Geschichte des Deutschen Hochschulverbandes
 9783110959734, 3110959739

Table of contents :
Prolog
I. Verbandstradition und Neubeginn
1. Der „Verband der Deutschen Hochschulen“ (VDH) als Vorläufer des Hochschulverbandes
2. Der Weg zur Gründung des Hochschulverbandes 1950
3. Die Gründung des Hochschulverbandes am 4. März 1950 in Hannover
II. Der Hochschulverband als Standesorganisation: Selbstverständnis – Aufbau und Ausbau – Positionierung im politischen Handlungsfeld
1. Welchen Standes Organisation? Statusdifferenz und Interessenintegration: Ordinarien und Nichtordinarien im Hochschulverband
2. Aufbau und Ausbau: Verfassung und Organisation des Hochschulverbandes in der Ära Felgentraeger
3. Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Kräftefeld
III. Politikfelder der Ära Felgentraeger
1. Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten
2. Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger Jahre
3. Hochschulreform und Standespolitik
IV. Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre
1. Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz: Der Hochschulverband in der Umbruchsphase von 1968 bis 1970
2. „Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft“ – Verbandspolitische Neuorientierung bis 1974
3. Hochschulreform als Gesellschaftsreform: Der Weg zum Hochschulrahmengesetz
V. Die Ära Schiedermair
1. Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger Jahren
2. Ein gesamtdeutscher Hochschulverband
Epilog
Abkürzungsverzeichnis
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Personenregister

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Franz]. Bauer

Geschichte des Deutschen Hochschulverbandes

K · G · Säur München 2000

Herausgegeben vom Deutschen Hochschulverband

Die Drucklegung erfolgte mit freundlicher Unterstützung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft

Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme Bauer, Franz J.: Geschichte des Deutschen Hochschulverbandes / Franz J. Bauer, [Hrsg. vom Deutschen Hochschulverband]. München ; Säur, 2000 ISBN 3-598- 440-0

Gedruckt auf aherungsbestandigem Papier / Printed OD acid-free paper © 2000 K. G. Säur Verlag GmbH & Co KG, München Part of Reed Eisevier Alle Rechte vorbehalten / All rights strictly reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Satz: Dr. Rainer Ostermann, München Druck: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Binden: Buchbinderei Schaumann, Darmstadt ISBN 3-598-11440-0

Inhalt Prolog I.

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Verbandstradition und Neubeginn 1. Der „Verband der Deutschen Hochschulen" (VDH) als Vorläufer des Hochschulvcrbandcs 2. Der Weg zur Gründung des Hochschutverbandes 1950. 3. Die Gründung des Hochschulverbandes am 4. März 1950 in Hannover

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II. Der Hochschulverband als Standesorganisation: Selbstverständnis - Aufbau und Ausbau Positionierung im politischen Handlungsfeld 1. Welchen Standes Organisation? Statusdifferenz und Interessenintegration: Ordinarien und Nichtordinarien im Hochschulverband 2. Aufbau und Ausbau; Verfassung und Organisation des Hochschulverbandes in der Ära Felgentraeger 3. Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Kräftefeld

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III. Politikfelder der Ära Felgentraeger 1. Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten 2. Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger Jahre 3. Hochschulreform und Standespolitik

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IV. Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre 1. Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz: Der Hochschulverband in der Umbruchsphase von 1968 bis 1970. . . 2. „Vom Honoratioren-Club zur H och schul l ehrer-Gewerkschaft" Verbandspolitische Neuorientierung bis 1974 3. Hochschulreform als Gesellschaftsreform: Der Weg zum Hochschulrahmengesetz

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V. Die Ära Schiedermair 1. Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger Jahren. , , , 2. Ein gesamtdeutscher Hochschulverband ,

Epilog

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Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

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Quellenverzeichnis

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Literaturverzeichnis Personenregister

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Prolog Der Deutsche Hochschulverband, als Berufsvereinigung der Professoren und Dozenten an den wissenschaftlichen Hochschulen der Bundesrepublik per se auf das engste mit dem wissenschaftlichen Leben verbunden, ist selbst bisher noch kaum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung gewesen.1 Das mag erklären, warum ein jüngst erschienenes Standardwerk zur deutschen Büdungsgeschichte nur einen „Hochschuilehrerverband" nennt2 - was nicht ganz richtig ist, aber auch nicht richtig falsch. Der Hochschulverband ist in der Tat ein Hochschul/e/zrerverband, aber er heißt nicht so, und auf dieser Differenz von ,Sein und Heißen'3 ruht der Spannungsbogen seiner nunmehr fünfzigjährigen Geschichte. Als ich es übernahm, diese Geschichte wissenschaftlich aufzuarbeiten und in knapper Form zur Darstellung zu bringen, habe ich die Schwierigkeit der Aufgabe zunächst unterschätzt. Die Geschichte des Hochschulverbandes ist auch die Geschichte von fünf Jahrzehnten deutscher Hochschulentwicklung. Es dürfte kaum einen Aspekt des Hochschulwesens in diesem Land geben, mit dem sich der Verband nicht auseinandergesetzt, kein hochschulpolitisch relevantes Thema, zu dem er nicht Stellung genommen hätte. Man öffnet die mit ,Hochschulverband' bezeichnete Tür - und tritt in ein Labyrinth von Gängen und Korridoren, von denen nach allen Seiten weitere Türen zu neuen Fluren und Fluchten führen. Man merkt nach einigem Suchen und Tasten, daß auch dieses Labyrinth des Hochschulwesens und der Hochschulpolitik, so verschlungen es sein mag, ein jSystem', eine sinnhafte Ordnung hat. Aber man muß sich, um an ein Ziel und ein Ende zu gelangen, mit quälender Häufigkeit dem Problem der Auswahl und der Beschränkung stellen. Das freilich ist die Aufgabe, vor der der Historiker immer steht. Nirgendwo hat er seinen Gegenstand als etwas Gegebenes, das nur aufzudecken wäre. Jede Geschichte wird re-konstruiert. Der Leser wird feststellen, daß der Verfasser sich auch die Freiheit genommen hat, die einzelnen Phasen dieser insgesamt fünfzig Jahre umspannenden Geschichte Allenfalls erste Ansätze bei Hans-Werner Schulten, Der Hochschulverband. Interessenvertretung der Hochschullehrer oder Standesverein?, in: Studentische Politik 8 (1975), S, 50-63, und Franz Neumann, Professoren-Politik. Über die Ziele von Wissenschafterverbänden, in: Frankfurter Hefte 3l (1976). S. 43-50, der den Hochschulverband aber nur beiläufig behandelt; fundierter Hans Gerber, Entwicklungsgeschichte des Hochschuiverbandes, in: MittHV Bd. 11, Sonderheft April 1963, S. 46-90. Vgl. Christoph Führ/Carl-Lud wig Furck (Hgg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd. VI: 1945 bis zur Gegenwart. Erster Teilband: Bundesrepublik Deutschland, München 1998, S. 100 u. S. 420. Vgl, Hermann Lübbe, Sein und Heißen, Bedeutungsgeschichte als politisches Sprachhandlungsfeld, in: Reinhart Koselleck (Hg.), Historische Semantik und Begriffsgeschichte, Stuttgart 1979, S. 343-357.

Prolog

des Deutschen Hochschulverbandes in der Darstellung unterschiedlieh zu gewichten. Die ersten beiden Jahrzehnte wurden proportional deutlich breiter behandelt als die beiden letzten. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Natur des Gegenstandes selbst. Um die Problemlagen der Nachkriegsjahre analytisch angemessen zu erfassen, mußte oft weit in die Hochschulverhältnisse der Weimarer Zeit - und zum Teil bis ins Kaiserreich - zurückgeblendet werden. Auch war das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg konstitutiv für die Struktur und die weitere Entwicklung des Verbandes. Andererseits sieht sich der Historiker bei der Beurteilung der jüngsten, bis in seine Gegenwart hereinreichenden Vergangenheit unhintergehbar dem Problem der fehlenden Distanz zum Gegenstand und den noch aktiv in der Verantwortung stehenden Personen gegenüber. Hier hilft, wenn der Maßstab einer um Unabhängigkeit und Objektivität bemühten wissenschaftlichen Forschung redlich gewahrt werden soll, nur Zurückhaltung und Bescheidung, Die Verantwortung dafür trägt allein der Verfasser. Bei dem schwierigen, aber auch reizvollen Geschäft, dem Hochschulverband eine Geschichte zu geben, haben mir viele geholfen. Der Deutsche Hochschulverband selbst hat meine Arbeit mit der Professionalität seiner Geschäftsstelle in jeder erdenklichen Weise unterstützt und gefördert. Dafür gebührt dem Geschäftsführer des Hochschulverbandes Dr. Michael Hartmer und seinem Stellvertreter Dr. Hubert Detmer ebenso mein herzlicher Dank wie den stets kooperationsbereiten Damen und Herren der Geschäftsstelle für vielfältige logistische Hilfeleistungen. Der Hochschulverband hat diese Unterstützung gewährt, ohne jemals auf den Gang der Untersuchung oder den Inhalt meiner Darstellung Einfluß zu nehmen. So war das vereinbart, und an diese Vereinbarung haben sich alle mit absoluter Korrektheit gehalten. Prof. Dr. Werner Thierne, Dr. Gerth Dorff und Prof. Dr. Hartmut Schtedermair haben in längeren Erinnerungsgesprächen meine Sicht des Hochschulverbandes um manchen interessanten Aspekt bereichert. Dr. Werner Becker vom Archiv der Hochschulrektorenkonferenz habe ich zu danken für die großzügigen Arbeitsbedingungen, die er mir und meinem Mitarbeiter für die Auswertung der dort aufbewahrten Akten und Protokollserien der Westdeutschen Rektorenkonferenz eingeräumt hat. Ein gleichermaßen herzlicher Dank geht an Herrn Kollegen Manfred Heinemann, Leiter des Zentrums für Zeitgeschichte von Bildung und Wissenschaft (ZZBW) an der Universität Hannover, der meinem Mitarbeiter mit größter Liberalität die Auswertung der dort deponierten Akten der WRK und der Kultusministerkonferenz ermöglicht hat. Frau Simone Langner vom Bundesarchiv Berlin und Dr. Jürgen Real vom Bundesarchiv Koblenz haben mir mit unbürokratischem Entgegenkommen bei eiligen Anfragen sehr geholfen.

Prolog

Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Mitarbeitern Harry Meyer M,A,, Christian Silvester und Oliver Braun für die ertragreiche Zusammenarbeit der vergangenen zwei Jahre. Herr Silvester und Herr Meyer haben mit intensiven Literatur- und Archivrecherchen einen wichtigen Beitrag zur Erschließung des umfangreichen Materials für die vorliegende Darstellung geleistet. Sie haben dabei eine eigenständige Beurteilungskonipetenz erworben, die mir in vielen anregenden Gesprächen zugute gekommen ist. Ohne den Einsatz und das Engagement der drei Genannten bis in die letzte, hektische Phase der Erstellung der Druckvoriage hätte ich die Aufgabe in der zur Verfügung stehenden knappen Zeit nicht bewältigen können. Meine Sekretärin Frau Christine Wittmann hat die Manuskripterstellung mit gewohnter Umsicht koordiniert. Regensburg, im Januar 2000

Franz J. Bauer

I. Verbandstradition und Neubeginn 1.

Der „Verband der Deutschen Hochschulen" (VDH) als Vorläufer des Hochschulverbandes

Die Gründung des Hochschulverbandes, die am 4. März 1950 von einer Versammlung westdeutscher Hochschulrektoren und Professoren in Hannover vollzogen wurde, hatte eine längere Vorgeschichte. Sie läßt sich in ihren kapillaren Anfängen bis ins Jahr 1945 zurück verfolgen, und sie stand, wie so viele Versuche des Wiederbeginnens in jenen Nachkriegs jähren, im Zeichen des Anknüpfens an Korvergangenheiten, an Traditionen, die - in der Zeit des Nationalsozialismus unterbrochen oder zumindest unterdrückt - schon in der Weimarer Republik in Geltung gewesen waren (ohne deshalb notwendig republikanisch' zu sein).1 Es ist deshalb angebracht, der Geschichte des Deutschen Hochschulverbandes ein knappes Portrait der Weimarer Vorläuferorganisation voranzustellen. Der „Verband der Deutschen Hochschulen" - 1920 begründet, 1933 gleichgeschaltet, 1936 aufgelöst - gab seiner Konzeption wie seiner Struktur nach die genetische Matrix für den 1950 neu begründeten Verband ab - eine Matrix, der sich die Initiatoren und Gründer mit bemerkenswerter Vorbehalislosigkeit anvertrauten. Lohnend ist ein Blick auf den Vorgänger des Hochschulverbandes auch in anderer Hinsicht: Es zeigen sich, so unterschiedlich der politische Handlungsrahmen der beiden Organisationen in der Weimarer und der Bonner Republik gewesen ist, doch auch hier in vielerlei Hinsicht aufschlußreiche Kontinuitäten und Analogien der Problemlagen - sei es in den Binnenverhältnissen des gesellschaftlichen Teilsystems Wissenschaft und Hochschule, sei es in der Formulierung und Vermittlung von Interessenpositionen der Hochschulen und der Hochschullehrer gegenüber Politik und Öffentlichkeit, Ansätze organisierter Interessenvertretung im Hochschulbereich hatte es schon vor dem Ersten Weltkrieg gegeben.2 1903 war auf Initiative des Leipziger Zu der durch die Zeitumstände nach 1945 zweifellos begünstigten Persistenz traditionsgeleiteten Handelns vgl. die einsichtsvoll-kritischen Reflexionen eines der bedeutendsten Mitgestalter deutscher Hochschulpolitik der Nachkriegsepoche: Ludwig Raiser, Wiedereröffnung der Hochschulen Ansätze zum Neubeginn, in: Nationalsozialismus und die deutsche Universität. Universitätstage 1966, hg. von der Freien Universität Berlin, Berlin 1966, S. 174-188. Für die folgende Skizze über den VDH konnte ich mich auf die 1994 an der Universität Gießen vorgelegte, von Peter Moraw betreute Magisterarbeit von Stefan Ludmann, Der Verband der Deutschen Hochschulen in der Weimarer Republik, 364 S., stützen. Ich danke Herrn Ludmann für die freundliche Genehmigung, diese bislang unveröffentlicht Arbeit, die mit der Vorgeschichte und Geschichte des VDH ein wichtiges Stück deutscher Hochschulgeschichte dieses Jahrhunderts rekonstruiert, für die vorliegende Untersuchung auszuwerten und aus ihr zu zitieren. Interessante Aspekte der Geschichte des VDH bietet daneben auch Eckhard Oberdörfer, Der Verband der 11

Verbandstradition und Neubeginn Juristen und Rektors Adolf Wach ein „Akademischer Schutzverein" gegründet worden, der sich die Wahrnehmung der Interessen wissenschaftlicher Autoren gegenüber Verlegern und Buchhändlern zur Aufgabe machte. Parallel zur Gründung des Schutzvereins kam es auch zu Versammlungen der Rektoren der preußischen und dann der deutschen Universitäten, aus denen sich im Zuge allmählicher Ausdehnung und Komplettierung des Teilnehmerkreises und der Verstetigung zu einem jährlichen Tagungsrhythmus bis 1914 die Grundform der Rektorenkonferenz herausbildete.3 Diese verstand sich freilich nicht als Interessenvertretung mit Verbandscharakter, sondern fungierte eher als „Informationsbörse", indem sie den Rektoren „zur Koordination und Information in Sachen meist allgemeiner Hochschulfragen diente"4. Ein dritter Ansatz zur Selbstorganisation im Hochschulbereich hatte seinen Kristallisationskern in informellen Zusammenkünften reichsdeutscher und österreichischer Hochschullehrer, die seit 1903 in Salzburg stattfanden. Unter dem Eindruck weitreichender Strukturveränderungen an den Universitäten in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende - eines markanten Anstiegs der Studentenzahlen, wachsenden Staatseinflusses und zunehmender bürokratischer Kontrolle, beides sachlich-funktional bedingt durch die immer aufwendiger und komplexer werdende Organisation des Wissenschaftsbetriebs in der entstehenden industriellen Massengesellschaft5, und tiefgreifender Statusveränderungen in der Hochschullehrerschaft selbst infolge der überproportionalen Zunahme der Zahl der Privatdozenten und außerordentlichen Professoren in rechtlich und finanziell depravierter Lage - wurde das Bedürfnis sichtbar, auf der Basis einer breiten Organisation der Hochschullehrer zu einer wirksamen Artiku-

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Deutschen Hochschulen in der Weimarer Republik, in; Karl Sirobel (Hg.), Die deutsche Universität im 20. Jahrhundert, Vie row 1994, S. 69-88. Wichtige Einzelheiten über den Verband der Deutschen Hochschulen und insbesondere zur Traditionslinie zwischen dem VDH und dem Hochschul verband werden auch mitgeteilt bei Gerber, Entwicklungsgeschichte. Die recht verschlungenen Entstehungslinien der Rektorenkonferenz(en) werden auseinandergelegt bei Wilhelm Schlink, Rektorenkonferenz und Verband der Deutschen Hochschulen, in: Das akademische Deutschland, hg. von Michael Doeberl, Bd. I I I : Die deutschen Hochschulen in ihren Beziehungen zur Gegenwartskultur, Berlin 1930, S. 589-596. Eine Übersicht über die Tagungen der Preußischen und Deutschen Rektorenkonferenzen von 1903 bis 1918 findet sich in: Hochschulpolitik im Föderalismus. Die Protokolle der Hochschulkonferenzen der deutschen Bundesstaaten und Österreichs 1898 bis 1918, hg. von Bernhard vom Brocke und Peter Krüger, Berlin 1994, Anlage II. Ludmann, S. 23 u. 28. Eine Vielfalt von Aspekten dieses komplexen Geschehens wird behandelt in: Bernhard vom Brocke (Hg.): Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftspolitik im Industriezeiialter. Das „System Althoff" in historischer Perspektive, Hildesheim 1991. Vgl. dazu auch die Skizze von Rüdiger vom Bruch, Abschied von Humboldt? Die deutsche Universität vor dem Ersten Weltkrieg, in: Strobel (Hg,), Die deutsche Universität, S. 17-29. Zum säkularen Vorgang der Expansion des tertiären Bildungswesens in internationaler Perspektive vgl. Paul Windolf, Die Expansion der Universitäten 1870-1985, Stuttgart 1990.

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Der VDH ah Vorläufer des Hochschulverbandes lation und Vertretung der Interessen aller Hochschulen im deutschsprachigen Raum zu gelangen. Ein im September 1906 eingesetztes Komitee von drei reichsdeutschen und vier österreichischen Hochschul Vertretern verfaßte einen Aufruf, dem sich 54 weitere Professoren und Privatdozenten überwiegend außerpreußischer Universitäten anschlössen. Auf Kritik und Ablehnung stieß die Initiative vor allem in der preußischen Hochschullehrerschaft und insbesondere an der Berliner Universität. Mit ostentativem standespolitischem Degout wandte sich der Historiker und Herausgeber der .Preußischen Jahrbücher' Hans Delbrück gegen die der Initative unterstellte Absicht einer „gewerkschaftlichen" Organisation von Professoreninteressen in Konfrontation gegen den Staat und die Regierungen, die doch die Universitäten „zu ihrer höchsten Blüte und einflußreichsten Stellung" ernporgeführt hätten6. Die Befürworter der Aktion wiesen unter der Wortführerschaft des Münchener Nationalökonomen Lujo Brentano und des Wiener Rektors Meyer-Lübke den Vorwurf, einen „Kampfverein" gegen die staatlichen Hochschulverwaltungen gründen zu wollen, mit Nachdruck zurück, betonten aber mit gleichem Nachdruck das Recht der Hochschulen und der Hochschullehrer, ihre korporativen und - freilich nur in zweiter Linie - auch ihre materiellen Interessen kollektiv zu formulieren und wahrzunehmen. Ein Jahr nach der Einsetzung des Vorbereitungskomitees konstituierte sich am 8. September 1907 in Salzburg der erste deutsche „Hochschullehrertag", der zweite folgte 1908 in Jena, der dritte 1909 in Leipzig. Um neben den jährlichen Versammlungen ein Mindestmaß an Koordination und Kontinuiät zu ermöglichen, wurde ein geschäftsführender Ausschuß mit einem Vorsitzenden gebildet. Zur Mitgliedschaft im Hochschullehrertag waren alle Hochschuldozenten, Ordinarien wie Nichtordinarien, zugelassen. In der Absicherung und Besserstellung gerade der letzteren sah die neue Organisation eine der Hauptaufgaben der angestrebten Hochschulreform. Ein Faktor von hochschulpolitischem Gewicht wurde der Hochschullehrertag vor dem Krieg nicht mehr; seine Bedeutung ging nicht über das hinaus, „was sein ganz wörtlich genommener Name implizierte: Es gab ihn nur an ein oder zwei Tagen im Jahr, ansonsten wirkte er durch die individuelle Autorität der Beteiligten," Daran änderte auch eine Satzungs- und Namensänderung auf dem vierten Hochschullehrertag 1911 in Dresden nicht viel. Mit der Konstituierung als „Verein Deutscher Hochschullehrer", dessen Mitglieder feste Jahresbeiträge zahlten, wurde unter dem Vorsitz Adolf Wachs eine organisatorische Konsolidierung angestrebt. Gleichwohl kam es vor dem Weltkrieg nur noch zu einem weiteren, dem fünften Hochschullehrertag im Oktober 1913 in Straßburg, So wird man die Existenz dieses Vereins, dem etwa 700 {und damit 15 Prozent aller) Hochschullehrer Ludmann, S. 35. 13

Verbandstradition und Neubeginn angehörten, in erster Linie als Beleg dafür werten, daß ein grundsätzliches Bedürfnis nach verbandlicher Interessenorganisation in einem Teil der deutschen H ochsen ullehrerschaft auch vor der Ersten Weltkrieg bereits spürbar war.7 Dieses Bedürfnis trat verstärkt zutage nach dem nationalen Trauma des verlorenen Krieges und dem politischen Systemwandel durch die Novemberrevolution 1918. Zwar blieb der politische Umsturz ohne unmittelbare Auswirkungen auf die personelle Struktur und die Verfassung der Universitäten; doch ließen der Systemwechsel zur parlamentarischen Demokratie und der Übergang der politischen Entscheidungsmacht auf sozialdemokratische und linksliberale Parteien eine allgemeine ,Politisierung' auch des Hochschulwesens erwarten - eine Perspektive, der wohl die Mehrheit der deutschen Hochschullehrer ihrem Selbstverständnis und ihrer mentalen Disposition nach skeptisch, wenn nicht offen ablehnend gegenüberstand. Die hochschulpolitischen Reformpläne des sozialdemokratischen preußischen Kultusministers Konrad Haenisch und des für die Hochschulpolitik im eigentlichen Sinne konzeptionell maßgeblichen Staatssekretärs im preußischen Kultusministerium, des angesehenen Orientalisten Carl Heinrich Becker, schienen, so wohlbegründet und maßvoll sie zum größten Teil waren, die Befürchtungen eines verstärkten Staatsinterventionismus im Hochschulbereich zu bestätigen.8 In dieser Situation des Frühjahrs 1919 gingen von verschiedenen Universitäten Anregungen aus, durch den Zusammenschluß der Hochschulen bzw, der Hochschullehrer die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen für eine entschiedenere Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber den Regierungen und der Öffentlichkeit. Die erste Nachkriegs-Rektorenkonferenz, die vom 3. bis 5. Juni 1919 unter Einschluß der Technischen Hochschulen in Halle tagte, reagierte auf die neue Lage zum einen mit Überlegungen zur institutionellen Festigung der Konferenz selbst mit dem Ziel der Stärkung ihrer Handlungsmöglichkeiten nach außen, und zum anderen mit der Einsetzung einer Kommission, welche nach einem Vorschlag der Universität Münster die Gründung einer Vereinigung der Hochschullehrer in die Wege leiten sollte. Unter Federführung zweier Münsteraner Zur Wahrung universitärer Autonomie gegenüber staatlich-bürokratische r Einflußnahme (auch unter Bezugnahme auf die Bestrebungen des Hochschullehrervereins) sehr differenziert-abwägend die zeitgenössische Stimme von Gustav Cohn, Selbstverwaltung und Staatsverwaltung der deutschen Universitäten (1918), abgedruckt in: Hochschulpolitik im Föderalismus, S. 377-390. Die staatlichen Hochschulverwaltungen nahmen gegenüber Hochschullchrertag und Hochschullehrerverein eine kritisch-distanzierte Haltung ein; vgl, ebda,, S, 171 und 263. Zu den Vorstellungen Beckers über eine Hochschulreform, die nicht zuletzt auch der ideellen Stärkung der durch den Weltkrieg traumatisierten Reichsnation dienen sollte, vgl. Kurt Düweü, Staat und Wissenschaft in der Weimarer Epoche, Zur Kulturpolitik des Ministers C.H. Becker, in: Historische Zeitschrift. Beiheft I: Beitrage zur Geschichte der Weimarer Republik, München 1971, S. 31-74, sowie Guido Müller, Weltpolitische Bildung und akademische Reform, Carl Heinrich Beckers Wissenschafts- und Hochschulpolilik 1908-1930, Köln u.a. 1991. 14

Der VDH als Vorläufer des Hochschulverbandes

Professoren, des Geographen Wilhelm Meinardus und des Chemikers Rudolf Schenck, wurden die Umrisse einer Satzung entworfen, die nach grundsätzlicher Billigung durch die meisten Universitäten auf einer Sitzung des vorbereitenden Gründungsausschusses im September 1919 in Halle konkretisiert wurde, Nach weiteren Beratungen und Überarbeitungen im Kreise der Rektoren wurde ein gestraffter Satzungsentwurf einer Grundungsversammlung vorgelegt, zu der die Vertreter von 23 Universitäten und 11 Technischen Hochschulen vom 4. bis 7. Januar 1920 in Halle zusammenkamen. Die damit erreichte Vollständigkeit der Repräsentation der wissenschaftlichen Hochschulen Deutschlands machte deutlich, welch hoher Stellenwert nunmehr einer verbandlichen Organisation der Hochschulinteressen unter den neuen politischen Verhältnissen beigemessen wurde. Anlaß zu Debatten gab allerdings weiterhin die Frage, in welcher Form diese Interessenorganisation erfolgen sollte - ob als Verband der Hochschulen oder aber der Hochschullehrer. Eine klare Mehrheit entschied sich schließlich für einen „Verband der Deutschen Hochschulen", wie die offizielle Benennung lautete,9 Dem Verband gehörten demnach nicht die Hochschullehrer als Einzelmitglieder, sondern die Hochschulen - nach einem Beitrittsbeschluß der Dozentenschaft - korporativ an. Voraussetzung für die Beitrittsfähigkeit waren Promotionsrecht und Rektoratsverfassung. 1921 hatte der VDH 45 Mitgliedshochschulen, 1933 waren es 47. Die Finanzierung basierte gleichwohl auf den Beitragszahlungen der Hochschullehrer. Dabei übernahmen die Hochschulverwaltungen die Einziehung der Beiträge für den Verband.10 Zum ersten Vorsitzendem des VDH wurde Rudolf Schenck gewählt" Er behielt dieses Amt bis 1925 und prägte in diesen Jahren maßgeblich die Verbandslinie. Nach der Annahme der vorläufigen Satzung durch die Gründungsversammlung von Halle wurde auf dem 2. Hochschultag im Mai 1921 die endgültige Verfassung des Verbandes verabschiedet, die mit einer Modifikation im Jahre 1925 bis zur Gleichschaltung im Juni 1933 in Geltung blieb. Sie sah als legislatives Organ des Verbandes den ,Hochschultag' vor, der in der Regel im Zwei-JahresTurnus zusammentreten sollte. Die einzelnen Hochschulen delegierten je einen Ordinarius und einen Nichtordinarius zunächst für drei, seit der Satzungsänderung "* Der gesamte Gründungsvorgang findet sich ausführlich dargestellt bei Ludmann, S. 51-71. Vgl. Ludmann, S. 93 ff.; zu den mehrmals geänderten Modi der Beitragsermittlung und Beitragserhebung ebda., S. 99S. 11 Rudolf Schenck (1870-1965), Studium der Naturwissenschaften und Mathematik in Halle, 1894 Promotion, 1897 Habilitation an der Universität Marburg, 1906 Ruf auf das neugeschaffene Ordinariat für physikal. Chemie an der TH Aachen, 1910 Ruf an die TH Breslau, 1915 Übernahme des Ordinariats für Chemie an der Universität Münster. Während des Krieges trat Schenck mehrfach öffentlich für eine annexionistische Kriegszielpolitik ein. 1929/30 Rektor der Univ. Münster, 1935 Emeritierung, 1936 Direktor des Staatlichen Forschungsinstituts für Metallchemie in Marburg. 10

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Verbandstradition und Neubeginn 1925 für sechs Jahre. Die Rektoren waren kraft Amtes Mitglieder des Hochschultags. Die Versammlung wählte den Vorstand und den Verbandsvorsitzenden, bestimmte die Mitglieder des Hauptausschusses und der Arbeitsausschüsse, verabschiedete Entschließungen und Verlautbarungen, beschloß den Etat und verfügte mit Zwei-Drittel-Mehrheit auch über die Kompetenz zur Änderung der Verbandsverfassung. In formalrechtlicher Hinsicht war der Hochschultag die legitimatorische Basis der gesamten Verbandsarbeit, auch wenn in der Praxis die Sanktionierung der vom Vorsitzenden und vom Vorstand definierten Verbandspolitik häufig nur noch akklamatorisch erfolgte. Eine andere und vielleicht wichtigere Funktion hatte der Hochschultag indes als Forum der Information und der Integration, der Selbstvergewisserung der Hochschulen nach innen und der Repräsentation ihrer korporativen Identität nach außen.12 Die institutionelle Nähe des VDH zur Rektorenkonferenz, von der seine Gründung ausgegangen war, wurde reiterativ sichtbar gemacht durch die Parallelität des Zusammentretens von Rektorenkonferenz und Hochschultag zur gleichen Zeit und am gleichen Ort. Vertreter des Verbandes nahmen regelmäßig an den Rektorenkonferenzen teil wie umgekehrt auch deren Vertreter an den Vorstands- und Hauptausschußsitzungen des VDH.13 Allerdings fehlte es im Verhältnis zwischen den beiden Institutionen auch nicht an Spannungen und Konflikten, die in der unzureichenden Abgrenzung ihrer Kompetenzen ihre Ursache hatten.14 Das Funktionszentrum des Verbandes war der neunköpfige Vorstand, in dem die Ordinarien mit sechs, die Nichtordinarien mit drei Mitgliedern vertreten waren. Hier wurde die Verbandspolitik in den Grundlinien konzipiert, die Arbeit der Ausschüsse koordiniert, wurden Entscheidungen vorgezeichnet (bzw. vorweggenommen), Entschließungen formuliert und die Hochschultage organisatorisch und inhaltlich vorbereitet. Exponent des Vorstandes (und in vielerlei Hinsicht des ganzen Verbandes) mit hohem Einfluß- und Gestaltungspotential war der Vorsitzende. Er „prägte die Politik des Verbandes, er setzte die Akzente und von seiner Aktivität hing die Wirkung der Organisation ab".15 Die Arbeit des VorL2

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Auch die feierliche Einkleidung der Plenartagungen deutet darauf hin, daß es dabei in erster Linie um die Demonstration korporativer Geschlossenheit in der Selbstdarstellung der universitären Welt ging, nicht um den Dialog mit der außeruniversitäten Öffentlichkeit. Die Presse war zu den Hoch seh ullage n nicht zugelassen, und Politiker oder hohe Vertreter der Kultusbürokratie waren nur selten präsent. Angesichts verstärkten staatlichen Intervcntionsdrucks infolge der Wirtschaftskrise beschloß man allerdings 1930 die Einrichtung einer Pressestelle. Vgl. Ludmann, S. 78-83 und 2921 Vgl, Schlink, Rektorenkonferenz und Verband der Hochschulen, S. 596, der auch betont, daß zwischen Rektorenkonferenz und VDH ,,ein wirkliches Vertrauensverhältnis bestehen muß, daß beide nicht unabhängig nebeneinander herlaufen dürfen, daß sie vielmehr in enger Fühlung zusammenarbeiten müssen". Vgl. Ludmann, S. 231-238. Ebda., S. 86. 16

Der VDH als Vorläufer des Hochschulverbandes

Standes und insonderheit des Vorsitzenden wurde in technisch-organisatorischer Hinsicht unterstützt durch eine Geschäftsstelle, die mit einem hauptamtlichen Geschäftsführer und zwei Schreibhilfen besetzt war. Von der Grün dungs Versammlung war dieses im Entwurf der Satzung bereits vorgesehene Instrument zwar aus einem standesspczifisch anti-bürokratischen Affekt verworfen worden; doch hatte der Vorsitzende Schenck die Einrichtung der Geschäftsstelle dann kurzerhand auf dem Vorstandswege durchgesetzt in der richtigen Erkenntnis, daß ohne ein solches Koordinationsbüro kontinuierliche und effiziente Verbandsarbeit nicht zu leisten sein würde. Die Geschäftsstelle des VDH hatte ihren Sitz stets am Wohnort des Vorsitzenden - eine Praxis, der dann auch der 1950 gegründete Hochschulverband bis 1969 folgen sollte. Mit der Funktion eines Verbindungselements zwischen dem Vorstand und dem Hochschultag wurde 1921 ein 30 Mitglieder zählender Hauptausschuß in die Organisationsstruktur des Verbandes eingefügt, der eine stärkere Beteiligung der Nichtordinarien an der Verbandsarbeit ermöglichen sollte, ohne freilich die institutionell abgesicherte Dominanz der Ordinarien insgesamt in Frage zu stellen.16 Dem Hauptausschuß gehörten neben dem neunköpfigen Vorstand auch je ein Mitglied der Arbeitsausschüsse an, in denen die sachgruppenspezifische Expertenkompetenz des Verbandes organisiert war. In der Arbeit dieser Ausschüsse dokumentierte sich der Anspruch des VDH gegenüber Rektorenkonferenz und staatlicher Hochschuladministration auf eine umfassende Zuständigkeit auch für allgemeine Fragen der Hochschulpolitik, 17 Es ist in unserem Zusammenhang natürlich nicht möglich, die Tätigkeit des VDH in den dreizehn Jahren seines Bestehens als freier Verband des näheren in Augenschein zu nehmen. Ein Grundmotiv seines Wirkens blieb, was die Initiatoren der Organisation schon in der Formie rungs phase ins Stammbuch geschrieben hatten: die „Abwehr unberufener Eingriffe" aus Gesellschaft und Politik, die Wahrung der tradierten Stellung der wissenschaftlichen Hochschulen im Sinne korporativer Autonomie, die Erhaltung des Sonderstatus der Hochschullehrer, und im engeren Sinne natürlich der Ordinarien, die sich als die eigentlichen Träger des deutschen Hochschulwesens verstanden.ia Zwar verweigerte sich der VDH nicht a limine allen Ansätzen einer Universitätsreform. Skepsis und Distanz gegenüber der parlamentarisch verfaßten Republik waren aber insgesamt wohl 16

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Zur prekären, aber letztlich doch weitgehend gelungenen Integration der Nichtordinarien in den Verband vgl. Oberdörfer, Verband der Deutschen Hochschulen. Vgl. Ludmann, S. 88. Vgl. ebda. S, 55f., 58f., 70f. Noch 1925 bezeichnete Schenck den Verband im Rückblick auf die Gründungskonstellation von 1919/20 als „Selbstschutzorganisation" in einer „gärenden Zeit, die allem Bestehenden den Krieg erklärte"; zit. ebda. S, 194, Anm, 317. 17

Verbandstradition und Neubeginn kennzeichnend für die in die ideologische Formel pro patria et lilteris gekleidete Grundhaltung des Verbandes, dessen Protagonisten mehrheitlich dem konservativnationalen Lager zuzurechnen waren, und der parlamentarische Unterstützung für seine Anliegen und Ziele im parteipolitischen Spektrum der Weimarer Republik am ehesten bei der DNVP fand, zu der auch wichtige Exponenten wie etwa die Vorsitzenden Schenck und Schlink (1927-1929) eine erklärte Affinität hatten.19 Mehr noch als genuin verfassungspolitische, gegen die republikanische Staatsordnung als solche gerichtete Vorbehalte dürften für die reservierte Haltung gegenüber dem Weimarer Staat bei den Professoren - wie bei anderen gesellschaftlichen Eliten des ehemaligen Kaiserreichs auch - die nationalpatriotisch motivierte Realitätsverweigerung gegenüber der deutschen Niederlage im Weltkrieg und die emotional schwer befrachtete Ablehnung der Versailler Friedensordnung verantwortlich gewesen sein. Jedenfalls hat sich der VDH - und hierin unterscheidet er sich kategorial von seinem Nachfolger in der Bundesrepublik - immer wieder bemüßigt gefühlt, im Namen der deutschen Wissenschaft fundamentalkritisch zur Stellung Deutschlands in der Nachkriegs Ordnung Position zu beziehen, auch wenn ihn dies in Konflikt mit der Reichsregierung bringen mußte.20 Mit aller Vorsicht wird man bilanzieren können, daß der VDH zwar nicht offene Illoyalität gegenüber dem republikanisch-parlamentarischen Staat von Weimar an den Tag legte, sich aber auch nicht in einem positiven Sinne republiktragend engagierte. Seine Haltung dürfte der politischen Grundeinstellung einer Mehrheit der deutschen Professorenschaft entsprochen haben, in welcher, wie schon Fritz K. Ringer gezeigt hat, ein vages, aber mental tief sitzendes Unbehagen über die gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen der modernen industriellen Massenzivilisation seinen Niederschlag in einem ideologischen Abwehrreflex gegen den republikanischen Parteienstaat fand. 21 19

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Vgl. die detaillierten Kurzbiographien der Vorsitzenden bei Ludmann im Anhang. Die beiden anderen Vorsitzenden in der Geschichte des VDH, Otto Scheel (1925-1927) und Fritz Tillmann (1929-1933) gehörten der DVP bzw. dem Zentrum an. Über die im Sinne des VDH stets „hochschulfreundliche" Haltung der DNVP-Fraktion im preußischen Landtag vgL Ludmann, S. 201f.; mit Hilfe der DNVP-Fraktion konnte der VDH 1932 auch die per Notverordnung verfügte Aufhebung der Emeritierung in Preußen durch den Staatsgerichtshof rückgängig machen lassen, ebda. S. 302, Vgl. Ludmann, S. 150., und Oberdörfer, Verband der Deutschen Hochschulen, S. 81 f. Vgl. Fritz K. Ringer, Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890-1933, Stuttgart 1983 (hier zit. in der Taschenbuchausgabe, München 1987). Auch Oberdörfer, der insgesamt zu einer müderen Beurteilung der Haltung des VDH in der Endphase der Weimarer Republik neigt, sieht beim Verbands vorstand „innere Abneigung der Mehrheit gegen den Staat von Weimar", „weit verbreitete antijüdische Vorbehalte" und eine „differenzierte nationale bis nationalistische Einstellung", „Ablehnung des Parlamentarismus", „Bekenntnis zur Volksgemeinschaft in Zucht und Kameradschaft" und „Nähe zu den rechten politischen Parteien"; Eckhard Oberdörfer, Der Verband der Deutschen Hochschulen und der Braunschweiger Hochschulkonflikt, in: Geschichte und Gegenwart 10 (1991), S, 145-157, hier S. 151 und 153f. 18

Der VDH als Vorläufer des Hochschulverbandes Dies bestätigte sich dann um so mehr in der Agonie der Weimarer Demokratie. Zwar unterstützte oder vertrat der Verband auch angesichts der krisenhaften Gesamtlage der deutschen Hochschulen in der Spätphase der Republik keine rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Positionen. Aber er legte trotz einzelner kritischer Stimmen insgesamt doch eine eigenartige Indifferenz, ja Indulgenz an den Tag gegenüber den in der deutschen Studentenschaft früher und massiver als anderswo in der deutschen Gesellschaft sich manifestierenden radikalen nationalsozialistischen Tendenzen. Erst spät bezog der Verband unter seinem damaligen Vorsitzenden Fritz Tillmann22 offen und nachdrücklich Stellung gegen die Übergriffe des NSDStB anläßlich eines konkreten Konflikts der TH Braunschweig mit dem nationalsozialistischen Volksbildungsminister des Landes im Herbst 1932,23 In der Situation nach dem 30. Januar 1933 reagierte der Verband ähnlich verunsichert und desorientiert wie die meisten anderen Organisationen und Verbände. Für ein Bekenntnis zur nationalsozialistischen Machtergreifung' gab es im VDH keine Basis; ein solches hätte auch kaum der politischen Grundhaltung der deutschen Hochschullehrerschaft entsprochen, die sich selbst wohl in ihrer Mehrheit als .unpolitisch' verstand, national-konservativ orientiert war und wie die Verbandsführung in einer resignativen Grundstimmung einen Ausweg aus der politischen Krise allenfalls noch von Hindenburg, Papen und der DNVP erhoffte.24 Indessen verstärkte sich der Druck des NSDStB und nationalsozialistischer Hochschullehrer auf den Verband, und nach den Reichstagswahlen vom März sah dieser sich vor der Notwendigkeit, seine und seiner Klientel Stellung zur ,nationalen Revolution' neu zu bestimmen. Eine Vorstandssitzung am 10. April 1933 in Rhöndorf blieb angesichts kontroverser Positionen ohne Ergebnis. Auf 22

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Fritz Tillmann (1874-1953), kath. Theologie; 1908 Habilitation an der Univ. Bonn, dort ab 1913 o. Prof. für Moraltheologie, 1919-1921 Rektor, Gründungsmitglied und 1929-1933 Vors. des VDH; 1931-1933 auch Vors. des Deutschen Studenten werks. Ausführlich zur Auseinandersetzung mit dem braunschweigischen Minister Dietrich Klagges, in deren Verlauf Til l man n sich auch an Reichspräsident Hindenburg um Unterstützung wandte, vgl. Oberdörfer, Der Verband der Deutschen Hochschulen und der Braunschweiger Hochschulkonflikt, sowie Ludmann, S. 281-311, Neuere Einzel Untersuchungen zum Verhalten der Hochschullehrer in der Weimarer Republik deuten darauf hin, daß die These vom .unpolitischen Professor1 nicht mehr haltbar ist; vgi. die kritische Bestandsaufnahme von Christian Jansen, Die Hochschule zwischen angefeindeter Demokratie und nationalsozialistischer Politisierung, in: Neue Politische Literatur 38 (1993), S. 179-220, bes. S, 197, wo Jansen diesbezüglich von einer „Legende" spricht, und S, 213 f. Zu diesem Fragenkomplex aufschlußreich am Beispiel der Universität Heidelberg auch Ders., Professoren und Politik. Politisches Denken und Handeln der Heidelberger Hochschullehrer 1914-1935, Gottingen 1992. Für die Positionen Demokratischer' bzw. .liberaler' Hochschullehrer vgl, Herbert Doling, Der Weimarer Kreis. Studien zum politischen Bewußtsein verfassungstreuer Hochschullehrer in der Weimarer Republik, Meisenheim a. G, 1975, 19

Verbandstradition und Neubeginn

einer weiteren, am 22. April in Würzburg abgehaltenen Sitzung formulierte schließlich der seit 1932 dein Vorstand angehörende Berliner Pädagogikprofessor Eduard Spranger eine Erklärung, in der der VDH die „Wiedergeburt des Deutschen Volkes" begrüßte und sich für „neue Formen der Nationalerziehung" sowie eine „deutsche Wissenschaft" aussprach, zugleich aber an der Pluralität der Geistesströmungen als Wesensmerkmal deutscher Wissenschaft und Kultur festhielt und mit der Berufung auf den Geist Bismarcks und die Person des Reichspräsidenten Hindenburg unverkennbar deutlich machte, daß die deutschen Hochschullehrer in ihrer ideologisch-politischen Loyalität auch weiterhin der national-konservativen bürgerlichen Tradition den Vorzug gaben vor der ,völkischen Revolution',2S Es blieb freilich bei einer reservatio mentalis. Zu einer offenen Stellungnahme gegen konkrete Unrechtsmaßnahmen des sich rücksichtslos etablierenden NSRegimes wie etwa das vor allem die jüdischen Hochschullehrer betreffende sog, ,Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' vom 7, April 1933 und das ,Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen', das den Anteil jüdischer Studenten auf 1,5 % begrenzte, konnte sich der Verband nicht aufraffen.26 Man wird wohl zu dem Urteil kommen, daß sich die Berufs25

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Eine sehr strenge Beurteilung als „ein typisches und beredtes Zeugnis" der „inneren Bereitschaft zur Gleichschaltung" erfährt die Erklärung vom 22.4.1933 bei Hartmut Titze, Hochschulen, in: Hb. der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. V: 1918-1945. Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur, hg. von Dieter Langewiesche und Heinz-Elmar Tenorth, München 1989, S. 209-258, hier S. 225, Ludmanns prinzipiell nicht minder kritische Untersuchung beurteilt die Komplexität und Problematik der Situation in der sog. ,Machtergreifung' differenzierter. Eckhard Oberdörfer (Verband der Deutschen Hochschulen, S. 81 u. 88) hingegen versucht - mit nicht immer ganz überzeugenden Argumenten -, den Vorwurf politischer Einseitigkeit zu relativieren, und hält es auch im Hinblick auf das „skeptisch-distanzierte. aber nicht feindlich-kämpferische Verhältnis des Verbandes zur Weimarer Republik" nicht für angemessen, „die Professoren für ihr Engagement für einen gerüsteteten deutschen Nationalstaat (...) zu schelten". An anderer Stelle urteilt Oberdörfer (Die Gleichschaltung des Verbandes der Deutschen Hochschulen, in: GDSArchiv für Hochschul- und Studentengeschichte l (1992), S. 17-33), die Würzburger Erklärung „war in sich widersprüchlich, doch war sie mehr als ein Versuch, sich mit der H i tie r-Regierung zu arrangieren" {S. 23). In der Tat läßt eine unvoreingenommen-kritische Lektüre der bei Oberdorfer (ebda.. S. 3öf.) abgedruckten Erklärung neben der für Spranger ja auch anderweitig belegten schweren Zeitgeistbefrachtung im einzelnen durchaus auch Vorbehalte gegen NS-Ideologie und NS-Politik erkennbar werden. Zu Sprangers politischer Haltung vgl. Uwe Henning - Achim Leschinsky (Hgg.), Enttäuschung und Widerspruch. Die konservative Position Eduard Sprangers im Nationalsozialismus. Analysen - Texte - Dokumente, Weinheim 1991, insbes. Heinz-Elmar Tenorth, Eduard Sprangers hochschulpolitäscher Konflikt 1933 - Politisches Handeln eines preußischen Gelehrten, S, 91-118. Oberdörfer schreibt zwar (Gleichschaltung, S. 22), die VDH-Führung habe dem Erlaß des Berufsbeamtentumsgesetzes nicht ..völlig tatenlos" zugesehen, sondern „hinter den Kulissen" versucht, „noch einiges zu reiten", räumt aber ein, daß es nicht einmal zu einer,,moderaten Erklärung für die jüdischen Kollegen" kann, wofür der „weit verbreitete latente Antisemitismus" mitverantwortlich gewesen sei. Aus der umfangreichen Literatur über die Gleichschaltung bzw. „Selbstgleichschaltung und Selbstbehauptung" der deutschen Universitäten im Nationalsozialismus sei hier v.a. verwiesen 20

Der VDH als Vorläufer des Hochschulverbandes und Standesorganisation der deutschen Hochschullehrer damit moralisch nicht besser, aber auch nicht kategorial schlechter verhalten hat als viele vergleichbare Institutionen. Gemessen arn traditionellen Anspruch des deutschen Professorenstandes, die geistige Elite des Landes zu repräsentieren - ein Anspruch, der nie nur intellektuell, sondern immer auch ethisch-idealistisch begründet wurde 27 -, war das enttäuschend wenig. Die in weiten Teilen noch von den politischen Wertvorstellungen des Kaiserreichs tief geprägte deutsche Professorenschaft hat, wie auch ihre strengen Kritiker anerkennen, in ihrer Mehrheit den Sieg des Nationalsozialismus weder herbeigewünscht noch herbeigeführt; sie hat sich nach 1933 in ihrer Mehrheit den neuen Verhältnissen „loyal-distanziert" angepaßt28, aber sie hat sich insgesamt weder geneigt noch geeignet erwiesen für die aktive Verwirklichung der nationalsozialistischen Vorstellungen von der politischen Hochschule'.29 „Der Weg der Hochschulen im Dritten Reich war zwiespältig",

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auf die zweibändige, ebenso stoffreiche wie im Darstellungsgang labyrinthische Untersuchung von Helmut Heiber, Universität unterm Hakenkreuz. Teil I u, 13, München u.a. 1991-1994; Peter Chroust, Universitäten und Nationalsozialismus, in: Jürgen Schriewer (Hg.), Sozialer Raum und akademische Kulturen. Frankfurt/M. u.a. 1993, S. 61-112, bietet im ersten Teil (bis S. 84) eine knapp kommentierte Bibliographie; ferner die Beiträge bei Dieter Langewiesche (Hg.), Universitäten im nationalsozialistisch beherrschten Europa, in; Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), H, 4, S. 507-663. Zweifellos entsprachen die Professoren dem Elitenbegriff im „doppelten Sinne"; sie waren Funktionselite und WerEelite zugleich; vgl. Hellmut Seier, Die Hochschullehrerschaft im Dritten Reich, in: Klaus Schwabe (Hg.), Deutsche Hochschullehrer als Elite 1815-1945, Boppard/Rh. 1988, S. 247-295, hier S. 250. Goldschmidt glaubte feststellen zu können, erst die „Ereignisse von 1933 bis 1948" hätten „als Erschütterung der Selbstsicherheit und zugleich als Schärfung des Blickes gegen jede Gefährdung überlieferter Werte" nachgewirkt, so daß der Anspruch, als Bildungselite auch ein besonderes politisches Gewicht zu haben, in der deutschen Professorenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch ganz vereinzelt erhoben worden sei; Dietrich Goldschmidt, Die gegenwärtige Problematik, in; Ilse Asernissen u.a. (Hgg.), Nachwuchsfragen im Spiegel einer Erhebung 1953-1955 {= Untersuchungen zur Lage der deutschen Hochschullehrer, hg. von Helmuth Plessner, Bd. I), Göttingen 1956, S. 37-49, hier S. 43f. Demgegenüber vertritt Gerd Roelleeke, Entwicklungslimen deutscher Universitätsgeschichte. Die deutsche Universität als ständische und funkt ionsorientierte Einrichtung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B 3-4 (1984), S. 3-10, die Ansicht, daß sich „deutsche Akademiker" - und er meint in diesem Kontext in erster Linie die Professoren - „bis heute nicht nur zur Funktionselite rechnen {...], sondern auch zur Machtelite" (S. 5, Sp. 1). Anselm Faust, Professoren für die NSDAP. Zum politischen Verhalten der Hochschullehrer 1932/33, in: Manfred Heinemann (Hg,), Erziehung und Schulung im Dritten Reich. Teil II. Hochschule, Erwachsenenbildung, Stuttgart 1980, S. 31-47, hat den Forschungstand dahin zusammengefaßt, „daß eine in der Hauptsache liberal-konservativ bis deutschnational gesinnte Professorenschaft die Auflösung der Weimarer Republik mehr oder minder passiv beobachtete, um sich dann den neuen Verhältnissen - wiederum in ihrer Mehrheit - loyal-distanziert anzupassen" (S. 31). Häufig zitiert wird die Feststellung des Leiters des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP, Dr. Walther Groß, in einer Denkschrift für die Hochschuipolitiker der Partei vom Oktober 1936, der „überkommene Menschenbestand fachlich ausreichender und rassisch und politisch nicht belasteter Wissenschaftler" enthalte „so gut wie keine [,.,] nationalsozialistisch brauchbaren Elemente". Die „politische Hochschule" könne deshalb erst in etwa einem Jahrzehnt verwirklicht werden, wenn ein weltanschaulich einwandfreier Nachwuchs nachgerückt sei; Aharon F, Kleinberger, Gab es eine 21

Verbandstradition und. Neubeginn und wer es sich nicht allzu leicht machen will, wird auch heute an der „Konstatierung fundamentaler Ambivalenzen" nicht vorbeikommen; die „Rollen-Varianten" in der Hochschullehrerschaft wiesen neben „äußerlicher Verfügbarkeit, Stufen der Anpassung, punktueller und zeitweiliger Systemsympathie zugleich auch Vorbehalte, partielle Nichtanpassung, zuweilen getarnte oder verschwiegene Gegnerschaft" auf.30 Anti-modernistischer Affekt und Ressentiments gegen die Massendemokratie, ostentative Verachtung gegenüber jlnteressenpolitik1 und eine Standesideologie der Überparteilichkeit - das alles hat, wie Jürgen Habermas in einer scharfsinnigen Rezension zu Ringers Buch anmerkte, „die Sprangers nicht zu Kriecks und Bäumlers gemacht, aber es hat sie gegenüber den Nazis wehrlos gemacht".31 So tragen die Hochschullehrer gerade als Elite doch eine Mitverantwortung für den Sieg des Nationalsozialismus, weil sie durch ihre politischideologische Verweigerungshattung gegenüber der Republik deren Legitimation untergraben und damit ihrer Zerstörung mit den Weg bereitet haben."2 Die Würzburger Erklärung führte den Verband in seine „finale Krise"33. Mit Eduard Spranger als dem Verfasser der Erklärung geriet auch der VDH selbst immer mehr ins Schußfeld massiver Anwürfe der Deutschen Studentenschaft. In einer kurzfristig anberaumten Sitzung am 21. Mai in Frankfurt ließ der Vorstand urn den bereits zum Rücktritt entschlossenen Vorsitzenden Tillmann Spranger

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nationalsozialistische Hochschulpolitik?, in: Hcincmann, Erziehung und Schulung im Dritten Reich II, S. 9-30 (Zit, S. II), Zu den inhärenten Schwächen des Versuchs einer nationalsozialistischen Umgestaltung und Durchdringung der Hochschulen vgl. Reece C. Kelly, Die gescheiterte nationalsozialistische Personalpolitik und die mißlungene Entwicklung der nationalsozialistischen Hochschulen, in: Heinemann, Erziehung und Schulung im Dritten Reich II, S. 61-76. Die Ambivalenz der nationalsozialistischen Hochschulpolitik und die Stellung der Hochschullehrer wird auch problematisiert bei Hellmut Seier, Universität und Hochschulpolitik im nationalsozialistischen Staat, in: Klaus Malettke (Hg.), Der Nationalsozialismus an der Macht, Göttingen 1984, S. 143-165. Zur Einführung in den Problemstand vgl. auch Manfred Funke, Universität und Zeitgeist im Dritten Reich. Eine Betrachtung zum politischen Verhalten von Gelehrten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. B 12 (1986), S. 3-14. Seier, Die Hochschullehrerschaft im Dritten Reich, S. 247 u. 250. Diese durch ihre Informationsdichte und die abwägend-differenzierende Argumentation nach wie vor bestechende Studie gelangt zu dem Zwischenfazit, „die große Mehrheit der Hochschullehrer war gleichgeschaltet, aber nicht umerzogen. staatsloyal, aber nicht gewonnen, fachlich, aber nicht politisch engagiert" (S. 265). Jürgen Habermas, Die deutschen Mandarine, in: Ders., Philosophisch-politische Profile, Frankfurt/M. 1971, S. 239-251, Zit. S. 248. Vgl. Ringer, Die Gelehrten, S. 391ff. Bei aller methodischen Problematik der Ringerschen Argumentation im einzelnen - besonders dort, wo sie ohne hinreichende empirische Belegführung zu weitgreifend generalisierenden Behauptungen gelangt (etwa S, 200) - ist doch ihre Plausibilitat im ganzen erdrückend. Dietrich Goldschmidt gibt in seinem Nachwort (S. 451-454} zu bedenken, daß Ringers Untersuchung möglicherweise gerade in ihrer empirischen Selektivität noch zu einem zu positiven Gesamturteil über die Haltung der deutschen Gelehrtenwelt zum Nationalsozialismus gelangt sein könnte. Zur Entwicklung vom 30. Januar bis zürn Gletchschaltungsbeschluß arn 1. Juni 1933 vgl. Oberdörfer, Gleichschaltung, sowie Ludmann, S. 311-320; das Zitat ebda., S. 315. 22

Der VDH als Vorläufer des Hochschulverbandes fallen und rückte in einer neuen Verlautbarung von seiner Würzburger Erklärung ab. Mit diesem Akt der Illoyalität, der sogar von nationalsozialistischen Hochschullehrern als würdelos und peinlich verurteilt wurde, hatte der Vorstand bereits vor der formellen Gleichschaltung den Verband ideell und moralisch dem nationalsozialistischen Machtanspruch preisgegeben.34 Auf einem außerordentlichen Hochschultag am 1. Juni 1933 in Erfurt wurde die Gleichschaltung, oder wie Ludmann schreibt, die „Selbst-Gleichschaltung" dann durch die Wahl eines neuen, nationalsozialistischen Vorstandes auch institutionell vollzogen. Die neue Führung des Verbandes um den Professor für Bodenkunde an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin Friedrich Wilhelm Schucht bekannte sich, wie sie in den letzten Ausgaben der Verbandsmitteilungen verlautbarte, „rückhaltlos zu der nationalsozialistischen Weltanschauung" und stellte eine „Umformung des Verbandes und eine neue Zielsetzung" in Aussicht.35 Der 1920 gegründete Verband der Deutschen Hochschulen war mit dem Erfurter Hochschultag seiner Substanz nach erloschen, auch wenn die neue nationalsozialistische Verbandsführung von dem ursprünglichen Vorhaben der formellen Auflösung der Hochschulorganisation abrückte und ihre Umgestaltung zu einer hochschulpolitischen Zentralstelle nach dem Führerprinzip durch eine Satzungsänderung in die Wege leitete. Im November 1933 wurden der VDH, die in „Rektorentag" umbenannte Rektorenkonferenz, die „Kulturpolitische Arbeitsgemeinschaft" Ernst Kriecks und andere hochschulpolitische Vereinigungen und Verbände unter der Bezeichnung „Reichsverband der Deutschen Hochschulen" zu einer Einheitsorganisation zusammengeschlossen. Zum „Führer" des Reichsverbandes wurde von Innenminister Frick der Würzburger Rektor und Mediziner Herwart Fischer ernannt, die fortbestehende Geschäftsstelle des VDH wurde nach Würzburg transferiert. Nennenswerte hochschulpolitische Aktivitäten konnte der Reichsverband wohl nicht mehr entfalten, da 1934 mit der Errichtung eines Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter Bernhard Rust eine neue, ebenso machtbewußte wie durchsetzungsfähige politische Zentralinstanz für das gesamte Bildungswesen auf den Plan trat. Herwart Fischer wurde im November 1934 wegen persönlicher Verfehlungen seines Amtes enthoben, der Reichsverband von da an von Beamten des Reichswissenschaftsministeriums nur noch kommissarisch geleitet. Im November 1935 erfolgte dann :

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Der gesamte Vorgang der Gleichschaltung und Auflösung des VDH, der hier nur in seinen Ergebnissen dargestellt werden kann, wird mit der dieser Darstellung eigentümlichen Überfülle an Details breit referiert bei Heiber, Universität unterm Hakenkreuz, Teil II, Bd, l, S. 106-138. Die Erklärung des VDH-Vorstande s vom 21.5.1933, die man in der Tat kaum anders als erbärmlich nennen kann, ist abgedruckt bei Oberdörfer, Gleichschaltung, S. 33. Ludmann, S. 317; das Zitat S. 318, Anm. 114. 25

Verbandstradition und Neubeginn die verwaltungsinterne, am 7. Juli 1936 per Ministerialerlaß auch die formelle Auflösung des in jeder Hinsicht überflüssig gewordenen Verbandes,36

2. Der Weg zur Gründung des Hochschulverbandes 1950 Bestrebungen, die Vertretung der Hochschulinteressen wieder in einer Organisation nach dem Vorbild des „Verbandes der Deutschen Hochschulen" zu institutionalisieren, setzten, wie erwähnt, schon bald nach Kriegsende 1945 irn Zuge der allgemeinen Wiederaufbaubemühungen im Hochschulwesen ein. Schon die zweite Hochschulkonferenz des britischen Besatzungsgebiets, die am 17. und 18. Dezember 1945 auf Veranlassung des Education Branch der Control Commission im westfälischen Bünde stattfand37, sah ihre eigene Zweckbestimmung in engem Zusammenhang mit der Frage, „ob der alte Hochschulverband erneuert werden wird".38 Den Hintergrund hierfür bildeten entsprechende Sondierungen des Rek36 37

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Die letzte Phase bei Ludmann, S. 321 ff, Zur ersten Hochschulkonferenz hatten sich am 26,9,1945 auf Initiative der britischen Militärregierung Vertreter der Universitäten und Hochschulen des britischen Bcsatzungsgebiets mit Vertretern der Militärregierung und der Hochschulverwaltungen in Göttingen versammelt. Es war dies der Anfang einer institutionellen Entwicklung, die auf dem Hochschultag in München im April 1949 schließlich in die Gründung der Westdeutschen Rektorenkonferenz mündete. Im amerikanischen Besatzungsgebiet wurde eine vergleichbare, die Hochschulen der gesamten Zone einschließende Zusammenkunft erst Ende November 1946 mit der Hochschulkonferenz von Heidelberg erreicht. Irn Zuge verstärkter bizonaler Koordination kam es im Juli 1947 in Schönberg im Taunus zur ersten gemeinsamen Tagung von Vertretern der Hochschulen und staatlichen Hochschulverwaltungen der Britischen und der Amerikanischen Zone. Danach wechselten sich die Britische und die Amerikanische Zone in der Veranstaltung der bizonalen Hochschulkonferenzen (die sich auch als ,Hochschultage' bezeichneten) ab. Mit dem Übergang der hochschulpolitischen Kompetenzen von den Militärregierungen auf die staatlichen Hochschulverwaltungen und deren legitimatorischer Stärkung durch den Aufbau parlamentarischer Strukturen in den Ländern begannen sich auch die latenten Spannungen zwischen Hochschulen und Staat deutlicher zu manifestieren. Das Bedürfnis der durch ihre Rektoren vertretenen Hochschulen, nach den Erfahrungen der NS-Zeit ihre korporative Autonomie hochzuhalten und gegen hochschulkritische Tendenzen der großen Parteien und der ,,ministeriellen Pädagogenbürokratie" (Walter Haustein) die eigenen Reihen zu schließen, führte in der Folge dazu, daß sich die Hochschulkonferenzen zu reinen Rektorenkonferenzen einerseits und zur Vertretung der staatlichen Hochschuladministrationen in der Ständigen Kultusniinisterkonferenz (2.7,1948) ausdifferenzierten. Definitiv vollzogen wurde diese Trennung dann mit der Gründung der WRK auf der ais „Rektorenbesprechung" protokollierten gemeinsamen Konferenz der beiden Hochschultage am 21,4,1949 in München. - Diese für die Struktur und Entwicklung des bundesdeutschen Hochschulwesens elementaren Vorgänge sind dargestellt und dokumentiert in Nordwestdeutsche Hochschulkonferenzen 1945-1948, hg. von Manfred Heinemann, (bearb. von Siegfried Müller), Teil I u. II., Hildesheim 1990 [künftig abgekürzt: NWHK], und Süddeutsche Hochschulkonferenzen 1945-1949, hg. von Manfred Heinemann, (bearb. von Klaus-Dieter Müller, Michael Reinhold und Thomas Heerich), Berlin 1997 [künftig abgekürzt: SHK]; vgl. ferner Thomas Stamm, Zwischen Staat und Selbstverwaltung, Die deutsche Forschung im Wiederaufbau 1945-1965, Köln 1981, S. 41-60. NWHK, S. 111. 24

Der Weg zur Gründung des Hochschulverbandes 1950

tors der TH Darmstadt, Wilhelm Schlink, der von 1927 bis 1929 Vorsitzender des VDH gewesen war.39 Schlink hatte sich im Oktober 1945 in dieser Angelegenheit mit dem Heidelberger Rektor K.H. Bauer besprochen, der eine Neugründung des Hochschulverbandes zunächst für die amerikanische Besatzungszone angeregt hatte. Ende Dezember 1945 wandte sich Schlink als „Beauftragter" seiner Hochschule „für den von verschiedenen Seiten erstrebten neuen Hochschulverband" an den Rektor der Universität Göttingen, Rudolf Smend, mit der Anregung, „für die drei westlichen Zonen einen Hochschulverband ins Leben zu rufen". Einem handschriftlichen Vermerk Smends auf dem Brief Schlinks zufolge war man sich bei einer persönlichen Unterredung am 1. Februar 1946 in Darmstadt darin einig, daß die damals noch als „Nordwestdeutscher Hochschulverband" firmierende Hochschulkonferenz der britischen Besatzungszone „schon wegen der Einbeziehung der Staatsbehörden zur Grundlage eines neuen Hochschulverbandes im früheren Sinne [...] ungeeignet ist, daß wir aber die Schlink'schen Bestrebungen begrüßen [...]".4I> Diese Bestrebungen waren indes ganz offensichtlich noch nicht wesentlich weiter gediehen, als auf der bizonalen Hochschulkonferenz in Hahnenklee am 22. und 23. März 1948 Walter Haustein von der Universität Frankfurt/M. anregte, „zur Wahrung der gemeinsamen Interessen der Hochschullehrer wieder den Hochschullehrerverband ins Leben zu rufen". Die Konferenz nahm den Vorschlag auf, durch die Sekretariate der Hochschultage an den Universitäten beider Zonen eine Umfrage durchführen zu lassen und im Falle positiver Resonanz die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Schon die von Hallstein gewählte Benennung ebenso wie die dem Verband zugedachten Aufgaben („Behandlung verschiedenster Fragen, z.B. auf dem Gebiet der Besoldung nach der Währungsreform oder bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen") ließen jedoch erkennen, daß hier eher an eine gewerkschaftsähnlichc Vereinigung gedacht war.41 Die damit gestellte Grundsatzfrage nach Wesen und Zweck eines solchen Verbandes, die im übrigen bis in die sechziger und siebziger Jahren immer wieder zu Diskussionen und Kontroversen führte, berührte, wie sich bereits auf der folgenden bizonalen Hochschulkonferenz in Schönberg am 19. und 20. Mai 1948 zeigte, den Kem pro39

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Wilhelm Schlink (1875-1968), nach Studium an der TH Darmstadt und Univ. München dort 1901 Prom. zum Dr. phiL, 1902 Habil. für Mechanik an der TH Darmstadt, 1907 a.o, Prof. TH Braunschweig, 1908 zum Ord. ernannt, 1914-16 und 1918-21 dort Rektor; ab 1917 Vors. der „Deutschen Vaterlandspartei" für das Hzt. Braunschweig, nach 1920 Mitglied der DNVP; ab 1921 Ord. TH Darmstadt, dort Rektor 1924/25 und wiederum von Aril bis Nov. 1945; 1. Vors, des VDH von Dez, 1927 bis März 1929, von 1929 bis Juni 1933 2. Vors.; März 1949 emeritiert. Schlink an Smend, 28.12.1945, ZZBW/HRK FZ 19/3, fol, 1. - Der Brief Schlinks ist teilweise abgedruckt in NWHK, S, 111, Anm. 60. Die Feststellung des Bearbeiters in derselben Fußnote, daß Smend Schlink „abschlägig beschied", ist nicht zutreffend, ebensowenig die dortige Datierung des Gesprächs zwischen Smend und Schlink auf den l, Januar 1946. NWHK, S, 457.

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Verbandstradition und Neubeginn fessoralen Selbstverständnisses und Standesbewußtseins, Zwar hatten die meisten der zwischenzeitlich befragten Universitäten die angeregte Verbandsgründung befürwortet; aber ausgerechnet der Senat der Universität Göttingen, jener Hochschule also, der aufgrund ihrer vergleichsweise günstigen Startbedingungen nach Kriegsende - Göttingen war nahezu unzerstort -, ihrer wissenschaftlichen Dignitat und der von ihr ausgehenden hochschulpolitischen Aktivitäten damals die Rolle eines informellen ,Vororts' der westdeutschen Hochschullandschaft zukam, hatte sich ablehnend zu dem Vorhaben geäußert. Man wollte keinen Verband, dem „im wesentlichen nur die Aufgabe der Vertretung der materiellen Interessen der Hochschullehrer" zukäme, weil „die Gründung solcher reinen Interessenverbände aus prinzipiellen Erwägungen nicht gefördert werden sollte". In einer für die traditionale Identität deutscher Universitätsprofessoren durchaus bezeichnenden Gleichsetzung des Standesinteresses mit der Institution Universität42 hieß es in der Stellungnahme des Göttinger Senats, soweit es einer Interessenvertretung der Hochschullehrer bedürfe, müsse dazu auch „die bestehende Organisation des Hochschultages in der Lage sein".43 Diese Einschätzung mochte damals noch der Stellung der Professoren und ihrer Bedeutung für die Universität entsprechen; aber die Entwicklung der Westdeutschen Rektorenkonferenz und ihres Verhältnisses zum Hochschulverband in den folgenden Jahrzehnten wiesen dann in eine ganz andere Richtung. Gegen die Göttinger Linie wurde aber schon auf der Hochschulkonferenz von Schönberg unter dem Vorsitz Walter Hallsteins geltend gemacht, daß gerade die offizielle Repräsentanz der Korporation von allen Elementen sozialer Interessenvertretung entlastet werden müsse. Die Gründung des Verbandes wurde schließlich von 31 Konferenzteilnehmern befürwortet (wobei anzunehmen ist, daß sich an der informellen Abstimmung nur die Hochschulprofessoren beteiligten), niemand sprach sich dagegen aus auch die Vertreter Göttingens nicht. Damit war bereits im Mai 1948 die Grundsatzentscheidung für eine verbandliche Vertretung der Hochschullehrer gefallen. Für ihre umgehende Verwirklichung wollte man auf eine Persönlichkeit zurückgreifen, die „Erfahrungen vom alten Hochschullehrerverband her hat". Der Rektor der Universität Köln, Joseph Kroll44 übernahm es, sich in diesem Sinne mit Fritz Tillmann in Verbindung zu setzen.45 42

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Hierzu knapp zusammenfassend Christoph Oehler (in Zusammenarbeit mit Christiane Bradatsch), Die Hochschulentwicklung nach 1945, in; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. VI, I. Teilbd., S. 419-423. Schreiben des Göttinger Rektors an den Nordwestdeutschen H och schul tag vom 30.4.1948, zit. in SHK, S. 207, Anm. 21. Joseph Krotl (l889-1980), ab 1922 o. Prof. für Klass, Philologie an der Univ. Köln, 1930/31 und 1945-50 Rektor. SHK, S. 207f. 26

Der Weg zur Gründung des Hochschulverbandes 1950

Die enge Anlehnung an das Vorbild des ehemaligen „Verbandes der Deutschen Hochschulen" zeigte sich neuerlich auf der folgenden Hochschulkonferenz, die am 26. Juli 1948 in Braunschweig stattfand. Kroll, der detailliert über Funktion und Struktur des VDH referierte, erhielt von der Versammlung den Auftrag, eine Kommission zu bilden, welche die Wiederbelebung der einstigen Organisation in die Wege leiten sollte. Da „die alte Satzung sich bewährt" habe, sollte es sich „im wesentlichen nur darum handeln, den Verband technisch wieder in Gang zu setzen". Allerdings wurde erwogen, „abweichend von der früheren Organisationsform die Hochschullehrer zu Trägern des Verbandes zu machen".46 So rasch und umstandslos als bloße Neuauflage des VDH, wie man sich die Anknüpfung an Verbandstradition vorgestellt hatte, vollzog sich die Verbandsgründung dann freilich nicht. Auf der Würzburger Hochschulkonferenz vom 6. und 7. November 1948 mußte Kroll von mannigfachen Schwierigkeiten berichten, die sich der Erfüllung seines Auftrages entgegenstellten. Vor allem war es ihm nicht gelungen, „die geeigneten Persönlichkeiten für den Posten eines Vorsitzenden und für die Hauptkommission zu finden". 47 Im Mittelpunkt der Erörterungen stand aber auch in Würzburg wieder die Frage der Abgrenzung der Aufgaben und Kompetenzen zwischen der Rektorenkonferenz und dem neu zu gründenden Verband. Während einige Professoren, darunter der einflußreiche GÖttinger Rektor Ludwig Raiser48, den Standpunkt vertraten, „daß der Hochschullehrerverband sich nicht mit Fragen der Hochschulverfassung oder -reform zu befassen habe, sondern ausschließlich für die persönlichen Belange der Hochschullehrer zuständig sei", hielt der Gründungsbeauftrage Kroll - wiederum unter Verweis auf Konstruktion und Praxis des früheren Verbandes - die Beschäftigung auch mit Grundsatz- und Verfassungsfragen für angebracht, „damit diese Arbeit nicht ausschließlich auf den Rektoren ruht".49 Die Frage blieb in Würzburg in der Schwebe; sie kam neuerlich aufs Tapet in jener entscheidenden Rektorentagung vom 21. April 1949 in München, bei der sich die Westdeutsche Rektorenkonferenz förmlich konstituierte. Aber auch hier gelangten die versammelten Rektoren nicht zu einer schlüssigen Klärung dieser Frage, und die Tübinger Rektorenkonferenz vom September 1949, die den Grundsatzbeschluß für die Neugründung des Hochschulverbandes faßte, sollte so wenig 46 47

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NWHK, S. 504f. SHK, S. 264.

Ludwig Raiser (1904-1980), Jurist, Prom. 1931, Habil. 1933, bis 1937 Rechtsanwalt, dann Vorstandsmitglied einer Versicherungsgesellschaft, 1942 Berufung an die Univ. Straßburg, jedoch Professur nicht angetreten wegen Kriegsteilnahme; 1945 o. Prof. Univ. Göttingen, 1947-50 dort Rektor, 1952-55 Präs, der DFG, 1955 Ruf an Univ. Tübingen, dort 1968/69 Rektor, 1974 emeritiert; 1961-65 Vors. des Wissenschaftsrates; 1970-73 Präses der EKD-Synode. SHK, S. 265. 27

Verbandstradition und Neubeginn eine Lösung für das Problem finden wie die eigentliche Gründungsversammlung des Hochschul Verbandes am 4. März 1950 in Hannover. Das strukturelle Dilemma der Rollendivergenz, das in der Dualität der beiden Organe korporativer Repräsentation von Anfang an angelegt war, konnte regelmäßig nur mit Formelkompromissen verschleiert werden. Solange sich die deutsche Universität in der ersten Nachkriegsphase noch mit einem Anschein an Plausibilität als Korporation der Ordinarien verstehen konnte, mochten sich die beiden Institutionen in einem nicht exakt bestimmten Verhältnis funktionaler Komplementaritat bewegen. Daraus mußte indes ein Konkurrenzverhältnis mit erheblichem Konfliktpotential erwachsen, als die personelle Struktur der Universität mit der expansionsbedingten Ausbildung eines ,Mittelbaus' komplexer und differenzierter wurde und die institutionell gestärkte Rektorenkonferenz nicht länger willens (oder auch in der Lage) war, am Identitätspostulat von Hochschulinteressen und Interessen der Professoren festzuhalten. Dieser Rollenkonflikt blieb ein Grundproblem in der Geschichte des Hochschulverbandes. Es hat dessen Verhältnis zur Rektorenkonferenz in den sechziger Jahren zunehmend belastet, bis die WRK dann in der Universitäten Identitätskrise der späten sechziger Jahre abrupt und einseitig die Trennung vollzog. Doch darüber wird an anderer Stelle noch ausführlicher zu berichten sein. Wir kehren zurück zur Münchener Rektorentagung im April 1949, auf deren Tagesordnung die „Neugründung des Hochschullehrerverbandes" unmittelbar nach dem Gründungsakt für die WRK an vorderster Prioritätenposition stand. Das Meinungsbild der versammelten Rektoren hielt sich in der Spannung zwischen einem breiten Konsens, daß eine „Standes- und Berufs Vertretung der Hochschullehrer {...] dringend erforderlich" sei, und zugleich der Befürchtung, daß der Verband wie schon vor 1933 allein aufgrund seiner größeren personellen und institutionellen Kontinuität in strategischen Fragen der Hochschulpolitik die Rektorenkonferenz an den Rand drängen könnte. Ein Hochschulfe/irerverband primär gewerkschaftlichen Charakters mit Beschränkung auf wirtschaftliche und soziale Aufgaben erschien aber auch nicht geeignet, den Anforderungen der Situation zu genügen. Man wollte an der Prärogative der Rektorenkonferenz in der Hochschulpolitik festhalten, erachtete es aber angesichts der kurzen Amtsfristen der Rektoren und ihrer hohen Belastung mit ad ftoc-Aufgaben für geboten, der WRK eine Organisation zu Seite zu stellen, die ihr in Grundsatzfragen würde zuarbeiten können. Eine vierköpfige Kommission sollte die Verbandsgründung in diesem Sinne vorbereiten.30 50

Vgl. Protokoll der Rektorenkonferenz (Gründungsversammlung) vom 21.4.1949 in München {17. WRK-Plenum), AHRK/WRK 17, S. 6-8. Der Kommission gehörten neben Kroll als Vorsitzendem an die Professoren Grammel (TH Stuttgart), Erbe (Univ. Tübingen) und Goebe! (Med. Akad. Düsseldorf).

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Der Weg zur Gründung des Hochschulverbandes 1950 Der entscheidende Schritt zur Errichtung des Hochschulverbandes wurde dann auf der folgenden Rektorenkonferenz getan, die im Oktober 1949 in Tübingen tagte. Die normative Kraft der Weimarer Verbandstradition kam nunmehr voll zum Tragen. Der Göttinger Rektor Raiser hatte es im Auftrag des Gründungsausschusses übernommen, „auf Grund der Satzung des früheren Hochschulverbandes eine den jetzigen Verhältnissen angepaßte Satzung zu entwerfen", und er hatte seinen Entwurf Ende September den Rektoren der westdeutschen Hochschulen zugesandt mit der Bitte, „ihn zu überprüfen und möglichst auch noch vor der [Tübinger] Rektorenkonferenz in Ihrem Senat die Frage zu klären, ob allseitige Bereitschaft besteht, auf dieser Grundlage einen neuen Hochschulverband zu gründen".51 Vor dem Tübinger Plenum erläuterte Raiser, daß sein Entwurf sich eng an die frühere Satzung anlehne, der neue Hochschulverband mithin „in der Gestalt etwa dem der Jahre 1920 bis 1934, 35 entsprechen würde". Daraus ergab sich mit logischer Konsequenz der Rückgriff auf das Prinzip korporativer Mitgliedschaft: Es würde sich um einen Verband „nicht der Hochschullehrer, sondern der Hochschulen handeln, der darin der Rektorenkonferenz verwandt sein würde". Dessen Aufgabe würde es „heute wie damals" sein, „gemeinsame Angelegenheiten der Hochschulen möglichst auf längere Sicht in ständigen Arbeitsausschüssen zu behandeln und so eine Art Hilfsdienst für die Rektorenkonferenz darzustellen". Da an eine gewcrkschaftsähnliche Vertretung nicht mehr gedacht war, sollte der Hochschulverband zugleich aber auch die wirtschaftlichen Interessen der Hochschullehrer wahrnehmen. Die Neugründung des Hochschulverbandes gernäß der von Raiser vorgezeichneten Generallinie wurde, wie das Protokoll vermerkt, von den versammelten Rektoren „ohne Ausnahme bejaht".52 Nicht minder bedeutsam als die Einigung hinsichtlich der Verbandskonzeption war, daß sich nun auch bei der schwierigen Suche nach einem geeigneten Verbandsvorsitzenden eine Lösung abzuzeichnen schien. Raiser, der den zunächst ihm selbst angetragenen Verbandsvorsitz ablehnte („wegen der Belastung mit dem Rektorat und aus persönlichen Gründen, die er substanziiert vorträgt", wie es im Protokoll etwas kryptisch heißt), schlug Wilhelm Felgentraeger vor, einen Juristen, der seinen Lehrstuhl an der Universität Breslau bei Kriegsende verloren hatte, zunächst an der Universiat Göttingen untergekommen war und seit dem Sommersemester 1949 in Hamburg lehrte.53 Für Felgentrager wurden neben dessen 51

Raiser an die Rektoren der westdeutschen Hochschulen, 30.9.1949, ZZBW/HRK FZ 19/3, fol. 29.

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Protokoll der Rektorenkonferenz vom U.-13.10.1949 in Tübingen (18. WRK-Plenum), AHRK/ WRK 18, S. 29ff, Wilhelm Felgentraeger, geb. 1899 in Berlin, gest. 1980 in Hamburg; Vater Dr. phil. Wilhelm Felgentraeger, Oberregierungsrat und Präsident der Reichsanstalt für Maß und Gewicht. Nach Besuch des Gymnasiums 1909-1917 und Kriegsdienst mit schwerer Verwundung im Dezember 1917, welche die

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Verbandstradition und Neubeginn

großem Engagement in der Lehre und seinem Einsatz für vertriebene Kollegen aus dem Osten ausdrücklich auch seine Tätigkeit als Kanzler der Universität Freiburg von 1933 bis 1935, „also in einer besonders schwierigen Zeit", ins Feld geführt, eine Tätigkeit, bei der Felgentraeger, „von Natur aus Verwaltungsmann", „eine bewundernswürdige Gewandtheit und Tatkraft" an den Tag gelegt habe. Der Tübinger Rektor Walter Erbe, als Gastgeber Vorsitzender der Konferenz, wurde beauftragt, mit Felgentraeger in Verhandlung zu treten. Zugleich faßte die Konferenz den Beschluß, zur eigentlichen Verbandsgriindung auf den 5, Januar 1950 eine als „Hochschulverbandstag" bezeichnete Versammlung nach Göttingen einzuberufen, zu der jede Hochschule neben ihrem Rektor je einen Vertreter der Ordinarien und Nichtordinarien entsenden sollte.54

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Amputation eines Unterschenkels nach sich zog, begann Felgentraeger im November 1918 das Studium des Maschinenbaus an der TH Berlin, das er jedoch 1922 abbrach, weit er sich infoige seiner Kriegsverletzungen den Anforderungen des Ingenieurberufs nicht gewachsen fühlte. Felgentraeger nahm dann das Studium der Rechte an der Univ. Berlin auf, das er nach einem Wechsel an die Univ. Göttingen dort 1926 mit dem ersten Staatsexamen und der Promotion bei Fitz Pringsheim abschloß; 1926-29 Gerichtsreferendar in Celle und zugleich Fakultätsassistent in Göttingen, folgte Felgentraeger nach dem zweiten jur. Staatsexamen 1929 seinem Lehrer Pringsheim nach Freiburg i. Br,, wo er sich bereits 1930 mit einer Arbeit über Antikes Lösungsrecht1 habilitierte. Zum 1,4,1934 wurde Felgentraeger in Freiburg zum planmäßigen ao. Prof., nach Ablehnung eines Rufes nach Frankfurt 1935 zum o. Prof. ernannt. Um diese Zeit hatte Felgentraeger in Freiburg auch das Amt des Kanzlers inne, das dort traditionell von einem Professor der Jur. Fakultät versehen wurde. In dieser Funktion, die auch die Leitung des Studentenwerks und des Akademischen Auslandsamtes umfaßte, konnte Fetgentraeger seine besondere Neigung und Befähigung zu Organisations- und Verwaltungstätigkeit zur Geltung bringen. Für seine Verdienste in diesen Ämtern wurde er 1957 zum Eh reuse n a to r der Freiburger Universität ernannt. 1936 folgte Feigentraeger einem Ruf nach Marburg, 1940 nach Breslau. Anfang 1945 konnte Felgentraeger die von der sowjetischen Armee eingeschlossene Stadt unter Zurücklassung seiner ganzen Habe verlassen. Er fand Aufnahme an der Univ. Göttingen, wo er als Lehrbeauftragter, wie Wieacker schreibt, „die vollen Pflichten eines Lehrstuhls wahrnahm". Zum Sommersemester 1949 nahm Felgentraeger - unter Ablehnung gleichzeitiger Rufe aus Marburg und Göttingen - die Berufung auf den Lehrstuhl für Römisches und Deutsches Bürgerliches Recht an der Univ. Hamburg an, wo er trotz weiterer Rufe nach Köln und Heidelberg bis zu seiner Emeritierung 1967 lehrte. Das Amt des Hochschulverbandspräsidenten hatte Felgentraeger von 1950 bis 1969 inne. Zur Tätigkeit Felgentraegers in der .Akademie für Deutsches Recht' von 1937-39 s.u. Kap. HI/1. Für das Biogramm wurden neben den einschlägigen Nachschlagewerken ausgewertet: die Personalakte Felgentraegers aus dem Bestand R 3001 (R22) Reichsjustizministerium, BA Berlin; personenbezogene Unterlagen des ehern, Berlin Document Center, BA Berlin; die Personalakte Felgentraegers im Staatsarchiv Hamburg, PA IV 1266, sowie der Nachruf von Franz Wieacker, In memoriam. Wilhelm Felgentraeger zum Gedächtnis, in: Zs. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte, Rom. Abt., 98 (1981), S. 600-605. AHRK/WRK 18, 11.-13.10.1949 S. 321 Daß Raiser, wie er vor der Versammlung angab, Felgentraeger von seiner Vorschlagsabsicht nicht vorab in Kenntnis gesetzt haben sollte, erscheint schwer vorstellbar. - Die Wahl des 5, Januar 1950 als Gründungstermin erfolgte möglicherweise ebenfalls in bewußter Anknüpfung an die Tradition des VDH, dessen Gründungsversammlung genau dreißig Jahre davor, vom 4.-7.1.1920, in Halle getagt hatte. Der wegen des Feiertags ungünstig gelegene Termin mußte dann aber aus organisatorischen Gründen verschoben werden und wurde schließlich an die Frühjahrstagung der Rektoren konferenz in Hannover gekoppelt; vgl. das Schreiben des Sekretariats der WRKan Felgentraeger vom 15,12,1949, ZZBW/HKK FZ 19/3, fol. 37,

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Die Gründung des Hochschulverbandes am 4. März 1950

3. Die Gründung des Hochschulverbandes am 4. März 1950 in Hannover In den Jahren schleichender Entfremdung zwischen dem Hochschulverband und der Westdeutschen Rektorenkonferenz hat der Verband immer wieder sein Kindschaftsverhältnis zur WRK beschwörend in Erinnerung gebracht. In der Tat war, wie gezeigt, der Wiederaufbau einer verbandlichen Vertretung der Hochschulen bzw. der Hochschullehrer von der Versammlung der Rektoren in die Wege geleitet und vorangetrieben worden. Zumal nach der Errichtung eines gemeinsamen offiziellen Vertretungsorgans aller Universitäten und wissenschaftlich-technischen Hochschulen des neuen westdeutschen Staatswesens in der WRK erschien den meisten Rektoren die ergänzende Gründung eines Hochschulverbandes nach dem Muster des VDH als eine logische und notwendige Konsequenz, Die konstituierende Versammlung, schon im Vorgriff auf ihr Ergebnis gelegentlich auch als „Hochschulverbandstag" bezeichnet, wurde organisatorisch durch das Sekretariat der WRK vorbereitet und am 4. März 1950 in unmittelbarem Anschluß an die 19. Rektorenkonferenz (2./3. März 1950) in den Räumen der Technischen Hochschule Hannover abgehalten.55 Die Entstehungsgeschichte weist den Hochschulverband mithin klar als eine Schöpfung der Rektorenkonferenz aus, und nur vor diesem Hintergrund läßt sich auch die Beharrlichkeit verstehen, mit der der Verband und insbesondere sein erster Vorsitzender Wilhelm Felgentraeger an der Idee einer gleichsam naturwüchsigen, unverzichtbaren und unauflöslichen Verbindung der beiden Organisationen noch festzuhalten versuchten, als längst schon die allgemeine Entwicklung des deutschen Hochschulwesens über die ursprünglich vielleicht gegebene Identität der Ziele und Interessen hinweggegangen war. Diese Position entsprach zwar nachvollziehbar der Logik des Legitimationsbedürfnisses des jungen Hochschulverbandes aus der Autorität der Rektorenkonferenz; aber sie forderte doch einen hohen und mit den Jahren immer schwerer auf der Verbandspolitik lastenden Preis an Selbstbindung und Einschränkung seiner Aktionsfreiheit.56 Mitte Januar unterrichtete Raiser namens der WRK die Rektoren der in ihr vertretenen Hochschulen, daß Wilhelm Felgentraeger sich nunmehr bereit erklärt habe, den Vorsitz des zu gründenden Verbandes zu übernehmen und „die weiteren Vorarbeiten in die Hand zu nehmen". Raiser fügte seinem Rundschreiben einen 55

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Zu den organisatorischen Vorbereitungen vgl, das Rundschreiben des WRK-Sekretariats an die der WRK angeschlossenen Hochschulen vorn 6.2.1950, 7.7BW/HRK FZ 19/3, fol. 48. Hierauf verweist rückblickend ein so intimer Kenner der Verbandsverhältnisse wie Werner Thieme, der von 1952 bis 1956 die Geschäftsstelle des Verbandes leitete und später über viele jähre in dessen Vorstand wirkte (Interview vom 13,4.1999). 31

Verbandstradition und Neubeginn von ihm selbst unterzeichneten, aber von Felgentraeger verfaßten „Aufruf zur Gründung des Westdeutschen Hochschulverbandes" bei und bat seine Rektorenkollegen, „in einer Vollversammlung aller Hochschullehrer die Bereitschaft zum Beitritt zu diesem Verbände festzustellen". Vom Ergebnis der Umfrage sollte es abhängen, ob als nächster Schritt eine Gründungsversammlung einberufen werden würde. Die Zustimmung der Angehörigen des Lehrkörpers erschien Raiser „unerläßlich", weil der Verband sich aus deren Mitgliedsbeiträgen finanzieren mußte.57 Nachdem bis Mitte Februar von fünfzehn Universitäten und Hochschulen die von Raiser erbetene positive Stellungnahme eingegangen war, konnte die Gründungsversammlung wie geplant für den 4. März nach Hannover, den Tagungsort des 19. WRK-Plenums, einberufen werden.58 An ihr nahmen die Rektoren und in der Regel ein Ordinarien- und ein Nichtordinarien-Vertreter von insgesamt 30 Universitäten und Hochschulen sowie der designierte Vorsitzende des künftigen Verbandes teil.59 Felgentraeger, dem nach formeller Eröffnung der Versammlung durch den Tübinger Rektor Erbe die Verhandlungsleitung übertragen wurde, legte zunächst die Verbandskonzeption anhand des von Raiser vorbereiteten Satzungsentwurfs dar,60 Der Verband, definiert als Zusammenschluß der westdeutschen Hochschulen (soweit sie Rektoratsverfassung und Promotionsrecht besaßen), würde sich durch „Zusammenfassung der Lehrkörper der Hochschulen" konstituieren. Ordinarien (Lehrstuhlinhaber) und Nichtordinarien (alle übrigen habilitierten Hochschullehrer) sollten sich an ihren Hochschulen zu Hochschulgruppen zusammenfinden und gemeinsam oder nach Dozentengruppen getrennt aus ihrer Mitte je einen Ordinarius und einen Nichtordinarius benennen, welche dann die Hochschule auf dem einmal jährlich stattfindenden Hochschulverbandstag, dem obersten Wahl- und Beschlußorgan des Verbandes, zu vertreten hätten. Die Rektoren gehörten als Vertreter ihrer Hochschulen dem Hochschulverbandstag kraft Amtes an; damit war den Ordinarien gegenüber den Nichtordinarien eine strukturelle Dominanz im Verhältnis zwei zu eins garantiert. Die komplizierte (und in sich nicht widerspruchsfreie) Konstruktion der Mediatvertretung der einzelnen Hochschullehrer über örtliche Hochschulgruppen, aus denen sich dann der Ver57

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Raiser an die Rektoren der der WRK angeschlossenen Hochschulen, 17.1.1950, ZZBW/HRK FZ 19/3, fol. 42-44. Vgl. das Schreiben des Sekretärs der WRK an Felgentraeger vom 21,2.1950 (ZZBW/HRK FZ 19/3, fol. 67), Die Tagesordnung für die Gründlingsversammlung umfaßte drei Punkte: Gründung des Hochschulverbandes; Wahl der Organe und Bestimmung der Arbeitsausschüsse; Finanzierung. Vgl, Niederschrift der Gründungs%'ersammlung des Hochschulverbandes in Hannover am 4. März 1950, ADHV. Das Protokoll der Gründungsversammlung ist auszugsweise abgedruckt bei Gerber, Entwicklungsgeschichte, S, 72-90. Der Diskussionsverlauf und die Zitate werden irn folgenden, soweit nicht anders vermerkt, wiedergegeben nach der 23 Seiten umfassenden „Niederschrift der Gründungsversammlung", der auch der 7-seitige Satzungsentwurf der Rektorenkonferenz beigeheftet ist (ADHV). 32

Die Gründung des Hochschulverbandes am 4. März 1950 band aufbaute, war, wie in der weiteren Diskussion deutlich wurde, bewußt gewählt, um die an sich einander ausschließenden Alternativen von Individ ualmitgliedschaft und Korporationsvertretung doch kompossibel erscheinen zu lassen und den Anspruch des Hochschulverbandes zu legitimieren, die Gesamtheit der Hochschulen - und eben nicht nur die Hochschullehrer - zu repräsentieren.61 Die Finanzierung des Hochschulverbandes basierte jedoch auf den Beitragszahlungen der einzelnen Hochschullehrer, die einer Hochschulverbandsgruppe angehörten. Die Beiträge wurden zunächst semesterweise durch die Universitätskassen per Einbehalt von den Hörergeldauszahlungen eingezogen und an den Verband weitergeleitet. Der Verbandszweck war bemerkenswert ausgreifend formuliert. Die dem Verband zugedachten Aufgaben umfaßten die Beratung und Unterstützung der deutschen Hochschulen und ihrer Angehörigen „in allen gemeinsamen Angelegenheiten, die ihren Wirkungskreis in Forschung und Lehre, ihre Stellung in Staat und Gesellschaft und ihre wirtschaftlichen Interessen berühren" sowie deren Vertretung gegenüber Behörden und Öffentlichkeit (§ l des Satzungsentwurfs); sie gingen mithin, wie Felgentraeger explizit feststellte, „über die reinen Standesinteressen weit hinaus".62 Eben dies war dann auch der Punkt, an dem sich sogleich eine unvermutet heftige Grundsatzdebatte entzündete, die den Konsens über die Verbandsgründung zeitweise sogar in Frage zu stellen schien. Der Vertreter der Universität Frankfurt, Walter Hallstein, teilte mit, er sei durch einstimmiges Mandat von Senat und Dozentenversammlung gebunden, nur der Gründung eines Hochschul/e/irerverbandes, nicht aber eines Hochschulverbandes mit Generalkompetenz zuzustimmen, wie ihn die Pläne der Tübinger Rektorenkonferenz nun vorsähen. Die allgemeine Vertretung der Hochschulen und ihrer Belange müsse alleinige Aufgabe der Rektorenkonferenz bleiben. Würde neben ihr ein Hochschulverband des skizzierten Charakters errichtet, käme es zwangsläufig zu Problemen in der Abgrenzung der Zuständigkeiten; ja es sei sogar zu befürchten, „dass die .Rektorenkonferenz' praktisch bedeutungslos wird". Die Gefahr, daß ein Zusammenschluß der Hochschullehrer „zu einem reinen Interessenverband im Sinne einer Gewerkschaft werden könnte", hielt Hallstein nicht für gegeben. Auch erachtete

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Die strukturelle Inkongruenz trat besonders in der Regelung für die Finanzierung des Verbandes zutage: Diese basierte auf festen Beiträgen der einzelnen Hochschullehrer, obschon als Mitglieder dem Satzungsentwurf nach die Hochschulen firmierten. Man war sich aber darin einig, daß eine Zwangsfinanzierung durch Umlage der von den einzelnen Hochschulen entrichteten Beiträge auf alle Hochschullehrer, wie sie im VDH praktiziert worden war, nicht in Frage käme; vgl. Niederschrift, S. 14 und I9f, Die in der ersten Vorstandssitzung beschlossene „Vorläufige Satzung" versuchte, diesen evidenten Widersprüchen durch einige Modifikationen Rechnung zu tragen. Niederschrift, S. 2. 33

Verbandstradition und Neubeginn er die Wahrnehmung der materiellen Interessen der Hochschullehrer durch ihren Verband für „durchaus legitim und nicht standeswidrig".63 Es war - angesichts seiner wichtigen Rolle bei den Vorbereitungen der Verbandsgründung nicht unerwartet - Raiser, der gegen die von Hallstein vertretene Linie mit Nachdruck die von der Rektorenkonferenz vorgeschlagene Verbandsform verteidigte. Die bisherigen Erfahrungen von Überlastung und Ineffizienz der Rektorenkonferenz in der Vertretung allgemeiner Hochschulfragen hätten ihn und seine Kollegen bewogen, von der ursprünglich befürworteten Idee eines Hochschullehrerverbandes Abstand zu nehmen und einem Verband der Hochschulen den Vorzug zu geben. Gegen eine Organisation, welche nur die Standesinteressen wahrnähme, führte Raiser auch die „besondere Würde des Hochschullehrerstandes" ins Feld, die „ein Sichfernhalten von jeder Einseitigkeit" erfordere.64 Auch der Bonner Ordinarienvertreter Ernst Friesenhahn trat für eine Lösung nach dem Vorbild des Weimarer Hochschulverbandes ein. Er sprach der Rektorenkonferenz geradezu die Fähigkeit ab, den großen Herausforderungen für die Stellung der Hochschulen in Staat und Gesellschaft gerecht zu werden, weil es ihrem Wirken an Dauer, Kontinuität und Breite der Verankerung fehle, wie sie nur ein korporativ organisierter Verband der Hochschulen gewährleisten könne. Friesenhahn ging wie Hallstein davon aus, daß die Rektorenkonferenz nach der Gründung eines Hochschulverbandcs ihre Bedeutung „fast vollständig" verlieren werde, zog daraus aber die radikale Konsequenz, die WRK als „ein Organ im Hochschulverband aufgehen" zu lassen.65 So weit wollte freilich von den übrigen Diskutanten niemand gehen; vielmehr hielten sich die Stellungnahmen für einen korporativen Hochschulverband mit allgemeinem Vertretungsanspruch in allen Hochschulfragen und die Voten für seine Beschränkung auf eine reine Interessenvertretung der Hochschullehrer nach Zahl und argumentativem Gewicht in etwa die Waage.66 Für eine gewerkschaftsähnliche Organisation zur kämpferischen Wahrnehmung allein der wirtschaftlichen und sozialen Interessen war, das kann als sicher gelten, im Selbstverständnis der damaligen Hochschullehrerschaft kein Platz. Bezeichnend erscheint in diesem Zusammenhang, daß auch von Vertretern der Nichtordinarien Präferenzen für 53

Ebda., S. 4f.

