Geschichte der Stadt Syrakus bis zur Zeit der Römerherrschaft. Nach den alten Quellen erzählt

Programm des Königlichen Gymnasiums zu Quedlinburg für das Schuljahr von Ostern 1848 bis ebendahin 1849

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Geschichte der Stadt Syrakus bis zur Zeit der Römerherrschaft. Nach den alten Quellen erzählt

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Geschichte der Stadt Syrakus ...
Schlacht besiegt, überlaßen die Syrakuser aus Furcht, Hannibal ...
Olympischen Siege der Könige Gelo und Hiero verherrlichten, und ...
wo Angeber und Ankläger und Sykophanten, die von dem ...
Becken ohne das baare Geld schenkte, und ZoUfreiheit bei ...
Schulnachrichten ...

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Programm

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des Königlichen

Gymnasiums zu Quedlinburg für

das Schuljahr von Oltern 1848 bis ebendahin 1849. Womit zu

den auf den 2. und 3. April festgesekten

öffentlichen Prüfungen sämmtlicher Klassen des Gymnasiums und

den damit verbundenen Deklamationen und freien Vorträgen ergebenst einladet

der Director des Gymnaliums Professor Ez. Wilh. Richter.

Inhalt : 1) Eine Geschichte der Stadt Syrakus bis auf die Römerherrschaft. Vom außerordentlichen Gymnasiallehrer F. W. Schulze.

2) Schulnachrichten. Bom Director.

Quedlinburg. Druck und Papier von Gottfr. Basse. 1849.

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Geschichte der Stadt Syrakus bis zur Zeit der Römerherrschaft. Nach den alten Quellen erzählt.

,,Perditae civitates , desperatis jam omnibus rebus , hos solent exitus exitiales habere, ut damnati in integrum restituantur, vincti solvantur, exules reducantur , res judicatae rescindantur. Quae quum accidunt, nemo est , quin intelligat ruere illam rem publicam: haec ubi eve-

niunt , nemo est , qui ullam spem salutis reliquam esse arbitretur." Cicero.

Sicilien und seine Bewohner ; die Stadt Syrakus und die Bürgergemeinde.

Cußerordentliches Unglück hat von jeher die Bewohner des durch seine Lage wie durch den Reichthum seines Bodens ausgezeichneten Eilands Sicilien betroffen. Mit seinem Reichthume zog es sich nur eine Menge Gewalthaber groß, und nährte sich diese und deren Söldnerschaaren zur eigenen Geißel. Dazu lockte ihnen ihre Lage eine Menge Eroberer herbei , die Hellenen, Karthager, Römer in der alten Zeit, später die Vandalen, Araber und die Normannen , unter deren eiserner Verwaltung sich Ritterschaft und Kirche in den reichen Besik gesezt haben. Hatten kaum die verheerenden Kriege aufge= hört , so begann die gesekliche Ausplünderung der Bewohner , die in neuester Zeit unter der Obhut des

Adels und der Kirche ebenso gut Hungers gestorben sind , als in den Römerzeiten , wo die Insel ganz Italien mit Getreide versorgen konnte , aber für seine Bauern nicht Brot hatte. Das Eiland Sicilien, das größte des Mittelmeeres, mit einem Flächeninhalt von nahe zu 500 Geviertmeilen , ist , wie gesagt, durch Lage und Bodenreichthum herrlich ausgestattet. In Gestalt eines Dreiecks hingeworfen , schauet es mit seinen vorspringenden Spiken, mit dem Vorgebirge Pelorum nach Italien, das eine nur meilenbreite Furth trennt, mit Pachynum nach Griechenland , mit Lilybäum nach dem punischen Afrika , nach dem Gebiete Karthago's , aus , gleich als ob es die Völker aller drei Länder

zugleich zu sich zu Gaste laden wollte. Von der Mitte , als dem Knotenpunkte , laufen mäßig hohe Bergreihen nach den Spiken , und zerschneiden so das Land gewissermaßen in drei große, mit der längsten Seite vom Meere umspülte Thäler, deren Verbindung aber durch die trennenden Hügelreihen keineswegs behindert ist. Der Himmel darüber ist so mild und heiter, daß man, wie die Alten rühmten, an der Küste bei Syrakus selbst in der Winterszeit keinen so trüben Tag erlebte , an dem man nicht einmal die Sonne erblickte ; und den Schnee, der an den Küsten oft nach vielen Jahren als Seltenheit erscheint, und das starre Eis lernt man nur auf den Gipfeln der höheren Bergzüge beßer kennen. Dazu der

Boden so fruchtbar , daß der Weinstock und der Delbaum gedeihet und das Getreide zehnfältig und zwanzigfältig Frucht trägt. Auf dieser Insel wohnten im grauen Alterthume die Kyklopen, denen , nach der schönen Sage bei Homer, das Land freiwillig Wein und Obst und Getreide trug , und die , als Hirz

ten ihrer Heerden, friedlich neben einander lebten, nicht in Städte zusammengedrängt und ohne geselligen Verband, sondern jeder nur seines eigenen Herdes waltend. Aber die Menschen , die verwegen und fre: Söhne des velhaft das Schiff bestiegen und das Meer durchforschten, ließen nicht lange diese geliebten 1

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Zeus ungestört in ihrem Glücke wohnen; es kamen zuerst, vom Könige Kokalus geführt, die Sikaner an, wahrscheinlich eine den spätern Sikulern verwandte Völkerschaft Italiens ; Andere vermuthen, von der Sequana im Keltenlande. Bald nach ihnen , wie es heißt , 80 Jahre vor dem trojanischen Kriege , die

Sikuler , ein althellenischer Volksstamm aus Italien, der , von andern Stämmen nach Süden gedrängt, über die Meerenge sekte und sich auf dem Eilande ausbreitete , auf Kosten der Sikaner , die in die Süd-

westecke zusammengedrängt wurden. Beide Völker trieben Ackerbau und bewohnten Städte. Zu ihnen sollen nach der Zerstörung Troja's die Elymer aus Kleinasien gekommen sein und die Städte Eryx und Segesta gegründet haben. Aber bald kamen noch mehr der fremden Gäste , den Ueberfluß mit ihnen zu theilen. Die Karthager , um den Handel bequemer betreiben zu können , ließen sich auf den kleinen In-

seln und an den festen Pläken der Küste nieder, gründeten eigene Ansiedelungen in der Nähe der Elymer, Panormus, das heutige Palermo, das von seinem besuchten Hafen den Namen hat, Solentum, Thermä, Motye, und als dies von Dionys zerstört worden war, Lilybäum ; und von diesen Haltpunkten aus brachten sie allmälig einen großen Theil der Insel in größere oder geringere Abhängigkeit von sich. Endlich kamen auch hellenische Auswanderer aus Griechenland an und sekten sich allerwärts an den Küsten des unteren Italiens wie Siciliens fest; dort gründeten sie Tarent, dann tiefer Sybaris, Kroton, Lokri, Rhe-

gium an der Meerenge, Neapolis an der Westseite; hier auf Sicilien an der Ostseite die Ansiedelungen Syrakus, Leontium in der Nähe , Megara , Katana , Messene , Rhegium gegenüber , an der Südseite Kamarina, eine Pflanzstadt von Syrakus, Gela, dessen Tochterstadt Agrigent und Selinus, an der Nordseite

besonders Himera, während die übrigen Städte der Nordküste und des Innern meist den Sikulern gehörten , namentlich Abakänum , Halesa , Kephalödium , im Innern Herbita , Enna , Hadranum , Agy= rium, Galeria , Ankyra , Assorus , Triokala, Makella, Trinakia. Ungemein schnell blüheten besonders die hellenischen Ansiedelungen auf. Städte mit 10,000 Bürgern wurden zu den kleineren gezählt , Syrakus und Agrigent konnten eigene Heere in's Feld stellen , und lekteres hatte zur Zeit des Dionysius über 20,000 Bürger , mit den Schuhverwandten über 200,000 Einw., ungerechnet die wohl eben so zahlreichen Sklaven. Mit dieser Ausbreitung der hellenischen Ansiedelungen verbreitete sich auch

nothwendig deren Sitte und Sprache, und bald ward die ganze Insel hellenisch , obwohl noch zu den Zeiten des Dionysius die ursprünglichen Size der Sikaner und Sikuler sich unterscheiden lassen. So

mächtig ward hier das Hellenenthum, daß es dem sonst alles verdrängenden Römerthume siegreich widerstand und noch aus der Zeit Kaisers Friedrich II. Urkunden zu Palermo in hellenischer Sprache aufbewahrt werden , ja auf der Ostküste noch heutzutage ein Rest dieser Sprache sich erhalten hat.

Die Perle aber von allen diesen Ansiedelungen war Syrakus, eine Pflanzung der Korinther, die sich unter der Führung des Archias beiläufig um das Jahr 732 v. Chr. zuerst auf einer kleinen Insel dicht an der Küste festsekten und die Sikuler vertrieben. Bald dehnte sich die Stadt auch auf dem ge-

genüberliegenden Lande immer weiter aus, und erwuchs zu einer Größe und Schönheit, in deren Bewunderung sich Cicero mit Loben nicht genug erschöpfen kann. Sie zerfiel in vier Städte ; zuerst die

Insel selbst , auch Ortygia genannt, in späterer Zeit durch keinen Belt mehr vom Lande getrennt, mit dem prächtigen Tempel der Athene , später von Dionysius befestigt , der sich hier , wie nach ihm Hiero, eine Burg baute. Sie beherrschte auch den Eingang zum großen Hafen , der die Stadt unmittelbar

bespülte, und war deshalb unter Dionysius, wie anfänglich nach der Römischen Eroberung, den Einwohnern verschloßen. An die Insel zunächst , und durch ein Thor , anfänglich auch durch eine Brücke damit verbunden , stieß Achradina , der Haupttheil der Stadt, von einer breiten Hauptstraße durchschnitten, mit einem großen Marktplake, schönen Säulengängen, dem Prytaneum, dem Rathhause, dem Olympium oder

Tempel des Zeus geziert. Der dritte Stadttheil hieß von dem Tempel der Glücksgöttin Tycha , hatte das größte Gymnasium. Nördlich daran stoßend die Höhe und Feste Epipolä. Und von den genannten Theilen und dem Hafen eingeschloßen die Neustadt , das Westende , zur Römerzeit das bewohnteste Vier= tel, früher ein dem Apollo geweiheter Hain , daher dieser Theil auch den Namen Temenites führte, mit den Tempeln der Ceres und Proserpina und des Bacchos.

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Was die Verfassung der Stadt betrifft , so haben wir bei den Alten wenig Andeutungen darüber; jedoch ist es wahrscheinlich , daß die Ansiedler die Einrichtungen ihrer Mutterstadt Korinth hieher verpflanzten , bei der man sich später so oft Raths und Hülfe erholte. Bur eigentlichen Gemeinde im engern Sinne mit vollem Bürgerrechte gehörten anfänglich nur die ersten Ansiedler und deren Nachkommen, die ansehnliche Landlose in der Gemarkung zugetheilt erhielten und davon Gamoren hießen , was wir durch Markgenoßen , Flurherren, Meistbeerbte, Großerben oder ähnlich bezeichnen können, und deren Stellung dem Adel oder den Patriciern der alten deutschen Städte zu vergleichen ist. Im Kriege dienten sie wohl als Reiter , und sie spielen zur Zeit des Dionysius unter der Benennung Ritter eine große Rolle. Aber neben ihnen gab es in der Stadt noch eine Menge Schuhbürger, die von Handel und städe tischen Gewerben lebten, und die eben der Nahrung wegen von allen Seiten hieher strömten; dann einen Stand der Kallikyrier, welche die Alten Sklaven nennen, wohl die hörigen Bauern des Landadels, der diesem das Land baute und die häuslichen Dienste verrichtete. Vielleicht waren sie gleich als Sklaven

mit eingewandert , vielleicht die unterworfenen und geknechteten Sikuler; bestimmt weiß man es nicht. Aber mit der Zeit wurden diese befreiet und erlangten allmälig mit den Schutzbürgern Aufnahme in den Gemeindeverband und gleiche bürgerliche Berechtigung , so daß der frühere Adel nun nur noch als ein Stand der Vornehmen und Reichen dasteht und den Einfluß, den Bildung und Reichthum ihm verleiht,

gegen den Neid und die Gleichheitsbestrebungen der übrigen Bürgerschaft zu behaupten sucht. Bei wichtigen Angelegenheiten finden wir die ganze Gemeinde zu Volksversammlungen berufen, zumal zur Wahl der jährlich wechselnden Behörden und zur Rechenschaftsabnahme der aus dem Amte Scheidenden. Aber die Berathung und Verwaltung des Gemeindewesens konnte nicht durch das ganze Volk in Volks-

versammlungen geschehen; dazu hatte man besondere Behörden. Erstens den großen Rath , der in den hellenischen Städten, wie in Agrigent, häufig aus 1000 Mann bestand , entweder lebenslänglich oder auf

eine bestimmte Anzahl von Jahren erwählt war , und im öffentlichen Rathhause oder im Theater zu bestimmten Zeiten oder auf besondere Ladung und Berufung außerordentlich seine Sizungen hielt. Ein Ausschuß aus dem Rathe war täglich in einem eigenen Hause, dem Prytaneum, versammelt, um für die Vorkommnisse des Tages zur Hand zu sein. Neben diesem großen Rathe scheint es aber noch einen geheimen Rath gegeben zu haben , den Rath der Alten, wie ihn Livius nennt , welcher in schwierigen Fäl len die Obrigkeit zum Handeln bevollmächtigen konnte, die sonst dem großen Rathe gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet gewesen zu sein scheint. Zur Zeit des Agathokles werden die 600 erwähnt , wie es scheint , eine stehende, sich selbst aus den Vornehmsten und Reichsten ergänzende Genoßenschaft, die unter

dem Schuhe der von Timoleon eingerichteten Verfaßung durch ihren Reichthum alle Macht an sich ge rißen zuAber habenanscheinen. der Spike der Verwaltung standen eine jährlich vom Volke erwählte Behörde , deren

Mitglieder in den hellenischen Städten des Abendlandes Strategen oder Feldherren heißen , wohl weil bei dem kriegerischen Leben auf der Insel die Anführung des Heeres die wichtigste Seite ihrer Thätigkeit war; sie vereinigten aber alle ausübende Gewalt in sich, führten namentlich den Vorsitz im Gericht, sowie im Rathe , der sich auf ihre Ladung versammelte. Deshalb nennt sie Livius in römischer Weise Prätoren , und Polybius Archonten , welchen Namen die oberste Behörde in Athen führte; wir können

sie füglich Stadthauptleute nennen. Ihre Zahl schwankt ; nach der Vertreibung des Dionysius sehen wir den Dion und seinen Bruder mit 20 Andern erwählt werden; gleich nach dessen Vertreibung aber 25 andere Stadthauptleute. Defters aber erwählte das Volk in bedrängten Zeiten einen einzigen mit un-

beschränkter Vollmacht, der dann nothwendig das Ansehen des Rathes herabdrückte oder ganz beseitigte, und meist die ihm anvertraute Gewalt auch gegen den Willen des Volks behalten und gegen dieß selbst

gemisbraucht und sie vererbt hat ; den einzigen Timoleon ausgenommen. Denn dieß war gewöhnlich der Weg , auf dem dem Volke die Tyrannen erstanden und es um seine Freiheit brachten. Doch dieser Wechsel der Gewalten und die daraus folgenden Schicksale der Stadt sind eben der wesentlichste Inhalt

der nachfolgenden Geschichte, mit deren Erzählung wir deshalb nun beginnen wollen.

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Geschichte der Stadt Chrakus bis zur Begründung der Gewaltherrschaft des Dionysius, bis zum F. 406 v . Chr.

Neben dem Adel oder der Bürgergemeinde im engern Sinne gab es also in Syrakus noch zwei Stände, die an Zahl weit überwiegenden Kallikyrier, und die ärmere Volksgemeinde, die von städe tischen Gewerben lebte. Für die wachsende Bevölkerung mochte die Feldmark bald nicht mehr genügen, wenigstens sehen wir bald von Syrakus aus neue Ansiedelungen gegründet : Akrä (662 I. v. Ch.), Kass menő (642) , Kamarina (597). Aber diese Auswanderung muß den Zurückbleibenden keine hinreichende Erleichterung verschafft haben ; die Spannung dauerte fort und der geringste Anlaß brachte die Bevölke= rung der ganzen Stadt in Zwist mit einander. Wir haben nur eine dunkle Andeutung bei Aristoteles, daß zwei Männer und Freunde im Amte sich verfeindeten, weil einer dem andern seinen Freund abspan= stig gemacht und dieser dafür aus Rache die Frau des ersten verführt hatte, und die ganze Stadt in den Zwiespalt und Streit hineinzogen. Möglich, daß Tunkydides denselben Zwist meint, wo er von Syraku=

sischen Flüchtlingen , den sogenannten Myletiden, spricht, d. heißt dem Geschlechte des Hauptes der einen Seite und seinem Anhange, der im Aufruhre unterlegen hätte und aus der Stadt gejagt wäre. Wenn wir aber in diesem Falle die Verhältnisse , welche die eigentliche Ursache dieses Zwiſtes waren , bloß ver muthen können, so wißen wir von Herodot gewis , daß kurz vor dem Ausbruche des Perserkrieges im I. 492 ein Kampf zwischen den Armen und Reichen ausbrach , der die Begründung einer Alleinherrschaft

zur Folge hatte. Die beiden Stände der hörigen Bauern und niederen Bürgerschaft erhoben sich näm= lich gegen die Grundherren , und nöthigten dieselben , sich nach Gela zu flüchten. Hier gelang es dem Gelo, sich vom Leibwächter des Gewalthabers Hippokrates zum Reiterobersten und Vormunde seiner Söhne und zuleht im I. 490 zum Herrscher der Stadt emporzuschwingen. Dieser brach im I. 483 mit seiner Macht auf, die Vertriebenen nach Syrakus zurückzuführen; und die Syrakuser , vor seiner Macht

sich beugend, übergaben sich ihm und ihre Stadt. Seitdem hielt Gelo in dem mächtigern Syrakus Hof, das unter seiner Verwaltung wuchs und aufblühete und an Bevölkerung zunahm , freilich auch durch

gewaltsame Mittel. Die Syrakusischen Pflanzbürger zu Kamarina führte er zurück, die Hälfte der Einwohner seiner Vaterstadt Gela versekte er eben dahin, und von den Megarern und Euböern auf Sicilien, die seinen Zorn gereizt hatten und die er in seine Gewalt bekommen, wählte er die Reichen oder , wie

Herodot sagt, die Fetten aus und nahm sie unter die Bürger von Syrakus auf, während er die Aermeren über See in die Knechtschaft verkaufen ließ, indem er die Gefahren vermeiden wollte , die von der

Ueberzahl der armen Bevölkerung für den von ihm beschütten bevorzugten Stand schon ausgegangen waren, oder, wie Herodot das sagt, weil er das Volk für die unangenehmste Gesellschaft hielt. Um diese Zeit begann der Kampf der Perser gegen Griechenland ; die gewaltigen Rüstungen des Xerres bedroheten das Hellenenthum mit Vernichtung. In dieser Noth und Gefahr des Vaterlandes

traten die Einsichtigen unter den Hellenen schnell zusammen , und einigten sich , da ein Ieder hochherzig genug war, dem Vaterlande jedes Opfer zu bringen , gegenseitig alle Ansprüche , Forderungen und Kla-

gen fallen zu laßen und den Kampf einzustellen, um die ganze hellenische Macht gegen die Fremden zu vereinigen. Man erinnerte sich auch der Verwandten in der Ferne , und da man hörte , denn genaue Kunde von den Auswanderern auf Sicilien und Italien hatte man noch zu den Zeiten des 50 Jahre späteren Peloponnesischen Krieges in der alten Heimath nicht, daß Gelo eine ansehnliche Macht besäße,

der keine andere hellenische irgend gleich käme; so forderte man auch den zur Hülfe auf. Gewiß war Gelo geneigt , dem Stammlande mit aller Macht zu Hülfe zu eilen, wenn er auch einen Antheil an der Oberleitung sich dabei ausbedingen wollte , den aber weder Spartaner noch Athener in ihrer Eifersucht ihm weder zu Wasser noch zu Lande zuzugestehen sich bewegen ließen. Aber es ward ihm keine Wahl gelaßen, da gleichzeitig auf Betrieb der Perser die Karthager zur Unterwerfung der Hellenen des Abend-

landes rüsteten. Mit 300,000 M. landeten sie unter des Hamilkar Führung zu Panormus und zogen von da vor Himera, welcher Stadt Theron, Herrscher von Agrigent, und Gelo zu Hülfe eilten. Diesem fiel ein Brief der Selinuntier in die Hände, welche zu einem angesagten Tage mit ihrer Reiterei im Lager des Hamilkar einzutreffen versprachen. Gelo läßt diese unterwegs aufheben und schickt seine Leute

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in's punische Lager, welche den Feldherrn tödten , die Flotte in Brand stecken , während er das feindliche Landheer angreift und in der Bestürzung so vollständig schlägt, daß 150,000 M. niedergehauen, die übri gen gefangen genommen und in die Knechtschaft verkauft werden, und so die ganze Insel mit Sklaven überschwemmten. Dieser Sieg fält nach dem Bericht der sicilischen Hellenen mit dem Heldentode des Leonidas in den Thermopylen auf einen Tag und trug noch dazu bei , die dortigen Hellenen zu ihrem Siege bei Salamis zu begeistern. Gelo aber gewann sich durch diese Rettung Siciliens vor der grausamen Herrschaft der Karthager die allgemeine Dankbarkeit, so wie durch die eigene Milde und Mäßigung seines Wesens solche Anhänglichkeit und Liebe, daß sich, wie wir weiter unten sehen werden, besonders in Zeiten der Noth sein Andenken immer wieder lebhaft erneuerte. Und jedes Vertrauens bei den Syra-

kusern gewis berief Gelo nach seiner Rückkehr eine Volksversammlung , um Rechenschaft von seiner Verwaltung zu geben, in der er ohne alle Abzeichen der Herrschaft und unbewaffnet und ohne Gefolge erschien, zum Zeichen , daß man ihn, fände man ihn unwürdig , entsehen könne. Aber das gesammte Volk nannte ihn seinen Wohlthäter und Retter und König. Sein ferneres Streben ging nun dahin, gute Verwaltung in den sicilischen Städten einzuführen , den Wohlstand zu heben , und zu dem Zwecke die alte Einfachheit der Lebensweise zu erhalten, worin er mit seinem Beispiele voran leuchtete. So befahl er ausdrücklich über die Feier seines Leichenbegängnisses, die darüber bestehenden Geseke zur Vermeidung alles Prunkes zu beobachten. Um seines gesegneten Andenkens willen ertrugen die Syrakuser die Herr= schaft seines Bruders Hiero , vom. I. 473-465 , der begierig nach Geld und Ruhm der hellenischen Dichter, namentlich des Pindar, und gewaltthätig und weit entfernt von der Einfachheit und Biederkeit seines Bruders war. Als aber nach dessen Tode der dritte Bruder Thrasybulus in seinem herrischen Wesen sich maßlos zeigte , und viele Bürger auf falsche Verleumdungen hinrichtete oder verbannte , um

ihr Vermögen einzuziehen: da sahen sich die Syrakuser im I. 462 gezwungen , von ihm abzufallen, und während diese sich zu ihrer Befreiung rüsteten und ihre Führer wählten , zog Thrasybul die Neubürger von Katana, die Hiero nach Vertreibung der alten Bewohner dort angesiedelt hatte , nebst andern Bundesgenoßen und Söldnern, gegen 15,000 M., an sich, vertheidigte sich mit diesen kriegsgeübten Mannen

lange Zeit auf der Insel und in Achradina gegen die Syrakuser, denen die übrigen hellenischen Städte und auch die Sikuler des Binnenlandes beistanden. Endlich räumte Thrasybul im I. 460 die besekten Stadttheile und ging nach Lokri in Unteritalien, während die freien Syrakuser nun ihrerseits die Städte

der Insel, in welchen Gewalthaber oder die Führer fremder Kriegsknechte schalteten, von dieser Herrschaft befreiten und überall dem Volke die Gewalt zurückgaben.

In Folge dieser Befreiung und Entfeßelung aller Kräfte, da die Thätigkeit des Volks nicht mehr nach bestimmten Richtungen geleitet und gezwängt ward, blühete Syrakus schnell auf und gewann an äußerem Wohlstand , aber verlor in demselben Maße immer mehr an Einigkeit und innerer Ruhe; indem, bei der fremdartigen Mischung der Einwohnerschaft, welche Syrakus , wie andere Städte der Insel, durch Aufnahme vieler Söldner seitens der gestürzten Fürsten erhalten hatte, ungleiche Berechtigung derselben, sowie der Ehrgeiz einzelner Mächtigen immer neue Kämpfe hervorriefen , bis es nach 60 I. dem Dionysius gelang , die mit der Zeit gesetzlich immer mehr ausgedehnte Freiheit der Einzelnen zum Sturze der Freiheit der Gemeinde und Begründung seiner Gewaltherrschaft zu benuken. Nach dem Sturze des Thrasybul beschloß man , voll Jubel über die errungene Freiheit , in öffentlicher Volksvers sammlung, der Gottheit sich dankbar zu bezeigen und dem Befreier Zeus eine colossale Bildsäule zu er

richten und jährlich das Befreiungsfest zu feiern mit einem Opferschmause von 450 Rindern. Dann bei der Ordnung der Verfaßung schloß man die Neubürger von allen Aemtern aus, aus Abneigung, die sich aus dem bei den Hellenen eben so stark wie bei den Deutschen hervortretenden landsmannschaftlichen Sinne und Cantőnligeist erklärt , oder weil man sie, die alten Diener und Schühlinge der Gewalthaber, den Tyrannen geneigt und neuerungssüchtig glaubte. Genug diese Zurückſekung nöthigte sie, deren Zahl von 10,000 noch 7000 M. betrug, sich der festesten Theile der Stadt , der Insel und Achradina's zu bemächtigen, während die Syrakuser dagegen die Höhe Epipolä befestigten , und nur nach langen Gefech

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ten und Kämpfen, worin die waffenfertigeren und kriegsgeübteren Anführer die Oberhand behielten , ge lang es endlich den Syrakusern obzusiegen, zumeist durch die Entscheidung von 600 Freiwilligen. Dars auf zog man im Bunde mit dem Sikulerfürst Duketios gegen Katana, wo von Hiero angesiedelte Söld= ner das Gebiet der Nachbaren beschädigten , vertrieb diese , die sich nun zu Aetna, dem früheren Ennesia, niederließen, händigte die Stadt ihren früheren Bewohnern wieder ein , führte die alten Einwohner von Gela , Agrigent , Himera , die ebenfalls aus ihrem Besike von fremden Söldnern vertrieben waren , in ihre Städte zurück. Fast alle Städte kamen überein , um diesen Fehden ein Ende zu machen , mit den Fremden sich zu vertragen und ihnen Messene zum gemeinsamen Wohnsike anzuweisen , und jede ihre Elenden und Verbannten wieder aufzunehmen. So ward der Zwiespalt und Aufruhr in den sicilischen

Städten, der durch die von den Gewalthabern eingeführten Fremdbürger und Söldner hervorgerufen, besänftigt, die abhanden gekommene Volksherrschaft wieder eingeführt, und, da man durch Erfahrung gewikigt war, eine neue Ackervertheilung vorgenommen , so daß alle Einwohner Acker und somit das Bürgerrecht erhielten. War man aber auch nun der Söldlinge und früheren Gewalthaber los, so hatte doch die allgemeine Ertheilung des Bürgerrechts die Gleichartigkeit der früheren Bürgerschaft in den Städten zerstört , da eine Menge Einwanderer aus allen Theilen des alten Griechenlands in die sicilischen Städte zusammenströmten. Sie krankten also fort und zerfielen auf's neue in Zwist und Aufruhr, und am ärge sten ward das Uebel in Syrakus. Hier sammelte ein verwegener und tollkühner Mann, Namens Tyn-

darides, viele der Armen um sich , nahm sie in seinen Sold und bildete sie zu willigen Schildträgern der Gewaltherrschaft. Als er aber offen darnach zu greifen wagte, ward er des Hochverraths angeklagt und verurtheilt. Auf dem Wege zum Gefängnisse rotteten sich seine Anhänger zusammen und suchten ihn zu befreien; allein auch die angesehensten Bürger liefen auf den entstandenen Lärm zusammen, ergrifen die Aufrührer und tödteten sie sammt dem Tyndarides. Weil es sich aber oft wiederholte , daß einflußreiche

Männer nach der Alleinherrschaft strebten, so that es das Volk den Athenern nach und traf eine Einrichtung gleich dem dortigen Scherbengerichte. Jährlich ward nämlich eine allgemeine Volksversammlung gehalten zu dem Zwecke , daß die Bürger auf einem Feigenblatte den Namen desjenigen unter ihnen bezeichneten, der ihnen für die Freiheit am gefährlichsten schien. Wer nach der Zählung die meisten Blätter oder Stimmen hatte, mußte auf 5 Jahre in's Elend gehen, nicht als Strafe für ein Verbrechen, son-

dern um das Emporkommen großer Macht und gefährlichen Einflußes zu verhüten. Diese Einrichtung hieß von der Art der Stimmgebung Blättergericht (Petalismus). Aber man mußte sich bald entschlies ßen , diese wieder abzuschaffen , da man nur zu bald der nachtheiligen Folgen inne ward. Denn da die

einflußreichsten Männer verbannt wurden , so zogen sich die angesehenen Bürger, welche befähigt waren, die Gemeindeangelegenheiten in guten Stand zu bringen, aus Furcht von der Verwaltung zurück, lebten ihren eigenen Geschäften und versielen aus Mangel an höherer Thätigkeit in Ueppigkeit und Schwelgerei. Die nichtswürdigsten Bürger aber , deren gewöhnlichste Auszeichnung die Verwegenheit ist , drängten sich in die Vemter und verführten die Menge zu Neuerungen und Gewaltthätigkeiten. Dadurch entstanden auf's Neue Zwiſtigkeiten ; die Menge ward in verschiedene Lager gespalten, und unaufhörliche gewaltige Erschütterungen waren die Folge davon. Es tauchte eine Schaar von Demagogen und Sykophanten, von Volksrednern und Angebern auf, die von der Verdächtigung Anderer lebten , die Jugend bildete sich zu Maulhelden und übte sich in Kraftausdrücken und Stichwörtern , Viele vertauschten die alte thätige

Lebensweise mit müßigen Beschäftigungen , und wenn sich auch im Gefolge des Friedens nach außen der Wohlstand mehrte , so verschwand doch der Sinn für Eintracht und Geseklichkeit , bis man sich entschloß, die verderbliche Einrichtung wieder abzuschaffen. In Folge dessen sehen wir daher die Macht und den Einfluß von Syrakus immer mehr wachsen, sehen es unter der Leitung edler Männer die Freiheit der Insel im schweren Kampfe gegen äußere Feinde vertheidigen , dazwischen aber auch manche Laune des sich in seiner Selbstherrlichkeit gefallenden Volkes, wogegen alle Vernunft der Edelsten vergeblich ankämpfte. Zunächst nämlich legte man den zur See mächtigen und Freibeuterei treibenden Tyrrhenern das Handwerk im I. 452. Zwar ihr erster Flotten

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führer Phayllos war unglücklich und segelte unverrichteter Sache nach heim. Sein Unglück galt als Verrath und er mußte es mit Verbannung büßen ; wie so oft die leidenschaftliche Menge gegen die

Nothwendigkeit der Verhältnisse und Ereignisse blind ist , sobald sie ihr unbequem sind, und um sie nicht anerkennen zu müßen , sich lieber einredet, daß einzelne Männer die Verschuldung davon tragen. Sein Nachfolger Apelles war glücklicher und brachte reiche Beute aus dem Kampfe zurück. Inzwischen hatte der Sikulerfürst Duketios alle Städte seines Volks bis auf Hybla in eine Stammvereinigung gebracht, gründete eine neue Stadt Palike zum Mittelpunkt und trat nun als Eroberer auf, bis sein Angriff auf . die Feste der Agrigentiner , Motye , auch die Syrakuser gegen ihn in's Feld rief. Aber diese erlitten une ter ihrem Feldherrn Bolko eine Niederlage; weshalb er der Verrätherei verdächtig hingerichtet ward. Nach solcher Maßregel hatte der Feldzug des nächsten Jahres beßern Erfolg. Der Sikulerfürst war ge-

schlagen, seine Leute entfliehen ein jeder in seine Heimath , und er, von den Nachstellungen der Seinigen bedroht , sah sich genöthigt , Nachts nach Syrakus zu den Altären der Götter zu flüchten. Als das die Syrakuser am Morgen sahen, waren sie höchlichst überrascht und liefen auf den Markt zusammen. Die Stadthauptleute eröffneten eine Volksversammlung und stellten die Frage zur Berathung , was mit dem

Duketius anzufangen. Sogleich erhoben sich die allezeit fertigen Volksredner und riethen bei ihrer Leidenschaftlichkeit zu strenger Bestrafung. Aber die Angesehenſten unter den ältern Bürgern meinten , daß man des Schußflehenden schonen und das Unglück und die Götter scheuen müße. Habe auch Duketios durch seine Thaten das Leben verwirkt, so stehe es den Syrakusern doch schlecht an, einen Gefallenen zu tödten, wohl aber sei es hochherzig , den Hülfesuchenden zu retten und damit zugleich die Ehrfurcht gegen

die Götter zu wahren. Und das Volk , stets für Worte empfänglich und leicht entzündlich zu guten wie zu bösen Leidenschaften , siel dem lehten Redner einstimmig bei und Duketios ward nach Corinth verbannt. Doch verursachte seine heimliche Rückkehr nach Sicilien, wo er noch einmal zur Macht gelangte, nun einen Krieg zwischen Syrakus und seinem Bundesgenoßen Agrigent , im I. 444 , das über diese so unzeitige Begnadigung unwillig ward. Nach dessen Austrag herrschte ein allgemeiner Friede unter den

