf. Auch als Romancier und Novellist hatte er guten Erfolg. Für die Gesellschaftsschichte, in der er sich bewegte, hatte Schnitzler, nach den Figuren seiner Werke zu schließen, recht wenig Respekt. Soziale Probleme, die Beziehungen der Geschlechter, auch die jüdische Frage und der Antisemitismus, wurden von ihm mit einem nicht selten unangenehm empfundenen Realismus dargestellt. Als Darsteller der untergegangenen Welt des galizisch-podolischen Judentums mit reformierender Tendenz, Sympathie für das Deutschtum und großer erzählerischer Begabung, verdient auch der ältere Karl Emil Franzos Er-

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wähnung. Gleicher Umwelt wie Schnitzler entstammten der Prager Franz Werfel und der Wiener Stefan Zweig, die die Höhepunkte ihres Schaffens und literarischen Erfolges erst nach dem ersten Weltkrieg erreichten, aber doch schon mit ihren Jugendwerken Aufsehen erregten. Aus dem Offizierskorps der k. u. k. Armee gingen einige bedeutende Schriftsteller hervor, so der feinsinnige, vornehme Novellist und Lyriker Ferdinand von Saar, dann Stefan von Milow, gleichfalls ein guter Lyriker; unter den Jüngeren nennen wir Rudolf Hans Bartsch als Verfasser vielgelesener Romane, die in seiner steirischen Heimat und im Wiener Milieu spielten, schließlich Franz Karl Ginzkey mit Novellen und lyrischer Dichtung von Rang. In die gleiche Zeit gehören audi die Anfänge des Schaffens von Anton Wildgans, Richard Schaukai und Erwin Guido Kolbenheyer. Als pazifistische Schriftstellerin und eifrige Organisatorin der Friedensbewegung errang Bertha von Suttner, eine gebürtige Gräfin Kinsky, einen großen Namen. Ihr Roman „Die Waffen nieder!" (1890) wurde in alle Weltsprachen übersetzt. Im Jahre 1905 erhielt die Suttner den Friedens-Nobelpreis; die unermüdliche Vorkämpferin der Friedensidee starb im Juni 1914, wenige Wochen vor dem Ausbruch des Weltkrieges. Eine ähnliche Gesinnung beseelte Alfred Hermann Fried, einen Wiener, der nach Deutschland ging, den pazifistischen Gedanken wissenschaftlich zu untermauern suchte und audi als Journalist emsig tätig war; audi er erhielt (1911) den Friedens-Nobelpreis In diesem Zusammenhang darf wohl audi Josef Popper-Lynkeus genannt werden, ein ideenreicher politischer und philosophischer Outsider, der eine grundlegende Sozial- und Staatsreform mit dem Prinzip der „Allgemeinen Nährpflicht" an Stelle der Wehrpflicht anstrebte. Die franzisko-josephinisdie Epoche war auch eine Blütezeit des österreichischen Theaters, insbesondere seiner ersten Bühne, des Wiener Burgtheaters. Bald nach dem Sturmjahr übernahm der Schlesier Heinrich Laube die Leitung dieser Bühne und führte sie bis 1867, künstlerisch und organisatorisch gleichermaßen erfolgreich. Laube besaß ein ganz ungewöhnliches Gefühl dafür, wie man Bühnenwirksamkeit und Publikumserfolg erreichen kann, ohne literarische Werte opfern zu müssen. Seine Klassikeraufführungen wurden beispielgebend. Vor allem aber war er ein großer Entdecker, Förderer und Erzieher von Talenten. Joseph Wagner, Bernhard Baumeister, Adolph Sonnenthal, Ludwig Gabillon, Joseph Lewinsky, dann die großen Schauspielerinnen Marie Seebach, Charlotte Wolter und Zerline WürzburgGabillon nahmen unter seiner Leitung einen glanzvollen Aufstieg. Nach der Ära Laube verstanden Franz Dingelstedt und Adolf Wilbrandt die Stellung des Burgtheaters als führende deutsche Bühne zu wahren. Unter den damals gewonnenen Kräften ragten Rudolf Tyrolt, Friedrich Mitterwurzer, Max Devrient, Stella Hohenfels und Katharina Schratt besonders hervor. Im Jahre 1888 bezog das Burgtheater das neue Haus an der Ringstraße. Der

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Moderne erschloß sich die Bühne unter der Direktion Max Burckhardts, unter dem Josef Kainz ans Burgtheater kam, während die auf Burckhardt folgende Ära Paul Schienthers doch schon eine gewisse Stagnation verrät. Das Wiener Volksstück wurde am Carltheater und am Theater an der Wien gepflegt; in diesem Hause fand es in josephine Gallmeyer und Marie Geistinger hervorragende Interpretinnen; an Popularität aber übertraf der urwüchsige Volksschauspieler Alexander Girardi alle Kollegen; er trat an der Wien und im Raimundtheater auf und wurde schließlich audi an das Burgtheater berufen. Es wäre freilich durchaus verfehlt — ungeachtet der überragenden Bedeutung des Burgtheaters — alles Interesse auf das Wiener Theater zu konzentrieren. Unter den „Provinzbühnen" besaß das Grazer Landestheater immer sehr gutes Niveau und die sudetendeutschen Bühnen boten eine unentbehrliche Übungsstätte für junge, talentierte Schauspieler. Das bäuerliche Volksstück aber erhielt wesentliche Impulse durch die 1902 in Wilten bei Innsbruck gegründete Exlbühne. Ein Kapitel für sich bildet die Publizistik, das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen der Epoche. Nach dem wilden Wuchern der Journalistik im Schutze der vorübergehenden Pressefreiheit des Sturmjahres, ging die Zahl der Organe zur Zeit der Restauration wohl zurück, allein einige wichtige Zeitungen behaupteten sich. Zu nennen ist vor allem die 1848 von August Zang ins Leben gerufene „Presse", ein liberal-freisinniges Blatt, dem nach einem Konflikt in der Redaktion in der von Max Friedländer und Michael Etienne ins Leben gerufenen „Neuen Freien Presse" (1864) eine übermächtige Konkurrenz erwuchs, bis das ältere Organ 1894 eingestellt wurde. Unter dem autokratischen Chefredakteur Moritz Benedikt wurde die „Neue Freie Presse" die mit Abstand führende Tageszeitung der Monarchie; ihre Wirtschaftsnachrichten und die Literaturbeilage hatten ungewöhnliches Niveau. Den größeren Leserkreis hatte allerdings das „Neue Wiener Tagblatt" (seit 1867), namentlich unter der Leitung von Moritz Szeps, der dem Kronprinzen Rudolf sehr nahestand. Unter den parteigebundenen oder doch weltanschaulich schärfer profilierten Organen sind die sozialdemokratische Arbeiterzeitung (seit 1884), das antisemitische „Deutsche Volksblatt" Ernst Verganis (1888) und das konservative „Vaterland" (1875) zu nennen, dieses Organ wurde 1911 mit der christlichsozialen „Reichspost" fusioniert, de facto eingestellt. Die Provinzpresse trat gegenüber den Wiener Zeitungen deutlich zurück, mehr Bedeutung hatten die deutschsprachigen Organe der Sudetenländer und in Ungarn der „Pester Lloyd". Die „große Presse" — zu der man die Parteizeitungen nicht rechnete — hatte einen erheblichen Einfluß, wenngleich sich ihre Leser im allgemeinen kaum an die politischen Rezepte hielten, die ihnen vorgesetzt wurden. Die liberale „Judenpresse" wurde natürlich von christlichsozialer und deutschnationaler Seite bekämpft und hatte auch die Sozialdemokraten nicht zu

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Freunden; zum publizistischen Hauptgegner wurde aber der unabhängige Schriftsteller und Kulturkritiker Karl Kraus, ein glänzender Stilist, im übrigen ein Mann, dessen weltanschauliche Haltung mancherlei Inkonsequenzen aufweist. Seine Zeitschrift „Die Fackel" prangerte erbarmungslos alle Schwächen der führenden Presseorgane an. Während des Krieges nahm Kraus sehr mutig gegen die allgemeine Haßpsydiose Stellung. Die österreichische Musik hatte in den Jahrzehnten vor und nach 1800 eine einmalige Höhe erreicht; was später kam, war immerhin bedeutend genug, um den Rang Wiens und Österreichs als musikalische Großmächte zu wahren. Wenn Österreich wiederholt zur Wahlheimat fremder Musiker wurde, so hat es andererseits den glanzvollen Virtuosen und Symphoniker Franz Liszt (eigentlich List) aus Raiding, Sohn eines Burgenländers und einer Niederösterreicherin, der in Wien bei Carl Czerny gelernt hatte, bald an das Ausland verloren; in politischer Hinsicht aber fühlte Liszt als Ungar. Es bedurfte mancher Kämpfe und vieler Enttäuschungen, bis das von tiefer Gläubigkeit erfüllte symphonische Werk Anton Bruckners (1824 bis 1896), des einfachen oberösterreichischen Dorfschullehrers aus Ansfelden und Organisten in St. Florian, sich durchsetzen konnte. Wesentlich leichter errang sich Johannes Brahms (1833—1897), der schon als anerkannter Komponist nach Wien kam, mit seinem klassischen Werk von Symphonien, Kammermusik und Liedern die Anerkennung von Kritik und Publikum; gerade der führende Wiener Kritiker Eduard Hanslick, der heftige Gegner Wagners und Widersacher Bruckners, hat Brahms besonders gefördert. Um Wagners Werk gab es auch in Österreich die unvermeidliche Auseinandersetzung, es eroberte sich aber, nicht zuletzt durch das Wirken der österreichischen Dirigenten Hans Richter — der auch den Ruf der Philharmoniker begründete — und Felix Mottl, die Wiener Oper. Für diese begann mit den sechziger Jahren eine Epoche des Ruhms, im Jahre 1869 wurde das neue Haus eröffnet, namentlich die Direktion von Wilhelm Jahn war eine Zeit des Erfolges. Audi Gustav Mahler, dessen Werk an Bruckner anknüpfte, wirkte ein Jahrzehnt lang als wagemutiger Chef des Hauses. In Salzburg fanden seit 1877 Mozartfeste statt, die die Musiktradition der Salzachmetropole festigten. Der Südsteirer Hugo Wolf reformierte das Lied, seine Vertonungen von Mörike, Eichendorff und Goethe waren meisterhaft. Unter den Opernschöpfungen des Oberösterreichers Wilhelm Kienzl werden sich zumindest die Volksoper „Der Evangelimann" (1895) und „Der Kuhreigen" (1911) behaupten, von dem älteren Karl Goldmark vermutlich seine „Königin von Saba" (1875). Die ersten Anfänge der extremen Moderne, die zum Teil von Mahler beeinflußt war, reichen ebenfalls in die franzisko-josephinische Zeit zurück; damals entstanden die Frühwerke von Arnold Schönberg. In der zweiten Jahrhunderthälfte bewährte sich Wien als goldener Boden der heiteren Kunst der Operette. Johann Strauß Sohn (1825—1899),

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der als „Walzerkönig" den R u h m des Vaters und Lanners noch überstrahlte, herrschte auch im Reiche des musikalischen Lustspiels, neben ihm errangen sich Franz von Suppe, Karl Millöcker, Richard Heuberger und Carl Michael Ziehrer große Popularität. Die Vorherrschaft Offenbachs wurde durch die Wiener Operette überwunden. Nach der Jahrhundertwende beginnt aber der Siegeszug einer jüngeren Generation von Operettenkomponisten, mit Franz Lehar an der Spitze, der wie Ziehrer oder die Tschechen Karl Komzäk und Oskar N e d b a l als Militärkapellmeister begonnen hatte. In unerschöpflicher Fülle blühte das Volkslied, in der Großstadt freilich oft durch nicht mehr ganz echte Produkte zurückgedrängt. Doch gab es auch hier urwüchsige Schöpfungen, wie etwa die Schrammelmusik. Zweifellos läßt sich auf musikalischem Gebiet noch schwerer als sonst im Geben und Nehmen der Anteil der anderen Völker der Donaumonarchie ausscheiden. Auch sie erlebten damals eine Blüte ihres Schaffens; es genügt, die N a m e n der Tschechen Friedrich Smetana und Anton D v o r a k zu erwähnen.

Die bildenden

Künste

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ist in der österreichischen bildenden Kunst durch das Nebeneinander verschiedener historisierender Stile, oder wie man wohl abschätzig und eher unrichtig gesagt hat, durch eine „Stillosigkeit" charakterisiert. U m die Jahrhundertwende setzt sich dann ein neues, sachlicheres Stilwollen durch. Diese Situation spiegelte sich in dem demonstrativen Auszug junger Künstler aus der Wiener Künstlergenossenschaft (1897) und der Gründung der „Sezession", die Radikalsten schlossen sich schließlich im Hagenbund zusammen. Auch die Akademie der bildenden Künste, die 1850 ein neues Statut bekommen und seit 1872 den Rang einer Hochschule hatte, blieb von diesen Wandlungen nicht unberührt. Die franzisko-josephinische Epoche stellt jedenfalls in stilgeschichtlicher Hinsicht keine Einheit dar, doch hat sie neben dem Barock dem Gesamtbild der österreichischen Kunstgeschichte wohl am stärksten ihre Züge aufgeprägt. Das gilt insbesondere f ü r die Architektur, denn damals ist mehr gebaut worden als je zuvor, und das Anwachsen der Städte, die zahlreichen Repräsentations- und Industriebauten, die Erfordernisse des Großstadtverkehrs, stellten vor erhebliche Aufgaben. Einen A u f t a k t der Baubewegung historisierender A r t bildete die Errichtung der Altlerchenfelder Pfarrkirche in Wien, nach Ablehnung eines Planes Sprengers, durch Johann Georg Müller in neoromanischen Formen (1850). Am 20. Dezember 1857 verkündete ein kaiserliches Patent den Wienern die Auflassung der funktionslos gewordenen Umwallung, der Gräben und des Glacis um die Innere Stadt; am 1. Mai 1865 konnte die von großzügig angelegten Alleen und Grünflächen umfaßte Ringstraße eröffnet werden.

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Bei der Anlage des breiten Straßenzuges spielten, ähnlich wie bei den Plänen zu den Boulevards H a u ß m a n n s in Paris, auch Revolutions- und Barrikadenfurcht eine Rolle, diese Großstraßen konnten kaum durch improvisierte Hindernisse gesperrt und gegen angreifendes Militär behauptet werden. Die Repräsentationsbauten, welche die Ringstraße säumen, brauchten freilich noch etliche Zeit (bis 1888) zu ihrer Vollendung. Diese Gebäude wurden trotz verschiedener Proteste, die eine einheitliche Stilisierung im vertrauten Barock verlangten, nach dem Ermessen der Künstler und unter Beachtung einer gewissen Symbolik, in verschiedenen Stilen gehalten. Die Oper, deren Bauform übrigens am meisten auf den Widerstand der öffentlichen Meinung stieß, wurde von den Wienern E d u a r d van der N ü l l und August von Siccardsburg 1861—1869 in renaissanceartigen Formen errichtet; bei der Innenausstattung waren Moritz von Schwind und Carl Rahl beteiligt. Als H a u p t anlage des Ringstraßenzuges w a r nach den Plänen von G o t t f r i e d Semper der Ausbau eines geschlossenen Platzes von der H o f b u r g bis zu den H o f s t a l lungen gedacht. Dieser Plan w u r d e nur zum Teil verwirklicht. Jenseits der Ringstraße entstanden die Parallelbauten des Kunsthistorischen und des Naturhistorischen Museums nach E n t w ü r f e n von Semper und Karl H a s e n auer 1872—1881 im Stile der italienischen Spätrenaissance. Von den beiden diesseitigen Flügelbauten zur H o f b u r g w u r d e jedoch nach der J a h r h u n d e r t wende nur der Thronfolgerbau mit dem „Corps de Logis" errichtet; die Anlage eines symmetrischen Traktes auf der anderen Seite (bei der Volksgarteneinfriedung gegen den Heldenplatz) unterblieb. Es ist wohl zu begrüßen, d a ß man den Blick vom H e l d e n p l a t z auf Rathaus und P a r l a m e n t nicht einer allzu großen Anlage geopfert hat. Von Semper und Hasenauer stammt auch das teils neobarocke, teils renaissanceartige Züge tragende Burgtheater mit seinen gewaltigen Flügelbauten und Prunkstiegenhäusern (1874 bis 1888). Als Renaissancebau entstand 1873—1883 die nach dem Entwurf des Wieners Heinrich Ferstel errichtete Universität. In den J a h r e n 1873—1883 erbaute der dänische Architekt Theophil Hansen, dem Wien zuvor schon die griechische Kirche am Fleischmarkt und — gemeinsam mit Ludwig Förster — das Heeresmuseum in dem 1849—1856 als stadtbeherrschendem Militärlager angelegten Arsenal verdankte, in gräzisierendem Stil das Parlament. Die Griechen waren eben das klassische Volk der Demokratie, so wurde ihr Stil f ü r die Volksvertretung gewählt, während f ü r Kunst und Wissenschaft die Renaissance als besonders repräsentativ galt. U m aber den C h a r a k t e r Wiens als einer deutschen Stadt zu betonen, erhielt es sein neues Rathaus in neogotischem Stil mit hohem Mittelturm als Werk von Friedrich Schmidt (1872—1883); die Gotik galt damals noch — natürlich zu Unrecht — als spezifisch deutscher Stil, w u r d e aber auch f ü r Kirchenneubauten gerne herangezogen; Schmidt w a r ja auch Dombaumeister zu St. Stephan. Die Neogotik w a r schon von dem jungen Heinrich Ferstel f ü r die zur Erinnerung an ein mißglücktes A t t e n t a t auf Kaiser Franz Joseph in

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den Formen der Kathedralarchitektur errichtete Votivkirche gewählt worden. Unter den recht zahlreichen neogotischen Kirchenbauten dieser Epoche verdient der größte von ihnen, der neue Linzer Dom, besondere Erwähnung, der auf Initiative von Bischof Rudigier nach den Plänen des Kölner Dombaumeisters Vinzenz Statz in Angriff genommen, aber erst in der Republik vollendet wurde (1862—1924). Als neugotischer Bau entstand auch die Stiftsund Pfarrkirche von Admont nach einem großen Brand (1865). Audi in den kleineren, rasch anwachsenden Städten hat man unter dem Eindruck des Wiener Beispieles neue Stadtteile angelegt, so das Andräeviertel in Salzburg und die Umgebung des Opernhauses in Graz. An Einzelbauten wäre etwa das Kärntner Landesmuseum, ein Werk von Gustav Gugitz, zu erwähnen, ebenso der Rohziegelbau der Grazer Herz-Jesu-Kirche von Georg Hauberrisser dem Jüngeren; beide waren Kinder der Städte, in denen sie ihre Hauptwerke schufen. Neoromantischer, bewußt historisierender Gesinnung und dem Ansporn und den materiellen Mitteln reicher aristokratischer Mäzenaten verdanken wir die Wiederherstellung und Neueinrichtung von Burgen, wie etwa Kreuzenstein (seit 1874) und Liechtenstein (seit 1873), wo Graf Hans Wilczek und Fürst Johann II. von Liechtenstein Bauherren waren. Zu Ende des Jahrhunderts machte sich — wie in den anderen Zweigen der bildenden Kunst — auch in der Architektur ein neuer Geist bemerkbar. Otto Wagner hatte im Stile der Neorenaissance begonnen (Wiener Länderbank), später aber mit höchst eigenartiger Plattenbekleidungsarchitektur das Wiener Postsparkassenamt, die Stadtbahnbauten und die Kirche am Steinhof errichtet. Gegen den Historismus wandte sich die „neue Sachlichkeit" audi in den Bauten und Schriften eines Adolf Loos; dieser Architekt polemisierte in scharfer Form gegen alle Verzierungen, denen keine architektonische Funktion zukam. Sein Hausbau am Michaelerplatz gegenüber der Hofburg erregte wegen der glatten Fassade einen Proteststurm. Vor allem als Innenarchitekt war Josef Hoffmann tätig, doch baute er auch das Palais Stoklet in Brüssel, bei dessen Ausschmückung Gustav Klimt maßgeblich mitwirkte. Zu nennen ist ferner das Ausstellungsgebäude der Sezession, der Künstlergruppe, die gegen das Althergebrachte kämpfte, ein Bau mit einer eigenartigen, durchbrochenen Kuppel von eisernen Lorbeerzweigen; errichtet von Joseph Olbricht, der später nach Darmstadt ging. Die neue Richtung hatte sich trotz aller Anfeindungen im wesentlichen durchgesetzt, als der Weltkrieg ihr weiteres Schaffen unterbrach. Auch die Plastik konnte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts reich entfalten; mehr als je zuvor wurden alte und neue Plätze mit Monumenten geschmückt, die dem Andenken der Großen der Vergangenheit dienen sollten. Der Thüringer Bildhauer und Erzgießer Anton Fernkorn kam um 1840 nach Wien; von ihm stammen die Monumente Prinz Eugens und Erzherzog Karls, die dem Heldenplatz vor der Wiener H o f b u r g seinen Namen gaben, und der

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Löwe am Schlachtfeld von Aspern. Dem Westfalen Kaspar Zumbusch verd a n k t die H a u p t s t a d t die D e n k m ä l e r Maria Theresias, Radetzkys, Erzherzog Albrechts und — wohl als bedeutendste Schöpfung dieses Künstlers — das Beethovenmonument. Viktor Tilgner aus Preßburg schuf schon gegen Ende des J a h r h u n d e r t s die D e n k m ä l e r Mozarts, M a k a r t s und Bruckners in Wien sowie Josef Werndls in Steyr. D e m K ä r n t n e r H a n s Gasser, Schöpfer des Wieland-Denkmals in Weimar, verdanken wir auch das zierliche D o n a u weibchen im Wiener S t a d t p a r k . A n Gassers W e r k schulte sich E d m u n d Hellmer, von dem das Wiener Goethedenkmal stammt. Karl K u n d m a n n , der eigene Wege ging, errichtete den Pallas Athene-Brunnen vor dem P a r l a ment und das Tegetthoff-Denkmal am Praterstern. Im übrigen wirkten die hier genannten auch bei der plastischen Ausschmückung der Monumentalbauten mit. D e r Sudetendeutsche F r a n z Metzner, der Meister des Völkerschlachtdenkmals von Leipzig, schuf in Linz das eindrucksvolle M o n u m e n t F r a n z Stelzhamers. D e r von dem romantischen Geist seines Schöpfers, des reichen Kriegslieferanten G o t t f r i e d Joseph P a r k f r i e d e r mit 200 Gußeisenund Steinbüsten ausgestattete Heldenberg von W e t z d o r f , an dem verschiedene K r ä f t e seit 1849 arbeiteten, ist eher als Kuriosum denn als künstlerische Leistung zu werten. Er birgt immerhin die letzte Ruhestätte Feldmarschall Radetzkys. Der neue Stil um und nach 1900 wird unter anderem durch die Tierplastiken des in Wien wirkenden Deutschmährers H a n s Barwig repräsentiert. A m Vorabend des ersten Weltkrieges begann sich der ebenfalls aus Mähren stammende Anton H a n a k durch seine großfigurigen und symbolstarken Plastiken einen N a m e n zu machen. Zu nennen ist auch der N e u erwecker der Kunst des Eisen- und Stahlschnittes, Michael Blümelhuber aus Steyr. In der Malerei ist das Ubergewicht Wiens wohl weniger ausgeprägt als in Architektur und Plastik, wenngleich die Metropole auch in diesem Fach viele der besten K r ä f t e — nicht nur Österreichs — anzog. K a r l Heinrich Rahl w a r z w a r ein konservativer, barocken Vorbildern verbundener Maler, aber auch ein revolutionär gesinnter Bürger, das kostete ihm die Professur an der Akademie. Bei der Ausschmückung der Wiener M o n u mentalbauten blieb er jedoch weiterhin vielfach beschäftigt. V e r w a n d t e Züge, aber stärkeres N a t u r g e f ü h l zeigt die Kunst von Rahls Schüler H a n s C a n o n (eigentlich Strasiripka, 1829—1885), der die Offizierslaufbahn verließ und sich der bildenden Kunst zuwandte. Kometengleich vollzog sich der Aufstieg von H a n s M a k a r t (1840—1884) aus Salzburg; der „Makartstil" beherrschte die siebziger und achtziger Jahre. Als Regisseur des Festzugs von 1879 (Silberhochzeit des Kaiserpaares) trat M a k a r t wie ein T r i u m p h a t o r in der Öffentlichkeit auf und er w a r wohl auch der H a u p t d e k o r a t e u r der Wiener Repräsentationsbauten. Seine farbstarken und sinnenfreudigen Riesenbilder galten aber bald nach des Schöpfers Tod als theatralisch und empfindungsarm.

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Man bemühte sich, den einst verherrlichten Künstler rasch wieder zu vergessen, und schämte sich des früheren Makartenthusiasmus. Canon und Makart müssen aber doch als wichtigste Repräsentanten eines neobarocken, besonders an Rubens geschulten Kunstgefühls gelten. Weniger augenscheinlich, aber dauerhafter als der Erfolg Makarts, war jener des temperamentvollen Einzelgängers Anton Romako, der heute bisweilen als bedeutendster Könner unter den österreichischen Malern der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeschätzt wird. Im Stile der Romantik malte der Tiroler Edmund von Wörnle seine Landschaften. Sein jüngerer Landsmann Franz Defregger, ein Schüler Pilotys, der Geschichte und bäuerlichen Alltag seiner Heimat darstellte und dessen spätere Werke schon den Übergang von der historisierenden zu einer naturalistischeren Auffassung zeigen, war zuerst beim Kunstpublikum recht beliebt, von der unmittelbaren Nachwelt wurde er aber — ähnlich wie Makart — hochmütig abgelehnt. August von Pettenkofen und Emil J a k o b Schindler können als Parallelerscheinungen zum französischen Impressionismus aufgefaßt werden; der eine leistete als Landschaftsmaler, der andere als Genremaler und Porträtkünstler Bedeutendes. Eine besondere Stellung in der Wiener Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts nehmen die Maler der Familie Alt ein. Der Frankfurter J a k o b Alt hatte schon im Vormärz einen guten R u f als Lehrer an der Akademie der bildenden Künste; von seinen Söhnen wurde Rudolf (1812 bis 1905) besonders durch seine Wiener Architekturveduten in Aquarell und durch seine Lithographien berühmt; der jüngere Bruder Franz schuf ein in Inhalt und Technik verwandtes Oeuvre. Der Tiroler Theodor von Hörmann schulte sich in Wien und Paris, hatte aber wegen der auffallenden, starken und als übertrieben empfundenen Farben seiner Städte- und Landschaftsbilder zeitlebens heftigen Widerspruch bei der Kunstkritik; erst eine Nachlaßausstellung im Wiener Künstlerhaus (1895) sicherte seiner Leistung letztlich eine positive Resonanz. Unter den Malern der Sezession verursachte Gustav Klimt (1862 bis 1918) weitaus die meisten Aufregungen. Sein ornamentaler, farbenfreudiger Stil vereinigte westliche und orientalische Anregungen und gab Anlaß zu mancherlei symbolisierenden Deutungen, aber auch zu heftigen Auseinandersetzungen, besonders über die von ihm für den Neubau der Universität entworfenen und zurückgewiesenen Allegorien der Philosophie, Jurisprudenz und Medizin. Im Oeuvre von Egon Schiele und den Jugendwerken von Oskar Kokoschka fand die europäische Stilwelle des Expressionismus ihre recht bedeutende österreichische Ausprägung. Albin Egger-Lienz schöpfte aus Anregungen seiner Tiroler Umwelt, seine Bilder aus dem Bauernleben wirken wie kraftvolle, klobige Plastiken. Symbolstark und eindrucksvoll sind auch seine Weltkriegsbilder. In propagandistischen Schriften hat Egger-Lienz seine Kunstauffassung kämpferisch vertreten.

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Sehr wesentlich ist der Beitrag des Kunstgewerbes zum Schaffen der Epoche. Die Ausgangssituation w a r allerdings wenig günstig, da die maschinelle Massenproduktion die teueren Schöpfungen des gediegenen Kunsthandwerks zu verdrängen schien. Das englische Vorbild des South-Kensington Museums veranlaßte 1864 die Erbauung des österreichischen Museums f ü r Kunst und Industrie auf dem Wiener Stubenring (1868—1871), des ersten Kunstgewerbemuseums auf dem Kontinent, und der österreichischen Kunstgewerbeschule. Von beiden Institutionen gingen mächtige Anregungen aus. Einen hervorragenden Ruf eroberte sich etwa die österreichische, künstlerische Kristallglaserzeugung, namentlich durch die Schöpfungen Ludwig Lobmeyrs, der die von seinem Vater im V o r m ä r z gegründete Firma zu einem Unternehmen von europäischem Ruf ausbaute, wobei die Wiener Fabrik mit den Glasschleifereien Böhmens zusammenarbeitete. Die keramische Kunst wahrte ihren Ruf trotz der Einstellung der staatlichen P o r z e l l a n m a n u f a k t u r , doch ging die Führung, wie in anderem Zusammenhang erwähnt, ganz auf Böhmen über. In der gleichfalls traditionsreichen Wiener Möbelkunst kam in der franzisko-josephinischen Epoche ein „zweites (und drittes) R o k o k o " und später auch das Neobiedermeier sehr zu Ehren. Neue Impulse f ü r ein modernes Kunstgewerbe gaben die Gründungen der Wiener Werkstätte und des österreichischen Werkbundes (1913). M a n suchte gerade die Gegenstände des Alltages in moderner, „materialechter" A u s f ü h r u n g im Zusammenwirken von Künstlern und geschickten H a n d werkern herzustellen, darüber hinaus auch die Kluft zwischen Industrie und Werkkunst zu schließen. Auf der Deutschen Werkbundausstellung in Köln 1914 trat dann das österreichische Kunstgewerbe hervorragend in Erscheinung. Innenarchitektur, Möbelkunst, Metall- und Porzellangeschirr, Kristallgläser, Teppichwebereien, Stoffe und Tapeten bildeten gleichermaßen die Objekte der neuen kunstgewerblichen Arbeit unter Initiative von Dagobert Peche, Josef H o f f m a n n , F r a n z Cizek, A l f r e d Roller und anderen. Die Wendung zum Kunstgewerbe ist jedenfalls ein ganz wesentlicher Zug der österreichischen Kunstgeschichte in den letzten Jahren vor dem ersten Weltkrieg. Ein Gesamtbild der franzisko-josephinischen Epoche zeigt einen seltsamen Gegensatz zwischen der politischen Entwicklung mit ihren zahlreichen Brüchen, dem zunehmenden Pessimismus, den Exzessen stupider Nationalismen, der Selbstausschaltung des Parlaments durch periodische Obstruktion auf der einen Seite und dem imponierenden wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung auf der anderen. Die Monarchie befand sich ohne Zweifel in einer schweren Krise, allein in ihrer langen Geschichte hatte sie nur selten und vorübergehend wirklich R u h e und Sicherheit genossen. M a n w a r an Schwierigkeiten gewöhnt. U m den alten Bau wirklich zu zerstören, bedurfte es erst der Weltkatastrophe des Krieges von 1914 bis 1918, dessen Ergebnis nicht nur das Ende der Monarchie, sondern auch jene tiefgehende

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Umwälzung des europäischen Völker- und Staatensystems brachte, von der sich der Kontinent nicht mehr ganz erholen konnte, mit der auch der unwiderrufliche Abstieg Europas von seiner weltbeherrschenden Stellung begann. Der erste

Weltkrieg

Über die Vorgänge, die Österreich-Ungarn zu jener Kriegserklärung an Serbien bewogen, die dann den ersten Weltkrieg auslöste, sind wir nicht schlecht unterrichtet, doch gibt es weitgehende Meinungsunterschiede in der Beurteilung des einschlägigen Quellenmaterials, das überdies schon aus sprachlichen Gründen von der Forschung in der Regel nur unvollständig berücksichtigt wird. Schließlich ergäbe auch die gründlichste Kenntnis der Aktenlage nur ein unvollständiges Bild; den Akten wird nun einmal nicht alles anvertraut. Es versteht sich von selbst, daß nationale Leidenschaft und politische Absicht die Objektivität der Forschung vielfach beeinträchtigten, namentlich wenn diese unter dem Hauptaspekt einer „Klärung der Kriegsschuldfrage" geführt wurde. Wenn wir uns auf den unmittelbaren Anlaß, das Attentat von Sarajewo, beschränken, so ist auch dieses nicht restlos geklärt. Nach einem erfolglosen Bombenanschlag wurden der Thronfolger und seine Gattin von einem jungen bosnischen Serben, Gavrilo Princip, durch Revolverschüsse getötet. Es konnte zunächst nur festgestellt werden, daß es sich nicht um einen leidenschaftlichen Akt von Einzelgängern, sondern um eine gezielte Aktion handelte, daß eine Gruppe von acht Attentätern tätig war, daß diese Attentäter auf serbischem Boden geschult und mit Waffen ausgerüstet worden waren, die aus dem Armeelager von Kragujevac stammten, und daß der aktive serbische Major Voja Tankosic und der serbische Eisenbahner Milan Ciganovic dabei die H a n d im Spiel gehabt hatten. Auch war soviel klar, daß eine Geheimorganisation „Vereinigung oder Tod", auch „Schwarze H a n d " genannt, und die von ihr abhängige Gruppe „Jung Bosnien" hinter den Attentätern standen. Auffallend war die Analogie mit fünf vorangegangenen Attentaten 1910—1914; das letzte war am 20. Mai 1914 gegen den Banus Skerlecz gerichtet worden. Erst nach dem Kriege wurde bekannt, daß der — inzwischen im Juni 1917 nach einem höchst problematischen Prozeß in Saloniki von einem serbischen Kriegsgericht zum Tode verurteilte und erschossene — Chef der Nachrichtenabteilung des serbischen Generalstabes und führende Angehörige der „Schwarzen H a n d " Dragutin Dimitrijevic, genannt „Apis", das Attentat geplant hatte und daß nach seiner Aussage sein Untergebener, Rade Malobabic, der das Nachrichtennetz auf österreichischem Boden organisierte, auch das Attentat vorbereitete. Vorher vergewisserte sich Dimitrijevic beim russischen Militärattache Artamanov, daß Rußland Serbien im Konfliktsfall

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nicht im Stiche lassen werde. Dimitrijevic versicherte allerdings auch, d a ß er A r t a m a n o v nicht in die Attentatspläne einweihte. Wenn nun auch kein Zweifel darüber besteht, d a ß die Organisation des Attentats mit der Person des Dragutin Dimitrijevic bis in den serbischen Generalstab reichte, waren doch Beweise davon und insbesondere von einer Mitwisserschaft der serbischen Regierung 1914 nicht zu erbringen, und Legationsrat Wiesner, der vom k. u. k. Außenministerium nach Sarajewo entsandt worden war, v e r t r a t die Ansicht, d a ß eine solche Mitwisserschaft nahezu ausgeschlossen sei; über die Vorbereitung auf serbischem Boden und die Rollen des Tankosic und Ciganovic w a r man sich allerdings im klaren. Von serbischer Seite w u r d e tatsächlich nichts unternommen, um das Verbrechen klären zu helfen; vielmehr w u r d e Ciganovic die Flucht nach Albanien ermöglicht und versucht, die Österreicher über seine Identität irrezuführen; einem anderen Verschwörer, M u h a m m e d Mehmedbasic, w u r d e von den montenegrinischen Behörden das Entweichen leicht gemacht. Eine gewisse Wendung zur Frage der Mitschuld der serbischen Regierung brachte 1924 eine Veröffentlichung von Ljuba J o v a n o v i c — zur Zeit des Attentates von Sarajewo serbischer Unterrichtsminister —, der in einer Memoirenschrift mitteilte, d a ß etliche Wochen vor dem Attentat Ministerpräsident Pasic von den Vorbereitungen einiger Leute zu einem Anschlag gegen den Thronfolger in Sarajewo gesprochen hätte; es sei aber nicht geglückt, ihren U b e r t r i t t nach Bosnien zu verhindern. Jovanovic versichert dann, die Nachricht von dem A t t e n t a t in Sarajewo habe ihm einen Schock versetzt, „obwohl ich wußte, was sich dort vorbereitete". Aus diesen Feststellungen ginge doch hervor, d a ß das Belgrader Regime zumindest grobe Unterlassungssünden begangen hat. Die Schrift von Jovanovic rief unter den westlichen Freunden Jugoslawiens, die bisher jede Mitschuld der serbischen Regierung geleugnet hatten, große Aufregung hervor; man einigte sich aber bald darauf, Jovanovics Enthüllungen als Ausdruck einer augenblicklichen Gegnerschaft zu Pasic zu erklären und ihnen alle Bedeutung abzusprechen. W ä h r e n d des zweiten Weltkrieges aber wurde im politischen Archiv des serbischen Außenministeriums ein undatierter Zettel mit eigenhändigen A u f zeichnungen von Pasic gefunden, der den Eindruck des Niederschlags einer ersten, ungefähren I n f o r m a t i o n über den Weg der Verschwörer macht. Ungeklärt ist schließlich Tatsache und C h a r a k t e r einer W a r n u n g , die der serbische Gesandte in Wien dem k. u. k. Finanzminister Bilinski gegeben haben soll; eine W a r n u n g , über die der serbische D i p l o m a t selbst widerspruchsvolle Angaben machte, die aber höchstens einen Hinweis auf mögliche Attentatsabsichten österreichischer Soldaten serbischer N a t i o n a l i t ä t enthielt — es handelte sich also um eine durchaus unzutreffende I n f o r m a t i o n . Es ist nach alldem, was wir wissen, am wahrscheinlichsten anzunehmen, d a ß die serbischen Behörden vom Attentatsplan W i n d bekamen, d a ß sie allenfalls den Ubergang der Verschwörer auf österreichischen Boden zu verhindern

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suchten, d a ß man aber, als sie einmal in Bosnien waren, davor zurückscheute, der österreichischen Polizei Angaben zu machen, die zu einer rechtzeitigen Festnahme hätten führen können, weil man eben die jungen Leute nicht der strafenden H a n d Österreichs überantworten wollte. Mag sein, d a ß m a n die Verschwörer als „Patrioten" schätzte — nach dem ersten Weltkrieg w u r d e ja auch am T a t o r t e eine das Verbrechen glorifizierende Gedenktafel angebracht — oder d a ß man die „Schwarze H a n d " fürchtete; das eigentliche Problem lag wohl darin, d a ß eine Preisgabe der Verschwörer vernichtende Konsequenzen f ü r die so sehr geförderte südslawische P r o p a g a n d a und f ü r die großserbische Idee gehabt hätte. Eine gewisse V e r a n t w o r t u n g trifft aber auch die k. u. k. Behörden in Bosnien, deren Vorbereitungen zum Schutze des Thronfolgers unzulänglich waren. In Österreich herrschte nach dem 28. Juni 1914 überall die Ansicht, d a ß Serbien f ü r das A t t e n t a t von Sarajewo zur V e r a n t w o r t u n g gezogen werden müsse. Für Außenminister Berchtold w a r ausschlaggebend, daß es ihm gelang, durch eine Mission des G r a f e n Alexander H o y o s nach Berlin, die Zustimmung der Regierung des Deutschen Reiches zu einem Vorgehen gegen Serbien zu erlangen. In Wien leistete allerdings der ungarische Ministerpräsident Tisza gegen eine kriegerische Austragung des Konflikts mit Serbien Widerstand. Eine heftige serbisch-österreichische Pressepolemik verschärfte die Situation, ebenso der U m s t a n d , d a ß der russische Gesandte H a r t w i g w ä h r e n d eines Besuches in der österreichischen Botschaft in Belgrad vom Herzschlag getroffen wurde — nun behauptete man in Serbien groteskerweise, er sei ermordet worden. Tisza hat seineu Widerstand schließlich aufgegeben. Wegen der Anwesenheit des französischen Ministerpräsidenten Poincare in R u ß l a n d verschob m a n die Überreichung der „befristeten N o t e " an Serbien auf den 23. Juli. Kaiser F r a n z Joseph w u r d e im wesentlichen ausgeschaltet. Die kritischen Stellen im U l t i m a t u m betrafen die Präambel, in der von Serbien eine im W o r t l a u t vorgeschriebene E r k l ä r u n g im Amtsblatt und ein Tagesbefehl des Königs gefordert wurden und P u n k t 6, der die Teilnahme von Österreich delegierter Organe an den Recherchen zur A u f k l ä r u n g des Attentats vorsah. Im Falle einer „nicht befriedigenden A n t w o r t " , womit man zweifellos rechnete, w a r der Abbruch der diplomatischen Beziehungen angedroht. Es scheint, d a ß Serbien erst unter russischem Einfluß eine A n t w o r t mit gewissen Vorbehalten hinsichtlich der erwähnten Stellen gab; d a ß es vorher zu völligem Nachgeben bereit war. Österreich brach nun am 25. Juli die diplomatischen Beziehungen ab und Berchtold veranlaßte Kaiser F r a n z Joseph auf die Nachricht von einem Gefecht bei Temes-Kubin — bei dem es sich höchstens um eine belanglose Schießerei gehandelt haben kann, auch einige Übergriffe gegen österreichische Donauschiffe sollen erfolgt sein — zur Unterschrift unter die Kriegserklärung. Die kritische Zuspitzung des Konflikts w a r zweifellos dadurch eingetreten, daß Osterreich der Unterstützung Deutschlands, Serbien jener R u ß -

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lands und dieses der Hilfe Frankreichs sicher waren. Man hat nicht gerade einen Weltkonflikt gewollt oder ihn gar planmäßig herbeigeführt, aber ihn doch auch keineswegs gescheut. Von einem bestimmten Zeitpunkt an hätte es aber eines sehr entschiedenen Willens und großen staatsmännischen Geschickes erfordert, den Gang der Dinge aufzuhalten. An beiden hat es aber gefehlt — nicht nur in Österreich-Ungarn. Freilich ahnte man nicht das ungeheure Ausmaß der Katastrophe, die Europa und der Welt bevorstand. Am 28. Juli 1914 wurde die Kriegserklärung an Serbien überreicht; noch hätte aber aus dem österreichisch-serbischen Konflikt kein Weltkrieg werden müssen, ebenso wie sich aus den beiden Balkankriegen kein allgemeiner europäischer Kampf entwickelt hatte. Die Ausweitung des Konfliktes lag ja auch keineswegs im Interesse Österreichs. Zur Mäßigung ratende Telegramme der deutschen Regierung und ein Vermittlungsvorschlag des englischen Außenministers Sir Edward Grey, der ein „Halt" der österreichischen Truppen nach der Besetzung Belgrads vorsah, wurden aber von Graf Berchtold und seiner Umgebung nicht meritorisch behandelt. Die Generalmobilmachung der russischen Armee, nach entsprechendem Druck auf den Zaren durch die Militärkreise, am gleichen 30. Juli 1914, bedeutete dann einen weiteren Schritt auf dem Weg in den Weltbrand. Erst am nächsten Tag erfolgte die österreichische Generalmobilmachung, der dann am 1. August rasch nacheinander die Mobilisierungen Deutschlands und Frankreichs folgten. Am Abend des gleichen Tages wurde — zweifellos verfrüht — die deutsche Kriegserklärung an Rußland übergeben. Man wollte eben der vollen Auswirkung des russischen Masseneinsatzes zuvorkommen, da aber ein Zweifrontenkrieg unvermeidlich schien und für diesen Fall die Offensive im Westen unter hinhaltender Abwehr im Osten vorgesehen war, erklärte Deutschland am 3. August auch an Frankreich den Krieg; auf den Einmarsch deutscher Truppen im neutralen Belgien, aus militärischen Erwägungen auf Grund des „Schlieffenplanes", folgte am 4. August die Kriegserklärung Englands an Deutschland. Die Montenegrinische Volksvertretung hatte schon am 31. Juli 1914 die militärische Unterstützung Serbiens beschlossen, die Kriegserklärung an Österreich erfolgte jedoch erst am 5. August. Diesen Handlungen Schloß sich merkwürdig spät — am 6. August — die Kriegserklärung der Doppelmonarchie an das Zarenreich an. Der Weltkrieg hatte begonnen. Wie war die Habsburgermonarchie für den Großkampf gerüstet, in den sie infolge der Unzulänglichkeit der für ihre Außenpolitik verantwortlichen Männer hineingeraten war? Im Jahre 1912 hatte man die zweijährige an Stelle der dreijährigen Dienstzeit eingeführt, allerdings unter gleichzeitiger Erhöhung der Rekrutenzahl. Die Infanterie war wohl gut geschult, aber unzulänglich ausgerüstet und namentlich in der Ausstattung mit Maschinengewehren, die in diesem Krieg eine so furchtbare Ernte halten sollten, Verbündeten und Gegnern unterlegen. Auch die Artillerie stand mit ihrem 31

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Geschützmaterial im allgemeinen weit hinter der deutschen, französischen oder russischen Armee zurück; eine Ausnahme bildeten nur die Geschütze einer schweren Type (30,5-cm-Mörser), die den Autozug nach einer Konstruktion Ferdinand Porsches benützte. Hervorragend war dagegen die Pioniertruppe ausgerüstet. Die Kavallerie besaß wohl gutes Material, doch herrschten über ihre Verwendung noch veraltete Ansichten, wie überhaupt die lange Friedenszeit dazu verleitete, manche Erfahrungen anderer Armeen — etwa der russischen gegen die Japaner oder der britischen im Burenkrieg — unbeachtet zu lassen. Die Flotte, die sich auf leistungsfähige Kriegshäfen (Pola, Sebenico und Cattaro) stützen konnte, besaß einige moderne Großkampfschiffe, die weit wichtigere Ausrüstung mit kleineren Einheiten ließ zu wünschen übrig. Zu sehr guten Leistungen war die kleine Donauflotille befähigt. Die Luftstreitkräfte waren wenig entwickelt und wurden audi während des Krieges nicht so verstärkt, wie jene der anderen Großmächte. Eine große und unangenehme Überraschung brachte dem Gegner der gute Kampfgeist der Truppen, nicht nur der deutschen und magyarischen Einheiten. Audi Slawen und Rumänen schlugen sich tapfer. Die bosnischen Soldaten erwarben sich in dem ersten und letzten Kampf, den sie für Österreich führten, einen gefürchteten Ruf beim Feind. Am anfälligsten für die gegnerische Propaganda erwiesen sich — schon seit 1915 — tschechische und zeitweilig (1916) auch ruthenisdie Einheiten. Wie in allen anderen Staaten herrschte bei Kriegsbeginn in den meisten Bevölkerungsschichten eine sehr kampflustige Stimmung, der vielberufene „Geist von 1914"; es gab zahlreiche Freiwillige, große Zeichnungen von Kriegsanleihe und einen patriotischen, aber unkritischen Glauben an schnellen Sieg, der in törichten Parolen und Versen zum Ausdruck kam. Der österreichische Feldzugsplan sah eine rasche durchschlagende Offensive gegen Serbien vor, man wollte durch einen entscheidenden Erfolg Bulgarien gewinnen. So wurden verhältnismäßig starke Kräfte gegen Serbien konzentriert, von denen ein Teil während der Offensive auf den russischen Kriegsschauplatz abgezweigt werden mußte. Zwei österreichische Offensivstöße über die Drina scheiterten im Herbst und Winter 1914; der zweite Angriff führte wohl zur vorübergehenden Besetzung von Belgrad (2. Dezember 1914), endete aber mit einer schweren Niederlage in der Schlacht von Arangjelovac gegen die massierten, am entscheidenden Kampfplatz zahlenmäßig stark überlegenen serbischen Truppen. Die österreichischen Verluste waren groß, die Einbuße an Prestige gewaltig. Beide Mittelmächte hatten einen Zweifrontenkrieg zu führen, beide gedachten den einen Gegner rasch niederzuringen und beide hatten sich getäuscht, denn auch die deutsche Westoffensive war nach großen Anfangserfolgen im September 1914 an der Marne zurückgeworfen worden. Wenig günstig verliefen auch die österreichischen Operationen des Jahres 1914 in Galizien. Vier österreichische Armeen standen zur Verfügung,

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eine war allerdings erst vom serbischen Kriegsschauplatz im Anrollen. Die österreichische Kavallerieaufklärung hatte nur begrenzte Ergebnisse und es gab zu wenig Flieger. So blieb man über die Pläne und Kräfte des russischen Gegners ziemlich im Unklaren. Wohl gab es Erfolge in den letzten Augusttagen durch die Siege der 1. Armee Dankl bei Krasnik und der 4. Armee Auffenberg bei Komarow, dagegen erlitt die 3. Armee Brudermann bei Lemberg eine schwere Niederlage und auch die zweite Schlacht bei Lemberg (oder Grodek, 4.—11. September 1914) endete nach wechselvollem Verlauf mit einem Rückzug. Dieser wurde zwar geordnet durchgeführt, hatte aber doch seine unvermeidlichen Auswirkungen auf Zuversicht und Kampfkraft der schwer mitgenommenen österreichisch-ungarischen Verbände. In den August- und Septemberkämpfen hatten die k. u. k. Truppen oftmals allzu ungestüm angegriffen, der Blutzoll war ungeheuer hoch; gerade die besten Truppen und das aktive Offizierskorps hatten die schwersten Verluste, die nicht mehr wettgemacht werden konnten. Im Oktober 1914 schlossen die Russen die Sanfestung Przemvsl ein, doch wurden sie noch einmal zurückgedrängt; im November aber zogen sich die österreichischen Truppen nach Westgalizien, in die Gegend von Krakau, zurück, aus der sie in der Schlacht von Limanowa-Lapanow (7.—10. Dezember 1914) wieder etwas vordrangen; gleichzeitig siegten die Deutschen bei Lodz. Die Russen suchten in der Folgezeit die Karpatenpässe zu forcieren, diese Angriffe scheiterten ebenso wie zwei Gegenstöße der Österreicher im Jänner und zu Ende Februar. Der Einschließungsring um Przemysl konnte diesmal nicht gesprengt werden, und die Festung mußte sich am 23. März 1915, nach Erschöpfung aller Vorräte, ergeben. Etwa 120.000 Mann der Besatzung gerieten in russische Gefangenschaft. Die lange russische Front band viele österreichische und deutsche Kräfte, südlich der heftig umkämpften Karpatenpässe war Ungarn ständig bedroht, so entschloß man sich zu einem großen Offensivstoß, der am 2. Mai 1915 nach den Plänen Conrads von Hötzendorf von deutschen und österreichischen Truppen im Räume von Gorlice und Tarnow eingeleitet wurde und einen vollen Erfolg brachte; ein großer Teil Galiziens wurde befreit und der „polnische Sack" zwischen Galizien und Ostpreußen vom Feind gesäubert. Am 3. Juni 1915 war Przemysl wieder in österreichischer Hand, am 22. Juni wurde Lemberg erobert. Eine weitere Offensive im Spätsommer führte zur Einnahme von Warschau, Kowno und Wilna; damit war im Osten eine ziemlich geradlinig von Norden nach Süden verlaufende Front geschaffen. Inzwischen war allerdings aus der „wohlwollenden Neutralität" Italiens offene Feindschaft geworden. Berchtolds Vorgehen gegen Serbien war ohne Zustimmung Italiens erfolgt, und als die italienische Regierung am 1. August 1914 erklärte, daß der Bündnisfall nicht gegeben sei, befand sie sich angesichts des Wortlautes des Dreibundvertrages — eines Defensivbündnisses — zweifellos im Recht. Man wartete ab und sobald man einen gewissen Über31 ·

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blick über die Kriegslage hatte, bereitete sich Ministerpräsident Salandra auf den Anschluß an die Entente vor, deren Chancen im Kriegswinter 1914/15 offensichtlich günstiger standen; die „Interventionisten", die zum Kriegseintritt drängten, hatten zwar kaum die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich, ihre lautstarke Anhängerschaft, unter der Gabriele d'Annunzio und Benito Mussolini besonders hervortraten, beherrschte aber die Straße; ausgeprägte Wesenszüge der späteren faschistischen Propaganda sind unverkennbar; die Nichtinterventionisten unter Giolitti wichen zurück. Deutschland suchte auf Kosten Österreichs zu vermitteln, und in Wien unternahm man nach anfänglicher Ablehnung der deutschen Schritte verzweifelte Bemühungen, um Italien vom Kriegseintritt abzuhalten. Im März hoffte man noch durch Abtretung des Trentino Italiens Neutralität zu erhalten, später bot man auch Aquileia und Gradisca an; Triest sollte die Stellung einer Freistadt erhalten. Indessen verpflichtete sich Italien am 26. April 1915 zum Kriegseintritt auf Seite der Entente. Als Gegenleistung wurde ihm im Londoner Vertrag ein ausgiebiger Anteil an der österreichischen Beute, Südtirol, Görz, Triest, Istrien, erhebliche Teile Dalmatiens und selbst albanisches Gebiet zugesagt. D a s Ergebnis dieses Handels war der Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915, von dem sich die Entente eine rasche Kriegsentscheidung versprach. In Österreich flammte der Widerstandsgeist heftig auf; Tiroler, Kärntner, Slowenen und Kroaten wetteiferten in der Verteidigung ihrer bedrohten Heimat. Grenzschutz, Landsturm und einige von der serbischen und russischen Front zugeführte Feldtruppen nahmen den K a m p f auf. Man verfügte über etliche Grenzbefestigungen, der Grenzverlauf war für italienische AngrifFsaktionen nicht günstig, da aus der Tiroler Bastion Gegenstöße drohten. Vorderhand fehlte es den italienischen Truppen auch an Kriegserfahrung und ihre Führung beging viele Fehler. Zweifellos aber kämpfte der italienische Soldat im ersten Weltkrieg opferwilliger als im zweiten. Zwölf Isonzoschlachten stellten von Juni 1915 bis Oktober 1917 an beide Armeen höchste Anforderungen an Mann und Material und kosteten ungeheure Opfer. Vier dieser Schlachten wurden im Jahre 1915 ausgekämpft, alle entstanden aus Angriffsoperationen der Italiener unter dem Oberbefehlshaber General Cadorna, dem ins Gewicht fallende Erfolge durchaus versagt blieben. Der Herbst 1915 brachte den Mittelmächten, denen sich schon im Vorjahre die Türkei angeschlossen hatte und die nunmehr auch von Bulgarien unterstützt wurden, die Eroberung Serbiens; bald fiel audi Montenegro. Nordalbanien wurde besetzt, doch gelang es den Resten der serbischen Armee, sich an die Adriaküste auf alliierte Schiffe zu retten. Die Landverbindung mit der Türkei und Bulgarien war hergestellt, man versäumte aber die Besetzung Salonikis, was sich später als verhängnisvoll erweisen sollte. Im Jahre 1916 suchten die Mittelmächte eine militärische Entscheidung. Unglücklicherweise wählte man verschiedene Angriffsziele. Conrad unternahm eine Offensive aus dem Tiroler Gebirge gegen die „Sieben Gemeinden",

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der deutsche Generalstabschef Falkenhayn setzte den Großangriff gegen Verdun in Szene. Die erwarteten Erfolge blieben aber aus; Verdun forderte seinen ungeheuren Blutzoll von Deutschen und Franzosen, die Kämpfe am Isonzo gingen auch 1916 mit großer Heftigkeit weiter (5.—9. Isonzoschlacht); am 9. August errangen die Italiener mit der Eroberung von Görz einen bescheidenen Erfolg. Das zunächst aussichtsreiche Unternehmen Conrads an der Tiroler Front mußte nach der Eroberung von Asiago abgebrochen werden, als die Russen unter General Brussilow in Wolhynien, im Räume von Olyka und Lude, am 4. Juni 1916 eine Offensive starteten, unter der die österreichischen Armeen in Galizien zermalmt zu werden drohten. Besonders schwerwiegend war, daß tschechische und ruthenische Truppen in größerer Zahl versagten, überliefen oder sich widerstandslos gefangengaben; so verlor man im Sommer 1916 in Wolhynien über 300.000 Gefangene und die Front wurde tief eingedrückt. Eine unmittelbare Folgeerscheinung der Katastrophe von Olyka-Luck war der Kriegseintritt Rumäniens. Dieser Akt (27. August 1916) verlängerte die Ostfront der Mittelmächte gewaltig und gebot rasche Gegenmaßnahmen. Das rumänische, gegen 600.000 Mann starke Heer war zwar gut ausgerüstet, aber ohne Kriegserfahrung, seine Angriffsversuche scheiterten, und in einem gut angelegten, erfolgreichen Herbstfeldzug eroberten deutsche, österreichische, bulgarische und türkische Truppen den größten Teil Rumäniens. Nach der Eroberung von Bukarest erfolgte ein erster offizieller Friedensschritt der Mittelmächte, der keine Aussicht auf Erfolg hatte, da er das belgische Problem offen ließ und wohl nur einem wenige Tage später veröffentlichten Friedensaufruf des amerikanischen Präsidenten Wilson zuvorkommen sollte, der aber gleichfalls von der Entente zurückgewiesen wurde. In der österreichischen Innenpolitik kam es gegen Ende 1916 zu wichtigen Änderungen. Das Kabinett unter dem Grafen Karl Stürgkh hatte von Kriegsbeginn an autoritär mit Hilfe des § 14 regiert. Wiederholt wurde die Einberufung des Reichsrates ohne Erfolg verlangt; am 21. Oktober 1916 erschoß Friedrich Adler, der radikale Sohn des gemäßigten sozialdemokratischen Parteiführers Viktor Adler, in Wien in dem Hotel Meissl & Schaden den Ministerpräsidenten. Die Tat machte einen ungeheuren Eindruck; der Angeklagte verteidigte sich vor Gericht sehr geschickt. N u n wurde wieder Dr. Ernest Koerber mit der Regierungsbildung betraut, mußte aber noch vor Jahresende weichen. Ein anderer Wechsel war weit bedeutender: Am 21. November 1916 starb Kaiser Franz Joseph I. im Alter von 86 Jahren. Das Bild des alten Kaisers ist heute zu einem Symbol für seine Epoche geworden, deren lange Friedensjahre vor 1914 vielfach als „gute alte Zeit" schlechthin gelten. Die Hochflut der Publikationen, die sich gerade auch nach dem zweiten Weltkrieg mit Person, Familie und Umgebung des Herrschers befassen, verleiht der Stärke und Zähigkeit derartiger Gedankengänge Ausdruck. Das Pflicht-

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bewußtsein, die soldatische Haltung des Monarchen, die Tragik des Familienlebens, lassen viele Sympathien berechtigt erscheinen, andererseits haben schon zahlreiche Zeitgenossen in der pessimistischen Tatenscheu des Altgewordenen einen der Gründe f ü r den Niedergang seines Reiches zu sehen vermeint. Auch bei Ausbruch des Weltkrieges hatte der Herrscher kaum Illusionen, aber nicht mehr die Kraft, dem Drängen seiner Umgebung Widerstand zu leisten. Dem neuen Kaiser Karl, dem Sohne des Erzherzogs Otto und der Prinzessin Maria Josepha, ging der Ruf eines freundlichen, ja leutseligen jungen Mannes voraus; politische Erfahrung mußte ihm fehlen, an seinem entschiedenen Friedenswillen war jedoch kein Zweifel. Österreich hatte die Vernichtung durch die Koalition der Gegner zu fürchten, aber auch die überlegene Stellung des Deutschen Reiches im Falle des Erfolges der Zentralmächte bot wenig erfreuliche Perspektiven. Als Nachfolger Koerbers wurde Graf Clam-Martinitz, ein tschechischer Aristokrat, Ministerpräsident, dem es aber nicht gelang, seine Landsleute für die Zusammenarbeit im Rahmen der Monarchie zu gewinnen, auch die Deutschen opponierten. Auf Clam-Martinitz folgte im Juni 1917 ein Beamtenkabinett unter Ernst von Seidler, das den deutschen Parteien näherstand, die Tschechen aber durch eine sehr ausgedehnte Amnestie gewinnen wollte; so wurden die wegen Hochverrats verhafteten und verurteilten tschechischen Politiker Karl Kramar und Alois Rasin freigelassen. Derartige Maßnahmen hatten jedoch gegenüber der vom Ausland, aus den Zirkeln um Thomas G. Masaryk und Edvard Benes in Paris gespeisten Propaganda keinen wesentlichen Erfolg mehr. Eine wesentliche Verdüsterung der allgemeinen Stimmung wurde durch die seit 1916 schon sehr fühlbare Knappheit an Lebensmitteln bewirkt, die besonders die Städte und Industriereviere der westlichen Reichshälfte betraf. Die Bewirtschaftung der Lebensmittel mit Hilfe eines Kartensystems funktionierte nicht zufriedenstellend; einige agrarische Überschußgebiete, wie Galizien und die Bukowina, fielen immer wieder durch Kampfhandlungen aus. Der Mangel an Arbeitskräften, ungarischer Egoismus und bewußte Sabotage namentlich in slawischen Gebieten, das Fehlen jeglicher ins Gewicht fallender Einfuhren, steigerten die Notlage, der man auch durch minderwertige Ersatzstoffe — Maisbrot, Kriegskaffee, Dörrgemüse, Kriegsmarmelade, Saccharin — nicht abhelfen konnte. Eine nur begrenzte Entlastung brachte für die Großstädte der seit 1917 eifrig betriebene Kleingartenbau („Schrebergärten"), der oft mit Ziegen- und Hühnerhaltung verbunden war. Angesichts der Bedeutung der Versorgung der Alliierten mit Kriegsmaterial durch die Vereinigten Staaten, welche die Ententemächte, ihre Schuldner, nicht fallenlassen wollten und konnten, proklamierte Deutschland am 8. Jänner 1917 den uneingeschränkten U-Bootkrieg. Kaiser Karl und Außenminister Graf Ottokar Czernin sahen die Gefahr dieser Maßnahme

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und es entging ihnen auch nicht, daß man sich in Berlin über die Leistungsfähigkeit der Vereinigten Staaten gefährlichen Illusionen hingab — dennoch wurde schließlich auch in Österreich unter der Einwirkung militärischer Kreise die Zustimmung zu der bedrohlichen Intensivierung der deutschen Seekriegsführung gegeben. Tatsächlich erklärten dann die Vereinigten Staaten am 6. April 1917, wie erwartet, Deutschland den Krieg. Das zweite große Ereignis des Frühjahrs 1917 war die russische Märzrevolution. Zar Nikolaus II. wurde gestürzt. Er war zuletzt entschieden für einen Friedensschluß eingetreten. Das zaristische Regime wurde durch eine bündnistreue republikanisch-linksbürgerliche Regierung ersetzt, die den Krieg weiterführte, was ihr allerdings alle Sympathien in der durch die gewaltigen Blutverluste erregten Bevölkerung kostete und schließlich zur kommunistischen Oktoberrevolution führte. Im Jahre 1917 erlangte ein von Österreich ausgehender Friedensschritt Bedeutung, dessen Anfänge noch in das Vorjahr zurückreichten. Zwei Brüder von Kaiser Karls Gattin Zita, die Prinzen Xaver und Sixtus von BourbonParma, vermittelten einen österreichisch-französischen Kontakt. Die Verhandlungen scheiterten letzten Endes am Einsprudi Italiens, nachdem sidi Kaiser Karl in einem — wohl vom Prinzen Sixtus stilisierten — Schreiben bereit erklärt hatte, Rückforderungsansprüche Frankreichs auf ElsaßLothringen zu unterstützen. Im April 1918 sollte die Aufdeckung der Verhandlungen für die Doppelmonarchie höchst unangenehm werden, als der unvollständig informierte Außenminister Czernin behauptete, die Fühlungnahme mit Frankreich sei an der Ablehnung der französischen Forderungen auf die Reichslande gescheitert, die französische Regierung aber den Inhalt des Schreibens publizierte und Kaiser Karl es wider besseres Wissen verleugnen mußte. Im Jahre 1917 kam es noch zu verschiedenen anderen Friedensfühlern zwischen Österreich und Frankreich, das die Habsburgermonarchie vom deutschen Verbündeten trennen wollte. Daran scheiterten diese Verhandlungen ebenso wie ein österreichisch-britischer Kontakt, bei dem der südafrikanische Staatsmann General Smuts und der frühere österreichische Botschafter in London, Graf Mensdorff-Pouilly, als Verbindungsmänner fungierten. Die Lage an den österreichischen Fronten entwickelte sich im Jahre 1917 nicht so ungünstig. Die russische Armee war doch schon sehr geschwächt; ein Offensivstoß gegen die Österreicher in Galizien brachte zu Beginn des Monats Juli wohl nicht unerhebliche Anfangserfolge, dann aber mußten die Russen, vor allem unter starkem deutschen Druck, den Rüdczug antreten; besser schlugen sich die Rumänen im äußersten Süden der Ostfront. Am 7. November 1917 (25. Oktober alten Stiles) siegte in Rußland der Bolschewismus über die Kerenskiregierung. Die neuen Herren machten sofort ein Friedensangebot. Die in Brest-Litowsk seit Dezember 1917 geführten Friedensverhandlungen erwiesen sich als äußerst langwierig, da zwischen den

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Mittelmächten Meinungsverschiedenheiten herrschten und auf der anderen Seite sich die ukrainische Delegation von der russischen, die von Leo Trotzki geschickt geführt wurde, selbständig machte. Am 9. Februar 1918 wurde ein Sonderfriede mit der Ukraine geschlossen, von dem man sich eine Verbesserung der Lebensmittellage erwartete. Diese Hoffnung ging nur zum geringeren Teil in Erfüllung. Die Verhandlungen mit den Sowjets wurden von diesen unterbrochen; als dann die deutschen Truppen weiter vorrückten, lenkte die russische Regierung ein und unterzeichnete am 3. März 1918 den den Wünschen der deutschen Militärkreise angepaßten Friedensvertrag von Brest-Litowsk, der harte Bedingungen brachte und später mit Versailles verglichen werden konnte, wenn er auch das großrussische Siedlungsgebiet unangetastet ließ. Die Hauptverluste betrafen Finnland, die Ostseeprovinzen (Baltikum), Polen und die Ukraine. Die Grenzziehung zwischen Polen und der Ukraine, bei der man den Ukrainern das gemischtsprachige Cholmer-Land westlich des Bug zugestand, verärgerte die Polen. Seit dem Jahre 1916 bildete die „polnische Frage" eines der schwierigsten Probleme bei allen Planungen der Mittelmächte für Friedensschluß und Nachkriegsordnung, schon wegen der Polen im eigenen Land, die naturgemäß zu einem aus russich-polnischen Gebieten gebildeten Nationalstaat tendieren mußten. So suchte man das neu zu schaffende Polen in der einen oder anderen Form den Zentralmächten zu verbinden, wobei man zwischen einer „austropolnischen" und einer „deutschpolnischen" Lösung schwankte. Noch war hier keine endgültige Entscheidung getroffen, als am 5. November 1916 ein polnischer Staat proklamiert wurde. Die erwarteten Meldungen von Freiwilligen blieben aber aus; weit mehr Anklang hatte die Bildung polnischer Legionen zu Kriegsbeginn in Galizien gefunden. Nach der ukrainerfreundlichen Entscheidung über das Cholmer-Land und gleichzeitigen Abmachungen über die Zweiteilung Galiziens wandten sich die Polen von den Mittelmächten ab; die polnischen Legionen mußten aufgelöst werden. Fortan setzte das polnische Volk alle seine Hoffnungen auf die Versprechungen der Entente, die auch über einige polnische Truppenkörper verfügte. An der italienischen Front trat im Spätherbst 1917 eine unerwartete Wendung ein. Die zehnte und elfte Isonzoschlacht im Mai und August bis September 1917 hatten den Italienern wieder nur geringen Bodengewinn gebracht, die Reserven der österreichischen Isonzofront aber doch bis aufs Äußerste erschöpft; man konnte sich der Befürchtung nicht entziehen, daß ein weiterer italienischer Stoß eine Katastrophe bringen würde. So sollte ein eigener Angriff die Front entlasten. Die am 24. Oktober 1917 ausgelöste Offensive begann, ähnlich wie der Angriff von Gorlice, mit einem „Winkelstoß", der am oberen Isonzo, im Gebiet von Flitsch und Tolmein, mit Gasschießen und Minenwerferüberfall ausgelöst wurde. Der Erfolg war unerwartet groß, das ursprüngliche Maximalziel, die Tagliamentolinie, wurde

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überschritten, der Piave erreicht. Es gelang allerdings nicht, den italienischen Truppen am unteren Isonzo den Rückzug abzuschneiden. Immerhin wurden gegen 300.000 Gefangene eingebracht und am Piave eine neue, stark verkürzte Front geschaffen; die erbeuteten Vorräte machten die Armee eine Zeitlang vom Lebensmittelnachschub unabhängig. So war also zu Ende 1917 die militärische Lage für die Mittelmächte insgesamt wohl schon ziemlich ernst, aber doch noch nicht aussichtslos. Es gelang allerdings nicht, die zahlreichen Kriegsgefangenen in Sibirien wieder den Armeen der Mittelmächte zuzuführen, da der Widerstand weißrussischer Formationen und der inzwischen stark angewachsenen tschechischen Legionen in Sibirien dies verhinderte. Als Krisenzeichen im Inland konnte ein ausgedehnter Streik der Industriearbeiter im Jänner 1918 gelten. Anfang Februar kam es in Cattaro zu einer Meuterei auf einigen Kriegsschiffen, dabei traten teils radikalsozialistische, teils slawische, ententefreundliche Elemente in den Vordergrund. Damals glaubte die deutsche Heeresleitung noch an die Möglichkeit eines günstigen Waffenerfolges im Westen, bevor die Amerikaner auf der Gegenseite in Massen eingesetzt werden konnten. Die Märzoffensive an der Westfront, das Unternehmen „Michael", blieb aber nach großen Anfangserfolgen in Blut und Schlamm stecken. Es wäre wohl besser gewesen, unter Androhung einer Offensive Friedensfühler aufzunehmen. In den Junikämpfen an der Marne traten die Amerikaner bereits mit starken Kräften auf; den Deutschen blieb jeder Erfolg versagt. Ebenso scheiterte die österreichische Offensive in Welschtirol und am Piave unter schweren Verlusten. Als sich die Lage an der französischen Front weiter verschlechterte, wurden einige österreichische Divisionen nach Westen abbeordert. Im Hinterland wurde die Lage immer trostloser, der Hunger zermürbte die Widerstandskraft der Zivilbevölkerung noch früher als die der militärischen Organisation. Es kam zu einer dramatischen Zuspitzung, als der Chef des Ernährungsausschusses, General Ottokar Landwehr, am 30. April 1918 deutsche Getreideschlepper beschlagnahmte, um Wien zu versorgen, wo die Lebensmittelvorräte nahezu erschöpft waren. Im Mai 1918 wurde nach einer Unterredung der Kaiser Karl und Wilhelm im deutschen Hauptquartier zu Spa ein Abkommen zwecks enger wirtschaftlicher und politischer Zusammenarbeit geschlossen, die von dem Kreis um Friedrich Naumann propagierten Gedanken eines deutsch geführten „Mitteleuropa" fanden hier ihren Niederschlag; zweifellos aber hat der Vertrag von Spa auch die Stellung der extrem österreichfeindlichen Kreise im Lager der Entente, vor allem der tschechischen Emigration, wesentlich gestärkt. Man begann, auf die Losung „Detruisez ΓAutriche-Hongrie!" mehr als bisher zu hören. Zu Ende Juni 1918 wurde der tschechoslowakische Nationalrat in Paris von den Franzosen als Regierung eines verbündeten Staates anerkannt, die anderen alliierten Mächte schlossen sich diesem Schritt später an.

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In Österreich verlor die Regierung allmählich an Autorität, slawische Abgeordnete machten sich im Parlament ungestraft über den Staat lustig. Am 20. August 1918 demissionierte Seidler, es folgte ein Kabinett unter dem christlichsozialen Politiker Baron Max Hussarek-Heinlein. Etwa zu gleicher Zeit verschärften sich die Krisenerscheinungen an den militärischen Fronten; am 8. August, dem „schwarzen Tag", hatten die Engländer die deutsche Westfront eingedrückt; noch folgenschwerer wurde der Vorstoß der französischen Salonikiarmee im September. Die bulgarische Front brach zusammen und am 26. September 1918 bat Bulgarien um Waffenstillstand; österreichische und deutsche Verstärkungen konnten die Front nicht mehr herstellen; am 18. Oktober ersuchten auch die Türken um Waffenruhe. Das innere Gefüge der Habsburgermonarchie begann sich aufzulösen. Zwar waren die vom Gegner erwarteten Aufstände der „unterdrückten Völker" ausgeblieben, aber allmählich machten sich eben doch die Folgen der Kriegsverluste, des Hungers und der Feindpropaganda bemerkbar. Die 14 Punkte Präsident Wilsons besaßen große werbende Wirkung; der zehnte von ihnen hatte freilich nur „autonome Entwicklung der Völker ÖsterreichUngarns" vorgesehen, aber die Ereignisse schritten weiter fort. Am 4. Oktober 1918 unterstützten die deutschen bürgerlichen Parteien eine von Viktor Adler eingebrachte Resolution, die das Recht aller Nationen der Habsburgermonarchie auf Selbstbestimmung unterstrich — dieses Recht allerdings auch für die Deutschösterreicher verlangte. In gewissermaßen allerletzter Stunde, am 17. Oktober 1918, erließ Kaiser Karl ein Manifest, das die Aufgliederung Zisleithaniens in Nationalstaaten verkündete, aber infolge des heftigen Widerstandes des ungarischen Ministerpräsidenten Wekerle, Ungarn von diesem Staatsreformprogramm, das auf jeden Fall zu spät kam, ausnehmen mußte. Inzwischen hatten die Polen schon den Zusammenschluß aller ihrer Gebiete zu einem Nationalstaat proklamiert, die Südslawen, denen der ungarische Starrsinn alle Konzessionen verweigerte, sich Serbien genähert; der formelle Anschluß wurde freilich erst am 1. Dezember 1918 vollzogen. Am 28. Oktober kam es zum Umsturz in Prag, der tschechische Nationalrat ergriff die Macht, am 30. Oktober wurde die Konstitution einer Nationalversammlung verkündet, der sich auch die Slowaken anschließen sollten. In Ungarn erfolgte die Entscheidung für die Trennung von Österreich, als Kaiser Karl den Grafen Michael Karolyi, der sich den Sozialdemokraten angeschlossen hatte, mit der Regierungsbildung betraute. Stephan Tisza, der Repräsentant des alten Ungarn, fiel einem Mordanschlag zum Opfer. Noch kämpfte die k. u. k. Armee an der italienischen Front. Als am 24. Oktober 1918 die italienische Offensive einsetzte, errang man im Grappagebiet in den Kämpfen um den Monte Asolone und Monte Pertica noch einen letzten Abwehrerfolg, dann aber wurden die ungarischen Truppen von ihrer Regierung abberufen, und als britische Einheiten im Verbände der italienischen Armee den Piave forcierten, verweigerten viele nichtdeutsche Truppen-

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körper den Gehorsam und die Front begann sich aufzulösen. Am 3. N o vember nachmittags wurde der Waffenstillstand unter Annahme der drückenden Bedingungen der Entente abgeschlossen. Die Waffenstillstandsbedingungen enthielten vor allem das Verlangen nach Räumung Südtirols bis zum Brenner, des Kanaltales mit Tarvis, des Karstgebietes, Istriens und Norddalmatiens, darüber hinaus Bewegungsfreiheit für die alliierten Truppen im ganzen Staatsgebiet nach strategischen und politischen Erfordernissen, den Abzug der deutschen Truppen und die Demobilisierung der österreichischungarischen Armee. Man vermochte auf österreichischer Seite nicht mehr, den Truppen bekanntzugeben, daß der Waffenstillstand erst am nächsten Tag, um 15 Uhr, in Kraft treten sollte, es kam zur sofortigen Einstellung der Feindseligkeiten, und so fielen über 300.000 Mann, vor allem an der Tiroler Front, in Unkenntnis der Situation kampflos in italienische Gefangenschaft. Diese Ereignisse wurden und werden in Italien als der große, kriegsentscheidende Sieg von Vittorio-Veneto gefeiert. Die Reste der österreichischen Armeen und Heeresteile kehrten, meist mittels Bahntransport, in die Heimat zurück. Hier war auch in den letzten Oktobertagen die Entwicklung nicht stehengeblieben. Am 21. Oktober 1918 waren im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landhauses die Vertreter der Bevölkerung des deutschen Sprachgebietes der Monarchie, nämlich ihre bei den letzten Wahlen 1911 gewählten Reichsratsabgeordneten, zusammengetreten und hatten sich unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht als „provisorische Nationalversammlung des selbständigen deutschösterreichischen Staates" konstituiert. Die Regierung Hussarek demissionierte, an ihre Stelle trat am 22. Oktober das noch als Vertretung ganz Zisleithaniens gedachte Kabinett unter dem Christlichsozialen Heinrich Lammasch, von dessen Prestige als international anerkannten Lehrers des Völkerrechtes man sich einiges erhoffte. Als letzter k. u. k. Außenminister wurde Graf Julius Andrässy ernannt, der im Einverständnis mit Kaiser Karl die Trennung des deutschen Bündnisses vollzog — ein Schritt, dem kaum mehr praktische Bedeutung zukam — und am 27. Oktober in einer N o t e an Präsident Wilson sich für einen Separatfrieden nach den Bedingungen der Entente aussprach. Bei den deutschösterreichischen Abgeordneten aller Parteien stieß dieses Vorgehen auf schärfste Mißbilligung. Die ersten Novembertage brachten die Entscheidung über die Staatsform. Kaiser K a r l verzichtete nicht auf den Thron, und er blieb auch — anders als Kaiser Wilhelm, der nach Holland flüchtete — vorerst im Lande. Immerhin gab er am 11. November eine Erklärung ab, auf Teilnahme an den Staatsgeschäften zu verzichten und jede Entscheidung über die Staatsform anzuerkennen. Am nächsten Tag, dem 12. November 1918, proklamierte die provisorische Nationalversammlung einmütig die Republik Deutschösterreich. Die Geschichte des Habsburgerreiches an der Donau war zu Ende gegangen . . .

Χ. 70 J A H R E V O N D E R ERSTEN Z U R Z W E I T E N REPUBLIK (1918 — 1988)

Die Anfänge der Republik Friedensvertrag, Grenzfragen und Anschlußproblem Die junge Republik Deutschösterreich stand von Anfang an im Zeichen drückender politischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten, die sich im Jahre 1919 eher verschärften als verringerten. Die Ausübung der Regierungsgewalt oblag nach dem 12. November 1918 einem Staatsrat, der sich aus Mitgliedern der Nationalversammlung zusammensetzte und mit der tatsächlichen Führung der Geschäfte Staatssekretäre betraute. Die Länder gaben Beitrittserklärungen ab. Am 16. Februar 1919 fanden Wahlen statt, auf Grund derer 72 Sozialdemokraten, 69 Christlichsoziale, 26 Deutschnationale sowie drei Angehörige von Splittergruppen Sitze erhielten. In den feindbesetzten Gebieten, deren Bevölkerung sich zu Deutschösterreich bekannte, insbesondere in Teilen Kärntens, der Steiermark und in Südtirol, dann in den deutschsprachigen Gebieten Böhmens, Mährens und Schlesiens konnte nicht gewählt werden. Als sich am 4. März 1919 die Wiener Nationalversammlung konstituierte und die Sudetendeutschen für ihr Selbstbestimmungsrecht demonstrierten, schoß tschechisches Militär in Kaaden und anderen Orten in die Menge, es gab viele Tote und Verwundete; am 27. Jänner 1919 hatten slowenische Soldaten im südsteirischen Marburg schon ein Beispiel gegeben („Marburger Bluttag"). Während die Nationalversammlung durch ernannte Vertreter für die besetzten alpenländischen Bezirke ergänzt wurde, sah man für die Sudetenländer von dieser Maßnahme ab. Am 15. März wählte die Versammlung eine sozialdemokratischchristlichsoziale Koalitionsregierung unter Karl Renner als Staatskanzler, mit Otto Bauer als Staatssekretär für Äußeres und Julius Deutsch als Staatssekretär für Heerwesen. Der Vorarlberger Christlichsoziale Jodok Fink wurde Vizekanzler. Die Regierung war allerdings, da außerdem noch Arbeiter- und Soldatenräte fungierten, kaum H e r r im eigenen Hause. Das neuaufgestellte republikanische Heer, die Volkswehr, besaß vorderhand noch wenig Disziplin; die der Volkswehr eingegliederte „Rote Garde" hörte auf die neugegründete, zahlenmäßig gewiß unbedeutende, aber aktive kommunistische Partei. Als nun im März 1919 in Ungarn und im April des gleichen Jahres in Bayern Rätediktaturen errichtet wurden, schien eine derartige Wendung auch in Österreich möglich. Schon am 12. November 1918 war es zu einer Schießerei der Roten Garde vor dem Parlament gekommen,

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ernster waren putschartige Aktionen gegen die Volksvertretung und die Polizei am 17. April und am 15. Juni 1919, die Tote forderten; im Februar hatte es Ausschreitungen in Graz gegeben. Alle diese Vorstöße scheiterten, eine Räterepublik blieb Österreich erspart, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Herrschaften in Ungarn und Bayern w a r Österreich in dieser Hinsicht gesichert. Ansonsten aber gestaltete sich die Entwicklung düster genug, insbesondere, was die Staatsgrenzen betraf. Im M a i 1919 ging die deutschösterreichische Friedensdelegation nach St. Germain-en-Laye (bei Paris) ab, wo sie in einer Art Internierung gehalten wurde. Zu den Verhandlungen wurde sie nicht herangezogen, sondern konnte nur schriftliche Vorschläge unterbreiten, von denen es ganz unsicher war, ob sie überhaupt studiert würden. Der Pessimismus, mit dem Staatskanzler Renner als Delegationsleiter der Friedenskonferenz entgegengesehen hatte, erwies sich als voll gerechtfertigt. Einige Hoffnungen setzte man auf das internationale Ansehen einiger Mitglieder der deutschösterreichischen Delegation; Franz Klein und Heinrich Lammasch waren schließlich international anerkannte Juristen und Rudolf Slatin-Pascha genoß seit seiner Tätigkeit im Sudan die Hochschätzung englischer Kreise. Einen vollkommenen Mißerfolg gab es in der sudetendeutschen Frage. Die Tschechen hatten sich bereits in den Besitz der deutschen Gebiete der Sudetenländer gesetzt, nur örtlich w a r geringer Widerstand geleistet worden, die sächsische und die preußische Regierung hatten eine gewiß mögliche militärische H i l f e für Deutschböhmen und das nordmährisch-schlesische Gebiet verweigert. Südböhmen ging nicht zuletzt wegen des mangelnden Interesses Oberösterreichs verloren; in Südmähren hielt man sich etwas länger, doch fehlte es auch hier den zuständigen Stellen an Initiative und von Wien kam zuwenig Unterstützung. Die tschechischen Forderungen nach den — sehr verschieden alten —• „historischen Grenzen" waren mehr als anfechtbar, da man ja auch die innerhalb der historischen Grenzen Ungarns gelegenen slowakischen Gebiete verlangte. Im übrigen führte man audi im Westen Grenzänderungen durch — allerdings nur zu Ungunsten Deutschlands und Österreichs. Während man also mehr als drei Millionen Sudetendeutschen die Selbstbestimmung verweigerte, schloß man die Bewohner des Hultschiner Ländchens in Preußisch-Schlesien — ganz gegen ihren Willen — wegen ihrer slawischen Sprache der Tschechoslowakei an und nahm auch Niederösterreich Grenzgebiete weg, teils aus Rücksicht auf Verkehrsverbindungen, wie in der Umgebung von Gmünd (die Stadt blieb schließlich doch bei Österreich) und im Falle von Feldsberg, teils aus „nationalen Motiven" wegen der tschechischen und slowakischen Bevölkerungsteile von Rottenschachen und Themenau. Audi im March-Thaya-Dreieck kam es zu einer Grenzkorrektur. Hunderttausende Südmährer und Südböhmen deutscher Sprachzugehörigkeit wurden dagegen ungeachtet ihrer Nationalität der Tschechoslowakei überantwortet. Die Grenzziehung w a r also ein Produkt der W i l l k ü r der Sieger;

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nur die exzessivsten tschechischen Forderungen, wie der Korridor durch das Burgenland zur Trennung Österreichs und Ungarns — davon soll noch die Rede sein — sowie das Verlangen nach Abtretung eines Teiles des Weinviertels blieben unerfüllt. Die Begründung der tschechischen Ansprüche, denen die Friedenskonferenz also zumeist zustimmte, in drei Memoires, deren Text später bekannt wurde, w a r völlig unzulänglich; diese Denkschriften enthielten zahlreiche Unrichtigkeiten und peinliche Entstellungen. Zur schönen Devise „Die Wahrheit siegt!" des tschechoslowakischen W a p pens, aber auch zur westeuropäischen M a s a r y k - und Beneslegende paßten diese Machinationen nur schlecht, aber es ist nicht zu leugnen, daß sie weitestgehenden Erfolg hatten. Entscheidend war, daß den tschechoslowakischen Ansprüchen im allgemeinen nicht die Interessen anderer Siegerstaaten entgegenstanden; um die österreichischen Argumente kümmerte man sich kaum. Völlig erfolglos w a r die österreichische Delegation auch bei der Regelung der Grenzziehung gegen Italien: Südtirol ging verloren. Die maßgeblichen Tiroler Politiker operierten nicht sehr glücklich; man erhoffte sich aus einer Betonung der Selbständigkeit des Landes die Erhaltung des bedrohten Südens, das legte man in alliierten Kreisen so aus, daß die Tiroler gleichermaßen gegen Österreich wie gegen Italien seien. Die Alliierten hatten dem Apenninenkönigreich im Londoner Vertrag (1915) Südtirol versprochen, indessen mußte Italien sehr erheblichen Abweichungen von den Londoner Vereinbarungen bei der Ziehung der Grenze gegen Jugoslawien zustimmen, auch die italienischen Kolonialwünsche gingen nicht in Erfüllung. Anders kam es im Falle Südtirols. Präsident Wilson, auf den man in Österreich große Hoffnungen gesetzt hatte, überließ sehr rasch den Italienern ganz Deutschsüdtirol, obwohl der neunte seiner 14 Punkte „Neuziehung der Grenzen Italiens entlang-klar erkennbarer Linien der Nationalität" vorgesehen hatte. Die Richtlinien für die amerikanische Friedensdelegation, die bereits von diesem Grundsatz abgingen, billigten wenigstens die Aufrechterhaltung einer direkten Verbindung zwischen Ost- und Nordtirol über das Pustertal und den Brenner auf österreichischem Staatsgebiet zu. Wohl weniger mangelhafte Sachkenntnis, wie später zur Entschuldigung Wilsons angeführt wurde, sondern der Gedanke, Italien für anderweitige Enttäuschungen in Südtirol schadlos zu halten, ferner Rücksicht auf die Stimmung der Italoamerikaner, dürften den Präsidenten zur Opferung seiner eigenen feierlich proklamierten These bewogen haben. Die englischen Diplomaten und Publizisten hatten für Italiens Annexionswünsche wenig übrig, allein England hatte — anders als die Vereinigten Staaten — den Londoner Vertrag unterzeichnet und so stimmte man, nicht ohne unverbindliche Worte des Bedauerns, der Preisgabe Südtirols zu. Auch die Franzosen wußten, daß die italienischen Forderungen unberechtigt waren, aber angesichts der Gegensätze, die sonst Frankreich und Italien trennten, die ja einst zum Abschluß des Dreibundvertrages geführt hatten, die jetzt durch die Reibungen zwischen

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Italien und Frankreichs jugoslawische Verbündeten am Ostufer der Adria noch vermehrt wurden, schien es zweckmäßig, durch Erfüllung der italienischen Wünsche auf Südtirol auch zwischen Italien einerseits, Österreich und Deutschland andererseits, ein neues Streitobjekt zu schaffen. Das italienische Hauptargument der „natürlichen Grenze" an der Wasserscheide war an sich belanglos, da das Wasserscheidenprinzip kaum an einer anderen europäischen Grenze berücksichtigt wurde und man im übrigen schließlich auch jenseits der Wasserscheide noch die Osttiroler Gemeinden Sexten, Innichen und Vierschach an Italien gab. Gerade in Südtirol bot sich wegen der weitgehenden Ubereinstimmung der Sprachgrenze mit klaren, geographischen Grenzlinien vom Ortler über die Salurner Klause zu den Dolomiten, die Möglichkeit, eine gerechte und einfache Lösung der politischen Grenzziehung zu finden; die 11.000 Ladiner, die nebst 2 2 0 . 0 0 0 Deutschsüdtirolern bei Österreich geblieben wären, betrachteten sich ohnedies als Tiroler und Österreicher. Diese Grenzziehung wäre auch von strategischen Gesichtspunkten aus für Italien keineswegs ungünstig gewesen; es waren eben keine echten militärischen, sondern nationalistische Motive — überdeutlich erkennbar in den Reden und Schriften des führenden und fanatischen italienischen Annexionspolitikers Ettore Tolomei — denen das Verlangen nach der Brennergrenze entsprang. Italien gewann wenig, einen Grenzstreifen, von dessen alteingesessenen Bewohnern man durch gegenseitige Antipathien getrennt blieb, Österreich verlor seine schönste Landschaft und Tirol wurde zerrissen; selbst die bei Österreich verbliebenen Teile, Ost- und Nordtirol, hingen nicht mehr untereinander zusammen. An Italien fiel auch das Kärntner Kanaltal; dabei ging man bei Tarvis und Goggau zuungunsten Österreichs wieder über die Wasserscheide hinweg. Erfolgreicher war Österreich bei Verteidigung seiner Ansprüche gegen Jugoslawien — allerdings nur im Kärntner Grenzabschnitt. Nach Kriegsende hatten slowenische Einheiten einige südliche Grenzgebiete Kärntens besetzt. D a diese Besetzung immer weiter ausgedehnt wurde, beschloß man am 5. Dezember 1918 in Klagenfurt trotz des Abratens der Wiener Regierung, Widerstand zu leisten. Bei der Organisierung der Abwehr zeichneten sich besonders Oberstleutnant Ludwig Hülgerth als Landesbefehlshaber und Oberleutnant Hans Steinacher als Truppenführer und Propagator aus. Im Jänner 1919 kam es zu erfolgreichen Waffenstillstandsverhandlungen; eine amerikanische Studienkommission unter Oberstleutnant Sherman Miles bereiste das strittige Gebiet und gab einen für Österreich günstigen Lagebericht. Am 29. April 1919 brachen die Südslawen den Waffenstillstand und griffen an; sie wurden vorerst weit zurückgeworfen, erst das Eingreifen regulärer serbischer Truppen brachte einen Umschwung. Klagenfurt wurde von den Jugoslawen besetzt, mußte aber auf Einschreiten der Ententemächte wieder geräumt werden. Im Friedensvertrag wurde eine Abstimmung in zwei Zonen vorgesehen. In der südlichen Zone A, die knapp vor der Abstimmung, die

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erst am 10. Oktober 1920 stattfand, von den jugoslawischen Truppen geräumt wurde, entschieden sich 59 Prozent der Abstimmenden für Österreich, obwohl in der Volkszählung von 1 9 1 0 70 Prozent der Bevölkerung dieses Gebietes Slowenisch als Umgangssprache angegeben hatten. Sprachliches und politisches Bekenntnis waren hier eben nicht identisch. Infolge des für Österreich günstigen Ausganges der in einwandfreier Form durchgeführten Abstimmung der Zone Α unterblieb das Plebiszit in der nördlichen kleineren Zone Β (Klagenfurt und Umgebung), wo im übrigen der Ausgang von vornherein nicht zweifelhaft gewesen wäre. T r o t z des erfolgreichen Ergebnisses der Volksabstimmung mußte auch Kärnten drei kleinere Gebietsverluste hinnehmen. Das Kanaltal kam, wie schon erwähnt, an Italien, das Mießtal mit Unterdrauburg ohne Abstimmung an Jugoslawien, und auf die Gemeinde Oberseeland südlich der K a r a w a n k e n hatte man von vornherein verzichtet. Für Österreich ungünstig waren die Beschlüsse der Friedenskonferenz über den steirischen Grenzabschnitt. Die Slowenen hatten hier unter Führung eines südslawisch orientierten Offiziers, des Generals Maister, ein fait accompli geschaffen, die Stadt Marburg, den deutschen Vorort der Südsteiermark, gewaltsam besetzt und sie waren auch stellenweise in rein deutschsprachige Gebiete, wie das Abstaller Becken südlich der Mur, eingedrungen. Eine Zeitlang bestand Aussicht auf eine Volksabstimmung im Marburger Gebiet, da Italien, das gerne Grenzprobleme — natürlich mit Ausnahme der eigenen Grenzen — durch Plebiszite geregelt haben wollte, dafür eintrat; schließlich setzte sich aber der ablehnende Standpunkt Frankreichs durch. Von dem umstrittenen Gebiet verblieb nur die Stadt Radkersburg bei Österreich. N u r in der Umgebung dieser Stadt hatte es auf steirischem Boden bewaffneten Widerstand gegen die militärischen Aktionen der Jugoslawen gegeben und dieser Umstand mag für die Entscheidung der Friedenskonferenz nicht belanglos gewesen sein. Ansonsten hatte die von der Ostgrenze durch die ungarische Räterepublik drohende Gefahr den Widerstandswillen der Steiermark gegenüber Jugoslawien gelähmt. M i t einem Kompromiß endete die Regelung der burgenländischen Frage. In den vier westungarischen Komitaten Preßburg, Wieselburg, ö d e n burg und Eisenburg (von denen die Bezeichnung „Burgenland" abgeleitet wurde) gab es einen starken deutschsprachigen Bevölkerungsteil. Das Preßburger Komitat wurde allerdings zur Gänze der Tschechoslowakei zugesprochen, die auch einen Brückenkopf südlich der Donau erhielt — das war der zugestandene Rest des Planes eines slawischen Korridors zur Adria. Unter den deutschen Heidebauern und „Heinzen" des Burgenlandes war es nach dem Zusammenbruch der Monarchie zu einer Bewegung zugunsten des Anschlusses an Österreich gekommen; in Mattersburg wurde am 7. Dezember 1918 eine „Republik Heinzenland" ausgerufen, doch unterdrückte ungarisches Militär diese Bewegung. Die österreichische Friedensdelegation vertrat die Ansprüche auf das deutschsprachige, von einigen kroatischen Sprachinseln

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durchsetzte Gebiet mit Nachdruck, und in die Friedensverträge von St. Germain und Trianon wurden schließlich Bestimmungen über den Anschluß von Teilen Deutschwestungarns an Österreich aufgenommen. I m Norden beließ die neue Grenzziehung freilich einen erheblichen Teil des Heidebodens bei Ungarn; die Bahnlinie Preßburg—Agram sollte über ungarisches Gebiet verlaufen. Überdies wurde die Durchführung der Abtretung des Burgenlandes an Österreich bis zur Ratifizierung des ungarischen Friedensvertrages verschoben, und diese ließ auf sich warten. Nach dem Zusammenbruch der Räterepublik versuchte Ungarn eine Änderung der Vertragsbestimmungen hinsichtlich der Grenze mit Österreich durchzusetzen. Es schien aussichtslos, von der Entente die Freigabe auch nur eines Teiles der 1,500.000 Magyaren die Rumänien, der 800.000 die der Tschechoslowakei, der 500.000 die Jugoslawien zugesprochen waren, zu erreichen — aber gegenüber Österreich fühlte man sich stärker, obwohl die Magyaren im Burgenland nur einen winzigen Bruchteil der Bevölkerung stellten. Eine gewisse Bedeutung hatte wohl auch die Haltung einiger Wiener bürgerlicher Politiker und Publizisten, die für die ungarische Rechtsregierung große Sympathien besaßen und, wie es schien, bereit waren, allenfalls österreichische Ansprüche auf das Burgenland zu opfern. Als schließlich Ende August 1921 österreichische Gendarmerie ins Burgenland einrücken sollte — die Mitwirkung des Bundesheeres war von der Entente untersagt worden — leisteten magyarische Freischärler, aber auch reguläre Einheiten unter Führung der prominenten Gegenrevolutionäre Hejjas, Pronay und Osztenburg heftigen Widerstand. Unter italienischem Einfluß kam es zu einer Abänderung der Bestimmungen des Friedensvertrages; in ö d e n b u r g und Umgebung sollte eine Volksabstimmung entscheiden, deren Durchführung jedoch in der H a n d der lokalen ungarischen Behörden lag und von dem magyarophilen italienischen General Carlo Antonio Ferrario überwacht wurde. Die Situation gestaltete sich so, daß Österreich seine Vertreter aus der Abstimmungskommission zurückzog. Die Abstimmung, deren Termin am 12.Dezember für den H . D e z e m b e r 1921 festgesetzt wurde, brachte den erwarteten Erfolg für Ungarn (64 Prozent), die Landgemeinden hatten mehrheitlich für Österreich gestimmt, doch entschied das starke Ubergewicht der Stimmenabgabe für Ungarn in der Stadt ö d e n b u r g gegen Österreich. So unerfreulich die Vorgänge waren, die dem Plebiszit vorangingen und es begleiteten, so braucht man nicht zu bestreiten, daß es unter der älteren Generation der Burgenländer Sympathien für Ungarn gab. Sehr tief saßen diese Gefühle, wie die spätere Entwicklung zeigte, freilich nicht; man konnte nicht ernsthaft versuchen, im Burgenland eine ungarnfreundliche („magyaronische") Partei ins Leben zu rufen. Die Bevölkerung, deren politisches Selbstbewußtsein rasch stieg, wählte stets Vertreter der im ganzen Staatsgebiet kandidierenden österreichischen Parteien. Im übrigen erwies es sich als eine politisch richtige Entscheidung, die burgenländischen Gebiete, die im November 1921 endgültig besetzt worden 32

