Gescheiterte Kolonien – Erträumte Imperien: Eine andere Geschichte der europäischen Expansion 1492-1615 [1 ed.] 9783205212096, 9783205212072

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Gescheiterte Kolonien – Erträumte Imperien: Eine andere Geschichte der europäischen Expansion 1492-1615 [1 ed.]
 9783205212096, 9783205212072

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SIMON KARSTENS

GESCHEITERTE KOLONIEN – ERTRÄUMTE IMPERIEN

Eine andere Geschichte der europäischen Expansion 1492–1615

Simon Karstens

Gescheiterte Kolonien – Erträumte Imperien Eine andere Geschichte der europäischen Expansion 1492 – 1615

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Diese Schrift wurde 2019 vom Fachbereich III der Universität Trier als Habilitationsleistung anerkannt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; d ­ etaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. Umschlagabbildung  : Die Zerstörung von Fort Caroline. Stich von Theodor de Bry © Staatsbibliothek Bamberg, Geogr.it.f.29, Seite 203; Foto  : Gerald Raab © 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Zeltgasse 1, A-1080 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat  : Ulrike Weingärtner, Gründau Einbandgestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21209-6

»There’s no land unhabitable nor sea innavigable« Robert Thorne: Brief an Heinrich VIII. 1527  »Sous bon vent, sous vent contraire – sous la brise sous les brisants.« Bretonisches Volkslied

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungen/Häufige Verweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Gegenstand, Eingrenzungen, Fragestellung . . 1.2 Vorgehensweise und methodische Verortung . 1.3 Tendenzen der Historiographie . . . . . . . .

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2. Koloniale Projekte in der frühen transatlantischen Expansion 1492 bis ca. 1530 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Scheitern als Kehrseite einer iberischen Erfolgsgeschichte . . . . . . . 2.2 Kooperation und Konfrontation – Der Atlantik als verflochtener Handlungsraum.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Desinteresse und Expertise – Das Wissen historischer Akteure über Amerika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Gescheiterte Projekte und ihre Darstellung 1530 – 1615. . . . . . . . . . . 3.1 Französische Unternehmungen und Versuche zur Zusammenarbeit mit dem kastilischen Kolonialreich in England und dem Heiligen Römischen Reich ca. 1530 bis 1575 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Englische Offensiven, Konflikte innerhalb Frankreichs und intensiver Wissenstransfer zwischen England, Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich 1575 – 1598 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Frieden im Atlantik  ? Neue Initiativen, etablierte Kolonien und anglofranzösische Konflikte 1598 bis ca. 1615.. . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Fokus  : Nordamerika nach 1604 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Fokus  : Südamerika nach 1604 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Fazit und Ausblick in die 1620er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vom Scheitern sprechen oder schweigen . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Räume des Scheiterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Das Ursprungsland – Desinteresse und Ablehnung . . . . . 4.1.2 Der Atlantik – Naturgewalten und Piraterie . . . . . . . . 4.1.3 Die Neue Welt – Umwelteinflüsse und indigene Akteure. . 4.1.4 Die Kolonie – Aufstände, Tyrannei und verhängnisvolle Erwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

4.2 Argumentations- und Deutungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Prüfung, Strafe oder Segen – Transzendierung . . . . . . . . 4.2.2 Beweis der eigenen Größe – Heroisierung.. . . . . . . . . . 4.2.3 Spanier, barbarische Wilde und unmoralische Landsleute – Schuldzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Erfahrung als Basis zukünftiger Erfolge – Wissenserwerb . . 4.3 Verschweigen und Vergessen – Jenseits des Diskurses.. . . . . . . 4.4 Räume und Argumente –  Wechselwirkungen und Widersprüche .

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5. Gescheiterte Kolonien – Erträumte Imperien . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 6. Quellen- und Literaturverzeichnis . 6.1 Quellen . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Archivalien und Regesten . 6.1.2 Druckschriften . . . . . . . 6.1.3 Quelleneditionen . . . . . . 6.2 Sekundärliteratur . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615

Vorwort »Das ist Herr Dr. Karstens  – der kennt sich mit Scheitern aus.« Mit solchen oder ähnlichen Worten bin ich in den vergangenen sieben Jahren in Universitäten und Forschungseinrichtungen häufig dem Publikum vorgestellt worden. Stets habe ich mich gefreut, wenn mir auf so freundliche und humorvolle Weise ein Forum geboten wurde, um mein Forschungsvorhaben über das Scheitern kolonialer Projekte zu präsentieren und weiterzuentwickeln – das erste Mal 2013 noch als eine Projektskizze im Regensburger Kolloquium von Harriet Rudolph, dann an weiteren Orten, darunter Basel, Essen, Halle, Trier, Göttingen, Saarbrücken, Paris und London. Ich bin für alle diese Einladungen und die daraus hervorgegangenen Gespräche zahlreichen ExpertInnen, aber auch neugierigen und begeisterungsfähigen Studierenden zu Dank verpflichtet. Es wäre zwar eine sehr schöne, aber leider auch ermüdende Form des Erinnerns, wenn ich hier die Namen all jener aufzählen würde, die mich einluden oder mit denen ich nach meinen Vorträgen, auf Konferenzen oder per Mail über mein Projekt diskutieren durfte. Ich möchte daher nur wenigen ausgewählten Personen danken, die mich auf meiner metaphorischen Reise in besonderem Maße begleitet und unterstützt haben und hoffe, die Übrigen werden mir verzeihen, dass ich mich an dieser Stelle kurz fasse. Zunächst sind hier Institutionen hervorzuheben, ohne deren MitarbeiterInnen das Projekt in dieser Form nicht hätte abgeschlossen werden können. Dies gilt insbesondere für meine teilweise mehrfachen Aufenthalte in London, Paris und Washington D.C. für deren Finanzierung und logistische Unterstützung ich der Max Weber Stiftung und den jeweiligen Deutschen Historischen Instituten danken möchte. Hier sind besonders Andreas Gestrich und Thomas Maissen, aber auch Rainer Babel und Pascal Firges zu nennen, die meine Aufenthalte in ihren Instituten sowohl nutzbringend als auch angenehm machten. Eine Vielzahl von MitarbeiterInnen der in vier Ländern konsultierten Bibliotheken und Archive haben meine Arbeit ebenfalls unterstützt und mich durch die teilweise abenteuerlichen Gewässer der Recherche gelotst. Es war verblüffend, wie kompliziert im Gegensatz zu Deutschland oder England die Freigabeprozedur für den Zugang zu Büchern aus dem 17. Jahrhundert in den USA sein konnte. Auch Erlebnisse wie ein Mittagessen neben einem der SWAT-Teams, das den US-Kongress beschützt, und die Jagd vierer Männer nach einer Maus rund um meinen Tisch im Lesesaal in der Französischen Nationalbibliothek bleiben mir unvergessen. Trotz aller Reisetätigkeit war Trier während der Entstehungszeit dieses Buches meine akademische Heimat. Ich hatte das Glück, dort im Team von Helga SchnabelSchüle tätig zu sein, die mir von Beginn an ermöglichte, in Forschung und Lehre eigene Wege zu gehen. Doch nicht nur die von ihr gewährten Freiräume, sondern mehr noch ihre Erfahrung und ihr guter Rat erleichterten mir die Fertigstellung

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Vorwort

des Buches trotz einer zunehmend umfangreichen Lehrtätigkeit in Trier und an der Hochschule für Archivwissenschaft in Marburg. Dabei kamen auch mein in fachlicher wie menschlicher Hinsicht vorbildlicher Mittelbaukollege Immo Meenken sowie das Team von Stephan Laux und seinen MitarbeiterInnen ins Spiel, die mit mir das Projekt diskutierten und mir den Rücken für Schreib- und Reisephasen freihielten. Mein Dank geht aber über den Kreis der FrühneuzeitlerInnen in Trier hinaus. Ich möchte zum einen die ProfessorInnen des Fachbereiches III einbeziehen, von denen Ursula Lehmkuhl und Lutz Raphael das Projekt durch Ratschläge unterstützten und Gutachten anfertigten. Zum anderen habe ich dort über die Epochengrenzen meines Faches hinweg einen Kreis von KollegInnen gefunden, die sich wie ich auf das Wagnis einer Postdoc-Tätigkeit eingelassen haben. Mit ihnen Erfahrungen, Expertise, aber auch Sorgen zu teilen, hat sie im besten Sinne zu Bordgenossen meiner metaphorischen Reise gemacht. Ich danke dafür stellvertretend Eva Bischoff, Eric Burghardt und Christian Rollinger. Um das Schiff am Ende der Reise in den Hafen zu bringen und das Buch zu veröffentlichen bedurfte es natürlich ebenfalls Unterstützung. Hierfür danke ich den MitarbeiterInnen des Böhlau Verlags. Das Manuskript hätte aber seine finale Form nie ohne die Hilfe von KorrekturleserInnen erhalten, wofür ich Matthias Springer, Immo Meenken, Anna Deckmann und ganz besonders Friederike Karstens zu Dank verpflichtet bin. Sie alle eröffneten mir unterschiedliche, aber ausnahmslose wichtige neue Perspektiven auf meine eigene Arbeit. Ich schließe mit der Hoffnung, dass das fertige Buch von ihrer Ehrlichkeit profitieren konnte.

Abkürzungen/Häufige Verweise

APC CMS CSP ODNB DCB EEBO FN Fol. Gallica HP NAW Ndr. o.D. o.O. PMA PN ProQuest

Acts of the Privy Council of England Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury Calendar of the State Papers Oxford Dictionary of National Biography (Online-Ausgabe) Dictionary of Canadian Biography (Online-Ausgabe) Early English Books Online – Digitale Bibliothek des EEBO-Projektes Verweis auf Fußnote Folio Online-Portal der Französischen Nationalbibliothek Samuel Purchas  : Hakluytus Posthumus ‒ Purchas his Pilgrimes, mit Angabe des jeweiligen Bandes, Original 1625 Quinn, David B. u.a. (Hg.)  : New American World (5 Bd.) mit Angabe des jeweiligen Bandes Unveränderter Nachdruck ohne Datum ohne Ortsangabe Petrus Martyr de Anghiera  : De novo orbo decades. Hier zitiert nach der Übersetzung  : McNutt, Francis Augustus (Hg.) (1912)  : De Orbe Novo. The eight decades of Peter Martyr d’Anghera. 2 Bände. New York. Richard Hakluyts  : Principal Navigations mit Zusatz »1589« für die Erstausgabe in einem Band und mit Zusatz von Erscheinungsjahr und einer Bandnummer für die Ausgabe in drei Bänden 1598–1600. ProQuest UMI Dissertations Publishing. Online-Publikationsportal für Dissertationen aus Kanada und den USA.

1. Einleitung

1.1 Gegenstand, Eingrenzungen, Fragestellung Bei einer flüchtigen Betrachtung der europäischen Expansion entsteht beinahe zwangsläufig der Eindruck, sie sei in ihren Anfängen eine Geschichte des Aufstiegs der iberischen Kolonialmächte Portugal und Spanien und des Untergangs indigener Kulturen. In dieses Narrativ sind zwei Rollen, die der aktiven Eroberer und der passiven Eroberten, als Gegensätze eingeschrieben, während für weitere Akteure lediglich Nebenrollen in Exkursen oder Fußnoten verbleiben. Im Handbuch der Geschichte Lateinamerikas heißt es wie in anderen Überblickswerken dementsprechend  : »Bis ins 17. Jahrhundert war die europäische Expansion ein iberisches Monopol. Ernsthafte Konkurrenz bestand kaum.«1 Tatsächlich hatten die Untertanen der iberischen Herrscher bis 1540 – mit Hilfe indigener Verbündeter – die durch Binnenkonflikte oder Seuchen geschwächten Reiche der Mexika und Inka erobert und mit der Errichtung kolonialer Verwaltungsstrukturen begonnen. Die unter ihrem Schutz errichteten Siedlungen, Häfen und etablierten Seerouten, auf denen Edelmetall von Amerika nach Europa gebracht wurde, bildeten lange Zeit den Hintergrund für das Handeln aller europäischen Akteure in Übersee.2 Andere europäische Monarchien hingegen besaßen noch um 1610 lediglich marginale Gebiete jenseits des Atlantiks.3 Nur eine kleine Gruppe französischer Pelzhändler lebte in einem 1608 errichteten, Québec genannten Fort am Sankt-Lorenz-Strom, während 1610 in Jamestown einige Dutzend ausgehungerte Überlebende von beinah 1000 Siedlern ihre Schiffe bestiegen, um die 1607 gegründete englische Kolonie aufzugeben. Diese geringe Präsenz nichtiberischer Mächte in den beiden Amerikas ist jedoch keineswegs auf einen Mangel an Versuchen zurückzuführen, transatlantische Siedlungen oder Außenposten zu errichten. Von einem verlassenen Steinhaus auf einer Permafrostinsel westlich von Grönland bis hin zu den Ruinen einer französischen Festung in der Bucht von Rio de Janeiro hinterließen mehr als 30, über einen Zeitraum von beinah 100  Jahren unternommene, koloniale Projekte ihre Spuren. Ihre Geschichte verbindet Akteure in Bristol, Plymouth, London, Paris, St. Malo, Dieppe, Rouen, Honfleur, Augsburg, Frankfurt, Nürnberg und weiteren Orten, die von dort aus Unternehmungen planten und finan1 Zitat  : Emmer 1994, S. 720  ; vgl. exemplarisch  : Wendt 2007, S. 41 und die fehlende Thematisierung der frühen Projekte von Akteuren aus anderen Ländern in Greene/Morgan 2009. 2 Näheres dazu in Kapitel 2.1. 3 Vgl. zur Übersicht  : Bitterli 1999  ; Birmingham 2000  ; Canny 2011  ; Chaunu 1995  ; Davies 1974  ; Elliott 1996  ; Ders. 2006  ; Julien 2003  ; Reinhard 1985a  ; Ders. 1985b  ; Schnurmann 1998  ; Wellenreuther 2004.

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Einleitung

zierten oder in See stachen. Doch nur einem kleinen Teil dieser Akteure gelang es, Amerika zu erreichen. Die Vorhaben vieler anderer endeten hingegen auf dem Grund des Atlantischen Ozeans oder blieben Pläne und unerfüllte Versprechen, deren Spuren nur noch in Archiven und Bibliotheken überliefert sind. Für den Fall, dass sie den Ozean überquerten und tatsächlich begannen, Außenposten zu errichten und das Land zu erkunden, kam der indigenen Bevölkerung eine besondere Bedeutung für den Ausgang ihrer Unternehmungen zu. Die selbstinszenierten Entdecker und Eroberer aus England, Frankreich oder dem Alten Reich befanden sich häufig in einer Position militärischer Unterlegenheit und waren von der Versorgung durch die Indigenen und deren Ortskenntnis abhängig. Das bedeutet, dass Indigene im Kontext dieser kolonialen Projekte die Europäer und deren Waffen und Handelswaren für ihre eigenen Interessen nutzen und aktiv eine frühe transatlantische Vernetzung gestalten oder verhindern konnten. Die in Überblicksdarstellungen als »gescheitert« charakterisierten, nichtiberischen kolonialen Projekte, die Akteure, die beiderseits des Atlantiks bei der Vorbereitung und Durchführung aufeinandertrafen, und die Wahrnehmung und Deutung der Unternehmungen durch die Zeitgenossen stehen im Zentrum dieses Buches. Scheitern als Kategorie spielt in Gesamtdarstellungen der europäischen Expansion generell eine untergeordnete Rolle. Lange Zeit herrschte ein eurozentrisches Erfolgsnarrativ vor, das nach den Voraussetzungen für den Untergang der indigenen Großreiche und für den Aufstieg der Europäer fragte. Spätestens nach 1992 vollzog sich dann aber ein kritischer Deutungswandel, der die Interpretation des Narrativs vom Positiven ins Negative verkehrte und den Untergang der indigenen Kulturen sowie transatlantische Ausbeutung und Zwangsarbeit stärker in den Fokus nahm.4 Da ein Scheitern der Europäer weder zum alten Erfolgsnarrativ der Gründung von Kolonialreichen noch zum neuen, kritischen Narrativ einer Zerstörung der indigenen Kulturen und Etablierung der Sklaverei passte, blieb es relativ unbeachtet. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Erfahrungen des Scheiterns bereits von der ersten Reise des Christoph Kolumbus an einen Teil der transatlantischen europäischen Expansion bildeten.5 Das Scheitern nichtiberischer Akteure ist im Vergleich mit dem der Spanier und Portugiesen zwar häufiger, aber nur mit erheblichen Einschränkungen thematisiert worden.6 Hierbei dominiert die Einbindung in spezifisch nationale, beispielsweise englische oder französische Geschichten transatlantischer Expansion, in der frühes Scheitern meist als Vorgeschichte späterer Erfolge dient. Für solche nationalen »Lernen-aus-Scheitern«Narrative bedarf es keiner Vollständigkeit, sondern lediglich ausgewählter, zum Narrativ passender Beispiele. Aus diesen Beispielen hat die historische Forschung gewissermaßen einen Kanon wichtiger, gescheiterter Projekte gebildet, die sehr häufig auf ähnliche 4 Darwin 2007, S. 4–21. 5 Wie im Kapitel 2.1 näher ausgeführt wird. 6 Vgl. den Forschungsbericht in Kapitel 1.3.

Gegenstand, Eingrenzungen, Fragestellung

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Weise beschrieben werden. Die Folge ist, dass viele erfolglose koloniale Projekte nur in der Spezialliteratur thematisiert und in der Breite wenig rezipiert werden. Dies provoziert wiederum manche unhaltbare Pauschalisierung, wie dass vor 1555 kein französisches und vor 1585 kein englisches Projekt in den Amerikas unternommen worden sei.7 Die vergleichsweise geringe Beschäftigung mit dem Phänomen Scheitern im Kontext der europäischen Expansion bringt es mit sich, dass Wort und Begriff meist unreflektiert verwendet werden. Gemeinhin gelten alle Projekte als gescheitert, die nicht zur Gründung einer bis in die Gegenwart bestehenden Ansiedlung geführt haben.8 Diese pragmatische Definition mag zwar für eine reine Ereignisgeschichte nützlich sein, verstellt aber den Blick auf unterschiedliche zeitgenössische Wahrnehmungen und Darstellungen der Projekte und schränkt das Verständnis ihrer Bedeutung für die Geschichte der europäischen Expansion erheblich ein. Daher gilt in diesem Buch eine breitere Definition, die es erlaubt, Widersprüche zu erfassen und mehr Wert auf zeitgenössische Wahrnehmungen und die Entstehung der Quellen zu legen  : »Scheitern« ist eine von Zeitgenossen oder Historikern kontextabhängig und meist intentional vorgenommene, stark negative Zuschreibung, mit der sie ein koloniales Projekt charakterisieren konnten, dessen Ergebnis nicht vorformulierten Erwartungen entsprach. Da in dieser Perspektive Scheitern nur eine von vielen möglichen diskursiven Konstruktionen ist, wird es möglich, danach zu fragen, welche Motive die Akteure für unterschiedliche Deutungen hatten, welche Argumente sie vorbrachten und auf welche Art und Weise sich bestimmte Deutungen durchsetzten und die Historiographie prägten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass hier Projekte untersucht werden, bei denen es eindeutig nicht gelang, die erhofften Ergebnisse zu erzielen – sei es, dass der geplante permanente Außenposten nicht gegründet oder dass der versprochene Reichtum nicht gewonnen werden konnte. Durch diese Differenz zwischen Erwartung und Ergebnis eröffnete sich für die zeitgenössischen Akteure ein Diskursraum, in dem sie anklagen, entschuldigen, relativieren, erklären, umdeuten, leugnen oder auch Versäumnisse gestehen konnten. Ein Projekt als gescheitert zu bewerten, war hierbei nur eine – fast nie unumstrittene  – Deutung von vielen.9 Es geht also nicht darum, bisher in der Forschung vorherrschende Deutungen bestimmter kolonialer Unternehmungen als »gescheitert« zu widerlegen und aus eindeutigen Fehlschlägen ebenso eindeutige Erfolge zu konstruieren, wie es Autoren mehrfach versucht haben, sondern darum, die Quellenbasis dieser widersprüchlichen Schlussfolgerungen zu analysieren.10   7 Exemplarisch für Frankreich  : Fritze 2002, S. 223–226  ; für England  : Ewen 2003, S. 178  ; vgl. Strachan 1991, S. 15. Ein Beispiel ist auch die obskure These, dass Frankreich vor 1522 keinerlei Beitrag zur europäischen Expansion geleistet habe, weil es keine Seefahrernation sei  : Allen 1992, S. 513.   8 Beispielsweise in  : Fornerod 2007, S.  103–125  ; Trudel 1963a  ; Pickett/Pickett 2011  ; Quinn 1990a, S. 127–150.   9 Vgl. den Umgang mit »Kriegsniederlagen« bei  : Clauss 2010 und die Beiträge in Brakensiek 2015. 10 Beispielsweise  : Allaire 2013, S. 146f. Allaire versucht durch eine Neudefinition der Ziele des fran-

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Einleitung

Die geringe Zahl der in der Forschung näher betrachteten gescheiterten kolonialen Projekte resultiert auch aus einer widersprüchlichen oder fehlenden Definition dessen, was überhaupt als Versuch zur Gründung einer Kolonie gelten soll. In vielen Werken fehlen Aussagen darüber, anhand welcher Kriterien die Autoren Projekte in ihre Darstellung aufnahmen oder davon ausschlossen. Möglich ist beispielsweise, dass sie sich an der gewachsenen Tradition eines Kanons von als wichtig geltenden Unternehmungen orientierten oder eine bestimmte Zahl von Mitwirkenden oder die Anwesenheit von Frauen und Kindern voraussetzten.11 Andere Autoren wählen hingegen aufgrund ihrer spezifischen Fragestellungen bestimmte Samples aus, wie Projekte einer bestimmten europäischen Monarchie oder solche, die in einer spezifischen Region Amerikas unternommen wurden. Derartige Einschränkungen mögen bei bestimmten Fragestellungen durchaus zielführend sein, können aber keine Gültigkeit beanspruchen, wenn koloniales Scheitern in breiter Perspektive untersucht werden soll. Aus diesem Grund wird auch hier eine weite Definition gewählt und jeder Plan zur Etablierung einer transatlantischen Präsenz einbezogen, die unter dem Schutz eines europäischen Monarchen stehen und ohne zeitliche Begrenzung angelegt sein sollte. Dadurch können Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Darstellung der Geschichte erfolgloser militärischer Außenposten mit einigen Dutzend Mann Besatzung und der von Siedlerkolonien mit mehreren hundert Kolonisten herausgearbeitet werden. Alle diese Unternehmungen waren offiziell an eine bestimmte europäische Monarchie gebunden, deren Souverän dadurch seinen Einflussbereich dauerhaft expandieren wollte, so dass sie gleichermaßen als »koloniales Projekt« bezeichnet werden können. Dieser Sammelbegriff kann kontextspezifisch um zeitgenössische Bezeichnungen wie habitation, settlement, building, bâtiment, plântation, installation oder colonie ergänzt werden, die oftmals parallel gebraucht wurden.12

zösischen Siedlungsvorhabens in Kanada 1541 eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Dabei ersetzt er aber lediglich eine alte kategorische Interpretation von Scheitern, die sich auf eine Quellentradition stützen kann, durch eine neue, die angesichts einer weitgehend unveränderten Quellenlage auf der Intuition des Autors beruhen muss. 11 Philip Boucher beispielsweise unterscheidet eine »true colonization« (mit Familien) und sieht alles andere als militärische Projekte  : Boucher 1989  ; Pickett und Pickett nehmen hingegen eine gewisse, aber nicht klar definierte Mindestteilnehmerzahl an, Pickett/Pickett 2011. Zur Übersicht über die Forschungsdiskussion zur Frage, welches Projekt anhand welcher Kriterien als erste englische Kolonie gelten soll  : Cave 1995, S. 628. Auf das zeitgenössische Kriterium der Anwesenheit von Frauen und Familien, um eine Kolonie dauerhaft zu machen, verweist schließlich Fuller 2008, S. 150f. Sie folgt damit der schon bei Hancock 1989 zitierten Aussage des Kapitäns Francis Wheler »soe long as there comes no women they are not fixed« von 1684, ebd. S. 13. Diese Sichtweise ist allerdings, wie Fuller erläutert, nicht von vornherein prägend, sondern setzt sich im 17. Jahrhundert zunehmend durch. Die Definition Bouchers und anderer hat somit nur eine bedingte zeitgenössische Basis. 12 Tendenziell setzte sich im Englischen und Französischen erst um 1600 der Terminus Colony durch, den

Gegenstand, Eingrenzungen, Fragestellung

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Angesichts der breiten Definition des Untersuchungsgegenstandes »koloniale Projekte« sind zur Präzisierung der Untersuchung drei Abgrenzungen notwendig  : Zum einen werden Seereisen ohne koloniale Zielsetzung, unabhängig davon, ob sie zum Zweck des Handels, der Fischerei, der Piraterie oder der Erkundung bisher unbekannter Küsten unternommen wurden, nicht einbezogen. Grund hierfür ist, dass schon im zeitgenössischen Verständnis eine auf Dauerhaftigkeit angelegte Präsenz mit besonderer Bedeutung aufgeladen war, wie sich in der notwendigen, expliziten Erlaubnis eines Souveräns dafür in Form einer Charter, Letters Patent oder eines Asiento zeigt. Dies galt auch für die Außenwahrnehmung, denn ein dauerhafter, wirklicher Besitz machte einen exklusiven Besitzanspruch der jeweiligen Monarchie auf die betreffende, transatlantische Region manifest und provozierte starke Reaktionen anderer Herrscher. Weiterhin brachten bis etwa 1615 aufgrund der hohen Kosten für Errichtung und Versorgung nur koloniale Projekte eine breite Werbeliteratur hervor. In dieser Literatur fanden dann die im Vergleich zu reinen Seereisen intensiveren und langfristigeren interkulturellen Kontakte literarischen Niederschlag. Schließlich boten koloniale Projekte andere Anlässe als Seereisen, um über die Zuschreibung »Scheitern« zu diskutieren. Da der Zweck einer Expedition zu See immer auch in der Heimfahrt der Beteiligten lag, stellte die Rückkehr bereits einen Teilerfolg dar  ; bei kolonialen Projekten hingegen war der dauerhafte Verbleib jenseits des Meeres das Ziel, so dass die Rückkehr als Misserfolg gedeutet werden konnte.13 Die zweite Einschränkung betrifft die Auswahl der Monarchien, deren Herrscher als Auftraggeber oder offizielle Schutzherren der kolonialen Projekte auftraten. Wie eingangs skizziert, unterschieden sich die Erfahrungen der Akteure aus Kastilien oder Portugal, die um 1540 bereits ein Kolonialreich errichtet hatten und in Afrika oder der Karibik über Strukturen zur Unterstützung neuer Projekte verfügten, von denen nachfolgender Europäer, deren Handeln außerdem von der Existenz und dem Vor- oder Feindbild der iberischen Reiche geprägt wurde. Die Herrscherinnen und Herrscher von England und Frankreich waren bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts nahezu die einzigen, die ihren Untertanen erlaubten, als Herausforderer oder Kooperationspartner in den iberischen Atlantik aufzubrechen. Diese Akteure und die in beiden Ländern über koloniale Projekte geführten Diskurse stehen daher im Fokus der Untersuchung. Eine essentielle Ergänzung stellt die Einbeziehung von Akteuren aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dar, dem im 16. Jahrhundert formell noch die Provinzen der späteren Seemacht der Republik der Vereinigten Niederlande angehörten. Akteure aus dem Alten Reich wirkim modernen Wortgebrauch zunächst Thomas More in seinem Werk Utopia für eine transmaritime Siedlung verwendet hatte, siehe Armitage 1998, S. 107–109. 13 Vgl. im Gegensatz Susanna Burghartz, die »Scheitern« als Argument in Quellen zur europäischen Expansion untersucht und darlegt, dass allgemein jede Rückkehr als Teilerfolg inszeniert werden kann. Burghartz 2005. Die Rückkehr von Kolonisten stellt insofern potentiell eine Ausnahme dar.

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Einleitung

ten als Finanziers, Söldner, Bergleute, Metallurgen oder Seeleute an Projekten aus den iberischen Monarchien oder anderen Ländern mit und unternahmen im Falle der Welser sogar eigene koloniale Vorhaben innerhalb des kastilischen Kolonialreiches. Noch wichtiger als diese physische oder finanzielle Partizipation ist die Bedeutung der Verleger, Drucker und ihres Buchmarktes im Alten Reich inklusive der niederländischen Provinzen.14 Sie waren in grenzübergreifende Netzwerke des Wissenstransfers eingebunden und hatten hohe Relevanz für die Rezeption der Entdeckungen und der kolonialen Projekte. Sie einzubeziehen bietet für die Studie ein erhebliches Potential, um über den Vergleich zweier Länder hinaus eine breitere europäische Perspektive einzunehmen. Insbesondere in diesem Zusammenhang markierten der Beginn des niederländischen Aufstandes 1568 und die folgenden Bündnisse der Nordprovinzen mit der Königin von England und französischen Hugenotten einen deutlichen Umbruch in Form einer starken antispanischen Prägung des grenzübergreifenden Diskurses über koloniale Expansion.15 Eigene Expeditionen aus den nördlichen niederländischen Provinzen, die im engeren Sinne koloniale Zielsetzungen verfolgten, werden in dieser Studie jedoch nicht berücksichtigt, da sie in Guyana und in Nordamerika erst um 1610 einsetzten und nicht auf eine mit ihren englischen und französischen Vorläufern vergleichbare jahrzehntelange Vorgeschichte von als »gescheitert« charakterisierten Projekten aufbauten.16 Dies leitet zur dritten und letzten Eingrenzung über – den Zeitrahmen der Untersuchung. Ihr Anfang ist durch die Formierung des iberischen Atlantiks als Hintergrund für die kolonialen Projekte aus England und Frankreich nach 1492 begründet, ihr Ende durch unterschiedliche, in ihrer Wirkung kumulative Entwicklungen zwischen den Jahren 1600 und 1615. In dieser Zeit erschienen als Ergebnis der bisherigen Auseinandersetzung mit kolonialer Expansion in England, Frankreich und dem Alten Reich die ersten Gesamtdarstellungen über das vergangene Jahrhundert transatlantischer Reisen und bildeten fortan Referenzpunkte für die weitere Rezeption  : Richard 14 Johnson 2009, S. 2f.; Wuttke 1991, S. 1–36. 15 Siehe hierzu den Überblick  : Edelmayer 2010. 16 Es ist aufgrund fehlender Quellen schwierig, die Etablierung der ersten Außenposten in Guyana genau zu datieren, zumal ihnen vor der Gründung der Westindischen Kompanie 1621 eine institutionelle Anbindung fehlte. Einen einflussreichen Versuch hierzu unternahm Goslinga 1971, S. 56–58, der unter Eingeständnis einer sehr dürftigen Quellenlage als Gründungsjahre für Forts 1595 und 1597 anführt. Dabei stützt er sich wesentlich auf ältere Literatur von 1840 und 1770, ebd. S. 530 Anm. 54. Kritisch gegen diese frühe Datierung äußert sich Lorimer 1989, S. 27. Die fehlenden Quellen könnten, so Goslinga 1971, S. 59, auf die Erklärung der Generalstaaten von 1603 zurückzuführen sein, zukünftig die spanische Anspruchszone zu respektieren, was beteiligte Akteure zur Geheimhaltung bewogen und auch dazu geführt habe, dass 1603 eine Bitte um die Erlaubnis kolonialer Projekte von den Generalstaaten abgelehnt wurde. Nach Abschluss des Waffenstillstandes 1609 nahmen hingegen Fahrten und Projekte zu und führten spätestens 1616 zu einer ersten dauerhaften Ansiedlung, wie sich aus Erwähnungen in den Dokumenten der Companie von 1621 nachzeichnen lässt, siehe Edmundson 1901, S. 663–666. Vgl. Goslinga 1971, S. 79–81, Lorimer 1989, S. 53 und Hyles 2014, S. 5 und 22.

Gegenstand, Eingrenzungen, Fragestellung

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Hakluyts umfangreiche Textsammlung Principal Navigations, Marc Lescarbots Histoire de Nouvelle France und Theodor de Brys früher begonnene, aber noch andauernde Reihe America boten als vorläufiger Höhepunkt der Rezeptionsgeschichte unterschiedliche Narrationen und Leitbilder für die Deutung der transatlantischen europäischen Expansion und die Rolle der einzelnen Monarchien darin.17 Der in ihnen greifbare Erfahrungshorizont erhielt außerdem um 1610 eine erhebliche Erweiterung, da England und Frankreich mit Jamestown und Québec nun erstmals über koloniale Außenposten verfügten, die mehrere Winter überstanden hatten und begannen, Profit zu erzielen. Nach den zahlreichen abgebrochenen Unternehmungen, die Hakluyt, Lescarbot und de Bry verarbeitet hatten, bedeutete dies neue Impulse für weitere koloniale Projekte und eine neue koloniale Literatur. Außerdem traten zu Beginn des 17. Jahrhunderts neue Akteure mit kolonialen Projekten in beiden Amerikas auf den Plan. Der amerikanische Doppelkontinent entwickelte sich zu einer multilateralen kolonialen Arena, als zu Beginn des 17. Jahrhunderts zunächst Kolonisten aus den Niederlanden und wenig später auch aus Schweden, Dänemark, Kurland und anderen Territorien dauerhafte Außenposten errichteten. Die Präsenz neuer Akteure brachte schließlich auch neue Konflikte mit sich und beendete die seit 1500 in den Amerikas und im Atlantik bestehende zentrale politische Unterscheidung zwischen den iberischen und anderen Mächten. Als der Engländer Samuel Argall im Jahr 1613 die französische Ansiedlung Saint-Sauveur angriff, zerstörte erstmals ein Vertreter einer nichtiberischen Macht eine nichtiberische transatlantische Kolonie. Auch wenn aus diesem Angriff keine Kontinuitätslinie zur bis 1763 andauernden anglo-französischen Rivalität in Nordamerika gezogen werden kann, markiert dies einen weiteren Wendepunkt, der in Kombination mit den anderen genannten Faktoren rechtfertigt, die Darstellung um 1615 enden zu lassen. Generelles Ziel der Untersuchung ist es nachzuweisen, welche Bedeutung die in der Historiographie als gescheitert charakterisierten und nachrangig behandelten kolonialen Projekte von Akteuren aus England und Frankreich für die europäische Expansion hatten. Dieses übergreifende Ziel ist in dreifacher Hinsicht zu konkretisieren  : Zum einen müssen der Umfang dieser Unternehmungen, ihre Ergebnisse und daraus resultierende Folgen für die europäische Politik und auch für die indigenen Kulturen Amerikas erfasst werden. Dabei gilt es insbesondere, die grenzübergreifenden Vernetzungen von europäischen Akteuren und ihren Projekten zu untersuchen. Dadurch lassen sich nicht nur die englische oder französische koloniale Expansion für sich, sondern ihre Verflechtung bei der Kooperation und Konfrontation mit dem iberischen Atlantik herausstellen. Zweitens soll gezeigt werden, wie Erfahrungen aus den kolonialen Projekten in England, Frankreich und in dem wichtigen Rezeptions- und Transferraum des Alten 17 Zu Inhalt und Kontext vgl. einführend allgemein  : Pagden 1995  ; zu Hakluyt  : Borge 2007  ; Parker 1965  ; Sacks 2007, S. 410–453. Zu Lescarbot  : Lestringant 1984, S. 69–88  ; Thierry 2001.

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Reiches verarbeitet wurden und den Wissenstand über die beiden Amerikas erweiterten. Dabei ist zu beachten, dass ebenso wie bei der praktischen Durchführung der Projekte Akteure aus England und Frankreich nicht getrennt erfasst werden, sondern dass der Vernetzung und dem Wissenstransfer besondere Aufmerksamkeit zukommt. Drittens liegt ein besonderes Augenmerk auf den in England, Frankreich und dem Alten Reich zirkulierenden Schriften über erfolglose koloniale Projekte, um zu untersuchen, welche Akteure aus welchen Gründen überhaupt von einem Scheitern sprachen oder alternative Deutungen vorbrachten. Dieser Fokus auf Rezeptionen und Diskussionen ermöglicht einerseits die zentrale, in der Historiographie selbstverständlich gebrauchte Beschreibungs- und Deutungskategorie Scheitern zu hinterfragen, und eröffnet andererseits Einblicke in zeitgenössische Deutungen und Sinnkonstruktionen, die in der Kommunikation über koloniale Expansion entstanden. Dies umfasst zum einen handlungsleitende Vorstellungen von den Räumen, die Ziel der Projekte waren oder auf dem Weg dorthin durchquert werden mussten. Es entstanden unterschiedliche zeitgenössische Vorstellungen davon, welche Gestalt und Bedeutung Amerika oder der Atlantik hätten  – man kann sagen mental maps  – auf deren Grundlage Akteure ihre weiteren Projekte planten. Zum anderen kann durch eine Fokussierung des zeitgenössischen Diskurses untersucht werden, inwiefern Akteure für europäische Monarchien eine koloniale Geschichte, für die Herrscher eine koloniale Vision und für deren Untertanen eine kollektive koloniale Identität imaginierten, noch bevor ein Land eigene Kolonien besaß.18 Mehr noch  – in England wie in Frankreich schufen Akteure in ihren Darstellungen kolonialer Projekte Identitätsangebote für »die Engländer« respektive »die Franzosen«. Dies konnte durch Imagination einer kolonialen Heilsgemeinschaft vor Gott, durch Ausgrenzung bestimmter Gruppen, durch Hervorhebung bestimmter Tugenden ebenso wie durch Abgrenzung von als fremdartig dargestellten Indigenen einerseits oder stereotyp als Feindbild inszenierten »Spaniern« andererseits geschehen. Hinzu kam, dass die Darstellung der kolonialen Projekte den Autoren eine Möglichkeit bot, vielfältige Räume nicht nur zu beschreiben, sondern vielmehr als koloniale Handlungsräume zu inszenieren. Durch die Analyse dieser Grundlagen für den Aufbau neuer Kolonialreiche im 17. Jahrhundert leistet die Studie schließlich einen weiterführenden Beitrag für die Forschung zur Geschichte der europäischen Expansion insgesamt.

18 Als Fragestellung aus literaturwissenschaftlicher Perspektive angewendet auf das Beispiel der französischen Brasilien- und Floridaprojekte von 1555–1565 siehe Wehrheim-Peuker 1998, hier S. 10–13. Die Autorin stellt sich explizit gegen den Ansatz, dass Misserfolg eine neutralere Berichterstattung hervorbringe als erfolgreiche Eroberungen. Für englische Texte mit ähnlichem Ansatz siehe Bach 2000  ; Borge 2002 und Ders. 2007 sowie Mahlke 2005, die stark eine genuin protestantische Argumentationsweise untersucht.

Vorgehensweise und methodische Verortung

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1.2 Vorgehensweise und methodische Verortung Aufgrund ihres Untersuchungsgegenstandes und Erkenntnisinteresses ist diese Studie Teil des Forschungsfeldes der Atlantic History.19 Diese Einschätzung lässt sich mit Hilfe einer von David Armitage erstellten Typologie präzisieren, der zufolge sie als ein cisatlantisches Forschungsprojekt angelegt ist.20 Das bedeutet, dass Orte und Akteure auf einer Seite des Atlantiks darauf hin betrachtet werden, welche historischen Entwicklungen sich durch die Vernetzung mit einer größeren atlantischen Welt ergeben. Armitage führt aus, dass in diesem Ansatz hohes Potential für vergleichende Analysen entweder zur europäischen oder amerikanischen oder afrikanischen Geschichte liegt. Auch die einfache Überwindung von zeitgenössischen oder historiographischen Grenzziehungen durch die gemeinsame Verknüpfung der Untersuchungsgegenstände, seien es Akteursgruppen, Städte oder Monarchien, mit der atlantischen Welt gehört zu seinen Vorzügen. Allerdings führt Armitage auch ein häufiges Defizit cisatlantischer Studien an  : die meist nur geringe Beachtung des Ozeans selbst. Diesem Mangel soll in der vorliegenden Studie durch einen Fokus auf dem zeitgenössischen Diskurs über den Atlantik entgegengewirkt werden. Dementsprechend werden die in England, Frankreich und dem Alten Reich in Texten über koloniale Expansion formulierten, diskutierten und auch grenzübergreifend rezipierten Vorstellungen von der Beschaffenheit und der möglichen Nutzung des Ozeans sowie die dort verorteten Risiken ausführlich thematisiert. Entsprechend der Einordnung als cisatlantisch legt diese Untersuchung ihren Fokus auf europäische Akteure, die koloniale Projekte planten, durchführten, dabei Erfahrungen sammelten und darüber kommunizierten. Somit ist sie in gewisser Hinsicht eurozentrisch angelegt. Dies ist zwar inhaltlich begründet und für das Untersuchungsziel nicht nachteilig, macht es aber unumgänglich in zweifacher Hinsicht besonderes Augenmerk auf unbeabsichtigte, verfälschende eurozentrische Verzerrungen der historischen Zusammenhänge zu legen.21 So gilt zum einen die Grundannahme, dass zwar die Initiative für die transatlantischen Kulturkontakte und kolonialen Projekte von Europa ausging, aber deren Verlauf und Ergebnis wesentlich von indigenen Akteuren geprägt wurden. Zum anderen erfordert der Umgang mit dem zeitgenössischen Eurozentrismus in den von Europäern verfassten Quellen besondere Sorgfalt bei der Quellenkritik, da keine vergleichbare indigene Parallelüberlieferung existiert, die als 19 Vgl. die Übersichten Bailyn 2005  ; Häberlein 2017. 20 Armitage 2002, S. 21–25. Zur Übersicht über die unterschiedlichen Konstruktionen eines atlantischen Raumes und seiner Rolle in der älteren Historiographie siehe Pietschmann 1998, S. 7–22. 21 Vgl. die Einleitungen von Wendt 2007  ; Blaut 1993. Zum Ansatz einer Historiographie nach dem Eurozentrismus siehe den Überblick Conrad/Randeria 2013, zum Eurozentrismus S.  12–17 und 35–38. Vgl. zum Problem vieler eurozentrismuskritischer Darstellungen, bei einer Umkehr der Perspektiven letztlich dennoch an zeitgenössischen, eurozentrischen Kategorisierungen der Peripherie orientiert zu sein  : Dirlik 2002, S. 247–284.

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Korrektiv genutzt werden könnte. Dieser Problematik kann nur dadurch begegnet werden, dass die Positionen unterschiedlicher zeitgenössischer Autoren kontrastiert und mittels der in den letzten drei Jahrzehnten stetig gewachsenen Fachliteratur zur Geschichte der indigenen Kulturen und postkolonialen Quellenkritik kontextualisiert werden. Als konkreten methodischen Ansatz für die Studie könnte ein Überblick über die bisherige Historiographie zur europäischen Expansion einen Vergleich nahelegen. Dieser bereits vielfach gegangene Weg passt allerdings nur eingeschränkt zum Ziel, die Vernetzungen der Akteure und Diskurse herauszustellen.22 Anstelle eines Vergleichs, der erfordern würde, Gegenstände wie »englische« oder »französische« Projekte zu trennen und erst anschließend nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen, nutzt diese Studie daher die Perspektiven der entangled history und histoire croisée.23 Beide Methoden verfolgen das Ziel, soweit möglich, die Verflechtungen zwischen verschiedenen Untersuchungsgegenständen und deren Folgen in den Fokus zu nehmen. Allerdings legt die entangled history tendenziell stärker den Blick auf die langfristigen Konsequenzen der Verflechtungen und ihre Entwicklung, während die histoire croisée die Momente und Praktiken der Verflechtung und ihre Wirkung auf die Konstruktion oder Entwicklung der untersuchten Gegenstände genauer betrachtet. Dies schließt im Falle der histoire croisée ein, die verwendeten Kategorien und idealerweise die intellektuelle Standortgebundenheit des Forschenden selbst als Resultat von Verflechtungsprozessen zu hinterfragen.24 Bezüglich der verwendeten Kategorien bedeutet dieser Ansatz, dass Akteure aus England, Frankreich sowie dem Alten Reich und die von ihnen unternommenen kolonialen Projekte nicht auf der Gliederungsebene unterschieden, sondern dem histo22 Eine Kritik am Vergleich anhand nationaler Kategorien formulierte Luca 2004, S. 31–37. Luca hebt hervor, dass dabei Chronologie und Zusammenhänge verschleiert werden, während Befunde von Differenz bereits methodisch angelegt seien und nicht geprüft werden. 23 Vgl. zum Ansatz der Histoire Croisée  : Werner/Zimmermann 2002. Die Autoren präsentierten später eine Überarbeitung ihrer Methodik unter dem Titel Beyond Comparison  : »Histoire Croisée« and the Challenge of Reflexivity, Dies. 2006. Vgl. zur entangled history  : Epple/Lindner 2011. Mit einem für diesen Ansatz typischen Schwerpunkt auf Auswirkungen verflochtener Geschichten der Kolonialisierung bis zur Dekolonisierung Conrad/Randeria 2013, S. 17–22  ; mit einer Abgrenzung des Ansatzes von einem komparativen Vorgehen  : Gould 2007, S. 764–786, methodisch insbesondere S. 766f. mit zahlreichen Literaturverweisen. Zur Abgrenzung von komparativer Geschichte, mit einem Fokus auf transatlantischen Phänomenen, wie der Entstehung von Identitäten und einem ungewöhnlich frühen Untersuchungszeitraum um 1600 vgl. auch Cañizares-Esguerra 2007. Für diese Arbeit bedeutsam ist auch das Ziel, die Auswirkungen der Verflechtungen im Zentrum besonders in den Blick zu nehmen, was allerdings Widerspruch klassischer entangled Historiker aufgrund einer vermuteten, postkolonialen Intention hervorrief, vgl. Gould 2007a, S. 1415–1422. 24 Vgl. Werner/Zimmerman 2002, S.  623f. Hierfür dienen insbesondere Forschungsbericht und der Anmerkungsapparat. Generell gilt, dass ein Bewusstsein für die eigene Standortgebundenheit bereits seit Langem in der Geschichtswissenschaft etabliert ist, vgl. Koselleck 1989, S. 176–207.

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rischen Kontext der kolonialen Projekte entsprechend entweder getrennt oder miteinander verwoben behandelt werden. Wenn möglich werden die genaue Form der Vernetzung und ihre Folgen für die weitere europäische Expansion herausgestellt. Das bezieht sich sowohl auf pragmatische Kooperationen als auch auf Wissenstransfer. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass fallspezifisch Gemeinsamkeiten, Unterschiede oder Verflechtungen analysiert werden können, ohne dass sich diese Aspekte auf ahistorisch getrennte Untersuchungsabschnitte verteilen. So können auch Veränderungen und Entwicklungen besser herausgearbeitet werden. Den Anregungen der postkolonialen Forschung entsprechend werden bei diesen Verflechtungen auch die Einflüsse der Peripherien auf das Zentrum einbezogen, so dass die frühe transatlantische Vernetzung als multilateraler Prozess erfasst wird, in dem Kategorien wie Zentrum und Peripherie wiederum erst konstituiert und vorgedacht werden.25 Dies entspricht dem Ziel der Studie, trotz eines auf Europa konzentrierten Untersuchungsziels soweit wie möglich die Handlungen der amerikanischen Indigenen und auch derjenigen Akteure einzubeziehen, die eine hybride Lebensweise zwischen europäischen und amerikanischen Kulturen angenommen haben. Über die Unterscheidung streng getrennter Vergleichsgegenstände einer »englischen« und »französischen« Expansion hinauszugehen, erlaubt auch, dem zusammengesetzten Charakter beider Herrschaftsverbände Rechnung zu tragen. Weder England noch Frankreich waren bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts zentral gelenkte Staaten im modernen Sinne, sondern composite monarchies.26 Entsprechend waren koloniale Projekte nicht allein obrigkeitlich initiiert und gelenkt, sondern wurden von Akteursgruppen aus unterschiedlichen Städten und Provinzen getragen. Diese konnten innerhalb derselben Monarchie unterschiedliche und sogar widersprüchliche Ziele verfolgen und in eigenen Verflechtungen mit anderen, auch auswärtigen Akteuren stehen. Eine kategorische Analyse als »englisches« oder »französisches« Projekt würde den Blick auf diese Zusammenhänge verstellen. Dementsprechend wäre auch eine eigene Analysekategorie für »deutsche« Kolonialprojekte nicht zielführend. Dies gilt umso mehr, weil die transatlantischen Aktivitäten oberdeutscher Handelshäuser wesentlich von der Vernetzung mit Akteuren und Institutionen in Kastilien geprägt waren. Allerdings ist unstreitig, dass die Zuordnung von Akteuren und ihren Projekten zu einem Herrschaftsverband bereits im 16. Jahrhundert ein zentrales Kriterium für die Bestimmung von Fremdheit oder Vertrautheit darstellt. Gerade bei kolonialen Projekten war der offizielle Schutz eines Herrschers von entscheidender Bedeutung. Hiervon hingen die Anerkennung der Legitimität des Vorhabens durch andere und die Behandlung als feindlich oder verbündet ab. Die Loyalitätsbeziehung und der Status als 25 Eine multilaterale Perspektive ist in der Historiographie schon länger erprobt, um die Geschichte Europas und kolonialisierter Regionen nicht nur als hierarchisierte Geschichte von Beeinflussenden und Beeinflussten zu erzählen. Siehe die Übersicht  : Subrahmanyam 1999, S. 289–316. 26 Für composite monarchies siehe Elliott 1992.

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Untertan eines bestimmten Souveräns war jedoch nur eine von mehreren Kategorien, anhand derer sich Identität konstruieren ließ. Es konnten auch ein gemeinsamer regionaler Hintergrund, die Konfession, der soziale Status oder Feindbilder als Fundament für die Konstruktion von Zusammengehörigkeit dienen. Die Zeitgenossen waren im Stande, vor allem bei Begegnungen in außereuropäischen Räumen, diesen Kriterien situationsbezogen stärkere oder schwächere Bedeutung zuzuschreiben. Das bedeutet für die Untersuchung, dass die schon in den Quellen genutzten Bezeichnungen »englisch« und »französisch« nicht undifferenziert als Sammelbezeichnungen für eine unstreitige, eindeutige Identität gebraucht werden. Stattdessen bezeichnen sie primär ein auch für die Zeitgenossen wichtiges, rechtliches Untertanenverhältnis, das kontextabhängig um andere Kategorien zur Bestimmung von Fremdheit oder Zusammengehörigkeit erweitert wird. Ausgehend von dieser Problematisierung können dann, dem Ansatz der histoire croisée und dem Erkenntnisinteresse entsprechend, die zeitgenössische Verwendung und Genese dieser scheinbar eindeutigen Kategorien genauer betrachtet werden. Das bedeutet zu untersuchen, inwiefern die protonationalen Kategorien »englisch«, »französisch«, »spanisch« oder »deutsch« in dem Diskurs über europäische Expansion definiert oder mit neuen Bedeutungen aufgeladen wurden und wie diese Vorstellungen Handlungen oder Berichte der Zeitgenossen prägten. Bereits im einführenden Kapitel 2 der Studie ist das Ziel grundlegend, eine neue, verflechtungsorientierte Perspektive auf bisher übliche Kategorien zu eröffnen. Hier wird die Entstehung des iberischen Atlantiks als Rahmen und Hintergrund für das Handeln der Akteure anhand des Forschungsstandes vorgestellt.27 Dies geschieht unter der Prämisse, dass es sich auch dabei bereits um einen verflochtenen Prozess handelte, der von der Kooperation und Konfrontation mit Akteuren aus unterschiedlichen europäischen Monarchien geprägt war. Dabei spielen Quellen zu Erfahrungen, die als Scheitern interpretiert werden können, eine besondere Rolle, da sie potentiell einen Erfahrungshorizont für spätere koloniale Projekte bilden konnten. An dieses Kapitel schließt sich der Hauptteil der Untersuchung an. In Kapitel  3 werden, weitgehend chronologisch, die zwischen 1540 und 1615 unternommenen nichtiberischen kolonialen Projekte sowie die über sie veröffentlichten Schriften mit ihren Entstehungskontexten und Bezügen beschrieben. Somit wird auch die Quellengrundlage zu jedem kolonialen Projekt unmittelbar im Kontext ihrer Entstehung detailliert vorgestellt. Ziel ist es, die bisher zum Teil nur der Spezialforschung bekannten Projekte, Akteure und Quellen sowie deren länderübergreifende Verbindungen zu einer Synthese zusammenzuführen. Auf diese Weise können der aktuelle Wissensstand sowie die Entstehung weitgehend unumstrittener aber auch offensichtlich widersprüchlicher historiographischer Deutungen thematisiert werden. 27 Zum iberischen Atlantik siehe Reinhard 2008, S. 60  ; Elliott 2007  ; Benjamin 2013, S. 214–226. Inzwischen ist der Terminus um andere Begriffe ergänzt  : Black Atlantic, Red Atlantic, Jewish Atlantic, French Atlantic oder English Atlantic, siehe exemplarisch das Inhaltsverzeichnis von  : Reinhard 2017.

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Auch der zweite Hauptteil, Kapitel 4, der sich der Rezeption der Projekte widmet, ist nicht nach getrennten Vergleichsgegenständen, wie beispielsweise »englischen« oder »französischen« Akteuren und Werken gegliedert, sondern zielt auf vergleichend erarbeitete Analyseaspekte. Dabei handelt es sich um unterschiedliche zeitgenössische Deutungen und Interpretationen der in Kapitel 3 beschriebenen Projekte, die parallel, ergänzend oder widersprüchlich als Teil eines umfassenden Diskurses über koloniale Expansion vorgebracht wurden. Als Diskurs wird die Summe der in Quellen fassbaren Interaktionen zwischen Autoren und ihren jeweiligen Texten zum Themenfeld kolonialer Projekte verstanden. Dies kann publizierte und unpublizierte literarische Texte ebenso umfassen wie pragmatisches Gebrauchsschriftgut oder auch Karten oder Bilder.28 Für die Untersuchung des in diesen Quellen fassbaren Diskurses lassen sich aus der historischen, soziologischen und linguistischen Diskursanalyse Leitfragen und zu berücksichtigende Aspekte ableiten.29 Dies umfasst zunächst die Notwendigkeit, die Gesetzmäßigkeiten der Interaktion zu erfassen und zu berücksichtigen, welche Medien oder Praktiken der Kommunikation die historischen Akteure nutzten und welche Machtstrukturen und Hierarchisierungen der Akteure, Autoren und Texte sich darin erkennen lassen. Gab es Bedingungen für eine Partizipation am Diskurs und Grenzen des darin Sagbaren, wie wurde bestimmt, welche Medien oder Wissensbestände als relevant galten, und lassen sich bestimmte Muster oder Topoi erkennen  ?30 Dies führt zu der zentralen Frage, wie die am Diskurs Beteiligten Vorstellungen – sei es von der sogenannten Neuen Welt, deren Natur, deren Bewohnern oder von guten und schlechten Kolonisten – erschufen und was diese teilweise widersprüchlichen Konstruktionen für die Zeitgenossen wahr oder falsch, handlungsleitend oder unbedeutend machte. Mit diesem Schwerpunkt greift die Studie über den Untersuchungshorizont der zahlreichen geschichtswissenschaftlichen Darstellungen des Themas hinaus, in denen eine Neuerzählung der Ereignisse vor Ort und eine Einschätzung ihrer historischen 28 Für diese breite Quellengrundlage plädiert Wehrheim-Peuker 1998, S.  9f. und kritisiert damit Hulme 1992, S. 2f. Zu beachten ist, dass zwar auch Praktiken wie eine Besitzergreifungszeremonie in diese Analyse einbezogen werden – diese aber letztlich nur durch ihre Erwähnung in Texten fassbar sind. Die Einbeziehung von Praktiken greift den Diskursbegriff Foucaults aus der Archäologie des Wissens auf, der auch Institutionen, Praktiken und den außertextlichen Rahmen einbezieht  : Foucault 1969. 29 Vgl. Foucault 2003  ; Frings/Marx 2006, S.  91–114  ; Hofmann 2001, S.  18–35  ; Gardt 2007, S. 27–52. Zur Problematik eine diskursanalytische Methode für die Geschichtswissenschaft idealiter zu definieren und auf Einzelfälle anzuwenden  : Landwehr 2008, S. 100–131. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Anwendung auf das sorgfältig begrenzte Corpus einer Auswahl französischer Druckschriften zu den kolonialen Projekten 1555–1565 in Florida und Brasilien bieten Wehrheim-Peuker 1998 und Mahlke 2005, letztere auch zu Kanada. 30 Vgl. hierzu und zum Topos-Begriff in der Diskursanalyse, speziell Diskurslinguistik  : Wengeler 2007, S. 165–186. Zur Analyse spezifischer Topoi im kolonialen Bezug  : Borge 2007  ; Daher 2002  ; Fitzmaurice 2004  ; Householder 2003  ; Goodmann 1998  ; Sell 2006.

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Zusammenhänge im Zentrum stehen, und macht die Ergebnisse der historisch arbeitenden Literaturwissenschaft für sich nutzbar. Wie vor allem die Arbeiten englischer und französischer Wissenschaftler zeigen, bewegen viele Untersuchungen sich hier ohnehin in einem Grenzbereich zwischen den Disziplinen.31 Ihre auf die Rezeption der Expansion, genauer auf Argumentationsmuster, rhetorische und stilistische Grundlagen sowie intertextuelle Bezüge fokussierten Werke stellen wichtige Referenzen für dieses Kapitel dar. Die konkrete Analyse der zeitgenössischen Darstellungen und Deutungen erfolgt in zwei Schritten  : Zuerst werden Räume thematisiert, in denen Akteure die Ursachen für einen als positiv oder negativ gedeuteten Ausgang der Projekte verorteten. In Form einer vierteiligen Synthese zu »Ursprungsland«, »Atlantik«, »Neue Welt« und »Kolonie« wird herausgearbeitet, welche Ursachen insgesamt genannt werden, wie häufig Akteure aus welchen Gründen in welchem der genannten Räume angeblich gescheitert sind und ob sich in der Darstellung Muster erkennen lassen. Diese Einteilung erlaubt es, die zeitgenössischen mental maps, also Vorstellungen über die jeweiligen Räume, zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Die Untersuchung von kognitiven Landkarten oder mental maps ist ein ursprünglich in der Geographie entwickeltes Konzept zum Verständnis individueller Raumwahrnehmungen, dass durch die Übernahme in Soziologie und Geschichtswissenschaft erhebliche Erweiterung erfahren hat.32 In der Geschichtswissenschaft bezeichnet es individuelle oder kollektive Vorstellungen von Räumen, die in Quellen fassbar oder aus den Handlungen historischer Akteure ableitbar sind. Sie können auf realen Gegebenheiten basieren – wie die Existenz des Atlantischen Ozeans – aber auch eigene handlungsleitende Realitäten erschaffen wie im Falle des Glaubens an eine eisfreie Nordwestpassage. Sie umfassen jedoch nicht nur geographische Vorstellungen, sondern auch Wertungen, Bedeutungszuschreibungen und daraus abgeleitete Pläne historischer Akteure über und für bestimmte Räume.33 Diese kognitiven Karten entstehen nicht spontan, sondern sind von einem diskursiven Kontext abhängig und können zeitgenössisch variieren oder sogar in Konflikt miteinander stehen, so dass

31 Insbesondere  : Fuller 2008  ; Lestringant 2004  ; Wehrheim-Peuker 1998  ; Neuber 1991  ; Mahlke 2005. 32 Vgl. zu diesem Forschungsgegenstand  : Langenohl 2005, S. 51–69  ; Bassin 2002, S. 378–401, darin grundlegende Literaturverweise FN 3, S.  380  ; Schenk 2002, S.  493–524  ; Dipper/Raphael 2011, S. 27–41, hier S. 36–39  ; Rau 2013, S. 180–182. Ausführlich für die Anwendung in der Forschung zum späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit  : Jahn 1993, S. 11–21, siehe für die Raumvorstellungen in Pilgerberichten, S. 22–143. 33 Exemplarisch für unterschiedliche Deutungen Sibiriens in Russland, Bassin 2002  ; vgl. übergreifend  : Schenk 2002, S. 494f. mit exemplarischen Ausführungen zum Raum »Balkan« und »Osteuropa« sowie Vorstellungen eines »Nord-«, »West-«, »Süd-« oder »Mitteleuropas« S. 499–505 mit dem Fazit, dass alle diese Großraumvokabeln Ausdruck komplexer, historisch wandelbarer Vorstellungen sind.

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sie zur Konstruktion von Identitäten und Alteritäten beitragen.34 Da sie nicht statisch sind, können sie auf neue Erfahrungen und neues Wissen über Räume reagieren, also angepasst, revidiert oder bestätigt werden. Letzteres verweist schließlich darauf, dass mental maps eine zeitliche Dimension haben, die sowohl die jeweilige Gegenwart historischer Akteure als auch deren Zukunft umfassen kann.35 Für die Analyse der Räume »Ursprungsland«, »Atlantik«, »Neue Welt« und »Kolonie« liegt daher auf zwei Aspekten besondere Aufmerksamkeit  : einerseits auf Brüchen zwischen Vorstellungen und physikalisch-naturräumlichen Gegebenheiten, andererseits auf widersprüchlichen Raumvorstellungen unterschiedlicher Akteure.36 So thematisiert der Abschnitt »Kolonialmacht« die Konstruktion des eigenen Landes als eine kolonialisierende Gemeinschaft, deren Herrscher nach Vorstellung vieler Akteure eine Expansionspolitik zum Wohle dieses Landes aktiv fördern und gestalten sollte. Dies umfasst unter anderem die Frage, welche Ressourcen das eigene Land für eine Expansion hat und welche Bedürfnisse dadurch gedeckt werden könnten. Außerdem werden hier Faktoren benannt, die in Europa einer erfolgreichen Expansion im Wege stünden, und dargelegt, welche Mittel mobilisiert werden müssten, um aus dem eigenen Land eine Kolonialmacht zu machen. Zweitens wird der bei cisatlantischen Studien häufig zu geringen Beachtung des Ozeans in dieser Studie dadurch entgegengewirkt, dass ein eigener Abschnitt die mentale Konstruktion des »Atlantiks« thematisiert.37 Der Ozean konnte beispielsweise als bloßes Hindernis, Ort göttlicher Prüfungen, iberische Anspruchszone oder mare liberum und letztlich auch als Raum gezeichnet werden, in dem sich auch ohne Gründung von Kolonien Profit erzielen lässt und der damit eine Alternative zur territorialen Expansion darstellt. Drittens ist schon lange bekannt, dass die in Europa zirkulierenden Schilderungen der beiden Amerikas keine getreue Abbildung einer von Reisenden gesehenen Realität sind, sondern eine eurozentrische Verarbeitung derselben vor dem Hintergrund der Erwartungen und kulturellen Prägung der Autoren.38 Somit wurde schon in den 1960er Jahren ein Forschungsinteresse formuliert, das geradezu perfekt mit den Zielen diskursanalytischer Arbeit korreliert. Hier gilt der Blick Vorstellungen und Darstellungen von der »Neuen Welt« als kolonialem Handlungsraum, dem Widerspruch zwischen erwarteten und tatsächlich vorgefundenen Ressourcen und klimatischen Bedin34 Rau 2013, S. 181  ; Jahn 1993, S. 17. 35 Bassin 2002, S. 391. 36 Dabei muss insbesondere darauf geachtet werden, dass »elitäre« gegenüber »nichtelitären« Raumvorstellungen in der Historiographie tendenziell bevorzugt Beachtung gefunden haben, Langenohl 2005, S. 59. 37 Armitage 2002, S. 11–27 und Bolster 2008. 38 Bahnbrechend hierfür  : O’Gorman 1961 mit dem Titel  : The Invention of America. Genauer formuliert wurde er bei Hulme 1992, S. 2f.; vgl. Borge 2007, S. 139–142 und Ders. 2002, S. 151f.; Allen 1997, S. 5.

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gungen sowie der Rolle, welche der indigenen Bevölkerung für den Ausgang kolonialer Projekte zugeschrieben wird.39 Viertens rückt die »Kolonie« selbst als konstruierter Raum in den Fokus. Dies umfasst die Frage, was eigentlich der Zweck einer Kolonie sein sollte und, davon abgeleitet, wie sie personell zusammengesetzt und materiell ausgestattet sein müsste. Zwei zeitgenössisch sehr häufig angesprochene Themen sind hierbei der Zusammenhalt der Akteure vor Ort, die als eine koloniale Schicksalsgemeinschaft imaginiert wurden, und interne Konflikte, welche diese Gemeinschaft bedrohten. Hierzu gehörte auch die argumentative Ausgrenzung angeblich ungeeigneter Individuen oder Gruppen. So konnten Zeitgenossen, noch bevor es dauerhafte Kolonien gab, über die Frage diskutieren, welche Charaktereigenschaften erfolgreiche Kolonisten auszeichnen und welche eine Gefahr für koloniale Projekte darstellen. Ein letzter häufig angesprochener Punkt sind Chancen und Risiken einer Hybridisierung von europäischer und indigener Lebensweise in der Kolonie und damit die Frage, wie europäisch die Kolonie jenseits des Ozeans sein kann und soll.40 Nach den vier Abschnitten zu Räumen des Scheiterns behandelt der zweite Teil des Analysekapitels vier typische Argumentations- und Deutungsformen, welche die Berichte über koloniale Projekte mit zeitgenössisch etablierten, übergreifenden Narrativen verknüpfen. Dabei handelt es sich um Transzendierung, Heroisierung, Schuldzuweisungen sowie Wissenserwerb als Argument. Für die übergreifende Fragestellung ist hiervon die explizite Thematisierung von Wissenserwerb in den Quellen besonders bedeutsam, da daran die Entstehung von noch heute verbreiteten »Lernen-ausScheitern«-Narrativen nachvollzogen werden kann. Im Kontrast dazu rundet eine Synthese zu den im dritten Kapitel beobachteten Lücken der Überlieferung – unabhängig davon sie intentional oder zufällig entstanden sind – die Analyse ab. Die Auswahl der vier Deutungskategorien baut zum einen induktiv auf der Analyse der Quellen auf und geht aus einer Systematisierung der bei der Recherche gemachten Beobachtungen hervor, zum anderen ist sie durch die in der Frühen Neuzeit verbreitete, aus der antiken Rhetorik stammende Argumentationsform der Apologia abgeleitet, die dem Ziel diente, Schuld von sich zu weisen.41 Da diese Argumentation den klassisch gebildeten Akteuren der Zeit bekannt war, ist es plausibel, dass sie die zeitgenössische Kommunikation angesichts eines Spannungsverhältnisses von Erwartung und Ergebnis beeinflussen konnte. Diese Vermutung wird noch wahrscheinlicher, wenn man 39 Hierzu existiert eine breite Forschung, pointiert zur Übersicht siehe Borge 2007, S. 139–142. 40 Dies betrifft den Umgang mit der Entstehung eines Middle Ground, der gegen die klare Trennung von kolonialem und außerkolonialem Raum spricht. Siehe grundlegend  : White 2011. Auch wenn White einen späteren Zeitraum betrachtet, merkt Armitage an, dass die Bildung eines Middle Ground ein gemeinsames, circumatlantisches Phänomen der neueren Geschichte sei  : Armitage 2002. 41 Siehe zur Apologia/Apologetia im Kontext kolonialer Projekte  : Moran 2007, S.  66–73. Dies ist zu unterscheiden von der Apologetik als theologischer Disziplin.

Vorgehensweise und methodische Verortung

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bedenkt, dass Vorwurf und Rechtfertigung zwar beileibe nicht der einzige, aber ein häufig vorkommender Kommunikationszusammenhang der untersuchten Quellen ist. Als klassische Bestandteile einer Apologia/Apologetia schildert Michael Moran Denial, Bolstering, Differentiation und Transcendence.42 Diese Einteilung passt zu den aus den Quellen abgeleiteten Kategorien insofern, dass Bolstering das Betonen von erreichten Vorzügen und positiven Ereignissen wie Wissenserwerb oder heroische Taten bedeutet und Transcendence die Deutung der Ergebnisse als göttlicher Wille, gegen den der Beklagte machtlos sei. Die Strategien der Differentiation, also das Eingestehen von lediglich geringeren Verfehlungen, und des Denial, also das Abstreiten der bewussten Beteiligung, finden sich zwar auch in den Quellen, sie sind aber anderen Deutungsmustern nachgeordnet und bieten, wie zu zeigen ist, vergleichsweise weniger Anknüpfungspunkte zum Verständnis der Entstehung kolonialer Narrative. Anders ist dies bei der in den Quellen prominenten Schuldzuweisung an andere Akteure, die Moran im Kontext der Apologetia nicht thematisiert. Sie als eigene Kategorie zu ergänzen, ist von zentraler Bedeutung, da die Imagination einer kolonialen Gemeinschaft und Ausgrenzung von Schuldigen am Misserfolg weitreichende Folgen für die Entstehung kolonialer Narrative haben. Dies umfasst die Entstehung von protonationalen europäischen Feindbildern ebenso wie von stereotypen Charakterisierungen der indigenen Bevölkerung der Amerikas und damit verbundene Rollenzuschreibungen – also zwei essentielle Bausteine für die Konstruktion kolonialer Identitäten. Insgesamt stehen in allen Abschnitten zu den Deutungsformen vier gemeinsame Fragen im Fokus  : erstens, inwiefern die Autoren die kolonialen Ereignisse mit zentralen Themenfeldern ihrer Zeit verknüpfen, beispielsweise mit außenpolitischen oder konfessionellen Konflikten in Europa  ; zweitens, ob in den Quellen von einem Scheitern oder Misserfolg gesprochen wird oder inwiefern der Ausgang umgedeutet oder relativiert wird  ; drittens, inwiefern die unterschiedlichen Deutungsmuster die in Überblickswerken postulierten Lerneffekte im Sinne eines »Lernens-aus-Scheitern« ermöglichen, befördern oder verhindern  ; viertens schließlich, in welchem Maße die Deutungskategorien zur Bildung kolonialer Narrative und kolonialer Identitäten schon vor der realen Existenz von Kolonien beitrugen.43

42 Ebd. S. 67–69. 43 Postuliert und nachgewiesen hat die Existenz kolonialer Literatur vor der Gründung erster Kolonien im Frankreich des 16. Jahrhunderts bereits Wehrheim-Peuker, die sich damit in ihrer Analyse der französischen Floridaberichte der 1560er Jahre gegen die These stellte, Situationen des Scheiterns würden zu antikolonialen und gewissermaßen authentischeren Texten führen. Wehrheim-Peuker 1998, S. 10–12 und 35f.

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1.3 Tendenzen der Historiographie Zum Thema der frühen europäischen Expansion und genauer zu den kolonialen Projekten, die Akteure aus England, Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich bis 1615 unternahmen, ist seit der Entstehung einer professionellen Geschichtswissenschaft im 19.  Jahrhundert eine kaum mehr überschaubare Zahl von Publikationen entstanden. Forscherinnen und Forscher aus England, Frankreich, den USA, Kanada und Deutschland sowie auch den Niederlanden, Italien, Spanien und Portugal haben dazu relevante Vorarbeiten erbracht. Allein ein Überblick über ihre Werke, der chronologisch oder nach Fragestellungen, Forschungsgegenständen oder nationalen Forschungstraditionen sortiert ist und der Wechselwirkungen und Entwicklungen berücksichtigt, würde bereits mehr als eine eigene Publikation rechtfertigen. Daher ist dieses Kapitel nicht als eine  – in ihrer Kürze ohnehin zum Scheitern verurteilte – Präsentation der in der folgenden Untersuchung verwendeten Literatur angelegt, sondern als eine Skizze allgemeiner Tendenzen, die sich in der Summe der Forschungsarbeiten erkennen lassen. Die für jeden spezifischen Themenkomplex zentralen Forschungsarbeiten sowie die Quellenbestände werden stattdessen im weiteren Verlauf der Darstellung jeweils projektbezogen in den Anmerkungen näher vorgestellt. Dies umfasst in Kapitel 2 und 3 überwiegend Studien zur Ereignisgeschichte kolonialer Projekte und zu den zeitgenössischen Autoren und ihren Werken. Forschungsarbeiten, die dem in diesen Werken und anderen Quellen fassbaren historischen Diskurs gewidmet sind, werden hingegen zu Beginn von Kapitel 4 in einem eigenen Überblick vorgestellt. Funktion dieser einleitenden Skizze ist es, den Blick für übergreifende Zusammenhänge der in den folgenden Kapiteln verwendeten Werke zu schärfen und so das Fundament dieser Studie zu umreißen. Hierfür bietet sich methodisch an, aus der Forschung einen Idealtypus zu konstruieren. Dafür werden die bei der Betrachtung der Einzelfälle mehrfach aufscheinenden Eigenschaften summarisch zu einem Gesamtbild verdichtet. Dieses idealtypische Bild hat zwar den Nachteil, keinem Einzelfall wie der Forschungsgeschichte zu einem bestimmten kolonialen Projekt exakt zu entsprechen, bietet aber den Vorteil, in knapper Form allgemeine Tendenzen sichtbar zu machen, in denen alle einzelnen Werke verortet sind. Die übliche Ausgangsbasis der historischen Forschung zu kolonialen Projekten, unabhängig davon, ob einzelne Vorhaben oder Projektzusammenhänge untersucht werden, sind zeitgenössische Publikationen. Hierzu gehören Einzelwerke aus unmittelbaren Projektkontexten ebenso wie zeitgenössische Quellensammlungen, beispielsweise von Richard Hakluyt oder Samuel Purchas, die beide ältere Publikationen, aber auch Verwaltungsschriftgut, Briefe, Logbücher und anderes unpubliziertes Material zusammenführten.44 Hinzu kommen zuletzt noch frühe monographische Gesamtdarstellun44 Ramusio 1550  ; Hakluyt 1582  ; Hakluyt PN 1589  ; Hakluyt PN 1598–1600  ; Purchas 1613  ;

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gen, deren Autoren Informationen über mehrere koloniale Projekte zu einer Synthese verarbeiteten, wie Marc Lescarbot oder André Thevet.45 Die Wahl der Beispiele deutet einen klar erkennbaren Unterschied an. Nur in England erschienen Quellensammlungen zur eigenen kolonialen Geschichte nach italienischem und spanischem Vorbild, während in Frankreich deutlich früher eigene Gesamterzählungen über Seereisen und koloniale Projekte verfasst wurden, zu denen auch eine ausgeprägte kosmographische Literatur gehörte. Für alle drei Quellenarten – Einzelpublikationen, Quelleneditionen und Gesamtdarstellungen  – gilt, dass ihre Autoren sie nahezu ausnahmslos mit der Absicht verfassten und publizierten, für weitere koloniale Expansion im Allgemeinen und für sich oder ihre Partner im Besonderen zu werben. Dies hat starke inhaltliche Zuspitzungen zur Folge, sowohl bezüglich der Glorifizierung oder Abwertung einzelner Personen und Projekte als auch im Hinblick auf die Ausprägung eines regionalen Schwerpunktes auf Nordamerika.46 In einer idealtypischen Betrachtung ist auffällig, dass die historische Forschung über viele Jahrzehnte hinweg diesen Quellen, trotz deren eindeutiger tendenziöser Prägung, sehr hohes Vertrauen entgegenbrachte. Grund hierfür ist nicht zuletzt, dass in vielen Projektkontexten nur wenig alternative Quellen vorliegen. Daher prägen zeitgenössische Herausgeber und Autoren, wie sich beispielsweise bei einer Analyse von Argumentationsmustern wie der Heroisierung (Kapitel 4.2.2) oder Schuldzuweisungen (Kapitel  4.2.3) zeigt, bis in die Gegenwart die Auswahl untersuchter Projekte und deren Darstellung. Den ersten wichtigen Schritt zur Verbesserung der Quellenlage stellte die Publikation kommentierter Übersetzungen und neuerschlossener Quellen aus europäischen Archiven dar, die um 1900 oft auf forschende Archivare wie den Kanadier Henry Percival Biggar zurückging.47 Diese Pionierleistungen wurden bis etwa 1970 um weiPurchas HP. Eine für die Historiographie einflussreiche Reihe waren auch die Publikationen Theodor de Brys und seiner Erben. Sie boten zwar außer Bildbeschreibungen selten neues Textmaterial, publizierten dafür aber bearbeitete Bildquellen, die teilweise auf Zeichnungen aus den unmittelbaren Projektkontexten basierten. Bezüglich der Repräsentation bestimmter Akteursgruppen in den Quellensammlungen siehe Kapitel 4. 45 Beispiele hierfür sind Marc Lescarbot 1609  : Histoire de Nouvelle France, zahlreiche Neuauflagen, letzte Ausgabe Lescarbot 1617  ; Urbain Chauveton 1579  : Histoire nouvelle du Nouveau Monde  ; Henri Lancelot Voisin de Popelinière 1582  : Les Trois Mondes und die kosmographischen Schriften mit Überblickscharakter von André Thevet wie dessen Cosmographie Universelle von 1575. 46 Ausnahme von diesem regionalen Fokus ist in französischen Werken die Brasilienkolonie unter Nicolas Durand de Villegagnon 1555–1560, die aber in englischen Studien kaum rezipiert wird. Die zahlreichen anderen Aktivitäten in Guyana und Brasilien sowohl aus England wie auch aus Frankreich haben in der Forschung weitaus weniger Beachtung gefunden. Vgl. Kapitel 3.3.2. 47 Biggar 1911  ; Biggar 1930  ; Biggar kommentierte und übersetzte die Werke Samuel de Champlains, die als zweisprachige Edition erschienen  : Champlain/Biggar 1922–1936. Die von Grant angefertigte Kommentierung und Übersetzung von Marc Lescarbots Histoire de Nouvelle France, ist ebenfalls in zweisprachiger Ausgabe von Biggar herausgegeben worden  : Lescarbot/Biggar. Zugleich entstand

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tere Editionsprojekte ergänzt, die neben unpublizierten narrativen Quellen, Buchmanuskripten, Briefen und Logbüchern auch umfangreiches Verwaltungsschriftgut im Volltext oder in Regesten erschlossen, wie die Minutes de Conseil d’Etat oder die Reihe Calendar of the State Papers.48 Darüber hinaus erschienen nun auch Quellensammlungen kirchlicher Provenienz, in denen seltene zeitgenössische Publikationen, aber auch unpublizierte Quellen zu finden sind.49 Das letzte große Editionsprojekt, in dem Quellen zur Erkundung und Kolonisierung Nordamerikas von 1497 bis 1612 umfassend zusammengeführt wurden, ist das von David Beers Quinn 1979 herausgegebene fünfbändige Werk  : New American World.50 Quinn und seine MitarbeiterInnen kombinierten zahlreiche bis dahin unpublizierte Quellen mit Neuausgaben der wichtigsten zeitgenössischen Einzelpublikationen. In Bezug auf den Umfang überwiegen darin zwar bereits bekannte und zeitgenössisch publizierte Quellen, doch durch einen kritischen Vergleich unterschiedlicher Manuskript- und Druckfassungen und die Erschließung damals nur in wenigen Bibliotheken verfügbarer Werke schuf Quinn eine für die weitere Forschung maßgebliche Edition. Seine Sammlung weist allerdings eine klare Lücke bezüglich Predigten und anderen Quellen kirchlicher Akteure auf, die nur durch Rückgriff auf Originale oder andere Quellensammlungen zu schließen ist. Um 1980 war somit der Umfang des verfügbaren Quellenmaterials weitgehend ausgelotet, auch wenn danach noch weitere auf einzelne Projektzusammenhänge oder Autoren spezialisierte Editionen erschienen oder Autoren von enger fokussierten Forschungsarbeiten neue Quellen erschlossen, wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu eine Quellensammlung zur Rolle der Jesuiten in der Frühphase der französischen Expansion  : Thwaites 1896–1901, hier Bd. I–IV. Lediglich eine Sammlung früherer Publikationen ist hingegen die Quellenedition zur kolonialen Geschichte Nordamerikas in vier Bänden von Force 1838–1846. 48 Bezüglich der Regesten der State Papers ist auf ein für die vorliegende Studie wichtiges Rechercheinstrument hinzuweisen. Die unterschiedlichen im 19. Jahrhundert erstellten Regesten, unter anderem der Bestände Domestic, Foreign als auch Colonial sind inzwischen als Volltexte und teilweise auch mit Digitalisaten der Originalquellen unter dem Angebot State Papers online verfügbar. Die Beschlüsse des Conseil d’Etat bezüglich kolonialer Projekte sind enthalten im Gesamtverzeichnis zur Herrschaft Heinrichs IV. in  : Valois 1896  ; und in Auswahl mit zahlreichen weiteren Quellen in  : Le Blant/Baudry 1967. Hinzu kommen  : Die Quellensammlung zur Geschichte von Jamestown Barbour 1969  ; die Edition der Akten der Virginia Company  : Kingsbury 1906/1935  ; David Beers Quinns Quellensammlung zu den Roanoke-Reisen  : Quinn 1955  ; Taylors Quellensammlung zur prokolonialen Publikationstätigkeit der beiden Richard Hakluyts  : Taylor 1935. Die französischen Projekte in Brasilien und Florida sind hingegen in den beiden maßgeblichen Quellensammlungen Susanne Lussagnets nachvollziehbar  : Brasilien in Lussagnet 1953 und Florida in Lussagnet 1958. Beide Sammlungen konzentrieren sich allerdings auf zeitgenössische Publikationen. Dasselbe gilt für die Ausgabe Lestringant 2012. Weitere Quellenausgaben zu einzelnen Projekten werden im Folgenden kontextbezogen vorgestellt. 49 Dies bezieht sich auf weiteres Material zur Aktivität der Jesuiten, verfügbar in der Edition  : Campeau 1967. 50 Quinn NAW Bd. I–V.

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zeigen ist.51 Für aktuelle Forschungsprojekte steht somit ein breites, aber dennoch lückenhaftes Fundament zur Verfügung, das nicht zuletzt durch die Digitalisierungen der zeitgenössischen Publikationen relativ leicht erschlossen werden kann.52 Die sich nur geringfügig verändernde Quellenbasis, in der die zeitgenössischen Publikationen weiterhin unangefochten zentrale Bedeutung einnahmen, hatte zur Folge, dass in der Forschung einige Standardwerke zur Ereignisrekonstruktion über sehr lange Zeit prägend bleiben konnten. So wurde Charles André Juliens Handbuch von 1947 zuletzt 2003 mit lobender Einleitung nachgedruckt und stellte lange Zeit den Standardverweis zur Ereignisgeschichte kolonialer Projekte in Frankreich dar.53 Charles de la Roncières Bände zur Geschichte der französischen Marine, die er 1899 begann, wurden noch 2002 als »ouvrages […] irremplaçables« bezeichnet und 2017 nachgedruckt.54 Außerhalb Frankreichs ist diese Traditionsbindung der Forschung schwächer, aber ebenfalls deutlich erkennbar. So blieben die Handbücher Marcel Trudels von 1963 für die franco-kanadische Forschung über viele Jahrzehnte ebenso maßgeblich wie die Werke von Rowse, Quinn oder Morison in England und den USA.55 Im Vergleich zeigte sich allerdings im englischen Sprachraum idealtypisch eine größere Bereitschaft als in Frankreich, denselben Sachverhalt auf der Basis derselben Quellen mit anderen narrativen Schwerpunkten neu zu präsentieren. Inhaltlich boten diese Werke meist einen Überblick über eine Auswahl von Projekten, die sie in nationalhistorischer Tradition dezidiert als Teil einer »englischen« oder »französischen« Expansionspolitik einordneten – oder die durch den Bezug auf einen 51 Hierbei sind vor allem zu nennen  : McDermott 2003 zur dritten Reise Frobishers  ; Haile 1998 zu Jamestown  ; Emont 2004 und Heidenreich 2010 zu Neufrankreich. 52 Bezüglich der Nutzung von Digitalisaten und Editionen ist anzumerken, dass, soweit möglich, beide Zugänge zu den Quellen kombiniert werden. Auf Editionen, auch ältere, soll aufgrund des Mehrwertes, den Kommentare und Hinweise zu unterschiedlichen Versionen oder Manuskriptfassungen darstellen, nicht zugunsten der Originale verzichtet werden. Die leichte Zugänglichkeit der Originale ermöglicht allerdings häufig auch, auf den Gebrauch reiner Neudrucke zu verzichten und direkt mit den Quellen zu arbeiten. Zentrale Anbieter für digitalisierte Originalausgaben sind Early English Books Online, kurz EEBO  ; und das Angebot der Französischen Nationalbibliothek Gallica.fr. Im Vergleich beider Angebote bietet Gallica den Vorteil, dass teilweise auch Quelleneditionen des 19.  Jahrhunderts und Nachdrucke sowie ältere Darstellungen im Volltext verfügbar sind. Beide Portale haben allerdings den Nachteil, dass Hinweise auf alternative Ausgaben oder abweichende Manuskripte unregelmäßig gegeben und daher letztlich doch den Editionen zu entnehmen sind. Außerdem ist die Lesbarkeit der Digitalisate durchaus heterogen, was fallweise die ergänzende Nutzung von originalen Druckausgaben oder fotomechanischen Nachdrucken notwendig macht. Infolgedessen werden je nach Überlieferungssituation in den Anmerkungen mehrere Verweise gegeben, die dem Leser die genutzten Versionen aufzeigen. 53 Julien 2003, original 1947  ; nach 1990 kamen dann neue Standardwerke hinzu, wie Bernand/Gruzinski, 1993  ; Bonnichon 1994 und andere. 54 Roncière 1899–1932  ; Ndr. 2017. Die Einschätzung durch Vergé-Franceschi findet sich in dem derzeit aktuellen Dictionnaire d’Histoire maritime, Vergé-Franceschi 2002, S. 841. 55 Trudel 1963  ; Ders. 1963a  ; Ders. 1973  ; Rowse 2003  ; Andrews 1978  ; Morison 1971  ; Quinn 1974  ; Ders. 1985.

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bestimmten kolonialen Handlungsraum verbunden waren. Letztere Vorgehensweise bietet erste Anknüpfungspunkte für eine Betrachtung der Verflechtungen kolonialer Expansion, blieb aber immer noch an für die Autoren relevante politische Kriterien wie die Grenzen Kanadas oder der USA gebunden. Üblicherweise ordneten diese Autoren ebenso wie die Verfasser von Überblicksdarstellungen ihre Beobachtungen zu den erfolglosen Projekten in eines von zwei Leitnarrativen ein  : entweder in einen synchronen Vergleich mit dem zeitgleichen erfolgreichen Aufbau der iberischen Kolonialreiche oder in einen diachronen Vergleich mit dem späteren erfolgreichen Aufbau eigener Kolonialreiche. In beiden Fällen beschreiben die Autoren gleichermaßen einen Wendepunkt zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als die Summe der gemachten Erfahrungen, ein neuer Wille zur kolonialen Expansion und die Entwicklung neuer Vorgehensweisen wie die Bildung von Joint Stock Companies den Aufstieg Englands und Frankreichs zu Kolonialmächten ermöglicht hätten. Somit etablierte sich in der Forschung zu kolonialen Projekten in zweifacher Hinsicht ein bis in die Gegenwart wirkmächtiger Kanon, der wesentlich von zeitgenössischen Monographien und Sammelwerken geprägt ist  : Zum einen verfestigte sich, wie bereits eingangs angedeutet, eine Auswahl von Projekten, die aufgrund der relativ guten Quellen- und Forschungslage in Analysen berücksichtigt wurden. Es handelt sich dabei um – Jamestown und Québec einbezogen – ca. zehn Unternehmungen, wobei die meisten Darstellungen drei bis fünf englische und/oder französische Beispiele berücksichtigen. Im Laufe dieser Darstellung soll daher besonderes Augenmerk darauf liegen, wie diese Auswahl zustande kam und welche Projekte tendenziell in der Überlieferung und Forschung vernachlässigt wurden. Innerhalb dieses Kanons wiederum prägten, wie sich an den einzelnen Projekten zeigen lässt, ein relativ begrenztes Quellenkorpus und daraus resultierend weitgehend homogene Ereignisrekonstruktionen die Historiographie. Jenseits einer deutlich erkennbaren Homogenität in der Darstellung der einzelnen Ereignisgeschichten und ihrer Zusammenhänge lassen sich in einer idealtypischen Gesamtbetrachtung fünf Tendenzen der Forschung ausmachen. Erstens ist die Forschung noch immer in unterschiedliche, entlang nationaler oder sprachlicher Grenzen geschaffene Strömungen gespalten, die jeweils eigene Fragen und übergreifende Narrative in die Untersuchung und Darstellung der einzelnen Projekte einbringen.56 Hier wirkt die von den frühen Autoren in Standardwerken etablierte Trennung englischer und französischer Kolonialgeschichte nach – eine Perspektive, gegen die sich die vorliegende Studie mit ihrem konsequent auf Verflechtungen zielenden Ansatz positio56 Eine alternative Deutung, die für die Frühphase jedoch nicht bestätigt werden kann, bietet Scanlan 1999, S. 1, der nur eine amerikanische und eine europäische Forschung unterscheidet. Die damit unterstellte Einheit Europas ist aber in der Historiographie keineswegs gegeben, und auch die Gleichsetzung von Kanada und den USA ist in Anbetracht der langen Eigenständigkeit der frankokanadischen Forschung in Zweifel zu ziehen.

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niert. Als Folge dieser klassischen Sichtweise entstanden dezidierte, von Autoren aus verschiedenen Ländern gebildete Forschungsschwerpunkte zur englischen und französischen Expansion, deren Ergebnisse häufig unverknüpft blieben. In Überblickswerken, die koloniale Projekte aus verschiedenen Ländern für Gesamtdarstellungen zur europäischen Expansion verbinden, findet diese Haltung wiederum Niederschlag in einer typischen Differenzierung unterschiedlicher, nach Ländern unterteilter Expansionen in einzelnen Kapiteln.57 Eine positive Ausnahme hiervon, mit Schwerpunkt auf dem 17. Jahrhundert, ist die Übersicht von Mark Häberlein.58 Diese Kategorisierung ist nicht ohne Grund seit Beginn der modernen historischen Forschung beibehalten worden. Sie ermöglicht eine wichtige zeitgenössische Differenzierungskategorie zu berücksichtigen und innerhalb der einzelnen Monarchien verortete Entwicklungen und Kausalzusammenhänge herauszustellen. Allerdings bringt sie neben der Vernachlässigung grenzübergreifender Wechselwirkungen auch das Problem mit sich, andere Differenzierungskategorien auszublenden. Als Beispiel hierfür ist die konfessionelle Differenz zu nennen, welche für die historischen Akteure essentiell sein konnte und die im Falle Frankreichs eine Unterscheidung von katholischen und protestantischen Projekten notwendig macht. Dies hat in der französischen Forschung eine in anderen Ländern eher wenig beachtete historiographische Tradition hervorgebracht, deren Vertreter wie Frank Lestringant eine genuin hugenottische transatlantische Expansion untersuchen.59 Die in diesem Forschungskontext prominente These von einem grenzübergreifenden hugenottischen Diskursraum, der England, die Niederlande, die Schweiz, Städte im Westen des Alten Reiches und Frankreich verbindet, wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung genauer vorgestellt. Zwei Sonderfälle der nationalen Differenzierung stellen die Erforschung der Welserkolonie in Venezuela und die Rezeption der europäischen Expansion im Heiligen Römischen Reich dar. Das koloniale Projekt hat außerhalb des deutschen Sprachraums und Venezuelas nur überaus selten Beachtung gefunden.60 Es einzubeziehen 57 So beispielsweise in Reinhard 2017, Greene/Morgan 2009 und auch Wendt 2007. Ein Beispiel für die Abschwächung solcher Kategorien ist  : Wellenreuther 2004. Eine Alternative sind Darstellungen, welche »die Anderen« als summarischen Vergleichsgegenstand für die iberischen Reiche in ihrer Gliederung ausweisen. Aber auch sie fokussieren nicht die Verflechtung der nichtiberischen Akteure. Im Vergleich ist dabei Frankreich meist nur nachrangig behandelt, da eine Kontrastierung des spanischen und englischen Imperiums in englischsprachigen Ländern offenbar größere Aufmerksamkeit genießt wie bei Elliott 2009  ; Ders. 2006. 58 Häberlein 2001. 59 Augeron 2005  ; Augeron/Vidal 1999  ; Dies. 2002. Er hat auch als Herausgeber von Sammelwerken eine Führungsrolle  : Augeron/Poton 2009 und Augeron 2012. Lestringant vertrat seine Thesen in zahlreichen Publikationen, deutlich in  : Lestringant 1980  ; Ders. 1985  ; Ders. 1998  ; vgl. auch mehrere Beiträge in Lestringant 1996  ; vgl. auch weniger prominent Martinière 1999  ; Litalien 2009. 60 Grundlegende Studien und Übersichten hierzu sind  : Denzer 2005 (mit Untersuchungen zur Erinnerungskultur und Historiographie)  ; Simmer 2000  ; Häberlein 2013  ; Ders. 2016  ; Schmitt 1994  ; Ders. 1999. Weitere Titel sind in Kapitel 2.2 und 3.1 genannt.

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eröffnet aber einen wichtigen Einblick in das iberische Imperium aus der Perspektive seiner auswärtigen Kooperationspartner und vervollständigt die hier angestrebte Untersuchung aller nicht im engeren Sinne iberischen kolonialen Projekte. Die Rezeption der transozeanischen Reisen und Entdeckungen im Heiligen Römischen Reich ist vergleichsweise häufiger und zum Teil auch außerhalb Deutschlands erforscht worden. Grund hierfür ist die inzwischen verbreitete Anerkennung der Bedeutung der Städte als Multiplikationszentren für Reiseberichte, beispielsweise durch Theodor de Bry, aber auch einer führenden Rolle deutscher Kartographen und Kosmographen im Humanismus.61 Allerdings wirken auch hier Sprachgrenzen insofern, dass zahlreiche Arbeiten in deutscher Sprache nicht im Ausland rezipiert werden. Auch bezüglich der erforschten kolonialen Räume lassen sich deutliche Unterschiede erkennen. Die historische Forschung beschäftigt sich in der Regel intensiver mit Nordamerika als mit Südamerika und innerhalb Nordamerikas wiederum häufiger mit dem Gebiet der heutigen USA als dem Kanadas.62 Arbeiten, die einen Fokus auf bestimmte kolonialisierte Regionen legen, könnten potentiell die Geschichte der dort lebenden indigenen Kulturen stärker berücksichtigen und nationale Kategorisierungen der kolonisierenden Akteure überwinden  ; tendenziell waren sie aber eher die Folge nationalhistorischer Imaginationen. Sie dienten als eine Vorgeschichte der USA, Kanadas, Brasiliens oder Venezuelas, und ihre Autoren projizierten oft einfach spätere nationale Grenzen auf das sechzehnte und frühe siebzehnte Jahrhundert.63 Trotz der hier skizzierten Einschränkungen ist aber wichtig festzuhalten, dass in diesen nationalen Traditionen zahlreiche qualitativ überaus hochwertige Studien entstanden sind. In mehreren Fällen erschlossen Autoren dabei neues Quellenmaterial zur Geschichte bestimmter Projekte oder überwanden die Grenzen des Kanons und schufen damit die in den folgenden Kapiteln näher vorzustellenden Grundlagen, welche die Syntheseleistung dieser Studie erst möglich machen. Der Verweis auf die für dieses Buch wichtigen Vorarbeiten leitet zur zweiten von fünf idealtypischen Tendenzen der Historiographie über  : einer starken Wechselwir61 Vgl. hierzu  : Frübis 1996  ; Neuber 1991  ; Ders. 1993  ; Ders. 1998  ; Mesenhöller 1992  ; Johnson 2009  ; Menninger 1992  ; Dies. 1995 und die Beiträge in  : Burghartz 2003. Siehe für weitere Literatur insbesondere Kapitel 2.3 und 4. 62 Fuller 2008, S. 118–141. Zu beachten ist, dass die Forschung für den Zeitraum bis 1615 in Kanada primär im frankophonen Landesteil betrieben und lange Zeit auch als dezidiert franko-kanadische Geschichte geschrieben wurde. Vgl. hierzu den in Kapitel 4.2.2 skizzierten Streit um die Rolle Jacques Cartiers als kanadischer oder québecoisischer Held. Hierbei wirkte außerdem die historische Entwicklung des 17., 18. und 19. Jahrhunderts auf die Historiographie ein. Der spätere Status Südamerikas inklusive Mexikos als Lateinamerika prägt auch den Blick auf das sechzehnte und frühe siebzehnte Jahrhundert, als diese zukünftige Zugehörigkeit für weite Teile der Küstenregionen noch ungewiss oder umstritten war. 63 Zu dieser Tradition und dem Ziel postkolonialer Ansätze zu ihrer Überwindung siehe kurz  : Armitage 2007  ; Ausführlicher mit Verweisen und Beispielen für die lange Dauer der Tradition  : Luca 2004, S. 31–37 und S. 286.

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kung mit der Marine- und Kartographiegeschichte. Grund hierfür ist, dass viele koloniale Projekte bereits zeitgenössisch zugleich als Entdeckungsreisen verstanden wurden, sei es zur Erkundung des Kontinents oder zum Auffinden einer Passage in den Pazifik. In der Forschung haben sie daher eine entsprechende Einbindung erfahren, wobei in England ein Schwerpunkt auf der Geographie und Navigation zur Zeit der Tudorherrschaft insgesamt liegt und in Frankreich eher auf einzelnen kartographischen Zentren und der Kosmographie.64 Die Ergebnisse dieser Arbeiten gingen dann in übergreifende Studien ein, die entweder ein als Epoche verstandenes Age of Discovery65 oder die Marinegeschichte thematisierten. Die Marinegeschichte selbst ist idealtypisch in nationale Forschungstraditionen gespalten, auch wenn auf Zielregionen oder bestimmte Meeresräume konzentrierte Untersuchungen vorliegen, die Verflechtungen stärker berücksichtigen. Allerdings ist zu bedenken, dass obwohl Akteure aus England und Frankreich im 16. Jahrhundert zur See sehr aktiv waren, sich eine zentral organisierte Marine erst in Grundzügen formierte. Diese Zeit ist daher in nationalen Marinegeschichten meist nur in einführenden Kapiteln mit dem Ziel behandelt, eine Art Vorgeschichte zu erzählen.66 Hinzu kommen Studien zum Seehandel aus und in bestimmten Regionen oder Hafenstädten sowie Untersuchungen über maritime Netzwerke, die seit der Jahrtausendwende immer stärker auch grenzübergreifenden Austausch und Verflechtungen thematisieren – eine Tendenz, die insbesondere auch Akteure aus dem Heiligen Römischen Reich wie die oberdeutschen Handelshäuser in die Geschichte der Expansion einbezieht.67 Als dritte Tendenz ist hervorzuheben, dass sich eine eigene, spezialisierte Forschung zu indigenen Akteuren und ihren Kulturen herausgebildet hat. Darin werden grundlegend – zumindest in Bezug auf transatlantische Kontakte mit Engländern und Franzosen im 16. und frühen 17. Jahrhundert – nordamerikanische Akteure weitaus stärker berücksichtigt als südamerikanische. Dies geht in einigen Fällen soweit, dass Untersuchungen einen Gesamtüberblick über american oder amerindian people versprechen, 64 Ein in der Forschung mehrfach herausgestelltes Zentrum war Dieppe, siehe dazu Kapitel 2.3  ; zur Übersicht über die Themenfelder Kosmographie, Geographie und Navigation siehe die Beiträge in  : Woodward/Harley 2007 Bd.  I und II, speziell zu England  : Ash 2007  ; Baldwin 2007  ; zu Frankreich Toulouse 2007  ; Lestringant/Pelletier 2007  ; vgl. zu England auch Taylor 1930  ; Ders. 1971  ; Fernández-Armesto 2015  ; Roper 1998  ; und zu Frankreich  : Dupuis 1992 und die Beiträge in  : Hofmann 2012, speziell Toulouse 2012  ; siehe zur Kosmographie  : Lestringant 1991  ; Vogel 2008  ; Mosley 2009. 65 So bei Lestringant 1994  ; vgl. Zum Begriff Davies 1974, S. 10 mit Verweisen auf seine frühere Prägung. 66 Loades 1992  ; Ders. 2000  ; Ders. 2009  ; James 2004  ; Rodger 1998  ; Ders. 2004  ; Vergé-Franceschi 1993  ; Ders. 1998  ; Taillemitte 1999  ; Ders. 2004  ; Roncière 1899–1932. 67 Vgl. den Forschungsbericht Häberlein 2017, exemplarisch zu grenzübergreifenden Wirtschafts- und Wissensnetzen Dalton 2009  ; Dies. 2016  ; und zu Städten  : Bristol bei Sacks 1991  ; Rouen bei Brunelle 1988. Zur Bedeutung von Städten und den Folgen ihrer Analyse für die Historiographie  : Augeron 2002.

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dann aber ausschließlich Bewohner Nordamerikas thematisieren.68 Hierin zeigt sich eine Abhängigkeit der Spezialforschung von der allgemeinen Historiographie und erneut die Wirkmacht des in den zeitgenössischen Einzelpublikationen und Quellensammlungen geprägten Kanons. Eine zentrale Umdeutung bestehender Narrative, die in den 1970er Jahren ihren Anfang nahm, betraf aber dennoch den Blick auf alle indigenen Kulturen und die transatlantischen Kulturkontakte allgemein. Es handelte sich dabei um Kritik an der lange Zeit positiven Deutung der Eroberung und Kolonisierung Amerikas, die nach der 500-Jahrfeier der Entdeckung Amerikas 1992 zur dominierenden Perspektive der historischen Forschung geworden ist.69 Dies bedeutete zunächst einmal die stärkere Anerkennung des Leidens der Indigenen als Opfer der europäischen Expansion, die auch zur Folge hatte, dass bestehende Heroisierungen der Eroberer hinterfragt wurden.70 Für die historische Forschung ergab sich darüber hinaus die Konsequenz, den Einfluss der Indigenen und ihre Handlungsmacht im Kontext transatlantischer Kulturkontakte zu respektieren und zum Gegenstand der Forschung zu machen.71 Infolgedessen entstanden zahlreiche Studien, in denen neue Sichtweisen auf die bekannten, eurozentrischen Textquellen zu neuen Ergebnissen führten. Einige Arbeiten erweiterten die Quellengrundlage noch durch Einbeziehung indigener Überlieferungen oder anthropologischer und archäologischer Forschungen. Ein dabei besonders intensiv untersuchtes Themenfeld sind interkulturelle Grenzgänger oder Akteure, die eine hybride Identität entwickelten. Da solche Akteure bei kolonialen Projekten eine wichtige Rolle spielten, sind diese Untersuchungen wichtige Bezugspunkte für die vorliegende Studie.72 Als Resultat all dieser Arbeiten ist festzuhalten, dass die Indigenen eigene Ziele verfolgten, Handlungsmacht besaßen und mehr waren als bloße Objekte kolonialen Handelns oder stereotype Antagonisten kolonialer Akteure. Auf diesen Stand der Forschung aufzubauen und ihn durch Kombination der Fallstudien und neue Einbli-

68 Beispielsweise DePasquale 1999  ; Kuppermann 2000. 69 Einflussreich war hier die frühe Studie Jennings 1976, der von einer »Invasion of America« schrieb. Dies griffen andere Autoren auf, wie Fausz 1987, mit »The Invasion of Virginia« und Axtell 1986 mit einer »Invasion within«. In den Publikationen um 1992 wiederum ist zu erkennen, dass der Perspektivwechsel auch bewusst betont wurde, siehe Ruppel 1992, S. 7  ; vgl. Axtell 1995. 70 Vgl. zu Heroisierungen Kapitel 4.2.2. 71 In dieser Studie sind zentral die Arbeiten von Calloway 1997  ; Salisbury 1984  ; Ders. 2007  ; Ders. 2007a  ; Dickason 1992  ; Roundtree 1990, Dies. 1993, Dies. 2002, Dies. 2005  ; Kupperman 1980  ; Dies. 2000  ; Trigger 1991  ; Ders. 1994  ; Ders./Swagerty 2007  ; Milanich 1995  ; Ders. 1996. Oberg 2000  ; Ders. 2012  ; Cook 2007  ; Ders. 2008  ; Zu Südamerika Whitehead 1988  ; Ders. 1993  ; Rouse 1992  ; Abulafia 2008. Weitere Titel zu spezifischen indigenen Gemeinschaften oder Interaktionskontexten sind in den folgenden Kapiteln benannt. 72 So beispielsweise  : Häberlein 2005  ; Vaughan 2002  ; Ders. 2005  ; Ders. 2006  ; Luca 2004  ; Metcalf 2005  ; Duffy/Metcalf 2012  ; Cook 2008  ; Dickason 2001  ; früh bei  : Jacquin 1996  ; Lestringant 1996f, S. 177–188.

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cke in bisher randständig betrachtetes Quellenmaterial weiter auszugestalten, ist daher auch ein wichtiges Anliegen dieser Arbeit. Die vierte idealtypische Tendenz der Forschung ist eine zwar nicht absolute, aber eindeutig erkennbare Spaltung zwischen einer historischen und historisch-literaturwissenschaftlichen Forschung in England, Frankreich und Deutschland. Ausgangspunkt war – zumindest in dem hier behandelten Kontext – der kritische Ansatz, die lange Zeit fehlende indigene Perspektive aus den eurozentrischen Texten herauszudestillieren und hinter die Topoi und Stereotypen zu schauen, die Indigenenbildern zugrunde lagen. An Trennschärfe gewann diese Differenzierung durch das im Falle der Geschichte der europäischen Expansion lange Zeit zu beobachtende und zunehmend problematische Vertrauen vieler Forscher in die zeitgenössischen Publikationen, insbesondere die Quellensammlungen. Diese traditionelle Haltung widersprach immer mehr den textkritischen Entwicklungen in den Literatur- und auch in Teilen der Geschichtswissenschaften. Die Folge war die Entstehung einer textkritischen Analyse­ tradition zur Geschichte der frühen europäischen Expansion, die je nach wissenschaftlicher Tradition in England, Frankreich, Deutschland und den USA variieren konnte. Idealtypisch ist ihnen gemeinsam, dass sie Quellen nicht als Berichte über vergangene Tatsachen verstehen, deren Wahrheit oder Unwahrheit durch Methoden wie Quellenkritik und archäologische, anthropologische oder ethnologische Untersuchungen geprüft werden muss. Stattdessen sehen sie die Texte als Konstrukte, deren Entstehung und Verortung als Teil eines zeitgenössischen Diskurses mit etablierten Ordnungen, Inhalten und typischen Formen Gegenstand ihrer Forschung ist. Infolge dieses methodischen Impulses entstanden viele Untersuchungen, deren Autorinnen und Autoren die Geschichts- und historische Literaturwissenschaft gleichermaßen vorangebracht haben und auch für die vorliegende Studie wichtige Grundlagen schufen.73 Es ist daher keineswegs immer möglich oder sinnvoll, diese Werke einer der beiden Disziplinen eindeutig zuzuordnen. Allerdings existiert – insbesondere in Darstellungen für ein breiteres Publikum – zugleich nach wie vor eine starke, klassisch historiographische Tradition, deren Ziel die möglichst wahrheitsgetreue Rekonstruktion historischer Tatsachen ist. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich anhand einer Auswahl von Beispielen für Studien verdeutlichen, die explizit »gescheiterte« koloniale Projekte thematisieren. Klassische geschichtswissenschaftliche Arbeiten problematisieren die Zuschreibung Scheitern nicht und thematisieren die Geschichte der Texte, die sie als Quellen verwenden, und deren Kontext nur nachrangig. Sie suchen hingegen darin nach Gründen für ein objektiv gegebenes Scheitern, um den negativen Ausgang zu erklären und

73 Zentral  : Fitzmaurice 2004  ; Hadfield 2007  ; Fuller 1995  ; Dies. 2008  ; Lestringant 2004  ; Ders. 1984  ; Ders. 1996c, S.  77–119  ; Moran 2007  ; Neuber 1991  ; Scanlan 1999  ; Waldman 2000  ; Householder 2003  ; Für eine Übersicht über weitere Studien siehe Kapitel 4.

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gegebenenfalls mit anderen Beispielen zu vergleichen.74 Dabei vernachlässigen einige Autoren wie Margaret Pickett und Dwayne Pickett allerdings die Quellenkritik und führen zeitgenössische Angaben ohne angemessene Problematisierung zu einer Bilanz zusammen.75 Diese Kritik an einigen Werken soll aber keineswegs abwerten, dass eine Reihe von Autorinnen und Autoren wie Eric Thierry oder James Lorimer, bemerkenswerte neue Einblicke in die Ereignisgeschichte eröffneten und auch neues Quellenmaterial erschlossen haben.76 Diesen Studien stehen Arbeiten gegenüber, in denen Scheitern als Zuschreibung und der diskursive Umgang mit Erfahrungen im Zentrum stehen. Beispielsweise präsentierte Mary Fuller die enttäuschenden Ergebnisse und deren Bewertung als ein Problem für weitere koloniale Expansion, das kolonialaffine historische Akteure durch diskursive Strategien lösen mussten.77 Ihre Studie, in der sie eben jene Strategien untersucht, steht exemplarisch dafür, dass in derartigen Untersuchungen Details der Ereignisgeschichte nachrangige Bedeutung zugeschrieben wird. Ähnlich wie Fuller untersuchte Susanna Burghartz die Nutzung von Scheitern als positive argumentative Ressource im kolonialen Diskurs in breiter Perspektive.78 Dies passt zur Schlussfolgerung von Brown, dass ein Fokus auf Risiken und Rückschlägen in Berichten dazu führt, dass selbst nur teilweise erfüllte Erwartungen noch in einem guten Licht erscheinen.79 Jeffrey Knapp hingegen stellte »success« und »failure« als gegensätzliche Kategorien vor und untersuchte in diesem Spannungsfeld die Kon­ struktion einer positiv konnotierten Vorstellung von der europäischen Expansion in der englischen Literatur.80 Da sein Interesse ihn dabei weit über Quellen zu kolonialen Projekten hinausführte und er zugleich Klassiker der englischen Literaturgeschichte auf diese Frage hin untersuchte, hatte auch für ihn die Ereignisgeschichte kaum Relevanz. Anders ist dies in den zahlreichen Arbeiten Frank Lestringants, der sich primär der diskursiven Verarbeitung gescheiterter französischer kolonialer Projekte widmete und neben Schuldzuweisungen und konfessionellen Deutungen außerdem noch die aus diesen Reisen hervorgehenden Darstellungen indigener Kultu74 Die Beispiele hierfür reichen von klassischen Standardwerken wie Trudel 1963, bis zu aktuellen Qualifikationsarbeiten Renaud 2010, Aufsätzen wie Shannon 2002 und populärhistorischen Darstellungen wie Pickett/Pickett 2011. Ein Beispiel für einen reflektierten Umgang mit dem Phänomen »Scheitern« in der Historiographie allgemein ist  : Clauss 2010. 75 Pickett/Pickett 2011, ebenso Renaud 2010, 2011. 76 Herausragende Bedeutung haben beispielsweise die Arbeiten zu französischen Projekten von Thierry 2001  ; Ders. 2008  ; Mcgrath 2000  ; Daher 2002  ; und zu englischen Vorhaben von Lorimer 1989  ; Ders. 1993  ; Ders. 2015  ; Mcdermott 2003  ; Roper 2009. 77 Fuller 1995. Denselben Zugang zu »failure, hardship and loss« als argumentative Herausforderungen, die verborgen oder umgedeutet werden müssen, verfolgt auch Borge 2007, S. 45. 78 Burghartz 2005. 79 Brown 2002, S. 21. 80 Knapp 1994.

Tendenzen der Historiographie

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ren im europäischen Diskurs untersuchte.81 Er behandelte auch die Ereignisse in den französischen Außenposten und die Entstehungskontexte der von ihm untersuchten Quellen ausführlich. Für die vorliegende Studie ergibt sich aus dieser kurzen Skizze die Notwendigkeit, nicht nur Arbeiten aus beiden Forschungsrichtungen in den Analysekapiteln 3 und 4 zu berücksichtigen, sondern sie, wo immer möglich, zusammenzuführen und im Einzelfall zu zeigen, wie die unterschiedlichen Zugänge einander beeinflusst haben. Die fünfte und letzte idealtypische Tendenz der Forschung ist eine im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende deutlich erkennbare Bedeutung der 400-jährigen Jubiläen kolonialer Projekte. Dies ging einher mit neuen, digitalen Quelleneditionen, Informationsportalen, archäologischen Untersuchungen, Ausstellungen und Veröffentlichungen sowohl für ein wissenschaftliches wie auch ein breites Publikum. Dabei ist auffällig, dass die bisher genannten Tendenzen sich auch hier erneut niederschlugen. Dies bezieht sich auf die weiterhin hohe Relevanz zeitgenössischer Quellensammlungen und Publikationen, die besondere Berücksichtigung indigener Akteure und ihrer Einflussmöglichkeiten, und ebenso auf eine gewisse Trennung zwischen historischen und literaturhistorisch geprägten Studien. Auch wenn die Jubiläen somit an den grundlegenden Tendenzen und am Kanon der behandelten Projekte und Quellen wenig änderten, so sind doch in ihrem Umfeld und darüber hinaus neue Entwicklungen zu erkennen. Dies betrifft, wie in den folgenden Kapiteln näher ausgeführt wird, beispielsweise Einflüsse aus der Wissensgeschichte, Sinnesgeschichte, Klimageschichte oder einen Fokus auf Praktiken kolonialen Handelns (speziell des Gabentausches) oder auf interkulturelle Grenzgänger. Diese neuen Forschungsfragen waren und sind allerdings oftmals, im Falle der in Kapitel 4 näher vorgestellten Analysen sogar mit überragender Mehrheit, auf wenige, zeitgenössisch publizierte und in mehreren Editionen vorliegende Schlüsseltexte begrenzt. Daher liegt eine wichtige Aufgabe dieses Buches darin, ihre Ergebnisse vor einer in der klassischen ereignishistorischen Forschung erschlossenen und in neueren Arbeiten erweiterten, breiten Quellengrundlage zu verorten. Als Summe aller fünf Tendenzen lässt sich festhalten, dass diese Studie traditionelle Grenzen der Forschung überwinden muss. Es gilt unterschiedliche methodische Zugänge und nationale Traditionen zu kombinieren, um so eine immense Zahl verdienstvoller Vorarbeiten nutzbar zu machen. Die begrenzte Quellenlage und die relative Stabilität der Ereignisrekonstruktionen erlauben allerdings darauf zu verzichten, die gesamte Breite der seit dem 19.  Jahrhundert vorliegenden historischen Darstellungen zu berücksichtigen. Stattdessen wird im Folgenden jeweils kontextspezifisch auf eine Auswahl von Werken verwiesen, die sich durch Aktualität, ihre Quellenbasis, ihre Bedeutung für eine nationale oder methodische Forschungstradition oder durch ihre 81 Aus den zahlreichen Publikationen Lestringants vorrangig  : Lestringant 1982  ; Ders. 1984  ; Ders. 1985  ; Ders. 2004  ; Ders. 2007  ; und die Beiträge im Sammelwerk Lestringant 1996.

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Position im Gesamtwerk einschlägig ausgewiesener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnen.

2. Koloniale Projekte in der frühen transatlantischen Expansion 1492 bis ca. 1530 2.1 Scheitern als Kehrseite einer iberischen Erfolgsgeschichte Die Mitte der 1530er Jahre bildet in vielen Überblickswerken zur Geschichte der europäischen Expansion eine Zäsur.1 Grund hierfür ist, dass die iberischen Konquistadoren zu diesem Zeitpunkt ihre Eroberungen vorerst abgeschlossen hatten und eine Phase der herrschaftlichen Durchdringung begann, deren Rückschläge und Erfolge Gegenstand eigener Darstellungen oder Kapitel sind.2 So waren zu dieser Zeit im Namen der Herrscher Kastiliens die Reiche der Mexika und Inka erobert, permanente Siedlungen in der Karibik errichtet und für die Krone Portugals Inseln im Atlantik kolonialisiert sowie Außenposten in Afrika und Brasilien etabliert worden. Flankiert wurde diese tatsächliche Expansion durch eine viel weiterreichende, diplomatische Offensive. Die Herrscher beider Monarchien schlossen Verträge, in denen sie, aufbauend auf einen päpstlichen Beschluss von 1493, die Welt in zwei exklusive Einflusssphären aufteilten  : Der Vertrag von Tordesillas 1494, der eine Nord-Süd-Linie im Atlantik postulierte, und sein Gegenstück für den Pazifik, der Vertrag von Saragossa 1529. In der Forschung hat sich für die durch eine päpstliche Bulle von 1493, den Vertrag von 1494 und durch die bis in die 1530er Jahre erfolgten Eroberungen in Übersee geschaffene politische Ordnung die Bezeichnung iberischer Atlantik etabliert.3 Dieses Kapitel zielt auf eine kurze Darstellung der Entstehung dieses iberischen Atlantiks und seiner fluiden, durch immer neue Expansionsversuche ausgeloteten Grenzen, um so die Handlungsoptionen der in ihm wirkenden Akteure und die Genese der Wissensbestände über transatlantische Gebiete zu beleuchten, welche dann die Grundlagen weiterer Expansionsprojekte bildeten. 1 Vgl. Andrews 1978  ; Benjamin 2013, hier S. 214–273  ; Für den Einschnitt 1530 in der Karibik siehe Higman 2011, S. 81. 2 Zum Aufbau des spanischen Kolonialreiches siehe grundlegend die Arbeiten John Huxtable Elliotts  : Von Elliott 1981 bis Elliott 2006  ; vgl. Kamen 2003  ; Thomas 2004  ; zur spanischen und portugiesischen Kolonialexpansion  : Schmitt 1991, S. 1–75  ; Pietschmann 1994, S. 207–273  ; Birmingham 2000. 3 Zur Bezeichnung siehe u.a. Reinhard 2008, S. 60  ; Elliott 2007. Die auch gebräuchliche Bezeichnung »Spanischer Atlantik« ist hingegen mehrfach irreführend, auch wenn sie sich auf bereits zeitgenössisch verbreitete, vereinfachende Zuschreibungen stützen kann. Zum einen verdeckt sie die Eigenständigkeit des portugiesischen Reiches und zum anderen verschleiert sie die zusammengesetzte Struktur des spanischen Reiches als composite monarchy, in dem die Kolonien ausschließlich zur Krone Kastiliens gehörten.

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Koloniale Projekte in der frühen transatlantischen Expansion

Die Anfänge der europäischen Expansion im Atlantik liegen bereits im 14. Jahrhundert, als Seefahrer im Auftrag der Herrscher von Portugal und Kastilien erste Expeditionen zur Küste Afrikas und zu neu entdeckten oder wiederentdeckten Inseln im Atlantik unternahmen.4 Aufbauend auf deren Reisen folgte bereits lange vor der sogenannten Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus der Aufbau eines Systems von Außenposten und Handelsrouten durch Besiedlung und Eroberung – ein Prozess, der in zweifacher Hinsicht bedeutsam für die spätere transatlantische Expansion war. Zum einen dienten die neuen Siedlungen und Forts als Ausgangspunkt für weitere Erkundungsfahrten und Besitznahmen. Dies gilt insbesondere für die von Kastilien beanspruchten Kanarischen Inseln, die aufgrund des atlantischen Wind- und Strömungssystems zur wichtigsten Zwischenstation auf dem Weg nach Amerika wurden. Für den Rückweg spielten hingegen die portugiesischen Azoren eine zentrale Rolle. Zum anderen brachte diese frühe Phase der Expansion wesentliche Erfahrungen für die beteiligten Akteure und Institutionen mit sich, die später auch über Grenzen hinweg in anderen Ländern rezipiert werden konnten und erheblichen Einfluss auf koloniale Projekte im gesamten 16. Jahrhundert hatten. Zur Vereinfachung lassen sich hierbei gemeinsame und spezifische Erfahrungen unterscheiden  : Zunächst stieg in Portugal wie auch in Kastilien die Zahl der erfahrenen Seeleute und Navigatoren unterschiedlicher Herkunft, die praktisches Wissen über Winde und Strömungen im offenen Atlantik und an der afrikanischen Küste besaßen. Zu beachten ist, dass deren Wissen nicht systematisch gesammelt und konserviert wurde, sondern weitgehend an die einzelnen Personen gebunden blieb, die damit über eine knappe und begehrte Ressource verfügten.5 Es überrascht nicht, dass die erfolgreiche An- oder Abwerbung solcher Experten koloniale Projekte in allen europäischen Ländern beeinflusste. Da die Expansion beider Reiche in Rivalität zueinander erfolgte, lernten deren Obrigkeiten einerseits Konflikte zur See im Atlantik auszutragen beziehungsweise durch Kriegsunternehmer austragen zu lassen und andererseits diplomatische Lösungen für koloniale Konflikte zu finden. Letzteres zeigt sich in bereits vor der Entdeckung Amerikas geschlossenen Verträgen zur Aufteilung von Expansionsräumen im östlichen Atlantik, wie in Alcáçovas 1479.6 Als dritter und letzter gemeinsamer Erfahrungswert ist die Entwicklung von Vorgehensweisen zu sehen, mit der Herrscher Personal und Kapital für die koloni4 Für die folgende Übersicht mit Angaben zu einzelnen Expeditionen und Siedlungsprojekten, vgl. Fernández-Armesto 1987  ; Birmingham 2000, S. 9–21  ; Bitterli 1999, S. 28–32  ; zu Portugal  : Johnson 1991, S. 2–5  ; mit Angaben zur Expansion an der afrikanischen Küste  : Newitt 2005, S. 11– 50. 5 Zur Geschichte der langwierigen und letztlich vergeblichen Versuche, die Sammlung dieses praktischen Erfahrungswissens im kastilischen Kolonialreich zu organisieren, siehe Brendecke 2009. 6 Birmingham 2000, S. 16f.; zu den Konflikten siehe Newitt 2005, S. 25 und S. 39.

Scheitern als Kehrseite einer iberischen Erfolgsgeschichte

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ale Expansion mobilisieren konnten, ohne die eigenen Ressourcen zu belasten.7 Sie verwendeten hierfür einen Vertrag – Asiento oder Capitulatión – der nach Abschluss der Verhandlungen in Form eines einseitigen herrschaftlichen Gnadenaktes verkündet wurde. Idealtypisch gewährten die Herrscher bestimmten Akteuren darin das Recht zur Eroberung und Besiedlung eines Gebietes, verbunden mit Titeln, eingeschränkter hoheitlicher Autorität, Landbesitz sowie weiteren Privilegien, insbesondere Handelsund Steuervorteilen. Allerdings beanspruchten die Herrscher einen bestimmten Anteil, meist ein Fünftel der beispielsweise durch den Import von Edelmetallen erzielten Gewinne. Der Inhaber dieser Lizenz oder des Patentes verpflichtete sich, im Gegenzug auf eigene Kosten und eigenes Risiko Expeditionen auszurüsten, Siedlungen oder Forts anzulegen und diese zu versorgen.8 Weitere Klauseln, wie die Schonung der indigenen Bevölkerung, die Vermeidung von Konflikten mit christlichen Herrschern oder die Erlaubnis für bestimmte Importe konnten nach Bedarf ergänzt werden. Nach einer Übergangszeit waren der Begünstigte und nachfolgende Siedler zu Steuern und Abgaben verpflichtet. Für die Krone brachte dies den Vorteil einer potentiell kostenlosen Expansion des eigenen Machtbereichs, wobei die Herrscher sich ebenso wie auswärtige Bankiers an der Finanzierung der Expeditionen gegen zusätzliche Gewinnanteile beteiligen konnten. Wenn den Vertragsnehmern die Eroberung überseeischer Gebiete gelungen war, konnte die Etablierung dauerhafter Herrschaft beginnen.9 Dabei kam es oft zu Spannungen zwischen den an der Eroberung beteiligten Akteuren und später eintreffenden Beamten und Siedlern. Allerdings konnten die Akteure vor Ort insbesondere aufgrund der immensen Entfernungen mittelfristig die Ausgestaltung der Herrschaft stark beeinflussen.10 Neben diesen drei gemeinsamen Erfahrungsbereichen lassen sich auch spezifische Erfahrungen für Akteure aus Portugal und Kastilien ausmachen. Im Falle Portugals etablierte sich eine Vorgehensweise zur Besiedlung unbewohnter Inseln wie der Azoren, die leicht auf andere Orte übertragen werden konnte.11 Zunächst setzten Seeleute nur Nutztiere ab, die frei auf den Inseln umherzogen. Nach einigen Jahren folgte die Besiedlung, wobei man Fleisch und Milch als Ressourcen nutzen konnte. Die Bewohner der neuen Siedlung fokussierten sich zunächst auf Getreideanbau zur Sicherung der Subsistenz und später auf den Anbau von Wein und Zucker, um Profit zu erzielen. Zur Finanzierung dieses Aufbaus, insbesondere der Exportwirtschaft, nutzte man Kapital italienischer Bankiers und vergab auch Lizenzen an auswärtige Akteure.12   7 Vgl. Pietschmann 1980, S. 18–22  ; Kicza 1992, S. 229–253.  8 Kamen 2003. Der Autor gibt an, dass erst 1565 reguläre spanische Truppen nach Amerika kamen, S. 249.   9 Vgl. Pietschmann 1980, S. 18–21  ; Birmingham 2000, S. 10  ; Reinhard 1993, S. 245–247. 10 Reinhard 1993, S. 242. 11 Johnson 1991, S. 3f.; McPherson 1997. 12 Newitt 2005, S. 42f.

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Koloniale Projekte in der frühen transatlantischen Expansion

Der Arbeitsbedarf in der Landwirtschaft wurde auf Madeira primär durch europäische Vertragsarbeiter gedeckt, auf den Kapverden hingegen durch versklavte Afrikaner.13 Die daraus entstandene Nachfrage nach Zwangsarbeitern brachte schon vor der Entdeckung Amerikas eine Möglichkeit, zusätzlich zu Edelmetallen oder Elfenbein, durch Handel in den Forts an der afrikanischen Küste Profit zu erwirtschaften.14 Im Gegensatz zu den Plantagen auf den Inseln erforderte dieses Geschäftsmodell nur kleine Faktoreien, deren Besatzung den Handel mit indigenen Partnern organisierte. Im Falle Kastiliens schreiben Forscher wie Fernández-Armesto hingegen den im Zuge der langwierigen Eroberung der Kanarischen Inseln gegen indigenen Widerstand gemachten Erfahrungen erhebliche Bedeutung zu.15 Demnach hätten dort europäische Akteure während der Konfrontation mit einer nichtchristlichen Bevölkerung, die ihnen auf einigen Inseln für Jahrzehnte Widerstand leistete, Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster ausgeprägt, welche schließlich die transatlantische Expansion beeinflusst hätten ‒ eine überzeugende Theorie, die aber bezüglich der Wirkung der in der Renaissance zentralen antiken Topoi und Deutungstraditionen ergänzt werden muss. Nach Abschluss der Eroberung konnten die Siedler in den kastilischen Besitzungen versuchen, nach portugiesischem Vorbild Profit zu erwirtschaften. Allerdings spielte bei der weiteren Entwicklung nach 1492 die herausragende Bedeutung der Kanaren als Station auf dem Weg nach Amerika nicht nur für Expeditionen aus Kastilien eine wichtige Rolle. Auch Schiffe aus England oder Frankreich nutzten die Inseln, um sich mit Vorräten zu versorgen. Letzterer Aspekt verweist ein weiteres Mal darauf, dass alle genannten Erfahrungen, die gemeinsamen wie die speziellen, nach einiger Zeit von Akteuren über die Grenzen von Herrschaftsbereichen hinweg nutzbar gemacht werden konnten. Der skizzierte koloniale Handlungs- und Erfahrungsraum wurde durch das mediale und politische Echo auf die erste Expedition des Christoph Kolumbus und bald danach auch durch andere Expeditionen um neue transatlantische Räume erweitert. Im Folgenden wird die Etablierung und Ausdehnung zunächst der kastilischen, dann der portugiesischen Einflussbereiche in Nord- und Südamerika näher vorgestellt, die Mitte der 1530er Jahre gemeinsam den iberischen Atlantik bildeten. Angesichts der zahlreichen dazu vorliegenden Überblickswerke sollen hier nur einige Leitlinien herausgestellt und exemplarisch Unternehmungen thematisiert werden, die zum einen Auswirkungen auf spätere koloniale Projekte hatten und die zum anderen in Diskursen über koloniales Scheitern als Bezugspunkte dienen konnten.16 Bereits mit der zweiten Expedition des Kolumbus 1494 verfolgten die Teilnehmer und ebenso die Herrscher Kastiliens eindeutig nicht mehr das Ziel einer friedlichen 13 Fernández-Armesto 1987, S. 195–222  ; Birmingham 2000, S. 10. 14 Bitterli 1999, S. 31  ; zur Finanzierung  : Johnson 1991, S. 2f. 15 Vgl. Fernández-Armesto 1987, S. 244  ; Kicza, 1992, hier S. 230–238. 16 Zum Überblick vgl. Kicza 1992, S. 229–253  ; Sauer 1992  ; Fuson 1997, S. 127–188  ; Bitterli 1999, S. 93–238  ; Weddle 1997, S. 189–240. Zur Organisation der Eroberungen siehe Pietschmann 1980.

Scheitern als Kehrseite einer iberischen Erfolgsgeschichte

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Erkundung der Küsten.17 Auf mehr als einem Dutzend Schiffen segelten mehr als 1.200 Männer über den Atlantik. Ihr erstes Ziel war, Kontakt mit den Seeleuten herzustellen, die Kolumbus 1492 nach dem Schiffbruch seines Flaggschiffs in einem aus Trümmerteilen erbauten Fort namens La Navidad zurückgelassen hatte.18 Kolumbus fand das Fort zerstört und die Besatzung erschlagen vor. Diese Erfahrung stand in starkem Kontrast zum Bild der unbekleideten, furchtsamen Inselbewohner, das er in seinen Berichten gezeichnet hatte.19 Es war die erste konkrete Erfahrung mit indigenem Widerstand in den Amerikas, der bald weitere folgten. Insbesondere die späteren Begegnungen mit Angehörigen der Sprachgruppe der Kariben nahmen Kolumbus und andere Autoren zum Anlass, ein nuanciertes Bild der indigenen Bevölkerung zu zeichnen. Sie schufen das Motiv des wilden Kannibalen, dessen Brutalität und Irrationalität eine Eroberung und Unterwerfung rechtfertige. Zugleich konstruierten er und seine Mitreisenden so die friedlichen Tainos als Schutzbedürftige, die zu ihrem Besten ebenfalls unter christliche Herrschaft gestellt werden müssten. Damit waren jenseits des im Diskurs seit dem Mittelalter unumstrittenen Ziels der christlichen Mission zwei weitere dauerhaft wirksame Motive etabliert, die im gesamten 16. Jahrhundert zum rhetorischen Arsenal der Kolonisatoren gehörten.20 Auch auf seiner zweiten Reise nahm Kolumbus äußere Einflüsse zum Anlass, um den Ort für ein koloniales Projekt zu wählen. Diesmal war es kein Schiffbruch, sondern anhaltender Gegenwind, der ihn an einem bestimmten Küstenabschnitt festhielt und den er als göttliches Zeichen wertete. Kolumbus ließ daraufhin an der Nordküste Hispaniolas eine größere Siedlung mit Namen La Isabella errichten. Allerdings waren sich die Mitreisenden offenbar über deren Zweck und Charakter uneinig.21 Während einige sie nach portugiesischem Vorbild als Faktorei mit europäischen Handwerkern und Knechten für den Handel an der Küste und die Suche nach einem Seeweg nach China nutzen wollten, sahen andere darin einen Stützpunkt, von wo aus sie Gold zur Finanzierung ihres eigenen sozialen Aufstiegs erbeuten wollten. Einigkeit bestand lediglich darin, dass niemand eine von Versorgung aus Europa autarke Siedlungskolonie mit eigener, großflächiger Landwirtschaft errichten wollte.

17 Zur Zusammensetzung und Bedeutung der zweiten Expedition vgl. Bitterli 1993, hier S. 176–178  ; Chaunu 1995, S. 210  ; Fuson 1997, S. 165–167. 18 In Handbüchern wird der Schiffbruch oft nicht erwähnt und somit der Eindruck erweckt, es habe sich bei La Navidad um einen geplanten Versuch zur Errichtung eines Außenpostens gehandelt, so bei  : Higman 2011, S. 62. Autoren anderer Überblickswerke verschweigen hingegen diesen ersten europäischen Außenposten und sein Ende gänzlich, so Chaunu 1995. 19 Insbesondere sein Brief an den Schatzmeister Louis de Santangel, der rasch in zahlreichen Übersetzungen und Auflagen im Druck erschien. Vgl. zuletzt Colombo/Walisch 2015. 20 Vgl. Hyles 2014, S. 11–14  ; Boucher 1992, S. 13–22.; Ders. 2000 weitere Belege in Kapitel 4.1.3 und 4.2.3. 21 Kicza 1992, S. 239–242.

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Koloniale Projekte in der frühen transatlantischen Expansion

In La Isabella zeigten sich in den folgenden fünf Jahren viele Probleme kolonialer Projekte des 16.  Jahrhunderts wie unter einem Brennglas  :22 Das Gelände war sumpfig und ohne Süßwasserzugang, was zum Ausbruch von Krankheiten führte, an denen mehr als 500 von insgesamt 2500 Siedlern starben. Der Hafen eignete sich nicht für größere Schiffe, so dass das Be- und Entladen sehr zeitaufwändig war. Nur ein Teil der Männer akzeptierte die Autorität Kolumbus’ und seiner Brüder, während andere ihm aufgrund ihres eigenen Status und ihrer finanziellen Unabhängigkeit nicht gehorchten. Sie unternahmen eigenmächtig Expeditionen, verweigerten die Erfüllung von Dienstpflichten und provozierten Konflikte mit den Indigenen. Versuche der Kolumbusbrüder, die Hierarchie zu festigen, sahen diese Männer als Tyrannei an, gegen die sie 1494 vergeblich rebellierten und nach einer gewaltsamen Reaktion des Kolumbus auch in Kastilien protestierten. Sie waren insbesondere nicht bereit, sich, ihr Gefolge oder ihre Pferde in die zur Abwendung von Hunger notgedrungen betriebene Landwirtschaft einzubringen, da ihnen solche Arbeit als erniedrigend galt. In archäologischen Untersuchungen hat Deagen außerdem nachgewiesen, dass die Kolonisten sich einer Anpassung an die neue Umwelt verweigerten.23 Karibische Fische und Pflanzen wurden selbst in Mangelsituationen nur selten konsumiert und man importierte Nahrung und Gebrauchsgegenstände, wie Teller oder Schüsseln, unter großen Mühen aus Europa, anstatt indigene Ressourcen wie Tier- oder Pflanzenschalen zu nutzen. Die Expeditionen zur Suche nach Gold provozierten offenen Widerstand der Indigenen, der wiederum eine Spirale von Gewalt und Gegengewalt auslöste. Hierbei erwiesen sich die durch Epidemien geschwächten Indigenen trotz punktueller Erfolge als militärisch unterlegen. Die Konflikte dienten als Rechtfertigung, um im Jahr 1495 erstmals 1.500 Indigene in die Sklaverei zu verschleppen. Hierin liegt ein Ausgangspunkt des Ausbeutungsregimes, das die Karibik in den folgenden Jahrhunderten prägte. Die Versklavung, später in die rein theoretisch mildere und normierte Rechtsform der Encomienda überführt, bildete die Grundlage, um nach der Erschöpfung der Goldreserven zu einer Plantagenwirtschaft nach Vorbild der portugiesischen Atlantikinseln überzugehen.24 Zu diesem Zeitpunkt existierte La Isabella allerdings bereits nicht mehr. Die Siedlung wurde nach Gründung von Santo Domingo nicht mehr versorgt und 1498 aufgegeben. Damit endete die erste europäische Siedlung in Amerika ähnlich erfolglos, wie der erste Außenposten La Navidad, während Santo Domingo zum ersten Zentrum des frühen kastilischen Kolonialreiches in Amerika wurde. Betrachtet man die weiteren Expeditionen in der Karibik und in Mittelamerika, so lassen sich vier Aspekte festhalten, die auch für die nachfolgenden Kolonialmächte im gesamten 16. Jahrhundert bedeutsam waren  : Zum einen war Asien noch für lange Zeit 22 Maßgeblich hierzu mit Angaben zur Quellenlage  : Deagan/Cruxent 2002  ; vgl. Cook 1993, S. 229– 231 und Sauer 1992, S. 41. 23 Deagan 1993, S. 83  ; Ausführlicher als Kernthese dargelegt in  : Deagan/Cruxent 2002. 24 Für eine kurze Übersicht zur Encomienda siehe Pietschmann 1980, S. 22–27.

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das eigentliche Ziel der kolonialen Expansion. Nachdem 1508 der Golf von Mexiko erforscht war, ohne dass eine direkte Durchfahrt nach China oder zu den Gewürzinseln gefunden werden konnte, gewann die Suche nach einem Landweg oder einer Passage durch den Kontinent im Norden wie im Süden an Bedeutung. Die Entdeckung der Magellanstraße und des westlichen Seeweges zu den Gewürzinseln 1519–1521 änderte daran insofern wenig, als der Weg weit war und eine Abkürzung durch den amerikanischen Kontinent eine erhebliche Erleichterung versprach. Die Suche danach setzten englische und französische Kolonisten noch bis ins 17. Jahrhundert fort. Allerdings bewirkten die Eroberungen und die Etablierung kolonialer Herrschaft auf dem Festland um 1520, dass die beiden Amerikas als kolonialer Handlungsraum an Bedeutung gewannen und somit nicht länger nur ein leidlich profitables Hindernis auf dem Weg nach Asien darstellten. Zweitens führte die Erkenntnis, dass ein direkter Handel mit Asien zwar unmöglich war, dafür aber Edelmetall und Sklaven erbeutet werden konnten, dazu, dass das Modell einer Faktorei nach portugiesischem Vorbild zukünftig keine Rolle mehr spielte. Einhelliges Ziel kolonialer Akteure waren nun die Erbeutung von Edelmetallen und die Unterwerfung indigener Gemeinschaften als Grundlage für den Aufbau neuer Siedlungen. Dies motivierte drittens wiederum verstärkt eine bestimmte soziale Gruppe dazu, die Herrscher Kastiliens um Erlaubnis für Expeditionen zu bitten. Bei dieser Gruppe handelte es sich um die sogenannten Konquistadoren, die Vorbild, Feind oder Partner für die kolonialen Projekte anderer Länder während der folgenden Jahrzehnte waren. Die Männer gehörten dem niederen Adel – oft aus der Provinz Extremadura – an und suchten aufgrund nachrangiger Geburt oder relativer Armut eine Möglichkeit zum sozialen Aufstieg. Viele von ihnen verschuldeten sich, um die Expeditionen oder auch nur ihre Teilnahme daran zu finanzieren. Sie waren somit darauf angewiesen, Erfolge zu vermelden und Beute zu machen.25 Auch wenn sie für sich beanspruchten, einem ritterlichen Ethos zu folgen, besaßen sie dennoch eine hohe Bereitschaft zu asymmetrischer Gewalt gegen Nichtkombattanten, die auf Kämpfe in den religiös begründeten Kriegen auf der iberischen Halbinsel und im Mittelmeerraum zurückgeführt werden kann. Trotz militärischer Ausbildung und Ausrüstung waren sie keine Soldaten im Dienst der Krone. Es handelte sich um Kriegsunternehmer mit Netzwerken von Gefolgsleuten, die durch die Aussicht auf Profit und durch unterschiedliche soziale Beziehungen wie Verwandtschaft, Treueversprechen oder Dienstverträge zusammengehalten wurden. Konflikte zwischen unterschiedlichen Fraktionen oder innerhalb einer Expeditionsgemeinschaft waren daher häufig, insbesondere wenn der Erfolg ausblieb. Viertens ist festzuhalten, dass die Konquistadoren viele Expeditionen in der Karibik wie auch an der Küste Mittelamerikas mangels Versorgung oder aufgrund von Krank25 Für Zusammenfassungen zum Vorgehen und zur sozialen Zusammensetzung der spanischen Konquistadoren vgl. Bergmann 1993  ; Kicza 1992, S. 229–253  ; Pietschmann 1994, S. 207–273.

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heiten oder indigenem Widerstand erfolglos abbrechen mussten. Michael Zeuske, der Vorstellung vom »Lernen-aus-Scheitern« folgend, sah hierin wichtige Erfahrungen für nachfolgende Akteure.26 Insbesondere Petrus Martyr von Anghiera, Chronist der Kolonialbehörde Casa de Contratación, vermittelte in seinen Decaden einem Lesepublikum Informationen über diese Rückschläge.27 Weitaus mehr Aufmerksamkeit als die vorerst gescheiterte Eroberung Yukatans oder aufgegebene Siedlungen an der Küste Südamerikas erregte allerdings die Eroberung der indigenen Großreiche der Mexika und Inka in den frühen 1520er, respektive 1530er Jahren. Neben der Ausweitung des kolonialen Einflussbereichs auf Gebiete mit dichter Bevölkerung, Städten und einer etablierten Infrastruktur erwiesen sich insbesondere die nach Europa geschickten Edelmetalle und in Amerika vergebener erblicher Grundbesitz mit dienstpflichtigen Indigenen als wesentlicher Anreiz für weitere Konquistadoren. Hinzu kam, neben dem materiellen Profit, dass Hernando Cortes in seinen mehrfach publizierten und übersetzen Briefen an Karl V. ein überaus positives Bild seiner selbst und seiner Erfolge zeichnete. Wenn er Gefahren und Rückschläge thematisierte, so tat er dies, um seine eigenen Fähigkeiten und den Beistand Gottes für seine Unternehmung hervorzuheben. Diese Selbstinszenierung als Heros machte ihn und seine Handlungen wiederum zum Vorbild für weitere Konquistadoren, die in Spanien um Erlaubnis für eine Unternehmung baten und finanzielle Unterstützung suchten. Für ihre Expeditionen war die Karibik die zentrale Drehscheibe. Auf den Inseln warben die Anführer weitere Gefolgsleute an und frischten die Vorräte auf, bevor sie in ihr vertraglich zugesichertes Gebiet zogen. In den Jahren von 1520 bis 1540 brachen sieben große Expeditionen nach Nordamerika auf, denen zwar allen die Eroberung eines Goldreiches verwehrt blieb, die aber dennoch erhebliche Auswirkungen auf die indigenen Siedlungsgemeinschaften und die nachfolgenden europäischen Projekte hatten.28 Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in der Historiographie einhellig als gescheitert charakterisiert werden. Die Erkundung und Besitznahme neuer Gebiete, insbesondere heute prominenter Landmarken wie des Mississippi, werden dabei zwar als Errungenschaft beschrieben, aber nicht zu einer Relativierung der Bewertung genutzt. 26 Zeuske 1993, S. 96–112  ; vgl. Sauer 1992, S. 168–178. 27 PMA, für detaillierte Belege siehe in Kapitel 2.3. 28 Die nachfolgende Übersicht basiert auf folgenden Darstellungen, in denen die beschriebenen Expeditionen wahlweise als Teil der Geschichte der USA, der Geschichte des nordamerikanischen Kulturraumes, der spanischen Kolonialgeschichte sowie als Teil einer Geschichte Floridas oder der Carolinas interpretiert werden. Es ist bezeichnend, dass hingegen die Lesart als Teil der Geschichte der indigenen Kulturen kaum anzutreffen ist  : Kicza 1992, S. 229–253  ; Lyon 1981, S. 275–291  ; Quinn 1977, S. 137–152, 160–169, 228–240, 191–225  ; Quattlebaum 1956  ; Milanich 1995, S. 99–165  ; Reinhartz/Jones 1997, S. 241–290  ; Steele 1994  ; Hoffman 2004  ; Wellenreuther 2004, S. 86–106  ; Weber 2009  ; Von den Autoren häufig genutzte ältere Standardwerke  : Sauer 1992  ; mit Quellenübersetzungen  : Lowery 1901  ; vgl. auch die für ein breites Publikum verfassten Übersichten  : Koch 2009 und Pickett/ Pickett 2011, S. 17–48.

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Im Vergleich aller sieben kolonialen Projekte zeigen sich weitreichende Gemeinsamkeiten. Die Inhaber einer offiziellen Erlaubnis oder eines Asientos für die Eroberung Nordamerikas hatten meist zuvor an Kämpfen und Expeditionen in der Karibik oder in Mexiko teilgenommen und wussten demnach aus erster Hand um die Risiken, aber auch den möglichen Profit. Sie waren entweder als Amtsträger in der Karibik (Ponce de León  ; Lucas Vásquez d’Ayllón  ; Hernando de Soto) oder in Mexiko (Francisco Coronado) in der Position, ihre Vorhaben vor Ort logistisch zu unterstützen, oder sie wurden von entsprechenden Personen gefördert. Die Patente schrieben den Konquistadoren die Gründung von Städten und Festungen binnen einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Region vor, über die meist nur fragmentarische Informationen vorlagen. Sie verpflichteten ihre Inhaber außerdem zu einem schonenden Umgang mit den Indigenen, wobei die Klauseln hierzu stetig deutlicher wurden. In den späten 1530ern waren die Indigenen schließlich, sofern sie keinen direkten Widerstand leisteten, offiziell genauso wie europäische Untertanen der Krone zu behandeln. Allen Unternehmungen gingen Erkundungsfahrten in die Zielgebiete voraus, bei denen Indigene entführt wurden, die nach Sprachunterricht und Christianisierung als Dolmetscher und Führer dienen sollten. Die Konquistadoren gingen hierbei davon aus, dass die Überlegenheit der eigenen Lebensweise und Religion so eindeutig sei, dass die Entführten sich unwiderruflich auf ihre Seite schlagen würden. Die Indigenen schilderten ihren Entführern ihre jeweilige Heimat stets in leuchtenden Farben und bejahten meist die Fragen nach Gold, Passagen zum Südmeer und der Bereitschaft ihrer Landsleute zur Konvertierung. Um für sein Projekt zu werben, brachte beispielsweise Lucas Vásquez de Ayllón den indigenen Francisco Chicora 1522 nach Spanien, wo dessen Berichte über das angeblich paradiesische Land Chicora nicht nur Ayllóns Vorhaben Unterstützung sicherten, sondern auch für mehrere nachfolgende Unternehmungen ein Ziel boten. Wie erwähnt, war für die Unternehmungen die Karibik als Wegpunkt zentral, zumal es logistisch günstig war, dort bereits akklimatisierte Männer anzuwerben. Die damit verbundene Entvölkerung der ohnehin dünn besiedelten Inseln führt jedoch dazu, dass Pánfilo de Narváez 1527 befohlen wurde, die Männer für eine Expedition nach Nordamerika in Spanien zu rekrutieren. Die Nachteile dieses Vorgehens zeigten sich, als Narváez die Karibik anlief, um seine Vorräte aufzufrischen. Ein erheblicher Teil seiner Leute versuchte eigenmächtig auf den Inseln zu bleiben oder sich Expeditionen zu begehrteren Zielen in Südamerika anzuschließen. Falls die Männer nicht desertierten, reisten die Expeditionen von der Karibik in das ihnen zugewiesene Gebiet – abgesehen von Francisco Coronados Gefolge, das 1540 auf dem Landweg von Mexiko aus aufbrach. Die Ankunft gestaltete sich mehrheitlich als schwierig, und beim Ausladen und Erkunden der Umgebung gingen häufig Schiffe, Männer und Ausrüstung verloren. Der Glaube der Konquistadoren an die Loyalität der indigenen Führer erwies sich in der Regel als Irrtum, da viele Entführte die erst-

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beste Gelegenheit ergriffen, um zu ihren Familien zurückzukehren – so auch Francisco Chicora. Die indigene Bevölkerung reagierte, insbesondere wenn bereits früher eine Expedition die Region durchquert hatte, entweder mit Rückzug und verweigerte so Handel und die erhofften Informationen oder mit offensivem Widerstand. Die tödliche Verletzung des Ponce de León 1521 in Florida und Berichte über zahlreiche Verwundete bei anderen Expeditionen zeigen dabei, dass die Konquistadoren insbesondere während des langwierigen Ausladens angreifbar waren, das wegen geringer Wassertiefe oft mit kleinen Pendelbooten durchgeführt wurde. Während gewaltsamer Widerstand oft überwunden wurde, konnten die Indigenen hingegen dadurch, dass sie jede Unterstützung bei der Suche nach Nahrung, Süßwasser oder anderen Ressourcen verweigerten, erfolgreich den Aufbau einer Ansiedlung verhindern. Dies lag auch daran, dass die Konquistadoren gar nicht dafür ausgerüstet waren, ohne indigene Hilfe und Arbeitskraft eine Siedlung zu errichten und zu versorgen. Kaum eine der sieben Expeditionen nahm mehr als eine formale Stadtgründung bei ihrer Ankunft vor und keine strebte wirklich eine autarke Versorgung an.29 Stattdessen besaß für alle, entgegen den Vorgaben der Krone, das Vordringen ins Landesinnere – die Entrada – und die Suche nach einem Goldreich wie dem der Mexika oder Inka zentrale Bedeutung. Ohne Ansiedlung waren die Konquistadoren auf mitgeführte Nutztiere wie Schweine und Ziegen oder die Plünderung von Vorräten der Indigenen angewiesen. Mit zum Teil mehrjähriger Dauer der Expeditionen stellte sich eine permanente, als existenzbedrohend geschilderte Mangelsituation ein, in der Francisco Coronado und Hernando de Soto, auch aus Sorge um die Loyalität ihrer Männer, Terror als Waffe einsetzten, um Indigene zur Kooperation zu zwingen.30 Die Bewohner des Landes realisierten schon bald, dass das eigentliche Ziel der Fremden Gold und größere Städte waren. Daher schickten sie die Konquistadoren zu immer weiter von der Küste entfernten Zielen und boten ihnen Hilfe an, wenn sie rasch weiterziehen würden.31 Diese indigene Verteidigungstechnik war umso wirksamer, als die Teilnehmer der Expeditionen den Schilderungen zunächst überaus bereitwillig glaubten. Später versuchten sie sich durch Geiselnahmen abzusichern, doch es blieb letztlich nur die Wahl, entweder immer neuen Hinweisen nachzugehen oder die Expedition abzubrechen. Letzteres hätte aber für alle finanzielle Verluste, Konflikte mit Geldgebern und enttäuschten Unterstützern sowie eine Gefahr für den eigenen Ruf und das Ansehen bedeutet. Alle Expeditionen wurden erst nach hohen Verlusten abgebrochen, wobei mehrfach der Tod oder eine schwere Erkrankung des Anführers den entscheidenden Anlass bot, so bei de León, d’Ayllon und de Soto. Die Rückkehr konnte wiederum ein langwie29 Am ehesten verfolgte dies Ziel Lucas Vásquez de Ayllón  : vgl. Peck 2001, S. 183–198  ; Hoffman 1994a. 30 Vgl. die Edition der Berichte in  : Clayton/Hudson 1995 und die Darstellung  : Hudson 1994. 31 Zu den Handlungsmöglichkeiten der Indigenen siehe DuVal 2006, S. 29–63.

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riger, von Schiffbrüchen und Konflikten mit Indigenen geprägter Prozess sein wie im spektakulären Fall des Álvar Núñez Cabeza de Vaca, eines Überlebenden der NarváezExpedition. De Vaca reiste mehrere Jahre mit wenigen Begleitern als Wunderheiler zwischen verschiedenen indigenen Gruppen umher, von deren Wohlwollen sein Überleben abhing. Über seine Erlebnisse erschien 1542 ein Bericht, dessen Autor zwar Not und Mangel drastisch schilderte, zugleich aber die Hoffnung auf von de Vaca selbst nie gesehene Goldvorkommen und urbane Zentren weiter schürte.32 Nach Rückkehr von De Sotos und Coronados Männern in 1542/43 folgte bis 1559 keine weitere große Expedition mit kolonialer Zielsetzung nach Nordamerika, und auch in Mittel- und Südamerika standen zu dieser Zeit für Akteure im Auftrag der Krone Kastiliens bereits die Sicherung des Erreichten und Konflikte um dessen Verteilung im Fokus.33 Eine durchaus ähnliche, wenn auch verzögerte Entwicklung lässt sich bezüglich der Expansionspolitik der Herrscher von Portugal erkennen. Sie orientierte sich im Wesentlichen an den Grenzen, die mit Kastilien in Tordesillas 1494 vertraglich vereinbart worden waren. Daher förderte Manuel I. den Ausbau von Faktoreien an der Küste Afrikas, deren wirtschaftliche Bedeutung aber nach 1498 von der Eröffnung eines direkten Seeweges nach Indien in den Schatten gestellt wurde.34 Die gewaltsame Kontrolle über den Handel im indischen Ozean und der eigene, direkte Handel mit Gewürzen und anderen Luxuswaren waren in der Folge das primäre Interessenfeld der portugiesischen Krone und der Kaufleute und Adeligen, welche ihre Person oder ihr Vermögen in Projekte investierten. Hingegen kam den beiden Handlungsräumen, die der Vertrag von Tordesillas westlich von Afrika bot, einerseits mehrere Inseln im Nordatlantik und andererseits das 1500 von Francisco Cabral entdeckte Brasilien, nur nachrangige Bedeutung zu.35 Dennoch suchten insbesondere führende Familien von den Atlantikinseln um Patente nach, die ihnen die Erkundung der Küsten Amerikas erlaubten. Gestützt auf königliche Aufträge legten sie im Nordatlantik und in Brasilien die Grundlagen späterer Kolonialprojekte. Es ist der Forschung bisher nicht gelungen, eindeutig zu belegen, aus welchen Häfen die ersten neuzeitlichen Seefahrer stammten, die nach den Reisen der Skandinavier und Isländer um 1000 wieder den Atlantik westlich von Grönland befuhren und Neufundland erreichten. Auch wenn die erste offizielle Entdeckungsfahrt mit einem Patent des englischen Königs 1497 von Bristol aus erfolgte, gilt als sicher, dass schon 32 Viele Darstellungen sind mit einem Abdruck des Berichts oder Auszügen verbunden, vgl. die Untersuchungen und Editionen  : Hoffman 1994  ; Hedrick 1974  ; Adorno/Pautz 2003  ; Pautz/Adorno 1999. 33 Ausnahme in Nordamerika ist ein Missionsprojekt ohne Soldaten im Jahr 1549, das aber mit dem Tod der Missionare kurz nach ihrer Ankunft endete. Vgl. Quinn 1977, S. 228–230. 34 Birmingham 2000, S. 27–34. 35 Siehe die Quellenedition zur Expedition Greenlee 1967 mit ausführlicher Einleitung zur Person.

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vorher Fischer den Weg zur Neufundlandbank oder sogar weiter nach Westen gefunden haben können.36 Auf die aus Bristol gestartete Expedition und vermutlich auch auf zahlreiche Hochseefischer aus verschiedenen Ländern gingen Berichte über neues Land im Nordwesten zurück. Dies passte zum zeitgenössischen Wissen über zahlreiche weitere Altantikinseln, die zwar in Legenden benannt und beschrieben, aber noch nicht gefunden waren. Gaspard de Corte-Real, ein königlicher Amtsträger auf den Azoren, war der erste, der beim König von Portugal ein Patent erwarb, um die neuen Länder zu erkunden und einen nördlichen Seeweg nach Asien zu finden. In den Jahren 1500–1502 führten er und sein Bruder Expeditionen durch, auf denen sie vermutlich Grönland, Neufundland und Labrador erreichten, von wo aus sie Indigene verschleppten.37 Es ist naheliegend, dass sie dabei auch, wie zur Versorgung üblich, Nutztiere aussetzten und so einerseits ein wichtiges Hilfsmittel für zukünftige Reisende schufen und andererseits in die Ökologie der Amerikas eingriffen.38 Obwohl Teilnehmer der Reisen von einer fruchtbaren Landschaft, Holz für den Schiffsbau und immensen Fischbeständen berichteten, knüpfte niemand direkt daran an. Grund hierfür könnte sein, dass jede Expedition Schiffe verloren hatte und sowohl Gaspard de Corte-Real als auch sein jüngerer Bruder Miguel mit ihrem jeweiligen Flaggschiff nicht zurückgekehrt waren. Die Küsten schienen demnach gefährlich zu sein, wohingegen die offene See weniger Risiko und zugleich durch die Hochseefischerei sicheren Profit versprach. Erst zwei Jahrzehnte später erwarb mit João Álvarez Fagundes wieder jemand in Portugal ein Patent für die Erkundung und Besitznahme neuer Inseln und Länder im Nordatlantik. Auf einer Reise in den Jahren 1520/21 entdeckte er angeblich neue Inseln und Küsten, die südlich und westlich von Neufundland gelegen haben könnten.39 Seine Expedition wird in der Historiographie sehr häufig mit dem Versuch der Gründung einer Kolonie verbunden. Es gibt jedoch keine direkten Belege für dieses Projekt und ebensowenig für weitere Reisen Fagundes’.40 Als Beweise für eine versuchte Kolo36 Zwei Tendenzen sind in der älteren Forschung auffällig  : Quinns Bestrebungen eine Entdeckung Amerikas durch Seeleute aus Bristol nachzuweisen, siehe den Titel von Quinn 1974  : England and the discovery of America, 1481–1620. From the Bristol voyages of the fifteenth century to the Pilgrim settlement at Plymouth  ; und Eduardo Brazãos Versuch, dieselbe Entdeckung einer portugiesisch-dänischen Expedition zuzuschreiben. Beide Seiten können keine klaren Belege anführen, was aber nur Quinn offenlegt, vgl. Brazão 1965. 37 Vgl. Vigneras  : Corte-Real, Gaspar. In  : DCB mit Verweis auf die unterschiedlichen Thesen zur Verortung der gefundenen Gebiete und Vigneras  : Corte-Real, Miguel. In  : DCB  ; Eine Übersicht mit Übersetzung der wichtigsten Dokumente ins Englische bietet Quinn NAW I, S. 145–155. 38 Villiers/Hirtle 2004, S. 22. 39 Die geographische Lage seiner Entdeckungen ist aufgrund fehlender Quellen umstritten. Einen Vergleich der Theorien bietet  : Vigneras  : Fagundes, João Álvarez. In  : DCB. 40 Mit Wiedergabe der zentralen Quellen und kritisch zu einer wirklichen Durchführung des Projektes  : Biggar 1911, S.  XXIV und Quellen Nr.  XXXIX  ; XXXIXa (Patent) und LXIV  (Chronik von 1570). Nach Darlegung der Beweise neutral  : Trudel 1963, S. 27–29. Mehrheitlich wird schlicht die Existenz

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niegründung dienen daher das ursprüngliche Patent, fragmentarische Einträge in einer Chronik, die 1570 im Umfeld der Familie Fagundes entstand, und die Anwesenheit von Nutztieren, die spätere Reisende beschrieben. Die Tiere könnten aber auch von anderen Reisenden wie den Brüdern Corte-Real oder Seeleuten aus Bristol ausgesetzt worden sein. Nach Fagundes erhielt in Portugal niemand mehr ein Patent zur Erkundung oder Besitznahme im Nordatlantik. Somit blieben dort vom portugiesischen Kolonialreich lediglich einige Karten, die wie die Cantino-Planisphäre Besitzansprüche auf eine »Terra del Rey de Portugall« dokumentierten.41 Grund dafür ist zum einen, dass Neufundland und die umliegenden Inseln, wie sich herausstellte, in der kastilischen Anspruchszone lagen, und zum anderen, dass die Hochseefischerei auch ohne kostspielige Landnahme hohe und stetige Gewinne erwirtschaftete. Auch die Könige profitierten davon, wie 1506 verzeichnete Beschwerden über die Steuern auf Neufundlandfisch belegen.42 Vergleicht man die portugiesischen Aktivitäten im Nordatlantik mit denen im heutigen Brasilien, so fällt auf, dass hier bis zum Ende der 1520er Jahre ebenfalls nur ein sehr geringes Interesse an kolonialer Expansion erkennbar ist.43 Im ersten und zweiten Jahrzehnt nach Cabrals Expedition war in Südamerika das Vorbild der portugiesische Faktoreien in Afrika weitaus wirksamer als das der portugiesischen Atlantikinseln. Die häufigste Wirtschaftsform war ein irregulärer Handel von kurzlebigen Handelsposten aus, durch den rotes Brasilholz für Färbereien und exotische Tiere wie Papageien nach Portugal kamen. Im Rahmen der Handelskontakte gewannen die portugiesischen Händler Informationen über die indigenen Kulturen, die zuvor schon Amerigo Vespucci in Druckschriften beschrieben und – ähnlich den Kariben des Kolumbus – als wilde, allen christlichen Werten zuwiderlebende Kannibalen dargestellt hatte.44 Die sporadischen Handelskontakte führten nicht zu einer breiten Revision dieses Bildes, verfestigten aber die stark vereinfachte Unterteilung in verbündete und feindliche Indigene, welche als Angehörige jeweils einer einzigen Kultur- und Sprachgruppe imaginiert wurden. Diese Einteilung entsprach zwar nicht der realen Heterogenität indigener Kulturen, reduzierte aber für die Zeitgenossen die Komplexität und erleichterte so die Interaktion. Zwischen dem Eintreffen der portugiesischen Schiffe musste durch indigene Arbeitskräfte Holz geschlagen und als Handelsware vorbereitet werden. Dies organisier­ der Kolonie postuliert  : Quinn, 1998a, S.  222  ; Steele 1994, S.  6  ; Villiers/Hirtle 2004, S.  19  ; Julien 2003, S. 78  ; Trigger/Swagerty 2007, S. 355. 41 Gaspard 2012, S. 131f. 42 Quinn NAW I, S. 145–155, hier S. 154. 43 Der hier gegebene Überblick über die portugiesische koloniale Expansion mit Fokus auf Brasilien basiert auf  : Bernecker 2000, S. 11–51  ; Thomas 1994, S. 297–312  ; Dias 2008, S. 68–80  ; Kraus 2007, S. 114–127  ; Pfeisinger 2001, S. 127–148  ; Johnson 1991, S. 6–20  ; Mauro/Souza 1997, S. 41–58. 44 Zur indigenen Bevölkerung vgl. Enders 2008, S. 13–24  ; Hemming 1987  ; Hyles 2014, S. 11–14.

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ten entweder gestrandete, ausgesetzte oder freiwillig vor Ort verbliebene Seeleute, die eine indigene Lebensweise angenommen hatten und Teil indigener Gesellschaften geworden waren, oder die in wenigen Faktoreien ansässigen Portugiesen mittels indigener Verbündeter. Insbesondere über freiwillige Go-Betweens verfügten jedoch nicht nur die Portugiesen, sondern auch Händler und Seeleute aus Frankreich. Letztere knüpften derart erfolgreich Beziehungen, dass man in Lissabon befürchtete, sie würden eine dauerhafte Besitznahme anstreben.45 Ende der 1520er Jahre befahl daher Johann  III. militärische und diplomatische Maßnahmen, um die Aktivitäten von Untertanen des französischen Königs dauerhaft zu unterbinden.46 Da dies trotz Gründung einer ersten Siedlung 1532 weitgehend erfolglos blieb, griff er die Initiative mehrerer auf den Atlantikinseln etablierten Familien auf und gewährte ihnen Patente, um die Küste Brasiliens permanent zu besiedeln.47 In der Historiographie sind die von ihm 1534 vorgenommene Einteilung des Landes in 15 erbliche Besitztümer (Capitanias) für zwölf Begünstigte (Donatarios) und ihre Folgen schon oft und fast immer eindeutig mit dem Begriff »Scheitern« beschrieben worden.48 Wie üblich mussten die Begünstigten ihre Expedition und die Ansiedlung selbst finanzieren und erhielten im Gegenzug Herrschaftsrechte, einen Teil der Einnahmen und wirtschaftliche Vorteile. Da aber mehrere von ihnen gleichzeitig um Kapital, Schiffe, Mannschaften und Siedler werben mussten  – also Ressourcen, die auch für Reisen nach Afrika und Asien gefragt waren, gelang es nur schwer, die Unternehmungen umzusetzen. Wie schon bei den Expeditionen im Auftrag Kastiliens in Nordamerika waren auch hier viele Gruppen eher für die Eroberung eines Goldreiches ausgerüstet als für die Gründung einer Siedlung.49 Zu umfangreichen Entradas kam es jedoch nicht. Nach der Überquerung des Atlantiks erlitten mehrere Expeditionen Schiffbruch, und selbst wenn eine provisorische Siedlung gegründet werden konnte, brachten Tropenkrankheiten und Angriffe mit Giftpfeilen ausgerüsteter Indigener, teilweise im Bündnis mit anderen Europäern, mehreren Capitanias das Ende. Selbst in erfolgreich gegründeten Siedlungen konnten außerdem Konflikte zwischen den Siedlern und den auf ihre adeligen Vorrechte pochenden Donatarios ausbrechen. Bernecker, Pietschmann und Zoller vermerken als Bilanz nach 15 Jahren zwei erfolgreiche Siedlungsversuche, fünf in zum Teil lebensbedrohend prekärer Lage und vier aufgegebene.50 45 Thomas 1994, S.  303  ; Metcalf 2005 stellt die These auf, Go-Betweens einzusetzen, sei eine allein französische Vorgehensweise gewesen, aber eine derart scharfe Unterteilung ist nicht zu belegen. 46 Johnson 1991, S. 10–13. Vgl. Kapitel 2.2. 47 Newitt 2005, S. 127. 48 Thomas, S.  303–307  ; Bernecker 2000, S.  35–46  ; Augeron 2007, Abweichend geben Mauro/ Souza 1997 das Jahr 1532 an. 49 Dies lässt sich beispielsweise an dem logistischen und finanziell sehr aufwändigen Transport von Streitrössern statt günstigerer Nutztiere belegen, Hemming 1987, S. 71. 50 Bernecker 2000, S. 35–46.

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Diese Rückschläge waren zwar für einzelne Capitanias verheerend, bedeuteten aber keinen völligen Abbruch der Bestrebungen, Brasilien dauerhaft zu kolonialisieren. Die mit der Besiedlung verbundene wirtschaftliche Umorientierung nach dem Vorbild der Atlantikinseln mit ihrer Plantagenwirtschaft bildete schließlich die finanzielle Basis für die weitere Sicherung des Gebietes. Ausdruck des wachsenden Interesses des Herrschers an einer besseren Organisation seiner Außenposten war die Entsendung eines neuen Amtsträgers, der 1549 in Bahia eine zentrale Verwaltung für Brasilien errichtete.51 Insgesamt zeigt sich, dass der Aufbau der iberischen Kolonialreiche als historischer Prozess wesentlich von Rückschlägen geprägt ist. Diese sind in der Historiographie meist als Scheitern beschrieben worden, wobei die Expeditionen nach Nordamerika um ein vielfaches häufiger untersucht wurden als die nach Südamerika. Dies liegt sicherlich an der Möglichkeit, sie mit der Geschichte einzelner Staaten der USA zu verbinden. Trotz der fallweise sehr intensiven Forschung sind diese Misserfolge jedoch in Überblicksdarstellungen zugunsten einer weitgehend linearen Erzählung vom erfolgreichen Aufbau der iberischen Kolonialreiche vernachlässigt worden. In den 1530er Jahren waren die großen Eroberungen in den beiden Amerikas abgeschlossen. Es hatte sich herausgestellt, dass einerseits eine weitere Expansion nach Norden wenig erfolgversprechend war und dass andererseits die angestrebte dauerhafte Besiedlung der Küste Brasiliens und am Rio-de-la-Plata noch ein langer, aufwändiger Prozess sein würde. Dass es dennoch in den folgenden Jahrzehnten zu weiteren Expeditionen kam, lag häufig daran, dass auf koloniale Herausforderer reagiert werden musste, die nach 1530 vermehrt auf den Plan traten. Dies war unvermeidlich, da beide iberischen Reiche durch Verträge und päpstlichen Beschluss weit mehr Gebiet beanspruchten, als sie tatsächlich kontrollieren konnten. In beiden Amerikas gab es sowohl periphere, nur auf dem Papier beherrschte Gebiete als auch Zonen verdichteter kolonialer Herrschaft, in denen Städte gegründet und zentrale Institutionen etabliert worden waren. Der Aufbau dieses iberischen Atlantiks geschah nicht anhand eines Masterplans, sondern war eher die Summe von Reaktionen unterschiedlicher Akteure mit heterogenen Zielen auf die Erfolge oder Misserfolge der Konquistadoren. Sowohl die Erfolge, beispielsweise die Entdeckung von Edelmetallvorkommen oder die Möglichkeit, indigene Infrastruktur oder gesellschaftliche Ordnung zu instrumentalisieren, wie auch die Misserfolge weisen auf eine zentrale Rolle indigener Akteure hin. Sie ermöglichten als Verbündete die Eroberung und Besitznahme, beispielswiese im Reich der Mexika, und hatten die Straßen errichtet, auf denen die Konquistadoren die Anden durchquerten. Sie konnten aber ebenso Expeditionen erfolgreich bekämpfen oder durch passiven Widerstand ins Leere laufen lassen. 51 Ebd., S. 46.

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In jedem Fall aber hatte der Kontakt mit den Europäern verheerende Folgen für alle indigenen Gesellschaften. An dieser Stelle seien nur die Epidemien genannt, die in beiden Amerikas ein Massensterben auslösten, das gewaltige demographische, spirituelle und soziale Folgen hatte.52 Dies betraf Verbündete wie Feinde der Europäer, wobei die zur Zwangsarbeit gezwungenen Indigenen aufgrund katastrophaler Arbeitsund Lebensbedingungen besonders häufig den Tod fanden. Das Sterben der indigenen Bevölkerung löste in der Forschung häufig thematisierte, zeitgenössische Proteste aus, so die des Bischofs Bartholomé de Las Casas, und führte zum Erlass von Gesetzen zu ihrem Schutz, die aber einerseits nur zögerlich umgesetzt wurden und andererseits gegen Epidemien nichts ausrichten konnten. Für die anderen europäischen Herrscher hingegen war die wichtigste Auswirkung der Eroberungen ein beneidenswerter finanzieller und territorialer Gewinn der iberischen Monarchen. Die Forschung hat inzwischen zeigen können, dass dieser Eindruck letztlich trügerisch war, da insbesondere der Edelmetallzufluss nicht durchweg positiv für die spanische Monarchie gewesen ist.53 Die komplexen Folgen von Inflation, überdehnter Machtpolitik, mangelnden Investitionen in die Binnenwirtschaft, Arbeitslosigkeit, Schwächung der traditionellen Einnahmen der Krone und schließlich Verschuldung erschlossen sich jedoch den Zeitgenossen, insbesondere in anderen Ländern, nicht unmittelbar. Für sie war der iberische Atlantik entweder ein Wirtschaftsraum, an dem es zu partizipieren galt, oder ein Ziel für militärische Offensiven. 2.2 Kooperation und Konfrontation – Der Atlantik als verflochtener Handlungsraum Wie viele Überblicke zur Entstehung des iberischen Atlantiks könnte auch das vorhergehende Kapitel den Eindruck vermitteln, es habe sich um einen nahezu ausschließlich von Akteuren aus Portugal und Kastilien geprägten Prozess gehandelt. Solch eine Zuspitzung wäre allerdings irreführend. Bereits die ersten Jahrzehnte der transatlantischen Expansion lassen sich nur unvollständig begreifen, wenn man sie als getrennte Expansionsgeschichten unterschiedlicher Monarchien untersucht. Es handelte sich um einen multipolaren, grenzübergreifenden Prozess, der am ehesten als eine verflochtene Geschichte verstanden werden kann. Akteure aus anderen Ländern konnten als Geldgeber oder Teilnehmer an Expeditionen der iberischen Konquistadoren partizi52 Dabei sind erhebliche Unterschiede zwischen den indigenen Gesellschaften aufgrund von Bevölkerungszahl, Siedlungsdichte und Lebensweise zu beachten. Diese Faktoren konnten sich außerdem zwischen den Expeditionen, die Jahrzehnte auseinanderlagen, ändern  : Vgl. Hudson 1987, S. 6–24, speziell S.  18  ; Milanich 1993 II, S.  3–29, hier S.  17–19. Zu den Krankheiten generell siehe Cook 1998  ; stärker auf soziale und kulturelle Faktoren abzielend, welche die Epidemien verstärkten  : Jones 2007, S. 50–83. 53 Benjamin 2013, S. 222.

