Geschichte des Pietismus: Band 1 Der Pietismus in der reformirten Kirche 9783111450629, 9783111083346

165 37 38MB

German Pages 608 Year 1966

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Geschichte des Pietismus: Band 1 Der Pietismus in der reformirten Kirche
 9783111450629, 9783111083346

Table of contents :
Vorrede
Inhalt
Erstes Buch. Prolegomena
1. Der Umfang der Aufgäbe
2. Reformation in der abendländischen Kirche des Mittelalters
3. Die Eigenthümlichkeit und die Abstammung der Wiedertäufer
4. Katholicismus und Protestantismus
5. Lutherthum und Calvinismus
6. Das Bedürsnik des kirlichen Protestantismus nach Reform
Zweites Buch. Der Pietismus in der reformirten kirche der Niederlande
7. Gisbert Poet und die Zuftände der niederländischen reformirten Kirche zu feiner Zeit
8. Johann Coccejns
9. Jodocus van Lobensteyn. Seine Ansichten vom christlichen Leben und von Reformation der Kirche
10. Jodocus van Lodensteyn. Sein religiöser und kirchlicher Standpunkt
11. Johann der Labadie, der Urheber des Separatismus in der reformirten Kirche
12. Die Gemeinde Labadie's
13. Die Grudfässe von Labadie und seinen Genossen
14. Die vollständige mystische Theorie von Theodor Brakel und Hermann Witsins
15. Die evangelische Richtung des niederländischen Vietismus
16. Die Fortsekung der evangelischen Richtung bis zu ihrer Krisis um das Jahr 1750
17. Die Fortsekung des Vietismus bis zu seiner Constituirung als separiste Kirche
Drittes Buch. Der Pietismus in der reformirten Kirche Deutschlands und der Schweiz
18. Unmittelbare Einwirkungen des niederländdischen Bietismus in die norddentschen Gebiete der reformirten Kirche
19. Der Bietismus in den mitteldentschen Gebieten der reformirten Kirche
20. Friedrich Adolf Lampe
21. Gerhard Tersteegen
22. Johann Kaspar Lavater
23. Heinrich Jung-Stilling
24. Anna Schlatter
25. Samuel Collenbusch und seine Schule
26. Gottfried Daniel Krummacher und Hermann Friedrich Kohlbrügge. Schluss
Register

Citation preview

f f meint Sechler bei ber reforma* torifdhen Bebeutung ©regov'§ nicht Derweilen ¿u foKen, fonbern wenbet ftcf) al^balb j u ben mannigfachen @rfcf)einungen ber firdj* lidtjen Cppofition, beren Deformabfichten in befannter SBeife al§ 1 ) Sodann S8anb.

Seipjiß

Bon SEBiclif unb

1873.

bie S8orge|d)idjte

ber ¡Reformation.

Srfter

10 §intoeifuugcn auf Sutljcr'S SBBcrf geroürbigt werben. Sft biefe 5Se= urtljeilung ©regor'3 geredjt? Sßie Würbe matt toofyl nad) biefem SJfafjftabe über bie Deformation Sutijcr'ä ¿u urteilen fjaben? Schlägt etloa itt bem Kampfe für feine 2lbenbmal)l§lcf)re ber be§ frommen El)riftenf)cräeit§, ober nieijt ütclmcijr baä Sntercffc für bie ©arantieen ber objcctiucn SCircfylidjfeit ? ®edt fid) ferner ber (Srfolg feiner Deformation, bie ^ßarticularfirdje unter bem 3»oange ber fdjulmäfjigen Sefjre, uttb feine reformatorifdje 2it>= ficf)t, bie gefammten Eljriften auf ifjrc religiöfe greii)eit über bie üöclt unb ifjrc fittlicfyen 33erpfiid)tungcu gegen bie menfcf)= lid)e ©efeßfdjaft Einzuleiten? Stöer bie DeformationSutljer'3 gegen ba3 Sntereffe be3 frommen ©I)riftcnI;erjenS unb bie Slbfid)t bes> DeformatorS gegen feinen Gürfolg abwägt, tonnte iuoijl an bem SBertfje ber Deformation be§ lü. 3al)rl). irre Werben; unb m u jäl)tig Siele Ijaben biefc Gsrfatjrung gemacht. Saffett mir uns aber in ber ©djäfcuug 2utf)er'S burd) bie Srfafjrungeit ber ä)it)= ftifer unb ber fatfjolifrfjen SonOertiten feit ber Gspocljc be§ ©l)n= tretiämuS unb ber ber Domanti! nid)t irre mad)cn, fo mirb aud) ®regor'§ Deform ber Äirdje burd) Sedjier'S Söemcrfungen nod) nidjt tttS Unrecht gefegt! ©an^ oberflädjlid) aber finbet fid) ber= felbe mit ber Deform be3 fjeiligen gran^ ab. ©r unterlaßt e§, beren giele unb SJiittel aud) nur jn beseidjnen; er fpricl)t nur au3, bafj bie befannten (Spaltungen im grauciöeanerorben bic burtf) benfelbctt erregten Hoffnungen abgefüllt traben, ©oll baS fjeifjen, bafj baburd) jeher (Srfolg ber erftrebten Deform ber ftirdje burdjfreust werben fei, fo ift ba§, wie fid) jeigen mirb, nicl)t rid)tig. U m jebDcf) bett Umfang Don (Srfdjeinuttgen itt ber 5iird)cn= gefcljicfjte beS SJiittelalterä, weldjer für einen 93egriff ber Defor= mation ju tiermertfjen märe, uollftänbig ju überfdjauett, m u | mau ttoef) golgenbeS Ijinjunetjnten. ®ie beiben uoit Segler äugeftan= benen Deformationen, bie oott ©regor V I I . unb bie üoit Don Slffift fjaben tfjren gemeinfameit Ort iit ber Deform be§ 2ftönd)^ tljumS, roeldje in allen möglid)en 2lrten unb ©raben fid) burd) bie @efd)idjtc ber abcnblänbifd)en Ä'irdje beS $Dfitte(alter3 l)in= burd)jiel)t. g u m a l Befreiung ber Äirdje üott ber at il)re äBurjeln itt ber Deform be§ söenebictinerorbenä, meldje fiel) in ber 6ongrcga= tion oon Slugnt) boHjog. Unb bie Deform ber Ätrcfye, welche