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waren, nicht an Niederösterreich und die Steiermark anzuschließen, sondern als eigenes Bundesland zu konstituieren, zu dessen Hauptstadt in einer Abstimmung der burgenländischen Bürgermeister Eisenstadt gewählt wurde. Ein Kapitel für sich bildete im Komplex der österreichischen Territorialfragen das Vorarlberger Problem. Vorarlberg vollzog zunächst die Lösung von der Innsbrucker Statthalterei, deren Befugnisse sich in der Monarchie nicht nur auf Tirol, sondern auch auf das Land westlich des Arlbergs erstreckt hatten. Am 3. November 1918 erklärte dann die vorarlbergische Landesversammlung ihren provisorischen Beitritt zum Staat Deutschösterreich, doch wurde von verschiedenen Stellen des Landes eine ziemlich rege Initiative für den Anschluß an die Schweiz entfaltet, namentlich im Frühjahr 1919, als die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Österreich höchst unsicher waren und die Umfassung durch die bayerische und die ungarische Räterepublik bedrohlich schien. Am 11. Mai 1919 wurden in einer inoffiziellen Volksbefragung 80 Prozent Stimmen für den Anschluß an die Schweiz abgegeben. Wenn auch die Beteiligung an diesem Plebiszit nicht sehr stark war, kann man nicht bezweifeln, daß zu diesem Zeitpunkt die Stimmung der Mehrheit der Vorarlberger dem Anschluß an die Schweiz günstig war, mit deren alamannischer Bevölkerung man sich verwandt fühlte und deren solide Wirtschaft und ausgeprägt föderalistische Verfassung anziehend wirkten. In St. Germain wurde jedoch die Vorarlberger Frage nicht behandelt; in der Schweiz war das Interesse begrenzt, man fürchtete verschiedentlich die Verschiebung in der nationalen und noch mehr in der sehr ausbalancierten konfessionellen Struktur der Eidgenossenschaft. In Ententekreisen, namentlich in Frankreich, herrschte Besorgnis, der Anschluß Vorarlbergs an die Schweiz müßte notwendigerweise den Anschluß der anderen österreichischen Alpenländer an Deutschland zur Folge haben. Mit der Konsolidierung der österreichischen Verhältnisse und der Bildung bürgerlicher Regierungen in Wien schlief die Vorarlberger Sezessionsbewegung bald ein; Landeshauptmann Otto Ender, einer ihrer Protektoren, wurde 1930 sogar österreichischer Bundeskanzler. Das kleine unabhängige Fürstentum Liechtenstein, das 1852 bis 1919 durch Zollunion mit Österreich verbunden war, orientierte sich nach dem Zusammenbruch der Monarchie jedoch nach Westen und schloß 1923 ein Zollbündnis mit der Schweiz. Mehr noch als die Grenzprobleme wurde in der öffentlichen Meinung Österreichs in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg die „Anschlußfrage" diskutiert, die Bestrebungen einer Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich. Gleichzeitig mit der Erklärung der Republik war am 12. November 1918 — und zwar einstimmig — von der deutschösterreichischen Nationalversammlung der Anschluß an Deutschland verkündet worden. Die Ententemächte bezogen zu dieser Frage zunächst keine gemeinsame Stellung; entschieden war nur Frankreich dagegen, Amerika, England und Italien schwankten, schließlich setzte sich im April 1919 doch der französische Stand-

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punkt durch. Auf der Friedenskonferenz wurde die Anschlußfrage nicht mehr ernstlich diskutiert, auch von der österreichischen Delegation nicht besonders betont; man hoffte, dafür auf anderen Gebieten Zugeständnisse zu erlangen. Ein ausdrückliches Anschlußverbot war in den ursprünglich der österreichischen Delegation vorgelegten Bedingungen nicht enthalten; audi der endgültige Artikel 88 des Friedensvertrages bediente sich einer merkwürdig umschreibenden Formulierung „Die Unabhängigkeit Österreichs ist unabänderlich, es sei denn, daß der R a t des Völkerbundes (für dessen Beschlüsse Einstimmigkeit erforderlich war) einer Abänderung zustimmt"; offensichtlich wollte man sich mit Rücksicht auf das ja von den Alliierten proklamierte Selbstbestimmungsrecht keiner eindeutigen Verbotsform bedienen. Es bedarf kaum des Hinweises, daß der Friedensvertrag die Verwirklichung des Anschlusses zwar verhinderte, den Anschlußgedanken aber nicht auslöschen konnte, ihn vielmehr anfachte. I m J a h r e 1921 wurden zwei demonstrative Abstimmungen für den Anschluß — mit der Einschränkung, daß es sich nur um eine Erkundung der Volksmeinung handle — abgehalten, sie ergaben in Tirol und Salzburg überwältigende Mehrheiten für den A n schluß. Unter dem Druck der Entente und angesichts der schweren Gefahren, die dem Staate und vor allem den Grenzgebieten, Kärnten und dem de facto noch nicht mit Österreich vereinigten Burgenland drohten, sah man von weiteren Länderplebisziten ab. Seither beschränkte sich die Anschlußbewegung vorwiegend auf kulturpolitische Diskussionen. Heute ist das Anschlußproblem nicht mehr aktuell, die Bevölkerung Österreichs bekennt sich zur Unabhängigkeit ihres Staates; viele Schwierigkeiten der Durchführung des Anschlusses, wie etwa der Einordnung des Bundesstaates Österreich in den deutschen Bundesstaat, die entweder einen Verzicht auf die staatliche Einheit Österreichs oder aber auf die Rechte der österreichischen Länder zur Voraussetzung gehabt hätte, hat man kaum bedacht. Zur Erklärung der Intensität der Anschlußbewegung zu Ende des ersten Weltkrieges kann festgestellt werden, daß die Abneigung gegen die reichlich willkürliche Politik der Siegermächte das Gefühl der Solidarität mit dem gleichfalls hart behandelten Deutschland, mit dem man den Krieg durchgekämpft hatte, notwendigerweise noch steigern mußte. Dazu kam, daß die Entente nicht nur den staatlichen Zusammenschluß der Polen, sondern auch der Tschechen, Slowaken und Karpathoukrainer, dann der Serben, Kroaten und Slowenen, von Völkern und Volksgruppen, die einander nicht restlos zugeneigt waren, bewußt förderte, weil diese Unionen den politischen Zielen der Alliierten günstig schienen, während man gegen den Anschluß Österreichs an Deutschland offensichtlich vor allem deshalb war, weil er eben diesen Zielen widersprach. Man fürchtete etwa für den Bestand der Tschechoslowakei; Sympathien für Österreich spielten keine wesentliche Rolle, von ihnen war ja auch bei der Formulierung der Hauptpunkte des Friedensvertrages von St. Germain nur wenig zu spüren gewesen. 32*

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Vielfach wird zugunsten der Anschlußbewegung der zwanziger Jahre ins Treffen geführt — Karl Renner hat diese Ansicht noch nach dem zweiten Weltkrieg vertreten —, daß die Realisierung des Anschlusses als politischer Erfolg gewertet worden wäre und daher zur Festigung der Demokratie in Österreich und Deutschland beigetragen hätte. Diese Argumentation hat einiges für sich, wenn sich auch natürlich nicht unter Beweis stellen läßt, daß der Anschluß tatsächlich den Sieg des Nationalsozialismus in Deutschland und damit audi den Ausbruch des zweiten Weltkrieges mit allen seinen furchtbaren Konsequenzen verhindert hätte. Jedenfalls aber darf man die ehrliche und demokratische Anschlußbewegung nach dem Zusammenbruch der Monarchie nicht mit der späteren Anschlußpropaganda und Expansionspolitik des Nationalsozialismus auf eine Stufe stellen, sonst verbaut man sich die Einsicht in das eine wie in das andere Phänomen. Die Bestimmungen des Friedensvertrages von St. Germain, die am 10. September 1919 von der deutschösterreichischen Nationalversammlung angenommen werden mußten, sahen im übrigen noch eine Begrenzung der Wehrmacht auf eine kleine, aber kostspielige Söldnerarmee von 30.000 Mann vor — diese Stärke wurde tatsächlich niemals erreicht —, die Bewaffnung wurde beschränkt. Dazu kamen Artikel über die Liquidierung des in feindlichen Staaten befindlichen Vermögens, praktisch gegenstandslose Forderungen auf Auslieferung der Handelsflotte und des Verzichtes auf Unterseeund Telegraphenkabel, ein drückendes Pfandrecht der Alliierten auf alle Staatseinnahmen; schließlich mutete man dem hungernden Österreich sogar noch die Ablieferung von Lebendvieh zu. Auf die Durchführung dieser Bestimmung mußte dann freilich ebenso wie auf sonstige Reparationen verzichtet werden. Die schwierige, zeitweilig geradezu verzweifelte Versorgungslage wurde aber mehrfach zum Objekt politischer Pressionsversuche von tschechischer, italienischer, während der Burgenlandkrise sogar von ungarischer Seite. Immer wieder wurde mit der Sperre von Lebensmittelzufuhren gedroht, oder aber eine Erhöhung der Lieferung an eine gefügige politische Haltung geknüpft. In starkem Gegensatz zu diesen Manövern standen die selbstlosen und spontanen Hilfsaktionen der Nordamerikaner und neutraler Staaten, wie der Schweiz, der Niederlande und der skandinavischen Länder, welche die Großstadtbevölkerung Wiens vor dem Hungertod retteten. Auf Grund des Friedensvertrages wurde auch der Staatsname geändert; statt „Republik Deutschösterreich" hieß es seither „Republik Österreich". Alliierterseits wollte man nicht nur jede Verwandtschaft mit Deutschland im Staatsnamen vermieden haben, sondern vor allem die Kontinuität der kleinen Republik Österreich gegenüber der Westhälfte der Monarchie betonen, um auch die Republik und ihre Bewohner mit der Verantwortlichkeit für den Weltkrieg belasten und entsprechende Folgerungen für den Friedensvertrag ziehen zu können. An sich war die These der Diskontinuität —

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wenigstens völkerrechtlich gesehen — wohl eher richtig; man hat bald ganz allgemein, auch außerhalb Österreichs, die Ansicht vertreten, daß die Monarchie sich in mehrere neue Staaten aufgelöst habe, zu denen eben audi die österreichische Republik gehörte. Im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag kam es in den nächsten Jahren zu Verhandlungen über die österreichischen Archivbestände; die neuen Grenzen machten eine entsprechende Regelung notwendig. Es war für Österreich günstig, daß sie nach dem im Archivwesen auch sonst maßgeblichen „Provenienz-" und nicht nach dem „Betreffprinzip" durchgeführt wurde, damit verhinderte man eine völlige Verwüstung der Archive. Heftige Auseinandersetzungen betrafen den österreichischen Kunstbesitz, insbesondere die großen Wiener Sammlungen, audi in diesem Falle konnte man sich infolge der Fairneß der maßgeblichen französisch-englisch-amerikanischen Juristenkommission ganz gut behaupten. Italien hatte noch vor dem Friedensvertrag eigenmächtige und ungesetzliche Beschlagnahmen in den Wiener Sammlungen durchgeführt, doch kam es auch mit diesem Staat zu einer vertraglichen Einigung. Bei einem zusammenfassenden Urteil über den Vertrag von St. Germain (und über die anderen Verträge nach dem ersten Weltkrieg) wird man sich vor allzu einfachen, einseitigen Stellungnahmen hüten müssen. Weder die publizistischen Produkte der Ablehnungspsychose der ersten Nachkriegsjahre in Deutschland, Ungarn und Österreich, noch die krampfhaften „Rettungsversuche" der jüngeren Vergangenheit halten einer sachlichen historischen Kritik stand. Unter den schwierigen Bedingungen unmittelbar nach Kriegsende, als die alliierten Staatsmänner unter dem Druck der nationalistischen, in einem Siegestaumel sondergleichen schwelgenden öffentlichen Meinung ihrer Völker standen, durfte man kein Meisterwerk erwarten; in verschiedenen Fällen ließen es freilich die verantwortlichen Politiker der Siegermächte selbst an ruhigem Urteil, bisweilen auch an gutem Willen, fehlen. Sehr unerfreulich war vielfach die Rolle ihrer wissenschaftlichen und halbwissenschaftlichen Experten, die sich mehr von der Sympathie für ihre Lieblingsvölker als von dem Willen zur Objektivität leiten ließen. So fällte man eine Reihe von Fehlentscheidungen über Territorialfragen, denkbar unglücklich war auch die Behandlung der deutschen Reparationen, und das Problem der Kriegsschuld hätte man besser der historischen Forschung überlassen sollen, die dann zu anderen Ergebnissen kam. Andere Elemente der Verträge, der — leider auf die neuen Staaten beschränkte — Minderheitenschutz, die Ideen der Abrüstung und des Völkerbundes, verdienen trotz Mängeln in der Verwirklichung eine positive Würdigung. Der bedenklichste Aspekt ergibt sich wohl aus der Tatsache, daß das Friedenswerk nur solange standhielt, als demokratisdie Repräsentanten der unterlegenen Staaten, insbesondere Deutschlands, mit politisch vertretbaren Mitteln nach Milderung strebten, während es den robusten Methoden einer militaristischen

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Diktatur rasch erlag. Was aber den Donauraum betrifft, so erwiesen sich die unechten Nationalstaaten, die 1918 ins Leben getreten waren, in der Stunde der Gefahr als weit weniger widerstandsfähig als die alte Donaumonarchie mit allen ihren unbestrittenen Mängeln. Vom Friedensvertrag

zur Krise des Jahres 1927

Die Koalitionsregierung der Sozialdemokraten und Christlichsozialen war bei keiner der beiden Regierungsparteien besonders populär. Entstanden aus der zwingenden Notwendigkeit der gemeinsamen Bekämpfung der vielfältigen Bedrängnisse der ersten Nachkriegszeit, ist sie noch vor Meisterung dieser Situation gescheitert. Am 17. Oktober 1919 gelang noch einmal die Erneuerung der Koalitionsregierung Renner-Fink mit geringfügigen personellen Änderungen; ein Rahmenprogramm wurde veröffentlicht. Ein Erl aß des Staatssekretärs Julius Deutsch führte am 10. Juni 1920 schließlich nach einer Anfrage der Großdeutschen im Parlament zu einer Regierungskrise; die Koalitionsregierung wurde durch ein „Proporzkabinett" der Sozialdemokraten und Christlichsozialen ersetzt, in dem es kein Miteinander, sondern nur mehr ein Nebeneinander gab. Man verzichtete auf einen Staatskanzler, den Vorsitz führte der Tiroler Christlichsoziale Midhael Mayr als Staatssekretär für Verfassungs- und Verwaltungsreform. Dieses Proporzkabinett verabschiedete immerhin die Verfassung vom September 1920, die von Universitätsprofessor Hans Kelsen und einigen staatsrechtlich versierten Politikern ausgearbeitet und modifiziert worden war. Die Verfassung stellte ein Kompromiß zwischen zentralistischen und föderalistischen Ideen dar, sie sah ein Zweikammersystem vor; der Nationalrat wurde durch einen Bundesrat als Länderkammer ergänzt, die allerdings gegenüber Nationalratsbeschlüssen nur ein aufschiebendes Veto besaß. Als Staatsoberhaupt fungierte ein Bundespräsident mit recht geringen Befugnissen, der durch die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) gewählt werden sollte. Durch die Verfassung wurde auch die Trennung von Wien und Niederösterreich verfügt. Das „Rote Wien" wurde nun noch mehr als bisher zur zentralen Stellung der österreichischen Sozialdemokratie; die Bundeshauptstadt sollte zur sozialistischen Musterstadt werden. Die Wiener Kommunalpolitiker Jakob Reumann, Karl Seitz, Hugo Breitner und Julius Tandler nahmen in der österreichischen Partei Positionen ersten Ranges ein. Am 17. Oktober 1920 fanden Neuwahlen statt, die mit einem Erfolg der Christlichsozialen endeten, die 79 Mandate gegenüber 18 Großdeutschen, 6 Vertretern der Deutschen Bauernpartei, 62 Sozialdemokraten und einem bürgerlichen Demokraten erhielten. Ein neues Kabinett, wieder unter Michael Mayr, wurde aus Christlichsozialen und neutralen Fachleuten aus dem Beamtenstand gebildet. Während der Amtsdauer der Regierung Mayr I I

Vom Friedensvertrag zur Krise des Jahres 1927

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erfolgte die Wahl des anerkannten, nicht parteigebundenen Nationalökonomen Michael Hainisch zum Bundespräsidenten. Bald zeigte sich, daß Staat und Regierung mit der wirtschaftlichen Notlage nicht fertig werden konnten. Inflationistische Erscheinungen mehrten sich, Bemühungen um Auslandskredite scheiterten. Die beängstigende Entwertung der österreichischen Währung nahm ihren Fortgang und verstärkte sich noch, nachdem am 21. Juni 1921 der Wiener Polizeipräsident Dr. Johann Schober als Bundeskanzler M a y r abgelöst hatte. Es kam dann zu der schon erwähnten Kulmination und nicht ganz befriedigenden Lösung der Burgenlandkrise. Die breiten Bevölkerungsschichten Wiens waren erbittert über das Treiben der Inflationshyänen, namentlich über das schamlose, brüskierende Auftreten fremder Schmarotzer, die in Österreich billig leben und genießen wollten; am 1. Dezember 1921 ereigneten sich in der Bundeshauptstadt schwere Ausschreitungen und Plünderungen. Für den Bestand der Regierung Schober wurde schließlich auch ein wohl unvermeidlicher außenpolitischer Schritt verhängnisvoll. Der gemeinsame Gegensatz gegen Ungarn hatte schon im Jahre 1920 zu einer gewissen Annäherung an die Tschechoslowakei geführt; im Sommer 1921 fanden persönliche Fühlungnahmen österreichischer und tschechischer Staatsmänner statt, und am 16. Dezember 1921 Schloß Schober den Vertrag von Lana, der einmal die Anerkennung der Grenzen und damit einen erneuten, naturgemäß unpopulären Verzicht auf die sudetendeutschen Gebiete zum Inhalt hatte, andererseits einen größeren tschechoslowakischen Kredit einbrachte. Die Großdeutschen zogen sich aus der Regierung zurück und brachten gemeinsam mit den Sozialdemokraten wenig später Schober zum Sturz; ausschlaggebend war der Argwohn gegen eine allzu enge wirtschaftliche Bindung an Frankreich und dessen mitteleuropäische Satelliten. Am 31. Mai 1922 wurde eine neue Regierung unter dem Vorsitz des Wiener christlichsozialen Priestermandatars Dr. Ignaz Seipel gebildet. Damit trat ein Mann in das volle Rampenlicht der politischen Bühne, der als die geistig bedeutendste Persönlichkeit seiner Partei gelten konnte, aber bisher mehr im Hintergrund gewirkt hatte. Während in der ersten Zeit der Republik der oberösterreichische Prälat Johann Hauser und der Vorarlberger Agrarier Jodok Fink den Kurs der christlichsozialen Partei im Sinne einer Verständigungspolitik mit der Linken bestimmt hatten, war Seipel aus weltanschaulichen und persönlichen Motiven von vornherein zu einer stärkeren Distanzierung gegenüber der Sozialdemokratie geneigt und im Laufe der Jahre sollte sich diese Orientierung eher verschärfen. Dabei war von Bedeutung, daß Seipel der Exponent der „Wiener Richtung" der Christlichsozialen war, die in der österreichischen Hauptstadt in Opposition gegen eine sozialdemokratische Mehrheit standen und sich nur durch eine möglichst energische Staatspolitik durchsetzen zu können glaubten. Ganz ähnliche Entwicklungslinien wurden in der Sozialdemokratischen Partei sichtbar, in der die Theoretiker der Linken den rechten Flügel unter Karl Renner zu-

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rückdrängten. Infolge der Betonung klassenkämpferischer Programmpunkte gelang es den Sozialdemokraten wohl die kommunistische Konkurrenz zurückzuweisen und nahezu auszuschalten — die Kommunistische Partei Österreichs erlangte während der ersten Republik weder im Nationalrat noch im Wiener Gemeinderat auch nur einen einzigen Sitz —, aber die Kluft zwischen den beiden Großparteien war auch von der Linken her verbreitert worden. Im Jahre 1922 stand man freilich erst am Beginn der skizzierten, verhängnisvollen politischen Entwicklung. Das Hauptproblem bildete damals die verzweifelte Finanzlage des Staates. Man war sich darüber einig, daß sie behoben werden mußte, sollte Österreich überhaupt weiterbestehen — über die Wege gingen die Meinungen allerdings auseinander. Seipel versuchte zunächst, dem Staat inländische Kredite zu verschaffen und so die Währung zu stabilisieren. Das westliche Ausland wollte aber die österreichischen Finanzen unter direkter Kontrolle halten, so wurde die Selbsthilfe von den von Frankreich und England abhängigen Geldinstituten, der Länderbank und der Anglobank, nicht unterstützt und mußte scheitern. Die Stabilisierung der Währung gelang fürs erste nicht, die Entwertung der österreichischen Krone nahm immer unheimlichere Formen an. Audi direkte Appelle an die Großmächte blieben ungehört, im Herbst gelang es Seipel aber doch, mit Hilfe des Völkerbundes einen Weg zur „Sanierung" der österreichischen Staatsfinanzen zu finden. Am 4. Oktober 1922 wurden die Genfer Protokolle zwischen den Regierungen Englands, Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei auf der einen, Österreichs auf der anderen Seite, abgeschlossen. Die Genfer Protokolle erneuerten das Anschlußverbot für 20 Jahre, eine Anleihe von 650 Millionen Goldkronen wurde zugesagt. Ein Reform- und Sanierungsprogramm sollte die österreichische Finanzlage stabilisieren, die Staatsfinanzen wurden unter die Kontrolle eines Generalkommissärs des Völkerbundes gestellt. Der Annahme der Genfer Protokolle gingen ziemlich heftige Auseinandersetzungen im Parlament voraus; am 27. November wurde das Sanierungsgesetz von der Volksvertretung bewilligt. Den Posten des Generalkommissärs des Völkerbundes übernahm der Holländer Dr. Alfred Zimmermann, der sein Amt nach einer Verlängerung bis zum 30. Juni 1926 bekleidete. Im Jahre 1923 verzichteten die meisten alliierten Staaten auf ihr Generalpfandrecht aus dem Friedensvertrag. Die Sanierung erforderte einen weitgehenden Beamtenabbau, die Stabilisierung der Währung gelang dem Finanzminister Dr. Viktor Kienböck durchaus zufriedenstellend, das Problem einer ausreichenden Arbeitsbeschaffung blieb bis zum Ende der ersten Republik aber ungelöst und sollte sich in einigen Jahren wesentlich verschärfen. Trotz der Unvollkommenheit der Sanierungsaktion und ihren die Staatssouveränität einschränkenden Formen, die Österreich den wenig schmeichelnden Namen und Ruf einer „Völkerbundkolonie" gaben, muß man

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sie unbedingt positiv beurteilen, denn sie hat den Staat vor dem Zusammenbruch gerettet. D e m konnte sich auch die öffentliche Meinung Österreichs nicht ganz entziehen, bei den Neuwahlen 1923 erhielten die von Seipel geführten Christlichsozialen 82 Mandate, die Sozialdemokraten 68, die G r o ß deutschen 10 und der Landbund 5 Nationalratssitze. Zur absoluten Majorität, mit der Seipel gerechnet hatte, fehlte seiner Partei aber ein Mandat. Die Härten der Sanierung für die Angestelltenschaft und die Diskussion der Mietenfrage („Mieterschutz") kosteten den Christlichsozialen Stimmen und stärkten die Sozialdemokratie. Man hoffte, daß die Genfer Kontrolle nach zwei Jahren, also Ende 1924, aufgehoben würde, das war aber nicht der Fall, und als Seipel dem Völkerbund Zusagen machen mußte, die auch die Finanzen der Bundesländer betrafen, stieß er bei den Ländervertretern seiner Partei auf Widerstand. Der Bundeskanzler trat zurück und der Salzburger Christlichsoziale D r . Rudolf Ramek übernahm die Bildung einer Koalitionsregierung mit den G r o ß deutschen. Noch vor Jahresende 1924 erfolgte auch die Wiederwahl des Bundespräsidenten Hainisch, dessen erste Amtsperiode abgelaufen svar. R a m e k vermochte sich als Bundeskanzler in Ehren nahezu zwei J a h r e (20. November 1924 bis 20. Oktober 1926) zu halten. Nicht so erfolgreich war der Außenminister Heinrich Mataja, dessen wenig überlegte Reisen, Reden und Interviews für Unruhe sorgten. Schwächen zeigte auch der Finanzminister J a k o b Ahrer, dem die öffentliche Meinung unangenehme Affären von Geldinstituten anlastete; damals brach die altangesehene Zentralbank deutscher Sparkassen zusammen, auch die Postsparkasse hatte erhebliche Verluste. Ahrer, Landsmann und Schützling des steirischen Landeshauptmannes D r . Anton Rintelen, wurde fallengelassen und wanderte nach Kuba aus. Erfreulicher als diese Geschehnisse war die Tatsache, daß die Tätigkeit des Generalkommissärs Zimmermann am 30. Juni 1926 endete; freilich wurde die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Völkerbundskontrolle für den Krisenfall offengelassen. Nach einem Gehaltskonflikt mit den Bundesangestellten trat die R e gierung Ramek zurück; die Bildung des neuen Kabinetts übernahm Ignaz Seipel; durch enge Zusammenarbeit mit den beiden anderen bürgerlichen Parteien, den Großdeutschen und dem Landbund, gedachte er die Sozialdemokraten zurückzudrängen. Es gelang ihm aber für die zum 24. April 1927 ausgeschriebenen Wahlen nur mit den Großdeutschen eine „Einheitsliste" zu bilden; lange, mühsame Verhandlungen um die Placierung der Kandidaten auf der gemeinsamen Liste waren notwendig. Die Wahlpropaganda der Sozialdemokraten konzentrierte sich wieder auf den Mieterschutz, und diese Agitation war audi recht erfolgreich. Die Christlichsozialen verloren neun Mandate, zwei fielen ihren großdeutschen Verbündeten zu, die so zu zwölf Mandaten kamen, die sie im Alleingang schwerlich erreicht hätten. Vier Mandate gewannen die Landbündler, die mit neun Vertretern ins

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Parlament einzogen. Die Sozialdemokraten kamen mit einem Gewinn von drei Sitzen auf 71 Abgeordnete. Seipel machte jedoch den Mißerfolg bei den Wahlen durch eine schnelle Regierungsbildung unter Einbeziehung des Landbundes wett. Die Schwächung der österreichischen

Demokratie

Das J a h r 1927 sollte eine schwere Krise der österreichischen Demokratie bringen, von der sie sich nicht mehr erholen konnte. Das politische Leben des Staates w a r immer wieder durch Zusammenstöße der „Selbstschutzformationen" der Parteien oder ihnen nahestehender Verbände gestört worden, die gelegentlich auch Todesopfer forderten. Diese halbmilitärischen Verbände waren zahlenmäßig viel stärker als das Bundesheer, in dem das in der Volkswehr einst so stark dominierende, fast alleinherrsdiende sozialdemokratische Element infolge der zielbewußten Tätigkeit des Heeresministers Carl Vaugoin mehr und mehr an Boden verlor. Es handelte sich freilich nicht, wie dem Minister nahestehende Kreise behaupteten, um eine Entpolitisierung, sondern um eine „Umpolitisierung" des Heeres, mit starker Betonung der Tradition der alten k. u. k. Armee. U n t e r den Selbstschutzverbänden der Rechten war zunächst die „Frontkämpfervereinigung" f ü h rend, die allmählich von den „Heimwehren" überflügelt wurde, deren Anfänge auf die A b w e h r k ä m p f e in K ä r n t e n und lokale Formationen in anderen Ländern zurückgingen. Die nationalsozialistischen Formationen („Vaterländischer Schutzbund", „Deutsche Wehr") waren noch recht schwach. Auf sozialdemokratischer Seite hatte der im Jahre 1924 gegründete „Republikanische Schutzbund" die ältere Arbeiterwehr abgelöst. Ein Zusammenstoß zwischen dem Schutzbund und den F r o n t k ä m p f e r n in Schattendorf, einem O r t des sonst politisch recht ruhigen Burgenlandes, hatte auf sozialdemokratischer Seite am 23. Jänner 1927 zwei Todesopfer gefordert; ein Invalider und ein Kind wurden erschossen. Als die Geschworenen die Täter — auch in der Eventualfrage auf Notwehrüberschreitung — freigesprochen hatten, kam es nach einer tumultuösen Demonstration am 15. Juli 1927 in Wien zu einer schweren Entladung; der Justizpalast wurde angezündet. Das w a r an sich eine klare Fehlreaktion, denn der aufreizende Freispruch war nicht von Berufsjuristen, sondern von Volksrichtern gefällt worden, und gerade die Sozialdemokraten hatten die Geschworenengerichte trotz ihres offenkundigen, wiederholten Versagens in politischen Prozessen, immer verteidigt. Versuche sozialdemokratischer Führer, namentlich des Bürgermeisters Karl Seitz, die Massen zu beruhigen, scheiterten; die Polizei wurde mit Gewehren ausgerüstet und eröffnete das Feuer. Der blutige Tag kostete 90 Tote, unter ihnen auch fünf Angehörige der Exekutive. Ein eintägiger Generalstreik und der anschließende Verkehrsstreik führten nicht zu dem erhofften Rücktritt der Regierung Seipel, die schließlich H e r r i n der Lage blieb. In den Bundes-

Die Schwächung der österreichischen D e m o k r a t i e

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ländern hatten sich auch die Heimwehren an Maßnahmen gegen den Verkehrsstreik beteiligt, seither traten sie — obwohl zahlenmäßig nicht allzu stark und unter uneinigen Führern — in der Innenpolitik mehr als bisher hervor. Als Bundesführer fungierte der Tiroler Rechtsanwalt D r . Richard Steidle, neben ihm spielten Ernst Rüdiger Fürst Starhemberg (Oberösterreich), D r . Walter Pfrimer (Steiermark) und M a j o r Emil Fey (Wien) Hauptrollen. Die Beziehungen der Heimwehr zu Industriellenkreisen waren recht enge, die von den Heimwehren organisierten „unabhängigen Gewerkschaften" wurden nicht nur von den Sozialdemokraten, sondern auch von den christlichen Arbeitern, die Leopold Kunschak folgten, abgelehnt. Verschiedene Bindungen reichten von den Heimwehren ins Ausland, insbesondere in das faschistische Italien, mit dem Seipel seit dem Frühjahr 1927 einen außenpolitischen Konflikt wegen der üblen Behandlung der Südtiroler hatte, der zur zeitweiligen Abberufung des italienischen Gesandten in Wien führte. Die dringendste Aufgabe der österreichischen Innenpolitik wäre nach dem Fanal des 15. Juli 1927 die Abrüstung der Wehrverbände gewesen, allein die Tendenzen der erregten Zeit wiesen gerade in die entgegengesetzte Richtung. Nach dem 15. Juli standen der Wiener Polizeipräsident Schober als „Arbeitermörder" und auch Bundeskanzler Seipel längere Zeit im Kreuzfeuer sozialdemokratischer Angriffe. Als Seipel eine Amnestie ablehnte, wurde er in einseitiger Auslegung einer zumeist unvollständig zitierten Formulierung zum „Prälaten ohne Milde" gestempelt; es kam zu zahlreichen politisch bedingten Austritten aus der katholischen Kirche. Dieser Umstand verursachte einen schweren Gewissenskonflikt Seipels und mag mitgespielt haben, als der Bundeskanzler im Frühjahr 1929 zurücktrat. Reibungen mit den Großdeutschen infolge kultur- und personalpolitischer Gegensätze — bei der Besetzung der höheren Beamtenposten kamen christlichsoziale und großdeutsche Interessen miteinander in Konflikt — sowie Zwistigkeiten zwischen Heimwehr und Landbund sind ebenfalls in Erwägung zu ziehen. Schon vor der Regierungsneubildung, zu Ende 1928, war als Nachfolger von Hainisch, der untadelig seines Amtes gewaltet hatte, der Christlichsoziale Dr. Wilhelm Miklas von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt worden. Auf Seipel folgte sein Parteigänger Ernst Streeruwitz, einst Generalstabsoffizier der k. u. k. Armee, als Bundeskanzler. Streeruwitz, der sich von der Heimwehr distanzierte, hatte mit einer Mietengesetznovelle und bei der Regelung der Abgabenteilung zwischen Wien, den Ländern und dem Bund parlamentarischen Erfolg, mußte aber nach einigen Monaten einwandfreier Amtsführung (4. Mai bis 25. September 1929) zurücktreten. Allgemein wurde vermutet, daß Seipel und Schober bei seinem Sturz mitgewirkt hatten. Die Bildung der neuen Regierung gelang Schober, der sich ein J a h r (26. September 1929 bis 25. September 1930) halten konnte. In seinem Kabinett, das von Christlichsozialen, Großdeutschen und Landbündlern unterstützt wurde,

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überwogen die Fachmänner; die Heimwehr hatte hingegen weder personell noch ideologisch den Einfluß, den sie sich unter dem Bundeskanzler, der seit dem 15. Juli als „starker Mann" galt, erhofft hatte. Schober errang zwei wichtige innenpolitische Erfolge, das stark umstrittene Gesetz zum Schutz der Arbeits- und Versammlungsfreiheit wurde durchgebracht und auch eine Verfassungreform parlamentarisch erledigt. Diese Reform der Verfassung von 1920 vermehrte die Rechte des Bundespräsidenten, der von nun an durch das Volk gewählt werden sollte. Ferner war eine Umgestaltung der zweiten Kammer, des Bundesrates, zu einem Länder- und Ständerat vorgesehen. Dazu ist es aber nicht gekommen. Die antidemokratischen Zeittendenzen wurden immer deutlicher. Die durch Schobers Politik enttäuschten Heimwehren legten sich mit dem Korneuburger Eid vom 18. Mai 1930 ausdrücklich auf ein faschistisches Programm fest. Der in verschiedenartigen Formulierungen überlieferte Eid enthielt eine robuste Absage an den Parlamentarismus und eine Ankündigung der Machtergreifung. In kultivierterer Form hatte Altbundeskanzler Seipel sich am 16. Juli 1929 in einer Rede an der Universität Tübingen über die Schwächen des parlamentarischen Parteienstaates ausgesprochen. Schober hatte trotz verschiedener Gegenminen noch einige augenscheinliche Erfolge aufzuweisen. Bald nach Regierungsantritt war die Öffentlichkeit durch die Nachricht vom Zusammenbruch der altrenommierten Bodencreditanstalt erschreckt worden; durch die vom Bundeskanzler erzwungene Fusion mit der österreichischen Creditanstalt, der Wiener Großbank des Hauses Rothschild, wurde dieses Problem — wie sich wenig später zeigen sollte, mehr äußerlich — gelöst. Sehr wesentlich war es, daß Schober nach schwierigen Verhandlungen in der holländischen Hauptstadt, gegen erheblichen Widerstand tschechoslowakischer Kreise, die Aufhebung aller Kriegsschulden, die definitive Liquidierung des Generalpfandrechtes sowie eine Annäherung an Italien gelang; der faschistische Druck auf Südtirol schien sich damals zu vermindern, der bald einsetzende Aufstieg des Nationalsozialismus im Reiche, der sich ausdrücklich an Südtirol desinteressiert erklärte, führte bald wieder zu einer Wendung zum Schlechteren. Eine an sich wenig belangvolle Angelegenheit, der Wunsch des Heeresministers Vaugoin nach Ernennung von Dr. Franz Strafella, eines Mannes der Umgebung Landeshauptmann Rintelens, zum Generaldirektor der österreichischen Bundesbahnen (ungeachtet des Umstandes, daß Strafellas persönliches Prestige eben in einem Presseprozeß ramponiert worden war), hatte nach Schobers Weigerung den Sturz seiner Regierung zur Folge. Die das Kabinett Schober ablösende Regierung Vaugoin, in der Seipel die Führung der Außenpolitik übernahm, stand im Zeichen eines kämpferischen „Antimarxismus", stützte sich aber, da Großdeutsche und Landbund nicht mittaten, im Parlament nur auf eine Minderheit. So widi man einer Vorstellung in der Volksvertretung aus und setzte für den 9. November 1930

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Neuwahlen an. Diese endeten mit einem Mißerfolg der Regierung. Die Christlichsozialen verloren, nur von einer Minderheit der Heimwehr unter Emil Fey unterstützt, sieben Mandate, die Sozialdemokraten gewannen eines und wurden zur stärksten Partei im Parlament. Eine selbständig agierende Heimwehrliste, der „Heimatblock", brachte acht Kandidaten ins Parlament durch, hatte also auch nur bescheidenen Erfolg. Großdeutsche und Landbund hatten sich unter Führung Schobers zu einem „Nationalen Wirtschaftsblock und Landbund" zusammengeschlossen und errangen 19 Mandate. Die Nationalsozialisten hatten wohl einen Stimmenzuwachs, kamen aber zu keinem Grundmandat und gingen daher bei der Verteilung der Parlamentsitze leer aus. Es ist in Hinblick auf die spätere Entwicklung wichtig, darauf hinzuweisen, daß sie schon vor der österreichischen Wahl in Deutschland am 14. September 1930 ihren ersten großen Wahlerfolg erzielt hatten, dabei 107 Mandate und 18,5 Prozent der Stimmen errangen. In Österreich erhielten sie dagegen am 9. November 1930, etwa zwei Monate später, nur drei Prozent der Wählerstimmen. Bundespräsident Miklas betraute den Landeshauptmann von Vorarlberg, Dr. Otto Ender, mit der Neubildung der Regierung, in der sich Christlichsoziale und Schoberblock zusammenfanden. Schober übernahm das Außenamt, der Landbündler Winkler das Innenministerium. Bemerkenswert ist, daß nach dem bald erfolgten Rücktritt des Tirolers Andreas Thaler das Landwirtschaftsministerium an Engelbert Dollfuß kam; das war das Debüt dieses Politikers als Kabinettsmitglied. Die Regierung Ender war in Rechtskreisen nicht besonders populär, Seipel hielt sich bewußt fern. Es kam aber Ender zunächst zustatten, daß ihm ein Einvernehmen mit den Sozialdemokraten in der schwierigen Frage des Lastenausgleiches gelang. Die Stadt Wien nahm dabei ein gewisses finanzielles Opfer auf sich. Innere Differenzen der Heimwehr lähmten die Opposition von dieser Seite. Eine außenpolitische Niederlage und die Katastrophe des größten österreichischen Bankinstitutes besiegelten aber doch nach wenigen Monaten das Schicksal der Regierung Ender. Österreich litt schon sehr stark unter der ja nicht auf die Republik beschränkten, hier aber besonders schwer fühlbaren Wirtschaftskrise; durch eine Zollunion mit Deutschland versuchte man ihren Auswirkungen beizukommen. Vielleicht hätte man durch geschickte Vorbereitung im Ausland und unter Einbeziehung anderer Staaten einen Erfolg erreichen können; die überraschende Ankündigung des Planes fand zwar in England und Amerika ein nicht ungünstiges Echo, stieß aber auf den heftigen Widerstand Frankreichs und der Kleinen Entente. Der Haager Gerichtshof, dem der Streitfall zugewiesen wurde, entschied in einem Gutachten mit einer Stimme Mehrheit (8 : 7), daß das Projekt der Zollunion gegen die Genfer Protokolle von 1922, wenn auch nicht gegen den Friedensvertrag von St. Germain verstoße. Schon am 3. September 1931, zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung des Haager Gerichtes, hatte man den Zollunions-

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plan aufgegeben. Inzwischen war aber im Juni 1931 die führende Wiener Bank, die österreichische Creditanstalt, zusammengebrochen. Der Staat mußte eingreifen, die Deckung der Forderungen der Auslandsgläubiger kostete enorme Beträge. Ein englischer Kredit erleichterte die Stützungsaktion, reichte aber nicht zur Behebung der Krise aus. Nach Rücktritt dreier Minister mußte die Regierung Ender am 16. Juni 1931 demissionieren. Der Versuch der Bildung einer Konzentrationsregierung unter Seipel scheiterte; das gegenseitige Mißtrauen war allzu groß, die große Koalition von Seipel wohl auch nicht als eine grundsätzliche Änderung der politischen Linie, sondern als Notstandsmaßnahme in einer ungemein bedrängten Situation gedacht. Die Sozialdemokraten fürchteten, nach einer Zustimmung zu den notwendigerweise höchst unpopulären Sanierungsmaßnahmen wieder ausgeschifft zu werden. Die Regierungsbildung gelang schließlich dem christlichsozialen Agrarfachmann Karl Buresch, der von den Großdeutschen und vom Landbund unterstützt wurde. Buresch brachte tatsächlich auf parlamentarischem Wege ein Bundessanierungsgesetz durch, die allgemeine Situation blieb aber wegen der ständigen Verschärfung der Wirtschaftskrise höchst ungemütlich. In dieser Atmosphäre kam es am 13. September 1931 zu einem Putschversuch des steirischen Heimwehrkommandanten Walter Pfrimer aus Judenburg, der damals auch als Bundesführer der Heimwehren fungierte, aber in den meisten Ländern nur über wenig Autorität verfügte. Exekutive und Bundesheer griffen nur zögernd ein, dagegen kam es zu örtlichen Plänkeleien zwischen Heimwehr und Schutzbund, die Tote und Verwundete forderten. Pfrimers Putsch scheiterte gleich am ersten Tage; außerhalb der Steiermark kam es zu keinen wesentlichen Ruhestörungen. Der Hochverratsprozeß gegen die Führer des Unternehmens endete mit den üblichen, unmotivierten Freisprüchen durch die Geschworenen. In der Heimwehr gewann jetzt aber die konservativ-legitimistische Richtung die Oberhand über die nationalen Kreise. Zu Beginn des Jahres 1932 kam es zu einer Regierungsumbildung; Schober und die Großdeutschen schieden aus dem Kabinett aus, Justizminister der neuen Regierung wurde der Tiroler Christlichsoziale Dr. Kurt Schuschnigg, der einen neuen Wehrverband, die „Ostmärkischen Sturmscharen", organisiert hatte. Das Jahr 1932 stand im übrigen zunächst im Zeichen des Tardieuplanes, eines Versuches, eine engere Zusammenarbeit der Donaustaaten zu organisieren. Bald erwies es sich, daß Frankreich zwar stark genug gewesen war, die deutsch-österreichische Zollunion zu Fall zu bringen, daß es aber seinerseits gegen den deutschen und italienischen Widerstand, von England kaum unterstützt, nicht durchdringen konnte. In einer politisch und wirtschaftlich ganz labilen Situation fanden am 24. April 1932 in Wien, Niederösterreich und Salzburg Landtagswahlen, in Kärnten und Steiermark Gemeindewahlen statt. Sie standen bereits im Zeichen eines Einbruches des

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Nationalsozialismus, der ja audi bei den deutschen Wahlen vom 31. Juli 1932 sich mächtig weiterverstärkte. Aus den Ergebnissen läßt sich immerhin erschließen, daß bei Nationalratswahlen in ganz Österreich die Nationalsozialisten nicht mehr als 20 Prozent der Stimmen erreicht hätten, ihr Prozentsatz in Deutschland betrug damals 37,8 Prozent. Österreich blieb also noch immer erheblich hinter der deutschen Entwicklung zurück, der Nationalsozialismus hatte aber bereits breitere Volksschichten erfaßt. Die Großdeutschen, der Landbund und der Heimatblock wurden vernichtend geschlagen; Österreichs „nationales Lager" stand seither überwiegend im Zeichen des Hakenkreuzes. Die Christlichsozialen hatten in den Bundesländern einige, nicht schwerwiegende Verluste, erlitten jedoch einen harten Rückschlag in Wien. Die Sozialdemokraten, in den Bundesländern eher stärker angeschlagen, konnten sich in der Metropole knapp behaupten, die Kommunisten vermehrten ihre unbedeutende Stimmenzahl. Die Wiener Niederlage wurde in maßgeblichen christlichsozialen Kreisen als Folge einer zu laxen Haltung gegenüber der sozialdemokratischen Mehrheit in dieser Stadt angesehen; der Wiener Parteiobmann Leopold Kunschak mußte seine Stelle abgeben. Neuwahlen in den Nationalrat wollten die Christlichsozialen seither tunlichst aus dem Wege gehen. Am 6. Mai 1 9 3 2 trat die Minderheitsregierung Buresdi zurück; der bisherige Minister für Land- und Forstwirtschaft, Engelbert Dollfuß, wurde mit der Neubildung des Kabinetts betraut, das sich auf die Christlichsozialen, den Heimatblock und den Landbund stützte, im Nationalrat nur eine Stimme Mehrheit besaß und im Bundesrat in der Minderheit war. I m übrigen gab es sowohl auf der Seite der Regierung, wie auf jener der Opposition unsichere Kantonisten, mit deren Stimmen nicht sicher gerechnet werden konnte. Nach erbitterten parlamentarischen Debatten erlangte die Regierung mit knappsten Mehrheiten die Zustimmung des Nationalrates zu dem von ihr abgeschlossenen Genfer Protokoll über eine dringend benötigte Völkerbundanleihe in H ö h e von 3 0 0 Millionen Schilling, die wieder an politische Bedingungen geknüpft war und eine weitere zehnjährige Verlängerung des Anschlußverbotes vorsah. Die österreichischen Sozialdemokraten ermöglichten durch Einwirkung auf die französischen Sozialisten die Annahme des Lausanner Protokolls (gegen das sie im Wiener Parlament gestimmt hatten) durch die Pariser Kammer und erwiesen damit der Wiener Regierung indirekt einen Dienst. Dennoch kam es im Jänner 1933 zu einer weiteren innenpolitischen Verschärfung infolge der „Hirtenberger Waffenschmuggelaffäre", als von sozialdemokratischer Seite illegale italienische Waffentransporte über österreichisches Gebiet nach Ungarn der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurden, die österreichische Regierung dann, nach überaus heftigen Interventionen des Westens und der kleinen Entente, die Rücksendung versprach und schließlich die Waffenschiebung durch den Versuch einer Bestechung des zuständigen Funktionärs der Eisenbahnergewerkschaft doch ermöglicht werden sollte.

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70 Jahre von der Ersten zur Zweiten Republik

Die Ausnützung eines parlamentarischen Zufalles, der unerwarteten Wendung einer Kontroverse über die Gültigkeit eines Stimmzettels in einer hart umkämpften Abstimmung am 4. M ä r z 1933, die zum Rücktritt der drei Präsidenten des Nationalrates — des Sozialdemokraten Renner, des Christlichsozialen Ramek und des Großdeutschen Straffner — führte, ermöglichte es der Regierung, den Nationalrat, dessen Mehrheit ihr entglitt, auszuschalten. A m nächsten Tag sollte die Regierung Hitler in Deutschland unter Ausnützung des mysteriösen Reichstagsbrandes jenen Wahlsieg erringen, der den Nationalsozialisten zwar noch keine Mehrheit brachte, ihnen aber doch— unter Anwendung massiven Druckes — bald die völlige Machtübernahme ermöglichte.

Die Ausschaltung des Parlaments

und der

Ständestaat

Die österreichische Regierung verhinderte seit dem 4. M ä r z 1933 die Wiedereinberufung des Nationalrates durch den zuletzt zurückgetretenen Präsidenten. Der Bundespräsident machte von der Möglichkeit, durch eine N o t v e r o r d n u n g — der die Regierung allerdings hätte zustimmen müssen — den N a t i o n a l r a t einzuberufen, keinen Gebrauch und er verzichtete auch auf den durch die Verfassungsnovelle des Jahres 1929 (Artikel 29) geschaffenen Ausweg, den N a t i o n a l r a t aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Die Regierung D o l l f u ß erließ die zur Führung der Staatsgeschäfte nötigen Verordnungen auf Grund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917, das auch in der republikanischen Zeit wiederholt angewendet und jedenfalls nie außer K r a f t gesetzt worden war. Dieses Gesetz bezog sich allerdings, streng genommen, nur auf Wirtschafts- und Versorgungsfragen. A l : nun die Wiener Landesregierung gegen die von der Bundesregierung erlassenen Notverordnungen beim Verfassungsgerichtshof Klage führte, veranlaßte D o l l f u ß den Rücktritt der von der Christlichsozialen Partei f ü r diesen Gerichtshof vorgeschlagenen Mitglieder und nahm dann deren Rücktritt zum Vorwand, diese oberste Instanz in Verfassungsfragen als beschlußunfähig zu erklären und auszuschalten. Mit dieser Handlungsweise, die auf Ratschläge des Sektionschefs D r . Robert Hecht zurückging, hatte die Regierung D o l l f u ß wieder ein Hindernis aus dem Wege geräumt, aber selbst ausgiebigst gegen den Geist der österreichischen Verfassung verstoßen und stark an moralischer Autorität eingebüßt. Inzwischen hatte bereits der Angriff des Nationalsozialismus, der nach dem Sieg in Deutschland auch die Machtübernahme in Österreich anstrebte, voll eingesetzt. Nach heftigen Rundfunkangriffen unternahm der Reichsjustizminister H a n s Frank eine provokatorische Reise nach Österreich, doch setzte die Bundesregierung seine Rückberufung durch. Deutschland antwortete mit der „Tausend-Mark-Sperre": Für Reisen nach Österreich mußten deutsche

D i e Ausschaltung des P a r l a m e n t s und der S t ä n d e s t a a t

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Staatsbürger eine Gebühr von 1000 Mark bezahlen; der Reiseverkehr wurde durch diese ganz ungewöhnliche, erpresserische Maßnahme praktisch lahmgelegt. Man hoffte, die österreichische Fremdenindustrie und damit die ganze Volkswirtschaft vernichtend zu treffen und das L a n d so zur Kapitulation zu zwingen. Es gelang aber, durch intensive Werbung für österreichreisen in Westeuropa, die Lücke wenigstens zum Teil zu schließen. Nach einem schweren Handgranatenüberfall bei Krems gegen eine Abteilung des von der Regierung einberufenen Freiwilligen Assistenzkorps wurde am 19. Juni 1933 jede Betätigung für die Nationalsozialistische Partei verboten. Zahlreiche junge Nationalsozialisten begaben sich über die Grenze nach Deutschland, wo sie zu einer militärischen Formation, der „österreichischen Legion", zusammengefaßt wurden. Im allgemeinen hat die Flucht dieser aktivistischen, zum Teil terroristischen Elemente die Position der österreichischen Regierung eher gefestigt; die Grenzen wurden durch Bundesheer, Exekutive und Freiwillige Wehrverbände gesichert. Trotz dieser Auseinandersetzungen und Spannungen kam es wiederholt, im Mai und im Oktober 1933, dann wieder im Jänner 1934, zu Kontakten der Bundesregierung mit nationalsozialistischen Exponenten. Diese in einer Atmosphäre von Sprengstoffanschlägen und während eines heftigen Propagandakrieges gestarteten Fühlungnahmen brachten freilich keine greifbaren Ergebnisse; allzu deutlich zeigte sich, daß die Nationalsozialisten nur einen geeigneten Weg zur Gewinnung entscheidender Stellungen suchten, um dann den österreichischen konservativen Kreisen dasselbe Schicksal zu bereiten, wie dem Zentrum und der Bayerischen Volkspartei. Einfacher wäre es wohl gewesen, die Straße zur Verständigung nach Links zu finden; davon war jedoch kaum die Rede. Der Republikanische Schutzbund wurde schon im März 1933 aufgelöst, man rechnete mit einer sozialdemokratischen Gegenaktion, diese blieb jedoch aus. Ein sozialdemokratischer Parteitag beschränkte den Widerstand auf die Fälle der Ausschaltung der sozialdemokratischen Landesregierung und Gemeindeverwaltung in Wien, der Auflösung der Partei oder der Freien Gewerkschaften. K a r l Renner verhandelte in der Folgezeit mit Vertretern der Christlichsozialen und mit dem Bundespräsidenten; man war schließlich bereit, einem Notstandsgesetz zuzustimmen, durch das der Regierung Vollmachten auf fünf Jahre erteilt werden sollten; als Voraussetzung forderte man aber eine nochmalige Einberufung des Nationalrates. Diese Versuche waren aber zum Scheitern verurteilt, weil Dollfuß anläßlich einer Zusammenkunft mit Mussolini in Riccione am 18. und 19. August 1933 weitergehende Verpflichtungen zur berufsständischen Neuordnung der Verfassung eingegangen war und Mussolini, wie aus seinem nach dem Kriege veröffentlichten Briefwechsel mit Dollfuß hervorgeht, einen harten Kurs gegen die Sozialdemokratie verlangte. Das war audi das offen verkündete Programm der Heimwehren unter Starhemberg und Fey. Dollfuß muß man immerhin zubilligen, daß die 33

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berufständische Orientierung auch seiner eigenen Uberzeugung entsprach, daß sie ideologisch nicht geradezu an die faschistische, sondern eher an eine sozialkonservative, von Seipel aufgenommene Tradition anknüpfte, wobei man insbesondere gerne die grundsätzliche Ubereinstimmung mit dem Ideengut der päpstlichen Enzykliken „Rerum novarum" Leos XIII. und „Quadragesimo anno" Pius' XI. betonte. Als politisches Instrument der einerseits auf die berufständische Idee, andererseits auf eine nachdrückliche Betonung der Unabhängigkeit und besonderen Sendung Österreichs ausgerichteten Bestrebungen des Bundeskanzlers und seiner Ratgeber wurde die „Vaterländische Front" gegründet, die seit Herbst 1933 öffentlich in Erscheinung trat. Versuche des Landbundführers und Vizekanzlers Franz Winkler, eine „nationalständische Front" aufzuziehen — der ständische Gedanke hatte auch in Landbundkreisen eine alte Tradition —, scheiterten am Mangel einer ausreichenden Zahl überzeugter Anhänger und am Gegensatz zu den Heimwehren. Winkler mußte aus der Regierung ausscheiden, schließlich nahm er offen gegen ihren Kurs Stellung. Im Februar 1934 kam es zu der längst erwarteten, offenen und blutigen Auseinandersetzung zwischen der Regierung und der Sozialdemokratie. Den Auftakt bildeten Heimwehrultimaten in verschiedenen Bundesländern. Es folgte am 4. Februar eine aggressive Rede Starhembergs in Innsbruck, am 11. Februar eine noch viel schärfere Ansprache Feys in Großenzersdorf („wir werden morgen an die Arbeit gehen und ganze Arbeit leisten..."). Demgegenüber blieben letzte Fühlungnahmen des Kreises um Renner mit der Regierung nahestehenden Persönlichkeiten erfolglos und audi eine mutige Rede Kunschaks im Wiener Gemeinderat verhallte am 9. Februar 1934 ungehört. Am 12. Februar 1934 leistete der Linzer Schutzbundführer Richard Bernaschek gegen eine Waffensuchaktion der Polizei bewaffneten Widerstand; die Sozialdemokratische Partei rief den Generalstreik aus und es kam in verschiedenen industriellen Zentren zu Kämpfen zwischen der Exekutive, dem Bundesheer und den Wehrverbänden auf der einen, dem Republikanischen Schutzbund auf der anderen Seite. Die schwersten Kampfhandlungen fanden in Wien, Linz, Steyr und dem obersteirischen Industriegebiet statt. Die sozialdemokratische Erhebung war ein Verzweiflungsakt ohne Erfolgsaussichten, bald brach der Widerstand zusammen. Nach offiziellen Angaben forderten die Februarereignisse insgesamt 300 Todesopfer, es kam auch zur Hinrichtung von neun Schutzbundangehörigen, darunter dem obersteirischen Abgeordneten Koloman Wallisch und dem Wiener Feuerwehroffizier Ingenieur Georg Weissei. Bernaschek gelang die Flucht aus der Haft, auch Otto Bauer und Julius Deutsch entkamen ins Ausland. Die Ausschaltung der Sozialdemokratischen Partei, deren Anhänger nun ebenso wie die Nationalsozialisten in die Illegalität gingen, entsprach ganz

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den Wünschen Mussolinis, der italienische Einfluß auf Österreich verstärkte sich weiter und kam im Abschluß der „Römischen Protokolle" vom 17. M ä r z 1934 zum Ausdruck, wenngleich sich diese Abmachungen vor allem auf wirtschaftliche Belange bezogen. Es wurde jedoch auch eine Konsultation in Fragen der Außenpolitik vorgesehen und insgeheim kam es zu militärischen Vereinbarungen, die eine Intervention Italiens für den Fall innerösterreichischer Unruhen betrafen, aber auch in einem italienisch-jugoslawischen Konflikt angewendet werden konnten. Die Zusammenarbeit mit Italien verstärkte wohl zunächst die Stellung Österreichs gegenüber dem Dritten Reich, war aber recht unpopulär, da Italien seit dem ersten Weltkrieg, der Annexion Südtirols und besonders nach dem Einsetzen der faschistischen Unterdrückungsmaßnahmen in diesem Lande in fast allen österreichischen Bevölkerungsschichten Gefühle der Ablehnung und Feindschaft geweckt hatte. Diese Stimmung hatte vorübergehend eine gewisse Immunisierung gegenüber dem Nationalsozialismus bewirkt, weil dessen Führer stets unverhüllt für die völlige Preisgabe Südtirols eingetreten war und diese Haltung schon im Jahre 1928 in einer Unterredung mit Ettore Tolomei, dem größten Hasser der Südtiroler, bekräftigt hatte. J e t z t ergab sich aber die paradoxe Wendung, daß eben der Nationalsozialismus, dessen Anstieg und Machtübernahme in Deutschland vermutlich ein gewisses Einlenken Italiens in der Südtirolfrage verhindert hatte, aus der Abneigung der meisten Österreicher gegen die italienische Politik neue Kräfte bezog. Auch die Ereignisse des 12. Februar 1934 schienen den Nationalsozialisten günstige Perspektiven zu eröffnen, da man nicht mehr mit einem gemeinsamen Widerstand der konservativen und sozialdemokratischen Kräfte rechnen mußte und auf einen Zulauf verbitterter Linkselemente hoffte. Die Regierung Dollfuß wurde im März 1934 umgebildet; der Einfluß der Heimwehr hatte sich verstärkt. Seit dem Juli 1933 arbeitete der Vorarlberger Politiker und Landeshauptmann O t t o Ender an dem Ausbau einer ständischen Verfassung, deren Artikel zeigen, daß man jenen Bevölkerungsgruppen, von denen man am ehesten Unterstützung oder Tolerierung der Regierung erhoffen konnte, verstärktes Gewicht zu geben suchte. Die Wahl des Bundespräsidenten sollte nach der neuen Verfassung nicht durch das Volk, sondern durch die österreichischen Bürgermeister erfolgen. Die Angehörigen der Vertretungskörperschaften, des Staatsrates, des Bundeskulturrates, des Bundeswirtschafts- und des Länderrates wurden ernannt und besaßen im übrigen nur beratende Funktion; der Bundestag (insgesamt 59 Mitglieder) stimmte über die Regierungsvorschläge ab. Die Berufsstände waren als entscheidende Strukturelemente des Verfassungsgebäudes gedacht, wurden aber tatsächlich, abgesehen von den Berufsgruppen Landwirtschaft und öffentlicher Dienst, niemals organisiert. A u f recht eigenartige Weise wurde die „Maiverfassung 1 9 3 4 " in Kraft gesetzt; zuerst durch eine R e gierungsverordnung und dann durch Abstimmung des Rumpfparlamentes, 33*

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an der nur 76 der einst gewählten 165 Mandatare teilnahmen, von denen 74 für die Annahme stimmten. Es war also weniger als die Hälfte der Abgeordneten des alten Parlamentes anwesend; wenn man damit operierte, daß eine Zweidrittelmehrheit des Rumpfparlamentes (nach Ausschluß der Sozialdemokraten) genüge, mußte dies eher peinlich wirken. Schon die Einberufung des Parlamentes als solche, machte auf viele Beobachter des In- und Auslandes einen üblen Eindruck, nachdem man sich so lange gegen eine Flottmachung der Volksvertretung gesträubt hatte, als das Abgeordnetenhaus noch vollzählig war. Da zudem in der Verfassungsnovelle von 1929 für eine grundlegende Verfassungsänderung — um die es sich naturgemäß handelte — Volksabstimmung vorgesehen war (Artikel 44), kann nicht von einer Wahrung der verfassungsmäßigen Kontinuität gesprochen werden. Am 1. Mai 1934 wurde auch das seit langem vorbereitete Konkordat mit dem Heiligen Stuhl publiziert und in Kraft gesetzt. Im Mai 1934 setzte eine neue nationalsozialistische Sprengstoffoffensive ein, dann kam es wieder zu verschiedenen Kontaktversuchen. Die Ereignisse des 30. Juni 1934 in Deutschland mit ihren Massenexekutionen ohne gerichtliches Verfahren, fügten dem Prestige des Dritten Reiches empfindlichen Schaden zu, die Vorbereitungen eines Schlages gegen die österreichische Regierung gingen aber weiter, und am 25. Juli 1934 gelang es 154 uniformierten Putschisten einer illegalen SS-Standarte in das Wiener Bundeskanzleramt einzudringen. Doli f u ß wurde von einem der Angreifer, dem entlassenen Wachtmeister des Bundesheeres Otto Planetta — nach dessen späteren Angaben im Handgemenge — angeschossen und erlag seiner Verwundung. Priester und Arzt wurden dem Sterbenden verweigert. Minister Fey und Staatssekretär Karwinsky gerieten in Gefangenschaft. Auch ein Handstreich gegen den Wiener Rundfunk hatte vorübergehenden Erfolg, man verkündete die Regierungsübernahme durch Dr. Anton Rintelen, den einstigen steirischen Landeshauptmann, der vor einiger Zeit auf den Gesandtenposten in Rom abgeschoben worden war, während des Putsches aber — natürlich nicht zufällig — in Wien weilte. Die Regierung war vor dem Unternehmen mehrfach gewarnt worden, sogar durch bayerische und österreichische SA-Führer. Infolge der Durchsetzung der Exekutive mit unzuverlässigen Elementen, schwer verständlichen Unterlassungssünden und nicht zuletzt auch infolge von Eigenmächtigkeiten des Ministers Fey, der überhaupt eine wenig rühmliche Rolle spielte, wurde das Bundeskanzleramt doch überrumpelt. Ein Anschlag auf den in Velden am Wörthersee weilenden Bundespräsidenten mißlang aber, und die Mehrzahl der Minister hatte das Gebäude am Wiener Ballhausplatz rechtzeitig verlassen. Der Unterrichtsminister Schuschnigg übernahm ihre Führung. Es kam zu Verhandlungen mit den Putschisten im Bundeskanzleramt, denen freies Geleite zugesichert wurde, falls den Gefangenen nichts geschehe. Inzwischen war freilich der Tod von Dollfuß bekanntgeworden. Dieser gab aber den Vorwand, um die Aufrührer,

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für die sich audi der deutsche Gesandte K u r t Rieth einzuschalten suchte, festzuhalten. Ein Führer des Unternehmens, Franz Holzweber, O t t o Planetta und fünf aktive Angehörige der Exekutive wurden hingerichtet. Rintelen, gleichfalls festgenommen, unternahm einen Selbstmordversuch und wurde später zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. Einige Hauptdrahtzieher saßen jenseits der Bundesgrenzen und waren für die österreichische Justiz unerreichbar. Auf die Nachricht vom Wiener Unternehmen kam es in den Bundesländern, namentlich Kärnten, Steiermark und Oberösterreich, zu nationalsozialistischen Erhebungen, die durchweg scheiterten, zum Teil nach schweren Kämpfen. Ein Vortrupp der österreichischen Legion überschritt bei Kollerschlag im Mühlviertel die deutsch-österreichische Grenze, wurde aber zurückgewiesen. D a Italien am Brenner Truppen zusammenzog und Mussolini mit dem Einmarsch drohte, unterblieben weitere Aktionen der Legionäre. So scheiterte der nationalsozialistische Putsch des 25. Juli 1934, der für die Regierung weit gefährlicher war, als die Februarkämpfe und der ihr mit Dollfuß den Führer entriß. D e r T o d des Kanzlers im K a m p f mit dem Nationalsozialismus und die im Ringen um die Erweckung eines österreichischen Staatsbewußtseins immerhin erzielten Teilerfolge bedeuteten Aktivposten in Österreichs Bilanz nach dem zweiten Weltkrieg. D a ß die Methoden von Dollfuß' autoritärer Politik ihrerseits vielfach fragwürdig waren und jedenfalls nicht mehr aktuell sind, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Der Nationalsozialismus hatte am 25. Juli 1934 eine Schlacht verloren, allein die Zeit arbeitete während der nächsten Monate und J a h r e für ihn. Der Erfolg in der Saarabstimmung (13. J ä n n e r 1935), der Zulauf zur sudetendeutschen Partei von Konrad Henlein (26. Mai 1935), die beginnende Durchbrechung der militärischen Klauseln des Versailler Vertrages (Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. M ä r z 1935), stärkten Prestige und Macht des nationalsozialistischen Regimes, dem die ehemaligen Feinde weit mehr entgegenkamen als einst dem demokratischen Deutschland. Diese Entwicklung hatte notwendigerweise ihre unvermeidlichen Konsequenzen für Österreich und das politische Denken vieler Österreicher. Es ist hier überhaupt nüchtern zu fragen, welchen Voraussetzungen der Nationalsozialismus seinen Aufschwung audi in Österreich verdankte. Die Wachstumsmöglichkeiten waren hier zunächst — was in den Wahlergebnissen 1 9 3 0 — 1 9 3 2 klar zum Ausdruck kommt — ungünstiger als im Reich, weil das nationale und nationalliberale Lager mit seinen mannigfachen Parteien und Gruppen, seinem fluktuierenden Wählerkreis, der am ehesten der Sogwirkung der nationalsozialistischen Propaganda erlag, zahlenmäßig schwächer war und die beiden Großparteien, die konservative und die sozialistische, die — wie audi das „Zentrum" und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands — stärkere Widerstandskraft gegen eine rechtsradikale Werbung

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besaßen, in Österreich über nahezu 80 Prozent der Wählerstimmen verfügten. Audi die praktisch verwirklichte Einheit der Linken in Österreich war für den Nationalsozialismus ungünstig, es ist bekannt, wiesehr die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten im Reich dem Nationalsozialismus die Bahn zum Erfolg ebneten. So hielt sich also der Zuwachs des nationalsozialistischen Anhanges in Österreich zunächst in gewissen Grenzen, wenn auch der heftige Kampf zwischen Sozialdemokraten und bürgerlichen „Antimarxisten" einige Möglichkeiten eröffnete, die zunächst aber eher der Heimwehr oder — im gemäßigten, nationalbürgerlichen Lager — dem Schoberblock zugute kamen. Ein Moment der Schwäche stellte für den österreichischen Nationalsozialismus auch das Fehlen einer eindrucksvolleren, organisatorisch befähigten Führerpersönlichkeit dar — der politische Aufstieg des geborenen Oberösterreichers Hitler vollzog sich ja zur Gänze in Deutschland. Lediglich der Wiener Rechtsanwalt Dr. Walter Riehl besaß politisches Format, seine Neigung zu selbständigem Denken und Vorgehen brachte ihn aber in einen unvermeidlichen, schließlich unüberbrückbaren Konflikt mit der Münchner Parteileitung. Sobald dem Nationalsozialismus die Machtergreifung in Deutschland gelang, erhielt er in Österreich weiteren Auftrieb. Einmal wirkte sich aus, daß man im größeren deutschen Wirtschaftsraum, sofern man nur eine arbeitsfähige Regierung hatte, mit dem Arbeitslosenproblem leichter fertig wurde als in Österreich. Zwar bildeten hier die ausgesprochenen Notstandsgebiete — etwa die Wiener Industrievorstädte und das Wiener Neustädter Revier — keineswegs Zentren der Nationalsozialisten, die überhaupt in den Arbeiterschichten schwächer vertreten waren, als dem Durchschnitt entsprach. Der um seine Existenz kämpfende Mittelstand aber, das Kleinbürgertum und stellenlose oder nicht entsprechend ihrer Ausbildung untergekommene Angehörige der Intelligenzberufe, waren für den Nationalsozialismus empfänglich. Einen besonderen Faktor bildete der Antisemitismus, der ja in Österreich seit Schönerers und Luegers Tagen eine politische Tradition hatte. An sich waren im Verhältnis zwischen den zumeist in Wien ansässigen Juden und der übrigen Bevölkerung seit den zwanziger Jahren keine Veränderungen eingetreten, die ein Anwachsen antisemitischer Tendenzen gerechtfertigt hätten. Der zeitweilige Zustrom aus Ostmitteleuropa — hervorgerufen durch das Mißtrauen der Juden gegen nationalistisch-antisemitische Tendenzen in Polen, Rumänien, Ungarn und der Slowakei, noch verstärkt durch die Erinnerung an eine (etwa im Vergleich mit dem zaristischen Rußland!) sehr weitgehende Toleranz des alten Österreich — war längst verebbt, der Bevölkerungsanteil der geburtenschwächeren jüdischen Großstädter ging ständig zurück. Früher hatte es allerdings keine so zielbewußte antisemitische Propaganda gegeben und die Hoffnung auf Erwerbs- und Avancementmöglichkeiten bei Liquidierung der jüdischen Konkurrenz und ihres Ver-

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mögens interessierte einen nicht ganz enge gezogenen Kreis. Immerhin hatte auch die Wirkung der antisemitischen Propaganda ihre Grenzen; sie zog viele an, andere stieß sie in ihrer Hemmungslosigkeit eher ab. Wirksamer als alle anderen Kräfte waren wohl die unleugbaren, schon erwähnten politischen, insbesondere audi außenpolitischen Erfolge des Dritten Reiches. I h m gelang es, jene ersehnte internationale Gleichberechtigung zu erreichen, die man der Weimarer Republik vorenthalten hatte. Der zwar nebelhafte, aber altehrwürdige Reichsgedanke, dann die Anschlußidee der jüngeren Vergangenheit hatten — unter ganz veränderten Bedingungen — wieder Aussicht auf Verwirklichung; es lockte die Möglichkeit — wie vordem durch Jahrhunderte — in einer von den Nachbarn, die mit dem kleinen Österreich so unsanft umgegangen waren, voll respektierten, j a gefürchteten Großmacht zu leben. Als Deutsche fühlten, mit wechselnder Intensität, ohnedies fast alle Österreicher, wenn sie auch in der Mehrzahl ihre besondere Art nicht, oder wenigstens nicht ganz verleugnen wollten. Auch Dollfuß (der mit einer Preußin verheiratet war) und Schuschnigg proklamierten keinen Gegensatz zwischen österreichischem und deutschem Wesen; eher sah man in den Österreichern bessere Deutsche als in den „oberflächlich germanisierten" Preußen; nicht zu Unrecht glaubte man die eigene christlichkonservative Weltanschauung in deutscher Tradition tiefer verwurzelt, als den neuaufgeschossenen radikalen Nationalismus. Aber der hatte nun — in seiner unheimlichen Natur trotz mancher bedrohlicher Anzeichen noch nicht durchschaut — seine Anziehungskraft besonders auch auf eine kämpferisch gesinnte, dem nationalen Ideal sehr zugängliche Jugend. Vielen schien es möglich, j a wahrscheinlich, die Ergebnisse des ersten Weltkrieges rückgängig zu machen. Die Koalition der früheren Kriegsgegner war längst gesprengt, J a p a n und Rußland gingen eigene Wege, die Vereinigten Staaten lösten sich nur langsam von der isolationistischen, europafremden Haltung der zwanziger Jahre. Polen schloß mit dem Dritten Reich einen Nichtangriffspakt und der polnische Gesandte in Wien, J a n Gawronski, arbeitete enge mit dem neuen deutschen Gesandten Franz von Papen zusammen, der nach dem 25. Juli 1934 Rieth abgelöst hatte. Der Anschluß Österreichs an das Dritte Reich gehörte fast ebenso zum polnischen wie zum nationalsozialistischen außenpolitischen Programm, man erhoffte sich eine Ablenkung der deutschen Expansion von den empfindlichen eigenen Westgrenzen nach Süden und glaubte darüber hinaus auch bei der vom polnischen Außenminister Beck geradezu erhofften Auflösung der Tschechoslowakei Territorialgewinne zu erlangen. Recht enge war auch das Zusammenspiel jugoslawischer Regierungskreise mit dem Deutschen Reich, wieder unter aktiver Mitwirkung des Mannes auf dem Wiener Gesandtenposten, Gjorgje Nastasijevic. Während der Julikämpfe 1934 hatten Kärntner Nationalsozialisten eine letzte Rückhaltstellung an der jugoslawischen Grenze bezogen und die auf jugoslawisches Gebiet übergetretenen Putschisten konnten im

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Warasdiner Lager ihre militärische Ausbildung vervollständigen. Die legitimistischen Tendenzen von Dollfuß' Nachfolger Schuschnigg, der Aufenthalt kroatischer Emigranten in Österreich, wo sie freilich lange nicht so stark vertreten waren oder unterstützt wurden wie in Ungarn und insbesondere Italien, haben die jugoslawischen Regierungen in ihrer österreichfeindlichen Politik zweifellos noch bestärkt. In englischen Rechtskreisen gab es nicht unerhebliche Sympathien für den Nationalsozialismus, ein Exponent dieser Anschauungen war der in Wien für das Massenblatt Daily Mail eifrig tätige Publizist Ward Price, der die illegalen österreichischen Nationalsozialisten glorifizierte. Zwar schien das enge Verhältnis der österreichischen Regierung zu Italien einen gewissen Schutz zu gewähren und ein Treffen Schuschnigg—Mussolini endete am 22. August 1934 mit der offiziellen Beteuerung der Zusammenarbeit; am 27. September 1934 kam es (zum zweiten Male) zu einer Dreimächteerklärung Englands, Frankreichs und Italiens über die Unabhängigkeit Österreichs. Ein aktives gemeinsames Vorgehen gegen Hitlers Aufrüstungspolitik unterblieb aber, weil England bremste, und als die Stresakonferenz vom April 1935 nochmals die Einheit der drei Mächte proklamierte, bereitete sich Mussolini bereits auf sein Abessinienunternehmen vor, das er im Oktober des gleichen Jahres startete und das zu seiner völligen Entzweiung mit England führte. Die Vertretung Österreichs im Völkerbund, der wirtschaftliche Sanktionen gegen den Angreifer verhängte, nahm — im Gegensatz zur öffentlichen Meinung des Landes — in fast demonstrativer Form eine proitalienische Haltung ein, damit verlor man die ohnedies geringen britischen Sympathien. Der Abessinienkonflikt ermöglichte Hitler den aufsehenerregenden Coup des Einmarsches in die entmilitarisierte Rheinlandzone. Daß auf diesen Akt infolge der Haltung Englands und Polens kein Gegenschlag erfolgte, vielmehr nur lahme Proteste geäußert wurden, bot einen Ansporn zu weiteren Taten: Österreichs Lage wurde sehr bedenklich. Die am 23. März 1936 unterzeichneten Zusatzprotokolle zum römischen Pakt von 1934 schränkten Österreichs außenpolitische Bewegungsfreiheit sehr ein, und im Juni 1936 mußte Schuschnigg anläßlich eines Besuches bei Mussolini in Rocca delle Caminate von der Annäherung Italiens an Deutschland Kenntnis nehmen; die Politik der Achse Rom—Berlin kündigte sich an, die bald im spanischen Bürgerkrieg sichtbar in Erscheinung treten sollte. Unter diesen Voraussetzungen kam es nach entsprechenden Vorbereitungen Papens und der Mitarbeiter Schuschniggs, Theodor Hornbostel und Guido Schmidt, zur Unterzeichnung des deutsch-österreichischen Abkommens vom 11. Juli 1936. Das durch mündliche Erklärungen beider Vertragspartner ergänzte Juliabkommen besagte, daß die Deutsche Reichsregierung die volle Souveränität Österreichs anerkenne, daß die innenpolitische Entwicklung beider Länder („einschließlich der Frage des österreichischen Nationalsozialismus")

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als innere Angelegenheit betrachtet würde. Die österreichische Regierung verpflichtete sich, ihre Politik stets auf dem grundsätzlichen Bekenntnis zu Österreich als einem deutschen Staat aufzubauen. Deutschland gab die Tausend-Mark-Sperre auf. Österreich unterband die Propaganda gegen den Nationalsozialismus und versprach eine Amnestie für die inhaftierten Nationalsozialisten. Durch diese Zugeständnisse nahm man sich freilich wirksamere Möglichkeiten der Bekämpfung der weitergehenden illegalen Tätigkeit der österreichischen Nationalsozialisten. Als Exponent der nationalen Kreise wurde der Direktor des Wiener Kriegsarchivs, Edmund GlaiseHorstenau, als Minister ohne Portefeuille in das Kabinett aufgenommen. Das Juliabkommen fand in der Weltpresse und in diplomatischen Kreisen ein freundliches Echo, während es von den radikalen österreichischen Nationalsozialisten um Hauptmann Josef Leopold, aber auch von den entschiedenen Gegnern des Nationalsozialismus in den konservativen und legitimistischen Zirkeln der Vaterländischen Front abgelehnt wurde. So konnte der „Deutsche W e g " , wie man den neuen Regierungskurs nannte, nur mit Schwierigkeiten begangen werden, zumal es wiederholt zu nationalsozialistischen Demonstrationen kam, die wieder zur Verzögerung bei der Durchführung der Amnestie führten. Auch aus der Perspektive der J a h r e nach 1945 ist das Juliabkommen scharf kritisiert worden, allein es fragt sich, welche anderen Möglichkeiten der österreichischen Regierung angesichts der nun einmal gegebenen innen- und außenpolitischen Situation blieben, um eine längere Atempause zu gewinnen. Das J a h r 1 9 3 6 brachte schließlich die völlige Ausschaltung der Heimwehren. Starhemberg hatte die Regierung schon im Mai infolge eines törichten Glückwunschtelegrammes an Mussolini nach Beendigung des Abessinienkrieges, das mit Verunglimpfungen der Westmächte und der Demokratie vollgepfropft war, verlassen müssen. Nach dem Juliabkommen hatte man den Heimwehrkreisen entstammenden Außenminister Baron Egon Berger-Waldenegg durch den bisher mehr im Hintergrund wirkenden V o r arlberger D r . Guido Schmidt ersetzt, was als Konzession gegenüber Deutschland gelten konnte. Starhembergs Gegensatz zu seinem Hauptrivalen in der Heimwehr, M a j o r Emil Fey, führte in den folgenden Monaten zu heftigen Auseinandersetzungen in diesem Wehrverband, die von Schuschnigg am 9. Oktober 1936 mit der Auflösung der Heimwehren beendet wurden. Deren Anhang fiel zwar zahlenmäßig nicht allzusehr ins Gewicht, immerhin gab die Regierung damit einen Teil jener Aktivisten auf, die zu einem offenen Widerstand gegen den Nationalsozialismus noch bereit waren, ohne dafür irgendwelche andere Kräfte zu gewinnen. I m J a h r e 1937 besserte sich zwar die wirtschaftliche Lage Österreichs nicht unerheblich, die Zahl der Arbeitslosen ging wesentlich zurück, gleichzeitig aber machte sich die Ungunst der außenpolitischen Situation mehr und mehr bemerkbar. Seit dem Herbst des Vorjahres hatte sich die Zusammen-

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arbeit im Rahmen der Achse Berlin—Rom intensiviert. Mussolinis Deutschlandbesuch im September 1937 gab dann Hitler Handlungsfreiheit in Österreich. Irgendwelche wirksame Unterstützung durch den Westen war nicht zu erwarten. Der britische Botschafter in Berlin, Neville Henderson, äußerte gegenüber dem österreichischen Gesandten und audi bei anderen Gelegenheiten geradezu seinen Unmut über den österreichischen Widerstand gegen Anschluß und Gleichschaltung, der die Lage in Mitteleuropa unnötig kompliziere. Im November 1937 erklärte Lord Halifax, damals stellvertretender britischer Außenminister, gegenüber Hitler in Berchtesgaden, daß gewisse Änderungen in Europa notwendig seien, er nannte Danzig, Österreich und die Tschechoslowakei. Ähnliche Töne wurden in zunehmendem Maße auch in der englischen Presse angeschlagen. Die österreichische Innenpolitik stand seit dem Juliabkommen im Zeichen verschiedener, im Jahre 1937 verstärkter Versuche, die „Nationalen und Nationalsozialisten" zu einer Mitarbeit im Rahmen der Vaterländischen Front heranzuziehen. Verschiedene Organisationen, ein Deutschsozialer Volksbund, die volkspolitischen Referate in der Vaterländischen Front, ein Siebener-Komitee in Wien, befaßten sich mit diesen Aufgaben. Die Regierung strebte dabei eine Spaltung zwischen den radikalen und den gemäßigteren Nationalsozialisten an, die Gegenseite eine Legalisierung der nationalsozialistischen Betätigung. Während bisher die zahlenmäßig stärkere und jedenfalls geräuschvollere Gruppe radikaler Aktivisten unter Hauptmann Leopold am stärksten hervorgetreten war, gewannen jetzt die „Nationalbetonten", die sich damals freilich auch schon mehr oder minder dem Nationalsozialismus verschrieben hatten, an politischer Bedeutung. Unter ihnen spielte ein Mitglied des Staatsrates, der Wiener Rechtsanwalt Arthur Seyß-Inquart, die führende Rolle; auf dem politischen Parkett bewegte er sich zweifellos gewandter als Glaise-Horstenau und war, wie sich später zeigen sollte, audi unbedenklicher in seinen Mitteln. Anfangs 1938 wurden die verschiedenen Kontakte, in die sich vielfach auch der Gesandte von Papen einschaltete, durch die Aufdeckung des (nach seinem Verfasser Leo Tavs bezeichneten) „Tavs-Planes" gestört, in dem die nationalsozialistischen Vorbereitungen für eine bewaffnete Erhebung in den kommenden Monaten — einschließlich provokatorischer Anschläge gegen deutsche Diplomaten! — skizziert waren. Der unmittelbare Anstoß für die entscheidende Wendung kam aber von außen. Am 4. Februar 1938 gelang Hitler die Zurückdrängung der oppositionellen Kreise in der Wehrmacht; unmittelbar darauf vermittelte Papen eine Unterredung Schuschniggs mit Hitler, die am 12. Februar in Berchtesgaden stattfand, von der man sich österreichischerseits eine Klärung der Lage versprach, in der aber der Bundeskanzler unter massivsten Drohungen mit militärischer Intervention zu einem Abkommen veranlaßt wurde, das die überstürzte Entwicklung der nächsten Wochen einleitete. Seyß-Inquart wurde zum Sicherheitsminister ernannt, die Exekutive drohte Schuschnigg zu ent-

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gleiten, die österreichischen Nationalsozialisten traten nunmehr zumeist schon ungestört offen in Erscheinung. Die Aufnahme des aus dem sozialdemokratischen Lager stammenden Staatssekretärs Adolf Watzek in die Regierung schien den Versuch anzudeuten, die Regierungsbasis auch nach links zu verbreitern; die Sozialdemokraten und die kleine Gruppe der Kommunisten, die im Nationalsozialismus gegenüber dem „Austrofaschismus" das weitaus größere Übel erkannten, waren bereit, trotz aller trüben Reminiszenzen an den Februar 1934 den österreichischen Unabhängigkeitskampf zu unterstützen. So fanden Konferenzen und Kundgebungen statt, die einer Aktivierung der Linken dienen sollten; gegenseitiges Mißtrauen und organisatorische Schwächen infolge des langen Verbotes lähmten aber diese Bemühungen. Schuschnigg fühlte die Gefahr der völligen Auflösung der Regierungsautorität, der von ihm überstürzt gewählte Ausweg einer kurzfristig — am 9. für den 13. März — festgesetzten, kaum kontrollierbaren Volksabstimmung, beschleunigte indessen nur den Untergang. Nach turbulenten Stunden voll von Gerüchten und Drohungen war Schuschnigg am 11. März 1938 zur Zurücknahme der Volksabstimmung bereit; schon standen deutsche Truppen an den österreichischen Grenzen, und in einzelnen Landeshauptstädten gewannen die Nationalsozialisten das Ubergewicht. Der Bundeskanzler trat unter dem Eindruck der unmittelbar bevorstehenden militärischen Intervention zurück, und gegen Abend des 11. März wurde nach längerem Widerstand des gleichfalls unter Druck gesetzten Bundespräsidenten Miklas eine neue Regierung unter Seyß-Inquart gebildet; zu diesem Zeitpunkt hatte Hitler bereits den Befehl zum Einmarsch deutscher Truppen gegeben, der am nächsten Morgen erfolgte. Am 13. März beschloß das neue Kabinett das Gesetz über den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich, nachdem Bundespräsident Miklas zurückgetreten war. So sollte die Einverleibung Österreichs in das Dritte Reich, de facto bereits vollzogen, gewissermaßen legalisiert werden. Es ist zweckmäßig, bei Darstellung der Liquidierung des autoritärständischen Regimes auch ein Wort über seine geschichtliche Stellung zu sagen. Es war ihm nicht gelungen, alle dem Nationalsozialismus feindlichen, staatsbejahenden Kräfte zu einigen. Die drei politischen Lager bestanden auch nach 1933 und 1934 weiter, zwei von ihnen in der Illegalität. Angehörige von Randschichten der Konservativen und Sozialisten waren zu den Nationalsozialisten gestoßen oder sympathisierten vorübergehend mit ihnen, allein keine der drei Gruppen verfügte, soweit wir das beurteilen können — Wahlen gab es ja keine — über die Mehrheit der Bevölkerung Österreichs. Insoferne vertrat auch die Regierung nur eine Minderheit. Es ist freilich unwahrscheinlich, daß ein demokratisch geführtes Österreich, in dem ja auch die Nationalsozialisten freie Entfaltungsmöglichkeiten gehabt hätten, in der bedrängten Lage zwischen Mussolini und Hitler, ohne gemeinsame Grenzen mit einer demokratischen Großmacht, auf die Dauer dem Dritten Reich hätte

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erfolgreicheren Widerstand leisten können, mit keiner anderen H i l f e als platonischen Sympathien des Westens. So hatte man immerhin fünf Jahre standgehalten. Österreich im Dritten Reich. Der zweite

Weltkrieg

Der Anschluß Österreichs an das Dritte Reich wurde von den Großmächten recht anstandslos zur Kenntnis genommen. Von den Westmächten zeigten die Vereinigten Staaten die kühlste H a l t u n g . Italiens Zustimmung veranlaßte Hitler zu einem emphatischen Danktelegramm, das in Wien das groteske, eifrigst kolportierte Gerücht aufkommen ließ, Mussolini habe Südtirol an das Dritte Reich abgetreten, bis Heinrich H i m m l e r f ü r ein überaus barsches Dementi sorgte. Als erster Staat hatte Jugoslawien in eilfertigster und dienstwilligster Form den Anschluß anerkannt, sein Premier Milan Stojadinovic gab mit geradezu enthusiastischen Worten seiner Freude über die Entwicklung Ausdruck. Nicht wesentlich verschieden waren die offiziellen und offiziösen Stellungnahmen von polnischer und ungarischer Seite. Offene Proteste kamen nur aus wenigen, fernen Staaten. In Österreich jubelten die Nationalsozialisten und audi andere Kreise, denen nach einer langen Spanne der Unsicherheit die endgültige Entscheidung gefallen schien, gaben sich optimistisch. M a n sprach von den „Märzveilchen". Der österreichische Episkopat hoffte, durch eine positive Stellungnahme die prekäre Lage der Kirche zu festigen; das gelang nicht ganz, es kam zu einer Welle von Kirchenaustritten — etwa 300.000 Fälle — die in Wien und den östlichen Bundesländern am stärksten w a r und im Westen verebbte. Die Kirche blieb aber ein Faktor, mit dem der Staat nicht fertig wurde, weder durch Terroraktionen, wie dem Sturm einer Meute von Hitlerjungen auf das Wiener Erzbischöfliehe Palais am 8. Oktober 1938, noch durch staatspolizeiliche Überwachung, am allerwenigsten in geistiger und moralischer Hinsicht. Verschiedene Erscheinungen der Märztage hatten nur episodische Bedeutung. Eine Erklärung Karl Renners zugunsten des Anschlusses entsprang vor allem der H o f f n u n g , das Schicksal verhafteter Sozialdemokraten (insbesondere von Robert Danneberg) günstig zu beeinflussen. Das w a r eine Täuschung, im übrigen war die sozialdemokratische Arbeiterschaft durch die rasche Liquidierung der Arbeitslosigkeit sehr beeindruckt, mit der obligatorischen Arbeitsvermittlung und der Verschickung an Arbeitsplätze im „Altreich" aber weniger einverstanden. Eine Volksabstimmung am 10. April 1938 brachte das in straff autoritär geführten Staaten übliche, nahezu einstimmige Ergebnis; als halbwegs zuverlässiger Ausdruck der Volksstimmung kann sie naturgemäß nicht gelten. Eine gewisse Ernüchterung, natürlich auch Einschüchterung, bewirkte das scharfe Auftreten der Gestapo, bald gingen die ersten Transporte in die

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Konzentrationslager Dachau und Buchenwald ab. Es kam überhaupt zu zahlreichen (angeblich 60.000) Verhaftungen. Sofort setzte auch die Emigration der Juden ein, deren Besitz „arisiert" wurde. Einigen politischen Gegnern des Nationalsozialismus gelang ebenfalls die Flucht ins Ausland. Die politische Neuorganisation war durch das Bestreben gekennzeichnet, den Namen und Begriff Österreich auszulösdien. Schon am 24. Mai 1938 war die Aufteilung des „Landes Österreich" in sieben Gaue (Wien, Niederdonau, Oberdonau, Tirol-Vorarlberg, Salzburg, Steiermark und Kärnten) erfolgt. Zunächst sprach man von den Ostmarkgauen, ihnen galt das Ostmarkgesetz vom 14. April 1939, bis ein Führererlaß 1942 die neue Formulierung der „Alpen- und Donaugaue" proklamierte. Es kam zu verschiedenen Grenzänderungen. Wien wurde durch die Einbeziehung von Randgemeinden stark vergrößert, das Burgenland zwischen der Steiermark und Niederdonau aufgeteilt, das Gebiet von Aussee kam an Oberdonau, Osttirol fiel an Kärnten; in diesem Fall war der Grund klar, es handelte sich um eine Verbeugung vor Italien und Mussolini; da Osttirol in seiner geographischen Isolierung ständig an die Zerreißung Tirols gemahnte, wurde es Kärnten einverleibt. Südtirol schrieb man ab, am 23. Juni 1939 kam es zum deutsch-italienischen Südtirolabkommen, das die Aufgabe der altangestammten Wohnsitze durch die Deutschtiroler Volksgruppe südlich des Brenner und ihre Auswanderung ins Deutsche Reich bezweckte. Die organisatorische Durchführung der Neuordnung der österreichischen Angelegenheiten oblag dem Amt des „Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich", des saarpfälzischen Gauleiters Josef Bürckel, während Seyß-Inquart als „Reichsstatthalter in Österreich" wenig zu tun hatte und sein Amt am 1. Mai 1939 überhaupt liquidiert wurde. Die Ernennung zum Reichsminister hatte vorerst keine praktische Bedeutung, erst während des Krieges bekam Seyß-Inquart als Reichsstatthalter der besetzten Niederlande 1940—1945 eine wichtige, für die Holländer allerdings höchst unerfreuliche Funktion zugewiesen, seine Amtsführung wurde scharf abgelehnt. Inzwischen war die Geschichte weitergegangen. Der drohende Hitler erhielt die sudetendeutschen Gebiete, die man einst der wehrlosen Republik Deutschösterreich verweigert hatte, vermehrt durch etliche überwiegend tschechische Distrikte. Südböhmen wurde administrativ an Oberdonau, Südmähren (sowie Theben und Engerau bei Preßburg) an Niederdonau angeschlossen. Mit diesem Erfolg noch nicht zufrieden, liquidierte Hitler unter Bruch des ohnedies überaus günstigen Münchener Abkommens im März 1939 die Rumpftschechoslowakei und bemächtigte sich des sehr erheblichen tschechischen Rüstungsmaterials; das „Protektorat Böhmen und Mähren" und der Schutzstaat Slowakei wurden geschaffen. Seither konnte man nicht mehr die Fiktion aufrechterhalten, daß der Nationalsozialismus bloß die staatliche Einigung des Deutschen Volkes anstrebte.

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Es ist nicht nötig, auf die Ergebnisse näher einzugehen, die am 1. September 1939 mit dem Angriff auf Polen zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges führten; um eine Klärung der Kriegsschuldfrage braucht man sich in diesem Falle gewiß nicht zu bemühen. Was aber Österreich betrifft, so ergibt sich der zweifache Aspekt, daß einerseits kein österreichischer Staat bestand und Krieg führte, andererseits aber die Österreicher — nicht in geschlossenen Verbänden, sondern auf verschiedene Einheiten verteilt — als Angehörige der Deutschen Wehrmacht einrücken mußten und in den folgenden Jahren an allen Fronten kämpften und ihren Blutzoll zu leisten hatten. Es ist klar, daß die Stimmung in Österreich durch den Verlauf des Krieges stark beeinflußt wurde. Einen sehr kennzeichnenden Unterschied gegenüber 1914 bildete das Fehlen jeglicher spontanen Begeisterung bei Kriegsausbruch; das Volk blieb stumm, die Atmosphäre war düster. Dieses Bild änderte sich auch nach der raschen Beendigung des Polenfeldzuges nicht, erst der Zusammenbruch Frankreichs ließ viele an den baldigen „Endsieg" glauben. Der Balkanfeldzug schien vorerst diese Auffassung zu bestätigen. Als nach den ersten, großen Anfangserfolgen im Krieg gegen die Sowjetunion die Verlustziffern stiegen und der Winter 1941/42 empfindliche Rückschläge brachte, hatte der Nationalsozialismus schon erheblich an Überzeugungskraft verloren und sein Anhang begann sich sehr zu verringern. Auch die immer mehr verschärften Maßnahmen gegen die Juden, die Ver pflichtung zum Tragen eines diskriminierenden Abzeichens und die alsbald einsetzenden Massendeportationen wurden durch die große Mehrzahl der Bevölkerung abgelehnt. Das galt auch für die brutalen Methoden bei der Beherrschung und Verwaltung der besetzten Gebiete in Ost- und Südosteuropa; durch Wehrmachturlauber war man über Verschiedenes informiert. Nachrichten über die Greuel der Konzentrationslager sickerten durch; auch auf österreichischem Boden, bei den Granitbrüchen von Mauthausen, gab es seit 1939 ein großes Lager, in dem bis zu Kriegsende über 120.000 Häftlinge den Tod fanden. Schon im Jahre 1938 war es zur Bildung von Widerstandsgruppen gekommen, die allmählich an Zahl und Bedeutung gewannen. Ihre Zielsetzung entbehrte freilich einer Koordinierung; zu den „Gegnern" gehörten ja Angehörige ganz verschiedener Weltanschauungen, Legitimisten, Katholiken, Sektierer, Sozialisten und Kommunisten, ja selbst enttäuschte Deutschnationale und Nationalsozialisten. Angesichts der Schärfe der Maßnahmen des Regimes, der unermüdlichen Aktivität der Gestapo und üblen Denunziantentums, beklagten die Widerstandsgruppen viele Opfer; Tod und Konzentrationslager drohten jederzeit; die Bluturteile der „Volksgerichtshöfe" wurden zeitweilig verheimlicht, dann wieder in brüskierender, zur Abschreckung bestimmter Form bekanntgegeben. Auch im Ausland, im Lager der Alliierten, waren österreichische Gegner des Dritten Reiches tätig, aber auch hier blieb es schwierig, die Aktivität verschiedenartigster Richtungen

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auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Zur Bildung einer österreichischen Exilregierung kam es nicht; diesbezügliche Bemühungen wurden im J a h r e 1940 durch die Kapitulation Frankreichs zunichtegemacht. Im weiteren Verlauf des Krieges kam es dann zu Kontakten der Alliierten mit der österreichischen Widerstandsbewegung in der Heimat. Verschiedene Verbindungen bestanden naturgemäß auch mit den deutschen Widerstandsgruppen. Am Unternehmen des 20. Juli 1944, das im Wehrkreiskommando Wien zunächst Erfolg hatte, nahmen auch Österreicher prominenten, aktiven Anteil; zu nennen sind insbesondere Generalmajor Erwin Lahousen und Oberstleutnant Robert Bernardis. Es zeigte sich aber schon bei der Vorbereitung dieser Aktion durch D r . K a r l Goerdeler, daß die meisten Angehörigen der österreichischen Widerstandsgruppen, anders als die Offiziersverschwörer, die Wiederherstellung der Eigenstaatlichkeit Österreichs wünschten. Tatsächlich richtete sich die Stimmung der Bevölkerung in zunehmendem Maße gegen alle nach Österreich gekommenen Reichsdeutschen; wie sehr man mit diesen Gefühlen rechnen mußte, zeigte schon eine etwas demagogisch anmutende öffentliche Stellungnahme des Wiener Gauleiters Baidur von Schiradi, gegen seine — gleich ihm — aus dem „Altreich" gekommenen Landsleute im Oktober 1941. In der T a t waren im Gau Wien während des Krieges die meisten entscheidenden politischen und administrativen Positionen durch Reichsdeutsche besetzt. Das verstimmte naturgemäß, und die Ersetzung des aus dem Rheinland stammenden Bürgermeisters Philipp Jung, der in der Öffentlichkeit kaum hervorgetreten war, durch den Einheimischen Hanns Blaschke, der sein Wienertum gerne betonte, war wohl auch durch eine Rücksicht auf die Volksstimmung mitbedingt. Inzwischen nahm der Krieg eine immer eindeutigere Wendung. Die K a t a strophe von Stalingrad, die vielen Wienern und Niederösterreichern T o d und Gefangenschaft brachte, die Kapitulation der deutschen Verbände in Tunesien, der Abfall Italiens, schließlich die erfolgreiche Invasion der Alliierten in Frankreich, ließen Ausgang und Ende unvermeidlich erscheinen. Die Totenverluste im Felde stiegen ständig an, dazu kam der Eindruck der zermürbenden Luftangriffe, die seit 1943 und besonders seit 1944 das lang verschonte Österreich schwer trafen. Wien, Graz, Villach, Wiener Neustadt, Knittelfeld und andere Städte erlitten ausgedehnte Zerstörungen. Die Bevölkerung hörte immer weniger auf die nationalsozialistische Propaganda, man bezog die wichtigsten Informationen aus den Sendungen des alliierten oder neutralen Rundfunks. So war es mehr als berechtigt, wenn der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, Ernst Kaltenbrunner, im September 1944 einen sehr pessimistischen Lagebericht über die Stimmung in den Gauen Niederdonau und Wien und über die herrschende „Österreich-Tendenz" gab. Im Frühjahr 1945 wurde Österreich selbst Kriegsschauplatz; vom Osten rückten die Verbände der Roten Armee ein, von Italien stießen die Briten nach Kärnten vor, amerikanische Truppen drangen in Tirol, Salzburg und

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Oberösterreich ein, die Franzosen in Vorarlberg. Aktionen der Widerstandsbewegung, die besonders in Tirol, im Salzkammergut und im Raum der steirischen Koralpe stärker in Erscheinung treten konnte, kürzten vielfach die sinnlos gewordenen Kämpfe ab und verhinderten noch weitere Verwüstungen. Hitlers Plan der „Alpenfestung" im österreichischen Raum, in der bis zum Letzten gekämpft werden sollte, konnte glücklicherweise nicht realisiert werden. Ein Versuch österreichischer Offiziere des Wiener Wehrkreiskommandos, die Übergabe der zur Festung erklärten und von Zerstörung bedrohten Stadt Wien durch Herstellung eines Kontaktes mit der Roten Armee zu beschleunigen, hatte einen Teilerfolg, doch bezahlten Major Karl Biedermann, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke, die dem Zugriff der Gestapo zum Opfer fielen, die Durchführung ihres, von Major Karl Szokoll geleiteten und vom österreichischen und Wiener Standpunkt jedenfalls voll berechtigten Unternehmens, mit dem Leben. Man konnte hoffen, daß der Zusammenbruch des Dritten Reiches eine Wiederherstellung der österreichischen Unabhängigkeit bringen würde; in diese Richtung wiesen die Bestrebungen der österreichischen Gegner des Nationalsozialismus und die Rundfunkpropaganda der Alliierten, wenngleich unter diesen auch andere Kombinationen auftauchten. So wurde etwa in Wiederaufnahme älterer französischer Wünsche von Stalin und Churchill der Plan eines süddeutsch-österreichischen „Katholischen Staates" erwogen. Aber man lebte nicht mehr im konfessionellen Zeitalter, und für den protestantischen Briten wie für den atheistischen Leiter der Sowjetpolitik war diese noch im Jahre 1944 gelegentlich diskutierte Möglichkeit keineswegs Herzenssache, sondern vorwiegend vom Grundsatz der Schwächung und Teilung Deutschlands, vielleicht audi von einem gewissen Zweifel an der Lebensfähigkeit Österreichs bestimmt. In der österreichischen und bayerischen Bevölkerung fand dieser Gedanke kaum Resonanz. Wesentlich bedeutsamer war der Inhalt der Moskauer Deklaration vom 1. November 1943, in der die Außenminister der Alliierten, Eden, Hull und Molotow, die Wiederherstellung des österreichischen Staates in Aussicht stellten, freilich auch von einer „gewissen Mitverantwortung" sprachen, von der allerdings die alliierten Mächte, man denke nur an die Haltung Englands und Frankreichs 1938, oder an jene der Sowjetunion im Sommer 1939, selbst nicht frei waren; man verlangte auch einen Beitrag der Österreicher zu ihrer Befreiung. Dieser Beitrag konnte der Lage der Dinge nach sich nur in gewissen Grenzen halten, audi so waren die Opfer der Widerstandsbewegung schwer genug. Es war nicht zuletzt ihrem Wirken und dem der Österreicher im Ausland zuzuschreiben, daß die in den Tagen des Zusammenbruches rasch vollzogene Trennung von Deutschland als selbstverständlich galt; sie war eine unabdingbare Notwendigkeit und entsprach nach den Erfahrungen der letzten Jahre durchaus dem Willen der österreichischen Bevölkerung.