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Ebda.,S.5f. Ebda,, S. 6. Friesenhahn begründete seine Skepsis gegenüber der Rektorenkonferenz mit deren Hilflosigkeit im Zusammenhang mit den von den Professoren abgelehnten Hochschulreformbestrebungen in Nordrhein-Westfalen. Ähnlich äußerte sich der Ordinarienvertreter der TH Aachen Eugen Flegler (S, 11). Dies zeigte auch eine Probeabstirnmung, in welcher ein über der Rcktorenkonfercnz stehender Hochschulverband „mit voller Repräsentanz in Standes- und H och schul frage n" mit 24-23 Stimmen knapp verworfen wurde; ebda., S. 16.

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eine ,starke' korporative Lösung geäußert wurden. Dahinter stand die Befürchtung, daß die spezifischen Belange der Nichtordinarien in der faktisch nur von Ordinarien beschickten Rektorenkonferenz allein nicht hinreichend zur Geltung kommen würden. 67 Andererseits ließen sich die Bedenken, daß ein nach dem Tübinger Satzungsentwurf konzipierter Hochschulverband unausweichlich in einen fundamentalen Kompetenzkonflikt mit der Rektorenkonferenz geraten müsse, nicht einfach von der Hand weisen. Die Diskrepanz der Positionen konnte daher am Ende nur durch einen Formelkompromiß überbrückt werden. Ihn zu finden erleichterte zum einen der Hinweis, daß durch die satzungsmäßige Mitgliedschaft aller Hochschulrektoren im Hochschul verband die Rektorenkonferenz gleichsam in den Verband inkorporiert sei. Zudem konnte Felgentraeger auf eine Art Sperrklausel in Paragraph 18 des Satzungsentwurfs verweisen, derzufolge eine vom Hochschulverband beabsichtigte Initiative durch den Einspruch von mehr als drei Hochschulrektoren sistiert würde. So konnte am Ende die Gründung eines Hochschulverbandes, „der die Standesinteressen nach innen und aussen vertritt, in allgemeinen Hochschulfragen aber keine Repräsentanz hat", mit Ausnahme von drei Enthaltungen die Zustimmung aller Anwesenden finden. Daß sich damit die Linie der /Traditionalisten' durchgesetzt hatte und weiterreichende Handlungsoptionen im Sinne einer korporativen Vertretung der Hochschulen nach dem Vorbild des Weimarer VDH keineswegs ausgeschlossen waren, machte die den Beschluß kühn interpretierende Bemerkung Felgentraegers deutlich, es sei nun ein Hochschulverband gegründet, „der die Hochschulen und die an ihnen tätigen Lehrkräfte in gemeinsamen Fragen" berate, unterstütze und vertrete; die Idee eines Verbandes, „der sich auf die reinen Standesinteressen beschränke, sei damit endgültig aufgegeben". Niemand widersprach dieser Auslegung.68 Raisers Bemerkung, diese Konstruktion sei „vielleicht unlogisch, aber wohl verständig", und vor allem spreche für sie, daß sie „schon einmal funktioniert habe", traf recht genau den Kern des nun gefundenen Kompromisses. Der Göttinger Rektor wies aber noch auf einen anderen, in der damaligen Situation nicht unwichtigen Aspekt dieser Lösung hin: Die Tatsache, daß die einzelnen Hochschullehrer nur indirekt oder mediat, über ihre Zugehörigkeit zur Korporation einer Hochschule, die Mitgliedschaft erwerben konnten, ersparte es dcrn neuen Verband, sich institutionell mit dem heiklen Problern der heimatvertriebenen 61

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Der Bonner Nichtordinariendelegierte Bruno Schuler etwa sah „die besten Möglichkeiten der Vertretung der Nichtordinarien in einem dem früheren Hochschulverband gleichen Gremium gegeben"; ebda. S. 9. Ebda., S. 16. 35

Verbandstraaition und Neubeginn oder aus politischen Gründen entlassenen Kollegen belasten zu müssen. Ein Professorenverband auf der Basis individueller Mitgliedschaft ohne Bindung an die Korporation hingegen hätte sich dem Beitrittsbegehren dieser Kategorie schwerlich verschließen können. 59 Nachdem die Grundsatzentscheidung für einen „Hochschulverband" definitiv gefallen war, ging es noch darum, diesen durch die Einsetzung seiner Leätungsorgane auch handlungsfähig zu machen. Felgentraeger wurde ohne förmliche Wahl durch Zustimmung aller Anwesenden zum Vorsitzenden bestimmt Ihm wurde als „Exekutivausschuß" ein Vorstand zur Seite gestellt, der (neben dem Vorsitzenden) elf Mitglieder umfaßte. Auf Anregung Raisers wurde der Vorstand von der Gründungsversammlung beauftragt, „auf Grund der besprochenen Richtlinien zunächst nach der von der ,Rektorenkonferenz:1 empfohlenen Satzung" zu handeln und auf deren Basis eine endgültige Satzung auszuarbeiten, die dann dem ersten Hochschulverband stag zur Beschlußfassung vorgelegt werden sollte. Felgentraeger erbat und erhielt zudem die Ermächtigung, an seinem Dienstsitz in Hamburg eine Geschäftsstelle einzurichten. Auf Antrag der Nichtordinarienvertreter wurde ferner die Einsetzung eines Ausschusses für „Fragen der persönlichen und sozialen Stellung" der nichtbeamteten Hochschullehrer beschlossen; die Bildung weiterer Ausschüsse (für Fragen der Rechtsstellung der Hochschullehrer, für Hochschulreform, für Urheber- und Verlagsrecht) wurde vom Vorsitzenden angekündigt. Was den Namen des neugegründeten Verbandes betraf, so verzichtete man nach Intervention der Vertreter der beiden West-Berliner Hochschulen mit Rücksicht auf die Teilung Deutschlands und die Lage Berlins auf den Zusatz „westdeutsch" und beließ es bei der einfachen Bezeichnung „Hochschulverband",70 Aufgrund der Ermächtigung durch die Gründungs Versammlung verabschiedete der Vorstand des Hochschulverbandes auf seiner ersten Sitzung am 26. Mai 1950 in Frankfurt/M, eine „Vorläufige Satzung".71 Sie unterschied sich von dem Satzungsentwurf, den Raiser im Auftrag der Rektorenkonferenz erarbeitet hatte, in wenigen, aber wesentlichen Punkten. Der Verbandszweck blieb, dem in der 69

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Die Äußerung Raisers ebda., S, 15. - Es wird an anderer Stelle zu zeigen sein, daß der Hochschulverband sich gegenüber dem beruflichen Eingliederungsanliegen der sog. „131er" durchaus nicht generell indifferent oder ablehnend verhielt; Felgentraeger zumal hat sich vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen mitgrofäem Engagement für die Betroffenen eingesetzt. Vgl. unten Kap. HI/1. Der Magistrat von Groß-Berlin hatte sich unter dem Datum des 28.2.1950 telegraphisch an das Sekretariat der Kultusministerkonferenz gewandt und gegen die beabsichtigte Benennung als „Westdeutscher" Hochschulverband interveniert. Die Kultusministerkonferenz teilte die Bedenken Berlins. Vgl. Schreiben des Sekretariats der KM K an die Kultusminister vom 4.3.1950 und Stellungnahme des bayerischen Kultusministeriums vom 11.3.1950, BayHStA MK 68723. Beil, zu MittHV Bd. l Nr. l (1930). 36

Die Gründung des Hochschulverbandes am 4. März 1950

Gründungsversammlung mit Mühe gefundenen schwebenden Kompromiß entsprechend, vage und weit gefaßt: Beratung und Unterstützung der Hochschulen und Hochschullehrer „in allen gemeinsamen Angelegenheiten", Vertretung der „Standesangelegenheiten und wirtschaftlichen Interessen" der Hochschullehrer (§1). Die Mitgliedschaft lag nun nicht mehr, wie im Gründungsentwurf, bei den (wissenschaftlichen) Hochschulen als solchen, sondern bei deren „zu Örtlichen Hochschulverbandsgruppen zusammengeschlossenen Lehrkörpern]", die im Verband durch den Rektor und zwei gewählte Mitglieder (ein Lehrstuhlinhaber, ein Nichtordinarius) vertreten wurden. Die Zugehörigkeit zu den Hochschulverbandsgruppen war freiwillig und stand allen amtierenden und emeritierten Professoren sowie den habilitierten Dozenten und Lehrbeauftragten offen (§§ 2 und 3). Eine nicht unerhebliche Gewichtsverlagerung im internen Aufbau des Verbandes ergab sich daraus, daß in der „Vorläufigen Satzung" der Verbandsvorsitzende als eigenes Organ definiert und nicht mehr unter dem Vorstand subsumiert war. Die herausgehobene - und wie die Verbandsentwicklung rasch zeigte, absolut zentrale - Stellung des Vorsitzenden wurde mit dessen legitimationsstärkender Direktwahl durch den Hochschulverbandstag unterstrichen. Dem Vorstand, der wie der Vorsitzende alle zwei Jahre vom Hochschulverbandstag gewählt wurde, kam nicht mehr, wie im Raiserschen Entwurf (§ 14: „Der Vorstand hat die laufenden Geschäfte nach Maßgabe der Satzung zu besorgen,") die Funktion eines Exekutivorgans, sondern eher die eines Aufsichtsrates zu: Er „leitet und überwacht", wie es nunmehr hieß, „die laufenden Geschäfte" {§ 18), Ihm gehörten neben dem Vorsitzenden elf Vertreter in folgendem Verhältnis an: vier Ordinarien und zwei Nichtordinarien der Universitäten, zwei Ordinarien und ein Nichtordinarius der Technischen Hochschulen, zwei Ordinarien und ein Nichtordinarius der „übrigen" wissenschaftlichen Hochschulen (§ 16). Die schon im Hochschulverbandstag als höchstem Beschlußorgan verankerte Majorität der Ordinarien über die Nichtordinarien im Verhältnis von zwei zu eins reproduzierte sich also auch auf der operativen Ebene. Auf die Einrichtung des ursprünglich vorgesehenen, 25köpfigen Hauptausschusses, der den Vorstand in „wichtigen allgemeinen Fragen" hatte unterstützen sollen, wurde - vermutlich aus Kostengründen - verzichtet. Die „Vorläufige Satzung" lag dem 1. Hochschulverbandstag am 19.5.1951 in München zur Verabschiedung vor. Er nahm neben einigen prozeduralen Modifikationen auch Änderungen von prinzipieller Bedeutung vor. Auf Verlangen des Vorsitzenden der WRK, des Heidelberger Rektors Gerhard Hess, wurde die Aufgabenstellung des Verbandes enger gefaßt, um den Primat der WRK hinsichtlich der allgemeinen Hochschulangelegenheiten herauszustellen. Die eingehende und durchaus kontroverse Diskussion, die sich an diesem Punkt entzündete, drohte 37

Verbandstradition und Neubeginn

den mühsam zustandegebrachten Formelkompromiß der Gründungsversammlung in Hannover wieder in Frage zu stellen. Felgentraeger rettete die Situation, indem er einlenkend und beschwörend zugleich erklärte, die von der WRK gewünschte Neufassung des § l sei „lediglich eine Akzentverschiebung"; „Grundlage aller Arbeit müsse das gegenseitige Einvernehmen bleiben".72 Der revidierten Präambel zufolge beanspruchte der Hochschulverband nicht mehr, der Zusammenschluß der wissenschaftlichen Hochschulen zu sein, sondern der an diesen Hochschulen „gebildeten Gruppen von Hochschullehrern". Dies bedeutete eine klare Korrektur der von Felgentraeger noch im März vertretenen extensiven Interpretation.73 Die in § l der „Vorläufigen Satzung" (wie im Raiserschen Gründungsentwurf) enthaltene Generalkompetenz auch für allgemeine Angelegenheiten der Hochschulen wurde deutlich zurückgestuft. Dem Verband war als Aufgabe zugewiesen, „sich aller Fragen anzunehmen", die den universitären Wirkungskreis, die gesellschaftliche Stellung sowie die Standesangelegenheiten und die wirtschaftlichen Interessen der Hochschullehrer berührten. Gleichsam nur subsidiär und „im gegenseitigen Einvernehmen" kam ihm auch in gemeinsamen Angelegenheiten der Hochschulen die Beratung und Unterstützung der Rektorenkonferenz zu.74 Die Forderung einer schärferen Abgrenzung der Kompetenzen und einer engeren Koordinierung der Aktivitäten des Hochschulverbandes mit der Rektorenkonferenz war schon auf der 21, WRK in Heidelberg (4.-6.1.1951) laut worden. Das eigenständige und zum Teil als zu forsch empfundene Auftreten des Verbandes gegenüber staatlichen Hochschulverwaltungen hatte im Kreise der Rektoren Anlaß zu Irritationen gegeben.75 Mit Ausnahme zweier Änderungen zur Stärkung der Vertretung der Nichtordinarien im Hochschulverband, die der 2. Hochschulverbandstag 1952 beschloß76, blieb die Satzung bis 1959 unverändert in Kraft.

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Sitzungsniederschrift des 1. HVT in München am 19.5.1951, ADHV/HVT l, S. 4-9. MittHV Bd. i Nr. 3 (1951), S. 2, Genaue Formulierung ebda., S. 9; vgl. auch die hs. Aktennotiz in den Unterlagen des WRKVorsitzenden, undat., ZZBW/HRK FZ 19/3, fol. 93, sowie Schreiben der Geschäftsstelle an die Vorstandsmitglieder und den Vorsitzenden der WRK vom 11.5.1951, ebda., fol. 91/92, Vgl. Protokoll der Rektorenkonferenz in Heidelberg, AHRK/WHK 21, TOP 20, S. 121, sowie Niederschrift der 3. Sitzung des Vorstandes des Hochschulverbands vom 28,2.1951 in Göttingen, ADHV/P 3, TOP l, S. 2. Dem Vorsitzenden des Ausschusses für Nichtordinarienfragen wurde kraft Amtes ein Sitz im Vorstand zugesprochen (§ 18} und des weiteren festgelegt, daß der Nichtordinarienausschuß mindestens zu zwei Dritteln aus Nichtordinarien bestehen müsse (§ 25); vgl. Sitzungsniederschrift des 2. Hochschulverbandstages in Marburg am 2,5,1952, ADHV/HVT 2, S, 5-9, und .Mitteilungen der Geschäftsstelle', MittHV Bd. l Nr, 8 (1952), S. 22. 38

II. Der Hochschulverband als Standesorganisation: Selbstverständnis - Aufbau und Ausbau Positionierung im politischen Handlungsfeld 1.

Welchen Standes Organisation? Statusdifferenz und Interessenintegration: Ordinarien und Nichtordinarien im Hochschulverband

Verbände sind organisatorische Zusammenschlüsse gesellschaftlicher Gruppen zum Zwecke der Geltendmachung gemeinsamer Interessen in der Öffentlichkeit und gegenüber denjenigen Instanzen des politischen Systems, in deren Kompetenz es liegt, den Handlungs- und Entfaltungsrahmen der Teilgruppen zu definieren.1 Verbände haben mithin eine wichtige Funktion bei der Integration gesellschaftlicher Teilsysteme, Nun besteht aber auch innerhalb von Gruppen, die sich in Verbänden organisieren, nicht notwendig ein apriorischer Konsens über die genaue Beschaffenheit und Wertigkeit der gemeinsamen Interessen. Man wird daher zunächst von einer Identitätsvermutung auf der Basis gemeinsamer Interessenlagen als primärem Konstitutionselement solcher Zusammenschlüsse ausgehen. Welche Positionen die Verbandspolitik dann konkret vertreten und welche Ziele sie verfolgen soll, muß in der Regel durch innerverbandliche Abklärung und Konsensbildung erst ermittelt werden. Da dieser Prozeß, wie die Erfahrung lehrt, nicht unbedingt demokratischen Idealvorstellungen einer linear aufsteigenden Willensbildung from bottom to top folgt, kommt den Verbandsführungen sowohl in strategischer wie in operativer Hinsicht ein Definitionsprimat gegenüber der eigenen ,Basis' und eine wichtige Mediatorenfunktion zwischen dieser und ,der' Gesellschaft zu.2 Das unilinear funktionalistische Verbandsmodell - Geltendmachung der Gruppeninteressen ,nach außen' - ist also zumindest um eine kornmunikationsanalytische Funktionskomponente zu erweitern: Verbände haben die Aufgabe, gleichsam ,in beide Richtungen' zwischen den partikularen Gruppeninteressen und dem Allgemeinen Interesse' der Gesellschaft zu vermitteln. Verbandsführungen können sich dabei unter Umständen erheblichen Spannungen Wir legen also für unseren Zweck nicht den soziologischen, sondern den enger gefaßten politikwissenschaftlichen, auf den politischen Entscheidungsprozeß bezogenen Verbandsbegriff zugrunde, wie ihn jüngst Schütt-Wetschky wieder formuliert hat: „Der Begriff des interessenverbandes oder kurz Verbandes bezeichnet eine auf Dauer angelegte Vereinigung, die - ohne politische Partei zu sein - sich darum bemüht, staatliche Entscheidungen in ihrem Sinn zu beeinflussen." Eberhard Schütt-Wetschky, Inte res sen verbände und Staat, Darmstadt 1997. S. 9. Für Max Weber ist das „Vorhandensein" eines „Leiters und eventuell eines Verwaltungsstabes" nachgerade konstitutiv für die Existenz eines Verbandes; Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5., rev. Aufl., besorgt von Johannes Winckelrnann, Tübingen 1976, S. 26. 39

Der Hochschulverband als Standesorganisation zwischen den unterschiedlichen Vertretungserwartungen ihrer Klientel und den ihnen von den politischen Leitungsinstanzen zugedachten Forrnierungsfunktionen ausgesetzt sehen/ Der Hochschulverband beanspruchte, wenn auch, wie gezeigt, unter den Rektoren der Gründungskonfiguration nicht unumstritten, über die Standesinteressen der Hochschullehrer hinaus auch die Belange der wissenschaftlichen Hochschulen im allgemeinen zu vertreten. Die diesem Anspruch inhärente Annahme einer Interessenidentität zwischen dem Stand der Hochschullehrer und der von ihnen getragenen Institution der Universität entsprach zum einen dem traditionalen Selbstverständnis deutschen Professorentums, wie es gerade im unsicheren Klima der Weimarer Republik noch einmal mit affirmativer Tendenz vorgetragen worden war,4 Nun sind ja in der Tat die Hochschullehrer bis heute „wesentlicher Teil der sozialen Organisation Hochschule und bestimmen herkömmlich kraft Aufgaben, Macht und Dauer ihrer Ämter faktisch stärker als die Studenten und (bisher) die Administratoren deren inneren Charakter und deren Funktion als höchste Stufe des Bildungssystems", Die Identifikation der Standes- bzw. Gruppeninteressen mit denen der Institution hat hier durchaus ihre reale Grundtage. Sie ist es schließlich auch, was die Hochschullehrer in der Regel zu einer besonders ausgeprägten Verantwortungs- und Leistungsbereitschaft gegenüber ,ihrer' Institution motiviert.5 Nach den Erfahrungen nationalsozialistischer Hochschulpolitik erlebte zudem das Prinzip akademischer Selbstverwaltung eine Renaissance im Diskurs der unmittelbaren Nachkriegszeit, und die Idee korporativer Autonomie gewann noch einmal Boden gegenüber der Auffassung von der Universität als staatlicher Anstalt.6 Die ,politische' Tendenz war jetzt freilich eine deutlich andere als in der Eine instruktive Einführung zum Problem der Verbände in modernen Gesellschaften gibt SchuttWetschky, Interessenverbände und Staat; für unseren speziellen Zusammenhang ist des weiteren zu verweisen auf die einführenden Passagen bei Johannes T. Theißen, Die Rolle der Interessenverbände im Hochschulbereich unter besonderer Berücksichtigung von ,Bund Freiheit der Wissenschaft' und ,Bund demokratischer Wissenschaftler', Diss. Bonn 1984, 5. 1-57. Besonders aufschlußreich hierfür die Beiträge in dem offiziös-repräsentativen Monumentalwerk akademischer Selbstdarstellung: Das akademische Deutschland, hg. von Michael Doeberl, 5 Bde., Berlin 1930/31, insbes. Bd. 111. Zu den die Hochschullehrer als eigenen Berufsstand konstituierenden sozio-mentalen und funktionalen G nippen merkmalen vgl. Ludwig Huber/Gerhard Portele, Die Hochschullehrer, in: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, Bd, 10, Stuttgart 1983, S. 193-218 (das Zitat ebda, S. 195). Die traditioneli in der deutschen Universitätsverfassung angelegte „doppelte Rechtsnatur" von Staatsanstalt einerseits und autonomer Korporation andererseits und die je nach Interpretation daraus sich ergebenden Folgen für das Verhältnis der Universitäten zum Staat war immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen; vgl, Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. IV: Strukturen und Krisen des Kaiserreichs, Stuttgart u.a, 1969, 2. Aufl. 1982, rev. Nachdr. 1994, S. 929f.; Werner Thiemc, Deutsches Hochschulrecht, Das Recht der wissenschaftiichen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland und im Lande Berlin, Berlin-Köln 1956, S, 98-110, Für unseren Beobachtungszeitraum aufschlußreich die unterschiedlichen Positionen von Hans 40

Welchen Standes Organisation?

Weimarer Republik: War damals die Beschwörung des Gedankens korporativer Freiheit mit nostalgischer Sympathie für den bürokratischen Obrigkeitsstaat des Kaiserreichs und mit prinzipiellen Vorbehalten gegen das parlamentarische System und den Parteienstaat unterfüttert gewesen, so implizierte in der zweiten Nachkriegszeit das Festhalten am „Ideal der obrigkeitsfreien Universität mit Selbstverwaltung, körperschaftlicher Verfassung und Rechtsgewalt im eigenen Bereich" gegen die Tendenz zur (groß)betrieblichen Rationalisierung und Bürokratisierung der Universität7 nicht länger eine politische Präferenz für vordemokratische Verfassungsverhältnisse.8 Der Prozeß der .Verstaatlichung' und der Überformung korporativer Selbststeuerungselemente durch bürokratische Organisationsstrukturen wurde in den folgenden Jahrzehnten durch die Dynamik des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des wirtschaftlichen Wachstums in der Bundesrepublik Deutschland, die Demokratisierung der Bildungschancen und den damit einhergehenden Ausbau des Hochschulwesens mit seiner gewaltigen Kostenexpansion und nicht zuletzt durch die Bedürfnisse der zahlenmäßig enorm verbreiterten Hochschullehrerschaft unaufhaltsam vorangetrieben.9 Obschon mit dieser Entwicklung unvermeidlich eine Statusrelativierung des Hochschullehrers zumindest in seiner traditionellen Leitfigur des Ordinarius verbunden war10, Gerber, Hochschule und Staat, Stuttgart 1953, und Ludwig Raiser, Die Universität im Staat (= Schrr. des Hofgeismarer Kreises, 1), Heidelberg 1958. Während Gerber weitgehende korporative Autonomie für die Universität als .Gelehrtenrepublik' fordert, konzediert Raiser, wie schon der Titel seiner Abhandlung andeutet, den vorherrschenden Charakter der Universität als Staatsanstalt. Die bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. einsetzende und von Adolf von Hamack 1905 und Franz Eulenburg 1908 erstmals auf diesen Begriff gebrachte Entwicklung der deutschen Universität zum .Großbetrieb* wurde mit sozialwissenschaftlichen Analysemethoden differenziert erfaßt im Rahmen der unter der Leitung von Helmuth Plessner am Soziologischen Seminar der Universität Göttingen in der ersten Hälfte der fünziger Jahre durchgeführten .Untersuchungen zur Lage der deutschen Hochschullehrer', Bd. Ill: Christian v. Ferber, Die Entwicklung des Lehrkörpers der deutschen Universitäten und Hochschulen 1864-1954, Göltingen 1956, 8 Vgl. zur „Wiederbelebung des Selbstverwaltungsgedankens" nach 1945 die Beobachtungen bei Stamm, Zwischen Staat und Selbstverwaltung, S. 60-67, sowie grundsätzlich Alexander Kluge, Die Universitäts-Scibstvcrwaltung. Ihre Geschichte und gegenwärtige Rcchtsform, Frankfurt/M. 1958. ! Aus der schier unübersehbaren Zahl sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zur Hochschulentwicklung in der Bundesrepublik seien hier nur einige wenige Titel exemplarisch angeführt; WolffDietrich Webler, Geschichte der Hochschule seit 1945, in: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, Bd. 10, Stuttgart 1983, S. 169-192; Ayla Neusei/Ulrich Teichler (Hgg.), Hochschulentwicklung seit den sechziger Jahren. Kontinuität, Umbrüche. Dynamik? Weinheirn-Basel 1986 (v.a. die Beiträge von Volker Briese/Peter Rüffert, Staat und Hochschule, S. 21-63; Ulrich Teichler, Strukturerttwicklung des Hochschulwesens, 93-143; Marianne Kriszio, innere Organisation und Sozialstruktur der Hochschule, S, 213-255); Dietrich Goldschmidt u.a. (Hgg.), Forschungsgegenstand Hochschule, Überblick und Trendbericht, Frankfurt/M. - New York 1984 (hier v.a. die Beiträge von Christoph Oehler, Die Organisation der Hochschule, S. 53-79, und Claudius Geliert, Institutions- und Strukturforschung über das Hochschulsystem, S. 217-231). ' ' ' Vgl. Christoph Oehler, Zum Rollenwandel der Hochschullehrer, in: Neusel/Teichier (Hgg.), Hochschulentwicklung, S. 257-308, 41

Der Hochschulverband als Standesorganisation

wurden die strukturellen Folgen des Modernisierungsprozesses zu keinem Zeitpunkt, wie noch nach 1918, dem parlamentarisch-demokratischen System angelastet. Auch wenn die Stellung der Hochschute im Staat kontrovers blieb, hatten die deutschen Hochschullehrer in der Bonner Republik ihre Basislektion gelernt Sie sahen - und darin liegt die fundamentale Differenz zur Situation von Weimar - in der parlamentarisch-demokratischen Ordnung nicht mehr eine Bedrohung, sondern Grundlage und Gewähr für die Freiheit der Wissenschaft.11 Für unseren Zusammenhang ist im übrigen bemerkenswert, daß der Hochschulverband einer Überbetonung des Selbstverwaltungsgedankens und der Emanzipation der Hochschulen vom Staat, wie sie in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre etwa von dem Freiburger Staatsrechtler Hans Gerber vertreten wurde, aus pragmatischen Überlegungen eher skeptisch gegenüberstand. Felgentraeger hegte die Befürchtung, „daß eine Aufrollung dieses ganzen ausserordentlich schwierigen Problems leicht dazu führen könnte, das derzeitige offensichtliche Übergewicht des Staates auch in einer Landesverfassung oder in Hochschulverfassungen festzulegen". Da er angesichts der evident gegenläufigen Gesamttendenz in der Entwicklung des Hochschulwesens realistischerweise nicht an die Möglichkeit glaubte, „eine die Selbstverwaltung der Hochschulen ausweitende Lösung erzielen zu können", sollte der Verband seine Bemühungen auf gesetzliche Festlegung der Rechtstellung der Hochschullehrer konzentrieren.12 Die deutsche Universität der Nachkriegszeit, wie sie der wiederbegründete Hochschulverband über die Mediatkonstruktion der Hochschulverbandsgruppen mit Einzelmitgliedern zu repräsentieren beanspruchte, war in ihrer personellen Struktur alles andere als homogen. Ihr Lehrkörper war vielmehr gekennzeichnet von der Dichotomie zweier Gruppen, die sich in schroffer Statusdifferenz gegenüberstanden: die voll standesberechtigte Gruppe der Lehrstuhlinhaber oder Ordinarien, welche alle Professoren unifaßte, die als Lebenszeitbeamte eine plan11

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Höchst aufschluBreich ist in diesem Zusammenhang das auf der 27. Rektorenkonferenz in Berlin gehaltene ürundsatzreferat über ,Hochschulrecht und Hochschulverfassung' von Ernst E. Hirsch, Professor für Rechtsvergleichung und Rechtssoziologie an der FU Berlin, und die dazu im Plenum geführte Diskussion über ,Hochschulen im Grundgesetz und Hochschu)Verfassungen'. Zur Klärung der Problematik wurde eine Kommission eingesetzt, die auch das Muster einer Hochschulverfassung erarbeiten sollte; vgl. AHRK/WRK 27, 3. u. 5.1.1953, S. 2-7 und Anlage l, abgedruckt in: Hochschulautonomie - Privileg und Verpflichtung. Reden vor der Westdeutschen Rektorenkonferenz. 40 Jahre Westdeutsche Rektorenkonferenz 1949-1989, Hildesheim 1989, S. 31-37. Die problematische Ambivalenz der deutschen Nachkriegsgeschichte zwischen Vergangenheitsbelastung und Neuorientierung zeigte sich freilich in dem Umstand, daß die Leitung dieser Kommission Hans Gerber übertragen wurde, der sich vor 1945 mit deutlich nationalsozialistisch eingefärbten Rechtsauffassungen hervorgetan hatte. Vgl. das für die hochschulpolitischen Strategieüberlegungen des Hochschulverbandes aufschlußreiche Schreiben Felgentraegers an Werner Weber, 11.8.1953, 380/13, fol. 218. 42

Welchen Standes Organisation? mäßige .ordentliche' oder .außerordentliche' Professorenstelle innehatten, und die materiell weitgehend ungesicherte und korporationsrechtlieh deutlich zurückgesetzte Gruppe der sog. .Nichtordinarien'.13 Dieser zweiten Gruppe gehörten die habilitierten, aber nicht auf etatmäßige Beamtenstellen eingewiesenen Lehrpersonen an, also die außerplanmäßigen Professoren und die Privatdozenten sowie die Honorarprofessoren und die habilitierten Lehrbeauftragten. Eine dritte Gruppe des akademischen Lehrkörpers bildeten die hauptamtlichen Assistenten.14 Diese zählten korporationsrechtlich nicht zu den Hochschullehrern und waren daher auch nicht mitgliedsberechtigt im Hochschulverband. Mit der Expansion des deutschen Hochschulwesens und der Erweiterung der Lehrkörperstruktur durch die Einrichtung eines eigenen ,Mittelbaus* gewann allerdings diese Gruppe weiterhin an Gewicht und Bedeutung. Unter den veränderten (hochschul)polkischen Rahmenbedingungen der frühen siebziger Jahre stand dann auch die Aufnahme der Assistenten in den Hochschulverband auf der Tagesordnung. Zwischen den beiden Hochschullehrer-Kategorien der ,Ordinarien' bzw. ,Lehrstuhlinhaber' und der ,Nichtordinarien' bestanden fundamentale Unterschiede bezüglich der beamtenrechtlichen Stellung und des korporationsrechtlichen Status. Der im hochschulpolitischen Reformdiskurs seit den sechziger Jahren ausschließlich kritisch-polemisch konnotierte Begriff der ,Ordinarien-Universität' bildet historisch den Rechtszustand des 19, Jahrhunderts ab. Nach der .klassischen' Universitätsidee der Humboldtschen Reform, die zunächst in Preußen und dann in ganz Deutschland zum Durchbruch gelangt war, waren allein die als ,ordentliche' Professoren beamtenmäßig bestallten und mit der Vertretung eines wissenschaftlichen Faches betrauten akademischen Lehrer Träger des Rechts der Lehrfireiheit und der korporativen Selbstverwaltung.15 Aber noch in der Zeit des Kaiserreichs und verstärkt dann in der Weimarer Republik und während des .Dritten Reiches' kam es in der Personalverfassung der Universitäten insofern zu Veränderungen, als auch planmäßigen außerordentlichen Professoren ein Lehrstuhl - etwa in der Vertretung kleiner Spezialfächer - übertragen werden konnte. Die häufig synonym verwendeten Termini .Lehrstuhlinhaber' und .Ordinarius' waren damit in einem strengen Sinne nicht mehr völlig kongruent, weil sowohl 13

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Vgl, allg. Michael Bochow/Hans Joas, Der Lehrkörper der deutschen Hochschulen, in: Goldschmidt u.a. (Hgg,), Forschungsgegenstand Hochschule, S. 81-105; femer Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 257ff. (Lehrstuhlinhaber) und 273Ü (Nichtordinarien). Grundlegend Klaus Dieter Bock, Strukturgeschichte der Assistentur. Personalgefüge, Wert- und Zielvorstelhmgen in der deutschen Universität des 19, und 20, Jahrhunderts, Düsseldorf 1972. Vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. vollst, überarbeitete u. erhebl. erw. Aufl. 1986, S. 197, 202 und 208f.; zu Lehrfreiheit und Seibstverwaltung als Hauptelementen der deutschen Hochschulverfassung des 19. Jahrhunderts vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte EV, S. 930-933. 43

Der Hochschulverband als Standesorganisation ,ordentliche' wie Außerordentliche' Professoren Inhaber eines .Lehrstuhls' - verstanden als selbständige wissenschaftliche Facheinheit - sein konnten. Das ausschlaggebende Kriterium für die Zugehörigkeit zur Gesamtgruppe der ,Ordinarien', die nunmehr sowohl ordentliche wie außerordentliche Professoren umfaßte, war somit die dienstrechtliche Stellung als Lebenszeitbeamter auf einer planmäßigen Professorenstelle. Korporationsrechtlich allerdings blieb es bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Kern bei der Tradition der Ordinarien-Universität als einer oligarch! schen ,Gelehrtenrepublik'. Selbst innerhalb der Ordinariengruppe gab es Unterschiede ständischer Berechtigung, denn zum Dekan und zum Rektor waren in der Regel nur ordentliche Professoren wählbar. Auch hatten nicht an allen Hochschulen die außerordentlichen Professoren per se das Recht der Zugehörigkeit zur engeren Fakultät.16 Der gemeinhin unter der Bezeichnung ,Nichtordinarien' zusammengefaßten zweiten Gruppe des akademischen „Lehrkörpers im engeren Sinne" gehörten die Privatdozenten, die in Anerkennung ihrer ^ehrstuhlreife* zu Außerplanmäßigen' Professoren ernannten Privatdozenten und die Honorarprofessoren an. Die Letztgenannten brauchen in standespolitischer Hinsicht von uns nicht in Betracht gezogen zu werden, weil sie ihren beruflichen Mittelpunkt in der Regel außerhalb der Korporation der Hochschule hatten (und haben) und aufgrund einer spezifischen wissenschaftlich-praktischen Kompetenz durch Verleihung der persönlichen Professorentiiels ergänzend zur Abrundung des Lehrbetriebs an die Hochschule herangezogen werden. Ganz anders die Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren: Sie waren als .natürliches' Reservoir des Hochschullehrernachwuchses die Trägergruppe dessen, was in den fünfziger, sechziger und teilweise noch in den siebziger Jahren als .Nichtordinarienfrage' oder ,Nichtordinarienproblem' fester Bestandteil des Hochschulreformdiskurses gewesen ist. Und in der Tat war ein im Prinzip von allen Beteiligten anerkannter dringlicher Reformbedarf in der dienstrechtlichen und materiellen Stellung dieses Personenkreises gegeben. Die von Max Weber 1919 mit unüberbietbarer Prägnanz porträtierte historische Sozialfigur des ,echten', „im ganzen auf plutokratischen Voraussetzungen" basierenden, weil auf der Grundlage eines privaten Vermögens unentgeltlich seiner akademischen Lehr- und Forschungstätigkeit nachgehenden Privatdozenten 17 war schon nach dem Ersten Weltkrieg und der Großen Inflation zur Ausnahme geworden und gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg vollends der Ver16 17

Vgl. Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S, 235 und 257l Max Weber, Wissenschaft als Beruf (1917-1919), in: Max Weber-Gesamtausgabe, Bd, 17/1, hg. von Wolfgang J. Mommscn u.a., Tübingen 1992, S, 71-112, Zitat S. 72. - Grundlegend zur Rechts- und Sozialgeschichte dieser Figur Alexander Busch, Die Geschichte des Privatdozenten. Eine soziologische Studie zur großbetrieblichen Entwicklung der deutschen Universitäten, Stuttgart 1959. 44

Welchen Standes Organisation? gangenheit an.18 Längst war auch die korporationsoffiziell immer noch dominierende [dee, daß Forschung und Lehre an der Universität ausschließlich von den Lehrstuhlinhabern getragen würden, zur Fiktion und „der Privatdozent zum unentbehrlichen Funktionsträ'ger im Unterrichts- und Forschungsbetriebe" geworden.19 Da der wachsenden Zahl von Privatdozenten indes keine auch nur annähernd proportionale Zunahme der Lehrstühle gegenüberstand, die Wartezeiten sich damit verlängerten und die Berufungschancen sich verengten, so daß schon vor 1933 allenfalls ein Drittel der Habilitierten auf eine Berufung rechnen durfte und Max Weber das berühmte Wort vom Akademischen Hasard' prägen konnte20, stellte sich für den Personenkreis der , perennierenden' Privatdozenten in immer drängenderer Weise das Problem der materiellen Subsistenzsicherung. Der schon am Vorabend des Ersten Weltkriegs evident gewordenen Tatsache, daß sich bei der „zunehmenden Spezialisierung der Forschungsgebiete und Hilfsdiszipünen" ohne die Mitwirkung der Nichtordinarien „der Lehrbetrieb nirgends mehr im vollen Umfang der Gesamtwissenschaft aufrecht erhalten" ließ21, suchten Staat und Hochschulen notdürftig mit Stipendien, honorierten Lehraufträgen' und Assistentenremunerationen' Rechnung zu tragen.22 Erst die im Zusammenhang mit dem Reichshabilitationsgesetz von 1939 erlassene Diätenordnung schuf dann mit dem .Diätendozenten' eine eigene Stellenkategorie für Nichtordinarien.23 Neben anderen, behelfsweisen ,Auffangstellen' für Nichtordinarien24 bot die nach 18

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Vgl. jetzt die historisch-soziologische Untersuchung zur Professoren karri ere als „Risikopassage" von Martin Schmeiser, Akademischer Hasard, Das Berufsschicksal des Professors und das Schicksal der deutschen Universität 1870-1920, Stuttgart 1994. Alexander Busch, Stellenplan und Lehrkörperstruktur der Universitäten und Hochschulen in der Bundesrepublik und in Berlin (West) 1953/54 (= Untersuchungen zur Lage der deutschen Hochschullehrer, hg. von Helmuth Plessner, Bd. II}, Göttingen 1956, S. 34, Vgl. [o.V.] Thyssen, Zur Nichtordinarienfrage, in; MittHV Bd. l Nr. 4 (1951), S. 9-13; Weber, Wissenschaft als Beruf, S. 75. Rudolf Lehmann, Der gelehrte Unterricht bis zum Weltkrieg 1892-1914, in: Friedrich Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, 3., erw. Aufl. B erlin-Leipzig 1921, Bd. 2, Anhang, S. 693-797, Zitat S. 707. Busch, Stellenplan und Lehrkörperstruktur, S. 39. Diese Neuerung, die für den Kreis der Betroffenen immerhin eine deutliche sozialpolitische Verbesserung mit sich brachte, muS als Integrierender Teil nationalsozialistischer Hochschulpolitik gesehen werden: Mit der Trennung der facultas legendi, deren Feststellung per Habilitationsverfahren weiterhin den Fakultäten überlassen blieb, von der venia legendi, deren Verleihung durch den Staat den Status eines .Dozenten' begründete, führte das Reichshabilitationsgesetz zwischen Assistenten und Professoren eine fest umrissene Mittelgruppe von besoldeten Widerrufsbeamten in die Personalstruktur der Hochschulen ein und schuf damit die Voraussetzung für eine staatlich kontrollierte .Regellaufbahn' zum Professorenberuf; vgl. Thyssen, Zur Nichtordinarienfrage; Thieme, Deutsches Hochschulrecht (1956), S. 286f.; Gerth Dorff, Das Beamten- und Besoldungsrecht der Hochschullehrer, in: Im Dienste der deutschen Hochschullehrer. Der Hochschulverband unter Wilhelm Felgentraeger, Göttingen 1969, S. 55-145, hier S. 63f. Vgl. Busch, Stellenplan und Lehrkörperslruktur, S. 45-49.

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Der Hochschulverband als Standesorganisation dem Zweiten Weltkrieg besoldungsrechtlich aufrechterhaltene Institution des .Diätendozenten' immerhin ein Mindestmaß an materieller Absicherung, wenn auch nach wie vor keine der Qualifikation, der Tätigkeit und den lebensphasenspezifischen sozialen Bedürfnissen der Privatdozenten annähernd gerecht werdende Situierung. Der Diätendozent wurde zum Beamten auf Widerruf ernannt, mit dem prinzipiellen (in der Praxis allerdings wohl nur selten eintretenden) Risiko, jederzeit entlassen zu werden, und ohne Anspruch auf Alters- oder Hinterbliebenenversorgung. Das jährliche Endgrundgehalt des Dia ten dezenten blieb noch um fast ein Drittel hinter dem eines Studienrates zurück. Da Privatdozenten und außerplanmäßige Professoren infolge der so lautlos wie zuverlässig funktionierenden informellen Mechanismen der korporativen Binnenhierarchie in der Regel nicht in die Lage kamen, die besonders gut frequentierten und entsprechend kolleggeldlukrativen Hauptvorlesungen zu halten, bot sich ihnen auch von dieser Seite kaum die Möglichkeit, ihre finanzielle Situation spürbar zu verbessern.25 Dieser in seiner Gesamtheit unhaltbare, ja unwürdige Zustand sollte noch bis zu der im Zusammenhang mit dem Beamtenrechtsrahmengesetz seit 1957/58 ins Werk gesetzten Besoldungsreform fortdauern. Einige Zahlen aus einer 1951 erstellten Statistik mögen dies verdeutlichen: Nur 39% (815 Personen) der damaligen Nichtordinarien konnten sich als Diätendozenten oder Lehrbeauftragte ausschließlich ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit widmen, während 61% {1267 Personen) daneben Pflichten als Assistenten oder Institutsverwalter zu erfüllen hatten oder einem Beruf außerhalb der Universität nachgingen. Immerhin ein Viertel aller Nichtordinarien (477 Personen) lebte in unzureichenden wirtschaftlichen Verhältnissen; 185 von ihnen (9% der Nichtordinarien) erhielten nur Kolleggelder.26 Insgesamt waren an den wissenschaftlichen Hochschulen in Westdeutschland und Westberlin nach einer vom Hochschulverband durchgeführten statistischen Erhebung im Sommersemester 1951 1893 Lehrstuhlinhaber und 2082 Nichtordinarien tätig. Die Zahl der wissenschaftlichen (nichthabilitierten) Assistenten betrug 2662, Am Gesamtvolumen des Lehrangebots hatten die Lehrstuhlinhaber bei Vorlesungen einen Anteil von 9509 Stunden, bei Übungen von 4595, während die außerplanmäßigen Professoren und Dozenten 4841 Vorlesungsund 2398 Übungsstunden beitrugen.27 25

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Detailliert zur wirtschaftliehen Lage und zur Besoldung der Diätendozenten Kurt Goldammer, Die Nichtordinarienfrage in der Geschichte des Hochschul Verbandes, in: Im Dienste der deutschen Hochschullehrer, S. 147-170, besonders S. 152ff., sowie Wolf Bauerm eisler, Die Nichtordinarien, Untersuchung über Arbeitsbedingungen und Rechtsstellung der habilitierten Hochschullehrer ohne Lehrstuhl (= Schriften des Hochschul Verbandes. 23), Göttingen 1970. Wilhelm Felgentraeger, Zur Lage der Nichtordinarien, in: MittHV Bd. l Nr. 6 (1952), S. 3-14, hier S. 6. Vgl. ,Aus den Ergebnissen der vom Hochschulverband durchgeführten statistischen Erhebungen', in: MittHV Bd. l, Nr. 6 (1952), S. 26-32. 46

Welchen Standes Organisation?

Es ist eine bemerkenswerte Tatsache der Sozialgeschichte der deutschen Universität, daß seit Beginn des 20, Jahrhunderts der Anteil der Nichtordinarien an der Hochschullehrerschaft durchwegs deutlich größer war als der Anteil der planmäßigen (ordentlichen und außerordentlichen) Professoren. Während diese relativ konstant ein knappes Dritte] der Hochschullehrer ausmachten, ergeben sich für die Privatdozenten und apl, Professoren für 1910 59%, für 1931 49% und für 1953 immerhin noch 41 %.28 Doch obwohl die Nichtordinarien längst „eine selbständige Kategorie von Hochschullehrern mit eigenen, wenn auch im einzelnen schwer abgrenzbaren Aufgaben" darstellten29, blieben sie in ihrer korporationsrechtlichen Stellung bis weit in unseren Beobachtungszeitraum hinein in eklatanter Weise zurückgesetzt. Der strukturelle Wandel, den die Universität in personeller wie funktionaler Hinsicht auf ihrem Weg zum .Großbetrieb' seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchlief, fand keinen entsprechenden Niederschlag in der Universitätsverfassung. Die Korporation hielt am traditionellen, aber durch den Gang der Entwicklung obsolet gewordenen Machtmonopol der Ordinarien fest. Die Nichtordinarien blieben, ungeachtet ihrer tatsächlichen Bedeutung für die Forschungs- und Lehrleistung der Hochschulen von Selbstverwaltung und Selbstergänzung der Fakultäten ebenso wie von der Wahl der Dekane und Rektoren weitgehend ausgeschlossen,30 Die Fakultäten, „früher Kollegien gleichgestellter und gleichberechtigter Standesgenossen", waren so schon vor dem Ersten Weltkrieg zu „Oligarchien geworden, In denen eine bevorrechtigte Gruppe für und über eine größere Anzahl minder Berechtigter zu entscheiden" hatte.31 Nicht nur von der sich damals herausbildenden Nichtordinarien-Bewegung wurde daher die alte Vorstellung, „daß die Hochschule in personeller Hinsicht nur von den Lehrstuhlinhabem gebildet werde", mehr und mehr in Frage gestellt. Der erste deutsche Hochschullehrer-Tag von 1907 forderte in seiner abschließenden Resolution unter anderem auch, den außerordentlichen Professoren und Privatdozenten 38

29 30

31

Vgl. Rusch, Geschichte des Privatdozenten, S. 76, Tab: 4 und 5; die entsprechenden Zahlen der beamteten Professoren lauten für diese drei Stichjahre 32, 35 und 30%. Der relative Rückgang der ,klassischen' Nicht Ordinarien wurde kompensiert durch den deutlichen Anstieg des Anteils der Honorarprofessoren, Lektoren und Lehrbeauftragten von 9 (1910) über 16 (1931) auf 29% (1953). Etwas andere Zahlen nennt die in der vorstehenden Anmerkung zitierte Statistik des Hochschulverbandes. Danach kamen an den deutschen Universitäten auf jeweils 100 Lehretuhünhaber 1929 116 und 1951 120 Nichtordinarien. Felgentraeger, Zur Lage der Nichtordinarien [1952], Zitat S. 4f. Paulsen konstatierte noch um die Jahrhundertwende lakonisch, „die ordentlichen Professoren sind zugleich Träger der akademischen Selbstverwaltung, die ausserordentlichen haben weder an den Geschäften der Universität noch der Fakultät Anteil". Letzteres galt natürlich a fortiori für die Privatdozenten. Friedrich Paulsen, Die deutschen Universitäten und das Universitätsstudium, Berlin 1902, S. 96f. Lehmann, Der gelehrte Unterricht, S. 707f. 47

Der Hochschulverband als Standesorganisation

„die ihnen als Mitgliedern der Professorenkollegien [...] gebührende Stellung ohne Engherzigkeit einzuräumen" und sie „bei den allgemeinen Angelegenheiten des Lehrberufs in den Körperschaften der Hochschulen auf geordnetem Wege zu Gehör kommen zu lassen".32 Seit dem Ersten Weltkrieg setzten sich dann - nach preußischem Muster - „bestimmte Mitspracherechte der Nichtordinarien" durch Entsendung einer begrenzten Zahl von Vertretern in die Hochschulgremien durch. Die strukturelle Dominanz der Lehrstuhlinhaber und deren Monopol auf die korporativen Leitungsämter des Dekans und des Rektors wurde davon freilich nicht berührt, und so handelte es sich in der Tat allenfalls um Mitsprache -, nicht aber um Mitentscheidungsrechte, Damit ist der korporationsrechtliche Status der Nichtordinarien im wesentlichen auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg gekennzeichnet.53 Die Rechtslage war, solange die historisch gewachsene Formenund Normenvieifalt der Universitätsverfassungen nicht durch staatliche Rahmenregelungen gebändigt wurde, höchst uneinheitlich. Daß sie im Hochschulalltag zudem noch durch individuelle Abhängigkeiten der Nichtordinarien von Lehrstuhlinhabern, Instituts- oder Klinikchefs in vielfältiger Weise überlagert werden konnte, gehörte wohl zu den elementaren Sozialisationserfahrungen jeder nachrückenden Hochschullehrergeneration. Angesichts der skizzierten Statusdifferenzen wird ermeßbar, welche Herausforderung an die Integrationskraft des Verbandes die Bewahrung der Einheit der Hochschullehrerschaft in der Vertretung der Standesinteressen bedeutete. Auch der 1950 wiederbegründete Hochschulverband bildete in seiner Binnenstniktur die Asymmetrie zwischen denn beiden Statusgruppen ab. Ein Vorstoß von Nichtordinarienvertretern auf dem 1. Hochschulverbandstag 1951 in München, den Nichtordinarien in den Beschlußgremien des Verbandes „das gleiche Gewicht [zu geben] wie allen anderen Mitgliedern" (i.e. Rektoren und Ordinarienvertretem), drang nicht durch. Das von Rektorenseite vorgebrachte Argument, daß ,,jede institutionelle Verknüpfung des ,Hochschulverbandes' mit den Hochschulen" entfiele, wenn die Rektoren nur als Interessenvertreter der Ordinarien angesehen würden, hatte Gewicht. Der Antrag fand schließlich auch bei den Nichtordinarienvertretern keine Mehrheit.34 Erst 1964 sollte es den Nichtordinarien dann arn Ende eines langen Konfliktes um eine Neugestaltung der Verbandsverfassung gelingen, im Leitungsorgan die Parität zu erringen. 52

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34

Hans Gerber, Das Recht der wissenschaftlichen Hochschulen in der jüngsten Rechtsentwicklung, 2 Bde. Tübingen 1965, Bd. l, S. 138, und Bd, 2, S. 270, Anm. 83 und 84. Detaillierte Angaben über die nach dem Zweiten Weltkrieg an den westdeutschen Universitäten geltenden Regelungen ebda,, Bd. 2, S. 271 f., Anm. 85-87. ADHV/HVT 6, 19.5.1951, S. 11-16. Der Antrag auf Herstellung der Parität war von der Nichtordinariengruppe der Universität Frankfurt/M. unter Führung von Wolfgang Hartke gestellt worden. Für den Frankfurter Antrag stimmten nur vier der 26 anwesenden Nichtordinarien vertrete r. 48

Welchen Standes Organisation? Wenn wir fragen, wie es bis dahin möglich war, die polare Spannungslage zwischen den beiden Statusgruppen im Rahmen der Verbandspolitik ,auszuhalten', so finden wir die Antwort zum einen in der diplomatischen Verbandsführung Wilhelm Felgen traegers, der den Anliegen der Nichtordinarien durchwegs mit Aufgeschlossenheit und echtem Bemühen um Ausgleich gegenüberstand und sich mit konstantem Engagement für ihre Belange einsetzte; dazu gehörte verbandsintern auch, daß den Nichtordinarien mit ihren Landeskonventen, dem einmal jährlich im Rahmen des Hochschulverbandstages zusammentretenden (Bundes-) Konvent und dem ständigen Nichtordinarienausschuß Foren und Organe der Selbstverständigung und der Interessenartikulation zur Verfügung standen, mit denen sie anregend und fordernd auf die Politik des Verbandes einwirken konnten. Vor allem aber wird man in der Tatsache, daß die beiden Gruppen von Hochschullehrern bei allen Unterschieden der Situierung doch unter dem Dach eines gemeinsamen Verbandes zusammengehalten werden konnten, einen Beweis für die ungebrochene Geltung der überlieferten Standeslogik auch nach dem Zweiten Weltkrieg sehen dürfen. Nach wie vor sah offenbar die Mehrheit der Nichtordinarien ihren Status primär dadurch definiert, daß sie eben, wie die eigenartige Bezeichnung es ja deutlich genug zum Ausdruck brachte, nicht - besser: noch nicht - Ordinarien waren. Daraus folgte aber auch, daß sie ihre Standesinteressen nach wie vor im Fluchtpunkt der Statusexspektanz mit denen der Ordinarien konvergieren sahen. Solange die Nichtordinarien sich als Professuren-Nachwuchs verstehen und mit prinzipiell offener Individualperspektive hoffen konnten, irgendwann selbst die alles gewährende Position des Ordinarius zu erlangen - solange also das Nichtordinariendasein (aller statistischen Evidenz zum Trotz) nicht als definitive universitäre Funktionskategorie sui generis, sondern als, wenn auch harte und unter Umständen langdauernde, aber dank der erprobten korpororationsinternen Rekrutierungsmechanismen doch verläßlich zielführende Durchgangsphase zu dem mit allen traditionellen Privilegien ausgestatteten Ordinariat rationalisiert werden konnte, blieben die Nichtordinarien ,bei der Stange' und waren zu gemeinsamer Verteidigung der ordinariendominierten Korporation bereit. Im Zuge des bereits in den fünfziger Jahren einsetzenden Strukturwandels der westdeutschen Hochschulen erlitt freilich diese Erwartungsperspektive manche Krise der Erfüllungsgewißheit, was sich innerverbandlich dann auch in schärferer Akzentuierung gruppenspezifischer Interessenpositionen der Nichtordinarien niederschlug. Analoge Reaktionen lassen sich im übrigen auch bei den Lehrstuhlinhabem beobachten, etwa als schon zu Beginn der sechziger Jahre im Zuge einer Stillschweigenden', das heißt nicht voluntaristisch verfügten, sondern aus dem autonomen Prozeß gesellschaftlichen Wandels gleichsam , selbst' sich ergebenden Hochschulreform wichtige Traditionsbestände der alten deutschen Ordinarien 49

Der Hochschulverband als Standesorganisation

Universität - zum Teil unter Mitwirkung der für sachgemäße Reformen durchaus aufgeschlossenen Führung des Hochschulverbandes - zur Disposition gestellt wurden. So rief beispielsweise die vom Hochschulverband selbst initiierte Umgestaltung des Kolleggeidsystems35, bei der in der Praxis dann allerdings zentrale Forderungen des Verbandes durch die staatliche Hochschulpolitik unberücksichtigt blieben, innerhalb der Standesorganisation eine regelrechte Ordinarienfronde auf den Plan. Diese konnte zwar isoliert und abgewehrt werden, doch stürzte, wie noch zu zeigen sein wird, allein die Manifestation des Dissenses den Verband in die schwerste Führungs- und Legitimationskrise seit seiner Gründung. 2. Aufbau und Ausbau: Verfassung und Organisation des Hochschulverbandes in der Ära Felgentraeger Wie schon die Inititiative zur Gründung des Hochschulverbandes , oben', nämlich von der Rektorenkonferenz und nicht von einer Basisbewegung der Hochschullehrer ausgegangen war, so erfolgte auch der Aufbau der Verbandsstruktur gleichsam vom Kopfe her. Der Vorsitzende und die Geschäftsstelle waren - ergänzt durch den Vorstand - der Kern, das aktive, leitende und gestaltende Zentrum des Verbandes, das 1950 gleichsam ,aus dem Stand' in Funktion trat Den Verband auch an der ,Peripherie* der einzelnen Hochschulen organisatorisch präsent zu machen, stieß demgegenüber auf mannigfache und anhaltende Schwierigkeiten. Die Konstituierung der lokalen Hochschulverbandsgruppen durch Wahlakt in allgemeinen Dozentenversammlungen ging vielerorts nur zögernd vonstatten. Zwei Jahre nach der Gründung des Verbandes beklagte Felgentraeger im Vorstand, „daß die Hochschulverbandsgruppen entweder nicht oder schlecht organisiert seien".36 Die Ordinarien, die in den Verfassungsorganen der Hochschulen ihren Einfluß dominierend zur Geltung bringen konnten, hatten offenbar nur begrenztes Interesse an verbandlicher Organisation auf dieser Ebene. Größer war hier aus naheliegenden Gründen das Engagement der Nichtordinarien. Ihnen konnte der Hochschulverband mit seinen Gliederungen einen gewissen Ausgleich bieten für ihre institutionell schwache Stellung in der Universität. Von den Vertretungsorganen der Nichtordinarien gingen daher immer wieder belebende Impulse auf die Verbandspolitik aus. Davon wird an anderer Stelle ausführlicher zu handeln sein. Insgesamt aber blieb der Hochschulverband noch lange eine Organisation ohne eigentlichen Unterbau.37 Diese Einschätzung gilt 35

Vgl. Kap, HI/3.

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ADHV/P 7, 12.7.1952, S. 3.

37

Felgentraeger sprach dieses Problem mit bemerkenswerter Offenheit in seinem Rückblick auf die ersten zehn Jahre des Hochschulverbandes 1960 an: „An den einzelnen Hochschulen haben sich 50

Aufbau und Ausbau ungeachtet häufig wiederkehrender Erfolgsmeldungen des Vorsitzenden, wonach der Verband schon in den ersten Jahren seines Bestehens den hohen Organisationsgrad von 70 Prozent der für die Mitgliedschaft in Frage kommenden westdeutschen Hochschullehrer erreichte.38 Angesichts der Tatsache, daß es bis zur Satzungsänderung von 1 64 keine individuelle Mitgliedschaft gab, haben solche Zahlenangaben nur beschränkte Aussagekraft bezüglich der Motivation und Mobilisierung der Klientel. Gelegentlich im Vorstand artikulierte Besorgnisse über die an manchen Hochschulen zu beobachtende „Abneigung" und „Gleichgültigkeit" gegenüber der Arbeit des Hochschulverbandes deuten auf eine eher verhaltene Resonanz an der Basis hin.39 Bis in die sechziger Jahre hinein bestand zudem die kuriose Situation, daß der Hochschulverband über keine zentrale Mitgliederkartei verfügte. Die Einrichtung eines solchen, für jede effiziente Verbandsorganisation unabdingbaren Instruments wurde zwar über viele Jahre hin gerade von den Vertretern der Nichtordinarien immer wieder gefordert40; in Angriff genommen wurde sie erst, als die Universitätskassen die Beitragseinziehung für den Verband zunehmend verweigerten und auch ehrenamtliche Helfer in den Hochschul Verbandsgruppen dafür kaum noch zu gewinnen waren.41 In der Summe können die Akten und Gremienprotokolle nur das Urteil bestätigen, das ein ebenso kritischer wie kundiger Insider im Rückblick auf die ersten beiden Jahrzehnte über Organisationsstruktur und Funktionsweise des Hochschulverbandes fällte: „Die Organisation des Hochschulverbandes beruhte auf der starken Stellung seines Vorsitzenden. [...] Die Hochschulen - oder wie sie in der Satzung genannt wurden - Hochschulverbandsgruppen entfalteten kein eigentliches Leben. [...] Eine eigentliche Willensbildung kam in den Hochschulverbandsgruppen nur ganz selten zustande."42 Gerth Dorff, Geschäftsführer des Hochschulverbandes

38

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wohl durchweg nur die Nichtordinarien zu einer gemeinsamen Mitarbeit im Hochschul verband zusammengeschlossen, während die Lehrstuhlinhaber durch ihre Zusammenarbeit in den Fakultäten und im Senat ihre gemeinsamen Anliegen hinreichend gewahrt wissen. Aus diesem Grunde sind auch die organisatorischen Vorstellungen, die bei der Gründung des Hochschulvcrbandes hinsichtlich des Aufbaues der Hochschulverbandsgruppen bestanden, nur zu einem Teil erfüllt worden," Wilhelm Felgentrager, Zum 10. H och seh u l Verbands tag, in: MittHV Bd. 8 Nr. 3/4 (I960), S. 69-77, Zit. S. 74. Zwei Jahre später wiederholte Pelgentraeger im Vorstand seine KJage über das Desinteresse der Ordinarien an örtlicher Verbandsarbeit, vgl. ADHV/P40, 27.1.1962, S. 7f. Einer Übersicht zum Stichtag 31.10.1951 zufolge gehörten von den insgesamt 2015 Lehrstuhlinhabern an den 16 Universitäten, acht Technischen Hochschulen und acht sonstigen Hochschulen, die im Hochschulverband vertreten waren, 1595 dem Hochschulverband an, was einen Organisationsgrad von 79% ergibt. Die entsprechenden Zahlen für die Nichtordinarien lauten: Von 2605 waren 1569 Mitglied im Verband (60%); vgl. MittHV Bd. l Nr. 5 (1951), S. 28. Vorstandsitzungen vom 6.7.1951 und 20.11.1954, ADHV7P4, S. 4, und ADHWP 15, S. 3. Vgl. ADHV/P 20, 24.11.1956, S. 5f. Vgl. die Vorstandssitzungen vom 14.5.1960 and 11.5.1963, ADHV/P33, S. 24, und P 47, S. 20. Werner Thieme, Die Entwicklung des Hochschulverbandes, in: !m Dienste der deutschen Hochschullehrer, S. 13-25, hier S. 15. 51

Der Hochschulverband als Standesorganisation

von 1957 bis 1990, spitzt diesen Befund sogar noch zu : Eine .Basis' im Sinne demokratischer Selbstorganisation habe zunächst „überhaupt nicht existiert". Die Mitgliedschaft im Verband sei in der Praxis nicht durch aktive Beitrittsdeklaration zustandegekommen, sondern habe sich als „eine Art freiwillige Zwangsmitgliedschaft" aus der Zugehörigkeit zur akademischen Korporation mehr oder weniger von selbst ergeben,43 Die in der Tat zentrale Bedeutung des Vorsitzenden, für den 1956 auf Beschluß des Vorstandes die Bezeichnung .Präsident' eingeführt wurde44, war indes nicht nur durch seine solitäre Stellung in einer Organisationsstruktur ohne Breitenfundament bedingt. Sie verdankte sich in besonderem Maße der persönlichen Prägung und Ausgestaltung dieses Amts durch Wilhelm Felgentraeger. Man wird ohne Übertreibung feststellen können, daß er im Hochschulverband sein Lebenswerk sah, hinter das auch die eigenen wissenschaftlichen Pläne zurücktraten. Mit unermüdlichem Engagement und der ausgeprägten Kommunikationskompetenz, die ihn auszeichnete, verfolgte er die hochschul- und standespolitischen Anliegen des Verbandes ebenso beharrlich wie verbindlich durch ständigen persönlichen Kontakt mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz, der Kultusministerkonferenz, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Wissenschaftsrat und anderen Organisationen der Wissenschaftsförderung wie dem DAAD, der Max-PlanckGesellschaft und den großen Stiftungen, den Hochschulverwaltungen der Länder, den hochschulpolitischen Experten der Fraktionen der Unionsparteien, der SPD und der FDP im Bundestag wie in den Landtagen und durch Teilnahme an hochschulpolitischen Ausschüssen und Gesprächskreisen aller Art. Diese Form der gleichsam präventiven Kontaktpflege und des intensiven, aber diskreten Lobbying war nicht nur enorm zeitaufwendig, sondern bedingte vor allem auch unablässiges Umherreisen von dem in der bildungspolitischen Topographie der Bundesrepublik einigermaßen peripher gelegenen Verbandssitz Hamburg aus. Allein in den drei Monaten zwischen der 40. Vorstandsitzung am 27.1.1962 und der 41. am 5.5.1962 absolvierte Felgentraeger, um nur eine, keineswegs aus dem Rahmen des Üblichen fallende Beispielszahl zu nennen, 25 Reisen im Dienste des Hochschulverbandes.45 Neben diesen der Pflege der Außenbeziehungen dienenden Aktivitäten nützte Felgentraeger auch jede Gelegenheit, um im persönlichen Gespräch mit einzelnen Hochschulverbandsgruppen und den Gliederungen der Nichtordinarien die allzeit prekäre Integration der unterschiedlichen Positionen und Interessen inner43

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Interview Gerth Dorff vom 20.9.1999. Felgentraeger hat taut Dorff- und die Gremienprotokulie bestätigen diesen Eindruck - bewußt keine Mitgliederkartei anlegen lassen, um diese sehr an eine Standeskammer erinnernden Realverhältnisse möglichst gar nicht zur Diskussion zu stellen. Vgl. ADHV/P 19 vom 26,5,1956, S. 14. Vgl. ADHV/P 41 vom 5.5.1962, TOP 2: Bericht des Präsidenten,

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Aufbau und Ausbau halb des Verbandes abzusichern, In der besonders kritischen Situation des Jahres 1964 etwa unterzog er sich der Mühe einer „Vortragsrcisc" zu einzelnen Universitäten, die den Zweck hatte, „dem Lehrkörper über die Ziele und Wege des Hochschulverbandes zu berichten".46 Ein plastisches Bild von Felgentraegers dichtgepacktem Arbeitsalltag (aber auch von der Verbindlichkeit seines , Führungssiils'} vermag folgende Passage aus einem Brief Dorffs an ein Vorstandsmitglied zu vermitteln: „Da Herr Professor Felgentrager vorgestern Referendarprüfungen abzuhalten hatte, gestern zu Herrn Kultusminister Voigt nach Hannover reisen musste, heute nach seiner Vorlesung nach Düsseldorf zu Herrn Ministerialdirigenten Professor Dr. Wegener fährt und morgen vormittag in Bad Godesberg an einer Sitzung des Länderausschusses der Westdeutschen Rektorenkonferenz teilnimmt, morgen nachmittag schon wieder in Frankfurt bei der Hochschulrechtskommission der Westdeutschen Rektoren k onferenz zugegen sein muss, dann in der Nacht zurückfährt, um am Samstag seinen 64. Geburtstag zu begehen, ist er leider jetzt nicht in der Lage, Ihnen persönlich zu antworten, sondern musste mich darum bitten, nachdem wir Ihr Schreiben besprochen haben."47 Die strukturellen Eigentümlichkeiten der Verbandsorganisation und die ungebremste persönliche Einsatzbereitschaft Felgentraegers mußten angesichts des wachsenden hochschulpolitischen Handlungsbedarfs in den Jahren der Rekonstruktion und dann der beginnenden Expansion des westdeutschen Hochschulwesens zu einer chronischen Überlastung des Präsidenten führen. Gesundheitliche Probleme, die ihn zu wiederholten längeren Krankenhaus- und Kuraufenthalten zwangen, ließen Felgentrager bei aller unbedingten Identifikation mit dem Hochschulverband bereits 1956 erstmals den Wunsch äußern, das Amt des Vorsitzenden abzugeben.48 Das damit aufgeworfene Nachfolgeproblem machte nur um so deutlicher, wie eng die Existenz des Verbandes mit der Person des Präsidenten - und zurnal dieses Präsidenten - verbunden war. Der Kreis möglicher Kandidaten für seine Nachfolge war naturgemäß begrenzt, zumal sich im Vorstand die Auffassung durchsetzte, daß angesichts der Aufgabenstellung nur ein Jurist für das Amt in Frage käme.49 Auch die Tatsache, daß die Geschäftsstelle inzwischen in Hamburg fest etabliert war, engte die Möglichkeiten faktisch ein. Bei wem in dieser Situation das Nominationsrecht lag, war in der Satzung ebensowenig geregelt wie das Auswahlverfahren selbst. So fiel die ausschlaggebende Rolle bei der Suche eines

"' 47 48 49

Diese Tour wurde am 15. Februar in Heidelberg begonnen und am 17. Februar in Münster, am 19. in Mainz und am 21. in Aachen fortgesetzt; vgl. ADHV/P 51 vom 8.5.1964, S. 4, Dorff an Gerhard Funke, 17.1.1963, 380/17, fol. 141. Vgl. ADHV/HVT6, 23.6.1956, S. 5. Vgl. ADHV/P 19, 26.5.1956, ADHV/P 20, 24.11.1956, und ADHV/P 21, 23.2.1957. Mit besonderem Nachdruck wurde der Juristenvorbehalt vom 2. Vorsitzenden Strugger vertreten.

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Der Hochschulverband als Standesorganisation Nachfolgers dem stellvertretenden Vorsitzenden Strugger von der Universität Münster zu, dem auch die Leitung einer vom Hochschulverbandstag 1956 eigens eingesetzten Findekommission übertragen wurde.50 Aber weder dem Vorstand noch dieser Kommission gelang es bis zum folgenden Hochschulverbandstag, einen Nachfolger zu präsentieren. „Alle befragten Kandidaten hätten sich", wie Strugger der Versammlung berichten mußte, „angesichts des Umfanges der Arbeit im Hochschulverband und ihrer eigenen sonstigen Verpflichtungen versagt."51 Felgentraeger fand sich angesichts dieser Notlage 1957 zunächst noch für ein Jahr zur interimistischen Weiterführung des Vorsitzes bereit, ließ sich aber, als ein Jahr später immer noch kein Nachfolger in Sicht war, doch bewegen, die Aufgabe weiterzuführen. Daß sich mittlerweile sein Gesundheitszustand wieder gebessert hatte, erleichterte ihm diese Entscheidung. 52 Wir haben von diesen Vorgängen an dieser Stelle etwas ausführlicher gehandelt, weil die hier zutage getretene Verlegenheit des Verbandes sich periodisch wiederholte. Regelmäßig zum Ende seiner zweijährigen Wahlperiode stellte Felgentraeger sein Amt zur Verfügung, um es dann nach erwiesener Unmöglichkeit, einen passenden Nachfolger zu finden, doch wieder weiterführen zu müssen. Auch die Einschaltung der Westdeutschen Rektorenkonferenz und anderer großer Wissenschaftsorganisationen bei der Nachfolgersuche konnte hieran nichts bessern. Erst die 1967 anstehende Emeritierung Felgentraegers machte dieser Praxis der Problemverschiebung ein Ende. Auf dem Hochschulverbandstag von 1967 gelang es schließlich - wenn auch erst für die 1969 beginnende Amtsperiode -, in dem Erlanger Ordinarius Karl-Heinz Schwab einen neuen Präsidenten zu gewinnen.53 Dessen verzögerter Amtsantritt und nur einjährige Amtsdauer erwiesen allerdings ebenso wie die kurzen Präsidentschaften seiner Nachfolger Thomas Finkenstaedt und Dieter Grosser, daß damit das leidige Problem noch immer nicht aus der Welt geschafft war. Eine Organisation, die ihre politischen Handlungsfunktionen so weitgehend in der Person des Vorsitzenden zentriert, bedarf in besonderem Maße einer schlagkräftigen, die Spitze professionell unterstützenden Schaltstelle. Auch fach5Ü

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Siegfried Strugger, geh 1906, PD Jena Univ. 1935-39, Dir. des Botan, Inst der TH Hannover 1939—48, seit 1948 o Prof. für Botanik und Mikrobiologie an der Univ. Münster, - Aufschlußreich für die informellen Mechanismen der nicht ohne Spannungen verlaufenden Kandidatensuche ist der Briefwechsel zwischen Strugger und dem Bonner Prorektor Hans Braun, der von der NichtOrdinariengruppe seiner Universität als Nachfolger Felgentraegers vorgeschlagen worden war, Februar/März 1957, 380/15, fol. 1-4, Zur Zusammensetzung und Aufgabenstellung der Findekommission vgl. ADHV/HVT6, 23.6.1956, S. 8f. ADHV/HVT 7, 25.5,1957, S. 15f. und 19f. Vgl. ADHV/HVT 8, S. 8f. Vgl. ADHV/HVT 17, 1.7.1967, S. 3f. und S. 14f. 54

Aufbau und Ausbau spezifische Beratung und Serviceleistungen für die Mitglieder, die neben der standespolitischen Interessenvertretung den zweiten Auf gaben Schwerpunkt des Hochschulverbandes bildeten, lassen die Institutionalisierung eines operativen Apparats unabdingbar erscheinen. Von einer solchen, organisationstheoretisch zu erwartenden Entwicklung waren indes in den ersten Jahren des Hochschulverbandes allenfalls Ansätze zu vermerken. Die Geschäftsstelle begann ihr Dasein in mietfreier Unterbringung am Lehrstuhl Felgentraegers im Rechtshaus der Hamburger Universität mit einem promovierten Juristen als Geschäftsführer und einer Sekretärin. Nach dem Ausscheiden dieses ersten Leiters der Geschäftsstelle 1952 gelang es Felgeniraeger, für diese Funktion Werner Thieme zu gewinnen, den er „schon aus Göttingen und als Doktorand von Professor Werner Weber" kannte.5"1 Thieme, der sich in der Folgezeit auch wissenschaftlich intensiv mit Fragen des Hochschulrechts beschäftigte55, war an der Spitze der Geschäftsstelle bis zu seiner Berufung auf einen Lehrstuhl an der Universität Saarbrücken im Jahre 1956 nicht nur organisatorisch, sondern auch politisch-konzeptionell eine wichtige Stütze für den in dieser Phase gesundheitlich labilen Felgentraeger. Zu Thiemes Entlastung wurde 1954 ein zweiter Jurist (und in Zusammenhang damit auch eine zweite Sekretärin) eingestellt, nachdem Felgentraeger sich zwischenzeitlich mit dem Gedanken getragen hatte, zur Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit die Geschäftsstelle durch einen publizistisch versierten Mitarbeiter zu verstärken.36 Die Geschäftstätigkeit des Hochschulverbandes hatte nunmehr, bedingt auch durch die allgemeine hochschulpolitische Entwicklung, einen Umfang erreicht, der die Fortsetzung der Arbeit in den Lehrstuhlräumen Felgentraegers („seinem mit drei Personen besetzten Zimmer und einem mit zwei Personen besetzten Büchermagazin"} nicht länger zuträglich erscheinen ließ. Felgentraeger beabsichtigte daher schon Anfang 1957, in Hamburg eine Wohnung anzumieten, die nicht nur der Geschäftsstelle hinreichend Raum bieten, sondern auch der privaten Unterbringung des Geschäftsführers dienen konnte. Felgentraeger hatte für die Einrichtung neuer Räume vorn Stifterverband eine Zuwendung in Höhe von 10.000,- Mark erhalten, und auch die „laufenden Gesamtkosten" von 54

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ADHV/P 7, 12.7.1952, S. 2. Mit Werner Weber, der nach einer herausragenden Dissertation bei Carl Schmitt seine Karriere im Preußischen Kultusministerium begonnen hatte und von dort in das Reichswissenschaftsministerium Bernhard Rust gelangt war, verband Felgentraeger auch die gemeinsame 7.eit ais Klassensekretär der Akademie für Deutsches Recht. Für den größten Teil der fünfziger Jahre kann man in Weber geradezu den hochschulrechtlichen und verbandspolitischen Mentor Felgentraegers sehen; weiteres s.u. Kap. /3. Neben zahlreichen Artikeln zu Einzelfragen des Hochschul- und Hochschullehrerrechts in den .Mitteilungen des Hochschulverbandes' vgl. v.a. die grundlegende Bestandsaufnahme von Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, (1956, 21986). Vgl- ADHV/P 9, 10.5.1953, ADHV/P 10, 27.6.1953, ADHV/P 11, 21.11.1953 und ADHV/P 13, 15.5.1954.

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Der Hochschulverband als Standesorganisation

4.700.- Mark jährlich waren „durch neubeschaffte Zuschüsse von dritter Seite" gedeckt.57 Der Umzug des Verbandes in eigene Geschäftsräume verzögerte sich dennoch urn weitere zwei Jahre. Der wesentliche Grund dafür lag in einer akuten Organisations- und Führungskrise, die 1957 aufbrach und im Vorstand zu grundsätzlichen Erörterungen über eine Umbildung der Verbandsspitze Anlaß gab. Die ungeklärte Frage der Nachfolge Felgentraegers, das gleichzeitige Ausscheiden Thiemes als Geschäftsführer, der einem Ruf auf einen Lehrstuhl an der Universität Saarbrücken folgte, und die faktische Vakanz dieser Funktion, als zwei Nachfolger Thiemes nach nur wenigen Monaten ebenfalls die Geschäftsstelle verließen, führten dazu, daß sich die Geschäftsstelle im Frühsommer 1957, wie der Präsident rückblickend einräumte, „praktisch aufgelöst" hatte. Felgentraeger konnte zwar mit der Einstellung des jungen Hamburger Rechtsanwalts Gerth Dorff58 für die Leitung der Geschäftsstelle einen Mann gewinnen, der mit seiner organisatorischen und hochschulpolitischen Kompetenz, wie sich dann zeigen sollte, zur tragenden Stütze und zum Garanten der Stetigkeit der Verbandsgeschäfte wurde.59 Zunächst aber nahmen vor allem die Nichtordinarienvertreter im Vorstand die krisenhafte Situation zum Anlaß für eine Grundsatzdiskussion über die Reorganisation der Verbandsspitze, die sich über fast zwei Jahre hinzog. Im Interesse der - auch von Felgentraeger selbst gewünschten - Entlastung des Präsidenten wurde die Dezentralisierung der Verbandsarbeit vorgeschlagen. Dem Präsidenten sollten vornehmlich die repräsentativen Aufgaben vorbehalten werden, während eine in Bonn neu einzurichtende, verkleinerte Geschäftsstelle gewissermaßen die Stabsaufgaben erledigen sollte. Daneben würden zwei Vizepräsidenten, jeder mit " ADHV/P 2i, 23.2,1957, S, 9-13. Felgentraeger erhielt vom Stifterverband regelmäßig Spenden in Höhe von 10.000.- bis 15.000.- Mark pro Jahr, die ihm als persönlicher Dispositionsfonds zur Verfügung standen. Dieser „Präsidialfonds" wurde bis 1969 fortgeführt. Die Spende für die Einrichtung einer neuen Geschäftsstelle wurde 1957 zusätzlich zu der jährlichen Zuwendung gegeben; vgl. ADHV/HVT7, 25.5,1957, S, 2. Die Beziehungen zwischen dem Hochschulverband und dem Stifterverband, die vor allem unter der Geschäftsführung Ferdinand Ernst Nords 1950—65 sehr eng waren, sind dokumentiert in BA B 380/234 u. B 380/235. 58 Gerth Dorff, geb. 1925 in Coburg, Sohn eines Rittergutsbesitzers und Immobilienmaklers; Besuch des Gymnasiums in Wandsbek; nach Kriegsteilnahme und Kriegsgefangenschaft ab 1948 Studium der Jurisprudenz an der Univ. Harnburg; nach beiden Jurist. Staatsprüfungen 1952 und 1955 Tätigkeit als Rechtsanwalt; Proin. 1956; ab 1.9.1957 Geschäftsführer des Hochschul Verbandes (bis 1990). Dorff s Einfluß auf Profil und Politik des Hochschulverbandes über mehr als dreißig Jahre ist schwerlich zu überschätzen. Einen Eindruck von der Persönlichkeit dieses Mannes vermittelt die von selbstbewußtem Witz geprägte Erwiderung Dorffs auf die ihm anläßlich seines 25jährigen Dienstjubiläums 1986 gewidmete Laudatio des Hochschulverbandsprasidenten Schiedermai r, beide abgedruckt in: MittHV Rd. 31 Nr. l (1983), S. 47-51. Eine Auswahl aus der großen Zahl von Publikationen Dorffs zu Fragen des Hochschul- und Hochschullehrerrechts bietet Gerth Dorff, Hochschulpolitik und Hochschulrecht. Gesammelte Schriften, Kehl a. Rh. u.a. 1985. 59 Bericht Felgentraegers in der Vorstands sitz u ng vom 2.11.1957, ADHV/P 23, S. 3.