11 graitä crftrebtc, bcgriinbctc er auf bic Stiftung beä $ranci§caner= orbcnS, toelcije, tote olle neuen ¡Drbcnäftiftungcn, bie9lbfid)t einer Deform bc§ 9Jföndjtf)um§ iit fid) fdtficfjt. Dun gilt in ber Iatfjo= lifdjeit ?luffaffung bcS ©l)riftcntl)um3 baö ber SEBclt abgctucnbetc äJJöncfjtljum für bag eigcntlidjc, Dollfommenc d)riftlidjc Seben, neben tocldjem ba§ Derweltlid)te &l)riftentl)um ber Saicn, ba§ nur auf bie paffiue Siegelung burci) bie ©acramcntc angewiefett mar, ¿unädjft ganj jurüdgefteHt ttutrbe. Unter Deformation Dcrftanb man im Mittelalter aud) gatt^ bireet nur bie immer toieber fid) aufnötfyigcnbc Sßerfdjärfitng ber Gcntfagung Don ber SBctt. SDafitr ift bie (Stelle Döm. 12, 2 in ber SBulgata maßgebenb: Nolite conformari huic seculo, sed reformamini in novitate sensus vestri. Deformation bc3 äJiöndjtljumS alfo ober bie Slbtoe^r ber toieber ciitgeriffcnen Söcrweltlidjung Don bemfelben gilt im 9Jiittel= alter at§ Deformation be= beftrcbitngcn. Snbcffcn auf biefem £mttcrgruitbe l)eben fid) bic chtniacettfifcljc Deform beS 23enebictinerorben§ unb bie Stiftung be§ granciScanerorbcnö al» bic @pod)e madjenben (Sreigniffe ab. 3n ber engfteit Söejicfjung bewährt fid) bieg barin, baß bic 33c= itebictinerrcgcl ¿u ¿lugnl) burd) ba tljum» Dott ben lucltUdjen Slttläffeit feiner Söerfitmmeruiig frei geftcllt Werben, fo feinte cS fiel) aucl) nid)t, baß bie ©ewalt be§ Weltlidjen Staate^ in bie Dcd)töorbnung ber iiirdje Eljrifti eitt= griff. ift nun nicfyt jufdllig, baß ein Sluniaccnfcrmönd) biefe Befreiung ber Äirc^c fid) jur Aufgabe fe£te. ®enn bie r?for=

12 mirtc Kongregation bon Slugnty Mar mit beit 3ntereffen ber ganjen Sircfje baburd) in S3etbinbung gebraut, baß fie birect bem Sßapfte untergeorbnet tourbe. Unb baß fie beS SßertljeS biefer ©teHung in itjrer SBIüt^ejeit fidj toof)l berufet fear, geijt barauS fjcttior, baß bie Slmtiacenfcr beftrebt getnefcn finb, bie 2BcIt= geiftlidjleit jut Slnna^me beS fanontfc£)cn b. f). bem ÜDiöncfytijum möglidjft analogen Sebent ju beftimmen. 3 n biefer SRid^tung liegt aucf) bie 2luSftcf)t auf bie SluSfcfjließung ber ^Brieftereije, burcf) beren Verbot ©regor VII. feine Befreiung ber Sirene Dom ©taate am toirlfamften ju unterftüfcen üerftanb. ®ie c(uniacen= fifdfje Sieform beS 2Jiönd)tfyumS jie^t alfo bie möncfjifdje SReform beS ÄleruS nadj fidj; eine burcf) folcfjen ßleruS üertretene Sirene tonnte bie $tbt)ängigfeit Com rocltlidjen «Staate nicf)t ertragen; baS ift ber 3ufammen£)ang, in Welkem bie @podje madjenbe 93e= beutung ©regor'S als eine reformatorifdje ju berfteijen ift. Heber ben SBertlj ber cluniacenfifcfyen unb gregorianifdjen SRefornt fann man aber ein preicfjenbeS U r t e i l fdjoit auS bem Verläufe bilben, toelcfien jene Setoegung innerhalb beS äRittel= alters naijm. (Sinmat ift bie Slbftcfjt auf bie Sieform beS tfyumS allein ein Uurecfjt gegen bie große Sftaffe ber Äirc^en* glieber. 3)ann ift bie immer mieber eintretenbe SRotljtoenbigleit Don ^Reformen beS 3Jföncf)tljumS ein beutlidjer SetoeiS für bie .giellofigfeit beS Unternehmens, bie cfjtiftlidjc Sßoüfommcntjeit in ftatutarifdjen formen ber bloßen SSerneinung ber SBelt auS^u* prägen. Gsnblidj ift bie llnabpngigfeit einer mit reifem @igen= tfjum auSgeftatteten unb recfjtlicf) georbneten Strcije Dom ©taate feine 23ürgfcfjaft für iljre Befreiung üon bem, toaS im fittlidjen ©inne SEBelt ju nennen ift. ®enn (Sigentfjum unb SRedjt finb in biefem ©tnne burcfjauö meltlicfje SJegieljungen unb Orbnungen. 2)ie Äirt^e, foeldje »efentlidj unter ben SKerfmalen beS finnen* fälligen (SigentljumS unb ber 5Recf)tSfuncttonen aufgefaßt fein ttriH, ift gerabeju ein £f)eit ber Sßelt. 9tun lommt i)inju, baß bie Oon ber Eaiferticfjen 3fnüeftitur frei gemachte Strrtje, welche in bemfelben Slaume ober toielmeijr in benfelben ^erfonett nicf)t gleichgültig gegen ben (Staat ejriftiren formte, fidj jur Dber^errfcfjaft über benfelben auffdjtüingcn mußte. 3nbem alfo bie Äirdje fiefj audj als bie urfprüitglicf)e Inhaberin beStoeltlicf)cn@d)tt>erteS barftellte, öerrätij fie, baß fie burdj ©regor erft rec^t auf ben SBeg ber SSermeltli^ung geführt worben war. ®iefer (Srfolg E)at