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Die Wiederberstellung der Republik Österreich Das Besatzungsregime und der Kampf um den Staatsvertrag Während der letzten Wochen des Dritten Reiches und unmittelbar nach seinem Zusammenbruch herrschten in Österreich chaotische Zustände. Verhältnismäßig rasch aber trat eine gewisse Klärung der militärischen und politischen Situation ein, allmählich kam auch die Wirtschaft wieder in Gang. Die alliierten Mächte, die seit Mitte Mai 1945 das ganze Staatsgebiet Österreichs besetzt hielten, schlossen im Juli 1945 und wieder im Juni 1946 Kontrollabkommen über Österreich. Im Juli 1945 wurde unter anderem audi die endgültige Begrenzung der Besatzungszonen abgesprochen. Die französische Zone umfaßte die Bundesländer Vorarlberg und Tirol (ohne Osttirol). Osttirol, Kärnten und Steiermark gehörten zur britischen Zone, Salzburg und Oberösterreich südlich der Donau zur amerikanischen, während die sowjetische Zone das oberösterreichische Mühlviertel, Niederösterreich und das Burgenland umfaßte. Die vier Mächte besetzten ferner je einen Sektor der inmitten der sowjetischen Zone gelegenen Stadt Wien; die Innere Stadt wurde gemeinsam (alternierend) okkupiert. Die entsprechenden Maßnahmen wurden bis zum 1. September 1945 durchgeführt. Der im ersten Kontrollabkommen als oberste Besatzungsbehörde vorgesehene Alliierte Rat, für dessen Beschlüsse Einstimmigkeit erforderlich war, nahm am 11. September 1945 seine Sitzungen auf. Noch im Laufe des Monats April 1945 hatten die österreichischen Parteien begonnen, sich zu organisieren. Die österreichische Volkspartei (ÖVP) war eine Neubildung des Jahres 1945, die allerdings bis zu einem gewissen Grade an die Traditionen der Christlichsozialen Partei anknüpfte, doch verzichtete sie im Gegensatz zu dieser auf eine konfessionelle Etikette. Bemühungen und Initiativen vorwiegend älterer Politiker zwecks programmatischer Festlegung einer eindeutig katholischen Orientierung stießen auf keine große Resonanz und wurden bald aufgegeben. Das Führerkorps der Ö V P stammte zum Großteil aus dem Kreise der Widerstandsbewegung, so etwa Karl Gruber, Felix Hurdes und Lois Weinberger; andere führende Mitglieder hatten, wie Ing. Leopold Figl, den größten Teil der Zeit von 1938 bis 1945 als KZ-Häftlinge verbracht. Auch einige Vertreter liberaler Traditionen, meistens aus Wirtschaftskreisen, sowie der ehemalige Landbundabgeordnete Vinzenz Schumy, traten stärker hervor. In organisatorischer Hinsicht zerfiel die Ö V P von Anfang an in ständisch orientierte Bünde, von denen der Bauernbund unter Figl und der Wirtschaftsbund unter Ing. Julius Raab den Arbeiter- und Angestelltenbund an Stärke und Einfluß übertrafen. Doch gewann dieser später wesentlich an Bedeutung. Die entscheidenden Männer der O V P lehnten die „Bürgerblockpolitik" der Ersten Republik ab und waren von Anfang an zu einer Zusammenarbeit mit der zweiten großen Partei, den Sozialisten, in der Regierung des Staates und der Länder bereit. 34

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Die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) wurde im Frühjahr 1945 unter der maßgeblichen Initiative von Karl Renner und Adolf Schärf neugebildet. Neben ihnen traten besonders Oskar Helmer und Bruno Pittermann hervor; es führten also vor allem Repräsentanten des rechten Flügels der alten Sozialdemokratie und damit die Verständigungspolitiker. Der prominenteste Vertreter der Mitte, Karl Seitz, trat im Parlament wiederholt als Sprecher auf, das Amt des Bürgermeisters von Wien übernahm jedoch Theodor Körner. Von den Prominenten des linken Flügels war Otto Bauer 1938 in der Pariser Emigration gestorben; Julius Deutsch konnte sich nicht mehr entsprechend durchsetzen. Diesen Tatsachen gegenüber spielte es praktisch keine Rolle, daß man den Parteinamen als Zugeständnis an eine Gruppe linksstehender Aktivisten, den „Revolutionären Sozialisten" der Verbotszeit (1934—1945), in Sozialistische Partei Österreichs abgeändert hatte. Eine von den Kommunisten angestrebte Aktionsgemeinschaft wurde schon Ende April 1945 abgelehnt. Der alte kulturkämpferische Geist trat zurück, man bemühte sich um ein Einvernehmen mit der katholischen Kirche, die ihrerseits den Priestern jede aktive politische Tätigkeit untersagte. Das Übergewicht Wiens im sozialistischen Lager verringerte sich, obwohl die Bundeshauptstadt ihre traditionelle sozialistische Mehrheit behielt. In einem zweiten Bundesland, in Kärnten, wo sich viele Angehörige des nationalen Lagers den Sozialisten anschlossen, errangen diese eine relative, zeitweilig absolute Mehrheit im Landtag. Arbeiter und Angestellte bildeten nach wie vor den Hauptstock der sozialistischen Wählerschaft, doch bemühte man sich mehr und mehr auch um die Angehörigen der „Randschichten", des Mittelstandes und kleinbäuerlicher Kreise. Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) hatte nach 1934 ihre Anhängerschaft in der Illegalität durch infolge der Februarereignisse radikalisierte Sozialdemokraten verstärken können; seit 1945 besaß die KPÖ, anders als in der Ersten Republik, eine, wenn auch kleine, parlamentarische Vertretung, auch in verschiedenen Landtagen saßen einzelne Kommunisten. Insgesamt aber verfügte die Partei nie über mehr als ungefähr fünf Prozent der bei Nationalratswahlen abgegebenen Stimmen. Parteiführer war der Altkommunist Johann Koplenig, als stärkste geistige Persönlichkeit, insbesondere als guter Redner, trat der frühere Sozialdemokrat Ernst Fischer in den Vordergrund. Wiewohl die sowjetische Besatzungsmacht nachdrücklichere Eingriffe in die österreichische Innenpolitik unterließ, gewährte sie den Kommunisten einen gewissen Rückhalt, einige Betriebe unter russischer Verwaltung galten als stärkste Stützpunkte der Kommunisten. Aktivisten der drei genannten Parteien übernahmen nach dem Einmarsch der Alliierten die lokalen und regionalen Verwaltungen. Vertreter dieser Parteien waren naturgemäß auch an der ersten Regierung der Zweiten österreichischen Republik beteiligt. Der von Dr. Karl Renner am 27. April 1945 gebildeten provisorischen Regierung gehörten neben dem Staatskanzler

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Renner je neun Angehörige der S P Ö und Ö V P , sieben Kommunisten und drei Parteilose als Staatssekretäre und Unterstaatssekretäre an. Die Regierung gab eine zuvor von den Vorständen der drei Parteien veröffentlichte Unabhängigkeitserklärung ab, welche die Wiederherstellung der Demokratischen Republik Österreich proklamierte und ihre Einrichtung im Geist der Verfassung von 1920 verhieß. Die Sowjetunion erkannte die in ihrem Besatzungssektor zusammentretende Regierung an, während die Westmädite Vorbehalte äußerten. Ihnen schien jedenfalls der verhältnismäßig starke kommunistische Anteil bedenklich, da die K P Ö mit dem Innenressort (Franz Honner) die Exekutive beherrschte — die Kommunisten waren alsbald insbesondere in der Polizei sehr stark vertreten — und audi mit dem Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten (Ernst Fischer) eine starke Position besaß. Die Regierung erließ das Verfassungsüberleitungsgesetz, durch das die demokratische Verfassung in der Novellierung und Fassung von 1929 in Kraft trat, und ein Gesetz über die vorläufige Ausübung von Rechten, die normalerweise Parlament und Landtagen zukamen, durch die Regierung. D a s Hauptproblem der Stunde war die Ausdehnung der Befugnisse der Regierung auf die von den Westmächten besetzten Bundesländer. Es bestand die Gefahr der Bildung einer Gegenregierung und damit einer noch weitergehenden Teilung des ohnedies kleinen, von den Grenzen der Besatzungszonen durchschnittenen Staatsgebietes. Im August und September 1945 wurden in Salzburg von den westlichen Bundesländern beschickte K o n ferenzen abgehalten, welche die Anerkennung der Regierung Renner nach Einbeziehung von Vertretern dieser Länder vorbereitete. Diese Erweiterung wurde in einer Wiener Konferenz vom 25. September 1945 vollzogen. Die neue Regierung bestand aus 13 Angehörigen der Ö V P , 12 der S P Ö , 10 der K P Ö und 4 Parteilosen (Fachleuten). Es wurden Vorbereitungen für die Durchführung von Wahlen in den Nationalrat und die Landtage getroffen, die am 25. November 1945 stattfanden. Mitglieder der N S D A P und der Wehrformationen S A und S S waren von diesen Wahlen noch ausgeschlossen. Das Wahlergebnis brachte einen Erfolg der Ö V P , die mit 85 Mandaten die absolute Mehrheit im Nationalrat erhielt, während die Sozialisten 76 Mandate errangen. Weit abgeschlagen endeten die Kommunisten mit vier Mandaten an letzter Stelle. Der neugewählte Nationalrat trat sofort der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 bei. Die Zusammensetzung der Regierung wurde auf Grund des Wahlergebnisses abgeändert. Die definitive Regierung konnte im Dezember 1945, unter dem Vorsitz von Ing. Leopold Figl als Bundeskanzler, zusammentreten. Dr. Adolf Schärf wurde Vizekanzler, acht Minister gehörten der Ö V P , sechs der S P Ö an, zwei waren parteilose Fachminister (für Finanzen und für Justiz); die Kommunisten gaben das Unterrichts- und das Innenressort ab und erhielten ein neugebildetes Ministerium für Energie34 *

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Wirtschaft. Im Nationalrat waren also nur Regierungsparteien vertreten, keine Opposition. Anläßlich der Koalitionsvereinbarungen zwischen der Ö V P und der SPÖ, die der Regierungsbildung vorangingen, wurde die Beachtung des Proporzprinzipes für die Zusammensetzung der Regierung, aber auch der Länder- und Gemeindeverwaltungen, beschlossen. Dieses Prinzip wurde — nach den Ergebnissen der noch folgenden Wahlen zahlenmäßig variiert — weiterhin beibehalten und mehrfach auch bei der Anstellungspraxis im öffentlichen Dienst und den verstaatlichten Betrieben berücksichtigt. Die eigentliche Bedeutung der innenpolitischen Entwicklung von 1945 lag in der Tatsache, daß es zunächst gelang, einer in der Sowjetzone gebildeten Regierung die Anerkennung im ganzen Staatsgebiet zu verschaffen und es so zu ermöglichen, daß in ganz Österreich von den Besatzungsmächten unbeeinflußte Wahlen stattfanden, die dann den auf dem Boden der westlichen Demokratie stehenden Großparteien einen überwältigenden Erfolg gegenüber den Kommunisten brachten: So konnte der weiteren Entwicklung eine ganz andere Richtung gewiesen werden, als in Deutschland, aber etwa auch in der Tschechoslowakei. Die Bundesversammlung wählte am 20. Dezember 1945 Dr. Karl Renner zum Bundespräsidenten, von einer Volkswahl sah man ab, nachdem die Parteien sich auf die Person Renners geeinigt hatten, um dem Staat die Kosten eines zweiten Plebiszites in kurzer Zeit zu ersparen. Die im Herbst 1945 neugewählte Volksvertretung hatte wichtige legislatorische Aufgaben zu bewältigen. Es erwies sich dabei in der Folgezeit für Österreich als günstig, daß im zweiten Alliierten Kontrollabkommen vom 28. Juni 1946 die obligatorische Zustimmung des Alliierten Rates auf Verfassungsgesetze beschränkt wurde. Alle anderen Gesetze konnten in Kraft treten, wenn binnen 31 Tagen kein Einspruch dieser Militärbehörde erfolgte, für dessen Zustandekommen aber Einstimmigkeit notwendig war, die in der Regel angesichts der Probleme, welche die Sowjetunion und die Westmächte sonst trennten, nicht erzielt werden konnte. Die im Juni 1946 getroffene Regelung verminderte jedenfalls die Auswirkungen der bedrohlichen weltpolitischen Spannungen auf die österreichische Innenpolitik und ersparte Österreich einen noch größeren, ja lähmenden Einfluß der Alliierten auf seine Gesetzgebung. Langwierige und wenig befriedigende Prozeduren der Gesetzgebung und Rechtssprechung forderte die Behandlung des Problems der ehemaligen Angehörigen der Nationalsozialistischen Partei. Am 8. Mai 1945 erließ die Regierung ein Verfassungsgesetz über das Verbot der N S D A P , das eine Registrierungspflicht für „minderbelastete" und „belastete" Nationalsozialisten vorsah. Am 25. Juli 1946 beschloß dann das Parlament das umfangreiche „Erste Nationalsozialistengesetz", das erst nach mehreren Abänderungen, die zumeist Verschärfungen waren, die Zustimmung des Alliierten Rates fand. Das Gesetz betraf ungefähr 524.000 registrierungspflichtige Personen. Am

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17. Februar 1947 sollte durch das „Zweite Nationalsozialistengesetz" eine bis auf weiteres abschließende Regelung getroffen werden. Im allgemeinen haben sich die in diesen Gesetzen vorgesehenen Sühnefolgen vor allem auf die Angestellten des öffentlichen Dienstes ausgewirkt, von denen viele vorzeitig pensioniert wurden. So war also gerade jene Personengruppe am stärksten betroffen, deren Angehörige nicht selten erst unter einem mehr oder minder starken Druck den Beitritt zur N S D A P oder ihren Wehrverbänden vollzogen hatten. Durch eine Amnestie, die am 21. April 1948 Gesetzeskraft erlangte, wurden die „Minderbelasteten", insgesamt 482.000 Personen, von den im Gesetz vorgesehenen Sühnepflichten befreit. Durch Gnadenakte des Bundespräsidenten und durch eine im Jahre 1953 erlassene Amnestie für die „Belasteten" wurde dieses Problem allmählich liquidiert. Es ist klar, daß eine summarische Regelung für einen allzu großen Personenkreis, wie sie durch die Nationalsozialistengesetze versucht wurde, nicht befriedigen konnte; im Grunde war ja nicht die formale Zugehörigkeit zur N S D A P , sondern das tatsächliche Verhalten des einzelnen während der Zeit von 1938 bis 1945 von Belang gewesen. Der in Deutschland unternommene, umständlichere Versuch einer mehr individuellen Regelung hat freilich auch nicht voll entsprochen. Verschiedene Delikte, darunter der unerfreuliche Komplex der Kriegsverbrechen, wurden von österreichischen Volksgerichten (vorübergehend auch von Militärgerichtshöfen der Besatzungsmächte) behandelt. Im allgemeinen hat sich die Judikatur der Volksrichter nicht sehr bewährt; sie begann mit übermäßig harten Urteilen und endete mit zum Teil recht problematischen Freisprüchen. Das Jahr 1946 brachte im Sommer, am 26. Juli, das für die österreichische Wirtschaft äußerst wichtige Gesetz über die Verstaatlichung der Großbanken und der Schlüsselindustrie, und im Herbst, am 5. September, den Abschluß des Pariser Abkommens über Südtirol durch die Außenminister der beiden beteiligten Staaten, Karl Gruber und Alcide de Gasperi. Der Ausgang des zweiten Weltkrieges ließ das Südtirolproblem wieder aktuell werden. Eine Gruppe italienischer Demokraten hatte sich 1944 für die Abtretung der von kompakter fremdnationaler Bevölkerung bewohnten Gebiete im Norden und Nordosten Italiens ausgesprochen. Es gelang Österreich aber nicht, das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol durchzusetzen. Während die slowenisch und kroatisch besiedelten Landstriche an der Nordostgrenze Italiens (mit ihnen übrigens auch etliche von Italienern seit alters her bewohnte Städte in Istrien) an Jugoslawien fielen, die Inseln des Dodekanes an Griechenland kamen, Albaner, Libyer, Äthiopier und schließlich auch die Somalis ihre Freiheit erhielten, entschlossen sich die Alliierten, Italien weiterhin die Brennergrenze und damit Südtirol zu belassen. Das Argument der strategischen Grenze hatte zwar im Zeitalter der Atombombe keine Bedeutung mehr und das Wasserscheidenprinzip war gegenüber Jugoslawien aufgegeben worden — nunmehr war das obere Isonzotal jugoslawisch und

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das untere italienisch — aber Österreich war der Schwächste von allen Staaten, die an Italien territoriale Forderungen zu stellen hatten, es stand unter vierfacher Besetzung, seine Zukunft schien ungewiß. Unter den Alliierten wirkten besonders die Vereinigten Staaten, denen Österreich sonst viel zu danken hatte, die aber stets für die bevorzugte Behandlung Italiens unter allen Feindstaaten des zweiten Weltkrieges eingetreten waren, allen Forderungen auf Gewährung des Selbstbestimmungsrechtes für Südtirol — und wie sich später zeigen sollte, auch bescheideneren Wünschen der Südtiroler und Österreicher — entschieden entgegen. Auch die Haltung des britischen Außenministers Ernest Bevin war für Österreich in dieser Frage ungünstig. Selbst das vom österreichischen Außenministerium im Mai 1946 übermittelte Verlangen nach Abtretung des Pustertales und der Eisenbahnlinie Innichen—Brenner an Österreich, wodurch immerhin ein territorialer Zusammenhang zwischen den beiden bei Österreich verbliebenen Teilen Tirols (Nord- und Osttirol) hergestellt worden wäre, wurde von der Pariser Außenministerkonferenz im Juni 1946 abgelehnt. In zweiseitigen Verhandlungen mit Italien mußte man versuchen, wenigstens einer Wiederholung der Anwendung faschistischer Methoden einen Riegel vorzuschieben und den Bestand der durch eine forcierte italienische Einwanderung bedrohten Südtiroler Volksgruppe, die in ihrer eigenen Heimat zur Minderheit zu werden drohte, einigermaßen zu sichern. So kam es zum Pariser Vertrag des Jahres 1946. In diesem Abkommen waren nicht nur Bestimmungen über die Gewährung des Schulunterrichtes in der Muttersprache, Gleichstellung der deutschen Sprache in den Ämtern, Gleichberechtigung bei der Einstellung von Südtirolern in den Staatsdienst und eine Revision der Optionen auf Grund des Hitler-Mussolini-Abkommens vorgesehen, sondern in Punkt zwei audi die „Ausübung einer regionalen Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt". Tatsächlich wurde aber am27.Juni 1947 eine gemeinsame Region Trentino-Tiroler Etschland (Provinz Bozen) geschaffen, in der die Italiener eine starke Mehrheit besitzen. Innerhalb der Region erhielt Südtirol (die Provinz Bozen) einen Landtag und eine Landesregierung mit enge begrenzten Gesetzgebungsbefugnissen, die durch wiederholte Einsprüche der italienischen Regierung weiter eingeschränkt wurden. Die italienische Zuwanderung ging weiter; gegenüber 7000 Personen im Jahre 1910 betrug die Anzahl der Italiener in Südtirol 1953 etwa 115.000 Menschen, von den Südtiroler Optanten in Deutschland und Österreich (etwa 70.000) kam nur ein Bruchteil zurück. So blieb die 1919 künstlich und mutwillig geschaffene Südtiroler Frage weiterhin ein heikles Problem, das die Beziehungen zwischen Österreich und Italien, die sich sonst seit 1945 normalisierten, unangenehm belastete. Nichtsdestoweniger hatten die Südtiroler von den Angehörigen aller jener deutschsprachigen Volksgruppen, die sich im Jahre 1918 vergeblich zur Republik Deutschösterreich bekannt hatten und gegen ihren Willen anderen Staaten

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angeschlossen wurden, vergleichsweise das günstigste Geschick. Das Jugoslawiendeutschtum wurde durch Vertreibung und blutige Aktionen fast völlig liquidiert, dieses Schicksal betraf auch die Südsteirer und die Kärntner Mießtaler. Darüber hinaus stellte Jugoslawien an Österreich Gebietsansprüche, die über die Abstimmungszonen von 1920 hinausgingen und neben Klagenfurt auch Villach, ferner steirische Grenzstriche mit Radkersburg betrafen. Später wurden diese Forderungen auf Gebiete südlich von Gail und Drau ermäßigt. Es war für Österreich günstig, daß diese Grenzgebiete zur Zone der korrekt amtierenden britischen Besatzungsmacht gehörten, welche die Südslawen hinderte, Brachialgewalt einzusetzen. D a ß die Bevölkerung bei Österreich bleiben wollte, war ja unzweifelhaft. Als der Konflikt Stalins mit Tito Jugoslawien um die sowjetische Unterstützung seiner Forderungen brachte, war die Frage zugunsten Österreichs entschieden. Eine besondere Rolle spielten unter den heimatvertriebenen Altösterreichern die Sudetendeutschen, die ebenso wie die Karpatendeutschen des alten Ungarn 1918 unter die Herrschaft der Tschechoslowakei gekommen waren. Ihr Schicksal wurde durch drei Fehlentscheidungen der Weltmächte bestimmt, durch St. Germain (1919), München (1938) und Potsdam (Herbst 1945); die letztgenannte Konferenz besiegelte für drei Millionen Sudetenund Karpatendeutsche den Verlust ihrer Heimat. Allerdings hatten die Austreibungsaktionen schon im Frühjahr 1945, also vor der „Legalisierung" durch die Großmächte, begonnen. Nach Österreich kamen vor allem Karpatendeutsche, Südmährer und Südböhmen. Ende Mai 1945 forderte der „Brünner Todesmarsch" und die Internierung in einem Silo bei Pohrlitz schwerste Opfer. Man hat den Sudetendeutschen oft vorgeworfen, daß sie sich für die nationalsozialistische Propaganda besonders anfällig zeigten, doch waren die ungarischen und polnischen Minderheiten, die gegen ihren Willen dem tschechoslowakischen Staate einverleibt worden waren, ebenso unzufrieden; das gilt auch für einen Teil der Slowaken, denen man die Eigenständigkeit ihres Volkstums bestritt. Die Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre, die insbesondere das stark industrialisierte sudetendeutsche Gebiet betraf, verstärkte die Mißstimmung ebenso, wie die ziemlich planmäßige Unterwanderung des eigenen Siedlungsgebietes durch die Tschechen. So verloren die zunächst führenden sudetendeutschen Sozialdemokraten, die seit 1929 in der Staatsregierung saßen, wegen der Rückschläge im nationalen und sozialen Kampf des Tages, auch unter dem Eindruck des Niederbruches der Schwesterparteien in Deutschland und Österreich, stark an Anhang. Die nationalbetonte, wenngleich anfänglich eine gewisse Distanz zum Nationalsozialismus einhaltende Sudetendeutsche Partei gewann 1935 die Oberhand und wurde schließlich doch zum Werkzeug der nationalsozialistischen Expansionspolitik. Zwar hielt man im Westen, namentlich in England, den Wunsch der Sudetendeutschen nach nationaler Selbstbestimmung für vollkommen berechtigt, die Zerstörung der ohn-

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mächtigen Resttschechoslowakei bald nach dem Münchner Abkommen, die Gewaltherrschaft im Protektorat, dann die geschickte und bedenkenlose Propaganda von Eduard Benes und seinem Kreise, führten schließlich zur Sanktionierung der Massenaustreibungen, die natürlich keineswegs in der „humanen" Form durchgeführt wurden, die man in Potsdam verlangt hatte und die auch jene Deutschen betrafen, die bis zuletzt den tschechoslowakischen Staat aktiv gegen die Offensive Hitlers unterstützt hatten. Auch die Ungarndeutschen waren von Aussiedlungsmaßnahmen betroffen, die im allgemeinen in wesentlich milderen Formen durchgeführt und schließlich eingestellt wurden. Immerhin konnten die Burgenländer deutlich genug erkennen, welchem unerfreulichen und jedenfalls unsicheren Geschick sie durch den Anschluß ihrer Heimat an Österreich entgangen waren, zumal auch viele Deutsche aus dem westungarischen Grenzgebiet und dem Ödenburger Zwickel ihre Heimat verlassen mußten. Rumänien hatte sich den Vertreibungsmaßnahmen der anderen Oststaaten nicht angeschlossen, doch waren gegen Kriegsende zahlreiche Deutsche, namentlich Siebenbürger Sachsen des Nösner Landes, auf Veranlassung deutscher Partei- und Heeresstellen evakuiert worden, die dann nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren konnten. Von ihnen blieb eine größere Anzahl in Österreich. Zwar kam nur ein Bruchteil der über 13 Millionen deutschsprachigen Heimatvertriebenen auf die Dauer nach Österreich — etwa 400.000 — für die Wirtschaft der Republik hatte ihre Aufnahme und Tätigkeit aber eine durchaus positive Bedeutung. Weite Kreise hatten zunächst für die Nöte der Volksdeutschen wenig Verständnis, es dauerte ziemlich lange, bis auch die Vertreter der politischen Parteien und die Presse sich nachdrücklicher für die Vertriebenen einzusetzen wagten. Die österreichische Innenpolitik wurde seit dem Jahre 1947 durch eine Verschlechterung im Verhältnis der beiden Großparteien zu den Kommunisten charakterisiert. Versuche der Kommunisten, die Außenpolitik und die inneren Angelegenheiten des Staates stärker zu beeinflussen, blieben erfolglos. Noch erfolgte durch einen einstimmigen Ministerratsbeschluß — also unter Mitwirkung des kommunistischen Ministers für Energiewirtschaft, Dr. Karl Altmann, der möglicherweise nicht ganz im Bilde war — Österreichs Beitritt zur Marshallplanhilfe, die für den Wiederaufbau der Wirtschaft des Staates von entscheidender Bedeutung war. Die Versetzung des kommunistischen Chefs der Staatspolizei auf einen weniger entscheidenden Posten und andere Maßnahmen des Innenministers Oskar Helmer, gaben aber Hinweise auf bestehende Schwierigkeiten, und im November 1947 schieden die Kommunisten ganz aus der Regierung aus. Die Ablehnung des damals im Parlament angenommenen Währungsschutzgesetzes durch die K P Ö und wohl auch andere Gründe gaben den Anlaß zum Rücktritt Altmanns. Seither bildete die Zweiparteienkoalition S P Ö - Ö V P ein Hauptcharakteristikum der österreichischen Politik.

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Am 9. Oktober 1949 fanden termingemäß Nationalratswahlen statt. Bei diesen Wahlen waren die „minderbelasteten" Registrierungspflichtigen bereits stimmberechtigt. Neben zwei Splittergruppen trat damals die „Wahlpartei der Unabhängigen" ( W d U ) erstmalig auf; unter dieser Bezeichnung stellte sich der neugegründete „Verband der Unabhängigen" ( V d U ) den österreichischen Wählern. Der W d U diente als Auffangbecken jener Elemente des nationalen Lagers, die nicht zum Anschluß an eine der beiden Großparteien bereit waren; ihre Hauptstützpunkte hatte die neue, von D r . Herbert Kraus und D r . Viktor Reimann begründete Partei in Salzburg, zeitweilig auch in Oberösterreich und Vorarlberg, am schwächsten war sie in der russischen Zone vertreten, wo fast alle Nichtkommunisten eine möglichst starke Stellung der Regierungskoalition wünschten. Bei diesen Wahlen erhielt die Ö V P , die sich besser als die Sozialisten behauptete, 77 Mandate, die S P Ö 67, der W d U 16 und der Linksblock, eine Wahlkoalition zwischen den Kommunisten und einer von den Sozialisten abgesplitterten, zahlenmäßig äußerst schwachen Gruppe von Linkssozialisten unter Erwin Scharf, fünf Mandate. Die auf Grund der Wahlen umgebildete Regierung unter Ing. Leopold Figl umfaßte sieben Minister aus den Reihen der Ö V P und sechs aus jenen der S P Ö . Der Stil der Innenpolitik der Zweiten Republik unterschied sich insofern wohltuend von den Ereignissen nach 1918 und insbesondere nach 1927, als es nunmehr keine Selbstschutzformationen politischer Parteien gab und man im allgemeinen auf gewalttätige Auseinandersetzungen verzichtete. Eine üble Ausnahme stellten die im Oktober 1950 unmittelbar nach Abschluß eines Lohn- und Preisabkommens, einer jener Vereinbarungen, durch die man bis 1952, nicht immer mit vollem Erfolg, das Gleichgewicht in der Volkswirtschaft zu halten suchte, von kommunistischer Seite entfesselten Unruhen dar, die in der russischen Zone, insbesondere im Wiener Neustädter Gebiet, bedenkliche Ausmaße annahmen. In Oberösterreich kam es in den Anfangsstadien dieser Aktion zu einem Zusammenwirken mit rechtsradikalen Elementen. Die Abwehrstimmung und die feste Haltung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere der Arbeiter und Bauern, führte nach einigen aufregenden Tagen zur Liquidierung der kommunistischen Aktion. Am 31.Dezember 1950 starb Bundespräsident Karl Renner, der zweimal in schwierigen Situationen die Leitung der österreichischen Republik übernommen und sich als konzilianter und besonnener Staatsmann bewährt hatte. Der neue Bundespräsident sollte durch das Volk gewählt werden; die Wahlen fanden im Mai 1951 statt. Der erste Wahlgang brachte erwartungsgemäß keine Entscheidung, der parteilose, jedoch vom V d U unterstützte Kandidat Burkhard Breitner, ein prominenter Mediziner, erreichte die beachtliche Zahl von 6 6 2 . 0 0 0 Stimmen, in die Stichwahl kamen jedoch die Kandidaten der beiden Regierungsparteien, der Landeshauptmann von

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Oberösterreich Dr. Heinrich Gleißner (ÖVP) und der Bürgermeister von Wien Theodor Körner (SPÖ). Der VdU gab seinen Anhängern die Parole, nach eigenem Ermessen abzustimmen. Tatsächlich dürften von den Wählern Breitners im zweiten Wahlgang ungefähr gleich viele Stimmen für jeden der beiden Kandidaten abgegeben worden sein, während sich eine dritte, schwächere Gruppe der Stimme enthielt. Der Linksblock unterstützte Theodor Körner. Dieser siegte mit einem Vorsprung von etwa 168.000 Stimmen. So blieb es also bei der bisherigen Verteilung der Spitzenstellungen, die Ö V P stellte den Regierungschef und die SPÖ das Staatsoberhaupt. Anläßlich einer Umbildung der Regierung Figl im Jänner 1952 übernahm — neben anderen personellen Änderungen — Dr. Reinhard Karnitz das Finanzministerium; die Regierung führte erfolgreiche Maßnahmen zur Stabilisierung der Währung durch. Noch vor Ablauf der vollen Legislaturperiode wurden im Februar 1953 Nationalratswahlen abgehalten; ihr Ergebnis brachte einen gewissen Ausgleich in der Stärke der parlamentarischen Vertretungen der beiden Großparteien. Die Ö V P behielt mit 74 Mandaten einen ganz knappen Vorsprung vor den 73 Sozialisten, doch hatte die SPÖ 37.000 Wählerstimmen mehr erhalten. Die Opposition verlor Mandate, der WdU, von dem man eigentlich ein besseres Abschneiden erwartet hatte, erhielt 14 und die „Volksopposition" ( K P Ö und Linkssozialisten) 4 Sitze. Die Wahlen der Zweiten Republik verliefen im allgemeinen in einer ruhigen Atmosphäre, wenn auch nicht ohne Begleiterscheinungen einer demagogischen Propaganda. Im Jahre 1949 hatte die Ö V P die „rote Katze" losgelassen und die Sozialisten als Schrittmacher der Volksdemokratie bezeichnet, 1953 revanchierte sich die SPÖ mit dem „Rentenklau". Diese Wahlschlager hatten offensichtlich erhebliche Wirkung. Im übrigen machte sich das Mißtrauen gegen eine Einparteienherrschaft bei der Stimmenabgabe der schwankenden Wähler geltend, die sichtlich bestrebt waren, keiner der Regierungsparteien ein zu starkes Ubergewicht über die andere zu geben. Nachdem ein Vorschlag der ÖVP, auch den V d U an der Regierungsbildung zu beteiligen, von den Sozialisten abgelehnt worden war, kam es zur Fortsetzung der Zweierkoalition unter dem neuen Bundeskanzler Julius Raab (ÖVP) mit insgesamt acht ÖVP-Ministern und sechs aus den Reihen der SPÖ, sowie dem parteilosen Justizminister Dr. Joseph Gerö. Außenminister blieb vorderhand Dr. Karl Gruber, der im November 1953 durch Ing. Leopold Figl ersetzt wurde, von dem man sich einen besseren Kontakt zu der Sowjetdiplomatie versprach, während Gruber als Botschafter nach Washington ging. Die Umbesetzung stand im Zeichen des Kampfes um den österreichischen Staatsvertrag, um die Wiederherstellung der Souveränität Österreichs und den Abzug der Besatzungstruppen. Dieses Ringen dauerte nahezu ein Jahrzehnt, und mehr als einmal schien es, als müßte man an einem Erfolg in absehbarer Zeit verzweifeln. Die ersten Versuche, zu einem positiven

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Abschluß zu gelangen, fielen bereits in die Jahre 1946/47. Im Frühjahr und wieder im Dezember 1946, auf einer N e w Yorker Außenministerkonferenz der Großmächte, wurde über den Staatsvertrag beraten und seine kurzfristige Ausarbeitung in Aussicht gestellt, doch gelang wegen des Gegensatzes zwischen den Westmächten und der Sowjetunion weder den Stellvertretern der Außenminister zu Anfang 1947 in London, noch den Außenministern selbst im März und April 1947 in Moskau, eine Einigung über den Vertragsinhalt. Die Hauptgegensätze betrafen den Komplex des „Deutschen Eigentums" und die damals noch von der Sowjetunion unterstützten ausgiebigen jugoslawischen Gebietsansprüche auf Österreich. Ein im Oktober 1947 unterbreiteter Plan des französischen Diplomaten Cherriere zur Regelung der Frage des Deutschen Eigentums drang auf einer Londoner Außenministerkonferenz zu Ende 1947 nicht durch, enthielt aber gewisse Elemente, an die später angeknüpft werden konnte. Uber die strittigen Fragen verhandelte man in den Jahren 1948 und 1949 weiter, wesentlich war, daß die Sowjetunion im Sommer 1949 auf die Unterstützung der territorialen jugoslawischen Ansprüche verzichtete. So schien doch eine Einigung bevorzustehen, die in einem Kommunique vom 21. Juni 1949 bis zum 1. September des Jahres in Aussicht gestellt wurde. Bald gab es aber wieder die üblichen Schwierigkeiten, es wurde offenbar, daß die Sowjetunion, die schließlich ein Junktim zwischen dem Staatsvertrag und der Triester Frage herstellte, augenblicklich an einem Abschluß des Staatsvertrages nicht interessiert war. Eine von den Westmächten im März 1952 vorgelegte „Kurzfassung" des Staatsvertrages, an sich für Österreich recht günstig formuliert, hatte von vornherein keinerlei Aussicht, von Rußland angenommen zu werden. Einem brasilianischen Antrag folgend, appellierte im Dezember 1952 die Vollversammlung der Vereinten Nationen an die Großmächte, die Besetzung Österreichs zu beenden. Wichtig war, daß im folgenden Jahre durch indische Vermittlung der Sowjetunion die Bereitwilligkeit Österreichs zu einer Neutralitätspolitik in konkreterer Form bekanntgemacht wurde. Es kam nach dem Tode Stalins zu einer Reihe konzilianter Gesten, im August 1953 wurde endlich die Zensur in der Sowjetzone aufgehoben, die Westmächte zogen die Kurzfassung des Staatsvertrages zurück, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich verzichteten auf eine Erstattung der Besatzungskosten durch Österreich — die USA waren schon im Juni 1947 vorausgegangen. Im Jänner 1954 wurde auf einer Berliner Konferenz von Außenminister Molotow zwar der Abschluß eines Staatsvertrages in Aussicht gestellt, aber durch die Bedingung, daß die Besatzungstruppen bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland im Lande bleiben sollten, entwertet. Außenminister Figl gab eine offizielle Erklärung über die Bereitwilligkeit Österreichs zur militärischen Neutralität, gleichzeitig lehnte man aber einen Vertrag ohne befristeten Abzug der Besatzungstruppen ab.

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Es scheint, daß Molotow selbst noch an der alten russischen Österreichpolitik festzuhalten gewillt war, doch drangen in Moskau andere Auffassungen durch. Man erhoffte sich wohl von einer konzilianten Haltung gegenüber dem neutralen Österreich eine Wirkung auf die kleinen Staaten des westlichen NATO-Bündnisses, aber auch auf Westdeutschland, das eben der N A T O beigetreten war. Außerdem trennte ein neutrales Österreich (gemeinsam mit der Schweiz) die westlichen Truppen in Süddeutschland und Italien voneinander. Jedenfalls war das sowjetische Echo auf eine (von den Sowjets selbst angeregte) Wiener Dreipunkteerklärung über den Charakter der österreichischen Neutralität freundlich; im April 1955 reiste eine österreichische Regierungsdelegation mit Bundeskanzler Raab und Vizekanzler Schärf an der Spitze nach Moskau, wo man vom 12. bis 15. April 1955 verhandelte. Dieses Ergebnis wurde im „Moskauer Memorandum" festgehalten. Wesentlich war, daß die Sowjetunion auf ihr bereits zugestandene langjährige Ölkonzessionen, Schurfrechte und andere Vermögenswerte in Ostösterreich gegen eine angemessene Ablöse verzichtete. Damit war das Eis gebrochen. Unter größter Spannung der österreichischen Bevölkerung fand in Wien vom 2. bis 12. Mai eine Botschafterkonferenz statt, auf der endlich die langersehnte Einigung über alle Vertragsartikel gelang. Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag im Wiener Belvedere durch die Außenminister Molotow, Macmillan, Dulles, Pinay und Figl unterzeichnet. Der Staatsvertrag umfaßte eine Präambel, neun Teile mit 38 Artikeln, zwei Annexe und fünf Listen. Es war wichtig, daß die ursprünglich in die Präambel eingebaute Formulierung einer gewissen Mitverantwortlichkeit Österreichs am Kriege weggelassen wurde. Teil I des Vertragstextes enthielt politische und territoriale Bestimmungen; von seinen Artikeln sprach der vierte das Verbot des wirtschaftlichen und politischen Anschlusses an Deutschland aus, der siebente betraf die Rechte der kleinen slowenischen und kroatischen Minderheiten. Teil II enthielt militärische und Luftfahrtbestimmungen, Teil I I I verfügte die Zurückziehung der alliierten Streitkräfte, Teil IV behandelte aus dem Krieg herrührende Ansprüche, darunter insbesondere das Problem des Deutschen Eigentums (Artikel 22). Teil V betraf Eigentum, Rechte und Interessen der Vereinten Nationen und verschiedener Minderheitengruppen sowie das österreichische Vermögen im Gebiet der Alliierten. Dieses Vermögen sollte, mit Ausnahme der Werte in Jugoslawien, zurückgestellt werden. Die Teile V I — V I I I behandelten gleichfalls vorwiegend wirtschaftliche Probleme, Teil I X enthielt die Schlußbestimmungen über Auslegung und Ratifikation. Von den beiden Annexen gab der erste eine Definition des im Staatsvertrag verwendeten Ausdruckes Kriegsmaterial, wichtiger war der zweite, in dem durch den Verzicht der Sowjetunion auf zahlreiche Vermögenswerte der Artikel 22 entscheidend abgeändert und der Inhalt der fünf dem Vertrag angeschlossenen Listen über derartige Werte hinfällig

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Koalitionen u n d Einparteienregierungen

wurde. Die Ablösemodalitäten f ü r diese Werte waren bereits durch das Moskauer M e m o r a n d u m geregelt; die vorgesehenen Lieferungen u m f a ß t e n W a r e n von 150 Millionen US-Dollar W e r t sowie 10 Millionen Tonnen Erdöl, lieferbar in zehn Jahren als Ablöse f ü r die Erdölbetriebe. Diese Bestimmung w u r d e im Juli 1958 anläßlich des Besuches einer österreichischen Regierungsdelegation in Moskau zugunsten Österreichs abgeändert. Eine Entschädigung westlicher Erdölgesellschaften w u r d e durch zwei Wiener Memoranden vom 10. Mai 1955 in die Wege geleitet. Entsprechend früheren Erklärungen legten die Regierungsparteien am 7. Juni 1955 eine Entschließung vor, die vom N a t i o n a l r a t einstimmig angenommen wurde. In dieser Entschließung w u r d e die immerwährende N e u t r a l i t ä t Österreichs proklamiert; ein Verfassungsgesetz über diese N e u tralität ging durch den N a t i o n a l r a t . Die Signatarmächte des Staatsvertrages — und in der Folge auch zahlreiche andere Staaten — sprachen die Anerkennung der österreichischen N e u t r a l i t ä t aus. Im September und O k t o b e r 1955 verließen die letzten Besatzungssoldaten Österreichs Boden. Das Land hatte nach 17 langen Jahren f r e m d e r Herrschaft und Bevormundung seine Unabhängigkeit in vollem U m f a n g wiedererlangt. Sie f ü r die Z u k u n f t zu behaupten, w a r nunmehr — anders als in der Ersten Republik — der feste Wille der überwältigenden Mehrheit des österreichischen Volkes.

Koalitionen

und Einparteienregierungen

(1955

—1988)

Die errungene Unabhängigkeit und die erfolgreiche Stabilisierung u n d Konsolidierung eines zunächst bescheidenen, dann aber steigenden Wohlstandes im Inneren wirkten sich zugunsten der Regierungspolitik und hier wieder in erster Linie f ü r Bundeskanzler R a a b und die von ihm geführte Partei aus; der „ R a a b - K a m i t z - K u r s " konnte wirksam ins Treffen geführt werden, als im Mai 1956 die ersten N e u w a h l e n nach Beendigung der Besatzungsära stattfanden. Die Ö V P k a m mit 82 Sitzen (Gewinn 8) sehr k n a p p an die absolute Mehrheit heran, w ä h r e n d sich die Sozialisten mit dem Gewinn eines M a n d a t s (auf 74 Nationalratssitze) begnügen mußten. Die starke Betonung der Bedeutung der verstaatlichten Industrie und der Position des f ü r sie zuständigen Ministers Dipl.-Ing. W a l d b r u n n e r , die damit verbundenen Warnungen vor Reprivatisierungsbestrebungen, hatten nicht die von den Sozialisten erhoffte W i r k u n g gehabt, eher Ängste vor weitergehenden Verstaatlichungsmaßnahmen geweckt. H a u p t v e r l i e r e r der W a h l w a r die „Freiheitliche Partei", eine A r t Nachfolgeorganisation des V d U . Die Ablösung dieses Verbandes und das Ausscheiden seiner früheren Führer Reimann und Kraus, an deren Stelle stärker „nationalbetonte" Politiker traten, ohne allerdings Absplitterungen auch des rechten Flügels überwinden zu können, w u r d e von den Wählern nicht honoriert, die Mandats-

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zahl sank von 14 auf 6. Erwartungsgemäß kam es auch zu einer Schwächung der Kommunisten (von 4 auf 3 Mandate). Anläßlich der Neubildung der Regierung wurde ein Bundesministerium für Landesverteidigung errichtet und mit dem ÖVP-Mandatar Ferdinand Graf besetzt, dem ein Staatssekretär der SPÖ zur Seite stehen sollte. Auf Grund des Wehrgesetzes vom September 1955 wurde ein auf der allgemeinen Wehrpflicht beruhendes Bundesheer aufgebaut. Die in den westlichen Bundesländern zur Verfügung stehenden Kader der „B-Gendarmerie" erleichterten die Organisation, die zunächst zügig durchgeführt wurde. Verglichen mit dem militärischen Aufwand anderer Staaten ähnlicher Größe hielt sich Österreichs Wehrpolitik freilich in sehr bescheidenen Grenzen und wirkte seit den späteren sechziger Jahren nicht mehr recht überzeugend. Von weiteren Kompetenzänderungen im Rahmen der Regierungsbildung 1956 war die Unterstellung der verstaatlichten Industrie unter ein vom Bundeskanzler geleitetes Ministerkomitee von besonderer Bedeutung; das Ressort Dipl.-Ing. Waldbrunners wurde auf „Verkehr und Elektrizitätswirtschaft" eingeschränkt. Etwa ein Jahr nach dem Ende der Besatzungszeit erhielt die österreichische Bevölkerung einen drastischen politischen Anschauungsunterricht, als es im Herbst 1956 in Anschluß an Vorgänge in Polen zur ungarischen Volkserhebung und ihrer Niederwerfung durch die Rote Armee kam. Ein gewaltiger Flüchtlingsstrom ergoß sich durch Österreich, wo man für Hilfsmaßnahmen sorgte. Die ungarischen Ereignisse hatten die Notwendigkeit einer behutsamen Politik erhärtet. Es mußte auf strikte Einhaltung des Staatsvertrages und auf einwandfreie, ausgeglichene Beziehungen zu den Signatarmächten geachtet werden, was im Zeitalter des „Kalten Krieges" und angesichts der zu respektierenden, sehr ausgeprägten Sympathien der Bevölkerung für westliche Lebens- und Staatsformen nicht ganz einfach war. Die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung sah damals eine stabile Politik am ehesten in einer Koalition der beiden Großparteien verbürgt, wobei ein nicht unbedeutender Prozentsatz von „Wechselwählern" offensichtlich einen Ausgleich des Kräfteverhältnisses anstrebte. Dies machte sich wohl auch bei der nach dem Tode Theodor Körners notwendig gewordenen Bundespräsidentenwahl im Mai 1957 geltend, als Vizekanzler Dr. Adolf Schärf gegen den gemeinsamen Kandidaten der ÖVP und der FPÖ Professor Dr. Wolfgang Denk, einen angesehenen Chirurgen, der bisher politisch nicht hervorgetreten war, überraschend mit einer Mehrheit von etwa 100.000 Stimmen die Wahl gewann. Nach der Wahl Schärfs, der als Bundespräsident aus der Parteipolitik ausschied, übernahm Dr. Bruno Pittermann, ein sehr versierter, schlagfertiger Parlamentarier, den Vizekanzlerposten und die Parteiführung der Sozialisten. In den Jahren 1957—1958 wurde ein neues Parteiprogramm

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ausgearbeitet; es ging insbesondere um eine weitere Bereinigung des Verhältnisses zur katholischen Kirche in kulturpolitischen Fragen. Man war bereit, die Gültigkeit des Dollfuß-Konkordates von 1933 grundsätzlich anzuerkennen, kam aber mit der anderen Koalitionspartei im Rahmen der Regierung zur Übereinstimmung, daß wichtige Materien neu geregelt werden müßten; Verhandlungen mit dem Vatikan im letzten Jahre des Pontifikats Pius X I I . (1958) blieben aber ergebnislos; erst unter Johannes X X I I I . sollte 1959—1960 eine einvernehmliche Lösung der Vermögensfrage und der Schulprobleme gelingen. In der Volkspartei formierte sich die Gruppe der „Reformer", meist jüngere Politiker aus den Bundesländern, die für eine härtere Haltung gegenüber dem Koalitionspartner eintraten. Korruptionsaffären in der Wirtschaft hatten für weitere Aufregung gesorgt, als im Mai 1959 wieder Nationalratswahlen stattfanden. Die „Gleichgewichtsparole" der Sozialisten hatte bei den Wechselwählern Erfolg, die Differenz gegenüber der Volkspartei verringerte sich auf ein Mandat (78 : 7 9 ) , die Sozialisten wurden sogar zur stimmenstärksten Partei. Die Freiheitlichen holten gegenüber 1956 etwas auf; die Kommunisten schieden aus dem Nationalrat; Nachwirkungen der Ungarnkrise waren dafür wohl entscheidend. Nach schwierigen Verhandlungen, während denen R a a b seine Anhänger durch das zeitweilige Angebot des Finanzministeriums an die Sozialisten irritiert hatte, kam es erneut zur Bildung einer Koalitionsregierung, in der beide Parteien je sechs Minister und zwei Staatssekretäre stellten. Das bisher von Ing. Figl geführte Außenministerium wurde von Dr. Bruno Kreisky, bis dahin Staatssekretär in diesem Ressort, übernommen. Vizekanzler Pittermann wurde die heikle Aufgabe der Verwaltung der verstaatlichten Industrie zugewiesen. Im Juni 1960 schied Finanzminister Karnitz aus der Regierung und übernahm das Präsidium der Nationalbank. Im Jahre 1961 wurde die österreichische Hauptstadt Schauplatz des spektakulären Treffens zwischen dem neuen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy und dem Leiter der sowjetischen Politik, dem Vorsitzenden des Ministerrats N i k i t a S. Chruschtschow, das der Verringerung der Ost-West-Spannungen dienen sollte und tatsächlich eine Wendung in den Beziehungen der Supermächte einleitete, was auch für das gastgebende Österreich von höchster Bedeutung sein mußte (3. und 4. Juni 1961). D a s innenpolitische Klima in diesem Lande wies dagegen eher Verhärtungstendenzen auf. Im Frühjahr 1961 war Julius R a a b vom Kanzleramt zurückgetreten, griff aber anfangs 1962 als Präsident der Bundeshandelskammer wieder energisch in den Gang der Ereignisse ein, als er mit dem Präsidenten des Gewerkschaftsbundes Franz Olah ein Abkommen schloß, das der Festigung des Lohn- und Preisgefüges diente und eine für die folgenden Jahre charakteristische Entwicklung der Beziehungen der Sozial-

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partner einleitete. Dr. Alfons Gorbach, Raabs Nachfolger als Bundeskanzler, vermied wohl persönliche Auseinandersetzungen in der Koalition; es gelang auch die Verabschiedung wichtiger Schulgesetze. Die von Dr. Hermann Withalm und dem Finanzminister Dr. Josef Klaus geführten „Reformer" der Ö V P drängten aber auf Neuwahlen, von denen sie sich eine Stärkung der Stellung ihrer Partei erhofften. In der Tat brachten die vorverlegten Wahlen im November 1962 einen Vorstoß der Ö V P , die im Wahlkampf besonders Vizekanzler Pittermann und seine Rolle bei der Führung der verstaatlichten Industrie aufs Korn genommen hatte, auf 81 Mandate und einen Rückgang der Sozialisten auf 76 Sitze; die F P Ö behauptete ihre Acht-Mann-Fraktion. Nach langwierigen Verhandlungen und Unstimmigkeiten um das Budgetprovisorium gelang dem Team GorbachPittermann erst Ende März 1963 die Regierungsbildung. Sie brachte eine Erweiterung der Befugnisse des der Ö V P angehörigen Handelsministers Dr. Fritz Bock; ihm wurden die Fragen der Integration in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die wiederholt einen Gegenstand politischer Kontroversen gebildet hatten, übertragen. Von bemerkenswerteren personellen Veränderungen ist das Ausscheiden von Finanzminister Klaus und Innenminister Afritsch zu nennen, ferner zog sich Waldbrunner nach langer Ministerschaft aus der Regierungstätigkeit zurück. Franz Olah übernahm das Innenministerium und gab das Präsidium des Gewerkschaftsbundes ab. Der Koalitionspakt wurde den Vorstellungen der ÖVP-Reformer entsprechend gelockert und damit in verschiedenen Materien eine freiere Meinungsbildung in der Volksvertretung ermöglicht. Das Frühjahr 1963 schien eine Umkehr des politischen Trends zu bringen, als bei der fälligen Neuwahl des Bundespräsidenten Dr. Adolf Schärf, dem seine ruhige Amtsführung einen Prestigegewinn verschafft hatte, mit großer Mehrheit wiedergewählt wurde. Julius Raab erlitt als Gegenkandidat — schon von Krankheit gezeichnet, der er nach wenigen Monaten erliegen sollte — eine schwere, in Hinblick auf seine historischen Verdienste allgemein als tragisch empfundene Niederlage. Dieser Rückschlag trug mit dazu bei, daß im Herbst 1963 sich die Reformer in der Ö V P auf einem Parteitag in Klagenfurt völlig durchsetzten. Klaus wurde Bundesparteiobmann. Im April 1964 löste er Gorbach als Bundeskanzler ab. Im Zuge der Regierungsumbildung kam es zur Neubesetzung mehrerer von der Ö V P geführten Ministerien. Der langjährige Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel (in Klagenfurt Gegenkandidat von Klaus) schied aus und wurde von Dr. Theodor Piffl-Percevic ersetzt. D r . Karl Schleinzer wechselte vom Landesverteidigungsressort zur Land- und Forstwirtschaft; Dr. Wolfgang Schmitz übernahm die Finanzen. Eine Reihe politischer Turbulenzerscheinungen sollte dieser Zeit ihren Stempel aufdrücken. Zu ihnen gehörte zunächst die „Habsburgkrise". Dr. Otto Habsburg, der Sohn des letzten Kaisers von Österreich, hatte sich

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erst nach langem Zögern im Jahre 1961 zu einer Loyalitätserklärung gegenüber der Republik Österreich entschlossen, über die es jedoch in der Regierung zu keiner Einigung kam, was als Ablehnung aufgefaßt werden konnte. Eine Beschwerde Dr. Habsburgs beim Verfassungsgerichtshof blieb erfolglos, während der Verwaltungsgerichtshof am 24. Mai 1963 eine Rechtsauffassung vertrat, die von jener des Verfassungsgerichtshofes in einem wichtigen Punkt (Frage der Mitwirkung des Hauptausschusses des Nationalrates bei der Beurteilung von Loyalitätserklärungen von Angehörigen des Hauses Habsburg) entscheidend abwich; die Loyalitätserklärung wurde als ausreichend erklärt. S P Ö und F P Ö reagierten heftig, es fiel das Wort vom „Juristenputsch". Dr. Habsburg konnte erst nach einiger Zeit nach Österreich einreisen; seine Anwesenheit hatte dann keinerlei nennenswerte politische Konsequenzen. Nachhältiger wirkte sich ein Konflikt in der Führung der sozialistischen Partei aus, der durch eine heftige Polemik über Person und Politik des Innenministers Olah in die Öffentlichkeit getragen wurde. Olahs Personalpolitik stieß zunächst auf den Widerstand der politischen Gegner; bald wurde aber auch erkennbar, daß der Innenminister in schwere Auseinandersetzungen mit anderen Angehörigen der Führungsspitze der S P Ö und des Gewerkschaftsbundes verstrickt war. Diese Gruppe behielt die Oberhand. Olah mußte im September 1964 das Innenministerium an Hans Czettel abgeben. Wegen finanzieller Transaktionen, die nicht persönlicher Bereicherung, sondern eigenwilligen politischen Zielsetzungen dienen sollten, kam Olah schließlich vor Gericht und wurde verurteilt. Für Aufregung sorgten auch Aktivitäten weit rechtsstehender Gruppen und Personen; im Jahre 1966 k a m es in diesen Kreisen zur Gründung einer Kleinpartei ( N D P ) , der aber jeder politische Erfolg versagt blieb. Eher skurril mag im Nachhinein die Affäre um die Namengebung eines Bodenseeschiffes ( „ K a r l Renner" oder „Vorarlberg") anmuten, in deren Verlauf die S P Ö , die den zuständigen Verkehrsminister Otto Probst stellte, vor dem eigenwilligen Föderalismus des westlichsten Bundeslandes den Rückzug antreten mußte und die Positionen der Sozialisten westlich des Arlberg schwer erschüttert wurden. Nach dem vorzeitigen Tod von Adolf Schärf brachte die Bundespräsidentenwahl des Jahres 1965 nach einem robust geführten Wahlkampf zwar wieder einen Sieg des sozialistischen Kandidaten, des Bürgermeisters von Wien Franz Jonas, doch war ihm der Kandidat der Ö V P Alfons Gorbach recht nahe gerückt, der — wohl nicht zuletzt wegen seiner versöhnlichen Haltung gegenüber dem nationalen Lager nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges — einen erheblichen Teil der Wechselwählerstimmen für sich buchen konnte. Die Bundespräsidentenwahl und ihr knapper Ausgang, ferner Meinungsverschiedenheiten auf wirtschaftspolitischem Gebiet, verstärkten die 35

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Spannungen innerhalb der Koalition. D i e Bundesregierung trat zurück, und es fanden im März 1966 Neuwahlen statt. D a s Auftreten einer Partei von Anhängern Franz Olahs ( D F P ) und wohl audi das Danaergeschenk einer prosozialistischen Wahlempfehlung der Kommunisten, die selbst nur in einem Wiener Wahlkreis kandidierten, wirkten sich zuungunsten der Sozialisten aus. Der Ö V P gelang in einem energisch geführten Wahlkampf ein entscheidender Vorstoß. Sie erreichte zwar nicht die Mehrheit der Stimmen, wohl aber die der Mandate im Nationalrat (85), während die Sozialisten auf 74 und die Freiheitlichen auf sechs Sitze reduziert wurden. So war die Position der Sozialisten in den Parteienverhandlungen, die um die Regierungsbildung geführt wurden, recht schwach. Es gab interne Meinungsverschiedenheiten, wie weit man den ziemlich ausgiebigen Forderungen der Ö V P nachgeben solle; zuletzt entschloß sich eine starke Mehrheit auf einem außerordentlichen Parteitag zur Opposition. So war also das Ende der Koalition gekommen, die mehr als zwanzig Jahren österreichischer Politik den Stempel aufgedrückt hatte. An dieser Koalition ist in den letzten Jahren ihres Bestandes, als sich auch die persönlichen Spannungen unter den beteiligten Politikern gemehrt hatten, viel Kritik geübt worden; man argumentierte, sie habe echte Entscheidungen verhindert, die Rolle der Opposition und im Grunde auch die Bedeutung des Parlamentes empfindlich geschmälert. D a ß die Koalition in den Besatzungsjahren die unter den gegebenen Umständen bestmögliche Lösung darstellte, wird freilich kaum geleugnet. Der gegenseitige Argwohn in den beiden führenden politischen Lagern konnte im Rahmen der Koalition vor exzessiven Ausbrüchen, wie sie die erste Republik so sehr erschüttert hatten, bewahrt bleiben. Wenn man sich anders als früher daran gewöhnt hatte, im politischen Gegner auch einen Partner zu sehen, so kam der Koalitionspolitik, die überdies für die Einhaltung einer mittleren Linie in wirtschaftlichen Fragen sorgte, daran doch ein wesentlicher Anteil zu. Die in der Gesetzgebung sehr aktive Amtsführung der „monokoloren" Regierung Klaus, in der der langjährige Handelsminister Dr. Fritz Bock nunmehr auch als Vizekanzler fungierte, war begleitet von lebhaften Parlamentsdebatten und nach einiger Zeit auch von den schon traditionellen Rückschlägen, mit denen eine in den letzten Wahlen erfolgreiche politische Kraft in der Zweiten Republik meist rechnen mußte. Zeitweilige, nicht auf Österreich beschränkte Krisenerscheinungen hatten zur Revision einer voreilig angekündigten und eingeleiteten Steuerreduzierung gezwungen. Den für die Ö V P ungünstigen Ergebnissen der Landtagswahlen in Oberösterreich (1967) und im Burgenland (1968) k a m ein gewisser Testcharakter zu. Alle diese innenpolitischen Ereignisse wurden aber überschattet durch das dramatische Geschehen in der Tschechoslowakei, durch den „Prager Frühling", der eine Liberalisierung des Regimes einzuleiten schien und den Einmarsch der Truppen der Mächte des Warschauer Paktes, der dieser

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Entwicklung ein Ende bereitete; wieder gab es in Österreich politische Flüchtlinge aus einem Nachbarland. Für die K P Ö ergab sich eine weitere Schwächung; der heftigste Kritiker des sowjetischen „Panzerkommunismus" in ihren Reihen, Ernst Fischer, wurde ausgeschlossen. Erfreulichere Aspekte ergaben sich aus einer Regelung der das Verhältnis zu Italien seit 1956 wiederholt belastenden Südtirolfrage. Sprengstoffanschläge radikaler, unverantwortlicher Elemente in Südtirol, andererseits hartes Vorgehen gegen Verhaftete hatten die aus Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Autonomie für Südtirol resultierenden Spannungen noch beträchtlich verschärft. Auch die Vereinten Nationen hatten sich 1960 auf Grund einer österreichischen Initiative mit der Materie befaßt und die Wiederaufnahme von Verhandlungen empfohlen. Diese gestalteten sich höchst langwierig und wurden durch Rückschläge gehemmt, doch kam es 1964 nach zwei Treffen der Außenminister Kreisky und Saragat in Genf und Paris zu einer gewissen Annäherung. Man einigte sich dann bis zu einer Zusammenkunft der Außenminister Waldheim und Moro im Juni 1969 in Kopenhagen auf ein „Südtirol-Paket", in dem Italien eine Reihe von meritorischen Maßnahmen zusagte; gleichzeitig wurde ein „Operationskalender" italienischer und österreichischer Schritte ausgearbeitet, der zur Beendigung des Konfliktes führen soll. Parteiausschuß und Landesversammlung der Südtiroler Volkspartei sprachen sich nach Kampfabstimmungen für diese Vereinbarungen aus. Ihre Realisierung machte seither gute Fortschritte. Die Verbesserung der Beziehungen zu Italien sollte sich auch wirtschaftspolitisch auswirken. In diesem Zusammenhang bedarf es eines Rückblicks auf vorhergehende Entwicklungen. Österreich konnte wegen seiner Neutralitätsverpflichtung von vornherein kein Vollmitglied der 1958 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) werden. Es trat aber mit sechs anderen Staaten (Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Portugal und Schweiz, denen sich später Finnland assoziierte) im Jahre 1960 zur „European-Freetrade-Association" (EFTA) zusammen, die sich vor allem um einen gegenseitigen Zollabbau, aber auch um ein Arrangement mit der EWG bemühte. Die Zugehörigkeit zur EFTA wurde von den beteiligten Staaten allerdings mehr oder weniger als Provisorium aufgefaßt. In österreichischen Kreisen, die der FPÖ, aber auch der Ö V P angehörten oder nahestanden, wurden gelegentlich Austrittsanregungen laut, auch in den schließlich gescheiterten Parteienverhandlungen von 1966 war davon die Rede. Die offizielle Regierungspolitik aber tendierte zu einem kündbaren Zollabkommen mit der EWG, unter Beibehaltung der Zugehörigkeit zur EFTA. Dabei wurde man wiederholt mit offiziösen russischen Warnungen konfrontiert und traf 1967 auch auf den Einspruch Italiens, der erst nach der Zusammenkunft von Kopenhagen gegenstandslos wurde. Im Dezember 1969 kam es in Brüssel zu Kontaktgesprächen zwiii"

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sehen Vertretern Österreichs und der EWG, die der Anbahnung eines Interimsabkommens dienten. In der Außenpolitik gab es keine grundsätzlichen Differenzen zwischen Regierung und Opposition, wenn auch gelegentlich Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise eines zweckmäßigen Vorgehens; sonst betonte man die Gegensätze mehr als früher. Es war aber in Hinblick auf den Trend der Landtagswahlen, der sich in Kärnten (Februar 1970) eben erst bestätigt hatte, bedenklich, wenn die regierende Ö V P vor dem Urnengang der Nationalratswahlen ( l . M ä r z 1970) ihre Wahlparolen auf eine Alleinregierung und die Verteufelung jeder Koalition abstellte. Die SPÖ hatte sich unter der neuen Führung von Bruno Kreisky konsolidiert und vermochte mit Thesen, in denen sie in mancher Hinsicht an die skandinavischen Bruderparteien anknüpfte, die Kreisky in der Emigration kennengelernt hatte, auch liberale Mittelschichten mehr als früher anzusprechen. Tatsächlich brachten die Wahlen der SPÖ einen starken Stimmenzuwachs und einen Gewinn von sieben Mandaten, ebenso viele verlor die ÖVP, während die F P Ö ihren Stand hielt. Klaus zog sich etwas abrupt von der Politik zurück und Kreisky bildete nach ergebnislosen Verhandlungen mit der nunmehr von Hermann Withalm geführten Volkspartei eine sozialistische Minderheitsregierung. Beide Parteien verzichteten auf eine „kleine Koalition" mit der FPÖ. Ein neues Ministerium für Wissenschaft und Forschung, das Agenden des Unterrichtsministeriums übernehmen sollte, wurde gebildet; dieses Ressort übernahm Dr. Hertha Firnberg. Außenminister wurde Dr. Rudolf Kirchschläger, ebenso wie sein unmittelbarer Amtsvorgänger Waldheim ein parteimäßig nicht gebundener Berufsdiplomat. Wichtig war auch die Unterstellung der verstaatlichten Industrie unter das Bundeskanzleramt. Auch 1971 sollte zu einem wichtigen Wahljahr werden. Nach Ablauf der ersten Amtsperiode stellte sich Franz Jonas im April erneut der Wahl zum Bundespräsidenten, die mit verstärkter Mehrheit erfolgte; auch sein Gegenkandidat, der frühere Außenminister (und spätere Generalsekretär der Vereinten Nationen) Dr. Kurt Waldheim hatte sich gut gehalten. Da die Mehrheitsverhältnisse im Nationalrat höchst labil waren, sollten Neuwahlen im Oktober 1971 klare Verhältnisse schaffen. Sie erfolgten auf Grund eines von SPÖ und F P Ö im Nationalrat durchgesetzten neuen Wahlverfahrens. Diesmal erreichten die Sozialisten die absolute Mehrheit der Stimmen und auch jene an Mandaten (93) in dem auf 183 Sitze verstärkten Nationalrat; die Ö V P erhielt 80, die F P Ö 10 Mandate. Kreiskys neue sozialistische Regierung, deren Ministerliste vorwiegend die gleichen Namen aufwies wie ihre Vorgängerin, konnte sich auf eine gesicherte parlamentarische Mehrheit stützen. Ein Ministerium für Gesundheit und Umweltschutz wurde neu geschaffen und mit der Wiener Ärztin Dr. Ingrid Leodolter besetzt.

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Die Regierung Kreisky verfolgte in der Innenpolitik einen pragmatischen Kurs. Zwar blieb Österreich von den Tendenzen der „Reideologisierung", wie sie namentlich in der Bundesrepublik Deutschland hervortraten, nicht verschont; es war aber für die maßgeblichen Persönlichkeiten in d e r S P Ö , namentlich für den Bundeskanzler, offenkundig, daß die wahlentscheidende Gruppe der „Wechselwähler" (insbesondere aus den Reihen des Mittelstandes) nur durch eine Liberalisierung, nicht durch Parolen des „Austromarxismus" gewonnen werden konnte. Ideologische Diskussionen und Proteste der Jugend blieben wohl nicht aus, änderten aber nichts am Vorrang der politischen Praxis. Auch in der Ö V P kam es zu ideologischen Meinungsverschiedenheiten, man entschloß sich zur „Orientierung an der Mitte", das bedeutete auch eine gewisse Absage an den Konservativismus; im übrigen betonte man im Programm von 1972 aber vor allem das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Das traditionelle Nahverhältnis zur Kirche endete, man ging beiderseits mehr auf Distanz. Bundesparteiobmann wurde 1971 der Kärntner Karl Schleinzer. Im November 1971 wurde das Unterrichtsministerium mit dem Burgenländer Fred Sinowatz besetzt; die schon gegen Ende der ÖVP-Regierung in Angriff genommenen Schulversuche wurden in großem Ausmaß weitergeführt, um künftige Neugestaltungen — namentlich der Schule der Zehnbis Vierzehnjährigen — vorzubereiten. Gerade in dieser Frage blieben die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien aber kaum überbrückbar. Eine Belastung für die österreichische Innenpolitik, aber auch für die nachbarlichen Beziehungen zu Jugoslawien, brachte der Kärntner Ortstafelkonflikt. Die schlecht vorbereitete Aufstellung deutsch-slowenischer Ortstafeln und Wegweiser führten, ausgehend von der Gemeinde St. Kanzian, zum „Ortstafelsturm", zur Demontage durch aufgeregte Kärntner. Die Affäre hatte Verluste der S P Ö bei Kärntner Gemeinderatswahlen, später audi den Rüdetritt des Kärntner Landeshauptmannes Hans Sima ( S P Ö ) zur Folge. Schließlich wurde der Ausweg einer „Volkszählung besonderer A r t " (Minderheitenfeststellung 1976) gefunden; die Zahl der betroffenen Ortschaften wurde dabei wesentlich verringert. Mehr Großzügigkeit wäre wünschenswert gewesen. In Wien kam es nach dem negativen Ausgang einer Volksabstimmung über die Verbauung des Sternwarteparks zum Rücktritt des Bürgermeisters Felix Slavik; es begann die Amtsperiode von Leopold Gratz. Eine Reihe wichtiger Gesetze wurde verabschiedet. Im Jahre 1973 wurde die Mehrwertsteuer mit prinzipieller Zustimmung aller Parteien unter Finanzminister Hannes Androsch eingeführt; dieser wurde 1976 Vizekanzler, später kam es zu Spannungen mit Bruno Kreisky. Im Rahmen der Beratungen um eine Strafrechtsreform sorgte die über den ersten Regierungsentwurf hinausgehende „Fristenlösung" für Aufregung, nicht minder bewegt waren die Diskussionen um die umstrittene O R F - R e f o r m (Rundfunk und

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Fernsehen). Schließlich wurde 1975 mit den Stimmen der SPÖ das Universitätsorganisationsgesetz beschlossen; die schon 1968 in einer Hochschulreformkommission unter dem Unterrichtsminister der ÖVP-Regierung Alois Mock vorgesehene „Drittelparität" von Professoren, Assistenten und Studenten wurde nur zum Teil realisiert. Im allgemeinen sollte die Zusammenarbeit der drei Gruppen besser funktionieren, als von vielen Professoren befürchtet worden war; die administrative Arbeit nahm aber an stärker frequentierten Universitäten in der Folge mehr Zeit in Anspruch. Nach dem Tode von Franz Jonas fand am 23. Juni 1974 eine Bundespräsidentenwahl statt; der sozialistische Kandidat Außenminister Dr. Rudolf Kirchschläger siegte mit 150.000 Stimmen Vorsprung vor dem Innsbrucker Bürgermeister Dr. Alois Lugger, der nach einigen internen Auseinandersetzungen von der Ö V P nominiert worden war. Nach allgemein anerkannter Amtsführung wurde Kirchschläger 1980 (ohne Gegenkandidatur der Ö V P ) mit großer Mehrheit wiedergewählt. Nachdem der Parteiobmann der Ö V P Karl Schleinzer einem Autounfall zum Opfer gefallen war, wurde Josef Taus, ein angesehener und kompetenter Wirtschaftsfachmann, sein Nachfolger; ihm sollten in seiner neuen Funktion wesentliche Erfolge versagt bleiben. Die Kontrollmöglichkeiten der parlamentarischen Opposition wurden allerdings erweitert. In regionalen Wahlen zwischen 1972 und 1974 hatte zumeist die Ö V P ihre Positionen gestärkt, die Nationalratswahlen vom 5. Oktober 1975 brachten aber keine Änderung in der Mandatsverteilung (93 SPÖ — 80 Ö V P — 10 FPÖ), damit eher eine Stärkung der Position der Regierung Kreisky, da die SPÖ über 50 °/o der Stimmen bekam; offensichtlich versprachen sich ihre Wähler innen- und außenpolitische Kontinuität und vor allem soziale Sicherheit. Im Mai des Jahres 1977 wurde die Institution der Volksanwaltschaft geschaffen und mit Persönlichkeiten der im Nationahat vertretenen Parteien besetzt. Rückschläge blieben freilich keineswegs aus. Die Inbetriebnahme eines Kernkraftwerkes in Zwentendorf ( N ö ) , dessen Bau von der ÖVP-Regierung Klaus beschlossen, im Nationalrat einstimmig akzeptiert worden war, wurde zum Politikum und Objekt aufgeregter Auseinandersetzungen, in denen Leidenschaft der Parteinahme gegenüber sachbezogener Argumentation weitaus überwog; eine Volksabstimmung am 5. November 1978 über das vom Nationalrat beschlossene Gesetz über die friedliche Nutzung der Atomenergie brachte eine knappe Mehrheit der Gegner: das Werk, das Milliarden gekostet hatte, blieb außer Betrieb. Das Ergebnis bedeutete eine Schlappe des Bundeskanzlers, während die Ö V P in einer eher indirekten Form der Bevölkerung eine Ablehnung nahegelegt hatte. Der Nationalrat beschloß nunmehr ein Atomsperrgesetz, an dem Volksbegehren pro und kontra im November 1980 nichts mehr änderten. Debatten um den Umweltschutz betrafen auch andere industrielle Pia-

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nungen. Der Widerstreit „Ökologie contra Ökonomie" wurde zu einem politischen Hauptthema. Ein Wasserkraftwerkbau in der Donaulandschaft nächst Hainburg wurde zu Ende des Jahres 1984 durch eine große Protestaktion verhindert. „Grün-alternative" Vereinigungen traten mehrfach hervor und bildeten politische Organisationsformen. Bürgerinitiativen brachten, obschon oft nur kurzlebig, Bewegung in die österreichische Innenpolitik. Eine „Bürgerliste" erzielte große Erfolge bei der Salzburger Gemeinderatswahl 1982, ebenso die Grün-Alternativen bei den Landtagswahlen in Vorarlberg 1984. Bei alldem kam, wie auch sonst in Europa, ein steigendes Unbehagen der Jugend an der Wohlstandsgesellschaft zum Ausdruck; dabei blieb es auch, als dieser Wohlstand durch Krisenerscheinungen in aller Welt in Frage gestellt wurde. Angesichts mancher Symptome hatte man vielfach geglaubt, daß die knappe S P O - M e h r h e i t schon bei der Wahl 1979 verloren gehen könnte. Tatsächlich vergrößerte aber die S P Ö in der Nationalratswahl vom 6. Mai 1979 ihre Mehrheit an Stimmen (auf 51,03 % ) und Mandaten (nunmehr 95 S P Ö — 77 Ö V P — 11 F P Ö ) . Der „Kanzlerbonus" Kreiskys, wie der Wunsch nach Fortsetzung des „österreichischen Weges", insbesondere die Auffassung, daß die Arbeitsplätze in einer kritischer werdenden Wirtschaftslage eher unter einer SPÖ-Regierung gesichert seien, gaben den Ausschlag. Gerade in kleineren Gemeinden, in denen traditionell mehrheitlich Ö V P gewählt wurde, erzielte die S P Ö nicht unbedeutende Stimmengewinne. Recht auffallend war der sehr unterschiedliche Trend im Wählerverhalten bei Landtags- und Nationalratswahlen; so verlor die Ö V P im Mai 1979 gegenüber den steirischen Landtagswahlen des Oktobers 1978 über 1 0 % ihrer Stimmen, während sie bei den Landtagswahlen in Oberösterreich im Oktober 1979 gegenüber den vorangegangenen Nationalratswahlen wieder nahezu 9°/o gewinnen konnte. Ihre Landesväter hatten sich viel besser behauptet als die Bundespolitiker. Alois Mock übernahm an Stelle von Taus die Bundesparteileitung. In der Außenpolitik zeichnete sich zur Zeit der Regierung Kreisky, deren Chef selbst als aktiver Diplomat gewirkt hatte und als Medienpolitiker Erfahrung und Geschick besaß, ein stärkeres internationales E n gagement als bisher ab. Die Notwendigkeit, an einer Politik der Entspannung zwischen den Supermächten mitzuwirken, ebenso wie mit allen Nachbarländern, auch jenen des „volksdemokratischen" Lagers, zu guten, möglichst konfliktfreien Beziehungen zu gelangen war allgemein anerkannt. Die recht ambitionierte Außenpolitik des Bundeskanzlers (begleitet von ähnlichen Aktivitäten im Rahmen der sozialistischen Internationale), etwa in der sehr heiklen Nahostfrage, blieb allerdings nicht ohne in- und ausländischen Widerspruch, zumal es auch zu terroristischen Aktionen auf österreichischem Boden kam. Kreisky errang jedoch Reputation in den Staaten der dritten Welt, aus der es wieder-

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holt offizielle Besuche in Wien gab. Der Anteil der österreichischen öffentlichen Entwicklungshilfe blieb freilich bescheiden. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wurde indessen seit 1981 immer schwieriger; diese Situation und ein Sparprogramm der Regierung („MallorcaPaket") führte zu negativen Konsequenzen bei den Nationalratswahlen im April 1983. Die SPO verlor die absolute Mehrheit, sie hatte nunmehr 90 Sitze im Nationalrat, die O V P gewann und erhielt 81 Mandate, die FPÖ bekam trotz Stimmenverlusten 12 Sitze. Nach diesem Rückschlag trat Kreisky als Bundeskanzler zurück. Es folgte ihm der Burgenländer Fred Sinowatz (seit 1971 Minister für Unterricht und Kunst); eine „kleine Koalition" mit der FPÖ, die drei Ministerien übernahm, wurde gebildet, der FPÖ-Vorsitzende Norbert Steger fungierte als Vizekanzler. Sinowatz löste Kreisky, der den Nationalrat verließ, auch als Parteivorsitzenden ab. Die Arbeitsbedingungen blieben schwierig, die Verstaatlichte Industrie bedurfte erheblicher Finanzhilfen, das „Waldsterben" begann die Österreicher zu verunsichern. Ein „Weinskandal" sorgte 1985 für Aufregung. Inzwischen hatte die nunmehr oppositionelle O V P bei Landtagswahlen in Niederösterreich (1983), Salzburg und Tirol (1984) Erfolge erzielt, ebenso die FPÖ (1984) in Kärnten. Nach Ablauf der Amtszeit von Bundespräsident Kirchschläger, der sein Amt umsichtig, stets auf demokratische Zusammenarbeit bedacht, verwaltet hatte, wurde nach einem heftigen Wahlkampf in einer Stichwahl gegen den sozialistischen Gesundheits- und Umweltminister Kurt Steyrer, der von der Ö V P unterstützte frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen (1972—1981) Kurt Waldheim gewählt. Waldheim hatte den „schwierigsten Job der Welt" nicht ohne Anfechtungen bekleidet; jetzt warf man ihm lückenhafte Darstellung seines Wehrmachtdienstes im zweiten Weltkrieg vor. Als es schließlich zu einer weltweiten Medienkampagne kam, wirkte sich auch die Unzufriedenheit in den USA mit Entwicklungstendenzen der Vereinten Nationen aus. Im Juni 1986 löste der Bankfachmann Franz Vranitzky Sinowatz als Bundeskanzler in der SPÖ-FPÖ-Koalitionsregierung ab. Die Wirtschaftslage blieb weiterhin schwierig, die Verstaatlichte Industrie verzeichnete hohe Verluste, mehrfach wurde eine Teilprivatisierung verlangt. Nach der schweren Panne in einem Atomreaktor in Tschernobyl (Ukraine) im April 1986 war zudem eine Rückkehr zur Atomkraft angesichts der schwer irritierten öffentlichen Meinung kaum mehr denkbar. Die FPO wählte im September 1986 den Kärntner Jörg Haider zum Bundesobmann, man sprach von einem Rechtsruck. In den Nationalratswahlen im November 1986 erlitten SPÖ und Ö V P erhebliche Verluste (nunmehr 80 bzw. 77 Mandate), die FPÖ gewann (18 Sitze), die Grün-Alternativen zogen mit 8 Mandaten in den Nationalrat ein. Bundeskanzler Vranitzky bildete nunmehr eine „große Koalition" mit der OVP. Beide Parteien waren in der Regierung mit Ministern und Staatssekretären gleichstark vertreten; Alois Mock wurde Vizekanzler und Außenminister. Energische Maßnahmen in wirt-

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schaftlichen, sozialen und staatspolitischen Sektoren mußten in Angriff genommen werden. Die angekündigte Verbindung von Budgetkonsolidierung und Steuersenkungen mußte sich als ungemein schwierig erweisen, zumal es galt, oft heftig vorgetragene Wünsche und Vorbehalte verschiedenster Bevölkerungsschichten in Betracht zu ziehen. Die Arbeit der Koalitionspartner lief unter oft heftigen gegenseitigen Kontroversen ab; Erfolge wurden der eigenen, Fehlschläge der anderen Partei zugeschrieben. Mitunter gab es auch Widerstände in den eigenen Reihen; Altbundeskanzler Kreisky distanzierte sich von der Politik Vranitzkys, die steirische Ö V P protestierte gegen die Stationierung von „Draken"-Abfangjägern auf Flugplätzen ihres Landes und damit gegen Vorhaben des ihrer Partei angehörigen Ministers Lichal. Mehrere Landes- und Gemeindewahlen zeigten widerspruchsvolle Ergebnisse. Die Zahl der Wechselwähler nahm zu, ebenso die der Wahlenthaltungen. Bei den Wiener Gemeinderatswahlen im November 1987 behauptete sich die SPO, während die O V P Verluste erlitt; in Niederösterreich verloren 1988 beide Parteien Mandate an die FPO, doch behauptete die O V P ihre Mehrheit. Die „Grüne Bewegung" wurde durch einander bekämpfende Gruppierungen, der radikalen Grün-Alternativen und der bürgerlichen Vereinten Grünen, wesentlich geschwächt. In der SPO gab es gegen Ende des Jubiläumsjahres 1988, in dem man des Hainfelder Parteitags von 1888 gedachte, Irritationen durch Affären um prominente Politiker. In der katholischen Kirche Österreichs traten unverkennbare Meinungsverschiedenheiten über als recht konservativ empfundene Verfügungen Roms hervor, etwa bei Bischofsernennungen. Wesentliche Aufgaben erwuchsen der Regierung bei der Konsolidierung des stark defizitären Bundeshaushaltes; schließlich kam es zur Einigung über eine Steuerreform. Das zunehmende Durchschnittsalter der Bevölkerung erforderte Änderungen der Pensionsbestimmungen. Zu einem Hauptproblem wurde ungeachtet der deutlichen Entspannungstendenzen in der europäischen und der Weltpolitik die heikle Frage eines Beitritts zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter Wahrung der österreichischen Neutralität. Hier schieden sich die Geister nicht nur in Österreich, zumal in der benachbarten Schweiz die Bedenken gegen einen Beitritt eindeutig überwogen. Von maßgeblichen EG-Politikern wurden recht unterschiedliche Positionen bezogen. Das Ergebnis mußte von der weiteren Entwicklung der internationalen Politik abhängen. Eine rasche Entscheidung der EG konnte nicht erwartet werden. Bevölkerungsverhältnisse

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Das Bevölkerungsbild Österreichs ist im jüngsten Abschnitt der Geschichte des Landes gekennzeichnet durch die Folgen zweier Weltkriege und wirtschaftlicher Not. Gefallene, Vermißte, spät heimgekehrte Kriegsgefan-

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gene, O p f e r von Hungerzeiten, Epidemien und politischer Verfolgung, einströmende und durchziehende Flüchtlinge, Auswanderer aus wirtschaftlichen oder politischen Motiven geben ihm unerfreuliche Charakteristika, die noch durch umfangreiche Zerstörungen an Sachgütern ergänzt werden. Darüber hinaus ist ein tiefgehender, vielfach geradezu revolutionärer Wandel der Sozialstruktur zu verzeichnen. Die Zähigkeit der Menschen, die Verluste zu ersetzen und Zerstörtes, wenngleich zumeist auch in anderen Formen, neu zu errichten trachtet, sorgt d a f ü r , d a ß diesem Bild lichtere Farben keineswegs fehlen, zumal das österreichische Staatsgebiet nicht jenen völligen Umsturz der Bevölkerungsverhältnisse durch radikale Aussiedlungsmaßnahmen erlebte, wie andere Regionen Europas. Die einschneidende Bedeutung der Zäsur von 1918 f ü r die österreichische Staatsgeschichte ergibt sich schon aus dem nüchternen Vergleich der 51,390.000 Einwohner der Doppelmonarchie bzw. der 28,572.000 Seelen der österreichischen Reichshälfte mit den 6,534.742 Menschen der ersten republikanischen Volkszählung von 1923. Wohl ist seit dieser ein Zuwachs festzustellen, doch hat er sich gegenüber der Tendenz der franzisko-josephinischen Zeit stark verlangsamt. Die Volkszählung von 1951 ergab eine Wohnbevölkerung von 6,933.905 Personen, 1988 zählte man 7,697.233 Einwohner. Das Staatsgebiet verringerte sich auf G r u n d der Friedensverträge von den 676.000 k m 2 der Gesamtmonarchie (bzw. den 300.000 k m 2 Zisleithaniens) auf die 83.850 km 2 der Republik. Der erste Weltkrieg kostete die Bevölkerung des späteren Gebietes der Republik etwa 190.000 Tote, die Zivilverluste fielen neben den militärischen nicht ins Gewicht. Die kriegsbedingten Geburtenausfälle werden auf etwa 260.000 geschätzt. Die Deutschösterreicher hatten die prozentuell stärksten Verluste im letzten K a m p f der alten Armee, neben ihnen Magyaren u n d Slowenen. U n t e r den Deutschösterreichern hatten wieder die Deutschmährer, gefolgt von den K ä r n t n e r n , Deutschböhmen, Vorarlbergern und Tirolern die höchsten GefallenenzifTern. Die zahlreichen Kriegsgefangenen kamen nur langsam in die H e i m a t zurück, insbesondere w u r d e die R ü c k f ü h r u n g aus R u ß l a n d , trotz des früheren Friedensschlusses, durch den Bürgerkrieg, die großen Entfernungen und die schwierigen Verkehrsverhältnisse lange verzögert. Die Verluste des zweiten Weltkrieges w a r e n noch höher, wie sich schon von den Gedenktafeln fast aller Ortsgemeinden ablesen läßt, welche die N a m e n der Toten beider Kriege a n f ü h r e n . Die Bevölkerung des dem D e u t schen Reiche einverleibten österreichischen Staatsgebietes verlor (nach einer amtlichen Statistik von 1955) 170.800 Militärtote, zu denen noch fast alle der damals geführten 76.200 Vermißten zu rechnen sind. D a z u kommen noch gegen 24.300 durch Luftangriffe und K a m p f h a n d l u n g e n ums Leben gekommene Zivilpersonen (in Wien allein 12.356 Menschen), das ergibt mit 271.300 Toten eine Gesamtverlustzahl, die wesentlich höher ist, als jene des

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ersten Weltkrieges. Die relativ höchsten Verluste betrafen diesmal Niederösterreich und Oberösterreich. Wieder waren auch die Gefangenenzahlen hoch und abermals verzögerte sich die Rückkehr aus dem Osten besonders lange. Im Jahre 1955 waren aber fast alle überlebenden Kriegsgefangenen — etwa eine halbe Million — wieder in der Heimat. Da von der Schädigung an Leib und Leben im Kriege vorwiegend die Männer betroffen wurden, ergab sich gegenüber der Ausgeglichenheit der Jahre vor 1914 in der Ersten und insbesondere in der Zweiten Republik ein starkes Übergewicht des weiblichen Bevölkerungsteiles. Zahlreiche Opfer forderten nach dem ersten Weltkrieg epidemisch auftretende Krankheiten, vor allem die Spanische Grippe in den Jahren 1918 und 1919. Audi die Säuglings- und Kindersterblichkeit war nach beiden Kriegen ungewöhnlich hoch, wurde jedoch energisch bekämpft. Die Initiative österreichischer Ärzte und ausländische Hilfe, insbesondere die amerikanische Verköstigungsaktion und die Kinderfahrten nach der Schweiz, nach Schweden, Norwegen und Dänemark haben der N o t allmählich abgeholfen. Ein österreichisches Kinderwohlfahrtswerk war bis 1924 tätig. Nach dem zweiten Weltkrieg war die Verpflegungslage wohl auch lange Zeit ungünstig, doch besaß man bereits Erfahrungen, und die Hilfsaktionen liefen schnell an. Ein düsteres Kapitel der österreichischen Bevölkerungsbilanz bildet die große Zahl der Opfer politischer Kämpfe und Verfolgung. Uber die Verluste in Konzentrationslagern und durch Hinrichtungen nach politischen Prozessen und audi ohne Verfahren gibt es kaum zuverlässige Zahlen, die Toten zählten jedoch nach Tausenden. Viele Opfer forderten die Verfolgungen von Juden, Zigeunern und psychisch Kranken. Etwa 60.000 österreichische Juden verloren nach der Deportation durch Vernichtungsmaßnahmen — besonders in den Lagern von Auschwitz, Lublin, Minsk, Riga und Treblinka — das Leben; schwer abzuschätzen ist die Zahl jener, denen zuerst Auswanderung oder Flucht gelang, die aber später in den besetzten Gebieten den T o d fanden. Die Zahl der Glaubensjuden in Osterreich betrug zu Beginn des Jahres 1938 185.246, bei der Volkszählung im Jahre 1951 dagegen 11.224 Personen. Auch abgesehen von den dramatischen Erscheinungen in Kriegszeiten entwickelte sich die österreichische Bevölkerungsstruktur nicht günstig. In der Ersten Republik gab es gegenüber früher einen starken Geburtenrückgang und in den Jahren 1935—1938 sogar einen Uberschuß der Sterbefälle in der österreichischen Gesamtbevölkerung, nicht nur in der Hauptstadt Wien, die, wie die meisten Großstädte, stets ein Geburtendefizit aufwies, das aber durch Zuwanderung ausgeglichen wurde. Auf ein kurzfristiges Anschwellen der Geburtenzahl nach 1938 folgte ein kriegsbedingter Rückgang und erst spät wieder eine zögernde Aufwärtsentwicklung, die in den späteren sechziger Jahren erneut einer entgegengesetzten Tendenz wich. Einwanderung, Auswanderung und Binnenwanderung haben das Bevölkerungsbild zwischen 1918 und 1981 nicht unwesentlich beeinflußt. Nach

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dem ersten Weltkrieg w a r es z w a r in Mitteleuropa nicht zu großen Aussiedlungsmaßnahmen gekommen, wie sie dann den Verlauf des zweiten Krieges begleiteten und nach dessen Ende gewaltige Dimensionen annahmen. Immerhin wanderten damals schon gegen 260.000 Deutsche, zumeist Angehörige städtischer Bevölkerungsschichten, aus den Sudetenländern aus, von denen sich ein Großteil nach Österreich wandte. Zahlreiche ehemalige Staatsbeamte kamen auch aus anderen Gebieten der alten Monarchie nach Restösterreich; nur eine Minderheit konnte allerdings in Stellungen untergebracht werden, die den früheren Positionen entsprachen. Andererseits sind nicht wenige Zuzügler der franzisko-josephinischen Ära, etwa Tschechen, aus der Republik Österreich wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt. In der Zwischenkriegszeit ging die in der Monarchie so bedeutende Auswanderung nach Übersee in bescheidenerem Rahmen weiter. Das amerikanische Quotensystem begrenzte die Einwanderungsmöglichkeiten in das klassische Zielland der Europamüden, doch stand die Union noch zumeist an der Spitze der aufgesuchten Länder, während nach dem zweiten Weltkrieg Australien vor Kanada und den U S A an die erste Stelle rückte. Von allen österreichischen Bundesländern stellte stets das Burgenland mit seinen ungünstigen, extremen landwirtschaftlichen Besitzverhältnissen und einer unbedeutenden Industrie die meisten Auswanderer, in vielen Jahren mehr als die H ä l f t e der österreichischen Gesamtzahl. Viele Auswanderer kehrten allerdings später wieder zurück. Was die Binnenwanderung betrifft, so spiegelt sie sich in der besonders seit 1938 feststellbaren Tendenz zur Verschiebung des österreichischen Bevölkerungsschwerpunktes nach Westen, die mit der forcierten Industrialisierung der westlichen Bundesländer, insbesondere Oberösterreichs, begann und durch die starke Welle der Flüchtlinge aus dem östlichen Teil Österreichs im Jahre 1945 wesentlich verstärkt wurde. Die Bevölkerungszahlen der niederösterreichischen Städte blieben ziemlich stationär oder sanken sogar, wie im Falle von Baden und Wiener Neustadt, gegenüber dem Stande der Volkszählung von 1923. Einen Bevölkerungsrückgang weist infolge der traditionellen Abwanderung das Burgenland auf. Die Bevölkerung der Bundeshauptstadt Wien ging innerhalb des Raumes der alten 21 Bezirke (278 km 2 ) von 1,866.000 Einwohnern im Jahre 1923, nach einem schwachen Anstieg auf 1,874.000 bei der nächsten Volkszählung 1934, auf 1,533.000 Einwohner im Jahre 1951 zurück; Groß-Wien, einschließlich der im Jahre 1938 angeschlossenen Gemeinden (zusammen 1215,41 km-') hatte 1951 1,744.000 Einwohner. Durch ein Gebietsveränderungsgesetz 1954 wurden die „Randgemeinden" an Niederösterreich zurückgegeben, dem restlichen Wiener Gemeindegebiet (414,92 km 2 ) verblieben 1,616.000 Einwohner, seither nahm die Bevölkerungszahl der österreichischen Hauptstadt etwas ab (1981: 1,531.000; 1988: 1,506.201 Personen). Zwar kam es infolge der Ereignisse 1938 —1945 zu einem deutlichen Bevölkerungsrückgang, der nur zeitweilig

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durch eine leichte Wachstumstendenz abgelöst wurde. Jener unaufhaltsame Niedergang, der der Metropole nach 1918 in politischen u n d wissenschaftlichen Kreisen der Nachfolgestaaten, aber auch an provinziellen Stammtischen Österreichs hämisch prophezeit wurde, ist indessen nicht eingetreten, die Lebenskraft der Stadt vermochte sich auch unter den verschärften Bedingungen nach beiden Weltkriegen zu bewähren. Gegenüber den stagnierenden oder rückläufigen Tendenzen der Bevölkerungsbewegung im östlichen Bundesgebiet bietet der Westen ein anderes Bild. Oberösterreich und insbesondere seine H a u p t s t a d t Linz, der ihre zentrale Lage im Räume der Republik zugute kam, hatte mit seinen modernen Industrieanlagen die stärkste absolute, Salzburg die bedeutendste relative Bevölkerungszunahme aufzuweisen. In der Steiermark konzentrierte sich die Bevölkerungszunahme auf die traditionellen obersteirischen Industriebezirke, insbesondere auf Kapfenberg und Umgebung. — Hier kam es aber in den achtziger Jahren infolge der Krisen im Industriebereich zu einer rückläufigen T e n d e n z . In Kärnten weist Villach wegen der günstigeren Verkehrslage ein stärkeres Wachstumstempo auf als die Landeshauptstadt Klagenfurt, die aber doch mit Abstand die volkreichste Stadt Kärntens blieb. Stark von der Westwanderung profitiert und ihre Bevölkerungszahl dementsprechend vermehrt haben Tirol und Vorarlberg. Innsbruck überschritt, einige Zeit nach Salzburg, als f ü n f t e Stadt Österreichs die Hunderttausendergrenze. Ein zusammenfassender Vergleich der Zahlen zeigt, daß die sechs westlichen Bundesländer 1934—1981 ihre Einwohnerzahl um 1,255.000 vermehrten, während jene von Wien, Niederösterreich u n d Burgenland um 455.000 abnahm. D a ß die Landflucht auch in der Republik im ganzen Bundesgebiet anhielt, bedarf kaum der Betonung. Im J a h r e 1952 zählte Österreich 388.000 Volksdeutsche Flüchtlinge aus den Sudetenländern und dem Südosten, die zum Teil bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen. Schon während des Krieges kamen auf G r u n d der vom Dritten Reich abgeschlossenen Verträge umgesiedelte Volksdeutsche aus Ostgalizien, der Bukowina, Bessarabien, der Dobrudscha, Bosnien und der Gottschee, sowie zahlreiche Südtiroler nach Österreich; seit 1945 folgte die große Welle der Heimatvertriebenen. Man hat es freilich, wie schon an anderer Stelle angedeutet, nicht immer verstanden, die Flüchtlinge, die ein wertvolles, in der Landwirtschaft geradezu unentbehrliches Arbeitspotential darstellten, im Lande zu halten. Von den etwa 50.000 nichtdeutschen „displaced persons" (DP) ist überhaupt nur ein kleiner Teil in Österreich geblieben. Das gilt auch f ü r die Flüchtlinge aus Ungarn (1956), der Tschechoslowakei (1968) und Polen (1981). Jene 500.000 Ausländer, die während des zweiten Weltkrieges als Dienstverpflichtete oder Kriegsgefangene in Osterreich weilten, sind später fast alle in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Insgesamt haben sich in Osterreich seit 1945 etwa 1,700.000 Flüchtlinge verschiedener H e r k u n f t f ü r kürzere oder längere Zeit aufgehalten.