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Aufbau und Ausbau einer Schreibkraft ausgestattet, bestimmte Sachbereiche federführend übernehmen. Schließlich sollte nach diesen Überlegungen die Position des Nichtordinarienausschusses dadurch gestärkt werden, daß er die ihn betreffenden Fragen mit Hilfe einer eigenen Schreibkraft und eines Rechtsberaters selbständig vom Sitz seines Vorsitzenden (zu jener Zeit Privatdozent Meinicke, München) aus erledigen konnte. Die argumentativ zwar defensive, aber im Kern doch unverkennbar ablehnende Reaktion Felgentraegers auf diese Vorschläge machte deutlich, daß er nicht gewillt war, sich die zentrale Leitung des Hochschulverbandes aus der Hand nehmen zu lassen.60 Insbesondere einer Verlegung der Geschäftsstelle nach Bonn setzte er zähen Widerstand entgegen.61 Obgleich es für eine institutionelle Präsenz des Verbandes am Sitz der Bundesregierung und vieler bedeutender Wissenschaftsorganisationen triftige Argumente gab, deren Gewicht in den kommenden Jahren eher noch wuchs, konnte dieser Schritt erst zum Ende der Ära Felgentraeger vollzogen werden. In der Krise des Jahres 1957 jedenfalls gelang es dem Präsidenten mit Hilfe des neuen Geschäftsführers Dorff, die operative Situation wieder zu konsolidieren und die Grundsatzfrage der Reorganisation, unterstützt von dem eilends in den Vorstand kooptierten Thieme und anderen Ordinarienvertretern, zunächst offenzuhalten und dann, als die Hamburger Universität immer nachdrücklicher auf die Unhaltbarkeit der Unterbringung im Rechtshaus hinwies, durch die Anmietung eigener Geschäftsräume für die Geschäftsstelle in der Hamburger Dammtorstraße Anfang 1959 in seinem Sinne zu fixieren.62 Unter der professionellen Leitung Dorff s konnte die Geschäftsstelle zwar erheblich an funktioneller Effizienz gewinnen und mit Zustimmung des Vorstandes auch personell in gewissem Umfang ausgebaut werden. 1962 wurde infolge der fortgesetzten Ausdehnung des Aufgabenbereichs - nicht zuletzt durch die von der WRK gewünschte Übernahme der Betreuung der aus der DDR geflohenen Wissenschaftler - eine Erweiterung der Geschäftsstelle durch Anmietung einer zusätzlichen Etage im Haus Dammtorstraße 20 erforderlich. Die Geschäftsstelle verfügte nunmehr über sieben Räume und war mit zwei Geschäftsführern, vier Schreibkräften und einer Buchhalterin besetzt.63 Nach wie vor aber war der personelle 60

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Eine ausführliche Darlegung der unterschiedlichen Positionen findet sich in ADHV/P 22, 22.6.1957, Als Zugeständnis gegenüber den weitergehenden Reorganisationsforderungen der Nichtordinarien wurde immerhin in München ein kleines Büro unter dem Vorsitzenden des Nichtordinarienausschusses mit einem Rechtsberater und einer Schreibkraft installiert. Dadurch sei, wie Felgentraeger dem Hochschulverbandstag 1958 mit unverkennbar skeptischem Unterton berichtete, „eine gewisse Dezentralisation erfolgt, wobei jedoch die Gefahr eines Auseinanderlebens bisher vermieden worden sei"; ADHV/HVT8, 28.6,1958, S, If, Vgl. ADHV/P 28, 3,3.1959, S. 6ff. Vgl. ADHV/P 41, 5.5.1962, S. 8f. und ADHV/P 42, 22,6.1962, S. 3. 57

Der Hochschulverband als Standesorganisation und materielle Aufwand, gemessen an der Fülle und Komplexität der Aufgaben, ausgesprochen bescheiden, und diese Bescheidenheit entsprach auch einem bewußt gepflegten Ideal hausväterlicher Sparsamkeit64, das seine Wurzeln in weit zurückreichenden mentalen Traditionshaltungen eines selbstgenügsamen, jede bürokratische , Überorganisation' ablehnenden, alt-bildungsbürgerlichen Gelehrtenstandes gerne und bekenntnishaft offenlegte.65 Es war ein wohlwollend-kritischer Beobachter von außen, der damals Zweifel artikulierte, ob ein solcher Minimalismus angesichts der enorm gestiegenen Anforderungen an moderne Verbandspolitik noch zeitgemäß sei, und daran die spöttische Frage knüpfte, wen wohl ein Verband beeindrucken könne, „der Parkinsons Gesetz derart verhöhnt",66 Aber auch der gewiß nicht zu Verzagtheit neigende Geschäftsführer Dorff sah sich genötigt, die operative Linie des Hochschulverbandes im Vorstand grundsätzlich in Frage zu stellen, als die massive Legitimationskrise, die 1962 im Zusammenhang mit der vom Hochschulverband befürworteten Besoldungs- und Kolleggeldreform aufbrach, die Verbandsspitze wiederum gänzlich unvorbereitet traf: Die Geschäftsstelle, „vor allem aber er selbst als verantwortlicher Geschäftsführer, seien nun schon seit Jahren in einer Weise belastet, dass man sich fragen müsse, wie es weitergehen solle. Der Hochschulverband sei ursprünglich als eine kleine Organisation zur gegenseitigen kollegialen Hilfe gegründet worden. Inzwischen habe sich daraus eine Institution mit festen und ständig wachsenden Aufgaben entwickelt, die andernorts ein ganzes Ministerium oder Verwaltungsstellen dieser Rangordnung bewältigten. [...] Über einige Sofortmaßnahmen hinaus, wie Vermehrung des Personals der Geschäftsstelle, müsse sich der Vorstand einmal grundsätzlich über die Entwicklung klar werden, die der Verband jetzt nehmen solle."67 Eine maßvolle Verbesserung der personellen Ausstattung der Geschäftsstelle wurde zwar bewilligt68, die strukturellen Probleme der Verbandsorganisation, die sich mit der prekären Frage der internen Gewich64

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So bekannte sich Felgentraeger in seinem Beitrag ,Zum 10. Hochschulverbandstag' ausdrücklich zu dieser Einstellung, aus der sich „die bescheidenen Mitgliedsbeiträge, die Sparsamkeit bei allen Ausgaben, die Kleinheit unserer Geschäftsstelle, die Vermeidung jeglicher Repräsentation und das Mindestmaß an organisatorischen Festlegungen" erklärten; MittHV Bd. 8 Nr, 3/4 (I960), S. 76. Sehr sprechend hierfür die nostalgisch-verklärende Reminiszenz von Justus Wilhelm Hedemann, Der Verband der Deutschen Hochschulen 1920/1933, in: MittHV Bd. 2 Nr. 2 (1953), S. 1-5, wo es über die Organisation, „die heute allerorten zur Überorganisation angeschwollen ist", heißt: „Schon damals wurde sie beklagt, der Verband hat sie mit besten Kräften bekämpft, in seinem Innern wie nach außen." S. 2. So der spätere SPIEGEL-Journalist Gerhard Mauz in seinem Bericht über den 12. Hochschulverbandtag t962, .Sorgen des Hochschulverbandes. Mit halben Lösungen ist niemandem ein Dienst getan', in; DIE WELT Nr. 160; 12.7.1962. ADHV/P 45, 26. l. 1963, S. 3 If. Vgl. ADHV/P 47, 11.5.1963, S. 3. 58

Aufbau und Ausbau

tung von Ordinarien- und Nichtordiarieninteressen überschnitten, blieben indes weiterhin ungelöst. Die Auseinandersetzungen darüber verlagerten sich aber auf eine andere Ebene und fanden im langjährigen Ringen um eine Neufassung der Satzung des Hochschulverbandes ihren Niederschlag. Wesentliche Anstöße, die Leitungsstrukturen des Verbandes zu straffen und zugleich die alleinige Zentrierung auf die Person des Präsidenten zu relativieren, gingen von Werner Thieme aus. In derselben Vorstandssitzung, in der Felgentraeger die Belassung der Geschäftsstelle in Hamburg - und damit letztlich die Perpetuierung des status quo - zugestanden wurde, regte Thieme eine Reform des Verbandes gleichsam ,an Haupt und Gliedern' an. Es müsse, so forderte er, „ein kleineres Organ als der jetzige Vorstand" geschaffen werden, da dieser ,,kein echtes Führungsorgan sei". Das neue kompakte Leitungsorgan sollte nur aus dem Präsidenten, den beiden Vizepräsidenten und dem Vorsitzenden des Nichtordinarienausschusses bestehen. Ergänzend hierzu wollte Thieme die Verbandstätigkeit auf Landesebene intensiviert sehen und zu diesem Zweck die Arbeit der Landesverbände in der Satzung verankern. Diese Konstruktion konnte zwar einerseits eine Entlastung des Präsidenten, zugleich aber auch eine Minderung seines Einflusses mit sich bringen. Wohl mit Rücksicht auf Felgentraeger stellte Thieme sie daher selbst unter den Vorbehalt, sie solle nur umgesetzt werden, falls Felgentraeger sich nicht wiederwählen ließe.69 Thiemes Vorschlag einer Satzungsänderung wurde zwar in der Verbandsführung aufgegriffen und weiterverfolgt, dabei aber erheblichen Modifikationen unterworfen. Wenn es Thiemes Ziel gewesen war, den bisherigen ,großenf, nach einem genau festgelegten Proporz zwischen den verschiedenen Hochschultypen einerseits und den Standesgruppen der Ordinarien und Nichtordinarien andererseits zusammengesetzten Vorstand abzuschaffen, so konnte er sich damit nicht durchsetzen. Vielmehr verständigte sich der Vorstand auf einen Minimalkompromiß, der letztlich Thiemes Absichten geradezu konterkarierte: So sollte nun ein erweiterter Vorstand geschaffen, die Einrichtung eines ,engeren' Vorstandes als Führungsorgan aber offen und die Entscheidung darüber, ob und in welcher Form er ins Leben gerufen würde, dem Präsidenten überlassen bleiben. Desgleichen wurde die Einrichtung von Landesgruppen nur fakultativ vorgesehen, nachdem Felgentraeger Bedenken hinsichtlich der Koordination zwischen Landesverbänden und Vorstand geäußert hatte. Fnteressanterweise formierte sich in diesem Punkt eine Verhinderungsallianz zwischen Felgentraeger, der wohl eine Schmälerung seiner Präsidialkompetenzen befürchtete, und den Vertretern der Nichtordinarien im Vorstand, welche argwöhnten, daß die Landeskonvente der Nichtordinarien 69

Vgl. ADHV/P 28, 3,3,1959, S. 7 u. 19. 59

Der Hochschulverband als Standesorganisation

von ordinariendominierten Landesverbänden in ihrer Initiative eingeschränkt werden könnten.70 In der Tat ist eine strukturelle Inkongruenz nicht zu verkennen zwischen Thiemes erklärtem Ziel einer Straffung der Entsch ei dungs wege und der notwendig dezentralisierenden Tendenz, die selbständig agierenden Verbandsgliederungen auf Landesebene innewohnen mußte. So machte selbst Thiemes Mentor Werner Weber bei der Beratung der Satzungsänderung auf dem Hochschul verbandstag 1959 gegen eine zu weit gehende Föderalisierung geltend, die Arbeit des Verbandes „dürfe nicht dadurch eingeengt werden, daß die Zentrale sich jeweils erst mit den Landesgruppen ins Benehmen setzen müsse".71 Die vom 9. Hochschulverbandstag schließlich verabschiedete Satzungsänderung muß nicht nur als ein Fehlschlag der Bemühungen Thiemes, sondern geradezu als Rückschlag gegenüber dem status quo ante bezeichnet werden: Der Vorstand wurde unter Beibehaltung der Proporzregelungen von zwölf auf fünfzehn Mitglieder erweitert {§ 18), während von einem engeren Führungsgremium gar keine Rede mehr war. Unter dem Abschnitt 5 der Satzung: ,Arbeitsausschüsse und Ständige Sachbearbeiter' wurde ganz unorganisch und erratisch ein § 25a in der bewußt vage gehaltenen Formulierung eingefügt, die „Hochschulverbandsgruppen eines Landes können sich zu Landesgruppen zusammenschließen". Über die innere Organisation und die Aufgaben und Kompetenzen dieser Landesgruppen war nichts ausgesagt.72 Es liegt auf der Hand, daß diese Satzungsänderung nicht geeignet war, im Sinne der Initiatoren einer Reform Remedur zu schaffen für strukturell bedingte Effizienzdcftzite in der Organisation des Hochschulverbandes. Es kann daher auch nicht überraschen, daß schon zwei Jahre später ein neuer Versuch gestartet wurde, die Führungsstrukturen grundlegend umzugestalten. Gleichwohl wird man den aurwendigen und windungsreichen Prozeß, der dann schließlich 1964 in einer neuen Satzung seinen Niederschlag fand, nicht allein - und vielleicht nicht einmal vorrangig - aus dein Bemühen um Schlagkrafterhöhung verstehen können. Untergründig handelte es sich vielmehr um einen Konflikt der Gruppeninteressen von Ordinarien und Nichtordinarien, der in diesem Vorgang zur Austragung kam. Den Anstoß zu den Bestrebungen, die strukturellen Koordinaten der Verbandsverfassung neu zu bestimmen, hatten, soweit sich das aus der fragmentarischen Überlieferung rekonstruieren läßt, die Vorstandswahlen auf dem 11, Hochschulverbandstag 1961 in Heidelberg gegeben. Durch die Wahl reformorientierter und den Belangen der Nichtordinarien gegenüber besonders aufgeschlossener Lehr70 71

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Vgl. die Diskussion in ADHV/P 29, 9.5,1959, S. 6f., und ADHV/P30, 26.6.1959, S. 9f. ADHV/HVT9, 27.6.1959, S. 6.

Satzung des Hochschulverbandes vom 27.9.1959, Beil, zu MitfHV Bd. 7 Nr. 4/5 (1959).

Aufbau und Ausbau Stuhlinhaber als Ordinarienvertreter in den Nkhtordinarienausschuß und in den Vorstand hatten73, so lautete der Vorwurf von Ordinarienseite, die Nichtordinarien das bis dahin geltende „gentlemens' agreement" gebrochen, wonach jede der beiden Gruppen die personellen Präferenzen der anderen Seite stillschweigend akzeptierte,74 Dem Druck der Ordinarien nachgebend, als deren entschiedenster Wortführer im Vorstand Eugen Flegler von der TH Aachen auftrat, leitete die Verbandsspitze die Erstellung einer Wahlordnung in die Wege, in der ein exklusives Nominationsrecht jeder Gruppe für ihre Vertreter in den Leitungsorganen des Verbandes fixiert werden sollte.75 Noch weiter gehende Vorstellungen der Ordinarienseite, wonach die Wahl aller Funktionsträger mit Ausnahme des Präsidenten nicht mehr im Plenum des H ochsen uiverbandstages, sondern getrennt nach Gruppenproporz bereits in den Konventen erfolgen sollte, setzten sich hingegen nicht durch. Gegen den hinhaltenden Widerstand der Nichtordinarien76 wurde vom Hochschulverbandstag 1962 schließlich eine im Vorstand unter Vermittlung Felgentraegers gefundene Kompromißlösung, derzufolge für die Wahl der Vorstandsmitglieder den Konventen der Ordinarien und Nichtordinarien das alleinige Vorschlagsrecht aus ihren Reihen zukam, während die Wahl selbst wie bisher im Plenum vorgenommen wurde77, mit deutlicher Mehrheit zunächst probeweise für ein Jahr beschlossen.78 Gerade vor dem Hintergrund der kurz zuvor 73

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Es handelte sich um die Professoren Gerhard Funke und Wolfgang Hartke, ehemalige Nichtordinarienvertreter, die, obschon inzwischen selbst Lehrstuhlinhaber, weiterhin mit Nachdruck für die Anliegen der Nicht Ordinarien eintraten. Beide standen in engem Kontakt mit dem Ordinarius Johannes (Hans) Braun (1896-1969), Pflanzenpatholuge und Agrarwissenschftler, ab 1948 o, Prof. Univ. Bonn, der im Präsidium des Hochschulverbandes häufig die Positionen der Nichtordinarien vertrat. Das Protokoll des 11, Hochschulverbandtags vom 16,6.1961 problematisiert den Wahlvorgang nicht; vgl. aber die Erörterungen in den parallel zum Hochschulverbandstag stattfindenden Sitzungen des Ordinarien- und des Nichtordinarienkonventes, ADHV/OK 2, 22.6.1962, und ADHV/NOK 5, 14.6.1963. Vgl. die Darlegungen Dorffs in der Vorstandssitzung vom 27.1.1962, ADHV/P 40, S. 14f., sowie den Bericht Felgentraegers vom 31.7.1962, BA B 380/17, fol. 228-232. - In einem Brief Dorffs an Funke vom 17.1.1963, 380/17, fol. 141-143 wird betont, daß die Initiative zur Erstellung einer Wahlordnung und Neufassung der Satzung nicht von Felgentraeger ausgegangen sei. Andererseits ist einem vertraulichen Schreiben Dorffs an Thierne vom 16.3.1962, ADHV Fasz, „Satzungsänderungen", zu entnehmen, daß Felgentraeger die von Flegler vertretene Ordinarienposition in der Wahlfrage teilte und nur mit Rücksicht auf seine Funktion als Präsident davon absah, dies offiziell zum Ausdruck zu bringen. VgJ. das Schreiben des Vorsitzenden des NO-Ausschusses Helmut Risler an Thieme vom 21.5.1962, ADHV Fasz. „Satzungsänderungen". Vgl, ADHV/P 42, 22,6.1962, S. l Off. Zu Beratung und Beschlußfassung s. ADHV/HVT 12, 23.6.1962, S. 5-8; die Wahlordnung im Wortlaut abgedruckt als Beilage 2 zu MittHV Bd. 10 Nr. 4 (1962). Die Wahlordnung wurde auf den folgenden Hochschulverbandstagen jeweils neu bestätigt. Die verbandspolitische Überfrachtung des Wahl verfahre n s wird nicht zuletzt aus der perfektionistischen Ausführlichkeit und Detailliertheit deutlich, mit der es in eigenen, mehrseitigen Regularien festgelegt war. Diese Wahlordnungen wurden in gedruckter Form den MittHV beigelegt. 61

Der Hochschulverband als Standesorganisation aufgebrochenen Verbandskrise um den Austritt der Ordinarien der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg aus Protest gegen Felgentraegers Kolleggeldpolitik79 war die neue Wahlordnung ein Zugeständnis des Vorstandes an die Ordinarien und zeigte „sein Bemühen, begründeter Kritik aus den eigenen Reihen gerecht zu werden"80. Mit dieser Wahlordnung hatten nun die Konvente der Ordinarien und Nichtordinarien gleichsam den Rang von ,Verfassungsorganen' erhalten, obwohl sie in der Satzung nicht verankert waren. Analog zum Nichtordinarienkonvent, dessen Existenz als informelles Beratungsorgan der Nichtordinarienvertreter auf den Hochschulverbandstagen schon seit 1958 dokumentiert ist81, war anläßlich des Hochschulverbandstages 1961 auch eine Zusammenkunft, die „dem Bedürfnis der Ordinarien nach einer gemeinsamen Aussprache dienen", aber keine eigenen Beschlüsse fassen sollte, einberufen worden.82 1962 wurde nun auf Wunsch der Lehrstuhlinhaber ein Ordinarienkonvent auch förmlich etabliert, der wie das Pendant der Nichtordinarien vor der eigentlichen Hauptversammlung des Hochschulverbandstages zusammentreten sollte, um bei anstehenden Neuwahlen die Kandidaten festzulegen und nach Bedarf zu wichtigen Fragen der Verbandspolitik eine gemeinsame Linie abzustimmen. Den Vorsitz in dieser Versammlung, der auch die Rektoren angehörten, führte Felgentraeger.83 Mit der Institutionalisiemng von außerhalb des Satzungsrahmens stehenden Gruppenkonventen von so weit-

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Die Austrittserklärung der Freiburger Mediziner datierte vom 24.5,62; vgi. Schreiben des Dekans der Med, Fak. der Univ. Freiburg an Felgentraeger, 380/17, fol, 324-326. So Dorff in seinem Bericht ,Der 12. Hochschulverbandstag', irr MittHV Bd. 10 Nr. 4 (1962), S. 102-110, Zit. S. 108. Ein Fasz. „Niederschriften Nichtordinarien-Konvent" in ADHV {künftig zit. ADHV/NOK) enthält die Protokolle der jeweils vor den Plenarversammlungen des Hochschulverbandstages stattfindenden Zusammenkünfte der Nichtordinarien für die Jahre 1958—1969 (1961 und 1964 fehlen). Die Zählung beginnt 1958 mit der „8·" Sitzung, wobei nicht klar ist, ob dies tatsächlich schon der 8, Nichtordinarienkonvent in Folge seit 1951 war oder ob die Numerierung analog zu der des Hochschulverbandstages erfolgte. Mit dem Nichtordinarienkonvent von 1963 (13. Hochschulverbandstag), der auffälligerweise als „5." numeriert ist, beginnt eine neue Zahlung, derzufolge der Beginn der Tradition von Nichtordinarienzusammenkünften erst 1958 anzusetzen wäre. Landeskonvente der Nichtordinarien gab es in verschiedenen Bundesländern schon seit den frühen fünfziger Jahren, wobei deren institutionelle Stellung zürn Hochschulverband nicht immer geklärt war; vgl. die Erörterungen in ADHV/P 9, 10.5.1953, ADHV/P 16, 13.5.1955 , und ADHV/P 20, 24.11.1956, ADHV/P 37, 28,4,1961, S. 9. Schon damals wurde im Vorstand das Bedenken geäußert, ein Ordinarienkonvent könnte als „Gegenstück zum Nichtordinarienkonvent" erscheinen und die Einheit des Hochschulverbandes in Frage stellen. - Die in dem Fasz. „Niederschriften Ordinarienkonvent", ADHV, überlieferte Serie von Niederschriften für die Jahre 1962-1967 (1964 fehlt) beginnt allerdings erst mit Nr. „2" für den Konvent vom 22.6.1962 (künftig , OK) Die „Abhakung eines parallel zum Nichtordinarienkonvent tagenden Ordinarienkonvents" wurde auf Anregung Reglers im Vorstand beschlossen, vgl. ADHV/P 41, 5.5.1962, sowie das Einladungsschreiben des Präsidenten an die Ordinarienvertreter und Rektoren vom 11.5.1962, 380/17, fol. 283. 62

Aufbau und Ausbau reichender personalpolitischer Kompetenz durch die Wahlordnung war nun allerdings unter organisationssystematischen Gesichtspunkten eine Situation geschaffen, die in einem so stark von juristischem Geist geprägten Verband eine Anpassung der kodifizierten Verfassung dringlich erscheinen lassen mußte. Die Wahlordnung war gleichwohl nicht - hier gilt es, die verschiedenen Motivationslagen und Handlungssiränge klar auseinanderhalten - die Ursache für die weitergehenden Bestrebungen zur Änderung der Verbandsstatuten. Vielmehr war die Wahlordnung in erster Linie eine situationsbedingte Antwort auf den latent schon seit längerem angelegten und durch den Eklat um die Freiburger Mediziner zur offenen Legitimationskrise zugespitzten Gruppenkonflikt im Hochschulverband, Allerdings überlagerten und verschränkten sich im weiteren Verlauf die Wirkungen der Ordinarienkrise und die aus der Frustration über die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Verbandes bei der Kolleggeld- und Besoldungsreform resultierende grundsätzliche Orientierungskrise und verschoben damit zwangsläufig auch die Gewichte in der Auseinandersetzung um die künftige Struktur und Verfassung des Verbandes. Worum es bei der angestrebten Satzungsänderung im Kern ging, hatte ihr Hauptinitiator Thierne schon im Oktober 1961 in einem Brief an Geschäftsführer Dorff mit schonungsloser Deutlichkeit dargelegt. Die Verfassung des Hochschulverbandes habe zwei Fehler: Der Präsident sei überlastet und der Vorstand „nutzlos". Um dem ersten Übelstand abzuhelfen, müsse ein Präsidium geschaffen werden, das als das „Kabinett" des Präsidenten fungieren solle. Außerdem müsse man nun endlich ernsthaft daran gehen, die Landesverbände zu aktivieren. Wesentlich schwieriger war es nach Ansicht Thiemes, das andere Strukturproblem anzugehen. Die Konstruktion eines nach Proporzgrundsätzen gewählten Vorstandes habe sich nicht bewährt („Sie kennen die Zufälligkeiten der Wahl und das Niveau vieler Vorstandsmitglieder."). Eine „Besserung" oder gar der gänzliche Verzicht auf dieses Organ sei aber nicht zu erhoffen, denn es handle sich „um eine Machtposition der Nichtordinarien, die betoniert zu sein scheint", Thierne sah deshalb nur die Alternative, „entweder den Vorstand noch grosser und noch handlungsunfähiger zu machen, ihn dann nur einmal im Semester tagen zu lassen, oder seine Kompetenzen zu beschneiden". Dazu müßten „die Kompetenzen formell erweitert", also dem Vorstand eine Reihe von Beschlußfunktionen „mehr formeller Natur" zugewiesen, seine „Beschluß-Kompetenz als solche" aber eingeengt werden.84 Als Thieme diesen Brief schrieb, lag ihm bereits ein Satzungsänderungsentwurf Dorffs vor, der dann zusammen mit Thiemes eigenem Entwurf im Januar 1962 84

Thieme an Dorff, 25.10.1961, ADHV Fasz. „Satzungsänderungen" 63

Der Hochschulverband als Standesorganisation

dem Vorstand zur Kenntnis gebracht wurde.85 Beide Entwürfe hatten zum Ziel, den Vorstand in seiner Bedeutung zu relativieren und die Leitungsfunktionen zu straffen. Dorff griff zu diesem Zweck auf die alte Idee eines „engeren" Vorstandes neben einem „weiteren" zurück, während Thieme ein Präsidium als neues Führungsorgan zwischen Präsident und Vorstand einfügte. Beide Lösungen liefen, wie jedes Organigramm zeigen könnte, auf eine Abdrängung des Vorstands vom Zentrum innerverbandlicher Entscheidungsfmdung und Politikformulierung hinaus. Dorff wie Thieme waren denn auch gleichermaßen bemüht, den Vorstand zu beruhigen. Seine Vorschläge, erklärte Dorff, „enthielten nichts Neues und keine Verbesserungsvorschläge, sondern gäben nur die bisherige Übung wieder", Thienies weitergehender Vorschlag hingegen suche „ganz neue Wege", um „durch organisatorische Veränderungen die Wirksamkeit des Hochschulverbandes zu verbessern". Aber auch Thieme versicherte beschwichtigend, er „habe dabei darauf geachtet, die Entscheidungsbefugnis des Vorstandes zu erhalten". Nach kurzer Debatte beschloß der Vorstand auf Antrag Felgentraegers, zur weiteren Beratung der Satzungsänderung einen Ausschuß einzusetzen, dem neben Thieme als Vorsitzendem drei weitere Ordinarien und zwei Nichtordinarien angehörten. Zugleich ermächtigte der Vorstand den Präsidenten auf Vorschlag Thiemes (und gegen die Bedenken der Nichtordinarienvertreter) bereits im Vorgriff auf eine Änderung der Satzung „je nach Bedarf" ein „vorläufiges" Präsidium, bestehend aus den beiden Vizepräsidenten und dem Vorsitzenden des Nichtordinarienausschusses einzuberufen.86 Es ist hier weder möglich noch erforderlich, den weiteren Gang der sich mehr als zwei Jahre lang hinziehenden Beratungen über die neue Satzung bis zu deren Fertigstellung und Verabschiedung auf dem dem Hochschulverbandstag 1964 im Detail zu verfolgen. Daß das gesamte Vorhaben nicht nur ungewöhnlich aufwendig, sondern höchst kontrovers war, ist angesichts der damit verbundenen Ziele und Konsequenzen nicht weiter erstaunlich. Der Prozeß der Konsensfindung wurde freilich über die in der Sache selbst liegende Problematik der funktionalen Reorganisation hinaus noch zusätzlich kompliziert, weil er überlagert war von der bis dahin schwersten Orientierungskrise des Verbandes. Mit exemplarischer Deutlichkeit bestätigte sich im Knäuel der Ereignisstränge der Jahre 1952 und 1963 einmal mehr, wie eng die Geschicke des Hochschulverbandes mit der allgemeinen Entwicklung im westdeutschen Hochschulwesen verschlungen waren. Daß der Verband bei der Reform des Kolleggeld- und Besoldungswesens nach langen Verhandlungen von den Kultus- und Finanzministern in wesentlichen 85 86

Die Entwürfe Dorffs und Thiemes sind überliefert in ADHV Fasz. „Satzungsentwürfe". ADHWP40, 27.1.1962, S. 14-17. 64

Aufbau und Ausbau Punkten völlig übergangen wurde, hatte im Mai 1962 die Ordinarien der Freiburger Medizinischen Fakultät veranlaßt, die Handlungslegitimation des Verbandes prinzipiell in Frage zu stellen. Kaum hatte die Verbandsführung die damit eingetretene Phase massiver institutioneller Verunsicherung im Dezember 1962 durch einen außerordentlichen Hochschulverbandstag zur Festlegung der weiteren Taktik in der Kulleggeld- und Besoldungsfrage zu überwinden versucht87, als mit Wolfgang Hartke und Gerhard Funke zwei der Nichtordinariensache besonders verpflichtete Professoren ihre Ämter in Vorstand und Nichtordinarienausschuß niederlegten.8* Beide begründeten ihren Schritt nach kritischer Analyse der akuten Schwierigkeiten des Verbandes zürn einen mit der Weigerung der Verbandsführung, aus der evidenten Erfolglosigkeit ihrer konzilianten und konsensorientierten Vorgehensweise den Schluß zu ziehen, daß der Hochschulverband in Zukunft .politischer' und konfliktbereiter agieren müsse etwa im Sinne einer gewerkschaftsähnlichen Interessenvertretung, Das zweite Gravamen betraf den „Versuch der Herren Flegler, Thieme u.a., zunächst durch gezielte Änderung der Wahlordnung, jetzt der Satzung, die ohnehin stark ständische Gliederung des Hochschulverbandes mit im voraus festgelegten Mehrheitsverhältnissen zwischen Ordinarien und NSchtordinarien noch mehr zu straffen".89 Zumindest mit ihrer Befürchtung, die gruppenspezifisch divergierenden Interessenlagen innerhalb des Verbandes könnten sich durch die institutionelle Separierung in den Konventen der Ordinarien und Nichtordinarien noch weiter verfestigen und vertiefen, standen die beiden Zurückgetretenen nicht allein, wie ein Briefwechsel zwischen dem langjährigen Vorstandsmitglied und Bonner Ordinarius Braun und dem dem Hochschulverband seit seiner Gründung eng verbundenen Freiburger Historiker Tellenbach aus jenen Tagen erkennen läßt,90 87

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Vgl. dazu Gerth Dorff, Der außerordentliche Hochschulverbandstag und seine Bedeutung für die Kolleggeld- und Besoldungsreform, in: MittHV Bd. 11 Nr. 1/2 (1963), S. 1-5, Wolfgang Hartke (1908-1997), Studium der Geographie in Berlin und Genf, Prom. 1932 Univ. Berlin, Habil. 1938 Univ. Frankfurt, 1940 PD, 1948 apt. Prof., seit 1952 o, Prof. und Dir. des Geograph, [nst. derTH München, 1973 emerit. - Gerhard Funke, geb. 1914, Studium der Philosophie, Geschichte und Romanistik in Bonn, Jena, Freiburg/Br., Paris, Prom. 1938, 1938/39 Lektor an der Sorbonne und der ENS Paris, Habil. Univ. Bonn 1947, ab 1953 apl. Prof., 1958 o. Prof. für Philosophie Univ. Saarbrücken, 1959 o. Prof. und Direktor des Philosoph. Seminars I an der Univ. Mainz, 1965-67 dort Rektor, zahlreiche Gastprofessuren im Ausland. Vgl. die an Felgentraeger gerichteten Rücktrittsschreiben von Gerhard Funke und Wolfgang Hartke vom 1.2. bzw. 3.2.1963 (Abschriften). 380/17, fol. HO/111 und fol, 107-109. Das Zitat stammt aus dem Brief Hartkes. Funke hatte schon in einem seinem Rücktritt vorausliegenden Brief an Felgentraeger vom 8.1.1963 ( 380/17, fol. 146-148) seinen Argwohn zum Ausdruck gebracht, daß der eigentliche Zweck der Satzungsänderung die „Konsolidierung eines absolut entscheidenden .inneren' Führungslire is es" und die „Aufsplitterung des Vorstandes in nur ständisch legitimierte Teilvorstände" sei. Braun an Teilenbach, 5.2.1963, und Teilenbach an Braun, 11.2.1963, B A B 380/17, fol. 113-116. 65

Der Hochschulverband als Standesorganisation

Obgleich die Mehrheit des Vorstandes auch nach dem Rücktritt Funkes und Hartkes an der eingeschlagenen Linie zur Umstrukturierung des Verbandes festhielt91, erfuhr diese in dem breit angelegten Diskussions- und Abstimmungsverfahren, in dessen Verlauf 1963 neben den Führungsgremien auch alle Mitglieder des Hochschulverbandes und die Hochschulverbandsgruppen zu Stellungnahmen aufgerufen worden waren, in einigen Punkten dann doch noch erhebliche Korrekturen,92 Deren wesentlichste waren die Einführung der persönlichen Mitgliedschaft, eine Einschränkung der Zweckbestimmung des Verbandes im Sinne der Forderung der Freiburger Ordinarien, andererseits aber der Verzicht auf das Vorhaben, neben dem Vorstand ein engeres Führungsgremium zu installieren. Der Vorstand wurde in „Präsidium" umbenannt, die Zahl seiner Mitglieder von 15 auf 17 erhöht. Die Position der Nichtordinarien war in dem neuen Präsidium sogar merklich gestärkt, weil das vordem 9:6 betragende Verhältnis zwischen Lehrstuhlinhabern und Nichtordinarien auf 8:8 egalisiert wurde. Nur die Stimme des Präsidenten konnte im Falle eines Gruppenkonflikts noch die Ordinarienrnehrheit herbeiführen. Damit hatte der Nichtordinarienkonvent, auf dessen Vorschlag die paritätische Besetzung des Vorstandes zurückging, im Rahmen der von ihm grundsätzlich zunächst sehr skeptisch beurteilten Satzungsänderung doch einen wesentlichen Erfolg erzielt.93 Festgehalten wurde an der Verankerung der Konvente und ihres durch die Wahlordnung bereits vorgezeichneten ,ständischen! Nominationsrechts für die Wahl des Präsidiums ebenso wie an der Stärkung der Landesverbände.94 Ein neues Element waren die auf Fakultätsebene von den Hochschulverbandsmitgliedern zu wählenden Vetrauensleute, welche die kommunikative Verbindung zwischen dem Hochschulverband und den Fakultäten verbessern sollten.93 Auch hierin ist, wie in der engeren Fassung des Verbands91

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Vg). das Protokoll der außerordentlichen Vorstandssitzung vom 5.3.1963 (ADHV/P 46); ergänzend und korrigierend dazu die Kritik des mit Funke und Hartke in engem Kontakt stehenden und sachlich im wesentlichen übereinstimmenden Vorstandsmitglieds Braun gegenüber Felgentraeger in /wci Briefen vom 29.3. und 1.4.1963, 380/17, fol. 45-51. Der gesamte Vorgang, der über mehrere Entwurfsstadien führte und wie die Detailliertheit der neuen Satzung selbst als Tendenz zur Überperfektioiuerung auch gelegentlich kritisch kommentiert wurde, ist v.a. dokumentiert in ADHV Fasz. „Satzungsänderungen" sowie in 380/17 und 380/18. Eine konzise, die Argumente und Positionen der Ordinarien, Nichtordinarien und Rektoren gruppenweise zusammenfassende Synopse bietet die Niederschrift des Hochschulverbandstags 1963, ADHV/ HVT13, 15.6.1963. Vor diesem Hintergrund erklärt sich dann auch die einstimmige Annahme der neuen Satzung (bei einer Enthaltung} durch den Hochschulverbandstag 1964; vgl. ADHV/HVT 13, 15,6.1963, S. 26ff„ und ADHV/HVT 14, 13.6.1964, S.13ff. Vgl. die vom 14. Hochschulverbandstag am 13,6.1964 abschließend beratene und verabschiedete Satzung, Beil, zu MittHV Bd. 12, Sondern. Juli 1964. Über die dieser Einrichtung des näheren zugedachte Funktion informiert ein Rundschreiben der Geschäftsstelle des Hochschul verbandes an die neugewählten Vertrauensleute vom Sept, 1965, B A B 380/19, fol. 216/217.

66

Aufbau und Ausbau Zweckes, eine Reaktion auf die ,Freiburger Krise' zu sehen, die die Verbandsführung offenbar weitgehend unvorbereitet getroffen hatte, weil der in der Freiburger Medizinischen Fakultät sich aufbauende Unmut nicht rechtzeitig registriert worden war. Wie aber ist das zweijährige mühsame Ringen um die Satzungsänderung und sein - von den ursprünglichen Intentionen in wesentlichen Punkten weitab liegendes - Ergebnis im Hinblick auf die innere Entwicklung des Verbandes zu bewerten? In erster Linie wird man den Verfassungsstreit als Ausdruck eines Integrationsproblems infolge sich verschärfender Interessengegensätze zwischen Ordinarien und Nichtordinarien zu deuten haben. Offensichtlich war, insbesondere im Zusammenhang mit der Haltung des Verbandes zur Kolleggeld- und B esol dungs reform, auf Seiten der Lehrstuhlinhaber der Eindruck entstanden, daß die Nichtordinarien unangemessen großen Einfluß auf die Verbandspolitik gewonnen hätten. Die offene Fronde der Freiburger Medizinergegen die Verbandsführung war zwar gewiß nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Ordinarien im Hochschulverband, aber als Indiz für virulente Mißstimmungen in diesem Lager wurde sie durchaus ernst genommen.96 Mit der Institutionalisierung getrennter Willensbildung und Repräsentation nach Art ständischer Kurien im Ordinarien- und Nichtordinarienkonvent gab man auf diese Herausforderung eine resignative Antwort, - eine Antwort, die in letzter Konsequenz auch auf die Preisgabe des Einheitspostulats der Hochschullehrerschaft hinauslief. Das Prinzip ,ständischer' Gliederung wirkte infolge der Gruppenautonomie bei der Kandidatennominierung bis in das paritätisch besetzte Präsidium hinein, das von den Befürwortern dieser Regelung bezeichnenderweise als eine „Koalitionsregierung der Ordinarien und Nichtordinarien" charakterisiert wurde.97 Vor demselben Hintergrund eines innerverbandlichen Gruppenkonflikts ist auch die Forderung der Universität Freiburg nach Einschränkung des Verbandszwecks zu sehen. Wie der Freiburger Rektor Gerhard Mitscherlich im Ordinarienkonvent deutlich machte, war der Aufgabenbereich des Verbandes in § l der alten Satzung zu weit gefaßt; er „greife zu sehr in die Kompetenzen der Senate und 96

97

Es ist naheliegend anzunehmen, daß die Manifestation der Mißstimmung gerade in einer Medizinischen Fakultät mit der spezifischen Struktur der deutschen Universitätsmedizin zusamrnhing, die mehr als in vielen anderen Disziplinen gekennzeichnet war von Ordinarienallmacht (potenziert durch den Chefarztstatus an den Universitätsklinika und verbunden mit hohen Kolleggeldeinnahmen in einigen medizinischen Fächern und noch höheren Nebeneinnahmen dank Liquidationsrecht in anderen), steilen Hierarchien und entsprechend schroff ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnissen, So Thieme in der Sitzung des Ordinarienkonvents vom 14.6.1963, ADHV/OK 3, S. 7, und ganz ähnlich auch vor dem Nichtordinarienkonvent desselben Tages, ADHV/NOK 5, S. 7. - Die Protokolle der Ordinarien- und Nichtordinarienkonvente, von tizgroup-Gremien also, in denen man die Dinge unverschlüsselt aussprechen konnte, geben ein klareres Bild der Motive und Hintergünde, 67

Der Hochschulverband als Standesorganisation

Fakultäten ein". Auch die „Zwangsmitgliedschaft der Rektoren" - das konstitutive Prinzip schlechthin des Hochschulverbandes - stieß in Freiburg „auf absolute Gegnerschaft".98 Unverkennbar stand hinter diesen Vorbehalten das Motiv, den Primat der ordinariengeführten Universität gegenüber einem Verband zu stärken, den man beargwöhnte, zum Instrument einseitiger Vertretung der Nichtordinarieninteressen geworden zu sein. Das hier sichtbar werdende Akzeptanzproblem war wohl nicht nur auf die Universität Freiburg beschränkt, auch wenn sich dort mit einzigartiger Schärfe artikuliert hatte. Der punktuelle Vorgang deckte vielmehr ein grundsätzliches Kommunikations- und Partizipati onsdefizit an der ,Basis' auf, das den Verband schon seit seinen Anfängen begleitete. Eine Vielzahl von Belegen deuten darauf hin, daß die organisatorische Präsenz des Verbandes an den Hochschulen im wesentlichen nur von Nichtordinarien getragen wurde. Die Ordinarien waren nach Ansicht Thiemes „weitgehend unorientiert und uninteressiert".99 Mit der Einführung von gewählten Fakultätsvertrauensleuten versuchte die Verbandsführung, diesem strukturellen Problem zu begegnen - wie es scheint, mit nur sehr begrenztem Erfolg: Schon die Durchführung der Wahl der Vertrauensleute stieß in einigen Fakultäten auf Widerstand.100 Bei der nächsten größeren Satzungsänderung im Jahr 1970 wurde diese Einrichtung stillschweigend wieder fallen gelassen. In der bilanzierenden Zusammenschau der wesentlichen Problemaspekte bietet der mit der Satzung von 1964 fixierte Verfassungszustand ein durchaus vielschichtiges Bild, ^oderne' Elemente wie die überfällige Einführung der individuellen Mitgliedschaft und die Parität zwischen Ordinarien und Nichtordinarien in der Besetzung des Präsidiums stehen scheinbar unverbunden neben regressiven Tendenzen, wie sie in der institutionellen Verfestigung der Gruppendifferenzen durch Einführung .ständischer' Wahl- und Repräsentationskurien zu erkennen sind. Was unter organisationssystematischen Gesichtspunkten inkongruent und widersprüchlich erscheinen muß, hatte freilich durchaus seine eigene Logik und 98

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100

Dies war, wie Mitscherlich betonte, „die Meinung aller Fakultäten" seiner Universität, die sich damit im Prinzip den Vorbehalten der Mediziner gegen ein zu selbständiges Agieren des Verbandes angeschlossen hatten. Der von Freiburg inkriminierte Satz: „Der Hochschulverband hat die Aufgabe, sich aller Fragen anzunehmen, die den Wirkungskreis der Hochschullehrer in Forschung und Lehre und ihre Stellung in Staat und Gesellschaft berühren." wurde schließlich durch die Weglassung von „in Forschung und Lehre" ,entschärft'. ADHV/OK 3, 14.6.1963, S. 8ff. - Der Thiemesche „Vorentwurf" ist in verschiedenen Stadien überliefert in Fasz. „Satzungsänderungen", AD H V. Sie lebten, wie Thieme vor dem Nichtordinarienkonvent argumentierte, „hauptsächlich in ihren Fakultäten und würden deshalb praktisch nur das übersehen, was in ihrer Fakultät besprochen werde". „Dabei sei der Hochschulverband bisher ganz schlecht weggekommen.'1 ADHV/NOK 5, 14.6.1963,5. 5f. Vgt. ADH V/P 55, 8.5.1965, S. 11 f.

68

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpalitischen

Kräftefeld

war dem Zwang zum Kompromiß angesichts widerstreitender Interessen geschuldet. Die Satzung von 1964 erscheint im Rückblick als charakteristisches Dokument einer Übergangszeit, eines Schwebezustands, in dem die Tradition der von Ordinarien geführten und repräsentierten Universität und die Idee der Einheit von Stand und Institution noch einmal beschworen wurden, obwohl man sich doch der Einsicht schwerlich verschließen konnte, daß der Universität in diesen alten Formen kaum mehr die Gegenwart gehörte, geschweige denn die Zukunft. Schneller als die meisten es in der Situation von 1964 erwartet haben dürften, ging die Zeit über diesen ambivalenten Status der Dinge hinweg. Die Dynamik der hochschulpolitischen Entwicklung in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre stellte den Hochschulverband vor Herausforderungen ganz anderer Dimension und erzwang seine Anpassung an dramatisch gewandelte Verhältnisse. Der Verband war genötigt, seine Position im hochschulpolitischen Kräftefeld neu zu bestimmen. Die Aufgabe einer funktionalen Straffung und Stärkung der Führungsstrukturen, 1964 noch einmal gescheitert, stellte sich ebenso ultimativ wie die Frage nach neuen, erfolgversprechenden Verbandsstrategien in einem durch Tradiiionskritik und Legitimationsverfall etablierter Institutionen gekennzeichneten Meinungsklima und einer durch Unübersichtlichkeit und Konflikthaftigkeit, durch Aufbruchselan und Reformidealismus andererseits geprägten politisch-gesellschaftlichen Gesamtlage. Mit den Satzungsänderungen von 1968 und 1970 versuchte der Hochschulverband, der beschwert vom Ballast lange verschleppter Probleme, desorientiert und verunsichert von Selbstzweifeln über seine Politikfähigkeit in diese Turbulenzen geraten war, mehr reaktiv als aktiv, von äußeren Einflüssen getrieben und konditioniert, seinen Bestand zu sichern und seine höchst prekär gewordene Position zu konsolidieren. Doch diese Phase der Verbandsentwicklung gehört, auch wenn sie chronologisch noch in die Ära Felgentraeger fällt, ihrer Problemstellung nach bereits in den zweiten Abschnitt der Verbandsgeschichte und wird dort ihre Darstellung finden.

3. Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Kräftefeld Hochschulverband und Rektorenkonferenz Der Handlungsrahmen von Interessenorganisationen im politischen System wird im wesentlichen von zwei Parametern definiert: zum einen endogen von Selbstverständnis und Interessensicht der organisierten Gruppe sowie den handlungsleitenden Maximen, die sich daraus für ihren Verband ergeben, und zum zweiten exogen von dessen Stellung in der Konfiguration der übrigen institutionellen 69

Der Hochschulverband als Standesorganisation

Akteure des betreffenden Politikbereichs, Wenn es darum geht, die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Kräftefeld der Bundesrepublik zu bestimmen, so ist zunächst das Verhältnis der Standesvertretung zur Westdeutschen Rektorenkonferenz von vorrangiger Bedeutung, weil es mehr als jeder andere Konstellationsfaktor den Handlungsspielraum des Hochschulverbandes in den ersten beiden Jahrzehnten seines Bestehens determiniert hat.101 Wenn Verbände als „organisierter Ausdruck gleichgerichteter oder vereinheitlichter Interessen"102 in pluralistischen Gesellschaften die Funktion haben, diese Gruppeninteressen mit dem ,allgemeinen' Interesse zu vermitteln, so ist damit auch bereits ein Grundmuster verbandlichen Handelns konstituiert. Notwendig wird die Komrnunikations- und Durchsetzungsstrategie eines Verbandes gegenüber der Öffentlichkeit und den Sachwaltern des bonum commune darauf abstellen müssen, die Kongruenz, wenn nicht geradezu die Koinzidenz des vom Verband vertretenen Interesses mit dem Gesamtinteresse der Gesellschaft auf zuweisen. Das mehr oder minder elaborierte Gebäude aus Ideen, Postulaten und Prinzipien, das aufgebaut wird, um den Einklang von Klientelanliegen und Gemeinwohl zu begründen oder im Grenzfall die Partikularität des Gruppeninteresses überhaupt zu bestreiten, kann man ohne wertende Konnotation eine Ideologie nennen, urn damit zum Ausdruck zu bringen, daß dieser Begründungskomplex seiner Natur nach ,einseitig', d.h. standpunktabhängig und zweckorientiert, und insofern immer nur unter der Geltungsbedingung seiner Prämissen .richtig' sein wird.103 Auch am Hochschulverband läßt sich diese Problematik beobachten. Die aus den historischen Umständen seiner Entstehung zu erklärende Rollendualität einer Vertretung der Hochschullehrerschaft und zugleich der Hochschulen selbst, die die tragende Achse seines Selbstverständnisses bildete, zwang ihn fortgesetzt zu Balanceakten in der Darlegung seiner Ziele und der Begründung seiner Handlungslegitimation. Der tief sitzende Vorbehalt gegen jede Form von social bargaining bei der den Verband in den fünfziger und sechziger Jahren tragenden Professorengeneration fand charakteristischen Ausdruck in der Argumentationsfigur, deren sich Werner Weber, Göttinger Professor für Öffentliches Recht und 101

102 103

Einen Überblick über die Forschungen zu den Konstellationen und Determinanten dieses Politik feldes gibt Wolff-Dietrich Webler, Forschung zu Hochschulpolitik und -planung des Staates, der Verbände und sozialer Bewegungen, in: Goldschmidt u.a. (Hgg.), Forschungsgegenstand Hochschule, S. 233-274. Theißen, Die Rolle der Interessen verbände im Hochschulbereich, S, 5. Zur Problematik .Verbände'/, Gemein wohl' vgl. Schutt-Wetschky, Interesse n verbände und Staat, S. 10-17, der hervorhebt, daß die Annahme eines prinzipiellen Antagonismus zwischen ,Partiku!arinteresse' und ,Gemeinwohl' in der gesellschaftlich-politischen Realität keine Stütze finde, schon allein weil das ,Gemeinwohl' kein empirisch gegebener Sachverhalt, sondern eine regulative Idee sei. 70

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Kräftefeld enger Vertrauter Felgentraegers104, im Rückblick auf die ersten zehn Jahre der Verbandsgeschichte bediente: Der Hochschulverband sei zwar „ein Verband von Standesgenossen", aber keine Interessenorganisation, „wie sie die moderne, durch Interessengruppierung bestimmte Massengesellschaft in großer Zahl und mit solcher Nachdrücklichkeit hervorbringt, daß man den Staat der Gegenwart bisweilen als ,Verbändestaat' [...] glaubt kennzeichnen zu können". „Wenn man hier überhaupt von einem Standesmferesse sprechen will, so ist dieses identisch mit dem Schicksal von Hochschule und Staatswesen." Für Weber war daher die „eigentümliche Stellung" des Hochschulverbandes am ehesten einer „Bundeskammer der Hochschullehrerschaft" vergleichbar, auch wenn der den Berufskammern eigene Zwangscharakter natürlich fehlte.105 Ähnlich formulierte Felgentraeger 1963 in einem programmatischen Vorwort zu Gerbers Studie über die .Entwicklungsgeschichte des Hochschulverbandes', dieser sei ,,nach seinem derzeitigen Aufbau zwar eine Vereinigung von Standesgenossen, aber mit deutlicher Hinwendung auf die Institution, der sie angehören". Er nehme damit „bewußt eine Zwischenstellung zwischen einem reinen Interessenverband von Einzelmitgliedern wie etwa einer Gewerkschaft und einer amtlichen Vertretung der Hochschulen wie der Westdeutschen Rektorenkonferenz ein". Der alternative Weg eines reinen Interessenverbandes sei ihm schon deshalb verschlossen, weil „nichts dem Wesen des Gelehrten so widerspricht wie eine Kampforganisation".106 Auch für Gerber war der Verband primär eine „Vereinigung der 104 505

105

Zur Person Webers s.u. Anm. 165. Werner Weber, Zehn Jahre Hochschulverband, in: MittHV Bd. 8, Sonderheft, August I960, S. 120-129, Zitate S. 121 und 125f. (Hervorhebungen im Orig.}. - Im übrigen kamen auf dem 10. Hochsehulverbandstag in Saarbrücken die Spannweite der in der deutschen Hochschullehrerschaft zu jener Zeit anzutreffenden weltanschaulichen und standespolitischen Positionen, aber auch der von Felgentraeger im Verband gewährleistete Meinungspluralismus höchst augenfällig zum Ausdruck im Kontrast zwischen dem Grußwort des damaligen WRK-Präsidenten und Ordinarius für Völkerrecht und ausländisches Öffentliches Recht Hermann Jahrreiß (geb. 1894 in Dresden, seit 193? o. Prof. Univ. Köln, 1956-58 dort Rektor, 1958-60 WRK-Präs.), und dem Festvortrag des Mannheimer Soziologen F.duard Baumgarten {geb. 1898 in Freiburg/Br. T 1926-33 USA, 1933-40 Doz. Univ. Göttingen, 1940 o. Prof. und Dir. des Philosoph. Instituts der Univ. Königsberg, 1945 Gastprofessor in Göttingen, seit 1948 in Freiburg, 1953 Dir. des George WashingtonIrtstituts für vergleichende Sozialwissenschaft in Stuttgart, 1957 o, Prof. Univ. Mannheim). Während Jahrreiß schicksalsschwer-heroisierend und larmoyant zugleich in einem merkwürdig .völkisch' eingefärbten Rhapsodenton das deutsche Volk - „unser Volk, ein geschichtsmächtiges Volk", das „zweimal in einem Menschenalter über die Kraft Nerven und Blut, Geist und Glauben drangegeben hatte" - beschwor, sich der „.akademischen* Aufgabe" zu stellen, „die in jedem Volk gestellt ist und vor der ein Volk wie das unsere nicht flüchtig werden darf" (ebda., S, 114ff.), konfrontierte Baumgarten sein akademisches Publikum provozierend kritisch und selbstkritisch, Max Weber und Karl Marx (!) zitierend, mit seinen die heiligsten Bestände deutscher Universitäts tradition in Frage stellenden „Gedanken zur künftigen Hochschule" (S. 129-147). Wilhelm Felgentraeger, Aufgaben und Aufbau des Hochschulverbandes, in: MittHV Bd. 11, Sonderh, April 1963, S. 41-45, Zitate S. 42 u. 44, 71

Der Hochschulverband als Standesorganisation Hochschulen zur Wahrung von Interessen im Rahmen ihres Aufgaben- und Wirkungskreises", die nur supplementär („Gleichwohl [...] auch [...]") den Interessen der Hochschullehrer diente.107 Wenn also, wie wir sehen, im verbandsoffiziell kanonisierten Selbstverständnis ganz eindeutig der institutionelle Vertretungsanspruch im Vordergund stand, so war diese Linie doch, wie noch zu zeigen sein wird, verbandsintern nicht völlig unumstritten. Aber erst am Ende der Ära Felgentraeger erfolgte dann - unter dem Zwang dramatisch veränderter hochschulpolitischer Rahmenbedingungen ansatzweise eine Neubestimmung dieser Position. Als Werner Thieme in der Wilhelm Felgentraeger zum Abschied gewidmeten Festschrift die Entwicklung des Hochschulverbandes rekapitulierte, mischten sich in die bemerkenswert sachlich-nüchtern gehaltene Bilanz auch skeptische Töne über die Zweckmäßigkeit der bis dahin hochgehaltenen Verbandsdoktrin. Zwar betonte auch Thieme, daß auf der Gründunsgversammlung 1950 die Frage der gewerkschaftlichen Interessenvertretung „grundsätzlich verneint" worden sei; aber er sah es doch vorrangig in der Person des Vorsitzenden begründet, wenn sich der Verband seiner Aufgabe „im Geiste einer Vertretung der Hochschulen als Institutionen" angenommen hatte. In Verbindung mit der Finanzierung des Verbandes durch die Beiträge freiwilliger Einzelmitglieder, die ganz selbstverständlich auch eine Vertretung ihrer materiellen Anliegen erwarteten, sei der Verband so zu einer Organisation geworden, „die zwei heterogene Ziele verfolgt" habe - eine „Schwierigkeit", „die sich später oft genug zeigen sollte".108 Das Problem des institutionellen Dualismus zwischen der Rektorenkonferenz und einem Hochschulverband, der wie diese eine Vertretung der Hochschulen und nicht ein Verband der Hochschullehrer sein wollte, war letztlich nicht lösbar,109 Mit der salvatorischen Formel, die „Grundlage aller Arbeit müsse das gegenseitige Einvernehmen" sein110, traf Felgentraeger genauer, als ihm selbst vielleicht bewußt war, die Zwangslage des Verbandes in seinem Verhältnis zur WRK. Bis an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit war der Hochschulverband bemüht, 107

Gerber, Entwicklungsgeschichte, S, 46, sowie Ders., Das Recht der wissenschaftlichen Hochschulen, Bd. l, S, 147. - Sowohl die affirmative Positionsbestimmung Felgentraegers wie der Abdruck des Aufsatzes von Gerber, der die Zwitternatur des Hochschulverbandes zutreffend aus dessen Entstehungsgeschichte und aus dem Vorbild des .Verbandes der Deutschen Hochschulen' ableitete, sind vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Universität Freiburg zu sehen, welche ein allgemeines hochschulpolitisches Mandat des Hochschulverbandes mit Nachdruck bestritten hatte, 108 fhieme, Entwicklung des Hochschulverbandes, S. 14, 109 Jedenfalls gelangte Gerber noch 1963 zu der Feststellung, „daß es als unmöglich, aber auch als unerwünscht empfunden wird, die beiderseitigen Zuständigkeitsbereiche einzelhaft [sie/] durchgreifend gegeneinander abzugrenzen"; Gerber, Entwicklungsgeschichte, S. 51. 110

ADHV/HVT l, 19,5,1951, S. 4-9, Zit. S. 8.

72

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen

Kräftefeld

dieses „Einvernehmen" zu erhalten. Als es gleichwohl im Wandel der hochschulpolitischen Gesamtlage in den sechziger Jahren zusehends brüchiger wurde und die WRK schließlich einseitig die Verbindung aufkündigte, sah der Hochschulverband sich vor die Notwendigkeit gestellt, seine Position neu zu definieren. Nicht von ungefähr markierte dies auch das Ende der Ära Felgentraeger. Die zunächst von beiden Seiten gewünschte operative Verschränkung fand ihren Niederschlag in der statutarisch festgelegten Teilnahme Felgentraegers an den Plenarversammlungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz, so wie umgekehrt der Hochschulverband in seiner Satzung dem jeweiligen Präsidenten der Rektorenkonferenz den Status eines ständigen Gastes in den Vorstandssttzungen einräumte.111 Auch in dem gemeinsamen Ausschuß der Rektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz war der Hochschulverband durch Felgentraeger vertreten112, und ebenso nahm dieser regelmäßig an den Beratungen des Länderausschusses der WRK (später auch häufig in Begleitung von Geschäftsführer Dorff) teil. Als die Rektorenkonferenz 1955 zusammen mit dem Hochschulausschuß der Kultusministerkonferenz einen „Ausschuß für Fragen des Hochschullehrerrechts" einrichtete, delegierte sie von ihrer Seite in das neunköpfige Gremium sechs Mitglieder aus dem Führungskreis des Hochschulverbandes und übertrug Felgentraeger den Vorsitz.113 Höhepunkte konkreter hochschulpolitischer Kooperation zwischen den beiden Institutionen waren zweifellos die Reformtagungen von Hinterzarten 1952 und Bad Honnef 1955, welche der Hochschulverband im Auftrag der WRK logistisch verantworten und inhaltlich gestalten konnte, 114 Die enge Anlehnung an die WRK kam ferner darin zum Ausdruck, daß der Hochschulverband mit der Terminierung seiner Jahresversammlung der Rektorenkonferenz folgte und den Hochschulverbandstag in unmittelbarem Zusammenhang mit deren Sommerplenum abhielt. Neben organisatorischen Vorteilen und Einsparungen bei Reisekosten sollte dieses Verfahren auch eine möglichst zahlreiche Teilnahme der Rektoren am Verbandstag sichern. Aus naheliegenden Gründen legte der Hochschul verband auf die Präsenz der Rektoren besonderen Wert, denn in ihnen verkörperte sich sein institutioneller Vertretungsanspruch. Gegen die öffentlichkeitswirksame Demonstration der Gemeinsamkeit durch die Veranstaltung eines großen Eröffnungsvortrags zu einem aktuellen hochschul111

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Vgl. die von der 32. Rektorenkonferenz in Freiburg/lir., 29./30.1.1955, beschlossene Geschäftsordnung vom 1.2.1955, Abs. 10, AHRK/WRK 32, S. 51ff,, und die Satzung des Hochschulverbandes vom 19,5,1951, § 18; dazu ferner Gerber, Entwicklungsgeschichte, S. 52, Anm. 14. Vgl. Beschluß der 21. Rektorenkonferenz in Heidelberg, 4,-6.1.1951, AHRK/WRK 21, S. 3, sowie den darüber geführten Briefwechsel zwischen dem WRK-Vorsitzenden Hess und Felgentraeger vom 29.1. und 16.3.1951, ZZBW/HRK FZ 19/3, fol. 88 u 90. Vgl. Beschluß der 33. Rektoren konferenz in Münster, 29./30.7.i955, AHRK/WRK 33, TOP 12c. Vgl. u. Kap. HI/l. 73

Der Hochschulverband als Standesorganisation politischen Thema und durch die Einladung politisch hochrangiger Gäste (bis hin zum Bundespräsidenten) regten sich dann aber schon 1955 in der WRK erstmals auch Vorbehalte. Der damalige WRK-Präsident Hermann Heimpel artikulierte „gewisse Reserven" gegen den Begriff der „gemeinsamen Tagung" - nicht nur weil die Rektorenkonferenz dabei leicht „in den Schatten des Hochschulverbandes" geraten, sondern auch weil „die Koppelung von Tagungen der Standesorganisation und der Rektorenkonferenz in der Öffentlichkeit leicht zu Mißverständnissen führen" könne.ns Bei dem wieder zeitgleich mit der Rektorenversammlung angesetzten Verbandstag im Juni 1956 in Hamburg sah sich der Hochschulverband dann unversehens aus der zunächst mit der WRK gemeinsam geplanten öffentlichen Veranstaltung mit Bundesaußenminister Heinrich v. Brentano ausgegrenzt, weil die Rektoren als alleinige Gastgeber in Erscheinung treten wollten. Ausgerechnet an Felgentraegers eigenem Wirkungsort mußte sich der Verband mit einem protokollarischen Notbehelf abfinden lassen, als der Hamburger Senat der Rektorenkonferenz einen Empfang gab, zu dem die Vertreter auf dem gleichzeitigen Hochschulverbandstag gerade noch als Gäste hinzugeladen wurden.116 Diesem für den Hochschul verband unerfreulichen Vorgang kam über den Tag hinaus Bedeutung zu, da er ganz offensichtlich nicht bloß die Folge momentaner Irritation war. Vielmehr stand dahinter das sich auch in anderen Zusammenhängen artikulierende Bedürfnis der Rektorenkonferenz, sich aus der institutionellen Verklammerung mit der Standesorganisation zu lösen und gegenüber der Öffentlichkeit als eigenständiger Faktor der Hochschulpolitik aufzutreten, Dem wurde zunächst durch eine Grundsatzvereinbarung Rechnung getragen, welche die zeitliche Parallelität von Rektorenversammlung und Hochschulverbandstag jeder öffentlichen Demonstration der Gemeinsamkeit entkleidete: Die Rektorenkonferenz wollte fortan bei ihren Winterterminen mit eigenen Festveranstaltungen hervortreten, während der Sommertermin der öffentlichen Kundgebung des Hochschul verbandes vorbehalten blieb.117 Von 1961 an wurden dann die Plenarversammlungen 115

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Protokoll der 32. Plenarversamniiung der WRK in Freiburg/Br., 29.730.1.1955, AHRK/WRK 32, S. 121f. ADHV/P 19, 26.5.1956, S. 8f. Das Protokoll der Vorstandssitzung läßt deutlich die Enttäuschung über diese Zurücksetzung erkennen. Die alleinige Inanspruchnahme der zentralen Veranstaltung durch die WRK bedeutete nach Felgenlracgers Worten für den Hochschulverband „einen Verzicht, der ihm deswegen nicht leicht fällt, weil er mit Rücksicht auf seine Stellung nach außen und innen einer besonderen Herausstellung seiner Aufgaben und Bestrebungen bei dem einmal im Jahr stattfindenden Hochschulverbandstag bedarf". Auf diese Weise sollten, wie Felgentraeger im Vorstand erläuterte, „alle Überschneidungen ausgeschlossen werden und jede der beiden Organisationen zu der für sie notwendigen Möglichkeit kommen, an die Öffentlichkeit zu treten"; ADHV/P 19, 26.5.1956, S. 9. Vgl. auch die Beschlußfassung in der 32. Plenarversammlung der WRK in Hamburg, 21722.6.1956, AHRK/WRK 32, TOP 9b.

74

Die Position des Hochschulverbandes im hochschuLpolitischen Kräftefeld der WRK und die Hochschulverbandstage terminlich und örtlich getrennt abgehalten. Der Anstoß hierzu scheint allerdings vom Hochschulverband ausgegangen zu sein, der mit der zeitlichen Trennung der Veranstaltungen die Präsenz der Rektoren gewährleisten wollte. Deren Bereitschaft, in unmittelbarem Anschluß an die zweitägigen Beratungen in der Plenarversammlung noch am Hochschulverbandstag teilzunehmen, hatte offenbar stark nachgelassen.118 Klagen Felgentraegers über unzureichende Informierung oder Nichtberücksichtigung des Verbandes seitens der Rektorenkonferenz, auch wenn sie stets mit äußerster Verbindlichkeit und Behutsamkeit vorgebracht und von den WRKPräsidenten sogleich dementiert wurden, bestätigen für die zweite Hälfte der fünfziger Jahre den Eindruck eines allmählichen Abrückens der Rektorenkonferenz vom Hochschulverband119, so sehr dieser auch darauf bedacht war, das Verhältnis keinesfalls durch Kompetenzstreitigkeiten zu belasten.120 Die Ursachen des beginnenden Auseinanderdriftens der beiden Organisationen waren struktureller Art und bedingt durch tiefgehende, von den guten Absichten und dem persönlichem Wohlwollen einzelner Akteure weder unmittelbar abhängige noch wesentlich zu beeinflussende Wandlungsprozesse des Hochschulwesens und der Hochschulpolitik, die im langfristigen Trend die terms of trade zuungunsten der Hochschullehrer und ihrer Standesvertretung verschoben. Anders als in der Zeit der Weimarer Republik, als der Verband der Deutschen Hochschulen gegenüber der nur als periodisch tagendes Beratungsgremium ohne institutionelle Kontinuität existierenden Rektorenversammlung eindeutig ein Übergewicht besessen hatte121, wuchs die Rektorenkonferenz nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Ausweitung, Ausdifferenzierung und Verstetigung ihrer Funktionen in die Rolle eines autonomen Repräsentationsorgans der deutschen Hochschulen und des maßgeblichen Gegenübers der Kultusministerkonferenz als Koordinationsgremium der staatlichen Hochschulpolitik hinein. Die noch nicht geschriebene Geschichte der Westdeutschen Rektorenkonferenz würde zweifellos zeigen, daß dies keineswegs 118

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Vgl. ADIIV/P 36, 28.1.1961, TOP 3. In der Tat weist das Protokoll des Hochschulverbandstages 1960 nur die Präsenz von sechs Rektoren (bei insgesamt 32 Mitgliedshochschulen) aus. Vgl. etwa ADHV/P23, 2.11.1957, TOP 1; AD H V/P 24, 8.2.1958, TOP 1; ADHV/P36, 28.1.1961, TOP1. So wagte man es beispielsweise beim Verbandstag 1956 nicht, „die Stellung der Hochschule in der allgemeinen politischen Situation zum Gegenstand der Erörterungen" zu machen, weil man die Legitimation des Hochschulverbandes für dieses Thema als „zweifelhaft" ansah und befürchtete, daß „eine Konfliktsituation mit der Rektoren konferenz heraufbeschworen werden" konnte. ADHV/P 19, 26.5.1956, S. 9f. 1930 konnte Wilhelm Schlink feststellen, der VDH habe, „wie die [Rektoren-]Konferenz es selbst wünschte, den weitaus größten Teil ihrer seitherigen Aufgaben übernommen, und zwar in einer den gegenwärtigen Verhältnissen Rechnung tragenden festen Organisation"; Schlink, Rektorenkonferenz und Verband der Deutschen Hochschulen, S. 596. 75

Der Hochschulverband als Standesorganisation ein rasch und geradlinig verlaufender, vielmehr ein von mannigfachen Rück- und Fehlschlagen und Frustrationen begleiteter Prozeß war.122 Mit Verve ausgetragene Grundsatz- und Strategiedebatten lassen erkennen, wie die Plenarversammlung der Rektoren im Zeichen eines von massiven Sachzwängen induzierten Reformdiskurses um eine Klärung ihres Selbstverständnisses und eine interne Optimierung ihrer Handlungsfähigkeit rang. Bei aller Vielfalt der Positionen zeichnet sich darin doch deutlich genug die Trendlinie einer Entwicklung ab, in deren Verlauf der Hochschulverband im Gesichtskreis der WRK mehr und mehr an die Relevanzperipherie geriet, wo er sich schließlich eingereiht fand in die Kohorte der übrigen Wissenschaftsorganisationen, mit denen die WRK geregelte Beziehungen unterhielt und fallweise kooperierte.123 Dennoch kam es in hochschulpolitisch wichtigen Fragen wie dem Besoldungsrecht und der Lehrkörperstruktur zu enger und konstruktiver Zusammenarbeit.124 Als die Standesorganisation 1962 wegen ihrer mutigen und zukunftsweisenden Reforminitiaüve zur Neugestaltung des Kolleggeldwesens massiver Kritik eines Teils ihrer eigenen Klientel ausgesetzt war, beeilte sich die Rektorenkonferenz, der verunsicherten und bedrängten Verbandsführung um Felgentraeger mit einer ihre Autorität und Handlungslegitimation nachdrücklich bestätigenden Erklärung zu Hilfe zu kommen.125 Umgekehrt ließ sich der Hochschulverband wenig später die Gelegenheit nicht entgehen, der WRK mit einem fünfstelligen Überbrückungsdarlehen über eine akute Finanzie122

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Einen knappen Abriß über Struktur und Entwicklung der WRK bietet Hans-Uwe Erichsen, Hochschulrektorenkonferenz (HRK) - Konferenz der Rektoren und Präsidenten der Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Hb. d. Wissenschaftsrechts Bd. 2, zweite, völlig überarbeitete Auflage, Berlin u.a. 1996, S. 1637-1652. Besonders aufschiußreich hierfür die Verhandlungen über Struktur- und Organisationsfragen in AHRK/WRK 28, 26.7.1953, TOP 1; AHRK/WRK 32, 29./30.1.1955, TOP 2 u. 3; AHRK/WRK 37, 23724.5.1957, TOP 6b; AHRK/WRK 51, 5.-7.2.1964, TOP 2; AHRK/WRK 52,8.-10.7.1964, TOP 3a. Neben der ständigen Berichterstattung Felgentraegers über den Gang der Verhandlungen zur Kolleggeld- und Besoldungsreform als weitere Beispiele konkreter Zusammenarbeit zwischen WRK und Hochschulverband: Vorbereitung eines Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Bearntenrechts, AHRK/WRK 37, 23724.5.1957, TOP 2e; Formulierung einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber der Kultusministerkonferenz zur Frage von Berufungssperren, AHRK/WRK 48, 5,/6.7. 1962, TOP 3e und Anlage; gemeinsames Memorandum zum Berliner Hoch seh u l lehre r-Gesetz, ADHV/P45, 26.1.1963, TOP 1. Die Plenarversammlung der WRK billigte folgende, eine grundsätzliche Vertrauenserkläning für den Hochschulverband beinhaltende Entschließung des Länderaussschusses vom 22.6.1962: „Die vom Hochschul verband in den vergangenen Jahren wahrgenommenen Aufgaben haben sich im Rahmen seiner satzungsmäßigen Zuständigkeiten gehalten. Das gilt insbesondere auch für die Fragen der Besoldungsreform und des Kolleggeldwesens. Der Hochschulverband hat hierüber in den vergangenen Jahren mit der Kultusministerkonferenz Verhandlungen in gegenseitigem Einvernehmen mit der Rektorenkonferenz und in ihrem ausdrücklichen Auftrag geführt. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz unterstützt die Bemühungen des Hochschulverbandes und spricht die Erwartung aus, daß sie beschleunigt zu einem hochschul gerech ten Ergebnis führen. Ein solches Ergebnis ist unerläßliche Voraussetzung einer umfassenden Hochschulreform im Sinne der Bestrebungen des Wissenschaftsrates." AHRK/WRK 48,6.7.1962, TOP 6a H u. III. 76

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Kräftefeld rungskrise hinwegzuhelfen.126 Die regelmäßigen Tätigkeitsberichte der WRKPräsidenten ließen es selten an freundlichen Worten für den Hochschulverband und seinen verdienten Präsidenten fehlen. Der Präsidialausschuß der Rektorenkonferenz würdigte bereitwillig die „aufopferungsvolle und schwierige Arbeit" der Standesorganisation und versicherte, „daß es gut gewesen sei, im Jahre 1950 den Hochschulverband ins Leben zu rufen"127, so wie umgekehrt auch Felgentraeger schon zu einem frühen Zeitpunkt die Bestrebungen der WRK, sich zu einem eigenständigeren Faktor der Hochschulpolitik zu konsolidieren, ausdrücklich und gewiß auch aufrichtig begrüßt hatte.12S All dies aber änderte nichts an der fundamentalen Tatsache, daß durch die Stärkung der Rektorenkonferenz und die Tendenz zur ,Professionalisierung' des Rektorenamtes im Verhältnis der beiden Organisationen eine Asymmetrie eingetreten war, die dem Anspruch des Hochschulverbandes, auch die Belange der Hochschulen als Institutionen zu vertreten, mehr und mehr die Grundlage entzog. In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zeigte sich, daß der Verband weit vom Gravitationszentrum der Hochschulpolitik abgedrängt war; nicht allein die staatlichen Instanzen schenkten ihm immer weniger Beachtung - sogar bei den Rektoren fehlte es an Interesse und Verständnis für die Tätigkeit der Standesorganisation, Auch den Landesverbänden gelang es immer weniger, mit den Landesrektorenkonferenzen Kontakt zu halten.129 Wie ernst die Situation des Verbandes in Felgentraegers Augen war, läßt ein Brief erkennen, den er Anfang Februar 1967 an den Präsidenten der WRK richtete. Felgentraeger räumte „zunehmende Verstimmung" unter den Mitgliedern über die ausbleibenden 126

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Wegen „Meinungsverschiedenheiten über den Charakter ihrer Finanzierung durch die Hochschuien" verfügte die WRK Ende 1963 nicht mehr über „die nötigen laufenden Mittel, um ihren Betrieb aufrechterhalten zu können''. Bis zur endgültigen Regelung des Problems durch eine Übereinkunft zwischen WRK und KM K, der auch die Finanzministerkonferenz zustimmen mußte, half der Hochschulverband mit einem Darlehen von 30.000.- Mark aus. Vgl. die Mitteilung Felgentraegers an die Vorstandsmitglieder vom 18.11.1963, B 380/18, fol. 150/151, und ADHV/P 50, 18.1.1964, S. 4 u. 8f. Zur Finanzierung der WRK allg. vgl. Erichsen, Hochschulrektoren ko n fere n z, S. 1646f. Erklärung des Hamburger Rektors und WRK-Präsidenten Rudolf Sieverts in der Präsidiumssitzung des Hochschulverbandes vom 30.10.1964, ADHV/ P 53, S. 1. Vgl, die Erklärung Felgentraegers in der Generaldebatte der 28. WRK in Göttingen über Organisation und Geschäftsordnung: „Der H och schul verband wurde seinerzeit geschaffen, um die Rektorenkonferenz zu entlasten," Er „hat das größte Interesse daran, dass die Rektorenkonferenz aktionsund arbeitsfähig bleibt. Es kann dem Hochschulverband nur gut tun, wenn die Rektorenkonferenz möglichst stark ist, und es ist nicht etwa so, dass der Hochschulverband an Arbeiten und Aufgaben verlöre, wenn die Rektorenkonferenz schlagkräftig ist," AHRK/WRK 28, 26./27.6.1953, S. 5. Vgl. ADHV/P 59, 30.4.1966, S. 8f.: Im Präsidium kommt zur Sprache, daß der Verband über Hochschulneugründungert „nicht benachrichtigt worden sei und daß auch die Rektoren der einzelnen Hochschulen den Hochschulverband nur wenig konsultieren"; ähnlich ADHV/P 62, 28.1.1967, TOP 9, 77

Der Hochschulverband als Standesorganisation

Erfolge des Verbandes ein und beklagte, „daß die zuständigen Verwaltungsstellen in zunehmendem Maße den Hochschulverband übergehen und von ihm trotzdem vorgelegte Stellungnahmen nicht beachten". Er machte dafür die Rektoren und Landesrektorenkonferenzen verantwortlich, von denen der Hochschulverband auch bei „den in sein Arbeitsgebiet fallenden Fragen nicht oder nicht rechtzeitig hinzugezogen und häufig auch nicht über die anfallenden Probleme informiert" werde. Mit einer für ihn ungewöhnlichen Nachdrücklichkeit forderte Felgentraeger die Rektorenkonferenz auf, sich wieder auf den Gründungskonsens des Jahres 1950 zu besinnen und „eine wirksame Unterstützung des Hochschulverbandes und eine engere Zusammenarbeit [zu] beschließen".130 Der Länderausschuß der WRK befaßte sich erst im Mai 1967 mit diesen Gravamina. Verlauf und Ergebnis der Beratung, an der Felgentraeger teilnahm, scheinen bei diesem einen geradezu deprimierenden Eindruck hinterlassen zu haben,131 Einen Tag nach der Länderausschußsitzung konfrontierte Felgentraeger in tiefer Resignation sein Präsidium mit der Existenzfrage, „ob das Fortbestehen des Hochschulverbandes überhaupt noch sinnvoll sei". Im Länderausschuß sei die Meinung geäußert worden, der Verband sei „nur ein privater Verein". Neben den bekannten „Schwierigkeiten der Zusammenarbeit" mit den Rektoren habe man auch mit den staatlichen Hochschulverwaltungen „immer weniger Kontakt", „da diese nur mit den Rektoren zusammenarbeiten wollten". Der Verband werde „überwiegend nur noch zur persönlichen Beratung der Kollegen herangezogen, nicht jedoch zur Behandlung allgemeiner Probleme der Hochschullehrer".132 Man wird vermuten dürfen, daß in Felgentraegers düsterer Einschätzung der Lage auch persönliche Enttäuschung zum Ausdruck kam. Das Präsidium zeigte sich jedoch entschlossen, Kurs zu halten. Es befand einmütig, „dass die Arbeit des Hochschulverbandes unbedingt notwendig sei" und es „jetzt nur darum gehe, die Zusammenarbeit mit den Landesrektorenkonferenzen und den Rektoren der einzelnen Hochschulen, die geborene Mitglieder [...] seien, zu verbessern und zu intensivieren",13j Die weitere Entwicklung bestätigte freilich eher den Pessimismus Felgentraegers als die unverdrossen pragmatische Zuversicht des Präsidiums. Im 130 131

Felgentraeger an WRK-Präsident Sieverts, 1.2.1967, ZZBW/HRK FZ 281/2. Das Protokoll der 50. Sitzung des Länderausschusses vom 19,5.1967 in Bad Godesberg (ZZBW/HRK FZ 281/2) ist im Stil diplomatischer Kommuniques gehalten und laßt die Schärfe des Konflikts allenfalls erahnen.

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ADHV/P 63, 20.5.1967, S. 4.

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Ebda., S. 5f, Der in der Sitzung anwesende WRK-Präsident Sieverts, den als Hamburger Rektor ein Verhältnis kollegialer Nahe mit Felgentraeger verband, unterstützte diese Linie mit der Anregung, die leitenden Verwaitungsbeamten der Hochschulen über die Arbeit des Verbandes zu informieren und die Rektoren in einem Rundschreiben dran zu erinnern, daß der Hochschulverband auf Intitiative der WRK gegründet worden sei. 78

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen

Kräftefeld

Januar 1968 gab der neue Präsident der WRK, der Frankfurter Rektor Walter Rüegg134, in der Präsidiumssitzung des Hochschulverbandes zu erkennen, daß Überlegungen über eine Umstrukturierung der Rektorenkonferenz im Gange seien, die auch deren Verhältnis zum Hochschulverband betreffen würden. So sei die bislang übliche Teilnahme des Hochschutverbandspräsidenten an den Sitzungen des Länderausschusses in Frage gestellt worden, weil die Rektorenkonferenz „nicht nur die Belange der Hochschullehrer, sondern genauso die Interessen der Assistenten und Studenten vertrete".135 Die Veränderungen, die Rüegg hier ankündigte, markierten wiederum ein qualitativ neues Stadium in jenem langfristigen Prozeß des Wandels von Selbstverständnis und Funktion der Rektorenkonferenz. Die kritische Bestandsaufnahme über Lage und Leistung der Rektarenkonferenz als Faktor bundesdeutscher Hochschulpolitik, mit der Rüegg am 19, Februar die erste Plenarversammlung seiner Präsidentschaft eröffnete, war getragen von Selbstbewußtsein und demonstrativem Reformelan. Für eine Partnerschaft mit dem Hochschulverband als Standesorganisation war darin kein Platz.136 Die tiefgreifende politische Unruhe, die seit 1967 die Studentenschaft und mit ihr die Hochschulen und darüber hinaus große Teile der deutschen Öffentlichkeit erfaßt hatte (und mit der gerade Rüegg als Rektor in Frankfurt, neben Berlin das Zentrum der deutschen Studentenbewegung157, auf besonders drastische Weise konfrontiert wurde138), veranlaßte die WRK zu einer forcierten Neubestimmung ihrer hochschunpolitischen Position, Diese fand ihre erste Kodifikation in der ,Godesberger Rektorenerklärung' vom 6. Januar 1968, die dann im Februar von der 59. WRK durch Plenarbeschluß zum offiziellen Reformprogramm erhoben wurde. Die für unseren Zusammenhang 114

Walter Rüegg, geb. 1918, Studium der Klass, Philologie, Philosophie und Nationalökonomie in Zürich und Paris, Prorn. 1944, Stip. in Florenz und Rom für Humanismusforschungen, Habil. 1950; 1941-1952 höherer Schuldienst, ab 1950 PDoz. Univ. Zürich, ab 1959 Titulatprof.; ab 1961 o. Prof. und Dir. des Seminars für Gesellschaftslehre an der Johann Wolgang Goethe-Univ. Frankfurt/M., Rektor 1965-70; 1973-1986 o. Prof. und Dir. des Inst, für Soziologie der Univ. Bern; 1966-71 Mitglied des Präsidiums der WRK, 1967/68 WRK-Präsident, 1970-73 Präsident vom ,Bund Freiheit der Wissenschaft'.

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ADHV/P 66, 27.1.1968, S. 5f. AHRK/WRK59, I9.-21.2.1968, TOP I/l.

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Dies gilt sowohl institutionell - in Frankfurt war die Bundeszcntrale des SDS - wie ideologisch, wenn man die elementare Rolle der .Frankfurter Schule' als Inspirationsquelle und Ideenreservoir der studentischen Gesellschaftskritik bedenkt. Vgl. Ingrid Gilcher-Holtey, Kritische Theorie und Neue Linke, in: Dies, (Hg.}, 1968 - Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1998, S, 168-187. Für Hintergründe und Zusammenhänge schier unerschöpflich Clemens Albrecht u.a., Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule, Frankfurt/M. - New York 1999, Vgl. auch Rüeggs bitteren Erinnerungsbeitrag , H ochse h u Ire v ölte und terroristische Provokation als intellektuelles Polittheater', in: Karl Strobel (Hg.), Drei Jahrzehnte Umbruch der deutschen Universitäten. Die Folgen von Revolte und Reform, Vierow b. Greifswald 1996, S. 82-90. 79

Der Hochschulverband als Standesorganisation zentrale Aussage dieses Programms lautete: „Der Rektor oder Präsident vertritt die Gesamtheit der Universität und alle ihre Angehörigen."139 Auch wenn dies in der Grundsatzerklärung selbst nicht ausgesprochen wurde, lag es doch als zwingende Konsequenz auf der Hand, daß damit dem Konstitutionsprinzip des Hochschulverbandes, wonach die ihm ex officio angehörenden Rektoren seinen institutioneilen Vertretungsanspruch begründeten, der Boden entzogen war. Was die Universität als eine „Körperschaft von Lehrenden und Lernenden" anging, so stand im Fokus der Aufmerksamkeit der WRK - neben den Studenten - nunmehr die Assistentenschaft, von der dann nach der Gründung der Bundesassistentenkonferenz am 29. März 1968 in Marburg auch der entschieden größere (hochschul} politische jReform'druck ausging.140 Diese Neubestimmung der hochschulpolitischen Präferenzen wurde sogleich auch statutarisch umgesetzt durch eine Revision der ,Ordnung der Westdeutschen Rektorenkonferenz 1 , in welcher - und nur auf diesen Punkt kommt es hier zunächst an - von einem Teilnahmerecht des Hochschulverbandspräsidenten an den Plenarversammlungen konsequenterweise keine Rede mehr war.141 Mit Schreiben vom 1. März 1968 informierte die Rektorenkonferenz den Hochschulverband, daß sein Präsident in Zukunft bei den Plenarversammlungen der WRK nicht anders als die übrigen Gäste behandelt werden und nur noch an denjenigen Beratungen teilnehmen könne, die für die Erörterung mit Gästen vorgesehen seien. Das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen des Länderauschusses galt nur noch für Felgentraeger ad personam.142 Es hatte nachgerade schon rituellen Charakter, wenn Felgentraeger in seiner Erwiderung wieder die Gründungskonstellation von 1949/50 beschwor und daran erinnerte, daß „die damals amtierenden Rektoren" sich bei der „von ihnen selbst vorgenommenen Ausgliederung eines Teiles ihrer Aufgaben und Übertragung an den Hochschulverband zugleich ein institutionelles Mitwirkungsrecht gesichert" hätten. Die seinerzeit vereinbarte Arbeitsteilung sei vom Hochschulverband aufs genaueste beachtet und seine Politik „stets auch sachlich mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz, den Landesrektorenkonferenzen und den einzelnen Rektoren abgestimmt" worden, um „in 139

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AHRK/WRK 59, 19.-21.2.1968, TOP 1/2. Die .Godesberger Rektoren-Erklärung zur Hochschulreform1 vom 6.1.1968 ist abgedruckt in: Westdeutsche Rektorenkonferenz (Hg.), Stellungnahmen, Empfehlungen, Beschlüsse 1960-1989. Bd. I, Bonn 1989, S. 63f. Die 59. WRK trug dieser Entwicklung durch die Verabschiedung einer ,Ernpfehlung zur Stellung der Wissenschaftlichen Assistenten1 Rechnung; AHRK/WRK 59, 19.-21.2.1968, TOP 1/4, AHRK/WRK 59, 19.-21.2.1968, TOP IX/18a; In der die Zusammensetzung des Plenums regelnden Ziff. 5 der Ordnung lautete nun der entscheidende Passus: „Über die Zuziehung anderer Personen beschließt das Präsidium." Der Brief des Vizepräsidenten der WRK ist in den Akten des Hochschulvcrbandes nicht erhalten, doch wird sein Inhalt in dem in der folgenden Anmerkung zitierten Brief Felgentraegers ausführlich referiert.

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen

Kräftefeld

seinen Arbeitsergebnissen jede Abweichung von der Auffassung der Rektoren zu vermeiden". Werde diese institutionelle Verbindung nun einseitig aufgehoben, so könne der Hochschulverband sich zu solcher Rücksichtnahme nicht mehr verpflichtet fühlen. In letzter Konsequenz sei dann sogar „eine Umgründung des Verbandes in eine gewerkschaftsähnliche selbständige Organisation" vorstellbar, oder, wenn die Mehrheit der Mitglieder diesen Weg nicht gehen wolle, die Auflösung des Verbandes/43 Auf Bitten Felgentraegers wurde der Beschluß vom 21. Februar noch einmal in seiner Gegenwart im Präsidialausschuß besprochen.144 Mehr als ein Formelkompromiß, der wohl den persönlichen Affront gegenüber Felgentraeger abmildern sollte, kam dabei erwartungsgemäß nicht heraus.145 In einer unmittelbar auf die 61. Plenarversammlung der WRK folgenden Präsidiumssitzung des Hochschulverbandes wurden dann die Fronten geklärt. WRK-Vizepräsident Hans Rumpf, der in dieser Sitzung zugegen war, machte deutlich, daß der nostalgische Rekurs auf die Gründung des Verbandes aus der Rektorenkonferenz der aktuellen hochschulpolitischen Lage nicht mehr gerecht werde. Während 1950 noch „tatsächlich die Träger der Hochschulen die Hochschullehrer allein gewesen seien, [...] seien heute neue Gruppen von Lehrpersonen, die eine starke wissenschaftliche Tätigkeit entfalteten, hinzugekommen", und auch diesen müsse „ein bestimmtes Maß an Mitbestimmung zugestanden werden". Die WRK jedenfalls sehe sich heute nicht mehr „als Repräsentant lediglich der Ordinarien und Nichtordinarien". Rumpf legte dem Hochschulverband nahe, über eine Aufnahme auch der wissenschaftlichen Assistenten nachzudenken, denn das künftige Verhältnis der Rektorenkonferenz werde weitgehend davon abhängen, „wie sich der Hochschulverband selbst verstehe". Daß der Vorgang nicht nur das Resultat langfristiger Strukturveränderungen an den Hochschulen war, sondern auch eine eminent politische Dimension hatte, wurde aus der Drohung Rumpfs deutlich, die WRK werde verstärkt mit der Bundesassistentenkonferenz zusammenarbeiten, falls der Hochschulverband sich nicht entschließen könne, auch die Wissenschaftsbeamten und Assistenten in seine Reihen aufzunehmen. In der weiteren Diskussion räumte Rumpf schließlich offen ein, daß die Rektorenkonferenz mit der abrupten Trennung vom Hochschulverband auch einen Tribut an die unruhigen Zeitläufte darbrachte: 143 144

145

Heigentraeger an WRK-Vizepräsident Rumpf, 18.3.1968, ZZBW/HRK FZ 287/1. Vgl. AHRK/WRK 60, 27.3.1968, Beschluß zu TOP JX/6; .Vertretung von Organisationen und Gruppen [sie!] in den Plenarversamrnlungen der WRK', Vgl. den auf Empfehlung des 87. Präsidialauschusses vom 25.4.1968 gefaßten Plenarbeschluß zu TOP IX/9: .Teilnahme von Gästen an den Plenarversamrnlungen': „{..,] sind bis auf weiteres die Präsidenten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Hochschulverbandes ais ständige Gäste zu den Plenarversammlungen einzuladen [...]", AHRK/WRK 61, 26.4.1968.

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Der Hochschulverband als Standesorganisation

Eine Änderung im Verhältnis der beiden Organisationen habe jetzt herbeigeführt werden müssen, „da sonst die Rektoren an Glaubwürdigkeit gegenüber den Studenten verloren hätten".146 Dem Verbandspräsidium fiel es ersichtlich schwer, sich mit der neuen Situation abzufinden. Auf sein Drängen fand am 7. Juni 1968 eine Besprechung zwischen Vertretern beider Organisationen statt, in der noch einmal die „künftige Zusammenarbeit" nach Trennung der Aufgabenbereiche erörtert werden sollten. Die WRK steckte schon im Vorfeld ihre Position durch drei dezidiert reformorientierte Programmaussagen ab, die deutlich zeigen, daß sie die Beratungen nicht mehr als ergebnisoffene Verhandlungen zu führen gedachte: - „1. Die Hochschulen sind keine Gelehrten-{Ordinarien-)repubIik mehr." - „2. Die Rektoren vertreten die Gesamtheit ihrer Universität und alle ihre Angehörigen." - „3. Die Hochschulen brauchen einen starken Interessenverband der Hochschullehrer im weitesten Sinne (Ordinarien bis Assistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter); d.h. einen Hochschul verband als Hochschullehrerverband," M7 Entsprechend klar und hart im Sinne der WRK-Position fiel denn auch das Ergebnis aus, das Felgentraeger dem Präsidium des Hochschulverbandes in dessen Sitzung vom 5. Juli zur Kennntis bringen mußte. Die institutionelle Verbindung des Hochschulverbandes mit den Rektoren sollte „sowohl auf der Ebene der örtlichen Hochschulverbandsgruppen als auch auf der Ebene der WRK aufgehoben werden",148 Das robuste Selbstbewußtsein der Rektorenkonferenz im Umgang mit der Standesorganisation der Hochschullehrer dokumentierte sich darüber hinaus auch in einem Beschluß des Rektorenplenums, der konkrete Vorgaben für die Regelung der inneren Verhältnisse des Hochschulverbandes zum Inhalt hatte. Danach waren in der Satzung des Hochschulverbandes alle Bestimmungen zu tilgen, in denen die Verbindung beider Organisationen fixiert war.149 Dem Hochschulverbandstag, der im unmittelbaren Anschluß an die Rektorenkonferenz stattfand und vor dem WRK-Präsident Rüegg noch einmal die veränderte Position seiner Organisation aus den „gesellschaftspolitischen Veränderungen der letzten Zeit" begründete15 , blieb nichts anderes übrig, als der neuen Sachlage durch 146 147

148 149 150

ADHV/P 67, 27.4.1968, TOP 4, S. 6-10. Bericht des WRK-Präsidenten über die Besprechung zwischen WRK und Hochschulverband am 7.6.1968 vor dem 63, WRK-Plenum am 5.7.1968 in Bad Godesberg, AHRK/WRK63, TQPI/1, ADHV/P 68, 5.7.1968,5.4. Vgl. AHRK/WRK 63, 5.7.1968, TOP I/l. „Die Rektoren seien", so führte Rüegg aus, „durch die gesellschaftspolitischen Veränderungen der letzten Zeit, insbesondere durch das neue Verständnis der Universität, in die Lage gekommen, nicht mehr die Universität als eine Geiehrtenrepublik allein repräsentieren zu können, nicht mehr

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Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen

Kräftefeld

Modifizierung der Verbandssatzung Rechnung zu tragen. Er ging dabei freilich nicht so weit, wie von der Rektorenkonferenz gefordert. Insbesondere wurde der das Zusammenwirken mit der WRK regelnde Satz 3 von § l nicht., wie von dieser gewünscht, ersatzlos gestrichen, sondern nur ,weicher* formuliert. Gleichwohl aber war mit dieser Satzungsänderung die Trennung in der Substanz besiegelt,151 Für Wilhelm Felgentraeger war dies, wie sich Gerth Dorff erinnert, die bitterste Erfahrung seiner Amtszeit, In der Tat bedeutete dieser Schnitt jenseits aller persönlichen Kränkung, die der erste Präsident darüber empfinden mochte, die wohl tiefste Zäsur in der gesamten Geschichte des Verbandes. Gewiß hätte der veränderte hochschulpolitische Kontext, aus dem heraus die WRK die Scheidung vollzog, ohnehin früher oder später auch den Hochschulverband vor die Herausforderung einer Neubestimmung seiner Position, seiner Ziele und seiner operativen Möglichkeiten und Methoden gestellt. Nun aber mußte diese Aufgabe, sollte der Verband eine Zukunft haben, nicht nur in einem Großklima des gesellschaftlichen Konflikts und der massiven Anfechtung und Anfeindung der traditionellen Sozialfigur des Universitätsprofessors von außen bewältigt werden, sondern zugleich in einer Krise des Selbstverständnisses von Stand und Verband. Denn das identitätstragende Dogma, wonach Hochschulverband und Rektore n konferenz in gleichsam prästabilierter Interessen- und Zielkonvergenz gemeinsam die Hochschule als Institution verträten152, hatte mit der einseitigen Abstoßung durch die WRK sein Fundament verloren. Dennoch zeigten sich durchaus nicht alle Mitglieder der Verbandsführung gleichermaßen unglücklich über die nun erfolgte Trennung. Die Nichtordinarien begrüßten sie vielmehr als längst überfällige Entlassung des Verbandes aus selbstgewählter Abhängigkeit in eine Autonomie, die nun eine von Rücksichtnahmen freiere und entsprechend entschiedenere Vertretung der Interessen der Hochschullehrer ermöglichen sollte.15·5 Sie waren dabei weniger von zeittypischer

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die Anliegen der einzelnen Angehörigen patronal oder patemal wahrzunehmen, sondern als Vertreter der Gesamthochschule für die /.usammenarbeit aller Gruppen einzutreten," ADHV/HVT 18,6.7.1968,3. 11 Dieser Satz lautete nunmehr: „Hochschulverband und Westdeutsche Rektorenkonferenz arbeiten unter Wahrung ihrer Selbständigkeit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zusammen." Die übrigen Änderungen in den §§ 4 und 9 wandelten die obligatorischen Funktionen der Rektoren in den Organen des Verbandes in bloß fakultative um; Satzung des Hochschulverbandes vom 6.7.1968, Beil, zu MittHV Bd. 17 {1969). Gerber, Entwicklungsgeschichte, S. 53, vertrat sogar die Auffassung, der Hochschul verband sei „grundsätzlich rechtlich ebenso zu qualifizieren wie die Rektorenkonferenz"; „Beide sind derselben Wurzel entsprossen, beide von den wissenschaftlichen Hochschulen in ihrem Wirkungsbereich frei gebildet," Vgi. ADHV/NOK 9, 4,/5. 7.1968, S. 3, und ADHV/HVT 18, 6.7.1968, S. 15. Die Nkhtordinarienvertreter befürworteten sogar die vollständige Kappung aller satzungsmäßigen Verbindungen zur WRK, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.