18 nurt aber aud) fd^on im äftittelalter feine factifdje Sieridjtigung gefuttben. greilid) nidjt burd) bie SReformconctlien beS 15. 3afjr= £)unbert§, aber burd) ba§ ©t)ftent ber SanbcSfirdjen. GsS ift eilte birecte §lbfd)affung ber gregorianifdjen SReform, bafj in ©nglanb, Spanien unb ^ranfreid), in ben beibcn legten Sänbern fogat burdj förmtidje ßortcefftott be3 'jßapftcS, bie © r n c n n u n g ber $'ifd)öfe in bie §anb ber Könige gelangte, ©elbft in ®eutfd)= lanb ttrnrbe ein lanbe§Ìirc(jltd)c§ ©tyftem in bem SDfafje erreid)t, at§ ba§ römifdje 9ieidj beutfdjer Nation fid) in einen Sunb tuelt= lidier unb geiftlidjer dürften oermanbelte, unb bie Scfefcung ber SiStfjümer in ®eutfd)lanb ben focialen unb politifd)en Slnfpritdjen beé fjoijen unb mittleren 2lbel§ bienftbar gemacht »urbe. Snbeffen gerabe in ber ßcit, als baS grcgorianifdje ©Aftern feine am toeiteften geljenben Folgerungen entfaltet fjatte, bc= Seidjnct bie ^Reformation beS fjciligen ^rauj ü o n ^lifift e ' n e u e l l c @pod)e ber abenblanbifdjen Äirdie. 2113 Stifter eines neuen DrbcnS fdjeint er fiel) freiließ nur ber SReifje feiner Vorgänger anjufcfyltetjen, unb bafj er bie ©ntfrembuitg feinet DrbenSbrüber non ber Sßelt burdj ba§ ftarle L i t t e l ber völligen Slrmutl) ju fi^erit fucate, fcfjcint il)n nur bem @rabe nadj öon ben früheren DrbenSftiftern ju unterfcfjeiben. Sebocl) tjat er bie unüerfennbare Slbfidjt gehabt, in ber gorm feines DrbenS ba§ edjte ßijriften= tfjum, fo ju fagen bie Cieligion 8efu ju erneuern, unb ber @r» folg feine§ SebenS ift Don ben geitgenoffen gerabe in biefem ©inne Derftanben »orben. ®ie ältere ausführlichere üiegel beS heiligen ^ranj in 23 ßapiteln tuirb im Eingänge batjin beftimmt vivere in obedientia et in castitate et sine proprio, et domini nostri Jesu Christi doctrinam et vestigia sequi, qui dicit aRattlj. 19, 21; 16, 24; Sue. 14, 26; äRattlj. 19, 29. ®ie jüngere uon ^onortuS III. genehmigte Siegel (in 12 Kapiteln) beftimmt bie vita fratrum minorum bahin, evangelium d. n. J. Chr. observare vivendo in obedientia, sine proprio et in castitate. fommt alfo barauf an, bafj bie mönd)ifd)en ©ntljaltungen bis bahin gefteigert, aber auch in bem ©inne beabfid)tigt roerben, bafj fie ben allgemeinen Sinforberungen 3cfu an feine jünger unb feinem eigenften 5ßor6ilbe entfprechen. 2)cSl)alb roirb audj in ben einzelnen DrbenSüorfchriften ftets 9tiicfficht genommen auf bie ©runbfä^e ber allgemeinen ®ienftfertigfeit unb SRachgiebigfeit, Weldje baS (Süangelium auffteHt. SnSbefonbere werben bie SBor-

14 fdjriften 3efu an feine jünger, bafj fte oEjtte SCafcEjc, ©elb, r Sigent^um §u entfagen. SDie ^eitna^me an (Magen unb Sänken, namentlich aber att ©c^aufpielen, fogar bie inbirecte Uuterftüfcuitg foldjer Sßergnügungen wirb ifjnen Verboten. ®er @ib Wirb ben Xertiariern nur in genau beftimmten fallen er« laubt, ba3 Schwören im täglichen ßeben bagegen »erboten: ba3 fragen Don SBaffen nur jur SSertljeibigung ber römifdjen ®ird)e unb be3 SßaterlanbeS geftattet. S)enn im Allgemeinen »erben fie jur DöHigcn griebfertigfeit angehalten, ß u r Äleibung wirb ge= ringeè SCucf) Don Weber meiner, noch fcfjwarjer, alfo Dott grauer garbe borgefcijriebert. Slufjerbem werben bie Sertiarier ju flei= fjigem SßefudEj beé ©otteSbienfteS, Abhaltung ber tanonifchen ©tunben, häufiger Seichte, regelmäßiger ©ommunion, ju üter Wöchentlichen gafttagen, jutn 95efuch ber Äranfen aus ihrer ®e? noffenfehaft, jur Si)eilnat)nte an ber Seerbtgung Derftorbener ©enoffen, enbltcfj p r Unterwerfung unter bie regelmäßige 83ifi= tation buref) ihre SSorfteijer (ministri) angehalten, ©leichartige Oemeinfd^aften entftanben auch einhänge beS Dominicaner* orbenä unb ber fpäteren Drben ber Sluguftiner, SJiinimen, ©er» Diten unb Strappiften. Audj bie Sefuiten haben foldje Kongregationen öon Saien gebilbet. ®er eintrieb bei heiligen granj Wirft alfo in biefer Sejiehung burch bie ganje ©poche ber fat£>o= lifdhen Äircfje, welche feit ihm berfloffen ift. SSag aber ba§ ÜDiittelalter betrifft, fo bewährt bie franci§eanifci)e unb bomini= canifdhe ^ßrebigt ihre reforinatorifche Abficht in ber Ausbreitung einer an ba$ eheliche unb an ba§ bürgerliche ^Berufsleben acconta mobirten Aäfefe, welche ben Abftanb jwifdjen äftöncfjen unb Saien wenigftenS üerminbert. 3 m Allgemeinen entfprictjt btefeS Unter* nehmen bem Anfprudje ber ©leidjheit unb ©emeinfchaftlidhfeit beö ®hriftenthum§ mehr, als bie Sefdjränfung ber Reform auf ba8 Sjjöndhthum in ber erften $älfte beS SRittelalters. 3 m e= fonbern aber ergiebt fidj ber bloS relatiöe Sßerth ber franeté» canifdhen Deformation aus bem ättittel ju jenem Qwecf. @S iam nämlich bodj nur jur ©rünbung einer neuen Art öon ¡Drben. Abfidjtlich fteht bie franciäcanifche Deformation ebenfo im ®ienfte beS mittelaltrigen ©JjftemS ber abenblänbifchen Sirene,