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pieren, eigene Unternehmungen zur Suche nach Goldreichen, zum Ausbeuten natürlicher Ressourcen oder zur Erschließung neuer Handelsrouten starten – oder derartige Vorhaben wiederum grenzübergreifend finanzieren. Mit ihren Initiativen legten sie nicht nur die Grundlage für spätere, nichtiberische Kolonialprojekte, sondern prägten auch Handelsnetze in Europa sowie die weitere Entwicklung der iberischen Kolonialreiche und der indigenen Bevölkerung Amerikas. Ihre Pläne und Projekte hingen dabei wesentlich von ihrer Wahrnehmung des Atlantiks und der Amerikas ab.54 Einige hatten ein genuines Interesse am Atlantik selbst, beispielsweise an Fischerei und Kaperfahrten. Andere waren auf das Erreichen von Handelsplätzen in Asien fixiert und sahen die beiden Amerikas lediglich als ein Hindernis, das es durch eine Passage zu umgehen galt. Eine dritte Gruppe hingegen versuchte, die Ressourcen der beiden Amerikas selbst nutzbar zu machen, entweder durch Partizipation an den kastilischen oder portugiesischen Projekten oder durch eigene Siedlung, Handel oder Eroberung. In letzterem Fall riskierten sie allerdings eine Konfrontation mit den iberischen Mächten, welche die beiden Amerikas als ihre exklusive koloniale Einflusszone beanspruchten. Dies galt unabhängig davon, dass die Könige Portugals wie beschrieben erst um 1530 die Eroberung und Kolonialisierung im heutigen Brasilien forcierten. Die europäischen Fürsten verfügten meist kaum über Mittel zur persönlichen Beteiligung an transatlantischer Expansion. So hatten weder die Könige von Frankreich noch die von England zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Marine.55 Sie besaßen zwar persönlich einige kriegstaugliche Schiffe, mussten aber im Konfliktfall weitere chartern oder zum Dienst verpflichten. In England entwickelte sich erst in den Kriegen der 1540er Jahre das Konzept einer Navy als eigener Organisation mit spezifischen Aufgaben  – was aber noch Lange nicht bedeutete, dass Gelder für deren Auf- und Ausbau bereitgestellt wurden. Auch in Frankreich gab es keine zentralen Institutionen, die den Willen des Souveräns für oder gegen eine Expansionspolitik überall hätten durchsetzen können. Zwar existierte das Amt eines Admiral de France, dessen Einfluss war aber entgegen seinem Titel regional begrenzt.56 Falls eines der wenigen Schiffe aus dem Besitz der Herrscher Englands oder Frankreichs vor 1530 die Küsten Amerikas anlief, geschah dies nicht in deren direktem Auftrag, sondern nur dann, wenn die Könige sie zeitweise an Inhaber eines Patentes übergaben oder gegen Gebühr verliehen. Nicht die Könige und Admiräle, sondern die an der Expansion beteiligten Akteure selbst entschieden somit über deren genauen 54 Chaplin 2009, S. 35–51. 55 Loades 2000, S. 31–43  ; Rodger 2004, S. 140. 56 Der Inhaber des Amtes verfügte nur in der Normandie und Picardie kontinuierlich über Einfluss, in der Bretagne hingegen zeitweise. Andere Provinzen hatten eigene Admiräle mit unterschiedlicher politischer Nähe zum Herrscher oder zu lokalen Eliten. Entgegen dem Titel verfügten die Admiräle in der Regel über keine Erfahrung zur See und waren überwiegend mit Verwaltungsaufgaben und der Organisation von Landstreitkräften betraut. Siehe Vergé-Franceschi 1993, S. 179–181.

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Einsatz, trugen dafür aber nach kastilischem und portugiesischem Vorbild auch die Kosten und das Risiko. Da diese Ziele und Einschränkungen sowohl Akteure aus England, Frankreich, dem Alten Reich wie auch italienischen Territorien betrafen, ist dieses Kapitel nicht nach Herrschaftsverbänden unterteilt, deren jeweiliger Kolonialgeschichte ohnehin schon zahlreiche Überblicksdarstellungen in nationalhistorischer Tradition gewidmet sind. Stattdessen werden drei verschiedene Vorgehensweisen betrachtet, mit denen Akteure, die nicht aus Kastilien oder Portugal stammten, bis zur Mitte der 1530er Jahre versuchten, den Atlantik als Handlungsraum für sich zu nutzen  : erstens das Agieren innerhalb des iberischen Kolonialsystems und in Kooperation mit den dort etablierten Akteuren  ; zweitens die Umgehung der iberischen Einflussgebiete, sei es um Asien zu erreichen oder um im hohen Norden eigene Projekte zur Besiedlung oder Fischerei umzusetzen  ; drittens die direkte, auch gewaltsame Konfrontation mit den iberischen Mächten, sei es zur See oder an den Küsten der beiden Amerikas. Der wichtigste Ort für eine unmittelbare Mitwirkung an der kolonialen und wirtschaftlichen Expansion Kastiliens war Sevilla. Auf königlichen Befehl war diese Stadt seit 1503 der einzige Hafen der spanischen Monarchie, von dem aus mit den beiden Amerikas direkter Handel getrieben werden durfte.57 Damit stieg die Bedeutung der Stadt, die schon zuvor ein wichtiges Zentrum für den Handel mit Zucker und anderen Handelswaren aus Übersee gewesen war, rasch an. Von Sevilla aus wurden Waren aus den Amerikas in andere Handelszentren gebracht, von denen Antwerpen, wo auch die Portugiesen Teile ihres Asienhandels abwickelten, in der ersten Hälfte des 16.  Jahrhunderts eine Schlüsselstellung einnahm. Hier trafen die innereuropäischen und transatlantischen Handelsnetze zusammen.58 Die Bedeutung Sevillas als Tor zu den Kolonien Kastiliens machte es als Standort für Kaufleute aus vielen Ländern attraktiv. Die Fugger und die Welser-Vöhlin-Gesellschaft, aber auch Kaufleute aus England und Genua siedelten sich entweder neu dort an oder bauten nun auf ihrem früheren Engagement im atlantischen Sklaven- und Zuckerhandel eine langfristige Präsenz auf.59 Zwar hatten die Herrscher Kastiliens zunächst verfügt, dass ausschließlich ihre eigenen Untertanen mit Gebieten jenseits des Atlantiks Handel treiben durften, doch die immensen logistischen und finanziellen Probleme der Versorgung ihrer Kolonien machten es unmöglich, dieses Verbot durchzusetzen.60 Die Krone brauchte auswärtiges Kapital und die Kontakte der Kaufleute und Handelshäuser, so dass Sevilla schon 57 Zum Handelsnetz, das um Sevilla entstanden war, vgl. Dalton 2016, S. 25–55, zum Monopolstatus, S. 41. 58 Häberlein 2016, S. 63–70. Beim Silberhandel konnten die Fugger aufgrund ihrer Minenrechte eine zentrale Stellung einnehmen. 59 Vgl. zur Präsenz der deutschen und genuesischen Kaufleute und ihrer Vernetzung  : Kellenbenz 2001, S. 11–64  ; Dalton 2016, S. 32. 60 Dalton 2016, S. 45.

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lange vor der offiziellen Aufhebung der Einschränkungen für Genuesen und für Untertanen Karls V. aus anderen Teilen seines weiträumigen Herrschaftsbereiches in 1525 ein internationaler Handelsplatz geworden war.61 In der Forschung hat in diesem Kontext zuletzt die Präsenz englischer Kaufleute verstärkt Beachtung gefunden.62 Dies ist ein wichtiger Kontrast zum traditionellen Narrativ, wonach die Engländer sich nach einigen Entdeckungsfahrten um 1500 über Jahrzehnte nicht am transatlantischen Handel beteiligt hätten, bis sich dann ab den 1560er Jahren ein spanisch-englischer Gegensatz herausgebildet habe, dessen direkte Konsequenz schließlich die versuchte Invasion von 1588 gewesen sei. Entgegen dieser gängigen Erzählung waren englische Kaufleute schon vor 1500 in Sevilla ansässig und konnten ihre Präsenz und Mitwirkung am zunächst atlantischen und zunehmend auch transatlantischen Handel nach der 1501 geschlossenen Ehe zwischen Arthur Tudor und Katharina von Aragon weiter ausbauen. Die politische Annäherung beider Länder setzte sich nach Arthurs Tod durch die Vereinbarung einer späteren Heirat Katharinas mit Arthurs Bruder Heinrich in 1503 fort und fand ihren vorläufigen Höhepunkt im militärischen Bündnis Karls V. und Heinrichs VIII. gegen Franz I. im Jahr 1521.63 Im Laufe dieser Jahrzehnte bildeten die englischen Kaufleute in Sevilla eine Gemeinschaft, deren Mitglieder am Handel mit den amerikanischen Kolonien partizipierten, Informationen sammelten und eigene Projekte planten.64 Hierzu gehörten beispielsweise Robert Thorne, der ein erhebliches Vermögen erwirtschaften konnte, und der kosmographisch interessierte Roger Barlowe.65 Viele der Engländer heirateten kastilische Frauen aus angesehenen, gut vernetzten Familien, die durch ihre Kontakte und oft auch durch ihre Sachkenntnis die Geschäfte unterstützten.66 Die langfristige Residenz, der Erwerb von Grundbesitz und die Eheschließung eröffneten schließlich einigen Engländern die Möglichkeit zu ihrer Naturalisation als Untertanen der Herrscher Kastiliens.67 Da sie weiterhin familiäre und geschäftliche Beziehungen in England besaßen, verknüpften sie somit in einer wichtigen Brückenfunktion unterschiedliche Wirtschaftsräume und ermöglichten den Transfer von Wissen und Waren. Weitaus bedeutender als die englischen Kaufleute waren die Fugger und die WelserVöhlin-Gesellschaft, die über mehr Kapital und Einfluss verfügten und sogar eigene koloniale Interessen verfolgten. Dies lag unter anderem daran, dass sie zugleich Finanziers und Gläubiger Karls V. waren. Beide Gesellschaften waren in europaweite und transatlantische Handelsnetze eingebunden, die nicht nur den Atlantik, sondern auch 61 Johnson 2009, S. 98  ; vgl. Simmer 2000, S. 35. 62 Insbesondere in den Arbeiten von Heather Dalton  : Dalton 2009 und Dies. 2016. 63 Dalton 2016, S. 60. 64 Vgl. Taylor 1930, S. 10f.; Dalton 2009, S. 76f.; Quinn  : Thorne, Robert. In  : DCB. 65 Quinn  : Thorne, Robert. In  : DCB. 66 Vgl. Connel-Smith 1954  ; Dalton 2016, S. 51–55. 67 Hoffman 1973, S. 155f.

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den portugiesischen Asienhandel, vor allem mit Gewürzen, umfassten.68 Für beide waren die Atlantikinseln und die kastilischen Kolonien in Amerika demnach nur ein Geschäftsfeld unter vielen. Sie profitierten als Kreditgeber Karls V. von den nach Europa gebrachten Edelmetallen und Handelswaren. In dieser Position waren die Fugger wie auch die Welser früh über die Berichte des Hernando Cortes und die von ihm nach Kastilien geschickte Beute informiert. Dieser spektakuläre Erfolg könnte beide oberdeutschen Handelshäuser zu ihren eigenen, kolonialen Projekten motiviert haben. Allerdings dürfte auch Karl V., der bei beiden Gesellschaften verschuldet war, sie zu einem stärkeren Engagement ermutigt haben. Er hätte so eine Gelegenheit gehabt, seine Schulden zu reduzieren und zugleich kapitalstarke Investoren für die weitere Expansion seines Machtbereichs zu gewinnen. Von beiden oberdeutschen Handelshäusern war die Welser-Vöhlin-Gesellschaft deutlich stärker in Amerika selbst involviert. Sie unterhielt bereits seit 1526 eine eigene Faktorei auf Hispaniola, von der aus sie sich am karibischen Zucker- und Sklavenhandel beteiligte.69 Flankiert wurde dieses Engagement durch den Erwerb von Bergbaurechten in der Provinz Santa Marta im heutigen Kolumbien.70 Hier versuchte die Gesellschaft Profit aus dem kostenintensiven Handel mit Versorgungsgütern wie Wein, Textilien und Nahrungsmitteln gegen Exportgüter, vornehmlich Zucker, Perlen und Arzneihölzer zu erzielen.71 Dafür erwarb sie auch Rechte an einer Zuckermühle, um selbst für den Export produzieren zu können. Gestützt auf diesen Standort handelten Vertreter der Welser-Vöhlin im Jahr 1528 einen Vertrag zur Errichtung einer neuen Provinz im Gebiet des heutigen Venezuelas unter ihrer Statthalterschaft aus.72 Wie bei den Verträgen mit Konquistadoren in Nordamerika üblich verpflichteten sie sich, Städte und Festungen zu bauen, die Indigenen möglichst gewaltfrei zu Untertanen der Krone zu machen und den Ausbau der Provinz voranzutreiben. Im Gegenzug erhielten sie das Recht, auf einigen direkten Handelsfahrten nach Antwerpen Zölle zu umgehen, die Erlaubnis zur Einfuhr von Sklaven sowie weitreichende Vorrechte bei Salzgewinnung und Bergbau. Auch wenn die Forschung davon ausgeht, dass die Welser in Europa breit angelegte Pläne zum Erzielen von Profit durch Bergbau und zum Aufbau einer Verwaltung vor Ort verfolgten, so überstrahlte für die Männer vor Ort das Interesse an der Eroberung eines neuen 68 Zur Übersicht grundlegend  : Häberlein 2016, S. 63–116. 69 Otte 2004, S. 117–161  ; vgl. Kellenbenz 1990 I, S. 156f.; Häberlein 2016, S. 107–115. 70 Denzer 2002, S. 293. 71 Vgl. Häberlein 2016, S. 112–115  ; Denzer 2002, S. 290f. 72 Vgl. grundlegend zur Unternehmung die Untersuchungen von  : Grosshaupt 1987  ; Denzer 2005  ; Simmer 2000  ; Schmitt 1994, S.  289–322. Zum Wandel der Rezeption und Deutungen auch im Spannungsfeld der Bewertung der Akteure oder der Unternehmung als »deutsch« siehe Schmolz-Häberlein 2002, S. 320–344. Kurz mit Vergleich des Forschungsstandes  : Häberlein, 2016, S. 116–128  ; Speziell zu den Reiseberichten Knefelkamp 1993, S. 8–17  ; Zu Fugger und Welsern in Übersee auch  : Walter 1992  ; zu Philipp von Hutten Schmitt 1996  ; Ders. 1999  ; Ders. 1999a.

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Goldreichs alles andere. Hierin liegt eine weitere, deutliche Parallele zu den zeitgleich in Nordamerika unternommenen Kolonialprojekten kastilischer Konquistadoren. In den Jahren 1530–1546 unternahmen die Gouverneure und Vizegouverneure mehrere erfolglose Entradas und vernachlässigten den vereinbarten Ausbau der Provinz, wie in Kapitel 3.1 näher geschildert wird. Im Vergleich zu den Welsern waren die Fugger zunächst weniger direkt in Übersee engagiert, obwohl sie schon früh in Sevilla, Madrid und Lissabon präsent und in den atlantischen Handel involviert waren.73 Die Fugger erwarben 1530 nach Vorbild der kastilischen Konquistadoren und der Welser einen Vertrag, der ihnen weitreichende Rechte am Süden des heutigen Perus und in Chile einräumte.74 Dies beinhaltete unter anderem den Anspruch auf 90  Prozent der erwirtschafteten Edelmetalle und sechs steuerfreie Handelsfahrten, um den Aufbau der Provinz zu finanzieren. Karl  V. forderte im Gegenzug die Errichtung von vier Festungen in acht Jahren. Der Herrscher ratifizierte den Vertrag jedoch 1531 nicht – was die Fugger aber ohne Widerspruch oder einen weiteren Anlauf zur Umsetzung des Projektes hinnahmen. Die Gründe hierfür können aufgrund der lückenhaften Überlieferung nur vermutet werden. So könnten beispielsweise der Untergang eines Schiffs mit einem Vertreter der Fugger auf einer Erkundungsfahrt, aber auch die Schwierigkeiten der Welser, in Venezuela Profite zu erwirtschaften, die Fugger dazu gebracht haben, ihr Vorhaben auf sich beruhen zu lassen. Für beide oberdeutschen Handelshäuser und die englischen Kaufleute ist festzuhalten, dass ihr Engagement ein wichtiges Argument dafür bietet, den Aufbau des iberischen Atlantiks nicht als eine nationale Geschichte kolonialer Expansion, sondern als eine entangled history zu verstehen. Dies gilt umso mehr, da diese Akteursgruppen nicht nur jeweils mit Karl V. und kolonialen Akteuren aus Kastilien vernetzt waren, sondern auch untereinander, wie das Beispiel einer Expedition im Jahr 1526 belegt.75 Ziel der Unternehmung waren die Molukken, die Magellan zuvor durch die nach ihm benannte Straße erreicht hatte. Treibende Kraft hinter der Unternehmung und ihr Organisator war Sebastian Cabot. Er stammte aus Venedig, war aber mit seinem Vater, der 1497–1499 für Heinrich VII. einen Seeweg nach Asien gesucht hatte, nach Bristol gezogen und hatte längere Zeit dort gelebt. Sebastian wechselte vermutlich angesichts fehlender Unterstützung für seine Pläne für neue Entdeckungsreisen in den Dienst Karls V. und stieg aufgrund seiner Erfahrungen zur See 1518 in Sevilla zum Piloto Mayor der Krone auf. Als oberster Navigator war es seine Aufgabe, neues geographisches und nautisches Wissen zu sammeln. In der Handelsstadt war er durch seine Kontakte 73 Pieper 1993, S. 158. 74 Häberlein 2006, S. 79f.; Ders. 2013, S. 27  ; Ders. 2016, S. 130f.; vgl. Kellenbenz 1990 I, S. 159– 162. Hingegen betont Simmer 2000, S. 66f., dass der portugiesische Gesandte den Faktor der Fugger in Seville beeinflusst habe, das Projekt nicht weiterzuverfolgen. 75 Dalton, 2009, S. 75  ; Kellenbenz 1990 I, S. 154–156 und Skelton  : Cabot, Sebastian. In  : DCB.

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zu englischen Kaufleuten und seine Ehe mit der Witwe eines kastilischen Konquistadors schon bald gut vernetzt. Für seine Expedition von 1526 konnte Cabot die finanzielle Unterstützung italienischer, deutscher wie auch englischer Kaufleute gewinnen. Einige der Engländer wie Roger Barlow, und auch Vertreter der Fugger schlossen sich der Unternehmung sogar persönlich an. Sie erreichten die Molukken jedoch nie. Sebastian Cabot nahm zunächst Kurs auf Südamerika und blieb entgegen seinen Anweisungen mit seiner Flotte dort. In den folgenden drei Jahren erkundeten er und seine Männer die Mündung und den Flusslauf des Rio de la Plata. Cabot hoffte, dort eine kürzere Passage ins Südmeer oder Zugang zu Silberminen zu erhalten. Angesichts der andauernden Suche schickte er unter anderem Roger Barlowe zurück nach Spanien, der dort aber vergeblich um weitere Unterstützung für die Expedition warb, da Karl V. seine Rechte auf die Molukken 1529 im Vertrag von Saragossa an Portugal abtrat. Sebastian Cabot musste daher nach Sevilla zurückkehren und den Verlust von Schiffen und Mannschaften sowie einen finanziellen Fehlschlag eingestehen. In einem Prozess wurde er zu Schadensersatz und Verbannung verurteilt, konnte jedoch Karl V. überzeugen, die Folgen des Schuldspruchs zu mildern und ihn seine Arbeit als Piloto Major fortsetzen zu lassen. Er befehligte allerdings keine weitere Expedition, sondern widmete sich in den folgenden 18 Jahren hauptsächlich neuen Navigationstechniken und einer Überarbeitung der Seekarten, bis er nach dem Tod seiner Frau aus Spanien zurück nach England ging. Doch nicht nur er, sondern auch einige englische Kaufleute wie Roger Barlow verließen Sevilla. Andere hingegen blieben und hielten wie die Fugger und Welser die grenzübergreifende Vernetzung des iberischen Atlantiks aufrecht, wie die weitere Mitwirkung auswärtiger Finanziers und Teilnehmer an Expeditionen im Auftrag Karls V. belegt.76 Die Rückkehr von Personen wie Barlow und Cabot nach England bedeutete ein Ende ihrer Versuche, als Partner mit den Strukturen und Akteuren des iberischen Kolonialreiches zu kooperieren.77 Sie schlossen sich nun denjenigen an, die schon seit einigen Jahrzehnten eigene Projekte unter dem Schutz anderer Herrscher unternahmen, ohne aber einen offenen Konflikt mit den iberischen Mächten zu suchen.78

76 So wirkten an dem Versuch zur Kolonialisierung der Region am Rio de la Plata unter Pedro de Mendoza 1535 deutsche Landsknechte, mindestens ein englischer Kaufmann und einmal mehr Vertreter der Welser und Fugger mit eigens ausgerüsteten Schiffen mit  ; vgl. Dalton 2016, S. 123f.; Werner 1967, S. 494–592  ; Parry 1979, S. 252–257  ; Bitterli 1999, S. 127f.; Die wichtigste Quelle über diese Expedition ist der Bericht des Landsknechts Ulrich (Utz) Schmidl, der in Frankfurt im Druck erschien und mehrfach unter wechselnden Titeln neu herausgegeben wurde, Schmidel 1567. 77 Dalton 2009, S. 77–84  ; Quinn  : Thorne, Robert. In  : DCB. 78 Vgl. zur Übersicht über die im Folgenden vorgestellten Projekte  : Dickinson 1984, S.  127–137  ; Allen 1992, 500–521  ; Hoffman 1961  ; Williamson 1962  ; Quinn 1974, S. 72–171 und Ders. 1977, S. 60–169  ; Alte Standardwerke mit einem Quellenanhang, welche die Forschungsliteratur prägten, sind  :

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England war für solche Vorhaben aufgrund der schon seit dem 15. Jahrhundert von Bristol aus unternommenen transatlantischen Seereisen ein lohnender Ausgangspunkt. In Überblickswerken zur britischen Seefahrtsgeschichte wird als deren Auftakt meist die Expedition von John Cabot im Jahr 1497 genannt, dessen Sohn Sebastian später in Kastilien zum Piloto Major aufstieg.79 Der aus Italien stammende John Cabot hatte sich den Hafen von Bristol vermutlich als Stützpunkt ausgesucht, weil die dortigen Seeleute umfangreiche Erfahrungen in der Hochseefischerei besaßen und in den 1480ern bereits Expeditionen zur Suche nach der mystischen Insel Bresil unternommen hatten.80 Cabot erhielt von Heinrich VII. im Jahr 1496 ein Patent, das ihm erlaubte, im Namen des Königs nach Westen zu segeln, genauer nach China, und auf dem Weg dorthin Inseln, Länder, Städte und Burgen zu erobern und für die englische Krone in Besitz zu nehmen. Allerdings musste er dabei wichtige Einschränkungen hinnehmen  : Er durfte nur Gebiete in Besitz nehmen, die weder einem christlichen Herrscher untertan waren noch bisher einem Christen bekannt waren. Dies zeigt, dass Heinrich  VII. die Ansprüche der Portugiesen und Kastilier selbst dort zu beachten befahl, wo sie nur eine Erkundung und keine Besitznahme vorgenommen hatten. Vorbild für John Cabots Patent waren die Verträge, welche die Herrscher Portugals für die frühen Atlantikexpeditionen vergeben hatten, und ebenso wie in den Vorlagen trug auch hier der Organisator Kosten und Risiko, während der Krone für ihren formellen Schutz einen Teil eventueller Profite zukam. Cabot setzte die Vereinbarung 1497 in die Praxis um, als er mit nur einem Schiff und einer kleinen Mannschaft den Atlantik überquerte. Nach seiner Rückkehr berichtete er von einem neuentdeckten Land, das vermutlich ein äußerster Teil Asiens sei und in dem es Seidenraupen, Hölzer für Färbereien sowie reiche Fischgründe gebe. Cabots nicht überlieferte Berichte wirkten als eine Art Initialzündung für weitere Projekte, die auf eine nördliche Umgehung der iberischen Einflussbereiche zielten. Die geographische Lage der von ihm für England erkundeten und in Besitz genommenen Gebiete wird in der Forschung angesichts der desolaten Quellenlage kritisch diskutiert, wobei die im Jahr 1500 in Spanien erstellte Weltkarte des Juan de la Cosa als ein Indiz für deren Lokalisierung gilt. Aus der Tatsache, dass auf der Karte weite Teile einer fiktionalen Küste Nordamerikas mit englischen Fahnen markiert sind, leiten einige Forscher ab, dass Cabot Neufundland, Labrador oder Nova Scotia erreicht habe.81 Heinrich  VII. gewährte Cabot eine Pension und erlaubte ihm eine zweite Biggar 1911  ; Verwey 1970  ; Eine neuere, auf die älteren Werke gestützte Quellensammlung bietet  : Quinn NAW I. 79 Skelton  : Cabot, John. In  : DCB. Die Quellen hierzu sind ediert in  : Quinn NAW I, S. 93–102  ; vgl. Sacks 1991, S. 34f.; Jones 2008, S. 224–254. 80 Die frühen Atlantikreisen aus Bristol als eine mögliche Entdeckung Amerikas zu deuten, ist eine zentrale These im Werk von Quinn, vgl. Quinn 1974, S. 72–160. Die wenigen fragmentarischen Quellen hierfür edierte er in  : Quinn NAW I, S. 91f. 81 Verwey 1970, S. 190–195. Hier bietet der Autor eine alternative Deutung an  : Die Karte könne auch als

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Reise, an der er sich mit einem eigenen Schiff beteiligte. Mit Hilfe von Kaufleuten aus Bristol, denen Heinrich in Aussicht gestellt hatte, ihre Stadt nach Vorbild Sevillas zum Monopolhafen für den Asienhandel zu machen, konnten 1498 fünf Schiffe mobilisiert werden. Die Expedition verschwand jedoch auf See und blieb verschollen. John Cabots Patent fiel an seinen Sohn Sebastian, der aber keinen unmittelbaren Nutzen daraus zog. An seiner Stelle war es zunächst eine Gruppe von drei portugiesischen und drei englischen Seefahrern und Kaufleuten, die 1501 in einer Petition von Heinrich VII. ein neues Patent erbat.82 Diese Verbindung von Akteuren, die von den Azoren und aus Bristol stammten, belegt, dass die grenzübergreifende Verflechtung der frühen atlantischen Expansion nicht auf Sevilla oder Antwerpen begrenzt war. Die Gesellschafter erhielten in den Jahren 1501 und 1502 Patente für Erkundungsreisen und Besitznahme im Westen, die denselben Einschränkungen unterlagen, die John Cabot auferlegt worden waren. Inzwischen bedeutete dies aber auch, dass sie keine Gebiete in Besitz nehmen durften, die Cabot bereits erkundet hatte, denn diese waren Christen nicht mehr unbekannt. Eine Ergänzung stellt die Vorschrift dar, den Bewohnern der neuen Länder weder Diebstahl noch Mord oder Vergewaltigung anzutun. Im Falle einer Besitznahme sollten die Inhaber des Patentes ein zehnjähriges Handelsmonopol und den erblichen Rang von Statthaltern der Krone erhalten, verbunden mit dem Recht, Gesetze zu erlassen und Amtsträger zu ernennen. Die Portugiesen wurden dabei den englischen Untertanen Heinrichs in Rechten und Pflichten gleichgestellt. Heinrich erlaubte außerdem allen seinen Untertanen, nach eigenem Wunsch in die neuen Länder zu ziehen und das Land dauerhaft zu besiedeln. Damit hatte er nach Vorbild der portugiesischen Kolonialisierung der Atlantikinseln zumindest in der Theo­rie ein erstes koloniales Programm erlassen. Auf die Pläne folgten jedoch kaum nachweisbare Taten.83 Indizien könnten sich wie im Fall Cabots aus historischen Karten ableiten lassen, doch sind die darin gezeigten Küsten oft keiner genauen Expedition zugeordnet und die portugiesischen Mitglieder der Gruppe segelten neben ihrem Engagement in England zusätzlich auch unter portugiesischer Lizenz.84 Allerdings liegen mehrere Hinweise auf drei im Jahr 1502 jenseits des Atlantiks entführte, in Felle gehüllte Indigene vor, die nach England gebracht und bei Hofe gezeigt wurden.85 Es gelang der anglo-lusitanischen Gemeinschaft jedoch nicht, Heinrich VII., der unter John Cabot eines seiner Schiffe verloren hatte, zur direkten Unterstützung einer weiteren Reise zu bewegen. Sollten die sechs Botschaft an Heinrich VII. gelesen werden. Die englischen Fahnen auf der Karte, die bis an die Grenze des für Kastilien markierten Bereiches eingezeichnet sind, wären dann eine Warnung nicht weiter zu segeln. 82 Siehe zu den Aktivitäten dieser Gruppe die Quellenedition  : Quinn NAW I, S. 103–120. 83 McGrath 1978, S. 88f. Zur Umsetzung kolonialer Pläne  : Williamson 1962, S. 136f. 84 Davies  : Fernandes, Joao. In  : DNB. 85 Vaughan 2006, S. 11.

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allerdings tatsächlich weitere Expeditionen unternommen haben, ist die Mitwirkung anderer Kaufleute aus Bristol sehr wahrscheinlich.86 Angesichts ausbleibender Profite und des Unvermögens, einen Seeweg nach Asien zu erschließen, flaute das Interesse jedoch rasch ab. Hierbei dürfte auch die Möglichkeit eine Rolle gespielt haben, stattdessen in Sevilla tätig zu werden.87 Als die angloportugiesische Gemeinschaft im Jahr 1506 in einer Quelle erstmals mit dem Namen »Company Adventurers to the New found land« bezeichnet wird, war sie bereits in Auflösung begriffen, und die Partner prozessierten wegen ihrer Schulden gegeneinander.88 Auch wenn aus den frühen Seereisen, die von Bristol aus unternommen wurden, kein Kolonialprojekt oder Asienhandel hervorging, so gaben sie dennoch einen wichtigen Impuls für die weitere Vernetzung des Atlantiks als Handlungsraum. Bereits um 1500 nutzten Hochseefischer die Fanggründe vor Neufundland, wo sie Speisefische, für die es in Europa einen etablierten Markt gab, in einer bisher unbekannten Menge vorfanden.89 Die Fischgründe zogen nach einigen Jahren Seefahrer aus unterschiedlichen Ländern an, so aus der noch formal unabhängigen Bretagne, aus der französischen Normandie, dem Baskenland, aber auch aus Portugal und Kastilien. Ab etwa 1530 kam noch der Walfang dazu, den insbesondere Basken unternahmen, die je nach politischer Lage unter spanischer oder französischer Flagge segeln konnten. Obwohl die Zahl der Schiffe aufgrund mangelnder Quellen nicht eindeutig zu ermitteln ist, lassen sich schon für 1517 mehr als 100 Schiffe vermuten, und in der Forschung gelten für die zweite Hälfte des Jahrhunderts bis zu 500 Schiffe pro Jahr als möglich.90 Über die unmittelbar Mitwirkenden hinaus waren zusätzlich Investoren oder Händler an der Ausbeutung der Bestände beteiligt, die den Fisch bis weit ins jeweilige Landesinnere hinein vertrieben, und so ihre lokale Wirtschaft mit Neufundland vernetzten. Insbesondere Kabeljau aus dem Nordatlantik war im Europa der Frühen Neuzeit eine wichtige Handelsware.91 Grund hierfür waren sein hoher Proteingehalt und seine lange Haltbarkeit, die ihn zu einer strategischen Ressource für die Versorgung von Seeleuten und Soldaten machten. Um 1550 nahm Kabeljau allein beinah 60 Prozent des Fischhandels in Portugal, Frankreich und Spanien ein und wurde von dort aus im gesamten Mittelmeerraum abgesetzt.92 Um ihren Fang haltbar zu machen, nutzten 86 Quinn  : Torne, Robert, the elder. In  : DCB. 87 McGrath 1978, S. 89f. hier ohne Hinweis auf Sevilla. 88 Quinn  : Eliot, Hugh. In  : DCB. 89 Siehe allgemein  : Starkey 2015, S. 55–75. Zum Überblick über die Neufundlandfischerei des 16. Jahrhunderts vgl. Hoffman, 1961, S. 197–202 und die Tabelle S. 33  ; Turgeon 2004  ; Quinn 1982  ; Allaire 2005, S. 93–116  ; Cell 1969, S. 3–31  ; Brunelle 1991, S. 30–36 und Trigger/Swagerty 2007, S. 339–342. 90 Vergé-Franceschi 1998, S. 98 vermerkt 100 Schiffe allein aus Frankreich. Vgl. Kupperman 1997, S. 357f. 91 Kurlansky 1999, S. 27–74  ; Brunelle 1988, S. 95–103  ; Cell 1969, S. 2–83. 92 Kurlansky 1999, S. 51  ; Kuperman 1997, S. 357f.; Trigger/Swagerty 2007, S. 339–342.

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die Fischer, die aus dem Baskenland, der Bretagne, der Normandie, Bristol, Plymouth, den niederländischen Hafenstädten oder aus Portugal kamen, zwei unterschiedliche Praktiken des Konservierens.93 Bei der ersten Variante brachten die Fischer ihren Fang mit kleinen Booten an die Küste Neufundlands, wo sie ihn auf Gestellen trockneten. Dies nannte man Dry-fish (Stockfisch). Meist wurde der Fisch vor dem Trocknen noch leicht gesalzen, um ihn zu entwässern, daher die alternative Bezeichnung Clip-fish/Salt-fish. Für diese Vorgehensweise mussten die Fischer sich allerdings gute Trockenplätze sichern, was vor Ort durchaus zu Konflikten führen konnte und dazu motivierte, immer früher im Jahr in See zu stechen. Die Konservierung an der Küste führte außerdem zu Kontakten mit der indigenen Bevölkerung der Beothuk, die sich an der Arbeit beteiligen konnte oder zumindest Tauschhandel betrieb. Berichte späterer Seefahrer zeigen, dass die lokale Bevölkerung dabei schon früh Handlungsweisen für Begegnungen entwickelte, indem beispielsweise die Männer bei Europäern begehrte Waren vorzeigten, während Kinder und Frauen sich versteckten.94 Dies war bei der zweiten Variante anders. Hier legten die Fischer den Kabeljau in eine Salzlake ein und verkauften ihn als Wet-fish/Greenfish in Fässern. Im Vergleich ersparte dieses Verfahren den Seeleuten viel Zeit und die oft riskante Annäherung an die Küste. Allerdings brauchte man große Mengen Salz, so dass nur Fischer aus südlichen Ländern, in denen Meersalz gewonnen wurde, diese Methode nutzten. Einige Seeleute aus England nahmen den Mangel an Salz zum Anlass, ein von Allaire und Cell nachgezeichnetes, weiträumiges Handelsnetz aufzubauen.95 Zuerst fuhren sie nach Spanien, Portugal oder sogar Italien und kauften dort Salz. Nach ihrem Fischzug bei Neufundland kehrten sie dann in die Salzhäfen zurück, wo sie den Fang wiederum gegen mediterrane Handelswaren tauschten, die sie schließlich in ihre Heimathäfen brachten. Die Notwendigkeit, bestimmte Flächen und natürliche Häfen zu nutzen, machte einen gewissen Grad an Selbstorganisation erforderlich. Hierfür ernannten die Fischer unabhängig von ihrer Herkunft einen gemeinsamen Hafenadmiral, der in der Bucht von St. John auf Neufundland Streitfälle schlichtete.96 Seine Autorität stützte sich auf sein Ansehen und sein seemännisches Geschick, da er sehr früh im Jahr eintreffen musste. Offenbar unnötig war hingegen der Rückgriff auf die Autorität eines europäischen Monarchen. Ob und ‒ falls ja ‒ ab wann Seeleute in Amerika überwinterten, um sich besonders begehrte Plätze für das nächste Jahr zu sichern, ist nicht bekannt.97 Allerdings wird in Überblickswerken gelegentlich erwähnt, dass ein Sieur de Leri im 93 Allaire 2005, S. 94–102  ; Brunelle 1988, S. 108  ; Fuller 2008, S. 132. 94 Siehe Verrazzanos Reisebericht, erschienen in Hakluyt 1582, und den Bericht zu Cartiers erster Reise, ediert in  : Cook 1993, S. 3–34  ; vgl. Axtell 1992, S. 83. Zur Entwicklung vom Fischfang zum Pelzhandel siehe Turgeon 1998, S. 213–238. 95 Allaire 2005, S. 94f.; Cell 1969, S. 2–45. 96 Kupperman 1997, S. 358. 97 Eccles 1998, S. 11f.

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Jahre 1518 versucht habe, auf der Isle de Sable eine Kolonie unter dem Schutz der Krone Frankreichs zu gründen.98 Hierzu liegen jedoch weder Textquellen noch archäologische oder kartographische Befunde vor. Eine im Vergleich deutlich dichtere Überlieferung existiert hingegen für das mutmaßliche koloniale Projekt des John Rastell im Jahr 1517, der in seinen Plänen die Suche nach einer Nordwestpassage mit der Idee einer Ausdehnung des Herrschaftsbereichs des englischen Königs jenseits des Atlantiks verknüpfte.99 Rastell war Drucker, Buchhändler und Rechtsanwalt in London und durch Heirat mit dem einflussreichen Thomas More verwandt. Gemeinsam mit zwei Londoner Geschäftsleuten, bemerkenswerterweise ohne Mitwirkung aus Bristol, erwarb er eventuell ein königliches Patent für eine Expedition. Überliefert ist allerdings nur ein 1517 erlassenes Geleitschreiben Heinrichs VIII. zugunsten Rastells an andere europäische Herrscher, das in der Forschung einstimmig als Patent bezeichnet wird. Darin findet sich jedoch kein Wort von Besitznahme oder Eroberung sowie keine Pflichten oder Regelungen für eine Besiedlung, wie sie die Patente für Cabot oder das anglo-lusitanische Netzwerk enthielten. Rastell erhielt, vermutlich durch Vermittlung von Thomas More, ein Schiff des Königs sowie einen Kredit, mit dem er und seine Partner schließlich mindestens drei weitere Schiffe ausrüsten konnten. Im Jahr 1517 versuchte er, den Atlantik zu überqueren, doch die Reise verzögerte sich und musste mehrfach in verschiedenen Häfen unterbrochen werden. Spannungen zwischen Rastells Gefolgsleuten und den Seeleuten traten auf, da letztere offenbar um ihren Profit fürchteten und am Nutzen der Reise zweifelten. Rastell und seine Leute wurden schließlich in Irland ausgesetzt, und die Mannschaft verkaufte seine Ausrüstung in Bordeaux, um die Kosten zu decken.100 Infolge dieser Ereignisse prozessierte Rastell gegen seinen Master-Mariner in London. Auch wenn er dabei weitgehend erfolglos war, geben die Prozessakten einen Einblick in die Ausrüstung der Reise, die auf den geplanten Bau eines befestigten Hauses schließen lassen. Dies gilt als wichtiges Indiz für eine koloniale Zielsetzung, könnte aber auch nur für eine temporäre Faktorei vorgesehen gewesen sein. Weitaus eindeutiger ist Rastells öffentliche Aufarbeitung seines Projekts in einem Theaterstück, das auch im Druck erschien.101 Darin stellt er die Expedition unter eine rein koloniale Zielsetzung, da er vorgehabt habe »buyldynge and habytacion«102 zu errichten und beklagt ihr Scheitern, für das er allein den Seeleuten die Schuld gibt. Er

 98 Die Berichte lassen sich anhand der Verweise meist auf das einflussreiche ältere Überblickswerk Julien 2003 (Original 1947) zurückführen, S. 78f. Kritisch dazu  : Dickason 1984, S. 155.  99 Geritz/Laine 1983, S. 14–41  ; Verwey 1970, S. 245–247  ; Quinn 1974, S. 161–169  ; Reimer 2006, S.  68f. Mit weiteren Verweisen Clough  : Rastell, John. In  : ODNB. Zu den Quellen siehe Quinn NAW I, S. 161–171. 100 Dagegen behauptet Aebel 2011, S. 116f., Rastells Schiff habe England nie verlassen. 101 Rastell 1517, Edition Axton 1979, S. 30–68. 102 Ebd., S. 49f.

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zählt außerdem angebliche Vorzüge und Ressourcen des Landes auf, dass er »America« nennt und schlussfolgert  : And also what an honorable thynge, Bothe to the realme and to the kynge, to have had his domynyon extendynge There into so farre a ground, Which the noble kynge of late memory, The most wyse prynce the seventh Henry causyd furst for to be founde.103

Damit ist er der erste Autor, der in englischer Sprache ein, wenn auch noch unpräzises, koloniales Projekt skizziert, dessen wirtschaftliche und politische Vorzüge bewirbt und zugleich durch den Verweis auf die Erstentdeckung auch legitimiert. Es sind allerdings keine unmittelbaren Reaktionen auf sein Werk oder Folgeprojekte bekannt. Grund hierfür ist neben dem schlechten finanziellen Ergebnis seiner eigenen Reise sicherlich, dass die Fischerei hohe Profite ohne die Kosten für eine dauerhafte Ansiedlung versprach. Dies kann auch erklären, warum Rastell keine Unterstützung aus Bristol erhielt. Erst nachdem 1522 Berichte über die Rückkehr eines von Magellans Schiffen mit einer Ladung Gewürzen von den Molukken in Europa kursierten, nahm das Interesse an neuen Entdeckungsreisen wieder zu.104 In England wie auch in Frankreich erhielten die Herrscher nun neue Anträge auf Patente zur Suche nach einem nordwestlichen Seeweg nach Asien, auf den schon Cabot und das anglo-lusitanische Netzwerk vergeblich spekuliert hatten. In Frankreich wandte sich ein Florentiner, Giovanni Verrazzano, in diesem Sinne an Franz I.105 Stützen konnte er sich dabei auf ein Netzwerk von Finanziers und Fürsprechern. Seine Ausgangsbasis war Dieppe in der Normandie, wo der Unternehmer Jean Ango jährlich Dutzende Schiffe nach Neufundland und Brasilien aussandte. In Dieppe und Rouen lebten außerdem Exilflorentiner, die den Kontakt zu weiteren italienischen Geldgebern herstellten. Andere Italiener im Umfeld des Hofes und insbesondere die Schwester des Königs befürworteten Verrazzanos Plan einer westlichen Reise nach Asien. Verrazzano erhielt die Genehmigung Franz’ I. und erkundete auf einer Expedition weiträumig die Küsten Nordamerikas, über die er 1524 in Dieppe einen Bericht verfasste. Darin lobte er Nordamerika als ein zweites Acadien, musste aber berichten, dass 103 Ebd., S. 50. 104 Kellenbenz 1990 I, S. 152. 105 Vgl. zu den Verrazzano-Reisen  : Habert 1964, zur ersten Reise S.  51–146 sowie S.  254–290 zum Journal S.  146–156  ; Trudel 1963, S.  31–56  ; Morley 1984, S.  139–144  ; Hoffman 2004, S.105– 124  ; Mollat/Habert 1982 (mit Transkript der Relation). Die erste Druckfassung erschien bei Ramusio 1556  ; auf Englisch bei Hakluyt 1582.

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beide Amerikas eine einzige, gewaltige Landmasse bildeten, die den Gelehrten der Antike nicht bekannt gewesen sein könne. Diese neue Erkenntnis war für die Geldgeber eine Enttäuschung, obwohl Verrazzano immerhin die Existenz einer Landenge ähnlich dem Isthmus von Panama in Nordamerika in Aussicht stellte. Auch wenn er damit eingestand, sein Ziel nicht erreicht zu haben, wurde die Reise dennoch politisch genutzt. Karten und Globen verzeichneten ab 1527 eine Region Francesca in Nordamerika, die ab 1529 in Nova Francia umbenannt wurde.106 Während Verrazzano vergeblich versuchte, direkt an seine erste Reise anzuknüpfen, taten sich zeitgleich in England einige der in Sevilla aktiven Kaufleute hervor, die 1527 mit ihrem dort erworbenen Wissen für das Projekt einer Nordwest- oder sogar einer polaren Passage warben.107 Den Männern gelang es jedoch nicht, Heinrich VIII. von ihrer Idee zu überzeugen, obwohl sie dem Souverän versprachen  : »your Grace shall winne perpetuall glory and your subiectes infinite profite.«108 Obwohl er die Suche nach einer Nordroute nicht unterstützte, war Heinrich VIII. aber bereit, im selben Jahr eine Expedition von John Rut zu fördern, der dem Vorbild von Verrazzano folgte und versuchte, durch Nordamerika einen Seeweg zu den Ländern des großen Khan zu finden.109 In seinem Auftrag erkundeten zwei Schiffe die Ostküste Nordamerikas und von Kastilien kontrollierte Karibikhäfen.110 Auch wenn sie die erhoffte Passage nicht fanden, lieferten sie doch – so David Quinn – eine Vielzahl neuer Informationen über die Küste Nordamerikas und der Karibik, auf die spätere Seereisende aus England aufbauen konnten. Mit den Ergebnissen der Reisen von Verrazzano und Rut war deutlich geworden, dass im Westen kein direkter Seeweg nach Asien lag, auch wenn noch Hoffnung auf eine Passage über ein Flusssystem oder über eine Landenge bestand. Für die See- und Kaufleute in beiden Ländern ergaben sich daraus unterschiedliche Konsequenzen, die von ihrer bisherigen Praxis der Kooperation oder Konkurrenz geprägt waren. Von England aus verlagerte sich das Interesse weiter nach Norden, um eine Nordwest- oder Nordostpassage zu finden, während in Frankreich, der Politik des Königs selbst entsprechend, die Konfrontation mit dem iberischen Machtbereich weiter forciert wurde.

106 Für eine Übersicht zum kartographischen Niederschlag siehe Morley  : Verrazzano, Giovanni da. In  : DCB  ; Vgl. Dickinson 1984. 107 Insbesondere Robert Thorne, aber auch Roger Barlowe. Die Eingaben blieben ein in Briefform übermitteltes Manuskript und wurden erst 1582 von Richard Hakluyt veröffentlicht, Hakluyt 1582, S.  21–34. Die Quellen zu dieser und parallelen Unternehmungen sind ediert in  : Quinn NAW I, S. 172–188. 108 Hakluyt 1582, S. 23. 109 Steele 1994, S. 17. 110 Vgl. die Quellen hierzu bei Biggar 1911  : Dokumente LVII und LVIIa  ; Quinn NAW I, S. 189–206  ; Verwey 1970, S. 102–118 und S. 255–267, sowie die Übersicht Quinn 1974, S. 171–189.

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Ausgangspunkte für das offensive Vordringen in den von Portugal und Kastilien aufgeteilten Ozean waren Atlantikhäfen in unterschiedlichen Provinzen Frankreichs  :111 Dieppe, Honfleur, Rouen und St. Malo in der Normandie sowie die baskischen Städte Saint-Jean de Luz und Bayonne. Von dort aus brachen Seeleute zu Kaperfahrten, speziell vor den Azoren und den iberischen Küsten, auf, wo sie auf Rückkehrer aus Amerika warteten. Ihr spektakulärster Erfolg war die Kaperung eines Schiffs von Hernando Cortes, das 1523 den Schatz Moctecuzuomas  II. nach Europa bringen sollte. Alternativ konnten die Schiffe aber auch Brasilien anlaufen, wo sich wertvolles Färberholz für die Tuchproduktion in Rouen oder Papageien und exotische Federn und Felle erhandeln ließen.112 Fischerei bei Neufundland, abseits der iberischen Interessengebiete, war eine weitere Option. Die Organisatoren und Finanziers dieser Reisen besaßen kein Amt, keine offizielle Funktion und hatten auch keine weitreichende Charter, wie sie spätere Handelsgesellschaften erwerben konnten. Die sogenannten Armateure mussten immer wieder um Lizenzen für einzelne Fahrten feilschen oder es riskieren, Schiffe ohne rechtlichen Schutz der Krone auslaufen zu lassen. Steuern auf die heimgebrachten Waren fielen jedoch in jedem Fall an. Von diesen Armateuren, war Jean Ango aus Dieppe zweifellos der einflussreichste, auch wenn der Vergleich mit den Fuggern oder Welser-Vöhlin in der älteren Literatur übertrieben ist.113 Die französische Nationalgeschichtsschreibung hat Ango in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet und ihn und seine Seeleute zu Helden und Vorkämpfern für einen freien Handel gegen spanische Tyrannei inszeniert, doch nach dem Ersten Weltkrieg hat er historiographisch kaum noch Beachtung gefunden. Ango errichtete in Dieppe ein komplexes, internationales Netzwerk zur Finanzierung und Wissenssammlung, das wohlhabende Florentiner sowie von ihm angeworbene Navigatoren und Kartographen aus Portugal und Kastilien verband.114 Er war unmittelbar an der Ausrüstung von ca. drei Dutzend Schiffen pro Jahr beteiligt, wobei er unterschiedliche Finanzierungsformen mit Gewinnanteilen für Mannschaften und Befehlshaber sowie anteilige Finanzierung des Schiffes und der Ausrüstung für Teilhaber nutzte.115 Seine finanziellen und militärischen Erfolge führten dazu, dass die Obrigkeit sein Engagement schrittweise durch die Verleihung von Ämtern anerkannte.116 Obwohl Ango auch die Suche nach einem Seeweg nach Asien unterstützte, westlich durch Verrazzano und östlich durch Jean Parmentier, der 1529 Afrika umrun111 Vgl. Mauro 1984, S. 122f.; Mollat 1993, S. 83–90. 112 Zum Farbholz und seiner wirtschaftlichen Bedeutung  : Mauro 1994, S. 14f. 113 Zu Jean Ango vgl. Capendu 1885  ; Guénin 1901  ; Roncière III, S. 243–307  ; Tomlinson 1970, S. 52–54  ; Mauro 1984, S. 111–127  ; zuletzt populärwissenschaftlich Dupuis 1992. 114 Habert 1964, S. 218–220  ; Vergé-Franceschi 1998, S. 110f.; Mollat 1993, S. 87. 115 Tomlinson 1970, S. 55. 116 Er wurde 1521 Vicomte du Port, 1534 Capitaine de Dieppe und 1536 Lieutenant des damaligen Admiral de France. Siehe dazu Vergé-Franceschi 1998, S. 110.

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dete, blieben Kaperfahrten und der Brasilienhandel sein Hauptgeschäftsfeld.117 Durch ihre zahlreichen und langjährigen Kaperfahrten trugen Jean Ango und seine Partner wesentlich zur Entstehung eines frühmodernen Freibeuterwesens in Frankreich bei.118 Ursprünglich sollte mit solchen Lizenzen nichtstaatlichen Akteuren lediglich eine Erlaubnis zur Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht gegeben werden. Diese sollte den Wert des Schadens nicht übersteigen und war somit eigentlich eng begrenzt. Binnen weniger Jahrzehnte entstand daraus jedoch ein breiter Wirtschaftszweig, und Herrscher nahmen Konflikte zum Anlass, um weitreichende Lizenzen für Angriffe auf Schiffe ihrer Rivalen und deren Untertanen auszustellen. Jean Ango, der in einigen Fällen bis zu 30 bewaffnete Schiffe mobilisieren konnte, war der größte Profiteur dieser Entwicklung. Seine militärischen Mittel reichten soweit, dass er 1522 zusammen mit Partnern aus anderen Provinzen sogar die spanische Kolonie Santo Domingo stürmen lassen konnte.119 Solche Kooperationen bedeuteten aber nicht, dass die Armateure und die Amtsträger in verschiedenen französischen Städten dauerhaft zusammenarbeiteten. Als einer von Angos Männern beispielsweise 1525 einen Hafen in der Bretagne anlaufen musste, konfiszierte der Admiral der Bretagne das Schiff, um einen Anteil an der Beute zu erpressen. Dagegen protestierte der eigentlich zuständige Admiral der Normandie, der um seinen Anteil fürchtete, vor Gericht.120 Das zweite zentrale Geschäftsfeld Angos war der Handel an der Küste Brasiliens.121 Dessen Ursprünge liegen in der Expedition des Binot Paulmier de Gonneville aus Honfleur, der auf dem Weg nach Asien 1504 die Küste Südamerikas erreichte und das Land sechs Monate erkundete, bevor er mit Handelswaren zurückkehrte.122 Geradezu programmatisch für die weitere Vorgehensweise der französischen Händler ist, dass er den Sohn eines indigenen Anführers nach Europa brachte – nicht als Opfer einer Entführung, sondern laut seinem Bericht ausdrücklich als freiwilligen Mitreisenden.123 In Frankreich heiratete der Brasilianer eine Tochter Gonnevilles und gründete mit ihr eine Familie. In den folgenden Jahrzehnten errichteten die Franzosen keine dauerhaften Faktoreien, sondern setzten auf kleine Gruppen von sogenannten Truchements.124 Diese 117 In Angos Auftrag wurden auch 1508 die vermutlich ersten Indigenen Amerikas von Neufundland nach Frankreich gebracht, siehe Lanctot  : Aubert. In  : DCB. 118 Villiers 2000, S. 13–18. 119 Moreau 2006, S. 34f. 120 Gaffarel 1902, S. 22. 121 Zum Überblick über die frühen französischen Reisen nach Brasilien  : Julien 2003, S. 89–133  ; Bonnichon 1994, S. 20–35  ; Mouette 1997, S. 7–17  ; insgesamt auch Tomlinson 1970. 122 Vergé-Franceschi 1998, S. 68f.; Abulafia 2008, S. 279  ; eine Edition des Reiseberichts von Gonneville bietet Tomlinson 1970, S. 89–114. Der Bericht wurde zeitgenössisch nicht publiziert. 123 Caminha/Walisch 2001, S. 98. 124 Metcalf 2005, S. 36–62  ; Hemming 1987, S. 11f.; Dickason 1984a, S. 129–146.

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Männer blieben dauerhaft in Brasilien, lebten mit indigenen Frauen zusammen und traten so in deren Familiennetzwerke ein, wo sie Sprachen und Gebräuche lernten. Sie organisierten die indigene Arbeitskraft zur Vorbereitung des Handels mit den eintreffenden Schiffen, so dass genügend Färberholz und Papageien vor Ort waren. Ohne die durch Truchements vermittelte Kooperation der Indigenen wäre kein profitabler Handel möglich gewesen. Pianzola berichtet, dass die Indigenen die meist aus der Normandie stammenden Truchements aufgrund deren blonder Haare und Neigung dazu, gehörte Worte zu wiederholen, um deren Bedeutung und Aussprache zu lernen, perroquets jaunes (gelbe Papageien) nannten.125 Die Kritik einiger zeitgenössischer Autoren, dass die Truchements durch zu viel Nähe zu den Indigenen ihre christliche Identität verloren hätten, mag stereotyp sein, bietet aber ein Indiz für ihre Interkulturalität. Ihr Einfluss zeigt sich auch darin, dass sie Indigene davon überzeugen konnten, dass die Portugiesen ein gemeinsamer Feind seien. So entstanden Bündnisse, in deren Folge die Truchements jedoch an der Seite ihrer indigenen Verwandtschaft in lokale Konflikte verstrickt wurden. Die Folge war, dass einige der rivalisierenden indigenen Gemeinschaften nun die Nähe der Portugiesen suchten. Somit waren europäische und indigene Konfliktlinien miteinander verflochten. Sofern die politische Lage und die militärische Situation es ermöglichten, konnte der Handel auch in Brasilien mit der Kaperung von portugiesischen Schiffen verbunden werden. Eine Spirale der Gewalt entstand, als 1526 aus Portugal Kriegsschiffe mit dem Auftrag ausliefen, französische Schiffe aufzubringen.126 Ihr Sieg und die Eroberung von drei Schiffen aus der Bretagne dienten dann wiederum Jean Ango und anderen als Anlass, neue Lizenzen für Gegenschläge und eine Ausweitung des Kaperkrieges zu erwerben. Der franko-lusitanische Gegensatz erreichte 1530 eine neue Qualität, als der französische Admiral Bertrand d’Ornesan Schiffe nach Brasilien schickte, um auf der Insel Saint Alexis eine dauerhafte Faktorei zu errichten, was in einigen Publikationen als erstes transatlantisches koloniales Projekt aus Frankreich gewertet wird.127 Die von seinen Schiffen zurückgelassenen 60 Männer konnten ihr Fort allerdings nur ein Jahr halten, bevor sie sich einer portugiesischen Streitmacht ergeben mussten. Die Hinrichtung der Gefangenen als rechtlose Eindringlinge in den portugiesischen Herrschaftsbereich wurde in Europa als Provokation gewertet und verbesserte Jean Angos Position. Der Armateur sandte im selben Jahr drei Schiffe nach Brasilien, denen für einige Wochen die Einnahme der portugiesischen Faktorei bei Pernambuco gelang. 125 So der Untertitel von Pianzola 1991  : Les perroquets jaunes. 126 Guerreiro 1973, S. 103–109  ; Julien 2003, S. 95f. 127 Vgl. Tomlinson 1970, S. 67  ; Mauro 1984, S. 124f.; Mouette 1997, S. 13  ; Vergé-Franceschi 1998, S. 119–121  ; Penderey 2010, S. 41  ; Viele Informationen gehen zurück auf das ältere Standardwerk  : La Roncière III, S.  280–282, und auf einen zeitgenössischen lateinischen Bericht unklarer Provenienz, zitiert bei  : Guénin 1901, S. 256f.

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Bei seinen Expeditionen bewegte sich Jean Ango oftmals in einer rechtlichen Grauzone, da er kein allgemeines Patent oder eine Charter für seine Reisen hatte. Dies ermöglichte Franz  I. je nach politischer Lage die Aktionen von Ango und dessen Seeleuten zu dulden, zu unterstützen oder Fahrten zu verbieten und Beute zu konfiszieren. Auch Eliten bei Hofe und in den Provinzen konnten Einfluss auf diese Situation nehmen, um jeweils eigene Interessen zu verfolgen.128 Dabei war die Haltung gegenüber Spanien wegen der Rivalität zwischen Franz I. und Karl V. eindeutig, zumal von 1521–1559 meist Krieg herrschte. Gegenüber Portugal war Franz I. hingegen eher verhandlungsbereit und erließ daher in den 1530ern Verbote von Brasilienreisen. Die Gesandten Johanns III. von Portugal gaben den Schaden, der ihren Untertanen bis 1538 insgesamt zugefügt worden war, anlässlich von Friedensverhandlungen vor einem Prisengericht mit ca. 300 verlorenen Schiffen an, deren Waren einen Geldwert gehabt habe, welcher der Gesamtbeute des Cortes bei der Eroberung des Aztekenreiches entspräche.129 Nur vereinzelt belegen Quellen bis zur Mitte der 1530er Jahre vergleichbare Aktivitäten aus englischen Hafenstädten. Dies gilt für Handel in Brasilien ebenso wie für Kaperfahrten, wobei letztere sich aufgrund der politischen Annäherung Englands und Kastiliens schwerlich mit einer offiziellen Lizenz gegen Untertanen Karls V. richten konnten. Stattdessen stellten französische Schiffe, insbesondere wenn sie zuvor erfolgreich auf Kaperfahrt gewesen waren, ein lohnendes Ziel dar.130 Bezüglich des Handels in Brasilien sind vor allem die mindestens drei Reisen von William Hawkins zu Beginn der 1530er bekannt, die aber eine Ausnahme blieben.131 Somit entsteht insgesamt der Eindruck, dass für die Engländer andere Geschäftsfelder, wie die Fischerei oder die Kooperation mit den iberischen Mächten interessanter waren. Doch welche Optionen hatten die Herrscher und kolonialen Akteure in den beiden iberischen Monarchien, um auf die Expeditionen anderer in von ihnen beanspruchten Gebieten oder auf offene Angriffe auf ihre kolonialen Machtbereiche zu reagieren  ? Grundlage für jede Reaktion war zunächst der Erwerb von Information. Hier kam den Gesandten in London und Paris eine Schlüsselstellung zu. Sie sammelten Berichte, befragten zurückkehrende Reisende, bezahlten Informanten in Hafenstädten und erwarben Abschriften von Nachrichten, die andere Gesandte oder Kaufleute für Auftraggeber und Partner in Italien oder Deutschland verfassten.132 Ihre besondere 128 Julien 2003, S. 94f. 129 Villiers 2000, S. 30f. Selbstverständlich war es für die Gesandten wichtig, eine hohe Summe anzugeben. 130 Childs 2014, S. 3 gibt 1545 als Startpunkt der obrigkeitlich lizensierten Freibeuterfahrten an. Vorher habe man auf der Basis individueller Entschädigungsansprüche gehandelt. 131 Andrews 1981, S. 4f.; Morgan  : Hawkins, William. In  : ODNB. 132 Viele der von ihnen gesammelten Informationen stellen für die Forschung eine wichtige Quelle über transatlantische Seereisen und koloniale Projekte dar, wie sich bspw. in der Provenienz der Quellen zu

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Aufmerksamkeit galt dabei Vorhaben, welche die Errichtung eines permanenten Außenpostens zum Ziel haben könnten. Dies galt, wie in Kapitel 3 näher geschildert wird, als eine nicht zu ignorierende Herausforderung. Einer realen oder auch nur empfundenen Bedrohung der eigenen Seewege, des kolonialen Machtbereichs oder der kolonialen Anspruchszone konnten die iberischen Mächte auf zwei Weisen begegnen  : militärisch oder diplomatisch. Eine militärische Reaktion war jedoch angesichts der weiten räumlichen Verteilung der Forts und Siedlungen und der weiten Wege logistisch kaum umsetzbar. So erging bereits 1513 ein Befehl, die Küsten und Seewege der kastilischen Besitzungen in Mittelamerika zu sichern – der aber mit nur zwei Schiffen ausgeführt werden musste.133 Auch die Anweisung zur Befestigung selbst kleiner Siedlungen in der Karibik war logistisch und personell nicht umsetzbar. Diese Schwäche nutzten die französischen Korsaren in den 1550er Jahren aus, um wiederholt sogar größere Hafenstädte zu plündern.134 In den 1520er und 1530er Jahren war das zentrale Konfliktfeld jedoch der Atlantik zwischen den Kanaren, Kapverden und Spanien. Auch hier reichten die von Karl  V. bereitgestellten Mittel nicht aus, um die Freibeuter aufzuspüren und anzugreifen, so dass ab 1525 lediglich die Bildung von Konvois als Schutzmaßnahme blieb.135 Den Portugiesen gelangen hingegen einige punktuelle Erfolge gegen französische Faktoreien und Schiffe an der Küste Brasiliens, beispielsweise 1527. Doch trotz erheblichem Aufwand konnten weitere Fahrten dadurch nicht unterbunden werden.136 Die militärische Schwäche machte es im Umgang mit Frankreich notwendig, nach diplomatischen Lösungen zu suchen – eine Option, die für Karl V. aufgrund der häufigen Kriege mit Franz I. vor allem im Rahmen von Friedens- und Waffenstillstandverhandlungen bestanden hätte. Allerdings kam es in den ersten vier Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts zu keiner Vereinbarung, die explizit koloniale Räume betraf. Im Waffenstillstand von Nizza vereinbarten beide Herrscher 1538 zwar, den gesamten territorialen Besitz des jeweils anderen für zehn Jahre unangetastet zu lassen, doch es blieb offen, wie dabei unbesiedelte koloniale Anspruchszonen gewertet werden sollten.137 Die Herrscher Portugals hatten hingegen schon seit 1509 auf eine explizite vertragliche Regelung zum Schutz ihrer Interessen in Brasilien hingearbeitet.138 Angesichts mangelnden Erfolgs setzten sie darauf, den Admiral de France Chabot zu ihrem Pensio-

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den Cabot-Reisen oder anderen englischen Expeditionen wie der des John Rutt zeigt, in Quinn NAW I  ; und in Biggar 1911  ; Beispiele für den Fluss von Informationen aus Frankreich nach Portugal bietet auch Gaffarel 1902. Moreau 1987, S. 127f. Lane 1998, S. 17–33 für die Phase französischer Dominanz. Lane 1998, S. 18. Jarnoux 2007, S. 45. Hoffman 2004, S. 117. Jarnoux 2007, S. 44.

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när und Interessenvertreter zu machen.139 Chabot drängte daraufhin den König und das Parlement (ein Hochgericht mit teilweise administrativen und legislativen Aufgaben) der Normandie auf Verbote von Brasilienfahrten, womit er natürlich Proteste von Jean Ango und anderen Kaufleuten provozierte. Franz I. gab beiden Seiten nach und ließ 1531 mehrere Schiffe aufhalten, nahm aber einige ausgesprochene Verbote wieder zurück.140 Seine Haltung wurde eindeutiger, nachdem Chabot als Unterhändler 1536 den Vertrag von Lyon vermittelt hatte, in dem sich Franz I. die Neutralität Portugals und die Nutzung der Atlantikhäfen sichern wollte.141 Im Gegenzug verpflichtete er sich, die Neutralität und Sicherheit aller portugiesischen Schiffe zu achten. Franz  I. befahl infolge mehrfach die Rückgabe gekaperter Schiffe, die unter portugiesischer Flagge gefahren waren, und die Erstattung von Verlusten.142 Den Wunsch seines Herrschers, dieses Bündnis zu erhalten, konnte Chabot nutzen, um im Interesse Portugals im Vertrag von Lyon eigentlich nicht vereinbarte weitere Verbote von Brasilienreisen durchzusetzen. Sie alle wurden jedoch aufgehoben, nachdem Chabot wegen übermäßiger Bestechlichkeit im Jahr 1540 abgesetzt worden war. Damit war der Weg für neue koloniale Projekte frei. Diese Wende wurde dadurch erleichtert, dass das zentrale diplomatische Argument der Herrscher Portugals und Kastiliens, die päpstliche Bestätigung ihrer Aufteilung der Welt, bereits 1533 seinen Wert verlor.143 In diesem Jahr verhandelte Clemens VII. in Marseille über eine Heirat seiner Verwandten Katharina de Medici mit dem französischen Thronerben. Während für Franz I. das Ehebündnis und die Italienpolitik im Fokus standen, brachte der Abt von Mont St. Michel, der Beziehungen zu normannischen Seefahrern und Kaufleuten unterhielt, den Papst zu einer Stellungnahme bezüglich der Bulle Inter caetera. Clemens VII. verkündete daraufhin, dass die Bulle seines Vorgängers sich ausschließlich auf Gebiete bezogen habe könne, die zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen seien. Als der an transatlantischer Expansion längere Zeit eher desinteressierte Franz  I. Ende der 1530er wieder bereit war, Projekte zu unterstützten, war somit ein erhebliches diplomatisches Hindernis ausgeräumt.144 In einer Gesamtbetrachtung der Präsenz anderer Akteure im iberischen Atlantik im Spannungsfeld von Kooperation und Konfrontation zeigt sich, dass schon die frühe europäische Expansion als ein vielfach verflochtener Prozess zu werten ist. Beleg hierfür ist unter anderem die grenzübergreifende Vernetzung und Tätigkeit von Bankhäusern, Handelsgesellschaften, Kaufleuten sowie Söldnern und Seeleuten. Ihre zentralen 139 Vgl. zum Admiral  : Vergé-Franceschi 1998, S. 129  ; Mollat/Habert 1982, S. 144. 140 Vgl. Dickason 1984a, S. 134  ; Julien 2003, S. 94 und S. 131–135. 141 Der Vertrag ist ediert und übersetzt in  : Davenport 1917 I, S. 199–204. 142 Vgl. Julien 2003, S. 131–135  ; Baumgartner 1987, S. 140. 143 Martinière 2007, S. 18f.; Eccles 1998, S. 3  ; Mauro 1984, S. 125  ; Marboe 2004, S. 230. 144 Somit sind Zweifel an der Echtheit der in Handbüchern geradezu topisch zitierten, aber nur aus zweiter Hand belegten Aussage Franz I. von 1541 angebracht, er könne die ohne ihn vereinbarte Teilung der Welt durch den Papst nicht akzeptieren und wolle das Testament Adams sehen, das ihn davon ausschließe. Typisches Beispiel für die Zitation  : Bitterli 1999, S. 156.

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Handlungsorte wiederum, die Hafenstädte, besaßen trotz der Zugehörigkeit zu einer Monarchie jeweils eigene Verflechtungen und wiesen spezifische Dynamiken auf, so dass differenzierend von einer regionalen Prägung der grenzübergreifend verflochtenen Expansion gesprochen werden kann.145 Die bereits zeitgenössische Konstruktion einer klaren Zugehörigkeit von A ­ kteuren und ihren Schiffen zu einer bestimmten europäischen Monarchie kann deswegen jedoch nicht als bedeutungslos abgetan werden. Sie stellte für die Akteure einen entschei­denden Faktor dar, zumal ein Krieg oder Friedensschluss zwischen K ­ önigen Handlungsoptionen eröffnen oder verschließen konnte. Die Anerkennung durch ­einen Souverän und sein Schutz waren außerdem eine wichtige Voraussetzung, um in Europa Häfen nutzen und Gelder akquirieren zu können. Bei der Interaktion in Übersee schließlich konnte die Zugehörigkeit darüber entscheiden, ob man als Freund oder Feind behandelt wurde und so Zugang zu Häfen erhielt oder mit Gewalthandlungen rechnen musste. Dennoch erwiesen sich diese Zugehörigkeiten nicht, wie die ältere Historiographie annimmt, als starr, sondern waren fluide und konnten, durch Wechsel des Dienstherrn, Naturalisationen oder Partnerschaften umgangen oder zumindest abgeschwächt werden. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn Europäer wie im Falle der Truchements eine indigene Lebensweise annahmen und eine eigene Kategorie erforderlich wurde, um ihre Zugehörigkeit zu beschreiben. Im Vergleich der Optionen, die sich Akteuren boten, die nicht Untertanen der Herrscher Portugals oder Kastiliens waren, lässt sich für die etwa 40 Jahre nach der Reise des Christoph Kolumbus folgendes Bild zeichnen  : Akteure aus England tendierten zu Projekten, deren Ziel außerhalb des iberischen Machtbereichs lag, oder zu einer Kooperation. Auch die deutschen Handelsgesellschaften versuchten, innerhalb der Strukturen der iberischen Reiche Profite zu erzielen. In Frankreich hingegen war man weitaus häufiger zur offenen Konfrontation bereit, auch wenn die friedliche Neufundlandfischerei sich zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelte. Hier zeigt sich, wie die Rivalität der Monarchen die Handlungsoptionen der Untertanen prägte, die dann wiederum interessierte Partner aus anderen Ländern wie die Florentiner oder Genueser Bankiers anziehen konnten. Generell war das Umgehen der iberischen Machtbereiche, um Ressourcen wie Fisch in Amerika auszubeuten, ein weit verbreitetes und stetig wachsendes Tätigkeitsfeld, während die Suche nach einem eigenen Seeweg nach Asien hingegen nach anfänglichen Versuchen erst ab 1522 wieder intensiver verfolgt worden ist. Auffällig ist, dass die Herrscher selbst an allen Projekten nur ein geringes Interesse zeigten. Sie stellten vereinzelt Schiffe zur Verfügung, investierten wenig oder gar kein Geld und waren bereit, Lizenzen zu widerrufen, wenn es ihren politischen Interessen diente. Außerhalb Spaniens und Portugals gab es keine Versuche, das Wissen über Seewege und neue Handelsorte zu systematisieren, zu sammeln und darauf aufbauend 145 Julien 2003, S. 26.

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eine Expansionspolitik zu organisieren. Die Initiative lag bei denen, die ihr Leben und/ oder ihr Geld direkt in die Projekte einbrachten und meist vergeblich auf substantielle Unterstützung ihrer Pläne hofften. Bezieht man die transatlantischen Räume selbst in dieses Fazit ein, so zeigt sich einmal mehr die hohe Bedeutung der indigenen Bevölkerung für viele der beschriebenen Prozesse. Auch wenn Freibeuterei und Nassfischerei ohne sie funktionierten, brauchten doch die meisten Unternehmungen indigene Arbeitskraft, Kooperation beim Tauschhandel oder die Duldung der mehrwöchigen Präsenz kleiner Gruppen an der Küste. Wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, standen die Indigenen dieser Entwicklung nicht passiv und verständnislos gegenüber, sondern entwickelten aufgrund neuer Erfahrungen eigene Strategien zwischen Anpassung und Widerstand. Dies ermöglichte ihnen, die weitere Entwicklung und Verflechtung des atlantischen Handlungsraums mitzugestalten. 2.3 Desinteresse und Expertise – Das Wissen historischer Akteure über Amerika Dieses Kapitel ist der Frage gewidmet, wie und in welchem Umfang Akteure unmittelbare Erfahrungen, die sie bis in die 1530er Jahre beiderseits des Atlantiks machten, von ungeordneten und heterogenen Informationen zu komplexen Wissensbeständen umformten, die dann in Europa zirkulierten, diskutiert wurden und neue koloniale Projekte beeinflussten. Neben den überlieferten Akten, Druckschriften, Karten und weiteren Quellen, in denen Wissen dauerhaft archiviert wurde, soll daher auch skizzenhaft die Vielzahl der gemachten Erfahrungen thematisiert werden, die niemals verschriftlicht wurden. Allerdings geht es dabei nicht um eine Prüfung des bloßen Vorhandenseins bestimmter aus moderner Sicht »richtiger« Wissensbestände, beispielsweise in der Geographie. Ungleich wichtiger ist ein Verständnis für die epistemischen Rahmenbedingungen, unter denen konkrete Erfahrungen verarbeitetet und zu komplexen Wissensbeständen wurden, und dafür, welchen verschiedenen Personengruppen welches Wissen zur Verfügung stand.146 Nur so lassen sich in den folgenden Kapiteln auch die Entscheidungen von Akteuren nachvollziehen, die nach modernen Vorstellungen falsch oder unlogisch erscheinen mögen. Da nicht alle Akteure gleichermaßen Zugang zu und Interesse an dem theoretisch in Gänze verfügbaren Wissen ihrer Zeit hatten, ist eine Differenzierung von Gruppen unumgänglich, die sich in spezifischen Wissensräumen bewegten und an deren Ausgestaltung partizipierten.147 Diese Notwendigkeit wird zusätzlich dadurch unterstri146 Padgen 1982, S. 1–5. Zum Konzept des epistemischen Settings vgl. Brendeke 2009, S. 19–21, dessen umfassender Ansatz hier für einen Überblick nur skizzenhaft aufgegriffen werden kann. 147 Zu Wissensräumen allgemein siehe Turnbull 1996, S. 5–24  ; und die eher literaturwissenschaftliche Studie über Wissenbildung und Wissensräume Read 2005.

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chen, dass bis in die 1530er Jahre nur ein kleiner Teil des Wissens in Form gedruckter Bücher oder zirkulierender Manuskripte vorlag, die gehandelt, (nach-)gedruckt oder übersetzt werden konnten. Der weitaus größere Teil war hingegen an konkrete Akteure gebunden und wurde mündlich oder handschriftlich an spezifische Adressaten weitergegeben. Diese Personen mit ihren persönlichen Aufzeichnungen waren somit zugleich Wissensspeicher und konnten erhebliche Vorteile aus der Exklusivität ihrer Kenntnisse ziehen. Die Rivalität zwischen europäischen Monarchen, Handelshäusern, Hafenstädten oder einzelnen Seeleuten trug wiederum dazu bei, dass bestimmte Informationen geheim gehalten und ihre Träger umworben wurden. In der ersten thematisierten Gruppe sind die Wissensbestände am deutlichsten und sogar geradezu untrennbar an Personen gebunden. Es handelt sich um die indigenen amerikanischen Akteure, die nicht in einem unmittelbar kastilisch oder portugiesisch kontrollierten Gebiet lebten. Grund hierfür ist, dass sie in den kommenden Jahrzehnten mit ihrem Verhalten zentralen Einfluss darauf nahmen, ob ein koloniales Projekt seine Ziele erreichen konnte. Selbstverständlich sind hierbei das Fehlen indigener Schriftlichkeit und die eurozentrische Prägung aller über diese Kulturen überlieferten Berichte ebenso zu bedenken, wie die für moderne Historiker kaum rekonstruierbare Heterogenität der indigenen Gemeinschaften.148 Diese Einschränkungen machen es notwendig, einige Überlegungen offen als indizienbasiert zu kennzeichnen, sollten aber nicht dazu führen, die Erfahrungen und Bedeutung dieser Akteure auszublenden. Die für Akteure in Europa verfügbaren Wissensbestände werden im Anschluss daran in zwei Abschnitten näher betrachtet. Zuerst stehen Druckschriften über frühe transatlantische Seereisen und koloniale Projekte im Fokus, dann die um 1530 bei vier Akteursgruppen vorhandenen und genutzten spezifischen und teilweise arkanen Wissensbestände. Der skizzenhafte Überblick zu diesen Gruppen reicht von seefahrenden Praktikern über gelehrte, humanistische Autoren bis zu großen Handelsgesellschaften und schließlich höfischen Entscheidungsträgern. Diese Einteilung, die der üblichen Unterscheidung nach Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Monarchien widerspricht, beruht auf der Annahme, dass diese Gruppen in den betrachteten europäischen Ländern ähnliche spezifische Wissensbestände und Interessen besaßen. Hinzu kommt, dass für einen Wissenstransfer in dem grenzübergreifend verflochtenen Prozess der europäischen Expansion der Unterschied zwischen illiteraten Seeleuten und humanistischen Gelehrten wichtiger war als die politische Zugehörigkeit des Einzelnen. Regionale oder territoriale Unterschiede sowie Akteure sui generis werden jedoch nicht ausgeblendet, sondern bei den einzelnen Gruppen beschrieben. Die Erfahrungen indigener Akteure mit transatlantischen Kulturkontakten außerhalb des direkten Einflussbereichs der iberischen Mächte sind seit den 1980er Jahren zunehmend zum Gegenstand historischer und archäologischer Forschung geworden. Hier148 Dickason 1992, S. 15f.; Padgen 1982, S. 7–12.

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bei lassen sich drei Herangehensweisen unterscheiden  : erstens Studien zu konkreten, regional verorteten Fällen, in denen archäologische und anthropologische Forschung mit einer kritischen Lektüre bekannter Reiseberichte kombiniert wird  ;149 zweitens Überblicksdarstellungen, deren Autoren mehrere Regionen, meist im Gebiet der heutigen USA oder Kanada, im Vergleich betrachten und dies auf die Spezialliteratur und eine Neuinterpretation der bekannten europäischen Reiseberichte stützen  ;150 drittens schließlich Überblickswerke zur allgemeinen Geschichte (Nord-)Amerikas, in denen die Thematik besondere Berücksichtigung findet.151 Gemeinsam ist nahezu allen Darstellungen der Hinweis darauf, dass der transatlantische Kulturkontakt für die indigene Bevölkerung Zugang zu neuen Handelswaren eröffnete. Dies umfasste sowohl unmittelbar nützliche Gegenstände wie Metallwerkzeuge, die langfristig nachgefragt wurden, als auch Objekte mit symbolischer Bedeutung wie Schmuck, die bei steigendem Angebot relativ rasch an Wert verloren. Die Verfügbarkeit neuer Waren verschob bisher existierende Handelswege und Warenströme, da an der Küste lebende Gruppen nun als Zwischenhändler weit ins Landesinnere Einfluss nehmen konnten.152 Seit Generationen etablierte Tauschnetzwerke konnten daher in kurzer Zeit aufgelöst und die etablierte politische Balance zwischen indigenen Gruppen gestört werden. Auch innerhalb der einzelnen indigenen Gemeinschaften konnte die Verfügung über begehrte und seltene Waren oder deren Einschränkung eine Verschiebung von Hierarchien oder soziale Spannungen provozieren.153 In jedem Fall nahmen Angehörige der indigenen Kulturen die Europäer als Quelle dieser begehrten Waren wahr und entwickelten Praktiken für den Handel mit ihnen. Hierfür mussten sie von Europäern begehrte Tauschware bereitstellen und eine Form der Interaktion finden, die ihnen eine gewisse Sicherheit bot.154 Dabei ist zu beachten, dass indigene Gruppen eigene und auch heterogene Vorstellungen von angemessenem Tausch und dem Zweck des Handels besaßen, die nicht mit dem europäischen Wunsch nach größtmöglichem Profit übereinstimmen mussten. So konnten sie einen eigentlich ungleichen Tausch akzeptieren, um ihren Reichtum und ihre Überlegenheit zu zeigen oder um ein Bündnis vorzuschlagen. Dass diese unterschiedlichen Vorstellungen in der Folge zu Konflikten führten, ist naheliegend.

149 So Bradley 1987  ; Seeber 1984  ; Merrel 2007, S. 25–48  ; Kelton 2007  ; Hall 2007  ; Bourque/ Whitehead 1994  ; Salisbury 1984. 150 Padgen 1982  ; Trigger 1982  ; Milanich 1995  ; Mancall 1998  ; Trigger/Swagerty 2007  ; Calloway 1997  ; Salisbury 2007. 151 Steele 1994  ; Dickason 1992  ; Bailyn 2013  ; Axtell 1992. 152 Diese Verbindungen sind allerdings für Nordamerika intensiver erforscht als für Lateinamerika, vgl. Bourque/Whitehead 1994, S. 136–139  ; Calloway 1997, S. 44f. 153 Mallios 2005, S. 126–148. 154 Hall 2007, S. 81f.

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Die Existenz dieser Handelskontakte ist nicht nur durch archäologische Funde nachgewiesen, sondern zeigt sich in der Übernahme europäischer Wörter in indigene Sprachen und in bestimmten Verhaltensweisen, die in Reiseberichten beschrieben werden.155 Beispielsweise waren im Mündungsbereich des St. Lorenz bei der ersten beschriebenen Erkundung 1535 bereits baskische Wörter bekannt. Giovanni Verrazzano schilderte 1524 Indigene, die nicht nur gezielt ihre Waren an der Küste vorzeig­ ten, sondern auch ihre Frauen und Kinder versteckten und einen Tausch ohne unmittelbaren Kontakt auf Distanz bewerkstelligten. Für die Zeit bis ca. 1530 ist bei den Handelskontakten auf Unterschiede zwischen Nord- und Südamerika hinzuweisen. Bei Neufundland und am nordamerikanischen Festland trafen Europäer nur zu bestimmten, von der Fischerei abhängigen Zeiten ein. Sie fragten mit Pelzen eine Ware nach, die nur in einem weiträumigen Gebiet gewonnen werden konnte und oft von den Indigenen selbst erst im Landesinneren erhandelt wurde. Im heutigen Brasilien hingegen blieben französische Truchements das ganze Jahr präsent.156 Sie lebten unter den Indigenen, waren Teil ihrer sozialen Netzwerke und organisierten mit Färberholz eine Ressource, die vergleichsweise küstennah gewonnen werden konnte. Die Indigenen mussten keinen Binnenhandel organisieren und keine eigene Strategie für den Handel entwickeln, dafür aber die Integration der Truchements in ihre soziale Ordnung bewerkstelligen. Die Holzgewinnung erforderte in Brasilien eine dauerhafte Mobilisierung indigener Arbeitskraft für eine bisher so nicht ausgeübte Tätigkeit, wohingegen in Nordamerika die Pelzjagd um 1530 lediglich eine Fortsetzung bekannter Praktiken bedeutete, deren Umfang auch erst langsam anstieg. Aufgrund fehlender Quellen aus dieser Zeit kann nur vermutet werden, dass Indigene in Nordamerika bereits zu dieser Zeit saisonal als Arbeitskräfte an der Trockenfischerei und der Jagd auf Meeressäuger beteiligt gewesen sein dürften. Dafür sprechen einerseits die spätere Kooperation und andererseits die Beherrschung von Jagd- und Bootsbautechniken, deren Leistungsfähigkeit die Europäer verblüffte.157 Einen deutlichen Kontrast zu den neuen Handelsbeziehungen und gemeinsamer Arbeit stellen die in der Literatur ebenfalls breit thematisierten Gewalterfahrungen dar. Geographisch am weitesten verbreitet dürften hierbei Entführung und Versklavung gewesen sein, die Spanier und Portugiesen außerhalb ihrer unmittelbaren Machtbereiche weiträumig anwendeten, Engländer und Franzosen vergleichsweise seltener. Vielerorts erlebten Indigene, dass Angehörige ihrer Gemeinschaft auf Schiffe verschleppt wurden und nicht zurückkehrten. Dies erklärt, warum sie in einigen Regionen, sowohl in Nord- wie Südamerika auf die Ankunft von Schiffen bereits ab den 1520er Jahren mit offener Gewalt oder Rückzug ins Landesinnere reagierten. Hier dürfte der Verlauf 155 Bourque/Whitehead 1994, S.139  ; Trigger/Swagerty 2007, S. 350  ; Dickason 1992, S. 79. 156 Dickason 1984a  ; vgl. Kapitel 2.2. 157 Bailyn 2013, S. 22f.

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der ersten Begegnungen einen entscheidenden Einfluss auf zukünftige Interaktionen gehabt haben. Regional deutlich begrenzter als die Entführungen an der Küste, in ihren Folgen aber ungleich weitreichender, waren hingegen die Gewalterfahrungen, die Indigene in Nord- und Südamerika während der gescheiterten Versuche der Konquistadoren machten, neue Goldreiche zu erobern.158 Die Indigenen waren dadurch mit Gewalt, Folter und Terror sowie Versklavung und existenzbedrohenden Forderungen nach Nahrungsmitteln konfrontiert. Zwar gelang es ihnen, Europäer zu töten, in Südamerika mittels vergifteter Pfeile weitaus häufiger als in Nordamerika, doch die Konquistadoren waren insbesondere in offenem Gelände militärisch überlegen. Die Folge war, dass viele Indigene einer Konfrontation auswichen und entweder jede Interaktion vermieden oder sich als Verbündete anboten. Letzteres erlaubte ihnen, wie spanische Berichte zeigen, das Interesse der Eroberer an Gold gegen diese zu wenden. So ließen sich Konquistadoren relativ leicht manipulieren, in die Irre führen oder instrumentalisieren und gegen andere indigene Gruppen lenken. Diese negativen Erfahrungen der Indigenen boten wiederum anderen ­Europäern eine Chance, Bündnisse zu schließen. Hierfür war es allerdings notwendig, den Indi­­­genen die Unterschiede zwischen verschiedenen Europäern nachvollziehbar zu machen. Dies zeigt sich bis 1530 besonders deutlich in Brasilien, wo Akteure aus Frankreich und Portugal indigene Verbündete suchten.159 Hierbei dienten optische Merkmale wie die Haarfarbe der Europäer als Unterscheidungskriterium. Ein blonder oder schwarzer Bart konnte somit unterschiedliches Verhalten der Indigenen auslösen, da er als vorläufiger Nachweis einer französisch-normannischen respektive portugiesischen Identität diente. Handel, gemeinsame Arbeit und Gewalt setzten gleichermaßen eine direkte Begegnung voraus. Die Reichweite der Folgen des transatlantischen Kulturkontaktes und die daraus hervorgehenden neuen Erfahrungen und Wissensbestände reichten jedoch sehr viel weiter. Wie Calloway es überspitzt formulierte, entstanden als Folge der frühen Kulturkontakte »New Worlds for all«.160 Dies betrifft vor allem die Verbreitung von neuen Krankheiten, Tierarten und Pflanzen in den beiden Amerikas.161 Von diesen waren in den ersten Jahrzehnten sicherlich die Epidemien von höchster Bedeutung. Allerdings bestehen bezüglich der genauen Auswirkungen Kontroversen wegen erheblicher regionaler Unterschiede zwischen und innerhalb Nord-, Mittel- und Südameri158 Vgl. Kapitel 2.1. 159 Bonnichon 1994, S. 103f.; vgl. den Reisebericht von Hans Staden, der im Rahmen einer Darstellung seiner Gefangenschaft die Kenntnis der Indigenen über die Heterogenität der Europäer und deren Allianzen und Feindschaften thematisiert  : Staden 1557  ; vgl. Martel 2006, S. 51–69. 160 So der Titel der Darstellung Calloway 1997. 161 Etablierter Terminus für diesen wechselseitig verstandenen Prozess ist Columbian Exchange, vgl. die klassische Darstellung Crosby/Mering 2003, zu Epidemien speziell S. 35–63. Mit neueren Perspektiven bei Nunn/Qian 2010, S. 165f.

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kas. Einstimmigkeit herrscht lediglich darin, dass es überall Bevölkerungsverluste gab. Inwiefern jedoch ein Massensterben Regionen gänzlich entvölkerte oder ob die Folgen mit denen einer schweren Hungerkatastrophe vergleichbar waren, wann die Ereignisse genau eintraten und welche Faktoren den eventuellen Unterschieden zugrunde lagen, ist jedoch nur schwer zu ermitteln.162 In jedem Fall gilt als sicher, dass der Ausbruch neuer Krankheiten eine erhebliche Herausforderung für die indigenen Konzepte von Krankenfürsorge, Medizin und der Sicherung göttlichen Beistands darstellte. Dies konnte in schweren Fällen soziale Ordnungsmuster oder religiöse Praktiken dauerhaft verändern. Bezüglich der Verbreitung von Tierarten spielten die Entradas bereits vor 1540 eine wichtige Rolle. Durch sie kamen Pferde und Schweine nach Amerika, deren Nutzung die Indigenen sukzessive erlernten.163 Schließlich konnten auch Waren aus Europa durch Zwischenhandel weit von den Kontaktzonen entfernt getauscht und genutzt werden. In Küstenregionen spielten außerdem Schiffswracks eine wichtige Rolle. Sie ermöglichten den Zugang zu Eisen, Nutztieren, Gebrauchsgegenständen und erlaubten Indigenen aus erster Hand die Sterblichkeit der Europäer und deren Abhängigkeit vom Wetter zu beobachten.164 Da die Auswirkungen des transatlantischen Kontaktes viel weiter als die Kontaktsituationen selbst reichten, müssen viele in Quellen beschriebene Erstkontakte von Europäern mit Indigenen eher als Folgekontakte gedeutet werden.165 Erzählungen über die kolonialen Projekte nach 1530, wie sie in den folgenden Kapiteln thematisiert werden, schildern somit nicht, wie lange angenommen, Begegnungen mit sogenannten unberührten Kulturen, sondern mit Gesellschaften in einem langwierigen und komplexen Transformationsprozess. Bedenkt man dies und die bereits herausgestellte Bedeutung der Indigenen für Erfolg oder Misserfolg früher Handelskontakte und Entradas, ergibt sich, dass koloniale Projekte nicht untersucht werden können, ohne zumindest Hinweise auf spezifische indigene Wissensbestände einzubeziehen. Im Vergleich der indigenen und europäischen Kulturen ist die Fähigkeit, Wissen durch Schrift personenunabhängig zu speichern und weiterzugeben, zweifellos ein zentraler Unterschied. Auch wenn nur ein kleiner Teil der von Europäern gemachten Erfahrungen verschriftlicht und von diesem wiederum auch nur ein Ausschnitt im Druck publiziert wurde, lässt sich dennoch bereits für die Zeit bis 1530 ein stetig wachsender Bestand zirkulierenden Wissens ermitteln. 162 Vgl. Mancall 1998, über schwere Epidemien schon seit den 1520ern  ; ebenso  : Calloway 1997, S. 11  ; Trigger/Swagerty 2007, S. 368f.; dagegen relativierend  : Kelton 2007, S. 97–100. 163 Hall 2007, S. 80. 164 Dickason 1992, S. 94. 165 Axtell 1992, S.  104  ; Trigger 1982, S.  143–148, mit einer Distanzierung gegenüber der älteren Forschung. Vgl. insgesamt auch Calloway 1997  ; Merrel 2007.

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Der tatsächliche Zugang zu diesen veröffentlichten Wissensbeständen war durch Faktoren wie Verfügbarkeit, Sprachkenntnis oder Lesefähigkeit begrenzt, auch wenn dies durch Nacherzählungen oder Vorlesen teilweise ausgeglichen werden konnte. Eine Betrachtung der bis ca. 1530 erschienenen Druckschriften kann daher nur einen Überblick darüber geben, zu welchem Wissen Akteure theoretisch Zugang hatten, nicht aber über deren tatsächliche Nutzung. Bereits lange bevor Kolumbus zu seiner ersten Expedition aufbrach, existierte in Europa ein Bestand von Texten über Reisen in außereuropäische Länder, dort lebende Menschen, Tiere, monströse Wesen und natürlich dort zu findende Reichtümer.166 Es handelte sich dabei um teilweise fiktionale, teilweise auf Tatsachen basierende Erzählungen, beispielsweise über Marco Polos Reise nach Cathay oder Jean de Mandevilles Reisen durch Afrika und Asien, hagiographische Texte wie die Legende des heiligen Brendan und seiner Atlantikfahrt sowie Rittererzählungen nach Muster der Artussage, wie die stetig weitererzählten Abenteuer des Amadis de Gaula. Diese Texte prägten einen Erwartungshorizont, der speziell Vorstellungen von Asien als Ort immenser Reichtümer, ritterlicher Bewährungsproben und Lebensraum monströser Menschenrassen verfestigte. Im Atlantik verorteten diese Texte zahlreiche, einst bekannte, aber inzwischen verlorene Inseln, auf denen beispielsweise vor Mauren geflohene Christen goldene Städte errichtet hätten oder auf denen es Wälder kostbarer Farbhölzer gebe. In ihrer Summe stellten diese Werke ein kulturspezifisches Referenzsystem dar, in dem neue Werke eingebunden sein mussten, um vom Publikum als relevant bewertet und positiv rezipiert werden zu können.167 Das bedeutet, dass bestimmte Vergleiche mit den Erlebnissen biblischer, antiker oder mittelalterlicher Heroen, Hinweise auf Monster und Sagengestalten sowie die Beachtung antiker Regeln der Textgestaltung und Rhetorik unabdingbar waren. Hinzu kamen Wissensbestände aus der antiken Geographie, zu denen die Autoren kritisch oder zustimmend Stellung beziehen mussten, wenn sie ihre Werke in entsprechenden Diskursen über das Weltwissen verorten wollten. Dabei spielte die erst 1481 im Druck verfügbare antike Geographia des Ptolemäus als Referenz eine zentrale Rolle.168 Sein Werk bot eine Methodik dafür, neue Karten zu zeichnen und zu ordnen, und motivierte viele Autoren zu einer Stellungnahme darüber, ob die neugefundenen Inseln und Länder tatsächlich neu oder vielleicht doch ein Teil der bereits in der Antike bekannten Welt waren. Der erste Autor, der einen Text über die neuen Inseln jenseits des Atlantiks publizierte, war Christoph Kolumbus.169 Sein Brief an den Schatzmeister der Königin von Kastilien, Luis de Santángel, wurde ab 1493 europaweit in mehr als 20 Ausgaben in 166 Scouten 2002, S. 34–39  ; Hoffman 1961, S. 6–8  ; Wilford 2000, S. 43–47  ; Aebel 2011, S. 76–86  ; Gillis 2004  ; Allen 1992, S. 502–506  ; Grafton 2000, S. 70–75. 167 Johnson 2009, S. 10f. Vgl. die Übersicht mit weiteren Belegen zu Beginn von Kapitel 4. 168 Wilford 2000, S. 29–39  ; Buisseret 2003, S. 14–28  ; Quinn 1976, S. 73–76. 169 Für einen Überblick über die frühe Literatur zu den beiden Amerikas vgl. Grafton 2000, S. 75–90  ; Hirsch 1976, S.  537–560  ; Wroth 1970, S.  17–56  ; Brednich 1992, S.  19–34  ; zu den im Origi-

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lateinischer Sprache und zahlreichen modernen Sprachen gedruckt. In diesem stark an der Tradition mittelalterlicher Reiseberichte orientierten Brief erfuhren die Leser von neuen, mutmaßlich vor Asien gelegenen Inseln, wehrlosen gutmütigen Indigenen und Goldfunden sowie eventuell dort zu findenden Menschenfressern und Ungeheuern. Eine deutsche Übersetzung wurde noch vor 1500 in Ulm und Straßburg gedruckt und war längere Zeit die einzige Ausgabe in einer Umgangssprache.170 Außerhalb der Territorien Italiens, des Alten Reiches und der iberischen Monarchien war es jedoch nicht der Brief des Kolumbus, in dem Leser zuerst etwas über die Entdeckungsreisen erfuhren, sondern Übersetzungen von Sebastian Brants 1494 erschienenem Narrenschiff, in dem es, eventuell auf dem Kolumbusbrief basierend, heißt  :171 Man hat seitdem von Portugal Und von Hispanien überall Goldinseln gefunden und nackte Leut Von denen gewußt man keinen Deut.

Brants poetisches und moralisches Werk, in dem er Reisen tadelte, die aus egoistischen Motiven unternommen wurden, war aufgrund zahlreicher Ausgaben und Übersetzungen weiter verbreitet als der Kolumbustext.172 Trotz der Kürze transportiert die zitierte Passage Schlüsselinformationen, insbesondere Goldfunde und die iberischen Entdeckungsrechte, die bei Interesse um Details ergänzt werden konnten. Die häufigste Quelle für genauere Informationen war nach dem Brief des Kolum­ bus der mutmaßlich von Amerigo Vespucci an Lorenzo de Medici geschriebene Brief, in dem er Südamerika als Neue Welt  – Mundus Novus einordnete.173 Der Text erschien 1503 auf Latein, wurde 1504 ins Deutsche übersetzt, 1515 ins Englische und Französische und 1516 ins Italienische. Bis 1522 gingen 60 Ausgaben in Druck, beinah dreimal so viele wie vom Brief des Kolumbus. Mit diesem Werk fanden zwei Kernaussagen weite Verbreitung  : einerseits das Übertreffen des antiken Wissens durch neue Entdeckungen und andererseits ein neues Bild der Indigenen. Vespucci zeichnete deren Gesellschaft als Antithese zur europäischen. Er beschrieb Kannibalismus, Inzucht, das Fehlen von Herrschaft, Religion, Handwerk und sozialer Ordnung, aber

170 171 172 173

nal deutschen Berichten Neuber 1991a und Ders. 1991b. Zu Publikationsjahren und Neuausgaben/ Übersetzungen allgemein siehe das Verzeichnis Alden 1980 I. Neuber 1993, S. 135  ; Scouten 2002, S. 40–51  ; Jantz 1976, S. 96  ; vgl. Alden 1980 I. Ausgabe in England 1509 – siehe Parker 1965, S. 18f.; vgl. das Kapitel »The first printed References in English and Scots to the new Lands«, in  : Quinn NAW I, S. 128–131. Das Zitat ist aus Kapitel 67, Ausgabe Mähl 1964. Wuttke 1992, S. 27–37. Hirsch 1976  ; Aebel 2011, S. 133f.

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eine sehr hohe Lebenserwartung.174 Diese Stereotypen ergänzten das positive Indigenenbild des Kolumbusbriefes und verankerten so die beiden gegensätzlichen Enden des Spektrums für zukünftige Beschreibungen in der Literatur. Für eine hohe Verbreitung dieser Kernbotschaften sorgten illustrierte Flugblätter, die das sensationell Neue und Andersartige für ein breites Publikum aufbereiteten.175 Ausdruck der breiten Rezeption des Briefes ist auch, dass Martin Waldseemüller in seiner 1507 publizierten Globuskarte und Begleitschriften die neuen Länder von den in der Antike bekannten Landmassen trennte und sie nach Amerigo Vespucci benannte.176 Die nächste wesentliche Intensivierung der Drucktätigkeit brachte die Eroberung des Aztekenreiches durch Hernando Cortes, der seine Rechtfertigungen und heroisierenden Selbstdarstellungen in Briefform an Kaiser Karl V. sandte. Neben der Tatsache, dass nun erstmals Kulturen mit Städten und einer komplexen religiösen und sozialen Ordnung beschrieben wurden, trugen die nach Europa gebrachten Edelmetalle und Kunstgegenstände sicherlich dazu bei, Interesse zu wecken. Nach ersten Hinweisen in einer Publikation aus Nürnberg 1520 folgten Textausgaben der Briefe 1522 und 1523, die sogar in Französisch erschienen.177 Grund dafür könnten die Erfolge der französischen Freibeuter und das Interesse von Ausrüstern wie Jean Ango an dem Gold aus Übersee gewesen sein. Bis zum Ende des Jahrzehnts blieb Cortes der häufigst gedruckte Autor von Werken über die Amerikas und löste damit Vespucci ab. Der merkliche Aufschwung an Druckwerken Anfang der 1520er Jahre speiste sich jedoch nicht nur aus seinen Werken, sondern auch aus Berichten über die Rückkehr eines von Magellans Schiffen, die nach 1522 herausgegeben wurden und bald auch für Leser im Alten Reich verfügbar waren.178 Diese Reise hatte nicht nur die Möglichkeit einer Westroute nach Asien und die Trennung von Asien und Amerika bestätigt, sondern bot auch Indizien zu den Ausmaßen des Pazifiks.179 Das erste umfassende Überblickswerk über die Erkundung und Eroberung der Amerikas, von kleineren Kompilationen, die bereits seit 1504 im Alten Reich oder italienischen Städten kursierten, abgesehen, veröffentlichte der Chronist des Indienrates Petrus Martyr de Anghiera unter dem Titel De Orbe Novo. Teile davon waren in Übersetzungen bereits seit 1504 erschienen, doch erst nach seinem Tode 1530 war das Gesamtwerk in lateinischer Sprache erhältlich.180 Petrus Martyr fasste darin die 174 Jaenen 1984, S. 209  ; Aebel 2011, S. 133f. 175 Beispiel hierfür ist das häufig in der Forschung erwähnte Bildflugblatt  : Anonymus 1503 mit dem Titel  : Dise figur anzaigt uns das volck und insel die gefunden ist durch den cristenlichen künig zu Portigal oder von seinen underthonen […]. 176 Thrower 1976, S. 662–666  ; Meurer 2007, S. 1204–1206. 177 Wroth 1970, S. 34. 178 Häberlein 2016, S. 170f. 179 Milanesi 1993, mit zahlreichen Kartenbeispielen zur Fiktion der Meeresstraße S.  15–68  ; Quinn 1976a, S. 635–658. 180 Siehe PMA, S. 49–54 bezüglich Ausgaben und Nachdrucke.

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bisher mit Erlaubnis der Krone Kastiliens unternommenen Expeditionen zusammen und konnte auf zahlreiche unveröffentlichte Berichte und Gespräche mit Reisenden zurückgreifen. Sein umfangreiches Werk bot eine bis dahin unerreichte Menge an Wissen für ein gehobenes Publikum. Der darin erfasste Wissenshorizont wurde jedoch bereits 1534/35 durch Publikationen über die Eroberung Perus erheblich erweitert. Die in den neuen Berichten vermittelte Schilderung Perus passte sich wiederum nahtlos in die von Cortes geweckte Vorstellung ein, dass die Eroberung eines weiteren Goldreiches in Amerika auch für eine kleine Gruppe von Europäern ein realistisches Ziel sei. Ungeachtet dieser häufig geschilderten, spektakulären Erfolgsaussichten boten die bis 1540 publizierten Texte insgesamt aber auch Informationen über erfolglose Entra­ das und Siedlungen. Allerdings war die Materialmenge dazu sehr gering, da eine eigenständige Schrift zu Projekten, die nach Rückschlägen abgebrochen werden mussten, erstmals 1542 erschien.181 Zwar enthielten auch die frühen gedruckten Berichte Hinweise auf Rückschläge und Gefahren, doch diese waren letztlich in Erfolgsgeschichten eingebettet, um die Leistungen von Anführern wie Cortes oder die göttliche Unterstützung für die Eroberer hervorzuheben. Aufgabe oder Untergang einer Expedition war im Druck bis 1530 kein Thema. Dies änderte sich erst durch Petrus Martyr de Anghieras De Orbe Novo. Er schilderte beispielsweise die katastrophale Entwicklung von La Isabella, die er auf das triebhafte Verhalten und die fehlende Disziplin der Männer zurückführte.182 Im weiteren Verlauf seines umfangreichen Werkes thematisierte er auch mehrfach militärische Erfolge der Indigenen, die er in Südamerika dem Einsatz von Giftpfeilen zuschrieb.183 Als Gegenmittel empfahl er die rasche Kauterisierung von Wunden. Allerdings war auch für Petrus Martyr die Schilderung der Schwierigkeiten und Rückschläge kein primäres Ziel, sondern nur Teil eines breiteren Überblicks, wie sich zeigt als er seine Darstellung der internen Konflikte, Hungersnot und indigenen Angriffe bei Darien im heutigen Panama schließlich damit abkürzt, dem Leser dieses Leid nicht zumuten zu wollen. Wichtiger war für ihn der triumphale Eroberungszug des Cortes. Ein Beispiel dafür, welche Informationen Petrus Martyr über aufgegebene koloniale Projekte vermittelte und welche Folgen seine Schilderungen hatten, bietet der Siedlungsversuch des Lucas Vasquez d’Ayllon von 1526. Das eigentliche Projekt spielt in De Orbe Novo kaum eine Rolle, vielmehr geht es darin um die vorhergehende Erkundungsreise von 1521, bei welcher der Indigene Francisco Chicora entführt wurde. Jener hatte in Spanien unter anderem Petrus Martyr persönlich über seine Heimat Chicora 181 Es handelt sich dabei um den 1542 erschienenen Bericht des Álvar Núñez Cabeza de Vaca über die Narváez Expedition und seine Gefangenschaft bei verschiedenen indigenen Gruppen. Vgl. Rubiés 1999, S. 80–86. Für Auszüge mit Kommentar siehe Cumming/Skelton 1972, S. 116–119. 182 PMA, S. 83–120. 183 PMA, Vgl. die Angaben auf S. 179, 192, 200 und 211  ; zur Kauterisierung S. 227.

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berichtet, ein paradiesisches zweites Andalusien, zu dem er die Konquistadoren führen könne.184 Petrus Martyr gab diese Schilderungen, wenn auch mit gewisser Distanzierung, in seinem Werk wieder. Die tatsächliche Unternehmung und ihr Abbruch nach d’Ayllons Tod blieben jedoch auch in der überarbeiteten Fassung 1530 unerwähnt. Erst 1537 und 1540 schilderten kurze Passagen in anderen Werken den Ausgang des Vorhabens.185 Da Petrus Martyrs Werk eine zentrale Quelle für seine Zeit und auch nachfolgende Autoren war, formierte sich so die Legende vom Land Chicora, die außerhalb Spaniens bis weit ins 17.  Jahrhundert hinein tradiert wurde und koloniale Planungen beeinflusste.186 Das Werk des Petrus Martyr zeigt, dass Wissen über Misserfolge zwar stellenweise verfügbar war, aber durch Ausführungen über erfolgreiche Eroberungen eingerahmt und vermutlich überlagert wurde. In Gänze betrachtet dürften die zahlreichen glorifizierenden Schriften über Eroberungen und Entdeckungen aufgrund ihrer Übersetzung in Umgangssprachen, Illustrationen, mehrfacher Neuauflagen sowie eines geringeren Preises und lesefreundlicheren Umfangs das Bild von den Amerikas weitaus deutlicher geprägt haben. Bezüglich der Verbreitung der bis 1540 erschienenen Druckschriften ist anzumerken, dass das Alte Reich und die italienischen Territorien die wichtigsten Druck- und Rezeptionsräume der frühen Entdeckungen waren.187 Hier gab es eine vergleichsweise breite Infrastruktur des Buchdrucks und Vertriebs und offenbar eine interessierte und zahlungskräftige Kundschaft in den Städten. Im Vergleich spielten Städte in England oder Frankreich dagegen kaum eine Rolle.188 Doch selbst im Alten Reich hatten die Schriften über die transatlantischen Entdeckungen thematisch nur eine vergleichsweise nachrangige Bedeutung. Das Osmanische Reich und Indien erhielten ungleich mehr Aufmerksamkeit, und selbst wenn Texte sich auf die sogenannte Neue Welt bezogen, war das im 16.  Jahrhundert am häufigsten behandelte Thema ein mögliches Heilmittel für Syphilis.189 184 Hoffman 1984  ; Ders. 2004, S. 84–102  ; Peck 2001, S. 184–186. 185 Peck 2001, S. 194 verweist auf die Historia General Y Natural de las Indias des Gonzalo Fernandez de Oviedos Y Valdéz Bd. 3, S. 630–632  ; vgl. Rubiés 1999, S. 78. Auf einen weiteren eher kritischen Bericht in dem Werk Islario general von Alsonso de Santa Cruz, das erst 1560 publiziert wurde und nicht weit verbreitet war, verweist Hoffmann 1984, S. 426. 186 Vgl. Münster 1628, S. 1702. Darin ist Chicora als ein Land beschrieben, das reich an Silber, Perlen und Edelgestein sei und in dem Riesen leben. 187 Johnson 2009, S. 2f.; Neuber 1991, insgesamt und für die Rezeption von Vespucci und Cortes speziell S. 240f. 188 Parker 1965, S. 16–28. Der damit verbundenen These, es habe nur geringes Interesse in beiden Ländern gegeben, widerspricht mit Hinweis auf Import von Druckwerken und die Lateinkenntnisse der Eliten Aebel 2011, S. 70–150, insbesondere S. 70–74. 189 Brednich 1992, zum Interesse an Heilmitteln 21f.; über das allgemein geringe publizistische Echo mit einer Einordnung  : Elliott 1995  ; Ders. 1996, S.  12  ; Armitage 1998, S.  100  ; Ryan 1981,

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Wie eingangs ausgeführt, war das in Europa verfügbare Wissen aber keineswegs in Gänze in Druckschriften publiziert und auf Buchmärkten verfügbar. Der größte Teil war an konkrete historische Akteure und deren Gedächtnis oder persönliche Aufzeichnungen gebunden. Diese lassen sich, wie eingangs erläutert, in bestimmte Personengruppen einteilen, die sich in ihrer Zusammensetzung, ihren Interessen und ihren Wissensbeständen länderübergreifend ähnelten und die in spezifischem Austausch miteinander standen. Als erste Gruppe, die das zweifellos umfangreichste Wissen über den Atlantik und seine Küsten besaß, können die Praktiker, also Seeleute und vor allem Navigatoren, aber auch deren unmittelbare Ausrüster in den atlantischen Hafenstädten gelten. Wissen wurde in dieser Gruppe meist mündlich oder in Manuskriptform weitergegeben. Der geringe Grad an Schriftlichkeit dürfte neben fehlender Alphabetisierung darauf zurückzuführen sein, dass Wissen für Praktiker eine Ressource war, die ihnen Angebote auf einem grenzübergreifenden Arbeitsmarkt verschaffte.190 Die Ausbildung erfolgte dementsprechend persönlich und während einer längeren Assistenztätigkeit an Bord.191 Um den somit schwer zu ermittelnden Wissensstand der Seefahrer dennoch zu erfassen, zieht die Forschung oft Karten als Quelle heran.192 Dies ist allerdings problematisch, da keine Karten aus aktivem Bordgebrauch überliefert sind. Stattdessen verwendeten Seeleute vermutlich eher Logbücher mit Entfernungs- und Zeittafeln oder handschriftliche Notizen über Küsten mit Skizzen der Ansicht vom Deck aus.193 Karten im modernen Sinne waren im 16. Jahrhundert nicht zuletzt durch die Unmöglichkeit der Bestimmung des exakten Längengrades als Navigationshilfe jenseits der Küsten keineswegs optimal. Unabhängig von der Form der Aufzeichnung dürfte sich das vorhandene Wissen in den Hafenstädten Englands und Frankreichs in Bezug auf die Regionen Amerikas unterschieden haben. Zweifellos lag über die Seegebiete vor Neufundland das meiste Wissen vor.194 Hunderte Seeleute aus den vier Monarchien, deren Untertanen transatlantische Seefahrten unternahmen, nutzten die dortigen Ressourcen und erwarben so Erfahrungen, die sie an immer neue Seeleute weitergaben. Speziell diejenigen, welS. 519. Gegen die These eines allgemeinen Desinteresses an den Entdeckungen in Mitteleuropa hingegen  : Wuttke 1991 und Wuttke/Dreher 2007, S. 19f. 190 Read 2005, S. 4. 191 Tyacke 2007, S. 1726  ; vgl. Ash 2007, S. 509–528. Ansätze zu einer Professionalisierung und Zentralisierung der Navigatorenausbildung gab es im 16.  Jahrhundert zwar mehrfach, doch außerhalb Kastiliens blieben sie rudimentär. Selbst in Kastilien war die Einführung mit Konflikten verbunden und nur bedingt erfolgreich, so Brendecke 2009. 192 Woodward 2007, S. 3–24, insbesondere S. 8f.; Tyacke 2007, S. 1722. 193 Vgl. Woodward 2007, S. 8  ; Ash 2007, S. 510–516  ; Tyacke 2007, S. 1722–1726 und 1746  ; Toulouse 2007. 194 Quinn 1982, S. 9–30.

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che die Küsten als Trockenplatz nutzten, kannten deren Verlauf, Gefahrenstellen und eventuell die indigenen Bewohner der Region. All dieses Wissen ist jedoch nicht in überlieferte kartographische oder schriftliche Zeugnisse eingegangen. Das Gleiche gilt für die Expertise, die französische Seeleute über die Küste Brasiliens erwarben. Der dortige Handel erforderte nicht nur Wissen über den Küstenverlauf, sondern auch über indigene Kulturen, Sprachen, und Politik, das heute nicht mehr rekonstruierbar ist. Abhängig von der Bereitschaft einzelner Akteure, Geld zu investieren, konnten sich in Hafenstädten regelrechte Zentren des Wissens entwickeln. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Dieppe.195 Der bereits erwähnte, erfolgreiche Schiffsausrüster Jean Ango führte hier Navigatoren aus Spanien und Portugal zusammen und legte den Grundstein für eine kartographische Werkstatt. Dort entstanden vorwiegend für ein reiches Publikum handgezeichnete Prunkkarten. In ihnen wurden ausgewählte Teile des erworbenen Wissens weitergegeben, um beispielsweise Investitionen oder königliche Protektion anzuregen. Oftmals bereicherten sie Bibliotheken und Sammlungen als Schaustücke. Ein Zentrum wie Dieppe konnte seine Wirkung aber auch durch die Ausbildung von Experten entfalten, die in andere Städte oder Länder abwanderten, und somit ebenso ein Ziel- wie Ausgangspunkt von Wissenstransfer sein. So hatte der Kartograph Jean Rotz nach eigenen Erfahrungen in Übersee vergeblich versucht, unter Franz  I. eine dauerhafte Förderung zu erhalten.196 Er ging daher 1542 nach England und trat in den Dienst Heinrichs VIII. Damit war er nicht allein, denn um 1540 beschäftigte der König von England bis zu 60 französische Navigatoren, wenn auch meist für Aufträge in europäischen Gewässern. Dies war Teil seines umfangreichen Versuchs, einen deutlichen Rückstand in kartographischem Wissen und Können aufzuholen, den England gegenüber Frankreich besaß.197 Eine besondere Rolle für die Geschichte der europäischen Expansion spielten Akteure, die das vorhandene Wissen in den Hafenstädten oder eigene Reiseerfahrungen zum Ausgangspunkt machten, neue Expeditionen in bisher unbekannte Gebiete zu planen und zu bewerben. Sie bewegten sich zwischen den Gruppen der segelnden Praktiker, der humanistischen, akademisch geschulten Theoretiker und der politischen Entscheidungsträger wobei sie bestimmte Teile ihres Wissens situativ an die jeweilige Zielgruppe vermittelten. Bei der Werbung für neue Unternehmungen war weniger eine exakte Darstellung allen vorhandenen Wissens wichtig als vielmehr der Fokus auf klare Botschaften, die beispielsweise in großmaßstäblichen Karten Ausdruck fanden.198 Ein gutes Beispiel 195 196 197 198

Mollat 1993, S. 87f.; Quinn 1990b, 57–61  ; Buisseret 2003, S. 92–94. Tyacke 2007, S. 1729  ; Buisseret 2003, S. 41  ; Davies 2012, S. 168f. Buisseret 2003, S. 67, 92 und 94. Auf den generell nicht im modernen Sinne rational-wissenschaftlichen Gebrauch von Karten verweist Fernandez-Armesto 2007, S. 739–741.

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hierfür ist Giovanni Verrazzanos Bruder Girolamo.199 In seinen Karten visualisierte er zwar die ununterbrochene Verbundenheit von Nord- und Südamerika, zeichnete aber prominent einen von seinem Bruder gesichteten Isthmus in Nordamerika ein, der weitaus schmaler und flacher als sein Gegenstück in Mittelamerika sei. Es sei dort ein Leichtes auf dem Landweg eine große Inlandssee und dann das Südmeer zu erreichen. Die eigentlich vage Beobachtung erhielt durch die Darstellung in Karten eine hohe Anschaulichkeit und wurde breit rezipiert. Die Folge war, dass zahlreiche weitere Karten noch über Jahrzehnte die See des Verrazzano zeigten und koloniale Projekte bis zum Ende des Jahrhunderts beeinflussten. Praktiker wie Sebastian Cabot, die auch mit anderen Gruppen kommunizierten, konnten aufgrund ihrer persönlichen Erfahrung auch an theoretischen und eher abstrakten Diskursen über geographisches Wissen und seine Bedeutung teilnehmen.200 Dabei machten die Männer mit eigener Erfahrung in der Seefahrt schon bald ihre eigene Praxis zu einem Argument gegenüber gelehrten Kosmographen. Sie schufen das Klischee einer Feindschaft zwischen Praktikern und deren erfahrungsbasiertem Wissen einerseits und weltfremden Gelehrten und ihrem traditionellen Buchwissen andererseits. Die meisten Seeleute, Navigatoren und Ausrüster hatten jedoch höchstwahrscheinlich kein Interesse an abstrakten Debatten über das Verhältnis von antikem zu modernem Wissen oder die theologischen Konsequenzen der neuen Entdeckungen. Dies leitet zur zweiten Gruppe über, den an Universitäten und höfischem Umfeld tätigen, studierten Personen, die sich um 1500 selbst als Teil einer geistigen Bewegung verstanden, welche sie als Humanismus bezeichneten.201 Für ihr Selbstverständnis waren die Kenntnis alter Sprachen und die textkritische Auseinandersetzung mit tradiertem Wissen wesentlich. Ihr grenzübergreifender Diskurs in Briefnetzwerken oder Publikationen basierte auf gemeinsamer Kenntnis abstrakter geographischer sowie theologischer Wissensbestände, Methoden und bestimmter sprachlicher Regeln. Die Schriftlichkeit ihres Austausches hat zur Folge, dass diese Gruppe, obwohl nur ein kleiner Teil ihres Wirkens den neuen Entdeckungen gewidmet war, durch die breite Quellenlage in der Forschung mit Abstand am stärksten repräsentiert ist. Die Angehörigen dieser Gruppe konnten verschiedene Tätigkeiten ausüben, waren aber meist mit Universitäten vernetzt, selbst wenn sie dort nicht unmittelbar beschäftigt waren. Aus dieser Vernetzung erklärt sich auch, dass geographische Entdeckungen weitaus weniger Aufmerksamkeit erzielten als solche auf dem Gebiet der Theologie, Medizin oder auch Astronomie, Mathematik oder Physik.202 Grund hierfür ist die universitäre Ordnung des Wissens, in der Geographie und Navigation eine Randstel199 Hoffman 2004, S. 105–124, speziell S. 110  ; Wroth 1970, S. 34–53. 200 Sandman/Ash 2004  ; Dalton 2016. Dieser Gegensatz spielt eine zentrale Rolle in Brendecke 2009. 201 Vgl. zur Bezeichnung und den Charakteristika der Konstruktion dieser Bewegung  : Wuttke/Dreher 2007. 202 Vgl. Blair 2008  ; Ryan 1981  ; Elliott 1995  ; zum epistemischen Kontext  : Crowther 2015. Bei-

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lung einnahmen. Sie waren der Naturphilosophie und Mathematik als exemplarische Felder zugeordnet, die selbst wiederum beide nur Teil der bis zum Ende des 17. Jahrhunderts strukturell nachrangigen Facultas Artium waren.203 Da die Fachbereiche Medizin, Theologie und Jura als höherwertig galten, wurden neue Wissensbestände, die aus Entdeckungsreisen hervorgingen, eher als exemplarische, allgemeinen Prinzipien untergeordnete Ergänzung in diese Disziplinen eingeordnet.204 So galt in der Theologie die beobachtende Naturphilosophie neben der Bibel als zweites Buch Gottes, dessen Beobachtung mit der höherwertigen theologischen Ordnung in Einklang gebracht werden könne und müsse.205 Auch die auffällig große Häufigkeit von Druckschriften über neue Heilmittel aus den beiden Amerikas lässt sich aus der Ordnung des Wissens erklären. Eine akademische Auseinandersetzung mit den neuen Entdeckungen war daher immer von der Vernetzung mit bereits als relevant etablierten Fragestellungen abhängig. Unter der Prämisse dieser Verknüpfung konnte dann durchaus häufig auf die beiden Amerikas verwiesen werden. Aus zunehmend zahlreichen, kurzen Erwähnungen konnte schließlich – so zeigt Wuttke für den Humanismus in Deutschland – auch ein breiteres Interesse an den neuen Entdeckungen erwachsen.206 Allerdings blieb die Zuordnung zu bestimmten Leitinteressen der Zeit deutlich erkennbar. Dies gilt insbesondere für eine moralische Aufladung der Beschreibungen, wie sie in Sebastian Brants Narrenschiff, aber auch John Rastells Interludium deutlich erkennbar sind.207 Viele Autoren, die Reiseerfahrungen in Publikationen aufgriffen, wollten nicht einfach neutral Wissen vermitteln, sondern ihr Publikum positiv beeinflussen. Sie lehnten Profitgier ab und forderten von ihren Lesern stattdessen, auf ehrenvolle Weise nach Ruhm zu streben. Auch die blinde Gier nach neuen Erfahrungen galt als verpönt, die Suche nach tieferer Erkenntnis gestützt auf eine professionelle Methodik hingegen als lobenswert.208 Hier zeigt sich bereits, dass es zu stark vereinfachend wäre, von einem unreflektierten Glauben der studierten Gelehrten an die Tradition überlieferten Wissens auszugehen, wie ihn das Narrativ von der Wissenschaftlichen Revolution imaginiert.209

203 204 205 206 207 208 209

spielsweise sind in Alden 1980 I eine Vielzahl der Bücher mit Bezug zur Neuen Welt eng auf Heilmittel für Syphilis fokussiert. Blair 2008. Zur Bedeutung von Expercience also konkreter Erfahrung im Diskurs siehe allgemein Dear 2008. Henry 1992, S. 190–195. Für den Deutschen Humanismus legt Wuttke dar, dass die These eines allgemeinen Desinteresses zu kurz greift  : Wuttke/Dreher 2007, S. 16–22. Wuttke 1992, S.  27–37  ; zu Rastell vgl. Fitzmaurice 2004, S.  2, 11 und 26–30  ; Campos 2000, S. 24  ; Borish 1938. Wuttke/Dreher 2007, S. 25–27  ; zur Kritik an Habgier S. 45  ; vgl. hierzu die Einleitung in Kapitel 4. Zu dem Narrativ und der Kritik daran vgl. Lindberg 1994, S. 1–26  ; Shapin 2004  ; neuere Ausein-

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Stattdessen waren um 1530 viele Autoren bereit, Wissensbestände der Antike oder des Mittelalters zu korrigieren oder zu ergänzen. Hierfür bedurfte es jedoch der Basis etablierter Methodik und Begriffe, mittels derer eine reflektierte neue Anschauung erfolgen konnte.210 Eine pragmatische, unreflektierte eigene Anschauung war hingegen eher ein Indiz als ein akzeptables Argument. Ryan drückte dies mit der Schlussfolgerung aus  : »The new sciences was baptized as a legitimate undertaking, because it spoke a familiar language and validated tradition.«211 Dementsprechend sollten die vielen Bezüge auf antikes Wissen im Diskurs der Humanisten nicht, wie in der älteren Forschung, als Weigerung gedeutet werden, neue Erkenntnis anzuerkennen, sondern als epistemischer Weg zu deren kritischer Einordnung in ein etabliertes System und dessen Weiterentwicklung.212 Selbst Autoren, die in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts versuchten, die neu entdeckten Länder in die antiken und biblischen Weltbeschreibungen einzubinden und als Wiederentdeckung zu interpretieren, versuchten nur neue Beobachtungen als Ergänzung und nicht als Widerspruch zur epistemischen Ordnung zu rezipieren. Diese Position verlor aber ohnehin rasch an Bedeutung gegenüber der Interpretation der Amerikas als »Neuer Welt«, wie sie beispielsweise Vespucci, Waldseemüller und Petrus Martyr vertraten.213 In jedem Fall setzten die komplexe Methodik, die Bindung an etablierte Fragestellungen und die notwendige Verknüpfung mit den bestehenden Wissensbeständen einer Beteiligung von Praktikern und Außenseitern am Diskurs erhebliche Grenzen. Dies zeigt sich beispielsweise im Wissen über die Indigenen Amerikas. Während die Praktiker in der Normandie die Gebräuche, Sprachen und Politik der Indigenen Brasiliens kannten und dort unterschiedliche Gemeinschaften differenzieren konnten, herrschte in den intellektuellen Diskursen weiterhin die Zweiteilung vor, die Kolumbus und Vespucci geprägt hatten.214 Man verortete die Indigenen entweder als friedlich, naiv, im goldenen Zeitalter lebend oder als menschenfressende Wilde. Für Humanisten waren dabei insbesondere die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu antiken Darstellungen zivilisationsferner Völker oder zu mittelalterlichen Erzählungen über den »Wilden Mann« oder über exotische Völker Asiens von großem Interesse, die bereits vor 1500 im Diskurs wieder aktualisiert worden waren.215 Hinzu kam die Frage, welche Konsequenzen die Existenz der Indigenen für die biblische Geschichtsschreibung und die theologische Weltdeutung haben könnte.

210 211 212 213 214 215

andersetzungen  : Crowther 2015 mit Beibehaltung des Begriffs  ; Park/Daston 2008 mit Versuch, ihn zu ersetzen. Wuttke 1991, S. 11–15. Ryan 1981, S. 524. Wuttke/Dreher 2007, S. 60–64. Johnson 2009, S. 54–87  ; vgl. am Beispiel der Indigenen  : Jaenen 1984, S. 202–204. Zur langen Wirkmacht dieser Darstellungen  : Menninger 1995, S. 49–62. Grafton 2000, S. 41–45  ; Wolf 1992, S. 35–53  ; Colin 1987, S. 5–36.

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Auch in der Kosmographie, die um 1500 noch als randständige Disziplin galt, fällt der Unterschied zum Wissen der Praktiker auf. Zunächst ist nicht überraschend, dass die Autoren von kosmographischen Werken viele Informationen über außereuropäische Regionen sammelten und berücksichtigten.216 Allerdings banden sie ihre Darstellung wiederum an die antike Tradition der Wissensorganisation. Das neue Wissen wurde oftmals an eine Präsentation antiker Wissensbestände angefügt, so beispielsweise in den Werken Sebastian Münsters.217 Dabei ging es nicht um eine möglichst genaue Abbildung aller neuen navigatorischen Informationen, sondern um eine Weiterentwicklung des gelehrten Diskurses über die Welt. Hierfür waren die Relation der Kontinente zueinander, die Benennung von Landschaften sowie die Zusammenführung neuer Erfahrungen mit dem Wissen des Ptolemäus und dem des Marco Polo zu einem harmonischen Ganzen viel entscheidender. Diese Beschränkungen bedeuteten jedoch nicht, dass neue Erkenntnisse nicht vehement im Diskurs verbreitet wurden, wie sich exemplarisch in der in vielen Schriften geradezu topisch aufgeführten Schlussfolgerung zeigt, dass das antike Wissen über die Äquatorregion überholt sei. Viele Autoren betonten, dass dort keine aufgrund ihrer Hitze für Menschen unbewohnbare Zone existiere und dass dies überliefertes Wissen widerlege. Derartig weit verbreitete Erkenntnisse konnten auch außerhalb des gelehrten Diskurses von Personen aufgegriffen werden, die für neue Projekte warben, was erneut deren Rolle als Vermittler zwischen den Wissensbeständen verschiedener Gruppen unterstreicht. So nutzten die Kaufleute Robert Thorne, der zu See erfahrene Roger Barlowe und andere Praktiker diese allgemein akzeptierte Beobachtung, um 1527 bei Heinrich VIII. für ihre neuen Pläne zu werben.218 Sie schrieben, dass durch die Widerlegung der Theorie einer unbewohnbaren Zone am Äquator auch als widerlegt gelten müsse, dass es eine unbewohnbare Zone am Polarkreis gebe. Auf dieses Argument gestützt schlugen sie vor, über den Nordpol einen Seeweg nach Asien zu suchen. Um die Plausibilität ihres Vorhabens zu unterstreichen, griffen sie auch antike Thesen über einen im Sommer eisfreien Nordpol auf, die sie als noch immer gültig ansahen. Damit verorteten sie ihr Argument im epistemischen System und verliehen ihm Validität. 216 Vgl. Lestringant 1991  ; Ders. 1994a  ; Mosley 2009  ; Vogel 2006 mit Fokus auf erfolgte Innovationen. 217 Noch in der erweiterten Ausgabe von Sebastian Münsters Cosmographia 1628 ist Amerika als Ergänzung der bisher bekannten Welt als Anhang im letzten Buch eingeordnet, Münster 1628. Zur Wirkung seines Werkes siehe Debofle 1995, S. 90–93  ; vgl. zu Sebastian Münster  : Wilford 2000, S. 29–39. Zum Umgang mit Wissen allgemein Campbell 2004, vgl. Kapitel 4.2.4. 218 Thorne schrieb dazu einen Brief an Heinrich VIII. dem ein Buch und eine Karte beigelegt waren, die das Projekt näher illustrierten. Der Brief ist ediert in  : Quinn NAW I, S. 179–181  ; zum Buch selbst siehe ebd. S.  181–189. Beide Texte erschienen im Untersuchungszeitraum in Hakluyt 1582 und den Ausgaben von Hakluyt PN 1589 und Ders. 1598–1600. Vgl. zu diesem Brief und dem Projekt Dalton 2016, S. 130–149.

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Auch wenn Heinrich VIII. auf ihren Vorschlag nicht einging, zeigt sich die Relevanz ihrer Gedanken, als andere Akteure sich einige Jahre später erfolgreich auf dieselben Schlussfolgerungen beriefen.219 Eine dritte Gruppe, deren Angehörige ebenfalls Werke und Diskurse des Humanis­ mus verfolgen konnten, die aber zugleich eigene Interessen und auch Methoden zur Wissenssammlung entwickelten, waren große europaweit vernetzte Bank- und Handelshäuser.220 Sie waren als Finanziers, Auftraggeber und Käufer von in den Amerikas gewonnenen Ressourcen an der europäischen Expansion meist indirekt, vereinzelt, aber auch unmittelbar beteiligt. Zu dieser Gruppe gehörten die Inhaber und Mitarbeiter der Fugger und Welser-Vöhlin sowie genuesischer und florentiner Bankhäuser. Für sie waren landeskundliche und ethnographische Details nebensächlich. Viel wichtiger waren Informationen über Preise, Warenverfügbarkeit, Logistik sowie neue Verordnungen oder Privilegien für den Handel, die man selbst oder die Konkurrenz erwerben konnte. Allein schon für die europäischen Geschäfte mussten viele Details über Maße, Gewichte, Rechtsordnungen, Abgaben usw. gesammelt und verfügbar gemacht werden.221 Dieser besondere Blick auf die Welt brachte auch eine eigene Deutung der Berichte aus den Amerikas mit sich. Mythen und Legenden waren weniger wichtig als konkrete Zahlen über die erbeuteten Edelmetalle und über den Verkaufswert von Farbholz, Papageien oder anderen Waren.222 Ihre Interessen lagen nur zu einem kleinen Teil in den beiden Amerikas. Auch wenn die Welser-Vöhlin und die Fugger sich, wie erwähnt, dort auch kolonial engagieren konnten, so war dies eine Ausnahme. Normalerweise profitierten die Handels- und Bankhäuser eher indirekt in Europa von der neuen, globalen Vernetzung. Die Fugger erhielten beispielsweise einen beträchtlichen Teil des amerikanischen Silbers zur Tilgung der Schulden, die Karl V. bei ihnen angehäuft hatte.223 Hohe Profite ließen sich außerdem für beide Häuser durch Mitwirkung am Gewürzhandel mit Asien erzielen. Hierin lag das Hauptinteresse, wenn es um außereuropäische Handelsverbindungen ging.224 Dies spiegelt sich wiederum im vermittelten Wissen wider. So war die Eröffnung des Seewegs nach Calicut in Indien durch Vasco da Gama die erste Nachricht über transozeanische Expansion, die in Deutschland verbreitet wurde, und ebenfalls sehr früh erfuhren Leser von der Rückkehr eines von Magellans Schiffen von den Gewürzinseln.225 Die Fugger schufen zum Zweck der Verbreitung solcher neuer In219 Mit Bezug auf die Suche nach der Nordwestpassage Allen 1994. 220 In der Forschung ist lediglich eine unmittelbare Kooperation zwischen einem Humanisten und großen Handelshäusern detailliert untersucht worden. Es handelt sich um den Augsburger Stadtschreiber Konrad Peutinger. Vgl. Wuttke 1991, S. 21  ; Häberlein 2016, S. 174–176. 221 Johnson 2009, S. 103–105. 222 Johnson 2009, S. 116–121. 223 Häberlein 2016, S. 137. 224 Johnson 2009, S. 101–106f. 225 Pohle 2000, S. 231–235  ; Johnson 2009, S. 96.

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formationen ein eigenes Netz durch die sogenannten Fuggerzeitungen, die per Kurier an Abonnenten gesandt wurden. Vertrieb und Gebrauch dieser Wissensressource professionalisierten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts, wobei sie an den wirtschaftlichen Interessen der Leser orientiert blieben.226 Sehr ähnlich stellt sich die Lage in Norditalien dar. Auch hier erhielten Bankiers Informationen über Entdeckungsreisen, vor allem wenn diese einen neuen Seeweg nach Asien zum Ziel hatten. Wenn dabei wie im Falle Verrazzanos neue Länder erkundet wurden, so erreichten ausführliche Berichte darüber Empfänger in Florenz, Rom, Venedig oder Genua.227 Die Konsequenzen, die aus diesen Informationen gezogen wurden, lassen sich jedoch kaum ermitteln, auch wenn sie vermutlich die Bereitschaft zur Unterstützung neuer Vorhaben beeinflussten. Als vierte und letzte Gruppe von Akteuren lassen sich Herrscher, deren Berater und eventuell sogar bereits bestimmte, von ihnen eingerichtete Institutionen unterscheiden, die von allen Gruppen theoretisch den umfangreichsten Zugang zu Informationen über atlantische Seefahrt und die beiden Amerikas hatten. Sie konnten potentiell mit allen anderen Gruppen in Kontakt treten, deren Kooperation einfordern und deren Wissen zusammenführen. In der Praxis hatten aber die Herrscher außerhalb Kastiliens und Portugals lediglich sporadisches Interesse an diesen Themen. Nur in den iberischen Monarchien gingen aus dem kolonialen Engagement schon früh spezialisierte Behörden und Amtsträger hervor, die vor allem navigatorische Informationen, aber auch Wissen über die Entwicklung der Kolonien und der umliegenden Gebiete sammelten.228 Auch wenn die historische Forschung der letzten Jahrzehnte die Grenzen und Schwächen dieser Systeme herausgearbeitet hat, die immer weit hinter ihren Ansprüchen zurückblieben, so gab es doch vor 1540 nur hier eigene Archive, Chronisten und zumindest Versuche, die Wissensbestände der Praktiker und Theoretiker, also der Seeleute und der humanistischen Kosmographen, zusammenzuführen.229 Doch auch die Könige Englands und Frankreichs und deren ranghohe Berater erhielten Informationen, wenn auch ohne Vorgaben oder Strukturen, wie sie nach und nach in den iberischen Monarchien etabliert wurden. Akteure aus verschiedenen Ländern wandten sich aus eigener Initiative an beide Herrscher. Sie wollten Unterstützung für ein neues Projekt, Protektion für den Druck eines Manuskriptes oder eine Belohnung für geleistete Dienste auf See erwirken. In Anbetracht dieser Ziele überrascht es nicht, dass sie bestimmte Wissenselemente, wie weitere Goldreiche, Seewege nach 226 Vgl. Pieper 1993  ; Harris 2008, S. 351–353  ; zu Umfang und Inhalt in den Jahren 1568–1605  : Häberlein 2016, S. 177–183. 227 Mit Hinweisen auf die unterschiedlichen Manuskripte in Italien  : Morley  : Verrazzano, Giovanni da. In  : DCB  ; Eine Auswahl der nach Italien gesandten Berichte über frühe Entdeckungsreisen bietet  : Quinn NAW I, S. 145–155 in dem Abschnitt »The Portuguese in the Atlantic 1499–1509«. 228 Grundlegend und umfassend, zu Funktion und Dysfunktion Brendecke 2009. 229 In den unterschiedlichen Auffassungen über die Bedeutung praktischen oder theoretischen Wissens lag allerdings erhebliches Konfliktpotential, vgl. Brendecke 2009, S. 130–140.

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Asien oder Landschaften mit unvergleichlichen Ressourcen, unkritisch und b ­ esonders häufig präsentierten.230 Das mit diesen Anfragen übermittelte Wissen konnte sehr detailliert und genau sein, wie bei Roger Barlows Übersetzung eines spanischen Navi­ gationswerks mit eigener Reisebeschreibung über Südamerika, die er 1540 Heinrich VIII. überreichte.231 Anderseits schenkten hingegen Jean Ango und seine Mitarbeiter in Dieppe dem Dauphin und ranghohen Adeligen eher künstlerisch gearbeitete Prunkkarten und Atlanten mit allgemeineren Informationen, um für ein königliches Engagement zu werben. Ebenfalls nicht ohne Hintergedanken sandten Monarchen einander Geschenke, die Wissensbestände über die beiden Amerikas enthielten. Meist waren dies Karten, die mittels künstlerischem Schauwert politische Botschaften transportierten. Als beispielsweise 1519 ein portugiesischer Atlas an Franz I. überreicht wurde, war dies wohl kaum auf den Wunsch zurückzuführen, mehr französische Schiffe nach Brasilien zu lotsen. Vielmehr war der Atlas eine Botschaft, dass das Land nicht unbekannt und unbesetzt, sondern ein genuiner Bestandteil der portugiesischen Interessensphäre sei.232 Heinrich VIII. erhielt dementsprechend nach dem Frieden von 1525 aus Frankreich Karten zu den Reisen des Verrazzano, auf denen die im Namen des französischen Königs gemachten Entdeckungen in Nordamerika und der Isthmus des Nordens verzeichnet waren.233 Inwiefern die eingegangenen Berichte, Karten und Buchmanuskripte überhaupt im engeren Kreis um den Souverän wahrgenommen wurden, ist aufgrund der Tatsache, dass sie kaum in Quellen erwähnt werden, nicht zu ermitteln. Sicher ist nur, dass sie in England und Frankreich über Jahrzehnte nicht publiziert und verbreitet wurden. So erhielten Roger Barlow und auch der französische Kartograph Jean Rotz keine Unterstützung für den Druck ihrer Werke durch Franz I. und Heinrich VIII.234 Dieser Umgang mit eingehendem Wissen zeigt, dass beide Monarchen wenig Interesse an den beiden Amerikas und der Seefahrt jenseits der Kriegsführung in europäischen Gewässern hatten. Bestimmte Ereignisse wie das Eintreffen der Beute des Cortes oder die Rückkehr von Magellans Schiff Viktoria konnten Initiativen, die an sie herangetragen wurden, zwar kurzzeitig Aufwind verschaffen, doch letztlich waren für sie bis in die 1530er Jahre die europäischen Kriege weitaus bedeutender. In Paris und London entstanden somit im Umfeld der Höfe ungeordnete, weitgehend ungenutzte, von unaufgeforderten Beiträgen anderer abhängige Sammlungen des Wissens. Deren Bestandteile waren höchst heterogen und konnten mit dem Ziel umfassender Information ebenso wie dem der Manipulation durch Zuspitzung verfasst wor230 231 232 233 234

Fernandez-Armesto 2007, S. 743. Dalton 2016, S. 159–169. Dickinson 1984, S. 138f. Quinn 1990b, S. 56  ; Habert 1964, S. 297f.; Roper 1998, S. 106–108. Dalton 2009, S. 77f.

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den sein. Besondere Bedeutung hatten dabei vermutlich Karten, da sie einerseits als Kunstgegenstände präsentiert werden konnten und andererseits Kernbotschaften bildhaft machten.235 Dabei waren selbstverständlich Besitzansprüche, die durch Namens­ gebung, eingezeichnete Wappen oder Kartuschen mit Verweisen auf Expeditionen visualisiert werden konnten, weitaus wichtiger als konkrete Küstenverläufe, um die sich ohnehin Seeleute zu kümmern hatten. Bezüglich der Wissensbestände, die in gedruckter oder anderer Form in Europa in den 1530ern vorhanden waren, lässt sich ein Gesamtbild erkennen. Zunächst zeigt sich eine erhebliche Heterogenität der betrachteten Akteursgruppen bezüglich ihres Interesses an bestimmten Informationen, der epistemischen Rahmenbedingungen, in denen sie neue Erfahrungen verarbeiteten, und der ihnen schließlich zur Verfügung stehenden Wissensbestände. Dabei lösten die neuen Erfahrungen in Übersee zumindest in den ersten Jahrzehnten keinen linearen Prozess der Entwertung überlieferten Wissens zugunsten neuer Empirie im Sinne einer wissenschaftlichen Revolution aus. Traditionelle und neue Wissensbestände standen um 1530 nicht im Gegensatz zueinander, sondern konnten ergänzend genutzt werden, auch wenn Akteure interessenspezifisch ein Spannungsverhältnis zwischen ihnen postulierten oder abstritten. Auch außerhalb der iberischen Monarchien war um 1530 eine beachtliche Menge an Wissen über Regionen in den beiden Amerikas vorhanden, das als Grundlage für koloniale Projekte dienen konnte, so beispielsweise über Brasilien oder N ­ eufundland. Es war jedoch auf unterschiedliche Akteursgruppen verteilt. Versuche zu seiner Sammlung unternahmen nicht Entscheidungsträger oder Institutionen, sondern Akteure, die aus eigener Initiative koloniale oder maritime Projekte verfolgten. Die Organisatoren kolonialer Unternehmungen operierten daher in einem Raum zwischen Wissen und Nichtwissen. Sie weckten bestimmte Erwartungen und behaupteten, diese erfüllen zu können, indem sie einerseits auf scheinbar sicherem Wissen aufbauten und andererseits Wissenslücken auswiesen, die sie schließen würden. Die für die Zeitgenossen um 1530 als gesichert geltenden Wissensbestände über die Amerikas und damit die Grundlage kolonialer Pläne waren  : erstens die Möglichkeit durch einen Isthmus des Nordens oder eine noch zu erkundende Flusspassage den Pazifik zu erreichen und mit Asien zu handeln  ; zweitens die Existenz paradiesischer und ressourcenreicher Landschaften in den beiden Amerikas, deren Klima sich dadurch vorhersagen lasse, dass Regionen auf dem gleichen Breitengrad beiderseits des Atlantiks auch ein gleiches Klima aufwiesen  ; drittens die dauerhafte Bewohnbarkeit aller Landschaften, sowohl der Polarregionen wie auch der Tropen für europäische Siedler  ; viertens die Existenz weiterer Reiche wie Mexiko oder Peru, von denen Indigene in Nord- und Südamerika bereits berichtet hatten  ; und schließlich fünftens die Unfähig235 Zur Bedeutung der Karten als Kunstobjekte vgl. Quinn 1990b  ; Toulouse 2007, S. 1561f.

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keit aller indigenen Kulturen zum offenen Widerstand aufgrund einer mutmaßlichen technischen, kulturellen, spirituellen und militärischen Überlegenheit der Europäer. Für die folgende Betrachtung kolonialer Projekte, die unter dem Schutz der Herrscher von England und Frankreich unternommen wurden, ergeben sich aus diesem Kapitel zwei Fragen  : erstens, inwiefern die skizzierten Wissensbestände koloniale Projekte prägten, und zweitens, wie neue Erfahrungen in unterschiedlichen epistemischen Systemen verarbeitet und zur Bestätigung, Ergänzung oder zum Widerspruch gegen etabliertes Wissen führen konnten. Beide Fragen gelten auch, sofern es dazu Hinweise in Quellen gibt, für das Wissen der indigenen Bevölkerung der jeweiligen Region.

3. Gescheiterte Projekte und ihre Darstellung 1530 – 1615

3.1 Französische Unternehmungen und Versuche zur Zusammenarbeit mit dem kastilischen Kolonialreich in England und dem Heiligen Römischen Reich ca. 1530 bis 1575 Überblick In den Jahren 1540–1570 forderten vor allem Untertanen der Könige von Frankreich offensiv die von den iberischen Reichen vorgenommene Aufteilung der Welt heraus. Franz I. und seine Nachfolger unterstützten koloniale Projekte, die auf der offensiven Vorgehensweise französischer See- und Kaufleute in den ersten Jahrzehnten der transatlantischen europäischen Expansion aufbauten, zunächst 1540–1542 in Kanada, dann 1555–1560 in Brasilien. Parallel dazu setzten die bereits als Kooperationspartner der Könige von Kastilien etablierten Welser ihr Engagement in Venezuela als Teil des spanischen Imperiums fort. Doch die erhofften Goldfunde blieben aus, keine neuen Siedlungen entstanden und durch offene Konflikte zwischen europäischen Eroberern kam schließlich sogar ein ranghohes Familienmitglied ums Leben, bevor die Statthalterschaft der Welser in Venezuela 1556 endete. In England hatte die 1554 geschlossene Ehe Königin Marias mit König Philipp II. von Spanien bei einigen Untertanen Hoffnung auf eine stärkere Kooperation mit dem spanischen Kolonialreich geweckt. Als sich dies als trügerisch erwies, rückte stattdessen die Suche nach alternativen Seewegen nach Asien in den Fokus, für die 1555 eine eigene Company gegründet wurde. An eine offensivere koloniale Politik wie in Frankreich, die sich in England gegen die Ansprüche des Ehemanns der Königin gerichtet hätte, war zu dieser Zeit nicht zu denken. Die Interessenlage änderte sich jedoch unter der Herrschaft Elisabeths I. allmählich, als sie sich entschied, in den ersten französischen Hugenottenkrieg und den niederländischen Unabhängigkeitskampf einzugreifen. Beides machte sie für Philipp II. zu einer Gegnerin. Die Folge war, dass Elisabeths Untertanen neue Expeditionen in den iberischen Atlantik unternahmen, erste Vorschläge für koloniale Projekte unterbreiteten und ein gesteigertes Interesse am Vorgehen der französischen Akteure in Übersee entwickelten. Dies zeigt sich deutlich im Kontext des dritten kolonialen Projekts, das mit Unterstützung der Krone Frankreichs unternommen wurde, denn an dem Versuch 1562– 1565 einen Außenposten in Florida zu errichten, waren Elisabeth I. und ihre Untertanen in gewissem Maße beteiligt. Daher erschienen nicht nur in Frankreich, sondern auch in England Berichte über die Kolonie und ihre Zerstörung durch eine spanische Streitmacht.

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Zu Beginn der 1570er Jahre, am Ende des in diesem Kapitel beschriebenen ­Zeitraums, ergab sich schließlich eine Umkehr der kolonialpolitischen Lage. Nach drei erfolglo­ sen Projekten und angesichts der massiven politischen Spannungen im eigenen Land hielten sich die Untertanen der französischen Herrscher für längere Zeit zurück, während in England eine wachsende Interessengruppe auf ein stärkeres Engagement hinzuwirken begann und versuchte, so viel Wissen wie möglich über die Unternehmungen der Franzosen zu sammeln. Für Akteure aus dem Alten Reich bestand keine Chance mehr auf eigene koloniale Unternehmungen innerhalb des kastilischen Imperiums, aber dafür hatte sich eine neue Möglichkeit zur Erzielung von Profiten eröffnet – der Buchmarkt. Darstellung Die bisher geringen kolonialen Ambitionen des französischen Königs erhielten nach dem Tod von Giovanni Verrazzano und den in Brasilien erlittenen Rückschlägen seiner Untertanen im Jahr 1532 neue Impulse durch Jean le Veneur, den Abt von Mont St. Michel. Der Abt brachte bei Franz I. die Idee vor, eine Expedition zur Erkundung der Meere und Länder westlich der wohlbekannten Fischgründe vor Neufundland auszuschicken, um dort ohne direkte Konfrontation mit iberischen Mächten Gold und eine Passage in den Pazifik zu finden.1 Der einflussreiche Abt, der im folgenden Jahr bei den Unterhandlungen über ein Ehebündnis der französischen Herrscher mit den päpstlichen Medici eine zentrale Rolle spielte, trug keinen abstrakten Plan, sondern das konkrete Anliegen einer Gruppe von Kauf- und Seeleuten aus St. Malo in der Bretagne vor, zu welcher der erfahrene Seefahrer Jacques Cartier gehörte. Cartier hatte Kontakte zu Brasilienfahrern und war vielleicht selbst in Südamerika gewesen, worauf eine Taufpatenschaft seiner Frau für eine Catherine du Brézil im Jahr 1528 hindeutet. Auch über frühere Reisen nach Neufundland haben Historiker spekuliert, ohne aber Belege anführen zu können.2 Im Jahr 1534, nachdem die Allianz mit den Medici geschlossen war und der Papst offiziell die Gültigkeit der iberischen Weltaufteilung eingeschränkt hatte, erlaubte Franz  I. Cartier und seinen Partnern die Durchführung der Seereise und gewährte einen finanziellen Zuschuss für die Suche nach einer Nordwestpassage.3 Diese Reise 1 Zur Rolle des Abtes als Förderer kolonialer Projekte siehe Martinière 2007, S. 19  ; Gordon 2010, S. 13f. 2 Vgl. die Übersicht in Trudel  : Cartier, Jacques. In  : DNB  ; die These wird – ohne eindeutige Belege – vertreten von  : Michelant/Ramé 1867  ; Lanctot 1953, S. 413–425  ; Ders. 1954, S. 213–219  ; Der Sachverhalt ist kritisch anhand der verfügbaren Quellenhinweisen analysiert bei  : Hoffman 1961, S. 112–115. 3 Quinn 1997, zum Glauben an die Nordwestpassage zur Zeit Cartiers und der Suche nach ihr  : S. 300– 304  ; vgl. Allen 1994, und mit starkem Bezug auf spätere englische Expeditonen  : Ruggles 1999 und die Beiträge in Regard 2013.

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war, wie Julien hervorhebt, die erste, die mit direkten Geldmitteln der Krone durchgeführt wurde.4 Franz’ Motiv hierfür war nicht nur, im Erfolgsfall erhoffter Profit und Ruhm, insbesondere im Vergleich mit seinem Rivalen Karl V., sondern auch – so Allaire – der Wille, die bretonischen Seefahrer durch Großzügigkeit für seine erst 1532 proklamierte Herrschaft über die Bretagne einzunehmen.5 Aus der erfolgreichen Initiative aus St.  Malo gingen in den Jahren 1534–1542 vier aufeinander aufbauende Expeditionen hervor, deren Höhepunkt ein koloniales Siedlungsprojekt mit mehreren hundert Mitwirkenden war.6 Ihr Verlauf lässt sich aus Verwaltungsschriftgut, Berichten von Mitwirkenden und ausländischen Beobachtern sowie aus Informationen in zeitgenössischen Überblickswerken rekonstruieren.7 Dies ist im Rahmen einer langen und umfangreichen Forschungsgeschichte bereits vielfach geschehen, da Cartier in der Historiographie als Entdecker Kanadas für die historische Identitätsbildung im frankophonen Québec zentrale Bedeutung besaß.8 Auf seiner ersten Reise war Cartiers Ziel lediglich die Erkundung der Küsten und die Suche nach einer Passage in den Pazifik.9 In einem anonymen Bericht über seine Reise sind sowohl mehrere Erstkontakte mit Gruppen von Indigenen beschrieben wie auch die Landesnatur in unterschiedlichen Küstenregionen. Betrachtet man das im Bericht geschilderte Verhalten der Indigenen näher, ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass es sich nicht wirklich um Erstkontakte handelt. Die Indigenen hatten bereits Verhaltensweisen für den Handel mit Europäern etabliert und waren von Cartiers Zögern offensichtlich irritiert. Dennoch kam es schließlich zum Gabentausch, bei denen Cartier aber nicht das erhoffte Gold, sondern lediglich Pelze erwarb. Auch eine Passage nach Asien konnte er nicht ausfindig machen. Allerdings ergriff er im Namen 4 Julien 2003, S. 119  ; Quinn 2002, S. 20. 5 Allaire 2005, S. 104f. 6 Vgl. die Übersichtsdarstellungen in  : Bitterli 1999, S. 182–194  ; Trudel  : Cartier, Jacques. In  : DCB  ; Trudel 1963, S. 65–166  ; Trudel 1973, S. 12–52  ; Eccles 1999, S. 12–17  ; Quinn 1977, S. 169–189  ; Quinn 2002, S. 20–24  ; Marboe 2004, S. 231–236  ; Roncière 1984, S. 35–121  ; Julien 2003, S. 118– 162  ; Hayes 2002, S. 26–33  ; Groulx 1966, S. 94–175  ; Allaire 2013, S. 52–151. 7 Vgl. zur Quellenlage mit einem Vergleich der Manuskripte und Versionen Hoffman 1961, S. 131–196 und Harrisse 1872  ; für einen Abdruck unterschiedlicher Manuskripte und Quellenfragmente  : Cook 1993 und die älteren Standardausgaben Biggar 1924 (zweisprachig) und Biggar 1930  ; eine neuere französische Ausgabe der Manuskripte bieten  : Fraisse 2000 und Huchon/Charité 2009. Die unterschiedlichen Manuskriptfassungen kombinierte Quinn für eine englische Neuausgabe in Quinn NAW I, S. 291–340  ; ebd. sind auch die Berichte zur dritten Reise nachgedruckt, die nur in Hakluyts Sammelwerken überliefert sind  : Anonym  : The Voyage of John Francis de la Roche knight, Lord of Roberval, with three tall ships to the countries of Canada Hochelaga and Saguenay 1542. Originalausgabe beider Berichte  : Hakluyt PN 1600, S.  232–236. Zur Urheberschaft und zeitgenössischen Ausgaben siehe Morissonneau 1984, S. 289–294. 8 Vgl. zur Erinnerungskultur  : Gordon 2010  ; Trudel  : Cartier, Jacques. In  : DCB  ; Robert 1984, S. 295–307  ; Huchon/Charité 2009, S. 9–24. Kritisch gegen Cartiers und pro Roberval  : Allaire 2013, S. 11–15. 9 Tanguy 1984, S. 235–257.

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der französischen Könige von den bereisten Gebieten Besitz und errichtete ein Kreuz als Symbol dafür. Zwei Söhne des indigenen Anführers Donnacona, der eigentlich in der Nähe des heutigen Québec siedelte, sich aber für saisonale Fischerei mit seinem Gefolge an der Küste aufhielt, begleiteten Cartier zurück nach Frankreich, was den Praktiken der iberischen Konquistadoren ähnelte. Wieder zurück bereitete Cartier eine neue Reise vor, um den Sankt-Lorenz-Strom zu erkunden, die angeblich Kan-Hata genannte Heimatregion der Indigenen zu erreichen und dort nach Gold und der erhofften Passage zu suchen. Er oder jemand aus seinem Umfeld schrieb während dieser Vorbereitungsphase einen Reisebericht, der zwar nicht im Druck erschien, aber wahrscheinlich als Manuskript zirkulierte, um für die zweite Expedition zu werben. Die Werbung war erfolgreich, denn bereits im Jahr 1535 konnte Cartier zum zweiten Mal mit direkter Unterstützung Franz I. aufbrechen.10 Mit mehr als 100 Mann und den zwei Indigenen kehrte er an den Sankt-Lorenz-Strom zurück und erreichte den Siedlungsort Donnaconas bei der heutigen Stadt Québec. Dort setzte er die Erkundung weiter fort, wobei die Indigenen versuchten, ihn an der Reise zu einer benachbarten Siedlung im Gebiet der heutigen Stadt Montreal zu hindern  – möglicherweise, weil sie selbst den Kontakt zu den Europäern und deren Handelswaren monopolisieren wollten. Bemerkenswert ist, dass sie dafür in einer spiritistischen Inszenierung ihre eigenen Gottheiten sowie Jesus und Maria anriefen, die angeblich gegen die Weiterreise Cartiers seien. Im Reisebericht und in der älteren Historiographie wird diese Vorgehensweise oft lächerlich gemacht, doch zeigt sie, dass die Indigenen Elemente der europäischen Religion aufgreifen und mit ihrer eigenen spirituellen Ordnung verknüpfen konnten. Außerdem belegt es, dass Donnacona und seine Gefolgsleute erwarteten, die Europäer durch eine inszenierte spirituelle Intervention manipulieren zu können. Cartier erreichte das heutige Montreal, das er mit dem indigenen Wort Hochelaga bezeichnete. In einem Reisebericht zur zweiten Reise wird ausführlich der Gegensatz der seminomadischen Indigenen unter Donnacona und der Bevölkerung dieser Stadt herausgestellt, deren Lebensweise aufgrund einer größeren Ähnlichkeit zur europäischen als überlegen galt.11 Durch die Schilderung des indigenen Glaubens, die Europäer könnten durch Handauflegen Krankheiten heilen, wird im Reisebericht auch eine Anerkennung europäischer Überlegenheit angedeutet, die zu weiteren kolonialen Projekten ermuntert. Die Suche nach einer Passage in den Pazifik scheiterte jedoch an Stromschnellen, wenn auch die Indigenen angeblich mit aus Stöcken gelegten Landkarten und Gesten von einem großen Gewässer weiter flussaufwärts berichteten.12 10 Trigger 1984, S. 257–273  ; vgl. die Hinweise zu Reisebericht und Literatur in FN 6 und FN 7 dieses Kapitels. 11 Gagnon/Petel 1986, S. 78  ; Gagnon 1984, S. 55–62. 12 Vgl. Lewis 1998, S. 14f.; Lewis 1997  ; Kupperman 1997, S. 353.

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Cartier kehrte zurück zu seinen indigenen Verbündeten in der Nähe der heutigen Stadt Québec und überwinterte dort. Im Reisebericht wird dies als große Herausforderung geschildert, da mehrere seiner Männer an Hunger, Skorbut und Kälte starben. Auch die indigene Bevölkerung litt zur selben Zeit unter einer Epidemie, was der Autor aber nicht auf den Kontakt mit den Europäern zurückführte. Zwischen Europäern und Indigenen traten während des Winters zeitweise Spannungen auf, welche auf die Versuche von Angehörigen verschiedener indigener Gemeinschaften zurückgingen, die Fremden durch Gerüchte für ihre eigenen Rivalitäten zu instrumentalisieren. Dieses Vorgehen, das eine Anerkennung der militärischen und/oder technologischen Fähigkeiten der Europäer impliziert, war aber nur kurzzeitig erfolgreich. Trotz gewisser Spannungen halfen Donnacona und seine Leute den Europäern mit Nahrungsmitteln und Heilpflanzen über den Winter. Die Hilfe Donnaconas hatte allerdings stets ihren Preis. Seine Söhne hatten in Europa offenbar Wissen um verfügbare europäischer Waren erworben und sorgten dafür, dass ihre Leute nicht mehr nur Tand und Kinkerlitzchen forderten, sondern beispielsweise Eisenwerkzeuge. Ein Verhalten, dass der Verfasser des Reiseberichts als verachtenswertes Ausnutzen der Notlage kritisierte, in der sich Cartiers Männer befanden. Die Expedition verließ im Frühjahr 1536 den Sankt-Lorenz-Strom, wobei Cartier vor seiner Abreise Donnacona entführte, vermutlich um ihn als Informationsquelle zu nutzen und von der Überlegenheit der Europäer und ihrer Lebensweise zu überzeugen. Betrachtet man das Verhalten der Indigenen insgesamt, so zeigt der Bericht zu Cartiers zweiter Reise ihrerseits ein hohes Maß von Kontrolle im Umgang mit den Europäern und insbesondere die Befähigung, die Anwesenheit, Fähigkeiten und sogar Religion der Kolonisten in die eigene politische und spirituelle Weltordnung einzubauen, um Vorteile in interindigenen Konflikten und Wirtschaftsbeziehungen zu gewinnen.13 In Frankreich erforderte 1536 ein erneuter Krieg mit Karl V. die Aufmerksamkeit des Königs, so dass dieser zunächst keine weitere Expedition Cartiers unterstützte. Der Wunsch, Portugal als Verbündeten in diesem Krieg zu gewinnen, führte Franz I. aber auch dazu, 1537 alle Reisen nach Brasilien zu verbieten, was wiederum neuen Reisen nach Kanada Auftrieb verlieh. In dieser Situation verfasste Cartier oder jemand in seinem Umfeld den ausführlichen Bericht über die zweite Reise, der wie schon der erste nicht im Druck erschien, aber als Manuskript zirkulierte. Weitere Informationen über Amerika brachte die Befragung Donnaconas bei Hofe.14 Er berichtete seinen Entführern von einem Goldreich namens Saguenay mit großen Städten im Landesinneren, 13 Vgl. über die laurentinischen Iroquois Dickason 1992, S.  98–102 und Cook 2008, S.  294–286. Die Umkehr der Perspektive auf den Kulturkontakt macht auch Ramsay Cook zum Leitprinzip eines Beitrages mit dem Titel  : Donnacona discovers Europe, in  : Cook 1993, S. IX–XLI. 14 Vgl. den Brief eines portugiesischen Spions an König Johann III. vom 22. Januar 1539 über ein Gespräch mit Franz I. Der Spion berichtete, er habe vorgegeben in französische Dienste treten zu wollen, woraufhin Franz I. ihm von den Berichten Donnaconas, den Entdeckungen Cartiers und kolonialen Plänen erzählte. Edition in  : Cook 1993, S. 130–134.

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deren Bevölkerung sich ähnlich wie Europäer kleide, und bot an, den Weg dorthin zu zeigen und den Franzosen als Verbündeter beizustehen, wenn sie ihn zurückbrächten. Seine Berichte galten als glaubwürdig, auch wenn sie Elemente des Phantastischen enthielten, wie etwa ein Volk von Indigenen ohne Anus. Grund hierfür war zunächst, dass sie einer durch die Darstellungen der Eroberung von Mexiko geweckten Erwartungshaltung entsprachen. Weitere Glaubwürdigkeit gewannen seine Ausführungen dadurch, dass Donnacona sie auch nach seiner Taufe nicht widerrief und dass zweifellos niemand die Region besser aus eigener Anschauung kannte als er. Die Bereitschaft, seinen Schilderungen zu glauben, erinnert an den Umgang der spanischen Konquistadoren mit den Berichten des entführten Francisco Chicora, der ebenfalls alle Hoffnungen seiner Entführer bestätigt hatte, um in seine Heimat zurückgebracht zu werden. Als Franz I. 1538 einen Waffenstillstand mit Karl V. schloss, schien die Zeit reif, um auf neues Wissen gestützt ein dauerhaftes koloniales Projekt anzugehen. Ein anonymes Konzept für eine große Expedition wurde bei Hofe vorgelegt, das auf Cartiers Erfahrungen und Berichten aufbaute.15 Darin standen nicht Eroberung und Goldsuche, sondern die Errichtung dauerhafter Siedlungen mit regelmäßiger Versorgung und die Missionierung der indigenen Bevölkerung von Saguenay im Mittelpunkt.16 Dafür waren insgesamt 276 Männer, überwiegend spezialisierte Handwerker, 40 Soldaten und sechs Geistliche, vorgesehen. Die Vorräte und die detailliert angegebene Ausrüstung sollten immer für zwei Jahre ausreichen, damit der Ausfall eines Versorgungsschiffes keine Gefahr für den nächsten Winter bedeuten würde. Urheber dieses Plans könnte aufgrund der genauen Kenntnisse des Autors Cartier gewesen sein, der passenderweise im Jahr 1539 einmalig eine finanzielle Belohnung von Franz I. erhielt. Es war auch Cartier, den Franz I. im Herbst 1540 zum Generalkapitän der neuen Länder und zum obersten Navigator für alle Schiffe ernannte.17 Während die Vorbereitungen für eine dritte Reise bereits anliefen, ernannte der König jedoch Anfang 1541 einen militärisch erfahrenen, adeligen Höfling zum neuen Gouverneur der zu entdeckenden und erobernden Länder und stellte ihn somit über Cartier. Es handelte sich um den zum Protestantismus tendierenden Jean-François de la Rocque de Roberval.18 Franz  I. brachte seine Gunst gegenüber Roberval nicht nur durch diese Ernennung, sondern auch durch die Gewährung von umfangreicher finanzieller Unterstützung und die Erlaubnis zum Ausdruck, Strafgefangene beiderlei Geschlechts 15 Edition in  : Cook 1993, S. 126–130, vgl. Trudel 1963, S. 121–124  ; Julien 2003, S. 135–138. 16 Dies spricht gegen die These von Boucher, die Franzosen hätten zu dieser Zeit nur versucht zu erobern und zu plündern, um iberische Erfolge nachzuahmen  : Boucher 1989, S. 5. 17 Für die Dritte Reise siehe Trudel 1963, S. 119–166  ; Trudel 1973, S. 34–52  ; Eccles 1999, S. 12–17  ; Quinn 1977, S.  169–189  ; Allaire 2013, S.  73–91 und S.  109–125  ; Roquebrune  : La Roque de Roberval. In  : DCB  ; Lacoursière 1984, S. 273–285  ; Roquebrune 1956, S. 125–137  ; zur Übersicht, auch über die historiographische Interpretation der Reise, vgl. Karstens 2016. 18 Vgl. Roquebrune  : La Roque de Roberval. In  : DCB und Allaire, S. 17–51 zu Familie, früher Karriere und Verdiensten.

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zur Teilnahme zu verpflichten. Roberval erhielt außerdem umfangreichen persönlichen Landbesitz und einen Anteil am erwirtschafteten Gewinn. Cartier und Roberval setzten daraufhin gemeinsam die Reisevorbereitungen fort, die von Spionen aus den iberischen Ländern beobachtet und auch in England rezipiert wurden.19 In Kastilien beschloss man allerdings, dagegen nicht vorzugehen, da nach geographischer Lehrmeinung in nördlichen Breiten ohnehin keine Edelsteine und Metalle zu finden seien und das Projekt damit von selbst scheitern würde. Der Aufbruch verzögerte sich bis in den Mai 1541, insbesondere da es an geeignet ausgebildeten Handwerkern für die Errichtung der geplanten Siedlungen mangelte und die Überstellung der Strafgefangenen nur schwer umgesetzt werden konnte. Roberval schickte daher Cartier mit fünf Schiffen vor, um einen Siedlungsplatz zu sichern. Cartier ließ nach rascher Überfahrt in der ihm vertrauten Umgebung in der Nähe von Québec ein Fort errichten und erneuerte seine Kontakte zur indigenen Bevölkerung. Obwohl er berichten musste, dass Donnacona und seine Begleiter verstorben waren, nahmen dessen Nachfolger und Verwandte die Franzosen zunächst wieder freundlich auf. Allerdings kam es laut dem Bericht zur dritten Reise zu einer Irritation, als Cartier einen ihm angebotenen Gürtel aus Muschelschalen (Wampum) ablehnte, da er es für ein Herrschaftszeichen hielt, das er nicht annehmen dürfe.20 Er gab das Geschenk daher mit eigenen Gaben zurück, was Donnaconas Nachfolger offenbar erzürnte. Diese Situation wird in der Forschung als Versuch der Indigenen gedeutet, symbolisch eine Allianz zu schließen. Die Rückgabe des Wampums durch Cartier wäre somit ein Zeichen für die Ablehnung des Bündnisses gewesen und seine Geschenke eine Geste, die als Ausdruck einer überlegenen Rolle provokativ gewesen sein könnte. Da die Situation aber zunächst ruhig blieb, brach Cartier zu weiteren Expeditionen in die Umgebung auf und befahl, nach Edelsteinen und Metallen zu schürfen. Tatsächlich fanden seine Männer rasch etwas, das sie für Diamanten und Gold hielten und in ihrem Fort einlagerten. Die Verstärkung durch Roberval blieb jedoch aus. Für den Winter 1541/42 vermeldete der Reisebericht viel Eis und Schnee sowie sich verschlechternde Beziehungen zu den Indigenen. Die daraus entstehenden Spannungen nahmen schließlich derart zu, dass Cartier die Abreise befahl. Inwiefern dies nur ein Vorwand war, um die geschürften Edelsteine und Metalle nach Europa zu bringen, solange die Vorräte noch für eine Rückfahrt reichten, oder ob es tatsächlich zu Kampfhandlungen kam, kann nicht mehr ermittelt werden. Als Cartiers Flotte aller19 Siehe die den englischen Behörden übergebenen Zusammenfassungen von Robervals Patent und seiner Erlaubnis, Gefangene außer Landes zu bringen, in  : Letters and Papers, Foreign and Domestc of the Reign of Henry VIII. Vol. 16 (1540–1541), S. 260 und S. 267. Für die spanischen und portugiesischen Spionageberichte und Reaktionen siehe Biggar 1924, XXIX–XXXI. In den Quellen zur Wahrnehmung der Reisen wird deutlich, dass die Spanier die Personenstärke um bis zu 2000 Mann überschätzten und nicht wussten, welche Regionen Amerikas mit der Bezeichnung Canada oder Nouvelle France gemeint waren. Vgl. Hart 2001, S. 38–41. 20 Gagnon/Petel 1986, S. 74f.; Cook 2007, S. 323.

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dings 1542 Neufundland erreichte, berichteten Mitreisende während sie mit Fischern um Proviant handelten, dass sie von Indigenen gewaltsam vertrieben worden wären.21 Bei Neufundland traf Cartier unerwartet auf das Oberhaupt der gesamten kolonialen Unternehmung, Sieur de Roberval. Dessen Abreise hatte sich aus in der Forschung umstrittenen Gründen verzögert. Sicher ist, dass er vor der französischen Küste Schiffe aufbrachte und deren Ladung konfiszierte. Darunter waren auch englische Schiffe, was zu einer offiziellen Beschwerde bei Franz I. führte, die jedoch keine Konsequenzen hatte.22 Ob Roberval seine Kaperfahrten zum Zweck persönlicher Bereicherung oder zur Begleichung der hohen Kosten des Projektes durchführte, ist nicht bekannt.23 Bei der Begegnung vor Neufundland befahl Roberval Cartier und dessen Männern, ihn zurück an den St. Lorenz zu begleiten und dort, wie geplant, eine Kolonie zu errichten. Cartier allerdings verweigerte den Gehorsam und kehrte nach Frankreich zurück. Im fragmentarischen Reisebericht zu Robervals Reise heißt es hierzu nur  : »because they would have all the glory of the discoverie of those partes themselves«24 Dieses Verhalten bedeutete für Historiker, die Cartier als heroischen Entdecker Kanadas inszenieren wollten, einen Widerspruch zu ihrer positiven Charakterzeichnung. Als Ausweg nutzten einige das ohne Quellenbelege vorgebrachte Argument, dass er keine andere Wahl gehabt hätte, um seine erschöpften Männer zu retten.25 Roberval setzte daraufhin seine Reise ohne Cartier fort und brachte seine Kolonisten nach Québec, wo er ein neues Fort errichten ließ und sich auf den Winter vorbereitete. Die fragmentarischen Quellen enthalten mehrere Hinweise darauf, dass er angesichts erheblicher Mängel an Nahrung und Ausrüstung zu Zwangsmaßnahmen wie Leib- und auch Todesstrafen griff, um die Disziplin in der heterogenen Gemeinschaft aufrechtzuerhalten.26 Die genaue soziale Zusammensetzung dieser Kolonie, die männliche und weibliche Sträflinge und auch Edelleute beiderlei Geschlechts umfasste, ist mehrfach Gegenstand der Forschung gewesen. Während über die erhebliche Heterogenität der Kolonisten Einigkeit herrscht, wird insbesondere die Gruppe der Sträf21 Vgl. die Aussagen der Fischer über die Gespräche mit Cartiers Männern, ediert in  : Cook 1993, S. 159– 168  ; Auch spanische Quellen vermerken Befragungen von Cartiers Männern bei Neufundland, Biggar 1930, S. 447–467. In den spanischen Quellen berichten die französischen Kolonisten ausdrücklich von Konflikten mit den Indigenen. Inwiefern dies Tatsachen entsprach oder eine Lüge war, um das Land unattraktiv erscheinen zu lassen, oder ob die Aussagen vielleicht auch eine Erfindung der spanischen Autoren sind, kann nicht ermittelt werden. 22 Biggar 1930, Nr. XXXIV. 23 Allaire 2013 deutet die Kaperfahrten als offizielle militärische Mission für den König, ohne dafür jedoch Quellenbelege anzuführen, S. 105–108. 24 Hakluyt PN 1600, S. 236f. Vgl. Biggar 1924, S. 265. 25 So Beunat 1984, S. 17f. 26 Zentrale Quelle hierfür ist die Cosmographie universelle von André Thevet, der sie erst 1575 angeblich auf Basis früherer Gespräche mit Cartier und Einsicht in als Manuskripte vorliegende Berichte publizierte, Thevet 1575.