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Der Hochschulverband als Standesorganisation Reformergriffenheit getragen als von einer auf langjährigen Erfahrungen beruhenden, von der offiziellen' Verbandsiinie abweichenden Auffassung über die Ziele und Aufgaben ihrer Standesvertretung. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß Fragen der Gruppenrepräsentanz wie auch der zieladäquaten Verbandsstrategie bereits in den Jahren von 1962 bis 1964 im Konflikt der Verbandsführung mit den Ordinarien der Freiburger Medizinischen Fakultät und dem großen Ringen um eine Änderung der Verbandsstruktur stark umstritten gewesen waren. Die institutionelle Verklammerung des Hochschulverbandes mit der Rektorenkonferenz, wie sie in der amtlichen Funktion der Rektoren im Verband zum Ausdruck kam, war damals von zwei Seiten mit ganz unterschiedlichen Motivationslagen unter Beschüß geraten. Die Universität Freiburg sah die Gefahr von Rollenkonflikten aufgrund der Tatsache, „daß die Rektoren kraft ihres Amtes eine staatliche Funktion hätten, die nach der Satzung des Hochschulverbandes in einer privaten Organisation verankert würde".154 Die „Zwangsmitgliedschaft der Rektoren" stieß daher dort „auf absolute Gegnerschaft".155 Auf der anderen Seite war - das wurde im vorigen Abschnitt schon gezeigt - die Verbandskonstruktion, die den Rektoren als, wie man gerne sagte: „geborenen Mitgliedern" faktisch einen eigenen Gruppenstatus einräumte, auch bei den in ihre Drittelminorität eingesperrten Nichtordinarien in Mißkredit geraten. Sie sahen zudem in der engen Anlehnung an die Rektorenkonferenz und dem daraus sich ergebenden Konsenszwang die Ursache der politischen Schwäche und das entscheidende Hindernis für eine offensivere Interessenpolitik des Verbandes. Solcherart von zwei Seiten bedrängt, hatte sich Felgentrager schon 1962 um Stützung für seine Linie an den damaligen WRK-Präsidenten Leussink und seinen alten Mentor Raiser gewandt, der zu jener Zeit Vorsitzender des Wissenschaftsrates war.156 In inhaltlich weitgehend übereinstimmenden Briefen evozierte Felgentraeger den Gründungskonsens, der das Zusammenwirken von Rektorenkonferenz und Hochschulverband im Sinne gemeinsamer Treuhänderschaft für die Hochschulen festgelegt habe, und bat unter detaillierter Vorgabe der Argumentationslinie darum, diese Position durch Erklärungen ex cathedra gegen die Kritik aus Freiburg zu verteidigen.157 Ein Jahr später, als es um die Durchsetzung der neuen 154

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So die Stellungnahme des Freiburger Rektors Miischerlich auf dem 13. Hochschulverbandstag, ADHV/HVT 13, 15.6.1963, S. 30. So Rektor Mitscherlich im Qrdinarienkonvt-nt vom 14.6.1963, ADHV/OK 3, S. 8. Nach der Erinnerung von Gerth Dorff war die Berufung Raisers zunächst zürn Präsidenten der DFG und dann zum Vorsitzenden des Wissenschaftsrates nicht unwesentlich auf Empfehlungen von I;elgentraeger zurückgegangen; Interview üorff vom 20,9.1999. Vgl. Felgentraeger an Leussink und an Raiser, beide Briefe vom 6.6.1962, 380/17, fol. 317/318 und fol. 319/320. 84

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen

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Satzung ging, klagte Felgentraeger gegenüber dem WRK-Präsidenten über zunehmende „Unzufriedenheit der Kollegen" mit der Politik ihres Verbandes, der „trotz ständiger Bemühungen in seinen Verhandlungen mit den staatlichen Stellen auf verschiedenen Gebieten nur Teilerfolge erringen konnte". Da es aber dem Verband nicht möglich sei, die „notwendigen Erfolge bei den Verhandlungen mit den staatlichen Stellen zu erzwingen", müsse versucht werden, durch Reorganisation die „Reibungen im Innern zu vermeiden und dadurch die Aktivität des Hochschulverbandes nach außen zu steigern". Mit ungewöhnlicher Deutlichkeit führte Felgentraeger hier die „inneren Schwierigkeiten" des Verbandes auf ein Integrations problem zurück: Die Nichtordinarien wollten „überhaupt lieber eine gewerkschaftsähnliche Organisation des Hochschulverbandes unter der dann zwangsläufigen Aufhebung jeder Unterscheidung zwischen Lehrstuhlinhabern und Nichtordinarien". Die Ordinarien andererseits hätten zum Hochschulverband „nie ein rechtes Verhältnis gefunden", und die Rektoren seien sich vielfach „ihrer Stellung als geborenes Mitglied und Vertreter ihrer Hochschule in der Standesorganisation nicht bewußt". Die Preisgabe seines institutionellen Vertretungsanspruches aber würde den Verband „in die Richtung einer Gewerkschaft drängen, bei der zwangsläufig dann radikale Elemente die Oberhand" gewännen.158 Im Lichte der dann fünf Jahre später von der WRK so umstandslos vollzogenen Lossagung vom Hochschulverband erscheint es doch bemerkenswert, daß Felgentraeger 1963 die von ihm eingeforderte Unterstützung durch die Rektorenkonferenz noch ohne weiteres gewährt wurde. Der WRK-Präsident stellte im Namen des Präsidial- und Länderausschusses fest, „daß nach eingehender Prüfung seitens der Westdeutschen Rektorenkonferenz eine Änderung des Verhältnisses, d.h. der engeren Verzahnung zwischen Westdeutscher Rektorenkonferenz und Hochschulverband nicht gewünscht werde"; und Ludwig Raiser, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, assistierte mit der ganzen hochschulpolitischen Autorität seiner Person, „daß der Hochschulverband genau wie die Westdeutsche Rektorenkonferenz eine öffentliche Aufgabe habe und daß er diese eben nur erfüllen könne, wenn er mit den Hochschulen über die Rektoren verbunden sei".159 Die bloße Kanonisierung der Doppelstellung des Verbandes im Sinne der 1950 wiederbegründeten Tradition konnte freilich nicht die Probleme beseitigen, die dem internen Rollenkonflikt zugrunde lagen. Der Preis für die Bewahrung des Status quo war vielmehr hoch: Er bestand, wie die Dauerkrise der folgenden Jahre zeigte, in Immobilismus und Selbstmarginalisierung. Denn Ludwig Raiser irrte in 153 Felgentraeger an den WRK-Präsidenten Julius Speer, Rektor der LMU München, 15.3.1963, ZZBW/HRK FZ 315/4. 159 Stellungnahmen auf dem 13. Hochschulverbandstag am 15.6.1963 in Berlin. ADHWHVT 53, S. 28 u. 31, 85

Der Hochschulverband als Standesorganisation einem entscheidenden Punkt, wenn er für das Festhalten an der bisherigen Verbandskonstruktion das Argument ins Feld führte, daß der Hochschulverband „von seinen Gesprächspartnern, den Kultusministern und Kultusverwaltungen" nur „in dieser Stellung" anerkannt werde160. Der Erosion der Politikfähigkeit des Verbandes, wie sie für die Schlußphase der Ära Felgentraeger durch Äußerungen der Frustration aus dem Führungskreis selbst in zunehmender Dichte belegt wird, war gerade damit nicht zu begegnen. An diesem Punkt schneidet sich die Frage des Rollenbildes des Verbandes in seinem Verhältnis zur Rektorenkonferenz mit einer zweiten Problemlinie, welche die Mittel und Wege verbandlicher Zielverfolgung gegenüber den die Hochschulpolitik gestaltenden staatlichen Instanzen zum Gegenstand hat.

Politikansatz und Aktionsweise des Hochschulverbandes Der Anspruch des Hochschul Verbandes, mit den Hochschullehrern in quasiamtlicher Funktion zugleich die Hochschulen selbst zu repräsentieren, bestimmte und prägte natürlich auch den Politikansatz der Standesorganisation und mithin die Art und Weise ihres Auftretens und Agierens im hochschulpolitischen Kräftefeld. Wenn man sich - bei aller Unscharfe der Aufgabenteilung gegenüber der Rektorenkonferenz - doch jedenfalls darin einig war, was der Verband nicht sein wollte und sollte - nämlich eine gewerkschaftsähnliche Vertretung der Hochschullehrer -, dann verbot sich von vornherein jede Form konfrontativ-fordernden Auftretens zur Durchsetzung von Gruppeninteressen. Das hieß freilich nicht, daß sich der Verband der Aufgabe, auch für die sozialen und materiellen Belange der Hochschullehrer einzutreten, nicht gestellt hätte; engagierter Einsatz für eine Lösung der Nichtordinarienfrage und für die Nachwuchspflege, eingebettet in weiterreichende Bemühungen um eine zeitgerechte Reform der Lehrkörperstruktur, war eine Konstante der Verbandspolitik in der Ära Felgentraeger und wurde durch die nie ernstlich gefährdete Loyalität der Nichtordinarien auch honoriert. Aber abgesehen davon, daß es dem Selbstbild des Verbandes ebenso wie der Vorstellungswelt der Mehrheit seiner Mitglieder in den fünfziger }ahren wohl in der Tat ganz fremd gewesen wäre, standespolitische Anliegen mit Methoden kollektiven Drucks zu verfolgen, hätten dem Verbandsvorsitzenden seinem Naturell und seiner Prägung nach solche Mittel ohnehin nicht zur Verfügung gestanden, Felgentraegers Metier war die intensive Pflege persönlicher Verbindungen zu den für das Hochschulwesen administrativ und politisch Verantwortlichen, das vertrauliche und auf wechselseitiges Vertrauen gestützte Gespräch, die konsens160

Ebda., S. 31f.

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orientiert auf den Gegenstand bezogene, aus der Sache heraus argumentierende Erörterung und Beratung.161 Im Weltbild des Hochschulverbandsvorsitzenden war für Zweifel an der bleibenden Bedeutung und Zukunftsfähigkeit der deutschen Universität in ihrer überlieferten - wenn auch durchaus behutsamen Reformen bedürftigen - Gestalt gewiß kein Platz. Nur aus dieser ungebrochenen Sicherheit, der ,richtigen' Sache zu dienen, läßt sich verstehen, was man als verbandspolitische Grundhaltung Felgentraegers definieren kann: daß es im wesentlichen darauf ankomme, bei den maßgeblichen Personen und Instanzen konsequente Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Interessen der Hochschulen und Hochschullehrer erfolgreich zu vertreten. Dazu gehörte in der Praxis vor allem auch, daß der Verband durch die Geschäftsstelle oder durch ad ftoc-Kommissionen von fachlich einschlägig profilierten Professoren fundierte Problemanalysen und konkrete Regelungsvorschläge in beachtlichem Umfang erarbeitete, mit denen den hochschulpolitisch interessierten Vertretern der Parteien, den zuständigen parlamentarischen Gremien und den Verwaltungen die sachadäquate Lösung des jeweils anstehenden Problems gleichsam schon , vollzugsfertig' an die Hand gegeben werden sollte. In dieser Form des Tätigwerdens haben wir den funktionalen Kern einer in sich schlüssigen Verbandsstrategie vor uns. Aus dem Selbstverwaltungsprinzip, das die Erfahrungen der nationalsozialistischen Zeit in seiner zeitüberdauemden Valenz vermeintlich bestätigt hatten, schien zwingend zu folgen, daß es in erster Linie den Hochschulen selbst in Gestalt ihrer maßgeblichen Träger, der Rektoren und der Professoren, zukam, die Bedürfnisse universitarer Wissenschaft in Forschung und Lehre zu definieren. Indern der Hochschulverband es ablehnte, ,Tarifpartei' zu sein und ,einseitige' Interessenpolitik der Hochschullehrer zu betreiben, und sich statt dessen das Wohl der Institution Hochschule zur Richtschnur nahm, erwarb er in dieser Logik den Anspruch, gleichsam als Partner der staatlichen Hochschulpolitik gelten und agieren zu können. Der erklärte Verzicht auf partikulare Interessenpolitik einerseits und die überzeugend ausgewiesene Expertenschaft für mehr oder weniger alle Aspekte der Hochschulpolitik andererseits begründeten demzufolge die Handlungslegitimation des Verbandes. Man wird zugestehen können, daß dieser Ansatz in sich stimmig war und zudem den eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten einer Standesorganisation realistisch Rechnung trug, die angesichts der begrenzten Zahl, des individualistischen 161

In den Berichten, die der Vorsitzende zu Beginn jeder Vorstandssitzung über seine und der Geschäftsstelle Tätigkeit vortrug, sind diese Aktivitäten bis ins Detail dokumentiert. - In der Charakterisierung durch seinen engsten Mitarbeiter erscheint Felgentraeger als „ein besonders einfühlsamer, ein besonders warmherziger und an menschlichen Schicksalen interessierter Mensch", der „nicht so sehr an institutionellen hochschulpolitischen Fragen, sondern an persönlichen Fragen interessiert" gewesen ist; Interview Dorff, 20.9,1999. 87

Der Hochschulverband als Standesorganisation Selbstverständnisses und des dienstrechtlich gebundenen Status (eines großen Teils) ihrer Mitglieder ohnehin kaum über ein nennenswertes Kollektivpotential zu sozialpolitischer Konfliktführung verfügte. Die praktische Tragfähigkeit dieses Ansatzes bemaß sich allerdings nach der Bereitschaft der anderen Akteure der Hochschulpolitik, das Postulat von der Interessenidentität von Hochschulen und Hochschullehrern - und damit auch den Gemeinwohlanspruch des Hochschulverbandes - zumindest dem Grundsatze nach gelten zu lassen. In diesem kritischen Punkt gibt es denn auch schon früh Anzeichen für Diskrepanzen zwischen dem Selbstbild des Hochschulverbandes und seiner Wahrnehmung von außen. In dem offiziellen Schreiben, mit dem Felgentraeger im Juli 1950 dem bayerischen Unterrichtsminister die Gründung des Hochschulverbandes anzeigte und die Aufgaben der Organisation darlegte, findet sich die im Sinne des oben Gesagten charakteristische Formulierung, „dass der .Hochschulverband' für alle Fragen, die die Hochschullehrer angehen, zur Mitarbeit [sie!] zur Verfügung steht" und daher „dankbar" wäre, „wenn er zu allen Ihren Massnahmen, die in diesen Bereich fallen, gehört werden würde". Der interne Aktenvermerk, der in Reaktion auf dieses Schreiben eine Empfehlung für die vom Ministerium und der Kultusminisierkonferenz gegenüber dem Hochschulverband einzunehmende Haltung formulierte, ließ indes wenig Neigung erkennen, auf die vom Verband eingeschlagene , partnerschaftliche' Linie einzugehen. Die Kultusministerkonferenz, so hieß es darin, werde „gut daran tun, Fühlung mit dem Verband zu halten, aber sich die Initiative und Entscheidung in beamtenrechtlichen Fragen der Hochschullehrer nicht aus der Hand nehmen zu lassen"; ,,auch in den allgemeinen Hochschulfragen" sollten „die Unterrichtsverwaltungen die Initiative behalten".162 Man wird aus dieser verhaltenen Reaktion der Hochschulverwaltung eines Landes, das schon immer und auf allen Ebenen seine politischen Prärogativen mit besonderer Entschiedenheit zu wahren bemüht war163, nicht unbesehen eine Norm ableiten dürfen. Die große Vielfalt der Verhältnisse im Bildungsföderalismus zumal der frühen Bundesrepublik läßt solche Verallgemeinerungen schlechterdings nicht zu. Ausschlaggebend für das Maß an Aufgeschlossenheit und Resonanz, welches der Hochschulverband bei seinen Ansprechpartnern in den Hochschulbehörden der Länder fand, und damit auch für seine Wirkungsmöglichkeiten, waren auch hier in erster Linie Beziehungen von Person zu Person. Auf diesem 162

163

Schreiben Felgentraegers vom 3,7,1950 und Aktenvermerk des zuständigen Ministerialreferenten vom 10.7.1950 in BayHStA MK 68723. Vgl. auch die in diesem Sinne instruierenden Schreiben des bayerischen Unterrichtsministeriums an das Sekretariat der KMK vorn 29.7 und 13.9.1950, ZZBW/KMK-HA 1329/2, fol. 6 u. 15. Vgl. dazu Winfried Mutier, Die Gründung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Bundesrepublik Deutschland, in: Historisches Jahrbuch 114 (1994), S. 76-106. 88

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Felde konnte Felgentraeger seine ganz persönlichen Stärken zu Geltung bringen: Umgänglichkeit und Verbindlichkeit des Tones, Gefälligkeit und Witz des Ausdrucks, eine diskursive Grundhaltung, ein ausgleichendes, konziliantes Wesen. Wieweit der Verband mit seinen Vorstellungen Gehör fand, hing davon ab, ob es gelang, die richtigen Kontake zu knüpfen oder auch, vielleicht wichtiger noch, ob es möglich war, auf Beziehungen aus älteren Tagen zurückgreifen zu können. Dieses archaische und gleichwohl zeitlos gültige Muster der elementaren Textur politischen Handelns tritt dem Beobachter auch aus den Protokollen und Akten des Hochschulverbandes in einer Vielfalt punktueller Einzelbelege entgegen, Felgentraeger hatte, so erinnert sich sein langjähriger Mitarbeiter, „ein enges Netz von Personen, die ihm vertrauten und denen er vertraute, über die Hochschulländer gespannt". Und es kennzeichnet auf den Punkt den etwas honoratiorenhaften Stil dieser wohl gerade für die fünfziger Jahre besonders typischen Politikform, wenn Dorff hinzufügt, das seien eben alles „Herren" gewesen, die sich „auf dieser Ebene verstanden und die wußten, was sie untereinander verabredeten".164 Eine zentrale Figur in diesem Beziehungsgeflecht von „Herren" war - neben Ludwig Raiser - ein weiterer Göttinger Professor, der Ordinarius für Öffentliches Recht Werner Weber.165 Felgentraeger und Weber kannten sich schon aus ihrer 164 155

Interview Dorff, 20.9.1999. Werner Weber (1904-1976), Sohn eines Schulrektors, ev., promovierte nach Rechtsstudium in Marburg, Berlin und Bonn 1928 bei Car! Schmitt in Bonn mit einer Diss. über parlamentarische Unvereinbarkeiten (Inkompatibilitäten)', abgedruckt in; Archiv f. öffentliches Recht, N.F. 19 (1930), S. 161-254. Die hervorragend beurteilte Dissertation eröffnete ihm, nachdem er auch das zweite jur. Staatsexamen abgelegt hatte, 1930 den Eintritt in das Preuß, Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Zugleich war Weber Assistent und Lehrbeauftragter an der Handelshochschule Berlin, wo er dann 1935 als o. Prof. auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht berufen wurde (den vor ihm Hugo Preuß, Walther Schücking und Carl Schmitt innehatten). Seine Funktion in dem inzwischen zum Reichsressort umgewandelten Kultusministerium behielt Weber im Nebenamt bei, zuletzt im Range eines öberregierungsrats. Er schied auf eigenen Wunsch 1937 aus dem REM aus, weil er die Doppelbelastung nicht länger tragen konnte. Daß die Entscheidung zum Ausscheiden (auch) politisch motiviert war (so die Gedenkworte des Göttinger Rektors in: In memoriam Werner Weber. Gedenkfeier am 6. Mai 1977 in der Aula der Universität Göttingen, Göttingen 1977, S, 8), wird von Weber selbst verneint (vgl. Webers Stellungnahme gegenüber dem .Hauptamt Wissenschaft in der Dienststelle des Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP' vom 19.7.1942, BA Berlin NS 15/227; hier ist allerdings der situationsbedingte Rechtfertigungszweck des Schreibens in Rechnung zu stellen. Weber war aufgefordert worden, sich zu einem ihm zur Last gelegten Konflikt mit dem NSDozB zu äußern.). 1937 wurde Weber Sekretär der 2., mit der .Erforschung des Rechts von Reich und Volk' betrauten Klasse der neu eingerichteten ,Abteilung für Rechtsforschung' in der 1933 von Hans Frank gegründeten .Akademie für Deutsches Recht'. Er war in dieser Funktion unmittelbarer .Kollege' Felgentraegers, der zum Klassensekretär der L, der .Erforschung der Geschichte und der Grundfragen des Rechts' Klasse ernannt worden war. Zugleich war Weber u.a. Mitglied in dem im Okt. 1937 in der ADR eingerichteten .Ausschuß für Bodenrecht', zu dessen Vorsitzendem Felgentraeger ernannt wurde (Zur Tätigkeit Webers und Felgentraegers in der ADR vgl. Kap. IH/1). 1942 nahm Weber nach Ablehnung vorangegangener Rufe der 89

Der Hochschulverband als Standesorganisation gemeinsamen Zeit als Klassensekretäre der Akademie für Deutsches Recht von 1937 bis 1939/40.166 Ihr Schriftwechsel weist für das erste Jahrfünft des Bestehens des Hochschulverbandes eine außerordentlich enge Abstimmung und Zusammenarbeit in hochschulrechtlichen und hochschulpolitischen Fragen aus, die ihre Grundlage wohl nicht zuletzt in der Komplementarität der Persönlichkeitsprofile hatte. War Felgentraeger eher „ein weicher, nachgiebiger Mann", dessen besondere Stärken nicht unbedingt in Entschlußkraft und Entscheidungsfreudigkeit lagen, so zeigte Weber neben beeindruckendem analytischem Scharfsinn eine ausgeprägte Disposition zu umstandslos raschem, dezidiertem, auch schneidendem Urteil.167 Die vorliegende Korrespondenz vermittelt den Eindruck einer gewissen Unsicherheit, ja nachgerade Abhängigkeit Felgentraegers, der in beinahe allen über das reine Tagesgeschäft hinausgehenden Angelegenheiten des Hochschulverbandes den Rat des fünf Jahre jüngeren Kollegen einholte.168 Dies ging so weit, daß

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Universitäten Halle und Breslau einen Ruf an die Universität Leipzig als Nachfolger Ernst Rudolf Hubers an. Die Ernennung zum Professor in Leipzig hatte sich wegen politischer Bedenken des dortigen Gauleiters verzögert. Weber, der mit wichtigen Publikationen zum Staatskirchenrecht hervorgetreten war, war 1941 wegen wissenschaftlicher Äußerungen zu Fragen der rechtlichen Stellung der Kirchen vom Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes Reinhard Heydrich scharf gerügt worden (vgl, Hans Schneider, Werner Weber. Gedenkrede, gehalten am 6. Mai 1977 in der Aula der Georg-August-Universität in Göttängen, in: In memoriam Werner Weber, S. 12-27, hier S. 19). 1949 erfolgte die Berufung an die Universität Göttingen, wo Weber unter Ablehnung von Rufen nach Berlin und Bonn bis zu seiner Emeritierung 1972 blieb, 1952/53 versah Weber das Amt des Dekans der Jurist, Fakultät, 1956/57 das des Rektors der Univ, Göttingen, Weber hatte auch eine Vielzahl außeruniversitärer Ämter inne; er war 1965-1968 Vorsitzender der Sachverständigenkommission für die Verwattungs- und Gebiets reform des Landes Niedersachsen, seit 1967 Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer, Mitglied der Staatsgerichtshöfe Bremens und Niedersachsens. 1969 erhielt Weber das Große Bundesverdienstkreuz für hervorragende Verdienste auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und des Hochschulwesens. Eine Zusammenstellung seiner zahlreichen Veröffentlichungen findet sich in der ihm zum 70. Geburtstag gewidmeten Festschrift ,Im Dienst an Recht und Staat', hg. von Hans Schneider und Volkmar Götz, Berlin 1974, S, 1005-1033. Für die hier verarbeiteten biographischen Informationen vgj. in demselben Band die ,Zueignung 1 der Herausgeber, S. 7ff. Des weiteren wurden für das Biogramm herangezogen: die Personalakte Webers aus dem Bestand RA R 3001 (R22) Reich s Justizministerium, BA Berlin; personenbezogene Unterlagen des ehem. Berlin Document Center, BA Berlin, sowie die Akte BA NS 15/227, fol. 143-155, BA Berlin; femer MunzingerArchiv/Internat. Biogr. Archiv 26.2.1977, Lieferung 9/77 - K - 7116; Eberhard Schmidt-Aßmann, Werner Weber f, in: Neue Jurist. Wochenschrift 9 (1977). S. 3721 Eine knappe Charakterisierung von Wehere staatsrechtlichen Positionen findet sich bei Schneider, Werner Weber, eine kritische Beurteilung aus pol iti k wissenschaftlicher Sicht bei Carl Bohret u.a., Innenpolitik und Politische Theorie, Opladen 31988. Zu Webers Position in der deutschen Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit auch unter dem Kontinuitätsaspekt vgl, Birgit v, Bülow, Die Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit (1945-1952), Berlin 1996, passim. Zur .Akademie für Deutsches Recht' s. Kap. HI/1. So auch die Einschätzung Gerth Dorffs, Interview vom 20.9.1999. Zwei Zitate aus der Korrespondenz mögen ausreichen, diesen Eindruck exemplarisch zu belegen: Nach der ersten Vorslandssitzung des Hochschulverbandes übersandte Felgentraeger Weber das 90

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regelmäßig bei ganztägigen Zusammenkünften in Göttingen oder Hamburg nach einer vorab übermittelten umfangreichen ,Tagesordnung' die anstehenden Fragen der Verbandspolitik zwischen Felgentraeger und Weber unter Hinzuziehung des Geschäftsführers besprochen wurden. Felgentraeger übertrug Weber das programmatische Referat auf dem ersten Hochschul verband stag 1951, das die ,Rechtsstellung des deutschen Hochschullehrers' zum Gegenstand hatte. Dabei kam es Felgentraeger darauf an, die Besonderheit der „körperschaftsrechtlichen Stellung" des Hochschullehrers „einmal deutlich herauszuarbeiten", weil in ihr seine Sonderstellung gegenüber den übrigen Beamten begründet sei - ein zentraler Argumentationspunkt der Standespolitik.169 1953 übernahm Weber auf Wunsch Felgentraegers den Vorsitz in einem Ausschuß des Hochschulverbandes für Fragen des Hochschullehrerrechtes, nachdem ein schon seit 1950 geplanter ähnlicher Ausschuß der WRK unter dem Vorsitz Hans Gerbers, dem Weber ebenfalls angehören sollte, nicht zustande gekommen war. Außerdem arbeitete Weber im Hochschulrechtsausschuß der WRK mit und vertrat den Hochschulverband bei den Verhandlungen zum Beamtenrechtsranmengesetz des Bundes.170 Daß Weber gleichwohl in all den Jahren nie dem Vorstand des Hochschulverbandes angehörte, unterstreicht eher noch die Bedeutung seines informellen Einflusses im Sinne einer .grauen Eminenz1 und ging im übrigen auf seinen eigenen Wunsch zurück.171 Weber, der 1930 als Assessor in das preußische Kultusministerium (seit 1.5.1934 dann ,Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung' unter dem Nationalsozialisten Bernhard Rust) eingetreten und darin bis 1937 (seit 1935 „irn Nebenamt") verblieben war, konnte dem Hochschulverband wohl auch mit seinen Kontakten zu den ,Ehemaligen' dieser Behörde nützlich sein, die z.T. in

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Sitzimgsprotokoll und die ,Vorläufige Satzung' mit der Bitte um „kritische Hinweise 1 ' und schrieb dazu: „Mir liegt daran, Sie über alle Entwicklungen des .Hochschulverbandes' auf dem Laufenden zu halten {...]". (14.6.1950, 380/13, fol. 353). In einem Brief vom 22.7.1952 (ebda. fo). 289), in dem es um eine initiative der FDP zur „Verbesserung" des Gesetzes zu Art. 131 GC ging, bat Felgentraeger „mit Rücksicht auf die Tragweite der ganzen Angelegenheit" Weber um „ein paar Zeilen", „ob Sie meinen Standpunkt für richtig halten oder ob Sie einen Kurswechsel des Hochschulverbandes in dieser Frage empfehlen". Charakteristisch in ihrem Lapidarstit die zustimmende Antwort Webers, 26.7.1952, ebda, fol. 286. Felgentraeger an Weber, 13.3.1951, 380/13, fol 338. In einem weiteren Schreiben vom 2.5.1951 übermittelte Felgentraeger „Stichworte" zur gewünschten Tendenz des Vortrages ( 380/13, fol. 334). Das Referat wurde veröffentlicht als lieft l der .Schriften des Hochschulverbandes', Göttingen 1952 (2. Aufl. 1965). Vgl. Weber an Felgentraeger, 27.8.1953, 380/13, fol. 217, und Thierne an Weber, 31.1.1955, fol. 108. Felgentraeger hatte Weber schon 1951 nach dem Ausscheiden Raisers in den Verbands vorstand aufnehmen wollen, nach Webers Ablehnung dann aber Gerhard Hess, seit 1948 o, Prof. der Romanistik an der Universität Heidelberg, berufen. Vgl. Felgentraeger an Weber, 23.11.1951, 380/13, fol. 318/319. 91

Der Hochschulverband als Standesorganisation der Bundesrepublik wieder wichtige Funktionen im Hochschulbereich innehatten.172 Im Lichte der überaus engen Vertrauensbeziehung zwischen Wilhelm Felgentraeger und Werner Weber wird man davon ausgehen können, daß auch Webers Bilanz der ersten zehn Jahre des Hochschulverbandes auf dem Hochschulverbandstag von 1960 in allen wesentlichen Aspekten mit dem Vorsitzenden abgesprochen war. Um so größeres Gewicht erhalten damit auch jene Passagen, in denen bemerkenswert nüchtern, ja beinahe resignativ die Ergebnisse der standespolitischen Bemühungen saldiert werden. Diese seien, so Weber, „in wesentlichen Punkten enttäuschend" ausgefallen, so daß man sagen könne, der Verband habe „zwar viel für die Hochschulen, weniger aber für die Hochschullehrer selbst erwirkt",173 Man muß annehmen, daß Weber ganz authentisch Felgentraegers eigene Stimmung zum Ausdruck brachte, wenn er offen von dessen „Bitterkeit" und „Enttäuschung" über „die Mißerfolge des Hochschulverbandes in der Sicherung der materiellen Rechtsstellung der Hochschullehrer" sprach. Auch Zweifel und Ratlosigkeit werden deutlich über die Angemessenheit einer konsensorienticrten Verbandsstrategie, die darauf vertraut habe, daß es nicht notwendig sei, „den Hochschulverband auf die traurigen Bahnen einer pressure group zu führen", während sich nun gezeigt habe, daß die staatlichen Stellen „offenbar allzu sehr daran gewöhnt [sind], nur auf den Druck der großen Zahl, auf massive Ultimaten und auf groben Machteinsatz zu reagieren".174 In der Tat war die Arbeit des Hochschulverbandes seit den frühen Anfängen von der Erfahrung begleitet, daß in der Öffentlichkeit und bei den politischen und administrativen Entscheidungsträgern nur bedingt Verständnis für die beanspruchte Sonderstellung der Hochschullehrer vorhanden war. Bereits 1951 erkannte Felgentraeger die Notwendigkeit, den Parlamentariern in Bund und Ländern „die besonderen Anliegen der Hochschullehrer nahezubringen", nachdem 172

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Eine von Weber handschriftlich vervollständigte, 35 Namen umfassende „Liste ehemaliger Angehöriger des Reichserziehungsministeriums" im Faszikel der Korrespondenz Felgentraeger - Weber (BA B 380/13, fol. 99/100) führt neben etlichen Professoren sowie hohen Repräsentanten und Referenten der Max-Planck-Gesellschaft, des DAAD und der DFG auch hochrangige Beamte der Kultusministerien von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Württemberg auf, mit denen Felgentraeger hochschulpolitisch zusammenarbeitete. Zu diesem Vorgang aus den Jahren 1954—56 vgl. ferner die Schriftstücke foi. 64, 65, 101 u, 136, Weber, Zehn Jahre Hochschulverband, S. 126f, Ebda., S. 128. - In diesem Zusammenhang ist auch auf die ,etatistische' Fundamentalkritik zu verweisen, die Werner Weber mit großem Nachdruck gegen den .Verbandepluralismus' in der frühen Bundesrepublik vorgetragen hat. Weber erkannte zwar die Legitimität der „Verfolgung von Interessen, auch in Verbänden und durch die Bildung von Verbänden" an, sah aber in der Entwicklung zum Wohlfahrts- und Sozialstaat die Gefahr der „Demontage des Staatlichen im Staat" und der „Kolonisation des Staates durch partikuläre Interessen" angelegt. Vgl. Schutt-Wetschky, Interessenverbände und Staat, S. 24-29, Zitate S. 24. 92

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er bei Bonner Stellen massiver „Animosität" gegen die „Besonderheiten der Hochschulen" begegnet war,175 Auch in Präsidium und Geschäftsstelle sah man schon frühzeitig das Erfordernis einer intensiveren Öffentlichkeitsarbeit und erwog sogar die Einrichtung einer gemeinsamen Pressestelle mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft.176 Aber das Verhältnis des Verbandes zur Presse war doch noch auf lange Zeit eher von Zurückhaltung und einer gewissen Empfindlichkeit geprägt, so daß es erst unter Felgentraegers Nachfolgern zu einer tastenden Öffnung kam. Kernelement der Verbandspolitik blieb das klassische Lobbying, getreu der Überzeugung Felgentraegers, „dass es auf die dauernde Wiederholung der Argumente ankäme". Immer wieder stand in diesem Zusammenhang auch die Verlegung der Geschäftsstelle nach Bonn zur Diskussion, doch Felgentraegers hinhaltender Widerstand ließ diese Anstöße regelmäßig versanden. Mitte der sechziger Jahre aber setzte sich dann die Einsicht durch, daß spätestens mit dem Ende der Präsidentschaft Felgentraegers dieser Schritt würde erfolgen müssen. Gleichzeitig stellte der mit der Satzungsänderung von 1964 eingeleitete Aufbau operativer Strukturen auf Landesebene einen Versuch dar, näher an die föderalen Entscheidungszentren der Hochschulpolitik heranzukommen, 177 Mit der Einrichtung der Landesverbände sollte nicht zuletzt - und auch dies ist kennzeichnend für die politische Defensivlage des Verbandes - der Ausweichtaktik der Hochschulverwaltungen begegnet werden, welche unter Verweis auf die Länderhoheit in Hochschulfragen der Bundesorganisation der Hochschullehrer ein Anhörungs- oder Mitspracherecht immer häufiger verweigerten.178 Die strukturell bedingten Probleme des Hochschulverbandes, sich in dem zusehends komplexer werdenden Politikfeld ,Hochschule" mit eigenen Vorstellungen und Anliegen erfolgreich zu behaupten, verdichteten sich schließlich im Zusammenhang mit der vom Verband initiierten Kolleggeld- und Besoldungsreform zu einer veritablen Ohnmachtserfahrung. Dieses von der Verbandsführung mit bemerkenswertem Mut gegenüber der eigenen Klientel, beeindruckender konzeptioneller Innovationskraft und enormem Verhandlungsaufwand betriebene 175 176

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Felgentraeger an Weber, 23.11.1951, 380/13, fol. 318/319. Vgl. AD H V/P 11, 21.11.1953, TOP l und 21; auf der 28, Plenarversammlung der WRK vom 26.727.6.1953 war die Einrichtung einer gemeinsamen Pressestelle unter dem Dach der finanzkräftigen DFG erörtert worden, vgl. AHRK/WRK28, S. 8f, Landesgruppen des Hochschulverbandes mit eigenen Vorsitzenden konstituierten sich in den großen Hochschulländem Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen; vgl. ADHV/HVT 16, 25,6.1966, S. 7. Die Beziehungen zwischen den Vorsitzenden der Landesverbände und den Landesrektorenkonferenzen gaben wiederholt Anlaß zu Klagen im Präsidium; vgl. ADHV/P 66, 27.1.1968, TOP 5. Vgl. die aufschlußreichen Darlegungen Thiemes irrt Ordinarienkonvent 1963, ADHV/OK 3, 14.6.1963,5. 12. 93

Der Hochschulverband als Standesorganisation

Vorhaben wurde in den Mühlen der Hochschulpolitik förmlich zerrieben und schließlich nur in Bruchstücken realisiert. Der Vorgang ist von hoher Aussagekraft. Er zeigt zum einen, wie beschränkt das Politikpotential des Verbandes in konkreten Entscheidungsprozessen war, und er läßt darüberhinaus deutlich werden, daß schon Anfang der sechziger Jahre die Hochschulpolitik mehr von finanzpolitischen als von genuin hochschulpolitischen Kategorien bestimmt zu werden begann. Der Hochschul verband hatte die Diskussion über die Neuordnung des Kolleggeld- und Besoldungswesens mit einem kohärenten Reformkonzept eröffnet, das er gemäß dem selbstgestellten Prinzip, nicht nur die Standesinteressen der Hochschullehrer zu vertreten, sondern sich der Gesamtverantwortung für die Institution Hochschule zu stellen, als Beitrag zu einer umfassenden Hochschulreform verstanden wissen wollte. Die Kultusbehörden reagierten desinteressiert-hinhaltend, was den Verband schließlich zu einem ungewohnt spektakulären Schritt an die Öffentlichkeit veranlaßte: Die Geschäftsstelle präsentierte auf einer Pressekonferenz „einem ganz kleinen Kreis ausgewählter und persönlich geladener Kulturredakteure" neben den Protestentschließungen eines zu diesem Thema angesetzten außerordentlichen Hochschulverbandstages179 auch ein , Weißbuch', welches die Bemühungen des Verbandes um die Kolleggeld- und Besoldungs-reform und die Hinhalte- und Verweigerungspolitik der staatlichen Seite detailliert dokumentierte.180 Die Wirkung dieses ersten und bescheidenen Versuches, zu offeneren, auf Publizität zielenden Formen verbandlichen Handelns zu gelangen, war nicht geeignet, die Verbandsführung zur Fortsetzung dieser Linie zu ermutigen. Die Vertreter der staatlichen Hochschulpolitik gaben sich tief verstimmt und straften den Hochschulverband mit demonstrativem Vertrauensentzug, ja teilweise geradezu mit Kontaktsperre.181 Nach erheblichen Schwierigkeiten, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, und zermürbenden Verhandlungen mit den Hochschulverwaltungen mußte der Verband erleben, wie mühsam erreichte Kompromisse von den 179

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Mitteilung Dorffs an die Vorstandsmitglieder, 5.12,1962, 380/17, fol. 161. Der außerordentliche Hochschulverbandstag fand am 8.12.1962 in Frankfurt/Mai n statt. Der Text der dort verabschiedeten Entschließung 380/17, fol. 155. Rein organtsitonstechnisch war das .Weißbuch' eine Bravourleistung der Geschäftsstelle. Dorff hatte dafür „innerhalb von 10 Tagen sämtliche mir zur Verfügung stehenden Akten durchgesehen und den gesamten wichtigen Schriftwechsel, alle maßgeblichen Protokolle usw. herausphotokopiert und mit erläuternden Zwischentexten verbunden". Der größte Teil der Auflage von 7000 Exemplaren wurde noch im Dezember 1962 wie die ,Mitteilungen des Hochschulverbandes' an die Universitäten „zur gewohnten Verteilung an die Mitglieder des Hochschulverbands versandt". Dorff an die Vizepräsidenten Hans Braun und Heinz Hübner, 23.11.1962, B A B 380/17, fol. 182/183, Näheres zu diesem Vorgang s.u. Kap. 111/3. Vgl. Felgentraeger an Tellenbach, 17.12.1962, 380/17, fol. 150-152, sowie den Bericht Felgentraegers und Dorffs in der Vorstandssi t zung vom 26,1,1963, ADHV/P 45, TOP 1. 94

Die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen

Kräftefeld

Finanzministern eklektisch aufgeschnürt und nur in ihren fiskalisch attraktiven Teilen übernommen wurden, Die essentials, mit denen der Verband seine Zustimmung zu einer Reform verknüpft hatte, die manchen seiner Mitglieder auch erhebliche Einbußen zumutete, blieben dabei weitgehend unberücksichtigt.182 Die Verbandsführung geriet dadurch in erhebliche Bedrängnis. Felgentraeger räumte im Präsidium ein, die „erschwerte Unterrichtung und der Mangel an Verhandlungsbereitschaft der Hochschulverwaltungen einerseits und die zunehmende Unzufriedenheit der Mitglieder andererseits, die eine massivere Interessenvertretung wünschten, gäben zum Teil kaum lösbare Probleme auf*.183 Auch im Führungskreis des Verbandes selbst brachen Differenzen über eine grundsätzliche Neubestimmung der Verbandsstrategie auf. Vor allem aus dem Lager der Nichtordinarien wurde schon früh die Forderung laut, „dass der Hochschulverband in Zukunft in verstärktem Maße sich politischer Mittel bedienen müsse anstelle der bisher allein praktizierten sachlichen Argumentation", da „politische Instanzen vorwiegend auf dem politischen Wege und nicht auf dem sachlichen Wege zu überzeugen seien". Aber gerade der begleitende Hinweis der Befürworter einer Konfliktstrategie auf Lehrerverbände und Interessenverbände der Landwirtschaft, die mit Mitteln politischen Drucks ihre Anliegen viel effizienter verföchten184, machte es den Repräsentanten der traditionellen Konsultativstrategie des Hochschulverbandes relativ leicht, ihre Linie zu verteidigen, Felgentraeger sprach geradezu einen Fundamentalsatz der Verbandslogik aus, wenn er feststellte, die Hochschullehrerschaft sei „gegenüber anderen Berufsgruppen schon zahlenmäßig viel zu schwach, um ihren Forderungen politischen Nachdruck zu verleihen",185 Und auch Thiemes Zweifel, ob man angesichts der „politischen Schwäche des Verbandes" durch einen Abbruch der Verhandlungen „eine Besserstellung der Hochschullehrer erzwingen könne"186, hatte das volle Gewicht der Realität für sich. Die so klar erkannte und offen eingestandene „politische Schwäche" lag gewiß wesentlich darin begründet, daß der Hochschulverband kein ins Gewicht fallendes Wählerpotential repräsentiert. Wenn diese basale Tatsache nun allerdings schärfer als noch in den fünziger Jahren zutage trat, so hatte das seine Gründe auch in Veränderungen des hochschulpolitischen Großklimas. In der 182 183 184

Vgl. ADHV/P 49, 25.10.1963, TOP 3. ADHV/P 53, 30.10,1964, S, 8, ADHV/P 45, 26.1.1963, S. 19.

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Ebda., S. 23. Der damalige Vizepräsident Braun, sonst durchaus auf der Seite der Nichtordinarien zu finden, sekundierte an gleicher Stelle, indem er nüchtern vermerkte, nur „wenn der Hochschuiverband eine politische Macht darstelle oder eine politische Macht hinter sich habe, könne er erfolgreich politisch agieren". „An beiden mangele es aber,"

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ADHV/P 49, 25.10.1963, S. 13.

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Der Hochschulverband als Standesorganisation öffentlichen Meinung war ein Wind des Wandels aufgekommen, der gegen die Professoren stand. Es war kein verbandstaktischer Alarmismus, wenn Felgentraeger eine „in zunehmendem Maße erkennbar werdende Front gegen die Hochschullehrer und die Hochschulen" beklagte. Auch der Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz und ihr Präsidialausschuß erkannten, „dass sich gegenwärtig in der Öffentlichkeit und seitens der Verwaltungen eine kritische Haltung gegenüber den Hochschulen und den Hochschullehrern ausbreite".187 Aber die Konsequenzen, welche die beide Organisationen daraus zogen, waren ganz unterschiedlich: Während der Hochschulverband unter diesen Bedingungen an der Schutz- und Trutzallianz mit der Rektorenkonferenz nur um so enger festhalten wollte, versuchte die WRK vier Jahre später, sich durch ein Professorenopfer selbst aus der Schußlinie zu reiten. Die Frage, ob es für den Hochschulverband überhaupt eine erfolgversprechende politische' Alternative zu einer auf institutioneller Kooperation und argumentativer Konsensfindung basierenden Vertretungsstrategie geben konnte, war damit von neuem in aller Grundsätzlichkeit gestellt. Sie blieb eine offene Herausforderung für seine ganze weitere Geschichte.

187

ADHV/P53, 30.10.1964, S. 8. 96

III. Politikfelder der Ära Felgentraeger 1.

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten

Der Hochschulverband hatte eine Tradition, aber dem Anscheine nach keine Vergangenheit. Die Tradition, die 1950 mit ungebrochenem Selbstverständnis wieder aufgenommen und weitergeführt wurde, war die einer Stan des Vertretung der Hochschullehrer über die Institution der Hochschule, der sie angehörten. Eine Vergangenheit' schien es nicht zu geben, denn der die Tradition stiftende .Verband der deutschen Hochschulen' hatte ja in seiner ursprünglichen Gestalt und Funktion 1933 faktisch aufgehört zu existieren. Für das, was zwischen 1933 und 1945 an deutschen Hochschulen geschehen war, konnte demnach der Verband als Organisation nicht verantwortlich sein. Die Frage, ob irgendein Zusammenhang bestehen könnte zwischen der politischen Haltung des VDH und der durch ihn repräsentierten Hochschullehrerschaft vor 1933 und der Entwicklung danach wurde, soweit ich sehen kann, in der Konstellation der Wiedergründung und des Neuanfanges nie in systematischer und grundsätzlicher Weise erörtert. Der Hochschulverband ging, wie viele andere Organisationen in jenen Jahren, davon aus, ein verpflichtendes Erbe antreten zu können, ohne eine Hypothek zu übernehmen. Aber auch wenn Bedeutungsschwund und Auflösung nach der nationalsozialistischen Machtübernahme den Verband von der Verantwortung für die jüngste Vergangenheit zu dispensieren schienen, war diese Vergangenheit in den individuellen Biographien seiner Mitglieder und Führungskräfte wie im Schicksal bestimmter Gruppen von Hochschullehrern doch in vielfältiger Weise präsent. Felgentraeger selbst vereinigte in seiner Person wesentliche Komplexe der die deutsche Gesellschaft nach 1945 konfrontierenden Vergangenheitslasten und Kriegsfolgen. Er hatte 1934 in Freiburg den Lehrstuhl des aus rassischen Gründen entlassenen Juristen Andreas Bertalan Schwarz übernommen, doch war dies mit Unterstützung seines Lehrers Fritz Pringsheim1 geschehen, der dann 1935 als Fritz Pringsheim, geb. 1882 in Hünern/Schlesien, wo die wohlhabende Familie ein Landgut besaß, gest. 1967 in Freiburg i, Br. Nach Studium in München und Berlin legte Pringsheim in Breslau das erste jur. Staatsexamen ab und promovierte dort 1906 mit einer Dissertation ,Zur Lehre von der Abtretung und Pfändung des Erbteils', 1914 meldete sich Pringsheim, nachdem er noch seine Habilitationsschrift an der Rechts- und Staatswiss, Fak. der Univ. Freiburg i. Br. eingereicht hatte, als Kriegsfreiwilliger. Das Habilitationsverfahren wurde 1915 während eines kurzen Fronturlaubs abgeschlossen. Für seinen Kriegseinsatz wurde Pringsheim mit dem EK I und EK II ausgezeichnet. 1923 erhielt Pringsheim einen Lehrstuhl an der Univ. Göttingen, von wo er 1929 nach Freiburg zurückkehrte. Zu seinen Schülern dort gehörte neben Felgentraeger auch Franz Wieacker. Nachdem er 1935 aufgrund der Nürnberger Rassengesetze seinen Lehrstuhl verloren hatte, zog Pringsheim nach Berlin, wo er bei der Preuß. Akademie der Wissenschaften eine Anstellung fand. 1939 verhaftet, 97

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Jude ebenfalls seinen Lehrstuhl räumen mußte und nach England emigrierte.2 1936 nach Marburg berufen, hatte Felgentraeger ebenso wie Werner Weber von 1937 bis 1939 als Klassensekretär der .Akademie für Deutsches Recht' eine exponierte Stellung in einer eindeutig von nationalsozialistischem Geist getragenen Institution inne. Die Akademie war am 26.6.1933 im Bayerischen Justizministerium von dem Staatsminister und Reichsjustizkommissar (.Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz in den Ländern und für die Erneuerung der Rechtsordnung') , , Führer' des BNSDJ sowie Reichsleiter der Rechtsabteilung der NSDAP Hans Frank als eine Organisation gegründet worden, „weiche die Erneuerung des Deutschen Rechts im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung nach den Grundsätzen strenger wissenschaftlicher Methode" vorbereiten sollte.3 Auch konnte er durch das Eingreifen eines Schülers, der Beziehungen zu Parteidienststellen hatte, nach England fliehen. Er lehrte an verschiedenen Colleges der Univ. Oxford, 1946 kehrte Pringsheim nach Freiburg zurück, um auf Bitte der Universität seinen dortigen Lehrstuhl wiedereinzunehmen; vgl. Elmar Bund, Fritz Pringsheim (1882-1967). Ein Großer der Romanistik, in: Helmut Heinrichs u.a. (Hgg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, München 1993, S. 733-744, sowie Horst Göppinger, Juristen jüdischer Abstammung im .Dritten Reich 1 , Entrechtung und Verfolgung, München 1990, S. 208 und 356. Vgl. Alexander Hollerbach, Juristische Lehre und Forschung in Freiburg in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Eckhard John u.a. (Hg.): Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus, Freiburg-Würzburg 1991, S. 91-113, S, 93f.; vgl. dazu auch den - überraschend positiven persönlichen Erinnerungsbericht Pringsheims über ,Die Haltung der Freiburger Studenten in den Jahren 1933-1935', in: Die Sammlung. Zs. f. Kultur u. Erziehung 15 (1960), S, 532-538. Noch deutlicher als in dem eben zitierten Protokoll der Gründungssitzung, abgedruckt in: Jb. d, ADR l, 1933/34, S, 7-9, kam in Franks Vorwort an gleicher Stelle (S. 5f.) zum Ausdruck, daE die ADR von Anfang an als Instrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie im deutschen Rechtswesen konzipiert war 1934 wurde die ADR auf Betreiben Franks, der als ihr Präsident und .Föhrer' fungierte, durch Reichsgesetz von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts in Bayern in eine solche des Reiches mit Sitz in München umgewandelt. Dieses Gesetz blieb bis zur Auflösung der Akademie 1944 in Kraft, doch wurde die gleichzeitig erlassene Satzung (RGbl I, 1934, S, 605ff,) mehrfach geändert. Der Akademie war die Aufgabe zugewiesen (die „in Anwendung bewährter wissenschaftlicher Methoden durchgeführt werden" sollte), „die Neugestaltung des deutschen RechtsJebens zu fördern und in enger dauernder Verbindung mit den für die Gesetzgebung zuständigen Stellen das nationalsozialistische Programm auf dem gesamten Gebiete des Rechts zu verwirklichen" (Satzung 1934, § 1). Es war offensichtlich, daß die ADR dem Reichsjustizkommissar Frank als Karriere vehikel in dessen Machtriva lität mit Reichs justizminister Gürtner dienen sollte. Die Zahl der ordentl. Mitglieder betrug zunächst 200, dann 300 Personen, darunter etwa ein Drittel Professoren, wobei diejenigen, die in manifester Nähe zum nationalsozialistischen System standen, die Minderheit bildeten. Unter den 95 zur konstituierenden Sitzung geladenen Personen, die von Frank pauschal zu ordentl. Mitgliedern ernannt wurden, befanden sich neben vielen führenden NSDAP-Politikern auch prominente Vertreter der Wirtschaft und hohe Ministerialbeamte aus Länder- und Reichsbehörden, Korporativ waren die Juristischen und Staatswissenschaftlichen Fakultäten der deutschen Universitäten durch ihre Dekane vertreten (MitgliederVerzeichnis, in: Jb. d. ADR l, 1933/34, S. 252-260). Weder Felgentraeger noch Weber gehörten zu den Gründungsmitgliedern, Die Finanzierung der ADR, die neben dem Jahrbuch' auch eine .Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht' publizierte, erfolgte lange Zeit durch Drittmittel von sog. fördernden Mitgliedern', in erster Linie Wirtschafts unternehme n. Nachdem Franks Position 98

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten hier freilich löst sich bezüglich Felgentraegers Haltung das scheinbar so klare Bild der Fakten bei näherer Betrachtung in Ambivalenzen und Widersprüche auf. Während Weber seit dem Frühjahr 1936 in der wissenschaftlichen Abteilung der ADR tätig war4, wurde Felgentraeger erst im August dieses Jahres vom stellvertretenden Präsidenten der Akademie Wilhelm Kisch5 bei Hans Frank zur Aufnahme als ordentliches Mitglied der ADR und im Januar 1937 dann zusammen mit Werner Weber und Heinrich Lange als Klassensekretär in der Abteilung für Rechtsforschung vorgeschlagen.6 Zu diesem Zeitpunkt war Felgentraeger noch nicht Mitglied der NSDAP, der er erst mit Wirkung vorn 1.5.1937 beitrat.7 Dem Nationalim NS-Herrschaftsapparat durch seine Enthebung vom Posten des Reichsjustizkommissars und die gleichzeitige Ernennung zum Reichsminister ohne Portefeuille im Dezember 1934 eher geschwächt als gestärkt worden war, konnte auch die ADR, über die zudem das Reichsinnen- und das Reichsjustizministerium die Oberaufsicht beanspruchten, nicht die angestrebte zentrale Rolle bei der Konzeptualisierung der NS-Gesetzgebung erringen. Mit einer Ende 1936 in die Wege geleiteten Neustrukturierung der Akademie, die von ihrem Vizepräsidenten Kisch mit Unterstützung VOR Werner Weber und Heinrich Lange durchgeführt wurde, sollten die Tätigkeit der ADR gestrafft und ihre Wirkungsmöglichkeiten verbessert werden. Den Kern dieser Maßnahme bildete die Einrichtung der beiden Abteilungen für Rcchtsgestaltung und für Rechtsforschung, wobei die zweite in drei Klassen untergliedert wurde; vgi. Bericht über die Präsidtalsitzung der ADR vom 15.12.1936 in: Zs. d. ADR 4 (1937), S. 23, und Verwaltungsordnung der ADR vom 1.4.1937, ebda. S. 405ff. Allg. zur ADR vgl. Dennis LeRoy Anderson, The Academy for German Law 1933-1944, Diss. phil. Michigan 1982 (= Modern European History. 22, 1987) sowie die unveröffentlichte rechts his tori s ehe Kieler Dissertation von Hans-Rainer Pichinot, Die Akademie für Deutsches Recht. Aufbau und Entwicklung einer öffentlichrechtlichen Körperschaft des Dritten Reiches, Kiel 1981; des weiteren Christian Schudnagies, Hans Frank. Aufstieg und Fall des NS-Juristen und Generalgouvemeurs, Frankfurt/M. u.a. 1989; Hermann Weinkauf, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus -ein Überblick, in: Ders./Albrecht Wagner (Hgg.J, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, Bd. l, Stuttgart 1968, S. 1-184, und Lothar Gruchmann, Justiz im Dritten Reich. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner, München 1988. Vgl. auch Bestand R 61: Akademie für Deutsches Recht, bearb. von Walter Werhan (= Findbücher zu den Beständen des Bundesarchivs. 9), Koblenz 1972. Vgl. die Äußerung Webers im Sitzungsprotokoll der Abt, für Rechtsforschung vom 19.6.1937, National Archives Microcopy T82/R33, file ADR 81; ferner Anderson, Academy, S. 109f, Wilhelm Kisch, geb. 1874 im Elsaß, Jurist, PD 1900 Univ. Straßburg, dort 1902 o. Prof., ab 1916 o. Prof. für Zivilprozeßrecht, Bürgerliches Recht, Privatversicherungsrecht und Patentrecht in München, Geheimer Justizrat, Stellv. Präs, der Akademie für Deutsches Recht. Vgl. Schreiben Kischs an Frank vom 27.8.1936 und 16.1.1937 sowie hierzu die Einverständniserklärung Franks an Kisch vom 26.1.1937, National Archives Microcopy T82/R39, File ADR 144. Das Ernennungsschreiben Franks an Felgentraeger zum Sekretär der Klasse I datiert ebenfalls vom 26.1.1937, BA R61/75, fol. 1/2. Nach seinen eigenen Angaben war Felgentraeger im Januar 1937 bereits mit der „Aufstellung eines Arbeitspianes für die Tätigkeit der Klasse l" beschäftigt: „Ich bin von Herrn Geheimrat Kisch mit Wirkung vom 1. Januar 1937 eingeführt worden und habe dementsprechend ein Berufungsschreiben des Herrn Präsidenten vom 21.1.1937 erhalten." Felgentraeger an den Direktor der ADR Lasch, 31.5.1937, BA R61/75, fol. 12, und National Archives Microcopy T82/R40, file ADR 151. Der Karteikarte Felgentraegers in der Mitgliederkartei der NSDAP - Nr. 5438497 - (Unterlagen des ehem. Berlin Document Center, Berlin, jetzt B A Berlin) zufolge hatte Felgentraeger seine Aufnahme in die NSDAP am 5.7.1937 beantragt, doch wurde die Aufnahme auf den 1.5,1937 vordatiert. Diese 99

Politikfelder der Ära Felgentraeger

sozialistischen Richterbund gehörte Felgentraeger seit 1934, dem Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund seit 1938 an,8 Den Klassensekretären der im April 1937 offiziell eingerichteten Abteilung für Rechtsforschung oblag es u.a., die Veröffentlichungen der Akademie zu koordinieren und zu betreuen, insbesondere auch die 1936 von Karl August Eckhardt als Forum für eine „vom nationalsozialistischen Geist getragene deutsche Rechtswissenschaft" begründete Vierteljahresschrift ,Deutsche Rechtswissenschaft'9, deren Herausgeberschaft die Akademie im Januar 1939 übernahm und der als Aufgabe die „wissenschaftliche Durchdringung der nationalsozialistischen Rechtslehre in steter Verbindung mit den Rechtswerten der germanischen Weltanschauung" zugedacht war.10 Nach der Vollsitzung der Akademie vom 29. Oktober 1937 wurde Felgentraeger noch zum Vorsitzenden des neu eingerichteten Ausschusses für Bodenrecht ernannt. Weshalb die Wahl auf Felgentraeger fiel, ist nicht mehr festzustellen, „da die Generalakten des Ausschusses verlorengegangen sind". Jedenfalls war Felgentraeger durch „besondere Arbeiten zum Immobiliarrecht [...] vor 1945 nicht hervorgetreten".11 Soweit dies angesichts der fragmentarischen Überlieferung aus dem zur Verfügung stehenden Material beurteilt werden kann, läßt sich aus der Tätigkeit Felgentraegers als Sekretär der für die Erforschung der Geschichte und der Grundfragen des Rechts' zuständigen Klasse I der Abteilung für Rechtsforschung der Akademie für Deutsches Recht eine engere inhaltliche Affinität zur nationalsozialistischen Ideologie oder eine aktive Verbindung zum NS-Herrschaftssystem nicht nachweisen (freilich in einem weiteren Sinne auch nicht ausschließen). Ein

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Umstände könnten darauf hindeuten, daß Felgentraeger die Parteimitgliedschaft nur bzw. erst im Zusammenhang mit seiner Funktion als Klassensekretär der ADR beantragt hat, Angaben im Ernennungsvorschlag der l Jamburgischen Schulbehörde für Felgentraeger, 28.4.1949, STA Hamburg, Hochschulwesen, Dozenten- und Personalakten Nr. IV 1266. Karl August Eckardt, Zum Geleit, in; DRW l (1936), S. 3-5, hier S. 3. So das Geleitwort des Präsidenten der ADR Hans Frank in: DRW 4 (1939), S, lt., in dem die drei Klassensekretäre zusammen mit dem „Schriftwalter" Karl Lohmann namentlich als inhaltliche Betreuer der Vierteljahresschrift vorgestellt wurden. Weiter hieß es dort: „Wir dienen der deutschen Rechtswissenschaft unter der Autorität des Führerwortes, des nationalsozialistischen Parteiprogramms und der weltgeschichtlichen Notwendigkeiten unseres Volkes. Wir beseitigen alles, was sich an Schadenbauten in die Gemeinschaftsordnung unseres Volkes im Laufe der Jahrhunderte hineinbreitete und gesundes Leben hemmte. Freiheit der Wissenschaft bedeutet daher für uns die Möglichkeit, sich ohne Rücksicht auf dogmatische Bindungen /um gottlichen Urwert unseres Volkstums auch in der Wissenschaft bekennen zu dürfen. Nur eine Tradition erkennen wir an: die des Blutstroms der deutschen Geschichte und die der wahrhaft grandiosen Leistungen unseres Volkes und seiner hervorragenden Kultur- und Lebensgestalter." Akademie für Deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, Bd. Ill, 7: Ausschüsse für Irnmobilarkredit, Bodenrecht (allgemeines Grundstücksrecht}, Hypothekenrecht und Enteignungsrecht (1934-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen von Werner Schubert, Berlin-New York 1995, Einleitung S. XVII. 100

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten Gleiches gilt für Werner Weber, der das Amt des Sekretärs in Klasse II: Erforschung des volksgenössischen Rechtslebens' versah.12 Auch eine vollständige Durchsicht aller Wortbeiträge Felgentraegers in den edierten Protokollen des Ausschusses für Bodenrecht ergab nichts, was diesen als überzeugten Anhänger des Nationalsozialismus erscheinen ließe. Dieser Befund läßt sich ebenfalls auf Werner Weber übertragen, der unter Felgentraegers Vorsitz Mitglied in diesem Ausschuß und daneben auch noch in den Ausschüssen für Enteignungsrecht und für Religionsrecht war. Allerdings ist bezüglich Webers die Einschränkung zu machen, daß dieser bereits seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP war.13 Die Verantwortung Felgentraegers und Webers für den Inhalt der Vierteljahresschrift ,Deutsche Rechtswissenschaft' dürfte schon deshalb begrenzt gewesen sein, weil die amtierenden Klassensekretäre noch im August 1939 aus dieser Funktion ausschieden. Der Grund scheint ein Zerwürfnis mit Akademiepräsident Frank gewesen zu sein, das möglicherweise von Frank verfügte drastische Budgetkürzungen der Abteilung für Rechtsforschung zum Anlaß hatte.14 Als Autoren sind Felgentraeger und Weber in dieser Zeitschrift nicht hervorgetreten.15 Was allgemein die Rolle Felgentraegers und Webers als Klassensekretäre in der Akademie für Deutsches Recht betrifft, so bestätigt das auf Mikrofilm verfügbare Material den Eindruck, den man schon aus ihrer Tätigkeit in den Ausschüssen gewinnen konnte. Zusammenfassend wird man mit aller gebotenen Vorsicht zu dem Urteil gelangen können, daß sich für Felgentraeger aus der Mitarbeit in der Akademie für Deutsches Recht nicht jene enge und eindeutige Identifikation mit der Weltanschauung, den rechtspolitischen Positionen und den politischen Zielen des Nationalsoziai2

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Klassenobmann der 1. Klasse war der Berliner Professor Ernst Heymann, als Obmann der 2. Klasse war zunächst Carl Schmitt vorgesehen, doch wurde dann der Breslauer Professor Axel v. FreytaghLoringhoven mit diesem Amt betraut. Der 3, Klasse für die „Erforschung des volksgenössischen Rechtslebens" stand Wilhelm Hedemann als Klassenobmann vor, KJassensekretär war der Breslauer Professor Heinrich Lange. Nach der internen Aufgabenteilung sollte dem Obmann „vorwiegend die Leitung und Vertretung der Klasse nach aussen", dem Sekretär „mehr die technische Durchführung der Arbeiten und die Geschäftsführung obliegen". Kisch an Frank, 27.8.1936, National Archives Microcopy T82/R39 file ADR 144. Vgl. auch Anderson, Academy, S. 116f. Karteikarte Webers in der Mitgliederkartei der NSDAP - Nr. 2645364, Unterlagen des ehem. Berlin Document Center, Berlin, jetzt B A Berlin. Vgl. Schneider, Werner Weber, S. 18, sowie Anderson, Academy, S, 380. Die Inhaltsverzeichnisse der Jahrgänge 1939 bis 1943 weisen als Verfasser von Beiträgen bekannte, teils aber auch berüchtigte Namen aus, u.a. Franz Beyerle, Rudolf Smend, Carl bchmitt, Ernst Forsthoff, Ernst Rudolf Huber, Ulrich Scheuner, Theodor Maunz, Justus Wilhelm Hedemann, Heinrich Rogge, Franz Wieacker. Im ersten Band von 1936, als die .Deutsche Rechtswissenschaft' noch nicht unter der Leitung der ADR stand, findet sich ein auch Beitrag von Reinhard Heydrich über die ,Die Bekämpfung der Staatsfeinde'. Mit aller Vorsicht läßt sich im übrigen der Eindruck formulieren, daß sich das Profil der DRW mit der Ablösung Eckhardts und der Eingliederung der Zeitschrift in die ADR im Sinne eines stärker betonten wissenschaftlichen' Anspruchs veränderte, auch wenn das ideologische Fundament im wesentlichen das gleiche blieb. 101

Politikfelder der Ära Felgentraeger

lismus nachweisen läßt, die man angesichts des hochgradig ideologisch überformten und regimeoffiziellen Charakters dieser Institution erwarten würde.16 Andererseits ist schwer vorstellbar, daß Felgentraeger und Weber in das innerhalb der ADR sehr einflußreiche Amt eines Klassensekretärs17 berufen worden wären, ohne daß man bei ihnen zumindest die innere Akzeptanz des NS-Systems voraussetzte. In seinem Entnazifizierungsvcrfahren vor dem Entnazifizierungs-Hauptausschuß der Stadt Göttingen wurde Felgentraeger durch Einstufung in die Kategorie V „entlastet".18 Die Spruchkammer sah es als erwiesen an, daß Felgentraegers Eintritt in die NSDAP „lediglich im Zuge der allgemeinen automatischen Aufnahmeaktion vom Mai 1937" erfolgt sei und seine Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbund „sich ebenso zwangsweise aus der Stellung als Hochschullehrer" ergeben habe. Felgentraegers Stellung als Klassensekretär in 16

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Werner Weber war allerdings an dem .Gemeinschaftswerk', der ,Aktion Ritterbusch' für den .Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften' beteiligt (wie insgesamt an die 500, zum Teil hochrenomrnierte deutsche Wissenschaftler); vgl, Frank-Rutger Hausmann, .Deutsche Geisteswissenschaft' im Zweiten Weltkrieg, Die .Aktion Ritterbusch' (1940-1945), Dresden-München 1998, S. 60, 116L 252 und 387. In einem Beitrag über .Die Verkündung von Rechtsvorschriften' plädierte er als „einer der führenden Rechtslehrer der damaligen Zeit" dafür, daß auch Führererlasse grundsätzlich im Reichsgesetzblatt veröffentlicht werden sollten. Dies war aber, wie Hausmann urteilt, „weniger ein Plädoyer für den Führerstaat als der Versuch, dem unkontrollierbaren Henrschaftswillen des einen .Führers' ein Minimum an Rechtlichkeit beizulegen" (ebda. S. 261 f.); ähnlich urteilt Schneider, Werner Weber. S. 19f. Einer genaueren rechtsideologischen Analyse bedürfte in diesem Zusammen hang auch der Aufsatz Webers über .Führererlaß und Führerverordnung', in; Zs. f. d, ges, Staatswissenschaft 102 (1942), S, 101-137, der sich wissenschaftlich mit dem durch die Verordnungspraxis des .Führers' eingetretenen Verfassungswandel auseinandersetzte. Vgl. Anderson, Academy, S. 305f. Das Ent nazifi z ie rungs verfahren nach dem alliierten , Befreiungsgesetz', dem Ausführungsgesetz zur Kontrollratsdirektive Nr. 24, kannte fünf Kategorien (Hauptschuldige, Belastete, Minderbelastete, Mitläufer, Entlastete), die mit gestaffelten Sanktionen verknüpft waren. Für Beamte der Kategorien III-V bestand grundsätzlich die Möglichkeit der Weiter- oder Wiederbeschäftigung, auch wenn es sich dabei nicht um einen einklagbaren Rechtsanspruch handelte. Nach welchen Kriterien entlassene und rechtskräftig entnazifizierte Beamte wieder eingestellt werden konnten, blieb der legislativen Festlegung durch die Länder überlassen. Die in den westlichen Zonen zwischen 947 und 1949 geschaffenen Ländergesetze stellten also gewissermaßen die Vorläufer zum Ausführungsgesetz des Art. 131 GG dar. Vgl, allg. Wolfgang Langhorst, Beamtentum und Artikel 131 des Grundgesetzes, Eine Untersuchung über Bedeutung und Auswirkung der Gesetzgebung zum Artikel 131 des Grundgesetzes unter Einbeziehung der Position der SPD zum Berufsbeamtentum, Frankfurt/M. 1994; Michael Kim, Verfassungsumsturz oder Rechtskontinuitat? Die Stellung der Jurisprudenz nach 1945 zum Dritten Reich, insbesondere die Konflikte um die Kontinuität der Beamtenrechte und Auswirkung der Gesetzgebung zum Art. 131 Grundgesetz, Berlin 1972. Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die N S-Vergangenheit, München 1996, S. 87, weist zu Recht darauf hin, daß nicht alle nach Amtsentfernung und Entnazifizierung Wiedereingestellten notwendigerweise politisch belastet gewesen waren, Neben den .Entlasteten' gab es eine außerhalb des Kategorienrahmens des Entnazifizierungsverfahrens bleibende Gruppe von Beamten, die „nicht betroffen" waren und daher auch „nicht eingestuft" wurden, 102

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten

der Akademie für Deutsches Recht gab für die Spruchkammer zwar „zu Bedenken Anlaß", doch war aus zwei von Felgentraeger vorgelegten Zeugnissen nach Ansicht der Spruchkammer „doch einwandfrei zu erkennen, daß Felgentraeger sich nur schwer zur Übernahme dieses Amtes hat entschliessen können und dafür nur Beweggründe bestimmend gewesen sind, die seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus beweisen und durch seine Amtsführung erhärtet werden". Die beiden Zeugnisse stammen allerdings von Personen, die selbst aufgrund ihrer hohen Funktionen in der ADR - Wilhelm Kisch als Vize-Präsident, Heinrich Lange als Klassensekretär - alles andere als unbelastet erscheinen; hier wird am Einzelbeispiel einmal mehr die grundsätzliche Problematik der Spruchkammerverfahren sichtbar. Andererseits hatte, wie es zuletzt in der Begründung des Entnazifizierungs-Bescheides heißt, auch der Unterausschuß für den Lehrkörper der Universität Göttingen anerkannt, daß Felgentraeger „ein klarer Gegner des Nationalsozialismus ist".19 Worauf sich diese frappierend weitgehende Exkulpation stützte, ist nicht nachvollziehbar. Festzustellen bleibt aber, daß sich keine konkret belastenden Hinweise zu Felgentraegers Tätigkeit in der Akademie haben finden lassen. Auch wenn man jeder Art psychologisierender Konjekturalhistorie gerade in diesen äußerst diffizilen Beurteilungsfragen mit berechtigter Skepsis gegenüberstehen wird, darf in diesem Falle vielleicht doch die Aussage gemacht werden, daß bei Felgentraegers iremsch-verbindiichem, auf Ausgleich bedachtem und im Umgang mit anderen stets zu Behutsamkeit neigendem Naturell ein offensiv nationalsozialistisches Auftreten in der Tat schwer vorstellbar erscheint. Ein Detail aus seiner Amtsführung als KJassensekretär ist geeignet, diese Einschätzung zu stützen: Von den drei Klassen der Abteilung für Rechtforschung kann der von Felgentraeger betreuten, der auch eine große Zahl prominenter Rechtshistoriker und Rechtsphilosophen angehörten, noch das größte wissenschaftliche Potential zugesprochen werden. Ihr Aufgabenschwerpunkt lag im Bereich der Dokumentation, nämlich des Sammeins von deutschen Rechtsquellen und des Bibliographierens von einschlägigen Untersuchungen, sowie der logistischen Unterstützung von Forschungsprojekten ihrer Mitglieder. Im Zusammenhang mit der bibliographischen Arbeit der Klasse I hat Felgentraeger gegen das ausdrückliche Verbot Franks, die Arbeiten jüdischer Wissenschaftler überhaupt zu zitieren, versucht, auch jüdische Autoren, versehen mit einer speziellen Kennzeichnung, in die Bibliographie aufzunehmen. 20 Man wird sicher auf der Grundlage dieses Sach!9

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Entnazifmerungs-Bescheid des Entnazifizierungs-Hauptausschusses der Stadt Göttingen im Verfahren gegen Dr. Wilhelm Felgentraeger vom 9.9.1948, STA Hamburg, Hochschulwesen, Dozenten und Personalakten Nr. IV 1266. Vgl. hierzu die Einwände in dem an Felgentraeger gerichteten Schreiben seines Assistenten in der Klasse I, Karl Buddeberg, vom 5.4.1939, BA R61/75, fol. 62-65, in dem es heißt: „Sind Sie sicher, 103

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Verhalts nicht so weit gehen können, auf eine Art .innerer Frontstellung' Felgentraegers gegen Hans Franks ,Wissenschafts'poIitik zu schließen oder gar von einem Ansatz zum ,Widerstand' auf wissenschaftlicher Ebene zu sprechen; aber immerhin hat sich Felgentraeger zumindest in diesem Fall über eine offizielle Parteirichtlinie hinwegzusetzen versucht, und vor allem hat er damit für sein Fach der bleibenden Bedeutung jüdischer Wissenschaftler Tribut gezollt. In dieses Bild fügt sich auch die Aussage seines engsten Mitarbeiters im Hochschul verband, derzufolge Felgentraeger mit seinem nach dem Krieg aus dem englischen Exil zurückgekehrten Doktorvater Pringsheim in einer nahen und freundschaftlichen Beziehung stand, die nach dem Tode Pringsheims auch von dessen Familie fortgeführt wurde.21 Gleichwohl bleiben Fragen und Widersprüche. Dazu gehört etwa auch die von Felgentraeger besorgte Neuausgabe des erstmals 1936 als Handreichung für junge Juristen erschienenen Grundrisses ,Vertrag und Unrecht' von Heinrich Stoll22 in zweiter (1941) und dritter (1943) Auflage.23 Das Lehrbuch, das einen zentralen Problembereich des Privatrechts zum Gegenstand hat, bestrebt sich darzulegen, daß Vertrags- und Schuldrecht unter der Herrschaft nationalsozialistischer ,Rechtsauffassung' eben nicht mehr, wie zu Zeiten der liberalen Rechtsidee des Bürgerlichen Gesetzbuches, unter dem vorrangigen Geltungsanspruch ,privater' oder ,individualistischer' Interessen und Rechtspositionen zu gestalten seien, sondern allein - oder jedenfalls vorrangig - unter dem Gesichtspunkt der .Volksgemeinschaft' und ihrer Bedürfnisse. Der „fortschreitenden Durchsetzung der nationalsozialistischen Rechtsauffassung in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung" (Vorwort zur zweiten Auflage; S. IV) seit dem Tod Stolls 1937 Rechnung tragend, hat Felgentraeger den ,Rechtsgenossen' durch das in seiner Autonomie eingeschränkte Rechtssubjekt des ,Volksgenossen' ersetzt. Soweit der Nichtjurist seinem Urteil trauen darf, liegt hier nicht ein Fall dogmatischer Rechtfertigung krassen nationalsozialistischen Unrechts vor. Durchgängig ist das Bemühen zu erkennen, auch in der nationalsozialistischen .Volksgemeinschaft' die Verhältnisse und den Verkehr der Menschen untereinander nach Maßgabe einer allgemein-

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dass der Herr Minister mit der von Ihnen vorgesehenen Art der Behandlung jüdischer Autoren einverstanden sein wird? In jedem Falle möchte ich vorschlagen, sich vorher seines Einverständnisses zu versichern und erinnere nochmals an seine derzeitige Leipziger Rede, in der er sich schärfstens gegen jede Zitierung jüdischer Autoren in wissenschaftlichen Arbeiten überhaupt ausgesprochen hat. Natürlich können wir auf die jüdischen Autoren nicht verzichten, werden sie aber, denke ich, vielleicht noch etwas sichtbarer von den anderen absondern müssen." So Gerth Dorff, Interview vom 20,9.1999. Heinrich Stoll, Vertrag und Unrecht, Tübingen 1936. Stoll war Professor an der Universität Tübingen und Mitglied der Akademie für Deutsches Recht. Heinrich Stoll f, Vertrag und Unrecht, Zweite/Dritte Auflage besorgt von Wilhelm Felgentraeger, Tübingen 1941/1943. Der Vergleich stützt sich jeweils auf den 1. Halbband, 104

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten

verbindlichen Rechtssystematik - also möglichst willkürfrei - zu regeln. Aber andererseits kann doch kein Zweifel bestehen, daß die offenkundige und durch Felgentraegers Neubearbeitung gegenüber Stalls Erstauflage eindeutig verstärkte Tendenz, den Geist des Bürgerlichen Gesetzbuches als etwas Überkommenes und Überwundenes erscheinen zu lassen, nicht nur geeignet, sondern letztlich auch darauf angelegt war, die säkulare Idee des liberalen Rechtsstaates zu desavouieren. Es bleibt fraglich, ob ,Schuld' hier die dem Problem angemessene Kategorie historischer Beurteilung sein kann. Wohl aber zeigt der - im Vergleich zu vielen anderen sicherlich eher ,harmlose* - Fall die grundsätzliche und weittragende Problematik einer Jurisprudenz, welche unter dem Nationalsozialismus die Prinzipien und Positionen der liberalen Rechtstradition preisgegeben hat, um sich dann nach 1945 mit gleicher Selbstverständlichkeit wieder auf sie zu berufen. Auch wenn auf der Basis der verfügbaren, äußerst fragmentarischen Dokumentenlage zu Felgentracgers Biographie24 ein abschließendes Urteil kaum möglich erscheint, wird man hier wohl einen jener Fälle konstatieren können, bei denen man zwar nicht von persönlicher Schuld, wohl aber - mit einem vielverwendeten Terminus der Nachkriegszeit - von .Verstrickung' sprechen muß. Die naheliegende - nicht nur auf den individuellen Fall Felgentraegers, sondern auf den zweifellos massenhaft vorkommenden Falltypus zu beziehende - Frage, wie man mit solchen Vergangenheitslasten umgegangen ist, findet für den Hochschul verband eine überraschend klare Beantwortung: Die Rolle deutscher Hochschullehrer in der Zeit des Nationalsozialismus wurde ausweislich der mir vorliegenden Protokolle in den Verbandsgremien als moralisches Problern nicht thematisiert. Dieser Befund wird bestätigt durch die Beobachtung Gerth Dorffs, daß die Männer, die in den fünfziger Jahren „die Dinge bewegten" - 50-60jährige, die „alle im Dritten Reich schon erwachsen gewesen waren" - „über diese Dinge nicht gesprochen" hätten - die einen aus „Vorsicht", die anderen aus „Rücksichtnahme", alle aber „aus dem Bedürfnis heraus, die Dinge überhaupt am Laufen zu halten".25 Hermann

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Ein Nachlaß Felgentraegers konnte nicht ermittelt werden. Auch die Personalakte Felgentragers im Staatsarchiv Hamburg, die von mir eingesehen wurde, enthält für die Zeit vor 1945 nur knappe Informationen in dem zitierten Enmazifizierungsbescheid, im Persona l-Fragebogen und in dem Vorschlag der hamburgischen Schulbehörde zur Ernennung Felgentraegers zürn o. Professor für römisches und bürgerliches Recht. - Von seiner fachwissenschaftlichen Ausrichtung als Romanist her war Felgentraeger vergleichsweise wenig der Gefahr massiver rechtspolitischer Ideologisierung im nationalsozialistischen Sinne ausgesetzt. Das dem Emennungsvorschlag für den Hamburger Lehrstuhl angefügte Schriftenverzeichnis nennt Publikationen zu .Savignys Einfluß auf die Übereignungslehre' (1927), ,Antikes Lösungsrecht' (1933), ,Die Literatur zur Echtheitsfrage der römischen Juristenschriften' (1934), ,Zur Entstehungsgeschichte der Fragm. Vac.' (1935), ,Zur Erneuerung des Ehegüterrechts (1937, Jb. d. ADR) und ,Zu den Form, Andecavenses' (1939). Interview Dorff, 20,9.1999. Auch die folgende Aussage Dorffs, der in diesem Zusammenhang zutreffend von einem „Tabu" spricht, charakterisiert höchst plastisch diese Diskurslage: „Es wurde 105

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Lübbe hat 1983 in einem vielbeachteten Aufsatz die These zur Diskussion gestellt, daß dieses Verhalten allgemeiner „nicht-symmetrischer Diskretion", diese „Zurückhaltung in der öffentlichen Thematisierung individueller oder auch institutioneller Nazi-Vergangenheiten", die für die Gesellschaft der frühen Bundesrepublik weithin kennzeichnend war, nicht eigentlich ,Verdrängung', sondern vielmehr „das sozialpsychologisch und politisch nötige Mediuni der Verwandlung unserer Nachkriegsbevölkerung in die Bürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland" gewesen sei.20 Indes, auch wenn das Thema der nationalsozialistischen Vergangenheit in den Kokon einer Konvention des kollektiven Schweigens eingesponnen blieb27, so war der Hochschulverband als Standesvertretung doch mit ganz konkreten Betroffenheitslagen konfrontiert, die aus dieser Vergangenheit und aus den Folgen des verlorenen Kriegs resultierten. Dies galt zum einen für die Gruppe der aus politischen Gründen aus ihren Ämtern entfernten Professoren, zum anderen für diejenigen Kollegen, die im Zuge von Flucht und Vertreibung ihre Professuren verloren hatten. Der die Rechtsverhältnisse von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die „aus anderen als beamten- und tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden" waren, betreffende Art. 131 des Grundgesetzes faßte diese Personengruppen unterschiedslos in einer Rechtskategorie zusammen, doch waren die Zuständigkeiten für die Wiedereingliederung der beiden Betroffenenkategorien nach dem 1951 ergangenen Ausführungsgesetz zu Art. 131 G G geteilt: Für die aus politischen Gründen entfernten Hochschullehrer waren die Länder verantwortlich, für die geflüchteten und vertriebenen war es der Bund.28 Wilhelm Felgentraeger war der Gruppe der durch Flucht und Vertreibung „verdrängten" („amtsverdrängten") Professoren durch sein persönliches Lebensschicksal verbunden, denn auch er hatte seinen Breslauer Lehrstuhl Anfang 1945

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nicht thematisiert, es war taktlos, darüber zu sprechen, weil man ja auch nicht wußte, worauf man stoßen würde, und infolgedessen verbot sich das [..,] Sie liefen Gefahr, irgendwo einzubrechen [..,] und insofern haben sich alle angewöhnt, dieses Thema überhaupt nicht zu berühren," Hermann Lübbe, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewußtsein, in; Historische Zeitschrift 236 (1983), S, 579-599 (Zitate S. 585-588). Eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen Lübbes findet sich bei Detlef Garbe, Äußerliche Abkehr, Erinnerungsverweigerung und „Vergangenheitsbewältigung": Der Umgang mit dem Nationalsozialismus in der frühen Bundesrepublik, in: Axel Schildt/Arnold Sywottek (Hgg.), Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre, Bonn 1993, S. 692-716, insbes, S. 71 Iff. Von einer „massenhaft praktizierten Diskretion" und einem „Triumph des ,Beschweigens', dessen Ausmaß, Tiefe und Bedeutung historiographisch nicht einmal in Ansätzen erforscht ist", spricht auch Frei, Vergangenheitspolitik, S. 15. Grundlegend für die gesamte Problematik Udo Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland 1948-1953, Düsseldorf 1988; zusammenfassend zur politisch-juristischen Behandlung der 131er-Problematik in der frühen Bundesrepublik jetzt auch Frei, Vergangenheitspolitik. S. 69-100 (mit weiterer Lit,). 106

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten durch Flucht verloren. Er hatte in Göttingen Aufnahme gefunden - Felgentraegers Frau stammte von dort - und seit Februar 1945 an der Universität einen Lehrauftrag inne. Göttingen, das nach Kriegsende aus vielerlei Gründen das informelle Zentrum des mühsam wieder in Gang kommenden westdeutschen Universitätslebens war, bildete auch ein Sammelbecken für viele aus Ostdeutschland geflüchtete Hochschullehrer. Im Dezember 1945 waren in der Britischen Zone knapp 300 auswärtige Hochschullehrer ohne Amt registriert. Bei den nordwestdeutschen Hochschulkonferenzen stand daher das Problem ihrer Unterbringung und Wiedereinstellung von Anfang an auf der Tagesordnung, Kurz nach der ersten Hochschulkonferenz Ende September 1945 wurde in Göttingen eine zentrale Nachweis- und Vermittlungsstelle für Hochschullehrer ohne Amt aufgebaut, von der ab 1946 auch die Meldungen der Hochschulen der amerikanischen und der französischen Besatzungszone verarbeitet wurden. Im August 1946 lagen dort an die 1000 Fälle vor. Zur notdürftigen Versorgung dieses Personenkreises wurde des weiteren in Göttingen eine „Unterstützungskasse für notleidende Professoren und ihre Familien aus dem Osten" eingerichtet,29 Dieses aus freiwilligen Beiträgen der amtierenden Hochschullehrer gespeiste Unterstützungswerk wurde bis 1958 von der Westdeutschen Rektorenkonferenz geführt und ging dann als .Zentralunterstützungskasse' in die Verwaltung des Hochschulverbandes über.10 Im Rahmen dieser in Göttingen angesiedelten kollegial-solidarischen Bemühungen war auch Wilhelm Felgentraeger von früh an aktiv. Nach dem Zeugnis Ludwig Raisers wurde er geradezu „zum Mittelpunkt der aus Breslau vertriebenen Hochschullehrer, mit denen er aus eigenem Antrieb und ohne irgendwelche Unterstützung eine umfangreiche Korrespondenz führte".31 Dieses Engagement setzte Felgentraeger auch fort, nachdem er persönlich durch die Berufung nach Hamburg im Mai 1949 aus der Bctroffenheitslage des 131ers herausgetreten war, und auch im Amt des Vorsitzenden des Hochschulverbandes blieb ihm die 29 J0

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Zum Vorstehenden vgl. NWRK, Einleitung, S. 14ff. Die 1945 als Solidarfonds für vertriebene Hochschullehrer eingerichtete Zentralunterstützungskasse (ZUK) ging am 1,4.1958 aus der Verwaltung der WRK in die des Hochschulverbandes über und wurde dort mit erweiterter Zweckbestimmung als „Hilf s werk der im Hochschulverband zusammengefaßten Hochschullehrer zu Gunsten ihrer notleidenden Kollegen und deren Angehörigen" (.Hochschulverbandstag 1958', in: MittHV Bd. 6 (1958), S. 64) weitergeführt. Als nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 eine verstärkte Flucht von Hochschullehrern aus der DDR einsetzte, wurde zu deren Betreuung ein zweiter Solidarfonds eingerichtet („ZUK II"), für den bis 1965 auch vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Vgl. Hermann Going, Die Zcntralunterstützungskasse (ZUK) für heimatvertriebene Hochschullehrer und ihre Angehörigen, in: MittHV Bd. 5 Nr. 4/5 (1957), S. 99ft, und Hedwig Kroger, Die Wirksamkeit der .Zentralunierstützungskasse für notleidende Hochschullehrer und deren Angehörige', in: MittHV Bd. Nr. 6 (1963), S. 267ff. AHRK/WRK 18, 11,-l3.10.1949, S. 32; vgl. auch Felgentraegers eigene Schilderung dieser Bemühungen vor der 20. WRK in Bonn, l,72.8.1950, AHRK/WRK 20, S, 21. 107

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Betreuung der ,amtsverdrängten( Professoren ein besonderes Anliegen. Allerdings war sein Handlungsspielraum in dieser Funktion begrenzt. Nach der für den Hochschulverband gewählten Konstruktion der Mediatvertretung war vertriebenen Hochschullehrern, die ja keiner Fakultät angehörten, die Mitgliedschaft im Hochschulverband verschlossen. Felgentraeger ergriff daher gerneinsam mit dem ehemaligen Jenaer Soziologen Max Hildebert Boehm schon Anfang 1950 die Initiative zur Gründung eines eigenen Verbandes der vertriebenen Kollegen. Auf einer Versammlung von 50 vertriebenen Hochschullehrern, zu der Felgentraeger und Boehm nach Hamburg eingeladen hatten, wurde am 23. Februar 1950 der ,Notverband der amtsverdrängten Hochschullehrer' gegründet, der „in enger Zusammenarbeit mit dem in Bildung begriffenen Deutschen Hochschulverband" die Interessen dieses Personenkreises vertreten sollte. Das von der Gründungsversammlung beschlossene .Hamburger Notprogramm' formulierte neben Kritik an dem für unzureichend erachteten Einsatz der Rektorenkonferenz die Hauptforderungen der vertriebenen Hochschullehrer im Hinblick auf angemessene Versorgung und Wiedereinstellung.32 Die Haltung der Rektorenkonferenz zu diesem Kriegsfolgeproblem war - wie letztlich auch die des Hochschulverbandes - ambivalent. Daß im Schicksal der heimatvertriebenen Hochschullehrer ein imperativer Anspruch auf die Solidarität der bei aller nachkriegsspezifischen Not doch vergleichsweise glücklich davongekommenen westdeutschen Hochschulen und Hochschullehrer begründet lag, war evident und wurde auch zu keiner Zeit in Frage gestellt. Die Forderungen der territorial ,Verdrängten' nach „angemessener Versorgung", die sich an die Landesoder Bundesgesetzgeber richteten, erschienen nur allzu berechtigt und konnten auch ohne Vorbehalt Unterstützung finden. Anders verhielt es sich mit dem Anspruch, im westdeutschen Hochschulleben wieder Stellungen zu erhalten, die den früher innegehabten Ämtern vergleichbar wären - sei es durch Errichtung eigener ^ertriebenenfakultäten' oder durch Einführung verbindlicher Vertriebenenquoten bei der Neubesetzung von Lehrstühlen (dergestalt, daß jeder Dreier32

Vgl, die Mitteilung Max Hildebert Boehms, der zum Vorsitzenden des .Notverhandes' gewählt worden war, an die WRK vom 25.2.1950, sowie das von der Gründungsversammlung beschlossene .Hamburger Aktionsprogramm', ZZBW/HRK FZ 30/3, fot. 8-10. - Boehm, der bis Ende 1932 der Volkskonservativen Vereingung angehörte, hatte sich wissenschaftlich, publizistisch und politisch durch seine volkstumspolitischen Aktivitäten profiliert. Die dabei schon vor der nationalsozialistischen Machtübernahme deutlich gewordene Nahe zu Positionen der völkischen Ideologie, wie sie auch der Nationalsozialismus vertrat, dürfte für Boehms Berufung auf den ersten Lehrstuhl für Votkstheorie an der Univ. Jena im Okt. 1933 ausschlaggebend gewesen sein, obwohl Boehm nicht Mitglied der NSDAP wurde; vgl. Michael Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die ,Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften' von 1931-1945, Baden-Baden 1999, S. 104f., Anm. 82. 108

Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten

Berufungsvorschlag mindestens einen ,amtsverdrängten' Kandidaten aufführen mußte). Hier kollidierte die von den Rektoren prinzipiell durchaus akzeptierte Solidarpflicht mit den institutionellen und korporativen Eigen Interessen der westdeutschen Hochschulen. Gesetzliche Zuweisungen von ,amtsverdrängten' Hochschullehrern an bestimmte Hochschulen oder inhaltliche Auflagen seitens des Staates hätten nicht nur einen massiven Eingriff in die eben wiederhergestellte Tradition der Hochschulautonomie im allgemeinen, sondern auch in das Recht der akademischen Selbstergänzung im besonderen bedeutet, und darüber hinaus auch die Wiederberufungschancen westdeutscher Professoren und vor allem die ohnehin prekären Erstberufungsaussichten der Nichtordinarien beeinträchtigt. Darüber war sich auch Felgentraeger im klaren, der sich in der Rektorenkonferenz zum behutsamen Anwalt des .Notverbandes amtsverdrängter Hochschullehrer' und seiner Anliegen machte.33 Der Vorsitzende des Hochschulverbandes konnte sich der Zustimmung der Rektoren sicher sein, wenn er vor dem 20. Rektorenplenum im August 1950 feststellte, angesichts der Zahl von etwa 700 vertriebenen Hochschullehrern bei insgesamt nur etwa 2000 Lehrstühlen im Bundesgebiet könne die geforderte Wiedereingliederung „nur im Einzelfall, nicht aber generell zu regeln" sein. Das Protokoll dieser Sitzung bringt die grundsätzliche Einstellung der westdeutschen Hochschulen zu diesem Problem auf den Punkt, wenn es als Ergebnis einer intensiven Diskussion festhält, die Frage der Versorgung sei von der der Wiedereinstellung „deutlich zu trennen": „Das Recht auf angemessene Versorgung, die die Möglichkeit zu wissenschaftlicher Arbeit bietet, steht allen Herren zu. Hinsichtlich der Wiedereingliederung jedoch müssen die Hochschulen ihre volle Freiheit behalten." Mit dem Hinweis, „dass die Leistungsgrenze der Hochschulen erreicht sei", hielt man es zugleich für geboten, die Betroffenen auf eine realistische Einschätzung ihrer akademischen Perspektiven einzustimmen und zur Wahrnehmung beruflicher Alternativen anzuhalten. 34 Nachdem die Rektorenkonferenz den Hochschulverband ins Leben gerufen hatte, um sich von der Vertretung der personellen Interessen der Hochschullehrer zu entlasten» war es naheliegend, daß sie auch die Obsorge für die unter 33

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So berichtete Felgentraeger selbst dem am 2. und 3. März 1950 in Hannover tagenden 19, Plenum der Rektorenkonferenz von der durch ihn mitinitiierten Gründung des Notverbandes und warb um Verständnis für dessen Anliegen; vgl. AHRK/WRK 19, S. 34ff AHRK/WRK 20, Bonn, 1.72.8.1950, S. 43. Das Protokoll hält hier als Fazit der Aussprache im Plenum fest, „die Bemühungen müssten nun darauf gerichtet werden, andere Möglichkeiten zu eröffnen. In Betracht käme wohl schriftstellerische Tätigkeit, Errichtung wissenschaftlicher Institute u. dgl, Es haben sich so viele Menschen nach dem Kriege umstellen, einen anderen Beruf ergreifen müssen; es wäre gefährlich, die vertriebenen Herren in der Vorstellung zu lassen, dass sie alle wieder an einer Hochschule unterkommen könnten. Vielleicht ist es schon aus psychologischen Gründen notwendig, auf diese Möglichkeiten hinzuweisen."