Hellenen, in welcher Zeit, wie ausdrücklich erwähnt wird, feierliche Versammlungen, Feste, Opferschmause, und worin sich sonst die Glückseligkeit derHellenen aussprach, im Schwange ging. Im I. 438 vernichteten die Syrakuser den lekten Rest der Selbstständigkeit der Sikuler , Trinakia , eine Stadt voller Feldherren, die allein der Macht der Syrakuser und ihrer Verbündeten heldenmüthig Widerstand leistete, so daß, wer

von den Einwohnern noch am Leben geblieben, in die Knechtschaft verkauft, die Stadt dem Boden gleichgemacht ward. Aber jekt beginnt die Uneinigkeit der Syrakusischen Städte unter sich Fremde in den Streit zu

ziehen und dadurch große Gefahren für die Freiheit heraufzubeschwören. Die Leontiner, von ihren Nachbaren, den Syrakusern bedrängt, sprachen im I. 426 die Athener als Stammesverwandte um Hülfe an. Die Wohlredenheit des Abgesandten Gorgias, der die Beredsamkeit zur Kunst erhoben hatte, gab bei den unschlüßigen Athenern, die durch ihr öffentliches Leben dafür außerordentlich sein gebildet waren, den Ausschlag. Man sandte eine Flotte dahin ab , und es begann ein langwieriger Krieg , der

allenthalben die Leidenschaften erweckte und die ganze Insel entzweite. Da gelang es noch zu rechter Zeit dem edlen Syrakuser Hermokrates , bei Gelegenheit der Verhandlungen über einen Waffenstilstand zwischen Kamarina und Gela , die versammelten Abgeordneten der Sicilischen Städte von den Gefah= ren zu überzeugen die ihnen von den Athenern drohten, und sie zum gütlichen Ausgleich ihrer Streitigkeiten zu bewegen; die Leontiner wurden in Syrakus eingebürgert, und die Athenischen Feldherrn mußten nach Hause ziehen, wo sie vom Volke verurtheilt wurden, weil sie die schöne Gelegenheit versäumt hät ten, die reiche Insel unter ihre Botmäßigkeit zu bringen. Als daher nach etwa 10 I. , im I. 415, die Segestaner in ihren Grenzstreitigkeiten mit den Selinuntiern auf's neue in Athen Hülfe suchten , war das Volk, auf Antrieb des ehrgeizigen und leichtfertigen jungen Alkibiades , trok des Widerstandes des erfahrenen Feldherrn Nikias gleich wieder dereit, diese Gelegenheit für sich zu benutzen, und rüstete unter dem allgemeinſten Wetteiser seine schönste Flotte aus. Nothwendig drängte sich dieser Eroberungskampf

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um die mächtigste Sicilische Stadt Syrakus zusammen, und endigte nach vielen Wechselfällen mit der gänzlichen Vernichtung der Athenischen Macht , im I. 413. Den Verlauf desselben dem Zeitgenoßen Thukydides nach zu erzählen, würde hier zu weitläufig sein; nur das sei erwähnt, daß die Syrakuser diese glückliche Wendung nebst dem von Sparta abgesandten Feldherrn Gylippos zu meist der Einsicht und Thätigkeit ihres Hermokrates, eines Mannes aus dem edelsten Geschlechte, zu danken hatten. Dies ser, der schon das Verdienst hatte, die Syrakuser durch Vereinigung gegen den äußeren Feind gestärkt zu haben, ließ nicht ab, seine leichtsinnigen Mitbürger fortwährend auf den nahenden Einfall der Athener aufmerksam zu machen, übernimmt bei erlittenen Unfällen den Oberbefehl und richtet sie wieder auf, hält die Athener durch List zurück, auf ihrer Flotte zu entfliehen , als die Syrakuser nach dem entscheidenden

Siege im Taumel der Siegesfreude, statt erst den Sieg zu verfolgen, sich nicht abhalten laßen, daß Siegesfest zu feiern, wird aber doch zulekt aus der Stadt verwiesen, und beim Versuche zur Rückkehr in die Stadt selbst ermordet, weil man von seinen Fähigkeiten Gefahr für die Freiheit fürchtete. Auch der Gebrauch, den die Syrakuser von ihrem Siege machten, der ihnen die Athenischen Feldherrn Demosthenes und

Nikias in die Hände geliefert hatte, verräth eben so wenig Mäßigung und Hochherzigkeit. Da der Spartaner Gylippos sich bestrebte, diese beiden zu retten, so hieben die Syrakuser sie heimlich nieder, und be-

handelten wenigstens anfänglich die übrigen Gefangenen mit unmenschlicher Härte. Obwohl Diodor seine Landsleute gern entschuldigen möchte , und den Hergang folgendermaßen darstellt. Einer der berühmtesten Volksredner, der sich später als Feind des Adels und des Hermokrates , und auch als Gesekgeber durch seine Strenge bekannt machte , Diokles mit Namen, macht den Antrag, die gefangenen Feld= herrn schmählich hinzurichten, die übrigen Athener in dem Staatsgefängnisse, einem tief in Felsen gehaue= nen Schacht, arbeiten zu laßen, die Bundesgenoßen aber in die Sklaverei zu verkaufen. Hermokrates versucht dagegen zu sprechen, aber ohne sich Gehör verschaffen zu können. Da läßt sich ein alter Mann, Nikolaus, der zwei Söhne in diesem Kriege verloren hatte, auf 2 Sklaven gestükt , auf die Rednerbühne führen ; von ihm erwartet das Volk, er werde in seinem Sinne reden. Aber er, vom Unglück gedeműthigt und zum Mitgefühle mit fremdem Unglück erweckt, spricht zur Milde. Darüber wird auch das Volk betroffen und zum Mitleid geneigt, als zuleht noch Gylippus auftritt, und von unversöhnlichem Athenerhaße geleitet, die kaum beschwichtigte Leidenschaft wieder aufregt und den harten Beschluß durchfebt.

Jener Diokles bewog auch die Syrakuser, zur beßeren Verwirklichung der dem Volke beliebten Gleichheit, die Stadtämter fortan durchs Loos statt durch Wahl zu besehen, und Männer zur neuen Gesekge= bung zu berufen, unter denen er der namhafteste war; so daß die Gesekgebung des Ausschußes von ihm

den Namen trug und bis zur Römerzeit gültig blieb , nur unter Timoleon und dem Könige Hiero neu überarbeitet ward. Sie zeichnete sich durch strenge Strasbestimmung für jedes Vergehen und Verbrechen aus, welcher Strenge er, wie die Sage geht, selber zum Opfer fiel. Unter anderem war das bewaffnete Erscheinen in Volksversammlungen verboten. Diokles will einst gegen den Feind ziehen , der in das syrakusische Gebiet eingefallen war, als ein plötzlicher Auslauf auf dem Markte ihn, bewaffnet wie er war, dahin zu gehen verlockt; einer der Anwesenden macht ihn auf die Versündigung gegen sein eigenes Gesek aufmerksam , und um die Furcht davor durch's eigene Beispiel zu stärken, zieht er sein Schwert und durchbohrt sich selbst. Die Gewaltherrschaft des Dionysius , vom J. 406-367 v. Chr.

Jene Grenzstreitigkeiten zwischen Segesta und Selinus , die kürzlich schon die Einmischung der Athener herbeigeführt , und dadurch die Insel in Gefahr gebracht , hatten eine große Erbitterung gegen Segesta hervorgerufen, das nun in der Angst vor der Rache der Syrakuser sich nach Karthago um Hülfe wandte. Diese übertrugen die Leitung des Krieges dem Hannibal, Sohne des Gisko , Enkel des Hamilkar, der gegen Gelo am Himera gefallen war. Mit starker Macht zerstörte der in diesem Rachekriege Selinus , wobei er die verrufene punische Grausamkeit über die armen Einwohner walten läßt , zieht dann

vor Himera , dem die erschreckten Agrigenter und Syrakuser unter Diokles zu Hülfe eilen; aber in einer

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Schlacht besiegt , überlaßen die Syrakuser aus Furcht, Hannibal könnte Syrakus zur See überrumpeln, Himera dem Feinde und eilen nach Hause ; wo sich ein Kampf zwischen den Anhängern des Diokles und des aus der Verbannung zurückgekehrten Hermokrates entspann. Hermokrates suchte sich durch glückliche Streifzüge gegen Karthago in seiner Vaterstadt wieder in Gunst zu sehen. Um vom Volke seine Zurückberufung zu erlangen , sammelte er die Ueberreste der bei Himera gefallenen Syrakuser und ließ sie auf Wagen nach Syrakus schaffen. Diokles , um dem adligen Hermokrates die Mittel in Gunst zu kommen abzuschneiden, widersekte sich der Beerdigung , verlor aber darüber selber die Volksgunst und ward verbannt , ohne daß man sich jedoch nun dem Hermokrates zuwandte. Vielmehr , als er in die Stadt kam , um durch seine Anwesenheit seine Freunde zu einem Handstreiche zu ermuthigen, ward er auf dem Markte mit dem grösten Theile seines Anhanges niedergehauen ; die dem Gemehel entkommen waren verbannte das Volk , und Dionysius, von dem wir gleich hören werden , entgieng einem gleichen Loose nur dadurch , daß seine Verwandten ihn, der dabei schwer verwundet worden war, für gefallen aus-

gaben. Inzwischen rücken die Karthager vor das reiche Agrigent , worin der Spartaner Derippos den Oberbefehl führte. Die Syrakuser eilen unter Daphnäus herbei , gewinnen auch einen Sieg über eine

Heeresabtheilung der Karthager. Da aber Dexippus von Agrigent aus die Verfolgung nicht unterstüßt, so gewinnt der karthagische Feldherr Himilko Zeit, sich in seinem befestigten Lager zu sammeln, die Un griffe der Syrakuser abzuschlagen, und durch Hunger endlich auch Agrigent zu zwingen, im I. 406. Der Fall dieser reichen und mächtigen Stadt, die nun schonungslos zerstört wird, verbreitet Schrecken in ganz Sicilien; Alles flüchtet sich nach Syrakus oder Italien. Gegen die Syrakuser erhebt sich allgemeiner Unwille, daß sie solche Feldherren wählten , durch deren Schuld ganz Sicilien in Gefahr geriethe zu Grunde zu gehen. Unter Bestürzung und Muthlosigkeit rüsten sich diese zur Vertheidigung. Bei der Größe der Gefahr wagt es Keiner, in den Volksversammlungen Vorschläge für den Krieg zu machen. Da tritt Dionysius auf, und benuht diese Lage, sich Einfluß zu erwerben, indem er sich auf die Seite des Volks stellt, und dem Adel, dem er selbst angehörte , alle Schuld am eingetroffenen Unglücke beimißt.

Er verklagt den Feldherrn der Verrätherei an die Karthager und reizt das Volk auf, nicht den Lauf des Gesekes und den richterlichen Spruch abzuwarten , sondern sogleich selbst die Strafe zu verhängen. Die Behörde nimmt ihn zwar wegen dieser Aufwiegelei in die gesekliche Geldstrafe, aber sein Verwandter, der Geschichtschreiber Philistus, ein reicher Mann, zahlt diese Strafe und fordert den Dionysius auf,

furchtlos zu sagen , was er wolle, da er für ihn bezahle, und wenn man ihn auch den ganzen Tag lang in Strafe nehme. Dadurch ermuthigt , erhikt er die Menge durch immer offenere Anklagen immer mehr, verleumdet die Stadthauptleute , daß sie um Geld die Rettung Agrigents versäumt hätten , verdächtigt

auch die andern einflußreichen Bürger aus dem Adel als Freunde der Oligarchie , und räth dem Volke, obwohl er selbst vom vornehmen Stande ist, dennoch nicht die angesehensten Männer zu Hauptleuten zu wählen, die in ihrem herrischen Wesen das Volk verachten und ihren Vortheil auf das Unglück des Vaterlandes bauen , sondern die wohlgesinntesten und volksthümlichsten , die wegen ihrer niedern Herkunft und geringer Hülfsmittel an die Begründung eigener Macht nicht denken könnten. Diese Rede , welche ganz nach dem Sinne des Volks war, hekte dieses so auf , daß es sogleich die Hauptleute ihres Amtes

entsekte und neue wählte , darunter den Dionys , der sich ausgezeichnet hatte durch Tapferkeit in den Kämpfen mit den Karthagern und der angesehenste Mann in Syrakus war. Dies ermuthigte ihn auch seine Hoffnung bis zur Alleinherrschaft zu erheben. Zunächst suchte er den Einfluß seiner Amtsgenoßen zu vernichten, indem er das Gerücht ausstreuete, als ständen sie mit den Feinden in Verbindung; er hielt keine Sikungen mit ihnen und zog sich überhaupt von ihnen zurück. Zwar merkten die Einsichtigern bald seine Absicht und schimpften bei allen Leuten auf ihn; aber der Volkshause, der den versteckten Plan nicht durchschaute, ließ sich in seinem Vertrauen nicht irre machen , glücklich darüber, daß die Stadt unter so vielen Verräthern nur noch einen ehrlichen Vorsteher gefunden hätte. Darauf beredete Dionys

die verzagten Syrakuser in den Volksversammlungen leicht , ihre Verbannten zurückzurufen. Denn es 2 aber ausschließen sei Unverstand , fremde Söldner aus Italien und Griechenland zu rufen, solche Bürger

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zu wollen, die trok der größten Versprechungen der Feinde nicht unter ihren Fahnen Dienste genommen , sondern lieber bis zum Tode im Elende umherirrten , als gegen ihr Vaterland zögen; wären sie auch früher wegen bürgerlicher Zwiſtigkeiten verbannt , so würden sie jest desto bereitwilliger kämpfen, um ihren Wohlthätern den Dank abzutragen. Dionys rieth dieß in der Hoffnung, die Verbannten für sich zu gewinnen, neuerungssüchtige und zur Aufrichtung der Gewaltherrschaft geeignete Männer, wodurch sie die Hinrichtung ihrer Feinde, Einziehung ihrer Güter und Vertheilung des Vermögens unter sich zu erreichen hoffen konnten. Und die Menge, in der Noth verzagend und sich gern schon kampfgeübten Männern anvertrauend, faßte den Beschluß, da keiner der Amtsgenoßen des Dionys gegen die allgemeine Stimmung aufzutreten wagte, indem sich jeder ängstlich vor dem Haße der Verbannten fürchtete , wenn, wie es wahrscheinlich war, der Antrag dennoch durchgienge. Als Dionys das erreicht, zog er mit 2000 Mann und 400 Reitern nach Gela, welche Stadt Derippos im Auftrage der Syrakuser beseht hielt. Hier waren die Reichen mit dem Volke im Aufstande ; Dionys läßt die erstern ergreifen, vor dem Volke in öffentlicher Versammlung anklagen , verurtheilen , hinrichten und ihr Vermögen einziehen. Davon giebt er den Leuten des Derippos den rückständigen Sold, verspricht seinen eigenen den doppelten, und gewann sich so durch seine Freigebigkeit die Soldaten , und die Einwohner von Gela als Wiederhersteller ihrer

Freiheit. Denn neidisch über die Vermögenden, nannten sie deren ausgezeichnete Stellung Despotie, und schickten eine Gesandtschaft nach Syrakus den Dionysius zu beloben. Dieser machte nun einen Abstich nach Syrakus . Er rückte Abends dort ein , als das Schauspiel zu Ende war. Das Volk lief

um ihn zusammen, und fragte nach der Stellung der Feinde. Er dagegen versekte , weit größere Feinde als auswärts habt ihr an eurer Obrigkeit daheim; ihr vertrauend feiert ihr Feste. Sie aber vergeudet den Schah , und läßt das Heer ohne Sold , ohne einen Gedanken an den Krieg zu haben , während die Feinde die grösten Anstrengungen machen und im Begriff stehen , ihre Macht gegen Syrakus zu führen. Weshalb sie das thäten, sei ihm längst klar, neuerdings aber handgreiflich geworden. Himilko habe nam-

lich einen Herold an ihn gesendet , angeblich über Auswechselung der Gefangenen , dabei aber ihn aufge= fordert, weil er doch die meisten seiner Amtsgenoßen auf seine Seite gebracht habe, solle Dionysius sich

wenigstens keine Mühe geben und gegen ihn wirken , weil er einmal nicht mit für ihn wirken wolle. Dionys erklärte , er wolle nun nicht mehr Hauptmann sein, und sei erschienen , sein Amt niederzulegen, um nicht der Theilnahme an dem Verrathe Anderer bezüchtigt zu werden. Diese Worte brachten die

Menge auf ; und als Dionysius am folgenden Tage in seinen Verdächtigungen fortfuhr , schrien Einige, die Verhörung der Verräther auf eine gelegenere Zeit zu verschieben , sofort aber den Dionys zum unbeschränkten Oberhaupte zu machen und nicht zu warten , bis die Feinde vor den Thoren wären. Hätte man doch auch einst in gleichem Falle unter Gelo 300,000 Karthager am Himera besiegt. Die Menge, eilig zum Verderblichen , ernannte Dionysius zum unbeschränkten Oberhaupte , der sich vom Volke den Sold für die Soldaten verdoppeln ließ , indem er für die Geldmittel schon zu sorgen versprach. Weil aber doch Viele auf dem Heimwege von der Versammlung den Beschluß misbilligten , und sich immer

mehr fanden die sich erklärten, daß sie eigentlich damit nicht einverstanden gewesen wären, auch anfiengen zu merken, daß sie , in dem Wahne , ihre Freiheit sicher zu stellen, sich einen neuen Herrn gesekt hätten :

so eilte Dionys seine Herrschaft zu befestigen, noch ehe er dem Volke die Zeit gelaßen, daß ihm sein Entschluß Leid werden könnte. Er entbot die junge Mannschaft bis zum 40. I. mit Lebensmitteln auf 40 Tage nach Leontium, wo er die vielen Flüchtlinge und Fremden zu gewinnen hoffte. Die Nacht im Freien lagernd, erhob er mit einem Male einen großen Lärm unter seinem Gefolge, als ob man ihm nach dem Leben trachtete, floh auf die Burg, zündete ein Beiwachfeuer an, ließ die bekanntesten von den Sol. daten zu sich kommen , und entbot am frühen Morgen eine Volksversammlung nach dem nahen Leon-

tium, wo er durch den Einfluß des Heeres die Versammlung bewog, ihm eine Leibwache von 600 M. zu gestatten. Sogleich bildete er sich diese, indem er über 1000 arme aber verwegene Bursche auswählte,

mit kostbaren Waffen schmückte , mit großen Versprechungen aufregte , und durch Leutseligkeit an sich zu feßeln suchte; die Zuverläßigsten machte er zu Zugführern ; den Spartaner Derippos aber , von dem er

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besorgen mußte, daß er gelegentlich die Freiheit der Syrakuser wiederherstellen könnte , da er sich nicht gewinnen ließ, entließ er nach Hause. Nun warb er überall Söldner und Verbannte an, beseitigte seine wichtigsten Gegner Daphnäus und Demarchos , die Häupter der Vornehmen, und heirathete, um seinen Einfluß auch durch Familienverbindung zu stärken, die Tochter des berühmten Hermokrates. Nachdem Dionysius auf solche Weise zur Herrschaft gelangt ist , bildet die wichtigste Sorge seiz nes ganzen Lebens der Kampf mit den Karthagern ; manchen Wechsel, seltenes Glück wie großes Unglück erfährt er im Laufe desselben; doch verhindert er die gänzliche Unterjochung der Insel und behauptet sich

glücklich im Besize von Syrakus. Um eine kurze Uebersicht seiner Verwaltung zu geben , so zog er im nächsten Frühjahr zur Entsezung von Gela aus, das die Karthager belagerten. Doch zog er im Kampfe den kürzern, und während er zum Scheine über einen Waffenstillstand unterhandelte , entwich er Nachts über Kamarina nach Syrakus zurück, indem alles was konnte aus Gela wie aus Kamarina mit ihm zog. Ueber diese Niederlage und Flucht entstand große Erbitterung gegen Dionys, die italienischen Söldner verz laßen ihn, die syrakusischen Ritter eilen ihm voraus nach Hause, plündern das Haus des Dionys, mishandeln sein Weib, das sich darüber selbst den Tod giebt ; werden aber, da Dionys, ahnend was geschehen könnte , unerwartet Nachts mit einer fliegenden Schaar in Syrakus einzieht , als sie sich auf dem

Markte zum Widerstande sammeln, niedergehauen; Einzelne entkommen nach der Stadt Ütna. Glücks licher Weise für Dionysius litt das Heer des Himilko durch eine verheerende Seuche und bot den Frieden an , wodurch die Karthager außer den eigenen Pflanzstädten die Städte der Sikaner , ferner Selinus, Agrigent , Himera unterwürfig, Gela und Kamarina zinspflichtig bekamen, Leontium , Messene und alle Sikuler frei wurden , Syrakus aber dem Dionys unterthan blieb. Im Frieden, wo der Wohlstand leicht zu Uebermuth und Freiheitsbestrebungen führt, trug Dionysius Sorge für Befestigung seiner Macht , die er nicht länger auf die wankelmüthige Volksgunst, wodurch er sie erhalten, sondern auf Waffengewalt stüken wollte. Er baute zu dem Zwecke die Insel durch eine starke Mauer von der übrigen Stadt ab und schloß damit auch den kleinen Hafen Lakkios ein, besekte sie dicht mit hohen Thürmen, legte Marktpläke und Hallen an, und baute sich darin eine sehr feste Burg für Zeiten plöhlicher Gefahr. Dann vertheilte er die Häuser der Stadt , die der Insel nur an Freunde und Leibwächter ; ebenso die Ländereien, die besten an seine Freunde und Befehlshaber, die übrigen gleich-

mäßig an Bürger und Fremde und Sklaven, die er als Neubürger in die Bürgergemeinde aufnahm, wodurch der innerliche Zusammenhalt der Gemeinde gelöst und der edle für wahre Freiheit begeisterte Sinn der alten Adelsgeschlechter noch mehr verdunkelt ward , und er einen großen , ihm jedenfalls ergebenen, weil nur von ihm gehaltenen Anhang bekam. Dann rüstete er sich, die Sicilier wegen ihres Bun-

des mit Karthago zu bestrafen, besonders das mächtige Herbita. Aber als aufgebrochen werden soll, bricht unter den Syrakusern , die es schon längst reuet den Versuch der Ritter zur Vertreibung des Ty= rannen damals nicht unterstützt zu haben, und die nun durch den Besiz der Waffen ermuthigt werden, Meuterei aus. Ein Befehlshaber des Dionys , Dorikus , sucht den Aufruhr durch Strenge zu unters drücken , wird aber von den Meuterern niedergehauen , die ihre Mitbürger zur Freiheit aufrufen , die Ritz

ter aus Ätna entbieten , und sich auf der Höhe Epipolä sehen. Auch die Rheginer und Messener gehen sie um Hülfe an , und suchen durch Freundlichkeit die Söldner des Dionys zu verlocken , so daß dieser in die verzweifeltste Lage kam im I. 403. Doch der Ausspruch des Philistus, man müße vom Herrscher= throne nicht mit verhängten Zügeln davon jagen , sondern sich an den Füßen herunterzerren laßen , ent schied im geheimen Rathe , es auf's Aeußerste kommen zu laßen. Zum Scheine erbot er sich , den Bür, gern die Insel zu übergeben, wenn ihm mit den Seinigen freigestellt würde auszuwandern , während er

heimlich Kampanische Söldner herbeirief. Da nun die Bürger ohne Arges zu haben die Reiterei ent= ließen, das Fußvolk sich auf's Land zerstreute, schlagen sich die Kampaner unversehens zum Dionys durch, dem auch zu Schiffe 300 Söldner ankommen. Mit dieser Macht gelang es ihm leicht, die in sich un einigen Syrakuser, welche die einen den Kampf fortsehen, die andern auswandern wollten, zu schlagen.

Den Flüchtigen, die sich über 7000 M. bei den Rittern in Ätna sammelten, bot er, um sie nicht durch

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Härte zum Neußersten zu treiben, Verzeihung an, entließ aber die Campaner, obwohl reich beschenkt, we gen ihrer Unzuverläßigkeit. Und nur zu bald gaben sie den Beweis ihrer Zuchtlosigkeit. Die Bewohner von Entella nahmen sie bei sich auf; sie aber erschlagen in einer Nacht die erwachsenen Männer , neh men deren Frauen in Besik und bewohnen die Stadt. Dasselbe Schicksal traf später die Städte Mes

sene und Rhegium, und kann uns zeigen, welche Plage diese Söldnerbanden für die Insel gewesen sein müßen.

Nun rüstete Dionysius auf's Neue, um die Syrakuser nicht zu Athem kommen zu laßen , zum Kriege gegen Karthago , der am volksthümlichsten war. Um die Stadt auf alle Fälle zu sichern , befe= stigte er die nördliche Höhe Epipolä, und brachte das Werk , eine Mauer von 30 Stadien (etwa dreiviertel deutsche Meilen) Länge und ansehnlicher Höhe und Stärke aus gut behauenen Bruchsteinen in 20 Tagen zu Stande. Freilich bot er 60,000 Mann und 6000 Joch Ochsen dazu auf, und ermunterte durch seine Gegenwart und Theilnahme , und auch durch ausgesezte Belohnungen zu solchem Eifer , daß man oft bis in die Nacht arbeitete. Ein Krieg , den Rhegier und Messener aus Furcht vor seiner wach

senden Macht gegen ihn erhoben, ward von ihm gern beigelegt, da er ihn an der Verfolgung seines Planes hinderte; er griff nun mit ähnlicher Entschiedenheit das Schmieden der Waffen an , und suchte die Hellenen auf alle Weise für sich zu gewinnen. Er zeigte sich dem Volke freundlich , gab Festlichkei=

ten; er suchte die Freundschaft von Messene und Rhegium, und nahm, da die Rhegier es ihm abschlugen, aus Lokri und zugleich aus Syrakus eine Frau; aus Lokri die Doris , Tochter des Xenetos , und aus Syrakus die Aristomache , Schwester des Dion, die edelste Frau in der Stadt , die er beide, um nicht den Unwillen einer der beiden Städte zu erregen , ganz gleich und sehr rücksichtsvoll behandelte. Wie

sehr aber damals Tyrannengewalt den Hellenen verhaßt war, sehen wir deutlich bei dieser Gelegenheit. Die Rhegier sahen wie gesagt die Verschwägerung keineswegs als eine Ehre an und schlugen es ihm von Staatswegen ab ; nicht so Lokri , eine Stadt, die sich schon dem vertriebenen Tyrannen Thrasybul freundlich bewies ; aber als von der Stadt anfänglich eine der Töchter des Aristoteles dazu bestimmt

ward , tödtete der sie lieber, ehe er sie einem Tyrannen zum Weibe gäbe. Nach solchen Vorbereitungen berief er die Syrakuser zu einer Versammlung und gewann ihre allgemeine Beistimmung zum Kriege, den er auch sofort begann und der in den I. 497 น. 496 unter den außerordentlichsten Wechselfällen geführt ward . Anfangs , da er den Karthagern unerwartet kam, war er glücklich für Dionysius. Als aber der karthagische Feldherr Himilko mit verstärkter Macht wieder erschien, nahm er dem Dionys nicht bloß schnell alle Eroberungen wieder ab , sondern drängt denselben auch nach Syrakus , wohin ihm die

Sikaner, ihre Städte verlaßend , folgen , überrumpelt Messene, wo er mit punischer Grausamkeit wüthet, zwingt die Sicilier bis auf die Assoriner zum Abfalle , schlägt den Leptines , Flottenführer des Dionys, auf der Höhe von Katana , und segelt dann vor Syrakus , das Dionys mit den Kampanern, die ihm allein treu blieben, mit bewaffneten Sklaven und neuen Söldnern , die ihm sein Verwandter Polyrenos auf 30 Schiffen aus dem Peloponnes mit dem spartanischen Flottenführer Pharakidas zuführt, zu ver theidigen sucht. Durch Verwüstung der Umgebung der Stadt, durch Zerstörung der Graber und Tempel suchten die Karthager ihren Haß gegen die Syrakuser auszulaßen. Die Erbitterung richtet sich nothwendig gegen oben, alle Schuld wird dem Dionys beigelegt, und wieder ist es ein Ritter Theodorus, der in der Volksversammlung alle das Unglück seiner Herrschaft schildert und das Volk zu seiner Verjagung aufregt , wovon nur der Widerspruch des von dem tyrannenfreundlichen Sparta abgesandten Pharakidas. abhält . Da bricht die Pest im punischen Lager aus. Es war mitten im Sommer, und dieser Sommer

ungewöhnlich heiß, die Gegend sumpsig und eingeschloßen, nach Süden allein den Wirkungen der Sonne und der Seeluft bloßgestellt. Dazu nun die im Lager dicht zusammengedrängte Menschenmenge, die in

der Mittagshike fast erstickten, während über Nacht die Seeluft große Abkühlung bewirkte , so daß im Laufe eines Tages die Leute von Frost und Hike wechselnd überfallen wurden. Gleiche Ursachen waren schon früher den Athenern und wurden später den Römern unter Marcellus verderblich , aber am härtesten traf es diesmal die Karthager. Die Krankheit brach unter der Libyschen Mannschaft aus. Als sie

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heftiger ward , die Ansteckung Alle ergriff die der Kranken gepflegt hatten, so wagte Niemand mehr die Kranken anzurühren, und die Todten blieben unbegraben. Dieser Gestank aber mit den Ausdünstungen der Sümpfe steigerte die Pestilenz so sehr , daß sie nun unheilbar ward. Sie begann mit Durchfall , es folgten Geschwüre am Halse, bald auch Fieber, Schmerzen im Rückgrat, die Schenkel wurden schwer, Ruhr brach aus und Beulen am ganzen Leibe. Einige versielen auch in Wahnsinn , liefen im Lager umher und schlugen auf die, die ihnen begegneten. Nach 5 oder höchstens 6 Tagen der grösten Leiden waren sie todt.

Diese Bedrängnis der Feinde benukte Dionys zu einem Ueberfalle. Am frühen Mor=

gen läßt er die Miethstruppen und die Reiterei angreifen, und da die ganze feindliche Macht sich dagegen wendet, und die Reiter absichtlich weichen , wird diese zu Aufruhr geneigte Mannschaft zusammengehauen. Darauf rückt er auf's neue vor und erstürmt 2 Schanzen , während die Flotte unter Leptines und Pharakidas plötzlich auch von der See mit Geschrei ansegelt. Die bestürzten Karthager eilen nun zu den Schiffen, aber ehe sie diese bemannen, sind ihnen die Syrakuser schon in die Seite gefallen, durchbohren die Schiffe , hauen die Mannschaft nieder. Das Landheer eilt ebenfalls zum Kampf um die Schiffe herbei , und Dionys selbst mit einer Schaar stößt auf 40 Fünfruderer nebst Schleppkähnen und einigen Kriegsschiffen und steckt sie in Brand. Schnell verbreitet sich die Flamme bei erhobenem Sturme, versengt die Ankertaue und schlägt in die Wipfel und Masten; die Schiffe treiben auf dem Waßer umher , stoßen an einander und gehen in Trümmer oder brennen ab; die Bemannung , um sich vor dem Feuertode zu retten, stürzt sich dem Tode im Waßer entgegen: während aus der Stadt alt und jung, Weiber und Sklaven zu diesem Schauspiele herbeistürzen, und mit Jubel die Thaten der Ihri-

gen begleitend und zum Himmel Dankgebete sendend für die Züchtigung dieser Tempelschänder, auf Kähnen herumrudern, um zu retten und zu rauben von den feindlichen Schiffen, was irgend brauchbar war.

Was diesem Unglück entgieng, mußte sich dem Dionys ergeben, der den Himilko mit den karthagischen Bürgern um 300 Talente Nachts heimlich abſegeln ließ. Dionys entließ nun zum Danke seine alten Söldner, die er mit dem Gebiete der Stadt Kamarina belohnte, warb neue als Stützen seiner Herrschaft und unterwarf sich die Städte der Sikuler. Von dieser Zeit ab , wo Dionys seine Herrschaft durch

Siege befestigt und erweitert hatte, wird er immer gewaltthätiger und launischer , und weil er dadurch vielfach Haß gegen sich erweckt , zugleich auch argwöhnischer. Mit den Karthagern kam es seitdem zwar noch einigemal zum Kriege , der aber keine erheblichen Folgen hatte. Weil es ihm früher eine Frau zu

geben verweigert hatte, unternahm er im I. 386 einen Rachezug gegen Rhegium , das er durch gänz liche Absperrung in die äußerste Hungersnoth brachte , so daß sie ihre Pferde und alles ihr Vieh schlachteten, dann Felle kochten und verzehrten, endlich gleich dem Viehe das Gras vor der Stadt abweideten. Und auch das weckte das Mitleiden des Dionys nicht , der Viehherden hintreiben und ihnen das Gras

wegweiden ließ. Als er nach gänzlicher Erschöpfung der Rheginer in ihre Stadt einzog , fand er die Leichen zu Hausen beisammen ; Gefangene machte er 6000 , bei denen doch der Geiz seine Grausamkeit

überwog; nur, wenn sie sich nicht lösen konnten , ließ er sie in die Sklaverei verkaufen. Seine grausamste Behandlung erfuhr aber der tapfere Feldherr der Rheginer Phyton ; zuerst ließ er dessen Sohn ersäufen , dann den Vater durch die Stadt führen und geißeln. Aber da das standhafte Benehmen und

die Worte des edlen Mannes selbst die Soldaten zu Mitleid bewog , ward Dionys besorgt und ließ ihn mit seiner ganzen Verwandtschaft ins Meer versenken. Seine Habsucht war um so unersättlicher , je mehr er brauchte, um alle seine Trabanten und Helfer zu besolden , so daß.er auch an die reichen Schäke

der Tempel sich vergriff , was die im Allgemeinen fromme Gesinnung jener Zeit nicht wenig verlekte ; besonders wenn er dabei noch seinen Spott trieb , wovon uns Val. Maximus viele Beispiele erzählt.