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linge unterschiedlich gedeutet.27 Eine klassische, negative Interpretation fokussiert die Verurteilungen wegen Mord, Diebstahl oder Falschmünzerei – nur Häretiker durfte der zum Protestantismus neigende Roberval nicht mitnehmen –, während eine neuere hervorhob, dass auch die Sträflinge sorgfältig nach Stand oder Fähigkeit ausgewählt worden seien. In jedem Fall gelang es Roberval, die soziale Ordnung in der Kolonie über den Winter aufrechtzuerhalten und seine Führung unangefochten zu behaupten. Die Charaktereigenschaft der Strenge steht auch im Fokus der zeitgenössisch bekanntesten Episode aus dem Zusammenhang dieses kolonialen Projektes. In Frankreich kursierte in mehreren Büchern die Geschichte einer jungen Verwandten Robervals, die an der Expedition teilgenommen habe und von ihm aufgrund einer ehrlosen Liebesbeziehung zusammen mit ihrem Liebhaber auf einer Insel voller Dämonen und Geister ausgesetzt worden sei.28 Die Robinsonade dieser Frau, die zuletzt als einzige Überlebende unter phantastischen Kreaturen gelebt habe, bis sie von Seeleuten nach Frankreich gebracht worden sei, erzählte unter anderem Margarete von Navarra, die Schwester des Königs in ihrer Geschichtensammlung L’Heptameron.29 Die Prominenz der Autorin sicherte ihrem Buch eine große Verbreitung und damit der Reise Robervals eine gewisse Bekanntheit. Vor Ort bei Québec starb knapp ein Viertel von Robervals Kolonisten durch Nahrungsmangel und Krankheiten. Die Cartier bekannten Heilpflanzen standen offenbar nicht zur Verfügung oder das Wissen über sie war nicht an Robervals Siedler weitergegeben worden. Bezüglich der Indigenen deuten die wenigen Quellen auf gute Beziehungen hin, was im Widerspruch zu den angeblichen Erfahrungen Cartiers steht. Dies könnte bedeuten, dass dessen Schilderungen entweder übertrieben waren oder dass die Spannungen an ihn als Person gebunden waren. Im Frühjahr 1542 begann Roberval mit der Suche nach dem Goldreich Saguenay, verlor aber weitere Männer und Ausrüstung bei einem Bootsunfall auf seiner ergebnislosen Expedition. Bald darauf befahl er den Abbruch des Projektes und kehrte nach Frankreich zurück. Über die Gründe hierfür kursieren unterschiedliche Deutungen. Die Forschung geht mehrheitlich davon aus, dass Roberval diese Entscheidung angesichts ausbleibender Versorgung getroffen habe, Collard hingegen stellt die These auf, Roberval habe den Befehl zum Abbruch des Projektes gegeben, da Franz I. seine Dienste im Krieg gegen Karl V. benötigte.30 27 Vgl. zur klassischen Deutung Roquebrune 1956, S.  133f. und zur Übersicht über die Mitreisenden Ders. La Roque de Roberval. In  : DCB  ; dagegen die neue Deutung Allaire 2013, S. 71f. 28 Roquebrune  : La Roque, Marguerite. In  : DCB  ; zu den Quellen Campbell 2004, S. 35. Die Erzählung ist auch in der 1575 erschienenen Cosmographie von André Thevet prominent, Thevet 1575 und seinem unveröffentlichten Grand Insulaire, vgl. Thevet/Schlesinger   : S. 63–67 zur Cosmographie und S. 77–79 zum Insulaire. 29 Marguerite d’Angoulême 1559 [Deutsch  : Margarete von Navarra]. 30 Collard 2008, S.  137. Diese These wird übernommen von Allaire 2013, S.  125. Sie basiert vermutlich – Quellenangaben fehlen bei Collard – auf einer Bemerkung von Marc Lescarbot in dessen

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Anlass dafür, die Rückkehr Robervals im Kontext neuer Kriegsvorbereitung zu deuten, war der im Jahr 1542 erneut ausgebrochene Konflikt um die Vorherrschaft in Italien, der durch eine Allianz Karls V. mit Heinrich VIII. auch in der Nordsee und im Atlantik geführt wurde. Nachdem Franz I. mit seinem ständigen Rivalen Karl V. 1544 in Crépy Frieden geschlossen hatte, mobilisierte er seine maritimen Ressourcen für eine Invasion in England.31 Bei den Verhandlungen in Crépy 1544 wurde bemer­ kenswerterweise auch eine Vereinbarung bezüglich kolonialer Räume vorbereitet. Unterhändler beider Könige erzielten eine Vereinbarung, die französischen Seefahrern freien Handel in den spanischen Kolonien gestattet hätte, sofern sie friedlich blieben und sich niemand permanent dort aufhielte.32 Für Franz. I. waren die entsprechenden Klauseln nach Cartiers und Robervals Rückkehr leicht anzunehmen, in Kastilien provozierten sie aber Protest im Indienrat und beim Thronfolger Philipp II., so dass Karl V. sie nie ratifizierte. Unabhängig davon nutzte Franz I. den Frieden, um im Jahr 1545 mit mehr als 150 großen, kampffähigen Schiffen, die hauptsächlich vom erfahrenen Organisator Jean Ango ausgerüstet worden waren, einen Angriff und mehrere Landungsoperationen im Süden Englands zu unternehmen. All dies blieb aber ohne militärischen Erfolg. Angesichts der Vergeblichkeit seiner Bemühungen schloss Franz I. 1546 mit Heinrich VIII. den Frieden von Ardres. Den hohen Aufwand an Menschen, Geld und Material, den sein Invasionsversuch kostete, hatte allerdings zwischenzeitlich Karl V. genutzt, um diplomatischen Druck auszuüben. Im Jahr 1545 drängte er Franz I. zu einem Dekret, das dessen Untertanen verbot, in die spanisch beanspruchten Überseegebiete zu reisen.33 Das Verbot blieb aber letztlich eine diplomatische Geste. Im selben Jahr erschien erstmals eine Druckfassung des Reiseberichts über die zweite Expedition Cartiers in Paris. Sie war für mehr als zehn Jahre die einzige öffentlich verfügbare Darstellung zu den Reisen und diente auch als Grundlage für spätere Übersetzungen und die Behandlung der Ereignisse in Textsammlungen.34 Darin wurde zwar die reiche Landesnatur und die Stadt Hochelaga beschrieben, zugleich aber auch der harte, für viele Reisende tödliche Winter, die fehlenden Goldfunde und die StromHistoire de Nouvelle France. Allerdings war diese Information nur in der Ausgabe 1609 enthalten und wurde von Lescarbot in späteren Ausgaben nicht wiederholt, siehe die Anmerkung von Biggar in Lescarbot/Biggar III, S. 193. 31 Vergé-Franceschi 1998, S. 141–152. 32 Für eine Edition der Vereinbarung mit Kommentar siehe Davenport 1917, S. 205–209. Heinrich II. hob am 28. Februar 1547 dementsprechend alle ausgestellten Kaperbriefe auf – eine Einschränkung, die aber mit dem Scheitern des Vertrages hinfällig wurde, siehe Tomlinson 1970, S. 72. 33 Hoffmann 1973, S. 165. Die Berater Karls V. hatten schon während der Friedensverhandlungen Versuche abgelehnt, den Handel mit den Kolonien zu öffnen, ebd. S. 163–165. 34 Jacques Cartier  : Brief recit & succincte narration de la navigation faicte es ysles de Canada, Hochelage & Saguenay & autres, Paris 1545. Die Tatsache, dass keine Berichte zur dritten Reise oder der Fahrt von Roberval erschienen, führte manche früheren Autoren zu der Ansicht, dass Cartier nur zwei Reisen unternommen habe. Diese Ansicht hält sich vereinzelt in der neueren Forschung, so bei Emont 2002, S. 8.

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schnellen, die eine Weiterreise verhinderten. In Verbindung mit der bereits kursierenden, aber erst später erschienenen Erzählung über die unter Dämonen auf einer kargen Insel ausgesetzte Edeldame zeichnete dies kein positives Gesamtbild von Kanada als Zielregion für koloniale Projekte. Dieser Eindruck verstärkte sich, da einerseits das Goldreich Saguenay nicht gefunden werden konnte, und andererseits Cartiers Gold und Diamanten sich als wertloses Quarz und Pyrit herausstellten. Angeblich entstand schon bald darauf das Sprichwort »faux comme un diamant du Canada«.35 Finanziell hatte die Unternehmung ebenfalls ein Nachspiel, denn die Verwendung der von der Krone überlassenen Gelder wurde in offiziellen Untersuchungen geprüft. Dabei stellte sich heraus, dass die Mittel für die gesteckten Ziele unzureichend gewesen waren, so dass Cartier noch eine Nachzahlung zum Ausgleich für übernommene Lasten erhielt. Auch Roberval war nach der Expedition finanziell in Bedrängnis. Der somit überwiegend negative Eindruck fand auch Niederschlag in der Weltkarte des Pierre Descelliers von 1550, der die Expedition von Roberval in Nordamerika bildlich thematisierte und dazu vermerkte, jener habe das Land wegen dessen »austerité, intempérance et petit proffit (!)« verlassen.36 Angesichts dieser Darstellungen ist es nicht verwunderlich, dass die historische Forschung das koloniale Projekt von 1541–1543 nahezu einhellig als »Scheitern« interpretiert hat. Häufig wird dabei Roberval die Verantwortung für den ausbleibenden Erfolg zugeschrieben, da dieser zu lange gebraucht habe, um seine Kolonisten ans Ziel zu bringen.37 Dagegen stehen vereinzelt Forscher, welche die Unternehmung als Erfolg deuten und dies damit begründen, dass Cartier und Roberval eine erfolgreiche Erkundung und Besitznahme der Region gelungen sei.38 Die Mehrheitsmeinung in der Forschung entspricht damit der negativen Bewertung der frühen militärischen und auch kolonialen Ambitionen in Kanada und Brasilien durch Kaiser Karl V., den Rivalen Franz’ I. In einer Instruktion für seinen Sohn – die in der anglo-amerikanischen Forschung besonders häufig zitiert wird – schrieb er 1548  : »In their previous attempts one has noticed, however, that they have not shown much tenacity, and if a rigorous opposition is maintained, they give way at once and withdraw.«39 Entgegen dieser kaiserlichen Einschätzung dämpfte der Abbruch des Cartier/Roberval Projektes in den französischen Hafenstädten zwar für mehrere Jahrzehnte das Interesse an der nordamerikanischen Küste, aber keineswegs die Bestrebungen für weitere koloniale Expansion im Allgemeinen. Seefahrer und Kaufleute, beispielsweise aus Rouen, hatten trotz mehrfacher Verbote ihre Handelsbeziehungen zu den Indigenen 35 Über die Redewendung berichtet zeitgenössisch André Thevet in seinen Werken. Vgl. Thevet 1557, nach der Edition Thevet/Gaffarel, S. 158v. und Thevet 1575, Fol. 1009v. und 1010r. 36 Hayes 2002, S. 32f. 37 Beispielsweise im Standardwerk von Trudel 1963, S. 168. 38 So Hudson/Hoffman 2005, S. 12 und Allaire 2013, S. 126, der ohnehin explizit das Ziel verfolgt, die Schuldzuweisungen an Roberval zu widerlegen. 39 Zitiert nach  : Biggar 1930, S. XXXVII  ; beispielsweise ebenso zitiert bei Hart 2001, S. 49.

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Brasiliens aufrechterhalten und schätzten die Aussichten für ein umfangreiches Engagement in Südamerika als sehr gut ein. Im Jahr 1550 fand dies deutlichen Ausdruck in einem aufwändigen Spektakel, das im Rahmen einer Entrée Royale des neuen Königs Heinrichs  II. in Rouen gefeiert wurde.40 Das Ereignis galt als so bedeutend, dass mehrere illustrierte Beschreibungen davon gedruckt wurden.41 Fünfzig aus Brasilien nach Frankreich gebrachte Indigene und mehrere hundert nackte, bemalte Seeleute inszenierten für den König und dessen Mutter eine tropische Szenerie auf einer Flussinsel. Rot bemalte Bäume symbolisierten das kostbare Färberholz und daran gekettete Affen und Papageien rundeten das Bild ab. Die Darsteller zeigten aber nicht nur eine Fiktion von dörflichem Alltag, sondern als der König und seine Mutter eine Brücke mit guter Aussicht erreicht hatten, auch Tauschhandel mit einem französischen Schiff und ein Gefecht mit feindlichen Indigenen, bei denen die Verbündeten der Franzosen siegreich blieben. Ein begleitendes Bildprogramm aus lebenden Bildern in den Straßen der Stadt band die Zurschaustellung der angeblichen Wilden in einen Spannungsbogen herrschaftlicher Tugenden ein, welche sich die Untertanen von ihrem Souverän erhofften, so dass die Inszenierung unterschiedliche Interpretationen zuließ.42 Unabhängig von seiner Mehrdeutigkeit war das Fest von Rouen Ausdruck erworbenen Wissens über mögliche koloniale Räume in Brasilien und Werbung für ein königliches Engagement, dem sich andere Städte mit ähnlichen, aber weniger spektakulären Inszenierungen anschlossen.43 Grund hierfür dürfte gewesen sein, dass eine dauerhafte Präsenz mehr Farbholz für die französischen Färbereien hätte sichern können und dass nach den Berichten über die Eroberung Perus in der Nähe des Äquators Gold- und Silbervorkommen vermutet wurden. Außerdem hätte eine dauerhafte Präsenz es der Krone unmöglich gemacht, Reisen wie zuvor aus politischen Motiven kurzfristig zu verbieten. Eine unmittelbare Reaktion Heinrichs auf diese Inszenierung erfolgte zwar nicht, aber der Ausbruch eines neuen Krieges mit Karl V. im Jahr 1551, der erst 1559 beendet werden sollte, machte alle Vereinbarungen zum Schutz der kastilischen Einflusssphäre hinfällig und bot einen Anlass für neue maritime Operationen. Französische Freibeu40 Vgl. Denis 1850  ; Bonnichon 1994, S. 32–35  ; Gewecke 1986, S. 154–158  ; Boucher 2007, S. 278f.; Hemming 1987, S.  12f.; Provençal/Mariz 2011, S.  33 verweisen auf eine angeblich umfassende Begeisterung für Brasilien, ähnlich einem Goldrausch  : »fièvre brésilienne«. 41 Beispielsweise das bebilderte Werk  : Anonymus 1551  : Cest la déduction du sumptueux ordre plaisantz spectacles et magnifiques theatres dressés, et exhibes par les citoiens de Rouen und  : Anonymus 1551  : Les poutres et figures du sumptueux ordre, plaisantz spectacles et magnifiques theatres dresses et exhibes par les citoiens de Rouen a l’entrée de Henry second. Die zweite Schrift erhielt 1557 einen Nachdruck. 42 Perrone-Moisés 2008, S. 45–64 hebt die Inszenierung einer franko-indigenen Allianz hervor  ; hingegen zielt die Analyse von Wintroub 1998 stärker auf die Inszenierung der Herrschertugenden durch die Veranstalter. 43 Jaenen 1984, S. 216.

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ter plünderten 1553 Santo Domingo und 1555 Havanna und besetzten beide Orte für einige Wochen.44 Parallel zu dieser militärischen Offensive folgte Anfang der 1550er auch eine vermehrte Sammlung und Verbreitung von Wissen über die beiden Amerikas in Frankreich. So befahl Heinrich II. einem Freibeuter und Kartographen aus der Normandie, Guillaume Le Testu, die Küsten Südamerikas zu erkunden und neue Karten zu erstellen, die in Form einer Cosmographie universelle 1555 und einer Kartensammlung 1556 vollendet waren.45 Spanische Werke zur Geschichte und Landesnatur Amerikas wurden übersetzt, und Autoren aus Frankreich verbreiteten Bücher, in denen Amerika Handlungsort oder Gegenstand von allegorischen Beschreibungen war. Dies sorgte wenn auch nicht für konkrete Informationen, so zumindest für Aufmerksamkeit.46 Insgesamt ging diesem kolonialen Projekt im Gegensatz zu seinen Vorgängern also erstmals eine gesteigerte publizistische Tätigkeit voraus. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass sich in Frankreich inzwischen ein dauer­ hafter konfessioneller Gegensatz verfestigt hatte. Auch wenn Heinrich II. in mehreren Edikten die Verfolgung von Anhängern Calvins und anderer mutmaßlicher Häretiker befohlen hatte, nahm deren Zahl in mehreren Regionen zu, unter anderem in den atlantischen Hafenstädten. Dieser Kontext brachte Zeitgenossen und auch Historiker zu der Spekulation, das Anfang der 50er Jahre geplante Kolonialprojekt in Brasilien habe den Zweck verfolgt, einen Rückzugsraum für Hugenotten unter französischer Herrschaft zu gründen.47 Wichtiges Argument hierfür ist die Mitwirkung calvinistischer Prediger und die zentrale Rolle des 1552 zum Admiral de France ernannten späteren Hugenottenführers Gaspard de Coligny für die Genehmigung und Unterstützung des Projektes.48 Allerdings stellt sich bei näherer Betrachtung die konfessio­ nelle Ausrichtung der Mitwirkenden keineswegs als eindeutig dar, und die schweren Konflikte, die zwischen den Mitreisenden in Brasilien aufgrund der Konfessionsfrage ausbrachen, zeigen, dass die Zeitgenossen sehr unterschiedliche Vorstellungen von der kolonialen Gesellschaft hatten, die 1555 in Brasilien entstehen sollte. 44 Vergé-Franceschi 1998, S. 166  ; Lestringant 1991a, S. 78  ; Folmer 1953, S. 65f. 45 Vgl. Lestringant 2011, S. 523. Mit Textauszügen  : Lestringant 1994, S. 134f. 46 Übersetzt wurden  : Pedro Cieza de Leóns Geschichte Perus und Oviedos Naturgeschichte  : L’Histoire natvrelle et generalle des Indes, Isles et Terre Ferme de la grand mer Oceane tradvicte de castillan en françois  ; In Frankreich entstehen  : François Rabelais  : Le Quart Livre des faictz et dictz Heroïques du noble Pantagruel, Paris 1552  ; Guillaume Postel  : Les très merveilleuses victoires des femmes du nouveau monde et comment elles doivent à tout le monde par raison commander  ; et même à ceulx qui auront la monarchie du monde vieil  ; a Madame Marguerite de France […] 1553. 47 Über die Debatte  : Abreu 2009, S. 125–134. Eine neutrale Abwägung der Argumente für und gegen eine protestantische Ausrichtung der Unternehmung bietet  : McGrath 1996, S. 385–397. 48 Allerdings ist der Zeitpunkt von Colignys Übertritt zum reformierten Glauben und die Bedeutung seiner Konfession für seine Überseepolitik in der Forschung umstritten. Vgl. MacGrtath 1996, S. 390  ; Engel 1967, S. 185–195  ; Bonnichon 1994, S. 75f. Außerdem werden oft die eingeschränkten Kompetenzen von Colignys Amt nicht berücksichtigt, wie sie Vergé-Franceschi 1993, S. 174f. darlegt.

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Bereits während und direkt im Anschluss an den Versuch, eine Kolonie in Brasilien zu gründen, erschienen zahlreiche Publikationen in Frankreich.49 Sie waren Teil einer scharf geführten publizistischen Auseinandersetzung um Verlauf und Ergebnisse des Projektes, die wesentlich durch die konfessionellen Spannungen in Frankreich selbst geprägt war. Diese Polarisierung der Quellen führte zu widersprüchlichen, zeitnahen Rekonstruktionen des Geschehens. Für die Forschung bedeutet dies, dass zwar durch kritischen Quellenvergleich ein weitgehend eindeutiger Ereignisverlauf rekonstruiert werden konnte, aber immer noch Raum für unterschiedliche Interpretationen besteht.50 Als Tatsache gilt, dass im Jahr 1555 zwei Schiffe, finanziell von der Krone und Kaufleuten aus Hafenstädten der Normandie unterstützt, mit ca. 600 rein männlichen Kolonisten nach Brasilien aufbrachen.51 Ihr Anführer war der Vizeadmiral der Bretagne und Ritter des Malteserordens, Nicolas Durand de Villegagnon, der umfangreiche Erfahrungen im Festungsbau besaß. Er hatte einige Jahre zuvor die ehrenvolle Aufgabe übernommen, Maria Stuart, die Braut Heinrichs II., von Schottland nach Frankreich zu geleiten, und verfügte über gute Beziehungen zum königlichen Ratgeber Kardinal Charles de Lorraine. Villegagnon stand vermutlich dem Protestantismus nahe und rezipierte die Schriften Calvins, mit dem er gemeinsam in Paris studiert hatte. Seine konfessionelle Identität dürfte allerdings, wie bei vielen Zeitgenossen, nicht doktrinär gefestigt, sondern zwischen hergebrachter und reformierter Religion verortet gewesen

49 Zentrale Quellen sind  : Jean de Léry  : Histoire d’un voyage faict en la terre du Bresil Genf 1578  ; hier vergleichend genutzt die Übersetzung Léry 2001, zur Geschichte der Kolonie siehe, S. 53–164  ; Lérys Buch ist für die historische Forschung maßgeblich und gilt als wichtigstes Werk über die Indigenen Brasiliens zu dieser Zeit. Die Darstellung ist allerdings offen als ein Angriff auf André Thevets Werke über die Kolonie ausgelegt. Sie richtet sich speziell gegen die Brasilienberichte in Thevet 1557, vgl. die Neuausgabe  : Thevet/Lestringant 2011, zu Brasilien S. 150–303 und gegen Thevet 1575  ; Weitere Quellen sind Briefe des Mitreisenden Nicolas Barré, die 1557 und 1558 im Druck erschienen und in Marc Lescarbots Histoire de Nouvelle France ab 1609 nachgedruckt wurden, siehe Lescarbot/Biggar, S. 149–161. Hinzu kommen Schriften von Kritikern des Befehlshabers Villegagnon und dessen Verteidigungsschriften, die in FN 68,69,72 und 74 dieses Kapitels angegeben sind. Auffällig ist, dass zu dieser Unternehmung bisher keine Sammlungen unveröffentlichter Quellen existieren, wie sie zu den Cartier/Roberval-Reisen vorliegen. Dies bestätigt, dass diese Unternehmung von den drei großen französischen Projekten des 16. Jahrhunderts in der Forschung die geringste Beachtung gefunden hat. 50 Zur Ereignisgeschichte vgl. die Übersicht bei  : Trudel 1963, S. 178–193  ; Shannon 1997  ; Dies. 2002, S.  51–62. Sehr nah an den protestantischen Quellen mit klarer Parteinahme zu deren Gunsten Reverdin 1957, S.  8–64  ; deutlich gegen die Sichtweise der reformierten Autoren und zugunsten Villegagons Peillard 1991  ; zur langen Persistenz der Ereignisrekonstruktion vergleiche ältere Arbeiten wie  : Lima-Barbosa 1923, S. 51–73 und das Standardwerk Julien 2003, S. 184–210. Maßgeblich für die Weiterentwicklung der Forschung waren die im Folgenden einzeln nachgewiesenen Arbeiten von Frank Lestringant. Einen neuen analytischen Zugriff, in dem der Text als Moralsatire mit dezidiert karnevalistischen Aspekten gedeutet wird, bietet Mahlke 2005, S. 153–195. 51 Zur geteilten Finanzierung siehe Vergé-Franceschi 1998, S. 173.

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sein.52 Zu seinen Männern gehörten als Häretiker verurteilte Protestanten, katholische Sträflinge und freiwillige Mitreisende wie Edelleute, eine kleine schottische Leibwache und der weitgereiste Kapuzinermönch André Thevet, der bereits eine Kosmographie der Levante publiziert hatte.53 Von einer eindeutigen konfessionellen Prägung der Kolonie kann demnach schwerlich ausgegangen werden, zumal der einzige Geistliche André Thevet wenige Wochen nach der Ankunft aus gesundheitlichen Gründen nach Frankreich zurückkehrte. Nach einer schweren Überfahrt erreichte die Expedition die Bucht von Rio de Janeiro, die aufgrund früherer Reisen als Siedlungsort ausgewählt worden war. Hier konnte sich Villegagnon auf die Kenntnis französischer Übersetzer stützen und auf die Netzwerke der Truchements zurückgreifen, die unter den Indigenen lebten und Teil von deren Familienstrukturen waren.54 Villegagnon wählte als Standort für sein Fort, das er Fort Coligny nannte, eine kleine Insel in der Bucht, die sich leicht befestigen ließ. Er tat dies, so die späteren Mitreisenden Jean de Léry und Nicolas Barré in ihren Berichten, sowohl zum Schutz vor den Portugiesen wie auch vor Diebstählen oder schädlichem Einfluss der verbündeten Indigenen auf die Disziplin. Allerdings gab es auf der Insel weder Süßwasser noch Platz für Landwirtschaft, so dass die Hilfe der Indigenen zur Versorgung unabdingbar war. Ähnlich wie Roberval setzte Villegagnon auf strenge Disziplin, um die rein männliche und zum Teil aus Deportierten bestehende Siedlergruppe zur harten Arbeit der Befestigung von Fort Coligny anzutreiben. Er forderte, auch um Gottes Beistand für das Unternehmen nicht zu gefährden, von seinen Männern solange sexuelle Enthaltsamkeit, bis indigene Frauen durch eigenes Verständnis zum christlichen Glauben bekehrt und damit heiratsfähig waren. Dies setzte allerdings eine mehrjährige Unterweisung voraus, die bis 1560 in keinem einzigen Fall beendet war. Nicolas Barré berichtet, dass Villegagnon seinen Befehl mit der Bibel begründet und gedroht habe, jeden Verstoß mit dem Tode zu bestrafen. Für die geplante Kolonie war dieses Vorgehen folgenschwer, da Villegagnon so die vor Ort etablierten Truchements zwang, entweder den Kontakt zu den Indigenen und damit zu ihren Frauen und Kindern oder zu ihm und seinen Männern abzubrechen. Die Spannung in der Kolonie wuchs, wie Briefe belegen, die Villegagnon 1556 mit einer Ladung Brasilholz nach Europa schickte.55 Darin bat er sowohl Admiral Coligny als auch seinen ehemaligen Kommilitonen Johannes Calvin um Unterstützung, wobei er sich von Calvin Prediger zur Hebung der Moral und Sittlichkeit sowie für die Missionierung der Indigenen erhoffte. Um seine Anfrage bei Hofe zu unterstützen schickte Villegagnon noch neun Indigene 52 Zur Person Villegagnons und seiner unterschiedlichen Deutung in der Historiographie  : Lestringant 2007  ; zu seiner konfessionellen Orientierung  : Lestringant 2009, S. 28f. 53 Zu Thevet vgl. Lestringant 1991a, S.  89–125  ; Lestringant 2004, S.  77–128  ; Trudel  : Thevet, André. In  : DCB. Zu den mitreisenden Sträflingen siehe die Quellenauswahl in  : Gosselin 1876, S. 148f. 54 Metcalf 2005, S. 59–89. 55 Die Briefe werden erwähnt in den Berichten von Jean de Léry und Nicolas Barré.

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nach Paris, bei denen es sich um Gefangene handelte, die seine indigenen Verbündeten ihm übergeben hatten. König Heinrich II. nahm sie als Geschenk an, verteilte sie an seine Höflinge und erlaubte dann Coligny, Verstärkungen zu schicken. Auch Calvin beschloss, das Vorhaben zu unterstützen. Somit brach 1557 eine Verstärkungsexpedition von mehreren hundert Siedlern und vier reformierten Predigern unter Leitung des später publizistisch tätigen Pierre Richer nach Brasilien auf. Darunter waren auch fünf heiratsfähige Frauen. Während die Verstärkung eine durch zahlreiche Angriffe auf spanische und englische Handelsschiffe verzögerte und nautisch schwierige Überfahrt absolvierte, eskalierte in Fort Coligny die Situation. Nicolas Barré berichtete als Augenzeuge und der mit der Verstärkung angereiste Jean de Léry nach Gesprächen mit Beteiligten, dass sich einige Kolonisten und Truchements zur Ermordung Villegagnons verschworen hätten. Durch den Einsatz seiner schottischen Leibwache kam er den Verschwörern allerdings zuvor und konnte einige Rädelsführer verhaften. Der eigentliche Urheber, ein normannischer Dolmetscher, entkam aber laut Barré und lebte danach unter den Indigenen und stachelte diese angeblich gegen Villegagnon und seine Männer auf. Er machte sich hierbei den Ausbruch einer Epidemie mit mehreren hundert Toten unter den Indigenen zu Nutze und behauptete, sie sei durch Villegagnon und sein Gefolge verursacht worden. Die europäischen Autoren lehnten diese epidemiologisch durchaus wahrscheinliche Erklärung als Ausdruck von Manipulation und Aberglaube ab. Über die Ankunft der Verstärkung berichtet Jean de Léry in einem 1578 erschienenen Buch ausführlich. Er schildert eine freundliche Begrüßung durch Villegagnon und die trotz harter Arbeit und schlechter Versorgung gute Stimmung.56 Léry verschwieg allerdings, dass die neuen Kolonisten nach der unerwartet langen Überfahrt keine Vorräte und offenbar auch kaum geeignete Ausrüstung mitbrachten, um die Kolonie zu verstärken. Stattdessen beschrieb Léry detailliert, wie sich Villegagnon um das Seelenheil und die Moral seiner Männer gesorgt und befohlen habe, täglich Gottesdienst und mehrere Andachten zu halten. Léry hob außerdem die Neigung des Befehlshabers hervor, mit den Predigern über Bibelauslegung und Ritus zu disputieren, wobei er sich über dessen unreflektierte Argumentationsweise lustig machte.57 Die Schiffe der Verstärkung kehrten 1557 mit Brasilholz nach Frankreich zurück, wo im selben Jahr zwei Druckschriften über das Kolonialprojekt erschienen.58 In Barrés kurzgefassten Briefen erfuhren die Leser von den Konflikten in der Kolonie und der Härte der Überfahrt. Der Geistliche André Thevet hingegen veröffentlichte eine komplexe Monographie für ein solventes Publikum, in der er Reiseberichte spanischer 56 Léry 2001, S. 98–100. 57 Léry 2001, S. 113f. Mahlke führte dies zu einer Analyse, nach der Léry Villegagnon mit den Attributen eines Narrenkönigs versehen und der Lächerlichkeit preisgegeben habe. Mahlke 2005, S. 148–153. 58 Es handelte sich um  : André Thevets Singularitez de la France Antarctique, Paris 1557, das 1558 in Antwerpen nachgedruckt wurde und Nicolas Barré  : Coppie de quelques lettres sur la navigation du Chevalier de Villegaignon es terres de l’Amerique oultre l’equinoctial, Paris 1557.

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und französischer Seefahrer übernahm, um seine nur wenige Wochen lange Reise zu einer fiktionalen Erforschung des gesamten amerikanischen Kontinentes auszuweiten. Dies beinhaltete auch Darstellungen zu Kanada und den Reisen Cartiers. Bezüglich Brasiliens schilderte er den Auftakt der Kolonie als problemlos und Villegagnon als herausragenden, tugendhaften Anführer, dem sogar die Gründung einer Stadt namens Henryville gelungen sei.59 Besondere Beachtung fand außerdem die in Anlehnung an Vespuccis Schilderung verfasste Darstellung indigener Kannibalen, die er insgesamt als zivilisationsferne Antithese im Vergleich zu den Europäern konstruierte.60 Vor Ort hingegen kam es 1557 zum Bruch zwischen Villegagnon, seinem Gefolge und den Reformierten. Auslöser war ein Disput über das Abendmahl. Hierbei zeigte sich die dogmatisch ungefestigte Haltung Villegagnons, der zwar nicht streng den katholischen Ritus forderte, aber dennoch nicht bereit war, die rein symbolische Deutung Calvins zu akzeptieren. Das machte ihn in den Augen von Kritikern wie Léry natürlich zu einem Altgläubigen, der sich mutmaßlich von Beginn an nur verstellt habe, um sich die Hilfe der Protestanten für seine Unternehmung zu erschleichen. Nachdem die Differenzen in der konfessionellen Orientierung offensichtlich geworden waren, kündigten die reformierten Kolonisten Villegagnon den Gehorsam auf. Damit begingen sie aus dessen Perspektive einen klaren Rechtsbruch. Er verbannte sie im Gegenzug zu den Indigenen auf das Festland. Jean de Léry schilderte dies als positiv, da die Versorgungslage dort besser gewesen sei, niemand von ihnen harte Arbeit forderte und die Indigenen trotz ihrer kannibalistischen Praktiken die Vertriebenen freundlich behandelt hätten. Dies bedeutet, dass entweder die Erzählungen Nicolas Barrés vom Aufhetzen der Indigenen durch die Truchements übertrieben waren oder dass diese Feindseligkeit sich nur auf Villegagnon als Person und nicht auf europäische Kolonisten in Gänze bezog. Nach längerem Aufenthalt unter den Indigenen, den Jean de Léry für umfangreiche Beobachtungen ihrer Lebensweise, Riten und Körperkultur nutzte, die als Grundlage für ein Buch dienen sollten, brachen die Reformierten mit Erlaubnis Villegagnons auf einem Handelsschiff nach Europa auf. Villegagnon hatte jedoch, so Léry, einen gesiegelten Befehl mitgesandt, sie in Frankreich als Häretiker festnehmen und hinrichten zu lassen.61 Bevor dieser Plan aufgehen konnte, erwies sich bereits die Überfahrt als sehr schwierig, da das Schiff baufällig 59 Siehe Léry 2001, S. 126. Dies wird von Lestringant als allegorisch gedeutet – von Jean de Léry und anderen Zeitgenossen als dreiste Lüge kritisiert, vgl. Lestringant 1980, S. 188  ; Ders. 2005, S. 59–64  ; und Augeron/Vidal 2002, S. 149. 60 Allerdings wird dabei zeitgenössisch zwischen einem zeremoniell eingehegten und gemäßigten Kannibalismus Verbündeter und wildem, aus Gier praktiziertem Kannibalismus in anderen Regionen unterschieden  : Wehrheim-Peuker 1998, S.  155–160. Zum ambivalenten Bild der Indigenen bei Thevet siehe Lestringant 1983, S. 25–33. Dabei ist in Anlehnung an Vespucci die Umkehr der französischen Gesellschaft ein Schwerpunkt  : Die Indigenen leben »sans foi, sans loi, sans religion, sans civilité aucune, mais vivant comme bêtes irraisonnables«, ebd. S. 49. 61 Léry schildert die Ereignisse im siebten und achten Kapitel seines Werkes, Léry 2001, S. 130–166.

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war. Angesichts drohenden Schiffbruchs kehrten drei der reformierten Prediger in die Bucht von Rio de Janeiro zurück, während Léry und andere ihre Reise fortsetzten. Im Fort Coligny ließ Villegagnon die drei Rückkehrer festnehmen und hinrichten. Den übrigen gelang eine mühsame, von Léry detailliert als Errettungsgeschichte präsentierte, Überfahrt nach Frankreich. Angeblich hätten dort schließlich Beamte, die zur reformierten Religion neigten, Villegagnons Befehl zur Hinrichtung ignoriert. Jean de Léry und dem Anführer der Gruppe, Pierre Richer, gelang dann 1558 die Rückkehr nach Genf. In den folgenden Monaten wurden mehrfach Vorwürfe gegen Villegagnon erhoben, die nach Bekanntwerden der Hinrichtung der drei reformierten Prediger an Schärfe zunahmen. Ob Villegagnon aufgrund dieser Angriffe 1559 Brasilien verließ und nach Frankreich zurückkehrte, oder ob er nur Verstärkung für France antarctique organisieren wollte und von den Vorwürfen überrascht wurde, ist nicht sicher. Wieder in Paris bezog er publizistisch Stellung und nahm Gespräche zur Fortführung seines Projektes auf. Bei letzterem hoffte er nun auf die Hilfe des katholischen Ordensklerus, was erneut auf seine ungefestigte konfessionelle Identität hinweist. Die Zeichen für ein verstärktes Engagement standen 1559 günstig, denn durch den Abschluss des ­Friedens von Cateau-Cambrésis endete der langjährige und ressourcenintensive Konflikt zwischen den Häusern Habsburg und Valois. Koloniale Vereinbarungen wurden darin jedoch nicht getroffen, so dass sich informell die Regelung etablierte, dass Konflikte um Gebiete und Eigentum jenseits des Meeres zwar dort ausgefochten werden, aber nicht zu Kriegen in Europa führen sollten.62 Während Villegagnon in Europa um seinen Ruf und neue Gelder und Siedler kämpfte, reagierte die portugiesische Krone auf das inzwischen in Druckschriften offen diskutierte koloniale Projekt im von ihr beanspruchten Brasilien. Eine Flotte wurde ausgesandt und zerstörte nach mehrwöchiger Belagerung im Februar 1560 das Fort.63 Ihren Angriff rechtfertigten die Portugiesen damit, dass in der Kolonie häretische Praktiken ausgeübt worden seien, was jesuitische Beobachter nach Durchsuchung des Forts bestätigten.64 Da es sich hierbei um eine nachträgliche Erklärung für einen erfolgten Angriff handelte, ist die Eindeutigkeit der Untersuchung durch die Jesuiten nicht überraschend und durchaus in Zweifel zu ziehen. Die überlebenden Franzosen flohen auf das Festland und lebten dort längere Zeit bei den verbündeten Indigenen. In den folgenden Jahren berichteten portugiesische 62 Vgl. Hoffman 1973, S. 168f.; Baumgartner 1987, S. 146  ; Mattingly 1963, S. 145–147. In erfolglosen Zusatzverhandlungen stellte sich heraus, dass die französische Seite auf ihr Recht auf Überseereisen beharrte, während die Vertreter Kastilliens hingegen auf das Recht pochten, alle Eindringlinge in ihren Machtbereich zu bekämpfen. Siehe die Edition der Dokumente in  : Davenport 1917, S. 219–222. Nur Kahle 1993, S. 2 geht von einer getroffenen Vereinbarung aus. Über die diffuse Grenze der Friedens- und Konfliktzonen, die schon zeitgenössisch unklar war  : Mattingly 1963. 63 Vergé-Franceschi 1998, S. 179f. 64 Julien 2003, S. 203f. und 210f.

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Quellen immer wieder von französischen Siedlern und Forts, die in der Region errichtet worden seien, ohne dass dafür konkrete Beweise vorlagen. Erst 1565, nach Gründung der portugiesischen Siedlung Rio de Janeiro, nahmen die Gerüchte ab, ohne aber endgültig zu verstummen.65 Gefördert wurden diese Gerüchte sicherlich dadurch, dass die bei den Indigenen etablierten Truchements nach 1560 weiterhin mit französischen Schiffen Handel trieben. Die Indigenen Brasiliens hatten sich im Zuge dieser Unternehmung insgesamt als wichtige Verbündete erwiesen. Die Reformierten, die nach ihrer Verbannung aus Fort Coligny mehrere Monate unter ihnen lebten, waren auf ihren Schutz und ihre Fürsorge angewiesen. Dabei folgten die Indigenen der Tradition eines langjährigen Bündnisses mit den Franzosen, das durch die interkulturellen Truchements etabliert worden war. Deren Darstellung in den Quellen lässt die Sorge der Europäer vor der Attraktivität der indigenen Lebensweise erkennen, die zwar Kriege und kannibalistische Praktiken, aber auch ein reiches Angebot an Nahrung und sexuelle Freiheit umfasste.66 Diese Attraktivität war ein Grund für die strenge Trennung indigener und europäischer Lebensräume in der Kolonie. Angesichts der geringen Mittel der Europäer stellt sich dabei die Frage, ob nicht in der Unfähigkeit, an die Leistungen der Truchements anzuknüpfen und indigene Expertise nutzbar zu machen, eine wichtige, den schreibenden Zeitgenossen nicht verständliche Ursache für die geringen Fortschritte der Kolonie liegen könnte. Obwohl eindeutig portugiesische Kanonen das Ende von France antarctique herbeiführten, setzte sich in Frankreich niemand publizistisch mit dieser gewaltsamen Konfrontation auseinander. Die äußere Intervention wurde vielmehr völlig von einer Debatte über die internen, als konfessionell gedeuteten Konflikte überstrahlt, die durch die um 1560 in Frankreich selbst verschärften Gegensätze befeuert wurde. In den Jahren 1560–1562 erschienen mindestens zehn Druckschriften, teilweise in mehreren Ausgaben, in denen Villegagnon und seine reformierten Gegner einander angriffen. Allerdings hatten beide Seiten unterschiedliche Vorstellungen vom zu führenden Diskurs. Villegagnon versuchte meist, eine theologisch untermauerte Debatte gegen die Lehre Calvins und deren Anhänger zu führen, während seine reformierten Gegner zu persönlichen Angriffen und Beleidigungen tendierten.67 Es handelt sich hierbei um ein Novum in der Geschichte der europäischen Expansion, da es niemals zuvor eine derart breite öffentliche Debatte über ein koloniales Projekt gegeben hatte. Besonders intensiv waren dabei die Vorwürfe des Anführers 65 Das Ende der französischen Präsenz in der Region ist in der Forschung nicht eindeutig datiert. Bei Bernecker 2000 ist 1567 angegeben. Das späteste Datum bietet mit 1585 Boucher 2007, S. 284. 66 Eine bei Autoren des 16. Jahrhunderts verbreitete Sorge vor negativen Folgen einer hybriden Lebensweise der Siedler beschreibt Lestringant 1996f, S. 177–188. 67 Vgl. zur Übersicht vor allem die Arbeiten von Lestringant, bpsw.: Lestringant 2004, S.  135– 146  ; Ders. 2007  ; Ders. 1985b, S. 267–294  ; sowie auch  : Reverdin 1957, S. 69–73  ; Peillard 1991, S. 191–202 und Conconi 1998, S. 143–166.

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der Reformierten in Brasilien, Pierre Richer, der Villegagnon als irrationalen, brutalen Tyrannen und als dem griechischen Zyklopen Polyphem ähnlichen Menschenfresser schilderte.68 Die Bezeichnung als Menschenfresser nutzten die Reformierten zugleich, um das katholische Verständnis des Abendmahls zu persiflieren und den Ritus als den kannibalistischen Praktiken der Indigenen ähnlich zu diffamieren.69 Interessanterweise vergleicht Richer in einer Schrift die beiden bisherigen kolonialen Befehlshaber im Auftrag der französischen Krone, Roberval und Villegagnon.70 Der Protestant Roberval erscheint dabei in einem deutlich positiveren Licht, da er von altem Adel sei, sich ehrenhaft verhalten habe und laut Richer bereit gewesen war, sein eigenes Vermögen für die Erfüllung seines Auftrages zu riskieren. Villegagnon sei hingegen ein Betrüger und ehrloser Charakter und schuld am Untergang der Kolonie. Der Prediger Jean de Léry verlieh den Ereignissen in Brasilien schließlich 1564 eine geradezu sakrale Bedeutung für die reformierte Bewegung, als in Genf eine neue Auflage eines Werkes über protestantische Märtyrer erschien, für die er die Geschichte der drei hingerichteten Prediger aufbereitet hatte.71 Dies belegt abschließend, dass die Angriffe auf Villegagnon und die klare und harsche Abgrenzung von ihm auch den Zweck hatte, für die Reformierten durch ein klares Feindbild identitätsstiftend zu wirken. Villegagnons Argumentation zielte im Vergleich zu der Richers auf größere Zusammenhänge. Er bat beispielsweise die seit 1560 für ihren minderjährigen Sohn Karl IX. regierende Königinmutter Katharina de Medici um eine strenge Politik gegen die Reformierten und griff Calvins Lehre mit theologischen Argumenten an.72 Dabei hob er seine Rolle als Diener der Krone und Verteidiger der traditionellen Werte der Monarchie hervor.73 Für ihn ging es dabei einerseits um die Verteidigung seiner Ehre und zum anderen um die Kolonie als Analogie für Frankreich in Gänze, das durch 68 Vgl. Wehrheim-Peuker 1998, S. 167–169  ; Lestringant 1980, S. 167–192  ; Ders. 2004, S. 137– 139. Siehe in der Quelle selbst  : Richer 1561  : La Refutation des folles resveries, excrables blasphemes, erreurs et mensonges de Nicolas Durand, qui se nomme Villegaignon (!)  : divisee en deux livres, Paris, für die Darstellung als Monster S. 4v. 5r. 6r.; für eine Abbildung als zweiter Polyphem S. 13r. In Versform setzt sich diese Darstellung fort im Werk  : Anonymus 1561  : La response aux lettres de Nicolas Durant, dict le chevallier de villegaignon addressées à la Reyne mere du Roy, Genf. Auch hier wird er als Zykloph, Polyphem und grausamer Menschenfresser geschildert. Ein Nachdruck erschien im selben Jahr in Paris. 69 So in Richer 1561a  : L’estrille de Nicolas Durand, dict le Chevalier de Villegaignon (!), 1561. 70 Richer 1561, S. 14r. Im Vergleich sei Villegagnon nur durch Vortäuschung adliger Abstammung (10v11r.) bei Hofe aufgestiegen und ein »grand imposteur« (11v.). 71 Vgl. Obermeier 1995, S. 37f.; Lestringant 1996e, S. 141–155. 72 An Katharina de Medici gerichtet  : Villegagnon 1561  : Lettres dv Chevalier de Villegaignon svr les remonstrances a la royne Mere du Roy sa souuereine Dame  ; allgemein gegen Calvins Theologie  : Villegagnon 1561  : Les Propositions contentieuses entre le chevalier de Villegaignon et maistre Jehan Calvin concernant la verité de L’Eucharistie. Paris [2. Auflage ebd. 1562]  ; Villegagnon 1560  : Ad articulos calvinianae, de sacramento eucharistae ab eius ministris in Francia Antarctica evulgate Responsiones. Paris [2. Auflage 1562]  ; siehe auch kurz, aber mit einem Bezug auf Brasilien  : Villegagnon 1561b  : Response aux libelles d’injures publiez acontre le chevalier de Villgaignon Paris [2. Auflage Lyon 1561]. 73 Villegagnon 1561, S. 11.

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konfessionelle Konflikte in seiner Existenz gefährdet sei. Auch er nutzte also die publizistische Auseinandersetzung dafür, durch Konstruktion eines Feindbildes Identität zu stiften. Die konkreten Ereignisse in Brasilien spielten in seinen Werken dafür meist nur eine untergeordnete Rolle.74 Dies lag vermutlich auch daran, dass ihm ein Fokus auf Frankreich und Calvins Theologie erlaubte, den Untergang der Kolonie in Brasilien auszublenden, den er als Befehlshaber letztlich zu verantworten hatte. Allerdings könnte Villegagnon 1560/61 auch durchaus noch daran geglaubt haben, das Fort mit einer rein katholischen Besatzung neu errichten zu können. Es scheint, dass im publizistischen Diskurs lediglich darüber Einigkeit herrschte, dass interne Konflikte, entweder konfessionell oder durch die Unfähigkeit des Anfüh­ rers verursacht, die Ursache des Scheiterns gewesen seien. Fehlende Vorräte, mangelnde Ausrüstung, die Wahl des süßwasserlosen Siedlungsortes, die Provokation der interkulturellen Truchements und der Angriff der Portugiesen verschwanden vor diesem Deutungshorizont.75 Auch die Tatsache, dass noch für mehrere Jahre französische Siedler in der Region lebten und auf Unterstützung hofften, wurde nicht diskutiert. Angesichts der Quellenlage ist es nicht verwunderlich, dass auch die Autoren von Darstellungen zur französischen Kolonialgeschichte mehrheitlich der Deutung folgen, das Projekt sei aufgrund interner konfessioneller Konflikte gescheitert. Dabei spielte die meist kategorisch entschiedene Frage, ob die Kolonie von Beginn an als eine Zuflucht für Reformierte geplant war, eine wichtige Rolle. Einige Autoren verlieren dabei jedoch aus den Augen, dass die wirkliche Ausrichtung des Projektes letztgültig nicht bestimmt werden kann, sondern vielmehr die divergierenden Erwartungen der Beteiligten von zentraler Bedeutung sind, die sie in einem sich verschärfenden konfessionellen Diskurs zum Ausdruck brachten. Im Kontrast zur konfessionellen Deutung in enger fokussierten Studien stellen Autoren von Überblickswerken zur Geschichte der europäischen Expansion oder zur Geschichte Lateinamerikas vor allem die Zerstörung durch die Portugiesen heraus und ordnen dies in das Narrativ des erfolgreichen Aufbaus eines portugiesischen Imperiums und der damit verbundenen portugiesisch geprägten Vorgeschichte der brasilianischen Nation ein.76 Während 1556 in Portugal noch über eine angemessene Reaktion auf Villegagnons neu errichtetes Fort diskutiert wurde, unternahm die spanische Obrigkeit konkrete Schritte zur stärkeren Kontrolle über ihre Anspruchsgebiete in Amerika. In diesem Jahr erklärte der Indienrat in Sevilla die zuletzt nur noch auf dem Papier bestehenden kolonialen Ansprüche der Welser auf die Provinz Venezuela endgültig für aufgeho74 Ausnahme hiervon die Schrift Villegagnon 1561b  : Response aux libelles d’injures publiez. Hierin geht Villegagnon explizit auf die Ereignisse in Brasilien ein und gibt den Reformierten die Schuld am tödlichen Ausgang des Konflikts, da sie nach ihrer Rückkehr eine Verschwörung angestrebt hätten. Auch seien die Vorwürfe gegen ihn haltlos und seine konfessionelle Loyalität habe niemals in Frage gestanden. 75 Vgl. Lestringant 2004, S. 35. 76 So bspw. in  : Mauro/Souza 1997, S. 56–58  ; oder Marboe 2004, S. 224f.

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ben.77 Für Akteure aus dem Alten Reich bedeutete dies das Ende der Möglichkeit, innerhalb der Strukturen des kastilischen Reiches relativ eigenständig an der europäischen Expansion mitzuwirken. Seit Gewährung des Asientos an Mittelsmänner der Welser-Vöhlin-Gesellschaft im Jahr 1528 hatten die Welser das Führungspersonal in der Provinz ausgewählt, besaßen ein faktisches Monopol auf Import und Export sowie das Recht, eine bestimmte Zahl von Sklaven aus Afrika und Bergbauexperten aus dem Alten Reich dorthin zu bringen. Im Gegenzug mussten sie, wie bei solchen Verträgen üblich, die Errichtung von Forts und Städten zusagen und eine dauerhafte koloniale Herrschaftsstruktur errichten. Doch weder der erste 1529 von den Welsern eingesetzte Statthalter der kastilischen Krone Ambrosius Ehinger/Dalfinger noch seine Nachfolger setzten diese Vereinbarungen in die Tat um.78 Stattdessen waren Entradas zur Suche nach einem indigenen Goldreich und die Jagd nach indigenen Sklaven, die in andere Provinzen verkauft werden konnten, ihre favorisierten Wirtschaftszweige. Finanzieller Erfolg blieb i­hnen dabei versagt, da zum einen in der Provinz kaum Gold vorhanden war und zum anderen die Versklavung von Indigenen und mehr noch der Handel mit ihnen nur in Ausnahmefällen erlaubt war.79 Auch für die einzelnen Kolonisten war die Lage schwierig, denn aufgrund des Handelsmonopols mussten sie sich bei den Welsern verschulden. Die Siedler übten daher in der Hoffnung auf Beute erheblichen Druck auf die Befehlshaber aus, immer neue Entradas durchzuführen. Bestärkt wurden sie darin von Landsknechten und verschuldeten Siedlern, die in eigenen Gewaltgemeinschaften organisiert über die offenen Grenzen aus den Nachbarprovinzen kamen.80 Der Wunsch nach immer weiteren Entradas ging aber nicht nur von Untergebenen aus. Ehinger/Dalfinger und seine Nachfolger als Statthalter beließen die koloniale Gesellschaft bewusst in einem unsicheren und mobilen Zustand, um weitere Eroberungszüge unternehmen zu können. Sie vergaben keinen erblichen Landbesitz oder dauerhafte Rechte auf Dienstpflichten der ansässigen Indigenen (encomienda), die zu einer Sesshaftigkeit der Bevölkerung und zum Aufbau einer Subsistenzwirtschaft hätten führen können. So konnten sie auf Unterstützung für ihre eigenen Ambitionen bauen, Hernando Cortes nachzueifern. Allerdings führten die prekären Lebensbedingungen der Europäer in Venezuela zu Konflikten und zur Bildung von Fraktionen, auch über die Grenzen unterschiedlicher Herkunft hinweg. Von 1529–1546 unternahmen die Statthalter und andere führende Amtsträger sechs, teilweise mehrjährige Feldzüge ins Innere des Kontinents. Der Statthalter Nikolaus Federmann, der 1530/31 noch als Stellvertreter Ehinger/Dalfingers illegal eine eigene 77 Zur Übersicht über das koloniale Projekt der Welser siehe die Verweise in Kapitel 2.2. Für die späte Phase ist außerdem die kommentierte Quellenedition  : Schmitt/Hutten 1999 zentral. 78 Zu den Vorgaben siehe Grosshaupt 1990, S. 1–35. 79 Simmer 1999, S. 11–13  ; Ders. 2000, S. 127f. 80 Simmer 1999, S. 20f.

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Entrada versucht hatte, kam bei einem zweiten Versuch in Venezuela dem erhofften Erfolg am nächsten. Im Jahr 1539 erreichte er das Territorium der Muisca-Kultur, die über eine weitentwickelte Goldhandwerkskunst verfügte. Allerdings traf er hier auf zwei andere Konquistadoren aus benachbarten Provinzen, die ebenfalls Land, Leute und Bodenschätze beanspruchten.81 Die drei Eroberer überließen dem Indienrat in Sevilla die Entscheidung, der Nikolaus Federmann und den Welsern schließlich keinen Anteil an der Beute zusprach und das Land der kastilisch verwalteten Provinz Santa Marta zuordnete. Trotz dieses Rückschlages unternahmen die Amtsträger in Venezuela weitere En­ tra­­­das. Die letzte dauerte von 1541–1546 und stand nach dem Tod des Statthalters unter dem Befehl von dessen Generalkapitän Philipp von Hutten, der gemeinsam mit Bartholomäus Welser, einem Sohn des gleichnamigen Familienoberhauptes, aufgebrochen war.82 Als sie nach fünf Jahren auf dem Rückweg in die Provinz waren, trafen beide Männer auf eine Streitmacht, die ein eigentlich nur als Interimsbeamter nach Venezuela entsandter Mann illegal aufgestellt hatte. Dieser Mann, de Carvajal, gab sich als neuer Statthalter aus und befahl, Philipp von Hutten und Bartholomäus Welser zu töten. Diese Tat führte zu Protest der Welser und zu einem Eingreifen der kastilischen Kolonialbehörden. Obwohl vermutlich einige Landsknechtsführer am Putsch Carvajals wesentlich beteiligt waren, wurde schließlich nur Carvajal als allein Schuldiger hingerichtet. Von 1546 an gliederten daraufhin die kastilischen Kolonialbehörden die Provinz praktisch in ihr System ein und setzten auf den Aufbau einer Verwaltung und die Vergabe von Land und indigenen Dienstpflichtigen, um Siedler an die Provinz zu binden. Die Welser-Vöhlin-Gesellschaft klagte gegen diese faktische Aufhebung ihrer vertraglich garantierten Rechte in besagtem langwierigen Verfahren vor dem Indienrat. Diese Behörde war dabei nicht nur Beklagter und Richter, sondern machte sich auch noch zum Ankläger, da sie den Vorwurf erhob, die Welser hätten die Provinz schlecht verwaltet und die Vereinbarungen mit der Krone gebrochen. Die Welser verwiesen hingegen auf die hohen Verluste, die sie bei ihrem Dienst für die Krone erlitten hätten.83 Am Ende entschied der Indienrat 1556, dass die Welser alle Rechte auf die Provinz verloren und keinen Anspruch auf Entschädigung für ihre Verluste hatten, dafür aber nicht für das Verhalten ihrer Statthalter und die unerfüllten Vertragsbedingungen bestraft werden sollten.84 81 Häberlein 2016, S. 123f.; Felden 1997, S. 77–95  ; Simmer 2000, S. 309–369. 82 Zur Biographie  : Schmitt 1999a, S. 7–41. Zur Ermordung des Philipp von Hutten und des Bartholomäus Welser vgl. Simmer 1999 und die Sammlung der verfügbaren Quellen dazu in  : Schmitt/ Simmer 1999. 83 Denzer 2002, S. 285–319. Unklar ist noch immer, in welchem Maße es ein Verlustgeschäft war, vgl. Häberlein 2016, S. 126f. 84 Eine ausführliche, nach Akteuren differenzierte Bilanz zieht Simmer 2000, S. 697–740.

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Mit diesem Urteil waren der Mitwirkung von Akteuren aus dem Alten Reich an der transatlantischen Expansion Grenzen gesetzt worden. Umso bemerkenswerter ist es, das unmittelbar danach ein neues, publizistisches Interesse an Amerika im Reich zu beobachten ist.85 Vorläufer hierfür war ein bereits im Jahr 1550 erschienener Reisebericht über eine frühe Entrada Philipp von Huttens, der zusammen mit einer neuen, deutschen Ausgabe der Berichte des Cortes unter dem Titel Newe Zeytung verkauft wurde.86 Die Leser erfuhren darin von Krankheit und Mangel der Konquistadoren auf der Entrada von 1535–1538 und davon, dass das goldlose Land von gefährlichen und wehrhaften Indigenen bewohnt sei, die Hutten als »bestialisch volck«87 kennzeichnete. Der Bericht ist mit bekannten Elementen wie Amazonen- und Kannibalenerzählungen angereichert, die aber nur als Hörensagen gekennzeichnet sind. Deutlicher ist hingegen der Hinweis, dass einige Eroberer in der Not selbst zu Kannibalen geworden seien. Im Vergleich mit den Erfolgen des Cortes zeichnete diese Darstellung zweifellos ein negatives Bild Amerikas. Dies bekräftigte der Verleger noch dadurch, dass er Nachrichten über die lange Odyssee des Konquistadoren Cabeza de Vaca in Nordamerika aufnahm.88 Das insgesamt negative Bild unterstrich auch ein zweiter Bericht, der 1557 also ein Jahr nach der Entscheidung des Indienrates über Venezuela, erschien. Darin schilderte der ehemalige Statthalter Nikolaus Federmann seine Entrada von 1531.89 Er bot seinen Lesern eine Abenteuer- und Ereignisgeschichte der Expedition, in der er Konfrontationen mit kurz skizzierten indigenen Völkern aneinanderreihte, zu denen auch Zwerge und Teufelsanbeter gehört hätten. In seinem Werk sind Hunger und schwere Gefechte Alltag, und auch brutale Gewalttaten werden beiläufig und als alltäglich beschrieben. Profit hätten er und seine Mitreisenden erst auf dem Seeweg nach Europa gemacht, so dass die ganze Unternehmung letztlich unnötig gewesen sei. Über die Welserkolonie, deren Probleme, Organisation und Ende enthielten jedoch weder diese noch andere Publikationen im Alten Reich Informationen. Anders war dies in Spanien und Frankreich, wo unter Auslassung des internationalen Charakters der Expeditionen die angeblich besondere Grausamkeit der als »deutsch« bezeichneten Welser hervorgehoben wurde.90 85 Grundlegend sind die Übersicht und Analyse in  : Neuber 1991. 86 Edition in  : Schmitt/Hutten 1999, S. 47–88. Vgl. Neuber 1991, S. 255, der dies in der gemeinsamen Publikation als Kontrapunkt zu Cortes’ heroisierenden Briefen einordnet. 87 Edition in  : Schmitt/Hutten 1999, S. 56–58. 88 Ebd. S. 74. 89 Nikolaus Federmann 1557  : Indianische Historia. 90 So bei Bartolomé de Las Casas. Eldred 2013, S.  250f. gibt an, Las Casas habe über die Welser geschrieben, sie seien  : »incomparably more barbaric than any we have so far described, and the men involved in it more inhumane and more vicious than savage tigers, more ferocious than lions or than ravening wolves«. In englischen Ausgaben wurde die Passage gestrichen, da sie die antispanische Deutung schwächen könnte, vgl. Hart 2001, S. 114  ; In Frankreich hob Chauveton 1579 in seiner Histoire nouvelle du Nouveau

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Die im Vergleich zu Villegagnons Brasilien in Frankreich geringe Beachtung der Ereignisse in Venezuela im Alten Reich bedeutet jedoch nicht, dass zu dieser Zeit keine kommerziell erfolgreichen Druckschriften mit erheblicher Reichweite erschienen, die über transatlantische Expeditionen berichteten. Hier ist an erster Stelle der zeitnah zu Federmanns Buch erschienene Reisebericht des Söldners Hans Staden zu nennen, der von seiner mehrmonatigen Gefangenschaft bei brasilianischen Indigenen erzählte.91 Stadens Verleger konnten im ersten Jahr insgesamt vier Auflagen absetzen und dürfte damit einen erheblichen finanziellen Erfolg erzielt haben. In seinem von der Forschung und auch den Zeitgenossen viel beachteten Werk erzählte Staden eine Geschichte der Errettung aus Gefahr durch Gottes Beistand und beschrieb ausführlich die Lebensweise der Indigenen und besonders deren angebliche kannibalistischen Praktiken. Das Buch ist mit Holzschnitten illustriert, die eine gewisse Schaulust des Publikums befriedigt haben dürften. Sein Erfolg deutet darauf hin, dass es im Alten Reich einen, wenn auch im Vergleich mit Themen wie der Reformation oder den Türkenkriegen vergleichsweise kleinen Markt für Amerikana gab, aber kein dezidiertes Interesse an Venezuela. Die historische Forschung hat Stadens Werk vielfach auf seine Bedeutung für die Entstehung, Verbreitung und Verfestigung des Stereotyps vom südamerikanischen Indigenen als »wilden, Nacketen, grimmigen Menschenfresser« hin untersucht.92 Dieses Zerrbild ist für das Verstehen der Darstellung der Indigenen Amerikas im gesamten sechzehnten und frühen 17. Jahrhundert über das Alte Reich hinaus von Bedeutung. In einer Analyse der intertextuellen Verbreitung des Stereotyps durch textliche Übernahmen oder Vorprägung von Schilderungen hat Annerose Menninger beispielsweise dargelegt, dass André Thevet, der Mönch, der 1555 Villegagnon nach Brasilien begleitet hatte, bei der Abfassung seines Buches eine Fassung von Stadens Werk vorlag.93 Auch Jean de Léry, dessen Reisebericht über die Brasilienkolonie 1578 erschien, könnte nicht nur von Thevets, sondern auch von Stadens Werk beeinflusst worden sein. Abgesehen von intertextuellen Bezügen ist aber auch eine parallele Bezugnahme der Reisenden Staden, Thevet und Léry auf identische oder ähnliche Erfahrungen vor Ort möglich. Dies könnte, muss aber keineswegs als Hinweis auf reale kannibalistische Praktiken gedeutet werden. Zum einen könnten Parallelen auch auf den Kontakt mit Monde, S.  427–430 entgegen der chronologischen Ordnung der Ereignisse hervor, dass die Grausamkeiten der »Velzari« in »Valenzuola«, das Vorbild für die Taten der Spanier bei der Eroberung Amerikas gewesen seien. 91 Staden 1557  : Wahrhaftige Historia und Beschreibung eyner landtschafft der Wilden, Nacketen, grimmigen Menschenfresser, Marburg. Vgl. zu Wirkung und Einordnung der Schrift Neuber 1991, S. 255–265 und Martel 2006, S. 51–69. 92 Vgl. Menninger 1992  ; Dies. 1995, insbesondere S. 68–74 und 165–189  ; Whitehead 2000  ; Martel 2006  ; vgl. Wehrheim-Peuker 1998, S. 141–148, die wie viele Autoren Vespuccis Mundus-Novus Brief als Urtext für die unterschiedlichen folgenden Kannibalenberichte ansieht. 93 Menninger 1995, S. 204 und 211–219.

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interkulturellen Akteuren wie den französischen Truchements zurückgehen, welche die Wildheit der Indigenen für die Reisenden ausschmückten, um ihre eigene Bedeutung zu unterstreichen. Ergänzend oder alternativ dazu könnten durchaus auch indigene Akteure selbst im Kontakt mit Europäern kannibalistische Praktiken inszeniert und übertrieben dargestellt haben, um ihre Position in der interkulturellen Begegnung zu stärken.94 Für die Leser im Alten Reich und darüber hinaus verfestigte die Publikation von 1557 in jedem Fall ein Stereotyp der amerikanischen Indigenen, das schon Vespucci im frühen Diskurs etabliert hatte. Hierin fügte sich auch der letzte original in Deutsch verfasste publizierte Reisebericht des 16. Jahrhunderts ein.95 In ihm berichtete Ulrich Schmidl, der 1535 parallel zu den Entradas der Welser als Landsknecht in spanischen Diensten am Rio de la Plata gekämpft hatte, seine Erlebnisse.96 Schmidl war Teil einer großen, internationalen Expedition, an der auch die Welser und Fugger mit Schiffen, Interessenvertretern und Söldnern beteiligt waren.97 Ziel ihrer Unternehmung war die permanente Besiedlung der Mündung des Rio de la Plata und die Sicherung einer Verbindung zu den Silberminen im Hinterland. Es gelang aber nach hohen Verlusten lediglich die Gründung des abgeschnittenen Außenpostens bei Asunción. Weder Gold noch Silber konnten dabei erbeutet werden. In seinem Bericht, der wie der Federmanns weitgehend eine Auflistung von Begegnungen und Gefechten darstellt, verlegte Schmidl die bekannten Kannibalenstereotype in neue Regionen, was die Glaubwürdigkeit dieses Buches und damit wiederum auch diejenige dieser Topoi im Diskurs erhöht haben dürfte. Mit den Werken von Hutten, Federmann, Staden und Schmidl waren im Alten Reich um 1560 Literatur über finanziell erfolglose Reisen nach Übersee und eine Darstellung Südamerikas als Ort des Mangels und der Gefahr durch indigene Kannibalen etabliert. Somit umfasste der Diskurs nun eine Alternative zu den Erfolgsberichten über die Eroberung Mexikos oder Perus, bei denen am Ende der Gefahren gleichermaßen der Triumph stand. Diese Verschiebung geschah allerdings auf der Basis individueller Reiserfahrungen, die überwiegend bei temporär angelegten Feldzügen 94 Für dieses Argument spricht, dass die detaillierten rituellen Praktiken, über die auch Thevet und Staden berichteten, bereits in dem ungedruckten Manuskript von Roger Barlows Cosmographie beschrieben sind, das er nach seiner Südamerikareise verfasste. Siehe Dalton 2009, S. 93–96. Da dieses Werk unpubliziert blieb und in England verwahrt wurde, konnte es schwerlich in intertextuellen Bezügen zu den anderen Beschreibungen stehen. Der Mythos muss daher auf eine andere Urquelle zurückgehen, die auch Staden verfügbar war, bspw. die Truchements oder indigene Berichterstatter. 95 Schmidel 1567  : Neuwe Welt, das ist Warhafftige Beschreibung aller schöne Historien von Erfindung viler unbekannten Königreichen. Frankfurt a.M. Vgl. zur Einordung auch bezüglich Staden  : Neuber 1991, S. 255–265. 96 Werner 1967 insgesamt  ; Kellenbenz 1990 I, S.  162f.; Bitterli 1999, S.  128f.; Parry 1979, S. 253–257. 97 Dalton 2016, S. 123.

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gemacht wurden und in denen Fragen der dauerhaften Ansiedlung und Versorgung keine Rolle spielten. Speziell der Fall Staden bot allerdings aufmerksamen Lesern eine besondere Lektion  : Wenn der Reichtum in Amerika ausblieb, so ließ sich für Autoren und Drucker auf dem Buchmarkt dennoch Geld mit den Expeditionen verdienen, wie es zuvor schon die Verleger von Kolumbus und Vespucci gezeigt hatten. Dies könnte weitere Publikationen im Alten Reich wie auch in anderen Ländern beeinflusst haben. Obwohl das Urteil gegen die Welser 1556 das Ende der weitgehend eigenständigen Beteiligung Auswärtiger an der kolonialen Expansion Kastiliens markierte, setzten Akteure in England zu dieser Zeit dennoch Hoffnungen auf eine weitere Kooperation. Grund hierfür war die 1554 geschlossene Ehe der Königin Maria Tudor, Tochter der Katharina von Aragon, mit dem designierten Erben Karls  V. in seinen spanischen Reichen und Kolonien – Philipp II. Ihre Ehe setzte eine Tradition anglo-spanischer Bündnisse fort, die schon die kriegerischen Konfrontationen der 1540er Jahre geprägt hatte. Zuletzt standen sich hier die Herrscher Englands und Spaniens und die von Frankreich und Schottland in Allianzen gegenüber. Im Rahmen dieses Konfliktes hatte Franz  I., wie erwähnt, eine Invasion Englands versucht, die aber mit erheblichem Aufwand abgewehrt werden ­konnte.98 Nach dem Krieg hatte sich in England aufgrund der gemachten Erfahrungen zwar ein Verständnis für Notwendigkeit und Zweck einer Marine ausgebildet, aber die Krone verfügte kaum über die Ressourcen, die Schiffe des Herrschers zu unterhalten, geschweige denn, eine eigene Flotte aufzubauen. Maritime Expansionspolitik war daher von privater Finanzierung und Engagement abhängig. Hierbei tat sich um 1550 Sebastian Cabot, ehemaliger Piloto Mayor Karls V., besonders hervor.99 Cabot war 1548 aus Sevilla nach England zurückgekehrt und bat dort um eine Bestätigung der Patente und Privilegien, die sein Vater für Entdeckungsreisen im nördlichen Atlantik erhalten hatte.100 Der junge König Edward VI. gewährte Cabot die Bestätigung und darüber hinaus eine jährliche Pension und mehrere Sonderzahlungen. Diese Vergünstigungen deuten auf eine gewisse Wertschätzung im Kreis der königlichen Berater für Cabot und dessen Wissen über Navigation sowie die kastilischen Expeditionen und Kolonien hin. Cabot wiederum machte sich bald daran, aus diesem Wissen heraus konkrete Projekte zu entwickeln. Dies war angesichts der Tatsache, dass in England nur wenige Personen Interesse an Überseereisen und Entdeckungen hatten, sicherlich keine leichte Aufgabe.101  98 Zu diesem Krieg und seinen Folgen für die Marinegeschichte  : Rodger 2004, S. 178–187.  99 Zu Cabot und seiner Bedeutung für den Wissenstransfer  : Sandman/Ash 2004, S. 813–846  ; Skelton  : Cabot. In  : DNB  ; Speziell zu Reaktionen auf seine Rückkehr nach England siehe Loades 2000, S. 54f. 100 Verwey 1970, S. 241. 101 Unter Heinrich VIII. erschienen kaum Publikationen über transozeanische Entdeckungen. Werke von

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Cabot konnte allerdings auf die Unterstützung von John Dudley, Herzog von Northum­ berland und dessen Gefolgsmann im geheimen Rat, William Cecil, zählen.102 Mit ihrem Beistand organisierte er eine Handelsgesellschaft mit dem Namen Company of Adventurers to new lands, die er durch Verkauf von Anteilen finanzierte. Ziel der ersten Expedition, die Cabot vorbereitete, war die Herstellung direkter Handelskontakte mit China und Indien. Bei seinen Vorbereitungen beriet Cabot sich auch mit auswärtigen Seeleuten und Navigatoren, von denen einige schon unter Heinrich VIII. in englische Dienste getreten waren. Zu ihnen gehörte der Franzose Jean Ribault.103 Ribault, der zu einem späteren Zeitpunkt zentral für französische Kolonialprojekte werden sollte, war seit den späten 1540ern in England und erhielt zeitweise eine Förderung durch Lord Dudley.104 Als Ribault jedoch versuchte, England wieder zu verlassen, provozierte dies seine Inhaftierung im Tower.105 Ob die Sorge vor seinem Wissen um die neuen englischen Pläne die Ursache für seine Festnahme war, ist nicht bekannt. Noch bevor Cabots Pläne in die Tat umgesetzt wurden, veröffentlichte Richard Eden, den William Cecil erst ein Jahr zuvor zu seinem Sekretär gemacht hatte, 1553 eine Übersetzung von Teilen der Kosmographie Sebastian Münsters.106 Dass der Zweck seiner Übersetzung die Werbung für die neue Company war, wird bereits durch das Ende des Volltitels deutlich  : »wherin the diligent reader may see the good successe and rewarde of noble and honeste enterpryses, by the which not only worldly ryches are obtavned, but also God is glorified, & the Christian fayth enlarged.« Die versprochenen materiellen wie immateriellen Vorzüge belegte Eden im Text mit dem Beispiel der spanischen Expeditionen nach Amerika und mit der seit der Antike herrschenden Gewissheit von der Existenz immenser Reichtümer in Asien.107 In seinem Vorwort an Lord Dudley betonte Richard Eden, dass Rückschläge und selbst der Tod bei einer solchen Unternehmung nichts Negatives bedeuteten, da schon allein die Teilnahme am Versuch ehrenvoll sei und großen Ruhm brächte.108 Im eigentlichen Text konnten die Leser dementsprechend in kurzen Passagen zwischen ausführlichen Schilderungen der Qualität der neuen Länder und ihrer Reichtümer Engländern über Kosmographie und Navigation fanden bei ihm keine Unterstützung für die Drucklegung. Quinn 1998b, S. 137 Vgl. die fehlende Druckerlaubnis für Roger Barlowes Übersetzung der spanischen Suma de Geographia. Vgl. Dalton 2009, S. 75–98  ; Davies 2012, S. 168f. und die diesbezüglichen Quellen in  : Quinn NAW I, S. 215–228. 102 Loades 2000, S. 56f. 103 Ebd. 104 Gwyn 1984, S. 20. 105 Vgl. Dalton 2016, S. 181f.; Taylor 1971, S. 194. 106 Eden 1553  : A treatyse of the newe India, with other new founde landes and Ilandes. London. Zur Person Edens vgl. Gwyn 1984, S. 13–34  ; Hillgarth 2000, S. 336 und S. 357f.; Hart 2001, S. 55–68  ; zum Werk und der Argumentation darin siehe Reimer 2006, S. 70-72. 107 Allein seine Marginalien zu Indien sind bezeichnend  : »earthly paradise  ; temperate ayre  ; continual spring« Eden 1553, S. 19f. 108 Eden 1553, S. 5f.

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auch Informationen über negative Aspekte wie den Untergang von Kolumbus’ Fort La Navidad 1493 und die Gefahren durch indigenen Widerstand finden. Das Werk schloss allerdings mit der Redewendung »Fortes fortuna adiuvat«, die zur mutigen Mitwirkung aufrief. Noch im selben Jahr 1553 entsandte Cabot die erste Expedition der Company nach Osten, wo die Seeleute versuchten, nördlich von Skandinavien einen Seeweg nach Indien zu erschließen. Auch wenn dieses Ziel unerreicht blieb, umrundeten die englischen Schiffe dennoch unter Verlusten Skandinavien und erreichten Archangelsk und die Weiße See. Von dort aus konnten sie auf dem Landweg Moskau erreichen und in einer Audienz bei Iwan IV. einen neuen, direkten Handelsweg mit dem Zarenreich etablieren. Damit umgingen sie die Ostsee, in der die Hanse und die skandinavischen Königreiche wesentlichen Einfluss hatten. Daher kehrte die Expedition trotz Verlust von Schiffen und Seeleuten 1554 mit einer Erfolgsmeldung zurück. Inzwischen war der junge Edward  VI. verstorben und nach einer kurzen Thronfolgekrise, in der Lord Dudley seine Stellung und sein Leben verlor, herrschte Maria Tudor. Da andere Unterstützer der Company, speziell William Cecil, sich für ihren Anspruch stark gemacht hatten, hatte der Herrscherwechsel keine negativen Folgen für die privaten Handelsinitiativen. Die 1554 geschlossene Ehe Marias mit Philipp II. versprach, trotz der Sorge englischer Eliten vor einem zu starken Einfluss des Gemahls, ein sicheres Bündnis mit Spanien und eventuell eine Förderung oder zumindest Duldung eigener transatlantischer Handels- und Siedlungsprojekte, die auf den Anfängen der von Cabot geleiteten Company aufbauen könnten.109 Ein zunehmendes Interesse an Überseereisen war die Folge, wie sich in zwei Expeditionen nach Guinea und in den Plänen zeigte, regelmäßige Handelskontakte mit dem Zarenreich aufzubauen. Im Jahr 1555 erhielt die Company eine neue Charter unter dem Namen »Marchants adventurers of England, for the discoverie of lands territories, Iles, Dominions, and Seigniories unknowen«.110 Auch wenn der Name ein weites Interessenspektrum andeutete, waren ihre Ziele zunächst enger umrissen, so dass sie abgekürzt als Muscovy Company bezeichnet wurde. Die erneuerte Company beschäftigte Richard Eden als Berater, und der gut in Regierungskreisen vernetzte Lord Walsingham heiratete in den Investorenkreis ein und unterstützte zusammen mit William Cecil das Projekt.111 Eine wichtige personelle Ergänzung war John Dee, ein vielseitig interessierter Astrologe, Astronom und Geograph, der nach Studien in Frankreich mit guten Kontakten zu führenden Geographen und Kosmographen seiner Zeit nach England zurückgekehrt war.112 Er setzte sich 109 Zur Wahrnehmung Philipps vgl. Hillgarth 2000, S.  336 und 351  ; Hart 2001, S.  54f. Zu den Hoffnungen auf Partizipation siehe Loades 2000, S. 65f. 110 Die Charter der Company ist publiziert bei Quinn NAW I, S. 221–266  ; vgl. zur Gründung Sandman/Ash 2004, S. 832f.; Brenner 1993, S. 13–21. 111 Haynes 2004, S. 34  ; zur weiteren Unterstützung bei Hofe vgl. Loades 2000, S. 58f. und 67f. 112 Vgl. Trattner 1964  ; Haynes 2004, S. 35  ; Loades 2000, S. 80f.

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beständig für eine professionalisierte Ausbildung von Navigatoren und die Sammlung allen vorhandenen Wissens um Seerouten ein. Sebastian Cabot und dieser Kreis von Unterstützern organisierten und finanzierten weitere Handelsreisen ins Weiße Meer. Diese Unternehmungen waren auch ohne die erhoffte Passage nach Asien profitabel, so dass sie nach einigen Erkundungen die Suche nach einem Weg durch das östliche Eismeer einstellten. Philipp II. schien die Neugründung und dauerhafte Etablierung der Company ohne Widerspruch hingenommen zu haben, vermutlich da sie keinerlei Herausforderung für seinen eigenen kolonialen Machtbereich darstellte, den er von der Einflussnahme anderer abschotten wollte.113 Zu dieser Vermutung passt, dass er den Untertanen seiner Ehefrau keine direkte Partizipationsmöglichkeit für den Handel mit den kastilischen Kolonien eröffnete. Dass es im Umfeld der Company durchaus Pläne für eine transatlantische Expansion nach Westen gab, zeigt 1555 Richard Edens zweite Publikation. Hierbei handelte es sich um eine fast 300 Seiten umfassende Sammlung von spanischen und italienischen Reiseberichten, Länderbeschreibungen sowie astronomischen und mineralogischen Werken in englischer Übersetzung.114 Gleich zu Beginn des Sammelwerkes stand der umfangreichste Beitrag  : die schon beinah 40 Jahre alten ersten drei Dekaden des Petrus Martyr de Anghiera. Sie gaben dem Werk auch seinen Titel  : Decades of the New World or West India. Eden übersetzte seine Vorlagen weitgehend exakt, fügte aber eine Widmung, ein Vorwort sowie Marginalien ein.115 Sein Werk richtete sich – anders als Hans Stadens oder Nikolaus Federmanns Erzählungen – in Umfang und sprachlicher Gestaltung an ein vermögendes und gebildetes Publikum. Der offen kompilatorische Charakter mit Nachweis der Herkunft der unterschiedlichen Passagen aus renommierten Vorlagen versprach den Lesern einen Überblick über den Stand des europäischen Wissens über die New World. Die dem Werk zugrunde liegende Intention Edens zeigt sich deutlich im ­Vorwort.116 Darin lobt er  – angesichts der aktuellen politischen Nähe der englischen zur spanischen Monarchie wenig überraschend  – die spanischen Könige als Vorbilder und Vorkämpfer für die Verbreitung des Christentums.117 Doch nicht allein die Herrscher, sondern auch spanische Seeleute, Kaufleute und alle diejenigen, die Wissen über die Neue Welt sammeln und verbreiten, stellt er als Helden dar, die höchsten Ruhm erworben hätten. Eden stellt sie antiken Heroen wie Herakles gleich »which for theyr

113 Verwey 1970, S. 263. 114 Auszüge in Quinn NAW I, S. 228f.; Siehe Eden 1555  : Decades of the new World or West India. Hier wird im Folgenden aufgrund besserer Lesbarkeit die vollständige Edition in  : Arber 1895 verwendet. 115 Zur Übersetzungsarbeit Aebel 2011, S. 146. Eine Interpretation des Inhalts als prokoloniale Propaganda bieten übereinstimmend  : Parker 1965, S. 38–48  ; Campos 2000, S. 52–74 und Reimer 2006, S. 70-72. 116 Eden 1555 in  : Arber 1895, S. 49–60. 117 Ebd. S. 55  ; vgl. Campos 2000, S. 68.

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glorious and vertuous enterpryses were accounted as goddes amonge men«.118 Die Glorifizierung der spanischen Eroberer geht soweit, dass Eden entgegen dem Inhalt der von ihm übersetzten Texte im Vorwort behauptet, sie seien gegenüber den Indigenen »mynisters of grace and libertie« gewesen.119 Doch nicht nur bezüglich des Verhaltens der Eroberer, sondern auch in der Charakterisierung der Amerikas zeichnet er ein überaus positives Bild. Überall verortet er Gold und Edelsteine und selbst über Kanada berichtet Eden, ohne Quellen zu benennen, seinen Lesern es gebe dort eine den Azteken ähnliche Kultur mit wertvollen Waren und der Bereitschaft zum Handel.120 Angesichts solcher Aussichten habe die englische Nation bisher eine »inexcusable slothfulnesse and negligence bothe before god and the worlde«121 an den Tag gelegt. Eden bezieht dies gleichermaßen auf verpassten Reichtum wie auch auf die ungenutzte Gelegenheit, das Christentum zu verbreiten. Mit einem historischen Verweis auf die Eroberung und Christianisierung Britanniens durch die Römer, deren Herrschaft er zwar als »yoke« kritisiert, aber insgesamt positiv bewertet, fordert er seine Landsleute auf, es dem Vorbild der antiken Römer und mehr noch dem der Spanier gleichzutun. Das Vorwort endet mit einem Appell an Herrscher und vermögende Untertanen, ihre Macht und Ressourcen für die Verbreitung des Christentums einzusetzen.122 Interessanterweise geht Eden dabei auch auf verstorbene Reisende wie die Mitglieder der ersten Expedition der Muscovy Company und finanziell erfolglose Unternehmungen ein, die er als ehrenvolles Opfer für eine gute Sache heroisiert. Ganz seinen Auftraggebern verpflichtet, schließt das Vorwort nicht mit der titelgebenden New World, sondern mit der Aussicht auf einen Seeweg nach Asien, wo es »golde, sylver, precious stones, and spices« im Überfluss und Verbündete für den Kampf gegen die Osmanen gebe. Wie das Vorwort so ist auch das Gesamtwerk letztlich eine Glorifizierung der europäischen Expansion insgesamt. Wie schon Petrus Martyr in der Vorlage so informiert auch Eden seine Leser zwar über negative Aspekte wie Hunger, wilde Tiere und militärische Stärke der Indigenen, aber die ständige Wiederholung der Gold-, Perlen- und Silberfunde sowie die Leichtigkeit, mit der gewaltige indigene Armeen von kleinen Gruppen besiegt werden können, stellt dies letztlich in den Schatten.123 Durch ihren heterogenen Charakter ist die Textsammlung in den genauen Zielen und Methoden allerdings ambivalent und kann als Plädoyer für reinen Handel, aber teilweise auch für koloniale Projekte gelesen werden. Dies passt zu nur kurzen und rein deskriptiven Ergänzungen Edens zu den gescheiterten kolonialen Projekten der Spanier in Florida, 118 Eden 1555 in  : Arber 1895, S. 50. 119 Ebd. 120 Ebd. 55. 121 Ebd. 55  ; vgl. Campos 2000, S. 66. 122 Eden 1555 in Arber 1895, S. 58f. 123 Beispielsweise ebd. S. 70 nach kurzer Erwähnung der Zerstörung von La Navidad folgen viele Hinweise auf Gold.

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die er als »mysadventures« charakterisiert.124 Hier stellt er indigenen Widerstand und den Tod der Anführer als zentrale Ursachen für den Abbruch der Unternehmungen dar. Einen weitaus positiveren Blick auf eine Kolonialisierung der New World eröffnet Eden seinen Lesern in kurzen Passagen über die  – laut ihm zwei  – Reisen Jacques Cartiers.125 Eden erwähnt das fehlende oder falsche Gold und den harten Winter mit keinem Wort, sondern legt Cartier eine fiktionale Rede in den Mund, die jener beim Anblick des paradiesischen Landes Kanada gehalten habe  : »Oh what doo the christian princes meane that in such lands discovered they do not assigne certeine to inhabite the same to bring those people […] to better civilitie and to embrace owre religion, then the whiche, nothynge can bee more acceptable to god  ?« Somit macht Eden den ihm zufolge gescheiterten Franzosen Cartier zum Botschafter für eine koloniale Expansion Englands. Allerdings wendet er seinen Appell letztlich doch zugunsten der konkreten Ziele seiner Arbeitgeber, indem er betont, wie nah Cartiers Entdeckungen an einer Passage nach Asien lägen. Cartier hätte nur ein wenig weiter segeln müssen, um dieses Ziel zu erreichen, das Eden als das größte von allen bezeichnet. Diese Wendung verweist darauf, dass Eden in seinem Werk trotz allem Lob für die spanische Eroberung der Neuen Welt und deren Eignung zur Kolonialisierung letztlich den Handel mit Asien als Priorität ansieht und so im Sinne der Muscovy Company wirbt. Eden nahm daher entgegen dem Titel seines Werkes mehrere, ausführliche Beschreibungen des Zarenreiches und Cathays auf. Auch Hinweise auf Navigation im Eismeer und unterschiedliche Gewichte und Wertigkeiten von Edelmetallen und Steinen in verschiedenen Ländern zeigen, dass sein Werk trotz prokolonialer Elemente letztlich den Schwerpunkt auf Handel und Mission legt.126 In den folgenden Jahren fand sich jedoch keine umfangreiche Unterstützung für die transatlantischen Unternehmungen der Company. Daran änderte sich auch nach dem Tode Maria Tudors 1558 und der Thronbesteigung Elisabeths I. nichts. Zunächst war das Verhältnis zu Spanien relativ unverändert, und es kursierten sogar mehr oder weniger ernstzunehmende Pläne für eine Heirat der beiden Souveräne. Eden, John Dee und andere Männer im Umfeld der Muscovy Company nutzten diese Zeit, um eine Zentralisierung und Akademisierung der bisher an Bord durchgeführten, eher handwerklichen Navigatorenausbildung voranzubringen. Philipp II. kam diesem Ansinnen entgegen und hatte bereits zuvor eine Besichtigung der Behörden in Sevilla erlaubt, die zu neuen Vorschlägen über die Professionalisierung der Seefahrt in England führten.127 Diese Ideen blieben zwar unverwirklicht, doch Richard Eden brachte 1561 124 125 126 127

Ebd. S. 346 [Original 319]. Eden 1555 in Arber 1895, S. 287f. [Original 254] und S. 344f. [Original 345]. Eden 1555 in Arber 1895, S. 281–332 [Original 249–306]. Loades 1992, S. 156f.; Sandman/Ash 2004, S. 814. Dabei ist John Dee als Experte involviert. Vgl. Taylor 1971, S. 195f.; Loades 2000, S. 84–86.

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die Übersetzung eines spanischen Navigationshandbuchs heraus, in dem er derartige Kenntnisse als zentral für das Gemeinwohl pries.128 Politisch zeichnete sich zu Beginn der 1560er Jahre eine weitreichende Veränderung ab. Die Spannungen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Konfessionen in Frankreich hatten ein Maß erreicht, dass den Ausbruch eines offenen Krieges wahrscheinlich machte. Schon im Vorfeld dieses Konfliktes war Elisabeth eine wichtige Verbündete für französische Hugenotten. Diese Beziehungen, die für die Berater der Königin sicherlich auch den Zweck erfüllten, politischen Einfluss an der französischen Kanalküste zu gewinnen, führten wiederum zu Spannungen mit Spanien.129 Ursache dafür waren nicht zuletzt die ständigen Angriffe auf spanische Schiffe, die Seefahrer von französischen Häfen mit mehrheitlich protestantischer Bevölkerung aus unternahmen. Daher stieß ein neues koloniales Projekt, das Admiral de Coligny und andere führende Hugenotten sowohl aufgrund der hohen Profite aus den Kaperfahrten als auch aufgrund der verschärften konfessionellen Spannungen im Land entwarfen, auf ein deutlich höheres Interesse in England und in Spanien als die früheren, bereits geschilderten Unternehmungen der 1540er und 1550er Jahre. Nachdem 1560 Villegagnons Fort in Brasilien zerstört war und Kanada als Region durch die Berichte Cartiers und Robervals als unrentabel für eine Kolonialisierung galt, richteten führende Hugenotten um Admiral Gaspard de Coligny ihr Augenmerk auf die südliche Atlantikküste Nordamerikas, die zusammenfassend als Florida bezeichnet wurde.130 Das Interesse französischer Seefahrer an dieser Region blieb den kastilischen Kolonialbehörden nicht verborgen, weswegen sie 1559 versuchten, dort selbst eine Kolonie zu errichten.131 Der kastilische Versuch scheiterte jedoch ebenso wie die früheren Unternehmungen der 1530er und 1540er Jahre, und das, obwohl der erfahrene Konquistador Tristan de Luna keine Entrada durchführte, sondern versuchte, eine Stadt mit eigener Versorgungsbasis zu gründen. Die Stadt sollte zunächst am nordöstlichen Ufer des Golfs von Mexiko entstehen und über den Seeweg versorgt werden, bis die erste Saat reif zur Ernte war. Von dieser Basis aus plante de Luna auf dem Landweg zum Atlantik vorzustoßen, wo eine zweite neue Siedlung als Hafen für die Hochseeschifffahrt und 128 Richard Eden 1561  : Martin Cortes  : The Arte of Nauigation, Conteynyng a compendious description of the Sphere, with the makyng of certen Instrumentes and Rules for Nauigations  : and exemplified by manye Demonstrations. Wrytten in the Spanyshe tongue by Martin Curtes, And directed to the Emperour Charles the fyfte. Translated out of Spanyshe in to Englyshe by Richard Eden. London. Das Vorwort ist ediert bei  : Arber 1895, S. XL–XLII.Vgl. zur Einordnung Reimer 2006, S. 70–72. 129 Brenner 1993, S. 5–8. 130 Umfasst die Küsten der heutigen US-Bundesstaaten Florida, Georgia und North sowie South Carolina. 131 Die Ernennung Tristan de Lunas zum Befehlshaber erfolgte bereits 1558. Zu diesem Projekt siehe die übersetzte Quellenauswahl in  : Quinn NAW II, S. 199–274. Vgl. die Darstellungen Priestley 1980  ; Hoffmann 2004, S. 144–178  ; Milanich 1995, S. 136–142  ; Pickett/Pickett 2011, S. 38–46.

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als Wegpunkt zur Eroberung des lange vergeblich gesuchten paradiesischen Landes Chicora dienen könnte. Die große Expedition mit mehr als 1.500 Mitwirkenden beiderlei Geschlechts verlor jedoch direkt bei der Ankunft durch einen Hurrikan Ausrüstung, Vorräte und Transportschiffe. Versuche, im Landesinneren Verbündete zu finden, scheiterten meist, da sich viele indigene Gruppen zurückzogen  – vermutlich aufgrund früherer Kontakte unter anderem mit Hernando de Soto 1540–1541. Der Expedition blieb schließlich, um Nahrungsmittel zu erhalten, nur noch, sich bei gesprächsbereiten indigenen Anführern als Söldner zu verdingen und deren Machtposition anzuerkennen. Als de Luna diese Probleme König Philipp II. meldete, befahl dieser ihm trotzdem, den Plan unverzüglich umzusetzen und den französischen Korsaren unbedingt zuvorzukommen.132 Angesichts der nach weiteren Stürmen desaströsen Versorgungslage setzten die Untergebenen Tristan de Lunas ihn derart unter Druck, dass er sein Amt niederlegte. Auf diese Meldung hin entsandte die Krone aus Spanien einen neuen Befehlshaber und löste den Außenposten am Golf von Mexiko auf. Lunas Nachfolger brachte die Überlebenden nach Kuba, um von dort mit Verstärkungen endlich die geplante Siedlung an der Atlantikküste zu gründen, wozu ihn Phi­ lipp II. aus Sorge vor der französischen Unternehmung mehrfach persönlich drängte.133 Allerdings desertierten viele Siedler während des Aufenthaltes in Kuba und weigerten sich, nach Florida zurückzukehren. Mit einem kleineren Kontingent erreichte der Ersatzbefehlshaber schließlich 1561 sein Ziel, fand dort jedoch keinen Tiefwasserhafen vor. Nachdem ein Sturm seine Ankerkabel zerrissen hatte, kehrte er unverrichteter Dinge zurück und verfasste, nicht zuletzt um den Abbruch der Expedition zu rechtfertigen, einen kritischen Bericht, in dem er die Region als völlig ungeeignet und unrentabel für eine Kolonisierung darstellte.134 Angesichts seiner Schilderungen und der früheren gescheiterten Unternehmungen kam Philipp II. 1561 zu dem Schluss, dass in einem so unwirtlichen Land eine Kolonialisierung durch andere Mächte unwahrscheinlich war, und befahl, keine weiteren Siedlungsversuche zu unternehmen.135 Eine im Jahr 1562 aus Dieppe aufgebrochene Expedition zur Erkundung der Flussmündungen, Inseln und Buchten Floridas kam jedoch zu einer gänzlich anderen Einschätzung. Ihr Befehlshaber war der zuvor in England als Navigationsexperte tätige Jean Ribault, der im Auftrag des inzwischen offen zum Protestantismus übergetrete132 Bericht Tristan de Lunas an Philipp II. vom 24. September 1559 in  : Quinn NAW II, S. 214f. Die Solddienste werden im späteren Bericht des spanischen Geistlichen Padilla über die indigene Gruppe der Coza erwähnt, Ebd. S. 240–247, speziell S. 241. Philipp II. drängte Tristan de Luna zur Umsetzung der Pläne in einem Schreiben vom 18. Dezember 1559, Ebd. S. 221. 133 Hoffmann 2004, S. 176  ; vgl. die Berichte über das Ende der Expedition in  : Quinn NAW II, S. 271– 274. 134 Hoffman 1983, S. 68f. 135 Andrews 1978, S. 86  ; Der königliche Befehl vom 23. September 1561 ist ediert in  : Bennett 1968, S. 127.

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nen Admirals Gaspar de Coligny segelte.136 Die Konfession des Auftraggebers und die Zusammensetzung dieser ersten und der beiden folgenden Expeditionen, die nahezu ausschließlich aus Hugenotten bestanden, führten in der Forschung zu umfangreichen Diskussionen. Im Fokus stand die Frage, zu welchem Zweck dieses koloniale Projekt unternommen worden war. Sollte es eine Zuflucht für französische Protestanten, eine Basis für Angriffe auf spanische Schiffe, eine Mischung aus beidem oder ein erster Schritt zur Kolonialisierung Nordamerikas für Frankreich ohne eine bestimmte konfessionelle Präferenz sein  ?137 Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie das Projekt als eine isoliert französische Unternehmung behandeln, die dann in ihrer diskursiven Verarbeitung im weiteren Verlauf des 16.  Jahrhunderts eine grenzübergreifend protestantische Bedeutung bekommen habe.138 Dies verkennt jedoch, dass bereits die 136 Die Geschichte der ersten Expedition wird in der Forschung anhand folgender Quellen rekonstruiert  : Bericht von Jean Ribault  : Ribault 1563  : The Whole and true Discouereye of Terra Florida  ; Ndr. in Quinn NAW II, S.  285–294  ; das Manuskript publizierte Biggar 1917  ; französische Edition  : Ribault  : La complète er véridique Découverte de la »Terra Florida«, in Lussagnet 1958, S. 1–27  ; Bericht von Laudonnière, erst 1586 zusammen mit weiteren Berichten erschienen als  : Laudonnière/Basanier 1587  : Histoire Notable de la Floride située ès Indes occidentales. Zur Ausgabe vgl. Laudonnière/ Bennett 2001, S. XIXf.; französische Edition in  : Lussagnet 1958, S. 27–200  ; eine moderne englische Übersetzung in Quinn NAW II, 294–307. Die Aussage eines von Spaniern verhörten, französischen Kolonisten ediert in  : Wenhold 1959, 45–62. Hinzu kommen weitere Angaben aus inzwischen verlorenen Quellen bei Thevet in seiner Cosmographie universelle Thevet 1575 und in Popeliniére, Lancelot Voisin de la 1582  : Les Trois Mondes, vgl. Quinn NAW II, S. 307f. Siehe auch den Bericht einer spanischen Suchexpedition in  : Quinn NAW II, S. 308–316. 137 Der Forschungsstand zu den französischen Florida-Projekten ist noch umfangreicherer als bei den bisher beschriebenen Unternehmungen. Grund hierfür ist die thematische Einbindung in die USamerikanischen Historiographie sowie die diskursive Verknüpfung mit der Kolonialpromotion in England. Die Forschung war lange Zeit von gegenüber den Quellen unkritischen älteren Darstellung beeinflusst  : im englischen Sprachraum Lowery 1905, S.  51–181  ; in Frankreich  : Gaffarel 1875  ; Roncière IV, S.  46–70 und Julien 2003, S.  225–265. Überblicke zur Ereignisgeschichte bieten  : Quinn 1977, S.  240–262  ; Quattlebaum 1956, S.  46–59  ; Folmer 1953, S.  78–123  ; Gorman 1965, S. 51–66  ; Parkmann 1983, S. 52–83. Sehr idealisiernd  : Trudel 1963, S. 193–209. Mit Abwägung unterschiedlicher Zielsetzungen  : Pickett/Pickett 2011, S.  61–81  ; das Projekt nicht als kolonial, sondern nur als militärisch interpretierend  : Boucher 2007, S. 285–291. Ausführlich  : Augeron/Vidal 1999, S. 31–61. Eine Deutung als franco-spanischer Konflikte mit geringer Beachtung der Konfessionsfrage bietet Hofmann 2004, S. 205–223. Deutlich auf die konfessionelle Ausrichtung als Erklärungsschlüssel bezogen  : Bonnichon 1994, S. 82–91. Deutung als protestantische Zuflucht bei  : Baqué 1991, S. 364f. Die umfassenste Darstellung mit expliziter Kritik an historiographischen Traditionen ist  : McGrath 2000. Nur als Exzerpt zugänglich war die unpublizierte Dissertation  : Lhoumeau 2000. Die Forschungsgeschichte wird kritisch aufgearbeitet in der Dissertation Waldmann 2000, S. 191–216. Vgl. anlässlich der Neuerscheinungen zum 450-jährigen Jubiläum 2012  : Rivault 2013, S. 203–205. Zur Analyse der Quellen über Französisch-Florida im Kontext kolonialer Literatur existiert eine eigene Forschung, in der Wehrheim-Peuker 1998, Waldman 2001 und Mahlke 2005, S. 89–138 als Meilensteine gelten können. 138 Diese Konstruktion eines internationalen hugenottischen Diskurses, den besonders Lestringant betont, ist in der Forschung umstritten. Vgl. Lestringant 2004, Vorwort  ; Wehrheim-Peuker

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Ereignisgeschichte der 1562 von Ribault begonnenen Unternehmung zahlreiche Verflechtungen aufweist. Ribault beschrieb in einem unmittelbar nach seiner Rückkehr in England gedruckten Reisebericht, wie er die Küste Floridas erkundet und Tauschhandel mit den Indigenen betrieben habe, die gegenüber zukünftigen Siedlern »willingly will obaye«.139 Er kam dabei zu der den spanischen Berichten gegenläufigen Schlussfolgerung, dass dieses Land hervorragend für eine Kolonisierung geeignet sei. Neben einer in den höchsten Tönen gelobten Landesnatur, welche die Versorgung leicht mache, hob er für seine Leser besonders die wertvollen Ressourcen, zu denen auch Gold und Silber gehörten, und die Möglichkeit hervor, mystische indigene Reiche wie Chicora zu finden. Unabhängig vom werbenden Charakter seiner Aussagen muss der Eindruck vom heutigen Carolina überaus positiv gewesen sein, denn Ribault selbst und auch andere Zeugen berichteten, dass sich eine Gruppe von Freiwilligen gemeldet habe, die vor Ort bleiben, das rasch errichte Charlesfort halten und das Gebiet weiter erkunden wollten, bis er in sechs Monaten zurückkehren würde. Nach Ribaults Abreise blieben die Männer jedoch länger als ein Jahr ohne Nachricht. Ihr Verhältnis zu den Indigenen war in dieser Zeit zwar weitgehend gut, allerdings kam es unter den Kolonisten zu Konflikten mit tödlichem Ausgang. Nachdem ein Untergebener den Anführer der Gruppe im Streit erschlagen hatte, übernahm Nicolas Barré, möglicherweise derselbe Mann, der schon an der Brasilienexpedition Villegagnons teilgenommen hatte, den Befehl. Er und seine Männer bauten ein Schiff und stachen in See. Nach einer qualvollen Überfahrt, bei der es aus Nahrungsmangel auch zu Kannibalismus gekommen sein soll, nahm schließlich ein englisches Schiff die Überlebenden nahe der europäischen Küste an Bord. Dort trafen die Männer auf einen der Navigatoren Jean Ribaults. Jener konnte ihnen berichten, warum die versprochene Verstärkung nicht gekommen war  : Zum einen war in Frankreich 1562 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der die Ressourcen der Hugenotten band  ; zum anderen hatte Ribault angesichts des Krieges versucht, in England Hilfe zu finden, und saß nun dort in Haft  ; und zum dritten hatte Königin Elisabeth zwar auf Ribaults Anregung eine Flotte zur Kolonisierung Floridas aufgestellt, zu der auch das Schiff gehörte, auf dem die hungernden Kolonisten mit dem Navigator sprachen, doch der Befehlshaber der Flotte – Thomas Stucley – dachte gar nicht daran, den Atlantik zu überqueren. Der Hintergrund dieser für die Überlebenden sicherlich überraschenden Nachrichten lag im Ausbruch offener Kriegshandlungen in Frankreich nach dem Massaker 1998  ; Boucher 2008  ; Die Hervorhebung des späteren französisch-hugenottischen Diskurses gegenüber früheren Vernetzungen zeigt sich deutlich in der neuesten Quellenausgabe zum Thema Lestringnant 2012, in der alle Bezüge zu England fehlen und auf Englisch erschienene Quellen über die Projekte nicht enthalten sind. Zu der Frage nach einem genuin protestantischen Schreiben und Argumentieren siehe Mahlke 2005. 139 Ribault 1563, Zitat aus Quinn NAW II, S. 291  ; die Manuskriptausgabe Biggar 1917 ist identisch, S. 264f.

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von Vassy. Zum Schutz vor den katholischen Streitkräften wandte sich eine Deputation von Hugenotten an Elisabeth I. und vereinbarte, noch während Ribault auf See war, im Vertrag von Hampton Court/Richmond im September 1562 eine Kooperation. Die Partner machten Le Havre zum Stützpunkt für englische Truppen, welche die Hugenotten unterstützen sollten, und vereinbarten, dass zum Ausgleich später Calais an Elisabeth übergeben werden sollte. Der bekannte Publizist Richard Eden trat bei dieser Begegnung in den Dienst eines der französischen Unterhändler, Jean de Ferrières, und kehrte mit ihm nach Frankreich zurück.140 Elisabeth entsandte kurz darauf tatsächlich Truppen über den Kanal, zu denen auch der später für transatlantische Kolonialprojekte führende Humphrey Gilbert gehörte.141 Auch wenn es keine Belege dafür gibt, ist sehr wahrscheinlich, dass Humphrey Gilbert, Richard Eden und andere Engländer im Zuge dieser Kooperation neues Wissen aus dem umfangreichen Erfahrungshorizont der hugenottischen Seefahrer erwarben. Dies war die Situation, die Ribault vorgefunden hatte, nachdem er die Freiwilligen in Florida zurückgelassen hatte und in die Normandie zurückgekehrt war. Er musste erfahren, dass Admiral Coligny und die anderen Hugenottenführer keine Mittel hatten, um seinen Außenposten zu unterstützen. In dieser Situation wandte er sich nach England, wo er bereits Kontakte hatte, die ihm Bereitschaft signalisierten, ein koloniales Projekt in Florida zu unterstützen.142 Mangels Quellen kann jedoch nicht bestimmt werden, wer genau diese Kontakte waren und ob sie wirklich ein kooperatives Projekt oder eher eine englische Übernahme planten. Offenbar um Geldgeber und Befürworter zu gewinnen, erschien in London 1563 der Reisebericht Jean Ribaults in englischer Sprache im Druck, in dem insbesondere das Land, die Ressourcen und die Kooperationsbereitschaft der indigenen Bevölkerung gepriesen wurde.143 Darin wird dauerhafte Kolonialisierung als zentrales Ziel hervorgehoben  : »for in all newe discovers yt is the chef and best thinge that may be don at the beginning, to fortify and people the country which is the true and chef possesion.«144 Noch bevor die Pläne in die Tat umgesetzt wurden, endete 1563 der erste Hugenottenkrieg mit einem vorläufigen Religionsfrieden und die Elisabeth gemachten Versprechungen wurden nicht eingehalten. Die Unternehmung in Florida nahm dennoch konkrete Züge an. Elisabeth ließ unter dem Befehl des in europäischen Gewässern erfahrenen und bei Hofe gut vernetzten Freibeuters Thomas Stucley eine Flotte ausrüsten, zu der sie nach Angabe des spanischen Gesandten ein eigenes Schiff beisteuerte, 140 Das Dienstverhältnis dauerte zehn Jahre Fitzmaurice 2004, S. 33–35. 141 Herbertson 1993, S. 27f.; Quinn  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB  ; Fitzmaurice 2004, S. 39f. 142 Zur Kooperation vgl. Gorman 1965, S. 53–62  ; Lowery 1904, S. 456–459. Vgl. zur angeblich primär konfessionellen Begründung der Kooperation  : Bonnichon 1994, S. 82–91. 143 Ribault 1563. Eine vergleichende Analyse mit der Manuskriptfassung unternahm  : Biggar 1917. Bis heute ist kein französisches Original bekannt, die erste vollständige Übersetzung ins Französische erschien bei Lussagnet 1958, S. 1–27. 144 Biggar 1917, S. 264f.; vgl. Quinn NAW II, S. 293.

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und ernannte Ribault zu dessen Stellvertreter.145 Der spanische Gesandte berichtete außerdem, Ribault habe ein Haus und eine Pension erhalten, strebe allerdings mit hugenottischen Geiseln, die zur Bekräftigung des Bündnisvertrages von 1562 in England geblieben waren, eine Rückkehr an.146 Tatsächlich versuchte Ribault während der Vorbereitungen der Flotte vergeblich, mit den Geiseln zu fliehen.147 Er selbst wurde danach inhaftiert, und seine Navigatoren mussten sich der englischen Flotte anschließen. Thomas Stucley konnte fünf Schiffe ausrüsten, von denen eventuell eines ursprünglich Ribault gehörte.148 Während der Vorbereitung zeigte Stucley allerdings ein ungewöhnliches Verhalten. Er taufte alle Schiffe auf Varianten seines eigenen Namens neu, um einen persönlichen Besitzanspruch zu proklamieren, und machte geheime Offerten an die Spanier, er könne die Flotte versenken oder damit nach Spanien desertieren, wenn er dafür eine angemessene Belohnung erhalte.149 Grund hierfür war laut dem spanischen Gesandten eher die finanzielle Not Stucleys als dessen politische oder konfessionelle Überzeugung. Dies führte den Gesandten zu dem Schluss, dass von dieser Reise eher ein Raubzug als eine koloniale Unternehmung zu erwarten sei – auch wenn Stucley selbst ihm vertraulich versichert habe, dass die dauerhafte Etablierung eines Stützpunktes das Ziel sei, der entweder zur Erschließung des Landes oder als Basis für zukünftige Kaperfahrten dienen könne.150 In London erschien 1563 anlässlich des bevorstehenden Aufbruchs ein Flugblatt, dessen Autor Thomas Stucley in Versform als zweiten Kolumbus glorifizierte.151 Das eigene Vorgehen wird dabei bewusst als Anknüpfen an ein erfolgloses französisches Projekt präsentiert  : »Then might it seem to me / the Frenches labour lost / Their careful pain and travail eke / That they therein have cost.« Durch seine Tugend, worin er den Helden 145 Zu Thomas Stucley und speziell seiner Mitwirkung an diesem Projekt vgl. Izon 1956, S. 22–53  ; Tazón 2003, S. 62–71  ; Kupperman 2008, S. 45–47 und 51  ; Connor 1927, S. 8–12  ; sowie Pollard  : Stucley  ; Holmes  : Stucley, Thomas. In  : ODNB. Ein Befehl Elisabeths, die Flotte Stucleys in allen Häfen zu unterstützen, wird benannt in  : CMS Vol. 1 (1306–1571), Nr. 891, S. 273. The Queen to the Earl of Sussex, am 30. Juni 1563  ; vgl. A collection of state Papers, Relating to Affairs in the Reigns of King Henry VIII, King Edward VI, Queen Mary and Queen Elizabeth, Vol. 1 (1542–1570), S. 401. 146 Brief vom 26. Juni 1563, ediert in  : Bennett 1968, S. 134f.; Nach Izon 1956 gehörte jedoch keines der Schiffe der Königin, die aber Kanonen und Munition aus ihren Magazinen zur Verfügung gestellt habe. 147 Informationen über die Vorbereitung der Flotte finden sich vornehmlich in den Spionageberichten des spanischen Gesandten in London und seiner Informanten. Siehe Bennett 1968, S. 123–182. Bennett belegt seine Auswahl mit  : Martin A.S. Hume  : Calendar of Letters and State Papers 1558–1567, Vol. 1  ; S. 322, 334, 337, 485, 488, 493, 495, 502, 536 und 551. Vgl. Zu den Berichten Izo 1956, S. 38f. 148 Bennett 1968, S. 131, spanischer Bericht o.D.; vgl. Gorman 1965, S. 62. Nur Pollard gibt sechs Schiffe an. Pollard  : Stucley. 149 Bennett 1968, S.  131, spanischer Bericht o.D. und ebd. S.  132f., Bericht vom 19. Juni 1563  ; vgl. Kupperman 2008, S. 45. 150 Bennett 1968, S. 137, Bericht vom 8. Oktober 1565. 151 Robert Seall 1563 A comendation of the adueterus viage of the wurthy Captain. M. Thomas Stutely Esquyer and others, towards the land called Terra florida, London.

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der Antike gleiche, werde Stucley jedoch triumphieren und alle Zweifler, die das Unternehmen nicht unterstützen, eines Besseren belehren. Stucleys Taten entsprachen jedoch nicht diesen Ankündigungen. Statt nach Amerika zu segeln, unternahm er eine mehrjährige Kaperfahrt vor den Küsten Frankreichs und Spaniens, die überaus erfolgreich war und zu Protesten aus Portugal, Spanien und Frankreich führte.152 Hierbei nahm er schließlich auch die oben genannten Überlebenden von Ribaults erstem Außenposten an Bord. Einige von ihnen setzte er in Frankreich an Land, andere verschleppte er nach England, wo sie vermutlich über ihre Erfahrungen in Florida berichteten.153 In Frankreich selbst setzten nach dem Friedensschluss von 1563 Admiral Coligny und die Regentin Katharina de Medici das koloniale Engagement in Florida mit zwei weiteren Expeditionen fort. Für Coligny bot die Entsendung nahezu ausschließlich aus Hugenotten bestehender Expeditionen mehrere Chancen.154 Er konnte so für sich selbst Ruhm erwerben, die Stellung der Hugenotten durch diesen Dienst für die Krone verbessern und durch die Kolonialisierung potentiell goldhaltiger Landschaften und Kaperfahrten Profite generieren. Sollte es dabei zu einer Konfrontation mit Spanien kommen, konnte dies – sofern sie nicht von den Kolonisten ausging – die Franzosen gegen einen gemeinsamen Feind vereinen und die internen Konflikte beenden. Der ihm unterstellte Plan einer Massenauswanderung der Hugenotten war dafür nicht notwendig und hätte letztlich deren Position in Frankreich geschwächt. Da Ribault 1564 noch in England in Haft war, übernahm sein ehemaliger Mitreisender René de Laudonnière den Befehl über die zweite Florida-Expedition, die ein dauerhaftes Fort errichten und das Land erkunden sollte. Die dritte Expedition, die zur Verstärkung des Forts entsandt wurde, konnte Ribault hingegen nach seiner Entlassung und Rückkehr nach Frankreich 1565 selbst leiten.155 Da die Ereignisge152 Mit Belegen zu den Protesten Pollard  : Stucley  ; Erst einige Jahre später wurde Stucley verhaftet, aber auf die Wirkung von Fürsprechern hin freigelassen. Er begab sich nach Spanien, wo er vergeblich versuchte, Unterstützung für die Eroberung Irlands zu erhalten. Danach bemühte er sich in Rom um päpstliche Hilfe für sein Vorhaben und schloss sich schließlich 1578 dem verhängnisvollen Kreuzzug des portugiesischen Königs gegen Marrokko an. 153 Zum Umgang mit den Gefangenen, vgl. Tazón 2003, S. 69f. 154 Vgl. Augeron 1997  ; Augeron 2012a  ; McGrath 2000, S. 50–67. 155 Die zentralen Quellen zur Rekonstruktion der Ereignisse sind  : Der Bericht von Laudonnière, erschienen als Laudonnière/Basanier 1586, englische Übersetzung Quinn NAW II, S. 319–361 – über die zweite Reise S. 319–353, über die Ankunft von Ribault und die Zerstörung des Forts, S. 353–361  ; Qualitativ aufgrund von Fehlern in Einleitung und Anmerkungen bedenklich ist die Neuübersetzung  : Laudonnière/Lawson 1992. Eine gelungene, neuere englische Edition des Textes bietet Laudonnière/Bennett 2001  ; Französische Edition in  : Lussagnet 1958, S.  27–200, zur zweiten Reise S. 81–164, zur Ankunft Ribaults und der Zerstörung des Forts S. 165–186  ; Eine neuere französische Edition bietet Lestringant 2012, allerdings mit einer im Vergleich zu Lussagnet 1958 reduzierten Textauswahl. Neben dem zweifellos zentralen Text von Laudonnière ist eine weitere wichtige Quelle der Bericht des Malers der Expedition, Jacques Le Moyne de Morgues. Sein Bericht erschien 1591

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schichte beider Unternehmungen bereits vielfach beschrieben worden ist, sei an dieser Stelle nur auf zwei zentrale Problemfelder verwiesen, denen sich zunächst Laudonnière mit seinem Gefolge von ca. 300 Mann und weniger als fünf Frauen in Florida gegenübersah. An erster Stelle ist hier sein Umgang mit den Indigenen zu nennen.156 Bei seiner Ankunft konnte er an gute Beziehungen anknüpfen, die auf der ersten Reise unter Ribault basierten. Laudonnière berichtete, die Indigenen hätten die damals errichteten französischen Hoheitszeichen seitdem buchstäblich kultisch verehrt.157 Alle indigenen Gruppen, auf die er traf, waren seinen Angaben nach zum Tauschhandel bereit und hätten ihm von Gold- und Silbervorkommen berichtet, die sich auf dem Gebiet ihrer jeweiligen Feinde befänden, gegen die sie gemeinsam mit ihm zu Felde ziehen könnten. In einigen Fällen hätten die indigenen Anführer sogar direkt Silber für Kriegsdienste Laudonnières angeboten, was als Hinweis auf deren Erfahrungen aus früheren Kontakten mit Europäern gelten kann. Es zeigt sich, dass Laudonnière sein Fort Caroline in einem Gebiet mit einer komplexen politischen Struktur errichtet hatte, in dem generationenüberdauernde Bündnisse und Feindschaften sowie ein militärisches und diplomatisches Prozedere eta­bliert waren. Dies hätte erhebliches Fingerspitzengefühl erfordert, das Laudonnière vor dem Hintergrund seines Glaubens an eine völlige eigene Überlegenheit jedoch nicht aufbringen konnte. Zwar sammelte er Informationen über die Bräuche der Indigenen, bemühte sich alle von ihm als Könige identifizierten Anführer der Region zu treffen und nahm alle Allianzangebote an, konnte jedoch nur einen Bruchteil davon umsetzen. Seine widersprüchlichen Bündnisse mit immer mehr indigenen Gruppen wollte er nutzen, um den Weg zu Goldminen zu sichern und alle Einwohner der Region auf Deutsch bei Theodor de Bry und ist in englischer Übersetzung ediert in  : Bennett 1968, S. 89– 122  ; vgl. auch den Bericht John Sparks, eines Gefolgsmanns des Engländers John Hawkins, ediert in  : Quinn NAW II, 364–370  ; und den Bericht des Zimmermanns Le Challeux 1566  : Discourse de l’Histoire de la Floride contenant la Cruauté des espagnols contre les subjets du Roy, en l’an mil cinq cens soixante cinq, zeitgenössisch in Dieppe gedruckt, ediert in  : Lussagnet 1958, S. 201–240, englische Ausgabe in  : Quinn NAW II, 370–379  ; Die Originalausgabe von Le Challeux enthielt als Anhang einen Aufruf der Witwen und Waisen der getöteten Kolonisten an den französischen König  : Item une Request au Roy faite en forme de complainte par les femmes vevfes, petits enfans orphelins et autres leurs amis, parens et alliez de ceux qui ont esté cruellement envahis par les Espagnols en la Françe Anthartique, dite la Floride, Titel zitiert nach  : Lussagnet 1958, S. 201. Der Text ist ediert ebd. S. 234–239  ; Zu diesem Anhang siehe Waldman 2001, S. 133–138  ; weitere kleinere Quellen sind ediert bei Quinn NAW II, S. 379f. und S. 361–363  ; lediglich eine Kompilation anderer Texte mit Abbildungen ist hingegen Anonymus  : Coppie d’une lettre venant de La Floride. envoyée à Rouen, Paris 1566, siehe dazu Laudonnière/Bennett 2001, S. XVII und Parkman 1983, S. 22  ; Quellen über die spanische Expedition, die gegen die Kolonie gesandt wurde, vervollständigen die Materialbasis, siehe dafür  : Quinn NAW II, S. 382–463. 156 Vgl. die Artikel von Boucher 2009 und Fishmann 1995. 157 Zu unterschiedlichen zeitgenössischen Sichtweisen auf diese Verehrung siehe Mahlke 2005, S. 89– 138.

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zu einem Frieden unter französischer Hegemonie zu bewegen. Die Unmöglichkeit, einander widersprechende Allianzen zu achten, verschlechterte jedoch die franko-indigenen Beziehungen insgesamt. Als Laudonnière auch noch gewaltsam gegen seine Verbündeten vorging, um von ihnen im Kampf gefangengenommene indigene Gegner freizupressen, die er dann zugunsten neuer Allianzen freiließ, nahmen die Spannungen weiter zu. Auch wenn es über kleinere Angriffe hinaus nicht zum offenen Kampf kam, forderten die Indigenen mehr Waren für immer geringere Nahrungsmittellieferungen, so dass Hunger und Krankheiten im Fort schwere Auswirkungen hatten.158 Die Folge war, dass die Franzosen nach einigen Monaten angeblich notgedrungen Geiseln nahmen und die Indigenen zwangen, überlebensnotwendige Vorräte zu teilen. Neben den äußeren Konflikten musste sich Laudonnière mehrfach mit Unruhen unter seinen Männern auseinandersetzen, obwohl bei seinem Projekt im Gegensatz zu den beiden Vorläufern zunächst keine Strafgefangenen als Siedler deportiert wurden und alle Kolonisten der gleichen Konfession angehörten.159 Der mitreisende Maler Le Moyne schrieb dafür in seinem Reisebericht besonders den mitreisenden Adeligen die Verantwortung zu, die ihre Sonderstellung missachtet sahen und denen verweigert worden sei, frei nach Gold zu suchen.160 Die Lage verschärfte sich, als ein Schiff eintraf, mit dem zwar einige Unzufriedene nach Frankreich zurückkehren konnten, dessen Kapitän aber Laudonnière nötigte, im Gegenzug rebellische Seeleute und straffällig gewordene Männer in die Kolonie aufzunehmen.161 Dies verschärfte die internen Spannungen soweit, dass zwei Gruppen Waffen, Munition und zwei beim Fort Caroline befindliche kleinere Segelschiffe in ihre Gewalt brachten. Sie erzwangen von Laudonnière, der eigentlich den Befehl hatte, Frieden mit spanischen Schiffen und Kolonien zu halten, eine Erlaubnis, auf Kaperfahrt gehen zu dürfen und verließen dann das Fort. Eine der beiden Gruppen kehrte kurz darauf mangels Nahrung zurück und kapitulierte, die andere kaperte spanische Schiffe und segelte bis nach Havanna, wo sie überwältigt wurde. In Gefangenschaft berichteten die Meuterer dann ausführlich über die Kolonie, die für die spanische Obrigkeit somit, wie erwartet, nur als ein Piratenstützpunkt gelten konnte. Die Lage für Laudonnière und seine Männer war 1565 aufgrund der zwei skizzierten Problemfelder kritisch. Nahrungsmangel, Verlust von Ausrüstung und das Ausbleiben von Nachrichten oder Verstärkung brachten ihn dazu, die Abreise vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt kam eine englische Flotte unter John Hawkins auf dem Rückweg 158 Laudonnière selbst schildert allerdings, dass dies auch an der seminomadischen Lebensweise liegen würde, siehe Lussagnet 1958, S. 48. 159 Dies wird in allen zitierten Darstellungen thematisiert. Dennoch gibt Renaud an, mit einer Untersuchung dieses Aspektes einen neuen Blick auf die Geschichte gescheiterter Kolonialprojekte eröffnet zu haben, Renaud 2011. 160 Le Moyne, Edition in  : Bennett 1968, S. 95–99. 161 McGrath 2000, S. 106.

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aus der Karibik beim Fort Caroline vorbei.162 Nach anfänglichem Misstrauen schlossen beide Seiten ein Geschäft ab. Hawkins überließ den Franzosen eines seiner Schiffe mit Vorräten und erhielt dafür die meisten ihrer Kanonen. Gegen einen Wechsel und sein Ehrenwort erhielt Laudonnière noch weitere Ausrüstung und lobte Hawkins dafür in seinem Bericht ausführlich.163 Einer von Hawkins’ Begleitern bestätigte in einem eigenen Bericht die Schilderung der Begegnung, hob aber darüber hinaus besonders die Armut und den schlechten Zustand der Kolonie hervor. Er gab die Schuld dafür den Franzosen selbst, die eher nach Gold jagten und die Indigenen ausnutzten, als sich um den Ausbau der Siedlung zu kümmern  : »but they being soldiers, desired to live by the sweat of other mens browes«.164 Mit vielen und gut motivierten Männern lasse sich hingegen erheblicher Reichtum, speziell Gold und Silber, in Florida gewinnen, auch wenn das häufige Scheitern der Spanier beweise, wie gefährlich die Indigenen seien. Nachdem Hawkins mit seiner Flotte abgereist war, befahl Laudonnière, die Befes­ tigungen zu zerstören und das Schiff zu beladen. Noch bevor diese Arbeiten abgeschlossen waren, sichtete ein Spähposten jedoch eine weitere Flotte. Es handelte sich um Ribault, den Admiral Coligny und Katharina de Medici mit der geplanten umfangreichen Verstärkung, darunter auch mehrere Familien mit Kindern, entsandt hatten. Seine Abreise hatte sich allerdings durch unzureichende Finanzierung und widriges Wetter erheblich verzögert. Ribault berichtete Laudonnière, dass die nach Frankreich zurückgekehrten Männer sich über dessen Amtsführung beschwert hätten, so dass er jetzt an dessen Stelle der alleinige Befehlshaber sei. Dennoch forderte Ribault Laudonnière auf, vorerst zu bleiben und das Fort mit ihm wieder aufzubauen. Diese Arbeiten und die Entladung der Schiffe waren noch nicht abgeschlossen, als die Späher eine weitere Flotte meldeten. Diesmal war es eine spanische Streitmacht, die Philipp II. persönlich unterstützt und mit der Vernichtung des französischen Außenpostens beauftragt hatte.165 Ribault befahl, alle kampffähigen Männer einzuschiffen, um die Spanier auf See zu stellen. Ein aufkommender Hurrikan machte diesen 162 Zum Besuch Pennington 1931  ; nach Andrews war dies Teil einer umfassenden Strategie, um dauerhaft englischen Einfluss in der Karibik zu etablieren, Andrews 1978, S. 120  ; vgl. Ders. 1984, S. 122–124. 163 So heißt es in einer Glosse »Grande humanité et libéralité du general anglois« siehe Lussagnet, S. 162  ; Zur Beschreibung von Hawkins’ Besuch ebd. S. 159–163. Zu beachten ist, dass die Erstausgabe 1586 in einem deutlich proenglischen Kontext stand. Zum Kontext der Publikation siehe Kapitel 3.2. Daher wurde auch in der Widmung an Walther Ralegh die englische Unterstützung deutlich gelobt, siehe Lussagnet 1958, S. 29–34. 164 Der Bericht erschien bereits in Hakluyt PN 1589, S.  537–543, eine modernisierte Ausgabe in  : Quinn NAW II, S. 363–370, Zitat S. 367. 165 Eine vergleichende Betrachtung der unterschiedlichen Berichte über die folgende Konfrontation bietet McGrath 2000, S. 171–184  ; Zu den Ereignissen ebd. S. 115–156. Ebenfalls auf Unterschiede zwischen den Berichten verweist Lussagnet 1958 in ihren Anmerkungen S. 171. Generell existiert eine umfangreiche Forschung zur Organisation der spanischen Expedition und zu den damit verbundenen Plänen für die Etablierung einer dauerhaften Präsenz in Florida. Vgl. Paar 1999  ; Lyon 1993 II,

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Plan jedoch obsolet. Im Sturm sank ein großer Teil der französischen Schiffe, wohingegen den Spaniern eine Landung an der sandigen Küste und ein nächtlicher Marsch zum Fort gelangen. Die spanische Streitmacht überfiel das Fort und besiegte die wenigen, überraschten Verteidiger ohne Mühe. Über die Ereignisse schrieben Laudonnière, der Maler der Expedition Le Moyne und ein weiterer Überlebender, der Handwerker Le Challeux, überaus dramatische und im Stil der Schilderungen von Grausamkeiten aus den europäischen Konfessionskonflikten gehaltene Berichte.166 Sie stellten den Angriff der Spanier als ein Massaker an allen im Fort befindlichen Männern, Frauen und Kindern dar. Der spanische Befehlshaber Pedro Menéndez de Avilés hob in seinen Berichten hingegen die Schonung der Frauen und Kinder hervor und betonte, auch Engländer im Fort angetroffen zu haben, was eine große antispanische Piratenverschwörung beweise.167 Am Morgen nach der Eroberung des Forts ergaben sich den Spaniern mehr als 200  Schiffbrüchige aus Ribaults Flotte, die auf verschiedenen Sandbänken gestrandet waren.168 Sie wurden bis auf wenige Minderjährige hingerichtet. Unter den Getöteten war auch Jean Ribault, dessen Exekution der spanische Befehlshaber damit rechtfertigte, dass Ribault durch sein Wissen und seine guten Beziehungen zu den Engländern zu gefährlich sei, um ihn am Leben zu lassen.169 Laudonnière, der nach einer Flucht in die Wälder von einem französischen Schiff aufgenommen wurde, gab in seinem Bericht dem verstorbenen Ribault die Schuld am Untergang der Kolonie.170 Jener hätte viel zu lange gebraucht, um die Kolonie zu erreichen, und gegen allen Rat den Plan durchgesetzt, die Spanier auf See zu stellen. Seine Version wurde vom Maler Le Moyne bestätigt, während der Handwerker Le Challeux die Ereignisse zum Teil als unabwendbare Strafe Gottes deutet, die durch Laudonnières schlechte Vorkehrungen noch verschlimmert worden sei. Als die Nachricht über die Ereignisse Europa erreichte, blieb die Reaktion der französischen Obrigkeit eher verhalten.171 Katharina de Medici forderte zwar durch diplo­ S. 281–296  ; Hoffmann 2004, S. 224–266  ; Sowie die beiden Aufsätze über die Pläne des spanischen Befehlshabers  : Lyon 1988 und Lyon 1989. 166 So Challeux 1566 und Laudonnière/Basannier 1586  ; Le Moyne 1591 für Editionen siehe die Überblicksfußnote zu den Quellen FN 155. 167 Brief des Befehlshabers Menéndez vom 15. Oktober 1565 an Philipp II., in  : Bennett 1968, S. 161– 176.Vgl. mit Angaben zum weiteren Schicksal der Gefangenen Franzosen  : Lyon 1971. 168 Allerdings besteht in den Quellen Uneinigkeit darüber, ob der spanische Kommandant ihnen Pardon versprochen und damit sein Ehrenwort gebrochen habe. In jedem Fall ist die Exekution mehrerer Dutzend gefesselter französischer Soldaten und Seeleute in Quellen beider Seiten belegt. 169 Brief vom 15. Oktober 1565 an Philipp II. in  : Bennett 1968, S. 161–176, hier S. 174  ; vgl. Tazón 2003, S. 71. 170 In der französischen Edition Lussagnet 1958, S. 185f., in der englischen Edition Quinn NAW II, S. 353–361, speziell 357. 171 Quellen hierzu sind ediert bei Quinn NAW  II, S.  464–472  ; vgl. Bennett 1968, S.  179–182  ; zur Reaktion auf die Ereignisse siehe die Übersicht Augeron 2012b.

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matische Kanäle genaue Auskunft, die Freilassung eventueller Gefangener und Entschädigung, aber eine diplomatische Annäherung an Spanien wollte sie nicht ernstlich gefährden, auch wenn sie in einem Brief andeutete, dass dieses Massacre die derzeit verhandelte Brautwahl ihres Sohnes beeinflussen könnte. Auch Coligny und seine Anhänger verhielten sich still, und der ihm 1566 vorgelegte Bericht Laudonnières wurde erst 20  Jahre später publiziert. In England wurde die Nachricht zwar zur Kenntnis genommen, löste aber ebenfalls keine unmittelbaren Reaktionen aus.172 Während die französische Obrigkeit passiv blieb, erschien 1565 ein Requeste an den Herrscher im Namen der Witwen und Waisen der Kolonisten, die »sont esté cruellement massacrez par les espagnols« im Druck.173 Der Autor schilderte mit drastischen Worten die Ereignisse in Florida, berichtete von angeblich mehr als 800 Toten und propagierte Vergeltung als Pflicht des Souveräns gegenüber seinen Untertanen. Weitaus weniger appellierend, aber in seinem Stil überaus dramatisch war der im selben Jahr erschienene, mehrfach nachgedruckte Bericht des Kolonisten Le Challeux, der mit Laudonnière den Angriff überlebte.174 Der Text ähnelt der Erzählung Hans Stadens im Gebrauch der Ego-Perspektive, der konfessionellen Aufladung und dem Motiv der Errettung durch Gottvertrauen und war ebenfalls ein beachtlicher kommerzieller Erfolg. Im Gegensatz zum Autor des Requeste forderte Le Challeux allerdings nicht Vergeltung, sondern schlussfolgert, dass die Spanier von Gott als Strafe dafür gesandt worden seien, dass die Hugenotten ihre Familien und ihr Heimatland verlassen hätten. Dort zu bleiben und füreinander einzustehen, sei gottgefällig. Diese relativ friedliche Botschaft des Autors untergrub der Herausgeber allerdings dadurch, dass er den Requeste als Anhang hinzufügte. In Reaktion auf diese dramatischen Schilderungen rüsteten französische Hugenot­ ten eine privat finanzierte Vergeltungsexpedition aus. Unter dem Befehl des erfahrenen katholischen Freibeuters Dominique de Gorgues, den Coligny schon früher protegiert hatte, griffen sie 1567 erfolgreich einen spanischen Außenposten an, was Le­s trin­ gant als »un total succès« kommentierte.175 Ein anonymer Bericht über Gorgues’ Tat, dessen Autor sie als Akt zur Wiederherstellung der Ehre der gesamten Nation insze-

172 CSP Foreign, Elizabeth 1558–1589, Vol. 7 (1564–1565), S. 581 Nachricht am 13. Dezember 1565 über einen spanischen Angriff auf Ribault  ; CSP Foreign, Elizabeth 1558–1589, Vol. 8 (1566–1568), S. 9. Brief von Thomas Smith an den Earl of Leicester am 23. Januar 1566, dass die Spanier alle Franzosen in Florida erschlagen hätten. 173 Anonymus 1565  : Requeste au Roy, faite en forme de complainctes par les femmes vefves & enfans orphelins, parens & amis de ses subiects, qui ont esté cruellement massacrez par les espagnols en la Françe Antarctique, nomee la Floride. Ndr. In  : Gravier 1872  ; vgl. die Edition Lussagnet 1958, S. 201–240. Siehe zum Werk auch Waldman 2001, S. 133–138. 174 Anonymus 1565  ; Für das erste Jahr verzeichnet Alden 1980 I vier Ausgaben in Dieppe, Lyon und Paris. Lestringant 2004, S. 232 nennt hingegen fünf Ausgaben. 175 Lestringant 1982, S. 8.

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niert, erschien 1568 im Druck.176 Darin fand sich eine erneute, überaus detailreiche Darstellung des sogenannten Massakers, die sich an den bereits erschienenen orientierte, und ein finaler Appell für eine koloniale Expansion im Bündnis mit den Indigenen, welche unter den Spaniern angeblich litten und sie hassten. Die zusätzlichen, positiven Auswirkungen dieser Allianz für die Missionierung hebt der Autor durch die Erzählung hervor, dass es den Franzosen 1567 erst gelungen sei, die misstrauischen Indigenen von ihrer Identität zu überzeugen, als sie auf deren Aufforderung die richtigen, also von Protestanten favorisierte Psalmen gesungen hätten.177 Auch in England wurde die Zerstörung des spanischen Außenpostens 1568 rezipiert.178 Die ranghohen Amtsträger im Umfeld der Krone hatten allerdings relativ wenig Interesse an den Ereignissen in Florida, nachdem die englische Beteiligung hinfällig geworden war. Dies wird bereits daran offensichtlich, dass in den State papers fälschlicherweise Villegagnon als Befehlshaber der Kolonie bezeichnet wird.179 Auch die Meldung, die der Gesandte aus Spanien über die Zerstörung der Kolonie schickte, war falsch und von Stereotypen über Amerika geprägt  : »the french in Florida have been killed and eaten by the people.«180 Interessierten Personen wie John Hawkins oder dem früher in Frankreich stationierten Humphrey Gilbert standen jedoch ausführlichere Informationen zur Verfügung. Thomas Hacket, der schon Ribaults Bericht von 1563 verlegt hatte, publizierte eine englische Übersetzung von Le Challeux’ Bericht ohne den Requeste-Anhang.181 Außerdem siedelte sich der Überlebende Maler Jacques le Moyne im ehemaligen Dominikanerkonvent der Blackfriars in London an.182 Er bear176 Anonymus 1586  : Histoire Memorable de la reprinse de l’Isle de la Floride faicte par les François sous la conduite du Captain Gourges, Paris  ; eine zweite Auflage erschien im selben Jahr. Eine ausführliche Edition anhand eines Vergleich der Druckversionen und einer Manuskriptvorlage bietet  : Lussagnet 1958, S. 241–251. Eine alternative Edition aufgrund eines Vergleichs mehrerer Manuskriptfassungen ist ediert in  : Lestringant 2012, S. 131–133, zu den verwendeten Versionen und ihrem unterschiedlichen Erscheinen, S.  128. Der Bericht erschien in gekürzter Fassung als Teil von Laudonnière/ Basanier 1586, siehe die Edition Lussagnet 1958, S. 187–200. Die Folge war, das aus Untergang und Rache eine abgeschlossene Narration entstand. Siehe zur Deutung, Waldman 2001, S. 139 und S.  158–161  ; Mahlke 2005, S.  229–239. Englische Ausgaben in Bennett 1968, S.  182–228  ; vgl. Quinn NAW II, S. 568–572. 177 Edition in  : Lussagnet 1958, S. 243. Diese Szene interpretiert Wehrheim-Peuker als Beleg für das Ziel des Autors, eine calvinistische Diskursgemeinschaft anzusprechen und damit zugleich zu kreiieren, siehe Wehrheim-Peuker 1998, 230f. Vgl. Mahlke 2005, S. 233f. 178 CSP Foreign, Elizabeth, 1558–1589, Vol. 8 (1566–1568), S. 487, Bericht vom 23. Juni 1568. 179 CSP Foreign, Elizabeth, 1558–1589, Vol. 7 (1564–1565), bspw. Robert Howe an den Earl of Leicester am 30. Juni 1565, S. 399. Auch die Nachricht von Thomas Smith an den Earl of Leicester vom 23. Januar 1566 ist sehr knappgehalten, siehe CSP Foreign, Elizabeth 1558–1589, Vol. 8 (1566–1568), S. 9. 180 CSP Foreign, Elizabeth, 1558–1589, Vol. 7 (1564–1565), Robert Howe an den Earl of Leicester am 30. Juni 1565 S. 399. 181 Le Challeux 1566a  : A true and perfect description of the last voyage or Navigation attempted by Capitaine Iohn Rybaut, deputie and generall to the french men, into terra Florida, this yeare past, 1565. 182 Sein eigener Bericht erschien erst 1591 bei Theodor de Bry, dafür mit Illustrationen  : Le Moyne 1591.

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beitete dort mehrere Aufträge für kolonialaffine Kreise und half bei der Vorbereitung englischer Expeditionen. Die Herrscher von Frankreich unterstützten in den folgenden Jahren keine weiteren kolonialen Projekte, unter anderem da von 1567–1570 weitere Kriege zwischen Hugenotten und Katholiken ausbrachen, an denen sich auch auswärtige Mächte beteiligten. Insbesondere die spanische Unterstützung für die katholische Seite war dabei umstritten und steigerte sicherlich die Aufmerksamkeit für den Bericht über Gorgues’ Vergeltungsexpedition und dessen gleichermaßen gesamtfranzösische wie antispanische Narration. Zwar verzeichneten spanische Quellen immer wieder Aktivitäten in Florida, teilweise auch Angriffe auf Forts, doch für koloniale Projekte, die mit Wissen der Obrigkeit geplant und auf Dauer angelegt waren, fehlen Hinweise.183 Möglich ist allerdings, dass überlebende Franzosen, ähnlich wie in Brasilien, noch längere Zeit unter indigenen Verbündeten lebten, deren Lebensweise annahmen und gemeinsam mit ihnen als Handelspartner oder für Überfälle zusammenarbeiteten.184 Zur historiographischen Deutung der Unternehmungen in Florida ist insgesamt festzuhalten, dass sie wesentlich von deren gewaltsamem Ende her geprägt ist. Die internen Konflikte und die spannungsreiche Politik gegenüber den Indigenen verblassen in vielen Studien gegenüber dem Angriff der Spanier und seiner Analyse als Teil eines umfassenden Konfessionskonfliktes, der in Florida, Frankreich, den Niederlanden und in anderen Teilen Mitteleuropas realiter, wie auf der Diskursebene ausgetragen wurde. Dieser Fokus hat zwei Folgen. Bezüglich der historischen Ereignisse wurde einerseits die im Detail bekannte und erforschte anglo-französische Verflechtung in Analysen und Darstellungen mit breiterer Perspektive ausgeblendet und die Ereignisgeschichte als dezidiert »französisch« konstruiert. Dies zeigt sich deutlich im Titel von Lestringants Quellensammlung, in dem er die Zerstörung von Fort Coligny als »Saint Barthélemy au Nouveau Monde« bezeichnet.185 Andererseits nahmen aber teilweise dieselben Historiker eine weite Perspektive auf die europäischen Diskurse ein und betonten deren grenzübergreifende und dezidiert konfessionell geprägte Vernetzung.186 Diese Interpretation eines internationalen protestantischen Diskurses führt jedoch zur Vernachlässigung der von den Zeitgenossen zugleich vorgenommenen Konstruktion einer dezidiert französischen protonationalen Kolonialgeschichte. Beide Perspektiven, die Ereignis- und die Diskursgeschichte, weisen somit tendenziell ein exakt gegenläufiges Defizit auf. Vom Ende der 1560er bis zum Beginn der 1570er Jahre zeichnete sich allmählich eine umfassende Veränderung der bisherigen kolonialen Vorgehensweise von Akteuren aus 183 Hoffman 2004, S. 274–279. Bietet eine Sammlung der Indizien für kleinere französische Unternehmungen in den Jahren 1571, 1575 und 1576. 184 Hoffmann 2004, S. 176. 185 Lestringant 2012. 186 Leitthese der Werke von Lestringant. Siehe seine Stellungnahme gegen Kritik  : Lestringant 2004, S. 12f.

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England und Frankreich ab, die in den im nächsten Kapitel behandelten Jahrzehnten an Trennschärfe gewann. Eine zentrale Figur war dabei Humphrey Gilbert, der 1562 auf Seiten der Hugenotten in Frankreich gekämpft hatte. Im Jahr 1566 ließ er bei Hofe eine Denkschrift mit dem Titel A discourse of a discouerie for a new passage to Cataia zirkulieren, mit der er für die Suche nach einer Nordwestpassage warb.187 Sein Projekt stellte einen Eingriff in die Interessen und Rechte der Muscovy Company dar, als deren Konkurrent er sich auch inszenierte.188 Über den Fernhandel hinaus nennt Gilbert in seinem Discourse allerdings nach seiner Rückkehr aus Frankreich auch weitere Ziele, die von einer mehrjährigen Dienstzeit in Irland geprägt waren. Dort war er an den zum Teil gewaltsamen Kolonisierungsprojekten des Lord Deputy Henry Sidney beteiligt gewesen. Im zehnten Kapitel entwirft er mit knappen Worten eine koloniale Vision für eine Siedlung in Asien und in »some conuenient place of America […], wheras it shal seeme best for the shortening of the voyage.«189 Dies böte den Vorteil, einen Absatzmarkt für Fertigwaren zu erhalten, Arbeitsplätze in England zu schaffen und die Auswanderung unzufriedener und unruhiger Untertanen zu erzwingen. Obwohl Gilbert diese Vorzüge und darüber hinaus Gold, Silber, Seide und Gewürze in Aussicht stellte, fand sein Projekt 1566 keine Unterstützer. Neben der Konkurrenz durch die Muscovy Company gilt hierfür in der Forschung der Unwille der Königin, Philipp II. zu provozieren, als ein wichtiger Grund.190 Dass Gilbert nur eine von mehreren Personen war, die in England an den beiden Amerikas interessiert waren, belegen die Übersetzung sowohl von Le Challeux’ Floridabericht 1566 als auch von André Thevets Werk über die Brasilienreise mit Villegagnon 1568. Hinter beiden Publikationen stand der aus Frankreich stammende Verleger Thomas Hacket, der bereits den ersten Floridabericht von Ribault publiziert hatte.191 Auffällig ist, dass in der Übersetzung Thevets Bezeichnung für die Kolonie »FranceAntarctique« aus dem Titel entfernt und durch die Bezeichnung »The new found worlde or Antarctike« ersetzt wurde. Hinzu kam an dieser prominenten Stelle der Hinweis auf Gold- und Silberminen.192

187 Eine Druckfassung erschien zehn Jahre später  : Humphrey Gilbert  : A discourse of a discouerie for a new passage to Cataia. VVritten by Sir Humfrey Gilbert, Knight, London 1576, online verfügbar auf EEBO (ohne Seitenzählung). Edition in  : Quinn 1940 I, S. 129–165  ; vgl. Parker 1965, S. 64f. Einen ersten Kommentar zu der Eingabe verfasste William Cecil, danach begutachteten Mitglieder der Muscovy Company, Quinn 1940, S. 6–10. 188 Dies zeigt die Überschrift des neunten Kapitels  : »How that this passage by the Northwest, is more commodious for our traffike, then the other by the Northeast, if there were any such.« 189 Ebd. Kapitel 10, Unterpunkte 4 und 5. 190 Quinn 1999, S. 13f. vgl. Ders. 1940, S. 10f.; Andrews 1984, S. 167f. 191 Duff 1948, S. 63. 192 Thevet 1568  : The new found worlde or antarctike wherein is contained wonderful and strange things, […] London 1586.

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Die Königin und ihre führenden Berater änderten ihre zunächst zögerliche Haltung binnen weniger Jahre. Ein Grund dafür war der Ausbruch offener Gewalt in den niederländischen Provinzen und die 1567 dort begonnene Militärkampagne des H ­ erzogs von Alba, die eine deutlich antiprotestantische Stoßrichtung besaß. Führende Protestanten aus den Niederlanden wandten sich mit der Bitte um Unterstützung an Elisabeth, die zunächst zögerte, dann aber zu einer verdeckten Unterstützung bereit war. Im Jahr 1569 trieb dann ein Sturm ein spanisches Schiff mit der Kriegskasse des Herzogs von Alba in einen englischen Hafen.193 Im Auftrag der Königin wurde das Geld  – das offiziell italienischen Bankiers gehörte – in einen Kredit an die englische Krone umgewandelt und somit einbehalten. Alba reagierte mit der Konfiskation englischer Schiffe und Waren, womit er entsprechende Maßnahmen gegen kastilische Schiffe in England provozierte. Die dadurch aufkommende antispanische Stimmung verschärfte sich zusätzlich durch Berichte über eine bereits Ende des Jahres 1568 stattgefundene Konfrontation. Eine beschädigte englische Flotte unter John Hawkins, demselben Seefahrer, der 1565 die französische Florida-Kolonie besucht hatte, traf bei San Juan de Ulúa (Veracruz, Mexiko) auf eine spanische Flotte. Trotz Zusicherung einer friedlichen Duldung und Geiselstellung unternahmen die Spanier einen Überraschungsangriff und vernichteten den Großteil von Hawkins’ Flotte. In der englischen Marinegeschichtsschreibung gilt diese Schlacht als historischer Wendepunkt, der zu einer endgültigen Abkehr vom Schmuggel mit Sklaven und Versuchen der Kooperation hin zur offenen Freibeuterei geführt habe.194 Dies wird meist an der Biographie Francis Drakes illustriert, der an dem Gefecht beteiligt war und seitdem entschieden für offensive Aktionen gegen die kastilischen Schiffe und Städte plädierte. In Frankreich waren hingegen nicht eine mögliche Konfrontation mit Spanien, sondern die inneren Konflikte zwischen Angehörigen der beiden Konfessionen das prägende Thema der späten 1560er Jahre. Der 1568 ausgebrochene Hugenottenkrieg kann dabei als Beispiel für deren grenzübergreifende Verflechtung herangezogen werden. Hugenottische Freibeuter nutzten englische Häfen, warben englische Kanoniere an und planten gemeinsame Aktionen gegen Schiffe Philipps II., der die katholische Seite unterstützte. Elisabeth I. lieh führenden Hugenotten Geld und Heinrich von Navarra stellte ihren Untertanen Kaperbriefe aus, die ihnen erlaubten spanische Schiffe anzugreifen, ohne dafür in England, den Nordprovinzen der Niederlande oder in hugenottisch geprägten französischen Häfen bestraft zu werden.195 Als bedeutendster Erfolg dieser Kooperation gilt der gemeinsame Angriff englischer und französischer Freibeuter auf die Silberkarawane, die in Panama das peruanische Silber vom Pazifik zum Atlantik brachte.196 Hierfür hatten 193 194 195 196

Loades 2001, S. 100. Childs 2014, S. 21f.; Rodger 2004, S. 201  ; Lane 1998, S. 39f.; Lenman 2001, S. 83. Loades 2000, S. 102  ; Rodger 2004, S. 202. Lane 1998, S. 42  ; Rodger 2004, S. 243  ; Moreau 2006, S. 50.

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sich der seit der Schlacht bei San Juan de Ulúa konsequent gegen Spanien eingestellte Francis Drake und der Diepper Seefahrer und Kartograph Le Testu, der für Villegagnons Expedition die Küste Brasiliens ausgespäht hatte, mit entflohenen afrikanischen Sklaven zu einer Streitmacht zusammengetan. Der größere Teil der Beute gelangte in englische Häfen. Aus diesem Grund protestierten Gesandte Philipps II. bei Elisabeth I., doch mehr als diplomatische Zusicherungen und eher symbolische Maßnahmen gegen einzelne Kaperfahrer folgten darauf nicht. Dass die Kriege das koloniale Interesse in Frankreich nur kurzzeitig unterdrückten, zeigt eine 1571 in einer Friedensphase bei Admiral Coligny vorgebrachte neue Unternehmung. Urheber waren Francisque und André d’Albaigne, die gemeinsam mit einem abtrünnigen portugiesischen Navigator vorschlugen, die bisher unbekannte Terra Australis zu finden und zu kolonisieren.197 Nach Berichten spanischer Beobachter wurde bereits eine Flotte zusammengestellt und ausgerüstet, die aber 1572 nach der Bartholomäusnacht neue Befehle erhalten habe. Die Ermordung Admiral Colignys und weiterer Anführer der Hugenotten in dieser Nacht bedeutete vorerst das Ende für koloniale Projekte. In Reaktion auf das Massaker brach ein weiterer Krieg zwischen Angehörigen beider Konfessionen aus, und als nach kurzer Friedenszeit 1574 der minderjährige Heinrich III. die Krone erbte, folgten erneut bewaffnete Konflikte. Die Politik der englischen Krone schwankte währenddessen zwischen inoffizieller Konfrontation und offiziellem diplomatischen Ausgleich mit Spanien, was eine Spaltung der Eliten widerspiegelt. So setzten sich einerseits die Vertreter einer konfrontativen Linie 1572 durch, als Elisabeth eine inoffizielle, aus Freiwilligen bestehende Streitmacht nach Vlissingen/Flushing an der Scheldemündung sandte. Dort sollte unter anderem der bereits in Le Havre eingesetzte Humphrey Gilbert die Protestanten unterstützen.198 Andererseits waren die Königin und ihr Rat wie schon nach Erhalt von Gilberts Discourse von 1566 bis Mitte der 1570er nicht bereit, eine koloniale Offensive zu gestatten, die als Eingriff in die kastilische Anspruchszone gelten könnte. Einen erneuten Versuch, sie hiervon zu überzeugen, unternahm 1574 der in Türkenkriegen und der englischen Expansion nach Irland bewährte Richard Grenville.199 Er war ein Cousin Humphrey Gilberts und beantragte die Erlaubnis, einen Stützpunkt an der Magellanstraße oder am Rio de la Plata als Wegpunkt zu errichten, von dem aus er in den Pazifik vorstoßen wollte. Dort angekommen, sollte dann der westliche Eingang in eine Nordwestpassage gefunden und Ausschau nach der geheimnisvollen Terra Australis gehalten werden. In seinem Entwurf verwies er auf Unterstützer aus dem West County, wo auch Förderer und Verbündete Humphrey Gilberts ansässig wa197 Vgl. Julien 2003, S.  266–269 und die älteren Aufsätze Hamy 1894, S.  405–433 und Ders. 1899, S. 101–110. 198 Quinn  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB. 199 Vgl. Rowse 1949, S.  83–101  ; Andrews 1981, S.  8–10  ; Ders. 1972, S.  150–153  ; Loades 1992, S. 223  ; McDermott  : Peckham, Sir George. In  : DNB.

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ren. Er plante, die Indigenen zu missionieren und zugleich Gold, Silber und Gewürze nach England zu bringen, ohne dabei in die tatsächliche Machtsphäre der Spanier einzugreifen. Seine Pläne wurden jedoch angesichts der Versuche der Königin, einen friedlichen Ausgleich mit Philipp  II. zu finden, nicht unterstützt. Ohne diese Zusicherung verlangten die potentiellen Investoren hohe Sicherheiten für den Fall, dass es bei der Expedition zu einem politisch nicht erwünschten Konflikt mit Spanien käme und die Unternehmung abgebrochen werden müsste oder Erträge konfisziert werden würden.200 Abschließend bleibt festzuhalten, dass in England eine ambivalente Haltung zur transatlantischen Expansion zwischen dem Streben nach einem Ausgleich mit dem kastilischen Imperium und der Bereitschaft zur Konfrontation herrschte. An kolonialen Projekten interessierte Akteure begannen allerdings sich zu vernetzen und verfügten über Wissen über die französischen Projekte aus Publikationen und persönlichem Austausch. In Frankreich verhinderten die immer wieder aufflammenden Konflikte eine Unter­ stützung für koloniale Projekte durch die Krone oder führende Hugenotten. Dies schloss einzelne Seefahrer und Soldaten aber nicht von transatlantischen Unternehmungen aus, die zu einem erheblichen Wissenstransfer geführt haben könnten. Viele der in der englischen Historiographie heroisierten Seereisen der englischen Freibeuter dieser Zeit müssten daher daraufhin neu untersucht werden, ob sie nicht von anglofranzösischen Verflechtungen geprägt waren. Im Alten Reich hingegen endete mit der Welser-Kolonie der letzte Versuch, ein relativ eigenständiges koloniales Projekt innerhalb des kastilischen Imperiums durchzuführen. Die Wirtschaftsbeziehungen der oberdeutschen Handelshäuser mit spanischen Hafenstädten und die Verpflichtungen der Krone ihnen gegenüber sicherten ihnen aber unabhängig davon langfristig Einfluss und Profit. Für die weitere Geschichte der europäischen Expansion weitaus bedeutender waren jedoch die Druckzentren im Westen des Alten Reiches, speziell in den Niederlanden, die wichtige Knotenpunkte für die Verbreitung komplexen geographischen Wissens, aber auch antispanischer Pamphlete waren.

200 Andrews 1984, S. 139f.

Englische Offensiven, Konflikte innerhalb Frankreichs und intensiver Wissenstransfer 1575 – 1598

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3.2 Englische Offensiven, Konflikte innerhalb Frankreichs und intensiver Wissenstransfer zwischen England, Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich 1575 – 1598 Überblick Humphrey Gilbert, Martin Frobisher, Francis Drake und andere Untertanen Elisa­ beths I. verliehen ab der zweiten Hälfte der 1570er Jahre mit ihren Projekten zur Seekriegsführung, zur Etablierung neuer Handelsrouten oder zur Errichtung von transatlantischen Militär-, Minen- oder Siedlungskolonien der europäischen Expansion neue Dynamik. Sie versuchten die königlichen Ratgeber oder die Herrscherin persönlich für sich und ihre Vorhaben einzunehmen und knüpften dafür prokoloniale Netzwerke. Zu ihren Zirkeln gehörten Experten für Astronomie, Geographie und ähnliche Disziplinen, die wie der englische Gelehrte John Dee durchaus auch eine eigene politische Agenda verfolgen konnten. Frobisher und Gilbert konnten schließlich genug Unterstützung mobilisieren, um 1576–1583 persönlich Expeditionen nach Amerika leiten zu können, die zwar ihre proklamierten Ziele nicht erreichten, aber politische Ansprüche untermauerten und das geographische Wissen erweiterten. Demgegenüber gelang Drake mit seiner Weltumsegelung ein spektakulärer Erfolg, der einmal mehr bestätigte, dass Kaperkrieg die höchsten Profite brachte. 1580 verschärfte die Personalunion von Spanien und Portugal unter Philipp II. die politische Lage und provozierte eine militärische Intervention auf Befehl Katharina de Medicis bei den Azoren. Philipp II. nutzte seine neuen Machtmittel für eine intensivierte europäische Hegemonialpolitik und setzte nicht nur seine Kampagne gegen die aufständischen niederländischen Provinzen fort, sondern schloss 1584 auch ein Bündnis mit der katholischen Liga in Frankreich. Dies trug zu Elisabeths Entscheidung bei, 1585 mit eigenen Streitkräften offen in den Niederlanden einzugreifen, während Drake und Frobisher eine Offensive gegen die iberischen Kolonien starteten. Damit begann der bis ins siebzehnte Jahrhundert dauernde Krieg zwischen ihr und Philipp II. Dieser Konflikt beeinflusste wesentlich den Ausgang der mehrteiligen, von Walter Ralegh organisierten kolonialen Projekte im heutigen North Carolina 1585–1590, die mit dem Verschwinden der sogenannten Lost Colony von Roanoke ihr Ende nahmen. Während der Planung und der Durchführung dieser Unternehmungen erarbeitete sich der englische Geistliche Richard Hakluyt eine zentrale Rolle als Sammler von Wissen über transozeanische Räume, als Werber für englische koloniale Expansion und als wichtiger Teil eines grenzübergreifenden, protestantisch geprägten, antispanischen propagandistischen Netzwerkes. Er nutzte dafür insbesondere seine Dienstzeit in der englischen Gesandtschaft in Paris, wo er Kontakte zu französischen Seefahrern und Kosmographen knüpfte. Seine dort erarbeitete Stellung machte ihn auch später zum Ansprechpartner für im Alten Reich tätige Autoren und Verleger wie Theodor de Bry, den Hakluyt bei Beginn von dessen wegweisender America Reihe unterstützte.

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Der Konflikt der französischen Hugenotten, der niederländischen Protestanten und der Untertanen Elisabeths mit dem hispano-lusitanischen Reich prägte auch den Diskurs über die sogenannte Neue Welt. Eine Vielzahl von Autoren und Verlegern schuf ein negatives Stereotyp spanischer kolonialer und imperialer Akteure als Bindeglied zwischen der Darstellung der Ereignisse in transozeanischen und europäischen Räumen. Komplementär dazu entwarfen englische Autoren protonationale homogene Selbstbilder und kreierten Vorstellungen von einem dezidiert englischen kolonialen Imperium. In Frankreich hingegen spielte der konfessionelle Binnenkonflikt auch in den Diskursen noch immer eine erhebliche Rolle, und Autoren wie André Thevet und Jean de Léry debattierten mit neuer Härte über frühere koloniale Erfahrungen. Aus England folgte nach dem Ende der Ralegh-Projekte in Carolina bis zum Ende des Jahrhunderts keine vergleichbar umfangreiche Unternehmung mehr – auch wenn zum einen Walter Ralegh persönlich 1595 eine Expedition nach Guyana leitete und zum anderen ehemalige Partner von Humphrey Gilbert mehrfach versuchten, an die frühen Neufundlandprojekte anzuknüpfen. Auch in Frankreich blieben die Initiativen hinter den Projekten der letzten Jahrzehnte in Florida und Brasilien zurück. Dennoch entwarfen in den Hafenstädten vernetzte Akteure trotz des Krieges neue koloniale Pläne. Sie konzentrierten sich angesichts der steigenden Preise für Pelze wieder verstärkt auf Nordamerika. Der Sieur de La Roche erhielt schon 1578 als erster Vizekönig für Nouvelle-France ein Patent. Seine Versuche, Amerika tatsächlich zu erreichen, blieben jedoch ebenso erfolglos wie die Bemühungen von Jacques Noël, einem Neffen des mit Kanada vertrauten Jacques Cartier, 1588 ein Monopol für den Handel mit Nordamerika durchzusetzen und permanente Außenposten zu errichten, oder der vergebliche Versuch des Jacques Riffault, 1594 an frühere Brasilienerfahrungen anzuknüpfen. Insgesamt stand der in Europa und Übersee ausgefochtene Krieg der Realisierung der öffentlich angepriesenen kolonialen Projekte entgegen – nicht nur weil die Herrscher Gelder und Schiffe benötigten und Hafenstädte von Kampfhandlungen betroffen waren, sondern auch weil Kaperfahrten über Jahrzehnte hinweg eine lukrative Alternative für Söldner, Seeleute und Investoren darstellten. Koloniale Imaginationen waren daher bis 1598 sehr viel weiter fortgeschritten als die praktische Umsetzung. In diesem Jahr schloss Heinrich  IV. mit Philipp  II. den Frieden von Vervins, während Elisabeth den Krieg zwar noch fortsetzte, aber bald darauf erste Friedensverhandlungen mit Spanien zuließ. Darstellung Die zu Beginn der 1570er Jahre in England erkennbare Tendenz einer Ausweitung maritimer Aktivitäten setzte sich in der Mitte des Jahrzehnts fort. Nach wie vor frequentierten zahlreiche Fischer die Küsten von Neufundland, während die Muscovy Company jährlich neue Expeditionen in die Weiße See sandte, um mit Russland zu

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handeln.201 Hinzu kamen neue Freibeuterfahrten, die Elisabeth I. zwar nicht offiziell unterstützte, aber auch nicht ernsthaft unterband. Weitere Missionen führten Seefah­ rer aus England in die Niederlande, wo sie mit Elisabeths ebenfalls inoffizieller Unterstützung den Aufstand gegen Philipp II. verstärkten, und nach Irland, wo Henry Sidney im Auftrag der Königin die englische Machtstellung durch Kolonisationspolitik auszubauen versuchte. Viele der Männer, die in den folgenden Jahren koloniale Projekte vorschlugen oder unternahmen, waren an diesen Unternehmungen beteiligt – so Richard Grenville, Humphrey Gilbert und Martin Frobisher. Gilberts bereits erwähnte, unpublizierte Denkschrift von 1566 über die Nordwestpassage hatte zunächst keinen Erfolg – obwohl ihre Argumente und ihre Zielsetzung dem Konsens der englischen Praktiker und Gelehrten der Zeit entsprachen.202 Gilberts Entwurf galt den Mitgliedern der Muscovy Company als Angriff auf ihre Stellung und Handelsprivilegien. Es überrascht daher nicht, dass sie sich gegen die Unternehmung aussprachen.203 Ihre Einschätzung änderte sich allerdings, als Michael Lok, ein ranghoher Mitarbeiter der Company, sich der Idee annahm. Gemeinsam mit dem im Kaperkrieg erfahrenen, allerdings wegen des Ausmaßes seiner Piraterie auch umstrittenen Martin Frobisher begann er sich ab etwa 1574 für eine Expedition einzusetzen, um die Passage zu finden.204 Inwiefern beide Männer Gilberts direkte Unterstützung gewannen, ist unklar, sicher ist, dass sie Einsicht in seinen Discourse nehmen konnten und diesen Text zum Zwecke der Werbung ohne sein Wissen in Druck gaben, während Frobisher Schiffe für eine Überfahrt zusammenstellte und vorbereitete.205 Zur Vorbereitung gehörten auf Betreiben Michael Loks auch navigatorische Konsultationen mit dem zu dieser Zeit bekanntesten englischen Experten  : John Dee.206 Von einer längeren Studienreise durch Europa zurückgekehrt, galt Dee als wichtigster Gelehrter auf den Gebieten der Navigation, Astronomie und der Geschichte der Seefahrt – sowie für Magie, Alchemie und Astrologie. Er besaß die damals größte Bibliothek der britischen Inseln und kann als Beispiel für die personenbezogene Sammlung von exklusivem Wissen gelten. Seine konkurrenzlose Expertise nutzte er, um ein brei201 Zur wirtschaftlichen Vernetzung der englischen Häfen in dieser Zeit exemplarisch anhand von Bristol  : Sacks 1991, S. 34–51. 202 Zur Einordnung  : Quinn 1997, S. 292–343  ; Quinn 1999, S. 7–18  ; Quinn/Ryan 1983, S. 33–40. 203 Andrews 1984, S. 168  ; Quinn 1940, S. 10f. 204 Grundlegend zur Frobishers Person  : McDermott 2001a, siehe zu den drei Reisen nach Amerika und deren Kontext S. 95–256. Vgl. die Kurzbiographie mit Fokus auf den Seereisen  : McDermott 1999, S. 55–118. Vgl. Cooke  : Frobisher, Sir Martin. In  : DCB  ; Zur zentralen Rolle Michael Loks als Organisator und Finanzier  : McDermott 1999a, S. 119–146  ; kurz auch McDermott 2001, S. 2–5. 205 Gilbert 1576, Edition in  : Quinn 1940 I, S. 129–165. 206 Zur Person John Dees vgl. Trattner 1964, S. 17–23  ; Stefansson/McCaskill 1938, S. XCVIII  ; Quinn 1940, S. 30f.; eine Biographie mit Fokus auf Dees Bedeutung als Magier, Philosoph und Büchersammler  : French 2013  ; zu Dees Bedeutung für die Frobisher Reisen  : Trow 2010, S. 50f.; siehe für unterschiedliche Berichte über die Kontaktaufnahme und Thesen, Frobisher habe Unterricht in Navigation bekommen oder Beratung für die Reise  : Sherman 1999, S. 283–298.

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tes Netzwerk zu knüpfen. Dee hatte bereits mit Humphrey Gilbert über Fragen maritimer Expansion kommuniziert, und er beriet diesbezüglich auch Francis Walsing­ham, der seit Ende der 1570er einer der wichtigsten Amtsträger am Hofe Elisabeths war. Walsingham selbst war durch Heirat mit Mitgliedern der Muscovy Company verbunden, für die auch John Dee offiziell tätig war, und investierte in transatlantische Projekte.207 John Dees Netzwerk umfasste auch Elisabeths führenden Mann in Irland, Henry Sidney, die Westcountry-Adeligen um Richard Grenville und weitere Mitglieder des Hofes sowie die Königin selbst, die ihn als Astrologen konsultierte. An seine einflussreichen Kontaktpersonen richtete Dee auch sein Navigationshandbuch von 1577 The General and rare Memorials pertayning to the perfect art of Navigation. Es war Christopher Hatton, dem damaligen Favoriten der Königin gewidmet, der ebenfalls eine expansive Politik befürwortete.208 Entsprechend propagierte Dee darin eine offensive maritime Politik, die auf der Gründung einer königlichen Marine mit eigener Finanzierung und dezidiertem Aufgabenprofil basierte. Er empfahl durch die Kontrolle der umliegenden Meere eine angeblich historisch legitimierte Vormachtstellung Englands als British Empire wiederherzustellen.209 Kolonien spielten in diesem Konzept eine marginale Rolle, was sich aber durch die Vorbereitung und Ergebnisse der Frobisher-Expedition änderte. 1580 erweiterte Dee seine Agenda bei einem Vortrag vor der Königin und Walsingham, in dem er anhand eines Memorials und einer Karte die mittelterlichen Ursprünge einer englischen Kolonialherrschaft im Nordatlantik belegte.210 Neben König Arthus schrieb John Dee vor allem einem walisischen Prinzen namens Madoc eine Schlüsselrolle zu, der angeblich 1170 Florida besiedelt habe.211 Der Aufbau eines englischen Imperiums im Atlantik sei damit eine legitime Wiederherstellung alten Rechts, das höherwertiger sei als die jüngeren iberischen Ansprüche. Trotz der prominenten Unterstützung und der weitreichenden Pläne John Dees war die erste Expedition, die Martin Frobisher 1576 leitete, sehr bescheiden. Die 207 Haynes 2004, S. 34f. 208 Dee 1577  : General and rare memorials pertayning to the perfect arte of navigation, London. Zur Bedeutung für die Marinegeschichte  : Loades 1992, S. 191  ; Ders. 2000, S. 80f. und 111f.; zur Widmung  : Trattner 1964, S. 24f. und 28. 209 In diesem Werk prägte John Dee erstmals den Terminus British Empire. Vgl. dazu Armitage 2009, S. 105–109  ; Ders. 2004, S. 58  ; Trattner 1964, S. 24–27 und die Übersichtsstudie  : Reimer 2006, S. 30–49. 210 Mackenthun 1997, S. 31–34  ; McGhee 2006, S. 172  ; Cooper 2011, S. 260f. Zur Karte siehe Probasco 2013, S. 26f. und S. 53f. 211 Die Forschung zur Ideengeschichte des britischen Empires hat John Dees Werke bereits mehrfach in den Fokus genommen und deren Bedeutung hervorgehoben  : Parry 2006  ; Artese 2002, S. 13–55  ; Trattner 1964, S. 17–34  ; Reimer 2006, S. 78–82. Zur besonderen Rolle des arturischen Imperiums dabei, dem Dee eine eigene christliche Kirche als Vorläufer der anglikanischen zuschreibt, siehe Hodgkins 2002, S. 23–26  ; zur Verbindung von Geographie und imperialer Ideologie bei John Dee Cormack 1997, S. 1–14.

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historische Forschung hat sich dieser und den beiden folgenden Reisen und ihren Folgen mehrfach und auf eine im Umgang mit den englischen Expansionsprojekten dieser Zeit geradezu typisch diachrone Weise angenommen. Weitgehend parallel entstanden aus der traditionellen Ereignisgeschichte heraus erstens eine modernisierte, durch neue Quellenfunde, kritische Auswertungen und eine Verbindung mit archäologischen Untersuchungen immer weiter ausdifferenzierte Ereignisrekonstruktion und zweitens eine literaturwissenschaftlich orientierte, geistesgeschichtliche Analyse der zeitgenössischen Publikationen und darin verorteter Diskurse.212 In Kombination lässt sich aus diesen beiden Forschungsrichtungen ein Konsens zu Verlauf und Bedeutung der Expeditionen herausarbeiten. Martin Frobisher führte auf seiner ersten Reise 33 Mann auf zwei kleinen Schiffen über den Atlantik. Auf dem Weg nach Westen sichtete er die Südspitze Grönlands, die er aber mit seinen navigatorischen und kartographischen Mitteln nicht identifizieren konnte. Stattdessen hielt er das Land für die mystische Insel Frizeland, eine der vielen Phantominseln, deren Existenz weitgehend unumstritten war. Die historische Forschung hat diese Entdeckung wegen des offensichtlichen Irrtums weitgehend ignoriert und verkennt damit die zeitgenössische Bedeutung.213 Nach John Dee war Frizeland ein Teil des von König Artus geschaffenen englischen Seereiches, so dass diese Wiederentdeckung mit einer klaren Erwartungshaltung korrespondierte  – außerdem benannte Frobisher das Land später in West-England um.214 Nachdem eines der Schiffe umkehren musste, erreichte Frobisher mit wenigen Gefolgsleuten die Baffininsel westlich von Grönland, wo er einen Meeresarm erkundete. Seine Begegnungen mit den Indigenen der Region, die in der Forschung lange Zeit als Erstkontakte analysiert wurden, verliefen kurzzeitig friedlich, schließlich aber gewaltsam.215 Die Inuit nahmen fünf seiner Männer gefangen und schwächten Frobishers kleine Mannschaft dadurch so sehr, dass er angeblich keine weiteren Verluste riskieren konnte und die Rückreise befahl – allerdings nicht ohne zuvor selbst einen Indigenen zu entführen. 212 Zentrale Werke für die Ereignisrekonstruktion sind  : McDermott 2001, S.  95–256  –zum Verlauf der ersten Reise S. 120–157, zur zweiten S. 163–192, zur dritten S. 204–260  ; zur dritten Reise siehe auch die neueste Quellenedition mit Einleitung McDermott 2001a, Einleitung, Ebd. S. 1–55  ; vgl. die zahlreichen Beiträge in dem maßgeblichen Sammelwerk  : Symons/Alsford, speziell  : Savours 1999, S. 19–54  ; vgl. Cooke  : Frobisher, Sir Martin. In  : DCB  ; Trow 2010. Eine gelungene populärwissenschaftliche Übersicht bietet Ruby 2001. Für einen von der Ereignisrekonstruktion typischerweise getrennten, historisch-literaturwissenschaftlichen Zugang vgl. Parker 1965, S. 65–88  ; Fuller 2008, S. 1–68. 213 Zur Entdeckung Frizelands und der Nachwirkungen dieser Fehleinschätzung vgl. McDermott 2001, S. 51f. und Ruggles 1999, S. 218–256. 214 Nur behandelt bei Artese 2002, S. 37. 215 Kritik an der Deutung als Erstkontakte mit Verweis auf die erkennbare Erfahrung der Indigenen im Umgang mit Europäern bei  : Savours 1999, S.  25  ; Dickason 1992, S.  89f.; DePasquale 1999, S. 30–37.

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Zurück in England stieß die Unternehmung auf großes Interesse, insbesondere die Vorführung des gefangenen Inuit, dessen Einordnung als Tartar oder Asiate die Entdeckung einer Passage nach Asien belegen sollte.216 Frobisher behauptete angesichts dieser Beweise, der Meeresarm müsse die gesuchte Passage sein und sein Nordufer bereits zu Asien gehören. Ausschlaggebend für weitere Expeditionen wurde jedoch nicht die Aussicht auf eine Durchfahrt nach Cathay, sondern eine Erzprobe, die Frobisher seinem Partner Michael Lok übergab. Lok beauftragte mehrere Metallurgen, Edelmetalle aus dem Gestein zu gewinnen. Nach einigen Fehlversuchen lieferte schließlich einer von ihnen das gewünschte Ergebnis und Lok konnte mit der Aussicht auf Gold neue Investoren gewinnen.217 Walsingham äußerte zwar seine Skepsis gegenüber solch angeblich alchemistischen Verfahren, förderte aber wie die Königin und andere Mitglieder des Privy Council weitere Expeditionen. Sie traten einer neugegründeten Company of Cathay bei, deren Name zwar noch auf die zu suchende Passage hinwies, deren Ziel aber die Ausbeute mutmaßlicher Goldminen im neuen, später Meta Incognita genannten Land war.218 Entgegen einer von Lok entworfenen Charter, die ihm und Frobisher zentrale Positionen zugesichert hätte, setzte Elisabeth I. im März 1577 eine Kommission unter Leitung von Francis Walsingham ein, welche das weitere Vorgehen plante und kontrollierte.219 Dafür investierte sie nicht nur, sondern stellte auch eines ihrer eigenen Schiffe zur Verfügung. Frobisher konnte so 1577 eine weitere Expedition durchführen, große Mengen Erz aus dem Permafrostboden schlagen und weitere Inuit entführen und nach England bringen. Dort hatten die Metallurgen kaum Erfolg gehabt und forderten daher immer größere Erzmengen, um die versprochenen Erträge zu erzielen. Die Gerüchte über das 216 Für Quellen zum Aufenthalt des Inuit in England siehe Quinn NAW IV, S. 216–218  ; vgl. Sturtevant/Quinn, S. 61–112  ; DePasquale 1999, S. 40. 217 Baldwin 1999  ; aus dieser Entwicklung leitete sich die These ab, dass Frobisher eventuell absichtlich einen goldhaltigen Stein an Lok übergeben habe, um so in betrügerischer Absicht Ruhm und Geld zu erwerben. Vgl. Haynes 2004, S.  38  ; Plakativ auch Auger 2000, der behauptet, Frobisher habe die fünf vermissten Männer auf seiner ersten Reise absichtlich zurückgelassen, um seinen Betrug zu verschleiern. Zum Bericht Michael Loks Mr. Lockes Discoors touching the Ewre, 1577, darüber, wie das Edelmetall gefunden wurde und wie sehr er angeblich Misstrauen und Vorsicht walten ließ, siehe die Edition  : Stefansson/McCaskill 1938, S. 84–90. 218 Vgl. McDermott 1999b, S. 147–178  ; Savours 1999, S. 19f. 219 Über den Beitrag der Königin und ihren Eingriff in die Organisation  : Trow 2010, S.  67–70  ; McDermott 2001a, S.  204–208, McDermott 2001, S.  11f. Eine Liste der Investoren ist ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938, S. 99. Die Königin investierte dieser Liste nach die höchste Summe  : Von ihr kamen 1000 Pfund  ; von Lok und Walsingham 200  ; neun weitere Mitglieder des Privy Council gaben zwischen 50 und 100 Pfund. Mehrere Kaufleute zahlten kleinere Beträge ein. Die Charter der Companie ist als Articles of Graunt from the Queene’s Majestie to the Companye of Kathai ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938, S. 103–105. Die Charter ist mit einem Monopol auf die entdeckte Region verbunden.