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Politikfelder der Ära felgentraeger

Art. 131 GG fallenden Kollegen weitgehend in die Hände der Standesvertretung zu legen wünschte35 - und dies unbeschadet der Tatsache, daß dieser Personenkreis selbst dem Hochschulverband nicht angehören konnte. Ein Vorstoß auf dem 1. Hochschulverbandstag 1951, den vertriebenen Hochschullehrern durch eine Änderung der Satzung doch die Mitgliedschaft im Hochschulverband zu eröffnen, wurde zwar abgebogen, doch setzte Ludwig Raiser einen Beschluß zur Satzungserweiterung durch, demzufolge Vereinigungen heimatvertriebener Hochschullehrer „bis auf weiteres" dem Hochschulverband assoziiert werden sollten.36 Auch wenn dieser Antrag einstimmig angenommen wurde, kann kein Zweifel bestehen, daß er den Absichten der Verbandsführung zuwiderlief. Sie hatte noch im Februar in Gegenwart Raisers ihren Standpunkt bekräftigt, „daß die bisherige Konstruktion des .Hochschulverbandes' [i.e. die Mediatvertretung über Hochschulverbandsgruppenj aus sachlichen Gründen nicht aufgegeben werden könne". Auch sei es „nicht empfehlenswert", „Vertreter der vertriebenen Hochschullehrer als Gäste zu den Vorstandssitzungen hinzuzuziehen"; es müsse genügen, „wie bisher enge Fühlung mit den Verbänden der vertriebenen Hochschullehrer zu halten".37 Vor diesem Hintergrund kann es nicht verwundern, daß der Vorstand den gewissermaßen auf dem Wege des Oktroi herbeigeführten Angliederungsbeschluß im weiteren Verlauf relativierend und hinhaltend behandelte.38 Abgesehen davon, daß man aus nachvollziehbaren Gründen Interessenkollisionen mit der eigenen Klientel befürchtete, da die Ansprüche der vertriebenen Hochschullehrer großenteils nur auf Kosten ihrer einheimischen Kollegen befriedigt werden konnten, bestanden offenbar auch politische Bedenken gegen eine institutionelle Verbindung mit den 131er-Organisationen im Hinblick auf mögliche Belastungen aus der NS-Vergangenheit. Dieses Problem stellte sich ganz konkret bei den Fachlisten vertriebener Hochschullehrer, die der Verband mit Hilfe der Vertriebenenorganisationen zusammenstellte, um das wissenschaftliche Potential dieses Personenkreises für Lehrstuhlbesetzungen zur Evidenz zu bringen. Mit der Weitergabe dieser Listen an die Fakultäten lief der Hochschulverband unter Umständen Gefahr, auch für die Eignung und Unbelastetheit der dort aufgeführten Hoch35 36

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Vgl. die diesbezügliche Feststellung des WRK-Präsidenten Raiser, ebda-, S. 22. Vgl. die aufschlußreiche Diskussion, an der auch Vertreter der Vertriebenenverbände teilnahmen, in ADHV/HVT l, 19.5.1951, S. 9ff. und S. 24-30, - Der Beschluß wurde als Zusatzbestimmung unter § 33 in die Satzung des Hochschulverbandes eingefügt. Die Vorsitzenden der angegliederten Verbände sollten Sitz und Stimme auf dem Hochschulverbandstag haben und einen gemeinsamen Vertreter als Gast in die Vorstandssitzungen des Hochschulverbandes entsenden dürfen. ADHV/P 3, 28.2.1951, S. 6f.

Vgl, die eingehende Erörterung dieser Fragen in der Vorstandsitzung vom 6.7.1951, ADHV/P 4, S, 5-11. Der Anschluß der Vertriebenenorganisationen, so stellte Felgentraeger fest, „dürfe nicht überbewertet" und insbesondere „nicht als generelle Anerkennung eines Wiedereingliederungsanspruches für alte Mitglieder der angeschlossenen Verbände ausgelegt werden". 110

Nachkriegsprobleme; Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten

schullehrer in die Verantwortung genommen zu werden,39 Der Hochschulverband konnte sich dieser heiklen Aufgabe schließlich entwinden, weil die beiden maßgeblichen Verbände der vertriebenen und amtsverdrängten Hochschullehrer nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen in der Erstellung amtlicher Listen zusammenfanden. 40 Die Rivalität und Uneinigkeit zwischen dem ,Notverband amtsverdrängter Hochschullehrer' und dem ,Verband heimatvertriebener Hochschulangehöriger' ermöglichten es dem Hochschulverband schließlich auch, einer Umsetzung des Angliederungsbeschlusses auszuweichen. Als beide Organisationen im Herbst 1951 formell beantragten, dem Hochschulverband gemäß § 33 seiner Satzung angeschlossen zu werden, stellte der Vorstand die Aufnahme unter die Bedingung einer vorherigen Fusion von NAH und VHH bzw. ihrer Einigung auf einen gemeinsamen Vertreter. Diese Bedingung erwies sich - soll man sagen: erwartungsgemäß? - als unerfüllbar. Die Aufnahme der Vertriebenverbände unterblieb.41 Die erkennbare Scheu des Hochschulverbandes, das Problem der f amtsverdrängten' Hochschullehrer in institutioneller Form zu dem seinen zu machen, bedeutete indes nicht, daß der Verband in dieser Frage untätig geblieben wäre. Mit Recht konnte Felgentraeger feststellen, der Hochschulverband habe die Fürsorge für die Kollegen, „die infolge der Katastrophe von 1945 ihr Amt verloren haben", vom „ersten Tage seines Bestehens an" zu seinen vordringlichen Aufgaben gerechnet.42 Allerdings konzentrierten sich die Bemühungen des Hochschulvcrbandes aus den dargelegten Gründen darauf, im Rahmen des ,Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen* vom 11. Mai 1951 die Versorgung der nicht wieder in akademische Stellungen gelangten Kollegen in einer Weise sicherzustellen, die diesen zumindest die Fortsetzung ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ermöglichen sollte,43 Erstmals hatte sich Felgentraeger im August 1950 in einem Artikel in der .Deutschen Universitäts-Zeitung' öffentlich zu dieser Thematik geäußert44, wobei

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In diesem Zusammenhang warnte ein Vorstandsmitglied vor „ungünstigen Auswirkungen der Listen auf die Haltung der Kollegen zum Hochschulverband"; „Die Aufnahme politisch belasteter Hochschullehrer in die Listen werde unfreundlich beurteilt." Ebda. S. 7, Felgentraeger berichtete dem Vorstand im Februar 1952, man habe den Auftrag an die Bundesausgleichsstelle zurückgeben müssen und dieser „anheimgestellt, die Bearbeitung der Listen in eigene Regie zu übernehmen"; ADHV/P6, 8.2.1952, S. 20. Vgl. ADHV/P5, 26,10.1951, TOP 6, und ADHV/P6, 8.2.1952, TOP 5. Wilhelm Felgentraeger, Fürsorge für die vertriebenen und entfernten Hochschullehrer, in: MittHV Bd. l Nr. 3 (1951). S, l Off. Es ist an dieser Stelle natürlich nicht möglich, den Gesamtkomplex der 13ler-Problematik in Bezug auf die Hochschullehrer ausführlicher zu behandeln. Gemäß den Aufgaben der vorliegenden Schrift beschränken wir uns darauf, Position und Politik des Hochschulverbandes in dieser Frage zu umreißen. Wilhelm Felgentraeger, Ungenutzte Kräfte der Wissenschaft, in: DUZ 5 Nr. 15 (1950), S. lOf. 111

Politikfelder der Ära Felgentraeger

aus taktischen Gründen das Problem der aus politischen Gründen Entfernten im Hintergrund blieb und die „populäreren Heimatvertriebenen" in den Mittelpunkt gerückt wurden.45 Im Januar 1951 wandte sich der Vorsitzende dann mit einem Rundschreiben an die „im Osten und in den verlorenen Gebieten aus dem Amt verdrängten Hochschullehrer", um ihnen die Position des Verbandes und dessen bereits eingeleitete oder geplante Maßnahmen darzulegen. Im Sinne der von der 20. Rektorenkonferenz formulierten Generallinie ging es Felgentraeger in diesem Rundschreiben aber auch darum, „etwa auftretende Missverständnisse zu beseitigen" und übertriebenen Erwartungen entgegenzuwirken. Der Hochschulverband bekannte sich zu dem Ziel der „Erhaltung der in den vertriebenen Hochschullehrern ruhenden wissenschaftlichen Potenz" und versprach, sich für eine „angemessene Versorgung" und „individuelle Wiedereingliederung" einzusetzen, Gleichzeitg machte das Rundschreiben aber deutlich, die „Grenze dieser Fürsorge" liege „im Gesamtwohl der deutschen Wissenschaft und in der Erhaltung der geschichtlich begründeten und bewährten Struktur des deutschen Hochschulwesens", Damit war einmal mehr klargestellt, daß eine Einschränkung der Fakultätsautonomie durch allgemeine staatliche Auflagen zur Unterbringung vertriebener oder entfernter Hochschullehrer oder gar deren Zwangszuweisung an die westdeutschen Universitäten vom Hochschulverband strikt abgelehnt wurde. Neben dem Erhalt des Selbstrekrutierungsrechts in der deutschen Universitätstradition bewegte die Verbandsführung dabei verständlicherweise auch die Sorge um die Plazierungsperspektiven der eigenen Nichtordinarienklientel. 46 Mit Rücksicht „auf die Gesamtlage der westdeutschen Hochschulen" glaubte der Hochschulverband aber auch, der von den Vertriebenenverbänden geforderten Gründung neuer Hochschulen nicht zustimmen zu können. 47 Mit einer Denkschrift an die zuständigen ministeriellen und parlamentarischen Instanzen versuchte der Hochschulverband, seine in den Rundschreiben bemerkenswert offen dargelegten Vorbehalte in den damals auf Hochtouren laufenden Gesetzgebungsprozeß zur Regelung der unter Art 131 GG fallenden Personen einzubringen.48 Als das Ausführungsgesetz zu Art. 131 GG dann am 11. Mai 1951 verkündet wurde49, stieß es in wesentlichen Punkten beim Hoch45 46

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Felgentraeger an Werner Weber, 14.7.1950, 380/13, fol. 348. Die Unterbringung der heimatvertriebenen Kollegen dürfe, so stellte Felgentraeger im Vorstand fest, „vor allem nicht auf Kosten des Nachwuches gehen. Ein Stand, der keine ausreichend Nachwuchspflege betreibe, sei zum Absterben verurteilt," ADHV/P 12, 13,2.1954, S, 3, Rundschreiben Nr. 32 vom 13.1.1951, ZZBW/HRK FZ 7/3, fol, 53/54. Vgl, Schreiben vom 10.1.1951, mit dem Felgentraeger die Denkschrift vom 5,1,1951 dem Präsidenten der Rektorenkonferenz zur Kenntis brachte, ZZBW/HRK FZ 7/3, fol. 52 und 48/49, Ausführlich zur Entstehung des Gesetzes und zu seiner ersten Novcllicrung Wcngst, Beamtentum, S, 152-252 und S. 305-309.

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Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten

schulverband auf Ablehnung. Im Zentrum der Kritik stand dabei die Tatsache, daß dieses Gesetz auf die Besonderheiten des deutschen Hochschulwesens und der Hochschullehrerlaufbahn keinerlei Rücksicht nahm und die Professoren ohne jede Differenzierung unter die allgemeine Betroffenenkategorie der normalen' Beamten nach GG 131 subsurnierte.50 Für diese war in § 13 des Gesetzes verpflichtend eine Einstellungsquote von 20% der an staatlichen oder kommunalen Behörden, Anstalten und Körperschaften vorhandenen Planstellen festgelegt.51 Solange diese Quote nicht erreicht warT bedurfte die Besetzung einer Planstelle mit einem Nicht-131er der gesonderten Zustimmung übergeordneter Stellen; außerdem mußte unter bestimmten Umständen eine Ausgleichsabgabe entrichtet werden.52 Die systematische Anwendung dieser Unterbringungsvorschriften auch auf die Hochschulen hätte zu gravierenden Eingriffen in die Autonomie der Fakultäten geführt.53 Von daher war es naheliegend, daß sowohl der Hochschulverband wie auch - z.T. aus anderen Motiven - die Vertriebenenverbände bemüht waren, bei der allfälligen Novellierung des 131er-Gesetzes die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Hochschulen und Hochschullehrer zu erreichen, was dann 1953 zu einem gewissen Grade auch gelingen sollte.54 Ein Problem für sich, wenn auch mit dem der vertriebenen Hochschullehrer in vielfältiger Weise verwoben, stellten für den Hochschulverband die aus politischen Gründen entlassenen Koilegen dar. Die Haltung der WRK zur Wiederverwendung dieser Teilkategorie der 131er war deutlich reservierter55, und auch der Hochschulverband folgte im wesentlichen dieser Linie56. Felgentraeger wurde hierin von Werner Weber bestätigt, der den Hochschulverband in dem 1953 bei der Bundesausgleichsstelle eingerichteten Unterbringungs-Auschuß für Hochschul50 51

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Vgl. die erläuternde Stellungnahme zu dein Gesetz aus der Feder des ersten Hochschulverbandsgeschäftsführers Dr. Richard Münzner in: MittHV Bd l Nr. 5 (1951), S. l Iff. Bis 1950 wurden 10% der an den 32 Hochschulen der drei westlichen Besatzungszonert vorhandenen Planstellen für Lehrstuhlinhaber und Extraordinarien mit vertriebenen Hochschullehrern besetzt (204 von 2037); vgl. N WH K, S. 16. Vgl. Bubi. 1951, I, S. 307-321, §§ 11-18. Vgl, auch die intensiven Diskussionen der Gesetzesproblematik in den Plenarversammlungen der 23. und 24, WRK unter Beteiligung Felgentraegers, AHRK/WRH 23, 30. /3l.7.1951, S. 9-14, und AHRK/WRK 24, 3./4.1.1952, S. 15-19. Vgl. dazu Wilhelm Felgentraeger, Die Wiedereingliederung he i mat vertriebene r Hochschullehrer, in: MittHV Bd. l Nr. 7 (1952), S. 17ff., und Werner Thieme, Die Novelle zum Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes und die Hochschullehrer, in; MittHV Bd, 2 Nr. 3 £1953), S. 19-26. Vgl. etwa AHRK/WRK 19, 2./3.3.1950, S. 29ff„ und AHRK/WRK 23, 30,/30.7.195l, S. 12f. Auch in den .Mitteilungen des Hochschulverbandes' wurden die Probleme der vertriebenen und die der entlassenen Hochschullehrer in der Regel getrennt behandelt und letztere wesentlich seltener thematisiert. In Bd. l Nr. 6 (1952), S. 22-26, erschien eine namentlich nicht gezeichnete gutachtliche Stellungnahme des Verbandes über die .Rechtliche Stellung der aus politischen Gründen entfernten Hochschullehrer'. 113

Politikfelder der Ära Felgentraeger

lehrer vertrat,57 Gegen einen generellen Anspruch der .Amtsentfernten' auf Wiedereinstellung machte Weber geltend, „dass der Krieg und der Zusammenbrach für uns einen Bergrutsch bedeuten" und „das echte Problem einer wirklichen Säuberung (bei Hochschullehrern glücklicherweise in wenigen Einzelfällen) bestehen bleibt und nicht durch Berufung auf wohlerworbene Rechte u. drgl. weggewischt werden kann".58 Mit der gebotenen Vorsicht setzte sich aber Felgentraeger durchaus dafür ein, „jedenfalls einen Teil [der aus politischen Gründen entfernten Hochschullehrer] unterzubringen", wobei freilich auch hier die Entscheidungsfreiheit der Fakultäten gewahrt bleiben sollte.59 Wie die WRK lehnte auch der Hochschulverband eine Zusammenarbeit mit dem die Anliegen dieses Personenkreises vorwiegend vertretenden ,Verbandes der nicht amtierenden {amtsverdrängten} Hochschullehrer' unter dem Vorsitz des Dozenten Herbert Grabert in Tübingen nicht zuletzt wegen dessen Rechtslastigkeit ab.60 Im Organ dieses Verbandes waren Felgentraeger und der Hochschulverband wiederholt Gegenstand von Angriffen und Vorwürfen, das Problem der jAmtsentfernten1 zu verharmlosen und deren berechtigte Anliegen zu vernachlässigen.61 Die Regelung der Versorgung der 131er zog sich unter mehrfachen Änderungen des Gesetzes bis Ende der sechziger Jahre hin. Der Versuch, die Zahl der unter diese Problemkategorie fallenden Hochschullehrer in den beiden unterschiedlich 57

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Vgl. dazu ADHV/P 11, 21.11.1953, TOP10, ADHV/P 12, 13.2.1954, TOP 2, und ADHV/P 15, 20.11,1954,TOP 1. Werner Weber an Felgentraeger, 6.5.1953, 380/13, fol. 237/238, in kritischer Auseinandersetzung mit dem damals im Kreis der Betroffenen vielbeachteten Buch von Max Wenzel, Das Gesetz zu Artikel 131 GG und die Hochschullehrer, Frankfurt/M. 1953.

59

ADHV/P 11,21.11.1953, S. 11.

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Während d e r , Notverband amtsverdrängter Hochschullehrer und der .Verband heimatvertriebener Hochschullehrer' durch ihre damaligen Vorsitzenden am 1. Hoc h seh u l verb a nds tag teilnehmen konnten, wurde dies dem .Verband der n ich tarn tierende n (amisverdrängten) Hochschullehrer' des Dr. Grabert verwehrt, Felgentraeger war nur bereit, ein Memorandum Graberts zu verlesen, Vgl. ADHV/HVT l, 19.5.1951, S, 27 f, Vgl. auch die knappe Charakterisierung der drei Verbände durch Felgentraeger vor dem 24. WRK-Plenum in Tübingen, AHRK/WRK 24, 3,/4,1.1952, S, 16. WRK-Präsident Heimpel sprach im Hinblick auf die Kampagnen des Grabert-Verbandes gegen den Hochschulverband sogar von einem „Zeitungs krieg"; vgl. ebda., S. 12. Irn Vorstand des Hochschulverbandes wurden wiederholt Überlegungen angestellt, gegen die von Grabert redigierte Zeitschrift des .Verbandes der nicht amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer' wegen der Titelähnlichkeit (die Zeitschrift erschien in den ersten beiden Jahrgängen 1/1953 und 2/1954 als .Mitteilungen für den 131er-Hochschullehrer', ab Jahrgang 3/1955 als .Hochschullehrer-Zeitung'), und der damit möglicherweise gegebenen Verwechslungsgefahr auf dem Rechtswege vorzugehen, doch sah man nach Einholung von Gutachten angesichts geringer Erfolgsaussichten von rechtlichen Schritten ab. Vgl, auch Felgentraegers Erwiderung auf Graberts Polemik in dem Beitrag ,Eine Legende wird zerstört. Tatsachen über die verdrängten Hochschullehrer1, in: FAZ Nr. 241 vom 16.10.1953, Die Entstehungsgeschichte dieses Artikels und die Haltung des Hochschulverbandes gegenüber den Sprechern der amtsentfemten Hochschullehrer (neben Grabert u.a. auch Max Wenzel) überhaupt ist dokumentiert in B A B 380/861.

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Nachkriegsprobleme: Kriegsfolgen und Vergangenheitslasten gelagerten Gruppen - der aus politischen Gründen Entfernten und der Vertriebenen - zu ermitteln, erweist sich als außerordentlich schwierig. Die folgenden Angaben stützen sich auf eine ebenso schmale wie unsichere Datengrundlage und sind daher nur mit großen Vorbehalten zu verwenden. Man kann, will man überhaupt zu Angaben über die ungefähre quantitative Dimension des Problems gelangen, nicht an dem Zahlenmaterial vorbeigehen62, welches zwischen Februar und März 1950 in einer Artikelserie der evangelischen Wochenzeitung ,Christ und Welt' publiziert und später in einer kleinen Schrift des ,Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft1 zusammengestellt wurde - so problematisch dies auch sein mag.63 Die dort ermittelte Gesamtzahl von 6585 Hochschullehrern, die vor oder nach 1945 ihre Professur verloren hatten, unterteilte sich in drei Gruppen: die unter dem NS-Regime aus dem Amt gedrängten, die im Zuge der Entnazifizierung aus politischen Gründen entfernten Hochschullehrer sowie diejenigen, die im Zuge von Flucht und Vertreibung ihre akademischen Stellungen hatten aufgeben müssen. Die Zahl der unter der NS-Herrschaft entlassenen Dozenten belief sich nach der Enquete von ,Christ und Welt' unter Einschluß der 404 nachweislich emigrierten Hochschullehrer auf 1268 (485 planmäßige und 783 außerplanmäßige), von denen bis zum Zeitpunkt der Erhebung 331 „wieder in ihr Recht eingesetzt wurden". Mit 4289 wurde die Zahl der im Zuge der Entnazifizierung entfernten Hochschullehrer abgegeben, die nach dem Schiedsspruch der Spruchkammern auch keine Pension erhielten; 2773 von diesen (1114 planmäßige und 1659 außerplanmäßige Dozenten) hatten bis zum Mai 1950 nicht wieder auf ihre Stellen zurückkehren können. In der dritten Gruppe waren 1028 aus dem Osten geflüchtete oder vertriebene Hochschullehrer versammelt. Bis zum Stichtag der Erhebung im Mai 1950 waren 72 von ihnen verstorben und 250 wieder an einer Hochschule eingegliedert; somit waren 706 (389 planmäßige und 317 apl. Professoren) noch ohne Amt und - wie die aus politischen Gründen Entfernten - auch ohne Pension,64 Diese Angabe entspricht im übrigen ziemlich genau der Zahl, mit der Felgentraeger im August 1950 vor der Rektorenkonferenz operierte.

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So auch Stamm, Zwischen Staat und Selbstverwaltung, S. 47f. Forschung heißt Arbeit und Brot, hg. vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Stuttgart 1950, bes. Kap. II,,Demontage' des deutschen Geistes?, S. 12-26. Nach Aussage von Walter Haustein im 19. WRK-Plenum hat an der Enquete von .Christ und Welt' Ernst Forsthoff „maßgebend mitgearbeitet", AHRK/WRK 19, 2.73.3,1950, S. 32. Der Demontage-Begriff wird für diesen Zusammenhang auch verwendet im Titel des Pamphlets von Herbert Grabert, Hochschullehrer klagen an. Von der Demontage deutscher Wissenschaft, Göttingen 1952. Für die angegebenen Zahlen vgl. .Forschung heißt Arbeit und Brot', passim, sowie die Synopse ebda., S. 26.

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Politikfelder der Ära Felgentraeger

2. Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger fahre Universität semper reformanda - der bis heute unabgeschlossene und seiner Natur nach wohl auch nicht abschließbare Diskurs über eine Reform der deutschen Hochschulen ist älter als die Bundesrepublik. Er setzte - wenn wir von der Reformdiskussion der Weimarer Jahre und den Ansätzen, die es dazu auch im deutschen Kaiserreich schon gab - absehen, sogleich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein. Zum Teil gingen die Anstöße hierzu von den Besatzungsmächten aus, welche die Hochschulreform als wichtiges Element eines umfassenden Umerziehungs Programms für die deutsche Gesellschaft sahen; häufig wurden ausländische Beobachter und Experten einbezogen, aber insgesamt war es doch wesentlich eine von deutschen Hochschullehrern und Hochschulpolitikern getragene Diskussion, Die Ergebnisse der einschlägigen Tagungen und Kommissionen von den ,Marburger Hochschulgesprächen' der Jahre 1946 bis 194865 und den sog. ,Schwalbacher Richtlinien' vom Dezember 19476fi über das berühmte ,Blaue Gutachten 1 194867 bis zu den von den Gewerkschaften initiierten (Oberaudorfer Besprechungen' der Jahre 1950 bis 19526S wurden begleitet und ergänzt von einer Fülle von Vorschlägen und Stellungnahmen einzelner Hochschullehrer,69 Daß die deutsche Hochschule zu reformieren sei, würde in diesen Jahren kaum jemand öffentlich bestritten haben, doch gingen, was bei der Komplexität :

' Abgedruckt bei Rolf Neuhaus (Bearb.), Dokumente zur Hochschulreform 1945-1959, Wiesbaden 1961,8. 260ff. 66 Vgl. Karl Geiler/Walter H all stein/Gustav Radbruch (Hgg.), Richtlinien für die Reform der Hochschuiverfassungen in den Ländern des amerikanischen Besatzungsgebietes. Vorschläge eines Sachverständigenausschusses [= Schrr. der Süddeutschen Juristenzeitung, H. 6), Heidelberg 1947; abgedruckt bei Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform, S, 262-288. 67 Gutachten zur Hochschulreform. Vom Studienausschuß für Hochschulreform 1948, o.O. o.f.; abgedruckt bei Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform, S, 289-368. Zur Zusammensetzung des vom Militärgouverneur für die Britische Besatzungszone einberufenen Ausschusses vgl. ebda., S. 628, Anm. 21. Zum Kontext vgl. David Phillips, Britische Initiative zur Hochschulreform in Deutschland: Zur Vorgeschichte und Entstehung des ,Gutachtens zur Hochschulreform* von 1948, in: Manfred Heinemann (Hg.), Umerziehung und Wiederaufbau. Die Bildungspolitik der Besatzungsmächte in Deutschland und Österreich, Stuttgart 1981, S. 172-189. 68 Abdruck bei Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform, S, 374-386, 69 Allen oder jedenfalls den allermeisten dieser Standortbestimmungen gemeinsam war, daß sie die Zukunft der deutschen Universitäten auf die „Wiederemeuerung ihres ursprünglichen Geistes" begründen wollten, d.h. ganz bewußt an die Tradition des deutschen Bildungsidealismus anknüpften und mithin eine Hochschulreform als reformatio im ursprünglichen Verständnis im Sinne hatten. Dies galt für Karl Jaspers, Die Idee der Universität, Berlin-Heidelberg 1946 (dessen Vorwort das obige Zitat entnommen ist) ebenso wie für Theodor Litt, Der Bildungsauftrag der deutschen Hochschule (= Schriften des H och seh u l Verbandes. 2), Göttingen 1952, und die Universitätsreden von Max Horkheimer aus seiner Zeit als Rektor in Frankfurt 1951-1953: ,Akademisches Studium', .Fragen des Hochschulunterrichts', ,Begriff der Bildung 1 , ,Verantwortung und Studium', in: Ders., Gesammelte Schriften. Bd, 8: Vorträge und Aufzeichnungen 1949-1973, Frankfurt/M. 1985, S. 381-453. 116

Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger Jahre

des Problems kaum verwundern kann, die Meinungen über die Prioritäten, die Ziele und den Umfang der erforderlichen Reformmaßnahmen weit auseinander. Ob es in erster Linie dieser Dissens war, was die meisten Reformvorschläge ohne unmittelbare Wirkungen verhallen ließ, oder die Normativ!tat faktischer Krisenbewältigungsimperative in der allgemeinen Situation der unmittelbaren Nachkriegszeit70 ist hier nicht zu entscheiden. Übereinstimmung bei aller Vielstimmigkeit des Diskurses bestand innerhalb der deutschen Hochschullehrerschaft sicherlich am ehesten im wiedergewonnenen Primat des Selbstverwaltungsgedankens. Nicht von ungefähr verfiel der im Bruch mit der Tradition am weitesten gehende, stark von britischen reeducaf/cm-Prämissen inspirierte Reformvorschlag des .Blauen Gutachtens', der mit der Forderung nach institutioneller Öffnung der Universitäten zur Gesellschaft durch die Einrichtung von sog. „Hochschulbeiräten' die korporative Selbstverantwortung und Selbstbestimmung zu unterlaufen schien, der fast einhelligen Ablehnung durch die Rektoren und Senate71. Viele, wenn nicht die meisten der damals aktiven Hochschullehrer sahen in der Wiedergewinnung, Neubegründung und Stärkung der Autonomie der Hochschulen das vorrangige Ziel einer zeitgemäßen Hochschulreformpolitik. Diese Haltung und Tendenz ist mit dem in den siebziger Jahren dafür in Schwang gekommenen polemischen Begriff der ,Restauration der Ordinarienuniversität'72 allein weder historisch noch analytisch adäquat charakterisiert. Der in Reaktion auf die nationalsozialistische Hochschulpolitik ganz bewußt erfolgende affirmative Rückgriff auf Freiheitsprinzipien und Rechtsbestände der idealistischen deutschen Universitätstradition mag in gewisser Weise naiv gewesen sein oder auch zeitfern nostalgisch - und bei einigen, das wollen wir nicht ausschließen, vielleicht auch pure Ideologie. Aber wer den psycho-mentalen Kontext der zweiten Nachkriegszeit in Rechnung stellt, wird denen, die damals so dachten und handelten, das subjektiv aufrichtige Bemühen nicht schlechterdings absprechen können, mit der Einforderung weitgehender Unhabhängigkeit der Universität vom Staat eine reformatio $ui generis zu verfolgen. „Man kann", wie ein keineswegs unkritischer 70

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Aufschlußreich für die spezifische Problemlage der unmittelbaren Nachkriegssituation ist der Bericht des Rektors der Universität Frankfurt/M., Walter Hallstein, Die deutschen Hochschulen, besonders im amerikanischen Besatzungsgebiet, im Jahre 1947, ZZBW/HRK FZ 30/1, fol. 2-4. Vgl. Stamm, Zwischen Staat und Selbstverwaltung, S, 65ff,, sowie die Dokumentation von David Phillips, Zur Universitätsreform in der britischen Besatzungszone 1945-1948, Köln-Wien 1983, und zuletzt Ders., Pragmatismus und Idealismus, Gutachten zur Hochschulreform. Das ,Blaue Gutachten' und die britische Hochschulpolitik in Deutschland, Köln u.a. 1995. In dieser Verwendung etwa bei Claudia Schmid, Staatliche Hochschulpolitik in der Bundesrepublik. Daten, Strukturen und Tendenzen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. B 3-4 (1984), S. 11-23. Die Gegen position pointiert zusammengefaßt bei Hans Heinrich Kupp, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, in: Hb. des Wissenschaftsrechts, hg. von Christian Flämig u.a., 2 Bde., Berlin u.a. 1982, Bd. l, S. 37-55, bes. S. 44ff. 117

Politikfelder der Ära Felgen traeger

Beobachter es ausgedrückt hat, „die Anknüpfung an die Tradition oft kaum von der dahinter verborgenen Reform unterscheiden."73 Daß die als Reform gedachte Restitution der deutschen Traditionsuniversität auch mit der Fortführung und Befestigung struktureller Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse verbunden und dies von vielen der in diesem System Begünstigten so auch gewünscht war. wurde zu Beginn des vorigen Kapitels ausführlich dargelegt. Gerade vom Hochschulverband, also von der Standesorganisation der Hochschullehrer selbst, gingen aber, wie in diesem Kapitel zu zeigen sein wird, zur Überwindung dieser In der Tat längst unzeitgemäß gewordenen Zustände in der zweiten Hälfte der fünfziger und der ersten Hälfte der sechziger Jahre wichtige Impulse aus. .Hochschulreform' ist seit je ein ebenso umfassender wie unbestimmter, ja schillernder Terminus. Im Diskurs der fünfziger und sechziger Jahre beinhaltete er mindestens vier deutlich zu unterscheidende Gegenstandsbereiche74: Fragen der inneren Verfassung der Hochschulen und ihrer Stellung zum Staat, des Verhältnisses der Hochschulen zur Öffentlichkeit und ihrer Aufgaben in der Gesellschaft, der Struktur des akademischen Lehrkörpers und schließlich Fragen der Studienreform, also der zweckmäßigen Organisation der Fächer, des Aufbaus des Studiums und seiner Inhalte, der Studien- und Prüfungsordnungen75. Wir haben uns hier mit diesen Problemaspekten im einzelnen nicht zu befassen, denn nicht das schier unübersehbar weite Feld der Hochschulreform als solcher ist unser Thema76, sondern das, was der Hochschulverband dazu anregend und gestaltend beigetragen hat. Nachdem das erste Nachkriegsjahrfünft zwar lebhafte Erörterungen und eine große Mannigfaltigkeit der Positionen, aber wenig greifbare Ergebnisse gezeitigt hatte, ergriff der Hochschulverband 1951 die Initiative zu einer institutionellen Verankerung der Reformdiskussion. Dabei war man sich durchaus darüber im klaren, daß nach der informellen Arbeitsteilung mit der Westdeutschen Rektorenkonferenz solcherart allgemeine und grundsätzliche Fragen der Hochschulpolitik und Hochschulentwicklung nicht primär in den Aufgabenbereich des Verbandes 73 74

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Kluge, Die Universitäts-Selbstverwaltung, S, 102, Die folgende Einteilung findet sich in dem Expos£ Gerd Teilenbachs für den WRK-Vorsitzenden Thielicke über die Konzeption einer Hochschulreformtagung (Hinterzarten), 7.12,1951, ZZBW/ HRK FZ 45/3, fol. 2-5. Zur wichtigen Rolle Tellenbachs in der Hochschulreformdiskussion der fünfziger Jahre vgl. unten passim. Speziell zur Entwicklung der Studienreformdiskussion vgl. den Überblick bei Christoph üehler, Hochschulentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945, Frankfurt/M. - New York 1989, S. 57-76. Eine nützliche, weil viele entlegene und heute nur noch schwer auffindbare Stellungnahmen zum Thema .Hochschulreform' aus der zweiten Hälfte der fünziger Jahre enthaltende Zusammenstellung findet sich in: DUZ 13 (1958), Nr. 4. Vgl. auch Ernst Anrieh, Die Idee der deutschen Universität und die Reform der deutschen Universitäten, Darmstadt 1960. 118

Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger fahre

fielen. Andererseits war nicht von der Hand zu weisen, daß jede Hochschulreform im Hinblick auf die Lehrkörperstruktur und das Verhältnis der Universität zur Öffentlichkeit auch die Stellung der Hochschullehrer zentral betraf und deren Standesorganisation somit ein legitimes Interesse an diesen Fragen geltend machen konnte. Das langfristig orientierte und über die Vertretung der Standesinteressen im engeren Sinne hinausgehende Engagement des Hochschulverbandes für die Hochschulreform wird auch deutlich aus der internen Feststellung Felgentraegers, man könne die Hochschulreform, „mag sie auch im Augenblick nicht vordringlich sein und vor allem durch die Verquickung mit finanziellen Fragen behindert werden, nicht einfach einschlafen lassen". Es gebe „Probleme auf diesem Felde genug, die durch behutsame und ständige Förderung einen Gewinn für die Hochschulen abwerfen würden"77 Aus diesen Überlegungen heraus faßte der Vorstand im Oktober 1951 die Einsetzung eines vierköpfigen Ausschusses für Fragen der Hochschulreform ins Auge, der gemeinsam mit der Rektorenkonferenz gebildet und paritätisch besetzt werden sollte.78 Als Ausschußvorsitzenden schlug der Hochschulverband der WRK den Freiburger Historiker Gerd Tellenbach79 vor. Die Rektorenkonferenz griff die Anregung auf, und nach einigen Meinungsverschiedenheiten über die personelle Zusammensetzung wurde von der 24, Plenarversammlung im Januar 1952 in Tübingen die Einrichtung dieses Ausschusses unter Leitung Tellenbachs beschlossen.80 Der Vertreter der WRK im Vorstand des Hochschulverbandes bestätigte ausdrücklich, daß der Ausschuß als „gemeinsames Organ" von WRK und Hochschulverband autorisiert war, auch Aufgaben wahrzunehmen, die über die engere Zuständigkeit der Standesorganisation hinausgingen.81 In diesem gemeinsamen Ausschuß für Hochschulreform, der sich auf Anregung Tellenbachs in selbständige Referate für die Teilgebiete ,Verfassungsfragen', , Hochschule und Öffentlichkeit', ,Gliederung der Lehrkörper' und ,Studium Generale' untergliedern sollte, haben wir gleichsam die Keimzelle der Reformtagung von Hinterzarten vor uns. Zu dem qualitativen Sprung von der internen Expertenkommission zur großen Konferenz mit erheblicher Öffentlichkeitswirkung kam 77 78 79

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S1

Feigentraeger an Werner Weber, 23.11.1951, B A B 380/13, fol. 318/319. Vgl. ADHV/P 5, 26.10.1951, S. llf. Gerd Teilenbach (1903-1999), Studium der Geschichte an den Universitäten Freiburg/Br. und München, Prom. 1928, 1928-1933 Ass. am Preuß. Histor. Inst, in Rom, Habil. 1933 Univ. Heidelberg, 1938 o. Prof. Univ. Gießen, 1942 o, Prof. Univ. Münster, 1944 o. Prof. Univ. Freiburg/Br., dort 1949/50 und 1957/58 Rektor, 1957/58 Präs, der WRK, 1949-58 Mitglied des Senats der DFG, 1958-64 Mitglied des Wissenschaftsrates, 1961-72 Dir. des Deutschen Histor, Inst, in Rom. Vgl. zu diesen Vorgängen im Vorfeld: Feigentraeger an den WRK-Vorsitzenden Helmut Thiel icke (Rektor Univ. Tübingen), J. 12.1951; Teilenbach an Thielicke, 7.12,1951; Feigentraeger an Thielicke, 21.12.1951; Tellenbach an Thielicke, 16.1.1952, und Feigentraeger an Tellenbach, 29.1.1952, sämtlich ZZBW/HRK FZ 45/3, fol. 1-6, 8, 11. ADHV/P6, 8.2.1952, S. 2ff. 119

Politikfelder der Ära Felgentraeger

es durch Intervention von J.J. Oppenheimer, Cultural Officer bei der Alliierten Hohen Kommission in Frankfurt.82 Oppenheimer, der außerordentlich stark an Problemen deutscher Bildungs- und Hochschutpolitik interessiert war und schon einschlägige ,work-shops' - u.a. die sog. Weilburger Arbeitstagungen zum ,Studium Generale' im September 1951 - veranstaltet hatte83, war im Januar 1952 an Teilenbach mit dem Angebot herangetreten, eine größere Tagung zu Hochschulfragen in deutscher Regie zu veranstalten, für welche HICOG die Finanzierung übernehmen wollte.84 In einer Besprechung von Vertretern der Rektorenkonferenz, des Hochschulverbandes und der Hohen Kommission, die Anfang Mai 1952 im Anschluß an den Hochschulverbandstag in Marburg stattfand, wurden dann bereits die Grundzüge dieses Planes festgelegt. Danach sollte sich die Tagung, für welche man bewußt dem „ziemlich vagen" Titel,Probleme der deutschen Hochschulen' vor dem überstrapazierten Programmbegriff der Hochschulreform* den Vorzug gegeben hatte, in zwei Teile gliedern: eine viertägige Beratung in einem großen, auch ausländische Gäste umfassenden Teilnehmerkreis, und daran anschließend zehn Tage dauernde Besprechungen kleinerer, von fünf ausgewählten Hochschulen zu beschickender Expertengruppen.83 Diese beiden Tagungen, die vom gemeinsamen Hochschulreform-Ausschuß von WRK und Hochschulverband organisatorisch vorbereitet wurden, fanden im August 1952 in Hinterzarten statt,86 Gastgeber war dort der Leiter des Landerziehungsheims Birklehof, Dr. Georg Picht, der 1964 als Warner vor der deutschen ,Bildungskatastrophe' einen biidungspolitischen Leitbegriff der sechziger und siebziger Jahre prägen sollte. Der übergeordnete Gesichtspunkt der Tagung war, wie Tellenbach in seinem offiziellen Bericht formulierte, „die Frage, wie die Hochschule unter den heutigen Verhältnissen ihre vielseitigen und ungeheuer vermehrten Aufgaben bewältigen 82

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Vgl, das die Vorgeschichte der Tagung von Hinterzarten rekapitulierende Schreiben Tetlenbachs an den Rektor der TH Hannover, 28.7.1952, ZZBW/HRK FZ 45/3, fol. 22/23. Der Bericht über die beiden Arbeitstagungen zum Studium Generale vom 20.8.-L9, und 3.-15.9.1951 in Weilburg, zusammengestellt von Friedrich Tenbruck und Wilhelm Treue, ist abgedruckt bei Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform, S, 386-395, Felgentraeger gab Teilenbach hierfür sogleich grünes Licht, wobei es ihm vor allem wichtig war, die Stellung und Wirkung der Hochschule nach außen und das Nachwuchsproblem in einem größeren Kreis von Experten zu erörtern; vgl. Felgentraeger an Tellenbach, 30.1.1952, ZZBW/HRK FZ 45/3, fol. 12, als Antwort auf dessen Schreiben vom 22.1.1952, ebda. fol. 10. Vgl. Teilenbachs ,,Zusammenfassender Bericht über die Marburger Besprechung zur Vorbereitung einer Arbeitstagung ,Probleme der Deutschen Hochschulen' am 5.5.1952", sowie die gemeinsame Mitteilung der WRK und des Hochschul verb and es an die Ständige Konferenz der Kultusminister vom 4.7.1952, ZZBW/HRK FZ 45/3, fol. 18/19 und 20/21. - Allein die Teilnehmerliste (ZZBW/ HRK FZ 48/2, fol. 53) für den zweiten Tagungsabschnitt führt 65 Personen auf. Über Aufgaben, Konzeption, Organisation und Zusammensetzung der Konferenz informiert der Bericht von Gerd Tellenbach, Probleme der deutschen Hochschulen. Über die Hinterzartener .Arbeitstagungen im August 1952, in; MittHV Bd. l Nr. 8 (1952), S. 1-6. 120

Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger Jahre könne". Dabei hätten sich die erörterten Probleme zwar durchwegs „indirekt auch auf die Ermöglichung und Wirksamkeit der Forschung [bezogen], im Vordergrund standen aber wissenschaftliche Lehre und Bildung", 87 Die Ergebnisse der Tagung, die den Hochschulen und den staatlichen Hochschulverwaltungen, den Hochschulverbandsvertretern und den studentischen Selbstverwaltungsorganen zugeleitet und im Rahmen der Schriftenreihe des Hochschulverbandes auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden88, lassen deutlich die Prioritätensetzung des Hochschulverbandes in diesem Stadium der Hochschulrefonndiskussion erkennen. Die erste ,Empfehlung' der Hinterzartener Konferenz hatte Überlegungen und Sofortmaßnahmen zur Eingliederung und materiellen Absicherung der Nichtordinarien und ihrer Angehörigen zum Gegenstand. Allerdings sollten sich diese Maßnahmen - und genau dies läßt die Empfehlungen als Bestandteil eines langfristigen Reformkonzepts erscheinen - nicht bloß in caritativsozialpolitisch motivierten ad ftoc-Verbesserungen erschöpfen, sondern im Zusammenhang mit einem strukturellen Ausbau des akademischen Lehrkörpers dazu beitragen, die Hochschulen für die Erfüllung ihrer rasch wachsenden wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgaben zu rüsten. In dieser Perspektive wurden für notwendig erachtet eine Vermehrung der Lehrstühle, z.T. durch Einrichtung von Doppellehrstühlen in zentralen Fächern, die Umwandlung zumindest eines Teils der planmäßigen Extraordinariate in Ordinariate, die Einrichtung von Dauerstellen des höheren Dienstes für besonders qualifizierte außerplanmäßige Professoren, eine Vermehrung der Diätendozenturen sowie die Schaffung „der notwendigen Zahl" von Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte und Assistenten. Neben diesen an Gesetzgeber und Hochschulbehörden gerichteten Forderungen wandten sich die Empfehlungen' aber auch an die Universitäten selbst mit dem Appell, die Stellung der Nichtordinarien in der Korporation zu verbessern und so, wie Felgentraeger behutsam erläuternd bemerkte, „zu einer verständnisvolleren Zusammenarbeit aller Teile des Lehrkörpers bei[zu]tragen".89 Wie wichtig es der Verbandsführung erschien, den Reformdiskurs zu diesen kardinalen Punkten auf eine breite Basis zu stellen und zu verstetigen, zeigt die Tatsache, daß die Senate, Fakultäten und Nichtordinarien Vereinigungen der 87

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Abschlußbericht Tellenbachs an die Vorsitzenden von WRK und Hochschulverband, 25.8,1952, ZZBW/HRK FZ 48/1, fol. 11-13, Probleme der deutschen Hochschulen. Die Empfehlungen der Hinterzartener Arbeitstagungen irn August 1952, Mit einer Einleitung von Prof. Dr, Gerd Teilenbach, (= Schriften des Hochschulverbandes. 3) Göttingen 1953. Abdruck der Empfehlungen auch bei Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform, S. 400-433. Wilhelm Felgentraeger, Die Empfehlung I der Arbeitstagung in Hinterzarten, in: MittHV Bd. l Nr. 8 (1952), S. 7-11. - Die weiteren Empfehlungen betrafen das Verhältnis des Studentenwerks zu den Senaten und Fakultäten (,Hochschule als Gemeinschaft'}, die Pressearbeit der Hochschulen (.Hochschule und Öffentlichkeit'), das Studium Generale sowie die Prüfungs- und Studienordnungen. 121

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Hochschulen mit eigens dafür ausgearbeiteten Fragebogen aufgefordert wurden, zu den Ergebnissen der H interzarten er Konferenz Stellung zu nehmen.90 Die Meinungsbildung in den Universitäten sollte indes nicht Selbstzweck bleiben, sondern in einen kontinuierlichen Reformprozeß zur konkreten Umsetzung der Hinterzartener Empfehlungen eingehen. Dabei mußte, wie Felgentraeger betonte. der Schwerpunkt der Reform „zunächst darauf abgestellt werden, daß die Nichtordinarien eine angemessene Stellung erhielten".91 Um die Weiterführung der Reformbemühungen institutionell abzusichern, sollte nach dem Willen der Rektorenkonfenz und des Hochschulverbandes der gemeinsame Ausschuß für Hochschulreform seine Tätigkeit fortsetzen.92 Im November 1953 konnte der Hochschulverband der Rektorenkonfcrenz die Ergebnisse der Umfrage mitteilen, die seit dem Sommer an den Hochschulen über die Empfehlung I der Hinterzartener Tagung durchgeführt worden war. Diese fand in der Grundtendenz zur materiellen und dienstrechtlichen Besserstellung der Nichtordinarien durchgängig Zustimmung. Allgemein wurde anerkannt, „daß die Stellung der Nichtordinarien so, wie sie das heutige Hochschulrecht vorsieht, nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht". Da andererseits niemand die duale Lehrkörperstruktur der deutschen Universität aus Lehrstuhlinhabern und Nichtordinarien, in deren Rahmen den Lehrstuhlinhabern „die Führungsaufgaben in der Fakultät" und die Leitung der Institute vorbehalten waren, zur Disposition stellen wollte, war nach geeigneten Wegen zu suchen, die Nichtordinarienfrage gewissermaßen systemimmanent zu entschärfen. Alle diesbezüglichen Überlegungen sollten von der Einsicht ausgehen, daß der Status des Nichtordinarius nicht länger allein im Exspektanzstatus des Nachwuchsprofessors aufging. Mit anderen Worten: Es war nach Lösungen zu suchen, um der wachsenden Zahl von Nichtordinarien, für die es keine realistische Berufungsperspektive gab, deren Tätigkeit für die Erfüllung der Lehr- und Betreuungsaufgaben der Hochschulen gleichwohl unverzichtbar war, eine akzeptable Stellung zu sichern, ohne dadurch für den Hochschullehrerberuf ein der deutschen Universitätstradition fremdes Laufbahnelement einzuführen. Dabei wurde nicht verkannt, daß hier unter Umständen ein Zielkonflikt angelegt war mit der Funktion der Nichtordinarien irn Rekrutierungssystem als einer akademischen ,Reservearmee', aus der „in freier Konkurrenz jeweils die Besten genommen werden können".93 90 91 92

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Vgl. die ausführlichen Erörterungen in AD H V/P 8, 24.10.1952, TOP 3. Ebda., S. 8. Vgl, ADHV/P 9, 10.5.1953, TOP 14. Teilenbach hingegen hatte vorgeschlagen, ihn von seiner Aufgabe zu entbinden und den Ausschuß aufzulösen; vgl. Tellenbach an die Präsidenten der WRK und des Hochschulverbandes, 14.4.1953, ZZBW/HRK FZ 48/1, fol. 42/43. Vgl. die umfangreiche Zusammenfassung der Ergebnisse der Rundfrage, die Felgeniraeger am 30.11. 1953 den Rektoren und dem Präsidenten der WRK übermittelte, ZZBW/HRK FZ 48/1, fol. 57-64. 122

Die Hochschulreformdiskussion der fünfziger Jahre

Zu diesem Zeitpunkt war bereits die Idee geboren, in einer Folgekonferenz die in Hinterzarten formulierten Lösungsansätze zu konkretisieren. Die Anregung dazu scheint zunächst von der Kultusministerkonferenz ausgegangen zu sein, doch beanspruchte auch der damalige WRK-Präsident Heimpel die Initiative für seine Institution.94 Da sich KMK und WRK jedoch nicht als offizielle Veranstalter zu eng auf die Ergebnisse der Tagung festlegen wollten, betraute man den Hochschulverband „als neutrales Forum" mit der Vorbereitung.95 Von Seiten der Rektorenkonferenz wurde auf Anregung Felgentragers wiederum Gerd Teilenbach für den Vorbereitungsausschuß benannt. Der Hochschuiverband war in diesem ad /ioc-Gremium durch Feigentraeger und die beiden Geschäftsführer Thieme und Paul Pleines vertreten, für die staatliche Seite gehörte dem Ausschuß der Vorsitzende des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenz an. Die Organisation und Durchführung der Veranstaltung lag also de facto weitgehend in den Händen des Hochschulverbandes, obschon es gegen dessen Dominanz in der KMK durchaus Vorbehalte gab und auch eine gewisse Rivalität zwischen Hochschulverband und WRK in persönlichen Verstimmungen zwischen Heirnpel und Feigentraeger zutage trat.96 Aus , Hinter zarten IP - so firmierte das Tagungsprojekt in den Geschäftsakten des Hochschulverbandes und der WRK - wurde schließlich ,Bad Honnef, nachdem sich eine neuerliche Aufnahme in Pichts ,Birklehof nicht ermöglichen ließ und mit Rücksicht auf Finanzierungszusagen Nordrhein-Westfalens ein Veranstaltungsort in diesem Bundesland gewählt werden mußte.97 Die Hochschultagung, für die dann doch auch offiziell die Rektoren- und die Kultusministerkonferenz die Trägerschaft übernahmen, beriet vom 19. bis 22. Oktober 1955 in Bad Honnef in zwei getrennten Kommissionen mit insgesamt 100 Teilnehmern die „Gegenwartsprobleme der deutschen Hochschulen". Hermann Heimpel stellte die Konferenz in seinem Eröffnungsvortrag programmatisch in eine Kontinuitätslinie von Hochschulreformideen, die von den Reform-

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Sm Vorstand des Hochschulverbandes kam diese Möglichkeit erstmals am 21.11.1953 zur Sprache; vgt. ADHV/P 11, 21.1.1953, TOP 13, und ADHV/P 12, 13.2.1954, TOP 3. So WRK-Präsident Heimpel in der Vorstandssitzung des Hochschulverbandes vom 13.5.1955, ADHV/P 16, TOP 8. In einem erkennbar um Versöhnlichkeit bemühten Brief Hermann Heimpels an Feigentraeger vom 5.3.1955 (ZZBW/HRK FZ 105/3, fol 74) räumte Heimpel ein, daß er „insbesondere bei der Vorbereitung des II. Hinterzarten einige Sorge um das Gleichgewicht aller Beteiligten gehabt habe" „Gewisse Spannungen liegen ja wohl immer im Zusammenleben von Organisationen, deren Grenzen fliessend sind," Heimpel bestritt aber, dem Hochschulverband „expansive und ehrgeizige Machenschaften" vorgeworfen zu haben. - Vermutlich bildete diese Verstimmung den Hintergrund der erstmals 1955 spürbar werdenden Distanzierung der WRK vorn Hochschulverband (vgl. oben Kap. H/3). Der umfangreiche Vorbereitungsprozeß, auf den hier nicht näher einzugehen ist, findet sich ausführlich dokumentiert in den Akten der WRK, ZZBW/HRK FZ 104/4, 105/2, 105/3 und 105/4. 123

Politikfelder der Ära Felgentmeger Bemühungen Carl Heinrich Beckers in der Weimarer Republik ausging und auch das Hamburger ,Blaue Gutachten' von 1948 einbezog, Felgentraeger, der über „Gliederung und Ergänzung des Lehrkörpers" referierte, ging ebenfalls von der Beckerschen Hochschulreform und dem damals entwickelten Lehrkörpermodell aus. Er hielt eine „grundsätzliche Neubesinnung" für notwendig, um die Fehlentwicklungen der nationalsozialistischen Zeit, die sich zürn Teil nach 1945 noch fortgesetzt hätten, zu korrigieren.98 An die Tradition von ,H interzarten' anknüpfend, legte die Konferenz ihre Ergebnisse in zwei ,Empfehlungen' vor", deren erste Fragen der Lehrkörperstruktur und des Hochschullehremachwuchses betraf. Die Empfehlungen der zweiten Abteilung der Konferenz, auf die im vorliegenden Zusammenhang nicht näher einzugehen ist, waren von weitreichender Bedeutung für die Demokratisierung des Zugangs zum Hochschulstudium in der Bundesrepublik. Sie betrafen „Form und Organisation der Studienförderung" und beinhalteten die Grundzüge des berühmten ,Honnefer Modells'.100 Die jEmpfehlung der Hochschultagung legte einen Schwerpunkt der Hochschulreform auf die Verbesserung der personellen und materiellen Ausstattung der Lehrstühle, auf die Einrichtung zusätzlicher Lehrstühle sowie die Umwandlung von Extraordinariaten in Ordinariate. Mit der Forderung nach Überführung habilitierter Assistenten auf Diätcndozenturen wurde aber zugleich aber auch hervorgehoben, daß eine „wesentliche Vermehrung" dieser Stellenkategorie „ein Haupterfordernis der Hochschulreform" darstellte. Dies mußte auch Folgen für die inneren Verhältnisse der Korporation haben, innerhalb deren die Stellung der Dozenten verbessert werden sollte. Das im Lichte der weiteren Universitätsentwicklung eigentlich innovative Element wird man in einem dritten Vorschlag erkennen, der die Schaffung einer neuartigen Kategorie von Hochschullehrern auf lebenszeitlich beamteten Dauer-Planstellen für bewährte Nichtordinarien zum Gegenstand hatte. Ausdrücklich wurde betont, daß es mit der Einführung dieser .Wissenschaftlichen Räte' nicht um die Versorgung älterer Nichtordinarien ging, sondern um die Notwendigkeit, „im Gesamtinteresse der Hochschule den Lehrkörper durch wissenschaftlich qualifizierte Privatdozenten mit fester Bindung zu verstärken und zu erweitern".101 Daß hier ein echter, dem strukturellen Wandel der deutschen Hochschulen zu Institutionen qualifizierter Massenausbildung 98 99

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Vgl. den ungez. Bericht,Hochschultagung Bad Honnef in: MittHV Bd. 3 Nr. 8 (1955), S. 177-183. Die Ergebnisse der Honnefer Hochschultagung sind abgedruckt bei Neuhaus, Dokumente zur Hochschulpolitik, S. 455-464. Vgl. Horst Schröder, Das Hormefer Modell und die Hochschulen, in: MittHV Bd. 6 Nr. 2/3 (1958), S. 29-35, Empfehlung I, Abs. I, Dia und ülb, Neuhaus, Dokumente zur Hochschulreform, S. 454ff. Ansätze zu einer solchen Losung fanden sich bereits in den Hintcrzartener Empfehlungen, vgl. ebda., S. 401, Nr. 1042. 124

Hochschulreform und Standespolitik in einer modernen, funktional hochspezialisierten Gesellschaft Rechnung tragender Schritt und ein mutiger Traditionsbruch gegenüber dem alten Universitätsideal elitärer Gelehrtenbildung vorlag, ergibt sich aus den weittragenden Konsequenzen dieses Vorschlags. Auch wenn der Begriff des akademischen .Mittelbaus' selbst in diesem Zusammenhang noch nicht verwendet wurde, war man sich doch völlig darüber im klaren, daß die „Entstehung einer für die Forschung und Lehre unentbehrlichen .Mittelschicht' zwischen den Ordinarien und den nicht habilitierten Assistenten sowie die Herausbildung einer zwar nicht rechtlich fixierten, aber doch tatsächlich vorhandenen Laufbahn" dienst- und korporationsrechtlich sanktioniert wurde.102 Eben weil damit das hartnäckig als Proprium deutschen Professorentums postulierte Wagnis- bzw. Hasardprinzip im System durchbrochen wurde, stieß dieser Vorschlag in den Hochschulen selbst zunächst vielfach auf Kritik und Widerstand, Die Reaktionen bewegten sich, wie Felgentraeger feststellte, zwischen „völliger Ablehnung und (wohltemperierter) Zustimmung".103 Wenige Jahre später allerdings wurde genau dieser Neuansatz vom Wissenschaftsrat aufgenommen. Dem akademischen .Mittelbau' gehörten nach damaliger Definition „alle an der Hochschule hauptamtlich tätigen Habilitanden an, die keinen Lehrstuhl innehaben". 104 Das Bestreben, ihn als dritte Säule fest in die Personalstruktur der Universitäten einzubauen, hatte mithin auch die systematische Lösung der Nichtordinarienfrage zum Ziel.

3. Hochschulreform und Standespolitik Lehrkörperstruktur und Nichtordinarienfrage Bis zur Mitte der fünfziger Jahre hatte sich der Schwerpunkt der Hochschulreformdiskussion. wie die in Bad Honnef behandelten Problemkreise zeigen, gegenüber der ersten Nachkriegsphase deutlich verlagert. Nicht mehr die Autonomie der Hochschulen in ihrem Verhältnis zum Staat stand nun, da die Universitäten im wesentlichen in ihrer überkommenen Organisationsform restituiert waren, im Vordergrund, sondern die Erhaltung bzw. Erneuerung ihrer Funktionsfähigkeit in Forschung und Lehre, Der sogleich nach dem Ende des Krieges einsetzende markante Anstieg der Studentenzahlen konfrontierte die in ihrer personel102 103

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Bericht .Hochschultagung Bad Honnef, S. 179. Die Honnefer .Empfehlungen' waren wie die von .Hinterzarten1 den Hochschuten zur Stellungnahme vorgelegt worden. Über die Ergebnisse berichtete Felgentraeger am 29.11.1956 der 36. Plenarversammlung der WRK; vgl. Wilhelm Felgentraeger, Die Empfehlung I der Hochschultagung in Bad Honnef, in: MittHV Bd. 5 Nr. 2 (1957), S. 29-35. Felgentraeger, Zum 10. Hochschulverbandstag, S. 71. 125

Politikfelder der Ära Felgentraeger

len, räumlichen und apparativen Ausstattung nur mit Mühe wiederhergestellten Hochschulen bereits im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik mit dem Phänomen des Massenstudiums. Hatte die Gesamtzahl der Studenten im Deutschen Reich im Wintersemester 1928/29, also auf dem Kulminationspunkt der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsolidierung der Weimarer Republik, 110.000 betragen, so war sie ein Jahrzehnt später infolge der hochschulfeindlichen nationalsozialistischen Wissenschafts- und Bildungspolitik auf die Hälfte - 55.000 Studenten gefallen. Aber bereits 1951 war allein in der Bundesrepublik infolge kriegsbedingter Nachholbedürfnisse und vertreibungsbedingter Bevölkerungsverdichtung die Zahl von 1928/29 wieder erreicht, und sie stieg bis zum Wintersemester 1958/59 noch einmal um 50 Prozent auf 164.000 Studierende an. In dem Jahrzehnt von 1949 bis 1958 hatte sich zwar auch die Zahl der Lehrstühle um 768 (36,4 %) und die der Assistentenstellen sogar um 4777 (147 %) erhöht, und ebenso waren von den Ländern erhebliche Mittel - insgesamt 1,26 Mrd. DM - für den Hochschulbau bereitgestellt worden.105 Damit war über die Behebung der Kriegsverluste und Kriegszerstörungen hinaus erhebliches geleistet worden, und doch konnten diese Maßnahmen mit der Entwicklung der Anforderungen an die Hochschulen nicht annähernd Schritt halten.106 Im hochschulpolitischen Reformdiskurs, der in den fünfziger Jahren noch zum größten Teil von den Hochschullehrern selbst getragen war, wurde die Situation der akademischen Forschung und Lehre durchgängig unter den Kategorien der Krise aufgrund einer strukturellen Diskrepanz zwischen der Dimension der Probleme und den zu ihrer Bewältigung verfügbaren Mitteln und Möglichkeiten perztpiert. Es sei offenkundig, schrieb Gerd Teilenbach schon 1952, „daß die Hochschule in eine Notlage geraten ist", und Wilhelm Felgentraeger sprach in Anknüpfung an die Honnefer Tagung 1957 von der „bedrohlichen Lage der deutschen Hochschulen", „Alarmierende Nachrichten über den Zustand der wissenschaftlichen Forschung" und „die augenblicklich so besorgniserregende Lage unserer Hochschulen" veranlaß ten den ersten Vorsitzenden des 1958 vom Bund und den Ländern gemeinsam ins Leben gerufenen , Wissenschafts rates', Helmut Going, schon 1959 - fünf Jahre vor Pichts ,Bildungskatastrophe' - zu der Feststellung, „daß unser Ausbildungssystem in weiten Bereichen einfach zusammengebrochen ist".107

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Vgl. die aufschlußreiche Analyse von Heimut Going, Ijage und Ausbau der deutschen Hochschulen, in; MittHV Bd, 8 Nr l (1960), S. 6-21. Neben dem Ausbau der bestehenden Hochschulen wurde von Going auch bereits die Gründung neuer Hochschulen angeregt. Für eine detaillierte Aufschlüsselung der Entwicklung des Lehrpersonals für die Zeit von 1950 bis 1954 vgl. ,Neugeschaffene Planstellen an den westdeutschen wissenschaftlichen Hochschulen', in: MittHV Bd. 3 Nr. 2 (1954), S. 41-45. Tellenbach, Probleme der deutschen Hochschulen, S. 1; Felgentraeger, Die Empfehlung I, S. 35; Coing, Lage und Ausbau, S. 6, 10 u, 14, 126

Hochschulreform und Standespolitik Wie in der Diagnose der Malaise, so war man sich auch in der Analyse ihrer Ursachen weitgehend einig und erkannte sie zutreffend in beschleunigten Wandlungsprozessen der Industriegesellschaft: Die enorm gestiegene Bedeutung der Wissenschaft für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft, die durch die Dynamik des wissenschaftlichen Fortschritts bedingte Spezialisierung und Ausdifferenzierung neuer Disziplinen im System der Wissensproduktion selbst, der zunehmende Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften für die „Handhabung der großen rationalisierten Apparate der Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Verwaltung" und die „Diskrepanz zwischen den vorhandenen Kräften und den ungeheuren neuen Aufgaben" hätten im deutschen Hochschulwesen eine Lage entstehen lassen, „die nur als öffentlicher Notstand bezeichnet werden kann".108 Angesichts der Einhelligkeit der Krisen Wahrnehmung ist hier jedoch auf einen gravierenden Unterschied zu verwandten Erscheinungen in der Weimarer Republik hinzuweisen. War damals die Reaktion der klassischen Bildungseliten auf die gesellschaftlichen Folgewirkungen des Modemisierungsprozesses häufig von kulturkritischer Larmoyanz und einem ostentativen Degout gegenüber ,Vermassung' und ,Proletarisierung' der akademischen Welt geprägt gewesen, so war in den fünfziger Jahren von diesem anti-modernistischen Reflex bei den Protagonisten des hochschiilpolitischen Diskurses in der Rektorenkonferenz, im Hochschulverband, im Wissenschaftsrat und den anderen Gremien und Institutionen dieses Bereichs kaum noch etwas zu spüren. Charakteristisch für die Befindlichkeit dieser Elite erscheint jetzt vielmehr die Bereitschaft, sich funktional-pragmatisch, ja teilweise geradezu mit technokratischem Elan ,auf die Lage einzustellen' und - unter prinzipieller Wahrung der Struktur der deutschen Universität - die Kluft „zwischen den vorhandenen Kräften und den ungeheuren neuen Aufgaben" zu schließen. Es war auch kennzeichnend für diese Debatte über Probleme und Handlungsbedarf des bundesdeutschen Hochschulwesens, daß - anders als dann in der zweiten Hälfte der sechziger und der ersten Hälfte der siebziger Jahre - politische Reformziele noch weitgehend fehlten und institutionelle Reformansätze wieder in den Hintergrund getreten waren.109 Man konzentrierte sich im wesentlichen auf 108 Yg] Xellenbach, Probleme der deutschen Hochschulen, S. 21., und Going, Lage und Ausbau, S. 9ff., die trotz der Zeitdifferenz von sieben )ahren bezeichnenderweise in ihrer Analyse des Phänomens so gut wie völlig kongruent sind, 109 Es versteht sich von selbst, daß verallgemeinernde Aussagen dieser Art über Habitus und Einstellung einer nach Interessenlagen so differenzierten und grundsätzlich stark individualitätsbetonten Personengruppe problematisch bleiben und allenfalls Tendenzeinschätzungen zum Ausdruck bringen können. Reiches, wenn auch in nicht leicht erschließbarer Form präsentiertes Material zur Befindlichkeit der Hochschullehrer in der fraglichen Zeit bietet der Bericht über eine zwischen 1953 und 1955 an vier westdeutschen Hochschulen durchgeführte Erhebung von Hans Anger, Probleme der deutschen Universität, Mit einem Geleitwort von Gerd Tellenbach und einem Nachwort von Eduard Baumgarten, Tübingen 1960. Vgl. dazu auch den die 127

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Maßnahmen des Kapazitätsausbaus der Hochschulen im Rahmen ihrer bestehenden Organisationsform, wobei der Begriff der Kapazität „in erster Linie unter der Relation der Zahl der Studenten zur Zahl der .Lehr'-Personen gesehen" wurde.110 Die Frage, ob die herkömmliche Lehrkörperstruktur auch unter den veränderten Umständen noch geeignet und in der Lage sei, den deutschen Hochschulen die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, war, wie gezeigt, in der Reformdiskussion der fünfziger Jahre ständig präsent. Dabei wurden aber ihre beiden Grundelemente - die Zweiteilung des Lehrkörpers in Lehrstuhlinhaber und Nichiordinarien und der Lehrstuhl als tragende Einheit der Hochschulorganisation - zunächst von keiner Seite in Frage gestellt.111 Allenfalls die Vorschläge des ,Hofgeismarer Kreises' zur Neugliederung des Lehrkörpers aus dem Jahre 1956 brachten zumindest insofern einen neuen Gedanken in die Debatte ein, als sie eine Dreiteilung des Lehrkörpers nach funktionalen Kriterien in überwiegend forschende, überwiegend lehrende und überwiegend unterrichtende Personalkader zur Erwägung stellten."2 Da aber, wie in dem Reformplan ausdrücklich betont wurde, die Ordinarien unter weitgehendem Bestandsschutz für ihre bisherige Autonomie die erste Gruppe bilden sollten, hielten sich letztlich auch die Hofgeismarer Vorschläge im Rahmen des überkommenen Systems,113 Gleichwohl wurden die Öffentlichkeitsaktivitäten des ,Hofgeismarer Kreises' im Vorstand des Hochschulverbandes mit einiger Skepsis beäugt, während Felgentraeger auch zu diesen Überlegungen eine durchaus interessiert-offene Haltung einnahm.114 Überhaupt laßt sich in der Verbandsführung in den Jahren nach ,Honnef eine

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Ergebnisse frei interpretierenden Vertrag von Eduard Baumgarten, Gedanken zur künftigen Hochschule. Vgl, die Zusammenstellung der Kultusministerkonferenz vom Januar 1960 ,Die Lehrkräfte in Zahlen. Zahlen-Übersicht der Professoren und wissenschaftlichen Kräfte an den wissenschaftlichen Hochschulen der Bundesrepublik nach den Haushaltsplänen für die Jahre 1948, 1955 und 1959', in: MittHV Bd. S Nr. 2 (1960), S. 35ff., deren Ergebnisse von den bei Going, Lage und Ausbau, genannten Zahlen geringfügig differieren. Demnach betrug der Personalbestand bei den ord, Professoren 1948 1639, 1955 2020 und 1959 2328 Stellen, bei den außerord. Professoren entsprechend 443, 561 und 597 Stellen, bei den Privatdozenten 551, 1272 und 1429 und bei den nicht habilitierten wiss. Assistenten 2646, 4520 und 6724 Stellen, Zur weiteren Vermehrung der Stellen für wissenschaftliche Lehrkräfte vgl. .Übersicht über die Stellen für wissenschaftliches Personal in den Jahren von 1960 bis 1962', in: MittHV Bd. 10 Nr. 4 (1962), S. 113-122. Einen sachlich konzisen Überblick über die Diskussionen zur Lehrkörperstruktur gibt der Beitrag von Helmut Ehrhardt, Die Lehrkörperstruktur, in: Im Dienste der deutschen Hochschullehrer, S. 27-53, Vgl.,Gedanken zur Hochschulreform. Neugliederung des Lehrkörpers', Hofgeismarer Kreis, Göttingen 1956, abgedruckt bei Neuhaus, Dokumente zu Hochschulreform, S. 466-504. An der Arbeit des nach seinem Tagungsort in der Evangelischen Akademie Hofgeismar benannten Kreises hatten u.a. mitgewirkt Hans Gerber, Gerhard Hess, Max Horkheimer, Theodor Litt, Helmuth Plessner und Ludwig Raiser; vgl. ebda. S. 631, Anm, 31. Vgl. ebda., S. 481, Ziff. 1303 und 1304. Vgf. ADHV/P20, 24.11.1956, TOP 12. 128

Hochschulreform und Standespolitik gewisse Besorgnis beobachten, daß der Hochschulverband im Diskurs der Hochschulreform an den Rand gedrängt werden könnte. Auch wenn Gerd Tellenbach, der dem Verband besonders nahestehende WRK-Präsident der Amisperiode 1957/58, dieser Einschätzung entschieden widersprach115, ist nicht zu übersehen, daß solche Befürchtungen durchaus nicht ganz grundlos waren. Die Position der Standesorganisation im Reformdiskurs hatte in der Tat eine Relativierung erfahren, nicht nur durch den Gewichtszuwachs der Rektorenkonferenz, sondern mehr noch durch die Etablierung eines neuen institutionellen Akteurs in Gestalt des Wissenschaftsrates im Jahre 1958.116 Auf dieses Beratungs- und Koordinationsgremium aus hochkarätigen Vertretern der Wissenschaft, der Länder und des Bundes ging in der Folge ein wesentlicher Teil der Initiative in Strukturfragen des deutschen Wissenschafts- und Hochschulwesens über. Der Hochschulverband war gut beraten, sich auf eine enge Kooperation mit dieser autoritativen Instanz einzustellen, was ihm um so leichter fallen konnte, als darin mit Helmut Going, Gerhard Hess, Ludwig Raiser und Gerd Tellenbach Wissenschaftler vertreten waren, mit denen der Verband seit langem vertrauensvoll verbunden war.117 Der Hochschulverband hat denn auch die Reforminiu'ativen des Wissenschaftsrates mit konstruktivem Interesse begleitet und ihnen regelmäßig auf den Verbandstagen und in seinen Publikationen ein Forum der Erörterung geboten. Dies galt insbesondere für die wegweisenden Empfehlungen' des Wissenschaftsrates zum Ausbau der Hochschulen und zur Reform der Lehrkörperstruktur von 1960 und 1964.118 Es überrascht auch nicht, daß der Verband hier in den essentiellen Punkten mit dem Wissenschaftsrat auf einer Linie lag,119 Ohnehin bestand 115 1 lh

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Vgt. ADHV/P24, 8.2.1958, TOP l, Zur Entstehungsgeschichte, Organisation und Aufgabenstellung des Wissenschaftsrates vgl. Hans Christian Röhl, Der Wissenschaftsrat, Kooperation zwischen Wissenschaft, Bund und Ländern und ihre rechtlichen Determinanten, Baden-Baden 1994, 1. und 2, Teil; ferner Irmtraud Schlingmann, Zur Funktion des Wissenschaftsrates als wissenschafts- und bildungspolitisches Steuerungsinstrurnent, Diss, TU Berlin 1975, Ferner Winfried Benz, Der Wissenschaftsrat, in: Hb. d. Wissenschafisrechts (21996), Bd. 2, S. 1667-1687. Vgl, die Liste der ersiberufenen Mitglieder in .Empfehlungen des Wissenschaftsrates zum Ausbau der wissenschaftlichen Einrichtungen. Teil I; Wissenschaftliche Hochschulen. Vorgelegt im November I960', o.O,, oj, (Bundesdruckerei}, S. 528-535. Der erste Vorsitzende des Wissenschaftsrates war Helmut Coing, unter den vier stellvertretenden Vorsitzenden waren wiederum Hess und Raiser. Vgl. ebda., passim; sowie ,Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Neugliederung des Lehrkörpers an den wissenschaftlichen Hochschulen. Verabschiedet von der Vollversammlung des Wissenschaftsrates am 21. November 1964', o.O. o.J. (Bundesdruckerei); zur Interpretation vg). Friedrich Schneider, Die Empfehlung des Wissenschaftsrates zur Neugliederung der Lehrkörper, in: MittHV Bd. 13, Nr. 4 (1965), S. 119-129. Felgentraeger hatte bereits 1959 vor dem Arbeitskreis ,Wissenschaft und Wirtschaft' im wesentlichen dieselben Forderungen erhoben - „angemessene Vermehrung der Lehrstühle' 1 , „Heranbildung einer Mittelschicht von weiteren Lehrkräften", „Verbesserung der Startbedingungen für den 129

Politikfelder der Ära Felgentraeger

zwischen der WRK, dem Wissenschaftsrat und dem Hochschulverband zu jener Zeit in den Grundsatzfragen des Hochschulwesens120 (ungeachtet von Differenzen in Einzelfragen) ein breit fundierter Konsens, den man als im Prinzip strukturbewahrend, aber pragmatisch entwicklungsoffen kennzeichnen könnte. Man hielt es, wie Ludwig Raiser formulierte, für angebracht, „von der deutschen Hochschultradition zunächst einmal praktisch, empirisch auszugehen und sie darauf zu überprüfen, wie weit sie den heutigen Erfordernissen noch gerecht wird oder geändert werden muß". Dies sei zwar „ein im Ansatz konservatives, aber darum nicht notwendig auch restauratives Verfahren".121 Wenn sich der Hochschulverband dabei auf die personelle Seite des Reformproblematik konzentrierte, so lag das natürlicherweise in seiner Aufgabe als Interessenvertretung und war von der Überzeugung motiviert, auf diesem Wege auch die Funktionsfähigkeit der Institution Hochschule insgesamt verbessern zu helfen, Dieser Ansatz entsprach durchaus dem allgemeinen Stand hochschulpolitischer Problemanalyse jener Zeit, die in den strukturellen Mängeln der personellen Ausstattung den primären Engpaßfaktor des Hochschulwesens sah. „Wir haben", so brachte der erste Vorsitzende des Wissenschaftsrates diesen Befund 1960 auf den Punkt, „zu wenig Professoren, wir haben zu wenig Assistenten, wir haben aber auch zu wenig Kräfte der sogenannten Mittelschicht zwischen dem Assistenten und dem Ordinarius".122 Es waren im wesentlichen drei Bereiche, auf die sich in den folgenden Jahren das hochschulpolitische Engagement des Verbandes richtete - die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die Besserstellung der Nichtordinarien sowie eine allgemeine und umfassende Reform des Besoldungssystems. Bereits auf dem Hochschulverbandstag von 1954 hatte ein Referat des Bonner Rektors Paul

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akademischen Nachwuchs", „Vermehrung der wissenschaftlichen und technischen Hilfskräfte" -, die dann 1960 auch den Kern der großen Enquete des Wissenschaftsrates bildeten. Vgl. Wilhelm Felgentraeger, Zur Verbesserung der Steilenpläne der wissenschaftlichen Hochschulen, in: MittHV Bd. 7 Nr. 1/2 (1959), S. 10-15. Die WRK begrüßte in einer Stellungnahme des 44. {a.o.) Plenums vom 16.12.1960 den 1. Bericht des Wissenschaftsrates geradezu enthusiastisch als „den stärksten Impuls in der Geschichte der deutschen Hochschulen für die dringend erforderliche Förderung der Wissenschaft", in: Westdeutsche Rektorenkonferenz (Hg.), Stellungnahmen, Bd. I, S, 7ff, Von den staatlichen Hochschulbchorden gingen konzeptionell vergleichsweise wenig Impulse aus; vgl. die kritische Auseinandersetzung bei Werner Thieme, Die Wirklichkeit der Hochschulreform, in: MittHV Bd. 9 Nr. 2/3 (1961), S. 50-53. Ludwig Raiser, Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates als Appell an die Hochschullehrer, in: MittHV Bd. 9 Nr. 4 (1961), S, 78-90; vgl. auch Ders,, Die Reform des Studiums nach den Vorschlägen und Anregungen des Wissenschaftsrates, in: Studium und Hochschule. Vorträge einer Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum (= Schriften des Hochschulverbandes. 14), Gottingen 1963,5.9-31. Going, Lage und Ausbau der deutschen Hochschulen, S. 13.

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Hochschulreform und Standespolittk Mariini die Bedeutung der Nachwuchspflege mit Nachdruck ins Blickfeld der Hochschulreformdiskussion gerückt.123 Mit einer detaillierten Erhebung über die finanzielle Situation der wissenschaftlichen Assistenten, die sich nach den länderspezifischen Besoldungsregelungen damals höchst unterschiedlich gestaltete, hatte dann die Hochschultagung in Bad Honnef die komplexe Binnenstruktur dieser immer mehr an Bedeutung gewinnenden Funktionsgruppe124 am Beispiel Nordrhein-Westfalens sichtbar gemacht. Schon bei dieser Gelegenheit war deutlich geworden, daß sich die Hochschulen bei der Rekrutierung ihres Nachwuchses einem verstärkten Wettbewerb des expandierenden Stellenmarktes in der Industrie konfrontiert sahen, auch wenn sich - wohl gerade aus diesem Grund - die Assistentenvergütungen im industriellen Kernland der jungen Bundesrepublik noch vergleichsweise günstig darstellten.125 Als angesichts der zunehmenden Bedeutung der Assistenten für die universitäre Lehre eine Neufassung der Reichsassistentenordnung anstand, erarbeitete der Hochschulverband eine Muster-Assistentenordnung, um neben den gewachsenen Pflichten dieser Gruppe auch ihre Rechte im Hinblick auf die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Weiterqualifizierung genauer zu fixieren.126 Auch die grundsätzliche Problematik, die der Assistentenstellung infolge der ausgeprägten persönlichen Abhängigkeit vom Lehrstuhlinhaber innewohnte, wurde durchaus kritisch thematisiert.127 Die Förderung des Hochschullehrernachwuchses blieb in den folgenden Jahren ein zentrales Thema der Reformdiskussion.128 Schon 1962 hatte der Hochschulverband auch die spezifischen Probleme der Frauen in Hochschulberufen ins Blickfeld gerückt. Felgentraeger hielt vor dem Deutschen Akademikerinnenbund ein Referat ,Zur Situation der weiblichen Hochschullehrer', in welchem er den 123

Vgl. Paul Martini, Hochschullehrernachwuchs, in: MittHV Bd. 3 Nr. 2 (1954), S, 33-40. Die Zahl der nichthabilitierten Assistenten und der wissenschaftlichen Hilfskräfte an den westdeutschen Hochschulen war von 4043 im Jahre 1948 auf 7806 im Jahre 1955 und auf 10873 im Jahre 1959 gestiegen. Diese Kategorie allein umfaßte damit mehr als 50 % aller Lehrpersonen an den wissenschaftlichen Hochschulen; vgl, ,Die Lehrkräfte in Zahlen', S. 37. 125 Vgl. [o.V.] v. Medem, Zur Frage der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Ergebnis einer Untersuchung im Lande Nordrhein-Westfalen, in: MittHV Bd. 4 Nr, l (1956), S. 13-22. 126 Vgl. ADHV/P 39, 11.11.1961, TOP 7, und ADHV/P 40, 27.1.1962, Entwurf der Muster-Ordnung in Anlage. Im November 1966 veröffentlichten die .Mitteilungen' hierzu den kritischen Aufsatz eines Assistenten an der neugegründeten Universität Bochum, den die Schriftleitung mit dem Satz kommentierte, sie sei sich bewußt, „daß diese Ausführungen bei vielen auf Widerspruch stoßen werden, glaubte aber, den interessierten Lehrstuhlinhabem die nachfolgenden Auffassungen nicht vorenthalten zu sollen, die im heutigen wissenschaftlichen Nachwuchs über sein Verhältnis zum Ordinarius lebendig sind". Vgl. Hans Herben Wilhelmi, Das Verhältnis der Wissenschaftlichen Assistenten zu den Lehrstuhtinhabem, in: MittHV Bd. 14 Nr. 6 (1966), S. 211-223. 128 Vgl. Hans Leussink, Auswahl und Förderung des Hochschullehremachwuchses in Deutschland, in: MittHV Bd. 12 Nr. 5 (1964), S. 191-212. 124

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Politikfelder der Ära Felgentraeger

Ursachen der krassen Unterrepräsentation von Frauen im Hochschullehrerberuf nachging.129 Daß der Verband bezüglich der Einführung von neuen Dauerstellen zur Bildung eines Mittelbaus, die er im Grundsatz natürlich befürwortete, stets ein besonderes Augenmerk auf die Interessen der Nichtordinarien richtete, versteht sich von selbst, Die Verbandsführung machte sich hier die Forderung der Nichtordinarien zu eigen, daß durch die Schaffung neuer Extraordinariate nicht „der Weg zum Ordinariat verlängert" werden dürfe,130 Längst war es eine offenkundige - und auch von Wirtschaftsvertretern anerkannte - Tatsache geworden, daß angesichts des relativen Zurückbleibens der Hochschullehrerbesoldung auf allen Ebenen der Hochschullehrerberuf in der Attraktivitätskonkurrenz mit den dynamisch steigenden Karriere- und Einkorn·· menschancen in der boomenden bundesdeutschen Wirtschaft ins Hintertreffen geraten war.131 Diese Konsensbildung vollzog sich auf der Basis eines allgemeinen Bewußtseinswandels, der seit dem Ausgang der fünfziger Jahre Bildung und Wissenschaft als gesamtgesellschaftliche Investitionen und damit als unmittelbar in ökonomischem Wachstum sich niederschlagende Produktionsfaktoren zu sehen lehrte.132 „Kaum eine Aufwendung ist so lohnend wie die für Bildung und Ausbildung", urteilte ein Beobachter und rechnete mit Hilfe „von Input-Outputanalysen der amerikanischen Wirtschaft" vor, „daß Bildungsinvestitionen sich in Form von Sozialproduktsteigerung in der Größenordnung von 8 bis 10 Prozent ,verzinsen'".133 Daß deshalb die von allen Akteuren im hochschulpolitischen Reformdiskurs für notwendig erachtete „radikale Vermehrung der Lehrstühle 129

Der Vortrag Felgentraegers wurde mit den anderen Referaten der Tagung vom Hochschul verband veröffentlicht, vg!. ,Zur Situation der weiblichen Hochschullehrer. Vorträge auf der Tagung des Deutschen Akademikerinnenbundes vom 7. bis 11, Oktober 1962 in Bad Godesberg' {= Schriften des Hochschulverbandes, 13), Göttingen 1963. Nach Felgentraegers Angaben (ebda. S. 12) aus der Bundesstatistik von 1960 waren von 2016 Lehrstuhlinhabern an 18 westdeutschen Universitäten 14 Frauen (0,7%) und von 3000 Nichtordinarien 113 Frauen (3,7%). Demgegenüber waren von den 163.000 Studierenden 47,000 Frauen (28%), Nach Leussink, Auswahl und Förderung, S, 207, waren Frauen 1960 in der Gruppe der Ordinarien nur mit 0,6 % und bei den Nichtordinarien mit 3,5 % vertreten, während ihr Anteil an der Studentschaft bei 23 % lag. 130 ADHV/P 31, 7.11.1959, TOP 3, hier S, 7, Das Mittel bau program m des Wissenschaftsrates war regelmäßig Gegenstand der Beratungen im Vorstand. Vgl, auch die ausführliche Diskussion auf dem 15, Hochschul verbandstag, ADHV/HVT 15, 19,6.1965, S. 28-47, Daß es in Fragen der Lehrkörperstruktur zwischen den Hochschulen und der WRK einerseits und dem Wissenschaftsrat andererseits auch Divergenzen gab, unterstreicht Gerth Dorff, Neue Vorschläge zur Lehrkörperstruktur, in: MittHV Bd. 14 Nr. 4 (1966), S, 146-149, 131 Schon 1957 forderte eine junge FD P-Politikerin eine zu anderen Berufen aus der Wirtschaft analoge Besoldung der Professoren zur Sicherung der „Konkurrenzfähigkeit'', vgl, Hildegard Brücher, Zur Huchschullehrerbesoldung, in: MittHV Bd. 5 Nr. 2 (1957), S. 59f. 132 Auch in einer breiteren Öffentlichkeit meinungsbildend wurde Friedrich Edding, Ökonomie des Bildungswesens, Freiburg i. Br. 1963. '·" Heinrich Schneider, Hochschule und Gesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. B 6 (19663.S. 14-24, hier S. 18 . 132

Hochschulreform und Standespolitik

und sonstiger Lehrstellen unter Schaffung eines Mittelbaus" - „eine strukturelle Umwälzung unseres bestehenden Hochschulwesens" - von einer grundlegenden Verbesserung des Besoldungssystems begleitet werden mußte, fand damals ohne weiteres Akzeptanz auch außerhalb der Hochschulen. Die Reformprogramme, die der Hochschulverband hierzu mit Rückendeckung durch die Rektorenkonferenz vorlegte, erhielten die ausdrückliche Unterstützung des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft.134 Die Besoldungs- und Kolleggelareform 135 Die relative Minderung der Hochschullehrereinkomrnen gegenüber der Privatwirtschaft, aber auch im Verhältnis zu den von der Ausweitung des Stellenkegels begünstigten ßeamtengruppen des höheren Dienstes hatte den Hochschulverband schon früh beschäftigt, wobei als Referenzpunkt die Regelungen des Preußischen Besoldungsgesetzes von 1927 dienten.136 Infolge der Senkung der Kolleggeldsätze mit Rücksicht auf die soziale Lage der Studenten, der Begrenzung der Kolleggeldgarantie, der Einbehaltung eines Teils der Kolleggelder und des Wegfalls des Prüferanteils an den Promotionsgebühren hatten sich die beweglichen Gehaltsteile der Professoren Vergütung deutlich reduziert. Neben einer Erhöhung der Grundgehälter wurde daher auch die Anhebung der Kolleggeldgarantien gefordert, um die in der Verbindung von Grundgehalt und Leistungslohn begründete Sonderstellung der Hochschullehrer im Interesse der institutionellen Funktionsfähigkeit der Hochschulen zu erhalten. Der Hochschulverband erwartete von der großen Besoldungsreform der Bundesregierung auch eine Neuordnung des gesamten Kolleggeldkomplexes, denn als pädagogischer Leistungsanreiz sei die von der 1 :

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Vgl. Ernst Hellmut Vits, Ausführungen auf der 6. Mitgliederversammlung des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft, in: MittHV, Bd. 9 Nr. 4 (1961), S. 90-97 (Zitate S. 92). Zum hochschulpolitischen Engagement des Stifterverbandes in dieser Phase vgl. Winfried Schulze, Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 1920-1995, Berlin 1995, S. 224-237. Dem vom Stifterverband 1956 initiierten Gesprächskreis ,Wirtschaft und Wissenschaft' gehörte auch Wilhelm Felgentraeger an, den mit dem ersten „Verbandsdirektor" Ferdinand Ernst Nord nach Auskunft von Gerth Dorff ein enges und vertrauensvolles Verhältnis verband. Dieser Beziehung verdankte der Hochschulverband auch die nicht unerhebliche finanzielle Förderung seitens des Stifterverbandes in den fünziger und frühen sechziger Jahren, Die hochschulpolitischen Entschließungen des Gesprächskreises .Wirtschaft und Wissenschaft' aus den Jahren 1958—1961 sind abgedruckt bei Schulze, Stifterverband, S. 340-346. Diese Problematik hat eine akribische Aufarbeitung gefunden bei Dorff, Das Beamten- und Besoldungsrecht der Hochschullehrer, S, 55-145, Wenn im folgenden auch auf die einzelnen Stellungnahmen des Hochschulverbandes in den .Mitteilungen' verwiesen wird, so geschieht dies, um die Chronologie dieses wichtigen verbandlichen Tätigkeitsfeldes transparent zu machen. Vgl. Wilhelm Fclgentraegcr, Gedanken zur großen Besuldungsreform, in: MittHV Bd. 2 Nr. 4 (1953), S. 17ff.; femer Ders., Die stille Besoidungsreform, in: MittHV Bd. 2 Nr. 5 (1954), S. 7f, 133

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Hörerzahl abhängige Gehaltskomponente ein „dringendes Anliegen der Besoldungsreform".137 Flankierend zu diesen Forderungen wurde zugunsten der Nichtordinarien eine Reform der Diätenordnung angemahnt. Hier ging es neben einer allgemeinen Erhöhung der Diäten vor allem darum, die Sperrung der oberen Dienstattersstufcn für Diätendozenten zu beseitigen, welche diese gegenüber Verwaltungsbeamten und Lehrern der gleichen Besoldungsgruppe um bis zu 2000 DM (immerhin etwa ein Viertel der Jahresbezüge) benachteiligte.138 Ein mit langem Atem verfolgtes, aber nicht erreichtes Ziel des Hochschulverbandes war es, über die in der Reichsbesoldungsordnung von 1939 festgelegte Gleichstellung der ordentlichen Professoren mit den Ministerialräten und Landgerichtsräten hinaus die Ordinarienbezüge durch Einfügung einer der Besoldungsgruppe B 3 analogen Besoldungsstufe H 5 deutlich anzuheben. Außerdem sollten die Grundbezüge der Extraordinarien denen der Ordinarien angeglichen werden.139 Die Ausarbeitung eines Bundesbesoldungsgesetzes im Jahre 1956 begleitete der Hochschulverband mit eingehenden Denkschriften, wobei wiederum das Preußische Besoldungsgesetz vom 17. Februar 1927 den Ausgangspunkt aller Überlegungen bildete. Dort war die funktionsabhängige Einteilung der gesamten Beamtenbesoldung in die drei Gruppen A („aufsteigende Gehälter", B {„feste Gehälter) und C („Gehälter mit Mindestgehaltssätzen") getroffen worden. Die Einweisung der Professoren an wissenschaftlichen Hochschulen in Gruppe C trug deren von der allgemeinen Beamtenlaufbahn deutlich abweichendem Status Rechnung. 140 Diese besoldunsgrechtliche Sonderstellung, die 1939 in die Reichsbesoldungsordnung als Gruppe H übernommen wurde, erschien nun akut gefährdet; denn ein von den Länderfinanzministern erstellter Entwurf eines , Musterbesoldungsgesetzes für die Länder' sah die Eingliederung der Hochschullehrerbesoldung nach H in die allgemeine Laufbahngruppe A vor. Da dies ein standespolitisches Grundprinzip in Frage stellte, machte der Hochschulverband gegen diesen Entwurf entschieden Front.141 Felgentraeger wandte sich unter anderem an den SPDBundestagsabgcordneten Adolf Arndt, der als „für Hochschulfragen sehr aufgeschlossen" galt, um mit dessen Hilfe den Bundestag für die Erhaltung eigener 137

Wilhelm Felgentraeger, Die Besoldungsreform drängt, in: MittHV Bd, 3 Nr. 3 (1955), S. 57-61,

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Vgl. Werner Thieme, Die Diätenordnung in der Besoldungsreform, in: MittHV Bd. 3 Nr. 3 (1955), S. 67-70.