So nahm er dem Olympischen Jupiter , denn bis nach Griechenland erstreckten sich seine Räubereien , seinen schweren goldenen Mantel , den Gelo aus der karthagischen Beute geweiht hatte , und hieng ihm einen wollenen um , weil jener sowohl im Winter als im Sommer unpaßend sei , im Winter zu kalt, im Sommer zu schwer. Silberne und goldene Tische mit der üblichen Ausschrift, den guten Göttern geweiht , nahm er und machte so von der Güte der Götter Gebrauch. Goldene Siegesgöttinnen, Schalen

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und Kränze, welche andere Götterbilder mit erhobenen Händen zu tragen pflegten , hielt er für thöricht nicht zu nehmen, wenn sie angeboten würden, da man sich doch sonst von denselben Göttern Güter zu erbitten pflegte. Andere Züge haben uns die Weltweisen der alten Zeit erzählt , um zu beweisen, daß Reichthum und Glanz und Fülle der Macht ohne Tugend der Seele nicht glücklich machen könne , die auch ganz abgesehen von ihrer geschichtlichen Wahrheit immer sehr anziehend für uns sind , da sie uns die Gesinnung zeigen, mit der die Mitwelt den Dionysius beurtheilte. Bekannt ist die Erzählung, welche den Dionys in der Mitte einer zahlreichen Familie und vornehmer Verwandten und umgeben von An= hängern und Schmeichlern doch die Treue eines Freundes vermissen läßt. Phintias und Damon , aus der Schule des Weltweisen Pythagoras , waren zum engsten Freundschaftsbunde vereint. Einer von ihnen ward bei dem Versuche den Tyrannen zu ermorden ergriffen und zum Tode verurtheilt. Um zu vor sein Haus zu bestellen , erbittet er sich Urlaub und stellt seinen Freund zum Bürgen seiner Wieder= gestellung. Richtig trifft er zu rechter Zeit wieder ein und befreiet seinen Bürgen; was den Dionys so rührte, daß er ihn begnadigte und um Aufnahme in ihren Bund bat. Andrerseits wißen wir , daß er aus Mistrauen selbst seinen Sohn und Nachfolger von den Geschäften fern hielt und seine Ausbildung vernachläßigte. Ja es wird uns erzählt, daß er aus Furcht vor Nachstellungen stets einen Panzer trug, Haar und Bart zum Schuhe des Kopfes und Halses möglichst lang wachsen ließ; falls er es scheeren laßen mußte , dies seine Töchter thun hieß; und als sie erwachsen waren, selbst diesen kein Meßer anver-

traute, sondern es mit glühenden Nußschalen thun ließ. Seine Sicherheit traute er nur der Bewachung von Sklaven und Fremden an, und schlief nicht anders als im verschloßenen Zimmer , das Bett von einem breiten Graben umgeben , über den er durch eine Zugbrücke gelangte. Einstmals beim Ballspiel,

als er sein Kleid und Schwerdt ablegte , und dieses seinem Günstling übergab , sprach einer seiner Verz

trauten: aber diesem vertraust du doch dein Leben an; und der Jüngling lachte dabei. Sogleich überfiel Argwohn den Tyrannen, er ließ beide tödten, was er hernach bitter bereute, da ihn hinterdrein der größte Schmerz über den Verlust seines Lieblings peinigte. Wie unglücklich er unter solchen Umständen sich fühlen mußte , hat er gegen Damokles bewiesen , der ihn wegen seiner Macht und seines Reichthums glücklich pries. Dionys verschaffte ihm nämlich einen Vorschmack dieser Glückseligkeit. Er ließ ihn sich auf ein Ruhebett legen , das mit kunstreich gewebten Decken belegt war , ließ Schautische mit goldenen und silbernen Schmucksachen davor steven ; Salben , Kronen , Wohlgerüche fehlten dabei nicht ; die Tafel ward mit den ausgesuchtesten Speisen besetzt , welche die schönsten Knaben darreichten. Aber dabei bedrohete ein glänzendes Schwerdt, an einem Pferdehaare von der Decke herab hängend , seinen Nacken , so

daß Damokles entsekt und durch alle diese Herrlichkeiten wenig beglückt , den Fürsten flehentlich bat ihn gehen zu laßen , da er gern nicht glücklich sein wolle. Züge aus dem Leben in den Cicilischen Städten und am Hofe des Dionys .

Zur Kenntniß des hellenischen Lebens auf Sicilien und in Unteritalien sind uns freilich nur ein-

zelne Nachrichten überliefert worden, aber diese sprechen deutlich genug , welcher Reichthum und welche Bildung , aber auch zugleich welche Ueppigkeit dort geherrscht haben; vor allen zeichnete sich Sybaris in Uteritalien und Agrigent auf Sicilien aus. Diese lehte Stadt, deren Zerstörung wir schon oben erroähn= ten , mit fruchtbaren Sand - und Thon- und Mergelboden , deren Winter ein ununterbrochener Frühling

ist, wo die höchste Wärme nicht leicht über 30 Grad des hunderttheiligen Thermometers steigt, und höch stens auf 3 bis 4 Grad herabsinkt , wie Neigebaur in seinem Werke über Sicilien uns berichtet , hatte unter Gelo gegen die Karthager am Himera mitgefochten , eine Unzahl Gefangener bekommen , und daran Arbeitskräfte die Fülle zur sorgfältigen Bearbeitung ihres Landes wie zur Ausführung der großar= tigsten öffentlichen Anlagen. Daher finden wir vor ihrer Zerstörung Weinberge durch Größe und Schön= heit der Anlage ausgezeichnet , das übrige Land fast ganz mit Delbäumen bepflanzt ; der Verkauf dieser Sachen nach Karthago brachte unermeßliche Reichthümer in die Stadt; denn die Karthager pflanzten damals dergleichen noch nicht, und siedelten den Gartenbau, den wir später unter Agathokles dort so blü hend finden, wohl erst mit ihren aus der Agrigentischen Knechtschaft befreiten Landsleuten nach Afrika

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über. Dieser Reichthum gab die Mittel zur Ausführung der großartigsten Bauten; außer vielen andern Lempeln unternahm man den Bau eines Tempel des Zeus, das Olympion, das 340 Fuß lang, 60 Fuß breit und bis an's Gesims 120 Fuß hoch war, und dessen Säulen, die noch den Reisenden zum Besuche dorthin ziehen , von so ungewöhnlicher Größe sind , daß in den Riefen ihrer Kannelirung ein Mann hineintreten kann. Ebenso hatte man einen großen Weinkeller in Felsen gehauen mit 300 gleichfalls in Felsen gehauenen und durch Deckel geschloßenen Butten, deren jede 100 Amphoren faßte , und die aus einem großen Röhrkasten, der 1000 Amphoren hielt, gespeist wurden. Außer der Stadt hatte man einen großen See künstlich angelegt, in dem man allerlei Fische für die festlichen Volksspeisungen, und Schwäne und andere Waßervögel zur Belustigung hielt. Als ihr Mitbürger Erainetos zu Olympia in den von allen Hellenen gefeierten Kampfspielen den Sieg errang, was den Siegern nicht bloß sondern auch ihrer Stadt unsterblichen Ruhm brachte, holte man ihn außer Anderem allein mit 300 Gespann weißer Rosse

ein, die alle den Agrigentinern eigen gehörten. Von dem Reichthume Einzelner giebt uns Gellias einen Begriff, der viele Fremdenzimmer bei sich eingerichtet hatte, und durch eigene Diener an allen Thoren jeden Fremden bei sich zu Gaste laden ließ. Us einst 500 Ritter aus Gela ankamen, nahm er alle bei sich auf, und versah sie, da es eben Winterszeit war, aus eigenen Mitteln jeden mit Rock und Mantel; bei der Eroberung der Stadt flüchtete er sich mit Andern in den Tempel der Athene und verbrannte

sich dort, aus Furcht vor der Grausamkeit der Karthager. Ein anderer Agrigentiner , Namens Antisthenes der Rhodier, speiste bei der Feier der Hochzeit seiner Tochter die Bürger straßenweis. Dem Braut-

zuge folgten mehr als 800 Wagen, und indem seine Leute mit Fackeln begleiteten und die Scheiterhau= fen auf den Altären in den Tempeln und auf den Straßen anzündeten , ward plöhlich die ganze Stadt

erleuchtet. Als derselbe Antisthenes erfuhr , daß sein Sohn mit seinem armen Nachbar im Streit läge, dem er sein Gütchen auskaufen wollte , und da dieser nicht einwilligte, ihn auf alle Weise bedrängte, hielt er ihm vor, daß er seinen Nachbar, wolle er ihn zu seinem Willen zwingen, nicht ärmer sondern reiz cher machen müße. Dann würde ihm sein Gütchen bald zu klein sein und er es gern verkaufen, um ein

größeres zu erwerben. So groß war der Reichthum, daß man Pferden , die im Wettrennen sich hervor= gethan , daß Jünglinge und Jungfrauen den Vögeln , die sie sich zum Vergnügen hielten , kostbare Denk= mäler sekten , daß man zu Salbsläschchen und anderem Pukgeräth nur goldenes und silbernes Geschirr hatte. Auch von der Ausgelaßenheit der Jugend gab ein Haus in Agrigent Zeugnis , das man das Schiff nannte. Junge Leute hatten sich darin nämlich im Weine berauscht und bildeten sich in der Trunkenheit ein, sie befänden sich zu Schiffe auf dem Meere und wären vom Sturme überfallen ; um das Schiff zu erleichtern , werfen sie alle Geräthschaften auf die Straße , die das zusammenlaufende Volk wegraubt ; auch die Obrigkeit erscheint , aber ohne daß die Zecher zur Besinnung kommen , so daß

diese sich begnügen muß, es von der Zeit abzuwarten und die weitere Herbeischaffung des Weines zu ver bieten. Daß bei solchem Leben eine große Verweichlichung eintrat, ist leicht zu begreifen. Als bei der lekten Belagerung die waffenfähige Mannschaft Tag und Nacht auf den Wällen sein mußte, ergieng ein Beschluß , daß Diejenigen , welche Nachts auf der Wache wären , zum Lager nur ein Unterbett , eine Matraze , ein Deckbett und zwei Kopfkißen haben sollten. Daraus wird uns nun auch die Neußerung ihres Landsmannes Empedokles über die Agrigenter verständlich sein, welcher sagte, sie lebten , als ob sie

morgen sterben sollten, und bauten Häuser, als sollte ihr Leben ewig währen. Größere Ueppigkeit finden wir noch in dem alten Sybaris , wo die Jugend im Sommer auf's Land zog und in Felsengrotten zu-

brachte; wo die Wohlhabenden sich bedeckte Wege nach ihren Landgütern angelegt hatten , und auf die Wegstrecke einer Tagereise zu Wagen 3 Tage zubrachten ; wo man bei Gelagen zur Bequemlichkeit der

Zechenden die Nachtgeschirre ersand und in die Zimmer brachte , und wo Derjenige die Bürgerkrone ver= diente , welcher den Bürgern den prächtigsten Schmaus gegeben hatte. Einigermaßen werden wir uns darnach auch eine Vorstellung von den sittlichen Zuständen des geselligen Lebens machen können, obwohl wir nur wenig von den damaligen Gesekgebungen wißen, deren Strasbestimmungen uns gerade die deutlichste Einsicht gewähren würden. Algemeine Sitten und feste Gewohnheiten fehlten in den hellenischen

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Pflanzstädten , deren Bewohner so bunt gemischt waren; daher sehen wir die Gesekgeber bemüht , durch verständige Ueberlegung und feine Berechnung dem geselligen Leben einen sittlichen Halt zu geben. So Baleukos, in alter Zeit Gesetzgeber in Lokri, der die Sittlichkeit auf die Furcht und Verehrung der Göt ter gründete , suchte auch das Ehrgefühl als Triebfeder zu benuken, indem er bestimmte, daß eine Bür=

gerin nur von einer Dienerin begleitet sein dürfe, sie sei denn betrunken; nicht Nachts aus der Stadt gehen dürfe, sie sei denn eine Buhldirne ; noch in Gold und Purpur sich kleiden dürfe, sie sei denn eine Kebse.

Und Charondas, der der Stadt Thurii, das im I. 445 von den Athenern auf Grund des alten

Sybaris erbaut ward , Geseke gab , schloß Denjenigen von öffentlichen Vemtern aus, der seinen Kindern eine Stiefmutter in's Haus brachte , da ein schlechter Berather seiner Kinder kein beßerer für die Stadt sein würde; denn wer in erster Ehe glücklich gelebt habe , müße damit zufrieden sein; wer aber Unglück gehabt habe und sich nochmals in Gefahr begebe , sei für wahnsinnig zu halten. Leute , die ein Gewerbe daraus machten , Andere dem Volke zu verleumden und vor den Volksgerichten zu verfolgen , mußten gleichsam als Preis ihrer Schlechtigkeit einen Tamariskenkranz tragen. Selbst schlechte Gesellschaft ward bestraft. Jeder war verpflichtet seine Kinder in die Schule zu schicken , und die Gemeine das Schulgeld zu bezahlen. Unmündige wurden von ihren mütterlichen Verwandten erzogen , während die väterlichen, denen das nächste Erbrecht zustand, das Vermögen verwalteten, damit der eigne Vortheil die lektern zur guten Verwaltung triebe , ohne doch das Leben des Mündels durch etwaigen Eigennuk und Schlechtig= keit in Gefahr zu bringen. Feige wurden in Weiberkleidern drei Tage auf dem Markte an Pranger gestellt. Und damit nicht leichtsinnige Neuerungssucht die bestehenden Geseke abschaffe , das Volk aufwiegele und eigennűzige Bestimmungen treffe , so ordnete er an , daß jeder, der einen Gesekesvorschlag mache, den Hals in der Schlinge haben müße , so lange das Volk darüber berathe ; werde das Gesek bestätigt, so dürfe er ihn wieder herausziehen; sonst solle er auf der Stelle vom Strange erdroßelt sterben. Und da waren die Leute selten , die Verbeßerungsanträge stellten. Nur drei Fälle werden erzählt , deren einer uns den waghälsigen Muth einer Jungfrau kennen lernt. Nach einem sehr allgemeinen Geseke der Hellenen kamen die hinterlaßenen Kinder in die Vormundschaft des nächsten Verwandten. Dieser hatte gegen Töchter , da die Hellenen die Heirathen unter Verwandten und selbst unter Stiefgeschwistern begünstigten , das Recht und die Pflicht , falls er in der Lage war, sein Mündel zu heirathen, oder wenn er das nicht konnte oder mochte, durch hinreichende Ausstattung ihr einen Mann zu verschaffen. Gegen eine schöne aber arme Jungfrau hatte der reiche Vormund den lehten Ausweg ergriffen; aber die Jungfrau , nicht zufrieden damit, trug beim Volke darauf an, daß der nächste Verwandte jedenfalls seinen Schühling heirathen müße, und aus Mitleid mit ihrer Schöne genehmigte es das Volk. Aber auch die geistige Bildung ward durch den Wohlstand der abendländischen Hellenen sehr ge fördert. Kunst und Wißenschaft , besonders die Baukunst und Dichtkunst , blühete und ward überall ge= ehrt und belohnt, vorzüglich an den Höfen der Gewalthaber. Sie alle suchten ihren Namen durch große Baudenkmäler zu verewigen ; Dichter und Geschichtschreiber finden wir an den Höfen des Gelo , des Dionys und später des Hiero; ja unter den Dionysen versuchten selbst die Weltweisen bei Hofe ihr Glück , mußten aber die Erfahrung machen , daß Philosophie die Welt noch nicht zusammenhält. Von den Weltweisen und Naturkundigen brauche ich nur des Pythagoras zu erwähnen , der in Kroton einen

geheimen Bund bildete, die edelste Sittlichkeit lehrte, aber durch sein geheimes ausschließliches Wesen und seinen Einfluß auf die Verwaltung den Haß des Volkes gegen den Bund erregte , dessen Mitglieder fast alle von ihm erschlagen wurden , ohne daß jedoch seine Schule vernichtet worden wäre. Ferner die in der Geschichte der Philosophie bekannt sind , Heraklit , und der Arzt Empedokles , der seine Vaterstadt Agrigent von der Gefahr vor Seuchen befreite, indem er durch einen Durchstich durch den die Stadt ein= schließenden Bergzug der in dem Kesel von der Sonne erhitzten , von Ausdünstungen der Sümpfe ge=

schwängerten Luft einen Durchzug verschaffte. Als Dichter sind Epicharmus in Syrakus etwa um 500 v. Chr. , etwas nach ihm der Hymnendichter Pindar und Simonides aus Altgriechenland , welche die

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Olympischen Siege der Könige Gelo und Hiero verherrlichten, und der Idyllendichter Theokritus, der im I. 288 v. Chr. geboren ist , am Hofe des zweiten Hiero. Das regste Leben aber erscheint am Hofe der Dionyse; der ältere , der sich selbst im Trauerspiele freilich ohne viel Beifall zu ärndten versuchte , zog Dichter und Geschichtschreiber an sich ; an den Hof des jüngern sammelte sein Dheim Dion die Philosophen mit dem Philosophensürsten der damaligen Zeit, mit Plato an der Spike. Alle aber hatten übele

Erfahrungen mit Fürstenlaunen zu machen. Den älteren Dionysius plagte eine grenzenlose Eifersucht auf seinen Dichterruhm. Als bei Tafel der Dithyrambendichter Philoxenos frei sein Urtheil über einige Verse des Dionysius sagte, schickte er ihn für seine Offenheit in die Lautomien. Nach Olympia, wo aller 4 Jahre die versammelten Hellenen große Kampfspiele anstellten, schickte er die ausgesuchtesten Schauspie=

ler zum Vortrage seiner Gedichte , die anfänglich durch die Vollendung ihres Vortrages bestachen, bis das Volk nach verständiger Betrachtung in Spott und Gelächter ausbrach . Diese Niederlage reizte ihn förmlich zur Wuth , er fürchtete den Neid und die Nachstellung aller seiner Freunde, und verfügte Tod und Verbannung über viele derselben. Selbst der Geschichtschreiber Philistus und sein eigener Bruder

Leptines mußten nach Thurii in's Elend gehen, von wo Philistus erst unter dem jüngern Dionysius zurückgerufen ward. Sein Schwager Dion , Bruder der Aristomache, so reich, daß er sich gegen den jün

gern Dionysius erbieten konnte, das Heer aus eigenen Mitteln zu unterhalten und 50 Kriegsschiffe segelfertig zu stellen , ein edler und vornehm gebildeter Mann und Freund der Philosophie , bewog den Plato,

der die Pythagoräer in Unteritalien besucht hatte, nach Syrakus zu kommen , wo dieser großes Aufsehen erregte und besonders die Freundschaft des Dion gewann. Der veranlaßte auch eine Zusammenkunft zwischen Plato und Dionys. Aber als jener nach den Grundsähen seiner Weisheit bewies , daß jeder Andre eher tapfer sei als der Tyrann , daß nur das Leben des Gerechten glücklich , der Ungerechte der Unglücklichste sei : erregte er den Haß des Fürsten in desto höherem Grade , je mehr die übrigen Zuhörer

von ihm begeistert wurden. Zuleht fragte dieser , warum er nach Sicilien gekommen wäre, und als er hörte , um gute Menschen zu suchen , versekte jener , wahrhaftig du scheinst nirgends welche gefunden zu haben. Plato's Freunde bemerkten die verhaltene Erbitterung des Dionys und schiffsten ihn schnell ein;

dennoch soll er vom Schiffsführer auf Betrieb des Dionys nach Ägina in die Sklaverei verkauft worden sein, woraus er aber durch Vermittelung seiner Freunde bald erlöst ward. Zuleht gewann Dionys zu Athen , das sich von allen hellenischen Städten am besten auf die Schmeichelei gegen die Fürsten ver-

stand , mit einem seiner Stücke einen Sieg; und im Uebermaß seiner Freude feierte er Feste auf Feste, wobei er unmäßig trank und dabei seinen Tod fand im I. 367 , nachdem er 38 Jahre lang geherrscht hatte. Sturz der Fürstengewalt durch Dion und den Adel .

3. 355 v. Chr.

Nach dem Tode des ältern Dionysius folgte sein Sohn von der Lokrerin , gleichfalls Dionysius geheißen , der den Antritt seiner Regierung 90 Tage mit Schmausen und Zechen und Poßen und Tanzen feierte ; denn es fehlte ihm aller edlere Sinn , da der Vater aus Furcht vor Nachstellungen ihn von

den Staatsgeschäften fern gehalten hatte , worauf er sich in seiner Muße mit Zimmerarbeiten abgab. Sein Schwager Dion mit seinem ernsten finstern Wesen gab sich zu keiner Schwelgerei her, und war daher den Hofleuten verhaßt , aber doch durch Einsicht und Tüchtigkeit, da ihn auch schon der Vater in den wichtigsten Angelegenheiten gebraucht hatte, bei der Unfähigkeit des jüngern Dionysius unentbehrlich und der einflußreichste am Hofe. Um nun den Dionysius zu bilden und für seine hohe Stellung zu befähigen, machte Dion sein Mündel auf Platon aufmerksam , erregte bei dessen entzündlichem Wesen schnell eine heftige Sehnsucht nach ihm , und dieser ließ sich auch durch die dringenden Bitten des Dion und Dionysius sowie der italischen Pythagoräer bewegen , trok seiner bösen Erfahrungen mit dem ältern Dionys nochmal nach Syrakus zu gehen, weil seine Freunde ihm die Hoffnung machten , es könne hier

gelingen, eine Verfaßung und Verwaltung nach den Grundsägen seiner Weisheit einzurichten. Und in der That war Dion mit seinen Genoßen entschloßen , den Gewalthaber und Tyrannen in einen nach

Gesezen herrschenden König umzuwandeln; falls es aber nicht gienge, ihn lieber zu stürzen und die 3

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Volksherrschaft einzuführen, nicht als ob er sie für die beste gehalten , aber doch für beßer als die Gewaltherrschaft , wenn man einmal die Aristokratie , das soll bei den Philosophen heißen die vernünftige Herrschaft der Edelsten und Besten, nicht haben könne. Schnell gewann sich Plato die Gunst des Fürsten, alles war eifrig mit den Wißenschaften beschäftigt und die Hofburg voll Staub von dem Eifer Derer , die ihre mathematischen Zeichnungen im Sande machten. Denn die Mathematik war bei den Hel= lenen die Grundlage aller wißenschaftlichen Bildung. Ueber dies veränderte Wesen wurden die Hofleute, welche die Herrlichkeit des Thrones nur im Glanze und Genuße sahen, bestürzt, glaubten es auf eine Auflösung der Herrschaft abgesehen , und bewirkten die Zurückberufung des königisch gesinnten Philistus, der, wie wir früher sahen, dem ältern Dionys zur Herrschaft verholfen hatte und von ihm in einer Anwandlung von Wuth kurz vor seinem Ende verbannt worden war. Durch Ränke und Verdächtigungen ward nun bald dafür Dion verbannt. Früher nämlich als Gesandter bei den Karthagern von Einfluß, hatte er sich ihnen als Friedensvermittler angeboten ; dies Schreiben gab man dem Dionysius und deu-

tete es so , als suche Dion alle Gewalt an sich zu bringen, um sie an die Kinder seiner Schwester, die Stiefgeschwister des Dionys zu bringen , weshalb dieser den Dion schon lange in Verdacht hatte. Us man nämlich den Tod des ältern Dionys erwartete, hatte Dion sich an die Verzte gewendet und sie aufgefordert, ihm dies vorherzusagen, damit er noch mit dem Dionys über die Versorgung seiner Neffen Hipparinos und Narsãos sprechen könne ; denn die Töchter , Dions Nichten , hatte der Vater schon ver sorgt , und die Sophrosyna dem jungen Dionys , die Arete seinem Bruder Thearides , später dem Dion gegeben. Aber die Aerzte verriethen die Absicht dem jüngern Dionys und vereitelten sie durch einen Schlaftrunk. In Folge des Schreibens gieng nun Dionys auf Betrieb des Philistus mit dem Dion

anscheinend freundlich an's User, zeigte ihm die Beschuldigung und ließ ihn, ohne Entschuldigung zu ge statten, in einen Kahn steigen und verbannte ihn nach Italien. Als aber darüber die Frauen im Hause großes Geschrei erhoben, und die Stadt, welche in der edlen Gesinnung des Dion allein eine Bürgschaft hatte, in Furcht vor Neuerungen und Gewaltthätigkeiten gerieth, da sandte er ihm seine bewegliche Habe nach , ließ ihm später auch den Ertrag seiner Güter zukommen , und erklärte, sie hätten sich freiwillig ge=

trennt , um aller Gelegenheit einander feind zu werden aus dem Wege zu gehen. Aber Plato, der Freund Dion's , dessen Ansehen Dionys fürchtete , blieb bei Hofe, erhielt aber zur beßern Beaufsichtigung seine Wohnung in der Burg. Durch öftere Berührungen ward aber die Neigung des Dionys zu Plato

so heftig, daß sie sich zur Eifersucht gegen Dion steigerte und er dem Plato versprach , ihm ganz die Leitung der Geschäfte zu überlaßen, wenn er nur von der Freundschaft des Dion ablaßen wollte; und als Plato nicht darein willigte, zuleht sogar versprach, nach Beendigung des karthagischen Krieges den Dion zurückzurufen , nur solle der versprechen Ruhe zu halten, und ihn nicht bei den Hellenen zu verläſtern. So viel galt damals die Achtung und das Urtheil des gebildeten hellenischen Volkes , wovor sich Jeder scheute und warum sich später sogar die siegreichen Römer bewarben. Plato reis'te daher nach Griechenland, um den Dion, der in den hellenischen Städten umhergezogen war, überall durch seine Bildung und seine Schäße sich Freunde erworben hatte , der in Sparta Ehrenbürger geworden war, zur Haltung dieses Versprechens zu bewegen, feßelte ihn an die Akademie , und um die Strenge seines Wesens etwas zu mildern und ihn gesellig zu bilden, damit er später nicht wieder bei Dionys verstieße , machte er ihn mit dem liebenswürdigen Speusippus bekannt , der nach Plato den Lehrstuhl in der Akademie einnahm. Dionys , dem seine Sehnsucht nach Plato nicht Ruhe ließ , betrieb die Rückkehr des Plato durch die ita-

lischen Philosophen und durch die Verwandten des Dion , und der, in der Hoffnung etwas für Dion thun zu können, gieng zum dritten Male nach Sicilien, ward glänzend empfangen, entzweite sich aber über Dion sehr bald mit Dionys und gerieth in förmliche Haft , aus der ihn nur die Rücksicht auf die italischen Philosophen , die Anhänger des Archytas , befreite. Nun nahm Dionys auch weiter keine Rücksicht auf Dion mehr, und verheirathete dessen Weib an den Timokrates. Da schritt auch Dion zum Krieg , obwohl wider Willen des Plato , den immer noch die Rücksicht auf Dionys feßelte, aber aufgefor= dert von vielen sicilischen Hellenen, die seine Rückkehr betrieben. Er sammelte nun seine Freunde , dar

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unter den Wahrsager Miltas , lud die syrakusischen Verbannten zur Theilnahme ein, deren es gegen 1000 waren , von denen aber nur 25 wegen der anscheinenden Schwierigkeit des Unternehmens sich

betheiligten und warb Soldaten , nicht volle 800, aber versuchte Leute , fähig , das Volk, auf dessen Beiz tritt man in Sicilien rechnete, zu begeistern und anzuführen. Für dasselbe hatte er auch 2000 Schilde,

viele Geschoße und Spieße und eine große Menge Lebensmittel mitgenommen. In Zakynthos sammelte man sich, und hier erst theilte Dion seinen Leuten den Plan mit, der allen als ein wahnsinniges Wagnis erschien, bis er ihnen die morsche Grundlage der Gewaltherrschaft des Dionys begreiflich machte. Ehe man abfuhr , brachte man dem Apollo ein großes Opfer , und da gerade eine Mondfinsternis eintrat, mußte der Seher Miltas dies der abergläubigen Menge als Verlöschen des glänzenden Gestirnes der Dionysischen Herrschaft deuten. Von da gieng die Fahrt quer über das Meer, da an der italischen Küste, von welcher die Alten mit ihren Fahrzeugen selten abzuweichen wagten , Leptines mit einer Flotte auf der Lauer stand. Bei der Umschiffung des Vorgebirges Pachynum raffte zwar plöhlicher Nordwind die Flotte fort nach der großen Syrte, kam aber von da bald wieder durch glücklichen Südwind nach Minoa, einem Städchen im karthagischen Gebiete auf Sicilien unter Synalos, den Andre Paralos nennen, einem Freunde des Dion, der ihn unterſtükte. Von da gieng es auf Syrakus ; unterwegs stießen 100 Agrigentische Ritter und die Geloer zu ihm. Zum Glück war auch gerade Dionys abwesend in Kaulonia in Unteritalien, und sein Befehlshaber Timarchides von Syrakus ein feiger Mann, der eilig die Stadt verz ließ. Da giengen die vornehmen Syrakuser dem Dion bis vor die Stadt entgegen, während das Volk

die Anhänger des Tyrannen, zumal die Angeber und Spione ansiel und mishandelte. Dann zog Dion als Befreier in die Stadt ein unter dem Jubel des Volks , das überall in den Straßen, wo er durch

zog, die Hausgötter, Opfertische und Weihschalen an den Weg stellte , ihn mit Opfermehl bestreute und mit Gebeten geleitete. Dion und sein, Bruder Megakles wurden in der allgemeinen Freude zu unbe= schränkten Hauptleuten ernannt, und ihnen auf ihren Wunsch 20 Genoßen , davon 10 aus der Zahl der Verbannten und Gefährten des Dion, beigegeben. Am siebenten Tage lief Dionys in die Burg ein, die nicht in der Gewalt der Syrakuser war, eröffnete Unterhandlungen mit Dion , ließ aber inzwischen die Stadt von seinen Söldnern überfallen , bis es endlich dem Dion gelang, sie wieder zurückzutreiben. Da schickte Dionys auf's neue Boten an Dion mit Briefen von Schwester und Nichten ; einen mit der Auf-

schrift von seinem Sohne Hipparinos an den Vater, den die Boten nicht öffentlich vorlesen laßen wollten. Dion nahm ihn mit Gewalt und las ihn vor; er war von Dionys und unter dem Scheine, den

Dion zu bereden , die Alleinherrschaft nicht aufzulösen sondern lieber für sich zu behalten , suchte er dem Volke Verdacht gegen die Absichten des Dion beizubringen. Und dies gelang nur zu gut. Das Volk, von dem adlichen Wesen des Dion und seinem vornehmen Anhange abgestoßen , machte den Heraklides zum Flottenführer, einen gemeinen Menschen, der sich viel mit dem Volke abgab, und früher unter Dionys Feldherr gewesen , dann aber verbannt worden war. Auf die Vorstellung des Dion , daß dadurch seine Volmacht beschränkt werde , nahm zwar das Volk seinen Beschluß wieder zurück , aber doch sah sich

Dion genöthigt , um die Abneigung des Volkes zu beschwichtigen , ihn nun seinerseits mit diesem Amte zu betrauen, der äußerlich sich gegen Dion unterwürfig bezeigte, und insgeheim das Volk und die Unzufriedenen gegen ihn aufhekte. Es trat ein gewisser Sosis auf und schalt in öffentlicher Versammlung die Syrakuser , daß sie statt einer lahmen und betrunkenen Tyrannei sich eine wachsame und nüchterne Herr-

schaft genommen hätten; dann sich selber Wunden beibringend klagte er auf dem Markte, er sei von Leuten des Dion angefallen worden. Dieser Betrug ward aber entdeckt und zu Schanden, und Heraklides lenkte sogar den Haß des Volkes auf sich , weil er den Dionys hatte entwischen laßen , welchen das Volk

gehofft hatte lebendig in seine Hände bekommen zu können. Dionys nämlich , dessen Flottenführer Phi= listus von den Syrakusern geschlagen worden war, übergab die Burg seinem ältesten Sohne Apollokrates und gieng, die Wachsamkeit des Heraklides täuschend , nach Lokri , wo man ihn um seiner Mutter willen bereitwillig aufnahm. Um nun das Volk auf andere Gedanken zu bringen, stiftete Heraklides den

Demagogen Hippon an, dem Volke den Vorschlag zur Gütervertheilung zu machen , da die Gleichheit

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der Anfang und die Bedingung der Freiheit sei , die Armuth der Besiklosen aber Sklaverei. Heraklides unterstützte den Antrag, verleumdete den Dion der sich dem widersehte, und beredete das Volk nicht nur dies zu beschließen , sondern auch den fremden Söldnern , das waren die Leute des Dion , den Sold zu

nehmen und sich volksfreundlichere Hauptleute zu wählen. Die Syrakuser wählten 25 neue Hauptleute, darunter den Heraklides , suchten aber vergeblich die Mannen des Dion von ihm abwendig zu machen;

als dies nicht gelang, fiengen sie an zu schimpfen und fielen über sie her. Aber Dion , nur die Feindseligkeiten abwehrend , schlug sich glücklich zur Stadt hinaus und führte seine Leute nach Leontium. Dafür rächten sich nun die Weiber , deren kühnes Maul voran war, durch Schimpfen auf die Feigheit der

Hauptleute , die als gehorsame Diener des Volks , dessen Geschöpfe sie waren, dem Dion schnell nachseyten, aber von ihm, der nun Ernst machte , schmählich nach Hause geschickt wurden. In Leontium ward Dion ehrenvoll aufgenommen und die versammelten Bundesgenoßen misbilligten das Verfahren der Syrakuser. Die aber kehrten sich nicht daran, lebten schwelgerisch und hochfahrend , selig in dem Gedan-

ken, daß sie nun Niemandem zu gehorchen brauchten, sondern unter Vorgesekten ständen, die sich vor dem Volke fürchteten und ihm zu Willen wären. Aber diese Freude sollte nicht lange dauern. Dionys hatte von Italien aus den Neapolitaner Nypsios mit einer Flotte nach Syrakus geschickt. Diesen schlugen zwar die Syrakuser zur See ; dennoch entkam er in die Burg. Wie der nun die Wirtschaft in Syra= kus sah , daß alles Volk von der Siegesfreude berauscht vom hellen lichten Tage bis in die späte Nacht bei Musik und Weine saß , überfiel er die Stadt mit den Söldnern und ließ sie nach Gefallen schalten,

welche die Mauern einrißen, die Männer erschlugen, Weiber und Kinder in die Burg schleppten, ehe die Syrakuser sich ernüchterten und nun in der Verwirrung nicht wußten, wie sich zu helfen. Als nun die Gefahr für den Stadttheil Achradina immer größer ward , da dachte Jeder an Dion , schämte sich aber

seiner Undankbarkeit gegen ihn und wagte nicht, seinen Namen auszusprechen , bis die Bundesgenoßen und die Ritter ihre Stimme erhoben , man solle den Dion rufen und seine Peloponnesier aus Leontium kommen laßen. Das Volk jauchzt und weint vor Freude, daß es den Mann wieder sehen soll, der, selbst

unerschrocken in allen Gefahren, auch andre mit Kampfesmuthe beseelte. Sogleich gehen Gesandte von Seiten der Bundesgenoßen und der Ritter an Dion, klagen die Noth der Syrakuser, und Dion, von der grösten Bereitwilligkeit seiner Leute unterstützt, bricht sogleich nach Syrakus auf. Hier hatte sich aber inzwischen die Stimmung wieder geändert. Weil nämlich mit Einbruch der Nacht die Mannen des Dio= nys sich nach der Burg zurückgezogen hatten und dabei einige Mann verloren, so faßten die Volksführer frischen Muth und forderten das Volk auf, den Dion nicht in die Stadt zu laßen , sondern sich selber

und der eigenen Tapferkeit Rettung und Freiheit zu verdanken. So gehen also auf's neue Gesandte an Dion, von seiten des Heraklides und der Stadthauptleute, ihn zur Umkehr zu bewegen, seitens der Ritter und vornehmen Bürger, ihn zur Eile aufzufordern. Als aber mit Tagesanbruch die von der

Burg auf's neue in die Stadt einbrachen, und an der Sache des Dionys verzweifelnd wenigstens dafür Rache an der Stadt nehmen wollten und diese durch Mord und Brand so schnell als möglich zu verz

nichten suchten , da war man auch schnell wieder einig dem Dion die Thore zu öffnen. Dieser erhielt die Nachricht von der zweiten Ueberrumpelung der Stadt , als er noch etwa ein und eine halbe Meile von der Stadt entfernt war, und legte diese Wegesstrecke laufend zurück, zog mit großer Gefahr durch die brennende Stadt und schlug die Feinde hinaus. Anderen Tags kamen Heraklides und sein Dheim

Theodotes zu Dion, bekannten ihren Verrath gegen ihn, und giengen mit ihrem Anhange bei dem hochherzigen Dion frei aus. Heraklides schlug dafür den Dion in öffentlicher Volksversammlung zum unbeschränkten Stadthauptmann vor, der den Seeleuten und dem gemeinen Volke , das dem Heraklides unwandelbar anhieng, ungeachtet er weiter nichts taugte, bloß weil er lenksamer war, soviel nachgab, daß

er ihn zum Flottenführer machte. Aber kaum war Heraklides von Dion wieder in's Amt gebracht, so suchte er ihn auch sogleich wieder in der Meinung des Volks zu stürzen, indem er die Vertheilung der

Ücker und Wohnungen betrieb , was Dion zu vereiteln wußte. Darauf gieng er mit seinen Leuten nach Messene, und knüpfte durch den Spartaner Pharar sogar geheime Unterhandlungen mit dem Dionys an,

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was den beßern Syrakusern im Lager nicht verborgen blieb und eine Spaltung darin hervorrief; woraus

dem Dion großer Unwille erwuchs, daß er einen so schlechten Menschen wie Heraklides hätte leben laßen. Dion löste in Folge dieser Verrätherei die Flottenmannschaft auf. Von Apollokrates bekam er um diese Zeit die Burg übergeben und fand dort Schwester, Gattin und Sohn wieder, diesen aber durch Verfüh

rung des Dionys so in alle Lüste der Sinnlichkeit versunken, daß, als Dion ihn zum strengen Lebenswandel zurückführen wollte und ihm Wächter sekte , er dies neue Leben nicht ertrug und sich aus dem Fenster stürzte.