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Verweisen wir noch auf die saisonbedingte Arbeitswanderung der Angehörigen verschiedener Berufe, vor allem der Erntehilfskräfte und der Bauarbeiter, dann auf den besonders seit 1945 mächtig angestiegenen täglichen und wöchentlichen Pendelverkehr vieler tausender Erwerbstätiger zwischen dem Arbeitsort und dem oft weit entfernten Wohnort, schließlich auf den Fremdenverkehr, der für Österreich so außerordentliche Bedeutung besitzt. Krieg, Politik, Wirtschaft, Erholungsbedürfnis und Reiselust des modernen Menschen haben in unserem Jahrhundert Wanderungen hervorgerufen, die weit mehr Individuen in Bewegung setzten und in Unruhe halten, als einst jene Züge, die man als Völkerwanderung im engeren Sinne zu bezeichnen pflegte. Die Geschichte der Jahrzehnte seit 1918 ist ferner durch wesentliche Wandlungen in den sozialen und beruflichen Verhältnissen der österreichischen Bevölkerung charakterisiert. Ein Vergleich der Erfassung der Berufsgruppen durch die Volkszählungen von 1 9 1 0 , 1 9 3 4 , 1 9 5 1 , 1 9 7 1 und 1981 ergibt eine deutliche Verschiebung zwischen den Hauptgruppen Land- und Forstwirtschaft einerseits, Industrie, Gewerbe und Dienstleistungsberufe andererseits. Die landwirtschaftlich tätige Bevölkerung ging von 31 Prozent (1910) auf 2 7 ( 1 9 3 4 ) , 22 (1951), 11 ( 1 9 7 1 ) und 7,7 Prozent (1981) zurück. Industrie und Gewerbe (einschließlich Bergbau und Energieversorgung) konnten ihre Anteile immerhin deutlich von 31,5 Prozent ( 1 9 1 0 ) auf 34,6 Prozent (1971) vergrößern, dann begann ein Rückgang auf 32 Prozent (1981), während die öffentlichen und privaten Dienstleistungen (einschließlich Gastgewerbe) von 26 ( 1 9 1 0 ) auf 34,9 Prozent ( 1 9 8 1 ) zunahmen. Innerhalb dieser Wirtschaftssektoren ist eine Verringerung der Zahl der Dienstboten und Hausangestellten sowie eine Vermehrung der öffentlichen Angestellten und der Freiberufstätigen feststellbar. Infolge der Zunahme des Anteils der höheren Altersklassen an der Bevölkerungsstruktur und der Ausweitung der sozialen Fürsorge stieg der Prozentsatz der Pensionisten und Rentner (einschließlich der von ihnen Erhaltenen) von 10 ( 1 9 1 0 ) auf 18 (1951), 23 (1971) und 25,4 Prozent (1981). Ein weiteres Charakteristikum der Berufsstatistik stellt der hohe Anteil berufstätiger Frauen dar, der mit einigen Schwankungen etwa 4 0 Prozent der Beschäftigten umfaßt. Das ungelöste Hauptproblem der Habsburgermonarchie war bis zuletzt die Nationalitätenfrage geblieben; die starken völkischen Minderheiten beschäftigten auch ausgiebig die Mehrzahl der Nachfolgestaaten der Monarchie. Die Republik Österreich wies hingegen keine zahlenmäßig ins Gewicht fallenden sprachlichen Minderheiten auf. Die kroatischen und slowenischen, noch mehr die ungarischen und tschechischen Minderheiten, waren zahlenmäßig schwach und gingen durch Assimilation und Auswanderung weiter zurück. Zur stärksten Minderheit, den burgenländischen Kroaten, bekannten sich 1951 etwa 3 0 . 6 0 0 Menschen ( 3 4 . 0 0 0 in ganz Österreich); diese Zahlen sanken bis 1981 auf 19.500 (bzw. 22.000) Personen. Neuzuwanderungen,

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insbesondere im Lande verbleibende Gastarbeiter, könnten aber eine T r e n d umkehr in der Minderheitenstatistik einleiten. U n t e r den Gastarbeitern überwiegen in Österreich die Jugoslawen, mit erheblichem Abstand folgen die Türken. Die Wirtschaftsgeschichte

der

Republik

Bei Betrachtang der österreichischen Wirtschaftsentwicklung in der Ersten und Zweiten Republik ergeben sich zunächst unvermeidlich die Probleme der Umstellung von den großräumigen Verhältnissen der Monarchie auf die beengteren der Republik sowie die Auswirkungen und die Uberwindung der Folgen zweier Kriege als wesentliche Gesichtspunkte. Immer wieder stellten sich nach 1918 die Österreicher, aber auch ihre Nachbarn, fachkundige Experten und Angehörige weiterer Kreise die Frage, ob das neue und kleine Österreich überhaupt lebensfähig sei, zumal nicht nur die politische, sondern audi die wirtschaftliche Einheit des Donauraumes zerbrochen w a r und die Nachfolgestaaten, insbesondere die gut ausgestattete Tschechoslowakei, eine robuste Absperrungspolitik betrieben. U n v e r k e n n b a r w a r in dieser Fragestellung ein psychologischer F a k t o r ; das Unbehagen, sidi mit den kleineren und bescheideneren Verhältnissen der von den Siegermächten und ihren Satelliten schlecht behandelten Republik, die unter unerfreulichen Zeiterscheinungen litt, begnügen zu müssen. Derartige G e d a n kengänge verstärkten die wirtschaftspolitische N o t e des Anschlußproblems. In den späteren zwanziger Jahren klangen diese Töne ab, in der Wirtschaftskrise nach 1930, die sich in Österreich besonders heftig und nachhaltig auswirkte, wurden sie wieder hörbar. Jedenfalls überwogen lange die Zweifler, und erst in der Zweiten Republik gelangte man, ebenso wie sich das politische Staatsbewußtsein hob, zu größerem Vertrauen in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Österreichs, obwohl die Anfangsschwierigkeiten 1945 noch größer waren als 1918, weil Zerstörungen, Demontagen und Besatzungszonen die Situation erschwerten. Die Lage der Landwirtschaft schien von den Veränderungen 1918 am wenigsten beeinträchtigt. D e r Wegfall der übermächtigen ungarischen K o n kurrenz erleichterte den Lebenskampf der Getreidebauern, auch die Lage der Bergbauern konsolidierte sich ein wenig. Die Zahl der Zwangsversteigerungen von Bauernhöfen n a h m rasch ab. Mit dem Burgenland k a m ein f ü r die Versorgung Wiens wichtiges agrarisches Überschußgebiet an Österreich. Die Ausdehnung der österreichischen Anbaufläche hat sich wohl seit 1919 trotz verschiedener Meliorationsarbeiten zur Gewinnung von Kulturboden verringert, weil Anlagen und Bauten f ü r andere Zwecke auf Kosten des Ackerlandes R a u m verlangten, doch wurden diese Einbußen durch Steigerung der H e k t a r e r t r ä g e mehr als wettgemacht. Die Viehwirtschaft erlitt in beiden Kriegen durch Requisitionen und ernährungspolitische Lenkungsmaßnahmen

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Einbußen, die aber nach einiger Zeit überwunden werden konnten. Die heimische Milchwirtschaft spielte eine Hauptrolle in der Volksernährung und die Milchprodukte wurden schließlich Ausfuhrartikel. Insgesamt bestritt die österreichische landwirtschaftliche Produktion vor der Annexion (1937) 81 Prozent und zu Ende der Besatzungszeit (1955) 85 Prozent der Nahrungsmittelversorgung der österreichischen Bevölkerung. Dieser Anteil sank unter dem Druck ausländischer Importe, ungeachtet einer Uberproduktion in den wichtigsten Sektoren der Landwirtschaft, auf dem Milch- und Viehmarkt, sowie in der Getreideproduktion. Produktionsumstellungen wurden vorgeschlagen, Stützungsaktionen sollten eigene Exporte finanzieren, doch konnte durch Subventionen eine schwierige Situation nicht wirklich gemeistert werden. Es kam zu einem Absinken des landwirtschaftlichen Einkommens gegenüber anderen Erwerbszweigen. Ahnliche Probleme erwuchsen der Agrarwirtschaft fast aller europäischen Länder. Seit 1919 hatte sich auch, zuerst in langsamem, dann in raschem Tempo die Mechanisierung der Landwirtschaft verbessert. Die Ausrüstung mit. Traktoren, Motormähern, Mähdreschern, Elektromotoren machte dann, besonders seit 1946, gewaltige Fortschritte bis zu einer Sättigung des Bedarfs. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften hatten zwar in den Inflationsjahren, die sonst die Bauernschaft weniger hart betrafen als die Städter, einen schweren Stand, vermochten sich aber seither kräftig weiterzuentwickeln. Die Ausbreitung der Industrie, die allgemeine Motorisierung, der Pendlerverkehr vieler Berufstätiger, Rundfunk und Fernsehen, die verstärkte Einflußnahme politischer Kräfte sowohl in demokratischen wie in autoritären Zeiten auf die Landbevölkerung, die Einziehung zu Wehr- und Kriegsdienst, der Fremdenverkehr, alle diese Faktoren durchbrachen die Isolierung der Bauernschaft von anderen Bevölkerungsschichten und von den städtischen Lebensformen. Allenthalben stellte sich die Aufgabe, die traditionellen "Werte des Bauerntums zu wahren und zu schützen, aber ihm doch auch Anteil an den technischen und bildungsmäßigen Möglichkeiten der Zeit zu geben. Die Tätigkeit landwirtschaftlicher Fachschulen begann allmählich eine gewisse Breitenwirkung zu erzielen, wenngleich Österreich diesbezüglich hinter anderen Ländern, wie etwa der Schweiz und Dänemark, noch zurückblieb. Sehr beträchtlich ist auch in der Republik Österreich die Bedeutung der Forstwirtschaft. Das Holz ist noch immer der wichtigste Rohstoff der österreichischen Wirtschaft; Holz und Holzfabrikate (einschließlich Papier) bilden zusammen den bedeutendsten Ausfuhrartikel. Während der beiden Kriege und in den späteren Nachkriegsjahren wurde der Waldbestand ausgiebig genützt. Vielfach wurde vor der Gefahr von Uberschlägerungen gewarnt, doch dürften keine nicht mehr korrigierbaren Schädigungen eingetreten sein. Neue große Probleme schuf regional (etwa in der Obersteiermark) der „saure Regen", der Niederschlag schwefelhaltiger industrieller und verkehrsbedingter Abgase.

Die Wirtsdiaftsgesdiichte der Republik

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Zu Beginn der Ersten Republik herrschte noch eine annähernde Ausgeglichenheit zwischen Industrie und Landwirtschaft in ihrer Bedeutung für die österreichische Volkswirtschaft — soweit dies eben in Beschäftigtenzahlen und Produktionsziffern meßbar ist. In der Zweiten Republik vollzogen sich Wiederaufbau und Aufschwung der Industrie in schnellerem Tempo als in der Landwirtschaft, zumal die industrielle Produktion wohl auch stärker durch Hilfsmaßnahmen begünstigt war. Es gelang, Zerstörungen und Demontagen nach einem vorübergehenden starken Produktionsrückgang zu überwinden. Ein Vergleich der industriellen Entwicklung nach 1918 mit jener 1 9 4 5 — 1 9 8 0 fällt durchaus zugunsten der Zweiten Republik aus. Es fehlte dieser das Phänomen der — nicht auf die Industrie beschränkten, aber doch in ihrem Bereich am stärksten fühlbaren — Massenarbeitslosigkeit und ein krisenbedingter Produktionsrückgang großen Umfanges, wie er 1931 eingesetzt hatte. Man erreichte vielmehr allmählich, abgesehen von einer Stabilisierungskrise 1952/53 und von saisonalen Schwankungen, den Stand der Vollbeschäftigung. Im Gegensatz zu den Verhältnissen der Ersten Republik, verzichtete man nach 1945 zumeist auf das gewerkschaftliche Kampfmittel des Streiks und beschränkte sich auf hart geführte Verhandlungen, die in der Regel mit einem Kompromiß endeten. Diesbezüglich bewährte sich seit 1957 die von den Kammern, Gewerkschaften und zuständigen Ministerien beschickte „Paritätische Kommission für Preis- und Lohnfragen"; der Begriff der „Sozialpartnerschaft" wurde geprägt. Charakteristisch ist wohl auch, daß an die Stelle der politisch orientierten Richtungsgewerkschaften ein gemeinsamer Gewerkschaftsbund getreten war. Durch die Industrialisierung der westlichen Bundesländer verteilten sich die Werksanlagen gleichmäßiger über das gesamte Staatsgebiet als früher, wenngleich das Wiener Becken weiterhin die größte Industriezone bildet. Die nach 1918 recht fühlbaren Mängel in der Finanzierung wurden nach 1945 durch sehr großzügige Hilfeleistungen des Auslandes, insbesondere der U S A , im Rahmen des Marshallplanes überbrückt. Andererseits übernahmen die Sowjets am 27. Juni 1946 das „Deutsche Vermögen" in ihrer Besatzungszone in die Verwaltung ihres USIA-Konzerns. Den Hauptteil der so erfaßten Werte machten Industriebetriebe und Erdölunternehmungen aus, wenngleich auch zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe erfaßt wurden. Die Tätigkeit der U S I A (insbesondere Import und Export) war kaum überprüfbar, ihre Steuerleistung ganz unzulänglich. Die USIA-Betriebe waren auch den Auswirkungen der Verstaatlichungsgesetze von 1946 und 1947 entzogen. Überschätzen darf man die Rolle der U S I A freilich auch nicht, die von ihr verwalteten Betriebe leisteten nur 5 Prozent der gesamten österreichischen Industrieproduktion. Durch die erwähnten Verstaatlichungsgesetze trat eine wesentliche Veränderung in den Eigentumsverhältnissen der österreichischen Industrie ein. Die Gesetze betrafen die „Schlüsselindustrie" (Berg- und Hüttenbetriebe, Eisen-, Stahl- und sonstige Metallgroßindustrien, Rohölgewinnung und Ver-

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arbeitung, Betriebe der Verkehrswirtschaft und der Elektroindustrie) und die Großbanken. Die Führung der Betriebe sollte weiterhin nach kommerziellen Prinzipien erfolgen. Der Anteil der verstaatlichten Betriebe an der industriellen Gesamtproduktion Österreichs betrug nach Durchführung der nötigen Wiederaufbaumaßnahmen und der Einbeziehung der ehemaligen USIA-Betriebe (1955) etwa 25 Prozent. Zusammenfassend kann man also sagen, daß der wirtschaftliche Wiederaufbau 1918 und 1945 unter verschiedenen Voraussetzungen erfolgte, daß sich dementsprechend Entwicklung und Struktur der österreichischen Wirtschaft nach diesen beiden Jahren wesentlich von einander unterschieden. Auf einige Faktoren, die diese Verschiedenheiten bedingten, wurde hingewiesen, dazu k a m seit 1945 als wesentliches Element die Zusammenarbeit der großen politischen Lager, die einander in der Ersten Republik meist feindlich gegenübergestanden waren, audi auf wirtschaftlichem Gebiet, nicht ohne harte Gegensätze, aber doch mit der Tendenz zur Einigung. Das Ergebnis war, daß sich die Industrieproduktion Österreichs im Jahre 1955 gegenüber 1937 um 119 Prozent, also um mehr als das Doppelte, gesteigert hatte. Der österreichische Bergbau auf Eisenerze zeigt während der Ersten Republik ein wenig erfreuliches Bild. Zwar verbesserte die Alpine Montangesellschaft die technische Ausrüstung ihres Betriebes in erheblichem Maße, allein wiederholter Besitzwechsel, der Ubergang in italienische und dann in deutsche Hände, schwere Lohnkonflikte zwischen einer zahlreichen, aber in der Mehrzahl ungelernten, den politischen Extremen zuneigenden Arbeiterschaft und einer selbstbewußt auftretenden, außerösterreichische Gruppen und Interessen repräsentierenden Betriebsführung, wirkten sich ungünstig aus. Die Produktionsziffern der Vorkriegszeit wurden nicht erreicht. Die mit dem Bergbau verbundene Eisen- und Stahlindustrie w a r besonders stark von den Schwankungen auf dem Weltmarkt abhängig; dementsprechend machte sich seit 1930 die Wirtschaftskrise in katastrophaler Weise geltend, wenn auch später die zunehmende Aufrüstung der europäischen Staaten einige neue Impulse gab. Im allgemeinen blieb aber die Stahlindustrie noch hinter der Erzförderung zurück; es kam also zu einer Verlagerung der Produktion zugunsten des Rohstoffes. Im Krieg wurde die Erzeugung unter Einsatz von Fremdarbeitern gesteigert, bis die Luftangriffe der Alliierten eine rückläufige Tendenz auslösten. Neben dem obersteirischen Eisen-und Stahlrevier gewann während des Krieges die neugeschaffene Linzer Industriezone besondere Bedeutung. Die Verstaatlichungsgesetze betrafen alle großen Eisen- und Stahlunternehmungen, wie vor allem die Alpine-Montangesellschaft, Gebrüder Böhler & Co., Schoeller & Bleckmann sowie die als „Vereinigte ö s t e r reichische Stahlwerke" zusammengefaßte Linzer Gruppe. Mit H i l f e der Mittel des Marshallplanes gelang es, die Betriebe wieder aufzubauen, zu modernisieren und zu erweitern. Ein neues Verfahren, das der besonderen Rohstofflage Österreichs — genügend Roheisen, aber wenig Schrott — ent-

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sprach, das Linz-Donawitz-Blasstahlverfahren (LD-Verfahren), das später auch andere Länder von Österreich übernahmen, ermöglichte dem österreichischen Stahl den Eintritt in den Weltmarkt. Seit Beginn der achtziger Jahre traf die internationale Stahlkrise auch Österreich mit voller Wucht, 1988 ergab sich wieder ein Aufschwung. Neben dem Eisenerzabbau und der von ihm abhängigen Industrie trat die Verwertung der Blei- und Kupfervorkommen stark zurück; beide Förderungen konnten den österreichischen Bedarf nur zum Teil decken. Der Kupfererzbergbau wurde in den Krisenjahren der Ersten Republik überhaupt eingestellt. Hingegen konnten die Erträge der steirischen und niederösterreichischen Graphitvorkommen zum größeren Teil ausgeführt werden. Der so traditionsreiche Salzbergbau litt unter einer veralteten technischen Ausrüstung; man beschränkte sich auf die Deckung des inländischen Bedarfes. Die leistungsfähige österreichische Magnesitindustrie vermochte sowohl in der Förderung des Rohmagnesits wie in der Verarbeitung ihr Volumen stark auszuweiten und ihre Bedeutung als Exportindustrie wurde in der Zweiten Republik noch wesentlich gesteigert. Sehr eindrucksvoll war die Entwicklung der Aluminiumproduktion infolge der Errichtung der Hütte Ranshofen, die Erzeugung betrug 1954 das Dreizehnfache jener von 1937. Später verflachte der Aufwärtstrend, es kam zu Krisenerscheinungen, in denen sich eine internationale Tendenz spiegelte; auch Umweltprobleme schufen Unsicherheit. Besondere Bedeutung kommt in der modernen Wirtschaft mit ihrem gewaltigen Bedarf an Heizwerten dem Energiesektor zu. Für Österreich haben drei Hauptenergiequellen besondere Bedeutung: Kohle, Erdöl (und Erdgas) sowie Wasserkraft. Die großen Kohlenlager der Habsburgermonarchie lagen ausnahmslos außerhalb des späteren Staatsgebietes der Republik; immerhin verfügt diese über nicht ganz unbedeutende Braunkohlenlager in der Steiermark; aber audi in Oberösterreich, Niederösterreich, Kärnten und im Burgenland gibt es auswertbare Abbaustätten. E t w a ein Sechstel des österreichischen Kohlenbedarfes (berechnet auf Steinkohlenbasis) konnte in den zwanziger Jahren im eigenen Lande gedeckt werden, ohne daß die Förderung besonders forciert wurde. In der Zweiten Republik wurde die heimische Kohlenförderung modernisiert und stark ausgebaut; zur Zeit des Staatsvertrages betrug die Jahresförderung über 6,000.000 Tonnen Braunkohle und war damit nahezu doppelt so hoch als in den Jahren nach 1919, später erfolgte wieder eine Reduzierung zugunsten anderer Energiequellen. Eine Entlastung auf dem Sektor der Energiewirtschaft brachte seit den letzten Jahren der Ersten Republik die Nutzbarmachung eines bisher nicht verwertbaren Bodenschatzes, des niederösterreichischen Erdöls, später auch des Erdgases. Die Republik hatte zunächst eigener ö l f e l d e r entbehrt, doch wurden 1930 im Weinviertel Ölvorkommen eruiert und in den Jahren 1934 und 1935 konnte in Gösting und Zistersdorf die Produktion aufgenommen 16

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werden, deren Schwergewicht sich 1949 auf das große Feld von Matzen verlagerte. Schürftätigkeit in Oberösterreich führte ebenfalls zu brauchbaren Ergebnissen. Große Bedeutung gewann in der Zweiten Republik auch die Gewinnung des Erdgases, das man vorher hatte ungenützt entweichen lassen. Der größte Teil des geförderten Öls — die Gesamtproduktion stieg von 33.000 Tonnen im Jahre 1937 auf 3,666.000 Tonnen 1955 — kam freilich nicht Österreich zugute, da die Erdölgewinnung seit 1938 in überforcierter Förderung zunächst f ü r die deutsche Kriegswirtschaft nutzbar gemacht und 1945—1955 im wesentlichen von der sowjetisch verwalteten „ O R O P " verwertet wurde. Nach 1955 mußten erhebliche ölmengen auf Grund des Staatsvertrages im Rahmen der Ablöse für die Rückstellung der Erdölbetriebe an Österreich der Sowjetunion geliefert werden und auch die westlichen ölgesellschaften stellten Schadenersatzforderungen; zur Vermeidung eines Raubbaues wurden Produktionsdrosselungen notwendig. Die Erdölförderung betrug 1986 nur mehr 1,116.000 Tonnen. In Schwechat wurde eine große Raffinerie der Osterreichischen Mineralölverwaltung (ÖMV) errichtet. Verschiedene Fakten, insbesondere die fortschreitende Motorisierung von Industrie, Handel und Verkehr, steigerten die Abhängigkeit vom ausländischen Erdöl, die österreichische Handelsbilanz wurde durch den „Ölschock" (1973), die enorme Erhöhung der Olpreise, beeinträchtigt. Nach dem ersten Weltkrieg wäre es an der Zeit gewesen, die alpinen Wasserkräfte mehr als bisher für die Elektrizitätswirtschaft auszuwerten, tatsächlich ist wegen Geldmangels und wohl auch wegen allzu starker Rücksichtnahme auf die Interessen des Bergwerkkapitals nicht sehr energisch gearbeitet worden; immerhin konnte 1937 schon der Großteil der heimischen Stromerzeugung durch Wasserkraftwerke bestritten werden. Während der Eingliederung in das Dritte Reich suchte man die österreichischen hydraulischen Elektrizitätswerke für die Ruhrindustrie auszubauen; diesem Ziele diente etwa die Anlage des Großwerkes Rodund in Vorarlberg. Im Jahre 1945 war durch Kriegsschäden ein erheblicher Teil der Kraftwerke außer Betrieb gesetzt; die Stromverteilung wurde zum Problem. Die Großanlagen fielen unter die Bestimmungen der Verstaatlichungsgesetze, nach 1938 aufgenommene Bauvorhaben wurden weitergeführt, andere neu begonnen. So entstanden die großen Werke in Kaprun, Prutz-Imst, Jochenstein, ReißeckKreuzeck, die Reihe der Ennskraftwerke, und es begann der Bau an großen Donaukraftwerken (Ybbs-Persenbeug, Jochenstein, Aschach, Wallsee-Mitterkirchen, Ottenstein, Altenwörth und anderen), darunter jenen an den großen Staustufen von Melk und Greifenstein. Auch einige kalorische Werke (Wärmekraftanlagen auf Kohlenbasis) wurden errichtet. Die wichtigste heimische Energiereserve, die Wasserkraft, wurde also in der Zweiten Republik entsprechend herangezogen — die Erzeugung elektrischer Energie betrug 1955 8.417 und 1981 42.894 Millionenkilowattstunden gegenüber 2.883 Millionen im Jahre 1937 —, doch hatte sich auch der österreichische Gesamtverbrauch ver-

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vielfacht. Gegenüber seinem westlichen Nachbarn, der Schweiz, blieb Österreich in der N u t z u n g der Wasserkraft immer noch zurück. Andererseits w u r d e auch die Ausnützung der Kernenergie f ü r die Stromgewinnung in Angriff genommen, diese Initiative w u r d e jedoch durch das Ergebnis der Volksabstimmung 1978 und das Atomsperrgesetz blockiert. Die auf Grundlage der heimischen Land- und Forstwirtschaft arbeitende Industrie — die holzverarbeitende Industrie, einschließlich der Zellstoffund Papiererzeugung, die Zuckerproduktion und die Brauereien — spielte in der Wirtschaft der beiden Republiken eine sehr erhebliche Rolle. Die Papierfabrikation und die Zellstofferzeugung erreichten sehr schnell, Mitte der zwanziger Jahre, die Produktionsziffern der Vorkriegszeit und überschritten sie bald bedeutend. Auch nach dem zweiten Weltkrieg hat sich dieser Industriezweig, von Zerstörungen und Beschlagnahmen weniger betroffen, gut entwickelt. Die Zuckerrübenernte konnte während der Ersten Republik nach einigen k n a p p e n Jahren erheblich gesteigert werden; zwei weitere Fabriken, Enns (1929) und Tulln (1937) wurden errichtet. Im Jahre 1932 w a r man vom tschechoslowakischen I m p o r t unabhängig geworden. Auch nach dem zweiten Weltkrieg gab es große Anfangsschwierigkeiten, dann vollzog sich der W i e d e r a u f b a u rasch, doch erreichte man trotz vermehrter Produktion noch keine volle Deckung des stark gestiegenen Inlandbedarfes. In einem Zusammenhang mit der heimischen Holzwirtschaft stehen noch einige Produktionen der chemischen Industrie, insbesondere die Erzeugung von Zellwolle. Österreich erhielt in Lenzing eine der größten und leistungsfähigsten Zellwollefabriken der Welt. Ein anderes Arbeitsfeld der chemischen Industrie, die Erzeugung von Düngemitteln, bildet den H a u p t t e i l der zumeist f ü r den E x p o r t bestimmten Produktion der während des zweiten Weltkrieges errichteten Linzer Stickstoffwerke. Auch die Erzeugung von P h a r m a k a und von Farben und Lacken erlangte im R a h m e n der österreichischen diemischen Industrie erhebliche Bedeutung. Besondere Schwierigkeiten hatte nach dem ersten Weltkrieg die f ü r die Volkswirtschaft wegen der großen Beschäftigtenzahlen wichtige Textilindustrie zu überwinden. Zwischen den donauländischen und den sudetenländischen Betrieben bestand in der Monarchie eine recht gut ausgewogene Zusammenarbeit, die nach 1918 zum Teil hinfällig wurde. M a n mußte sich neu orientieren. In den Jahren seit 1923 entwickelte sich die Textilindustrie recht zufriedenstellend. In den Krisenjahren ging die Erzeugung allerdings etwa um die H ä l f t e zurück. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Textilindustrie wieder große Anfangsschwierigkeiten zu überwinden; im J a h r e 1955 aber hatte man die P r o d u k t i o n von 1937 nicht unwesentlich überschritten, wenngleich gerade im Textilsektor sowie in der Leder- und Schuherzeugung die spektakulären Erzeugungserhöhungen anderer Industriezweige fehlten. Die G a r n e und Waren aus Zellwolle traten immer stärker neben den Baumwollprodukten in Erscheinung. Die Vorarlberger Spitzen-

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und Stickereiindustrie holte die Rückschläge nach beiden Kriegen gut auf und w a r in der Zweiten Republik etwa mit einem Viertel am Textilexport beteiligt. Die Bekleidungsindustrie — in den Statistiken neben der Textilindustrie im engeren Sinne zumeist gesondert a n g e f ü h r t — hatte mit D a m e n kleidern, Wäsche und H ü t e n stets einen wesentlichen Anteil an Erzeugung und E x p o r t . Die Bauwirtschaft e r f u h r seit 1918 die meisten A u f t r ä g e von der öffentlichen H a n d oder von der Industrie, auch Siedlungs- und W o h n b a u genossenschaften schalteten sich ein, w ä h r e n d der private Wohnhausbau wegen des geringen Mietenertrages stagnierte. Diese Tendenz hielt auch in der Zweiten Republik an. Die Gemeinde Wien n a h m 1923 ein großes W o h n b a u p r o g r a m m auf u n d errichtete bis 1934 aus den Mitteln der W o h n b a u steuer mehr als 64.000 Wohnungen, nach dem Kriege w u r d e n von der Gemeindeverwaltung bis 1980 etwa 133.000 Wohnungen gebaut. In der Zweiten Republik w a r nach Kriegsende vielenorts ein großer Einsatz der Bauwirtschaft notwendig, um umfangreiche Kriegsschäden zu beheben. Waren im Bundesgebiet doch mehr als 200.000 Wohnungen durch Bomben, Artillcriefeuer und örtliche K a m p f h a n d l u n g e n zerstört worden, ebenso bedeutend waren die Schäden an Industrie- und Verkehrsbauten sowie an öffentlichen Gebäuden. Innerhalb von zehn Jahren, vom Kriegsende bis zum Staatsvertrag, wurden in ganz Österreich etwa 347.000 Wohnungen gebaut, wiederhergestellt u n d eingerichtet. In den achtziger Jahren kam es zu Krisenerscheinungen in der Bauwirtschaft, man wandte sich aber mehr als zuvor der Althaussanierung zu. Eine gewisse Rolle spielte auch im kleiner gewordenen Österreich nach 1918 die Glasindustrie; eine begrenzte Zusammenarbeit mit der böhmischen Industrie konnte allmählich wieder in Gang gebracht werden. Sehr wichtig war die Tiroler Glasschmuckerzeugung. Nach 1945 stieg der Glasbedarf mächtig an, die Industrie m u ß t e sowohl f ü r die Bauwirtschaft als audi f ü r Exportzwecke arbeiten. Ein Teil der altrenommierten Gablonzer Industrie f a ß t e in Österreich Fuß, dabei gab es zunächst erhebliche Anfangsschwierigkeiten, dann aber eine wichtige exportintensive Produktion. Auch die Erzeugung optischer Instrumente, insbesondere von Mikroskopen und Schmalfilmkameras, entwickelte sich günstig, bis zu Ende der siebziger J a h r e die japanische K o n k u r r e n z übermächtig wurde. Große Bedeutung kam im Zeitalter einer stetig zunehmenden Motorisierung der Fahrzeugindustrie zu. Eine Reihe österreichischer Firmen hatte schon vor dem ersten Weltkrieg ihre Tätigkeit im Automobilbau aufgenommen. Die Firma Gräf & Stift w u r d e 1902 begründet (ein Vorläuferunternehmen bereits 1895); der Ruf der Firma beruhte später auf leistungsfähigen Großlastkraftwagen, die auch von den österreichischen Saurerwerken (1906) und Fross-Büssing (1908) erzeugt wurden. Die Steyrwerke gingen zu Kriegsende zum Fahrzeugbau über. Mit zwei anderen renommierten Firmen

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wurden sie 1926 zur Aktiengesellschaft Steyr-Daimler-Puch zusammengefaßt. Die D a i m l e r f a b r i k in Wiener N e u s t a d t mußte allerdings 1925 stillgelegt werden. Fahrräder, Personen- und Lastkraftwagen, später Traktoren, M o t o r räder, Motorroller und Mopeds, gehörten zu den weitverbreiteten Erzeugnissen dieses Großunternehmens. In Zusammenarbeit mit dem italienischen Mutterhause spielte auch die Firma Austro-Fiat (1907) stets eine wesentliche Rolle. Es w a r f ü r die Entwicklung der österreichischen Autoindustrie freilich ungünstig, daß zwei ihrer bedeutendsten Konstrukteure, H a n s Ledwinka und Ferdinand Porsche, zu Beginn der zwanziger Jahre aus der heimischen Industrie ausschieden. Ein Versuch, den inzwischen durch die Konstruktion des Volkswagens allgemein b e k a n n t gewordenen Arbeiten Porsches nach 1945 in K ä r n t e n eine neue H e i m s t ä t t e zu bieten, hatte keinen dauernden Erfolg. Im übrigen n a h m die Fahrzeugindustrie nach dem zweiten Weltkrieg vorerst einen gewaltigen Aufschwung, besonders deutlich ergibt sich dies aus dem mächtigen Anschwellen der Erzeugungszahlen von Traktoren, M o t o r r ä dern und Lastkraftwagen, während die in der Ersten Republik f ü h r e n d e Personenautofabrikation zeitweilig aufgegeben wurde. M a n beteiligte sich aber an ausländischen Unternehmen, die auch in Osterreich Fabriken übernahmen, mit Teilprodukten der Autoausstattung. Die A u s f u h r von Militärfahrzeugen, von Panzern u n d Artillerie wurde durch die auf W a h r u n g der Neutralität bedachte Gesetzgebung weitgehend unterbunden. Die österreichischen Eisenbahnen verloren durch die Friedensbestimmungen 1919 etwa 75 Prozent ihres Streckennetzes, darunter viele aktive Flachlandstrecken, es verblieb dagegen der Großteil der kostspieligeren Gebirgsbahnen. Der Personalstand der Österreich verbliebenen Eisenbahnanlagen wurde durch Übernahme von Bediensteten aus den Nachfolgestaaten allzusehr vermehrt. Die Bilanz der österreichischen Bundesbahnen, die seit 1923 als eigener Wirtschaftskörper geführt wurden, w a r zumeist defizitär, verbesserte sich allerdings durch rigorose S p a r m a ß n a h m e n , die mit einem starken Personalabbau verbunden waren. Nach 1938 w u r d e dieser rückgängig gemacht, die Kriegsereignisse brachten gewaltige Anforderungen und dann nachhaltige Zerstörungen; 381 Brücken fielen durch Totalverlust oder schwerste Beschädigungen aus, mehr als die H ä l f t e der Lokomotiven und ein Gutteil des Wagenparks gingen verloren. Die in der Ersten Republik nur zögernd durchgeführte Elektrifizierung w u r d e in der Zweiten wesentlich erweitert, das zur Zeit der K ä r n t n e r Volksabstimmung gegebene Versprechen der Errichtung der J a u n t a l b a h n endlich eingelöst. Die Beseitigung der Kriegsschäden u n d längst notwendige Erneuerungsarbeiten, vor allem aber eine übermäßige Pensionslast, f ü h r t e n bei erhöhten Betriebs- und Verkehrsleistungen zu erheblichen finanziellen Defiziten, die man durch Einführung des regelmäßigen „Austro-Taktverkehrs" auf wichtigen Strecken, durch Autoreisezüge und Autoschleusen, sowie durch die Auflassung von Nebenbahnen zu verringern suchte.

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Einen eigenen, für Tourismus und Wintersport wichtigen Sektor des Verkehrswesens bilden die Kabinenseilbahnen, ferner Tausende Sessel- und Schleppliftanlagen in Schigebieten; gegen einen weiteren Ausbau werden Einwände aus Gründen des Landschaftsschutzes immer stärker geltend gemacht. Ein wesentliches Element der Verkehrssituation nach 1919 bildete infolge des zunehmenden Last- und Personenkraftwagenverkehrs der Wettbewerb zwischen Schiene und Straße. In der Ersten Republik und im Ständestaat gab es anerkennenswerte Leistungen im Straßenbau, es ist insbesondere auf die unter Leitung von Franz Friedrich Wallack erbaute Großglockner-Hochalpenstraße und auf die Wiener Höhenstraße hinzuweisen. Die großen Straßenbauprojekte des Dritten Reiches kamen vor Kriegsausbruch zum Stillstand und haben sich in Österreich kaum ausgewirkt. Seit 1945 erhöhte sich infolge der enormen Zunahme der motorisierten Fahrzeuge die Verkehrsfrequenz der Straßen in großem Ausmaß; der Bau von Autobahnen wurde durchgeführt; die Höhe der Unfallziffern beweist freilich, daß man der Motorisierung nicht ganz gewachsen ist. Der durch Osterreich führende Lkw-Transit-Verkehr wurde, namentlich auf der Brennerroute, zu einer furchtbaren Belastung der Anrainer. Mit dem Ausgang des ersten Weltkrieges war Österreich zum Binnenstaat geworden und verlor seine Hochseeflotte. N u r gelegentlich zeigten einzelne Schiffe auf Trampfahrt auf den europäischen Binnenmeeren die rot-weiß-rote Flagge. Auf der Donau blieb zwar die Erste Donaudampfschiffahrtsgesellschaft trotz des Verlustes zahlreicher Fahrzeuge die führende Unternehmung, sie behielt auch ihr ungarisches Steinkohlenbergwerk und die Budapester Werft. Der zweite Weltkrieg brachte erneute Schiffsverluste und die Einbeziehung in den Komplex des sowjetisch beanspruchten Deutschen Eigentums. Die Vermögenswerte in Ungarn, Rumänien und Bulgarien gingen überhaupt verloren. Der Staatsvertrag gab dann der Donauschiffahrt neue Aussichten; für die Kohlen- und ö l f r a c h t sowie für die Güter der Linzer und der Wiener Industriezone hat der Strom weiterhin Bedeutung. Die Schiffahrt auf den österreichischen Seen dient vor allem dem Fremdenverkehr. Im europäischen Luftverkehr, der sich nach dem ersten Weltkrieg zu entwickeln begann, spielte Österreich schon durch seine Lage eine nicht unwichtige Rolle. Seit 1923 besaß es auch eine eigene Luftverkehrsgesellschaft ( Ö L A G ) , die 1938 liquidiert wurde. Nach 1945 wurde der Luftverkehr, dessen Frequenz stark zunahm, bis zum Staatsvertrag ausschließlich durch fremde Gesellschaften bestritten; dann erfolgte die Gründung eines österreichischen Unternehmens, der Austrian Airlines ( A U A ) . Eine sehr wesentliche Rolle spielte in der Wirtschaft der Ersten und Zweiten Republik der Fremdenverkehr; darüber hinaus gewann er auch für die politische und kulturelle Stellung des Landes in der Welt und in Europa erhebliche Wichtigkeit; schließlich zogen nicht nur die Schönheiten der

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Landschaft, die Heilbäder, Sommer- und Wintersportorte, sondern auch die der Pflege von Kunst und Wissenschaft gewidmeten Kulturstätten die Fremden ins Land. N e b e n der volkswirtschaftlichen Bedeutung als Devisenbringer ist jedenfalls die völkerverbindende Funktion des Fremdenverkehrs keinesfalls zu übersehen. Gewisse Strukturveränderungen zwischen dem Fremdenverkehr der Ersten und jenem der Zweiten Republik sind unverkennbar. Z w a r behielten der Frequenz nach Tirol, Salzburg und K ä r n t e n die traditionellen Spitzenstellungen; aber unter den H e r k u n f t s l ä n d e r n der auswärtigen Besucher schieden die Nachfolgestaaten der Monarchie und Osteuropa weitgehend aus, während die Bundesrepublik Deutschland etwa 70 Prozent der Fremdenfrequenz stellt. Wenden wir uns dem H a n d e l zu. W ä h r e n d in der Monarchie der Außenhandel ungeachtet seiner Bedeutung an U m f a n g gegenüber dem Binnenhandel des österreichisch-ungarischen Großraumes erheblich zurückblieb, w a r die Republik Österreich, wie fast alle Kleinstaaten, in verhältnismäßig stärkerem M a ß e auf den Außenhandel angewiesen. Allerdings k ä m p f t e man 1918 mit erheblichen Anfangsschwierigkeiten. Die einseitigen Bestimmungen der Friedensverträge über Meistbegünstigung, vor allem aber die Absperrungspolitik der Nachfolgestaaten, ließen den zwischenstaatlichen H a n d e l nicht recht in G a n g kommen. Der H a n d e l zwischen den Nachfolgestaaten bewegte sich nur um etwa 15 Prozent des Binnenhandels der Monarchie. M a n versuchte immerhin, das Interesse des In- und Auslandes f ü r die österreichische Wirtschaft zu wecken; diesen Bemühungen entsprang die G r ü n d u n g der Wiener Messe 1921, die sich recht zufriedenstellend entwickelte. Im übrigen ist der österreichische Außenhandel der Ersten Republik durch erhebliche Schwankungen, der der Zeit nach 1945 durch ein ziemlich kontinuierliches Ansteigen gekennzeichnet. Geblieben ist — allerdings in verschiedener H ö h e — der Uberschuß der E i n f u h r w e r t e über jene der Ausfuhr, das Passivum w a r 1920—1929 sehr hoch, ging von 1931 bis 1937 zurück, doch verringerte sich in den Krisenjahren das gesamte Außenhandelsvolumen sehr beträchtlich. Das Außenhandelspassivum beruhte im wesentlichen auf dem Einfuhrüberschuß an Getreide, Nahrungsmitteln sowie an mineralischen Brennstoffen (Steinkohle, Erdöl und ö l p r o d u k t e ) . Passiv w a r auch der Außenhandel mit gewerblichen Rohstoffen und H a l b f a b r i k a t e n , aktiv hingegen jener mit Fertigwaren. Im übrigen bildeten Holz, H o l z waren, Eisen, Stahl, Papier, Textilien in der Ersten wie in der Zweiten Republik mengen- und wertmäßig die wichtigsten Ausfuhrartikel. U n t e r den Herkunftsländern der E i n f u h r stand zunächst bis 1927 die Tschechoslowakei an der Spitze, an zweiter Stelle folgte Deutschland, das später die Führung übernahm. Für den E x p o r t nahm Deutschland von A n f a n g an die erste Stelle ein, gefolgt von der Tschechoslowakei, die jedoch später an die

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dritte oder vierte Stelle zurückfiel. Die nächsten Stellen im Außenhandel besetzten in wechselnder Reihung Ungarn, Italien, Polen. In der Zweiten Republik vermehrte sich das Außenhandelsvolumen ziemlich stetig, und zwar sowohl Einfuhr wie Ausfuhr. In geographischer Hinsicht trat an Stelle der annähernden Ausgeglichenheit zwischen Ost- und Westhandel in der Ersten Republik in der Zweiten eine deutliche Westorientierung. Ungarn und Tschechoslowakei spielten als Handelspartner lange eine unbedeutende Rolle, weitaus die erste Stelle kommt der Deutschen Bundesrepublik zu. Die Nichtzugehörigkeit zur EWG, der der wichtigste Außenhandelspartner Österreichs angehörte, dürfte wohl das Wirtschaftswachstum bis zur Einleitung des Zollabbaus (1969) beeinträchtigt haben; die Folgen waren wohl weniger schwerwiegend, als vielfach befürchtet worden war. Man verstand die Marktpositionen in den EFTA-Staaten auszubauen, audi der Inlandsmarkt entwickelte sich gut. — Es war aber doch von größter Bedeutung, daß es 1972 gelang, durch ein Handelsabkommen eine Verbindung zur E W G zu erlangen, ohne die Sowjetunion vor den Kopf zu stoßen. Die österreichische Währung bietet nach 1918 zunächst ein höchst unerfreuliches Bild. Schon die Finanzierung des Weltkrieges war nicht zuletzt durch eine Vermehrung des Geldumlaufes erfolgt; nach dem Umsturz kam es zur Ausgabe von Notgeld, und schließlich stürzte der schon während des Krieges gesunkene Wert der Währung ins Bodenlose. Üble Spekulationen hatten ihren Anteil an dieser Katastrophe. Die Devisenbewirtschaftung versagte, die Finanzen brachen zusammen. Das Entwertungsverhältnis von 1 : 14.400 blieb zwar hinter der deutschen Inflation noch erheblich zurück, hatte aber naturgemäß das Ergebnis, daß alle Ersparnisse bedeutungslos wurden. Allerdings wurde auch die Staatsschuld, im Krieg gewaltig angewachsen, soweit sie nicht an den Goldwert gebunden war, weitgehendst verringert, ebenso die privaten Schulden. Der Wiederaufbau erfolgte dann durch die Einführung der Schillingwährung auf der Basis 1 : 10.000 gegenüber der Krone im Rahmen der Genfer Sanierungsaktion von 1922. Der neue Schilling bewährte sich dann als eine recht stabile Währung. Die Zusammenbrüche der Bodencreditanstalt und der Creditanstalt erschütterten allerdings das Vertrauen in Österreichs Geldwesen. Durch eine deflationistische Währungspolitik gelang es aber, den Schilling wieder zu festigen — man sprach stolz vom „Alpendollar". Man stabilisierte freilich die Währung auf Kosten der Arbeitsbeschaffung, man fürchtete die Inflation offenbar mehr als die Massenarbeitslosigkeit. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches waren auch die Währungsverhältnisse chaotisch; im Dezember 1945 wurde wieder die Schillingwährung eingeführt, doch gab es nach wie vor eine Geldschwemme und wenig Waren. Die Währungsreform zu Ende 1947 war recht erfolgreich, dagegen bewährte sich das System der fünf Lohn- und Preisabkommen, mit dem eine vernünftige Relation im Lohn-Preis-Gefüge gehalten werden sollte, nur

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vorübergehend. E r s t 1 9 5 2 gelang es, eine weitgehende Stabilisierung herbeizuführen, die B e v ö l k e r u n g h a t t e wieder V e r t r a u e n zur W ä h r u n g , die S p a r einlagen begannen k r ä f t i g zu steigen. Diese günstige Entwicklung hielt mit einigen Schwankungen lange an, wurde aber seit den späten sechziger J a h r e n durch die internationale Währungsunsicherheit beeinträchtigt. M a n hielt aber an der österreichischen Hartwährungspolitik fest. Recht ungünstig gestaltete sich in der E r s t e n R e p u b l i k die Entwicklung des B a n k - und Kreditwesens. W i e n hatte in der Monarchie die R o l l e des K a p i t a l s - und F i n a n z z e n t r u m s eingenommen; in der H a u p t s t a d t w a r der Sitz der größten B a n k e n , ein N e t z von Filialen spannte sich über die P r o vinzen der Monarchie. N a c h 1 9 1 8 wurden diese Filialen a u ß e r h a l b der R e p u b l i k systematisch abgewürgt. Versuche, u n h a l t b a r e Positionen zu behaupten oder zurückzugewinnen, haben Österreich viel gekostet; gegenüber dem massiven Wirtschaftsegoismus der Nachfolgestaaten waren sie völlig aussichtslos. K u r z f r i s t i g e ausländische Anleihen erhöhten die Verschuldung, jeder Abzug der ausländischen Devisen bedrohte die Existenz der österreichischen Bankinstitute. In der Inflationszeit gab es einige spekulative Neugründungen, die bald wieder verschwanden. Auch angesehene Institute brachen zusammen; 1 9 2 4 die Allgemeine D e p o s i t e n b a n k , 1 9 2 6 die Z e n t r a l bank Deutscher Sparkassen. D i e Anglo-österreichische B a n k wurde 1 9 2 6 mit der C r e d i t a n s t a l t , die V e r k e h r s b a n k 1 9 2 7 m i t der Bodencreditanstalt zwangsfusioniert; diese selbst m u ß t e 1 9 2 9 der C r e d i t a n s t a l t einverleibt werden, bis schließlich auch diese größte österreichische B a n k im F r ü h j a h r 1931 ihre Schalter schließen m u ß t e und erst durch eine kostspielige Sanierungsaktion des Bundes gerettet werden k o n n t e . Auch staatliche Institute, wie die Postsparkasse ( 1 9 2 6 ) und die N a t i o n a l b a n k ( 1 9 3 1 ) gerieten in arge Bedrängnis. U n h e i l v o l l w a r schließlich — während der ständischen Ä r a — der Zusammenbruch der Versicherungsgesellschaft „ P h ö n i x " , die, anders als die B a n k e n , ihr ausländisches F i l i a l n e t z nach 1 9 1 8 hatte halten können. Auch in diesem F a l l e m u ß t e der S t a a t rettend einspringen. I m J a h r e 1 9 4 6 wurden die drei bedeutendsten österreichischen B a n k e n , die C r e d i t a n s t a l t - B a n k v e r e i n , die österreichische L ä n d e r b a n k und das österreichische Creditinstitut durch das erste Verstaatlichungsgesetz in das E i g e n t u m der R e p u b l i k Österreich ü b e r n o m m e n ; sie hatten einen erheblichen Teil ihres K a p i t a l s während des Krieges und nachher verloren, nur der S t a a t k o n n t e die Institute weiterführen. W ä h r e n d nach dem ersten W e l t k r i e g die Siegerstaaten Österreich K r e d i t h i l f e meist nur zögernd und unter oft drückenden politischen Bedingungen gewährten — es fehlte im k a p i t a l s t ä r k e r e n Ausland einfach an politischer Voraussicht, um die unheilvollen Konsequenzen einer wirtschaftlichen Dauerkrise einzusehen — b e k a m die Z w e i t e R e p u b l i k im R a h m e n des Marshallplanes, insbesondere von den Vereinigten S t a a t e n , eine mächtige, nicht rückzahlpflichtige U n t e r s t ü t z u n g , die sich von 1 9 4 5 bis 1 9 5 5 a u f die

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gewaltige Höhe von 1,6 Milliarden Dollar belief. Auf die Bedeutung dieser H i l f e für den Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft muß nachdrücklichst hingewiesen werden. Während der Ersten Republik und dem Ständestaat die Stabilisierung der Währung glückte, scheiterte man am Problem der Arbeitsbeschaffung; es gelang in den kritischen Jahren nicht, eine auch nur annähernde Vollbeschäftigung zu erreichen. Nach einem ersten Anschwellen der Arbeitslosigkeit zur Zeit der Demobilisierung, w a r sie gerade während der Inflation bemerkenswert niedrig; in den späteren zwanziger Jahren ist im allgemeinen eine Tendenz zur Zunahme unverkennbar. Den traurigen Rekord erreichte man 1933 mit 480.000 Arbeitslosen im Winter und 375.000 im Sommer. Dann trat ein langsamer Rückgang ein, doch betrug der Stand des Jahres 1937 noch immer 398.000 unterstützte Arbeitslose im Winter und 281.000 im Sommer. Dazu kamen aber jeweils bis zu 300.000 nicht unterstützte „Ausgesteuerte". A m stärksten w a r die Schwerindustrie (Metallarbeiter), das Baugewerbe und die Angestelltenschaft betroffen. Es blieb also allen wirtschaftspolitischen Versuchen, die Arbeitslosigkeit zu überwinden, ein durchschlagender Erfolg versagt. In der Zweiten Republik hielt sich die Arbeitslosenzahl zumeist in engen Grenzen; ihr Ansteigen während der „Stabilisierungskrise" 1952/53 wurde bald überwunden. Die jahreszeitlichen Schwankungen blieben freilich beträchtlich und der Zustand einer weitgehenden Vollbeschäftigung wurde erst nach dem J a h r e 1955 erreicht. In den sechziger Jahren erwies es sich aber als notwendig, den Personalbedarf der expandierenden Wirtschaft auch durch ausländische Gastarbeiter, insbesondere Jugoslawen und Türken, zu decken. Gegen Ende 1980 trat jedoch eine Verschlechterung der Arbeitsmarktlage ein. — Unter anderem hatte namentlich die Rationalisierung der Betriebswirtschaft durch Automation Verluste von Arbeitsplätzen zur Folge. Computer und Halbleiter, die Systeme der Datenverarbeitung, hatten in Industrie und Dienstleistungsbetrieben, in Fabriken und Büros eine neue Epoche eingeleitet. Die Mikroelektronik wirkte sich in allen Lebensbereichen aus. Zu den Positiva der legislatorischen Tätigkeit der Ersten Republik gehörte zweifellos der Aufbau einer wirksamen Sozialgesetzgebung bald nach dem Ende des ersten Weltkrieges unter der Initiative des Staatssekretärs Ferdinand Hanusch, eines schlesischen Webersohnes. Die Gesetze betrafen unter anderem auch Fürsorgemaßnahmen zur Unterstützung Arbeitsloser, ferner Verfügungen über Schlichtungsstellen und Kollektivverträge, über den Achtstundentag, die Errichtung von Arbeiterkammern und eine Reform der Kranken- und Unfallversicherung. In Krisenjahren neigte man freilich dazu, Teile der Sozialgesetzgebung auszuschalten. Nach 1945 wurde die Altersversorgung ausgebaut und eine Familienunterstützung eingeführt; spätere Gesetze befaßten sich mit einer Arbeitszeitverkürzung auf 45 bzw. 40 Stunden und mit dem Mutterschutz. Unter veränderten technologischen Bedin-

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g u n g e n w u r d e n seit d e n siebziger J a h r e n P r o b l e m e der A r b e i t s z e i t v e r k ü r z u n g z u r V e r m e i d u n g v o n Arbeitslosigkeit erneut aktuell. D i e wirtschaftliche N o t , die G e f ä h r d u n g der E x i s t e n z des einzelnen und größerer G r u p p e n vereinigte sich in den J a h r e n nach 1918 mit politischem U n b e h a g e n und erschwerte den E x i s t e n z k a m p f des v o n außen bed r o h t e n S t a a t e s durch die S p a n n u n g e n , welche die Menschen auch innerhalb seiner G r e n z e n v o n e i n a n d e r trennten. D i e positivere E i n s t e l l u n g z u m österreichischen S t a a t der Z w e i t e n R e p u b l i k w u r d e schon durch die Erlebnisse nach 1938 geweckt, durch eine günstige wirtschaftliche u n d soziale E n t wicklung aber v e r s t ä r k t u n d g e f e s t i g t .

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Kunst

T r o t z aller B e d r ä n g n i s des Augenblicks fehlte es in den ersten J a h r e n der R e p u b l i k keineswegs an Initiativen f ü r über die T a g e s n ö t e hinausreichende P l a n u n g e n . D a s gilt e b e n s o f ü r d a s V e r f a s s u n g s w e r k u n d die S o z i a l g e s e t z g e b u n g als auch f ü r die Bestrebungen auf dem G e b i e t des U n t e r richts- und E r z i e h u n g s w e s e n s . D i e insbesondere mit dem N a m e n des U n t e r s t a a t s s e k r e t ä r s und Präsidenten des Wiener S t a d t s c h u l r a t e s O t t o Glöckel verbundenen B e m ü h u n g e n um eine S c h u l r e f o r m w u r d e n schließlich nach langen, interessanten A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n in p ä d a g o g i s c h e n und politischen Kreisen durch die Schulgesetze v o m A u g u s t 1927 g e k r ö n t . Wichtiger noch als d a s O r g a n i s a t i o n s w e r k w a r e n die methodischen und p ä d a g o g i s c h e n N e u e rungen im unteren und mittleren Schulwesen, die einen kindertümlichen, aber zur geistigen S e l b s t ä n d i g k e i t a n r e g e n d e n Arbeits- u n d Erlebnisunterricht bezweckten. Als neuen M i t t e l s c h u l t y p richtete m a n die B u n d e s e r z i e h u n g s anstalt ein. D i e wissenschaftlichen Hochschulen w u r d e n durch die Hochschule f ü r W e l t h a n d e l ( f r ü h e r E x p o r t a k a d e m i e ) v e r m e h r t . Auch d a s Volkshochschulwesen b a u t e m a n aus. C h a r a k t e r i s t i s c h f ü r die p ä d a g o g i s c h e A r b e i t der Ersten (aber auch der Z w e i t e n ) R e p u b l i k w a r ferner die S o r g e f ü r K i n d e r g ä r t e n und H o r t e s o w i e f ü r d a s Sonderschulwesen. Im übrigen spiegeln sich in L e h r p l ä n e n und Schulbüchern ziemlich deutlich die weltanschaulichen und politischen T e n d e n z e n der Zeit. N a c h dem Zwischenspiel 1 9 3 8 — 1 9 4 5 stellten sich schwierige A u f g a b e n des W i e d e r a u f b a u e s , zunächst schon in d e m g a n z wörtlichen Sinn der dringlichen N e u e r r i c h t u n g vieler zerstörter Schulg e b ä u d e . Es w u r d e s p ä t e r auch die Errichtung neuer Hochschulen beschlossen. In S a l z b u r g n a h m in Anschluß an die bereits bestehende theologische F a k u l tät der S t u d i e n b e t r i e b als U n i v e r s i t ä t 1964 seinen A n f a n g ; in L i n z w u r d e die Hochschule f ü r S o z i a l - und Wirtschaftswissenschaften 1966 eröffnet. K l a g e n f u r t erhielt 1970 eine Hochschule f ü r B i l d u n g s w i s s e n s c h a f t e n . N e u g r ü n d u n gen von Fach- und Berufsschulen, ein A u s b a u der Kunsthochschulen, F ö r d e rung der B e s t r e b u n g e n der ü b e r a u s tätigen J u g e n d v e r b ä n d e f ü r die Betreuung der J u g e n d a u ß e r h a l b der Schulen sind f ü r die g e s a m t e Zeit 1 9 1 8 — 1 9 7 0

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bemerkenswert. In den siebziger Jahren gab es recht widersprüchliche Vorstellungen über Unterrichtsreformen; es kam aber doch 1982 zur Einführung der Neuen Hauptschule. Die Informatik mußte in die Schullehrpläne eingebaut werden. In den Städten verloren die Hauptschulen gegenüber den allgemeinbildenden höheren Schulen an Terrain, obwohl die Wirtschaft um die Lehrlingsausbildung und den Facharbeiternachwuchs besorgt war. Die Tätigkeit der Jugendbewegungen verdient überhaupt starke Beachtung. Ihre Entfaltung begann schon vor dem ersten Weltkrieg, nach 1918 nahm sie ein rascheres, oft stürmisches Tempo an. Katholische, nationale, sozialistische, auch neutrale Organisationen standen nebeneinander. Gemeinsam war ihnen bei allen sonstigen Verschiedenheiten das Bestreben nach Erneuerung der Formen des öffentlichen und privaten Lebens, eine sehr gefühlsbetonte Einstellung zu den Problemen der Zeit und zunächst noch eine demokratisch-bündische Struktur mit der Möglichkeit echter Diskussion. Der Ständestaat suchte eine Gesamtorganisation („österreichisches Jungvolk") zu schaffen, ließ aber die konfessionellen Verbände und auch die Pfadfinder bestehen. Total war die Unifizierung erst im Rahmen der Hitlerjugend. Nach dem zweiten Weltkrieg verloren die parteigebundenen Jugendverbände an Mitgliederzahl und Bedeutung; an Stelle der früheren kompromißlosen Kampfbereitschaft der Jugendlichen trat vorerst mißtrauische Skepsis; eine stärkere werbende Wirkung behielten anscheinend nur die kirchlichen Jugendverbände. Später kam es aber zu einer „Reideologisierung". Die Bewegung und Unrast an den Universitäten erreichte indessen Österreich erst mit Verspätung und geringerer Intensität. Eindrucksvoll war, wie in den meisten Staaten Europas, der — nach früheren Ansätzen — seit dem ersten Weltkrieg mächtig in Erscheinung tretende Aufschwung des Sports. Besonders gefördert im Rahmen der Schulen und der Jugendorganisationen, zog er auch die Erwachsenen in seinen Bann. Pädagogische, medizinische und kommerzielle Faktoren waren bei diesem Prozeß wirksam. Die stärkste Publikumswirkung hatte der Fußball; f ü r die Volksgesundheit kam dem Wintersport, der Touristik und dem Wassersport aber größere Bedeutung zu. Die wissenschaftliche Leistungsbilanz der Republik ist recht eindrucksvoll; an geistig schöpferischen Persönlichkeiten sollte es auch dem kleinen Österreich nicht fehlen. Bei ihrer Würdigung lassen sich freilich Ungleichmäßigkeiten und Lücken kaum vermeiden; von einer bloßen Aufzählung allzu vieler N a m e n wird man aber besser absehen. Manche der hier kurz gewürdigten Gelehrten gehören durch ihre Herkunft, oder aber durch ihren späteren Lebensweg, auch der Leistungsbilanz anderer Länder und Völker an — in einem höheren Sinne gewiß der ganzen Menschheit. Im allgemeinen war, bedingt durch die beengteren Verhältnisse und die politische Entwicklung, Österreichs Gelehrtenexport seit 1918 unverhältnismäßig hoch. Die medizinische Wissenschaft vermochte nach 1918 ihren hervorragenden Ruf zu wahren. Sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als

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in der praktischen ärztlichen Arbeit im Dienste der Volksgesundheit wurde Bedeutendes geleistet. Julius von W a g n e r - J a u r e g g erhielt 1 9 2 7 den N o b e l preis für die Entdeckung der therapeutischen Bedeutung der M a l a r i a i m p f u n g bei der Behandlung der progressiven Paralyse. E r organisierte auch im A n schluß an die Arbeit Schweizer Forscher die B e k ä m p f u n g des K r o p f e s durch die V e r w e n d u n g jodierten Kochsalzes. U n g e m e i n segensreich w a r das medizinische Lebenswerk von K a r l Landsteiner. E r wurde 1 9 3 0 mit dem N o b e l preis für die Entdeckung der Blutgruppen des Menschen ausgezeichnet. D e r gebürtige Wiener, der zunächst als E x t r a o r d i n a r i u s an seiner H e i m a t universität wirkte, ging 1 9 2 2 nach N e w Y o r k , wo er seine Forschungsarbeiten, deren erste Ergebnisse schon 1 9 0 1 veröffentlicht wurden, fortsetzte. Auch die weitergehende Unterteilung der Blutgruppen nach dem „ R h e s u s f a k t o r " geht auf ihn zurück. Landsteiners W e r k gab erst Sicherheit bei B l u t t r a n s fusionen. W ä h r e n d Landsteiners Lebensweg von Österreich ins Ausland führte, schuf der gebürtige F r a n k f u r t e r O t t o L ö w i seine wichtigsten F o r schungsarbeiten in G r a z , wo er 1 9 0 9 — 1 9 3 8 w i r k t e . L ö w i wurde ebenfalls der Nobelpreis z u e r k a n n t ; er erhielt ihn 1 9 3 6 in Würdigung seiner an Froschherzpräparaten durchgeführten bahnbrechenden Versuche über die chemische Ü b e r t r a g u n g von Nervenimpulsen. Sowohl als Forscher wie als P r a k t i k e r schuf sich Clemens Freiherr von Pirquet einen unvergänglichen N a m e n . Schon 1 9 0 6 formulierte er nach eingehenden Untersuchungen den Begriff der Allergie, wenig später entwickelte er die T u b e r k u l i n h a u t p r o b e , die für die frühzeitige Entdeckung tuberkulöser I n f e k t i o n e n und d a m i t für ihre rechtzeitige B e k ä m p f u n g entscheidende B e deutung erlangte. Pirquet, der seit 1911 an der Spitze der W i e n e r K i n d e r klinik stand, k r ö n t e seine Leistungen durch die T ä t i g k e i t als ärztlicher Leiter der amerikanischen K i n d e r h i l f s a k t i o n nach dem ersten W e l t k r i e g . Nicht zuletzt durch seine unermüdliche und zweckmäßige A r b e i t wurden damals tausende G r o ß s t a d t k i n d e r v o r dem T o d durch H u n g e r und K r a n k h e i t bewahrt. N e b e n Pirquet aber entfalteten gleichzeitig der glänzende C h i r u r g Anton von Eiseisberg, der einen sehr großen Schülerkreis anregte, der b a h n brechende O r t h o p ä d e A d o l f L o r e n z , die A n a t o m e n F e r d i n a n d Hochstetter und Julius T a n d l e r ihre in aller W e l t a n e r k a n n t e T ä t i g k e i t als Forscher und Lehrer. Die W i e n e r Schule der M e d i z i n , neben der auch G r a z und Innsbruck wichtige Leistungen und N a m e n zu verzeichnen hatten, hielt ihren S t a n d a r d auch noch in einer Zeit aufrecht, in der größeren und reicheren S t a a t e n ganz andere materielle Mittel zur V e r f ü g u n g standen als der R e p u b l i k Österreich. Auch im Auslande wirkten hervorragende Ä r z t e , die in W i e n ihre Ausbildung erhalten hatten, es sei hier nur R o b e r t B a r a n y , selbst gebürtiger W i e n e r , genannt, der 1 9 1 5 den Nobelpreis f ü r seine Forschungen auf dem G e b i e t der O h r e n h e i l k u n d e erhielt und in den folgenden zwei J a h r z e h n t e n sehr erfolgreich an der schwedischen U n i v e r s i t ä t U p p s a l a lehrte. D i e österreichischen Mediziner standen 1 9 4 5 vor besonders schwierigen

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Aufgaben. Kliniken und Spitäler hatten im Krieg als Lazarette gedient, die wissenschaftlichen Einrichtungen waren veraltet, f ü r Neuanschaffungen fehlte zunächst Geld; so wurde es schwierig, den Ruf der Wiener Schule gegenüber dem besser ausgestatteten Ausland zu wahren, von dem man jahrelang isoliert gewesen war. Die Nachkriegsjahre standen daher im Zeichen harter Wiederaufbauarbeit. Hervorragende Arzte, wie der Chirurg Leopold Schönbauer und der Internist Karl Fellinger, bewahrten den Ruf der Wiener medizinischen Schule, doch begann infolge des enormen Kostenaufwandes der modernen Medizin u n d des Spitalswesens Österreich in manchen Bereichen gegenüber wohlhabenderen Staaten etwas zurückzubleiben. Als Initiator einer weltweiten Fürsorgeaktion, der SOS-Kinderdörfer f ü r elternlose u n d verlassene Kinder, verwirklichte der Vorarlberger Kinderarzt H e r m a n n Gmeiner aber ein hervorragendes Hilfswerk. Ungemein wichtig ist der Anteil der österreichischen Forschung an den Leistungen der theoretischen und experimentellen Physik. D e n Wiener Erwin Schrödinger f ü h r t e ein reich bewegtes Gelehrtenleben von seiner H e i m a t s t a d t nach Jena, Stuttgart, Breslau, Zürich, Berlin, O x f o r d , Graz, Dublin und wieder zurück nach Wien. Er gehört zu jenen Forschern, die verschiedene Phänomene, die sich nicht mehr aus der klassischen Wellentheorie des Lichtes erklären ließen, neu zu deuten und rechnerisch zu bewältigen vermochten; er erhielt 1933 den Nobelpreis in Anerkennung der Bedeutung der von ihm entwickelten Wellenmechanik f ü r die Atomtheorie. Der Steirer Franz Viktor Hess aus Deutsch-Feistritz entdeckte bereits 1912 die kosmische Strahlung; seine Leistung w u r d e erst wesentlich später, nach ergänzenden Beobachtungen, in ihrer Bedeutung erkannt und im J a h r e 1936 mit dem Nobelpreis gekrönt. Hess w a r in Graz, Wien und Innsbruck als akademischer Lehrer tätig und w a n d t e sich später in die Vereinigten Staaten. Der Physiker Wolfgang Pauli, übrigens Sohn eines bedeutenden Chemikers, wirkte in Deutschland und in der Schweiz. Er wurde 1945 Nobelpreisträger auf G r u n d seiner Forschungsergebnisse zur Atomphysik, die er in dem nach ihm benannten „Ausschlußprinzip" über den Bewegungszustand von Elektronen f o r m u lierte. Andere Arbeiten galten der T h e r m o d y n a m i k und dem Atomzerfall. Zu den bahnbrechenden Kernphysikern zählte schließlich auch die Wienerin Lise Meitner, die in Berlin am Kaiser-Wilhelm-Institut und später an der Ingenieurwissenschaftlichen Akademie in Stockholm tätig war. Unter den österreichischen Mathematikern erwähnen wir den Niederösterreicher Wilhelm Wirtinger, der insbesondere die algebraische Funktionentheorie behandelte. Philipp Wilhelm Furtwängler, ein gebürtiger H a n noveraner, wirkte 1912—1938 in Wien; er galt als einer der f ü h r e n d e n Z a h lentheoretiker. J o h a n n R a d o n lehrte, nach jahrzehntelanger Tätigkeit in Deutschland, nach dem zweiten Weltkrieg in Innsbruck u n d seinem alten Studienort Wien; Radons Forschungsarbeit betraf namentlich M e n g e n f u n k tionen, Variationsrechnung u n d Differentialgeometrie.

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Unter den Chemikern sei hier nochmals Fritz Pregl erwähnt, der an der Universität G r a z wirkende gebürtige Laibacher, dem f ü r seine Forschungen auf dem Gebiet der quantitativen, organischen M i k r o a n a l y s e 1923 der N o b e l p r e i s verliehen wurde. M a n hat oft d a r a u f hingewiesen, daß die U n i versität G r a z während der Ersten R e p u b l i k vier Nobelpreisträger (Pregl, Hess, L ö w i und zeitweilig Schrödinger) zu ihrem Lehrkörper zählte. Noch zwei andere österreichische Chemiker, Richard Z s i g m o n d y und Richard K u h n erhielten f ü r ihre Arbeiten den N o b e l p r e i s . Z s i g m o n d y w u r d e diese Auszeichnung 1925 f ü r seine Arbeiten auf dem Gebiet der Kolloidchemie zuerkannt, doch hatte Z s i g m o n d y seine Forschungsarbeiten nach kurzer Tätigkeit in G r a z im wesentlichen in Göttingen geleistet. Richard K u h n , gleich Z s i g m o n d y gebürtiger Wiener, erhielt im J a h r e 1938 den Preis f ü r seine Forschungen über Vitamine und Carotinoide zugesprochen; er wirkte in Zürich und Heidelberg. Weltweite Anerkennung fand ein hervorragender Repräsentant der organischen Chemie, H e r m a n n Franz M a r k , der unter anderem wesentliche Entwicklungsarbeit f ü r Polymerisations-Kunststoffe leistete. In H a n s Molisch, dem Schüler des gleichfalls bedeutenden Julius von Wiesner, v e r f ü g t e die Universität Wien über einen hervorragenden Pflanzenphysiologen, der namentlich die Mikrochemie der Pflanzen und die M i k r o biologie in seinen Arbeiten behandelte. Molisch unternahm große Forschungsreisen und lehrte zeitweilig in Indien und J a p a n . Ein anderer N a t u r w i s s e n schaftler von R a n g , der Meteorologe Heinrich Ficker, führte wichtige Untersuchungen über den F ö h n w i n d der A l p e n und über die Passatströmungen durch. K a r l von Frisch erschloß das Verständigungssystem der Bienen. K o n r a d L o r e n z wirkte als Pionier der vergleichenden Verhaltensforschung. Im J a h r e 1973 wurden diese beiden schon der älteren Generation angehörenden Gelehrten durch den N o b e l p r e i s ausgezeichnet. In mehr oder weniger engem Z u s a m m e n h a n g mit der wissenschaftlichen Grundlagenforschung vollzog sich die Arbeit der K o n s t r u k t e u r e und Erfinder. D e r Steirer V i k t o r K a p l a n , der in Wien studiert hatte und seit 1913 an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn arbeitete, ist der Schöpfer der Großturbinen f ü r N i e d e r d r u c k l a u f k r a f t w e r k e , die er im wesentlichen in den J a h r e n 1 9 1 9 — 1 9 2 2 entwickelte; mit seinem Werk wurde der Turbinenbau revolutioniert; heute werden K a p l a n - T u r b i n e n in allen Staaten der E r d e verwendet. D i e T r a d i t i o n der Fertigung optischer Instrumente w u r d e durch die Konstruktionen M a x H a i t i n g e r s auf dem Gebiete der für die Zellforschung wichtigen Fluoreszenzmikroskopie weitergeführt. H a i t i n g e r arbeitete mit den Optischen Werken C . Reichert zusammen, die eine Reihe vorbildlicher Forschungsmikroskope entwickelten. D e r österreichische G e o d ä t E d u a r d D o l e z a l nahm schon vor dem ersten Weltkrieg seine bald international anerkannten Arbeiten auf dem Gebiet der E r d - und Luftbildmessung (Photogrammetrie) auf, er konnte an die E r -

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findung des Photoperspektographen durch Theodor Scheimpflug (1907) anknüpfen und schuf auch 1921 das österreichische Bundesvermessungsamt. Eine ausgezeichnete Tradition besaß in Wien der Eisenbetonbau, an der Wiener Technischen Hochschule w a r er durch Rudolf Saliger trefflich vertreten; hinzuweisen ist auch auf August Umlauf, den Erfinder des kalt zusammengedrehten Istegstahles, und Rudolf Schmidt, den Erfinder des gleichfalls kalt gedrehten Torstahles; ihre Arbeiten haben den Stahlbetonbau mächtig gefördert und weiterentwickelt. Unter den wissenschaftlichen Forschungsreisenden Österreichs sind die Angehörigen der Schule der Missionsanstalt St. Gabriel bei Mödling besonders zu würdigen. Wilhelm Schmidt, Martin Gusinde, Wilhelm Koppers, Paul Schebesta studierten die kulturellen Verhältnisse und die Glaubensformen der Primitivvölker und unternahmen Expeditionen nach Südamerika (Feuerland), Zentralindien und Innerafrika. Da Österreich über große Erfahrung auf alpinistischem Gebiet verfügte, w a r auch sein Anteil an der außereuropäischen Hochgebirgsforsdiung (Kaukasus, Anden, H i m a l a j a , Karakorum) bedeutend. Nicht wenige Erstbesteigungen von Sieben- und Achttausendern sind mit den Namen österreichischer Alpinisten verknüpft. Auf dem Gebiet der arktisdien Forschung, insbesondere auf Grönland, wirkte der Grazer Geophysiker Alfred Wegener, der auf der großen arktischen Insel 1930 den Tod fand. Unter den akademischen Lehrern der Geographie sind namentlich die Vertreter der Länderkunde Hugo Hassinger und Norbert Krebs zu nennen, als Geomorphologen insbesondere der ältere Albrecht Penck und Johann Solch. Im Rahmen der Arbeit der Philosophen, deren Haupttätigkeit bereits in die Jahre nach 1918 fällt, bilden die Angehörigen des von Moritz Schlick, im Anschluß an frühere Bestrebungen und Forschungen, namentlich Ernst Machs, gegründeten Wiener Kreises gewissermaßen die Linke. Zu dieser Gruppe gehörten unter anderen Rudolf Carnap, Viktor Kraft, Otto Neurath, der sich auch als Schöpfer der Wiener Bildstatistik einen Namen machte; zeitweilig stand ihr Ludwig Wittgenstein nahe. Empirismus und Logistik sind die Charakteristika der Arbeiten der Philosophen des Wiener Kreises, deren Schüler heute zumeist außerhalb Österreichs wirken. Die Psychologie w a r in der Zwischenkriegszeit an der Wiener Universität durch Karl und Charlotte Bühler ausgezeichnet vertreten; ihre Forschungen betrafen vor allem Ausdrucks- und Sprachtheorie bzw. Kinderpsychologie. Robert Reininger knüpfte in seinen erkenntnistheoretischen Arbeiten an die englischen Aufklärer Locke, Hume und namentlich Berkeley an. Richard Meister wirkte als Pädagoge, klassischer Philologe und großzügiger Organisator wissenschaftlicher Unternehmungen. Weitab von den Stätten akademischer Forschung arbeitete Ferdinand Ebner in Gablitz im Wienerwald an den Grundlagen einer christlichen Lebensphilosophie, die auch manche Thesen des Existenzialismus vorweg-

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nahm. Nach dem zweiten Weltkrieg schenkte m a n dem Werk dieses halbvergessenen Einzelgängers wieder große Aufmerksamkeit. Als Kulturphilosoph, Dichter und erfolgreicher Ubersetzer wirkte der gebürtige Österreicher Rudolf Kassner in seiner H e i m a t und in der Schweiz. Aus Österreich stammen auch Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, und der jüdische Religionsphilosoph M a r t i n Buber, der Deuter der Lehren des Chassidismus. Beide f ü h r t e ihr Lebensweg frühzeitig ins Ausland. Karl Raim u n d Popper, ein gebürtiger "Wiener, der vor allem in England wirkte, plädierte als Vertreter des kritischen Rationalismus zugunsten einer f ü r Reformen aufgeschlossenen „offenen Gesellschaft". Seit 1945 k a m es zu verstärkten K o n t a k t e n und Diskussionen der österreichischen Philosophen mit ausländischen Fachkollegen; es ging um eine Auseinandersetzung mit dem Ideengut des Neopositivismus, des Existenzialismus und der marxistischen Philosophie. Philosophische und historische Studien leiteten das geistige Lebenswerk des aus einer in Österreich verwurzelten flämischen Adelsfamilie stammenden und in Tokio als Sohn eines k. u. k. Diplomaten und einer japanischen Mutter geborenen G r a f e n Richard N . Coudenhove-Kalergi ein. Seit 1923 gab er in Wien die Zeitschrift „ P a n e u r o p a " als Zentralorgan der Paneuropäischen Union heraus, deren erster Kongreß 1926 in der österreichischen H a u p t s t a d t abgehalten wurde. Das P r o g r a m m der wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas, das Coudenhove in einer Zeit der D o m i n a n z nationalstaatlichen Denkens aufstellte, erlangte in abgewandelter Form nach dem zweiten Weltkrieg wieder aktuelle Bedeutung. Die österreichische Rechts- und Staatswissenschaft der zwanziger und dreißiger Jahre verfügte über eine Reihe sehr m a r k a n t e r Persönlichkeiten. Die vielleicht stärkste W i r k u n g entfalteten zwei ganz verschieden geartete Geister. H a n s Kelsen, den eine bewegte L a u f b a h n von seiner Geburtsstadt Prag über eine Reihe von Universitätslehrstühlen in Österreich, Deutschland, der Schweiz und der Tschechoslowakei in die Vereinigten Staaten führte, w a r der Schöpfer der österreichischen Verfassung von 1920 und der Verfechter der „Reinen Rechtslehre", die von seinen Anhängern in der Wiener staatsrechtlichen Schule vertreten w u r d e ; sein System stellte den Versuch dar, Staat und Recht von historischen, politischen und sozialen Gegebenheiten isoliert zu betrachten und so in ihrem vermuteten ureigensten Wesen zu erfassen. O t h m a r Spann vertrat seine Lehre vom „wahren Staat", in scharfer Frontstellung gegen liberal-sozialistische Anschauungen, unter gewaltigem A n d r a n g der Wiener Studentenschaft. Der Gedanke einer berufständischen N e u o r d n u n g von Staat und Gesellschaft wurde von verschiedenen politischen Richtungen, meist ohne Zustimmung des Gelehrten, f ü r sich beansprucht. Sowohl der österreichische Ständestaat wie anfänglich auch die Henleinbewegung beriefen sich auf O t h m a r Spann. Mit dem Nationalsozialismus geriet dieser, trotz einiger vergleichbarer Thesen, in heftigen Konflikt.

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Weniger spektakulär, aber in den echten wissenschaftlichen Ergebnissen sehr ergiebig, w a r die stille Gelehrtenarbeit der Rechtshistoriker Leopold Wenger und Paul Koschaker, zweier K ä r n t n e r , hervorragender Vertreter des Römischen Rechtes, des Meisters der Deutschen Rechtsgeschichte Heinrich Mitteis sowie der Staatsrechtslehrer Ludwig Adamovich und Adolf Julius Merkl, ferner des Vertreters des Völkerrechts Alfred Verdross. Das Handelsrecht der Ersten u n d Zweiten Republik besaß in Heinrich Demelius einen bedeutenden Repräsentanten. In der Arbeit der Soziologen werden die politischen Fronten deutlichst sichtbar. Auch aktive Politiker, wie Karl Renner und der Linkssozialist M a x Adler, auf der anderen Seite Ignaz Seipel und der katholische Außenseiter Anton Orel haben wichtige Publikationen v e r f a ß t . Als Vertreter einer stark in den abendländischen Traditionen wurzelnden Gesellschaftsauffassung machten sich Erich Voegelin u n d Johannes Messner einen N a m e n . Mit dem nicht ganz geglückten Versuch einer Vereinigung katholisch-konservativen, auch legitimistischen Gedankengutes mit sozialistischen Thesen zu gemeinsamem K a m p f gegen den Nationalsozialismus, ist der N a m e des Wiener Vizebürgermeisters der Dollfußzeit, Ernst Karl Winter, verknüpft. Als Soziologe und vor allem als N a t i o n a l ö k o n o m schuf sich Joseph Alois Schumpeter, dessen wissenschaftliche L a u f b a h n von G r a z über Bonn an die H a r v a r d - U n i v e r s i t ä t führte, einen hervorragenden R u f . Der Gelehrte, der im J a h r e 1919 einige Monate dem Kabinett Renner als Staatssekretär f ü r Finanzen angehört hatte, galt in den Vereinigten Staaten schließlich als die wohl bedeutendste A u t o r i t ä t seines Fachgebietes. Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung waren an der Wiener Universität in den Jahren nach 1918 durch die Althistoriker Adolf Wilhelm und Rudolf Egger, später auch durch Joseph Keil wirksam vertreten, dann durch den Sozial- und Wirtschaftshistoriker Alfons Dopsch, dessen Arbeiten über die Lebenseinheit zwischen Antike und Mittelalter erhebliches Aufsehen erregten, durch den Mediaevisten H a n s Hirsch und den Vertreter der Neueren (und österreichischen) Geschichte Heinrich von Srbik. Der Letztgenannte, dessen wissenschaftlicher Ruf vor allem durch seine monumentale Metternichbiographie begründet wurde, w a r der Schöpfer und H a u p t v e r t r e t e r der „Gesamtdeutschen" Geschichtsauffassung, durch die der klassische Zwiespalt zwischen „Großdeutsch" und „Kleindeutsch" überwunden, aber audi österreichischer Patriotismus mit deutschem Volksbewußtsein und christlichkonservativer Lebensauffassung vereint w e r d e n sollten. Srbik und der ihm geistesverwandte Germanist Joseph N a d l e r konnten als H a u p t v e r t r e t e r jener Elemente im akademischen Leben Österreichs gelten, die sowohl von nationaler wie von konservativer Seite f ü r die eigene Geistigkeit reklamiert wurden, aber keinem dieser Lager ganz angehörten. D a man sich der angesehenen N a m e n der Repräsentanten dieser Mittelgruppe, trotz des Mißtrauens der Parteistellen und radikaler Nationalsozialisten, doch gerne f ü r

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das kulturpolitische R e n o m m e e des D r i t t e n Reiches bediente, gerieten die prominenteren Angehörigen dieser Richtung, die in Österreich eine bedeutende T r a d i t i o n hatte, nach 1 9 4 5 in M i ß k r e d i t . U n t e r den Arbeiten der Jüngeren gewannen die sozial- und verfassungsgeschichtlichen Forschungen O t t o Brunners ( U n i v e r s i t ä t W i e n , später H a m b u r g ) richtungsweisende Bedeutung. In den Untersuchungen von Friedrich E n g e l - J a n o s i zur Geschichte der D i p l o m a t i e und der H i s t o r i o g r a p h i e , in den späteren W e r k e n von H u g o Hantsch zur neueren Geschichte Österreichs und in dem vorwiegend der spätmittelalterlichen Epoche Österreichs gewidmeten großen O e u v r e von Alphons L h o t s k y wird unter anderem auch eine Distanzierung von der gesamtdeutschen T h e m a t i k e r k e n n b a r . L e o S a n t i f a l l e r arbeitete erfolgreich auf mediaevistisch-hilfswissenschaftlichem G e b i e t . U n t e r den Kunsthistorikern standen die A n t i p o d e n Julius Schlosser, der N a c h f o l g e r von M a x D v o r a k und V e r t r e t e r einer historisch und museal gerichteten Auffassung, und der kämpferische, universalistisch-systematisch orientierte J o s e p h S t r z y g o w s k i in radikalem, unüberwindlichem Gegensatz einander gegenüber. Auch nach dem A b t r e t e n dieser Antagonisten blieb die Kunstgeschichte ein Feld sehr l e b h a f t e r Auseinandersetzungen. — H a n s S e d l m a y r und O t t o Pächt erarbeiteten neue methodische Ansätze auf G r u n d lage strukturanalytischer Untersuchungen. M i t K a r l M a r i a S w o b o d a , O t t o Demus und ihren Schülern sorgten sie erfolgreich f ü r die W a h r u n g des internationalen R u f e s der W i e n e r kunsthistorischen Schule. Historiker und Kunsthistoriker wirkten in der Zweiten Republik bei der D u r c h f ü h r u n g g r o ß e r Ausstellungen zusammen, die auch der D e n k m a l p f l e g e zugute kamen. V o n den V e r t r e t e r n der vielfältigen Arbeitsgebiete der klassischen und modernen Philologie seien hier nur der Slawist N i k o l a i Sergcjewitsch T r u b e z k o i , die klassischen Philologen L u d w i g R a d e r m a c h e r und Albin Lesky, der Indogermanist Paul Kretschmer und der Arabist H a n s K o f i e r e r w ä h n t . D e r führende Anglist K a r l Luick, Verfasser einer großangelegten historischen G r a m m a t i k der englischen Sprache, wurde bereits genannt. A n der katholisch-theologischen F a k u l t ä t in W i e n wirkten unter anderen I g n a z Seipel ( M o r a l t h e o l o g i e ) und der spätere Kardinalerzbischof T h e o dor I n n i t z e r (Neues T e s t a m e n t ) . Ein bedeutender Kirchenhistoriker w a r H a r t m a n n G r i s a r in Innsbruck. D i e evangelische theologische F a k u l t ä t der U n i v e r s i t ä t W i e n besaß in dem C a l v i n - F o r s c h e r J o s e f B o h a t e c einen h e r v o r ragenden, international a n e r k a n n t e n V e r t r e t e r der Reformationsgeschichte. D i e österreichische L i t e r a t u r stand zu E n d e des ersten Weltkrieges n a t u r g e m ä ß noch in einem sehr erheblichen A u s m a ß im Zeichen jener Schriftsteller, die sich in den J a h r e n und J a h r z e h n t e n vor dem großen R i n g e n einen N a m e n zu schaffen vermocht hatten, etwa eines H e r m a n n B a h r , H u g o von H o f m a n n s t h a l , A r t h u r Schnitzler, K a r l K r a u s , R a i n e r M a r i a R i l k e , F r a n z W e r f e l , A n t o n W i l d g a n s und K a r l Schönherr. D e r W e l t k r i e g und der Zusammenbruch der Monarchie hat in ihrer aller W e r k deutliche Spuren

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hinterlassen. K a r l K r a u s zeichnete in der Szenenfolge „Die letzten T a g e der Menschheit" ( 1 9 1 9 ) ein realistisches Bild des Krieges und seiner oft grotesken Begleiterscheinungen im H i n t e r l a n d . F r a n z W e r f e l huldigte unter dem Eindruck von Zusammenbruch, N o t und R e v o l u t i o n zunächst den Anschauungen eines l i n k s r a d i k a l e n Pazifismus, w a n d t e sich aber später, bedrückt durch die vordringenden weltlichen Pseudoreligionen, dem G e d a n k e n g u t des K a t h o l i zismus zu. H o f m a n n s t h a l zeichnete im „Schwierigen" ( 1 9 2 1 ) und im „ U n bestechlichen" ( 1 9 2 3 ) C h a r a k t e r e aus der untergehenden W e l t des alten Österreich, der er sich weiterhin verbunden fühlte. Anton W i l d g a n s gestaltete sein Epos „Kirbisch" ( 1 9 2 7 ) zu einem Zeit- und Menschenbild aus dem Niederösterreich der Kriegszeit und legte in seiner „Rede über Österreich" ( 1 9 2 9 ) ein bedeutsames Bekenntnis zur historisch-politischen Eigenständigkeit Österreichs und zu seiner k u l t u r e l l e n Sendung ab. Wichtig ist auch die Schilderung der N o t und sozialer S p a n n u n g e n der Zeit im W e r k e W i l d g a n s ' . Dem alten Österreich g e w i d m e t w a r ein wesentlicher Teil des W e r k e s von Joseph R o t h , insbesondere sein R o m a n „ R a d e t z k y m a r s c h " ( 1 9 3 2 ) , in dem das Schicksal einer O f f i z i e r s f a m i l i e der ausgehenden Monarchie gezeichnet w u r d e . M i t den Problemen der S p ä t z e i t der Monarchie ( „ K a k a n i e n " ) und darüber hinaus m i t der allgemeinen gesellschaftlichen und k u l t u r e l l e n Krise, setzte sich auch der eigenartige, unvollendet gebliebene R o m a n „Der M a n n ohne Eigenschaften" (1930, 1932, 1943) von Robert Musil auseinander. Musil geistig in vielem v e r w a n d t , versuchte der „Dichter w i d e r W i l l e n " , Eiermann Broch, gegen Ende seines Lebens mit seinem R o m a n „Der Tod des Vergil" ( 1 9 4 7 ) über den Bereich des rationalen Denkens in den des mythischvisionären v o r z u d r i n g e n . In n a t i o n a l k o n s e r v a t i v c r T r a d i t i o n und gepflegten Formen schuf M a x Meli, ein in W i e n v e r w u r z e l t e r Südsteirer aus M a r b u r g , eindrucksvolle B ü h n e n w e r k e im Stile der mittelalterlichen Mysterienspiele und in echter religiöser Gesinnung. Als Vertreter des expressionistischen Dramenstiles und als erfolgreicher Novellist ist F r a n z Theodor Csokor zu nennen; er setzte im Schauspiel „Dritter N o v e m b e r 1918" der Monarchie, ihrem tragischen Ende und dem Geist ihres Offizierskorps ein dichterisches D e n k m a l von R a n g . F r a n z K a r l G i n z k e y , geboren in der altösterreichischen Seefestung Pola, einer der vielen dichtenden Offiziere der alten Armee, setzte sein v i e l f ä l t i g e s W e r k als Erzähler und L y r i k e r fort. Aus dem B ö h m e r w a l d k a m F r a n z N a b l , z w e i f e l l o s ein bedeutender Erzähler, nach W i e n und G r a z . Er g e w a n n zeitweilig, ebenso w i e der Innviertier Erzähler und D r a m a t i k e r R i c h a r d Billinger, der mehrfach zu Burgtheaterehren k a m , einen ansehnlichen Leserkreis. Dies gilt auch vom S a l z b u r g e r Karl Heinrich W a g g e r l , dem feinsinnigen Interpreten religiösen Denkens und Schilderer bäuerlichen Lebens. H e i m i t o Doderer b e w ä h r t e sich in großangelegten R o m a n e n als sarkastischer Schilderer der österreichischen, insbesondere der W i e n e r Gesellschaft, ihrer Probleme und ihres Lebensstiles. Erst J a h r e , ja J a h r z e h n t e nach dem T o d e

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des Autors, f a n d das epische und dramatische Werk von F r a n z K a f k a , eines gebürtigen Pragers, der seine letzten Lebensjahre in Kierling verlebte, gewaltige Resonanz, sprach aus ihm doch wie aus keinem anderen die U n gesichertheit menschlichen Daseins, Lebensangst und Hoffnungslosigkeit. D e r K ä r n t n e r G u i d o Zernatto aus Treffen, ein überaus begabter L y r i k e r , trat in der ständischen Ä r a als Generalsekretär der Vaterländischen Front auch politisch in den V o r d e r g r u n d ; nodi jung an J a h r e n starb er 1943 in der N e w Y o r k e r E m i g r a t i o n . Unter den Heimatschriftstellern von R a n g wären etwa noch Zernattos L a n d s m a n n J o s e f Friedrich Perkonig und die Steirerin P a u l a G r o g g e r zu nennen. D e r bedeutendste österreichische L y r i k e r der Epoche w a r gewiß J o s e p h Weinheber, der zunächst seine Kindheitserinnerungen an das Hyrtlsche Waisenhaus in M ö d l i n g in R o m a n f o r m gestaltete, dann aber als Meister der gebundenen F o r m , als Wortkünstler von sicherem Sprachgefühl und großer M u s i k a l i t ä t sowohl in klassischen Stilformen (Adel und U n t e r g a n g , S p ä t e K r o n e , Zwischen G ö t t e r n und D ä m o n e n , 1 9 3 4 — 1 9 3 8 ) wie in volkstümlicher A r t (Wien wörtlich, 1935), Gedichtsammlungen von bleibendem Wert schuf. P a u l a von P r e r a d o v i c , eine Enkelin des kroatischen Offiziersdichters Peter P r e r a d o v i c , w a r die führende lyrische Interpretin katholischer Weltanschauung und österreichischer Staatsgesinnung, von ihr s t a m m t der T e x t der neuen österreichischen Bundeshymne. D e n historischen R o m a n pflegten M i r k o Jelusich, dem namentlich mit „ C a e s a r " (1929) ein großer E r f o l g beschieden w a r , und B r u n o Brehm, aus dessen Werk die Trilogie über das E n d e des alten Österreich hervorzuheben ist. Als geistvoller K r i t i k e r , sehr eigenwilliger Kulturhistoriker und (zum Teil in Zusammenarbeit mit A l f r e d P o l g a r ) erfolgreicher Bühnenschriftsteller ist Egon Friedell zu würdigen. Unter den erfolgreichen Autoren mit großem O e u v r e und gewaltigem Leserkreis kann m a n etwa den Verfasser zahlreicher R o m a n e und Tierbücher Felix Saiten und den Satiriker R o d a - R o d a , der zahlreiche k. u. k. ArmeeAnekdoten, besonders aus der U m w e l t der alten Militärgrenze, e r f a n d oder verewigte, anführen. Auch die vielgelesene R o m a n a u t o r i n Vicki B a u m , die in Deutschland und den Vereinigten S t a a t e n lebte und schrieb, s t a m m t aus Wien. N a c h 1945 machten sich neben den Vertretern der älteren Generation auch neue, junge Autoren einen N a m e n ; zu ihnen zählten die R o m a n c i e r s G e r h a r d Fritsch und Fritz Habeck, der emigrierte D r a m a t i k e r Fritz Hochwälder, der Erzähler H e r b e r t Eisenreich, die Lyrikerin Ingeborg Bachmann und der vielseitige H a n s Weigel. H ( a n s ) C ( a r l ) A r t m a n n , ein „anarchischer Aesthet", geißelte das m a k a b r e Element der Wiener Gemütlichkeit; T h o m a s Bernhard bekannte sich in L y r i k , Prosa und in seinen Bühnenwerken zu einer radikalen N e g a t i v i t ä t , der K ä r n t n e r Peter H a n d k e f a n d nach experimentellen A n f ä n g e n zum Klassizismus. In der österreichischen Publizistik begegnen nach 1918 alle Spielarten

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des Journalismus, noch w i r k t e Karl Kraus erfolgreich gegen Snobismus und Erpressertum, die Tageszeitungen der beiden Großparteien (Reichspost und Arbeiter-Zeitung) verfügten in Friedrich Funder und Friedrich Austerlitz über sehr begabte, aber auch übermäßig scharf schreibende Publizisten; nach 1945 schlug Funder in der katholischen Wochenschrift „Die Furche" eine gemäßigte Linie im Sinne demokratischer Zusammenarbeit ein. Der Ständestaat brachte auf dem Verordnungsweg eine empfindliche Einschränkung, der Anschluß die Aufhebung der Pressefreiheit. Im Zeichen der Gleichschaltung und kriegswirtschaftlicher Maßnahmen wurde die Zahl der Presseorgane sehr verringert. So sank die Zahl der Wiener Tageszeitungen von 1938 bis 1945 von 22 auf vier Blätter. Nach 1945 versuchten die Besatzungsmächte durch von ihnen herausgebrachte Presseorgane einen publizistischen Einfluß auf die öffentliche Meinung Österreichs auszuüben. Als erste österreichische Tageszeitung erschien ein Dreiparteienorgan. Verstärken sollte sich schließlich das Gewicht der Bundesländerpresse gegenüber der Vorherrschaft Wiens. Die österreichische Musik knüpfte nach 1918 zum Teil an das Schaffen der Großen der vorhergehenden Generation an. Franz Schrekers Opernwerke sind, ebenso wie die mannigfachen Schöpfungen Julius Bittners, von Gustav Mahler beeinflußt; beider Wirken gehört im übrigen ebenso der Zeit vor, wie jener nach 1918 an. Joseph M a r x schuf sich als Liederkomponist, wie als Schöpfer von Werken der Kammer- und Opernmusik, einen sehr geschätzten Namen. Der gebürtige Preßburger Franz Schmidt, in dessen Werk viele slawische und magyarische Elemente fühlbar werden, erlangte durch seine Orgelkompositionen, Opern und seine Orchestermusik, vor allem aber durch das Oratorium „Das Buch mit sieben Siegeln" (1937) verdiente Anerkennung. Erich Wolfgang Korngold erregte als musikalisches Wunderkind großes Aufsehen, seine Kompositionen, Violinkonzerte, Lieder und Opern standen im Kreuzfeuer der Kritik, hatten aber zumeist großen Publikumserfolg. Es bedarf schließlich kaum des Hinweises, wie sehr Leben und Wirken von Richard Strauss und auch von Hans Pfitzner mit Österreich und seiner Musikkultur verknüpft sind. R a d i k a l neue Wege beschritt Arnold Schönberg mit seinen atonalen Musikkonstruktionen, die, ebenso wie bei Joseph Matthias Hauer, in die Zwölftontechnik mündeten. Von seinen Schülern erzielten namentlich Alban Berg (Wozzek, 1926) und Anton von Webern, vor allem im Ausland, stärkste Wirkung und fanden auch, wie viele bedeutende Neuerer, lauten Widerspruch. Der heiteren Muse der Wiener Operette dienten neben den W a h l österreichern Lehar und Kaiman mit großem Publikumserfolg auch Edmund Eysler, Leo Fall und Oscar Straus — um nur diese Namen zu nennen. Die großen finanziellen Schwierigkeiten der Republik bedrohten naturgemäß die kostspielige Führung der Staatstheater; man w a r sich aber sowohl nach dem ersten wie nach dem zweiten Weltkrieg der Bedeutung dieser

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Bühnen f ü r Österreichs kulturelle G e l t u n g b e w u ß t , u n d sie vermochten auch ihr N i v e a u zu halten. Eine finanzielle E n t l a s t u n g brachten die — charakteristischerweise politisch ausgerichteten — Kunststellen u n d das K a r t e n a b o n n e m e n t , die einen zuverlässigen Besucherkreis h e r a n z o g e n . Im B u r g t h e a t e r v e r f ü g t e m a n in der Ersten R e p u b l i k über eine Reihe h e r v o r r a g e n d e r , zum Teil schon länger tätiger, z u m Teil neu engagierter Schauspieler wie Georg Reimers, O t t o T r e ß l e r , R a o u l Asian, A l b e r t H e i n e , Paul H a r t m a n n u n d E w a l d Baiser u n d die D a m e n H e d w i g Bleibtreu, Rose Albach-Retty, Else W o h l g e m u t h , A n n a K a l l i n a , Lily M a r b e r g u n d A l m a Seidler. U n t e r den zumeist rasch wechselnden D i r e k t o r e n brachten es F r a n z Herterich und H e r m a n n Röbbeling zu der ansehnlichsten A m t s d a u e r . Ähnliche P r o b l e m e wie dem Burgtheater stellten sich der Wiener Staatsoper, ihr W i r k u n g s k r e i s w a r w o h l noch u m f a s s e n d e r , andererseits ihre T ä t i g k e i t auch mit noch h ö h e r e m K o s t e n a u f w a n d v e r b u n d e n . D a s I n s t i t u t v e r f ü g t e über h e r v o r r a g e n d e künstlerische Leiter u n d Dirigenten, wie Richard Strauss u n d F r a n z Schalk, die freilich nicht m i t e i n a n d e r h a r m o n i e r ten, ferner Clemens Krauss, Felix W e i n g a r t n e r , K a r l B ö h m , H e r b e r t v o n K a r a j a n , u n d sie besaß mit den W i e n e r P h i l h a r m o n i k e r n auch ein ausgezeichnetes Orchester. D e r R u f der W i e n e r O p e r hielt ein Ensemble v o n glänzenden Sängern am H a u s e , auch w e n n m a n m i t den G a g e n mancher ausländischer Institute nicht ganz k o n k u r r i e r e n k o n n t e ; es genügt die N a m e n Leo Slezak, Richard M a y r , A l f r e d Jerger, A l f r e d Piccaver, H e l g e Roswaenge u n d der Sängerinnen M a r i a Gutheil-Schoder, L o t t e L e h m a n n , Elisabeth Schumann, Selma K u r z u n d M a r i a J e r i t z a zu n e n n e n . W ä h r e n d in den S t a a t s t h e a t e r n , in e t w a s geringerem M a ß e auch in dem 1922 gegründeten „kleinen H a u s " des Burgtheaters, dem A k a d e m i e t h e a t e r eher ein k o n s e r v a t i v e r Geist herrschte, v e r t r a t R u d o l f Beer im Deutschen V o l k s t h e a t e r die m o d e r n e Linie. D a s zeitweilig von M a x R e i n h a r d t g e f ü h r t e Josefstädter T h e a t e r b e g r ü n d e t e u n d w a h r t e seinen R u f als kultivierte Sprechbühne österreichischer P r ä g u n g . Eine eigenartige E n t w i c k l u n g n a h m das künstlerische Leben u n d Schaffen Wiens w ä h r e n d des zweiten Weltkrieges, d a einige zuständige Bea m t e u n d R e f e r e n t e n , in k a u m v e r h ü l l t e m Gegensatz z u m herrschenden K u r s , mit Verständnis u n d F r e i m u t dem genius loci huldigten, w a s sich insbesondere auf den Bühnen, aber e t w a auch im Bereich der bildenden K ü n s t e positiv auswirkte. D a die S t a d t v e r h ä l t n i s m ä ß i g lange, bis z u m H e r b s t 1944, v o n L u f t a n g r i f f e n verschont blieb, gab es noch b e d e u t e n d e A u f f ü h r u n g e n , Ausstellungen, V o r t r ä g e . Auch Srbik leistete als P r ä s i d e n t der A k a d e m i e der Wissenschaften Berliner Eingriffen W i d e r s t a n d . Schließlich d ü r f t e n die p e r sönlichen Gegensätze zwischen dem Gauleiter Schirach u n d dem Reichsp r o p a g a n d a m i n i s t e r Goebbels W i e n w o h l eine A r t Sonderstellung u n d Schutz gegen restlose Gleichschaltungsbestrebungen ermöglicht h a b e n . I m übrigen spielten W i l l k ü r u n d Z u f ä l l e ihre Rolle; die P h i l h a r m o n i k e r k a m e n

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über den Krieg besser hinweg als das andere große Orchester der Stadt, die Wiener Symphoniker, die Konzerthausgesellschaft besser als die Musikfreunde. Gegen Kriegsende wurden Staatsoper und Burgtheater schwerst bombenbeschädigt. Es mußte ein mehrjähriger Ausweichbetrieb eingerichtet werden, bis nach umfangreichen Wiederherstellungsarbeiten, die nahezu einem Neubau gleichkamen, beide Häuser im Herbst 1955 wieder bezogen werden konnten und mit ungeheurer Anteilnahme der österreichischen Bevölkerung eröffnet wurden. In der Folge behauptete die Staatsoper ihre Stellung unter den international führenden Opernbühnen, wenn man auch — einer allgemeinen Tendenz entsprechend — auf ein ständiges Ensemble von Spitzenkräften verzichten mußte, doch kamen Sängervirtuosen aus allen Ländern weiterhin wiederholt und gerne nach Wien. Das Burgtheater blieb dem Ensembleprinzip treu, unter der Direktion von Ernst Haeussermann, der zuvor erfolgreich das Theater in der Josefstadt geleitet hatte, kam es zu eindrucksvollen Aufführungen von Zyklen der Dramen Shakespeares, antiker Tragödien und Stücken Raimunds. Die Künstler der Wiener Oper wurden zu weitreichenden Gastspielreisen eingeladen, das Burgtheater unternahm 1968 eine Welttournee. Von den anderen Wiener Bühnen pflegte die Volksoper vor allem die Operette, das 1962 wiedereröffnete Theater an der Wien widmete sich besonders dem Musical, das Volkstheater experimentierte mit avantgardistischer Literatur; allenthalben bemühte man sich um die Erfassung weiterer Publikumsschichten. Von den Komponisten errang nach dem zweiten Weltkrieg vor allem Gottfried von Einem mit Opern und Konzerten klassizistischer Prägung Anerkennung. Im übrigen ist eine Verlagerung von Gunst und Interesse des Publikums von den Komponisten zu den Interpreten, insbesondere den Dirigenten feststellbar; hier handelt es sich um keine auf Osterreich beschränkte Erscheinung. Friedrich Cerha bewährte sich in beiden Funktionen. Neben Wien kirn der Stadt Salzburg besondere Bedeutung in der Repräsentation des künstlerischen Schaffens der Republik zu. Im Sommer 1917 hatte Hugo von Hofmannsthal gemeinsam mit Max Reinhardt, Alfred Roller, Franz Schalk und Richard Strauss die Salzburger Festspielgemeinde gegründet und die Vorbereitung jährlicher Festspiele angekündigt, für welche die Stadt ja einen hervorragenden Rahmen bot. Musikfeste waren in Salzburg schon im 19. Jahrhundert abgehalten worden. Nach Kriegsende schritt man an die Verwirklichung des Festspielprogrammes. Große Verdienste erwarben sich dabei neben den Künstlern auch Landeshauptmann Franz Rehrl und Intendant Erwin Kerber. Neben den Opern, vor allem Mozarts, dessen Musik die Festspiele in seiner Geburtsstadt beherrschen sollte, aber auch Richard Strauss', sowie Konzerten und Liederabenden, wurde das Sprechstück gepflegt; eine besondere Note verliehen den Festspielen die Auf-

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führungen von Hofmannsthals „Jedermann" in der Inszenierung M a x Reinhardts auf dem Domplatz. Die trotz dauernder Finanzsorgen von den Salzburger Festspielen erzielten Erfolge regten vergleichbare Veranstaltungen in anderen Städten an. Das vielseitigste Programm boten seit 1951 die Wiener Festwochen, während die Bregenzer Festspiele (seit 1954) besonders Operette und Ballett pflegten. Seit dem gleichen J a h r gab es in Graz Sommerspiele, in denen audi junge Autoren zur Geltung kommen konnten; seit 1968 fanden diese im Steirischen Herbst ihre Fortsetzung. In Salzburg wurde das Programm durch die von Herbert von Karajan 1967 eingeführten Osterfestspiele ergänzt. Der Carinthische Sommer bietet ein anspruchsvolles Musikprogramm (seit 1969). Die darstellende Kunst war im zwanzigsten Jahrhundert nicht mehr auf den Auftritt auf der Bühne beschränkt. Nicht wenige Autoren, Regisseure und Schauspieler wandten sich der Filmtätigkeit zu, die Möglichkeiten gewaltiger Breitenwirkung bot, oder verbanden sie doch mit dem Wirken für die Bühne. Die Zahl der Kinos übertraf jene der Theater bald um ein Vielfaches; die Sprechbühnen der Kleinstädte mußten den Konkurrenzkampf meist aufgeben. Der österreichische Film hatte während der Ersten Republik einige sehr gute Leistungen zu verzeichnen; zu nennen wäre etwa „Maskerade" mit Paula Wessely als Hauptdarstellerin und Willy Forst als Regisseur. In den mittleren dreißiger Jahren machte sich freilich die Abhängigkeit von der deutschen Filmindustrie und Kulturpolitik immer mehr geltend. Nach dem zweiten Weltkrieg vermochte das österreichische Filmschaffen keine entscheidenden Erfolge mehr zu erzielen. Eine kulturelle Aufgabe erfüllte neben der Nachrichtenübermittlung gewiß audi der österreichische Rundfunk, doch erwies es sich stets als schwierig, unter dem Drucke von Hörerwünschen, politischen Bestrebungen, Länder- und Berufsinteressen ein künstlerisch und wissenschaftlich vollwertiges Programm aufrechtzuerhalten. Seit den Anfängen des regelmäßigen Programmbetriebes 1924 vermehrten sich die Hörerzahlen indessen ständig. 94.322 Rundfunkbewilligungen im Jahre 1924 standen 1,735.584 im Jahre 1955 gegenüber, diese Zahl stieg bis Ende 1988 auf 2,684.567. Nach verschiedenen, durch die Besatzungsverhältnisse bedingten Schwierigkeiten und Verzögerungen wurde 1954/55 auch ein Fernsehprogramm aufgenommen, das schnell großen Anklang fand; 1988 betrug die Zahl der Fernsehbewilligungen 2,478.104. Die Führung von Hörfunk und Fernsehen unter weitgehender Berücksichtigung des Parteienproporzes stieß auf wachsende Widerstände; 1967 erfolgte nach einem von der Presse stark propagierten Volksbegehren eine Neuorganisation, doch blieben die Massenmedien unvermeidlicherweise weiterhin ein Politikum. Ihr Wirken hatte eine Informationsüberflutung zur Folge: Bücher und Lektüren verloren gegen das Fernsehen Positionen: mehr Information bedeutet aber nicht unbedingt mehr Bildung. In der bildenden Kunst Österreichs wirken nach 1918 die seit der J a h r -

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hundertwende fühlbar gewordenen Kräfte weiter. Die bedeutendsten Leistungen weist die Malerei auf. Der Kärntner Herbert Boeckl und der in Kärnten heimisch gewordene Mährer Anton Kolig vertreten zunächst mit Oskar Kokoschka die expressionistische Malerei; audi der Grazer Wilhelm Thöny, von dessen gewaltigem Lebenswerk ein Großteil einem Brand in New York zum Opfer fiel, kann dieser Richtung beigezählt werden. Die genannten Maler sind freilich nicht bei ihr geblieben. Kokoschka ging zu einem Mosaikstil und dann zu bewegten, teils impressionistisdien, teils visionären Farbzeichnungen über. Die Bildnisinhalte bekamen vielfach allegorischen Charakter. Boeckl knüpfte in seinen farbstarken Bildern an romanische und barocke Traditionen an. Als phantastisch-visionärer Illustrator errang der auch schriftstellerisch erfolgreich tätige Graphiker Alfred Kubin hervorragende Bedeutung. Liebevolle Schilderungen fremder, exotischer Landschaften und Szenen, zum Teil mit märchenhaften Elementen, charakterisieren das Werk Oskar Laskes. Spätimpressionistische Stilwirkungen gehen von den Landschaften und Szenenbildern Anton Faistauers aus. Seine Fresken im Salzburger Festspielhaus — an sich wohl nicht die beste Leistung des Künstlers — wurden nach 1938 in einer sehr bezeichnenden Weise abgenommen. Verwandte Züge zeigen die Arbeiten von Franz Wiegele, Gerhart Frankl und Sergius Pauser. Nach 1938 wirkte sich vielfach der Kampf gegen die „entartete" Kunst aus, während der Ständestaat toleranter gewesen war. Das Ende des zweiten Weltkrieges brachte eine plötzliche Konfrontation mit surrealistischen und spätkubistischen Richtungen Westeuropas, die alsbald bei einigen jüngeren Künstlern eine lebhafte Resonanz hervorriefen. Die stärksten Erfolge hatte in den folgenden Jahren aber die Schule des phantastischen Realismus zu verzeichnen. — In den sechziger Jahren erreichten Künstler der informellen Richtung, wie etwa Wolfgang Hollegha und Arnulf Rainer, im Kreis um den Leiter der Galerie nächst St. Stephan Monsignore Otto Mauer starke Resonanz. Internationale Bedeutung gewann auch der umstrittene kultischexpressive Aktionismus im Umkreis von Hermann Nitsch sowie die mythologisch-meditative Orientierung eines Walter Pichler. Unter den Plastikern erlangte der Burgenländer Gustinus Ambrosi aus Eisenstadt durch seine, romantisches und expressionistisches Ideengut verbindenden, formstrengen Werke internationale Anerkennung. Ebenso wie Kubin und auch Kokoschka vereinigte Ambrosi bildnerische und schriftstellerische Begabung, die in seinen Sonettzyklen zum Ausdruck kam. Unter den Jüngeren verkörpert Fritz Wotruba mit seinen klobigen Steinplastiken eine durch Verzicht auf realistisches Detail und durch den Versuch auf überpersönliche Wesensdeutung charakterisierte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Material und der menschlichen Figur. Seit 1959 sorgen die Arbeitsgemeinschaften europäischer Bildhauer in St. Margarethen im Burgenland für intensivere internationale Kontakte der österreichischen Plastiker.