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Vgl. die ausführlichen laufbahntechnischen Darlegungen bei Werner Thieme, Über die Notwendigkeit einer Reform der Lehrstuhlinhaber-Besoldung, in: MittHV Bd. 3 Nr. 6 (1955), S. 142145. Vgl. .Über die Notwendigkeit einer besonderen Besoldungsordnung für Hochschullehrer', in: MittHV Bd. 4 Nr. l (1956), S. 9-13. Vgl, ,Die Konzeption der Finanzminister zur Hochschullehrerbesoldung', in: MittHV Bd. 4 Nr. 5 (1956), S, 103-106.

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Hochschulreform und Standespolitik Besoldungsordnungen für Hochschullehrer zu gewinnen, 142 Die Beibehaltung der besonderen Besoldungsgruppe H wurde dann zu einem Prüfstein für die Stellungnahmen des Verbandes zu den Landesbesoldungsgesetzen, die im Anschluß an das Bundesbesoldungsgesetz vom 27.7.1957, das immerhin besondere Besoldungsordnungen für Hochschullehrer fakultativ zuließ, in den Ländern ausgearbeitet wurden. Aufgrund der guten Beziehungen zu den bamburgischen Hochschulpolitikern war es dem Hochschulverband gelungen, im dortigen Besoldungsgesetz vom 27,2.1957 die Sondergruppe H zu sichern. Diesem Präzedens folgten schließlich mit einiger Verzögerung die meisten, aber nicht alle Bundesländer.143 Das Bundesbesoldungsgesetz von 1957 stellte - neben der prinzipiellen Erhaltung der besonderen Besoldungsordnung - noch in anderer Hinsicht einen „Markstein in der Entwicklung des deutschen Hochschulwesens" dar. Erstmals war darin festgelegt, daß auch Widerrufsbeamte einen Anspruch auf Dienstbezüge hatten. Dies war eine Entscheidung „von größter Tragweite", wurde doch damit die von der Realität längst überholte Vorstellung preisgegeben, daß Diätendozenten nur Empfänger eines staatlichen Zuschusses zur Existenzsicherung seien, und die Diätendozentur dem Prinzip nach als eigene Stellenkategorie anerkannt. Die „Strukturwandlung vom Diätariat zur Besoldung" trug zumindest im Ansatz auch dienstrechtlich der Entwicklung der Nichtordinarien zu einer beständigen Säule des Hochschulbetriebes Rechnung. 144 Eine vorläufige Bilanz, die Felgentraeger nach dem Abschluß des Gesetzgebungsprozesses zur Besoldungsreform zog, fiel gleichwohl ambivalent aus. Auf der Seite der Positiva schlug vor allem die Tatsache zu Buche, daß dem Grundsatze nach - und in den meisten Bundesländern auch faktisch - die Sonderstellung der Hochschullehrer im Besoldungssystem erhalten geblieben war und daß die Besoldungssituation der Nichtordinarien sowohl quantitativ wie strukturell wesentliche Verbesserungen erfahren hatte. „Leer ausgegangen" waren aber nach dieser Einschätzung die Ordinarien, weil bei ihnen die Vorschrift, daß im Zuge der Neuordnung der Besoldungen sich keine Gehaltserhöhung von mehr als 165 Prozent gegenüber dem Stand von 1927 ergeben dürfe, arn stärksten ihre Deckelungswirkung entfaltete. Mit der Forderung, wenigstens 142

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ADHV/P 22, 22.6.1957, S. 5f. Felgentraeger bemerkte dazu, „daß es doch sehr schmerzlich sei, daß die Hochschullehrer durch die Einstellung des Bundesfinanzministers {Schäffer] in eine Gegnerschaft zur Bundesregierung gedrängt würden". Vgi. Dorff, Das Beamten- und Besoldungsrecht der Hochschullehrer, S, 86ff.; ferner Wilhelm Felgentraeger, Der Stand der Hochschullehrer-Besoldungsreform, in: MittHV Bd. 5 Nr. 2 (1957), S. 25-29, Vgl. auch die Stellungnahmen des Hochschulverbandes zu den Besoldungsregelungen in Hamburg, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und SchleswigHolstein in: MittHV Bd. 4 Nr. 6 (1956), S. 121-127; MittHV Bd. 5 Nr. 4/5 (1957), S. 82-92; MittHV Bd. 6 Nr, l (1958), S. 1-7; MittHV Bd. 6 Nr. l (19583, S. 7-13, und Nr. 2/3 (1958), S. 44^7. Wilhelm Felgentraeger, Zur Besoldungsneuordnung, in: MittHV Bd. 5 Nr. 4/5 (1957), S. 82-85 (ZitateS. 83), 135

Politikfelder der Ära Felgentraeger

die vereinbarten (und bisher eingefrorenen) Kolleggeldgarantien „angemessen anzuheben", kündigte sich bereits die nächste Phase des Ringens um die Hochschullehrerbesoldung an. Insofern war in der Tat, wie Felgentraeger orakelte, die Besoldungsneuordnung „nur vorläufig abgeschlossen".145 Die Neuregelung des Kolleggeldwesens, die der Hochschulverband seit 1958 aus eigener Inititative betrieb und die 1964 nach einem qualvoll schwierigen Verhandlungsprozeß zu einem ersten Abschluß gelangte, wird man wohl als den wichtigsten Beitrag der Standesvertretung der Hochschullehrer zur Hochschulreform in der Bundesrepublik bezeichnen können. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen dieser Umstellung haben wesentlich zu einer funktionsadäquaten Modernisierung des Hochschulbetriebes beigetragen, aber auch zu tiefgreifenden Veränderungen im Status und in der dienstrechtlichen Stellung der Professoren geführt. Gerade im Lichte der seit Beginn der neunziger Jahre - an dieser Stelle sei ausnahmsweise eine Bezugnahme auf den aktuellen hochschulpolitischen Diskurs erlaubt - wieder verstärkt aufgekommenen polemischen Kritik an den Professoren und dem in diesem Zusammenhang kolportierten Rollenbild werden auch die problematischen Aspekte der damals getroffenen Strukturentscheidung zur Abschaffung des Kolleggeldes deutlich sichtbar. Das Kolleggeld war „ursprünglich ein von den Studenten an den Hochschullehrer persönlich entrichtetes privates Honorar".146 Im 18. Jahrhundert hatte diese Form des Leistungsentgelts im Zuge einer „allmählichen Umwandlung des öffentlichen und unentgeltlichen UniversitätsUnterrichts in einen privaten und honorierten" den staatlichen Alimentationsanteil an den Professoreneinkünften in den Hintergrund gedrängt - ein Vorgang, der weniger in merkantilischem Eifer der Professoren begründet war als in der mangelnden Bereitschaft des Staates, die Kosten für die „sehr gesteigerten Leistungen des akademischen Unterrichts" zu tragen.147 Daraus entstand dann im 19. Jahrhundert das voll ausgebildete System der gespaltenen Vergütung der Professoren durch Besoldung und Lesehonorar, wobei in der Bemessung des staatlichen Gehalts das zu erwartende Honorar natürlich in Anschlag gebracht wurde. Das privat erbrachte Hörerentgelt machte demnach einen integralen Bestandteil wo nicht des Dienst-, so doch jedenfalls des Amfseinkommens der Professoren aus. 1897 legte dann mit der preußischen Besoldungsreform der Staat die Hand auch auf diesen Anteil. Er ,verstaatlichte* ihn gleichsam, indem er zum einen den Professoren eine Garantie für einen 145

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Wilhelm Felgeniraeger, Zum vorläufigen Abschluß der Besoldungsreform, in: MtttHV Bd. 6 Nr. 6 (1958), S. 103-109. Diese Argumentationslinie wurde wieder aufgenommen bei Werner Thieme, Um die Neugestaltung der Hochschullehrerbesoldung, in: MittHV Bd. 8 Nr. 6 (I960), S, 183-191, Dorff, Das Beamten- und Besoldungsrecht der Hochschullehrer, S. 99. Paulsen, Die deutschen Universitäten, S. 110. 136

Hochschulreform und Standespolitik bestimmten Mindestkolleggeldbetrag gewährte, zum anderen aber eine Art ,Kappungsgrenze' einführt, jenseits deren das von einem Professor erlesene Honorar diesem nur zur Hälfte belassen und zur anderen Hälfte vom Fiskus einbehalten wurde.140 Im Zusammenhang mit den kriegs- und inflationsbedingten Verarmungstendenzen im deutschen Bürgertum und der allmählichen sozialen Verbreiterung des Hochschulstudiums in der Weimarer Republik kam es tendenziell zu einer Minderung der Kolleggeldsätze, was sich ebenso auf den .freien' Einkommensanteil der Professoren auswirkte wie staatliche Kolleggelderlasse für minderbemittelte Studenten und weitere Eingriffe in das Kolleggeldvolumen der Ordinarien, die zur Besserstellung der Nichtordinarien vorgenommen wurden. Aber noch in der Reichsbesoldungsordnung von 1939 wurde die Kolleggeldgarantie von 1000,- RM dem Grundgehalt eines Ordinarius von 11.600.- RM fest hinzugerechnet und so erst die in der Besoldungstaxono m ie vorgesehene Gleichstellung mit dem bei 12.600.- RM liegenden Endgrundgehalt eines Ministerialrates erreicht,149 Daß daneben in der Praxis auch weiterhin sehr viel höhere Kolleggelder erlesen wurden, ist bekannt und hat bis in die sechziger Jahre hinein fallweise zu extremen Spreizungen im Einkommensspektrum der Hochschullehrer geführt. Die Brisanz der vorn Verband initiierten Kolleggeldreform lag nicht zuletzt in den Einbußen begründet, die für solche Spitzenverdiener aus ihr resultieren konnten. Der Hochschulverband vertrat zunächst ganz selbstverständlich die Position, daß das Kolleggeld rechtlich und wirtschaftlich ein substantieller Bestandteil der Bezüge der Hochschullehrer sei und als ,Leistungslohnkomponente' gerade im Interesse einer modernen Dienstrechtsgestaltung erhalten bleiben müsse. Daraus leitete sich konsequenterweise die Forderung ab. daß auch die Kolleggeldgarantien, die in vielen Fällen bereits höher waren als die tatsächlich für eine Vorlesung eingehenden Kolleggeldzahlungen der Studenten, an den Erhöhungen der Grundgehälter teilnehmen müßten. Genau dies aber war von den Finanzministem verweigert worden, als in einem Akt der nachholenden Besoldungsverbesserung die Beamtengrundgehälter allgemein um 40% erhöht worden waren.150 Die automatische Koppelung der Kolleggeldgarantien an die Erhöhungen der Grundgehälter konnte auch in der Neuregelung der Hochschullehrerbesoldung durch die Länder 1957/58 nicht erreicht werden.151 Zu diesem Zeitpunkt hatten aber im Hochschulverband bereits Überlegungen eingesetzt, die eine grundlegende 148 149 150

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Ebda., S. 111-114. Vgl. ,Für und wider die Kolleggelder', in: MittHV Bd. 2 Nr. 5 (1954), S. 8-11. Zur historischen Entwicklung und zum Sachstand des Kolleggeldwesens bis in die fünfziger Jahre vgl. die detaillierten Darstellungen von Paul Pleines, Kolleggeldgarantie, in: MitfHV Bd. 3 Nr. 3 (1955), S. 62-66, und Werner Thieme, Der gesetzliche Anspruch der Hochschullehrer auf Unterrichtsgelder, ebda. Bd. 6 Nr. 6 (1958), S. 110-118. Vgl. ,Anhebung der Kolleggeldgarantien', in: MittHV Bd. 6 Nr. 2/3 (1958), S. 47ff. 137

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Reform des Kolleggeldwesens ins Auge faßten.152 Eine Entschließung des Vorstandes, die dem 8. Hochschulverbandstag in Freiburg zur Verabschiedung vorgelegt wurde, stellte fest, „dass das Kolleggeldwesen in seiner derzeitigen Form zu unbefriedigenden Ergebnissen führt und die personelle Hochschulreform erschwert". Da indes auch die Verbandsführung noch keine näheren Reformvorstellungen entwickelt hatte, wurde im Einvernehmen mit der Rektorenkonferenz und dem Wissenschaftsrat ein Ausschuß eingesetzt, der die bestehenden Verhältnisse sichten und Vorschläge für eine Neuregelung erarbeiten sollte.1153 In drei Sitzungen war dieser Ausschuß „nach eingehender Prüfung aller Gründe, die für und gegen das heutige System sprechen", zu der Ansicht gelangt, „daß die Nachteile überwiegen".154 Sein Votum lautete, „das bisherige System durch eine grundlegende Neuregelung abzulösen". Nach den Vorstellungen des Ausschusses, die von Werner Thieme ausformuliert wurden155, sollte zwar für die „persönlich ausgeübte Lehrtätigkeit der Lehrstuhlinhaber wie bisher neben dem Grundgehalt ein fester Betrag" gezahlt werden, der in den Berufungsvereinbarungen individuell festzulegen war. Die Umbenennung dieser Bezügekomponente von ,Kolleggeldgarantie' in ,Kolleggeldabfmdung' machte aber schon deutlich, worin der Kern der Neuerung zu sehen war: Mit der ,Kolleggeldabfindung' würde unabhängig von der Stunden- und Hörerzahl die gesamte Lehrtätigkeit der Professoren abgegolten und eine Überschreitung der ebenfalls individuell zu vereinbarenden ,Normalstunden Verpflichtung' nicht mehr vergütet werden. Auch die Nichtordinarien sollten in den Genuß einer pauschalierten Vorlesungsvergütung kommen.156 152

Das Protokoll der Vorstands Sitzung vom 8.2.1958 vermerkt die Äußerung Felge ntraegers, „es mehrten sich die Anzeichen, daß das bestehende Kolleggeldprinzip in Schwierigkeiten geriete. Diese Schwierigkeiten lägen einmal in der langsam vordringenden Schutgeldfreiheit und zum anderen in der Verzerrung der Relationen durch hohe Kolleggelder bei riesigen Studentenzahlen. Er bittet, sich Gedanken zu machen, wie bei Erhaltung des Besitzstandes eine Neuregelung aussehen könnte." ADHV/P 24, S. 12. 155 ADHV/HVT8, 28.6.1958, S. 21f., und ADHV/P 26, 27.6.1958, S. 3f. t54 ·\ { ^ institutionellen Nachteile bestanden, hatte Thieme in der Vorstandssitzung vom 3.3.1959 erläutert: Die Hörerzahl hänge zu sehr von der Gunst des Faches ab. Nach dem bisherigen System bestehe ein Anreiz, neue Pflichtvorlesungen einzuführen und eingeführte zu verlängern. Pflichtvorlesungen würden nicht an Nichtordinarien gegeben, „Im ganzen sei das bisherige System ein Hemmschuh für die personelle Hochschulreform." ADHV/P 28, S. 9f, 155 Überhaupt dürfen wir in Thieme, der sich zu dieser Thematik wiederholt auch publizistisch äußerte, den eigentlichen spiritus rector der vom Hochschulverband betriebenen Kolleggeldreform sehen. 15G Die Vorschläge des Ausschusses wurden, nachdem der Vorstand sie mit kleineren Modifikationen gebilligt hatte (ADHV/P 29, 9.5,1959), veröffentlicht. Vgl. ,Zur Neuordnung des Kolleggeldwesens', MittHV Bd. 7 Nr. 3 (1959), S. 55-64. Die Beschränkung der Vergütung auf die „persönlich ausgeübte" Lehrtätigkeit ging auf eine Forderung Gerd Teilenbachs zurück, der sich im Vorstand mit Nachdruck gegen den offenbar nicht seltenen Mißstand gewandt hatte, „daß Ordinarien die von ihnen angekündigten Vorlesungen über längere Zeit von Nichtordinarien durchführen ließen" und doch die Kolleggelder dafür beanspruchten. Wenige Jahre zuvor hatte der Hochschulverband diese Praxis noch verteidigt, vgl. „Einbehaltung der Kolleggeldgarantie bei Überlassung von 138

Hochschulreform und Standespolitik

Nach weiteren Beratungen im Kolleggeldausschuß und im Vorstand wurde der Vorschlag des Hochschulverbandes zur Neuordnung des Kolleggeldwesens in ausgearbeiteter Form dem Wissenschaftsrat zur Aufnahme in dessen Gesarntplanung übergeben und veröffentlicht.157 Es ist hier nicht der Ort, den langen und win dungs reichen Gang der Verhandlungen, die der Hochschulverband zur Umsetzung seiner Vorschläge mit dem Hochschulausschuß der Kultusministerkonferenz, den Kultusministern und schließlich auch mit den Finanzministern der Länder führte, im einzelnen zu verfolgen. Jenseits aller Schwierigkeiten in den Details dieser komplexen Materie lagen die Probleme für den Hochschulverband in der mangelnden Bereitschaft der staatlichen Seite, die Preisgabe tradierter Strukturmerkmale des Professorenstatus seitens der Standes Vertretung durch eine nennenswerte Anhebung der Hochschullehrerbesoldung zu kompensieren. Das Bestreben des Verbandes, auf dem Wege über die Kolleggeldreform doch noch die materiellen Ziele zu erreichen, die in der Besoldungsreform von 1957/58 unberücksichtigt geblieben waren, fanden bei den Hochschulverwaltungen und Hochschulpolitikern wenig, und bei den Finanzpolitikern gar kein Verständnis. Schon 1960 stellte man im Vorstand beunruhigt und irritiert fest, die staatlichen Verhandlungspartner wollten „auf keinen Fall eine Besserstellung der Hochschullehrer durch die Neuordnung des Kolleggeldwesens zulassen".158 Damit geriet die Verbandsführung gegenüber ihrer eigenen Klientel in massive Legitimationsnöte. Ein erstes Warnzeichen aufkeimenden Unmuts an der professoralen ,Basis' hatte schon ein Memorandum aus der Universität Kiel geliefert, in welchem der Reformansatz einer grundsätzlichen Kritik unterzogen wurde.159 Auch vom Rechts- und Verfassungsausschuß der Universität Frankfurt wurden die Vorschläge des Hochschul Verbandes „im vollen Umfang abgelehnt und scharf kritisiert",160 In einer außerordentlichen Sitzung

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„Pflichtvorlesungen" an Privatdozenten?', in: MitfHV Bd. 3 Nr. 5 (1955), S. 116f. Vgl. .Vorschlag des Hochschulverbandes zur Neuordnung des Kolleggeldwesens*, in: MittHV Bd. 8 Nr, 5 (I960), S. 166-174. Eine nicht nur semamische Modifikation lag darin, daß nunmehr nicht mehr von ,Kolleggeldabfindung', sondern von ,Lehrzulage' gesprochen wurde. ADHV/P33, 14.5.1960, TOP 5. Es kennzeichnet die behutsame und urn Konsens durch Überzeugung im Diskurs bemühte Vorgehensweise der Verbandsführung, daß diese Kritik in vollem Umfang der Verbandsöffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, vgi. ,Zur Kolleggeldreform. Memorandum der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel zu dem Vorschlag des Hochschulverbandsausschusses betreffend die Neuordnung des Kolleggeldwesens', in: MittHV Bd, 8 Nr. l (1960), S, 21-29. Im gleichen Heft der .Mitteilungen' wurde aber auch eine radikale Gegenposition veröffentlich, welche in einem provokant formulierten Beitrag das gesamte Kolleggeld system als längst veraltet und obsolet verwarf; vgl. Michael Freund, Geld, nicht Kolleggelder, ebda. S. 29-33. Fclgcntraeger berichtete darüber in der Vorstandssitzung vom 14.5.1960, ADHV/P 33, S. 10. Die umfangreiche Stellungnahme der Frankfurter Universität wurde - wie die der Universität Kiel - im .Weißbuch' veröffentlicht (s.u. Anrn, 170), S. 78-110. 139

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Ende Februar 1961 kam der Vorstand zu der ernüchternden Bilanz, „die Behördenvertreter hätten zur Neuordnung des Kolleggeldwesens alle entscheidenden Punkte verneint". In einer Stimmungslage zwischen Ratlosigkeit und Resignation erwog man sogar, sich ganz von den Reformplänen zurückzuziehen. Einem Vorschlag Ludwig Raisers, des Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, folgend wurde beschlossen, nach dem Scheitern der Reforminitiative auf Referentenebene doch noch einen Durchbruchsversuch auf der Ebene der Kultusminister zu unternehmen,161 Dies führte immerhin zur Fortsetzung der Verhandlungen, die sich jedoch weiterhin äußerst schwierig und zäh gestalteten und dem vom Hochschulverband angestrebten Ergebnis nur ganz partiell und in kleinsten Schritten näher kamen.152 Anfang 1962 wandte sich Felgentraeger persönlich an die Kultusminister aller Bundesländer, um ihnen „die Auffassung des Hochschulverbandes unter besonderer Berücksichtigung der Differenzpunkte" darzulegen.163 Nachdem die Kultusministerkonferenz in ihrer Januarsitzung die Kolleggeldproblematik gar nicht behandelt hatte, trug Felgentraeger im März neuerlich mit großem Nachdruck die Sorgen und Bedenken seines Verbandes über die geringe Bewegungsbereitschaft der staatlichen Seite vor.164 Mit einer bei ihm ganz ungewohnten Dramatik wies Felgentraeger abschließend darauf hin, „daß die deutschen Hochschullehrer mit der Preisgabe des bisherigen Kolleggetdsystems bewußt auf die Möglichkeit verzichteten, durch eigene Initiative und Anstrengung im Lehrbetrieb einen wesentlichen Teil ihres Lebensstandards selbst zu bestimmen": „Sie geben damit ein bedeutsames Recht auf, das sie seit jeher vor allen anderen Beamtengruppen haben. Sie sind hierzu bereit, um einem von ihnen als 161

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Niederschrift der außerordentlichen Vorstandssitzung vom 28.2,1961, 380/16, fol. 164-166, Vgl. auch das Schreiben, das Felgentraeger zu diesem Zweck an den Vorsitzenden des Hochschutausschusses der KM K, den Ministerialdirigenten Johannes v. Elmenau im bayerischen Kultusministerium richtete, 1.3.1961, ebda, fol, 161-162; darin hieß es u.a.: „Von unserem Vorschlag zur Kolleggcldreform glaubten die Herren der Hochschulverwaltungen so viele Abstriche machen zu müssen, dass die verbleibenden Teile nicht mehr als geeigneter Ersatz für die derzeitige Regelung angesehen werden können. [...] Es würde für den Hochschulvcrband eine schmerzliche Enttäuschung bedeuten, wenn er andernfalls seine bisherigen Bemühungen auf diesem Gebiet als gescheitert ansehen und das auch öffentlich bekennen müßte." Vgl, die Zusammenfassung der Ergebnisse einer Besprechung zwischen Mitgliedern des Hochschulausschusses und des Hochschulverbandes am 3,11.1961 in Hamburg, in welcher die divergierenden Positionen im einzelnen dargelegt sind, 380/16, fol, 56-59. 16.1.1962, 380/16, fol. 23-31. Das 17-seitige Schreiben, das als .Denkschrift des Hochschulverbandes' auch in MittHV Bd. 10 Nr. l (1962), S. 1-13, veröffentlicht wurde, schloß mit einer Warnung: „Wie Ihnen bekannt ist, verfolgen viele Hochschullehrer die Reformpläne auf dem Gebiet des Kolleggeldwesens mit grosser Sorge. Die von ihnen geltend gemachten Bedenken können nur durch eine überzeugende Lösung überwunden werden." Felgentraeger an die Kultusminister, 7.3.1962, 380/17, fol. 356-359. Das Schreiben wurde in MittHV Bd. 10 Nr. 2 (1962), S, 25-30, veröffentlicht und gelangte so zur Kenntnis der Verbandsmitglieder. 140

Hochschulreform und Standespolitik notwendig erkannten Strukturwandel der deutschen Hochschule nicht im Wege zu stehen," Diese letzte Aussage Felgentraegers sollte sich als höchst folgenreich erweisen. Sie wurde von den Ordinarien der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg im Mai 1962 zum Anlaß genommen, kollektiv ihren Austritt aus dem Hochschulverband zu erklären.165 War schon die unmittelbare Reaktion der Kultusminister auf Felgentraegers Vorstoß recht unverbindlich ausgefallen, so wurde der Hochschulverband über den weiteren Gang der Beratungen dieser Problematik in der Kultusministerkonferenz vollends im unklaren gelassen.166 Angesichts des mangelnden Entgegenkommens der Hochschul Politiker geriet die Verbandsführung167, die gegen massive Vorbehalte aus den Universitäten das Kolleggeld zur Disposition gestellt hatte, in schwere Bredouille, Wachsende Bedenken, ob der Verband angesichts der verfahrenen Lage die Verantwortung für den weiteren Gang der Entwicklung überhaupt noch tragen könne168, führten auf einer Sondersitzung des Präsidiums im November 1962 zu dem Beschluß, einen außerordentlichen Hochschulverbandstag einzuberufen 169 . Gleichzeitig tat der Verband einen - gemessen an seiner vielbeschworenen Tradition des diskreten Lobbying auf Expertenebene - spektakulären und, man wird wohl sagen müssen; verzweifelten Schritt an die Öffentlichkeit, indem er in einem umfangreichen ,Weißbuch' alle ihm zugänglichen Unterlagen über den mehrjährigen Diskussions- und Verhandlungsprozeß zur Kolleggeldund Besoldungsreform publizierte170. Auf dem außerordentlichen Hochschulverbandstag am 8. Dezember 1962 in Frankfurt, der ausschließlich die Kolleggeidreform zum Gegenstand hatte, scheiterte der Vorstand mit seinem Versuch, eine Änderung der Taktik durchzusetzen, den großen Reformplan zu sistieren und sich auf die pragmatische Durchsetzung punktueller Verbesserungen zu beschränken. Felgentraegers Vorschlag löste geradezu „eine leidenschaftliche und ausgiebige Diskussion" aus, in deren Ergebnis der Verbandstag auf dem integralen Reforrnplan bcharrtc und ihn in einer die Kultusverwaltungcn tadelnden 165

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Die auch an anderer Stelle schon mehrfach berührte sog. ,Freiburger Krise' ist ausführlich dokumentiert in 380/17, fol. 256-263 und 317-329. Der KM K-Präsident hatte in seiner Antwort vom 13.4.1962 ( 380/17, fo!. 349) nur vage von einem „gewissen Spielraum" gesprochen. Felgentraeger reagierte darauf in einem weiteren Schreiben mit unverkennbarer Bitterkeit; Felgentraeger an Voigt, 9.5.1962, ebda. fol. 306/307 (abgedruckt in: MittHV Bd. 10 Nr. 3 (1962), S. 59-62). In einem Schreiben an den Präsidenten der KMK vom 31.7.1962 erklärte Felgentraeger, nach seinem Eindruck sei „der Verhandlungsspielraum zwischen dem Hochschulverband und der Kultusministerkonferenz zunächst erschöpft"; 380/17, fol. 233-235. Vgl.ADHV/P 41, 5,5.1962, TOP 4. Vgl. ADHV/P44 (außerordentl. Vorstandssitzung), 30.11.1962, Vgl. , Weißbuch über die Neuordnung des Kolleggeld- und Bcsoldungswcscns' (= MittHV Bd. 10, Sonderheft, November 1962), Hamburg 1962. 141

Politikfelder der Ära Felgentraeger

Entschließung „für das unabänderliche Ziel seiner Bemühungen" erklärte,171 Mit dem außerordentlichen Hochschulverbandstag und der Vorlage des , Weißbuchs' fand der Hochschulverband zwar das gewünschte Echo in der Presse, welche ganz überwiegend das Reformanliegen des Verbandes unterstützte und die Kultusverwaltungen für ihre Hinhaltetaktik kritisierte,172 Seine Verhandlungsposition aber hatte sich dadurch eher noch verschlechtert, denn die Hochschulpolitiker und Hochschulreferenten der Länder ließen den Verband ihren Unmut über den ,Vertrauensbruch1 des Weißbuchs sehr deutlich spüren. Die Kultusminister erklärten sogar, bei ihren bevorstehenden Verhandlungen mit den Finanzministem nur ihre eigene Konzeption zur Kolleggeld- und Besoldungsreform zur Grundlage nehmen zu wollen. Es kostete Felgentraeger erhebliche Mühe, ihnen wenigstens das Zugeständnis einer nochmaligen Anhörung abzuringen.17 Im April 1963 schließlich erhielten Felgentraeger und Dorff aufgrund ihrer guten Beziehungen zum Hamburger Wissenschaftssenator vertraulich Kenntnis vom Ergebnis der Beratungen zwischen den Verhandlungskommissionen der Kultus- und der Finanzministerkonferenz, 174 Es blieb in wesentlichen Punkten hinter den essentials des Hochschulverbandes zurück, doch wurde diesem nahegelegt, vorerst keine weiteren Forderungen anzumelden, um nicht den Finanzrninistern einen Vorwand für die Ablehnung des gesamten Reformwerks zu bieten.175 Auch Ludwig Raiser riet in einem personlichen Schreiben an Felgentraeger zu Zurückhaltung. Er räumte zwar ein, „daß dadurch Sie selbst und der 171

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Vg], den Bericht von Gerth Dorff, Der außerordentliche Hochschulverbandstag, wo auch der Wortlaut der Entschließung wiedergegeben wird. Der Verlauf des Verbandstages dokumentiert die akute Führungsschwache des Vorstandes, der seine weiterhin auf Kompromiß und Konsens setzende Linie nicht mehr vermitteln konnte; vgl, das vertrauliche Schreiben Dorffs an die Vorstandsmitglieder vom 5.12.1962 mit dem vom Vorstand vorbereiteten Entschließungsentwurf, 380/17, fol. 161-167. Dorff berichtete im Vorstand von „15 bis 20" größeren Zeitungsartikeln, die sämtlich „Enttäuschung" über das Verhalten der staatlichen Stellen zum Ausdruck gebracht hätten. „Soweit es also das Ziel des Hochschulverbandes gewesen sei, den Kultusministern in der Öffentlichkeit die Verantwortung zuzuschieben und sie damit zu beunruhigen, sei der erwartete Erfolg eingetreten." ADHV/P45, 26.1.1963, S. 6f. Vg), die vertrauliche Mitteilung Felgentraegers an Teilen bach vom 17.12.1963 über ein Gespräch mit dem bayerischen Hochschulreferenten v. Elmenau. Dieser „tat sehr ungehalten darüber, dass den Kultusministem unberechtigte Vorwürfe gemacht werden'' und „wandte die alte Taktik an, mich zunächst einmal mit Vorwürfen über die Formulierung des Hochschulvcrbandstages und mit grundsätzlichen Bedenken gegen das ,Weißbuch' ins Unrecht zu setzen". 380/17, fol, 149-152. Vgl. Mitteilung Dorffs an die Mitglieder des Vorstandes und der Verhandlungskommission (Tellenbach, Thieme, Winterhager), „streng vertraulich", 30.5.1963, 380/18, fol. 333/334. Vgl. Abschrift der .Empfehlungen' der Verhandlungskommissionen der Kultus- und der Finanzminister vom 5.4.1963, BA B 380/18, fol. 359-362, sowie ADHV/P48, 14.6.1963, S, 2f„ und die Darlegungen Felgentraegers auf dem 13. Hochschulverbandstag am 15.6.1963 in Berlin, ADHV/ HVT 13, S. 8-13.

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Hochschulreform und Standespolitik

Vorstand des Hochschulverbandes gegenüber den Mitgliedern, aber überhaupt gegenüber der von ihnen vertretenen Sache der deutschen Hochschulen in eine schwierige Lage kommen", war aber gleichzeitig überzeugt, „daß wenig Aussicht bestand, mehr als das jetzt Vorgeschlagene zu erreichen". Da andererseits auch die vorliegenden Vorschläge für „die große Mehrzahl der Kollegen [...] eindeutige Verbesserungen" mit sich brachten, sah Raiser keine Veranlassung, in einem „Verzweiflungsschritt" des Verbandes das völlige Scheitern der Reform in Kauf zu nehmen.176 Die Kultusminister billigten schließlich ohne Einschränkungen, die Finanzminister nur mit Vorbehalten die ,Empfehlungen' zur Kolleggeld- und Besoldungsreform, auf deren Basis die Länder „möglichst gleichmäßig" bis 1. April 1964 die Materie gesetzlich regeln sollten. Wesentliche Forderungen des Hochschulverbandes blieben in den .Empfehlungen1 unberücksichtigt, etwa die automatische Erhöhung der Kolleggeldpauschalen nach bestimmten Fristen auch ohne Vorliegen eines weiteren Rufes und die Teilnahme der Kolleggeldpauschalen an den tariflichen Erhöhungen der Grundgehälter. Immerhin sollte, dies war ein den Kultusministern mühsam abgerungens Zugeständnis, die Kolleggeldpauschale in der Höhe des Mindestbetrages von 3000.- Mark ruhegehaltsfähig sein. Für die Nichtordinarien war die Option zwischen Beibehaltung der individuellen Kolleggelder und einer Kolleggeldpauschale von 1200.- (Privatdozenten) bzw. 2400.- Mark (apl. Professoren) vorgesehen. Auch bezüglich der Besoldungsstruktur erzielte der Verband nur einen Teilerfolg: Zwar wurde die besondere Besoldungsordnung für Hochschullehrer beibehalten, die angestrebte Höherstufung der Ordinarien über A 16 hinaus jedoch nicht erreicht. Nicht wenige im Führungskreis des Hochschulverbandes selbst hatten dieses Ziel freilich ohnehin für illusorisch gehalten. Für die Nichtordinarien brachte die Neuregelung teilweise Besoldungsverbesserungen durch höhere Einstufungen mit sich.177 Bei der Umsetzung der Reform mußte der Hochschulverband allerdings neuerlich eine massive Enttäuschung hinnehmen, weil die Bundesländer die ,Empfehlungen' nur als Orientierungshilfe, nicht aber als verbindliche Rahmensetzung für die Ausgestaltung des Besoldungsrechts akzeptierten. So fanden sich keineswegs alle Länder bereit, die Ruhegehaltsfähigkeit der Mindestpauschale zuzugestehen.178 Als Baden-Württemberg den in fünfjährigem Ringen gefundenen 176 177

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Raiser an Felgentraeger, 6,6.1963, B A B 380/18, fol. 331/332. Vgl. die ausführlichen Berichte Felgentraegers an die Rektoren, Vorstandsmitglieder und Hochschul Verbandsvertreter vom 17.7. und 2.8.1963, 380/18, fol. 238-243 u. 256-258. Ferner Gerth Dorff, Die Kolleggeld- und B es old u ngs reform wird verwirklicht, in: MittHV Bd. 11 Nr. 5 (1963), S, 188-191. Vg). Gerth Dorff, Neue Schwierigkeiten bei der Kolleggeld· und Besoldungsreform, in: MittHV Bd. 11 Nr, 6(1963), S. 231-242.

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Politikfelder der Ära Feigentraeger

Minimalkompromiß faktisch wieder in Frage stellte und durch seinen Finanzminister schroff erklären ließ, daß die Empfehlungen' ungeachtet ihrer Billigung durch die Finanzministerkonferenz „nicht bindend" seien, herrschte im Vorstand Irritation und Ratlosigkeit über die Unwägbarkeiten föderaler Hochschulpolitik: „Damit seien praktisch die Ergebnisse der bisherigen langjährigen Verhandlungen wertlos geworden. Die gesamte bisher geleistete Arbeit müsse nunmehr auf Landesebene wiederholt werden." Es gab Stimmen, welche die Reformpolitik des Verbandes nun für vom Ansatz her verfehlt erklärten und angesichts des drohenden Scheiterns den demonstrativen Rückzug aus dem Reform pro] ekt forderten. Aber schließlich setzten sich doch auch in dieser kritischen Situation wieder die Realpolitiker1 in der Verbandsführung durch, die bereit waren zu akzeptieren, daß Politik ein mühseliges Geschäft der kleinen und kleinsten Schritte war. Es blieb einmal mehr Werner Thieme vorbehalten, eine unangenehme, aber unausweichliche Einsicht auf den Punkt zu bringen: „Der Vorstand müsse sich im Klaren sein, welche Konsequenzen ein Abbruch mit sich bringe. Angesichts der politischen Schwäche des Verbandes bezweifle er, daß der Abbruch der Verhandlungen eine Besserstellung der Hochschullehrerschaft erzwingen könne."379 So rang der Verband auch weiterhin in Verhandlungen und Beratungen mit den Ländern zäh und beharrlich um jede einzelne seiner Positionen, zumeist allerdings nur mit sehr beschränktem Erfolg.180 Wir fassen zusammen; Die Kolleggeld- und Besoldungsreform, 1958 vom Hochschulverband initiiert und über die Jahre hin beharrlich vorangetrieben, 1964 dann zum Teil ohne den Verband, teils gegen seine Vorstellungen umgesetzt, war nicht nur ein Schlüsselkomplex in der Verbandsgeschichte, sondern erlangte darüber hinaus auch allgemeine Bedeutung für die Sozialgeschichte der deutschen Hochschullehrerschaft. Die Reform, von der Verbandsführung als Antwort auf tiefgreifende Veränderungen im deutschen Hochschulwesen konzipiert und zum Teil gegen massive Kritik aus der Professorenschaft selbst in die Wege geleitet, läßt in geradezu idealtypischer Klarheit die Mediatorenfunktion des Verbandes zwischen Allgemeinverantwortung und Standesinteressen sichtbar werden - sie zeigt ihn, mit den Worten Gerth Dorffs, „als Mittler zwischen den Professoren und der Verwaltung". In realistischer Einschätzung der Prozesse gesellschaftlicher 17y

ADHV/P49, 25.10.1%3,TOP3a (Zitate S. 10 u. 13). " ui Vgl. etwa die ausführliche neunseitige Darlegung Felgentraegers an den Berliner Wissenschaftssenator vom 10.3.1964, sowie seinen Tätigkeitsbericht vom 20.3.1964, 380/18, fol. 40-47 u, 52-60. Daneben Gerth Dorff, Die Kolleggeldreform in Hamburg, Schi es wig-H o Istein, NordrheinWestfalen und Niedersachsen, in: MittHV Bd. 12 Nr. 4 (1964), S. 103-108; Ders., Die Durchführung der Kolleggeld- und Besoldungsreform in Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland, in: MittHV Bd. 13 Nr. 5 (1%5), S. 175-181. 144

Hochschulreform und Standespolitik Modernisierung im Hochschulbereich, die das überkommene System der partiellen ,Privatvergütung' der Professoren obsolet machen mußten, leistete die Verbandsführung mit der Kolleggeldreform einen aktiven Beitrag zur Zukunftssicherung der Hochschulen, der im übrigen auch für die Mehrzahl der Hochschullehrer materielle Sicherungen und Verbesserungen mit sich brachte.181 Aber so sehr auch die pauschale Abgeltung der Lehrleistungen in der Logik der Entwicklung liegen mochte, ist doch in langfristiger Perspektive nicht zu übersehen, daß mit der Abschaffung der „freiheitlichen, nicht beamtenmäßigen Elemente des Gelehrtenberufs"182 der letzte Rest von , Freiberuflichkeit' verlorenging und der entscheidende Schritt zur vollen .Verstaatlichung' der akademischen Profession getan wurde. Daß dies - neben einem Gewinn an Sicherheit - auch mit einer Zunahme staatlicher Reglementierung verbunden war, zeigte sich sogleich, als die Hochschulbehörden im Zuge der Umstellung auf Kolleggeldpauschalen daran gingen, den Wegfall des finanziellen Lehranreizes durch die Festlegung von Regellehrverpflichtungen zu beantworten.183 Dies und die weitere Entwicklung der Dienstrechts- und Besoldungspolitik bis in die jüngste Zeit, die den Hochschullehrer mehr noch als andere, zahlenmäßig (und damit auch wahlpolitisch) stärker ins Gewicht fallende Beamtengruppen zum Objekt staatlicher Verfügungsgewalt werden ließ, erwies die Hellsichtigkeit Friedrich Paulsens, der zu Beginn des Jahrhunderts in seiner Analyse der Vor- und Nachteile des Kolleggeldsystems geschrieben hatte: „Die Durchführung des reinen Gehaltssystems würde in dem Sinne wirken, dass der Beamtencharakter des Professors sowohl im Verhältnis gegen den Staat als gegen die Studenten stärker als bisher hervortreten müßte. Die Honorarzahlung des Hörers an den vom ihm gewählten Lehrer trägt dazu bei, dem Verhältnis etwas von dem freien und persönlichen Charakter zu wahren, worauf es ursprünglich allein gegründet war. [...] Die Betonung des Beamtencharakters würde, verbunden mit Erhöhungen des Gehalts, zu einer genaueren Festsetzung der Amtspflichten, z.B. durch Feststellung eines Mindestmasses an Pflichtstunden führen. Und mit der Fixierung und Steigerung der Amtspflichten 181

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Gerth Dorff, Der Hochschulverband als Mittler zwischen den Professoren und der Verwaltung, in: DUZ 19 (1964), S. 20-23, Diese Formulierung findet sich in der kritischen Stellungnahme der Rechts- und Staatswissenschaftiichen Fakultät der Universität Kiel vom 22.1.1960, vgl. .Weißbuch', S. 70, Der Anstoß hierzu war vom nordrhein-westfälischen Finanzministerium ausgegangen, welches „eine Konkretisierung der Vorlesungsve flichtungen als notwendige Folge der Pauschalierung [der Kolleggelder]" forderte und sich damit zunächst in der Finanzminister- und dann auch in der Kultusministerkonferenz durchsetzte. Der Hochschul verband hielt es nicht für opportun, zu diesem Erlaß eine offizielle Stellungnahme abzugeben, und beschränkte sich darauf, der WRK und den nordrhein-westfälischen Rektoren „Hinweise und Bedenken gegen die zahlenmäßige Festlegung der Lehrverpflichtungen" zu übermitteln. ADHV/P 55, 8.5.1965, TOP 4. 145

Politikfelder der Ära Felgentraeger

würde in gleichem Masse die Notwendigkeit der Aufsicht über ihre Erfüllung wachsen,"184 Dies nimmt in der Substanz exakt den Befund vorweg, den die soziographische Analyse der achtziger Jahre dann mit modernen Kategorien als säkularen Funküons- und Statuswandel des Hochschullehrer erfaßte und dabei zu dem Ergebnis gelangte, daß angesichts sich verstärkender „Tendenzen zur Einschränkung der Handlungsspielräume von Hochschullehrern" durch ^Reglementierung' von außen, durch die staatliche und hochschulische Bürokratie" die „Charakterisierung des Hochschullehrerberufs als Profession" längst fragwürdig geworden war.185

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Pautsen, Die deutschen Universitäten, S. 1171 Huber/Portele, Die Hochschullehrer, S. 212f, Ein aktualisiertes Bild der beruflichen Situation der Hochschullehrer findet sich bei Jürgen Enders/Ulrich Teichler, Der Hochschullehrerberuf im internationalen Vergleich. Ergebnisse einer Befragung über die wissenschaftliche Profession in 13 Ländern, hg. vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Bonn 1995. 146

IV. Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre 1.

Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz:

Der Hochschulverband in der Umbruchsphase von 1968 bis 1970 In der Geschichtswissenschaft hat sich für die Jahre und Jahrzehnte, die der Revolution von 1848 vorausgingen, seit langem der Epochenbegriff des ,Vormärz' eingebürgert. Man bringt damit zum Ausdruck, daß jenes politisch-gesellschaftliche Veränderungspotential, welches in den Märzereignissen von 1848 eruptiv zu Tage trat, sich in länger laufenden Entwicklungstendenzen aufgebaut und vorbereitet hatte. Für den Ereigniskomplex ,1968' gibt es eine analoge, die untergründigen Bedingungen und Voraussetzungen dessen, was dann 1967/68 zum Ausbruch kam, genetisch-analytisch erfassende Präüminarkategorie nicht. Nun ist ein solcher Vergleich zugegebenermaßen schon im Ansatz problematisch; man wird zögern, das, was sich 1967/68 an den westdeutschen Hochschulen und auf der Straße abgespielt hat, eine Revolution zu nennen 1 - auch wenn zweifellos viele der unmittelbar Betroffenen im Haushalt ihrer Erfahrungen und Erinnerungen bis heute die Auffassung bewahrt haben mögen, daß nach 1968 an den Hochschulen - im Guten wie im Schlechten - nichts mehr gewesen sei wie zuvor. Gleichwohl ist anzunehmen, daß auch das ,Phänomen1 von 19682 in den Strukturen der westdeutschen Gesellschaft vorgezeichnet war, wobei dann freilich in der konkreten historischen Situation - die niemals vollständig strukturell präformiert sein kann - aus der Eigendynamik der Ereignisentwicklung heraus auch ganz neue Probleme krisenverschärfend hinzugetreten sind.5 Auch dreißig Jahre danach

Daß es im Hinblick auf die .Ereignisse von 1968' sowohl an „Überlegungen zum Status und zur begrifflichen Fassung des Gegenstandes" wie auch an „ergiebigen, das reichhaltige Quellenmaieria! erschließenden deskriptiven Analysen" fehlt, beklagt mit einigem Recht Dieter Bucht, der sich dem .Phänomen 1968' hilfsweise mit dem Begriff ,soziale Bewegung' zu nahem versucht; Dieter Rucht, Die Ereignisse von 1968 als soziale Bewegung: Methodologische Überlegungen und einige empirische Befunde, in: Gilcher-Holtey (Hg.), 1968, S. 116-130, bes. 116ff. Die allgemeine Begriffs Verlegenheit findet nicht zuletzt in der Häufigkeit der Verwendung der denkbar unbestimmten Kategorie des .Phänomens' für den Gesamtkomplex ,1968' zum Ausdruck. Für das Ideenkonglomerat der Studentenbewegung behilft sich Gerhard Fels, Der Aufruhr der 68er. Zu den geistigen Grundlagen der Studentenbewegung und der RAF, Bonn 1998, mit dem Begriff des Syndroms - verstanden als politische, nicht als pathologische Kategorie (S. 13). Allg. zum Phänomen ,1968' unter verschiedensten Aspekten vgl. femer Willy Albrecht, Der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS). Vom parteikonformen Studentenverband zum Repräsentanten der Neuen Linken, Bonn 1994; Gilcher-Holtey (Hg.), 1968 - vom Ereignis zum Gegenstand; Wolfgang Kraushaar, Frankfurter Schule und Studentenbewegung. Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail, 1946-1995. Bd. 1: Chronik, Bd. 2: Dokumente, Bd. 3: Aufsätze und Kommentare, Hamburg 1998; Strobel (Hg,), Drei Jahrzehnte Umbruch. 147

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre

gibt es keine wissenschaftlich befriedigende kausalanalytische Erklärung für das Phänomen, und angesichts der Vielfalt und Verflechtung der in Frage kommenden Faktoren wird eine eindeutige und schlüssige Erklärung wohl noch längere Zeit auf sich warten lassen. Immerhin scheint sicher zu sein, daß die mit eruptiver Heftigkeit vorgetragene studentische Revolte gegen die bestehende Struktur der Universität doch nur zum Teil, und vielleicht sogar nur zum kleinsten Teil, ihre Ursachen in der Universität selbst hatte, auch wenn „das hohe Sozialprestige des deutschen Ordinarius und sein gelegentlich gespreizter Habitus" in einer sich dynamisch wandelnden Gesellschaft natürlich Kritik auf sich zogen,4 Die Welle diffusen studentischen Protests, die 1967 über die westdeutsche Universität hereinbrach, und die von ihr ausgehenden Erschütterungen und Reformimpulse haben die hochschulpolitische Konstellation in diesem Lande binnen kürzester Zeit einschneidend verändert. Auch der Hochschulverband bekam dies, wie im zweiten Kapitel gezeigt wurde, sogleich zu spüren; ja er war als Standesvertretung der Professoren - eben jener gesellschaftlichen Gruppe, die dem Zeitgeist des Aufbegehrens vor allen anderen odios geworden war und gegen die sich das studentische Aggressionspotential vorrangig richtete5 - in fundamentaler Weise betroffen. Die große Herausforderung traf den Verband nicht nur konzeptionell unvorbereitet, sondern in einer Phase der Unsicherheit, der Legitimationsschwäche mit drohender Isolierung auf seinem ureigensten Politikfeld und der organisatorischen Transition: Der Präsident war, wenn nicht geradezu amtsmüde, so doch erschöpft und resignationsgeneigt, aber aus Loyalität gegenüber dem eigenen Werk gezwungen, den Karren immer noch weiter zu ziehen, weil sich kein Nachfolger fand; das Verhältnis zu den Kultusverwaltungen, ohnehin seit dem Kampf um die Kolteggeldreform lädiert, war auf einem Tiefpunkt angelangt6, und der vielbeschworene Schicksalsbund mit der Rektorenkonferenz von dieser einseitig und abrupt aufgekündigt worden; zu alledem war 4 5

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Rupp, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, S. 38. Nicht nur den revoltierenden Studenten, sondern auch einem erheblichen Teil der reformbewegten Öffentlichen Meinung erschienen die Ordinarien, wie Fels treffend formuliert, „als die letzten Repräsentanten eines niemand verpflichteten Feudalismus"; Gerhard Fels, Aufruhr der 68er, S. 16 Das Protokoll der Vorstandssitzung vorn 30.6.1967 vermerkt dazu lakonisch: „Der Präsident teilt mit, daß er den Vorsitzenden des Hochschulausschusses der Kultusministerkonferenz, Herrn Ministerialdirigenten v. Elmenaii - München gebeten habe, in Zukunft wie früher gemeinsame Probleme mit dem Hochschulausschuß der Kultusministerkonferenz zu beraten. Daraufhin habe er eine ablehnende Antwort erhalten. Damit seien vorerst seine Bemühungen, zu einem besseren Einvernehmen mit den Kultusministerien zu gelangen, gescheitert," ADHV/P64, 30.6.1967, S. 8f. Auch ein Jahr später mußte Felgentraeger vor dem Hochschulverbandstag konstatieren, daß sich „das Verhältnis zur Kultusministerkonferenz und zum Hochschulausschuß [...] trotz persönlichfreundschaftlicher Umgangsformen nicht gebessert" habe. Die Ministerialbürokratie, „die es in so bewegten Zeiten besonders schwer" habe, neige „verständlicherweise nicht dazu, sich mit mehr Partnern einzulassen als unbedingt nötig". ADHV/HVT 18, 6.7.1968, S, 6. 148

Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz die operative Zentrale, die Geschäftsstelle, chronisch überlastet und obendrein damit beschäftigt, ihren Apparat von Hamburg nach Bonn zu transferieren.7 Die studentischen Angriffe des Sommers 1967 auf Stellung und Haltung der Professoren, die verschiedenen Regungen von Selbstbewußtwerdung im akademischen Mittelbau und dazu die Stigmatisierung des Hochschulverbandes als Interessenkartell professoraler Priviiegienträger, wie sie im Trennungsbeschluß der WRK vom Frühjahr 1968 zum Ausdruck kam, lösten - auch das zeigt die tiefsitzende Verunsicherung - in der Verbandsführung umgehend Überlegungen zur weitreichenden Reorganisation und strategischen Neuorientierung aus. Sie richteten sich zunächst in erster Linie auf die Gruppe der Assistenten, denn diese erschienen der hochschulpolitisch engagierten Öffentlichkeit - viel mehr als die Studenten - als die eigentlichen Opfer in den Kerkern der deutschen Ordinarienbastille, die es nun im Namen von Reform und Demokratisierung zu erstürmen galt. Die Assistenten, die sich eloquent, mit intellektuellem Scharfsinn und anders als Teile der protestierenden Studentenschaft - auch in zivilen Formen zu artikulieren verstanden, waren gleichsam der tiers etat, der mit Fug und Recht beanspruchen konnte, die akademische Nation der Zukunft zu repräsentieren.8 Sie schienen berufen, das demokratische juste milieu zu bilden zwischen den ungebärdig wilden, mit anarchisch-sozialistischen Parolen die bürgerliche Welt in Frage stellenden Studenten und den sich vermeintlich reaktionär und elitär in ihrer Bildungszitadelle verschanzenden Professoren. So avancierten die Assistenten zu den Sympathieträgern all derer im hochschulpolitischen Diskurs, die - wie etwa auch die WRK - hoffen mochten, sich mit zeitgemäßen Bekundungen ihrer Reformbereitschaft durch den Sturm zu retten. Schon in der ersten Vorstandssitzung des Hochschulverbandes nach dem heißen Universitätssommer des Jahres 67 wurde neben einer Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit und einer Verbesserung des Bildes der Hochschullehrer in der Öffentlichkeit auch die Frage der Vertretung der Assistenten und der Akademischen Räte im Hochschulvcrband ins Auge gefaßt.9 Die Möglichkeit, dem in Die Verlegung der Geschäftsstelle nach Bonn-Bad Godesberg, zunächst für die zweite Jahreshälfte 1968 geplant, verzögerte sich noch einmal um ein Jahr, [m Oktober 1969 nahm ein Teil der Geschäftsstelle in Bad Godesberg, Rheinallee 18, die Arbeit auf, während Geschäftsführer Dorff noch bis Ende Januar 1970 in Hamburg blieb, um die Verbandsgeschäfte dort abzuwickeln; vgl. ADHV/P65, 13.10.1967, TOP 5; P 73, 20,6.1969, TOP 7a; P 76, 7./8.11.1969, TOP 1. Die Vorstellungen und Forderungen der BAK zur Hochschulreform wurden, auf einer Klausurtagung in Bad Kreuznach vom 28. August bis 3. September 1968 erarbeitet und in 100 Thesen zusammengefaßt, im Oktober 1968 auf Beschluß der 4. Vollversammlung „als verbindliche Grundlage für die weitere Arbeit der Bundesassistentenkonferenz" der Öffentlichkeit vorgelegt: Bundesassistentenkonferenz (Hg.), Kreuznacher Hochschulkonzept, Bonn 21968. Sie haben wie wohl kein anderes Modell die hochschulpolitische Diskussion der Jahre nach 1968 beeinflußt. Vg], ADHV/P65, 13.10.1967, TOP 4. 149

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre

den hochgehenden h och seh Apolitischen Wogen heftig krängenden Boot des Verbandes durch die Aufnahme der nichthabilitierten Wissenschaftsbeamten und wissenschaftlichen Assistenten mehr Tiefgang und Stabilität zu geben, wurde im ersten Halbjahr um so ernsthafter weiterverfolgt, als ja auch die Rektorenkonferenz einen solchen Schritt quasi zur Bedingung weiterer Zusammenarbeit mit dem Verband gemacht hatte. Interessanterweise kamen die nachdrücklichsten Bedenken gegen eine so tief in die Struktur der Standesorganisation eingreifende Reform von den Nichtordinarien, welche die Mitgliedschaft im Verband auf Habilitierte beschränkt wissen wollten, während das Präsidium in seiner Gesamtheit „überwiegend der Auffassung" war, daß eine Erweiterung des Mitgliederkreises, wenn sie denn vorgenommen würde, „für alle nichthabilitierten Gruppen von Lehrpersonen an den wissenschaftlichen Hochschulen gelten solle"10. Auch der Hochschulverb andstag des Jahres 1968 befaßte sich mit diesen „für die Zukunft des Hochschulverbandes entscheidenden Schicksalsfragen". Dabei ging es zuvörderst um eine grundlegende „Veränderung des Aufbaus" der Standesorganisation unter Einbeziehung der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Assistenten, denen von den neuen Hochschulgesetzen verschiedener Bundesländer ja auch die Mitwirkung in den Selbstverwaltungsgrernien der Universitäten zugedacht war.11 Man muß es als bemerkenswert bezeichnen, wie beherzt und vorbehaltslos die Verbandsführung unter dem Druck der äußeren Verhältnisse an diese den bisherigen Charakter des Hochschulverbandes doch im Kem berührende Frage heranging. So hatte sie schon im Juni „unverbindliche Vorbesprechungen" mit der Bundesassistentenkonferenz aufgenommen und dann deren Vorsitzenden Peter Fischer-Appelt als Gast zum Hochschulverbandstag eingeladen.12 Dort stand ein Antrag des Rektors der Universität Saarbrücken, Werner Maihofer, zur Diskussion, der die Aufnahme nichthabilm'erter Lehrkräfte in den Hochschulverband forderte, um die einheitliche Vertretung des gesamten universitären Lehrkörpers auch für die Zukunft zu erhalten. Die entschiedensten Bedenken gegen Mai hofers Vorstellungen wurden ausgerechnet von Fischer-Appelt vorgetragen, der für die BAK auch die Wahrnehmung der „persönlichen und dienstrechtlichen Angelegenheiten des von ihr vertretenen Personenkreises" beanspruchte und eine Fusion seiner Organisation mit dem Hochschulverband ausschloß, „da in einem solchen Falle von der BAK nicht einmal der Name übrigbleiben würde". Es war kennzeichnend für die politische Slimmungslage, daß der BAK, ähnlich 10 11 12

Vgl. ADHV/P 66, 27.1.1968, TOP 4, und ADHV/P 68, 5.7.1968, TOP 5. Vgl. ADHV/HVT 18, 6.7.1968, S. 5f. Die - durchaus als geschäftsmäßig zu bezeichnenden - Beziehungen zwischen dem Hochschul· verband und der Bimdesassistentenkonferenz in der Zeit von 1968 bis 1971 sind im einzelnen dokumentiert in 380/46 und B 380/47.

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Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz

wie der WRK, durchaus ein allgemeines hochschulpolitisches Mandat zugebilligt wurde, während „der Schwerpunkt des Hochschulverbandes auf der dienst-, beamten-, arbeits- und sozialrechtlichen Seite des Hochschullehrerberufs" liegen sollte. Angesichts der Tragweite des Problems war man sich auf dem Hochschulverbandstag darin einig, daß ohne eine „Urabstimmung" unter allen Mitgliedern des Verbandes keine Entscheidung getroffen werden könnte. Die Vollversammlung beauftragte aber bei nur fünf Stimmenthaltungen ohne Gegenstimmen das Präsidium, „über die Aufnahme der wissenschaftlichen Dauerbeainfen und Wissen* schaftlichen Assistenten baldmöglichst Vorschläge zu unterbreiten*' und in der Zwischenzeit der BAK schon die Bildung eines gemeinsamen Ausschusses vorzuschlagen.13 Nun war eine Urabstimmung als Entscheidungsinstrument in Grundsatzfragen von der Satzung gar nicht vorgesehen. Wenn die Führung des Hochschulverbandes gleichwohl im März 1969 durch Veröffentlichung eines neuen Satzungsentwurfs in den Mitteilungen' alle Mitglieder aufforderte, zur Aufnahme nichthabilitierter wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistenten Stellung zu nehmen, so ging es ihr angesichts der Tragweite dieser Frage um die Ermittlung eines möglichst breiten Meinungsbildes.14 Der zur Diskussion gestellte Entwurf sah die Dreiteilung der Mitgliedschaft in Lehrstuhlinhaber, Nichtordinarien und (nichthabilitierte) wissenschaftliche Mitarbeiter vor. Die bereits mit der Satzungsänderung von 1964 eingetretene ,Kurialisierung' der Verbandsstruktur wurde durch die gleichgewichtige Repräsentation der drei Mitgliedergruppen nunmehr konsequent über alle Organisationsebenen des Verbandes ausgedehnt. Neben die schon bestehenden Konvente der Ordinarien und der Nichtordinarien sollte ein dritter für die wissenschaftlichen Mitarbeiter treten. In dem dreizehn Mitglieder umfassenden Präsidium war allen Gruppen die gleiche Repräsentation durch vier von den Konventen delegierte Mitglieder zugedacht. Die einzige Asymmetrie zugunsten der Ordinarien bestand noch darin, daß der Präsident ein Lehrstuhlinhaber sein mußte. Dieses neue Strukturmodell war unbestreitbar eine ebenso kühne wie konsequente Antwort auf die Herausforderung des Verbandes durch das organisierte Auftreten der Assistenten. Wäre es verwirklicht worden, so hätte dies gleichsam die verbandsinterne Vorwegnahme der Gruppenuniversität bedeutet.15 Der in den 13

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Die Diskussion (einschließlich der oben angeführten Zitate) ist ausführlich dokumentiert in ADHV/HVT 18, 6.7.1968, TOP 9b, S. 16-19. Vgl. die ausführliche Darlegung des Zusammenhangs im Rundschreiben Felgentraegers an alle Funktionsträger des Verbandes vom 12.2.1969, ADHV/Ordner Satzungsänderungen'. Der Entwurf zu Satzungsänderung wurde maßgeblich von Geschäftsführer Dorff gestaltet. Auf ihn ging auch die ausgeprägte Kuriengliederung in drei Konvente zurück. Er wollte dadurch sicherstellen, „daß radikale Strömungen einerseits und {,..J eine konservative Haltung andererseits auf den 151

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre

Verbandsakten detailliert dokumentierte Entstehungs- und Erörterungsverlauf des Satzungsentwurfs vermittelt jedenfalls den Eindruck, daß die Verbandsführung mit allem Ernst, aber auch in klarer Einschätzung der damit verbundenen Risiken die Ausdehnung des Verbandes auf die nichthabüitierten wissenschaftlichen Mitarbeiter und Assistenten erwogen hat.16 Von den rund 7000 Mitgliedern des Hochschulverbandes nahmen knapp 1000 zu der vorgeschlagenen Satzungsänderung Stellung. 60 Prozent sprachen sich „für eine Erweiterung des Hochschulverbandes ohne Einschränkung, also sowohl um die Wissenschaftsbeamten als auch um die wissenschaftlichen Assistenten" aus, während sich etwas mehr als 20 Prozent gegen jede Erweiterung und damit für die Beschränkung der Mitgliedschaft allein auf Habilitierte erklärten. Knapp 20 Prozent waren bereit, die nichthabilitierten Wissenschaftsbeamten, nicht aber die nichthabilitierten wissenschaftlichen Assistenten aufzunehmen. 17 Auch wenn damit jedenfalls unter den Mitgliedern, die sich zur Satzungsänderung geäußert hatten, eine deutliche Mehrheit für die Bildung einer ,dritten Säule1 neben Ordinarien und Nichtordinarien zum Ausdruck kam, gewann die Verbandsführung im Sommer 1969 den Eindruck, daß die „Stimmung [...] für eine Aufnahme der nichthabilitierten Mitarbeiter in den Hochschulverband rückläufig" und das Zustandekommen der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Satzungsänderung daher fraglich sei. Diese Tendenz bestätigte sich in den Voten der unmittelbar vor dem 19, Hochschul verband stag tagenden Konvente der Ordinarien und der Nichtordinarien; Beide sprachen sich „mit großer Mehrheit" gegen die Aufnahme der nichthabilitierten wissenschaftlichen Mitarbeiter aus. Begründet wurde diese Haltung mit der noch bestehenden Unklarheit über die von staatlicher Seite geplanten Änderungen am personellen Aufbau der Hochschulen, denen der Hochschulverband nicht vorgreifen sollte.18 Auf dem Hochschulverband stag vom

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jeweiligen Kreis beschränkt" bliebe und „die übrigen Mitglieder des Verbandes durch derartige Äußerungen nicht majorisiert werden" könnten. Dorff an das Verbandsmitglicd Lingenberg, 9.5.1969, ADHV/Ordner .Satzungsänderungen'. Dies wird auch aus einem Brief deutlich, den der erst seit wenigen Wochen amtierende Nachfolger Felgentraegers, der Erlanger Jurist Karl-Heinz Schwab, am 24. April 1969 in dieser Sache an den Präsidenten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes richtete. Schwab betonte darin, daß auch die Fortexistenz der BAK einer Vertretung der beruflichen Interessen der wissenschaftlichen Assistenten im Hochschulverband nicht im Wege stehen müsse. Eine „andere Frage" sei es, „ob der Hochschulverband durch die Hinzunahme der Wissenschaftlichen Assistenten so inhomogen wird, daß er keine wirksame Vertretung seiner Mitglieder mehr durchführen kann, weil die Interessen der einzelnen Gruppen zu sehr divergieren und die gemeinsamen Anliegen für eine gemeinsame Vertretung nicht mehr ausreichen", Schwab an G, Kielwein, 25.4.1969, ADHV/Ordner .Satzungsänderungen'. Schreiben Dorffs an das Verbandsmitglied Heinrich Hardtwig, 22,5,1969, ADHV/Ordner .Satzungsänderungen'; vgl. auch ADHV/HVT 19, 21.6.1969, S. 5. ADHV/P 73, 20,/2l.6.1969, S. 3f. u. 7. 152

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21. Juni 1969 verfiel dann der von Präsident Schwab wohl nur noch pro forma zur Abstimmung gestellte Antrag, den „Wissenschaftlichen Assistenten und Wissenschaftsbeamten auf der Grundlage des Satzungsentwurfs des Präsidiums die Aufnahme in den Hochschulverband zu ermöglichen", der eindeutigen Ablehnung; Bei fünf Stimmenthaltungen stimmten nur 18 Delegierte für den Antrag, 42 votierten dagegen. Damit sollte allerdings, wie die Versammlung zum Ausdruck brachte, die Öffnung des Verbandes nicht grundsätzlich verworfen, sondern nur bis zur Klärung der künftigen Lehrkörperstruktur durch die im Gange befindlichen Gesetzgebungsverfahren in den Ländern zurückgestellt sein.19 Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang wiederum die Argumentation des als Gast anwesenden BAK-Vorsitzenden Fischer-Appelt. Wie schon im Vorjahr sprach dieser sich gegen die Öffnung des Hochschulverbandes für Assistenten aus: „Würde der Hochschulverband sich erweitern, so bestünde die Gefahr, daß sich die Bundesassistentenkonferenz auflösen könne." Gegen die vorgesehene Erweiterung müßten sich die Assistenten aber „auch deshalb wenden, weil durch die Errichtung von drei Säulen gerade die überkommene Lehrkörperstruktur verfestigt werden würde, wogegen gerade die BAK vorgehen wolle". In welche Richtung dieses Vorgehen zielte, verhehlte Fischer-Appelt nicht: „Die Bundesassistentenkonferenz strebe an, den Status des Wissenschaftlichen Assistenten aufzulösen", indem die bisher im Assistentenstatus vereinigte Doppelfunktion - „individuelle Ausbildungsaufgaben'1 und „subalterne Dienstleistung" - entkoppelt würde.20 In Umrissen kündigte sich hier bereits die neue Figur des ,Assistenzprofessors' an, der sich der Bürde der Dienstleistungsaufgabe entledigen und diese als „Residualgröße" an eine ebenfalls neu zu schaffende Subalternkategorie von wissenschaftlichen Angestellten weiterreichen sollte, um sich selbst „bei voller körperschaftsrechtlicher Gleichstellung mit den Professoren in Forschung und Lehre" für sechs fahre ganz seinem eigentlichen Ziel widmen zu können - nämlich Professor zu werden.21 Daß es gerade angesichts der eigenen Emanzipationsrhetorik ein gewisses „Dilemma" aufwarf, wenn für die weiterhin unverzichtbaren Dienstleistungsaufgaben „eine ausgesprochene Residualkategorie" entstand, war den Autoren des Modells natürlich nicht entgangen. Eine herrschaftsfreie Lösung aber hatten sie 19

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Vgl. die knappe Mitteilung in: MittHV Bd. 17 Nr. 4 (1969), S. 108f. Es waren nur kleinere Satzungsänderungen vorgenommen worden, darunter die Festlegung, daß einer der beiden Vizepräsidenten von den Lehrstuhlinhabern, der andere von den Nichtordinarien gestellt werden sollte. ADHV/HVT 19, 21.6,1969, S. 7f. Für die personellen Reform konzepte der BAK vgl. Bundesassistentenkonferenz (Hg.), Reform der Lehrkörper- und Personalstruktur (= Schriften der BAK Bd. 3), Bonn 21970. Zur Konstruktion des .Assistenzprofessors' vgl. Wolfgang Perschel, Hochschulassistenten und sonstiger wissenschaftlicher Nachwuchs, in: Hb, des Wissenschaftsrechts (1982), Bd. l, S. 502-530, bes. S. 506-510. BAK, Reform der Lehrkörper- und Personalstruktur, S, 16. 153

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre für die Gruppe der .Wissenschaftlichen Angestellten', deren Stellung ausdrücklich „nicht wie die des bisherigen Assistenten das Versprechen einer Zukunft als Hochschullehrer" enthalten sollte, nicht zu finden vermocht, und so beließen sie es bei einer ,,abstrakte[n] Formulierung der Thesen" und plädierten im Sinne eines millenarischen Hoffnungsprinzips dafür, „die generelle Regelung von dem Erwachen besserer Einsicht abhängig zu machen".22 Die auf dem Hochschulverbandstag 1969 für ein Jahr sistierten Überlegungen zu einer Öffnung der Mitgliedschaft für Nichthabilitierte waren allerdings nur ein Teil der Bemühungen, den Verband in dieser Zeit des hochschulpolitischen Umbruchs, der grundlegenden Infragestellung der Traditionsfigur des ,Professors' und der verschärften gruppenpolitischen Konfrontation politikfähig zu erhalten oder besser: wieder politikfähig zu machen. Mit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Karl-Heinz Schwab23 am 1. April 1969 war die Ära Felgentraeger nach fast zwanzig Jahren definitiv zu Ende gegangen, ohne daß damit eine neue ,Ära' begründet worden wäre. Schon bei der satzungsgemäß auf dem Hochschulverbandstag 1969 - also nach nur drei Monaten des Amtierens - anstehenden Neuwahl des Präsidenten hatte Schwab erklärt, daß er, „falls er gewählt werde, aus zwingenden beruflichen Gründen die Wahl nur für ein Jahr annehmen könne".24 Auch die Präsidentschaften der beiden Nachfolger Schwabs, Thomas Finkenstaedt (1970-72) und Dieter Grosser (1972-74), dauerten jeweils nur eine Amts-

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Ebda, S. 19f. Auf die inneren Widersprüche des B AK-Modells weist auch Bruno W. Reimann (1974) hin; „Das .Modell für eine radikale Reform' wird ... mit der Einführung einer neuen Klasse abhängiger, fremdbestimmter, weisungsgebundener Angestellter - die faktisch die Funktion der früheren Assistenten übernehmen - erkauft ..."; zit. bei Bochow/Joas, Der Lehrkörper der deutschen Hochschulen, S. 96. Daß das Strukturmodell der BAK mit der Entwertung der Habilitation aber auch auf Kosten der Nichtordiarien ging und gegenüber der spezifischen Problemlage dieser Gruppe weitgehend indifferent war, hat Odo Marquard unter dem Stichwort „An de rung spathos und Immobilität" polemisch glossiert: Für die Nichtordinarien sei die „Abschaffung der Altinstitution des Privatdozenten eine Katastrophe" gewesen; „durch ihre Herbeiführung schlug die Assistenten gcneration der Eundesassistentenkonferenz zwei Fliegen mit einer Reformklappe: sie selber machte überproportional (teilweise kollektiv) Karriere als Professor und hängte zugleich - durch Personalstrukturreform - die jüngere Konkurrenz endgültig ab." Odo Marquard, Einige Bemerkungen zum Gruppenverhalten in der Gruppenuniversität, in; Horst Albert Glaser (Hg,), Hochschulreform und was nun? Berichte, Glossen. Perspektiven, Frankfurt/M. u.a. 1982, S. 94-110, hier S. 106. Karl-Heinz Schwab, geb. 1920 in Coburg, Prom. 1947, Habil. Univ. München 1953, ab 1955 o. Prof. für Zivilprozeßrecht an der Univ. Erlangen, 1957—59 dort Rektor. Schwab war bereits auf dem 17. Hochschulverbandstag 1967 zum Nachfolger Felgentraegers gewählt worden, hatte sich aber aufgrund unabgeschlossener ForschungsVerpflichtungen nicht in der Lage gesehen, vor dem 1.2,1969 das Amt anzutreten. Als dieser Termin herangekommen war, bat der designierte Präsident noch einmal um einen dreimonatigen Aufschub. Der inzwischen siebzigjährige und seit 1967 emeritierte Felgentraeger mußte daher noch eindreiviertel Jahre über die Wahl seiner Nachfolgers hinaus im Amt bleiben. Vgl. ADHV/HVT 17, 1.7.1967, S. 3f. u. 14f., sowie ADHV/P 71, 18.1.1969, TOP 3. ADHV/HVT 19, 23.6.1969, S. 11. 154

Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz periode. Gerade in der hochschulpolitisch bewegtesten Zeit von 1968 bis 1974 hatte es der Hochschul verband mit einer Art , Interregnum' zu tun, bis dann mit Werner Pols als Verbandspräsident wieder eine Perspektive der Kontinuität eröffnet wurde. Gleichwohl kann auch für die Phase des raschen Präsidentenwechsels keineswegs von Lähmung oder Stagnation gesprochen werden. Die Verbandsspitze, der in der Geschäftsführung stets ein zwar kleiner, aber hoch motivierter und kompetenter Apparat zur Verfügung stand, scheute auch vor im Wortsinne radikalen - nämlich an die Wurzel der Verbandstradition gehenden - Maßnahmen zur Krisenbewältigung nicht zurück, wie anhand der Öffnungsdiskussion gezeigt werden konnte. Die Krise des Verbandes in den ausgehenden sechziger und frühen siebziger Jahren läßt sich im wesentlichen als eine Akzeptanzknse definieren, die sich auf drei Ebenen entfaltete: Da war zum einen das schon seit der Mitte der sechziger Jahre virulente Problem, daß der Hochschulverband seitens der Hochschulpolitiker und der staatlichen Wissenschaftsverwaltungen immer weniger als Verhandlungspartner einbezogen wurde. Jene goldenen Zeiten, in denen der Verband durch seine in zahllosen hochschul- und dienstrechtlichen Analysen, Stellungnahmen und Regelungsentwürfen unter Beweis gestellte singuläre Expertenschaft den hochschulpolitischen Diskurs wesentlich mitbestimmen und seine Vorstellungen durch diskretes Lobbying mehr oder weniger direkt in Gesetzgebungsverfahren einbringen konnte, waren schon lange vorbei. Inzwischen war es im Präsidium eine stehende Klage geworden, daß der Verband nicht mehr gehört und „bei Stellungnahme zu Gesetzentwürfen [...] häufig übergangen" werde,25 Ganz offensichtlich wurde dem Verband in den Kultusbehörden der Länder sein Eintreten für Besoldungsverbesserungen der Hochschullehrer in den sechziger Jahren und insbesondere im Zusammenhang mit der Kollcggeldreform noch auf Jahre hinaus verübelt, obwohl doch gerade dies zum legitimen Aufgabenkreis einer Standes- oder Berufsvertretung gerechnet werden mußte, zumal wenn man ihr ein Mandat für allgemeine hochschulpolitische Belange bestritt.26 25

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Selbst in Bayern war der Verband beim Landtagshearing über die Novellierung des Hochschulgesetzes nicht berücksichtigt worden. Das Präsidium nahm dies zum Anlaß, in einem Schreiben an alle Kultusminister und Landtagspräsidenten darauf hinzuweisen, „daß der Hochschul verband zumindest für seine Mitglieder, nämlich mehr als die Hälfte aller Hochschullehrer, damit aber praktisch für die Gesamtheit der Hochschullehrer spreche und demzufolge zu Gesetzentüwrfen gehört werden müsse, die die Rechtsstellung der Hochschullehrer berühren" (ADHV/P 74. 11.7.1969, S. 5f.}. Von diesen Schwierigkeiten nahmen die langjährigen Bemühungen des Verbandes ihren Ausgang, im Verbund mit anderen Organisationen rechtsförmlich als Spitzenverband anerkannt zu werden. Daß der Verband hier auch mit wenig zeitgemäßen Auffassungen der Ministerialbürokratie über die Rolle und Funktion von Berufsverbänden in modernen Gesellschaften zu kämpfen hatte, zeigt die Vorhaltung eines hohen Repräsentanten des baden-württembergischen Kultusministeriums, 155

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre

Aber mehr noch als die längst nicht mehr neue Erfahrung, daß seine Bemühungen um Einflußnahme auf Gesetzgebungsverfahren „zum größten Teil erfolglos" blieben27, mußte den Hochschulverband die sich in der Zuspitzung der Konfliktsituation nach 1968 immer deutlicher herausschälende Tendenz beunruhigen, im öffentlichen Diskurs vor allem von der „in hochschulpolitischen Diskussionen durch politisch-ideologische Ausführungen geschickt" argumentierenden BAK ausmanövriert zu werden, Mit Besorgnis und Enttäuschung beobachtete die Verbandsführung, daß die Vertretungen der Assistenten und der Studenten mit ostentativem Wohlwollen das Ohr der Hochschulpolitiker in Parteien und Parlamenten besaßen, während die Standesorganisation der Hochschullehrer dort auf kaum noch verhüllte Ablehnung stieß.28 Der Verband fühlte sich dabei insbesondere auch von der Rektorenkonferenz im Stich gelassen, der man vorwarf, daß sie „dem Hochschul verband eine wirkliche Anerkennung versage" und „bei ihren Versammlungen fast ausschließlich auf die Ansichten der Studenten und Assistenten eingehe, während der Hochschulverband letztlich nur geduldet werde".29

„den Hochschulverband umgebe zu sehr der Genich der Vertretung persönlicher Interessen (z.B. in Besoldungsfragen)", Nach den Vorstellungen von Staatssekretär Meckelein sollte alternativ zum Hochschulverband aus den Ordinarien-Fraktionen in den Großen Senaten der Landesuniversitäten eine „Repräsentanz der Professoren gegenüber dem Ministerium, Kabinett und Parlament geschaffen werden"; vgl. den als „streng vertraulich" gekennzeichneten, höchst aufschlußreichen Bericht des Mannheimer Ordinarius Ernst-Werner Fuß über ein informelles Gespräch von baden-württembergischen Hochschullehrern mit dem Staatssekretär im Stuttgarter Kultusministerium an Präsident Finkenstaedt vom 30,6.1970, 380/97. Das Verhältnis zur Kultusministerkonferenz besserte sich allerdings 1971 (vorübergehend), als deren Vorsitz der bayerische KuJtusm in ister Hans Maier innehatte. Die Korrespondenz zwischen Finkenstaedt und Maier, 12.3. und 4.4,1971 ( 380/885), ist in einem sehr persönlich-kollegialen Ton gehalten. 2 ' So der nicht zu Kleinmütigkeit neigende Dorff am 5.5.1969 in einem Brief an ein Verbandsmitglied, ADHV/Fasz. ,Satzungsänderungen', 28 Mit Bitterkeit wurde insbesondere auch registriert, daß die Bundesassistentenkonferenz offenbar von verschiedenen Geldgebern sehr viel großzügiger gefördert wurde als der Hochschulverband, So hatte nach Dorff vorliegenden Informationen die BAK vom Stifterverband 1969 eine Spende von 30.000,- und von der Stiftung Volks wagen werk eine Zuwendung von 40.000,- Mark erhalten. Der Geschäftsführer schloß daraus, „daß hier unter der Decke einseitige Bildungspolitik betrieben wird, indem nämlich sogenannte ,progressive' Organisationen unterstützt und als ,reaktionär' verschriene Verbände benachteiligt" würden. Vgl. Dorff an den Vorsitzenden des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Claus Müller, 6,2.1970, 380/934. 29 ADHV/P 77, 30.1.1970, TOP l, und ADHV/P 78, 10.4.1970, TOP 5 (dort auch die Zitate, S. 8f.). Ais Finkenstaedt sich hierüber in Schreiben vom 6.10, und 7.12.1970 beim Präsidenten der WRK Rumpf beklagte, erhielt er von dort im Rahmen einer ausführlichen Gegendarlegung zur Antwort, „daß die hochschulpolitische Schwäche des Hochschulverbandes die öffentlichen und privaten Einrichtungen veranlaßt, über ihn hinwegzugehen, wie sie es bei VDS und BAK nicht wagen würden. Auch die WRK war lange in dieser Situation, aus der sie sich nur durch energische öffentliche Forderungen befreien konnte." Rumpf an Finkenstaedt, 22.12.1970, 380/892. - Auch im Zuge der Vorberatungen für ein Hochschulrahmengesetz des Bundes hatte der Verband bereits die Erfahrung machen müssen, „daß irn Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft die Belange der 156

Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz

Nun fehlte es in der Verbandsführung keineswegs an der Einsicht, daß Ablehnung und Zurücksetzung, denen man bei den politischen Instanzen begegnete, auch ein Reflex der professorenkritischen Grundhaltung waren - und damit betreten wir die zweite Ebene der Akzeptanzkrise des Verbandes -, die in der öffentlichen bzw, der veröffentlichten Meinung Raum gewonnen hatte. Das „Image" des Hochschulverbandes zu verändern und den „weit verbreitete[n] Affekt gegen die Professoren" abzubauen, gehörte zu den vorrangigen Programmpunkten der Präsidentschaften Schwabs und Finkenstaedts.30 Man hatte dazu einen erfahrenen Zeitungsjoumalisten als nebenamtlichen Öffentlichkeitsberater verpflichtet, der einen „modernen Prospekt" für die Mitgliederwerbung erarbeitete und durch eine stärker aktualitätsbetonte Gestaltung und Aufmachung der ,Mitteilungen L das Erscheinungsbild des Verbandes verbessern wollte. Im November 1969 trat der Verband erstmals mit einer allgemeinen Pressekonferenz an die Öffentlichkeit.11 Auch die Selbstdarstellung des Verbandes nach außen sollte sich stärker an den aktuellen Interessen der Öffentlichkeit orientieren und den Eindruck standespolitischer Selbstbespiegelung tunlichst vermeiden. Eine Entschließung über die besoldungsrechtliche Situation und die daraus abzuleitenden Forderungen der Hochschullehrer zu veröffentlichen, wie noch auf dem Hochschulverbandstag 1970 geschehen, konnte nach Ansicht des neuen Öffentlichkeitsberaters im herrschenden Meinungsklima dieser Zeit weder dem Ansehen des Verbandes noch dem seiner Klientel zuträglich sein. Vielmehr müsse man sich bei öffentlichen Stellungnahmen stets von der Frage leiten lassen, „was dem Wohle der Universität und nicht nur den einzelnen Mitgliedern des Hochschulverbandes dienen könnte".32 Es läßt sich durchaus feststellen, daß die Verbandsführung in den folgenden Jahren diese Erinnerung an eine im Grunde uralte Maxime interessenpolitischer Öffentlichkeitsarbeit zu beherzigen versuchte. Im Präsidium war man sich einig darüber, daß die Tätigkeit des Hochschulverbandes durch „klare Konzepte" auch offensiv und „unter politischen Gesichtspunkten" nach außen vertreten werden müsse,33

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Studenten und Assistenten sehr viel systematischer, aktiver und energischer vertreten würden als die der Hochschullehrer. Der Hochschulverband müsse sich daher in die Vorbereitungen des Hochschulrahmengesetzes sehr viel starker als bisher einschalten und versuchen, sowohl mit dem Minister als auch mit seinen Referenten Kontakt zu bekommen". ADHV/P 76, 7./8.1l. 1969, TOP 8, S. 6. ADHV/P 80, 13.6.1970, TOP 6, S. 4. Vgl. ADHV/P 75, 24.9,1969, TOP l, und ADHV/P 77, 30.1.1970, TOP 1. Die im November 1969 durchgeführte Werbeaktion erbrachte 670 neue Mitglieder - überwiegend Privatdozenten - und damit eine Erhöhung des Mitgliederstandes um zehn Prozent. - Vor der Durchführung dieser Aktion vertrat der Verband etwa 65 Prozent aller Hochschullehrer. ADHV/P 80, 13.6.1970, S. 4, Dabei wollte man sich auch „durch die unsachliche Diskussion besonders der Assistenten und Studenten [nicht] einschüchtern lassen", sondern „im Gegenteil versuchen, seine Meinung härter und entschiedener durchzusetzen". ADHV/P 78, 10.4.1970, S. 9.