Darauf gieng Dion daran , die Verfaßung zu ordnen und war dabei nicht Willens, die Volksherrschaft , diesen Abgrund aller Verfaßungen , einzuführen und dem Volke in den Volksversammlungen. alle Gewalt und Leitung der Geschäfte zu überlaßen , sondern es mehr nach der Weise Sparta's oder Korinth's einzurichten , wo die Volksversammlung nur geringe Macht hat neben dem Rathe der vorneh-

men Bürger; weshalb er sich auch Rathgeber und Amtsgenoßen aus Korinth holte. Und da ihm bei allen diesen Dingen Heraklides entgegen arbeitete , so ließ es Dion geschehen , um endlich einmal den Staat zur Ruhe kommen zu laßen , daß seine Partei , der Adel oder die Vornehmen , jenen ermordeten. Aber diese Erfahrungen, die Dion so hatte machen müßen, daß in Zeiten der Leidenschaft und Aufregung

Gemeinheit und Selbstsucht nicht durch Edelsinn , Aufopferung und Großmuth zu gewinnen sind , hatte ihn mit Argwohn erfüllt, und hatte er erst einen Gewaltschritt gethan, so sah er sich bald zu immer meh=

reren gedrängt. Es lag ihm nun daran, die Stimmung der Leute zu erforschen und seine Feinde-ken= nen zu lernen. Da hatte er einen gewissen Kallippos , keinen Schulfreund mit dem er durch Gemeinsamkeit der Bildung und der Sinnesweise verbunden gewesen wäre, sondern er hatte so zu sagen eine Straßenbekanntschaft mit ihm. Dieser trug ihm manche Klatschereien zu ; und Dion benuhte ihn zum

Horcher und Kundschafter und gestattete demselben schlecht von sich zu sprechen. Dadurch fand Kallippos bald die schlechtesten Leute heraus und bildete mit diesen eine Verschwörung gegen Dion. Dem Dion wie den Frauen des Hauses ward dies hinterbracht. Aber Dion , schon in seinem Gewissen über

den Mord des Heraklides geängstigt , wollte lieber zehnfältig den Tod leiden , als sich immer selbst vor seinen Freunden hüten müßen, und sekte alle Vorsicht aus den Augen. Und die Frauen beruhigte Kallippos durch den hohen Schwur, indem er nämlich im Tempel der Ceres und Proserpina nach dargebrachtem Opfer das Gewand der Göttin umthat , eine Fackel in die Hand nahm und so schwor. Nach

diesem Meineide ließ Kallippos den Dion in seinem Hause durch geworbene Zakynthier ermorden , im I. 355 , warf dessen Frau und Schwester in's Gefängnis , vertrieb seine Anhänger nach Leontium , und herrschte in der Stadt, bis er bald darauf diese an Hipparinos, Sohn des Dionys verlor, der dort 2 I.

die väterliche Gewalt behauptete ; während Kallippos mit Leptines nach Rhegium zog, dort die Besakung des Dionysius vertrieb , den Bürgern die Freiheit wieder gab , aber von den hellenischen Söldnern , die

er schlecht hielt, ermordet ward im I. 353. Die Schwester des Dion wie seine Frau mit ihrem nachge= borenen Sohne ward , als Hiketas später in Syrakus zur Gewalt gelangte , einem Freunde des Dion ausgeliefert , der aber , von den Feinden des Dion aufgeheht , sie nach dem Peloponnes einschiffte und unterwegs versenken ließ. Herstellung der Ruhe und Gründung der Verfaßung durch Zimoleon. - 3. 340 v. Chr.

Seit Dions Tode wechselte in Syrakus ununterbrochen ein Gewaltiger mit dem andern die Herrschaft , und vor der Schaar der Unfälle ward die Stadt fast verödet ; die Städte des übrigen Sici-

liens waren vom Kriege schon fast ganz zerstört und unbewohnt oder von zusammengelaufenen Barbaren und dienstlosen Söldnern besekt , welche durch jeden Wechsel der Gewalt sich zu verbeßern hofften. Im I. 346 , im zehnten I. nach Dion , gerieth Syrakus wieder in die Gewalt des Dionysius , der den bisherigen Gewalthaber Nesäos vertrieb , und um so strenger herrschte , da seine Gemüthsart durch die er

littenen Unfälle nur noch mehr verhärtet war. Die guten und vornehmsten Bürger, die nothwendig der Druck am schwersten traf und die bei ihrer Bildung einen Sinn für gesetzliche Freiheit hatten , schloßen sich deshalb an Hiketas, Herrscher von Leontium an , und machten ihn zu ihrem Kriegsobersten , nicht als

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ob er um etwas beßer als Dionys gewesen wäre, sondern er war eben noch die einzige Zuflucht für das unglückliche Syrakus. Da nun noch dazu auch die Karthager mit großer Macht gegen Sicilien rüsteten, so beschloß man im I. 345 die Mutterstadt Korinth um Hülfe anzusprechen , eine freiheitsliebende Stadt, die ohne Herrschsucht und Habsucht schon viele schwere Kämpfe für die hellenische Freiheit bestanden hatte. Hiketas, der in Syrakus die Gewalt für sich zu erlangen hoffte, schickte zwar seine Boten mit nach Kos rinth , hoffte aber, man würde sich dort für die Befreiung von Syrakus nicht gemüßigt sehen und unter= handelte insgeheim mit den Karthagern. In Korinth hegte man aber die gröste Theilnahme für das

Wohl der Tochterstadt und die hellenische Freiheit auf Sicilien, und zeigte die gröste Bereitwilligkeit zur Hülfe. Man sah sich nach einem Feldherrn um , und als die Behörde die Namen der angesehensten Bürger in Vorschlag brachte , nannte einer aus der Menge den Timoleon , Sohn des Timodemus , der sich schon seit 20 I. vom öffentlichen Leben zurückgezogen hatte. Er war mildes Wesens , fromm gegen seine Eltern und haßte Gewalt und Schlechtigkeit von Grund der Seele. Dies hatte ihn in einen Wi-

derstreit der Pflichten gebracht. Er hatte nämlich einen Bruder Timophanes gehabt , in dem schlechte Freunde und Genoßen Herrschbegierde erweckt hatten. Weil er kriegerisch zu sein schien, trugen ihm seine Mitbürger den Oberbefehl im Kampfe gegen Argiver und Kleonäer auf, bei welcher Gelegenheit ihn sein Bruder Timoleon mit seltenem Muthe mitten aus den Feinden wieder heraushieb. Darauf erhielt er den Oberbefehl über 400 Söldner , die man für Fälle plőklicher Gefahr zu besolden beschloß; und mit

deren Hülfe brachte er die Gewalt an sich . Darüber ergrimmte Timoleon , der durch seine Unterstüßung seinem Bruder erst das Vertrauen der Bürger erworben hatte, und sich für dessen Thaten verantwortlich

glaubte. Gemeinsam mit seinem Schwager Üschylus und seinem Freunde dem Seher Satyrus, oder wie Andre ihn nennen , Orthagoras , suchte er ihn durch gütliche Vorstellungen von der Gewaltherrschaft ab-

zubringen , und als dies nichts half, zogen die beiden lehten das Schwerdt und ermordeten ihn. Dars über war großes Aussehen in der Stadt und eine zwiespältige Beurtheilung. Die Mutter Demariste ward dadurch unversöhnlich gegen ihren Sohn aufgebracht, und fluchte ihm und ließ ihn nicht mehr vor

ihre Augen treten. Worüber Timoleon , der diese Behandlung nicht ertragen konnte, sich ganz in die Einsamkeit auf's Land zurückzog , bis ihn der Auftrag seines Vaterlandes zur Befreiung von Syrakus aufrief. The er absegelte , opferte er im Delphischen Heiligthume dem Gotte Apollo. In Sicilien hatte Hiketas inzwischen den Dionys besiegt , hatte Syrakus besekt , bis auf die Burg und Insel , welche Dio: nys behielt, während im Einverständnisse mit ihm eine karthagische Flotte an der italischen Küste lauerte, um die korinthische Hülfe nicht nach Sicilien zu laßen. Bei Rhegium trifft Timoleon auf die doppelt

so starken Karthager, die ihn ausfordern , selber sich zum Hiketas zu begeben als sein Berather und Genoße , seine Mannschaft aber nach Hause zu senden , da der Krieg nahezu beendet sei. Timoleon , sich scheinbar der Uebermacht fügend , verlangt nur zu seiner Rechtfertigung und zu größerer Bürgschaft von ihrer Seite , daß dies vor den Augen der hellenischen und Beiden befreundeten Stadt Rhegium geschehe.

Hier berief die Behörde sogleich eine Volksversammlung, schloß , um die Bürger zur Theilnahme zu nőz thigen , die Thore , und während die Redner die Berathung in die Länge zogen und Timoleon an den Stufen der Rednerbühne jeden Augenblick das Wort nehmen zu wollen schien , und dabei die Karthager, durch die Anwesenheit des Timoleon beruhigt, der Sache gelaßen zusahen : segeln die korinthischen Schiffe,

und auf einem Schnellsegler Timoleon , der inzwischen unter dem Schuhe umstehender Rheginer heimlich aus der Volksversammlung entwichen war, ihnen nach nach Tauromenium. Hier herrschte der Fürst An= dromachus, Vater des Geschichtschreiber Timäus , der den Timoleon bereitwillig unterſtükte. Aber andre Städte wollten von einem Feldherru aus Altgriechenland und von Befreiung nichts mehr hören , da sie unter diesem Namen so oft getäuscht worden waren, zuletzt durch den Athener Kallippos und Spartaner Pharar , welche so gehaust hatten , daß das Loß der Städte unter einem Tyrannen noch golden gegen ihre Wirtschaft erschien. Nur in dem Städtchen Hadranum war ein Theil der Bürgerschaft für ihn, der

andere für Hiketas , der mit 5000 M. herbeizog , aber von Timoleon mit 1200 M. überfallen und ge schlagen ward . Darauf fiel Alles dem Timoleon zu, eine Reihe Städte , auch Mamerkus, der Herrscher

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von Katana, und was das wichtigste war , Dionysius übergab ihm die Burg im I. 342, nachdem er 10 I. in Syrakus geherrscht und 12 I. darum gekriegt hatte, und gieng nach Korinth in die Verban nung. Hier lebte er , um gleich noch einige Worte über Dionysius zu verlieren, weil sie uns die Sitte der Zeit anschaulich machen, von den Einen wegen seines Falls verspottet, von Andern, die der Wandelbarkeit der menschlichen Dinge nachdachten, mit Theilnahme behandelt, anspruchslos und im Verkehr mit

den gemeinsten Leuten, um nicht die Besorgnis zu erwecken, er strebe nach Wiedererlangung seiner Macht und sich dadurch Nachstellungen zu bereiten. Er gieng schmukig und zerrißen, kaufte sich auf dem Markte bei den Höckern seine Bedürfnisse oder betrachtete gierig, was er zu kaufen kein Geld hatte, ließ sich in Kneipen seinen Krug mit Wein vermischen, denn man trank in diesen warmen Ländern gewöhnlich nur 1 Viertel Wein zu 3 Theilen Waßer , unterhielt sich mit den Sängerinnen über Sangesweisen, vers brachte seine Zeit in öffentlichen Häusern, wo er sich mit lüderlichen Dirnen herumzankte, und schien sich ordentlich Mühe zu geben verächtlich zu erscheinen. Dennoch verrathen einzelne Äußerungen von ihm, daß dieses Betragen nur der angenommene Schein der Narrheit war. Denn als einst ein Fremder über seinen frühern Verkehr mit Plato und den Philosophen spottete , versekte er , ist der Nuken davon

nicht groß genug, daß ich mein jekiges Geschick so gelaßen trage. Ein Anderer , über seinen Argwohn spottend, schuttelte seinen Mantel auseinander, zum Zeichen, daß er keine Waffen verborgen habe ; als er weggehn wolte, hieß ihn Dionys dasselbe thun, damit er ihm nichts mitnahme. Der strenge Diogenes, der die Abhärtung und Bedürfnislosigkeit als den Weg zur Glückseligkeit predigte, verleugnete auch gegen Dionys seine Strenge nicht; als er ihm zum ersten Male begegnete , begrüßte er ihn mit den Worten, wie unverdient, o Dionysius , ist dein Schicksal. Dionysius dankte ihm für das Mitleid ; aber Diogenes ward unwillig und sagte : Glaubst du denn, daß ich Mitleiden und nicht vielmehr Unwillen empfinde darüber , daß ein solcher Mensch und Sklave seiner Leidenschaft, der wie sein Vater als Tyrann hätte

sterben müßen, hier mit uns in Heiterkeit und Wohlsein seine Zeit verbringt. Zuletzt verdiente sich Diogenes sein Geld damit, daß er Kinder auf offener Straße unterrichtete. Nach dem Sturze des Dionys hatte Hiketas gegen den immer mächtiger werdenden Timoleon Meuchelmörder gedungen, die sich in Hadranum beim Opfern an ihn heran drängten, und eben wollten sie ihre That vollbringen, als der eine von einem Leontiner erschlagen wird, dem er den Vater gemordet hatte ; worüber der andre erschrickt und flieht; und so ward Timoleon durch besondre Fügung seiner großen Bestimmung erhalten. Da trat Hiketas offen zu den Karthagern über, und nahm ihre Flotte unter

Mago in den Hafen auf, 150 Kriegsschiffe und 60,000 M. Das erste Mal war so Syrakus in den Händen der Phönikier und die Hellenen klagten, daß nun das Hellenenthum vertilgt und die schöne In= sel verwälscht würde. Dies Gefühl entfremdete auch die Leute des Hiketas den Mannen des Mago ; auf einem Zuge gegen Katana , das der Besayung auf der Burg Lebensmittel zuführte , hatten sie schon die Stadt Achradina an den Korinthier Neon , Befehlshaber der Burg verloren. Timoleon war eben-

fals von Messene vor Syrakus gerückt. Hier gab es in den Seen und Teichen eine Menge Vale; die Soldaten beider Lager fischten hier friedlich neben einander, und da sie, obwohl im Kampfe tapfere Geg-

ner, doch als Hellenen keinen Grund zu besonderer Feindschaft hatten, so verständigten sie sich gegenseitig und verschworen sich gegen die Karthager. Davor sich fürchtend segelte Mago nach Afrika zurück, und Hiketas, von allen Seiten angegriffen, sah sich genöthigt die Stadt zu übergeben. Nach so langem Kampfe war also endlich in Syrakus alle Gewaltherrschaft gestürzt, und es

war ein Leichtes den Bewohnern die Freiheit zu verkünden, und die Burg und den Palast der Tyran= nen, die Horste in denen so oft die der Freiheit feindliche Soldatengewalt sich eingenistet hatte , einzureißen, an deren Stelle Timoleon ein Gerichtshaus baute. Aber schwieriger war es für ihn , die Bürger in das Gerichtshaus zu versammeln und Gesez und Ordnung unter ihnen aufzurichten , welche die bis-

herigen Kämpfe völlig vernichtet hatten , und welche bei schrankenloser Freiheit selten lange Bestand ha= ben. Dazu mußte er auch dem Wohlstande des unglücklichen Landes wieder aufhelfen ; was ihm beides aus's glücklichste gelang , und dessen Verdienst wir erst recht würdigen können, wenn wir die Größe und

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Unseligkeit der damaligen Zustände uns vor Augen halten. Syrakus war nämlich ohne Einwohner, indem Krieg und Tyrannei diese zu Grunde gerichtet oder verscheucht hatte , und genöthigt , gleich den Juden späterer Tage sich in alle Länder zu zerstreuen. Auf dem Markte war dichter Wald gewachsen , so daß die Herden darin weideten , während die Hirten im Grase lagerten. Ebenso die übrigen Städte der In= sel waren bis auf wenige statt vol Menschen voller Hirsche und wilder Schweine; bis unter ihre Mauern und in die offenen Vorstädte gieng das Gebiet des Jägers. Und die Bewohner der festen Pläke und

Burgen wagten nicht in die Stadt hinunter zu ziehen , sich fürchtend vor Markt und Rednerbühne und Volksfreiheit , die ihnen so viele Gewalthaber gebracht hatte. Da schrieb Timoleon , um die Stadt zu bevölkern, nach Korinth, man möchte Ansiedler aus Hellas schicken ; im Innern sei das Land ruhig , von den Karthagern aber stände Krieg bevor. Und das edle Korinth, statt die Gelegenheit für die Ueberfülle

seiner Bevölkerung zu benutzen, ließ durch ganz Hellas und die Inseln ausrufen, die flüchtigen Syrakuser möchten sich in Korinth zur Heimkehr sammeln. Dort herrsche Frieden und Geseklichkeit. Korinth wolle

sie auf seine Kosten zurückführen. Und erst als die Anzahl ungenügend war, forderte man alle Hellenen zur Theilnahme auf, deren sich 10,000 in Korinth sammelten; auch von dem übrigen Sicilien und Ita=

lien kamen gegen 60,000 zusammen , denen Timoleon die Ücker vertheilte, die Häuser aber zum Besten der Gemeinekasse für 1000 Talente verkaufte , wobei den alten Syrakusern das Vorkaufsrecht der eigenen Häuser zustand. Aus Geldnoth wurden sogar die ehernen Bildsäulen versteigert, jedoch zuvor das Volk befragt, welches einmüthig die Erhaltung des Denkmales Gelo's beschloß. Plünderungszüge in das karthagische Gebiet halfen auch zur Bereicherung , und als darauf die Karthager unter Hasdrubal und Hamilkar mit großer Macht anrückten , zog Timoleon kühn mit 3000 Syrakusern (so viele nur hatten bei dem allgemeinen Schrecken den Muth behalten die Waffen zu neh men) und mit 4000 Söldnern ihnen entgegen im I. 340. Aber auch unter diesen Söldnern entstand unterwegs Meuterei ; und trotzdem Timoleon alles dagegen aufbot , zogen doch 1000 M. von ihnen nach Syrakus zurück. Später als Timoleon als Sieger zurückkehrte , vertrieb er sie aus der Stadt und Insel; im Lande der Bruttier wurden sie sämmtlich niedergehauen. Mit 6000 M. also, die so dem Timoleon blieben, überraschte er, durch Nebel begünstigt, der den Timoleon auf der Höhe einhüllte , wäh rend das Thal des Krimessus im Sonnenschein dalag, die Feinde beim Uebergange über diesen Fluß, griff sie unverzagt an und warf sie , die anfangs muthig widerstanden, da plöhlich zu neuem Glücke bei der

Hike des heißesten Sommers von der Höhe ein heftiges Gewitter mit Regen und Hagelschlag sich niederließ und den Feinden in's Gesicht schlug. Die Flucht ward den Feinden erst verderblich; viele ertranken im Fluße, andre, die nach den Höhen zu entkommen suchten, wurden eingeholt und niedergehauen ; unter

10,000 Todten befanden sich 3000 Karthager, ein Verlust , den diese Stadt, die ihre Kriege meist mit fremden Söldnern führte, noch nie in dieser Größe erfahren. Darauf gieng Timoleon an die Befreiung der übrigen Städte der Insel , denen er die Selbstverwaltung gab. Er hatte dabei theils mit Söldner= banden , theils mit Tyrannen zu kämpfen. Diese hatten ihn wohl anfänglich gegen die Uebermacht des Dionysius unterstützt , wollten nun aber ihre eigne Macht nicht der Gemeindefreiheit zum Opfer bringen und stükten sich , um nicht haltlos zu werden , auf die karthagische Hülfe unter Gesko. Timoleon stürzte sie nach einander. Hiketas ward mit seinem Sohne zu Leontium getödtet , die Frauen auf dem Markte zu Syrakus niedergehauen. Hippo , Tyrann von Messene, ward zu Schiffe flüchtig , aber wieder gefangen und von seinen Bürgern im Theater zu Tode gemartert , wobei man die Jugend aus der Schule wie zu einem Schauspiele herbeiholte , um ihnen ewigen Tyrannenhaß einzuimpfen. Mamerkos , Herr= scher von Katana , der sich ebenfalls nach Messene geflüchtet, ward nach Syrakus gebracht und dort todt gepeitscht. Nikomedes , Tyrann von Kentoripa vertrieben , Agyra , Nachbarstadt von Syrakus, von der

Herrschaft des Apolloniades befreit und mit dem syrakusischen Bürgerrecht beschenkt; die Kampaner in Ätna belagert und aufgerieben. Zu gleicher Zeit widmete Timoleon seine Sorge dem Wiederaufbau der staatlichen Ordnung und Geseklichkeit, was nach solchen Zeiten der Leidenschaft und Verwilderung wohl das schwerste Stück war,

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wo Angeber und Ankläger und Sykophanten, die von dem Eigennuke und Argwohne der Menge lebten, wie Unkraut wucherten. Mußte doch Timoleon selbst in Syrakus sich von Laphystus vor Gericht

fordern und von einem gewissen Demanetos in der Volksversammlung wegen seiner Stadthauptmannschaft schmähen laßen, ohne freilich bei den dankbaren Syrakusern eine andere Vertheidigung nöthig zu haben , als daran zu erinnern, daß sein ganzes Streben darauf gerichtet gewesen, Jedem die Freiheit der Rede und den Schuh der Geseke zu verschaffen, womit er großmüthig noch seine Gegner vor dem Zorne

der Syrakuser rettete. Timoleon entwarf die Verfaßung, wodurch er die Volksfreiheit geseklich begründete, selbst. Zur Durchsicht der Gesezgebung ließ er im I. 340 den Dionysius und Kephalus aus Korinth kommen. Auch wird erzählt, daß er eine neue obrigkeitliche Würde, die Dienstschaft des Zeus Olympios errichtet habe, die höchste Staatswürde , die jährlich neu besekt ward , wie es scheint mit religiöser Bedeutung , die sich bis in die Römerzeit erhielt und nach deren Inhabern die Jahre benannt wurden. Durch solche Thätigkeit ward Timoleon der Wohlthäter der Syrakuser wie der ganzen Insel. Ueberall ward er gefeiert, kein Krieg ward geschlichtet, keine Gesezgebung gemacht, keine Verfaßung geordnet, kein Acker vertheilt , ohne daß er der Handlung hätte die Weihe geben müßen. Auch den Ruhm , das be

rühmte Agrigent wieder aufgebaut zu haben , erwarb er sich. Die Syrakuser bewiesen, ihm ihre Dank= barkeit dadurch , daß sie ihm ein Landgut schenkten, auf dem er lebte, als er wegen Alter und Erblindung sich hatte von Geschäften entbinden laßen. Doch ehrten sie sein Alter, indem sie jeden fremden Gast zu ihm führten, und bei wichtigen Angelegenheiten nichts ohne seinen Rath thaten. Dann erschien er zu Wagen im Theater, ward von der Versammlung feierlich begrüßt und grüßte wieder, ließ sich die Sache vortragen , sagte seine Meinung , die man immer befolgte, und fuhr unter dem Nachrufen des Volkes wieder nach Hause. Als er starb, trauerte das Volk, das in zahlreichem Zuge seiner Leiche folgte, feierte zu seinem Gedächtnis jährliche Spiele und erbaute über seinem Grabe auf dem Markte ein Gymnasium, das Timoleonteum, worin sich die Jugend nach seinem Beispiele bilden sollte. Die volksfreundliche Herrschaft des Königs Agathokles , vom J. 317-289 v. Chr.

Die Seegnungen des Friedens und der geselligen Ordnung, welche Syrakus und die Insel dem Timoleon verdankte, brachten bei der Fruchtbarkeit der Insel, die für ihre Erzeugnisse überall willige Abnehmer fand, auf's neue Gedeihen, Wohlstand und seltenen Reichthum den Einwohnern ; wofür wir einen

Maßstab gewinnen, wenn wir hören, daß die zu Syrakus eingebürgerten Bewohner von Agyra , das unter Timoleon 10,000 Ansiedler erhielt , im Stande waren Tempel , Rathhaus , Markt , Thürme, pyra-

midenartige durch Kunstarbeit ausgezeichnete Gräber aufzuführen. Mit dem Wohlstande und dem Frieden erstand auch wieder der Einfluß der Reichen und Vornehmen , und ward die von Timoleon begründete Volksfreiheit wie es scheint durch den Kampf der Leidenschaften gestürzt , den eine aus so vielen ver-

schiedenartigen Bestandtheilen zusammengesekte Bürgerschaft nothwendig erzeugen mußte. Es scheinen nämlich die Reichen mit Hülfe fremder Söldner, deren Syrakus eine Menge halten mußte wegen der ewigen Fehden der hellenischen Städte auf Sicilien und Italien unter sich sowohl wie mit fremden Nachbaren zumal dem mächtigen Karthago , eine Art Oligarchie errichtet zu haben. Wenigstens finden wir um die Zeit , als Agathokles zur Gewalt gelangte , einen Ausschuß oder hohen Rath von 600 an der Spike der Verwaltung, der ohne Wahl des Volks sich selbst aus den Vornehmen und Reichen ergänzte;

und die Häupter dieser Partei ebenfalls an der Spike der Heere. Nur aus ihrem Falle kennen wir etwas von der Geschichte dieser Partei , die von Agathokles gestürzt ward , einem Abenteurer, der durch Thatkraft , Kühnheit und rücksichtslose Klugheit aus dem niedrigsten Stande sich zur Gewalt empor schwang , dessen Geschichte ihres seltsamen Wechsels und ihrer Abenteuerlichkeit wegen einen ungemeinen Reiz erweckt. Von seiner Geburt und Jugend erzählt sich das Alterthum wunderliche Umstände, ganz nach seiner Weise , nach der es bedeutende Männer stets der Welt durch außerordentliche Umstände bei der Geburt verkündet werden läßt. Nicht leicht vergeßen die alten Schriftsteller mit mehr oder minder

Bedeutung deren Erwähnung zu thun, und so wollen wir, um auch diesen Bug ihrer Denkungsart ken= nen zu lernen, ebenfals derselben gebührend gedenken. Ein Rhegier Karkinos , aus 4 seiner Vaterstadt

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verbannt, hatte sich zu Thermä auf Sicilien niedergelaßen, einer Stadt der karthagischen Herrschaft. Mit einer Einwohnerin verbunden , ward ihm ein Sohn geboren, über den ihn schreckhafte Träume beunru

higten. Durch karthagische Kaufleute, welche nach Delphi reisten , ließ er das Drakel darüber befragen, und das deutete das Kind als die Ursache großes künftiges Unglücks für Karthago und Sicilien. Des= halb sekte der Vater das Kind aus und stellte Wächter dabei ; da es aber mehrere Tage am Leben blieb, gelang es der Mutter , den allmälig sorgloser gewordenen Wächtern das Kind zu entwenden und bei ihrem Bruder Heraklides erziehen zu laßen. Er ward hier Agathokles genannt und erwuchs zu einem schönen und kräftigen Knaben. Im 7. Jahre erblickte ihn sein Vater bei einem Opferschmause, und da er sich dabei mit Kummer seines verlorenen Sohnes erinnerte, entdeckte ihm die Mutter zu seiner großen Freude das Geheimnis. Aber aus Furcht vor den Karthagern wagte er mit dem Sohne nicht am Orte zu bleiben, sondern siedelte nach Syrakus über zur Zeit als dort Limoleon neue Stammrollen der Bürger anfertigte, und ließ den Agathokles aus Armuth das Töpferhandwerk erlernen. Hier ward er der Günstling eines reichen Syrakusers Damas , kam durch ihn zu Vermögen, und im Feldzuge gegen Agrigent, wo jener Anführer war, zur Stelle eines Obersten über 1000 M. , wo er sich durch Muth in der Schlacht, und durch Dreistigkeit und Gewandtheit im Reden hervorthat. Nach des Damas Tode heirathete er die reiche Witwe , machte als Oberst unter der Befehlshaberschaft seines Bruders Antander und unter dem Oberbefehle des Heraklides und Sosistratos den Zug zur Hülfe der Krotoniaten gegen das Räubervolk der Bruttier mit, ward aber durch den Neid des Sosistratos um den Preis seiner Tapfer-

keit betrogen. Vergebens suchte er durch seinen Anhang den Sosistratos zu stürzen. Dieser, der mit Heraklides sein ganzes Leben mit Hinterlist , Mord und Gottlosigkeit erfüllte, verdächtigte den Agathokles bei den Syrakusern der Tyrannei, ließ ihn mit seinem ganzen Anhange verbannen, diese aber, es waren

gegen 1000 M. , außer der Stadt überfallen und tödten, worauf er unter dem Schuhe von allerlei Söldnern und freigelaßenen Verbrechern in Syrakus herrschte. Agathokles entkam nach Sicilien, wo er durch seine Eigenschaften bald Anhang bei den Söldnern und Kriegsknechten fand. Als Anführer solcher Landsknechte trieb er sich nun herum , versuchte einen Angriff auf Kroton , nahm dann Dienste in Ta

rent , wo er aber balo wegen Neuerungen verabschiedet ward ; half dann den Rheginern gegen die Angriffe des Heraklides und Sosistratos , in Folge dessen Sosistratos mit vielen Vornehmen als Genoßen der Oligarchie der 600 verbannt ward , und Agathokles nach Syrakus zurückkehrte. Im Kampfe , den nun die Verbannten mit karthagischer Hülfe gegen die Volkspartei in der Stadt führten , zeichnete sich Agathokles besonders aus. Einst übersiel er mit 1000 M. nächtlicher Weile den Sosistratos in Gela ; der schlug ihn zurück und trieb ihn in die Enge; in der Noth half sich Agathokles durch eine List. Er

schickte seine Trompeter auf die andere Seite der Stadt und ließ dort zum Angriff blasen und wendete so die Verfolger von sich ab . Nach dieser Zeit finden wir den Korinther Akestorides mit der Gewalt in Syrakus bekleidet. Die Syrakuser mochten wohl daran verzweifelt haben, der Verwirrung selber Mei-

ster zu werden, und sich nach Korinth gewendet , ihnen einen zweiten Timoleon als Helfer aus der Noth zu senden. Dieser verbannte den Agathokles, der ihm wegen seines Strebens nach Gewaltherrschaft verdächtig war, da er ihn nicht offen hinzurichten wagte; legte ihm aber einen Hinterhalt. Allein Agathokles hatte die Nachstellung gemerkt, und sendete den ihm ähnlichsten Sohn des Weges voraus, der den Meuchelmördern in die Hände fiel, während er entkam. Dagegen ward Sosistratos mit seinem Anhange zurückgerufen und mit den Karthagern Frieden geschloßen. Agathokles rächte sich durch Freibeutereien auf der Insel , und da er so beiden , Syrakusern wie Karthagern lästig ward , gestattete man ihm die Rückkehr nach Syrakus , doch mußte er mit dem hohen Schwur geloben, nichts gegen die Verfaßung unternehmen zu wollen. Hier spielte er nun den Verfechter derselben , ward durch den Einfluß seiner Reden

auf's Volk zum Feldherrn und Wächter des Friedens bestelt , bis die gemischte Bevölkerung von Syrakus mehr würde zusammengewachsen und sinneseiniger geworden sein. Denn die Bürgerschaft hatte sich in viele Verbindungen und Genoßenschaften getheilt , die sich einander entgegenarbeiteten, und von denen sich die Genoßenschaft des Agathokles und der hohe Rath der 600 am feindseligsten entgegenstanden. In