17 Wie fie ftd) in bet fatfjolifdjen 2Infdjauung bom cfjrtftlic^en Seben p í t . StHein itt bern ©tunbfafce ber üoUfommenen Slrmutf) unb ©igentljumSloíigfeit, weldjen g r a n j bon 21ffifi für feinen Dtben auffteHte, lag ein Slnlafj ¿ur SoHifion jwifdjett ber aäfctifdjen Üíeform ber Sircíjc uitb ber papftíidjcn 253eltí)errfc^aft. ®ie Vertreter be§ 9ßapfttfyum3 toaren fidj tttoíjí betonet, bafj bent geift* litten ©djtoerte baS Uebergcwidjt Ü6cr baé weltlidje nidjt j u ge® Winnen ober j u erhalten war, Wenn niájt bie äftaffe bon welt= lidjem ©gentium mit ber geiftlid)en Sluctorität berbunben war. ®ie entgegengefefcte 2lnftdE)t, bafc ber ÄleruS unb bie 3Jlönd^e, toeldje Gcigentfjum Befäßen, nicfjt feiig werben iönnten, Ijatte 9tmolb bon Srelcia mit bem ßebett büfjen muffen. ®e$E)a!6 ift e3 berftänblid), bajj bie Sßäpfte ben ®runbfajj ber boHftänbigen öefijjlofigfeit auef) niájt in bem befdjränften (Ue&iete be§ granct§= canerorbená bulben wollten. ®enn fic mußten barin einen ftiHen Vorwurf gegen tf)t @t)ftem erlennen unb befürchten, bafj barauä ein allgemeiner SBiberftanb gegen bie @igentf)um§red)te ber^iráje an weltlichen (Sutern Ijerborgeljen werbe. ®iefe Dppofition haben ifjnen -nun auch bie ©piritualen im granctécanerorben gemalt, utib jWar in einem SDiafje, b a | fie nicht fdjärfer gebaut werben íann. $ier finbet fidj alfo bie @rfá)einung, bafj eine fo iatfyo* lifd)=geartete Sieformation wie bie franctécanifcfje wenigftené tí)úU Weife in bie Dppofttion gegen ba§ fircljliche Softem umgefd)lagen ift. ®emt bic ©piritualen urteilten nur in ber golgericfjtigfeit be§ reformatorifd)en fßrittctpS iíjreé 2Mfter§, bafj baä $apfttf)um unb bie Sirdje, weldje nidjt auf baä SSorbilb ber apoftolifchen gorrn beä djriftlidjen Sebent jurüdgehett, fonbern baé Sfjrtftenttjum ber ©piritualen, welcfjeé bem (Sbangelium Sfjrifti felbft entfpridjt, unterbrüden Wollten, bém Sintic^rift angehörten. S i e befchräniten fich nun aber barauf, bie Sieformation, welche biefer beS Serberbenä in ber Ättcfje geworfen fein würbe, ber ßufurtft anheimjuftellen, wenn baS ewige ©bangelium be§ OeifteS wirtfam fein werbe. (£§ ift baä bteHcidjt etn ftilleg ©ingeftänbnifj babon, bafj auch bie Steigerung i|rer aéfetifdjen Sieformmittel für bie unmittelbare (Sinfüljrung ber VoHEommenijeit ber Sirene nicht jureidje. 2)irect freilich richtet fid) bie Hoffnung auf bie julünf* tige Deformation buref) ba§ ewige ©bangelium banad), bafj auch ba3 berbammenbe U r z e i t über bie antidjriftlid)e 83erberbnifj ber Äircfje an ber 2Ipofalt)pfe be¿ 3o£)anne§ orientirt war. ®iefer i. 2

18 ^Bewegung nun ift bie mittelaltrige ®ird)e mächtig geworben. SHad) ben ©türmen uitb ©ortflictert, welche bie ©piritualen int 13. unb 14. Sfaljrtjunbert erregt haben, unb Welche ihrer SSicle auf bem ©djeiterfjaufen biigcn mufjten, liefen fte fidf) jur 9lut>e Bringen, inbem ba3 ßoncil bon Sonftanj fie als Fratres regularis observantiae anerfamtte. SSon ba an bringt, fo weit baS SDiittelalter reicht, bon iijret Slbgeneigtljeit gegen bie römifche iHrd)e nidjt8 mehr an bie Oberfläche. ®afj jeboch biefe ©tim* mung im Greife bcä genannten Drbenä böHig berfiegt fein foHte, ift fdjwer ju glauben. ®er fcfjwcigenbe ©cljorfam bon SJlöitchen öerpllt bem ferner ©tehenben manche Biegungen, welche auch buref) Ejalbe Slnbeutungen im engern Greife jum ©emeingute SSieler werben iönnen. Stlfo wenn auch ba§ 15. 3at)ri)unbert lein ®ocument babon barbieten foHte, bafj bie granci§caner= Dbferbanten ihren grünblichen SBiberfpvucE) gegen bie 83erwclt= lidjung bc§ römifeijen ^ßnpfttf)um§ unter fiel} unb tijrert Tertia» riern fortgepflanzt i)aben, fo folgt barauä nicht, bafc berfelbe in jenem $eitraum tjoQftänbig auSgeftorben war. 3)ie @rfcE)einungen beö JDlittetalterS, Weldje in iurjem Heber« bliefe borgefii^rt worben finb, fallen unter einen SSegriff bon Sieformation, ber einen biel weitern Ilmfang fjat, al§ berjenige ift, bon Welchem bie proteftantifdje ©efdjichtgbetrachtung fid) leiten lägt. Deformation ift bie §erfteHung beä richtigen S3er= f)öltniffe§ gtöifcijert ß^riftent^um unb SBclt, unter ber SBorauS* fefeung, baß baffclbe in eine SSermifdEiung be§ ®i)riftenti)um3 mit ber SBelt übergegangen ift. innerhalb biefeä allgemeinen ®e= griffet !ommt ebenfo bie 9tücffid)t auf ba§ chrifttiche Sßerfonleben Wie bie auf bie SBeltftellung ber Äirdje in Setracht. 9htn finb aber bie beiben bezeichneten reformatorifchen (Spodjen baburch be= fonberä bebingt, bafj fie bon ber fatfyolifcfjen ©cijä^ung be§ chriftlidjen fiebenS als be§ 3Jiöncf)tf|um§ unb ber Äircfje als ber 9teci)t§anftatt 6eE>crrfc£jt finb. ®e§l)alb bejWeden biefe gälte bon Deformation tt»eils bie immer Wieberfeljrcnbe unb immer gc= fteigerte Slblöfung ber möncf)ifchen SSoHlommen^eit bon bem ßeben in ber Söett, tijeilS bie möglichfte SluSbreitung ber möncf)ifci)en SSoUfommentjeit auf bie Säten, bie in ber gamilie unb im Bürger* liehen ^Berufe bleiben foUen. Gsbenfo betrifft bie Deformation ber Äirdje, welche ©regor VII. unternimmt, bie Slblöfung biefcS göttlichen DechtSinftitutS bon ben ©inflüffen be§ weltlichen ©taate§, ber als Dr»