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Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre Vorerst fehlte freilich für eine selbstbewußte Offensivstrategie der ,klaren Konzepte' und der deutlichen Worte nach außen noch die innere Geschlossenheit. Der Hochschulverband sah sich - das war die dritte Ebene seiner Akzeptanzkrise - infolge der turbulenten Vorgänge des Jahres 1968 auch in den eigenen Reihen Tendenzen der Orientierungslosigkeit, der Polarisierung der Positionen, einer schärferen Artikulation von Gruppeninteressen und damit insgesamt letztlich der Desintegration gegenüber. Die Stellungnahmen der Verbandsführung zur aktuellen hochschulpolitischen Situation fanden, wie Präsident Schwab es in seinem ersten Rechenschaftsbericht vor dem Hochschulverbandstag 1969 diplomatisch formulierte, „nicht immer den ungeteilten Beifall aller Mitglieder". Die an den Hochschulen bestehenden „Spannungen" spiegelten sich auch in der Mitgliedschaft wider. Während die älteren, etablierten Kollegen sich häufig enttäuscht darüber zeigten, „daß es dem Hochschulverband nicht gelungen ist, die Neuerungen, in denen sie vielfach eine Gefahr für unsere Universitäten sehen, stärker einzudämmen", hätten die Nichtordinarien das Gefühl, „im Hochschulverband nicht hinreichend zu Wort zu kommen".34 In der Tat war im nebulösen Klima eines allgemeinen hochschulpolitischen Auf- und Umbruchs auch die Gruppe der Nichtordinarien von Unruhe erfaßt worden. Das selbstbewußte Auftreten der Bundesassistentenkonferenz auf der hochschulpolitischen Bühne und die ausgesprochen wohlwollende Aufnahme, die ihre Vorstellungen beim interessierten Publikum fanden, schienen die Nichtordinarien ebenso zur vergessenen Kategorie in einer verfallenden Universätätsstruktur zu stempeln wie die Fundamentalkontestation des jOrdinarienstatus', auf den ja doch die Sinnperspektive der Nichtordinarienexistenz wesentlich ausgerichtet war. Schon im April 1968 hatte der Vertreter der Nichtordinarien im Präsidium gefordert, der Verband müsse auch zu Strukturfragen der Hochschulen Stellung beziehen; die Beschränkung auf personelle und wirtschaftliche Belange beschwöre sonst die Gefahr einer selbständigen Nichtordinarien-Vereinigung herauf.35 Im Oktober 1968 führte dann eine außerordentliche Versammlung der Nichtordinarien an der Universität Göttingen der Verbandsführung vor Augen, daß auch in dieser Gruppe Verunsicherung angesichts der laufenden Reformdiskussion herrschte. Der Nichtordinarienvertreter im Präsidium erläuterte, viele seiner Kollegen hätten die Befürchtung, durch das Modell der Drittelparität als eigenständige Gruppe aus der hochschulpolitischen Diskussion herauszufallen, 36 Von den Mainzer Nichtordinarien ging dann im Mai 1969 die Initiative zur Gründung einer Bundesdozentenkonferenz 34

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Karl-Heinz Schwab, Stellung und Aufgaben des Hochschulverbandes, in: MittHV 17 Nr. 4 (1969), S. 101-108, hier S. 106. Vgl. ADHV/P 67, 27,4.1968, TOP 4 u. 5. Vgi. ADHV/P 69, 19.10.1968, TOP 3. 158

Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz

- die Analogie zur BAK zeigte sich schon in der Namensgebung - aus; die Notwendigkeit dieses Schrittes wurde explizit aus der Erfahrung hergeleitet, daß die Nichtordinarien mit ihren Interessen im Hochschulverband nicht durchzudringen vermöchten, weil sie sich nur über das Präsidium oder im Einvernehmen mit den Ordinarien artikulieren könnten.37 Zwar kam es zunächst nur zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft der Nichtordinarien-Sprecher in den Universitätssenaten38, doch konnte der Hochschulverband schließlich trotz intensiver Vermittlungsbemühungen seines zweiten Vizepräsidenten und Vorsitzenden des Nichtordinarienausschusses Dietrich Sinapius die im November 1969 erfolgende förmliche Gründung einer Bundesdozentenkonferenz unter dem Vorsitz des Kieler Privatdozenten Berndt Heydemann nicht verhindern.39 In der Führung des Hochschulverbandes beobachtete man diese Vorgänge mit größter Besorgnis. Schon in einer Sitzung des Nichtordtnarienausschusses im März 1969, die eigens in Mainz abgehalten wurde, um mit den Initiatoren der Rezession' ins Gespräch zu kommen, hatte Geschäftsführer Dorff gewarnt, durch eine Spaltung und „Konkurrenzsituation" in der Vertretung der Hochschullehrerinteressen würde der Hochschulverband „zerstört werden".40 Sogar eine Intervention des Präsidenten bei den für Hochschulfragen zuständigen Ministem des Bundes und der Länder wurde vorbereitet, in der die rechtliche Problematik einer „Zwangsvertretung" einzelner Gruppen am Beispiel der bereits bestehenden Bundesassistentenkonferenz und der drohenden Bundesdozentenkonferenz herausgestellt wurde.41 Daß die Befürchtungen, durch das Auftreten einer zusätzlichen konkurrierenden Interessenorganisation könnte die ohnehin prekäre Stellung des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Diskurs nur noch weiter geschwächt werden, keineswegs aus der Luft gegriffen waren, zeigte sich sogleich nach der 37 i8

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Vgl. ADHV/P 72, 10,5.1969, TOP 6, und ADHV/P 73, 20./21.6.1969, TOP 4, Vgl. Mitteilung des Sprechers der Arbeitsgemeinschaft, Langendorf, an den Hochschulverband vorn 27.5.1969 mit dem nachrichtlich auch an die WRK und die KMK übermittelten Beschlußprotokoll der 1, Konferenz der Nichtordinarien-Sprecher am 16./ 7.5.1969 in Mainz, RA R 380/58. Obschon es dazu keinen förmlichen Beschluß der konstituierenden Konferenz gab, glaubte Langendorf feststellen zu können, „daß die Konferenzteilnehmer wohl einmütig der Aulfassung waren, sich nicht in einem Gegensatz zum Hochschul verband zu befinden". Vielmehr könne „eine geschickte Zusammenarbeit die Realisierung der im gemeinsamen Interesse liegenden Bestrebungen erleichtern". Vgl. ADHV/P 77, 30.1.1970, TOP 1. Kurzprotokoll der 62. Sitzung des Ausschusses für Nichtordinarien-Fragen, 10.3.1969, S. 3, BA B 380/58,

Vgl, das nur im Entwurf vorliegende vierseitige Schreiben Schwabs, ca. 2.5.1969, 380/58. Ob diese sehr pointierte Stellungnahme tatsächlich expediert wurde, ist aus der Akte nicht ersichtlich. Allerdings ging ein im Tenor gleichlautendes Schreiben Schwabs vom 25.4,1969 an die Stiftung Volkswagenwerk (ebda,). Darin wurde „dringend" davon abgeraten, der Bundesdozentenkonferenz die von ihr beantragte Finanzierungsbeihilfe zu gewähren. 159

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre

offiziellen Gründung einer ,Bundeskonferenz der Nichtordinarien' im November 1969. Nachdem die Nichtordinarienkonferenz bei der Rektorenkonferenz um Aufnahme in deren Arbeitsgruppen nachgesucht hatte, wurde dem Hochschulverband vom WRK-Präsidenten nahegelegt, sich die Vertretung der Hochschullehrerbelange in den Arbeitsgruppen der WRK „in bestimmter Weise" mit der Nichtordinarienkonferenz zu teilen.42 In seiner Antwort an den WRK-Präsidenten lehnte Schwab jedes Arrangement mit der BKN bezüglich der Repräsentation in hochschulpolitischen Gremien erwartungsgemäß ab und bekräftigte den Anspruch des Hochschulverbandes, „Ordinarien und Nichtordinarien gleichberechtigt und mit gleicher Beteiligung beider Gruppen zu vertreten". Der Hochschulverband betrachte es im übrigen als eines seiner Hauptziele, „sobald wie möglich Ordinarien und Nichtordinarien in einer Gruppe zu vereinigen", weshalb er in seinem Vorschlag für die künftige Lehrkörperstruktur von „nur einer korporationsrechtlich gleichgestellten Gruppe von Universitätsprofessoren" ausgehe.43 Im April 1970 faßte das Präsidium des Hochschulverbandes, begleitet von publizistischem Sperrfeuer44, mehrheitlich den Beschluß, „mit der Bundeskonferenz der Nichtordinarien nicht zusammenzuarbeiten und sie auch nicht zu Veranstaltungen des Hochschulverbandes einzuladen".45 Die strikte Verweigerungslinie war indes nicht lange zu halten. Nach dem 20. Hochschulverbandstag 1970 revidierte das Präsidium unter dem neuen Präsidenten Finkenstaedt seine Haltung und akzeptierte, „daß man von der Existenz der Bundeskonferenz der Nichtordinarien ausgehen müsse". Da man grundsätzlich „gemeinsame Interessen" verfolge, solle auch „ein gemeinsames Vorgehen" angestrebt werden.4" Dies war nicht nur eine taktische Reaktion. Vielmehr hatte der Hochschulverband angesichts der virulenten Gefahr, sein Monopol einer einheitlichen Vertretung aller Kategorien von Hochschullehrern zu verlieren, inzwischen eine strukturelle Bereinigung der internen Gruppendifferenzen von größter Tragweite vollzogen. Auf dem 20. Hochschulverbandstag am 29. Mai 1970 in Bonn hatte das Präsidium die Neufassung Schreiben des Generalsekretärs der WRK an den Präsidenten des Hochschulverbandes. 3.12.1969, 380/58. 43

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Schwab an WRK-Präsidem Rumpf, 19.12.1969, B A B 380/58. Die Stellungnahme war von Dorff entworfen und mit Vizepräsident Sinapius abgesprochen worden. Vgl, die Notiz ,Eine anachronistische Gründung', in: MittHV Bd. 18 Nr. 2 (1970), S. 92, welche die Gründung der BKN als „einen bedauerlichen Schritt restaurativer Tendenz" wertete. Der Vorsitzende der BKN nahm dagegen am Vorabend des 20. Hochschulverbandstags in einem Brief an den Hochschulverband Stellung und verlangte „im Interesse einer guten Zusammenarbeit" eine „Korrektur der obengenannten Darstellung"; Heydemann an Schwab, 28,5.1970, 380/58. Wohl in der Absicht, den Graben zwischen den beiden Organisationen zu überbrücken, versäumte es Heydemann nicht, auf seine Mitgliedschaft im Ilochschulverband hinzuweisen. ADHV/P 78, 10.4.1970, TOP 7, S. 10. ADHV/P 81, 27.6.1970, S, 5.

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Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz einer Satzung zur Abstimmung gebracht, welche innerverbandlich jegliche Unterscheidung zwischen Ordinarien und Nichtordinarien aufhob. In der neuen Satzung kamen diese Kategorien schlechterdings nicht mehr vor, und damit entfielen auch alle expliziten Regelungen zur Repräsentanz der Gruppen in den Verbandsgremien.47 Zugleich wurde die im Vorjahr offen gelassene Frage der Erweiterung des Zuganges auf elegant-unbestimmte Weise gelöst, indem die Mitgliedschaft ohne nähere Statuskriterien grundsätzlich jedem Hochschullehrer an einer wissenschaftlichen Hochschule ermöglicht wurde.414 Prinzipiell konnte der Verband damit jeder denkbaren Entwicklung der Lehrkörperstruktur mit der gebotenen Flexibilität Rechnung tragen. Eine die neue Satzung interpretierende Verlautbarung machte zwar deutlich, daß der Hochschulverband „auch in Zukunft nur die selbständig in Forschung und Lehre Tätigen und dafür Qualifizierten repräsentieren" wolle.4q Aber es war doch klar, daß der Verband in dieser Situation ein größeres politisches Gewicht nicht ohne eine Verbreiterung seiner Mitgliederbasis erlangen konnte, weshalb die Verbandsführung gleich nach der Satzungsänderung durch den 20. Hochschulverbandstag mit Nachdruck daranging, auch die Professoren der Pädagogischen Hochschulen für den Hochschulverband zu gewinnen.50 47

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Schon die Regie der Satzungsänderung auf dem Hochschulverbandstag war eine Demonstration des Schulterschlusses: Es war der Vorsitzende des Ordinarienkonvents, der die entscheidenden Änderungsanträge einbrachte, wobei ihm der Vorsitzende des Nichtordinarienkonventes sekundierte. Der Ordinarienkonvent hatte arn gleichen Tag die Aufhebung des Unterschiedes zwischen Ordinarien und Nichtordinarien mit der „Mehrheit der Konventsmitglieder begrüßt": „Eine Trennung sei effektiv nicht mehr vorhanden und könne daher gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr vertreten werden". ADHV/HVT 20, 29.5.1970, in Anlage das Kurzprotokoll der 9. Sitzung des Konventes der Ordinarien, S. 4. In der auf dem 21. Hochschulverbandstag 1971 beschlossenen Wahiordung blieb es stillschweigend der Weisheit der Wahlvorbereitungskommission vorbehalten, bei der Nomtnienang der Kandidaten für eine ausgewogene Vertretung der Gruppen zu sorgen, solange in der Hochschulwirklichkeit die Statusunterschiede fortbestanden. Vgi. .Satzung des Hochschulverbandes, beschlossen vom 20. Hochschulverbandstag in Bonn am 29, Mai 1970', als Beil zu MittHV Bd. 18 Nr. 4 {Juli 1970). Der die Mitgliedschaft regelnde § 2 Abs. l lautete: „Mitglied im Hochschulverband kann jeder Hochschullehrer an einer wissenschaftlichen Hochschule in der Bundesrepublik und in Westberlin sowie jeder deutsche Hochschullehrer an einer wissenschaftlichen Hochschule des Auslandes werden". Abs. 2 wies dem erweiterten Präsidium die Kompetenz zu, in ,,Zweifelsfällen" zu entscheiden, „ob die Voraussetzungen der Mitgliedschaft nach Absatz l vorliegen". Vgl. ,Der20, Hochschulverbandstag in Bonn', in: MittHV Bd, 18 Nr. 4 (1970), S. 141f, Vgl. ADHV7P 80; 13.6.1970, TOP 2c, Vom 21. Hochschulverbandstag 1971 wurden dann „Grundsätze zur Auslegung" der Bestimmung in § 2 Abs. l der neuen Satzung verabschiedet. Demnach galten als .Hochschullehrer' im Sinne der Satzung alle Professoren aufgrund von Berufung oder Ernennung sowie alle Dozenten aufgrund von Habilitation. Ergänzend wurde festgelegt, daß auch Assistenzprofessoren als Professoren aufgrund von Ernennung angesehen werden könnten, „wenn sie durch gesetzliche Regelung den Professoren korporationsrechtlich gleichgestellt und damit zu Hochschullehrern im gesetzlichen Sinne erklärt werden". MittHV Bd. 19 Nr. 6 (1971), S. 154. 161

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre Ein dritter wichtiger Reformpunkt der Satzungsänderung von 1970 betraf die Straffung der Verbandsführung, Das vordem siebzehnköpfige Präsidium wurde auf sieben Mitglieder verkleinert (Präsident, Vizepräsident, fünf weitere Vertreter). Ergänzt um die Vorsitzenden der Landesverbände, bildete es das „erweiterte Präsidium", welches das ,engere' Präsidium beraten und unterstützen sollte - im Hinblick auf die Teilidentität vielleicht eine etwas merkwürdig anmutende Konstruktion. Mit der schlagartigen Beseitigung aller ständisch-kurialen Elemente in der Verfassung des Verbandes markiert die Satzung von 1970 aber zweifellos einen Quantensprung struktureller Modernisierung und liefert im Kontext ihres Zustandekommens zudem ein klassisches Beispiel dafür, wie äußerer Druck auf Organisationen ihre innere Entwicklung im Sinne funktionaler Optimierung befördern und beschleunigen kann.51 Diese Satzung hat in der Geschichte des Hochschulverbandes im Wortsinne ,Epoche' gemacht; alle folgenden Satzungen einschließlich der aktuell geltenden waren nur Derivationen des Matrixstatuts von 1970. In der Verfassung vom 29. Mai 1970 hatte der Hochschulverband die Struktur angenommen, in der er im wesentlichen noch heute besteht. Die verbandsinterne Aufhebung der Statusdifferenz im Vorgriff auf deren Beseitigung in der lebensweltlichen Realität der deutschen Universität durch eine grundlegende Reform der Lehrkörperstruktur bewahrte den innerverbandlichen Burgfrieden in bedrängender Zeit und lieferte einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung des Verbandes. Ein Wegbrechen der Nachwuchskohorten der Nichtordinarien und die Reduzierung des Verbandes allein auf die Vertretung der unter Privilegienwahrungs- und Herrschaftssicherungsverdacht stehenden und entsprechend negativ konnotierten Kategorie der etablierten Professoren hätte in der damaligen Situation vielleicht sogar die Existenz der Standesorganisation in Frage gestellt, Dies hatte die Führung des Hochschulverbandes offensichtlich klar erkannt. Ihre Öffnungsoffensive wurde begleitet von einer veritablen Strategie der Umarmung gegenüber der BKN, wobei allem Anschein nach der Führungswechsel von Karl Heinz Schwab zu Thomas Finkenstaedt52, der auf dem 51

52

Konsequent erweise hatte man aus dem den Verbandszweck definierenden g l auch den unzeitgemäßen Terminus,Standesangelegenheiten' durch den allgemeinen Begriff der,Interessen' ersetzt. Thomas Finkenstaedt, geb. 1930 in Planegg bei München; 1948-52 Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte an der LMU München, Staatsexamen 1952, staatl. Dolmetscherpruf ung 1955, Prom. 1955, Habil. 1959; 1960 ao. Prof. für Englische Philologie an der Univ. des Saarlandes, 1961 dort o. Prof., 1965-68 Mitglied des Senats, 1968/69 Dekan der Phil. Fak,; 1972 o, Prof. Univ. Augsburg, wenig später zum wiss. Leiter des Bayer. Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung berufen; 1970-72 Präs., 1972-1973 Vizepräs, des Hochschul Verbandes. Zur näheren Charakterisierung dieser impulsiven und farbigen Persönlichkeit („mit sicherern Gespür für Valeurs und dem baj u warischen Instinkt für Menschen, gepaart mit verschmitzt h inters innigem Humor; Cholerik und Sensibilität halten sich (fast) die Waage") vgl. Franz Letzeiter, Ein vielseitiger Mann, in: MittHV Bd. 31 Nr. 3 (1983), S. 119. 162

Kontestation, Konfrontation und Konkurrenz

20, Hochschulverbandstag zum neuen Präsidenten gewählt worden war, diesen Schwenk wesentlich erleichterte. Finkcnsiaedt hatte, unterstützt von Geschäftsführer Dorff und einem Präsidiumsmttglied der Nichtordinarien, sogleich nach seiner Wahl persönlich Kontakt mit dem Vorsitzenden der Bundesdozentenkonferenz Heydemann aufgenommen und diesem vorgeschlagen, im neu konstituierten ständigen ,Ausschuß für beamten- und besoidungsrechtliche Fragen der Angehörigen der Besoldungsgruppen Hl bis H3' mitzuwirken - dem funktionalen Äquivalent des vormaligen Nichtordinarienausschusses, den es nach neuer Satzungslage ja nicht mehr geben durfte.53 In einem sehr versöhnlich gehaltenen Brief hatte Finkenstaedt dem BKN-Vorsitzenden zugesichert, der Hochschulverband werde „mit allen Mitteln versuchen, die Unterschiede in der beamten-, besoldungs- und korporationsrechtlichen Stellung" der Ordinarien und Nichtordinarien zu beseitigen, Angesichts der hochschulpolitischen Gesamtlage warb der Hochschulverbandsprasident dafür, die Reihen zu schließen und die „leider noch bestehenden Unterschiede innerhalb der Hochschullehrerschaft [nicht] allzusehr zu betonen", denn die „Öffentlichkeit, die Ministerien und nicht zuletzt die Bundesassistentenkonferenz und die Studentenverbände würden derartige Differenzierungen ausnützen".54 Zunächst allerdings zeitigten diese Avancen nicht die gewünschte Wirkung. Die Bundeskonferenz der Nichtordinarien verfolgte unter ihrem Vorsitzenden Heydemann weiterhin eine eigenständige hochschulpolitische Linie, woraus sich neuerlich Konflikte mit dem Hochschulverband ergaben.55 Die Irritationen scheinen jedoch weniger in sachlichen Differenzen als in persönlichen Ambitionen und Animositäten begründet gewesen zu sein.56 Erst im Frühjahr 1972 kam es dann zu einer gewissen Annäherung, wobei Heydemann sogar den Zusammenschluß der beiden Organisationen zur Schaffung eines großen Professorenverbandes unter Einbeziehung der Assistenzprofessoren 53

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Vgl. Dorff an den Vorsitzenden des Nichtordinarien rats der Univ. Münster, 20.6.1970, 380/58. Der neue Ausschuß sollte sich „besonders der nötigen Uberleitungsbestimmungen für die sogenannten Nichtordinarien annehmen". Die Gespräche der Hochschulverbandsführung mit dem Vorstand der BKN hatten am 2. u. 3.6.1970 stattgefunden; vgl. ebda, den von Heydemann verfaßten detaillierten „Bericht über die Aktivitäten des Vorstands und Beirats der .Bundeskonferenz der Nichtordinarien' vorn 22. Nov, 1969 bis 10. Juli 1970". Finkenstaedt an Heydemann, 19.6.1970, B A B 380/58. Vgl. die im Stile eines ,Offenen Briefs' gehaltene zehnseitige Stellungnahme Finkenstaedts vom 16.6.1971 zu einem Schreiben Heydemanns vom 10.6.1971, in dem die beiderseitigen Vorwürfe und Gegenvorwürfe detailliert aufgeführt sind, 380/58. Der 21. Hochschulverbandstag 1971 nahm zur Zusammenarbeit mit der BKN - unter Zustimmung Finkenstaedts - eine durchaus positive Haltung ein, vgl. ADHV/HVT 21, 18./19.6.1971, S. 4, - Es handelte sich bei dem BKN-Vorsitzenden um den Kieler Zoologen und Ökologen Berndt Heydemann (geb. 1930, From. 1953, Habil. 1964), der nach leitenden Funktionen an verschiedenen Umweltforschungseinrichiungen von 1988 bis 1993 Minister für Natur und Umwelt in SchleswigHolstein war. 163

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger jähre

und der Akademischen Räte vorschlug,57 Gleichwohl entwickelte sich das Verhältnis zwischen Hochschulverband und Bundesdozentenkonferenz auch danach keineswegs spannungsfrei.58

2. „ Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft" Verbandspolitische Neuorientierung bis 1974

-

Unter dem Eindruck der politischen Klima Veränderung nach 1968 war man sich durchaus darüber im klaren, daß die Methoden der Ära Felgentraeger nicht mehr ausreichen würden, die hochschulpolitischen Anliegen des Verbandes zu Gehör zu bringen und die Interessen seiner Klientel erfolgreich zu vertreten - wobei wir uns daran erinnern, daß diese Methoden sich ja schon in den sechziger Jahren mehr und mehr als inadäquat erwiesen hatten. Nachdem man sich mit der Sal· zungsänderung von 1970 in der Binnenstruktur des Verbandes vom Traditionsmodell der Ordinarienuniversität gelöst hatte, galt es auch konzeptionell und operativ neue, den veränderten Verhältnissen gemäße - oder doch zumindest dem Zeitgeist angepaßte - Wege und Weisen der Verbandspolitik zu suchen. Unwidersprochen konnte der von den Nichlordinarien gestellte Vizepräsident Dietrich Sinapius auf dem Hochschulverbandstag 1971 feststellen, die „Polarisierung der Hochschulpolitik zwischen Roten Zellen, GEW und Bund Freiheit der Wissenschaft" zwinge den Hochschulverband geradezu, selbst „eine deutliche Position einzunehmen, wenn er nicht weiter im Abseits bleiben wolle". Dazu sei „ein klares und inhaltlich differenziertes Bekenntnis" zu den Reformen, die der Hochschulverband für notwendig halte, ebenso erforderlich wie eine verstärkte Mitgliederwerbung vor allem unter den jüngeren Kollegen unter Einschluß der Assistenzprofessoren, „wenn der Hochschulverband nicht zum Veteranenverein werden wolle".59 Es ist nicht verwunderlich, daß in diesem Zusammenhang sogar das seit der Gründung des Verbandes hochgehaltene Dogma von der nichtgewerkschaftlichen Standesrepräsentanz zur Disposition gestellt wurde. Die Vorstellung, daß der Hochschulverband sich angesichts des Akzeptanzvorsprungs und der Meinungsführerschaft der Studenten- und Assistentenvertetungen im 57 5S

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Vgl. Aktennotiz Dorffs über einen Telefonanruf Heydemanns vom 30,3,1972, 380/58. Der Vorsitzende der BKN warf dem Hochschulverband wiederholt vor, er betreibe weiterhin eine einseitige Ordinarienpolitik und vertrete die Interessen der Nichtordinarien nur allgemein und verbal. Soweit es aus dem bis April 1973 reichenden Vorgang in Faszikel 380/58 ersichtlich ist, war Heydemann darauf bedacht, mit der BKN weiterhin eine eigenständige Rolle in der Hochschulpolitik zu spielen. 1973 übernahm Heydemann den Vorsitz einer in Konkurrenz zum Hochschulverband gegründeten Organisation der Hochschullehrer im Deutschen Beamtenbund; vgl. ADHV/P 123, 26.6.1973, TOP 6, ADHV/HVT21, 18./19.6.197l, S. 3. 164

Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft hochschulpolitischen Diskurs und der sich verstärkenden organisatorischen Präsenz der Gewerkschaften an den Hochschulen möglicherweise nach Bündnispartnern umsehen müsse, um nicht in den toten Winkel der Reformverweigerung abgedrängt zu werden, gehörte verbandsintern längst nicht mehr zum Tabubestand des Undenkbaren. Während aber angesichts der starken Polarisierung der Reformdiskussion und der Rückbindung an einen möglichst breiten Konsens in der Mitgliederschaft ein Eintreten für „globale Reformkonzepte" ohne Rücksicht auf die Interessen der eigenen Klientel zu riskant erschien (man befürchtete eine Welle von Austritten), hielt auch Präsident Finkenstaedt die Zusammenarbeit mit anderen hochschulnahen Organisationen in dienst- und besoldungsrechtlichen Belangen für erforderlich, „weil der Hochschulverband allein nicht als Spitzenverband anerkannt wird und weil alle Innenministerien der Länder eine Bitte um förmliche Beteiligung abgelehnt" hatten. Zwar wurde ein organisatorischer Zusammenschluß mit der GEW oder der ÖTV a limine ausgeschlossen, aber ein korporativer Anschluß an den Deutschen Beamtenbund erschien immerhin kategorial denkbar, zumal es bereits 1962 einmal - allerdings recht kurzlebige - Überlegungen und vorsichtige Sondierungen in diese Richtung gegeben hatte. 60 Da im DBB aber vor allem die Beamtengruppen des mittleren und gehobenen Dienstes vertreten waren und man seitens des Hochschulverbandes von jeher die funktionale und beamtenrechtliche Sonderstellung der Hochschullehrer betont und verteidigt hatte, wurden auch hier die Möglichkeiten der Zusammenarbeit realistischerweise als begrenzt eingeschätzt. Obwohl eine Lösung des offenkundigen Dilemmas zwischen hochschulpolitisch bedingtem Bündnisbedarf und standespolitisch gebotenem Erhalt der Handlungsautonomie zu erkennen war, beauftragte der Hochschulverbandstag das Präsidium in einer weitgefaßten Resolution, „sich weiterhin und verstärkt um eine konkrete Zusammenarbeit mit Berufsorganisationen auf der Grundlage freiwilliger Mitgliedschaft" zu bemühen, 61 Diese Bemühungen konzentrierten sich zunächst in der Tat auf den Deutschen Beamtenbund. Ständig zwischen Kooperation und Konkurrenz oszillierend, fand jedoch das Verhältnis zwischen beiden Organisationen nicht zu einer tragfähigen Basis. Bei einem Gespräch Finkenstaedts mit dem DBB-Vorsitzenden Alfred Krause kündigte dieser im September 1971 an, „daß der DBB eigene Hochschulgruppen gründen" werde, da der Hochschulverband sich nicht bereit erklärt habe, „dem DBB beizutreten". Krause sah angesichts der Polarisierung in der Hochschulpolitik „von links und rechts, vorgestellt durch GEW und DBB", die Hochschullehrer vor die Notwendigkeit gestellt, ,,sich für eine von beiden Seiten" zu 60 61

Vgl, ADHV/P40, 27.1.1962, TOP L Vgl. zum Vorstehenden die ausführliche Diskussion in ADHV/HVT 21, 18.719.6.1971, S. 11-15, 165

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre entscheiden,62 Tatsächlich verstärkte auch die GEW ihre Bemühungen, unter den Beschäftigten der Hochschulen Mitglieder zu gewinnen, doch zeigte sich die Führung des Hochschulverbandes über dergleichen Bestrebungen wenig beunruhigt. Das Präsidium war zuversichtlich, daß „politisch oder gar parteipolitisch festgelegte Organisationen" nur sehr begrenzte Akzeptanz finden würden und sah die Stärke des Verbandes gerade in der Homogenität seiner Klientel und in der Beschränkung auf die Vertretung der „sachlichen Interessen" der Hochschullehrer.63 Vereinzelt aus der eigenen Mitgliedschaft vor allem in NordrheinWestfalen, wo Hochschulverband und DBB bereits kooperierten, vorgebrachten Forderungen, diese Zusammenarbeit zu institutionalisieren, hielt das Präsidium stets entgegen, „daß die besonderen Interessen der Hochschullehrer in einem großen Verband mit entsprechend heterogenen Interessen nicht mit der erforderlichen Nachhaltigkeit und Genauigkeit vertreten werden" könnten.64 Die positive Mitgliederentwicklung des Verbandes in jener Phase dürfte das Präsidium in der Wahrung institutioneller Autonomie und operativer Handlungsfreiheit bestärkt haben. Allein zwischen April 1972 und November 1973 nahm die Zahl der Mitglieder unter Bereinigung der Todesfälle und Austritte um fast 24 Prozent von 6870 auf 8200 zu.65 Dabei lag - auch dies konnte man als Zeichen für die ,Zukunftsfähigkeit' des Verbandes werten - der Schwerpunkt des Erfolges der forcierten Mitgliederwerbung bei den Nichtordinarien. Der größte Teil des Zuwachses kam nach wie vor von den wissenschaftlichen Hochschulen, doch war allmählich auch eine zunehmende Resonanz bei den Professoren der Pädagogischen Hochschulen zu registrieren, denen sich der Hochschulverband 1970 ganz bewußt geöffnet hatte.66 Wenn trotz - beiderseitiger - Vorbehalte die Verhandlungen mit dem DBB über eine institutionelle Zusammenarbeit noch einige Zeit weitergeführt wurden, so lag seitens des Hochschulverbandes das Interesse im etablierten Status des Beamtenbundes als , Spitzen verband' begründet, der ein verbrieftes Anhörungsrecht bei allen die Verbandsmitglieder betreffenden gesetzgeberischen Maßnahmen beinhaltete.67 Da jedoch die Teilhabe an diesem Status letztlich nur unter Preisgabe der organisatorischen Selbständigkeit zu erlangen gewesen wäre68, bemühte sich der Hochschulverband Mitte der siebziger 62 63

ADHV/P 100, 15./16.10.197l, TOP 2. ADHV/P 101, 13.11.1971, TOP 6.

64

ADHV/P 121, 24.5.1973, TOP 7, S. 6. Zur Kooperation zwischen Hochschulverband und DBB in Nordrhein-Westfalen vgl. auch ADHV/P 124, 21.8.1973, TOP 7.

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Vgl. ADHV/P 126, 9.11.1973, TOP 2. Vgl. ADHV/P 116, 15./16.12.1972, TOP 2, und ADHV/P 117, 14,1.1973, TOP 2. Vgl. ADHV/HVT24, 24.5.1974, S. 3f., und ADHV/P 134, 15.6.1974, TOP 7a.

66 67

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Vgl. die vorn Präsidium formulierten Grundbedingungen für eine Zusammenarbeit mit dem DBB in ADHV/P 135, 19.7.1974, TOP 5. Eine offene Darlegung der Motivationslage des Hochschulverbandes und der spezifischen Schwierigkeiten - trotz „absolute[rj Interessenidentität" in der Hoch166

Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft Jahre dieses Ziel gemeinsam mit dem die Fachhochschullehrer vertretenden ,Hochschullehrerbund' in einer .Arbeitsgemeinschaft Hochschule' zu erreichen. Parallel dazu liefen über mehrere Jahre hinweg Sondierungen über die Möglichkeit eines Zusammenschlusses anderer selbständiger Berufsverbände in einem .Bundesverband Höherer Dienst'.69 Der Versuch, für die , Arbeitsgemeinschaft Hochschule' die Anerkennung als Spitzenverband i.S. von § 94 des Bundesbeamtengesetzes gegen das Bundes i nnenministerium auf dem Gerichtswege zu erstreiten, scheiterte jedoch nach anfänglichen Erfolgen. Das Verhältnis des Hochschulverbandes zum Verband der Fachhochschullehrer war ungeachtet fallweiser taktischer Solidarisierung gegenüber den Gesetzgebungsinstanzen doch letztlich geprägt von latenter Spannung zwischen dem Distinktionsbedürfnis der Universitätsprofessoren und dem besoldungsrechtlichen Angleichungswünsehen der Fachhochschullehrer.70 Die ^beitsgemeinschaft' wurde schließlich, als die Tendenz des Hochschullehrerbundes zum }Einheitsprofessor' sich immer deutlicher artikulierte, Anfang der achtziger Jahre vom Hochschulverband aufgekündigt. 71 Alle diese Bemühungen der siebziger Jahre, durch Verbreiterung der Mitgliederbasis und Gewinnung von Bundesgenossen die Position des Hochschulverbandes im hochschulpolitischen Interessenkampf zu stärken, lassen sich als Reaktion auf die allgemeine Polarisierung und Politisierung des gesellschaftlichen Diskurses seit 1968 verstehen. Zumal unter der Präsidentschaft Finkenstaedts hatte der Verband begonnen, sich in seinem öffentlichen Auftreten einen offensiveren, auch polemische Töne nicht scheuenden Politikstü zuzulegen. Was sich 1970 in Formulierungen von immer noch spröder Sachlichkeit erst zaghaft andeutete72, zeigte sich schon ein Jahr später in voller Entfaltung: Der ,neue' Hoch-

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schulpolitik - hinsichtlich einer Kooperation mit dem DBB gibt Dieter Grosser, Der Hochschulverband im Jahre 1972/73. Arbeitsbericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 21 Nr. 3 (1973), S. 154-160, hier S. 156f. Vgl. ADHV/P 145, 27./2S.6.1975, TOP 4, und ADHV/P 156, 4.9.1976, TOP 7, Noch 1978 war man über das Stadium von Verhandlungen über die Aktivierung einer Arbeitsgemeinschaft der Verbände des Höheren Dienstes' nicht hinausgelangt, an der maßgeblich der Philologe n verband und der Verband der höheren Verwaltungsbeamten der Lander beteiligt waren; vgl. ADHV/HVT 28, 5./6.5.1978, TOP 2a. Die Bemühungen des Hochschulverbandes in diesem Zusammenhang sind dokumentiert in 380/887.

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Zur Zusammenarbeit mit dem Fach hochschullehrerverband in der AGH vgl. neben ADHV/HVT 23, 25./26.5.1973, TOP 8, v.a. ADHV/P 121, 24.5.1973, TOP 5; ADHV/P 134, 15.6.1974, TOP 7b; ADHV/P 135, 19.7,1974, TOP 4 (Zwang zur Rücksichtnahme auf die Besoldungsziele des Hochschullehrerbundes} und 5. Vgl, auch Schulten, Der Hochschulverband, S. 59f.

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Die Aktivitäten der ,Arbeitsgemeinschaft Hochschule' sind ausführlich dokumentiert in 380/106 u. B 380/107. Zum Austritt des Hochschulverbandes vgl. das Schreiben von DHVPräsident Schtedermair an den Präsidenten des Hochschullehrerbundes Helmut Groh vom 1.6.1981 sowie die Bestätigung der Trennung durch Groh vom 29.6.1981, 380/107. „Der Verband muß in Zukunft", so hieß es in der ersten Verlautbarung des neuen, von Thomas Finkenstaedt geführten Präsidiums an die Mitglieder, „will er die Interessen seiner Mitglieder in

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Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre schulverband gab sich kämpferisch entschlossen, in die politische Arena zu steigen und sich nach Bedarf (und nach Kräften) auch der dort üblichen Mittel zu bedienen, mochten sie dem traditionellen Selbstverständnis der Standesorganisation bislang noch so fremd gewesen sein. Man hatte begriffen, daß es nicht mehr genügte, mit wohlbegründeten Argumenten abseits der Öffentlichkeit im begrenzten Kreis der politisch Zuständigen und sachlich Kompetenten Überzeugungsarbeit zu leisten. Vielmehr kam es in der modernen Massendemokratie, zu der die Bundesrepublik in den sechziger Jahren geworden war, darauf an, im öffentlichen Diskurs präsent zu sein - auch wenn man diesen Begriff im heutigen Sinne damals nicht kannte. Desgleichen hatte man seit 1967 gelernt, daß man sich den Regeln und der komplexen Semantik dieses Diskurses anpassen mußte, um wahrgenommen und gehört zu werden. Die Hochschulreform sei, so ließ sich das erste Heft der Mitteilungen1 im neuen, ,modernen' Lay-out vernehmen, „unter anderem ein Sprachproblem: Die Hochschullehrer werden das Sprachproblem bewältigen. Sie werden sich Kenntnisse der .neuen Sprache' aneignen und sie verwenden, wenn das in der Reformdiskussion unumgänglich ist. Der Hochschulverband wird diese Sprache dann sprechen, wenn diejenigen, die es angeht, nur noch den neuen Jargon verstehen - oder auch nur zu verstehen vorgeben." Die forsche Ankündigung schloß mit einer Wendung, wie sie zu Zeiten Wilhelm Felgentraegers ganz undenkbar gewesen wäre: „Freilich gibt es - um mit Lichtenberg zu sprechen manche Leute, die nicht eher hören, als bis man ihnen die Ohren abschneidet."73 Die kämpferische Tonlage signalisierte den politischen Adressaten, daß der Verband sich anschickte, nach den jahrelangen Frustrationserfahrungen der .Überzeugungsarbeit' nun den Eskalationsschritt zur Druckausübung' zu tun.74 Freilich konnte die zur Schau getragene Entschlossenheit die Verbandsführung auch jetzt nicht davon dispensieren, sich realistisch Rechenschaft darüber zu geben, ob in den verfügbaren Handlungsoptionen überhaupt die Voraussetzungen gegeben waren für die Entfaltung spürbaren politischen Drucks. Offenheit, Öffentlichkeit, Offensive - mit diesen drei Schlagworten ließe sich der neue Politikstil des Hochschulverbandes charakterisieren. Auch nach innen suchte die Verbandsführung ein stärker diskursiv bestimmtes, auf Information und Austausch basierendes Verhältnis, und die neuen Mitteilungen', die nach Format, Aufmachung und Inhalt mit dem Jahrgang 1971 ein wenig von der Betulichkeit der Vereinsmitteilungen abgestreift und den ersten Schritt zum Mitgliedermagazin getan hatten, bildeten das Forum dieser Mobilisierungsstrategie.

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adäquater Weise vertreten, über die standes(gruppen)politische Vertretung hinaus stärker als bisher allgemeine hochschulpolitische Aktivität entwickeln." MittHV Bd. 18 Nr. 4 (1970), S. 139f. Brief des Präsidiums an die Mitglieder, in: MittHV Bd. 19 Nr. l (1971), S. 3f. Zur analytischen Typologie verbandHcher Einflußnahme von der .Überzeugungsarbeit' über das ,Verhandeln' zur .Druckausübung 1 vgl. Schütt-Wetschky, Jnteressenverbände und Staat, S. llf. 168

Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gezverkschaft Finkenstaedts erster Arbeitsbericht als Präsident war ersichtlich eine Demonstration des neuen Kurses.75 Ungewöhnlich ausführlich und in seinem rhetorischen Gestus betont dialogisch, schlug er einen offenen, auch persönlichen Ton an, sprach Kritik - etwa gegenüber der Rektorenkonferenz76 - unverblümt aus, räumte zugleich das Transitorische und Tentative der neuen Linie ein und sparte auch nicht mit selbstkritischen Akzenten. Finkenstaedt, der klare Worte schätzte und seine Präsidentschaft als eine „ausgesprochene Wahl des Übergangs zu einer neuen Form der Arbeit" bezeichnete, gestand ein, die neue politische Rolle, „die der Verband früher weder übernehmen konnte noch wollte", sei „noch ungewohnt", und sie einzuüben „ein hartes und schwieriges Geschäft". Unverkennbar war seine Absicht, die Mitglieder an den Schwierigkeiten und Aporien dieses Verbandsgeschäfts teilhaben zu lassen. Den rund 7000 Mitgliedern seines Verbandes stellte er jene 5000 Kollegen gegenüber, die es durch persönliche Ansprache noch zu gewinnen gälte. Mit der Schaffung der Gesamthochschule und dem Hinzutreten der Assistenzprofessoren als weitere Gruppe von Hochschullehrern werde der Hochschulverband zwischen „zwei großen Gefahren" stehen, „von denen er keiner unterliegen" dürfe: „Öffnet sich der Hochschulverband allzu rasch und allzu früh, so kann er vielleicht von Kräften unterwandert werden, die wir nicht als Hochschullehrer anerkennen können und die deshalb den Verband allzu leicht zu sprengen in der Lage sein würden. Verschließt der Verband sich zu lange, aus der Änderung der Lehrkörperstruktur und der Schaffung der Gesamthochschule auch seinerseits die Konsequenzen zu ziehen und den Kreis der Hochschullehrer weiter als bisher zu ziehen, läuft er Gefahr, nur noch als Restverband ehemaliger Hochschullehrer jede politische Bedeutung zu verlieren und braucht sich dann wirklich nur noch um seine Veteranenfahne Sorge zu machen."77 In der Tat verschärfte sich, in diesen hochschulpolitisch bewegten Zeiten wenig verwunderlich, das Problem, die Politik des Verbandes gegenüber der Klientel zu l5

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Thomas Finkenstaedt, Der Hochschulverband im Jahre 1970/71. Arbeitsbericht des Präsidenten auf dem 2l. Hochschulverbandstag, in: MittHV Bd. 19 Nr. 4 (1971), S. 143-152. Der zweispaltig gesetzte Artikel ist nach Sachpunktcn übersichtlich in Abschnitte gegliedert, deren Quintessenz durch Zwischenüberschriften markant herausgestrichen wird. Die Beschreibung des Verhältnisses zur WRK ist kennzeichnend für Finkenstaedts ausgeprägte Neigung zu pointierender, sarkastischer Formulierung und verdeutlich beispielhaft den Kontrast zur diplomatischen Zurückhaltung der Ära Felgentracger: „Die Tendenz der Rektorenkonferenz, den Hochschutverband nach Möglichkeit zu übersehen und dafür lieber öffentlich mit Assistenten und Studenten ein Einvernehmen herzustellen, um das Image loszuwerden, unter dem der Hochschulverband anerkanntermaßen leidet, nämlich eine professorale Standesvertretung mit reaktionären Tendenzen zu sein, hat sich im letzten Jahr verstärkt. Bei allem Verständnis dafür, daß die Rektorenkonferenz bemüht ist, sich ein fortschrittliches Ansehen zu geben, um von den heute maßgeblichen Reformpolitikern ernstgenommen zu werden, konnten wir doch dort nicht schweigen, wo die Interessen der Wissenschaft nach unserer Meinung in Gefahr kamen." Ebda,, S. 146. Ebda., S. 150. 169

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre

vermitteln, die er zu vertreten beanspruchte. Finkenstaedt wußte sehr wohl, daß der Hochschulverband sich angesichts „der politischen Polarisierung zwischen rechts- und linksorientierten Kräften" zurückhalten müsse, „wenn er nicht einen beachtlichen Teil seiner Mitglieder verlieren" wolle; dennoch müsse er hochschulpolitisch „stärker auftreten und auch den Verlust einiger Mitglieder riskieren, wenn es um das Eintreten für das eindeutige Übergewicht der Hochschullehrer in den Gremien der Hochschule oder um die Stellungnahme gegen eine Ideologisierung der Wissenschaften gehe".78 Auch das war natürlich keine (partei)politisch .neutrale' Position, wie es solche überhaupt in der hochgradig kontrovers geführten Diskussion um die künftige Gestalt und Funktion der Hochschulen schwerlich geben konnte. Die vergleichsweise hohe Fluktuation - seit 1970 hatte der Verband durch Tod oder Austritt 950 Mitglieder verloren, gleichzeitig aber gut 1000 hinzugewonnen -- könnte darauf hindeuten, daß die offensivere, zur Zuspitzung der Positionen neigende Linie in der Tat nicht bei allen Mitgliedern auf Zustimmung traf.79 Die Gesamtzahl der Mitglieder war in etwa konstant geblieben, doch war die Vertretungsquote, bedingt durch die außerordentliche Vermehrung der Zahl der Professoren gerade in diesem Zeitraum, drastisch abgesunken. Von den 16000 Personen, die 1972 in den Vorlesungsverzeichnissen als Hochschullehrer firmierten - die Geschäftsstelle hatte sich die Mühe gemacht, das auszuzählen gehörten nur noch 46 Prozent dem Hochschulverband an. Wie schon im Vorjahr war festzustellen, daß gerade die jüngeren Dozenten dem Verband fernblieben. Auch wenn die Verbandsführung die hohe Zahl der Austritte in erster Linie auf die 1970 beschlossene Beitragserhöhung und nicht auf politischen Dissens zurückführte, verkannte sie nicht das Alarmierende dieser Tendenz und intensivierte die Aktionen zur Mitgliederwerbung.80 In der folgenden Amtsperiode hat sich das Blatt denn auch, wie oben dargelegt, wieder gewendet, Der Politologe Dieter Grosser*1, der das Amt des Hochschulverbandspräsidenten 1972 übernahm, bekannte sich zu der unter seinem Vorgänger eingeschlagenen Linie einer schärferen hochschulpolitischen Profilierung, wenn er feststellte, „daß 78 79

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ADHV/HVT 22, 5./6.5.1972, S. 5. Ein rein formales Indiz dafür, daß sich das innerverbandliche Konfliktpotential erhöht hatte, wird man auch in der auf dem 22. Hochschulverbandstag 1972 beschlossenen Satzungsänderung sehen müssen, die es ermöglichte. Mitglieder wegen verbandsschädigenden Verhaltens auszuschließen. Vgl. § 3a der geänderten Satzung vom 5.5.1972, Beil, zu MittHV Bd. 20, Nr. 3 (1972). Zur Mitgliederbewegung vgl. Thomas Finkenstaedt, Der Hochschulverband im Jahr 1971/72. Rechenschaftsbericht des scheidenden Präsidenten, in: MittHV Bd. 20 Nr. 3 (1972), S, 131-140, hier S. 135. Dieter Grosser, geh, 1929 in Berlin, zunächst Volksschullehrer in West-Berlin bis 1960, daneben Studium der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der FU Berlin 1954-58; Prom. 1961, Wiss. Ass. FU Berlin ]960-65; Habil. 1967; 1969 Wiss. Rat und Prof, sowie Leiter der Abt. Lehrerbildung am Otto-Suhr-lnstitut; 1970 o. Prof. Univ. Münster, 1974 o. Prof. LMU München; Präs, des Hochschulverbandes 1972-74. 170

Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft

erst [...] unter dem Präsidium Finkenstaedt die hochschulpolitische Arbeit des Verbandes wirklich überzeugend" geworden sei.82 Allerdings zeigte er nicht die ausgeprägte Freude seines Vorgängers an der ,kantigen', gelegentlich auch bewußt provozierenden Formulierung der Verbandspositionen. Grosser war erkennbar darum bemüht, das unter Finkenstaedt recht angespannte Verhältnis zur WRK zu entkrampfen. Obwohl er glaubte beklagen zu müssen, „eine gewisse politische Gleichschaltung des Beamtenapparates auf Bundesebene" habe dort die Bereitschaft, den Verband zu hören, verringert, beteuerte er doch zugleich, daß der Verband - ohnehin „parteipolitisch nicht einseitig orientiert" - sich „nicht in einer grundsätzlichen Opposition" zur sozial-liberalen Regierung in Bonn sehe. Gleichwohl wird man feststellen können, daß per saldo die (hochschul) politischen Präferenzen des Verbandes eher bei den Unionsparteien lagen. Nicht von ungefähr waren es in erster Linie unionsregierte Länder - so vor allem Bayern, aber mit einigen Abstrichen auch Baden-Württemberg -, in denen der Hochschulverband seine größten Erfolge bei der Mitgestaltung der neuen Hochschulgesetze erzielen konnte.83 Eine bedeutende Ausnahme von dieser Erfahrungsregel bildete immerhin das sozialdemokratische Land Nordrhein-Westfalen, wo „dank einer vernünftigen politischen Führung und Ministerialverwaltung" doch auch in schwierigen Phasen dem Verband die Gesprächsbasis erhalten blieb,*4 In diesem Zusammenhang wird zudem ein gewichtiges Problem des inneren Aufbaus und der Organisation des Verbandes sichtbar. Nicht zufällig ließen sich hochschulpolitische Erfolge am ehesten in den Ländern erringen, in denen der Hochschulverband mit einer kräftigen und aktiven Landesorganisation präsent war. Komplementär dazu sind die in der ersten Hälfte der siebziger Jahre immer alarmierender klingenden Klagen über die Überlastung der zentralen Führungsstrukturen des Verbandes zu sehen. Neue Überlegungen zur Reorganisation der Verbandsspitze tauchten auf und verschwanden wieder - von der Einführung eines hauptamtlichen Präsidenten bis zur Gliederung des Präsidiums und der Geschäftsstelle nach dem Ressortprinzip {„Teamarbeit nötig")85, ohne daß durchgreifende Änderungen erfolgt wären. Abgesehen davon, daß ein Abgehen vom Prinzip ehrenamtlicher Verbandsarbeit mit dem Standesethos und Selbstbild der Professoren wohl schlechterdings unvereinbar war - wer vermochte sich schon einen festbestallten Funktionärspräsidenten an der Spitze des Hochschulverbandes 62

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Grosser, Der Hochschulverband im Jahre 1972/73, S. 158. Auch die Tatsache, „daß wir im Verband ein höheres Maß an Geschlossenheit haben als vielleicht vor drei oder vier Jahren", schrieb Grosser der Arbeit des Präsidiums unter Finkenstaedt zu; ebda. S. 154. Ebda., S. 156 und 159. Vgl. Dieter Grosser, Der Hochschulverband im Jahre 1973/74. Der Bericht des scheidenden Präsidenten, in: MittHV Bd. 22 Nr. 3 (1974), S. 157-164, hier S, 158f. Vgl. Finkenstaedt, Der Hochschulverband im Jahre 1971/72, S. 13If.

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Paradise Lost: Die unruhigen siebziger Jahre vorzustellen? -, scheint ein entscheidender Verhinderungsfaktor eines systematischen Ausbaus der organisatorischen Strukturen finanzieller Natur gewesen zu sein. Ein beherzter Versuch von Geschäftsführer Dorff, die großen Industrieverbände für eine finanzielle Unterstützung des Hochschulverbandes zu gewinnen, wurde auf beinahe düpierende Weise zurückgewiesen mit dem Bemerken, der Verband müsse sich erst aus seiner gesellschaftspolitischen Bedeutungslosigkeit herausarbeiten und zeigen, daß er etwas für die Interessen der Unternehmen zu leisten vermöge, ehe man an eine Wahrnehmung des Verbandes durch die Unternehmer überhaupt denken könne.86 So galt auch für die siebziger Jahre weiterhin, was schon zu Zeiten Wilhelm Felgentraegers die Regel gewesen war: Der Verband konnte seinen Aufgaben nur durch den selbstvergessenen Einsatz seiner gewählten Sachwalter im Präsidium und in den Ausschüssen sowie der Mitarbeiter der Geschäftstelle, allen voran Gerth Dorffs, einigermaßen gerecht werden. Dies galt um so mehr, als die uns schon seit den frühen Anfängen des Verbandes bekannte Schwachstelle seiner Struktur - die mangelnde Schlagkräftigkeit und die teilweise dürftige organisatorische Präsenz an den einzelnen Hochschulen - im Konfliktklima dieser Jahre deutlicher denn je in Erscheinung trat.87 Aber auch der markante Zuwachs an Volumen und Bedeutung, den die individuelle Beratung von Mitgliedern sowie weitere Serviceleistungen im Aufgabenkanon der Geschäftsstelle in diesen Jahren zu verzeichnen hatten, verschärfte das Problem. Es ist schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß mit der Zunahme der Serviceleistungen im Gesamtspektrum der Verbandstätigkeit ein Entwicklungstrend gesetzt war, der das Profil des Verbandes auf lange Sicht nachhaltig verändern sollte. Man wird auch darin ein Zeichen der Modernisierung und Anpassung des Verbandes an die Wandlungen der Gesellschaft wie auch der Berufsgruppe selbst sehen können. Zielte die operative Neuorientierung spätestens seit der Präsidentschaft Finkenstaedts generell darauf ab, dem Hochschulverband mehr politisches Momentum zu geben, so lenkte Dieter Grosser den Rollenwandel in eine Richtung, die man, hätte sie sich auf Dauer durchgesetzt, ohne Übertreibung als einen Paradigmenwechsel bezeichnen müßte. Grosser versuchte, wohl auch um die Akzeptanz des Verbandes im dominierenden sozial-liberalen Politikmilieu zu erhöhen, seiner Organisation ein gewerkschaftsähnliches Rollenprofil zu geben. Schon in seiner Vorstellungsrede auf dem 22. Hochschulverband stag hatte Grosser erklärt, „daß 86

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Die Korrepsondenz mit BDI und BDA findet sich in 380/49; besonders aufschlußreich ist die ernüchternde Aktennotiz Dorffs vom 7.6.1973 über ein Gespräch bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Köln am 5.6.1973. Zu den Problemen der inneren Organisation vgl. Finkenstaedt, Der Hochschulverband im Jahre i970/71, S. 143f.; bes. ausführlich Ders., Der Hochschulverband im Jahre 1971/72, S. 131-135; Grosser, Der Hochschulverband im Jahre 1972/73, S. 158, und Ders., Der Hochschulverband im Jahre 1973/74, S. 158f. 172

Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft

die vom bisherigen Präsidium begonnene Orientierung an gewerkschaftlichen Aufgaben konsequent weitergeführt werden müsse".88 Dazu gehörte zum einen ein un verkrampfte s Bekenntnis zu dem Ziel, eine Verbesserung der Besoldung, der Ausstattung und der Arbeitsbedingungen der Hochschullehrer zu erreichen, Dazu gehörten aber auch neue, dem traditionellen Selbstverständnis des Hochschulverbandes bis dahin ganz fremde Formen der politischen Manifestation wie etwa die öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzte Überreichung einer Petition an den Bundestag im Herbst 1973.89 Am Ende seiner zweijährigen Amtszeit bekräftigte Grosser noch einmal in plakativen Formulierungen den Wandel seines Verbandes „Vom Honoratioren-Club zur Hochschullehrer-Gewerkschaft1'.90 Wenn Grosser dann noch betonte, daß der Verband mittlerweile „als eine gewerkschaftlich orientierte Organisation [...] weithin anerkannt" sei, so waren das in Anbetracht der langjährigen Perhorreszierung dieser Terminologie im Selbstverständnis des Hochschulverbandes doch in der Tat ungewohnte Töne, Aber die ausgesprochen positive Mitgliederentwicklung während Grossers Amtszeit mit jährlichen Zuwachsraten von zehn und mehr Prozent konnte als Bestätigung dieses Kurses verstanden werden, selbst wenn sie danach wieder abflachte. Als Grosser das Amt des Präsidenten 1974 an den Braunschweiger Historiker Werner Pols übergab, konnte er, obwohl das Verhältnis zu Bundeswissenschaftsminister Klaus v. Dohnanyi höchst gespannt war, doch mit vorsichtigem Optimismus konstatieren, „daß wir aus der vordersten politischen Kampflinie heraus sind", Der Entwurf für ein Hochschulrahmengesetz hatte nach einigen Modifikationen, die der Hochschulverband nicht zuletzt auch seinen intensiven 88 89

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ADHV/HVT22, 5.5.1972, S. 13. Die Überreichung der Petition erfolgte am 25.10.1973, Sie war von Grosser in einem persönlichen Gespräch mit Bundestagspräsidentin Annemarie Renger vorbereitet wurden. Die Petition, die auch vom Hochschullehrerbund mitgetragen wurde, beinhaltete die Vorstellungen und Forderungen der beiden Verbände zum Hochschulrahmengesetz und zur Neuordnung des Beamten- und Besoidungsrechts im Hochschulbereich. Die organisatorische Durchführung der Aktion ist dokumentiert in BA B 380/250, für die damit verbundenen Ziele sind die Präsidiumsprotokolle ADHV/P 118-121 u. 124 zu konsultieren. Von der Behandlung der Petition durch den Petitionsausschuli zeigte sich der Hochschulverband enttäuscht; vg). .Petitionsausschuß versteckt sich hinter der Bundesregierung. Eine enttäuschende Reaktion auf die Eingabe der Hochschullehrer', in: MittHV Bd. 21 Nr. 6(1973), S, 333f. Unter dieser Überschrift wurde ein Interview, welches Grosser der Münsteraner Universitätszeitschrift ,Nachrichten & Berichte' gegeben hatte, ungekürzt wieder abgedruckt in: MittHV Bd. 22 Nr. 2 (1974), S. 75-82, Freilich war sich auch Grosser völlig darüber im klaren, daß dem Hochschulverband das entscheidende Druck- und Machtmittel echter Gewerkschaften, nämlich die Möglichkeit der kollektiven Leistungsverweigerung ihrer Mitglieder, fehlte. So räumte er ein, die Fragen von Persona l Struktur und Besoldung habe sein Präsidium nicht in befriedigender Weise lösen können, und fügte hinzu: „Lediglich ein Streikrecht einer Gruppe mit einer für die Wirtschaft wichtigen Schlüsselposition hätte uns hier weitergebracht." Grosser, Der Hochschulverband im Jahre 1973/74, S. 161. 173

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre Bemühungen bei den Hochschulpolitikern der beiden großen Parteien und in den zustandigen Ministerien zuschrieb, eine Form erreicht, „die zumindest bezüglich der Mitbestimmungsregelungen für uns erträglich sein wird". Verschiedene Projektaufträge zur Erstellung spezieller Struktur- und Funktionsanalysen aus dem Hochschulbereich, die der Verband vom Bundeswissenschaftsministerium erhalten und trotz der damit verbundenen enormen Belastungen für die Geschäftsstelle auch ausgeführt hatte, boten willkommene Gelegenheit, „die Leistungsfähigkeit des Verbandes wieder unter Beweis zu stellen".91 So ergibt sich in der Summe der Einzelaspekte der Eindruck, daß der Hochschulverband wieder Tritt gefaßt und an Selbstbewußtsein gewonnen hatte, wozu zweifellos auch das berühmte ,Mitbestimmungs'-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29, Mai 1973 seinen Teil beitrug, welches die Position der Professoren in der Gruppenuniversität nachhaltig stärkte.92 5,

Hochschulreform als Gesellschaftsreform: Der Weg zum Hochschulrahmengesetz

Es versteht sich von selbst, daß sich nach 1968 die Antwort des Hochschulverbandes auf die Herausforderungen der Zeit nicht in Maßnahmen zur Imagepflege und in neuen Formen des Auftretens erschöpfen konnte. Er mußte auch inhaltlich Stellung nehmen zu den im Gefolge der Studentenunruhen wieder ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückten Fragen der Hochschulreform. Der Reformdiskurs hatte nicht allein brennende Aktualität erlangt, sondern auch eine neue Dimension und Qualität. Erinnern wir uns: Nach einer letztlich nur Episode gebliebenen Reformdiskussion von durchaus programmatischer Emphase in den allerersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg war das Thema Hochschulreform in den fünfziger Jahren im wesentlichen doch ein Bz>mettdiskurs im gesellschaftlichen Teilsystem Wissenschaft geblieben und überwiegend unter funktionalen

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Grosser, Der Hochschulverband im Jahre 1973/74, S. 160 und 162f. Grossers Genugtuung erscheint insofern verständlich, als damit das wächtigste Kapital des Hochschulverbandes, seine hochschulpolitische Expertenschaft, wiederhergestellt war durch den Nachweis, „daß im Grunde keine andere Organisation {...] überhaupt noch in der Lage ist, solche Analysen aus dem Hochschulbereich zu erstellen." Die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum Vorschaltgesctz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz vom 26.10.1971 hatte das „organisatorische System der .Gruppenuniversität'" „als solches" für vereinbar mit Art 5 Abs. 3 GG erklärt, dem Staat aber auferlegt, der „herausgehobenen Stellung der Hochschullehrer" Rechnung zu tragen; vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd, 35, Tübingen 1974, Nr. 10. Der Hochschulverband hatte die Beschwerdeführer mit einem von Hans Zacher erstellten Gutachten unterstützt; vgl. Schulten, Der Hochschulverband, S. 57f. Vgl. allg. auch Rupp, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, S. 48, sowie Dieter Lcuzc, Mitwirkungsrechte, in: Hb. des Wissenschaftsreehts (1982), Bd. l, S. 303-326, hier S. 309f, 174

Hochschulreform als

Gesellschaftsreform

Kategorien der technisch-organisatorischen Systemoptimierung verhandelt worden. Seit Beginn der sechziger Jahre war die politische Reformprogrammatik in den Hintergrund getreten95, während zugleich durch den institutionellen und personellen Ausbau der bestehenden Universitäten und die mit bestimmten Reformansätzen verbundene Gründung neuer Hochschulen gleichsam eine ,stille' Reform im Sinne einer weitreichenden Modernisierung des deutschen Hochschulwesens im Rahmen des gesamtgesellschaftlichen Prozesses der Bildungsexpansion erfolgte.94 Die Universität, gegen die sich seit 1967 der hochgradig affektgeladene Protest eines Teils der Studentenschaft richtete, war also bereits eine ein gutes Stück weit, reformierte', jedenfalls im funktionalen Sinne modernisierte Institution, auch wenn sie daneben weiterhin die Spuren und Strukturen ihrer langen Vergangenheit in sich trug und belastet war von den Verspannungen und Verwerfungen zwischen Überlebtem, das nicht weichen wollte, und Ansätzen des Neuen, die zur Entfaltung drängten.95 Was die 1968 mit ungeahnter Vehemenz wieder aufgebrochene Reformdiskussion von den vorangegangenen hochschulpolitischen Debatten unterschied, war ihre Hybridisierung mit Forderungen und Vorstellungen zur Veränderung der Gesellschaft ganz grundsätzlich und ganz allgemein. Die Hochschulreform wurde zum Vehikel einer ideologiegesteuerten Gesellschaftsreform, und die Hochschulen wurden zum Exerzierfeld eines planungseuphorischen und sozialtechnokratisch souverän über die Zukunft verfügenden, in der Wahl seiner Mittel wie hinsichtlich der Verantwortung für die Folgen gleichermaßen unbekümmerten Reformaktionismus. Dabei lag in dem Willen, die Emanzipation der Gesellschaft über die Reform der Universität anzugehen, 93

Als wichtige Ausnahme ist hier die noch vergleichsweise konstruktiv angelegte Reform seh rift des SDS von 1961 zu nennen: .Hochschule in der Demokratie. Denkschrift des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes zur Hochschulreform', Frankfurt/M. 1961. Sie wurde (nach der 2. Aufl. von 1965) 1972 nachgedruckt u.d.T. ,SDS Hochschuldenkschrift'. ' ' Vgi, die knappe Skizze dieser Entwicklung bei Frank R. Pfetsch, Die Hochschulreform und die 68er-Bewegung, in: Strobel (Hg,}, Drei Jahrzehnte Umbruch, S. 128-139, sowie Rolf Neuhaus (Hg,): Dokumente zur Gründung neuer Hochschulen. Anregungen des Wisse n Schafts rate s, Empfehlungen und Denkschriften auf Veranlassung von Ländern in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1960-1966, Wiesbaden 1968. Eine zeitgenössische Artikulation des Unbehagens über das Fehlen politischer Reformkonzeptionen und den „seltsamen Kontrast zwischen dem eifrigen Ausbau des Bestehenden und dem gleichzeitigen Mißerfolg aller tiefgreifenden Reformbemühungen" findet sich bei Christian Graf v. Krockow, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten einer Reform am Beispiel der deutschen Hochschulen, in: Studium und Hochschule. Vorträge einer Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum (= Schriften des Hochschulverbandes. 14), Göttingen 1963, S, 137-156, Zit, S, 149, Über die Maßnahmen zur Förderung der Wissenschaft durch die Bundesländer in struktureller, personeller und finanzieller Hinsicht für den Zeitraum von 1964 bis 1966 informiert detailliert die sechsseitige Übersicht des Sekretariats der KMK vom 27,7.1967, BA ß 380/884. ' ' Aufschlußreich auch in allgemeiner Hinsicht die Beobachtungen und Analysen von Walter Rüegg. Das Ende einer Liebe auf den ersten Blick, in: Bertram Schefold (Hg.), Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in Frankfurt am Main, Marburg 1989, S. 199-215. 175

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger jähre

im Prinzip natürlich gar nichts Verkehrtes; im Gegenteil, gerade nach dem Maß ihres selbstgestellten Auftrags und Anspruchs kommt es den Hochschulen mehr als jeder anderen Institution auch zu, das Zukunftslabor der Gesellschaft zu sein - unter Inkaufnahme des Experimentalcharakters, den das notwendigerweise impliziert. Man wird sich andererseits aber nicht verwundern dürfen, daß gerade die Überlagerung der Hochschulreform mit Zielen und Motiven der Gesellschaftsreform den hochschulpolitischen Diskurs befrachtete und polarisierte, und daß die Professoren - oder jedenfalls viele von ihnen - als die Objekte jenes Experiments, bei dem der fortschrittliche Teil der Gesellschaft im Sozialgehege der Universität probeweise (und stellvertretend) seine Ideen von egalitärer Demokratie und ,herrschaftsfreiem Diskurs' ins Werk setzte, sich auch als dessen Opfer fühlten.56 Erstmals war das Präsidium des Hochschulverbandes im April 1968 mit einer Erklärung zu den Tagesforderungen nach einer Reform der Hochschulen hervorgetreten. Die Notwendigkeit von Veränderungen angesichts bekannter Mißstände und Problerne wurde nicht geleugnet, doch sah man die Ursachen dieser Probleme in der Überfüllung der Hochschulen und nicht in Demokratiedefiziten ihrer Verfassung. Das Recht der Studenten auf „Anhörung und Mitsprache in den akademischen Organen" wurde anerkannt, aber die Vorstellung einer „.Demokratisierung der Hochschule' als Kontrolle durch Studenten" erschien abwegig. Daß auch die Forderung nach „gleicher Repräsentation von Hochschullehrern, Assistenten und Studenten etwa im Rahmen der ,Drittelparität'" als „indiskutabel" zurückgewiesen werden mußte, ergab sich für die Autoren der Erklärung zwingend aus der Abstufung der Kompetenz und der Verantwortung der drei Gruppen für die Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen in Forschung und Lehre,97 Im Rückblick aus der Distanz von dreißig Jahren erscheint die Erklärung, wenngleich unverkennbar reformskeptisch, insgesamt maßvoll und abgewogen, doch fand sie unter den Mitgliedern des Hochschulverbandes keine ungeteilte Zustimmung. Das Echo auf die Verlautbarung war durchaus gemischt; es gab neben positiven auch eine Reihe negativer Zuschriften, und selbst einige Austritte waren zu verzeichnen.98 * Eine aspektereiche und keineswegs nur von apriorisch reformkritischen Positionen ausgehende Bilanz der Hochschulreform ergibt sich aus der Zusammenschau der Beiträge in: Horst Alben Glaser (Hg,), Hochschulreform - und was nun?, Frankfurt/M. u.a. 1982. 97 Vgl. .Erklärung des Präsidiums des Hochschulverbandes vom 27.4.1968', in: MittHV Bd. 16 Nr. 3 (1968), S. 81-88 (Zitate S. 83. u. 85). 98 Vgl. ADHV/P 69, 19.10.1968, TOP 3. Grundlegende Kritik an der Erklärung des Präsidiums kam von den Mitgliedern des Hochschulverbandes an der Universität Konstanz. Diese beanstandeten, daß das Präsidium „ohne weiteres namens des gesamten Hochschulverbandes gesprochen hat, obwohl kaum zweifelhaft sein kann, daß viele deutsche Hochschullehrer die in der .Erklärung' vertretenen Aurfassungen nicht teilen". Die Kritiker hielten die dort gegebene „Analyse der hochschulpolitischen Lage für unzureichend, die aus der Analyse abgeleiteten Forderungen für frag176

Hochschulreform als

Gesellschaftsreform

Nachdem die Bundesassistentenkonferenz von Mai bis Oktober 1969 ihr „Modell für eine radikale Reform" der Pcrsonatstruktur an den Hochschulen erarbeitet hatte, das am Konzept der Gesamthochschule orientiert und dessen Kem die Konstruktion des Assistenzprofessors war95, antwortete der Hochschulverband im November 1969 mit einem Gegenmodeil. Es basierte im wesentlichen auf drei Kardinalpunkien: Der Entlastung der .Wissenschaftlichen Assistenten' mit der Zielvorgabe, „daß Funktion und Stellung der Wissenschaftlichen Assistenten geeignet sein müssen, Ausbildung und Auswahl eines großen Teils des Nachwuchses von Professoren zu gewährleisten"; dem Festhalten an der Habilitation; und - als entscheidendes Integrationsangebot an die Nichtordinarien - der Zusammenfassung aller „an den wissenschaftlichen Hochschulen hauptberuflich tätigen Hochschullehrer" in einer einzigen Gruppe von „Universitätsprofessoren".100 1971 ging der Verband mit einer detaillierten Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein Hochschulrahmengesetz des Bundes, die nicht nur im Präsidium, sondern über das Forum der , Mitteilungen' auch mit den Verbandsmitgliedem gemeinsam diskutiert worden war, im Rahmen einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit. 101 Dabei versteifte sich der Verband, wie schon 1968, durchaus nicht auf eine Position, welche die Reformbedürftigkeit des Hochschulwesens schlechthin abgestritten hätte. Im Gegenteil - im Fokus der Verbandskritik stand mehr die von den Ländern geschaffene oder zugelassene, in vielerlei Hinsicht als höchst problematisch eingestufte Hochschulwirklichkeit als die von der sozialliberalen Bundesregierung zu deren Remedur entworfene Reform Perspektive. Der Grundsatz einer ,funktionsgerechten Mitbestimmung' wurde ebenso begrüßt wie die rahmengesetzliche Regelung der Hochschulverhältnisse als solche. Die Idee der Gesamthochschule wurde zwar nicht a limine verworfen, aber doch mit vielen konkreten Kautelen eingehegt. Auf deutliche Ablehnung stieß die der hochschul-

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würdig". Die Konstanzer Kritik wurde vollständig abgedruckt in: MittHV Bd. 16 Nr. 4 (1968), S. 147f. Vgl. Bundesassistentenkonferenz (Hg.), Reform der Lehrkörper- und Personais t ruktur; TUT Entstehungsgeschichte des Modells ebda. S. 8ff. Vgl. .Vorschlag des Hochschulverbandes zur Lehrkörperstruktur 1 , in: MittHV Bd. 17 Nr. 6 (1969), S. 167-180; bes. aufschlußreich die tabellarische Synopse der damals kursierenden Lehrkörperstrukturmodelle, S. 180. Zu den Universitätsprofessoren, die einheitlich der Besoldungsgruppe H 4 (analog A 16) zugewiesen werden sollten, hieß es erläuternd, diese übten damit „diejenigen Funktionen in Forschung und Lehre sowie in der Selbstverwaltung aus, die bisher von den ordentlichen und außerordentlichen Professoren, den Abtei lungs Vorstehern und Professoren, den Wissenschaftlichen Räten und Professoren, den Universitä'ts- und Hochschuldozenten einschließlich der außerplanmäßigen Professoren sowie den habilitierten Oberärzten, Oberassistenten und Oberingenieuren erfüllt wurden". Ebda. S. 174. Diese Formulierung implizierte auch die korporationsrechtliche Gleichstellung innerhalb dieser Gruppe. Vgl. ,Stellungnahme des Verbandes zum Hochschulrahmengesetzentwurf, in: MittHV Bd. 19 Nr. l (1971), S, 9-22. 177

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre politischen Reformprogrammatik immanente gesellschaftspolitische Tendenz zu Egalisierung und Nivellierung. Diese Vorbehalte galten jedoch nicht - hier blieb man in der Konsequenz der eigenen Vorschläge zur Reform der Lehrkörperstruktur - bezüglich einer dienst-, besoldungs- und korporationsrechtlichen Vereinheitlichung der Professorenschaft. Auf jeden Fall müsse, so lautete diesbezüglich die zentrale Forderung, „die gegenwärtige komplizierte Rangordnung des Stellenplans vom Dozenten bis zum Ordinarius, die ja sowieso nur aufgrund der Sparsamkeit der Landesregierungen geschaffen wurde, um die in den jeweiligen Stufen Beschäftigten mit einem halben Titel und kleinen Verbesserungen abzuspeisen [.,.], durch eine an der Funktion orientierte Lehrkörperstruktur ersetzt werden". Interessanterweise schien der Verband zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich bereit, mangels realistischer Alternativen die Aufteilung der Professorenschaft in Professoren und Assistenzprofessoren hinzunehmen.102 Mit der auch in diesem Zusammenhang wieder bekräftigten Forderung, daß „sämtliche habilitierten, hauptamtlichen Hochschullehrer" in die Gruppe der beamteten Professoren übergeleitet werden müßten, hatte der Verband nicht nur nach innen ein wirksames Integrationsinstrument zur Verfügung, sondern auch ein Argument von bleibender hochschulpolitischer Validität.103 Noch Jahre später konnte es der Verband dem Gesetzgeber als reformpolitische Halbherzigkeit und Inkonsequenz ankreiden, daß er die alte Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Professoren besoldungsrechtlich in Gestalt der C3/C4-Differenz ins Reformzeitalter hinein fortgeführt habe.104 Mit der professionellen Präsentation der Verbandsposition zum Hochschulrahmengesetz konnte die Verbandsführung unter Finkenstaedt unstreitig einen Erfolg ihrer neuen Offentlichkeitsstrategie verbuchen. Die Resonanz in der Presse war bemerkenswert groß und tendenzlell der Argumentationslinie des Hochschulverbandes gewogen.105 Hatte der Hochschulverband in den vorangehenden Fällen nur auf konzeptionelle Vorgaben anderer Akteure der Hochschulreformdiskussion reagiert, so 102 103

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Ebda., S. 13. Ebda., S, 19. Der zur gleichen Zeit vorgelegte Entwurf der CDU-Bundestagsfraktion für ein Hochschulrahmengesetz fand eine insgesamt sehr viel positivere Bewertung als der Regierungsentwurf, stieß in einigen Punkten (etwa Beteiligung des nichtwissenschaftlichen Personals an der Selbstverwaltung, die „deklamatorische Ablehnung der Habilitation", die Abschaffung der Emeritierung) aber auch auf klare Ablehnung; vgl. ,Zum CDU-Entwurf eines Hochscbulrahmengesetzes', in: MittHV Bd. 19 Nr. l (1973), S. 23. Vgl. Gerth Dorff, Wer wird Professor? Die Ü b er l eitungsbe Stimmungen im Hochschulrahmengesetz, in: MittHV Bd. 24 Nr. 5 (1976), S. 233-237; femer Thieme, Deutsches Hochschul recht (21986), S. 476. Vgi. die detaillierte Bilanz ,Resignieren die Hochschullehrer? Das Presse-Echo auf die Stellungnahmen des Hochschulverbandes 7,um Hochschulrahmengesetz', in: MittHV Bd. 19 Nr. l (1971), S. 35S. 178

Hochschulreform als Gesellschaftsreform meldete er sich 1972 mit einem eigenen Grundsatzprogramm zur Hochschulreform zu Wort. Es sollte nach außen seine Position in der hochschulpolitischen Diskussion deutlich markieren und „die differenzierten Vorstellungen der Hochschullehrer in der Öffentlichkeit" bekanntmachen 106 , zugleich aber auch verbandsintern eine Erörterung der aktuellen Problemlage in Gang setzen, um so als „eine jederzeit veränderbare und weiterzuentwickelnde Richtschnur für die Arbeit des Präsidiums" zu dienen, Deshalb wurden bei der Veröffentlichung des Grundsatzprogramms in den ,Mitteilungen' die Mitglieder ausdrücklich um Kritik und Verbesserungsvorschlage gebeten,107 Die Verbandsführung war, wie schon bei anderen Gelegenheiten beobachtet werden konnte, inzwischen für die Psychologie medialer Präsentation von Interessenstandpunkten hinreichend sensiblisiert, um sich nicht in der Rolle obstinater Reformverweigerer darzustellen. „Positive Formulierungen sollten bevorzugt werden" - das war auch die Maxime des Hochschulverbandstages von 1972 gewesen,108 Gleichwohl war das Grundsatzprogramm in einem Ton bebender Ungeduld gehalten und ließ insgesamt nicht verkennen, daß sich die Haltung des Verbandes zu dem in Planung befindlichen Hochschulrahmengesetz vor dem Hintergrund der praktischen Erfahrungen der Professoren mit dem Reformalltag an deutschen Universitäten deutlich verhärtet hatte. Die Hoffnung, „durch Mitbestimmung zur freien und rationalen Zusammenarbeit aller Beteiligten zu gelangen", so hieß es, habe sich nicht erfüllt. Die Hochschulreformpolitik dürfe auch nicht länger „der globalen Erprobung scheinbar plausibler, aber ungeprüfter Konzepte Raum geben und dabei auch noch die extreme Belastung durch die Angriffe politischer Aktivisten geflissentlich übersehen". Formulierungen wie die, es drohe eine Situation, „in der die Hochschule von der Koalition der Anarchisten mit den Opportunisten und den Faulen beherrscht" würde, können wohl als Gradmesser für die Erhitzung der hochschulpolitischen Debatte genommen werden.109 Die Konstruktion des Assistenzprofessors, im Vorjahr immerhin noch für diskutabel gehalten, und die damit in Zusammenhang stehende „Abschaffung des Wissenschaftlichen Assistenten" wurden nun als „unbrauchbar" verworfen. Demgegenüber versäumte es der Verband auch bei dieser Gelegenheit nicht, die Vernachlässigung der Probleme der Nichtordinarien in dem vorwiegend von den Assistenteninteressen dominierten Diskurs anzuprangern. Andererseits erschöpfte 106

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Vgl. die Beratung und Verabschiedung des Programms auf dem 22, Hochschulverbandstag vom 5./6.5.1972 in Freiburg i. Br., ADHV/HVT 22, TOP 6. Vgl. ,26 Punkte zur Hochschulreform. Die Haltung des Hochschulverbandes in der hochschulpoütischen Diskussion', in: MittHV Bd, 20 Nr, 3 (1972), S. 146-156. ADHV/HVT 22, S. 9. ,26 Punkte', S. 146. 179

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre

sich das umfangreiche Programmpapier nicht in der Abwehr unliebsamer Gegenpositionen. Ein erheblicher Teil war in der Tat auch ,positiven' Vorschlägen und Forderungen zu Problemaspekten gewidmet, die über den Tageshorizont der hochschulpolitischen Auseinandersetzung hinaus auf langfristige strukturelle Bedürfnisse des deutschen Hochschulsystems und des gesamten Wissenschaftsbetriebes zielten.110 Welch tiefe Einprägungen der schon seit mehr als vier Jahren tobende Reformdiskurs {um nicht die ominöse Vokabel des .Zeitgeists' zu bemühen) ganz offensichtlich auch im Bewußtsein der Hochschullehrer und ihrer Standes- nein: Berufsvertretung mittlerweile hinterlassen hatte, sei nur noch an zwei Punkten illustriert. Es erscheint im Blick auf die lange Tradition der Ordinariendominanz an der deutschen Universität bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit man sich nun - zumindest in offiziellen Verlautbarungen wie dieser - im Interesse „wissenschaftlicher Kollegialität" zu einer ,,egalitäre[n] Struktur des Lehrkörpers ohne die durch verschiedene Besoldungsgruppen und Ränge entstehenden Stafusunterschiede" bekennen konnte. Andererseits nimmt man nicht ohne Erstaunen zur Kennntis, daß zur organisatorischen Rationalisierung der Hochschulen „die Einrichtung einer starken Verwaltung", sei es unter einem Präsidenten oder unter kollegialer Leitung bis hin zur Einführung eines hauptamtlichen Dekans in Massenfächern, für erforderlich gehalten wurde.111 Nachdem die Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes in der sechsten Legislaturperiode des Bundestages am Widerstand der Unionsparteien gescheitert war und das Bundesverfassungsgericht die hochschulpolitischen Koordinaten in einem wesentlichen Punkt im Sinne der Professoren justiert hatte, wurde das politische Ringen um eine rahmenrechtliche Regelung in der siebten Legislaturperiode in einer doch merklich beruhigten Gesamtkonstellation wieder aufgenommen. Der gesellschaftspolitische Reformimpetus war unter den Bedingungen eines (weit)wirtschaftlichen Paradigrnenwechsels mit verstärkten ökonomischen Krisensymptomen etwas erlahmt, und auch der hochschulpolitische Reformeifer hatte sich im Mahlwerk des Hochschulalltags deutlich abgenützt. Hinzu kam, daß angesichts der weit fortgeschrittenen hochschulrechtlichen Entwicklung auf der Ebene der Länder das Projekt des Hochschulrahmengesetzes seinen Regelungsprimat teilweise eingebüßt hatte und mehr oder weniger den Charakter des Nachvollzugs annahm. 112 Die Figur des Assistenzprofessors war inzwischen nach 110

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Das Programm gliederte sich in folgende sechs Abschnitte: I. Pragmatische Lösungen, iJ, Studienreform, III. Neuordnung der Lehre, IV. Reorganisation der Forschung, V. Ausbildung und Auswahl des wissenschaftlichen Nachwuchses, VI. Überleitung. ,26 Punkte 1 , S, 154 u. 156. VgL die aus der Zeitschrift .Akademischer Dienst' übernommene Zusammenstellung der verschiedenen Positionen in dem Artikel ,Was wird aus dem Hochschulrahmengesetz? Überblick über den Stand der Beratungen und kontroversen Meinungen', in: MittHV Bd. 22 Nr. 5 (1974),

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Hochschulreform als

Gesellschaftsreform

zwiespältigen Erfahrungen in den Ländern, die mit diesem Herzstück des Reformprojekts vorangegangen waren, und aufgrund der anhaltenden, durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Homogenität der Professorengruppe in dessen Urteil zum niedersächsichen Vorschaltgesetz untermauerten Kritik an dieser Konstruktion preisgegeben worden.113 In seinem Rechenschaftsbericht vor dem Hochschulverbandstag von 1975 konnte daher auch der Präsident des Hochschulverbandes - seit 1974 der Braunschweiger Historiker Werner Pols114 - den Streit um den Assistenzprofessor, der

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S. 263-267, Zum HRG allg. vgl. Westdeutsche Rektore n konferenz (Hg,), Hochschulrahmengesetz, Bonn-Bad Godesberg 1974; Wolfgang Kalischer (Hg,), Hochschulrahmengesetz - Hochschulgesetze der Länder der Bundesrepublik, Bonn-Bad Godesberg 1976; Guntram v. Schenck, Der Kampf um die Hochschulen oder Das Hochschulrahmengesetz, in: Aus Parlament und Zeitgeschichte Nr. B 29 (1976), S. 13-37; Hermann Avenarius, Hochschulen und Reformgesetzgebung. Zur Anpassung der Länderhochschuigesetze an das Hochschulrahmengesetz, Berlin 1979; Hans v. Mangoldt, Universität und Staat. Zur Lage nach dem Hochschulrahmengesetz, Tübingen 1979; Reinhard Müller, Entstehungsgeschichte des Hochschulrahmengesetzes, Eine Fallstudie, Frankfurt/M. 1982. Hierzu finden sich interessante Hintergrundinformationen im Protokoll der Präsidiumssitzung des Hochschulverbandes vom 15716.12.1972, ADHV/P 116, S. 2f. Im Rahmen seines Berichts über eine Besprechung im baden-württembergischen Kultusministerium zu einer von der Kultusministerkonferenz vorbereiteten Gesetzesvoriage des Bundesrates, mit der das Beamtenrechtsrahmengesetz der in einigen Ländern bereits erfolgten Änderung der Personalstruktur (durch Einführung des Assistenzprofessors) angepaßt werden sollte, machte Geschäftsführer Dorff folgende Mitteilung: „Die Vertreter des Ministeriums sagten ganz offen, daß sich in den Kultusministerien der Länder inzwischen die Ansicht durchgesetzt habe, daß der Assistenzprofessor eine verfehlte Konstruktion sei; dennoch werde er jetzt zunächst einmal eingeführt, weil man diejenigen Länder, die ihn bereits eingeführt hatten, nicht desavouieren könne, und weil es nicht opportun sei, jetzt den Irrtum dieser Entscheidung bereits zuzugeben. Es sei allerdings beabsichtigt, das Gesetz in diesem Punkt nach sechs bis acht Jahren wieder zu ändern; nach Ablauf dieser Zeit werde man begründen können, die Erfahrungen hätten die Konstruktion als falsch erwiesen, ohne zugeben zu müssen, daß der Fehler von Anfang an sichtbar war. Gleichzeitig wurde erklärt, man hoffe, die Professoren würden durch ihren Einfluß und ihre Vernunft die schlimmen Folgen dieser Regelung in Grenzen halten." In einer Besprechung des Präsidenten und des Geschäftsführers des Hochschulverbandes mit dem Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Böning Anfang Januar 1974 erklärte dieser laut Präsidiumsprotokoll vom 11.1.1974 zur Frage des Assistenz professors, „er halte die Konstruktion des Regierungsentwurfs zwar nach wie vor für sachlich angemessen, neige jedoch aufgrund der bisherigen Indizien zu der Annahme, daß diese Konstruktion wegen der mit ihr verbundenen Risiken auf dem Arbeitsmarkt nicht akzeptiert werden würde". ADHV/P 128, S. 4. - Über die Einführung des Assistenzprofessors herrschte zu Beginn der siebziger fahre bei den Hochschulpolitikem weithin Konsens. Sowohl die von der KMK 1970 beschlossenen .Zielvorstellungen für die Personalstruktur im Hochschulbereich' wie der erste HRG-Entwurf der Bundesregierung und der Gegenentwurf der Unionsparteien sahen diese neue Figur vor. Verwirklicht wurde sie außer in Berlin auch in Rhein land-Pfalz, im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Bremen und (als .Dozent') in Hessen, Hierzu und zu den sachlichen und rechtlichen Gründen, die schließlich doch zur Verwerfung dieser Konstruktion führten, vgl. Wolfgang Perschel, Wissenschaftliche Assistenten, sonstiger wissenschaftlicher Nachwuchs, in: Hb. des Wissenschaftsrechts (21996), Bd. l, S. 373-407. Werner Pols (1926-1989), bis 1952 Volksschullehrer, dann Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie an der FU Berlin und der Univ. Marburg; Staatsexamen 1957 und Prom. 1959 in 181

Paradise Lost: Die unruhigen siebziger fahre nun durch einen der Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter zugeordneten .Hochschuldozenten' ersetzt wurde, für beendet erklären. Allgemein hatte sich die Diskussion um das Hochschulrahmengesetz so weit entspannt, daß auch der Hochschulverband keine grundsätzliche Oppositionshaltung mehr einzunehmen brauchte. Vielmehr gab Pols vorsichtig zu erkennen, daß auch ihm angesichts der inzwischen in der bundesdeutschen Hochschullandschaft eingetretenen starken Diversifizierung „eine gewisse Flurbereinigung" durch ein Bundesrahmenrecht erforderlich erschien. Zudem hatte der Hochschulverband nach den konfliktreichen Jahren mit Bundeswissenschaftsminister Dohnanyi unter dessen Nachfolger Helmut Rohde „eine sehr erfreuliche Zusammenarbeit" entwickelt, die ihren Ausdruck nicht zuletzt darin fand, daß der neue Minister beim Festakt zum 25jährigen Bestehen des H och schul Verbandes ein hochschulpolitisches Grundsatzreferat hielt - eine Geste der beiderseitigen Gesprächsbereitschaft, die seit dem Amtsantritt der sozial-liberalen Bundesregierung 1969 kaum mehr denkbar erschienen sein dürfte. 115 Die Beziehung zu Bundesminister Rohde und seinem Ministerium konnte in der Folgezeit durch wiederholte persönliche Begegnungen noch intensiviert werden. Mit sichtlicher Genugtuung stellte Pols in seinem Arbeitsbericht 1976 fest, es sei „in der Geschichte des Hochschulverbandes bisher noch nicht dagewesen", daß - wie geschehen - „ein Bundesminister, begleitet von seinem Staatssekretär, seinem Ministerialdirektor und weiteren Beamten des Ministeriums in die Geschäftsstelle des Hochschulverbandes gekommen ist, um dort mit dem Präsidium hochschulpolitische Fragen zu erörtern".116 In dieses freundliche Bild einer allgemeinen Befriedung fügten sich auch die wieder häufiger anzutreffenden Erwähnungen eines guten Kontaktes zur Westdeutschen Rektorenkonferenz. Allerdings hatte es Ende 1975 eine - offensichtlich nur vorübergehende - Konfrontation zwischen der Verbandsführung und dem Staatssekretär im Bundeswissenschaftsministerium Peter Glotz gegeben, der den Professoren Leistungsverweigerung bei der Bewältigung der .Überlast' vorgeworfen und geäußert hatte, die Professoren seien auf dem Wege, die Fluglotsen des deutschen Bildungssystems zu werden.117

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Berlin, anschließend dort Wiss. Ass. und Akad. Rat; 1966 Oberkonservator an der LMU München; 1969 Berufung als o. Prof. an die Techn. Univ. Braunschweig, 1970-72 Dekan der Phil, und Sozialwiss. Fakultät; 1973/74 Gastprofessor am St. Anthony's College in Oxford; 1974-82 Mitglied des Niedersächs. I^andtags (CDU) und Vors. des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst; 1974-1980 Präs., 1980-84 Vizepräs, des Hochschulverbandes. Vgl. die ausführliche Berichterstattung über den 25, Hochschulverbandstag in am 9V10.5.1975 in Mainz: Wemer Pols, Wo steht der Hochschulverband? Rechenschaftsberichte, Diskussionen und Festreden in Mainz, in: MittHV Bd. 23 Nr. 3 (1975), S. 115-123, bes. S. 118f. Vgl. Wemer Pols, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 24 Nr. 3 (1976), S, 121. Pols hatte auf die Äußerungen Glotz' (vgl. DER SPIEGEL vom 10.11.1975) am 15.12.1975 in einem Rundschreiben an die Verbandsmitglieder geantwortet, das wegen seiner Schärfe von einigen 182

Hochschulreform als

Gesellschaftsreform

Im zweiten Jahr der Amtszeit Pols' wurde durch persönliche Besuche des Präsidenten bei einer ganzen Reihe von Verbandsgruppen an Hochschulen überall in der Bundesrepublik die Werbung und Betreuung der Mitglieder intensiviert, um das politische Gewicht des Verbandes zu verstärken. Dem gleichen Ziel, die Hochschullehrer über den schon erreichten Organisationsgrad von etwa 65 Prozent (einem Mitgliederstand von 8500 bei rund 13000 hauptberuflichen Hochschullehrern im Jahre 1976) hinaus für den Verband zu mobilisieren, sollte auch die Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit durch Einstellung eines eigenen .Pressechefs1 dienen. Ein ungewöhnlicher Versuch, den Anliegen der Professoren mehr Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen, war die Veranstaltung einer Öffentlichen Professoren-Kundgebung am 14. Februar 1976 in der Aula der Bonner Universität, die sich zunächst gegen die extensiven Kapazitätsberechnungen der Kultusministerkonferenz und deren Pläne zur Erhöhung der Lehrdeputate richtete, darüber hinaus aber die Übcrfüllung der Universitäten und eine zunehmende, die Freiheit von Forschung und Lehre gefährdende Tendenz staatlicher Reglementierung als Folgen einer verfehlten Bildungspolitik ins Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit rücken sollte,118 Innovativ und organisationsdynamisch war auch die verbandsinterne Vorbereitung dieser Aktion durch eine schriftliche Umfrage bei sämtlichen 8 500 Verbandsmitgliedern, von denen immerhin 5500 mit ihrer Unterschrift ihre Unterstützung der Kundgebung bekräftigten.119 Der durch die gesamte Präsidentschaft Pols' anhaltende starke Mitgliederzuwachs bestätigte den Erfolg dieser Strategie: Die Zahl der Mitglieder stieg von 8170 (1975) über 9680 (1978) auf 10800 im letzten Amtsjahr von Pols 1980.120

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Mitgliedern als parteipolitisch einseitig kritisiert wurde. Die zustimmenden Äußerungen aus der Mitgliederschaft waren allerdings weitaus in der Überzahl. Der gesamte Vorgang einschließlich der kritischen Stellungnahmen ist dokumentiert in 380/35; vgl. dort auch das den , Fluglotse n-Streit' bilanzierende neuerliche Rundschreiben Pols' vom 27,1.1976. DK Bonner Kundgebung des Hochschulverbandes wurde auch von der WRK und vom Bund Freiheit der Wissenschaft unterstützt. Vorbereitung und Durchführung der Kundgebung sind dokumentiert in 380/36. Vgl, auch ,Was wird aus der deutschen Universität? Erste öffentliche Kundgebung des Hochschulverbandes', in; MittHV Bd. 24 Nr. l (1976), S. 10-14. Vgl. Pols, Bericht des Präsidenten [1976], S. 119. Die Zahlenangaben zur Mitgliederentwicklung sind den Rechenschaftsberichten des Präsidenten entnommen; neben den bereits genannten vgl. Werner Pols, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 25 Nr. 3 (1977), S. 117-125; Werner Pols, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 26 Nr. 3 (1978), S, 129-136; Werner Pöis, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 27 Nr, 3 (1979), S. 109113; Werner Pols, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 28 Nr. 2 (1980), S. 68-72.

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V. Die Ära Schiedermair 1.