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dieser Lage wartete Agathokles auf Gelegenheit sich seiner Gegner mit Gewalt zu erledigen. Als es hieß, daß sich um Herbita Aufrührer sammelten, konnte er ohne Aufsehen und Argwohn zu erregen seine Anhänger bewaffnen , die früher unter ihm gefochten hatten, ihm mit Leib und Seele ergeben waren und von Haß gegen die 600 wie überhaupt als Kriegsknechte gegen das Volk beseelt wurden. Dazu nahm er noch die Armen , die ewigen Feinde des Vorzugs der Mächtigen. Vor seinem Aufbruch berief er den Peisarchos und Dekles, die Häupter der 600 zur Besprechung in's Timoleonteum. Als sie mit 40 Gez noßen erschienen, nahm er sie mit seinen Soldaten fest, und klagte vor der versammelten Menge, daß ihm wegen seiner Liebe zum Volke von jenen nach dem Leben getrachtet würde; die leicht erbitterte Menge schrie nach Rache, und Agathokles gab ihnen das Zeichen zur Ermordung und Plünderung der 600 und ihrer Anhänger. Alles stürzte in wilder Wuth fort und erfüllte die Stadt mit Mord und Verderben. Die angesehenen Bürger , nicht ahnend das über sie verhängte Schicksal , eilen auf die Straßen, um die Ursache des Lärmens zu erkunden, und werden wehrlos von den beutegierigen verwilderten Soldaten niedergemehelt. Diese vertheilen sich in die einzelnen Gaßen, und ermorden auf offener Straße und in den Häusern Freund und Feind ohne Unterschied unter allen Mishandlungen und Verwünschungen, jeden den man haßte oder durch den man sich zu bereichern hoffte. Die Thüren der Häuser wurden erbrochen, die Oberstuben auf Leitern erstiegen, die Flüchtigen noch auf die Dächer verfolgt ; und selbst die Tempel

gewährten keine Zuflucht bei diesen Greveln , die Hellenen und Stammesverwandte an einander übten ohne Scheu vor den Göttern und ohne Rücksicht auf die Bande des Bluts und der bürgerlichen Gemeinschaft. Ueber 4000 wurden, da man die Thore vorsorglich geschloßen hatte, getödtet ; über 6000 retteten sich durch die Flucht meist nach Agrigent. Endlich nach 2 Tagen glaubte er, wie er sich vor dem Volke

rühmte, die Stadt genugsam von den Oligarchen gereinigt zu haben, und ließ von den Gefangenen nur noch seine ärgsten Gegner tödten , die andern verbannen, und nur den Deinokrates wegen alter Freundschaft frei. Dann rechtfertigte er sich in der Volksversammlung, indem er die 600 der Oligarchie beschuldigte , was bei diesen Leuten leichten Glauben fand , und erklärte dem Volke die Herrschaft ungeschmälert in die Hände geben zu wollen. Zum Zeichen legte er seinen Waffenrock ab und gieng in bürgerlicher Kleidung fort. Aber die Menge, mitschuldig an allen Greuelthaten und in der Furcht , dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden , hielt ihn zurück und bat, sie doch nicht zu verlaßen. Agathokles erbarmte sich des armen Volks , aber nur unter der Bedingung , daß er allein herrsche , um nicht die Verbrechen

Anderer verantworten zu müßen. Als ihm das Volk dies bewilligt hatte , da seine Gegner dazu schweigen mußten, versprach er Schuldenerlaß , den Armen Ackervertheilung , war freundlich und aufmunternd, bestach durch Scherze und Poßen, die er selbst in den Volksversammlungen nicht verschmähete , das Volk

für sich , und gewann sich so seine Anhänglichkeit in dem Grade , daß er in seinem Geleite sicher ohne Leibwache und königliche Abzeichen die Herrschaft führen konnte. Im Besize der Gewalt, die sich Agathokles in den beschriebenen Kämpfen der Jahre 317-314

v. Chr. gewonnen hatte , rüstete er sich zum Kampfe gegen die Karthager , die Erbfeinde der abendländischen Hellenen. Dazu mußte er sich vor Allem der Feinde im Innern entledigen und die nöthigen Geldmittel verschaffen. Jedes Mittel zum Zweck war ihm dabei gleich recht. Und hauptsächlich um das Wesen des Mannes , seine rücksichtslose Klugheit , den Mangel jeder menschlichen und sittlichen Rücksicht bei seinen Schritten in's Licht zu stellen, wollen wir ihm dabei nachgehen. Im Besize der Burg von Mes sene , versprach er diese den Messeniern für 30 Talente zu übergeben ; aber er nahm das Geld , und statt sein Wort zu halten griff er die Stadt selbst an , bis ihn die Karthager zwangen sein Wort zu lösen. In der befreundeten Stadt Abakänos ließ er über 40 seiner Widersacher tödten. Ein Krieg , den die

Verbannten von Agrigent aus im Bunde mit Gela und Messene gegen seine wachsende Macht unternahmen, war unter Führung des spartanischen Königssohnes Akrotatos , eines fürstlichen Lüderjan's , den man wieder absehen mußte , erfolglos. Der Karthager Hamilkar vermittelte den Frieden , womit er sich daheim schlechten Dank verdiente. Denn Agathokles hatte nun Muße, seine Rüstungen zu vollenden und sein Heer außer den Syrakusern und Bundesgenoßen auf 10,000 M. Fußsoldaten und 3050 Reiter besol

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deter Miethstruppen zu bringen. Bei diesem Vorhaben störte ihn Messene, die einzige noch freie Stadt, die die syrakusischen Verbannten aufnahm. Agathokles schickte schnell seinen Feldherrn Pasiphilos dahin,

der, unerwartet wie er kam, auf dem Lande viele Beute machte , und die Messenier zum Vertrage zwang, die Verbannten zu vertreiben, die eigenen Verbannten, die bei Agathokles dienten, wieder aufzunehmen und seine frühern Widersacher auszuliefern , die Agathokles mit denen aus Tauromenium , 600 an Zahl , tödten ließ. Inzwischen hatten auch die Karthager unter Hamilkar eine ansehnliche Macht auf

Sicilien zusammengebracht, und machten viele Städte im Gehorsam gegen Agathokles schwankend. Auch das wichtige Gela war darunter. Um seinem Abfalle zuvorzukommen, brachte er einzeln unvermerkt eine Anzahl Soldaten in die Stadt, und als er sich stark genug fühlte, beschuldigte er die Stadt der Verrätherei und verhängte eine schonungslose Strafe über dieselbe. Ueber 4000 der reichsten Einwohner tödtete er, von den andern erpressete er alles Gold und Silber und besekte die Stadt. Doch schien er sich noch seiner Grausamkeit vor den Hellenen zu schämen , denn er ließ die Todten heimlich in den Stadtgräben

verscharren. Als es endlich am Himera zum Kampfe kommt , wird er geschlagen und flieht nach Syrakus. Diese Niederlage mußte seine unsichere Sache auf Sicilien vollends verloren machen. Da faßt er den kühnen Plan , die sichern Feinde auf eigenem Boden in Afrika anzugreifen , das seit Jahrhunderten von keinem Kriege berührt, die reiche Beute aus so vielen Kriegen ausgespeichert hatte und dadurch lockte.

So glaubt er dem Kriege schnell eine günstige Entscheidung geben zu können , hoffend , daß auch Syra= kus bis dahin eine bevorstehende Belagerung werde aushalten können. Er beßert also die Festungswerke aus , bevorrathet es mit Lebensmitteln , übt seine Soldaten ein, bildet sich auch eine Reiterei aus , ungeachtet er keine Pferde mitnehmen konnte, aber vom Glücke hoffend die nöthigen Pferde dort zu erlangen; alles dies ohne Jemandem seine Absicht zu verrathen. Zum Schuhe der Stadt läßt er seinen Bruder mit einer Besakung zurück , und trennt dabei die Verwandtschaften , damit der eine Feldherr Geißeln für

das gute Betragen der Leute des andern hätte. Das nöthige Geld nimmt er, wo er es bekommen kann, von Mündeln, Kaufleuten, Tempeln, den Schmuck der Frauen ; und da alles nicht ausreicht, beruft

er eine Volksversammlung und stellt weinend die Leiden der in Aussicht stehenden Belagerung vor, unter der Versicherung, daß er hart und an jegliches Unglück gewöhnt sei , daß er aber die Bürger bedaure und es jedem freistelle, sich zu flüchten. Die Reichen und Gegner des Tyrannen thaten dies , wurden aber unterwegs von aufgestellten Söldnern getödtet und ihrer Schäße beraubt. Wie er nun so gerüstet mit 60 Schiffen auslaufen wollte, ohne daß Iemand wußte wohin, Alle aber über diesen Wahnsinn sich wunderten , da überall feindliche Schiffe das Meer bewachten und ihn

sogar an der Abfahrt verhinderten , da machten ihm einige Getreideschiffe , worauf die Karthager Jagd machten , den Weg frei , und glücklich entkam er und gelangte im I. 310 v. Chr. nach 6 Tagen an die afrikanische Küste. Nach einem feierlichen Opfer für Ceres und Proserpina, die Schukgottheiten Siciliens , beruhigte er das Heer, das wegen einer Sonnenfinsternis beängstigt war wie sonst bei uns das

Volk durch Erscheinung eines Schweissternes, damit, daß dies ihnen, nun sie schon auf karthagischem Gebiete gelandet wären , doch nur den Untergang Karthago's bedeuten könne, beredete es ferner die Schiffe

zu verbrennen, und machte ihm neuen Muth , indem er dasselbe durch die fruchtbare gartenmäßig ange= baute Landschaft führte, wo die reichen Orte , des Krieges ungewohnt , ihm fast ohne Widerstand in die

Hände fielen. Da es hier nicht die Aufgabe ist, den Verlauf des Krieges genau zu verfolgen, will ich nur bezeichnende Einzelheiten hervorheben. Große Noth machte dem Agathokles gerade die reiche Beute; um diese sich zu sichern, wollten die Soldaten die gewonnenen Städte besehen. Doch Agathokles wußte ihnen begreiflich zu machen , daß sie sich dadurch nur für den Entscheidungskampf schwächen würden, nach dessen Gewinn ihnen dann Alles zufiele und ließ im Freien lagern. In Karthago hatte inzwischen die Kunde von Agathokles einen entsetzlichen Schrecken hervorgebracht , da man anfänglich auch die Vernichtung der ganzen Macht auf Sicilien fürchten mußte. Nachdem man sich davon erholt , wählte man zwei Feldherrn , den Hanno und Bomilkar , die Häupter zweier feindlichen Parteien , welche durch

Uneinigkeit und Verrath (denn Bomilkar hoffte in der Bedrängnis des Vaterlandes um so eher die Al

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leinherrschaft erreichen zu können) dem Agathokles den Sieg leicht machten. Dieser hatte noch vor dem Treffen, um den Aberglauben der Soldaten zu benuken, Nachteulen, die der Kriegsgöttin Pallas heiligen Vögel, heimlich einfangen und im Lager herumfliegen laßen; die sich nun aus Scheu vor dem Tages= lichte überall , zum Theil auf den Helmen der Soldaten niederließen , und sie so des gegenwärtigen Bei= standes der Göttin versicherten. Auch in Karthago rief die Unglückspost grausigen Aberglauben wieder in's Leben, den die Zeit zu verlöschen drohete. Nicht daß man den altheimischen Göttern in Tyrus , die

man im Glück vergeßen hatte, die zurückbehaltenen Opfer und Geschenke wieder sandte ; man brachte dem Gotte Moloch wieder die eigenen Kinder zum Opfer, 200 der vornehmsten , und 300 andre, die sich freiwillig darbrachten , da man sie im Verdacht hatte , sie hätten sich früher dem Opfer entzogen und so das Unglück der Stadt verschuldet, das sie nun sühnen wollten. Nach Sicilien schickte man die falsche Botschaft von dem Tode des Agathokles, was große Bestürzung in Syrakus erregte. Hamilkar wollte diese Gelegenheit zu einem Angriff benuken, ward aber mit großem Verluste geschlagen , er selbst gefangen, worauf die Hellenen unter Deinokrates von den Karthagern abfielen. Bei dieser Lage der Dinge erhebt sich Agrigent wieder, tritt als Vorkämpfer für die hellenische Freiheit auf, die doch nicht mitsiegte, mochte nun Agathokles oder Karthago siegreich aus dem entbrannten Kampfe hervorgehen, und zieht unter der Anführung des Xenodikos zur Befreiung Gela's und anderer dem Agathokles unterworfener Städte aus um das I. 308-307 v. Chr. Um dieselbe Zeit hat Agathokles in Afrika mit Aufruhr im Heere zu kämpfen , das über die Ermordung des Befehlshabers Lykiskos ergrimmt war, den sein Sohn Archagathos ermordet hatte, weil jener im Trunke bei Tische den Agathokles geschmäht hatte. Weiter bewies Agathokles ein Meisterstück seiner Kunst, indem er den Ophellas, einen der Feldherrn Alexanders, die sich in sein Reich getheilt hatten , und der Kyrene in Afrika bekommen hatte, durch das Versprechen zu sich gelockt hatte, er solle kommen und sich in die karthagische Herrschaft theilen. Er hätte an Sicilien genug, Ophellas solle Libyen bekommen, wie die Alten das nördliche Afrika nannten. Als er aber nach mühsamen Marsche von 2 Monaten durch die Wüste mit 10,000 M. zu Fuß, 600 Reitern, 100 Wagen und

mehr als 300 Wagenlenkern ankam und ermattet sich neben Agathokles gelagert hatte , suchte der Streit mit ihm , erschlug ihn im Kampf, und nahm nun dessen Leute , lauter Abenteurer, die jedem dienten , in sein Heer auf. Reiche Beute sendet er jekt nach Syrakus voraus, nimmt den Königstitel an und belagert Utika , dessen Bewohner sich tapfer vertheidigten und sich selbst durch die Todesgefahr, in die sie dadurch nahe an 300 gefangene Mitbürger brachten, nicht entmuthigen ließen. Diese ließ nämlich Agathokles lebendig aufhängen und auf die Werke pflanzen, welche er zur Bestürmung der Stadtmauern erbaut hatte , so daß die Einwohner genöthigt waren, wollten sie den Feind abwehren , schonungslos auch ihre eigenen Angehörigen dem Verderben auszusehen. Für diese Mannhaftigkeit ließ Agathokles bei der Erstürmung alles niederhauen, was sich wehrte, die anderen erhenken. Nun geht Agathokles, indem er seinem Sohne Archagathos den Oberbefehl überläßt , selber nach Sicilien , wo drei Feinde gegen ihn im Felde standen , die Karthager , die Verbannten unter Deinokrates der die meisten Fortschritte machte , und die Agrigentiner unter Xenodokos. Durch Seesiege, die er über die Karthager, sein Feldherr Leptines über Xenodokos gewinnt, wird er wieder mächtig. Die Siegesfeier , die er zu Syrakus festlich begeht, benuht er schlau zur Befestigung seiner Macht , um gesichert wieder nach Afrika gehen zu können. Er gab nämlich glänzende Schmausereien und Gelage , zu denen er seine Anhänger und Freunde einlud Dabei legte er ganz die Miene und Haltung des Herrschers ab und suchte sich durch Herablaßung Wohl= wollen zu erwerben , zugleich aber auch dadurch die Gäste beim Weine zur Zutraulichkeit und Offenheit zu stimmen, um ihnen ihre geheime Gesinnung abzulauschen. Wen er dabei als freiheitsliebend und tyrannenfeindlich erkannte , die lud er nebst 500 der einsichtigsten und gebildetsten syrakusischen Bürger besonders zu sich zur Tafel , ließ sie dann plötzlich im Zimmer von Miethstruppen umstellen und niederhauen, womit er alle beseitigte, die über das Gemeine hinausdenkend die Bürger zur Freiheit begeistern konnten, und die ihrem Stande nach mit den Verbannten unter Deinokrates in Verbindung standen.

In Afrika war es dagegen indessen schlimm gegangen, und auch er selber kam nach seltsamen Wechsel=

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fällen soweit zurück , daß er sich entschloß , mit seinem liebsten Sohne Heraklides heimlich nach Sicilien zu segeln , den Archagathos aber , auf den er um seine Frau , dessen Stiefmutter erzürnt ward , mit dem

Heere im Stiche zu laßen. Archagathos merkt die Flucht und verräth sie dem Heere, das den Agathokles einholt und festnimmt. Darüber bricht jedoch Unordnung im Heere aus, von der begünstigt Agatho= kles allein entkommt. Zur Rache dafür schlachten die ergrimmten Soldaten seine beiden Söhne im

I. 306 v. Chr. Hatte seither schon die kalte Grausamkeit des Agathokles keine Grenzen gekannt, wo sie ihm nüken konnte , so schien er sich jekt ihrer ordentlich zu freuen. Zunächst befahl er zur Vergeltung seinem Bruder Antandros in Syrakus, alle Verwandte der Soldaten des afrikanischen Heeres zu tödten; weder Kinder noch abgelebte Greise wurden verschont ; sie wurden an die Küste geführt und niederge mehelt, so daß sich weithin das Meer vom Blute färbte. Niemand wagte dabei Mitleid zu äußern, oder die Todten zu bestatten , aus Furcht , damit sich selbst zu verurtheilen. Selber ließ er seine Rache an

Segesta aus . Erst reizte er diese Stadt, die 10,000 Bürger hatte , durch unerschwingliche Auflagen zur Unzufriedenheit; dann beschuldigte er sie dieserhalb des Aufruhrs und verhängte die ausgesuchtesten Strafen über sie. Die ärmern Einwohner wurden an den Bach Skamander geführt und geschlachtet ; die reicheren dagegen , mit denen er es der Mühe werth hielt Umstände zu machen , wurden gefoltert, in die

Wurfgeschüße gethan und damit geschoßen , oder ihnen die Flechsen an den Fersen durchschnitten, in ein mit durchgeschlagenen Nägeln besektes ehernes Bett gelegt und darin geröstet; in noch ärgerer Weise wurden die Frauen mishandelt , Knaben und Jungfrauen nach Italien an die räuberischen Bruttier ver-

schenkt, die Stadt selbst Stadt der Gerechtigkeit (Dikaiopolis) genannt und der freiwilligen Ansiedlung überlaßen. Solches Verfahren mußte ihm Ales entfremden. Sein Feldherr Pasiphilos fiel von ihm ab, und brachte ihn so in Bedrängnis , daß Agathokles sich entschloß, mit seinem alten Freunde Deinokrates

zu unterhandeln. Er erbot sich , ihm Syrakus zu übergeben unter der Bedingung , daß hier die Volksherrschaft eingeführt würde, und er die festen Pläke Thermä und Kephaloedium behielte , wohl in der Hoffnung, von hier aus bei günstiger Stimmung in Syrakus seine Herrschaft wieder zu gewinnen. Aber Deinokrates, an der Spike von 25,000 M. nebst 3000 Reitern und im Besike vieler Städte, war nicht

gewillt, in Syrakus zur bürgerlichen Gleichheit herabzusteigen und war überhaupt ein Feind der Volks= herrschaft , wo das Volk, dem Einfluße freisinniger Männer abgeneigt , sich von schmeichelnden Demagogen leiten läßt. Er zögerte daher die Bedingungen anzunehmen , wobei Agathokles in den Augen der Syrakuser durch seine ihnen günstigen Anerbietungen nur gewann; schnell schloß er auch mit den Karthagern Frieden, die ihm für die Erhaltung ihres Besikstandes Geld und Getreide gaben , und zog nun mit nur 5000 M. und 800 Reitern gegen Deinokrates. Aber er scheint dessen Leute zum Theil schon

für sich gewonnen gehabt zu haben; denn während des Kampfes traten 2000 zu ihm über , was die Schlacht für den Agathokles entschied, der nun alle Schonung befahl, um die Flüchtigen, die immer noch

die überlegene Zahl waren , nicht durch Verzweiflung zum Widerstande zu zwingen. Die meisten zerz streuten sich in ihre Heimath. 7000 M. , andre sagen 4000 , die zusammen einen Hügel besekt hatten, ergaben sich ihm, wurden aber gegen sein gegebenes Wort niedergehauen. Nur des Deinokrates allein schonte er nicht nur, sondern machte ihn auch zu seinem Feldherrn, der ihm nun die eigenen Pläke über=

gab , und zwei Jahre sich bemühte , dem Agathokles seine Feinde zur Unterwerfung zu bringen. Auch den abgefallenen Pasiphilos , den er in Gela aufgriff, tödtete er. Von des Agathokles übrigen Thaten erfahren wir nur Einzelnes , woraus wir jedoch erkennen , daß er sich selber nie untreu ward . Es wird erwähnt, daß er die Bewohner von Lipara um 50 Talente brandschakte , wozu sie in der Noth öffent liche Gelder und Tempelschäke nehmen mußten ; daß er die Insel Korkyra gegen den makedonischen König Kassander rettete und behielt; später gab er sie aber seiner Tochter Lanassa als Mitgift bei ihrer Vermählung mit König Pyrrhus von Epirus. Als er von da zu seinem Enkel Archagathos, Sohn des in Afrika getödteten Archagathos , zurückkehrte und hörte , daß einzelne Miethstruppen ihren Sold ungestüm gefordert , ließ er sie, 2000 an Zahl, niederhauen. Besonders schändlich ist auch sein Verfahren

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gegen Kroton. Den Beherrscher desselben, seinen Freund Menedemos hatte er durch das Vorgeben sicher gemacht, er wolle seine Tochter zu ihrer Hochzeit nach Epirus geleiten , dann überfällt er die wehrlose Stadt , und plündert sie und mehelt die wehrhafte Mannschaft nieder.

In seinem Alter erklärt er seinen

Sohn Agathokles in Syrakus zum Nachfolger, und schickte ihn ins Lager zum Archagathos , Heer und Flotte zu übernehmen. Der aber ermordet seinen Dheim , den er beim Opferschmause betrunken gemacht, und läßt dann auch seinen Großvater durch den Segestaner Mainon , einen Sklaven und Günstling, der aber dem Agathokles das Unglück seiner Vaterstadt nicht vergeßen konnte, vermittelst eines Zahnstochers vergiften. Unsägliche Schmerzen an den Zähnen stellen sich in Folge dessen ein , die noch am Tage sich steigern. Laut klagt er den Archagathos des Mordes an , verkündet den Syrakusern die Freiheit und fordert sie zur Rache auf. Zuletzt ward er, als er die Sprache verloren hatte , obwohl mit

vollem Bewußtsein , auf einen Scheiterhausen gelegt und verbrannt zu Ende des Jahres 289 v. Chr. im Alter von 72 Jahren , nachdem er 28 Jahre geherrscht hatte.

Das sind also die Thaten des Agathokles , der für seine Zwecke nicht bloß Tausende von Menschen, sondern zwei Mal seine eigenen Söhne hinopferte. Und dennoch hat derselbe Mann, der fast kein Gefühl bewies und Keinem traute , Freundschaft und Vertrauen seinem Gegner Deinokrates bis ans Ende bewiesen; auch gegen die Seinigen erscheint er anderwärts theilnehmend. Wenigstens erzählt Justin, daß er vor seinem Tode wegen des Schicksals seiner lekten Frau, einer Vegyterin und ihrer Kinder aufs ängstlichste besorgt war , und sie , die sich um keinen Preis von ihm trennen wollte, zu ihrer Sicherung und reich mit Schäßen beladen nach Aegypten einschiffte. Und wie , fragen wir weiter, mußte

eine Zeit beschaffen sein, die einen Agathokles zog und ertrug und lobte, wenn wir das Lob des verständigsten hellenischen Geschichtschreibers für das Lob der Zeit gelten laßen können ? Die Herrschaft des Königs Hiero von 270 - 215 v. Chr.; der Verlust der Selbstständigkeit im F. 212 v. Ehr.

Mit dem Tode des Königs Agathokles endete die dritte Aleinherrschaft , und die Freiheit begann wieder mit dem Kampfe der Parteien, bis sie noch einmal durch die Aleinherrschaft gezügelt ward , um

dann sich und die Unabhängigkeit zugleich auf immer zu verlieren. Der Mörder des Agathokles, Mainon, fand durch Verdienst seiner That Zutritt zum Archagathos , meuchelmordete auch diesen, brachte sein Heer an sich und hoffte damit die Gewalt in Syrakus zu gewinnen. Gegen ihn sendeten die Syrakuser den Stadthauptmann Hiketas , mußten aber, weil sich die Karthager für Mainon erklärten , Frieden schließen und den Verbannten aufnehmen. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, daß die sicilischen Städte ähnlich wie nach der Vertreibung der Dionyse von den Söldnerbanden , meist samnitischen Kampanern, zu leiden hatten. In Syrakus hatte man sie bei Besetzung der Stadtämter nicht berücksichtigt ; darüber brachen sie in wilden Aufruhr los , und es wäre zu blutiger Entscheidung gekommen,

hätte sich nicht der Rath der Alten ins Mittel gelegt und die Söldner bewogen , in bestimmter Frist Sicilien zu verlaßen. Sie wollen über die Meerenge in die Heimath ziehen, benuken aber in Messene, dessen Bürger ihre alten Verbündeten gastfreundlich aufnahmen , die Gelegenheit und erschlagen ihre

Wirte, wie einst ihre Landsleute zu Entellae thaten, und begründen hier einen zu Waßer wie zu Lande gefürchteten Räuberstaat , der sich die Mamertiner, das will etwa in ihrer Sprache sagen die Kriegsknechte, nannte. Ein Gleiches thaten auf ihr Beispiel ihre Landsleute in der Nachbarstadt Rhegium, die die Römer zur Hülfe gegen Pyrrhus dahin gesendet hatten , wurden aber bald von den Römern für diese Treulosigkeit mit dem Tode gestraft. Auf Sicilien dagegen hatten die Hellenen dazu nicht Zeit , da dort überall Gewaltherrscher sich den Besik der Städte streitig machten. In Syrakus ward Hiketas, nachdem er 9 I. geherrscht, von Thoinon, Sohn des Mameus verdrängt, diesem aber bald von Sostratos, Beherrscher Agrigents nebst 30 anderen Städten , die Stadt bis auf die Insel entrißen. Dazu kommt

die Bedrängnis von Seiten der Karthager. In dieser Noth einigen sich die kleinen Herrscher und rufen den epirotischen König Pyrrhus , der gerade in Italien mit den Römern kämpfte, zur Hülfe herbei im Jahre 279 v. Chr. Aues fällt ihm bei seinem Erscheinen freiwillig zu. Sostratos und Thoinon , die er versöhnt , übergeben ihm Syrakus ; Sostratos auch Agrigent mit 30 unterworfenen Städten , Heraklei=

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des Leontium. Leicht gewinnt er auch die Städte der karthagischen Herrschaft bis auf Lilybäum, eine karthagische Pflanzstadt , die sie nach der Zerstörung von Motye gegründet hatten , das er zwei Mal mit aller Macht aber vergeblich belagert.

Besonders zeichnete sich sein ritterlicher Sinn bei

der Bestürmung von Erys aus , dessen Mauer er zuerst erstieg. Darauf rüstete er nach dem Vorgange des Agathokles nach Afrika überzusehen. Aber bei der Härte , womit er die Aushebung betrieb und zur Bemannung der Flotte die Matrosen pressete , indem er sich unbedingt von seiner Umgebung leiten ließ, ohne sich um die Stimme des Volkes zu kümmern , verliert er die Gunst der Sicilier eben so schnell, als er sie gewonnen. Zumal als er seinen treuesten Helfern mit Undank lohnte , den Thoinon tödtete,

den Sostratos zur Flucht nöthigte , ward der Abfall von ihm allgemein ; und machtlos wie er war, er griff er gern den Hülferuf der Tarentiner als Vorwand , um mit Ehren die Insel zu verlaßen im Jahre 276 v. Chr. Dabei mußte er sich jedoch den Uebergang über die Meerenge und die Landung an der italischen Küste erst gegen Karthager und Mamertiner erkämpfen, und sich durch einen Schwabenstreich Bahn brechen, indem er einen herausfordernden Mamertiner mit einem Hiebe spaltete. Nach seinem Abzuge sendeten die Syrakuser ihr Heer gegen die Mamertiner, die immer weiter um sich griffen und die hellenischen Städte verwüsteten und zum Theil sich zinsbar machten. Das Heer

mochte aber , wie so oft, sich nicht gut mit der Bürgerschaft stehen , und wählte sich unterwegs eigene Führer aus seiner Mitte , den Artemidoros und den Hiero , Sohn des Hierokles , aus dem Geschlechte des Gelo , einen Jüngling noch , aber sehr fähig , der unter Pyrrhus sich ausgebildet hatte. Dieser kehrte zunächst nach Syrakus zurück , ward durch Vertraute in die Stadt gelaßen und bemächtigte sich seiner Widersacher, zeigte aber dabei so viel Großmuth und Mäßigung , daß die Syrakuser ihn einmüthig als

Feldherrn bestättigten. Um sich nun der alten Söldner zu entledigen , die schon unter so vielen Herren gedient hatten und an Meuterei gewöhnt waren, zog er gegen Messene , stellte die Söldner ins Vorder= treffen , floh dann , so daß diese alle niedergehauen wurden, und gieng darauf nach Syrakus zurück, wo

er sich mit der Bildung eines neuen Heeres beschäftigte.

Als aber die Mamertiner durch diesen Sieg

übermüthig gemacht , ihre Verheerungen immer weiter ausdehnten, zog er aufs neue gegen sie und gewann einen glänzenden Sieg , wofur ihn die Syrakuser zum Könige ausriefen , I. 269 v. Chr. Doch um die Einnahme der Stadt , die im ersten Schrecken leicht gewesen wäre, betrog ihn die hinterlistige Vermittelung des Karthagers Hanno. Später kamen die Karthager selbst durch Unterhandlungen in Besik der Stadt , wurden aber durch eine den Römern freundliche Partei mit List herausgebracht , und die so drohende Gefahr vor den Römern verband schnell die bisherigen Feinde Hiero und Hanno mit einander. Sie rücken vor die Stadt. Die Römer nach langem Bedenken ziehen dem Räuberstaat zu

Hülfe unter dem Consul Appius , im Jahre 264 v. Chr. , der erst den Hiero , dann den Hanno schlägt, die Umgegend von Syrakus verwüstet und viele sicilische Städte für die Römer gewinnt. Hiero , die Uebermacht der Römer erkennend , trägt ihnen Frieden und Bündnis an. Die Römer laßen sich darauf ein, besonders wegen der Lieferungen von Lebensmitteln , woran sie Noth hatten, und übernehmen so die

Gewährleistung seines Besikstandes. Seitdem bestand die Selbstständigkeit von Syrakus nur durch die Gnade der Römer fort , die sich Hiero durch gewissenhafte Treue und zuvorkommende Dienstfertigkeit zu verdienen suchte. Dennoch scheint er ihrer Dauer nicht länger vertraut zu haben , als es der eigne Vor= theil der Römer erheischen würde; denn er unterstühte Karthago in seinem Kriege mit den Miethstruppen aufs eifrigste , um an ihnen in der Noth einen Rückhalt zu haben.

Fortan hatte Hiero , der das

syrakusische Gebiet beherrschte , während die übrige Insel nun den Römern gehorchte , den Staat in Frie= den und Ruhe zu verwalten, was ihm bei seiner Einsicht zu allgemeiner wie eigner häuslicher Glückse ligkeit gelang ; er ordnete die Gesekgebung , die besonders über den Getreidezehnten noch zur Römerzeit galt und gerühmt ward , verschönerte die Stadt durch seine Bauten , bemühte sich um das Lob der Hel lenen, wovon wir noch an einem Gedichte des Theokrit ein Zeugnis besiken , benuste seinen Reichthum um sich den Ruhm der Freigebigkeit zu erwerben. Das bewies er gegen Rhodus , das ein Erdbeben im Jahre 217 v . Chr. heimsuchte, dem er zum Wiederaufbau sechs Talente Silber , werthvolle silberne

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Becken ohne das baare Geld schenkte , und ZoUfreiheit bei seiner Getreideausfuhr bewilligte. Den Römern schickte er nach ihrer Niederlage am Trasimenischen See 300000 Meken (etwa Dresdner Gemäßes) Waiken , 200000 Meken Gerste und 240 Pfund Gold , und dieses zu der Gestalt der Siegesgöttin gez formt , damit sich der Stolz der Römer nicht verleht fühlen und sich bedenken dürfte es anzunehmen. Dadurch hat sich Hiero , gleich dem ersten Gelo , die dauernde Liebe aller Sicilier erworben, und es ist wahrhaft rührend zu lesen , mit welcher Frömmigkeit Cicero von dem Andenken spricht, in dem Hiero noch zu seiner Zeit auf der Insel stand .