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Gold von Meta Incognita gewannen trotz dieser Rückschläge eine eigene Dynamik. Neue Investoren traten der Company bei, obwohl weitere Prüfungen des Gesteins noch immer keine Profite hervorbrachten. Frobisher versicherte jedoch, große Mengen des ursprünglich positiv getesteten, goldhaltigen Gesteins beschaffen zu können, und überreichte der Königin außerdem einen Narwalstoßzahn, der als wertvolles, heilkräftiges Horn eines See-Einhorns galt.220 Laut Lok war die Folge seiner Selbstinszenierung  : »he was called to the courte and greatly embraced and lyked of the best.«221 Er und seine Partner nutzten auch die entführten Inuit erneut zu Werbezwecken, so beispielsweise für eine öffentliche Demonstration indigener Jagdtechniken.222 Weiterhin nutzten sie das Erscheinungsbild der Entführten als Beleg dafür, dass sie die Grenze zwischen Amerika und Asien erreicht hätten. Diese Nachricht erreichte schließlich auch Zar Iwan IV., der in einem Schreiben an Elisabeth die Freilassung seiner entführten Untertanen forderte.223 Hinweise darauf, dass die Entführungen die Grundlage für eine zukünftige Kooperation mit den Indigenen dienen sollten, wie beispielsweise bei Jacques Cartier, sind nicht überliefert. Dem widerspricht ohnehin das Bild der Indigenen in den Reiseberichten der Engländer, die von wilden, kannibalistischen Menschenfressern schreiben, die zu primitiv für Handelsbeziehungen seien.224 Obwohl die Ergebnisse der Metallurgen noch immer nicht zufriedenstellend waren, brach Frobisher 1578 mit seiner dritten und größten Expedition nach Meta Incognita auf.225 Für diese Reise hatte die königliche Kommission unter Walsingham ein zusätzliches Ziel vorgegeben, das im Widerspruch zu einer reinen Profitorientierung stand.226 Frobisher sollte 100 Mann und Bauteile für ein Blockhaus nach Meta Incognita bringen, um für zunächst 18 Monate einen Stützpunkt zu errichten. Die geplante 220 Zum steigenden Prestige Frobishers vgl. McDermott 2001a, S. 190f.; Trow 2010, S. 87. Zum Narwalzahn siehe die Beschwerde seines Partners Michael Lok, der klagte, Frobisher habe seinen Fund eigenmächtig statt im Namen der Company überreicht, um seinen eigenen Ruf bei Hofe zu verbessern, Michael Lok, The doyings of Martin Frobisher 1579, ediert in  : McDermott 2001, S.  71–102, hier S. 82. 221 Zitiert aus einem Gesamtbericht Loks über seine Unternehmung vom 26. Januar 1578, nach  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 182–192, hier 186. 222 Eine in Überblickswerken oft erwähnte Vorführung auf der Themse ist nur in einer französischen Quelle beschrieben. Wahrscheinlicher ist eine Vorführung in Bristol, siehe Sturtevant/Quinn 1987, S. 79. 223 McDermott/Waters 1999, S. 377. 224 DePasquale 1999, S. 37–60. Zur Darstellung der Inuit in den Quellen  : Sturtevant/Quinn 1987. 225 Die zentralen Darstellungen der Ereignisse sind  : McDermott 2000, S.  19–46 mit einer neuen Edition der wichtigsten Quellen  ; Ders. 2001a, S. 204–246  ; Stefansson/McCaskill 1938, S ­ . CI– CXVI mit ergänzenden Quellen  ; Savours 1999, S. 38–54  ; Trow, S. 93–109. Vgl. in diesem Kapitel die einführende FN 212. 226 Lok gab Frobisher diese Ziele in einer Instruktion vor  : Editionen in McDermott 2001, S. 58–63  ; Stefansson/McCaskill 1938, 155–161. Auffällig ist, dass die Suche nach Gold der Passage explizit übergeordnet wird. McDermott 1999 hebt hervor, Frobisher habe Ruhm als persönlichen Zweck

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Besatzung des Außenpostens umfasste 40 »marioners«, 30 »soldiors« und 30 »pyoners«. Diese Männer sollten Goldvorkommen auf umliegenden Inseln sichern und abbauen, die Umgebung erkunden und, wenn möglich, mit kleinen Booten auch nach der Passage suchen. Laut George Best sollte auch der Geistliche, der die Expedition begleitete, mit den Männern überwintern und missionieren.227 Dieser Plan belegt, wie diffus die Informationen über das Klima in der Region waren, die den Entscheidungsträgern vorlagen.228 Ihre irrige Annahme, dass die Männer in einer Permafrostlandschaft ohne Holzvorkommen den Winter überleben könnten und dass es möglich wäre, sie im nächsten Winter abzulösen, stützte sich vermutlich auf mehrere tradierte Wissensbestände. Zum einen hatte schon Robert Thorne gegenüber Heinrich VII. behauptet, dass keine Region der Welt für Menschen unbewohnbar sei, und Humphrey Gilbert hatte Ähnliches in seinem Discourse über die Nordwestpassage postuliert. Der Breitengrad Meta Incognitas legte für die gelehrten Zeitgenossen, denen der Golfstrom unbekannt war, ein Klima wie in Island oder Schweden nahe, in dem eine Überwinterung problemlos möglich war. Die Existenz einer indigenen Bevölkerung bestätigte diese Einschätzung schließlich, auch wenn die eingehenden Reiseberichte keinen Pflanzenwuchs, gefrorenen Boden und Eisberge im Sommer beschrieben.229 Der Flotte der Company schlossen sich teilweise ohne Absprache mit Michael Lok mehrere frühere Geschäftspartner Frobishers an, so dass im Mai 1578 schließlich 15 Schiffe mit ihm segelten, darunter mehr als zehn Prozent der englischen Handels­ schiffe über 100 Tonnen.230 Erstes Ziel war Frizeland, das Frobisher für England offiziell in Besitz nahm.231 Die Berichte aller Mitreisenden beschreiben eine schwere, lebensbedrohliche Überfahrt, auf der die Männer sich gegen Eisberge, Sturm und ungünstige Strömungen zu ihrem Ziel durchkämpfen mussten.232 Die Autoren schildern angestrebt, wofür die Passage besser geeignet gewesen wäre, so dass es zu Spannungen gekommen wäre  : S. 72f. und 78f. 227 Best 1978, Edition in  : McDermott 2001, S. 205–244, hier S. 222f. 228 McGhee 2006, S. 159 verweist auf Wunderglauben und völlige Unkenntnis der wahren Winterverhältnisse. 229 Siehe hierzu die Untersuchung der Vorstellungen von Amerika in Kapitel 4.1.3. 230 McDermott 2001, S. 13–18  ; Symons 1999, S. IX. Zur Vorbereitung waren mehrere Vorschriften über Fahrt im Konvoi, Hierarchien, medizinische Vorsorge usw. getroffen worden, die auf der Expertise von Sebastian Cabot und der Muscovy Company aufbauten. George Best druckte in seinem Bericht Best 1578 außerdem detaillierte Segelanweisungen ab, die Frobisher seiner Flotte gegeben hatte. 231 Die Besitzergreifung erwähnt nur George Best in Best 1578 explizit, siehe McDermott 2001, S. 210. Die anderen Autoren berichten lediglich von einer Erkundung, wobei der Berichterstatter Edward Selman noch eine Umbenennung in West England vermerkt, zitiert nach  : McDermott 2001, S. 178. 232 Fünf Berichte sowie zwei Berichtsfragmente sind überliefert und bilden die Grundlage für alle Ereignisrekonstruktionen  : Die beiden wichtigsten Sammlungen dieser Quellen sind  : McDermott 2001 und Stefansson/McCaskill 1938. Einen kurzen Vergleich der fünf Berichte bietet Trow 2010, S. 96–106, auf den folgende Charakterisierungen zurückgehen. Demnach verfassten Christopher Hall und Edward Fenton Logbücher, ediert in  : McDermott 2001, S. 105–131 und S. 137–176  ; George

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ausführlich die Bemühungen, die Schiffe mit Muskelkraft und improvisiertem Schutz von den Eisbergen fernzuhalten, während ein mitreisender Geistlicher zu Gebet und Gesang ermuntert habe. Die Flotte überstand die Stürme, verlor aber das Schiff, das die Bauteile für das geplante Blockhaus transportierte, und einen Großteil ihrer Biervorräte.233 In Meta Incognita angekommen, schlugen die Männer mit reiner Muskelkraft ca. 1.400 Tonnen Erz aus dem Permafrostboden und beluden die Schiffe. Obwohl der vorgesehene Befehlshaber der kleinen Garnison mehrfach betonte, zur Not ohne Ausrüstung in einem lediglich improvisierten Unterschlupf vor Ort bleiben zu wollen, beschloss Frobisher in Übereinstimmung mit anderen Kapitänen, alle Männer nach England zurückzubringen.234 Dort hatte die Untersuchung des Erzes immer noch keine positiven Resultate hervorgebracht und das Geschäftsmodell der Company fiel in sich zusammen.235 Die Aussicht auf einen Fehlschlag brachte mehrere Investoren dazu, ihre Beiträge zurückzuhalten. Dies führte zur Zahlungsunfähigkeit, woraufhin die königliche Kommission eine Prüfung der Ausgaben und Geschäftsführung einleitete.236 Von John Dee unterstützte Versuche, die offenen Zahlungen der Investoren einzutreiben, scheiterten daran, dass viele von ihnen Mitglieder des Privy Council waren und über die Kommission die Auflösung der Company kontrollierten. Dies war für Michael Lok, der angesichts der geringen Zahlungsmoral einiger Investoren persönlich Bürgschaften und Garantien übernommen hatte, folgenschwer. Er wurde als Geschäftsführer abgesetzt und musste für einige Außenstände persönlich haften. Lok warf Frobisher in dieser Lage Versagen Best schrieb eine heroisierende Propagandadarstellung, ein Auszug zur dritten Reise ist ediert in  : McDermott 2001, S.  205–244  ; Thomas Ellis schrieb einen Bericht seiner eigenen wundersamen Erlebnisse, ediert in  : McDermott 2001, S. 195–203  ; und Edward Sellmann, Vertreter Michael Loks, einen vermutlich im Nachhinein überarbeiteten, gegenüber Frobisher kritischen Text, ediert in  : McDermott 2001, S. 177–194. Trow erwähnt allerdings nicht das kurze Journal des Schiffes Judith von Charles Jackman, in McDermott 2001, S. 132–134. Von diesen Texten erschienen zeitgenössisch im Druck  : Best 1578 und Thomas Ellis 1578, A True Report of the Third and Last Voyage Into meta incognita, atchieved by the worthie Capteine Martin Frobisher. Sowohl McDermott 2001 als auch Stefansson/McCaskill 1938 bieten noch zusätzliche Quellen über die spätere Auflösung der Company of Cathay. 233 Den Bierverlust hebt als besonders folgenschwer hervor  : McDermott 2001, S. 32. 234 Hier weicht die Darstellung Michael Loks von den Berichten George Bests und des Befehlshabers der geplanten Kolonie Edward Fenton ab, da nur er die Aufgabe des Projektes als Willkürentscheidung Frobishers darstellt, so differenziert McDermott 2001, S. 265. 235 Der Verlauf und die Art der Überprüfung der Erzproben ist Gegenstand eigener historischer Forschung gewesen. Zentrale Bedeutung hatte dabei die Frage, wann wem dessen Wertlosigkeit bekannt war. Vgl. Allaire 1999, S. 477–504  ; Baldwin 1999  ; McDermott 2001, S. 8–10 und 46f.; Siehe die Quellen hierzu in  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 109–151  ; McDermott 2001, S. 199– 201. 236 McDermott 1999b, S.  171f.; McDermott 2001, S.  47  ; Ruby 2001, S.  236–240. Die Akten zu diesem Verfahren und die Berichte in den State Papers sind ediert bei  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 168–212.

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und sogar absichtlichen Betrug vor und wies alle Schuld von sich.237 Er berichtete, Frobisher habe bei der Ausrüstung der Schiffe sowie bei der Bezahlung der Arbeiter und Seeleute betrogen, den Erzprüfern gedroht und deren Ergebnisse manipuliert. Außerdem sei Frobisher habgierig und seine Ruhmsucht sowie Unbeherrschtheit und willkürlicher Amtsführung seien für das Projekt fatal gewesen. Die offizielle Überprüfung konnte jedoch beiden kein grobes Fehlverhalten nachweisen und die Investoren, die wie Elisabeth I. ihren Verpflichtungen nachgekommen waren, verloren ihr Geld. MacMillan sieht hierin den Grund dafür, dass Elisabeth zukünftig nicht mehr direkt in koloniale Projekte investiert, sondern sich auf symbolische Unterstützung und die Bereitstellung von Material beschränkt habe.238 Michael Lok musste aufgrund der offenen Verpflichtungen mehrfach in Schuldhaft gehen und gewann nie wieder eine derart einflussreiche Stellung.239 Frobisher geriet hingegen zwar für einige Jahre in Verruf und erhielt vorerst kein Kommando von der Königin, konnte aber später auf seine Leistungen und Netzwerke als Seemann aufbauen und seine Karriere unter Francis Drake fortsetzen.240 Seinen späteren Erfolg verdankte Frobisher nicht zuletzt den begleitend zu seinen drei Expeditionen zwischen 1577 und 1578 publizierten Druckschriften, deren Autoren seine Leistungen und die seiner Seeleute glorifizierten, als sie für die Unternehmung warben. Es handelte sich dabei um die erste gezielte Promotionskampagne, die ein transatlantisches Projekt begleitete, zu der mit dem Reisebericht von Dionyse Settle außerdem der erste in englischer Sprache verfasste Bericht eines Amerikareisenden überhaupt gehörte.241 Die beteiligten Autoren schufen Grundlagen für Beschreibungs- und Deutungsmuster maritimer Expansion in den kommenden Jahrzehnten, was John Parker zu der Bewertung führte, sie seien der Nukleus der britisch-imperialen Literatur.242 Bemerkenswerterweise geschieht dies konträr zu der in den französischen und spanischen Berichten typischen Darstellung des entdeckten Landes als idyllisch, pflanzenreich und klimatisch angenehm. Außerdem unterstreicht Dionyse Settle, dass das 237 So in seinen Berichten  : The Doyings of Martin Frobisher, in  : McDermott 2001, S. 71–102  ; und The abuses of Captayn Furbusher agaynst the Companye, in  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 208–212. 238 MacMillan 2006, S. 3. Dieser Einschätzung widerspricht allerdings der hohe Wert des von Elisabeth späteren Projekten zur Verfügung gestellten Materials, das als substantielle Investition gewertet werden muss. 239 Allerdings war er für eine Levante-Company als Vertreter in Aleppo im Einsatz siehe McDermott 1999a, S. 119–146  ; Ders. 2001, S. 47. 240 Zur Übersicht  : Stefansson/McCaskill 1938, CXVII-CXXIII  ; McDermott 2001, S. 48. Ausführlich zur späteren Karriere Frobishers  : McDermott 2001a, 287–433. 241 Dionyse Settle 1577  : A true reporte of the laste voyage into the West and northwest regions by Capteine Frobisher, vgl. Parker 1965, S. 70. 242 Hierzu grundlegend die Analyse von George Bests Reisebericht durch Mary C. Fuller  : Fuller 2008, S. 23–106. Vgl. Lemercier–Goddard 2013 u. Reimer 2006, S. 73-76  ; Zur Einschätzung  : Parker 1965, S. 75–102, hier S. 75.

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Land trotz der Goldfunde kein Ort mühelosen Reichtums, sondern harter Arbeit sei. Bezüglich der Bewohner wiederum zeichnen die Autoren übereinstimmend ein Stereotyp von primitiven, rohfleischessenden Indigenen, die auf Annäherungsversuche nur mit Gewalt reagieren. Das Wetter, insbesondere nächtliche Stürme, schildern alle Autoren schließlich sogar als direkte Lebensbedrohung. Gerade diese wenig aussichtsreiche Kulisse dient ihnen aber als Schauplatz für eine dreifache glorifizierende Inszenierung der englischen maritimen Expansion. Zum einen präsentieren sie das Überwinden des Meeres als Zeichen von Gottes Gnade für die englischen Seeleute.243 Doch nicht allein Gottvertrauen, sondern auch die Fähigkeiten und Tugenden der Reisenden hätten diesen Erfolg ermöglicht.244 In den Berichten nimmt daher der dramatisch geschilderte Kampf der Seeleute gegen die Elemente, der das Überleben als Verdienst und Leistung erscheinen lässt, einen zentralen Platz ein.245 Dabei wird eine kollektive Identität der Seeleute als Engländer unterstellt, so dass deren Verhalten »the renown of our nation« befördere.246 Dies ermöglicht auch den Vergleich mit Seefahrern aus anderen Ländern, denen keine vergleichbaren Leistungen zugebilligt werden. Zweitens schreiben die Autoren der Reiseberichte und die Verfasser von beigefügten Lobgedichten Frobisher die Hauptrolle im Kampf gegen die See zu. Sie vergleichen ihn mit Odysseus und Iason, wobei er seine Vorbilder natürlich übertreffe.247 Publikationen, die dieser Heroisierung widersprechen, sind nicht überliefert und Parker fand auch keine Hinweise darauf in den zeitgenössischen Registern.248 Dies könnte 243 So heißt es bei Best 1578, die Seeleute wären sicherlich gestorben, »had not the great goodnesse of God bene miraculously shewed to us«, zitiert nach  : Stefansson/McCaskill 1938 I, S.  44  ; vgl. McDermott 2001, S. 214 und S. 219  ; ähnliche Passagen in den anderen Berichten sind  : bei Edward Fenton, in  : McDermott 2001, S.  143f., 147f. und S.  152  ; bei Charles Jackman, in  : McDermott 2001 S. 132–134  ; bei Edward Sellman, in McDermott 2001, S. 181  ; bei Thomas Ellis, in  : McDermott 2001, S. 197 und S. 199. 244 George Best schildert die Ambivalenz von göttlichem Eingreifen und menschlichem Handeln anhand einer Szene, in der ein Teil der Männer gegen das Eis gekämpft und der andere Teil sich dem Gebet gewidmet habe. Beide hätten so das Überleben gesichert. Best 1578, in McDermott 2001, S. 213. Vgl. die Analyse ebd. S. 23. Anhand anderer Beispiele beschreibt solch ein Vorgehen zeitgenössischer Autoren auch Burghartz 2005. 245 So benennt George Best in seinem Bericht die geringe Todeszahl von 40 als herausragende Leistung  : Best 1578, in  : McDermott 2001, S. 238, vgl. Lemercier–Goddard 2013. 246 Best 1578, in  : McDermott 2001, S.  213. Zur Bedeutung der Reiseberichte für die Formierung einer kollektiven Identität durch Imagination eines positiven Nationalcharakters und negativer Fremdheitszuschreibung gegenüber den Inuit siehe Fuller 2008, S. 26–43 und ähnliche Schlussfolgerungen bei Lemercier–Goddard 2013 und Reimer 2006, S. 73-76. Vgl. auch Kapitel 4.1.3 und 4.2.3. 247 Vgl. Stefansson/McCaskill 1938, S.  36  ; Parker 1965, S.  83  ; Lemercier–Goddard 2013, S. 58f. 248 Parker 1965, S. 99. Der Bericht des von Lok beauftragten Notars Edward Sellman, in dem jener die Ruhmsucht Frobishers kritisiert, wurde nie publiziert. Vgl. die Edition McDermott 2011, S. 177– 194.

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Frobishers spätere Karriere erklären und dürfte auch der Grund dafür sein, dass noch bis heute ein positives Bild vom Seefahrer Frobisher die historische Forschung prägt.249 Das dritte und letzte Deutungsmuster fokussiert die Erfahrungen und konkreten Errungenschaften der Expeditionen. Dies ist besonders deutlich in George Bests Gesamtdarstellung der drei Reisen zu erkennen, die er dem einflussreichen und gegenüber einer Expansionspolitik positiv eingestellten Favoriten der Königin, Christopher Hatton, widmete. In seiner Einleitung zählt er, nicht zuletzt als Werbung für sein Buch, explizit das in seinem Werk konservierte Wissen auf, das aus den Reisen hervorgegangen sei  :250 Notwendige Vorbereitungen für eine Seefahrt  ; richtiges Verhalten auf See, speziell im Packeis und an fremden Küsten  ; der Umgang mit unbekannten Völkern  ; Beispiele für tapferes Verhalten von Befehlshabern und Mannschaften  ; Methoden zur Aufzeichnung geographischer und navigatorischer Entdeckungen und schließlich Kenntnisse auf den Gebieten der Geographie und Navigation. Diese Themenfelder gruppieren sich um die zentrale Aussage, Best werde belegen »how pleasant and profitable« Entdeckungsfahrten seien.251 Letztere Einschätzung untermauert er unabhängig vom Wert des zu dieser Zeit noch untersuchten Golderzes mit der These, es sei nun bewiesen, dass nicht nur die heiße, sondern auch die kalte Zone der Erde bewohnbar sei. Vorausschauend merkt Best noch an, dass es letztlich nur an der Gier einiger Mitreisender gelegen habe, dass Frobisher die Passage nach Cathay nicht gefunden habe. Damit bot Best zwei wichtige Argumente für weitere englische Arktisexpeditionen bis zum Ende des Jahrhunderts.252 Dieser erste Ansatz zu einer maritimen Expansionsliteratur war zwar auf ein englisches Publikum zugeschnitten, wurde aber auch grenzübergreifend rezipiert. Einblattdrucke über die Entdeckungen und die entführten Inuit erschienen im Alten Reich, und der Reisebericht von Dionyse Settle erhielt eine französische und eine deutsche Übersetzung.253

249 Die zweifellos zentralen Forschungsarbeiten McDermotts sind von Lob für die nautische Leistung Frobishers stark geprägt, beispielsweise  : McDermott 1999, S. 80. 250 Siehe Best 1578, in  : Stefansson/McCaskill 1938 I, S.  4. Eine Zusammenfassung bieten Savours 1999, S. 42  ; Fuller 2008, S. 6. Zur Bedeutung der von Best entworfenen Lektionen vgl. ebd., S. 23–106 und Parker, 1965, S. 83–85. Diese Deutung findet sich auch in anderen, von der Forschung eher vernachlässigten Berichten, bspw. Edward Fentons Journal, der das Vergraben einiger Vorräte und den Bau eines kleinen Hauses als Experimente für spätere Expeditionen darstellt, siehe die Edition von Fentons Journal, in  : McDermott 2001, S. 165. 251 Best 1578, in  : Stefansson/McCaskill 1938 I, S. 4. 252 Savours 1999, S. 40f. 253 Übersetzung ins Französische  : Nicolas Pithou 1578  : La navigation du capitain Martin Forbisher [!] Anglois, és regions de west & Bordwest, en l’année M. D. LXXVII, Vorwort S. 1–10  ; vgl. Lestringant 1996a, S.  38f. Aus der französischen Ausgabe ging in Straßburg eine deutsche hervor  : Anonymus 1579  : Merckliche Beschreibung sampt eygenlicher Abbildung eyes frembden unbekannten Volcks eyner neuerfundenen Landschaft oder Insul neulicher Zeit vom Herrn Martin Frobisher erkündigt. Es folgen laut

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Das Erscheinen einer französischen Ausgabe deutet auf ein kontinuierliches Interesse an dieser Region Amerikas hin, insbesondere in den Hafenstädten der Normandie, der Bretagne und des Baskenlandes, von wo weiterhin zahlreiche Seeleute zur Fischerei vor die Küste des heutigen Kanada fuhren. Deren Geschäft begann sich allerdings seit Anfang der 1570er Jahre immer mehr zu verändern.254 Eine stetig ansteigende Nachfrage für hochwertige Pelze brachte mehr und mehr Seeleute dazu, einen immer größeren Teil ihres Aufenthaltes dem Handel mit den Indigenen zu widmen. Dies führte zu einer steigenden Bedeutung der interkulturellen Beziehungen und dürfte auch das beiderseitige Wissen um Preise, Tauschpraktiken und Handelsplätze erweitert haben. Mit dem neuen Geschäftsfeld ergaben sich auch neue Konkurrenzsituationen, zumal auch die Fischerei zu dieser Zeit von Konflikten geprägt war. Immer mehr Seeleute aus verschiedenen Ländern stritten um die besten Trockenplätze, und Piraten, vornehmlich aus englischen Häfen, störten das Geschäft zusätzlich. Ausgehend von dieser Problematik ersuchte Troilus de Mesgouez Sieur de La ­Roche den König im März 1577 um ein Patent für die Kolonisierung Nordamerikas.255 La Roche war unter der Protektion Katharina de Medicis aufgestiegen und hatte sowohl einen Sitz im Conseil d’Etat, wie auch zeitweise ein Gouverneursamt in der Bretagne, wo er sich aus erster Hand über Profite und Risiken der Neufundlandfahrten informiert hatte. La Roche erhielt die gewünschte Erlaubnis auf Neufundland und in umliegenden Gebieten jedes Land, dessen er sich bemächtigen könne, zu besiedeln und »faire bâtir, construire et édifier, fortifier et remparer telles forteresses que bon lui semblera pour les garder et conserver«. 256 Als sein Patent im Januar 1578 offiziell registriert wurde, erhob ihn dies in den Rang eines lieutenant général et Viceroy. Seine Unternehmung könnte aufgrund ihres räumlichen Zuschnitts als Konkurrenz zu Frobishers Projekt gewertet werden. Tatsächlich hatte der französische Gesandte in London seine Vorgesetzten im Oktober 1577 über die zweite Expedition nach Meta Incognita und dort möglicherweise gefundene Goldminen informiert.257 Doch der frühe Zeitpunkt von La Roches Antrag, die geringen Mittel, die er aufbringen konnte, und die fehlenden Hinweise auf Unterstützer deuten darauf hin, dass man sich nicht in einem Wettbewerb um ominöse Minen sah, sondern vielmehr ein Zeichen für die Sicherung der Fischerei und des Pelzhandels setzen wollte. Auch der englische Gesandte und seine Informanten, die im Gegenzug über La Roches Vorhaben berichteten, taten dies nicht aus Sorge um koloniale Rivalität, sondern weil Elisabeths Berater befürchParker 1965, S. 71 eine lateinische (1580) und italienische (1582) Übersetzung, die vermutlich auch auf der französischen Fassung basierten. 254 Thierry 2008, S. 36  ; Eccles 1998, S. 12  ; Havard/Vidal 2003, S. 38f. 255 Zur Übersicht vgl. Lanctot  : La Roche de Mesgouez, Troilus de. In  : DCB  ; Biggar 1901, S.  38  ; Trudel 1963, S. 215f.; Allaire 2004, S. 52  ; Quinn 1977, S. 465f. und Thierry 2008, S. 35–37. 256 Zitiert nach  : Thierry 2008, S. 36f. 257 Bericht in Auszügen publiziert bei  : Thierry 2008, S. 37  ; vgl. Allaire 1999a, S. 589–606.

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teten, er würde einen irischen Exilanten bei dem Versuch unterstützen, einen Aufstand gegen die englische Herrschaft anzuzetteln.258 La Roche stach 1578 mit nur einem Schiff in See. Eine Flottille von vier englischen Schiffen brachte ihn jedoch mit dem Vorwurf auf, er kooperiere mit irischen Rebellen. La Roche musste daraufhin seine Pläne vorerst aufgeben, zumal auch der Ausbruch erneuter innerfranzösischer Konflikte im Jahr 1579 gegen eine zeitnahe weitere Expedition sprach. La Roches Patent blieb jedoch weiterhin gültig und sein Interesse an Nordamerika bestehen. Während La Roche und Frobisher aufgrund der bescheidenen Ergebnisse ihrer Expeditionen einige Jahre nicht aktiv werden konnten, übernahm der Engländer Humphrey Gilbert, der seit Längerem koloniale Projekte im Nordatlantik vorbereitete, erneut die Initiative. Gilbert konnte dabei von der Propaganda, die im Umfeld der FrobisherReisen entstand, profitieren, war aber weder an den Expeditionen noch an der Company of Cathay in führender Position beteiligt gewesen und von ihrem Untergang somit unbelastet. Er unternahm zwei Reisen, 1578 und 1583, deren Vorgeschichte, Verlauf und Folgen in der Forschung mehrfach behandelt wurden. Dabei schrieb ihm die englische wie auch die anglo-kanadische Historiographie aufgrund seiner Denkschriften und der Besitznahme Neufundlands die Rolle eines tragischen Pioniers des Britischen Empire zu.259 Humphrey Gilbert wandte sich 1577, während die ersten Lobschriften über Frobishers Reisen erschienen und Berichte über La Roche in London eingingen, mit einem Discourse an die Königin. Darin entwarf er eine offensive maritime Politik, die für die Krone unabhängig von möglichen Goldfunden sowohl finanziell wie machtpolitisch profitabel wäre. Seine Schrift trug den aussagekräftigen Titel  : How Hir Majestie may annoay the King of Spayne by fitting out a fleet of war-ships under pretence of a voyage of discovery, and so fall upon the enemy’s shipping, destroy his trade in Newfoundland and the West Indies, and possess both Regions.260 Gilbert verknüpfte in diesem Text die bekannten Profite aus der Neufundlandfischerei mit der Aussicht auf eine Nordwestpassage auf 258 Lanctot  : La Roche de Mesgouez, Troilus de. In  : DCB. 259 Seine Bedeutung resultiert auch aus dem besonderen Status Neufundlands, das erst 1949 Teil von Kanada wurde. Vgl. Gordon  : Hero, S.  157–189  ; In St.  Johns auf Neufundland wird er als angeblicher Begründer von »Britain’s Overseas Empire« durch Denkmal und Plakette geehrt. Zu Gilberts Reisen lassen sich wie bei Frobisher und in anderen Kontexten zwei Forschungstendenzen unterscheiden  : Erstens eine ereignisgeschichtlich orientierte, für die Quinns Werke zentral sind  : Quinn 1940  ; Quinn  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB  ; Vgl. die Übersicht bei Rapple  : Gilbert, Humphrey. In  : ODNB. Kritisch gegenüber Gilberts Heroisierung  : Andrews 1984, S. 187. Die zweite Forschungsrichtung zielt auf eine diskursorientierte Analyse der Schriften zu seinen Projekten und ist von Fuller geprägt  : Fuller 1995. Eine Arbeit zwischen diesen beiden Polen, durch Fokus auf Wissensbestände sowie die Werbung für die Reisen bietet  : Probasco 2013, inklusive Forschungsbericht S. 9–16. 260 Humphrey Gilbert  : A discourse how hir Majestie may annoay the King of Spayne. 6. November 1577, ediert in  : Quinn 1940, S.  170–175  ; siehe CSP Domestic, […] Elizabeth (1547–1580), S.  565, 6.

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den Spuren Jacques Cartiers und dem erfolgreichen Geschäftszweig der Kaperfahrt zu einem einzigen großen Projekt. Er empfahl mit einer Kriegsflotte dauerhafte Kontrolle über die Neufundlandfischerei zu gewinnen, die spanischen, portugiesischen und französischen Schiffe dort zu kapern und sie dann gegen die spanischen Besitzungen in Westindien einzusetzen. Die Reaktion auf diese Eingabe war generell positiv, worauf eine wenige Wochen später eingehende zweite Denkschrift hindeutet, in der speziell der Schlag gegen die Karibik genauer ausgeführt war.261 Nach der Plünderung von Siedlungen sollte auf Bermuda eine dauerhafte Basis für Angriffe auf die spanischen Schatzschiffe entstehen, wodurch die spanische Politik wesentlich geschwächt und die englische im Gegenzug gestärkt würde. In den Plänen war jeweils ein diplomatischer Winkelzug vorgesehen. Das Patent für den Befehlshaber sollte jedwede Aggression verbieten, damit die Königin ihre Unkenntnis gegenüber dem König von Spanien versichern und gegebenenfalls einzelne Beteiligte symbolisch bestrafen könnte. Gilbert stützte sich bei Entwurf und Vorlage seines Konzepts auf ein Netzwerk von Unterstützern und Informanten, das seine Ideen befürwortete. Zu dieser Gruppe gehörte natürlich John Dee, der eventuell auch einen Wissensaustausch mit Michael Lok vermittelte. Die Informationen über Neufundland stammten von dem reiseerfahrenen Kaufmann Anthony Parkhurst, der selbst viele Wochen auf der Insel verbracht hatte und eine Kolonisierung empfahl.262 Parkhurst schilderte in Briefen Neufundland als ressourcenreichen Ort, vermied es aber, Gold und Edelsteine zu versprechen. Stattdessen lobte er die Fischgründe, Wälder und die Eignung für Landwirtschaft, die arme und beschäftigungslose Engländer nutzen könnten. Bindeglied zwischen ihm und Gilbert dürfte der Anwalt Richard Hakluyt d.Ä. gewesen sein, der seit längerer Zeit Schriften und Karten über Entdeckungsreisen und koloniale Projekte sammelte und bemüht war, ausgehend von Parkhursts Berichten, konkrete Handlungsanweisungen für zukünftige Unternehmungen zu verfassen. Dieses Netzwerk des Wissens brauchte jedoch Verbindungen zum Hof, für die Gilbert in einem Brief Francis Walsingham dankte, der einer Konfrontation mit Spanien positiv gegenüberstand.263 Die Tatsache, dass Gilbert sowohl Befürworter einer friedlichen Kolonisierung wie auch einer Offensive gegen Spanien um sich versammelte, belegt die Verflechtung beider Formen der Expansionspolitik. Wie sehr Gilbert sich auf seine Fürsprecher verließ, zeigt sich November 1577. Für eine kombinierte Analyse mit einem zweiten, anonymen Entwurf vgl. Probasco 2011, S. 121  ; Eldred 2013, S. 87f. 261 Trotz fehlender Unterschrift auch Gilbert zugeordnet bei  : Probasco 2011, S. 121. 262 Quinn  : Parkhurst, Anthony. In  : DCB  ; Lenman 2001, S. 90  ; Mancall 2007, S. 78f.; Parkhursts Briefe an Hakluyt und andere sind ediert in  : Taylor 1935  : Brief von Anthony Parkhurst an Unbekannt, 1577/1578, S. 123–127  ; Brief von Anthony Parkhurst an Richard Hakluyt, d.Ä. 1578, S. 127– 134  ; beide Briefe wurden erstmals publiziert in  : Hakluyt PN 1600. 263 Trattner 1964, S. 28  ; Cooper 2011, S. 259 und S. 263  ; der Brief vom 23. September 1578 ist ediert in  : Quinn NAW III, S. 189.

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darin, dass er mit den Vorbereitungen für eine Expedition begann, noch bevor er im Juni 1578 ein Patent von der Königin erhielt.264 Elisabeth I. erlaubte ihm darin, Länder zu erkunden und in Besitz zu nehmen, die keinem christlichen Fürsten gehören. Er durfte Siedler aus England dorthin bringen und erhielt weitreichende Privilegien bezüglich Rechtsprechung und Grundbesitz. Hierzu gehörte auch das Recht, erblichen Landbesitz zu verleihen. Alle gegründeten Siedlungen sollten auf ewig der englischen Krone unterstehen. Eine Klausel nach kastilischem Vorbild verpflichtete Gilbert binnen sechs Jahren das Patent erfolgreich zu nutzen, sonst verlöre er seine Rechte. Während der Laufzeit waren seine Ansprüche dafür exklusiv, so dass kein anderer Engländer ohne seine Erlaubnis die Küsten anlaufen, Handel treiben oder eine Kolonie gründen durfte. Gilbert erhielt für den Fall, dass jemand dagegen verstieße, das Recht zur gewaltsamen Durchsetzung seiner Ansprüche. Von solchen Situationen abgesehen, mahnte die Königin ihn aber explizit, Frieden zu halten und weder Engländer noch Verbündete der Krone zu schädigen. Diese Einschränkung ist in der Forschung oft als Ausdruck einer defensiven Politik gedeutet worden, passt aber, wie Probasco herausstellt, genau zu Gilberts Plänen, der Königin die Möglichkeit zur diplomatischen Distanzierung zu geben. Zu seinen früheren Konzepten passen auch die Zusammensetzung und Ausrüstung seiner Flotte, die eher für Kaperfahrten als für den Bau eines Stützpunktes geeignet war. Dass in Gilberts Netzwerk dennoch Kolonisierung als Ziel der Expedition diskutiert wurde, zeigen die Empfehlungen Richard Hakluyts d.Ä. die er Gilbert zusandte.265 Hakluyt d.Ä. erstellte einen Katalog idealerweise zu findender Ressourcen, empfahl prinzipiell eine Insel in einer Flussmündung mit einem »temperate climate« als Siedlungsort, um das Landesinnere zu erforschen, und riet zu einem guten Verhältnis mit den Indigenen, welche um die örtlichen Commodities wissen.266 Weiterhin sei ein Tiefwasserhafen unumgänglich, um Nachschub und Handel zu ermöglichen und Verstärkung gegen Indigene und europäische Feinde heranzuführen. Diese Ratschläge sind insofern bemerkenswert, als dass sie einen grenzübergreifenden Transfer von Erfahrungen französischer und spanischer Akteure nach England nachvollziehbar machen. An den Planungen beteiligten sich auch John Dee, der Kartenmaterial erstellte, und weitere Personen, die in den kommenden Jahren immer wieder mit kolonialen Initiativen hervortraten.267 Zu ihnen gehörte Gilberts Halbbruder Walter Ralegh, der 264 Elisabeth I. Letters Patent to Sir Humphrey Gilbert. Datiert 11. Juni 1578, ediert in  : Quinn NAW III, S. 186–189  ; vgl. die zeitgenössische Publikation bei Hakluyt PN 1589, S. 677–679. Die wichtigsten Quellen zu Gilberts Projekten sind zeitgenössisch publiziert worden in Hakluyt 1582 und Hakluyt PN 1598–1600  ; Neuausgaben mit ergänzendem Material bieten  : Quinn 1940 und Quinn NAW III, S. 1–60. Zur Vorbereitung der Reise siehe Probasco 2013, S. 123. 265 Ediert in  : Quinn NAW III, S. 23–26  ; erstpubliziert in  : Hakluyt 1582, vgl. Mancall 2007, S. 61–64. 266 Probasco 2013, S. 65–70. 267 Probasco 2013, S. 53–60. Probasco stellt außerdem die These auf, dass Dee die Letters Patent mitverfasste.

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eines der Schiffe kommandierte, und George Peckham, der bereits 1574 mit Richard Grenville vergeblich um ein koloniales Patent ersucht hatte.268 Peckham war Teil einer Gruppe von katholischen Engländern, die zwar loyal zur Krone standen, aber Freiräume für ihre Glaubensausübung suchten. Inwiefern er 1578 die Idee einer katholischen englischen Kolonisierung Amerikas verfolgte, ist nicht eindeutig zu belegen, aber Peckhams wenige Jahre später eindeutig formulierten Pläne stellen gewissermaßen das Gegenstück zu der im Umfeld von Admiral Gaspard de Coligny in Frankreich erörterten, eventuellen Auswanderung der hugenottischen Minderheit dar. Während der Aufbruch der Flotte sich verzögerte, veröffentlichen zwei Autoren Druckschriften, die im Kontext der laufenden Vorbereitungen standen.269 Der erste war ein zeitweise für Walsingham als Kurier tätiger Schriftsteller und Soldat, der lobende und glückwünschende Verse über Gilbert, prominente Mitreisende und die bevorstehende Reise verfasste.270 Der zweite Autor, ein in Bristol tätiger Kaufmann, übersetzte ein älteres spanisches Navigationshandbuch, das gewissermaßen als Katalog für Freibeuter gelesen werden kann  : A briefe description of the portes, creekes, bayes and havens of the West India. Der Autor widmete sein Werk Gilbert und forderte ihn und alle Seefahrer zu genauen navigatorischen Messungen und Beschreibungen auf.271 Im November 1578, nachdem Frobisher von seiner dritten Expedition zurückgekehrt und der Sieur de La Roche aufgehalten worden war, hatte Humphrey Gilbert seine Vorbereitungen abgeschlossen und 10 Schiffe mit mehr als 500  Mann aufgeboten.272 Nach internen Konflikten brach jedoch einer der Investoren mit dreien der Schiffe auf eine eigene Kaperfahrt auf, wie Gilbert später seinem Förderer Walsingham darlegte.273 Der Versuch, mit den verbliebenen Schiffen den offenen Atlantik zu erreichen, scheiterte am widrigen Wetter und dadurch verursachte Schäden. Einzig Gilberts Halbbruder Walter Ralegh konnte mit seinem Schiff unter Anleitung des konvertierten portugiesischen Navigators Simão Fernandez, den Francis Walsingham persönlich aus seinem Gefolge überstellt hatte, in den offenen Atlantik vordringen.274 Aber auch er musste ohne die erhoffte Prise nach England zurückkehren. Nach fünf Monaten war Gilberts Flotte zurück in England, und er selbst musste einen erhebli268 McDermott  : Peckham, George. In  : DNB. 269 Siehe Probasco 2013, S. 88 und einordnend Fuller 1995, S. 20–38. 270 Thomas Churchyard  : A discourse of the Queenes Maiesties entertainement in Suffolk and Norffolk […] Wherevnto is adioyned a commendation of Sir Humfrey Gilberts ventrous iourney. Erhältlich auf EEBO, dort aber teilweise unleserlich  ; vgl. Lyne  : Churchyard, Thomas. In  : ODNB. 271 John Frampton  : Enciso/Frampton 1578. 272 Vgl. Zum Verlauf der ersten Expedition  : Quinn 1940, S.  40–50  ; Quinn  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB  ; Quinn 1973, S.  39–44  ; Rapple  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : ODNB  ; Andrews 1984, S. 187–189. 273 Vgl. Briefe von Gilbert an Walsingham vom 12. November und zweimal vom 18. November, ediert in  : Quinn NAW III, S. 195–198. 274 Probasco 2013, S. 180f.

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chen Teil seines Vermögens aufwenden, um Schulden zu begleichen. Hinzu kam, dass der Privy Council ihn seinem Patent entsprechend zwang, Kaufleute zu entschädigen, die von seinen abtrünnigen Seeleuten angegriffen worden waren.275 Während Gilbert und Frobisher ihre Projekte mit hohen finanziellen Verlusten abbrechen mussten, erreichte Francis Drake als erster Engländer den Pazifik.276 Auch seine 1577 geplante Expedition war von Francis Walsingham bei Hofe gefördert worden, der sich ebenso wie Elisabeth und ihr Favorit Christopher Hatton finanziell beteiligte. Die Reise stand unter strikter Geheimhaltung, was späteren Historikern Raum für Spekulationen über ihre genauen Ziele ließ. Drake erreichte 1578 mit nur einem Schiff den Pazifik, wo er mit bisher einzigartigem Erfolg spanische Schiffe und Siedlungen plünderte. Im Jahr 1579 nahm er bei einem längeren Aufenthalt bisher unbekannte Länder an der Westküste Nordamerikas offiziell in Besitz. Die genaue Lage seines Nova Albion ist in der Forschung ebenso umstritten wie die Ernsthaftigkeit der mit der Landnahme angedeuteten kolonialen Ambitionen.277 Als relativ sicher kann allerdings gelten, dass Drake ursprünglich plante, vom Pazifik aus durch die Nordwestpassage nach England zurückzukehren, sofern er denn eine Einfahrt finden würde. Angesichts der Weite der nordamerikanischen Küste kehrte er jedoch durch den indischen Ozean nach England zurück. Damit war er der erste Kapitän, der eine Weltumsegelung überlebte, und sicherte seinen Investoren einen geradezu traumhaften Profit von mehr als 4000  Prozent. Elisabeth, die als größte Profiteurin der Unternehmung gelten kann, gewährte ihm für seine Leistungen 1581 den Ritterschlag, obwohl der spanische Gesandte seine Hinrichtung forderte. Die Zeremonie führte ein ranghoher französischer Gesandter in ihrem Beisein durch, der zu dieser Zeit über eine Eheschließung Elisabeths mit dem jüngsten Sohn Katharina de Medicis verhandelte.278 Diese Geste erlaubte ihr möglicherweise eine gewisse Distanzierung von Drakes Taten und konnte außerdem als indirekte Zustimmung des französischen Prinzen für den Angriff auf das spanische Imperium gedeutet werden. In jedem Fall bildete Drakes triumphale Rückkehr einen starken Kontrast zu Gilberts oder Frobishers Unternehmungen.279

275 Childs 2014, S. 94f. Zu den Untersuchungen und Strafen siehe Quinn NAW III, S. 199–210. 276 Es liegen sehr umfangreiche Forschungen zu Drake vor. Für einen kurzen Überblick zur Person und Reise siehe Kelsey  : Drake, Sir Francis. In  : ODNB, mit zahlreichen Verweisen  ; ein Standardwerk ist Andrews 1967. 277 Beispielsweise vertritt Bawlf in seiner Monographie Bawlf 2003 die These, Drake habe eine Kolonie in Nordwestamerika gründen sollen. Dieses Ziel erkläre auch die Geheimhaltung. Hier ist allerdings der Wunsch des Autors deutlich erkennbar, Drake auch ohne neue Quellenbelege nicht mehr als Pirat, sondern als positiv konnotierten Entdecker und Kolonisator zu präsentieren. Vgl. zu älteren diesbezüglichen Spekulationen Taylor 1934, S. 296–306. 278 Hazard 2000, S. 251. 279 Childs 2014, S. 98.

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Die politische Lage in Europa, die Gilbert und Drake zum Anlass für ihre Denkschriften und Expeditionen genommen hatten, veränderte sich um 1580 zuungunsten der englischen Freibeuter. Nach dem Tod des letzten portugiesischen Herrschers aus dem Hause Avis konnte sich der testamentarische Erbe König Philipp II. von Spanien militärisch gegen einen illegitimen Nachfahren der Avis durchsetzen, Dom Antonio, den Prior von Crato.280 Obwohl Antonio in ein französisches Exil fliehen musste, erklärten sich führenden Familien der Azoren ihm gegenüber loyal und weckten so bei ihm und im Umfeld Katharina de Medicis die Hoffnung auf eine Rückeroberung des Königreiches. Philipp II. etablierte 1580 eine Personalunion der spanischen und portugiesischen Monarchie ohne die Regierungen, Verwaltungen, Gesetze, Abgaben und insbesondere die Rechte und Privilegien der Eliten zu vereinheitlichen.281 So konnte er sich in Portugal auch ohne direkten Zwang Gefolgschaft sichern. Trotz dieser Einschränkung brachte die Union ihm erhebliche Vorteile. Beide Reiche waren nun militärisch und diplomatisch verbunden und eine Kriegserklärung eines anderen Herrschers an die Person Philipps betraf beide. Dies gab dem König Spielraum, um die professionelle portugiesische Kriegsmarine und ihre Häfen und Inselstützpunkte für seine Zwecke zu nutzen.282 Auch in den Kolonien bedeutete die Personalunion zwar keine Vereinigung des Besitzes oder freien Handel für die Untertanen beider Reiche – aber Konflikte waren dadurch unwahrscheinlich und koordinierte Aktionen zur Sicherung und Arrondierung des Besitzes möglich geworden. Ausdruck dieser Entwicklung waren neue Expeditionen zur Etablierung von Stützpunkten am Rio de la Plata und an der Magellanstraße, die eine Reaktion auf die Angriffe Drakes darstellten. An der grundlegenden Problematik der iberischen Kolonialreiche – dem Mangel an Schiffen und Soldaten zur Verteidigung der beanspruchten Räume, konnte die Union nichts ändern. Der erfolglose portugiesische Thronanwärter Dom Antonio versuchte nicht nur in Frankreich, dem Ort seines Exils, sondern auch in England Unterstützung für eine Rückeroberung seines Erbes zu gewinnen. Während Königin Elisabeth bei einem kurzen Besuch Antonios aber keinen Willen zeigte, sich offen gegen Spanien zu stellen – man denke an ihre diplomatische Absicherung bei Drakes Rückkehr und in Gilberts Letters Patent –, war Katharina de Medici bereit, das Risiko einzugehen, zumal 1580 eine Ruhephase in den innerfranzösischen Kriegen eingetreten war.283 Katharina ließ unter dem Befehl ihres erfahrenen Söldnerführers Phillipe Strozzi eine der größten französischen Marineoperationen des Jahrhunderts vorbereiten, de280 Vgl. die Arbeiten von Elliott  ; Childs 2014, S. 112f. Nach Pietschmann liegt in diesem Jahr der Startpunkt für die Formierung eines atlantischen Systems, siehe die Eingrenzung von Pietschmann 2002. 281 Dennoch bezeichnet Elliott den Vorgang als Annexion Portugals Elliott 1981, S. 202. 282 Glete 2001, S. 67. 283 Glete 2001, S. 156f.

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ren Ziel die noch immer loyal zu Dom Antonio stehenden Azoren waren.284 Bevor Strozzi seine knapp 60 Schiffe und mehr als 6000 Söldner – darunter laut Roncière mehr als 1000 Deutsche – ins Gefecht führte, mussten der Prätendent und Katharina aber eine Entschädigung für die Hilfsleistung vereinbaren. Roncière vertritt die Ansicht, dass Katharina eine Abtretung Brasiliens und eventuell der Azoren gefordert habe, um ein eigenes Kolonialreich auf den Spuren Colignys zu errichten.285 Als Argument hierfür nutzt er Hinweise in ihren Briefen sowie in einem publizierten Nachruf auf Phillipe Strozzi.286 Die Quellenbasis für seine These ist allerdings sehr dürftig. Da kein offizielles Patent oder ein Vertrag überliefert ist, bleibt das Spektrum möglicher Forderungen Katharinas groß  : ein freier Zugang zum portugiesischen Kolonialhandel in Asien und/oder eine französische Ehe Antonios und/oder die Abtretung der Azoren und/oder Brasiliens und/oder anderer Gebiete für Katharinas jüngsten Sohn. In vielen dieser Fälle wäre eine Besetzung Brasiliens, über die auch auswärtige Gesandte spekulierten, lediglich ein diplomatisches Pfand gewesen.287 Auch wenn Roncières These daher als unbestätigt gelten muss, deutet sie dennoch auf die Tatsache hin, dass insbesondere in der Normandie viele Akteure in den 1570er Jahren Handelsfahrten nach Brasilien unternahmen und Kontakt zu indigenen Verbündeten hielten, was beispielsweise den Zeichner einer Prunkkarte aus der Dieppe-Schule 1579 zur optimistischen Anmerkung auf seinem Werk motivierte, dass in Brasilien 10.000 Indigene bereit seien, Krieg gegen die Portugiesen zu führen.288 Als Katharina und Antonio eine nicht mehr genau zu bestimmende Einigung erzielt hatten, konnte Phillipe Strozzi 1582 aufbrechen. Nachdem englische Freibeuter und portugiesische Anhänger Dom Antonios seine Flotte verstärkt hatten, segelte er zu den Azoren, wo er vergeblich versuchte, eine zahlenmäßig unterlegene spanische Kriegsflotte zu besiegen. Strozzi geriet in Gefangenschaft und wurde wegen Piraterie exekutiert, was darauf hindeutet, dass er kein offizielles Patent für seine Reise vorlegen

284 Zur Übersicht über Vorbereitung und Durchführung vgl. Knecht 2014, S. 207–212  ; Julien 2003, S. 270–275. 285 Zur These  : Roncière 1910, S. 167–183 und Roncière 1908, S. 481–515. Der These folgen  : Abenon/Dickinson 1993, S. 116  ; Cloulas 1979, S. 460f.; Thierry 2008, S. 35. Brunelle 1991, S. 32 gibt ohne Belege an, dass Strozzi von Heinrich III. zum Vizekönig von Brasilien ernannt worden sei  ; ebenso bei  : Mariéjol 2005, S. 498 und S. 512. Eine abwägende Position mit Verweis auf die Überlieferungslücken vertreten Labourdette 2000, S. 273f. und Martinière 2007, S. 22. 286 Der Nachruf erschien 1582 und wurde 1608 und 1836 nachgedruckt  : Herrmann Taffin Sieur de Torsay 1582  : La Vie, Mort, et Tombeau de Haut et Puissant Seigneur Philippe de Strozzi. Die Quelle befasst sich nur auf einer Seite mit kolonialen Plänen, aber über 15 Seiten mit der Ausrüstung der Flotte und dem Verlauf der Schlacht. In den nur in Edition überlieferten Briefen Katharinas ist die Anweisung an Strozzi überliefert, nach Eroberung der Azoren Kurs auf Brasilien zu nehmen  ; vgl. Knecht 2014, S. 210. 287 Vgl. Knecht 2014, S. 210 mit einer kritischen Position gegen La Roncières These. 288 Toulouse 2012, S. 142.

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konnte oder wollte – vermutlich, weil solch ein Dokument für Philipp II. einen Kriegsgrund hätte darstellen können. Strozzis Expedition stand in Frankreich im Kontext einer lebhaften literarischen Debatte über Entdeckungen und koloniale Projekte, die seit Mitte der 1570er Jahre geführt wurde. Sie begann zwar als innerfranzösische Auseinandersetzung, gewann aber zunehmend eine europäische Dimension. Eine Schlüsselstellung nahm darin André Thevet, königlicher Kosmograph und bekannter Autor der Singularitez de la France antarctique, ein. Er veröffentliche 1575 eine Cosmographie universelle in französischer Sprache, in der er sich als Verfechter der Empirik und Praxis gegenüber lateinisch oder griechisch schreibenden Buchgelehrten inszenierte.289 Seine persönliche Erfahrung machte Thevet auch zum Argument dafür, die Schuld am Scheitern der Kolonie Villegagnons in Brasilien nun explizit den Calvinisten zu geben. Sie hätten sich gegen Villegagnon verschworen und die Kolonie dermaßen destabilisiert, dass Thevet und andere um ihr Überleben hätten fürchten müssen.290 Damit wies er jedwede Vorwürfe gegen den inzwischen verstorbenen Villegagnon zurück und entzündete den eigentlich seit einem Jahrzehnt ruhenden Konflikt um das Ende der Kolonie erneut. Thevets Werk provozierte scharfe Kritik sowohl von katholischer wie von reformierter Seite.291 Den Anfang machte der Katholik François Belleforest, ein ehemaliger Mitarbeiter von Thevet, der 1575 ebenfalls eine Kosmographie in Druck gab und damit dessen direkter Konkurrent war.292 Belleforest warf Thevet Plagiat, missverständliche und unklare geographische Angaben sowie Häresie vor.293 Letztere ließ sich unter anderem dadurch begründen, dass Thevet biblische Aussagen über Geographie oder Biologie explizit einer Prüfung unterzog. Der königliche Kosmograph konterte mit dem Vorwurf, Belleforest habe nicht mit eigenen Augen gesehen, worüber er schreibe. Hierfür ließe sich dessen Überzeichnung beispielsweise der von Jacques Cartier besuchten indigenen Siedlung Hochelaga als Beleg anführen, die er fälschlicherweise größer als Moskau und voller Paläste darstelle.294 Thevet betont außerdem, dass Belleforest schreibe, um damit Geld zu verdienen, was einen moralischen Makel ­darstelle.295 Bezüglich Brasiliens sind sich beide allerdings darin einig, 289 Thevet 1575. Für eine umfassende Forschung zu Autor und Werk siehe die Arbeiten von Lestringant, hier in Auswahl  : Lestringant 1991  ; Lestringant 1991a  ; vgl. zur Selbsinszenierung  : Lestringant 1994, S. 18 und 128  ; vgl. die Orginalausgabe  : Lestringant 1991, S. 35. 290 Gewecke 1986, S. 186f. vgl. Lestringant 2004, S. 135f. 291 Für eine Übersicht siehe Lestringant 1991a, S. 231–258. 292 Siehe allgemein  : Debofle 1995, zur früheren Kooperation, S. 93. Lestringant bezeichnet die Auseinandersetzung als »Duell des cosmographes«, in  : Ders. 1991a, S.  189. Zur Position beider Autoren bezüglich der Indigenen und dem französischen Recht auf Kolonisierung grundlegend Dickason 1992a, S. 1–11. 293 Menninger 1995, S. 218  ; Obermeier 1995, S. 43  ; Lestringant 1994, S. 24f. 294 Dickason 1992, S. 101. 295 Debofle 1995, S. 52f.

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dass in der gemischten Konfession der Beteiligten die Ursache für das Scheitern der Kolonie gelegen habe.296 Dieser Einschätzung widersprach einer der nach Brasilien gereisten Calvinisten, Jean de Léry, in einem überaus erfolgreichen Reisebericht ausdrücklich.297 Lérys Bericht, der insbesondere für die detaillierte und relativ positive Schilderung der indigenen Tupinamba berühmt ist, erschien erstmals 1578 und erreichte mehr als zehn Auflagen und Übersetzungen.298 Insbesondere in seinen mit den Auflagen wachsenden Vor- und Nachworten griff Léry Thevet und dessen Brasilienberichte an.299 Er legte dar, dass Thevet vor der Ankunft der Calvinisten Brasilien bereits verlassen habe und dessen Aussagen damit wertlos seien.300 Der nur sehr kurze Aufenthalt nehme auch allen Angaben über das Land und die Bewohner jede Glaubwürdigkeit, was Léry durch die Unterstellung, Thevet habe einen Hang zur Phantasterei, noch zuspitzte. Léry spottete über die Erwähnung der nichtexistenten Stadt Henryville, die Ville­ gagnon angeblich gegründet habe, und über Thevets Darstellung der Indigenen. Er stellte Thevets Behauptung, es gäbe in Brasilien Amazonen und einzelne indigene Anführer seien noble, heroische Könige mit übermenschlichen Kräften, die den großen Herrschern der Antike glichen, seine eigene Erfahrung gegenüber.301 Inwiefern er nicht einsah oder einsehen wollte, dass Thevet diese Elemente allegorisch und nicht deskriptiv nutzte, ist nicht zu ermitteln. Von Belleforest, Léry und anderen Autoren kritisiert, verlor der königliche Kosmo­ graph an Ansehen, was auch mit einer generell sinkenden Bedeutung des Genres Kosmographie zusammenhing.302 Im öffentlichen Diskurs wurde sein Antiprotestantismus, aber auch die calvinistische Gegenposition, jedoch bald durch eine antispanische Argumentationslinie überflügelt, die durch den Krieg in den Niederlanden zusätzliche Relevanz erhielt. In der von spanischen Söldnern Ende 1576 geplünderten und gebrandschatzten Stadt Antwerpen erschienen 1578 eine niederländische und 1579 eine französische Übersetzung von Bartholomé de Las Casas’ Brevíssima Relación.303 Die zuerst 1552 erschienene dramatische Anklage des Dominikaners gegen die Grausam296 Lestringant 1991a, S. 212f. 297 Léry 1578. 298 Pagden 1996, S. 69f.; Gewecke 1986, S. 185 nennt mindestens acht französische und drei lateinische Ausgaben. Zur Bedeutung Thevets und Lérys als Historiker Brasiliens siehe insbesondere Lestringant 2004, S. 77–128, über den Konflikt ebd. 129–204, vgl. Mahlke 2005, S. 141–195, die eine neuartige Lesart der Brasiliendarstellung vorstellt. Mahlke deutet die Schilderung Brasiliens als Satire in Form eines Narrenspiegels, die stark antikatholisch geprägt ist. 299 Siehe exemplarisch  : Léry 2001, S.  333–350  ; zur Übersicht  : Lestringant 2004, S.  145–151  ; Le­ stringant 2005, S. 44–54. 300 Wehrheim-Peuker 1998, S. 136  ; Castillo 2006, S. 51–54. 301 Lestringant 1994, S. 56–58, 64, 89–97  ; vgl. die Originalausgabe  : Lestringant 1991, S. 105–145. Lestringant 1987, S. 38–61  ; Cook 2008, S. 318–320. 302 Lestringant 1994, S. 24, 64, 89f. 303 Hart 2001, S. 112–115.

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keiten der Konquistadoren war eigentlich zur Förderung von Reformen und neuer Gesetzgebung gedacht und erhielt nun eine neue Bedeutung. Die französische Ausgabe enthielt ein Vorwort, in dem die generelle Arroganz und Grausamkeit der Spanier betont wurde. Die Botschaft war, dass die Spanier, wenn man sie gewähren ließe, in Europa Massaker ebenso wie in Amerika verüben würden. In Frankreich gewann diese Argumentationslinie durch die umfangreiche antispanisch ausgerichtete Geschichte der neu entdeckten Länder, die der reformierte Predi­ger Urbain Chauveton 1579 in Genf in Druck gab, weiter an Bedeutung.304 Der Erscheinungsort deutet bereits auf den grenzübergreifenden Charakter des antispanischen kolonialen Diskurses hin, den viele französische Exilanten in der Schweiz prägten. Für das französische Publikum fügte Chauveton seiner italienischen Vorlage Randbemerkungen und Kommentare hinzu, welche die antispanischen Stereotype deutlich hervorhoben und ergänzte das 1565 erschienene Ursprungswerk um neuere Ereignisse.305 Hierzu gehörte ein ausführlicher Anhang mit eigenem Deckblatt, der den tragischen Bericht des Le Challeux’ über die Florida-Kolonie von 1565 zusammen mit dem Appell der Witwen und Waisen an den König enthielt. Chauveton nannte die Taten der Spanier ein »massacre autant iniustement que barbarement«.306 Chauveton bot keine heroisierende Erzählung maritimer Expansion oder die Konstruktion eines heroischen Typus von Seeleuten, wie ihn zur selben Zeit englische Autoren erfanden. Er präsentierte aber ein durch Schilderung von Verbrechen gegen Franzosen und Indigene in Amerika untermauertes Feindbild und eine daraus abgeleitete Handlungsempfehlung für Franzosen jedweder Konfession. In einer mehrteiligen Vorrede für Le Challeux’ Werk legte Chauveton die Unrechtmäßigkeit der spanischen Ansprüche auf die neu entdeckten Länder und im Gegenzug die Rechtmäßigkeit der französischen Expansion dar.307 Er stütze sich dafür speziell auf Giovanni Verrazzano als Entdecker Nordamerikas und auf André Thevet als ersten Berichterstatter über diese Länder – obwohl er Thevet andernorts kritisierte. Als Strozzi 1582 zu den Azoren aufbrach, war in Frankreich demnach bereits ein antispanischer kolonialer Diskurs im Entstehen begriffen. Dessen Reichweite stieg im selben Jahr durch neue Ausgaben der französischen Übersetzung von Las Casas Klageschrift in Genf und in Paris sowie die Monographie des Hugenotten Lancelot Voisin de la Popelinière.308 Seine Geschichte der Entdeckungen und bisherigen Kolonisationsversuche hatte eine innovative Wende  : Aufgrund der Grausamkeit der Spa304 Chauveton 1579. Es handelte sich um eine erweiterte und kommentierte Übersetzung einer italienischen Vorlage von Girolamo Benzoni. Vgl. Hart 2001, S. 108–112. 305 Gewecke 1986, S. 205f. und 212–217. 306 Es ist nicht eindeutig, ob dieser Text auch separat gedruckt wurde. Falls ja, dann als  : Urbain Chauveton 1579a  : Brief Discours et Histoire d’vn voyage de quelques Francais en la Floride. & du massacre autant iniustement que barbarement executé sur eux, par les Hespagnols. 307 Vgl. Lestringant 1982, S. 27  ; Keen 1976, S. 107–120. 308 Siehe die Edition mit Kommentar  : Beaulieu 1997, zu Florida 2. Buch Fol. 25–42, zu Brasilien 3.

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nier, welche die Leistungen der Franzosen in der Neuen Welt ruiniert hätten, sei dieser Erdteil verloren. Zum Ausgleich könne Frankreich aber eine weitere, dritte Welt entdecken und in Besitz nehmen – die Terra Australis.309 Popeliniére suchte in den folgenden Jahren Unterstützer für die Durchführung seines Planes, der eventuell von der Weltreise Francis Drakes oder einem Memoire der italienischen Brüder d’Albaigne von 1568 inspiriert war, das erfolglos bei Hofe zirkulierte.310 Es gelang ihm aber nicht, ein Patent zu erhalten oder ein Schiff auszurüsten. Seine Schilderungen der unrechtmäßigen spanischen Angriffe fügten sich jedoch in den diskursiven Horizont des Jahres 1582 ein, der zumindest indirekt Katharina de Medicis antispanische Politik bei den Azoren unterstützte. Auffällig ist, dass in Frankreich die aktuelle politische Lage zu einem diskursiven Rückgriff auf die früheren Unternehmungen führte, während der neuere Versuch des Sieur de La Roche oder Strozzis Expedition ignorierte wurden. In England hingegen waren eher aktuelle koloniale Projekte oder deren Vorbereitung der Anlass für die Entstehung von Literatur. Der enge Zusammenhang von literarischer Werbung und kolonialer Unternehmung zeigt sich nicht nur bei Frobisher, sondern auch im zweiten Versuch des Humphrey Gilbert, sein noch immer gültiges exklusives Patent für eine Besitznahme und Kolonisierung Nordamerikas in die Tat umzusetzen. Er stand Anfang der 1580er Jahre aufgrund der im Dokument gesetzten Frist unter Zugzwang und widmete sich daher von 1581 bis 1583 intensiv den Vorbereitungen für eine zweite Reise. Sein zentrales Problem war dabei die Finanzierung. Eine Lösung fand er in der Vergabe von erblichem Landbesitz und daran gebundenen Privilegien an Personen, die selbst auswandern oder eigene koloniale Projekte in Amerika verfolgen wollten. Die Folge war, dass nicht eines, sondern durch die Organisation von Partnerprojekten insgesamt drei miteinander verwobene koloniale Unternehmungen in England vorbereitet und publizistisch beworben wurden.311 Außerdem erwarb noch John Dee, der Experte für transatlantische Expansion, für sich selbst großflächige Gebiete im Norden Neufundlands und am St. Lorenz. Er verfolgte zwar keine eigenen kolonialen Ambitionen, regte später aber Expeditionen zur Suche nach einer Nordwestpassage an.312 Das erste koloniale Projekt ging auf den bereits an Gilberts früherer Reise beteilig­ ten George Peckham zurück, der die Auswanderung englischer Katholiken vorbereitete.313 Er und seine Glaubensgenossen erwarben mehr als 8,5  Millionen acres und Buch Fol. 2–19, zur dritten Welt 3. Buch Fol. 49–53. Popeliniére nutzte als Vorlage u.a die Berichte Lérys, Thevets und Laudonnières. 309 Levesque 2009, S. 171–175. 310 Hamy 1894, S. 419–422  ; Julien 2003, S. 267f. 311 Überblick bei Quinn 1940, S. 55–62  ; Analyse bei Probasco 2013, S. 87–164. 312 Quinn 1940, S. 52. 313 Vgl. Quinn  : Hayes, Edward. In  : DNB und ODNB  ; Ders. 1940, S. 71–74  ; Ders. Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB  ; Rapple  : Gilbert, Humphrey. In  : ODNB  ; McDermott  : Peckham, George. In  :

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formulierten in einem nichtveröffentlichten Austausch Ideen für Städte, Bischofssitze und den Handel im Gebiet von Rhode Island. Das zweite Vorhaben war das von Humphrey Gilbert selbst, der in Southampton eine Company mehrerer Investoren gründete, denen er ein Handelsmonopol mit seiner zukünftigen Kolonie zusagte.314 Die Kolonie, die Gilbert mit seinen vermögenden Partnern entwarf, war ein nahezu eigener Herrschaftsbereich, in dem ihm als obersten Vertreter der Krone Englands und den landbesitzenden Eliten weitreichende Rechte zukommen sollten. Auch er plante weit im Voraus bereits Vorschriften für eine Miliz sowie für Abgaben und Verwaltung. Wie schon bei seinem vorherigen Projekt 1578 war für ihn der Kaufmann und Freibeuter Edward Hayes ein wichtiger Partner, der neue Investoren generieren konnte und ein eigenes Schiff bereitstellte und a­ usrüstete.315 Das dritte Projekt verfolgte Christopher Carleill, ein Veteran der Kriege in den Niederlanden und Frankreich, der als Schwiegersohn von Francis Walsingham über gute Kontakte verfügte.316 Das Verhältnis zwischen seiner und Gilberts Unternehmung kann mangels Quellen nicht genau ermittelt werden. Es scheint, dass Gilbert mit dem zuletzt für die Muscovy Company tätigen Carleill keine offizielle Vereinbarung einging, sondern seine Aktivitäten eher aufgrund der Bedeutung von dessen Schwiegervater duldete. Carleill suchte gezielt die Unterstützung von Kaufleuten aus Bristol, wo Walsingham seinen Schwiegersohn unterstützte.317 Er wandte sich außerdem explizit an Mitglieder der Muscovy Company, in der sein Onkel eine führende Position bekleidete, und veröffentlichte Anfang 1583 zu Werbezwecken einen Discourse.318 Carleill erörtert darin die Nachteile der bekannten Handelsrouten in Ostsee, Weißem Meer und Mittelmeer und stellt dem die angeblichen Vorzüge Amerikas in den Breitengraden des heutigen Virginia gegenüber. Er beschreibt, dass dort Indigene für bloße Kinkerlitzchen (trifles) alle Güter des Nordens und Südens zusammentragen würden. Wenn die Indigenen zukünftig englische Produkte wie Tuch nachfragen würden, bedeute dies für alle derzeit untätigen Menschen in England Beschäftigung und eine Zunahme

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ODNB  ; Cooper 2011, S.  264–266  ; Fitzmaurice 2004, S.  42f. Die bekannten Quellen über die Kooperation sind ediert in  : Quinn NAW III, S. 215–239. Quinn 1940, S. 59–62. Quinn  : Hayes, Edward. In  : DCB. Trim  : Carleill, Christopher. In  : ODNB  ; Haynes 2004, S.43  ; Cooper 2011, S. 258  ; Quinn  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB. Er schickte den jüngeren Cousin des kolonialaffinen Anwalts Richard Hakluyt dorthin. Taylor 1935, S. 26  ; Quinn 1940, S. 76. Der Briefwechsel Walsinghams mit einem führenden Kaufmann in Bristol darüber ist ediert in  : Quinn NAW III, S. 255f. Quinn 1940, S.  76–78  ; Probasco 2013, S.  138–152. Zur Unterstützung aus Neufundland siehe Quinn  : Parkhurst, Anthony. In  : DCB. Der Discourse ist publiziert als  : Christopher Carleill 1583  : A breef and sommarie discourse vpon the entended voyage to the hethermoste partes of America  : Written by Captaine Carleill in Aprill 1583. for the better inducement to satisfie suche marchauntes of the Moscouian Companie and others, as in disburcyng their money towardes the furniture of the present charge […]. Edition in  : Quinn NAW III, S. 27–34.

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des Seehandels. Auch wenn er bezüglich potentieller Erzvorkommen  – vermutlich wegen Erfahrungen Loks und Frobishers – vorsichtig ist, preist er das immense wirtschaftliche Potential Nordamerikas. Zu dessen Erschließung genüge nach Carleill zunächst ein Außenposten von 100 Mann, auf den weitere folgen. Carleill regt in seiner Denkschrift an, ein eigenes königliches Patent zu erwerben und bietet Finanziers (Adventurers) und persönlich Mitwirkenden (Enterprisers) je nach finanziellem Einsatz abgestufte Vorzüge für ihr Engagement. Im Vergleich mit Peckham und Gilbert waren seine Pläne viel stärker auf Handel als auf Ansiedlung bezogen und konnten daher einen eigenen, wenn auch vorerst unzureichenden Unterstützerkreis mobilisieren. Auch wenn Peckham, Gilbert und Carleill jeweils bestimmte Gruppen wie Kaufleute oder vermögende Katholiken direkt adressierten, entstanden im Vorfeld ihrer Expeditionen auch Druckschriften über transatlantische Projekte im Allgemeinen. Hierbei tat sich vor allem der jüngere Cousin des kolonialaffinen Anwalts Richard Hakluyt d.Ä. hervor. Der gleichnamige jüngere Richard Hakluyt hatte in Oxford gemeinsam mit Philip Sidney, einem Schwiegersohn Walsinghams, studiert und danach eine geistliche Laufbahn eingeschlagen.319 Es war sein gleichnamiger älterer Cousin, der ihn in das Netzwerk um Humphrey Gilbert, John Dee, Francis Drake und Walter Ralegh einführte, wo er sich eine herausragende Stellung als Sammler von Informationen über die beiden Amerikas erwarb.320 Der junge Hakluyt beteiligte sich zunächst an der Konzeption eines kolonialen Projektes, das auf Grenvilles Idee zur Besetzung der Magellanstraße aufbaute.321 Er verfasste im Jahr 1579/1580 einen discourse of the commodity of the taking of the straight of Magellanus in dem er zugleich auch die Eroberung eines Forts in Brasilien empfahl.322 Darüber, ob diese Schrift überhaupt bei Hofe oder im Kreis seines älteren Cousins zirkulierte und wie sie rezipiert wurde, liegen keine Informationen vor. In jedem Fall verlief das Vorhaben im Sande, und der jüngere Hakluyt wandte sich der Sammlung von Wissen über die Entdeckungen und Seereisen seiner Zeit zu.323 Seine erste Veröffentlichung war die Herausgabe einer englischen Übersetzung der Berichte über die erste und zweite Reise Jacques Cartiers im Jahr 1580.324 Das Vor319 320 321 322 323

Zur Übersicht  : Payne  : Hakluyt, Richard (Geographer). In  : ODNB  ; Mancall 2007  ; Payne 2008. Parker 1965, S. 104  ; Quinn 1940, S. 62–67  ; Taylor 1935, S. 112. Lenman 2001, S. 91f.; Mancall 2007, S. 81f.; Taylor 1935, S. 17. Edition in Taylor 1935, Dokument 24, S. 139–146. Mancall 2007, S. 81f. gibt an, dass Hakluyt dieses Projekt später erneut vorschlug, und erklärt dies damit, dass auf zeitgenössischen Karten die Magellanstraße als einzige Durchfahrt in den Pazifik galt. 324 Die Übersetzung wurde von John Florio angefertigt. Hakluyt besorgte die Finanzierung und gilt als Autor des neuen Vorworts, vgl. Parker 1965, S. 104 und Aebel 2011, S. 176–180. Jacques Cartier 1580  : A shorte and breife narration of the two nauigations and Dis-coueries to the northwest partes called new France. […] now turned into English by John Florio. Hier wurde der weiter verbreitete 1582erDruck im Anhang von Hakluyt 1582 verwendet. Darin das Vorwort, S. 121–129, der Reisebericht S. 129–208.

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wort, das vermutlich der junge Hakluyt selbst verfasste, enthält ein ausführliches Lob der von Cartier erkundeten und jetzt von Gilbert und seinen Partnern beanspruchten Länder mit dem Ziel  : »to induce oure Englishmen, not onely to fall to some traffique wyth the Inhabitants, but also to plant a Colonie in some Convenient place.«325 Als Argumente dafür nennt er die Nähe zum Goldreich Saguenay, die Aussicht auf eine Passage durch den Kontinent sowie das Desinteresse der Spanier an der Region.326 Das Scheitern der Franzosen begründet Hakluyt mit deren mangelnder Vorbereitung für den Winter, was sich durch bessere Ausrüstung und Vorräte umgehen ließe. So macht er aus der Analyse eines Rückschlags anderer ein Erfolgsversprechen für zukünftige englische Projekte. Während Gilbert und die anderen ihre Reisevorbereitungen trafen und bestimmte Gruppen gezielt ansprachen, führte Richard Hakluyt die Sammlung und Verbreitung verfügbaren Wissens noch weiter und gab 1582 seine Divers Voyages in Druck.327 Es handelte sich dabei nicht um einen homogenen Text, wie ihn André Thevet oder andere Kosmographen verfassten, sondern um eine Sammlung von Reiseberichten, deren unterschiedliche Autoren und Kontexte explizit ausgewiesen waren. Hakluyt argumentierte demnach indirekt durch Auswahl und Komposition und beschränkte seine direkte Positionierung auf die Widmung. Sein Werk war seinem ehemaligen Kommilitonen Philip Sidney und damit, wie erwähnt, einem Schwiegersohn Walsinghams zugeeignet, der als Höfling gerade Karriere machte und die kolonialen Projekte von Gilbert und anderen unterstützte.328 Hakluyt beklagte in seiner Widmung das geringe und fehlgeleitete Engagement seiner Landsleute für transatlantische Projekte. So würden die Lok/Frobisher Unternehmungen belegen, dass Orientierung an kurzfristigem Profit nicht zum Erfolg führe, sondern nur langfristiger Einsatz für die Missionierung der Indigenen.329 Dieses Anspruchs ungeachtet beschäftigt Hakluyt sich im Folgenden ausführlich mit einer lukrativen Nordwestpassage und der Begründung englischer Besitzrechte auf Nordamerika. Seine Textauswahl reicht von den Eingaben und Projekten der Bristol/Sevilla-Kaufleute aus den 1520er Jahren über die englische Übersetzung von Jean Ribaults Floridabericht bis zu den Ratschlägen für eine Koloniegründung, die sein Cousin 1578 für Humphrey Gilbert angefertigt hatte. An dieser Stelle zeigt sich bereits der Unterschied zwischen dem Vorgehen des jüngeren Hakluyt und seines älteren Cousins oder John Dees. Der jüngere Hakluyt zielte nicht 325 Hakluyt 1582, S. 126. 326 Ebd. S. 126 zur Passage und 127 zu Saguenay. Dies hat auch Richard Eden angedeutet, in  : Eden 1555, Edition Arber 1895, S. 254f. 327 Hakluyt 1582. In Struktur und Vorgehensweise ist eine Anlehnung an Giovanni Battista Ramusios Navigattioni e Viaggi erkennbar, die bereits als Grundlage für die frühere Cartierausgabe gedient hatten. Vgl. Payne 2008, S. 23f.; Mancall 2007, S. 92–101  ; Probasco 2013, S. 103–112 mit Prüfung der archivalischen Grundlagen des Werkes. 328 Fuller 1995, S. 17. 329 Hakluyt 1582, S. 8.; vgl. Fuller 1995, S. 35.

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auf die Sammlung arkanen Wissens zum Nutzen einer kleinen Gruppe, sondern auf Verbreitung und Zugänglichkeit. Humphrey Gilbert und sein Partner Edward Hayes waren die ersten, die sich an die Umsetzung ihrer Pläne machten. Sie stachen 1583, von Elisabeth I. lediglich moralisch unterstützt, in See.330 Ihre katholischen Partner um George Peckham konnten aufgrund rechtlicher Hindernisse noch nicht ausreisen, planten aber bald nachzukommen.331 Gilbert ließ zuerst Kurs auf Neufundland nehmen, wo er in die saisonal als Hafen genutzte Bucht von St. John einlief und den anwesenden Fischern aus England, Frankreich, Spanien und Portugal seine Bevollmächtigung präsentierte. In einer feierlichen Zeremonie nahm er das Land in Besitz und bestätigte die bereits ohne ihn vorgenommene Verteilung der Trockenplätze. So machte er den abstrakten Anspruch der englischen Krone, Recht zu sprechen und Land zu vergeben, durch einen performativen Akt konkret erlebbar und alle Anwesenden zu Zeugen. Auch wenn dies vorerst folgenlos blieb, schuf er damit einen Bezugspunkt für politische Ansprüche bis weit ins achtzehnte Jahrhundert und erfüllte die Vorgaben, die ihm in seinem Patent auferlegt worden waren.332 Nachdem er Vorräte an Bord genommen hatte, segelte Gilbert nach Süden, um einen geeigneten Siedlungsplatz in gemäßigten Breiten bei Norumbega, vermutlich im heutigen Maine, ausfindig zu machen.333 Bevor er jedoch sein Ziel erreichte, lief das größte Schiff seiner Flottille in schlechtem Wetter auf Grund und zerbrach. Nach diesem Rückschlag vereinbarten Gilbert und Hayes die Rückkehr nach England. Auf dem Weg traf aber ein weiterer Sturm die Schiffe und die von Humphrey Gilbert befehligte Squirrel versank mit ihrer gesamten Besatzung. Als Edward Hayes zurückkehrte und von Gilberts Tod berichtete, bedeutete dies für ihn und den in England gebliebenen Peckham eine erhebliche Herausforderung. Sie 330 Elisabeth hatte Gilbert einen goldenen Anker als Zeichen ihrer Gunst zukommen lassen, aber keine weitere Unterstützung gewährt. Probasco 2013, S. 5 und S. 125. Die wichtigste Quelle für Gilberts Reise ist der Bericht von Edward Hayes  : A report of the Voyage and success thereof, attempted in the year of our Lord 1583, by Sir Humphrey Gilbert, Knight […] erstmals erschienen in Hakluyt PN 1589. Edition in  : Quinn 1940, S. 385–423  ; Sowie der publizierte Bericht von George Peckham 1583  : A true reporte, of the late discoueries, and possession, taken in the right of the Crowne of Englande […] Edition in  : Quinn NAW III, S. 34–60  ; Hinzu kam ein Bericht des Navigators Richard Clark in Hakluyt PN 1589, S. 700f. Weitere, vielfältige Quellen zur Vorbereitung der Reise in  : Quinn NAW III, S. 215– 259. Für Rekonstruktionen des Reiseverlaufs vgl. Quinn 1940, 83–90  ; Quinn  : Gilbert, Humphrey. In  : DCB  ; Rapple  : Humphrey Gilbert. In ODNB  ; Probasco 2013, S. 282–291  ; Andrews 1984, S. 190–197. Zu Unterschieden zwischen Clarks und Hayes Berichten  : Patterson 1897  ; zu Hayes Darstellung  : Edwards 1992. Eine eher literaturhistorische Analyse der Erzählung bietet Fuller 1995, insbesondere S. 20–38. 331 Vgl. Rapple  : Gilbert, Humphrey. In ODNB  ; McDermott, Peckham. In  : ODNB. 332 Noch heute erinnert eine Plakette in der Stadt St. John an dieses Ereignis und erklärt den Ort zur ältesten Stadt Nordamerikas – eine Aussage, gegen die sich sowohl die Existenz St. Augustins wie auch die andauernde Saisonalität der Besiedlung St. Johns in den 1580er Jahren anführen lässt. 333 D’Abate 1994, S. 61–88.

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mussten den erlittenen Rückschlag diskursiv verarbeiten, um ihre Projekte nicht durch Desinteresse der Investoren oder einflussreicher Förderer zu gefährden. Edward Hayes verfasste zu diesem Zweck einen Bericht über Gilberts Reise.334 In seinem bis 1589 ungedruckten Text lobte er die Leistung Gilberts, speziell die konkrete Besitznahme Neufundlands. Seiner Darstellung nach habe Gott selbst eine Neue Welt für England reserviert, und es sei daher eine Pflicht, das begonnene Werk fortzusetzen. Schuld am Rückschlag sei der Verlust von Gottes Schutz durch Mitreisende gewesen, die sich der Piraterie zugewandt hätten, sowie Gilberts Begeisterung für silbernes Erz. Damit griff Hayes die Aussage von Richard Hakluyts Divers Voyages von 1582 auf, dass Reisen aus Gier und Ruhmsucht nicht zum Erfolg führen können, und formte sie zu einer angeblich empirisch fundierten moralischen Lektion um.335 Informationen zu einem konkreten Nachfolgeprojekt enthielt der Text, den Hayes als Manuskript an potentielle Investoren verschickte, jedoch noch nicht. Erst ein Jahr später brachte er bei Hofe ein neues Projekt vor, mit dem er sich auf die Kontrolle der Fischerei bei Neufundland fokussierte.336 Er fand jedoch keine Befürworter. Grund dafür könnte seine für Investoren wenig attraktive Konzeption sein. Hayes plante, ein Fischereimonopol und darauf gestützte Abgaben zur wirtschaftlichen Grundlage zu machen und dafür Partner aus nicht weniger als fünf Hafenstädten in einer Company zusammenzuführen. Dies musste den Zeitgenossen als immense organisatorische Herausforderung erscheinen. Falls die Fischer und Kaufleute ihre hergebrachten Rechte bei Hofe verteidigen oder einfach andere Fischgründe aufsuchen würden, wäre die Kolonie außerdem wertlos. Trotz seiner eigenen Bemühungen unterstützte Hayes zugleich seinen alten Partner George Peckham bei dessen beharrlichem Streben danach, eine englische Siedlungskolonie für Katholiken in Nordamerika zu errichten.337 Mit seiner Hilfe veröffentlichte Peckham im November 1583 einen Francis Walsingham gewidmeten, sehr positiven True Reporte über Gilberts Reise, dessen größter Teil der Werbung für ein konkretes, 334 Hier ist der vollständige Titel vielsagend  : A report of the Voyage and success thereof, attempted in the year of our Lord 1583, by Sir Humphrey Gilbert, Knight, with other gentlemen assisting him in that action, intended to discover and to plant Christian inhabitants in place convenient, upon those large and ample countries extended northward from the Cape of Florida, lying under very temperate climes, esteemed fertile and rich in minerals, yet not in the actual possession of any Christian prince. Erstmals erschienen in  : Hakluyt PN 1589  ; vgl. Fuller 1995, S. 33–38 und Quinn 1974, S. 225–236. Zu beachten ist  : »Success« kann positiv wie auch negativ gemeint sein, vgl. den Gebrauch von »good or bad success«, Laudonnière/ Hakluyt 1587, S. 1. 335 Fuller 1995, S. 36  ; vgl. Fitzmaurice 2004, S. 46–50. 336 Cell 1969, S.  42–46  ; vgl. die erstmals in Quinn NAW III, S.  124–138 publizierten Quellen von Hayes, insbesondere eine Skizze eines Diskurses über Neufundland und die geplante Kolonisierung, ebd. S. 125. Darin verspricht er die zeitgleich auch bei anderen Autoren wie Peckham angesprochenen Commodities und Vorzüge für England. Außerdem nennt er Argumente für die Legitimität der Reisen. 337 Für eine Übersicht über Peckhams und Carleills weitere Aktivitäten vgl. Quinn 1940, S.  90–95  ; Quinn  : Hayes, Edward. In  : DCB  ; Parker 1965, S. 112–115  ; Cooper 2011, S. 266–268  ; Andrews 1984, S. 97–99  ; McDermott  : Peckham, George. In  : ODNB.

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sowohl weiträumiges wie langfristiges koloniales Engagement in Amerika gewidmet war.338 Peckham warb für eine Siedlerkolonie, bei der Mitwirkende wie bei Christopher Carleills Projekt je nach ihrem finanziellen Einsatz in vier Kategorien eingeteilt und dafür, deutlich weitergehend als bei Carleill, sowohl mit erblichem Grundbesitz bis zu 16.000 acres wie auch mit abgestuften Privilegien belohnt werden sollten. Er versprach den ranghöchsten Investoren erbliche Mitwirkung an der Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie einen besonderen Gerichtsstand, was letztlich bedeutete, einen neuen, amerikanischen Adel nach englischem Vorbild zu erschaffen. Seinen Werbetext rundet eine ausführliche Darlegung der Legitimität der englischen Ansprüche durch die Reisen seit der Zeit des von John Dee prominent gemachten walisischen Prinzen Madoc sowie eine Aufzählung aller Commodities ab, die bereits als Standardargument im kolonialen Diskurs etabliert waren. Seinem Report nach sei die Kolonialisierung leicht, und jeder, der dieser Einschätzung widerspreche, lüge aus böser Absicht.339 Peckham preist außerdem die Vorzüge für England selbst, wobei er sich abgesehen vom moralischen Vorteil einer gottgefälligen Missionierung weitgehend an Carleills gedruckter Werbeschrift orientierte und die Beschäftigung für Müßiggänger, die Absatzmärkte für Tuch, die zu findenden Materialien für die Schifffahrt und die wichtige Erfahrung für die Marine benennt. Anders als Carleill beschreibt Peckham aber ausführlich, dass sich auch für die Indigenen nur Vorteile ergeben würden, wie Christianisierung und Zivilisierung. Dabei bemüht er das Beispiel der spanischen Kolonien, die eine völlige Erfolgsgeschichte für alle Beteiligten gewesen seien. Damit widerspricht er als Katholik bemerkenswerterweise dem gängigen, antispanischen Diskurs, der auch in England zu dieser Zeit vorherrschend war.340 Dies könnte ein Grund dafür sein, dass seine Argumentation wenig Erfolg hatte. Weitere Gründe waren, dass er Investoren nur langfristig Profite versprach und dass seine Konfession ein politisches Risiko darstellte. Letzteres zeigte sich, als Peckham 1584 erneut inhaftiert wurde und sein Projekt dadurch ein unvermitteltes Ende nahm. Anders als Hayes und Peckham konnte der dritte und letzte verbliebene Kolonisator aus dem Umfeld des verstorbenen Humphrey Gilbert, Christopher Carleill, 1584 mit drei Schiffen in See stechen.341 Vermutlich hatte die Protektion seines Schwiegerva338 Auch hier ist der vollständige Titel programmatisch  : Peckham 1583  : A true reporte, of the late discoueries, and possession, taken in the right of the Crowne of Englande of the new-found landes  : by that valiaunt and worthye gentleman, Sir Humfrey Gilbert Knight Wherein is also breefely sette downe, her highnesse lawfull tytle therevnto, and the great and manifolde commodities, that is likely to grow thereby, to the whole realme in generall, and to the aduenturers in particular. Together with the easines and shortnes of the voyage. Edition in  : Quinn NAW III, S. 34–60. In der Widmung bat Peckham um Protektion, eine Reaktion darauf ist nicht überliefert, vgl. Probasco 2013, S. 153–160. 339 »[They] make Molehyllles seeme Mountaines«. Peckham, zitiert nach der Edition Quinn NAW III, S. 54. 340 Eine englische Ausgabe von Las Casas Brevíssima Relación erschien  : Bartolomé de las Casas 1583  : The Spanishe Colonie. 341 Quinn 1940, S. 94  ; Quinn  : Gilbert, Humphrey. In  : DCB.

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ters Walsingham ihm das ermöglicht. Carleill erreichte jedoch nie den offenen Atlantik, sondern stellte sich und seine Männer nach mehreren Verzögerungen in Irland in den Dienst der Krone. Damit hatten nicht nur Humphrey Gilbert, sondern auch sein Partner Hayes und die mit ihm mehr oder weniger assoziierten Peckham und Carleill ihre kolonialen Ziele nicht erreicht. Während die überlebenden Expeditionsteilnehmer sich neuen Aufgaben zuwandten, blieben einige Mitglieder des prokolonialen Netzwerkes in England aktiv und intensivierten ihre Bemühungen. Der bei Hofe speziell mit Elisabeth I. persönlich inzwischen hervorragend vernetzte Walter Ralegh konnte sich das Patent seines toten Halbbruders Humphrey Gilbert sichern und plante eine neue Unternehmung weiter im Süden Nordamerikas. Francis Walsingham wiederum ernannte den bereits zum Experten für transatlantische Reisen und koloniale Projekte avancierten jungen Richard Hakluyt zum Geistlichen der englischen Gesandtschaft in Paris. Dort sollte er alle verfügbaren Informationen sammeln und neue Texte über den Mehrwert kolonialer Expansion verfassen. Richard Hakluyts Mission in Paris von 1583–1588 ist in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung für die Geschichte der europäischen Expansion.342 Zunächst einmal konnte er dadurch das in England verfügbare Wissen über transatlantische Räume und die Geschichte früher Kulturkontakte wesentlich erweitern. Dass er danach dieses zum Teil nur ihm verfügbare Wissen für ein Lesepublikum öffentlich machte, verlieh ihm wiederum eine Schlüsselposition für Wissenstransfers und für die Entstehung historiographischer Traditionen. Auch wenn Richard Hakluyt offiziell nur der Geistliche der englischen Gesandtschaft war, befähigten ihn seine umfangreichen Sprachkenntnisse außerdem zu der weiterreichenden Aufgabe »Eyes and Ears« für Francis Walsingham und das um ihn gruppierte expansionsorientierte Netzwerk zu sein.343 In den Jahren 1583–1588 trat er in Kontakt zu Pelzhändlern und Seeleuten in der Normandie, Verwandten berühmter Seereisender, Kosmographen wie André Thevet und auch dem exilierten portugiesischen Thronanwärter Dom Antonio. Hakluyt vermittelte Geschäftskontakte, besuchte Bibliotheken, regte Publikationen an und berichtete Walsingham und anderen in Briefen über seine Erkenntnisse. Die erste französische Expedition, mit der Hakluyt sich persönlich beschäftigte, war eine vom Kardinal de Bourbon, Erzbischof von Rouen, unterstützte Reise nach Nova Scotia unter Befehl des Kaufmanns Étienne Bellenger in 1583.344 Grund für diese Unternehmung dürfte gewesen sein, dass der Pelzhandel in Frankreich inzwischen 342 Übersicht bei Lestringant 2004, S. 311–356, dessen früheren Werken Quinn jedoch eine zu frankophile Perspektive vorwarf  : Quinn/Quinn 1993, S. XV–XXI  ; vgl. Mancall 2007, S. 102–194. Zur Chronologie des Aufenthalts  : Quinn/Quinn 1974, S. 263–331  ; Payne 2008, S. 26–28. 343 Hakluyt las und sprach vermutlich (teilweise)  : Griechisch, Latein, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch siehe Rogers 1974, S. 37–47, hier S. 37  ; Zitat  : Cooper 2011, S. 270. 344 Quinn  : Bellenger, Étienne. In  : DCB  ; Allaire 2004, S. 52f.; vgl. Quinn 1962, S. 328–343.

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Gewinne abwarf, die einen größeren Aufwand als zuvor rechtfertigten.345 Bellenger hatte zwar nicht wie geplant einen dauerhaften Handelsposten errichten können, war aber mit einer wertvollen Fracht Pelze zurückgekehrt und besaß neue Informationen über die Region und die seiner Darstellung nach überaus kooperativen, zum Handel bereiten Indigenen. Hakluyt reiste persönlich nach Rouen, wo Bellenger, der auf Kontakte zu englischen Investoren hoffte, gerne bereit war, ihm Auskunft zu geben.346 Der Franzose bestätigte Hakluyt das erwartete, milde Klima der Region und gab ihm Einblick in die möglichen Profite. Hakluyt leitete seinen Bericht nach England weiter und knüpfte bei seinem Aufenthalt auch Kontakte zu in Rouen ansässigen englischen Kaufleuten, vermutlich um eine Kooperation mit Belenger voranzubringen. Die von Belenger bereisten, zuerst von Jacques Cartier beschriebenen Länder Amerikas beschäftigten Hakluyt auch weiterhin. Er nahm Kontakt zu einem Neffen Cartiers auf, der selbst zu Beginn der 1580er Jahre dorthin gereist war. Dieser Jacques Noël hatte, ebenfalls von den immensen Profiten im Pelzhandel motiviert, auch selbst Hochelaga (Montreal) besucht und von Indigenen erfahren, dass ein großer See nur wenige Tagesreisen flussaufwärts liege. Inwiefern Hakluyt tatsächlich in St. Malo mit Noël sprach oder nur postalisch Informationen über Cartiers drei Reisen und die Geographie Kanadas einholte, ist nicht zu ermitteln. Sicher ist jedoch, dass beide Männer Karteninformationen tauschten und dass Hakluyt an Personen im Umfeld Walsinghams Informationen über Jacques Noëls Reisen weitergab.347 Über Kontakte Hakluyts zum 1578 ernannten und immer noch offiziell amtierenden Vizekönig von Nouvelle-France, dem Sieur de La Roche, ist hingegen nichts bekannt. Allerdings erfuhr und berichtete Hakluyt darüber, dass La Roche nach der abgebrochenen Überfahrt von 1578 im Jahr 1584 einen zweiten Versuch unternahm, Neufundland zu erreichen.348 Hakluyt meldete, dass der Vizekönig diesmal mit mehr als 300 Mann in See stach, dann aber erneut in europäischen Gewässern umkehren musste  ; diesmal weil sein Flaggschiff in schlechtem Wetter sank. 345 Die Eroberung der Stadt Narwa 1581 gilt als wichtige Einschränkung für den damals etablierten Handel mit osteuropäischen Pelzen. Im selben Jahr reiste aus Frankreich die erste Expedition nach Nordamerika, die ausschließlich Pelzhandel zum Ziel hatte. Vgl. Allaire 2004, S.  50  ; Havard/ Vidal 2003, S. 38f. 346 Hakluyt schickte 1584 einen Reisebericht Bellengers in englischer Übersetzung an Julius Caesar, Richter bei der Admiralität, ediert in  : Quinn NAW IV, S. 306–308  ; vgl. Thierry 2008, S. 39. 347 Explizit berufen sich Edward Hayes und Christopher Carleill bei der Werbung für ihre kolonialen Projekte, die sie nach Gilberts Tod planten, auf Noëls Reisen, so in  : Carleill/Hayes  : A Discurse concerning a Voyage intended […], ediert in  : Quinn NAW III, S. 156–172, hier 169. Vgl. einen Brief Noëls vom 19. Juni 1587 an John Growte, einen Mittelsmann, der Informationen von Hakluyt einholen soll  : Quinn NAW IV, S. 305f. 348 Thierry 2008, S. 38–40  ; Hoffman 2004, S. 289  ; Lanctot  : La Roche de Mesgouez. In  : DCB  ; Hakluyt berichtet in seinem Discourse on Western Planting, siehe die Edition  : Quinn NAW III, S. 71–123, hier S. 79.

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Weitere Informationen erhielt Hakluyt durch mehrere Treffen mit dem portugiesischen Prätendenten Dom Antonio und Navigatoren aus dessen Gefolge, die von den Azoren stammten.349 Hakluyt konnte ihre Karten einsehen und Erfahrungsberichte einholen, die vermutlich die Suche nach einer Passage in den Pazifik, aber auch die Neufundlandfischerei und frühere portugiesische Projekte in den Amerikas betrafen. Der genaue Inhalt der Gespräche ist zwar nur bruchstückhaft zu ermitteln, doch sicherlich nutzten die Portugiesen im Gegenzug die Chance, um nach dem Scheitern von Strozzis Azorenexpeditionen für eine englische Intervention zu Dom Antonios Gunsten zu werben.350 Der wichtigste Ansprechpartner für Hakluyt war allerdings der zu dieser Zeit vor allem von hugenottischer Seite kritisierte königliche Kosmograph André Thevet.351 Dessen Werke waren für Hakluyt schon in England Referenzpunkte gewesen, und insbesondere Thevets Sammlung unveröffentlichter Manuskripte zog nun seine Aufmerksamkeit auf sich. Es gelang ihm trotz der konfessionellen Differenz, Thevets Vertrauen zu gewinnen. So kaufte er dem Kosmographen eine der wenigen erhaltenen aztekischen Bilderhandschriften ab.352 Thevet gewährte Hakluyt außerdem Zugang zu dem ausführlichen, unveröffentlichten Bericht René de Laudonnières über die französische Florida-Kolonie 1564/65, an dessen Nutzung sich das unterschiedliche Verständnis beider Männer vom Umgang mit Wissen verdeutlichen lässt.353 Thevet sah den Bericht als sein Eigentum durch Erwerb an und nutzte ihn 20 Jahre lang, um daraus Informationen für seine kosmographischen Werke zu entnehmen, die er wiederum aufgrund seiner Bearbeitung als sein alleiniges geistiges Eigentum ansah und gegen mutmaßliche Plagiatoren verteidigte.354 Hakluyt hingegen ging von einer unanfechtbaren Urheberschaft Laudonnières und einem Recht aller Interessierten darauf aus, dessen Werk zu nutzen. Daher tat er sich mit einem französischen Partner zusammen, der 1586 den Bericht unter Nennung des Orginalautors und ohne Thevets Einverständnis in Druck gab.355 Dies zeigt, dass nationale Trennlinien den zeitgenössischen Differenzierungen nicht gerecht werden und sich unterschiedliche Allianzen über Konfessionsgrenzen, aber ebenso entlang unterschiedlicher Vorstellungen von Urheberschaft und gelehrtem Diskurs bilden konnten. Für Hakluyt und Thevet war 349 Quinn/Quinn 1974, S. 281  ; Cooper 2011, S. 271  ; Mancall 2007, S. 129. 350 Er berichtete Elisabeth I. in seinem Discourse on Western Planting darüber, siehe die Edition Quinn NAW III, S. 71–123, hier S. 89 und S. 106 sowie an Walsingham in einem Brief vom 7. Januar 1584, ebd. S. 272. 351 Zur Kooperation von Hakluyt und Thevet vgl. Lestringant 1991a, S.  251  ; Lestringant 2004, S. 256f. 352 Der Codex Mendoza ist heute Eigentum der Bodleian Library, Oxford. 353 Lestringant 2004, S. 259f. vgl. Waldmann 2000, S. 162–166. 354 Als Versuch einer Glorifizierung Hakluyts muss die Behauptung gelten, das Manuskript sei vergessen gewesen, bis Hakluyt es »gerettet« habe, wie bei  : Lawson/Faupel 1992, S. I. 355 Laudonnière/Basanier 1586.

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dies das Ende ihres vertrauensvollen Umgangs. Der Kosmograph sah sich als Opfer von Verrat und Diebstahl, während der Engländer den Verdacht äußerte, Thevet habe vielleicht nicht nur aus Eigennutz Informationen zurückgehalten, sondern auch um den Interessen Philipps II. zu dienen.356 Hakluyts französischer Partner widmete das Buch Walter Ralegh, der inzwischen der aktivste Förderer kolonialer Projekte in England war.357 Durch seine, mit Hakluyt abgesprochene oder von ihm redigierte, Widmung brachte er einen Wunsch nach englischer Hilfe und Unterstützung für koloniale Projekte der Hugenotten zum Ausdruck. Die im Bericht geschilderte Hilfe und der respektvolle Umgang zwischen dem Engländer John Hawkins und Laudonnière unterstrichen diese Botschaft und wurden daher in der Widmung besonders herausgestellt. Inwiefern der französische Text als formale Übertragung des Floridaprojektes und der hugenottischen Loyalität auf England gelesen werden kann, wie Waldman vorschlägt, ist jedoch nicht eindeutig.358 Hakluyt verfolgte bis zum Ende seiner Dienstzeit in Paris konsequent sein Ziel, Wissen nicht nur zu sammeln wie John Dee oder sein älterer Cousin, sondern es auch zugänglich zu machen. Er bereitete mehrere Jahre lang ein neues, erweitertes Sammelwerk nach Vorbild seiner Divers Voyages vor, dessen Drucklegung Francis Walsingham unterstützten wollte, und gab währenddessen 1587 die Decaden des Petrus Martyr vollständig auf Latein neu heraus. Seine mit neuem Index versehene Synthese der vorher in mehreren widersprüchlichen Ausgaben verteilt vorliegenden Texte eröffnete einem gelehrten Lesepublikum detaillierte Einblicke in die Frühphase der europäischen Expansion. Obwohl Petrus Martyr der dramatische, appellative Stil eines Las Casas fehlte, bot dieser Text dennoch reichlich Material für die an Intensität zunehmenden antispanischen Diskurse, da die gewaltsame Unterwerfung der indigenen Kulturen darin im Fokus steht. Für weitere Expansionsprojekte kam hinzu, dass diese Ausgabe den Geschichten von einem dritten oder vierten Goldreich in den Amerikas neue Aktualität verlieh – wiederum eingeleitet mit einer Widmung an Walter Ralegh.359 Damit zeigt sich schließlich in der sechsjährigen Dienstzeit Richard Hakluyts ein weiteres Mal die grenzübergreifende Verflechtung der europäischen Expansion. Hakluyt war in der Zeit von 1583–1588 jedoch nicht durchgehend in Paris, sondern kehrte mehrmals nach England zurück, um die berühmtesten englischen kolonialen Projekte des 16.  Jahrhunderts zu unterstützen  : die Besiedlung von Roanoke Island, North Carolina. Die immense Bekanntheit der drei Versuche, einen Außenposten auf Roanoke zu etablieren, lässt sich auf zwei Gründe zurückführen  : erstens auf die zeit356 Zu Thevets Sicht  : Lestringant 1982, S. 12–15  ; zu dem Verratsvorwurf, Lestringant 2004, S. 333 und S. 351. 357 Laudonnière/Basanier 1586, für eine französische Ausgabe siehe Lussagnet 1958, S. 28–32. 358 Waldman 2000, S. 165f. 359 Mancall 2007, S. 174f.

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genössische mediale Resonanz der Unternehmungen und zweitens darauf, dass das bis heute rätselhafte Verschwinden der letzten Kolonie von 1587 die Phantasie der Zeitgenossen und nachfolgender Generationen anregte.360 Allerdings stand Roanoke in der historischen Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Schatten der Pilgerväter, deren religiös motivierte Kolonie bei Plymouth als Erinnerungsort in den USA zentrale Bedeutung besaß. Erst als Mitte des 20. Jahrhunderts das Interesse an der weltlich geprägten Jamestown-Kolonie zunahm, bedeutete dies auch für die Roanoke-Kolonien einen Aufschwung, da sie als Vorläufer von Jamestown breite Berücksichtigung fanden.361 Das 400-jährige Jubiläum bot dann den Anlass für eine Vielzahl von neuen Publikationen, welche überwiegend die bekannten Quellen erneut wiedergaben und sie um die Auswertung neuer archäologischer Funde ergänzten.362 Auf diese Weise bildete sich eine homogene Ereignisrekonstruktion heraus, ohne den Raum für Spekulationen über den Verbleib der letzten Kolonie zu beschneiden. Dies reizt auch Autoren unseriöser Populärmedien, in denen Außerirdische oder Wikingergeister als Ursache für das Verschwinden präsentiert werden.363 Da die Ereignisrekonstruktion relativ unumstritten ist, hat sich in den letzten Jahrzehnten – ähnlich wie im Falle der Frobisher-Reisen – die erneute, kritische Analyse scheinbar bekannter Quellen als produktives Forschungsfeld erwiesen.364 So wurden die diskursiven Kontexte und Vernetzungen von Autoren und Texten genauer herausgestellt und damit wichtige Grundlagen für den folgenden Überblick geschaffen. Ausgangspunkt der Unternehmungen war die Übertragung der Letters Patent des verstorbenen Humphrey Gilbert an Walter Ralegh durch Königin Elisabeth am 25. März 1584. Wie schon seine Vorgänger band sie auch Ralegh an eine Frist von sechs Jahren, um sein Recht in Taten umzusetzen.365 Welche Rolle Francis Walsingham bei dieser Übertragung spielte, ob er Ralegh unterstützte oder das Patent eigentlich für seinen Schwiegersohn Christopher Carleill sichern wollte, ist in der Forschung

360 Fuller 1995, S. 38. 361 Deutlich verwoben bei Kupperman 2008 und Hume 1997  ; Von den weit mehr als 100 Überblickswerken zu den Roanokekolonien sind hier außerdem grundlegend  : Andrews 1984, S.  200–222  ; Kupperman 2007  ; Milton 2001, S.  46–278  ; Quinn 1985  ; Quinn 1974, S.  282–307  ; Humber 1986  ; vgl. auch die Einleitungen und Kommentare in den Quellensammlungen Quinn 1955  ; Quinn NAW III und Quinn/Quinn 1982. 362 Ein Großteil des verfügbaren Quellenmaterials hat Richard Hakluyt in seinen PN von 1589 veröffentlicht oder, falls sie bereits publiziert waren, erneut abgedruckt. In seiner Neuausgabe der PN von 1598–1600 folgten dann noch Ergänzungen. Zusätzliches, zeitgenössisch unveröffentlichtes Material ist verfügbar in den Quellensammlungen  : Quinn 1955  ; Quinn NAW III  ; Quinn/Quinn 1982. Die Quellen für die einzelnen Reisen sind im Folgenden jeweils im spezifischen Kontext angeben. 363 Beispielsweise im Kinofilm  : Lost Colony  : The Legend of Roanoke, American World Pictures 2007. 364 Maßgebliche Werke für den zweiten, historisch-literaturwissenschaftlichen Zugriff sind  : Griffiths 2001  ; Donegan 2014  ; Householder 2003  ; Moran 2007  ; Fuller 1995. 365 Quinn 1973, S. 52  ; Herbertson 1993, S. 47.

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umstritten.366 Wahrscheinlich fanden beide Männer einen Kompromiss, denn als Ralegh zwei Kapitäne auf eine Erkundungsreise sandte, befahl er ihnen in das heutige North Carolina zu fahren, also südlich der von Carleill beanspruchten Gebiete zu bleiben, und Walsingham stellte Ralegh wieder seinen erfahrenen Navigator Simão Fernandez zur Verfügung.367 Raleghs Kapitäne Amadas und Barlowe erkundeten die Küste und nahmen Kontakte zu den Indigenen auf, die offenbar bereits Erfahrung im Umgang mit Europäern hatten. Lokale Anführer schlugen ihnen sogleich eine Allianz vor und warben, ähnlich wie gegenüber den Franzosen in Florida, damit, dass ihre indigenen Feinde über alle von den Europäern gewünschten Ressourcen verfügen würden und man gemeinsam gegen jene zu Felde ziehen könnte.368 Nachdem ein mutmaßlich geeigneter Siedlungsplatz auf der durch eine vorgelagerte Inselkette geschützten Insel Roanoke ausgemacht war, kehrte die Expedition mit zwei indigenen Freiwilligen nach England zurück.369 Dort kursierte bald ein von Ralegh redigierter Bericht, der das Land als geradezu paradiesisch und perfekt für eine Kolonisierung darstellte. Die beiden Indi­ genen, Manteo und Wanchese, bestätigten mit zunehmender Sprachfertigkeit die Angaben und warben so vor dem Parlament für eine Registrierung von Raleghs Patent.370 Ralegh selbst erhielt den Ritterschlag und scharte in seinem Haus eine Gruppe von Experten um sich, die ein koloniales Projekt im zu Ehren der Königin Virginia genannten Land vorbereitete.371 Eine Schlüsselfigur war dabei der Mathematiker und Astronom Thomas Harriot, der von Manteo und Wanchese die Algonkin-Sprache lernte und dafür ein eigenes Lautalphabet entwickelte.372 Er sammelte in längeren Gesprächen mit den Indigenen Informationen über die Zielregion und versuchte zugleich, beide von einer dauerhaften Allianz zu überzeugen und ihre Unterstützung für die Ansiedlung in Virginia zu gewinnen.373 Harriot erhielt bei der Vorbereitung Verstärkung durch den in Amerika erfahrenen Maler John White, der bereits Frobisher nach Meta Incognita begleitet hatte und den älteren Richard Hakluyt.374 Der jüngere der beiden Hakluyts wiederum 366 Für Konflikt plädiert Moran 2007, S. 9–12  ; für Unterstützung Cooper 2011. 367 Isil 2003, S. 66–81  ; Bericht der Reise  : Philip Amadas und Christopher Barlowe  : Report of the voyage 1584. Zeitgenössisch publiziert bei Hakluyt PN 1589, ediert in  : Quinn NAW III, S. 276–282. Zur Einordnung Griffiths 2001, S. 47–83. 368 Für eine kurze Übersicht zu den anglo-indigenen Beziehungen bei Roanoke  : Oberg 2012a, S. 102– 107. 369 Kupperman 2007, S. 69. 370 Luca 2004, S. 120. 371 Probasco 2011, S. 126. 372 Über den Personenkreis um Ralegh  : Humber 1986, S.  1–27  ; Roche  : Harriot, John. In ODNB  ; Quinn 1974a S. 36–42  ; Quinn 2000, S. 14–17. 373 Vaughan 2002, S. 341–376  ; Vaughan 2006, S. 21–28. Zur möglichen indigenen Wahrnehmung des Aufenthalts siehe Oberg 2012, S. 82–91. 374 Appleby 2013, S. 88  ; Tiro  : White, John. In  : ODNB.

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fertigte auf Basis seiner Quellensammlung von 1582 und der von ihm in Frankreich gewonnenen Informationen 1584 ein prokoloniales Memorandum für die Königin persönlich an, das unter dem Kurztitel Discourse of Western Planting bekannt geworden ist.375 Sein Text war inhaltlich nicht konkret an ein bestimmtes Projekt gebunden, ist durch den zeitlichen und personellen Kontext aber als Werbung für die Virginiaunternehmung zu verstehen. Dennoch zeichnete Hakluyt ein derart breites Panorama der Vorzüge und Notwendigkeit für koloniale Expansion, dass sein Text auch den Interessen Walsinghams und Carleills diente.376 Der Discourse war für die königliche Empfängerin maßgeschneidert, wie beispielsweise an den verwendeten Fremdsprachen erkennbar ist, und nicht für eine Publikation vorgesehen.377 Grundlegend für Hakluyts Discourse ist die Rivalität mit Spanien. Bereits sein Ausgangspunkt, die moralische Notwendigkeit einer Missionierung der Indigenen, läuft auf einen Vergleich mit den iberischen Erfolgen und den Wunsch, diese zu übertreffen, hinaus. Hakluyt benennt zwar Leistungen der iberischen Expansionspolitik, diskreditiert sie aber zugleich durch Nennung der Grausamkeiten der Spanier gegenüber den Indigenen, aber auch gegenüber Christen in Europa. Davon ausgehend sei es ein Leichtes, die Indigenen als Verbündete zu gewinnen und mit ihnen den gemeinsamen Feind zu schwächen. Dieses Ziel verfolgt er ähnlich deutlich wie Gilbert in seinen Denkschriften zuvor, wenn er auf Chancen für den Kaperkrieg verweist und ausführlich reiche Häfen zum Plündern aufzählt, wodurch die Vormacht Philipps II. in Europa gebrochen werden könne. Die größten Vorteile ließen sich laut Hakluyt jedoch nur durch eine dauerhafte Kolonisierung gewinnen. Er greift hierfür die Argumentationen Peckhams, Carleills und seines Cousins auf und übernimmt von dort, aber auch von Cartier, Laudonnière und anderen Listen von Commodities, die in Amerika zu finden wären. Wie seine Vorgänger hebt er den Nutzen für die Marine hervor, die Verhinderung des von ihm als erhebliches Problem für die soziale Ordnung dargestellten Müßiggangs in England und ganz besonders die möglichen Vorteile für den Tuchhandel – dessen Gilde ihm eine im Text nicht erwähnte Pension zahlte.378 Für letzteres setzt Hakluyt sowohl auf Handel mit den Indigenen wie auch mit asiatischen Ländern durch die Nordwestpassage. Sein ganzer Discourse zielt letztlich darauf, Elisabeth I. zu einer substantiellen Unterstützung kolonialer Expansion zu bewegen, was er durch den Hinweis bekräftigt, dass in Frankreich gerade in diesem Augenblick neue Seereisen und koloniale Projekte vorbereitet würden. 375 Maßgebliche Ausgabe ist Quinn/Quinn 1993  ; vgl. zu unterschiedichen Ausgaben Quinn 1998c, S. 289–302. Zur Einordung des Werkes  : Armitage 2009, S. 70–80  ; Hart 2001, S. 116–151  ; Payne  : Hakluyt, Richard. In  : ODNB. Die Behauptung, er sei zeitgenössisch publiziert worden, so in  : Nellis 2010, S. 96 ist schlicht falsch. 376 Quinn/Quinn 1993, S. XV. 377 Quinn/Quinn 1993, S. XII. Eine Publikation erfolgte erstmals im 19. Jahrhundert. 378 Hart 2001, S. 132.

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Hakluyts Darlegungen hatten trotz seiner guten Vernetzung nur bedingten Effekt auf die Vorbereitungen der ersten Reise.379 Elisabeth lieh Ralegh immerhin ein Schiff namens Tiger, stellte 9000 Pfund Schießpulver zur Verfügung und überstellte ihm Veteranen aus ihrem Dienst, darunter Ralph Lane, der als Befehlshaber des neuen Stützpunktes vorgesehen war.380 Seine Person und die Auswahl der übrigen Mitreisenden, von denen viele in Irland und den Niederlanden gekämpft hatten, zeigte die eindeutig militärische Prägung der Unternehmung. Den Oberbefehl über die Expedition gab Ralegh seinem Cousin Richard Grenville, der schon seit den 1570ern eigene koloniale Projekte entworfen hatte. Der sprachkundige Thomas Harriot sowie der Maler John White sollten die Expedition begleiten und die neuen Länder in Wort und Bild beschreiben. Unterstützung versprach man sich außerdem von den Indigenen Manteo und Wanchese, die in ihre Heimat zurückkehren sollten. Über die Finanzierung liegen kaum Informationen vor.381 Sicher ist hingegen, dass Grenville zugleich als Kaperfahrer tätig sein sollte, was auf eine Finanzierung aus den englischen Hafenstädten und dem Umfeld von Walsingham und Drake hindeutet. Solche Kaperfahrten versprachen unmittelbaren Profit und besaßen das Potential, Seeleute für die Reisen zu motivieren und das Wohlwollen der Königin und der Admiralität zu gewinnen.382 Üblicherweise gingen zuerst fünf Prozent an die Königin und zehn Prozent an den Lord Admiral, bevor der Rest zwischen Schiffseigner, Schiffsausrüster und in hierarchischer Ordnung den Seeleuten geteilt wurde. Jede erbeutete Prise erhöhte somit den Gewinn aller Beteiligten, und Wartezeit bedeutete sinkenden Gewinn. Gerade die gering oder nur anteilig besoldeten Seeleute forderten daher die Prisenjagd nachdrücklich als ihr Recht ein. Bei allen Anreizen und Vorteilen hatte die Freibeuterei sich aber insbesondere als außenpolitisches Risiko erwiesen, das Elisabeth und Philipp  II. an den Rand eines Krieges brachte. Diese Gefahr verschärfte sich noch, als Elisabeth Anfang 1584 den spanischen Gesandten ausweisen ließ, dessen Mitwirkung am sogenannten Throckmorton plot – ein Versuch, sie zu ermorden und durch Maria Stuart zu ersetzen – als bewiesen galt. Da Elisabeth keinen weiteren Gesandten aus Spanien mehr bei Hofe empfing, schloss sie somit die rudimentären diplomatischen Kanäle. Die finale Vorbereitung der Roanoke-Kolonie ist demnach im Kontext steigender Spannungen zu sehen. Francis Walsingham formulierte zu dieser Zeit ältere Ideen Gilberts neu und verfasste einen Text über »the annoying of the king of spain«.383 Darin empfahl er einen Angriff auf die Fischerei bei Neufundland und die Gründung eines 379 Quinn 1949, S. 211–235  ; vgl. Humber 1986 über Schiffe, Ausrüstung und Finanzen. 380 Probasco 2011, S. 127  ; Quinn 1949, S. 232f.; Billings  : Lane, Sir Ralph. In  : ODNB, der Artikel bietet eine Narration der Ereignisgeschichte der Kolonie. 381 Quinn 2003, S. 92–105  ; vgl. Humber 1986, S. 73–78. 382 Hume 1997, S. 70  ; Humber 1986, S. 71  ; Kupperman 2007, S. 8. 383 Haynes 2004, S.  42  ; Probasco 2011, S.  126  ; siehe auch  : CSP Domestic, Elizabeth 1581–1590, S. 234.

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Stützpunktes für Freibeuter im Süden Nordamerikas. Zwar ist, wie oben angedeutet, nicht sicher, inwiefern Walter Ralegh dieses Ziel verfolgte, aber zweifellos hätte seine Siedlung auf Roanoke hierfür gute Voraussetzungen geboten, und die Mitreisenden wiesen ein passendendes Personalprofil auf. 1585 schifften sich unter Richard Grenvilles Befehl mehr als 500 Mann auf s­ ieben Schiffen ein und nahmen unter der Führung von Walsinghams Navigator Simão Fer­ nandez zunächst Kurs auf die Karibik.384 Dort nahmen sie Salz und Nutztiere an Bord, bevor sie nach Roanoke weiterfuhren.385 Fernandez brachte die Flotte sicher bis zu der vorgelagerten Inselkette, konnte jedoch nicht verhindern, dass bei dem Versuch, sie zu passieren, die Tiger auf Grund lief. Das Schiff konnte zwar gerettet werden, doch ein Großteil der Vorräte war durch Wassereinbruch verdorben. Dies zeigte, dass die Insel Roanoke für größere Schiffe nur schwer zu erreichen war. Dennoch befolgte Grenville seine Befehle, ließ ein Fort errichten und Ralph Lane darin mit etwas mehr als 100 Männern Stellung beziehen.386 Lane schrieb während dieser Zeit mehrere Briefe und lobte gegenüber dem älteren Hakluyt und Walsingham das Land als überaus geeignet für eine Kolonie.387 Seine Meinung über Richard Grenville war allerdings weniger vorteilhaft.388 Er beklagte dessen »intollerable pryede, and vnsaciable ambycione«, die mehrmals die gesamte Unternehmung gefährdet hätten. Lane selbst habe sich schweren Anfeindungen ausgesetzt gesehen, nur weil er im Rat einen Vorschlag gemacht habe, und sei daher nicht bereit, ein weiteres Mal unter Grenville zu dienen. Ein weiterer in Lanes Brief allerdings nicht genannter Anlass für die Spannungen könnte der Verlauf von Grenvilles Expedition ins Umland gewesen sein. In einer indigenen Siedlung nahm ein Einwohner einen silbernen Becher aus Grenvilles Besitz an sich  – eventuell als Gegenleistung für die von ihm an Grenville überreichten Gaben. Für Grenville, der die Gaben als Tribut verstand, war dies hingegen Diebstahl. Er ließ daraufhin alle Indigenen mit Schüssen vertreiben und brannte zur Strafe ihr Dorf und sogar die Felder nieder. Auf diese Weise dürfte er kurz vor seiner Abreise das anglo-indigene Verhältnis zu Lanes Lasten getrübt haben. Dies wog umso schwerer, da die Kolonisten keine Bauern, Fi384 Zentrale Quelle für die Überfahrt ist das Bordbuch der Tiger, ediert in  : Quinn 1955, S. 178–197. 385 Probasco 2011, S. 127  ; Rowse 1949, S. 210. 386 Quinn 1949, S. 222–224 vermutet, dass deutlich mehr Männer vor Ort bleiben sollten, deren Zahl angesichts mangelnder Vorräte reduziert wurde. Er verweist dafür auf vorher in England kursierende Planungen. 387 Briefe Ralph Lanes an Francis Walsingham vom 12. August 1585 und 8. September, ediert in  : Quinn 1955, S.  198–204 und S.  210–214  ; Originale in  : State Papers Colonial CO 1/1 No  3 und CO  1/1 No 6  ; Siehe auch Ralph Lane an Richard Hakluyt d.Ä. am 3. September, ediert in  : Quinn NAW III, S. 293. 388 Ralph Lane an Francis Walsingham am 12. August 1585 und am 8. September, in  : Quinn  : 1955, S. 198–204 und S. 210–214. Eine Übersicht über den Konflikt bietet Renaud 2010, S. 39–41. Eine Pro-Grenville-Darstellung  : Rowse 1949, S-193–230.

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scher oder Jäger, sondern Soldaten waren, die aufgrund der verdorbenen Vorräte von den benachbarten indigenen Gemeinschaften abhängig waren. Hierfür hoffte man auf die Vermittlung der beiden in England ausgebildeten Indigenen. Manteo erfüllte diese Erwartung und vermittelte mit seinen Verwandten auf der nahen Insel Croatoan ein Bündnis. Wanchese hingegen brach nach seiner Rückkehr den Kontakt zu den Engländern ab.389 Es überrascht nicht, dass Grenville nach seiner Rückkehr in einem Bericht an Walsingham die Vorwürfe gegen seine Person oder den für ihn beiläufigen Konflikt mit den Indigenen nicht erwähnt, sondern nur die Erfüllung seiner Aufgaben betont.390 Außerdem informierte er Walsingham ausführlich über die Eroberung eines spanischen Schiffes, dessen Ladung wertvoll genug war, um die Kosten für die Expedition mehr als auszugleichen. Dadurch erschien Grenvilles Leistung als Befehlshaber tadellos, und er konnte davon ausgehen, weitere Expeditionen zu befehligen, auch wenn diese nicht sofort aufbrechen konnten.391 Grund hierfür war die Veränderung der politischen Lage in Europa, die in fast allen Darstellungen zur Roanoke-Kolonie jedoch nur nachrangig behandelt wird. Philipp II. hatte Ende 1584 Verhandlungen mit den katholischen Adeligen in Frankreich begonnen, die im Bündnis der Heiligen Liga organisiert waren. Philipp unterstützte die Ligisten in ihrem Bestreben, eine protestantische Thronfolge in Frankreich zu verhindern. Dafür wollten sie den König zwingen, statt seines legitimen Erben Heinrich von Navarra, der Anführer der Hugenotten war, den Anführer der Liga zu seinem Nachfolger zu ernennen. Mit dem mit der Liga geschlossenen Vertrag von Joinville 1585 verfolgte Philipp mehrere Ziele zugleich  :392 Zum einen bekämpfte er den Protestantismus, zum anderen könnte ein neuer Krieg in Frankreich ein französisches Eingreifen in den Unabhängigkeitskrieg der Niederlande verhindern, und drittens bot sich eine Chance, französische Reisen zu beiden Indien oder den Azoren zu verhindern. Dieses Interesse war nicht nur durch die große Expedition zu den Azoren unter Strozzi, sondern auch durch neue Pläne einflussreicher hugenottischer Adeliger für Philipp von hoher Relevanz. Philippe Du-Plessis-Mornay, einer der wichtigsten Vertrauten Heinrichs von Navarra, dessen Finanzen er verwaltete und für den er diplomatische Missionen in den Niederlanden und England unternahm, stellte 1584 am Hofe Heinrichs III. einen Plan für eine buchstäblich globale Offensive gegen Spanien vor.393 In diesem niemals realisierten Projekt entwarf er die Vision einer koordinierten, dau389 Vaughan 2006, S. 21–28  ; Oberg 2003, S. 88–91  ; Oberg 2000, S. 146–196. 390 Grenvilles Bericht vom 29. Oktober 1585, ediert in  : Quinn NAW III, S.  293f. Original in State Papers Colonial CO 1/1 Nr. 7. Rowse formulierte die These, dass Grenville die konkreten Vorwürfe nicht kannte, aber den Bericht als Verteidigung angesichts von Spannungen formulierte  : Rowse 1949, S. 221–223. 391 Haynes 2004, S. 142. 392 Vgl. die Edition des Vertrages mit Kommentar in Davenport 1917, S. 223–229. 393 Siehe Roncière IV, S. 201–205.

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erhaften französischen Kontrolle über die Isthmen von Suez und Panama sowie die Meerenge von Gibraltar. Auch wenn Roncière, der vermutlich bedeutendste französische Marinehistoriker des 19. Jahrhunderts, dies als eine aufgrund von konfessionellen Differenzen vertane Chance auf nationale Größe beklagt, dürfte der Plan eher nur eine Absichtserklärung zur politischen Positionierung gewesen sein. Unabhängig von der Realisierbarkeit dieser Pläne gelang es Philipp II., von der Liga die Zusicherung zu erhalten, dass im Falle ihres Sieges keine Schiffe unter französischer Flagge mehr die beiden Indien anlaufen würden. Elisabeth reagierte auf diesen Vertrag und die von Philipp befohlene Konfiskation englischer Getreideschiffe in von Spanien kontrollierten Häfen mit dem Vertrag von Nonsuch, den sie am 10. August 1585 mit einer niederländischen Deputation schloss. Elisabeth verpflichtete sich, eine Armee in die Niederlande zu entsenden und offen in den Krieg gegen Philipp einzutreten. Im Gegenzug erhielt sie zeitlich begrenzte militärische Hoheit über die niederländischen Städte Ramekins, Brill und Flushing (Brielle und Vlissingen) und damit Stützpunkte an den strategisch wichtigen Flussmündungen von Maas und Schelde, bis alle Kriegskosten beglichen wären.394 Die Zivilverwaltung blieb jedoch in niederländischer Hand (Art.  V und VII). Die englische Königin durfte allerdings neben ihrem Gouverneur noch weitere Personen in den Staatsrat der Provinzen entsenden (Art. XVI). Zusätzlich wurden gegenseitig alle Häfen für Kriegsschiffe und Freibeuter geöffnet (Art. XXVI). Noch während Ralph Lane in North Carolina bemüht war, die Kolonie bei Roa­ noke dauerhaft zu etablieren, brachen von England aus zwei große Marineexpeditionen auf, um den Krieg in die Amerikas zu tragen. Die erste griff die Fischereiflotten bei Neufundland an und eroberte oder zerstörte derart viele Schiffe, dass sich die iberische Fischerei in der Region davon nicht wieder erholte.395 An diesem Erfolg waren auch Schiffe Richard Grenvilles beteiligt, die eigentlich Versorgungsgüter nach Roanoke bringen sollten, so dass die dortige Kolonie Ralph Lanes länger als geplant ohne Nachricht blieb.396 Eine zweite, deutlich größere Flotte nahm im September Kurs auf die Karibik. Sie stand unter Befehl von Francis Drake, begleitet vom als Seemann gefeierten, aber als Kolonisator erfolglosen Martin Frobisher im Rang des Vizeadmirals und Walsinghams Schwiegersohn Christopher Carleill als Befehlshaber der Landstreitkräfte.397 Königin Elisabeth lieh Drake mehrere Schiffe aus ihrem Besitz und trug beinah 10.000 Pfund zur Finanzierung bei, was deutlich zeigt, dass sie an militärischen Operationen mehr Interesse hatte als an kolonialen Projekten. Drakes Flotte gelangen spektakuläre Er394 395 396 397

Strachan 1991, S. 12. Der Vertrag ist publiziert in  : Whatley 1732, S. 83–86. Probasco 2011, S. 129. Quinn 1955, S. 26  ; Humber 1985, S. 83–85. Kurz  : Rapple  : Drake, Francis. In ODNB  ; McDermott 2001a, S. 315–318  ; Die Quelle zu Drakes Reise ist von Walter Bigges verfasst und erschienen als Bigges 1589  ; Eine deutsche Ausgabe erfolge im selben Jahr  ; sie war Teil von Hakluyt PN 1598–1600  ; vgl. Quinn/Quinn 1982, S. 77–82.

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folge, wie die Eroberung von Santo Domingo und Carthagena. Obwohl darüber diskutiert wurde, einen der eroberten Plätze dauerhaft zu sichern, brach Drake angesichts schwerer Krankheiten und vieler Verwundeter die Expedition ab. Er nahm Kurs auf die Roanoke-Kolonie, von wo aus er nach England zurückkehren wollte. Inwiefern er dies bereits vor seiner Abreise mit Ralegh geplant hatte, ist nicht zu ermitteln, auch wenn Ralegh zu seinen Finanziers gehörte.398 Kurz bevor er Roanoke erreichte, zerstörte Drake die nördlichste spanische Siedlung, St. Augustin in Florida, vollständig. Dieser Sieg schützte nicht nur Roanoke gegen eine mögliche spanische Intervention, er zerstörte symbolisch auch die Erträge des spanischen Sieges über die protestantische Kolonie der Franzosen von 1565. Als Drake, Frobisher und Carleill Roanoke erreichten, bot sich ihnen ein desolates Bild. Ralph Lane und seine Kolonisten waren durch die überfällige Versorgung verunsichert, durch Mangel an Nahrung und Ausrüstung geschwächt und standen in offenem Konflikt mit indigenen Gruppen in der Region.399 Über die Ereignisse, die zu dieser enttäuschenden Lage geführt hatten, schrieb Lane einen ausführlichen Bericht für Walter Ralegh, der den offensichtlichen Zweck hatte, zu beweisen, dass er selbst keine Verantwortung dafür trug.400 Lane hob in seinem Bericht hervor, er sei aufgrund von Grenvilles Prisenjagd auf dem Hinweg viel zu spät im Jahr in Virginia eingetroffen. Dennoch habe er, mit mangelnder Ausrüstung, weitreichende Erkundungen durchgeführt. Er nennt die Namen vieler gefangener indigener Anführer und vermeldet gefundene Hinweise auf eine Mine, Perlenvorkommen und geschlossene Bündnisse. Weite Passagen des ersten Teils seines Berichts sind aber lediglich Imaginationen dessen, was er mit mehr Männern und einer pünktlichen Verstärkung hätte erreichen können. »Would have« ist seine zentrale Formulierung. Im zweiten Teil seines Berichts thematisiert Lane dann eine angebliche indigene Verschwörung. Er schildert, wie ein indigener Anführer eine Vielzahl von Gefolgsleuten gesammelt und einen Boykott des englischen Forts durchgesetzt habe.401 Hierbei thematisiert er auch den Nahrungsmangel, der gerade im Frühjahr für die Kolonisten lebensbedrohlich gewesen sei und ihn zu Zwangsmaßnahmen gegen die Indigenen genötigt habe. Auffällig ist die Pauschalität der Vorwürfe, so wertet Lane die saisonal üblichen Wanderbewegungen der Indigenen als Aggression und unterstellt Einigkeit, wo politische Heterogenität vorherrschte.402 Seine überaus detaillierten Angaben über 398 Quinn/Ryan 1983, S. 90. 399 Siehe Ralph Lanes Bericht in  : Haklyut PN 1589, S.  737–747, und ediert in  : Quinn NAW III, S. 295–306. 400 Eine literaturwissenschaftliche Analyse nach dem rethorischen Muster der Apologetia bietet Moran 2007, S. 61–95. 401 Völlig unkritische Wiedergabe  : Billings  : Lane, Sir Ralph. In  : ODNB  ; Für eine kritische Position zu Lanes Behauptungen siehe Mackenthun 1997, S. 153–155. 402 Zur indigenen Wahrnehmung und Vorgehensweise  : Mallios 2005, S.  141–143  ; Quinn 1985, S. 205–236.

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die angeblichen Pläne der Verschwörer stützten sich auf wenige indigene Informanten, die zweifellos eigene politische Interessen verfolgten. Erst wenige Tage vor dem Eintreffen der Expedition von Drake, Frobisher und Carleill führte Lane einen seinen Angaben nach erfolgreichen Präventivschlag gegen mutmaßlich führende Verschwörer durch, die sich mit ihm für Unterhandlungen verabredet hätten.403 Sein Bericht zeigt, dass auch Indigene aus der Region, die nicht wie Manteo oder Wancheses Verwandte über eine eigene Informationsquelle verfügten, weitreichende und keineswegs positive Erfahrungen mit den Engländern sammelten. Sie erlebten die Abhängigkeit der Europäer von ihrer Unterstützung und auch den Übergang zur Gewalt, falls sie diese Unterstützung nicht leisteten – egal ob sie dies nicht wollten oder nicht konnten. Die Europäer erwiesen sich hier wie in Florida zuvor als militärisch stark, aber manipulierbar und damit für jemanden wie Manteo, der ihre Sprache verstand, als wichtige Bündnispartner. Lane schrieb am Ende seines Berichtes, dass Drake ihn mit Handwerkern, Ruderern, kleineren Schiffen für Erkundungen, Vorräten und einem großen Schiff versehen wollte. Damit hätte Lane noch drei Monate Erkundungen durchführen und dann, falls noch immer keine Versorgung einträfe, nach England zurückkehren können. Ein heftiger Sturm, von dem auch Drakes Mitreisende berichteten, zerstreute jedoch die Flotte und trieb das für die Kolonie vorbereitete Schiff ab. Lane berichtete, dass er und seine Gefolgsleute danach keine andere Wahl gehabt hätten, als Roanoke aufzugeben, wobei sich ihr Verbündeter Manteo freiwillig angeschlossen habe.404 Drakes Seeleute räumten angesichts der weiterhin bedrohlichen Wetterlage die Insel mit solcher Eile, dass große Teile von Thomas Harriots und John Whites Aufzeichnungen und Bildern sowie viele der von Ralph Lane gesammelten Commodities verloren gingen.405 Nur zwei Tage nachdem Drakes Flotte aufgebrochen war, erreichte das erste Schiff von Grenvilles lange erwarteter Verstärkung Roanoke. Richard Hakluyt veröffentlichte später einen Bericht darüber, wie Grenville die Kolonie verlassen vorfand und beschlossen habe, eine kleine Gruppe von 15 Mann auf Roanoke Island zurückzulassen, um den Standort zu sichern.406 Auf der Rückreise erzielte Grenville erneut Profite 403 Zur Einordnung solcher präventiver Angriffe als typisch englisches Vorgehen  : Zandt 2008, S. 46f. Die Notwendigkeit für Lane, dies angesichts der kursierenden Propaganda als Triumph zu inszenieren Griffiths 2001, S. 147 zum Bericht insgesamt ebd. S. 137–173. 404 Nach Loades und anderen ist der Hauptgrund für Drakes und Lanes Abreise gewesen, dass die Kolonie keinen Tiefwasserhafen hatte. Loades  : Grenville, Sir Richard. In  : ODNB  ; Lane beschreibt jedoch in seinem Bericht an Walsingham ausführlich, dass er mit den Verstärkungen Drakes nach einem solchen Hafen suchen wollte, siehe die Edition Quinn NAW III, S. 295–306, insbesondere S. 304f. 405 In seinem Bericht führt Lane aus, dass er große Mengen Perlen in bester Qualität gefunden habe, die er aber bei der Evakuierung zurücklassen musste. Quinn NAW III, S. 295–306. 406 Der Bericht erschien erstmals in Hakluyt PN 1589, S. 747–748, vgl. Quinn NAW III, S. 311f. Hakluyt hatte vorher betont, dass es auch lohnenswert sei, gute Siedlungsplätze zunächst mit nur wenigen Männern zu sichern. Siehe seinen  : Discourse of Western Planting, Quinn NAW III, S. 101.

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als Freibeuter, die auch diese eigentlich ergebnislose Mission zu einem finanziellen Erfolg machten.407 Dennoch blieb eindeutig, dass die erste Kolonie ihre Ziele nicht erreicht hatte, wie auch Lane offen eingestand. Insbesondere der Maler John White war jedoch von der Idee überzeugt, in Virginia zu siedeln. Allerdings waren er und Walter Ralegh sich einig, dass hierfür konzeptionelle Änderungen notwendig seien.408 Ralegh übertrug White und einer Gruppe von Kolonisten Teile seiner Rechte und Landbesitz in Virginia, ähnlich wie Gilbert es einige Jahre zuvor getan hatte. Eine Führungsgruppe von Kolonisten bildete den Rat einer zu gründenden City of Ralegh und bestätigte John White als ihren Gouverneur. Kern der Stadtgemeinde sollte eine Gruppe von Siedlern mit Familien sein, die sich dauerhaft eine von den Indigenen unabhängige Lebensgrundlage schaffen wollten. Diese Ansiedlung stand nur indirekt im Zusammenhang mit dem Wunsch nach einem Freibeuterhafen, sollte aber nicht auf Roanoke, sondern an der auch für große Schiffe befahrbaren Chesapeake Bay angelegt werden. Der zum Gouverneur aufgestiegene Maler John White brach 1587 mit 111 Siedlern aus 14 Familien, darunter auch seine Tochter und deren Ehemann, auf.409 Ihr Plan war, zunächst in der Karibik Vorräte an Bord zu nehmen und dann bei ­Roanoke Grenvilles 15 Männer abzuholen, bevor sie schließlich an der Chesapeake Bay die geplante Stadt gründen. Den Befehl über die Schiffe und Seeleute erhielt wieder Simão Fernandez, der selbst einer der zwölf Ratsmitglieder der City of Ralegh war. Auch Manteo begleitete die Expedition, über die John White einen Bericht ver­fasste.410 White schilderte darin mehrfach, dass Fernandez die Expedition von Beginn an sabotiert habe, beispielsweise indem er ein langsames Schiff auf See zurückgelassen habe, um schneller nach Prisen jagen zu können.411 Außerdem habe Fernandez in der Karibik die Aufnahme von Salz und Vorräten verhindert und durch eine vergebliche Suche nach Beute die Kolonisten viel zu spät nach Roanoke gebracht, wo sie keine Spur von Grenvilles Männern fanden. Mehr noch, White berichtete, dass Fernandez ihn, nachdem er die Umgebung erkundet hatte, nicht wieder an Bord gelassen habe. Stattdessen habe der Navigator ihn und die Siedler vor die Wahl gestellt, entweder hier an Land zu gehen und Ralph Lanes Fort wieder zu errichten oder mit ihm auf Kaperfahrt zu gehen, da er aus Sorge die spanischen Silberschiffe zu verpassen, nicht mehr zur Chesapeake Bay segeln wollte. Angesichts dieses Ultimatums beschlossen White und

407 Humber 1986, S. 85–87. 408 Kupperman 2007, S. 105–108  ; Quinn 1985a  ; Tiro  : White, John. In  : ODNB  ; Die Regularien zur Gründung der City of Ralegh sind nicht überliefert, vgl. die Anmerkung in Quinn NAW III, S. 314. 409 Über deren Motivation für eine Auswanderung ist nichts bekannt  – eventuell waren sie Teil einer konfessionellen Gemeinschaft Quinn 2003, S. 98f. 410 Zentrale Quelle ist John Whites Bericht und Liste der Kolonisten. Beides wurde erstmals publiziert in  : Hakluyt PN 1589, S. 764–771  ; Edition in  : Quinn NAW III, S. 314–322. 411 Vgl. Isil 2003.

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seine Leute, vermutlich aufgrund seiner Kenntnis der Region und Manteos Familiennetzwerk, vorerst auf Roanoke zu bleiben. Whites Schilderung von Simão Fernandez’ Verhalten hat in der Forschung zu Spekulationen darüber geführt, ob jener das koloniale Projekt auf Befehl seines Patrons Francis Walsinghams sabotierte.412 Als Grund hierfür wird genannt, dass Walsingham eine Freibeuterbasis gegenüber einer zivilen Siedlung bevorzugt habe und Raleghs Pläne daher vereiteln wollte. Während es keine klaren Belege für diese These gibt, spricht eindeutig dagegen, dass durch Fernandez’ Handeln der am ursprünglich geplanten Siedlungsort an der Chesapeake Bay vorhandene Tiefwasserhafen nicht erschlossen worden ist. Außerdem war er selbst als Anteilsnehmer an der City of Ralegh beteiligt und blieb noch mehrere Wochen vor Ort, um die Ausrüstung auszuladen und die Umgebung zu erkunden.413 Sicher ist nur, dass für Fernandez und auch die anderen Seeleute die Kaperfahrt das eigentliche Ziel der Reise war. Möglich ist, dass der Navigator außerdem unter Druck seiner Seeleute und Finanziers stand. John White und seine Siedler nahmen Kontakt zu Manteos Verwandten auf und erfuhren, dass Grenvilles 15 Männer nach schweren Gefechten mit anderen indigenen Gruppen ins Landesinnere geflohen waren. Dieselben Indigenen töten auch einen von Whites Siedlern, was zeigt, wie kritisch die Lage der Kolonie vom ersten Tag an war. White plante daher mit Manteo einen nächtlichen Gegenschlag, der aber sein Ziel verfehlte und irrtümlich Verbündete traf. Dennoch blieb das Bündnis mit Manteo und seinen Verwandten bestehen, von denen die Kolonie angesichts der geringen Vorräte abhängig war. Zum Dank für seine Treue erhielt Manteo die Taufe und wurde von White zum Lord von Roanoke ernannt. Angesichts der Unmöglichkeit, so spät im Jahr noch zu säen, fehlender Nutztiere und einer schweren Dürre in der Region drängten die Siedler White dazu, nach England zurückzureisen und persönlich eine dringend benötigte Versorgungsmission für sie zu organisieren.414 White schildert in seinem Bericht ausführlich, dass er sich gegen diese Aufgabe gewehrt habe, aber einstimmig dazu aufgefordert worden sei, was der Rat der Siedlung ihm auch schriftlich bestätigte.415 White ließ seine Tochter sowie sein in Amerika geborenes Enkelkind Virginia Dare und seinen persönlichen Besitz zurück und brach mit einem kleineren Begleitschiff auf. Weder sein Schiff noch das des Simão Fernandez machten auf dem Rückweg die erhoffte Beute. Damit war diese Reise das erste Verlustgeschäft von Raleghs Virginia-Projekt.416 412 Pro Verschwörung  : Haynes 2004, S. 145–147  ; contra  : Cooper 2011. Hingegen betont Isil 2003, S. 74f. die Rolle eines Anwesenden, nicht näher benannten Gentleman, der auf ein Absetzen der Kolonisten gedrängt habe. Sie vermutet einen unbekannten Finanzier als Verursacher. 413 Fernandez war offiziell Assistent des Gouverneurs siehe Quinn 1955 II, S. 506–512. 414 Es handelte sich um die größte Dürre seit 800 Jahren, so Blanton 2003, S. 169. 415 Zur Deutung als Apologetia siehe Moran 2007, S. 203–220. 416 Vgl. Humber 1986, S. 89.

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Da dieser Rückschlag sowie die Klagen John Whites über Nahrungsmangel, bedrohliche Indigene und fehlende Profite die Aussichten für eine Kolonisierung ungünstig erscheinen ließen, war Werbung für weitere Investitionen dringend notwendig. Hierbei übernahm der damals noch in Paris tätige Richard Hakluyt eine Vorreiterrolle. Im Vorwort seiner neuen Ausgabe von Petrus Martyrs Dekaden pries er Raleghs Projekt und griff diejenigen, welche nicht an dessen Erfolg glaubten, als Verleumder an.417 In sexualisierten Metaphern schilderte er, wie das für unfruchtbar gehaltene Virginia durch Raleghs Eifer reiche Nachkommen gebären werde. Weitaus pragmatischer ging Hakluyt im Vorwort der englischen Ausgabe der französischen Florida-Reisen von Ribault, Laudonnière und Gorgues vor.418 Hier präsentierte er die Erfahrungen der laut ihm gescheiterten Franzosen als Basis für englische Erfolge. Er machte damit ein »Lernen-aus-Scheitern« Narrativ explizit und spitzte es auf die Notwendigkeit von rascher und regelmäßiger Versorgung und klaren Hierarchien zur Vermeidung von Unruhe zu. Die von den Franzosen geschilderten Commodities seien außerdem so wertvoll, dass auch eine Gruppe von Privatpersonen die Unternehmung zum Erfolg führen könnte. Trotz aller Werbung waren den Bemühungen Raleghs und Whites durch den Kriegsverlauf in Europa klare Grenzen gesetzt. Elisabeth und ihr Privy Council befürchteten 1588 einen Invasionsversuch Philipps und verboten daher größeren Schiffen die Fahrt nach Amerika. Es gelang Ralegh aber, zwei kleinere Boote mit Vorräten auszurüsten, so dass White zur Unterstützung der Kolonisten aufbrechen konnte.419 Die Besatzungen beider Boote konzentrierten sich jedoch zuerst auf die Jagd nach Prisen, was sie schließlich selbst zum Ziel machte. Nach einer Niederlage zur See kehrten die Seeleute schließlich völlig ausgeplündert mit White nach England zurück. Im Umfeld Raleghs erschien zu dieser Zeit eine weitere Schrift zur Unterstützung der Virginiakolonie, der True Report des 1585 mit Lane gereisten Thomas Harriot. Der Text zirkulierte als Manuskript vermutlich schon 1586, wurde 1588 aber für ein breites Publikum aufbereitet.420 Harriot widmete sein Buch »To the Aduenturers, Fauuourers, and Welwillers of the enterprise for the inhabiting and planting in Virginia« und eröffnete 417 Englische Fassung in  : Quinn 1955, S. 513–515. 418 Richard Hakluyt 1587  : To the right worthie and Honorable Gentleman, Sor Walter Ralegh Knight. In  : Laudonnière/Hakluyt 1587, S. 1–6  ; vgl. Lestringant 2004, S. 250–254 und S. 261. 419 White, John  : Account of the abortive voyage of the Brave and the Roe, ediert in  : Quinn NAW III, S. 323– 335 erstmals publiziert in Hakluyt PN 1589, S. 771–773. 420 Es handelt sich dabei um die am häufigsten untersuchte Quelle aus dem Ereigniszusammenhang. Sie hat besondere Berühmtheit durch die viersprachige Ausgabe von Theodor de Bry gefunden. Thomas Harriot 1588  : A briefe and true report of the new found land of Virginia […]. Verfügbar auf EEBO. Im Folgejahr erfolgte ein Ndr. in der Sammlung Hakluyt PN 1589 und später in den folgenden Ausgaben der PN  ; vgl. Quinn 1974a, S. 44–48  ; im Bezug zu Ralph Lanes Bericht Borge 2007, S. 92–94  ; Mackenthun 1997, S. 141–161  ; Mancal 2007, S. 197–208  ; Griffiths 2001, S. 84–136  ; Moran 2007, S. 95–132.

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sein Werk mit einer klaren Positionierung gegen negative Berichte über Virginia, die er als »reportes with some slaunderous and shamefull speeches« bezeichnet.421 Diese falschen Berichte ließen sich auf drei Ursachen zurückführen  : erstens bösen Willen, weil einige Männer sich dafür rächen wollten, in Virginia für Fehlverhalten bestraft worden zu sein  ; zweitens Unwissen, weil viele nur die kleine Insel Roanoke und nicht wie er das ganze Land gesehen hätten  ; und drittens eine verzerrte Perspektive, weil einige Männer so verweichlicht gewesen seien, dass ihnen ein Amerika ohne Federbetten und sofortige Goldfunde als unzumutbare Härte erschienen sei. Auf diese Weise diskreditiert Harriot alle Gegner der Unternehmung, noch bevor er seine eigene Darstellung präsentiert und ein eigenes Bild von Virginia entwirft.422 Harriot präsentiert seinen Lesern eine detaillierte Aufzählung von »merchantable commodities«, gefolgt von den für ein bequemes Leben vor Ort überreich verfügbaren Ressourcen und schließlich einem Bericht über die Indigenen und ihre Lebensweise. Dabei eröffnet er stets eine Perspektive auf die Zukunft, benennt also noch herzustellende oder zu findende wertvolle Handelswaren und gibt Anregungen für zukünftiges anglo-indigenes Zusammenleben.423 Harriot führt die geringe Todesrate in der ersten Kolonie als Beweis für gesundes Klima und gute Versorgung an und erwähnt mit keinem Wort die Hungersnot oder die indigene Verschwörung, die Lane in seinem Bericht als überwältigende Bedrohung präsentiert hatte. Ganz im Gegenteil betont Harriot, dass die Indigenen keinerlei Gefahr für die Engländer seien, sondern freundlich und für eine Missionierung überaus empfänglich. Somit würden die Indigenen die Engländer zukünftig lieben, ehren und ihnen gehorchen, womit er auf das zeitgenössische Eheversprechen einer Frau an ihren Mann im Book of Common Prayer anspielte.424 Dies zeigt, dass Harriot die Indigenen zwar ähnlich wie der dafür gefeierte Jean de Léry für seine Zeit ungewöhnlich wertneutral beschreibt und darauf aufbauend positiv charakterisiert, sie aber letztlich zu Randfiguren seiner kolonialen Vision macht. Während Harriot konkret für Virginia warb, setzte Richard Hakluyt 1589 seine breite Kampagne für koloniales Engagement im Allgemeinen fort. Er brachte eine neue, deutlich erweiterte Sammlung von Reiseberichten, Letters Patents, Briefen und Bordbüchern englischer Expeditionen unter dem Titel  : The principall nauigations, voiages and discoueries of the English nation heraus, die Francis Walsingham gewidmet war.425 In der Widmung inszenierte sich Hakluyt als Champion in einem Wettstreit 421 Harriot 1588, Introduction. 422 Siehe Fuller 1995, S. 52 zu dieser offensiven Positionierung  ; Moran 2007, S. 100–103 vermutet hierin einen Angriff auf Walsingham und konstruiert eine Rivalität Raleghs und Walsinghams bezüglich Virginia. 423 Fuller 1995, S. 40f. und zur Imagination einer kolonialen Zukunft, S. 50. 424 Es ist unklar, wie Kupperman angesichts solcher Quellen zur These gelangt, für Engländer sei aufgrund ihrer Inselherkunft Xenophobie typisch, Kuppermann 2007, S.  172. Siehe Harriot 1588, Fol. E2v. 425 Richard Hakluyt 1589  : The principall nauigations, voiages and discoueries of the English nation made by

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um die Ehre Englands als Nation von Entdeckern und kreierte damit erfolgreich ein Selbstbild, das die historische Forschung bis in die jüngste Zeit prägte. Zu dieser Mission hätten ihn einerseits ein Erweckungserlebnis im Studierzimmer seines gleichnamigen Cousins und andererseits die Herausforderung durch französische Autoren geführt, welche die Leistungen der Engländer als schwach im Verhältnis zu deren Potential bewertet hätten.426 Hakluyt führt gegen diese Kritik eine angeblich mehr als 400-jährige Tradition globaler Reisen von englischen Händlern, Freibeutern und Entdeckern ins Feld, die er mit der Entdeckung Amerikas unter dem walisischen Prinzen Madoc ihren Anfang nehmen lässt. Er legt seinen Lesern auf knapp 820 Seiten dar, warum die von ihm in diesem Text als Einheit imaginierte englische Nation der spanischen oder französischen in nichts nachstehe und durch ihre erbrachten Leistungen und die frühen Expeditionen unter Heinrich VII. sogar den höchsten Anspruch auf den Besitz der Amerikas habe. Dass für die Verwirklichung dieser Ansprüche nun die Zeit gekommen sei, muss Hakluyt nicht explizit ausführen, denn beinah drei Viertel seines Werkes sind der Wiedergabe von Plänen und Projekten seiner Zeitgenossen gewidmet. Nach Walsingham stehen Gilbert, Carleill, Peckham und natürlich Walter Ralegh im Fokus. Hakluyt veröffentlicht auch den größten Teil der heute noch verfügbaren Quellen über die Virginia-Projekte, auch wenn ihm deren Ausgang noch unbekannt war. In einer Widmung an die Leser, in der Hakluyt auch seine Arbeitsweise als Herausgeber beschreibt, merkt er aber an, dass die Kolonie sicherlich bereits erfolgreich etabliert sei, »if it had been as seriously followed, as it was cheerefully undertaken«.427 Trotz der konkreten wie auch der allgemeinen literarischen Unterstützung gelang es John White nicht, genügend Rückhalt für eine rasche Rettungsmission zu finden. Erst 1590 konnte er sich mit Raleghs Hilfe wieder nach Virginia aufmachen, doch nach seinen eigenen Angaben verweigerten die Seeleute ihm trotz Raleghs Befehlen die Mitnahme von Vorräten und Gefolge, so dass er allein unter Freibeutern aufgebrochen sei.428 Nach einer von der Jagd auf Beute geprägten Reise erreichte er bei schlechtem Wetter endlich Roanoke. White fand das Fort verlassen und seine persönliche Ausrüstung zwar vergraben, aber wieder hervorgeholt und geplündert vor. Einziger Hinweis auf den Verbleib der Siedler und seiner Familie waren zwei in Baumstämme geritzte sea or ouer land, to the most remote and farthest distant quarters of the earth at any time within the compasse of these 1500. yeeres  : London  ; kommentierte Neuausgabe  : Quinn/Skelton 1965. Zur Einordnung des Werkes  : ebd. Vorwort, S. IX–LIV. Vgl.: Parker 1965, S. 136  ; Mancall 2007, S. 183–194  ; Hart 2001, 162–168. Zur Hilfe Walsinghams, siehe Haynes 2004, S. 44. 426 Zur geradezu topischen Szene der »Erweckung« Hakluyts siehe Sacks 2010, S. 24–26. Mit Verweisen für diesen Topos  : Bisnar 2003, S. 11f. 427 Hakluyt PN 1589, S. 4r. 428 White berichtete in einem Brief, den er am 4. Februar 1593 an Hakluyt übersandte, über seine Erlebnisse und legte eine knappe Narration bei. Die Quellen sind ediert in  : Quinn NAW III, S. 331–332 (Brief ) und S.  332f. (Bericht). Erstmals publiziert in Hakluyt PN 1600, S.  287–288 (Brief ) und 288–295 (Bericht).

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Notizen, die auf die Nachbarinsel Croatoan verwiesen. Das schlechte Wetter, in dem einige Seeleute ihr Leben ließen, als ein Beiboot kenterte, verhinderte jedoch weitere Nachforschungen und machte es notwendig, aufs offene Meer zu fahren. White selbst kehrte nicht wieder nach Amerika zurück und schrieb 1593 resignierend, dass er nichts mehr für die Siedler und seine Familie tun könne, als zu beten.429 Für die Siedlungsprojekte in Virginia bedeutete dies vorerst das Ende, zumal sich eine erhebliche Veränderung der politischen Netzwerke in England ergab. Francis Walsingham starb 1590 und Richard Grenville 1591. Walter Ralegh, der John White, Thomas Harriot und Ralph Lane nach 1590 bei Siedlungsprojekten in Irland beschäftigte, geriet hingegen 1592 bei Elisabeth in Ungnade, war zeitweise im Tower inhaftiert und verlor seinen Einfluss bei Hofe. Richard Hakluyt setzte jedoch seine Arbeit in noch größerem Umfang als bisher fort und nutzte dafür Kontakte, die er während eines Aufenthaltes in London zu dem Goldschmied und Kupferstecher Theodor de Bry geknüpft hatte. Hakluyt nahm erheblichen Einfluss auf die Anfänge von dessen Grand Voyages oder America Buchreihe, die als wichtigstes Werk des sechzehnten und 17. Jahrhunderts über die europäische Expansion gelten kann.430 Theodor de Bry war Calvinist und hatte aufgrund seines Glaubens die vom Krieg gegen Spanien betroffenen Niederlande verlassen und sich zunächst in Straßburg, später in Frankfurt angesiedelt, wo er 1588 das Bürgerrecht erwarb.431 Von 1586–1588 war er beruflich mehrfach in London, wo er Kupferstiche für ein englisches Navigationshandbuch und für eine Beschreibung des Trauerzuges für den jung verstorbenen Sir Philip Sidney anfertigte.432 Die Umstände der Begegnung mit Richard Hakluyt sind unbekannt, allerdings war Sidney ein ehemaliger Studienkamerad Hakluyts und gehörte zum prokolonialen Netzwerk um Ralegh und Walsingham. Für de Bry war ein Treffen mit Hakluyt sicher erstrebenswert, da der Engländer in seiner Übersetzung von Laudonnières Floridaberichten auf den Maler der Expedition verwiesen hatte, der nun als James Morges in London lebe und einen illustrierten Bericht darüber publizieren wolle.433 Ob durch Hakluyts Vermittlung oder nicht – de Bry nahm Kontakt zu Jacques Le Moyne auf, schloss nach eigenen Angaben Freundschaft mit ihm und erwarb nach dem überraschenden Tod des Malers von dessen Witwe Zeichnungen und einen Bericht über die Florida-Kolonie. Sicher ist, dass Hakluyt 1589 mit de Bry Gespräche über eine Zusammenarbeit führte, die auf eine illustrierte Ausgabe von ausgewählten Reiseberichten hinauslief, die Hakluyt zugleich für seine Principal Voyages zum 429 John White  : Brief vom 4. Februar 1593 an Richard Hakluyt, in Quinn NAW III, S. 331f. 430 Neuber 1991, S. 250  ; Quinn 1998b, S. 135  ; Payne 2008, S. 33–35  ; Borge 2002, S. 97f.; Kuhlemann 2007, S. 81f. 431 Braun-Ronsdorf  : Bry, Theodor. In  : Neue Deutsche Biographie  ; Vgl. Neuber 1991, S. 249–251. 432 Kuhlemann 2007, S. 80f.; Bucher 1981, S. 7. 433 Payne 2008, S. 32.

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Druck vorbereitete.434 Für den als Verleger und Herausgeber damals unerfahrenen de Bry bot die Kooperation mit dem bekannten und in England und Frankreich vernetzten Hakluyt sicherlich Vorzüge, zumal Hakluyt ihm auch die Bilder John Whites als Illustrationen für eine Ausgabe von Thomas Harriots Brief and True Report zur Verfügung stellen konnte.435 Dafür forderte Hakluyt aber offenbar, dass nicht die französische, sondern die englische Reise als erstes von de Bry illustriert und publiziert werden sollte.436 Für Hakluyt lag darin eine Chance, Englands Anspruch auf koloniale Expansion einem breiten europäischen Publikum zu präsentieren und damit zugleich in England für eine Fortsetzung der Virginia-Projekte zu werben. De Bry erhielt hingegen Zugang zu Bildvorlagen mit bisher in Mitteleuropa ungekanntem Detailreichtum, die werbewirksam auf eigener Anschauung des Künstlers basierten. Er konnte als Unter­ nehmer außerdem auf ein interessiertes Publikum in England und Frankreich wie auch in Deutschland hoffen, wo sich beispielsweise Hans Stadens Bericht gut verkauft hatte. Kommerziell war seine neue Heimat Frankfurt als Messestadt und Knotenpunkt des Buchhandels außerdem ein vielversprechender Druckort. Harriots Bericht erschien dort 1590 und wurde im selben Jahr an der Buchmesse gehandelt.437 De Bry gab den Text in vier Sprachen heraus  : Deutsch, Latein, Englisch und Französisch. Das Buch war ein kommerzieller Erfolg und wurde mehrfach neu aufgelegt. Die englische Ausgabe widmete de Bry Walter Ralegh und lobte darin die Entdeckung Virginias und die guten Aussichten für die von John White etablierte Kolonie.438 In der (kunst-)historischen Forschung haben die Bildwelten de Brys erhebliche Beachtung gefunden, da er seine Vorlagen an europäische Norm- und Schönheitsvorstellungen anpasste und so die Indigenen weitaus vertrauter machte, als White oder Le Moyne sie ursprünglich zeichneten.439 Die dadurch vermutlich erhöhte Erotisierung der abgebildeten indigenen Frauen könnte ebenfalls zum Erfolg der Reihe beigetragen haben.440 Wie schon in Harriots Text, in dem die Probleme und die Auflösung der englischen Kolonie nicht vorkommen, so zeigen auch die Bilder nicht die Kolonie selbst, sondern nur Indigene und deren Lebensweise.441 Auch die im Text zentralen und den Lesern bekannten Commodities waren nicht abgebildet. Das Werk bekam da434 Rogers 1974, S. 38f. 435 Payne 2008, S. 31 436 Borge 2002, S. 97f. 437 Kuhlemann 2007, S. 83. 438 Theodor De Bry  : To the right worthie and honorable Sir Walter Ralegh Knight. In  : Thomas Harriot  : A Brief and true report of the new found land of Virginia. Ausgabe Frankfurt 1590, S. 3f. 439 Diese optische Europäisierung der Indigenen prägt zwar alle Bände, ist aber weniger stark, wenn de Bry Vorlagen nutzen konnte wie bei Harriot, Morgues oder Staden. Siehe Bucher 1981, S. 33–35  : sowie Kuhlemann 2007. 440 Borge 2007, S. 97f. 441 Vgl. die Edition Sievernich 1990 und Scanlan 1999, S. 59.

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mit entgegen seinem Inhalt einen neuen Schwerpunkt und wurde zur zentralen Quelle für die europäischen Vorstellungen von Indigenen Nordamerikas. Den Bericht und die Bilder von le Moyne de Morgues über Florida gab de Bry im folgenden Jahr in Deutsch und Latein heraus.442 Auch hier nahm de Bry die bekannten Änderungen vor, wobei die Bilder getreu den Vorlagen nun auch Europäer in Interaktion mit Indigenen zeigten und damit eine noch deutlichere koloniale Botschaft vermittelten. Bemerkenswerterweise waren es durch Hakluyts Kooperation mit de Bry ausgerechnet zwei Texte, die aus kolonialen Projekten hervorgingen, die ihre Ziele nicht erreicht hatten, die jetzt den Lesern Visionen protestantischer kolonialer Reiche in den Amerikas nach Vorbild Colignys und Raleghs vermittelten.443 In den folgenden Bänden, von denen de Bry bis zu seinem Tode noch vier selbst herausgab, und mehreren Einzelveröffentlichungen rückte schließlich die iberische Expansion stärker in den Fokus.444 Durch eine explizite Darstellung spanischer Gräueltaten ordnete sich de Bry langfristig in den vorherrschenden und kommerziell erfolgreichen antispanischen Diskurs über die Amerikas ein. Dessen Ausweitung auf den deutschen Buchmarkt markierte spätestens das Erscheinen einer deutschen Ausgabe der Relation des Bartholomé de Las Casas 1591.445 Die zunehmend antispanische Zielrichtung, die Idealisierung der kooperativen, friedlichen Indigenen Nordamerikas und die Aufnahme der Berichte von Staden und Jean de Léry in den dritten Band der Reihe führten Lestringant und andere Forscher zu dem Schluss, de Brys AmericaReihe sei der Höhepunkt des personell wie inhaltlich grenzübergreifend vernetzten hugenottischen Diskurses dieser Zeit.446 Nach dem Ausbruch offener Kampfhandlungen zwischen England und Spanien bestimmte bis zum Ende des Jahrhunderts die Konfrontation mit dem spanischen Imperium das politische Geschehen in England wie auch in Frankreich. Damit verbunden war, dass der Kaperkrieg zu einem zentralen Geschäftsfeld für Seeleute und Investoren aus englischen wie auch französischen und niederländischen Häfen wurde. Die hohen Renditen des privaten Seekrieges sprachen zwar gegen eine breite Unterstützung der vergleichsweise teureren und langfristigeren kolonialen Expansion, hielten aber einzelne Akteure nicht davon ab, weiterhin solche Pläne zu verfolgen. 442 Le Moyne  : Der ander Theyl der Newlich erfundenen Landtschafft von dreyen Schiffahrten so die Frantzösen in Floridam, Frankfurt 1591  ; lateinischer Titel  : Brevis narratio eorum quae in Florida Americae Provincial Gallis acciderunt, secunda illam. 443 Defert 1987, S. 52f. 444 Für eine Übersicht über die Bände der Reihe sowie die Intentionen de Brys siehe Duchet 1987, S. 9–46. 445 Casas 1597  : Newe Welt. Warhafftige Anzeigung der Hispanier grewlichen abschewlichen Tyranney. Nach der französischen Ausgabe aus Antwerpen, diese Ausgabe wird nicht mit De Bry in Verbindung gebracht. 446 O’Brien 1995, S. 27f.

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Dies galt umso mehr, wenn koloniale Projekte mit profitablen Geschäftsfeldern wie dem Pelzhandel in Nordamerika verknüpft werden konnten, dessen stetigen Aufschwung Richard Hakluyt in Paris beobachtete. Der mit Hakluyt in Austausch stehende Jacques Noël, ein Neffe Jacques Cartiers, hatte Mitte der 1580er Jahre eine Handelsroute in die von seinem Onkel bereisten Regionen eröffnet und bat 1587 bei Hofe um ein Monopol auf die Errichtung von Minen und den Pelzhandel westlich der Gebiete bei Neufundland, die noch immer für den Sieur de La Roche reserviert waren.447 Im Gegenzug bot Noël an, dauerhafte Außenposten zu errichten. Seine Offerte erklärt sich auch dadurch, dass er bei der Reise 1587 durch Kampfhandlungen gegen andere französische Händler einige Schiffe verloren hatte.448 Heinrich III. gewährte im Januar 1588 das erbetene Monopol und ordnete an, Noël jährlich 60 Sträflinge als Kolonisten zu überstellen.449 Noëls Monopol provozierte jedoch umgehend Widerspruch. Die saisonal tätigen Pelzhändler aber auch Fischer und Walfänger, die im Nebenerwerb Tauschhandel betrieben, protestierten vor dem Rat von St. Malo und später auch vor dem Parlement der Bretagne. Sie forderten die Aufhebung des Monopols und die Bestätigung ihres angeblich traditionellen Rechtes auf freien Handel in Nordamerika.450 Heinrich III. gab ihrem Protest nach und hob das Monopol am 9. Juli weitgehend auf, indem er es auf die Ausbeute von eventuell zu entdeckenden Minen begrenzte. An dieser kurzen Episode zeichnet sich bereits ab, dass ein langfristiger Gegensatz zwischen dauerhaften und saisonalen Interessen in der Region bestand. Kurz darauf nahmen die politischen Spannungen in Frankreich noch weiter zu, nachdem König Heinrich III. 1589 ermordet worden war. Rechtlich war der Protestant Heinrich von Navarra dessen Thronfolger, den Philipp II. aber keineswegs akzeptieren wollte. Philipp griff daher nicht länger nur durch Subsidien für die katholische Liga, sondern mit eigenen Truppen in den Krieg ein. Es überrascht wenig, dass zu dieser Zeit ein in Paris gedrucktes Buch mit dem Titel Anti-Espagnol allein im ersten Jahr sieben Ausgaben in Französisch, Deutsch und Englisch erhielt.451 Darin hatten die Ereignisse in Europa klaren Vorrang, und Amerika kam lediglich die Bedeutung einer Randnotiz zu.452 Eine umgekehrte Gewichtung nahm 1596 der Autor einer fiktiven 447 Vgl. zur Person Trudel  : Noël, Jacques. In  : DCB. Zur Übersicht über das Monopol  : Thierry 2008, S. 40f. Abenon/Dickinson 1993, S. 27f.; Cook 2008, S. 356f.; Trudel 1963, S. 224f.; Gilles/Vidal 2003, S. 40. Vgl. den Brief Noëls vom 19. Juni 1587 an einen Bekannten in Paris, ediert in  : Quinn NAW IV, S. 305. 448 Heidenreich 2010, S. 46. 449 Trudel  : Noël, Jacques. In  : DCB. 450 Abenon/Dickinson 1993, S. 27f.; Vergé-Franceschi S. 269f. und S. 291. 451 Antoine Arnauld 1590  : Anti-Espagnol, autrement Les Philippiques d’un Demostenes françois touchant les menees & ruses de Philippe Roy d’Espagne. Paris. Zu weiteren Ausgaben siehe Alden 1980. 452 So auch in der englischen Ausgabe  : Arnault 1590a  : The Coppie of the Anti-Spaniard made at Paris by a French man, a Catholique. Wherein is directly proved how the Spanish king is the onely cause of all the

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feierlichen Rede eines indigenen Anführers vor, in der er für ein franko-indigenes Bündnis gegen den gemeinsamen spanischen Feind warb.453 Diese neue Prominenz indigener Akteure könnte ihren Ursprung sowohl im Pelzhandel in Kanada und Neufundland, aber auch in den noch immer bestehenden und zuletzt intensivierten Handelskontakten in Brasilien haben. Händler und ihre indigenen Partner hatten dort Tabak als alternative Handelsware für das langsam wachsende Farbholz entdeckt. Speziell zwischen Dieppe und einer Maragnon genannten Insel im heutigen brasilianischem Bundesstaat Maranhão etablierte sich ein Austausch.454 Im Jahr 1594 konnte Kapitän Jacques Riffault genug Geldgeber gewinnen, um eine größere Expedition in diese Region durchzuführen, die neben Freibeuterei und Handel auch die Eroberung eines portugiesischen Stützpunktes zum Ziel gehabt haben ­könnte.455 Riffault verlor aber Teile seiner Flottille durch Schiffbruch und ließ daraufhin mehrere Überlebende auf der Insel Maragnon zurück. Diese Männer, die sich eventuell freiwillig gemeldet hatten, lebten zum Teil mehrere Jahrzehnte unter den Indigenen, ganz wie die früheren Truchements bei Rio de Janeiro.456 Wie dort fungierten die Grenzgänger als Vermittler für weitere Handelsreisen und im 17. Jahrhundert auch als Ansprechpartner und Unterstützer für neue koloniale Projekte. Doch nicht nur französische Händler und Seeleute hatten in den 1590er Jahren ein gestiegenes Interesse an Südamerika, sondern auch Walter Ralegh, der sich nach Whites letzter gescheiterter Rettungsmission von Virginia abgewandt hatte. Seine politische Lage hatte sich seitdem, wie erwähnt, deutlich verschlechtert. Im Jahr 1592 erfuhr Königin Elisabeth von seiner heimlichen Eheschließung mit einer ihrer Hofdamen, verbannte daraufhin beide vom Hof und befahl, die Eheleute im Tower zu inhaftierten. Ralegh konnte aber aufgrund seiner Expertise im Umgang mit Seeleuten schon bald entlassen werden und verfügte noch über parlamentarische und regionale Ämter, die nicht unmittelbar von der Krone abhingen. Sein Ziel war es, erneut die Gunst der Königin zu gewinnen, und als Mittel dafür wählte er ein koloniales Projekt, das mit seinem Gewinn alles Bekannte in den Schatten stellen sollte – die Eroberung von El Dorado, das er am Fluss Orinoco in Guyana

troubles in France, translated out of French into English, London, S. 31 und in einer deutschen Ausgabe im selben Jahr Arnault 1590b. 453 Anonymus (1596)  : Harangue d’un cacique Indien, envoyee aux Francois pour se garder de la tyrannie de l’Espaignol, Paris. 454 Provençal/Mariz 2011, S. 40. 455 Zum Kontext der Militäroperationen in Brasilien  : Martinière 2007, S. 23  ; Provençal/Mariz 2011, S. 39. Zu unterschiedlichen Positionen siehe ohne Vermutung kolonialer Ambitionen Bonnichon 1994, S. 131  ; dagegen pro koloniale Zielsetzung  : Diffie/Perkins 1987, S. 205f. und Henry 1974, S. 17. 456 Lorimer 1989, S. 15f.; Anführer der Truchements war  : Charles des Vaux aus St. Maure, siehe Obermeier 1995, S. 46  ; Pianzola 1991, S. 42f.