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger fahren

Als Werner Pols 1980 nach sechsjähriger Präsidentschaft aus dem Amt schied, lag hinter dem Hochschulverband eine Dekade tiefgreifender Reformen des deutschen Hochschulwesens - und der zuweilen heftigen politischen Auseinandersetzung um diese Reformen. Nun wäre es sicher unzutreffend, den Hochschulverband der siebziger Jahre in einer Position blinden Beharrens und undifferenzierter Reformverweigerung zu sehen; aber es ist doch evident, daß er sich insgesamt in Opposition befand zu den diese Phase dominierenden Kräften einer gesellschaftspolitisch motivierten Hochschulreform, und daß er die institutionellen Umsetzungen der Reformprogrammatik, zusammengefaßt im Schlagwort ,Grappenuniversität', mehr erduldete als akzeptierte. Das Jubiläum zum 450-jährigen Bestehen der Philipps-Universität Marburg, an der die Bewegung der ,Reform', im Windschatten der staatlichen Hochschulpolitik unter Kultusminister Ludwig v. Friedeburg, ihre Vorstellungen in besonders radikaler und extrem konfliktreicher Weise manifestiert hatte, nahm der Verband 1977 zum Anlaß einer ,Bilanz', die einer Generalabrechnung mit dem Projekt der gesellschaftspolitisch motivierten Hochschulreform in der Bundesrepublik gleichkam.1 Aller skeptischen Distanz gegenüber den politischen und näherhin den hochschulpolitischen Zeittendenzen zum Trotz war freilich auch der Hochschulverband von der Dekade der Reform nicht unberührt geblieben. Er war politischer' geworden in seinem Selbstverständnis2, offener in seiner Außendarstellung und seinen Handlungsformen. Er war auch .demokratischer', ja ,egalitärer' geworden in seiner Binnenstruktur und seinem Binnendiskurs, wenn man die freiere Darlegung der Verbandspolitik in den .Mitteilungen' und die auf diesem Forum ausgetragenen, sehr viel lebhafteren Diskussionen mit den Mitgliedern in Rechnung stellt. Die binäre Gruppeneinteilung der Hochschullehrerschaft in Ordinarien und Nichtordinarien, die der Verband schon unter der Führung Wilhelm Felgentraegers

Vgl, Bilanz einer Reform. Denkschrift zum 450jährigen Bestehen der Philipps-Universität zu Marburg, hg, vom Hochschulverband in Zusammenarbeit mit Hans-Bernd Harder und Ekkehard Kaufmann, Bonn-Bad Godesberg 1977. Es handelte sich bei dieser voluminösen Publikation nicht im monographischen Sinne um eine ,Denkschrift', sondern vielmehr um eine Sammlung von reform kritische n Stellungnahmen. In seiner Begründung der als „huchschulpolitische Demonstration" gedachten Veranstaltung zum Marburger Universitatsjubiläum vom Juni 1977, aus der die oben genannte Streitschrift hervorging, hatte sich Pols noch einmal ausdrücklich zum politischen Auftrag des Hochschulverbandes bekannt. Die Marburgcr Veranstaltung war in Teilen der Mitgliederschaft auf Kritik gestoßen. Vgl. Pols, Bericht des Präsidenten [1978], in: MittHV Bd. 26 Nr. 3 (1978), S. 131 ff. 185

Die Ära Schiedermair

zu überbrücken bestrebt war, hatte er in seinem Binnenaufbau mit der Satzungsänderung von 1970 definitiv überwunden. Die /Gruppenuniversitäf, wie sie mit dem Hochschulrahmengesetz vom 26. Januar 1976 in einer durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 1973 leicht modifizierten Form sanktioniert worden war3, abzulehnen, bedeutete weder, die .Ordinarienuniversität'4 längst vergangener Zeiten restaurieren zu wollen, noch einer Rückbildung der Universität zur sozialexklusiven Reproduktionsagentur der deutschen Bildungselite das Wort zu reden. Der schon in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre einsetzende und in den sechziger Jahren unablässig an Dynamik gewinnende Prozeß der Bildungsexpansion, der den Universitäten und der Gesellschaft als ganzer wertvolle Begabungsreserven aus bis dahin universitätsfernen Schichten erschloß5, war vom Hochschulverband, wie im dritten Kapitel gezeigt werden konnte, durchwegs konstruktiv begleitet worden.6 Die Hochschulen und die große Mehrheit der Hochschullehrer hatten auch die mit dem Öffnungsbeschluß der Ministerpräsidenten von 1977 auf die Universitäten zukommende exzeptionelle Herausforderung angenommen, bis sich dann zeigte, daß infolge von Versäumnissen und Fehlern der staatlichen Bildungspolitik aus der temporären Überlastung in den achtziger Jahren ein Dauerzustand bei tendenziell sinkenden Bildungsausgaben zu werden begann.7 Selbst in dieser von allgemeiner Enttäuschung und Frustration Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.5.1973 vgl. Wemer Thieme, Grundprobleme des Hochschulrechts, Darmstadt 1978, S. 37-40. Die Kritik an der .Gruppenuniversität' ist pointiert zusammengefaßt bei Rupp, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, S, 44-50. Wilhelm Hennts hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die funktionale Logik des Organisation sprinzips der sog, .OrdinarienUniversität' ihrem historischen Kern nach auf der unabhängigen Repräsentantion selbständiger Fächer oder Disziplinen in der Person des Ordinarius als Fachvertreter beruhte, und nicht auf dessen institutionellem Machtmonopol. Die berechtigte Kritik an Mißständen und Auswüchsen der sog. .Ordinarienuniversität' bezogen sich auf diesen zweiten Problemaspekt, ohne jedoch die wissenschaftsorganisatorische Funktionalität des Fächerprinzips in Frage stellen zu können. Vgl. Wilhelm Hennis, Studentenbewegung und Hochschulreform, in: Glaser (Hg.), Hochschulreform - und was nun?, S. 37-58, bes. S. 38 und 51. Vgl. dazu allg, Horst Albert Glaser, Von der Bildungsreform zur Bildungsmisere, in; Ders, (Hg,), Hochschulreform - und was nun?, S. 26-36. Auch Schiedermair bekennt sich 1996, unter kritischer Reflexion der denunziatorischen Beifracht des Ausdrucks ,Massenuniversität', noch einmal ausdrücklich zur gesellschaftlichen Realität einer breiten Demokratisierung des Zuganges zur Umversitäts(aus)bildung, vgl, Hartmut Schiedermair, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, Eine Bestandsaufnahme, in: Hb. des Wissenschaftsrechts (21996), Bd. l, S. 37-119, hier S. 45f. Aus den zahlreichen Stellungnahmen der Westdeutschen Rektorenkonferenz jener Jahre zur Einhaltung des Bildungsgesamtplanes und zur Finanzaustattung der Hochschulen seien nur die wichtigsten herausgegriffen: ,Zur Lage der Hochschulen angesichts der Streichungspolitik in den Ländern. Stellungnahme des 15. Senats der Westdeutschen Rektorenkonferenz', 11.1.1977, in: Westdeutsche Rektorenkonferenz (Hg.). Stellungnahmen, Bd. l, S. 447ff.;,Zur Finanzierung des Hochschulausbaus. Stellungnahme des 132. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz1, 18.11.1980, ebda. S. 479t; ,Zur Haushaltslage der Hochschulen. Stellungnahme des 135. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz', 16./17.11.1981, ebda. S. 491ff.; ,Zum Widerspruch von Bildungs- und Finanzpolitik. 186

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger jähren gekennzeichneten Situation eines fiskalpolitisch verordneten Sparzwangs konnte für den Hochschulverband von einer Haltung der Verweigerung keine Rede sein. Von der realistischen Einschätzung getragen, „daß nach zehn Jahren ,Organisationsreform der Bildungspolitiker' nunmehr zehn Jahre .Organisationsreform der Finanzminister' vor uns stehen"8, warb der Verband vielmehr dafür, den Universitäten durch größeren Gestaltungsspielraum im Mitteleinsatz die Chance zu geben, nach den Jahren des quantitativen Wachstums in eine Phase des qualitativen Wachstums überzuleiten. Eine an Qualität und Leistung orientierte Konzentration der knapper werdenden Mittel implizierte aus der Sicht des Verbandes, wie gleich zu zeigen sein wird, allerdings auch Korrekturen am Verfassungsmodell der Gruppenuniversität.9 Für den Hochschulverband begann 1980 mit der Wahl des erst 44-jährigen Völkerrechtlers Hartmut Schiedermair10 zum Präsidenten eine neue Phase der Kontinuität. Von seinem Vorgänger Pols, der Schiedermair 1978 ins Präsidium geholt hatte, übernahm dieser das Leitbild eines Hochschulverbandes, der sich weiterhin, frei von .ständischen' Reminiszenzen, die in der Tat mit dem Funktionswandel der Universitäten gänzlich obsolet geworden waren, als moderne, politisch diskursfähige Berufsorganisation zur Vertretung der Hochschullehrerinteressen profilieren sollte. Auch unter Schiedermairs Führung hielt (und hält) freilich der Hochschulverband an der seit seinen frühen Anfängen beobachteten Maxime fest, daß „unsere Interessen als Berufsorganisation dann gut aufgehoben sind, wenn die Verhältnisse der Universität, wie wir sie verstehen, wohlgeordnet sind".11 Von seinem Vorgänger Puls übernahm Schiedermair auch das Vorhaben, mit einem groß angelegten Symposium unter Beteiligung von Hochschullehrern, Ministerialbeamten und sachverständigen Publizisten die ,Gruppenuniversität' als

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Entschließung des 35, Senats und des 137. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz', 25.5. und 28,6.1982, ebda. S. 497ff.; .Sparpolitik und Überlast. Zur Leistungsfähigkeit der Hochschulen unter veränderten finanziellen R ah me n be dingungen. Stellungnahme des 140. Plenums der Westdeutschen Rektorenkonferenz 1 , 4./5.7.1983, ebda. S. 537-541. Zur hochschulpolitischen Einordnung der Problematik vgl. Schiedermair, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, S. 58ff, Hanmut Schiedermair, Bericht des Präsidenten, in; MittHV Bd. 30 Nr. 3 {1982), S. 117-123, Zitat S. 121, Vgl. die Stellungnahme zur Spardiskussion bei Hartmut Schiedermair, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 30 Nr. 3 (1982), S. 115f, Hartmut Schiedermair, geb. 1936 in Bonn, studierte 1956-60 Rechtswissenschaften und Philosophie an der Univ. Frankfurt/M.; 1966-74 wiss. Referent am Max-P)ank-Institut für ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg; 1968 Prom, an der Univ. Heidelberg, 1974 ebendort Habil.; 1974-76 als Regierungsdirektor im Justizministerium von Rhein land-Pfalz abgeordnet zum wiss. Dienst am Bundesverfassungsgericht; ab 1976 o. Prof, an der Univ. des Saarlandes, seit 1983 o. Prof. an der Univ. Köln. Interview mit Hartmut Schiedermair, 10.12,1999.

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Die Ära Schiedermair Ergebnis der Reformdekade neuerlich zur Diskussion zu stellen.12 Die aufwendig konzipierte und seit 1979 vorbereitete Veranstaltung sollte die Erfahrungen aus zehnjähriger Praxis in einer umfassenden Bestandsaufnahme kritisch bilanzieren, um durch eine Analyse der Forschungs- und Lehrbedingungen, des Gruppenverhaltens und der Effizienz dieser Universitätsform die Notwendigkeit von Korrekturen und die Möglichkeit von Alternativen aufzuzeigen.13 Schon im Vorfeld der Tagung, die schließlich am 1. und 2. Mai 1981 in der Nähe Kölns stattfand, und zu der neben vielen Skeptikern der Reformuniversität auch einige namhafte Befürworter wie Jürgen Habermas, Frieder Naschold, Michael Theunissen, Ludwig v. Friedeburg und Erhard Denninger eingeladen worden waren, kam es zu einer publizistischen Kontroverse, welche die politische Brisanz des Unternehmens erkennbar werden ließ.14 Finanziert wurde das Symposium mit seinen etwa 60 Teilnehmern nicht aus den Mitgliedsbeiträgen des Hochschulverbandes, sondern aus Spenden, die der vom Hochschulverband 1971 für solche Zwecke ins Leben gerufene gemeinnützige Verein zur Förderung der wissenschaftlichen Hochschulen und des wissenschaftlichen Nachwuchses1 erhalten hatte.15 Die zweitägigen Beratungen des Symposiums wiesen das Fortbestehen jener Vielfältigkeit der Real Verhältnisse, 12

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Vgl, Einladung der Geschäftsstelle zu einem vorbereitenden ,.Expertenseminar", 5.2.1980, BA B 380/24; Pressemitteilung der Geschäftsstelle betr. „Symposion über die .Gruppenuniversität'" vom 23.1.1981, 380/26, sowie Kurzprotokoll über eine Sitzung des Gemeinnützigen Vereins zur Förderung der Wissenschaftlichen Hochschulen und des wissenschaftlichen Nachwuchses am 11.3.1981, beide 380/24. Vgl. Hartmut Schiedermair, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 29 Nr. 2 (1981), S. 62-67, hier S. 65, sowie die Eröffnungsrede Schiedermairs und das Programm des Symposions mit Themen und Referenten, ebda, Nr, 3 (1981), S. 1181 Der in einem erkennbar polemisch gefärbten Artikel der ,Frankfurter Rundschau' (,üas .Angefragt" stand nur auf dem Papier') vorn 22.1.1981 erhobene Vorwurf, der Hochschul verband, „der konservative Ordinarieninteressen vertritt", habe bei den Befürwortern „von Hochschulreform und Demokratisierung des Elfenbeinturms" Habermas und Naschold weder schriftlich noch telefonisch um die Teilnahme und Übernahme eines Referats angefragt, wurde vom Verband in einer Gegendarstellung mit detaillierten Angaben zu dem mit Hahermas, Naschold und Theinisscn geführten Schriftwechsel zurückgewiesen (,Drei Wochen vor Versendung der Einladungen angefragt1, FR 29.1.1981). In einer gleichzeitig herausgegebenen und von der frankfurter Rundschau' zusammen mit der Gegendarstellung abgedruckten Pressemitteilung erhob der Verband seinerseits den Vorwurf, „daß diejenigen, die die Änderung der deutschen Universitätsorganisation lautstark gefordert und durchgesetzt haben, sich heute jeder Diskussion über die Ergebnisse dieser Reform entziehen wollen". Vgl. Schreiben von Geschäftsführer Dorff an den Generalsekretär des Stifterverbandes, Horst Niemeyer, 9,7,1979, mit der Bitte um Vermittlung einer Finanzierungshilfe von 30.000.- DM (BA B 380/25). Eine Spende in eben dieser Höhe wurde dem vom Hochschulverband getragenen Förderverein dann von der Daimler-Benz AG Stuttgart zur Verfügung gestellt; vgl. Erklärung des Spendenempfängers vom 17.11.1979, sowie Informationsblatt des H och schul verbände s zum Projekt ,Gruppentmiversität', undat, ebenfalls BA D 380/25. Zur Gründung des Fördervereins vgl. die Notiz in: MittHV Bd. 19 Nr. 2 (1971), S. 87. 188

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger fahren die seit je für die Universitätslandschaft kennzeichnend war16, auch unter den Bedingungen der ,Reformuniversität' auf, und führten damit zu der differenzierenden Einsicht, daß es nicht anging, mit einem einheitlichen Begriff der ,Gruppenuniversität' zu operieren. Ein „eindeutiges und uneingeschränktes Bekenntnis zu Gunsten der Gruppenuniversität" war bei dem Symposion nach Schiedermairs Eindruck auch von den prinzipiellen Befürwortern dieses Organisationstypus' nicht zu vernehmen - solche waren allerdings, nachdem die oben genannten Protagonisten der Gruppen Universität die Teilnahme abgelehnt hatten, wohl ohnehin nicht in besonderer Stärke vertreten. Es habe sich vielmehr, so resümierte Schiedermair, ,,deutliche Enttäuschung breitgemacht", weil „dem Experiment Gruppenuniversität [...] wenigstens bis heute der Erfolg versagt geblieben" sei. Der Hochschulverbands Präsident gelangte, aus der bekannt kritischen Grundposition seiner Organisation nicht überraschend, zu dem Fazit, die Gruppenuniversität „oder die gruppenmäßige Organisation der Universität" sei „eine verfehlte Organisation, weil sie der Universität, soweit man sie [...] als wissenschaftliche Veranstaltung begreift, nicht im erforderlichen Maße gerecht wird". Gleichwohl machte Schiedermair deutlich, daß die mit dem Symposion eröffnete hochschulpolitische Initiative zwar auf Änderungen der internen Organisationsverhältnisse der Hochschulen, nicht aber auf eine „Totalrevision" der mit den Reforrngesetzen der Länder und des Bundes geschaffenen Lage angelegt war. Daß, wie von Kritikern der Verbandsinitiative gehend gemacht wurde, die nach Jahren der Reformturbulenzen wieder eingekehrte „Organisationsruhe" unabhängig von der Qualität der Organisationsform ein bewahrenswertes Gut sei, wollte auch der Hochschulverband nicht bestreiten.17 Bei aller Unterschiedlichkeit der in dieser neu entfachten Debatte im einzelnen vertretenen Positionen war für die hochschulpolitische Diskurslage zu diesem Zeitpunkt doch kennzeichnend, daß auch die einstigen Fürsprecher der Idee der .Gruppenuniversität' von deren gelebter Realität einigermaßen ernüchtert und entsprechend wenig motiviert waren, zu ihrer Verteidigung noch einmal auf die Barrikaden zu gehen. 18 Aber andererseits hatte in der Tat unter den widerstreitenden Parteien und Gruppen allseits eine gewisse 16

Vgl. atlg, Ulrich Tetchier, Europäische H och seh u l Systeme: Die Beharrlichkeit vielfältiger Modelle, Frankfurt/M. - New York 1990. '' Schiedermair, Bericht des Präsidenten [1982], S. 121, sowie das Schlußwort Schiederrnairs, ebda. Nr. 3 (1981), S. 120ff. 18 Auch ein den Zielen der Hochschulreform insgesamt durchaus positiv gegenüberstehender Beobachter wie der damals in Bielefeld lehrende Historiker Jürgen Kocka gelangte um diese Zeit in einer die Vor- und Nachteile der Reformuniversität sorgfältig abwägenden Bilanz unter dem Strich zu einem negativen Saldo; vgl. Jürgen Kocka, Hoffnung der Reform - Sieg der Bürokratie, in: Glaser (Hg.), Hochschulreform - und was nun?, S. 122-143. Allerdings gibt der Titel des Aufsatzes dessen Tendenz und Ergebnis nicht ganz richtig wieder, denn die von Kocka selbst aufgewiesenen, gravierend negativen Reformfoigen waren im wesentlichen durch die intrinsische Logik der gemäß 189

Die Ära Schiedermair

Ermattung und damit einhergehend Akkommodation an die bestehenden Verhältnisse Platz gegriffen, die es wenig verlockend erscheinen ließen, die alten Gräben des Grundsatzstreites von neuem aufzureißen.19 Aus den Ergebnissen der Tagung20 destillierte eine von Schiedermair geleitete Kommission ,22 Thesen', die in ihrem Titel nun doch pointiert das Ziel der „Überwindung der Gruppenuniversität" formulierten. Die Argumentation des Papiers nahm die Sparvorgaben der Politik an die Hochschulen zur Basis für die Forderung nach Korrekturen bei den „hemmenden Organisationsformen": Die Universitäten - das war die Quintessenz der Botschaft - seien bereit, eigenverantwortlich ihren Sparbeitrag zu erbringen; sie könnten das aber nur, wenn Strukturen der Selbstverwaltung nach dem Gruppenprinzip, die sich als demotivierend, ineffizient, zeit- und kostenaufwendig erwiesen hätten, von der Hochschulpolitik zur Disposition gestellt würden. Die „nach dem Prinzip der Gruppenvertrctung organisierte Universität" jedenfalls sei „nicht in der Lage, dem zweckentfremdeten Einsatz und damit der Verschwendung von Mitteln wirksam

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der Reformideologie installierten Systemrnechanismen bedingt und nur zum kleinen Teil durch die deformierende Wirkung übermäßiger Bürokratisierung. Daß auch dem Hochschufverband durchaus wohlwollend gegenüberstehende Teilnehmer das Symposium nicht in jeder Hinsicht als gelungen und dem Gegenstand förderlich ansahen, machte die Stellungnahme eines Ministerialsrats aus dem bayerischen Kultusministerium deutlich, welche die Geschäftsstelle immerhin für triftig genug hielt, um sie vertraulich den Präsidiumsmitgliedern zur Kenntnis zu bringen. Vgl. Jürgen Großkreutz an Thomas Finkenstaedt, 27,6.1981, und Verteilungsnoü'z Dorffs vom 8.7.1981, 380/24. Der liebenswürdig-launige Tenor {„Sehr geehrter Altmeister des akademischen Glasperlenspiels, lieber Herr Finkenstaedt!'') des auch intellektuell bemerkenswerten Schreibens läßt in der Tat auf eine vertrauliche Nähe seines Verfassers zum ochschulverband schließen. Die detaillierte Kritik des Ministerialrats läßt sich in drei Punkten fokussieren: Der Verband habe das Thema „in Liebhabermanier, d.h. dilettantisch angefaßt", indem er die klare politische Stoßrichtung über die Problemanalyse stellte; eine monokausale Zurechnung der aktuellen Problemlage der Hochschulen an das Organisationsmodelt der Gruppenuniversität werde der Komplexität der Situation nicht gerecht; eine Situationsanalyse auf der Basis allseitigen Mißtrauens - gegenüber der staatlichen Hochschulpolittk generell, gegenüber der Bürokratie, gegenüber allen anderen Teilgruppen ebenso wie gegenüber den Selbstverwaltungsorganen der Universität könne schwerlich zu konstruktiven Lösungsansätzen führen. - Eine hinsichtlich Konzeption und Organisation der Veranstaltung eindeutig positive, bezüglich des dort verhandelten Gegenstandes niederschmetternd negative Bilanz zog demgegenüber Walter Rüegg, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 29 Nr. 3 (1981), S. 115ff. Die Referate, Korreferate und Diskussionsbeiträge des Symposiums wurden vom Hochschulverband im August 1981 in einer eigenen Publikation der Öffentlichkeit vorgelegt: .Symposion „Gruppenuniversität". Dokumentation einer Tagung des Hochschulverbandes am 1./2. Mai 1981 auf Schloß Gracht bei Erftstadt' (= Forum des Hochschulverbandes. 26), Bonn 1981. Schiedermair hatte in seiner Eröffnungsrede allerdings selbst eingeräumt, daß nicht „alles, was wir im heutigen Universitätsbetrieb bemängeln", „ohne weiteres der Gruppenuniversität zugewiesen werden könne"; es gelte daher, „sehr genau zu differenzieren" (S. 12). Mit dem Echo der Veranstaltung vor allem in der liberal-konservative n Presse konnte der Verband, wie die im Anhang des Forum-Bandes wiedergegebenen Zeitungsartikel zeigen, durchaus zufrieden sein. 190

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger Jahren

zu begegnen."21 Diese argumentative Verknüpfung von Sparfähigkeit, Effizienz und Hochschul Verfassung - weniger die Thesen selbst, „denen man teils zustimmen, teils widersprechen mag" - stieß bei George Turner, dem Präsidenten der WRK, auf scharfe Kritik. Der Hochschulverband habe „ein klassisches Eigentor im Kampf mit der Finanzmisere" geschossen, schrieb Turner an Schiedermair, denn es werde in den ,22 Thesen' der Eindruck vermittelt, „mit ein paar organisatorischen Änderungen - wie Abschaffung der Prä'sidialverfassung, Wiedereinführung der Fakultätsebene und Beschränkung von Mitwirkungsrechten - ließe sich das ganze Hochschulsystem wesentlich preisgünstiger und zugleich effektiver gestalten". Mit den Reizvokabeln des zweckentfremdeten Mitteleinsatzes und der Verschwendung forderten die jThesen' „zu (weiteren) Kürzungen der Hochschulmittel geradezu heraus" und gäben den Finanzpolitiken! überdies noch eine „wissenschaftspolitische Rechtfertigung" an die Hand. 22 Auch die Verbandsführung wußte freilich bei den mit der publizitätswirksamen Veranstaltung verbundenen Zwecken wohl zu differenzieren zwischen einem mobilisierenden und solidarisierenden Effekt in der eigenen Klientel und der Wirkung nach außen, wie das Bemühen zeigt, über die ,22 Thesen' - und über sie hinaus! - mit den ausschlaggebenden Instanzen der Hochschulpolitik im Gespräch zu bleiben. Arn 20, September 1982 kam es auf Initiative des Hochschulverbandes zu einem mehrstündigen Austausch des Präsidiums mit hochrangigen Vertretern des Bundeswissenschaftsministeriums. Bei der ersichtlich von beiderseitigem 21

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.„Universität ohne Geld?" 22 Thesen zur Überwindung der Gruppenuniversität', in: MittHV Bd. 30 Nr, 2 (1981), S. 62f. In einem die .Thesen' einleitenden Beitrag {ebda., S, 59ff.) betonte Schiedermair, die in den Thesen enthaltenen „Vorschläge" seien „so abgewogen, daß es zu ihrer Verwirklichung einer zur Zeit ohnehin aussichtslosen Änderung des geltenden Hochschulrahmengesetzes nicht bedarf", Turner an Schiedermair, 15.6.1982, mit sechsseitiger Stellungnahme in Anlage, 380/24. Schiedermair antwortete auf die Kritik Turners mit Schreiben vom 29.6.1982 und brachte die Kontroverse auch in einem Interview zur Sprache. Das 137, Plenum der WRK bekundete - wie die Protokollformulierung erkennen läßt, nicht ganz unkondifioniert - „durch Akklamation sein grundsätzliches Einverständnis zur Art und Weise der Abgabe der Stellungnahme" seines Präsidenten. Im übrigen ließ auch Turner erkennen, daß er es politisch nicht für oppourtun hielt, den Konflikt mit dem Hochschulverband zu eskalieren. „Weitere vorurteilsfreie Gespräche mit dem HV seien keineswegs ausgeschlossen." AHRK/WRK 117, 28.6.1982, TOP 5a)ff) und TOP 6b). In dem Interview mit der DUZ („Wer mauert, geht unter!", 38 (1982) Nr. 13, S. 11 ff.) trat Schiedermair der Kritik Turners entgegen. Eine nachhaltige Verbesserung des gereizten Verhältnisses zwischen der Führung des Hochschulverbandes und der WRK (oder des näheren zwischen deren Präsidenten) trat erst ein, nachdem Turner {1981 gegen den Altemativkandidaten Fischer-Appell für eine zweite Amtszeit gewählt) als WRK-Präsidem 1983 von Theodor Berchem abgelöst worden war. Die Wiederannäherung, der Turner offenbar im Wege gestanden war, fand ihren äußeren Ausdruck in der Tatsache, daß Berchem selbst bald nach seinem Amtsantritt in der Meinungs-Kolumne der ,Mitteilungen' zu aktuellen hochschulpolitischen Problemen Stellung nahm; vgl. Theodor Berchem, Auf ein Won, in: MittHV Bd. 31 Nr. 5 (1983), S. 227ff. 191

Die Ära Schiedermair Verständigungswillen getragenen Begegnung konnten zwar auch in eingehender Interpretation der einzelnen Thesen nicht alle Widersprüche ausgeräumt werden, doch fixierte Schiedermair die Position des Verbandes nochmals dahingehend, daß „mit den Thesen keine umfassende Revision des Hochschulrahmengesetzes angestrebt werde", und erklärte im übrigen, „daß die Diskussion die Notwendigkeit der Präzisierung und Konkretisierung der Thesen gezeigt habe".23 Wieweit dieses Gesprach atmosphärisch und inhaltlich von dem sich bereits abzeichnenden Auseinanderbrechen der sozial-liberalen Koalitionsregierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt beeinflußt wurde, läßt sich der Quelle nicht entnehmen. Tatsache ist, daß sich dem Hochschul verband durch den Regierungswechsel vom 1. Oktober 1982 - man wird wohl sagen können: unversehens - die Perspektive zur Realisierung eines Fernziels eröffnete, auf das man eben noch aus taktischer Vorsicht Verzicht erklärt hatte: die Revision des Hochschulrahmengesetzes.24 Schon wenige Wochen nach dem Antritt der Regierung Kohl kündigte die neue Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft Dorothee Wilms in einem Beitrag für die Mitteilungen des Hochschulverbandes' einen hochschulpolitischen Paradigmenwechsel an. Im Zentrum der Hochschulpolitik müßten, so schrieb die Ministerin unter ausdrücklicher Berufung auf eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, fortan wieder die Hochschullehrer als ,,die Inhaber der Schlüsselfunktionen des wissenschaftlichen Lebens" sein. Mit spezieller Genugtuung dürfte es im Hochschul verband registriert worden sein, daß Wilms bei dieser Gelegenheit expresses verbis den besonderen, grundrechtsverankerten Rechtsstatus der Professoren erwähnte, der diese „grundsätzlich von anderen Beamten unterscheidet". Säe stellte des weiteren eine Hochschulpolitik in Aussicht, die der Übereinstimmung mit den Hochschullehrern vor den anderen Gruppen klare Priorität geben wollte, und bekannte sich zu ,,einer engen, von kritischer Sympathie geprägten Kooperation mit dem Hochschulverband, auf dessen kompetenten Rat kein Hochschulpolitiker verzichten sollte". So viel Anerkennung und Zustimmung zu seinen zentralen Positionen war dem Verband seit zwei Jahrzehnten nicht mehr zuteil geworden. Aber wichtiger noch als diese Verheißung einer substantiellen Verbesserung des Verhältnisses zwischen der Berufsvertretung der Hochschullehrer und der Hochschulpolitik zumindest auf Bundesebene dürfte der Verbandsführung die Ankündigung gewesen sein, durch eine Experten23

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Die Darstellung folgt hier dem Aktenvermerk aus dem Bundeswissenschateministerium über das .Gespräch mit dem Präsidium des Hochschul Verbandes am 20.9.1982' vom 28.9.1982, der der Geschäftsstelle zur Kenntnis gebracht wurde: 380/26. Das Kurzprotokoll der Sitzung des Landeskonvents Baden-Württemberg vom 23.10.1982, an der auch Schiedermair und Dorff teilnahmen, läßt bereits die positivere Einschätzung der hochschulpolitischen Perspektiven aus der Sicht der Verbandsführung erkennen; 380/102. 192

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger Jahren kommission eine Revision des Hochschulrahmengesetzes prüfen zu lassen, zumal sich die Ministerin dabei ausdrücklich auf die ,22 Thesen zur Überwindung der Gruppenuniversität' bezog.25 Erstmals seit fünfzehn Jahren bot sich dem Hochschulverband wieder die Gelegenheit, seine hochschulpolitischen Vorstellungen in einem Klima grundsätzlicher Gewogenheit geltend zu machen. Der Verband nutzte die Gunst der Stunde und bereitete in Gesprächen mit Universitätskanzlern, mit den Beamten der Hochschulabteilung des Bundeswissenschaftsministeriums und des zuständigen Arbeitskreises der Unionsfraktion des Bundestages das Terrain für die bevorstehenden Beratungen über eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes vor. Er registrierte dabei für die in den ,22 Thesen1 vorgezeichnete Linie „breite Zustimmung".26 Der Expertenkommission des Bundeswissenschaftsministerium, die im Frühjahr 1983 unter der Leitung des langjährigen Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz Werner Knopp ihr Arbeit aufnahm, legte der Hochschulverband in 33 konkret ausformulierten Vorschlägen seine Wünsche zur HRG-Revision vor. Obwohl sich die politische Gesamtkonstellation seit dem Grachter Symposium markant verändert hatte, hielt der Verband an seiner Linie fest, auch „jetzt keine an sich mögliche Totalrevision des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder zu fordern". Er sprach sich vielmehr für „ein behutsames Vorgehen" aus - „keine Änderung um jeden Preis, sondern die Beibehaltung derjenigen Regelungen, die sich zumindest als unschädlich oder erträglich erwiesen haben".27 Die Ergebnisse der Untersuchung zu den Auswirkungen des Hochschulrahmengesetzes, welche die Expertenkommission im Januar 1984 der Öffentlichkeit vorlegte28, und die daraus abgeleiteten Empfehlungen entsprachen zwar nicht in allen Punkten den Erwartungen des Verbandes, wurden von diesem aber als Grundlage für die Gesetzesnovellierung ausdrücklich begrüßt.29 Nachdem das Bundeswissenschaftsministerium im November 1984 einen Referentenentwurf vorgelegt hatte, wurde das Novellieningsvorhaben zügig voran25 26

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Dorothee Wilma, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 30 Nr. 6 (1982), S. 283-286. .Änderung des Hochschulrahmengesetzes. Anstoß durch 22 Thesen des Hochschulverbandes', in: MittHV Bd. 30 Nr. 6 (1982), S. 290. Für die 33 Vorschläge, auf die hier im einzelnen nicht eingegangen werden kann, vgl. ,Zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes. 33 Vorschläge des Hochschulverbandes', in: MittHV Bd. 31 Nr. 2 (1983), S. 62-67. Ähnlich Hartmut Schiedermair, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 31 Nr, 4 (1983), S. 173if,: „Bei der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes geht es vor allem darum, jenen vernunftgemäßen Weg der Mitte zu gehen, der den Universitäten eine faire Chance gibt, offenkundig gewordene Fehlentwicklungen zu korrigieren, ohne gleichzeitig in den Strudel neuaufgelegter ambitioniertcr Reformutopicn zu geraten." (S. 171) Vgl, ,Zur Untersuchung des Hochschulrahmengesetzes. Zusammenfassung des Berichtes der Expertenkommission', in: MittHV Bd. 32 Nr. l (1984), S. 5ff. Vgl, die im Rahmen einer Pressekonferenz am 23.1.1984 vorgelegte .Stellungnahme des Präsidiums des Hochschulverbandes. Zum Bericht der HRG-Expertenkommission', ebda., S. 8f. 193

Die Ära Schiedermair gebracht. Noch im gleichen Monat konnte der Verband im Rahmen einer Anhörung zu diesem Entwurf Stellung nehmen. Nach weiteren Beratungen in den zustandigen Ausschüssen des Bundestages und im Bundesrat wurde der geänderte Gesetzentwurf der Regierung im März in erster Lesung behandelt. Zur neuerlichen Beratung im Ausschuß für Bildung und Wissenschaft gab der Hochschulverband im April 1985 wiederum eine detaillierte Stellungnahme ab.so Obwohl der Verband, wie Schiedermair vor dem 35. Hochschulverbandstag im Mai 1985 mit Genugtuung feststellte, das Gesetzgebungsverfahren in allen Stadien aktiv begleiten und mit gewissem Recht sogar die Rolle des Initiators der Novellierung beanspruchen konnte31, entsprach das Ergebnis doch nicht unter allen Aspekten seinen Zielen und Vorstellungen. Der Regierungsentwurf, in welchem die von den Ländern vorgebrachten Einwände teilweise Berücksichtigung gefunden hatten, bedeutete aus der Sicht des Hochschulverbandes in einigen nicht unwesentlichen Punkten eine Verwässerung gegenüber dem Referentenentwurf des Bundeswissenschaftsrninisteriums.32 Das anhaltende Drängen auf eine rasche parlamentarische Umsetzung der Novellierung machte aber deutlich, daß die Verabschiedung noch in derselben Legislaturperiode aus der Sicht des Verbandes Priorität hatte vor der Durchsetzung maximalistischer Positionen. Immerhin durfte man erwarten, daß jenseits aller Divergenzen in Details die von der christlich-liberalen Regierung angesagte Revision der Hochschulreform die Stellung der Professoren in jedem Falle nachhaltig verbessern werde.33 Zu den essentials des Verbandes gehörten zunächst die Geltendmachung des , Fachprinzips* in Verfassung und Organisation der Hochschule, womit nichts anderes gemeint war als die eindeutige Präponderanz ''' Vgl. die auszugsweise Dokumentation der Stellungsnahmen Schiederrrtairs und Dorffs vor dem Bundestagsausschuß am 15.716,4.1985: .Novellierung des Hochschulrahmengesetzes. Anhörung vor dem Bundestagsauschuß', in: MittHV Bd. 33 Nr. 3 (1985), S. 147-150. 31 Vgl. Hartmut Schiedermair, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 33 Nr. 3 (1985), S. 117-126, hier S. 120. 32 Für eine detaillierte Analyse und Kritik vgl. Gerth Dorff, Die Änderung des Hochschulrahmengesetzes. Der Rcgicrungsentwurf und die Vorschläge des Bundesrates, in: MittHV Bd. 33 Nr. l (1985), S. 5ff. Die Kritik an der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes aus der Sicht der hochschulpolitischen Gegenposition in der Reform tradition der siebziger Jahre wird formuliert bei Henning Schrimpf, Hochschule und Wissenschaft in der HRG-Novelle - Kritik und Perspektiven des Regierungsentwurfs, in: Kritische Justiz l (1985). S. 29-42. 33 Die Position des Verbandes hatte im übrigen gerade in dieser Hinsicht eine Bestätigung und Stärkung von grundsätzlicher Bedeutung erfahren durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Amtsbezeichnung der Hochschullehrer vom 29.6.1983. Die Tragweite dieses Urteils, an dessen Herbeiführung auch Hartmut Schiedermair als Bevollmächtigter eines Teils der beschwerdeführenden Universitätsprofessoren beteiligt war, lag ja nicht in der Titulationsfrage begründet, sondern in der vom höchsten Gericht dabei vorgenommenen exakten inhaltlichen und funktionalen Wesensbestimmung des Professorenamtes an wissenschaftlichen Hochschulen in Absetzung von den Professoren am tern an anderen Ilochschultypen, insbesondere an den Fachhochschulen. Vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 64, Tübingen 1984, Nr. 24, S. 323-366. 194

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger fahren der Professoren als wissenschaftliche Fachvertreter bei allen wissenschaftsrelevanten Gremienentscheidungen, sodann die Einfügung einer neuen Fakultätsebene über der Ebene der Fachbereiche, die stimmberechtigte Vertretung der Fakultäten durch ihre Dekane im Senat sowie die Rückkehr zum Rektoratsprinzip anstelle der Präsidialverfassung,34 Bezüglich der Personalstruktur strebte der Hochschulverband die Preisgabe sowohl der Figur des ,Hochschuldozenten1 als Mutante des gescheiterten ,Assistenzprofessors' wie auch des auf bloße Dienstleistungsfunktionen beschränkten .wissenschaftlichen Mitarbeiters' an. Diese beiden Reformprodukte sollten wieder in der Figur des ,klassischen' wissenschaftlichen Assistenten auf befristeten Qualifikationsstellen verschmolzen werden, wobei es dem Verband wichtig erschien, angemessene Qualifikationsmöglichkeiten für die Assistenten im Gesetz abzusichern.35 Für die Statusgruppe der Professoren an den wissenschaftlichen Hochschulen hielt der Verband am Ziel eines einheitlichen (und einheitlich nach C4 besoldeten) Professorenamtes fest. Da sich dieses Ziel aus finanzpolitischen Gründen auch bei dieser Gelegenheit nicht erreichen ließ, mußte man sich einstweilen mit der Abschaffung der C2-Besoldung für Professoren begnügen.36 Die Reform der Hochschulreform, die am 23. November 1985 mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes in Kraft trat, wurde vom Hochschulverband als Anbruch einer neuen hochschulpolitischen Ära begrüßt. Man wird, ohne damit in eine inhaltliche Bewertung der Novellierung einzutreten, für die hier weder Platz noch Anlaß ist, die Genugtuung darüber unter verbandspolitischem Aspekt nachvollziehen können. Das gesellschaftspolitische Großklima hatte sich gewandelt, der Meinungswind gedreht. Nach langen Jahren der Frustration angesichts tendenzieller Ausgrenzung aus dem hochschulpolitischen Diskurs und schwindender Politikfahigkeit war der Verband mit dem Machiwechsel von 1982 wieder zu einem hochschulpolitischen Faktor von Gewicht geworden. Man muß sehr weit in die Frühzeit des Hochschulverbandes unter Wilhelm Felgentraeger zurückblicken, um eine Konstellation vergleichbar breiten Konsenses mit den Trägern der politischen Macht zu finden. Auch wenn Schieder^ j5

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Vgl. ,Zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes, 33 Vorschläge des Hochschulverbandes', sowie Hartmut Schiedermair, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 33 Nr. 2 (1985), S. 59f. Vgl. Gerth Dorff, Zurück zum Wissenschaftlichen Assistenten. Ein Plädoyer für die Änderung der Personalstruktur, in: MittHV Bd. 31 Nr. l (1983), S, 6-9. Vgl. die Darlegungen bei Schiederrnair, Bericht des Präsidenten [1985], S, 120ff. Die Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes zur Einführung neuer Amtsbezeichnungen und zur Schaffung neuer Besoldungsregelungen im Anschluß an das novellierte Huchschulrahmengesetz fand nur bedingt die Zustimmung des Hochschulverbandes, vgl. Hartmut Schiedermair, Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 34 Nr. 3 (1986), S. 117-126, hier S. 119f., sowie Gerth Dorff, Neue Amtsbezeichnungen und Änderungen der Besoldung, Bundesbesoldungsänderungsgesetz im Bundestag, in; MittHV Bd. 34 Nr. 2(1986), S. 61f. 195

Die Ära Schiedermair mair die Pose des Triumphes vermied und nüchtern konstatierte, der 23. November 1985 biete „keinen Anlaß zu falschen Siegesfeiern", stand für ihn doch fest, „daß die Phase des ideologischen Kampfes um die Universität nunmehr abgeschlossen" worden sei und „politische Utopien der Vergangenheit ihren förmlichen Abschied erfahren" hätten.37 Diese Einschätzung erwies sich insofern als zutreffend, als das neue Hochschulrahmenrecht und seine Umsetzung in den Ländern die Gravamina der Hochschullehrer minderten und den Hochschulen eine ruhigere Phase des Forschens, Lehrens und Lernens bescherten.38 In diesem Zusammenhang könnte man aber auch von einer über den Handlungshorizont hinausschießenden Prozeßdynamik sprechen, die damals in Gang gesetzt wurde. Denn das Ende der .politischen Utopien' führte nicht nur zur erwünschten De-Politisierung der Universität, sondern auch nahe an den Triumph des Apolitischen über die Politik selbst. Zehn Jahre nach der erfolgreichen Reform der Reform sollte sich der Hochschulverband einer alle politischen Lager übergreifenden Tendenz zur Selbsterübrigung staatlicher Hochschulpolitik und damit einhergehend zur ,Öffnung' der Universität für die Interessen der ,Gesellschaft', genauer: der Wirtschaft gegenübersehen. Auf die drohende Abdankung der Politik und die Totalermächtigung des ,Marktes' zur meta-politischen Letztinstanz auch für die Regelung des gesellschaftlichen Teilsystems Wissenschaft eine verbandspolitische Antwort zu finden, dürfte schwieriger sein als alles, was der Verband bisher an Herausforderungen zu bestehen hatte.

2. Ein gesamtdeutscher Hochschulverband Neben der Reform des Hochschulrahmenrechts sieht der amtierende Präsident des Hochschulverbandes die Einbeziehung der Hochschullehrer und den Neuaufbau der Verbandsorganisation in der ehemaligen DDR39 im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten als die wichtigste Errungenschaft seiner Amtszeit.40 Es 37

Hartmut Schiedermair, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 34 Nr. 6 (1985), S. 283f.

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Daß die Strukturveränderungen der siebziger Jahre in der Sicht der Hochschullehrer zu einer „Klima verschlechte rung" an den Hochschulen geführt hatten, sah der H ochse hui verband durch die Ergebnisse einer vom Bundeswissenschaftsministerium in Auftrag gegebenen und vom Allensbacher Institut für Demoskopie im Frühjahr 1984 durchgeführten Repräsentativumfrage bestätigt; vgl. ,Was an den Universitäten nicht stimmt. Eine Professoren-Umfrage und die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes', in: MittHV Bd. 33 Nr. l (1985), S. 9f. Detailliert zur Lage des Hochschulwesens in der DDR und zu seinem Umbau nach der Wende Schiedennair, Deutsches Hochschulwesen der Gegenwart, S. 89-119. Vgl. ferner den Überblick von Gerhard Neuweiler, Das gesamtdeutsche Haus für Forschung und Lehre. Die Umstrukturierung der Forschungs- und Hochschullandschaft in Ostdeutschland im Kontext einer gesamtdeutschen Hochschulreform, in: Aus Parlament und Zeitgeschichte Nr. B 25 (1994), S. 3-11, sowie die knappe Skizze bei Gerhard A. Ritter, Über Deutschland. Die Bundesrepublik in der deutschen Geschichte, München 1998, S. 203-206, und die dort in Anm. 25, S. 292, genannte weiterführende Literatur. Interview mit Hartmut Schiedermair, 10.12,199.

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könnte in der Rückschau wie die Vorwegnahme einer nicht vorhersehbaren - und in der Tat auch von niemandem vorhergesehenen - historischen Entwicklung anmuten, daß der ,Hochschulverband' bereits 1986 seinen Namen in ,Deutscher Hochschulverband' geändert hatte, um die „gesamtdeutsche Option" der Bundesrepublik und ihrer Universitäten zu unterstreichen.41 Schon wenige Tage nach der Öffnung der Berliner Mauer, am 17. November 1989, hatte das Präsidium prinzipiell die Aufnahme von Professoren aus der DDR in den Hochschulverband befürwortet und die Einladung von politisch unbelasteten DDRKollegen zu den Hochschulverbandstagen ins Auge gefaßt.42 Auf diese Schritte konnte sich der DHV-Präsident dann auch beziehen, als er im Februar 1990 erstmals im Lichthof der Technischen Universität Berlin einer Versammlung von DDR-Kollegen gegenüberstand. Das programmatische Leitmotiv von der „Erneuerung des Geistes" aufgreifend, in dem kurz zuvor das Ergebnis einer gemeinsamen Konferenz der WRK und der Hochschulrektoren der DDR plakativ zusammengefaßt worden war, präsentierte Schiedermair seinen Verband als Sachwalter einer unparteilichen Wissenschaft in einer freien Gesellschaft, der sich auch all jenen „Kolleginnen und Kollegen aus der DDR" öffnen wolle, „die sich in der Ausübung ihres Berufes zu jenem Geist der Unparteilichkeit bekennen".43 Die Einladungen zu diesem Empfang, an dem mehr als dreihundert Professoren aus der DDR sowie die Berliner Wissenschaftssenatorin und die Präsidenten der FU und der TU Berlin teilnahmen, hatte der Berliner DHV-Landesvorsitzende durch Handzettel persönlich verteilen lassen, nachdem die Zeitung ,Neues Deutschland' den Abdruck einer Einladungsanzeige abgelehnt hatte.44 Die Veranstaltung machte deutlich, daß der Hochschulverband schon zu diesem Zeitpunkt seine Ausdehnung auf ganz Deutschland im Zuge einer bereits als sicher angenommenen Wiedervereinigung klar ins Auge gefaßt hatte. In dieser Perspektive engagierte sich der Verband auch bei der organisatorischen und konzeptionellen 41

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Vgl. zur Begründung des Vorschlages Schiedermair, Bericht des Präsidenten (1985], S. 126, Die Aufnahme des Vorschlages auf dem H och seh u l verb and stag von 1985 war geteilt, doch sprach sich schließlich eine Mehrheit dafür aus, eine für die Namensänderung erforderliche Satzungsänderung für den nächsten Hochschulverbandstag vorzubereiten; vgl. ADHV/HVT 35, 17.718.5.1985, TOP la. Auf dem 36. Hochschulverbandstag wurde dann die Namens- und Satzungsänderung mit nur vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen beschlossen; vgl. ADHV/HVT 36, 10,5.1986, TOP 7. Vgl, Auszug aus dem Kurzprotokoll der 292, Präsidiumssitzung vom 17,11.1989, in: Deutscher Hochschulverband (Hg.), Auf dem Weg zur Erneuerung des Geistes. Eine Dokumentation, Teil l {= Forum des Hochschulverbandes. 54), Bonn-Bad Godesberg 21991, S. 20f. Vgl. Hartmut Schiedermair, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 38 Nr. l (1990), S. 3-6, sowie die Presseerklärung vom 2.2.1990, abgedruckt in: Deutscher Hochschulverband (Hg.), Auf dem Weg zur Erneuerung des Geistes, S. 29-35. Vgl. Aktennotiz der DHV-Geschäftssteile vorn 23.1.1990, 380/853, sowie Pressemitteilung des DHV vom 2.2,1990, 380/648. Auch die Anregung zu diesem Empfang war von dem Berliner Landesverbandsvorsitzenden Dietrich v. Stebut ausgegangen. 197

Die Ära Schiedermair Planung eines ,zweiten Wartburgfestes'. Die Initiative zu einem Treffen ost- und westdeutscher Universitätsangehöriger auf der Wartburg bei Eisenach in Erinnerung und Anknüpfung an die national demokratische Manifestation der Burschenschaften vom 18. Oktober 1817 war von Professoren und Studenten der Universität Jena ausgegangen. Mit Verve ergriff Schiedermair die Gelegenheit, durch direkte Kontaktaufnahme mit ostdeutschen Kollegen dem Verband frühzeitig personelle und institutionelle Möglichkeiten der Einflußnahme auf den Prozeß der hochschulpolitischen Neuorientierung im Osten zu erschließen. Dabei brachte der DHV-Prasident mit der Zusage, daß der Hochschulverband sich „an den technischen Vorbereitungen in wirksamer Weise beteiligen" und „jede erdenkliche Hilfe leisten" wolle, nicht nur das Organisationspotential seines eingespielten Verbandsapparats ins Spiel. Er nahm sich in einem dezidiert politischen Sinne, wenn auch mit diplomatischen Formulierungen, der Verantwortung an, die Initiative der Jenaer Kollegen ihrem politischen Gehalt nach vor Mißtönen und Fehleinschätzungen zu bewahren. Er betonte die europäische Perspektive der zu erwartenden deutschen Einigung und begrüßte es mit pädagogischem Nachdruck, daß die Jenaer Initiatoren die Begegnung „von jedem Verdacht des Nationalismus freihalten" wollten. Dem Zweck, die noch unerfahrenen Kollegen behutsam mit den Regeln des politischen Diskurses des Westens vertraut zu machen, diente auch der Hinweis, „daß wir bei der Vorbereitung peinlich darauf achten müssen, daß wir weder von ,rechts* noch von ,links' politisch vereinnahmt werden".45 Geradezu leitmotivisch trat Schiedermair dann in seiner Festrede vor dem Wartburgtreffen - wie auch bei weiteren Ansprachen vor DDR-Kollegen in diesem Jahr - der Versuchung entgegen, die Wiedervereinigung Deutschlands im Sinne nationalstaatlicher Erfüllungsteleologie zu deuten. Den Universitäten und Hochschullehrern in der (ehemaligen) DDR eröffne sich damit die „Rückkehr nach Europa" im Rahmen einer gemeinsamen Verfassungstradition des freiheitlichen Rechtsstaates.46 Die weitverbreitete Aufbruchstimmung angesichts des Mauerfalls und der demokratischen Wende in der DDR unter Einschluß der Perspektive einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten hatte Anfang 1990 ersichtlich auch die Führung des Hochschulverbandes erfaßt. Ohne langes Zaudern nutzte man die sich eröffnende Chance und suchte mit pragmatischer Energie nach Wegen, den Verband auch an den Universitäten der untergehenden DDR als Faktor des hochschulpolitischen Lebens zu etablieren. Bei aller Entschlossenheit, mit der 45

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Schiedermair an den Jenaer Professor für Pathologische Physiologie Ulrich Zwiener, 23.1.1990, BA B 380/648, Der Aufruf der Jenaer Initiatoren wurde unter dem Titel ,Das zweite Wartburgfest' abgedruckt in: MittHV Bd. 38 Nr. l (1990), S. 19f. Schiedermairs Wartburgrede ist unter dem Titel ,Die Verantwortung der deutschen Universitäten und Hochschulen und die europäische Zukunft' abgedruckt in: Deutscher Hochschulverband (Hg.), Auf denn Weg zur Erneuerung des Geistes, S. 71-76. 198

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man diese Aufgabe anpackte, herrschte doch angesichts der neuen Lage keine völlig ungebrochene Euphorie. Zwar bediente sich auch Schiedermair zur Charakterisierung des weltgeschichtlichen Umbruchs, dessen Zeuge man da wurde, in positiver Ausdeutung der Kategorie der Revolution', des „revolutionären Aufbruchs in Menschenrechte und Freiheit". Aber daneben klang in Zwischentönen auch die Sorge an, daß in einem Überschwang von Veränderungsbereitschaft und Neuerungsbegeisterung hartnäckig verteidigte Positionen oder nur mit Mühe wieder befestigte Bestände des westdeutschen Hochschullebens in einem gesamtdeutschen Aufwasch neuerlich in Frage gestellt werden könnten. Während auf Seiten der Regierungskoalition, wie Schiedermair realistisch erkannte, angesichts der bevorstehenden Herausforderungen der Deutschlandpolitik allenfalls eine Fortführung der üd-iioc-Förderung der Hochschulen mit finanziellen Sonderprogrammen, aber keine konzeptionell klar konturierte Hochschulpolitik mehr zu erwarten war, schien sich ihm im Lager der oppositionellen Parteien und Kräfte von den sozialdemokratischen Landtagsfraktionen bis hin zur GEW ein Wiederaufleben der „alten 68er Parolen" anzukündigen. 47 Zugleich beobachtete der Hochschulverband in diesem Frühjahr 1990 mit einigem Unbehagen eine Entwicklung an den Universitäten der DDR, die neben mancherlei Versuchen von Vertretern einer marxistisch-leninistisch ausgerichteten Wissenschaft, sich durch Umbenennungen und Umberufungen den neuen Verhältnissen anzuverwandeln48, auch Anzeichen für überschießende Demokratisierungs-Erwartungen einiger Hochschullehrer bezüglich basisdemokratischer Selbstverwaltungsregelungen erkennen ließ. Bei der Vorbereitung des für den 27. April 1990 angesetzten Wartburgtreffens49 sah sich daher Geschäftsführer Dorff auch vor die delikate Aufgabe gestellt, die künftigen Verbandsmitglieder im Osten darüber aufzuklären, daß die spezifischen Verhältnisse der Hochschulen eine „funktionsgerechte Mitbestimmung nach Maßgabe des Sachverstandes der Hochschulangehörigen" erforderlich erscheinen ließen.50 Der entscheidende Schritt zur Etablierung des Hochschulverbandes an den wissenschaftlichen Hochschulen im Osten Deutschlands wurde bei einem zweitägigen Treffen von Verbandsvertretern und ostdeutschen Hochschullehrern Ende April 1990 in Berlin-Spandau getan. Die organisatorische Ausdehnung 47

Vgl, Hartmut Schiedermair, Auf ein Wort, in: MittHV Bd. 38 Nr. 2 (1990), S. 59ff. Vgl. hierzu den Austausch .Offener Briefe' zwischen dem Verbindungsmann des Hochschulverbandes an der Martin-Luther-Universität Halle und Mitglied des Rates der Philosophischen Fakultät und dem Rektor der Universität, abgedruckt in: MittHV Bd. 38 Nr. 2 (1990), S. 67f. ' ! '"' Für die wissenschaftliche Ausgestaltung des Veranstaltungsprogramms versuchte der Hochschulverband die Mitarbeit namhafter westdeutscher Historiker zu gewinnen. In den Akten (BA B 38Ö/ 648) finden sich die Antworten von Thomas Nipperdey, August Nitschke, Ernst Nolte und Gerhard A, Ritter auf eine entsprechende Anfrage der Geschäftsstelle. 50 Vgl. Dorff an Zwiener, 23.4.1990, BA ß 380/648. 43

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Die Ära Schiedermair

des Deutschen Hochschulverbandes „entsprechend seinem Namen über ganz Deutschland" sollte, wie Schiedermair in seinem einleitenden Referat darlegte, zunächst mit der Gründung von Verbandsgruppen an den einzelnen Hochschulen eingeleitet werden, die sich nach Wiedererrichtung von Ländern in der DDR zu Landesverbänden zusammenschließen würden. „Dabei sei jeder Kollege als Mitglied willkommen, dessen wissenschaftliche Qualität unbestritten sei und der sich politisch nicht kompromittiert habe." Die strategische Leitlinie Schiedermairs, der Hochschulverband wolle sich „als Vertreter der Wissenschaft in der DDR und weniger als berufsständische Vertretung profilieren", wurde im Verlauf der Begegnung durch den zweiten Geschäftsführer Hartmer vorsichtig modifiziert, nachdem nur allzu deutlich geworden war, daß die über ihre Zukunftsperspektiven tief verunsicherten DDR-Kollegen sich vom Verband gerade auch in der Vertretung ihrer persönlichen Interessen Unterstützung erwarteten. Die am gleichen Tage erfolgte Gründung eines DDR-Hochschullehrerverbandes, der sich eine weitgehend vom DHV übernommene Satzung gegeben hatte, wurde einerseits ebenfalls als Ausdruck der tiefgehenden Verunsicherung in der ostdeutschen Hochschullehrerschaft, andererseits aber auch als ein Versuch gewertet, eine politische Auffangposition zu errichten. Sowohl die in Spandau versammelten DDR-Historiker wie die Führung des Hochschulverbandes hielten es angesichts dieser Ambivalenz für geboten, sich nicht in eine Konfrontationsstellung zu dem konkurrierenden Hochschullehrerverband bringen zu lassen. An konkreten Maßnahmen wurde vereinbart, daß die ostdeutschen Teilnehmer der Spandauer Begegnung Aufnahmeanträge stellen und zum bevorstehenden 40. Hochschulverbandstag nach Frankfurt/M. eingeladen werden sollten, der dann die für die Verbandserweiterung in die DDR erforderliche Satzungsänderung beschließen würde. Bei der Gewinnung weiterer Mitglieder an den Universitäten der DDR sollten vorrangig diejenigen Kollegen angesprochen werden, die in der Vergangenheit wegen ihrer politischen Distanz zum SED-Regime Zurücksetzung erfahren hatten. Man war sich darüber im klaren, daß Präsidium und Geschäftsstelle des Hochschulverbandes „keine Vergangenheitsüberprüfung oder Gesinnungsprüfung vornehmen" könnten. Deshalb sei es Aufgabe der örtlichen Vertrauensleute an den Hochschulen der DDR sicherzustellen, „daß die Funktionsträger des Hochschulverbandes über jeden Zweifel erhaben seien". Schiedermair machte deutlich, daß er eine „Sonderregelung für DDR-Hochschullehrer" nicht wollte. Um den Hochschulverband „vor Skandalfällen zu schützen", sollte aber eine „Mißbrauchskontrolle" installiert werden, die im Prinzip gleichermaßen auch auf westdeutsche Antragsteller Anwendung finden könnte.51 51

Die Zitate sind sämtlich dem 20seitigen, von den beiden Geschäftsführern Dorff und Hartmer erstellten Protokoll der Spandauer Begegnung vom 27./28.4.1990 ( 380/651) entnommen, an 200

Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger fahren Nachdem der 40. Hochschulverbandstag, der vom 24, bis 26. Mai 1990 in Frankfurt/M. stattfand, die Satzungsänderung erwartungsgemäß verabschiedet hatte52, konnte die Etablierung des Verbandes an den Universitäten und Hochschulen der DDR in Angriff genommen werden. Die erste Verbandsgruppe im Osten konstituierte sich bereits am 7, Juni 1990 an der TH Wismar, Auf einer „Organisationskonferenz" an der TU Berlin, an der 42 Hochschullehrer aus der DDR teilnahmen, wurde dann am 29. Juni das weitere Vorgehen beraten und festgelegt. Der organisatorische Aufbau des Hochschulverbandes sollte „von unten" erfolgen, d.h. durch Gründungsbeschluß einer Hochschulverbandsgruppe „in einer von den Hochschullehrern der DDR einberufenen Versammlung". Für die Aufnahme von Mitgliedern wurden neben den formalen Kriterien der Habilitation bzw. der Promotion B zwei Bewertungsaspekte eingeführt, die es erlauben sollten, den politischen Bedingungen der Hochschullehrerexistenz im SED-Staat Rechnung zu tragen: die „Wissenschaftlichkeit" und die „Kollegialität". Die prüfende Einschätzung konnte nur, das lag auf der Hand, von den unbelasteten Vertrauensleuten ,vor Ort' vorgenommen werden; sie sollte auf problematisch erscheinende Einzelfälle beschränkt bleiben „und nicht von vomeherein durchgeführt werden {„keine Ausstellung von Pcrsilscheinen")". Angesichts der bekannten Tatsache, daß in der DDR ohne SED-Parteibuch „kaum herausragende Berufungen möglich gewesen" waren, konnte - darüber herrschte Konsens - die Mitgliedschaft in der SED für sich allein keinen apriorischen Ablehnungsgrund darstellen. Zwei weitere Ergebnisse der Organisationskonferenz erscheinen noch besonders erwähnenswert: Zum einen sollte mit der Bildung von Landesverbandsgruppen nicht bis zur offiziellen Konstituierung von Ländern auf dem Gebiet der DDR gewartet werden; zum zweiten wurde die von der Verbandsführung mit

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der neben acht Vertretern der Verbandsführung 36 Hochschullehrer von allen wissenschaftlichen Hochschulen der DDR teilnahmen. Das Protokoll ist ein außerordentlich aufschlußreiches Dokument nicht allein für die verbandspolitischen und -organisatorischen Überlegungen im engeren Sinne, sondern auch für die spezifischen Problemperspektiven und F.rwartungshaltungen von Hochschullehrern der beiden Systeme in dieser historischen Situation. Das Protokoll der Spandauer Begegnung ist auszugsweise abgedruckt in: Deutscher Hochschulverband (Hg.), Auf dem Weg zur Erneuerung des Geistes, S. 38-52. Mit der Ausdehnung des Verbandsgebietes auf ganz Deutschland wurde auch eine Neufassung der den Verbandszweck umschreibenden Bestimmungen vorgenommen, welche eine über die bloße Interessenvertretung der Hochschullehrer deutlich hinausgehende, allgemeinpolitische Verantwortung des Verbandes postulierte und damit in gewisser Weise wieder an das umfassende hochschulpolitische Mandat der Frühzeit anknüpfte. Abs. l von § l lautete nunmehr (Neuformuliemng kursiv): „Der Deutsche Hochschulverband tritt für eine unparteiische Wissenschaft in einem freiheitlichen Rechtsstaat ein. Dabei ist das Wohl der Hochschule Richtschnur seines Handelns. Auf der Grundlage der Freiheit von Forschung und Lehre hat er die Aufgabe, sich aller Fragen anzunehmen, die den Wirkungskreis der Hochschullehrer und ihre Stellung in Staat und Gesellschaft berühren.'1 Vgl. .Beschlüsse des Deutschen Hochschulverbandes', in: MittHV Bd. 38 Nr. 3 (1990), S. 137f. 201

Die Am Schiedermair logistischen Vorteilen begründete Überlegung, eine eigene Verbandsgeschäftsstelle für die DDR einzurichten, von den DDR-Kollegen selbst mit Nachdruck verworfen. Sie wollten „Mitglieder des Hochschulverbandes sein und nicht einer Zweigstelle des Hochschulverbandes." Bezüglich des Hochschullehrerverbandes der DDR wurde die schon bei der Spandauer Begegnung vorgezeichnete Verhaltenslinie einer wohlwollenden Indifferenz bestätigt: „freundliche Kenntnisnahme", „Kooperation und offene Bereitschaft gegenüber vernünftigen Forderungen"; ein „Nebeneinander und auch eine Doppelmitgliedschaft sollten akzeptiert werden, da dies auch im umgekehrten Fall geschehe".53 Die Resonanz auf das Auftreten des Hochschulverbandes an den ostdeutschen Hochschulen war beträchtlich. Mit der „Flut von Anträgen" auf Mitgliedschaft ergaben sich in Einzelfällen naturgemäß auch Probleme der Einschätzung der Anwärter, da die örtlichen Vertrauensleute sich nicht immer dazu durchringen konnten, aus von ihnen erhobenen Bedenken klare Ablehnungsvoten zu deduzieren.54 Trotz dieser Schwierigkeiten ging der Aufbau der Verbandsorganisation im Osten zügig voran. Bis Dezember 1990 wurden an 21 Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen der ehemaligen DDR Hochschulverbandsgruppen gegründet. Im Oktober 1990 konstituierten sich auch bereits Landesverbände in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, im November in Sachsen-Anhalt und im Januar 1991 in Thüringen.55 Damit war - in erstaunlich kurzer Zeit - das Grundgerüst für den flächendeckenden Aufbau des Hochschulverbandes auch in den fünf neuen Bundesländern errichtet worden. So bemerkenswert diese Organisationsleistung war, sollte sie nicht die Tatsache überdecken, daß es der Verbandsführung bei diesem Engagement keineswegs nur urn die institutionelle Präsenz der Verbandes im Osten zu tun war. Mit der Neubestimmung des Verbandszweckes im Zuge der Satzungsänderung von 1990 hatte sich in der raison d'etre des Verbandes der Akzent doch wieder deutlich zu den Grundsatzfragen der Hochschulpolitik hin verlagert. In dem Angebot, an der Neuordnung der Hochschullandschaft in der ehemaligen DDR fördernd und gestaltend mitzuwirken, lag zugleich der Anspruch begründet, die Position des 55

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Für den Beratungsgang, die Ergebnisse irn einzelnen und die hier angeführten Zitate vgl. das neunseitige Ergebnisprotokoll der Organisationskonferenz, 13.7.1990, 380/651; in gekürzter Fassung abgedruckt in: Deutscher Hochschulverband (Hg.), Auf dem Weg zur Erneuerung des Geistes, S. 78-87. Vgl. Rundschreiben des 2. Geschäftsführers Hartmer an die Hochschulverbandsvertreter in den neuen Ländern vom 11.9.1990, BA B 380/651. Die Verbandsführung müßte ihrerseits auf einer Entscheidung der örtlichen Vertreter bestehen, da sie sich nicht imstande sah, nach Aktenlage zu entscheiden. Abgelehnte Aufnahmeanträge wurden nicht als definitiv verworfen, sondern als bis auf weiteres ruhend behandelt. Vgl. zu dieser ProbJematik auch ein weiteres Rundschreiben Hartmers vorn 3.4.1991, ebda. Vgl. die Bestandslisten vom 14. bzw. 16.1.1991, 380/651.

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Paradise Regained? Reform der Reform in den achtziger jähren

Verbandes über die bloße Interessenvertretung der Hochschullehrer hinaus auch im Sinne einer Treuhandschaft für die in der Universität institutionalisierte Wissenschaft generell zur Geltung zu bringen. Es lag in der Konsequenz dieses Ansatzes, daß der Verband in dieser Umbruchsituation nicht nur mit konkreten Unterstützungsmaßnahmen wie der ,Fliegenden Fakultät' für zerstörte Fächer und dem jHilfsprogramm für die notleidende Wissenschaft' hervortrat56, sondern- gleichsam in neu- oder wiedergewonnenem Selbstbewußtsein - auch weitreichende programmatische Konzeptionen für die .Zukunft der Universität' vorlegte,57 Wie weit es dem Verband gelungen ist oder gelingen wird, sich in dieser Rolle eines maßgeblichen Gestaltungsfaktors des deutschen Hochschulwesens von neuem zu behaupten, läßt sich aus der knappen Distanz weniger Jahre nicht entscheiden, Hier darf, ja muß sich auch der (Zeit-)Historiker, dem die Zeit, in der er steht, zu nahe ist, von jedem Urteil dispensieren.

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Vgl. Deutscher Hochschul verband (Hg.), Auf dem Weg zur Erneuerung des Geistes, S, 58f. und S. 60ff. Vgl. die programmatische Rede, die Schiederrnair unter dem Titel ,Die Zukunft der Universität' anläßlich der Gründung der Hochschulverbandsgruppe der Universität Rostock gehalten hat, ebda., S. 89-98. 203

Epilog Das ereignisreiche Jahr 1990, das den Deutschen Hochschulverband zu einem gesamtdeutschen Verband hatte werden lassen, markierte auch in dessen Binnenverhaltnissen eine Zäsur, Zum Ende dieses Jahres schied Gerth Dorff nach Erreichen der Altersgrenze aus dem Dienst. Der Mann, der sich in für ihn kennzeichnender Verbindung von (Selbst-)Ironie und selbstbewußter Distanz zu der Klientel, der er diente, einmal als „Kinderarzt der Hochschullehrer" beschrieb1, hatte 33 Jahre lang die Geschäfte des Verbandes geführt und mit seiner gediegenen Fachkompetenz in Fragen des Hochschullehrerrechts auch das hochschulpolitische Profil seiner Organisation geprägt. Dorffs Nachfolger als Geschäftsführer wurde der Rechtsanwalt Michael Hartmer2, der bereits seit 1984 beim Hochschulverband tätig war, seit 1985 als zweiter Geschäftsführer. Der Hochschulverband hat in den neunziger Jahren sein Gesicht noch einmal stark verändert. Das hängt sicherlich zum Teil mit dem kräftigen Mitgliederzuwachs von gut 14.000 im Jahre 1991 auf nunmehr 17.000 Hochschullehrer zusammen, die dem Verband die Vertretung ihrer Interessen anvertraut haben.3 In dem Maße, wie die ,klassische' Verbandspolitik zur Durchsetzung der Mitgliederinteressen mittels ,Lobbying' und dergleichen Methoden schwieriger wurde, nahmen die Servicefunktionen des Verbandes an Umfang und Bedeutung zu - ein Trend, der schon in den sechziger Jahren erkennbar war und sich seit den siebziger Jahren noch verstärkt hat.4 1984 hatte die Beratungstätigkeit für Verbandsmitglieder einen Umfang angenommen, der die personelle Verstärkung der Geschäftsstelle und ihre Reorganisation nach dem Ressortprinzip unabweisbar machte. Die Beratung der Hochschullehrer in beruflich veranlaßten Fragen, so hob der Präsident im Arbeitsbericht jenes Jahres hervor, stehe inzwischen „an der Spitze der Leistungen des Hochschulverbandes" und stelle „seine eigentliche Vgl, die Erwiderung Dorffs auf die Laudatio Schiedermairs anläßlich des 25jährigen Dicnstjubiläums des Geschäftsführers in: MittHV Bd. 31 Nr. l (1983), S. 49ff. Michael Hartmer, geb. 1955 in Hagen/Westf.; Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten Freiburg i. Br. und Bonn, 1980 erste, 1983 zweite jurist. Staatsprüfung; 1985 Prom.; seit 1.5.1984 beim DHV tätig, seit 1.1.1991 als erster Geschäftsführer. Davon sind knapp 8.300 Professoren der Besoldungsgruppen C3 und C4; hinzukommen etwa 650 Professoren analoger Stellung, die in den neuen Bundesländern nach BAT I und BAT la besoldet werden. Der Hochschulverband tritt seit Jahren nachdrücklich für die dienst- und besoldungsrechtliche Gleichstellung der Ost-Professoren ein. Insbesondere der Benachrichtigungsdienst für Stellenausschreibungen, der vom Verband 1969 eingerichtet worden war, nachdem die Kultusminister durch gemeinsamen Beschluß die Ausschreibung vakanter Professuren verbindlich gemacht hatten, erfreute sich sogleich großer Nachfrage; vgl. ADHV/P 71, 18.1.1969, TOP 7 u. 10, und ADHV/P 77, 30.1.1970, TOP 1; allg. zur dynamischen Entwicklung der Beratungsdienstleistungen vgl. Pols, Bericht des Präsidenten [1978], S. 133, und Ders,, Bericht des Präsidenten {1979], S. HOf.

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Epilog

Domäne dar mit der ihr eigentümlichen Besonderheit, daß davon nichts oder nur sehr wenig nach außen dringt".5 Drei Jahre später, 1987, wurde die Beratungstätigkeit aus rechtlichen Gründen als eigener Verbandszweck in der Satzung verankert. Der aktuelle Organisationsplan der Geschäftsstelle, der für dieses Tätigkeitsfeld drei Justitiarate6 und eine steuerrechtliche Beratungsstelle ausweist, macht kenntlich, daß der Hochschul verband unter der Geschäftsführung Hartmers nicht zuletzt eine hochspezialisierte Dienstleistungseinrichtung geworden ist. Der Verband hat in diesem letzten Jahrzehnt aber auch der Erfahrung Rechnung getragen, daß in einer zunehmend medial gelenkten politischen Kultur keine gesellschaftliche Gruppe mehr darauf verzichten kann, beständig ihre Anliegen und Interessen aus dem Arcanum des eigenen professionellen Teilsystems hinaus in die Öffentlichkeit zu tragen und in leicht verständlicher Form in den allgemeinen Diskurs einzuspeisen. Nur was dort ,präsent' ist, hat überhaupt eine Chance, von den politischen Gestaltungsinstanzen wahrgenommen und eventuell mit den traditionellen Mitteln verbandlicher Interessenarbeit beeinflußt und befördert zu werden. In dieser Konsequenz hat sich die Verbandsführung 1993 entschlossen, die .Mitteilungen des Hochschulverbandes' einer radikalen Reform zu unterziehen. Der Ausdruck „radikale Reform" mag einer contradictio in adiecto bedenklich nahe erscheinen, bezeichnet aber sehr treffend den Vorgang und sein Ergebnis. Zwar waren die alten ,Mitteilungen', die bis 1991 sechsmal, danach neunmal im Jahr erschienen, schon längst nicht mehr - wie es dem Genre des reinen Verbandsblattes deutscher Vereinstradition entspräche - auschließlich einem auf die Mitglieder beschränkten, hermetischen Binnendiskurs verpflichtet. Aber sie waren doch zuallererst „Bindeglied zwischen den Funktionsträgern des Verbandes und seinen Mitgliedern" und „Meinungsforum" nach innen, und nur ergänzend auch „Meinungsträger" des Verbandes nach außen.7 Beim Nachfolgeorgan Forschung & Lehre, das mit monatlicher Erscheinungsweise zudem einen deutlich höheren Aktualitätsgrad erreicht, verhält es sich genau umgekehrt. Mit Beiträgen zu allen erdenklichen Themen und Problemen aus der Welt der Wissenschaft und der Hochschulen, die in der Regel keinen unmittelbaren Konnex zu den konkreten Aufgaben des Verbandes als Interessenvertretung der Hochschullehrer erkennen lassen, wendet sich Forschung & Lehre nach Art einer thematisch, nicht aber institutionell definierten Fachzeitschrift über die Verbandsklientel weit hinausHartrnut Schiedermair, Der Bericht des Präsidenten, in: MittHV Bd. 32 Nr. 3 (1984), S. 116-125, hier S, 119. Justitiarat I: Hochschul- und Beamtenrecht, Berufsberatung; Justitiarat II: Medizin- und Arbeitsrecht; Justitiarat III; Recht der neuen Länder, Altersversorgung, Interne Analyse der Geschäftsstelle über Stellung und Funktion der .Mitteilungen' im Verhältnis zu anderen periodischen Publikationen aus dem Hochschulbereich, insbesondere der ,Deutschen Universitätszeitung' (DUZ), 29.8.1991. 206

Epilog

greifend (auch frei käuflich und abonnierbar) an die Funktionseliten des Landes, in der Hoffnung, ihnen so die spezifischen Probleme und Bedürfnisse universitärer Wissenschaft näher zu bringen. Als Organ des Hochschulverbandes gibt sich die Zeitschrift allenfalls noch subkutan zu erkennen.

Wie jeder, der heute als Forscher und Lehrer an einer wissenschaftlichen Hochschule tätig ist, aus täglichem Erleben weiß, haben sich die hochschulpolitischen Parameter im weitesten Sinne, hat sich der gesamtgesellschaftliche Diskurs über Wesen und Aufgaben der Universität in den letzten Jahren fundamental gewandelt. Mit ganz anderen Mitteln, aber nicht weniger radikal als 1968 werden in dieser Debatte die Traditionen der deutschen Universität, oder das, was von ihnen noch überdauert hat, in Frage gestellt. Wer sich in dieser Situation auf Humboldt beruft, riskiert, belächelt zu werden. Nun hat die Geschichte, gerade auch die Geschichte des Standes wie des Verbandes der Professoren in diesem Jahrhundert, gezeigt, daß kulturpessimistisches Klagen und Verzagen - wofür deutsche Professoren zweifellos eine gewisse Anfälligkeit gezeigt haben - nichts besser, aber manches eher noch schlimmer macht, Es ist auch schon wieder 30 Jahre her, daß Helmut Schelsky in einer ähnlichen Depressionsphase das Ende einer 150 Jahre dauernden Epoche, „der mit dem Namen Wilhelm v. Humboldts verbundenen Epoche der deutschen Universitätsidee und -Wirklichkeit" giaubte feststellen zu müssen.8 Das könnte darauf hoffen lassen, daß der Abschied von der deutschen Universität ein langer Abschied werden wird. Auch wenn es dann eines Tages doch besiegelt sein sollte, daß es an der Universität der Zukunft „weder Einsamkeit noch Freiheit" geben kann, gilt bis dahin, was Camus einer Haltung des Trotzdem als philosophisches Motto gegeben hat: Man muß sich Sysiphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Helmut Schelsky, Einsamkeit und Freiheit. Idee und Gestalt der deutschen Universität und ihrer Reformen, Düsseldorf 21971, hier Vorbemerkung zur 2. Auflage; besonders aufschlußreich auch der ,i*vachtrag 1970, über „Das Ende der Humboldtschen Universität: Weder Einsamkeit noch Freiheit", in dem Schelsky begründet, weshalb ihm seit der Abfassung der ersten Auflage 1962 die Hoffnung auf die Kompatibilität der Humboldtschen Leitidee mit den Strukturbedingungen der modernen demokratischen Massengesellschaft abhanden gekommen ist.

207

Abkürzungsverzei chn is ADHV ADHV/HVT ADHV/NOK ADHV/OK ADHV/P ADR AHRK/WRK BA BAK BGbl. BKN BNSDJ DHV DRW DUZ CDS GG HICOG HRG HRK KMK MittHV NAA NSDStB NSDozB NWHK RGbl. SDS SHK TH VDH VHH WRK ZUK

Archiv des Deutschen Hochschulverbandes Archiv des Deutschen Hochschulverbandes / Hochschulverband stag Archiv des Deutschen Hochschulverbandes / Nichtordinarienkonvent Archiv des Deutschen Hochschulverbandes / Ordinarien konvent Archiv des Deutschen Hochschulverbandes / Präsidiumsprotokolle Akademie für Deutsches Recht Archiv der Hochschulrektorenkonferenz / Protokolle der Plenarversammlungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz Bundesarchiv Bundesassistentenkonferenz Bundesgesetzblatt Bundeskonferenz der Nichtordinarien Bund nationalsozialistischer Deutscher Juristen Deutscher Hochschulverband Deutsche Rechtswissenschaft Deutsche Univershätszeitung Gesamtdeutsches Archiv für Hochschul- und Studentengeschichte Grundgesetz United States High Commission (er) for Germany Hochschulrahmengesetz Hochschulrektorenkonferenz Kultusministerkonferenz Mitteilungen des Hochschulverbandes Notverband der amtsverdrängten Hochschullehrer Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund Nationalsozialistischer Dozentenbund Nordwestdeutsche Hochschulkonferenzen Reichsgesetzblatt Sozialistischer Deutscher Studentenbund Süddeutsche Hochschulkonferenzen Technische Hochschule Verband Deutscher Hochschulen Verband heimatvertriebener Hochschulangehöriger Westdeutsche Rektorenkonferenz Zentral unterstützungskasse

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Quellenverzeichnis Archiv des Deutschen Hochschulverbandes, Bonn-Bad Godesberg ADHV/P Protokolle der Pr sidiumssitzungen (20 Aktenordner) ADHV/HVT Niederschriften der Hochschulverbandstage AD H V/OK Protokolle des Ordinarienkonvents ADHV/NOK Protokolle des Nichtordinarienkonvents ADHV/Fasz. .Satzungs nderungen' ADHV/Fasz.,Satzungsentw rfe'

Archiv der Hochschulrektorenkonferenz, Bonn AHRK/WRK 18-21 AHRK/WRK 23 AHRK/WRK 24 AHRK/WRK 27 AHRK/WRK 28 AHRK/WRK 32 AHRK/WRK 33 AHRK/WRK 37 AHRK/WRK 48 AHRK/WRK 51 AHRK/WRK 52 AHRK/WRK 59-61 AHRK/WRK 63

Bundesarchiv Koblenz, Bestand Deutscher Hochschulverband ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ ΒΑ

Β 380/13-19 Β 380/22 Β 380/24-26 Β 380/35-38 Β 380/46-49 Β 380/52 Β 380/55 Β 380/57-62 Β 380/68 Β 380/71 Β 380/72 210

Quellenverzeichnis ΒΑ Β 380/74 ΒΑ Β 380/77 ΒΑ Β 380/96-99 ΒΑ Β 380/101 1. Teil und 2. Teil ΒΑ Β 380/102 ΒΑ Β 380/103 ΒΑ Β 380/106 ΒΑ Β 380/107 ΒΑ Β 380/234 ΒΑ Β 380/235 ΒΑ Β 380/250 ΒΑ Β 380/265 ΒΑ Β 380/266 BA B 380/361 ΒΑ Β 380/362 ΒΑ Β 380/365 ΒΑ Β 380/377 ΒΑ Β 380/378 ΒΑ Β 380/489 ΒΑ Β 380/490 ΒΑ Β 380/648 ΒΑ Β 380/649 BA B 380/651 ΒΑ Β 380/652 ΒΑ Β 380/853 ΒΑ Β 380/854 ΒΑ Β 380/858 ΒΑ Β 380/861 ΒΑ Β 380/882-885 ΒΑ Β 380/887 ΒΑ Β 380/889 ΒΑ Β 380/892 ΒΑ Β 380/935 ΒΑ Β 380/943 ΒΑ Β 380/1012-1015 ΒΑ Β 380/1017 ΒΑ Β 380/1018

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Quellenverzeichnis

Bundesarchiv Berlin - R 3001 (R 22) - personenbezogene Unterlagen (ehemals Berlin Document-Center) - NS 15/227 - R61/75

Bayerisches Hauptstaatsarchiv BayHStA M K 68723 Staatsarchiv Hamburg STA Hamburg, Hochschulwesen, Dozenten- und Personalakten Nr. PA IV 1266

Zentrum f r Zeitgeschichte von Bildung und Wissenschaft, Hannover: Bestand Westdeutsche Rektorenkonferenz; Bestand Kultusministerkonferenz ZZBW/HRK FZ 5/1 ZZBW/HRK FZ 5/2 ZZBW/HRK FZ 7/3 ZZBW/HRK FZ 19/3 ZZBW/HRK FZ 30/1 ZZBW/HRK FZ 30/3 ZZBW/HRK FZ 44/4 ZZBW/HRK FZ 45/3 ZZBW/HRK FZ 48/1 ZZBW/HRK FZ 48/2 ZZBW/HRK FZ 49/3 ZZBW/HRK FZ 104/4 ZZBW/HRK FZ 105/1-4 ZZBW/HRK FZ 114/2 ZZBW/HRK FZ 114/3 ZZBW/HRK FZ 193/1 ZZBW/HRK FZ 220/2 ZZBW/HRK FZ 220/4 ZZBW/HRK FZ 238/1 ZZBW/HRK ΓΖ 281/2 ZZBW/HRK FZ 287/1 ZZBW/HRK FZ 289/2 212

Quellenverzeichnis ZZBW/HRKFZ3I5/4 ZZBW/HRK FZ 316/2 ZZBW/HRKFZ319/4 ZZBW/HRK FZ 475/1 ZZBW/HRK FZ 506/5 ZZBW/HRK FZ 508/4 ZZBW/HRK FZ 509/1 ZZBW/HRK FZ 510/1 ZZBW/HRK FZ 515/4 ZZBW/HRK FZ 529/1 ZZBW/HRK FZ 533/3 ZZBW/HRK FZ 573/3 ZZBW/HRK FZ 577/3 ZZBW/HRK FZ 577/4 ZZBW/HRK FZ 586/1-3 ZZBW/HRK FZ 639/4 ZZBW/KMK-HA 1329/2

National Archives, Washington (Microcopy) American Historical Association/Committee (Ed.): Records of NAZI Cultural and Research Institutes: National Archives Microcopy, Bestand T82: Akademie für Deutsches Recht (Washington 1956), Filmrollen: 33, 39, 40

213

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Personenregister Die kursiv gesetzten Zahlen verweisen auf Seiten, auf denen die genannte Person nur in den Fußnoten erscheint. Wo nur der Nachname angegeben ist, konnte der Vorname nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Dorff, Gerth 45, 51-53, 56t, 61-65, 73, 83t, 87, 89, 90, 94, 104f., 132f., 135f., 142,143, 144,145, 149,151f„ 156, 159f„ 163f„ 172,178, 181, 188,190, 192, 194f.t 199f., 205

Anger, Hans 127 Anrieh, Ernst 118 Arndt, Adolf 134

B Bäumler, Alfred 22 Bauer, Karl Heinrich 25 Baumgarten, Eduard 71, 127f. Becker, Carl Heinrich 14, 124 Berchem, Theodor 191 Beyerle, Franz 101 Bismarck, Otto v. 20 Boehm, Max Hildebert 108 Böning, Eberhard 181 Braun, Johannes (Hans) 54, 61, 65,

Eckhardt, Karl August lOOf. Elmenau, Johannes v. 140, 142, 148 Erbe, Walter 28, 30, 32 Eulenburg, Franz 41

Felgentraeger, Wilhelm 29-33, 35f,, 38, 42, 45-47, 49, 50-59, 61f„ 64, 65f., 69, 71-78,80-115, 119-126, 128-136, 138-144, 148, 15l/., 154, 164, 168, 172,185, 195 Felgentraeger, Wilhelm (Vater) 29 Finkenstaedt, Thomas 54, 154,156f,, 160, 162t, 165, 167, 169-171, 172, 190 Fischer, Herwart 23 Fischer-Appelt, Peter 150, 153,191 Flegler, Eugen 34, 61f„ 65 Forsthoff, Ernst 101,115 Frank, Hans 89, 98-101, 103f. Freytagh-Loringhoven, Axel v. 101 Frick, Wilhelm 23 Friedeburg, Ludwig v. 185, 188 Friesenhahn, Ernst 34

94f.

Brentano, Lujo 13 Brentano, Heinrich v. 74 Brücher, Hildegard 132 Buddeberg, Karl 103

Camus, Albert 207 Coing, Hermann 107, 126,127f., 129, 130

D Delbrück, Hans 13 Denninger, Erhard 188 Dohnanyi, Klaus v. 173, 182

231

Personenregister Funke, Gerhard 53, 61, 65l Fuß, Ernst-Werner 156

Huber, Ernst-Rudolf 90, 101 Hübner, Heinz 94 Humboldt, Wilhelm v. 43, 207

Geiler, Karl 116 Gerber, Hans 41f., 7li., 83, 91,128 Glotz, Peter 182 Goebel 28 Goldschmidt, Dietrich 21 Grabert, Herbert 114f. Grammel, Richard 28 Groh, Helmut 167 Groß, Walther 21 Grosser, Dieter 54, 154, 767, 170-174 Großkreutz, Jürgen 190 Gürtner, Franz 98

Jahrreiß, Hermann 71 Jaspers, Karl 116

K Kielwein, Gerhard 152 Kisch, Wilhelm 99,101, 103 Klagges, Dietrich 19 Knopp, Werner 193 Kohl, Helmut 192 Krause, Alfred 165 Krieck, Ernst 22f. Krockow, Christian Graf v. 175 Kroll, Joseph 261

H Habermas, Jürgen 22,188 Hacnisch, Konrad 14 Hallstein, Walter 24, 251, 33f., 115/., 117 Hardtwig, Heinrich 152 Harnack, Adolf v. 41 Hartke, Wolfgang 48, 61, 651 Hartmer, Michael 200, 202, 2051 Hedemann, Wilhelm 58, 101 Heimpel, Hermann 74,114, 123 Hennis, Wilhelm 156 Hess, Gerhard 37, 73, 91,128f. Heydemann, Berndt 159,160, 1631 Heydrich, Reinhard 90, 101 Heymann, Ernst 101 Hirsch, Ernst E. 42 Hindenburg, Paul v. 19f, Horkheimer, Max 116,128

Lange, Heinrich 99,101, 103 Langendorf 159 Lasch, Karl 99 Leussink, Hans 84,13l/. Lichtenberg, Georg Christoph 168 Lingenberg 152 Litt, Theodor 116, 128 Lohmann, Karl 100 Lübbe, Hermann 106

M Maier, Hans 156 Maihofer, Werner 150 Marquard, Odo 154 Martini, Paul 131 Marx, Karl 71 Maunz, Theodor 101 232

Personenregister Renger, Annemarie 173 Ringer, Fritz K. 18, 22 Risler, Helmut 61 Ritter, Gerhard A. 199 Rogge, Heinrich 101 Rohde, Helmut 182 Rüegg, Walter 79, 82,190 Rumpf, Hans 81,156,160 Rust, Bernhard 23, 55, 91

Mauz, Gerhard 58 Meckeiein 156 Medem, v. 131 Meinardus, Wilhelm 15 Meinicke 57 Meyer-Lübke 13 Mitscherlich, Gerhard 67f., 84 Müller, Claus 156 Müller, Hermann 144 Münzner, Richard 113

S N

Schärfer, Fritz 135 Scheel, Otto 18 Schelsky, Helmut 207 Schenck, Rudolf 15, 17f. Scheuner, Ulrich 101 Schiedermair, Hartmut 56, 167, 185200, 203, 206 Schlink, Wilhelm 12, 16, 18,25, 75 Schmidt, Helmut 192 Schmitt, Carl 55, 89, 101 Schneider, Friedrich 129 Schrimpf, Henning 194 Schucht, Friedrich Wilhelm 23 Schücking, Walther 89 Schuler, Bruno 35 Schwab, Karl Heinz 54,152, 153f., 157f., 159f., 162 Schwarz, Andreas Bertalan 97 Sieverts, Rudolf 78 Sinapius, Dietrich 159f., 164 Smend, Rudolf 25,101 Speer, Julius 55 Spranger, Eduard 20, 22 Stebut, Dietrich v. 197 Stoll, Heinrich 104f. Strugger, Siegfried 53/.

Naschold, Frieder 188 Niemeyer, Horst 188 Nipperdey, Thomas 199 Nitschke, August 199 Nolte, Ernst 199 Nord, Ferdinand Ernst 56,133

Oppenheimer, J.J. 120

Papcn, Franz v. 19 Paulsen, Friedrich 47, 145f. Picht, Georg 120,126 Planes, Paul 123,137 Plessner, Helmuth 41, 128 Pols, Werner 155, 173, 181-183, 185, 187, 205 Preuß, Hugo 89 Pringsheim, Fritz 30, 97f., 104

Raiser, Ludwig 11,21, 29-32, 34-36, 38, 41, 841, 89, 91, 107, 110,128, 129t., 140, 142f, Reimann, Bruno W. 154 233

Personenregister

W Tellenbach, Gerd 65, 94,118, 119f., 121f., 123, 126f, 129, 138, 142 Theunissen, Michael 188 Thielicke, Helmut 118, 119 Thieme, Werner 31, 40, 43f., 51, 55, 57, 59, 60f., 63-65, 67f., 72, 91, 93, 95, 113, 123,130, 134, 136f., 138, 142, 144,178,186 Tillmann, Fritz 18f.,22, 26 Turner, George 191

Wenzel, Max 114 Wieacker, Franz 97, 30, 101 Wilhehni, Hans Herbert 131 Wilms, Dorothee 192f. Winterhager 142

Vits, Ernst Hellmut 133 Voigt, Richard 53,

Zacher, Hans 174 Zwiencr, Ulrich 198f.

Wach, Adolf 12f. Weber, Max 39, 44f., 72 Weber, Werner 42, 55, 60, 70f., 89-92, 93, 98f., lOlf., 112, 1131, 119

234