19 ganiSmuä ber ©üitbe ausgegeben tutrb. ®ie ^Reformation ber ®ird)e aber, welche bie ©piritualen in 2iu§fid)t nahmen, bebeutet bie ®e* freiung berfelben bon ber allgemeinen S3ertoeltlicf)ung; ba8 SUia§ unb ber Umfang, in toeldjem biefeä erftrebt inirb, bleiben freiiid) im S)un!eln, ba ba§ ©efdjäft einem übernatürlidjett Eingreifen ©otteä in ber .ßuiunft aniieimgeftellt unb Don teinent 9Kenfcfyen unmittelbar in bie $ a n b genommen ttritb. g i i r bie franciScanifdje ^Reformation ber fattjolifdjen Äirtf)e ift nun aber befonberS bemcrfenStoertlj, bajj biefeibe an ben äJtafjftab ber urfprünglid)en, Don ber 83ermifd)ung mit ber SBelt nod) freien Ätrcije angelehnt ttrirb ( © . 14). ®iefe 9titcfficf)t ift jeboanbtfd)aft biefer ©rfdjeinung mit ber Deformation beä 16. SafjrtjunbertS auf ba3 SeugniB öon § e r j o g 2 ) j u üerweifen, baß biefe „^Reform auf lattjolifdjem 93obcn ftel)t unb in il)m wurjelt". SBenn aud) ber Slnfprud), bie urfprünglidje ®ird)e j u erneuen, öon Slnfang an burd) SGßalbuS nidjt Oer treten toorben fein foUte, fo fjaben bie SBalbenfer ftcf) baburdj j u legitimiren gelernt 3 ). gerner l)egt bie Slbfidjt einer folgen ^Reformation ber SJöfjme SÄatt^iaS öon 1) SSei © t e f e l e t , St. ©. II. 2. 353. Quam vero longe sit omni« modéra a religio a forma primitivae ecclesiae, ex multis intelligi potest. Unter befîen SBeiffagungen, reelle bie SranciScaner auf fid) fiejogen, mötfjte nadj ®.'§ Urtivit (©. 354) folgende ä$t jciit. Necesse est, ut succédât similitudo vera apostolicae vitae, in qua non acquirebatur possessio terrenae haereditatis sed potius vendebatur. 2) ©ie tomanii^en SBalbenfer ((pntte 1853) 6 . 131. 141. 189. 3) Sfljre tat(jolifi)cn ©egnet ftreittn eS iljnen ob. 33gt. © i e j e l e r , ffi. ©. II. 2. 565.

20 SanoW ( + 1394) 1 ), itnb in beut burcfj bie |juffitentämpfe aufgc= toü^tten Sattbe beginnt (feit 1457) bie ©emeinbe bcr böf)mifc§en SBrüber nadj jenem SUiufter eine bem SBatbenferti)um äfjnltdje SebenSWeife, wetdje burdj iljren Stifter, ben Sarfüfjer, SBrubet ©regor, toom grartciäcanertfjum abgeleitet ju fein fdjeint 2 ). Stucf) biefe Sftadjbiibung ber ©emeinbe j u Serufalem behauptet bi3 inS 16. 3af)tf). ben fpecififd) fattjolifdien 2t)pug. ®affelbe Sbeal fjat jene ®oppclgeftatt bei" „mobernen ®ct>otion" in ben 9ticberlanben, bie Sßinbe3fyeimifc§e Kongregation ber regulirten Stuguftiner unb bie SBrüber unb ©djweftcm beä gemetnfamen £cben3 geleitet, eine SSerbinbung, an beren fpecififdj fatfjolifdjem Sfjarafter nieijt gejweifelt werben fann 3 ). 2Bte fefjr nämlid) biefe reformatorifcfye Snftanj ber fatfyoltfdjen 2lrt entfpriefit, erfennt man- enblid) baraug, ba§ bie Sefuiten bie Don ifjnert in ^3araguat) gebilbeten unb regierten 3nbianergemeinben al§ ba3 9iaaupt feiner ßircfjengenoffen ober fetner N a t i o n m i t © e r i c f j t S b a r f e i t u n b S t e u e r e r h e b u n g a u l g e f t a t t e t gefoefen ift. ® a § P r o b l e m beS S ß e r p i t n i f f e ö ¿tmfcfjen © t a a t u n b S i r c f j e , toelcfjeö i m S l b c n b l a n b e feit S a l j r f j u n b e r t e n i m m e r toieber bie S i r c f ) e befoegt u n b b e n © t a a t b e f d j ä f t i g t , i f t f ü r bie m o r g e n l ä n b i f d j e S i r r t j c g a r nicf)t fcorljanben ( S b e n f o foenig i ) a t m a n b o r t j e e i n e n S l n l a f j j u r R e f o r m be3 3Jiönd)t£)umä ober j u r S t i f t u n g neiier D r b e n g e f u n b e n , nocf) ift b i e S t e l l u n g b e f f e l b e n j u m S a i e n d j r i f t e n t l j u m o b e r bie b e § S B e l t f l e r u S j u b e n TOöncfjen j e m a l s i n g r a g e ge= fommen. ® o r t g i e b t cs> l e i n e b e f o n b e r e n ag!ctifct)en E o n g r e g a * t i o n e n b o n S a i e n , u n b bie © j e b e r ^ ß r i e f t e r i f t n i e a n g e t a f t e t toorben. d a g e g e n I j a b e n a u d ) n i e bie b e l e i h t e n Sßriefter b e m S ß r i b t t e g i u m b e r $ i o f t e r g e i f t l t c f ) f c i t , b a f j a u « i t j r bie Sötfd^öfe f)er= ü o r g e f j e n , fief) t o i b e r f e ^ t . S B e t i biefe ® t n g e tri b e r m o r g e n l ä n b t * fcfjen $ t r c f ) e f t e t ö i n tEjrer f e f t e n D r b n u n g g e b l i e b e n firtb, o b e r toetl m a n b i e b a r a n i j a f t e n b e n U n o r b n u n g e n n i d j t t i e f e m p f u n b e n ijat, f o m m e n bort feine ^Reformationen im S i n n e bcS 2lbenb= lanbeS bor. errfcf)aft ber Äirche über ben ©taat einjulenlen. Slüettt biefe ¿Bewegung ift ni(±)t jufällig blog burch ben 3erfaH be§ farolingtfc^en 9teid)e§ herbeigeführt tuorbcit; unb nicf)t richtig wäre bie Sinnahme, bafj Wenn berfelbe i)ätte unterbleiben tonnen, bie abenbtänbifctjc Ätrdjc in einer ben bt^antinifchen 33erf)äitniffcn gleichen Slbhängigieit Dom «Staate berharrt märe. S)enn bie abcnblänbifctje Strebe be= fafc in Sluguftin'ä Seijre bon ber Ueberorbnung be§ @otte3ftaate§ über ben weltlichen ein geiftigeS 33ermächtni{j, basS jur ®urdj= freujung ber btyjantinifc£)en Kombination bon S t a a t unb Ättcfye brängte. @ine fold^e ethifriftt unb ber 9ied}tfertt= gung burejj ben (Stauben, nämlich baß ber äßenfeh bor ©Ott fromm Werbe burd) ben ©tauben unb nicht burcE) bie Sßcrte. S i e rügen ferner bie Sehre bon ber Unerfüllbarfcit beS ©efefceä, ba boi) alle Schrift bie Haltung beä ©efefceS borfdjreibe. 3 n biefen beiben ©runbfäfcen beö SebenS ftehen bie SBiebertäufer auf ber Seite beS SathoticiSmuä. S i e jiehen ferner a u s ber djriftlichen Stufgabe ber Siebe bie Folgerung, baß ber ©hrift iein Qsigenthum unb ieinen 3ieid^thum haben bürfe, ba bießiebe bielmehr alle ®inge mit ben Stöbern gemein Ejabc. ®iefer ©runbfafc ift n u r bie SeraUgemeinerung einer Siegel, Welche bisher f ü r baS 3)?öndhthum als Sebingung ber chriftlkhen SßoUfommenheit gegolten hat 2 ). ®ie SBiebertäufer ftelten fich ferner tljeilS ganj gleichgültig, theilö abgeneigt gegen ben S t a a t unb feine (Sin? ridjtungen. S i e leugnen, baß bie Religion j u r Kompetenz ber Dbrigleit gehöre, unb baß ber ßfjrift überhaupt ein Sebätfniß nach ftaatlicher 3iecf)täorbnung fjabe. 3hrer Slnfidjt gemäß wiber= fefeen fidj bie @f)riftert feiner ©ewatt, machen fief) allein auf ba8 1) ® e t SBiebertäufet U t f o t u n ß , S ü t f l a n g , ©ecten, Siefen. 3ttrtcf> 1560. 2) ®9 ift nidjt jufäHig, baji bie elfte (Smpfefilung biefeS ©runbfafceS i m 16. 3af|ri)unbert Bon ¿IjomaS 9JJotuS (in bet U t o p i a ) ^ettüi):t, einem W a n n e »on