Aber in seinem Alter sollte der greise Mann den Gram erleben, das Verdienst seiner fünfzigjäh : rigen Treue gegen die Römer durch den Leichtsinn seines Sohnes verscherzt zu sehen. Als nämlich in dem Hannibalischen Kriege durch die Niederlage bei Kanna die Macht der Römer in ihren Grundvesten erschüttert war , so neigte sich auch auf Syrakus , das längst aller selbstständigen Haltung entwöhnt war, die allgemeine Stimme dem glänzender schimmernden Gestirne der Macht Karthago's zu und fand in Syrakus am Gelo , dem ältesten Sohne des Hiero , ihren Vertreter. Er wiegelte ohne auf seinen Vater zu hören die Bundesgenoßen auf, und fieng an die zu Neuerungen stets geneigte Menge zu bewaffnen. Die Gährung hielt der schnelle Tod des Sohnes auf, der dem Vater so gelegen kam, daß ihn darum der allgemeine Verdacht besudelte. Wegen der Unmündigkeit seines erst 15jährigen Enkels Hieronymus dachte Hiero bei seinem nahen Ende daran, den Syrakusern die Selbstverwaltung zurückzugeben. Allein der Ehrgeiz seiner Töchter Demarata und Heraklea , der Frauen des Andranodorus und Zoïppus hinter= trieb es, und so bestellte er ihm wenigstens eine Vormundschaft von 15 Männern. Diese beseitigte An= dranodorus dadurch , daß er den König für mündig erklärte, und brachte damit eigentlich nur allen Einfluß an sich. Nun hatte der hoffärtige Sinn der Frauen Macht sich zu zeigen. Es ward ein Hofstaat eingerichtet , Purpurkleider , Diadem, Viergespanne mit weißen Pferden angeschaft, Leibwache gehalten, und das vornehme Wesen geberdete sich unzugänglich gegen das Volk, zügellos und grausam und den Schmeichlern hingegeben, während die aufrichtigen Freunde für ihren Freimuth hingerichtet wurden. Was die Theilnahme an dem Weltkampfe betraf, so waren bei Hofe Andranodorus und Zoïppus für die Karthager , Thraso für die Römer. Dieser fällt aber, indem Verschworene seine Misbeliebtheit benuken,

ihre Schuld auf ihn abzuwälzen. Ein Jugendfreund des Königs wird nämlich von einem gewissen Theodotus zur Theilnahme an einer Verschwörung aufgefordert , was jener dem Könige verräth. Theodotus wird darauf ergriffen und von Andranodor gefoltert und nennt den Thraso als Urheber , auf dessen Einfluß bauend er sich hätte bereden laßen, und nennt sonst noch unbedeutende Leute aus der Umgebung des Hofes , ohne einen Schuldigen zu verrathen; die der Verschwiegenheit des Theodotus so versichert waren, daß keiner weder durch Flucht noch Verstecken sich verrieth. Nach Beseitigung des Thraso betrieb man sogleich das Bündnis mit Karthago und schickte Gesandte an den Hannibal, der hinwie-

derum einen vornehmen Karthager auch Hannibal geheißen nebst dem Hippokrates und Epikydes , die von väterlicher Seite aus Syrakus stammten , dahin absandte; mit denen bald ein Bündnis zu Stande kam , ohne daß man auf die Abmahnung des römischen Prätor Appius Claudius gehört hätte. Viel= mehr schickte man sogleich den Hippokrates und Epikydes mit dem Vortrabe voraus , um die Feindselig= keiten gegen das römische Gebiet zu beginnen , während Hieronymus mit 15000 Mann nach Leontium zog. Aber in dieser Stadt brachten die Verschworenen ihren Plan zur Ausführung , was nochmals den Ausbruch des Krieges verzögerte. In einer engen Straße bleibt Dinomenes , ein Leibwächter des Königs , der unmittelbar hinter ihm hergieng , plöslich stehen , stopft den nachfolgenden Zug und trennt so den König von seinem Gefolge , der nun von den Verschworenen niedergestoßen wird im I. 215 v. Chr. Auch die Verschworenen selber können sich noch flüchten, ehe man zur Hülfe herbeieilen kann. Im ersten Augenblicke war die Wuth der Soldaten groß und sie wollten den Mord rächen; aber die Vor-

stellung aller der Greuelthaten , die Hieronymus verübt, und gute Versprechungen, die man ihnen machte, stimmten sie bald um. Zwei Verschworene , Theodotus und Sosis , waren nach Syrakus geeilt 5 sich und strömt und brachten dem Volke die Nachricht als Aufruf zur Freiheit. Das Volk bewaffnet

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nach Achradina zusammen ; die Insel fand es sich aber schon verschloßen , da Andranodorus die Botschaft schon früher erhalten hatte. Nur die burgähnlichen Getreidespeicher auf der Insel hatte die junge Mannschaft für das Volk in Besiz genommen, und ließ diese frohe Botschaft dem Rathe melden. Vor dem Rathhause wird eine Volksversammlung gehalten. Vom Altare der Eintracht herab ermahnt Polyenus

das Volk, ehe es den Bürgerkrieg begönne, doch den Weg der Unterhandlung mit Andranodorus zu versuchen und gewinnt die Zustimmung dafür.

Inzwischen hatte sich auch der Rath versammelt , seit

dem Tode des Hiero zum ersten Male, und nimmt die Unterhandlung in seine Hände. Andranodorus erscheint in dieser Versammlung, erklärt sich mit dem Willen des Volkes einverstanden , belobt am anderen Tage in der Volksversammlung an derselben Stelle die Mörder , namentlich den Theodotus und Sosis , fordert sie aber auch auf, Eintracht und Ruhe zu erhalten, und legt den Schlüßel zur Insel so wie den königlichen Schak auf dem Altare der Eintracht nieder. In seiner Freude feiert das Volk ein Dankfest für die Befreiung und erwählt am anderen Tage in öffentlicher Volksversammlung die alte Behörde der Stadthauptleute , zuerst den Andranodorus , dann meist Verschworene , auch den abwesenden Sopater und Dinomenes. Auch die Befehlshaber Hippokrates und Epikydes , welche den Vortrab führ

ten, werden von ihren Soldaten verlaßen und kehren nach Syrakus zurück. Um unverdächtig zu er scheinen , laßen sie sich von den Hauptleuten in die Rathsversammlung einführen und bitten hier um die Erlaubnis zum Hannibal zurückkehren zu dürfen wie um sicheres Geleit bis Lokri. Aber ehe dies ausgerichtet wird , haben sie Zeit bei den Soldaten und Ueberläufern, meist ehemaligen römischen Soldaten, wie bei dem armen Volke den Rath und die Vornehmen der Verrätherei zu Gunsten der Römer zu

verdächtigen. Auf diese Stimmung baut Andranodor mit Themistus , dem Gemahle der Harmonia , der Tochter des Gelo , eines Bruders des Hiero , neue Pläne , die er einem vertrauten Freunde dem Schaus spieler Aristo mittheilt. Aber dieser glaubt die Gefahr des Vaterlandes höher stellen zu müßen als die

Rücksicht auf den Freund und zeigt es den Hauptleuten an, die nach Befragung des Raths der Alten und auf deren Billigung jene Beiden beim Eintritte in das Rathhaus niederhauen laßen , und dann nachträglich vor dem großen Rathe wie vor dem Volke der Verrätherei anklagen. Leidenschaftlichkeit giebt die ärgsten Beschuldigungen gegen die Gemordeten wie gegen Alles ein, was ihnen angehangen. Sopater ereifert sich auch gegen die Frauen des Hofes und stellt sie als die lekte Ursache alles

Uebels dar. Das Volk , leicht aufgebracht, sendet Mörder in das Haus der Demarata und Harmonia, und auch zu der Heraclea , der Frau des Zoïppus , deren Mann unter Hieronymus in eine freiwillige Verbannung gegangen war. Sie ward mit zwei erwachsenen Töchtern unschuldig ermordet. Rührend

waren auch die Umstände bei der Ermordung der Harmonia; eine Altersgenoßin hatte sich , von der Amme verkleidet , den Mördern für ihre Freundin Harmonia ausgegeben und war niedergehauen worden; gerührt durch solchen Heldenmuth trat aber auch Harmonia hervor , gab sich zu erkennen, und theilte das Loos der Freundin. Diese Umstände versetzten das Volk sogleich , als es durch Befriedigung seiner Rache zur Besinnung gekommen war , in die entgegengesekte Empfindung der schwersten Reue , und es wählte an die Stelle des Andranodor und Themistus durch den Einfluß der Soldaten und Ueberläufer den Hippokrates und Epikydes zu Hauptleuten. Diese Wahl sprach also deutlich die Entfremdung des Volkes von der Mehrzahl der Stadthauptleute aus und schien für den Krieg mit den Römern zu ent

scheiden. Aber nochmals gelang es der Rede des Apollonides mit der Vernunft beim Volke durchzudringen und vor Uebereitung zu bewahren. Er stellte nämlich vor, daß es für das Wohl der Stadt nicht sowohl darauf ankäme , ob man für Römer oder Karthager sich entschiede , wohl aber vor allen Dingen , daß man einmüthig eine Entscheidung treffe. Dann aber glaube er allerdings , daß man bei der Entscheidung eher dem Urtheile des Hiero als dem Hieronymus folgen müße , zumal da man sonst den Krieg auf der Stelle vor der Thür habe ; dagegen könne man mit den Karthagern brechen , ohne noch deshalb sogleich in Krieg zu gerathen. Diese Vorstellungen fanden Eingang, und um sich vor der Eigenmächtigkeit derHauptleute und des Raths der Alten sicher zu stellen , gab man ihnen einen Kriegsrath zur Seite. Den Hippokrates und Epikydes schickte man mit der unruhigen kriegslustigen Menge

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nach Leontium. Da aber diese , um den Bruch mit den Römern herbeizuführen , das römische Gebiet

verwüsten , und eine römische Streifwache niederhauen, so erklärt Marcellus den Frieden für gebrochen und rückt vor Leontium. In der eroberten Stadt findet er 2000 römische Ueberläufer, die er nach Kriegsrecht niederhauen läßt. Hippokrates und Epikydes , die Friedensstörer, flüchten nach Herbeſſus, und laßen übertriebene Nachrichten von der Grausamkeit der Römer verbreiten. Sosis und Dinomenes

sind mit 8000 Mann auf dem Wege nach Leontium; als diese die falsche Nachricht erhalten , wird das Heer aufrührerisch. Die Feldherren führen es gegen Herbessus , um den Hippokrates und Epikydes , die Anstifter des Ausruhrs , in ihre Hände zu bekommen. Aber diesen, denen keine andere Rettung übrig bleibt , als ihr Anhang bei den fremden Söldnern, gehen dem Heere entgegen , bringen die Söldner auf ihre Seite und regen durch eine angeblich aufgefangene Botschaft , worin die syrakusischen Hauptleute dem Marcellus die Stadt zu verrathen sich erbieten, diese gegen die Hauptleute nicht nur sondern selbst gegen die syrakusischen Soldaten auf. In die Stadt senden sie Boten mit ähnlichen Nachrichten und ziehen dahin zurück. Trok Drohungen und Bitten der Hauptleute , die Trabanten und Wappenträger der Tyrannen nicht aufzunehmen , läßt die taube leidenschaftliche Menge sie in die Stadt ein. Die Hauptleute und ihr Anhang werden ermordet , was bis in die Nacht hinein dauert, Hippokrates und Epikydes werden zu alleinigen Hauptleuten gewählt. Somit hatten also die Römerfeinde die ausschließliche Herrschaft in Syrakus, was den Marcellus bestimmte, davor zu rücken, vermeinend , die Stadt bei ihrer Weitläufigkeit im ersten Anlaufe nehmen zu können. Aber der Scharfsinn des Archimedes vereitelte es und Marcellus mußte sich zur Belagerung entschließen, die ihm endlich nach drei Jahren im Jahre 212 v. Chr. die Stadt in seine Gewalt brachte. Sie ward geplündert, doch des Lebens der Ein-

wohner geschont , und unter römische Herrschaft gestellt , wobei ihr aber die eigene Verwaltung gelaßen ward . Bei dieser Gelegenheit kamen so viele geraubte Kunstschäße nach Rom , daß seit dieser Zeit, wie Livius ausdrücklich erzählt , der Geschmack der Römer an hellenischen Kunstwerken sich erweckte , und allmälig eine solche Begierde erregte , daß die römischen Gewalthaber in den unterworfenen Landschaften

dergleichen ohne Scheu überall an geweihten und ungeweihten Orten wegnahmen, und anfänglich die Tempel und öffentlichen Gebäude Roms , bald ihre eigenen Wohnhäuser damit verzierten.

Ja zulekt

war diese Sucht so gestiegen, daß die eigenen Tempel der Römer geplündert wurden. Marcellus hatte die syrakusischen Kunstwerke in einem Tempel am Kapenischen Thore aufgestellt , den dieserhalb die Fremden zu besuchen pflegten. Aber zur Zeit des Livius stand er geplündert und entblößt da.

Nach dem Falle von Syrakus ward der Krieg auf Sicilien von dem Epikydes in Verbindung mit dem Karthager Hanno und dem durch kühne Streifzüge furchtbaren Libophönikier Mutines fortge= seht. Aber Verrath , zu dem der Neid des Hanno den verdienten Mutines trieb , machte dem Marcellus den Sieg am Himera leicht, und lieferte später dem römischen Prätor Lävinus Agrigent, das am lang= sten sich hielt, in die Hände. Nun war die ganze Insel eine römische Landschaft oder Provinz und die römischen Statthalter bemühten sich , ihr im Innern Ordnung und Frieden zu geben, daß die Bewohner sich wieder dem Ackerbaue zuwenden konnten, um hier eine Kornkammer für Rom zu haben. Freilich

gieng dies nicht mit einem Schlage , wenn auch Lävinus mit einem Male 4000 Mann , den Auswurf aller Städte , meist Verbrecher , die nach Agathyrna zusammengeströmt waren und dort vom Raube lebten , nach Rhegium führte , um denen das Land der eben so räuberischen Bruttier verwüsten zu helfen. Zustände der Zufel unter der römischen Herrschaft .

Die Sklavenkriege in den Jahren von 134-131 wie von

104-100 v. Chr.

Hat uns bisher die Geschichte von Syrakus Leiden und Verwüstungen vielfach erzählt , welche

die Stadt wie die ganze Insel betrafen, weil es in der Freiheit selten gelang , zugleich auch Gesek und Ordnung aufrecht zu erhalten: so sollte man meinen, daß unter dem ungebrochenen Frieden , den die

mächtige Schukherrschaft der Römer verlieh , der Insel eine ungewöhnliche Glückseligkeit erblüht sein müßte. Billig dürfen wir daher erstaunen, wenn wir sehen , nicht daß der Römer Herrschaft der armen Insel auch wenig Frommen und Gedeihen gebracht hat , sondern daß die Verwüstungen der Geseklosig=

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keit und der schrankenlosesten Gewalt noch weit zurückbleiben gegen die Wirkungen , welche der Alles ertödtende und verderbende Druck der römischen Herrschaft und Verwaltung hervorrief. Die nächste Folge der römischen Herrschaft war die Vernichtung der freien Eigenthümer , die bis auf wenig übermäßig reiche Leute zusammenschmolzen ; wogegen sich die Zahl der Sklaven desto mehr vergrößerte, die dann, empört über die mit der wachsenden Unsittlichkeit immer mehr einreißende Unmenschlichkeit der Behand, lung, in Aufruhr ausbrachen und der armen Insel wiederholt die Gräuel der Sklavenkriege brachten. Neben diesen ungesunden Zuständen mehrte sich aber auch die Verderbnis der römischen Verwaltung in dem Maße , daß nun nicht mehr ein Stand , sondern allgemein die ganze Insel, Reich und Arm , Einzelne wie Gemeinden, den frechsten und jeder Menschlichkeit Hohn sprechenden Verletzungen ausgesekt

waren. Und wenn gleich diese Schilderungen , die wir in den beiden folgenden Hauptstücken versuchen wollen, die ganze Insel eben so sehr wie die Stadt Syrakus berühren , so glaube ich kann das kein Grund

sein, sie von der Geschichte der Stadt auszuschließen ; abgesehen davon , daß es gewis sehr anziehend ist zu sehen , wie weit es das Verderben aller öffentlichen Zustände bringen kann , zu sehen , wie das an scheinend so mächtige römische Reich in seinem Innern so morsch und faul war, so daß es uns dadurch erst begreiflich wird , wie ein sonst so mächtiges , tapferes und hochgebildetes Volk den vereinzelten An-

griffen deutscher Völkerschaften mit der Zeit erlegen ist. Die beiden verwüstenden Kriege , welche die Römer mit den Karthagern um den Besik der Insel führten , hatten dieselbe zu Grunde gerichtet , und in dieselbe Verödung gebracht , in der sie sich vor der Ankunft des Timoleon befand ; statt blühender Ortschaften im Innern fand man kaum noch einzelne

Hütten, und auch eine Reihe mächtiger Küstenstädte verschwand seitdem namenlos. Einzelnen Städten halfen zwar die Römer durch frische Ansiedlung wieder auf; aber die meisten Feldmarken ließ man als

Staatsländereien unverliehen , so daß wir zu Cicero's Zeit nur fünfundsechzig mäßige Städte , also in einem so ergiebigen Lande auf beinahe acht Geviertmeilen erst eine Stadt finden.

Die großen Staats-

ländereien wurden verpachtet und darauf die Landwirthschaft mit Hülfe von zahlreichen Sklaven im großartigsten Maßstabe getrieben. Das lockte begreiflicher Weise eine Menge Römer besonders aus dem reichen Ritterstande dahin , die als Landpächter oder Kaufleute oder auch im Dienste der römischen Statthalter oder als Pächter der Staatsabgaben sich Vermögen zu erwerben suchten. Nicht gering war auch der Gewinn, den die römischen Großen für Geldverleihungen an die verarmten Sicilier durch die bedungenen oder erpresseten Zinsen machten. Und daß die Römer als Sieger und Eroberer dabei nicht sehr schonend verfahren sind , wißen wir von den Zoupächtern aus der ſprichwörtlich gewordenen

Härte der Zöllner, und ersehen wir von Livius der uns erzählt, daß Scipio , der Ueberwinder Hannibals, ehe er mit seinem Heere nach Afrika übersehen konnte , nach Syrakus gehen mußte , um dort die Hellenen gegen Römer und Italier in Schutz zu nehmen , und nur durch große Strenge und Strafen es

erreichte , daß diese die widerrechtlich angeeigneten Güter der Hellenen wieder herausgaben.

Aber nicht

jeder Statthalter übte so strenge Gerechtigkeit, da die meisten auch für sich sorgen und in der kurzen Zeit ihrer Amtsverwaltung sich die Mittel erwerben wollten , die für jeden Aufwand in dem theuren Rom ausreichten; darum mußten sie auch den römischen Rittern Vieles nachsehen, die zu Rom durch ihr

Geld allmächtig waren und eine Zeit lang sogar die Gerichtshöfe besekten , wo sie die Statthalter bei etwaigen Anklagen wegen Erpressungen ganz in ihrer Hand hatten. Besonders groß aber war die Sucht , ausgedehnte Ländereien und Liegenschaften zu erwerben , die wir schon aus der Geschichte des reichen Tarentiners Antisthenes kennen. Zu den vorhandenen reichen hellenischen Grundbesikern kamen nun römische Emporkömmlinge, die durch Kauf und Gewalt die Güter der kleinen Leute an sich brachten und zusammenschlugen , und diese ihre Besikungen durch ganze Herden von Sklaven bewirtschafteten. Da nun die Römer schnelle Fortschritte in aller Unsittlichkeit gemacht hatten , zumal sie an den Hellenen Kleinasiens besonders Lehrmeister hatten , die wohl unübertroffen da stehen dürften, und kaum in unsern grösten Städten heutzutage ihres Gleichen fänden , so zeigte sich auch in Sicilien bald Verschwendung, Ueppigkeit, Weichlichkeit und dabei doch wieder Uebermuth und Grausamkeit gegen Unterworfene und

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Sklaven, zuerst bei den Römern, dann auch bei den nach dem Beispiele des Siegers sich richtenden Hellenen. Während früher in der guten alten Zeit bei der Einfachheit der Lebensweise kein Unterschied zwischen Sklaven und Herren auffiel und Herr und Kinder und Gesinde einen Hausstand bildeten und Leiden und Freuden gemeinsam theilten : trat jekt , schon wegen der großen Anzahl der Sklaven, denen

allen der Herr eine besondere Sorgfalt und Theilnahme nicht mehr angedeihen laßen konnte, eine große Kluft hervor. Der Sklav erlitt eine schlechte Behandlung und ward der Herrschaft so entfremdet , daß zuleht bei guter Gelegenheit der verhaltene Groll ausbrach und die erlittenen Grausamkeiten reichlich vers galt. Denn nicht bloß daß man sie, Leute die in ihrem Vaterlande freie Männer gewesen waren, brandmarkte , man ließ sie in gemeinsamen Werkstätten an Ketten arbeiten, oder unter der Härte des

Jochs erliegen. Ja den Hirten gab man oft nicht einmal die Nahrung , sondern ließ sie für sich selbst sorgen. So kam es , daß diese Leute, rüstig am Leibe , die die Gelegenheit abpaßen konnten , von Noth gedrängt waren, anfänglich einzeln und zu zweien dem Wanderer auflauerten, bald in ganzen Banden, mit Lanzen und Keulen bewaffnet, mit dem Felle des Wolfs oder Ebers bekleidet, von einer Meute wilder Hunde gefolgt , Gehöfte und Dörfer übersielen und die ganze Insel unsicher machten , ohne daß

die römischen Statthalter , in Furcht vor den einflußreichen Herren dieser Banden , solchem Unwesen hät ten steuern können. Ein schöner Zug des menschlichen Herzens mag dabei auch hier mit erzählt werden,

wo auf der anderen Seite sich so viele entsetzliche Entartungen zeigen. Der Morgantiner Gorgos begegnet auf einem Ritte seinem Sohne, der von Räubern verfolgt wird. Er springt vom Pferde und dringt in seinen Sohn, er möchte sich mit dem Pferde retten; da aber keiner auf Kosten des andern sein

Leben erhalten will , werden beide von den Räubern eingeholt und erschlagen. Nun lebte ein reicher Mann zu Enna , Namens Damophilos , im Besize großer Fluren und

zahlreicher Herden, der mit den Römlingen wetteiferte in Ueppigkeit wie mit der Menge der Sklaven und Härte und Unmenschlichkeit gegen diese; worin es ihm aber seine Frau Megallis noch zuvor that. Er hielt sich auf dem Lande kostbare Pferde, vierrädrige Wagen mit Wagenkämpfern , hatte Schmaroker und eine Menge der schönsten Sklaven in seinem Gefolge, und prunkte in der Stadt mit silbernen kunstreich gearbeiteten Schmucksachen, kostbaren Teppichen und Gewändern , mit königlich besetzten Tafeln. Dabei ließ aber er wie seine Frau keinen Tag ohne Grausamkeiten gegen die Sklaven vorüber= gehen, die nur unter der Hand an der schönen Tochter des Damophilos einen tröstenden Engel fanden.

Dessen Sklaven verschworen sich unter einander und entdeckten sich dem Sklaven eines gewissen Antigenes zu Enna mit Namen Eunus aus Apamea in Syrien, der als Wunderthäter und Wahrsager Aufsehen erregt hatte. Mit seinen Künsten hatte er oft seinen Herrn und dessen Gäste bei Tische unterhalten und sein Königthum vorausgesagt. Er gab vor, mit der syrischen Göttin im Verkehr zu stehen und deutete den Leuten die Träume aus. Seine Aussprüche fanden bei der Menge desto bereitwilliger Glauben, da er beim Reden Funken und Flammen speien konnte, indem er eine hohle mit brennlichen Stofz

fen gefüllte Nuß im Munde hielt und zwischen dem Sprechen das Feuer herausblies. Dieser bestärkte sie in ihrem Vorhaben und brachte so den ersten Sklavenkrieg zum Ausbruche im Jahre 134 v. Chr., nachdem die Römer noch nicht volle achtzig Jahre Herren der Insel gewesen waren. Er führte sie nach Enna , wo sie Alles , selbst den Säugling von der Mutter Brust zum Tode schleppen ; dann gehen sie den Damophilos auf dem Lande zu suchen, schleppen ihn mit der Megallis ins Schauspielhaus und als er sich dort durch lange Reden der Gefahr zu entziehen sucht , hauen ihn zwei besonders erbitterte Sklaven nieder. Nur seine Tochter findet Schonung und wird von ihnen unversehrt Verwandten in einer

benachbarten Stadt übergeben. Nach der ersten Befriedigung ihrer Rache wählen sie den Eunus zum Könige. Dieser läßt die Gefangenen bis auf die Wassenschmiede tödten, giebt die Megallis der Rache der Sklavinnen preis , ermordet seine eigenen Herren Antigenes und Python , richtet sich einen Hofstaat nach morgenländischer Weise ein (wir kennen einen Koch , Bäcker, Bader und Narren unter seinen Hofleuten) , krönt seine Frau als Königin und wählt die einsichtigsten Leute in seinen Rath , unter denen ein achäischer Sklav der fähigste war. In drei Tagen hatte er 6000 Mann um sich versammelt, mit

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Verten und Beilen , Schleudern, Dreschflegeln , Stangen, Küchenspießen bewaffnet. Mit denen durchzog er das Land , überall die Sklaven mit sich fortreißend , und als er erst den römischen Feldhern durch

seine Uebermacht geschlagen hatte, bekam er nun auch die Waffen zur Bewehrung von 10,000 Soldaten. An einem anderen Orte sammelt der Kilikier Kleon 5000 Mann um sich , stößt mit ihnen zum Eunus, und so besiegen sie den aus Rom anlangenden Feldherrn Luc. Hypsäus mit 8000 Mann , während sie selbst inzwischen auf 20,000 Mann gewachsen waren und nun schnell auf 200,000 sich vermehren. Ihr Beispiel erweckt überall im römischen Reiche ähnliche Aufstände, die jedoch durch die Thätigkeit der Behörden schnell unterdrückt werden. Auf Sicilien dagegen wucherte das Uebel, die Sklaven nahmen viele

Städte, vernichteten mehrere römische Heere, bis es endlich dem Rupilius gelang , des Aufstandes Herr zu werden. Einen Theil der Aufrührer schloß er in Tauromenium ein , und brachte sie durch Hunger in solche Noth , daß sie zuerst die Kinder, dann die Weiber , zulekt sich selbst aufzehrten; die Lekten zogen sich in die Burg zurück , die er durch Verrath bekam. Und eben so Enna , wo Eunus sich vertheidigt hatte, der entkam, aber auf der Flucht eingeholt und ins Gefängnis geworfen ward , wo er an der

Läusesucht starb ; worauf es dem Rupilius leicht ward , durch Streifzüge die Insel zu säubern und zu beruhigen , im Jahre 131. Aber mit der Unterdrückung des Ausstandes waren die Ursachen nicht besei-

tigt , so daß er nach weniger als dreißig Jahren sich in noch gefährlicherer Weise erneuerte, im Jahre 104 v. Chr. Als Marius gegen die Cimbern rüstete , forderte er auch von Nikomedes , Könige von Bithynien , Hülfsvölker. Dieser schrieb ihm zurück , daß der gröste Theil des Volkes , von den Zöllnern

geplündert, in die Sklaverei gerathen sei und in den Landschaften des römischen Reiches zerstreut wäre. Sofort beschloß der römische Rath , daß kein freier Bundesgenoße im römischen Reiche Sklav sein sollte, und beauftragte die Statthalter, dergleichen Sklaven frei zu laßen. In Sicilien that dies der Prätor

Lic. Nerva ; er forderte diejenigen , die ursprünglich frei und ungerechter Weise in Knechtschaft gerathen waren, vor sich nach Syrakus , wo er in wenigen Tagen über 800 in Freiheit ließ. Das erfüllte begreif= licher Weise alle Sklaven der Insel mit Freiheitshoffnungen, wie es eben so begreiflich die Besiker mit Furcht vor großen Verlusten erschreckte. Daher vermochten sie den Statthalter durch Geld und Gunst,

sein Verfahren einzustellen. So wurden also die Sklaven , die sich weiter bei ihm zur Freiheit meldeten, nach Hause zu ihren Herren zurück gewiesen. Aber die Sklaven konnten ihre Gedanken nicht so leicht an das Unvermeidliche ihrer Dienstschaft gewöhnen , sie verschworen sich in dem heiligen Haine der Paliken , und dreißig Mann in der Gegend von Ankyle versuchten zuerst den Aufstand , den aber Lic.

Nerva durch Hinterlist bald unterdrückte. Er gewann nämlich einen Sklaven, der zwei Jahre vorher zum Tode verurtheilt aber entflohen war, seitdem als Räuber gelebt und viele Freien im Lande getödtet

hatte ohne einem Sklaven etwas zu Leide zu thun. Dieser ließ sich mit seiner Bande in die Feste aufnehmen , ward zum Befehlshaber gemacht , und verrieth als solcher die Feste dem Feinde. Weil aber Nerva unvorsichtiger Weise sein Heer entläßt , stehen die Sklaven des römischen Ritters Publ. Clonius auf, achtzig an Zahl, ermorden ihren Herrn , und da Nerva zögert sogleich gegen sie zu rücken , sammeln sie sich in den ersten sieben Tagen auf 700, bald zu 2000, und als sie den Unterfeldherrn M. Titinius

geschlagen , zu 6000 Mann an, erwählen den Salvius zum Könige , durchziehen mit Vermeidung der Städte das flache Land , treiben Leute zusammen und sind im Stande mit den geraubten Pferden 2000

Mann beritten zu machen , während das Fußvolk 20,000 Mann zählt und kriegerische Uebungen anstellt. Bei der Bestürmung von Morgantine überrascht sie der römische Feldherr und nimmt ihr Lager; dagegen führen sie unmittelbar darauf einen gleichen Ueberfall aus und jagen das Heer in die Flucht, indem sie listig derer schonen zu wollen rufen , die die Waffen wegwerfen würden. Das erleichtert ihnen den

Sieg und ihre Waffenmacht verstärkt sich dadurch auf das Doppelte. Aufs neue belagern sie die Stadt Morgantine, in der die Sklaven durch das Versprechen der Freiheit gelockt für ihre Herren kämpften ; als ihnen aber dies nicht gehalten wird , gehen die meisten über. Zu derselben Zeit beredet der Cilicier

Athenion , der Sterndeuterei kundig und Aufseher über 200 Sklaven , dieselbigen zum Aufstande, und verstärkt sich bald aus der Umgegend auf 1000 Mann , wobei er sich aber nur die waffentüchtigsten aus

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sucht, während er die anderen bei ihrer Arbeit bleiben heißt , da die Götter ihm durch die Sterne das Königthum der ganzen Insel verheißen, die er nun schon als Eigenthum schonte. Almälig sammelt er 10,000 Mann , ordnet sich dem Salvius unter, der als König bei den Seinigen Tryphon hieß und über 30,000 Mann gebot, und so beherrschen sie das flache Land : während Geseklosigkeit überall ist und Faustrecht herrscht , und selbst in den Städten das Eigenthum nicht sicher bleibt ; da die ärmeren Freien ebenfalls losbrechen und rauben und morden gleichgültig ob Freie oder Sklaven , damit sie Niemand verrathen könne. Tryphon besekte die Feste Triokola ; und so gesichert fühlte er sich schon , daß er einen Hofstaat und eine förmliche Verwaltung einrichtete, nach dem Muster wie er es bei Hellenen und Römern

gesehen hatte. Er bauete sich ein Schloß , einen Markt , bildete sich einen Rath , legte Purpurkleider an, und ließ nach römischer Weise Gerichtsdiener mit Bündeln von Stäben und mit Beilen vor sich her gehen. Des Nerva Nachfolger Lic. Lucullus schlug ihn zwar im freien Felde ; da er aber den Sieg nicht nachdrücklich verfolgte, ward er abgesekt und mit seinem Nachfolger C. Servilius um gleiche Schuld verbannt. Erst C. Aquilius beendete im vierten Jahre den Krieg , indem er den Athenio , der nach Try-

phon's Tode wirklich König geworden war und der eine Schlacht im offenen Felde wagte , schlug , den lekten Rest , 1000 Mann die Satyros führte , brachte er gefangen nach Rom , wo sie den Thieren vor-

geworfen wurden. Aber statt dem Volke ein Schauspiel zu geben , tödteten sie lieber einander, zulekt Satyrus sich selbst. Druck und Willkühr der römischen Verwaltung .

Die Statthalterschaft des Verres von 73 - 71 v. Chr.

Die Verwaltung der Insel Sicilien als eine römische Landschaft oder Provinz hatte der Prätor Rupilius mit zehn Bevollmächtigten eingerichtet, die der römische Rath zu diesem Zwecke zu ernennen

pflegte. Obwohl die einzelnen Theile der Insel zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Bedin= gungen erworben waren , war dennoch die Verwaltung ziemlich gleichmäßig. Die Gemeinden behielten ihre eigene Gesetzgebung und in den innern Angelegenheiten die Selbstverwaltung , zu welchem Zwecke die alten Behörden in den Städten auch unter den Römern fortbestanden. Was die Leistungen an den römischen Staat betrafen , so ist Rom überall an die Stelle der früheren Gebieter und Obrigkeiten , im syrakusischen Gebiete an die Stelle des Königs Hiero getreten, und hat sich mit denselben ordentlichen

Abgaben wie jene begnügt. Diese waren der Hafenzoll, der den zwanzigsten Pfennig vom Werthe betrug , und Weidegeld , welches von den großen zu Weiden benukten Staatsländereien bezahlt ward , und vorzüglich der Getreidezehnten , der von den Aeckern fast aller sicilischen Städte in früherer Weise fort erhoben ward . Einzelne Städte , die Mamertiner in Messene , und Tauronenier als Bundesgenoßen, dann Kenturipa, Halesa, Segesta, die Halicyenser und Panormus waren davon befreit; nur wenige, die durch Krieg erobert waren , hatten ihren ganzen Acker an Rom verloren , das ihn nun jährlich den Einwohnern verpachtete, wie dies auch in ganz Kleinasien geschah. Diese Abgaben ließ Rom nicht unmittelbar auf eigene Rechnung erheben , sondern es verpachtete den Ertrag , zu welchem Behuse sich Gez sellschaften aus dem reichen Ritterstande bildeten, die im Stande waren bei der Größe des Gegenstan= des dem Staate die nöthigen Vorschüße zu leisten. Außerdem verlangte Rom noch die Stellung von Mannschaften zum Kriegsdienste , die auf Kosten ihrer Städte auch bekleidet , bewaffnet und erhalten werden mußten , wofür die Uferstädte Schiffe auszurüsten und zu bemannen hatten ; das verbündete

Tauromenium finden wir auch davon ausgenommen. Zur Aufbringung dieser Beiträge wie anderer Lasten , vielleicht auch der Gemeindeabgaben , finden wir die Insel in fünfundsechzig Steuerkreise getheilt,

in deren jedem jährlich zwei Männer gewählt wurden , welche die Abschätzung des Vermögens der Einzelnen und darnach die Steuervertheilung auf sich hatten. Die Verpachtung der Abgaben, die Einstellung der Kriegsmannschaften wie die Bildung der Flotte hatte der Prätor oder Statthalter , den

Rom jährlich für Sicilien ernannte; außerdem lag ihm die Erhaltung der Ruhe gegen etwaige Aufruhrversuche der Sklaven und namentlich der Schuh der Küstenstädte gegen die frechen Seeräuber des Mittelmeeres , besonders aber die Gerechtigkeitspflege ob. Zu dem Zwecke hielt er in gewissen dazu fest bestimmten Städten Gerichtstage, wo unter seinem Vorsize und seiner Leitung die wichtigeren Verhand=

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lungen von geschworenen Richtern entschieden wurden , deren geringste Zahl drei waren. Diese wurden nach der Art des Gegenstandes entweder aus der Bürgerschaft d. h. aus den Hellenen oder aus der

Zahl der anwesenden Römer genommen, die sich gewöhnlich sehr zahlreich theils im Gefolge des Statt: halters theils Geschäfte halber zu diesen Gerichtsmärkten einfanden. Ihre Entscheidungen fanden auf Grund einer Gerichtsordnung und eines Strafgesekes statt , die der Statthalter bei seinem Amtsantritte

bekannt machte, wobei er aber herkömmlicher Weise die Bestimmungen seiner Vorgänger beibehielt, und sich nur einzelne durch die Erfahrung als dienlich gebotene Abänderungen erlaubte. Bei der Ausübung aller dieser Gewalten war der Statthalter ganz unumschränkt , wie es nur irgend ein türkischer Pascha sein kann; es fand keine Berufung auf eine höhere Gewalt statt. Erst nach Beendigung seiner Amtszeit konnte er wegen außerordentlicher Rechtsverlekungen zu Rom verklagt werden , wo man zum Schuhe

der Unterthanen einen ständigen Gerichtshof für Klagen wegen Erpressungen gebildet hatte. Schon daß das Bedürfnis für eine solche Einrichtung vorhanden war, kann uns die Habsucht und Sittenlosig= keit der römischen Beamteten zeigen. Aber wundern darf uns die Erscheinung gar nicht, wenn wir einerseits die zu Rom herrschende Verschwendung und Genußsucht betrachten , die der ungemeßensten Reichthümer bedurfte , andererseits die Rechtlosigkeit der Rom unterworfenen Völker, die zu jeder Bedrückung und Rechtskränkung förmlich herauszufordern schien. Denn was half die Klage zu Rom , wo alle Gewalthaber durch ihren Vortheil unter einander gegen die unterworfenen Landschaften verbunden waren , und den gedrückten Unterthanen eine Rechtsforderung als gefährlicher Ungehorsam und Wider= seklichkeit angerechnet ward . Und folgte auch ja einmal wegen außergewöhnlicher und förmlich unmenschlicher Verbrechen eine Verurtheilung , so jagte sie den Schuldigen wohl ins Elend , konnte aber dem Gekränkten selten den Verlust wieder ersehen , geschweige andere Beschädigungen wieder gut machen. Daher ist es kein Wunder , wenn wir die römischen Lande durch andauerndes Bedrücken und Aussaugen verz armt, das Volk, wie wir es oben von den Bithynen hörten , in die Sklaverei gerathen sehen, und dennoch keine Klage laut wird , die nichts hilft , kein Widerstand versucht wird , zu dem schon längst alle

Kraft gebricht. Solches Schicksal brachte also die römische Herrschaft den Ländern Europas.