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D i e Architektur konnte, stärker zweckgebunden als Plastik und Malerei, auch stets mit der K r i t i k breitester Schichten konfrontiert, sich den wechselnden Bestrebungen der M o d e r n e nicht rückhaltlos hingeben. So w u r d e extrem avantgardistischen Lösungen zumeist ausgewichen. D i e intensive Wohnbautätigkeit der Gemeinde Wien ließ sowohl Großbaublöcke, wie e t w a den K a r l - M a r x - H o f in Heiligenstadt, oder aufgelockerte Randsiedlungen, wie die Per-Albin-Hansson-Siedlung im Süden Wiens, entstehen. S t a r k individualistischen C h a r a k t e r erhielt die Werkbundsiedlung a m Roten Berg. Als bedeutendster Wiener G r o ß b a u der Zeit nach 1945 wurde, mit bewußter Auswertung der künstlerischen Möglichkeiten der Stahlbetonkonstruktion, von R o l a n d R a i n e r die S t a d t h a l l e als Veranstaltungszentrum f ü r S p o r t und K u l t u r errichtet ( 1 9 5 3 — 1 9 5 8 ) . Einen großen Aufschwung nahm nach dem zweiten Weltkrieg auch der moderne Kirchenbau Österreichs. G a n z allgemein ist an den Bauten dieser S p ä t z e i t auch die Tendenz der Verwendung kostbaren Materials (geschliffener Stein, Mosaike) f ü r Wandverkleidungen erwähnenswert. Unter den österreichischen Architekten errangen namentlich der Tiroler Clemens Holzmeister, der in Österreich, Deutschland und der Türkei arbeitete, sowie der Wiener Richard N e u t r a , ein Schüler O t t o Wagners, der nach A m e r i k a ging und dort selbst schulbildend und beispielgebend wirkte, internationale Anerkennung. D e r jüngeren Architektengeneration, die sich von einem funktionalistischen Gestalten a b w a n d t e , gehören G u s t a v Peichl und H a n s Hollein an. D a s kunstgewerbliche Schaffen Österreichs in der Zwischenkriegszeit folgte den Traditionen des österreichischen Werkbundes und der Wiener Werkstätten. A u f diesen G r u n d l a g e n gewann das österreichische Kunstgewerbe nach dem zweiten Weltkrieg sehr rasch seine internationale Bedeutung zurück.

Im ersten Weltkrieg und den seinen A u s g a n g bestätigenden und verschärfenden Friedensschlüssen zerbrach das alte, große Österreich. Die d a m a l s neu geschaffene O r d n u n g hatte keinen langen Bestand, allein, was die Grenzen Österreichs betraf, w a r sie doch dauerhafter, als man zunächst annehmen wollte. Im klein gewordenen S t a a t fehlte es b a l d nach 1918, ebenso wie in den zwischenstaatlichen europäischen Beziehungen, allzusehr a m Geist der Zusammenarbeit. D a auch die U m w e l t wenig Verständnis und H i l f s bereitschaft zeigte, blieben die politischen und wirtschaftlichen E r f o l g e des Staates — trotz einiger anerkennenswerter Leistungen — durchaus bescheiden. In geistig-kultureller Hinsicht w a r die Republik Österreich, wie

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selbst eine sehr summarische Übersicht dartut, indessen kein ärmlicher Kleinstaat; das Land zehrte auch nicht bloß vom Erbe der Vergangenheit, ebensowenig, wie etwa Schweden, die Niederlande oder Dänemark; Staaten, welche die Epoche ihrer machtpolitischen Entfaltung schon früher beendet hatten. Die Landkarte Europas hat sich nach zwei großen Kriegen gründlich gewandelt, und die Probleme der Monarchie sind nicht mehr die der Republik. Prognosen für die Zukunft wird der Historiker nicht wagen. Zweifellos aber gilt es, in einem Zeitalter großer weltpolitischer und ideologischer Konflikte, eine aufgeschlossene, tolerante und wahrhaft weltbürgerliche Gesinnung zu wahren, die seit je den besten Traditionen des österreichertums entsprach. Diese Gesinnung tut not, um nach gewaltigen Katastrophen und angesichts der unheimlichen Bedrohtheit der menschlichen Existenz in unserer Zeit, bleibende Werte der europäischen und damit auch der österreichischen Vergangenheit zu erhalten und neue Werte zu schaffen.

QUELLEN UND LITERATUR

Das folgende Verzeichnis zerfällt in zwei Hauptteile. Teil A. Allgemeines, bringt bibliographische Angaben zum Gesamtgebiet der österreichischen Geschichte. Diese Hinweise betreffen Gesamtdarstellungen und Bibliographien, Zeitschriften, Werke zur Ländergeschichte, Landeskunde und zu verschiedenen Sachgebieten, wie Kirchengeschichte, Rechtsgeschichte, Wirtschaftsgeschichte usw., es folgt eine Zusammenstellung der wichtigsten Quellensammlungen. Teil Β enthält in Auswahl das einschlägige Schrifttum zu den einzelnen Abschnitten dieses Buches. Abkürzungen: AÖG FRA MIÖG MOSTA ÖGL

Archiv für österreichische Geschichte. Fontes rerum Austriacarum. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Mitteilungen des Osterreichischen Staatsarchivs. Österreich in Geschichte und Literatur. A. ALLGEMEINES

Gesamtdarstellungen der österreichischen Geschichte und Bibliographien: Franz von Krones, Handbuch der Geschichte Österreichs, 4 Bde., Berlin 1876—1879. — Ders., Grundriß der österreichischen Geschichte, Wien 1882 (reichhaltige Quellenhinweise). — Alfons Huber, Geschichte Österreichs, 5 Bde., Gotha 1885—1896. — Hiezu Bd. 6 von Oswald Redlich, ebenda, 1921, 4. Aufl. unter dem Titel „Weltmacht des Barock", Wien 1961, Bd. 7 (unter dem Titel „Österreichs Aufstieg zur Großmacht") von demselben, 4. Aufl., Wien 1962. — Neubearbeitung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber: bisher erschienen Bd. II/1: Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jhdts. (1281 —1358), Wien 1967. — Franz Martin Mayer, Geschichte Österreichs mit besonderer Rücksicht auf das Kulturleben, 2 Bde., 3. Aufl., Wien-Leipzig 1909. — Neubearbeitung von Raimund Kaindl und Hans Pirchegger, Geschichte und Kulturleben Deutschösterreichs, 3 Bde., Wien-Leipzig 1912—1937; 5. Aufl., Wien-Stuttgart 1960—1974, 3 Bde. — Karl und Mathilde Uhlirz, Handbuch der Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer Böhmen und Ungarn, 4 Bde., Graz-Leipzig-Wien 1927—1944; 1. Bd., 2. Aufl., Graz-Wien-Köln 1963 (unentbehrlich durch reichhaltigste Schrifttumsnachweise). — Hugo Hantsch, Die Geschichte Österreichs, 2 Bde., Graz-Wien-Köln, 1. Bd., 4. Aufl. 1959; 2. Bd., 3. Aufl., ebenda, 1962. — Emst Josef Görlich, Grundzüge der Geschichte der Habsburgermonarchie und Österreichs, 2. Aufl., Darmstadt 1980. — Stephan Vajda, Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs, Wien-Heidelberg 1980. Kurzgefaßte Darstellungen geben: Gottfried Franz Litschauer - Walter Jambor, Österreichische Geschichte, 4. Aufl., Wien 1970. — Unvergängliches Österreich, hrsg. von Karl Ziak, Wien 1958. — Rolf Bauer, Österreich. Ein Jahrtausend Geschichte im Herzen Europas, Berlin 1970. Geschichte Österreichs in Stichworten, hrsg. von Erich Scheithauer - Herbert Schmeiszer - Grete Woratschek u.a., 6 Teile, Wien 1971 —1987. — Erich Zöllner - Therese Schüssel, Das Werden Österreichs, 6. Aufl., Wien 1985. — Vgl. auch: Erich Zöllner, Der Österreichbegriff, Formen und Wandlungen in der Geschichte, Wien 1988. Vgl. auch die Sammelwerke: Josef Nadler - Heinrich v. Srbik, Österreich. Erbe und Sendung im deutschen Raum. Salzburg-Leipzig 1936. — Spectrum Austriae, hrsg. von Otto Schulmeister, 2. Aufl., Innsbruck 1980. — Deutschland und Österreich. Ein bilaterales Geschichtsbuch. Hrsg. von Robert A. Kann und Friedrich E. Prinz, Wien-München 1980. Vgl. ferner Erich Zöllner, Bemerkungen zu den Gesamtdarstellungen der Geschichte Österreichs, Festschr. Fritz Posch, Veröffentlichungen des Steiermark. Landesarchivs 12, Graz 1981. Neudruck in: Erich Zöllner, Probleme und Aufgaben der österr. Geschichtsforschung,

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Quellen und Literatur

Ausgew. Aufsätze, hrsg. von Heide Dienst und Gemot Heiß, Wien 1984. — Ferner: Volk, Land u. Staat in der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 43, Wien 1984. Die Bibliographien zur österreichischen Geschichte von Johann Nikolaus Vogel, Leopold Gruber und Joseph Wendt, 3 Bde., Wien 1779—1785, Carl Schmit von Tavera, Wien 1858, und Richard Charmatz, Stuttgart-Berlin 1912, sind veraltet, durch die bibliographischen Angaben im H a n d b u c h von Karl und Mathilde Uhlirz überholt und daher in der Regel entbehrlich. Vgl. aber n u n m e h r die Österreichische Historische Bibliographie, die das in Österreich publizierte historische Schrifttum seit 1945 in Jahresbänden (1967—1985) enthält und die Literaturberichte von Ferdinand Tremel, Blätter f ü r deutsche Landesgeschichte, ab 94 (1958) — 108 (1972) in jedem zweiten Jahrgang. Grundsätzlich alle österreichischen Publikationen verzeichnet die Österreichische Bibliographie, Wien 1945 ff. Kap. 14 der 14tägig erscheinenden H e f t e ist der Geschichte gewidmet. — Literaturberichte (Sammelreferate) zur Geschichte der österr. Bundesländer bringen die M I Ö G in unregelmäßigen Abständen seit Bd. 64 (1956). Zeitschriften: Vorübergehende, geringfügige Umbenennungen des Zeitschriftentitels sind nicht berücksichtigt. Ubersicht über die österreichischen historischen Zeitschriften geben: H a n d buch der österreichischen Wissenschaft 5 (1964), S. 723 ff. und die Bibliographie historischer Zeitschriften, hrsg. von der Westdeutschen Bibliothek, M a r b u r g 1952, S. 43 ff. Vgl. ferner Uhlirz, H a n d b u c h I, 2. Aufl., S. 14 ff. Zeitschriften allgemeineren historischen Inhaltes (einschließlich Gesamtgebiet der österreichischen Geschichte): Mitteilungen des Instituts f. österreichische Geschichtsforschung (MIÖG), Jg. 1 (1880) ff., Bd. 39—54 unter dem Titel: Mitteilungen des österr. Instituts f. Geschichtsforschung; Bd. 55 unter dem Titel: Mitteilungen des Instituts f. Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien. Ergänzungsbände Bd. 1 (1885) ff. Archiv f. österreichische Geschichte (AOG), hrsg. von der Akademie der Wissenschaften in Wien, Jg. 1 (1848) ff. Jg. 1 — 34 unter dem Titel: Archiv f. K u n d e österr. Geschichtsquellen. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Wien, 1 (1948) ff. (MÖSTA). Ein Vorläufer erschien unter dem Titel: Historische Blätter, hrsg. vom H a u s - , H o f - und Staatsarchiv in Wien, in 7 H e f t e n (1921 — 1937), mit 6 H e f t e n „Archivalische Beilage". Osterreich in Geschichte und Literatur (OGL), hrsg. vom Institut f ü r Osterreichkunde, Jg. 1, W i e n - G r a z (1957) ff. Austrian History Yearbook 1 (1965) ff., H o u s t o n , Texas (vgl. auch Austrian History News Letter, ebenda, 1, 1960 — 4, 1963). Zur Landesgeschichte und Landeskunde: Burgenland: Burgenland. Vierteljahreshefte f. Landeskunde. Eisenstadt, 1 (1927) bis 4 (1931). Forts.: Burgenländische Heimatblätter, ebenda, 1 (1932) ff. Vgl. auch Burgenländische Forschungen (in freier Folge), Nr. 1 (1947) ff. Kärnten: Carinthia, Zeitschrift f. Vaterlandskunde usw., 1 (1811) — 80 (1890), Forts.: Carinthia I, Mitteilungen des Geschichtsvereins f. Kärnten, 81 (1891) ff. (Carinthia II ist naturwissenschaftlich orientiert). Archiv f. vaterländische Geschichte und Topographie, Klagenfurt, 1 (1849) ff. Niederösterreich: Blätter des Vereins f. Landeskunde v. Niederösterreich, 1 (1867) ff. bis 35 (1901), seither Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N . F. 1 (1902) ff. — Monatsblatt des Vereins f. Landeskunde u n d Heimatschutz von Niederösterreich und Wien, 1 (1902) ff. — 26 (1927); seither: Unsere Heimat, N. F. 1 (1928) ff. — Mitteilungen des Niederösterreichischen Landesarchivs 1 (1977) ff. Oberösterreich: Heimatgaue, 1 (1919/20) — 18 (1937), fortgesetzt als: D e r Heimatgau, 1 (1938/39) — 4 (1942/43), seither Oberösterreichische Heimatblätter, 1 (1947) ff. — Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs, 1 (1947) ff. — Bericht über das Museum Franzisco-Carolinum, Bd. 1—52, Linz 1840—1894; Forts.: Jahresbericht des Museums usw. 53—80 (1895—1924), Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins, 81 (1926) ff. Salzburg: Mitteilungen der Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde, 1 (1861) ff. Steiermark: Mitteilungen des Historischen Vereins f. Steiermark, Graz, Bd. 1 (1850) bis

Quellen und Literatur

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50 (1903). Forts.: Zeitschrift des Historischen Vereins f. Steiermark, 1 (1903) ff. — Beiträge z u r Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen, Bd. 1 (1864) — 32 (1902), Forts. Bd. 33 ( = N . F. 1, 1903) ff., unter dem Titel Beiträge zur Erforschung steirischer Geschichtsquellen. — Blätter f. Heimatkunde, hrsg. v. histor. Verein f. Steiermark, 1 (1923) ff. Vgl. auch Forschungen z. Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steiermark, 1 (1897) ff. (in freier Folge). Tirol: Beiträge zur Geschichte, Statistik, N a t u r k u n d e und Kunst von Tirol und Vorarlberg, Bd. 1 — 8 (Innsbruck 1825—1834), fortges. als N e u e Zeitschrift des Ferdinandeums, Bd. 1 —12 (1835 —1852), fortges. als Zeitschrift des Ferdinandeums f. Tirol und Vorarlberg, Bd. 1—60 (1853—1920), fortges. als Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum, 1 (1922) ff. — Tiroler Heimat, 1 (1928) ff. — Tiroler Heimatblätter, 1 (1923) ff., beide Innsbruck. — Der Schiern, Monatsschrift f. Heimat- und Volkskunde (Südtirols), Bozen, 1 (1920) ff. — Bozner Jahrbuch f. Geschichte, Kultur und Kunst, 1 (1927) ff. — Jahrbuch des Südtiroler Kulturinstituts, 1 (1961) ff. Vorarlberg: M o n t f o r t . Zeitschrift f. Geschichte, Heimat- und Volkskunde Vorarlbergs, Bregenz, 1 (1946) ff. — Archiv f. Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs, Bregenz, 1 (1904) — 12 (1916). Fortges. als Vierteljahresschrift f. Geschichte usw., 1 (1917) — 10 (1926), fortges. als Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseums, 1 (1928) ff. Wien: Berichte und Mitteilungen des Altertumsvereines zu Wien, Bd. 1 (1856) — 50 (1918), fortges. als Mitteilungen des Vereins f. die Geschichte der Stadt Wien, Bd. 1 (1920) — 17 (1938), fortges. als Jahrbuch des Vereins f. Geschichte der Stadt Wien, 1 (1939) ff. — Monatsblatt des Altertums-Vereins zu Wien, 1 (1884/86) — 12 (1917/18), fortges. als Monatsblatt des Vereins f. Geschichte der Stadt Wien, 1 (1919) — 4 (1938), fortges. als Nachrichtenblatt des Vereins usw., 1 (1939) — 5 (1943), fortges. als Wiener Geschichtsblätter, 1 ( = der ges. Reihe 61, 1946) ff. Vgl. auch Wiener Geschichtsbücher, W i e n - H a m b u r g 1970 ff. Zeitschriften zu verschiedenen historischen

Fachgebieten:

Wiener prähistorische Zeitschrift. Wien, 1 (1914) — 30 (1943), fortges. Archaeologia Austriaca, 1 (1948) ff. Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts in Wien, 1 (1898) ff; vorher: Archäolog.-epigraphische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn, 1 (1877) — 20 (1897). Mitteilungen der Numismatischen Gesellschaft in Wien, 1 (1890) — 15 (1904); N. F. 1 (1905) - 16 (1936), 3. F. 1 (1937/38) ff. Heraldisch-genealogische Zeitschrift. Wien, 1 (1871) — 3 (1874), fortges. Jahrbuch der heraldischen Gesellschaft Adler, 1 (1874) — 17 (1890), N. F. 1 (1891) — 32 (1932); Forts.: Neues Jahrbuch „Adler", 1 ( = 3. Folge, 1945) ff. — Monatsblatt des Heraldisch-genealogischen Vereins Adler. Wien, 1 (1881) — 12 (1935)/38), fortges. als Adler. Monatsblatt der Vereine f. Sippenforschung in der Ostmark, 1 (1939) — 6 (1944); Adler. Zeitschr. f. Genealogie u. Heraldik, 1 (d. ges. Reihe 15, 1 9 4 7 - 1 9 4 9 ) ff. Jahrbuch der Gesellschaft f. Geschichte des Protestantismus in Osterreich. Wien, 1 (1880) ff. Blätter f ü r Technikgeschichte. Wien 1932 ff. Jahrbuch f ü r Zeitgeschichte, Wien, 1 (1978) ff. — Zeitgeschichte, Wien, 1 (1973) ff. Gesamtdarstellungen und Bibliographien zur Geschichte österreichischer Länder und Landschaften: Artikel Burgenland- Westungarn im H a n d w ö r t e r b u c h des Grenz- und Auslandsdeutschtums. I., Breslau 1933, S. 659 ff. — Burgenland, Landeskunde, Wien 1951. — Gottfried Franz Litschauer, Allgemeine Bibliographie des Burgenlandes. IV. Teil, Geschichte. Eisenstadt 1959. — Vgl. auch Allgemeine Landestopographie des Burgenlandes, Bd. 1 — 3, Eisenstadt 1954—1981. — August Ernst, Geschichte des Burgenlandes, Wien 1987. Eduard Aelschker, Geschichte Kärntens, 2 Bde., Klagenfurt 1885. — August Jaksch, Geschichte Kärntens bis 1335, 2 Bde., Klagenfurt 1928 — 1929. — Hermann Braumüller, Geschichte Kärntens, Klagenfurt 1949. — Friedrich Zopp, Kärntner Bibliographie (Schrifttum 1945—1959, 1960/61, 1962—1965, 1966—1970), Klagenfurt 1961, 1964, 1970, 1975. — Claudia Fräss-Ehrfeld, Geschichte Kärntens, Bd. 1, Klagenfurt 1984. Max Vancsa, Geschichte Nieder- und Oberösterreichs, 2 Bde., Stuttgart u. Gotha 1905, 1927 (bis 1522). — Karl Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich, 6. Aufl., St. Pölten

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Quellen und Literatur

1983. — Ders., Geschichte Niederösterreichs, Wien 1984. — Heimatkunde von Niederösterreich. Hrsg. vom Verein f. Landeskunde, Wien 1925. — Karl Lechner, Bibliographie zur Landeskunde der nördlichen Hälfte der Gaue Niederdonau und Wien. Leipzig 1940. Eduard Straßmayr, Bibliographie zur oberösterreichischen Geschichte, 4 Bde., Linz bzw. Graz-Köln 1929—1957, Alfred Marks, Bd. 5 (1954—1965), Wien-Köln-Graz 1972, Johannes Wunschheim, Bibliographie etc. 1966—1975, Mitt. des oberösterr. Landesarchivs, Erg.-Bd. 4, Linz 1980, ders., 1976—1980, Erg.-Bd. 5, Linz 1982. — Siegfried Haider, Geschichte Oberösterreichs, Wien 1986. Hans Widmann, Geschichte Salzburgs, 3 Bde., Wien 1907—1911. — Franz Martin, Kleine Landesgeschichte von Salzburg, 5. Aufl., rev. und erw. von Reinhard Rudolf Heinisch, 1979. — Herbert Klein, Beiträge zur Siedlungs-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte von Salzburg. Gesammelte Aufsätze. (Festschrift für Herbert Klein.) Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Erg. Bd. 5, Salzburg 1965. — Heinz Dopsch, Geschichte Salzburgs. Stadt u. Land, Bd. 1, 1 — 3, Salzburg 1981 ff. Hans Pirchegger, Geschichte der Steiermark, 3 Bde., Gotha bzw. Graz-Leipzig-Wien 1920—1934. 1. u. 2. Aufl., Graz 1936—1942. — Ders., Die Untersteiermark in der Geschichte ihrer Herrschaften und Gülten, Städte und Märkte, München 1962. — Ferdinand Tremel, Steiermark. Eine Landschaftskunde. Graz-Wien 1949. — Ders., Land an der Grenze. Eine Geschichte der Steiermark. Graz 1966. — Die Steiermark. Land, Leute und Leistung. Graz 1956. — Anton Schlossar, Bibliographie zur Geschichte, Landes- und Volkskunde der Steiermark, Graz 1914. — Anton Schlossarund Otto Janda, Bibliographie zur Geschichte usw. (Literatur 1914—1930), Linz 1932. Joseph Egger, Geschichte Tirols, 3 Bde., Innsbruck 1872—1880. — T ' r ° l · Land und Natur, Volk und Geschichte, Geistiges Leben. Hrsg. vom Deutschen und Osterreichischen Alpenverein, 2 Bde., München 1933. — Alois Lechtaler, Geschichte Tirols, 4. Aufl., 1981. — Otto Stolz, Politisch-historische Landesbeschreibung von Nordtirol ( = AOG 107), Wien 1923. — Ders., Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der Urkunden. 4 (5) Bde., München 1927—1934. — Ders., Politisch-historische Landesbeschreibung von Südtirol ( = Schiernschriften 40), Innsbruck 1934. — Ders., Geschichte des Landes Tirol, I., Innsbruck-Wien-München 1955. — Beiträge zur Geschichte Tirols, redig. v. Erich Egg und Meinrad Pizzinini, Innsbruck 1971. — Josef Riedmann, Geschichte Tirols, 2. Aufl., Wien 1988. — Josef Fontana, Peter W. Haider u. a., Geschichte des Landes Tirol, 4 Bde., InnsbruckWien-Bozen 1985 — 1988. Adolf Helbok, Geschichte Vorarlbergs von der Urzeit bis zur Gegenwart, Wien 1927 (== Heimatkunde von Vorarlberg, H e f t 11). — Heimatkunde von Vorarlberg, hrsg. von Artur Schwarz, Bregenz (1949). — Karl Ilg, Landes- und Volkskunde, Geschichte, Wirtschaft und Kunst Vorarlbergs, 2 Bde., Innsbruck 1961. — Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1—4, Wien-Köln 1971 —1982. — Karl Heinz Burmeister, Geschichte Vorarlbergs, Ein Überblick, 3. Aufl., Wien 1989. Geschichte der Stadt Wien, hrsg. vom Altertumsverein, 6 (8) Bde., Wien 1897—1918. N. R. Bd. I, 1962, VII/1, 1970, VII/2, 1955. — Hans Tietze, Kultur, Kunst, Geschichte, Wien 1931. — Friedrich Walter, Wien. Die Geschichte einer deutschen Großstadt an der Grenze. 3 Bde., Wien 1940—1944. — Karl Ztak, Unvergängliches Wien. Ein Gang durch seine Geschichte von der Urzeit bis zur Gegenwart. Wien 1964. — Peter Csendes, Geschichte Wiens, 2. Aufl., Wien 1990. — Felix Czeike, Wien, Geschichte in Bilddokumenten, München 1984. — Stadtchronik Wien, 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern, 2. Aufl., WienMünchen 1986. — Gustav Gugitz, Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien, 5 Bde., Wien 1947—1962. Vgl. ferner Otto Stolz, Geschichtliche Beschreibung der ober- und vorderösterreichischen Lande, Karlsruhe 1943. — Vorderösterreich. Eine Geschichtliche Landeskunde, 2 Bde., 2. Aufl., Freiburg i. Breisgau 1967. Zur Geschichte der zeitweilig mit Osterreich vereinigten Länder und Gebiete vgl. noch die Schrifttumsnachweise bei Günther Franz, Bücherkunde zur Deutschen Geschichte, München 1951, bzw. ders., Bücherkunde zur Weltgeschichte, München 1956 (insbesondere die Kapitel und Abschnitte über Belgien, Niederlande, Luxemburg, Italien, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Jugoslawien). — Vgl. auch unten S. 627. — Vgl. ferner Dahlmann-Waitz, Quellenkunde der Deutschen Geschichte, 9. Aufl., 2 Bde., Leipzig 1931, 10. Aufl., Lieferung 1 ff., Stuttgart 1965 ff., sowie Historische Bücherkunde Südosteuropa, Hrsg. v. Mathias Bemath, Leitung u. Redaktion Gertrud Krallert, Bd. 1 ff., München 1978 ff.

Quellen und Literatur

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Verschiedene Sachgebiete: Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, 3 Bde., Innsbruck-Wien-München 1937 bis 1959. — Josef Wodka, Kirche in Osterreich. Wegweiser durch ihre Geschichte. Herder, Wien 1959. — Religion und Kirche in Österreich. Hrsg. vom Institut f. Österreichkunde, Wien 1972. — 1800 Jahre Christentum in Österreich und Südostmitteleuropa, Bd. 1/1: Peter F. Barton, Die Frühzeit des Christentums in Österreich etc. bis 788, Wien-Köln-Graz 1975. — Staat und Kirche in Österreich. Von der Antike bis Joseph II. (Katalog), St. Pölten 1985. Emst Bemleithner, Kirchenhistorischer Atlas von Osterreich, Wien 1966. Grete Mecenseffy, Geschichte des Protestantismus in Osterreich, Graz-Köln 1956. — Vgl. auch noch Georg Loesche, Geschichte des Protestantismus im vormaligen und im neuen Österreich, 3. Aufl., Wien-Leipzig 1930. — Peter Barton, Die Geschichte der Evangelischen in Österreich und Südostmitteleuropa, Wien 1985. — Das österreichische Judentum. Voraussetzungen und Geschichte. Red. v. Nikolaus Vielmetti, 2. Aufl., Wien-München 1982. — Klaus Lohrmann (Hrsg.), 1000 Jahre österreichisches Judentum, Ausstellungskatalog d. Osterr. Jüdischen Museums Eisenstadt, Eisenstadt 1982. — Ders., Judenrecht und Judenpolitik im mittelalterlichen Österreich, Handbuch z. Geschichte der Juden, Reihe B, Bd. 1, Wien-Köln 1990. — Vgl. hiezu auch: Wellen der Verfolgung in der österreichischen Geschichte, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 48, Wien 1985. Emil Werunsky, Österreichische Reichs- und Rechtsgeschichte, Wien 1894—1938. — Otto Stolz, Grundriß der österreichischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Innsbruck-Wien 1951. — Emst C. Hellbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Wien 1974. — Die Entwicklung der Verfassung Österreichs vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hrsg. vom Institut für Österreichkunde, Wien 1970. — Hermann Baltl, Österreichische Rechtsgeschichte. 5. Aufl., Graz 1982. — Der österreichische Föderalismus und seine historischen Grundlagen. Hrsg. vom Institut f. Osterreichkunde, Wien 1969. — Föderalismus in Osterreich. Hrsg. v. Felix Ermacora, Föderative Ordnung, Bd. 2, 1970. — Ders., Österreichischer Föderalismus. Vom patrimonialen zum kooperativen Bundesstaat, Schriftenreihe des Inst. f. Föderalismusforschung 3, Wien 1976. — Friedrich Walter, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte von 1500 bis 1955. Veröffentl. der Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs 59, Wien-Köln-Graz 1972. — Herrschaftsstruktur u. Ständebildung. Beiträge zur Typologie der österreichischen Länder aus ihren mittelalterlichen Grundlagen, 3 Bde., Sozial- und wirtschaftshistorische Studien, Wien 1973. — Wilhelm Brauneder - Friedrich Lachmayer, Osterreichische Verfassungsgeschichte. Einführung in Entwicklung und Strukturen, 3. Aufl., Wien 1983. — Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte und Rechtsethnologie, Bd. D/4, Österreich, bearbeitet von Nikolaus Grass, Bruxelles 1979. — Emst Bruckmüller, Nation Österreich. Studien zu Politik und Verwaltung 4, Wien-Köln-Graz 1984. Von den älteren Werken, die unter dem Titel „Reichsgeschichte" die Staatsbildung und das öffentliche Recht behandeln, ist allenfalls noch Arnold Luschin-Ebengreuth, Handbuch der österreichischen Reichsgeschichte, 2. Aufl., Bamberg 1914, heranzuziehen. Grundfragen der österreichischen Verfassungsgeschichte behandelt Otto Brunner, Land- und Herrschaft, 5. Aufl., Wien 1965 (Nachdruck Darmstadt 1973). Diplomatie und Außenpolitik Österreichs. Schriften des Instituts f. Österreichkunde 30, Wien 1977. Eine zusammenfassende Darstellung der österreichischen Wirtschaftsgeschichte gibt Ferdinand Tremel, Wirtschafts- und Sozialgeschichte Österreichs von den Anfängen bis 1955, Wien 1969. Vgl. ferner Die Wirtschaftsgeschichte Österreichs, hrsg. vom Institut f. Österreichkunde, Wien 1971. — Anton Tautscher, Wirtschaftsgeschichte Österreichs auf der Grundlage abendländischer Kulturgeschichte, Berlin 1974. — Alfred Hoffmann, Staat und Wirtschaft im Wandel der Zeit, Studien und Essays, Bd. 1, Wien 1979. — Herbert Malis, Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte in Österreich (Lit.-Bericht 1945—1975), in: Hans-Ulrich Wehler, Die moderne deutsche Geschichte in der internat. Forschung, Göttingen 1978. Es gibt ferner wertvolle Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte der Bundesländer, zum Beispiel: Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, I., Alfred Hoffmann, Werden, Wachsen, Reifen von der Frühzeit bis zum Jahre 1848. II., Erich Meixner, Männer, Mächte, Betriebe von 1848 bis zur Gegenwart. Salzburg-Linz 1952. — Kärntens gewerbliche Wirtschaft von der Vorzeit bis zur Gegenwart. Hrsg. von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Kärnten. Klagenfurt 1953. — Tiroler Wirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart.

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Quellen und Literatur

Festgabe zur Hundertjahrfeier der Tiroler Handelskammer, 3 Bde., Schiernschriften, Bd. 77—79, Innsbruck 1951. Auf die Geschichte der einzelnen Wirtschaftszweige kann hier nicht näher eingegangen werden. Von Darstellungen wichtiger Sektoren seien immerhin angeführt: Die Großindustrie Österreichs. Festgabe, 6 Bde., Wien 1898. (Unter dem gleichen Titel erschien ein weiterer Band, Wien 1908.) Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Osterreich. Unter Mitarbeit von Rudolf Geyer und Franz Koran, hrsg. von Alfred Francis Pribram, Wien 1938. — Hans Pirchegger, Das steirische Eisenwesen, 2 Bde., Graz 1937, 1939. — Hans Pirchegger - Rudolf Töpfner, Eisen immerdar. Steirisches Eisen in Vergangenheit und Gegenwart, Graz 1951. — Österreichisches Montanwesen. Hrsg. von Michael Mitterauer, Wien 1974. — Geschichte des Erzberggebietes, hrsg. vom Montanhistorischen Verein für Österreich, Leoben 1979. — Viktor Thiel, Die Papiererzeugung im Donauraum, Bieberach 1940. — Hans Nägele, Das Textilland Vorarlberg, Dornbirn 1949. — Heinz Zatschek, Handwerk und Gewerbe in Wien, Wien 1949. — Josef Buchinter, Der Bauer in der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Österreichs, Wien (1952). — Karl Dinklage, Geschichte der Kärntner Landwirtschaft, Klagenfurt 1966. — Otto Stolz, Geschichte des Zollwesens, Verkehrs und Handels in Tirol und Vorarlberg von den Anfängen bis ins 20. Jhdt., Innsbruck 1953. — Michael Mitterauer, Zollfreiheit und Marktbereich, Studien zur mittelalterlichen Wirtschaftsverfassung am Beispiel einer niederösterr. Altsiedellandschaft, Wien 1969. — Ernst Neweklowsky, Die Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau, 3 Bde., Linz 1952, 1954, 1964. — Alois Brusatti, Osterreichische Wirtschaftspolitik vom Josephinismus zum Ständestaat, Wien 1965. — Günther Prohszt, Osterreichische Münz- und Geldgeschichte, Wien-Köln-Graz 1972. — 150 Jahre Sparkassen in Osterreich, 5 Bde., Wien 1973. — Franz Baltzarek, Die Geschichte der Wiener Börse. Veröffentlichungen der Komm. f. Wirtschafts-, Sozial- u. Stadtgeschichte der Österr. Akademie d. Wissenschaften 1, Wien 1973. — Karl Gutkas - Ernst Bruckmüller (Hrsg.) Verkehrswege und Eisenbahnen, Beiträge zur Verkehrsgeschichte Österreichs. Schriften d. Inst. f. Osterreichkunde 53, Wien 1989. Beiträge zur Bevölkerungs- und Sozialgeschichte Österreichs. Hrsg. von Heimold Helczmanovszki, Wien 1973. — Österreichs Sozialstrukturen in historischer Sicht, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 36, Wien 1980. — Emmerich Talos, Staatliche Sozialpolitik in Osterreich, Rekonstruktion und Analyse, Wien 1981. — Amold Suppan, Die österreichischen Volksgruppen. Tendenzen ihrer gesellschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert, Osterreich Archiv, Wien 1983. — Ernst Bruckmüller, Sozialgeschichte Österreichs, Wien-München 1986. Gustav Strakosch-Graßmann, Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens, Wien 1905. — Richard Meister, Entwicklung und Reformen des österr. Studienwesens. Sitzungsber. d. Österr. Akademie d. Wiss. phil.-hist. Kl. 239 (1963), Bd. 1, Abh. I, II. — Vgl. auch Studien zur Geschichte der Universität Wien, Bd. 1—7, Graz-Köln 1965. — Franz Gall, Alma Mater Rudolphina 1365 —1965, Die Wiener Universität und ihre Studenten, Wien 1965. — Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte, Bd. 1 ff., Innsbruck 1961 ff. — Ferdinand Gilbert Smekal, Die Geschichte der Grazer Universität, Wien 1967. — Universität Salzburg, Festschrift, Salzburg 1972. — Helmut Engelbrecht, Zur Entwicklung u. Gliederung des österr. Schulwesens, Osterreich in Geschichte u. Lit. 20 (1976). — Ders., Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs, Bd. 1 — 5, Wien 1982—1988. Hugo Hassinger, Österreichs Anteil an der Erforschung der Erde, Wien 1949. — Alexander Randa, Österreich in Übersee, Wien-München 1966. Leopold Schönbauer, Das medizinische Wien, 2. Aufl., Wien 1947. — Burghard Breitner, Geschichte der Medizin in Osterreich. Wiener Sitzungsberichte, phil.-hist. Kl. 226, 5, Wien 1951. — Harry Kühnel, Mittelalterliche Heilkunde in Wien, Graz-Köln 1965. — Erna Lesky, Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Graz-Köln 1965. Osterreichische Naturforscher und Techniker, hrsg. von der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1950. — Österreichische Naturforscher, Arzte und Techniker, hrsg. im Auftrage der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften von Fritz Knoll, Wien 1957 (das Werk von 1957 ergänzt jenes von 1950 durch Biographien anderer Forscher; keine zweite Auflage!). Alphons Lhotsky, Osterreichische Historiographie (Österreich-Archiv), Wien 1961. — Osterreichische Geschichtswissenschaft in Selbstdarstellungen, geleitet von Nikolaus Grass, 2 Bde., Innsbruck 1950, 1951. — Hermann Baltl - Nikolaus Grass - Hans C. Faußner (Hrsg.),

Quellen und Literatur

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Recht und Geschichte. Zwanzig Historiker und Juristen berichten aus ihrem Leben. Ein Beitrag zur österreichischen Gesellschafts- und Geistesgeschichte unserer Zeit, Sigmaringen 1990. Johann Willibald Nagl - Jakob Zeidler - Edmund Castle, Deutsch-österreichische Literaturgeschichte, 4 Bde., Wien 1899—1937. — Josef Nadler, Literaturgeschichte Österreichs, 2. Aufl., Salzburg 1951. — Ilona T. Erdelyi (Hrsg.), Literatur und Literaturgeschichte in Österreich, Wien-Budapest 1979. — Herbert Zeman - Fritz Peter Knapp(Hrsg.), Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert, Graz 1986. Joseph Gregor, Geschichte des österreichischen Theaters, Wien 1948. - Hilde HaiderPregler, Theater und Schauspielkunst in Österreich, Wien (1972). — Theatergeschichte Österreichs, hrsg. v. d. Kommission f. Theatergeschichte der Österr. Akad. d. Wiss., 7 Bde., Graz-Wien-Köln 1964 ff. Erich Schenk, 950 Jahre Musik in Österreich, Wien 1946. — Alfred Orel, Musikstadt Wien, Wien-Stuttgart 1953. — Alexander Witeschnik, Musik aus Wien, Wien-München-Basel 1955. — Rudolf Flotzinger - Gemot Gruber, Musikgeschichte Österreichs, 2 Bde., Graz (1977—1979). Österreichische Kunsttopographie, hrsg. von der k. k. Zeritralkommission f. Kunst- und historische Denkmale bzw. vom Bundesdenkmalamt. Bisher 45 Bde., Wien 1907 ff. — Karl Ginhart, Die bildende Kunst in Österreich, 6 Bde, Baden-Leipzig 1936—1943. — Otto Benesch, Kleine Geschichte der Kunst in Österreich, Wien 1950 (Gesamtdarstellung in knappster Fassung). — Richard Kurt Donin, Zur Kunstgeschichte Österreichs, Wien-Innsbruck-Wiesbaden 1951 (gesammelte Aufsätze zu zahlreichen Einzelproblemen). — DehioHandbuch der Kunstdenkmäler Österreichs, hrsg. vom Bundesdenkmalamt. Begr. Dagobert Frey, fortgeführt von Karl Ginhart u. a., 3 . - 6 . Aufl.; Neue Serie, Wien 1953, bzw. 1981 ff. — Bruno Grimschitz, Ars Austriae, Wien (1961). — Rupert Feuchtmüller, Kunst in Österreich, 2 Bde., Wien 1973. — Vgl. auch Geschichte der bildenden Kunst in Wien (Geschichte der Stadt Wien, Bd. VII, 1955). — Atlas der historischen Schutzzonen in Österreich, Bd. 1, Wien 1971. — Fritz Felgenhauer, Bibliographie zur Archäologie des Mittelalters in Österreich, Zeitschrift f. Archäologie des Mittelalters 8 (1980). — Ingo Nebehay - Robert Wagner, Bibliographie altösterreichischer Ansichtswerke. Die Monarchie in der topographischen Druckgraphik von der Schedel'schen Weltchronik bis zum Aufkommen der Photographie, 5 Bde., Graz 1980—1984. Zur Historischen Geographie und Siedlungsgeschichte (Siedlungskunde) vgl. den Historischen Atlas der Österreichischen Alpenländer, I. Abt., Landgerichtskarte, Wien 1906 ff. (mit 9 Bänden Abhandlungen und 9 Heften Erläuterungen); II. Abt., Kirchen- und Grafschaftskarte, Wien 1951 ff. (mit 12 Bänden Erläuterungen). — Siedlungsformenkarte der Reichsgaue Wien, Kärnten, Niederdonau etc., bearbeitet von Adalbert Klaar, Wien 1942. — Vgl. ferner Karl Lechner, Leistungen und Aufgaben siedlungskundlicher Forschung in den österreichischen Ländern, mit besonderer Berücksichtigung von Niederösterreich, in: Karl Lechner, Ausgewählte Schriften, Wien 1947, S. 119 ff., und die Bibliographie der Arbeiten von Adalbert Klaar, in: Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, 34 (1960), 38 (1968/70). — Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters. Vorträge und Forschungen 10, hrsg. vom Konstanzer Arbeitskreis, Stuttgart 1965. — Bruno Schier, Hauslandschaften und Kulturbewegungen im östlichen Mitteleuropa. 2. Aufl., Göttingen 1966. — Österreichisches Städtebuch, Bd. 1 ff., Wien 1968 ff. — Vgl. auch Handbuch der historischen Stätten, Österreich, 2 Bde., Stuttgart 1966, 1970. — Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte Österreichs. Hrsg. v. Institut f. Österreichkunde, Wien 1974. — Fritz Posch (Hrsg.), Atlas zur Geschichte des steirischen Bauerntums, Veröffentl. des Steiermark. Landesarchivs 8 (1976). — Kurt Klein, Daten zur Siedlungsgeschichte der österr. Länder bis zum 16. Jhdt. Materialien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 4, Wien 1980. — Bibliographie zur Geschichte der Städte Österreichs, geleitet u. hrsg. von Wilhelm Rausch, red. von Anneliese Schweiger, Linz 1984. — Vgl. auch: Helmuth Feigl, Die Ortsnamenbücher der österreichischen Bundesländer, Ein Literaturbericht, in: Siedlungsforschung, Bd. 6, Bonn 1988. Zur österr. Militärgeschichte vgl. die Bibliographie von Oskar Regele, in: „Der nächste Schritt", Sonderreihe 4 (1958). — Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Bd. 1 ff., Wien 1964 ff. — Militärhistorische Schriftenreihe. Hrsg. v. Heeresgeschichtl. Museum, Wien 1964 ff. Biographien: Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertumes Österreich (1750—1850), 60 Bde., Wien 1856—1891. — Neue Österreichische Biographie

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Quellen und Literatur

1815 — 1918, Wien 1923 ff., seit Bd. 9 „ab 1815" (bisher 21 Bde.). — Österreichisches Biographisches Lexikon 1815 — 1950, Wien-Graz-Köln 1957 ff. — Hugo Hantsch, Gestalter der Geschicke Österreichs, Innsbruck-Wien-München 1962. — Österreichisches Familienarchiv. Ein genealogisches Sammelwerk. Bd. 1 — 3, Neustadt a. d. Aisch, 1963—1969. Wesentliches biographisches Material zur österreichischen Geschichte enthält auch die Allgemeine Deutsche Biographie, 56 Bde., Leipzig 1875 —1912 sowie die Neue Deutsche Biographie, Berlin 1952 ff. Vgl. auch die oben genannten Publikationen über österr. Naturforscher usw., Wien 1950, 1957. — Wilhelm Brauneder (Hrsg.), Juristen in Österreich 1200 — 1980, Wien 1987. Als Wegweiser f ü r Archive, Bibliotheken, Museen und andere Sammlungen vgl. Jahrbuch (seit 1964 Handbuch) der österreichischen Wissenschaft, hrsg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1947 ff. (die jeweils letzte Folge ist zu benützen); enthält u. a. detaillierte Verzeichnisse der österreichischen Archive usw. Ferner: Maria Dawid - Erich Egg, D e r römische M u s e u m s f ü h r e r in Farbe, Museen und Sammlungen in Österreich, Innsb r u c k - F r a n k f u r t 1985. Von den großen österreichischen Archiven sind zumeist gedruckte Inventare erschienen, am wichtigsten ist das Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 5 Bde., Wien 1936 —1940. — An neueren Inventarpublikationen der Zentralverwaltungsarchive vgl. noch: Hofkammerarchiv, 2 Bde. (1951, 1957), Kriegsarchiv (1953), Verkehrsarchiv (1959). Vgl. ferner Hugo und Herbert Hassinger, Wegweiser f ü r Landes- und Volksforschung in Österreich, W i e n - H o r n 1950. Ungedruckte Dissertationen sind in unserem Literaturverzeichnis nicht angeführt; es sei hier aber auf die Dissertationsverzeichnisse der phil. Fakultäten Wien und Innsbruck (für 1871 —1937), 4 Bde., Wien 1935 —1937, hingewiesen, sowie auf die von L i j / u n d Hugo Alker herausgegebenen Verzeichnisse der an der Universität Wien von 1936 bis 1963 approbierten Dissertationen, 4 Bde., Wien 1953 — 1965, ferner auf Franz Kroller, Dissertationen : Verzeichnis der Universität Graz 1872—1963, G r a z 1964. Laufende Fortsetzungen in der ö s t e r reichischen Hochschulzeitung (1957—1965), Gesamtverzeichnisse und Kurzauszüge .(Geistes· und Sozialwissenschaften) österr. Dissertationen Bd. 1/1966 ff., Wien 1967 ff. Ubersichten der Dissertationen zur Geschichte Österreichs gibt Austrian History Newsletter 1—4 (1960—1963) bzw. Austrian History Yearbook 1 (1965) ff. — Zu den Schulschriften vgl. Wilhelm Krause, Gesamtverzeichnis der Programme und Festschriften der Schulen Österreichs 1945—1969/70, 3 Bde., Wien 1956—1974. — Vgl. auch Helene Maimann - Roswitha Böhm, Arbeitergeschichte und Arbeiterbewegung, Dissertationen und Diplomarbeiten in Österreich 1918 —1978, Wien 1978. Quellensammlungen: (Vgl. hiezu Uhlirz, H a n d b u c h I, 2. Aufl., S. 7 ff.) Allgemeine Sammlungen: Hieronymus Pez, Scriptores rerum Austriacarum, 3 Bde., Leipzig-Regensburg 1721 bis 1745. — Adrian Rauch, Rerum Austriacarum scriptores, 3 Bde., Wien 1793 —1794. — F. A. Kollar, Analecta m o n u m e n t o r u m omnis aevi Vindobonensia, 2 Bde., 1761 —1772. Monumenta Germaniae Historica, Hannover-Berlin 1826 ff. — Vgl. hiezu M o n . Germ. Hist., Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen nach dem Stande vom Jänner 1983 sowie die regelmäßig erscheinenden Berichte in: „Deutsches Archiv f. Erforschung des Mittelalters". Fontes rerum Austriacarum (FRA), österreichische Geschichtsquellen, hrsg. von der Historischen Kommission der ö s t e r r . Akademie der Wissenschaften. I. Abteilung, Scriptores, Bd. 1 — 12, Wien 1855 ff. — II. Abteilung, Diplomataria et acta, Bd. 1 — 86, Wien 1849 ff. — III. Abteilung, Fontes iuris, Bd. 1 — 11, Graz-Köln 1953 ff. Veröffentlichungen der Kommission f . neuere Geschichte Österreichs, Bd. 1 ff., Wien 1903 ff. Die Veröffentlichungen der Kommission gliedern sich im allgemeinen in 4 Gruppen: Korrespondenzen österreichischer Herrscher und Staatsmänner sowie diplomatische Akten; Österreichische Staats Verträge; Veröffentlichungen zur inneren Geschichte Österreichs; Mitteilungen von Materialien aus einzelnen Archiven. Vgl. Leo Santifaller, Das Institut f. österr. Geschichtsforschung, Veröffentlichungen des Institutes f. österr. Geschichtsforschung, 11, Wien 1950, S. 48 ff.

Quellen und Literatur

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Urbare und Weistümer: Österreichische Urbare, hrsg. von der Österr. Akademie der Wissenschaften, Wien 1904 ff. Vgl. Santifaller, Institut, S. 53 ff. Österreichische Weistümer, hrsg. von der Osterr. Akademie der Wissenschaften, Wien 1870 ff. Gesetzessammlungen: Codex Austriacus. Eigentlicher Begriff und Inhalt aller . . . unter der Regierung Seiner Majestät Leopoldi I. ausgegangenen . . . Generalien, Patente, Ordnungen. 2 Teile, Wien 1704, mit Ergänzungen (Supplementum Codicis Austriaci), 6 Bde. (bis 1740), Wien 1777. Seit der Regierung Josephs II. gibt es Ausgaben „Gesetze und Verfassungen im Justizfache", ferner „Gesetze und Verordnungen (politische)"bis einschließlich der Regierung Ferdinands I., erschienen Wien 1786—1851, unter Anführung des jeweiligen Herrscnernamens im Titel. Vgl. Uhlirz, Handbuch I, S. 13. Vgl. auch Joseph Kropatschek, Repertorium über die Gesetze von 1740—1780, 8 Bde., Wien 1787. — Ders., Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph II. . . . ergangenen Verordnungen und Gesetze, 18 Bde., Wien 1785—1790. — Ders., Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichen Regierung des Kaisers Leopold II. . . . erschienen sind, 5 Bde., Wien 1792. — Ferner: Sammlung der Gesetze, welche unter der glorreichen Regierung des Kaisers Franz II. erschienen sind. Bd. 1 — 25 von Joseph Kropatschek, Bd. 25—57 von Wilhelm Gerbert Goutta, Bd. 58—60 von Franz Xaver Pichl, Wien 1792— 1836. Allgemeines Reichsgesetz- und Regierungsblatt für das Kaisertum Osterreich, Wien 1849—1852. — Reichsgesetzblatt für das Kaisertum Österreich, Wien 1852—1869. — Reichsgesetzblatt für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder, Wien 1870 bis 1918. — Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich, Wien 1918. — Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich, Wien 1919. — Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Wien 1920—1933. — Bundesgesetzblatt für den Bundesstaat Österreich, Wien 1934—1938. Gesetzblatt für das Land Österreich, Wien 1938 — 1940. — Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich, Wien 1945. — Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Wien 1945 ff. Vgl. Stefan Stefanowicz, Index zu den österreichischen Reichs-, Staats- und Bundesgesetzblättern, sowie zu den Verlautbarungen im Gesetzblatt für das Land Österreich und im Deutschen Reichsgesetzblatt in den Jahren 1938 — 1945. 4. Aufl., Wien 1950. — Josef Hans, Wegweiser durch Österreichs Bundesgesetzgebung seit 1945, 9. Aufl., Klagenfurt 1955. Vgl. auch Manz'sche Studien-, Hand- und Taschenausgaben der österr. Gesetze, Wien 1860 ff. — Manz'sche Große Ausgabe der österr. Gesetze, Wien 1918 ff. — Handausgabe der österreichischen Gesetze und Verordnungen, hrsg. von der österreichischen Staatsdrukkerei, 200 Bde., Wien 1868 —1918. — Handausgabe der österreichischen Gesetze und Vollzugsanweisungen, Wien 1919 ff. Zur Verfassungsgeschichte vgl. insbes. Edmund Bematzik, Sammlung der österr. Verfassungsgesetze, 2. Aufl., Wien 1911 (Studienausgaben, Bd. 3). — Ludwig Adamovich, Die Bundesverfassungsgesetze samt Ausführungs- und Nebengesetzen, 8. Aufl., Wien 1953. — Heinz Fischer - Gerhard Silvestri, Texte zur österreichischen Verfassungsgeschichte. Von der Pragmatischen Sanktion zur Bundesverfassung (1713—1966), Wien 1970. — Felix Ermacora (Hrsg.), Österreichische Bundesverfassungsgesetze, 6. Aufl., Stuttgart 1976. — Hans R. Klecatsky - Siegbert Morscher, Die österreichische Bundesverfassung (Bundesverfassungsgesetz mit wichtigen Nebenverfassungsgesetzen), 3. Aufl., Wien 1985. — Friedrich Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer, 2. Aufl., Wien 1988. Vgl. auch Michael Stickler, Übersicht über die österr. Parlamentsschriften 1848—1971, Biblos 22 (1973). Urkunden- und Regestenwerke: a) Territoriale Urkunden- und Regestensammlungen: Urkundenbuch des Burgenlandes und der angrenzenden Gebiete der Komitate Wieselburg, Odenburg und Eisenburg. 4 Bde. Unter Benützung der Vorarbeiten von W. Goldinger, E. Zöllner und R. Neck bearbeitet von Hans Wagner bzw. von Irmtraut Lindeck-Pozza, GrazKöln 1955—1985.

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Quellen und Literatur

Monumenta Historien Ducatus Carinthiae, 11 Bde. und 1 Ergänzungsheft, Klagenfurt 1896—1978. Es gibt noch kein echtes niederösterreichisches Urkundenbuch; unter diesem Namen sind lediglich 2 Bde. Urkunden des Chorherrenstiftes St. Pölten, bearbeitet von Joseph Lampel, Wien 1891 — 1901, erschienen. Urkundenbuch des Landes ob der Enns, 11 Bde., Wien bzw. Linz 1852—1983. Salzburger Urkundenbuch, hrsg. von Willibald Hauthaler und Franz Martin, 4 Bde., Salzburg 1898 —1933. — Die Regesten der Erzbischöfe und des Domkapitels von Salzburg (1247—1343), 3 Bde., Salzburg 1926—1943. Bearbeitet von Franz Martin. Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark, Bd. 1—4, hrsg. von Joseph von Zahn bzw. Heinrich Appelt (Gerhard Pferschy), Graz bzw. Wien 1875 —1975. Ergänzungsheft zu Bd. 1—3, bearbeitet von Hans Pirchegger und Otto Düngern ( = Veröffentlichungen der Historischen Landeskommission f. Steiermark, 33), Graz 1949. Acta Tirolensia, 4 Bde., Innsbruck 1886—1951. — Tiroler Urkundenbuch, I. Abt. (Südtirol), bearbeitet von Franz Hüter, 3 Bde., Innsbruck 1937—1957. Regesten von Vorarlberg und Liechtenstein bis zum Jahre 1260. Bearbeitet von Adolf Helhok, Innsbruck 1920—1925. Die Rechte und Freiheiten der Stadt Wien, hrsg. von Johann Adolph Tomaschek, 2 Bde., Wien 1877—1879. — Quellen zur Geschichte der Stadt Wien, 3 Abteilungen; Regesten aus inund ausländischen Archiven; Regesten aus den Archiven der Stadt Wien; Grundbücher. Wien 1895 ff. b) Dynastische Urkunden- und Regestenwerke: Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Osterreich, Bd. 1, 2: Die Siegelurkunden. Vorbereitet von Oskar Mitis, bearbeitet von Heinrich Fichtenau und Erich Zöllner, Wien 1950, 1955. Bd. 3: Die Siegel. Von Oskar Mitis und Franz Gall, Wien 1954. Bd. IV/1: Ergänzende Quellen 976—1194, unter Mitwirkung von Heide Dienst bearbeitet von Heinrich Fichtenau, Wien 1968. Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg. I. Abt. (bis 1281), II. Abt., 1. Lieferung (Albrecht I., 1281 — 1288). Bearbeitet von Harold Steinacker, Innsbruck 1905, 1934, III. Abt. (1314 bis 1330), bearbeitet von Lothar Groß, Innsbruck 1922—1924. Die Regesten der Grafen von Görz und Tirol, Pfalzgrafen von Kärnten, bearbeitet von Hermann Wiesflecker, 2 Bde., Innsbruck 1949, 1952. Ausgewählte Quellen (zu Übungszwecken): Emst v. Schwind und Alfons Dopsch, Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der Deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter, Innsbruck 1895 (Neudruck, Aalen 1968). 1100 Jahre österreichische und europäische Geschichte. In Urkunden und Dokumenten des Haus-, Hof- u. Staatsarchives, hrsg. von Leo Santifaller, Wien 1949. Otto Fraß, Quellenbuch zur österreichischen Geschichte, 4 Bde., Wien 1956—1967. (Auswahl verschiedener Quellen, ζ. T. in Übersetzung.) Die wichtigste quellenkundliche Darstellung gibt Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs, MIÖG, Erg. -Bd. 19 (1963). — Das Werk behandelt ausführlich die Quellen zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (bis 1526). Nunmehr: Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst, für Österreichkunde, 40, Wien 1980 (Überblick von der Urgeschichte bis zur Republik). B. S C H R I F T T U M ZU DEN EPOCHEN DER ÖSTERREICHISCHEN GESCHICHTE (UND ZU DEN EINZELNEN KAPITELN DIESES WERKES) Die geographischen Grundlagen, S. 9 ff. Zur Geographie Österreichs sind zu vergleichen: Fritz Machatschek, Länderkunde von Mitteleuropa. In: Enzyklopädie der Erdkunde, Wien 1924. — Johann Solch, Die Ostalpen, Breslau 1930. — Norbert Lichtenecker, Österreich. In: F. Klute, Handbuch der Geographischen Wissenschaft, Bd. Mitteleuropa und Osteuropa, Potsdam 1933. — Hermann Gsteu, Länderkunde Österreichs, 3. Aufl., Innsbruck-Wien 1957. — Franz Xaver Schaffer, Geologie

Quellen und Literatur

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von Österreich, 2. Aufl., Wien 1951. — Norbert Krebs, Die Ostalpen und das heutige Österreich, 2 Bde., 3. unveränd. Aufl., Darmstadt 1961. — Adolf Leidlmair - Rainer Lidauer (u. a. Bearb.), Landeskunde Osterreich. H a r m s H a n d b u c h der Geographie 2, München 1983. In den oben angeführten Werken finden sich ausführliche Literaturangaben zur Geographie der österreichischen Länder und Landschaften. Diesbezüglich vgl.: Österreich. Geographie, Kartographie, R a u m o r d n u n g 1945—1975. Hrsg. von der Österr. Geographischen Gesellschaft unter Leitung v. Elisabeth Lichtenberger, Wien 1975. Z u m Problem der geographischen Grundlagen der österreichischen Geschichte: Conrad Kretschmer, Historische Geographie von Mitteleuropa, München 1904. — Historischer Atlas der österreichischen Alpenländer, hrsg. von der österr. Akademie der Wissenschaften, Wien 1906 ff. — Robert Sieger, Die geographischen Grundlagen der österreichischungarischen Monarchie und ihrer Außenpolitik, Wien 1915. — Wien, sein Boden und seine Geschichte, hrsg. von Othenio Abel, Wien 1924. — Karl Haushofer, Paßstaaten in den Alpen, Berlin 1928. — Fritz Cuhorst, Verkehrsgeographie der Republik Osterreich, Tübingen 1932. — Hugo Hassinger, Boden und Lage Wiens, Wien 1946. — Barthel Granigg, Die Bodenschätze Österreichs und ihre wirtschaftliche Bedeutung, Wien 1947. — Hugo Hassinger, Österreichs Wesen und Schicksal, verwurzelt in seiner geographischen Lage, Wien 1949. — Hans Bobek, Schlüsselstellung in Europa, Lage und Raum, in: Spectrum Austriae, Wien 1957. — Ders., Österreichs Regionalstruktur im Spiegel des Atlas der Republik Oesterreich, Mitt. der Österr. Geograph. Gesellsch. 117 (1974). — Leopold Scheidt, Österreich als geographische Gegebenheit, Ö G L 12 (1968). — Josef Breu, Geographisches Namenbuch Österreichs, Forschungen zur Theoretischen Kartographie 3, Wien 1975. — Walter Del-Negro, Abriß der Geologie von Österreich, Wien 1977. — Beiträge zur Regionalforschung (hrsg. v. Hans Bobek), Bd. 1 (1975) — 7 (1986), nunmehr: Beiträge zur Stadt- und Regionalforschung (hrsg. v. Elisabeth Lichtenberger), Bd. 8 (1987) ff. Vgl. auch die folgenden Kartenwerke: Specialkarte der k. u. k. österr.-ungarischen Monarchie im Maßstabe 1:75.000, Wien 1876—1914. — Österreichische Karte 1 50.000, hrsg. vom Bundesamt f ü r Eich- und Vermessungswesen, Wien 1930 ff., 213 Kartenblätter; — Atlas der Republik Osterreich, hrsg. von der Kommission f. Raumforschung der Osterr. Akademie der Wissenschaften, 1, Wien 1961 ff. — Atlas der Donauländer, hrsg. vom Osterr. Ost- und Südosteuropa-Institut, Wien 1989. — Österreichischer Städteatlas, hrsg. v. Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Ludwig-Boltzmann-Institut f. Stadtgeschichtsforschung, Wien 1982 ff. Bundesländeratlanten: Kärntner Heimatatlas, hrsg. v. Martin Wutte, Viktor Paschinger, Franz Lex, Wien 1925. — Burgenlandatlas, hrsg. v. Hugo Hassinger und Fritz Bodo, Wien 1941. — Atlas von Niederösterreich (und Wien), hrsg. von der Kommission f. R a u m f o r schung a. d. Osterr. Akademie d. Wiss. und vom Verein f. Landeskunde von Niederösterreich und Wien, redigiert v. Erik Arnberger, Wien 1951 —1958. — Atlas der Steiermark, redig. v. Manfred Straka, G r a z 1953 — 1970. — Salzburg-Atlas, hrsg. v. Egon Lendl, Salzburg 1955. — Atlas von Oberösterreich, hrsg. v. Institut f. Landeskunde v. Oberösterreich, Linz 1958 ff. — Atlas zur Geschichte d. steirischen Bauerntums, hrsg. v. Fritz Posch, Manfred Straka und Gerhard Pferschy, G r a z 1976. — Tirol-Atlas, im Auftrag der Tiroler Landesregierung hrsg. v. Adolf Leidlmair, Innsbruck 1969 ff. — Historischer Atlas von Wien (Karten und Kommentare), hrsg. von Felix Czeike und Renate Banik-Schweitzer, Wien 1981 ff. Vgl. Kartographie der Gegenwart in Osterreich. Hrsg. vom Inst. f. Kartographie der Österr. Akad. d. Wissenschaften etc., Wien 1984. I. Urgeschichte, S. 16 ff. Von den Anfängen menschlicher Siedlung bis zu den Stammeskulturen der Illyrer und Kelten, S. 16 ff. Bibliographie: Richard Pittioni, Bibliographie zur Urgeschichte Österreichs (einschließlich Deutschsüdtirols). Archiv f. Bibliographie, Beiheft 9, Linz 1931 (bis zum Jahre 1929). — Ders., Bibliographie zur Urgeschichte der Ostmark 1930—1938, Wien 1940. — Josef Reitinger, Bibliographie zur Ur- und Frühgeschichte Österreichs (1939—1960) Wien 1965. — Leonhard Franz u. Alfred R. Neumann (Hrsg.), Lexikon ur- und frühgeschichtlicher Fundstätten Österreichs, Wien 1965. — Mitteilungen der österr. Arbeitsgemeinschaft f. Ur- u. Frühgeschichte 25 (1974—1975, enthält Forschungsübersichten 1945 bis ca. 1974). — Richard Pittioni, Urzeit, Bd. 1/2 (s. unten), gibt eine Forschungsübersicht f ü r 1954—1978.

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Quellen und Literatur

Gesamtdarstellungen und allgemeine Probleme der österreichischen Urgeschichte: Oswald Mengbin, Urgeschichte der Ostalpenländer, in: Die österreichischen Alpen, hrsg. von Hans Leitmeier, Leipzig 1928. — Leonhard Franz, Vorgeschichtliches Leben in den Alpen, Wien 1929. — Richard Pittioni, Allgemeine Urgeschichte Österreichs, Handbuch für die Geschichtslehrer, hrsg. von Oskar Kende, Ergänzungsband 1, Wien 1937. — Ders., Österreichs Urzeit im Bilde, Wien 1938. — Ders., Urzeitlich er Siedlungsraum in Osterreich, Wien 1947. — Ders., Die urgeschichtlichen Grundlagen der europäischen Kultur, Wien 1949. — Ders., Urgeschichte des österreichischen Raumes, Wien 1954 (Hauptwerk mit eingehendem Quellennachweis und reichem Abbildungsmaterial). — Ders., Urzeit. Von etwa 80.000 bis 15 v. Chr. Geb., Geschichte Österreichs, hrsg. v. d. Österr. Akad. d. Wiss., 1/1, 1/2, Wien 1980. — Johannes Wolfgang Neugebauer, Urgeschichte in Niederösterreich, Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 39/40, St. Pölten 1979. — Ders. und Kurt Simperl, Als Europa erwachte. Österreich in der Urzeit, Salzburg 1979. — Ludwig Pauli, Die Alpen in Frühzeit und Mittelalter, München 1980. — Herwig Friesinger, Die Quellen der Ur- und Frühgeschichte des österr. Raumes, Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst, für Österreichkunde 40, Wien 1982. — Vgl. auch Herwig Friesinger - Brigitte Vacha, Die vielen Väter Österreichs (betr. Kelten, Römer, Germanen, Awaren, Slawen), Wien 1987. — Andreas Lippert (Hrsg.), Reclams Archäologieführer Österreich und Südtirol, Denkmäler und Museen der Urgeschichte, der Römerzeit und des frühen Mittelalters, Stuttgart 1985. Einzelne Epochen und Fundstätten: Adolf Mahr, Das vorgeschichtliche Hallstatt, Wien 1925. — Leonhard Wagner und Josef Weninger, Die Funde aus den prähistorischen Pfahlbauten im Mondsee, Wien 1927. — Kurt Willvonseder, Die mittlere Bronzezeit in Österreich, Wien 1937. — Karl Zschokke und Ernst Preuschen, Das urzeitliche Bergbaugebiet von Mühlbach-Bischofshofen, Wien 1932. — Friedrich Morton, Hallstatt und die Hallstattzeit, Hallstatt 1953. — Karl Kromer, Das Gräberfeld von Hallstatt, Florenz 1959. — Ders., Von frühem Eisen und reichen Salzherren, Die Hallstattkultur in Österreich, Wien 1964. — Alfred Neumann, Der Raum von Wien in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Wien 1961. — Fritz Eckart Barth, Versuch einer typologischen Gliederung der prähistorischen Funde aus Hallstatt, Mitt. der Anthrop. Ges. 102 (1972). — Ders., Hans Feiher und Othmar Schauherger, Radiokohlenstoffdatierung der prähistorischen Baue in den Salzbergwerken Hallstatt u. Dürnberg-Hallein, ebenda 105 (1975). — Emst Penninger, Der Dürrnberg bei Hallein, Münchner Beiträge zur Vor- u. Frühgeschichte 16, 17, München 1972, 1974. — Clemens Eibner, Das späturnenfelderzeitliche Gräberfeld von St. Andrä vor dem Hagental, Niederösterreich, Archaeologia Austriaca, Beiheft 12 (1974). — Kurt Ehrenberg, Versuch einer Übersicht über die verschiedenen artefactoiden Zahn- u. Knochenformen aus alpinen Bärenhöhlen Österreichs, Archaeologia Austriaca 59/60 (1976). — Johann Offenberger, Die oberösterreichischen Pfahlbauten, Die Untersuchungen des Bundesdenkmalamtes in den Jahren 1970—1974, Archaeologia Austriaca, Beiheft 13 (1976). — Eva Lenneis, Siedlungsfunde aus Poigen u. Frauenhofen bei Horn, ein Beitrag zur Erforschung der Linear- u. Stichbandkeramik in Niederösterreich, Prähistorische Forschungen 8 (1977). — Die Hallstattkultur. Frühform europäischer Einheit. Intern. Ausstellung des Landes Oberösterreich, Steyr (Katalog), Linz 1980. — Die Kelten in Mitteleuropa. Salzburger Landesausstellung, Hallein (Katalog), Salzburg 1980. — Elisabeth Ruttkay, Das Neolithikum in Niederösterreich, Forschungsberichte zur Ur- und Frühgeschichte 12, 2. Aufl. Wien 1985. — Johannes Wolfgang Neugebauer, Die Bronzezeit im Osten Österreichs, Forschungsberichte zur Ur- und Frühgeschichte 13, Wien 1987. Bevölkerungsgeschichte und Stammeskunde: Hermann Wopfner, Beiträge zur Bevölkerungsgeschichte der österreichischen Länder, in: Wirtschaft und Kultur. Festschrift für Alfons Dopsch, Baden bei Wien, Leipzig 1938. — Julius Pokomy, Zur Urgeschichte der Kelten und Illyrer, Zeitschr. f. keltische Philologie, Jg. 20—21 (1938 — 1940). — Silvia Sterner-Rainer, Illyrische Ortsnamen und Illyrische Siedlungen, Innsbruck 1940. — Hermann Vetters, Zur Frage der keltischen Oppida. Carinthia I, Jg. 141 (1951). — Hermann MüllerKarpe, Zeugnisse der Taurisker in Kärnten, ebenda. — Richard Heuberger, Der Beginn der Geschichte Tirols. Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum, 31 (1951). — Kurt Willvonseder, Zur keltischen Besiedlung des Ostalpenraumes. Festschrift f. Rudolf Egger, Bd. 2, Klagenfurt 1953. — Ders., Die Kelten in Mitteleuropa, Wenner Green Foundation, Symposion 1958 (1959). — Richard Pittioni, Urgeschichtliches zum Volkstum der Räter, Heuberger-Festschrift, Innsbruck 1960. — Hermann Vetters, Zur ältesten Geschichte der Ostalpenländer, Jahreshefte des österr. archäolog. Instituts 46 (1964). — Ders., Glauben und

Quellen und Literatur

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Kulte der Kelten und Römer im österr. Raum vor der Christianisierung, in: Religion und Kirche in Österreich, hrsg. vom Institut f. Österreichkunde, Wien 1972. — Ders., Taurisci oder Norici, Noreia oder Virunum, Festschrift f. Richard Pittioni II, Archaeologia Austriaca, Beiheft 14 (1976). — Geza Alföldy, Taurisci und Norici, Historia 15 (1966). — Peter Petru, Die ostalpinen Taurisker, Acta Archeol. 19 (1968). — Ders., Die ostalpinen Taurisker und Latobiker, Aufstieg u. Niedergang der römischen Welt II, 6, Berlin-New York 1977. — Robert Göhl, Typologie und Chronologie der keltischen M ü n z p r ä g u n g in Noricum, D e n k schriften der phil.-hist. Kl. der Österr. Akademie d. Wiss. 113, Wien 1973. — Die Kelten in Mitteleuropa. Kultur, Kunst und Wirtschaft. Salzburger Landesausstellung Hallein (Katalog), Salzburg 1980. — Gerhard Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike. Das norische Königreich und seine Beziehungen zu Rom, Wien-KölnG r a z 1980. — Ders., Die Kimbern in den Ostalpen und die Schlacht bei Noreia, Mitt. d. Österr. Arbeitsgemeinschaft f. U r - u. Frühgeschichte 32 (1982). Z u r Bevölkerungsgeschichte und Stammeskunde vgl. auch insbes. Pittioni, Urgeschichte des österreichischen Raumes, S. 776 ff. — Heinz Kronasser, Zum Stand der Illyristik. Linguistique Balcanique 4 (1962) bestreitet die Anwendbarkeit des Namens der Illyrer auf die österreichische Hallstattbevölkerung. Anders Riebard Pittioni, Zum Illyrier-Problem, Innsbrucker Beiträge z. Kulturwissenschaft 13 (1967). II. Osterreich in der Römerzeit,

S. 2 i f f .

Allgemeine Darstellungen: Rudolf Egger, Die österreichischen Länder im Altertum, in: Österreicn. Erbe und Sendung im deutschen Raum, Salzburg und Leipzig 1936. — Ders., Kärnten im Altertum, Klagenfurt 1941. — Ders., Oberösterreich in römischer Zeit, Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins, 95 (1950). — Vgl. auch Ders., Römische Antike und frühes Christentum, Ausgewählte Schriften, 2 Bde., Klagenfurt 1962, 1963. — Erich Polaschek, Noricum, in: August Pauly u. Georg Wissowa, Realencyclopädie der klassischen Altertumswissenschaft, VII, Sp. 971 ff., Stuttgart 1936. — Richard Heuberger, Rätien im Altertum und Frühmittelalter, I, Schlern-Schriften 20, Innsbruck 1932. — Franz Miltner, Römerzeit in österreichischen Landen, Vierring-Reihe, Bd. 2, Brixlegg-Innsbruck 1948 (Populäre Darstellung). — Amold Schober, Die Römerzeit in Österreicn und in den angrenzenden Gebieten von Slowenien, 2. Aufl., Wien 1955. — Artur Betz - Ekkehard Weber, Aus Österreichs römischer Vergangenheit (übersichtliche Zusammenfassung, mit A n f ü h r u n g der wichtigeren Quellenbelege), 2. Aufl. Wien 1990. — Andreas Mocsy, Pannonien, in: Realencyclopädie etc. Suppl. 9 (1962), Sp. 515 ff. — Ders., Pannonia and Upper Moesia, London 1974. — Landesausstellung Die R ö m e r an der D o n a u , Noricum und Pannonien, Schloß T r a u n , Petronell, Katalog Wien 1973. — Geza Alföldy, Noricum, London 1974. — Gerhard Winkler, Die Römer in Oberösterreich, Linz 1975. — Ders., Noricum und Rom, Aufstieg u. Niedergang der römischen Welt II, 6, Berlin-New York 1977. — Gerhard Langmann, 600 Jahre Römer in Österreich, Innsbruck 1977. — Hermann Vetters, Austria Romana, Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 40, Wien 1982. — Peter Pleyel, Das Römische Österreich, Kulturgeschichte und Führer zu Fundstätten und Museen, Wien 1987. Eroberung, Sicherung und Verwaltung der Donauprovinzen, S. 2 5 f f : Franz Miltner, Augustus' Kampf um die Donaugrenze, in: Klio, Beiträge zur alten Geschichte, 30 (1937). Arnold Schober, II Limes R o m a n o in Austria, in: II Limes Romano, Istituto di Studi Romani, Rom 1938. — Wilhelm Wagner, Die Dislokation der römischen Auxiliarformationen in den Provinzen Noricum, Pannonien, Mösien und Dakien von Augustus bis Gallienus. N e u e Deutsche Forschungen, Abt. Alte Geschichte, Bd. 5, Berlin 1938. — Walter Reidinger, Die Statthalter des ungeteilten Pannonien und Oberpannoniens von Augustus bis Diokletian, Antiquitas 1/2, Bonn 1956. — Gerhard Winkler, Die Reichsbeamten von Noricum und ihr Personal bis zum Ende der römischen Herrschaft, Sitzungsberichte der Osterr. Akademie der Wissensch, phil.-hist. Kl. 261, 2 (1969). — Hansjörg Ubl, D e r österreichische Abschnitt des Donaulimes, Ein Forschungsbericht (1970—1979), Roman Frontier Studies 1979, Papers presented to the 12th International Congress of Roman Frontier Studies II, O x f o r d 1980. — Kurt Genser, D e r österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht, Limes H e f t 33, Wien 1986. — Manfred Kandier - Hermann Vetters, D e r römische Limes in Österreich. Ein Führer, Wien 1986. Städte und Straßen, Handel und Verkehr, S. 2 7 f f . : Über die Städte und größeren Sied-

604

Quellen und Literatur

hingen unterrichten vor allem die Führer des Österreichischen Archäologischen Institutes, doch liegen über einzelne Siedlungen erst vorläufige Abhandlungen vor. Zu vergleichen sind ferner die entsprechenden Artikel in der Realencyclopädie der klassischen Altertumswissenschaft. — In Kürze: Gerhard Lantmann, Die Städte im römischen Österreich, in: Österreichs Städte und Märkte in ihrer Geschichte, Schriften d. Inst. f. Österreichkunde 46, Wien 1985. Aelium Cetium: Balduin Saria, Ausgrabungen in St. Pölten (Cetium), Unsere Heimat, 22 (1951). — Gerhard Winkler, Realencyclopädie Suppl. XIV (sub voce), 1974. Aguntum und Lavant: Erich Swoboda, Führer durch Aguntum, Baden bei Wien 1935. — Franz Miltner\ Lavant und Aguntum, Baden bei Wien 1951. — Wilhelm Alzinger, Aguntum und Lavant, 3. Aufl., Wien 1974. — Stefan Karwiese, Lavant, ein Schwerpunkt in der Frühgeschichte Osttirols, Östtiroler Heimatblätter 41 (1973). — Ders., Der Ager Aguntinus, Eine Bezirkskunde des ältesten Osttirol, Lienz 1975. — Ders., Aguntum — das Ende einer Stadt im Spiegel der Münzfunde, Beiträge zur römerzeitlichen Bodenforschung in Osterr. 2, Wien 1975. — Wilhelm Alzinger, Das Municipium Claudium Aguntum. Aufstieg u. Niedergang d. röm. Welt II, 6 (1977). — Ders., Aguntum und Lavant, Führer 1985. Brigantium: Samuel Jenny, Mitteilungen der Centraikommission, N. F. 24 (1891). — Adolf Hild, Brigantium und seine Vorzeit, Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins, 95 (1952). — Hans Jörg Kellner, Zur Drusus-Inschrift von Bregenz, Bericht über den 12. österr. Historikertag in Bregenz (1973), Wien 1974. — Bernhard Overbeck, Geschichte des Alpenrheintales in römischer Zeit, Teil 1, Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgesch. 20, München 1982. — Das römische Brigantium, Katalog des Vorarlberger Landesmuseums, Bregenz 1985. Carnuntum: Wilhelm Kubitschek und Salomon Frankfurter, Führer durch Carnuntum, 6. Aufl., Wien 1923. — Erich Swoboda, Carnuntum, seine Geschichte und seine Denkmäler, 4. Aufl., Graz-Köln 1964. Vgl. auch Carnuntum-Jahrbuch 1 (1956) — 8 (1963/64). - Eduard Vorbeck - Lothar Beckel, Carnuntum, Salzburg 1973. — Vgl. ferner Hermann Vetters, Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österr. Akad. d. Wiss. 106 (1969) u. Manfred Kandier, ebenda 111 (1975). — Herma Stiglitz - Manfred Kandier - Werner Jobst, Carnuntum, Aufstieg u. Niedergang d. röm. Welt II, 6 (1977). — Eduard Vorbeck, Carnuntum, Ein Kurzführer durch die Ausgrabungen und das Museum, Wien 1978. — Werner Jobst, Provinzhauptstadt Carnuntum, Wien 1983. Flavia Solva: Walter Schmid, Flavia Solva, 2. Aufl., 1917. — Erna Diez, Flavia Solva. Die römischen Steindenkmäler auf Schloß Seggau bei Leibnitz, 2. Aufl., Wien 1959. - Walter Modrijan u. a., 1900 Jahre Flavia Solva, Schild von Steier, Kleine Schriften 11 (1971). — Vgl. auch Ekkehard Weber, Die römerzeitlichen Inschriften der Steiermark, Veröffentlichungen der Historischen Landeskommission für Steiermark, Arbeiten zur Quellenkunde 35 (1969). — Erich Hudeczek, Flavia Solva, Aufstieg u. Niedergang d. röm. Welt II, 6 (1977). Juvavum: Olivier Klose, Max Silber, Juvavum, Führer durch die Altertumssammlungen des Museums Carolino-Augusteum in Salzburg, Wien 1929. — Norbert Heger, Juvavum, Realencyclopädie Suppl. XIII (sub voce) 1973. — Norbert Heger, Salzburg in römischer Zeit, Salzburg 1974. — Werner Jobst, Römische Mosaiken in Salzburg, Wien 1982. Lauriacum: Alexander Gaheis, Lauriacum, Führer durch die Altertümer von Enns, Wien 1937. — Forschungen in Lauriacum, hrsg. von Wilhelm A. Jenny, Hermann Vetters, Lothar Eckhart, Bd. 1 — 10 (1953—1975). — Enns — Lorch — Lauriacum, Festschrift, Linz 1962. — Ekkehard Weber, Die rechtliche Stellung der Zivilstadt von Lauriacum, Jahrbuch d. oberösterr. Musealvereins 117 (1972). — Hermann Vetters, Lauriacum, Aufstieg u. Niedergang d. röm. Welt II, 6 (1977). — Ders., Die Laurentiuskirche von Lorch. Anzeiger d. phil.-hist. Kl. d. Österr. Akad. d. Wiss. 121 (1984). — Rudolf Zinnhobler (Hrsg.), Lorch in der Geschichte, Linz 1981. — Lothar Eckhart, Die Heiligen der Lorcher Basilika und die Archäologie, Oberösterr. Heimatbl. 36 (1982). Lentia: Paul Kamitsch, Beiträge zur Topographie von Lentia, Heimatgaue Jg. 8 (1927). — Ders., Die römischen Gebäude auf der Promenade und in der Steingasse, Jahrbuch der Stadt Linz 1951. — Ders., Ein gallorömischer Umgangstempel in der Linzer Altstadt, Jahrbuch der Stadt Linz 1954. Vgl. auch Rudolf Noll, Römischer Limes in Österreich, 21 (1958). — Paul Karnitsch, Die Linzer Altstadt in römischer und vorgeschichtlicher Zeit. Linzer archäologische Forschungen, Bd. 1, Linz 1962. — Vgl. ferner Linzer archäologische Forschungen 1 — 11 (1962 — 1982), Sonderhefte 1—4 ( 1 9 6 4 - 1 9 7 2 ) . Magdalensberg: Rudolf Egger, Die Stadt auf dem Magdalensberg, ein Großhandelsplatz, Denkschr. d. Österr. Ak. d. Wiss. 79, Wien 1961. — Ders., Grabungsberichte, Carinthia I, Jg.