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vermutete.457 Raleghs Ideen basierten sowohl auf der Lektüre der gängigen spanischen Werke zu diesem Thema wie auch auf Gesprächen, die er bereits 1586 mit dem gefangenen spanischen Konquistadoren und Historiker Sarmiento de Gamboa geführt hatte.458 Gamboa hatte vergeblich versucht, die Magellanstraße mit einer Garnison zu sichern, und während seiner Reisen in Peru und der Karibik Erzählungen über Goldreiche in Südamerika gesammelt. Wie schon im Falle Virginias sandte Ralegh 1594 zunächst eine Spähmission nach Guyana. Seine Männer kundschafteten natürliche Häfen aus und nahmen Indigene nach England mit, um so Dolmetscher und Verbündete zu haben. Vermutlich übernahm auch für diese Gruppe der noch immer für Ralegh tätige Thomas Harriot den Sprachunterricht.459 Gestützt auf die natürlich positiven Berichte seiner eigenen Kundschafter und der Indigenen konnte Ralegh Lord Cecil, der nach Walsinghams Tod eine besondere Stellung als Vertrauter der Königin besaß, sowie den Lord Admiral und vermögende Verwandte seiner Frau als Finanziers gewinnen.460 Im Jahr 1595 führte Ralegh dann – im Gegensatz zu seinen Projekten in Virginia persönlich – eine Expedition von 400  Mann nach Guyana. Dort knüpfte er Kontakte zu indigenen Anführern, konnte weitere Männer als Dolmetscher gewinnen und ließ auch Jungen zurück, welche die Sprache und Bräuche der Indigenen lernen sollten. Nach einem halben Jahr vergeblicher Suche nach El Dorado kehrte er nach England zurück.461 Dort begegneten ihm die Königin und auch das Privy Council mit Desinteresse. Gerüchte über einen Fehlschlag verbreiteten sich, und ein Memorial, in dem Ralegh um weitere Gelder warb, blieb ohne Erfolg. Ralegh reagierte, indem er entgegen dem faktischen Ergebnis der Reise einen Erfolgsbericht publizierte  : The discouerie of the large, rich, and bevvtiful empire of Guiana with a relation of the great and golden citie of Manoa (which the spanyards call El Dorado).462 Er wollte damit einerseits ‒ wie schon mit Thomas Harriots Report über ­V irginia ‒ Investoren gewinnen, andererseits mehr noch sein eigenes Image bei Hofe verbes457 Übersicht  : Vaughan 2002, S. 358–365  ; Nicholls/Williams  : Ralgh, Walter. In  : ODNB  ; Lorimer 1989, S. 11–20  ; Andrews 1984, S. 287–295  ; Herbertson 1993, S. 143–176. 458 Childs 2014, S. 109  ; Lorimer 2015, S. XLVIf.; Quinn 1973, S. 126f. Zur Person siehe die nichtwissenschaftliche Biographie Guillou 2006. Gamboa hatte seine Männer ohne ausreichende Vorräte und Ausrüstung an der Magellanstraße abgesetzt und bei einer späteren Reise keine Überlebenden mehr angetroffen. 459 Vaughan 2006, S. 41. 460 Quinn 1973, S. 137. 461 Die Dolmetscher stehen im Fokus von Vaughan 2002, S. 360–363. Francis Sparrey, einer der Männer, die er zurückließ, geriet in spanische Gefangenschaft und verfasste einen Bericht über sein Leben unter den Indigenen, der 1625 in Purchas HP IV erschien. Zu Raleghs Darstellung der Kontakte  : Cottegnies 2009, S. 51–61. 462 Ralegh 1596, der Bericht ist auf EEBO verfügbar. Die maßgebliche Edition mit einem Vergleich insbesondere der Manuskript- und Druckversion  : Lorimer 2015, vgl. Quinn 1973, S. 147f.

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sern.463 In seinem Vorwort an Lord Howard weist Ralegh Vorwürfe von sich, dass Buch sei nur Fiktion, und er selbst habe Cornwall nie verlassen.464 Er präsentiert dem Lord Admiral Guyana als Reich eines geflohenen Inkaprinzen, dessen Existenz für die Spanier eine Tatsache sei, weswegen sie schon so lange danach suchen würden. In einer Widmung an seine Leser versucht Ralegh außerdem Zweifel an der Echtheit des dortigen Goldes zu widerlegen, die eine Folge der Frobisher-Reisen gewesen sein könnten.465 Raleghs Buch ist in der Forschung bereits häufig interpretiert worden, unter anderem als Schlüsseltext für die Konstruktion eines englischen kolonialen Selbstbildes und für die Verwendung sexualisierter Sprache in kolonialer Literatur sowie als Beispiel für höfische Literatur der Frühen Neuzeit.466 Aufgrund dieser häufigen Beachtung weist Raleghs Bericht das deutlichste Ungleichgewicht aller in dieser Studie behandelten Quellen zwischen zeitgenössischer Relevanz und speziell in der historisch-literaturwissenschaftlichen Forschung zugeschriebener Bedeutung auf. Viele Forscher heben hervor, wie bemerkenswert es sei, dass Ralegh ein ganzes Buch über eine gar nicht vollzogene Eroberung verfasste. Darin stellte er seine eigene, tugendhafte Mäßigung in den Fokus und erschuf so einen Kontrast zu seiner heimlichen Ehe mit einer Hofdame Elisabeths, die ihn seine Stellung bei Hof gekostet hatte. Durch Betonung seiner Entbehrungen und Kosten, die er zum Wohle der Monarchie auf sich genommen habe, inszenierte Ralegh die Reise als Buße für seine Sünden, die Gott, wie das Ergebnis zeige, akzeptiere.467 Indirekt forderte er damit auch die Königin, von der seine weitere Karriere abhängig war, auf, ihm zu vergeben. In einer stark sexualisierten Sprache schrieb er von sich selbst als Bewahrer der Jungfräulichkeit des unverdorbenen Landes, dessen Reichtümer alle von Spaniern andernorts mit Gewalt geraubten Schätze überträfen.468 Nicht ohne Widerspruch sei – so die Forschung –, dass er dennoch für eine große Expedition warb, um das Land und seine Schätze unter die Kontrolle Elisabeths zu bringen.469 Dies sollte aber nach Raleghs Vorstellung durch ein Bündnis mit den in463 464 465 466

Lorimer, 2015, S. XXXIX. Ralegh 1596, S. A2r.-A4v. Ralegh 1596, S. 2r.-4v. Maßgeblich  : Fuller 1995, S. 55–79. Vgl. Griffiths 2001, S. 207–252  ; Parker 1965, S. 149–156  ; Goodman 1998, S.  169–192  ; Knapp 1994, S.  175–193  ; Mackenthun 1997, S.  165–192. Zur Reichweite und Erfolg Schmidt 2007, S. 454–479  ; Parker 1965, S. 147–149. Mit Fokus auf die rethorische Ausgestaltung  : Sell 2006, S.  64. Zur Verbreitung als populäre Literatur mit Unterhaltungszweck  : Schmidt 2007, S. 454–488. Zur langfristigen Wirkung der Schrift auf englische Lateinamerikanistik im 19. Jahrhundert siehe Ramirez 1998, S. 36–117. 467 Griffiths 2001, S. 221 dort mehr zum Genre der »painfull pilgrimage«. 468 Hart 2001, S. 172  ; Borge 2007, S. 201–206. 469 Griffiths 2001, S. 212f.; Lenman 2001, S. 122. Zur Kontroverse, ob Ralegh in seinen Plänen den spanischen Konquistadoren glich und sich nur anders präsentierte oder ob er genuin andere Vorstellungen und Pläne hatte, vgl. Lorimer 2015, S. LXV-LXVI. Oft ist die Positionierung unklar, so bei

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digenen Nachbarvölkern El Dorados geschehen und so moralisch höherwertiger sein, als die spanische Expansion.470 Schlüssel zum Aufbau dieser Allianz sei der Hass aller Indigenen auf die Spanier und ihre Liebe für Elisabeth und die Engländer. Ralegh erklärt, er habe dieser Liebe durch sein Versprechen an die Indigenen, sie vor den Konquistadoren zu schützen, und sein ritterliches Verhalten persönlich geweckt.471 Gemeinsam mit indigenen Verbündeten könnte man alle Schätze des Landes gewinnen und den Widerstand der nach Guyana geflohenen Inka überwinden.472 Der Publikation war eine Manuskriptversion vorangegangen, die Ralegh vermutlich in seinem Umfeld und bei einflussreichen Höflingen zirkulieren ließ.473 Darin legte er stärkeren Wert auf die Eroberung des gesamten Reiches der »Inga« (!) mit Hilfe indigener Alliierter. Milde und gute Beziehungen waren hier deutlicher ein Mittel zum Zweck der kolonialen Expansion, die auf flächendeckende Besitznahme zielte. Auch das Gold sollte der Manuskriptfassung nach eher durch Eroberung als durch den Aufbau eigener Minen in seinen Besitz gelangen. Für die Drucklegung schwächte Ralegh aber, wie Lorimer in einem Vergleich herausstellte, die Eroberung als sein letztliches Ziel ab. Obwohl Raleghs Werk derart erfolgreich war, dass mehrere Nachdrucke und Übersetzungen erschienen, darunter eine illustrierte deutsche und lateinische Ausgabe von Theodor de Brys Erben, gelang es ihm nicht, die erhofften Finanziers zu finden.474 Sein Netzwerk ermöglichte ihm immerhin, als Zeichen für die Ernsthaftigkeit seiner Ambitionen 1596 eine dritte Expedition auszusenden, deren Anführer seine Angaben in einem weiteren Reisebericht bestätigte.475 Einem großangelegten Versuch, seine koloniale Vision zu realisieren, stand jedoch entgegen, dass zum einen Elisabeth noch nicht bereit war, ihn zu rehabilitieren, und dass zum anderen 1596 und 1597 spanische Invasionsversuche drohten. Schiffe und Mannschaften waren daher in Europa gebunden. Für Ralegh brachte schließlich aber die Planung eines Angriffs auf Cádiz eine neue Chance, die Königin 1597 wieder für sich einzunehmen.476 Rowse 2003, S. 221–223. Rowse hebt zwar eine andersartige Grundhaltung und Intention Raleghs hervor, benennt aber klar Plünderung als dessen Ziel. 470 Quinn 1973, S. 140  ; Lorimer 2015, S. LXI-LXXII  ; Solomon 1996, S. 35–58. 471 Griffiths 2001, S. 222–229. Für die Selbstinszenierung nach Motiven höfischer Ritterlichkeit siehe Goodmann 1998, S. 174–190. 472 Griffiths 2001, S. 240–244. 473 Maßgeblich hierzu die Introduction von Lorimer 2015, zu den im folgenden angesprochenen Aspekten  : zur Eroberung als Zielsetzung S.  XXXV–XXXVI  ; zur Veränderung des Weges zum Reichtum S. XLVII und L  ; über Milde als taktisches Mittel, die Bedeutung der indigenen Alliierten und ihren Einfluss auf das Geschehen S. LXIII–LXXI. Lorimer hält für wahrscheinlich, dass die erste Fassung von Lawrence Keymis oder Thomas Harriot in Raleghs Auftrag verfasst worden sei, S. XXXVI. 474 Parker 1965, S. 149. De Brys Ausgabe  : Achter Theil Americae, Jn welchem Erstlich beschrieben wirt das Mächtige vnd Goldtreiche Königreich Guiana, zu Norden deß grossen Flusses Oronoke Frankfurt 1599. 475 Lawrence Keymis 1596  : A relation of the second voyage to Guiana. Verfügbar auf EEBO. 476 Nicholls/Williams  : Ralegh, Walter. In  : ODNB.

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Während Ralegh für die Eroberung Guyanas warb, bemühten sich auch andere erfahrene Kolonialunternehmer um Geldgeber und Protektion. Dies betraf insbesondere zwei Männer aus dem Umfeld des verstorbenen Humphrey Gilbert, deren Interesse am heutigen Kanada ungebrochen war  : Edward Hayes und Christopher Carleill.477 Beide planten, 1593 in offene Konkurrenz zu den französischen Pelzhändlern zu treten und in der Region von Nova Scotia oder am St. Lorenz Handelsposten zu etablieren. Deren Gewinne wollten sie für eine erneute Suche nach einer nordwestlichen Passage in den Pazifik nutzen. Um Geldgeber zu finden fertigten sie eine Denkschrift mit dem eindeutigen Titel  : A discourse concerning a voyage intended for the plantation of Christian religion and people in the northwest regions of America in places most apt for the constitution of our bodies and the speedy advancement of a state an, in welche sie alle früher von ihnen wie auch von Peckham und den beiden Hakluyts versprochenen Vorzüge aufnahmen.478 Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Ein anonymer zeitgenössischer Kommentator kritisierte die idealisierten Vorstellungen von der Nordwestpassage, dem Klima und der Arbeitsbereitschaft der Indigenen.479 Außerdem sei für längere Zeit kein Ertrag zu erwarten, der nicht bei deutlich geringeren Kosten auch durch saisonalen Handel und Fischerei gewonnen werden könne. Bemerkenswerterweise bereiteten parallel dazu andere Personen in England ein koloniales Projekt vor, das rein auf die Praxis orientiert war und keinerlei theoretische Reflexion oder Werbung aufwies. Hierbei handelt es sich um den Siedlungsversuch von Angehörigen einer von der Obrigkeit unterdrückten puritanischen Gruppierung, der sogenannten Brownisten, im Jahr 1597.480 Die Anführer der Gruppe waren zu dieser Zeit seit mehreren Jahren in Haft, und ein großer Teil der Gemeinde lebte im Exil in den Niederlanden.481 Für sie stellte die Aussicht, jenseits des Atlantiks eine eigene Gemeinschaft aufbauen zu können, trotz aller Härten einen starken Anreiz dar. Aus der Haft heraus taten sich führende Brownisten mit einem jungen Kaufmann und Freibeuter namens Charles Leigh sowie in London ansässigen niederländischen Kaufleuten zusammen. Leigh stieg zum Anführer der Unternehmung auf, deren Ziel 477 Quinn  : Hayes, Edward. In  : DCB. 478 Ihre Denkschrift ist ediert in  : Quinn NAW III, S. 156–172. 479 Die Stellungname ist im Bestand State Papers Colonial CO 1/1 als Quelle Nr. 9 überliefert und ediert in  : Quinn NAW III, S. 172–175. 480 Grundlegend ist die Darstellung  : Quinn 1966, S. 359–390. Für eine Übersicht vgl. Thierry 2008, S. 47f.; Quinn  : Leigh, Charles. In  : DCB  ; Lorimer  : Leigh, Charles in ODNB  ; Cell 1969, S. 50f.; Andrews, 1984, S. 305–307. Zwei Reiseberichte sind überliefert  : von Charles Leigh in  : Hakluyt PN 1600 III, S. 195–201 ediert in  : Quinn NAW IV, S. 68–75, und von George Johnson, der in seinem Werk über die Exilgemeinde in Amsterdam Discourse of some troubles (1603) auch auf die Reise einging, die relevanten Passagen sind ediert in  : Quinn NAW IV, S. 75–78. In den Regesten der Beschlüsse des Privy Council ist für den 25. März 1597 die Erlaubnis zur Ausreise vermerkt, dabei liegt der Fokus auf wirtschaftlichen Zielen und ihr unveränderter Status als Untertanen der Königin, APC, Vol. 27, 1597, S. 3. 481 Zur Lage der Brownisten  : Quinn 1966, S. 365–367.

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die Magdaleneninseln bei Neufundland waren – genauer die Insel Ramea, damals ein Zentrum für Fischerei und Walrossjagd. Leigh plante, dort eine kleine Gruppe von Brownisten als Vortrupp abzusetzen, über den Winter zu jagen und natürlich auf der Hin- und Rückfahrt durch die Kaperung spanischer Schiffe Profit zu erzielen. Leigh konnte zwei kleine Schiffe ausrüsten und mit Walter Raleghs Fürsprache erhielten vier Brownisten die Erlaubnis, aus England auszureisen.482 Dazu gehörte auch George Johnson, der später einen Bericht über seinen Lebensweg verfasste, in dem Spannungen unter den reisenden Brownisten und zwischen ihnen und der Schiffs­ besatzung eine zentrale Rolle spielen.483 Auch Charles Leigh selbst schrieb einen Bericht, den er später Richard Hakluyt übergab.484 Leigh schildert darin, wie er Ramea erreichte und dort zwei baskische und zwei bretonische Schiffe antraf. Die Besatzungen der beiden bretonischen Schiffe und eines der baskischen Schiffe identifizierten sich als Untertanen Heinrichs IV. und damit als Verbündete der Engländer. Die Männer auf dem zweiten baskischen Segler verweigerten aber jede Auskunft. Leigh schickte daraufhin einen Entertrupp, um deren Pulver zu konfiszieren, doch seine Männer begannen eigenmächtig zu plündern. Er konnte sie zwar mit einem weiteren Trupp zurückbeordern, doch nun drohte eine Meuterei auf seinem eigenen Schiff. Bevor der interne Konflikt eskalierte, kam es jedoch zur von Quinn sogenannten »Battle of Ramea«.485 Die Basken verbündeten sich mit den Bretonen und etwa 300 indigenen Mi’kmaqs und vertrieben die Engländer gewaltsam, aber wohl ohne Todesfälle. Die Anwesenheit so vieler Indigener ist im Übrigen ein seltener Hinweis auf die alltägliche Kooperation bei der Jagd auf Meeressäuger im Nordamerika des 16. Jahrhunderts. Charles Leigh berichtete, seine Crew habe nach dem Gefecht nicht zugelassen, dass er nach einem neuen Siedlungsplatz suche, sondern ihn zur Jagd auf Prisen genötigt. Auch wenn der Abbruch dieser Unternehmung nur eine kleine Gruppe betraf, wären die Folgen weitreichend gewesen, da eine erfolgreiche Ansiedlung auch nur weniger Konfessionsflüchtlinge eine Sogwirkung hätte entfalten können. So hingegen dauerte es mehr als zwei Jahrzehnte bis die Brownisten erneut versuchten nach Amerika auszuwandern – an Bord der Mayflower. Charles Leigh wandte sich nach seiner Rückkehr an Mitglieder des Privy Council und vertrat die Ansicht, dass die Insel für einen dauerhaften Stützpunkt geeignet sei und dort hoher Profit erzielt werden könne. Er schlug vor, 1598 drei Schiffe zu entsenden und Ramea militärisch zu besetzen.486 Sein Plan fand zwar in England keine 482 Zu den involvierten Personen, Quinn 1966, S. 369–371. Quellen zum Antrag auf Ausreise, Antrag an Parlament und Privy Council, sowie Reaktionen in  : Quinn NAW IV, S. 66–68. 483 Siehe die Auszüge seines Berichtes in Quinn NAW IV, S. 75–78  ; vgl. Moody  : Johnson, George. In ODNB  ; Quinn  : Johnson, George. In  : DCB. Schlicht irreführend ist der Hinweis von Kupperman die Expediton »included a large number of separatists«, Kupperman 2008, S. 184. 484 Quinn NAW IV, S. 68–75. Erstpubliziert in  : Hakluyt PN 1600, S. 195–201. 485 Quinn 1974, S. 352f. 486 Die Eingabe trug den Titel  : A briefe platform for a voyadge with three shipees into the isle of Ramea, ediert

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Unterstützer, aber die Konfrontation bei Ramea dürfte den Akteuren in Frankreich, die schon länger versuchten Kolonien in der Region zu etablieren, eine neue Motivation gegeben haben. Allerdings stand jeder neuen Unternehmung, beispielsweise von Seiten des seit 1578 amtierenden aber seit 1584 untätigen Vizekönigs von NouvelleFrance de La Roche, weiterhin der Krieg im Wege. Es hatte sich jedoch bereits 1593 eine Wende im französischen Kriegsgeschehen abgezeichnet, die einen Weg zum Frieden eröffnete  : Heinrich  IV. trat zum Katholizismus über.487 Auch wenn ihm erst im folgenden Jahr der Einzug in Paris gelang, das zuvor unter dem Schutz einer spanischen Garnison gestanden hatte, brachte ihm sein Glaubenswechsel sogleich erheblichen Einflussgewinn. Spätestens als Heinrich 1595 vom Papst die Absolution erhielt, konnte er über seine persönlichen Anhänger hinaus auch die gemäßigten und kriegsmüden Katholiken an sich binden. Die Gefahr, aufgrund seiner Konversion von den Hugenotten als Verräter angesehen zu werden und damit deren Unterstützung zu verlieren, konnte er wiederum durch eine Toleranzpolitik ausräumen, die 1598 im Edikt von Nantes gipfelte. Schon vorher hatte Heinrich  IV. gezielt führende Adelige der katholischen Liga durch Überzeugung, Druck und Bestechung auf seine Seite ziehen können, so dass die spanischen Truppen und ihre Sympathisanten weitgehend isoliert waren. Der letzte sogenannte Glaubenskrieg in Frankreich bekam daher eine dezidiert antispanische Prägung, wie der Beitritt Heinrichs IV. zu einer Tripelallianz mit England und den Niederlanden im Oktober 1596 bestätigt.488 Für die spanische Monarchie verlief der Krieg zunehmend ungünstig. Invasionen in England und in Irland scheiterten 1596/1597, und ein erneuter Staatsbankrott zeigte symptomatisch, dass der Krieg die Mittel des Reiches überforderte. Angesichts dieser Entwicklungen war Philipp II. bereit, 1598 den Frieden von Vervins zu schließen, der zugleich die lange Reihe von Glaubenskriegen in Frankreich beendete, die 1562 während Jean Ribaults erster Florida-Reise begonnen hatte. Im Gegensatz zu Heinrich IV. setzte Elisabeth I. den Krieg weiter fort, erlaubte aber im Jahr 1600 Verhandlungen zwischen Vertretern Spaniens und Englands. Auch wenn die Gesandten ihre Bemühungen vorerst ergebnislos abbrachen, zeigte diese Entwicklung, dass der Konflikt seine Schlussphase erreicht hatte.489 In einer Gesamtbetrachtung des Zeitraums 1575 bis 1598 zeigen sich deutliche Veränderungen sowohl im Bereich der Ereignisgeschichte wie auch auf der Ebene der Rezeption der kolonialen Expansion. Akteure aus England übernahmen die in  : Le Blant/Baudry 1967, S.  22f. und Quinn NAW  IV, S.  79f.; vgl. Quinn 1966, S.  383 und Quinn  : Leigh, Charles. In  : DCB. 487 Zu den Folgen kurz  : Hinrichs 2006, S. 152–154. 488 Der Vertrag ist ediert in  : Davenport 1917, S. 229–234. 489 Quinn 1974, S.  225 vermerkt bereits für 1599 erste Verlautbarungen gegen Freibeuterfahrten, um einen Frieden mit Spanien zu ermöglichen.

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Führungsrolle als koloniale Herausforderer Spaniens. Allerdings kam es nach dem Frobisher­fiasko und angesichts der Konkurrenz durch Freibeuterei und saisonalen Handel jedoch selten zur Realisierung ihrer Pläne. Der offene Krieg mit Spanien band nach 1585 immer mehr Geld sowie Schiffe und Mannschaften. Die Freibeuterei bot der Königin dabei hohe Profite und direkte Nachteile für ihre Feinde bei geringem Risiko. Auch für die Seeleute war das Streben nach Prisen essentiell, wie sich bei der Roanoke-, aber auch der Ramea-Expedition zeigte. Mannschaften konnten Druck auf ihre Vorgesetzten ausüben und diese wiederum auf Kolonisten. Für sie alle bedeutete eine Prise persönlichen Profit, eine Koloniegründung nur Wartezeit. Verantwortlich für die kolonialen Projekte waren in England neue prokoloniale Netzwerke, für die es im von Bürgerkrieg und mehrfachem Herrscherwechsel betroffenen Frankreich nach dem Tode Admiral Colignys kein Pendant gab. Doch trotz der Hilfe Walsinghams und des Aufstiegs Raleghs in den engsten Kreis um die Königin reichte der Rückhalt dieser Netzwerke nicht aus, um Elisabeth zur umfassenden und direkten Beteiligung zu bewegen. Bei der Umsetzung der Projekte machten die englischen Akteure ähnliche Erfahrungen mit den Indigenen wie die Franzosen in Florida. Sie erlebten bei Roanoke deren Bedeutung und entscheidende Rolle als Unterstützer oder Gegner der Expansion. Allerdings ist auffällig, dass bei der Planung vieler Projekte Kontakte mit Indigenen nur eine marginale Rolle spielen. Frobishers Minenkolonie, Gilberts Siedlung in der Nähe der Nordwestpassage oder eine Freibeuterbasis bei Roanoke waren so konzipiert, dass sie ohne die Inklusion einer indigenen Bevölkerung funktionierten, sofern Nahrungsmittel gegen trifles getauscht werden konnten. In Frankreich hemmten der Krieg und das Fehlen eines Netzwerks von Förderern zwar koloniale Projekte, verhinderten sie jedoch nicht in Gänze. Zum einen konnten Friedensphasen einen Aufschwung für das Interesse an transatlantischen Räumen bringen, zum anderen wurde die Fischerei fortgesetzt und der Pelzhandel in bisher ungekanntem Maße ausgeweitet. Seine Profite, die nur durch Kooperation mit Indigenen und nicht durch Verdrängung oder eigenes Handeln gewonnen werden konnten, wuchsen stark genug, um koloniale Projekte rentabel erscheinen zu lassen. Dies führte zur neuen Konfliktlinie zwischen Monopolisten und Freihändlern. Wie schon zuvor erwiesen sich die Kooperationen und Allianzen mit den Indigenen als Stärke der französischen kolonialen Akteure. Dies galt in Brasilien ebenso wie in Kanada, wo der Kampf um die Insel Ramea die Bedeutung indigener Verbündeter bei kolonialen Konfrontationen verdeutlicht. Die indigenen Akteure konnten, das zeigt ihr Umgang mit den Europäern vielfach, die Neuankömmlinge als politischen und militärischen Faktor erfassen und mit ihnen zu ihrem eigenen Vorteil kalkulieren. Auf der Ebene der Diskurse bedeutete die Rezeption der Frobisher-Reisen eine wichtige Veränderung in England. Autoren entwarfen darin die Vorstellung von England als Seemacht und von seinen Seeleuten als Helden, die über die Elemente triumphierten. Dies ergänzte das Bild der heroischen Freibeuter, die in kleineren Gefechten,

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aber auch bei der Abwehr von Invasionen über die Spanier triumphierten. Gemeinsam ergaben diese beiden Konzepte eine Basis für die mentale Konstruktion Englands als Kolonialmacht, die in Frankreich so nicht erfolgte. Die Arbeit Richard Hakluyts und die Rezeption der Ereignisse um die Virginiakolonie brachte eine weitere Ebene hinzu, die allerdings eher als Anpassung an in Frankreich bereits etablierte Diskurse zu sehen ist. Wo John Dee historische Legitimation geschaffen hatte, folgten nun die Umdeutung von erfolglosen Reisen zu kolonialen Triumphen und die Schilderung Amerikas und seiner indigenen Bevölkerung als Objekte kolonialen Denkens. Erst die Reisen nach Virginia und später Guyana boten für die Engländer den nötigen Hintergrund dafür, Amerika als kolonialen Sehnsuchtsort und Handlungsraum zu erfinden, wie es in Frankreich mit Kanada, Brasilien und Florida bereits geschehen war. Dabei erwies sich aufgrund der politischen Entwicklung die Konstruktion einer eigenen kolonialen Identität in England wie in Frankreich als eng verbunden mit einer Abgrenzung vom spanischen Imperium und von den ihm unterstellten Praktiken. Hierin waren die französischen Autoren den englischen durch die Rezeption der Florida-Reisen zunächst voraus. Doch dieser Diskurs kann nicht in nationalen Abgrenzungen betrachtet werden, sondern wurde grenzübergreifend in England, Frankreich und dem Alten Reich geführt und weiterentwickelt. Die Vernetzung Richard Hakluyts als Autor, Verleger und Übersetzer mit französischen und deutschen Akteuren sowie die Verflechtung ihrer Werke ist hierfür das beste Beispiel. Bei aller Verflechtung bleiben aber auch Nuancierungen erkennbar. Während in Gegnerschaft zu Spanien und der Ablehnung von dessen Praktiken Einigkeit herrschte, behandelten englische Autoren deutlich intensiver die Frage, was genau englisch sei. Ein Grund hierfür könnte die den Engländern im Diskurs unterstellte konfessionelle Einheit sein, wo in Frankreich konfessionelle Gräben im Diskurs erkennbar waren. Doch mehr noch  : Die englischen Autoren führten auch einen Diskurs über die Frage, was ein englisches koloniales Imperium in Übersee insgesamt auszeichnen solle. Hierfür erfanden John Dee und Richard Hakluyt eine eigene koloniale Gesamtgeschichte und Mission Englands – wohingegen in Frankreich zwar viel früher, aber primär über die Geschichte einzelner kolonialer Projekte geschrieben und diskutiert wurde. 3.3 Frieden im Atlantik  ? Neue Initiativen, etablierte Kolonien und anglofranzösische Konflikte 1598 bis ca. 1615 Überblick In England wie in Frankreich brachten die Friedensschlüsse mit Spanien 1598 neuen Aufschwung für koloniale Projekte. Als Erster versuchte Troilus Mesgouez Marquis de La Roche, der seit Langem formell amtierende Vizekönig von Nouvelle-France, das

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günstige Klima nach dem Frieden von Vervins zu nutzen. Seine Unternehmung auf der Isle de Sable 1598–1601 war aber nur eine von mehreren aufeinanderfolgenden Versuchen zur Etablierung einer dauerhaften Ansiedlung unter der Fahne des französischen Königs. All diese Projekte standen im Spannungsfeld der gegenläufigen Interessen freier Nordamerikafahrer aus den atlantischen Hafenstädten und derjenigen, die ein Monopol für den Pelzhandel durchsetzen wollten. In England dauerte der Kriegszustand hingegen noch bis 1604 an. Solange bestand einerseits das Risiko, dass die Krone wie 1588 Schiffe am Auslaufen hindern und zum Kampfeinsatz gegen Spanien verpflichtet, und andererseits die Chance, durch Freibeuterei einen schnelleren und höheren Profit zu erzielen als mit einer Kolonie­gründung. Dennoch gaben die prokolonialen Netzwerke in England nicht auf. Richard Hakluyt propagierte in einem bisher unbekannten Ausmaß eine koloniale Vergangenheit, Identität und Zukunft der von ihm imaginierten English Nation. Sein dreibändiges, monumentales Hauptwerk, die Principal Navigations von 1598–1601 stand jedoch nicht allein. Auch andere kolonialaffine Akteure präsentierten alte Reiseberichte in neuen Ausgaben und Übersetzungen sowie neue Berichte über Spähmissionen als Fundament für koloniale Projekte. Ein zunehmendes Interesse an transatlantischen Räumen war nicht nur in England erkennbar, sondern auch im Alten Reich, wo neue Übersetzungen und illustrierte Ausgaben wirtschaftlich überaus erfolgreich waren. Die Verleger und Herausgeber verliehen mangels neuer im Original deutscher Texte so den englischen und französischen kolonialen Narrativen große Reichweite und trugen damit zu ihrer Prominenz in der späteren europäischen Historiographie bei. Der auf den englisch-spanischen Friedensschluss von 1604 folgende Zeitraum war von einer erheblichen Zunahme kolonialer Projekte in England und Frankreich geprägt. Durch die Friedensschlüsse waren in beiden Ländern einerseits Ressourcen der Herrscher und politischer Eliten freigeworden, andererseits aber die Möglichkeit zur Investition in und Durchführung von legalen Kaperfahrten ausgeräumt. Das Klima schien daher günstig für neue Geschäftsmodelle. Vor diesem Hintergrund bildeten sich in beiden Ländern spezifische Akteursnetzwerke für Projekte in Nord- und Südamerika heraus, wobei jeweils die Wechselwirkung zwischen englischen und französischen Unternehmungen eigene Dynamiken hervorbrachte. Aus diesem Grund werden in diesem Kapitel für den Zeitraum nach 1604 zunächst die nichtiberischen Projekte in Nord- und dann in Südamerika als jeweils grenzübergreifend verflochtene Ereigniszusammenhänge behandelt. In Nordamerika setzten sich von französischer Seite die Spannungen zwischen Monopolisten und Freihändlern weiter fort. In der Acadie genannten Region bei der heutigen Cape-Breton-Insel unternahmen der Sieur de Monts und Jean Biencourt de Poutrincourt ab 1604 mehrere Expeditionen und Siedlungsversuche. Zu ihrem Netzwerk gehörte der Jurist und Poet Marc Lescarbot, der schon bald die Werbung für eine Kolonisierung von Nouvelle-France zu seinem zentralen Anliegen machte. 1609 veröffentlichte er eine Gesamtgeschichte der bisherigen französischen kolonialen Ex-

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pansionsprojekte. Darin imaginierte er für seine Leser, wie Hakluyt zuvor, eine eigene koloniale Geschichte, Identität und Zukunft. Seine Bemühungen um königliche Unterstützung waren jedoch nicht erfolgreich, so dass die französischen Projekte, an denen zuletzt auch die Jesuiten beteiligt waren, bis 1613 prekär blieben. In diesem Jahr zerstörte ein englischer Kapitän aus Virginia fast alle französischen Außenposten, um die weiträumigen, exklusiven Ansprüche der englischen Krone durchzusetzen. Der 1608 gegründete Handelsposten bei Québec entging den Engländern aber vorerst, so dass dessen Organisator Samuel de Champlain ab 1613 umfangreiche Werbeliteratur für eine koloniale Expansion in der Region veröffentlichte. In England entstanden nach 1606 zwei Companien zur Kolonisierung Nordamerikas, eine in London und eine in Plymouth. Beide versuchten, ihre Ansprüche in die Tat umzusetzen, doch nur die Siedlung der Virginia Company of London mit dem Namen Jamestown hatte bestand. Ihre Konkurrenz, die Plymouth Company, gab ihr am Kennebec-River in französisch beanspruchtem Gebiet gelegenes Fort bereits nach einem Jahr auf. Auch Jamestown befand sich in einer kritischen Lage und musste 1610 evakuiert werden. Nur durch stetigen Nachschub, die Bereitschaft hohe Verluste an Geld und Menschenleben hinzunehmen und eine Propaganda mit bisher unbekannter Intensität konnte das Projekt überdauern und zu einem Ausgangspunkt weiterer kolonialer Expansion werden. In Südamerika war die Zahl der unternommenen Expeditionen und Siedlungsversuche zwar weitaus höher als im Norden, hat aber einen deutlich geringeren Niederschlag in der historischen Forschung gefunden. In dichter Folge und in Konkurrenz sowohl mit den Portugiesen wie auch miteinander fuhren Schiffe die Mündung des Amazonas und des Orinoco in Brasilien, respektive Guyana an. Meist siedelten dort nur wenige Europäer als interkulturelle Grenzgänger unter der indigenen Bevölkerung und bereiteten Rohstoffe für den Tauschhandel vor. Ausnahmen hiervon bildeten vor allem die Kolonie französischer Kapuziner im heutigen Maranhão, die von 1612 bis 1615 mit erheblichem Aufwand gegründet wurde, und Walter Raleghs große Expedition zur Eroberung des Goldreiches Guyana 1617, die mit seiner erfolglosen Rückkehr ihr Ende nahm. Beide Unternehmungen scheiterten sowohl an der Präsenz der Portugiesen in der Region wie auch an der neuen politischen Lage in Europa. Für Jakob I. wie für Maria de Medici war eine koloniale Konfrontation mit dem spanisch-portugiesischen Reich, die ihre Vorgänger noch gesucht hatten, zu dieser Zeit unerwünscht. Dies konnte aber engagierte Händler und Kenner der indigenen Kulturen nicht daran hindern, dauerhaft informelle Außenposten und Handelsplätze zu etablieren. Trotz dieser Rückschläge waren um 1615 englische und französische Kolonien jenseits des Atlantiks etabliert, die mehrere Jahre überdauert hatten. Aus nominellen Ansprüchen war reale Besitznahme geworden, die nun erstmals auch nicht-iberische Mächte gegeneinander gewaltsam durchsetzten. Mit der zunehmenden Beteiligung der Niederländer am Brasilien- und Guyanahandel, der zum Bau erster Forts führte, sowie der Gründung weiterer dauerhafter Kolonien in der Karibik, Süd- und Nord-

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amerika waren um 1620 die westlichen Ufer des Atlantiks endgültig ein multilateraler Handlungsraum geworden. Darstellung Der erste koloniale Akteur, der von dem sich abzeichnenden Friedensschluss von Vervins profitierte, war der bereits 1578 eingesetzte Vizekönig von Nouvelle-France, Troilus Marquis de La Roche de Mesgouez, dem zuletzt 1584 trotz mehrfacher Versuche die Überquerung des Atlantiks nicht gelungen war.490 Seine lange Abstinenz von kolonialen Projekten ist durch eine kriegsbedingte Gefangenschaft in den Jahren 1589–1597 zu erklären.491 Dieses Zeitfenster konnten Händler aus St. Malo, Rouen, Dieppe und anderen Städten nutzen, um frei von einem drohenden Monopol Handelsplätze zu etablieren und indigene Verbündete zu finden. Im Januar 1598 sahen sie ihre Errungenschaften jedoch in Gefahr, als Heinrich IV. dem Sieur de La Roche ein erneuertes Patent verlieh, das dessen Monopol auf den Pelzhandel bekräftigte.492 Der König ermahnte seine Untertanen und auch alle auswärtigen Mächte zur Beachtung des Monopols, was sich implizit auch gegen die vielen englischen Seefahrer in der Region richtete. Zur Unterstützung seines Vorhabens durfte La Roche wie vor ihm schon R ­ oberval Strafgefangene, insbesondere aufgegriffene Bettler und Vaganten, als Siedler nach Übersee befördern. Noch während La Roche nach der Registrierung des Patentes durch die Parlements seine Siedler auswählte, erschienen zwei Publikationen, die für seine Unternehmung warben  : Zum einen eine Neuausgabe des Reiseberichts über Cartiers erste und zweite Reise, die als Werbung für koloniale Projekte in Kanada generell gelten kann, und zum anderen eine Druckfassung von La Roches eigenem Patent.493 Beide Veröffentlichungen erschienen in Rouen, das seit Langem als Ausgangs490 Zu La Roches Projekt von 1598 vgl. Thierry 2008, 48–62  ; Quinn 1977, S. 472–474  ; Trudel  : 1963, S. 229–234  ; Trudel 1973, S. 61–65  ; Lanctot  : La Roche De Mesgouez. In  : DCB. Zu beachten ist, dass die zentrale Quelle für die Darstellungen die Histoire de Nouvelle France von Lescarbot ist, die klar als Werbeliteratur für eine Kolonisierung der Acadie konzipiert war. Weitere, kleinere Quellen zur Unternehmung liegen in Edition vor bei Quinn NAW IV, S. 308–312, und in  : Le Blant/Baudry 1967, dort ist auch ein Dokument betreffend der Überstellung von Gefangenen an La Roche vom 6. März 1598 ediert. 491 Heidenreich 2010, S. 45f. 492 Publiziert in Lescarbots Histoire de Nouvelle France siehe die Edition Lescarbot/Biggar II, S. 196– 204, vgl. Heidenreich 2010, S. 49. 493 Jacques Cartier 1598  : Discours du voyage fait par le capitaine Jaques Cartier aux Terres-neufves de Canadas, Norembergue, Hochelage, Labrador, & pays adjacens, dite Nouvelle France, avec particulières moeurs, langage, & cérémonie des habitans d’icelle. Rouen  ; hierbei handelt es sich vermutlich um die Rückübersetzung einer italienischen Ausgabe  ; Anonymus [Samuel de Champlain  ?] 1598  : Edict contenant le pouvoir donné au marquis de Cottenmael et de la Roche pour la conqueste des terres Canada, labrador, Isle de Sable, Noremberg et pays adjacens.

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punkt von Transatlantikreisen etabliert war. Als ein möglicher Herausgeber von La Roches Patent gilt der damals bereits verdiente Veteran Samuel de Champlain, der aus einer in La Rochelle beheimateten Seefahrerfamilie stammte.494 Er begann im selben Jahr mit eigenen transatlantischen Reisen in das spanische Kolonialreich die Grundlage für seine später zentrale Rolle für koloniale Projekte in Nordamerika zu legen. La Roche gelang es noch im selben Jahr eine Gruppe von Verurteilten über den Atlantik zu schicken. Ihre Zahl war allerdings gering, da La Roche versuchte, Gebühren von potentiellen Siedlern dafür einzutreiben, dass er deren Haftstrafen in Migration umwandelte.495 Diese Praxis war jedoch wenig erfolgreich, da nur wenige Verurteilte das dafür nötige Geld besaßen. Außerdem hatte Heinrich IV. die Delikte, die in Migration umgewandelt werden konnten, begrenzt, um weitreichende Eingriffe in den Justizgang zu vermeiden. La Roche wandte sich daraufhin an das Parlement der Bretagne und ließ sich eine Gruppe von 40–50 Strafgefangenen überstellen.496 Da diese nicht freiwillig als zahlende Kolonisten mitreisten, war Personal zur Bewachung und Aufsicht dringend erforderlich.497 Dies bedeutete mehr Kosten, bei zugleich ausbleibender Migrationsgebühr. Nur eine kleine Gruppe Kolonisten besiedelte daher die abgelegene Isle de ­Sable, die als hervorragendes Revier für die Jagd auf Meeressäuger galt. La Roche hatte sie als Zielort ausgewählt, nachdem eine Spähmission 1597 berichtet hatte, dass dort zahlreiche, bereits vor Jahrzehnten erfolgreich angesiedelte Nutztiere als Nahrungsgrundlage dienen könnten.498 La Roche plante jährliche Versorgungsfahrten, um die gut 494 Zur Person liegen zahlreiche biographische Studien, Lexikonartikel und biographische Passagen in diversen Ausgaben seiner Werke vor. Vgl. zur Übersicht  : Trudel  : Champlain, Samuel de. In  : DCB und die Biographien Fischer 2008 und Séguin 2004. Fischer 2008 ist vielfach ausgezeichnet worden, enthält aber zum Teil problematische Thesen, bspw. dass Champlain ein illegitimer Sohn Heinrichs IV. gewesen sei und für Kanada eine Vision mit geradezu modernen Vorstellungen von Toleranz und harmonischem Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen gehabt habe  ; vgl. kontrastierend das wissenschaftliche Sammelwerk zum Jubiläum der Gründung Québecs mit zahlreichen Beiträgen  : Litalien 2004  ; sowie aus der Vielzahl der im Folgenden zitierten Artikel  : Lestringant 2004a  ; Thierry 2004  ; Siehe auch die zweisprachige Werksausgabe  : Champlain/Biggar 1922–1936. 495 Thierry 2008, S. 55f. und 61f. 496 Dies lag weit unter der von ihm geplanten Zahl von 200 Männern und 50 Frauen, die in einigen Werken als tatsächliche Siedlerzahl genannt wird, so in Abenon/Dickinson 1993, S. 29. Vgl. den Erlass des Parlements der Normandie, 200 Männer und 50 Frauen für die Verschickung nach Kanada unter La Roche auszuwählen vom 23. Mai 1598, ediert in  : Le Blant/Baudry, S. 15–16. 497 In einer ersten Verhandlungsrunde bot das Parlement 200 Gefangene, davon 50 Frauen an. Diese Zahl benennt Eccles als die tatsächlich nach Amerika geschickten Siedler Eccles 1998, S. 13. Quellen zur Auswahl und Überstellung der Gefangenen an ihn sind ediert in  : Quinn NAW IV, S. 308–312. 498 Die Herkunft der Tiere ist in der Forschung umstritten. Möglicherweise ist ihre Anwesenheit eine Folge des Projektes des Sieur de Leri, möglicherweise aber auch einer portugiesischen Erkundungsfahrt oder der mysteriösen Kolonie des Fagundes. Siehe Villiers/Hirtle 2004, S. 19–22, die einen portugiesischen Ursprung vermuten, aber S. 45f. mit Lescarbot auf eine französische Vorläuferexpedition verweisen  ; vgl. Thierry 2008, S. 59f.

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zehnköpfige Wachmannschaft auszuwechseln und die kostbaren Pelze nach Europa zu bringen. Die erste dieser Fahrten konnte 1599 erfolgreich absolviert werden. Die Kolonie blieb in den folgenden Jahren vermutlich eine durch die Hierarchie von Gefangenen und Aufsehern geformte Zwangsgemeinschaft, deren Profitabilität von der Durchsetzung des Monopols abhing. Doch wie bereits zuvor reagierten auch in diesem Fall die als Pelzhändler aktiven See- und Kaufleute aus den französischen Küstenstädten mit Protest. Händler aus St. Malo wandten sich zu diesem Zweck an den Hof und verwiesen auf ihr langfristiges Engagement in Nordamerika. Sie deuteten dies als eine rechtsbegründende Tradition, zu der jedes Exklusivrecht im Widerspruch stünde. Der König ließ daraufhin zwar La Roche das Vizekönigtum, höhlte jedoch dessen Privilegien zusehends aus. Daher war auch die Initiative einer bei Hofe gut vernetzten Gruppe Händler erfolgreich, die für sich eine zunächst auf zehn Jahre begrenzte Ausnahme von La Roches Monopol erwirken konnte.499 Einer von ihnen war der aus Dieppe stammende Protestant Chauvin de Tonnetuit, der sich mit dem katholischen Veteran, Fernhändler und Kapitän François Gravé Du Pont zusammentat.500 Chauvin selbst besaß vier hochseetaugliche Schiffe und lange Erfahrung in transatlantischen Reisen. Er und Du Pont warben beim König insbesondere mit ihren guten Beziehungen, die sie zu den indigenen Montagnais im Mündungsgebiet des Sankt-Lorenz-Stromes aufgebaut hätten. Sie beantragten daher ein eigenes Monopol nur für diese Region. Die Fürsprache mehrerer mit ihnen bekannter protestantischer Adeliger aus der Normandie, die bei Heinrich IV. aufgrund ihrer Leistungen im Krieg in hohem Ansehen standen, verhalf ihrem Anliegen zum Erfolg. Doch kaum für zehn Jahre gewährt, geriet die Sonderstellung beider Männer selbstverständlich sowohl in die Kritik seitens freien Pelzhändler, die jede Sonderlizenz ablehnten, wie auch des in seinen Rechten beschnittenen Vizekönigs La Roche. Als Folge dessen mussten Chauvin und Du Pont offiziell die Autorität des Sieur de La Roche über die St. Lorenz Region anerkennen. Chauvin und seine Partner hatten ihre Handelskontakte zu Indigenen an der Mündung des Saguenay-Flusses geknüpft, an dessen Ufern Cartier und Roberval 50 Jahre zuvor ein mystisches Goldreich gesucht hatten. Eine Bucht in der Nähe der Mündung war als Versammlungs- und Handelsplatz unterschiedlicher indigener Gemeinschaften unter dem Namen Tadoussac bereits etabliert und galt als hervorragend geeignet, um dem Pelzhandel ein dauerhaftes Zentrum zu geben.501 Anders als zur Zeit Cartiers waren keine indigenen Siedlungsgemeinschaften dauerhaft am Fluss ansässig, der jetzt eher eine saisonale Handels- und Konfliktzone darstellte. Von dort aus hatten 499 Zu dieser Gruppe und ihren Netzwerken Thierry 2008, S. 63–66. 500 Zu dem Versuch Chauvin de Tonnetuits, einen dauerhaften Handelsposten zu errichten, vgl. Trudel, 1973, S.  65–69  ; Trudel 1963a, S.  235–245  ; Thierry 2008, S.  63–84  ; Morley  : Chauvin de Tonnetuit, Pierre. in  : DCB  ; Trudel  : Gravé Du Pont. In  : DCB. 501 Zur Bedeutung Tadoussacs  : Dickason 1992, S. 104  ; Trigger 1994, S. 141.

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die Montagnais, die Handelspartner der Europäer, sowie weitere Gruppen von Algonquin und Etchemins erhandelte Metallwaffen genutzt, um Angriffe auf benachbarte indigene Gruppen der Mohawks durchzuführen, die zur Föderation der Irokesen gehörten.502 Die Irokesen, die an einem eigenen direkten Zugang zu den europäischen Waren interessiert waren, beeinträchtigten außerdem durch ihre Gegenschläge den Warenverkehr. Eine dauerhafte europäische Präsenz schien somit die beste Lösung zur Sicherung des bedrohten Nachschubs. Im Jahr 1600 erreichte Chauvin mit einer Expedition die Bucht von Tadoussac und verhandelte mit den indigenen Anführern in der Region über Pelze und einen längeren Aufenthalt. Zu den Mitreisenden gehörte auch der vom König mit einer Pension und einem Gouverneursamt in Frankreich ausgezeichnete Veteran Pierre Dugua, Sieur de Monts.503 Seine Anwesenheit kann als Hinweis darauf gelten, dass nach dem Frieden von 1598 nicht mehr nur Amerikafahrer und Fernhändler aus den atlantischen Hafenstädten, sondern auch bei Hofe vernetzte adelige Veteranen auf der Suche nach neuen Tätigkeitsfeldern ein Interesse an Nordamerika entwickelten. Nach Abschluss der Tauschgeschäfte und der von den Indigenen offenbar geduldeten Errichtung eines befestigten Hauses kehrten Chauvin und der Großteil seiner Mitreisenden zurück.504 Nur eine kleine Gruppe von 16 Mann überwinterte in Kanada, so dass mit den Männern La Roches auf der Isle de Sable parallel zwei Außenposten unter dem Schutz Heinrichs IV. in Amerika bestanden. Doch die Lage in Tadoussac erwies sich als so kritisch, dass an weitere Erkundungen oder Tauschhandel kaum zu denken war. Kälte, Nahrungsmangel und insbesondere Skorbut forderten unter der Besatzung, die letztlich von den Indigenen abhängig war, mehrere Menschenleben. Das nächste Schiff von Chauvin fand nur fünf Mann lebend vor, die nach Frankreich zurückkehrten. Angesichts dieser Erfahrung gab Chauvin sein Projekt eines dauerhaften Stützpunktes in der Region vorerst auf. Er unternahm aber weiterhin Handelsreisen, im Zuge derer auch zwei Montagnais an den Hof gebracht wurden, die der Gouverneur von Dieppe, Aymar de Chaste, zu Chauvins Unterstützung sogar 1602 dem König 502 Über die indigenen Siedlungsgruppen bei Tadoussac und am St. Lorenz vgl. insbesondere die Schilderung von Samuel de Champlain 1603  : De Sauvages. Vgl. Dickason 1992, S. 100–103  ; Cook 2008, S.  292f. und zu den franko-indigenen Allianzen in der Region, ebd. S.  354–363. Zum Verschwinden der Indigenen, die Cartier angetroffen hatte, insbesondere Trigger 1994, S. 144–148  ; Trigger/ Pendergast 1978, S. 357–361  ; Heidenreich 2010, S. 46f. Die Gründe ihres Verschwindens sind noch immer Gegenstand von Debatten so Tremblay 2006. Zu den Mohawks in diesem Kontext siehe Salisbury 1984, S. 79–82 und Salisbury 2007a, S. 401f. Eine Unterscheidung zwischen den Mohawks als indigener Nation und der gesamten Föderation der Irokesen wird in den französischen Quellen nicht vorgenommen. 503 Vgl. MacBeath  : Dugua De Monts, Pierre. In  : DCB  ; Grenon 2004. 504 Den Siedlungsplatz und das befestigte Haus hat Samuel de Champlain 1603 beschrieben und vermessen, vgl. Morley  : Chauvin de Tonnetuit, Pierre. In  : DCB.

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persönlich in einer Audienz vorstellte.505 De Chaste hatte bereits seit längerem eigene Erfahrungen zur See gesammelt und war als Vizeadmiral an der Azoren-Expedition Katharina de Medicis und des Phillipe Strozzi beteiligt gewesen. Er und Chauvin nutzten die Präsentation der Montagnais, um für ein dauerhaftes Bündnis mit den Indi­genen zu werben, deren Kenntnisse des Flussnetzwerkes – so glaubten sie – erlauben würden, das Innere des Kontinents zu erschließen. Der König beschloss aber, aufgrund der schwelenden Konflikte um die beiden Monopole, eine Kommission einzuberufen, welche die Rahmenbedingungen für die Gründung einer Kompanie für die St. Lorenz Region festlegen sollte, in der sich Chauvin, dessen Partner sowie die Kaufleute aus St. Malo und Rouen gemeinsam engagieren konnten.506 Die Kommission, an der Chauvins Verbündeter Aymar de Chaste führend beteiligt war, erzielte 1603 einen Kompromiss. Doch Chauvin verstarb im selben Jahr und seine Ansprüche auf Gebiete und Handelszonen in Nordamerika fielen an ebenjenen Aymar de Chaste, den kolonialaffinen Gouverneur von Dieppe. Dieser setzte die Expeditionen an den St. Lorenz fort und arbeitete mit anderen ehemaligen Partnern Chauvins zusammen.507 Bemerkenswert ist, dass de Chaste im Gegensatz zu Chauvin Katholik war und anders als die Fernhändler nicht nur kommerzielle Interessen verfolgte, sondern die Missionierung als ein besonderes Ziel seiner Bemühungen proklamierte. Die erneute Erfahrung eines schweren kanadischen Winters bei Tadoussac, wie ihn schon Cartier um 1540 beschrieben hatte, fand 1601 literarischen Niederschlag in einem französischen Abenteuerroman, vermutlich dem ersten, dessen Handlung in Amerika angesiedelt ist.508 Die Identifikation Kanadas als Ort der Herausforderung für die Protagonisten kann als Hinweis auf einen tendenziell schlechten Ruf Nordamerikas als permanenten Siedlungsort gelten.509 Wer immer koloniale Projekte bewerben und verwirklichen wollte, musste solch einem Ruf entgegenwirken und sich mit den gut organisierten Interessengruppen auseinandersetzen, die ihre Profite aus dem Pelzhandel verteidigten. Dem noch immer amtierenden Vizekönig Sieur de La Roche gelang dies nicht. Im Jahr 1602, als die Konflikte um sein Monopol weiter andauerten, war sein Versorgungs505 Thierry 2008, S.  78–81  ; Heidenreich 2010, S.  52f. Davon erzählt auch Champlain in seinem Reisebericht De Sauvages von 1603, als er die beiden Indigenen nach Tadoussac zurückbrachte. 506 Trudel 1963, S. 243  ; Heidenreich 2010, S. 50f.; Biggar 1901, S. 45–46. 507 Beispielsweise befehligte der Kapitän Gravé Du Pont zukünftig eines von de Chastes Schiffen. 508 Anthoine Du Périer 1603  : Les amours de Pistion et de Fortunie, tirees du Voyage du Canada dicte france Nouvelle France  ; Auf einen gewissen Erfolg des Werkes deutet ein Neudruck 1606 hin. Vgl. Closson 2008, S. 139–162  ; zur Klimadarstellung kurz  : Lever 1981, S. 45  ; Thierry 2008, S. 110. Eine kommentierte Neuausgabe erschien  : Arbour 1973, siehe in der Einleitung S. 15–18 für eine mögliche Kanadareise des Autors Périer und die Nutzung von Cartiers und Thevets Werken als Quellen über Landesnatur und Klima. 509 Zu diesem schlechten Ruf vgl. Heidenreich 2010, S. XVIII.

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schiff nicht im Stande, die Isle de Sable zu erreichen. Im Jahr darauf, am 21. Februar 1603, befahl er dann die Auflösung der kleinen Kolonie angesichts der Einschränkung seiner Exklusivrechte. Als das von ihm dafür entsandte Schiff die Insel erreichte, stellte die Besatzung jedoch fest, dass es dort kaum noch Männer zu evakuieren gab.510 Im Winter 1602 auf 1603 war es zu Gewaltausbrüchen gekommen und ein Großteil der Kolonisten war tot. Nur elf Männer lebten noch und schworen, an den Geschehnissen unschuldig zu sein. La Roches Schiff brachte die Überlebenden mit den in den letzten zwei Jahren erjagten Pelzen zurück nach Frankreich, wo der Vizekönig ihnen den Prozess machen wollte. Er bezichtigte die Überlebenden des Mordes und der Meuterei. Die Männer hatten allerdings durch ihre mehrfache Überwinterung eine gewisse Bekanntheit erworben, nicht zuletzt, weil die kanadische Umwelt in einem erfolgreichen Roman und den Berichten von Chauvins Männern als überaus bedrohlich charakterisiert worden war. Als sie auf den Befehl, ihre Pelze abzugeben, mit einer Klage gegen La Roche reagierten, verschaffte ihnen das offenbar zusätzliche Prominenz.511 Sie erhielten sogar eine Audienz bei Hofe, wo sie Heinrich IV. ihre Geschichte erzählen sollten. Die Männer bekräftigten dabei erneut ihre Unschuld und überreichten dem König eine Auswahl kostbarer Pelze. Heinrich IV. begnadigte die Männer daraufhin gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Vizekönigs. Dies bedeutete für La Roches koloniale Ambitionen nicht nur finanziell das Ende, sondern dürfte auch als Signal des Entzugs der königlichen Gunst gewertet worden sein, auch wenn er seine formellen Ansprüche behielt. Die Initiative für Projekte, die über reine Handelskontakte hinausgingen, lag damit 1603 bei Aymar de Chaste und seinen Partnern. Während Akteure aus den französischen Hafenstädten im Spannungsfeld von freiem Handel und Monopol stetig weitere Kenntnisse über die amerikanische Küste sammelten und ihre Beziehungen zu den Indigenen ausbauten, erlebte in Deutschland der Markt für Reiseberichte eine neue Blüte. Der große Erfolg von de Brys großformatiger Reihe, in der englische und französische Berichte den Anfang gemacht hatten, inspirierte seine Söhne, nach seinem Tode im Jahr 1598 zusätzlich eine kleinformatige, in

510 Siehe zu dieser Expedition den Artikel über den Befehlshaber  : Lanctot  : Chefhostel. In  : DCB. 511 Zu diesem Ereigniszusammenhang siehe Villiers/Hirtle 2004, S. 47f.; Lanctot  : La Roche. In  : DCB  ; Lanctot  : Chefhostel. In  : DCB  ; Thierry 2008, S. 119–121  ; vgl. den Erlass des Parlements von Rouen vom 27. November 1603, den Überlebenden aufgrund ihres harten Überlebenskampfes zwei Drittel der heimgebrachten Felle zu übergeben, in  : Le Blant/Baudry 1967, S.  78–80. In diesem Dokument wurden alle Überlebenden als Soldats bezeichnet. Von Strafgefangenen oder Deportierten ist nicht die Rede. Dies könnte verschiedene Ursachen haben  : Entweder überlebten nur Wächter/Soldaten, oder die Überlebenden hatten ihren vorher negativen Status durch die vollzogene Deportation abgegolten. Möglich ist auch, dass die Mitglieder des Parlements, die dem Projekt kritisch gegenüberstanden, die Überlebenden zu Soldaten umdefinierten, damit sie La Roche zur Entschädigung zwingen konnten.

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der (literatur-)historischen Forschung Petits Voyages genannte Reihe herauszugeben.512 Der erste Band der neuen Reihe war eine Ausgabe von Bartholomé de Las Casas Bericht über die Zerstörung der Indien nach Vorlagen von 1582, also aus dem Kontext des sich zuspitzenden Konfliktes zwischen Spanien und seinen Gegnern in den Niederlanden und England. Damit folgten die Söhne der väterlichen Tradition und boten einem deutschen Publikum die in anderen Ländern bereits etablierte und kommerziell erfolgreiche antispanische Propaganda. Einen politisch neutraleren Blick eröffnete im selben Jahr 1598 Conrad Löw aus Köln, der eine Sammlung von stark verkürzten Reiseberichten herausgab, die er Meer oder Seehanen Buch nannte.513 Darin war eine Auswahl von Reisen portugiesischer, spanischer, englischer und französischer Seefahrer der letzten 100 Jahre sowohl nach Amerika wie auch Afrika und Asien zusammengestellt. Auffällig ist darin die klare Einteilung der Reisen nach auftraggebenden Monarchen, wodurch innerhalb des Bandes das Bild eines direkten Wettbewerbs der Herrscher und ihrer Untertanen um Kenntnis der Welt, Eroberungen und Profit entsteht. Der deutsche Buchmarkt dieser Zeit bot, auch wenn Löws Werk ohne Nachfolger blieb, prinzipiell genug Nachfrage, um neben dem Hause de Bry auch noch anderen Verlegern Absatz zu sichern. Ebenfalls im Todesjahr Theodor de Brys startete 1598 der in Nürnberg ansässige exilierte niederländische Calvinist Levinus Hulsius seine Publikation von Reiseberichten mit einer Ausgabe von Wilhelm Barents Reisen durch das Nordmeer.514 Was zunächst ein Einzelband war, wurde später als Ausgabe in einer Reihe nachgedruckt, die unter dem Titel Schifffahrten insgesamt 26 Bände umfasste. Hulsius Werke waren ebenfalls illustriert, wobei viele Abbildungen vereinfachte und günstiger zu reproduzierende Versionen von de Brys Stichen waren. Auch Ausfertigung und Druckformat waren im Vergleich deutlich kostengünstiger. Somit bediente Hulsius eher den damaligen Massenmarkt und de Bry eine exklusivere Kundschaft.515 Darüber, ob beide Verlegerfamilien in Konkurrenz und Feindschaft zueinander standen, ist in der Forschung mehrfach spekuliert worden, wobei zuletzt Groesen die Indizien für eine Duldung oder Kooperation deutlich herausgearbeitet hat.516 So hatten Hulsius’ Sohn und sein jüngerer Bruder bei de Bry in Frankfurt das Kupferstechen 512 Siehe die kurze Übersicht bei Gunn 2003, S. 27f. 513 Conrad Löw 1598  : Meer oder Saehanen Buch/ Darinn Verzeichnet seind/ die Wunderbare/ Gedenckwuerdige Reise vnd Schiffarhten/ so recht vnd billich geheissen Meer vnd Seehanen der Kœnigen von Hispania/ Portugal/ Engellandt vnd Franckreich/ inwendig den letst vergangnen hunder Jahren gethan, Köln  ; vgl. Neuber 1991, S. 247. 514 Benzing  : Hulsius, Levin. In  : Neue Deutsche Biographie. 515 Eine entsprechende Prägung der Edition von Hulsius macht auch Schmidt am Beispiel von Raleghs Bericht über Guyana fest. Schmidt spricht Hulsius das Verdienst zu, Raleghs Text aus seinem höfischen, elitären Kontext heraus in einen populär-unterhaltenden Zusammenhang gebracht zu haben  : Schmidt 2007, S. 477–479. 516 Zum Verhältnis Hulsius’ und De Brys siehe Groesen 2008, S. 346–352  ; vgl. Schmidt 2016, S. 53f.

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gelernt, und im Jahr 1602 zog Hulsius selbst mit seiner Familie in die Stadt. Dort sind bisher keine Quellen gefunden wurden, die auf einen Streit um Nachdruck oder Plagiat hinweisen, wie ihn die de Brys gegen andere Verleger durchaus geführt haben. Nach einer Weile spielte sich außerdem das Prozedere ein, dass jeweils ein Jahr nach einer de Bry Ausgabe auf der Frankfurter Buchmesse die entsprechende Version desselben Textes von Hulsius erschien. Beide Reihen sind oftmals sogar vom selben Drucker angefertigt worden. Bei aller Nähe und Gemeinsamkeit hat allerdings Hulsius’ Publikation in der Forschung nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit gefunden, die der Arbeit de Brys und seiner Erben zu Teil wurde. Eines jener Werke, das sowohl de Bry wie auch Hulsius herausgaben, war der Guyana-Reisebericht von Walter Ralegh.517 Dieser Text erschien bei Hulsius sogar in mehreren Ausgaben, wurde darüber hinaus noch einzeln nachgedruckt und erhielt 1598 eine Übersetzung ins Niederländische. Er war damit um 1600 vermutlich einer der bekanntesten Amerikaberichte im deutschen und niederländischen Sprachraum. Dies ist insofern bemerkenswert, da es weitaus detailliertere Schilderungen indigener Lebenswelten und der Landesnatur Südamerikas gab wie beispielsweise bei Jean de Léry. Offenbar entsprach die an mittelalterliche Abenteuererzählungen erinnernde, ritterliche Heldenreise Raleghs mit Amazonen, wundersamen Menschen und gewaltigen Schätzen eher dem Interesse der Verleger und des Publikums. Dies deutet auf die lange Wirkmacht traditioneller europäischer Erwartungshaltungen hin, muss aber andererseits auch in Bezug auf die antispanische Zielrichtung der meisten Verleger gesehen werden. Ralegh inszenierte, wie bereits ausgeführt, sich selbst und die englische koloniale Expansion als tugendhaften Gegenentwurf zu einer angeblich tyrannischen spanischen Kolonisierung. Diese Botschaft war für einige reformierte Verleger vermutlich von zentraler Bedeutung und passte zu den Schilderungen Las Casas’ über die Vernichtung der indigenen Kulturen. Hulsius, de Brys Erben und andere Verleger reihten sich damit in eine in England, den Niederlanden und der Schweiz vertretene antispanische Deutung der Geschichte der kolonialen Expansion ein. Auch in England kommt dem Jahr 1598 eine erhebliche Bedeutung in der Historiographie zur Geschichte transatlantischer Reisen und ihrer Rezeption zu. Der bereits mehrfach erwähnte, kolonialaffine Geistliche Richard Hakluyt gab in London von 1598–1601 die finale Version der Principal Voyages in drei Bänden heraus, die auf den Fassungen von 1582 und 1589 aufbaute.518 Es handelt sich dabei um die bis heute zentrale Textsammlung zur Geschichte früher englischer transatlantischer Seefahrt und kolonialer Projekte und somit um das Fundament für den Großteil der diesbezüg-

517 Bei Hulsius als 5. Schifffahrt 1599 in Nürnberg erschienen. Neuausgabe 1602 in Frankfurt. 518 Richard Hakluyt  : The principal nauigations, voiages, traffiques and discoueries of the English nation made by sea or ouer-land, to the remote and farthest distant quarters of the earth, at any time within the compasse of these 1500. yeeres  : 3 Bde. 1598–1600.

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lichen Historiographie.519 Daher ist es nicht verwunderlich, dass dem Werk bereits im 19. Jahrhundert eine besondere Bedeutung als Weckruf für die Mentalitätsgeschichte des britischen Empires zugeschrieben wurde.520 Tatsächlich verfolgte Hakluyt noch immer das gleiche Ziel  : Er warb für eine koloniale Expansion des englischen Königreiches in Übersee, insbesondere auf den Spuren von Walter Raleghs Projekten. Die Zielgruppe von Hakluyts Propaganda war allerdings relativ eng umrissen. Aufgrund von Umfang, Gewicht und Kaufpreis richteten sich seine Principal Navigations nicht an ein Massenpublikum.521 Sein Werk war eher eine Wissenssammlung, deren Besitz auch ein Symbol für maritimes Interesse war und ein gewisses diesbezügliches Prestige verlieh. Sie fand daher bei politischen Entscheidungsträgern, Kaufleuten und Bildungseinrichtungen deutlich eher Verbreitung als bei Seeleuten.522 In seinem Werk gab Hakluyt einmal mehr an, er habe alle Reiseberichte getreu den Vorlagen und unter Angabe von Verfasser und Entstehungskontext herausgegeben, wodurch er sich die Rolle eines bloßen Sammlers und Vermittlers der Texte zuschrieb.523 Allerdings kürzte Hakluyt durchaus, fügte Marginalien hinzu, welche die Leser leiten sollten, und schuf durch Auswahl und Anordnung des Materials ein neues, eigenes Gesamtbild. Seine Intention machte er außerdem in von ihm selbst verfassten Widmungen deutlich, in denen er sich direkt an Lord Admiral Charles Howard, der die Flotte zur Abwehr der spanischen Armada 1588 befehligt hatte, an Lord Cecil, den engen Vertrauten der Königin, und an seine Leserschaft im Allgemeinen wandte. Howard, dem der erste Band gewidmet ist, war nicht nur Lord Admiral, sondern auch der Stiefbruder von Hakluyts Förderer und ehemaligem Vorgesetztem in Paris. Hakluyt stellt in der Widmung nicht nur seine eigene Rolle als Retter vergessenen Wissens heraus, sondern wirbt für die Einführung von Vorlesungen in Navigation und lobt ausführlich die Leistungen von Howards Familie für das Königreich, speziell im Kampf zur See gegen Spanien. Ebenfalls im ersten Band positioniert Hakluyt eine 519 Zur Einschätzung  : Payne 2008, S.  1, Aufgrund der erheblichen Bedeutung bereitet ein Herausgebergremium derzeit (2018) eine kommentierte, kritische Ausgabe des bereits 1905 in modernisierter Schreibweise neu herausgegebene Textes vor. Zahlreiche Ausgaben von Textauszügen unterschiedlicher Verlage tragen zur ungebrochen hohen Bekanntheit und Relevanz der Textsammlung in Forschung und Lehre bei. Eine Übersicht über Werk und Kontext bietet das Hakluyt Handbook, Quinn 1974b. 520 Vgl. Olesen 2007, S. 67–70  ; kritisch zu einer langen Traditionslinie des Empire, Armitage 2004a, S. 270f. 521 Payne 2008, S. 41. Eine ausführliche Analyse von Hakluyts Vorgehen und potentieller Leserschaft bietet  : Olesen 2007, S. 1–107. 522 Payne 2008, S. 43f. Dies schließt jedoch nicht aus, dass insbesondere ranghohe Reisende und Befehlshaber ein Exemplar in ihr Gepäck aufnahmen oder überreicht bekamen. 523 Quinn 1998b, S. 139. Vgl. Die Widmung des ersten Bandes an Lord Howard  : Hakluyt PN I, S. 2r. [Eigene Zählung der unpaginierten Widmung]. Vgl. den Ndr. der Widmung mit Kommentar in Taylor 1935, Dokument 73, S. 426–432.

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weitere zehnseitige Widmung an seine Leser, in der er das Ziel seiner gesamten publizistischen Tätigkeit skizziert.524 Er wolle beweisen, dass die englische Nation allen anderen in ihren Leistungen zur See mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sei. Dieser Nachweis sei eine Frage der Ehre, für den er erhebliche Arbeit und Mühe auf sich genommen habe. Hakluyts wichtigster Vergleichsgegenstand zur Messung der englischen Leistungen ist Spanien. Bemerkenswerterweise nutzt er für den Vergleich aber kein moralisches Argument wie Ralegh, de Bry und viele andere, sondern ein nautisches  : Laut Hakluyt hätten die Spanier ihre Entdeckungen und Eroberungen in ruhiger See und bei schönem Wetter gemacht, wohingegen die Engländer seit Jahrhunderten die gefährlichsten Regionen des Atlantiks in hohen Breiten befahren und damit eindeutig mehr Ruhm erworben hätten.525 Gerade die lange Tradition ist dabei für Hakluyt nach wie vor ein zentrales Argument, um darzulegen, dass die Ansprüche der englischen Krone auf Amerika älter seien als die spanischen. Bereits in diesem Vorwort legt er somit den Kern seines Werkes offen  : England habe eine koloniale Vergangenheit, eine daraus gewachsene Identität als überlegene koloniale Macht und somit schließlich auch eine koloniale Zukunft. Der zweite Band ist dem Secretary of State Robert Cecil gewidmet, dessen 1598 verstorbener Vater William Cecil nach dem Tode Walsinghams 1590 zu einem wichtigen Förderer Hakluyts geworden war.526 Hakluyt lobt Robert Cecils Vater und betont, dass bereits dieser ihn unterstützt hätte, wie nun auch der Sohn ihn unterstützen werde. Damit inszenierte er sich als Klient der gesamten Familie.527 In seiner Widmung wirbt er explizit für die weitere Kolonisierung Virginias, das reicher als Mexiko sei und in dem man bereits Kolonien etabliert habe »whereof one as yet remaineth, for ought wie know, alive in the countrey«528. Hakluyt präsentiert also die verschwundene Roanoke-Kolonie als möglichen Anknüpfungspunkt für neue koloniale Projekte. Vermutlich zur Bekräftigung dieses Arguments hatte er auch einige der Berichte Whites über die vergeblichen Rettungsmissionen gekürzt und dafür Anmerkungen über eine baldige neue Expedition ergänzt.529 Im Gegensatz zum ersten Band gerät nun nach dem Friedensschluss mit Spanien auch Frankreich in Hakluyts Blick. Er führt in der Widmung an Cecil aus, dass dieses Land ein ungleich stärkeres Reich sein könnte, wenn es seine kolonialen Initiativen weiter verfolgt und interne Konflikte vermieden hätte.530 Das Versäumnis Frankreichs inszeniert Hakluyt indirekt als Mahnung und 524 Hakluyt PN I Epistel., Vgl. Taylor 1935, Dokument 74, S. 433–451. 525 Hakluyt PN I, S. 3 [eigene Zählung der unpaginierten Widmung]. 526 Zur Entwicklung von Hakluyts Netzwerken nach dem Tode Walsinghams vgl. Quinn 1974c, S. 133– 152  ; Olesen 2007, S. 59f. Die Widmung ist ebenfalls erschienen in  : Taylor 1935, Dokument 79, S. 469–475. 527 Hakluyt PN II, 4r. 528 Hakluyt PN II, 3r. 529 Vgl. Quinn/Quinn 1982, S. XVIII  ; Quinn 1974, S. 444f. 530 Hakluyt PN II, 3r./3v.

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zugleich Chance für England. Cecil nahm die Widmung offensichtlich positiv auf, denn auf seine Fürsprache hin erhielt Hakluyt für seine Verdienste eine neue Pfründe. Der Geistliche bedankte sich für die Gunst in der Widmung des dritten Bandes, die ebenfalls an Cecil adressiert war und in dem Hakluyt seine bekannten Leitlinien erneut vorbrachte.531 Robert Cecil war zu dieser Zeit bestrebt, einen Frieden mit Spanien auszuhandeln, nachdem es ihm 1598 nicht gelungen war, Frankreich im Krieg gegen Philipp II. zu halten.532 Solch ein Frieden würde Ressourcen sowohl der Krone als auch vieler bisher als Freibeuter oder Investoren in Freibeuterfahrten tätiger Personen für koloniale Projekte freisetzen. In seiner erneuten Inszenierung Englands als einer traditionellen Seeund Kolonialmacht bekräftige Hakluyt daher erneut sein Anliegen, dass eine koloniale Politik nicht nur vorteilhaft und legitim, sondern eine gewissermaßen natürliche und unumgängliche Politik der englischen Monarchie sei. Für deren Realisierung war nach Auffassung Hakluyts um 1600 offenbar Robert Cecil als Secretary of State, Mitglied des Privy Council und im engsten Umfeld der Königin positionierter Akteur der wichtigste Protektor. Doch das bisher umfangreichste Werben für eine transatlantische Expansion blieb weitgehend erfolglos, solange der Krieg Ressourcen band und alternative Tätigkeitsfelder bot. Auch der Inhaber der einzigen gültigen Letters Patent für Amerika, Walter Ralegh, war nicht mehr zu Unternehmungen vom Umfang der Roanoke-Kolonie oder der Guyana-Expedition im Stande. Seine Stellung bei Hofe war schwächer als in den 1580er Jahren, und sein Verhältnis zu dem um 1601 dort führenden Robert Cecil war distanziert, so dass an eine Kooperation nicht zu denken war. Dennoch hatte Ralegh die von Hakluyt in seiner Widmung ebenfalls angesprochene Lost Colony nicht vergessen und sandte, wie von Hakluyt angedeutet, tatsächlich 1602 ein Schiff zur Suche nach den Vermissten aus – jedoch vergeblich.533 Dieser Rückschlag und der zeitweilige Fokus auf Guyana bedeuteten aber nicht, dass Ralegh bereit war, auf seine Rechte an Virginia in irgendeiner Form zu verzichten. Dies zeigte sich anlässlich der Amerikafahrt des erfahrenen Kapitäns Bartholomew Gosnold im Jahr 1602 in das heutige Maine und Massachusetts.534 Unterstützt von einem unbekannten Sponsor hatte Gosnold versucht, in der Region einen dauerhaften Handelsposten zu etablieren. Insofern war seine Expedition ein koloniales Projekt, das vermutlich von den Plänen des bereits seit den 1580er Jahren als Ideengeber aktiven, ehemals mit Humphrey Gilbert kooperierenden Edward Hayes beeinflusst war. Hayes, 531 Hakluyt PN III, siehe Taylor 1935, Dokument 82. 532 Croft  : Cecil, Robert. In  : ODNB. 533 Siehe die Passage  : »A briefe Note of the sending another barke this present yeere 1602, by the honourable knight, Sir Walter Ralegh, for the searching out of his colonie in Virginia« in der Relation von John Brereton 1602  : A Briefe and true relation of the Discoverie of the North Part of Virginia, S. 14. Vgl. Quinn 1970, S. 268–281. 534 Ransome  : Gosnold, Bartholomew in ODNB.

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der 1601 aus Irland zurückgekehrt war, hatte sich bereits in den 1590er Jahren zunehmend von Neufundland abgewandt und Kolonien in den südlicheren Regionen der heutigen Neuenglandstaaten empfohlen.535 Gosnold nahm eine neue, nördliche Route, die ohne Umweg über die Karibik auskam und verkürzte so seine Reisezeit im Vergleich zu den Roanoke-Reisen erheblich. Er entdeckte und benannte Cape Cod und Martha’s Vineyard.536 Auf Cuttyhunk ­Island errichteten seine 32 Männer schließlich ein provisorisches Fort und handelten mit den Indigenen. Ein Bild von den Ereignissen lässt sich anhand zweier Berichte Mitreisender und eines Briefes von Gosnold an seinen Vater zeichnen, der in der historischen Forschung bereits vielfach Beachtung gefunden hat.537 Bemerkenswert sind darin unter anderem die Hinweise auf eine indigene Küstenseefahrt mit Segel­booten nach europäischem Vorbild.538 Dies gilt in der Forschung als wichtiger Hinweis auf Technologietransfer und bedeutete ein potentiell großes Einzugsgebiet für einen von Europäern betriebenen Handelsplatz. Allerdings stand dem Erfolg in der Region angeblich entgegen, dass viele Indigene sich sehr zurückhaltend verhielten, was auf negative Erfahrungen hinweist. Es blieb bei einer geringen Ausbeute an Pelzen, so dass vorwiegend Sassafraswurzeln geerntet wurden. Dennoch ist der Reisebericht voller Lob für die Landesnatur und Ressourcen und folgt darin ganz dem Stil der Werbeliteratur für Virginia. Ursprünglich hatte Gosnold geplant, so der Reisebericht, sein Fort dauerhaft zu bemannen, aber angesichts zu geringer Vorräte und der Sorge, dass ein Dutzend Männer zu wenig für diese Aufgabe seien, habe er die Rückreise angetreten.539 Seine Ankunft in England provozierte eine unmittelbare Reaktion Walter R ­ aleghs.540 Ralegh klagte auf Konfiskation der Fracht und berief sich auf seine exklusiven Han535 Vgl. Quinns Kommentar in der Quellensammlung Quinn NAW III, S. 345. 536 Zur Organisation der Expedition und ihrem Verlauf vgl. Harrington 1994, S. 193–196  ; Axtell 1994, S. 158–162  ; Hume 1994, S. 101–104. 537 Brereton 1602. Der Reisebericht erschien 1602 in zwei Ausgaben  : Die zweite ist auf EEBO verfügbar und ediert in  : Quinn NAW III, S. 347–352 mit Hinweis auf nur geringe inhaltliche Unterschiede zur ersten Ausgabe. Eine später erschienene, zweite Erzählung des Mitreisenden Gabriel Archer ist ebenfalls dort publiziert  : Quinn NAW III, S. 352–357, Erstpublikation in  : Purchas HP IV, S. 147– 165. Für Gosnolds Brief an seinen Vater vom 7. September 1602 siehe Quinn NAW III, S. 357f. 538 In der Forschung bereits besonders hervorgehoben, bspw. bei Harrington 1994, S. 193. In der Edition Quinn NAW III, S. 347–352, hier S. 348. Vgl. Bourque/Whitehead 1994, S. 132–136 und S.  139. Sie betonen, dass es keinen direken Einfluss von Europäern in der Region gegeben haben muss. Ein Technologietransfer zwischen indigenen Gruppen komme als Ursache ebenfalls in Frage. Allerdings blenden sie dabei die europäischen Kleidungsstücke der Indigenen, die gegen ihre These sprechen, als Gegenargument weitgehend aus. 539 Hier widersprechen sich die Berichte. In Breretons Erzählung wird eine übereinstimmende Entscheidung getroffen, in Archers erst 1625 publiziertem Bericht revoltieren die Männer, die zurückbleiben sollen, siehe Quinn NAW III, S. 357. 540 Vgl. Quinn 1970, S. 276–279  ; Quinn 1977, S. 393. Zentrale Quelle hierfür ist ein Brief Raleghs an Robert Cecil, am 21. August 1602, ediert in  : Quinn NAW III, S. 346.

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delsrechte. Beide Parteien konnten aber einen nicht genau überlieferten Kompromiss erzielen, der anhand zweier Aspekte greifbar wird. Zum einen segelte Gosnolds Schiff fortan unter Raleghs Lizenz, zum anderen passte sich die Literatur zur Reise den Standards von Raleghs Zirkel an. Der Reisebericht erschienen in zwei Ausgaben beim selben Drucker wie Hakluyts Principal Navigations.541 Die zweite Auflage enthält bereits im Titel den Hinweis »by the permission of the honourable knight, Sir Walter Ralegh«. Der Rest der erweiterten Titulatur verknüpft schließlich die neuen Entdeckungen mit Raleghs eigenen Projekten  : »the discouerie of the north part of Virginia being a most pleasant, fruitfull and commodious soile«. Dieser Hinweis auf eine Verflechtung mit der Literatur von Raleghs Propagandisten verdichtet sich in dem Zusatzmaterial zur zweiten Auflage. Es war laut Quinn vermutlich Richard Hakluyt, der hier einen Text seines älteren Cousins über die Vorzüge kolonialer Expansion und eine gekürzte Beschreibung von Edward Hayes’ bisher nur in Manuskriptform zirkulierendem kolonialen Projekt für Gebiete südlich von Neufundland beisteuerte.542 Ein Vergleich von Hayes’ Manuskriptversion aus der Mitte der 1590er Jahre und dieser Druckfassung zeigt, dass er die Region des St. Lorenz als Ziel aufgegeben hatte. Gründe hierfür könnten die französischen Aktivitäten von Chauvin, de Chaste und du Pont in der Region sein, deren Besitzanspruch Hayes entweder respektierte oder, was wahrscheinlicher ist, deren katastrophale Erfahrungen mit dem kanadischen Winter ihn abschreckten. Unverändert stand aber die Hoffnung auf eine Passage durch den Kontinent im Zentrum von Hayes’ Plänen, in der er die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Kolonie sah.543 Er plante, mit einer Kette von Stützpunkten das inneramerikanische Flussnetzwerk zu nutzen, um so den gesamten Kontinent zu erschließen.544 Dieses Vorhaben ist bemerkenswert, da die Europäer um 1600 nur wenig eigene Erkundungen des Hinterlandes und der Flüsse durchgeführt hatten. Es waren daher vermutlich indigene Informanten, die ihnen von den Flüssen, Seen und Handelswegen im Landesinneren berichteten. Ein Indiz hierfür findet sich auch in den Berichten zu Gosnolds Reise, wonach indigene Führer mit Kreide eine Karte des umliegenden Flussnetzes gezeichnet hätten.545 Für die Einordnung von Hayes publiziertem kolonialen Projekt ist die Konkurrenz mit Frankreich von erheblicher Bedeutung  : »These lands were never yet actually possessed by any Christian prince or people, yet often intended to be by the Franc nation, which long 541 Zur Person des Verlegers siehe Parker 1965, S. 169. 542 Vgl. Quinn  : Hayes, Edward. In  : DCB  ; Quinn  : Hayes, Edward. In  : ODNB Das Projekt ist in der Langfassung ediert bei Quinn NAW III, S. 156–172 und in der kurzen Druckfassung ebd. S. 176– 180, vgl. dazu die Originalausgabe Brereton 1602. 543 Der Titel der Druckfassung lautet  : A treatise, containing important inducements for the planting in these parts, and finding a passage that way to the South Sea and China, siehe Brereton 1602. Hinweise auf die Passage in die Südsee, ebd. S. 21f. 544 Brereton 1602, S. 22f. 545 Kupperman 1997, S. 395f.

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sithence had inhabited there, if domesticall warres had not withheld them.«546 Angesichts des nun geschlossenen Friedens in Frankreich nutzt Hayes die Franzosen indirekt als Argument für ein zügiges Handeln. Dies kann als früher Hinweis auf die Etablierung der Figur einer englisch-französischen kolonialen Konkurrenz im englischen Diskurs um 1600 gewertet werden, deren Bedeutung sich darin zeigt, dass Spanien keine vergleichbare Rolle in dem Text spielt. Ebenso sind es die französischen Versuche, welche bei Hayes zur Begründung des englischen Anspruchs auf die Region überleiten, der durch Cabots Erstentdeckung und Walter Raleghs koloniale Besitznahme begründet sei.547 Hayes führt aus, dass 200 Mann reichen würden, um die Region zu erobern.548 Die Indigenen seien aufgrund der europäischen Waffentechnik hoffnungslos unterlegen, auch wenn die im neuen Reisebericht beschriebenen Fertigkeiten wie Küstenseefahrt Hayes’ im Anhang nachgedruckter Beschreibung der Indigenen als »being simple, naked and unarmed, destitute of edge-tooles or weapons  ; wherby they are unabele either to defend themselves or to offend us« eindeutig widersprechen.549 Doch Reflexionen über die indigenen Kulturen und Fähigkeiten spielen in Hayes’ kolonialem Projekt keine Rolle. Die ursprüngliche Bevölkerung ist für ihn nur Ziel englischer Missionierung. Der Reise Gosnolds und der daraus erwachsenen Literatur gelang es, Interesse an der bisher wenig beachteten Region der späteren Neuenglandstaaten zu wecken, und Walter Ralegh vergab bereits im Jahr 1603 die Lizenz für eine weitere Handels- und Erkundungsreise.550 Ausgangspunkt der Unternehmung war Bristol, wo laut Quinn vermutlich Richard Hakluyt als Organisator beteiligt war.551 Diese Expedition bestätigte den Nutzen der schnellen Nordroute und außerdem den positiven Eindruck der Landesnatur in der Region. Somit unterschied sich um 1603 der englische Erfahrungshorizont nach zwei Sommerreisen deutlich von den französischen Wintererfahrungen am St. Lorenz. Kurz nach der Rückkehr der Expedition verlor jedoch Walter Ralegh seinen Einfluss in England abrupt. Bereits um 1600 war er in Spannung zu Robert Cecil und anderen führenden Höflingen geraten. Sie schrieben dem designierten Erben der Königin, Jakob VI. von Schottland, in Briefen über Raleghs angeblich schlechten Charakter und verschwörerische Aktivitäten.552 Nach dem Tode der Königin 1603 verlor Ralegh dann in kurzer Folge mehrere Ämter und wurde wegen Verrats festgenommen. 546 547 548 549 550

Brereton 1602, S. 15. Ebd. S. 15. Ebd. S. 19. Ebd. S. 20. Befehlshaber war Martin Pring, ein Reisebericht lag Richard Hakluyt als Manuskript vor, wurde aber erst nach dessen Tode veröffentlicht bei Purchas HP 1625, IV. Ediert in  : Quinn NAW III S. 359– 362. 551 Quinn NAW III, S. 359. 552 Über Raleghs Sturz und Inhaftierung kurz  : Nicholls/Williams  : Ralegh, Sir Walter. In  : ODNB.

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In einem umstrittenen Prozess, der erhebliche von Stephen Greenblatt untersuchte öffentliche Anteilnahme und Sympathien für ihn weckte, wurde Ralegh von seinen früheren Rivalen zum Tode verurteilt.553 Jakob VI., der nun als Jakob I. König von England war, setzte die Hinrichtung jedoch aus, so dass Ralegh von 1603 bis 1616 im Tower lebte. Er verfügte dort über ein Arbeitszimmer, einen Garten sowie eine Bibliothek und konnte Besuche empfangen, so dass er sich einen Status als Experte für Seereisen und Entdeckungen erarbeitete. Seine Hoffnung für eine Rehabilitation setzte er in diesen 13 Jahren immer mehr auf eine große, triumphale Unternehmung in Übersee – genauer auf die Eroberung seines Goldreichs Guyana. Für Hakluyt und andere prokoloniale Akteure in England war damit eine wichtige Stütze weggebrochen. Dafür konnte aber Hakluyts favorisierter Patron Robert Cecil in der Übergangsperiode zwischen der Herrschaft der Tudors und der Stuarts seine Position halten.554 Cecil war auch wesentlich an der Vorbereitung des Friedensvertrages mit Spanien beteiligt, der ein zentrales Anliegen Jakobs I. war und 1604 geschlossen wurde. 3.3.1 Fokus  : Nordamerika nach 1604

Die mit Raleghs Unterstützung unternommenen und nach seiner Inhaftierung ausgesetzten Fahrten in das heutige Maine wurden von Frankreich aus beobachtet und vermutlich als konkurrierende Unternehmungen wahrgenommen.555 Grund hierfür ist, dass das Netzwerk um Aymar de Chaste und Gravé Du Pont in der Region eines von zwei möglichen Aktionsfeldern für ein eigenes koloniales Projekt sah. Die Entscheidung zwischen dem St. Lorenz und der sogenannten Acadie fiel allerdings erst nach einer weiteren Erkundungsreise, der insbesondere in der kanadischen Historiographie eine herausragende Rolle zugeschrieben wird. Noch im Jahr 1603 führte Du Pont eine Spähmission über den Atlantik. An Bord seines Schiffes war auch der in transatlantischen Reisen bereits erfahrene Samuel de Champlain, der für seine Berichte und Karten eine königliche Pension empfangen hatte.556 Champlain hatte eventuell sogar einen königlichen Auftrag, auf dieser Fahrt einen Reisebericht sowie Karten anzufertigen.557 Seine Beobachtungen blieben aber nicht geheim, sondern erschienen noch Ende desselben Jahres unter dem Titel Des 553 Zu Raleghs Selbstinszenierung siehe Greenblatt 1973. 554 Croft  : Cecil, Robert. In  : ODNB. 555 Vgl. Thierry 2008, S. 123f.; Heidenreich 2010, S. 461. 556 Inwiefern dies einen Status als königlicher Kartograph oder Geograph impliziert, ist in der Forschung umstritten. Sicher ist aber, dass Champlain Kenntnisse auf dem Gebiet und Anerkennung als Experte besaß. Heidenreich 2010, S. 57  ; vgl. Trudel  : Champlain  ; Samuel de. In  : DCB. 557 Sein genauer Status an Bord war unklar, aber Heidenreich verweist darauf, dass er nach seiner Rückkehr unmittelbar beim König vorstellig werden sollte, und stellt die These auf, er sei gewissermaßen als dessen Beobachter beteiligt gewesen. Heidenreich 2010, S. 57. Eindeutige Quellenbelege gibt es

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Sauvages im Druck.558 Dieser Text ist als ein Propagandawerk zu verstehen, mit dem Champlain die Kolonisation in Amerika befördern wollte. Zugleich ist er die ­zentrale Quelle für die Ereignisse der Reise und ein wichtiges Indiz zum Verständnis des Kenntnisstandes der französischen Akteure dieser Zeit.559 In Champlains Bericht nimmt die Ankunft bei Tadoussac, wo die Ruinen von Chauvin de Tonnetuits Handelsposten standen, eine entscheidende Rolle ein. Er schildert, dass sich dort indigene Gruppen nicht nur versammelt hätten, um Handel zu treiben, sondern auch, um einen Sieg über ihre indigenen Feinde zu feiern. Champlain eröffnet seinen Lesern so einen kurzen Blick in die komplexe amerikanische Politik, die er zugespitzt als Konflikt zwischen den saisonal am St. Lorenz lebenden Montagnais, Algonquin und Etchemins mit der von den südlichen großen Seen in die Region expandierenden Irokesenföderation beschreibt.560 Damit verfasste er eine Darstellung, die in der Historiographie zu den kanadischen First Nations erhebliche Wirkungsmacht besaß. Laut Champlain luden die Sieger bei Tadoussac, erfreut über die Rückkehr der im Auftrag von Aymar de Chaste nach Frankreich gebrachten Indigenen, die Franzosen zu einem gemeinsamen Fest mit rituellem Tabakkonsum, einer Tabagie, ein. Dort hätten die indigenen Europareisenden, die Heinrich IV. persönlich vorgestellten worden waren, ihre Erlebnisse begeistert geschildert. Champlain inszeniert dies für seine Leser als ein Schlüsselmoment der Akzeptanz französischer kolonialer Ansprüche.561 Angeblich habe der Sagamore betitelte Anführer die Nachricht, dass die Franzosen das Land besiedeln, Häuser errichten und Frieden zwischen allen indigenen N ­ ationen schaffen werden, mit Freude und Zustimmung aufgenommen. Damit vermittelte Champlain seinem Publikum in Frankreich eine wichtige legitimatorische Botschaft, allerdings nicht, und das später geringe königliche Interesse an der Unternehmung kann als Gegenargument angeführt werden. 558 Zahlreiche Editionen und Übersetzungen liegen vor. Hier wurde verwendet  : Samuel de Champlain 1603  : Des sauvages, ou Voyage de Samuel Champlain, de Brouage, fait en la France nouvelle l’an mil six cens trois […] contenant les moeurs, façons de vivre, mariages, guerres, & habitations des sauvages de Canadas  ; die zweisprachige Ausgabe Champlain/Biggar  I, welche für die englische Literatur lange maßgeblich war. Vergleichend wurde die Edition im Standardwerk Quinn NAW IV, S. 395–410 und die neueste Ausgabe mit Anmerkungsapparat  : Heidenreich 2010 genutzt. 559 Zahlreiche Zusammenfassungen dieser Reise, die weitgehend unkritisch Champlains Darstellung wiedergeben, liegen vor. Beispielsweise Trudel 1963  ; Thierry 2008, S. 87–105  ; Heidenreich 2010, S. 64–76. 560 Champlain 1603, Fol. 5r. u. v. Quinn NAW IV, S. 395–410, hier S, 397. Vgl. Bradley 1987  ; Abenon/Dickinson 1993, S. 38f.; Dickason 1992, S. 125f. 561 Dies hinderte die ältere französische Historiographie jedoch nicht daran, die Tabagie als Schlüsselmoment in das Narrativ einer milden, auf Kooperation basierenden und rechtlich unbedenklichen Kolonisation Nordamerikas einzubauen. So bspw. im Standardwerk von Trudel 1963, S.  267. Seit den frühen 1990er Jahren wird dagegen zunehmend die Position vertreten, die Landnahme sei unrechtmäßig und es läge kein Einverständnis vor. Dickason 1992, S. 103. Letzteres ist inzwischen als vorherrschende Meinung anzusehen, obwohl einige Handbücher immer noch der älteren Deutung folgen wie Havard/Vidal 2003, S. 48f.

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die vermutlich auf nur geringem Verständnis der Ereignisse beruhte, da er die Rede der indigenen Europareisenden und die Antwort des Sagamore bestenfalls durch Dolmetscher erfassen konnte. Als zusätzlichen Beleg für die Akzeptanz der französischen Kolonisierung führt Champlain die indigenen Informanten an, welche ihm laut seinen Angaben bei weiteren Erkundungen des Umlandes halfen und ihm Flussläufe, Seen und die Lage von Siedlungen ihrer Feinde und Verbündeten an diesem Wassernetzwerk offenlegten. Sein Reisebericht bietet den Lesern kein Goldreich als Ziel der Expeditionen, wie viele Vorläuferwerke. Im Zentrum stehen stattdessen kurzfristig der bestmögliche Zugang zum indigenen Pelzhandel und langfristig eine Passage zu einem Salzwassermeer im Westen oder Süden.562 Im Vergleich mit der Landschaftsbeschreibung Floridas von Laudonnière oder mit englischen Texten wie dem Report von Thomas Harriot ist auffällig, wie sehr Champlain um einen neutralen Sprachgebrauch bemüht ist. Dies könnte Ausdruck einer genuin rationaleren Perspektive, aber auch lediglich ein Stilmittel sein, um den Bericht glaubwürdiger zu machen.563 Angesichts der kürzlich gemachten schlechten Erfahrungen mit der Landesnatur der Region hätte ein offensicht­ lich euphemistischer Text vermutlich als unwahr gegolten und entweder weniger oder die falsche Art Investoren angesprochen. Durch den Verzicht auf Goldminen und die offene Darstellung einiger Landstriche als sandig und weitgehend unfruchtbar wollte Champlain möglicherweise der Problematik entgegenwirken, dass bisher der Fokus auf kurzfristigen Profiten gelegen hatte. Dies hätte seinem Konzept eines langfristigen Engagements widersprochen. Champlain berichtet von seiner Reise den St. Lorenz hinauf nach Québec und weiter zum späteren Montreal, wobei er insbesondere Trois Rivières und Québec als hervorragende Siedlungsplätze empfiehlt.564 Zugleich charakterisiert er die Irokesen als Bedrohung für die indigenen Pelzhändler und damit für den Erfolg eines eventuellen Handelspostens. So bereitete er argumentativ eine Konfrontation der Franzosen mit den Irokesen vor und legte einen Grundstein der französischen Politik gegenüber den 562 Dies bekräftigt Champlain ausdrücklich in dem erweiterten Bericht über seine Reisen nach Nordamerika 1613. Siehe Champlain 1613, Kapitel 1 Edition Champlain/Biggar I, S. 225–232. Zwischen seinem kolonialen Entwurf und dem von Edward Hayes 1602 im Reisebericht zur Gosnold Expedition publizierten kolonialen Projekt bestehen erhebliche Gemeinsamkeiten bezüglich Zielen und auszuwählender Region. In vergleichender Analyse schlussfolgern Heidenreich und Partner, dass Champlain vermutlich Hayes Plan kannte, Heidenreich 2010, S. 456–460. 563 Zu Champlains Sprache siehe Lestringant 2004a, S. 234–236  ; viele Historiker gehen implizit davon aus, dass Champlain ein rationales, gewissermaßen modernes Verständnis von naturwissenschaftlicher Forschung besessen habe. Dagegen spricht aber die Aufnahme von indigenen Berichten über monströse Menschenrassen und eine schiffsgroße menschenfressende Riesin GouGou, deren Existenz Champlain nicht anzweifelt. Vgl. Quinn NAW IV, S. 410. Hierzu stellt Thierry 2008, S. 116–118 die These auf, dass diese Passagen auf Wunsch des Verlegers ergänzt worden seien, um die Verkaufszahlen des Werkes zu erhöhen. 564 Champlain 1603, S. 3v.–12r.; vgl. Quinn NAW IV, S. 402.

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unterschiedlichen indigenen Nationen im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts. Vor seiner Rückkehr nach Europa erkundete Champlain noch die Atlantikküste südlich des St. Lorenz, die er aber mangels Häfen und fruchtbaren Bodens für eine Kolonisie­ rung nur eingeschränkt empfahl. Allerdings könne es dort nach indigenen Q ­ uellen eventuell eine Silbermine geben und laut Informationen eines anderen f­ranzösischen Reisenden, auf den er verweist, auch mehrere Kupferminen.565 Mit einer neuen Gruppe Indigener, darunter eine gefangene Irokesin, kehrte Champlain schließlich mit Du Ponts Schiff nach Frankreich zurück. Bei der Rückkehr erfuhren Champlain und Du Pont, dass während ihrer Abwesenheit Aymar de Chaste verstorben war.566 Nach Chauvin de Tonnetuit war somit in kurzer Zeit erneut der wichtigste Organisator kolonialer Projekte gestorben. Für Champlain, Du Pont und ihre Investoren und Unterstützer hatte es nun höchste Priorität, ein neues königliches Monopol mit günstigen Bedingungen und weitere finanzielle Mittel zu sichern. Dies stieß bei Heinrich IV. offenbar auf Interesse, denn Champlain durfte kurz nach seiner Rückkehr mit einem indigenen Begleiter bei Hofe vorstellig werden, Aufzeichnungen und Karten überreichen und von seinen Erkundungen berichten.567 Die Publikation seines Reiseberichtes unter dem Titel De Sauvages stand im Kontext der Bemühungen, die Kolonisation Nordamerikas trotz de Chastes Tod fortzusetzen.568 Champlain widmete die Schrift Charles de Montmorency, einem ehemaligen Waffengefährten des Königs, der sowohl Admiral de France wie auch Admiral der Bretagne war und als Connetable de France eines der höchsten Hofämter bekleidete. Er war außerdem ein Cousin des in der Bartholomäusnacht ermordeten Admirals de Coligny. Montmorency fungierte in der Folgezeit als Unterstützer des prokolonialen Netzwerkes um Champlain, Du Pont und andere. Den Platz des verstorbenen Aymar de Chaste als Patentinhaber nahm ein weiterer verdienter adeliger Veteran ein, der auf Seiten des Königs im Bürgerkrieg gekämpft hatte. Pierre Dugua Sieur de Monts war ein Protestant, der für seine Leistungen im Krieg von Heinrich IV. mit einer Pension und einem Gouverneursamt geehrt worden war, und hatte außerdem selbst schon Amerika besucht. Er sandte dem König am 6. November 1603 eine Reihe von Vorschlägen für ein neues Patent.569 De Monts konnte sich dabei auf die Unterstützung Admiral Montmorencys berufen, der anbot, ein Drittel aller Kosten für Schiffe und Ausrüstung zu übernehmen.570 De Monts selbst bat für sich um den Titel eines Vize­ 565 Ebd., S. 410. 566 Heidenreich 2010, S. 59. 567 Thierry 2008, S. 106f. 568 Quinn 1977, S.  394 betont ausdrücklich die königliche Unterstützung durch ein Privileg für die Drucklegung  ; vgl. Heidenreich 2010, S. 97. Zur Patronage für das Werk  : Cook 2008, S. 390f. 569 Für biographische Informationen vergleiche  : MacBeath  : Monts, Pierre Du Gua Sieur de. In  : DCB  ; Grenon 2000  ; Morse 1939 mit einer älteren Bibliographie und Ausgabe von zeitgenössischen Dokumente und Publikationen über ihn in Auszügen. 570 Der Vorschlag de Monts mit Kommentaren, die vom König oder in seinem Namen angefertigt wur-

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königs mit den üblichen Privilegien wie dem Recht, Krieg und Frieden zu erklären und erblichen Landbesitz sowie Titel zu vergeben, und um ein Handelsmonopol. Im Gegenzug bot de Monts an, jährlich 100 Siedler über den Atlantik zu bringen, eine Zahl, die später auf 60 reduziert wurde. Um die personelle Grundlage dafür zu sichern, ersuchte er darum, Bettler und Vagabunden zwangsumsiedeln zu dürfen. Dies entspricht zwar in gewisser Weise den Plänen seiner Vorgänger, doch bat de Monts nicht generell darum, wie Roberval oder La Roche, verurteilte Sträflinge deportieren zu dürfen. Eine weitere Auffälligkeit ist die Verortung des Projekts. De Monts plante seine Siedlung nicht am St.  Lorenz, sondern in der Acadie, auf die sich auch seine Privilegien als Vizekönig beziehen sollten. Für den St. Lorenz erbat er aber dennoch ein zehnjähriges Pelzhandelsmonopol, um die wirtschaftliche Basis für die Besiedlung der Acadie zu verbessern. Heinrich IV. stimmte den Vorschlägen weitgehend zu und versprach in seinen Anmerkungen auf der an ihn gesandten Eingabe de Monts in der Acadie ausdrücklich dieselben Rechte, die Roberval und Laudonnière in Kanada, respektive Florida genossen hatten. Die Unterstützung des Königs darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei Hofe eine starke Opposition gegen koloniale Projekte gab. In der Histo­riographie wird hierbei dem Herzog von Sully eine Schlüsselrolle zugeschrieben. Maximilien de Béthune, Herzog von Sully, war zeitweise ein Favorit des Königs mit exklusivem Zugang zu Heinrich und besaß als Surintendant de Finances weitreichende Kompetenzen bezüglich der Staatsfinanzen.571 Seine Stellung basierte wie bei vielen führenden Höflinge, auf seinem Einsatz auf Seiten Heinrichs IV. in den Bürgerkriegen. Viele Darstellungen zur französischen Kolonialgeschichte zitieren kolonialkritische Aussagen von ihm und schreiben ihm so die Rolle des zentralen Antagonisten der Projektemacher zu, um den sich andere Akteure versammelten.572 So schrieb Sully über Reichtümer in den von de Monts ausgewählten Gebieten  : »Il n’y a aucune sorte de richesse à espérer dans touts les pays du nouveau monde qui sont au delà du 40e de latitude.«573 Außerdem äußerte er sich 1608 in einem Brief an den damaligen Gesandten in Den Haag dahingehend, dass die Franzosen zwar herausragende Seefahrer und Händler, als Kolonisten aber nicht geeignet seien.574 Dies sei »disproportionnée au naturel et à la den, ist ediert in  : Quinn NAW III, S. 321–323. Weitere Informationen zu den Plänen De Monts und den Verhandlungen  : Thierry 2008, S.126–133. Das Patent ist publiziert bei Quinn NAW IV, S. 323f. und zeitgenössisch bei Lescarbot Histoire de Nouvelle France, Edition Lescarbot/Biggar, S. 211–213  ; Purchas gab 1625 eine englische Übersetzung heraus, in Purchas HP IV. 571 Vgl. Barbiche 2004  ; Dainville-Barbiche 1997  ; zu einer Einordnung seiner kolonialkritischen Haltung in seine wirtschaftspolitischen Konzepte  : Carré 1998, S. 215f. 572 Vgl. zu weiteren kolonialkritischen Akteuren bei Hofe Heidenreich 2010, S.  48f.; Roncière IV, S. 274–279  ; Barbiche 2004, S. 26. 573 Übereinstimmend zitiert nach  : Biggar 1901, S. 53  ; Barbiche 2004, S. 29  ; Collard 2006, S. 6. 574 Groulx 1966, S.  172f.; Havard/Vidal 2003, S.  45  ; Barbiche 2004, S.  30. Philip Boucher verknüpft in seinen Arbeiten dieses Sully-Zitat häufig mit einer älteren Aussage Michel de Montaignes

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cervelle des Français, que je reconnais à mon grand regret, n’avoir ni la pérséverance ni la prévoyance pour telles choses«.575 Letzteres verdeutlicht, dass Sully zwar keineswegs gegen den Aufbau einer Marine und überseeische Interessenpolitik war, Kolonien aber als eine zum Scheitern verurteilte Verschwendung von Ressourcen ansah. Der Sully in der Historiographie zugeschriebenen prominenten Rolle steht allerdings die geringe Zahl überlieferter Belege für konkretes, antikoloniales Handeln gegenüber. Inwiefern Sully tatsächlich schon zu dieser Zeit gegen de Monts Projekt opponierte, ist ungewiss – und sollte er es getan haben, blieb er zunächst erfolglos. Am 8. Dezember ließ der König das Patent veröffentlichen. Er machte De Monts darin zwar nicht zum Vizekönig, aber immerhin zum Lieutenant-General der Acadie, die Nordamerika vom 40 bis zum 46. Breitengrad umfassen sollte, und die somit nördlich von Raleghs Virginia begann und südlich des St. Lorenz endete. Das zugehörige Handelsmonopol erstreckte sich allerdings, wie gewünscht, auch auf die St.  Lorenz Region. Im Gegensatz zur Proposition und den Anmerkungen, stellt das publizierte Patent die zuvor gänzlich unerwähnte Missionierung als dringendstes Ziel dar und den Profit erst an zweiter Stelle. Nach der Verkündung des Patentes konnte de Monts sich an die Aufgabe machen, Mitwirkende und Finanziers zu gewinnen. De Monts hatte in den Verhandlungen um sein Patent bereits angekündigt, Rouen zum Zentrum seiner Unternehmung zu machen. Er plante dort die Gründung einer Companie, in der sich freie Pelzhändler und auswärtige Investoren aus dem europäischen Pelzhandel zusammenschließen sollten.576 Die Reaktion in Rouen und anderen Hafenstädten war aber eher zurückhaltend, und mehrere Parlements verzögerten die Registrierung des Patentes.577 Erst nachdem der König das Monopol mit einem allgemeinen Fahrverbot zu verschärfen drohte und die Händlervereinigungen und Parlements ermahnte, konnte die geplante Companie Wirklichkeit werden. Die offene Unterstützung Heinrichs IV. wog so schwer, dass die noch immer ausstehende Registrierung des Patentes im Parlement von Paris kein Hemmnis bedeutete. Die neue, am 8. Februar 1604 gegründete Gesellschaft verband Investoren aus drei französischen Städten, Rouen, St. Jean de Luz und St. Malo, und deren jeweilige Partner unter andeund dem Text des Überlebenden des Florida-Massakers Le Challeux, um so mit drei Belegen eine antikoliniale Traditionslinie in Frankreich zu konstruieren, welcher er in seinem früheren Werk sogar die Wirkungsmacht einer »self-fulfilling prophecy« zuschrieb. vgl. Boucher 2007, S.  296  ; Boucher 1989, S. 16f. Siehe auch  : Belmessous 2012, S. 585  ; Julien 1947, S. 417–429. 575 Brief Sullys an Pierre Jeannin, einen weiteren Ratgeber und Amtsträger im Bereich der Finanzen Heinrichs IV. vom 26. Februar 1608, zitiert nach  : Michaud 1837, S. 280–282, hier S. 280. Vgl. die Edition Le Blant/Baudry 1967, S. 162 und Belmessous 2012, S. 585. 576 Biggar 1901, S. 52–57. 577 Zum Eingreifen des Königs  : Thierry 2008, S. 131–133  ; Morse 1939, S. 49 weist daraufhin, dass der König das Parlement in Rouen mehrfach ermahnen musste und in Paris die Registrierung noch 1605 ausstand. Vgl. Emont 2002, S. 114  ; Trudel 1963a, S. 14–16.

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rem in den niederländischen Provinzen. So konnten 90.000 Livres Kapital aufgebracht und eine Vereinbarung geschlossen werden, die Gewinne des ersten Jahres in die weitere Kolonisierung zu reinvestieren.578 Mit diesem Rückhalt konnte de Monts zwei kleine Flottillen ausrüsten, die 1604 zum Pelzhandel an den St.  Lorenz und zur Gründung einer Kolonie in die Acadie aufbrachen. Mit der Wahl dieses Zieles setzte sich de Monts über die Empfehlungen Champlains hinweg, die jener in De Sauvages publiziert hatte.579 Mehrere Gründe lassen sich für diese Wahl anführen  : Zum einen die persönlichen Erfahrungen de Monts’, der die Reise Chauvin de Tonnetuits 1600 nach Tadoussac begleitet und im nächsten Jahr von den katastrophalen Folgen der Überwinterung erfahren hatte. Der schlechte Ruf dieser Region als Siedlungsplatz hätte außerdem eventuell Investoren und Teilnehmer abgeschreckt. Zum anderen schloss auch De Sauvages mit der Aussicht auf Minen, die im Süden zu finden sein könnten. Drittens versprach die Region, neue Pelzhandelsnetzwerke südlich der von Irokesen beanspruchten Gebiete zu eröffnen. Die Forschung, prominent von Quinn und Heidenreich, hat darüber hinaus einen viertes, machtpolitisches Motiv für die Ortswahl hervorgehoben.580 Heidenreich konnte nachweisen, dass die französischen Akteure die Schrift über die Gosnold-Expedition mit dem veröffentlichen kolonialen Projekt von Edward Hayes kannten, der das heutige Maine für eine englische Besiedlung empfahl.581 Es ist also wahrscheinlich, dass de Monts eventueller englischer Konkurrenz zuvorkommen wollte. Auch die südliche Begrenzung der Acadie, welche Raleghs Virginia in seinen Grenzen respektierte, deutet auf eine Kenntnis der englischen kolonialen Projekte hin. Somit zeichnen sich Indizien dafür ab, dass französische und englische Akteure bereits um 1604 die Vorstellung von einer kolonialen Konkurrenz beider Mächte in Amerika teilten. Es ist naheliegend, in dieser Entwicklung eine Fortsetzung der europäischen mächtepolitischen und dynastischen Rivalitäten zu sehen, die fest in Diskurse über Expansion und Besitznahme eingeschrieben sind, unabhängig davon, auf welche Räume jene sich konkret beziehen. Die Imagination einer kolonialen Rivalität datiert somit vor der Entstehung der ersten dauerhaften Kolonien und entwickelt sich in Wechselwirkung mit den konkreten Projekten und ihrer Rezeption in Europa weiter. Keinesfalls entstand sie erst als Reaktion auf die 1613 beginnende tatsächliche Konfrontation in Übersee.

578 MacBeath  : Dugua De Monts. In  : DCB  ; Grenon 2000, S. 7. 579 Es besteht ein Widerspruch zwischen Champlains Schilderung und Trudels These, Champlain habe für eine Aufgabe des St.  Lorenz und die Wendung zur Acadie geworben. Trudel  : Champlain. In  : DCB. 580 Quinn 1977, S.  394f.; Heidenreich 2010, S.  81 und 461  ; vgl. auch Thierry 2008, S.  125f., der hervorhebt, dass durch die Begrenzung nördlich von Raleghs Virginia ein europäischer Konflikt vermieden werden sollte. 581 Heidenreich 2010, S. 456–461.

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Das koloniale Projekt, das de Monts von 1604–1607 in der Acadie in Angriff nahm, hat einen erheblichen Niederschlag in zeitgenössischen Publikationen, späteren Quellensammlungen und historischer Forschung gefunden.582 Samuel de Champlain war von Beginn an daran beteiligt, zeichnete Karten und sammelte Material für einen umfangreichen Reisebericht, den er 1613 als Teil seiner gesammelten Reiseerfahrungen in den Voyages veröffentlichte.583 Die Unternehmung fand außerdem in dem Parlements­ advokaten und Poeten Marc Lescarbot einen Propagandisten, der in Versen und in seiner 1609 publizierten, umfangreichen Histoire de Nouvelle France zur Geschichte der französischen Kolonialprojekte dieser Unternehmung, an der er 1606 auch persönlich beteiligt war, einen Ehrenplatz einräumte.584 Trotz gewisser Abweichungen zwischen Champlains und Lescarbots Darstellung erlauben ihre Schilderungen und die zusätzlichen Quellen eine weitgehend eindeutige Rekonstruktion der Ereignisse. Die literarische Qualität der Quellen hat dazu beigetragen, dass dies in der historischen Forschung, Handbüchern und populären Sachbüchern bereits vielfach und meist nah am Material in eher erzählerischer Form unternommen worden ist.585 De Monts brach im März 1604 mit zwei Schiffen auf. An Bord befanden sich inklusive der Seeleute etwa 100 Personen, zu denen Handwerker, Arbeiter, ein Minenex582 Übersicht zu den Quellen bei Quinn NAW IV, S. 317–320  ; Dort finden sich auch zahlreiche Quellenauszüge. Siehe auch die Sammlung Le Blant/Baudry 1967  ; und mit Fokus auf der Konfrontation zwischen freien Händlern und dem Monopol  : Morse 1939. Weitere Informationen, speziell Briefe und Berichte Geistlicher finden sich in den Quellensammlungen von Thwaites und Campeau, in denen primär der zweite Versuch zur Koloniegründung in der Acadie 1610–1613 im Fokus steht. Daher werden die Quellen dort näher vorgestellt. 583 Samuel de Champlain 1613  : Les voyages du Sieur de Champlain ou, Journal tres-fidele des obeservations fait és descouvertes de la Nouvelle France, nachfolgende, erweiterte Ausgaben bis 1623 gehen immer deutlicher auf die ab 1608 bei Québec von Champlain gegründete Siedlung und ihre Geschichte ein. Originalausgaben sind auf Gallica verfügbar, eine zweisprachige, kommentierte Ausgabe bei  : Champlain/Biggar. 584 Lescarbot  : Histoire  : Die originalen Versionen von 1609, 1611 und 1617/1618 sind auf Gallica erhältlich. Die umfangreichste Ausgabe erschien 1617 mit Nachdruck 1618. Sie ist in einer zweisprachigen, kommentierten Ausgabe ediert worden als Lescarbot/Biggar  ; die kleineren, poetischen und prosaischen Schriften Lescarbots sind neu herausgegeben und kommentiert bei Emont 2002 und Desgent 1998. Für Informationen über Lescarbot siehe die maßgebliche Biographie Thierry 2001  ; vgl. Baudry  : Lescarbot, Marc. In  : DCB  ; Emont 2002. Für eine Übersicht über seine Propagandatätigkeit  : Thierry 2008, S. 272–284. 585 Zusammenfassungen sind verfügbar bei  : Trudel 1963a, S. 17–79  ; Pickett/Pickett, S. 154–167  ; Trudel 1973, S. 83–92  ; Macbeath  : Dugua de Monts. In  : DCB. Mit Fokus auf die indigenen Akteure  : Salisbury 1984, S.  56–71. Maßgebliche Übersicht über die Ereignisse ist die Darstellung  : Thierry 2008, S. 138–255. Thierry folgt über weite Strecken Lescarbot, bietet aber Ergänzungen. Viele neuere Darstellungen sind gekürzte und fehlerhafte Versionen der älteren Sekundärtexte des 19. Jahrhunderts, so  : Arsenault/Alain 2004, welche dieses Projekt sogar als den ersten (!) Versuch zur Gründung einer Kolonie in Amerika bezeichnen, S. 27.

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perte, ein protestantischer Prediger und zwei katholische Geistliche gehörten, was den konfessionell heterogenen Charakter der Kolonie belegt. Hinzu kamen Adelige, die sich aufgrund eigenen Interesses an transatlantischen Besitzungen und Privilegien engagierten. Dies betrifft insbesondere den katholischen Adeligen Jean Biencourt, ­Sieur de Poutrincourt, der für die neue Companie Netzwerke geknüpft, Mitreisende angeworben und die Lieferungen von Waffen und Munition mitorganisiert hatte.586 Dabei war vorteilhaft, dass er als Katholik andere Unterstützer mobilisieren konnte als der protestantische Sieur de Monts.587 Nach einer Inaugenscheinnahme der ­Acadie plante Poutrincourt die Gründung einer eigenen Siedlung und erbat sich von de Monts den erblichen Besitz eines Landstrichs, den er als besonders geeignet für eine Besiedlung einschätzte. Er verließ dann die Expedition, um in Frankreich ein eigenes Projekt vorzubereiten. De Monts wählte nach längerer Erkundung der Küste von Nova Scotia eine kleine Insel in der Mitte einer Flussmündung für sein erstes Fort aus. Für den Platz sprach, dass sich von dort mittels Kanonen der umliegende Fluss kontrollieren ließ. Allerdings verfügte die Insel nur über wenige Bäume und weder eine Wasserquelle noch Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung oder Jagd. Wie beim Siedlungsplatz Villegagnons in Brasilien überwog somit Verteidigungsfähigkeit gegenüber Versorgungs­sicherheit. De Monts ließ seine Männer in dem Sainte-Croix genannten Außen­posten Häuser und Palisaden errichten sowie beim Fort und an der benachbarten Küste Gärten anlegen, um die landwirtschaftliche Eignung des Landes zu testen. In allen Berichten wird hervorgehoben, wie gut die Männer dabei zusammenarbeiteten. Hinweise auf interne Spannungen gibt es nicht. Der Tauschhandel mit in der Nähe lebenden Indigenen, welche zur Sprachgruppe der Etchemins gehörten, zu denen man bei Tadoussac bereits Kontakte geknüpft hatte, lief bis zum Herbst ebenfalls an. Die erste Überwinterung, die de Monts, Champlain und knapp 80 Kolonisten unternahmen, verlief trotz des guten Starts katastrophal. Als der Fluss schwere Eisschol­ len führte, waren die Europäer auf der Insel gefangen und von allen Ressourcen und den Indigenen abgeschnitten. Die Kälte  – Schnee lag von Oktober bis April  – zerstörte Teile der Vorräte und Klima und Wassermangel schwächten die Kolonisten. Fünfunddreißig Mann starben, vermutlich an Skorbut. Als die geplante Verstärkung sich im Frühjahr verzögerte, ließ de Monts bereits Vorbereitungen für die Aufgabe der Kolonie treffen. Nach dem verspäteten Eintreffen neuer Siedler beschloss er dann zwar, eine neue Gruppe in der Acadie überwintern zu lassen, befahl aber in Absprache mit Champlain, das Fort zu verlegen. Hierfür erkundeten Champlain und de Monts weiter südlich gelegene Küsten und verpassten dabei nur knapp die Begegnung mit einer englischen Expedition, welche 1605 das heutige Maine untersuchte. Champlains besonderes Augenmerk galt dabei einerseits 586 Grundlegend  : Collard 2006, zur ersten Acadie-Kolonie, S. 8–83. 587 Emont 2002, S. 71.

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der Suche nach einer Mine, wobei er Kupfer- und Eisenvorkommen ausmachte, und andererseits einem Zugang zum Flussnetzwerk, das einen Weg zum Südmeer eröffnen würde.588 Hierbei konnte Champlain erneut auf indigene Dolmetscher und Vermittler zurückgreifen, welche entweder übersetzten oder die Erstkontakte erleichterten. Die Bedeutung dieser indigenen Partner dürfte essentiell gewesen sein, da es offenbar zu dieser Zeit keine europäischen Truchements in Nordamerika gab, wie sie in Brasilien etabliert waren. Die indigenen Akteure, welche deren Funktion übernahmen, verfügten teilweise selbst über transatlantische Reiseerfahrung, konnten ihre eigenen Netzwerke in der Region nutzbar machen und wiederum ihre eigene Position durch den Zugang zu den Europäern und deren Waren stärken. Dies galt für Männer wie Frauen, wie Champlain ausdrücklich berichtete.589 Dank der Vermittlung ihrer Verbündeten entwickelten die Franzosen ein generelles Verständnis für die indigenen Praktiken des Gabentausches als diplomatischem Instrument.590 Dies ermöglichte, angemessen Respekt zu bezeugen und Patronageverbindungen einzugehen, und verhinderte ungewollt beleidigendes Verhalten, das in anderen Fällen zu Konflikten oder Boykotten geführt hatte. Als die Zeit für eine Umsiedlung knapp wurde, befahl de Monts an den eigentlich von ihm an den Sieur de Poutrincourt abgetretenen, Port-Royal genannten Standort zu ziehen. Dieser war zwar nur 25 Meilen vom ersten Fort entfernt, lag aber nicht auf einer kleinen Insel und war besser zu den vorherrschenden Windrichtungen und dem winterlichen Sonnenstand positioniert. De Monts selbst kehrte im September mit einem Großteil der Männer nach Frankreich zurück, um sich um die Angelegenheiten der Companie zu kümmern und erneute Angriffe auf deren Monopol abzuwehren. Um seinem Projekt Nachdruck zu verleihen, nahm er eine Kollektion von Bildern, Tieren, Pflanzen und indigenen Artefakten mit nach Europa, die er in Paris vorführte.591 Es blieben 45  Kolonisten vor Ort, zu denen neben Champlain nur zwei weitere Überlebende des ersten Winters gehörten. Aufgrund einer milderen Witterung, neuen Vorräten, erfolgreicher Jagd, Handel mit den Indigenen und der besseren Lage der Siedlung starben diesmal nur zwölf Männer, vermutlich wieder an Skorbut. Die Beziehung zu den vor Ort ansässigen Indigenen, einer kleine Gruppe aus der Sprachfamilie der Mi’kmaq, entwickelte sich nach den Berichten Champlains und Lescarbots sehr positiv.592 Im Allgemeinen hatte diese indigene Gemeinschaft sich in den Jahren zuvor 588 Ausführlich beschrieben in Champlain 1613, Kapitel 2–15. 589 Champlain 1613, in  : Champlain/Biggar I, bspw. S. 311–314. Vgl. die Übersetzung Quinn NAW IV, S. 337 und den biographischen Artikel zu einem der indigenen Begleiter  : Squires  : Secoudon. In  : DCB. 590 Lescarbot verarbeitete diese Erfahrungen in seiner Histoire de Nouvelle France, vgl. Quinn NAW IV, S. 370. Vgl. Cook 2008, S. 383–387. 591 Macbeath  : Dugue de Monts. In  : DCB. 592 Thierry 2004a, S. 23–38  ; Campeau  : Membertou, Henry. In  : DCB  ; vgl. Dickason 1992, S. 106– 114  ; Salisbury 1984, S. 56–72  ; ausführlich  : Cook 2008, S. 364–380.

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eine Position als Vermittler zwischen Europäern und Indigenen in der Küstenregion erarbeitet. Der lokale indigene Sagamore Membertou, dessen kleine Gruppe bisher abseits der eigentlichen Kontaktzone gelebt hatte, entwickelte daher erhebliches Interesse an der französischen Siedlung. Er organisierte Handelswaren und Lebensmittel, besuchte die Siedlung mit seiner Familie zu Festivitäten und zeigte angeblich Bereitschaft, zum Christentum zu konvertieren. In beiden Reiseberichten finden sich mehrere Hinweise auf eine dauerhafte Allianz der Franzosen mit den Indigenen, auch wenn die Autoren kein konkretes gemeinsames Ritual wie die Tabagie von Tadoussac beschreiben.593 Für Membertou war ein Bündnis auch aufgrund seiner territorialen Konflikte mit benachbarten Gruppen bedeutsam, gegen die er Unterstützung brauchte. Er gewann hierfür zumindest die Hilfe der Etchemins von Sainte Croix, die weiterhin Kontakt zu den Europäern hielten und somit auch mit Membertous Mi’kmaq interagierten.594 Insofern brachten die Franzosen tatsächlich, wenn auch unintendiert, indigene Nationen in ein Bündnis. Trotz der Verbündeten erfüllten sich die Hoffnungen de Monts und seiner Geldgeber auf erfolgreichen Pelzhandel in Port Royal jedoch nicht. Ohne ein etabliertes, weitreichendes Handelsnetz wie am St. Lorenz blieben die Erträge weit hinter der dort gewohnten Summe zurück, zumal keine Mittel vorhanden waren, um den Handel dritter am St. Lorenz vollständig zu unterbinden. Im Frühjahr 1606 war die von de Monts versprochene Verstärkung ein weiteres Mal überfällig. Erst als die Kolonisten sich bereits eingeschifft hatten, traf die lang erwartete Versorgung unter Führung des Sieur de Poutrincourt ein, der nun den Befehl vor Ort übernahm. Er brachte neue Siedler und mit diesen auch seinen Sohn und den Anwalt und Poeten Marc Lescarbot nach Port-Royal. Die Verzögerung lag an einem Schiffbruch im Hafen von La Rochelle, wo Lescarbot die Abreise zum Anlass nahm, einen kurzen Text mit dem Titel Adieu à la France zu publizieren, in dem er das Unternehmen poetisch bewarb.595 Das zunächst in La Rochelle erschienene Werk erhielt noch im Jahr 1606 eine zweite Auflage in Rouen. Diese Werbung war nach Lescarbots Erachten nötig, denn  – wie er in einem späteren Werk angab  – viele Personen hätten ihn und Poutrincourt bemitleidet, weil sie in ein Land reisen müssten, von dem Gott nicht wolle, dass es besiedelt werde.596 Hierin liegt ein weiterer Hinweis auf den schlechten Ruf Nordamerikas als Siedlungsort. Vor Ort angekommen, ließ Poutrincourt die Erkundungen der Umgebung und den Pelzhandel mit den Etchemins bei Sainte-Croix fortsetzen. Champlain kartierte weitere Küstenverläufe und berichtete, wie es bei einer Expedition in erheblicher Entfernung von der Kolonie zu Kampfhandlungen zwischen Franzosen und Indigenen kam, bei 593 Cook 2008, S. 364–366. 594 Squires  : Ouagimou. In  : DCB. 595 Marc Lescarbot 1606  : A Dieux aux François retournans de la Nouvelle France en la France gauloise, La Rochelle. Die zweite Auflage im selben Jahr erschien mit dem Titel  : A Dieu a la France sur l’embarquement du sieur de Poutraincourt. 596 Anmerkung vom Herausgeber Biggar in Lescarbot/Biggar, S. 291.

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denen mehrere Franzosen ums Leben kamen. Eine derartige Reaktion auf das Eintreffen der Europäer ist eine absolute Ausnahme in Champlains Bericht. Sogar noch ungewöhnlicher ist der Plan Poutrincourts, um auf den Überraschungsangriff zu reagieren. Champlain berichtet, Poutrincourt habe vorgehabt, mehrere Indigene gefangen zu nehmen und als Zwangsarbeiter in der Kolonie einzusetzen.597 Dieses Vorhaben, das im Erfolgsfall der frühen französischen Kolonialgeschichte eine Wendung zur Zwangsarbeit, Ausbeutung und eventuell daraus folgend stärkerer Konfrontation mit Indigenen zur Sicherung von Arbeitskräften hätte geben können, scheiterte jedoch im Ansatz und wurde nicht wieder verfolgt. Bei Port Royal war das Verhältnis zu den Indigenen hingegen unverändert positiv. Dies berichtete ausführlich Marc Lescarbot, der dort Theaterstücke und Gedichte schrieb, die als erste in Nordamerika verfasste Werke ihrer Art gelten. Er zelebrierte darin unter anderem die Rückkehr von Champlains und Poutrincourts Expedition.598 Dazu gehört ein Théâtre de Neptun, in dem der Gott des Meeres den Franzosen, genauer dem Sieur de Poutrincourt, seine Gunst versichert und auch eine Ode auf die Tugenden Poutrincourts, den Lescarbot als Helden der Geschichte der französischen Kolonisierung Amerikas inszenierte. Mehrere Siedler, darunter auch der Sohn Poutrin­ courts, lernten zu dieser Zeit die Grundzüge indigener Sprachen, was als Schritt für eine Vertiefung der Zusammenarbeit gelten kann.599 Nur die Erträge aus dem Pelzhandel blieben gering, insbesondere da niederländische Seeräuber eine große Ladung Pelze stahlen. Die Überwinterung von 1606 auf 1607 verlief sehr gut. Der Winter war noch milder als im Jahr zuvor und erlaubte durchgehend sowohl Jagd als auch Handel mit den Indigenen und weitere Expeditionen. Dies bot für Lescarbot Grundlagen für eine 597 Champlain 1613, in Champlain/Biggar I, S. 419–422 zum Konflikt, S. 427, zum Versuch, Gefangene für Zwangsarbeit zu machen, vgl. Quinn NAW IV, S.  354f. Für Lescarbots Schilderung vgl. Lescarbot/Biggar II, S. 332–338 und Quinn NAW IV, S. 373. Dieser Versuch, Indigene als Zwangsarbeiter einzusetzen wurde in der historischen Forschung bisher nicht erwähnt. In den beiden Darstellungen unterscheiden sich die Ursachen für den Erfolg des indigenen Angriffs. Bei Champlain überfallen mehr als 400 Krieger überraschend die an Land schlafenden Franzosen, so dass der Verlust von nur einer Handvoll Männern einen erheblichen Erfolg bedeutet. Außerdem weist nur Champlain darauf hin, dass die Indigenen bereits wussten, wie sie auf das Anlegen von Feuerwaffen zu reagieren hatten, um Schüssen auszuweichen und Ladezeiten zu nutzen. Bei Lescarbot sind die Männer aus Befehlsverweigerung am Ufer, versäumen es wie bei Champlain, Wachen aufzustellen, und können daher von den Indigenen, deren Zahl er nicht benennt, im Schlaf angegriffen werden. Einen Hinweis auf indigene Taktiken gegen Feuerwaffen gibt Lescarbot nicht. Gemeinsam ist beiden Schilderungen, dass die Angreifer vor der Verstärkung, die vom Boot heraneilt, fliehen und durch Kenntnis der Umgebung entkommen können. 598 Sein Theaterstück über die Segnungen Neptuns für Poutrincourt gilt als erste Theaterinszenierung nördlich von Mexiko.Vgl. Emont 2002, S. 112f.; Thierry 2008, S. 183f.; ausführlich mit Textausgabe Emont 2004. 599 Ryder  : Biencourt de Saint-Just, Charles de. In  : DCB.

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euphemistische Schilderung des Klimas und der Landesnatur der Acadie, mit der er für weitere Kolonisation warb. In einem Brief beschrieb er Port-Royal als den vielleicht schönsten Ort der Welt und pries Fischreichtum und Fruchtbarkeit des Bodens so, wie Thomas Harriot Virginia gelobt hatte.600 Dass es dennoch sieben Todesfälle gab, erwähnte er nicht, sondern hob hingegen hervor, dass Champlain in diesem Winter die Gründung eines »Ordre de bon temps« zur Hebung der Moral anregte. Jeden Tag war ein anderer der ranghohen Kolonisten dafür verantwortlich, ein feierliches Essen für die Führungsgruppe zu organisieren. Hierzu gehörten auch ironisierte Ordensrituale und ein Unterhaltungsprogramm, was zu einer gehobenen Stimmung aller beigetragen habe. Im Jahr 1607 traf anstelle der erwarteten Verstärkung die Nachricht ein, dass König Heinrich IV. das Monopol des Sieur de Monts aufgehoben hatte. Auch wenn de Monts seine Titel und anderen Ansprüche behielt, war aus Sicht der Investoren der bisher ohnehin unprofitablen Unternehmung nun die wirtschaftliche Basis gänzlich entzogen. Nach Schätzungen belief sich bisher allein die persönliche Bilanz des Sieur de Monts auf 10.000 Livres Schulden.601 Der Schaden, den französische Schmuggler der Companie zufügten, hatte sich zuletzt durch niederländische Pelzhändler und Seeräuber verschlimmert, die das Monopol am St. Lorenz unterliefen. Thierry verweist darauf, dass für Heinrich  IV. die Niederlande als Verbündete zu dieser Zeit derart bedeutsam waren, dass eine Erzwingung des Monopols gegen sie nicht vertretbar gewesen sei.602 De Monts selbst und auch Champlain gaben hingegen dem Herzog von Sully die Schuld an der frühen Aufhebung des zehnjährigen Monopols nach gerade einmal drei Jahren.603 Sie gingen davon aus, dass er den Beschwerden von Händlern und speziell der Hutmacher aus Paris bei Hofe entscheidendes Gewicht verliehen habe.604 Diese Vorwürfe bilden neben den beiden oben genannten Zitaten Sullys den Kern für dessen in der Historiographie zentrale Rolle als Feind einer Kolonisierung Amerikas. Während Poutrincourt, Champlain und Lescarbot die Abreise vorbereiteten, ­erzielte der Sagamore Membertou 1607 einen Sieg über seine indigenen Gegner. Lescarbot machte dies Ereignis zum Inhalt für ein später publiziertes Gedicht mit dem Titel La defaite des Sauvages armouchiquois par le Sagamos Membertou & ses Alliez Sauvages.605 600 601 602 603

Ediert in  : Quinn NAW IV, S. 363f. Macbeath  : de Monts. In  : DCB. Thierry 2008, S. 253. Biggar 1901, S. 64  ; MacBeath  : Du Gua De Monts. In  : DCB  ; Thierry 2008, S. 254  ; Trudel 1963a, S. 65–68. 604 Trudel hält Bestechungszahlungen der benachteiligten Händler an Männer wie Sully für eine wahrscheinliche Ursache der Aufhebung, Trudel 1963a, S. 68f. Siehe auch  : Holbrook 1976, S. 19f. 605 Das Gedicht wurde später in Frankreich publiziert  : Marc Lescarbot 1607  : La defaite des Sauvages armouchiquois par le Sagamos Membertou & ses Alliez Sauvages, En la Nouvelle-France, Au mois de Juillet dernier, Paris. Laut Lucien Campeau ist das Werk allerdings eher als poetische Fiktion denn als Tatsa-

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Darin schildert er Membertou als tugendhaften Herrscher und hervorragenden Verbündeten  – ohne dabei natürlich die im Titel erkennbare zivilisatorische Differenzkonstruktion aufzugeben, die Membertou als sauvage unter die Franzosen stellt. Franzosen selbst waren aufgrund der Reisevorbereitungen an dem Feldzug nicht beteiligt, aber man bewaffnete Membertou und seine Leute mindestens mit Metall-, eventuell sogar mit Feuerwaffen.606 Kurz nach der Rückkehr Membertous gab Poutrincourt die Siedlung auf und stellte die Gebäude und unbewegliche Ausrüstung unter den Schutz des indigenen Anführers. Die Gebäude und Palisaden intakt zu belassen sicherte nicht nur eine Ressource für neue Initiativen, sondern war auch Ausdruck seiner Bereitschaft zu einem erneuten Engagement. Das Fort selbst war aber nicht die einzige Ressource für zukünftige koloniale Projekte, die von der Kolonie Port-Royal blieb. Die Erfahrung mehrfachen Überwinterns in der Region mit einer stetig sinkenden Todesrate, die langfristig positiven Beziehungen zu den Indigenen sowie das entstehende Propagandamaterial, das Marc Lescarbot in Druck gab, boten Trittsteine für einen erneuten Versuch. So verfasste Lescarbot direkt über seine Abreise ein À-Dieu à la Nouvelle France gewissermaßen als Gegenstück zu seiner früheren Abschiedsode.607 Darin besang er die Landesnatur, die milden Winter, Pflanzen und Tiere, mögliche Edelmetallminen sowie die indigenen Verbündeten, die den Vorfahren der Franzosen vor der Ankunft der Römer ähnlich seien. In Frankreich folgten weitere Oden, von denen Lescarbot eine sogar im November 1607 Heinrich IV. präsentieren konnte.608 Lescarbot pries die immensen Vorzüge einer Missionierung der Indigenen und appellierte an den König, diese Gelegenheit zum Erwerb unsterblichen Ruhmes zu nutzen. Poutrincourt selbst war nicht untätig und bot dem König eine Auswahl der Früchte der Acadie, um die Eignung des Landes für eine Besiedlung hervorzuheben.609 Auch wenn es keine wirklichen Konfrontationen in Übersee gab, war die englischfranzösische koloniale Konkurrenz um 1607 ein drängendes Thema geworden. Dies zeigt sich in Denkschriften für mehrere in England nach dem Frieden von 1604 bei Robert Cecil vorgebrachte Projekte. Deren Fürsprecher beanspruchten zum Teil dieselben transatlantischen Räume wie die französischen Akteure und argumentierten mit einem imaginären Rennen um die erste, dauerhafte Kolonisation. In den Jahren von 1604–1607 nahm Cecil als Ansprechpartner eine Schlüsselposition ein, da er als

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chenbericht anzusehen. Schon Champlain habe insbesondere die Zahlenangaben Lescarbots kritisiert, Campeau  : Membertou. In  : DCB. Edition in  : Lescarbot/Desgent 1998, S.  64–83. Zum Werk siehe Emont 2002, S. 13f. Dickason 1992, S. 114f.; Bourque/Whitehead 1994, S. 139. Zu den Waffen siehe Cook 2008, S. 380. Lescarbot/Desgent 1998, S. 34–47. Lescarbot/Desgent 1998, S. 56–62 Ode pindarique. Ryder  : Biencourt de Poutriancourt et de Saint-Just, Jean de. In  : DCB.

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der zentrale Vermittler zwischen expansionsorientierten Akteuren, dem Privy Council und dem Hof Jakobs I. galt. Außerdem hatte Richard Hakluyt ihn in seinen Schriften als seinen Patron öffentlich geehrt. Eine der kolonialen Unternehmungen, die ihm zur Unterstützung vorlagen, ging auf diejenige englische Expedition zurück, die Champlain und Poutrincourt auf ihrer Erkundungsreise im Gebiet des heutigen Maine 1605 nur knapp verpasst hatten.610 Befehlshaber dieser englischen Expedition war der als Navigationsexperte bekannte George Waymouth, der zuvor westlich von Grönland eine Passage in den indischen Ozean gesucht hatte.611 Wie Gosnold 1602 und andere englische Seefahrer zuvor, hoffte er, durch ein Flussnetzwerk weiter südlich eine Passage durch den Kontinent zu finden, und erkundete zugleich mögliche Orte für einen Handelsposten. Daher finan­ zierten sowohl Kaufleute wie auch Pelzhändler und Hochseefischer aus Plymouth seine Expedition. Dies führt dazu, dass die Waymouthexpedition in der Historiographie meist unmittelbar im Kontext weiterer, wenig später folgender kolonialer Projekte aus Plymouth verortet wird.612 Aber Waymouth verfolgte 1605 noch ein weiteres, politisch weitaus brisanteres Ziel, nämlich die Vorbereitung einer umfangreichen Auswanderung von Angehörigen der katholischen Minderheit.613 Hierfür war Lord Thomas Arundell eine treibende Kraft.614 Arundell war ein katholischer Adeliger, der sich erhebliche Verdienste für die Habsburger in Kriegen gegen die Osmanen erworben hatte. In England stand er aufgrund dieser Beziehungen mehrfach unter Spionageverdacht und musste zeitweise in Haft. Arundell regte angesichts der politischen Lage in England einen Austausch über die Möglichkeit und Risiken für eine transatlantische Emigration mit führenden Persönlichkeiten unter englischen Katholiken an.615 Seine Glaubensgenossen rieten ihm allerdings von der Idee ab, da eine Auswanderung als Schwächung der verbleibenden Gemeinden und als Risiko für Familien und Besitz der Auswanderer selbst gedeutet wurde. Außerdem sei die Gefahr zu hoch, eine Konfrontation mit den Spaniern zu provozieren. Trotz dieser Stellungnahme schickte Arundell einen Berichterstatter mit ­Waymouth nach Amerika, der eine Relation über die Reise und die erkundeten Gebiete verfasste, 610 Zum Kontext der englischen Expeditionen  : Harrington 1994, S. 191–196  ; Salisbury 1984, S. 87f. 611 Zur Person Dunbabin  : Waymouth, George. In  : DCB  – aber ohne Angaben zu seiner Expedition nach Maine. 612 Bereits zeitgenössisch in der Relation, die Fernando Gorges über die Geschichte der Besiedlung von Neuengland verfasste  : Council of New England [Ferdinando Gorges] 1622  : A briefe Relation of the DISCOVERY AND PLANTATION OF NeVV EnGLAND, ediert in  : Baxter 1890, S. 199–240. 613 Eine Übersicht über diese Unternehmung bieten  : Hume 1997, S. 104–108  ; Quinn 1974, S. 388–391  ; Trudel 1963a, S. 40f. Für Quinn steht die katholische Prägung der Unternehmung außer Frage, abweichend betont Andrews das Fehlen eindeutiger Quellenbelege. Andrews 1984, S. 308. 614 Biographische Informationen bei  : Hopper  : Arundell, Thomas, first Baron Arundell of Wardour. In ODNB, allerdings ohne Erwähnung des kolonialen Projekts. 615 Brief von Rober Persons, März 8/18 o.s./n.s 1605 in  : Quinn NAW IV, S. 364f.

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die unmittelbar nach der Rückkehr Ende 1605 im Druck erschien. Darin wurde, mit lediglich subtilen Hinweisen auf die katholische Identität des Reisenden, allgemein für eine Kolonisierung der Region am Fluss Kennebec geworben.616 In der Einleitung des Textes ist auffällig, dass der Autor explizit vor auswärtiger Konkurrenz warnt. Angeblich hätte eine äußere Macht sogar versucht, die von ihm aus der Region mitgebrachten Salvages an sich zu bringen, um wertvolle Informationen zu rauben. Namen werden nicht genannt, doch deutet der Kontext auf französische Akteure hin. Sollten die Angaben wahrheitsgemäß sein, wäre dies ein deutlicher Hinweis auf reales Konkurrenzhandeln. Falls es sich hingegen um eine Fiktion handelt, welche lediglich die Relevanz der Reise hervorheben soll, belegt dies immerhin, dass das entsprechende Motiv im Diskurs in England präsent war. Dies passt zu der generellen genauen Beobachtung der französischen Aktivitäten, die Ausdruck in der Publikation von de Monts Patent in England, wie auch in der raschen Übersetzung von Champlains De Sauvages durch Richard Hakluyt fand.617 Das Argument einer kolonialen Konkurrenzsituation im Report über Waymouths Expedition wurde wiederum mit dem Reisebericht in Frankreich verbreitet.618 Dies bedeutet, dass die englische Darstellung einer angeblich bestehenden Konkurrenz unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt in Frankreich gelesen werden und im dortigen Diskurs über die beiden Amerikas Wirkung entfalten konnte. Der Reisebericht selbst bestätigt die bekannte Eignung der Region für eine Kolonisierung, und sein Autor hebt die indigene Bevölkerung als besonders sprachgewandt, freundlich und einer Missionierung zugeneigt hervor. Auf Gold und Edelmetalle verweist er nicht, dafür aber auf die reiche Landesnatur als Quelle für eine sorgenfreie Existenz. Trotz der angeblich harmonischen Begegnungen entführte Waymouth fünf Indigene, die er nach England brachte, wo er sie zu Werbezwecken und für Informationsgewinnung nutzten wollte.619 Neben den Hintermännern der angeblichen auswärtigen Versuche, ihm diese Indigenen fortzunehmen, hatte allerdings auch ein Engländer Interesse an den Männern, die er nach Plymouth brachte. Zwei der Indigenen ­blieben beim Gouverneur der Festung von Plymouth, Fernando Gorges, wobei unklar ist, in616 James Rosier 1605  : A true relation of the most prosperous voyage made this present yeere 1605, by Captaine George Waymouth, in the discovery of the land of Virginia, Digitalisat auf EEBO. Zu Rosier siehe Ransome  : Rosier, James. In  : ODNB  ; Dort findet sich auch der Hinweis, dass der Reisebericht möglicherweise von Richard Hakluyt ediert worden sei. Eine zweite Manuskriptversion liegt vor, die erstmals Purchas 1625 in Purchas HP IV, S. 1659–1667 publizierte. Darin finden sich mehr Details zu den Indigenen der Region und ein Vokabular, aber keine Hinweise auf eine katholische Prägung der Unternehmung. Beide Varianten sind in modernisierter Schreibweise nachgedruckt in Quinn NAW IV, die Druckfassung inklusive Einleitung S. 365–381, die Manuskriptfassung S. 381–391. 617 Thierry 2001, S. 209. 618 Thierry 2008, S. 260. 619 Vaughan 2006, S. 59f. siehe dieses Werk insgesamt zur Präsentation Indigener in England.

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wiefern er sie sich von Waymouth schenken ließ oder sie mittels direktem oder indirektem Zwang unter seine Kontrolle brachte.620 In jedem Fall deutet dies auf ein Vorhaben des Gouverneur Gorges hin, eigene koloniale Projekte in der Heimat dieser Männer zu verfolgen. Neben der grenzübergreifenden zeigt sich somit im Kontext dieser Waymouth-Expedition auch eine innerenglische Konkurrenz um die später Neuengland genannte Region. Zu einer Konfrontation der unterschiedlichen kolonialen Interessengruppen kam es jedoch vorerst nicht, da Lord Arundell seine Pläne änderte und angesichts der Bedenken seiner Glaubensgenossen eine katholische Exilkolonie in den Niederlanden favorisierte, die leichter Kontakt zur Heimat unterhalten könnte. Seine Entscheidung verhinderte jedoch nicht, das weitere Gerüchte über katholische Auswanderungsprojekte kursierten.621 Waymouth, der die Kolonisierung der Region trotzdem voranbringen wollte, suchte daher einen neuen Partner.622 Dafür traf er im Oktober 1605 eine Vereinbarung mit einer anderen katholischen Interessengruppe darüber, 200 katholische Siedler in die Norumbega genannte Region zu führen und dort als stellvertretender Befehlshaber eine Kolonie zu errichten. Es erwies sich jedoch als schwierig, die Erlaubnis zur Ausreise für eine so große Gruppe von Katholiken zu bekommen. Robert Cecil, der koloniale Projekte generell protegierte, verhielt sich in diesem Fall auffallend zögerlich. Spätestens nach der Vereitelung des Gunpowder Plot Ende 1605 verschlechterten sich die Aussichten für einen Aufbruch nach Amerika deutlich. Waymouth wartete im Frühjahr 1606 noch immer vergeblich auf eine Erlaubnis, während seine Unternehmung zunehmend unter Druck durch neue Interessengruppen aus Plymouth, Bristol und London stand. Daher gab er das Projekt schließlich auf.623 Eine Erklärung für Cecils Zögern dürfte neben der Konfession der Kolonisten darin gelegen haben, dass ihm zu dieser Zeit noch weitere Bitten um Unterstützung vorlagen, die auf dieselben transatlantischen Räume zielten. Mit Edward Hayes trat im März 1606 einer der erfahrensten Promotoren kolonialer Expansion erneut auf 620 Barbour 1964, S. 91 spricht von einer Konfiskation  ; Clark  : Ferdinando, Gorges. In  : ODNB, nennt die Übergabe der Indigenen hingegen ein »unexplained gift«. Zur Person vgl. MacInnes 1965, genauer S. 1–10 zu seinem frühen kolonialen Engagement  ; vgl. insgesamt Baxter 1890 I  ; Gorges verdankte seine Karriere, die auch militärische Einsätze in Frankreich und den Niederlanden umfasste, der Protektion Robert Cecils. 621 Der Informant William Udall/Uvedale berichtete Robert Cecil, den er generell mit Hinweisen über Aktivitäten englischer Katholiken versorgte, diesbezüglich am 19. Juni 1606. Er schrieb, es sei ein koloniales Projekt in Vorbereitung bei dem 300 katholische Familien nach Virginia auswandern wollten. Ein offizieller Antrag auf Erlaubnis zur Auswanderung und Unterstützung des Vorhabens werde bald erfolgen. CMS Vol. 18, 1606, S. 173. Eine solche Eingabe liegt jedoch nicht vor. Vgl. zum Informanten  : Duncan  : Udall, William. In  : ODNB. 622 Siehe die Edition der Berichte Udalls in  : Quinn NAW III, S. 391–393. Zur Problematik der Ausreiseerlaubnis ebd. S. 393f. 623 Hierfür lässt sich derzeit kein Beleg anführen, lediglich das Fehlen weiterer Quellen und das Ausbleiben einer weiteren Expedition legen den Schluss nahe.

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den Plan. Hayes, der bereits 1582 mit Humphrey Gilbert gesegelt war, wandte sich in einem Brief an Cecil.624 Darin lobte er einmal mehr die Vorzüge einer Kolonisierung des amerikanischen Festlandes südlich des St.  Lorenz und betonte besonders den Mis­sions­gedanken. Hayes hob seine Bereitschaft hervor, im Unterhaus Unterstützer für das Vorhaben zu sammeln, die ein Patent und finanzielle Hilfen organisieren würden. Der genaue Plan, der bereits vorher handschriftlich im Unterhaus zirkulierte, ist in einem anderen Kontext überliefert, lag aber vermutlich Cecil mit dem Brief zusammen vor.625 Darin ist besonders auffällig, dass Hayes sich gegen »private purses« ausspricht und einen »publique stock« als Grundlage für koloniale Expansion fordert. Auch der König soll sich direkt an der Unternehmung beteiligen, da dies für seine und seines Landes Ehre wichtig sei und nur so die besten Männer für die Unternehmung gewonnen werden könnten. Hayes warnt vor einem Verlust an Ansehen für England, falls eine weitere Unternehmung erfolglos sei, und macht die Gefahr des Scheiterns somit zu einer Begründung dafür, dass die Krone selbst handeln müsse. Noch drängender ist allerdings seine Mahnung, dass die Franzosen kurz davor stünden, Virginia zu besiedeln. Dieser Appell zeigt erneut, wie präsent koloniale Konkurrenz als Argument in den englischen Diskursen geworden war. Es überrascht wenig, dass Hayes Projekt nicht zur Umsetzung kam. König Jakob war so kurz nach einem Friedensschluss prinzipiell nicht gewillt, sich direkt kolonial zu engagieren und solch ein politisches und finanzielles Risiko einzugehen. Außerdem lag Cecil noch eine dritte Bitte um Unterstützung vor, die erstens weitaus mehr Unterstützer anführen konnte als die anderen beiden, zweitens von der Krone zugleich weniger Einsatz erforderte als Hayes und drittens trotzdem eine umfangreichere Besitznahme Amerikas als die anderen versprach. Es handelte sich um die Anfrage zur Gründung der Virginia Company, deren Formierung in weiten Teilen der amerikanischen und britischen Historiographie als der eigentliche Startpunkt der englischen Kolonialgeschichte geschildert wird  – eine Einschätzung, die angesichts der in den Jahrzehnten zuvor aufgebauten Akteursnetzwerke, Wissensbestände und Diskurse bestenfalls in einem streng institutionengeschichtlichen Ansatz vertretbar ist. Für diese Unternehmung hatten sich führende Akteure aus Plymouth, Bristol und London zusammengeschlossen, um Expertise, Schiffe, Personal und Kapital zu bündeln. Unter ihnen war Richard Hakluyt, der als größter Kenner Amerikas galt und mit Seefahrern und Finanziers in Bristol und London gut vernetzt war. Hinzu kamen Interessenten aus Plymouth, von denen neben dem Kommandanten der dortigen Festung Ferdinando Gorges insbesondere Sir John Popham über Plymouth hinaus auch als zentraler Koordinator der Gesamtunternehmung hervortrat.626

624 Ediert in  : Quinn NAW V, S. 167f. 625 Ediert in  : Quinn NAW V, S. 168–170. 626 Ibbetson  : Popham, Sir John. In ODNB.

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John Popham war einer der führenden Juristen seiner Zeit und bekleidete die Ämter des chief justice of the king’s bench sowie des obersten Staatsanwaltes. Er war verantwortlich für die Verurteilung Walter Raleghs, aber auch an mehreren anderen großen Staatsprozessen beteiligt.627 Seine Interessen erstreckten sich über engere Rechtsfragen hinaus schon früh in den Bereich des Fernhandels, der Marine und der überseeischen Expansion. Hierfür konnte er auf Netzwerke im Parlament zurückgreifen, wo er als Sprecher des Unterhauses eine prominente Stellung einnahm und Reden zu diesen Themen hielt. Unterstützung fand er außerdem bei Bartholomew Gosnold, der die Neuenglandregion 1602 erkundet hatte. Gosnold tritt in den offiziellen Dokumenten zwar hinter anderen Personen zurück, doch seine Erfahrung, seine Vernetzung mit Londoner Kaufleuten und der erfolgreiche Bericht über seine Reise ermöglichten ihm, als Fürsprecher aufzutreten und Kontakte herzustellen.628 John Popham wandte sich im Januar 1606 über einen Mittelsmann an Robert Cecil.629 Nach weiteren Verhandlungen und Gesprächen, die aufgrund von Quellenverlusten nicht genau nachvollzogen werden können, gewährte Jakob I. am 10. April 1606 offiziell die Charter für eine Company of Virginia.630 Darin teilte Jakob das Virginia genannte Nordamerika zwischen der St. Lorenz-Mündung und North Carolina anhand von Breitengraden in zwei getrennte Kolonialgebiete mit einer Pufferzone in ihrer Mitte auf.631 Für jedes der beiden Gebiete benannte er eine Gruppe von vier führenden Personen, welche die Organisation einer Joint Stock Company und den Aufbau einer Verwaltung für ihre Kolonien verantwortete.632 So entstand die Virginia Company of London für den Süden, mit Richard Hakluyt und Thomas Smythe, damals bereits Direktor der East India Company und vertrauter Kontaktmann Jakobs I. zur Londoner Geschäftswelt, sowie den zwei später vor Ort in Virginia tätigen Veteranen des Krieges in den Niederlanden Edward Maria Wingfield und Thomas Gates. Zugleich formierten George Popham, ein Neffe des im Hintergrund agierenden Lord Chief Justice 627 Dies brachte Milton zu der These, Popham habe sich Raleghs Patent übertragen lassen und geplant, Amerika als Ziel für die Deportation unerwünschter Personen zu verwenden. Gegen die konsequente Aneignung von Raleghs Patent spricht, dass Popham sich als nur ein Akteur in einem komplexen Netzwerk engagierte. Siehe Milton 2001, S. 293. 628 Barbour 1964, S. 87–91. 629 Quinn NAW V, S.  166f. Brief von Walter Cope an Robert Cecil o.d.; vgl. CMS, 18  1606, S.  133, Brief von Walter Mathewe an Robert Cecil am 10. Mai, mit einem Bericht, dass der Lord Chief Justice eine Kolonie in Amerika gründen und für sich und seine Partner dieselben Konditionen erwirken will, welche die Königin auch anderen Gentlemen zugesagt habe. Man bitte nun den Earl of Salisbury, also Cecil, um Protektion. 630 Zur Überlieferung siehe den Übersichtskommentar von Quinn in Quinn NAW V, S. 183–189. Darstellungen zum Auftakt der Virginia Company bieten  : Hume 1997, S. 108–110  ; Kupperman 2008, S. 190–240  ; Horn 38–45  ; Zur Übersicht über die Charters  : vgl. Kingsbury 1906 I, S. 11–21  ; Haile 1998, S. 14–19  ; Quinn NAW V, S. 159–165. 631 Mit Angaben zu unterschiedlichen Editionen  : Quinn NAW V, S. 192–197. 632 Eine Übersicht bietet  : Ransome  : Founders of the Virginia Company. In  : ODNB.

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John Popham, und Gouverneur Ferdinando Gorges mit anderen die Virginia Company of Plymouth für den Norden. Beide Zweige der Company erhielten das Recht  : »to make habitacion, plantacion and to deduce a Colonie […] into that parte of America commonly called Virginia.«633 Beide Unternehmensteile sollten einen eigenen Rat etablieren, der vor Ort in Übersee anhand der königlichen Gesetze und gewährten Privilegien die Kolonien verwaltete. Über diesen beiden Räten setzte Jakob ein Royal Counsell für Virginia in London ein, welches übergreifende Angelegenheiten koordinieren sollte. Details zu seiner Zusammensetzung und seinen Aufgaben blieben aber vorerst offen. Zu den gewährten Privilegien gehörte das Recht, frei nach Gold, Silber und anderen Metallen zu suchen und die Ausbeute vorbehaltlich des königlichen Fünften nach England zu bringen. Die Companies durften außerdem Ausrüstung, Rohstoffe und Waren zollfrei für sieben Jahre ein- und ausführen. Im Hinblick auf koloniale Rivalität ist interessant, dass beide Zweige der Company das Recht erhielten, ein Monopol auf Handel, Erkundung und Besiedlung ihres Anspruchsgebietes auch gewaltsam durchzusetzen.634 Allerdings stellte Jakob I. klar, dass dies nicht missbraucht werden dürfe, und fügt hinzu, dass jedweder Übergriff gegen Verbündete der Krone oder andere christliche Herrscher in deren eigenen Herrschaftsgebieten oder auf See untersagt war. Diese Beschränkung dürfte nicht zuletzt diplomatische Gründe gehabt haben. Da die Charter offensichtliche Unklarheiten und Lücken aufwies, präzisierte eine zusätzliche Instruktion vom 20. November 1606 die Organisationsstruktur.635 Die Zusammensetzung und Aufgaben des Royal Counsell wurden darin ebenso festgelegt, wie die Kompetenzen der lokalen Räte und ihrer Präsidenten. Die Besetzung des Royal Counsell erfolgte aus beiden Teilen der Company heraus, die jeweils führende Mitglieder wie Popham oder Gorges dahin entsandten. Somit kontrollierte die Company sich im Namen der Krone weitgehend selbst. In Amerika wie in England sollten außerdem Amtsträger ernannt werden, um über ein- und ausgehende Waren Buch zu führen und deren Verteilung zu organisieren. Das Dokument schließt mit dem ausdrücklichen königlichen Befehl, ein gutes und freundliches Verhältnis zu den Indigenen aufzubauen. Sie sollten »be drawne to the true knowledge of God and the obedience of us«.636 Einmal mehr zeigt sich so, wie Missionierung und koloniale Expansion in der Vorstellung der Zeitgenossen funktional verwoben waren. Von den beiden Teilen der Company war es das Netzwerk aus Plymouth um Popham und Gorges, welches zuerst versuchte, seinem Patent Taten folgen zu lassen. Im Zeitraum von 1606 bis 1607 organisierte die Virginia Company of Plymouth vier Fahrten in das heutige Maine, genauer an den Fluss Sagahadoc (Kennebec River), wo ihre Siedler ein Fort errichteten und nach einem Jahr wieder aufgaben. In der Historiographie 633 634 635 636

Quinn NAW V, S. 192. Ebd. S. 195f. Ebd. S. 200–204. Ebd. S. 204.

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hat diese Unternehmung nur randständige Beachtung gefunden, und in der populären Erinnerungskultur geht dies soweit, dass in Wissenschaftszeitschriften von einer »colony that history forgot« gesprochen wird.637 Als Ursache für diese nachrangige Behandlung lässt sich anführen, dass die Kolonie am Sagahadoc entweder als misslungenes Parallelprojekt von Jamestown oder als Vorstufe einer erneuten und erfolgreichen Kolonisierung von Maine nach 1620 thematisiert und damit marginalisiert wird.638 Daher sind diesem Projekt kaum eigene Untersuchungen gewidmet und die meisten Darstellungen so knapp gehalten, dass sie keine kritische Auseinandersetzung mit der Quellengrundlage bieten.639 Auch die Quellenbasis für die Erforschung der Kolonie ist lückenhaft und widersprüchlich, so dass eine Rekonstruktion der Ereignisse nur eingeschränkt möglich ist.640 Abgesehen von einem lange Zeit nur als Manuskript vorliegenden Reisebericht zu einer der vier damit verbundenen Seereisen, finden sich die meisten Informationen in Briefen, die Ferdinando Gorges oder John Popham an Robert Cecil schrieben. Weitere Quellen wie Prozessakten oder diplomatisches Schriftgut ergänzen dies punktuell. Neuartig gegenüber allen bisher behandelten Unternehmungen ist, dass einige Jahre nach dem Ende des Projektes ein französischer Jesuit die Region bereiste und nach eigenen Angaben die indigene Bevölkerung über die aufgegebene Kolonie befragte. Seine Interpretation der Ereignisse hat im Zuge der besonderen Beachtung, die Berichten indigener Akteure nach der historiographischen Wende von 1992 zuteilwurde, erhebliche Wirkung entfaltet.641 Allerdings ist die Erzählung des Jesuiten Biard, wenn man die Sprachbarriere und seine antienglische Intention beachtet, sicherlich nicht 637 Beckenstein 2004. 638 Die Behandlung als bloße Vorgeschichte späterer Erfolge bspw. in Baxter 1890 oder MacInnes 1965. 639 Insbesondere im Vergleich mit Roanoke oder Jamestown sind nur sehr wenige Überblicksdarstellungen verfügbar  : Cave 1995  ; Thayer 1892, S. 12–35  ; Hume 1997, S. 110–117  ; Quinn 1977, S. 402– 415  ; Andrews 1984, S. 326–333. Mit Fokus auf dem Verhältnis zu den Indigenen  : Vaughan 2006, S. 62–65  ; vgl. Salisbury 1984, S. 92f.; Axtell 1994, S. 162–164  ; Axtell 1992, S. 93–95. Zur Archäologie  : Brain 2007  ; als Beispiel für die Geringschätzung gegenüber den anderen Kolonien siehe Pickett/Pickett 2011. 640 Eine Übersicht über die Quellenlage bietet  : Quinn NAW III in Kommentaren auf S. 403f.; 420f  : und 425f. Seine Edition der Akten zur Kolonie umfasst ebd. S. 425–465. Ein Teil des vorliegenden Materials, speziell anonyme Landschaftsbeschreibungen und eine kurze, anonyme Zusammenfassung des kolonialen Projektes erschien bereits zeitnah zu den Ereignissen bei Purchas 1613  ; vgl. die Edition Baxter. Dabei ist zu beachten  : Quinn bietet eine modernisierte Ausgabe, während Baxter die originalgetreue Schreibweise der Quellen beibehält. Eine deutlich reduzierte Quellensammlung mit Fokus auf den Reisebericht bietet  : Thayer 1892, einige Briefe und andere Quellen liegen auch hier in orginaler Schreibweise vor. Der Reisebericht fand teilweise bereits 1612 Eingang in das Manuskript von William Stracheys bis ins 19. Jahrhundert unveröffentlichtem Werk  : The Historie of Travaile Into Virginia Britannia. Strachey/Major 1849. 641 Pierre Biard  : Lettre au R.P.-Provincial à Paris. Port Royal, 31. Januar 1612. In  : Thwaites II, S. 3–57, hier 45–47.

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weniger kritisch zu sehen als die Selbstdarstellung Gorges’ und Pophams gegenüber Robert Cecil. Trotz gewisser Widersprüche lässt sich der problematische Beginn der Unternehmung relativ eindeutig erfassen. Die Company entsandte noch im Sommer 1606 ein Schiff mit einer kleinen Gruppe von Siedlern und zwei der fünf Indigenen, die Waymouth nach England gebracht hatte, nach Maine. Ihr Ziel war es, dort ein Fort zu errichten, nach Minen oder einer Passage durch den Kontinent zu suchen und außerdem durch Pelzhandel eine wirtschaftliche Grundlage für eine Kolonie zu schaffen. Auf dem Weg durch die Karibik stoppten jedoch spanische Schiffe die Expedition, konfiszierten trotz des Friedensvertrages das Schiff und nahmen die Besatzung gefangen. Die Folge waren Beschwerden und diplomatische Verhandlungen über die Freilassung der Gefangenen, die aber erst nach mehreren Jahren erfolgreich waren.642 Das Schicksal des Schiffes und seiner Besatzung war in England noch unbekannt, als die Company zwei Monate nach dem ersten ein zweites Schiff zur Verstärkung ausschickte. Diese Expedition erreichte zwar ihr Ziel, fand aber keine Kolonie, welche die Ausrüstung und Vorräte gebrauchen könnte. Daher kehrten die Männer nach kurzer Erkundung der Region zurück, nicht ohne die an Bord befindlichen zwei Indigenen in deren Heimat zurückzulassen. Damit hatten Popham, Gorges und ihre Anteilseigner Geld und Material verbraucht und vier von fünf Dolmetschern mit Ortskenntnis verloren. Dies bedeutete im Vergleich zur konkurrierenden Londoner Company erhebliche Rückschläge und damit vermutlich Probleme für den Verkauf weiterer Anteile. Zu dieser Zeit war es insbesondere Gouverneur Ferdinando Gorges, der sich als Organisator einer weiteren Expedition hervortat. Er schrieb mögliche Investoren an, koordinierte die Ausrüstung weiterer Schiffe und verfasste Berichte für Robert C ­ ecil.643 Im Mai 1607 gelang es ihm, einen zweiten Versuch zur Gründung einer Kolonie in Angriff zu nehmen. Zwei Schiffe mit 65  Kolonisten und dem letzten der fünf indigenen Dolmetscher überquerten den Atlantik unter der gemeinsamen Führung von George Popham, dem Neffen des Lord Chief Justice John Popham, und von Ralegh Gilbert, einem Sohn des berühmten Neufundlandfahrers Humphrey Gilbert.644 Als die Expedition den Zielort erreichte, war es allerdings zu spät für eine Aussaat, so dass die Siedler sich auf ihre begrenzten Vorräte und die Hilfe der Indigenen verlassen mussten. Angesichts dessen kehrten 20 der Kolonisten vor Ende des Winters zurück, 642 Die Quellen hierzu sind ediert in  : Quinn NAW III, S. 404–419, inklusive der Berichte der Gefangenen. 643 Eine Übersicht über diese Quellen bieten  : Baxter 1890 und Quinn NAW III. 644 Die widersprüchlichen Angaben zu den Zahlen, 65 und 45, sind erklärbar, wenn man die vorzeitige Rückkehr von 20 Siedlern einkalkuliert,vgl. Purchas 1613, S. 830 siehe Quinn NAW III, S. 426. Unverständlich ist hingegen die Angabe von John Smith, »some hundred« hätten dort gesiedelt, John Smith 1624  : Generall History of Virginia, Originalausgabe ist verfügbar auf EEBO, dort S. 203f., vgl. Edition in  : Quinn NAW III, S. 465.

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so dass nur 45 Mann mit Popham und Gilbert, in dem St. George genannten Fort am Sagahadoc/Kennebec blieben. Kurz nach ihrer Abreise verstarb in England der einflussreiche Lord Chief Justice John Popham und die Plymouth Company verlor ihren wichtigsten Förderer. Die Verantwortung für die Organisation weiterer Verstärkungen, das Aufbringen von Geldern und die Kommunikation mit der Obrigkeit oblag nun allein Ferdinando Gorges. Jener fasste seine Eindrücke, als das erste der beiden Schiffe 1607 mit Nachrichten aus Amerika zurückkehrte, mit den Worten gegenüber Robert Cecil zusammen, kein Vorhaben habe jemals »[as] many oppositions, and infinete Crosses« erleben müssen.645 Er schrieb Cecil, seine größte Sorge sei, dass sich bisher kein für das Gewinnen neuer Investoren nötiger Profit aus der Kolonie habe erzielen lassen, und nannte drei Gründe dafür  : Zum einen hätten einige Partner Vereinbarungen mit dem verstorbenen Sir Popham nicht eingehalten und minderwertige Ausrüstung und Personal geschickt  ; zweitens sei die Zeit vor Ort einfach zu knapp gewesen, um Ressourcen zu finden, und drittens hätte ein Konflikt unter den beiden Anführern der Unternehmung ihren Fortschritt erheblich behindert.646 Die Schuld für letzteres liege nach Gorges klar bei Ralegh Gilbert, der niemanden über sich dulde und sogar eine eigene Anhängerschaft um sich versammle, um das einzige Oberhaupt der Kolonie zu werden. Einen deutlichen Kontrast zu dieser negativen Perspektive stellt ein Brief von George Popham aus Amerika an König Jakob dar, in dem er eine große Allianz mit den Indigenen beschreibt, die aufgrund des Einsatzes des Dolmetschers bereit seien, den christlichen Glauben anzunehmen und Jakob  I. als Herrscher anzuerkennen.647 Auch wertvolle Ressourcen würden nach Angaben der Indigenen nur darauf warten, gefunden zu werden – gleiches gelte für einen Zugang zum Südmeer, das nicht mehr als sieben Tage von der neuen Kolonie entfernt sei. Jakob I. reagierte auf diese euphemistische Schilderung nicht. Offenbar genügten solche Versprechen, wie sie schon oft formuliert worden waren, nicht, um sein Interesse zu wecken. Einen gänzlich anderen Ansatz, um den König für die Unternehmung zu mobilisieren, verfolgte hingegen Ferdinando Gorges, nachdem im Februar das zweite Schiff zurückgekehrt war. Er schrieb Cecil von dem schweren Winter, dem die Kolonisten ausgesetzt waren. Zwar würden die Männer überleben, aber sie seien krank und in ihrer Mobilität eingeschränkt, so dass mit baldigem Profit nicht zu rechnen sei.648 Er bekräftigt erneut, dass neben dem Klima der Konflikt um die Führung der Kolonie ein 645 Brief Fernando Gorges’ an Robert Cecil, 3. Dezember 1607, zitiert nach  : Quinn NAW III, S. 438f. vgl. Thayer 1892, S. 134–136. 646 Ebd. Außerdem  : Brief Fernando Gorges’ an Robert Cecil, 1.  Dezember 1607, zitiert nach  : Quinn NAW III, S. 437f. vgl. Thayer 1892, S. 132–134. 647 George Popham, Brief an Jakob I. vom 13. Dezember 1607. In  : State Papers Online CO 1/1 No 16, Fol. 60r. vgl. die Edition in  : Thayer 1892, S. 118f. 648 Brief Gorges’ an Cecil am 7. Februar 1608, zitiert nach  : Quinn NAW III, S. 440f. vgl. Thayer 1892, S. 137–139. Zitat, S. 138.

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zentrales Problem sei, da er die mittels Berichten und Briefen darüber informierten Investoren verunsichere. In dieser Lage bittet Gorges darum, dass Cecil den König überzeugen möge, das Unternehmen direkt zu unterstützen. Sonst – so warnt Gorges – würden andere Europäer England zuvorkommen und durch die Erträge aus Amerika zu einer großen Macht aufsteigen. Die Hilfe der Krone sei außerdem nötig, weil die Franzosen ein Bündnis mit den Indigenen geschlossen hätten, um die Engländer aus dem Land zu vertreiben  : »the french ar in hande with the natives, to practise upon us.«649 Trotz dieser Mahnung, die das bekannte Motiv der kolonialen Konkurrenz benutzte, folgte auf Gorges Bitte ebenso wie schon auf Pophams Lobeshymnen keine Reaktion. Es scheint, dass Jakob seiner Linie treu blieb und prinzipiell nicht bereit war, Ressourcen der Krone für koloniale Projekte einzusetzen. Bezüglich der tatsächlichen Härte des Winters und seiner Folgen widersprechen sich die Quellen.650 Sicher ist nur, dass im Februar George Popham starb und Ralegh Gilbert den Befehl übernahm. Entgegen den Versprechungen, die Popham Jakob  I. gemacht hatte, gelang es Gilbert und seinen Männern jedoch im nächsten Frühjahr weder Minen noch eine Passage durch den Kontinent zu finden. Angesichts der nachweislichen Bemühungen der Kolonisten, dieses Ziel zu erreichen, ist zu beachten, dass sich im Gegensatz dazu kein Hinweis in den Quellen darauf findet, dass sie versucht hätten, eine eigene Nahrungsversorgung sicherzustellen. Das Ziel eine autarke Siedlung zu erschaffen, musste offenbar hinter der Suche nach Profit zurückstehen oder war nicht berichtenswert. In jedem Fall blieb die Siedlung von der Hilfe der Indigenen und einer rechtzeitigen Versorgung abhängig. Das Verhältnis zu den vor Ort lebenden Abenaki ist in den Quellen unterschiedlich dargestellt worden.651 Sicher ist allerdings, dass sich, obwohl George Popham dem König die baldige freiwillige Unterwerfung der Indigenen gemeldet hatte, die Kontakte in Wirklichkeit schwierig gestalteten. Der anonyme Reisebericht schildert, dass der letzte der ursprünglich fünf indigenen Dolmetscher, Skidwarres, zwar Kontakte herstellte, die Indigenen aber keineswegs begeistert von der Ankunft der Engländer waren.652 Dem Bericht nach habe Skidwarres sich bald zu seinen Leuten zurückge649 Vgl. Cave 1995, S. 638. 650 In den 1620er Jahren thematisierten Ferdinando Gorges selbst und andere Autoren die SagahadocKolonie in kurzen Passagen in ihren Überblickswerken zur Geschichte Neuenglands  : Gorges selbst lobte dabei, dass im Winter nur eine einzige Person verstorben sei. Council of New England 1622, ediert in  : Baxter 1890, S. 199–240, hier S. 205–207. Dagegen stellte sich John Smith im Jahr 1624, als er verbreitete, dass von »some hundred« Siedlern nur 45 überlebt und »a cold, barren, mohntainous, rocky desart« verlassen hätten, wo sie nichts gefunden hätten  : »but extreme extremeties«, Siehe Smith 1624, S. 203f. Vgl. die Edition bei Quinn NAW III, S. 465. Diese Quelle hat erheblichen Einfluss auf die Historiographie gehabt, wie der Artikel über Popham im ODNB belegt, der Smiths Behauptungen folgt. Ibbetson  : Popham, Sir John. In  : ODNB. 651 Vergleichend Cave 1995, S. 629f. 652 Quinn NAW III, S. 429–437  ; Thayer 1892, S. 35–86.