b u r $ a u S aStetiföer

SßatfteS.

SebenSridjtung

unb ajtärtyrer

f ü r ben

i|3rimat beS

25 Sieiben gefaßt, barum fudjen fie beim S t a a t feinen 3tecf)t§fci)ufc. 2)e§í)aíb aber fönnen fie aucf) lein obrigfeitliangelifcf)cn unb ber päpftCicE)cn Ätrdjcn abfonbert. ® a fie nun eine junadjft pafftöe SIngefjörigfeit jur ©emeinbe ber ^eiligen, mié fie in biefen Äirdjen burd) bie 2lu§übung ber Sinbertaufe anerfannt roirb, überhaupt itid^t julaffen, fonbern nur bie actitie aSfetifd)e Sugenb iljrer ©enoffenfcíjaft, fo merbeit fie jur Saufe ber ©rttiadjfcnen alé ber einzig richtigen $ o r m ber Slitfna^me in bic ädjte ©emeinbe Kfirifti geführt, ober ¿ur SBiebertaufe ber in ber Äinbfjcit ©etauften. $)iefe einjige Neuerung unter ben ©runb= fäfcen ber Partei ift alfo ató Folgerung au§ bem ©efüge Don Sebcnäorbttungen ju begreifen, beren einzelne giige mel)r ober meniger entwicfelt im mittelaltrigen SatfjoliciömuS nacijgetoiefen merben fönnen. ®iefe SJierfmale ber SBiebertaufer »erben Don SSuUinger ató biejenigen bejeidjnet, toeldje tljeitó allen if)ren Secten (mit SSor6et)alt einzelner SDfobificationen) gemeinfam finb, tfjeitó (mit Stuäfcfjlufj Don Slbtoeidjungen) jur ©Ijarafteriftif ber ÜD?affe bienen, für toeldje er ben Sitel „®eneral= ober gemeine S ä u f e r " em= pfieljlt. UebrigenS jerfaHeit fie in jwei ©rupfen, toon benen bie eine fid) auf bie inbiöibuelle 3nfpiration, bie anbete auf ben 39ucf)= ftaben ber Sibel ftüfcte. ®er erfte galt tritt juerft bei ben ßmidfauer Sßropfjeten, ber anbere bei ben güricfjern auf. SHan pflegt in beibett gäHen eine Ueberbietung ber reformatorifdjen ^ßrtnet-pien Sutfjer'é unb gtmngli'á ju finben. ®ie Steigerung ber §luc= torität ber ^eiligen -Scfjrift fd)eint in ber Slbmeidjung ßonrab ©rebel'S bon Bmingli ebibent ju fein, unb bie Offenbarungen beS ijeiligen ©eiftcä in ben Säufern mären nur bie folgerechte @nt« midelung ber unmittelbaren ^eitógeroifjljeit ber ©tnjelnen, auf meiere bie Scfjre Don ber ^Rechtfertigung buref) ben ©lauben t)in= ausführt. Snbeffen bietet biefe Steide Don @rfd)einungen nodj