Quellen und Literatur

605

1949—1969. — Ders., Führer durch die Ausgrabungen und das Museum auf dem Magdalensberg, 19. Aufl., Klagenfurt 1976. — August Obermayr, Kelten und Römer am Magdalensberg. Ruinen, Grabungen, Funde, Wien 1971. — Hermann Vetters - Gernot Piccottini, Magdalensberg-Grabungsbericht 13, 14, 15, Klagenfurt 1973, 1980, 1985. — Gemot Piccottini, Die Stadt auf dem Magdalensberg — ein spätkeltisches und frührömisches Zentrum im südlichen Noricum, Aufstieg u. Niedergang d. röm. Welt II, 6 (1977). — Gernot Picottini - Hermann Vetters, Führer durch die Ausgrabungen auf dem Magdalensberg, 3. Aufl., Klagenfurt 1985. Ο v i l a v a : Ferdinand Wiesinger, Zur Topographie von Ovilava, Jahreshefte des österreichischen archäologischen Instituts, Bd. 21/22, Wien 1924. — Erich Polaschek, Ovilavis, Realencyclopädie, XVIII/2 (sub voce), 1942. — Artur Beiz, Die beschrifteten römischen Steindenkmäler im städtischen Museum von Wels, Jahrbuch des Musealvereins Wels 1954. Gilbert Trathnigg, Die Römerzeit. In: Kurt Holter — Gilbert Trathnigg, Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart, 2. Aufl. Wels 1984/85. Teumia: Rudolf Egger, Teurnia. Die römischen und frühchristlichen Altertümer Oberkärntens, 8. Aufl., Klagenfurt 1979. — Franz Glaser, Die römische Stadt Teurnia. Ein Führer zu den Ausgrabungen und zum Museum, Klagenfurt 1983. Ulrichsberg: Rudolf Egger, Der Ulrichsberg. Ein heiliger Berg Kärntens. 2. Aufl., Klagenfurt 1976. Veldidena: Römisches Militärlager und Zivilsiedlung. Katalog des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Innsbruck 1985. Vindobona: Eduard Nowotny, Das römische Wien und sein Fortleben, Mitteilungen des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 4 (1923). — Erich Polaschek, Die römische Vergangenheit Wiens, ebenda, 15 (1935). — Alfred Neumann, Die römischen Ruinen unter dem Hohen Markt, 3. Aufl., Wien 1964. — Ders., Der Raum von Wien in ur- und frühgeschichtl. Zeit, Wien 1961. — Ders., Vindobona, Realencyclopädie, IX A 1 (sub voce), 1961. — Ders., Forschungen in Vindobona 1948 — 1967, Τ. 1, Lager u. Lagerterritorium, Der römische Limes in Österreich 23 (1967). T. 2, Zivilstadt u. Landbezirk, ebenda 24 (1968). — Ders., Vindobona, Die römische Vergangenheit Wiens, 2. Aufl., Wien-Graz-Köln 1980. — Ortolf Harl, Vindobona, Das römische Wien, Wiener Geschichtsbücher 21/22, Wien-Hamburg 1979. Virunum: Rudolf Egger, Führer durch die Antikensammlung des Landesmuseums in Klagenfurt, Wien 1921. — Ders., Führer durch das Parkmuseum, Klagenfurt 1952. — Camillo Praschniker - Hedwig Kenner, Der Bäderbezirk von Virunum, Wien 1947. — Hermann Vetters, Virunum, Realencyclopädie IX/A 1 (sub voce), 1961. — Ders., Virunum, Aufstieg u. Niedergang d. röm. Welt II, 6 (1977). Römerstraßen, Handel u. Verkehr: Walter Cartellieri, Die römischen Alpenstraßen über den Brenner, Reschen-Scheideck und Plöckenpaß und ihre Nebenlinien, Leipzig 1926. Ulrich Kührstedt, Studien zur politischen und Wirtschaftsgeschichte der Ost- und Zentralalpen vor Augustus, Nachrichten der Ges. d. Wissenschaften zu Göttingen, phil.-hist. Kl. 1927. — Erich Polaschek, Die Tabula Peutingeriana als geographische Quelle für Niederösterreich, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 21 (1928). — Emst Pink, Der Geldverkehr am österreichischen Donaulimes in der Römerzeit, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 25 (1932). — Gertrud Pascher, Römische Siedlungen und Straßen im Limesgebiet zwischen Enns und Leitha. Der römische Limes in Osterreich, Bd. 19, Wien 1949. — Herbert Jandaurek, Oberösterr. Altstraßen — Die Straßen der Römer, Schriftenreihe der oberösterr. Straßenbaudirektion, Bd. 10, Wien 1951. — Rudolf Noll, Römische Siedlungen und Straßen im Limesgebiet zwischen Inn und Enns (Oberösterreich). Römischer Limes in Österreich, 21 (1958). — Hans Malzacher, Der norische Stahl, Carinthia I 160 (1970). — Vgl. auch Gemot Piccottini, Das Wirtschaftsleben der Austria Romana, in: Die Wirtschaftsgeschichte Österreichs, Schriften des Instituts f. Osterreichkunde, Wien 1971. — Ekkehard Weber, Die Straßen der Römerzeit in Österreich und die Tabula Peutingeriana. In: Karl Gutkas - Emst Bruckmüller, Verkehrswege und Eisenbahnen, Schriften des Inst. f. Osterreichkunde 53, Wien 1989. Die germanischen Nachbarn. Markomannenkrieg und Alamanneneinfalle, S. 3 0 f f : Eduard Beninger, Die Germanenzeit in Niederösterreich, Wien 1934. — Ludwig Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme, II. Abteilung (Westgermanen), 2. Aufl., 2. Bd., Teil 1, München 1938 (Die Markomannen und Quaden, S. 153 ff.); Teil 2, München 1940 (Die Semnonen und Alamannen, S. 3 ff.). — G. J. Wais, Die Alamannen und ihre Auseinandersetzung mit der römischen Welt, 2. Aufl., Berlin 1941. — Willem Zwikker, Studien zur Markussäule, Amsterdam 1941. — Theodor Hopfner, Griechisch-lateinisch-deutsches Quellenbuch zur Siedlung und

606

Quellen und Literatur

Geschichte der Germanen im Böhmisch-mährischen, schlesischen und Karpatenraume, Stuttgart-Prag 1943. — Franz Hampl, Kaiser Marc Aurel und die Völker jenseits der Donaugrenze, Richard-Heuberger-Festschrift, Innsbruck 1960. — Josef Dobias, King Maroboduus as a Politician, Klio 38 (1960). — Anthony Birley, Mark Aurel, Kaiser und Philosoph, München 1968. — Karl Lennartz, Zwischeneuropa in den geographischen Vorstellungen und der Kriegführung der Römer in der Zeit von Caesar bis Marcus Aurelius, Bonn 1969. — Germanen, Awaren, Slawen in Niederösterreich, Ausstellungskatalog des Niederösterr. Landesmuseums, Wien 1977. — Rainer Christlein, Die Alemannen, Archäologie eines lebendigen Volkes, Stuttgart und Aalen 1978. — Marianne Pollak, Die germanischen Bodenfunde des 1.—4. Jahrhunderts nach Chr. im nördlichen Niederösterreich, Wien 1980. — Gerhard Langmann, Die Markomannenkriege 166/167 bis 180, Militärhist. Schriftenreihe 43, Wien 1981. — Helmut Windl, Niederösterreich nördlich der Donau in der römischen Periode, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 52, St. Pölten-Wien 1981. Die Reorganisation der Provinzen unter Diokletian und Konstantin, S. 3 2 f f : Rudolf Egger, Die Ostalpen in der Spätantike, in: Das neue Bild der Antike, hrsg. von H. Berve, Bd. 2, Rom-Leipzig 1942. — Emst Stein, Geschichte des spätrömischen Reiches, Bd. 1 (284—476), Berlin 1928. — D. van Berchem, L'armee de Diocletian et la reforme constantinienne, Paris 1952. — Joseph Vogt, Constantin der Große und sein Jahrhundert, München 1949. — Emilienne Demougeot, La formation de l'Europe et les invasions barbares, 2 Bde., Paris 1969, 1979. Das spätantike Christentum, S. 3 4 f f : Fritz Kaphahn, Zwischen Antike und Mittelalter. Das Donau-Alpenland im Zeitalter Sankt Severins. München 1947. (Ideenreiche, in der Gesamtauffassung recht problematische Darstellung.) — Rudolf Noll, Frühes Christentum in Österreich, Wien 1954. (Klare Zusammenfassung mit Anführung der schriftlichen Quellen und der Grabungsergebnisse.) — Ignaz Zibermayr, Noricum, Baiern, Osterreich, 2. Aufl., Graz-Wien 1956. (Namentlich über die Florianlegende und Lorcher Tradition.) — Vgl. auch Adolf Lippold und Emst Kirsten in: Reallexikon f. Antike und Christentum, 4 (1959), 166 ff. (Donauprovinzen, Christianisierung). — Herma Stiglitz, Römische Lager und frühmittelalterl. Siedlungen am norischen Limes, Jahreshefte des österr. archäolog. Instituts 46 (1961 —1963). — Rudolf Egger, Berichte über die altchristlichen Funde in Österreich 1954—1962. Atti del VI Congresso Internazionale di Archeologia Cristiana Ravenna 1962 (Roma 1965). — Kurt Reindel, Die Bistumsorganisation im Alpen-Donau-Raum in der Spätantike und im Frühmittelalter, M I O G 72 (1964). — Friedrich Lotter, Severinus und die Endzeit römischer Herrschaft an der oberen Donau, Deutsches Archiv 24 (1968). — Vgl. auch ders. ebenda 26 (1970) bzw. Hist. Zeitschr. 212 (1971). — Ders., Severinus von Noricum, Legende und historische Wirklichkeit, Stuttgart 1976. — Friedrich Prinz, Zur Vita Severini, Deutsches Archiv 26 (1970). — Heinrich Koller, Die Christianisierung des Ostalpenraumes, in: Religion und Kirche in Osterreich, Schriften des Instituts f. Osterreichkunde, Wien 1972. — Istvän Bona, Severiniana, in: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 21 (1973). — Peter F. Barton, Die Frühzeit des Christentums in Osterreich und Südostmitteleuropa bis 788, Wien-Köln-Graz 1975. — Rudolf Noll, Neuere Funde u. Forschungen zum frühen Christentum in Österreich (1954—1974), Mitteilungen d. Österr. Arbeitsgemeinschaft für Urund Frühgeschichte 25 (1974/1975). — Baudouin de Gaifßer, La Vie de Saint Severin du Norique, Analecta Bollandiana 95 (1977). — Severin. Zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Ausstellung des Landes Oberösterreich im Stadtmuseum Enns (Katalog), Linz 1982. — Rudolf Zinnhobler, Der heilige Severin. Sein Leben und seine Verehrung, Linz 1982. — Franz Glaser, Die römische Siedlung Iuenna und die frühchristlichen Kirchen am Hemmaberg, Ein Führer, Klagenfurt 1982. — Rajko Bratoz, Severinus von Noricum und seine Zeit, Denkschriften der phil.-hist. Kl. der Österr. Akad. d. Wissenschaften 165, Wien 1983. — Renate Pillinger, Christenverfolgung und „Tempelsturm" in der Austria Romana, in: Wellen der Verfolgung in der österreichischen Geschichte, Schriften d. Inst. f. Österreichkunde 48, Wien 1987. — Dorit Schön, Orientalische Kulte im römischen Osterreich, Wien-Köln-Graz 1988. Wissenschaftliche Ausgaben des Textes der Florianlegende geben Bruno Krusch, Neues Archiv 28 (1903), S. 386 ff. und Willibrord Neumüller, Der hl. Florian und seine „Passio". Mitt. d. oö. Landesarchivs 10 (1971). Vgl. auch ders., Die Lorcher Märtyrer, w. o. 11 (1974). — Zur Florian-Literatur vgl. Karl Rehberger, in: Rudolf Zinnhobler (Hrsg.), Lorch in der Geschichte, Linz 1981. Von der Vita sancti Severini liegen zahlreiche Ausgaben vor, maßgebend ist die Edition Theodor Mommsens, Eugippii Vita Sancti Severini (Mon. Germ. Script, in

Quellen und Literatur

607

usum scholarum), Berlin 1898. Deutsch-lateinische Ausgaben mit zahlreichen Schrifttumsverweisen und ausführlichem Sachkommentar bei Rudolf Noll, Das Leben des heiligen Severin, Linz 1947 bzw. Berlin 1963. Vgl. auch die Literaturübersicht von R. Noll in M I O G 59 (1951), S. 440 ff. bzw. Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österr. Akad. d. Wissenschaften 112 (1975), 118 (1981) sowie die obengenannten Arbeiten von Lotter, Prinz und Bratoz. Das Ende der Römerherrschaft und die Durchzüge der Ostgermanen, S. 35 ff.: Ludwig Schmidt, Die Ostgermanen, Neudr. d. 2. Aufl., München 1969. — Emst Stein, Histoire du Bas-Empire (476—565), Paris 1949. — Andreas Alföldi, Das Ende der Römerherrschaft in Pannonien, Ungar. Bibliothek, I. Reihe, Bd. 10, 12, Berlin 1924—1926. — Joachim Werner, Die Langobarden in Pannonien. Bayerische Akademie d. Wissensch., Abhandlungen N. F. 55 (1962). — Herbert Mitscha-Märheim, Dunkler Jahrhunderte goldene Spuren, Die Völkerwanderungszeit in Österreich, Wien 1963. — Friedrich Lotter, Zur Rolle der Donausueben in der Völkerwanderungszeit, MIÖG 76 (1968). — Läszlö Värady, Das letzte Jahrhundert Pannoniens 376—476, Amsterdam 1969. — Erich Zöllner, Bevölkerung und Siedlung des österr. Raumes in der Völkerwanderungszeit. In: Siedlungs- u. Bevölkerungsgeschichte Österreichs, hrsg. v. Institut f. Österreichkunde, Wien 1974. — La civiltä dei Longobardi in Europa. Hrsg. Accademia Nazionale dei Lincei, Roma 1974. — Istvan Bona, Der Anbruch des Mittelalters, Gepiden und Langobarden im Karpatenbecken, Budapest 1976. — Herwig Friesinger Horst Adler, Die Zeit der Völkerwanderung in Niederösterreich, Wissenschaftliche Schriftenreihe Niederösterreich 42/43, Wien-St. Pölten 1979. — Herwig Wolfram - Falko Daim (Hrsg.), Die Völker an der mittleren und unteren Donau im 5. u. 6. Jahrhundert, Denkschriften der phil.-hist. Kl. d. Österr. Akad. d. Wiss. 145, Wien 1980. — Herwig Wolfram, Geschichte der Goten von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 3. Aufl., München 1990. — Ders., Ethnogenesen im frühmittelalterlichen Donau- und Ostalpenraum, in: Nationes 5, Sigmaringen 1985. — Vgl. auch ders., Die Geburt Mitteleuropas etc. (s. unter III. unten!). — Wilfried Menghin, Die Langobarden, Archäologie und Geschichte, Stuttgart 1985. Uber Favianis (Mautern) vgl. Herma Stiglitz-Thaller in Jahreshefte des österr. archäolog. Instituts 37—40, 43 (1948, 1950, 1952, 1953, 1956—58). — Dies., Führer durch das römische Mautern an der Donau, Wien 1963. — Die mehrfach und insbesondere in dem Werke von Emst Karl Winter und Klemens Kramert, St. Severin, der Heilige zwischen Ost und West, 2 Bde., Klosterneuburg (1958/59), verfochtene Identifizierung von Favianis mit Heiligenstadt (Wien XIX) und eines in der dortigen Jakobskirche gefundenen spätrömischen Grabes mit der Ruhestätte des hl. Severin muß zurückgewiesen werden. Vgl. Karl Lechner, Wiener Geschichtsblätter 8 (1953), S. 54 ff. und 9 (1954), S. 31 ff.; Alfted Neumann, Die Ausgrabungen in der Jakobskirche in Wien-Heiligenstadt 1952/1953, in: Bonner Jahrbücher 162 (1962). — Albrecht Aign, Favianis und der hl. Severin, Ostbairische Grenzmarken 3 (1959), 6 (1962/63), 7 (1964/65). — Auf Widerspruch stießen die Thesen von Johanna Haberl, Favianis, Vindobona und Wien, Leiden 1976. — Vgl. auch: Der heilige Severin in Favianis. Mautern, Zwentendorf oder Wien, Baden 1981. — Severin. Zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Ausstellung des Landes Oberösterreich 1982 (Katalog), Linz 1982. — Harald Dickenhof, De instituto Sti. Severini. Zur Genese der Klostergemeinschaft des hl. Severin. Zeitschr. f. bayer. Landesgesch. 46 (1983). III. Bairisches Stammesherzogtum und fränkische Mark, S. 39 ff. Für die frühmittelalterliche Epoche der österreichischen Geschichte vgl. vor allem: Herwig Wolfram, Die Geburt Mitteleuropas. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung 378—907, Wien 1987 (mit ausführlichen Literatur- und Quellennachweisen). Vgl. ferner Herbert Mitscha-Märheim, Zwischen Antike und Hochmittelalter, in: Unvergängliches Osterreich, S. 49, insbes. S. 53 ff.; ders., Dunkler Jahrhunderte goldene Spuren (wie oben, zu Kap. II). Über Kirche und Mission Wodka, Kirche in Österreich, Kap. II, S. 21 ff.; III., S. 39 ff. Brauchbar ist noch immer Riezler, Geschichte Baierns 1/1, 2. Aufl. (1927). Einen kurzen Uberblick gibt Erich Zöllner, Zur Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte des österreichischen Frühmittelalters, OGL 5 (1961) bzw. ders., Bevölkerung und Siedlung des österr. Raumes in der Völkerwanderungszeit (s. oben). Vgl. ferner die unten, S. 616, erwähnten Arbeiten zur Siedlungsgeschichte des Hochmittelalters. Eine Reihe wichtiger Abhandlungen erschien in dem von Karl Bosl herausgegebenen Sammelband: Zur Geschichte der Bayern, Wege der Forschung 60, Darmstadt 1965. — Vgl. ferner Handbuch der bayerischen Geschichte, hrsg. von Max Spindler, 2. Aufl., Bd. 1, München 1981. — Katalog Baiernzeit in

608

Quellen und Literatur

Oberösterreich, Ausstellung des oberösterr. Landesmuseums Linz 1977. — Katalog Germanen, Awaren, Slawen, Ausstellung des niederösterr. Landesmuseums, Wien 1977. — Baiern und Slawen in Oberösterreich. Probleme der Landnahme und Besiedlung. Red. v. Kurt Holter, Schriftenreihe des Oberösterr. Musealvereins 10, Linz 1980. — Herwig Wolfram, Die Geschichte Österreichs vor der Entstehung Österreichs, Anzeiger der phil.-hist. KL der Österr. Akad. d. Wiss. 117 (1980). — Ders., Botschaften aus dem M e e r ob der Enns. Enträtselte Bildgeschichten nach Kult- und Herrschaftsdarstellungen des f r ü h e n Mittelalters, W i e n - K ö l n - G r a z 1984. — Kurt Reindel, Die Bajuwaren, Quellen, Hypothesen, Tatsachen, Deutsches Archiv f. Erforschung des Mittelalters 37 (1981). Zu den Quellen (namentlich Annalen, Hagiographie, U r k u n d e n , Traditionsnotizen und verschiedene nichtschriftliche Quellengruppen) vgl. Alphons Lhotsky, Quellenkunde, Abschnitt Frühmittelalter, S. 143 ff. — Heinrich Fichtenau, Das Urkundenwesen in Osterreich vom 8. bis zum f r ü h e n 13. Jahrhundert, M I Ö G - E r g . -Bd. 23 (1971). — Siegfried Haider, Die schriftlichen Quellen zur Geschichte des österreichischen Raumes im f r ü h e n und hohen Mittelalter. Die Quellen der Geschichte Österreichs. Schriften des Inst. f. Osterreichkunde 40, Wien 1982. — Fritz Felgenhauer, Bibliographie zur Archäologie des Mittelalters in Österreich, Zeitschr. f. Archäologie des Mittelalters 8 (1980). Herkunft und Landnahme der Baiern, S. 39ff.: Ludwig Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme, Die Westgermanen, M ü n c h e n 1970, S. 194 ff.: Die Baiern. — Ernst Klebel, Langobarden, Baiuwaren, Slawen, Mitt. der anthropologischen Gesellschaft in Wien, 69 (1939; auch zum folgenden Abschnitt zu vergleichen). — Heinz Löwe, Die H e r k u n f t der Bajuwaren, Zeitschrift f ü r bayerische Landesgeschichte, 15 (1949, Sueventheorie). — Joseph Schnetz, „Baias" und der Baiernname. Zwei historisch-philologische Streitfragen. Ebenda, 16 (1951). — Herbert Mitscha-Märheim, Die H e r k u n f t der Baiern, Mitteilungen der anthropol. Gesellschaft usw., 80 (1950, Vereinigung verschiedener, auch nichtgermanischer Elemente zum Baiernstamm). — Fritz Popelka, Die Streitfrage über die H e r k u n f t der Baiern, Zeitschr. des Histor. Vereines f ü r Steiermark, 43 (1952, kritische Zusammenfassung verschiedener Ansichten). — Erich Zöllner, Die H e r k u n f t der Agilulfinger, M I Ö G 59 (1951). — Joachim Werner, Die H e r k u n f t der Bajuwaren und der „östlich-merowingische" R.eihengräberkreis. In: Aus Bayerns Frühzeit. Friedrich Wagner zum 75. Geburtstag. Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 62 (1962). — Friedrich Prinz, H e r z o g und Adel im agilolfingischen Bayern. Zeitschrift f ü r bayerische Landesgeschichte 25 (1962). (Die drei letztgenannten Arbeiten erschienen auch in dem oben angeführten Sammelband Z u r Geschichte der Bayern.) — Vgl. ferner Hertha Ladenbauer-Orel, Linz-Zizlau, Das baierische Gräberfeld an der T r a u n m ü n d u n g , Wien-München 1960. — Eduard Beninger - Aemilian Kloiber, Oberösterreichs Bodenfunde aus baierischer und frühdeutscher Zeit, Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins 107 (1962). — Ernst Schwarz, Das Ende der Völkerwanderungszeit in Böhmen und die H e r k u n f t s f r a g e der Baiern. Bohemia, Jahrb. des Collegium Carolinum, 8 (1967). — Helmut Preidel, Das Ende der germanischen Völkerwanderungszeit an der mittleren D o n a u und die Baiwaren, ebenda 10 (1969). — N e u e Ausgrabungen in Bayern, hrsg. von Klaus Schwarz, München 1970. — Erich Zöllner, Das Geschlecht der Agilolfinger, Mitt. des Oberöst. Landesarchivs, Erg. -Bd. 2 (1978). Neudruck: Zöllner, Probleme und Aufgaben etc., Wien 1985. — Jörg Jarnut, Agilolfingerstudien. Untersuchungen zur Gesch. einer adeligen Familie im 6. u. 7. Jhdt. Monographien zur Gesch. des Mittelalters 32, Stuttgart 1980. — Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1, 2, hrsg. v. Herwig Wolfram, Andreas Schwarcz, Herwig Friesinger, Falko Daim, Denkschr. d. österr. Ak. d. Wiss., phil-hist. Kl. 179, 180, Wien 1985. — Helmut Beumann und Werner Schröder (Hrsg.), Frühmittelalterliche Ethnogenese im Alpenraum, Nationes 5, Dies. (Hrsg.), Die transalpinen Verbindungen der Bayern, Alemannen und Franken bis zum 10. Jhdt., Nationes 6, Sigmaringen 1985, 1987. — Typen der Ethnogenese, Bd. 1, 2, hrsg. von Herwig Wolfram, Walter Pohl, Herwig Friesinger, Falko Daim, Denkschriften der österr. Ak. d. Wiss., phil-hist. Kl., 201, 204, Wien 1990. Awaren und Slawen, S. 42 ff: Η. H. Howorth, T h e Awars, Journal of the Royal Asiatic Society, Ν. S. 21 (1889). — Ludmil Hauptmann, Politische Umwälzungen unter den Slowenen vom Ende des 6. Jahrhunderts bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts, Mitt. des Inst. f. österr. Geschichtsforschung, 36 (1915). — Andreas Alföldi, Z u r historischen Bestimmung der Awarenfunde, Eurasia Septemtrionalis Antiqua, 9 (Helsinki 1934). — Josip Mal, Probleme aus der Frühgeschichte der Slowenen, Ljubljana 1939. — Erich Zöllner, Awarisches Namensgut in Bayern und Österreich, M I Ö G 58 (1950). — Herbert Mitscha-Märheim, N e u e B o d e n f u n d e zur Geschichte der Langobarden und Slawen im österreichischen D o n a u r a u m ,

Quellen und Literatur

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Carinthia I, 143 (1953). — Arnulf Kollautz, Die Awaren. Schichtungen in einer N o m a d e n herrschaft. Saeculum, 4 (1954). — Ders., Bibliographie der hist, und archäol. Veröffentl. zur Awarenzeit, Kärntner Museumsschriften 38, Klagenfurt 1965. — Ders. u. Hisayuki Mijakawa, Geschichte und Kultur eines völkerwanderungszeitlichen Nomadenvolkes, Die Jou-Jan der Mongolei und die Awaren in Mitteleuropa, 2 Teile, Aus Forschung und Kunst, hrsg. v. Geschichtsverein v. Kärnten, Bd. 10, 11, Klagenfurt 1970. — Gyula Ldszlo, Etudes arcneologiques sur l'histoire de la societe des Avars, Budapest 1955. — Herwig Ebner, Von den Edlingern in Innerösterreich, Archiv f. vaterländische Geschichte u. Topographie, 47 (1956, mit einer Zusammenfassung älterer Thesen). — Dezsö Csalläny, Archäologische Denkmäler der Awarenzeit in Mitteleuropa, Budapest 1956. — Milko Kos, Zgodovina Slovencev od naselitve d o petnajstega stoletja (Geschichte der Slowenen von der Landnahme bis zum 15. Jahrhundert), Ljubljana 1955. — Lubomir Havlik, Stari Slovane ν Dolnich, R a k o u sich (Die alten Slawen in Niederösterreich), Casopis spolecnosti prätel starozitnosti 64 (1956). — Ders., Die alten Slawen im österreichischen Donaugebiet, Österreich in Geschichte und Literatur 9 (1965). — Gotbert Moro, Z u r politischen Stellung Karantaniens im fränkischen und deutschen Reich, Südostforschungen 22 (1963). — Sergij Vilfan, Rechtsgeschichte der Slowenen, Grazer rechts- und staatswissenschaftliche Studien 21, Graz 1968. — Frantisek Graus - Herbert Ludat, Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, Wiesbaden 1967. — Herwig Friesinger, Studien zur Archäologie der Slawen in Niederösterreich, Mitt. der Prähist. Kommission der Osterr. Akademie der Wissensch. 15/16, 17/18, Wien 1974, 1977. — Ders., Die Slawen in Niederösterreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 15 (o. J.). - Hermann Baltl, Z u r karantanischen Geschichte des 6.—9. Jhdts. In: Festschr. f. Nikolaus Grass, Bd. 1, Innsbruck 1974. — Alexander Avenarius, Die Awaren in Europa, Bratislava 1974. — Falko Daim, Die Awaren in Niederösterreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 28 (1977). — Ders., Archäologische Zeugnisse z u r Geschichte des Wiener Raumes im Frühmittelalter, Wiener Geschichtsblätter 36 (1981). — Ders., Das awarische Gräberfeld von Leobersdorf, Studien zur Archäologie der Awaren 13, Wien 1987. — Wolfgang H. Fritze, Z u r Bedeutung der Awaren f ü r die slawische Ausdehnungsbewegung im f r ü h e n Mittelalter, Zeitschr. f. Ostforschung 28 (1979). — Walter Pohl, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa, München 1988. Vgl. ferner Erwin Herrmann, Slawisch-germanische Beziehungen im südostdeutschen Raum von der Spätantike bis zum Ungarnsturm, Ein Quellenbuch mit Erläuterungen, M ü n chen 1965. Das Problem der Kontinuität der römischen Kultur, S. 46ff.: Alfons Dopsch, Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung von Cäsar bis auf Karl den Großen, 2. Aufl., 2 Bde., Wien 1923—1924. — Erna Patzelt, Die Kontinuitätsfrage, in: Wirtschaft u. Kultur, Festschrift zum 70. Geburtstag von Alfons Dopsch, Baden bei WienLeipzig 1938. — Anselm Sparber, Das Bistum Sabiona in seiner geschichtlichen Entwicklung, Brixen 1942. — Franz Brosch, Agrarische Zenturien in Lorch, Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins, 92 (1947). — Ders., Romanische Quadrafluren in Ufernoricum, Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins, 94 (1949). — Ders., Romanische Quadrafluren im Lande Salzburg, Mitt. d. Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde, 88/89 (1948/49). — Rudolf Egger, Die ecclesia secundae Raetiae, Festschrift f. Paul Reinecke (Mainz 1950). — Karl Oettinger, Das Werden Wiens, Wien 1951 (Sicherung der Siedlungskontinuität, die Samothese ist abzulehnen). — Eugen Ewig, Das Fortleben römischer Institutionen in Gallien und Germanien, in: Comitato Internationale di Scienze Storiche. X. Congresso Internazionale Roma 1955. Vol. VI. (1955, mit Angabe zahlreicher Literatur zu Einzelfragen). — Hermann Vetters, D e r Georgenberg bei Micheldorf, Oberösterreich, Jahreshefte des österr. archäolog. Instituts, XLIII (1956—1958, Beiblatt). — Ders., Tutatio, Die Ausgrabungen auf dem Georgenberg und in Micheldorf, Der römische Limes in Osterreich 28, Wien 1976. — Ders., Die Kontinuität von der Antike zum Mittelalter im Ostalpenraum, in: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters. Vorträge und Forschungen 10, Stuttgart 1965. — Ders., Das Problem der Kontinuität von der Antike zum Mittelalter in Osterreich, Gymnasium 76 (1969). — Ders., Zum Problem der Kontinuität im niederösterreichischen Limesgebiet, Jb. f. Landeskunde v. Niederösterreich 38 (1970). — Erich Zöllner, Die Lorcher Tradition im Wandel der Jahrhunderte, M I Ö G 71 (1963) bzw. Neufassung in: Rudolf Zinnhobler, Lorch in der Geschichte, Linz 1981. — Karl Finsterwalder, Romanische Vulgärsprache in Rätien und N o r i k u m von der römischen Kaiserzeit bis zur Karolingerepoche, Festschr. Karl Pivec, Innsbrucker Beiträge z. Kulturwissensch. 12 (1966). — Friedrich Prinz, Salzburg zwischen Antike

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Quellen und Literatur

und Mittelalter, Frühmittelalterliche Studien 5 (1971). — Ders., Bayern, Salzburg und die Frage der Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter, Mitt. der Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde 115 (1975). — Zur Lorcher Tradition vgl. auch Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs 11 (1974) und R. Zinnhobler (Hrsg.), Lorch in der Geschichte, Linz 1981. — Joachim Werner u. Eugen Ewig (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen Mittelalter, Vorträge und Forschungen 25, Sigmaringen 1979. — Heinrich Koller, Das Kontinuitätsproblem im Salzburger Raum, Berichte zur deutschen Landeskunde 73 (1979). — Dieter Messner (Hrsg.), Das Romanische in den Ostalpen, Vorträge u. Aufsätze, Sitzungsberichte der Osterr. Akad. d. Wiss. 442, Wien 1984. Das Frankenreich und die frühmittelalterliche christliche Mission, S. 49ff.: Heinz Löwe, Die fränkische Reichsgründung und der Südosten, Stuttgart 1937. — Franz Juraschek und Wilhelm A. Jenny, Die Martinskirche in Linz, Linz 1949. — Erich Zöllner, Woher stammte der heilige Rupert? Mitt. des Instituts f. österr. Geschichtsforschung, 57 (1949, hält an den wesentlichen Punkten der Salzburger Uberlieferung fest). — Ders., Der bairische Adel und die Gründung von Innichen, ebenda, 68 (1960). — Theodor Schieffer, Angelsachsen und Franken, Akademie der Wissenschaften und d. Literatur, Mainz, Abhandlungen der Geistesu. sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 1950, Nr. 20. — Ders., Winfried-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg 1954. — Günther Haseloff, Der Tassilokelch, München 1951. — Heinz Löwe, Ein literarischer Widersacher des Bonifatius. Virgil von Salzburg und die Kosmographie des Aethicus Ister. Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Mainz), Abhandlungen usw., 11. Jg., .1951. - Ignaz Zibermayr, Die Rupertlegende, M I Ö G 62 (1954, bezweifelt die Saizburger Überlieferung). — Hermann Vetters, Die Grabungen im Salzburger Dom in den Jahren 1955 bis 1958, Kunstchronik, 11 (1958). — Ders., Die mittelalterlichen Dome zu Salzburg, in: Beiträge zur Kunstgeschichte und Archäologie des Frühmittelalters. Graz-Köln 1962. — Ders., Die mittelalterlichen Dome in Salzburg, Frühmittelalterliche Studien 5 (1971). — Franz Fuhrmann, Die romanischen Dome zu Salzburg, in: Der Dom zu Salzburg. Symbol und Wirklichkeit, Salzburg 1959. — Willibrord Neumüller und Kurt Holter, Der Codex Millenarius, Linz 1959. — Heinrich Fichtenau, Die Urkunden Herzog Tassilos III. und der „Stiftsbrief" von Kremsmünster, MIÖG 71 (1963). — Herwig Wolfram, Das Fürstentum Tassilos III., Herzogs der Bayern, Mitt. der Gesellsch. f. Salzburger Landeskunde 108 (1968). — Ders., Der Zeitpunkt der Bischofsweihe Virgils von Salzburg, M I O G 79 (1971). — Ders., Der heilige Rupert und die antikarolingische Adelsopposition, M I O G 80 (1972). — Herbert Klein, Salzburg an der Slawengrenze, Südostdeutsches Archiv 11 (1968). — Franz Pagitz, Virgil als Bauherr der Salzburger Dome, Mitt. der Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde, 109 (1969). — Siegfried Haider, Zur Baugeschichte des Salzburger Virgil-Domes, M I Ö G 80 (1972). — Hans Bachmann, Studien z. Entstehung d. in der Notitia Arnonis genannten Kirchen Tirols 1, 2, M I Ö G 81, 82 (1973, 1974). — Vgl. auch Heinrich Koller, Christianisierung des Ostalpenraumes (oben S. 606). — Ders., Zur Gründung des Klosters Kremsmünster, Jahrbuch d. Musealvereines Wels 23 (1981). — 1200 Jahre Dom zu Salzburg 774—1974, Salzburg 1974. — Cremifanum 777—1977. — Festschrift z. 1200 Jahrfeier des Stiftes Kremsmünster, hrsg. v. oö. Landesarchiv etc., Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs 12, 1977. — Die Anfänge des Klosters Kremsmünster, red. v. Siegfried Haider, Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs, Erg. -Bd. 2, 1978. — Hans-Dietrich Kahl, Zur Rolle der Iren im östlichen Vorfeld des agilolfingischen u. frühkarolingischen Baiern, Die Iren und Europa im frühen Mittelalter, hrsg. v. Heinz Löwe, Bd. 1, Stuttgart 1982. — Heinrich Koller, Die Iren und die Christianisierung der Baiern, ebenda. — Heinz Dopsch Roswitha Juffinger (Hrsg.), Virgil von Salzburg, Missionar und Gelehrter (Symposium 1984), Salzburg 1985. — Franz Glaser - Kurt Karpf, Ein karolingisches Kloster. Baierisches Missionszentrum in Kärnten (Molzbichl), Wien 1988. Vgl. auch: Salzburg im 8. Jahrhundert (Beiträge von Andreas Lippert, Friedrich Prinz, Herwig Wolfram, Helmut Beumann, Kurt Reindel, Heinz Löwe, Hans Sedlmayr, Kurt Holter), Mitt. d. Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde 115 (1975). — Vgl. ferner St. Peter Salzburg, Katalog der Landesausstellung Salzburg 1982. — Eberhard Zwink (Hrsg.), Frühes Mönchtum in Salzburg, Salzburg Diskussionen 4, Salzburg 1983. Das Ende des agilolfingischen Herzogtums, S. 5 2 f f : Die karolingischen Marken im Südosten, S. 54ff.: Emst L. Dümmler, Über die südöstlichen Marken des fränkischen Reiches, AÖG 10 (1853). — Ders., Geschichte des ostfränkischen Reiches, 2. Aufl., 3 Bde., Leipzig 1887—1888. — Sigurd Abel, Bernhard Simson, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen, Bd. 1, 2. Aufl., Leipzig 1888; Bd. 2, ebenda, 1883. — Hans Pirchegger, Karanta-

Quellen und Literatur

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nien und Unterpannonien zur Karolingerzeit, MIÖG 33 (1912). — Emst Klebel, Die Ostgrenze des Karolingerreiches, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, 21 (1928). — Ders., Herzogtümer und Marken bis 900, Deutsches Archiv, 2 (1938). — Francis Dvomik, Les Legendes de Constantin et de Methode, vues de Byzance, Paris 1933. — Heinz Zatschek, Wie das erste Reich der Deutschen entstand. Staatsführung, Reichsgut und Ostsiedlung im Zeitalter der Karolinger, Prag 1940. — Jan Dekan, RiSa Velkomoravskä. Slovenske Dejiny II (Das großmährische Reich. Slowakische Geschichte II), Bratislava 1951. — Josef Cibulka, Velkomoravsky kostel ν Modre u Velehradu a zacätky kfestanstvi na Morave (Die großmährische Kirche in Modra bei Welehrad und die Anfänge des Christentums in Mähren, mit ausführlicher deutscher Zusammenfassung), Prag 1958. — Josef Poulik, Die neuesten Entdekkungen aus Hauptburgen des Großmährischen Reiches, Jahrbuch f. fränk. Landesforschung, 19 (1959). — Franz Grivec, Konstantin und Method, Lehrer der Slaven, Wiesbaden 1960. — Franz Zagiba, Die bairische Slawenmission und ihre Fortsetzung durch Kyrill und Method. Jahrbücher f. Geschichte Osteuropas, N. F. 9 (1961). — Ders., Zur Geschichte Kyrills und Methods und der bairischen Ostmission (Forschungsbericht), ebenda. — Michael Mitterauer, Karolingische Markgrafen im Südosten, AÖG 123 (1963). — Cvrillo-Methodiana. Zur Frühgeschichte des Christentums bei den Slawen. Hrsg. von M. Hellmann u. a., Köln-Graz 1964. — Heinrich Koller, Enns und Wien in der Karolingerzeit, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 36/1 (1964). - Kurt Reindel, Bayern im Karolingerreich. In: Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben, Bd. 1, Persönlichkeit und Geschichte. Düsseldorf (1965). — Josef Deer, Karl der Große und der Untergang des Awarenreiches. Ebenda. — Arnulf Kollautz, Awaren, Franken u. Slawen in Karantanien und Niederpannonien und die fränkische und byzantinische Mission. Carinthia I 156 (1966). — Helmut Preidel, Das Großmährische Reich im Spiegel der neueren tschechischen Literatur. Österr. Osthefte 8 (1966). — Peter Csendes, Zu den Awarenkriegen unter Karl d. Großen, Unsere Heimat 41 (1970). — Wilhelm Stürmer, Adelsgruppen im früh- und hochmittelalterlichen Bayern, München 1972. — Herwig Wolfram, Die Karolingerzeit in Niederösterreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 46, St. Pölten 1980. — Ders., Conversio Bagoariorum et Carantanorum, Wien-Köln-Graz 1979. — Heinz Dopsch, Passau als Zentrum der Slawenmission. Ein Beitrag zur Frage des „Großmährischen Reiches", Südostdeutsches Archiv 28/29 (1985/86). — Ders. (Hrsg.) Salzburg und die Slawenmission. Zum 1100. Todestag des hl. Methodius. Salzburg 1986. Der Zusammenbruch der karolingischen Marken im Ungarnsturm, S. 59 f.: Rudolf Lüttich, Die Ungarnzüge in Europa im zehnten Jahrhundert, Berlin 1910 (Eberings Historische Studien, Nr. 84). — Bälint Höman, Geschichte des ungarischen Mittelalters, Bd. 1, Berlin 1940. — Gina Fasoli, Le incursioni ungare in Europa nel secolo X, Firenze 1945. — Kurt Reindel, Die bayerischen Luitpoldinger 893—989 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, N. F. 11), München 1953. — Thomas von Bogyay, Lechfeld, Ende und Anfang. Geschichtliche Hintergründe, ideeller Gehalt und Folgen der Ungarnzüge. München 1955. — Michael Mitterauer, Wirtschaft und Verfassung in der Zollordnung von Raffelstetten. Mitt. des oberösterr. Landesarchivs 8 (1964). — Istvän Dienes, Die Ungarn um die Zeit der Landnahme, Budapest 1972. Zur Köttlachkultur vgl. Richard Pittioni, Der frühmittelalterliche Gräberfund von Köttlach, Brünn-München-Wien 1943. IV. Die Babenberger und das Werden der österreichischen Länder, S. 61 ff. Literatur über allgemeine Fragen des österreichischen Hochmittelalters: Georg Juritsch, Geschichte der Babenberger und ihrer Länder, Innsbruck 1894 (als Materialsammlung wichtig, sonst vielfach veraltet). — Viktor Hasenöhrl, Deutschlands südöstliche Marken im 10., 11. und 12. Jahrhundert, AÖG 82 (1895). — Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. 5. Aufl., Wien 1965. — Otto H. Stowasser, Das Land und der Herzog, Wien 1925. — Karl Lechner, Grafschaft, Mark und Herzogtum, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, 20 (1926). — Ders., Die Babenberger und Österreich, Sammlung „Der Bindenschild", Heft 6, Wien 1947 (kurze Zusammenfassung mit besonderer Würdigung von Siedlungs- und Verfassungsgeschichte). — Ders., Die territoriale Entwicklung von Mark und Herzogtum Österreich, Unsere Heimat, 24 (1953). — Ders., Die Bildung des Territoriums und die Durchsetzung der Territorialhoheit im Raum des östlichen Osterreich, Vorträge und Forschungen 14 (1971). —

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Quellen und Literatur

Ders., Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Osterreich 976—1246, 3. Aufl., Wien-Köln-Graz 1985. — Fritz Eheim, Zur Geschichte der Beinamen der Babenberger, Unsere Heimat, 26 (1955). — Michael Mitterauer, Zur räumlichen Ordnung Österreichs in der frühen Babenbergerzeit. MIÖG 78 (1970). — Ders., Formen adeliger Herrschaftsbildung im hochmittelalterlichen Österreich, MIÖG 80 (1972). — Othmar Hageneder, Das Werden der österreichischen Länder, in: Der österreichische Föderalismus, hrsg. v. Institut f. Österreichkunde, Wien 1969. — Peter Feldbauer, Der Herrenstand in Oberösterreich, Ursprünge, Anfänge, Frühformen, Wien 1972. — Karl Gutkas, Die Babenberger in Österreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 13/14, 2. Aufl., St. Pölten-Wien 1977. Vgl. ferner die Beiträge von Lechner, Zöllner und Eheim in Hantsch, Gestalter der Geschicke Österreichs. 1000 Jahre Babenberger in Österreich, Katalog der Ausstellung in Stift Lilienfeld, Wien 1976. — Babenberger-Forschungen, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 42 (1976). — Erich Zöllner, 1000 Jahre Österreich? Die Babenberger und ihre Epoche. Almanach d. Österr. Akademie d. Wissenschaften 126 (1976). — Das babenbergische Österreich (976—1246), Schriften des Inst. f. Österreichkunde 33 (1978). — Die Kuenringer, Das Werden des Landes Niederösterreich, Katalog der Ausstellung in Stift Zwettl, Wien 1981. Wesentliche Beiträge zur Geschichte der Babenbergerzeit enthalten auch die ersten Bände der Landesgeschichten von Niederösterreich und der Steiermark von Max Vancsa (1905) bzw. Hans Pirchegger (2. Aufl. 1936). — Vgl. auch Othmar Hageneder, Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich. Von den Anfängen bis zu Beginn des 15. Jahrhunderts, Graz-Wien-Köln 1967. Zu den Quellen vgl. Lhotsky, Quellenkunde, Abschnitt Hochmittelalter, S. 164 ff., ferner ders., Aufsätze u. Vorträge, Bd. 1 ff., 1970 ff. — Siegfried Haider, Die schriftlichen Quellen (vgl. oben S. 608). — Vgl. ferner Heinrich Fichtenau, Herkunft und Bedeutung der Babenberger im Denken späterer Generationen. MIOG 84 (1976). Grundfragen und Strukturprobleme dieser und der folgenden Epochen behandelt das Werk: Herrschaftsstruktur und Ständebildung. Beiträge zur Typologie der österreichischen Länder aus ihren mittelalterlichen Grundlagen. Bd. 1 Peter Feldbauer, Herren und Ritter, Bd. 2 Herbert Knittler, Städte und Märkte, Bd. 3 Emst Bruckmüller, Täler und Gerichte, Helmuth Stradal, Die Prälaten, Michael Mitterauer, Ständegliederung und Ländertypen. Sozialund Wirtschaftshistorische Studien, Wien 1973. Die Babenbergerurkunden sind verzeichnet bei Georg Meiller, Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzoge Österreichs aus dem Hause Babenberg, 2 Bde., Wien 1850. Die Siegelurkunden sind im Volltext ediert im Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Osterreich, vorbereitet von Oskar Mitis, bearbeitet von Heinrich Fichtenau und Erich Zöllner, Bd. I, II (Wien 1950—1955), die Siegel der Babenbergerbehandelt Bd. III (1954) von Oskar Mitis, ergänzt und eingeleitet von Franz Gall, Bd. IV/1 (1968) ergänzende Quellen unter Mitwirkung von Heide Dienst, bearbeitet von Heinrich Fichtenau. Vgl. ferner Oskar Mitis, Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, Wien 1912. Fichtenau, Urkundenwesen in Österreich (vgl. oben S. 608) S. 134 ff. Die wichtigsten erzählenden Quellen, die Annalen der österreichischen Klöster, enthält Bd. IX der Scriptores-Folioreihe der Monumenta Germaniae Historica (Hannover 1851, 1963). Die Rückeroberung der Mark und die Anfänge der Babenberger in Österreich, S. 61 ff.: Karl Uhlirz, Untersuchungen zur Geschichte Kaiser Ottos II. (insbes. Nr. III), MIOG Erg. -Bd. 6 (1901). — Robert Holtzmann, Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, München 1941. — Oskar Mitis, Eine Gedenkstiftung für Babenberger im Verbrüderungsbuch des Klosters Reichenau (der Aufsatz enthält eine vorsichtige Stellungnahme zur Genealogie der frühen Babenberger), MIÖG 57 (1949). — Franz Tyroller, Die Ahnen der Wittelsbacher, München 1950/51 (Luitpold I. als Sohn Herzog Arnulfs aufgefaßt). — Karl Lechner, Beiträge zur Genealogie der ältesten österreichischen Markgrafen, MIOG 71 (1963). - Helga Marco, Die älteren Babenberger im Spiegel der zeitgenössischen und nahzeitlichen Historiographie, Area and Culture Studies 24 (Tokio 1974). Der Name Österreich S. 63: Richard Müller, Der Name Österreich, Blätter des Vereins f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 35 1901). — Alphons Lhotsky, Ostarrichi, Wien 1947. — Leo Santifaller, Uber die Ostarrichi-Urkunde vom 1. November 996, Wien 1948. Vgl. auch Erich Zöllner, Perioden der österr. Geschichte und Wandlungen des Österreichbegriffs bis zum Ende der Habsburgermonarchie, in: Die Habsburgermonarchie 1848 —1918, hrsg. v. Adam Wandruszka u. Peter Urbanitsch, Bd. 3/1, Wien 1980. Neudruck in: Erich Zöllner, Probleme und Aufgaben der österr. Geschichtsforschung, Wien 1984. — Ders., Der Osterreichbegriff. Formen und Wandlungen in der Geschichte (Osterreich-Archiv), Wien

Quellen und Literatur

613

1988. — Heinrich Appelt, Z u r diplomatischen Beurteilung der Ostarrichi-Urkunde, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N . F. 42 (1976), N e u d r u c k in: Appelt, Kaisertum, Königtum, Landesherrschaft, Ges. Studien, M I Ö G . Erg.-Bd. 28 (1988). — Ostarrichi (Katalog d. Gedenkstätte Neuhofen), N e u h o f e n 1980. Die Konsolidierung der babenbergischen Mark, S. 64 ff.: Hans Hirsch, Zur Entwicklung der böhmisch-österreichisch-deutschen Grenze, Jahrbuch des Vereins f. Geschichte der Deutschen in Böhmen, I (1926). — Ders., Die Entstehung der Grenze zwischen Niederösterreich und Mähren, Deutsches Archiv f ü r Landes- und Volksforschung, 1 (1937). — Karl Bednar, Z u r ältesten Besitzgeschichte des Neumarkgebietes, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, 21/11 (1928), 22 (1929). — Bälint Höman, König Stephan I., der Heilige, Breslau 1941. — Karl Bosl, Die M a r k e n g r ü n d u n g e n Kaiser Heinrichs III. auf bayerischösterreichischem Boden, Zeitschr. f. bayerische Landesgeschichte, 14 (1944). — Karl Lechner, Die Anfänge des Stiftes Melk und des St. Kolomankultes, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, 29 (1944—1948). — Ders., Beiträge zur älteren Besitzgeschichte des Klosters Melk, ebenda 3 6 / 1 (1964). — D e r Heilige Altmann, Bischof von Passau. Festschr. z. 900-Jahr-Feier 1965. Göttweig 1965. — Otto Hoher, Die Grenzen Österreichs und Südmährens, Unsere H e i m a t 37 (1966). — Herbert Mitscha-Märheim, Die Gebeine der ältesten österreichischen M a r k g r a f e n aus dem Sarkophag in der Stiftskirche von Melk, Osterreich in Geschichte u. Literatur 13 (1969). — Johann Jungwirth, Die Babenberger-Skelette in Stift Melk und ihre Identifizierung, Annalen des Naturnist. Museums, Wien 75 (1971). — Ders., Fortschritte bei der Identifizierung d. in Melk beigesetzten Babenberger, Mitt. d. Anthrop. Ges. 107 (1977). — Leopold Auer, Zum Kriegswesen unter den früheren Babenbergern, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N . F. 42 (1976). — Ders., Die Schlacht bei Mailberg am 12. Mai 1082, Militärhist. Schriftenreihe 31, 2. Aufl. (1984). Markgraf Leopold III. und die Ausbildung des Landesfürstentums, S. 67 f.: St. Leopold. Festschrift des Augustiner Chorherrenstiftes Klosterneuburg, hrsg. von Siegfried Wintermayr (Klosterneuburg 1936). — Hermann Maschek, Heinrich IV. und die G r ü n d u n g des Chorherrenstiftes Klosterneuburg, M I O G 47 (1933). — Karl Lechner, Die G r ü n d u n g des Klosters Maria Zell im Wienerwald und die Besirzgeschichte seiner Stifterfamilie, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, 26 (1936). — Hans Wolf, Die Anfänge des Stiftes Klosterneuburg, ebenda, 29 (1944—1948). — Helga Marco, Markgraf Leopold der Heilige im Spiegel der zeitgenössischen und nahzeitlichen Historiographie. Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N. F. 2 (1962). — Heide Dienst, Babenberger-Studien. Niederösterr. Traditionsnotizen als Quellen f ü r die Zeit Markgraf Leopolds III. Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte 7. Wien 1966. — Dies., Dominus vir. Von der Herzogin Markgräfin Agnes und anderen adeligen Frauen des Mittelalters, in: Das ewige Klischee, Wien-KölnG r a z 1981. — Dies., Niederösterreichische Pfarren im Spannungsfeld zwischen Bischof und Markgraf nach dem Ende des Investiturstreites, M Ö S T A 34 (1981). — Dies., Agnes, H e r zogin-Markgräfin, Ehefrau und Mutter, Wien 1985. — Paul Uiblein, Die Kanonisation des M a r k g r a f e n Leopold und die Wiener Universität, Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg N . F. 13 (1985) — Georg Wacha, Leopold III., der Heilige, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 13/14, Wien-St. Pölten 1976. — Helene Grünn - Franz Oswald - Hans Gruber (Hrsg.), Leopold III. und die Babenberger, St. Pölten 1975. — D e r hl. Leopold, Landesfürst und Staatssymbol, (Ausstellungskat.), Klosterneuburg 1985. Das Herzogtum Österreich, S. 6 8 f f : Über die Erhebung Österreichs zum H e r z o g t u m und das Privilegium minus gibt es eine unübersehbare Literatur. H i e r sind nur die wicntigsten Untersuchungen neueren Datums herausgegriffen. Das Privilegium minus ist mehrfach ediert, u. a. in M o n u m e n t a Germaniae Constitutiones I (1898), S. 220, Nr. 159, ferner bei Wilhelm Erben, Das Privilegium Friedrichs I. f ü r das H e r z o g t u m Osterreich, Wien 1902, U r k u n d e n b u c h z. Gesch. d. Babenberger IV, 1 (1968), S. 147, Nr. 803. Vgl. ferner: Friedrich Güterbock, Barbarossas Privileg f ü r das H e r z o g t u m Osterreich, Historische Zeitschrift, 146 (1933). — Harold Steinacker, Der Streit um das Privilegium minus und die methodische Lage der Diplomatik, ebenda, 150 (1934). — Konrad Josef Heilig, Ostrom und das deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Erhebung Österreichs zum H e r z o g t u m 1156 und das Bündnis zwischen Byzanz und dem Westreich. Schriften des Reichsinstituts f. ältere deutsche Geschichtskunde, 2 (1944). — Theodor Mayer, Das österreichische Privilegium minus, Mitt. des oberösterreichischen Landesarchivs, 5 (1957). — Heinrich Fichtenau, Von der M a r k zum H e r z o g t u m . Grundlagen und Sinn des „Privilegium minus" f ü r Osterreich (ÖsterreichArchiv). 2. Aufl., Wien 1965. — Heinrich Appelt, Die Erhebung Österreichs zum Herzogtum,

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Quellen und Literatur

Blätter f. deutsche Landesgeschichte, 95 (1959). — Ders., Privilegium minus, Das staufische Kaisertum und die Babenberger in Osterreich, 2. Aufl., Wien-Köln-Graz 1976. In den letztgenannten Abhandlungen wird eine klare Zusammenfassung der Forschungsprobleme und der Ergebnisse der wichtigeren Arbeiten gegeben. Vgl. ferner Max Weltin, Die „tres comitatus" Ottos von Freising und die Grafschaften in der Mark Österreich, M I 0 G 84 (1976). — Erich Zöllner, Das Privilegium minus und seine Nachfolgebestimmungen in genealogischer Sicht, M I Ö G 86 (1978). Zweitdruck in: Zöllner, Probleme und Aufgaben (1984). Die Blütezeit des babenbergischen Österreich, S. 71 ff.: Die Georgenberger Handfeste wurde zuletzt gedruckt im Babenberger-Urkundenbuch I, S. 85, Nr. 65, mit Angabe sonstiger Drucke und der zahlreichen Erläuterungsschriften. Eine deutsche Ubersetzung bei Muchar, Geschichte der Steiermark, 4 (1848), S. 521. Norbert Kneller, Des Richard Löwenherz' deutsche Gefangenschaft. (Mit Druck der wichtigsten Quellen zu diesem Ereignis.) Stimmen aus Maria Laach. Erg.-Heft 57—59 (1893). — Albert Schreiber, Drei Beiträge zur Geschichte der deutschen Gefangenschaft des Königs Richard Löwenherz, Historische Vierteljahrsschrift, 26 (1931). — Karl Lechner, Wappen und Farben des Gaues Niederdonau in ihrer historischen Entwicklung, St. Pölten 1942. — Franz Gall, Die „Herzoge" von Mödling, AÖG 120 (1953). — Karl Oettinger, Die Entstehung von Lilienfeld, in: Festschrift zum 800 Jahrgedächtnis des Todes Bernhards von Clairvaux, Wien-München 1953. — Hermann Watzl, Das Stift Heiligenkreuz. Seine geschichtliche Sendung. 2. Aufl., 1952. — Hermann Krabbo, Die Versuche der Babenberger zur Gründung einer Landeskirche in Osterreich, AOG 93 (1905). — Herta Hageneder, Die Beziehungen der Babenberger zur Kurie in der ersten Hälfte des 13. Jhdts. M I Ö G 57 (1967). — Das Wiener Stadtrecht von 1221, Wiener Geschichtsblätter 26 (1971, Sonderheft). — Isnard W. Frank, Zur Gründungsgeschichte des Wiener Dominikanerklosters, Festschr. f. Franz Loidl 2 (1970). — Heide Dienst, Dominus Sintram Leopoldi ducis ministerialis, Zur Frühgeschichte eines Landgerichts in Niederösterreich, Unsere Heimat 44 (1973). — Dies., Zum Grazer Vertrag von 1225 zwischen Herzog Leopold VI. und König Andreas II. von Ungarn, M I Ö G 90 (1982). — Peter Csendes, Die Stadtrechtsprivilegien Friedrichs II. für Wien, Deutsches Archiv f. Erforschung des Mittelalters 43 (1987). Krise und Ende des babenbergischen Fürstentums, S. 7 5 f f : Adolf Ficker, Herzog Friedrich II., der letzte Babenberger, Innsbruck 1884. — Gustav Strakosch-Grassmann, Der Einfall der Mongolen in Mitteleuropa in den Jahren 1241 und 1242, Innsbruck 1893. — Florian Thiel, Kritische Untersuchungen über die im Manifest Friedrichs II. 1236 gegen Friedrich von Osterreich vorgebrachten Anklagen. Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft, Bd. 1, Prag 1905. — Ο. H. Stowasser, Das Tal Wachau und seine Herren von Kuenring, Wien 1926. — Oswald Redlich, Die Pläne einer Erhebung Österreichs zum Königreich, Zeitschrift des hist. Vereins f. Steiermark, 26 (1931). — Karl Hans Ganahl, Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechtes, MIÖG Erg. -Bd. 13 (1935). - Karl Brunner, Zum Prozeß gegen Herzog Friedrich II. von 1236, M I Ö G 78 (1970). — Heide Dienst, Die Schlacht an der Leitha 1246, Militärhistorische Schriftenreihe 19, Wien 1971. — Heinrich Koller, Das „Königreich" Osterreich, Kleine Arbeitsreihe des Instituts für Europäische und Vergleichende Rechtsgeschichte an der Universität Graz, 4, Graz 1972. - Ursula Flossmann, Regnum Austriae, Zeitschr. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 89 (1972). — Friedrich Hausmann, Kaiser Friedrich II. und Österreich. In: Vorträge u. Forschungen 16, Sigmaringen 1974. — Karl Brunner, Die Kuenringer, Adeliges Leben in Niederösterreich, Wiss. Schriftenreihe Niederösterreich 53, St. Pölten-Wien 1980. — Andreas Kusternig - Max Weltin (Hrsg.), Kuenringer-Forschungen, Jahrb. f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 46/47 (1980/81). — Peter Segl, Ketzer in Österreich. Unters, über Häresie und Inquisition im Herzogtum Österreich im 13. und im beginnenden 14. Jhdt., Quellen u. Forschungen aus dem Gebiet d. Geschichte, N. F. 5, Paderborn 1984. — Werner Maleczek, Die Ketzerverfolgungen im österr. Hoch- und Spätmittelalter, in: Wellen der Verfolgung in der österr. Geschichte, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 48, Wien 1985. Uber die Anfänge der verwaltungsmäßigen Trennung von Ober- und Niederösterreich: Zibermayr, Noricum usw., 2. Aufl., S. 431 ff. — Zu dem Werke von Franz Pfeffer, Das Land ob der Enns. Zur Geschichte der Landeseinheit Oberösterreichs, Linz 1958, vgl. Mitt. des oberösterr. Landesarchivs 7 (1960), 125 ff.. — Vgl. ferner Othmar Hageneder, Die Anfänge des oberösterreichischen Landtaidings, M I Ö G 78 (1970). — Tausend Jahre Öberösterreich, Das Werden eines Landes, 2 Bde. (Ausstellungskatalog), Wels 1983.

615

Quellen und Literatur Politische Geschichte der Alpenländer

im Hochmittelalter,

S. 78 ff.

Zu diesem Kapitel sind naturgemäß in erster Linie die entsprechenden landesgeschichtlichen Monographien heranzuziehen (s. oben, S. 593 f.). Ergänzend sind hier noch einige Abhandlungen über Spezialfragen der Landesgeschichte des Hochmittelalters angeführt. a) Steiermark: Fritz Posch, Die Entstehung des steirischen Landesfürstentums, M I O G 59 (1951). — Ders., Die Entwicklung der Steiermark bis zum Erbanfall an die Babenberger, Katalog d. Babenbergerausstellung 1976. — Heinrich Appelt, Die Entstehung des Landes, in: Die Steiermark, Land, Leute, Leistung, Graz 1956. — Hans Pirchegger, Landesfürst und Adel in der Steiermark während des Mittelalters, 1, G r a z 1951. — Heinz Dopsch, Z u r Entstehung des steirischen Herrenstandes, Veröffentl. des Verbandes österr, Geschichtsvereine 18 (1970). — Gerhard Pferschy (Hrsg.), Das Werden der Steiermark, Die Zeit der Traungauer, Graz-Wien-Köln 1980. — Vgl. ferner Heinrich Appelt, Kaisertum, Königtum, Landesherrschaft M I Ö G Erg.-Bd. 28 (1988), S. 206 ff. (Die Steiermark). b) Kärnten: Martin Wutte, Die territoriale Entwicklung Kärntens, Erläuterungen z. hist. Atlas der Alpenländer, 1/4 (1929). — August Jaksch, Geschichte Kärntens bis 1335, 2 Bde., Klagenfurt 1928/29. — Emst Klebel, D e r Einbau Karantaniens in das ostfränkische und deutsche Reich, Carinthia I, 150 (1960). — Wilhelm Neumann, Grundlinien der Landesbildung in Kärnten, O G L 6 (1962). — Gotbert Maro, Z u r politischen Stellung Karantaniens im fränkischen und deutschen Reich, Südostforschungen 22 (1963). — Karl-Engelhardt Klaar, Die H e r r s c h a f t der Eppensteiner in Kärnten. Klagenfurt 1966. Archiv f. vaterländ. Geschichte u. T o p o g r a p h i e 61. — Wilhelm Neumann, Bamberg und Kärnten, Südostdeutsches Archiv 10 (1967). — Heinz Dopsch, Die Grafen von Heunburg, Carinthia I, 160 (1970). — Ders., Adel u. Kirche als gestaltende Kräfte in der frühen Geschichte des Südostalpenraumes, Carinthia I, 166 (1976). — Gustav Adolf ν. Metnitz, Die mittelalterlichen Führungsschichten in Kärnten, ebenda. — Alfred Ogris, Die Bürgerschaft in den mittelalterlichen Städten Kärntens bis zum Jahre 1335. Das Kärntner Landesarchiv 4, Klagenfurt 1974. — Heinrich Appelt, Das H e r z o g t u m Kärnten und die territoriale Staatsbildung im Südosten, Carinthia I, 166 (1976). — Evelyne Webemig, Landeshauptmannschaft und Vizedomamt in Kärnten bis zum Beginn der Neuzeit, Das Kärntner Landesarchiv 10, Klagenfurt 1983. Über die Herzogseinsetzung gibt es zahlreiche Abhandlungen; hier nur eine Auswahl: Paul Puntschart, Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten (Das klassische Werk zum T h e m a ) , Leipzig 1899. — Emil Goldmann, Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den slowenischen Stammesverband, Breslau 1903. — Emst Klebel, Von den Edlingern in Kärnten, Archiv f. vaterl. Gesch. u. Topographie, 28 (1942). — Georg Graber, Schwabenspiegel und Einritt am Fürstenstein, Carinthia I, 132 (1942). — Ders., D e r Karnburger Fürstenstein in Licht und Dunkel der Geschichte, Carinthia I, 147 (1957). — Bogo Grafenauer, Ustolicevanje koroSkih vojvod in drzava karantanskih Slovencev (Die Kärntner Herzogseinsetzung und der Staat der Karantaner Slawen. Mit ausführlichem deutschen Resümee). Ljubljana 1952. — Gotbert Moro, Z u r Geschichte des Kärntner Herzogstuhles, Carinthia I 157 (1967; vgl. auch die im gleichen Bande anschließenden Abhandlungen). — Ders., Z u r Zeitstellung und Bedeutung des Kärntner Herzogstuhles. In: M u n d a r t und Geschichte, Festschr. f. Eberhard Kranzmayer, Studien zur österr.-bairischen Dialektkunde 4 (1967). c) Krain: Anton Meli, Die historische und territoriale Entwicklung Krains vom 10. bis ins 13. Jahrhundert, G r a z 1888. — Ludmil Hauptmann, Krain, Erläuterungen zum historischen Atlas der Alpenländer, 1/4 (1929). — Heinrich Schmidinger, Die weltliche Herrschaft der Patriarchen von Aquileia bis zum Ende der Staufer. (Behandelt auch die Nachbargebiete G ö r z , Friaul und Istrien.) Graz-Köln 1954. Vgl. auch Pio Paschini, Storia del Friuli, 3. Aufl., Udine 1975. d) Salzburg: Eduard Richter, Immunität, Landeshoheit und Waldschenkungen, A Ö G 94 (1906). — Ders., Erläuterungen zum historischen Atlas der Alpenländer, 1/1 (1917). — Emst Klebel, Der Lungau. Historisch-politische Untersuchung, Salzburg 1960. — Herbert Klein, Salzburg, ein unvollendeter Paßstaat, in: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters. Vorträge und Forschungen 10, Stuttgart 1965. — Heinz Dopsch, Burgenbau und Burgenpolitik des Erzstiftes Salzburg im Mittelalter, in: Die Burgen im deutschen Sprachraum, Vorträge u. Forschungen 19, Sigmaringen 1976. — Vgl. Ders., Geschichte Salzburgs, Stadt und Land, Bd. I, 1—3, Salzburg 1981 — 1984. e) Tirol: Otto Stolz, Geschichte der Gerichte Deutschtirols, A Ö G 102 (1912). — Ders.,

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Quellen und Literatur

Erläuterungen zum historischen Atlas der Alpenländer, 1/3 (1919). — Richard Heuberger, V o m alpinen Osträtien zur Grafschaft Tirol. Die raumpolitische Entwicklung einer Grenzlandschaft. Schiernschriften 27, Innsbruck 1935. f) Vorarlberg: Josef Zösmatr, Die geschichtliche Entwicklung der alten vorarlbergischen Herrschaften und Gerichte, Erläuterungen zum hist. Atlas der Alpenländer, 1 / 3 (1919). — Karl Schmid, Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I., Freiburg im Breisgau 1954. — Benedikt Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 1, Wien-Köln-Graz 1971. — Die M o n t forter, Ausstellungskatalog Nr. 103 des Vorarlberger Landesmuseums, Bregenz 1982. Das Siedlungswerk des Hochmittelalters, S. 91 ff: Auch hier ist auf die Gesamtdarstellungen der Ländergeschichte hinzuweisen, die zum Teil die Siedlungsgeschichte ausführlich berücksichtigen, das gilt namentlich f ü r die Werke von Helbok (Vorarlberg), Pirchegger (Steiermark) und Stolz (Tirol). Außerdem gibt es zahlreiche siedlungsgeschichtliche Einzelstudien, die wichtigsten Arbeiten stammen von Adalbert Klaar, Emst Klebel, Karl Lechner, Fritz Posch, Herbert Mitscha-Märheim, Otto Stolz und Hermann Wopfiier. Einen Überblick über die einschlägige Literatur bis etwa 1945 gibt Karl Lechner, Leistungen und Aufgaben siedlungsgeschichtlicher Forschung in den österreichischen Ländern mit besonderer Berücksichtigung von Niederösterreich, 2. erweiterte Fassung, in: Karl Lechner, Ausgewählte Schriften, Wien 1947. — Vgl. auch Siedlungs- u. Bevölkerungsgeschichte Österreichs, hrsg. v. Institut f. Österreichkunde, Wien 1974. — Walter Schlesinger (Hrsg.), Die Deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, Vorträge u. Forschungen 18, Sigmaringen 1974. In den Rahmen einer allgemeinen Kulturkunde stellt die Siedlung Leopold Schmidt, Die Volkskultur der romanischen Epoche in Osterreich, Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 1964. — Im folgenden ist eine Auswahl wichtigerer Arbeiten angeführt: Karl Lechner, Besiedlung und Volkstum der österreichischen Länder, in: Nadler-Srbik, Österreich, Erbe und Sendung, Wien 1936. — Ders., Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte (des Waldviertels), in: E. Stepan, Das Waldviertel, 7. Bd. (Geschichte), Wien 1937. — Ders., G r u n d z ü g e einer Siedlungsgeschichte Niederösterreichs vom 7. bis zum 12. Jhdt., in: Archaeologia Austriaca 50 (1971). — Emst Klebel, Forschungswege zur mittelalterlichen Siedlungsgeschichte des Deutschtums im Südosten, Südostdeutsche Forschungen, 3 (1938). — Ders., Die Städte und Märkte des bairischen Stammesgebietes in der Siedlungsgeschichte, Zeitschrift f. bayerische Landesgeschichte, 12 (1939). — Ders., Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, Veröffentlichungen des Südostinstitutes München, Nr. 14 (1940). — Herbert Mitscha-Märheim, Z u r ältesten Besitzgeschichte des nordöstlichen Niederösterreich, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 26 (1936). — Adalbert Klaar, Die G r u n d z ü g e der Siedellandschaft im österreichischen D o n a u r a u m , Südostforschungen, 2 (1937). — Otto Stolz, Die Ausbreitung des Deutschtums in Südtirol im Lichte der U r k u n d e n , 4 Bde., München und Berlin 1927. — Hermann Wopfner, Bäuerliche Siedlung und Wirtschaft (Tirols), in: Tirol. Land, Volk und Geschichte, Alpenvereinswerk, Bd. 1, München 1933. — Ders., Tiroler Bergbauernbuch 1, Innsbruck 1951. — Fritz Posch, Siedlungsgeschichte der Oststeiermark, M I 0 G Erg.-Bd. 13 (1941). — Ders., Die deutsch-slawische Begegnung im Ostalpenraum und die Grundlagen des steirischen Volkstums. Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich. N. F. 36/1 (1964). — Eberhard Kranzmayer, Ortsnamenbuch von Kärnten, 1. Teil, Die Siedlungsgeschichte Kärntens von der Urzeit bis zur Gegenwart, Klagenfurt 1956, Archiv f ü r vaterländische Geschichte und Topographie 50. — Eberhard Kranzmayer und Karl Bürger, Burgenländisches Siedlungsnamenbucn, Burgenländische Forschungen, 36, Eisenstadt 1957. — Heinrich Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich, Bd. 1 — 8, Wien 1964—1981. — Karl Finsterwalder, Tiroler N a m e n k u n d e , Sprach- und Kulturgeschichte von Personen-, Familien- und H o f n a m e n , Innsbruck 1978. — Hans Kreis, Die Walser, Ein Stück Siedlungsgeschichte der Zentralalpen, 2. Aufl., Bern-München 1966. — Paul Zinsli, Walser Volkstum in der Schweiz, in Vorarlberg, Liechtenstein und Piemont, 5. Aufl., Frauenfeld-Stuttgart 1986. — Kurt Klein, Daten zur Siedlungsgeschichte der österr. Länder bis zum 16. Jahrh undert, Materialien z. Wirtschafts- u. Sozialgeschichte 4, Wien 1980. Wirtschaftsleben des Hochmittelalters, S. 9 7 f f : An Quellensammlungen sind die Ausgaben der österreichischen Urbare (Wien 1904 ff.) zu nennen, die allerdings in der Regel spätmittelalterliche Verhältnisse behandeln. Ein Rückschluß auf die ausgehende Babenbergerzeit ist aber möglich beim landesfürstlichen Urbar, dessen älteste Teile schon in dieser Epoche entstanden sind. Noch wesentlich älter ist das rätische U r b a r karolingisch-ottoni-

Quellen und Literatur

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scher Provenienz, das f ü r Teile Vorarlbergs in Betracht kommt (Bündner Urkundenbuch, 1. Bd., 1956). Viel wirtschaftsgeschichtliches Material enthalten die Editionen von U r k u n d e n und Traditionsnotizen. Wesentliche Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Epoche bietet der Katalog der Babenbergerausstellung Lilienfeld (1976). Im folgenden noch einige Literaturhinweise: Landwirtschaft: Alfons Dopsch, Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern in den Alpenländern Österreichs, Oslo 1930. — Ders., H e r r s c h a f t und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, Jena 1939. — Emst Klebel, Bauern und Staat in Österreich und Bayern während des Mittelalters, in: T h e o d o r Mayer, Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, Leipzig 1943. — Otto Stolz, Die Schwaighöfe in Tirol, Innsbruck 1930. — Ders., Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg, Bozen 1949. — Hermann Wießner, Beiträge zur Geschichte des Dorfes und der Dorfgemeinde in Osterreich, Archiv f. vaterl. Geschichte u. Topographie, 30, Klagenfurt 1946. — Walther Fresacher, D e r Bauer in Kärnten, ebenda, 31 (1950), 39 (1952). Bergbau: Heinrich v. Srbik, Studien zur Geschichte des österreichischen Salzwesens, Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs, 12, Innsbruck 1917. — Otto Brunner, Goldprägung und Goldbergbau in den Ostalpen, Numismatische Zeitschrift, 59 (1926). — Hans Pirchegger, Das steirische Eisen. (Mit einem Überblick über das Kärntner Eisenwesen.) G r a z 1937. — Otto Stolz, Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in Tirol, Zeitschrift f. Rechtsgeschichte, German. Abt. 48 (1928). — Hermann Wießner, Geschichte des Kärntner Bergbaues, Archiv f. vaterländ. Geschichte u. Topographie, 32 (1950, 3 6 / 3 7 (1951). H a n d e l und Stadtwirtschaft: Theodor Mayer, Der auswärtige Handel des Herzogtums Österreich im Mittelalter, Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs, 6, Innsbruck 1909. — Johannes Lahusen, Z u r Entstehung der Verfassung bairisch-österreichischer Städte. Abhandlungen z u r mittleren und neueren Geschichte, 5, Berlin u. Leipzig 1908. — Otto Brunner, Das Wiener Bürgertum in Jans Enikels Fürstenbuch, M I Ö G 58 (1950). Vgl. auch Heinz Zatschek, H a n d w e r k und Gewerbe in Wien, Wien 1949. — Otto Stolz, Geschichte des Zollwesens, Verkehrs und Handels in Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1953. — Herbert Hassinger, Zollwesen und Verkehr in den österreichischen Alpenländern bis um 1300. M I Ö G 73 (1965). — Ders., Die Bedeutung des Zollregals f ü r die Ausbildung der Landeshoheit im Südosten des Reiches. Festschrift H e r m a n n Aubin, Wiesbaden 1965. — Michael Mitterauer, Zollfreiheit und Marktbereich, Studien zur mittelalterl. Wirtschaftsverfassung am Beispiel einer niederösterr. Altsiedellandschaft, Forschungen zur. Landeskunde von Niederösterreich, 19, Wien 1969. — Bernhard Koch, Das M ü n z - und Geldwesen Österreichs z u r Babenbergerzeit. Österreichisches Bank-Archiv 24 (1976). — Heide Dienst, Gab es im Osterreich der Babenbergerzeit Geld- und Kreditgeschäfte? Ebenda. — Ferdinand Opll, Stadtgründung und Stadtwerdung, Bemerkungen zu den Anfängen des Städtewesens in Osterreich, in: Österreichs Städte und Märkte in ihrer Geschichte, Schriften d. Inst. f. Österreichkunde 46, Wien 1985. Kirchliche und höfische Kultur, S. 102ff.: Erziehungswesen, lateinisches und deutsches Schrifttum: Oswald Redlich, Die österreichische Annalistik bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts, M I Ö G 3 (1882). — Ludwig Koller, Deutsch-österreichisches Schulwesen vor der Reformation, Beiträge z u r österreichischen Erziehungs- und Schulgeschichte, 15 (1914). — Emst Klebel, Die Fassungen und Handschriften der österreichischen Annalistik, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 21 (1928). — Hugo Hantsch, Das frühbenediktinische M ö n c h t u m in Osterreich, in: Benediktinisches M ö n c h t u m in Osterreich, Wien 1949. — Paul Lehmann, O t t o von Freising. Sein Leben und seine kulturgeschichtliche Stellung, in: Altfreising, 1 (1933). — Hans Böhm, Walther von der Vogelweide, 2. Aufl., Stuttgart 1949. — Heinrich Kralik, W e r war der Dichter des Nibelungenliedes? Wien 1954. — Andreas Heusler, Nibelungensage und Nibelungenlied, 5. Ausgabe, Darmstadt 1955. — Heinrich Fichtenau, Magister Petrus von Wien, M I Ö G 63 (1955). — O t t o von Freisine. Gedenkgabe zu seinem 800. Todesjahr, hrsg. von Joseph A. Fischer, Freising 1958. — Leopold Grill, Bildung und Wissenschaft im Leben O t t o s von Freising, Analecta sacri ord. Cisterciensis, 14 (1958). — Peter Classen, Gerhoch von Reichersberg, Eine Biographie, Wiesbaden 1960. — Alphons Lhotsky, U m r i ß einer Geschichte der Wissenschaftspflege im alten Niederösterreich, Mittelalter, Wien 1964. — Vgl. auch die drei Aufsätze über O t t o von Freising, in: Lhotsky, Aufsätze u. Vorträge 1, Wien 1970. — Helmut Engelbrecht, Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs, Früh- und Hochmittelalter, Jahresbericht 1972/73 des Bundesgymnasiums Krems, Krems 1973. — Vgl. auch ders. oben S. 596. — Franz-Josef Schmale, Die österreichische

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Quellen und Literatur

Annalistik im 12. Jahrhundert, Deutsches Archiv 31 (1975). — Fritz P. Knapp, Literatur und Publikum im österreichischen Hochmittelalter, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 42 (1976). — Hohenemser Studien zum Nibelungenlied, hrsg. v. Irmtraut Albrecht und Achim Masser, Montfort 32 (1980). — Winfried Stelzer, Gelehrtes Recht in Österreich. Von den Anfängen bis zum frühen 14. Jahrhundert, Wien-Köln-Graz 1982. — Walter Pass Helmut Birkhan (Hrsg.), Neidhart von Reuental, Wien 1983. — Geschichte des Stiftes Göttweig 1083 —1983. Festschr. zum 900-Jahr-Jubiläum. Studien u. Mitt. aus dem Benediktinerorden 94 (1983). — Sancta Crux, Festschrift zum 850-Jahr-Jubiläum des Stiftes Heiligenkreuz 1133—1983, Heiligenkreuz 1983. — Hans Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising, Köln-Wien 1984. Die in diesem Kapitel kurz behandelten Autoren des österreichischen Hochmittelalters sind eingehender gewürdigt in Stammlers Verfasserlexikon, Bd. 1 — 5 (1933 — 1955), 2. Aufl. (1978 ff.). Bildende Kunst: Georg Swarzenski, Die Salzburger Malerei von den ersten Anfängen bis zur Blüte des romanischen Stiles, 2 Bde., Leipzig 1908 u. 1913. — R. K. Donin, Schöngraberns romanische Kirche, Oberhollabrunn 1914. — Ders., Die Bettelordenskirchen in Österreich, Baden bei Wien 1935. — Friedrich Novotny, Romanische Bauplastik in Österreich, Wien 1930. — Karl Ginhart, Bruno Grimschitz, Der Dom zu Gurk, Wien 1930. — Rudolf Pühringer, Denkmäler der früh- und hochromanischen Baukunst in Österreich, Wien 1931. — Wilhelm Pinder, Die Kunst der deutschen Kaiserzeit, 3. Aufl., Leipzig 1940. — Karl Oeffingen Die Babenbergerpfalz in Klosterneuburg, M I Ö G 55 (1944). — Ders., Die Grabungen von St. Stephan 1945 — 1948, M I Ö G 57 (1949). — Floridus Röhrig, Der Verduner Altar, 2. Aufl., Wien-München 1955. — Walter Frodl - David Talbot-Rice, Osterreichische mittelalterliche Wandmalerei, Paris 1964. — Elga Lanc, Die mittelalterlichen Wandmalereien in Wien und Niederösterreichs. Corpus der mittelalterlichen Wandmalereien Österreichs 1, Wien 1984. — Erika Doherer, Die Apsisreliefs von Schöngrabern im Wandel der kunstgeschichtlichen Betrachtung, Zeitschrift f. Kunst u. Denkmalpflege 38 (1984). — Hermann Fillitz (Hrsg.), Schöngrabern, Internat. Kolloquium 1987, Wien 1987. Vgl. ferner die oben auf S. 610 zitierten Arbeiten von Vetters und Fuhrmann über die Ausgrabungen in Salzburg, sowie Oettinger, Das Werden Wiens, S. 99 ff. u. insbes. S. 173 ff. — Zu allen Bereichen von Kunst und Kultur vgl. auch den Katalog der Babenberger-Ausstellung 1976. Ferner: Leopold Schmidt, Die Volkskultur der Babenbergerzeit, Österr. Zeitschrift f. Volkskunde 30/79 (1976). — Der oben genannte und andere einschlägige Aufsätze von Heinrich Fichtenau nunmehr auch in: Fichtenau, Beiträge zur Mediaevistik, 2 Bde., Stuttgart 1975 und 1977. — Vgl. ferner: Heide Dienst, Regionalgeschichte und Gesellschaft im Hochmittelalter am Beispiel Österreichs, M I Ö G Erg.-Bd. 27, Wien-Köln-Graz 1990.

V. Das Spätmittelalter und die habsburgische „Herrschaft zu Österreich", S. 111 f f . Eine ausführliche Darstellung geben Bd. 2 (1885 und 3 (1888) der Geschichte Osterreich von Alphons Huber. Nunmehr Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281 —1358). Wien 1967. Vgl. ferner die Zusammenfassung von Otto Brunner, Osterreich, das Reich und der Osten im späteren Mittelalter, in: Nadler-Srbik, Österreich. Das verfassungsgeschichtlich wichtige Werk Brunners, Land und Herrschaft (s. oben, S. 611), ist vorwiegend auf Quellenmaterial dieser Epoche aufgebaut und daher für sie von besonderem Wert. — Vgl. auch Berthold Sutter, Die Entwicklung der Grundrechte, Ein Forschungsbeitrag etc. zu einer Geschichte d. Grundrechte in Osterreich, Wien-Köln-Graz 1982; Günther Hödl, Habsburg und Österreich 1273 —1493, Gestalten und Gestalt des österr. Spätmittelalters, Wien-Köln-Graz 1988. Zu den Quellen insbesondere Lhotsky, Quellenkunde, Abschnitt Spätmittelalter, S. 259 ff. Vgl. ders., Aufsätze u. Vorträge, Bd. 1—5, Wien 1970—1976. — Paul Uiblein, Die Quellen des Spätmittelalters, Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 40, Wien 1982. Uber die Habsburger im allgemeinen: Adam Wandruszka, Das Haus Habsburg, 5. Aufl., Wien 1984. Vgl. ferner: Janos Kertesz, Bibliographie zur Habsburgliteratur (Budapest 1934). — Michel Dugast Rouille, Hubert Cuny, Baron Herve Pinoteau, Les grands mariages des Habsbourgs, Paris 1955 (fehlerhaft). Zu den Habsburgergenealogien des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit vgl. Alphons Lhotsky, Apis Colonna, Aufsätze und Vorträge 2, Wien 1971. — Walter Höflechner, Zur Heiratspolitik der Habsburger bis zum Jahre

Quellen und Literatur

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1526, Festschrift H . Wiesflecker, Graz 1973. — Brigitte Hamann (Hrsg.), Die Habsburger. Ein Biographisches Lexikon, Wien 1988. Die Quellensammlung der Regesta Habsburgica (oben, S. 600) ist leider noch recht unvollständig. Das sonst veraltete W e r k von Fürst Eduard Maria Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg, 8 Bde., Wien 1836—1844, enthält brauchbare, von Ernst Birk zusammengestellte Urkundenverzeichnisse als Anhänge zu den einzelnen Bänden. Viel einschlägiges Material bringen naturgemäß die den Herrschern des Spätmittelalters gewidmeten Bände der Regesta Imperii. Von Bedeutung sind f ü r die österr. Geschichte des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts die Deutschen Reichstagsakten Ältere Reihe, Band 1 —17, 19/1, 22/1; Mittlere Reihe 3 / 2 , München-Stuttgart 1867—1973. Die wichtigsten U r k u n d e n zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Epoche enthält das Werk von Schwind-Dopsch, Ausgewählte U r k u n d e n (s. oben, S. 600). Andere Sammlungen urkundlicher Quellen: Joseph Cbmel, Regesta chronologico-diplomatica Friderici III., Wien 1838. — Ders., U r k u n d e n , Briefe und Aktenstücke zur Geschichte Kaiser Maximilians und seiner Zeit, Wien 1845. — Ders., Aktenstücke und Briefe zur Geschichte des Hauses Habsburg im Zeitalter Maximilians I., 3 Bde., Wien 1854 bis 1858. — Adolf Bachmann, U r k u n d e n und Aktenstücke zur österr. Geschichte im Zeitalter Friedrichs III., Fontes rer. Austr. II, 4 2 - 4 4 (1879—1885), 46 (1892). — Heinrich Koller, Das Reichsregister Albrechts II., Wien 1955. — Alois Zauner, Das älteste Tiroler Kanzleiregister 1308—1315, Fontes rer. Austr. II, 78 (1967). Die erzählenden Quellen der Epoche liegen zumeist in kritischen Ausgaben der M o n u menta Germaniae Historica vor; die lateinischen Autoren in der Regel in der Serie der Scriptores in usum scholarum, drei wichtige deutsche Werke (Fürstenbuch des Jans Enikel, die steirische Reimchronik und die Chronik der 95 Herrschaften), in der Serie der „Deutschen Chroniken ". Der Kampf um das Erbe der Babenberger. König Ottokar. S. 111 ff.: Ottokar Lorenz, Geschichte Ottokars II. von Böhmen und seiner Zeit, Wien 1866. — Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg, Innsbruck 1903 (Standardwerk). — Vaclav Novotny, Beiträge zur Geschichte Premysl Ottokars II., M I Ö G 31 (1910). — Ders., Rozmach ceske m o d za Premysla II. O t t a kara (1253—1271. D e r Machtaufschwung Böhmens unter Premysl II. Ottokar), Prag 1937. — Wilhelm Wastry, Margarete von Babenberg, in: Sudetendeutsche Lebensbilder, 1, Reichenberg 1926. — Hermann Meier, Gertrud, Herzogin von Osterreich und Steiermark, Zeitschr. des hist. Vereins f. Steiermark, 23 (1927). — Hermann Wiesflecker, Meinhard II., Tirol, Kärnten und ihre Nachbarländer am Ende des 13. Jahrhunderts, Innsbruck 1955. — Alois Gerlich, Landfriede und Landrecht in Osterreich 1276 bis 1281, Blätter f. deutsche Landesgesch. 99 (1963). — Kurt Peball, Die Schlacht bei D ü r n k r u t am 26. August 1278, Militärhistorische Schriftenreihe 10, Wien 1968. — Jindfich Sebanek - Säsa Duskovä, Das U r k u n d e n wesen König O t t o k a r s l i , von Böhmen, Archiv f. Diplomatik 14, 1968. — Frantisek Graus, Premysl O t t o k a r II. — sein Ruhm und sein Nachleben, M I Ö G 79 (1971). — Max Weltin, Z u r niederösterr. Stadtministerialität im 13. Jh., Unsere Heimat, 44 (1973). — Ders., Die „Laaer Briefsammlune". Eine Quelle zur inneren Geschichte Österreichs unter O t t o k a r II. Premysl, Veröffentlichungen des Instituts f. österr. Geschichtsforschung 21, Wien-KölnG r a z 1975. — Ders., Das österr. Landrecht im 13. Jahrhundert im Spiegel der Verfassungsentwicklung, Vorträge u. Forschungen 23, Sigmaringen 1977. — Thomas Martin, Das Bild Rudolfs von Habsburg als „Bürgerkönig" in Chronistik, Dichtung und moderner Historiographie, Blätter f. deutsche Landesgesch. 112 (1976). — 700 Jahre Schlacht bei D ü r n k r u t und Jedenspeigen. Ausstellungskatalog, Wien 1978. — Andreas Kustemig, Die Zeit König O t t o kars in Österreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 34, St. Pölten-Wien 1978. — Ders., Erzählende Quellen des Mittelalters, Die Problematik mittelalterlicher Historiographie am Beispiel der Schlacht von Dürnkrut-Jedenspeigen 1278, Wien-Köln 1982. — Otto Habsburg, Rudolf von Habsburg, 3. Aufl., Wien-München 1984. Vgl. ferner namentlich Max Weltin — Andreas Kusternig (Red.), Ottokar-Forschungen, Jb. f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 44/645 (1978/1979). — Jörg K. Hoensch, Premysl O t a k a r II. von Böhmen; der goldene König, G r a z 1989. — Peter Segl, Ketzer in Österreich. Untersuchungen über Häresie und Inquisition im H e r z o g t u m Österreich im 13. u. beginnenden 14. Jh., Quellen u. Forschungen aus dem Gebiet d. Geschichte, N . F. 5, Paderborn 1985. Die Anfänge der Habsburger in Österreich, S. 116ff.: Neben dem angeführten Werke Oswald Redlichs über Rudolf von Habsburg vgl.: Alfons Dopsch, Albrechts I. Bedeutung f ü r die Ausbildung der Landeshoheit in Osterreich, Bl. d. Vereins f. Landeskunde von Nieder-

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Quellen und Literatur

Österreich. N. F. 27 (1893). — Ders., Die Kärnten-Krainer Frage und die Territorialpolitik der ersten Habsburger in Österreich, AOG 87 (1899). — Ders., Ein antihabsburgischer Fürstenbund im Jahre 1292, M I O G 22 (1901). — Heinrich Schrohe, Der Kampf der Gegenkönige Ludwig und Friedrich, Berlin 1902. — Wilhelm Sidler, Die Schlacht am Morgarten, Zürich 1910. — Otto H. Stowasser, Der Ehevertrag Friedrichs des Schönen mit Isabella von Aragon, Mitt. des Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien, 2 (1921). — Wilhelm Erben, Die Schlacht von Mühldorf, Graz-Wien-Leipzig 1923. — Alfred Hessel, Jahrbücher des deutschen Reiches unter König Albrecht I. von Habsburg, München 1931. — Bruno Meyer, Studien zum habsburgischen Hausrecht, Zeitschrift f. Schweizerische Geschichte, Jg. 25 (1945), 27 (1947), 28 (1948). — Hans Erich Feine, Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, Zeitschr. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 67 (1950). — Alfred A. Stmad, Das Bistum Passau in der Kirchenpolitik König Friedrichs des Schönen (1313 —1320), Mitt. des Oberösterr. Landesarchivs 8 (1964). — Günther Hödl, Friedrich d. Schöne u. die Residenz Wien, Jahrbuch d. Vereins f. d. Geschichte d. Stadt Wien 26 (1970). — Karl Lechner, Ursprung und erste Anfänge der burggräflich-nürnbergischen (später brandenburgischen) Lehen in Osterreich, Festschr. f. Walter Schlesinger, Bd. 1, Wien 1973. — Hanspeter Danuser, Göllheim und Königsfelden, Zürich 1974. — Hans-Dieter Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314—1330, Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 56, München 1974. Über die Anfänge der Eidgenossenschaft unterrichtet eine sehr umfangreiche Literatur, zum gegenwärtigen Forschungsstand vgl. Bruno Meyer, Die Entstehung der Eidgenossenschaft, Schweizerische Zeitschr. f. Gesch., 2 (1952), ders., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, Zürich 1972, und Harold Steinacker, Die Habsburger und der Ursprung der Eidgenossenschaft, MIÖG 61 (1955). Das Görzer Grafenhaus, seine Länder und Herrschaften, S. 124ff.: Emst Klehel, Die Grafen von Görz als Landesherren in Oberkärnten, Carinthia, I (1935). — Artur M. Scheiber, Zur Genealogie der Grafen von Görz, Adler, Zeitschr. f. Genealogie u. Heraldik, I (XV), 1947. — Hermann Wiesflecker, Die politische Entwicklung der Grafschaft Görz und ihr Erbfall an Österreich, in: M I Ö G 56 (1948). — Ders., Meinhard II. (s. oben). — Vgl. auch Fabio Cusin, II confine Orientale d'Italia nella politica europea del 14 e 15 secolo, 2 Aufl., Triest 1977. — Franz Huter, Tirol im 14. Jahrhundert, Vorträge und Forschungen 14 (1971). — Josef Riedmann, Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, Sitzungsber. d. Österr. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 307 (1977). Ausdehnung und Festigung der babsburgischen Herrschaft in den Ostalpenländem, S. 128 f f . : Alphons Huber, Die Vereinigung Tirols mit Osterreich, Innsbruck 1863. — Ders., Geschichte des Herzogs Rudolf IV. von Österreich, Innsbruck 1865. — Gottfried Edmund Frieß, Das soziale Wirken Albrechts des Weisen, Wien 1899. — F. H. Haug, Ludwigs V., des Brandenburgers Regierung in Tirol, Forschungen u. Mitt. zur Geschichte Tirols u. Vorarlbergs, III, IV, 1906—1907. — Emst Karl Winter, Rudolf IV. von Österreich, 2 Bde., Wien 1934—1936. — Alphons Lhotsky, Privilegium maius. Die Geschichte einer Urkunde. Wien 1957 (mit den Texten der Falsifikate). — Othmar Hageneder, Die Grafschaft Schaunberg, Mitt. des oberösterr. Landesarchivs 5 (1957). — Ders., Das Land ob der Enns und die Herrschaft Freistadt im späten Mittelalter, Jahrbuch des oö. Musealvereins 127/1 (1982). — Wilhelm Neumann, Wirklichkeit und Idee des „windischen" Erzherzogtums Kärnten. Das Kärntner Landesbewußtsein und die österr. Freiheitsbriefe. Südostdeutsches Archiv 3 (1961). — Franz Huter, Der Eintritt Tirols in die „Herrschaft zu Österreich", Tiroler Heimat 26 (1962). — Ursula Begrich, Die fürstliche „Majestät" Herzog Rudolfs IV. von Osterreich, Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte 6, Wien 1945. — Nikolaus Grass, Der Wiener Dom, Die Herrschaft zu Österreich und das Land Tirol, Innsbruck 1968. — Karl Lechner, Die Bildung des Territoriums und die Durchsetzung der Territorialhoheit im Raum des östlichen Osterreich, Vorträge und Forschungen 14 (1971). — Heinrich Appelt, Zur diplomatischen Beurteilung des Privilegium maius, Festschr. f. Peter Acht, Münchner Histor. Studien 15, Kallmünz 1976. — Ders., Die Bedeutung des Titels „archidux palatinus Austriae", Festschrift Friedrich Hausmann, Graz 1977. — Jürgen v. Ungem-Stemberg, Cäsar und Nero in der Vorstellungswelt des 14. Jahrhunderts, Zu den Privilegien Herzog Rudolfs IV. von Osterreich, Jahrbuch f. fränkische Landesforschung 36 (1976). — Josef Riedmann, Karl IV. und die Bemühungen der Luxemburger um Tirol, Blätter f. deutsche Landesgesch. 114 (1978). — Klaus Lohrmann, Die Judenverfolgungen zwischen 1290 und 1420 als theologisches und soziales Problem, in: Wellen der Verfolgung in der österr. Geschichte, Schriften d. Inst. f. Österreichkunde 48, Wien 1986. — Otto Fraydenegg-Monzello, Herzog Otto der

Quellen und Literatur

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Fröhliche und seine Teilungsforderung 1327—1329, Kleine Arbeitsreihe des Inst. f. Europäische u. Vergleichende Rechtsgeschichte Graz, Bd. 20 (1989). Die Herrschaftsteilungen des späteren Mittelalters, S. 136ff.: Heinrich Zeißberg, Z u r Geschichte der Minderjährigkeit H e r z o g Albrechts V. von Osterreich, A Ö G 86 (1899). — Richard Meli, Die Salzburger Landstände, Mitt. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde, 43 (1903). — Wilhelm Wostry, König Albrecht II. (1437—1439), Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft 12, 13, Prag 1906/1907. — Otto H. Stowasser, Z u r inneren Politik H e r z o g Albrechts III. von Österreich, M I Ö G 41 (1926). — Otto Stolz, Die Landstandschaft der Bauern in Tirol, Histor. Vierteljahresschr., 28 (1933), 29 (1934). — Xaver Weber, D e r Sempacher Krieg, Luzern 1936. — Hans Kramer, Die Grundlinien der Außenpolitik H e r z o g Friedrichs IV. von Österreich-Tirol, in: Tiroler Heimat, 17 (1953), 21 (1957/58). — Alphons Lhotsky, Was heißt H a u s Österreich? Anzeiger der phil.-hist. IG. d. Akademie d. Wiss., 93, 1956. — Alois Gerlich, Habsburg, Luxemburg, Wittelsbach im Kampf um die Deutsche Königskrone, Wiesbaden 1960. — Gerda Koller, Princeps in ecclesia. Untersuchungen zur Kirchenpolitik H e r z o g Albrechts V. von Österreich, A Ö G 124 (1964). — Benedikt Bilgen, D e r Bund ob dem See, Vorarlberg im Appenzellerkrieg, Stuttgart 1968. — Silvia Petrin, Der österreichische Hussitenkrieg 1420 —1434, Militärhist. Schriftenreihe, H e f t 44, Wien 1982. — Guy P. Marchai, Sempach 1386, Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern, Basel 1986. — Heinrich Koller, Kaiser Siegmunds Kampf gegen H e r z o g Friedrich IV. von Österreich, in: Studia Luxemburgensia, Festschrift Heinz Stoob, Warendorf 1989. Ü b e r die Stände vgl. noch Brunner, Land u. Herrschaft, 5. Aufl., S. 404 ff. — Anton Meli, Verfassungsgeschichte der Steiermark, S. 100 ff. — Helmuth Stradal, Stände und Steuern in Österreich, X I I e Congres international des sciences historiques, Etudes presentees ä la commission internationale pour l'histoire des assemblees d'etats 31, Wien 1965. — Vgl. ferner insbes. das oben S. 612 genannte Werk Herrschaftsstruktur und Ständebildung, Bd. 1 — 3. — Heinz Dopsch, Probleme ständischer Wandlung beim Adel Österreichs, der Steiermark u. Salzburgs etc., in: H e r r s c h a f t u. Stand, hrsg. v. Josef Fleckenstein, Göttingen 1977. Die Zeit der österreichischen Wirren unter Kaiser Friedrich III., S. 145 ff.: Joseph Chmel, Regesta chronologico-diplomatica Friderici III., 2 Bde., Wien 1838 —1840. — Ders., Geschichte Kaiser Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximiiiansi., 2 Bde., H a m b u r g 1840 bis 1842. — Heinrich Zeißberg, D e r österreichische Erbfolgestreit nach dem T o d e des Königs Ladislaus, A O G 54 (1876). — Adolf Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrichs III. und Maximiiiansi., 2 Bde., Leipzig 1884—1894. — Ders., U r k u n d e n und Aktenstücke z. österr. Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. usw., FRA II 42 (1879); Briefe und Akten, FRA II 44 (1885); Urkundl. Nachträge, FRA II 46 (1892). - Wilhelm Fraknoi, Matthias Corvinus, König von Ungarn, Freiburg i. B. 1891. — J. Martens, Die letzte Kaiserkrönung in Rom, Diss., Leipzig 1900. — Viktor Lug, Ulrich von Cilli und Ladislaus Posthumus, Reichenberg 1904. — Ignaz Rothenberg, Andreas Baumkircher und seine Fehde mit Kaiser Friedrich III., Zeitschr. des Histor. Vereines f. Steiermark, 6 (1909). — Karl Schalk, Aus der Zeit des österr. Faustrechts 1440—1463. Abhandl. zur Geschichte u. Quellenkunde d. Stadt Wien, III, Wien 1919. — Otto Brunner, Beiträge zur Geschichte des Fehdewesens im spätmittelalterlichen Österreich, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, 22 (1929). — Wilhelm Neumann, Die Türkeneinfälle nach Kärnten, Südostforschungen, 14 (1955). — August Emst, Z u r Frage der von Ungarn an Österreich verpfändeten Herrschaften, Mitt. des oberösterr. Landesarchivs, 5 (1957). — Brigitte Haller, Kaiser Friedrich III. im Urteil der Zeitgenossen, Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte 5, Wien 1965. — Karl Gutkas, Der Mailberger Bund von 1451. M I Ö G 74 (1966). — Friedrich III., Kaiserresidenz Wiener Neustadt. St. Peter an der Sperr. Ausstellungskatalog. Wiener Neustadt 1966. — Viktor Flieder, Stephansdom und Wiener Bistumsgründung, Wien 1968. — Christiane Thomas, Kampf um die Weidenburg, Habsburg, Cilli und G ö r z 1440—1445, M Ö S T A 24 (1972). — Brigitte Haller, Kaiser Friedrich und die Stephanskrone, ebenda, 26 (1973). — Heinz Dopsch, Die Grafen von Cilli — ein Forschungsproblem?, Südostdeutsches Archiv 17/18 (1974/1975). — Peter Csendes, Wien in den Fehden der Jahre 1461 — 1463, Militärhist. Schriftenreihe 28 (1974). — Rudolf Kröpf (Hrsg.), Baumkircherstudien, Eisenstadt 1983. — Wolfgang Zanetti, D e r Friedenskaiser. Friedrich III. und seine Zeit, H e r f o r d 1985. — Bernd Rill, Friedrich III. Habsburgs europäischer Durchbruch, Graz-Wien-Köln 1987. Osterreich und Burgund. Der Kampf mit Frankreich und Ungarn. S. ISO ff.: H. G. Neubauer, Die burgundische Frage vom T o d e Karls des Kühnen bis zum Frieden von Calais,

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Quellen und Literatur

Erlangen 1930. — Burkhard Seuffert, Drei Register aus den Jahren 1478 — 1519, Untersuchungen zu Politik, Verwaltung und Recht des Reiches, besonders des deutschen Südostens, Innsbruck 1934. — Alfons Dopsch, Die Weststaatspolitik der Habsburger im Werden ihres Großreiches (1477 —1526), in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe f ü r Heinrich Srbik, Wien 1938. — Hans Kramer, Die äußere Politik des Herzogs Sigmund von Österreich-Tirol 1440 — 1490, Tiroler Heimat, 11 (1947), 12 (1949). — Alphons Lhotsky, AEIOV. Die Devise Kaiser Friedrichs III. und sein Notizbuch. M I Ö G 60 (1952). — Robert Janeschitz-Kriegel, Die Geschichte der ewigen Richtung, Zeitschr. f. Geschichte des Oberrheins, 105 (1957). — Roderick Schmidt, A E I O U , Die mittelalterlichen Vokalspiele etc., in: Festschrift f. Fritz Tschirch, Köln-Wien 1972. — Ders., AEIOV. Das „Vokalspiel" Friedrichs III. von Österreich. Ursprung und Sinn einer Herrscherdevise, Archiv f. Kulturgeschichte 55 (1973). — Karl Nehring, Matthias Corvinus, Kaiser Friedrich III. und das Reich. Zum hunyadisch-habsburgischen Gegensatz im Donauraum, München 1975. — Matthias Corvinus und die Renaissance in Ungarn, Katalog der Ausstellung in der Schallaburg, Wien 1982. — Werner Maleczek, Die Sachkultur am H o f e Herzog Sigismunds von Tirol, in: Adelige Sachkultur des Spätmittelalters, Österr. Akad. d. Wiss., SB phil.-hist. Kl. 400, Wien 1982. — Karl Gutkas, Friedrich III. und Matthias Corvinus. Wiss. Schriftenreihe Niederösterreich 65, St. PöltenWien 1982. — Wilhelm Baum, Sigmund der Münzreiche. Zur Geschichte Tirols und der habsburgischen Länder im Spätmittelalter. Bozen 1987. Das Schrifttum über Maximilian I. wird zum folgenden Kapitel angeführt. Vom Mittelalter zur Neuzeit, S. 155 ff: Heinrich Ulmann, Kaiser Maximilian I., 2 Bde., Stuttgart 1884—1891. — Wilhelm Bauer, Die Anfänge Ferdinands I., Wien-Leipzig 1907. — Ders., Die Korrespondenz Ferdinands I., Bd. 1, Familienkorrespondenz bis 1526. Veröffentl. d. Komm. f. neuere Geschichte Österreichs, Bd. 11, Innsbruck 1912. — Theodor Mayer, Die Verwaltungsorganisation Kaiser Maximiiiansi., ebenda, Bd. 14, Innsbruck 1920. — Adolf Stem, Gabriel von Salamanca, Graf von Ottenburg, Hist. Zeitschr., 131 (1925). — Anna Coreth, Ein Wappenbuch Kaiser Maximilians I., Festschrift des ö s t e r r . Haus-, H o f - u. Staatsarchivs, I., Wien 1949. — Will Winker, Kaiser Maximilian. Zwischen Wirklichkeit und Traum. München 1950 (fehlerhaft). — Karl Siegfried Bader, Berthold von Henneberg, ein Staatsmann vom Mittelrhein, Mainz 1954. — Rudolf Buchner, Kaiser Maximilian als geschichtliche Erscheinung, in: Kaiser Maximilian I. Weißkunig, hrsg. v. H. Th. Musper., Stuttgart 1956. — Hermann Wiesflecker, Der Italienzug Maximilians I. im Jahre 1946, Carinthia, I, 146 (1956). — Ders., Maximilian I. und die Wormser Reichsreform, Zeitschr. des hist. Vereins f. Steiermark, 49 (1957). — Ders., Das erste Ungarnunternehmen Maximilians I. und der Preßburger Vertrag (1490/91), Südostforschungen, 18 (1959). — Ders., Maximilian I. und die habsburgisch-spanischen Heiratsverträge von 1495/96, M I Ö G 67 (1959). — Ders., Die Belagerung von Livorno 1496, ebenda, 68 (1960). — Ders., Italien in der Kaiserpolitik Maximilians I., Der Schiern, 34 (1960). — Karl Eder, Siegmund von Dietrichstein und die Anfänge Ferdinands I., Carinthia, I, 146 (1956). — Heinrich Fichtenau, Der junge Maximilian (1459—1482), Österreich-Archiv, Wien 1958. — Ausstellung Maximilian I., Innsbruck 1969, Katalog Innsbruck (1969). — Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 1—4, Wien 1970—1981. — Alphons Lhotsky, Das Zeitalter des Hauses Osterreich, Die ersten Jahre der Regierung Ferdinands I. (1520—1527), Wien-Köln-Graz 1971. — Walter Höflechner, Die Gesandten der europäischen Mächte, vornehmlich des Kaisers und des Reiches. 1490—1500, A Ö G 129 (1972). — Wien an der Schwelle der Neuzeit. Festgabe des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Wien 1974. — Peter Krendl, Die dynastisch-politischen Verhandlungen Maximilian I. mit Ferdinand dem Katholischen im Jahre 1507, Hist. Jahrbuch 97/98 (1978). — Richard Perger - Walter Hetzer, Wiener Bürgermeister der frühen Neuzeit, Forschungen u. Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 9 (1981). — Wolfgang Sittig, Landstände und Landesfürstentum, Eine Krisenzeit als Anstoß für die Entwicklung der steirischen landständischen Verwaltung, Veröffentl. d. Steiermark. Landesarchivs 13, Graz 1982. Uber den Bauernkrieg: Hermann Braumüller, Der Bauernaufstand von 1525/26 in Kärnten, Carinthia, I 116 (1926). — Albert Holländer, Gaismairs Landesordnung, Der Schiern, 13 (1932). — Ders., Studien zum Salzburger Bauernkrieg, Mitt. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde, 73 (1932/33). — Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, 10. Aufl., Darmstadt 1975 (Standardwerk). — Hans Pirchegger, Die innerösterreichischen Bauernkriege, in: Ausgewählte Aufsätze, Graz 1950. — Herbert Klein, Quellenbeiträge zur Geschichte der Salzburger Bauernunruhen im 15. Jahrhundert, Mitt. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde, 93 (1953). — Josef Macek, Der Tiroler Bauernkrieg und Michael Gaismair,