Und wir

wollen hier nur zum Beweise dieser allgemeinen Schilderung die Amtsverwaltung des Statthalters Ver-

res etwas näher bezeichnen , der diese unglückliche Insel drei Jahre lang mit der schnödesten Habsucht ausgesogen hat , wie uns dies in der Klageschrift des Cicero nackt und offen vorliegt. Um aber den Mann etwas beßer kennen zu lernen und zu wißen, was wir von ihm für Sicilien zu erwarten haben, wollen wir auch sein früheres Leben mit in unsere Erzählung einslechten. Seit Beginn seiner Laufbahn im Staatsdienste hatte er , ehe er in Sicilien selbstständig auftrat , schon zwei Mal ein öffentliches Amt neben einer höheren Obrigkeit bekleidet, und dabei durch schlechte Amtsführung so wie durch Verdächti gung seiner Obern die bei den Römern so heilige Pflicht der Genoßenschaft und Collegialität verleht. Einmal hatte er als Seckelmeister des Cn. Carbo , der Statthalter in Gallien war, nicht bloß öffentliche

Gelder unterschlagen, sondern war später, was ungeachtet Carbo ein schlechter Mensch war dennoch bei den Römern fast als gleicher Frevel galt wie Verlehung der Kindespflicht , sogar als Ankläger gegen ihn aufgetreten , im Dienste Sulla's , der ihn dafür mit Gütern der Geächteten belohnte, obwohl er selbst mit

solchem Verräther nichts zu thun haben mochte und ihn von sich fern hielt. Dann hatte er als Legat und Stellvertreter der Dolabella, der Prätor von Cilicien war, auf der Reise dahin die Inseln und Städte Kleinasiens besonders ihrer Kunstwerke wegen ausgeplündert, selbst der Tempel nicht geschont, sie heimlich des Nachts gewaltsam beraubt; zu Lampsakus der schönen Tochter des reichen Bürgers Philodamus nachgestellt , und sich ihrer im väterlichen Hause , wo er einen Genoßen Rabirius eingelagert und sich mit seinen Helfershelfern zu Gaste geladen hatte , mit Gewalt zu bemächtigen gesucht; aber Diener des Hauses hatten darüber Lärm gemacht. Die Einwohner über diese Schandthat aufgebracht, bestürmen das Haus, und schicken sich an ihn darin zu verbrennen, als es noch einigen römischen Bürgern gelingt ihn

zu retten. Dafür läßt Verres , um die Zeugen seiner Schande zu verderben, den Philodamus und dessen Sohn des Mordes beschuldigen, weil sein Diener Cornelius bei diesem Auflaufe ums Leben gekommen

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war, und beide werden wirklich , nachdem der Handel schon einmal vertagt worden war, durch den Einfluß der römischen Statthalter, die Verres für sich gewonnen , verurtheilt und auf dem Markte zu Laodicea mit dem Schwerte hingerichtet. Dieserselbe Verres , der als Legat des Dolabella sich so nichts

würdig gezeigt , hat die Stirn später mit als Ankläger gegen Dolabella aufzutreten , den er der Erpref= sungen beschuldigt. Leicht läßt sich daraus schließen , wie ein solcher Mann , von solcher Schamlosigkeit, solcher Habsucht und Grausamkeit auf Sicilien gewesen sein wird , wo er selbstständig dastand und jeder Begierde ungehindert den Zügel schießen laßen konnte. Bei der großen Menge der Frevel, die sein Ankläger Cicero anführt , will ich selber wiederum nur beispielsweise die erheblichsten auswählen, da es hier weder auf eine Geschichte der Amtsführung des Verres noch auch auf eine Anklage desselben , sondern lediglich darauf abgesehen ist, die Unsittlichkeit und den Druck seiner wie überhaupt der römischen Verwaltung in einzelnen Zügen nachzuweisen. Was zuerst die Lebens- und Handlungsweise im Allgemeinen betrifft , so zeigte er sich als ein Weich. ling und Wüstling, der sich nur in schlechter Gesellschaft wohlbefand ; ausgesuchte Schuste und Bösewichter

finden wir daher als seine vertrautesten Freunde und Werkzeuge seiner Lüste , die er selbst im Scherze seine Hunde nannte. Indem er seinen Lüsten fröhnte, machte er sich die Verwaltung so bequem als möglich; zu Pferde ritt er nie, sondern wenn er einmal reisen mußte, ließ er sich von acht Mann in einer Senste tragen; zur Zeit der Reise wählte er aber den Frühling und Herbst. Winter und Sommer

verlebte er in dem durch die Seeluft gemäßigten Syrakus , den Winter in der Amtswohnung der Statthalter, dem früheren Palaste des Königs Hiero , während er in der Zeit der Sommerhise sein Zelt auf dem äußersten Vorsprunge der Inselstadt ausschlug, und ohne Jemand in Geschäften Zutritt zu gestatten seine Tage und Nächte mit Vertrauten und Freundinnen verschwärmte; denn auch Frauen hatten zu diesen Gelagen einer römischen Obrigkeit Zutritt. Er nahm selbst an Tanz und Spiel Theil , wozu der ernste Römer sich nie hergab und was er der verächtlichen Zunft der Sängerinnen und Tänzerinnen über-

ließ. Bei Gelagen unterwarf er sich den strengsten Trinkgesehen. Und alles dies in Gegenwart seines zu seinen Jahren kommenden Sohnes; so sehr hatte der Mann sich alles Schamgefühls entäußert.

Denn wie der Römer sonst seine Söhne in der strengsten Zucht zu dem ernsten Berufe eines künftigen Staatsmannes heranbildete, so hatte er auch seinerseits die gröste Scheu vor der Jugend und bestrebte sich jedes Anstößige und Ungeziemende vor ihren Augen zu vermeiden; so daß es selbst in den späteren Zeiten der ärgsten Sittenlosigkeit für ein Zeichen der äußersten Entartung gilt, wenn Eltern die Scham vor ihren Kindern bei Seite sekten. Auch auf Reisen eilte er, wo er Halt machte , statt auf den Markt in das Haus seiner ausgewählten Gastfreunde , und verhandelte im Bett oder beim Gelage durch seine

Freunde und Günstlinge die Geschäfte, die nach hergebrachter Sitte öffentlich auf dem Markte von seinem Amtsseßel aus zu verhandeln waren. Den Schändlichkeiten seiner Amtshandlungen selbst , zu denen ihn

seine Habsucht verführte , begegnen wir fast bei jedem Schritte seiner amtlichen Thätigkeit.

Er er

pressete Geld bei Gerichtshändeln, bei Erhebung der Getreidezehnten , bei Besehung städtischer Aemter, die ihm gar nicht zustand ; blinde Begierde trieb ihn besonders beim Zusammenrauben von Kunstwerken, und selbst noch die Ausübung des Blutbannes war er verhärtet genug zu seiner Bereicherung oder zum

Deckmantel seiner Nichtswürdigkeit zu benuken. Vor Allem glaubte er bei Erbschaften ein Recht zu haben , sich als den wichtigsten Erben ansehen zu dürfen , und er erhob seine Ansprüche auch in den

Fällen , wo eine Erbschaft unter seinem Vorgänger erledigt worden war. So hatte der Sohn eines gewissen Dio zu Halesa unter dem vorigen Statthalter Sacerdos eine große Erbschaft erhalten mit der Bedingung, einige Bildsäulen auf dem Markte zu errichten, falls er nicht zur Strafe der gefeierten Göttin Venus vom Berge Eryx verfallen wollte. Verres hat nicht sobald Sicilien berührt , als er auch

den Dio zu sich nach Messene bescheidet und droht die ganze Erbschaft der Venus zuzusprechen, bis sich Dio genöthigt sieht, mit einer Million Sestertien (deren tausend nach unserm Gelde etwa 55 Thaler betragen), einer Schaar Pferde, Silbersachen und kostbaren Geweben sich abzufinden. Einem Anderen Namens Ligur, 6 der ebenfalls unter Sacerdos unangefochten eine Erbschaft angetreten , fordert ein Seitenerbe nach dem

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neuen Geseke des Verres einen Antheil ab. Ligur , der die rückwirkende Kraft des Gesekes nicht aner kennt , begibt sich selbst nach Rom zum Verres Vorstellungen zu machen. Der Mann fängt an den Ligur zu schelten, daß er mit dem Gelde, das ihm ohne Mühe zugefallen, so genau sei; er sagt dem Ligur ganz offen, er müße auch auf ihn Rücksicht nehmen; er brauche viel für sich und seine Hunde, die er um sich habe. Der reiche Syrakuser Heraklius , Sohn des Hiero , hatte drei Millionen Sestertien,

kostbare Kleider, Silberschmuck und viele Sklaven geerbt mit dem Beding , in der Palästra einige Säulen zu sehen. Verres weiß es anzustellen , daß die Vorsteher der Anstalt aussagen, die Säulen seien nicht nach der lektwilligen Verfügung gefertigt, fordert den Heraklius vor sich , und ohne die ge

hörigen Gerichtszeiten einzuhalten , ohne die Geschworenen nach dem Geseke aus den Syrakusern zu nehmen, bestellt er aus seinen Leuten die Richter, die den Heraklius verurtheilt hätten, wenn dieser sich nicht entfernt hätte. Dies macht ihn bedenklich; er looset nun drei Richter nach dem Geseke und läßt durch diese den Heraclius verurtheilen , nicht bloß um das ererbte, sondern auch um das eben so große väterliche Vermögen. Das Meiste davon kommt auf leicht erdenklichem Wege an Verres selbst. Erst Metellus , sein Nachfolger erklärte das Urtheil für nichtig und ließ dem Heraklius die Güter so weit sie noch vorhanden waren wieder herausgeben. Am schmählichsten jedoch ist sein Verfahren gegen Sthenius. Dies war ein reicher Mann zu Therma und Gastfreund des Verres ; er hatte sein Haus mit

Gemälden und kostbarem Hausgeräthe aus Erz und Silber geschmückt. Davon erbittet oder nimmt sich Verres was ihm gefällt, ohne daß der gefällige Wirt etwas abschlagen kann.

Dann wünscht er von

den öffentlichen Denkmälern der Stadt die Himera , Schukgöttin der Stadt Himera, die von den Karthagern zerstört, und deren Denkmal durch Scipio dann der Stadt Thermä übermacht worden war, weil dies die geretteten Einwohner von Himera aufgenommen; ferner wünscht er die Bildsäule des Dichters und Landsmannes Stesichorus , und verlangt dazu die Fürsprache des Sthenius im Rathe. Aber als die Sache hier zur Sprache kommt , widerspricht der gerade am heftigsten. Da kündigt ihm Verres voll Grimms die Gastfreundschaft auf, zieht zu dessen Feinden und stiftet diese zur Anklage gegen Sthenius an. Sie klagen wegen Verfälschung öffentlicher Urkunden; die Sache gehörte vor die heimischen Richter. Verres gibt sie aus seinem Anhange. Da geht Sthenius nach Rom, und Verres verurtheilt ihn abwesend zu 50,000 Sestertien für die Erycinische Venus. Damit nicht genug ; er fragt an, ob Jemand den Sthenius eines peinlichen Verbrechens anklagen wolle. So weit gieng selbst der Haß der Feinde des Sthenius nicht; nur ein gemeiner Mensch tritt auf und fragt, ob er gegen einen Abwesenden verfahren könne. Verres bejaht dies , nimmt die Klage an und fordert den Sthenius von Rom zurück. Hier hatte die Sache selbst im Rathe Aussehen erregt und man ließ sie nur fallen, weil der alte Verres bat und versprach , den Sohn von diesem Verfahren abzubringen. Aber auch an die

Warnungen seines Vaters und seiner Freunde kehrt dieser sich nicht und verurtheilt am Gerichtstage den Sthenius , ungeachtet hier nun auch nicht einmal der Ankläger erschienen war. Da erklärten die Volkstribunen in Rom, nach deren Gesezen kein um eines Verbrechens willen Verurtheilter dort sich aufhalten durste , daß Sthenius durch dieses Gesek nicht gebunden sein sollte , und erst diese Nachricht bewog den Verres, die aufgenommen Verhandlungen zu vernichten.

Unbedeutender könnte es dagegen scheinen, wenn wir hören, daß er die Size im Rathe, die Priesterstellen, das Amt der Censoren , zu deren Beruf die Steuervertheilung und Abschäkung gehörte , und

die daher sehr gewissenhaft gewählt wurden, um Geld verkaufte. Aber man muß die Ungerechtigkeit bedenken, daß hierbei die Wahl den Eingeborenen zustand, und daß die Censoren, deren jedem er 300 Denare zu einem Denkmale für sich abpressete, durch ungerechte Abschäkung Einzelne ganz zu Grunde richten konnten. Förmlichen Hohn aber trieb Verres mit dem Geseke , wenn er bei Besetzung einer Oberpriesterstelle, die an einem bestimmten Monatstage stattfinden mußte, um einem abwesenden Bewerber das zeitige Eintreffen abzuschneiden, einen und einen halben Monat aus dem Kalender strich.

Nicht gemäßigter und noch gemeinschädlicher zeigte sich seine Habsucht bei der jährlichen Verpachtung des Getreidezehnten , wobei er, um sich den Gewinn nicht entgehen zu laßen, oft eigene Pächter

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aufstellte , die er dann bei jeder Bedrückung der Zinspflichtigen unterſtükte. Einzelne Ackerbauern wur= den von seinen Pächtern beschuldigt, die bestellte Morgenzahl zu geringe angegeben zu haben, und darum ihre ganze Erndte eingezogen , weil es sich anders kaum der Mühe gelohnt hätte. Erheblicher war der Gewinn bei der Verpachtung ganzer Feldmarken. Die fruchtbarsten Fluren waren die von Ätna und

Leontium. Sein Helfershelfer Apronius erpachtet den Zehnten von Atna, indem er die Ätnäer überbietet, die das mögliche thun , um der Plackereien des Pächters los zu werden; dennoch werden sie gezwungen, diesem die Pachtung wieder abzunehmen und ihm obendrein 300,000 Meken Waizen und 300,000 Se stertien als Gewinn zu geben. Die Leontiner, die auf das Joch Acker einen hellenischen das ist ungefähr einen preußischen Scheffel säen, und wenn's gut ist, das Zehnfache ernten, hatten 30,000 Joch bestellt ; ihr Zehnt konnte also höchstens 30,000 Schffl. betragen. Apronius pachtete ihn für 36,000 Schff. und gewann noch dabei, nahm aber freilich den Einzelnen drei, ja vier und fünf Scheffel als Zehnten vom Morgen und mochte Manchem wohl nicht einmal die Spreu laßen. Und diese Unbilden waren geseklich möglich , da der Besizer die Erndte nicht abfahren durfte, ohne mit dem Zehntpächter abgeschloßen zu haben, und ihm nach des Verres feiner Bestimmung geben mußte, soviel dieser verlangte; hinterdrein konnte er zwar we

gen Ueberlastung klagen und sollte das Achtfache erseht erhalten; aber wie hätte er gegen die Genoßen des Verres etwas gewinnen können; und verlor er, so ward er um das Vierfache des klagbaren Gegenstandes gestraft. Dazu kam, daß der Zolupächter ihn nach irgend einem entlegenen Orte der Insel vor Gericht fordern konnte. Reichte der Getreidezehnt für Rom nicht aus, so ließ der Staat wohl noch Unkäufe zu festen Preisen machen, die er gewöhnlich günstig für die Verkäufer stellte. Und auch hierbei begegnen wir einer seltenen Unverschämtheit des Verres. Den Einwohnern von Halesa legte er 60,000 Schff.

Waizen auf, fand aber das Getreide nicht für gut und verkaufte dafür seine eigenen Vorräthe nach Rom und strich dafür den Sak des Staates ein , ließ sich aber dennoch auch von den Halesinern den Markt-

preis zahlen, die doch schon im Nachtheile waren , weil sie ihr Getreide nicht hatten unter den günstigen Bedingungen verkaufen können. Wenn er es aber auch nicht immer so arg trieb, so machte er doch über= all Abzüge unter dem Namen von Meßgeld und sonst welchen Vorwänden. Auch für das Getreide, das den römischen Behörden in die Wirtschaft geliefert zu werden pflegte, nahm er Geld ; aber statt des Markt-

preises von drei Sestertien drei Denare oder das Vierfache. Durch solche Verwaltung wird es klar, wie eine so fruchtbare Insel zu Grunde gehen konnte , wie während der dreijährigen Amtszeit des Verres die Anzahl der Morgen des bestellten Ackers wie der Bauern sich so außerordentlich minderte. Bei seinem An-

tritte hatte er in Leontium 83 Bauern gefunden und verließ 32, in Mutica 188, verließ 101 ; in Herz bita 257,Hat verließ Agyrium Bauern. habsüchtig und schamlos genug gezeigt , so sich 120, aber zu Verres bisher250, bei verließ seinen 80 Erpressungen tritt uns eine Schamlosigkeit ohne Gleichen bei seinen Sammlungen hellenischer Kunstwerke entgegen. Ich führe hier die wichtigsten Fälle an , weil daraus zugleich der Reichthum klar wird , den Sicilien wie alle hellenischen Lande an diesen Sachen besaßen. In Messene nahm er seinem Gastfreunde , dem Ma-

mertiner Hejus vier Bildsäulen von den berühmtesten hellenischen Meistern , einen Cupido aus Marmor von Praxiteles, einen Herkules aus Erz von Myron, zwei Athenische Jungfrauen, die im Festzuge Körbe

tragen, von Polykleitos , und drang ihm dafür eine Bezahlung von 6500 Sestertien, ſage einem reichen Manne eine Bezahlung von etwas mehr als 6500 Groschen auf. In Syrakus wird er einst von Antiochus, Sohn des syrischen Königs, der über diese Stadt von Rom kam, zu Gaste geladen , und sieht dort viele

werthvolle Kunstsachen. Verres läßt sich die besten zur bequemern Ansicht in sein Haus schicken, darunter einen prächtigen aus Gold und Edelsteinen gearbeiteten Armleuchter, der als Weihgeschenk für den Kapitolinischen Tempel bestimmt war; und als Antiochus seine Sachen zurückfordert , heißt ihn Verres noch vor Nacht die Stadt verlaßen. Er beraubt Tempel und Städte von Segesta , Tyndaris , Agrigent , Assorus,

Engyum, Catana, sogar Melita auf dem heutigen Malta , und besonders das reiche Syrakus. Zu Agrigent, wo er wohl wegen der vielen anwesenden Römer nicht öffentlich zu fordern wagte, schickte er Nachts seine Leute in den Tempel des Herkules , welche die Wachen verjagten und die Bildsäule des Herkules, die wegen ihrer Schönheit von den Anbetern häufig geküsset ward, so daß Mund und Kinn sogar etwas abgerieben waren, abbrechen sollten. Aber wegen ihrer Größe wurden sie damit nicht schnell genug fertig und von den herbeieilenden Einwohnern wieder verjagt. Zu Syrakus allein nahm er aus dem Tempel der Athene auf der Insel das Gemälde einer Reiterschlacht des Agathokles , außerdem 27 andere Gemälde, darunter die Bildnisse der Könige und Gewalthaber. Selbst die Thüren des Tempels entkleidete er der elfenbeinernen Bilder und des Goldschmuckes. Aus dem Prytaneum nahm er die Sappho , den

Päon aus dem Tempel des Üsculap , den Aristaus , Erfinder des Dels aus dem Tempel des Dionysius, die Bildsäule des Jupiter aus seinem Tempel, der Delphischen Tische, eherner Keßel und allerhand Kunst-

geschirre zu geschweigen. Was aber seine Schamlosigkeit am meisten zeichnet, er zog häufig Siegelringe,

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die ihm gefielen, den Leuten vom Finger; ja als er einst auf einem Briefe ein schönes Siegel sah, schrieb er nach Agrigent und wußte sich den Ring von dem Absender , einem römischen Ritter L. Titius zu verz schaffen. Solche unersättliche Begierde läßt es nicht als Uebertreibung erscheinen, wenn sein Ankläger von ihm sagt , er spreche deutsch , wenn er behaupte, Verres habe nichts von derlei Dingen auf Sicilien übriggelaßen. Dabei hören wir, daß er auch die Kunstfertigkeit seiner Freunde benukte, um sich werthvolle Sachen arbeiten zu laßen. Armleuchter ließ er zu Syrakus anfertigen; und Zeuge aus kostbaren Purpurstoffen , mit welcher Arbeit sich die Frauen in den vornehmen Häusern auszuzeichnen suchten, ließ

er für sich von der Lamia zu Segesta, die viele Stühle gehen hatte, von Attalus zu Netum, Lyso zu Lilybaum , Kritolaus zu Enna, Archonidas zu Helorum , vom Aschrio , Cleomenes , Theomnastus zu Syrakus weben. Bei dieser Sorglichkeit des Mannes konnte freilich der Zoll für die von ihm ausgeführten Sachen, unter denen wir 400 Amphoren Honig , 50 Speisesopha's , eine Menge Armleuchter finden, um

den er die Pächter betrog , in wenig Monaten 60,000 Sestertien betragen; konnte er sich auch von den Mamertinern ein eignes Frachtschiff bauen laßen, wofür er dann diesen seinen guten Freunden alle Abgaben erließ. Doch das Maß aller Schändlichkeit erfüllte Verres , indem er mit seiner Habsucht noch die Grausamkeit parte, wofür uns die Verwaltung des Seewesens ein fast unglaubliches Beispiel gibt. Zuerst nimmt er die Gelder , welche die Städte zum Bau und zur Ausrüstung der sicilischen Flotte aufge=

bracht hatten , an sich und unterschlägt sie großentheils , so daß die Flotte allerdings untauglich genug zum Seedienst war. Dazu fehlte auch die nöthige Bemannung an Ruderern und Soldaten , da er denselben für einen bestimmten Preis ohne weiteres Urlaub oder gänzliche Befreiung bewilligte. Den Ober= befehl gab er dem Syrakuser Kleomenes, damit er es sich in dessen Hause desto bequemer machen könnte.

Kein Wunder, daß dann die Flotte von Seeräubern bei Pachynum überfallen, geschlagen und verbrannt wird , worauf die Seeräuber zum Hohne in den Hafen von Syrakus einlaufen und dort im Angesichte der Stadt herumsegeln. Da beschuldigt plötzlich Verres , um die Schuld der Nachläßigkeit von sich ab=

zuwälzen , nicht seinen Günstling Cleomenes , sondern die einzelnen Schiffsführer , jedoch mit Ausnahme des Phalakros aus Kentoripa, auf dessen Schiffe sich Cleomenes befunden, läßt sie anklagen, verurtheilen, hinrichten; und sein Gerichtsdiener Sextius kann es dabei noch wagen, den Angehörigen der Verurtheilten um Geld die Vergünstigungen zu verhandeln, daß sie die Ihrigen sprechen , ihnen Eßen in's Gefäng nis bringen durften, daß er ihnen durch einen gut gezielten Hieb die Todesqual abkürzte. Ein solches Scheusal führte drei Jahre lang die Verwaltung der Insel Sicilien und konnte seinen Druck so weit trei ben, daß er sich von den unglücklichen Städten noch Ehrensäulen in übertriebener Menge seken ließ. Von den Syrakusern allein ließ er sich , seinem Vater und seinem Sohne eine Bildsäule errichten , und sich

noch außerdem Geld zu dergleichen in Rom geben. Ein solcher Verderber fand in Rom, als er wegen Erpressungen vor Gericht gestellt ward , soviel Anhang und Unterstützung , selbst von Seiten der höchsten Behörde, des Consul Hortensius, daß er fest auf seine Lossprechung rechnete; was nur die ganz besondere Thätigkeit und Geschicklichkeit seines Anklägers Cicero vereitelte. Auch sein Amtsnachfolger Marcellus bot Alles auf, um die sicilischen Gemeinden zu bewegen, zur Belobung des Verres Gesandtschaften nach Rom zu senden, während er die Zeugen gegen ihn zurückhielt. Und diese Rechtlosigkeit des Landes war nicht vorübergehend , war kein Ausnahmezustand ; nein so selten hatte die Insel einen rechtlichen Statthalter, daß uns Diodor zwei solcher Glücksfälle seines Vaterlandes in seinen Jahrbüchern als eine Denks

würdigkeit der Jahre 98 und 82 v. Chr. erzählt. Einmal war es Lucius Asellius , ein Freund der alten und nüchternen Lebensweise , Dank der er auch bis an die äußerste Grenze des Alters gesund und an Sinnen ungeschwächt blieb , der das ganz zu Grunde gerichtete Land wieder hob ; das andre Mal der

zweiundzwanzigjährige Pompejus , der als Bevollmächtigter des Sulla nach langer Zeit der Willkür sich wieder der Gerechtigkeitspflege annahm. Schließlich muß ich mich wegen der Ungleichmäßigkeit der Schreibung entschuldigen. Dhne auf die alten Sprachzustände zurückzuges hen , ist ein Ebenmaß hierin unmöglich . Wagt man aber den Versuch , so lähmt einem die Scheu vor ungewohnten Neuerungen den Muth zu strenger Folgerichtigkeit , und nicht bloß Unebenheiten wie Schaar Haar Loos See neben Maß Scham Herde entstehen dann, in seiner Ungewiss beit übersicht das Auge auch eingeschlichene Ungleichheiten und Fehler wie dies neben dies , wie wenn auf den ersten Seiten sich größter lassen ging gewiß Kenntniß und Aehnliches gedruckt findet , was nach der Abstammung gröster (aus größ'ster , grötster , weil von zwei unverträglichen Mitlautern geseßlich der erste sich umwandelt oder weicht) , laßen , gieng , gewis , Kenntnis und ähnlich zu lesen ist (da Vers doppelung im Auslaute früher durchaus ungebräuchlich war und beim Bischlaut noch heute ist).

Schulnachrichten über das Jahr von Ostern 1848 bis Ostern 1849. 1

I. Lehrverfassung. A. Prima. (Ordinarius : Prof. Schumann.) Im Lateinischen 8 Stunden und zwar 4 St. prosaische Lekture: Cic.de Off. III. und repetitionsweise einzelne Ab= -

2 St. poetische Left. Horat. Carm. II., schnitte aus I. , II. , III. Tac. Hist. IV. , V. und Wiederholungen aus I- V. III. , IV. , einzelne Epoden , Sat. I. , II. (mit Auswahl). - 2 St. schriftliche Uebungen und Recension der häuslichen Ausar= beitungen und schriftlichen Uebersehungen. Director . - Im Griechischen 6 Stunden und zwar 2 St. prosaische Lekt.: Isocrates de Pace; Apologia Socr. von Xenophon und von Plato ; 2 St. poetische Lekt.: Hom. II. XIV. , XV. Soph. Philoctet ; 2 St. schriftl. Uebungen und Durchsprechen der korrigirten Extemporalien. Director. -- Im Hebräischen 2St. Lesung mehrerer Psalmen, eines Stuckes aus Hiob und der Genesis ; Repetition der Formenlehre ; schriftliche Uebungen, Punktiren , Uebersezen in's Hebräische aus Buchners Uebersehungsbuche. Oberl. Goßrau. - Im Französischen 2 St.

aus Idelers Handb. 3. Thl. die Auszüge aus Segur d. Welt., Boissy d'Anglas, Las Cases, Volney, Lemontey, Bouilly, Charles Lacretelle, Staël - Holstein , Daru und Constant ; außerdem die betreffenden deutschen Einleitungen und alle 14 Im Deutschen 2-3 St. Besprechung der monatlichen Tage Recension der korrigirten Themes. Prof. Ihlefeld . Ausarbeitungen ; Uebung im Disponiren , im Deklamiren und im freien Vortrage; Erklärung geeigneter Gedichte; vater= ländische Literaturgeschichte. Prof. Schumann. In der Religion 2 St. Glaubens- und Sittenlehre , verbunden mit -

Erklärung des N T. in der Ursprache ; Reformationsgeschichte. Derselbe. - In der philosophischen PropaIn der Mathematik 4 St. nach Matthias Leitfaden : Loga= deutik 1-2 St. Erfahrungsseelenlehre. Derselbe. rithmen , Anwendung der Potenzrechnung auf Produkte aus Binominalfaktoren , Combinationen , das Newton'sche Theorem, Berechnung der Körper und der Oberflächen derselben ; Uebungen im Vortrage über einzelne Lehrsage und Aufgaben. Ders In der Ge selbe. In der Naturlehre 2 St. nach Kries Lehrbuche : Algemeine Naturlehre. Derselbe . schichte und Geographie 2 St. neuere Geschichte vom Frieden zu Oliva bis zur Julirevolution ; daneben Repetitionen aus der Geographie und der alten Geschichte. Prof. Ihlefeld . Im Gesange 1 St. mit Secunda. Musikdirector -

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Wackermann.

B. Secunda. (Ordinarius : Prof. Ihlefeld .) Im Lateinischen 10 St. davon im Sommer gelesen 4 St. Sall. Catil. und Virg. Aen. V. , im Winter Cic. pro Milone , Virg. Aen. VI. , 2 St. loci memoriales , 1 St. Grammatik , 1 St. Metrik , 2 St. Korrektur und Extemporalien. Oberl. Goßrau. Im Griechischen 6 St. und zwar in 2 St. aus Jacobs Attica , im Sommer die Stucke aus Xenophon , im Winter aus Thucydides ; 1 St. Grammatik und Korrektur der Scripta. Derselbe. Außerdem Homers Odyss. Rest von B. 17. und B. 18-22. incl. in 3 St. Prof. Ihlefeld . Im Hebräischen 1 St. Im Deutschen 2 St. ReEinubung der Formenlehre und 1 St. Lekture in Gesenius Lesebuche. Oberl. Goßrau. cension der Aussage , Besprechung der Aufgaben , Uebungen im mundlichen Vortrage, Deklamation deutscher Gedichte und Interpretation poetischer und prosaischer Stucke. Prof. Ihlefeld . Im Franzosischen wurden in 1 St. aus Ide= ler's Handbuche Th . 1. die Stucke aus Fénélon, das éloge de Marc -Aurèle von Thomas , die Stucke aus Berquin und In der Reli Vernet gelesen; 1 St. Grammatik , Stylibungen und Besprechung der 14tågl. Thêmes . Derselbe. gion in 2 St. Schluß der Glaubenslehre und die Sittenlehre bis zu den Nächstenpflichten. Derselbe. - In der Ge schichte in 2 St. Geschichte der Römer nach Schmidt's Lehrbuche In der Geographie 1 St. Europa. Oberl. Gof= -

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rau.

In der Mathematik 4 St. nach Matthias Leitfaden : Arithmetik , Abschnitt 4; Planimetrie; Proportionen an

geradlinigen Figuren und am Kreise; Berechnung ebener Figuren ; Stereometrie: Abschnitt 1-3; Uebungen im Vortrage über einzelne Lehrsäge und Aufgaben. Prof. Schumann. In der Naturkunde 1 St. , worin Meteorologie mit bes sonderer Rucksicht auf die zur Erzeugung der Lufterscheinungen wirkenden Naturkräfte vorgetragen wurde. Während des

Sommers wurden einige Stunden zur Durchsicht und Berichtigung der von den Schulern angelegten Herbarien verwendet. Derselbe. - Gesang mit Prima in 1 St.

Musikdirector Wackermann.

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C. Tertia.