26 eine anberc «Seite bor. SBenn matt ben 8ibticiSmu§ (Srebers unb bett groingli'S mit einanbet üergleidjt, fo ift berfelbe bod) nur baS SJiittel ba^u, gana üerfdjiebenartige 2lnfprüd)e an bie djriftlidje SMigiott auf bie Ieicl)tefte unb für jene ¿ e i t eöibenteftc Slrt j u bertijcibigen. ßfoingli üertritt mit ber ö i b e l in ber £>anb baS (Süangelium ber göttlichen ©nabe unb baS ©ittengefe|, ®re= bei bie SSerbinbtidjfcit einer gefd)idjtlid) iuett jurücfliegenben focialen unb fittlidjen S3erfaffung ber djriftlidjen ©emeinbe. S n biefer S t i f t u n g Ijat ber toiffenfchaftlici) gebilbcte SDiann fid) auf bie gcftfteUung ber allgemeinen ©runbjitge bcfcfjränft. 9tber j u r Srgänjung btefeS SilbeS mufj man aud) bie Slnrtenbung Der» gleiten, tueldje ber ©runbfafc unter ben ungebilbeten S l t t p n g e m ber Partei fanb. ® i e „apoftolifdjen S ä u f e r " faljen, tote S3ut= linger erjäljlt, auf ben bloßen S3ud)ftaben ber ©c£)rift. Snbem fie alfo ficE) auf baS SSorbilb ber Stpoftel ftüfctcn, sogen fie als Sßrebiger umfjer ofjne ©tab, ©djulje, Xafdje unb © e l b ; Weil ber § e r r gefagt f(at, baß bie Slpoftel, was ifjnen ins Dfjr geraunt fei, üon ben S ä g e r n prebigen foKen, ftiegen fie auf bie ®äcfjer unb prebigten üon bort; ba man mit ben Äinbern j u Äinbern »erben follte, fo benahmen fie fid) finbifdj; » e i l j u r @emein= fdfjaft mit &i)riftu3 gehören foll, baß man Sßeib unb Äinb, § a u S unb ©ewerbe üerlaffe, fo würben fie Sanbftreic^er unb ließen ftdj üon ben S r ä b e r n unterhalten. Sine üerwanbte ©ruppe, bie „abgefdjiebenen geiftlidjen S ä u f e r " in ollen nichts meijr mit ber SBelt gemein fyafon, rnadjen beSfyalb Siegeln über ©toff unb gorm ber Äleiber, über (Sffen, Sriniett, ©Olafen, ©teljcn unb ©eljen; wo fie3femanb ladjen feljen, rufen fie aus bem (Süangelium SBe^e; ebenfo fdjeuen fie alle $od)jeitcn, greubenmaljle, ©efang unb ©aitenfpiel; baju üerwerfen fie SBünbniffe (SSerbrübcrungen, @il= ben), in betten man mit üerfdjiebenartigen üftcnfdjen ¿ufammen* trifft, unb baS Sragen üon Sßaffen. ©oll man toirtiief) biefe Slbfonberlidjfeitcn, bie ifjreS © l e i t e n in ber $ircf)cngcfdjic§te nur an ben äJionomaniecn unter ben ruffifd)en Slltgläubigen Ijaben, al§ folgercdjte gortfefcung ber üon eingefd)lagenctt €Ricf)= tung anfefjen? 2JZan foll j u biefer Slnttaljme g e l u n g e n toerben burdj bie ßegenbe, baß gcrabe baS „formale ^ßrineip" in feiner Deformation ootf)errfc^enb befolgt Ejabe. SJtan fann fid) aber an ben wiebertäuferifdjen Folgerungen aus bemfelben üorgeblidjen ^ßrinctp überzeugen, baß baS tuirflidE)c Seben fid)

27 niemals in foldjem elenben ©djema bewegt. ®te 2ltificf)t ßwingli'S unb bie feinet wiebertauferifdien (Segner Dom 6Ijriftent£)um finb int tiefften ©runbe üerfdEjteben, in bem SiZaße als jener öon ber íatfyolifdjen SebenSform fid) entfernt, biefe aber fidj bem ceremo= ntalgcfe$lid)en $uge berfelben auf baS nädjfte anfdjliefjen. ®afj nun beibe it)re gerabe entgegengefefcten SlnfprüdEje auf bie 83er= binblicljfeit beS torteé @otte§ unb ber ^eiligen ©djrift ftüfcen, ttieift barauf f)in, bafj biefe Snftanj nicfjt erft für bie deforma» tion £utf)cr'S unb ßwinglt'S dEjarafteriftifcf) ift, fonbern and) in anbeten Seftrebungen mitgefpielt fjat; unb beren ceremonialgefe^ lieber Sníjatt läfjt öermutfyen, bafj fie im SKittelalter wurjetn. ®aS efftatifdje unb infpirirte Sluftreten ber anbern ©ruppe öon SBiebertäufern t)at ebenfalls nidjts gemein mit ber perfön* lidjen ^cilSgewifjíjcit, roetd^e ber ©laube aus ber ^Rechtfertigung burá) ©ijriftuS gewinnen fotl. 33ielmef)r fielen jene patfjologifdjen @rfcf)einungen, toeídje bie willfüríicf)ften, wertljlofcftcn ober freüel= Ijafteften Slntriebe als göttliche Söefeijlc barfteUcn, im äufjerften Slbftanbe öon ber ®emuti) unb ©ebulb, wie öon ber Xreue im berufsmäßigen ^anbetn, in benen fid) bie eöangelifd)c §eiiSge* Wifjljeit barlegen wirb. ®er ibentifdje Snfjalt aber, weldjen bie SBiebertäufer in elftatifdjer (Srregung auSfpredjen, närnlid) bie Sftälje ber Sßieberfunft Sfjrifti unb feines @erid)tcä jut 2tuf= ridjtung feines SteidjeS, ift jwar ber 33orauSfe§mig öom naljen SBeltenbe äijnltdj, weldje bie SBirffamíeit Suttjer'S unb feiner (Senoffen begleitet; biefer Umftanb ift aber niemals öon bcn= felben als ein bcfoitberS wichtiges ©lieb ifjreS SöangeliumS, gefd)Weige benn, rote bei biefen SBiebertäufern, als ber §aupt= inljalt unb als baS leitenbe Sftotiö ber Sufjprebigt geltenb ge= madjt worben. ©fftafe unb Snfpiration finb nun foldje @rfd)ei* nungen, bie als mögliche SBirfungen aSfetifdjen SebenS ifjre $ei= matl) öielmefjr im SNöndjtfjunt unb eine befonbete Sichtung inner* tjatb beS ^Mittelalters befifcen. Silfo aucí) biefeS 3Ker!mal ber SBiebertäuferei Weift auf baffelbe gelb f)in, wie bie bisher beur= teilten Umftänbe. ®ie etftatifdje Slníitnbigung ber nafyen 2öie= beriunft Sfjrifti finbet ebenfalls ifjre Slnalogieen im Söiittelalter; ifjr befonberer Ort aber wirb im »eitern Verlauf biefer Unter» fudjung ttadjgewiefen werben. ®ie SSiebertäuferei entfpringt überall im ©djoofje ber §anb= Wer! treibenben ftäbtifdjen Seöölferung. ©ie íjat freiließ aud&