Quellen und Literatur

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Berlin 1965. — Jürgen Bücking, Michael Gaismair: Reformer — Sozialrebell — Revolutionär. Seine Rolle im Tiroler Bauernkrieg. Spätmittelalter u. Frühe Neuzeit, Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, Stuttgart 1978. — Michael Forcher, Michael Gaismair, 1532—1582, Zum 450. Todestag, Innsbruck 1982. — Fridolin Dörrer (Hrsg.), Die Bauernkriege und Michael Gaismair, Veröffentlichungen d. Tiroler Landesarchivs 2, Innsbruck 1982. — Emst Bruckmüller, Die Strafmaßnahmen nach den bäuerlichen Erhebungen des 15.—17. Jh., in: Wellen der Verfolgung in der österr. Geschichte, Schriften des Inst. f. Osterreichkunde, 48, W i e n 1986. Zum Schrifttum über die Anfänge der protestantischen Bewegung vgl. unten, S. 628. Das Siedlungswesen des Spätmittelalters, S. 165 ff.: Die Mehrzahl der oben, S. 616, zur Siedlungsgeschichte des Hochmittelalters genannten W e r k e ist auch f ü r die folgende Epoche heranzuziehen. Ergänzend seien angeführt: Zum bäuerlichen Siedlungswesen: Alfred Grund, Die Veränderungen der Topographie im Wienerwalde und W i e n e r Becken, Leipzig 1901. — Otto Lamprecht, Die Verödung der Mittelsteiermark zu Ende des Mittelalters, Zeitschr. des hist. Vereins f. Steiermark, 30 (1936). — Ferdinand Tremel, Zur Erforschung der Wüstungen im ausgehenden Mittelalter, ebenda, 37 (1946). — Heinz Pohlendt, Die Verbreitung der spätmittelalterlichen Wüstungen in Deutschland, Göttingen 1950. — Wilhelm Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters, 2. Aufl., Stuttgart 1955. — Othmar Hageneder, Die spätmittelalterlichen Wüstungen in der Grafschaft Schaunberg, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, 33 (1957). — Karl Ilg, Die Bedeutung der Walser f ü r Vorarlberg, Montfort 15 (1963). — Helmuth Feigl Andreas Kustemig (Hrsg.), Mittelalterliche Wüstungen in Niederösterreich (Vorträge und Diskussionen), W i e n 1983. Zum städtischen Siedlungswesen: Anselm Weißenhofer, Die ältesten Stadtansichten Wiens, Wien 1923. — Adalbert Klaar, Der mittelalterliche Städtebau, in: Die Bildende Kunst in Osterreich, Bd. 1, W i e n 1937. — Otto Stolz, Uber die Bauart der Innsbrucker Bürgerhäuser des Mittelalters, Veröffentl. des M u s e u m s Ferdinandeum, J g . 20/25 (1945). — Herbert Fischer, Die Siedlungsverlegung im Zeitalter der Stadtbildung. Unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Raumes. Wien 1952. Seuchen und Hungersnöte usw.: Robert Höniger, Der Schwarze T o d in Deutschland 1348 — 1351, Innsbruck 1884 (mit zahlreichen österr. Quellenbelegen). — Viktor K r a f f t Ebing, Zur Geschichte der Pest in Wien 1349—1898, Leipzig und Wien 1899. — Fritz Curschmann, Hungersnöte im Mittelalter, Leipzig 1900. — Emst Kelter, Das deutsche Wirtschaftsleben im 14. und 15. Jahrhundert im Schatten der Pestepidemien, Jahrbücher f. Nationalökonomie u. Statistik, 165 (1953). — Herbert Klein, Das Große Sterben von 1348/49 und seine Auswirkungen auf die Besiedlung der Ostalpenländer. Mitt. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde 100 (1960) bzw. H. Klein, Gesammelte Aufsätze, Salzburg 1965. Das Wirtschaftsleben des Spätmittelalters, S. 169 ff.: Zu den oben, S. 616, genannten Quellen treten in dieser Epoche ergänzend die Weistümer, deren kritische Ausgabe durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften besorgt wird (bisher 18 Bde., Wien 1870 ff.). Als Quellen zur Stadtwirtschaft sind neben den Urkunden die Stadtrechts- und Stadtbücher zu nennen, etwa das W i e n e r Stadtrechtsbuch, das zu Ende des 14. Jahrhunderts entstand, ferner die älteren Stadtgrundbücher sowie Bürger- und Steuerlisten. Uber den Handel unterrichten neben M a u t - und Zollregistern gelegentlich auch Geschäftsbücher von Kaufleuten, unter diesen bringt das Runtingerbuch, ein Geschäftsbuch Regensburger Kaufleute, sehr eingehende Nachrichten über den Donauhandel (hrsg. v. Franz Bastian, 3 Bde., Regensburg 1935—1944); zum Handel mit Westungarn, Oberdeutschland und Venedig gegen Ende der Epoche vgl. man: Das älteste Geschäftsbuch Österreichs. Die Gewölberegister der W i e n e r Neustädter Firma Alexius Funck. Hrsg. v. Othmar Pickl, Graz 1966. Allgemeine Darstellungen zur Wirtschaftsgeschichte des späteren Mittelalters: Heinrich Bechtel, Der Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, München und Leipzig 1931. — Hermann Wopfner, Die Lage Tirols zu Ausgang des Mittelalters und die Ursachen des Bauernkrieges, Berlin-Leipzig 1908. — Ferdinand Tremel, Der Frühkapitalismus in Innerösterreich, Graz 1954. — Zur Sozialgeschichte vgl. u. a. Herwig Ebner, Die soziale Stellung der Frau im spätmittelalterlichen Österreich, in: Frau und spätmittelalterlicher Alltag, Österr. Akad. d. Wiss. SB. phil.-hist. Kl. 473 (Kongreß Krems 1984). Landwirtschaft (vgl. oben, S. 616 f.): Erna Patzelt, Entstehung und Charakter der W e i stümer in Österreich, Brünn 1924. — Anton Meli, Das steirische Weinbergrecht, Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 207 (1928). — Hermann Wießner, Sachinhalt und Wirtschaft-

624

Quellen und Literatur

liehe Bedeutung der Weistümer, Wien 1934. — Franz Graß, Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, Innsbruck 1950. — Hermann Baltl, Die österreichischen Weistümer. Studien zur Weistumsgeschichte. M I Ö G 59 (1951) u. 61 (1953). — Walter Fresacher, Die persönliche Stellung des Bauern in Kärnten, Archiv f. Vaterland. Gesch. u. Topographie, 31 (1950). — Ders., Das Freistiftrecht, ebenda, 39 (1952). — Georg Grüll, Die Robot in Oberösterreich, Linz 1952. Bergwesen (vgl. oben, S. 617): Kurt Käser, Eisenverarbeitung und Eisenhandel. Die staatlichen und wirtschaftlichen Grundlagen des innerösterreichischen Eisenwesens. WienBerlin 1932. — Maja Loehr, Die Radmeister am steirischen Erzberg bis 1625, Mitt. des Museums f. Bergbau, Geologie und Technik am Landesmuseum Joanneum in Graz, 5 (1947). — Dies., Thörl, Geschichte eines steirischen Eisenwerkes, Wien 1952. Stadtwirtschaft (vgl. oben, a. a. O.): Lothar Groß, Beiträge zur städtischen Vermögensstatistik des 14. und 15. Jahrhunderts in Osterreich, Innsbruck 1913. — Otto Brunner, Die Finanzen der Stadt Wien von den Anfängen bis ins 16. Jahrhundert, Wien 1929. — Ders., Die Politik der Stadt Wien im späteren Mittelalter. Historische Studien A. F. Pribram dargebracht. Wien 1929. — Leopold Sailer, Die Wiener Ratsbürger im 14. Jahrhundert, Wien 1931. — Alfred Hoffmann, Verfassung, Verwaltung und Wirtschaft im mittelalterlichen Linz, Heimatgaue, 16 (1935). — Ders., Der oberösterreichische Städtebund im Mittelalter, Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereins, 93 (1948). — Ders., Die Vermögenslage und soziale Schichtung der Linzer Bürgerschaft am Ausgange des Mittelalters, Jahrbuch der Stadt Linz, 1949. — Hans Lentze, Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien und den österreichischen Städten, Mitt. des Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien, 15 (1935). — Felix Czeike, Ratsbürger und Honoratioren im 15. Jahrhundert, Jahrbuch des Vereins f. Geschichte der Stadt Wien, 13 (1956). — Karl Gutkas, Das Städtewesen der österreichischen Donauländer und der Steiermark im 14. Jh., Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, 2 (1972). — Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, hrsg. v. Wilhelm Rausch, Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas, 3 (1974). Handel (vgl. oben, a. a. O.): Otto Stolz, Geschichte der Organisation des Transportwesens in Tirol im Mittelalter, Vjschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch., 16 (1910). — F. Koväts, Handelsbeziehungen zwischen Köln und Preßburg im Mittelalter, Mitt. aus dem Stadtarchiv Köln, 35 (1914). — Friedrich Walter, Zur Geschichte des Wiener Handels nach Ungarn im 15. Jahrhundert, Mbl. des Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien, 5 (1923). — Friedrich Engel-Janosi, Zur Geschichte d. Wiener Kaufmannschaft von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, Mitt. des Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien, 6 (1926). — Herbert Klein, Brenner und Radstädter Tauern, Beiträge z. Geschichte u. Heimatkunde Tirols, Hermann-Wopfner-Festschrift, 1 (1947). — Ders., Der Saumhandel über die Tauern, Mitt. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde, 90 (1950). — Otto Brunner, Neuere Arbeiten zur älteren Handelsgeschichte Wiens, Jahrbuch des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 8/9 (1949/50). — Ingomar Bog, Der Außenhandel Ostmitteleuropas 1450—1650, Wien-Köln 1971. — Sigismund Paul Pach, Zur Geschichte der Handelsbeziehungen zwischen Österreich u. Ungarn im 15. u. 16. Jahrhundert, MÖSTA 25 (1972). — Herbert Hassinger, Geschichte des Zollwesens, Handels und Verkehrs in den östlichen Alpenländern vom Spätmittelalter bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, Bd. 1, Salzburg 1987. Geld- und Kreditwesen (vgl. oben, a. a. Ο.): Artur Goldmann, Das Judenbuch der Scheffstraße zu Wien (1389—1420), Wien 1908. — Rudolf Geyer, Die österreichische Münzordnung von 1524 und ihre Vorläufer, Numismat. Zeitschr., 61 (1928). — Ders., Die Rechnungsbücher der Münzstätte Hall in Tirol 1478 — 1520, MIÖG 60 (1952). — Karl Moeser und Fritz Dworschak, Die große Münzreform unter Erzherzog Siegmund von Tirol, Osterr. Münz- und Geldwesen im Mittelalter 7, Wien 1936. — Artur Pohl, Die Grenzlandprägung, Münzprägung in Österreich und Ungarn im 15. Jahrhundert, Graz 1972. — Werner Kögl, Studien über das niederösterr. Regiment Maximilians I. Mit bes. Berücksichtigung der Finanzverwaltung, M I Ö G 83 (1975). Vgl. zu diesen Problemen auch August Loehr, Österreichische Geldgeschichte, Wien 1946,S. 29 ff. Die Geisteskultur des österreichischen Spätmittelalters, S. 177 ff.: Erziehungswesen und Schrifttum: Georg Voigt, Enea Silvio Piccolomini als Papst Pius II. und sein Zeitalter, 3 Bde., Berlin 1856—1863. — Joseph Aschbach, Geschichte der Wiener Universität, 3 Bde., Wien 1865—1888. — Anton Mayer, Die Bürgerschule zu St. Stephan in Wien, Wien 1880. — Heinrich Hammer, Literarische Beziehungen und musikalisches Leben des Hofes Herzog Sieg-

Quellen und Literatur

625

munds von Tirol, Zeitschr. des Ferdinandeums, 43 (1899). — Anton E. Schönbach. Über Gutolf von Heiligenkreuz, Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 150 (1904). — Oswald Redlich und Anton E. Schönbach, Des Gutolf von Heiligenkreuz Translatio sanctae Delicianae, Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 159 (1908). — Karl Großmann, Die Frühzeit des Humanismus in Wien bis zu Celtis Berufung 1497, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, 22 (1929). — Hans Kramer, Untersuchungen zur österreichischen Geschichte des Aeneas Silvius, MIOG 45 (1931). — Konrad Joseph Heilig, Leopold Stainreuter von Wien, der Verfasser der sogenannten österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften, MIOG 47 (1933). — Alphons Lhotsky, Dr. Jacob Mennel, Alemannia 1936. — Ders., Thomas Ebendorfer. Ein österreichischer Geschichtsschreiber, Theologe und Diplomat des 15. Jahrhunderts. Schriften der Mon. Germ. Hist. 15, Stuttgart 1957. — Ders., Studia Neuburgensia (Wissenschaftspflege im spätmittelalterlichen Niederösterreich). Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg, N. F. 1 (1961). — Ders., Die Wiener Artistenfakultät 1365 — 1497. Graz-WienKöln 1965. — Ders., Aeneas Silvius und Osterreich. Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an d. Univ. Basel 5 (1965). — Vgl. auch ders., Umriß einer Geschichte der Wissenschaftspflege usw. (s. oben, S. 617). — Maja Loehr, Der steirische Reimchronist „her Otacher ouz der Geul", MIOG 51 1937). — Dies., Der steirische Reimchronist, Der Bindenschild, Bd. 2, Wien 1947. — Willibrord Neumüller, Bernardus Noricus von Kremsmünster, Wels 1947. — Gioacchino Paparelli, Enea Silvio Piccolomini (Pio II), Bari 1950. — Hans Rupprich, Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters, Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 228 (1954). — Fritz Eheim, Ladislaus Sunthaym, Ein Historiker aus dem Gelehrtenkreis um Maximilian I., MIOG 67 (1959). — Hans Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian, Wien T Graz-Köln 1959. — Paul Uiblein, Beiträge zur Frühgeschichte der Universität Wien, MIOG 71 (1963). — Ders., Die österreichischen Landesfürsten und die Wiener Universität im Mittelalter, ebenda, 72 (1964). — Ders., Zu den Beziehungen der Wiener Universität zu anderen Universitäten im Mittelalter. In: Jozef Ijsewijn - Jaques Paquet, The Universities in the late Middle Ages, Leuven 1978. — Ders., Mittelalterliches Studium an der Wiener Artistenfakultät, Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Wien 1988. —Isnard W. Frank, Hausstudium und Universitätsstudium der Wiener Dominikaner bis 1500, AOG 127 (1968). — Winfried Stelzer, Jakob Unrest und Ladislaus Sunthaym, Carinthia, I, 163 (1973). — Helmut Engelbrecht, Erziehung u. Unterricht auf dem Boden Österreichs, Spätmittelalter, in: Jahresbericht des Bundesgymnasiums Krems 1973/74, Krems 1974. — Paracelsus, Werk u. Wirkung. Festgabe f. K. Goldammer, Wien 1975. — Ursula Liebertz-Grün, Seifried Helbling, Satiren kontra Habsburg, München 1981. — Dies., Das andere Mittelalter. Erzählte Geschichte und Geschichtserkenntnis um 1300. Studien zu Ottokar von Steiermark. Jans Enikel, Seifried Helbling, München 1984. — Marianne Hovorka-Baumgart, Die Wiener als Studenten an der Wiener Universität im Spätmittelalter. Dissertationen d. Universität Wien, Wien 1982. — Wilhelm Baum, Enea Silvio Piccolomini, Cusanus und Tirol, Der Schiern 56 (1982). — Georg Kreuzer, Heinrich von Langenstein, Studien zur Biographie und zu den Schismentraktaten, Paderborn-München-Wien-Zürich 1987. — Günther Hamann Helmuth Grossing (Hrsg.), Der Weg der Naturwissenschaften von Johann von Gmunden zu Johannes Kepler, Veröffentlichungen der Komm. f. Geschichte d. Mathematik, Naturwissenschaften und Medizin der Österr. Akad. d. Wiss. 46, Wien 1988. Bildende Kunst: Ludwig von Baldass, Der Künstlerkreis Maximilians, Wien 1923. — Ders., Österreichische Tafelmalerei der Spätgotik, Wien 1934. — Johann Riehl, Gotische Baukunst in Österreich, Wien 1924. — Friedrich Wimmer und Emst Klebel, Das Grabmal Kaiser Friedrichs III. im Wiener Stephansdom, Österreichs Kunstdenkmäler in Einzeldarstellungen, 1, Wien 1924. — Wilhelm Suida, Österreichs Malerei in der Zeit Erzherzog Emsts des Eisernen und König Ajbrechts II., Artes Austriae, 4, Wien 1926. — Franz Kieslinger·, Die mittelalterliche Plastik in Osterreich, Wien 1926. — Ders., Gotische Glasmalerei in Österreich bis 1540, Wien 1926. — Otto Pacht, Österreichische Tafelmalerei der Gotik, Augsburg 1929. — Vinzenz Oberhammer, Die Bronzestandbilder des Maximiliangrabes in der Hofkirche zu Innsbruck, Innsbruck 1935. — Karl Oettinger, Altdeutsche Bildschnitzer der Ostmark, Wien 1939. — Ders., Altdeutsche Maler der Ostmark, Wien 1942. — Richard K. Donin, Weg und Entwicklung der gotischen Baukunst in Niederösterreich, in: Donin, Zur Kunstgeschichte Österreichs, Ges. Aufsätze, Wien usw. 1951. — Ders., Der Wiener Stephansdom und seine Geschichte, 2. Aufl., Wien 1952. — Walter Buchowiecki, Die gotischen Kirchen Österreichs, Wien 1952. — Peter Baldass (u. a.), Gotik in Österreich, Wien-Hannover-Bern 1961. — Gerhard Schmidt, Die Malerschule von St. Florian, Linz 1962. — Ders.,

626

Quellen und Literatur

Die Wiener „Herzogswerkstatt" und die Kunst Nordwesteuropas, Wiener Jahrbuch f. Kunstgeschichte 30/31 (1977/78). — Die Gotik in Niederösterreich, Kunst, Kultur und Geschichte. Bearbeitet von Fritz Dworschak und Harry Kühnel, Wien 1963. — Alfred Stange, Malerei der Donauschule, München 1964. Vgl. auch Emst Englisch - Gerhard Jaritz, Das tägliche Leben im spätmittelalterlichen Niederösterreich, Wissenschaftl. Schriftenreihe Niederösterreich 19/20/21, St. Pölten-Wien 1976. Ferner: Die Funktion der schriftl. Quelle in der Sachkulturforschung, Veröffentl. d. Instituts f. Mittelalterl. Realienkunde 1, Sitzungsber. d. Österr. Akad. d. Wiss. 304 (1976), sowie die die österreichischen Länder betreffenden Abhandlungen in den Veröffentlichungen Bd. 2 (Stadt des Spätmittelalters), 3 (Klösterliche Sachkultur des Spätmittelalters), 4 (Adelige Sachkultur), 6 (Erforschung von Alltag und Sachkultur), 7 (Bäuerliche Sachkultur), 8 (Alltag und Fortschritt), 9 (Frau und mittelalterlicher Alltag), Sitzungsberichte, 325., 367., 374., 400., 433., 439., 470., 473. Jg. Wien 1977 ff. VI. Reformation

und Gegenreformation

(1526—1648),

S.

187ff.

U n t e r dem überaus umfangreichen Quellenmaterial f ü r das konfessionelle Zeitalter sind Nuntiaturberichte, Depeschen und Relationen venetianischer Gesandter, Herrscherund Gelehrtenkorrespondenzen, Staatsverträge, Akten von Reichs- und Landtagen sowie landesfürstlicher Behörden besonders hervorzuheben. Ein erheblicher Teil dieses Materials ist noch unediertes Archivgut, von anderen Quellen liegen nur unzulängliche bzw. unvollständige Editionen vor. Charakteristisch ist auch die reichhaltige zeitgenössische Flugschriftenliteratur. Zur Quellenlage insbes. Gernot Heiß, Reformation und Gegenreformation (1519—1618), Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Osterreichk u n d e 40, Wien 1982. Vgl. ferner die Quellen- und Literaturübersicht bei Uhlirz, H a n d buch I, S. 187 ff., IV, S. 49 ff.; auch Hantsch, Die Geschichte Österreichs I, S. 210 ff. — Eine aphoristische Gesamtschau der neueren Geschichte Österreichs gibt Heinrich Benedikt, M o n archie der Gegensätze. Österreichs Weg durch die Neuzeit, Wien 1947, bzw. Die Monarchie des Hauses Österreich, Wien 1968. — Vgl. auch Robert A. Kann, Werden und Zerfall des Habsburgerreiches, Graz-Wien-Köln 1962. — Ders., Geschichte des Habsburgerreiches 1526—1918, 2. Aufl., Wien-Köln 1982. — Victor-Lucien Tapie, Die Völker unter dem D o p peladler, Graz-Wien-Köln 1975. — Robert J. W. Evans, Das Werden der Habsburgermonarchie 1550—1700, Gesellschaft, Kultur, Institutionen, 2. Aufl., Wien 1989. Ausführliche, detaillierte Angaben über Quellen, Erläuterungsschriften und allgemeine Literatur gibt die Bibliographie zur deutschen Geschichte im Zeitalter der Glaubensspaltung, 7 Bde., 2. Aufl., Stuttgart 1956—1966 (Bd. 1—6 N e u d r u c k der l . A u f l . , 1933—1940!), von Karl Schottenloher. Vgl. allenfalls noch Franz Schnabel, Deutschlands Geschichtsquellen und Darstellungen in der Neuzeit, Bd. 1, Das Zeitalter der Reformation 1500—1550, Leipzig und Berlin 1931. — Gustav Wolf, Quellenkunde der deutschen Reformationsgeschichte, 3 Bde., G o t h a 1915 —1923. Brauchbar sind auch die knappen Quellen- und Literaturhinweise bei Emst Walter Zeeden, Das Zeitalter der Glaubenskämpfe (1555 —1648), in Gebhardts H a n d buch der deutschen Geschichte, Bd. 2, 9. Aufl. (1970), S. 118 ff. bzw. f ü r die vorhergehende Zeit Walter Peter Fuchs, ebenda, S. 52 ff. — Die Familienkorrespondenz Ferdinands I. liegt n u n m e h r in den Veröffentlichungen der Kommission f ü r Neuere Geschichte Österreichs 11, 30, 31 und 58 bearbeitet von Wilhelm Bauer, Robert Lacroix bzw. Herwig Wolfram u. Christiane Thomas bis 1531 vor. — Vgl. hiezu noch: Heinrich Lutz, Christianitas afflicta, Europa, das Reich und die päpstliche Politik im Niedergang der Hegemonie Kaiser Karls V. (1552—1556), Göttingen 1964. — Christiane Thomas, Moderacion del poder, Z u r Entstehung der geheimen Vollmacht f ü r Ferdinand I. 1531 M Ö S T A 27 (1974). — Emst Laubach, Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich, M Ö S T A 29 (1976). — Paula SutterFichtner, Ferdinand I. Wider T ü r k e n und Glaubensspaltung, Graz-Wien-Köln 1984. — Alfred Kohler, Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V. Die Reichsständische Opposition gegen die Wahl Ferdinands I. zum römischen König und gegen die Anerkennung seines Königtums (1524—1534). Schriftenreihe der Hist. Komm, bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 19, Göttingen 1982. — Vgl. auch das unten genannte W e r k von T. Simanyi. — Winfried Schulze, Hausgesetzgebung und Verstaatlichung im H a u s e Osterreich vom T o d e Maximilians I. bis zur Pragmatischen Sanktion, in: D e r dynastische Fürstenstaat, hrsg. v. Johannes Kunisch und Herbert Neuhaus, Berlin 1982. — Günther R. Burkert, Landesfürst und Stände. Karl V., Ferdinand I. und die österreichischen Erbländer im Ringen um Gesamtstaat

Quellen und Literatur

627

und Landesinteressen, G r a z 1987. — Hans Maier - Volker Press (Hrsg.), Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1989. — Adel im Wandel, Politik - Kultur - Konfession 1500—1700 (Ausstellungskatalog, Rosenburg 1990). Z u r Geschichte Böhmens und Ungarns (namentlich seit 1526), Hinweise bei Ublirz und Hantsch, detaillierte Bibliographien bieten Cenek Z.ibrt, Bibliografie ceske historie, _5 Bde., Prag 1900—1912 ( f ü r neuere Literatur zu ergänzen durch die Angaben in Cesky Casopis Historicky, seit 1953 Ceskoslovenskyy Casopis Historicky), und im Werk: 25 ans d'Historiographie Tchechoslovaque 1936—1960, Prag 1960 — ferner H a n d b u c h der Geschichte der Böhmischen Länder, hrsg. im Auftrag des Collegium Carolinum von Karl Bosl, Bd. 1—4, Stuttgart 1967—1974. — Jaroslav Pänek, Das politische System des böhmischen Staates im ersten J a h r h u n d e r t der habsburgischen Herrschaft (1526—1620), M I Ö G 97 (1989), sowie Domokos Kosäry, Bevezetes a Magyar Törtenelem Forräsaiba es Irrodalmäba (Einführung in die Quellen und das Schrifttum der ungarischen Geschichte), 3 Bde., Budapest 1951 — 1958, 2. Aufl. 1970 ff. Eine Auswahlbibliographie bieten die Bände der Etudes Historiques H o n groises, die alle fünf J a h r e seit 1955 von der Ungar. Akademie der Wissenschaften, Budapest, herausgegeben werden. Vgl. auch Robert Gragger, Bibliographia Hungariae, I, Historica, Verzeichnis der 1861 —1921 erschienenen Ungarn betreffenden Schriften in nichtungarischer Sprache, Berlin und Leipzig 1923. — Die Geschichte Ungarns, Red. Erwin Pamlenyi, Budapest 1971. — Schließlich Günther Franz, Bücherkunde zur Weltgeschichte, S. 346 ff., 349 ff. Die Königswahlen des Jahres 1526 und die Verwaltungsreform Ferdinands I., S. 187f.: Anton Rezek, Geschichte der Regierung Ferdinands I. in Böhmen, I (Ferdinands I. Wahl und Regierungsantritt), Prag 1878. — Stanislaus Smolka, Ferdinands I. Bemühungen um die Krone von Ungarn, A O G 57 (1878). — Wilhelm Fraknoi, Ungarn vor der Schlacht von Mohäcs (1524—1526), Budapest 1886. — Eduard Richter, Die Haltung der ungarischen Bergstädte nach der Doppelwahl von 1526, M I Ö G 32 (1911). — Theodor Ortvay, Die Schlacht von Mohäcs, ihre Ursachen und Folgen, Ungarische Rundschau, 3 (1914). Berthold Bretholz, Neuere Geschichte Böhmens, 1 (1526—1576), Gotha 1920. — Eugen von Gyalokay, Die Schlacht bei Mohäcs, Ungarische Jahrbücher, 6 (1926). — Gemot Heiß, Politik u. Ratgeber der Königin Maria von Ungarn in den Jahren 1521 bis 1531, M I Ö G 82 (1974). — Ders., Die ung., böhm. u. österr. Besitzungen der Königin Maria und ihre Verwaltung, M Ö S T A 27 (1974), 29 (1976). — Winfried Eberhard, Monarchie und Widerstand. Z u r ständischen O p p o sitionsbildung im Herrschaftssystem Ferdinands I. in Böhmen, Veröffentl. des Coli. Carolinum 54, München 1985. — Tibor Simdnyi, Er schuf das Reich. Ferdinand von Habsburg, M ü n c h e n 1987. Über die Verwaltungsreform vgl. insbes. Thomas Fellner, Heinrich Kretschmayr, Österreichische Zentralverwaltung, 1. Bd. (Wien 1907), S. 35 ff. Ferner: Oskar Regele, Der österr. H o f k r i e g s r a t 1556—1848, M Ö S T A Erg.-Bd. 1 (1949). Über das Ständewesen: Herbert Hassinger, Die Landstände der österr. Länder (17. —18. Jhdt.), Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N . F. 3 6 / 2 (1964). — Kenneth J. Dillon, King and estates in the Bohemian lands, 1526—1564, Bruxelles 1976. Die Kämpfe in Ungarn (1526-1562), S. 188 ff.: Karl Oberleitner, Österreichs Finanzen und Kriegswesen unter Ferdinand I. 1522—1564, A Ö G 22 (1860). — Alfons Huber, Die Erwerbung Siebenbürgens durch Ferdinand I. im Jahre 1551 und Bruder Georgs Ende, A O G 75 (1889). — Leopold Kuppelwieser, Die Kämpfe Österreichs mit den Ösmanen von 1526—1537, Wien und Leipzig 1899. — F. Müller, Die T ü r k e n h e r r s c h a f t in Siebenbürgen (1541 —1688), H e r m a n n s t a d t 1923. — Ferdinand Stöller, Soliman vor Wien, Mitt. des Vereins f. Geschichte der Stadt Wien, 9/10 (1929—1930). — R. B. Merriman, Suleiman the Magnificent, Cambridge (Mass.) 1944. — Ladisias Makkai, Histoire de Transylvanie, Paris 1946. — Rudolf Neck, Osterreich und die Osmanen, M Ö S T A 10 (1957). — Stephen Fischer-Galati, O t t o m a n Imperialism and German Protestantism 1521 —1555, Cambridge, Mass., 1959. — Christine Turetschek, Die Türkenpolitik Ferdinands I. von 1529 bis 1532, Diss. d. Universität Wien 10, Wien 1968. — Josip Zontar, ObveScevalna sluzba in diplomacija Austrijskih Habsburzanov ν boju proti T u r k o m ν 16. stoletju (Der Kundschafterdienst und die Diplomatie der österreichischen Habsburger im Kampf gegen die T ü r k e n im 16. Jahrhundert), Ljubljana 1973 (ausführl. deutsche Zusammenfassung). — Gertrud Gerhartl, Die Niederlage der T ü r k e n am Steinfeld 1532, Militärhistorische Schriftenreihe 26, Wien 1974. — Walter Hummelberger, Wiens erste Belagerung durch die T ü r k e n 1529, Militärhist. Schriftenreihe 33, Wien 1976. — Franz Otto Roth, Zur Türkischen Bedrohung der historischen Steiermark 1521 —1531, Festschrift Fritz Posch, Veröffentlichungen des Steiermark. Landesarchivs 12,

628

Quellen und Literatur

Graz 1981. — Andreas Tietze (Hrsg.), Habsburgisch-osmanische Beziehungen. Relations Habsbourg-ottomanes (Kolloquium Wien 1983), Wiener Zeitschrift f. d. Kunde d. Morgenlandes, Beiheft 13), Wien 1985. Weitere Quellen- und Literaturangaben bei Walter Sturminger, Bibliographie und Ikonographie der Türkenbelagerungen Wiens 1529 und 1683, Graz-Köln 1955. — Vgl. ferner: Österreich und die Türken. Symposion Mogersdorf 1969. Hrsg. vom Amt der Burgenländischen Landesregierung, Landesarchiv, Eisenstadt 1972. — Gunther Rothenberg, Die österr. Militärgrenze in Kroatien 1522—1881, Wien-München 1970. — Die Κ. K. Militärgrenze, Schriften des heeresgeschichtl. Museums in Wien 6 (1973). — Karl Vocelka, Die inneren Auswirkungen der Auseinandersetzung mit den Osmanen, Südost-Forschungen 36 (1977). Vgl. auch: Osterreich und die Osmanen, Ausstellungskatalog, Wien 1983. — Zygmunt Abrahamowicz u. a., Die Türkenkriege in der historischen Forschung. Forschungen u. Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 13, Wien 1983. Reichspolitik und konfessionelle Frage. Das Vordringen des Protestantismus in den habsburgischen Ländern. S. 191 ff: Hiezu und zu allen Kapiteln über den Glaubenskampf reiche Literaturangaben bei Grete Mecenseffy, Geschichte des Protestantismus in Österreich, Graz-Köln 1956. Vgl. auch Ernst Tomek, Kirchengeschichte Österreichs, 2 (1949) bzw. Johann Rainer, Die Glaubensspaltung, in: Religion und Kirche in Osterreich, Wien 1972. Hier sind nur einige wichtige Arbeiten angeführt: Theodor Wiedemann, Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns, 5 Bde., Prag 1879—1882. — Johann Loserth, Die Reformation und Gegenreformation in den innerösterreichischen Ländern, Stuttgart 1898. — Ders., Die Wiedertaufe in Niederösterreich von ihren Anfängen bis zum Tode Balthasar Hubmairs, Bl. f. Landeskunde v. Niederösterreich, 33 (1899). — Ders., Wiedertäufer in Steiermark, Mitt. d. hist. Vereins f. Steiermark, 42 (1894), 50 (1903) u. Zeitschr. d. hist. Vereins f. Steiermark, 10 (1912). — Ders., Archival. Beiträge zur Gesch. d. Täufertums und des Protestantismus in Tirol und Vorarlberg, Jahrbuch der Ges. f. Gesch. des Protestantismus in Österreich, 47 (1926). — Paul Dedic, Der Protestantismus in Steiermark im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation, Leipzig 1930. — Karl Eder, Glaubensspaltung und Landstände im Lande ob der Enns, Linz 1936. — Ludwig Theobald, Balthasar Hubmair, Zeitschr. f. bayer. Kirchengesch., 16 (1941). — Hubert Jedin, Geschichte des Konzils von Trient, 2 Bde., Freiburg i. Breisgau 1949—1957. — Eduard Widmoser, Das Tiroler Täufertum, Tiroler Heimat, 15 u. 16 (1951, 1952). — Joseph Karl Mayr, Wiener Protestantengeschichte im 16. u. 17. Jahrhundert, Jahrbuch f. Gesch. des Protestantismus in Osterreich, 70 (1954). — Heinrich Wurm, Die Jörger von Tollet, Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs, Bd. 4, Graz-Köln 1955. — Lieselotte Westmüller, Helmnard Jörger und die protestantische Gemeinde zu Hernais. Jahrbuch der Ges. f. Gesch. des Protestantismus in Osterreich 81 (1965). — Gustav Reingrabner, Hans Wilhelm von Losenstein auf Schallaburg, Unsere Heimat 40 (1969). — Ders., Ständische Libertät und kirchliche Ordnung, Österreich in Geschichte u. Lit. 14 (1970). — Ders., Der evangelische Adel in Niederösterreich, Uberzeugung und Handeln. Jahrb. d. Gesellschaft f. Gesch. d. Protestantismus in Osterreich 90/91 (1975). — Ders., Adel und Reformation. Beiträge zur Geschichte des prot. Adels im Lande unter der Enns während des 16. und 17. Jahrhunderts, Wien 1976. — Friedrich Schragl, Glaubensspaltung in Niederösterreich, Wien 1973. — Vgl. ferner die Beiträge von Volker Press, Gernot Heiß, Karin J. Mac Hardy, Herbert Knittler, Martin C. Mandlmayr, Karl G. Vocelka und Gustav Reingrabner, in: Spezialforschung und „Gesamtgeschichte", Beispiele und Methodenfragen zur Geschichte der frühen Neuzeit, Wiener Beiträge zur Gesch. der Neuzeit 8, Wien 1981. — Franz Ortner, Reformation, katholische Reform und Gegenreformation im Erzstift Salzburg, Salzburg 1981. — Wolfgang Sittig, Landstände und Landesfürstentum. Eine Krisenzeit als Anstoß für die Entwicklung der Steirischen Landstände, Graz 1982. Die Teilung der Herrschaft über die österreichischen Erbländer unter den Söhnen Ferdinands I., S. 196ff.: Maximilian II.: Viktor Bibl, Zur Frage der religiösen Haltung Kaiser Maximilians II., AÖG 106 (1918). — Ders., Die Vorgeschichte der Religionskonzession Kaiser Maximilians II., Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterr., N. F. 13/14 (1915). — Ders., Maximilian II., der rätselhafte Kaiser, Hellerau b. Dresden 1929. — Georg Wagner, Maximilian II., der Wiener Hof und die Belagerung von Sziget. Dunäntuli tudomänyos gyüjtemeny 72, Series Historica 39 (1966) — Grete Mecenseffy, Maximilian II. in neuer Sicht, Jahrbuch f. Gesch. d. Protestantismus in Österreich 92 (1976). — Vgl. auch Hans Maier Volker Press, Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1987. Ferdinand von Tirol: Joseph Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, 2 Bde., Inns-

Quellen und Literatur

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brück 1885 —1888. — Jürgen Bucking, Frühabsolutismus und Kirchenreform in Tirol (1565—1665). Veröffentlichungen des Instituts f. Europäische Geschichte Mainz 66, Wiesbaden 1972. Karl von Innerösterreich: Josef Loserth, Die steirische Religionspezifikation 1572 bis 1578, Beitr. zu K u n d e Steiermark. Geschichtsquellen, 27 (1896). — Viktor Thiel, Die Aufrichtung der Regierung des Erzherzogs Karl von Innerösterreich, Zeitschr. d. hist. Ver. f. Steiermark, 11 (1913). — G r a z als Residenz, Innerösterreich 1564—1619, Katalog d. Ausstellung G r a z 1964. Red. Berthold Sutter, G r a z 1964. — Innerösterreich 1564—1619, Joannea 3, Red. von Alexander Novotnyu. Berthold Sutter, G r a z (1967). — Winfried Schulze, Landesdefension und Staatsbildung, Studien zum Kriegswesen des innerösterreichischen Territorialstaates (1564—1619), Veröffentlichungen d. Kommission f ü r neuere Geschichte Österreichs 60, Wien-Köln-Graz 1973. Vgl. Dedic, Protestantismus in Steiermark usw. Die Regierung Rudolfs II. Gegenreformation und Türkenkampf. S. 199ff.: Jos. Frh. v. Hammer-Purgstall, Khlesls, des Kardinals, Direktors des geheimen Kabinetts Kaiser Matthias', Leben, 4 Bde., Wien 1847—1851. — Anton Gindely, Rudolf II. und seine Zeit, 2 Bde., 2. Aufl., 1868. — Joseph Fischer, Die Erbteilung Kaiser Rudolfs II. mit seinen fünf Brüdern, Innsbruck 1897. — Alfred H. Löhl, Z u r Geschichte des Türkenkrieges von 1593—1606, Prager Studien aus dem Gebiet der Rechtswissenschaft, 6, 10, Prag 1899, 1904. — Viktor BibT, Erzherzog Ernst und die Gegenreformation in Niederösterreich (1576 bis 1590), M I Ö G 6. Erg.-Bd. (1901). — Ders., Die Religionsreformation Kaiser Rudolfs II. in O b e r österr., A Ö G 109 (1921). — Artur Steinwenter, Steiermark und der Friedensvertrag von Zsitva-Torok, A Ö G 106 (1915). — G. Lencz, D e r Aufstand Bocskays und der Wiener Friede, Debrecen 1917. — Lothar Groß, Z u r Geschichte des Wiener Vertrages vom 25. April 1606, M I Ö G Erg.-Bd. 11 (1929). — Rudolf Neck, Andrea Negroni. Ein Beitrag zur Geschichte der österr.-türkischen Beziehungen nach dem Frieden von Zsitva-Torok. M Ö S T A 3 (1950). — Hanns Sturmherger, Die Anfänge des Bruderzwistes in Habsburg (Vorgeschichte 1576—1590), Mitt. des oberösterr. Landesarchivs, 5 (1957). — Helmuth Feigl, Der niederösterr. Bauernaufstand 1596/97, Militärhist. Schriftenreihe, 22 (1972). — Franz Otto Roth, Wihitsch und Weitschawar, Zum Verantwortungsbewußtsein der adeligen Landstände Innerösterreichs in Gesinnung und T a t im türkischen „Friedensjahr" 1578, Zeitschr. des Hist. Vereins f. Steiermark 60 (1969). — R. J. W. Evans, Rudolf II and his world. Α study in intellectual history 1576—1612, O x f o r d 1973. — Kaiman Benda, Absolutismus und ständischer Widerstand in U n g a r n am Anfang des 17. Jhdts., Südostforschungen 33 (1974). — Wilhelm Hauser, Karl Markgraf von Burgau (1560—1618), Jahrbuch des Hist. Vereins Dillingen 82 (1980). — Gustav Bayerle, T h e Compromise at Zsitvatorok, Archivum Ottomanicum 6 (1980). Karl Vocelka, Die politische Propaganda Kaiser Rudolfs II. (1576—1612), Veröffentl. der Komm. f. d. Geschichte Österreichs 9, Wien 1981. Ders., Rudolf II. und seine Zeit, W i e n - K ö l n - G r a z 1985. — Philippe Erlanger, Rodolphe II de Habsbourg, Paris 1983. Z u r Frage der „Schranzischen Fälschung": Joseph Loserth, in: M I Ö G 18 (1897) und Jahrbuch der Ges. f. Gesch. des Protestantismus, 48 (1927) bzw. Karl Schellhass, Quellen u. Forschungen aus ital. Archiven und Bibliotheken, 17 (1914—1924). Der „Bruderzwist in Habsburg", S. 205 f f : Peter Ritter v. Chlumecky, Carl von Zierotin und seine Zeit, 2 Bde., 1862—1879. — Anton Müller, Der jülich-clevesche Erbfolgestreit im Jahre 1614, Forschungen zur Geschichte Bayerns, 8 (1900). — Viktor Bibl, Die katholischen und protestantischen Stände in Niederösterreich im 17. Jahrhundert, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 2 (1903). — Irmtraut Lindeck, Der Einfluß der staatsrechtlichen und bekenntnismäßigen Anschauungen auf die Auseinandersetzung zwischen Landesfürstentum und Ständen in Österreich während der Gegenreformation, Jahrbuch f. Gesch. des Protestantismus in Osterr. 60/61 (1939/40). — Hans Sturmberger, Georg Erasmus von Tschernembl, Forschungen z. Geschichte Oberösterreichs, 3 (1953). Vgl. auch Sturmbergers obengenannte Arbeit in Mitt. des oberösterr. Landesarchivs, 5 (1957). — Josef Him, Erzherzog Maximilian der Deutschmeister, Regent von Tirol, Hrsg. v. Heinrich Noflatscher, 2 Bde. (Nachdruck), Bozen 1981. — Eva Stahl, Wolf Dietrich von Salzburg, Weltmann auf dem Bischofsthron, 2. Aufl., W i e n - M ü n c h e n 1987. — Fürsterzbischof Wolfdietrich v. Raitenau (Ausstellungskatalog), Salzburg 1987. Kaiser Matthias und die Vorgeschichte des Dreißigjährigen Krieges, S. 208 ff.: Johannes Müller, Die Vermittlungspolitik Khlesls von 1613 — 1616, M I Ö G Erg.-Bd. 5 (1886 bis 1903). — Anton Gnirs, Österreichs Kampf f ü r sein Südland am Isonzo 1615 —1617, Wien 1916. — Friedrich Pick, Der Prager Fenstersturz im Jahre 1618, Pragensia I, Prag 1918. — Adam Haas,

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Quellen und Literatur

Der Reichstag von 1613, Diss., Würzburg 1929. — Hanns Sturmberger, Aufstand in Böhmen. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Janus-Bücher 13, München und Wien 1959. — Reinhard R. Heinisch, Habsburg, die Pforte und der Böhmische Aufstand, Südostforschungen 33 (1974), 34 (1975). — Helfried. Valentinitsch, Ferdinand II., die innerösterreichischen Länder und der Gradiskanerkrieg 1615 —1618, in: Johannes-Kepler-Gedenkschrift der Universität Graz, Graz 1975. Der Dreißigjährige Knee, S. 211 ff,: Friedrich Hurter, Geschichte Kaiser Ferdinands II., 11 Bde., Schaffhausen 1850 ff. — Gyula Szekfii, Bethlen Gabor, Budapest 1929. — Julius Strnadt, Der Bauernkrieg in Oberösterreich, 4. Aufl., Wels 1930. — Josef Pekaf, Wallenstein, 2. Aufl., 2 Bde., Prag 1934. — Karl Völker, Die „Sturmpetition" der evangelischen Stände in der Wiener Hofburg am 5. Juni 1619, Jahrbuch d. Gesellschaft f. Gesch. des Protestantismus in Osterreich, 57 (1936). — Ignaz Hübel, Die 1620 in Nieder- und Oberösterreich politisch kompromittierten Protestanten, ebenda, 58—60 (1937—1939). — Maja Depner, Das Fürstentum Siebenbürgen im Kampf gegen Habsburg, Stuttgart 1938. — Heinrich v. Srhik, Wallensteins Ende, 2. Aufl., Salzburg 1952. — Grete Mecenseffy, Habsburger im 17. Jahrhundert. Die Beziehungen der Höfe von Wien und Madrid während des Dreißigjährigen Krieges, AÖG 121 (1955). — Andreas Posch, Zur Tätigkeit und Beurteilung Lamormains, M I Ö G 63 (1955). — Hanns Sturmberger, Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, Wien 1957. — Ders., Vom Weißen Berg zur Pragmatischen Sanktion, Osterreich in Gesch. u. Lit. 5 (1961). — Ders., Adam Graf Herberstorff, Herrschaft u. Freiheit im konfessionellen Zeitalter, Wien 1976. — Georg Wagner, Wallenstein, der böhmische Condottiere, Wien 1958. — Ders., Wallenstein und der Landesherr von Tirol, Der Briefwechsel des Herzogs von Friedland mit Erzherzog Leopold V. (1626 bis 1632) und die Ereignisse der Zeit, M I Ö G 83 (1975). — Walter Ernst Heydendorff, Vorderösterreich im Dreißigjährigen Kriege, I (1617—1639), MÖSTA 12 (1959), II (1639—1648), ebenda 13 (1960). — Pekka Suvanto, Wallenstein und seine Anhänger am Wiener Hof zur Zeit des zweiten Generalates 1631 —1634. Studia Historica 5, Helsinki 1963. — Reinhard Rudolf Heinisch, Salzburg im Dreißigjährigen Krieg, Diss, der Universität Wien 18, Wien 1968. — Peter Broucek, Der Schwedenfeldzug nacn Niederösterreich, Militärhistorische Schriftenreihe 7, Wien 1967. — Ders., Die Eroberung von Bregenz am 4. Jänner 1647, ebenda 18, Wien 1971. — Ders., Die Bedrohung Wiens durch die Schweden im Jahr 1645, Jahrbuch des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien 26 (1970). — Josef Polisensky, Der Krieg und die Gesellschaft in Europa 1618 — 1648, Wien-Köln-Graz 1971. — Hellmut Diwald, Wallenstein, Eine Biographie, München 1969. — Golo Mann, Wallenstein, Sein Leben erzählt, Frankfurt 1971. — Der Dreißigjährige Krieg, Beiträge zu seiner Geschichte, Schriften des Heeresgeschichtl. Museums in Wien 7, Wien 1976. — Thomas M. Barker, Generalleutnant Ottavio Fürst Piccolomini, Österr. Osthefte 22 (1980). — Robert Bireley S. /., Religion and Politics in the Age of the Counterreformation. Emperor Ferdinand II, William Lamormaini S.J. and the Formation of Imperial Policy, Chapel Hill 1981. — Helmut Mahr, Wallenstein vor Nürnberg 1632, Neustadt a. d. Aisch 1982. — Georg Heilingsetzer, Der oberösterreichische Bauernkrieg 1626, 2. Aufl. Militärhist. Schriftenreihe 32, Wien 1985. — Georg Wagner, Österreich und die Osmanen im Dreißigjährigen Krieg. Hermann Graf Czernins Grußbotschaft nach Konstantinopel 1644/45. Mitt. d. Oberösterr. Landesarchivs 14 (1984). — Hans Schmidt, Wallenstein als Feldherr, ebenda. — Geoffrey Parker, Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt 1987. — Gottfried Lorenz (Hrsg.), Quellen zur Geschichte Wallensteins, Ausgew. Quellen z. Geschichte d. Neuzeit 20, Darmstadt 1987. Der Westfälische Friede, S. 220f.: Helge Almquist, Königin Christina und die österreichische Protestantenfrage um die Zeit des westfälischen Friedens, Archiv f. Reformationsgeschichte, 36 (1939). — Max Braubach, Der Westfälische Friede, Münster 1948. — Max Braubach - Konrad Repgen, Acta pacis Westphalicae, Bd. 1, Münster 1962. — Fritz Dickmann, Der Westfälische Friede, 4. Aufl., Münster 1977. Siedlungswesen und Bevölkerungsverhältnisse im konfessionellen Zeitalter, S. 221 ff.: Adalbert Klaar, Der Städtebau in den Donau- und Alpengauen vom Beginn des 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Die Bildende Kunst in Osterreich, Bd. 6, Wien 1943. — Kurt Klein, Die Bevölkerung Österreichs vom Beginn des 16. bis zur Mitte des 18. Jhdts., in: Beiträge z. Bevölkerungs- u. Sozialgeschichte Österreichs, Wien 1973. — Franz Mathis, Zur Bevölkerungsstruktur österreichischer Städte im 17. Jhdt., Wien 1977. Türkenkrieg und Kroatensiedlung: Anton Schachinger, Die Türkeneinfälle 1529 und 1532 und ihre Auswirkungen in der Topographie des Wienerwaldes, Jahrbuch des Vereins f.

Quellen und Literatur

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Landeskunde v. Niederösterreich, 22 (1929). — Oskar Grussecki, Die Kroaten des Burgenlandes und ihr Siedlungsgebiet, Burgenländ. Heimatbl., 3 (1929). — Friedrich Baumhackl, Die Kroaten im Marchfeld, Unsere Heimat, 13 (1940). — Johann Dobrovich, Volk an der Grenze. Schicksal und Auftrag. Z u r Geschichte der burgenländischen Kroaten. Burgenländische Forschungen 47, Eisenstadt 1963. — Josef Breu, Die Kroatensiedlung im Burgenland und den anschließenden Gebieten, Wien 1970. — Die wirtschaftlichen Auswirkungen der T ü r k e n kriege, Grazer Forschungen z. Wirtschafts- u. Sozialgeschichte 1, G r a z 1971. Exulanten: Theodor Lochner, Osterreichische Exulanten in Nürnberg, Anzeiger f. K u n d e der deutschen Vorzeit, N . F. 3 (1855). — Rudolf Wolkan, Das Geschichtsbuch der Hutterischen Brüder, T o r o n t o 1923. — Hermann Clauß, Österreichische Exulanten im 17. Jahrhundert, Jahrbuch der evangel.-luther. 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Jahrhunderts, Weimar 1896. — Heinrich Demelius, Uber Dorfversammlung und Herrschaftsgericht im 17. Jahrhundert, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N . F. 20 (1927). — Edmund Frieß, Zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der gutsherrlichen Leute am Fuße des Ötschers nach dem Bauernsturm, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 21, 1928 (Redlich-Festschr.). — Anton Kern, Ein Kampf um das Recht. G r u n d h e r r e n und Weinbauern in der Steiermark im 16. u. 17. Jahrhundert. Graz 1941 (Forschungen z. Verfassungs- u. Verwaltungsgesch. d. Steiermark, 11). — Erna Patzelt, Bauernschutz in Österreich vor 1848, M I Ö G 58 (1950). — Helmuth Feigl, Die niederösterr. G r u n d herrschaft vom ausgehenden Mittelalter bis zu den josephinisch-theresianischen Reformen, Wien 1964. — Fritz Weber, Die Finanz- und Zollpolitik im 16. J a h r h u n d e r t und der Rückgang des niederösterr. Weinhandels, Jahrbuch f. Landeskunde v. N O , N F 31 (1953/54). — Georg Grüll, Der Bauer im Lande ob der Enns am Ausgang des 16. Jahrhunderts, Forschungen zur Geschichte Oberösterreichs 11, Linz 1969, - Roman Sandgruber, Z u r Wirtschaftsentwicklung Niederösterreichs im 16. u. 17. Jhdt., Unsere H e i m a t 45 (1974). Wesentliches Material (auch zur Geisteskultur der Zeit) enthält das Werk Otto Brunners, Adeliges Landleben und europäischer Geist. Leben und W e r k Wolf Helmhards von H o h b e r g 1612 — 1688. Salzburg 1949 (vgl. oben, S. 295). Bergbau: Zu den oben, S. 624, genannten Werken vgl. noch: Peter Hitzinger, Das Quecksilberbergwerk Idria, Laibach 1860. — Ludwig Bittner, Das Eisenwesen in InnerbergErzberg bis zur G r ü n d u n g der Innerberger Hauptgewerkschaft 1625, A O G 89 (1901). — Ludwig Scheuermann, Die Fugger als Montanindustrielle in Tirol und Kärnten, Studien zur Fuggergeschichte, 8, M ü n c h e n 1929. — Carl Schraml, Die Entwicklung des oberösterreichischen Salzbergbaues im 16. und 17. Jahrhundert, Jahrbuch des oberösterr. Musealvereins, 83 (1930). — Ders., Das oberösterr. Salinenwesen vom Beginne des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Wien 1932. — Josef Kallbrunner, H a n s Steinberger. Ein Beitrag zur Geschichte der Montanwirtschaft im Zeitalter Kaiser Rudolfs II., Vjschr. f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 27 (1934). — Hans Pirchegger, Das steirische Eisenwesen von 1564 bis 1625 (1939). — Alois Koch, Arbeitsrechtliche Bestimmungen am steirischen Erzberg im 16. Jahrhundert, G r a z 1942. — Maja Loehr, Thörl. Geschichte eines steirischen Eisenwerkes. Wien 1952. — Dieselbe, Die Radmeister am steirischen Erzberg bis 1625, Mitt. des Museums f. Bergbau, Geologie und Technik am Landesmuseum Joanneum 5 (1947) — Helfried Valentinitsch, Das landesfürstliche Quecksilberbergwerk Idria 1575—1659, Forschungen zur Gesch. u. Landeskunde d. Steiermark 32, G r a z 1981. Städte und Märkte, H a n d w e r k und Gewerbe: Viktor Thiel, Die H a n d w e r k e r o r d n u n g Ferdinands I. 1527, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N . F. 8 (1909). — Florian Krinzineer, Das Stift Schlägt und seine Glashütten, Heimatgaue, 2 (1921). — Edmund Frieß, Geschichte der H a m m e r - und Sensengewerbe in Waidhofen an der Ybbs bis zur Mitte des

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Quellen und Literatur

17. Jahrhunderts, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, 10 (1912). — Anton Pürgy, Die Geschichte der Glasindustrie im Waldviertel, Das Waldviertel, 5 (1932). — Anton Scheiblin, St. Pöltens geistiges und wirtschaftliches Leben im 16. Jahrhundert, Der Traisengau, 2 (1936). — Ders., Von mittelalterlichen Handwerksbetrieben zu neuzeitlichen Industrieanlagen an den Werksbächen der Traisen, ebenda, 3 (1937). — Ferdinand Tremel, Steirische Sensen, Blätter f. Heimatkunde d. Steiermark, 27 (1953). — Irmgard Hack, Steyr und seine Beziehungen zum innerbergischen Eisenwesen, Steyr 1953. — Dieselbe, Der Messerhandel der Stadt Steyr bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Oberösterr. Heimatblätter, 6 (1952). — Helfried Valentinitsch, Zur Geschichte des Handels und der Produktion von Handfeuerwaffen in der Steiermark im Zeitalter der Türkenkriege. In: Veröffentlichungen des Landeszeughauses Graz, 6 (1976). Handel, Finanz- und Geldwesen: Josef Kallbrunner, Lazarus Henckel von Donnersmarck, Vierteljahresschr. f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 24 (1931). — Ders., Der oberdeutsche Kaufmann in Österreich vom Ausgang des Mittelalters bis zum Dreißigjährigen Kriege, Nachrichtenblatt des Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien, N. F. 1 (1939). — Johannes Müller, Zacharias Geizkofler (1560—1617), des heiligen römischen Reiches Pfennigmeister und oberster Proviantmeister des Königreiches Ungarn, Baden bei Wien 1938. — Ferdinand Tremel, Zur Geschichte des Wiener Italienhandels im 16. Jahrhundert, Nachrichtenbl. des Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien, N. F. 3 (1941). — Ders., Der österreichische Kaufmann im 16. Jahrhundert, in: Festschrift f. Karl Eder, Innsbruck 1959. Die Geisteskultur des konfessionellen Zeitalters, S. 236ff: Erziehungswesen: Johann Kelle, Die Jesuitengymnasien in Osterreich, Prag 1883. — G. M. Pachtler, Ratio studiorum et institutiones scholasticae societatis Jesu per Germaniam olim vigentes, Mon. Germ. Paedagogica, 55 (1916). — Ignaz Hübel, Das Schulwesen Niederösterreichs im Reformationszeitalter, Jahrbuch f. Gesch. des Prot, in Österreich, 51/52 (1930/31). — C. F. Bauer, Die evangelische Landschaftsschule in Linz an der Donau, ebenda, 45/46 (1925). — Max Doblinger, Stiftung und Entstehung der Linzer evangelischen Landschaftsschule, ebenda, 67 (1951). — Harry Kühnel, Die adelige Kavalierstour im 17. Jahrhundert, Jahrbuch f. Landeskunde v. Niederösterreich, N. F. 35 (1963). — Eva-Marie Csäky-Loebenstein, Studien zur Kavalierstour österreichischer Adeliger im 17. Jh., M I Ö G 79 (1971). — Gernot Heiß, Konfession, Politik u. Erziehung. Die Landschaftsschulen in den nieder- und innerösterr. Ländern vor dem Dreißigjährigen Krieg, Wiener Beiträge zur Gesch. der Neuzeit 5, Wien 1978. — Ders., Integration in die höfische Gesellschaft als Bildungsziel. Zur Kavalierstour des Grafen Joh. Sigmund v. Hardegg 1646/50, Jahrb. f. Landeskunde von Niederösterr., N. F. 48/49 (1982/83). — Helmut Engelbrecht, Unterricht und Erziehung auf dem Boden Österreichs zur Zeit der Renaissance und des Humanismus, Jahresbericht des Bundesgymnasiums Krems 1979/80, Krems 1980. — Ders., Der Beitrag der Protestanten und Jesuiten zum Wiederaufbau des österr. Schulwesens . . . im 16. Jhdt., Jahresbericht etc. 1980/81, Krems 1980. — Ders., Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 2, Das 16. und 17. Jahrhundert, Wien 1983. — Ladislaus Lukäcs S.J. (Hrsg.), Monumenta paedagogica Societatis Iesu, Bd. 1 ff., Rom 1969 ff. (Angaben über einzelne im Erziehungswesen tätige Persönlichkeiten im folgenden Abschnitt.) Wissenschaftliches und literarisches Schrifttum, Theater, Musik: Franz Spengler, Wolfgang Schmeltzl, Wien 1883. — Michael Mayr, Wolfgang Lazius als Geschichtsschreiber Österreichs, Innsbruck 1894. — Konrad Schiffmann, Magister Georg Calaminus, Beiträge z. österr. Erziehungs- u. Schulgeschichte, 2, Wien 1899. — Max Doblinger, Hieronymus Megiser, Leben und Werk, MIÖG 26 (1905). — Johann Hurch, Christoph von Schallenberg. Ein österr. Lyriker des 16. Jahrhunderts. Bibliothek des literar. Vereins in Stuttgart, 253 (1910). — Emil Mencke-Glückert, Die Geschichtsschreibung der Reformation und Gegenreformation, Leipzig 1912. — Karl Großmann, Reichart Streun von Schwarzenau, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 20 (1926/27). — Ders., Der Historiker Reichart Streun von Schwarzenau, M I Ö G Erg.-Bd. 11 (1929). — Ders., Megiser, Christalnick und die Annales Carinthiae, M I Ö G 57 (1949). — Karl Kurt Klein, Der Humanist und Reformator Johannes Honter, Hermannstadt 1935. — Paul Dedic, Verbreitung und Vernichtung evangelischen Schrifttums in Innerösterreich, Zeitschr. f. Kirchengesch., 57 (1938). — Günther Stökl, Die deutsch-slavische Südostgrenze des Reiches im 16. Jahrhundert (behandelt das südslawische Reformationsschrifttum, insbes. Trüber, Ungnad, Consul), Breslau 1940. — Anna Coreth, Job Hartmann von Enenkel, M I Ö G 55 (1946). — Max Caspar, Johannes

Quellen und Literatur

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Kepler, 2. Aufl., Stuttgart 1950. — Οthmar Wessely, Die Pflege der Musik an der evangelischen Landschaftsschule zu Linz, Festschrift zum 400jährigen Jubiläum des humanist. Gymnasiums in Linz, Linz 1952. — Ders., N e u e Beiträge zur Pflege der Musik usw., Mitt. des oberösterr. Landesarchivs, 3 (1954). — Gilbert Trathnigg, Von Meistersingern in Niederösterreich und Wien, Unsere Heimat, 25 (1954). — Ders., Die Welser Meistersinger-Handschriften, Jahrbuch des Musealvereins Wels 1954. — Kurt Adel, Das Jesuitendrama in Osterreich, Wien 1957. — Helmut Slaby, Magister Georg Calaminus und sein Freundeskreis, Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1958. — Erich Zöllner, Das österreichische Stammbuch des konfessionellen Zeitalters und seine Bedeutung als Geschichtsquelle, M O S T A 25 (1972). N e u d r u c k in: Zöllner, Probleme und Aufgaben. — Johannes Kepler 1571 —1971. Gedenkschrift der Universität Graz, Graz 1975. — Berthold Sutter, Johannes Kepler und Graz. Im Spannungsfeld zwischen geistigem Fortschritt und Politik, G r a z 1975. — Günther Hamann, Johannes Kepler, das H a u s Habsburg und die katholische Kirche, Kepler-Symposion 1980, Linz 1982. Bildende Kunst (die Werke über Barockkunst werden im allgemeinen erst unten, S. 639 f., angeführt): Emst Birk, Jakob Seisenegger, Kaiser Ferdinands I. H o f m a l e r 1531 bis 1567, Mitt. der Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, 9 (1864). — Adolfo Venturi, Z u r Geschichte der Kunstbestrebungen Kaiser Rudolfs II., Repertorium f. Kunstwissenschaft, 8 (1885). — Joseph Wastler, Das Kunstleben am H o f e zu Graz unter den H e r z o g e n von Steiermark, den Erzherzogen Karl und Ferdinand, Graz 1897. — Ludwig Baldass, Die Wiener Gobelinsammlung, Wien 1920. — Fritz Dworschak, Die Renaissancemedaille, Jahrbuch der kunsthist. Sammlungen, N . F. 1 (1926). — Gerhard Ladner, Z u r Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, M I O G 47 (1933). — Martin Weinberger, Wolf H u b e r , Leipzig 1930. — Paul Brathe, Der Kirchenbau des österreichischen Protestantismus im Reformationszeitalter, Jahrbuch f. Gesch. d. Prot, in Osterreich, 55 (1934). — Richard K. Donin, Das Bürgerhaus der Renaissance in Niederdonau, Wien 1944. — Ders., Niederösterreichische Renaissanceschlösser als Wehrbauten, in: Donin, Z u r Kunstgeschichte Österreichs, Wien usw. 1951. — Laurin Luchner, Denkmal eines Renaissancefürsten, Versuch einer Rekonstruktion des Ambraser Museums von 1583, Wien 1958. — Renate WagnerRieger, Das Schloß zu Spittal an der Drau, Wien 1962. — Dies., Die Baukunst des 16. u. 17. Jahrhunderts in Österreich, Wiener Jahrb. f. Kunstgeschichte 20 (1965). — Rupert Feuchtmüller, Das Neugebäude, Wien 1976. Vgl. ferner: Alphorn Lhotsky, Geschichte der Sammlungen, II, 1, 109 ff., Die Kunstund W u n d e r k a m m e r der Renaissance. — Margarethe Poch-Kalous, Das Wiener Kunsthandwerk seit dem Zeitalter der Renaissance, I. Das Kunsthandwerk zwischen 1520 und 1650, in: Geschichte der Stadt Wien, hrsg. v. Verein f. Geschichte der Stadt Wien, N R , Bd. VII, 2, S. 228 ff. Gute Einblicke in den Gesamtbereich des kulturellen Lebens im konfessionellen Zeitalter bieten Justus Schmidt, Linzer Kunstchronik, Bd. 3, Linz 1952, S. 47 ff. und insbes. Renaissance in Osterreich, Katalog der Landesausstellung Schallaburg 1974, H o r n 1974. Vgl. ferner Karl Vocelka, Habsburgische Hochzeiten 1550—1600. Kulturgeschichtliche Studien zum manieristischen Repräsentationsfest, Wien-Köln 1976. VII. Österreichs Aufstieg zur Großmacht (1648—1740),

S. 246 ff.

Die Quellen zu dieser Epoche umfassen neben zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen gelehrter und publizistischer Natur, Akten und U r k u n d e n landesfürstlicher und ständischer Behörden, ein umfangreiches Material namentlich diplomatischer Schriftstücke, wie Instruktionen, Weisungen, Noten und Berichte, ferner umfangreiche Gesetzessammlungen (Codex Austriacus, s. oben, S. 599), dann Mitteilungen persönlichen Inhaltes, Briefe, Tagebücher, Memoiren usw. Das ungedruckte Material ist in der Regel durch Archivrepertorien und Inventare erschließbar. Vgl. Anna Benna, Aufstieg zur Großmacht, Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Osterreichkunde 40, Wien 1982. Vgl. ferner die allgemeinen Quellen- und Literaturhinweise bei Uhlirz, I, S. 235 ff., 254 ff.; IV, S. 57 ff. Hantsch, Die Geschichte Österreichs, Bd. 2. 3. Aufl. (1962), S. 7 bzw. 547 ff. sowie in der ausführlichen Darstellung von Oswald Redlich, Weltmacht des Barock, 4. Aufl., Wien 1961, bzw. Das Werden einer Großmacht, 4. Aufl., Wien 1962. — Vgl. ferner Franz Martin, Salzburgs Fürsten in der Barockzeit, 2. Aufl., Salzburg 1949. — Hanns Sturmberger, V o m Weißen Berg zur Pragmatischen Sanktion, Osterreich in Geschichte u. Literatur

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Quellen und Literatur

5 (1961). — Ders., Der absolutistische Staat und die Länder in Osterreich, in: Der österr. Föderalismus, hrsg. vom Institut f. Osterreichkunde, Wien 1969. — Hanns Leo Mikoletzky, Österreich — das große 18. Jhdt. Von Leopold I. bis Leopold II. Wien 1967. Wiederaufbau und Zweifrontenkampf gegen Türken und Franzosen, S. 246 ff,: Moriz von Angelt, Der Friede von Vasvär, Mitt. des κ. u. k. Kriegsarchivs, 2 (1877). — Joseph Großmann, Raimund Montecuccoli. Ein Beitrag zur österreichischen Geschichte des 17. Jahrhunderts, vornehmlich der Jahre 1672—1673. AÖG 73 (1878). — Alfred Francis Pribram, Zur Wahl Kaiser Leopolds I., AÖG 73 (1888). — Ders., Franz Paul Freiherr von Lisola (1613 — 1674) und die Politik seiner Zeit, Leipzig 1894. — Friedrich Stieve, Ferdinand III. Abhandlungen, Vorträge und Reden, Leipzig 1900. — Michael Doeberl, Bayern und Frankreich. Vornehmlich unter Kurfürst Ferdinand Maria. München 1900. — Ferdinand Fehling, Die europäische Politik des Großen Kurfürsten 1667—1688, Leipzig 1910. — Anton Neuber, Der schwedischpolnische Krieg und die österreichische Politik 1655—1657, Prag 1915. — Emil Lilek, Kritische Darstellung der ungarisch-kroatischen Verschwörung und Rebellion 1663—1671, 2 Bde., Cilli 1928, 1930. — Ivo Senesi, Raimondo Montecuccoli, Torino 1933. — Alexandre de Saint-Leger et Philippe Sagnac, La preponderance Franfaise. Louis XIV. 1661 —1715. Paris 1935. — Grete Mecenseffy, Im Dienste dreier Habsburger. Leben und Wirken des Fürsten Weikhard Auersperg (1615 —1677). AÖG 114/2 (1938). - Rudolf Kindinger, Die Schlacht von St. Gotthard am 1. August 1664, Zeitschr. des Hist. Vereins f. Steiermark, 48 (1957). — Richard F. Kreutel, Im Reiche des Goldenen Apfels. Des türkischen Weltenbummlers Evlija Celebis denkwürdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665. Osmanische Geschichtsschreiber, 2, Graz 1957. — Georg Wagner, Das Türkenjahr 1664. Eine europäische Bewährung. Burgenländische Forschungen 48, Eisenstadt 1964. — Ders., Der angebliche kaiserliche Türkentribut nach der Schlacht von Mogersdorf (1664), M I Ö G 72 (1964). — Ekkehard Eickhoff, Venedig, Wien und die Osmanen. Umbruch in Südosteuropa 1645 —1700, München 1970. — Peter Broucek, Das Türkenjahr 1663 und Niederösterreich, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterr. 40 (1974). — John P. Spielmann, Leopold I. Zur Macht nicht geboren, Graz 1981. — Bela Köpeczi, Staatsräson und christliche Solidarität. Die ungarischen Aufstände und Europa in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Wien-Köln-Graz 1983. Das Türkenjahr 1683 und der österreichische Gegenstoß, S. 2 5 2 f f . : Eine umfassende Bibliographie des Türkenjahres bei Sturminger, Bibliographie und Ikonographie, vgl. oben, S. 628. — Vgl. auch Walter Sturminger, Die Türken vor Wien in Augenzeugenberichten. Düsseldorf 1968. — Peter Broucek - Erich Hillbrand - Fritz Vesely, Historischer Atlas zur zweiten Türkenbelagerung Wien 1683, Wien 1983. — Vgl. ferner: Gemot Heiß - Grete Klingenstein (Hrsg.), das Osmanische Reich und Europa 1683—1789, Konflikt, Entspannung und Austausch, Wiener Beiträge zur Gesch. d. Neuzeit 10 (1983). — Über die Erscheinungen des Jubiläumsjahres 1983 vgl. Isabella Ackerl, Wien aktuell, Jg. 1983, H e f t III, S. XXII ff. — Karl Vocelka, 1683 —1983. Ein Jubiläum? Fortschritt oder Stagnation der historiographischen Aufbereitung der zweiten Wiener Türkenbelagerung, MIÖG 92 (1984). Walter Leitsch Maximilian Peyfuss, Dreihundert Jahre seit dem Entsatz von Wien 1683. Publikationen und Ausstellungen, Jahrbücher für Geschichte Osteuropas N. F. 32 (1984). Eine Gesamtdarstellung der Ereignisse von 1683 gibt Reinhold Lorenz, Das Türkenjahr 1683, 3. Aufl., Wien 1944. — Vgl. ferner: Paul Wentzke, Feldherr des Kaisers. Leben und Taten Herzog Karls V. von Lothringen. Leipzig 1943. — Otto Forst Battaglia, Jan Sobieski, König von Polen, Neuaufl. Graz 1982. — Walter Sturminger, Die Kundschafter zur Zeit der zweiten Türkenbelagerung Wiens im Jahre 1683, in: Festschr. zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- u. Staatsarchives, II (1952). — Richard F. Kreutel, Kara Mustapha vor Wien. Das türkische Tagebuch der Belagerung Wiens 1683. Osmanische Geschichtsschreiber, 1, 2. Aufl., Graz-Wien-Köln 1982. — Hermann Watzl, Flucht und Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683. Graz-Wien 1956. — Giorgio Papasogli Innocenzo XI (1611 — 1689), Roma 1956. — John Stoye, Wien 1683 oder die Rettung des Abendlandes, Wien 1966. — Walter Leitsch, Warum wollte Kara Mustapha Wien erobern? Jahrbücher f. Geschichte Osteuropas 29 (1981). — Günter Düriegl, Wien 1683, Die zweite Türkenbelagerung, Wien-Köln-Graz 1981. — Robert Waissenberger (Hrsg.), Die Türken vor Wien, Europa und die Entscheidung an der Donau, Salzburg-Wien 1982. — Gertrud Gerhard, Belagerung und Entsatz von Wien, Militärhist. Schriftenreihe 46, Wien 1982. — Thomas M. Barker, Doppeladler und Halbmond, Entscheidungsjahr 1683, übers, u. bearb. von Peter u. Gertraud Broucek, Graz-Wien-Köln 1982. —

Quellen und Literatur

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Vgl. ferner die Ausstellungskataloge: Die Türken vor Wien (Wien 1983, Künstlerhaus), Niederösterreich im Türkenjahr 1683 (Pottenbrunn 1983), Osterreich und die Osmanen (Wien 1983, Nationalbibliothek), Was von den Türken blieb (Perchtoldsdorf .1983). — Ferner: Studia Austro-Polonica 3, Krakau 1983 (betr. Entsatzschlacht 1983). — Österreich und die Osmanen. Prinz Eugen und seine Zeit, Schriften d. Inst. f. Osterreichkunde 51/52, Wien 1988. Uber Prinz Eugen: Bruno Böhm, Bibliographie zur Geschichte des Prinzen Eugen von Savoyen und seiner Zeit, Veröffentl. der Kommission f. neuere Geschichte Österreichs, 34, Wien 1943. Das alte Standardwerk von Alfred v. Ameth, Prinz Eugen von Savoyen, Wien 1858 (Neudruck München 1937), ist noch immer heranzuziehen. Vgl. aber Max Braubach, Geschichte und Abenteuer. Gestalten um den Prinzen Eugen. München 1950. — Ders., Prinz Eugen von Savoyen. Eine Biographie, 5 Bde., Wien 1963 —1965. — Ferner: Die Feldzüge des Prinzen Eugen, hrsg. von der Abteilung für Kriegsgeschichte des k. k. Kriegsarchivs, 21 Bde., Wien 1876—1892. — Gottfried Mraz, Prinz Eugen. Ein Leben in Bildern und Dokumenten, München 1985. — Gerda Mraz, Prinz Eugen, Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit, WienMünchen 1985. — Karl Gutkas, Prinz Eugen und das barocke Osterreich, Salzburg-Wien 1985. — Johannes Kunisch, Prinz Eugen von Savoyen und seine Zeit, Flensburg-Würzburg 1986. — Peter Broucek - Erich Hillbrand - Fritz Vesely, Prinz Eugen, Feldzüge und Heerwesen, Wien 1986. Zum Kampf im Westen: Rudolf Fester, Die Augsburger Allianz von 1686, München 1893. — Kurt von Raumer, Die Zerstörung der Pfalz von 1689, München 1930. — Nikolaus Japikse, Prins Willem III. De Stadhouder Koning, 2 Bde., 1930, 1933. — Heinrich von Srbik, Wien und Versailles 1692—1697, München 1944. Der Krieg um das spanische Erbe, S. 257ff.: Grundlegend für dieses und die folgenden Kapitel ist das Werk von Oswald Redlich, Das Werden einer Großmacht. Osterreich von 1700—1740. 4. Aufl., Wien 1962. Vgl. auch George M. Trevelyan, England under Queen Anne, 3 Bde., Neudruck London 1948. — Charles W. Ingrao, In Quest and Crisis. Emperor Joseph I. and the Habsburg Monarchy. West Lafayette, Indiana 1979. Ferner Ottokar Weber, Der Friede von Utrecht. Verhandlungen zwischen England, Frankreich, dem Kaiser und den Generalstaaten 1710—1713. Gotha 1891. — Arsene Legrelle, La diplomatie franfaise et la succession d'Espagne, 2. Aufl., 6 Bde., Paris 1895 bis 1899. — Johann Ziekursch, Die Kaiserwahl Karls VI., Gotha 1902. — Erik Carlson, Der Vertrag von Karl XII. und Kaiser Joseph I. zu Altranstädt 1707, Stockholm 1907. — Sandor Marki, II. Räkoczi Ferencz, 3 Bde., Budapest 1907—1910. — La campagna di guerra in Piemonte (1703 — 1708) e l'assedio di Torino, 10 Bde., Torino 1907—1912. — Max Braubach, Die Politik des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern im Jahre 1702, Hist. Jahrbuch, 43 (1923). — Prinz Adalbert von Bayern, Das Ende der Habsburger in Spanien, 2 Bde., München 1929. — Werner Reese, Das Ringen um Frieden und Sicherheit in den Entscheidungsjahren des spanischen Erbfolgekrieges 1708 — 1709, München 1933. — Winston S. Churchill, Marlborough, His life and times, 4 Bde., London-New York 1934—1935. — Otto Haintz, König Karl XII. von Schweden, 3 Bde., 2. Aufl., Berlin 1958. — Wilhelm Bauer, Joseph I., Mitt, des oberösterr. Landesarchivs, 4 (1955). — P. V. Bou, El Archiduque Carlos de Austria, rey de los Catalanes, Barcelona 1953. — Gustav Otruba, Prinz Eugen und Marlborough, Wien 1961. — Fritz Posch, Flammende Grenze. Die Steiermark in den Kuruzzenstürmen. Veröffentl. des Steiermark. Landesarchivs 5, Graz-Wien-Köln 1968. — Elke Jamut-Derbolav, Die österreichische Gesandtschaft in London (1701 —1711), Bonner Hist. Forschungen 37, Bonn 1972. — Bela Köpeczi, La France et la Hongrie au debut du XVIIIe siecle. Etude d'histoire des relations diplomatiques et d'histoire des idees, Budapest 1971. — Karl Otmar Frh. v. Aretin, Kaiser Joseph I. zwischen Kaisertradition und österr. Großmachtpolitik. Hist. Zeitschr. 215 (1972). — Franz Mathis, Neue Aspekte zur Planung des süddeutschen Feldzuges von 1704, MÖSTA 27 (1974). — Ders., Marlborough und Wratislav, MIÖG 83 (1975). — La Belgique Autrichienne (1713—1794). Les Pays-Bas Meridionaux sous les Habsbourg d'Autricne. Hrsg. von Herve Hasquin, Bruxelles 1987. — Vgl. auch Erwin Matsch, Geschichte des Auswärtigen Dienstes von Österreich ( — Ungarn), 1720—1920, Wien 1980. Regelung der Erbfolge. Die Pragmatische Sanktion, S. 265 f.: Grundlegend ist Gustav Turba, Die Pragmatische Sanktion. Authentische Texte samt Erläuterungen und Übersetzungen, Wien 1913. — Ders., Die Grundlagen der Pragmatischen Sanktion, 1. Teil Ungarn, 2. Teil Die Hausgesetze. Wiener staatswissenschaftl. Studien, 10, 11, Leipzig-Wien 1911 —1912. — Ders., Reichsgraf Seilern aus Ladenburg am Neckar (1646—1715), Heidel-

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Quellen und Literatur

berg 1923. — Vgl. auch Emst Schönbauer, Sanctiones pragmaticae in alter und neuer Zeit, Anzeiger d. phil.-hist. Kl. der Österr. Ak. d. Wiss. 90 (1953). Gegen die Annahme einer Unterschiebung des Originals der Pragmatischen Sanktion im Jahre 1719 bei W. Michael, Berliner Sitzungsberichte, Phil.-hist. Kl. 94 (1929), vgl. Turba, Hist. Zeitschr., 141 (1929) und Archival. Zeitschr., 40 (1931); Michael wiederholte seine These in der Arbeit: Zur Entstehung der Pragmatischen Sanktion, Basel 1939 Neue Kämpfe gegen die Pforte und die Bourbonenstaaten, S. 266 ff.: Die Kämpfe des Türkenkrieges 1716—1718 sind dargestellt im 16. und 17. Band der „Feldzüge des Prinzen Eugen", die des polnischen Thronfolgekrieges im 19. und 20. Band. Uber die beiden Türkenkriege Karls VI. und die spätere Tätigkeit Räköczis vgl. ferner: Moriz von Angeli, Der Krieg mit der Pforte 1737—1739, Mitt. des k. k. Kriegsarchivs, Wien 1881. — Julius Szekfü, Α szämüzött Räköczi (Der verbannte Räköczi), Budapest 1913. Vgl. dazu F. Eckhart, M I O G 36 (1915). — Septime Gorceix, Bonneval-Pascha et le jeune Räköczi, in: Melanges offerts Μ. N. Jorga, Paris 1933. — E. Pillias, Etudes sur Francois II Räköczi, Prince de Transylvanie, Paris 1939. — Oswald Redlich und Viktor Junk, Das Lied vom Prinzen Eugen, Anzeiger der Wiener Akademie der Wissenschaften 1935. — Joseph Odenthal, Österreichs Türkenkrieg 1716—1718, Düsseldorf 1938. — Oskar Regele, Die Schuld des Grafen von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage von Mollwitz 1741, MOSTA 7 (1954). — Heinrich Benedikt, Der Pascha-Graf Alexander von Bonneval (1675 — 1747), Graz-Köln 1959. — Bela Köpeczi, La France et la Hongrie au debut du XVIIIe siecle, Budapest 1971. Zur Reichspolitik und zur diplomatisch-militärischen Auseinandersetzung im Süden und Westen vgl.: Ottokar Weber, Die Quadrupelallianz, Wien 1887. — Hans von ZwiedineckSüdenhorst, Die Anerkennung der pragmatischen Sanktion Karls VI. durch das deutsche Reich, M I Ö G 16 (1895). — Heinrich Benedikt, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI., Wien-Leipzig 1927. — Hugo Hantsch, Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn (1674—1746), Augsburg 1929. — Grete Mecenseffy, Karls VI. spanische Bündnispolitik 1725 —1729, Innsbruck 1934. — Leo Just, Wie Lothringen dem Reich verlorenging, Rhein. Vierteljahrsbl., 7 (1937). — Ellinor von Puttkammer, Frankreich, Rußland und der polnische Thron 1733, Diss., Berlin 1937. — Max Braubach, Versailles und Wien von Ludwig XIV. bis Kaunitz. Die Vorstadien der diplomatischen Revolution im 18. Jahrhundert. Bonner Historische Forschungen, 2, Bonn 1952. — Ders., Johann Christoph Bartensteins Herkunft und Anfänge, M I Ö G 61 (1953). — Josef Hrazky, J. Chr. Bartenstein, der Staatsmann und Erzieher, MÖSTA 11 (1958). — Max Braubach, Die Geheimdiplomatie des Prinzen Eugen von Savoyen, Abhandlungen d. Arbeitsgemeinschaft f. Forschung des Landes NordheinWestfalen, 22, Köln-Opladen 1962. — Antonio Di Vittorio, Gli Austriaci e il Regno di Napoli 1707—1734, Le finanze pubbliche, Napoli 1969. Uber die Italienpolitik vgl. insbesondere noch Heinrich Benedikt, Kaiseradler über dem Apennin. Die Österreicher in Italien 1700—1866, Wien-München 1964. — Adam Wandruszka, Osterreich und Italien im 18. Jahrhundert, Wien 1963. — Silvio Furlani - Adam Wandruszka, Osterreich und Italien. Ein bilaterales Geschichtsbuch, Wien-München 1973. Uber die Niederlande vgl. Heinrich Benedikt, Als Belgien noch österreichisch war, Wien 1965. Über Kaiser und Hof vgl. Hugo Hantsch, Die drei großen Relationen St. Saphorins über die inneren Verhältnisse am Wiener Hof zur Zeit Karls VI., M I Ö G 58 (1950). — Alphons Lhotsky, Kaiser Karl VI. und sein Hof im Jahre 1712/13, ebenda, 66 (1958). — Hubert Ch. Ehalt, Ausdrucksformen absolutistischer Herrschaft. Der Wiener Hof im 17. u. 18. Jahrhundert, Sozial- und wirtschaftshist. Studien 14, Wien 1980. Uber die Verfolgung von Protestanten und über die „Hexenbekämpfung" vgl. auch das folgende Kapitel. Bevölkerung und Siedlung 1648-1740, S. 275 ff.: Aussiedlungs- und Ansiedlungsmaßnahmen: Carl Franz Arnold, Die Ausrottung des Protestantismus in Salzburg unter Erzbischof Firmian und seinen Nachfolgern (2 Teile), Halle 1900—1901. — Ders., Die Vertreibung der Salzburger Protestanten und ihre Aufnahme bei den Glaubensgenossen, Leipzig 1900. — Ernst Nowotny, Die Transmigration ober- und innerösterr. Protestanten nach Siebenbürgen im 18. Jahrhundert, Jena 1931. — Joseph Kallbrunner, Deutsche Wanderungen nach Siebenbürgen in neuerer Zeit, Deutsches Archiv f. Landes- und Volksforschung, 2 (1938). — Hedwig Gollob, Die Salzburger Protestanten, Wien 1939. — Anton Schachinger, Das kaiserliche Waldamt und Herrschaft Purkersdorf im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts

Quellen und Literatur

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unter besonderer Berücksichtigung der Türkeninvasion des Jahres 1683, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 29 (1944—1948). — Joseph Kallbrunner, Das kaiserliche Banat, I (Einrichtung und Entwicklung des Banats bis 1738), M ü n c h e n 1958. — Rudolf Moser, Schicksal von Transmigranten u. Exulanten aus der Umgebung von Wels, Quellenbeiträge z. Geschichte des Kryptoprotestantismus in Oberösterreich, Jahrbuch des Musealvereins Wels 18 (1972). — Gerhart Florey, Die Schwarzacher Versammlungen der Salzburger Protestanten im Jahre 1731, Mitt. der Ges. f. Salzburger Landeskunde 114 (1974). — Ders., Geschichte der Salzburger Protestanten und ihrer Emigration 1731/32, Wien-Köln-Graz 1977. — Reformation — Emigration, Protestanten in Salzburg (Katalog d. Ausstellung Goldegg 1981), Salzburg 1981. — Die Donauschwaben, Deutsche Siedlung in Südosteuropa, Katalog, Sigmaringen 1987. Verfolgungsmaßnahmen betrafen auch der Hexerei Verdächtigte. Hiezu: Heide Dienst, Magische Vorstellungen und Hexenverfolgungen in den österreichischen Ländern, in Wellen der Verfolgung, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 48, Wien 1986. — Helfried Valentinitsch (Hrsg.), Hexen und Zauberer, 2 Bde. (Ausstellungskatalog Riegersburg 1987), GrazWien 1987. Vgl. auch die Artikel Banat und Batschka in „Handwörterbuch des Grenz- u. Auslandsdeutschtums", I (1934), S. 207 ff., 291 ff.; ferner Sonja Jordan, Die kaiserliche Wirtschaftspolitik im Banat im 18. Jahrhundert, München 1967; über das Schicksal zurückgebliebener türkischer Kinder und Kriegsgefangener in Osterreich vgl. u. a. Monatsblatt „Adler", 3 (1941), S. 7, 76 ff. sowie Richard F. Kreutel und Otto Spies, Leben und Abenteuer des Dolmetschers Osman Aga, Bonn 1954. — Karl Teply, T ü r k e n t a u f e n in Wien während des Großen Türkenkrieges 1683 — 1699, Jahrbuch d. Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 29 (1973). — Ders., Vom Los osmanischer Gefangener aus dem Großen Türkenkrieg 1683—1699, Südostforschungen, 32 (1973). Seuchen: Edmund Frieß und Gustav Gugitz, Z u r Pestperiode 1679—1680 in Wien, Monatsbl. des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, N. F. 19 (54, 1937). — Franz H. Laifle, Die Pest in Wien 1679, München und Berlin 1937. — Erna Lesky, Die österreichische Pestf r o n t an der k. k. Militärgrenze, Saeculum, 8 (1957). — Gustav Gugitz, Die Wiener Pestepidemie von 1713 und ihr Ausmaß, Wiener Geschichtsblätter 14 (1959). — Ferdinand Olhort, Pestbild und Pestbekämpfung im Niederösterreich des 17. Jahrhunderts, Unsere Heimat 48 (1977). — Werner Welzig, Weheklagen in Wien, Abraham a Sancta Claras Beschreibung der Pest von 1679, Tätigkeitsbericht der Österr. Akad. d. Wiss. 1978/79, Wien 1979. — Hilde Schmoelzer, Die Pest in Wien. Wien 1985. Wirtschaftsleben und Wirtschaftspolitik im Zeitalter des Merkantilismus, S. 278ff.: Landwirtschaft: Zu den oben, S. 631, genannten Arbeiten vgl. noch: Joseph Fuchs, Der Tabakbau in Niederösterreich, Blätter des Vereins f. Landeskunde, 33 (1889). — Viktor Thiel, Steirische Land- und Forstwirtschaft im 18. Jahrhundert, Graz 1923. — Fritz Wisnicki, Die Geschichte der Abfassung des Tractatus de iuribus incorporalibus, Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich, N . F. 20 (1927). — Ignaz Hühel, Die Einführung der Kartoffelkultur in Niederösterreich, Unsere Heimat 5 (1932). — Heinrich Wemeck, Zur Geschichte der Kartoffel in Oberösterreich, Oberösterr. Heimatbl. 1 (1947). — Ders., Zur Geschichte des Rotkleebaues in Oberösterreich, ebenda, 2 (1948). — Georg Grüll, D e r erste oberösterr. Tabak, Oberösterr. Heimatbl., 1 (1947). — Ders., Bauer, H e r r und Landesfürst, Sozialrevolutionäre Bestrebungen der oberösterr. Bauern von 1650—1848. Linz 1963. — Heinrich Wurm, O t t o Achaz von H o h e n f e l d (1614—1685), ein Landedelmann der Barockzeit. Oberösterr. Heimatbl. 3 (1949). Merkantilistische Theorie und Musterindustrie: Johann J. Hatschek, Das M a n u f a k t u r haus auf dem T a b o r in Wien, Leipzi 1886. — Joseph von Falke, Die Wiener Porzellanfabrik, Wien 1887. — Helene Deutsch, Die Entwicklung der Seidenindustrie in Österreich 1660—1840, Wien 1909. — Heinrich von Srbik, Wilhelm von Schröder, Wiener Sitzungsberichte, phil.-hist. Kl. 164 (1910). — Ders., Die kaiserliche Spiegelfabrik zu Neuhaus 1701 — 1725, M I Ö G 32 (1911). — Viktor Hofmann, Die Wollenzeugfabrik zu Linz an der D o n a u , A O G 108 (1919). — Luise Sommer, Die österreichischen Kameralisten in dogmengeschichtlicher Darstellung, 2 Bde., Wien 1920, 1925. — Heinrich Gerstenberg, Philipp Wilhelm von Hörnigk, Jahrbuch f. Nationalökonomie u. Statistik, 133 (1930). — Herbert Hassinger, Wien im Zeitalter des Merkantilismus, Nachrichtenbl. des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien 1941. — Ders., J o h a n n Joachim Becher, Ein Beitrag zur Geschichte des Merkantilismus, Wien 1951. — Artur Scheiber, Carl Aschauer und die Tiroler Messingindustrie, in:

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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(1740—1848),

S. 304 ff.

Unter den Quellen dieses Zeitraumes sind wieder die Akten der Verwaltung, insbesondere der neu organisierten österreichischen Zentralbehörden, einschließlich der Bereiche der Justiz und der Diplomatie, zu erwähnen, dann die sehr umfangreichen gedruckten Gesetzessammlungen (s. oben, S. 599), ferner das überaus vielfältige Gebiet der politischen, namentlich auch der kirchenpolitischen Publizistik. Regelmäßig erscheinende Zeitungen und Zeitschriften gewinnen innerhalb der Publizistik zunehmend an Bedeutung. Die zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen hatten ihrerseits ein ausgebreitetes militärisch-historisches Schrifttum zur Begleiterscheinung und Folge. Hinzuweisen ist schließlich auf das Quellenmaterial statistisch-fiskalischen Charakters (Volkszählungen, Manufaktur- und Merkantiltabellen, Kataster usw.), das Aufschlüsse für Bevölkerungspolitik, Industrialisierung und Landwirtschaft vermittelt. Besonderer Würdigung bedarf auch die reichhaltige Literatur biographischen Inhalts (Tagebücher, Memoiren usw.) — Zur Quellenlage: Hans Wagner, Von der Reform zur Restauration, Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 40, Wien 1982. Die äußeren Ereignisse der theresianischen und der josephinischen Zeit sind kurz bei Uhlirz, I, S. 304 ff., behandelt, die innere Politik 1740—1790 und die Gesamtdarstellung 1790—1848 in Band II/1 ist wesentlich umfangreicher geraten. Vgl. ferner Hantsch, Die Geschichte Österreichs, Bd. 2 (3. Aufl.), 137 ff. — Adam Wolf und Hans von ZwiedineckSiidenhorst, Osterreich unter Maria Theresia, Joseph II. und Leopold II. Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, Berlin 1884. — Willy Andreas, Das theresianische Österreich während des 18. Jahrhunderts, Gotha 1938. — C. A. Macartney, The Habsburg Empire 1790—1918, London (1969). — Vgl. auch Hanns Leo Mikoletzky, Österreich — das große 18. Jahrhundert. Von Leopold I. bis Leopold II., Wien 1967. — Ernst Wangermann, The Austrian Achievement, 1700—1800, London 1973. — Osterreich im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 42, Wien 1983. — Ungarn und Osterreich unter Maria Theresia und Joseph II. (Texte des 2. Osterr.-ungar. Historikertreffens Wien 1980). Hrsg. von Α. M. Drabek, R. G. Plaschka und A. Wandruszka, Wien 1983. — Österreich im Europa der Aufklärung. Kontinuität und Zäsur im Europa zur Zeit Maria Theresias und Josefs II. (Symposion Wien 1980), 2 Bde v hrsg. von Richard G. Plaschka, Grete Klingenstein u. a., Wien 1983. — Helmut Reinalter, Osterreich im friderizianischen Zeitalter, Innsbruck 1986. — Moritz Csäky - Reinhard Hagelkrys, Vaterlandsliebe und Gesamtstaatsidee im österreichischen 18. Jahrhundert, Jahrbuch der Österr. Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, Bd. 1 (1989). Für die Personengeschichte ist hier nochmals auf Wurzbach und auf das Osterreichische Biographische Lexikon hinzuweisen. Uber Maria Theresia und ihre Zeit: Alfred von Ameth, Geschichte Maria Theresias,

Quellen und Literatur

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Instituts, Reihe Geschichte 41, Wiesbaden 1975. Das Jahrzehnt Josephs II., S. 319 ff: Paul von Mitrofanov, Joseph II. Seine politische und kulturelle Tätigkeit, 2 Teile, Wien-Leipzig 1910. — Friedrich Engel-Janosi, Josephs II. T o d im Urteil der Zeitgenossen, M I Ö G 44 (1930). — Friedrich Walter, Die österr. Zentralverwaltung. Die Zeit Josephs II. und Leopolds II. (1780 — 1792). Veröffentl. der Kommission f. neuere Geschichte Österreichs, 35, Wien 1950. — Ferencz Fejtö, Joseph II. Kaiser und Revolutionär. Ein Lebensbild. Stuttgart 1956. — Paul P. Bernard, Joseph II. New York 1968. — Hans Magenschah, Josef II. Revolutionär von Gottes Gnaden, Graz-Wien-Köln, 3. Aufl., 1981. — Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II., Katalog der Ausstellung Melk, 1980. — Derek Beales, Joseph II., 2 Bde., Cambridge 1987/88. — Karl Gutkas, Kaiser Joseph II. Eine Biographie, W i e n - D a r m s t a d t 1989. Uber die Niederlande (und das zweite bayerische Tauschprojekt) und über Ungarn vgl.: Friedrich Carl Wittichen, Preußen und die Revolution in Belgien und Lüttich 1789 bis 1790, Göttingen 1905. — Robert Gragger, Preußen, Weimar und die ungarische Königskrone, Ungarische Bibliothek, 1/6, Berlin-Leipzig 1923. — Willy Andreas, Carl August von Weimar und das Angebot der ungarischen Königskrone, M I Ö G 64 (1956). — Wilhelm Lüdke, D e r Kampf zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft im „Reiche" und die Auflösung des Fürstenbundes (1789/91), M I Ö G 45 (1931). — Helmuth Stradal, Die brabantische Revolution des Jahres 1789 aus Wiener Sicht, Anciens pays et assemblees d'etats, 47 (1968). — Alfred Kohler, Das Reich im Spannungsfeld des preussisch-österr. Gegensatzes. In: Fürst, Bürger, Mensch. Wiener Beiträge z. Gesch. d. Neuzeit 2, Wien 1975. — Horst Haselsteiner, Joseph II. und die Komitate Ungarns, Veröffentl. des ö s t e r r . Ost- und Südosteuropa-Instituts 11, Wien-Köln-Graz 1983. Ideengehalt und Reformen des Josephinismus, S. 321 ff.: Allgemeine Probleme: Georgine Holzknecht, Ursprung und H e r k u n f t der Reformideen Josephs II. auf kirchlichem Gebiet, Forschungen zur inneren Geschichte Österreichs, 11, Wien 1914. — Eduard Winter, Der Josefinismus und seine Geschichte. Beiträge zur Geistesgeschichte Österreichs 1740 bis 1848. Brünn-München-Wien 1943. — Ders., Barock, Absolutismus und A u f k l ä r u n g in der D o n a u monarchie, Wien 1971. — Fritz Valjavec, Der Josephinismus. Z u r geistigen Entwicklung Österreichs im 18. und 19. Jahrhundert. 2. Aufl., M ü n c h e n 1945. — Ferdinand Maaß, D e r Josephinismus, 5 Bde. (1760—1850), FRA II, 71—75, Wien 1 9 5 0 - 1 9 6 0 . — Herbert Rieser, D e r Geist des Josephinismus und sein Fortleben. D e r Kampf der Kirche um ihre Freiheit, Wien 1963. — Paul Β. Bernard, T h e Origins of Josephinism. T w o Studies. T h e Colorado College Studies, 7 (1964). — Ders., Jesuits and Jacobins. Enlightenment and Enlightened Despotism in Austria, Urbana-Chicago-London 1971. — Erich Zöllner,.Bemerkungen zum Problem der Beziehungen zwischen Aufklärung und Josefinismus. In: Österreich und Europa. Festgabe f ü r H u g o Hantsch, Graz-Wien-Köln 1965. — Hans Wagner, Die Reise Josephs II. nach Frankreich 1777 und die Reformen in Österreich. Ebenda. — Ders., D e r Einfluß von Gallikanismus u. Jansenismus auf die Kirche u. den Staat d. Aufklärung in Österreich, Ö G L 11 (1967). — Charles H. O'Brien, Ideas of Religious Toleration at the Time of Joseph II., Transactions of the American Philosophical Society, N. S. 59, part 7 (1969), Philadelphia 1969. — Hermann Haberzettl, Die Stellung der Exjesuiten in Politik und Kulturleben Österreichs zu Ende des 18. Jahrhunderts, Dissertationen der Universität Wien 94, Wien 1973. — Elisabeth Bradler-Rottmann, Die Reformen Kaiser Josephs II., Göppinger Akademische Beiträge 67, Göppingen 1973. — Peter Hersche, D e r Spätjansenismus in Osterreich. Veröffentl. d. Komm, f. Gesch. Oesterreichs 7, Wien 1976. — Ders., Erzbischof Hieronymus Colloredo und der Jansenismus in Salzburg, Mitt. d. Ges. f ü r Salzburger Landeskunde 117 (1977). — Elisabeth Koväcs (Hrsg.), Katholische Aufklärung und Josephinismus, Wien 1979.