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zogen, aber dann nach und nach Handelskontakte geknüpft. Dies würde zu der oft beobachteten Verhaltensweise passen, dass indigene Grenzgänger nicht ihre bisherige Lebensweise aufgeben, sondern ihre Kontakte nutzen, um begehrte Güter zu akquirieren, die ihren eigenen Status in der indigenen Gemeinschaft erhöhen. Allgemein vermerkt der Reisebericht den Gebrauch vieler französischer Lehnwörter von Seiten der Indigenen, was die Engländer misstrauisch gemacht habe. Diese Beobachtung könnte auch als Argument für Gorges’ These einer franko-indigenen Allianz gegen die Engländer gedient haben. Weitaus negativer schildert der französische Jesuit Pierre Biard die Ereignisse in einem Brief an seinen Vorgesetzten.653 Er befand sich 1611 selbst im Rahmen eines französischen kolonialen Projektes in Nordamerika und sammelte für seinen Orden Informationen über die Region. In seinem Brief schildert er, auf einer Erkundungsfahrt von den Indigenen erfahren zu haben, dass es zwischen ihnen und den S ­ iedlern der Plymouth Company zu offenen Kämpfen gekommen sei. Schuld seien nach Biard die Engländer gewesen, die sich Grausamkeiten hätten zuschulden kommen lassen, woraufhin die Indigenen nach eigenen Angaben die Engländer vertrieben hätten. Die Glaubwürdigkeit dieser Angaben kann unterschiedlich bewertet werden. Einerseits hätte Biard die Information durchaus erfunden haben können, um seinen Vorgesetzten von der Notwendigkeit seiner eigenen Anwesenheit und der Bösartigkeit der Engländer zu überzeugen. Andererseits könnten die Indigenen aber auch Biard diese Informationen – unabhängig davon, ob sie wahrheitsgemäß waren oder nicht – tatsächlich gegeben haben, um ihre eigenen militärischen Fähigkeiten und ihre Bündnistreue gegenüber den Franzosen zu betonen. Drittens wären auch sprachliche Missverständnisse möglich, allerdings hätten die Indigenen angesichts ihrer langen Erfahrung im Umgang mit den Franzosen, sicherlich grundlegende Informationen wie den Unterschied zwischen freundschaftlicher Interaktion oder offenem Konflikt in ihrem Sinne vermitteln können. Auch wenn das genaue Verhältnis zu den Indigenen unklar ist, bleibt festzuhalten, dass die Kolonie keinerlei missionarische oder auch finanzielle Erfolge v­ erbuchen konnte und von der Versorgung aus England abhängig blieb. Somit war die von Ferdi­ nando Gorges entsandte Verstärkung hochwillkommen, die 1608 die Kolonie erreichte. Die Schiffe trugen aber nicht nur Vorräte und Ausrüstung, sondern auch die Nachricht, dass der ältere Bruder Ralegh Gilberts gestorben war. Gilbert hatte damit Anspruch auf ein erhebliches Erbe, woraufhin er und sein Gefolge sich für eine Rückkehr nach England einschifften. Die übrigen Siedler, die somit ohne Führung waren, sprachen sich bei einer Abstimmung für die Aufgabe des Forts aus.

653 Pierre Biard  : Lettre au R.P.-Provincial à Paris. Port Royal, 31. Januar 1612, in  : Thwaites II, S. 3–57, hier 45–47  ; vgl. die Edition in  : Campeau 1967, S. 246f.; vgl. dazu Vaughan 2006, S. 64f.; Morrison 1994, S. 127  ; Harrington 1994, S. 197.

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Für die Company of Plymouth bedeutete die Rückkehr der Siedler das Ende, zumal nach John Pophams Tod ein zentraler Akteur in der eigenen Organisation, im königlichen Rat für Virginia und als Vermittler zu Cecil und dem Parlament fehlte. Ferdinando Gorges zog sich für mehr als ein Jahrzehnt aus kolonialen Unternehmungen zurück und wandte sich erst später mit einer neuen Charter wieder Neuengland zu.654 Es bleibt noch einmal zu betonen, wie ungewöhnlich es zu dieser Zeit war, dass die Kolonie kein unmittelbares literarisches Echo hervorgebracht hat. Alle Informationen kursierten nur in Briefen und Manuskripten, bis der Reiseberichtsammler Samuel Purchas 1613 eine stark gekürzte Zusammenfassung der Ereignisse veröffentlichte.655 Zu einem erheblichen Teil erschien das Material sogar erst im 19.  Jahrhundert im Druck, was zusätzlich die geringe Beachtung der Popham- oder Sagahadoc-Kolonie in der Forschung erklären könnte.656 Im völligen Gegensatz dazu genoss die Jamestown genannte Ansiedlung des Londoner Zweiges der Virginia Company eine immense zeitgenössische Aufmerksamkeit. Obwohl Jamestown längere Zeit historiographisch im Schatten der Gründungen der sogenannten Pilgerväter stand, hat es seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch einen zentralen Platz in der amerikanischen Geschichtsschreibung eingenommen.657 Dieser Trend intensivierte sich durch die Tendenz zur stärkeren Berücksichtigung der Hand654 Übersicht dazu in Baxter 1890. 655 Samual Purchas 1613  : Purchas his pilgrimage. Or Relations of the vvorld and the religions obserued in all ages and places discouered  ; Der anglikanische Geistliche Samuel Purchas sah sich als Nachfolger Richard Hakluyts. Er erhielt von ihm zahlreiche Manuskripte und sammelte Zeit seines Lebens neue Informationen über alle Weltregionen, die er in mehrbändigen Textsammlungen herausgab. In der Forschung hat er im Vergleich zu Hakluyt nur wenig Beachtung gefunden, und wenn, dann boten seine stärker religiöse Sichtweise und angeblich umfangreicheren Eingriffe in die Texte Anlass für Kritik. Vgl. Armitage  : Purchas, Samuel. In ODNB  ; und die Beiträge in Pennington 2010, speziell zu seinem Wirken als Herausgeber Urness 2012, S. 121–144. 656 Ebenfalls wenig Beachtung in literaturwissenschaftlichen oder diskursorientierten historischen Analysen, bspw. Parker 1965, S. 194. 657 Aus den mehreren hundert vorliegenden Monographien zur Geschichte Jamestowns, der VirginiaAlgonquin und zu führenden Persönlichkeiten beider Seiten sind fünf ForscherInnen als besonders einflussreich und ihre Werke als grundlegend für die folgenden Ausführungen hervorzuheben  : erstens John Barbour, der eine Biographie von John Smith verfasste [Barbour 1964] und maßgebliche Quelleneditionen von Smiths Werken und der parallelen Überlieferung [Barbour  : 1969  ; 1986] herausgab. James Horn, der die neuesten quellennahen Überblickswerke verfasste [Horn 2005  ; 2007  ; 2013]  ; Karen Kupperman, die häufig rezipierte Gesamtdarstellungen verfasste und in Einzelstudien besonders die Kontinuitäten von Roanoke nach Jamestown, sowie die Klimageschichte untersuchte [Kupperman 1982  ; 2000  ; 2000a  ; 2008, S. 210–327]  ; David Quinn, der Jamestown in seiner für die nordamerikanische Geschichte grundlegenden Quellensammlung ausführlich berücksichtige [Quinn NAW V ] und in den Kontext der englischen Überseeexpansion einordnete [Quinn 1974, S. 482–492  ; 1977, S. 440–465]. Helen Rountree schließlich verfasste zahlreiche Detailstudien zu indigenen Akteuren mit einer teilweise idealisierenden Grundhaltung [Rountree 1990  ; 1993  ; 1993a  ; 2005]. Zur Forschungsgeschichte allgemein siehe die Einordung Jamestowns in die frühe englische Kolonialgeschichte bei Roper 2009, S. 1–20.

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lungsmacht indigener Akteure in der frühen Kolonialgeschichte. Hier kam Virginia, nicht zuletzt durch die historiographisch und mehr noch populärwissenschaftlich prominente Figur der Pocahontas (eigentlich Matoaka oder Amonute, später Rebecca Wolfe) und ihrer Nation der Algonquin schon früh eine Schlüsselrolle zu. Die 400-Jahrfeier mit ihren zahlreichen Publikationen um 2007, infolge derer Jamestown als am intensivsten erforschter kolonialer Projektzusammenhang in dieser Studie gelten muss, markiert somit eher den Höhepunkt einer Entwicklung als den Beginn eines neuen Interesses. Obwohl Jamestown zweifellos der Ausgangspunkt für eine langfristige koloniale Präsenz in Nordamerika war, ist die Frühphase der Kolonie in der Historiographie durchaus unterschiedlich bewertet worden. Dies liegt an den schweren Rückschlägen, die einen Deutungshorizont eröffnen, der von einem euphemistischen Lob bis zu einer Diskreditierung als völligem Fehlschlag reicht.658 Neben diesen heterogenen Deutungen machen drei weitere Gründe Jamestown zu einem lohnenden Betrachtungsgegenstand in einer Studie über koloniales Scheitern, obwohl die Kolonie letztlich für Jahrzehnte bestand. Erstens stand Jamestown in Bezug auf die Planung und die vor Ort angewendeten Praktiken in der Tradition der erfolglosen elisabethanischen Unternehmungen  ;659 zweitens ist es nur einem zeitgenössisch als göttliche Intervention gedeutetem Zufall zu verdanken, dass die Kolonisten in die im Jahr 1610 bereits aufgegebene Kolonie zurückkehrten, und drittens war die Rezeption der Ereignisse in England wesentlich von enttäuschten Erwartungen geprägt.660 Die Quellen enthalten daher sowohl viele bekannte Formen des Umgangs mit einer Differenz von Erwartung und Ergebnis als auch neue Elemente. Der letzte Aspekt lässt sich mit einem Blick auf die Quellengrundlage verdeutlichen. Jamestown ist in völligem Kontrast zu seiner Schwesterkolonie am Sagahadoc/ Kennebec das am besten dokumentierte Projekt im Betrachtungszeitraum. Ähnlich wie im Falle von Samuel de Champlain für Québec nimmt auch hier ein unmittelbar beteiligter Akteur eine entscheidende Rolle ein, der die Geschichte der Kolonie als seine eigene Heldengeschichte schrieb  : John Smith.661 Im Gegensatz zu Champlain stehen Smiths Erzählungen jedoch weitaus mehr parallele Überlieferungen zur Seite,

658 Einordung als Erfolg bspw. bei Pickett/Pickett 2011  ; Sprechendes Beispiel der Untertitel von Wingfield 1993, The first biography of the first president of the first successful English colony in the new world. Zur Dominanz der Interpretation als Fehlschlag vgl. den Überblick Donegan 2014, S. 69–71. 659 Milton 2001  ; Roper 2009, S. 35. 660 Nach Donegan 2014 ist Enttäuschung sogar der zentrale Aspekt des gesamten Diskurses über diese Kolonie. 661 Vgl. Barbour 1969 und Ders. 1964  ; Morgan  : Smith, John. In  : ODNB. Zur Einordnung in der Forschungsgeschichte  : Roper 2009, S. 12  ; zu seiner Tätigkeit als Propagandist Fuller 1995, S. 103– 140  ; Donegan 2014, S.  77f. Als Beispiel für die Wirkmacht Smiths in der Historiographie siehe Thompson, der den Ausführungen als wahre Geschichte vertraut in Smith/Thompson 2007.

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die als Korrektiv oder Ergänzung gelesen werden können.662 Zu diesen zum Teil publizierten, zum Teil als Manuskripte überlieferten Texten kommen noch zahlreiche Briefe und weitere Quellen, die insbesondere der englische Geistliche Samuel Purchas in seinen Sammelwerken überlieferte.663 Neben diesen üblichen Quellentypen liegt aber auch eine neuartige, von der Virginia Company selbst organisierte prokoloniale Propaganda vor. Druckschriften über zukünftige Vorhaben, gegen Kritik an der Kolonie oder mit Nachrichten über Fortschritte erschienen in bisher nicht gekanntem Umfang und waren erstmals nicht nur an Investoren, sondern auch an potentielle Siedler gerichtet, die überzeugt werden sollten, ihr Leben in Virginia zu verbringen.664 Ebenfalls neu war es, die Unternehmung durch Predigten sowohl mündlich wie auch in gedruckter Form zu bewerben.665 In diesem Propagandamaterial lässt sich das bekannte Spannungsverhältnis zwischen Erwartungen, gespeist aus der Grundannahme eigener Überlegenheit und göttlichen Beistandes einerseits und den teilweise katastrophalen Ereignissen andererseits, in erweiterter Perspektive untersuchen. Aufgrund ihrer skizzierten Breite sind die Quellen zur frühen Virginia-Kolonie stärker als bei allen anderen bisher behandelten Überlieferungszusammenhängen in der Historiographie genutzt worden, um die Perspektive und Handlungsmacht indigener Akteure einzubeziehen. Daher kann im Folgenden auf eine jahrzehntelange Tradition der kritischen Rekonstruktion zurückgegriffen werden, die trotz der bewussten intentionalen Prägung der Quellen und ihrer unbewussten eurozentrischen Verzerrung eine wichtige alternative Sichtweise eröffnet.666 662 Zentrale Quellen sind  : John Smith 1608  : A true relation of such occurrences and accidents of noate as hath hapned in Virginia since the first planting of that collony, London  ; seine in Oxford kombiniert erschienenen Texte  : John Smith 1612, A Map of Virginia und The proceedings of the english Colonie in Virginia, und die mehrbändige Generall History of Virginia, the Somer Iles, and new England, Smith 1624 in erweiterter Fassung  ; wichtiges Korrektiv sind die Texte von George Percy, der während Smiths Erkundungsfahrten in Jamestown blieb und nach dessen Abreise den Befehl über die Kolonie übernahm. Er verfasste Observations gathered out of a Discourse of the Plantation of the Southerne Colonie in Virginia, veröffentlicht in Purchas HP IV [Ndr. 1905–1907, Vol. 18, S. 403–419], und eine unpublizierte Trewe Relation von 1625 als Reaktion auf Smiths Selbstlob, siehe die Editionen in  : Haile 1998, S. 497–519  ; Smith/Horn 2007, S. 1093–1114 und Quinn NAW V, S. 267–247. Vgl. zu seiner Tätigkeit Donegan 2014, S. 78–116  ; zur Person  : Nicholls  : Pery, George. In  : ODNB. Weitere Autoren und ihre Texte werden im Folgenden kontextbezogen vorgestellt. 663 Sowohl in Purchas 1613 als auch in Purchas HP. Trotz dieser breiten Grundlage bleiben erhebliche Lücken, da das eigentliche Verwaltungsschrifttum und die Aufzeichnungen der Virginia Company für die frühen Jahre der Kolonie verloren sind und die Ausgaben des Court-Book nur teilweise Rückblicke erlauben, vgl. Kingsbury I 1906, S. 23f. 664 Borge 2002, S. 61  ; Parker 1965, S. 195–201. 665 Fitzmaurice 2000, S. 24–42  ; Scanlan 1999, S. 93–118  ; Parker 1965, S. 195–207. 666 Siehe zum Folgenden  : Rountree 1993  ; Dies. 2005  ; Gleach 1997  ; Gradie 1993  ; sowie Richter 2007  ; Horn 2005, S. 11–22 und Ders. 2007, S. 516–525  ; Games 2008, S. 121–123  ; und bezüglich der Praktiken des Handels und Gabentausches Quitt 1995 sowie Mallios 2005. Neben den Berich-

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Die von den Engländern unter dem Namen Virginia beanspruchte Region um die Chesapeake Bay trug den indigenen Namen Tsenacommacah. In der von Algonquin sprechenden Indigenen besiedelten Region dominierte seit dem späten 16. Jahrhundert ein föderativer Herrschaftsverband, dessen Oberhaupt als Powhatan bezeichnet wurde, eine Benennung, die englische Autoren ebenso auch für die Föderation insgesamt wie für ihre Mitglieder verwendeten. Die Powhatan-Föderation war heterogen organisiert, so dass die einzelnen indigenen Gemeinschaften in einem engeren oder weiteren Abhängigkeitsverhältnis zur Gemeinschaft stehen konnten. Verbindende Elemente aller Siedlungsgemeinschaften waren Tribute an das gemeinsame Oberhaupt und eine Pflicht zur gemeinsamen Kriegsführung auf dessen Befehl hin, die aber Aktionen einzelner Gruppen gegen Feinde nicht ausschloss. Das Oberhaupt der Föderation, von den Engländern nur Powhatan genannt, war 1607 Wahunsonacock.667 Er hatte in seiner Herrschaftszeit die Föderation auf etwa 30 Nations ausgeweitet, in denen seine Verwandten Schlüsselpositionen einnahmen. Beispielsweise befehligte sein Bruder Opechancanough weitgehend eigenständig die militärisch stärkste Gruppe der Föderation. Die Indigenen in der Region verfügten 1607 bereits über Erfahrung im Umgang mit Europäern, die sie teilweise auch gegenüber den Kolonisten zum Ausdruck brachten. Zum einen berichteten ihnen weiter südlich lebende Angehörige ihrer Sprachgruppe über die vergeblichen Versuche zur Besiedlung Roanokes und speziell die verlorene Kolonie von 1587.668 Zum anderen hatten spanische Schiffe bereits in den 1560er Jahren die Chesapeake Bay erkundet und dort Indigene entführt. Einer von ihnen, angeblich aus einer herrschenden Familie, war auf den Namen Don Luis getauft worden und in den Orden der Jesuiten eingetreten.669 Er hatte Europa bereist und mehrere Jahre in Mexiko gelebt, wo es ihm gelungen war, die Jesuiten für das Projekt einer friedlichen Missionierung an der Chesapeake Bay zu gewinnen.670 Im Jahr 1571 segelte Don Luis daher mit einer Gruppe Jesuiten in seine Heimat zurück. Nach der Ankunft schloss er sich jedoch wieder seinen Verwandten an, nahm einen Platz unter ihren Anführern ein und zog aus seiner interkulturellen Position Vorteile. Nach einigen Monaten, in denen die Jesuiten von ihm Nahrungsmittel und Gehorsam forderten, ten von Smith, speziell seiner Map of Virginia 1612, ist insbesondere die erst 1872 publizierte Relation of Virginiea von Henry Spellman eine wichtige Quelle, da jener längere Zeit bei Indigenen lebte, ediert in  : Smith/Horn 2007, S. 967–978. Für eine umfassendere Einordnung mit Fokus auf wechselseitigen Prozessen der jeweiligen Inkorporation in die distinkten Weltordnungen siehe Kupperman 2000. 667 Fausz  : Powhatan. In  : ODNB. 668 Rountree 2005, S. 45 und S. 48–50  ; Gleach 1997, S. 99–105. 669 Vgl. Richter 2007, S. 36–43  ; Rountree 2005, S. 47f.; Vaughan 2006, S. 44f.; Gleach S. 88–94  ; Horn 2005, S. 1–10  ; Mallios 2005, S. 137–141. 670 Eine Quellenauswahl zu diesem Projekt in englischer Übersetzung bietet Quinn NAW II, S. 556– 566  ; Darstellungen  : Quinn 1977, S. 282–289  ; Gradie 1988  ; Quellenedition mit Einleitung  : Lewis/ Loomie 1953.

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aber nur zögerlich Waren herausgaben, erschlug Don Luis mit anderen Indigenen die Mönche – wie ein Überlebender erzählte. Der Anführer einer spanischen Expedition, die Nachforschungen über den Verbleib der Jesuiten anstellte und den Überlebenden fand, berichtete außerdem von Kämpfen mit Indigenen an der Chesapeake Bay, bei denen er etwa ein Dutzend gefangen nahm. Der spanische Kapitän ließ seine Gefangenen vor den Augen zahlreicher an der Küste versammelter Indigener auf dem Schiff hängen und feuerte bevor er die Region verließ mit Bordgeschützen auf die Zuschauer. Dies beendete das spanische Engagement an der Chesapeake Bay. Das Wissen des Don Luis, aber auch anderer Algonquin über europäische Waffentechnik, Werkzeuge, Handelswaren und insbesondere darüber, dass die Europäer unfähig waren, langfristig ohne Hilfe zu überleben, könnte sehr wohl 35 Jahre später im Umfeld des Powhatan Wahunsonacock verfügbar gewesen sein.671 Weitaus fraglicher ist die Erzählung von einer Prophezeiung, die Wahunsonacock kurz vor der Ankunft der englischen Kolonisten erhalten haben soll.672 Laut dem erst 1609 nach Amerika gereistem William Strachey sei dem Powhatan vorhergesagt worden, es würde sich an der Küste der Chesapeake Bay eine neue Macht erheben, die seiner Föderation den völligen Untergang bringen werde. Eine Erzählung, die den bekannten Schilderungen des Cortes über aztekische Prophezeiungen zu ähnlich ist, um keine Zweifel zu wecken. Auch wenn Konflikte bei dem allerersten Aufeinandertreffen der Siedler und Algonquin zwar für die Existenz und Wirkmacht dieser Vorhersage sprechen, so lassen sich längere Phasen der Duldung und Kooperation als Gegen­ argumente anführen. Sollte die Prophezeiung tatsächlich existiert haben, könnte sie in Verbindung mit einer langfristigen Krise gestanden haben, die auf klimatische Entwicklungen zurückging. Das Land der Powhatan-Föderation litt um 1607 unter einer schweren, mehrjährigen Dürreperiode. Das Eintreffen einer neuen Siedlungsgemeinschaft, die sich nicht selbst versorgen konnte, sondern, wie einige Jahre zuvor bei Roanoke erkennbar, durch Handel oder Gewalt Vorräte anderer an sich bringen musste, konnte demnach sehr wahrscheinlich als Bedrohung gedeutet werden.673 Dieser Fall trat im Jahr 1607 ein, als die Flotte der Virginia Company of London im von den Siedlern Virginia genannten Tsenacommacah eintraf. Befehlshaber war der erfahrene Freibeuter Christopher Newport, der mit der Route durch die Karibik 671 Unter anderem vertritt Rountree die These, dass Don Luis möglicherweise Wahunsonacocks Vater oder Bruder gewesen sei, Rountree 2005, S. 26f. Gleach 1997, S. 91–95 geht ebenfalls von einer Verwandtschaft aus. 672 Die Vorhersage ist überliefert in William Stracheys unpublizierter History of Travel. Hier die Ausgabe  : Ndr. Wright 1953, S.  104  ; Quinn 1985a, S.  65–67 sieht es aufgrund dieser Prophezeiung als wahrscheinlich an, dass Wahunsonacock ein Massaker an den Überlebenden und Nachkommen der Roanoke-Kolonie befohlen habe, die noch 1607 an der Chesapeake Bay als Teil einer indigenen Gemeinschaft gelebt hätten  ; dem folgen Horn 2005, S.  144–147 und Milton 2001, S.  304 und 372–387, der außerdem von einer Verschwörung zur Geheimhaltung dieser Informationen ausgeht. 673 Kupperman 1982.

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bestens vertraut war.674 Nach erfolgreicher Überfahrt war es seine Aufgabe, vor Ort die Umgebung im Hinblick auf Edelmetallvorkommen, eine Passage zum Pazifik und Überlebende der verlorenen Roanoke-Kolonie zu erkunden.675 Dies waren die drei Ziele, deren Erfüllung die Company in den kommenden Jahren von den Kolonisten immer wieder einforderte. Circa 100 Personen sollten vorerst in Virginia bleiben, was der Planung der e­ rsten und dritten Roanokekolonie entsprach. Ihre Zusammensetzung entsprach allerdings eher Ralph Lanes Kolonie von 1585 als der von Familien geprägten Unternehmung John Whites 1587. Mehr als 50 Prozent der neuen Kolonisten wurden nur als Gentle­ men verzeichnet. Den Rest bildeten Handwerker, Arbeiter, ein Chirurg und ein Priester. Frauen und Kinder waren nicht dabei, was darauf hindeutet, dass ein Teil der Männer später nach England zurückkehren wollte.676 Die Company hatte den Kolonisten die Anweisung gegeben, ihre Siedlung an einem gut zu verteidigenden Ort mit Zugang zu Wasserwegen anzulegen, wobei explizit die Sorge vor einer spanischen Intervention eine Rolle spielte. Parallel sollte die Ernährungsgrundlage der Kolonie sichergestellt werden, entweder durch eigene Landwirtschaft oder durch Tauschhandel mit den Indigenen, deren Siedlungsorte und Ressourcen möglichst rasch und friedlich zu erkunden seien.677 Einmalig in der bisherigen Geschichte kolonialer Projekte ist, dass die Kolonisten nicht wussten, wer der Anführer der neuen Siedlung sein würde. Erst vor Ort öffneten die Männer eine versiegelte Schatulle mit den Namen der sieben Personen, welche das Counsell of Virginia bilden sollten. Diesem Rat, zu dem auch Christopher Newport gehörte, kam die Aufgabe zu, aus seiner Mitte einen Präsidenten für ein Jahr zu wählen und mit diesem die Kolonie zu regieren. Der Präsident war an das Votum des Rates gebunden und verfügte lediglich über eine zusätzliche Stimme, um seiner Ansicht Gewicht zu verleihen. Der Rat wählte Edward Maria Wingfield, ein kriegserfahrenes Mitglied der Company zum ersten Präsidenten. Wingfield war allerdings durch die aus London vorgegebene Verwaltungsordnung genötigt, ständig Kompromisse mit den Mitgliedern des Rates zu suchen, die zugleich gegen ihn und gegeneinander intrigierten, was Teile der Forschung, speziell Quinn, zum Anlass nahmen, ihm Unfähigkeit und Schwäche vorzuwerfen.678 Bereits das Ratsmitglied John Smith hatte jedoch als 674 Zu den Erfahrungen Newports als Freibeuter und seiner Beziehung zur Company siehe Ransome  : Newport, Christopher. In  : ODNB. 675 Vgl. Instructions given by the way of Advice ediert in  : Barbour 1969, S.  49–54  ; siehe Haile 1998, S. 19–22. Entgegen diesen mehrfach eindeutig in Quellen genannten Zielen interpretiert Games 2008 Jamestown als einen erfolglosen Handelsposten, der zur Siedlungskolonie habe werden müssen, um Profit zu erzielen, S. 134f. 676 Games 2008, S.  124 betont den Widerspruch zwischen dem entsandten Personal und dem proklamierten Ziel einer Koloniegründung. 677 Instructions given by the way of Advice, ediert in  : Barbour 1969, S. 49–54. 678 Quinn NAW V, S. 276f.

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Zeitgenosse das politische System als zentrales Problem der neuen Kolonie beschrieben, da es Freiräume für Intrigen eröffne.679 Schon die erste Kontaktaufnahme mit den Indigenen verlief gewaltsam, als Ange­ hörige der Powhatan-Föderation einen englischen Spähtrupp bei Nacht angriffen. Dies könnte durchaus eine Folge der früheren Kontakte mit den Spaniern sein, wurde aber in der Forschung auch als Reaktion auf die angebliche indigene Prophezeiung vom Untergang der Föderation gedeutet.680 Nachdem der erste Angriff abgewehrt war, errichteten die Kolonisten Jamestown auf einer Halbinsel, die mit hochseetauglichen Schiffen leicht erreichbar war, aber dennoch weit genug im Landesinneren lag, um vor einer Entdeckung durch spanische Schiffe sicher zu sein. Die Halbinsel war gut zu verteidigen, aber sumpfig und für Getreideanbau ungeeignet. Außerdem verfügte sie über keine Süßwasserquelle, so dass die Männer Flusswasser trinken mussten, das einen hohen Salzanteil hatte und sie langsam vergiftete. Während der Aufbau voranschritt, erkundete Newport das Umland und erhielt erste Informationen über die umliegenden indigenen Siedlungsgemeinschaften. N ­ eben friedlicher Kontaktaufnahme mit einigen Mitgliedern der Powhatan-Föderation kam es auch zum offenen Konflikt mit der indigenen Gruppe der Paspaheg, die Teil der Föderation waren. Sie lockten Newport zu einem angeblichen Treffen mit ihrem Anführer und unternahmen in seiner Abwesenheit einen Großangriff, der nur durch Einsatz der Schiffsgeschütze abgewehrt werden konnte. Diese Erfahrung führte dazu, dass die Indigenen zukünftig von direkten Konfrontationen in offenem Gelände Abstand nahmen, und brachte die Siedler dazu, Jamestown rasch zum Fort auszubauen. Das unterschiedliche Verhalten der Indigenen deutet darauf hin, dass Wahunsonacock selbst der Kolonie eher abwartend als feindselig gegenüberstand und den Mitgliedern der Föderation Handlungsspielraum ließ.681 Newport fand auf seiner Expedition weder Minen noch eine Passage nach Asien, kehrte aber dennoch mit Erzproben und einem überaus positiven Bericht über die Landesnatur und Ressourcen nach England zurück.682 Auch der Rat der Kolonie und mehrere einzelne Kolonisten sandten optimistische Botschaften, in denen sie für ein weiteres Engagement und insbesondere eine rasche Versorgung von Jamestown warben.683 Virginia erschien als »a lande that promisses more then the Land of promisse«.684 679 Smith 1608 und Ders. 1612. 680 Quinn 1985a, S. 65–67 ordnet es in den Kontext eines von Wahunsonacock befohlenen Massakers an den letzten Überlebenden der Roanoke-Kolonie und deren Nachkommen ein. Hierbei beruft er sich auf eine spätere, von John Smith verfasste und von William Strachey bekräftigte Erzählung über ein Gespräch Smiths mit Wahunsonacock, in der die oben bereits genannte Prophezeihung berichtet wird. 681 Rountree 2005, S. 61. 682 Edition in  : Barbour 1969 I, S. 80–98. 683 Barbour 1969 I, S. 78–80 und weitere Briefe ebd. 684 Brief Sir Walter Copes an Robert Cecil vom 12. August 1607, ebd. S. 108 Vgl. CMS Vol. 19, 1607, S. 417.

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Allerdings kritisierte der Rat vor Ort die Seeleute dafür, dass sie Werkzeuge der Kolonisten benutzten und eigenmächtig Ressourcen abbauten oder sammelten. Die Mitglieder des Rates gaben an, dagegen nichts unternehmen zu können, und darauf angewiesen zu sein, dass die Company ihre Autorität geltend mache. Diese Kritik zeigt, dass die fehlende Kontrolle über die Seeleute, die mit dem Schiff nur für eine Reise gechartert waren, ein noch immer ungelöstes Problem darstellte. Unmittelbar nach Newports Abreise entwickelte sich die Lage vor Ort jedoch kritisch, wie der Kolonist George Percy ausführlich beschrieb.685 Er klagte darüber, dass Newport zu geringe Vorräte zurückgelassen habe. Aus Smiths unterschiedlichen Berichten lässt sich ergänzen, dass die Seeleute bei jedem Aufenthalt für die Kolonie gedachte Vorräte konsumierten, um ihre eigenen Bestände zu schonen. Hunger, Salzvergiftung und Krankheiten führten dazu, dass im Herbst 1607 nur noch 38 geschwächte Männer am Leben waren. In dieser Situation war indigene Unterstützung unabdingbar, die durch Handelsreisen und Bündnisse mit benachbarten und entfernteren Gruppen gesichert werden musste. Hierbei tat sich John Smith hervor, der die Region weiträumig erforschte.686 Auf einer seiner Reisen nahm ihn Opechancanough, der jüngste Bruder des Anführers der Föderation, gefangen und brachte ihn zu Wahunsonacock, dem Powhatan. Smith war in seiner späteren Schilderung bemüht, dies als Ergebnis seines eigenen Verhandlungsgeschicks darzustellen, indem er behauptete, durch sein Wissen und das Vorführen von Technologie eine Hinrichtung abgewendet und das Treffen erwirkt zu haben.687 Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass Wahunsonacock den Angriff befohlen und ein Treffen mit Smith geplant hatte, da jener inzwischen als Sprecher der Engländer in der Region bekannt war. Nach einem Gespräch, in dem Smith nach eigenen Angaben versichert hatte, die Engländer würden nur vorrübergehend in der Region bleiben, kam es zu der in der Historiographie berühmten, aber auch umstrittenen Szene der angeblichen Beinah-Hinrichtung Smiths, die von Wahunsonacocks Tochter Matoaka, genannt Pocahontas, im letzten Augenblick verhindert worden sei. Diese von Smith erst 1624 erstmals beschriebene Szene ist sowohl als reine ­Fiktion, als Tatsachenbericht und als interkulturelles Missverständnis gedeutet worden.688 685 George Percy  : Observations gathered out of a Discourse of the Plantation of the Southerne Colonie in Virginia, ediert in  : Haile 1998, S. 497–519  ; Smith/Horn 2007, S. 1093–1114 und Quinn NAW V, S. 267–247. Sein umfassender Bericht A true relation, 1922 erstmals vollständig erschienen, ist die zentrale Quelle über diese Zeit und aufgrund der drastischen Schilderung und namentlichen, detaillierten Aufzählung der Todesfälle ein Novum in der kolonialen Berichterstattung, siehe Barbour 1969 I, S. 129–146  ; vgl. Donegan 2014, S. 80–116. 686 Zum Handel und den unterschiedlichen Vorstellungen der Indigenen und Engländer über die Bedeutung dieser Interaktion siehe  : quellennah mit einer Übersicht über Handel und Boykotte 1607–1609, Quitt 1995  ; und eher mit einer abstrakten Analyse Mallios 2005. 687 Smith 1624, S. 46 spätere Version ediert in  : Smith/Barbour 1986 II, S. 145–150. 688 Smiths Version aus einer späteren Auflage der General History ist ediert in  : Smith/Barbour

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Von diesen Varianten hat inzwischen die Deutung als Adoptionszeremonie mit einer rituellen Tötung, die in eine Wiedergeburt als Teil der Powhatan-Föderation unter der Patenschaft der Herrschertochter mündete, eine besondere Prominenz erhalten. Demnach habe Wahunsonacock nach seiner Auffassung Smith zu einem Unteranführer und die englische Kolonie zu einem Teil seiner Föderation gemacht. Er habe sich daher fortan verpflichtet gesehen, den Siedlern gegen den Hunger beizustehen, und von ihnen dafür Tribut und Gefolgschaft erwartet. Diese Taktik habe Wahunsonacock als Mittel zur Sicherung seiner Autorität sowie des Zugangs zu prestigeträchtigen Luxuswaren und europäischen Waffen gesehen. Smith hingegen erfasste vermutlich die Bedeutung der Zeremonie nicht. Was in den folgenden Monaten für Wahunsonacock ein Gabentausch auf Basis von Tribut und Fürsorge gewesen sein könnte, blieb für Smith überlebensnotwendiger Handel im europäischen kommerziellen Sinn. In England zirkulierten inzwischen am Vorbild von Thomas Harriots Werk orien­ tierte Berichte über die überreichen Ressourcen Virginias und die hervorragende Ausgangslage, die für weitere Unternehmungen geschaffen sei. Vor allem Christopher Newport, der die erste Versorgungsflotte zusammenstellte, warb mit den geradezu paradiesischen Zuständen um weitere Geldgeber.689 Auch die Mitglieder der Virginia Company of London ließen sich von den Berichten beeindrucken. Die paradiesischen Aussichten und die gleichzeitigen finanziellen Verluste der ersten Reise führten daher zu drängenden Erwartungen an Newport und die Kolonie, Profit zu erzielen. Bereits Zeitgenossen kritisierten in der Folgezeit den schädlichen Einfluss dieser irreführenden Berichte.690 Vor Ort war an eine koordinierte Suche nach Edelmetallen oder einer Passage in den Pazifik jedoch nicht zu denken. Ein Streit um die Führung brach aus, infolgedessen Edward Maria Wingfield unter Vorwurf des Machtmissbrauchs abgesetzt wurde. Wingfield selbst schrieb daraufhin eine Rechtfertigung, schilderte eine Intrige gegen sich und klagte ausführlich über den schlechten Charakter und die Unregierbarkeit der Kolonisten.691 1986 II, S.  150f.; vgl. Vaughan, 2006, S.  81f. Für die Ritualdeutung Rountree 2005, S.  79–81  ; Gleach 1997, S. 117–121  ; Zandt 2008, S. 74f.; Vaughan  : Pocahontas. In  : ODNB. Beispiel für simples Vertrauen in den Bericht Milton 2001, S. 310. 689 Beispielsweise in einem Brief an Cecil vom 29. Juli 1607, ediert in  : Haile 1998, S. 130, in dem auch Gold- und Silbervorkommen versprochen werden. Zum Topos der paradiesischen Zustände in Virginia und dem Vergleich mit einem Garten, vgl. Bisnar 2003, S. 97–107  ; Moran 2007, S. 50f. 690 So der Kolonist Gabriel Archer am 31. August 1609 in einem Bericht, den Purchas 1625 in Purchas HP, veröffentlichte  : »Wherupon Captaine Newport and others haue beene much to blame to informe the Counsell of such plenty of victuall in this Country, by which meanes they haue beene slecke in this supply to give conuenient content.« Moderne Edition in  : Barbour 1969 II, S. 279–283, hier S. 283. 691 Die Company erlaubte keine zeitgenössische Publikation der Rechtfertigungsschrift  : Edward Maria Wingfield  : A Discourse of Virginia. Daher liegen nur Editionen vor, in  : Quinn NAW V, S. 277–285 mit diffamierender Bewertung Wingfields durch den Herausgeber  ; und Haile 1998, S. 183–201. Über

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Sein Nachfolger war John Ratcliffe, den Wingfield aber auch John Smith als eigennützigen Intriganten kritisierten.692 Als Christopher Newport und die neuen Kolonisten im Januar 1608 eintrafen, fanden sie daher eine im Vergleich zu ihren Erwartungen desaströse Situation vor. Aufgrund der optimistischen Schilderungen bildeten erneut Gentlemen den Großteil der neuen Kolonisten, ergänzt um einige Handwerker, aber noch immer fehlten Männer mit Erfahrung in der Landwirtschaft und Frauen, die in Versorgung und Haushaltsführung wichtige Aufgaben übernehmen würden. Nach Smiths Schilderung belastete diese Versorgungsmission außerdem die Siedlung erheblich, da Newport zugelassen habe, dass die Seeleute Vorräte und Waren zu einem erheblichen Teil nicht ausgeladen, sondern gestohlen und selbst verwendet oder an die Siedler verkauft hätten. Dies habe die Siedler gezwungen, wiederum Ausrüstung zu stehlen und bei den Indigenen gegen Pelze oder Perlen einzutauschen. Dieser Schwarzhandel habe schließlich die Preise verdorben und zu einem Mangel speziell an Eisenwerkzeug geführt.693 Newport selbst unternahm eine Reise zu Wahunsonacock. Über den Verlauf berichtete Smith wiederum sehr negativ, da Newport ohne Widerspruch alle Forderungen des Oberhauptes der Powhatan-Föderation erfüllte. Hierbei zeigen sich deutlich gegensätzliche Ziele der Engländer. Newport hatte Befehl, schnellstmöglich Edelmetallminen oder eine Passage zum Pazifik zu finden, wofür er unbedingt indigene Hilfe brauchte. Smith hingegen wollte langfristig eine Position der Stärke in den Verhandlungen sichern und begehrte Waren knapphalten. Inwiefern Smith darüber hinaus – wie in der Forschung vermutet – annahm, dass Wahunsonacock das Verhalten Newports aufgrund der politischen Praxis der Powhatan als Tribut und Unterwerfungsgeste deuten würde und nicht, wie Newport meinte, als aus Überlegenheit resultierende Großzügigkeit, ist aus den Quellen nicht genau ersichtlich.694 Newport kehrte schließlich mit weiteren Erzproben und einem von ­Wahunsonacock als seinen Sohn vorgestellten jungen Algonquin nach England zurück.695 Vaughan geht diesbezüglich so weit, diesen Indigenen als ersten offiziellen Gesandten eines amerikanischen Herrschers in Europa einzuordnen. Zugleich schickte John Smith einen Bericht nach England, in dem er seine Unzufriedenheit mit der bisherigen Entwicklung der Kolonie zum Ausdruck brachte und die internen Konflikte und die Träg-

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die Ereignisse berichten, jeweils mit einer wertenden Perspektive auch George Percy in seiner True Relation und John Smith in seiner True Relation von 1608. Billings  : Ratcliffe, John. In  : ODNB. Smith 1612, Proceedings, ediert in  : Quinn NAW V, S. 310–346, hier S. 315, 317, 326. Vgl. Rountree 2005, S. 116. Inwiefern Newport die Seeleute überhaupt kontrollieren konnte ist allerdings fraglich, da die Schiffe nur gechartered waren und nicht der Company gehörten. Vgl. Davidson 2003, S. 114. So vermutet bei Richter 2007, S. 51f. Vaughan 2006, S. 46–49 und Ders. 2005, S. 52–54, hier S. 52 auch der Hinweis auf eine zeitgenössische Einordnung als Abgesandter.

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heit der Kolonisten als eine Hauptursache dafür schilderte.696 Krankheit und Hunger seien wiederum Gottes Strafe für das unmoralische Verhalten einiger Kolonisten. Über das Land selbst hingegen war er voll des Lobes und schloss mit den optimistischen Worten  : »Wee now remaining being in good health, all our men wel contented, free from mutinies, in love one with another, and as we hope in a continuall peace with the Indians.« Der Text erschien als True Relation noch 1608 im Druck  – allerdings ohne Einverständnis der Company.697 In Virginia setzten die Kolonisten nach Abreise der Schiffe Präsident Ratcliffe ab, und der Rat wählte nach weiterem Taktieren schließlich im September 1608 Smith zum Präsidenten, der als charismatischer Akteur eine Schlüsselrolle für die Versorgung einnahm. Trotz des Amtes konzentrierte er sich weiter auf Erkundungen in der Region und überließ die Geschäfte vor Ort George Percy, dessen ausführliche Berichte Observation und True Relation daher eine wichtige Ergänzung zu Smiths Texten darstellen. In England gelang es Christopher Newport nach nur wenigen Wochen ein weiteres Versorgungschiff auszurüsten, das noch im Herbst des Jahres 1608 Virginia anlief. Die damit erreichte Versorgungsdichte kann als wesentlicher Fortschritt gegenüber allen früheren Unternehmungen gewertet werden und zeigt, dass Nachschub und Kontakt als zentrale Probleme erkannt worden waren.698 Mit Newport kehrte auch der junge Algonquin nach Virginia zurück, der erhebliches Wissen über die Technologie und Lebensweise der Engländer gewonnen hatte. Bei seiner Ankunft übermittelte Newport dem Rat der Kolonie die Enttäuschung der Company darüber, dass trotz Ressourcen im Übermaß kein Profit erzielt und keines der gesetzten Ziele erfüllt worden sei. Aus diesem Grund brachte er neben weiteren Kolonisten, darunter zwei Frauen und mehrere Bergwerksexperten aus dem Heiligen Römischen Reich nach Virginia, die in den Quellen und der Literatur sowohl als Dutch wie als German bezeichnet werden, sowie französische Weinbauern.699 Newport berichtete außerdem, dass der Rat in London empfahl, die Indigenen offiziell zu Untertanen der Krone zu machen, um die Suche nach der Passage und die Missionierung voranzubringen. Newport wandte sich daher an den Rat von Jamestown und bat um Unterstützung dabei, Wahunsonacock aus England mitgebrachte Gaben zu überreichen und als Vasallen von König Jakob I. zu krönen. Der Rat stimmte für die Krönung und damit gegen seinen Präsidenten John Smith, der die Zeremonie als reine Ressourcenverschwendung abtat. Smith beugte sich aber dem Beschluss und brach auf, um Wahunsonacock zu 696 Für eine Einordnung dieser von Smith und anderen vorgebrachten Anschuldigungen siehe Morgan 1971. 697 Smith 1608  ; Smith schildert darin seine Handels- und Erkundungsreisen zu den Indigenen. Er bezieht außerdem gegen Vorwürfe Stellung, er sei dafür verantwortlich, dass die Indigenen zwei Mitreisende erschlugen. 698 Davidson 2003. 699 Zur Beliebigkeit der Bezeichnung siehe Barbour 1969 II, S. 215f.

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der Zeremonie einzuladen. Das Oberhaupt der Föderation bestand jedoch laut Smiths Bericht darauf, dass Newport mit den Gaben zu ihm kommen solle, und habe so seine Gleichrangigkeit mit Jakob I. herausgestellt. Newport kam der Bitte nach und vollzog mit Mühen eine aufwändige Krönungszeremonie, die Smith voll Ironie als Tausch von prunkvoller Krone und Krönungsmantel gegen die gebrauchte Kopfbedeckung und den alten Umhang Wahunsonacocks beschrieb.700 Erneut lassen die Ereignisse unterschiedliche Deutungen durch die beteiligten Akteure zu  : Aus Sicht der Company hatte Wahunsonacock sich und seine Herrschaft König Jakob untergeordnet, aus Sicht des indigenen Anführers hingegen konnten die zahlreichen Geschenke aber eine weitere Tributzahlung und somit Anerkennung seiner eigenen Autorität bedeuten.701 Die Zeremonie hatte keine unmittelbaren Auswirkungen, so dass Christopher New­port die Kolonie trotz Mahnungen der Company erneut ohne vorzeigbaren ­Erfolg verlassen musste. Diese Mahnungen nahm Smith zum Anlass, einen kritischen, von den Mitgliedern der Company als unangemessen harsch empfundenen Brief nach London zu schreiben, in dem er Mängel und die schlechte Eignung vieler Siedler offen ansprach.702 Nach der Abreise der Schiffe nahmen die Spannungen mit den Indigenen im Winter von 1608 auf 1609 trotz der Krönung wieder zu. Grund hierfür war, dass Wahunsonacock Nahrungsmittel nur noch gegen Waffen tauschen wollte, was nicht militärisch begründet sein musste, sondern auch an der anhaltenden Dürre und Knappheit seiner Waren gelegen haben könnte.703 Während Wahunsonacocks Leute sich friedlich verhielten, reagierten andere indigene Gruppen auf die englischen Expeditionen mit Gewalt, was die Engländer zum Anlass für Strafexpeditionen und Plünderungen nutzten, mit denen sie weitere Nahrungsmittellieferungen erzwangen. Dies wiederum konnte von Seiten Wahunsonacocks als Versuch zum Aufbau eigener Tributnetzwerke und damit als Herausforderung gedeutet werden. Trotz einiger erzwungener oder mühsam erhandelter Nahrungslieferungen war die Lage im Winter 1608 auf 1609 erneut katastrophal. Kornfäule und eine Rattenplage lösten eine weitere Hungersnot aus. In dieser Situation musste Smith als Präsident mit etablierten sozialen Normen brechen und regelmäßige Arbeitsdienste auch für die Gentlemen durchsetzen. In seinen Proceedings von 1612 rechtfertigte er sein stark kritisierte Vorgehen mit der Gefahr für den Erfolg der Unternehmung, die von den von ihm als faul und eigensinnig geschilderten Gentlemen ausgehe.704 Dies ist ungewöhnlich, da Anführer bisher in ihren Texten meist die sozial Niedrigstehenden als moralisch verdorben oder verroht dargestellt hatten. Im Frühjahr 1609 setzte Smith 700 701 702 703

Smith 1612 Proceedings, ediert in  : Quinn NAW V, S. 310–346, hier S. 324f. Horn 2005, S. 107f. Das genaue Datum des Briefes ist unbekannt, siehe die Edition  : Barbour 1969 I, S. 241–245. Quitt 1995, S. 254–256 sieht in diesem unauflösbaren Interessenkonflikt in den Zeitpunkt als beiden Seiten klar wird, dass ein fundamentaler Konflikt vorliegt, der nur gewaltsam gelöst werden könne. 704 Gewissermaßen ein Leitmotiv in Smiths Werk, beispielsweise in Smith 1612  : Proceedings, Edition Quinn V, S. 310–346  ; hier S. 312f., 317, 326f., 334, 340f.

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seine Expeditionen fort, berichtete aber in den Proceedings, dass die Powhatan immer höhere Forderungen gestellt hätten. Angesichts des Mangels und der Zwänge im Fort seien in dieser Situation die Dutch oder Germans zu den Indigenen übergelaufen und hätten Waffen, Munition und Ausrüstung aus dem Fort geschmuggelt. In London reagierte die Company auf die katastrophalen Ergebnisse mit einer Änderung ihrer Vorgehensweise. Als Hauptprobleme hatte sie aus den Berichten die lange Dauer der Versorgungsfahrten, die wiederum Vorräte kosteten, sowie die schwache Führung vor Ort identifiziert. Letzteres war für die Company entscheidend, da sie den Investoren glaubhaft versichern konnte, dieses Problem durch Reformen beheben zu können. Ein offenes Eingeständnis, dass die Landesnatur die Erwartungen nicht erfülle, wäre hingegen den Geldgebern nach den bisher positiven Berichten kaum zu vermitteln gewesen. Der Rat in London betonte somit, Herr der Lage zu sein, und befahl, eine neue, direkte Versorgungsroute durch den nördlichen Atlantik zu nehmen sowie die Verwaltung neu zu ordnen. Hierfür gewährte der König eine neue Charter.705 Anstelle des Präsidenten sollte ein Gouverneur von hohem sozialen Rang mit alleiniger Entscheidungshoheit die Führung übernehmen und sein Amt mit einer großen Verstärkung antreten, die ihm auch eine Offensive gegen feindselige Indigene ermöglichte. Die Kolonisten sollten dabei nicht länger besoldet, sondern Anteilsnehmer und damit dauerhafte Siedler sein. Diese Bemühungen erforderten einen noch höheren Kapitaleinsatz als zuvor, so dass angesichts der vermutlich kursierenden schlechten Nachrichten eine Propa­gan­ da­­offensive notwendig schien. Richard Hakluyt gab hierfür 1609 eine aufwändig gestaltete Übersetzung des Reiseberichts zur Expedition von Hernando de Soto heraus, in der er den natürlichen Reichtum Nordamerikas hervorhob, und Robert Johnson entwarf mit der Druckschrift Nova Britannia eine Vision dessen, was in Virginia geschaffen werden könnte, wenn nur die richtigen Siedler mit moralisch hochwertigen, uneigennützigen Motiven kämen.706 Darüber hinaus regte Hakluyt die Übersetzung der ersten Auflage von Marc Lescarbots Histoire de Nouvelle France durch einen in England lebenden Hugenotten an.707 Im Vorwort stellte der Übersetzer die Kolonisierung Amerikas als ein Wettrennen europäischer Herrscher dar, das zum Wohle 705 Am 23. Mai 1609, ediert in  : Quinn NAW V, S. 205–212. Die Charter führt 618 individuelle Teilhaber und 55 London City Companies als Anteilseigner auf. 706 Der Untertitel von Richard Hakluyts 1609 dem Rat der Conpany gewidmeten Schrift verdeutlicht dessen Ziel  : Richard Hakluyt 1609  : Virginia richly valued, By the description of the maine land of Florida, her next neighbour  : […] Wherein are truly observed the riches and fertilitie of those parts, abounding with things necessarie, pleasant, and profitable for the life of man  ; Robert Johnson  : Nova Britannia Offring most excellent fruites by planting in Virginia. Exciting all such as be well affected to further the same – ediert in  : Quinn NAW Bd. V, S. 234–248. 707 Marc Lescarbot 1609a  : Nova Francia  : or the description of that part of New France which is one continent with Virginia. trans by Pierre Erondelle. Eine deutsche Übersetzung mit starken Kürzungen erschien in Augsburg  : Dabertzhofer 1613.

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der Indigenen ausgetragen werde, die das Christentum erhalten würden.708 Als zusätzliches Werbemedium nutzte man Predigten, in denen die bekannten Argumente Hakluyts, Hayes’ und anderer erneut vorgebracht wurden und mehr noch die Kolonisierung Virginias als heilige Aufgabe der englischen Nation gepriesen wurde.709 Damit ergänzten die Predigten die früher auf Profit und weltliche Vorteile ausgerichteten Werbetexte zu einem fortan in allen Texten aufscheinenden Gesamtbild  : »any opposition against it, is an opposition against God, the King, the Church, and the commonwealth.«710 In diesen Texten erreichte die schon immer postulierte Verknüpfung von Besiedlung und Mission eine neue mediale Qualität, zumal sich die Predigten explizit an Personen wandten, die persönlich nach Virginia gehen würden. Ihre Werbewirkung forcierte die Company dadurch, dass die Texte auch im Druck erschienen, wo sie im Falle von William Crashaws Abschiedspredigt für den neuen Gouverneur einen Umfang von 80 Seiten erreichten.711 Das Hervorheben der religiösen Ziele führte bei Crashaw und anderen zugleich zu einer Diffamierung des Profitstrebens und zur Abwertung kaufmännischer Interessen, was die Company aber nicht als Angriff aufzufassen schien, wenn dadurch eine zusätzliche Klientel erschlossen werden konnte. Gemeinsam ist allen Predigten, dass sie jedwede Probleme als bloße Falschbehauptung oder als durch eine richtige moralische Einstellung überwindbar darstellten. Zum Gouverneur ernannte die Company Thomas West, Lord De-la-Warre.712 Er sollte vor Ort den ungesunden und für spanische Kriegsschiffe erreichbaren Siedlungsplatz Jamestown auf die Rolle eines Versorgungshafens reduzieren und stattdessen einen neuen befestigten Regierungssitz und mehrere Außenposten errichten.713 Eine militärische Offensive, um die englische Autorität durchzusetzen und die indigenen priests gefangen zu nehmen oder zu töten, gehörte auch zu seinen Aufgaben, da diese Männer als die Urheber aller Konflikte zwischen Engländern und Indigenen und als Hemmnis für die Missionierung galten. Die Macht Wahunsonacocks sei zu brechen und seine Unterordnung zu erzwingen. Handel solle nur noch speziellen Beauftragten 708 Ebd. S. IV. 709 Vgl. bspw. die Predigten  : Daniel Price 1609  : Sauls prohibition staide  ; Robert Gray 1609  : Good Speed to Virginia  ; William Symonds 1609  : Virginia. A sermon preached at White-Chappel, in the presence of many, honourable and worshipfull, the aduenturers and planters for Virginia. Für eine Übersicht siehe Fitzmaurice 2000, S.  26f. und Horn 2005, S.  139–141. Zu dem Aufkommen der Predigten als Werbemedien  : Fitzmaurice 2000 insgesamt und Ders. 2004, S. 64–92  ; Scanlan 1999, S. 5 und S. 93–118  ; Mancall 1995, S. 19. 710 Gray 1609, S. 19. 711 William Crashaw 1610  : A New-Yeeres Gift to Virginea. A Sermon preached in Lonfon before the right honorable Lord Lawarr. Die Predigt war bereits am 21. Februar 1609 gehalten worden. Zur Kritik am Profitstreben speziell, S. 19–21. 712 Fausz  : West, Thomas, third Baron De La Warr. In  : ODNB. 713 Vgl. die Anweisungen für Lord De-la-Warre, ediert in  : Quinn NAW V, S. 218–220 und für seinen Stellvertreter Thomas Gates, ediert ebd. S. 212–218.

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erlaubt sein, und alle Siedler müssten gemeinsam für das Gemeinwohl arbeiten. Außerdem soll eine strenge Zensur für Briefe eingeführt werden. Infolge dieser Neuordnung brach 1609 Thomas Gates als Stellvertreter des Lords De-la-Warre mit der dritten und bisher größten Versorgungsflotte mit 500 Siedlern, darunter mehreren Familien, nach Virginia auf. Die Flotte geriet auf der Überfahrt jedoch in einen Hurrikan, und das Flaggschiff mit dem gesamten Führungspersonal strandete auf Bermuda. Thomas Gates und seine Männer überlebten auf der ressourcenreichen, unbewohnten Insel zwar nahezu ohne Todesfälle, waren aber vorerst dort gefangen. Die übrigen Schiffe erreichten beschädigt und verspätet Virginia, brachten aber nur wenig Vorräte und Ausrüstung mit, so dass sich mehr Siedler als zuvor die knappen Ressourcen teilen mussten. Die neuen Siedler berichteten von der Reform der Kolonie und der Einsetzung eines Gouverneurs, was Smiths Kritiker zum Anlass nahmen, seinen Rücktritt zu fordern. Smith jedoch weigerte sich, bis zum Eintreffen offizieller Dokumente oder des Gouverneurs sein Amt abzutreten. Die Folge waren erneute Konflikte innerhalb der Kolonie, über die sowohl Smith als auch George Percy schrieben und in denen das von den Gentlemen als Missachtung ihres Status empfundene Verhalten Smiths ein wichtige Rolle spielte.714 Angesichts der Spannungen und der katastrophalen Vorratslage ordnete Smith an, dass die Neuankömmlinge mit einem Anteil der Vorräte zwei eigene Außenposten gründen und sich dort selbst versorgen sollten, um die Belastung für die Indigenen und die natürlichen Ressourcen geringer zu halten. Die neuen Siedler verfügten jedoch über keine Erfahrungen oder Kontakte und setzten auf brutale Gewalt gegen die Indigenen, die selbst wiederum angesichts der englischen Expansion gewaltbereit waren. Bevor Smith auf diese Lage reagieren konnte, musste er infolge eines Unfalls im Spätsommer 1609 schwerverletzt nach England zurückkehren. Nach Smiths Verwundung und der Abreise der Schiffe übernahm George Percy bis zum Eintreffen des angekündigten Gouverneurs das Amt des Präsidenten. Seine Aufzeichnungen über die folgenden Monate machen ihn zum wichtigsten Chronisten der sogenannten Starving Time. Die Todesrate im Winter und im Frühjahr 1610 übertraf alles bisher Dagewesene. Durch Hunger, Krankheiten und Angriffe der Indigenen starben 85 Prozent der Kolonisten oder desertierten und kehrten nicht zurück. Nach dem Ausbruch offener Gewalt waren die benachbarten Gruppen der Powhatan-­ Föderation zu einer Belagerung übergegangen, die Teile der Forschung bereits als Kriegszustand bewerten.715 Sie vermieden eine offene Konfrontation und griffen statt714 So schrieb John Ratcliffe einen Brief an Robert Cecil, in dem er Smith und seiner Willkürherrschaft die Schuld an der Lage der Kolonie gab. Siehe Hume 1997, S. 256. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass Percy sich von der Kritik Smiths an den Kolonisten angegriffen fühlte und in seiner späteren Publikation deutlich gegen Smiths Darstellung Position bezog, vgl. Hume 1997, 257. 715 Zur Übersicht siehe Fausz  : Powhatan. In  : ODNB.

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dessen alle Siedler an, die das Fort verließen, um Nahrungsmittel zu sammeln oder zu handeln. Percy beschrieb die Folgen des extremen Hungers ausführlich, der seinen Angaben nach zum Zusammenbruch der sozialen Ordnung bis hin zum Kannibalismus führte.716 Auch das unerwartete Eintreffen des auf Bermuda gestrandeten Schiffbrüchigen Thomas Gates, des Stellvertreters des Gouverneurs De-la-Warre konnte keine Abhilfe bringen.717 Gates hatte mit den Schiffbrüchigen seiner Versorgungsflotte zwar monatelang erfolgreich auf der Insel überlebt und sogar zwei neue Schiffe konstruieren können, brachte aber nur rudimentäre Vorräte nach Virginia. Dort übernahm er den Befehl und ordnete an, alle Überlebenden einzuschiffen und vor Neufundland und der Kap Breton Insel Hilfe zu suchen. Daraufhin gaben die Siedler Jamestown auf und Gates berichtete, er habe nur mit großer Mühe verhindern können, dass die Männer das Fort niederbrannten. Kurz nach der Abfahrt traf Gates’ kleine Flotte jedoch ein Boot, in dem ein Kurier ihnen die unmittelbar bevorstehende Ankunft von Lord Dela-Warre mit weiterer Verstärkung und Vorräten ankündigte. Lord De-la-Warre übernahm sofort den Befehl und beorderte alle Schiffe nach Jamestown zurück.718 Nach einem Gottesdienst zur Feier seiner Ankunft gab er in einer Ansprache den Überlebenden die Schuld für ihre Lage und mahnte sie vor Untätigkeit und gottlosem Verhalten. Er stellte die Kolonie unter Kriegsrecht und proklamierte neue Gesetze.719 Damit reagierte er auf bekannte Probleme, beispielsweise indem er die Todesstrafe für eigenmächtigen Handel mit Indigenen verhängte und Arbeit und militärische Übungen für alle Siedler zur Pflicht machte. Diese Dienste und regelmäßige Gebete und Gottesdienst wurden durch Glockensignale zu einem 716 Insbesondere der kannibalistische Akt erregte in England große Aufmerksamkeit, woraufhin die Company sich bemühte, die Tötung als gewöhnlichen Mord umzudeuten, Hume 1997, S. 260f. Zu Percys Schilderung und deren Bedeutung für koloniale Literatur Donegan 2014, S. 100–103. 717 Den desolaten Eindruck, den die bisherigen Kolonisten auf die Neuankömmlinge machten, beschrieb William Strachey in seiner Schrift  : William Strachey 1610  : True Reportory of the Wreck and Redemption of Sir Thomas Gates, Knight, upon and from the Islands of the Bermudas  : His Coming to Virginia and the Estate of that Colony then and after under the Government of the Lord La Warr July 15, 1610, ediert in  : Quinn NAW V, S. 288–300, vgl. die Ausgaben Wright 1964, S. 1–101 und Haile 1998, S. 381–445. Strachey gab, ganz der vorherrschenden Deutungslinie entsprechend, den Kolonisten selbst aufgrund fehlender Disziplin und Arbeitsbereitschaft die Schuld an ihrem Zustand. Strachey war auch bezüglich des Kannibalismus auf Linie der Company und bezeichnete dies als Übertreibung und üble Nachrede. 718 Zentrale Quelle über die Ankunft und Amtshandlungen De-La-Warres ist Strachey  : True Reportory. Hinzu kommen Briefe und eine eigene, zeitgenössisch publizierte Relation des Gourverneurs Thomas West, Lord De-La-Warre von 1611, Editionen in  : Hayle 1998, S. 527–533 und Smith/Horn 2007, S. 1169–1173. 719 Bereits zeitgenössisch als wichtige Maßnahme angekündigt und als Werbemaßnahme der Company in England publiziert. Council of Virginia 1612  : For the colony in Virginea Britannia. Laws divine, Morall and Martiall. Vgl. die Editionen Strachey/Flaherty 1969  ; und Quinn NAW V, S. 221– 225.

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streng geregelten Tagesablauf geordnet. Lord De-la-Warre kontrastierte seine Amtszeit in den Berichten an die Company als Gegensatz zu dem vorherigen Regime, in dem faule und streitsüchtige Kolonisten das Potential Virginias nicht realisiert hätten. Damit bediente er die etablierten Deutungsmuster der Company. Die Verstärkung nutzte De-la-Warre außerdem für eine Offensive, die nach dem diffusen Belagerungszustand den Beginn eines von 1610–1614 andauernden offenen Krieges zwischen den Engländern und der Powhatan-Föderation markierte.720 De-la-Warre forderte von Wahunsonacock die volle Anerkennung der bei dessen Krönung angeblich vollzogenen Unterwerfung unter die englische Oberhoheit in Form der Lieferung von Vorräten ohne Gegenleistung, der Rückgabe aller gestohlenen Waffen sowie der Auslieferung der Überläufer und Freilassung von Gefangenen. Als Wahunsonacock dies verweigerte, befahl De-la-Warre eine Strafexpedition, welche George Percy befehligte. Ziel war die in unmittelbarer Nähe lebende indigene Gemeinschaft der Paspaheg, zu der es nach anfänglichen Konflikten im Jahr 1607 regelmäßige Handelskontakte gegeben hatte.721 Percy und seine Männer gingen dabei äußerst brutal vor und ermordeten erstmals gefangene Kinder, eine Praxis, die in der indigenen Kriegsführung unbekannt war. De-La-Warre persönlich befahl außerdem die Hinrichtung einer gefangenen Frau des Anführers der Paspaheg in Jamestown. Auf diesen verheerenden Schlag, der zur Auflösung der indigenen Gemeinschaft führte, folgten weitere Expeditionen gegen indigene Siedlungen. De-la-Warre setzte darauf, durch Einschüchterung und Zerstörung der Lebensgrundlage der Indigenen eine Unterwerfung zu erzwingen. Seine Taktik führte jedoch in den folgenden Jahren nicht zum Erfolg. De-La-Warre kehrte zwar bald aus gesundheitlichen Gründen nach England zurück, blieb dort aber eine treibende Kraft für die Fortsetzung der Propaganda.722 Dies war nötig, nachdem aus Jamestown Berichte über die Starving Time eintrafen und trotz einer Zensur Verbreitung fanden. Die Company setzte alles daran, diese Informationen als Gerüchte zu diskreditieren und erneut die Vorzüge Virginias zu preisen.723 720 Rountree 1993, S. 183f. Siehe die Schilderung von William Strachey True Reportory in  : Wright 1964. 721 Donegan 2014, S. 110–113. Zum Verlauf der Strafexpeditionen ist George Percys  : True Relation die wichtigste Quelle. Siehe die Editionen in  : Smith/Horn 2007, S. 1093–1114, hier S. 1102–1112  ; und in  : Haile 1998, S. 497–519, hier S. 508–515. 722 Vgl. Lord De-la-Warres Relation vom Juni 1611, in Quinn NAW V, S. 263–265  ; Roper 2009, S. 17 und S. 66f.; Hume 1997, S. 294f. 723 So erschien Counseil for Virginia 1610  : A true declaration of the estate of the colonie in Virginia vvith a confutation of such scandalous reports as haue tended to the disgrace of so worthy an enterprise. Diese Schrift sollte nachweisen, dass die Kolonisierung  : Lawfull, Possible and Profitable sei. Hierfür spielte neben den von John Dee und Richard Hakluyt formulierten Argumenten insbesondere auch die Missionierung als Ziel eine wichtige Rolle. Ursache aller Probleme sei die schlechte, nach dem Schiffbruch sogar fehlende Führung und die Gier einzelner Kolonisten und der Seeleute gewesen. Letzteres Argument griff John Smiths frühere Kritik auf. Vgl. die Edition in  : Quinn NAW V, S. 248–262.

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Das Eintreffen De-la-Warres im buchstäblich letzten Moment nahm die Company natürlich ebenso wie das Überleben von Gates und seinen Männern nach dem schweren Schiffbruch zum Anlass, um in einer neuen Welle von Druckschriften die Gottgefälligkeit der Kolonie zu propagieren.724 Daran wirkten auch Richard Hakluyt und Robert Johnson mit.725 Hinzu kam die Behandlung aller Kritik als üble Nachrede und Standhaftigkeit als Ausweg zur Erfüllung der Aufgabe, wie R. Rich in Versform ausdrückte  : And in the mid’st of discontend came noble Delaware  : He heard the greifes on either part and sett them free from care. […] And to th’Adventurers thus he writes, be not dismayed at all  : For scandall cannot doe us wrong God will not let us fall. Let England knowe our willingnesse, for that our worke is good, Wee hope to plant a Nation where non before hath stood.726

Der in Virginia tätige Geistliche Alexander Whitaker brachte den Glauben an die Gottgefälligkeit der Unternehmung auf den Punkt  : »God himselfe is the founder and favourer of this plantation«.727 Dies bedeute zugleich, dass jedweder Kritiker oder Gegner der Unternehmung, indigen oder englisch, ein Diener des Teufels sein 724 Aussagekräftig ist bspw. der Untertitel der Schrift  : Richard Rich 1610  : Nevves from Virginia […] The lost Flocke triumphant. Vgl. den Bericht von Silvester Jourdain 1610  : A discovery of the Bermudas otherwise called the Ile of Divels, ediert in  : Wright 1964, S. 105–116. Aus den Berichten ging bald eine Werbung für ein neues koloniales Projekt auf Bermuda hervor, im Rahmen dessen die Inseln auch einen neuen Namen erhielten  : Silvester Jourdain 1613  : A Plaine descripption of the Barmudas now called sommer Islands. 725 Richard Hakluyt gab seine De-Soto-Übersetzung mit neuem Titel heraus, Hakluyt 1611, in dem er verspricht  : With Divers excellent and rich Mynes, of Golde, Silver, and other Mettals, so neere on one continent. Schließlich veröffentlichte auch Robert Johnson eine Fortsetzung von Nova Britannia  : Robert Johnson 1612  : The nevv life of Virginea declaring the former successe and present estate of that plantation. Vgl. Zur Übersicht  : Kingsbury 1906, S. 32f. 726 Rich 1610, S. 4 und S. 5 des Haupttextes. 727 So in der Widmung der Schrift Alexander Whitaker 1613  : Good nevves from Virginia sent to the Counsell and Company of Virginia, resident in England from Alexander Whitaker. […] published by direction from that counsell. Vgl. Die Edition Haile 1998, S. 695–746. Zur Person des Verfassers, der als Geistlicher in Jamestown wirkte und Matoaka/Pocanhontas taufte, siehe Kupperman  : Whitaker, Alexander. In  : ODNB.

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müsse, was wiederum  – so der Zirkelschluss  – die Gottgefälligkeit der Unternehmung beweise.728 Neben den Werken im Umfeld der Company erschienen 1612 bemerkenswerterweise in Oxford zwei Werke des ehemaligen Präsidenten John Smith, mit denen er in doppelter Hinsicht seinen Status sichern wollte  :729 einmal im Hinblick auf seine Rolle als größter lebender Experte für Nordamerika, wie er in der Map of Virginia unter Beweis stellen wollte, und zum anderen in Bezug auf seine in den Proceedings beschriebenen Taten in Virginia, mit denen er die spanischen Eroberer übertroffen habe. Zugleich rechnete er mit den Kolonisten ab, die durch Eigennutz und Faulheit den Erfolg der Kolonie sabotiert hätten. Seine Selbstdarstellung erhielt zusätzliche Wirkmacht dadurch, dass er mit dem Sammler und Herausgeber von Reiseberichten Samuel Purchas befreundet war, der sich für seine Darstellung der Geschichte Jamestowns wesentlich auf Smith stützte.730 Trotz des andauernden Krieges und noch immer ausbleibender Profite schickte die Company hunderte weitere Siedler, inklusive Frauen und Kinder, an die Chesapeake Bay. Der durch publizistisch tätige Rückkehrer befeuerte Wille ihrer Führungsgruppe, die eingesetzten Mittel und die für heilig erklärte Mission nicht aufzugeben, muss daher letztlich als der wichtigste Grund für die Dauerhaftigkeit der Kolonie gelten. Hinzu kamen in den Jahren 1613–1615 drei weitere, in der Historiographie bereits oft benannte Faktoren. Zum einen nahmen die Engländer 1613 Matoaka/Pocahontas, die mit John Smith seit 1608 bekannte Tochter Wahunsonacocks, gefangen, was den Anführer der Föderation zu einem Waffenstillstand zwang. Während die langwierigen Verhandlungen über ihre Freilassung noch andauerten, änderte sich die politische Lage. Einzelne indigene Gruppen versuchten dauerhafte Allianzen mit den Engländern zu knüpfen und akzeptierten sie so als alternatives Machtzentrum zur PowhatanFöderation.731 Der zweite in der Forschung zentrale Aspekt ist die Taufe von Matoaka/Pocahontas auf den Namen Rebecca und ihre Hochzeit mit dem Kolonisten John Rolfe im Frühjahr 1614.732 Speziell in der populären Erinnerungskultur wurde dies lange als 728 Über die Nähe dieser Predigten zum puritanischen Diskurs  : Borge 2002, S. 111f. 729 John Smiths A Map of Virginia und seine Proceedings erschienen 1612 in Oxford. Smith machte seinen Text Map of Virginia mit kleineren Änderungen zum Kern des zweiten Buches seiner 1624 erschienenen Generall History of Virginia, New-England, and the Summer Isles. Das dritte Buch hingegen war eine um ca. 30 Prozent erweiterte Version der Proceedings. Für eine kombinierte Neuausgabe des dritten Buches mit Nachweis der Ergänzungen siehe Haile 1998, S. 215–349  ; vgl. für beide Smith/Barbour 1986 II, S. 25–478. 730 Aebel 2011, S. 268–274. Allerdings nahm Purchas auch Berichte anderer auf, wie die von George Percy. 731 Siehe Ralph Hamor 1615  : A true discourse of the present estate of Virginia and the successe of the affaires there, S. 11–16. Laut Hamor verpflichtete sich eine indigene Nation zu Tribut, Kriegsdienst und nahm sogar einen neuen Namen an, der »Englishmen« bedeute. 732 Übersicht  : Vaughan  : Pocahontas. In  : ODNB  ; Beispiel aktuelle für Heroisierung in der Forschung  :

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Zeichen dauerhaften Friedens und einer Koexistenz von Indigenen und Engländern verklärt. Dies ging einher mit einer Glorifizierung Rebecca Wolfes zur Heldin in der frühen amerikanischen Historiographie. Zugunsten dieser Deutung lassen sich leicht Quellenbelege finden, da auch die Zeitgenossen die erste erfolgreiche Missionierung als Meilenstein darstellten, um weitere Geldgeber zu gewinnen.733 Die Company hatte damit nach sieben Jahren erstmals eines ihrer Hauptziele erreicht – wenn auch nur in einem einzigen Fall. Das Ereignis ihre Taufe hat noch in der Gegenwart besondere Bedeutung – ist sie doch die einzige indigene Person, die mehrmals in der Rotunde des US-Kapitols zu sehen ist  : einmal auf dem Fries, wo die Szene von John Smiths angeblicher Rettung abgebildet ist, und zum anderen auf einem großformatigen Gemälde, auf dem John Gadsby Chapman 1839 ihre Taufe in Szene setzte.734 An dritter Stelle ist die für die weitere Besiedlung und die Geschichte Nordamerikas überaus wichtige Einführung von karibischem Tabak durch Rebecca Wolfes Ehemann zu nennen. Durch ihn erhielten die Siedler in Virginia eine Möglichkeit, auch ohne Bodenschätze Profite in einem Maße zu erzielen, das die Investoren zufriedenstellte. Dieselbe Entwicklung vollzog sich parallel auf Bermuda, wo die Virginia Company aufgrund der positiven Berichte der Schiffbrüchigen um Thomas Gates ebenfalls begann, Plantagen zu errichten.735 Die neue wirtschaftliche Basis Virginias und Bermudas erforderte jedoch weite Flächen und hohen Arbeitsaufwand, was nicht nur zur indentured servitude und der Einführung von Sklaven aus Afrika führte, sondern die Vertreibung der indigenen Bevölkerung zur Folge hatte.736 Während 1607 die Plymouth Company of Virginia versuchte, am Sagahadoc/Kennebec River Fuß zu fassen, und die London Company immer mehr Siedler in ihr lange Zeit Zandt 2008, S. 75–84. Zur Erforschung der Heroisierung Tilton 1994. In Erweiterung der Heldenrolle Pocahontas’ führt Games 2008, S. 131f. an, dass informelle Beziehungen und Allianzen zwischen Engländern und indigenen Frauen in Jamestown bestanden hätten, die essentiell für Wissenstransfer gewesen seien. Quellenbelege existieren dafür jedoch nicht. Es scheint also, dass hier Richard Whites Thesen zum Middle Ground und die positive Deutung der Rolle Pocahontas’ dazu führen, dass bestimmte Narrative auch ohne Quellen in die neueste Forschung aufgenommen werden. 733 So bereits Hamor 1615. Die Schrift erhielt zwei Nachdrucke 1615 und 1616 eine zweite Auflage, Zur Bedeutung von Rebecca Wolfe für den Frieden, S. 4–10. Vgl. Roper 2009, S. 69–71  ; Vaughan 2006, S. 84–92. 734 Vgl. die Angaben auf der Internetseite des Capitols, wo weiterhin die zentrale Bedeutung dieser Taufe hervorgehoben wird, die unter Auslassung der Taufe Manteos bei Roanoke als erste native-american Konversion in einer englischen Kolonie bezeichnet wird. https://www.aoc.gov/art/historic-rotundapaintings/baptism-pocahontas [12.09.2018]. 735 Die Company erhielt 1612 eine königliche Bestätigung ihrer Ansprüche auf Bermuda. 1614 lebten bereits 600 Siedler auf der zuvor unbewohnten, ressourcenreichen Insel, für deren Verwaltung 1615 eine eigene Company gegründet wurde. Den Siedlern gelang es durch Tabakanbau, bereits 1618 die Kolonie zu einem profitablen Geschäft zu machen. Andrews 1964, S. 214–222. 736 Rountree 1993, S. 174.

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prekäres Fort an der Chesapeake Bay sandte, unternahm auch der offizielle LieutenantGeneral von Nouvelle-France, Pierre Dugua Sieur de Monts, einen erneuten Versuch zur Gründung eines Außenpostens. Er konnte jedoch kein umfassendes, neues Monopol erwirken. Heinrich  IV., der kurz zuvor noch die Freiheit des Handels betont und de Monts’ zehnjähriges Monopol nach drei Jahren aufgehoben hatte, kam ihm allerdings entgegen und gewährte ein einjähriges Monopol für den St. Lorenz.737 Dies zeigt, dass der König kein eigenes Grand Design in der Kolonialpolitik verfolgte, sondern ganz nach Lage der höfischen Netzwerke entschied. De Monts hatte somit nur ein Jahr, um einen Handelsposten zu errichten, der durch seine Lage den Pelzhandel aus dem Landesinneren abfangen konnte, bevor dieser die leicht zugänglichen Handelsplätze wie Tadoussac erreichte. Hierfür konnte er auf Champlains Erkundungen der Region zurückgreifen, aufgrund derer er die heutige Stadt Québec als Standort auswählte. Dieses neue koloniale Projekt ähnelt, bei allen Unterschieden in Umfang, Organisation und Verlauf, Jamestown in zumindest einer Hinsicht. Seine Geschichte ist über Jahrhunderte hinweg als eine Heldengeschichte mit einem zentralen Protagonisten erzählt worden – in diesem Fall Samuel de Champlain. Da Champlain selbst der zentrale und meist auch der einzige Chronist der Ereignisse ist, konnte er sich selbst noch mehr als John Smith als heroischen Akteur erfinden.738 Bis in die Gegenwart nehmen seine Erzählungen eine Schlüsselrolle in der Historiographie ein, was in Wechselwirkung mit seiner kulturellen Bedeutung als Vater der Nation, speziell im frankophonen Québec, einhergeht.739 Somit hatten Champlains Texte in der formativen Phase der kanadischen Nationalgeschichtsschreibung eine erhebliche Bedeutung, die seinen Narrationen Langlebigkeit verlieh.740 Sein zentrales Werk über die frühe Geschichte Québecs ist Les voyages du Sieur de Champlain ou, Journal tres-fidele des obeservations fait és descouvertes de la Nouvelle France, das erstmals 1613 erschien. Mit diesem Werk erweiterte Champlain zweifellos den Wissenstand der Europäer erheblich, da er in Karten und Texten zahlreiche Flüsse 737 Beschluss des Conseil d’Etat vom 29. März 1608. Zitiert in  : Le Blant/Baudry 1967, S. 168. Siehe den Abdruck der Commission für de Monts in Champlain/Biggar II, S. 5–9. 738 Champlain 1613. Vgl. die maßgebliche zweisprachige Ausgabe Champlain/Biggar II. Zu den Reisen von 1608–1612, S. 1–237 und zur vierten Reise von 1613, S. 237–315. Neuere englische Ausgabe in mehreren Auszügen in Quinn NAW IV. 739 Für die Kontextualisierung im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen im Québec  : Holbrook 1976, S. 39  ; als Beispiele für die anhaltend zentrale Rolle Champlains in der Historiographie siehe Conrad 2012, S.  26–51 und Fischer 2008. Deutlich ist auch, dass der Erfolg des Unternehmens laut Pickett/Pickett 2011, S. 168–180 allein ihm zu verdanken sei. Gordon 2010  : Über die Bedeutung Cartiers und Champlains in der Historiographie und Erinnerungskultur, S. 115–128 mit zahlreichen Verweisen. Siehe hierzu auch Kapitel 4.2.2. 740 Beispielsweise in Robitaille 1996. Die Beschreibung der indigenen Lebensweise sowie die Konstruktion der europäischen Siedlung sind direkt aus den Werken Champlains übernommen, siehe S. 103–06 und S. 151–180.

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und Seen sowie unterschiedliche indigene Siedlungen und Gemeinschaften beschrieb. Letzteres hat seinen Texten nach der historiographischen Wende zugunsten indigener Geschichte von 1992 zusätzliche Wirkung verschafft. Seine Darstellung der Ereignisse war auch die Grundlage für die entsprechenden Passagen im einzigen konkurrierenden Werk, der ab 1609 in mehreren Ausgaben erschienenen Histoire de Nouvelle France des Marc Lescarbot, der als Propagandist für den Sieur de Poutrincourt und eine Kolonisierung der Acadie eintrat. In gewisser Weise konkurrierten Champlain und Lescarbot um die Protektion des Königs und des Hofes, aber auch um den Ruf, der größte Experte für Nordamerika und wichtigster Autor zu diesem Thema zu sein. Hierfür finden sich kleinere Hinweise in den Werken beider Männer, wenn auch deutlicher bei Lescarbot.741 Zwischen ihnen und ihren Werken bestanden dabei erhebliche Unterschiede. Lescarbot inszenierte sich als Poet und gebildeter Literat, Champlain als schnörkelloser Praktiker und als Geograph. Wo Lescarbot eine Gesamtschau aller kolonialen Projekte Frankreichs bot, die als Trittsteine den Weg für die Vorhaben Poutrincourts als triumphalen Höhepunkt bereitet hätten, betonte Champlain seine eigenen Erlebnisse und Verdienste und spielte seine Vorgänger eher herunter.742 Obwohl Lescarbot die angeblich übertriebene Selbstglorifizierung Champlains kritisiert, folgt er aber dennoch bezüglich der Geschichte Québecs sehr eng dessen Voyages.743 Somit überrascht es nicht, dass sich aus den beiden zentralen Quellentexten ein relativ eindeutiges Bild der Ereignisse ergibt, das bisher auch durch zusätzliche Quellen nur ergänzt, aber nicht widerlegt werden konnte.744 Gestützt auf sein kurzlebiges Monopol schickte de Monts unmittelbar drei Schiffe an den St. Lorenz, um Handel zu treiben und unter dem Befehl Champlains einen Außenposten bei Québec zu errichten. Er ernannte Champlain hierfür zu seinem Lieu­tenant, was Champlains erstes offizielles Amt in Nordamerika war.745 Das Fort bei Québec sollte als neuer Handelsplatz etabliert werden, den Ausgangspunkt für die Suche nach einer Passage durch den Kontinent bilden und als Stützpunkt das Umland und den Fluss kontrollieren.746 Während des zielstrebig verfolgten Aufbaus 741 Thierry 2004, S. 121–134. 742 Thierry 2008, S. 276f.; siehe Lestringant 1984, S. 69–88 zum Vergleich beider Autoren. 743 Die Berichte über Champlains Wirken sind besonders ausführlich in der Version von 1617, Buch V. Kapitel II–VII. Siehe die Ausgabe Lescarbot/Biggar, S. 5–34. Zur Nutzung von Champlains Texten durch Lescarbot siehe am Beispiel von Des Sauvages Heidenreich 2010, S.  105f. Nur punktuell bezieht Lescarbot in diesen Abschnitten kritisch Stellung gegen Champlains Angaben, bspw. Lescarbot/Biggar, S. 7 und S. 34. 744 Wichtigste zusätzliche Quellensammlung ist Le Blant/Baudry 1967 mit Informationen zu Verträgen, Ausrüstung sowie Prozessakten zur Durchsetzung oder Anfechtung von Monopolen. Überblicke zu den Ereignissen bieten  : Thierry 2008, S. 285–360  ; Trudel 1963a, S. 151–181. 745 Trudel  : Champlain, Samuel de. In  : DCB. 746 Thierry 2008, S. 293–297 über das Fort.

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kam es angeblich zu einer Verschwörung vierer Mitreisender gegen Champlain, die er aber festnehmen konnte, bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen und ihn ermorden konnten.747 Auffällig ist bei dieser Episode, dass Lescarbot sie zum Anlass nimmt, seine Leser darauf hinzuweisen, dass Unruhe unter den Siedlern und Meuterei ein zentrales Problem fast aller von Franzosen unternommenen kolonialen Projekte gewesen seien.748 Auch ohne einen expliziten Vergleich erschien damit in Lescarbots Werk die harmonische Port-Royal-Kolonie seines Partners Poutrincourt 1605–1607 als besonderer Erfolg. Die erste Überwinterung kostete aufgrund von Krankheit, vermutlich Skorbut, 20 der 28 Männer das Leben, wie in Überblicksdarstellungen stets hervorgehoben wird.749 Unerwähnt bleibt aber meist, dass Champlain von Cartiers Heilmittel gegen Skorbut, einem Rindenaufguss, wusste und nach den dafür notwendigen Pflanzen in der Region suchte. Doch weder er noch die erst seit wenigen Jahrzehnten in der Region siedelnden Montagnais, konnten dieses Heilmittel finden.750 Anders als zur Zeit Cartiers hätten die Indigenen laut Champlain oft selbst im Winter unter Hunger gelitten und sogar die Franzosen um Nahrungsmittel gebeten.751 Die hohe Todesrate und begrenzten Möglichkeiten zur Vorratshaltung führten dazu, dass in den folgenden Jahren immer nur circa ein Dutzend Männer in Québec überwinterten. Zu weiteren Todesfällen kam es kaum, vermutlich da die kleine Besatzung wenig Vorräte erforderte und bereits geringe Jagdbeute allen Bewohnern zusätzliche Nährstoffe bot. Die Versorgung der Kolonie übernahm der erfahrene Kapitän Gravé Du Pont, der von 1609 bis 1618 jedes Jahr von Frankreich nach Nordamerika fuhr. Sein Einsatz ermöglichte das Überleben der Kolonie und sicherte Einnahmen durch den Pelzhandel.752 Während er die bekannten Handelsplätze anfuhr und sich mit Schmugglern und nach dem Auslaufen des Monopols mit legalen Konkurrenten auseinandersetzte, unternahm Champlain Expeditionen ins Hinterland. Dabei nahm Champlain Kontakt zu Gruppen von Algonquin, Huronen und Montagnais auf, schloss Bündnisse mit ihnen gegen die Föderation der Irokesen und kämpfte auch an ihrer Seite. In den Berichten über diese Kampfhandlungen schreibt 747 Zu den Kolonisten gehören auch Strafgefangene, was Champlain aber nicht näher ausführt, Thierry 2008, S.  292f.; siehe die ausführliche Darstellung durch Champlain in  : Champlain/Biggar II, S. 25–34. 748 Lescarbot/Biggar, S. 6 749 So beispielsweise Havard/Vidal 2003, S. 54f.; vgl. Champlain/Biggar II, S. 52–57. 750 Dies widerspricht der These von Pickett/Pickett, dass Wissen sukzessive anwächst und zur Verbesserung des folgenden Versuchs genutzt werde. Stattdessen kann Wissen zwar vorhanden, aber praktisch wertlos sein. Vgl. Pickett/Pickett 2011, S. 190–193, zur Überwinterung auch Thierry 2008, S. 297f. 751 Beispielsweise Champlain/Biggar II, S. 46f. und 52–57. Dabei differenziert er, dass es nicht an der Landesnatur, sondern der Wirtschaftsweise der Indigenen liege. Die Irokesen betrieben beispielsweise erfolgreiche Vorratshaltung. 752 Trudel  : Gravé Du Pont. In  : DCB.

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Champlain sich selbst die Rolle eines Anführers zu, der auch Indigenen die richtigen Taktiken für den Kampf gegen ihresgleichen beigebracht und dadurch hohes Ansehen erworben habe.753 Hinzu kommen herausragende persönliche Leistungen im Kampf wie die Tötung zweier Anführer der Irokesen und Verwundung eines dritten mit einem einzigen Arkebusenschuss, für den er vier Kugeln in den Lauf geladen habe. Seine Verdienste hätten ihm einen solchen Ruf eingebracht, dass die Indigenen ihn noch Jahre später wiedererkannt hätten und ihm vertrauten. Champlains Ruf und Beziehungen waren angeblich so gut, dass er es für möglich hielt, indigene Gruppen nicht nur davon zu überzeugen, dauerhafte französische Siedlungen zu akzeptieren, sondern auch ihre eigenen Dörfer an den St. Lorenz zu verlegen, um dort unter französischem Schutz zu leben.754 Er und seine Verbündeten tauschten außerdem junge Männer aus, welche die jeweils andere Sprache lernen sollten, und schufen so eine Basis für langfristige Interaktion.755 Als den Gegenpol zu seiner verdienstvollen Tugendhaftigkeit inszeniert Champlain in seinen Berichten die Händler, die ab 1609 wieder an den St. Lorenz reisen durften. Er schrieb, sie würden betrügen oder die Indigenen bedrohen, die Preise verderben und somit aus Gier allen schaden und sich selbst zukünftige Profite wegnehmen.756 Die von Champlain geschmähten Händler waren aber nicht nur in Nordamerika gegen seine Interessen aktiv, sondern auch in Frankreich.757 Dort drängten Bürgermeister, Schöffen, Ratsleute, Rechtsgehilfen und Kaufleute aus mehreren Küstenstädte gemeinsam darauf, dass de Monts’ Monopol nicht verlängert und der Handel freigegeben wurde. Der vom kolonialkritischen Herzog von Sully wesentlich geprägte Conseil d’Etat kam diesem Anliegen nach, so dass ab 1609 der Handel offiziell freigegeben war. 753 Dickason 1992, S. 125. Zu den indigenen Gemeinschaften und ihren Kriegszügen vgl. Eccles 1999, S.  29–31 und Ders. 1998, S.  21–26, der Champlains eigene Berichte als Übertreibungen und unglaubwürdig kritisiert. So beschreibt Champlain bspw. in seinen Voyages von 1632, wie er die Indigenen taktisch unterwies und mit einem Schuss drei Gegner tötete  : Champlain/Biggar IV, S. 80–99. Dies wird auch von Lescarbot unkritisch wiedergegeben  : Lescarbot/Biggar III, S. 12, ebenso zur Führungsrolle Champlains S. 19f. 754 Champlain hebt immer wieder seine Allianzen mit den Indigenen und deren Bereitschaft hervor, französische Siedlungen zu akzeptieren und unter französischen Schutz zu leben, bspw. Champlain/ Biggar II S. 195f.; deutlich sind auch die von ihm angeblich dazu geführten Gespräche im Rahmen seiner vierten Reise, ebd. S. 285–307. 755 Auch von Lescarbot hervorgehoben, bspw. Lescarbot/Biggar, S.  21 Angeblich sei Lescarbot mehrfach einem der Indigenen in Paris begegnet, der von der französischen Lebensweise begeistert gewesen sei, S. 27. 756 Seine eigene und de Monts’ Motivation macht er explizit im ersten Kapitel seiner Voyages deutlich, in dem er auch die Händler aus dem Baskenland und der Bretagne offen kritisiert Champlain 1613. Vgl. Quinn NAW IV, S. 302f. und Thierry 2008, S. 359. 757 Beschluss des Conseil d’Etat vom 6. Oktober 1609, zitiert in  : Le Blant/Baudry, S. 191–193. Vorerst ausgenommen ist der Handel flussaufwärts von Québec. Zum Einfluss Sullys vgl. Thierry 2008, S. 319–321.

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Dennoch waren De Monts und eine kleine Gruppe von Geschäftspartnern bereit, jedes Jahr persönlich Geld für weitere Reisen aufzubringen.758 Die Tatsache, dass sie die Kosten für ein Fort und die weitere Suche nach einer Passage durch den Kontinent übernahmen, während ihre Konkurrenten sich auf den Handel konzentrieren konnten, führte aber zu Verlusten. Aus diesem Grund reiste Champlain mehrfach zwischen Kanada und Frankreich hin und her, um für eine Verstetigung der Unternehmung und um weitere Geldgeber zu werben. Im Zuge dieser Aufenthalte erstattete er auch dem König persönlich Bericht, was zwar auf dessen Interesse hinweist, aber zunächst folgenlos blieb.759 Immerhin gelang es Champlain und de Monts, zeitweilig eine Kooperation mit Kaufleuten aus Rouen zu vereinbaren, die bei der Versorgung von Québec halfen und dafür das Fort als Lagerplatz nutzten.760 Dennoch blieb das Projekt ein Verlustgeschäft, aus dem 1611 die Partner des S ­ ieur de Monts aussteigen wollten.761 Er kaufte ihnen daraufhin ihre Anteile ab und finan­ zierte das Fort alleine weiter. Seine Ansprüche auf die Acadie gab er hingegen auf und trat sie an eine Hofdame der Königin ab, die dort mit Poutrincourt ein eigenes koloniales Projekt verfolgen wollte. Champlain wiederum heiratete zu dieser Zeit und investierte die hohe Mitgift seiner Frau in das Unternehmen. Dies war aber nur eine vorläufige Lösung, denn zur Verstetigung brauchte es herrschaftliche Protektion. In dieser Situation konnten Champlain und de Monts schließlich einen rang­hohen Finanzbeamten, Pierre Jeannin, für sich gewinnen, der bereits Lescarbot erlaubt hatte, ihm seine Histoire de Nouvelle France zu widmen.762 Jeannin stellte eine wichtige neue Verbindung zum Hofe des minderjährigen Ludwigs  XIII. und seiner regierenden Mutter dar. König und Rat gaben im Herbst 1612 dem Bitten nach und gewährten ein neues Patent und Monopol für einen Protektor und Vizekönig von königlichem Blut. Nutznießer war am 8. Oktober zunächst der Comte de Soisson und nach dessen überraschendem Tod der Prinz de Condé.763 Im Patent waren als Ziele zunächst Missionierung genannt, erst danach Besitznahme und Aufbau einer Kolonie. Der Prinz ernannte Champlain im November zu seinem Lieutenant und verlieh ihm das Recht, Allianzen zu schließen, über Krieg und Frieden gegenüber den Indigenen zu entscheiden, Amtsträger zu ernennen und Schmuggler aufzubringen.764 Wichtig ist in diesen Dokumenten, dass ausdrücklich alle étrangères aus den Kolonien exkludiert werden 758 MacBeath  : Dugua de Monts. In  : DCB. 759 Champlain/Biggar II, S. 109f. 760 Trudel  : Champlain. In  : DCB. 761 Champlain/Biggar II, S. 215–218. 762 Thierry 2008, S. 350–352  ; Champlain selbst berichtet davon Champlain/Biggar II, S. 243–247. 763 Die Lettres Patentes sind ediert in  : Le Blant/Baudry 1967, S.  233–238. Zusätzlich befahl Ludwig XIII. an die Admiralität der Normandie, Bretagne, Picardie und Guyenne keinen anderen Handel mit Québec und Umgebung zuzulassen. Vom 13. November 1612, zitiert in  : Le Blant/Baudry, S. 239–241. 764 Vgl. Thierry 2008, S. 351f. Trudel  : Champlain, Samuel de. In  : DCB.

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sollten. Ein multilaterales Vorgehen wie in Jamestown mit Teilnehmern aus Frankreich und dem Alten Reich, war somit in Nouvelle-France ausgeschlossen. Mehr noch  : Jedwede Kollaboration mit auswärtigen Mächten war als Akt der Rebellion gegen die Autorität des Vizekönigs zu ahnden. Die Verkündung des Monopols provozierte auch unter der Regentschaft für den minderjährigen Ludwig XIII. die zuvor schon unter Heinrich IV. üblichen Reaktionen. In einer Eingabe kritisierten Händler aus St.  Malo dies als Eingriff in alte Rechte und bezichtigten Champlain, bisher ohne offiziellen Titel und nur auf Kosten anderer nach Kanada gereist zu sein.765 Außerdem habe er die Leistungen Cartiers zu Unrecht geschmälert. Parallel dazu verweigerte das Parlement von Rouen einmal mehr die Registrierung der königlichen Dokumente. Ludwig XIII. stand jedoch zu Champlain, der dreimal persönlich nach Rouen reiste und schließlich den königlichen Willen übermittelte, das Parlement solle das Monopol akzeptieren. Mit diesem Rückhalt konnten Champlain und de Monts eine neue Companie gründen, die für Händler aus allen Städten offen sein sollte.766 Zur Werbung hierfür gab er seine Voyages mit einer Widmung an den König sowie die Königinmutter in Druck. Der dem Werk erst spät hinzugefügte Bericht über seine neueste Reise 1613 erhielt noch eine eigene Widmung an den Prinzen de Condé, dem er versprach, bald die Passage ins Südmeer zu erschließen.767 Trotz der königlichen Unterstützung blieb Québec aber eine im Vergleich mit den englischen Kolonien winzige Siedlung, in der 1616 nur ca. 50 Europäer lebten. Deren Prioritäten lagen auf dem Pelzhandel und der Erkundung des Landes und nicht auf dem Aufbau einer eigenen, von Frankreich unabhängigen Nahrungsmittelversorgung. Dass Champlain selbst mit dieser Entwicklung nicht zufrieden war, belegt ein Memorandum, das er 1618 an den König, dessen Rat sowie mit Begleitmaterial an die Chambre de Commerce sandte.768 Darin entwarf Champlain eine Unternehmung, die alle bisherigen Pläne in den Schatten stellte, sogar das mutmaßlich von Jacques Cartier verfasste Memorandum von 1538.769 Champlain plante eine Stadt, so groß wie St. Denis, bei Québec zu errichten, dazu drei weitere Siedlungen am Sankt-LorenzStrom, Klöster, Forts, zwei regelrechte Festungen und dazu die Ansiedlung zahlreicher missionierter Indigener in eigenen Dörfern entlang des Stromes. Dies alles sollte auf eine breite wirtschaftliche Grundlage gestellt werden, für welche die Passage nach Asien nur eines von vielen Standbeinen war. Vielleicht schon ahnend, dass er seine 765 Heidenreich 2010, S.  193–203. Mit Edition der Beschwerdeschrift von Händlern aus St.  Malo gegen Champlain nach Le Blant/Baudry 1967. 766 Die Übereinkunft Champlains mit Kaufleuten aus La Rochelle und Rouen vom 5. Februar 1613 ist ediert in  : Le Blant/Baudry, S. 256–261. 767 Champlain/Biggar II, S. 239–241. 768 Eingabe und nähere Erläuterungen zu den zu erwarteten Einkünften in der Ausgabe Champlain/ Biggar II, S. 326–345, vgl. zur Einordnung Havard/Vidal 2003, S. 55f. 769 Edition in  : Cook 1993, S. 126–130  ; vgl. Trudel 1963, S. 121–124  ; Julien 2003, S. 135–138.

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Versprechen nicht erfüllen würde, zählte Champlain auf, wie viele hunderttausend ­Livres aus Fischerei, Landwirtschaft, Rinderzucht, Minen und dem Pelzhandel zu erwarten seien, und kam natürlich auf eine Summe, die alle Kosten mehr als ausgleichen würde. In seinem Text nutzte Champlain das wenige Jahre zurückliegende, gewaltsame Ende der von Lescarbot und Poutrincourt vorangetriebenen Kolonisierung der Acadie als mahnendes Beispiel. Wie im folgenden Abschnitt näher dargestellt wird, waren die parallel zu Québec gegründeten Kolonien bei Port Royal und Saint-Sauveur 1613 von Engländern zerstört worden. Die Chambre de Commerce nahm seinen Entwurf wohlwollend an und leitete ihn mit der Empfehlung an die Krone weiter, zunächst 300  Soldaten und dann jährlich Siedlerfamilien mit Kindern zu entsenden.770 Der junge König reagierte auf das Votum jedoch nicht und die koloniale Politik änderte sich bis zur ersten englischen Eroberung Québecs im Jahr 1627 und dem Engagement Kardinal Richelieus kaum. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt die 1610–1613 von Jean Biencourt, Sieur de Pou­ trincourt, unternommenen kolonialen Projekte im Gebiet der Acadie bereits seit Langem untergegangen waren, bieten sie sich aus vier Gründen für den Abschluss der Betrachtungen zu Nordamerika an  :771 Zum einen setzten Poutrincourt und seine Partner ein bereits 1604 begonnenes Engagement fort und sahen sich sowohl bekannten wie auch neuen Problemen gegenüber, die Ausdruck in begleitenden Publikationen fanden. Zum anderen traten mit den Jesuiten erstmals diejenigen Ordensgeistlichen auf, die nach 1625 erheblichen Einfluss auf die französische Kolonialpolitik in Québec nehmen sollten. Sie gerieten mit Poutrincourt und dessen Propagandisten Lescarbot in einen Konflikt, sowohl um das richtige Vorgehen vor Ort als auch um die ­spätere Deutungshoheit. Beides verdeutlicht die langfristige Entwicklung von der bisher handelsbasierten zu einer neuen, missionarisch geprägten Kolonialisierung. Drittens manifestiert sich im Untergang dieser Kolonie die Konkurrenz zwischen französischer und englischer kolonialer Expansion, als Samuel Argall mit einem Angriff 1613 aus der bisher vorwiegend imaginierten Feindschaft militärische und diplomatische Realität machte. Viertens war diese Unternehmung von zentraler Bedeutung für Marc 770 Erklärung der Chambre de Commerce vom 9. Februar 1618, zitiert in  : Champlain/Biggar, S. 346– 349. 771 Zentrale Quellen für die folgenden Unternehmungen sind  : Briefe und Relationen der beteiligten Jesuiten, die im Folgenden näher vorgestellt werden  : Campeau 1967  ; vgl. mit englischen Übersetzungen  : Thwaites I–IV  ; weiterhin Lescarbot  : Histoire de Nouvelle France Ausgabe 1617, V. Buch, in der Edition Lescarbot/Biggar III, S. 35–76. Der erste Teil des Abschnitts ist eine gekürzte Fassung von Lescarbots Relation Derniere, die in Thwaites II, S. 145–187 enthalten ist. Weitere kleinere Schriften sind in den genannten Quellensammlungen ediert. Die Forschung ist meist um Neutralität bemüht, einige Autoren tendieren aber zu einer Parteinahme  : Vgl. zur Ereignisgeschichte Thierry 2008, S. 361–458  ; Thierry 2001, S. 217–237  ; Trudel 1963a, S. 81–151  ; Trudel 1973, S. 107–117  ; Cook 2008, S. 364–400  ; Collard 2006, S. 94–154  ; Campeau 1972, S. 1–49. Übersichten bieten auch die Artikel  : Ryder  : Biencourt de Poutrincourt et de Saint-Just, Jean de  ; und Dies. Biencourt de Saint-Just, Charles de  ; eindeutig pro-Jesuitisch Campeau  : Biard, Pierre alle in  : DCB.

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Lescarbot, der ihr in der finalen Version seiner historiographisch wirkmächtigen Histoire de Nouvelle France von 1618 einen Ehrenplatz einräumte. Die erneute Initiative des Sieur de Poutrincourt begann mit der Bestätigung seiner Ansprüche auf den 1607 aufgegebenen Siedlungsort Port Royal, wobei davon die Rechte des inzwischen stärker an Québec interessierten Sieur de Monts an NouvelleFrance insgesamt unberührt bleiben sollten. Ohne ein Monopol fehlte es Poutrincourt jedoch an finanziellen Mitteln, um seine Siedlung dauerhaft in Besitz zu nehmen. Als Ausweg hierfür bot sich eine stärkere Fokussierung der bisher schon immer als Ziel genannten, aber realiter nur nachrangig verfolgten Missionierung an. Poutrincourt schrieb diesbezüglich an den Papst, der die besondere Bedeutung dieser Aufgabe bestätigte, aber keine Mittel außer seinem Segen und einem Geistlichen zur Unterstützung gewährte. Bei Hofe weckte Poutrincourt hingegen das Interesse der Königinmutter Maria de Medici und mehrerer einflussreicher Hofdamen, die ihn allerdings drängten, mit dem Jesuitenorden zu kooperieren. Dieser Orden hatte zumindest bei Hofe einflussreiche Fürsprecher und stellte den Beichtvater Heinrichs IV. Poutrincourt gab diesem Drängen jedoch nicht nach, sondern brach nur mit dem vom päpstlichen Nuntius mit umfangreichen Kompetenzen ausgestatteten Priester Fleché nach Port Royal auf.772 Er investierte für diese Reise sein eigenes Vermögen und setzte darauf, dass der Pelzhandel die Kosten decken würde, bis erste Erfolge bei der Missionierung Geldgeber überzeugen würden, ihn ohne Auflagen zu unterstützen. Im April 1610 erreichte seine kleine Expedition, zu der auch sein Sohn Charles de Biencourt gehörte, ihr Ziel. In seinen Schriften lobte der in Frankreich verbliebene Marc Lescarbot besonders, dass die Indigenen alle Gebäude und sogar die Möbel unberührt belassen hätten.773 Die Begrüßung durch den Sagamore Membertou und seine Familie war angeblich überschwänglich, was nicht überrascht, da deren Status in der Region wesentlich von europäischen Waren abhängig war.774 Außerdem führte das Fehlen eines Zentrums, wie es Port Royal bildete, dazu, dass die Indigenen über eine große Fläche verteilt siedelten und auch miteinander seltener interagierten. Binnen kurzer Zeit war die Siedlung repariert und Fleché taufte zuerst am 24. Juni 1610 Membertou und dessen Familie sowie in den folgenden Wochen weitere 80– 100 Indigene. Für die neuen Christen, die Symbole wie das Kreuz bereits seit einigen Jahren zu einem Teil ihrer eigenen spirituellen Welt gemacht hatten, war dies aber kein Ausdruck tiefergehender Konversion, sondern bedeutete eher eine besonders feierliche, zeremonielle Form der dauerhaften Allianz zweier Völker.775 Dennoch feierten Poutrincourt und Fleché dies als großen Erfolg und schickten ein Taufregister als Be772 773 774 775

Thierry 2008, S. 373. Ausführliche Schilderung in  : Lescarbot  : Relation Derniere, in  : Thwaites II, S. 145–187. Campeau  : Membertou. In  : DCB. Squires  : Secoudon. In  : DCB  ; vgl. Salisbury 1984, S. 56 und S. 71–76  ; Salisbury 2007, S. 401. Für die Lesart der Taufe als Allianz spricht Lescarbots Aussage, Membertou habe direkt einen Feldzug gegen alle Nichtchristen in der Region angeregt  : Lescarbot/Biggar, S. 40.

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leg nach Frankreich. Die guten Nachrichten überbrachte Poutrincourts Sohn Charles persönlich mit einer Ladung Pelze. Zurück in Frankreich suchte der junge Charles de Biencourt die Hilfe des erfahrenen, mit seinem Vater befreundeten Propagandisten Marc Lescarbot.776 Lescarbot erstellte aus dem Taufregister, Berichten Biencourts und Briefen aus Port Royal die Schrift La conversion des sauvages qui ont este baptizés en la Nouvelle France, cette Annee 1610, die er der nach der Ermordung Heinrichs IV. inzwischen regierenden Königinmutter Maria de Medici widmete.777 Darin skizziert Lescarbot die Missionierung der Indigenen als eine Aufgabe, welche die Spanier aufgrund ihrer Gier und Grausamkeit nicht vollenden könnten. Stattdessen komme Frankreich die Erfüllung dieser heiligen Pflicht zu, wofür nun Poutrincourt und sein Sohn bereitstünden. Sie hätten mit Port Royal den perfekten Startpunkt und mit Membertou den bestmöglichen Verbündeten dafür gefunden. Dessen Liebe für die Franzosen zeige sich im Taufregister, laut dem Membertou und seine Familie die für ihr Verwandtschaftsverhältnis zueinander passenden Namen der französischen Königsfamilie angenommen hatten.778 Über die Mission hinaus würden als Vorteile bekanntermaßen Pelze, Fischgründe und eine Passage nach China und zu den Molukken warten. Neu ist, dass Lescarbot Frauen besonders hervorhebt, durch deren Anwesenheit eine Kolonie gesünder, glücklicher und lebenswerter werde.779 Grund hierfür könnte sein, dass die Königinmutter, ihre Hofdamen und andere Frauen von Stand bereits Interesse gezeigt hatten und als neue Zielgruppe galten. Die Regentin selbst weist er noch auf Isabella von Kastilien als Vorbild hin, die durch die Förderung kolonialer Projekte Spanien ein Weltreich gesichert habe. Der junge König Ludwig XIII. und seine regierende Mutter nahmen in einer Audienz die Nachrichten Charles de Biencourts wohlwollend zur Kenntnis und erhoben ihn am 7. Oktober 1610 in den Rang eines Vizeadmirals für Nouvelle-France.780 Ein neues Monopol oder Gelder erhielt er jedoch nicht, unter anderem weil zeitgleich andere Projekte in Südamerika die Aufmerksamkeit der Krone banden.781 Allerdings bot die erste Hofdame der Königin, Annette de Pons Marquise de Guercheville, an, eine weitere Expedition und die Ausrüstung für Port Royal zu finanzieren, wenn zwei vom königlichen Beichtvater empfohlene Jesuiten die Missionierung übernehmen würden. Über Geld hinaus könnte Madame de Guercheville außerdem wichtige Kontakte in

776 Thierry 2008, S. 388–390. 777 Marc Lescarbot 1610  : Le conversation des Savvages qui ont esté baptizés en la Novvelle France, cette annee 1610, eine Neuausgabe folgte im selben Jahr. Edition in  : Thwaites I, S. 49–115. Später auch in Neuauflagen der Histoire de Nouvelle France, wie Lescarbot/Biggar, S. 32–41. 778 Lescarbot/Biggar, S. 21f. 779 Ebd. S. 41f. 780 Trudel 1963a, S. 93f. 781 Thierry 2008, S. 397.

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eine zukünftige Kooperation einbringen und die Unterstützung weiterer Mitglieder der Hofgesellschaft vermitteln. Biencourt nahm daher das Angebot an, was dazu führte, dass sich nicht nur er und seine Partner, darunter hugenottische Kaufleute, sondern auch die zwei J­esuiten Pierre Biard und Enemont Massé in Dieppe auf die Abreise vorbereiteten.782 Für die Darstellung der folgenden Ereignisse ist zu beachten, dass Jean Biencourt Sieur de Poutrincourt, sein Sohn Charles und Marc Lescarbot grundsätzlich eine negative Haltung gegenüber den Jesuiten einnahmen und ihnen im Nachhinein zahlreiche Vorwürfe machten. Der Jesuit Biard hingegen schilderte in mehreren Briefen und einer Druckschrift dieselben Ereignisse in einem anderen Licht.783 Er wies alle Vorwürfe als erfunden und Ausdruck einer völlig unbegründeten Ablehnung seines Ordens zurück, kritisierte aber weder Poutrincourt oder dessen Sohn, sondern lobte sie häufig. Daher liegen auch zum schwierigen Auftakt der Reise zwei Versionen vor. Lescarbot schilderte sie nach Berichten Jean de Biencourts, während Biard seinem Vorgesetzten einen Brief darüber schrieb.784 Übereinstimmend geben beide Quellen an, dass die Jesuiten in Dieppe auf Widerstand der hugenottischen Partner des jungen Biencourts trafen, die sich auch unter Druck der Obrigkeit konsequent weigerten, die Jesuiten mit ihren Waren nach Amerika reisen zu lassen.785 Da der Transport der Fracht kommerziell unumgänglich war, bot sich als einziger Ausweg, den Männern ihre Anteile an der Unternehmung und die Fracht abzukaufen, wofür die Hofdame Guercheville den Jesuiten die nötigen Mittel zukommen ließ. Bedingung für die Zahlung war, dass Biencourt im Namen seines Vaters mit den Jesuiten einen Vertrag schloss und sie offiziell zu Partnern in seinem Projekt machte.786 Inwiefern dieser Vertrag ausgewogen war, ist bei den Zeitgenossen und in der Forschung umstritten.787 Nach Lösung dieses Problems mussten die Männer eine schwierige Überfahrt bewerkstelligen, deren lange 782 Vgl. zu den Personen Chmielewski 2014  ; Campeau  : Biard. In  : DCB  ; Campeau  : Massé. In  : DCB. 783 Eine Übersicht über die unterschiedlichen Schilderungen bietet Campeau 1967, S.  223–255, allerdings mit deutlich projesuitischer Position. 784 Marc Lescarbot 1612  : Relation Derniere, in  : Campeau 1967, S. 168–203  ; Lescarbot/Biggar, S. 42–72. Der Brief Biards ist ediert in  : Campeau 1967, Quelle 63  ; für eine Übersetzung siehe Quinn NAW IV, S. 386–394  ; vgl. Thwaites I, S. 138–184. Siehe zu Kontext und Bedeutung Thierry 2008, S. 402–409. 785 Pierre Biard  : Lettre au T.-R. P. Claude Aquaviva Général de la Compagnie de Jèsus à Rome. Aus Dieppe am 21. Januar 1611, ediert in  : Thwaites I, S. 125–138  ; Lescarbot gibt in seiner Histoire de Nouvelle France an, die Kaufleute hätten sich gesorgt, dass die Kolonie an Spanien fallen werde, wenn Jesuiten dorthin reisten, Lescarbot/Biggar, S. 48 – jeder andere Orden sei den Kaufleuten aber willkommen. 786 Trudel 1963a, S. 99f. geht hier von realen Problemen aus, während Thierry 2008, S. 409 eher eine Maßnahme zur Geldgewinnung sieht. Der Vertrag ist ediert in  : Campeau 1967, Quelle 60, S. 109– 116 Contract des Jésuites avec Charles de Biencourt, Dieppe 21. Januar 1611. 787 Lescarbot gab ihn in der Histoire de Nouvelle France wieder und kritisierte alle Vorwürfe, es habe sich um ein Manöver gehandelt, um das Geld der Jesuiten zu bekommen, als abwegig. Im Gegenteil hätten die Jesuiten daraus Vorteile gezogen, siehe Lescarbot/Biggar, S. 49–51.

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Dauer zur Folge hatte, dass die Vorräte für Port Royal verbraucht waren und die Lohnforderungen der Seeleute stiegen. Im Mai 1611 erreichten sie die Kolonie, in der zu dieser Zeit 20 Personen lebten, darunter auch einige Hugenotten.788 Biard verfasste hier seinen ersten Bericht und lobte die Landesnatur und die Unterstützung durch Jean de Biencourt und dessen Vater, brachte aber auch seine Enttäuschung über die Realität hinter den geschildeten Missionserfolgen zum Ausdruck. So hätten die Indigenen ihre Lebensweise kaum verändert und hielten sich – ganz wie Protestanten – trotz ihrer eigentlichen Unter­ legenheit für etwas Besseres.789 Kurz nach der Ankunft erhielt Charles de Biencourt von seinem Vater den Befehl über Port Royal, der daraufhin in Begleitung des Priesters Fleché mit einer Ladung Pelze nach Frankreich zurückkehrte. Zurück in Frankreich berichtete Poutrincourt Marc Lescarbot über die bisherigen Ereignisse, der daraufhin seine Relation dernière verfasste, die als Aktualisierung seiner früheren Histoire de Nouvelle France fungierte.790 In diesem Text zeigte sich Lescarbot zwar kritisch gegen die Involvierung der angeblich machthungrigen Jesuiten, brachte aber wenig konkrete Vorwürfe vor, außer dass die Geistlichen die Verzögerung bei der Versorgung der Kolonie verursacht hätten. Gestützt durch diesen Fortschrittsbericht wandte sich Poutrincourt, dessen eigene finanzielle Mittel weitgehend erschöpft waren, wieder an Madame de Guercheville. Die Hofdame war zwar zu einem dauerhaften Engagement bereit, forderte dafür aber rechtliche Sicherheit ihres Einflusses, was Poutrincourt ihr angeblich nicht geben konnte, weil seine offiziellen Papiere in Port Royal seien. Guercheville erhielt die gewünschte Absicherung jedoch vom Sieur de Monts, der Poutrincourt noch immer formal übergeordnet war. De Monts, der sich mit Champlain inzwischen ganz auf den St. Lorenz konzentrierte, verkaufte alle seine Rechte auf das südliche Nouvelle-France an Guercheville.791 Poutrincourt blieben nach diesem Manöver nur noch die Rechte auf Port Royal und seine unmittelbare Umgebung, so dass er sich gegenüber der Hofdame jetzt in einer sicherlich ungewollten unterlegenen Position befand. In Port Royal kam es, zumindest den späteren Berichten Lescarbots nach, während­ dessen zu Spannungen zwischen den Jesuiten und den übrigen Kolonisten sowie zwischen Jesuiten und den Indigenen – was Biard als Fehlinformation oder Missverständnis abtat. Auffällig ist, dass insbesondere für Lescarbot hinter allen Schwierigkeiten eine große Intrige der Jesuiten steckte, die versucht hätten, ganz Nouvelle-France an sich zu bringen und sich über die weltliche Herrschaft zu stellen.792 788 789 790 791

Trudel 1963a, S. 102. Thwaites I, S. 138–184. Thierry 2008, S. 414–417. Thierry 2008, S. 419f.; Campeau  : Biard, Pierre. In  : DCB  ; Lescarbot beschrieb dies in der Histoire de Nouvelle France als Wirken der Jesuiten, welche die Hofdame benutzt hätten, um zu Herren des Landes zu werden, Lescarbot/Biggar, S. 57. 792 Lescarbot  : Histoire de Nouvelle France, in  : Lescarbot/Biggar, S. 48, 53, 55, 57, 59, 63.

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Erster Anlass für diese Behauptungen war, dass Biard in die weltliche Rechtsprechung eingegriffen habe, als er um Gnade für einen jungen Franzosen bat, der einige Zeit unter Indigenen gelebt und einer Frau Gewalt angetan hatte.793 Biard schildert seine Fürsprache als einen Akt der Milde, aber neben der angeblich tiefen Reue des Täters könnte auch dessen nützliche Sprach- und Ortskenntnis den Jesuiten motiviert haben. Schwerer als dieser Fall wog jedoch sicherlich die grundlegend andere Vorstellung der Jesuiten von richtiger Missionierung.794 Sie forderten laut Lescarbot von den indigenen Verbündeten ein augenblickliches Ende ihrer Polygamie, was für deren Gesell­ schaftsordnung eine immense Belastung darstelle.795 Außerdem hätten die J­esuiten von allen Personen die vollständige, unkritische Befolgung ihrer eigenen Dogmen eingefordert. Auch wenn Biard diese Vorwürfe nicht teilt, erläutert auch er, dass ohne umfassende Unterweisung eine Konversion ungültig sei und dass keine weiteren Taufen erfolgen sollten.796 Diese Haltung gefährdete aber die weitere Unterstützung aus Frankreich, wo die Geldgeber Erfolgsberichte erwarteten, und irritierte die Indigenen, denen die Jesuiten nun eine als überaus wichtig proklamierte und auch nachgefragte zeremonielle Handlung verweigerten. Damit verlor Port Royal gegenüber anderen, von Franzosen angefahrenen saisonalen Handelsplätzen sein Alleinstellungsmerkmal. Lescarbot unterstellte daraufhin den Jesuiten, sie hätten sich gegen Poutrincourt verschworen. Trotz der Unstimmigkeiten begleitete Biard den jungen Biencourt auf eine Erkundungsfahrt an den Kennebec/Sagahadoc, wo sie die Ruinen der englischen Kolonie von 1606 untersuchten, die Indigenen über die Engländer befragten und schließlich französische Hoheitszeichen anbrachten.797 Nach der Reise verfasste Biard im Januar 1612 einen weiteren Brief an seine Vorgesetzten, in dem er ausführlich die Landesnatur und Lebensweise der Einwohner der Region beschrieb. Beide Briefe erschienen in lateinischer Sprache in einer gedruckten Ausgabe, die für das missionarische Engagement des Ordens warb.798 Gegenüber Biencourt und dessen Vater war Biard in dem 793 Lescarbot  : Relation Dernière in Campeau 1967, S. 45f. und Lescarbot/Biggar, S. 53. Auffällig ist, dass Campeau klar Stellung gegen diese Begründung bezieht und angibt, es sei nur eine Rivalität mit Du Pont gewesen, die Biencourt zur Ablehnung getrieben habe  ; Campeau  : Biard, Pierre. In  : DCB. 794 Thierry 2008, S. 421–423, zur Einordung der Missionsarbeit vgl. Trudel 1963a, S. 141–146. 795 Lescarbot/Biggar, S. 53f. Er geht soweit, an dieser Stelle auszuführen, dass das Verbot der Polygamie durch die Bibel nicht zu belegen sei. 796 Brief Charles de Biencourts an seinen Vater Sieur de Poutrincourt, Port Royal 13. März 1612, ediert in  : Campeau, Quelle 82  ; vgl. Pierre Biard 1616  : Relation de la Novvelle France de ses terres, naturel du Pais & ses Habitants, item, du voyage des Peres Iesuites ausdictes contrées, Kapitel X. Englische Übersetzung in Thwaites III, S. 24–283 und IV, S. 7–170  ; und die Darstellung  : Thierry 2008, S. 430. 797 Pierre Biard  : Lettre au R.P.- Provincial à Paris. Port Royal, 31. Januar 1612. Ediert in  : Thwaites II, S. 3–57, hier S. 45–47. 798 Thwaites II, S. 57–118, mit englischer Übersetzung.

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Werk voll des Lobes und kritisierte nur die hugenottischen Kaufleute, welche seine Überfahrt verzögert hätten. Die Lage in Port Royal spitzte sich jedoch zu, als ein Versorgungsschiff eintraf, auf dem sowohl ein Jesuit als Beauftragter der Hofdame de Guercheville wie auch ein Interessenvertreter Poutrincourts eintrafen und einander gegenseitig beschuldigten. Der Jesuit klagte Poutrincourts Mann wegen dessen Rechnungsführung an, der Beklagte warf dem Jesuiten hingegen vor, jener habe den Königsmord an Heinrich IV. gutgeheißen.799 Später traten beide Seiten von ihren Vorwürfen zurück. In der kleinen Kolonie nahmen die Vorwürfe gegen die Jesuiten und das Misstrauen ihnen gegenüber soweit zu, dass ihre Missionsarbeit gestört wurde. Daher planten die drei, nach Frankreich zurückzukehren und später an einem anderen Ort die Missionierung fortzuführen. Biencourt verbot ihnen jedoch die Abreise – nach Lescarbot auch aus Sorge, die Jesuiten würden die Kolonie an die Spanier verraten. Sicher war, dass ohne die Geistlichen alle Unterstützung aus höfischen Kreisen weggefallen wäre und die Indigenen und Kolonisten über Monate keinen spirituellen Beistand gehabt hätten. Biard und seine Brüder beachteten das Verbot jedoch nicht und gingen heimlich an Bord des Schiffes, von wo Biencourt sie unter Zwang zurückbringen ließ. Daraufhin exkommunizierten die Jesuiten die gesamte Kolonie und verweigerten die Durchführung kirchlicher Riten. Über diese Entwicklung verfassten beide Seiten Darstellungen mit schweren Vorwürfen, die sie mit der üblichen Ladung Pelze nach Frankreich sandten. Die Pelze wurden im Hafen im Übrigen aufgrund ausstehender Zahlungen konfisziert – was Lescarbot ebenfalls als eine jesuitische Verschwörung darstellte.800 Angesichts der Klagen der Jesuiten löste die Hofdame Guercheville ihre Partnerschaft mit Poutrincourt, der aber nach wie vor die Herrschaft über Port Royal besaß. Poutrincourt konnte jedoch keine Verstärkung organisieren, denn seine Mittel waren nach wie vor erschöpft, und als ein Investor unerwartet ausstieg, wurde er sogar aufgrund seiner Schulden verhaftet. Auch dies stellten er und sein Verbündeter Marc Lescarbot als Intrige der Jesuiten dar.801 Madame de Guercheville konnte hingegen ein Netzwerk ranghoher Unterstützer mobilisieren, darunter den Admiral de France Montmorency und den neu ernannten Vizekönig für Nouvelle-France, den Prinzen de Condé. Mit ihrer Hilfe schickte sie zwei Schiffe in die Acadie, um bei Port Royal die Jesuiten an Bord zu nehmen und eine neue Siedlung zu gründen. Im Mai 1613 erreichten die Schiffe ihr Ziel, und kurz darauf begann der Aufbau der neuen Kolonie Saint-Sauveur, in der mit den inzwischen vier Jesuiten 30 Mann überwintern sollten. 799 Auch zum folgenden Konflikt vgl. Thierry 2008, S. 435–439  ; Trudel 1963a, S. 114–118  ; Collard 2006, S. 120–140  ; Campeau  : Du Thet, Gilbert. In  : DCB  ; siehe auch Lescarbot/Biggar, S. 59f. 800 Lescarbot/Biggar, S. 61. 801 Nach Lescarbot sah Poutrincourt den Beichtvater Heinrichs IV, einen Jesuiten, als Urheber an, Lescarbot/Biggar, S. 62.

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Bereits im Juli griff jedoch der englische Kapitän Samuel Argall Saint-Sauveur an.802 Diese Attacke war kein Zufall, denn Argall war 1612 von der Company of Virginia mit dem expliziten Auftrag zum Admiral erhoben worden, alle französischen Außenposten in ihrer Anspruchszone zu zerstören. Im Jahr 1613 hatte er daher zuerst Kurs auf Virginia genommen, wo er seine Vorräte aufstockte und Matoaka/Pocahontas, die Tochter Wahunsonacocks, als Geisel nahm. Von Jamestown aus war er dann nach Norden gesegelt und hatte Saint-Sauveur gefunden. Es kam zum Kampf, wobei umstritten ist, welche Seite den ersten Schuss abgab, und Argall überwältigte die Verteidiger und erbeutete deren beide Schiffe als Prisen.803 Nach seinem Sieg ließ Argall einen Teil der Gefangenen in einem seetüchtigen Boot frei und brachte die anderen, darunter Biard, nach Virginia. Von dort aus schiffte Argall sich mit Verstärkung erneut ein, zerstörte die Gebäude von Saint-Sauveur und nahm danach Kurs auf Port Royal. In seiner Histoire de Nouvelle France zitierte Lescarbot hierzu eine angebliche Darstellung Biards, in der jener berichtet habe, er sei standhaft geblieben und habe den Engländern den Standort der Kolonie nicht verraten. Lescarbot stellt dem allerdings einen Brief Poutrincourts und die Zeugenaussage eines französischen Kapitäns gegenüber, wonach Biard die Engländer nicht nur geführt, sondern aus Missgunst sogar zum Angriff auf Port Royal angestachelt habe.804 Lescarbot ergänzte, dass Biard außerdem versucht habe, die Franzosen zur Kapitulation zu bewegen. Biencourt und seine Männer seien aber standhaft geblieben, so dass Argall ihnen in einem Gespräch seinen Respekt bezeugt habe. Hierbei habe auch Argall bestätigt, dass die Jesuiten seine Vorgesetzten von dem Angriff überzeugt hätten. Außerdem habe Argall erklärt, dass es allgemein keine Alternative zum offenen Konflikt gebe, da die Franzosen sonst langfristig Virginia bedrohten. Lescarbot legte somit dem englischen Kapitän das Argument einer unausweichlichen kolonialen Konkurrenz in den Mund, um seine eigene konfrontative Agenda zu bestätigen. 802 Vgl. zur Person mit einer Übersicht über die Expedition  : Squires  : Argall, Sir Samuel. In  : ODNB  ; Baldwin  : Argall. In  : DCB  ; vgl. zum Kontext des Angriffs Trudel 1963a, S. 128–135. 803 Thierry 2008 stellt die These auf, dass Argall gewusst habe, dass seine Handlungen illegal seien, S. 455. Über sein Vorgehen vor Ort berichtete die Virginia Company dem Privy Council 1614, ediert in  : Campeau 1967, Quelle 156, S. 445–449  ; Lescarbot schildert diese Ereignisse als Strafe Gottes für die Jesuiten und deren Machtstreben, Lescarbot/Biggar, S. 63f. Als Urheber des ersten Schusses nennt er außerdem einen der Jesuiten. Lescarbot gibt auch an, der französische Kapitän hätte keine Papiere vorzeigen können, weswegen alle als Piraten behandelt worden seien, Biard hingegen behauptet, Argall habe die Papiere konfisziert und so getan, als existierten sie nicht. Biard berichtete dem Ordensgeneral in Rom in einem Brief aus Amiens vom 26. Mai 1614 über die Ereignisse, ediert in  : Thwaites III, S. 5–19  ; noch ausführlicher ist seine Schilderung in Biard 1616, ediert in  : Thwaites III S. 24–283, hier 275–283 und ebd. Vol. IV, S. 7–170 in der Biard bestätigt, einer der Jesuiten habe eine Kanone abgefeuert – allerdings erst nach den Engländern. 804 Lescarbot/Biggar, S. 66–72. Lescarbot ergänzt noch Aussagen über Charakter und Verhalten der Jesuiten.

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Argall zerstörte die Kolonie und nahm Vorräte und Nutzvieh mit. Charles de Biencourt und seine verbleibenden Männer mussten daher bis zum nächsten Frühjahr die Lebensweise der Indigenen annehmen, um zu überleben. Erst am 27. März erreichte Poutrincourt, nachdem er einige Kaufleute überzeugt hatte, für seine Schulden zu bürgen und ihn eine weitere Pelzhandelsfahrt durchführen zu lassen, Port Royal und sah seinen Sohn Charles wieder. Angesichts der katastrophalen Lage evakuierte er den Großteil der Männer. Charles aber wollte Amerika nicht verlassen und blieb mit Einverständnis Poutrincourts vor Ort und lebte mit einigen Vertrauten weitere zehn Jahre als Truchement unter Indigenen. Er starb 1623/24 in der Acadie, sein Vater hingegen fiel bereits 1615 in einem Gefecht in Frankreich. Der Tod beziehungsweise das freiwillige Exil beider Männer machte die Hofdame de Guercheville zur einzigen ranghohen Geschädigten des Angriffs. Sie klagte darüber bei Hofe und forderte in England eine Entschädigung. Nicht zuletzt durch ihren Rang zog der Vorfall, immerhin die erste Zerstörung einer nichtiberischen Kolonie durch eine andere nichtiberische Macht, diplomatische Konsequenzen nach sich. Den Auftakt machte eine offizielle Eingabe des Admiral de France Montmorency an den englischen König über den angeblichen Rechtsbruch gegen eine friedliche Siedlung  : »Mais vos dictes subjects ont ruiné ce desseign, ont attacqué l’habitation, tué beaucoup d’hommes et, entre autres, deux desdinct jésuistes […].« Montmorency forderte die Freilassung der Gefangenen, 100.000 Livres Entschädigung und eine definitive Festlegung der Grenzen der Kolonie Virginia, damit weitere Konflikte vermieden werden könnten.805 Dadurch, dass er zugleich postulierte, dass die Franzosen die Acadie bereits seit 80 Jahren in ihrem Besitz hätten, wird deutlich, dass er keine englischen Ansprüche auf dieses Gebiet akzeptierte. Jakob I. reagierte gegenüber dem französischen Gesandten kühl und betonte seine eigenen Ansprüche auf die Region.806 Der Privy Council zweifelte den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe an und befahl, Aussagen vom Rat der Virginia Company und von Samuel Argall einzufordern.807 Der Rat der Company lehnte wenig überraschend alle französischen Ansprüche südlich der Mündung des St.  Lorenz ab und betonte die Rechtmäßigkeit ihrer Intervention mit der Autorität des englischen Königs, der ihre Charter gewährt habe.808 Ihre Schiffe und Männer hätten außerdem nur auf Gewalt der Franzosen reagiert. Übereinstimmend mit seinen Vorgesetzten gab auch Samuel Argall an, zuerst beschossen worden zu sein und nach dem Kampf keine Dokumente vorgelegt bekommen zu haben, welche bewiesen hätten, dass die Franzosen etwas 805 Brief Henry de Montmorrencys an Jakob I. Fontainbleau 28. Oktober 1613, Edition in  : Campeau 1967, Quelle 116  ; vgl. Le Blant/Baudry, S. 305f. Siehe dazu Trudel 1963a, S. 135–138. 806 Brief Samuel Spifames an Marie Medici, London 31. Dezember 1613, in  : Campeau 1967, Nr. 124. 807 Antwort des Privy-Council auf die Beschwerden vom 23. Januar/2. Februar 1613, in  : Campeau 1967, Nr. 130. 808 Campeau 1967, Nr. 156, S. 445–449.

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anderes als Piraten seien.809 In Anbetracht dessen habe er sich sehr großzügig und keineswegs grausam verhalten. Für die englische Obrigkeit war die Affäre damit beendet. Nur auf weiteres Drängen des französischen Gesandten wurden die Gefangenen freigelassen und eines der erbeuteten Schiffe zurückerstattet.810 Die Zurückhaltung der französischen Regentin deutet darauf hin, dass für Maria de Medici andere Themen politischen Vorrang hatten. Sie musste nicht nur ihre Regentschaft und ihren Einfluss auf Ludwig XIII. sichern, sondern verfolgte außerdem das Ziel einer außenpolitischen Neuorientierung, die in der Doppelhochzeit ihrer Kinder mit spanischen Habsburgern im Jahr 1615 gipfelte. Für die Verhandlungen über dieses Bündnis hätte ein offensives Beharren auf kolonialen Ansprüchen vermutlich eine Belastung dargestellt.811 Auch das literarische Echo auf die Ereignisse blieb in Frankreich gering. Viel wichtiger als der Angriff der Engländer war für die darüber Schreibenden die Frage nach Schuld oder Unschuld der Jesuiten an dem katastrophalen Ausgang. Dabei ist auffällig, dass Lescarbot und andere zwar die Jesuiten scharf attackierten, diese aber weiterhin nur versuchten, die Vorwürfe zu entkräften und auf Gegenangriffe weitgehend verzichteten. Eine Schlüsselstellung in der Debatte nimmt die von Poutrincourt ­veröffentlichte Schrift Factum du procez entre messire Jean de Biencourt d’une part et Pierre Biard Eve­ mond Massé & consorts ein.812 Hierin werden schwere Vorwürfe erhoben, von Versuchen die weltliche Justiz an sich zu reißen, über Sympathisieren mit Königsmördern, Verschwörung gegen Poutrincourt und die Provokation des englischen Angriffs, bis hin zur Spionage für Spanien. Als Beleg werden unter anderem angebliche Briefe der Jesuiten zitiert.813 Eine Aussage über mutmaßliche Gespräche der gefangenen Jesuiten mit Samuel Argall rundet die Beweisführung ab.814 Die Stoßrichtung dieses Angriffs 809 Samuel Argall 1614  : Defence of Argall’s conduct, in  : Le Blant/Baudry, S. 326–328. 810 Brief Samuel Spifames an Pierre Brulart, London 8. Juni 1614, in  : Campeau 1967, Nr. 146. 811 Auch spätere Klagen, bspw. französischer Fischer, die durch Schiffe aus Virginia bedrängt worden seien, wurden zwar vom französischen Gesandten in England vorgebracht, hatten aber kein weiterführendes diplomatisches Echo, siehe APC, Vol. 33 (1613–1614), S. 316 Brief des Council an Thomas Smith vom 4. Januar. 812 Jean de Biencourt de Poutraincourt 1614  : Factum du procez entre messire Jean de Biencourt d’une part et Pierre Biard Evemond Massé & consorts, soy disans prestres de la Societé de Jesus  ; Edition in  : Campeau 1967, Nr.  137, S.  320–406. Mitarbeit Lescarbots wird angezweifelt von Thierry 2001, S.  285  ; vgl Emont 2002, S. 141. Sehr kritisch gegen die Vorwürfe ist der Kommentar zur Quelle in Campeau 1967, S. 236. 813 Collard 2006, S. 151–154  ; Trudel 1963a, S. 139f. und 147 bezieht Stellung gegen diese Deutung und hebt hervor, dass in den Schriften Lescarbots die Leistungen und der Einsatz der Jesuiten wie auch die Bedeutung der Vorarbeiten des Sieur de Monts zugunsten einer Selbstglorifizierung missachtet werden. Emont 2002 geht hingegen davon aus, dass die Jesuiten die Engländer geführt hätten, S. 133. 814 Poutraincourt 1614 in Campeau 1967, S. 395f.

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teilt noch eine weitere anonyme Schrift, in der ausgeführt wird, die Engländer hätten »à la persuasion de Pierre Biart, jèsuite« angegriffen.815 Die Intensität, mit der hier ein auswärtiger Angriff nicht als solcher diskutiert, sondern einer kolonialinternen Schuldzuweisung untergeordnet wird, erinnert an Villegagnons Brasilienkolonie. Der beklagte Biard reagierte auf die Vorwürfe mit einer eigenen, ­umfangreichen Druckschrift, die im Jahr 1616 in Lyon erschien  – seine Relation de la Nouvelle France.816 Er wollte darin zum einen alle Vorwürfe gegen die Jesuiten entkräften und zum anderen für ein erneutes koloniales Projekt unter jesuitischer Führung werben. Daher ­eröffnete Biard mit einer Darstellung der Geographie, des Klimas, der Ressourcen sowie der indigenen Bevölkerung und ihrer Sitten. Er kritisierte die idealisierende Darstellung der bisherigen Missionserfolge und zeichnete ein positives, aber differenziertes Bild von Charakter und Lebensweise der Indigenen, als es Marc Lescarbot in seinen Werken getan hatte. Ein eigenes, programmatisches Kapitel (Kapitel X) widmete er außerdem der Notwendigkeit, Konvertiten vor einer Taufe sorgfältig zu unterweisen. Nach diesen allgemeinen Punkten ging Biard auf seine konkreten Erfahrungen ein, explizit um alle Vorwürfe aus der Schrift Factum du Procès zu widerlegen.817 Biard wies sie alle als üble Nachrede oder Missverständnisse zurück. Der Angriff der Engländer, die er als halbnackte Räuberbande beschrieb (Kapitel XXVII), nimmt dabei großen Raum ein. Biard war bemüht hervorzuheben, dass er durch seine Standhaftigkeit und moralische Integrität Argall beeindruckt habe und so die Freilassung von Gefangenen habe erwirken können. Alle Behauptungen, dass er den englischen Angriff unterstützt habe, seien eine Lüge (Kapitel XXXII). Trotz des schlechten Ausgangs des Projektes drängte Biard ebenso wie Lescarbot auf weitere koloniale Expansion. Die hervorragenden Beziehungen zu den Indigenen seien eine wertvolle Errungenschaft und deren weitere Missionierung eine Pflicht Frankreichs, deren Erfüllung eine Erweiterung des Territoriums jenseits des Meeres brächte (Kapitel  XXXV). Die von der Virginia Company gewaltsam durchgesetzten Ansprüche seien dagegen bedeutungslos, zumal sie nicht den rechtlichen Wert der früheren Besitznahmen Nordamerikas durch Verrazzano, Cartier, Laudonnière und Ribault hätten (Kapitel XXXVI). Biards Werk erlebte nur eine Auflage und konnte nie aus dem Schatten der kommerziell erfolgreichen Arbeiten Marc Lescarbots heraustreten, der im Jahr 1618 die letzte überarbeitete Ausgabe seiner Histoire de Nouvelle France in Druck gab.818 Schon 815 Plainte de Jean de Biencourt contre Le P-Pierre Biard. La Rochelle 18. Juli 1614. Edition in  : Campeau 1967, Quelle 152, hier S. 435f. 816 Thierry 2001, S.  287–297  ; Biard 1616, ediert in  : Campeau 1967, Quelle 162, S.  454–637  ; mit Übersetzung  : Thwaites III S. 24–283 und IV, S. 7–170. 817 Edition Campeau, S. 582–585. 818 Ausgaben bisher 1609, 1610–1611, 1617–1618. Vgl. Thierry 2001, S. 298–310. Nur im 5. Buch sind zuletzt neue Passagen aus der Relation Derniere, der Conversion de Sauvages und dem Factum du Proces

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frühere Auflagen hatten mehr als 1500 Exemplare umfasst, und bedenkt man die Zahl der Neuauflagen, bedeutet dies, dass es sich in Bezug auf die in Frankreich vorhandenen Vorstellungen von Nordamerika und den bisherigen französischen Versuchen zur Errichtung von Kolonien um das wichtigste Buch seiner Zeit handelte.819 Lescarbot hatte der letzten Ausgabe drei Widmungen vorangestellt, zunächst an Ludwig XIII., der Lescarbot dafür mit 300 Livres belohnte, dann an seinen Förderer Pierre Jeannin und zuletzt an Frankreich, das er als seine Mutter ansprach. Er hob in der Widmung an den König die hohe Bedeutung der Missionierung hervor, aber auch die Erfolge Spaniens und das Vorbild großer Reiche der Antike, denen es unter einer christlichen Zielsetzung nachzueifern gelte. Der König habe fähige Untertanen, die nur ein dauerhaftes Monopol und Sicherheit bräuchten, um sein Reich immens zu vergrößern. In der Widmung an Frankreich hingegen lobte Lescarbot die Erfolge und Mühen des verstorbenen Poutrincourt, die Liebe der Indigenen zum Christentum und zu Frankreich, die es zu einem Akt der Nächstenliebe mache, ein Reich in Übersee zu errichten. In seinem Buch entwirft Lescarbot eine koloniale Vision für ein neues Frankreich in Nordamerika, dessen Erfolg durch die Summe der Erfahrungen aus dem Scheitern früherer kolonialer Projekte garantiert sei, aus denen er konkrete Lektionen ableitet.820 Dabei macht er die internen Konflikte aufgrund des schlechten Charakters vieler Kolonisten oder tyrannischer Anführer als wichtigen Faktor für vorzeitige Aufgabe von Kolonien aus. Vor dieser Vergleichsfolie inszeniert er dann den verstorbenen Poutrincourt als Helden und moralisches Vorbild. Durch ihn sei auch bereits der perfekte Ort für eine dauerhafte Kolonie bekannt.821 Lescarbot bietet seinen Lesern außerdem eine ausführliche Rechtfertigung der französischen Expansion und kritisiert den spanischen Exklusivanspruch in Passagen, die aufgrund der anstehenden spanischen Hochzeit Ludwigs XIII. entschärft werden mussten.822 Es blieb der Hinweis, dass Spanien vor allem wegen seiner Politik gegenüber den Indigenen als Vorbild abzulehnen sei. Demgegenüber konstruiert Lescarbot, ähnlich wie viele englische Autoren ein dezidiert anderes Vorgehen seiner eigenen zusammengeführt, die übrigen Bücher blieben unverändert. Über Lescarbots prokoloniales Schrifttum allgemein  : Emont 2002, S. 189–300. Grundlegend hier die zweisprachige Ausgabe Lescarbot/ Biggar – wobei Band III der Edition dem 5. und 6. Buch des Originals entspricht. Die Grundzüge von Lescarbots Werk werden in der Einleitung zum ersten Buch bereits dargelegt  : ebd. I, S. 27–51. 819 Auch in der Forschung als zentraler Text für die Geschichte der kolonialen Expansion Frankreichs behandelt, bspw. Emont 2002  ; Thierry 2001  ; Lestringant 1984 und Ders. 1991  ; Pfeiffer 2012  ; Baudry  : Lescarbot, Marc. In  : DCB. 820 Bideaux 1998, S.  171, 175  ; Lestringant 1984  ; Thierry 2008, S.  276–280  ; Thierry 2001, S. 179–188  ; Mahlke 2005, S. 199–228. 821 Hierbei positionierte Lescarbot sich besonders gegen südlicher verortete Konkurrenzprojekte, gegen die er das heiße Klima als Argument anführte, siehe Lescarbot/Biggar, S. 188f. Vgl. Thierry 2001, S. 189f. 822 Bideaux 1998, S. 186.

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Nation. Auch er lehnt Gier und Streben nach schnellem Reichtum ab und lobt die langsamen, dauerhaften Profite aus Nouvelle-France als Weg zu einer moralisch höherwertigen Kolonisierung. Die Landnahme und Eingriffe in die Lebenswelt der Indigenen, die Lescarbot im Sinne eines Stereotyps vom tugendhaften Wilden idealisiert, ist für ihn ebenfalls moralisch berechtigt.823 Er vergleicht die Indigenen – ähnlich wie Thomas Harriot – aufgrund ihrer einfachen, moralisch unverdorbenen Lebensweise mit früheren euro­päischen Kulturen, genauer mit den Barbaren außerhalb des Römischen Reiches. Demnach käme nun den Franzosen die Aufgabe zu, ihnen zur Erfüllung der göttlichen Vorsehung Zivilisation und Christentum zu bringen. Frankreich selbst stellte Lescarbot aber nicht direkt in römische Tradition, sondern imaginiert eine eigene historische Identität der Franzosen, die zur Zeit der Gallier und Franken eine Seemacht gewesen seien und die Vorherrschaft in Europa besessen hätten.824 Zu dieser alten Größe müsse Frankreich nun zurück – allerdings unter dem Primat der Missionierung. Durch eine solche Expansion, die anders als die spanische nicht auf Ausbeutung, sondern auf Tugend basiere, könne dann ein neues Frankreich jenseits des Meeres entstehen, und die Franzosen könnten ihre Bestimmung erfüllen und ihre eigene Tugendhaftigkeit festigen. Der erste Schritt hierzu müsse die Errichtung von Gemeinwesen sein, die sich selbst versorgen können. Die Missionierung solle dann folgen, so wie die Kirche stets der weltlichen Macht unterzuordnen sei. Diese oft wiederholte These untermauert er mit Vorwürfen gegen die Jesuiten. Lescarbot hatte somit im Jahr 1618 eine umfassende, genuin französische imperiale Vision formuliert, in der die Kolonisierung Amerikas durch eine historische Tradition, durch eine ebenso zivilisatorische wie christliche Zielsetzung und durch göttliche Vorsehung umfassend legitimiert war. Darüber hinaus schuf er die Vorstellung eines Schatzes von verfügbarem Wissen, dessen konkrete Anwendung Erfolg garantieren würde – sofern sich heldenhafte Männer finden ließen, die der König dabei unterstützen würde, dem Vorbild Poutrincourts und seines Sohnes zu folgen. 3.3.2 Fokus  : Südamerika nach 1604

Auch wenn weite Teile der Küsten Südamerikas unter der mehr oder weniger direkten Kontrolle der iberischen Mächte standen, gab es dennoch eine Region, die für kolonial­interessierte Akteure in England, Frankreich und auch Irland und den Niederlanden als Freiraum für eigene Projekte galt. Es handelte sich um die sogenannte Wild Coast oder Guyana, ein von zahlreichen Flüssen durchzogenes, dichtbewaldetes Gebiet 823 Beispielsweise Lescarbot/Biggar, S. 33. 824 Lescarbot in  : Lescarbot/Biggar, S. 34–41  ; vgl. Emont 2002, S. 229 und Mahlke 2005, S. 217– 228 zur Fiktion einer gallischen Tradition und Identitätstiftung. Mahlke stellt dabei innovativ und überzeugend die biblischen Bezüge und eine hebräische Traditionsbindung Lescarbots heraus.

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im Norden Südamerikas, das sich etwa vom Orinoco bis zum Amazonas erstreckte.825 Im Verständnis französischer Seeleute dehnte sich dieser Freiraum sogar weiter nach Osten an der nordbrasilianischen Küste aus, was zur parallelen Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen führte. Die iberischen Mächte beanspruchten das Gebiet zwar unter Berufung auf ihr Erstentdeckungsrecht, die päpstliche Weltteilung und ihre bilateralen Verträge, doch eine reale Besitznahme war nicht erfolgt. Auch wenn die Portugiesen ihren Machtbereich sukzessive expandierten, hatten sie um 1604 noch keinen Außenposten in der Amazonasregion etabliert. Die Spanier unterhielten zwar eine Siedlung auf Trinidad, nördlich der Mündung des Orinoko, und verfügten mit Sao Thomé über einen kleinen Außenposten am Orinoko selbst, hatten aber keine Mittel, um an der Küste offensiv Präsenz zu zeigen.826 Somit bot sich eine Lücke in den iberischen Besitzungen, die ohne eine direkte Konfrontation Zugang nicht nur zu mutmaßlichen Goldreichen, nach denen nicht zuletzt aufgrund des immensen Erfolgs von Walter Raleghs Bericht von 1595 noch jahrzehntelang gesucht wurde, sondern auch zu Tabak, Tropenhölzern und anderen wertvollen Handelswaren versprach.827 Die bei den Indigenen erworbenen Hölzer, Felle, Federn, Tabak und andere Waren konnten in Europa, speziell in Amsterdam, verkauft oder als profitable Schmuggelware in die spanische Kolonie Trinidad gebracht werden.828 Zwar versuchte die kastilische Obrigkeit ab 1605 die Kontrolle über die Region zu stärken, doch der Gouverneur und viele Siedler profitierten von der illega­ len Nutzung Trinidads als Handelshafen und Treffpunkt der unterschiedlichen Guya­ nafahrer, die sich dort über Handelsplätze, indigene Kriegszüge oder Wohnorte von Truchements informieren konnten.829 Die Angehörigen der indigenen Gemeinschaften in der von den Europäern Guyana genannten Region und im Norden des heutigen Brasiliens waren dementsprechend im Umgang mit Seeleuten, Händlern und Kolonisten sehr erfahren.830 Zahlreiche kurzfristige Begegnungen mit Händlern, der langfristige Aufenthalt von ­französischen Truchements oder deren neuem englischen Gegenstück, den Factors, die zum Teil jahrelang unter Indigenen lebten und den Tabakanbau und die Sammlung von Handels­ 825 Es umfasst somit den Westen des heutigen Venezuelas, die Länder Guyana, Surinam, FranzösischGuyana und die nördlichen Bundesstaaten Brasiliens Amapá, Pará und Maranhão. Zur folgenden Übersicht vgl. Williamsson 1923, S. 9–28  ; Hyles 2014, S. 1–11  ; Lorimer 1989, S. 1–20  ; Diffie/ Perkins insgesamt. 826 Dies lag unter anderem daran, dass sie ab 1597 mehr Ressourcen zur Verteidigung der karibischen Kolonien aufwandten Lorimer 2015, S. XC. 827 Zu Raleghs Bericht verweist Schmidt 2007, S. 474 auf gewissermaßen ein Eigenleben der von ihn geschaffenen Legenden  ; vgl. Hyles 2014, S. 16f.; Lorimer 1989, S. 18f.; Strachan 1991, S. 23. 828 Williamsson 1923, S. 62f.; Lorimer geht von ca. 30 englischen Schiffen pro Jahr aus, die mit Konterbande handelten, Lorimer 1993, S. 4. 829 Deutlich in der Quellenauswahl in Lorimer 1989. 830 Grundlegend  : Williamsson 1923  ; Hyles 2014, S. 11–14  ; Hemming 1987.

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waren koordinierten, ergänzten sich hierbei. Hinzu kam, dass mehrere Indigene transatlantische Reiserfahrungen besaßen und nach einem Aufenthalt in England oder Frankreich eine europäische Sprache zumindest verstanden.831 In den europäischen Quellen sind die Indigenen Guyanas in der Regel grob in zwei Gruppen unterteilt, die dann in verschiedene Herrschaftsverbände und Siedlungsgemeinschaften differenziert werden konnten. Die eigenen Verbündeten erschienen als zur Christianisierung fähig und voller Zuneigung für die Engländer respektive Franzosen. Die Feinde der indigenen Verbündeten galten hingegen als Menschenfresser und brutale Wilde, oft mit der Bezeichnung Kariben nach den bereits bei Kolumbus erwähnten Kannibalen. Die eigenen Verbündeten hingegen wurden den Taino, Arawak oder Tupinamba zugeordnet  – wobei diese Einteilung des 17.  Jahrhunderts zwar späteren wissenschaftlichen Bezeichnungen von Sprachfamilien zu entsprechen scheint, zeitgenössisch aber eher aufgrund bestehender Allianzen und Feindschaften verwendet wurde.832 In diesem vereinfachten Verständnis der indigenen Kulturen schrieben sich die Europäer die Rolle der Beschützer ihrer wohlwollenden, kooperativen Verbündeten vor deren kannibalistischen Feinden zu. Die indigenen Handelspartner erwarteten aber – zumindest den englischen und französischen Quellen nach – nicht nur Schutz vor indigenen Bedrohungen, sondern vielmehr Beistand gegen die Portugiesen und Spanier. Dies dürfte nicht nur eine legitimatorische Fortschreibung antispanischer Propaganda sein, da viele indigene Gruppen durch die Expansion der iberischen Machtbereiche zur Migration gezwungen worden waren und selbst erst seit Kurzem in der Peripherie Guyanas siedelten. Dies wiederum hatte Konflikte zwischen indigenen Gruppen ausgelöst, was deren Wunsch nach einer Partnerschaft mit Europäern nur noch verstärkte, wie sich auch in den Quellen über die nordbrasilianische Region Maranhão zeigt.833 Bei einem Vergleich der Historiographie zu kolonialen Projekten in der Region Guyana/Nordbrasilien und in Nordamerika ist für den Zeitraum nach 1604 ein massives Ungleichgewicht offensichtlich. Ursache hierfür ist einerseits, dass die nördlichen Kolonien länger überdauerten und zum Fundament für eine langfristige Kolonialherrschaft wurden  ; andererseits wurden die dortigen Kolonien als Teil der Geschichte Kanadas und der USA gedeutet und daher über einen langen Zeitraum Gegenstand des Interesses einer international sehr gut vernetzten Geschichtswissenschaft. Die im Untersuchungszeitraum begonnenen kolonialen Projekte in Südamerika hingegen wurden alle nach wenigen Jahren aufgegeben und galten daher in der Histo831 Beispielsweise dargelegt in verschiedenen Reiseberichten in Purchas HP IV, 1625  ; siehe Vaughan 2002, S. 359–365  ; Vaughan 2006, S. 30–35. 832 Hyles 2014, S. 11–14  ; In englischen Quellen ist vornehmlich die Zuschreibung Karibs/Charibs für aggressiv auftretende indigene Gemeinschaften gebräuchlich  ; vgl. Goslinga 1971, S. 44, der in den niederländischen Quellen eine pauschale Unterscheidung von Taino und Arrawak ausmacht. 833 Vgl. Obermeier 2012, S. XXIX  ; und zur Einordung als vor anderen Indigenen und Portugiesen zu beschützende Verbündete Daher 2002, S. 103–115.

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riographie nur als vorläufige Episoden. Sie brachten keine historiographisch zu Helden stilisierten Figuren wie John Smith hervor, und keiner der Mitwirkenden publizierte mit vergleichbarem Erfolg wie Samuel de Champlain über die Erkundung der Küsten und die Ereignisse in den Kolonien. Somit ist die geringe Beachtung der Projekte in der Forschung durch eine vergleichsweise geringe und fragmentierte Quellenüberlieferung begründet.834 Der Forschungsstand ist daher von wenigen Untersuchungen geprägt, die oftmals größere Regionen in den Blick nehmen und mehrere Projekte und lange Zeiträume in einer Gesamtschau betrachten.835 Zwei Ausnahmen sind jedoch sowohl in Bezug auf die Quellenlage wie auch den Forschungsstand hervorzuheben  :836 erstens die französische Kolonie am Amazonas, genannt France équinoxiale (1612–1615), und zweitens Walter Raleghs Versuch, 1617 mit einer Flotte die angeblich von ihm 1595/1596 in Guyana gefundenen Goldminen zu erobern. Beide Unternehmungen erhielten zeitgenössisch erhebliche Aufmerksamkeit und fanden einen publizistischen Niederschlag, der eine breite historische Forschung nach sich zog. Trotz der vergleichsweise geringen zeitgenössischen und historiographischen Beach­ tung der Guyana-Unternehmungen insgesamt sollte deren Bedeutung nicht unterschätzt werden. In England wie in Frankreich waren sie die Fortsetzung einer Jahrzehnte umspannenden Vernetzung mit Südamerika. In Frankreich lässt sich eine durchgehende Tradition seit den frühen Brasilienfahrten der 1520er Jahre ausmachen, in England immerhin seit der Reise Walter Raleghs 1595.837 In beiden Ländern bot Guyana eine Alternative zu den Projekten in Nordamerika und konkurrierte mit ihnen um Ressourcen und Unterstützung. Diese Konkurrenz war in England aufgrund der spanienfreundlichen Politik Jakobs I., der eine Konfrontation in Guyana vermeiden wollte, aussichtslos geworden, obwohl die frühen Guyana-Unternehmungen mehr Profit brachten und weniger Verluste an Menschenleben forderten als Virginia. Im Falle Frankreichs hingegen zog der Amazonas für einige Jahre sogar mehr Menschen und Ressourcen an als der Norden Amerikas.838 Dies setzte Champlain und Lescarbot unter Druck, die Vorzüge des hohen Nordens herauszustellen, was im Falle Lescarbots zu einem Verschweigen der Konkurrenz im Süden führte. Seine Histoire de Nouvelle France berücksichtigte zwar 834 Zentrale Quellensammlungen sind  : Lorimer 1989 zu englischen und irischen Projekten  ; für französische siehe Obermeier 2012  ; zeitgenössisch sind viele Quellen erstmals im Sammelwerk von Samuel Purchas erschienen, genauer in Purchas HP 1625 IV. Dies entspricht der Neuausgabe 1907, Bd. 16. 835 Die zentralen Darstellungen sind  : Andrews 1981 und Ders. 1978  ; Lorimer 1989 und Ders. 1993  ; auch Williamsson 1923 dient noch als Referenzwerk. Ausnahme ist eine Neuerscheinung zu Guyana  : Hyles 2014. 836 Quellengrundlage und Forschungsstand sind im Kontext der einzelnen Projekte erläutert. 837 Ralegh 1595 erschien auf Französisch 1596 und Niederländisch 1598. Die deutsche Version gab Theodor de Bry heraus De Bry 1599  ; Zum Interesse in Frankreich siehe Roncière IV, S. 345 und Lorimer 1989, S. 14f. 838 Thierry 2008, S. 215f.; Thierry 2002, S. 189f.; Trudel 1963a, S. 52.

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Ville­gagnons Brasilien, aber keine späteren Unternehmungen südlich von Florida, womit er den Grundstein für eine historiographische Trennung legte. Der Blick auf die Guyana genannte Region macht es an dieser Stelle der Untersuchung unumgänglich auf die Bedeutung von Händlern, Seeleuten und Kolonisten aus den nördlichen Niederlanden einzugehen. Sie waren seit dem Ende des 16. Jahrhunderts in der Region aktiv, beuteten natürliche Salzvorkommen aus und handelten teilweise über Monate hinweg mit den Indigenen. Über den Beginn einer permanenten niederländischen Ansiedlung herrscht allerdings keine Einigkeit in der Forschung. Auch wenn vereinzelt 1581 als frühestes Datum genannt wird, ist die erste unumstrittene dauerhafte Gründung eines Forts erst 1616, nach Vorläuferexpeditionen von 1614, belegt.839 Frühere, kleinere Comptoirs mit wechselnder Besatzung sind nicht auszuschließen, aber in Quellen nicht eindeutig benannt.840 Bezüglich der niederländischen Unternehmungen im Untersuchungszeitraum sind zwei Aspekte grundlegend. Zum einen waren Middleburg und Flushing/Vlissingen die zentralen Ursprungshäfen vieler Handelsreisen und auch der kolonialen Unternehmungen 1614/1616.841 Diese Städte standen, wie erwähnt, laut dem Vertrag von Nonsuch (1585) als Pfand unter englischer Militärkontrolle. Dort lebten englische Soldaten, Offiziere mit Familien und Kaufleute, so dass es nicht überrascht, dass viele Unternehmungen eine englische Mitwirkung an Bord und vor Ort aufwiesen.842 Das Jahr 1616 markiert das Ende der Abhängigkeit der Städte von England, was für viele dort ansässige Soldaten die Entlassung bedeutete. Dies erklärt, warum auch an der ersten verbürgten niederländischen Kolonie an der Wild Coast Engländer beteiligt waren. Ebenso wird dadurch nachvollziehbar, warum niederländische Schiffe aus diesen Häfen Versorgungsgüter und Verstärkung zu englischen Außenposten brachten.843 839 Die früheste Datierung eines Handelspostens verortet ihn zwischen 1581–1596. Dies basiert aber nur auf einem Buch von 1770  : J.J. Hartsinck 1770  : Beschryving van Guiana, of de wilde kust in ZuidAmerica  ; Es sind keine Quellenbelege bekannt. Hierzu ist noch immer Goslinga 1971 ein Standardwerk, der auf S. 56, 58, 65 der Vorlage von 1770 folgt. Vgl. Williamsson 1923, S. 63f., der am Amazonas um 1600 eine dauerhafte niederländische Ansiedlung für möglich hält. Edmundson 1901 kritisierte die Theorie einer dauerhaften Siedlung vor 1616 in Guyana  ; ähnlich Lorimer 1989, S. 27 und Hyles 2014, S. 5. Zu den Siedlungsprojekten aus den Niederlanden zwischen 1614–1616 siehe Goslinga 1971, S. 79–81 und Edmundson, 1901 und 1904. 840 Davies 1974, S. 31. 841 Edmundson 1901 S. 663–666  ; Williamsson 1923, S. 61f. und 64. 842 Lorimer 1989, S. 28 und 51 bezeichnet die Städte selbst als Quasikolonien. Damit widerspricht er der in der niederländischen Forschung noch immer maßgeblichen Studie von Goslinga, der in den Städten von einem Konflikt zwischen den Niederländern und der englischen Verwaltung ausgeht, welcher die Niederländer zur stärkeren maritimen Expansion motiviert habe – allerdings durchaus in Kooperation mit einzelnen Engländern, Goslinga 1971, S. 56, 74 und 79–81. Für eine endgültige Bewertung der Organisation der Projekte aus den Garantiestädten liegen bisher nicht genügend Quellen vor. 843 Goslinga 1971, S. 76 spricht von einer Abhängigkeit der Engländer von niederländischen Transporteuren.

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Zum anderen sind diese Unternehmungen in den englischen Quellen ohne Differenzierung der Flagge entsprechend als Dutch und die Schiffe als Dutchmen verzeichnet, auch wenn die Mitwirkung von Engländern in den Quellen beschrieben wird. Spanische und portugiesische Beobachter wiederum unterschieden oft nicht zwischen Engländern und Niederländern und fassten beide als Häretiker oder unter Sammelbegriffen wie enemigos.844 Das erschwert eine genaue Unterscheidung zwischen englischen und niederländischen Unternehmungen zusätzlich. Gerade diese Schwierigkeit belegt allerdings ein weiteres Mal die grenzübergreifende Verflechtung der frühen europäischen Expansion und erklärt, warum niederländische Akteure erwähnt werden, ohne von einer dezidiert niederländischen Kolonialpolitik zu sprechen. Das erste koloniale Projekt in Südamerika nach dem Friedensschluss von 1604 unternahm der Londoner Kaufmann und erfahrene Kapitän Charles Leigh. Er war als Freibeuter und Expeditionskommandant in Amerika erprobt, wo er unter anderem 1596 und 1601 mehrere Prisen erbeutet und 1597 die in Kapitel 3.2 beschriebene vergebliche Erkundungsmission der Brownisten auf die Magdaleneninseln geleitet hatte.845 Sein älterer Bruder, der vermögende Oliph Leigh, finanzierte die Unternehmung und unterstützte ihn als Organisator von England aus.846 Nachdem Walter Ralegh und Gefolgsmann Keymis zwar den Orinoko als Siedlungsort gelobt hatten, aber zuletzt vermelden mussten, dass dort eine spanische Siedlung entstanden war, planten die Brüder Leigh, einen südlicheren Ort aufzusuchen.847 Ihr Ziel war der Wiapoco, ein Fluss, der etwa 400 Kilometer nördlich des Amazonas in den Atlantik mündet.848 Auf einer Erkundungsreise 1602 hatte Charles Leigh den Fluss angeblich als einen idealen Siedlungsort identifiziert, an dem sich durch Tabakhandel Profit erzielen ließ und von wo aus sie eventuell Walter Raleghs goldene Stadt Manoa erreichen könnten. Ein weiterer Vorteil dieses Standortes war, dass ganz im Sinne Jakobs I. eine Konfrontation mit Spanien oder Portugal unwahrscheinlich war. Zeitgleich mit Charles Leigh erkundete im Jahr 1602 auch eine französische Expedition die Küsten Südamerikas, wenn auch südlich des Amazonas im heutigen bra844 Vgl. Williamson 1923, S. 61  ; Goslinga, 1971. 845 Zur Person vgl. Lorimer  : Leigh, Charles. In  : ODNB  ; Quinn  : Leigh, Charles. In  : DCB. 846 Der Expeditionsverlauf wird in der Forschung üblicherweise rekonstrutiert aus einer anonymen Relation in Purchas HP IV, S. 1250–52 [Ndr. 1905–1907 XVI, S. 309–323]  ; sowie der Relation des mit einer Verstärkung eintreffenden John Willson, HP IV, S.  1260–1264 [Ndr. ebd. S.  338–352]  ; siehe außerdem einen Brief Leighs an den Privy Council, in  : CSP Domestic Series, James I. Vol. 1 (1603– 1610), S. 127. Vgl. Lorimer 1989, S. 26f. und einen Brief an seinen Bruder »Olave« Leigh, ebd. 2. Juli 1604, S. 1252–1255, Übersicht über die Quellen bei Williamson 1923, S. 33  ; weitere Quellen sind ediert in  : Lorimer 1989  ; vgl. zu den Ereignissen Lorimer  : Leigh, Charles. In  : ODNB  ; Williamsson 1923, S. 29–37. 847 Keymis’ Bericht erhielt in kurzer Zeit mehrere Auflagen und wurde in Hakluyts PN 1598–1600 aufgenommen. Vgl. zur Einordung Lorimer 2015, S. LXXXVI–LXXXIX und Ders. Lorimer 1989, S. 18f. 848 Heute  : Oiapoque/Oyapock. Es ist der Grenzfluss zwischen Brasilien und Französisch-Guyana.

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silianischen Bundesstaat Maranhão. Dort prüfte Daniel de La Touche, Sieur de La Ravardière, die Eignung der Region für eine dauerhafte Ansiedlung.849 Er gehörte wie viele der kolonialaffinen Akteure in Frankreich zum Kreis der protestantischen Veteranen der Bürgerkriege mit Beziehungen zum Hofe Heinrichs IV. Zu seiner Mannschaft gehörten auch englische Seeleute und vor allem ein englischer Navigator, der die Küsten Südamerikas kannte.850 Auf seiner Erkundungsreise fand der Sieur de la Ravardière eine kleine Gruppe von Franzosen, die der Freibeuter Jacques Riffault auf seiner Expedition von 1594 zurückgelassen hatte.851 Diese Männer verfügten über umfangreiche Kenntnisse indigener Sprachen, der näheren Flussläufe und über Kontakte, die für ein koloniales Projekt entscheidende Vorteile versprachen. Unterstützt durch diese Truchements setzte Ravardière seine Erkundung fort und nahm mindestens einen von ihnen wieder mit zurück nach Frankreich. Dieser Mann, Charles des Vaux, unterstützte ihn bei der Werbung für eine dauerhafte Ansiedlung in der Region bei Hofe. Durch eine Konversion zum Katholizismus erschloss Vaux dabei andere Zielgruppen als der Protestant Ravar­dière.852 Ihre Zusammenarbeit war insofern erfolgreich, als Heinrich IV. im Jahr 1605 Ravardière ein Patent ausstellte, das ihn zum Vizeadmiral von Brasilien und Statthalter am Amazonas machte.853 Weitere Unterstützung gewährte der König jedoch nicht, so dass der Titel ohne Inhalt blieb. Gänzlich anders stellt sich die Lage bei Charles Leigh dar. Er erhielt zwar ideelle Unterstützung durch Robert Cecil und den Lord Admiral Charles Howard, verfügte aber über keine offizielle Letters Patent, als er im März des Jahres 1604 mit 46 Mann 849 Zur Person vgl. die populärhistorische Übersicht  : Doreau 2012, zur Expedition S. 21–31  ; Martinière 2009, S. 221f. Die Forschung zu dieser Expedition ist meist mit der Untersuchung des nachfolgenden großen Kolonialprojektes von Ravardière verbunden und wird daher im Kontext von France Equinoxiale näher vorgestellt. In der Literatur finden sich Hinweise, dass Heinrich IV. für diese Reise bereits ein Patent für einen René de Montbarrot ausgestellt habe, das ihm eine Kolonisierung Brasiliens mit 400 Mann erlaube. Dieser habe sein Patent aber an Ravardière abgegeben. Vgl. Henry 1974, S. 10–15  ; Boucher 2008, S. 298. Quellenbelege liegen hierfür allerdings nicht vor. 850 Lorimer 1989, S. 29. 851 In der Forschung ist umstritten, ob Riffault eine koloniale Zielsetzung verfolgt hatte oder nur eine Kaperfahrt. In jedem Fall zwangen Schäden an den Schiffen und Mangel an Ressourcen ihn, eine kleine Gruppe von Männern zurückzulassen, die er danach nicht versorgte. Pianzola 1991, S. 42f.; Diffie/Perkins 1987, S. 205f. (mit kolonialem Ziel der Expedition). Die alte Darstellung von Handelmann gibt sogar die erfolgreiche Gründung einer Faktorei an  : Handelmann 1987, S. 181  ; Lorimer 1989 weist hingegen darauf hin, dass Riffaults Männer ausgesetzt worden seien, da es über 15 Jahre keinen Nachweis für eine offizielle Versorgung gebe, S. 28. Provençal/Mariz, 2011, S. 41f. geben an, dass Riffault den Auftrag gehabt habe, ein portugiesisches Fort zu erobern, ebenso Henry 1974, S. 17 – allerdings gab es in der Region, in der die zurückgelassenen Männer gefunden wurden, damals keine der Forschung heute bekannte Siedlung. 852 Diffie/Perkins 1987, S. 217  ; Doreau 2012, S. 32. 853 Dieses Patent ist nicht überliefert. Sein Inhalt lässt sich aber durch ein weiteres, späteres Patent zur Bestätigung seiner Ansprüche ableiten. Vgl. Pianzola 1991, S. 45.

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zum Wiapoco aufbrach.854 Sein Bruder Oliph fungierte dabei als Geldgeber. Am Ziel traf Leigh auf ein niederländisches Schiff, dessen Besatzung zwar friedlich war, aber angeblich versucht habe, die Indigenen gegen sie aufzustacheln. Dies scheiterte jedoch daran, so Leigh, dass einer der ansässigen Indigenen in England gewesen war, die Sprache rudimentär verstand und bei seinen Landsleuten für eine Allianz mit den Engländern warb.855 Leigh war zunächst skeptisch, an der Mündung des Flusses zu bleiben, musste aber angesichts von Unruhe unter seiner Besatzung auf eine Erkundung des Hinterlandes verzichten. Eine Gruppe seiner Männer favorisierte angeblich Kaperfahrten in der Karibik und konnte nur mit Mühe überzeugt werden, den friedlichen Plan umzusetzen.856 Leigh selbst und der anonyme Autor einer Relation schildern, dass die Indigenen bereit gewesen seien, ihm und seinen Männern Hütten in ihrem Dorf zu überlassen, für sie Tabak anzubauen und andere Ressourcen zu sammeln, wenn die Engländer sie dafür gegen ihre indigenen Feinde verteidigten. Leigh nahm das Angebot an und blieb mit 30 Männern in dem Dorf. Um ihre Sicherheit zu gewährleisten, stellten die Indigenen – angeblich freiwillig – vier oder fünf Geiseln, die mit dem Schiff nach England reisten.857 Mit dem Schiff schickte Leigh am 2. Juli eine Reihe von Briefen, in denen er seinen Bruder Oliph um rasche Verstärkung, genauer 100 Arbeiter sowie 50 Waffen mit Munition und einige Kanonen bat.858 In einem Schreiben an den Privy Council betonte er hingegen seine Erfolge und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, bald mit Missionaren die Christianisierung voranbringen zu können.859 Der Autor der Relation berichtet, dass nach Abreise des Schiffes einer der Indigenen versucht habe, eine Verschwörung gegen die Engländer anzuzetteln. Sein Plan, die durch Krankheiten geschwächten Männer zu töten, sei jedoch von den Frauen derjenigen verhindert worden, die als Geiseln nach England gereist waren.860 Inwiefern diese Episode auf Tatsachen beruht oder nur eine indigene Fiktion zur Bestätigung der

854 Zu den Ereignissen siehe die oben genannten Quellen FN 846  ; vgl. Lorimer  : Leigh, Charles. In  : ODNB  ; Williamsson 1923, S. 29–37. 855 Anonymus  : Relation, in Purchas HP IV, S. 1250–1252. Vgl. Vaughan 2006, S. 35. Allerdings bat Leigh bei Ralegh um weitere Dolmetscher, da die Sprachkenntnisse der Einheimischen nur oberflächlich waren. 856 Diese Erzählung kann aufgrund fehlender Quellen zwar nicht widerlegt werden, doch erfüllt sie in auffälligem Maße den Zweck zu betonen, wie sehr Leigh sich an die königliche Politik halte, welche Qualitäten er als Anführer habe und wie vertrauenswürdig er sei. 857 Vaughan 2006, S. 35. 858 Purchas HP IV, S. 1252–1255. 859 Der Brief Leighs an den Privy Council vom 2. Juli 1604. CSP Domestic Series, James I., Vol. 1 (1603– 1610), S. 127. Vermutlich schickte er auch weitere Briefe an Lord Howard und Robert Cecil, um diese zu bitten, sich für die Vergabe von Letters Patent einzusetzen, doch diese sind nicht überliefert vgl. Lorimer  : Leigh, Charles. In  : ODNB  ; Williamson 1923, S. 33. 860 Purchas  : HP IV, S. 1252.