28 mcindje ®lerifer unb 9Köntf)e fiir fidE) getoonncn, berctt $ilbung§= grab biefclben jur güfjrung bet gartet unb jur SBertljeibigüng it)rer ©runbfäfce burdj 2Bort unb ©djrift befähigte; inbeffen ift biefe reformatorifcfye Sefoegung im ©runbe untl)eologifd). fficnn an fiá) finb bie j. Sö. burdj ßarlftabt unb ®encf bcrtretene ftifdje Geologie unb bie allgemeine Senbenj auf bie ^erftellung bct borgeblidjen apoftolifdjen Stufe ber djriftlic^en ©efeflfdfyaft ganjUd) gleichgültig gegen etnanber. 9?un ftefjt ja freilief) bie SDityftif in bem Dufe einer befonberS naf)en Serfoanbtfdjaft mit ber lutfjerifdjeu Deformation. 3nbeffen ift fie bielmeljr nur bie prononcirte ©tufe ber fatf)olifat fie tfjn ntc£)t auf biejenigeit ©ebaníen geführt, buref) toeldje er SRefor* mator geworben ift; bielmeljr berfcfyminben bie ©puren ber SJitjftif in feinen ©djriften in bem üftafje, ató fein rcformatortfdjer @e= fidjtSfreiS fidj abgeílart tjat. S)ie ßutljer eigentümliche 3lnfcí)au= ung be§ d)riftlicf)en Sebent, tote fie in ber ©djrift de libertate christiana Vorliegt, ift ber SDityfttf gerabeju entgegengefefct. ®iefe lefyrt bie Sßeltfludjt unb SBeltüerneinung unb ftellt ben Söertl) be3 fittlicE) = guten §anbeln3 unb ber íugenbbilbung roeit unter bie etftatifctje ©inigung mit ©Ott. £utf)er lefjrt, bafj bie ájrift* lidje Religion jur geiftigen §errfdjaft über bie Süöelt fiifjrt, unb ftellt ben ®ienft be3 fittlic^en £>anbeln3 gegen bie SDienfcfien in gleidjem SBertfje mit jenen Functionen bar, in benen ber Sl)a= raíter ber SSerfötjnung mit ©ott befielt, ©igentlidj ift ja bie 9J!t)= fti! in ber cfyriftlidjen ßirdje ein Slbfenfer beá SÍcuplatonismué. ®enn ber leitenbe ©ebante, Weiter biefer $f)ilofopl)ie unb ber SDityfti! gemeinfant ift, nämtid) bafc ©ott rtic£)t bie SBelt, ober bafj er bie Verneinung ber SBctt fei, ift ber StuSbrucf beS an feiner ©runblage Oerjmeifelnben §eibentfjumé, unb eben beäEjalb an fid) untcrdjriftiic^. ®ie grömmigfeit ferner, ineldje biefer ©ottcáibee entfprid)t, Weldje bie etftatifdje Vereinigung mit ©Ott fudjt, um fo bie SSelt überhaupt unb bie ©reatürlidjíeit in ber eigenen $erfon ju oerneinen, ift nur möglich, toenn bie aäfetifdje Verneinung ber Iörperlid)cn unb ber gefeüfdjaftliäjen SBebingungen be3 menfcf)lidjen Sebent borfjergegangen ift. ®e§t)aíb !ann bie Deformation Suttjer'á, welche bie mönd)tfcf|e Slöfefe überhaupt für ungültig erflärt, in feiner Vertoanbtfcfyaft mit ber äJltyfti!

i

29 ftefyen. 3 a eé fdjliefjt ftcfj gerabeju aué, bafj Sutljer baé menfdj* Íiá)e ßeben nadj bem ©egenfafc ber ©ünbe, für bie wir berank wortlidE) finb, unb ber götttidjcn ®nabe in Sljriftué 6euvtf»etlett Ictjrt, unb bafj bie SHtyftif bie ©clbft6curtt|cttung beé SDÍenfdEjen in ben ©egcnfafc ber Greatiirlkbfeit unb beé Slufgeljené in baé allgemeine, göttliche ©ein i)incinfteUt. ®ie Sffityftit bietet aud) nidjt eine ijöljere religiöfe Stnfdjauung bar, alé weldje Sutfyer eröffnet l>at; uttb Sutfjer'é STljeologie finbet nidjt etwa ifjre folge* redete SßoHenbung in ber SDityftit bon Earlftabt unb bon ®end. ©onbern Suttjer'é §eiléorbnung ift bon unbergleicitigfeit unb aiff ^erftellung etneé boHfommenen focialen .ßuftanbcö ber Ätrdje gerichteten ÜDienfcljen audj nur borläufig ßutrauen j u ßutljer unb .ßwtngli 1) ( S o r n e t i u S , ®efier einklagen, ju adfjten íjabe. Sollte nun in biefer Sejie^ung bennoci) nidjtó be* ftimmteä ermittelt werben tönnen, fo will icf) auf biefer fpeciellen ^typotljefe nidjt befteljen, ba basjenige, worauf e§ bei ber 2Steber= täuferei anfommt, aud) oljne fie anfd)aulid) gemalt werben famt. Silfo bie SBiebertäufer, beren grömmigfeit bass möndfjifcfje unb ceremoniatgefejj(id)e ©eprüge an fid£) trägt, geben burdj if»re Dppofttioit gegen ¿utfjer unb gwingii, nadjbent fie erft if)nen angefangen í)a6en, lunb, bajjj fie unter Reform beö ßfyriftentfjumä urfprünglit^ etwas Stnbereä öerftanben, ató fie bei jenen SRefor* matoren lennen gelernt fjaben. Die SBiebertäufer finb nun mit Wenigen Sluäuafmen literarifd) gebilbeter äWänner bem niebern

31 §anbweríerftanb angeprig. liefet ©tanb aber war bamals feit breifyunbert 3ai>ren ber 3Btt!ung§frct§ ber in ben ©täbten ange= fiebelten SSettelorben, unter benen bet granciöcanerorben populärere toar. ®ie SBettclorben jeigen freilief) im 15. Safjrf). allerlei ©puren bon Sßerweltlicf)ung, unb an manchen Orten in ®eutfd)lanb geben fie ber weltlichen Dbrigleit ben Slnlafj ju rc= formatorifcfjcm @infá)reiten. Slücin baburcl) ift iljre ©inwirlung auf baS SSolf nidjt gcfdjmälert worben. «Sie lagen ber Sßrebigt unb beéfjalb au ber Sefdjäftigung mit ber fjeiligen ©djrift oí», unb behielten baburclj bie ¡Dberljanb über ben Sßfarrfieru3, welker ungebilbet war unb fdjwelgerifcl) lebte. Sßäljreub fie biefcit ©tanb in SSeracfytung ju fe|en berftanben, imponirten fie nací) bem Seufl5 itifj be§ (SraSmuS bem Sßolte burdj ben ©d)ein ber §eiligfeit SEBenn man alfo fiá) borfteHen foH, lueldEjc Slnfidjt bom Sf)riften= tf)um unter bem niebern Sürgerftanbe in ben ©täbten am 2lu&» gange beS SJlittelalterS berbreitet geWefen ift, fo !ann man an nichts anbcrcä beulen als an bie ©runbfäfce ber granciScaner, aucf) wenn babei ber ¡öeftanb iljrer Sertiarier» Kongregationen aufjer 2lnfa| bleibt. Unb wenn in bicfeit Greifen auf Deformation ber Äirdje geregnet würbe, fo íann btefclbe in feinem anbern ató im francté* canifdjen Sinne, nämltd) alä birecte 3iefonn ber Sitten berftanben Worben fein. SJiit biefer Erwartung, omnia fore purius christiana, !ant audj @eorg SBifccl2) ju Sutijer, um nadjfyer an iljm irre ju werben, al