(Ordinarius : Subrector Dr. Schmidt. )

Im Lateinischen 10 St.: Caes. B. G. III. - V. 2 St.; Grammatik nach D. Schulz , Syntaxis Rectionis und S. Ornata 2 St.; Extemporalien, wöchentliche in der Classe gefertigte zur Correktur eingereichte Exercitien , Vokabel= einübungen , zusammen 3. St.; Memorirübungen nach den Locis Quedl. 1 St. Dr. Schmidt. Metrik nach Pfau's Ele= menten der griechischen und römischen Metrik; Uebungen in Anfertigung von lateinischen Hexametern und Pentametern und einigen deutschen Versarten 1 St.; Lekture nach Ranke's Chrestomathie aus lateinischen Dichtern 1 St. Collab. Pfau. Im Griechischen 6 St. Wiederholung der Formenlehre und Ergänzung derselben ; Erläuterung und Einubung der wich-

tigsten syntaktischen Regeln nach Buttmann; Einübung der wichtigsten Wortableitungen , verbunden mit Vokabeleinübungen ; 14tägliche Exercitien 3 St.; Lekture von Xen. Anab. einem Theil von V. und VI. gang 2 St.; Odyss. I. 1 St. Dr. Schmidt. - Im Französischen 2 St.: in der Grammatik die Lehre vom Artikel , Hauptwort , Zahlwort , Adjektiv und Pronomen nach Hirzel; Lekture nach Schippers franz. Lehrbuche; alle 14 Tage Korrektur der aufgegebenen Exercitia. Collab. Pfau. - Im Deutschen 2 St.: Besprechung und Recension der schriftlichen Arbeiten, deren alle drei Wochen eine gefertigt wurde; Uebungen im freien Vortrage und im Deklamiren. Dr. Schmidt. In der Religion 2 St.: -

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Christliche Sittenlehre nebst Erlernung biblischer Spruche. Dr. Schmidt.

In der Mathematik 3 St. nach Mat=

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thias Leitfaden: Planimetrie Abschnitt 1 bis 5. Prof. Schumann.

In der Geschichte und Geographie 2 St.

a) im Sommer: alte Geschichte, b) im Winter: Geschichte des Mittelalters ; in der Geographie die Erdtheile Australien, Afrika , Amerika und Asien. Hülssl. Schulze. - In der Naturgeschichte 2 St.: übersichtliche Darstellung des ganGesang mit zen Gebietes der Zoologie; vorzugsweise Beschreibung der Wirbel- und Gliederthiere. Dr. Schmidt. -

Quarta 2 St.

Musikdirector Wackermann.

D. Quarta . (Ordinarius : Oberlehrer Kallenbach.) Im Lateinischen 8 St. und zwar Cornel. Nep. Uristides , Pausanias , Cimon , Eysander , Thrasybul , Conon,

Iphikrates , Chabrias , Timotheus , Datames , Epaminondas , Pelopidas , Hannibal 2 St.; Grammatik und zwar Syntax nach D. Schulz's kleiner Schulgrammatik nebst wöchentlichen Exercitien und Extemporalien 4 St.; Loci memoriales 1 St.; Vokabeleinubung nach Wiggert 1 St. Oberl. Kallenbach. - Im Griechischen den Sommer 6 St. , den Winter 5 St.: Einubung der Formenlehre bis zu den unregelmäßigen Verbis in Verbindung mit schriftlichen Uebungen und Lesung der entsprechenden Stucke aus Jacobs Lesebuche. Dr. Matthid. - Im Französischen 2 St.: mundliche und schrift liche Einubung der gesammten Formenlehre insbesondere der irregularen Verba nach Hirzels Grammatik und Uebungen im Im Deutschen 2 St.: Anleitung zu schriftlichen Darstel= Uebersegen nach Weckers Lehrbuche. Oberl. Kallenbach. lungen und Korrektur der Aussage ; Lekture in Prof. Wackernagels Lesebuche nebst Erklärung der gelesenen prosaischen und In der Religion 2 St.: Christliche poetischen Stucke ; Deklamiren und Versuche in freien Vorträgen. Derselbe. Sittenlehre nebst Erlernung biblischer Sprüche und passender Liederverse 1. St.; Lekture des Evangeliums St. Marci ; Wiederholung des Hauptinhaltes gehörter Predigten 1 Et. Derselbe. - In der Mathematik 3 St.: die wichtigIn der Ges sten Rechnungen des Geschäftslebens und Elemente der Planimetrie nach Matthias Leitfaden. Derselbe. schichte 2 St.: die wichtigsten Begebenheiten der griechischen , römischen und deutschen Geschichte nebst den zum Verständ= niß der Ereignisse nöthigen geographischen Erläuterungen. Derselbe. - In der Geographie und zwar im Winter -

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1 St.: allgemeine Geographie von Europa und besondere von Deutschland. Dr. Matthid. - In der Naturgeschichte 2 St.: im Sommer Botanik , im Winter Zoologie. Dr. Puls. Im Zeichnen 2 St. Schreib = und Zeichenlehrer Im Gesange 2 St. Musikdirector Wackermann. Riecke. - Im Schönschreiben 1 St. Derselbe. -

E. Quinta.

(Ordinarius : Dr. Matthiä.)

Im Lateinischen 8 St. und zwar : 5 St. Wiederholung der Formenlehre und Einubung der wichtigsten Ne geln der Syntax nach D. Schulz nebst wöchentlichen Exercitien und Extemporalien , 3 St. Leseübungen in Jacobs Lat. Im Französischen 2 St.: das Wichtigste aus Elementarbuche , verbunden mit Memorirübungen. Dr. Matthid. Im der Formenlehre ; Auswendiglernen einzelner Vokabeln und gelesener Stucke aus Wecker. Hülsslehrer Schulze. -

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Deutschen 4 St.: Leseibungen; Erklärung der wichtigsten sprachlichen Verhältnisse und der Sagbildung an einem gegebenen Stoffe; Deklamationsúbungen abwechselnd mit prosaischen Vortragen; schriftliche Klassenarbeiten abwechselnd mit

häuslichen Arbeiten. Dr. Matthid. - In der Religion 2 St.: Katechisationen über Luthers Katechismus nebst Wie= derholung erlernter Bibelspruche und Liederverse; Erzählungen aus der biblischen Geschichte des U. I. nebst Bibellesen; Wiederholung des Hauptinhaltes gehörter Predigten. Oberlehrer Kallenbach. In der Geschichte und Geogra

phie 3 St.: die wichtigsten und anziehendsten Begebenheiten aus der Weltgeschichte nach Bredow ; allgemeine Uebersicht Im Rechnen 4 der Erdoberfläche mit speziellerem Eingehn auf Deutschland und besonders Preußen. Dr. Matthid . St.: Lehre von den Proportionen mit den darauf gestusten Nechnungen des gemeinen Lebens . Dr. Puls. - In der Na-

turbeschreibung 2 St.: im S. Botanik, im W. das Wichtigste aus dem Thierreiche, besonders aus der Klasse der Fische, Lurche und Vögel. Hülfel. Schulze. - Im Zeichnen 2 St. Schreib- und Zeichenlehrer Riecke. schreiben 3 St. Derselbe. - Im Gesang 2 St. Musikdirector Wackermann.

-

Im Schón

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F. Sexta. (Ordinarius : Collab. Pfau.) Im Lateinischen: 10 St. Elemente nach D. Schulz latein. Schulgrammatik, Uebungen im Uebersehen aus dem Lateinischen nach den Quedlinburger Locis Grammaticis , woran sich auch die Memorirübungen knupften. In der zweiten Hälfte jedes Semesters wöchentlich ein Exercitium. Collab . Pfau. - Im Deutschen 4 St. und zwar : 2 St. Kenntniß der Redetheile , so wie des einfachen und zusammengesezten Sages , wobei theilweise auch die Lehre von der Interpunktion

abgehandelt wurde; 1 St. Leseübungen nach Wackernagel's deutschem Lesebuche Thl. I. , so wie Uebungen im Deklamiren ; 1 St. zum Durchnehmen der alle 14 Tage eingereichten Aussage , resp. zur Aufgabe neuer Arbeiten. Derselbe.

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In

der Religion: 2 St. Katechisationen über Luther's Katechismus nebst Wiederholung erlernter Bibelspruche und Lieders verse ( 1 St. ) ; in der biblischen Geschichte combinirt mit Quinta ( 1 St.). Oberl. Kallenbach . - Im Rechnen: 4 St. die vier Species in ganzen Zahlen und mit Bruchen , mit Einschluß der Resolution und Reduction. Hülssl. Schulze. In der Geschichte und Geographie : 3 St. die wichtigsten und anziehendsten Begebenheiten aus der Weltgeschichte nach Bredow; mathematische und physische Geographie , so wie Geographie von Europa. Dr. Puls. In der Naturbe Im schreibung 2 St. Zoologie. Hülfel. Schulze. Im Gesange 2 St. Musikdirector Watermann. Schreiben und Zeichnen war die Klasse mit Quinta kombinirt. -

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G. Erste Realklaſſe (parallel mit Prima und Secunda).

(Ordinarius : Collab. Pfau.)

Im Französischen 6 St. , und zwar : 2 St. Uebersehen aus Mignet's Histoire de la Révolution française; 2 St. Uebungen im Sprechen und Briefschreiben. Collab. Pfau. - Außerdem nahmen die Secundaner an dem französ sischen Unterrichte in Prima (2 St. ) bei Prof. Ihlefeld Theil. - Im Englischen : 2 St. Uebersehen aus dem Eng-

lischen (nach Williams Progressive English Reader. Part first.); Grammatik nach Fölsing. Im Sommer der Direc tor , seit Weihnachten Collab. Pfau. - In der Physik nahmen die Secundaner dieser Klasse am Unterrichte in Prima Theil, 2 St. beim Prof. Schumann.

H. Zweite Stealklasse (parallel mit Tertia). (Ordinarius : Hülfsl. Schulze.) Im Französischen 4 St. und zwar: 2 St. Lektüre einzelner Stucke aus dem Lehrbuche von Peters und Weyden ; außerdem schriftliche Extemporalien und grammatische Uebungen , Hülssl. Schulze; 2 St. kombinirt mit Se-

cunda , Prof. Ihlefeld. In der Geographie 2 St.: im Sommer die vereinigten Staaten Nordamerika's , im Winter Uebersicht von Europa , zuleht Deutschland . Hülfsl. Schulze.

II. Wichtigste Verordnungen und Mittheilungen des vorgesekten Königl. =

Provinzial- Schul - Collegiums. Vom 3. Mai. Genehmigung des vom Director gestellten Antrags , daß der Kandidat des höheren Schulamts, Dr. Rob. Puls, am hiesigen Gymnasio sein gesegliches Probejahr absolvire.

Vom 15. Juni. Aufforderung des Directors , die gegenwärtigen Bedürfnisse der Gymnasien mit dem Lehrercollegio zu berathen und diejenigen Wünsche und Anträge , welche der vom Herrn Minister des öffentlichen Unterrichts auf den 25. Juli zusammenberufenen Commission vorzutragen wären, bis zum 3. Juli kurz zu melden. Vom 8. Sept. Aufforderung des Directors , 3 Wahlen seitens des Collegiums für Abgeordnete der Provinz Sachsen zur Berathung über eine Reform des höheren Schulwesens zu veranstalten und das betr. Protokoll sammt Stimmzetteln baldigst einzusenden. Bom 19. Oct. Verfügung , wonach die Conduitenlisten und Schulercensuren kunftighin nicht mehr eingereicht werden sollen.

Vom 29. Oct. Mittheilung des Ausfalls der ersten Deputirtenwahlen , wonach auf den Rector Dr. Eckstein

zu Halle die meisten Stimmen gefallen waren , und Aufforderung , eine angere Wahl zwischen den namentl. aufgeführten übrigen Meistbegunstigten schleunigst einzuleiten. Bom 8. Dec. Circularverbot aller Betheiligung der Gymnasiasten an politischen Vereinen selbst gegen den et-

waigen Willen der Eltern oder Vormünder. Bom 11. Dec. Benachrichtigung des Directors und Lehrer - Collegiums , daß außer dem Rector Eckstein die Professoren Hiecke zu Merseburg und Jacobi I. zu Pforte mit den meisten Stimmen zu Deputirten der Provinz Sach-

sen für Reorganisation des höheren Schulwesens gewählt worden seien und die Wahl angenommen haben. Bom 20. Dec. Mittheilung einer ministeriellen Circularverfügung vom 14. ej., wonach bis zu einer in Aussicht stehenden geseglichen Regulirung des Unterrichtswesens die bestehenden Einrichtungen und Vorschriften rucksichtlich der Gymnasien in Kraft bleiben sollen.

Vom 4. Januar 1849. Circularmittheilung einer Ministerialverordnung , wodurch die Königl. ProvinzialSchul-Collegien im vaterländischen Interesse angewiesen werden, darüber zu wachen und durch die Schulvorsteher ihres Res= sorts darüber wachen zu lassen, daß kein Lehrer sein Amt dazu mißbrauche, ungehörigen mit der bestehenden Staatsver=

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fassung nicht übereinstimmenden Ansichten bei der unerfahrenen Jugend Eingang zu verschaffen , dagegen jeden derartigen Mißbrauch des Lehramts , in sofern derselbe nicht gar den Charakter eines gerichtlich zu ahnenden Amtsverbrechens an= nehme, im Wege der Dienstdisciplin eingeschritten werden musse. Vom 8. Febr. Circularmittheilung eines Ministerialrescripts vom 14. v. M. , wonach

um die Geschäftss

- sämmtliche unmittelbare und mittelbare StaatsKorrespondenz von unwesentlichen Formen möglichst zu befreien , sich aller bisher in Anwendung gekommener sachlicher Prädikate, z. B. Hochlöblich, Wohlib. behörden -

lich ac. fortan gänzlich zu enthalten, auch von den

-

- bisher üblich gewesenen Anrede : „Ein" oder „ Eine" statt „Die"

oder ,Das " keinen Gebrauch zu machen haben."

III. Chronik des Gymnasiums. Schon im Laufe des Winters war dem Director, der sich von einem früheren lebensgefährlichen Nervenleiden noch

immer nicht vollständig erholt hatte und seit geraumer Zeit durch bedenkenerregende Symptome mit einem schweren Ruckfalle bedroht wurde, von seinem Arzte eine durchgreifende Badekur nachdrucklich angerathen und zulegt ihm der Gebrauch eines Nordseebades zur Pflicht gemacht worden . Helgoland wurde gewählt, der nachgesuchte Urlaub von der Behörde bewilligt und eine anständige Reiseentschädigung huldreich in Aussicht gestellt. Da wandte sich kurz vor Pfingsten der Oberlehrer Goßrau , der seit längerer Zeit bedenklich an den Augen litt und nach Versicherung seines Arztes jest in großer Gefahr schwebte, dieselben zu verlieren, mit der ärztlich unterſtüsten und motivirten Bitte um Erlaubniß zu einer sechs-

wöchigen Badekur an den Director. Dieser gab unter solchen Umständen, da er hier noch dringendere Gefahr , als bei sich selber sah und die gleichzeitige langere Abwesenheit zweier Lehrer mit den Verhältnissen des Gymnasiums nicht wohl zu vereinbaren fand , den eigenen Reiseplan auf und kam sofort um Urlaub und Reiseunterstigung für den wackeren Kollegen ein. Unterdes drangen die übrigen Mitglieder des Collegiums, obwohl sie dabei die Vertretung zweier Lehrer und den Abzug von etwa 200 Thlr. aus dem Dispositionsfonds , dessen ganger Bestand dem Collegio zu Gute zu kommen pflegt , in Aussicht bekamen , dennoch mit uneigennügiger Freundlichkeit auf die Ausführung beider einmal als nothwendig erkannten Badekuren , und baten nur um achttågige Verlängerung der dreiwöchigen Sommerferien , damit der Oberlehrer Goßrau bloß 14 Tage vorher und der Director bloß eine Woche nachher vertreten zu werden brauchte. Colchem Verlangen ward am Ende gern Folge gegeben. Die Ferienverlängerung wurde nachgesucht und von der vorgesekten Behörde genehmigt ; der Oberl. Goßrau ging auf 6 Wochen nach Marienbad , der Director nach Helgoland auf 4 Wochen, wie er im Interesse der

Schule beabsichtigte, und nur die unfreiwillige Umkehr von einer schon angetretenen, aber durch Sturm und schlechte Verfassung des Reiseschiffes verungluckten Rückreise, auf der ihm fast ein allzu grundliches Seebad zu Theil geworden wäre, nothigte ihn , noch einige Tage über jene Zeit auf der Insel zu verweilen , um die Wiederinstandschung des verdorbenen Reisebedarfs und ein anderes Fahrzeug abzuwarten. Beide genannten Badekuren hatten den gewunschten Erfolg. Mittels Rescripts vom 5. Juli wurden dem Oberl . Goßrau 50 Thlr. , unter dem 17. Aug. eine gleiche Summe

obgleich zunächst nur vorschusweise, unter dem 30. Jan. c. jedoch ohne Bedingung, böheren Orts als Reiseentschädigung zugewilligt. Unter dem 9. Aug. erhielt der Director vom Curatorio des hiesigen großen Gotteskastens eine Mittheilung des im Wesentlichen ihm schon bekannten Reskriptes des Königl. Provinzial Schul - Collegiums, wonach von den dem Gymnasio

aus dem genannten Fonds fortan jährlich zu verabfolgenden 304 Thlr. für diesmal dem Director eine nirgends anders her zu beschaffende Reiseentschädigung von 104 Thlr. , und die übrigen 200 Thlr. unter die sämmtlichen 8 ordentlichen Lehrer des Gymnasiums gleichmäßig vertheilt werden sollten , nachdem unter dem 30. Juni das Directorium vom vorgesekten Kos

nigl. Provinzial: Schul - Collegio Mittheilung eines Ministerialrescripts vom 22. ej. erhalten hatte , wodurch die von hier aus vorgeschlagene Vertheilung des disponiblen Bestandes unseres Dispositionsfonds im Betrage von 326 Thlr. unter die Lehrer des Gymnasiums genehmigt wurde. Zur Jacobi'schen Gedächtnißfeier hielt am 26. Mai der Subrector Dr. Schmidt einen öffentlichen Vortrag über das Thema : „ Welchen Werth haben die alten Sprachen, insbesondere die griechische, für die Gymnasialbildung ? "

Die Wesche'sche Gedächtnißrede zur Feier des Reformationsfestes hielt am 26. Juni (denn der 25. fiel auf einen Sonntag) , der Prof. Ihlefeld

uber die Verdienste des Genfer Neformators."

Zur Feier des hohen Geburtstages Sr. Majestat des Königs endlich hielt am 15. Oct. der Oberlehrer Goßrau die Festrede über die Frage : „ Wer ist liberal ?" Das heilige Abendmahl begingen die Lehrer und konfirmirten Schuler am 10. Sept.

Einen lieben, durch schöne Kindlichkeit und Wohlgezogenheit ausgezeichneten Schuler verlor das Gymnasium am 23. Juni in Folge langjähriger Körpersschwache an dem Sextaner Theodor Palm von bier; einen andern nicht minder berben Verlust erlitt es durch den Tod des Quintaners Theodor Ziemann aus Neu - Gatersleben , der am 4. Jan. d. I. zu Hause am Nervensieber starb .

Schulschluß und Abiturientenentlassung, auch die gewöhnliche Bucherspende wird am 4. April, Prüfungen und Aufnahme neuer Schüler des Gymnasiums am 13. 14. und 16. April , Vormittags von 10-12, stattfinden.

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IV. Statistische Nachrichten. Die Gesammtschulerzahl des Gymnasiums belief sich am Ende des lektverflossenen Schuljahres auf 188.

Hierzu wurden neu aufgenommen zu Ostern in Prima: K. Em. Thiele, Th. Bornig , Hm. Linke , Fr. W. Muhlberg , Emanuel Huch , Rob . Demler ; in Secunda : Johs. Fr. Gloël , Alb. Nogge , H. Wallstab ; in Ter= tia : D. Ziemann ; in Quarta : E. Meyer , Th . Meyer , W. Knorr , H. Herrmann ; in Quinta : Osk. Brode,

Fr. Hellmund , Fr. Holzhausen , Rich. Dohlhoff, Hm. Pickert ; in Sexta : Fr. Schneider , Guido Bethmann , G. Jungmann , K. Oppermann , W. Schilling , K. Clausen , W. Lindenbein , Feod . Gerloff , Alex. Heinrich , K. Schwalbe , John Snowdon , Alex. Loser , A. Ebert , Friedb. Schmidt , G. Liebhold , K. Fe= lisch , Fr. Ulrich , Hm. Kleinert , Ed . Hefling , Alb. Martini , Rud. Weber , A Rogner , D. Rohde , Hm. Maak ; zu Michaelis in Secunda : Joh. K. Fr. Ninnich , in Sexta Werner Meyer und Jul. Wenderoth , zu sammen 46.

Abgegangen sind 48 und zwar 11 mit dem Zeugnisse der Reise zur Universitat, nämlich zu Ostern Rud. Ruling nach Halle zur Theologie und Philologie, U. Engelhart und K. Frick nach Berlin zum Studium der Medicin , Fr. Borrmann und Rob. Herrmann zur Jurisprudenz nach Hale , Fr. Brignig ebendahin zur Theologie, Fr. W. Schmidt zum Forstsache nach Berlin , Osk. Gerike ebendahin zum Studium der mathematischen Wissenschaften; zu Michaelis Fz. Walkhoff zum Forstfache nach Berlin , Th. Bornis ebendahin zur Theologie , Aug. Wahlstab zur Theologie nach Halle; 37 zu anderweitigen Bestimmungen und zwar aus Prima Gust. Weber zur Landwirthschaft , Albr. Biehahn ohne Abschied , G. Junghans und Nich. Schuß zum Postfache , E. Rabe zur Landwirthschaft ; aus Secunda

Udo von Koge , Rich. Weyhe , Th . Beckenstedt und Hm. Damkohler zur Landwirthschaft , L. Brinkmann zur Schönfärberei , W. Mette zur Handlung , K. Sachtleben zum Bausache, Aug. Sachtleben zum Buchhandel; aus Tertia Max von Koge zum Militärdienste , Jul. Muller auf sein vaterländisches Gymnasium nach Bernburg , Mart. Nug und Rob. Steinmüller zur Schriftsegerei , E. Christ , um Kurschmied zu werden , L. Maas ohne Abschied , Hm. Lange zur Landwirthschaft , Osk. Herrmann , E. Bethmann und Adolf Herger zur Handlung; aus Quarta Gust. Morgenroth als Bernburger auf das Gymnasium zu Bernburg , Rud. Müller zur Landwirthschaft; aus Quinta Aug. Dorfler , Rud. Dechendt und Adelb. Hadice zur Handlung , Hur. Hogrefe auf eine andere Lehranſtalt , K. Bense mit seiner Familie nach Halberstadt, G. Krause in die Präparandenanſtalt eines Schullehrerseminars, G. Keddy zu einer Ackerbauschule , Fr. Kersten zur Jägerei, Th . Ziemann gestorben , aus Sexta Th . Palm gestorben , Rob. Hesse auf eine Bürgerschule, Fr. Ulrich nach Hause. Es blieb somit eine Gesammtfrequenz von 186.

V. Stand des Lehrapparats. Die Bibliothek des Gymnasiums wurde auch in diesem Jahre theils aus ihren Einkünften, theils durch Geschenke vermehrt. Angekauft wurden 3 neue Bände von der Allgem. Encyclopädie von Ersch und Gruber," nämlich Bd. 47 und 48 ,,Sect. I. und Bd. 24 von Sect. III.;" die Jahrbucher der Philologie und Pädagogik , herausgegeb. sonst von Jahn, jest von Klog und Delitsch, Jahrgang 1848 nebst einem Supplementbande ; " Pausaniae Descriptio Graeciae von Schubart und Walz , 3 Bde.;" „Diodori Siculi Bibliotheca historica. Ed. Dindorf. 2 Voll. Paris bei F. Didot; " Strabonis Geographia 7 Bd. von Siebenkees und Izschukke." Von der Geschichte der europäischen Staaten , herausgegeb. von Heeren und Ukert ," Geschichte Desterreichs von Mailath 4r Bd . , und Geschichte

Frankreichs von Schmidt 4r B."

Endlich noch : Plinii Hist. Nat. v. Franz 10 Vol. Von dem vorgesezten Ko-

niglichen Ministerium erhielt die Bibliothek seit Ostern 1848 folgende Berke geschenkt : 1 ) Trinkschalen und Gefäße des Königl. Museums zu Berlin und anderer Sammlungen. Herausg. v. Professor Dr. Gerhard . 1ste Abth . Trinkscha= len. Berlin 1848. 2) Allgem. Zeitschrift für Geschichte v. Dr. Schmidt. 5r Jahrgang. 6 Hefte 1848. 3) 1844 mathematische Fragen für Lehrer und Lernende vom Dir. Dork. 1848. 4) Mémoires de la société d'Archéologie et de Numismatique de St. Petersbourg. 3 Voll. 1847 und v. 1848 2 Hefte, als Forts. der Köhneschen Zeitschrift für Münz-, Siegel und Wappenkunde. 5) Journal für die reine und angewandte Mathematik, von Grelle. 36r Bd. 4 Hefte. 1848. 6) Gothisches Glossar von Ernst Schulze. Mit einer Vorrede von Jac. Grimm. 1848. 7) Rheinisches Museum für Philologie von Welker und Ritschl. Bd. 6 in 4 Hesten 1847 und 48. 8) Wandgemålde aus Herkulanum und Pompeji, herausgeg. vom Hofr. Ternite. 7. und 8. Heft. 1848. 9) Unterrichtswesen in Frankreich mit einer Geschichte der Pariser Universität von Ludw. Hahn. 2 Abth. 1848. 10) Codex Pomeraniae diplomaticus. 3te Lief. 1848. 11) Crelle's Herr Journal für Mathematik, 37 Bd .uns aus seinem Verlage 1) Macrobii Opera quae supersunt , Ed. Ludov. Basse schenkte Buchhändler Janus. Vol. I. Proleg. et Ciceronis Somnium Scipionis cum commentariis Macrobii. 1848. 2) Germania des Corn. Tacitus. Mit den Lesarten sämmtlicher Handschr. und geschichtlichen Unterschungen über diese und das Buch selbst. Von Dr. Prof. Maßmann. Mit 3 Steindrucktafeln. 1848. -

Herr Dr. Giebel in Halle, ein früherer Schüler unserer Anstalt , hat der Schulbibliothek ein Exemplar seiner Gaea excursoria germanica" geschenkt. 7

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Für alle diese Geschenke sagen wir hiermit offentlich unsern warmsten Dank. Aus ihrem philologischen Lesezirkel übergaben die Lehrer , wie bisher , der Bibliothek die Fortsehung der Aug. Lit. Zeitung, Jahrg. 1848, von dem Magazin für die Literatur des Auslandes, Jahrg. 1848 und von der pådag. Revue v. Dr. Mager, Jahrg . 1848.

VI. Verzeichniß der Aufgaben zu freien Ausarbeitungen, welche in dem Schuljahre von Ostern 1848 bis Ostern 1849 von den Schülern der drei obersten Klassen angefertigt und von den betreffenden Lehrern korrigirt sind. A. Prima.

I. Im Deutschen: 1) Was hat man zu thun, um schon in diesem Leben zur Glückseligkeit zu gelangen? 2) Laß dich nicht Ohrenbläser nennen und stelle Niemand mit deiner Zunge nach. Sir. V., 16 in 5 Stunden bearbeitet. 3) Die Eisenbahnen nach ihrer vortheilhaften und nachtheiligen Wirkung betrachtet. 4) Die Wirkungen des Ehrgeizes im Leben des Fiesko von Schiller. 5) Das Lehrreiche im Leben des Columbus. 6) Welche Verdienste hat sich Cicero bei Gelegenheit der katilinarischen Verschwörung um sein Vaterland erworben ? 7) Graf Egmont nach Gothe und Schiller charakterisirt. 8) In wie fern kann Napoleon selbst als Gründer seiner Größe und als Urheber scines Falles betrachtet werden? 9) Die Repräsentanten des christlichen Glaubens in Lessings Nathan dem Weisen. 10) In wie fern hat der Welthandel zur Er= weiterung der Wissenschaft geführt ? 11 ) Ein Gedicht nach eigener Wahl des Gegenstandes. 12) Ueber das Walten einer strafenden Gerechtigkeit in dem Leben einzelner Menschen und ganzer Völker. Eine Rede. Zur Vorübung wurden von den Abiturienten folgende beiden Themata bearbeitet: 13) Ueber das Wohlthätige der Leiden des Lebens. 14) Von -

den nachtheiligen Wirkungen des Stolzes. 15) Thema für die vorjährige Michaelis -Abiturientenprüfung: Warum sollen wir religiöse Duldung üben ? 16) Thema für die diesjährige Oster - Abiturienprufung: In wie fern trägt die höhere Geistesbildung, welche wir durch das Studium der Sprachen und Wissenschaften erlangen , zu unserm Glúte bei ? II. Im Lateinischen: 1) Imperium Romanum quid profuerit , quid nocuerit generi humano. 2) a. Num Hannibal an victor ejus Scipio majore nos moveat admiratione. 2) b. Neminem ante mortem satis beatum esse illustribus exemplis doceatur. 3) De cladibus Romanorum quas florente rep. acceperint maximas. 4) a. Magnus animus mediocribus contentus est. 4) b. Philosophia cur apud Romanos non floruerit. 5) Qui factum sit ut artes ingenuae apud Athenienses Periclis maxime temporibus floruerint. 6) Horatius quid de arte poetica praecipiat in celebri ad Pisones epistola. 7) a. Quibus et qualibus argumentis Isocrates in celebri de Pace oratione pacis utilitatem probet. 7) 6. Respublica pusilla domus. 8) De veterum Graecorum et Romanorum re scenica. 9) Terentii Varronis post pugnam Cannensem in senatu oratio. 10) Num Platonis an Xenophontis Apologiae Socrates primae sint tribuendae. 11 ) Scipionis Africani Majoris ante proelium Zamense ad milites oratio, 12) Quid sit quod admiratione nos moveat in aspiciendis antiquitatis Romanae vestigiis. 13) Rerum et personarum in Sophoclis Philocteta descriptio. 14) Octavianus Augustus quibus maxime rebus promeruerit de civi-

tate Romana. (Michaelis = Abiturientenarbeit.) 15) Opes Lacedaemoniorum quibus potissimum causis accreverint, quibus imminutae deletaeque sint. (Oster- Abiturientenarbeit .) B.

Secunda.

I. Im Deutschen : 1) Die Vortheile des bürgerlich geselligen Lebens. 2) Welchen Gebrauch darf der studirende

Jungling von den übersehungen der alten Klassiker machen ? 3) Warum lernen wir Geschichte ? 4) Von dem Verhältnisse der wahren Klugheit zur Tugend. 5) Wer ist ein wahrhaft freier Mann? 6) Nachtheilige Folgen der Erfindungen des Schießpulvers , der Buchdruckerkunst und einiger andern wichtigen Erfindungen. 7) Wer sich in Gefahr begibt , kommt darin um. 8) Die Gebirge der Erde sind ein Beweis der Weisheit und Gute des Schöpfers. 9) Allen gefallen ist unmög= lich. 10) Lobrede auf Columbus. 11) Große Geistesgaben erhalten erst durch die sittliche Gute des Charakters wahren Werth . 12) Lichtseite der Weltgeschichte. 13) Licht- und Schattenseite des Lurus. 14) Charakterschilderung des Epaminondas .

Im Lateinischen: 1) Quibus rebus inde a bello Persico aucta sit respubl. Atheniensium. Thuc. I. 69. sqq. 2) Qualis fuerit Theramenes. Xenoph. Hell. 3) Uter Caesar an Cato in illa de Catilinariis consultatione

utiliora suaserit reipubl.

Sall. Catil. 51. sq. 4) Trojae excidium. Virg. Aen. II. 5) Thucydides a Lacedae-

moniis accusatus (Thuc. I. 135.) apud Athenienses pro se dicit.

6) Romanorum laudatio (secundum Periclis

orationem funebrem Thuc. II. 34.). C. Tertia.

1) Der Wechsel der Jahreszeiten , ein Bild des menschlichen Lebens. 2) Beim Aussien der Blumen (nach Anlei= tung eines Gedichtes).

3) Vom Werthe und der Wichtigkeit des Gehörs und der Sprache.

4) Die Neujahrsnacht eines

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Unglucklichen (nach Jean Paul). 5) Freude des Daseins (nach Anleitung eines Gedichtes). 6) Schilderung der Lage einer armen Familie (in Briefform). 7) Paraphrase eines Gedichtes : „Wenn der Pfeil ist abgeschossen , Ist kein Gott mehr , der ihn halt" u. s. w. (Ferienarbeit). 8) Wer den Genuß haben will , darf den Verdruß nicht scheuen. 9) Was unterscheidet den Schmeichler vom wahren Freunde ? 10) Welchen verderblichen Einfluß dußert nicht selten der Reichthum auf den Menschen ? 11) Gespräch über die Folgen des Krieges. 12) Nachricht von einer Rettung aus drohender Gefahr (in Briefform . Ferienarbeit).

13) „Trag' ein Herz den Freuden offen , Stets zum Leidenskampf bereit , Lern' im Mißge=

schicke hoffen , Denk' des Sturms bei heitrer Zeit. " Oder: Gedanken am legten Abende des Jahres. 14) Erläuterung der Stelle aus Schillers Glocke: „Dem dunklen Schooß der Erde " u. s. w. 15) Die Ungleichheit in der Vertheilung der Glücksguter ist der menschlichen Gesellschaft eben so nuglich , als die Ungleichheit der körperlichen und geistigen Kräfte. 16) Empfindungen bei dem Anblicke eines durch Feuer zerstörten Dorfes.

VII.

Uebersicht

der Prüfungsgegenstände und Examinatoren beim diesjährigen Osterexamen. Am 2. April , Vormittags von 8-12 Uhr .

1) Sexta im Lateinischen examinirt der Gymnasiallehrer Pfau, 2) Serta in der Geographie Probelehrer Dr. Puls , 3) Quinta im Lateinischen Gymnasiallehrer Dr. Matthia, 4) Quinta in der Naturkunde Gymnasialhilfslehrer Schulze. =

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Nachmittags von 2-4 Uhr.

1) Quarta im Lateinischen examinirt der Oberlehrer Kallenbach, 2) Quarta in der Geographie Gymnasiallehrer Dr. Matthia. =

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Xm 3. Xpril , Vormittags von 8-12 Uhr.

1) Tertia im Lateinischen

examinirt der Subrector Dr. Schmidt , 2) Tertia in der Geschichte Gymnasialhulfslehrer Schulze, 3) Secunda im Lateinischen Oberlehrer Goßrau, 4) Secunda in der Mathematik = Professor Schumann. =

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Nachmittags von 2-4 Uhr.

1) Prima im Griechischen examinirt der Director, Professor Ihlefeld . 2) Prima im Franzosischen =

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Zwischen und nach der Prufung werden von den Gymnasiasten Deklamationen und freie Vorträge gehalten , wie auch Gesangstucke vorgetragen werden.