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eigenen Treue war, oder ein Argument zur Legitimierung der Geiselnahmen darstellt, lässt sich jedoch nicht mehr ermitteln. Die angesprochenen Krankheiten waren in jedem Fall ein erhebliches Problem. Als das erste von Oliph Leigh organisierte Versorgungsschiff im Januar eintraf, waren viele Männer nicht arbeitsfähig, und Charles Leigh selbst starb am 20. März 1605, als er sich nach England einschiffen wollte.861 Zuvor hatte er seine Männer, die in Sorge waren, angesichts geringer Profite zurückgelassen zu werden, mühsam überzeugt, die Siedlung nicht aufzugeben. Die Schiffsbesatzung hielt daher Leighs Tod vor ihnen geheim. So blieben 35 Mann, unter ihnen John Wilson, der später einen Bericht über die weiteren Ereignisse schrieb, in Guyana. Die ihnen versprochene Verstärkung blieb jedoch aus und Wilson schildert, wie die Kolonisten unter den Indigenen lebten und mit ihnen Kriegszüge durchführten. Nach einiger Zeit nutzten sie dann die multilateralen Handelskontakte in der Region, um nach und nach auf niederländischen und französischen Schiffen zurückzukehren. So ließ sich die endgültige Aufgabe der Kolonie bis 1606 herauszögern.862 Diese vielfältige transatlantische Vernetzung bot aber nicht nur eine Chance auf Rettung, sondern stellte – was in der Relation nicht erwähnt wird – eine erhebliche Belastung für koloniale Projekte in der Region dar. Die häufige Präsenz konkurrierender Europäer schwächte die jeweilige Verhandlungsposition gegenüber den Indigenen und verringerte den Profit.863 Dass die versprochene Verstärkung nie eintraf, lag jedoch nicht daran, dass Oliph Leigh die Kolonie vernachlässigt hätte. Er schickte noch 1605 eines seiner Schiffe mit ca. 70 Kolonisten und Vorräten über den Atlantik, das sein Ziel jedoch nicht erreichte. Über diese Reise liegen zwei unterschiedliche Berichte vor, von denen einer aus der Perspektive der Kolonisten und der andere aus dem Blickwinkel der Schiffsbesatzung verfasst ist.864 Übereinstimmend geben beide Quellen an, dass die Überfahrt von Leighs Schiff viel länger dauerte als geplant. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen, Kurs auf den Wiapoco zu nehmen, für die der Befehlshaber der Kolonisten John Ni861 Ab hier dient die Relation von John Wilson als zusätzliche Quelle, in  : Purchas HP IV, S. 1260–1264 [Ndr. 1907 XVI, S. 338–352]. 862 Laut Wilson reisten zunächst 15  Mann auf einem niederländischen Schiff aus der Garantiestadt Middleburg nach Europa. Es folgten zehn Mann auf einem französischen Schiff, das zwei Monate am Wiapoco handelte  ; die letzten zehn kehrten dann auf einem niederländischen Schiff zurück, das sechs Monate in der Region blieb und selbst zwei Männer als Faktoren zurückließ. 863 Williamsson 1923, S. 40. 864 Erstens die Relation des Kolonisten John Nicholls, in  : Purchas HP IV, S.  1255–1259 [Ndr. XVI, S. 324–337]. Dies ist aber eine gekürzte Fassung, eine vollständige Version erschien separat  : John Nicholl 1607  : An houre glasse of Indian newes. Or A true and tragicall discourse, shewing the most lamentable miseries, and distressed calamities indured by 67 Englishmen, which were sent for a supply to the planting in Guiana. Einen wichtigen Kontrast zu diesem Text stellt der Bericht von William Turner, Master des Schiffes, das die Kolonisten transportierte, da  : Purchas HP IV, S. 1260–1265 [Ndr. XVI, S. 338–352]. Lediglich eine unkommentierte Neuausgabe ist der Beitrag Jesse 1966 mit einem Hinweis zur Rolle der Expedition für die Erinnerungskultur auf der Insel.

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choll dem Master des Schiffes die Schuld gab, nutzte die Besatzung nach 17 Wochen die Chance, die Karibikinsel San Lucia anzusteuern, um dort Vorräte und Trinkwasser an Bord zu nehmen.865 Nach John Nicholls Darstellung brachten die Kolonisten zunächst ihre Kranken an Land und beschlossen dann, lieber dort eine Siedlung zu errichten, als sich erneut aufs Meer zu begeben. Diese Entscheidung trafen sie angeblich explizit, trotz ihrer Verpflichtung gegenüber Leigh und obwohl die Indigenen laut Nicholl bedrohlich schienen. Die Schiffsbesatzung habe dann aus Empörung darüber, dass Nicholls Leute Waffen und Ausrüstung an Land brachten und das Beiboot des Schiffes in Besitz nahmen, die Siedler zurückgelassen. Ein Mitglied der Schiffsbesatzung, William Turner, gab hingegen an, die Siedler hätten nach ihrem aufgrund der überreichen Landesnatur und der Friedfertigkeit der Indigenen gefassten Beschluss, auf der Insel zu bleiben, »like treacherous idle disposed people« das Beiboot und wichtige Ausrüstung mit Gewalt und Geiselnahmen an sich gebracht.866 Daraufhin habe man die Kolonisten mit den Bordwaffen beschossen. Nach einem Feuergefecht sei das Schiff abgedreht und Turner berichtete, dass die Besatzung in einer benachbarten Bucht mit den Indigenen handeln wollte. Die Kolonisten aber hätten sie verfolgt – angeblich um den Handel zu stören – woraufhin das Schiff eine weitere Salve abgefeuert und die Kolonisten vertrieben habe. Nachdem sie ihren Handel beendet hatten, reisten William Turner und seine Männer schließlich ab. Beide Berichte belegen einmal mehr die Schwierigkeiten, die sich aus einer getrennten Hierarchie zwischen Schiffsbesatzung und Kolonisten sowie widersprüchlichen Interessen ergaben. Die mehr oder weniger freiwilligen Kolonisten errichteten nach Nicholls Erzählung ein provisorisches Fort und erkundeten die Insel, wobei sie Nahrungsmittel, Tiere und sogar Hinweise auf Gold fanden. Sie trafen dabei auf Indigene, die Französisch sprachen und mit ihnen erste Handelsbeziehungen eingingen. Angesichts der guten Aussichten für eine Kolonisierung brachen einige Männer mit der erbeuteten Pinasse auf, um Verstärkung zu holen. Auf San Lucia bildete sich jedoch bald eine indigene Allianz unterschiedlicher Gruppen, die Nicholl verallgemeinernd als Caribs bezeichnete. Sie legten den Kolonisten einen Hinterhalt. Die Indigenen töteten einen Großteil der Engländer und nach einem mehr als sechstägigen, von Nicholl detailreich geschilderten Kampf, zerstörten sie das Fort.867 Neunzehn Überlebende gingen mit einer der indigenen Gruppen ein Geschäft ein und tauschten allen verbliebenen Besitz gegen ein Boot und ein wenig Proviant. Nach einer Überfahrt, auf der Nahrungsmangel und 865 Vorwürfe auch in  : Purchas HP IV, S. 1255. 866 Purchas HP IV, S. 1265. 867 Nicholl hebt hervor, dass die Caribs genau über die Funktion von Feuerwaffen Bescheid wissen, Ladezeiten nutzen, beim Anlegen Deckung suchen und gezielt die Männer angreifen, deren Waffen keine brennenden Lunten hatten.

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Krankheit weitere Tote forderten, nahm schließlich ein spanisches Schiff die Männer auf. Trotz aller Not hebt Nicholl 1607 in seiner Relation hervor, dass ihr Überleben Beweis für Gottes Wohlwollen sei. Daher sei es sein Ziel  : »not to discourage any from attempting the like, but rather to encourage with the munition of providence.«868 Dieser Aufruf blieb aber ohne Erfolg. Für die folgenden Jahre 1607–1609 lassen sich lediglich in einer am Ende des 17.  Jahrhunderts verfassten, unpublizierten Studie Hinweise auf zwei koloniale Projekte finden, die von England und Frankreich aus unternommen worden seien. Autor des Textes ist John Scott (gest. 1696).869 Scott war als englischer Offizier in den 1660ern in der Karibik aktiv. Inwiefern er in dieser Zeit Informationen für sein späteres Werk sammelte ist unklar, da er seine Methoden und Quellen zeittypisch nicht offenlegt. Trotz dieser Unklarheit und seiner klar proenglischen Haltung verwenden viele HistorikerInnen bis heute mangels Alternativen sein Werk unkritisch oder in Unkenntnis seiner Problematik als Quelle. Bei der ersten Unternehmung handelt es sich laut Scott um ein englisches Projekt, bei dem ein Konsortium von Kaufleuten im April 1609 mehr als 200 Siedler auf der Insel Grenada abgesetzt habe.870 Das Projekt sei jedoch durch die Schuld der Spanier nach wenigen Monaten abgebrochen worden, da diese aus Eifersucht alle Handelsversuche blockiert und die Indigenen durch agitierende Geistliche zu Angriffen angestachelt hätten. Hinzu kam, dass die Siedler allesamt Städter gewesen seien, die mit dem harten Leben nicht zurechtkamen. Auch wenn sich eine Handelsreise in die Karibik zu dieser Zeit anhand anderer Quellen nachweisen lässt, erscheinen Scotts Angaben zum kolonialen Projekt unglaubwürdig. Das Unternehmen wäre doppelt so groß gewesen wie die erste Jamestown-Expedition und hätte immense finanzielle Ressourcen und angesichts der politischen Haltung Jakobs  I. auch Fürsprache bei Hof benötigt – all das ohne irgendein zeitgenössisches Echo in einem Archiv oder einer Druckschrift hervorzubringen. Auch die Erzählung, dass spanische Geistliche die Indigenen aufgehetzt hätten, muss angesichts der Tatsache, dass die Inselbewohner keine 868 Nicholl 1607, Widmung an Thomas Smith, den Direktor der East India Company. 869 Weitgehend positiv schätzt Williamsson 1923 die Glaubwürdigkeit ein, S.  39, auch wenn er in dem von ihm betrachteten Einzelfall Scott nicht folgen will  ; eine fallweise Prüfung mit paralleler Überlieferung bei Andrews 1978, S. 241–243 fällt ebenfalls positiv aus. Dies sollte aber nicht über die Problematik dieses Materials hinwegtäuschen. 870 Der Volltext ist zitiert bei Andrews 1978, S.  242–243, der die Angaben kritisch prüft. Andrews gelingt es, die angeblichen Organisatoren zu identifizieren und Hinweise auf eine von ihnen unternommene Karibikreise zu finden, allerdings keinerlei Beleg für einen Aufenthalt auf Grenada, für das koloniale Projekt oder für die genannten Siedler, ebd. S. 242, FN 53. Dennoch folgen viele Darstellungen den Ausführungen Scotts weitgehend unkritisch  : Vgl. Steel 2003, S. 35f. Meist sogar ohne Angabe zur Quelle bspw.: Moreau 1987, S. 141  ; Kupperman 2008, S. 183 und Taylor 2002, S. 206. Die Folge ist, dass diese Kolonie in Online-Lexika und historischen Überblicken unreflektiert präsent ist.

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Christen waren und bisher eher gewaltgeprägten Kontakt zu den Spaniern hatten, als unwahrscheinlich gelten. Das zweite Projekt ist ebenfalls aufgrund seiner Ausmaße ungewöhnlich. Laut Scott hätten 1607 beinah 400 Siedler aus Frankreich versucht, die bisher von den Engländern favorisierte Region am Wiapoco zu besiedeln.871 Dort hätten Indigene sie angegriffen, im Jahr 1609 bis auf wenige Siedler dezimiert und sie so schließlich zum Rückzug gezwungen. An dieser Darstellung fallen mehrere Unstimmigkeiten auf. Zum einen hätte der Sieur de la Ravardière, der seit 1605 offizieller Statthalter des Königs war, und der Hof über eine derart große Unternehmung informiert werden müssen, was ebenso wie die immensen Kosten der Unternehmung archivalische Spuren hinterlassen hätte. Ravardière selbst unternahm 1612 ein eigenes Projekt, in dessen Kontext zwar zahlreiche Berichte entstanden, aber kein Vorläufer erwähnt wird. Denkbar ist allerdings, dass Scotts Informationen auf Gerüchten basieren, deren Kern entweder eine weitere Spähreise im Auftrag Ravardières war oder das in dieser Zeit übliche Absetzen einiger vereinzelter Truchements. Zuletzt ist festzuhalten, dass die angebliche Aggressivität der Indigenen am Wiapoco allen zeitgenössischen Berichten über die Region widerspricht. Dies führt zur nächsten, jenseits von Scotts Werk in archivalischen Quellen nachweisbaren Expedition an den Wiapoco – das koloniale Projekt Robert Harcourts von 1609. Harcourt traf nur wenige Wochen nach dem angeblichen Untergang der französischen Siedler vor Ort ein. In keiner der Quellen zu seinem Projekt steht ein Wort über die französische Kolonie – die immerhin zu dieser Zeit die größte an der gesamten Küste gewesen wäre – oder über die mehr als 300 toten Europäer. Selbst wenn, wie Scott impliziert, die Indigenen am Wiapoco die Franzosen als Feinde angegriffen und die Engländer als Freunde behandelt hätten, hätten die Bewohner des Wiapoco ihren englischen Verbündeten diese Tat wahrscheinlich geschildert. Angesichts der nachgewiesenen Internationalität der Handelskontakte ist diese Parteinahme allerdings sehr unwahrscheinlich und eher Ausdruck eines proenglischen Wunschdenkens des selbst in Kolonialkriegen engagierten Autors. Robert Harcourt, der 1609 ein koloniales Projekt am Wiapoco unternahm, war jedoch nur einer von zwei Männern, die sich ein wachsendes Interesse an der Wild Coast zu Nutze machten. Neben Harcourt, einem katholischen Rechtsgelehrten mit nur geringem Grundbesitz und damit gewissermaßen einem Angehörigen des Bürgertums, suchte gleichzeitig der mit der Königsfamilie eng vernetzte, vermögende Höfling Thomas Roe Unterstützung. Roes Vorbereitungen begannen noch vor Harcourts, doch brach er erst später auf.

871 Scotts Ausführungen zitiert Williamsson 1923, S. 39. und äußert sich kritisch dazu. Vgl. Andrews 1978, S. 231  ; Boucher 2007, S. 298.

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Über Thomas Roes Projekt liegen nur fragmentarische Quellen vor.872 Roe selbst stammte aus einer in London einflussreichen Familie, die unter Elisabeth mehrfach den Lord Mayor gestellt hatte.873 Er selbst war für eine höfische Karriere vorbereitet worden und stieg in den persönlichen Dienst der Königin auf. Auch Jakob  I. und dessen Kinder schätzten seine Qualitäten als Gesprächspartner, was Roe zu einer Vertrauensposition bei der Tochter des Königs verhalf. Er investierte 1607 in die Virginia Company und war Mitglied des Royal Counsell für die Gesamtkompanie und des Londoner Counsell für Jamestown.874 Im Zuge seines Engagements für die Virginiakolonie hatte er sich auch mit Walter Raleghs Reisen beschäftigt und eventuell erste Kontakte zu dem inhaftierten Experten für koloniale Projekte aufgenommen. Ralegh wiederum begann 1607 damit, Kontakte zu mobilisieren, um für die Durchführung einer eigenen Guyana-Reise aus dem Tower entlassen zu werden.875 Seine Bemühungen blieben jedoch vergeblich. Ralegh bemühte sich daher intensiv um den jungen Kronprinzen Heinrich, zu dessen engeren Bekannten wiederum Thomas Roe gehörte. Schon länger hatte Ralegh in seinen Gemächern im Tower eine Bibliothek und Sammlung von Schaustücken über beide Amerikas interessierten Personen zugänglich gemacht.876 Ralegh präsentierte dem Prinzen dort Erzproben und Pflanzen aus Südamerika, unterwies ihn in Prinzipien des Schiffbaus und der Seekriegsführung und überzeugte ihn so von den Vorzügen einer kolonialen Expansion nach Guyana.877 Unter der Protektion des Kronprinzen gingen daraufhin Walter Ralegh und Thomas Roe eine Partnerschaft ein.878 Unter der Prämisse, dass der Prinz die Unternehmung förderte, dass Ralegh in Haft bliebe und dass für ihn keine Kosten entstünden, förderte auch Robert Cecil die Unternehmung.879 Ziel der Expedition war eine umfassende Erkundung der Wild Coast vom Amazonas bis zum Orinoko, um einen Weg ins Innere des Kontinents zu den Goldminen und eventuell der goldenen Stadt Manoa zu finden. Noch bevor Roe seine Reisevorbereitungen abgeschlossen hatte, brach jedoch bereits Robert Harcourt nach Südamerika auf.880 Dessen geringer Landbesitz war zwar verschuldet, aber Einkommen aus einigen Eisenwerken ermöglichten ihm die Durch872 Übersicht Williamsson 1923, S. 52. 873 Zur Person siehe Strachan  : Roe, Sir Thomas. In  : ODNB  ; und Strachan 1991. 874 Strachan 1991, S. 15–19. 875 Über diese Versuche insgesamt Herbertson 1993, S. 183–187. Ralegh kam 1612 dem Erfolg nah, als mehrere Mitglieder des Privy Councils bereit waren, Keymis eine Reise mit Soldaten zu erlauben und vorzufinanzieren, für die Ralegh alle Kosten im Nachhinein übernehmen würde, falls Keymis mit weniger als einer halben Tonne Gold zurückkehre, ebd. S. 186. Doch auch dieser Plan blieb unverwirklicht. 876 Nicholls/Williams  : Ralegh, Walter. In  : ODNB. 877 Strachan 1991, S. 22–25. 878 Zur Vorgeschichte Lorimer 1989, S. 35f. 879 Edwards 1988, S. 181. 880 Lorimer, Joyce  : Harcourt, Robert. In  : ODNB.

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führung eines kleinen Siedlungsprojektes nach Vorbild der Virginia Company. Anders als Charles Leigh zuvor, verfügte Harcourt über eine offizielle königliche Lizenz für eine Erkundungsreise, bei deren Erwerb ihn ebenfalls der Kronprinz Heinrich unterstützt hatte.881 Eine finanzielle Förderung war damit jedoch nicht verbunden, so dass Harcourt die Expedition aus seinem bescheidenen Familienvermögen finanzierte.882 In dieser Lage war er darauf angewiesen, dass seine erste Reise von möglichst vielen Leuten als Erfolg wahrgenommen werden würde und verfasste daher persönlich eine Relation über deren Verlauf.883 Harcourt plante auf Charles Leighs Spuren eine Siedlung am Wiapoco anzulegen. Als er am 17. Mai 1609 dort eintraf, begleiteten ihn einer von Leighs Veteranen, ein von Leigh als Geisel nach England gebrachter indigener Anführer aus der Region und sogar einer von Raleghs indigenen Dolmetschern, der mehr als ein Jahrzehnt in England gelebt hatte.884 In Umkehrung zur Erfahrung Leighs, der zum Bleiben gedrängt worden war, musste Harcourt nach eigenen Angaben die Indigenen mit Tauschwaren mühsam überzeugen, ihn in ihren Dörfern aufzunehmen. Bei der Kontaktaufnahme mit unterschiedlichen Gruppen zeigte sich laut Harcourt aber eine positive Grundhaltung gegenüber Engländern im Allgemeinen und Walter Ralegh im Besonderen.885 Obwohl Ralegh selbst nur einmal vor Ort gewesen war, fungierte er offenbar aufgrund der von ihm ausgesandten Expeditionen als Schlüsselfigur in der indigenen Vorstellung von England. Diese Schilderung könnte aber als eine Geste des Respekts von Seiten Harcourts erfunden oder überzeichnet worden sein. In den folgenden Monaten erkundete Harcourt den Flusslauf und setzte weitere Männer in verschiedenen Dörfern ab, wo sie weitere Handelskontakte knüpfen sollten. Offenbar plante er ein Netzwerk mehrerer kleiner Faktoreien mit einem Zentrum zu errichten, von wo aus die Indigenen gegen Feinde unterstützt und der Handel mit England koordiniert werden konnte. Auch wenn Harcourt angibt, er habe geplant, eine größere Zahl Siedler vor Ort zu lassen, und sei durch schlecht gelagerte Vorräte daran gehindert worden, bleibt zu bedenken, wie begrenzt seine Mittel waren. Als Robert Harcourt nach England zurückkehrte, blieben – ob geplant oder den Umständen geschuldet – 30 Mann unter Führung seines Bruders zurück.

881 Publiziert in  : Robert Harcourt 1613  : A relation of a voyage to Guiana Describing the climat, scituation, fertilitie, prouisions and commodities of that country. 882 Lorimer 1989, S. 39. 883 Harcourt 1613 ist die wichtigste Quelle über die Reise. Eine gekürzte Fassung erschien in  : Purchas HP IV, S. 1268–1282 [Ndr. 1907 XVI, S. 358–403]  ; eine erweiterte Ausgabe erschien 1626. Ergänzend druckte Purchas einen bis dahin unveröffentlichten Bericht über eine Expedition ins Landesinnere ab, Purchas HP IV, S. 1282f. [Ndr. 1907 XVI, S. 403–413]  ; vgl. Williamsson 1923, S. 41–52  ; Andrews 1978, S. 231. 884 Vaughan 2002, S. 367  ; Ders. 2006, S. 35. 885 Vaughan 2002, S. 367.

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Kurz darauf, im Februar 1610, brach Thomas Roe zu seiner Erkundungsreise auf, die primär auf die Entdeckung eines Zugangs zu einem Goldreich am Amazonas zielte.886 Neben Roe selbst, dessen Familie auch sehr gute Kontakte zu den Londoner Kaufleuten unterhielt, fungierte insbesondere Walter Ralegh als Geldgeber. Roes Ziel, seine Vernetzung bei Hofe und seine Stellung zeigen sich deutlich in einem Brief, den er aus Amerika an Robert Cecil schrieb.887 Darin geht er nicht auf eine mögliche Koloniegründung ein, beschreibt aber ausführlich den Gegensatz zwischen dem spanischen Herrschaftsanspruch auf die Region und den geringen Mitteln zu dessen Durchsetzung. Er gibt weiterhin an, dass die spanische Siedlung am Orinoko so schwach sei, dass sie leicht erobert und dauerhaft gehalten werden könne. Dies solle man nutzen, da die Spanier eine Expansion entlang des Orinoko planten, was ihnen den Weg zur goldenen Stadt Manoa eröffnen würde. Roe schließt damit, dass er einen ranghohen spanischen Deserteur suche, dessen Kenntnisse für eine Konfrontation nützlich seien. Harcourt und Roe verfolgten also sehr unterschiedliche Ziele, was erklärt, warum beide zeitgleich gefördert werden konnten. Roe, ganz im Sinne Raleghs, warb dafür, die politische Grundlinie der Konfliktvermeidung aufzugeben, während Harcourt sich innerhalb des gesetzten Rahmens bewegte. Trotz seiner im Brief geäußerten Positionierung handelte Roe auf seiner Reise jedoch nicht offensiv, sondern ließ lediglich etwa 20 Mann am Amazonas zurück. Der Tod Robert Cecils im Mai und des Kronprinzen Heinrich im November 1612 brachten für Roes und Raleghs offensive Pläne jedoch einen Rückschlag.888 Angesichts der auf die Vermeidung von Konflikten zielenden Politik Jakobs I. standen die Zeichen eher günstig für Harcourts Projekt. Diese Wendung war überaus willkommen, da Harcourt bei seiner Rückkehr verschuldet war. In den drei Jahren nach seiner Expedition konnte er daher nur einmal auf einem niederländischen Schiff Versorgungsgüter und Verstärkung an den Wiapoco schicken.889 Sein Bruder kehrte mit diesem Schiff zurück und berichtete von einem Goldreich und Edelmetallvorkommen weiter im Landesinneren. Diese Gerüchte, die Reichtum ohne eine Konfrontation mit Spanien versprachen, halfen den Harcourts offenbar dabei, am 28. August 1613 ein offizielles Patent zur Gründung einer Kolonie sowie zur Gründung einer Company zur Finanzierung zu erhalten, die auch ein Monopol auf die Region einschloss.890 Harcourt verfügte jedoch über keine Mittel, um die königliche Lizenz zu nutzen, weswegen er die Relation seiner Reise von 1609 mit einem Abdruck seiner Letters 886 Zur Ereignisgeschichte siehe Williamson 1923, S.  52–59. Vgl. Andrews 1984, S.  298f.; Ders. 1978, S. 232  ; Strachan 1991, S. 29–34. 887 Vollständig zitiert bei Williamsson 1923, S.  55–57 und Lorimer 1989, S.  153–155. Original in State Papers Colonial CO 1/1 Nr. 25. 888 Nicholls/Williams  : Ralegh, Walter. In  : ODNB. 889 Laut Lorimer  : Harcourt, Robert. In  : ODNB. Vgl. Williamsson 1923, S.  47  ; Lorimer 1989, S. 149f. mit Belegen aus John Smiths True Travels von 1630, Kapitel 24. 890 CSP, Domestic series, James I, Vol. 2 (1611–1618), S. 198.

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Patent und dem Entwurf für eine Company publizierte.891 Die auffällige Ähnlichkeit mit der zeitgenössischen Werbeliteratur für Virginia, inklusive Thomas Harriots Brief and True Report, zeigt sich bereits im Titel  : A relation of a voyage to Guiana Describing the climat, scituation, fertilitie, prouisions and commodities of that country, containing seuen prouinces, and other signiories within that territory  : together, with the manners, customes, behauiors, and dispositions of the people.892 In diesem Titel ist auffällig, dass Harcourt durch die Einteilung des Landes in Provinzen und Herrschaften die Existenz einer indigenen politischen Struktur nahelegt. Das entsprach den Postulaten Raleghs über ein indigenes Großreich und dürfte die Leser an die zeitgleich erscheinenden VirginiaRelationen erinnert haben, in denen vom Reich des Powhatan und seinen Vasallen die Rede war. Die Schrift enthält eine Widmung  : »To the Readers, Adventurers, and wel-willers to the Plantation in Gviana.«893 Darin stellt Harcourt klar, dass seine Unternehmung in der Tradition Walter Raleghs steht, indem er angab sein Ziel sei  : »discovery and plantation of a part of the great, rich & mighty Empire of Guiana.«894 Im Gegensatz zur früheren Werbeliteratur fehlt seinem Text auffälligerweise die antispanische Grundhaltung. Zwar schreibt Harcourt, dass die Spanier zu ihrem Bedauern von brutalen Indigenen zur Gewaltanwendung gezwungen worden seien  – was Engländern in Guyana wegen der Freundlichkeit der Einheimischen nicht drohe – aber dies hindert ihn nicht, Cortes und Pizarro als heldenhafte Vorbilder zu präsentieren.895 Weiterhin schildert er die Kolonisierung Guyanas als gutes und gottgefälliges Werk, in dem Angehörige aller Schichten ihre von der Vorsehung bestimmte Rolle spielen könnten. Dies sei nicht anders als in Virginia, das er am Ende direkt mit Guyana vergleicht. Dabei stellt Harcourt heraus, dass das Klima in Südamerika besser und die Nahrungsversorgung einfacher sei, was wiederum mehr Zeit für die Erwirtschaftung von Profiten bedeute. Als Beleg führt er an, in drei Jahren nur fünf von 30 Mann verloren zu haben – eine Rate, die sich durch den unausgesprochenen Vergleich mit Jamestown als herausragender Erfolg interpretieren ließ. Harcourts Pläne für Guyana lassen sich in seinem Entwurf für eine Company nachvollziehen.896 Er versuchte, Siedler für eine dauerhafte, landwirtschaftliche Nutzung und Besitznahme anzulocken. Sonderregeln für Verheiratete und Familien mit Kindern zeigen, dass er diese Gruppen besonders zur Auswanderung motivieren wollte, hinzu kommen Privilegien für Inhaber von Herrschaftsrechten, die bereit wären, mit Gefolge, gewissermaßen als Subunternehmer, eine eigene Kolonie zu errichten. Auch wenn dieser Entwurf eine Siedlungskolonie als Ziel auslobt, bot die Relation auch 891 892 893 894 895 896

Vgl. Zur Einordnung Williamsson 1923, S. 48f. Harcourt 1613. Harcourt 1613, Widmung S. Ar.–B4v. Harcourt 1613, S. B1r. Direkte Bezüge auf Raleghs Leistungen folgen B3v. Harcourt 1613, S. B2r. Williamsson 1923, S. 46 – gegen ein lockeres Netz von Faktoreien.

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Inhalte für diejenigen, die an Goldminen und Edelsteinen interessiert waren. Offenbar wollte Harcourt unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Seine Pläne blieben jedoch unverwirklicht, denn er und sein Bruder konnten die notwendigen Gelder nicht aufbringen. Für die folgenden Jahre finden sich daher nur vereinzelte Hinweise darauf, dass Versorgungsgüter an den Wiapoco transportiert wurden. Auch Thomas Roe kümmerte sich in der Folgezeit nur sporadisch um seinen kleinen Außenposten am Amazonas. Er schickte von 1611 bis 1617 lediglich zweimal Versorgungsgüter für seine 20 Männer, wofür er nach einem Aufenthalt in der englisch kontrollierten Stadt Flushing niederländische Schiffe nutzen konnte.897 Ein möglicher Grund für den geringen Einsatz des vermögenden und gut vernetzen Roe könnte gewesen sein, dass er sein Interesse verlagert hatte. Roe reiste 1614 im Auftrag der East India Company als Gesandter an den Hof des indischen Großmoguls. Dort erreichte ihn 1617 ein Brief mit der Information, dass vier oder fünf seiner Männer auf niederländischen Schiffen nach Europa zurückkehrt seien und eine immens wertvolle Ladung Tabak zurückgebracht hätten.898 Danach finden sich keine Hinweise mehr. Ob seine Männer allesamt abreisten oder ob sie sich anderen Unternehmungen anschlossen, ist nicht zu ermitteln. Im Gegensatz zu Roe hatte Robert Harcourt zwar keine Mittel, um an den Wiapoco zu reisen, aber nach wie vor starkes Interesse daran, seine Ansprüche zu wahren und gegen mögliche Konkurrenten zu verteidigen.899 Erst in der Mitte der 1620er Jahre konnte er seinen Einsatz noch einmal forcieren. Nachdem seine Relation 1625 in Purchas Textsammlung Hakluytus Posthumus erneut erschienen war, gab Harcourt den Text 1626 ein zweites Mal in Druck und konnte genug Geld einwerben, um 1629 mit ca. 100 Mann an den Wiapoco zurückzukehren, wo er vermutlich 1631 starb.900 Über das Schicksal seiner letzten Siedlung ist nichts bekannt. Er und Roe waren somit die Urheber zweier weiterer Lost Colonies, die aber im Vergleich mit Raleghs Virginiakolonie in der Historiographie als nahezu vergessen gelten können. Eine Ausnahme von dieser Tendenz stellen die Werke des englischen Historikers James Lorimer dar. In seiner maßgeblichen Darstellung und Quellenedition von 1989 bietet er nicht nur Material zu den Projekten Roes und Harcourts, sondern darüber hinaus auch Hinweise auf zwei weitere Unternehmungen, die im Jahr 1612 am Amazonas durchgeführt wurden.901 Auch wenn zu beiden nur wenige Zeilen Quellen897 Parker 1965, S. 220. 898 Brief von Lord George Carew o.D. 1617, zitiert vollständig in  : Lorimer 1989, S. 187. 899 Siehe hierzu die Angaben zu Roger North in Kapitel 3.3.3. 900 Vgl. Lorimer  : Harcourt, Robert. In  : ODNB. 901 Lorimer 1989, mit Abdruck der Quellen  ; im Vorwort zu dieser Darstellung macht Lorimer deutlich, dass ihm der Nachweis einer frühen eigenständigen irischen kolonialen Präsenz am Amazonas ein zentrales Anliegen ist. Vgl. kurz Lorimer 1993, S. 21  ; Williamsson 1923, der von 1611–1619 als Zeitraum der »obscure enterprises« spricht und dem die von Lorimer erarbeiteten Projekte noch unbekannt waren, S. 60.

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material überliefert sind, belegen sie, dass dieser Fluss inzwischen zunehmend in den Fokus englischer Projektemacher rückte. Lorimer schildert zum einen das von ihm dezidiert als irisch charakterisierte Vorhaben von Philip und James Purcel.902 Beide Brüder brachten 14  Mann an den Amazonas, die dort mit indigener Arbeitskraft große Mengen Tabak für den Handel produzieren konnten. Durch die ganzjährige Wachstumsphase und hohe Qualität ihres Tabaks, der mehr als den zehnfachen Preis von Virginia-Tabak erzielte, erwirtschafteten die Brüder hohe Profite. Ihre kleine Plantage wurde daher zum Grundstein einer erfolgreichen Kooperation mit ca. 200 niederländischen Siedlern, bis 1625 Portugiesen die Siedlung zerstörten. Die zweite von Lorimer analysierte Unternehmung war die Gründung eines Forts durch einen gewissen Thomas King, der eventuell in Kooperation mit Thomas Roe handelte.903 Ein Hinweis in einer späteren Quelle deutet darauf hin, dass sein Fort 1615 noch stand und er selbst den Befehl dort führte. Eine weitaus größere Beachtung als die englischen Projekte hat in der historischen Forschung hingegen das im selben Jahr 1612 in der nordbrasilianischen Region Maranhão gegründete Fort des Daniel de la Touche Sieur de la Ravardière gefunden. Grund hierfür sind der hohe Aufwand an Menschen und Materialien sowie eine eigene Werbekampagne in Frankreich, aus der eine für Südamerika unvergleichbare Überlieferungsdichte hervorging. Die Werbung für das Projekt, in Schrift wie auch in Form öffentlicher Inszenierungen, ging von Angehörigen des Ordens der Kapuziner aus.904 Sie nahmen für die France équinoxiale genannte Kolonie als Missionare und 902 Lorimer 1989, S. 43–45 und zur Kooperation mit Niederländern 51f.; vgl. Ders. 1993, S. 21f. Zentrale Quelle ist ein 1621 verfasster Bericht des spanischen Gesandten an den Rat der Indien über ein Gespräch mit Philip Purcel, ediert in  : Lorimer 1989, S. 156–158. 903 Lorimer 1989, S. 46f. vgl. Ders. 1993, S. 21f. Das Fort wird lediglich in einem spanischen Bericht von 1615 über eine Befragung niederländischer Seefahrer zu Siedlungen an der Küste erwähnt. Zitiert in  : Lorimer 1989, S. 158f. Lorimer verweist darauf, dass der Name des Anführers mit »Thomas Rey« angegeben wird, was er als Übersetzung von »Thomas King« liest. Dagegen hatte Williamsson dies als alternative Schreibweise von Thomas Roe gedeutet und den Bericht entsprechend eingeordnet, vgl. Williamsson 1923, S. 58, FN 1. 904 Boucher 1989 zählt insgesamt 15 zeitgenössische Publikationen auf, S. 22  ; ebenso Obermeier 2007, S.  128, die er vergleichend untersuchte in  : Obermeier 1995, S.  73–100. vgl. die Aufzählung von Daher 1998, S. 290 von fünf zentralen Berichten und zwei Gesamtgeschichten der Unternehmung, die auch bei Obermeier 1995 im Zentrum stehen. Aus diesen Quellen wird hier im Folgenden nur eine Auswahl näher behandelt, da erstens die übergreifenden Motive und Themen in den Studien von Obermeier und Daher gut erschlossen sind, zweitens die frühen kleineren Schriften in den späteren, umfangreichen Texten zu weiten Teilen aufgehen und drittens weil diese Quellen Probleme, Widerstände oder koloniales Scheitern kaum behandeln, da sie als Erfolgsgeschichten während des noch laufenden Projektes entstanden. Die wichtigsten Quellen sind  : Claude D’Abbeville 1612  : Lettre d’un père capucin s’estant acheminé au fleuve Maragnon & terres adjacentes en L’inde Occidentale  ; Claude D’Abbeville 1612a  : L’arrivee des peres Capucins en l’inde nouvelle appellée Maragnon, avec la reception que leur ont faict les sauvages de ce pays & la conversion d’iceux á nostre saincte foi  ; Claude D’Abbeville

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Berichterstatter eine ähnliche Rolle ein wie die Jesuiten in Nouvelle-France. Ihre Bedeutung für die Historiographie ist sogar noch größer, da es keine parallelen weltlichen Publikationen gab, wie sie Lescarbot und Champlain zur Acadie vorlegten. Die historische Forschung, die auf diese Quellenbasis aufbaut, weist die für die frühe Geschichte der europäischen Expansion typische Differenzierung auf. Zum einen finden sich zahlreiche Ereignisrekonstruktionen, die oftmals eng den Vorlagen der Kapuzinerberichte folgen.905 Somit lässt sich die Ereignisgeschichte wie so oft anhand einer breiten Literaturbasis darstellen, die auf ein relativ einseitiges Fundament gegründet ist. Zum anderen haben insbesondere Angela Daher und Franz Obermeier umfangreiche, literaturhistorische Analysen der Quellen vorgelegt, in denen sie Topoi, Argumentationsstruktur, Bezüge der Texte zueinander und deren Stellung im französischen Brasiliendiskurs und zeitgenössischen Missionsdiskurs untersuchten.906 Ausgangspunkt der Unternehmung waren die Bemühungen des Sieur de la Ravardière, gemeinsam mit dem zum Katholizismus konvertierten Truchement Charles des Vaux seinem Patent von 1605 Taten folgen zu lassen. Mit Genehmigung Heinrichs IV. unternahm Ravardière 1609 eine erneute Reise an die Küste Nordbrasiliens, bestätigte die Eignung der Region für eine Kolonisierung und brachte von dort Indigene mit, die er in Frankreich zur Werbung für ein koloniales Engagement vorführen konnte.907 Die Ermordung Heinrichs IV. veränderte jedoch die politische Lage. Die Position der hugenottischen Veteranen bei Hofe verschlechterte sich unter der Regentschaft Maria de Medicis und das Klima stand günstig für eine dezidiert katholische Mission in Übersee, wovon auch die Jesuiten in Nordamerika profitierten. In dieser Situation fand Ravardière tatkräftige Hilfe bei einem sowohl vermögenden wie auch hervorragend vernetzten katholischen Adeligen  : François de Razilly. Ra1614 Histoire de la mission des Pères Capucins en l’Isle de Maragnan  ; Yves D’Évreux  : Voyage au nord du Brésil  ; vgl. die Edition der gekürzten Druckfassung D’Évreux/Denis 1864 und die Edition der Manuskriptfassung D’Évreux/Obermeier 2012. Weitere Quellen werden im jeweiligen Kontext genannt. 905 Eine Ereignisrekonstruktion bieten  : Boucher 2008, S.  55–58  ; Boucher 2007, S.  297–303  ; Bonnichon 1994, S.  130–139  ; Fornerod 2007, S.  103–125  ; Jarnoux 1991, 273–296  ; alt, aber noch häufig zitiert  : Roncière IV, S. 348–363. Ein Vergleich mit Villegagnons Projekt bietet  : Shannon 2002, S. 51–61. Eine ausführliche Gesamtdarstellung – ohne Verweise auf die Rezeptionsgeschichte  : Pianzola 1991  ; weniger geeignet aufgrund einer sehr positiven Haltung gegenüber Ravardière, der explizit als »heros de l’aventure« bezeichnet wird  : Provençal/Mariz 2011, S. 47–188, hier S. 47, ist außerdem sehr nahe an dem Werk Guerin 1844. 906 Daher 1998  ; Dies. 2005 und Dies. 2018, die den missionarischen Diskurs und die verwendeten Topoi bei der Darstellung von Missionsarbeit, Indigenen und des französischen Selbstbildes herausarbeitet. Basiert auf der Monographie  : Daher 2002, darin auch eine ereignisgeschichtliche Zusammenfassung, S. 42–66  ; vgl. Obermeier 2007, S. 127–149, der speziell die Motive zur Darstellung der indigenen Monarchie sowie der Portugiesen herausarbeitet. Basiert auf der umfangreicheren Studie  : Obermeier 1995, darin auch eine ereignisgeschichtliche Zusammenfassung, S. 34–66. 907 Boucher 2008, S. 56  ; Provençal/Mariz 2011, S. 53f.; Shannon 2002, S. 54  ; Pianzola 1991, S. 44f.; Daher 2002, S. 44.

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zilly war Kammerherr bei Hofe und überzeugte seine drei Brüder, sich und ihre jeweiligen Kontakte in das Projekt einzubringen.908 Nachdem Ludwig XIII. das Patent für Ravardière bestätigt hatte, schlossen beide Männer einen Vertrag, der im September 1611 eine königliche Ratifikation erhielt, um ihre gleichrangige Partnerschaft rechtlich abzusichern.909 Zu diesem Zeitpunkt hatte die regierende Königinmutter bereits den Orden der Kapuziner ins Spiel gebracht und ihm die Aufgabe der Mission in Südamerika übertragen.910 Ihre Vorgängerin Katharina de Medici hatte diesem Reformorden 1575 erlaubt, ein Kloster an der Rue St.  Honoré in Paris zu gründen. Von dort aus waren sie zu einer führenden Kraft in der katholischen Reformbewegung innerhalb Frankreichs geworden.911 Maria de Medici bat die Kapuziner, zunächst vier Freiwillige zu benennen, die Razilly nach Brasilien begleiten sollten. Die Mönche stimmten sofort zu, denn für sie hatte die Missionierung eine dreifache Bedeutung  : Sie war ein sakrales Vorhaben zur Erfüllung der göttlichen Vorsehung, ein Beweis für die Handlungsfähigkeit der katholischen Reformbewegung und konnte den Machtbereich ihres Patrons vergrößern, was wiederum ihren eigenen Status sicherte.912 Ravardière und Razilly verfügten somit über die nötige Autorität und Legitimation sowie sakrale Unterstützung, um am 1. März 1612 in der Stadt Cancale eine Companie zu gründen, welche die Errichtung von France équinoxiale finanzierte.913 Da die Krone selbst keine Gelder bereitstellte, war es nötig, Profiterwartungen zu wecken und neben Unterstützern der Missionierung auch profan denkende Investoren anzuziehen. Hierfür boten sich der Tabakanbau mittels indigener Arbeitskraft und der Tauschhandel entlang der Flüsse als Argument an. Hinzu kam die durch Walter Raleghs Schriften geschürte Hoffnung auf Gold, Silber und Edelsteine. François de Razilly war sehr erfolgreich bei der Suche nach Unterstützern. Sein wichtigster Partner wurde Nicolas Harlay de Sancy, ein reicher Bankier, der vor dem Herzog von Sully als Surintendant de Finances Heinrichs  IV. gedient hatte. Weitere Förderer waren Charles de Bourbon, dritter Erzbischof von Rouen dieses Namens, der zugleich Ehemann von Razillys Cousine war, sowie der Bruder des damals aufstrebenden Armand-Jean Du Plessis, des späteren Kardinals Richelieu. Der wichtigste Beitrag kam jedoch von Razilly selbst, der 30.000 Livres aus seinem Familienvermögen beisteuerte – mehr als die doppelte Investition Harlays.

908 Zu den Unterstützern des Projektes  : Shannon 2004, S. 224f.; Jarnoux 1991, S. 282–284  ; VergéFranceschi, 1998, S.  280  ; Pianzola 1991, S.  15  ; Daher 2002, S.  44–46  ; Provençal/Mariz, 2011, S. 54–58. 909 Zum Patent  : Obermeier 1995, S. 47. Der Vertrag ist zitiert in  : Daher 2002, S. 44f. 910 Shannon 2002, S. 55f. Der Brief an den Orden ist im Volltext ediert in  : Daher 2002, S. 42. 911 Dies steht speziell in den Werken von Shannon im Fokus, siehe Shannon 2002, S. 55. 912 Shannon 2004  ; Daher 2002, S. 301. 913 Jarnoux 1991, S. 274  ; Obermeier 1995, S. 48.

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Mit diesen Mitteln konnte am 19. März 1612 eine große Expedition von ca. 500 Personen, darunter ca. 300 Soldaten, adelige Mitglieder der Companie und vier Kapuziner, nach Brasilien aufbrechen. Schon jetzt war dies die größte Expedition seit Laudonnières und Ribaults Floridaprojekt, und wie damals waren keine Frauen an Bord. Bei der Ankunft in der Region Maranhão stellte des Vaux Kontakt zu den vor Ort etablierten und vernetzten Grenzgängern her. Damit verfügten Razilly und Ravardière über Dolmetscher und Kenner der Region und der indigenen Politik. So gelang es für den Aufbau eines Forts und einer Siedlung die ansässigen Tupinamba als Helfer zu gewinnen. Das neue Fort erhielt den Namen St. Louis, war aber nicht der einzige Siedlungsort. Mehrere Gruppen von Männern siedelten sich in umliegenden Dörfern unter den Indigenen an, von wo sie gemeinsam mit missionierten Tupinamba regelmäßig die neugebaute Kirche aufsuchen sollten. Mit Hilfe der Truchements konnte ein Netzwerk von Allianzen geknüpft werden, in dem Schutz, Handel und Missionierung ineinanderliefen. Damit trat die Kolonie in Konkurrenz zu den zahlreichen, saisonalen Händlern, welche die Region aufsuchten.914 Über die Ereignisse während und unmittelbar nach der Gründung von France équi­ noxiale schrieben die Kapuziner, vor allem Claude d’Abbeville, Briefe an ihre Vorgesetzten und Verwandten, die in Frankreich rasch in Druck gegeben wurden.915 Abbeville schilderte seinen Lesern vornehmlich sakrale Ereignisse, wie die Errichtung eines Kreuzes, die erste Messe, die Einweihung der Kirche und die Begegnungen mit freundlichen und angeblich für die Missionierung eingenommenen Tupinamba.916 Texte anderer Autoren bestätigten diese Fortschritte und ihre Bedeutung als Meilensteine ebenso wie die durchweg positiven Beziehungen zu den Indigenen – auch wenn einmal eine große Gruppe unbekleideter Frauen, denen die Priester aufgrund ihrer Nacktheit den Zugang zur Kirche verweigerten, das Gebäude gestürmt habe, um die Einrichtung und die Geistlichen näher in Augenschein zu nehmen.917 Obgleich die Texte der Kapuziner an ihre Ordensbrüder der Unternehmung eine ausnahmslos missionarische Prägung zuschrieben, berichteten sie einem der Schiffsausrüster von Gold, Ambra und Zucker.918 Dies zeigt, dass die Mönche nachrangig auch profane Interessen bedienten, eine Gewichtung, die sich deutlich in einer weiteren Schrift aus dem Jahr 1613 findet, die in weiten Teilen auf den bereits publizierten 914 Obermeier 1995, S. 81. Verweist darauf, dass nur in einer Quelle, die mehreren hundert Franzosen genannt werden, die 1612 bereits in die Region reisen. 915 Abbeville 1612a  : L’arrivee des peres Capucins. Der Text erhielt eine zweite Auflage im selben Jahr und eine deutsche Übersetzung in Augsburg von Dabertzhofer 1613a  : Die Ankunfft der Vätter Capuciner Ordens in die newe Indien Maragnon genannt. 916 Abbeville 1612a, S. 7–10. 917 Ebd. S. 13. 918 Ebd. S.  15f. Vgl. den auch einzeln publizierten Brief des Kapuziners Arsene an seinen Provincial  : Dernière lettre du père Arsène du Paris au R.P., Provincial des Capucins de la province de Paris, vgl. Obermeier 1995, S. 74f.

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Briefen basierte.919 Neben dem absoluten Vorrang der Mission über den Profit ist den Texten ebenfalls gemeinsam, dass die Autoren das Projekt als ausschließlich katholisch beschreiben. Weder der Hugenotte Ravardière noch andere protestantischen Seeleute, Soldaten oder Siedler werden erwähnt. Auch Informationen über das Zusammenleben von Kolonisten und Indigenen liegen jenseits der euphemistischen Schilderungen der Kapuziner kaum vor. Hinweise darauf bieten lediglich die von Abbeville in einem späteren Werk zitierten Gesetze der Kolonie, die neben sittlichem Verhalten und Pflichterfüllung insbesondere den Umgang der Europäer mit indigenen Frauen regulierten.920 Demnach war jedwede Unzucht mit Indigenen, egal ob einvernehmlich oder erzwungen, ein mit Todesstrafe zu ahndendes Verbrechen. Diese Regel, die bereits in Villegagnons France antarctique zu Konflikten geführt hatte, bedeutete für die Kolonie den Verzicht auf eine für die Indigenen wichtige Form der Festigung von Allianzen.921 Die Tatsache, dass die Truchements die Kolonie weiter unterstützten, könnte durch eine gewisse Toleranz gegenüber deren teilweise seit mehr als einem Jahrzehnt bestehenden Partnerschaften begründet sein. Außerdem ist angesichts der zum Teil dezentralen Stationierung der Männer ungewiss, inwiefern die Einhaltung der Gesetze genau überwacht werden sollte. Nach einigen Monaten verließ François de Razilly die Kolonie, um mit Claude d’Abbeville, einem weiteren Mönch und sechs konvertierten Tupinamba nach Frankreich zurückzukehren. Kurz zuvor erhielt Razilly von seinem Partner Ravardière am 30.  November 1612 die schriftliche Zusage, dass dieser bei Rückkehr Razillys aus Frankreich auf alle seine Rechte und Ansprüche auf Führung des Unternehmens verzichten und die Kolonie verlassen werde.922 In der Forschung ist dieser Schritt häufig als Folge von Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten gewertet worden, die in den Quellen aber nicht erwähnt werden.923 In Frankreich nahmen Razilly und die Kapuziner ihre Rückkehr zum Anlass für eine umfangreiche Werbekampagne. Bereits am 16. März 1613 feierten sie einen triumphalen Empfang mit Gottesdienst und Prozessionen in Le Havre.924 Von dort aus segelten sie nach Rouen, wo sie die Indigenen erneut einem großen Publikum präsentierten. Erst einen Monat nach der Atlantiküberquerung erreichten die Kapuziner mit ihren Konvertiten Paris. Dort folgte der zweistufige Höhepunkt der Inszenierung. Der erste Schritt war eine Audienz beim König und der regierenden Königinmutter. Einer der konvertierten Tu919 Claude D’Abbeville 1613  : Discours et congratulation à la France sur l’arrivée des peres Capucins en L’Inde Nouvelle. Erstausgabe in Paris, eine zweite Ausgabe folgt noch im selben Jahr in Tournon. 920 Publiziert in D’Abbeville 1614, Fol. 165–170. 921 Obermeier 2012, S. XXXI  ; Daher 2002, S. 134f. 922 Raverdiére verfasste eine Erklärung dazu am 30. November 1612. Zitiert in  : Abbeville 1614, S. 329– 343. 923 So bei Boucher 2008, S. 58. 924 Provençal/Mariz 2011, S. 115–117  ; Doreau 2012, S. 62  ; Obermeier 1995, S. 63–65.

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pinamba hielt dort eine Rede in seiner Muttersprache, in der er dem Herrscher für die Entsendung der Missionare und den gewährten Schutz vor den Feinden seines Volkes dankte.925 Weiterhin legitimierte der Tupinamba vor dem Hofstaat die koloniale Expansion durch eine freiwillige Anerkennung der königlichen Autorität in Form einer ewigen Allianz beider Völker.926 Die Rede wurde vermutlich von einem Truchement simultan übersetzt. Auf die Audienz folgte mit der feierlichen Taufe der Tupinamba am 24. Juli 1613 das Finale der Inszenierung.927 In einer prunkvollen Zeremonie im Konvent der Kapuziner an der Rue St. Honoré taufte der Erzbischof von Paris die drei überlebenden von ursprünglich sechs Tupinamba vor den Augen von König und Königinmutter. Die aufwändige Prozession zur Taufe zog ein großes Publikum an, während im Inneren der Kirche geladene Gäste die Zeremonie aus der Nähe verfolgen konnten. Mehrere zeitgenössische Publikationen präsentierten die Ereignisse einem breiteren Publikum.928 Später heirateten die drei getauften Tupinamba französische Frauen, die mit ihnen nach Brasilien zurückkehren sollten.929 Dieses in der Geschichte der europäischen Expansion sehr ungewöhnliche Vorgehen – viel häufiger nahmen männliche Europäer indigene Frauen als Partnerinnen – bekräftigte, dass mit der Zeremonie die Umwandlung der Tupinamba in Untertanen des französischen Königs und ihre angebliche Zivilisierung durch Christianisierung als vollendet galt. Noch im selben Jahr erschien eine Sammlung von Briefen in Lyon in Druck, die von Pezieu, einem weltlichen Mitwirkenden an France équinoxiale verfasst worden waren.930 Dies ist der einzige Text, in dem wirtschaftliche Probleme angesprochen werden  : zum einen die Notwendigkeit, weitere Handelswaren bereitzustellen, und zum anderen, dass aufgrund der Konkurrenz durch andere Händler die Profite deutlich unter den Erwartungen lägen. Dennoch schließt Pezieu sehr positiv und fordert insbesondere Handwerker und landwirtschaftliche Spezialisten zur Reise auf, die durch ihre Arbeit und zu findende Edelmetalle reich werden könnten. Allerdings sieht Pezieu eine Unterstützung durch den König als wesentlich an, da das kurzfristige Profitstreben normaler Investoren nicht zum Aufbau einer Kolonie führen würde. Die Kapuziner, allen voran Claude d’Abbeville, überließen anderen jedoch nicht die Berichterstattung über die Kolonie und die Taufe. Im Jahr 1614 erschien seine bis 925 Von Abbeville aufgezeichnet und publiziert, in  : D’Abbeville 1614  ; vgl. Zitation in Daher 2002, S. 53. 926 Diese Deutung steht im Fokus des Beitrages  : Daher 2005. 927 Beschrieben in Abbeville 1614, Fol. 367–375. Vgl. Daher 2002, S. 241–243. Zur Taufe als Inszenierung vgl. Luca 2004, S. 268–270, 347f. 928 Daher 2002, S. 56f. und S. 241–243, mit Zitaten aus dem Bericht im Mercure de France 1613  ; Daher 1998, S. 303–305  ; Obermeier 1995, S. 87f. Auch die Rede des Tupinamba bei Hofe wurde mehrfach abgedruckt. Die Rezeption und das Interesse an der Zeremonie in höfischen Kreisen zeigen auch Briefe des François de Malherbe, zitiert in  : Obermeier 1995, S. 98–101. 929 Vgl. Luca 2004, S. 347  ; Daher S. 245. 930 Die Ausführungen zu dieser Publikation basieren auf Obermeier 1995, S. 81–84.

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dahin umfangreichste Schrift über France équinoxiale  : Histoire de la mission des Pères capucins en l’isle de Maragnan et terres circonvoisines, où est traicté des singularitez admirables & des meurs merveilleuses des Indiens habitans de ce pais […].931 Das Werk, in dem viele frühere Briefe und kleinere Schriften verarbeitet waren, begann mit einer Epistel an die Königinmutter, in der Abbeville die ruhmvolle Tradition der Medici-Frauen als Herrscherinnen betonte. Abbeville präsentierte seiner Leserschaft eine Triumphgeschichte. Nach Überwindung des gefahrenvollen Meeres  – eine klassische rite de passage  – folgen wie in früheren Briefen der erste Gottesdienst, die Aufrichtung eines Kreuzes, die Errichtung einer Kapelle, die Missionspraktiken und die Taufen als Meilensteine. Weiterhin stellt er die Verkündung von einheitlichen Gesetzen für die Kolonie als wichtigen Schritt vor, weil die indigene Bevölkerung angeblich – ganz in der Tradition Vespuccis formuliert – ohne Glaube, Gesetze und Herrschaft lebe. Somit biete ihnen die Kolonie Abhilfe gegen schwere Mängel, wofür die Indigenen explizit dankbar seien.932 Auch wenn die Missionierung besonders hervorgehoben wird, nimmt die Darstellung der Landesnatur, der Ressourcen sowie der Lebensweise der Indigenen den größten Teil ein. Somit verfasste Abbeville nicht nur eine missionarische Werbeschrift, sondern auch in der Tradition Jean de Lérys einen Reisebericht, der als allgemeine Werbung für koloniale Expansion gelesen werden konnte.933 Seine Missionslehre wiederum hat Angelika Daher analysiert. Sie stellt heraus, dass Abbeville ein ideales, utopisches Frankreich in Übersee entwarf, in dem Toleranz gegenüber der Andersartigkeit der Indigenen die Basis für eine langfristige Missionierung ohne Zwang sei.934 Dies setzt eine gewisse moralische Qualität der Tupinamba voraus, die Abbeville ausführlich nachzuweisen bemüht sei. 931 Abbeville 1614  ; vgl. Ndr. von 1963. Zu seiner missionarischen Argumentation und zur Funktion des Textes als Reisebericht, Daher 1998, Daher 2002, S. 79–90  ; mit Fokus auf dem Indigenenbild und deren Missionierbarkeit, was als Apologie der Indigenen verstanden wird  : Daher 2005. Eine umfassende Bearbeitung des Werkes bietet Obermeier 1995, S.  121–252. Parallel zu dieser Veröffentlichung erschien in Lille 1614 eine gekürzte Ausgabe der ersten 150 Folii, die laut Obermeier, S. 85 vermutlich für ein breiteres Publikum mit geringerem Budget gedacht war. 932 Abbeville 1614, Fol. 165–170. Bei der Schilderung der Audienz bei Hofe macht Abbeville diesen Topos sogar zum Bestandteil der angeblichen Selbstdarstellung der Indigenen, da der Tupinamba in seinem Monolog das Leben »sans loi, sans foy« beklagt, aus dem sie jetzt erlöst seien. In den Passagen über die Lebensweise der Indigenen allerdings verwendet Abbeville dennoch die Überschriften »De Loix et Police«, Fol. 320. Daher stellte außerdem heraus, dass Abbeville mit der Wiedergabe dieser Gesetze vermitteln wollte, dass in dem neuen Frankreich Harmonie zwischen Religion und Staat herrschen könne, was auch eine utopische Bedeutung für das konfliktreiche Frankreich selbst hatte Daher 2005, S. 35. 933 Abbeville 1614, Fol. 177–329. Daher 1998 hat herausgefunden, dass die Vergabe der Drucklizenz für dieses Werk wegen der großen Ähnlichkeit dieser Passagen zu Jean de Lérys Schilderungen problematisch war, S. 293. Zur Darstellung der Bezüge und für einen Vergleich von Lérys und Abbevilles Werk und ihren missionstheoretischen Standpunkten siehe Daher 2002, S. 226–238  ; vgl. zur Darstellung der Indigenen Obermeier 1995, S. 143–209. 934 Zum Missionsnarrativ siehe Daher 2002, S. 204–225, und zusammenfassend, S. 299–303, die hierin einen radikalen Unterschied zur jesuitischen Lehre erkennt.

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Trotz der in ihrem Ausmaß neuartigen Werbekampagne blieb die Unterstützung für France équinoxiale hinter den Erwartungen zurück. Ein Grund hierfür war der Widerspruch zwischen einer Begeisterung für die Missionierung, die Maria de Medici und ihre Hofdamen offen zur Schau stellten, und der Außenpolitik der Regentin. Die Königinmutter besiegelte am 22. August 1612 mit einem Ehevertrag ihre Pläne für eine baldige Doppelhochzeit zwischen den Häusern Bourbon und Habsburg, die eine dauerhafte Allianz mit Spanien begründen sollte.935 Da dieser Vertrag eine dauerhafte, uneingeschränkte Akzeptanz der Herrschaftsbereiche beider Seiten vorsah, stellte France équinoxiale einen Problemfall dar, denn die Kolonie lag in einem Gebiet, das der König von Spanien als gleichzeitiger Herrscher von Portugal für sich beanspruchte. Sicherheit für Ravardière und Razilly hätte sich hier eventuell durch eine vertragliche Regelung finden lassen, doch die Kolonie wurde im Ehevertrag nicht erwähnt. Hinzu kam, wie schon die Publikation Pezieus andeutete, dass die erhofften Profite ausblieben. Dies wurde auch im Umfeld des Hofes diskutiert.936 Da Tauschhandel in der Region prinzipiell profitabel war, dürfte die Ursache hierfür, auch wenn sie in Quellen unausgesprochen blieb, dieselbe wie in Nordamerika sein  : die Konkurrenz freier Händler, die ohne vergleichbare Kosten dieselben Ressourcen nutzten. Ein Monopol hätte Abhilfe schaffen können, doch Ravardière und Razilly hatten keine exklusiven Handelsrechte, und es sind keine Versuche ihrerseits überliefert, solche zu erwerben. Eventuell wirkte hier die Erfahrung aus Nordamerika, dass jedes Monopol angegriffen und unterlaufen wurde und letztlich der Unternehmung mehr Feinde brachte als Unterstützung. Dies und die prospanische Haltung der Monarchin dürften einige Investoren abgeschreckt haben, zumal die Regentin ihre Zusagen nicht einhielt, sondern lediglich einen kleinen Zuschuss gewährte und gestattete, ohne Zölle und Durchsuchungen abzureisen.937 Aber einige Unterstützer der katholischen Reformbewegung ebenso wie der Papst beteiligten sich mit genug Geld, um den Aufbau eines Seminars in Brasilien vorzubereiten.938 Die Kapuziner verstärkten ihr Engagement um zwölf Brüder und warben außerdem noch Siedler mit Familien an. So brachen schließlich am 18. März 1614 Siedler und Soldaten auf, deren genaue Zahl in der Forschung mit einer Bandbreite zwischen 200 und 300  Personen angegeben wird.939 Sie erhielten vermutlich 935 936 937 938 939

Daher 2002, S. 51. Obermeier 1995, S. 98f. Provençal/Mariz 2011, S. 116  ; Pianzola 1991, S. 29. Zur Beteiligung des Papstes Daher 2002, S. 101 und zu den Geldgebern S. 57–59. Boucher 2007, S. 301 nennt 1300 Mann Verstärkung, diese Zahl ist aber nicht eindeutig nachweisbar. Jarnoux 1991 schrieb von 200 Soldaten und zehn Missionaren. Vergé-Franceschi 1998, S. 289 hingegen benennt 300 Kolonisten, ebenso  : Henry 1974, S. 20. Die Bandbreite könnte dadurch erklärt werden, dass die wenigen Quellen Siedler, Soldaten und Seeleute manchmal trennen, manchmal zusammenfassen.

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keinen Lohn oder Sold, sondern kamen in Aussicht auf Landbesitz nach Amerika.940 François de Razilly blieb mit Claude d’Abbeville in Frankreich, um weitere Finanziers und Siedler zu gewinnen, so dass vor Ort noch immer der Protestant Ravardière das Kommando führte. Unter ihm wurde die Missionsarbeit fortgesetzt und ein weiterhin gutes Verhältnis zu den Indigenen gepflegt. Dem zum Trotz lösten kurz darauf zwei Faktoren den Untergang von France équi­ noxiale aus  : eine militärische Intervention Portugals und ein offensichtliches Desinteresse der regierenden Königinmutter und des Königs an der Kolonie. Nachdem die Portugiesen von Lage und Größe von St. Louis erfahren hatten, legten sie zunächst einen eigenen Außenposten in der Nähe an. Hierbei zeigte sich eine Schwäche des französischen Siedlungsortes, denn die Insel war zu groß, als dass sie sich vom Fort aus kontrollieren ließ. Gestützt auf seine indigenen Verbündeten unternahm Ravardière am 19. November 1614, die eigene zahlenmäßige Überlegenheit ausnutzend, mit mehr als 1000 Mann einen Angriff auf die Portugiesen und deren indigene Alliierte.941 Die als Schlacht von Guaxenduba bezeichnete Konfrontation endete für die Franzosen desaströs. Ravardière zog sich zurück und St. Louis wurde von den Portugiesen weitgehend eingeschlossen. Die Lage verschlechterte sich weiter, da das Fort, wie Villegagnons Befestigung bei Rio de Janeiro, über keine eigene Trinkwasserquelle verfügte.942 In dieser Situation schlossen Ravardière und der portugiesische Befehlshaber einen längeren Waffenstillstand. Beide Seiten vereinbarten, Kuriere nach Europa zu senden, um die Monarchen über den Konflikt entscheiden zu lassen. Bei dieser Gelegenheit reisten acht der zehn Kapuziner ab. Aus Portugal trafen in der Folgezeit mehrfach Verstärkungen und die Aufforderung ein, die Franzosen zu vertreiben. In Frankreich hingegen ist nichts über eine Reaktion des Hofes bekannt, allerdings sandte die Doppelhochzeit der französischen und spanischen Herrscherfamilien am 25. Oktober, durch die Anne d’Autriche zur Königin Frankreichs wurde, ein deutliches Signal. Angesichts von zuletzt 16 portugiesischen Schiffen sah Ravardière keine andere Wahl, als am 3. November 1615 zu kapitulieren. Ganz anders als im Falle der Florida-Kolonie oder Villegagnons France antarctique sorgten die Portugiesen für die Repatriierung der Siedler und nahmen nur Anführer wie Ravardière für einige Jahre in Haft. Eine diplomatische Reaktion, die auf Entschädigung zielte oder die Vorgänge als Verbrechen beklagte, wie 1613 gegen England oder 1565 gegen Spanien, gab es nicht, vermutlich aus politischen Gründen. Bereits 1615 erschienen zwei Druckschriften über die Ereignisse, deren Autoren eine durchaus respektvolle Haltung gegenüber den Portugiesen einnahmen. In der 940 Obermeier 1995, S. 59f. belegt dies anhand von portugiesischen Befragungen nach der Kapitulation. 941 Provençal/Mariz 2011, S. 133–171 und ausführlich Pianzola 1991, S. 127–182. Für die zeitgenössische Darstellung der Eroberung der Kolonie aus portugiesischer Sicht siehe die Quellenhinweise in  : Daher 1998, S. 305  ; und die Angaben bei Obermeier 1995, S. 54–60. Vgl. Ravardière heroisierend Doreau 2012, S. 72–79. 942 Pianzola 1991, S. 182. Allerdings bot die Insel Trinkwasservorkommen in der Nähe.

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Histoire Veritable de ce qui c’est passé de nouveau entre les François & Portugais en l’Isle de Maragnan au pays de Toupinambous werden die Kampfhandlungen als Heldentat tapferer Franzosen und ihr Ergebnis als Ausdruck des Friedenswillens und gegenseitigen Respekts der Kämpfer beider Seiten geschildert.943 Dabei wird der Waffenstillstand als lokaler Ausdruck des übergreifenden Friedenswillens der Herrscherfamilien gewer­ tet.944 Das Verhalten der Portugiesen beschreibt der Autor, angeblich ein Seefahrer, der die Nachricht nach Frankreich brachte, als durchweg ritterlich. Die Indigenen wiederum zerfallen in klassischer Zweiteilung in »nos sauvages« und »sauvages portugais«, sind aber für den Ausgang des Konfliktes nicht entscheidend.945 Eine weitere, umfangreiche Druckschrift, die als Fortsetzung von Abbevilles Histoire von 1614 geplant war, gab der brasilienreisende Kapuziner Yves d’Évreux an einen Verleger  : Suitte de l’Histoire des choses mémorables advennues en Maragnan és années 1613 & 1614. Das Werk wurde aber noch in der Druckerei zerstört und vorerst nicht gedruckt.946 In der Forschung gilt dies als sicheres Zeichen für ein informelles Eingreifen der Obrigkeit. Erst im Jahr 1617 konnte der Sieur de Razilly, der unermüdlich für ein erneutes koloniales Projekt in Maranhão warb, das Buch in Druck geben.947 Die Zensur zwang ihn allerdings, Passagen über die europäische Mächtepolitik zu streichen. Razilly selbst wandte sich in einer Widmung an den König und beklagte, dass »fraude et impieté« die erste Drucklegung verhindert hätten. Er deutet an, es existiere eine Verschwörung, um den König dazu zu bringen, die neuen Christen im Stich zu lassen und die »riche & fertile Pays« mit ihrem perfekten Hafen aufzugeben. Razilly gab an, nur er sage dem König die Wahrheit und wolle zwei große Lügen widerlegen  : erstens, dass Brasilien unfruchtbar sei – wovon nur schlechte Menschen überzeugt seien, die an kurzfristigen Profit denken – und zweitens, dass die Indiens für eine Christianisierung nicht geeignet seien. Das Buch von Yves d’Évreux bietet genau, was Razilly ankündigte. Neben Passagen zu Land, Klima, Lebensumständen und Ressourcen ist es ein Text über das Potential für eine umfassende, friedliche Missionierung der Indigenen als Grundlage eines neuen Frankreichs in Südamerika.948 Kern der Argumentation ist, dass die Tupinamba 943 Anonymus 1615, 2. Ausgabe unter dem Titel  : Histoire Veritable de Combatant par mer que par terre en l’isle de Maragnan. Paris. Zur Quelle vgl. Daher 2002, S. 285f. und Obermeier 1995, S. 86. 944 Anonymus 1615, S. 17–21. 945 Anonymus 1615, S. 14. 946 Daher 2005  ; Obermeier 2012, S. III. 947 Ndr. der Druckfassung mit Kommentar D’Évreux/Denis 1864. Aktuelle, derzeit vollständigste Neu­ausgabe nach der in New York überlieferten Manuskriptversion  : D’Évreux/Obermeier 2012  ; für einen Vergleich der originalen und der später erschienenen Ausgabe vgl. Daher 1998  ; Fornerod 2007, S. 108  ; zum Einfluss der Zensur und notwendige Änderungen angesichts der neuen, proiberischen Außenpolitik siehe Obermeier 2007, S. 130 und Obermeier 2012, S. III  ; die in New York überlieferte Ausgabe enthält zusätzliche Angaben zur Ökonomie und ein Vokabular, D’Évreux/ Obermeier 2012, S. 124. 948 Daher 1998, S.  292–302, speziell 299. Zur Darstellung der Indigenen siehe Obermeier 1995,

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willens und bereit seien für eine Missionierung, die gleichzeitig als Prozess der Zivilisierung verstanden wird. Diesbezüglich hat Andrea Daher herausgearbeitet, dass der schon bei Jean de Léry erkennbare argumentative Widerspruch zwischen einem guten, natürlichen indigenen Leben ohne Böses und der angeblichen Notwendigkeit, dieses zu ändern, noch immer besteht.949 Die Begeisterung der Tupinamba für die Missionierung, der göttliche Befehl zur Ausbreitung des Glaubens, die als verderblich geltende Alternative der portugiesischen Herrschaft und kannibalistische Praktiken sind daher notwendige Argumente für die Legitimation des Eingreifens.950 Bezüglich der bei diesem Projekt gewonnenen Erfahrungen ist ein Kapitel besonders interessant, in dem der Kapuziner konkrete Hinweise für zukünftige Kolonisten gibt.951 Er empfiehlt jedem Einzelnen, starken Alkohol sowie Nahrungsmittel und Wein in bestmöglicher Qualität mitzunehmen, da dies gegen Krankheiten helfe. Man solle viel und leichte Stoffkleidung mitführen, da diese vor Ort zerfalle und schwer zu ersetzen sei. Weiterhin empfiehlt er bestimmte Handelswaren für den Tausch mit den Indigenen. Bezüglich der Überfahrt sollen Reisende eigene Decken mitbringen, sich einen ruhigen Platz suchen, bei Gefahr beten und keinen Streit mit Seeleuten anfangen. Zum Abschluss gibt der erfahrene Mönch noch Tipps für den Umgang mit den Tupinamba sowie eine Sammlung häufiger Fragen und hilfreicher Floskeln in deren Sprache.952 Damit ist in Frankreich und in England, wo um 1620 ähnliche Texte für Virginia und Neuengland entstanden, ein gemeinsamer Trend zur Aufbereitung von als nützlich angesehenen Informationen für einzelne Siedler erkennbar. Dies zeigt einerseits, dass die Werbung zu Beginn des 17. Jahrhunderts nicht mehr nur Investoren, sondern Siedler selbst erreichen sollte, und andererseits, dass diese nach Meinung der Autoren eine hohe Eigenverantwortung für ihren Start in der sogenannten Neuen Welt trugen. Es gelang François de Razilly trotz der Publikation des Buches nicht, das Interesse der Krone zu wecken oder anderweitig Unterstützer außerhalb seiner Familie zu mobilisieren. Noch einige Jahre später beklagte sein Bruder Isaac gegenüber Kardinal Richelieu, dass die Gier nach kurzfristigen Profiten das Projekt sabotiert habe, was die Schuld interessanterweise innerhalb Frankreichs verortet und zugleich die langfristige Wirkung dieses seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bekannten Arguments belegt.953 Razilly verfasste zwar noch weitere Memoranden, wobei ihn später der freigelassene Sieur de Ravardière unterstützte, doch das Projekt France équinoxiale war vor-

949 950 951 952 953

S. 298–354, für einen Vergleich des Indigenenbildes von d’Abbeville, d’Évreux, Léry und Thevet ebd. S. 371–393. Daher 2005, S. 14–17  ; Dies. 1998, S. 292–302, speziell S. 299. Daher 2005, S. 18–20. D’Évreux/Obermeier 2012, S. 250–254 (Kapitel XLIX)  ; Ders. 1995, S. 295–297. D’Évreux/Obermeier 2012, S. 254–260. Fornerod 2007, S. 105 als Tatsache präsentiert  ; vgl. Obermeier 1995, S. 395, der dies als Argument in einem Schreiben eines Bruders von François Razilly an Kardinal Richelieu herausarbeitet.

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bei und geriet auch in den Diskursen über koloniale Expansion bald ins Vergessen.954 Die Portugiesen waren zu dieser Zeit bereits entlang der Küste von Maranhão bis an den Amazonas expandiert, wo sie 1616 die befestigte Siedlung Belem errichteten und fortan mit den Niederländern und Engländern um die Kontrolle über den Fluss konkurrierten.955 Im Jahr 1617, als François de Razilly das Buch von Yves d’Évreux in Druck gab und vergeblich für ein erneutes französisches Engagement in Guyana warb, brach aus England die größte Flotte auf, die seit Francis Drakes Beutezügen den Atlantik überquert hatte. Befehlshaber der 14 Schiffe und mehr als 1000 Mann war Walter Ralegh. Der 63-Jährige, teilweise gelähmte Veteran nahm nach 22 Jahren ein letztes Mal Kurs auf den inzwischen von Spaniern besiedelten Orinoko. Er stand noch immer unter dem Todesurteil von 1603, dessen Vollstreckung für diese Reise ausgesetzt worden war, und hoffte, sich jenseits des Ozeans eine Begnadigung zu verdienen. Sein Ziel waren den Spaniern unbekannte Goldminen, die er und sein Gefolgsmann Lawrence Keymis 1595 respektive 1596 angeblich entdeckt hatten. Für Informationen über diese Expedition sind Historiker trotz der zunehmenden Erschließung spanischer Dokumente im Laufe des 20. Jahrhunderts nach wie vor auf Raleghs eigene, am Ende der Unternehmung verfassten Briefe und Schriften angewiesen.956 Es überrascht wenig, dass diese Texte aufgrund des immensen Drucks, unter dem Ralegh angesichts seiner drohenden Hinrichtung stand, von Widersprüchen, Wiederholungen und dem Bemühen geprägt sind, jede Verantwortung für das Ergebnis von sich zu weisen. Der Aufbruch nach Amerika bedeutete für Ralegh zunächst den erfolgreichen Abschluss zehnjähriger Bemühung um seine Entlassung.957 Bereits seit 1607 hatte er, wie erwähnt, versucht, die Erlaubnis für eine Reise zu bekommen. Seine früheren Pläne, das Goldreich Guyana mittels indigener Verbündeter zu erobern und zum Kern eines kolonialen Imperiums zu machen, das die Machtposition Spaniens brechen würde, hatte er inzwischen – zumindest offiziell – zugunsten der Ausbeutung von Goldminen 954 D’Évreux/Obermeier 2012, S. II  ; Daher 2002, S. 287–293  ; auch die von Provençal/Mariz betonten Expeditionen in den 1620er-1640er Jahren und die französische Mitwirkung an der niederländischen Eroberung Brasiliens änderten daran nichts, S.  213–216. Zu Französisch-Guyana siehe Obermeier 1995, S. 394f. 955 Für einen Ausblick  : Lorimer 1989, S. 50–123. 956 Noch immer grundlegende Quellensammlung ist  : Harlow 1932  ; Raleghs Briefe an Verwandte, Förderer und den König sowie sein Journal der Seereise und seine Verteidigungsschrift sind in kritischer Edition herausgegeben in  : Edwards 1988. Als Druckschriften erschienen zeitgenössisch  : Anonymus 1618  : Nevves of Sr. VValter Rauleigh With the true description of Guiana  ; und die gegen Ralegh gerichtete Schrift  : Francis Bacon 1618  : A declaration of the demeanor and cariage of Sir Walter Ralegh, beide verfügbar auf EEBO. 957 Übersicht vgl. Herbertson 1993, S.  182–189  ; Greenblatt 1973, S.  155–160  ; Nicholls/Williams  : Ralegh, Walter. In  : ODNB  ; Edwards 1988, S. 181f.; Williams/Nicholls 2011, S. 285– 290  ; Harlow 1932, S. 17–48.

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am Orinoko aufgegeben. Kritikern, die ihm vorwarfen, er wolle nur unter einem Vorwand aus dem Tower entkommen, um Pirat zu werden oder ins Ausland überzulaufen, entgegnete er immer wieder, dass er selbst und Lawrence Keymis die Minen mit eigenen Augen gesehen hatten und nichts anderes im Sinn hätten. Obwohl mehrere Mitglieder des Privy Council zwischen 1607 und 1612 bereit waren, eine Reise zu unterstützen, wenn Ralegh in Haft bleiben und Keymis ohne ihn fahren würde, war Jakob I. dagegen, da solch eine Unternehmung den Frieden mit Spanien gefährden konnte. Erst mit dem Aufstieg Ralph Winwoods zum Secretary of State 1614 veränderte sich die Lage.958 Winwood war an der Virginia Company und der neuen Sumer Isles/Bermuda Company beteiligt und befürwortete generell koloniale Expansion und einen konfrontativen Kurs gegenüber Spanien. Er war Teil einer antispanischen Fraktion bei Hofe, die durch wachsenden Unmut über eine mögliche spanische Hochzeit des Thronfolgers im Privy Council, in parlamentarischen Kreisen und in der Bevölkerung Unterstützung fand. Dies brachte neue Unterstützer für Raleghs Projekt, während Jakob  I. 1616 in eine finanzielle Notlage geriet und daher bereit war, gleichzeitig auf die hohe Mitgift für die spanische Infantin und auf die Minen von Guyana zu spekulieren. Ralegh wurde ohne Aufhebung seines Todesurteils aus dem Tower entlassen.959 Jakob gewährte ihm keine Letters Patent und keinen Titel als Statthalter des Königs, sondern lediglich eine Commission mit der Erlaubnis, eine Flotte zusammenzustellen, Ressourcen und Männer nach Südamerika zu bringen und dort Länder aufzusuchen, die keinem christlichen Fürsten unterstehen und deren Commodities in seinen Besitz zu bringen. Raleghs Commission erlaubte keinen Eingriff in die spanischen Hoheitsgebiete, löste aber dennoch heftige Proteste des spanischen Gesandten Diego Sarmiento de Acuña, später Graf Gondomar, aus, der dahinter die antispanische Fraktion bei Hofe vermutete.960 Der Graf nutzte die Hochzeitspläne Jakobs I. und dessen Friedenswillen als Druckmittel, um Zugeständnisse zu erhalten. So bewog Gondomar Jakob dazu, von Ralegh eine schriftliche Zusicherung zu fordern, weder Gebiete aufzusuchen, die dem König von Spanien gehörten, noch dessen Untertanen zu schaden.961 958 Greengrass  : Winwood, Sir Ralph. In  : ODNB  ; Herbertson 1993, S. 187f.; Edwards 1976, S. 32. 959 Für eine Zusammenfassung von Vorbereitung, Durchführung und Ergebnis von Raleghs letzter Reise vgl. Lorimer 1993, S. 74–79  ; Quinn 1974, S. 181–194  ; Nicholls/Williams  : Ralegh, Walter. In  : ODNB  ; Williams/Nicholls 2011, S. 290–299  ; Edwards 1976, S. 31–45 und insbesondere Edwards 1988, S. 177–197. 960 Zu Gondomar und seinem Vorgehen vgl. Greenblatt 1973, S.  162  ; Herbertson 1993, S.  191. Harlow 1932, S. 86–88. Grundlegend zur Person  : Carter 1964 mit Angaben zu den unterschiedlichen Hoffraktionen, Gondomars diplomatischen Taktiken und seiner überaus negativen Darstellung in der englischen Historiographie. Problematisch ist für den hier behandelten Themenkomplex der Artikel  : Redworth  : Sarmiento de Acuña, Diego. In  : ODNB. Er enthält sachliche Fehler, bspw. bezüglich Raleghs Inhaftiertung 1605 statt 1603 und unterstellt Ralegh ohne Belege einen Angriff auf die Kanarischen Inseln. Für die generelle diplomatische Tätigkeit und den Lebenslauf Gondomars ist der Artikel allerdings zu verwenden. 961 Edwards 1988, S. 183  ; Ralegh erkannte dies in einem Schreiben an Jakob I. an.

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Über die Erwartungen und Ziele Raleghs und des Königs zu diesem Zeitpunkt ist in der Forschung viel diskutiert worden. Im Fokus steht dabei insbesondere die Frage, ob Ralegh selbst an die Goldminen glaubte oder ob sie nur ein Vorwand waren, um seine Freiheit zu erlangen.962 Tatsächlich lotete Ralegh während seiner Vorbereitungen auch andere Optionen für die Reise aus, was dagegen sprechen könnte, dass er an die Existenz der Minen glaubte.963 Er verhandelte mit möglichen französischen und niederländischen Partnern, wobei mangels Quellen unklar ist, was der Inhalt der Gespräche war.964 Möglich ist zwar, dass er Kaperbriefe erwerben und als Freibeuter fahren wollte, aber wahrscheinlicher ist, dass er seine Expedition um weitere Schiffe erweitern wollte, die nicht an strenge Auflagen gebunden waren und für die er offiziell keine Verantwortung trug, an deren Beute er aber einen Anteil erhalten könnte.965 Dies würde seinem Glauben an die Existenz der Minen nicht widersprechen. Betrachtet man Raleghs Verhalten auf der Expedition, bei der er Chancen auf Beute zur See ausschlug, und die Risiken, die er einging, um die vereinbarten Ziele am Orinoko zu erreichen, so deutet alles darauf hin, dass er von der Existenz der Minen überzeugt war. Hierbei ist auch Raleghs rechtlicher Status zu beachten. Jeder Angriff auf ein spanisches Schiff oder eine Siedlung bedeutete Ungehorsam gegen den König, dennoch war Ralegh bereit, am Orinoko – aber nur dort – das Risiko einer Konfrontation einzugehen. Er musste also davon ausgehen, dass dort etwas zu finden sei, was Jakob I. zu einem dauerhaften politischen Kurswechsel gegenüber Spanien bewegen könnte. Nur dies würde für Ralegh eine Rückkehr in Macht und Würden bedeuten.966 Inwiefern Raleghs Bereitschaft, alles auf die Existenz der Mine zu setzen, aber auf tatsächlicher eigener Anschauung im Jahr 1595 beruhte oder nur eine im Laufe seiner langen Haft aus Hinweisen indigener Führer entstandene handlungsleitende Vorstellung war, kann nicht mehr ermittelt werden. Die Analyse von Raleghs Zielen führt zu der Frage, ob es sich überhaupt um ein koloniales Projekt handelte. Zweifellos reiste Ralegh ohne Siedler, und seine Expedition war eindeutig auf kurzfristige militärische Erfolge ausgelegt. Sie war aber zugleich Teil eines Plans zur Errichtung eines kolonialen Einflussgebietes. Raleghs Hoffnung auf Rehabilitation und Rückkehr in eine hohe Stellung hing daran, nicht nur eine einzelne Fuhre Golderz, sondern eine Mine zu erschließen, die gegen die Spanier langfristig verteidigt werden müsste. Bereits 1595 hatte er für den Plan geworben, mit indigener Unterstützung ein englisches Imperium in Guyana zu errichten. Inwiefern dies für ihn noch immer eine Rolle spielte, ist unbekannt, doch diese Reise war der letzte Schritt, den er ausgehend von dieser Idee unternahm.967 Zu beachten ist außerdem, 962 Übersicht dazu in  : Nicholls/Williams  : Ralegh. In  : ODNB. 963 Nach Lorimer 1993, S. 78 ist dies eher ein taktisches Manöver, um die Freiheit zu erwerben. 964 Greenblatt 1973, S. 18f. 965 Nicholls/Williams  : Ralegh, in  : ODNB  ; Edwards 1988, S. 183. 966 Greenblatt 1973, S. 163f. 967 Edwards 1988, S. 184 hält immer noch für möglich, dass Ralegh diese Idee weiterhin verfolgte.

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dass die politische Lage es unmöglich machte, eine dauerhafte koloniale Zielsetzung im Erfolgsfall schriftlich festzulegen, da dies den spanischen Gesandten herausgefordert hätte. Dies führt zur Frage nach der Haltung Jakobs I., der offensichtlich ein doppeltes Spiel spielte. Er machte Graf Gondomar Zusicherungen, um die Option einer Ehe für seinen Sohn zu erhalten, und ließ zugleich Ralegh in See stechen.968 Im Falle von Raleghs Scheitern wäre so nichts verloren, und falls Ralegh einen Konflikt auslösen würde, hätte Jakob sich angesichts seiner Befehle leicht von ihm lossagen können. Interessant wäre allerdings der Erfolgsfall. Jakob war bekannt, dass der König von Spanien ganz Guyana beanspruchte und nicht zulassen würde, dass Ralegh dort dauerhaft Goldminen für England sicherte. Offenbar war er aber bereit, in dieser Situation den Profit über die bestehende Allianz zu stellen. Die Haltung Jakobs gegenüber den spanischen Ansprüchen ist in der Forschung oft als unlogisch oder wankelmütig beschrieben worden, doch handelte Jakob aufgrund einer klaren Rechtsvorstellung.969 Nur realer Besitz und kein bloßer Anspruch begründete für ihn Herrschaft in Übersee. Diese Lesart war die rechtliche Basis, um Ralegh zu entsenden und zugleich dem spanischen Gesandten zwar entgegenzukommen, aber die Reise nicht gänzlich zu verbieten. Die antispanische Fraktion bei Hof und Parlament sah hingegen jede Form von Konflikt mit Spanien positiv.970 Sie setzten darauf, dass unabhängig von Raleghs Erfolg oder Misserfolg das umstrittene Eheprojekt aufgegeben und der Einfluss des spanischen Gesandten Gondomar sinken würde. Wie irrelevant dabei für viele die Goldminen Guyanas waren und wie hoch ihre Konfliktbereitschaft, zeigt sich darin, dass der Vorschlag gemacht wurde, die Flotte Raleghs einzusetzen, um Genua von den Spaniern zu erobern oder um die Silberflotte anzugreifen – zwei Ideen, die Jakob seinen eigenen Plänen und seiner Rechtsauffassung entsprechend rundheraus ablehnte.971 Der Glaube an Raleghs Goldminen war also keineswegs so verbreitet wie im Fall Martin Frobishers. Dass außerdem der Ausgang der ganzen Unternehmung von der weiteren diplomatischen Entwicklung abhängig zu sein schien, schreckte schließlich Investoren ab, auch wenn mehrere ranghohe Adelige, darunter Ralph Winwood, das Projekt unterstützten.972 Nur unter Aufbringung erheblicher eigener Mittel und nachdem seine Frau ihren Landbesitz verkauft hatte, konnte Ralegh die Flotte aufstellen und ein Flaggschiff, mit dem vielsagenden Namen Destiny bauen und ausrüsten.973 968 969 970 971

Herbertson 1993, S. 192  ; Edwards 1976, S. 33f. Lorimer 1993, S. 76f. Greenblatt 1973, S. 161. Greengrass  : Winwood, Sir Ralph. In  : ODNB  ; Nicholls/Williams  : Ralegh. In  : ODNB. Über den Plan die Silberflotte anzugreifen berichtete allerdings vornehmlich Francis Bacon, der später als Ankläger gegen Ralegh auftrat. 972 Lorimer 1993, S. 21f. 973 Herbertson 1993, S.  190 geht von der Hälfte der Kosten aus, Lorimer 1993, S.  75 von einem Drittel, vgl. Edwards 1988, S. 183.

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Schließlich versammelten sich in London und Plymouth insgesamt 14  Schiffe und etwa 1000 Mann. Letztere bezeichnete Ralegh in seinen später entstandenen Quellen meist als »Scum« und klagte über die Selbstsucht und Disziplinlosigkeit der Mannschaften und auch der Kapitäne und Offiziere.974 Seiner Darstellung nach hofften viele eher auf schnelle Beute auf See als auf das Gold von Guyana. Während die Vorbereitungen liefen, drängte Graf Gondomar auf weitere Sicherheit dafür, dass die Flotte den Frieden nicht verletzen würde. Jakob I. forderte daraufhin von Ralegh eine verbindliche Aufstellung aller Schiffe, der mitgeführten Geschütze und der geplanten Route und händigte diese Dokumente zusammen mit der schriftlichen Erklärung Raleghs, er werde spanische Grenzen und Besitz achten, an Gondomar aus. Der Gesandte schickte die Unterlagen umgehend weiter, um die Verteidigung in Sao Thomé, auf Trinidad und in angrenzenden Siedlungen zu stärken und eine Armada gegen Ralegh vorbereiten zu können.975 Ralegh brach im März 1617 auf und wusste weder, dass die Informationen über seine Streitmacht ihm vorauseilten noch, dass die Herrscher Spaniens bereits Truppen verlegten. Über die Reise liegen zwar detaillierte Informationen vor, die aber mehrheitlich aus Raleghs eigenem Journal stammten.976 Die Überfahrt gestaltete sich, wie alle Quellen bestätigen, lang und schwierig, da ungünstige Winde erst im August erlaubten, in den offenen Atlantik einzufahren. Trinkwassermangel und Krankheiten forderten mehrere Tote, zu denen einige von Raleghs engsten Vertrauten gehörten. Mit den anderen Mitgliedern seiner Flotte kam es hingegen zu Spannungen, da viele eher eine Kaperfahrt unternehmen wollten – was Ralegh aber angeblich mit der Aussicht auf die Goldminen unterbinden konnte. Diese Passagen in Raleghs Journal deuten einerseits bereits spätere Desertionen an, andererseits widerspricht er damit deutlich den Vorwürfen, er habe sich von vornherein als Freibeuter betätigten wollen. Seine ständige Sorge darum, als Friedensbrecher angeklagt zu werden, zeigt sich darin, dass er auf den Kanaren eine schriftliche Bestätigung der Obrigkeit einholte, dass er für alle Güter bezahlt hätte.977 Die Expedition erreichte erst im November die Mündung des Wiapoco, wo Ralegh frühere indigene Verbündete traf.978 Mit Hilfe der Indigenen, die Ralegh nach langer Zeit noch immer mit Vorräten unterstützten, konnten die Kranken versorgt werden. 974 Sowohl in seinem Journal als auch in der später verfassten Apology  ; Editionen in  : Edwards 1988, Journal S. 198–217 und die Apology, S. 226–248. 975 Raleghs Männer fanden später entsprechende Nachrichten in Sao Thomé. Vgl. Edwards 1988, S. 183  ; Ralegh schilderte dies als Sabotage an seiner Unternehmung  : Brief an Ralph Winwood, 21. März ediert in  : Edwards 1988, S. 217–223, hier S. 219f.; vgl. einen Brief Raleghs an seine Frau vom 22. März 1618, ediert in  : Edwards 1988, S. 223–226, hier S. 225. 976 Ediert in  : Edwards 1988, S.  198–217. Das Journal kursierte nach seiner Rückkehr höchstwahrscheinlich als Manuskript. 977 Ralegh  : Journal, ediert in  : Edwards 1988, S. 202–204. Vgl. Herbertson 1993, S. 207. 978 Vaughan 2002, S. 368f.; Ders. 2006, S. 37.

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Zu ihnen gehörte auch Ralegh selbst. Der inzwischen 64-Jährige schrieb, dass er zu stark geschwächt gewesen sei, um die Expedition ins Landesinnere anzuführen. Er teilte daher nach einem Vorstoß zur Mündung des Orinoko seine Flotte. Eine Gruppe unter Lawrence Keymis mit Raleghs Sohn Wat erhielt den Befehl, die Mine am Orinoko zu sichern, während Ralegh selbst bei Trinidad eventuelle spanische Kriegsschiffe abfangen wollte, die gegen sie gesandt wurden. Während Raleghs Schiffe an der Küste Südamerikas lagen, erschien in England eine anonyme Druckschrift, die in der historischen Forschung bisher wenig Beachtung gefunden hat. Dies liegt vermutlich daran, dass die Newes of Sir Walter Rauleigh entgegen ihrem Titel nur wenig Neuigkeiten enthalten, sondern eher eine Zusammenfassung früherer Reisen, Raleghs alter Beschreibung von Guyana und seiner in 1617 gegebenen Segelanweisungen sind.979 Dennoch ist diese Quelle für eine Geschichte der Diskurse über Scheitern bemerkenswert, da der Autor mit einer Geschichte englischer Entdeckungsreisen und militärischer Leistungen zur See beginnt, in der er jedweden Misserfolg leugnet. Selbst Frobishers dritte Reise, die mit der Inhaftierung seines Partners Lok und dem Bankrott der Company of Cathay endete, fasst er damit zusammen, dass Frobisher »much wealth and a great deal of knowledge« zurückgebracht habe.980 Die 1585 angeblich von Grenville gegründete Virginia-Kolonie habe seitdem »restoreth much benefit to our kingdome«.981 Somit kommt englisches Scheitern in den Newes nicht vor, und die Summe dieser positven Erfahrungen mache nun wiederum Raleghs Erfolg gewiss  : »all their knowledges and experiences have liberally been brought to his remembrance«, und er werde die Taten von Cortes und Pizarro übertreffen. Passend dazu versprechen die teilweise wörtlich aus Raleghs Schrift von 1595 übernommenen Passagen über Guyana ein derart reiches und paradiesisches Land, dass Erfolg garantiert sei. Scheitern würden dort nur andere Nationen wie die Spanier, die Gott selbst neunmal an der Eroberung des Landes gehindert habe, denn »the glory of the action is reserved for us only«.982 Die Druckschrift bot zum Ende sogar eine große koloniale Vision, da die Inga (!) in Peru aufgrund einer alten Prophezeihung nur auf eine Rettung aus Inglaterra (England) warten würden, um einen großen Aufstand gegen die Spanier zu beginnen und deren Kolonialreich zu zerschlagen.983 Raleghs Flotte stünde nun, nach einer langen und schweren Überfahrt, an der Schwelle des Reiches von Guyana, einem »earthly paradiese«.984 Die Realität widersprach jedoch den in den Newes publizierten Erfolgsgeschichten drastisch. Lawrence Keymis kehrte nach drei Monaten zurück zur Flotte und gestand 979 980 981 982 983 984

Anonymus 1618  : Newes of Sr. Walter Rauleigh. Ebd. S. 10–13. Ebd. S. 15f. Ebd. S. 38. Ebd. S. 42. Ebd. S. 44f.

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Ralegh einen desaströsen Ausgang der Expedition an den Orinoko.985 Er hatte den Großteil seiner Männer verloren, gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs die spanische Siedlung Sao Thomé niedergebrannt und keine Goldmine vorzuweisen. Darüber hinaus musste er Ralegh mitteilen, dass dessen Sohn Wat beim Angriff auf die Siedlung gefallen war. Ralegh schrieb einige Tage später seiner Frau und seinem Förderer Ralph Winwood über Keymis Rückkehr und dessen Bericht. Seiner Frau teilte Ralegh mit, dass die Nachricht ihn in einen Art Schock versetzt habe. »I never knew what sorrow meant till now […] My brains are broken, I cannot write much.«986 Er fordert sie auf, standhaft zu bleiben und deutet dann die Schwere seiner eigenen Lage an  : »I have not long to sorrow, because not long to live.«987 Gegenüber Ralph Winwood war Ralegh hingegen bemüht herauszustellen, warum er selbst keine Verantwortung für den Ausgang der Expedition trage, und führte das Wetter, die eigene Krankheit und die Schwäche seiner Männer an.988 Im Zentrum beider Briefe steht Raleghs Schilderung der angeblichen Berichte Keymis’ über die Ereignisse am Orinoko und seiner eigenen Reaktion darauf. Was Ralegh in beiden Texten allerdings nicht zugeben konnte, war, dass höchstwahrscheinlich weder er noch Keymis wirklich wussten, wo die Mine lag, und dass Keymis dreimonatige Abwesenheit der Tatsache geschuldet war, dass er vergeblich nach ihr gesucht hatte. Dies zuzugeben, hätte aber bedeutet, einzugestehen, dass er seinen Förderern und dem König genauere Kenntnisse vorgetäuscht hatte, als er wirklich besaß. Ralegh ging in seinen Briefen stattdessen darauf ein, dass Keymis ihm berichtet habe, dass allein die Spanier die Kampfhandlungen begonnen hätten und die Engländer Sao Thomé im Eifer eines Gegenschlags ungeplant erobert hätten.989 Hierzu sei es, so Keymis laut Ralegh, ohnehin nur gekommen, weil die Spanier die Siedlung seit der letzten Erkundung in die Nähe der gesuchten Mine verlegt hätten.990 Nach der Er985 Der genaue Verlauf der Ereignisse am Orinoko ist schwer zu ermitteln. Wesentliche Informationen sind nur indirekt durch Raleghs Erzählungen über ihn erstattete Berichte erhalten, die wiederum stark von Schuldzuweisungen an Keymis geprägt sind. 986 Walter Ralegh  : Brief an Lady Ralegh, 22. März 1618, in Edwards 1988, S. 223–226, hier S. 223 und S. 225. 987 Ebd. 988 Walter Ralegh  : Brief an Ralph Winwood, 21. März 1618, in Edwards 1988, S. 217–222. 989 Hierzu geben Nicholls/Williams an, dass der Angriff nicht versehentlich habe erfolgen können, siehe Nicholls/Williams  : Ralegh. In  : ODNB. Fraglich und nicht mehr zu bestimmen ist allerdings, ob Ralegh einen mündlichen Zusatzbefehl gab, die Siedlung anzugreifen, oder ob Keymis diese Entscheidung allein traf. Viele Darstellungen verwenden aufgrund dieser Ungewissheit Passivformen, um keinem konkreten Akteur die Verantwortung zuzuschreiben, so bspw. McConnell  : Keymis [Kemys], Lawrence. In  : ODNB. Vgl. zu den Ereignissen auch die spanische Überlieferung, in Edition bei Harlow 1932, S. 162–237. 990 Diese Behauptung wird in der Forschung als unglaubwürdig gedeutet, so Edwards 1988, S.  187. Unklar ist aber, ob Keymis diesen Vorwand wirklich vorbrachte oder ob Ralegh ihn erfand, um den Angriff generell zu rechtfertigen.

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oberung von Sao Thomé sei es Keymis aber dennoch nicht möglich gewesen, die Mine zu erreichen, da spanische Heckenschützen das Gelände kontrollierten und die Wege unzugänglich waren. Dasselbe galt für andere, den Spaniern bekannte Minen in der Nähe, die heftiger verteidigt worden seien als die Siedlung selbst. Nach zunehmenden Verlusten und ohne Versorgung habe Keymis keine andere Wahl mehr gesehen, als zur Küste zurückzukehren. Denn selbst wenn er die Mine erreicht hätte, wäre es unmöglich gewesen, sie zu verteidigen. Daher habe er Sao Thomé räumen lassen, aber die Brandlegung nicht befohlen. Ralegh habe Keymis nach eigenen Angaben daraufhin mangelnde Entschlossenheit, das Scheitern der gesamten Unternehmung und den Tod seines Sohnes Wat Ralegh vorgeworfen. Daher habe er Keymis auch seine Unterstützung für eine schriftliche Erklärung verweigert, mit der jener sich in England entlasten wollte. Kurz nach diesem Gespräch nahm Keymis sich mit einem Pistolenschluss und einem Messerstich [!] das Leben und bot sich Ralegh damit – vielleicht absichtlich – als Sündenbock an.991 In den Briefen an seine Frau und Winwood hob Ralegh aber noch eine besondere Beute hervor, die Keymis in Sao Thomé gemacht hatte. Es handelte sich um mehrere Dokumente, die beweisen, dass der spanische Gesandte aus dem Umfeld Jakobs I. Informationen über Raleghs Flottenstärke, Ausrüstung und Ziele erhalten und weitergeleitet hatte. Dies habe die Spanier dazu gebracht, sich gegen ihn zu wappnen und somit – was er jedoch nicht explizit formuliert – erst in die Lage versetzt, den Kampf zu eröffnen, statt vor den Engländern zu fliehen.992 Einige dieser Dokumente schickte Ralegh direkt an Ralph Winwood. In den folgenden Tagen löste Raleghs Flotte sich auf. Er berichtete, er habe die Männer nicht zu einem erneuten Vorstoß zur Mine bewegen können, obwohl die genaue Lage ihm bekannt sei und ein indigener Verbündeter angeboten habe, sie zu einer weiteren Mine zu führen oder ihnen Proben von dort zu bringen.993 Schließlich nahm Ralegh mit seinem Flaggschiff Kurs auf Plymouth. Nachdem Teile der Besatzung gemeutert hatten und in einen anderen Hafen gebracht worden waren, kehrte er schließlich ohne Gold, ohne seinen Sohn und nur mit einer Rumpfbesatzung nach England zurück. Dort erfuhr er, dass der spanische Botschafter schwere Vorwürfe gegen ihn erhob und dass Jakob I. die Unternehmung als Bruch des Friedens mit Spanien diskreditiert und sich von ihm losgesagt hatte.994 Sein Hoffnungsträger und Fürsprecher Ralph Winwood war hingegen inzwischen verstorben. 991 Herbertson gibt an, dass weite Teile der Forschung Raleghs zunehmenden Schuldzuweisungen an Keymis folgen, Herbertson 1993, S. 216. Widersprüchliche Angaben zum letzten Gespräch beider Männer machen es unklar, inwiefern Ralegh gewusst haben könnte, dass Keymis den Suizid plante, und dies zuließ, oder ob dessen Handlung Ralegh überraschte. 992 Walter Ralegh  : Brief an Lady Ralegh, 22. März, in  : Edwards 1988, S. 225  ; Ders.: Brief an Ralph Winwood, 21. März, hier S. 219f. Ralegh legte dem letzteren Brief erbeutete Dokumente als Beweis bei. 993 Herbertson 1993, S. 213f. 994 Herbertson 1993, S. 218  ; Nicholls/Williams  : Ralegh. In  : ODNB.

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Ralegh wurde von seinem Cousin Lewis Stucley, Vizeadmiral von Devon, in informellen Gewahrsam genommen und ohne Wachen und Fesseln nach London eskortiert. Während der Reise täuschte Ralegh eine Krankheit vor, um Zeit für die Abfassung einer ausführlichen Rechtfertigungsschrift zu gewinnen, die Apology.995 Ralegh eröffnet sein Werk mit einer Geschichte des Scheiterns, und gibt an, dass »ill success« auch den größten Männern mit bester Ausrüstung passiert sei.996 Grund hierfür sei, dass es Kräfte gebe, gegen die ein Mann machtlos sei. Den Rest seiner Darstellung nutzt Ralegh, um darzulegen, warum er keinen Einfluss auf das Geschehen habe nehmen können  : »[I] have by other men’s errors failed in the attempt I undertook.«997 Schuld seien seine Mannschaft aus unmoralischem Abschaum, »the very scum of the world  ; drunkards, blasphemers«998, die widrigen Winde »they must accuse the Clouds and not me«999, Krankheiten »my long and dangerous sickness«1000, die Aggressivität der Spanier »the Spaniards cannot endure that the English nation should look upon any part of America«1001, und das Zögern von Keymis. Gegen seinen ehemaligen Gefolgsmann ist Ralegh besonders hart und stellt dessen Selbstmord als Eingeständnis von Unvermögen dar, die Minen zu sichern, deren Existenz durch zahlreiche Aussagen Indigener sowie anderer Zeugen erwiesen sei.1002 Ralegh geht aber nicht nur darauf ein, dass alle Gewalt von den Spaniern ausgegangen sei, sondern spricht ihnen auch die Besitzrechte am Orinoko ab. Ralegh schreibt  : »They have lately set up a wooden town and made a kind of fort«,1003 aber dies könne nicht Anspruch auf ein ganzes Land begründen, genauso wenig wie ein Fort in Cornwall den Spaniern die Herrschaft über England gäbe. Er selbst habe hingegen schon 1595 die Treueschwüre der Indigenen für Königin Elisabeth entgegengenommen, was die Spanier zu den eigentlichen Eindringlingen mache. Diese Sichtweise müsse laut Ralegh auch König Jakob teilen, denn sonst hätte er nicht Leigh und Harcourt nach Guyana entsandt und seine Expedition an den Orinoko erlaubt.1004 So macht Ralegh die Notwendigkeit, vor der Abreise seine Ziele detailliert offenzulegen, zu einem Argument für seine Verteidigung, denn Jakob könne ihn nicht dafür bestrafen, getan zu haben, was ihm ausdrücklich erlaubt war. Bezüglich der Behauptungen, die Minen seien  995 Ralegh  : Apology, zitiert in  : Edwards 1988, S. 226–248. Eine Druckfassung erschien erst 1650. Inhaltlich sehr ähnlich, aber kürzer gefasst, ist ein Brief Raleghs an Lord Carew, ohne Datum, ediert in  : Edwards 1988, S. 248–251. Zur Verbreitung  : Latham 1971, S. 24  ; Williams/Nicholls 2011, S. 300–303.  996 Ralegh  : Apology, zitiert in  : Edwards 1988, S. 226–248, hier S. 226.  997 Ebd. S. 226.  998 Ebd. S. 227.  999 Ebd. S. 228. 1000 Ebd. S. 235. 1001 Ebd. S. 245 Das Argument wird S. 247 um Beispiele für spanische Grausamkeiten erweitert. 1002 Ebd. S. 236–243. 1003 Ebd. S. 245–247, Zitat S. 246. 1004 Ebd. S. 244–247.

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nur Fiktion, um seine Freiheit zu gewinnen und Pirat zu werden, entgegnet Ralegh, dass er viele Gelegenheiten nicht genutzt und sogar dem Drängen seiner Mannschaft widerstanden habe, andere Schiffe oder Siedlungen anzugreifen.1005 Das Geld, das er investiert, und das Leid, das er auf sich genommen habe, seien die besten Beweise für die Existenz der Minen. Am schwersten aber gewichtet er seine Rückkehr  : Da er seine Freiheit bereitwillig aufgegeben habe, könne sie nicht sein Ziel gewesen sein. Der einzige Fehler, den Ralegh eingesteht, ist, dass er die Reise ohne eine volle Begnadigung und damit mit einer geschwächten Autorität angetreten habe – ein Versäumnis, das implizit Jakob I. zukommt.1006 Seine Apology blieb jedoch ohne Wirkung. Ralegh stand in London zunächst unter Hausarrest und plante schließlich eine Flucht nach Frankreich, da Graf Gondomar weiter auf seine Auslieferung nach Spanien drängte. Sein Cousin Stucley nutzte in dieser Situation sein Vertrauen, um belastendes Material gegen ihn zu sammeln, die Flucht zu vereiteln und Ralegh schließlich zurück in den Tower zu bringen. Am 24. September 1618 schrieb Ralegh einen letzten Brief an Jakob I., in dem er die Vorwürfe des spanischen Gesandten zurückwies und seine Argumente erneut vorbrachte. Wenn es gegen das Gesetz sei, sich gegen Spanier zu verteidigen, die wehrlose Engländer massakrierten, wie schlecht stünde es um England  ? Er selbst wiederum, von seinen Männern zu Gewalt und Wortbruch aufgerufen, habe zu seinem Wort gestanden und sei der erste Mann, der Freiheit und Reichtum im Vertrauen auf seinen Herrscher freiwillig gegen Armut und Gefahr eingetauscht habe. Damit habe er alle Vorwürfe gegen seine Person widerlegt.1007 Ungeachtet des Briefes befahl Jakob eine Untersuchung, um nachzuweisen, dass Ralegh den Frieden gebrochen habe. Ein offizieller Prozess war weder nötig, da Ralegh schon 1603 wegen einer prospanischen Verschwörung zum Tode verurteilt worden war, noch gewünscht, da Ralegh damals gezeigt hatte, dass er es verstand, die öffentliche Meinung zu manipulieren.1008 Obwohl der Kommission, an der Francis Bacon mitwirkte, kaum Beweise gegen Ralegh vorlagen, wurde seine Schuld festgestellt.1009 Die Mitglieder des Privy Council warfen ihm vor, die Mine sei nur Fiktion gewesen, er habe einen Krieg mit Spanien anzetteln wollen und seine Männer bei Gefahr im Stich gelassen. Versuche Raleghs, dies zu widerlegen, tat die Kommission damit ab, dass ohnehin nur das ältere Todesurteil zähle. Somit befahl Jakob I. bemerkenswerterweise, wie Edwards pointiert feststellt, Ralegh aufgrund von aktuellem antispanischen 1005 1006 1007 1008

Ebd. S. 243f. Ebd. S. 229. Walter Ralegh  : Brief an König Jakob I., vom 24. Oktober, ediert in  : Edwards 1988, S. 251–252. Greenblatt 1973 behandelt im ersten Kapitel die Hinrichtung als öffentliche Inszenierung und stellt Bezüge zum Prozess 1603 her, S. 1–21. Zur Rückkehr Raleghs, der Untersuchung und der Hinrichtung siehe Williams/Nicholls 2011, S. 299–322  ; vgl. die Quellensammlung Harlow 1932, S. 254–315. 1009 Akten der Untersuchungskommission sind ediert in  : Harlow 1932, S. 272–304.

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Verhalten für eine frühere prospanische Verschwörung hinzurichten.1010 Der König gewährte ihm eine ehrenvolle Hinrichtung durch Enthauptung, die am 29. Oktober vollstreckt wurde.1011 Ralegh nutzte das Ereignis für eine dreiviertelstündige Rede, in der er seine Unschuld erneut bekräftigte und mit seinen Gegnern und insbesondere seinem Cousin abrechnete, der ihn belogen und getäuscht habe.1012 Seine Hinrichtung galt offenbar als so umstritten, dass im Auftrag des Königs eine anonyme Declaration im Druck erschien, deren Ziel im Titel offensichtlich wird  : A declaration of the demeanor and cariage of Sir Walter Raleigh, Knight, aswell in his voyage, as in, and sithence his returne and of the true motiues and inducements which occasioned His Maiestie to proceed in doing iustice vpon him, as hath bene done.1013 Die Existenz solch einer obrigkeitlichen Rechtfertigungsschrift belegt, welche Bedeutung man dem Fall Ralegh zusprach.1014 Für die Frage nach kolonialem Scheitern ist sie in Verbindung mit der als Manuskript kursierenden Apology besonders interessant, da das Scheitern hier unumstritten ist und lediglich die Frage nach der Verantwortung diskutiert wird. Der Autor der Declaration schilderte Raleghs Pläne als einen Betrug, auf den der verstorbene Ralph Winwood hereingefallen sei. Zwar habe der König selbst Ralegh nie geglaubt, aber Jakob habe dennoch aus Liebe zu seinen von Ralegh begeisterten Untertanen die Reise gewährt.1015 Aufgrund der berechtigten Sorge des spanischen Gesandten habe der König aber explizit befohlen, dass Ralegh den Frieden mit Spanien achte.1016 Zum Beweis ist Raleghs Commission abgedruckt.1017 Dennoch habe Ralegh den Plan verfolgt, Pirat zu werden und Sao Thomé zu erobern. Alle Entschuldigungen für die Kämpfe werden mit dem Argument entkräftet, dass wenn Ralegh um die 1010 Edwards 1988, S. 190. 1011 Peltonen  : Bacon, Francis, Viscount St. Alban. In  : ODNB. 1012 Vgl. Greenblatt 1973, S. 1–21. Eine Version der Rede ist im Kapitel zur Hinrichtung Raleghs in Harlow 1932, S. 254–315 ediert. 1013 Francis Bacon 1618  : A declaration of the demeanor and cariage of Sir Walter Raleigh, Knight, aswell in his voyage, as in, and sithence his returne and of the true motiues and inducements which occasioned His Maiestie to proceed in doing iustice vpon him, as hath bene done. Vgl. auch die Druckschrift von Lewis Stucley 1618  : To the Kings most excellent Maiestie. The humble petition and information of Sir Lewis Stucley, Knight, Vice-admirall of Deuon, touching his owne behauiour in the charge committed vnto him, for the bringing vp of Sir Walter Raleigh, and the scandalous aspersions cast vpon him for the same. Stucley hatte Ralegh von Plymouth nach London eskortiert und dessen Vertrauen gewonnen, um belastendes Material zu sammeln. Ralegh hatte ihm vor seiner Hinrichtung dafür öffentlich ehrloses Verhalten vorgeworfen, wogegen Stucley sich nun verteidigen wolle. In seiner Schrift bekräftigte er die bekannten Vorwürfe, dass Ralegh die Minen nur als »Pretense« genutzt habe, um den Frieden zu brechen (S. 5) und gab an, dessen Fluchtversuche würden die Schuld beweisen (S. 6). Außerdem stellte er fest, dass Ralegh generell nicht zu glauben sei  : »This mans whole life was a mere sofistication« (S. 2). 1014 Fuller 1995, S.  57 sieht darin auch einen Beweis für die Stärke von Raleghs Argumenten, vgl. S. 58–64. 1015 Bacon 1618, S. 4. 1016 Ebd. S. 5–9. 1017 Ebd. S. 9–24.

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Existenz einer spanischen Siedlung wusste, er durch Eindringen in diese Region den Frieden bereits gebrochen habe. Nach dem Tod seines Sohnes habe Ralegh dann angesichts fehlender Beute viele Männer im Stich gelassen und durch immer neue Pläne zur Piraterie den berechtigten Widerstand seiner Leute provoziert.1018 Auf die Untersuchung gegen Ralegh geht der Autor nicht ein, da ein Prozess unnötig und juristisch unmöglich sei, weil Ralegh bereits 1603 zum Tode verurteilt und seitdem nicht mehr rechtsfähig war. Lediglich die Vollstreckung des alten Urteils wird erwähnt. Erst 1650 erschien als Gegenstück zur Declaration Walter Raleghs Apology im Druck. Quinn betont, dass diese Schrift als Teil der Anti-Stuart-Propaganda im revolutionären Jahrhundert besonderen Erfolg erzielte. Ralegh galt den Gegnern der Stuarts als englischer Held, den der Monarch aufgrund persönlicher Ambitionen geopfert habe.1019 Damit war der Grundstein für eine langfristige Wirkung dieser Quelle gelegt, mit denen auch in der neueren Historiographie noch immer die angeblich wahre Geschichten vom tragischen Ende des letzten elisabethanischen Sea Dog erzählt wird.1020 3.3.3 Fazit und Ausblick in die 1620er Jahre

Trotz allen zum Teil spektakulären Rückschlägen gelang es Akteuren aus England und Frankreich, dauerhafte Kolonien in Virginia und am St.  Lorenz zu errichten. Zwischen beiden bestanden erhebliche Unterschiede im materiellen und personellen Aufwand, in der Organisation, im Umgang mit der indigenen Bevölkerung und bezüglich der ökonomischen Basis. Somit lassen sich zwei unterschiedliche, aus europäischer Sicht erfolgreiche Vorgehensweisen erkennen, die aber auf eine gemeinsame Grundlage zurückzuführen sind. Nach Jamestown schickte die Company of Virginia trotz einer desaströsen Todesrate und hohen materiellen Verlusten immer mehr Menschen und Material. Die Company war bereit, diese Verluste hinzunehmen, bis eine neue Befehlsstruktur und wirtschaftliche Grundlage nach beinah zehn Jahren Erfolge brachten. Grund hierfür könnte gewesen sein, dass angesichts der Gesamtinvestitionen der Punkt erreicht war, an dem ein Abbruch schlimmere Folgen für die Verantwortlichen und die Investoren gehabt hätte als weiteres Engagement in der Hoffnung auf Besserung – ein Zustand den man als »to big to fail« bezeichnen könnte. Im Falle Québecs blieben die Kosten und Verluste hingegen bescheidener. Die Kolonie hielt sich unter anderem deswegen, weil sie von nur wenigen Investoren getragen werden konnte und vergleichsweise wenig Profit erzielen musste, um sich zu rentieren. Aber auch hier war entscheidend, dass eine Gruppe von Akteuren um Champlain und de Monts bereit war, über längere Zeit Verluste hinzunehmen und das Unternehmen mehr als eine langfristige Investition und weniger als Weg zu schnellem Profit zu sehen. Diese 1018 Ebd. S. 35–38. 1019 Quinn 1973, S. 194. 1020 Noch immer zentral in  : Herbertson 1993.

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Haltung war es, die beiden Kolonien überhaupt erst eine Chance verschaffte, sich in Krisen zu bewähren. In Südamerika hingegen blieb kolonialen Projekten der Jahre 1598 bis ca. 1615 aus vornehmlich zwei Gründen der Erfolg versagt. Zum einen fehlte es meist an Geld, daher wurden mehrere Projekte abgebrochen, als sie sich nicht unmittelbar amortisierten. Dies gilt insbesondere für die englischen Unternehmungen, die im Vergleich zu Nordamerika mit einem viel geringeren personellen und materiellen Aufwand betrieben wurden. Ihr Ende zeigt auch, dass die in Nordamerika beobachtete Tendenz zur langfristigen Investition keineswegs universell gültig war. Zum anderen zeigt der Blick auf Südamerika aber auch die Wirkmacht der iberischen Kolonialmächte, die durch diplomatisches Eingreifen und militärische Intervention selbst große koloniale Projekte  – wie France équinoxiale  – zu einem vorzeitigen Ende zwingen konnten. Gegen diese Bedrohung fehlte den Unternehmungen diplomatischer und militärischer Rückhalt, so dass für die Projekte in Südamerika die europäische Politik, speziell der Wunsch Jakobs I. und der regierenden Königinmutter Maria de Medici nach einem Ehebündnis mit den spanischen Habsburgern, ein zentrales Problem darstellte. In England kam verschärfend noch die Tätigkeit des spanischen Gesandten Graf Gondomar hinzu, der über Jahre hinweg auf Jakob I. einwirken konnte. So erlaubte der König 1619 zwar die Gründung einer Amazon Company durch Roger North, einen früheren Mitreisenden Raleghs, doch noch während die erste Expedition ausgerüstet wurde, gelang es Gondomar eine Untersuchung der Rechtmäßigkeit der kolonialen Pläne zu erzwingen.1021 Angesichts der Verzögerung brach North aus Sorge vor den wachsenden Kosten einfach ohne königliche Erlaubnis auf, woraufhin Jakob  I. die Amazon Company auflöste und befahl, North bei seiner Rückkehr zu verhaften. Die von North am Amazonas abgesetzten ca. 100 englischen Siedler und eine kleine Gruppe irischer Kolonisten blieben daher ohne Verstärkung, und aus Sorge vor weiteren diplomatischen Spannungen verbot Jakob  I. sogar eine Rettungsmission für diese Lost Colony.1022 Weitet man den Blick über die Frage nach Gründen für Erfolg oder Misserfolg einzelner Projekte in Nord- und Südamerika auf eine Synthese hin, lassen sich für den Zeitraum von 1598 bis ca. 1615 sechs allgemeine Tendenzen festhalten, die auch einen Ausblick über den Untersuchungszeitraum dieser Studie hinaus in das folgende Jahrzehnt eröffnen. Erstens verankerten prokoloniale Autoren in England wie in Frankreich die koloniale Rivalität der beiden nichtiberischen Mächte als Thema im Diskurs über Expansionspolitik. Diese zunächst virtuelle Konkurrenz wird durch die Zerstörung von Port Royal 1613 manifest, auch wenn die diplomatische Reaktion darauf noch relativ 1021 Williamsson 1923, S. 80–89  ; McConnell  : North, Roger. In  : ODNB  ; Lorimer 1989, S. 60–67 und S. 70f., Quellen S. 197–232. 1022 Zu möglicherweise irischen kolonialen Projekten am Amazonas siehe Lorimer 1989.

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verhalten blieb. Mit der Etablierung dieses Gegensatzes ging die Reproduktion des kolonialen Feindbildes Spanien zurück. Dies bedeutet aber nicht, dass diese inzwischen fest etablierte argumentative Ressource ihre Bedeutung generell verlor. Es ist vielmehr so, dass sie nach wie vor zur Verfügung stand, aber jetzt seltener und nicht mehr exklusiv genutzt wurde. Neben den aufkommenden neuen Feindbildern dürften auch die Außenpolitik in Frankreich und England, gipfelnd im Wunsch nach einer habsburgischen Hochzeit in beiden Ländern, und der zwölfjährige Waffenstillstand in den Niederlanden von 1609–1621 diese Tendenz befördert haben. Bemerkenswert ist, dass die tendenzielle Schwächung des antispanischen Diskurses konfessionsübergreifend in England wie in Frankreich zu beobachten ist. Auch die zweite Tendenz verbindet Diskurs und koloniale Praxis. Obgleich die Missionierung der Indigenen schon seit 1492 ein zentrales Legitimationsargument für koloniale Projekte war, gewann sie nach 1600 in England und Frankreich an Bedeutung. Während in Frankreich Kapuziner und Jesuiten häufiger und mit einer stärker missionarischen Prägung schrieben als bisher in koloniale Projekte involvierte Geistliche, kam in England die prokoloniale Predigt auf und vermittelte Zuhörern wie Lesern, dass Kolonisierung eine heilsgeschichtliche Mission sei. Dies war in beiden Ländern ein zentrales Argument, um Siedler und einen breiteren Investorenkreis für die neuen Companies zu gewinnen, wobei insbesondere in Frankreich damit erfolgreich Gelder und obrigkeitliche Unterstützung akquiriert werden konnten. Zugleich waren Geistliche aus Frankreich in Übersee zahlreicher vertreten und einflussreicher als in früheren Jahrzehnten während die nicht in Orden organisierten englische Prediger seltener reisten und keinen vergleichbaren Einfluss besaßen. Des Weiteren begann 1620 die Auswanderung konfessioneller Minderheiten aus England, die ihre Siedlungsprojekte mit einer heilsgeschichtlichen Bedeutung versahen. Die Betonung der Missionierung verlieh den Diskursen eine intensivere konfessionelle Prägung, was die Verflechtung des zuvor grenzübergreifenden antispanischen Diskurses zwischen französischen Hugenotten, protestantischen Niederländern, Konfessionsflüchtlingen im Westen des Alten Reiches und kolonialaffinen Netzwerken im elisabethanischen England schwächte. Damit war die frühere antikatholisch untermauerte gemeinsame Frontstellung dieser Akteure gegen die iberischen Kolonialmächte aufgebrochen. Die sinkende Bedeutung der bisher vorherrschenden Dichotomie erleichterte es, neue Feindbilder zu präsentieren und flexibel aktuellen kolonialen Rivalitäten anzupassen. Somit war der Boden für Diskurse über divergierende koloniale Interessen Englands, Frankreichs, der Niederlande und anderer bereitet, die auf die Schaffung von Feindbildern, Delegitimation kolonialer Expansion von Rivalen und argumentative Begründung der eigenen Ansprüche hinausliefen. Diese Gegensätze nahmen vornehmlich in Nordamerika Gestalt an, nachdem Akteure aus England ab 1620 dauerhaft das heutige Massachusetts erschlossen und Au-

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ßenposten auf Neufundland und in der Acadie gegründet hatten.1023 Die Folge waren neue Spannungen zwischen England und Frankreich. Doch beide blieben auf dem nordamerikanischen Festland nicht allein. Die Niederländer und Schweden etablierten ebenfalls Kolonien, deren Ansprüche auf exklusive Einflusszonen sich miteinander und mit denen der Engländer überschnitten. Es kam daraufhin zu Konflikten, die auch von Allianzen mit indigenen Akteuren sowie deren Bündnissen und Feindschaften untereinander geprägt waren. Somit kann Nordamerika insgesamt als ein Raum gelten, in dem koloniale Expansion im 17. Jahrhundert eher in vergleichsweise protonationalen, exkludierenden Kategorien gedacht und praktiziert wird. Hierfür bietet drittens Guyana ein wichtiges Korrektiv. Während in Nordamerika koloniale Pläne auf exklusive Einflusszonen und Monopole fokussiert und damit per se konfliktträchtig waren, herrschten in Südamerika zwischen den nichtiberischen Mächten kooperative Modelle vor. Daran waren nach 1615 vornehmlich Akteure aus England und den Niederlanden beteiligt. Nachdem die 1619 gegründete, kurzlebige Amazon Company Roger Norths aufgelöst worden war, blieben die von ihm ausgesetzten englischen und irischen Siedler vor Ort.1024 Ebenfalls am Amazonas hatten Siedler eines anglo-niederländischen Projektes aus Flushing/Vlissingen und Middleburg 1616 zwei Forts und Plantagen errichtet. Der Fluss war somit zu Beginn der 1620er ein anglo-irisch-niederländisches Kolonialgebiet, in dem alle Akteure auf die Kooperation mit den Indigenen angewiesen waren, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die portugiesische Obrigkeit ging davon aus, dass Mitte der 1620er Jahre 200–400 Engländer, Iren und Niederländer am Amazonas siedelten.1025 Als Reaktion unternahmen die Portugiesen 1623 und 1625 Offensiven zur Vertreibung der mutmaßlichen Eindringlinge, die aber nur kurzfristig erfolgreich waren.1026 Aus Frankreich hingegen wurden nach dem gewaltsamen Ende der Maranhão-Kolonie und der Eheschließung Ludwigs XIII. mit Anne d’Autriche längere Zeit keine kolonialen Projekte in Südamerika verfolgt. Der Fokus lag eher auf Nouvelle-France. Während englische und französische Akteure sich auf Nordamerika konzentrierten und die Iren ihr zahlenmäßig geringes Engagement wieder aufnahmen, forcierten die Niederlande nach dem Ende des zwölfjährigen Waffenstillstandes die Konfrontation mit Spanien und Portugal. Sie gründeten 1621 die Westindische Handelskompanie und eroberten nach 1630 Teile des portugiesischen Brasiliens. Die lange erprobten kolonialen Praktiken der Verflechtung und die klassische antiiberische Frontstellung lebten in dieser Region also länger fort als in Nordamerika.

1023 Andrews 1984, S. 333–336  ; Cell 1969 und Ders. 1982  ; Handcock 1989, S. 1–24  ; zur nachrangigen Beachtung Neufundlands in der Historiographie siehe Fuller 2008, S. 117–164. 1024 Lorimer 1989, S. 43–46, 72f. 1025 Ebd., S. 69. 1026 Ebd., S. 77–85.

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Viertens erweiterte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts in England und in Frankreich die Zielgruppe für Kolonialwerbung. Es standen nicht mehr allein die Großinvestoren und Herrscher mit ihrem Hofstaat im Fokus, sondern auch Personen, die nur kleine Summen investieren oder selbst als Siedler über den Atlantik reisen würden. Neben umfangreichen, prestigeträchtigen und teuren Textsammlungen entstanden daher vermehrt kleine, günstige Druckschriften für ein breiteres Publikum. Noch deutlicher zeigt sich diese Entwicklung am Aufkommen erster Leitfäden und Ratgeber für zukünftige Kolonisten wie im Umfeld von Jamestown oder France équinoxiale. Außerdem erreichten zusätzliche Formen kolonialer Propaganda auch ein analphabetisches Publikum, sei es durch Predigten oder feierliche öffentliche Inszenierungen. Auch hierbei zeigen Diskurs und koloniale Praxis eine gemeinsame Entwicklung. Im Zeitraum von 1598 bis ca.1615 nahm der Anteil der Akteure, die dauerhaft in Amerika siedeln wollten und bereit waren, ihre Familien mitzunehmen oder dort eine zu gründen, deutlich zu. Sie waren aber weiterhin nur eine Minderheit der Transatlantikreisenden im Vergleich zu jährlich fahrenden Händlern, Fischern und Walfängern. Außerdem gab es noch immer Unternehmungen, bei denen besoldete Kolonisten für eine begrenzte Zeit nach Übersee kamen, auch wenn Siedler nun tendenziell den Rest ihres Lebens dort verbrachten. Die Organisatoren förderten dies unter anderem, weil die Zwangsmigration von Sträflingen durch Rückschläge wie bei Roberval am St. Lorenz und bei Sieur de Monts auf der Isle de Sable vorläufig für Investoren an Attraktivität verloren hatte. Die Deportation von Straftätern stand außerdem im Widerspruch zu der zu dieser Zeit zunehmenden konfessionellen Aufladung der Siedlungsprojekte als heilsgeschichtliche Ereignisse und zur Idee, die Indigenen könnten durch die vorbildliche Lebensweise der Siedler missioniert werden. Fünftens brachte die Organisationsform der als Kollektiv vom Herrscher mit umfangreichen Rechten ausgestatteten Company mit einer breiten Streuung der Investoren nicht nur größere Mengen von Kapital, sondern auch neue Formen der Informationssammlung und Archivierung hervor. Die Handelsgesellschaften bildeten Gremien, die Akten über ihre Tätigkeit anlegten, Berichte erhielten, eine Buchhaltung führten und Informationen für die Anleger sowie zu Werbezwecken in Form von leicht konsumierbaren Wissensbeständen aufbereiteten. Hinzu kamen Bemühungen, unerwünschte Informationen geheim zu halten und außerdem gezieltere und intensivere Propaganda als zuvor zu betreiben. Die Sammlung und Aufbereitung des bisher erworbenen Wissens um transatlantische Räume waren jedoch nicht exklusiv an die Companies gebunden. Generell wurde in den Jahren von 1598–1618 in England und Frankreich dieses Wissen in umfangreichen Textsammlungen kompiliert (Hakluyt/ Purchas), zu teleologischen Gesamterzählungen verwoben (Lescarbot) oder als komplexer Hintergrund zur Einordnung eigener Taten präsentiert (Smith/Champlain). Hinzu kamen kommerzielle Interessen der Autoren und Herausgeber, die in Wechselwirkung mit einer wachsenden Nachfrage auf dem Buchmarkt standen, wie sie im Alten Reich de Brys Erben und Hulsius mit ihren Übersetzungen bedienten – so dass

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die Wissensbestände insbesondere in den Druckzentren des Heiligen Römischen Reiches in neuen Kontexten reproduziert wurden. Das Wissen über Geographie, Naturkunde, theologische Implikationen der Mission und über die Lebenswelt indigener Gesellschaften nahm quantitativ zu, war aber nicht frei von den tradierten Erzählmustern und Leitbildern. Nach wie vor war der Glaube an die Überlegenheit der christlichen Religion und der europäischen Lebensweise prägend. Gleiches galt für Bezüge auf tradiertes Wissen und Motive aus der Antike oder aus Texten des fünfzehnten und frühen 16. Jahrhunderts. Neben diesem in Form von Texten fixierten und transferierten Wissen, gab es aber noch mehr. Auch das praxisbezogene Wissen um konkrete Notwendigkeiten für das Überleben und die Interaktion mit Indigenen nahm zu. Allerdings blieb der Großteil der Erfahrungen, die Seeleute auf hunderten von transatlantischen Seereisen beim Handel, Walfang oder Fischfang gesammelt hatten, personengebunden und zirkulierte nur in Hafenstädten oder kolonialen Räumen. Weder in England noch in Frankreich entstanden herrschaftliche Institutionen zur Sammlung und Bereitstellung von Wissen, die mit den iberischen Behörden vergleichbar wären. Daher war in beiden Reichen das komplexe Wissen über bestimmte koloniale Räume und Projekte zwischen Gesellschaften mit eigenen Publikationen oder zirkulierenden Manuskripten und einzelnen Personen als Wissensträgern getrennt. Somit standen zwar theoretisch mehr und detailliertere Informationen als jemals zuvor zur Verfügung, doch die politische und koloniale Praxis legt nahe, dass Entscheidungsträger dennoch auf die Expertise einzelner Ratgeber vertrauten und ihre Entscheidungen in Abhängigkeit der von ihnen als relevanter eingestuften europäischen Rahmenbedingungen trafen. Sechstens blieben zu Beginn des 17. Jahrhunderts indigene Akteure als Partner oder Gegner kolonialer Projekte von zentraler Bedeutung. Indigener Widerstand, egal ob erfolgreich oder nicht, prägte die koloniale Geschichte und die Exklusion oder Inklusion neuer Siedler in indigene politische Netzwerke bestimmte die Erfolgschancen eines Projektes. Dies zeigte sich in Nouvelle-France wie auch in France équinoxiale, die von erfolgreicher Kooperation geprägt waren. Im Falle Jamestowns hingegen brachte der groß angelegte Angriff der Algonquin unter Führung des neuen Powhatan Opechancanough im Jahr 1622 die Kolonie in schwere Bedrängnis. Als die Indigenen die Kampfhandlungen einstellten, hatten sie etwa ein Viertel der Kolonisten getötet und viele verwundet. Dies bot den Anlass für eine antiindigene Verschiebung des kolonialen Diskurses sowie einen Vorwand für exzessive Gewalt und forcierten Landraub von Seiten der Siedler. An anderen Orten, speziell auf karibischen Inseln, war indigener Widerstand hingegen erfolgreich und konnte koloniale Projekte um Jahrzehnte verzögern, wie das Beispiel San Lucia gezeigt hat. Wenn die Europäer zu dieser Zeit mit der Unterstützung indigener Gruppen siedelten, so zeigte sich, dass sie in der Regel in deren politische Strukturen, Allianzen und Feindschaften eingebunden waren. Dadurch, dass sie sich als Beschützer inszenierten,

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machten sie sich zugleich von der indigenen Politik abhängig, was beispielsweise im Falle Québecs eine jahrzehntelange außenpolitische Festlegung gegen die Irokesenföderation zur Folge hatte. Der Blick auf Südamerika hat in dieser Hinsicht verdeutlicht, dass die Europäer oftmals den indigenen Fremdheitszuschreibungen vertrauen und deren Freund-Feind-Kategorien akzeptieren mussten, da sie – wenn es an Truchements fehlte – nicht im Stande waren, selbst indigene Gemeinschaften zu differenzieren. Für die in dieser Untersuchung behandelten Indigenen bot der Kulturkontakt  – dessen letztlich katastrophale, existenzbedrohende Folgen nicht unmittelbar absehbar waren – zunächst durchaus Vorteile, die militärisch oder mehr noch wirtschaftlich sein konnten. Zugang zu den Europäern zu haben, idealerweise sogar exklusiv, bedeutete einen Machtgewinn gegenüber anderen indigenen Gemeinschaften, den sie gezielt suchten und um den sie auch kämpften. Die Indigenen sind daher keineswegs bloße Objekte kolonialen Handelns, sondern Akteure, die zumindest in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts den Ausgang der Transformationsprozesse mitgestalteten. Ihre Handlungsmacht war von 1598 bis ca. 1615 in vielen Fällen sogar größer als in früheren Jahrzehnten, da sie aufgrund eigener transatlantischer Reiseerfahrungen nun über Sprachkenntnisse und genaueres Wissen über die Europäer verfügten und sich deren Technologien beispielsweise für eigene Küstenseefahrt nutzbar machten. Dies trug dazu bei, dass durch die kolonialen Projekte, aber auch die zahlreichen nur zu einem kleinen Teil in Quellen fassbaren saisonalen Kontakte zwischen Indigenen und Europäern um 1615 in weiten Teilen der östlichen Küstenregionen Nordamerikas und Guyanas tradierte indigene wirtschaftliche und politische Strukturen in Transformation begriffen und indigene Migrationsbewegungen und Binnenkonflikte ausgelöst worden waren. Wendet man den Blick zurück nach Europa und fragt danach, welche Erfahrungen aus den kolonialen Projekten vergangener Jahrzehnte zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Diskurs präsent waren und welche Lektionen Zeitgenossen daraus für die Zukunft ableiteten, greift die historische Forschung häufig auf das Fazit des englischen Lordkanzlers Francis Bacon von 1625 zurück. Er formulierte in seinem oft zitierten Essay Of Plantations1027 Leitlinien für zukünftige koloniale Siedlungsprojekte. Ausgangspunkt von Bacons Überlegungen ist, dass alle Beteiligten nicht nach schnellem Profit streben dürfen, sondern bereit sein müssen, 20 Jahre lang ihre Profite zu reinvestieren, um eine dauerhafte und sichere Einnahmequelle zu generieren. Sein zweites Thema ist die Auswahl der Mitwirkenden. Bacon spricht sich gegen die Entsendung von Sträflingen oder Müßiggängern aus, die vor Ort nichts leisten und nur nach Rückkehr in die Heimat streben, wo sie dann das Projekt diskreditieren. Stattdessen empfiehlt er ehrliche Handwerker  : »gardners, plough-men, labourers, smiths, carpenters, joiners, fisher1027 Francis Bacon 1625  : The essayes or counsels, civill and morall, darin  : Of Plantations, S. 198–204. Zur Bedeutung von Bacons Argumentation für die Kolonialpolitik seiner Zeit siehe Parry 1995.

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men, fowlers, with some few apothecaries, surgeons, cookes, and bakers«.1028 Die Zahl der Siedler solle aber nur langsam wachsen, um Ressourcen nicht zu strapazieren. Die Führung sollte laut Bacon klar strukturiert bei einer Person liegen, aber Konsultationsmechanismen bieten. Im Zweifel sei es besser, Adeligen die Leitung zu geben als Kaufleuten, da letztere sich nicht langfristig um die Siedlung, sondern mehr um ihre Profite sorgen würden. Auch bei der Nutzung des Landes setzt Bacon Priorität auf die Selbstversorgung. Erst wenn Nahrungsmittel im Land gesichert, die Aussaat getätigt, Nutztiere vorhanden und Vorräte eingelagert und rationiert seien, könne man sich um Waren und Rohstoffe für den Handel kümmern. Hierfür seien nachwachsende Produkte wie Tabak, Holz, Salz oder Seide erstrebenswerter als die Suche nach Edelmetallen  : »for the hope of mines is very uncertain and useth to make the planters lazie.«1029 Bezüglich des Umgangs mit den Indigenen empfiehlt Bacon, nicht nur Handel mit trifles durchzuführen, sondern regelmäßigen sozialen Austausch zu suchen und sie gerecht und milde zu behandeln, um die eigene Lebensweise als Vorbild zu präsentieren. Außerdem hatte der Lordkanzler offenbar von der Fähigkeit der Indigenen gelesen, die Europäer für ihre Zwecke zu manipulieren, und riet daher zwar, Allianzen zu schließen, aber mahnte  : »doe not winne their favour, by helping them to invade their enemies.«1030 Bacon schließt mit Worten die verdeutlichen, dass für ihn nichts schwerer wog, als das Schicksal von John Whites und Walter Raleghs Lost Colony und vielleicht auch die heute weitgehend vergessenen Geschichten der verlassenen Siedlungen Roes, Kings, Harcourts und Norths am Amazonas und Wiapoco  : »It is the sinfullest thing in the world, to forsake or destitute a Plantation, once in Forwardness  : For besides the dishonour, it is the Guiltinesse of Bloud of many Commiserable Persons.«1031 Das vielleicht Bemerkenswerteste an dieser schon oft zitierten Quelle wird jedoch meist verschwiegen  : Den Großteil der von Bacon präsentierten Lektionen hatten die beiden Richard Hakluyts bereits um 1580 formuliert und die zugrunde liegenden Erfahrungen waren von Akteuren aus England, Frankreich und dem Alten Reich schon mehrere Jahrzehnte zuvor gemacht worden. Dies bekräftigt, dass zum besseren Verständnis der Geschichte der kolonialen Expansion nicht nur die Frage gestellt werden sollte, durch welche Schritte welcher Wissensbaustein zu einem stetig wachsenden, immer perfekteren Kenntnisstand hinzukam, sondern ebenso die Frage, in welchen Grenzen, auf welche Weise und zu welchen Zwecken in all dieser Zeit die gemachten Erfahrungen eigentlich kommuniziert und angewendet wurden.

1028 1029 1030 1031

Ebd. S. 199. Ebd. S. 201f. Ebd. S. 203. Ebd. S. 204.

4. Vom Scheitern sprechen oder schweigen Die vorhergehenden Kapitel haben die immense Bandbreite der Quellen zur Geschichte kolonialer Projekte in England, Frankreich und dem Alten Reich sowie die Kontexte ihrer Entstehung und ihre Bezüge aufeinander vorgestellt. Zu ihnen gehören gedruckte Historien, Theaterstücke, Gedichte, Predigten, Reiseberichte, Landesbeschreibungen und kosmographische Studien – die allesamt durch Neudruck, Übersetzung oder Anordnung in Sammlungen teilweise mehrfach in unterschiedlichen Kontexten verortet sein konnten  – ungedruckte Projektvorschläge als Eingaben an den Herrscher oder Rundschreiben an mögliche Investoren, Briefe, Logbücher, Prozessunterlagen, Rechnungen, Verträge oder obrigkeitliche Entscheidungen wie die Vergabe von Titel und Privilegien und Erlaubnis oder Verbot von Reisen. Betrachtet man diese Quellen insgesamt als einen Diskurszusammenhang, so lassen sich, trotz der Heterogenität des Materials und des unterschiedlichen Kontexts in England und Frankreich oder dem Alten Reich, übergreifende Tendenzen bezüglich der zeitgenössischen Wirksamkeit, den Autoren und deren Zielen erkennen. Zunächst ist es wenig überraschend, dass historiographisch und zeitgenössisch vorwiegend denjenigen Texten eine überragende Bedeutung zugeschrieben wurde, die nicht nur als Manuskripte zirkulierten, sondern auch im Druck erschienen. Sie konnten breiter rezipiert werden, wie sich in Nachdrucken, Übersetzungen und vor allem durch Bezugnahmen in anderen Texten zeigt. Zudem war ihre Verfügbarkeit für das Publikum Akteuren wie Richard Hakluyt sehr wichtig, die damit für koloniale Projekte werben wollten. Eine Ausnahme hiervon stellen Manuskripte dar, die im Auftrag von und für ranghohe Persönlichkeiten, beispielsweise bei Hofe, entstanden und unter diesen zirkulierten. Solche Eingaben konnten erhebliche Wirkmacht entwickeln und wurden auch archivarisch überliefert. Unter den Autoren dieser Druckwerke und Manuskripte wiederum lässt sich in England wie in Frankreich eine Führungsgruppe ausmachen. Ihren Werken wurde aufgrund ranghoher Förderer, dem sozialen Rang des Autors oder besonderem Erfolg am Buchmarkt zeitgenössisch hohe Relevanz und in der Historiographie ein Status als Schlüsseltexte zugeschrieben. Zu diesen Autoren gehörten beispielsweise Thomas Harriot, Marc Lescarbot, Walter Ralegh, André Thevet, Jean de Léry und Richard Hakluyt. Unter ihnen und den anderen im dritten Kapitel vorgestellten Autoren waren sowohl Männer, die tatsächlich Amerika bereist hatten, als auch solche, die nie über Europa hinauskamen. Wenn sie aber jenseits des Atlantiks gewesen waren, dann hatten sie dort meist eine hervorgehobene Position als offiziell beauftragter Kartograph, Berichterstatter, Geistlicher, Befehlshaber der Gesamtexpedition oder zumindest einer Teilexpedition innegehabt. Auch Autoren wie Richard Hakluyt, die selbst nicht den

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Ozean überquert hatten, waren mit Akteuren in gehobener Position bekannt und arbeiteten für die Erstellung ihrer Texte mit ihnen zusammen. Beides sicherte die Dominanz dieser sozialen Gruppe im Diskurs über koloniale Expansion. Diejenigen Reisenden, die über ihre eigene Erfahrung in Übersee schrieben, nahmen oft nicht nur formell eine herausgehobene Stellung ein, sondern schrieben sich in ihren eigenen Werken außerdem persönlich eine besondere Bedeutung für das Projekt zu. Samuel de Champlain, John Smith, René de Laudonnière, André Thevet, Jean de Léry, Walter Ralegh und viele mehr machten sich mehr oder weniger offensichtlich zu Protagonisten ihrer eigenen Geschichten. Sie waren seltener als die Daheimgebliebenen bereit, in den Hintergrund zu treten und andere Personen in das Zentrum ihrer Werke zu rücken, wie Marc Lescarbot es für den Sieur de Poutrincourt oder George Best und Dionyse Settle für Martin Frobisher taten. Die einfachen Mitreisenden, Soldaten, Handwerker oder deportierte Sträflinge bleiben hingegen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, ohne Stimme in den überlieferten Quellen. Dies gilt selbst für sozial höherstehende Gruppen wie die Gentlemen in Roanoke oder Jamestown und in den meisten untersuchten Fällen sogar für alle, die keine Befehlsgewalt in den gegründeten oder geplanten Kolonien innehatten. Dieses Ungleichgewicht verstärkt sich zusätzlich, wenn die am Transfer beteiligten Seeleute in den Blick genommen werden. Im Kontext kolonialer Projekte sind nur wenige Quellen von Navigatoren oder Befehlshabern zur See, die nicht gleichzeitig für die Kolonie verantwortlich waren, überliefert und noch weitaus weniger Quellen einfacher Seeleute.1 Die bekannten Beispiele wiederum wie aus dem Umfeld der FrobisherReisen sind mehrheitlich nur durch die Auswahl, Aufnahme und Einordnung in Textsammlungen von gebildeten und gut vernetzten Kolonialbefürwortern wie Richard Hakluyt oder Samuel Purchas überliefert. Somit sind viele für die Durchführung der Unternehmungen unersetzliche Akteure letztlich nur als Figuren in Texten anderer greifbar. Gegen diese Einschränkung bieten die in Rechtsquellen oder Gebrauchsschrifttum überlieferten Hinweise auf das konkrete Verhalten dieser Gruppen oder Konflikte zwischen ihnen und den Führungspersönlichkeiten wegen ihrer Kürze meist nur wenig Abhilfe, zumal auch diese Quellen in erheblichem Maße formalisiert sind. Noch schwerwiegender als die Exklusion marginalisierter Gruppen von Europäern aus dem Diskurs ist das Fehlen indigener Partizipation daran. Trotz Ausbildung von Dolmetschern und langjährigem Aufenthalt Indigener in England und Frankreich ist für die hier behandelten Projektzusammenhänge keine von ihnen verfasste Quelle verfügbar. Dieser Hinweis ist gerade deswegen bedeutend, weil feierliche Reden indigener Anführer oder Erzählungen Indigener über ihre Sichtweise auf die Ereignisse 1 Hierzu ist zu beachten, dass insbesondere Navigatoren zwar eine erhebliche Zahl von nautischen Textund Bildquellen für den täglichen Gebrauch produzierten  – diese aber nicht archiviert wurden und verloren sind. Vgl. Taylor 1930, S. 59  ; Woodward 2007, S. 8  ; Toulouse 2007  ; für weitere Belege siehe Kapitel 2.3.

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ein zentrales und wiederkehrendes Element in den europäischen Darstellungen sind. Es handelt sich dabei aber bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts schlimmstenfalls um reine Imaginationen oder bestenfalls um verzerrte Wiedergaben indigener Positionen von Europäern für Europäer. Somit spiegelt das Korpus der überlieferten Quellen die spätere Vertreibung, Ausgrenzung und Unterdrückung indigener Akteure wider und das, obwohl im Betrachtungszeitraum oft die Europäer in der schwächeren Position waren. Die Tatsache, dass die soziale Ordnung und das Machtgefälle der Akteure sich in den Quellen niederschlagen und durch sie zugleich auch bekräftigt werden, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die im Diskurs marginalisierten oder exkludierten Akteure ebenfalls kommunizierten, Erfahrungen machten, Erwartungen hatten und durch ihr Verhalten den Verlauf der Ereignisse prägten. In den folgenden Unterkapiteln wird daher nicht nur die Bedeutung dieser Gruppen im Diskurs herausgearbeitet, sondern es werden auch die ihnen zugeschriebenen Rollen mit den Ergebnissen des dritten Kapitels kontrastiert. Dies soll zumindest teilweise der Tatsache Rechnung tragen, dass der untersuchte Diskurs über koloniale Projekte selbst in Gänze nur ein Ausschnitt aus einem bestimmten Blickwinkel sein kann. Aus der hier skizzierten sozialen Gewichtung der Akteure lassen sich in Kombination mit den in den vorherigen Kapiteln gemachten Einzelfallbeobachtungen vier Schlussfolgerungen über Form und Inhalt der Quellen ableiten, die für England, Frankreich und das Alte Reich Gültigkeit beanspruchen können. An erster Stelle steht die Beobachtung, dass kaum kolonialkritische Quellen überliefert sind. Die überwältigende Mehrheit der Texte entstand vielmehr mit dem eindeutigen Ziel, Monarchen, einflussreiche Adelige oder finanzstarke Gruppen als Unterstützer für ein laufendes oder neues Projekt zu gewinnen. Selbst wenn Autoren Krisen und Rückschläge thematisierten, vermieden sie es fast immer, Argumente vorzubringen, die allgemein gegen weitere koloniale Projekte gerichtet waren. Im Gegenzug verwiesen die Autoren zwar auf angebliche Kritik und deren Gegenargumente, führten diese aber ihren Lesern meist nur vor, um sie zu entkräften und so ihren eigenen Standpunkt zu unterstreichen.2 Zweitens mussten viele Autoren auf eine Differenz zwischen den im Diskurs über koloniale Projekte geweckten Erwartungen ihrer Zielgruppe und den erreichten Ergebnissen reagieren. Diese Differenz brachte sie entweder direkt, wenn sie selbst in das Projekt involviert waren, oder indirekt, wenn ihre Förderer oder Geschäftspartner betroffen waren, in eine defensive Situation  : Sie gingen davon aus, sich rechtfertigen zu müssen. Ein sehr großer Teil der Quellen lässt sich daher als Versuch lesen, die Verantwortung für den Ausgang von einer bestimmten Person oder Gruppe abzuwälzen. Hieran wird deutlich, dass es den meisten Autoren nicht nur um eine Förderung 2 Daher ist es problematisch, dass Scouten 2002, S. 9f. und S. 124–126 diesen Angaben ohne Einschränkungen glaubt und von einer breiten Kritik ausgeht.

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weiterer kolonialer Expansion im Allgemeinen ging, sondern speziell darum, dass sie selbst oder mit ihnen vernetzte Akteure dabei eine führende Rolle einnehmen sollten. Das prägte die Grenzen dessen, was die Autoren in ihren Quellen sagen konnten oder wollten. Eine dritte Eigenschaft der Quellen ergibt sich aus ihrem intendierten Publikum. Da für die Autoren der meisten Texte vermögende und politisch einflussreiche Leser im Fokus standen, nahmen sie auf bestimmte Lesegewohnheiten und Erwartungen Rücksicht und gingen von einem gewissen gemeinsamen Bildungshintergrund aus. Trotz dieser Gemeinsamkeiten verfolgten unterschiedliche Teile des Publikums aber dennoch divergierende Interessen. Für die Autoren bedeutete das, dass sie mit einem bestimmten Reservoir an rhetorischen Mitteln, Vergleichen und Bezügen unterschiedliche Erwartungen wecken oder bedienen mussten wie militärischen Ruhm, friedliche Missionierung, mühelosen Profit, Förderung eines tugendhaften, gottgefälligen Lebenswandels, eine Siedlungskolonie für konfessionelle Minderheiten oder einen Freibeuterstützpunkt. Infolgedessen konnten über dasselbe Vorhaben unterschiedliche Texte für unterschiedliche Zielgruppen entstehen oder der Versuch unternommen werden, eigentlich widersprüchliche Argumente und Ziele in einem Text zu harmonisieren. Das Problem nahm zu, als nach 1600 zunächst in England mit den einfachen Siedlern eine neue Zielgruppe in den Fokus der Autoren rückte. Hierfür startete die Virginia Company, wie skizziert, eine Werbekampagne, die vermehrt auf günstige Druckschriften und von Geistlichen verfasste prokoloniale Predigten setzte. Zeitgleich traten in Frankreich Ordensgeistliche auf den Plan und lobten die Mission nicht mehr nur als fernes Ziel, sondern stellten die missionarische Praxis ins Zentrum ihrer Berichte. Trotz einer zunehmend heterogenen Leserschaft ist zu bedenken, dass alle Mitreisenden, vom Befehlshaber bis zum einfachen Kolonisten, sicherlich einen gewissen gemeinsamen Erwartungshorizont besaßen, der sich aus dem zeitgenössischen Diskurs ableiten lässt. Auch wenn nicht jeder Akteur sprachlich komplexe Texte rezipieren konnte oder wollte, so dürften bestimmte Aspekte als Gerüchte kursiert haben oder gezielt mündlich weitergegeben worden sein, um die Mitwirkenden angesichts von Krisen, Mangel und Rückschlägen zu motivieren. Dieser Erwartungshorizont kann allerdings nur indirekt aus den überlieferten Quellen erschlossen werden. Anmerkungen zum Publikum wären unvollständig ohne Hinweise auf die Bedeutung des Buchmarktes. Hier bestand für die Autoren die Möglichkeit, eine breitere Leserschaft zu erreichen und finanziellen Gewinn zu erzielen. Letzterer dürfte allerdings für die Verleger weitaus relevanter gewesen sein, denn die Autoren verdienten in der Regel nicht an Nachdrucken und Übersetzungen im Ausland. Dennoch bot es Vorteile für Autoren, wenn sie ein breites Publikum erreichten. Öffentliche Bekanntheit, ein Status als Experte und persönlicher Ruhm durch Anerkennung für die im Text beschriebenen Taten oder die literarische Leistung waren erstrebenswerte Ziele. So konnten sie auch zukünftigen Bemühungen um Unterstützung für koloniale Pro-

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jekte Nachdruck verleihen. Dass den Zeitgenossen der Wert dieser Ressource bekannt war, zeigt sich in dem Streben der Autoren, die Überlegenheit ihrer Werke gegenüber der Konkurrenz hervorzuheben, wie beispielsweise bei Champlain und Lescarbot, oder einander Originalität abzusprechen und Plagiat vorzuwerfen wie André Thevet und seine Konkurrenten.3 Diese konfrontativen Argumentationen führen zum vierten und letzten Aspekt. Die meisten Autoren verorteten sich in einer spezifischen Konkurrenzsituation. Sie gingen davon aus, dass die Gunst des Monarchen, seiner Familienmitglieder und Berater oder auch potentieller Investoren eine knappe Ressource war, um die sowohl die Autoren publizierter Werke wie auch unpublizierter Denkschriften ringen müssen. Die Konkurrenzsituation konnte in den Quellen zugunsten einer harmonischen Gesamtwerbung für koloniale Expansion oder eines engen Fokus auf die konkrete jeweils zu bewerbende Unternehmung in den Hintergrund rücken, aber auch offen angesprochen werden. Doch selbst wenn die Konkurrenzsituation nicht explizit benannt war, bezogen Autoren durch Lob für bestimmte Akteure, Landschaften, Ziele und Projekte Stellung und ließen dadurch andere als weniger empfehlenswert erscheinen. Hierbei ist zu beachten, dass dieses Konkurrenzdenken sich sowohl gegen andere koloniale Projekte als auch gegen saisonale Unternehmungen in den beiden Amerikas richten konnte. Die bis hierher  – gewissermaßen als Schlussfolgerung aus dem dritten Kapitel  – skizzierten Tendenzen bezüglich der am Diskurs beteiligten Akteure bilden den ersten von zwei Ausgangspunkten zur Untersuchung der Raumkonstruktionen und Argumentationsformen in den folgenden Kapiteln. Den zweiten bilden die Ergebnisse der historischen und literaturhistorischen Forschung zu den inhaltlichen und formalen Charakteristika des hier untersuchten Diskurses. Zu beachten ist, dass die hier zusammengeführten Forschungsarbeiten einerseits auf unterschiedlichen, teilweise sehr engen Ausschnitten aus dem in Kapitel 3 vorgestellten Quellenkorpus beruhen und andererseits auch auf zusätzliches Material eingehen wie Berichte über reine Seereisen oder andere außereuropäische Räume. Dennoch lassen sich übereinstimmend fünf in der Forschung herausgearbeitete Charakteristika, nicht nur der gedruckten, sondern auch der ungedruckten Quellen, ausmachen  : Erstens die Bedeutung antiker und mittelalterlicher Traditionen, speziell in der Rhetorik  ; zweitens die Persistenz und zugleich Transformation christlicher Weltdeutung  ; drittens die Wirkung des Humanismus sowohl methodisch, als auch für die Ausprägung moralischer Normen  ; viertens die Inszenierung neuer Kenntnisse und Innovationen  ; fünftens die Thematisierung politisch-kolonialer Konkurrenz mit dem Reich der spanischen Habsburger. Der erste Aspekt fußt auf der in der Forschung unumstritten hohen Bedeutung der Regeln antiker Rhetorik und der Bezugnahme auf antike und mittelalterliche 3 Campbell 2004, S. 34–37.

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Mythen und heroische Personen.4 Demnach verband die Autoren ein gemeinsamer intellektueller Horizont mit ihrem Publikum und die angemessene Verwendung von Elementen antiker Rhetorik war im gesamten Betrachtungszeitraum ein wichtiges Mittel, um Akzeptanz für die vermittelten Inhalte zu schaffen.5 Dies korrelierte mit der Vorstellung, dass Wissen auf eine als schön und angemessen empfundene Weise präsentiert werden sollte.6 Eine weitschweifende, antikisierende Sprache oder der Gebrauch von Latein selbst waren jedoch nicht üblich und auch fremdsprachliche Zitate wurden nur selten genutzt.7 Es galt eher als guter Stil, wenn die antiken Bausteine der Rhetorik und bekannten Bezüge und Vergleiche in klarer Sprache präsentiert wurden. Infolgedessen bedeutete ein sachlicher deskriptiver Stil nicht automatisch eine höhere Authentizität der Inhalte, sondern konnte ein stilistisches Mittel sein, um dem Text höhere Glaubwürdigkeit und Wirkung zu verleihen. Ein wichtiges Beispiel für diese antiken rhetorischen Strukturen neben der in der Einleitung bereits beschriebenen, von Moran analysierten Apologie, die zur Verteidigung die Bausteine des Abstreitens, des Hervorhebens eigener Verdienste und der Schilderung göttlichen Einflusses und des unbeeinflussbaren Schicksals bot, stellt, wie Jonathan Sell herausgearbeitet hat, die Captatio Benevolentiae dar.8 Sie war Teil der deliberativen Rhetorik und diente als Muster dafür, Zuhörer und Leser zu überzeugen. Zu ihr gehören die in vielen Werbeschriften für koloniale Expansion erkennbaren, typischen Elemente der ab auditorium persona (Wendung an das Publikum zu Beginn zur Betonung des wechselseitigen Wohlwollens), der ab nostra persona (Angaben zur eigenen Person, vollbrachten Taten und dem erlittenen Leiden für die zu bewerbende gute Sache), der ab adversarium Persona (Angriff auf Gegner und Kritiker mit dem Ziel, deren Glaubwürdigkeit zu unterminieren) und dann erst die eigentliche inhaltliche Schilderung ab re ipsa. In letzterer, der eigentlich inhaltlichen Schilderung hat die Forschung zwei Grundelemente der Darstellung der bereisten Länder ausgemacht, die in England, Frankreich und dem Alten Reich erkennbar waren.9 Zum einen die Analogie, beziehungsweise der Vergleich. Hierbei werden neue Orte, Pflanzen, Tiere und Personen durch 4 Hart 2001, S. 17f.; Sell 2006 insgesamt  ; Pagden 1996, S. 80–88  ; Burghartz 2004, S. 109–112  ; Fitzmaurice 2004, S. 64–69 zu den Predigten der Tudor und frühen Stuart Zeit, genauer zur Rethorik, S. 102–108. Vgl. Fitzmaurice 1997, S. 221–244  ; Scanlan 1999, S. 93–118. Speziell für die Textform der Historia Hofmann 2001, S. 201–208. Für die deutschen Reiseberichte maßgeblich  : Neuber 1991 mit einer klaren Schwerpunktsetzung auf die Frage, wie Topik die Reiseberichte formte. Die Traditionsbindung ist sogar in Karten zu erkennen, sei es in begleitenden Texten oder auch in der grundlegenden Methodik sowie in einzelnen Bildelementen, siehe Woodward 2007, S. 7–11. 5 Sell 2006, S. 12f.; Armitage 1998, S. 105f.; Johnson 2009, S. 10f.; Fitzmaurice 2004, S. 9. 6 Neuber 1991, S. 39. 7 Scouten 2002, S. 11f.; Fitzmaurice 2004, S. 130–135  ; Borge 2007, S. 117f. 8 Zur Apologie wie in der Einleitung genannt  : Moran 2007, S. 67–69. Zur Captatio Benevolentia  : Sell 2006, S. 64–67. 9 Vgl. Burghartz 2004, S. 109–115, die als Grundformen Stereotyp und Staunen unterscheidet.

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Ähnlichkeiten mit Bekanntem präsentiert und damit für die eigene Weltdeutung vereinnahmt. Ein deutliches Beispiel hierfür ist der Vergleich indigener Gemeinschaften der Amerikas mit Personen und Volksgruppen aus der europäischen Vergangenheit.10 Indigene werden so Pikten oder Galliern ähnlich gemacht, eine Europäisierung, die sich auch in der bildlichen Repräsentation niederschlug und dazu führte, dass Argumente aus dem antiken Barbarendiskurs erneut Anwendung fanden. Andersartigkeit wird hierbei nicht akzeptiert, sondern durch die Aussicht auf zukünftige Zivilisierung mittels europäischer Vorherrschaft abgewertet.11 Die Historisierung der Indigenen geht aber noch über den Vergleich mit der Antike Europas hinaus. Europäer erfanden für sie eine historische Vergangenheit, deren Verlauf denselben mutmaßlichen Gesetzen wie die europäische gehorchte, oder imaginierten frühe Verflechtungen durch antike oder mittelalterliche Entdeckungsfahrten wie die des Walisers Madoc. Zu beachten ist dabei, dass dieses Vorgehen in England, Frankreich und den Ländern des Alten Reiches mit einem eigenen Interesse am Verfassen von Landes- oder Volksgeschichten im 16. Jahrhundert einherging, die unter anderem vom Vorbild des Tacitus inspiriert waren.12 Wenn ein Autor zum anderen jedoch keinen Vergleich nutzen und vielmehr die völlige Neuartigkeit eines Aspektes hervorheben wollte, bot die Rhetorik hierfür den häufig genutzten Ausweg, explizite Unvergleichbarkeit zum Beschreibungselement zu machen und Details der Imagination der Leser zu überlassen.13 Dies führt zur zweiten in der Forschung häufig untersuchten Grundform der Darstellung, dem Staunen oder der Verwunderung.14 Hierbei handelte es sich um eine bewusste Inszenierung der Fremdartigkeit und des Sprengens der Grenzen des bekannten Wissens. Was als Konfrontation mit dem Unbekannten im Text erscheint, ist somit zugleich ein rhetorisches Standardelement, das für den Leser ein Signal setzt.15 Es markiert das vorläufige Ende überwundener Risiken und folgt meist auf eine Wendung der Erzählung, wie eine Rettung aus Gefahr, die in Entdeckerberichten häufig auf See verortet wird. Bezüglich der Weiterwirkung antiker und mittelalterlicher Traditionen bleibt abschließend anzumerken, dass sie im gesamten Betrachtungszeitraum, wie bereits in Kapitel 2.3 für die Zeit um 1530 herausgestellt, das Tableau und die Charakteristika 10 Campbell 2004, S. 45, 57–59, 63. Für Gallier  : Mahlke 2005, S. 217–228. 11 Frübis 1995, S. 24f., 105, 120  ; Reinhard 1993a, S. 13  ; Ryan 1981, S. 526–535  ; zur Historisierung Amerikas im Humanismus in England allgemein  : Aebel 2011 zu deutschen Quellen  : Johnson 2009, S. 42f.; Borge 2002, S. 187–189 und Borge 2007, S. 176–179  ; zu Lescarbot  : Mahlke, S. 224–228. 12 Neuber 1991, S. 40–46  ; Bitterli 1991, S. 84–88 und allgemein Aebel 2011. 13 Jehlen 2008, S. 17  ; Fitzmaurice 1997, S. 221, 226, 234. 14 Zu den rhetorischen Mitteln, um dem Leser Ähnlichkeit und Erstaunen (Wonder) zu vermitteln  : Fitzmaurice 2004, S.  122–125. Zur Bedeutung von Wonder insgesamt  : Campbell 2004  ; vgl. Gagnon 1984, S. 36f. zur Ähnlichkeit Fitzmaurice 1997, S. 233. 15 Hierzu insg  : Greenblatt 1993, pointiert S.  20–22  ; zum Vergleich aristotelischer Rhetorik mit Berichten des Kolumbus ebd. S. 74–82.

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der in den Texten beschriebenen Akteure und anderer Wesen prägten. Zum einen betrifft dies die Protagonisten, für die insbesondere Goodman nachgewiesen hat, dass sie nach dem Muster mittelalterlicher Ritterfiguren und deren Tugenden präsentiert werden,16 zum anderen die lange Fortexistenz von monströsen Menschenrassen.17 Zwar behaupten Ralegh und Champlain nicht mehr, solche Wesen selbst gesehen zu haben, legen aber beide noch um 1600 angeblich glaubwürdigen Indigenen Berichte über sie in den Mund. Dadurch, dass Autoren solche antiken und mittelalterlichen Figuren aus Asien nach Amerika verschoben, konnten sie einerseits, wie Lestringant betont, die Grenzen des Bekannten und Erfassbaren markieren sowie andererseits auch Nähe erzeugen und wie im Falle der Amazonen weitere historische Verknüpfungen mit der europäischen Vergangenheit konstruieren. Die Langlebigkeit dieser Traditionen lässt sich unmittelbar in der kontinuierlichen Bedeutung des bereits in Kapitel 2.3 erwähnten, fiktiven Reiseberichtes von John Mandeville erkennen, den Richard Hakluyt noch 1589 in seine Textsammlung aufnahm, aber für die Ausgabe 1598 entfernte.18 Die zweite in der Forschung zentrale Beobachtung bezieht sich ebenfalls auf eine langfristige Traditionsbindung. Im gesamten Betrachtungszeitraum blieben die Bibel und ein aus dieser und der zeitgenössischen Theologie gespeistes christliches Weltbild die Grundlage der Weltwahrnehmung der Europäer.19 Missionierung war zumindest im Diskurs das höchste Ziel kolonialer Projekte, galt als moralisch unzweifelhaft und konnte als Argument für die Werbung um Unterstützung dienen. Dies galt auch bei Unternehmungen, die in ihren konkreten Zielen und ihrer Organisation primär kommerziell ausgerichtet waren. Die Folge dieser Hervorhebung der Missionierung war, dass die Unterscheidung von Heiden und Christen, die auf eine lange Tradition aufbauen konnte, zentral für die Markierung von Differenz blieb. Neben dem Blick auf die Bewohner war auch die Darstellung der Landschaften durch diese Tradition geprägt, wie die mehrfach beobachtete Prominenz von Paradiesbezügen und Metaphern zeigt, die auf idyllische Gärten verweisen.20 Auch bei der konkreten Imagination der neuen Länder als Regionen des Überflusses lassen sich Ähnlichkeiten zu biblischen Geschichten von Auswanderung und Ankunft in einem gelobten Land erkennen. Die eher zusammenfassenden Metaphern werden dann oft durch scheinbar neutrale Aufzählungen der Ressourcen ergänzt, welche den Lesern eine Rationalisierung der zuvor als wundersam inszenierten Vielfalt demonstrieren, die auf Anwendung und spätere Vermarktung zielt.21 16 Goodman 1998 insgesamt für deutsche Quellen  : Johnson 2009, S. 30f. Vgl. Kapitel 4.2.2. 17 Frübis 1995, S. 26–30  ; Gagnon 1984, S. 44–59  ; Lestringant 1994, S. 4. 18 Frübis 1995, S. 60f.; Aebel 2011, S. 84f.; Wilford 2000, S. 46f.; Taylor 1930, S. 5f.; Solomon 1996, S. 17  ; Johnson 2009, S. 33f.; Parker 1965, S. 16f. 19 Ryan 1984, S. 525f.; Borge 2002, S. 148–168. 20 Frübis 1995, S. 19f.; Gagnon 1984, S. 24–27  ; Borge 2002, S. 148–168. 21 Scouten 2002, S. 78–124.

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Die christlichen Einflüsse in den Quellen sind jedoch nicht nur kontinuierlich präsent, sondern durchliefen auch eine erhebliche Transformation, die zu einem Bedeutungsgewinn führte. Herrschte im Diskurs bis um 1530 noch ein Verständnis vom Christentum als eindeutige Kategorie vor, anhand derer sich fremde und vertraute Akteure unterscheiden lassen, so änderte sich dies wenig später durch die Folgen der Konfessionalisierung. Nun trat zunehmend eine konfessionelle Abgrenzung als Argument in den Vordergrund. In der Forschung hierzu steht speziell ein grenzübergreifender, protestantischer und zugleich antispanischer Diskurs im Fokus.22 Doch nicht nur darin prägte ab der Mitte des 16. Jahrhunderts neben der Differenz von Heiden und Christen zugleich die Unterscheidung von als richtig oder falsch, als gottgefälliger oder verderblich gedeuteter Konfession Berichte über koloniale Projekte. Die steigende Relevanz der Betonung der protestantischen Identität in zahlreichen Publikationen wirkte wiederum auf katholische Akteure, so dass nach 1600 die Missionsleistungen und die Bedeutung der Religion und der Konfession in Texten und in öffentlichen Inszenierungen insgesamt stärker in den Vordergrund rückten als zuvor. Hierzu passt die Beobachtung, dass Ordensgeistliche stärkeren Einfluss auf die kolonialen Projekte und mehr noch die Berichterstattung nahmen. Dies konnte wie im Falle von SaintSauveur und Port Royal zu einer Konkurrenz um die Deutungshoheit führen oder wie im Falle von France équinoxiale zu einem faktischen Monopol der Berichterstattung und Publikation über das Projekt. Der dritte Aspekt ist die insbesondere von Andrew Fitzmaurice untersuchte Bedeutung des Humanismus, die in der Forschung  – meist ohne eine explizite Definition – als sowohl methodisch wie auch moralisch beschrieben wird.23 Beide Wirkungen ließen sich bereits bei der Analyse des Wissensstandes in der Zeit um 1530 ausmachen und blieben in den folgenden Jahrzehnten ungebrochen relevant. Der methodische Aspekt betrifft die sorgfältige Erarbeitung antiker Textvorlagen und die textkritische Prüfung vorliegender Editionen und Kommentare tradierter Werke. Dabei ist zu beachten, dass diese Form der Erschließung keine Abwertung antiker Wissensbestände bedeutete, sondern sie vielmehr auf bestmögliche Weise für die Gegenwart nutzbar machen sollte.24 Die im Diskurs als positiv und zielführend präsentierte textkritische Arbeit bot auch Autoren, die wie Petrus Martyr oder Richard Hakluyt nicht selbst in Amerika gewesen waren, sondern Berichte anderer zusammenführten, eine Möglichkeit, ihre eigene Arbeit als fundiert und glaubwürdig zu präsentieren.25 22 Edelmayer 2010  ; Fitzmaurice 2004, S. 140–144  ; Hart 2001, S. 17f.; Siehe auch Scanlan 1999, S. 1–4, der in der englischen Ausgabe von Las Casas Schrift gewissermaßen eine Initialzündung sieht. Vgl. Borge 2002, S. 201–219 und Borge 2007, S. 104, 108. Für Frankreich sind die Arbeiten von Lestringant maßgeblich. 23 Zur Übersicht siehe Fitzmaurice 2004. Die Definition ergibt sich in der Regel implizit aus der Summe der in den Werken als humanistisch identifizierten Praktiken oder Inhalte, vgl. Wuttke/Dreher 2007. 24 Park/Daston 2008, S. 8f.; Aebel 2001, S. 51  ; Shapin 2004, S. 67, 75f.; Johnson 2009, S. 8f. 25 Aebel 2011, S. 126–129, 181.