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Quellen und Literatur

Reiche bibliographische Hinweise geben Fridolin Dörrer in M I Ö G 53 (1955), S. 460 ff. bzw. Roger Bauer, Le Josephinisme, Critique 134 (1958), S. 622 ff., Peter Hersche in Internationale kirchliche Zeitschrift 62 (1972), S. 122 ff. — Helmut Reinalter in Römische Historische Mitteilungen 17 (1975), 18 (1976). — Karl Vocelka, in: Jahrbuch der Ges. f. d. Gesch. d. Protestantismus in Österreich 95 (1979). — Vgl. auch oben, S. 640 f. Einzelfragen: Adam Wolf, Die A u f h e b u n g der Klöster in Innerösterreich, Wien 1871. — Gustav Frank, Das Toleranzpatent Josephs II., Wien 1881. — Cölestin Wolfsgruber, Christoph Anton Kardinal Migazzi, Fürsterzbischof von Wien, Saulgau 1890. — Rudolf Hittmair, D e r josephinische Klostersturm im Lande ob der Enns, Freiburg i. B. 1907. — Friedrich Walter, Die Organisierung der staatlichen Polizei unter Kaiser Joseph II., Mitt. des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 7 (1927). — Joseph Schoettl, Kirchliche R e f o r m e n des Salzburger Erzbischofs Hieronymus von Colloredo im Zeitalter der Aufklärung, Hirschenhausen 1939. — Heinrich Ferihumer, Die kirchliche Gliederung des Landes ob der Enns im Zeitalter Kaiser Josephs II., Forschungen z. Geschichte Oberösterreichs, 2, Linz 1952. — Gerhard Winner, Die Klosteraufhebungen in Niederösterreich und Wien. Wien-München 1967. — Reinhold Joseph Wolny, Die josephinische T o l e r a n z unter besonderer Berücksichtigung ihres geistlichen Wegbereiters J o h a n n Leopold Hay, München 1973. — Elisabeth Kovacs, Ultramontanismus und Staatskirchentum im theresianisch-josephinischen Staat. D e r Kampf der Kardinäle Migazzi und Franckenberg gegen den Wiener Professor der Kirchengeschichte Ferdinand Stöger, Wiener Beiträge zur Theologie 51, Wien 1975. — Hans Hollerweger, Die R e f o r m des Gottesdienstes zur Zeit des Josephinismus in Osterreich, Regensburg 1976. — Ders., Die gottesdienstliche Reform Josephs II. und ihre Auswirkungen auf die Frömmigkeit des Volkes. Zeitschr. f. Kirchengeschichte 94 (1983). — 200 Jahre Toleranzpatent (Gedenkschrift), Carinthia I 171 (1981). Peter F. Barton (Hrsg.), Im Zeichen der Toleranz, Aufsätze zur Toleranzgesetzgebung etc., Studien und Texte zur Kirchengeschichte I I / 8 ; Ders., Im Lichte der Toleranz, Aufsätze, Studien und Texte I I / 9 , Wien 1981. — Elisabeth Kovacs, Z u r Genese des Toleranzediktes Josephs II. aus österreichischer Sicht, Actes du Colloque de Möns, Bruxelles 1982. — Helmut Reinalter, Joseph II. und die Freimaurerei im Lichte zeitgenössischer Broschüren. Veröffentlichungen der Komm. f. Neuere Geschichte Österr. 77, Wien 1986. — Ders. (Hrsg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jh. in Mitteleuropa, 2. Aufl. Frankfurt 1986. — Johann Weißensteiner, Die Diözesanregulierung Kaiser Josefs II. und das Erzbistum Wien, Jb. f. Landeskunde v. Niederösterr. N. F. 52 (1986). Uber die Reise von Pius VI. nach Wien und die weiteren Beziehungen zwischen Kaiser und Papst vgl. Schiitter in FRA II/47, 1, Wien 1892 bzw. 11/47, 2, Wien 1894. — Elisabeth Kovacs, Pius VI. bei Joseph II. zu Gast, Archivum Historiae Pontificiae 17 (1979). — Dies., D e r Besuch Papst Pius' Vi. in Wien im Spiegel josephinischer Broschüren, ebenda 20 (1982). — Dies., D e r Papst in Teutschland. Die Reise Pius VI. im Jahre 1782, Wien 1983. — Georg Wacha, Pius VI. in Österreich, Die Reise des Papstes zu Kaiser Joseph II. im Jahre 1782, Ö G L 26 (1982). Uber Zensur, Presse usw. vgl. unten, S. 652. Festigung am Vorabend neuer Krisen. Die Regierung Leopolds II. S. 327ff.: Heinrich von Sybel, Die polnische Politik Kaiser Leopolds II., Forschungen z. deutschen Geschichte 4, 1864. — Alfred von Vivenot, Die Politik des österr. Staatskanzlers Fürsten Kaunitz-Rietberg unter Kaiser Leopold II., Wien 1873. — Alfons Huber, Die Politik Kaiser Josephs II., beurteilt von seinem Bruder Leopold von Toskana, Innsbruck 1877. — Heinrich von Zeißberg, Zwei Jahre belgischer Geschichte 1791, 1792, Wiener Sitzungsberichte, Phil.-hist. Kl. 123 (1891). — A. Schultze, Kaiser Leopold II. und die Französische Revolution, H a n n o v e r 1899. — Paul Ritter, Die Konvention von Reichenbach, Diss., Berlin 1898. — Heinrich Ferihumer, Kaiser Leopold II. und der Episkopat der Erbländer, Festschrift Karl Eder, Graz 1959. — Denis Silagi, U n g a r n und der geheime Mitarbeiterkreis Kaiser Leopolds II., Südosteuropäische Arbeiten, 57, M ü n c h e n 1961. — Adam Wandruszka, Die Persönlichkeit Kaiser Leopolds II. Hist. Zeitschr., 192 (1961). — Ders., Leopold II., 2 Bde., W i e n - M ü n c h e n 1963, 1964. — Helga Peham, Leopold II., Herrscher mit weiser H a n d , Graz-Wien-Köln 1987. U b e r die Tätigkeit Leopolds in T o s k a n a vgl. Heinz Holldack, Die Neutralitätspolitik Leopolds von T o s k a n a , Hist. Vierteljahrsschr., 30 (1936). — Ders., Die Reformpolitik Leopolds von Toskana, Hist. Zeitschr., 165 (1942). — Adam Wandruszka, Joseph II. und das Verfassungsprojekt Leopolds II., Hist. Zeitschr., 190 (1960), sowie die oben angeführte zweibändige Biographie Wandruszkas. Der Kampf gegen das revolutionäre Frankreich. Der erste Koalitionskrieg (1792 bis 1797),

Quellen und Literatur

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S. 329ff.: Über Kaiser Franz und die Dynastie vgl.: Hermann Günther Meynert, Kaiser Franz I., Wien 1872. — Cölestin Wolfsgruber, Franz I. Kaiser von Österreich, 2 Bde., Wien 1899 (nur bis 1792!). — Viktor Bibl, Kaiser Franz. Der letzte römisch-deutsche Kaiser. Leipzig-Wien 1937. — Walter C. Langsam, Franz der Gute. Die Jugend eines Kaisers. Wien 1954. — Manfried Rauchensteiner, Kaiser Franz und Erzherzog Carl, Dynastie und H e e r wesen in Österreich 1796—1809 (Österreich-Archiv), Wien 1972. — Gunther E. Rothenberg, Napoleon's great adversaries, T h e Archduke Charles and the Austrian Army 1792—1814, L o n d o n 1982. — Karl A. Roider]r., Baron T h u g u t and Austria's response to the French revolution, Princeton, N . J . 1987. Ü b e r die Verwaltung der franziszeischen (und der ferdinandeischen) Epoche vgl. Friedrich Walter, Die Österreichische Zentralverwaltung, Die Zeit Franz II. (I.) und Ferdinands I. (1792—1848), 2 Bde., Veröffentl. der Komm. f. Neuere Gesch. Österreichs, 42, 43, Wien 1956. — Vgl. auch Hans Sturmherger, D e r Weg zum Verfassungsstaat. Die politische Entwicklung in Oberösterreich 1792—1861, Wien 1962. — Hanns Leo Mikoletzky, Das entscheidende 19. Jahrhundert, Wien 1972. — Vgl. auch Moritz Csäky, Von der Aufklärung zum Liberalismus. Studien zum Frühliberalismus in Ungarn, Wien 1981, sowie Barbara JelTavich, M o d e r n Austria, Empire and Republic 1800—1986, Cambridge-New York 1987. Vgl. ferner: Heinrich Zeißberg, Erzherzog Carl, 1. Bd., Wien-Leipzig 1895. — Moriz von Angeli, Erzherzog Carl von Osterreich als Feldherr und Heeresorganisator, 5 Bde., Wien 1896—1897. — Oskar Christe, Erzherzog Karl, 3 Bde., Wien 1912. — Viktor Bibl, Erzherzog Karl, der beharrliche Kämpfer f ü r Deutschlands Ehre, Wien-Leipzig 1942. — Viktor Theiß, Erzherzog J o h a n n , der steirische Prinz, Graz-Köln-Wien, 2. Aufl. 1981. — Ders., Leben und Wirken Erzherzog Johanns, 1/1 (Kindheit und Jugend), 1/2 (Im Kampfe um Österreichs Freiheit), Forschungen z. geschichtl. Landeskunde der Steiermark, 17, G r a z 1960, 1963. — Othmar Pickl (Hrsg.), Erzherzog Johann von Österreich, Sein Wirken in seiner Zeit, G r a z 1982. — Grete Klingenstein - Peter Cordes, Erzherzog J o h a n n von Osterreich, 2 Bde. (Bd. 1 Beiträge, Bd. 2 Katalog der Landesausstellung Stainz), Graz 1982. — Franz Pesendorfer, Ein Kampf um die T o s k a n a . G r o ß h e r z o g Ferdinand III. 1790—1824, Wien 1984. Kriegführung und Politik 1792—1797: Heinrich Zeißberg, Quellen zur Geschichte der Politik Österreichs während des französischen Revolutionskrieges, 5 Bde., Wien 1882 bis 1890. — Ders., Z u r Geschichte der R ä u m u n g Belgiens und des polnischen Aufstandes, A O G 72 (1888). — Hans von Zwiedineck-Südenhorst, Z u r Geschichte des ersten Franzoseneinfalles 1797, Zeitschr. des hist. Vereins f. Steiermark, 1 (1903). — Hermann Hüffer, Quellen zur Geschichte des Zeitalters der franz. Revolution, T . 2, Bd. 1, Der Friede von Campoformio, Österreich und Frankreich 1795 —1797, Leipzig 1907. — Friedrich Μ. Kircheisen, Napoleons Feldzug in Italien und Österreich, 1796—1797, München 1913. — R. H. Low, T h e third partition of Poland, Slavonic Review (1925). — Reinhold Lorenz, Volksbewaffnung und Staatsidee in Österreich, Wien-Leipzig 1926. — Anton Emstberger, Österreich-Preußen von Basel bis C a m p o f o r m i o 1795 —1797, Reichenberg 1932. — Willy Real, D e r Friede von Basel, Basler Zeitschr., 51 (1952). — Anna Hedwig Benna, Organisierung und Personalstand der Polizeihofstelle, M Ö S T A 6 (1953). — Denis Silagi, Jakobiner in der Habsburger-Monarchie, W i e n - M ü n c h e n 1962. — Emst Wangermann, Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen. Wien-Frankfurt-Zürich 1966. — Kaiman Benda, Probleme des Josephinismus und des Jakobinertums in der Habsburgischen Monarchie, Südost-Forschungen 25 (1966). — Alfred Kömer, Die Wiener Jakobiner, Stuttgart 1972. — Ders., Franz Hebenstreit (1747—1795), Jahrbuch des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien 30/31 (1974/75). — Helmut Reinalter, Die gesellschaftspolitischen Vorstellungen d. österr. Jakobiner, Jahrbuch d. Inst. f. deutsche Geschichte 6 (Tel Aviv 1977). — Ders. (Hrsg.), Jakobiner in Mitteleuropa, Innsbruck 1977. — Ders., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution. Z u r Geschichte des Jakobinertums und der f r ü h demokratischen Bestrebungen in der Habsburgermonarchie, Wien-Köln-Graz 1980. — Ders., D e r Jakobinismus in Mitteleuropa, Urban-Taschenbücher 326, Berlin-Köln-Mainz 1981. — Ders., Die Französische Revolution und Mitteleuropa. Erscheinungsformen und Wirkungen des Jakobinismus. Suhrkamp-Taschenb. Wissenschaft 748, Frankfurt 1988. — Karl A. Roider, Baron T h u g u t and Austria's response to the French Revolution, Princeton, N . J . 1987. Z u r Kontroverse zwischen Alfred Vivenot, Hermann Hüffer und Heinrich v. Sybel in der Beurteilung des preußisch-österreichischen Verhältnisses und der Politik Thuguts vgl. Uhlirz, I I / l , S. 435 f. — Über die dritte Teilung Polens auch Konopczynski, Dzieje Polski

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Quellen und Literatur

nowozytnej, 2, S. 407 ff. — Über die Feldzüge vgl. auch: Napoleon in Österreich. Katalog d. Histor. Sonderausstellung Pottenbrunn 1973, St. Pölten 1973. Vom zweiten zum dritten Koalitionskrieg (1799-1805), S. 332 ff.: Rastatt, 2. Koalitionskrieg und Friede von Luneville: Hermann Hüffer, Quellen usw., Τ . 1, Kriege 1799 bis 1800, Leipzig 1900. — Ders., D e r Krieg des Jahres 1799 und die zweite Koalition, 2 Bde., Gotha 1904/1905. — H. Breuer, Die Strategie des Erzherzogs Karl und J o u r d a n s im Feldzug von 1799, Berlin 1914. — Oscar Criste, Beiträge zur Geschichte des Rastätter Gesandtenmordes 1799, Mitt. des k. u. k. Kriegsarchivs, N. F. 11 (1899) u. 3. F. 2 (1902). — Alois Moriggl, D e r Einfall der Franzosen in Tirol 1799, 2. Aufl., Innsbruck 1900. Vgl. auch August Fournier, Gentz und Cobenzl, Geschichte der österreichischen Diplomatie 1801 — 1805, Wien 1880. — Uta Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich 1801 —1803, Zur Vorgeschichte der 3. Koalition, Frankfurter Historische Abhandlungen 2, Wiesbaden 1972. — Vgl. auch Dieter Schäfer, Ferdinand von Osterreich, Großherzog zu Würzburg, Kurfürst von Salzburg, G r o ß h e r z o g der Toskana, Graz-Wien-Köln 1988. Kaisertum Osterreich: Franz Tezner, Der österr. Kaisertitel, seine Geschichte und seine polit. Bedeutung, Zeitschr. f. priv. u. öffentl. Recht, 25 (1898). — Heinrich v. Srbik, Das österr. Kaisertum und das Ende des Heiligen Römischen Reiches 1804—1.806, Berlin 1927, 2. Aufl. unter dem Titel: Die Schicksalsstunde des alten Reiches. Österreichs Weg 1804—1806. Jena 1937. — Hermann Fillitz, Die österr. Kaiserkrone und die Insignien des Kaisertums Österreich. 2. Aufl., Wien-München 1973. D e r dritte Koalitionskrieg und der Friede von Preßburg: Adolf Beer, Osterreich und Rußland in den Jahren 1804 u. 1805, A Ö G 53 (1875). — Eberhard Mayerhoffer von Vedropolje, 1805. Der Krieg der dritten Koalition gegen Frankreich. Wien 1905. — Ders., Die Schlacht bei Austerlitz, Wien 1912. — Edouard Driault, Napoleon et L'Europe. Austerlitz. La fin du Saint-Empire 1804—1806. Paris 1912. — P. H. Olden, Napoleon und Talleyrand. Die französische Politik während des Feldzuges in Deutschland 1805. Diss., Tübingen 1927. — Robert Landauer, Die Einverleibung Salzburgs durch Österreich, Mitt. der Ges. f. Salzburger Landeskunde, 73 (1933). — Rudolfine Freiin v. Oer, D e r Friede von Preßburg, Münster 1965. — Rainer Egger, D a s Gefecht bei Dürnstein-Loiben 1805, Militärhist. Schriftenreihe 3 (1965). — Ders., D a s Gefecht bei Hollabrunn u. Schöngrabern, ebenda 27 (1974). Das Ende des römisch-deutschen Kaisertums: Marcel Dunant, Napoleon et l'Allemagne. Le systeme continental et les debuts du royaume de Baviere, Paris 1942. — Hellmuth Rößler, Napoleons Griff nach der Karlskrone, Janus-Bücher, Nr. 3, M ü n c h e n 1957. — Gero Walter, D e r Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und die Problematik seiner Restauration in den Jahren 1814/15, Heidelberg-Karlsruhe 1980. Vgl. auch die oben genannte Untersuchung Srbiks. Namentlich f ü r die folgende Zeit ist dessen großangelegtes Werk, Deutsche Einheit. Idee und Wirklichkeit vom Heiligen Reich bis Königgrätz. 2. Aufl., 4 Bde., M ü n c h e n 1936—1942, heranzuziehen. — Vgl. ferner Wien und Europa zwischen den Revolutionen (1798 —1848), Wiener Europagespräch 1977, red. v. Reinhard Urbach, Wiener Schriften 39, Wien 1978. Der Krieg von 1809 und der Freiheitskampf Tirols, S. 338 ff: Allgemeines: August Fournier, Österreichs Kriegsziele im Jahre 1809, Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, 4, Wien 1909. — Das Kriegsjahr 1809 in Einzeldarstellungen, 11 Bde., hrsg. von Emil von Woinovich und Alois Veltzi, Wien 1905 —1910. — Edouard Buat, Etude critique d'histoire militaire. 1809. D e Ratisbonne ä Znaim, 2 Bde., Paris 1909. — Helmut Hammer, Österreichs Propaganda zum Feldzug 1809, M ü n c h e n 1936. — Anton Ernstberger, Schill-OsterreichBöhmen 1809, Zeitschr. f. sudetendeutsche Gesch., 2 (1938). — Ders., Die deutschen Freikorps 1809 in Böhmen, Prag 1942. — Walter C. Langsam, C o u n t Stadion and Archduke Charles, Journal of Central European Affairs, 6 (1946). — Manfried Rauchensteiner, Feldzeugmeister Johann Frh. v. Hiller, Dissertationen der Universität Wien 80, Wien 1972. — Ders., Die Schlacht von Aspern am 21. u. 22. Mai 1809, Militärhist. Schriftenreihe 11 (1969). — Ders., Die Schlacht bei Deutsch Wagram am 5. u. 6. Juli 1809, ebenda 36 (1977). — Rotraut Hofmeister, Das Österreichbild der napoleonischen Soldaten, Dissertationen der Universität Wien 96, Wien 1973. — Manfred Botzenhart, Metternichs Pariser Botschafterzeit, Münster 1967. Die großangelegten Werke von Helmuth Rößler, Österreichs Kampf um Deutschlands Befreiung. Die deutsche Politik der nationalen Führer Österreichs 1805 —1815. 2 Bde., 2. Aufl., H a m b u r g 1940, Graf Joh. Phil. Stadion, 2 Bde., W i e n - M ü n c h e n 1966, stellen die

Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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An zusammenfassenden Darstellungen vgl. insbesondere: Heinrich Reschauer - Moritz Smets, Geschichte der Wiener Revolution im Jahre 1848, Wien 1898. — Maximilian Bach, Geschichte der Wiener Revolution im Jahre 1848, Wien 1898. — Joseph Alexander Freiherr von Helfert, Geschichte der österreichischen Revolution im Zusammenhang mit der mitteleuropäischen Bewegung 1848/1849, 2 Bde., Freiburg i. B. 1907—1909. — Lewis B. Namier, 1848. T h e Revolution of the Intellectuals. London 1944. — Rudolf Kiszling (u. Mitarbeiter), Die Revolution im Kaisertum Österreich 1848/1849, 2 Bde., Wien 1948. — Alexander Novotny, 1848. Österreichs Ringen um Freiheit und Völkerfrieden, G r a z 1948. — R. John Rath, T h e Viennese Revolution of 1848, Austin (1957). Verfassungs- und Verwaltungsfragen: Friedrich Walter, Die österreichische Zentralverwaltung, Die Geschichte der Ministerien Kolowrat, Ficquelmont, Pillersdorf, WessenbergD o b l h o f f und Schwarzenberg (1848 —1852), Veröffentlichungen der Komm. f. neuere Geschichte Österreichs, 49, Wien 1964. Einzelne Probleme, Ereignisse und Persönlichkeiten: Alexander Freiherr von Helfert, Die Wiener Journalistik im Jahre 1848, Wien 1877. — Ders., D e r Wiener Parnass im Jahre 1848, Wien 1882. — Kurt Käser, Steiermark im Jahre 1848, Graz 1913. — Paul Molisch, Die Wiener Akademische Legion und ihr Anteil an den Verfassungskämpfen des Jahres 1848. Nebst einer Besprechung der übrigen 1848er Studentenlegionen. A O G 110/1 (1924). — Karl Hugelmann, Die österreichischen Landtage im Jahre 1848, A Ö G 111 (1930). — Paul Müller, Feldmarschall Fürst Windischgrätz. Revolution und Gegenrevolution in Österreich. 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Vgl. auch die Arbeiten von Georg Grüll, Bauer, H e r r und Landesfürst, insbes. S. 363 ff., sowie Helmut Feigl, Niederösterr. Grundherrschaft, S. 320 ff. Merkantilpolitik und Industrialisierung. Handel, Verkehr und Währungsprobleme, S. 364ff.: Allgemeines, Merkantilpolitik und Industrialisierung: Heinrich Reschauer, Geschichte des Kampfes der H a n d w e r k e r z ü n f t e und der Kaufmannsgremien mit der österr. Bureaukratie. V o m Ende des 17. Jhdts. bis zum Jahre 1860, Wien 1882.— Adolf Beer, Studien zur Geschichte der österr. Volkswirtschaft unter Maria Theresia, A O G 81, Wien 1894. — Karl Pribram, Geschichte der österr. Gewerbepolitik von 1740—1798, Leipzig 1907. — Johann Slokar, Geschichte der österreichischen Industrie und ihrer Förderung unter Kaiser Franz I., Wien 1914. — Friedrich Engel-Janosi, Über die Entwicklung der sozialen und staatswirtschaftlichen Verhältnisse im deutschen Österreich 1815 — 1848, Vjschr. f. 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Sozialgeschichte 2, Graz-Wien-Köln 1968. — Karl Heinz Knauer, Die Pferdeeisenbahn Linz-Budweis. Erste Eisenbahn des europäischen Kontinents (Katalog), Wien 1983. Uber die D o n a u s c h i f f a h r t vgl. Neweklowsky, Schiffahrt etc. im Räume der oberen D o n a u , 2 (1954), S. 13 ff.; über die Anfänge der Eisenbahnen auch Paul Mechtler, Inventar des Verkehrsarchivs Wien, Wien 1959, S. 12 ff. — Susanne Dressler, Der österreichische Eisenbahnbau von den Anfängen bis zur Wirtschaftskrise des Jahres 1873, in: Gutkas-Bruckmüller, Verkehrswege und Eisenbahnen, Schriften des Inst. f. Osterreichkunde 53 (1989), S. 74 ff. Finanz- und Währungsprobleme: Adolf Beer, Finanzgeschichtliche Studien, Wiener Sitzungsberichte, Phil.-hist. Kl. 145 (1903). — Rudolf Sieghart, Zolltrennung und Zolleinheit. Die Geschichte der österr.-ungarischen Zwischenzollinie. Wien 1915. — Erich Fischer, Der Staatsbankrott von 1816 und die Sanierung der österr. Finanzen, Zeitschr. f. Volkswirtschaft u. Sozialpolitik, 4 (1924). — Johann Krafl, Die Finanzreform des Grafen Wallis und der Staatsbankrott von 1811, Graz 1927. — Alois Brusatti, Die Staatsgüterveräußerungen 1780—1848, M Ö S T A 11 (1958). — Ders., Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz. Ebenda, 13 (1960). — Hanns Leo Mikoletzky, Franz Stephan von

652

Quellen und Literatur

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Bildungswesens, Bd. 3, Wien 1984. Verschiedene Probleme und Fachgebiete: Joseph Alexander von Helfert, System der österreichischen Volksschule, Prag 1861. — Philipp Harras von Harasowsky, Geschichte der Codifikation des österr. Zivilrechtes, Wien 1868. — Karl Wotke, Das österreichische Gymnasium im Zeitalter Maria Theresias, Berlin 1905. — Festschrift zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, Wien 1911. — Alois Egger, Die Reform der österreichischen Volksschule unter Maria Theresia, Brixen-Innsbruck 1912. — Siegmund Adler, Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II., Wien-Leipzig 1917. — Anton Heller, Die Volksschule unter Maria Theresia, Joseph II. und Leopold II., Reichenberg 1937. — Gustav Otruba, D e r Anteil österreichischer Jesuitenmissionäre am heiligen Experiment in Paraguay, M I Ö G 63 (1955). — Emst Bemleithner, Die Entwicklung der österreichischen Länderkunde an der W e n d e des 18. und 19. Jahrhunderts, Mitt. der geograph. 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Neuzeit 3 (1976). — Heinrich Strakosch, Privatrechtskodifikation u. Staatsbildung in Osterreich (1753—1811), Osterreich Archiv, Wien 1977. — Emst Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung. Gottfried van Swieten als R e f o r m a t o r des Österreichischen Unterrichtswesens 1781 —1791, Wien 1978. — Walter Selb - Herbert Hofmeister (Hrsg.), Forschungsband Franz von Zeiller (1751 —1828), Beiträge zur Gesetzgebungs- und Wissenschaftsgeschichte, Wien-Graz-Köln 1980. — 200 Jahre Allgemeines Krankenhaus in Wien, hrsg. v. Helmuth Wyklicky und Manfred Skopec, W i e n - M ü n c h e n 1984. — Gerald Grimm, Die Schulreform Maria Theresias 1747—1775, Frankfurt-Bern 1987. Uber die G r ü n d u n g der Akademie der Wissenschaften vgl. Richard Meister, Geschichte der österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 24 ff., über die österr. Entdeckungsreisen der Epoche vgl. Hassinger, Österreichs Anteil usw., S. 94 ff., 125 ff. Zensur: Hermann Gnau, Die Zensur unter Joseph II., Straßburg 1911. — Karl Glossy, Literarische Geheimberichte aus dem Vormärz, Grillparzer-Jahrbuch 21—23, Sonderdruck, Wien 1912. — Julius Marx, Die amtlichen Verbotslisten. Z u r Geschichte der vormärzlichen Zensur. M Ö S T A 9 (1955), 23 (1970). — Ders., Die österr. Zensur im V o r m ä r z (ÖsterreichArchiv), Wien 1959. — Ders., Österreichs Kampf gegen die liberalen, radikalen und kommunistischen Schriften 1835—1848, A Ö G 128 (1969). — Hans Wagner, Die Zensur in der Habsburgermonarchie (1750—1810), Buch- u. Verlagswesen im 18. u. 19. Jhdt., Studien zur Geschichte d. Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa 4, Berlin 1977. — Wolfgang Häusler, Die österreichische Publizistik und ihre Probleme im V o r m ä r z und im Revolutionsjahr 1848, Öffentliche Meinung in der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 34, Wien 1979. — Wolfgang Duchkowitsch, Die verhinderte Pressefreiheit: Privileg und Zensur als Instrumente von Kommunikationspolitik vor 1848, 200 Jahre Tageszeitung in Österreich 1783—1983, Festschrift u. Ausstellungskatalog, Wien 1983. — Frank

Quellen und Literatur

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Thomas Hoefer, Pressepolitik und Polizeistaat Metternichts. Die Überwachung von Presse und polit. Öffentlichkeit in Deutschland und den Nachbarstaaten durch das Mainzer Informationsbüro 1833 — 1848, München 1983. Literatur, Theater, Musik und bildende Künste, S. 384 ff: Literatur, Vereinsleben, Theater: Robert Keil, Wiener Freunde 1784—1808, Beiträge zur Jugendgeschichte der deutsch-österreichischen Literatur, Wien 1883. — Friedrich Engel-Janosi, D e r Wiener juridisch-politische Leseverein. Seine Geschichte bis zur Märzrevolution. Mitt. des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 4 (1923). — Viktor Bibl, Die Wildensteiner Ritterschaft auf Seebenstein, Monatsbl. f. Landeskunde von Niederösterreich, 10 (1919—1923). — Justus Schmidt, Voltaire und Maria Theresia. Die französische Kultur des Barock in ihren Beziehungen zu Osterreich. Mitt. des Vereins f. Geschichte d. Stadt Wien, 11 (1931). — Wilhelm Bietak, Das Lebensgefühl des Biedermeier in der österreichischen Dichtung, Wien-Leipzig 1931. — Ders., Vom Wesen des Biedermeier und seiner Dichtung, Vierteljahresschr. f. Literatur und Geisteswissenschaft, 9 (1931). — Friedrich Kainz, Grillparzers Stellung im österreichischen Sprachen- und Nationalitätenkampf, Hist. Zeitschr., 161 (1940). — Josef Nadler, Franz Grillparzer, Wien 1948. — Eduard Castle, D e r große Unbekannte. Das Leben von Charles Sealsfield (Karl Postl) W i e n - M ü n c h e n 1952. Briefe und Aktenstücke, Wien 1955. — Heinz Rieder, Wiener Vormärz. Das Theater, das literarische Leben, die Zensur. Wien 1959. — Moriz Enzinger, Grillparzer und Metternich, Dichtung und Politik, Jahrb. d. GrillparzerGesellschaft F. 3 Bd. 9 (1972). — Grillparzer-Feier der Akademie (Politik-GesellschaftTheater-Weltwirkung), Österr. Akademie d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 280 (1972). — Edith Rosenstrauch-Königsberg, Freimaurerei im josephinischen Wien, Aloys Blumauers Weg vom Jesuiten zum Jakobiner, Wien-Stuttgart 1975. — Elisabeth Garms-Comides, Zwischen Giannone, Muratori und Metastasio. Die Italiener im geistigen Leben Wiens. In: Formen der europäischen Aufklärung, Wiener Beiträge zur Geschichte d. Neuzeit 3, Wien 1976. — Silvester Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration. Metternichs Wissenschafts- und Pressepolitik und die Wiener Jahrbücher der Literatur (1818—1849), Tübingen 1977. — Leslie Bodi, Tauwetter in Wien. Z u r Prosa der österr. Aufklärung 1781 bis 1785, Frankfurt a. M. 1977. — Werner M. Bauer, Fiktion und Polemik. Studien zum Roman d. österr. Aufklärung, Sitzungsber. d. österr. Akad. d. Wiss. 340 (1978). — Herbert Zeman (Hrsg.), Die österreichische Literatur, Teil 1 u. 2. Ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, Jahrbuch f. österr. 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Bild seines Lebens und seiner Zeit. Wien-Leipzig 1932. — Ders., Franz Schubert, Wien 1948. — Ders., Wiener Musikstätten, Zürich-Leipzig-Wien 1947. -Ders., Beethoven. Seine Beziehungen zu Wiens Kunst u. Kultur, Gesellschaft und Landschaft. ZürichLeipzig-Wien 1960. — Emst Bücken, Die Musik des R o k o k o und der Klassik, Potsdam 1932. — Ders., Beethoven, Potsdam 1934. — Emst Fritz Schmid, Joseph H a y d n . Bild seines Lebens und seiner Zeit. Wien-Leipzig 1932. — Robert Haas, Wolfgang Amadeus Mozart, 2. Aufl., Potsdam 1950. — Otto Erich Deutsch, M o z a r t . Die Dokumente seines Lebens, Kassel, Basel usw. 1961. — Beethoven-Studien. Festgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zum 200. Geburtstag von Ludwig van Beethoven, Sitzungsberichte d. Osterr. Akad. d. Wiss. 270 (1970). — Alice M. Hanson, Die zensurierte Muse. Musikleben im Wiener Biedermeier, Wien-Köln 1987. Bildende Künste. Allgemeines: Eduard Leisching, Der Wiener Kongreß. Kulturgeschichte, die Bildenden Künste und das Kunstgewerbe in der Zeit von 1800—1825, Wien 1898. — Ludwig Hevesi, Die österreichische Kunst im 19. Jahrhundert, Leipzig 1903. — Ders., Die Bildnisminiatur in Österreich von 1750—1850, Wien 1907. — Joseph Folnesics, Innenräume und H a u s r a t der Empire- und Biedermeierzeit in Österreich-Ungarn, 5. Aufl., Wien 1922. — Paul Ferdinand Schmidt, Biedermeiermalerei, München 1923. — Bruno Grim-

654

Quellen und Literatur

schitz, Maler der O s t m a r k im 19. Jahrhundert, Wien 1940. — Ann Tizia Leitich, Wiener Biedermeier, Bielefeld und Leipzig 1941. — Erich Vinzenz Strohmer - Walter Nowak, Alt Wiener Porzellan, 2. Aufl., Wien 1950. — Anselm Weißenhofer, Die N a z a r e n e r Bewegung und Wien, Wiener Geschichtsblätter, 14 (1959). — Rupert Feuchtmüller - Wilhelm Mrazek, Biedermeier in Österreich, Wien 1963. — Wien 1800—1850, Empire und Biedermeier. Katalog d. Hist. Mus. der Stadt Wien, Wien 1969. — Peter Pötschner, Wien und die Wiener Landschaft, Spätbarocke und biedermeierliche Landschaftskunst in Wien, Salzburg 1978. — Renate Wagner-Rieger, Die Kunst zur Zeit Maria Theresias und Josephs II., Wiener Jahrbuch f. Kunstgeschichte 34 (1981). — Günther Heinz, Die bildende Kunst der Epoche Maria T h e resias und Josephs II., Osterreich im Zeitalter des aufgekl. Absolutismus (vgl. oben). — Walter Koschatzky - Selma Krasa, H e r z o g Albert v. Sachsen-Teschen, Reichsfeldmarschall und Kunstmäzen, Wien 1982. Künstler u. Objekte: Paul Tausig, Josef Kornhäusel, Wien 1916. — Moritz Dreger, Joseph Ritter von Führich, Wien 1912. — Alfred Stix, Heinrich Füger, Wien 1923. — Hermann Trenkwald, Ausstellung von Gläsern des Klassizismus, der Empire- und Biedermeierzeit, Wien 1926. — Günther Probszt, Friedrich Amerling, der Altmeister der Wiener Porträtmalerei, Zürich 1927. — Justus Schmidt, Die alte Universität und ihr Erbauer J. N . Jadot, Wien 1929. — Eugen Kalkschmidt, Moritz von Schwind, München 1943. — Bruno Grimschitz, Ferdinand Georg Waldmüller, Leben und Werk, Wien 1943. — Erwin Hainisch, D e r Architekt J o h a n n Ferdinand Hetzendorf von H o h e n b e r g , Wiener Jahrbuch f. Kunstgeschichte, XII., XIV. (1949). — Klara Garas, Franz Anton Maulbertsch 1724 bis 1796, Budapest 1960. — Renate Wagner-Rieger, Das H a u s der Österr. Akademie der Wissenschaften, Wien-KölnG r a z 1972. — Claudia Helbok, Miß Angel, Angelika K a u f f m a n n , Eine Biographie, Wien 1968. — Maria Buchsbaum, Ferdinand Georg Waldmüller (1793 — 1865), Salzburg 1976. — Selma Krasa, Josef Kriehuber, Das Portrait einer Epoche 1800—1876, Wien 1987. IX. Die franzisko-josephinische

Epoche und das Ende der Monarchie (1848—1918),

S. 398 f f .

Von den Quellen zur franzisko-josephinischen Zeit ist der schriftliche Niederschlag der 1848 neueingerichteten Regierungs- und Verwaltungsbehörden (Ministerien usw.) und ihrer nachgeordneten Dienststellen zu berücksichtigen. Die stenographischen Protokolle der Vertretungskörperschaften (Reichsrat, Landtage usw.) liegen in der Regel, Verordnungen und Gesetze durchwegs im Druck vor (vgl. oben, S. 599 f.). Ansonsten ist trotz zahlreicher Editionen, namentlich zur äußeren Politik unter besonderer Berücksichtigung der Vorgeschichte des ersten Weltkrieges, immer wieder auf Archivgut zurückzugreifen. Z u r Bevölkerungsbewegung ist auf die veröffentlichten Materialien der seit 1880 in regelmäßigen Abständen durchgeführten Volkszählungen hinzuweisen. N a h e z u unübersehbar ist das Schrifttum der Publizistik, wobei auch jenes in nichtdeutscher Sprache wesentliche und steigende Bedeutung hat. Ziemlich ungemessen ist schließlich das biographische und autobiographische Material. M a n wird überhaupt sagen dürfen, daß f ü r die franzisko-josephinische Zeit und f ü r den ersten Weltkrieg mehr Quellen und auch mehr — zum Teil allerdings auch unwissenschaftliche — Darstellungen vorliegen, als f ü r irgendeine andere Epoche der österreichischen Geschichte; nichtsdestoweniger bleibt f ü r die historische Forschung noch genug zu tun übrig. — Z u r Quellenlage: Helmut Rumpier, Die franzisko-josephinische Epoche. Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Osterreichkunde 40, Wien 1982. Uhlirz, Bd. I I / 2 (1848 — 1914) 1941, sowie III (Weltkrieg 1914 — 1918) 1939, geben eine systematische Darstellung mit reichen bibliographischen (in Bd. IV ergänzten) Angaben. Probleme der Franzisko-josephinischen Zeit, 1848 —1916. Hrsg. v. Friedrich Engel-fanosi und Helmut Rumpier. Schriftenreihe des Österr. Ost- und Südosteuropa-Instituts 1. Wien 1967. N u n m e h r insbes. Die Habsburgermonarchie 1848 —1918. Hrsg. v. Adam Wandruszka und Peter Urbanitsch, Bd. 1 ff., Wien 1973 ff. Vgl. auch Hantsch, Die Geschichte Österreichs, II, 3. Aufl., S. 325 ff., sowie ferner Arthur }. May, T h e Hapsburg M o n a r c h y 1867—1914, Cambridge, Mass. 1951, Richard Charmatz, Österreichs innere Geschichte von 1848 —1907, 2 Bde., Berlin 1911. Weniger objektiv ist A. J. P. Taylor, T h e H a b s b u r g Monarchy 1809—1918, 3. Aufl., London 1960. Vgl. auch die oben, S. 626 bzw. S. 640, genannten Werke von Victor L. Tapie und C. A. Macartney, ferner Barbara Jellavich, T h e Habsburg Empire in European Affairs, 1814—1918, Chicago 1969, sowie Österreich 1848 — 1918. Österreich in Geschichte und Literatur. Sonderheft, 1959; Adam Wandruszka, Österreich-Ungarn vom ungarischen Ausgleich bis zum Ende der Monarchie. In: H a n d b u c h d. Europäischen

Quellen und Literatur

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Geschichte, hrsg. v. T h e o d o r Schieder, Bd. 6, Stuttgart 1968. Einen Überblick über die zahlreichen, zumeist ungedruckten, den Zeitraum 1848 —1918 behandelnden Dissertationen gibt Austrian History News Letter bezw. Austrian History Yearbook, 1960 ff., H o u s t o n (University of Texas). — Osterreich unter Kaiser Franz Joseph I. Katalog d. Ausstellung Pottenbrunn 1978/79, St. Pölten 1978. — N u n m e h r vor allem: Das Zeitalter Kaiser Franz Josephs. 1. Teil, Von der Revolution zur Gründerzeit 1848 —1880, 2 Bde., (Katalog der Nö. Landesausstellung Grafenegg 1984) Wien 1984, 2. Teil, Glanz und Elend, 1 8 8 0 - 1 9 1 6 , 2 Bde. (Katalog 1987), Wien 1987. — Vgl. auch Heinrich Lutz - Helmut Rumpier (Hrsg.), Österreich und die deutsche Frage (vgl. oben, S. 648). — Verschiedenste Materialien behandelt: Politik u. Gesellschaft im alten und neuen Österreich, Festschrift f. Rudolf Neck, 2. Bde., Wien 1981. — Vgl. auch Gunther Rothenberg, T h e Army of Francis Joseph, West Lafayette, Ind., 1976. Der M o n a r c h und die Dynastie: Joseph Redlich, Kaiser Franz Joseph von Osterreich, Berlin 1929. — Karl Tschuppik, Kaiser Franz Joseph I., Hellerau bei Dresden 1928. — Eduard R. von Steinitz (Hrsg.), Erinnerungen an Franz Joseph I., Kaiser von Österreich, Apostol. König von Ungarn, Berlin 1931. — Egon Caesar Conte Corti, Vom Kind zum Kaiser, Graz 1951; Mensch und Herrscher, ebenda, 1952; (mit Hans Sokol) Der alte Kaiser, ebenda, 1955. — Corti - Sokol, Kaiser Franz Joseph, 4. Aufl., Graz 1979. — Jean-Paul Bled, F r a n c i s - J o s e p h , Paris 1987. — In Kürze: Oswald Redlich, Kaiser Franz Joseph, N e u e Österreichische Biographie, 1 (1923). — Heinrich v. Srbik, Kaiser Franz Joseph I. Charakter und Regierungsgrundsätze. Aus Österreichs Vergangenheit, Salzburg 1949. — Alexander Novotnyt Franz Joseph I. Frankfurt-Zürich 1968. Ferner Karl Tschuppik, Elisabeth, Kaiserin von Österreich, Wien 1929. — Egon Caesar Conte Corti, Elisabeth, die seltsame Frau, 33. Aufl., Graz 1956. — Reinhold Lorenz, Kaiser Karl und der Untergang der Donaumonarchie, G r a z 1959. — Elisabeth Hamann, Elisabeth, Kaiserin wider Willen, 2. Aufl., Wien-München 1982. Ü b e r Erzherzog Ferdinand Max (Maximilian von Mexiko), Kronprinz Rudolf und E r z h e r z o g - T h r o n f o l g e r Franz Ferdinand vgl. unten, S. 659 ff. Das Nationalitätenproblem (1848 — 1918): Karl Gottfried Hugelmann, Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, Wien-Leipzig 1934. — Robert A. Kann, Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie, Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918. 2. Aufl., Graz-Köln 1964. — Hugo Hantsch, Die Nationalitätenfrage im alten Österreich. Das Problem der konstruktiven Reichsgestaltung. Wien 1953. — Fran Zwitter, Les problemes nationaux dans la monarchic des Habsbourg, Belgrad 1960. — Die nationale Frage in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1900—1918. Hrsg. v. Peter Hanäk, Budapest 1966. — Hans Mommsen, Z u r Beurteilung der altösterr. Nationalitätenfrage, Siebenbürg. Archiv, III. Folge, 6 (1967). — T h e Nationality Problem in the Habsburg Monarchy in the Nineteenth Century: Ä Critical Appraisal, Austrian History Yearbook 3 (1967). — Das Nationalitätenproblem in Osterreich 1848 —1918. Ausgewählt und eingeleitet von Hartmut u. Silke Lehmann. Historische Texte, Neuzeit 13, Göttingen 1973. — Hartmut Lehmann, Von der liberalen zur nationalen Revolution, Das Nationalitätenproblem in Österreich 1848 —1918, Archiv f. Kulturgeschichte 57 (1975). — Vgl. auch insbes. Adam Wandruszka - Peter Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie 1848—1918, Bd. III, 1, 2: Die Völker des Reiches, Wien 1980. — Gerald Stourzh, Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848 — 1918, Wien 1985. Wichtige Aspekte des Nationalitätenproblems behandeln ferner: Alfred Fischet, Der Panslawismus bis zum Weltkriege, Stuttgart 1919. — Hans Kohn, Die Slawen und der Westen. Die Geschichte des Panslawismus, Wien-München (1956). — Ernst Birke, Frankreich und Ostmitteleuropa im 19. Jahrhundert, Köln-Graz 1960. — Hans Mommsen, Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburgischen Vielvölkerstaat, Wien 1963. — Theodor Veiter, Die Italiener in der österr.-ung. Monarchie. Österreich-Archiv, Wien 1965. — Die Donaumonarchie u. die südslawische Frage v. 1848 —1918. (Österr.-jugoslawisches Historikertreffen Gösing). Hrsg. von Adam Wandruszka - Richard Plaschka - Anna Maria Drabek, Veröffentl. d. Komm. f. Gesch. Österreichs 8, Wien 1978. Verfassungs- und Verwaltungsprobleme: Joseph Redlich, Das österreichische Staatsund Reichsproblem, 2 Bde. (bis 1867), Leipzig 1920, 1926. — Gustav Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich 1848 — 1918, 8 Bde., Wien 1902 ff. — Alois Freiherr von Czedik, Z u r Geschichte der österreichischen Ministerien 1861 —1916, 4 Bde., Teschen-Wien-Leipzig 1917—1920. — Rudolf Wolkan, Der österreichische Staatsgedanke und seine Wandlungen im Zeitalter Franz Josephs, M I Ö G 11. Erg.-Bd. (1929). — Gerald Stourzh, Die Mitgliedschaft

656

Quellen und Literatur

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II (Verwaltung und Rechtsleben), V (Bewaffnete Macht), Wien 1975, 1987. — KarlMegner, Beamte, Wirtschaftsund sozialgeschichtliche Aspekte des k. k. Beamtentums, Studien z. Geschichte der österr.ungarischen Monarchie 21, Wien 1985. — Gernot D. Hasiba, Das Notverordnungsrecht in Österreich (1848 — 1917), Studien z. Geschichte usw., 22, Wien 1985. — Gottfried Mayer, Österreich als katholische Großmacht. Ein T r a u m zwischen Revolution und liberaler Ära, Wien 1989. — Über die konfessionelle Struktur des Reiches vgl. Wandruszka-Urbanitsch (Hrsg.), Die Habsburgermonarchie, Bd. IV, Wien 1985. — Herbert Schambeck, Österreichs Parlamentarismus, W e r d e n und System, Berlin 1986. Uber die Stellung Ungarns in der Franz-Joseph-Zeit vgl. u. a. Miskolczy, Ungarn in der Habsburgermonarchie, S. 90 ff. — Ferner: Piter Hanak, Ungarn in der Donaumonarchie, Probleme der bürgerlichen Umgestaltung eines Vielvölkerstaates, Schriftenreihe des ö s t e r r . Ost- und Südosteuropa-Instituts 10, Wien 1984. — Über den Ausgleich vgl. unten, S. 658 f. Über das Verhältnis zur Kurie vgl. Friedrich Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan 1846—1918, 2 Bde., Graz-Wien-Köln 1958, 1960. Politische Strömungen und Parteien: Ludwig Brügel, Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Wien 1922. — Richard Kralik, Lueger und der christliche Sozialismus, Wien 1923. — Paul Molisch, Geschichte der deutschnationalen Bewegung in Osterreich, Jena 1926. — Albert Fuchs, Geistige Strömungen in Österreich 1867—1918, Wien 1949, Nachdruck 1978. — Walter Schneefuß, Demokratie im alten Österreich, Klagenfurt 1949. — Georg Franz, Kulturkampf, Staat und katholische Kirche in Mitteleuropa, M ü n c h e n 1954. — Ders., Liberalismus. Die deutschliberale Bewegung in der Habsburgermonarchie. München 1955. — Karl Eder, Der Liberalismus in Altösterreich. Geisteshaltung, Politik und Kultur. 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Quellen und Literatur

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658

Quellen und Literatur

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S. 255 ff. Vgl. ferner: Walter Goldinger, Von Solferino bis zum O k t o b e r diplom, M Ö S T A 3 (1950). — Fritz Fellner, Das „Februarpatent" von 1861. Entstehung und Bedeutung. M I Ö G 63 (1955). — Helmut Rumpier, D e r Kampf um die Kontrolle der österr. Staatsfinanzen, in: Gerhard A. Kitter, Gesellschaft, Parlament und Regierung, Düsseldorf 1974. Außenpolitik: Friedrich Engel-Janosi, Die Krise des Jahres 1864 in Österreich (Histor. Studien, Festgabe f. A. F. Pribram, Wien 1929). — Ders., Graf Rechberg. Vier Kapitel zu seiner und Österreichs Geschichte. M ü n c h e n 1927. — Ders., Osterreich, der Kirchenstaat und die europäische Krise von 1860, M I Ö G 63 (1955). — Ders., Österreich und der Untergang des Königreichs Neapel, Hist. Zeitschr. 194 (1962). — Reinhold Lorenz, Gablenz in Holstein, Zeitschr. der Ges. f. schlesw.-holsteinische Geschichte, 59 (1930). — Lawrence D. 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Quellen und Literatur

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660

Quellen und Literatur

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Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Dipl. Aktenstücke des österr.ungarischen Ministeriums des Äußern, hrsg. von L. Bittner und H. Uebersberger, 8 Bde. u. 1 Reg.-Bd., Wien 1930. Die Bevölkerungsbewegung der Franz-Joseph-Zeit, S. 442 ff.: Wilhelm Hecke, Volksver-

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Jahrhunderts, hrsg. vom österreichischen Ingenieur- und Architektenverein, 2 Bde., Wien 1905—1906. — Max Eisler, Österreichische Werkkultur, hrsg. vom österreichischen W e r k b u n d , Wien 1916. — Max Dvorak, Katechismus der Denkmalpflege, Wien 1918. — Anton Faistauer, N e u e Malerei in Österreich, Wien 1923. — Bruno Grimschitz, Die Wiener Ringstraße, Bremen 1938. — Fritz Novotny, H u n d e r t Jahre österreichischer Landschaftsmalerei, Wien 1948. — Wilhelm Jenny-Franz Pfeiffer, Kunst in Osterreich 1851 — 1951. Beiträge zur österr. Kunstgeschichte des 19. u. 20. Jahrhunderts, Linz 1951. — Christian Sotrijfer, Malerei und Plastik in Osterreich von Makart bis W o t r u b a , Wien 1963. — Otto Breicha - Gerhard Fritsch, Finale und Auftakt, Wien 1848 bis 1914, Salzburg 1964. — Rupert Feuchtmüller - Wilhelm Mrazek, Kunst in Österreich 1860—1918, Wien 1964. — Hans Bobek - Elisabeth Lichtenberger, Wien, Bauliche Gestalt und Entwicklung seit der Mitte des 19. Jhdts. Graz-Köln 1966. — Uber die Symbolik der Ringstraßenstile vgl. Heinrich Benedikt, Monarchie der Gegensätze, S 167 f. — Vgl. auch Gerhardt Kapner, Die Denkmäler der Wiener Ringstraße, W i e n - M ü n c h e n 1969. — Die Wiener Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Hrsg. von Renate WagnerRieger, Bd. 1 —16, Wien-Köln-Graz bzw. Wiesbaden 1969 ff. (betr. neben Kunstgeschichte aucn Wirtschafts- u. Sozialgeschichte). — Wolfgang Mayer, D e r Städtebau Wiens um die Jahrhundertwende, Jahrbuch d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Wien 1978. — Astrid Gmeiner Gottfried Pirhofer, D e r österr. W e r k b u n d , Alternative zur klassischen Moderne. Salzburg 1988. — Otto Kapfinger u. a. (Hrsg.), Die Wiener Secession, 2 Bde., Wien-Köln 1986. — Franco Borsi - Ezio Godoli, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, Stuttgart 1985. Führende Künstler: Ludwig Hevesi, Rudolf von Alt, Wien 1905. — Otto Nirenstein, Egon Schiele. Persönlichkeit und Werk. Berlin 1930. — Emil Pirchan, H a n s Markart. Leben, W e r k und Zeit. Wien 1942. — Ders., Gustav Klimt. Ein Künstler aus Wien. Wien 1942. — Fritz Novotny, D e r Maler Anton Romako. 1832—1889, Wien 1954. — Alessandra Comini, Gustav Klimt, Eros u. Ethos, Salzburg 1975. — Dies., Egon Schiele's Portraits, Berkeley 1974. — Heinz Geretsegger - Max Peintner, O t t o Wagner (1841 — 1918), 2. Aufl., Salzburg 1976. — Eduard F. Sekler, Josef H o f f m a n n . Das architektonische Werk, Salzburg-Wien 1982. — Burkhard Rukschcio - Roland L. Schachel, Adolf Loos. Leben und Werk, Veröffentli-

666

Quellen und Literatur

chungen der Albertina 17, 2. Aufl., Salzburg-Wien 1987. — Erwin Mitsch, Egon Schiele, Wien-Salzburg, 1987. Sammlungen, Museen: Lhotsky, Geschichte der Sammlungen, II, 2 (1945), S. 531 ff.; vgl. auch Bd. I (1941, Baugeschichte, Forum). Ferner: Viktor Schützenhofer, Vom k. k. Fabriksprodukten-Kabinett zum Wiener Technischen Museum von heute, Blätter f. Technikgeschichte, 9 (1947). Der erste Weltkrieg, S. 478 f f . : Vgl. insbes. Uhlirz, Handbuch, Bd. 3 (1940), Der Weltkrieg. Detaillierte Darstellung mit reichhaltiger Bibliographie. Ferner Walter Schinner, Bibliographie zur Geschichte Österreich-Ungarns im Weltkrieg 1914—1918, Stuttgart 1934. Das Hauptwerk ist: Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914 — 1918, 7 Bde. Text, 7 Bde. Beilagen, 1 Registerband, 2. Aufl., Wien 1931 —1938, hrsg. vom Österreichischen Bundesministerium für Heerwesen und vom Kriegsarchiv. — Arthur}. May, The Passing of the Habsburg Monarchy 1914—1918, 2 Bde., Philadelphia 1966. — Eine kürzere Zusammenfassung gibt Rudolf Kiszling, Österreich-Ungarns Anteil am ersten Weltkrieg. Graz 1958. — Vgl. ferner Hugo Hantsch, Leopold Graf Berchtold, Grandseigneur u. Staatsmann. 2 Bde., Graz-Wien-Köln 1963. — Christoph Führ, Das k. u. k. Armeekommando und die Innenpolitik in Österreich 1914—1917, Graz-Wien-Köln 1968. — The Habsburg Empire in World War I. Essays on the intellectual, military, political and economic aspects of the Habsburg war effort. Ed. by Robert A. Kann, Beta K. Kiraly, Paula S. Fichtner, Boulder-New York 1977. — Jözsef Galantai, Die Osterr.-Ungarische Monarchie und der Weltkrieg, Budapest 1979. — Gary W. Shanafelt, The secret enemy. Austria-Hungary and the German alliance, 1914—1918. — New York 1985. — Vgl. auch: Wandruszka-Urbanitsch, Die Habsburgermonarchie 1848 — 1918, Bd. 5, Die bewaffnete Macht, Wien 1987. — Klaus Amann - Hubert Lengauer (Hrsg.), Osterreich und der große Krieg 1914—1918, Wien 1989. Über den Mord von Sarajewo und seine Vorgeschichte Hans Ubersberger, Osterreich zwischen Rußland und Serbien. Zur südslawischen Frage und der Entstehung des ersten Weltkrieges. Graz 1958. — Joachim Remak, Sarajevo, The Story of a Political Murder, New York 1959. — Vladimir Dedijer, Die Zeitbombe, Sarajewo 1914, Wien-Frankfurt-Zürich 1967. — Friedrich Würthle, Die Spur führt nach Belgrad. Die Hintergründe des Dramas von Sarajevo 1914, Wien-München-Zürich 1975. Ders., Dokumente zum Sarajevoprozeß, Ein Quellenbericht, MÖSTA, Erg.-Bd. 9, Wien-Horn 1978. — Gordon Brook-Shepherd, Die Opfer von Sarajevo, Erzherzog Franz Ferdinand und Sophie von Chotek, Wien 1989. Vgl. ferner Luigi Albertini, Le origini della guerra del 1914, 3 Bde., Mailand 1942/43 (englische Übersetzung, 3 Bde., London 1952—1957), sowie die älteren Werke von Sidney Bradshaw Fay, The Origins of the World War, 2 Bde., 2. Aufl., New York 1947 (deutsch, 2 Bde., Berlin 1930); Bemadotte E. Schmitt, The Coming of the War 1914, 2 Bde., New York 1930; Alfred von Wegerer, Der Ausbruch des Weltkrieges, 2 Bde., Hamburg 1939. Zur österr. Aktenpublikation zur Vorgeschichte des Krieges vgl. oben, S. 661. — Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914—1918). Eingel. u. zusammengestellt von Miklos Komjäthy, Budapest 1964. — Das Werk von Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914—1918, 4., verb. Aufl., Düsseldorf 1977, betrifft auch mehrfach österreichische Probleme. Vgl. hiezu Emst W. Graf Lynar, Deutsche Kriegsziele 1914—1918, Frankfurt-Berlin 1964, bzw. Fritz Fellner in MIÖG 72 (1964), ferner Fritz Fischer und Egmont Zechlin in Hist. Zeitschr., 199 (1964). — Über die österr. Kriegsziele: Helmut Rumpier, Die Kriegsziele Österreich-Ungarns auf dem Balkan 1915/1916. In: Osterreich und Europa. Festgabe f. Hugo Hantsch, Graz-Wien-Köln 1965. — Wolfdieter Bihl, Österreich-Ungarn und der „Bund zur Befreiung der Ukraina". Ebenda. — Ders., Österreich-Ungarn und die Friedensschlüsse von Brest-Litovsk, Wien-Köln-Graz 1970. Angelo Ära, L'Austria-Ungheria nella politica americana durante la prima guerra mondiale, Roma 1973. — Peter Broucek, Die deutschen Bemühungen um eine Militärkonvention mit Österreich-Ungarn (1915 — 1918), MIÖG 87 (1979). — Hans Weigel - Walter Lukan - Max D. Peyfuss, Jeder Schuß ein Russ, jeder Stoß ein Franzos. Literarische und graphische Kriegspropaganda in Deutschland und Osterreich 1914—1918, Wien 1983. — Edith Marjanovic, Die Habsburger Monarchie in Politik und öffentlicher Meinung Frankreichs 1914—1918, Veröffentlichungen zur Zeitgeschichte 3, Wien-Salzburg 1984. Kriegsverluste: Vgl. Wilhelm Winkler, Statistisches Handbuch des gesamten Deutschtums, Berlin 1927. — Ders., Die Totenverluste der österr.-ungarischen Monarchie nach Nationalitäten, Wien 1919.

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Quellen und Literatur

Ernährungslage: Otto Landwehr von Pragenau, Hunger. Die Erschöpfungsjahre der Mittelmächte 1917/1918. Wien 1931. Kriegsende und Zusammenbruch: Friedrich Kleinwächter, Der Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie, Leipzig 1920. — Jan Opocensky, U m s t u r z in Mitteleuropa, Deutsch Hellerau 1932. — Reinhold Lorenz, Kaiser Karl und der Untergang der D o n a u m o n archie, G r a z 1959. — Ζ. Α. B. Zeman, Der Zusammenbruch des Habsburgerreiches, 1914—1918, Wien 1963. — Leo Valiani, La dissoluzione deH'Austria-Ungheria, Rivista Storica Italiana 73 (1961). — Vgl. auch Victor S. Mamatey, T h e United States and East Central Europe. Α Study in Wilsonian Diplomacy and Propaganda, Princeton 1957. — Harry Hanak, Great Britain and Austria-Hungary During the First World War. London 1962. — Heinrich Benedikt, Die Friedensaktion der Meinlgruppe 1917/1918. Veröffentl. d. Komm, f neuere Gesch. Österreichs, 48, Graz-Köln 1962. — Richard Georg Plaschka, Cattaro — Prag, Revolte und Revolution. Kriegsmarine und H e e r Österreich-Ungarns im Feuer der Aufstandsbewegung vom 1. Februar und 28. O k t o b e r 1918, G r a z 1963. — Felix Höglinger, Ministerpräsident Heinrich Graf Clam-Martinic, Graz-Köln 1964. — Ladislaus Singer, O t t o k a r Graf Czernin. Staatsmann einer Zeitenwende. Graz-Wien-Köln 1964. — Helmut Rumpier, Max Hussarek. Nationalitäten und Nationalitätenpolitik im Sommer des Jahres 1918. Graz-Köln 1965. — Ders., Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. O k t o b e r 1918. Wien 1966. — Robert A. Kann, Die Sixtusaffäre und die geheimen Friedensverhandlungen ÖsterreichUngarns im ersten Weltkrieg. Wien 1966. — Gordon Brook-Shepherd, U m Krone und Reich. Die Tragödie des letzten Habsburgerkaisers, Wien-Zürich 1968. — Ingeborg Meckling, Die Außenpolitik des Grafen Czernin, Österreich-Archiv, Wien 1969. — Vgl. auch Rudolf Neck, Arbeiterschaft und Staat im Ersten Weltkrieg 1914—1918, Bd. 1/1, 2, Wien 1964, 1968. — Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im D o n a u raum. Hrsg. von Richard G. Plaschka und Karlheinz Mack, München 1970. — Richard Georg Plaschka - Horst Haselsteiner - Arnold Suppan, Innere Front, Militärassistenz, Widers t a n d u n d Umsturz in der Donaumonarchie 1918, 2 Bde., Wien 1974. — Tamara GriesserPecar, Die Mission Sixtus. Österreichs Friedensversuch im Ersten Weltkrieg, Wien 1988. X. 70 Jahre von der Ersten zur Zweiten

Republik

(1918—1988),

S. 492 ff.

Die Geschichte der jüngsten Vergangenheit („Zeitgeschichte") erfreut sich nicht nur des verständlichen Interesses weiterer Kreise, sie bildet in zunehmendem M a ß e auch einen Gegenstand ernster, wissenschaftlicher Forschung. Das Quellenmaterial ist umfangreich, die Auswertung der Archivalien zum Teil allerdings durch Sperrbestimmungen eingeschränkt. Es liegen indessen Veröffentlichungen aus deutschen, durch die Alliierten erbeuteten Akten vor sowie Dokumentensammlungen in offiziellen Farbbüchern (Braunbuch 1933, Rot-WeißRot-Buch 1946). Ferner ist auf die stenographischen Protokolle über die Sitzungen des Ministerrates, des Nationalrates und des Bundesrates der Republik Osterreich sowie über die Sitzungen des Bundestages der ständischen Ära bzw. von Parteigremien hinzuweisen. Wichtig sind weiters die zum Teil veröffentlichten Akten über politische Prozesse (Prozeß Rintelen 1935, Nürnberger Prozesse 1946—1949, Prozeß Schmidt 1947), schließlich, trotz unvermeidlicher Subjektivität, Memoiren f ü h r e n d e r Politiker, Diplomaten und Militärs und das ungemein reichhaltige publizistische Schrifttum. Z u r Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeschichte kann umfangreiches, namentlich statistisches Material herangezogen werden. — Vgl. Karl Haas, Quellenkundliche Bemerkungen zur Geschichte d. Republik Osterreich, Die Quellen der Geschichte Österreichs, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 40, Wien 1982. Bibliographien: Rudolf Neck, Zeitgeschichtliche Literatur über Osterreich, I. Teil M Ö S T A 6 (1953), II. Teil ebenda, 8 (1955). Vgl. auch Ludwig Jedlicka, in: Österreichische Zeitgeschichte vom E n d e des Ersten Weltkrieges bis zum Staatsvertrag, Wien 1962. — Peter Malina - Gustav Spann, Bibliographie zur österr. Zeitgeschichte 1918 —1985. Politische Bildung 47—50, Wien 1985. — Siegfried Mattl, Bestandsaufnahme zeitgeschichtlicher Forschung in Osterreich, Wien 1981. Gesamtdarstellungen der Geschichte der Republik (zumeist bis 1938, mit Ausblicken auf die spätere Entwicklung): Geschichte der Republik Osterreich. U n t e r Mitwirkung von W. Goldinger, F. Thalmann, S. Verosta und A. Wandruszka, hrsg. von Heinrich Benedikt, Wien 1954 (Standardwerk). — Vgl. ferner: Mary Macdonald, T h e Republic of Austria. 1918 —1934. A Study in the Failure of Democratic Government. London 1946. — Charles Adam Gulick, Österreich von H a b s b u r g zu Hitler, 5 Bde., Wien 1948 — 1949 (linksorientiert, materialreich). — Walter Goldinger, Von der Ersten zur Zweiten Republik (Spectrum Austriae, Wien 1957).

668

Quellen und Literatur

— Gordon Shepherd, The Austrian Odyssey, London 1957. Deutsche Ausgabe: Die österreichische Odyssee, Wien 1958. — Vgl. noch Österreich 1918 —1934. Österreich in Geschichte und Literatur (Sonderheft). — Walter Goldinger, Geschichte der Republik Österreich, Wien 1962. — Hanns Leo Mikoletzky, Österreichische Zeitgeschichte vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Staatsvertrag, Wien 1962. — 1918 — 1968, Österreich — 50 Jahre Republik, hrsg. vom Institut f. Osterreichkunde, Wien 1968. — Erika Weinzierl, Österr. Zeitgeschichte in Bildern 1918—1968, Innsbruck-Wien-München 1968. — Österreich 1918—1938. Hrsg. vom Institut f. Osterreichkunde, Wien 1970. — Ludwig Jedlicka, Vom alten zum neuen Österreich, Fallstudien zur österr. Zeitgeschichte 1900—1975, St. Pölten 1975. — Harry Slapnicka, Oberösterreich, Von der Monarchie zur Republik, Zwischen Bürgerkrieg und Anschluß, 2 Bde., Linz 1975. — Peter Schubert, Schauplatz Österreich. Topograph. Lexikon zur Zeitgeschichte, 3 Bde., Wien 1976—1980. — Rudolf Neck - Adam Wandruszka (Hrsg.), Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, Bd. 1 ff., Wien 1973—1982. — Erika Weinzierl - Kurt Skalnik (Hrsg.), Österreich 1918 — 1938, Die Erste Republik, 2 Bde., Graz-Wien-Köln 1983. — Walter Β. Simon, Österreich 1918 — 1938, Ideologien und Politik, Wien-Köln-Graz 1984. — Österreichs Erste und Zweite Republik, Schriften des Inst. f. Österreichkunde 47, Wien 1985. — Vgl. auch: Niederösterreich 38 — 88, Niederösterreichschriften 16, Wien 1988 (behandelt mehrfach auch die 1. Republik). — Leopold Kammerhofer, Niederösterreich zwischen den Kriegen, Baden 1987. — Werner Dreier, Zwischen Kaiser und „Führer", Vorarlberg im Umbruch 1918 —1938, Bregenz 1986. — Francis L. Carsten, Die Erste österreichische Republik im Spiegel zeitgenössischer Quellen, Wien-Köln-Graz 1988. Parteien und parlamentarisches Leben: Brita Skottsberg, Der österreichische Parlamentarismus, Göteborg 1940. — Adam Wandruszka, Österreichs politische Struktur, in: Geschichte der Republik Österreich. Hrsg. von Heinrich Benedikt. — Alfred Diamant, Die österreichischen Katholiken und die Erste Republik, Demokratie, Kapitalismus und soziale Ordnung 1918 — 1934, Wien (1965). — Günter M. Unger, Die Christlichsoziale Partei im Burgenland, Burgenländ. Forschungen 49, Eisenstadt 1965. — Norbert Leser, Zwischen Reformismus und Bolschewismus, Der Austromarxismus als Theorie und Praxis. WienFrankfurt-Zürich 1969. — Rudolf G. Ardelt, Zwischen Demokratie und Faschismus, Deutschnationales Gedankengut in Osterreich 1919—1930, Veröffentlichungen des Historischen Instituts der Universität Salzburg, Wien-Salzburg 1972. — Michael Stickler, Die Abgeordneten zum Osterr. Nationalrat 1918 —1975 und die Mitglieder des Osterr. Bundesrates 1920—1975, 2. Aufl., Wien 1975. — Emst Hanisch, Die Ideologie des politischen Katholizismus in Österreich 1918 — 1938, Wien-Salzburg 1977. — Emst Glaser, Im Umfeld des Austromarxismus, Wien-München-Zürich 1981. — Vgl. auch Politik u. Gesellschaft im alten und neuen Österreich, Festschrift f. Rudolf Neck, Bd. 2, Wien 1981. — Nunmehr insbes.: Erika Weinzierl - Kurt Skalnik, Österreich 1918 — 1938, Die Erste Republik, Bd. 1 (s. oben). — Anton Pelinka (u. a., Hrsg.), Das österr. Parteiensystem, Wien-Köln-Graz 1988. Vgl. noch Theodor Alt, Aus den Erinnerungen und Aufzeichnungen eines Parlamentsstenographen, Wien 1951. — Ludwig Jedlicka, Ein Heer im Schatten der Parteien. Die militärisch-politische Lage Österreichs 1918 —1938. Graz-Köln 1955. — Kirche in Osterreich 1918 — 1965, redigiert v. Erika Weinzierl, 2 Bde., Wien-München 1966, 1967. — Herbert Steiner, Bibliographie zur Geschichte der österr. Arbeiterbewegung, Bd. 2 (1918 bis 1934), Wien-Frankfurt-Zürich 1967. — Erika Weinzierl u. Karl R. Stadler (Hrsg.), Justiz und Zeitgeschichte, Wien 1977. — Francis L. Carsten, Faschismus in Osterreich. Von Schönerer zu Hitler, München 1977. — Helmut Rumpier, Österreich vom „Staat wider Willen" zur Österreichischen Nation (1919—1955), in: Joseph Becker - Andreas Hillgruber (Hrsg.), Die deutsche Frage im 19. und 20. Jh., München 1983. — Gerhard Botz, Krisenzonen einer Demokratie, Gewalt, Streik und Konfliktunterdrückung in Österreich seit 1918, Frankfurt-New York 1987. Teils autobiographischen, teils allgemein zeitgeschichtlichen Charakter haben einige Werke führender Politiker der Ersten und Zweiten Republik. So etwa: Karl Renner, Osterreich von der Ersten zur Zweiten Republik, Wien 1953 (zugleich zweiter Band zu Karl Renner, An der Wende zweier Zeiten, Wien 1946). — Friedrich Funder, Vom Gestern ins Heute. Aus dem Kaiserreich in die Republik. 2. Aufl., Wien 1953. — Ders., Als Österreich den Sturm bestand, Wien 1957. — Eduard Heini, Über ein halbes Jahrhundert, Wien 1948. — Oskar Helmer, Fünfzig Jahre erlebte Geschichte, Wien 1957. — Vgl. auch Jacques Hannak, Karl Renner und seine Zeit, Versuch einer Biographie, Wien 1965. — Siegfried Nasko (Hrsg.), Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen, Wien 1982. — Viktor Reimann, Zu

Quellen und Literatur

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g r o ß f ü r Osterreich, Seipel und Bauer im Kampf um die Erste Republik, Wien 1968. — Otto Leichter, O t t o Bauer, Wien-Frankfurt-Zürich 1970. — Eric C. Kollman, T h e o d o r Körner, Militär und Politik, Wien 1972. — Michael Hainisch, 75 Jahre aus bewegter Zeit. Lebenserinnerungen eines österreichischen Staatsmannes, hrsg. v. Friedrich Weissensteiner, Wien-Köln 1978. — Wilhelm Ellenbogen, Menschen und Prinzipien. Erinnerungen, Urteile und Reflexionen eines kritischen Sozialdemokraten, Bearb. und eingeleitet v. Friedrich Weissensteiner, Veröffentlichungen der Komm. f. neuere Geschichte Österreichs 71, Wien-Köln-Graz 1981. — Hans Loewenfeld-Russ, Im Kampf gegen den H u n g e r (Aus dem Tagebuch des Staatssekretärs f. Volksernährung 1918 — 1920), Wien 1986. Vgl. ferner die unten erwähnten Werke von Kurt von Schuschnigg, Eduard Ludwig und Schärf. Unter den Erinnerungen österreichischer Diplomaten vgl. Lothar Wimmer, Zwischen Ballhausplatz und Downingstreet, Wien 1958. — Clemens Wildner, Von Wien nach Wien, Wien-München 1961. Die Anfänge der Republik. Friedensvertrag, Grenzfragen und Anschlußproblem. S. 492 f f . : Otto Bauer, Die Revolution in Osterreich, Wien 1923. — Franz Brandl, Kaiser, Politiker und Menschen, Leipzig und Wien 1936. — Friedrich F. G. Kleinwaechter, Von Schönbrunn bis St. Germain, Graz-Wien-Köln 1964. — Karl R. Stadler, H y p o t h e k auf die Z u k u n f t , Die Entstehung der österr. Republik 1918 —1921, Wien 1968. — Ludwig Jedlicka, Ende und Anfang, Österreich 1918/19, Salzburg 1969. — Friedrich Koja, Die Kelsen-Verfassung 1920, Österreich in Geschichte u. Literatur 14 (1970). — Vgl. auch Reinhold Lorenz, Kaiser Karl usw. — Alfred D. Low, Die Anschlußbewegung in Osterreich und Deutschland 1918—1919 und die Pariser Friedenskonferenz, Wien 1975. — Fritz Fellner, T h e Genesis of the Austrian Republic, M o d e r n Austria, hrsg. v. Kurt Steiner u. a., Palo Alto 1981. — Demokratisierung und Verfassung in den Ländern, 1918—1920. Hrsg. von der Osterreichischen Forschungsgemeinschaft, St. Pölten-Wien 1983. — Osterreich November 1918. Die Entstehung der Ersten Republik, Veröffentlichungen der wissenschaftl. Kommission zur Erforschung der Geschichte d. Republik Österreich 9, Wien 1986. — Hans Hautmann, Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918 — 1924, Wien 1987. — Reinhard Owerdieck, Parteien und Verfassungsfrage in Osterreich. Die Entstehung des Verfassungsprovisoriums der Ersten Republik, Wien 1987. Adolf

Bericht über die Tätigkeit der Deutschösterreichischen Friedensdelegation in St. Germain-en-Laye, 2 Bde., Wien 1919. — Nina Almond - Ralph Haswell Lutz, T h e Treaty of Saint-Germain, Stanford 1935. — Georg E. Schmid, Die Coolidge-Mission in Osterreich 1919. Zur Österreichpolitik der USA während der Pariser Friedenskonferenz, M Ö S T A 24 (1971). — Frederick Dumin, Self-Determination: T h e United States and Austria in 1919, Research Studies 40 (1972). — Manfred Bansleben, Die Frage der österr. Wiedergutmachung auf der Pariser Friedenskonferenz 1919. Ö G L 27 (1983). — Saint-Germain 1919 (Symposium 1979), Veröffentlichungen der wissenschaftl. Kommission zur Erforschung der Geschichte d. Republik Osterreich 11, Wien 1988. — Vgl. auch: Saint-Germain im Sommer 1919. Die Briefe Franz Kleins aus der Zeit seiner Mitwirkung in der österr. Friedensdelegation Mai—August 1919. Hrsg. von Fritz Fellner und Heidrun Maschl, Salzburg 1977. Zahlreiche bibliographische Hinweise zu den Friedensschlüssen von St. Germain und T r i a n o n bei Uhlirz, Handbuch III, S. 253 ff. — Vgl. auch Rudolf Neck, Österreich im Jahre 1918, Berichte und Dokumente, Wien 1968. — Max Gunzenhäuser, Die Pariser Friedenskonferenz 1919 und die Friedensverträge 1919—1920 (Literaturbericht und Bibliographie), Schriften der Bibliothek f ü r Zeitgeschichte (Weltkriegsbücherei) N . F. H e f t 9, Frankfurt 1970. — Versailles-St. Germain-Trianon. Umbruch in Europa vor 50 Jahren. Hrsg. von Karl Bosl, M ü n c h e n 1971. Sudetenland: Paul Molisch, Die sudetendeutsche Freiheitsbewegung in den Jahren 1918 —1919, Wien 1932. — Emil Strauß, Die Anfänge der tschechoslowakischen Republik, Prag 1934. — Erwin Hölzle, Die sudetendeutsche Frage in Versailles, Stuttgart 1937. — Die tschechoslowakischen Denkschriften f ü r die Friedenskonferenz von Paris 1919—1920. Übersetzt von H e r m a n n Raschhofer, Berlin, 2. Aufl., 1938. — Kurt Rabl, Das Ringen um das Sudetendeutsche Selbstbestimmungsrecht 1918/1919. Veröffentl. des Colleg. Carol. 3, M ü n chen 1958. — Francesco Leoncini, I Sudeti e l'autodeterminazione 1918 —1919, Padova 1973. Wesentliches Material enthält auch Wenzel Jaksch, Europas Weg nach Potsdam. Schuld und Schicksal im D o n a u r a u m . Stuttgart 1958. Von tschechischer Seite etwa Thomas G.

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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das Burgenlandproblem (einschließlich der ungarischen Literatur) bei Litschauer, Allgemeine Bibliographie des Burgenlandes, IV, Geschichte (1960), S. 357 ff. Vorarlberg: Otto Ender, Vorarlbergs Schweizer-Anschluß-Bewegung von 1918 —1922, Schriften zur Vorarlberger Landeskunde, 5 (1952). — Emst Kolb, Die staatsrechtliche Bedeutung des Jahres 1918 f ü r das Land Vorarlberg, M o n t f o r t 20 (1968). — Daniel Witzig, Die Vorarlberger Frage (1918 — 1922), 2. Aufl., Basel u. Stuttgart 1974. Das Anschlußproblem: Friedrich F. G. Kleinwächter - Heinz Paller, Die Anschlußfrage in ihrer kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Bedeutung, Wien 1930. — Mary Ball, Post W a r German-Austrian Relations, London 1937. — Erwin Hölzle, Saint-Germain. Das Verbot des Anschlusses. Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe f. Heinrich v. Srbik, M ü n chen 1938. — Jürgen Geyl, Austria, Germany and the Anschluss. New York 1963. — Herbert Dachs, Österr. Geschichtswissenschaft und Anschluß, Salzburg 1974. — Alfred D. Low, Die Anschlußbewegung in Österreich u. Deutschland, 1918 —1919 und die Pariser Friedenskonferenz, Wien-Stuttgart 1975. — Sozialdemokratie und „Anschluß", hrsg. v. Helmut Konrad, Wien-München-Zürich 1978. — Helmut Rumpier, Osterreich vom „Staat wider Willen" zur österreichischen N a t i o n (1919—1955), in: Becker-Hillgruber, Die deutsche Frage, München 1983. — Emst Panzenböck, Ein deutscher T r a u m . Die Anschlußidee und Anschlußpolitik bei Karl Renner und O t t o Bauer, Wien 1985. — Alfred D. Low, T h e Anschluss Movement 1918 — 1938. Background and Aftermath, New York-London 1984. — Helmut Konrad, Sozialdemokratie und Anschluß. Historische Wurzeln. Anschluß 1918 —1938. Nachwirkungen. Wien 1987. Vom Friedensvertrag zur Krise des Jahres 1927, S. 502 ff.: Für dieses Kapitel neben den Gesamtdarstellungen zur Geschichte der Republik insbesondere die Arbeiten über die f ü h renden Politiker: Oskar Kleinschmidt, Schober, Wien 1930. — Jakob Ahrer, Erlebte Zeitgeschichte, Wien-Leipzig 1930. — Gottlieb Ladner, Seipel als Überwinder der Staatskrise vom Sommer 1922, W i e n - G r a z 1964. — Vgl. auch Lajos Kerekes, Die „weiße Allianz", Bayrischösterreichisch-ungarische Projekte gegen die Regierung Renner im Jahre 1920. Osterr. O s t h e f t e 7 (1965). — Friedrich Rennhofer, Ignaz Seipel 1876—1932, Wien-Köln-Graz 1978. — Stefan Malfir, Wien und Rom nach dem Ersten Weltkrieg. Österr.-italienische Beziehungen 1919—1923, Wien-Köln-Graz 1978. — Lajos Kerekes, Von St. Germain bis Genf, Österreich und seine Nachbarn 1918 —1922, Wien-Köln-Graz 1979. — Z u r Verfassung vgl. Quellen zum Österr. Verfassungsrecht (1920), hrsg. v. Felix Ermacora, M Ö S T A , Erg.Bd. VIII (1967). — Die österr. Verfassung von 1918 bis 1938, Veröffentl. d. Wissenschaftl. Kommission etc. 6, Wien 1980. — Koalitionsregierungen in Österreich, Veröffentlichungen etc. 8, Wien 1985. Die Schwächung der österreichischen Demokratie, S. 506ff: Uber die österreichischen Selbstschutzverbände vgl.: Oberst Hiltl, Ein Gedenkblatt, Wien 1931 (Frontkämpfervereinigung). — Hans Arthofer, Vom Selbstschutz zur Frontmiliz, Wien 1937. — Julius Deutsch, Alexander Eifler, ein Soldat der Freiheit, Wien 1947 (Republikanischer Schutzbund). Vgl. auch Benedikt, Geschichte der Republik Österreich, S. 359 ff. (Heimwehr). — Josef Hofmann, Der Pfrimer-Putsch, W i e n - G r a z 1965. — Lajos Kerekes, Abenddämmerung einer Demokratie, Mussolini, G ö m b ö s und die Heimwehr, Wien-Frankfurt-Zürich 1966. — Anton Staudinger, Bemühungen Carl Vaugoins um Suprematie der Christlichsozialen Partei in Österreich (1930—1933), M Ö S T A 23 (1971). — Österreich 1927—1938, Symposion Wien 23. bis 28. Ö k t o b e r 1973. Veröffentlichungen etc. zur Erforschung der österr. Geschichte der Jahre 1927—1938, 1 (1973). — Vom Justizpalast zum Heldenplatz. Studien und Dokumentationen 1927—1938. Festgabe, hrsg. v. Ludwig Jedlicka und Rudolf Neck, Wien 1975. — Gerhard Botz, Gewalt in der Politik. Attentate, Zusammenstöße, Putschversuche, Unruhen in Osterreich 1918 —1934, 2. Aufl., München 1983. — Clifton Earl Edmondson, T h e Heimwehr and Austrian Politics 1918 — 1936, Athens (USA) 1978. — Gemot D. Hasiba, Die zweite BundesVerfassungsnovelle von 1929, Wien-Köln-Graz 1977. — Francis L. Carsten, Faschismus in Österreich, M ü n c h e n 1977. — Walter Wiltschegg, Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volks-Bewegung? Wien 1985. — Emmerich Tälos - Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Austrofaschismus, Beiträge über Politik, Ö k o n o m i e und Kultur 1934—1938, 4. erg. Aufl., Wien 1988. — Evan Burr Bukey, Hitlers H o m e t o w n . Linz, Austria 1908 —1945, Bloomington-Indianapolis 1986. — Walter Wiltschegg, Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volks-Bewegung? Wien 1985. Zollunion: Jan Krulis-Randa, Das deutsch-österreichische Zollunionsprojekt von 1931, Zürich 1955. — Walter Goldinger, Das Projekt einer deutsch-österreichischen Zollunion von

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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— Gerhard Jagschitz, D e r Putsch, Die Nationalsozialisten 1934 in Österreich, Graz-WienKöln 1976. — Februar 1934, Ursachen, Fakten, Folgen (Symposion 1984), Wien 1984. — Gottfried Karl Kindermann, Hitlers Niederlage in Osterreich (betr. Juli 1934), H a m b u r g 1984. — Anson Rabinbach, V o m roten Wien zum Bürgerkrieg, Wien 1989. U b e r die Rolle der polnischen Diplomatie vgl. etwa Hans Roos, Polen und Europa. Studien zur polnischen Außenpolitik 1931 —1939. Tübingen 1957. — Über England und Frankreich: Mary Antonia Wathen, T h e Policy of England and France towards the Anschluss of 1938, Washington 1954. — Bruce F. Pauley, Der Weg in den Nationalsozialismus. Ursprünge und Entwicklungen in Osterreich, Wien 1988. — Vgl. auch das oben genannte Werk Siegfried Beers über die britische Osterreichpolitik. Österreich im Dritten Reich. Der zweite Weltkrieg. S. 524 f f . : Über die Geschichte Österreichs 1938 —1945 liegen wenige gesonderte Darstellungen vor; in der von H . Benedikt herausgegebenen Geschichte der Republik Osterreich wird diese Zeit nur kurz behandelt. Auch die Quellenlage ist ungünstiger als in den vorhergehenden und in den folgenden Jahren. Verschiedene Aspekte untersucht Ludwig Jedlicka in: Osterreichische Zeitgeschichte im Geschichtsunterricht, S. 60 ff. N u n m e h r insbes.: Gerhard Botz, Die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich, 3., erg. Aufl., Wien 1988. — Ders., Die österreichischen NSDAP-Mitglieder, in: Die Nationalsozialisten, Hist.-sozialwissenschaftl. Forschungen 9, Stuttgart 1980. — Ders., Wien vom „Anschluß" zum Krieg. Nationalsozialist. Machtübernahme und polit.-soziale Umgestaltung am Beispiel der Stadt Wien 1938/1939, W i e n - M ü n chen 1978. — Vgl. ferner Wolfgang Rosar, Deutsche Gemeinschaft, Seyß-Inquart und der Anschluß, Wien 1971. — Radomir Luza, Osterreich und dte großdeutsche Idee in der NSZeit, Wien-Köln-Graz 1977. — Wien 1938, Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 2, Wien 1978. — Norbert Schausberger, D e r Griff nach Osterreich. D e r Anschluß, 2. Aufl., Wien-München 1979. — Friedrich Fntz, Der deutsche Einmarsch in Österreich 1938, 2. Aufl., Militärhist. Schriftenreihe 8, Wien 1978. — Franz Danimann (Hrsg.), Finis Austriae. Osterreich März 1938, Wien 1978. — Emst Hanisch, National-sozialistische Herrschaft in der Provinz, Salzburg im Dritten Reich, Salzburg Dokumentationen 71, Salzburg 1983. — Erwin A. Schmiedl, M ä r z 38. Der deutsche Einmarsch in Österreich, Wien 1987. — Gerhard Weinberg, Der gewaltsame Anschluß 1938, Wien 1988. — „Anschluß" 1938. Eine D o k u m e n tation, hrsg. vom Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes, Wien 1988. — Emmerich Talos - Emst Hanisch - Wolfgang Neugebauer, N S - H e r r s c h a f t in Osterreich 1938 —1945, Wien 1988. — Christian Zentner, Heim ins Reich. Der Anschluß Österreichs, Wien-München 1988. — Erwin Steinböck, Österreichs militärisches Potential im März 1938, Wien 1988. — Thomas Chorherr (Hrsg.), 1938, Anatomie eines Jahres, Wien 1988. — Felix Kreissler (Hrsg.), Fünfzig Jahre danach — D e r „Anschluß" von innen und außen gesehen. Wien-Zürich 1989. — Wilhelm Wadl - Alfred Ogris, Das J a h r 1938 in Kärnten und seine Vorgeschichte. Ereignisse — D o k u m e n t e — Bilder, Kärntner Landesarchiv, Bd. 15, Klagenfurt 1988. — Emst Bezemek Klaus Dieter Mulley, Niederdonau. Niederösterreich im Dritten Reich 1938 —1945, St. Pölten-Wien 1988. — Heinrich Drimmel, Vom Anschluß zum Krieg. „Hitler, c'est la guerre", W i e n - M ü n c h e n 1989. Über Gesetzgebung und Verwaltung vgl. Helfried Pfeifer, Die Ostmark. Eingliederung und Neugestaltung. Historisch-systematische Gesetzessammlung. Wien 1941. Verschiedene verwertbare Angaben und Hinweise enthält auch das H a n d b u c h des Reichsgaues Wien, Jg. 63/64, 6 5 / 6 6 (Wien 1941 bzw. 1944). — Z u r Einführung der Bezeichnung „Alpen- und Donau-Reichsgaue" vgl. Verfügungen, Anordnungen, Bekanntgaben, Bd. 1, hrsg. v. d. Partei-Kanzlei, M ü n c h e n 1942, S. 206 f. — Vgl. ferner Stephan Verosta, Die internationale Stellung Österreichs. Eine Sammlung von Erklärungen und Verträgen 1938 bis 1947. Wien 1947. — Fritz Fellner, Osterreich in der Nachkriegsplanung der Alliierten 1943 bis 1945. In: Österreich und Europa, Festgabe f ü r H u g o Hantsch. Graz-Wien-Köln 1965. — Johann Ulrich, Der Luftkrieg über Österreich, Militärhist. Schriftenreihe 5/6, Wien 1967. — Karl Stuhlpfarrer, Die Operationszonen „Alpenvorland" und „Adriatisches Küstenland" 1943—1945, Publikationen des österr. Instituts f. Zeitgeschichte 7, Wien 1969. — Norbert Schausberger, Rüstung in Österreich 1938 —1945, ebenda 8, Wien 1970. — Manfried Rauchensteiner, D e r Luftangriff auf Wiener Neustadt etc., Militärhist. Schriftenreihe 49, Wien 1983. — Robert H. Keyserlingk, Austria in World W a r II. An Angloamerican Dilemma, KingstonMontreal 1988. Nationalsozialismus und Kirche: Karl Rudolf, Aufbau im Widerstand, Ein SeelsorgeBericht aus Osterreich. Salzburg 1947. — Erika Weinzierl-Fischer, Österreichs Katholiken

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

Ü b e r die Aussiedlung der Volksdeutschen vgl. die Bände 2 (1956, Ungarn), 3 (1957, Rumänien), 4,1 und 4,2 (1957, Tschechoslowakei) sowie 5 (1961, Jugoslawien) der Reihe: D o k u mentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa. In Verbindung mit anderen bearbeitet von Theodor Schieder. Vgl. ferner: Tony Rathspieler, T h e Ethnic German Refugee in Austria 1945 —1954. Studies in Social Life, 2, T h e H a g u e 1955. — Leopold Grünwald (Hrsg.), Sudetendeutsche — O p f e r und Täter, Wien 1983. — Brunhilde Scheuringer, 30 Jahre danach. Die Eingliederung der Volksdeutschen Flüchtlinge und Vertriebenen in Österreich, Wien 1983. — Dieselbe, Das Schicksal der Volksdeutschen in den Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie nach dem 2. Weltkrieg, in: Wellen der Verfolgung in der österr. Geschichte, Schriften d. Inst. f. Osterreichkunde 48, Wien 1986. 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Quellen und Literatur

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sehe Literatur Österreichs. Zürich-München 1976. — Friedbert Aspetsberger (Hrsg.), Staat u. Gesellschaft in der modernen österr. Literatur, Schriften d. Instituts f. Österreichkunde 32, Wien 1977. — Ders. (Hrsg.), Osterreichische Literatur seit den zwanziger Jahren, Beiträge zu ihrer historisch-politischen Lokalisierung, Schriften etc. 35, Wien 1979. — Ders. (Hrsg.), Tradition in der neueren österreichischen Literatur, Schriften etc. 37 (1980). — Ders., Norbert Frei - Hubert Lengauer (Hrsg.), Literatur der Nachkriegszeit und der Fünfziger Jahre in Österreich, Schriften etc., 44/45 (1984). — Alfred Pfoser, Literatur und Austromarxismus, Wien 1980. — Alan Best - Hans Wolfschütz, Modern Austrian Writing, Literature and Society after 1945, London 1980. — Wendelin Schmidt-Dengler, Contemporary Literature in Austria, Modern Austria, hrsg. v. Kurt Steiner u. a., Palo Alto 1981. — Ders., Formen der Lyrik in der österr. Gegenwartsliteratur, Schriften des Inst. f. Osterreichkunde 39 (1981). — Kurt Adel, Aufbruch und Tradition, Einführung in die österr. Literatur seit 1945, Wien 1982. — Vgl. auch die Abschlußkapitel der österreichischen Literaturgeschichten von Nagl - Zeidler Castle (Bd. 4) und Nadler (2. Aufl.). — Ferner: Alois Brandstetter, Gegenwartsliteratur als Bildungswert, Schriften d. Inst. f. Osterreichkunde 41 (1982). Publizistik und Massenmedien: Paupie, Handbuch, Bd. 1, 2. — 200 Jahre Tageszeitung in Österreich 1783—1983, Festschr. u. Ausstellungskatalog, Wien 1983. — Hans Heinz Fabris - Kurt Luger, Medienkultur in Osterreich. Film, Photographie, Fernsehen und Video in der Zweiten Republik, Wien-Köln 1988, Musik: Rudolf Franz Brauner, Österreichs neue Musik, Wien 1948. — Heinrich Kralik, Das Opernhaus am Ring, Wien 1955. Darstellende Kunst: Franz Herterich, Das Burgtheater und seine Sendung, Wien 1948. — Benno Fleischmann, Max Reinhardt, Die Wiedererweckung des Barocktheaters, Wien 1948. — Wolfgang Schneditz, Salzburger Festspielbuch, Salzburg 1958. — Vgl. auch Joseph Gregor, Geschichte des österr. Theaters, bzw. Hilde Haider-Pregler, Theater und Schauspielkunst in Österreich. — Walter Fritz, Kino in Österreich 1945—1983, Wien 1984. — Josef Kaut, Die Salzburger Festspiele 1920—1981 (ergänzt bis 1985), Salzburg 1986. — Michael P. Steinberg, The meaning of the Salzburg Festival, 1890—1938, Ithaca-London 1989. — Emst Haeussermann, Das Wiener Burgtheater, Wien 1980. Für die kulturelle Situation in Wien während des zweiten Weltkrieges sehr aufschlußreich: W. Th. Andermann ( = Walter Thomas), Bis der Vorhang fiel, Dortmund 1947. Bildende Kunst: Die Wiener Werkstätte 1903—1928. Modernes Kunstgewerbe und sein Weg. Wien 1929. — Werner Hofmann, Moderne Kunst in Österreich, Das Werk, Jg. 1953. — Gerhard Schmidt, Neue Malerei in Osterreich, Wien 1956. — Der soziale Wohnungsbau der Stadt Wien, Wien 1956. — Margarethe Poch-Kalous, Malerei und Plastik (Wien um die Mitte des 20. Jahrhunderts). — Claus Pack, Der Maler Herbert Boeckl, Wien-München 1964. — Günther Feuerstein, Heribert Hutter, Emst Koller und Wilhelm Mrazek, Moderne Kunst in Osterreich. Wien 1965. — Wieland Schmied, Malerei des phantastischen Realismus — Wiener Schule, Wien 1972. — Ders., Bildende Kunst, in: Weinzierl — Skalnik, Osterreich, Die zweite Republik, Bd. 2. — Georg Eisler, Contemporary Art, Modern Austria (wie oben), Palo Alto 1981. — Werner J. Schweiger, Wiener Werkstätte, Kunst und Handwerk 1903 — 1932, Wien 1982. — Harry Kühnel, Sanierung, Revitalisierung und Denkmalschutz in Österreichs Städten. In: Österreichs Städte und Märkte in ihrer Geschichte, Schriften d. Inst. f. Österreichkunde 46, Wien 1985. — Dieter Ronte, Österreichische Kunst nach 1945, Salzburg 1989.

KARTEN UND TAFELN Vorbemerkung Karte 1. Osterreich in der Römerzeit. Als Vorlage diente die durch einige Eintragungen ergänzte, von Wilhelm Wagner entworfene und Hans Schlosser gezeichnete, dem Werke: Artur Betz, Aus Österreichs römischer Vergangenheit, Österreichischer Bundesverlag, Wien 1956, beigegebene Faltkarte. Karte 2. Österreich 976—1526. Als Vorlage diente die Wandkarte „Historische Entwicklung Österreichs 976—1526" von Fritz Eheim, Egon Lendl, Wilhelm Wagner, gezeichnet von Hans Schlosser. Durch das wesentlich kleinere Format unserer Karte wurden verschiedene Vereinfachungen bedingt. Karte 3. Österreich 1526—1740; Karte 4. Österreich 1740—1918. Beide Karten wurden mit Benützung verschiedener Entwürfe und Vorlagen, in vereinfachter Ausführung und verkleinertem Maßstab, zur Veröffentlichung in diesem Buch von Hans Schlosser unter Beratung von Wilhelm Wagner gezeichnet. Vorübergehende Grenzänderungen der napoleonischen Zeit sind in Karte 4 nicht berücksichtigt.

Tafel 1. Die Babenberger. Als Vorlage diente die Stammtafel bei Karl Lechner, Die Babenberger und Österreich. Der Bindenschild, Heft 6, Wien 1947. Einige genealogisch und politisch minder wichtige Personen wurden weggelassen, einige Abänderungen vorgenommen. Die Namen der regierenden Markgrafen und Herzoge von Osterreich sind durch Fettdruck hervorgehoben. Tafeln 2 und 3. Die Habsburger (1. und 2. Teil). Als Vorlage dienten — mit einigen Abänderungen — die Stamm- bzw. Regententafeln bei Adam Wandruszka, Das Haus Habsburg. Die Geschichte einer europäischen Dynastie. Friedrich Vorwerk Verlag, Stuttgart 1956. Ebenso wie auf den genannten Tafeln wurde hier nur eine Auswahl dynastisch und politisch wichtiger Angehöriger des Hauses Habsburg in die Darstellung aufgenommen; insbesondere konnte die große Mehrzahl der Frauen nicht berücksichtigt werden. Die römisch-deutschen Kaiser und Könige sowie die Kaiser von Osterreich sind durch Fettdruck hervorgehoben.

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