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Ein damit verbundenes, wichtiges Stilmittel, um zusätzliche Authentizität zu kreieren, war das Einfügen von offiziellen Dokumenten, Verträgen, aber auch Reden Indigener oder Briefen und feierlichen Ansprachen europäischer Reisender in die Texte, was dem Leser, so Hofmann, den Eindruck einer eigenen Anschauung vermitteln sollte.26 Bezüglich der humanistischen Moralvorstellungen spielt zunächst eine im Diskurs hervorgehobene allgemeine Akzeptanz für das Streben nach neuem Wissen eine Rolle, sofern dies nicht aus verachtenswerter reiner Neugier geschehe, sondern als ein reflektierter Weg zum vertieften Verständnis von Gottes Schöpfung diene.27 Diesbezüglich kritisiert insbesondere Wuttke am Beispiel des Alten Reiches die These von einem generellen Desinteresse europäischer Gelehrter an neuen Erkenntnissen aus Übersee.28 Das neue Wissen musste sich aber an den Standards des Bekannten messen und in die geltenden Systeme einordnen lassen. Der Erwerb neuer Erkenntnisse aus den richtigen Gründen war wiederum Ausdruck eines generell als lobenswert angesehenen, aktiven Einsatzes zum Wohl des Gemeinwesens nach antikem Vorbild.29 Diesem Leitbild entsprechend stand jeder, der im 16. und frühen 17.  Jahrhundert ein koloniales Projekt unternahm oder darüber berichtete, unter einem gewissen Druck zu rechtfertigen, inwiefern er mit seinem Vorhaben dem Gemeinwohl diente und dem Ideal des aktiven moralisch richtigen Lebens folgte.30 Diese Vorstellung von der Relevanz eines aktiven arbeitsamen Lebens bot auch ein Argument für die Abwertung der Indigenen Amerikas. Die angeblich fehlende kontinuierliche Bearbeitung des Bodens und weitgehende Untätigkeit wurde zum Zeichen minderer Moral erklärt und zum Argument gemacht, um den Indigenen die Besitzrechte auf ihr Land abzusprechen und in deren Lebensweise einzugreifen.31 Es überrascht wenig, dass die Autoren aber nicht nur das Erkunden und Besiedeln neuer Regionen, sondern auch das angemessene Schreiben darüber als einen ehrenvollen Dienst präsentierten.32 In diesem Sinne hatte auch die Reichweite, gemessen in Auflagen und 26 Hofmann 2001, S. 229. 27 Ryan 1984, S.  534f.; Frübis 1995, S.  69  ; Sell 2006, S.  3–6  ; Wuttke 1991, S.  11f., 26f., 35 und Wuttke/Dreher 2007, S. 25–27. 28 Beispielsweise in  : Wuttke/Dreher 2007, S. 19f. 29 Vgl. Armitage 1998, S. 105f.; Fitzmaurice 2000, S. 24–42  ; Ders. 2004, S. 6, S. 83  ; Pagden 1995, S. 30. 30 Quinn 1976, S. 75f.; Aebel 2011, S. 51f.; Scouten 2002 sieht dies nicht als konstante Grundannahme, sondern beschreibt den Übergang zur Proklamation des aktiven, tugendhaften Lebens als eine Reaktion auf die Unerfüllbarkeit der Versprechen vom mühelosen Reichtum  – sein Modell verkennt aber die lange Parallelität beider Ansätze, S. 129. Dagegen sieht Fitzmaurice 2004, S. 20–25 beide Aspekte als kontinuierlich an. Allerdings sieht auch er eine Tendenz vom Versprechen des Reichtums zur stärkeren Kritik am Streben nach Reichtum um 1609–1612, S. 80. Vgl. Borge 2007, S. 158. 31 Scouten 2002, S. 137, 180. 32 Die Gleichssetzung prägt auch den Titel von Fitzmaurice 2000, Every man, that prints, adventures, vgl. ebd. S. 24–42  ; Fitzmaurice 1997, S. 242f.; Borge 2007, S. 129–133.

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Übersetzungen, Bedeutung, da sie als Indiz für die Relevanz der Informationen und des Autors galt.33 Die weit verbreitete Kritik am Müßiggang war mit einer Kritik am Streben nach mühelosem Reichtum und dessen schädlicher Wirkung auf die Moral des einzelnen und des Gemeinwesens verknüpft, die bereits einige der in Kapitel 2.3 vorgestellten frühen Bücher über Amerika durchzog.34 Profite waren in diesem Sinne nur dann positiv, wenn sie durch tugendhaften Lebenswandel, harte Arbeit oder die Überwindung von Gefahren verdient wurden. In dieser Tradition stehen die meisten der wenigen überlieferten kritischen Texte zur europäischen Expansion, die meist nicht Reisen und Kolonien per se angriffen, aber Gewinnstreben und Eigennutz kritisierten.35 Solche moralischen Standards konnten in prokolonialen Texten aber auch zu einem argumentativen Spannungsverhältnis mit den oft als überreich geschilderten Ressourcen und Schätzen in der Zielregionen führen, mit deren Erwähnung die Autoren Investoren gewinnen wollten. Hierfür boten die Missionierung, der Erwerb von Ruhm für die Nation und mögliche positive moralische Wirkung auf das Heimatland wichtige Hilfsmittel.36 Sie bildeten für Autoren ein Arsenal, um in ihren Werbetexten Anreize für verschiedene Zielgruppen zu setzen und die Vorhaben moralisch aufzuwerten. Der vorletzte Aspekt baut auf der Offenheit des Humanismus für neue Erkenntnisse auf und bezieht sich auf die in den Quellen häufig erkennbare Inszenierung von Innovation und Wissensfortschritt. Dieses Phänomen ist bereits vor 1530 deutlich geworden, als beispielsweise Vespucci seine Erkenntnisse als ein Übertreffen der Antike präsentierte. Andere Autoren wie André Thevet sponnen diesen Gedanken fort und beschrieben einen angeblichen Gegensatz zwischen Praktikern, die aus eigener Anschauung Erfahrungen gewännen, und Buchgelehrten, deren antiker Wissenshorizont sich durch neue Entdeckungen zunehmend als begrenzt und unterlegen erweise.37 Die Hervorhebung der eigenen Anschauung war besonders für alle diejenigen Autoren zentral, die selbst in Amerika gewesen waren und die somit ein Mittel zur Stärkung ihrer eigenen Position gegenüber Konkurrenten hatten.38 Mit steigender Bedeutung der Kategorie Augenzeugenschaft gerieten im Laufe des 16. Jahrhunderts dann auch Versuche, diese vorzutäuschen oder als fiktionales Element in Texten einzubauen, stär33 Borge 2002, S. 137–142. 34 Allgemein Fitzmaurice 2004, S. 2f.; Borge 2002, S. 13–36. 35 Wuttke 1991, S. 16 und Wuttke/Dreher 2007, S. 60  ; Johnson 2009, S.162f. Auch Fitzmaurice 2004 verweist auf Kritik an Kolonien, die darauf zielte, dass sie Menschen verderben könnten, beschreibt aber auch, dass mit der möglichen Förderung eines guten Lebenswandels ein gegenläufiges, positives Bild verbunden sein konnte, S. 4–6 u S. 78–81  ; vgl. Fitzmaurice 1997, S. 229–232  ; Scouten 2002, S. 126f., 136, 191. 36 Fitzmaurice 1997, S. 229–232. 37 Vogel 2008, S. 471  ; Shapin 2004, S. 122  ; zur Augenzeugenschaft siehe Hofmann 2001, S. 219–229  ; Borge 2007, S. 15–10  ; speziell bei André Thevet Lestringant 1994, S. 12–19. 38 Aebel 2011, S. 63 hebt hervor, dass auch dieses Argument in antiker Tradition stehe.

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ker in die Kritik.39 Wahrheit erwies sich im Betrachtungszeitraum als häufig postulierte und umstrittene Kategorie, die jeder Autor für seinen Text in Anspruch nahm und die manche auch den Werken ihrer Konkurrenten absprachen.40 Als letzte inhaltliche Eigenschaft des Diskurses ist in der Forschung vielfach die koloniale Konkurrenz Englands respektive Frankreichs mit Spanien untersucht worden.41 Zweifellos waren das spanische und das damit ab 1580 in Personalunion verbundene portugiesische Kolonialreich in einer Vielzahl von Texten Vorbild und Bezugspunkt. Hierfür dienten die in Kapitel 2.3 vorgestellten spanischen Schriften und die später erschienenen kritischen Werke des Bartholomé de Las Casas als zentrale Referenzen.42 Insbesondere Las Casas’ Schilderung der Vernichtung indigener Kulturen wurde zu einem Schlüsselargument in der Kritik an spanischen Herrschaftsansprüchen in Übersee. Es entstand eine schon oft untersuchte – von spanischer Seite als Leyenda negra bezeichnete  – antispanische, teilweise stereotype Deutungsrichtung.43 Die grenzübergreifende Verflechtung der Autoren, welche dieses Feindbild nutzten und weiter ausgestalteten, untersuchte die französische Forschung, speziell Lestringant genauer. Er zeichnete ein relativ dichtes, protestantisches Diskursnetz nach, das den Westen des Alten Reiches, die Niederlande, die Schweiz, England und die französischen Hugenotten verbunden habe.44 Gegen diese Verflechtungsthese merkte Jonathan Hart jedoch an, dass derartige Kategorien den Blick für protonationale Argumentationen und Interessengegensätze verstellen.45 Sein Argument passt sehr gut zu der in Kapitel 3 gemachten Beobachtung, dass um 1600 im Diskurs die Figur einer anglo-französischen Rivalität an Bedeutung gewann, während der Gegensatz mit Spanien in den Hintergrund rückte. Somit konnte der anglo-spanische oder franko-spanische Gegensatz in bestimmten Situationen im Diskurs an Bedeutung gewinnen oder verlieren. Die prospanischen Texte Richard Edens sind hierfür ein guter Beleg. Entsprechend der oben angedeuteten Gleichsetzung von Taten und Berichten als ehrenvolle Leistungen für das eigene Land ist anzumerken, dass viele Autoren ihre 39 Beispielsweise im Falle von André Thevets niemals durchgeführten Reisen nach Nordamerika. Vgl. Campbell 2004, S. 47–50  ; Sell 2006, S. 67–79. 40 Siehe Sell 2006 zur Bedeutung von Wahrheit als Kategorie für die Analyse historischer Reiseberichte allegemein. Zum Streit um die Kategorie  : Vgl. Scouten 2002, S. 11  ; Borge 2002, S. 125–127  ; Borge 2007, S. 115–117. 41 Eine Übersicht für Bezugnahmen auf spanische Expansion in England und Frankreich bietet Hart 2001. 42 Edelmayer 2010  ; Fitzmaurice 2004, S.  140–144  ; Hart 2001, S.  17f.; Scanlan 1999, S.  1–4  ; Borge 2002, S. 201–219  ; Borge 2007, S. 104, 108. 43 Überblick mit Begriffsgeschichte siehe Edelmayer 2010. 44 Hierfür sind die Arbeiten von Frank Lestringant maßgeblich, bspw. Ders. 1996, Preface, S.  10  ; Ders. 2004, S.  322f. Die Bezeichnung der Quellen als ein »corpus huguenot« geht zurück auf Marcel Batailon, vgl. Batailon 1974, S. 47 und S. 54. 45 Hart 2001, S. 5.

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Arbeit als Beitrag in einem imaginierten Wettbewerb des Ruhmes und des Wissens über die Welt sahen. Für Richard Hakluyt war dies eine wesentliche Motivation. Er und seinesgleichen traten somit ihrer eigenen Darstellung nach ebenso für ihr Land an wie die Akteure, die in Übersee den spanischen Herrschaftsanspruch herausforderten oder die Leistungen der Konquistadoren zu übertreffen versuchten. Unabhängig von der in England und Frankreich zeitweise eher kooperativen oder eher konfrontativen Sicht auf Spanien blieben die Expeditionen der Konquistadoren, die kastilische Herrschaftsbildung in den Amerikas und vor allem deren immensen Profite der Vergleichsmaßstab für die eigenen Projekte.46 Dies bedeutete zusätzlichen Druck für die Autoren, Ergebnisse, die in materieller Hinsicht Fehlschläge waren, dennoch positiv zu präsentieren. Für diese Gratwanderung bot den Autoren der hier geschilderte diskursive Rahmen ihrer Zeit Anknüpfungspunkte und setze ihnen zugleich auch Grenzen, innerhalb derer sie argumentative Techniken zum Verschweigen, Negieren, Verschleiern, Umdeuten oder sogar zum Hervorheben von Scheitern verwenden konnten. 4.1 Räume des Scheiterns 4.1.1 Das Ursprungsland – Desinteresse und Ablehnung

Die vorherigen Kapitel haben gezeigt, dass die meisten im 16. und 17. Jahrhundert geplanten kolonialen Projekte bereits aufgegeben wurden, noch bevor Schiffe ausgerüstet und Mannschaften angeworben waren. Sie blieben bloße Ideen und Vorschläge, deren Verfechtern es nicht gelang, die notwendige Unterstützung zu mobilisieren, um auch nur das Wagnis der Reise eingehen zu können. Dieses Kapitel ist daher den Ursachen gewidmet, welche die Autoren der Quellen im Ursprungsland ihres Vorhabens verorteten und die überwunden werden mussten, um überhaupt weiteren Herausforderungen auf dem Meer oder in Amerika entgegentreten zu können. Für die Autoren spielen hierbei Kritiker, Gegner sowie alternative Interessen potentieller Investoren eine wichtige Rolle, um das Bild eines kolonialfeindlichen Netzwerks zu zeichnen, von dem sie sich selbst umso positiver abheben konnten. Ziel ihrer Kritik an diesen Gruppen war es letztlich, die Monarchen für ihre Projekte einzunehmen. Da die Priorität der Herrscher jedoch klar auf der europäischen Politik lag, versuchten die Autoren, ihren Lesern darüber hinaus eine Vorstellung von England oder Frankreich als kolonialer Macht zu vermitteln, deren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit transozeanischen Räumen verbunden sei. Somit zeichneten sie trotz aller Kritik zugleich ein positives Bild ihres eigenen Landes für die Zukunft. Bei einer Durchsicht der Quellen stößt man bereits auf den ersten Blick auf explizite Vorwürfe, die sich gegen Landsleute richten. Sie konnten sowohl allgemeiner Art 46 Burghartz 2005, S. 321–323  ; Brown 2002, S. 21f.; vgl. Hart 2001 insgesamt.

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sein wie auch auf spezifische Gruppen zielen. Die allgemeinen Vorwürfe finden sich vor allem in Texten englischer Autoren, die vielfach die angebliche Trägheit und Lethargie ihrer Landsleute angriffen und die dadurch verpasste Gelegenheit zur Errichtung eines Kolonialreiches beklagten. Seitdem Richard Eden in den 1550er Jahren in seinen Übersetzungen von »inexcusable slothfulnesse and negligence bothe before god and the worlde«47 geschrieben hatte, blieb dies Argument bis zu Richard Hakluyts Sammelwerken in der Zeit um 1600 präsent. In französischen Quellen fällt dagegen auf, dass allgemeine Vorwürfe an die eigenen Landsleute schwächer formuliert sind und dass sie tendenziell weniger auf Desinteresse abzielen, sondern mehr auf Uneinigkeit und interne Konflikte, die einer kolonialen Expansion im Wege gestanden hätten.48 Doch auch Urbain Chauveton appellierte an die Leser seiner Histoire nouvelle von 1579, sie sollten sich vorstellen, was wohl mit mehr Eifer, Geld und Männern in Übersee hätte geschaffen werden können.49 In der an Ludwig  XIII. gerichteten Widmung seiner Histoire de Nouvelle France von 1617 beklagte wiederum Lescarbot nicht nur, dass bisher die Kämpfe zwischen den Konfessionen größere Aufmerksamkeit beansprucht hätten als Kolonien, sondern auch, dass die allgemeine Gier nach schnellen Profiten Frankreich daran gehindert habe, an der Stelle Spaniens zu stehen.50 Noch schärfer und ausführlicher gingen die Autoren englischer Quellen gegen direkte Kritiker und Gegner kolonialer Expansion in die Offensive. Sie schrieben dieser Gruppe die Schuld am Desinteresse, aber auch an direkter Ablehnung kolonialer Expansion und am Ausbleiben dringend benötigter Unterstützung zu.51 Angriffe auf Zweifler, Kritiker oder sogar Gegner sind seit den Frobisher-Expeditionen und den Virginia-Unternehmungen Raleghs ein prominenter Bestandteil vieler Texte, so etwa in Harriot 1588 oder den Einleitungen in Hakluyts Sammelwerke 1589 und 1598–1600. Diese Tendenz lässt sich bis in die Propaganda für die Virginia Company und darüber hinaus verfolgen.52 Eine typische Charakterisierung dieser Kritiker bot der anonyme Autor der Schrift Newes of Sir Walter Ralegh 1617  : »[…] many envius 47 Eden 1555, zitiert nach  : Jehlen 1997, S. 53  ; vgl. Campos 2000, S. 66  ; Fuller 1995, S. 24–26 anhand des Beispiels der Gedichte von Churchyard  ; Parker 1965, S. 96, siehe auch die sehr ähnliche Widmung in Hakluyts Divers Voyages 1982. Borge analysiert eine ähnliche Argumentation bei Keymis 1596, Borge 2002, S. 135f. 48 Hart 2003, S. 92f. Vgl. die Schlussfolgerungen Lescarbots zu den Projekten von Villegagnon und den Florida-Expeditionen in Lescarbot 1617 und deren Auswertung in Kapitel 4.2.3. 49 Keen 1976, S. 120. 50 Lescarbot/Biggar, Widmung an den König, S. 9–12. 51 Borge 2007, S. 124–127  ; Parker 1965, S. 206–208. 52 Bach 2000, S. 11f. für das Beispiel Alderman Johnsons von 1612 und über ein Beispiel aus der Virginia Company Propaganda von 1610, S.  126f. Vgl. Fuller 1995, S.  89 bezüglich Crashaws Predigt. Auch William Strachey greift diese Gruppe an  : Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964, S.  97, Edition Haile 1998, S. 436f. Als Beispiel für die Frobisher-Reisen die mehrfachen Verweise auf üble Nachrede in George Bests Report 1578, so in der kommentierten Edition Stefansson/McCaskill 1938 I, S. 5 und 8.

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and evill disposed people, who build the ground-worke of their owne honors upon other mens disgraces, and with the venome of their aspersions seeke (as much as in their malice lies) to pyson the worthy labours of the most noble attempters.«53 Zu diesen niemals namentlich genannten Personen gehörten den Autoren zufolge sowohl Männer, die persönlich in Amerika gewesen waren, als auch solche, die ohne eigene Anschauung argumentierten. Auch Marc Lescarbot klagte in seiner Widmung an Ludwig XIII. darüber, dass eine nicht näher benannte Gruppe von Feinden der Krone durch Intrigen dafür gesorgt habe, dass die besten Männer sich anderen Aufgaben als der Kolonisierung hätten widmen müssen.54 Für die unterstellte öffentliche Präsenz und Wirkmacht von Feinden der kolonialen Expansion liegen allerdings, wie dargelegt, kaum Belege außer dem üblicherweise erwähnten Theaterstück Eastward Hoe vor.55 Wenn also tatsächlich jemand gegen koloniale Expansion opponierte, so müssen diese Personen es mittels Gerüchten und handschriftlichen Texten wie Briefen oder Eingaben an Amtsträger und Höflinge getan haben, die der Forschung bisher weitgehend unbekannt sind.56 Einen Versuch, derartige Kritiker zu identifizieren, unternahm Moran, der versuchte nachzuweisen, dass Thomas Harriot gezielt gegen seinen ehemaligen Kommandanten Ralph Lane und ein angeblich der Kolonie kritisch gegenüberstehendes Netzwerk um Walsingham habe vorgehen wollen.57 Seine Beweise nennt er allerdings selbst »circumstantial«.58 Die Unmöglichkeit, die Kritiker zu identifizieren, könnte aber auch ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei den Angriffen auf die angeblichen Widersacher um präventive Maßnahmen der Autoren handelte, mit denen sie potentiellen Gegenpositionen schon im Vorfeld begegnen wollten. Anders als in England lässt sich in Frankreich zumindest ein antikolonialer Autor identifizieren, der seine Position öffentlich vertrat. Es 53 Anonymus 1618  : Newes of Sr. Walter Rauleigh, S. 3. 54 Lescarbot/Biggar, Widmung an den König, S. 9–12. 55 In dem Theaterstück von 1605 wird die Vergeblichkeit der Goldsuche in Amerika allgemein und in einigen Zeilen auch der Verlust der Roanoke-Kolonie von John White thematisiert. Die Art der Erwähnung des Stückes in der Historiographie ist in Umfang und Inhalt meist sehr ähnlich vgl. Quinn 1977, S. 434f.; Scouten 2002, S. 126f.; Fitzmaurice 2004, S. 79f.; Kupperman 2008, S. 99f.; Mancall 2007, S. 257f.; Roper 2009, S. 39f.; Bach 2000, S. 119f. 56 Einer der seltenen Hinweise auf solche Gerüchte findet sich in einem Brief von John Chamberlain, der Dudley Charleton am 9. Juli 1611 berichtete, dass sich zehn Männer mit einem Fischerboot aus Virginia nach England abgesetzt hätten und dort »fill the town with ill reports about it [Virginia]« CSP Domestic James I., Vol. 2 (1611–1618), S. 137. 57 Auslöser für Harriots Kritik war nach Moran 2007 der Bericht von Ralph Lane, mit dem dieser den erfolglosen Abbruch der Unternehmung begründete und versuchte, jede Schuld von sich zu weisen, S. 73–88. Allerdings war Lanes Text nicht pauschal antikolonial. Auch wenn er weniger glorifizierend als Harriot schrieb, schwärmte er geradezu davon, was er mit Verstärkung alles hätte erreichen können, und empfahl die Chesapeake Bay für ein neues Projekt. Problematisch ist auch, dass Moran nicht darauf eingeht, dass Lanes Bericht von Hakluyt in dessen prokoloniales Sammelwerk aufgenommen wurde, was Morans Lesart des Textes als ein zentrales antikoloniales Dokument widerspricht. 58 Ebd. S. 8.

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handelte sich dabei um Le Challeux mit seinem Discourse über den spanischen Angriff auf Florida, in dem er den Untergang der Kolonie als Zorn Gottes interpretiert und allen Männern empfiehlt, bei ihren Familien und in ihrem Land zu bleiben.59 Diese antikoloniale Schrift ist jedoch eine Ausnahme, für die es kein englisches Äquivalent gibt, obwohl in England Antikritiken weitaus zahlreicher waren als in Frankreich. Unabhängig davon, ob die Kritiker in England oder Frankreich wirklich existierten und was sie taten, lässt sich erkennen, dass sie in den Texten mehrere Funktionen erfüllen. Zum einen konnten Autoren die Figur der Kritiker einführen, um sie Einwände gegen das jeweilige Projekt oder die koloniale Expansion in Gänze soufflieren zu lassen. Der Autor widerlegte die Einwände dann kenntnisreich und inszenierte sich und seinen Wissensstand dabei als überlegen. Deutlich wird dies beispielsweise in der Werbeliteratur der Virginiakompanie 1610, in der »vulgar opinion« als Widerpart zu »wise judgement« konstruiert wird.60 Diese Technik findet sich auch in französischen Quellen, beispielsweise im Vorwort des Sieur de Razilly für die erneute Ausgabe von Yves d’Évreux’ Werk 1617.61 Zum anderen ermöglichte der Verweis auf Kritiker und Gegner den Autoren, sich selbst als noble Verteidiger einer gerechten Sache zu präsentieren. Dies galt umso mehr, je deutlicher die angeblichen Kritiker moralisch verdorben waren.62 Für diese Charakterzeichnung, die überwiegend in englischen Quellen zu finden ist, griffen die Autoren auf die gängigen Moralvorstellungen der Zeit zurück und bekräftigten sie dadurch zugleich. Wenn die Gegner der Expansionspolitik niemals in Amerika gewesen waren, diente ihre fehlende Anschauung als Argument, um ihnen zu unterstellen, sie seien persönlich feige und sprächen aus völliger Unwissenheit heraus, die mehr oder weniger mit böser Absicht und Neid gepaart sei. Wenn die angeblichen Kritiker jedoch selbst in Amerika gewesen waren, so unterstellte man ihnen entweder eine verzerrte Wahrnehmung aufgrund von Verweichlichung – Thomas Harriot warf ihnen vor, ein Leben ohne Federbetten mit leichter Arbeit in idyllischem Klima als unangemessene Härte zu empfinden  – oder sogar, zum Schaden ihres Landes zu lügen.63 Letzteres Argument konstruierten Richard Hakluyt und andere Autoren wie Robert Harcourt anhand von Verweisen auf die biblische Geschichte von der Erkundung des Landes Kanaan.64 Darin kehrten von Moses ausgesandte Späher zurück, und zehn von zwölf 59 Le Challeux 1566, französische Edition in  : Lussagnet 1958, S. 201–240  ; englische Edition gekürzt in  : Quinn NAW II, S. 370–379. 60 Counseil for Virginia  : A true declaration 1610, S. 3  ; Edition in  : Quinn NAW V, S. 248–262. 61 D’Évreux/Denis 1864, S. 1–3. 62 Auch der Titel von Thomas Harriots Schrift A Brief and True Report drückt diesen Anspruch aus. Er bekräftigt dies in der Einleitung, in der er ausführlich darlegt, gegen üble Nachrede und Falschaussagen Stellung beziehen zu müssen, vgl. insgesamt Borge 2002, S. 134 und Fuller 1995, S. 52. 63 Harriot 1588, Brief and True Report – Introduction. 64 Siehe Harcourt 1613  ; Hakluyt  : Epistle Dedicatory seiner Ausgabe von Petrus Martyrs Decaden für Walter Ralegh. Vgl. DePasquale 199, S. 112  ; Knapp 1994, S. 149  ; Siehe auch Scouten 2002,

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leugneten aus Angst vor den Gefahren des geplanten Eroberungsfeldzuges, dass es sich tatsächlich um ein Land handelte, in dem Milch und Honig fließen. Bezeichnenderweise strafte Gott der Erzählung nach diejenigen, die den falschen Bericht vorgebracht hatten, mit einer tödlichen Krankheit.65 Diese theologische Argumentation zur Diffamierung von Kritikern spannen die Prediger, die für die Virginia Company warben, noch weiter. Nach ihrer Darstellung war jemand, der Einwände gegen die koloniale Expansion zum Ausdruck brachte, mit dem Teufel im Bunde.66 Dies passt zur Beobachtung Armitages, dass um 1610 die Proklamierung Englands als das neue Israel an Bedeutung im Diskurs gewann und die sakrale Aufladung der Expansion zunahm.67 Die Predigten gingen aber sogar noch einen Schritt weiter, wie das Beispiel Alexander Whitakers zeigt, der sich nicht nur gegen die eigentlichen Kritiker wandte, sondern gegen alle, die deren Gerüchte mit »vulgar ears« aufnahmen.68 Insgesamt zeigt sich, dass für viele englische Autoren die völlige moralische Diskreditierung der Kritiker das Ziel war. Dies bedeutete, dass eine Debatte über Pro und Kontra nicht nur unerwünscht war, sondern als per se verderblich geschildert wurde. Folgt man den Autoren, die so argumentierten, dann konnte es überhaupt keine berechtigen Zweifel am Sinn und Nutzen kolonialer Projekte geben. Dass diese Argumentation zuletzt noch durch eine religiöse Aufladung zugespitzt wurde, passt zu den Versuchen der Virginia Company, die Verbreitung negativer Informationen durch eine Brief- und Schriftenzensur zu unterbinden und den Diskurs zu beherrschen.69 Derart intensive, aber zugleich diffuse Vorwürfe gegen angebliche fundamentale Kritiker der Expansion spielen in französischen Quellen eine geringere Rolle und wurden dort nie mit vergleichbarer sakraler Bedeutung aufgeladen. Stattdessen lässt sich viel eher eine Auseinandersetzung mit Widersachern erkennen, die eigene maritime und kommerzielle Ziele verfolgten und deren konkretes Wirken sich auch im Verwaltungsschriftgut nachzeichnen lässt. Diese Gruppe umfasste vorwiegend diejenigen Kaufleute, die sich seit den 1580er Jahren gegen die Gewährung von Handelsmonopolen und damit gegen Männer wie Jacques Noël, die Sieurs de Monts und Poutrincourt oder Champlain stellten. Vor allem die saisonal tätigen Pelzhändler aus den französischen Hafenstädten und ihre Geschäftspartner wie die Hutmacher von Paris konnten erhebliche politische Unterstützung gegen Monopole und damit gegen die finanzielle Grundlage kolonialer Projekte mobilisieren. Greifbar wird ihr Einfluss auch in dem Einsatz der Parlements zu ihren Gunsten. Auch bei Hofe konnten sie durch Kontaktleute die Aufhebung von Monopolen und Patenten erreichen, wofür beispielswiese S. 202–209  ; Griffiths 2009  ; Kupperman 1980, S. 166  ; vgl. 4. Buch Mose Kapitel 13 Vers 1–33 und Kapitel 14 Vers 1–38. 65 4. Buch Mose Kapitel 14 Vers 36–37. 66 Whitaker 1613, S. 23  ; Rich 1610, S. 12. 67 Armitage 2009, S. 85. 68 Whitaker 1613, Widmungsepistel an Lord Ralph Ure ohne Seitenzählung. 69 Mancall 2007, S. 264.

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Poutrincourt und Lescarbot insbesondere dem Herzog von Sully die Schuld gaben, der in Folge in der Historiographie zum Archetypus des Gegners kolonialer Expansion wurde.70 Die öffentliche Kritik an diesen Personen folgte denselben moralischen Grundlagen wie in England. Man warf ihnen verachtenswertes Profitstreben, Gier und Eigennutz vor, wodurch sie letztlich der gesamten Monarchie Nachteile brächten. Allerdings blieb dies auf konkrete, selbst in Übersee aktive Gruppen bezogen und richtete sich nicht direkt gegen einflussreiche Persönlichkeiten wie Sully. Die moralische Prägung der Kritik ermöglichte beispielsweise Samuel de Champlain eine Selbstinszenierung, in der er seinen Lesern präsentierte, wie sich in Kanada die edlen Motive des königstreuen, auf Ruhm und Wohlfahrt der Monarchie zielenden Entdeckers gegen den Widerstreit der niederen materiellen Gier der Händler in hartem Ringen habe beweisen müssen.71 Reale und direkte ökonomische Konkurrenz für koloniale Projekte gab es aber nicht nur in Frankreich, wo sie im Diskurs zentral war, sondern ebenso in England. Beispiele hierfür wären die Blockade der Mitglieder der nach Osten orientierten Muscovy Company gegen Humphrey Gilberts frühe Westprojekte oder das anonyme Gutachten, das sich gegen Hayes’ und Carleills Neufundlandprojekt richtete und dessen Autor urteilte, die versprochenen Vorteile könnten auch ohne Koloniegründungen erzielt werden.72 Eine weitere wichtige, aber in der Forschung kaum als solche beachtete Konkurrenz dürften Kolonisationsprojekte in Irland gewesen sein, die weitgehend von den gleichen Organisatoren mit demselben Personal betrieben wurden, aber in den Quellen selten mit transatlantischen Projekten verbunden sind.73 Allerdings gab es in England weitaus weniger öffentliche Angriffe auf diese Konkurrenten. Grund hierfür könnte gewesen sein, dass jene zum einen ihren Einfluss gegen die kolonialen Projekte weniger offen ausübten als in den Parlements und zum anderen weniger Schaden anrichteten. Außerdem war in England pauschale Kritik an der Kritik bereits im Diskurs etabliert. Viel schwerer als die Interessenpolitik spezieller Gruppen dürfte ohnehin die vielfache individuelle Entscheidung gewogen haben, Gelder lieber in Kaperfahrten oder die kontinuierlich profitable Neufundlandfischerei zu investieren als in Kolonien mit erfahrungsgemäß zweifelhaften Gewinnaussichten. Hieran ließ sich aber wenig direkte Kritik üben, da in England Personen wie Walter Ralegh ebenso Freibeuterfahrten finanzierten und unternahmen wie koloniale 70 Barbiche 2004, S. 29f.; Dainville-Barbiche, 1997. Zu einer Einordnung seiner kolonialkritischen Haltung in seine wirtschaftspolitischen Konzepte  : Carré 1998, S. 215f. 71 Seine eigene und de Monts Motivation macht er explizit im ersten Kapitel seiner Voyages 1613 deutlich, in dem er auch die Händler aus dem Baskenland und der Bretagne offen kritisiert. Vgl. Quinn NAW IV, S. 302f. und Thierry 2008, S. 359. 72 Vgl. Andrews 1984, S. 168  ; Quinn 1940 I, S. 10f.; Cell 1969, S. 42–46. Für das Gutachten siehe SP Colonial 1/1 Quelle Nr. 9  ; ediert in  : Quinn NAW III, S. 172–175. 73 Moran 2007, S. 205  ; Scanlan 1999, S. 29f.; Quinn 1976 S. 80f.

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Projekte. Oft waren sie Förderer von Autoren, so dass der Gewinn oder Erhalt ihrer Unterstützung das Ziel vieler Schriften war. Es überrascht daher wenig, dass William Stracheys Bericht über die katastrophale Lage Jamestowns, in dem er die Profitgier auf allen Ebenen als Ursache geißelte, der Virginia Company als nicht publikationsreif erschien.74 Die nachteilige Wirkung kurzfristiger Profitinteressen im Ursprungsland zeigte sich auch deutlich im Falle der Welserkolonie in Venezuela, obwohl die betreffenden Befehlshaber wie Nikolaus Federmann es nicht als Problem, sondern Selbstverständlichkeit darstellten. Für die Welser-Vöhlin-Gesellschaft war der Aufbau komplexer kolonialer Strukturen nur ein notwendiges Mittel, um durch Bergbau, Plantagen und eventuell die Eroberung eines indigenen Goldreichs Rendite zu erzielen. Daher waren die hohen Kosten und ausbleibenden Gewinne auch Grund genug, um ihren Einsatz schon lange vor der endgültigen Entscheidung über die Aufhebung ihrer Ansprüche 1556 zurückzufahren. Wie dargelegt, verfügte die Gesellschaft ohnehin über alternative Möglichkeiten, um auch ohne eine eigene Kolonie von der europäischen Expansion zu profitieren. Dies leitet zu der Problemlage über, dass Gelder und Versorgungsgüter nicht nur einmal zu Beginn, sondern kontinuierlich über einen langen Zeitraum benötigt wurden. Vornehmlich in unpublizierten Quellen wie Briefen aus den und über die Kolonien lässt sich Sorge oder Klage darüber erkennen, dass enttäuschte Investoren einer Unternehmung die Unterstützung entzogen oder aus Profitgier Kosten sparten und minderwertige Ausrüstung oder Vorräte schickten.75 Diese Befürchtung basierte wahrscheinlich auf der vielfach in Quellen fassbaren konkreten Erfahrung, dass finanzielle Zusagen nicht eingehalten wurden, wenn die erwarteten Profite nicht kurzfristig erzielt werden konnten. In Frankreich betraf dies ebenso die unterschiedlichen Nouvelle-France Projekte wie auch France équinoxiale  ;76 in England bieten hierfür wiederum die zahlreichen Guyana-Projekte, die mangels finanzieller Unterstützung aufgegeben wurden, und Frobishers Company of Cathay mit ihren hohen Außenständen Beispiele.77 Kritik an den Investoren erfolge jedoch eher indirekt durch eine allgemeine Diffamierung kurzfristiger Profitinteressen als unmoralisch.78 Ein unmit74 Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964, S. 96  ; vgl. die Edition Haile 1998, S. 436f. mit Hinweis auf die Unterdrückung der Schrift durch die Company. Siehe auch DePasquale 1999, S. 152f. 75 So bei der Popham Kolonie  : Brief von Fernando Gorges an Robert Cecil, 3. Dezember 1607, zitiert nach  : Quinn NAW III, S. 438f.; vgl. die Edition Thayer 1892, S. 134–136. 76 Siehe die Klage von Isaac Razilly, die Fornerod 2007, S. 105 als Tatsache präsentiert, während Obermeier 1995, S. 395 dies als Argument in einem Schreiben eines Bruders von François Razilly an Kardinal Richelieu herausarbeitet  ; vgl. die Einschätzung durch die beteiligten Kapuziner Obermeier 1995, S. 81–84. 77 Vgl. McDermott 1999  ; Ders. 2003 und Lorimer 1989. 78 So bei Richard Hakluyt 1982, S.  8.; vgl. Fuller 1995, S.  35  ; Scouten 2002, S.  63f.; zu Edward Hayes Fitzmaurice 2004, S. 50.

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telbarer, direkter Angriff auf Personen, die bereits Geld zur Verfügung gestellt hatten und jetzt überzeugt werden sollten, dies dauerhaft zu tun, wäre eventuell auch kontraproduktiv gewesen. Angesichts der oft fatalen Abhängigkeit vom Wohlwollen der Geldgeber setzten die meisten Organisatoren kolonialer Projekte und Autoren prokolonialer Literatur ihre Hoffnung auf ihren Monarchen, der ihnen durch eine dauerhafte finanzielle und politische Unterstützung den notwendigen Rückhalt geben sollte. Doch bereits der Zugang zum jeweiligen Herrscher erwies sich als erhebliche Hürde. Nur wenige Befürworter kolonialer Projekte verfügten über eine eigene Machtposition bei Hofe, die so herausragend war wie die Walter Raleghs in den 1580er Jahren. Ein Blick auf die in den Quellen, speziell den Widmungen und Dankesbriefen, genannten Fürsprecher und Unterstützer zeigt vielmehr, dass es in England wie in Frankreich zwar gelang, einzelne Vertraute und ranghohe Berater der Herrscher zu gewinnen, wie William und Robert Cecil, Admiral Montmorency, Pierre Jeannin und andere – aber nicht die Monarchen selbst. Dabei ist auffallend, dass das Unterstützernetz vor 1610 selten breit gespannt, sondern auf eine oder wenige Personen konzentriert war. Ein Todesfall oder ein Sturz aus der herrschaftlichen Gunst wie im Falle Colignys oder Raleghs konnte daher nur schwer kompensiert werden. Weder in Frankreich noch in England entschied sich ein Herrscher oder eine Herrscherin für eine dauerhafte Förderung kolonialer Expansion, die über die finanzielle, materielle oder rechtliche Unterstützung eines einzelnen Unternehmens hinausging. Einmal gewährte Unterstützung war außerdem oft, wie die zahlreichen Monopole für Nordamerika und deren Aufhebung in Frankreich oder das Taktieren Jakobs  I. bezüglich Guyanas zeigen, keineswegs so dauerhaft, wie ihre Empfänger hofften. Als Gründe für die Entscheidungen der Monarchen lässt sich anführen, dass sich beide Länder unter anderem durch lange Kriegsführung in einer angespannten finanziellen Lage befanden. Die Entscheidungen der Herrscher deuten dementsprechend an, dass ein koloniales Unternehmen ihrer Ansicht nach Gewinn bringen musste, der seine Kosten rechtfertigt. Dieser Gewinn musste zwar nicht monetär sein  – eine Schwächung rivalisierender Monarchen war ebenso ein häufiges Argument – aber letztlich belegen die häufigen Verweise auf Minen, eine ressourcenreiche Landesnatur und die immer wieder gesuchte Passage nach Asien in Eingaben und Druckschriften klar den Vorrang ökonomischer Interessen. Nachdem Monarchen direkte Investitionen getätigt und ihren Einsatz verloren hatten, wie Elisabeth nach den Frobisher-Reisen und Franz I. nach den Unternehmungen von Cartier und Roberval, setzte sich in beiden Ländern zunehmend eine Politik vorsichtiger und indirekter Unterstützung durch. Die Herrscher setzten eher auf die Vergabe von Privilegien für die Ein- und Ausfuhr von Handelswaren oder Rohstoffen, für die Mitnahme von Sträflingen sowie auf die Gewährung von Besitzrechten an Land, das der Geförderte erst selbst erobern musste. Auch Sachmittel wie Pulver, Schiffe oder Kanonen konnten bestimmten Personen als Zeichen des königlichen

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Wohlwollens gewährt werden und die noch aufzubringenden Kosten verringern. Aber eine solche Unterstützung war letztlich nur ein Hilfsmittel, um sich der Suche nach Investoren zu stellen, die für die Organisatoren letztlich das zentrale Problem blieb. Doch nicht allein die häufige Enttäuschung materieller Erwartungen sprach gegen eine direkte oder langfristige Beteiligung der Herrscher an der kolonialen Expansion. Für sie und die überragende Mehrheit ihrer Verwandten, Vertrauten und Amtsträger war dies nur ein randständiger Bereich ihrer Politik, in der andere Themenfelder Priorität beanspruchten. Dies lässt sich anhand der zwei Aspekte europäische Mächtepolitik und Konfessionspolitik im eigenen Land verdeutlichen, die beide auch unmittelbare Auswirkungen auf die Unterstützung für koloniale Projekte hatten. Immer wieder zeigte sich, dass für die englischen und französischen Monarchen der Abschluss eines Friedens-, Allianz- oder Ehevertrages oder auch nur dessen Vorbereitung weitaus wichtiger war als der Aufbau eines Kolonialreiches. In England prägte die Ehe Maria Tudors mit Philipp II. die Haltung gegenüber dem spanischen Imperium zum Positiven und in Frankreich wandelte sich die Politik der Herrscher entsprechend der Kriege und Friedensverträge. Insbesondere die Friedensschlüsse von 1598 und 1604 sind in dieser Hinsicht markante Beispiele. Doch auch die oft weniger beachteten spanischen Eheprojekte in Frankreich und England um 1610 waren für die Projekte der französischen Kapuziner in Maranhão und der Engländer in Guyana folgenschwer. So entsteht für den gesamten Betrachtungszeitraum der Eindruck, dass für die Befürworter kolonialer Projekte generell jede Annäherung ihres Herrschers an eine iberische Macht ein Problem darstellte. Nach 1600 kam noch eine verstärkte Bedeutung der politischen Beziehungen zu den Niederlanden hinzu. Dies war vor allem für Akteure aus Frankreich problematisch, da aufgrund deren Bedeutung als Bündnispartner zahlreiche niederländische Händler auch dann in Übersee geduldet wurden, wenn sie wie in Brasilien oder Nordamerika mit französischen Händlern und Kolonisten konkurrierten.79 Aus Sicht der englischen Akteure ergaben sich aus dieser politischen Nähe zwar neue Konkurrenzsituationen, speziell durch die Garantiestädte des Vertrages von Nonsuch, aber auch Vorzüge in Form von Kooperationspartnern und alternativen Transportmöglichkeiten. Die Unterordnung kolonialer Politik unter die europäischen Angelegenheiten musste jedoch keineswegs immer negativ sein. Wenn diplomatische Annäherung an die iberischen Mächte ein Problem darstellte, so bot ein europäischer Konflikt, wie das Beispiel Englands und Spaniens zeigt, eine Gelegenheit. Solch eine Lage konnte Interesse und Gelder in die sogenannte Neue Welt lenken, wovon auch koloniale Vorhaben profitierten. Allerdings zeigt sich im Vergleich, dass kurzfristige Profite und direkter Schaden für den Gegner als weitaus vorteilhafter und damit förderungswürdiger galten als auf Dauer angelegte koloniale Projekte. Langfristige Unternehmungen befanden sich außerdem immer bei den jeweils nächsten Friedensverhandlungen in einer 79 Thierry 2008, S. 255.

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prekären Lage. Wie alle Verträge zwischen Frankreich und Spanien zeigen, konnte mit Spanien eine Vereinbarung, die auf die Aufgabe der iberischen Alleinansprüche auf Amerika hinauslief, bis 1615 nicht in Schriftform fixiert werden.80 Dieser exklusive Anspruch war auch der Hintergrund für die Aufhebung der Verträge zwischen Karl V. und der Welser-Vöhlin-Gesellschaft, was zur Eingliederung Venezuelas in die unmittelbar kastilischen Strukturen führte und den Einfluss der Gesellschaft 1556 endgültig beendete. Zusammenfassend stellte sich daher in England und Frankreich um 1600 die Frage, warum man in Kolonien, speziell solche, die nahe am iberischen Machtbereich gelegen waren, investieren sollte, wenn sie später zugunsten der europäischen Außenpolitik geopfert werden könnten. Bezüglich des zweiten Politikfeldes, der Konfessionspolitik, ist zunächst offensichtlich, dass die Bürgerkriege des 16. Jahrhunderts in Frankreich Ressourcen banden und einem kolonialen Engagement der Herrscher entgegenwirkten. Da in diesen Kriegen die Frage nach der zukünftigen konfessionellen Ordnung Frankreichs und der Rechte der Hugenotten ein zentraler – wenn auch keineswegs der einzige – Konfliktgegenstand war, gewann zu dieser Zeit auch die konfessionelle Ausrichtung kolonialer Unternehmungen im Diskurs an Bedeutung. Dies galt umso mehr, als der Untergang von France antarctique und der öffentliche Streit über Konfessionskonflikte innerhalb der Kolonie, der prominent zwischen Nicolas de Villegagnon und André Thevet einerseits sowie Pierre Richer und Jean de Léry andererseits geführt wurde, gemischtkonfessionelle Unternehmungen als Wagnis erscheinen ließen  – zumindest so lange, bis in Frankreich eine dauerhafte konfessionelle Ordnung hergestellt war. Es ist durchaus möglich, dass die konfessionelle Homogenität der hugenottischen Floridaprojekte dieser Erfahrung geschuldet war. Unklar bleibt allerdings, ob Admiral Coligny eine hugenottische Emigration plante oder nur einen militärischen Beweis für den Nutzen und die Treue der Hugenotten gegenüber der Krone erbringen wollte.81 In jedem Fall verfügten die Floridaprojekte angesichts der konfessionellen Spaltung Frankreichs zwar über einen motivierten Unterstützerkreis, schreckten aber katholische Geldgeber vermutlich ab. Für die folgenden Unternehmungen bis 1615 lässt sich beobachten, dass konfessionelle Homogenität nicht die Regel war. Es lässt sich im Gegenteil erkennen, dass viele Organisatoren bemüht waren, Angehörige beider Konfessionen ins Boot zu holen, vermutlich um auf diese Weise die Basis potentieller Siedler und Geldgeber zu erweitern. Daran ändert zunächst auch die Tatsache nichts, dass nach dem Tod Henrichs  IV. die katholische Mission ins Zentrum rückte, wie sich in Port Royal und France équinoxiale zeigte. In England lässt sich hingegen erkennen, dass unter Elisabeth I. und während der ersten Herrschaftsjahre Jakobs I. koloniale Projekte zur Aussiedlung von Angehörigen 80 Die entsprechenden Angaben zum Vertrag von Cateau-Cambrésis beziehen sich lediglich auf mündliche Zusatzvereinbarungen, die nicht Teil des Vertragswerkes waren. Siehe Kapitel 3.1. 81 Augeron/Vidal 1999, S. 57 mit dem Hinweis, dass dies nach der Bartholomäusnacht durchaus ein reales Motiv geworden sein könnte.

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der katholischen Minderheit nicht gefördert und in mindestens einem Fall sogar von der Obrigkeit direkt unterbunden wurden. Die schon im Ansatz erfolglosen Unternehmungen von Lord Arundell oder George Peckham sind hierfür Beispiele.82 Diese Politik war nicht zuletzt von der Sorge um mutmaßliche prokatholische Verschwörungen beeinflusst und entsprach einer generell restriktiven Konfessionspolitik, die nicht nur Katholiken, sondern auch protestantische Abweichler traf. Eine öffentliche Rezeption der Problematik oder ein konfessioneller Konflikt in Druckschriften ist in England jedoch nicht zu beobachten. Diese Besonderheit dürfte sich daraus ergeben haben, dass im Gegensatz zu den französischen Hugenotten, die zwar eine Minderheit waren, aber den kolonialen Diskurs über längere Zeit dominierten, die englischen Katholiken im öffentlichen Diskurs über koloniale Expansion nach dem Tod von Maria Tudor marginalisiert waren. Der Druck, der aufgrund der Konfessionspolitik auf dieser Gruppe lag, verhinderte, dass ihre Angehörigen breite Werbung machten, prominente Fürsprecher gewannen oder sich auch nur öffentlich über fehlenden Rückhalt beklagten. Zum Verständnis der Haltung der Angehörigen der jeweiligen Minderheiten selbst ist außerdem zu bedenken, dass unter den Katholiken in England ebenso wie unter den Hugenotten in Frankreich verschiedene Ansichten über den Verbleib im Heimatland kursierten. In beiden Gemeinschaften war zum einen die Auffassung verbreitet, dass die alte Heimat verlassen und eine neue jenseits des Ozeans geschaffen werden sollte, und zum anderen, dass gegenteilig das Heimatland nicht verlassen und für den eigenen Glauben verloren gegeben werden dürfe.83 Es gab somit unter Angehörigen beider Minderheiten keinen Konsens für eine groß angelegte Auswanderung. Im Vergleich bot gegen Ende des Betrachtungszeitraums das Edikt von Nantes den französischen Hugenotten ohnehin eine bessere Position als den englischen Katholiken. Für die Herrscher Englands und Frankreichs hatte also Europa als politischer Handlungsraum gegenüber den Überseegebieten im 16. und 17.  Jahrhundert klare Priorität, was erheblich dazu beitrug, dass die Mehrheit der in dieser Studie vorgestellten Projekte unverwirklicht blieb. Bezüglich der diskursiven Verarbeitung dieses Problemfeldes ist zu beachten, dass Autoren die Herrscher selbst kaum offen wegen ihrer Politik kritisierten. Zwar ist die Bildung von Hoffraktionen Adeliger gegen auswärtige antikoloniale Einflüsse zu beobachten, so in England unter Jakob I., aber ein öffentlicher Disput über die Politik des Herrschers scheint außerhalb des Horizontes 82 Vgl. Quinn  : Hayes, Edward. In  : DNB  ; Quinn  : Hayes, Edward. In  : ODNB  ; Quinn 1940, S. 71–74  ; Quinn  : Gilbert, Sir Humphrey. In  : DCB  ; Rapple  : Gilbert, Humphrey. In  : ODNB  ; McDermott  : Peckham, George in DNB  ; Cooper 2011, S.  264–266  ; Fitzmaurice 2004, S.  42f. Die bekannten Quellen über die Kooperation sind ediert in  : Quinn NAW III, S. 215–239. Zur Verweigerung der Erlaubnis zur Ausreise in einem Fall  : Quinn NAW IV, S. 391–393, zur Problematik der Ausreiseordnung S. 393f. 83 Die Stellungnahme zu Arundells Siedlungsprojekt ist ediert in  : Quinn NAW IV, S.  364f. Brief von Robert Persons, März 8/18 os./ns. 1605. Vgl. Le Challeuxs Bericht über Florida von 1566.

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dessen gelegen zu haben, was zeitgenössisch als angemessener Diskurs galt. Solche Äußerungen hätten außerdem als Missachtung der Majestät aufgefasst und bestraft werden können. Einfacher und sicherer war es hingegen, bestimmte Ratgeber oder auswärtige Gesandte anzuklagen, allgemeines Desinteresse zu bedauern oder anonyme Kritiker zu verteufeln. Anstatt auf Kritik setzten die Promotoren kolonialer Projekte eher auf Lob für die Vorfahren des eigenen Herrschers oder für Souveräne anderer Länder, die durch ihr jeweils prokoloniales Handeln Vorteile für ihr Land gewonnen hätten. Nur in wenigen Fällen verwiesen die Verfasser auf mahnende Beispiele wie das vergebliche Angebot der Kolumbusbrüder an Heinrich VII., von dem letztlich Isabella von Kastilien Gebrauch gemacht hatte.84 Einen Sonderfall stellt daher die kolonialkritische Schrift von Le Challeux dar, der die geringe Verstärkung beklagte, die der König und seine Berater nach Florida entsandt hätten.85 Der Zimmermann Le Challeux ging sogar noch weiter und inszenierte sich in seinem Text selbst als Ratgeber des Königs. Er stellte diesem mit Jean Ribault ein Vorbild für gute, tugendhafte Autoritätsausübung vor Augen und hob für Karl  IX. die Bedeutung der Hugenotten als Bestandteil der Monarchie hervor, deren Verbleib in Frankreich Gottes Wille sei.86 Angesichts der hier darlegten Position der Monarchen und ihrer Ratgeber ist abschließend noch einmal hervorzuheben, dass die Regierenden zwar keine im engeren Sinne prokoloniale Politik unterstützten und Europa stets Priorität zumaßen, aber keineswegs an außereuropäischen Räumen pauschal desinteressiert waren. Sie unterstützten Projekte und profitierten wie auch ihre Untertanen über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg von Alternativen zur kolonialen Expansion. Für sie war Fischerei bei Neufundland ein Wirtschaftszweig von immenser Bedeutung, ebenso wie der Pelzhandel, der Austausch mit den Indigenen Südamerikas durch Truchements und die Freibeuterei. Monarchen konnten außerdem eine Faszination und geradezu kuriose Begeisterung für neue Tiere oder Pflanzen entwickeln wie im Falle Jakobs I., der unbedingt ein »flying Squirrel« besitzen wollte. Daher schrieb Henry, Lord Southampton, 1609 an Robert Cecil, Lord Salisbury. »The King very earnestly asked if none were provided for him, and whether Salisbury had none for him, and said he was sure Salisbury would get him one. Would not have troubled him, ›but that you know so well how he is affected to these toys.‹«87 Die Herrscher erlaubten außerdem mehrfach Expeditionen, 84 Beispielsweise bei Richard Hakluyt in seinem sogenannten Discourse on Western Planting, vollständig ediert und ausführlich kommentiert in Quinn/Quinn 1993  ; vgl. die unkommentierte Ausgabe durch denselben Herausgeber in  : Quinn NAW III, S.  71–138, hier 107–110.Vgl. Crashaw 1610, S.  77  ; Harcourt 1613, B4r.; siehe auch Borge 2002, S. 135f. mit Verweis auf Keymis 1596 und allgemein S. 16f. und 202. 85 Le Challeux 1566, französische Edition in  : Lussagnet 1958, S. 201–240  ; englische Edition gekürzt in  : Quinn NAW II, S. 370–379.Vgl. Waldman, 2000, S. 98. 86 Waldmann 2000, S. 101–107 und S. 112–115. 87 Eintrag in den Regesten der State Papers Colonial zu einem Brief Lord Southamptons an Lord Salisbury

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die neue Seewege nach Asien und zu anderen Zielen finden sollten. Auch jemand wie der Herzog von Sully, der in der Literatur meist als Gegner kolonialer Expansion präsentiert wird, zweifelte nicht am Nutzen des Fernhandels und unterstützte die freien Pelzhändler und deren Partner. Ein Akteur wie der in der Forschung weitgehend unberücksichtigte Admiral Chabot, der um 1530 im Auftrag der portugiesischen Krone in Frankreich gegen jeden transatlantischen Handel intrigierte, muss daher als Ausnahmegestalt gelten. Auch ein Blick auf die Mehrheit derjenigen, die den Atlantik überquerten, bekräftigt diese Tendenz. Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen verfolgte dauerhafte koloniale Interessen. Die meisten waren Seeleute und Händler, welche die Amerikas ansteuerten, kurzfristig oder saisonal vor Ort blieben und dort ihre Lebensgrundlage und Profite erwirtschafteten. Unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Monarchie war ihnen allen gemeinsam, dass sie zwar transatlantisch tätig und interessiert waren, ihr Verhalten aber keine Hinweise dafür bietet, dass sie die Amerikas als einen Raum wahrnahmen, der permanent okkupiert und herrschaftlich durchdrungen werden müsse. Ihre Vorstellungen davon, welche Bedeutung die sogenannte Neue Welt hatte und haben sollte, waren somit wie bei den Herrschern und vielen ihrer Ratgeber andere als die der kolonialaffinen Kreise. Der bisherige Fokus dieses Kapitels, der sich auf die öffentliche Kritik, den mangelnden Rückhalt oder den Gegenwind im eigenen Land richtete, sowie die eben skizzierten Prioritäten der europäischen Herrscher und ihrer Untertanen könnten den Eindruck erwecken, dass in den Quellen ein eher negatives Gesamtbild des jeweils eigenen Landes vorherrschte. Ein solcher Eindruck wäre aber falsch, denn die Autoren in England und Frankreich verfolgten ein anderes Ziel. Sie schufen und proklamierten eine Vision von ihrem Heimatland als einer kolonialen Macht, die gar nicht ohne überseeische Besitzungen gedacht werden könnte. Dieses Phänomen lässt sich allerdings nicht in den Territorien des Alten Reiches beobachten, wo das koloniale Projekt durch eine grenzübergreifend tätige Handelsgesellschaft im Rahmen des kastilischen Kolonialreiches unternommen wurde. Die literarische Inszenierung des eigenen Landes als koloniale Macht richtete sich in England und Frankreich primär an eine enge Zielgruppe, die den jeweiligen Herrscher, seine Familie, seine Berater und einflussreiche Kreise am Hofe umfasste. Ziel der Werbenden war es, die offizielle Autorität der Monarchie und ihren Schutz für eine großangelegte koloniale Politik und die dauerhafte Präsenz eigener Untertanen in Überseegebieten zu gewinnen. Hierfür war vor allem eine vom wirtschaftlichen Ertrag der Projekte unabhängige finanzielle Unterstützung notwendig, für deren Gewährung vom 15. Dezember 1609, In  : CSP Colonial Vol. 1 (1574–1660), S. 8. Mit Verweis des Herausgebers auf den Bestand »DOMESTIC Corresp. Jac. I., Vol. L., No. 65, Cal. p. 573« Die Flughörnchen sind auch in der zeitgenössischen Literatur besonders hervorgehoben, so bei  : Whitaker 1613, S. 41  ; Smith 1612, S. 14.

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sie als Argumente die Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit und Vorzüge des Status als kolonialer Macht ins Feld führten. Den ersten Baustein dieses Konstruktes bildete die Imagination einer Vergangenheit des eigenen Landes als einer expansiven Macht mit Besitzungen jenseits des Meeres. Dieser Gedanke ist besonders prominent bei John Dee, der 1577 zugleich den Terminus British Empire prägte.88 Seine angeblichen Nachweise der Entdeckung und Besiedlung Amerikas durch den walisischen Prinzen Madoc und der Eroberungen König Arturs jenseits der britischen Inseln boten ein Fundament, auf dem Richard Hakluyt konsequent aufbaute.89 Marc Lescarbot hingegen machte in seiner Histoire de Nouvelle France, speziell in der Fassung 1617, die antiken Gallier und ihre angebliche Seemacht und überseeischen Besitzungen zum Vorbild.90 Angesichts dieser prominenten Vorstellungen ist es überraschend, dass Pagden schlussfolgert, in England und Frankreich sei die Legitimierung des spanischen Imperiums durch historische Bezüge deswegen abgelehnt worden, weil man selbst keine vergleichbare Tradition gehabt habe.91 Davon ausgehend, dass Traditionsbindungen nicht real vorhanden, sondern nur überzeugend konstruiert sein mussten, um im Diskurs wirksam zu sein, ist es wahrscheinlicher, dass in England und Frankreich die spanischen Bezüge auf eine angebliche imperiale Tradition deswegen abgelehnt wurden, weil man sich auf eigene historische Vorbilder berufen konnte. An die Seite dieser eigenen, protonational gedachten Vergangenheit trat außerdem in England, wie auch in Frankreich ein bestimmtes Bild vom römischen Imperium als Vorbild für ein eigenes koloniales Reich.92 Doch nicht nur die Antike, sondern auch die nahe Vergangenheit bot Bezugspunkte, um eine koloniale Tradition zu schaffen. Lescarbot, Chauveton, Hakluyt und andere spannten von den ersten Entdeckungen durch John Cabot oder Giovanni Verrazzano über die Reihe bisheriger Projekte bis in die Gegenwart entsprechende Verbindungslinien. Erfolg oder Scheitern der Kolonien waren hierbei unbedeutend, da es um die Kontinuität des Bemühens und die wiederholte Präsenz in den Amerikas ging. Ihrer 88 Insbesondere in seinem Werk John Dee 1577  : The General and rare Memorials pertayning to the perfect art of Navigation  ; vgl. Armitage 1998, und zur Vergangenheitskonstruktion als Baustein einer frühen Empire-Ideologie unter Elisabeth allgemein  : Hodgkins 2002, S. 11–27 und Reimer 2006, S. 30–49. 89 So spannt Hakuyt in seinen Textsammlungen 1589 und 1598 zunächst einen Bogen zu den Reisen Madocs. Borge 2007 sieht aufgrund dieser fiktionalen Traditionsbindung »empire« sogar als eine Leitmetapher der gesamten prokolonialen Literatur im England dieser Zeit, was nur mit einer sehr weiten Dehnung des Bedeutungsfeldes funktioniert. Vgl. die Analyse dieser imaginierten Traditionslinien bei Reimer 2006, S. 78–82. 90 Mahlke 2005, S. 217–224. 91 Pagden 1995, S. 46. 92 Pagden 1995, S. 12–30. Dabei spielte laut Pagden insbesondere die Vorstellung von einer einheitlichen Herrschaft über viele Völker, die klare Trennung eines zivilisierten Inneren und barbarischen Äußeren, die Legitimität von Expansion und die Verknüpfung mit der Ausbreitung des Christentums eine wichtige Rolle.

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Deutung nach verfügte das jeweils eigene Land damit über einen historisch gewachsenen Anspruch auf die Amerikas und habe bisher nur zeitweise auf seinen Besitz verzichtet. Der zweite Baustein nach der Schaffung einer kolonialen Vergangenheit war, die Untertanen als eine Gemeinschaft mit homogenen kolonialen Interessen zu definieren. Hierfür stellten Autoren interne Konflikte als überwunden oder für die Expansion bedeutungslos dar. Laut Pagden wirkte dabei das Vorbild Spaniens, das in der Vorstellung der Zeitgenossen von seiner konfessionellen Homogenität profitierte.93 Insbesondere für die französischen Autoren war angesichts der konfessionell geprägten Kriege besonders wichtig, eine protonationale Einheit zu propagieren. Daher blieb in den prokolonialen Texten hugenottischer Autoren die Autorität des Königs stets unangefochten, der eine konfessionsübergreifende Einigkeit der Untertanen verkörpere, die es Katholiken ebenso wie Hugenotten erlaube, in seinem Namen koloniale Projekte zum allgemeinen Wohl zu unternehmen. Diese Argumentation war aufgrund der zeitweiligen Diskurshoheit der hugenottischen Minderheit lange von zentraler Bedeutung. Veränderungen ergaben sich, als katholische Verfasser, speziell Ordensgeistliche, nach dem Tod Heinrichs IV. an Einfluss gewannen. Der katholische Glaube nahm als Kategorie im Diskurs an Bedeutung zu, und auch wenn es nicht zu Angriffen gegen hugenottische Mitwirkende kam, neigten Autoren nun dazu, deren Partizipation herunterzuspielen oder zu verschweigen und so Einigkeit des Glaubens zu postulieren. In England ist die Schaffung einer einheitlichen Identität im Zuge der kolonialen Expansion durch die völlige Marginalisierung konfessioneller Minderheiten innerhalb des Diskurses weitaus simpler und direkter erfolgt. Hakluyt stellt bereits im Titel seiner Arbeit die english-nation ins Zentrum, die als Gemeinschaft herausragende Leistungen erbracht habe. Allerdings besaß sein Nationsbegriff dem zeitgenössischen Deutungshorizont entsprechend eine gewisse Offenheit, so dass man durch Taten und Loyalität Zugehörigkeit zu dieser english-nation erwerben konnte. Die vielen Beispiele für grenzübergreifende Vernetzungen und Kooperationen von den anglo-lusitanischen Expeditionen über Sebastian Cabots Unternehmungen bis hin zu Simão Fernandez’ Tätigkeit zeigen, dass nicht im Sinne des modernen Nationalismus die Geburt die Zugehörigkeit definierte, sondern dass ebenso Konfession und Loyalität zu relevanten oder irrelevanten Kriterien gemacht werden konnten. Besonders deutlich wird dies im Falle von Bassaniers Ausgabe von Laudonnières Floridabericht, die er 1586 Walter Ralegh widmete und in der er das Projekt der französischen Hugenotten der englischen Krone anbot.94 Neben der kolonialen Vergangenheit und der gemeinsamen Identität war der dritte Baustein die Vielzahl von Vorteilen, die sich für das eigene Land aus einem Kolonialreich ergeben würden. Die Autoren verknüpften dafür wirtschaftliche, moralische, 93 Pagden 1995, S. 36. 94 Waldmann 2000, S. 162–166.

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militärische und spirituelle Aspekte zu einem verheißungsvollen Ausblick in eine mögliche Zukunft. Nahezu immer an erster Stelle standen dabei die Bedeutung der christlichen Mission und die Verherrlichung kolonialer Expansion als Erfüllung eines göttlichen Auftrages. Dieses von Beginn an genannte Ziel gewann, wie mehrfach angedeutet, in England und Frankreich nach 1600 noch an Relevanz und wurde zum Schlüsselelement erhoben.95 Nachdem es jahrzehntelang ausgereicht hatte, missionieren zu wollen, wurde nach 1610 in französischen Quellen die proklamierte Identität als Kolonialmacht zunehmend daran geknüpft, tatsächlich erfolgreich und dezidiert katholisch zu missionieren, während in England die protestantische Mission zwar im Diskurs an Bedeutung gewann, in der Umsetzung aber noch weiterhin nachrangig blieb.96 In ihren Schriften sind sich die Autoren beider Länder jedoch darin einig, dass durch koloniale Expansion Gottes Gunst für den Herrscher und seine Untertanen gewonnen werden könne. Obwohl die Verfasser prokolonialer Texte die Mission üblicherweise an erster Stelle nennen, geben sie meist den wirtschaftlichen Vorteilen inhaltlich weitaus größeren Raum. In England geschieht dies bemerkenswerterweise ex negativo, indem Hakluyt und andere ein düsteres Bild von einem England malen, dem Überbevölkerung, moralisch verderbliche Massenarbeitslosigkeit und gefährliche Abhängigkeit von anderen Ländern bei der Beschaffung wichtiger Handelswaren und sogar militärischer Ressourcen bevorstünden.97 Gegen dieses Schreckensbild stellen sie die günstigen Aussichten, die ein Status als Kolonialmacht mit sich bringe, wobei, wie Armitage dargelegt hat, viele ihrer Argumente bereits in Thomas Mores Utopia formuliert worden waren.98 Den etablierten Leitlinien des Diskurses entsprechend liegt dabei großer Wert auf der moralischen Aufladung der wirtschaftlichen Vorzüge. So geht es nicht einfach darum, Reichtum zu erlangen, sondern idealerweise darum, Rohstoffe zu finden, welche die Menschen in Übersee und in England selbst zur Tätigkeit anspornen und Müßiggang verhindern.99 Die Profite werden im Sinne der Moralitätsdiskurse des Humanismus so in Mittel zur Beförderung der Tugendhaftigkeit umgedeutet.100 Hierzu passt, dass Richard Hakluyt zusammen mit seinem Discourse of Western Planting der Königin Elisabeth zugleich eine Arbeit über die Politeia des Aristoteles überreichte, in der er die tugendhafte vita activa als  95 Vgl. Price 1609 und Gray 1609. Zu letzterer Predigt  : Scanlan 1999, S. 96–105. Für eine Übersicht siehe Fitzmaurice 2000, S. 26f. und Horn 2005, S. 139–141.  96 Scanlan 1999, S. 36.  97 Prominent bei Hakluyt in dessen Discourse on Western planting, aber auch in vielen anderen seiner Schriften thematisiert. Fuller 1995, S. 29f. findet dieses Motiv auch bei Thomas Churchyard  ; Vgl. die Werbeschrift von Gray 1609. Vgl. zu der Argumentationslinie und ihrem Realitätsgehalt Youings 1985  ; Scanlan 1999, S. 96f.  98 Knapp 1994, S. 21  ; Quinn 1976, S. 75f.; Armitage 1998, S. 107–108.  99 Fitzmaurice 2004, S. 73f. 100 Armitage 2009, S. 74.

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vorbildliche Lebensführung lobte.101 Auch Thomas Harriots True Report widmete lange Passagen der Frage, welche Güter durch Fleiß und Arbeit aus Virginia gewonnen werden könnten.102 Diese moralische Interpretation kolonialer Expansion teilten auch französische Autoren wie Marc Lescarbot.103 Außerdem bot die Gründung eines neuen Frankreichs in den Amerikas gemäß ihrer Darstellung eine wichtige Chance zur moralischen Erneuerung des eigenen Landes, vor allem nach der Krise der Bürgerkriege.104 Aus Sicht der Ordensgeistlichen, speziell im Falle der Kapuziner, lag in der Expansion außerdem eine Chance, in Übersee die Einigkeit und Leistungsfähigkeit des Reformkatholizismus zu beweisen.105 Diese Vorstellung war untrennbar an einen Glauben an die moralische Unanfechtbarkeit ihrer Absichten gebunden. Die Aussicht auf schnellen Reichtum, wie ihn Frobishers oder Cartiers Goldminen versprochen hatten, war somit in beiden Ländern im Diskurs zwar überaus präsent, aber zugleich moralisch verpönt. Verknüpft mit dem Ziel, die Tugend zu fördern, war die Idee von einer Austreibung untätiger »idle persons« in die Kolonien oder zumindest von deren Umwandlung in fleißige Untertanen.106 Diese Idee war in England überwiegend auf der Ebene der Diskurse verbreitet, während sie in Frankreich auch die koloniale Praxis prägte. Dies zeigt sich darin, dass die Zwangsmigration von Sträflingen, insbesondere von Bettlern und Vagabunden, lange Zeit eine Schlüsselrolle spielte, beispielsweise in den Projekten Robervals oder La Roches. Bezüglich der in Frankreich zirkulierenden wirtschaftlichen Versprechen ist noch hervorzuheben, dass der Handel mit den Indigenen darin generell eine stärkere Rolle einnahm als in England. Dieser Unterschied bestand auch in Zukunft fort, zumal in Frankreich auch die Missionierung argumentativ konsequenter mit einer Zivilisierung und moralischen Verbesserung der Indigenen durch ein Zusammenleben in Übersee verknüpft wurde.107 Nicht zuletzt proklamierten bis 1615 nur französische Autoren wie Champlain Visionen von einem Netz franko-indigener Siedlungen in Amerika. Trotz der moralischen Aufladung der versprochenen wirtschaftlichen Vorzüge zeigen die koloniale Praxis und seinerzeit unveröffentlichte Quellen deutlich, dass die Suche nach Edelmetallminen und einer Passage nach Asien letztlich das Ziel vieler 101 102 103 104 105 106

Armitage 2009, S. 72. Harriot 1588. Belmessous 2012, Mahlke 2005, S. 223–228. Belmessous 2012. Für Verweise siehe Kapitel 3.3.2, prominent Shannon 2004  ; Daher 2002, S. 301. Hierbei handelt es sich gewissermaßen um ein Leitmotiv der prokolonialen Literatur, u.a. bei Richard Hakluyt, in seinem Discourse on Western Planting, siehe die Edition Quinn NA III, S. 82f. Vgl. Peckhams True Report, ediert in  : Quinn NAW III, S. 34–60, hier S. 50. Auch im Briefwechsel Robert Cecils finden sich entsprechende Überlegungen, So bspw. in einem Brief von Walter Copa an ihn, datiert vor dem 25. März 1605/06, CMS Vol. 18 (1606), S. 84. 107 So insbesondere in den Schriften zu France équinoxiale von Claude d’Abbeville und Yves d’Évreux.

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Mitwirkender und Investoren blieb. Diese Tatsache war auch den zeitgenössischen Autoren bewusst und führte in vielen publizierten Quellen zu einem Widerspruch zwischen der Notwendigkeit, Investoren mit bestimmten Versprechen an ein Projekt zu binden, und dem Streben, den moralischen Standards des Diskurses zu genügen. Unproblematischer war es hingegen, militärische Vorteile zu versprechen, wie es vor allem englische Autoren explizit taten. Neben dem Nutzen bestimmter Häfen als Stützpunkte für Kaperfahrten, den auch französische Projektemacher im Blick hatten, proklamierten sie die Vision einer mächtigen Marine. Diese Streitmacht sollte durch Erträge der Kolonien finanziert und ihre Schiffe sollten mit in den Kolonien gewonnenen Rohstoffen gebaut werden, so dass keine andere Macht Einfluss darauf nehmen könnte. Die Besatzungen schließlich wären durch regelmäßige Seereisen zu den Kolonien außerdem bestens trainiert und kampfbereit. Richard Hakluyt verknüpfte in seinem Discourse on Western Planting und seinen späteren Schriften ebenso wie auch Carleill, Peckham und Gilbert so für England den Status einer kolonialen Macht mit dem ohne Mehraufwand zu gewinnenden Rang einer Seemacht.108 Dieser Punkt leitet zum letzten Baustein der Imagination des eigenen Landes als Kolonialmacht über  : der Verortung in einem europäischen Wettbewerb. Dadurch, dass die Autoren koloniale Expansion als Vorteil für die persönliche Stellung des Herrschers und seines Landes im Vergleich zu anderen inszenierten, trugen sie dem offensichtlichen Vorrang Rechnung, den Europa als Handlungsraum für ihre Zielgruppe besaß. Ansatzpunkt hierfür waren Appelle an die Ehrvorstellungen der Herrscher. Sowohl Hakluyt als auch Lescarbot bedienten sich dieses Arguments, das allerdings auch schon 1527 in einem Brief an Heinrich VIII. genutzt wurde und in vielen weiteren Texten zu finden ist.109 Problematisch war für die Autoren jedoch, dass Spanien in diesem Wettbewerb der Herrscher um den größten Ruhm auf dem Gebiet der transatlantischen Expansion bis 1615 faktisch unübertroffen blieb. Die Antwort darauf war in England wie in Frankreich eine moralische Diskreditierung der spanischen Eroberungen und damit zugleich der Besitzansprüche in Übersee. Hierfür nutzten die Autoren aufbauend auf den Schriften Bartholomé de las Casas’ den Untergang der indigenen Kulturen und das Massensterben in Meso- und Südamerika als Argument.110 Davon ausgehend beschrieben beispielsweise Urbain Chauveton 1579, Ralegh 1596, aber auch Lescarbot ab 1609 die eigene koloniale Expansion als tugendhafter und damit moralisch höherwertig und ehrenvoller als die spanische. In Konsequenz mussten sie daher für ihre eigenen Vorhaben eine Eroberung aus reinem Machtwillen, wie sie sie den Spaniern vorwarfen, ablehnen. Sie nutzten daher die friedliche Mission argu108 Zur realen Abhängigkeit der Seekriegsführung und des Schiffbaus von externen Rohstoffen siehe Rodger 2004, S. 189. 109 Knapp 1994, S. 29  ; Waldmann 2000, S. 168–171  ; vgl. bspw. Robert Thornes Brief an Heinrich VIII. von 1527, publiziert in allen Ausgaben von Hakluyts Textsammlungen. Vgl. Lescarbot 1609a  ; Richard Hakluyt  : Epistle Dedicatory, in  : Hakluyt PN 1589. 110 Keen 1976, S. 112–115.

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mentativ als Distinktionsmerkmal, dem sie die legitime Verteidigung gegen iberische Angriffe auf die zeitgleich konstruierten alten Rechte ihres eigenen Landes auf Herrschaft in Amerika zur Seite stellten. Doch Spanien blieb nicht der einzige Vergleichsgegenstand. Wie ausgeführt inszenierten Autoren in England und Frankreich ab den 1590er Jahren zunehmend das jeweils andere Land als Konkurrenten in einem Wettrennen um die Kolonisierung einer Neuen Welt. Diese Denkfigur fand auch Eingang in das deutsche Schrifttum im Alten Reich, wo man als Außenstehender einen vergleichenden Blick auf die Leistungen der Angehörigen der seefahrenden Nationen warf und zugleich die Figur des Wettbewerbs im Diskurs bekräftigte.111 Die Konkurrenz mit England ist besonders am Beispiel Lescarbots in seiner Behandlung des Untergangs von Port Royal zu erkennen, in der er auf die Problematik englischer Exklusivansprüche verweist. Auch Pierre Biard, gewissermaßen Lescarbots Gegenspieler, hebt in seiner Relation nach der Zerstörung von Port Royal die Ansprüche Frankreichs hervor und stellt es als eine Frage der Ehre dar, das eigene Recht zu verteidigen.112 In England warnte Edward Hayes sogar schon vor der ersten Konfrontation deutlich vor der französischen Konkurrenz. Diese Warnung war bei ihm allerdings weniger eine Frage der Ehre, als vielmehr eine konkrete Gefährdung der versprochenen Vorzüge einer kolonialen Expansion.113 Diese Argumentation fand im Übrigen erhebliche Bekräftigung dadurch, dass viele Texte übersetzt und im Ausland rezipiert wurden, so dass sich die Vorstellung von einer kolonialen Konkurrenz grenzüberschreitend wechselseitig bekräftigte.114 Einmal im Diskurs etabliert, erzeugte diese Idee eines kolonialen Wettbewerbs außerdem den Druck, die eigenen Leistungen ständig an denen anderer zu messen. Somit mussten fehlende Erfolge umso dringender innerhalb des Diskurses umgedeutet, entschuldigt oder begründet werden. Aus kolonialer Vergangenheit, gemeinsamer Identität und einheitlichen Zielen der Untertanen sowie aus erwarteten Vorteilen, Entwertung spanischer Ansprüche und drohender Konkurrenz erschufen die Autoren prokolonialer Texte von ihrem eigenen Land das Bild einer kolonialen Macht, die unter Zugzwang stand. Die Herrscher von England und Frankreich hatten in dieser Vorstellung letztlich nicht nur das Recht und die Mittel, sondern vielmehr die Pflicht zur kolonialen Expansion. Ein erneuter Blick auf die biblische Geschichte von den Spähern, die Moses nach Kanaan sandte, bekräftigt diese Deutung. Zwar berichteten Harcourt und Hakluyt ihren Lesern nicht, wie die Geschichte endete, doch dem Publikum war sicherlich bewusst, dass Gott dem gesamten Volk Israel zürnte, weil es das versprochene Land nicht in Besitz nahm. Die Strafe waren 40  Jahre Wanderung in der Wüste. Somit erschienen nicht nur Kritik 111 112 113 114

So bspw. Löw 1598. Biard 1616 (Kapitel XXXVf.). In Edition Campeau 1967, S. 454–637, hier S. 569–598. Brereton 1602, S. 15, Edition in  : Quinn NAW III, S. 347–352. Lescarbot 1609a, Widmung des Übersetzers Erondelle an Prinz Heinrich, S. VI.

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und Widerspruch gegen koloniale Expansion, sondern auch ein bloßes Zögern als ein gefährlicher Widerspruch gegen Gottes Vorsehung.115 Anders hingegen wurde die Pflicht zur weiteren Expansion in Frankreich sakral begründet. Hier stand weniger die biblische Geschichte, sondern vielmehr der eigene missionarische Erfolg im Fokus. Lescarbot, aber auch Abbeville und Yves d’Évreux argumentierten, dass die neuen Christen nicht allein gelassen werden dürften, und leiteten aus ihren missionarischen Anfängen eine Pflicht zum weiteren Engagement ab.116 Dieses Argument wog umso schwerer, als die freiwillige Kooperation der Indigenen und die Allianzen mit ihnen während des gesamten Betrachtungszeitraums den französischen Autoren als Eckpfeiler zur Legitimation kolonialer Projekte dienten.117 Die Imagination des eigenen Landes als eine Gemeinschaft mit kolonialer Vergangenheit sowie kolonialen Zielen, die es untrennbar mit transozeanischen Gebieten verbanden, blieb das Projekt einer relativ kleinen Interessengruppe. Bis 1615 gelang es den Verfechtern dieser Vorstellung nicht, die Herrscher von ihrer Idee zu überzeugen. Die Vorstellung, dass überseeische Gebiete und das eigene Land dauerhaft und nicht nur punktuell verbunden sein sollten, ja sogar sein müssten, setzte sich nicht durch. Gegen Ende des Betrachtungszeitraums gewannen dann allerdings neue Zielgruppen an Bedeutung, und neue Organisationsformen wie die Joint Stock Companies realisierten, was vorher nur Monarchen zugetraut worden war. Die Folge war eine breitere Medienkampagne zugunsten der Vision von Englands respektive Frankreichs Rolle als kolonialer Macht als jemals zuvor. Darin festigte sich die zuerst nur für wenige formulierte Idee, dass das eigene Land mit abhängigen überseeischen Gebieten in einer moralisch und religiös legitimierten, angeblich zum Vorteil von Zentrum wie Peripherie geschaffenen Schicksalsgemeinschaft verbunden sei. Damit war ein ideologischer Fundus für zukünftige Diskurse über den Aufbau kolonialer Machtbereiche geschaffen, aus dem sich nachfolgende Generationen zur Beförderung ihrer eigenen Ziele bedienen konnten. Auch wenn es natürlich falsch wäre, den späteren Aufbau der Kolonialreiche, beispielsweise des British Empire, als eine Folge dieser Diskurse zu deuten, so wäre es irreführend, diese Anfänge und argumentativen Bezugspunkte völlig auszublenden.118

115 Eine ähnliche Sichtweise vertrat auch William Symonds für die Virginia Company, der aus biblischen Vergleichen ableitete, dass es Gottes Wille sei auszuziehen und unbesiedeltes Land in Besitz zu nehmen, Symonds 1609 nach Scanlan 1999, S. 105–109. 116 Zur Argumentation bei Lescarbot und Popeliniére siehe Waldmann 2000, S. 167–171. 117 Vgl. Belmessous 2012  ; Cook 2008, S. 225–345. 118 Laut der Forschungsskizze von  : Bley  : British Empire, in der Enzyklopädie der Neuzeit tendieren Teile der Forschung dazu. Dagegen kritisiert Armitage explizit, die Konstruktion einer Traditionslinie und spricht sich dagegen aus, den Ideen der Kolonialpromotoren eine Breitenwirkung zu unterstellen. Er betont, dass die überragende Mehrheit der Zeitgenossen auch mit dem Begriff Imperium defensive Vorstellungen verknüpfte und gegenüber Expansion kritisch eingestellt war, Armitage 2004a, S. 270f.

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4.1.2 Der Atlantik – Naturgewalten und Piraterie

Wenn es gelang, Segel zu setzen und sich an die Ausführung der kolonialen Pläne zu machen, waren entscheidende Hürden genommen. Eine ausreichende Finanzierung war gesichert, die Ausrüstung zusammengestellt und es hatte sich eine Gruppe von Kolonisten gefunden, die bereit waren, das Risiko einer Koloniegründung einzugehen. Zwischen dem Ursprungland und der meist in leuchtenden Farben geschilderten Neuen Welt lag jedoch der Ozean. Hier nahmen die Schiffe, die Kolonien gründen oder versorgen sollten, je nachdem wo ihr Ziel lag, unterschiedliche Routen mit jeweils eigenen Risiken.119 Für alle Vorhaben, deren Zielgebiet in Virginia oder südlicher lag, nahm man bis 1609 die Route über die Kanarischen Inseln und die Karibik. Erst danach kam die Möglichkeit hinzu, über Bermuda zum südlichen Nordamerika zu segeln. Die Karibikroute basierte auf den vorherrschenden nautischen und klimatischen Bedingungen und ermöglichte, auch wenn sie beispielsweise für den Weg von England nach Virginia einen Umweg bedeutete, schnell mit dem Wind und der Strömung zu reisen und zugleich kurz vor der Ankunft Vorräte aufzufrischen. In der Karibik ließen sich Obst, Gemüse, Nutzpflanzen und Tiere kaufen oder erbeuten, die dann nur eine kurze Seereise überstehen mussten. Allerdings drohte dafür saisonweise Gefahr durch schwere Stürme, die in Quellen oft genannten Hurrikane. Diese Route entsprach teilweise auch derjenigen der französischen Kolonisten, die von den Kanaren und/oder den Kapverden aus den südlichen atlantischen Meeresströmungen nach Südamerika folgten. Für koloniale Projekte in der Acadie, Neufundland, am St. Lorenz und auf der Baffin Insel nahmen die Seereisenden hingegen eine direktere nördliche Route, die zwar deutlich kürzer war, auf der aber eine günstige Strömung wie im Süden fehlte und schwere Stürme oder Eisberge drohten, wenn die Schiffe früh im Jahr aufbrachen. Eine spätere Abfahrt konnte das maritime Risiko senken, bedeutete aber wiederum lange Wartezeiten für eine bestehende Kolonie oder gefährdete im Fall einer Neugründung die rechtzeitige Aussaat. In einer Gesamtbetrachtung der Quellen zur Geschichte kolonialer Projekte zeigt sich deutlich, dass dem Meer als Ort der Gefahr und des Scheiterns erhebliche Bedeutung zukam.120 Selbst Leser in Deutschland, speziell in den oberdeutschen Handelsstädten, erfuhren in den von de Bry herausgegebenen Werken, aber auch beispielsweise durch Nikolaus Federmanns Reisebericht aus Venezuela von Stürmen und Gefahren auf hoher See sowie an den Küsten Amerikas. Besondere Bedeutung nahm dabei das 119 Für einen Vergleich der Routen und für eine zeitgenössische Abwägung ihrer Vor- und Nachteile durch Christopher Carleill und Edward Hayes vgl. Probasco 2013, S. 267–273. 120 Ausnahmen von dieser Zuschreibung gibt es jedoch auch, beispielsweise wenn wie in den Schriften Samuel de Champlains nach mehr als 20 Atlantiküberquerungen der Vorgang nur noch wenige Beachtung findet.

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Phänomen des drohenden oder erlebten Schiffbruchs ein. Die häufigste in den Quellen dafür genannte Ursache waren Stürme. Weitaus seltener war von navigatorischen Fehlern die Rede, die zum Auflaufen auf Riffe oder Untiefen führten. Eine Vielzahl kolonialer Projekte erlitt erhebliche Beeinträchtigungen durch solche Ereignisse wie beispielsweise die französischen Floridaprojekte 1565, Frobishers Arktisexpedition, welche die Bauteile für ihr Blockhaus verlor, oder Ralph Lanes Kolonie, die den Großteil der Vorräte durch Schiffbruch einbüßte. Mehrere Projekte wie Sieur de La Roches Unternehmen 1584, die Erkundungsmission der Fugger nach Chile oder Humphrey Gilberts Expedition 1583 erlitten durch Stürme sogar so schwere Verluste, dass es nie zur Gründung einer Kolonie kam. Der Fall mit der intensivsten medialen Rezeption war allerdings der Schiffbruch der Verstärkung für Jamestown unter dem Befehl von George Somers und Thomas Gates, deren Flotte von einem Hurrikan zerstreut wurde. Die überraschende Rückkehr der Verschollenen von der Insel Bermuda erhielt in Druckschriften und Predigten eine fast sakrale Bedeutung, wie der Titel The Lost Flock triumphant ausdrückt, und der von William Strachey veröffentlichte Bericht gilt als wichtige Inspiration für William Shakespeares The Tempest.121 Aber nicht nur in diesem Fall, sondern generell zeigt sich in der Berichterstattung, dass die Konfrontation mit Stürmen in den Erzählungen eine zentrale Rolle einnimmt, in der die Überfahrt zur unmittelbaren Bewährungsprobe für den Gottesglauben wird. Dies erklärt, warum Claude d’Abbeville in seinen Ratschlägen für Kolonisten auf die Bedeutung des Gebets an Bord hinwies oder warum George Best dem Gebet der Seeleute auf der Frobisherexpedition ebenso viel Bedeutung zuschrieb wie deren physischem Kampf gegen das Eis.122 Doch nicht allein Sturm und Schiffbruch, sondern auch das Ausbleiben günstiger Winde konnte eine erhebliche Gefahr bedeuten. Mehrere koloniale Vorhaben litten darunter, dass Schiffe wochenlang nicht im Stande waren, europäische Gewässer zu verlassen und den offenen Ozean zu erreichen. Das betraf englische Unternehmungen, deren Schiffe zunächst den Kanal durchqueren mussten, wie das Beispiel Humphrey Gilberts 1578 zeigt, häufiger als französische. Doch auch auf dem offenen Meer konnten widrige Wetterverhältnisse das Erreichen des Zieles verhindern, so beispielsweise im Falle der Verstärkung der Gebrüder Leigh für ihre Guyana-Kolonie, die ihr Ziel nie erreichte und den Großteil der Versorgungsgüter auf See selbst verbrauchte. Eine verlängerte Überfahrt konnte insbesondere deswegen fatale Folgen haben, weil die Verproviantierung erhebliche logistische Probleme bedeutete.123 Nahrungsmittel und Wasser verdarben leicht und häufig brachen aufgrund der einseitigen Ernährung Krankheiten aus, wie dies beispielsweise Walter Ralegh 1617 in seinem Logbuch be-

121 Wood  : Strachey, William. In  : ODNB. 122 Für weitere Belege zu George Best siehe Kapitel 2.1 zu Claude D’Abbeville Kapitel 3.3. 123 Rodger 1998, S. 88.

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schrieb.124 Diese Probleme betrafen englische Schiffe häufiger, weil ihre Bauweise stärker für den Kaperkrieg optimiert war und weniger Stauraum für Vorräte bot.125 Wenn Autoren für ihre Leser das Meer als Gefahrenraum und Stürme oder Flauten als für Menschen unkontrollierbare Gewalten und als Zorn oder Prüfung Gottes inszenierten, bedienten sie zweifellos Erwartungen der Leser, die sich aus Erzählungen der Antike, etwa der Odyssee, oder aus der Bibel speisten. Darüber hinaus bot sich ihnen eine Möglichkeit, die Verantwortung von sich selbst oder den Protagonisten ihres Berichtes abzuwälzen. So verweist beispielsweise Ralph Lane darauf, dass ihn ein Sturm gezwungen habe, die erste Roanokekolonie 1585 aufzugeben und die Passage auf Drakes Schiffen anzunehmen. Dies war jedoch nicht die einzige argumentative Nutzung, denn wenn Stürme als Gottes Strafe verstanden wurden, konnte die Frage nach dem Grund für diese Sanktion zu Kommentaren über angebliches Fehlverhalten von Seeleuten oder Kolonisten überleiten. Auf diese transzendente Deutung wird in Kapitel 4.2.1 näher eingegangen. Gelang es jedoch, Stürme und andere Gefahren zu überwinden, war dies ein wichtiges Argument für Autoren, die eine maritime Identität ihrer eigenen Nation propagieren wollten. Dies war nicht allein auf einen kolonialen Kontext begrenzt, sondern konnte auch ganz allgemein die maritime Leistungsfähigkeit der eigenen Landsleute betreffen. Beispielsweise waren Richard Hakluyt und Marc Lescarbot bemüht, ihren Lesern zu vermitteln, dass die Angehörigen der von ihnen proklamierten Gemeinschaft herausragende seemännische Fähigkeiten besäßen, die sie über andere Nationen wie die Spanier erheben würden. Richard Hakluyt macht dies in der Einleitung seiner Werke explizit, wenn er die gefährlichere Nordroute, welche die englischen Seeleute regelmäßig nutzten, und die Expeditionen zur Suche nach einer Nordwest- und Nordostpassage zum Beweis anführt, dass die eigenen Fähigkeiten denen der südlichen Seefahrer überlegen seien.126 Gestützt wurde seine Behauptung insbesondere durch seinen Nachdruck der Schriften von George Best und Dionyse Settle über die Kämpfe englischer Seeleute gegen Sturm und Eisberge während der Frobisherexpeditionen.127 Lescarbot hingegen hatte als Autor selbst die Allianz der französischen Kolonisten und Seefahrer mit dem Meer in seinem Theaterstück Théâtre de Neptun zelebriert.128 In seiner umfangreichen Histoire de Nouvelle France führte er dieses Argument weiter und verlieh den Franzosen eine Stellung als »enfans [!] de la mere«.129 Bei einer 124 125 126 127

Walter Raleghs Journal 1617, ediert in  : Edwards 1988, S. 198–217. Rodger 2004, S. 236. Hakluyt PN 1598 I, S. 3. So Bests Aussage in seinem True Discourse  : »the englishman […] is nothing inferior  : and for his hard adventures, and valiant resolutions, greatly superior«, Best 1578, Widmungsepistel S. 4. 128 Ediert in  : Emont 2004. 129 Siehe Lescarbot/Biggar I, Widmung an Frankreich, S. 14 englisch., S. 217 französisch. Zur Analyse von Lescarbots kolonialer Vision und Propaganda siehe Mahlke 2005, S. 200–228, zum Zitat und seiner biblischen Herleitung, S. 202f.

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genaueren Durchsicht, insbesondere seiner eigenen Reiseerfahrung, finden sich jedoch kaum Belege für diese Zuschreibung, sondern viel eher Rückschläge aufgrund des Fehlverhaltens der Seeleute.130 Somit scheint es, dass Lescarbot in der Einleitung eine Erwartungshaltung bedienen und Hakluyts Postulat – das ihm sicherlich bekannt war – erwidern wollte, auch wenn seine Erfahrungen dem widersprachen. Doch Stürme, Flauten und Riffe bildeten nur ein Teil des Gefahrenspektrums, das in Berichten über koloniale Projekte auf dem Meer verortet war. Oftmals spielte der Ozean als solcher sogar nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zu den Akteuren, die sich auf ihm bewegten und deren Interessen auf hoher See oder an der Küste gewaltsam kollidierten. Zur Bedrohung konnten dabei aber nicht nur Akteure werden, die unter der Flagge anderer Herrscher segelten, sondern auch solche, die an Bord desselben Schiffes reisten. Die Gefahr, die von fremden Schiffen ausging, wird bei einem genaueren Blick auf die wichtigste Route sichtbar, auf der Kolonisten den Atlantik überquerten. Der Seeweg über die Kanaren und die Karibik bedeutete für die englischen und französischen Schiffe, in Seegebiete vorzudringen, die Spanien und Portugal als ihre exklusiven Einflusszonen definiert hatten.131 Dort bestand das Risiko, als Rechtsbrecher verfolgt zu werden, da die Herrscher Spaniens und Portugals – so Mancall – zwar akzeptierten, dass der Nordatlantik eine multilaterale Einflusszone geworden war, aber im Süden bereit waren, ihre Exklusivansprüche gewaltsam durchzusetzen.132 Dies galt nicht nur für die Seewege, sondern ebenso für die Küsten von Florida bis Brasilien, an denen jeder Versuch einer anderen Macht, einen Außenposten oder eine Siedlung zu errichten, als rechtswidriger Eingriff in die eigene Machtsphäre angesehen wurde. Die mit erheblichem Aufwand durchgeführten militärischen Schläge gegen französische Kolonien bestätigen die Bedeutung, welche die Verteidigung der Ansprüche für die Spanier und Portugiesen besaß. Die Lesart vom westlichen Atlantik als einem mare clausum widersprach der Deutung des Ozeans und der unbesiedelten Küsten Amerikas als offenes mare liberum avant la lettre, die für die Akteure aus England und Frankreich grundlegend war.133 Der Gegensatz lässt sich über den gesamten Betrachtungszeitraum erkennen, unabhängig davon, ob die europäischen Herrscher gerade im Frieden, im Krieg oder im Bündnis miteinander standen. Hierbei lässt sich die englische und französische Po130 131 132 133

Lescarbot/Biggar II, bspw. S. 289–303. Elliott 2007  ; Villiers 2000, S. 18f. Mancal 2007. Diese Konzepte wurden 1609 von Hugo Grotius in einer separaten Publikation von Kapiteln aus einer 1603 verfassten Schrift über das Recht auf Prisen / De Iure Praedae publiziert. Siehe Armitage 2009, S. 103f. Zum Unterschied von Einzelpublikation und umfassenden Werk siehe Ittersum 2009, Richard Hakluyt fertigte eine Übersetzung an, die aber als Manuskript verblieb. Die Übersetzung mit Kommentar edierte Hakluyt/Armitage 2004. Die Vorstellung, das Meer unterstünde keiner Herrschaft, war aber als Konzept schon früher handlungsleitend.

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sition dahingehend präzisieren, dass beide Seiten keine rein formalen Ansprüche der iberischen Mächte auf den amerikanischen Kontinent anerkannten, aber im Frieden realen Besitz, der durch Forts und Siedlungen an der Küste greifbar war, respektierten. Eine Herrschaft über den Ozean akzeptierten sie jedoch nicht. Die bisher verwendete klare Unterscheidung von Krieg und Frieden muss allerdings im Hinblick auf den Atlantik und die Küsten der beiden Amerikas relativiert werden, denn durch die Tätigkeit von Freibeutern und Piraten herrschte dort ein Zustand ständigen Unfriedens. Aus Sicht der iberischen Mächte stellten deren Angriffe eine permanente Bedrohung dar, welche gewaltsame Reaktionen rechtfertigte, wie das Beispiel der Zerstörung der Florida-Kolonie als angeblichen Piratenstützpunkt verdeutlicht.134 Demgegenüber setzten Akteure in England und Frankreich auf eine Differenzierung und hoben den Unterschied zwischen verdammenswerten Piraten und rechtlich durch Kaperbriefe legitimierten Freibeutern hervor. Dieses Rechtsinstrument und sein Gebrauch prägten wesentlich die Geschichte des Atlantiks im 16. und frühen 17. Jahrhundert sowie die Rahmenbedingungen für koloniale Projekte. Ursprünglich handelte es sich bei Kaperbriefen um eine obrigkeitliche Lizenz, die dazu berechtigte, für einen durch Dritte erlittenen Schaden Genugtuung in gleicher Höhe gewaltsam zu erzwingen.135 Hierfür waren Nachweise über den Schaden und eine Begrenzung der eingetriebenen Entschädigung üblich. Diese Begrenzungen und ihre offizielle Anerkennung durch einen europäischen Herrscher in Form eines Dokuments unterschied zumindest theoretisch den Freibeuter vom Piraten, der als Rechtsbrecher zu verfolgen war. Praktisch konnte aber auch deutlich mehr erbeutet werden, als zuvor an Schaden erlitten worden war, wie schon der Fall von Jean Ango 1522 zeigte, der einen Kaperbrief Franz’ I. nutzte, um ganz Lissabon zu blockieren.136 Generell setzte sich in Kriegen des 16.  Jahrhunderts die herrschaftliche Praxis durch, den Schaden, den das eigene Land und die eigenen Untertanen erlitten hatten, zum Anlass zu nehmen, um unbegrenzte Vergeltung gegen den jeweiligen Feind zu erlauben. Heinrich VIII. experimentierte im Krieg 1544 sogar mit einer pauschalen Freigabe der Gewalt zur See gegen die Untertanen Franz’  I. und deren Verbündete, doch dies war sowohl diplomatisch wie auch finanziell eher schädlich.137 134 Vgl. Kapitel 3.2. 135 Vgl. Childs 2014, S. 2f.; Loades 2000, S. 42f.; Perrella 2010, S. 2f.und Moreau 2006, S. 35f., der für Jean Ango sehr der formellen Lesart folgt, es solle nur zugefügtes Unrecht ausgeglichen werden  ; Moreau 2006, S. 211, gibt an, dass erstmals Jean Ango solche Entschädigungsbriefe ab 1522 erhielt. Eine ältere Tradition aus dem 100-jährigen Krieg betont hingegen Villiers 2000, S.  13–16  ; und Villiers 2015, S. 14–18. 136 Zwar gibt Lane 1998, S. 17 an, die Franzosen hätten ab 1530–1560 eine Führungsrolle als Kaperfahrer eingenommen, aber der Fall Jean Ango zeigt, dass dies mindestens ein Jahrzehnt früher zu datieren ist, vgl. Moreau 2006, S. 31–43. 137 Rodger 2004, S. 182 zu diplomatischen Konsequenzen, zur Unterscheidung zum Kaperkrieg S. 199f.

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In Frankreich hingegen, wo in den Kriegen gegen Spanien schon früh und häufig Kaperfahrten in die Karibik und den Atlantik organisiert wurden, kombinierte die Krone einen pauschalen, nicht konkret im Einzelfall nachzuweisenden Vergeltungsanspruch mit der Verpflichtung der Freibeuter darauf, eine obrigkeitliche Lizenz zu erwerben und Abgaben auf die Beute zu entrichten.138 Somit war ein Instrument geschaffen, dessen Funktionalität die englischen Akteure im ersten französischen Bürgerkrieg als Verbündete der Hugenotten in Le Havre und andernorts genauer kennenlernen konnten.139 Darauf auf bauend brachten Engländer sich als Investoren und Partner der französischen Freibeuter ein, bevor eigene Expeditionen folgten. Wie sehr die Seeleute aus Frankreich zu dieser Zeit den englischen in der Erkundung des Atlantiks voraus waren, zeigt sich daran, dass erst 1555 ein englisches Schiff südlich des Äquators fuhr.140 In den folgenden Jahrzehnten war aufgrund der konfessionellen Bürgerkriege in Frankreich ein stetiger Nachschub an Kaperbriefen verfügbar. Heinrich von Navarra und Admiral de Coligny stellten solche Dokumente aus, die französische Hugenotten ebenso wie Engländer mit Duldung Elisabeths I. in Anspruch nahmen.141 Sie waren gegen die französischen Katholiken sowie deren Verbündete gerichtet. Neben der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Monarchie konnte dabei außerdem, wie Villiers herausgearbeitet hat, die Konfession der Seeleute oder des Herrschers, dessen Flagge geführt wurde, den Ausschlag dafür geben, ob ein Schiff als legitime Beute galt oder nicht.142 Nachdem der Aufstand der Niederlande gegen die Spanier begonnen hatte, stellte auch Wilhelm von Oranien Kaperbriefe aus, die direkte Schläge gegen spanische Schiffe erlaubten. Auch hier wurden aufgrund der konfessionellen Prägung des Konfliktes oft pauschal Schiffe katholischer Herrscher zu Zielen, was auch die potentiellen Profite erhöhte. Zeitweise lässt sich eine enge, grenzübergreifende anglo-französische Verflechtung in der Freibeuterei nachzeichnen. Elisabeth I. und einige ihrer Untertanen liehen den Hugenotten Geld, die Häfen wurden wechselseitig geöffnet, Francis Drake tat sich mit französischen Partnern zusammen und Seeleute konnten wechselseitig angeworben werden.143 Diese Internationalität erklärt, warum von 1570–1577, während offiziell Frieden zwischen England und Spanien bestand, 13 englische Expeditionen mit offiziellen Kaperbriefen in die Karibik aufbrachen.144

138 139 140 141 142

Childs 2014, S. 5–9 und S. 15. Loades 2000, S. 85f.; Rodger 2004, S. 199f. Lane 1998, S. 33f.; Rodger 2004, S. 244. Loades 2000, S. 102f.; Rodger 2004, S. 202  ; Villiers 2000, S. 26f. Villiers 2015, S. 18 hat für Korsaren aus La Rochelle dargelegt, dass sie Teil eines weitgespannten Netzes antikatholischer Kaperfahrer waren. 143 Lane 1998, S. 42  ; Moreau 2006, S. 50. 144 Lenman 2001, S. 83.

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Der offene Krieg ab 1585 bedeutete daher weniger eine Umwälzung der englischen Politik als vielmehr einen Dammbruch, da nunmehr eigene englische Kaperbriefe in hoher Zahl ausgestellt werden konnten.145 Angesichts der Profite, die Männer wie Francis Drake bereits erzielt hatten, war die Bereitschaft hierzu sicherlich hoch. Die Freibeuterei wurde schließlich zu einem zentralen Wirtschaftszweig und gleichzeitig wichtigen militärischen Element, wie Childs mit der Bezeichnung Pirate nation für das England Elisabeths I. unterstrich. Kaperbriefe erschienen in diesem Kontext zunehmend als eine Formalität in einem Seekrieg, an dem potentiell jedes Schiff unter einer bestimmten Flagge beteiligt war und der ebenso jedes Schiff treffen konnte, das unter einer bestimmten anderen Flagge segelte.146 Diese Entwicklung und die Unmöglichkeit der Kontrolle auf hoher See führte dazu, dass die Grenzen von Freibeutern und Piraten verschwammen, was die iberischen Mächte in ihrer grundsätzlichen Haltung bestätigte, soweit möglich gegen jedes Eindringen vorzugehen. Dennoch war diese Art des Seekrieges in der Praxis nicht schrankenlos. Dieselben Akteure, die von Kaperfahrten in Übersee profitierten, bekämpften die Piraterie gegen eigene Schiffe und die der Verbündeten an den Küsten Europas.147 Seit den 1590er Jahren wurde schließlich in England verstärkt eine früher weniger konsequent durchgeführte rechtliche Prüfung vor einem Gericht der Admiralität mit Möglichkeit zur Klage für Geschädigte und zur Erstattung vorgenommen.148 Dies sollte Exzesse unterbinden, für Verbündete und neutrale Schiffe mehr Sicherheit verschaffen und verhindern, dass die Freibeuterei den eigenen Seehandel schädigte. Somit lässt sich festhalten, dass über weite Teile des Betrachtungszeitraums in England und Frankreich die Freibeuterei als alternative oder ergänzende Tätigkeit neben der Gründung einer Kolonie bestand. Dies führte zu einem dauerhaften Unfrieden in der Karibik, dem mittleren Atlantik und an den Küsten Südamerikas, der die iberischen Mächte zu Maßnahmen gegen Koloniegründungen sowie durchreisende Schiffe anspornte. Diese Maßnahmen waren vorwiegend defensiv. Sie zielten auf die Sicherung von Häfen und Siedlungen durch Befestigungen, die Stationierung von Galeeren, um bestimmte Positionen zu verteidigen, und schließlich die Organisation des gesamten transatlantischen Handels in Verbänden, der jährlichen sogenannten Silberflotte oder Flota.149 Im Falle von Koloniegründungen kamen punktuell große Expeditionen hinzu, die in Florida oder Brasilien den eigenen Machtanspruch durchsetzen sollten. Doch obwohl nach spanischer Lesart offiziell alle englischen und französischen 145 146 147 148 149

Fury 1998, S. 44f. Childs 2014, S. 165. Snyder, 2013  : S. 12–18, 24–26. Loades 1992, S. 272  ; Ders. 2000, S. 122. Lane 1998, S. 18–20. Der Befehl Konvois zu bilden war bereits 1525 ergangen, die Bewaffnung aller Handelsschiffe folgte ab 1552 und die Einrichtung der offizielle Flota mit festen Routen und Zeiten 1561.

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Seefahrer und Kolonisten als Rechtsbrecher und Piraten zu behandeln waren, fehlten dafür meist die Machtmittel und in einigen Fällen, wie das Beispiel Trinidad gezeigt hat, vor Ort auch der Wille. Es gelang der spanischen und portugiesischen Obrigkeit zwar die französischen Kolonien in Brasilien und Florida zu zerstören, doch die Vielzahl von Truchements und saisonalen Handelsfahrten ließ sich ebenso wenig in Gänze unterbinden wie die Zwischenaufenthalte englischer Kolonisten in der Karibik. Dennoch bestand für koloniale Projekte im Krieg wie im Frieden ein Risiko, auf See oder bei der Aufnahme von Vorräten im Namen der spanischen Obrigkeit aufgehalten, behindert oder zur Umkehr gezwungen zu werden. Letzteres widerfuhr beispielsweise der Verstärkung für die Popham-Kolonie 1606. Aber nicht nur spanische Schiffe konnten eine Ozeanüberquerung verhindern, wie der Fall des Sieur de La Roche 1578 zeigt, der von englischen Schiffen mit dem Vorwurf aufgebracht wurde, er habe irische Rebellen unterstützen wollen. Hinzu kam die Gefahr, bei dem Versuch eine Kolonie zu gründen oder zu versorgen, selbst zum Opfer von Freibeutern oder Piraten zu werden. Insbesondere im Dreieck zwischen den Azoren, den Kanaren und der spanischen Küste war eine Vielzahl von Akteuren unterwegs, bei denen die Differenzierung zwischen legitimen Freibeutern und Piraten eine rein formalrechtliche war, die dazu noch je nach Kräfteverhältnis zu unterschiedlichen Handlungsweisen führte.150 Jeder, der ein koloniales Projekt unternahm, musste sich mit diesen Zuständen auseinandersetzen, denn wie Lenman feststellte  : »The atlantic world was a very violent one.«151 Angriffe anderer Schiffe auf eine Expedition, die zur Gründung oder Versorgung einer Kolonie aufgebrochen war, stellten jedoch nur ein Problemfeld dar, das sich aus der Freibeuterei und Piraterie ergab. Ein Blick in die Quellen zeigt, dass häufiger das genaue Gegenteil, also eigene Angriffe auf andere Schiffe, die Ursache für Spannungen, Rückschläge oder den Abbruch des Vorhabens waren. Die Attraktivität der Freibeuterei liegt auf der Hand, erzielte doch beispielsweise Richard Grenville 1585 auf dem Rückweg von Roanoke mit einem kurzen Gefecht zur See genug Profit, um die Kosten der kolonialen Unternehmung mehr als auszugleichen.152 Doch der Gewinn für die Investoren erklärt nicht allein, warum die Angriffe auf andere Schiffe nicht nur ein häufiges, sondern ein in den Quellen auch besonders ausführlich geschildertes und umstrittenes Phänomen darstellen. Zum tieferen Verständnis ist ein Einblick in die Lebensbedingungen und Interessen der Akteure notwendig, die dafür Sorge trugen, dass Kolonisten den Ozean überquerten.153 150 151 152 153

Zu dem Seegebiet siehe Lane 1998, S. 22f. Lenman 2001, S. 221. Für Belege siehe Kapitel 3.2. Die folgende Übersicht basiert auf den Werken  : Childs 2014  ; Fury 1998  ; Lane 1998  ; Andrews 1982  ; Andrews 1985  ; Lane 1998  ; James 2004  ; Lenman 2001  ; Loades 1992  ; Loades 2000  ; Moreau 2006  ; Perrella 2010  ; Rodger, 1998  ; Rodger 2004  ; Snyder 2013  ; Villiers 2000  ; Villiers 2015.

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Die Seeleute dieser Zeit waren relativ frei in der Wahl ihres Arbeitgebers und organisierten sich und ihre Arbeit, auch wenn sie dem Master des Schiffes unterstanden, weitgehend selbst.154 Sie verfügten als Gruppe über ein Bewusstsein von Zusammengehörigkeit durch eigene, speziell auf Betonung der Maskulinität zielende Bräuche und Sprache, die sie von der Landbevölkerung abgrenzten, aber über keine schiffsübergreifende Infrastruktur, offizielle Prüfungen, Ausbildungsnachweise oder ähnliches.155 Ihre Fähigkeiten, speziell wenn sie an der Navigation und Schiffsführung mitwirkten, hatten sie über Jahre hinweg in der Praxis erworben  ; sie verfügten damit über ein Kapital, dass sie bei Arbeitgebern, wie Schiffseignern und Organisatoren von Expeditionen, begehrt machte.156 Die Tatsache, dass der Großteil dieses Wissens nicht schriftlich fixiert war, sondern nur personengebunden existierte, stärkte ihre Position zusätzlich. Die Loyalität der einfachen Seeleute war daher flexibel und weniger an Herkunft oder Sprache, sondern mehr an Sold gebunden, wie die Verflechtung zunächst der französischen Hugenotten und Engländer, später dann der Niederländer mit den Engländern verdeutlicht.157 Auch bei ranghohen Experten für Navigation zeigt sich eine Mobilität über Grenzen hinweg, wie im Falle von Jean Rotz oder Sebastian Cabot.158 Allen Seeleuten war gemeinsam, dass sie einen Anteil am Profit der Reise erhielten, der aber in der Regel erst nach der Rückkehr ausgezahlt wurde. Ein Grundgehalt stand ihnen nur selten zu, beispielsweise dann, wenn das Schiff gechartert worden war, um Passagiere zu transportieren, und sie einen Anteil an der Chartergebühr bekamen. Doch selbst in solch einem Fall war ihr Grundanteil sehr gering, so dass es für die Seeleute überlebensnotwendig war, jede Gelegenheit zu ergreifen, unterwegs Beute zu machen. Somit waren viele Seeleute zeitweise Freibeuter oder Piraten, auch wenn nur wenige von ihnen dieser Tätigkeit exklusiv nachgingen.159 Seeleute übten daher oft erheblichen Druck auf die Befehlshaber der Expedition aus, was wiederum zu Spannungen zwischen ihnen und Passagieren führte, die andere Interessen verfolgten. Die Rolle der Offiziere ist in diesem Zusammenhang ambivalent, zumal sie als Statusgruppe noch nicht klar ausdifferenziert waren. Bis zum Master und/oder Pilot des Schiffes stammten sie oft aus den Reihen der Seeleute selbst. Erst auf dieser Ebene konnten Außenstehende wie Gentlemen nach praktischer Ausbildung die Schiffsführung übernehmen oder in einigen Fällen einem modernen Kapitän entsprechend als Oberbefehlshaber über dem Master eingesetzt werden, der weiterhin die praktische Schiffsführung übernahm.160 Die Befehlshaber über mehrere Schiffe, 154 155 156 157 158 159 160

Fury 1998, S. 79–87. Fury 1998, S. 198–215  ; Rodger 2004, S. 319f. Tyacke 2007, S. 1726–1729. Fury 1998, S. 87  ; Loades 1992, S. 164f. Zu Jean Rotz siehe Loades 2000, S. 44 und zu Sebastian Cabot S. 54f. und S. 75f. Vgl. Kapitel 2.3. Fury 1998, S. 107–109. Rodger 2004, S. 297–310. Zu den navigatorischen Kenntnissen und Fähigkeiten der unterschiedlichen Ränge siehe Ash 2007. Zu Konflikten um Hierarchien auch Andrews 1982.

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die im Falle kolonialer Projekte zum Teil auch, aber nicht immer, den Befehl über die Kolonisten innehatten, waren jedoch Adelige. Sie und die mitreisenden Kolonisten vereinte die Ablehnung der einfachen Seeleute als einer moralisch fragwürdigen gesellschaftlichen Randgruppe.161 Da unter den Kolonisten wie ausgeführt meist nur die sozial Höherstehenden Quellen hinterließen, bekräftigt sich in den überlieferten Texten ein negatives Gesamtbild sowie der Eindruck, dass Seeleute und Kolonisten zwei getrennte soziale Gruppen bildeten. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Unterscheidung im 16. und frühen 17. Jahrhundert nicht immer so eindeutig war, wie die Quellen und die ältere Marinehistoriographie nahelegen. Je nach Situation konnte es durchaus vorkommen, dass zeitweise Seeleute zu Kolonisten und Kolonisten zu Seeleuten werden wollten oder mussten. Spannungen zwischen diesen Gruppen ergaben sich nicht nur aus ihren unterschiedlichen Interessen, sondern vielmehr auch daraus, dass die Prioritäten der Expedition entweder nicht klar vorgegeben waren, und wenn doch, dann meist gegen die Wünsche der Kolonisten und ihrer Anführer. Ein Grund hierfür war, dass die soziale Ordnung an Bord zu dieser Zeit im Vergleich mit späteren, professionellen Marinen relativ ungefestigt war und dass sie gerade im Spannungsfall nicht gewaltsam von der Schiffsführung erzwungen werden konnte. So beklagte bei der dritten Reise Martin Frobishers nach Meta Incognita 1578 der Befehlshaber der zu gründenden neuen Kolonie Edward Fenton, dass die Seeleute ihn nicht genug respektieren und damit beleidigen würden.162 Zwischen ihm und Frobisher kam es deswegen zum offenen Konflikt, da Frobisher die Beschwerden und den Autoritätsanspruch Fentons als Eingriff in seine Führung zur See ansah. Letztlich gab er aber nach und versammelte die Seeleute. Sie erklärten, sie hätten nicht gewusst, dass Fenton auch auf See respektvoll zu behandeln sei. Frobisher mahnte sie daraufhin zu angemessenem Verhalten, verhängte aber keine Strafen. Die Hierarchie funktionierte letztlich durch Akzeptanz von Seiten der Mannschaft, die wesentlich von Profiterwartungen beeinflusst wurde.163 Gerade bezüglich kolonialer Projekte ist zu beachten, dass qualifizierte Seeleute eine Vielzahl von Alternativen besaßen und auf Walfang, Fischzug oder Kaperfahrt mehr Geld verdienen konnten – eine reine Transportreise war daher nur sinnvoll, wenn wertvolle Rohstoffe wie Gold oder Handelswaren wie Pelze oder Tabak nach Europa zurückgebracht wurden. Doch auch die Organisatoren im Hintergrund – wie Walter Ralegh von 1585 bis 1590 – verfolgten ambivalente Ziele und erwarteten neben der Koloniegründung mög161 Rodger 2004, S. 314f. 162 McDermott 2001, S. 34. Der Streit wurde von Edward Sellman beschrieben, einem Vertreter Michael Loks, der gegen Frobisher eingenommenen war. Sein Journal der Reise ist ediert  : ebd. S. 177– 194, hier S. 187. 163 Vgl. Fury 1998, S. 128–133, 150f.; Rodger 2004, S. 322. Loades 1992, S. 200–208 verweist darauf, dass Disziplin und Bordleben erst nach der Armadaschlacht verstärkt in Quellen fassbar sind. Vorher wird meist nur ein Drang zum Plündern thematisiert.

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lichst viel Profit durch Kaperfahrten. Wenn in solchen Fällen wie oft üblich der Befehl über das Schiff von dem über die Kolonie getrennt war, mussten die Kolonisten hinnehmen, dass die Schiffsführer Kaperfahrten bevorzugten und damit ihren eigenen Profit und den der Investoren mehrten und zugleich ihre Position an Bord stärkten. Für den Fall, dass der Organisator der Kolonie keine Kaperfahrten vorsah, konnten er und seine Vertreter jedoch oft nur wenig ausrichten, wenn sie nicht zugleich alleiniger Eigner des Schiffes waren. Wenn das Schiff nur gechartert war oder die Profitinteressen mehrerer Investoren und Ausrüster erfüllen musste, konnten selbst ranghohe Passagiere nicht in die Schiffsführung eingreifen.164 Dass nicht nur die Seeleute, sondern auch Investoren, Schiffseigner und die Obrigkeit in England und Frankreich Interesse an Kaperfahrten hatten, erklärt sich durch die im Folgenden näher beschriebene Verteilung der materiellen Erträge, durch das Ansehen, das erfolgreiche Kaperfahrten brachten, und schließlich durch die Möglichkeit, militärischen Gegnern ohne Kosten oder Risiko für königliche Schiffe Schaden zuzufügen. Die Beute einer Kaperfahrt wurde in England idealtypisch folgendermaßen geteilt  :165 Zunächst gingen fünf Prozent an die Königin und zehn Prozent an den Lord Admiral, der von seinem Anteil ab 1589 auch einen Teil an den obersten Richter der Admiralität abgeben musste, dessen Untergebene über die Rechtmäßigkeit von Prisen entschieden.166 Infolgedessen überrascht es wenig, dass der langjährige Lord Admiral Charles Howard bis 1604 selbst in Kaperfahrten investierte, bevor er nach dem Friedensschluss ein System des Ämterkaufes etablierte, das erheblichen finanziellen Druck für alle Akteure in der Marine aufbaute und so Korruption und Betrug beförderte.167 Die Beteiligung des Lord Admiral und des Gerichtes der Admiralität führte dazu, dass die eroberten Prisen im Verwaltungsschriftgut erfasst wurden. Childs gibt dazu an, dass nach den Akten der Admiralität von 1579 bis 1590 knapp 200 Schiffe als Prise erobert wurden.168 Nicht eingerechnet sind darin Opfer nichtlizensierter Piraterie und auch Schiffe, die nicht mit ihrer gesamten Ladung erbeutet, sondern nur durchsucht und geplündert wurden und danach ihre Fahrt fortsetzen konnten. Der Rest der Beute wurde zwischen Schiffseignern, Schiffsausrüstern und den Seeleuten gedrittelt, wobei viele Schiffe mehrere Eigner hatten, die so ihr unternehmerisches Risiko teilten. Die Aufteilung bezog sich jedoch nur auf die Ladung des erbeuteten Schiffes und offiziell transportierte Wertgegenstände. Alle anderen Gegenstände, die beispielsweise der besiegten Mannschaft oder deren Befehlshaber persönlich ge164 Davidson 2003, S. 114. 165 Hume 1997, S.  70  ; Humber 1986, S.  71  ; Kupperman 2007, S.  8  ; Loades 2000, S.  122 spricht zusammenfassend von 80 Prozent für die Freibeuter. 166 Childs 2014, S. 182. 167 Andrews 1985, S. 14  ; Loades 2000, S. 149f.; Rodger 2004, S. 364–369. Ein Umbruch wird üblicherweise unter George Villiers, Herzog von Buckingham, konstatiert. 168 Childs 2014, S. 59.

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hörten, waren bis zu einem Wert von 40 Shilling unmittelbare Beute desjenigen, der sie fand.169 Wertvollere Beutestücke wurden ebenso wie das Drittel der Ladung, das der Mannschaft zukam, am Mast verteilt. Diese Regelung erklärt, warum Seeleute an Bord anderer Schiffe zum Plündern neigten, was beispielsweise im Falle von Charles Leighs Begegnung mit französischen Schiffen bei der Insel Ramea 1597 eskalierte. In Frankreich fixierte ein Reglement von 1681 eine der englischen Vorgehensweise sehr ähnliche, ältere Praxis.170 Auch darin werden zwei Drittel für die Eigner und Ausrüster und ein Drittel für die Mannschaft ausgelobt. In diesem Fall lässt sich auch die genaue Staffelung des letzten Drittels nachzeichnen, die zwölf Anteile für den Kapitän und nur ein Viertel Anteil für einen Schiffsjungen auswies. Bezüglich der Anteile der Admiräle und der Krone ist zu bedenken, dass in Frankreich erst 1613 ein Amt für die Marine eingerichtet wurde. Die Marinehistoriographie spricht für die Zeit um 1590 aufgrund der Bürgerkriege sogar von einem absoluten Tiefpunkt.171 Organisatorisch war der Admiral de France für die Provinzen Normandie und Picardie zuständig, aber beispielsweise nicht für die Bretagne, oder Guyenne, wo eigene Kaperbriefe erlassen und von eigenen Admirälen Anteile gefordert werden konnten.172 Die Folge waren Rivalitäten zwischen unterschiedlichen Admirälen und Ausrüstern, die konfessionelle Differenzen noch zusätzlich verschärften.173 Aber nicht allein das Geld sprach dafür, alternativ oder parallel zur Gründung einer Kolonie als Freibeuter tätig zu sein. Der Kampf gegen die Feinde des eigenen Herrschers oder des eigenen Glaubens bot in viel höherem Maße als eine Koloniegründung Möglichkeiten, die begehrte Ressource Ruhm zu erwerben, indem die eigene Wehrhaftigkeit und Maskulinität unter Beweis gestellt wurden. Der Ritterschlag, den Elisabeth Francis Drake nach seiner Rückkehr durch die Hand des Herzogs von Anjou gewährte, die Gunstbeweise für Walter Ralegh und, wenn auch in geringerem Maße, der Aufstieg Jean Angos in Frankreich setzten deutliche Signale dafür, dass Freibeuterei sozialen Aufstieg und sogar Zugang zum Hof ermöglichen konnte.174 Sie bot außerdem Gelegenheiten, um Führungsqualitäten und Fertigkeiten unter Beweis zu stellen und sich so für offizielle Missionen im Auftrag der Krone zu qualifizieren. All das wäre mit einem rein kolonialen Projekt vermutlich nur mit ungleich höherem Aufwand in einem deutlich längeren Zeitraum erreichbar gewesen. Somit standen die Interessen vieler Akteure einer unmittelbaren Durchführung kolonialer Unternehmungen ohne zusätzliche Kaperfahrten entgegen. Gerade in Anbetracht der vorherigen Ausführungen über die Seeleute ist noch einmal festzuhalten, dass nicht nur die Interessen der 169 170 171 172 173 174

Andrews 1985, S. 16f.; Fury 1998, S. 241. Villiers 2015, S. 19–21. Siehe die Überblicksdarstellung James 2004. James 2004, S. 15  ; Villiers 2000, S. 23f. James 2004, S. 20–22. Perrella 2010, S. 22f.; Childs 2014, S. 8.

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Schiffsführung und der Befehlshaber der Gesamtunternehmungen, sondern explizit auch diejenigen der Mannschaft berücksichtigt werden mussten. An Bord der Schiffe, die Kolonisten für einen langfristigen Aufenthalt nach Amerika brachten, trafen somit unterschiedliche Vorstellungen vom atlantischen Ozean und seiner Bedeutung aufeinander. Vereinfacht lassen sich zwei Raumvorstellungen unterscheiden  : Für die Kolonisten war der Ozean ein Gefahrenraum, der so schnell wie möglich und unter Vermeidung von Risiken durchquert werden sollte. Für Versorgungsstopps in der Karibik sollte ausreichend Zeit sein, ebenso für eine sorgfältige Erkundung der Küsten, um den bestmöglichen Platz für die Kolonie zu finden. Die Kolonie war dann der Ort, an dem der Lebensunterhalt verdient, Ruhm erworben und gegebenenfalls das weitere Leben verbracht werden sollte. Für die Seeleute war der Ozean hingegen der zentrale Handlungsraum, die Amerikas jedoch nur insofern, als sie an ihrer Küste kurzfristig zusätzlichen Profit erwirtschaften konnten. Der Ozean erlaubte ihnen, ihr Überleben zu sichern, Ansehen und Wissen zu erwerben, das ihnen in der Zukunft Nutzen bringen sollte, und eventuell durch Geld oder Erfolg einen Grad sozialer Sicherheit zu erreichen, der eine Familiengründung ermöglichte. Es lag in ihrem Interesse, dass die Versorgungsstopps kurz waren, dass man viel Zeit auf der Südroute verbrachte, um spanische Schiffe zu finden, und einmal angekommen, dass die Küsten schnell erkundet und die Kolonisten rasch abgesetzt wurden. Somit bestand ein zentraler Gegensatz, der für koloniale Projekte überaus nachteilig war. Die Seeleute, deren Wissen und Fertigkeiten unabdingbar waren, um die gesteckten Ziele zu erreichen, hatten nicht nur andere, sondern in bestimmten Situationen sogar gegensätzliche Prioritäten. Für die Analyse der Quellen ist allerdings zu bedenken, dass mit überwältigender Mehrheit nur Aussagen der Kolonisten und dabei wiederum mehrheitlich die Texte sozial Höherstehender überliefert sind. Dies prägte den Diskurs über Rückschläge und Scheitern auf See und damit auch den Blick auf die Seeleute. Angesichts dieser Verzerrung überrascht es wenig, dass die Quellen eine Vielzahl von Beispielen für eskalierte Interessenkonflikte bieten, die ein eindeutig negatives Bild von den Seeleuten zeichnen.175 Dabei lassen sich die Einzelfälle bestimmten, wiederholt auftretenden Problemfeldern zuordnen. An erster Stelle stehen koloniale Vorhaben, die ihr Ziel nicht oder stark verspätet erreichten, weil die Befehlshaber der Schiffe mit den rangniederen Seeleute einmütig vorzogen, Prisen zu jagen, anstatt die Kolonisten am Zielort abzusetzen. Beispiele hierfür sind die anglo-französische koloniale Unternehmung unter Stucley 1563, Teile der Gilbertexpedition 1578 und die Fahrt Robervals nach Kanada 1545.176 175 Kupperman 2000a, S. 496f. bietet eine Liste von Beispielen aus Richard Hakluyts Sammelwerk. Sie fasst diese allesamt unter der Kategorie der treachery, was allerdings bei Grenvilles Prisenjagten nicht trennscharf ist, da dieser im Auftrag seiner Geldgeber handelte. 176 Andrews 1984, S. 189  ; Andrews 1985, S. 8  ; Fuller 1995, S. 32  ; Quinn 1973, S. 40f.; Kupperman 2008, S. 45–47  ; Pollard  : Stucley. In  : DNB  ; Holmes  : Stucley. In  : ODNB.

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Auch die Calvinisten, die 1557 nach Brasilien fuhren, und Le Challeux im Jahr 1566 berichteten über Angriffe auf Handelsschiffe und verurteilten später die Gier der Befehlshaber und Besatzungen.177 Über Konflikte an Bord der Schiffe ist jedoch in diesen Fällen wenig bekannt, vermutlich da hier die Interessen der Seeleute und Befehlshaber übereinstimmten und die einzelnen Kolonisten entweder partizipierten oder die Kaperzüge erdulden mussten. Anders entwickelte sich die Lage hingegen, wenn die Befehlshaber andere Ziele verfolgten als ihre Mannschaften wie Walter Ralegh, der sich über das eigensinnige Streben der Seeleute nach Beute beschwerte. Im Jahr 1617 klagte er in seiner Apology, seinem Journal und in mehreren Briefen über seine Untergebenen, die er »Scum of the earth« nannte.178 Ralegh beschrieb, dass zwischen ihm und seinen Männern erhebliche Spannungen aufkamen, als er ihnen verbot, auf dem Weg nach Guyana Schiffe zu plündern. Ähnliches berichtete auch Charles Leigh, der 1597 vor Ramea seine Männer vom Plündern fremder Schiffe abhielt.179 Nachdem Leigh und Ralegh ihre unmittelbaren Ziele nicht erreicht hatten, gaben beide an, nur deswegen keinen weiteren Versuch unternommen zu haben, weil ihre Mannschaften darauf bestanden hätten, auf Kaperfahrt zu gehen. Einen noch deutlicheren Interessenkonflikt schilderte Laudonnière 1565, als die Gier nach Beute angeblich so stark war, dass zwei Gruppen von Kolonisten offen gegen seinen Befehl revoltierten und die Kolonie verließen, um Piraten in der Karibik zu werden.180 Allerdings ist anzumerken, dass sich Ralegh aufgrund der geänderten politischen Lage 1617 über ein Verhalten beschwerte, das er früher noch gefördert hatte. Er selbst hatte in den 1580ern stets mehrere Schiffe auf Kaperfahrt entsandt, und seine erste Virginia-Kolonie auf der Insel Roanoke war in Verbindung mit Freibeutertätigkeit geplant.181 In den Quellen zu seinen Virginia-Projekten lassen sich weitere, teilweise dramatische Schilderungen von Interessengegensätzen zwischen Seeleuten und Kolonisten finden, bei denen auch die beiden jeweiligen Befehlshaber in Streit miteinander gerieten, was einen dritten typischen Konfliktfall darstellt. Bereits bei der ersten Expedition beschwerte sich Ralph Lane über Verzögerungen während der Überfahrt durch die von Richard Grenville gewählte Route.182 Die Tatsache, dass Grenville auf dem Rückweg mit einer Prise mehr Vermögen und Ansehen erwarb als Lane, der sich hingegen für seinen Rückzug aus Amerika rechtfertigen musste, dürfte seine Vorwürfe noch verschärft haben.183 Die Geschichte der City of Ralegh, die John White 1587 177 So in Thevet 1557  ; Léry 1578  ; Barré 1557 und der frühen Anlyse von Lescarbot 1609 und 1617. 178 Walter Raleghs Apology, hier zitiert nach Edwards 1988, S. 196. 179 Der Bericht über Leighs Reise wurde erstpubliziert in  : Hakluyt PN 1600 III, S. 195–201  ; Edition in  : Quinn NAW IV, S. 68–74  ; vgl. Quinn 1966, S. 378f. 180 Siehe zu den Vorwürfen Laudonnières an seine Kolonisten mit weiteren Verweisen Kapitel 4.1.4. 181 Andrews 1985, S. 11. 182 Ralph Lanes Discourse of the First Colony von 1585/86 ist ediert in  : Quinn 1955, S. 255–294. 183 Williams/Nicholls 2011, S. 66f.

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gründen wollte, ist schließlich ein besonders deutliches Beispiel für Konflikte zwischen Seeleuten und Kolonisten.184 White gab dem Navigator und Befehlshaber zur See, Simão Fernandez, und dessen Gier nach Prisen die Schuld daran, dass die Kolonisten zu spät und am falschen Ort abgesetzt wurden. Auch in den Berichten über die vergeblichen Versuche, in den folgenden Jahren Versorgungsgüter zu liefern und seine Familie zu retten, gab er immer wieder Seeleuten und ihren Freibeuterambitionen die Schuld. Auch wenn Angriffe auf andere Schiffe sicherlich das primäre Konfliktfeld waren, kamen in den Quellen weitere Vorwürfe hinzu. Zum einen vergriffen sich die Seeleute an den Vorräten der Kolonie, um ihre eigenen Bestände zu schonen. William Strachey beklagte das als häufiges Übel und empfahl, dass der Master zukünftig für die Sicherheit der Vorräte verantwortlich und für Verluste haftbar sein sollte.185 Ein Vorschlag, an dem besonders bemerkenswert ist, dass er erst nach mehr als 100 Jahren transatlantischer Seefahrt gemacht wurde. Das selbstsüchtige Vorgehen der Seeleute kritisierte Strachey zum anderen auch bezüglich ihres eigenmächtigen Tauschhandels mit den Indigenen.186 Für ihn und John Smith lag hierin – wie bereits im Kontext von Jamestown geschildert – ein erhebliches Problem, da die Seeleute die Preise verderben würden und zugleich knappe indigene Waren an sich brächten, um sie dann selbst an die Kolonisten zu verkaufen. Auch Verbote hätten wenig geholfen, da die Seeleute nachts mit kleinen Booten zum Handeln gefahren seien. Dies belegt, dass die Befehlshaber vor Ort als Angehörige der Virginia Company keine Autorität für die Seeleute auf den Schiffen darstellten, die oft nur für den Transport gechartert waren. Außer Gier warfen viele Autoren den Seeleuten, speziell einzelnen Navigatoren, außerdem noch Unfähigkeit vor. Zweifel an der Kompetenz ihrer Besatzung vereint – um einige Beispiele zu nennen – Marc Lescarbots Schilderungen seiner eigenen Reiseerfahrungen in der Histoire de Nouvelle France, die Berichte über Gilberts zweite Reise 1583, die Irrfahrt der Verstärkung für die Wiapoco-Kolonie der Gebrüder Leigh 1603, John Whites und Ralph Lanes Klagen über Simão Fernandez 1585 respektive 1587. Nur in wenigen Fällen liegen Aussagen der beschuldigten Seeleute über die Ereignisse vor, die dann jedwede Verantwortung von sich wiesen, wie Gilberts Navigator 1583.187 Diese Beispiele sind jedoch nicht losgelöst von ihrem diskursiven Zusammenhang zu sehen. Fragt man nach der Bedeutung, die diesen Darstellungen jenseits der Informationsübermittlung zukommt, und der Funktion, die sie für Autoren erfüllen, so ergibt sich Folgendes  : Zunächst fällt auf, dass die Kritik an den Seeleuten an den 184 Über John Whites Bericht und seine Deutung als eine Apologia Moran 2007, S. 203–220. 185 Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964, S. 72–74. Vgl. Edition Haile 1998, S. 424f. 186 Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964, S.  73f. Vgl. Edition Haile 1998, S.  424f. u. Smith 1624, S. 44f. 187 Patterson 1897.

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gängigen Moralvorstellungen orientiert war. Sie erscheinen als gierig, eigensinnig und, beispielsweise bei John White oder Laudonnière, klar als Gegenpol zu den guten Kolonisten. Bereits John Rastell argumentierte 1517  : But they that were the venteres Have cause to curse their maryners Fals of promys and dessemblers, That falsly them betrayed Whiche wolde take no paine to saile farther Than their owne lyst and plaesure Wherefore that vyage and dyvers other Such kaytyffes have distroyed188

Die strenge Trennung von moralisch verdorbenen Seeleuten und Kolonisten zieht sich von 1517 durch Schriften im gesamten Betrachtungszeitraum, bis hin zu John Smiths und William Stracheys Klagen über die Sabotage der Kolonie durch die Seeleute und Claude d’Abbevilles Ratschlag für Kolonisten, sie sollten niemals Streit mit den Seeleuten suchen. Durch die klare Benennung dieses »Anderen« in den Texten erscheinen die Kolonisten als eine Einheit mit gemeinsamen Zielen, selbst wenn ihre Konflikte untereinander und ihre heterogenen Interessen wie bei John Smith zuvor ausführlich beschrieben wurden. Die Trennung von Seeleuten und Kolonisten im Diskurs steht auch in Wechselwirkung mit einer ganz pragmatischen Funktion der Seeleute als Sündenböcke für den Ausgang kolonialer Projekte. Ihnen und speziell ihrer Gier oder Unfähigkeit die Verantwortung zuzuschreiben, entlastete die zurückgekehrten oder niemals ans Ziel gelangten Befehlshaber, die meist selbst die Quellen verfassten oder Autoren mit Informationen versorgten. Dies galt sowohl, wenn die Befehlskette für Kolonie und Flotte getrennt war, als auch für den Fall, dass ein Gesamtbefehlshaber wie Walter Ralegh oder Humphrey Gilbert eingesetzt war. Gerade in letztem Fall ist zu beachten, dass die Befehlshaber drohende Meuterei der Seeleute auch als Vorwand genutzt haben könnten, um ihre eigenen Entscheidungen als erzwungen zu begründen.189 Dass die fehlende Borddisziplin den Anführern von ihren Zeitgenossen wiederum nicht zum Vorwurf gemacht wurde, könnte darauf hindeuten, dass nach allgemeiner Überzeugung Seeleute nicht beliebig zum Gehorsam gezwungen werden konnten. Diese Schuldzuschreibung erfüllte noch einen zusätzlichen Zweck, wenn es um Stürme, Flauten oder andere Naturgewalten ging. Um zu verhindern, dass darin ein 188 Zitat  : John Rastell 1517, Edition Axton, S. 49f. Vgl. Quinn NAW I, S. 170  ; siehe auch Fitzmaurice 2004 S. 29–31. Kaytyffes hier gemeint als Verbrecher, Gauner. 189 Dies wäre eine mögliche Deutung der Reise von Charles Leigh nach Ramea 1597, die aber auf Lücken in der Überlieferung zielt und daher spekulativ ist.

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Eingreifen Gottes gegen das koloniale Projekt gesehen wurde, boten Verweise auf die moralische Verdorbenheit der Seeleute oder ihr Versagen angesichts einer göttlichen Prüfung wichtige Auswege, um Investoren und Fürsprecher zu umwerben. Verbindet man die moralisch aufgeladene Trennung der Seereisenden in distinkte Gruppen von Seeleuten und Kolonisten mit der Vision vom jeweiligen Ursprungsland als kolonialer Macht, wie Richard Hakluyt oder Marc Lescarbot sie propagierten, können »die schlechten Seeleute« als Beispiele dafür gelten, wie das Streben nach Eigennutz dem Erreichen einer besseren Zukunft für das Commonwealth entgegenwirkt. Sie erfüllen daher ähnliche abstrakte Funktionen wie die Zweifler oder die nur an kurzfristigem Profit orientierten Händler. Doch wie im Kontext der Konfrontation mit den Naturgewalten ausgeführt, ist die Stigmatisierung der Seeleute zwar die überwiegende, aber nicht die einzige Form ihrer Präsentation in Texten. Es besteht auch ein positives Gegenbild vom heroischen Seemann, der zum Ruhm seiner Nation herausragende Taten vollbringt. Das beste Beispiel hierfür im Betrachtungszeitraum sind die Schriften von George Best und Dionyse Settle über die Frobisherexpeditionen, in denen explizit der einfache Seemann zur positiven Identifikationsfigur wird. In den meisten Fällen ist der positive Blick aber wie üblich auf die Person der Befehlshaber fokussiert, denen die Leistung der Mannschaft zugeschlagen wird oder die ihre Taten sogar trotz einer unmoralischen oder unfähigen Besatzung vollbrachten. Die Option, Seeleute positiv darzustellen, wurde aber nur sehr selten im Kontext kolonialer Projekte gewählt. Sie fand eher Verwendung in Berichten über Vorhaben, die navigatorische Leistungen wie neue Handelsrouten oder Fortschritte auf der Suche nach der Nordwest- und Nordostpassage zum Ziel hatten, und auch besonders deutlich bei der in Historiographie und Populärgeschichte oft thematisierten heroischen Konfrontation mit spanischen Schiffen. 4.1.3 Die Neue Welt – Umwelteinflüsse und indigene Akteure

Wenn es ihnen gelungen war, den Ozean zu überqueren, standen die Kolonisten in Amerika vor neuen Herausforderungen, die in sehr unterschiedlichen Darstellungen der Landesnatur und der Bewohner des Kontinents Ausdruck fanden. Trotz aller Vielfalt lassen sich aber Gemeinsamkeiten bei der mentalen Erfassung des Raumes »Neue Welt« durch die Akteure erkennen, dessen Benennung bereits darauf verweist, wie subjektiv und eurozentrisch seine Wahrnehmung war. Eine Vielzahl von Informationen, die bei früheren Seereisen und Erkundungen Amerikas erworben wurden, vermengte sich mit älteren, tradierten Wissensbeständen und prägte so, zum neuen gültigen Wissensstand geworden, Erwartungen und Zielsetzungen. Dies beeinflusste wiederum die Quellen, die im Kontext erfolgloser kolonialer Projekte entstanden und in denen die vorhandenen Wissensbestände dann erneut bestätigt oder modifiziert werden konnten. Allerdings führte die von Reisenden und Kolonisten vor Ort beobachtete Landesnatur nicht automatisch zu einer Revision bestehender Kenntnisse, sondern wurde in

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den Quellen meist den Erwartungen angepasst. Amerika wurde in der Frühphase der Kolonisierung daher, wie in der Forschung mehrfach betont wird, weniger entdeckt, als vielmehr durch die Kombination von Gesehenem mit Erwartetem erfunden.190 Dies fand Ausdruck in der Gleichsetzung der Südspitze Grönlands als einst von König Artus beherrschte Insel Frizeland bei Frobisher und in der langen vergeblichen Suche nach der 1522 beschriebenen See des Verrazzano und dem Isthmus von Nordamerika. Ein weiteres Beispiel ist der lange Glaube an eine Landbrücke zwischen Asien und Amerika im hohen Norden.191 Auch bezüglich des Klimas bestätigt sich, dass die Erfahrung eher von der Erwartung geprägt war als umgekehrt. Bereits bei der Untersuchung des Wissenstandes in der Zeit um 1530 zeigte sich, dass die Annahme vorherrschte, Gebiete auf demselben Breitengrad würden ein gleiches Klima aufweisen. Diese Theorie erwies sich als überaus langlebig und ist, wie Hill festgestellt hat, teilweise noch in Quellen des 18. Jahrhunderts fassbar.192 Im 16. und frühen 17.  Jahrhundert erwarteten viele Investoren und neue Kolonisten daher bei Neufundland ein Klima wie in Schottland, in Virginia eines wie in Süditalien und in Florida und den Carolinas Bedingungen wie im Heiligen Land. Dies führte dazu, dass Kolonisten insbesondere die nördlichen Regionen tendenziell wärmer einschätzten, als sie tatsächlich waren, was sich im Falle Frobishers und mehrerer französischer Projekte in Kanada als fatal erwies.193 Diese Vorstellung blieb trotz eigener Anschauung der realen Landesnatur weitgehend resistent, wie der Plan und Versuch belegt, nach zwei Expeditionen zwischen Eisbergen in einer baumund strauchlosen Permafrostlandschaft einen Außenposten auf der Baffin-Insel zu errichten. Auch die Bewertung des Klimas bestätigt, dass der Wunsch meist Vater des Gedankens war. Englischen Autoren galt ein Klima als besonders empfehlenswert, das als temperate, also gemäßigt, charakterisiert wurde. Damit bezeichneten sie das lobenswerte Mittelmaß zwischen Extremen, was auch der aristotelischen Moralvorstellung entsprach, als besonders gut für die Gesundheit galt und angeblich sogar zum Charakter der Engländer passte.194 Hitze hingegen war explizit negativ konnotiert und mit der Angst verbunden, dass Engländer in den Tropen nicht auf Dauer gesund le-

190 Prägend hierfür war die Studie O’Gorman 1961 mit dem Titel The invention of America  ; vgl. Hulme 1992  ; Borge 2002, S.  151  ; MacMillan 2006, 151  ; Gewecke 1986, S.  59–89  ; Scouten 2002, S. 34–39. Exemplarisch  : Gagnon/Petel 1986, S. 103f. Siehe auch den Titel der deutschen Übersetzung von Pagden 1996  : Das erfundene Amerika. 191 Milanesi 1993, S.  15–68  ; Gagnon 1984, S.  20f.; König 1993, S.  182f.; In vielen Kartendarstellungen wurde die Möglichkeit noch bis ins 18. Jahrhundert offengehalten. Erst dann bestätigte eine Expedition endgültig die Trennung Amerikas und Asiens. 192 Kupperman 1984, S. 215f.; Hill 2013, S. 7–12 und S. 26f. Probasco 2013, S. 67. 193 McGhee 2006, S. 159. 194 Vgl. Hill 2013, S. 48f. Siehe als Beispiel den Entwurf für ein koloniales Projekt von Hayes und Carleill 1591, in  : Quinn NAW III, S. 156–172.

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ben könnten.195 Die Folge war jedoch nicht, dass Autoren über ihre eigene Erfahrung berichteten, Hinweise für ein Leben in heißem Klima gaben oder vor bestimmten Gegenden warnten, sondern dass sie für jede Region, die sie zur Kolonisierung empfehlen wollten, die temperateness des Klimas hervorhoben, egal ob es sich um Virginia, Neuengland, Neufundland oder Guyana handelte. Solche eine Gleichsetzung von Landschaften, die in Wirklichkeit sehr verschieden waren, ist ein über klimatische Aspekte hinausgehendes Phänomen der Literatur, die im Kontext kolonialer Projekte in England und Frankreich entstand. Die Autoren verschoben Erfahrungen und Beobachtungen zwischen unterschiedlichen Regionen und stellten räumliche Nähe her, wo erhebliche Distanzen bestehen. Cartiers Berichte galten als Quelle über Neuengland, Hakluyt übertrug angebliche Schätze in Florida nach Virginia, und Raleghs Buch über Guyana wurde genutzt, um Informationen für den Umgang mit heißem Wetter in Jamestown zu geben.196 Der Zugang zu Raleghs Goldreich Guyana wiederum wurde sowohl am Orinoko wie am Wiapoco vermutet, deren Mündungen mehr als 1000  Kilometer voneinander entfernt sind. Diese Hinweise zeigen, dass in dieser frühen Zeit Nähe und Distanz diskursive Größen waren und dem argumentativen Bedarf entsprechend verändert werden konnten. Dahinter musste aber keine bewusste Manipulation der Investoren stecken, denn das Verhalten der aktiv an den Projekten Beteiligten zeigt, dass die fluiden Raumvorstellungen sie tatsächlich bei ihren Handlungen leiteten. Das prominenteste Beispiel hierfür ist sicherlich die Vorstellung von einer Passage in den Pazifik, deren mutmaßliche Lage und Verlauf sich mit neuen vergeblichen Expeditionen immer wieder veränderten.197 Die Passage war für englische und französische Expeditionen und für viele Autoren, die koloniale Projekte bewarben, das wichtigste Ziel. Dies führte Rowse zu der Aussage, dass Amerika in der Vorstellung der Europäer lange Zeit nur ein Hindernis auf dem Weg nach Asien gewesen sei.198 Rowse vernachlässigt dabei jedoch die Tatsache, dass schon bei Jacques Cartier die Idee einer Passage durch den Kontinent mit kolonialer Expansion verbunden war. Edward Hayes, Christopher Carleill und Samuel de Champlain führten die Idee weiter und warben, nachdem die Suche nach einer reinen Seepassage erfolglos geblieben war, in ihren Schriften für Kolonien, die Asienhandel durch Flussnetzwerke betreiben.199 Inwiefern sie dabei ihre eigene Überzeugung wiedergaben oder nur potentielle Unterstützer anziehen wollten, kann zwar nicht ermittelt werden, ändert aber nichts an der 195 Kupperman 1984, S. 214–224  ; Hill 2013, S. 22 und S. 34f. 196 Für ein Beispiel zum Gebrauch von Raleghs Buch in Jamestown  : Kupperman 1984, S. 226. 197 Roper 1998, S. 90–153  ; Skelton 1964, S. 19–22  ; Baldwin 2007, S. 1757–1759 und S. 1771f. Zur Bedeutung der Suche nach einer Nordwestpassage insgesamt Allen 1994. 198 Rowse 2003, S. 206f. 199 Champlain 1613  ; Auch erkennbar in den Instruktionen für die Virginia Company of London für die Kolonie Jamestown, ediert in  : Quinn NAW V 197f. und 200–205  ; für die koloniale Vision Hayes und Carleills Hakluyts siehe Quinn NAW III S. 156–172, hier S. 170f.

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noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts bestehenden diskursiven Verknüpfung zwischen der Kolonisierung Nordamerikas und dem Ziel, Asien zu erreichen. Diese Verknüpfung galt aber nicht unumschränkt, denn bereits 1555 verfolgte Villegagnon in Brasilien ein Projekt, das auf lokalen Handelsverbindungen aufbaute und das auch ohne Kontakte mit Asien Profit erzielen sollte. Auch bei den Floridaprojekten, die ab 1562 deutlich näher an der angeblich 1522 gefundenen See des Verrazzano mit dem Isthmus des Nordens lagen, stand die Passage nicht im Fokus.200 Die Projekte in Brasilien und Florida waren bekanntermaßen dem Ziel der Missionierung und der Erwirtschaftung von Profiten vor Ort gewidmet und durch die konfessionspolitische Entwicklung in Frankreich motiviert. Insbesondere in Florida hofften die Kolonisten, dem spanischen Vorbild folgend, Gold zu finden. Die Suche nach Gold bot, neben der Eröffnung einer Handelsroute nach Asien, im Allgemeinen ein zweites ökonomisches Ziel für koloniale Projekte. Dies zog Investoren an und war für Zeitgenossen so bedeutsam, dass sie die Suche nach einer Nordwestpassage zugunsten von kolonialen Vorhaben in Amerika aufgeben konnten, wie die Beispiele Cartier/Robervals und Frobishers zeigen. Rückschläge und die allgemeine moralische Kritik an Reichtum und Müßiggang führten zwar dazu, dieses Ziel im Diskurs herunterzuspielen, doch die ständige Suche nach Minen, die Berichte über mutmaßliche Funde und angebliche Erzählungen der Indigenen darüber zeigen, dass es in der kolonialen Praxis nicht an Bedeutung verlor. Somit waren die zeitgenössischen Akteure davon überzeugt, dass, wie beispielsweise Ralph Lane in seinem Bericht über die erste Roanoke-Kolonie schrieb, Gold oder eine Passage als Grundlage für eine dauerhafte Kolonie unabdingbar waren.201 Der klare Vorrang dieser beiden Ziele bedeutet jedoch nicht, dass keine Alternativen diskutiert worden wären. Schon Humphrey Gilbert, später Edward Hayes und Christopher Carleill sowie Thomas Harriot planten und bewarben Siedlungskolonien, die auch ohne Goldminen profitabel und für das eigene Land vorteilhaft sein sollten.202 In Frankreich wiederum galt der Pelzhandel ab den 1580ern als alternative Einkommensquelle, sofern er monopolisiert werden könnte, wie De Monts, Champlain und Poutrincourt anregten. Eine weitere Veränderung ergab sich, als nach 1600 im englischen Diskurs und in Frankreich sowohl im Diskurs wie auch in der Praxis die schon immer präsente Missionierung der Indigenen an Bedeutung gewann und in Frankreich sogar Mitglieder des Hofstaates zu Investitionen bewog. All diese Vorhaben konnten natürlich mit der Hoffnung auf Gold und eine Passage verbunden sein,

200 Allerdings weist auch René de Laudonnière in seiner Histoire notable bei der Darstellung der Reise seines Vorgängers Ribault auf eine Passage ins Südmeer hin, Edition in  : Lussagnet 1958, S. 27–200, hier S. 55. 201 Ralph Lane  : Discourse of the First Colony, Edition in  : Quinn 1955, S. 255–294, hier S. 273. 202 Zu Gilberts Expedition 1582/1583 als Umbruchsmoment vgl. Parker 1965, S. 108.

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waren aber so konzipiert, dass sie auch ohne diese Verheißungen wirkten. Sie belegen somit einen zunehmend differenzierteren Blick auf Amerika als kolonialen Raum. Teil dieser Differenzierung war es, den Kontinent genauer zu erfassen und einzuteilen. Hierfür nutzten die Autoren von Berichten oder Werbeliteratur unterschiedliche Möglichkeiten, indem sie Flüsse und Gebirge als Markierungen nutzten oder aber auf die mutmaßlichen Grenzen indigener Herrschaftsbereiche verwiesen. Gerade bei letzterem zeigt sich, dass Europäer die Raumvorstellungen indigener Akteure rezipierten, die jene ihnen mittels Kartenskizzen von Flussläufen, aber auch durch Visualisierungen politischer Abhängigkeiten mit Stöcken, Steinen und gezeichneten Symbolen deutlich machten.203 Die Angaben der Indigenen verarbeiteten die Europäer dann anhand ihrer eigenen zeitspezifischen Vorstellungen von Grenzen und Herrschaftsbereichen, was sich in den Reiseberichten in der Nennung von durchquerten oder besuchten indigenen Ländern und Reichen widerspiegelt.204 Die Übernahme indigener Einteilungen des Raumes war jedoch meist nur kurzfristig und wich in der Regel bald Neubenennungen, die Ausdruck der eurozentrischen Weltsicht und des daraus abgeleiteten Herrschaftsanspruchs der Europäer waren.205 Virginia, Meta Incognita, New England, Acadie, Nouvelle-France, France antarctique und France équinoxiale sind hierfür ebenso Beispiele wie Namen von Flüssen, Inseln und Bergen. Zwar lassen sich auch Ausnahmen anführen, doch die grundlegende Haltung der englischen und französischen Kolonisten bleibt deutlich erkennbar. Ihr Herrschaftsanspruch zielte insgesamt aber nicht nur auf die Hegemonie über die indigene Bevölkerung Amerikas, sondern richtete sich vor allem gegen Einflüsse anderer Europäer auf das beanspruchte Gebiet. Dies zeigt sich deutlich daran, dass die in England und Frankreich selbst proklamierte, eigene koloniale Identität – wie dargelegt – eng mit der Vorstellung verbunden war, exklusive Ansprüche in einem imaginierten, mit der europäischen Mächtepolitik verwobenen, kolonialen Wettbewerb durchsetzen zu müssen. Um den Widerspruch zwischen den eigenen kolonialen Vorhaben und den ab 1493 proklamierten exklusiven Ansprüchen der Herrscher Spaniens und Portugals derart aufzulösen, dass französische und englische Kolonien nicht per se einen Friedensbruch bedeuten würden, vertraten prokoloniale Akteure in England und Frankreich die Sichtweise, dass nur realer Besitz und kein bloßer Anspruch Herrschaftsrechte begründe.206 Diese Lesart machte Nordamerika und Guyana/Brasilien 203 Short 2009. 204 So Harcourt im Titel seiner Relation von 1613, John Smith in seiner Map of Virginia, aber auch Laudoniére in seiner Histoire und die deutschen Konquistadoren in ihren Schilderungen aus Venezuela. Verbunden damit ist die Einteilung indigener Siedlungsgemeinschaften in Königreiche mit spezifischen Herrschern, denen dann Kompetenzen ähnlich einem europäischen Souverän unterstellt werden, so beobachtet auch  : Cook 2007  ; Lestringant 1987. 205 Pagden 1996, S. 48–58. 206 Diese Deutung ist im Kontext der Ralegh-Expeditionen näher ausgeführt, siehe Kapitel 3.3.2, siehe zur Übersicht kurz  : Pagden, 1995, S. 81  ; Seed 1992, S. 194  ; Probasco 2013, S. 33.

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zu legitimen Projektionsflächen für Hoffnungen auf eine Ausweitung des eigenen Machtbereichs nach den Friedensschlüssen von 1598 und 1604. Bemerkenswerterweise hinderte die Kritik an Ansprüchen ohne realen Besitz weder die Könige von England noch Frankreich daran, selbst Patente zur Besitznahme weiträumiger Gebiete zu verleihen, so dass beispielsweise die Virginia Company ihre Kolonie Jamestown als Rechtsgrundlage heranzog, um die Franzosen 1613 gewaltsam von der Küste der heutigen maritime provinces Kanadas zu vertreiben. Hier zeigt sich einmal mehr die Möglichkeit zur argumentativen Verschiebung von Nähe und Ferne – argumentierte Walter Ralegh doch im Jahr 1617, es sei selbstverständlich, dass ein kleines Fort am Orinoco den Spaniern keine Herrschaft über ganz Guyana geben könne.207 Auch Samuel de Champlain und seine Partner erhielten Ansprüche auf ein weitläufiges Gebiet, von wo explizit alle »étrangères« ausgeschlossen sein sollten.208 Amerika war somit zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den europäischen Diskursen ein Raum geworden, in dem eigene Machtansprüche nicht nur potentiell etabliert werden konnten, sondern auch gegen Konkurrenten durchgesetzt werden mussten. Diese Haltung lässt sich in Frankreich deutlich früher als in England erkennen, als um 1550 Brasilien und 1562 Florida zu Räumen kolonialen Handelns und im Diskurs zu kolonialen Sehnsuchtsorten gemacht wurden. Die Engländer folgten mit eigenen Erfahrungsberichten zu Virginia 1587 und Guyana 1595, in denen sie wie im Folgenden zu zeigen ist, eigene Sehnsuchtsorte erfanden. Dies führt zur Differenzierung von zwei gegensätzlichen Formen der Darstellung naturräumlicher Gegebenheiten in Quellen, die im Kontext kolonialer Projekte in England und Frankreich entstanden. Es handelte sich um die Präsentation als ein Paradies und Ort des Überflusses einerseits und als ein von Mangel und unmittelbaren Bedrohungen geprägter Gefahrenraum andererseits. Für die diskursive Verarbeitung der Projekte, die bis nach Amerika kamen, aber dort ihre Ziele nicht erreichten, waren diese zwei Leitbilder prägend, denn das erste machte argumentative Ausweichstrategien erforderlich, um das positive Bild vom Land nicht zu gefährden, während das zweite mit seiner Negativität dazu führte, bestimmte Ursachen klar zu benennen und ins Zentrum der Ausführungen rücken. Die Vermittlung eines durchweg positiven Amerikabildes entsprach Erwartungen, die bereits Kolumbus in seinem Brief aus der Neuen Welt und die ihm folgenden Konquistadoren geweckt hatten. Es war mit tradierten Elementen aus Erzählungen von einem prähistorischem goldenen Zeitalter und dem irdischen Paradies verbunden, was dieser Beschreibung vermutlich im Diskurs Glaubwürdigkeit und Relevanz verlieh.209 207 Ralegh  : Apology ediert in  : Edwards 1988, S. 226–248  ; und sein Brief an Jakob I. vom 24. September 1618, ebd. S. 251–252. 208 Siehe die Lettres Patentes für Henri de Bourbon, ediert in  : Le Blant/Baudry 1967, S. 233–238, hier S. 235. 209 Pagden 1996, S. 23f.; Neuber 1991, S. 238  ; Brednich 1992, S. 23f.; Frübis 1995, S. 19f.; Gewecke 1986, S. 64–66, 91f.

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Autoren, die mit dieser Vorstellung für eine Kolonisierung warben, versprachen eine weitgehend mühelose Versorgung und schnellen Reichtum. Sie beschrieben die Pflanzen und die Tierwelt Amerikas im Hinblick auf die nutzbringenden Ressourcen, sei es Wild, Geflügel, Fisch, Tabak, Sassafras oder Brasilholz. Dabei schilderten sie auch fremdartige neue Pflanzen, aber mehr noch solche, die auf demselben Breitengrad in Europa heimisch waren. In diesen Texten schien eine Neue Welt nur darauf zu warten, dass jemand sich ihrer Reichtümer bemächtigte, und Thomas Harriot ging so weit, von den Ressourcen ausgehend, bereits die fertigen Produkte und Handelswaren aufzuzählen, die sich in Amerika herstellen ließen.210 Neben Thomas Harriots sind auch Walter Raleghs Werke und George Peckhams Werbeschrift, die beiden Reiseberichte von James Rosier 1605 und John Brereton oder Predigten der Virginia Company Beispiele für dieses Vorgehen.211 William Symonds versprach 1609 sogar explizit, dass Virginia mehr als jedes andere Land der Welt dem Garten Eden gleiche.212 Noch vor all diesen Werken erschien in England jedoch 1563 die Übersetzung von Jean Ribaults Bericht über Florida, deren Pioniercharakter für die Amerikabeschreibung in der englischen Forschung meist ignoriert wird, vermutlich weil der Autor kein Engländer war und keine Reise von Engländern beschrieb.213 Dennoch legte er den Grundstein für den von Scouten so benannten »Land of Plenty«-Topos.214 Auch Teile von Laudonnières Floridabericht und in abgeschwächter Form Passagen bei Lescarbot bedienten diese Vorstellung. Le Challeux hingegen erwähnte 1566, dass seine Mitreisenden diese idyllische Vorstellung teilten, kontrastierte sie aber mit einer düsteren Realität vor Ort.215 Die Existenz der Vorstellung von mühelosem Reichtum und Nahrung im Überfluss lässt sich jedoch auch jenseits der Texte fassen, beispielsweise bei der in Kapitel  3.1 beschriebenen Inszenierung Brasiliens beim feierlichen Einzug Heinrichs II. in Rouen 1550. Gegen Ende des Betrachtungszeitraums bekräftigten die Kapuziner, die 1612 in Maranhão siedelten, diese Vorstellung mit Texten, in denen sie Kaufleuten Gold, Ambra und Zucker in Aussicht stellten.216 Eine Besonderheit der englischen Quellen im Vergleich zu den französischen ist die bei Walter Ralegh, Richard Hakluyt und William Symonds erkennbare, ausgeprägte 210 Fuller 1995, S. 50f.; Moran 2007, S. 109 und S. 130. 211 Moran 2007, S. 57 verortet die Entstehung vieler Topoi von einer positiven Landesnatur im Text von Christopher Barlowe, verkennt dabei aber wichtige Vorläufer wie den Text von Ribault. 212 Symonds 1609, S. 26. 213 Beispielswiese verortet Moran 2007 die Entstehung der Topoi der mühelosen Versorgung, der großzügigen Gastlichkeit der Indigenen in Nordamerika viel später. Eine Ausnahme ist Scouten 2002, S. 55. 214 Scouten 2002, S. 78f. und S. 79–89, für eine beispielhafte Analyse von Harriots Report auf diesen Aspekt hin, siehe S. 89–111, zum Gebrauch des Topos in Hakluyts Werk, S. 78–81. 215 Le Challeux 1566, Edition Lussagnet 1958, S. 201–240, vgl. Mahlke 2005, S. 118–128. 216 Abbeville 1612a, dort ist ein profitorientierter Brief der Kapuziner an einen Ausrüster zitiert S. 15f.; vgl. auch einen publizierten Brief des Kapuziners Arsène an seinen Provincial in Obermeier 1995, S. 74f.

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Feminisierung des positiv geschilderten Amerikas, die in der Forschung vielfach thematisiert wurde.217 Ralegh schilderte im Falle Guyanas in sexualisierter Sprache, dass dessen »Maidenhead« noch unverdorben sei und er selbst sich ehrenhaft zurückgehalten und Guyanas geheimste Schätze vorerst unangetastet gelassen habe.218 Hakluyt hingegen schrieb in der Widmung seiner Neuausgabe der Decaden des Petrus Martyr an Ralegh, dass es für ihn Zeit sei, das als »the fayrest of nymphs« bezeichnete Land Virginia zur Braut zu nehmen, damit alle, die Virginia für unfruchtbar hielten, sehen könnten, wie er mit ihr Nachkommen hervorbringe.219 Diese Metaphern ließen sich aber nicht nur gegen weniger tugendhafte Europäer richten, welche die Jungfräulichkeit der Neuen Welt gefährdeten, sondern auch gegen die indigene Bevölkerung.220 Diese wird gewissermaßen als unfähig dargestellt, das Land selbst zur Braut zu nehmen, so dass es auf die maskulinen Europäer warten müsse  – eine Lesart, die auch durch die ausdrückliche Hervorhebung der Bartlosigkeit der Indigenen bekräftigt wurde, die sie als weiblich oder knabenhaft erscheinen ließ.221 Derartig positive Amerikabilder waren zwar ein häufiges Mittel, um für koloniale Expansion zu werben, brachten zugleich aber eine Reihe von Problemen innerhalb des Diskurses und bei der Durchführung weiterer Projekte mit sich. Zum einen widersprachen solche Versprechungen der Kritik des mühelosen Reichtums und des Müßiggangs, die eigentlich europaweit etabliert war. Diese Unschärfe in der Argumentation war jedoch vermutlich weniger an sich problematisch als vielmehr infolge der sich ergebenden Konsequenz, dass die Verheißungen des Reichtums genau diejenigen Kolonisten und Investoren ansprachen, die man eigentlich für ihr Streben nach Profit kritisierte und deren kurzfristige Interessen sich in der Praxis als nachteilig erwiesen hatten. Dementsprechend warf auch Le Challeux 1566 einem Teil seiner Mitreisenden vor, aus reiner Gier nach Florida gefahren zu sein und somit Gottes Zorn hervorgerufen zu haben.222 Andererseits gerieten die Vertreter dieses Amerikabildes in Debatten in Bedrängnis, wenn sie nicht bereit waren, ihre Vorstellung von einem nahezu perfekten Amerika trotz Rückschlägen aufzugeben. Sie mussten daher die Kritiker im Ursprungsland lä217 Vgl. Bach 2000, S.  42  ; Borge 2007, S.  170f. Zum Gegensatz von Virginia als Jungfrau und Neufundland als Amme siehe Fuller 2008, S. 153. In der Forschung am wenigsten Beachtung findet der Gebrauch dieser Analogie bei Symonds 1609, S. 7f. der Amerika als Jungfrau schildert, die Gott mit einem Kind segnen müsse – einer »Maiden Britannie« die dann neben der »Great Brittanie« in Europa stehe. 218 Ralegh 1596  ; Ebenso Anonymus 1618. 219 So Hakluyt im Vorwort seiner Ausgabe von Petrus Martyrs Decaden, englische Fassung ist ediert in  : Quinn 1955, S. 513–515  ; vgl. Mackenthun 1997, S. 163f.; Borge 2007, S. 170f. 220 Borge 2002, S. 181. 221 Hinzu kommt die Zuschreibung von als weiblich konnotierten Charaktereigenschaften. Siehe Wehrheim-Peuker 1998, S. 190 222 Le Challeux’ Bericht ist in Französisch ediert in  : Lussagnet 1958, 201–240. Diese Ausgabe wird in der französischen Forschung häufig genutzt.

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cherlich machen, diskreditieren und aus dem Diskurs ausgrenzen. Dabei zeigte sich erneut der argumentative Widerspruch zwischen dem positiven Amerikabild und der im Diskurs proklamierten Moral, denn wenn ein Kritiker anmahnte, dass die in Aussicht gestellten Reichtümer nicht vorhanden waren, wurde ihm von den Apologeten der Kolonisierung moralische Verdorbenheit vorgeworfen.223 Sie griffen ihn also dafür an, dass er ihren Texten geglaubt hatte. Eine Alternative, um Kritik aufzugreifen, ohne das Amerikabild zu ändern, bestand darin, die Kolonisten vor Ort dafür verantwortlich zu machen, dass sie trotz der perfekten Umwelt keine Profite erwirtschaftet hätten. Eine andere Alternative bot die Transzendierung. Sie ermöglichte, es als Gottes Willen darzustellen, dass Projekte, speziell von Kolonisten aus anderen europäischen Ländern, gescheitert waren. Mit solchen Wendungen vermieden die Autoren jeden Gegensatz zwischen der in leuchtenden Farben geschilderten Landesnatur und den dürftigen Ergebnissen der Reisen. Ein weiteres Problem für zukünftige Vorhaben war, dass diese Vorstellung von Amerika die Verbreitung von Wissen über mögliche Schwierigkeiten und Methoden zu deren Überwindung behinderte. Grund hierfür war, dass die Autoren vorzogen, für potentielle Investoren ein positives Amerikabild zu entfalten, statt ihren Lesern konkrete Informationen zu geben. Die Folgen wogen umso schwerer, als die glorifizierenden Texte eine weitaus größere Reichweite erlangten als die oft unpublizierten neutralen oder punktuell kritischen Berichte, die Rückschläge und Gefahren genauer darlegten. Letztere erschienen oftmals nur in den Sammelwerken von Richard Hakluyt und Samuel Purchas, während beispielsweise Harriots True Report und Raleghs Guyanabericht mehrfache Auflagen, Übersetzungen und Nachdrucke erhielten. Dementsprechend waren in der Vorbereitung der Jamestown-Kolonie und ihrer Anfangsphase kaum Bezüge auf die negativen Erfahrungen in Virginia erkennbar, wie sie Ralph Lane und John White formuliert hatten. Weil im Diskurs positive Eindrücke dominierten, herrschten bei den Investoren wie auch bei den Kolonisten selbst unrealistische Erwartungen vor, die vor Ort fatale Folgen haben konnten.224 Angesichts der Nachteile stellt sich die Frage, warum Autoren das geschönte Bild über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg verbreiteten. Hierzu ist anzumerken, dass es keineswegs immer in eindeutiger Form vorkam und durchaus mit Nuancierungen, beispielsweise durch Abgrenzung guter und schlechter Regionen, verbunden werden konnte. Dennoch galt es offenbar als geeignetes Mittel, um dem weitaus größeren Problem der fehlenden finanziellen Unterstützung und der mangelnden Aufmerksamkeit der Krone und des Hofes entgegenzuwirken. Außerdem waren derartige Texte auf dem Buchmarkt erfolgreich. Sie erreichten auch im Alten Reich mehrere Auflagen und Neuausgaben, was auf ein Interesse und eine gewisse Zustimmung zu der darin vermittelten Vorstellung von Amerika hindeutet, die sich in die tradierten Asienreisen 223 Kupperman 1982, S. 1283. 224 Mackenthun 1997, S. 38–43.

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und biblischen Erzählungen einfügte. Zu beachten ist außerdem, dass Autoren sich in der Regel in einer Konkurrenzsituation verorteten, so dass diejenigen, die den Topos vom Land des Überflusses nicht bedienten, letztlich das Risiko eingingen, mit geringeren Versprechungen um dieselbe Zielgruppe zu werben. Es gibt jedoch auch Darstellungen, deren Autoren das positive Bild Amerikas deutlich kontrastierten und in einigen Fällen sogar in Gänze negative Aspekte in den Vordergrund stellten. Solch ein Vorgehen ist allerdings generell seltener zu finden und dann wiederum kaum so eindeutig, wie in Dionyse Settles Beschreibung der Baffin Insel, auf der Frobishers Männer unter extremen Bedingungen Gold abbauten.225 Die französischen Quellen über Kanada, in denen Jacques Cartier, Samuel de Champlain und andere Autoren harte Winter, Krankheiten, Hungersnöte sowie die geringe Fruchtbarkeit bestimmter Landstriche beschrieben, waren hingegen zugleich voll des Lobes für das Klima im Sommer oder die Landschaft des St. Lorenztales. Diese positiven Akzente änderten jedoch wenig daran, dass Kanada als Siedlungsort in Frankreich zu Beginn des 17. Jahrhunderts einen eindeutig schlechten Ruf hatte.226 Schlagwörter wie Cartiers Einschätzung der Küstenregionen als »La terre que Dieu donna à Caïn« brachten diese Einschätzung auf den Punkt.227 Die Vorbilder solcher Schilderungen waren spanische Konquistadorenberichte, die eine erfolglose Goldsuche und vergebliche Koloniegründungen thematisierten. Monika Wehrheim-Peuker stellte beispielsweise in Bezug auf Florida zusammenfassend fest, dass vor dem französischen Siedlungsversuch 1565 ein Bild von der Halbinsel und der benachbarten Gebiete als Raum des Mangels und der Gefahr zirkulierte.228 Irrwege, auf denen es keine Vorräte gab, und das Fehlen der erhofften Reichtümer prägten die Berichte der Konquistadoren ebenso wie verhängnisvolle Stürme. Viele dieser Schilderungen, die auch andere Räume betrafen, fanden Eingang in Francisco Lopez de Gomaras einflussreiche Historia de las indias, die ab 1552 erschien und in Frankreich mehrere Auflagen erzielte. Sowohl die spanischen als auch die deutschen, englischen und französischen Autoren nutzten die Hervorhebung negativer Aspekte auf unterschiedliche, miteinander kombinierbare Weise in ihren Texten. Deren naheliegendste Funktion war es, einer unbezähmbar wilden oder unfruchtbaren und lebensfeindlichen Natur die Schuld am Misserfolg zuzuschreiben. Die Natur wurde dabei zu einem Hindernis, das entweder unüberwindbar war oder dessen Überwindung so geringen Nutzen im Verhältnis zum Aufwand brachte, dass es klüger gewesen wäre, darauf zu verzichten. So begründete Cartier seinen Rückzug zweimal mit einem harten Winter, und auch die Autoren, die über Robervals Kolo225 Settle 1577, vgl. Householder 2003, S. 88–90. 226 Zu diesem schlechten Ruf vgl. Heidenreich 2010, S. XVIII  ; Dickason 2001, S. 93–96. 227 Gagnon 1984, S. 24  ; Trudel 1973, S. 13, zum Zitat aus dem Bericht über Cartiers erste Reise, siehe Dickason 1993, S. 297. 228 Wehrheim-Peuker 1998, S. 48–55.

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nie schrieben, hoben Kargheit und Mangel hervor. War der Rückzug noch nicht erfolgt, konnte hingegen die Härte der Umwelt nicht nur dazu genutzt werden, bisher ausbleibende Erfolge zu entschuldigen, sondern auch, um Bitten um Unterstützung größeres Gewicht zu verleihen. So ging beispielsweise Fernando Gorges 1608 in einem Brief an Robert Cecil vor, als er um Hilfe für die bedrängte Pophamkolonie der Virginia Company of Plymouth bat.229Auch die deutschen Anführer oder Mitglieder von Expeditionen in Venezuela schilderten extremes Klima und Nahrungsmangel als Ursachen für den Abbruch ihrer Reisen. Hierin folgten sie eng den spanischen Vorlagen, in denen das Land selbst derart zum Feind der Eroberer wurde, dass ein Rückzug keine Schande bedeutete.230 Solch eine Argumentation konnte über eine bloße Rechtfertigung deutlich hinausgehen und zu einer Heroisierung der Protagonisten vor dem Hintergrund der in düsteren Farben beschriebenen Landschaft genutzt werden.231 Im Falle der Berichte über die Frobisher-Reisen, aber auch in Lescarbots Schilderungen der Überwinterungen von de Monts und Poutrincourt entsteht explizit das Bild von Amerika als Ort, an dem Männer sich als Helden nach Vorbild antiker Heroen wie Odysseus oder der Argonauten erweisen. Eine weitere Deutung führte Donegan an, die in der Beschreibung erlebten Mangels und erlittenes Leidens in harscher Umgebung einen Initiationsprozess zur Kreierung einer kolonialen Identität in den Amerikas sieht.232 Diese These belegt sie beispielsweise anhand des Berichts von George Percy, der den Hunger der Engländer, Spanier und Franzosen zu einer allgemein üblichen Leidenserfahrung mache. Autoren konnten die negative Zeichnung des Landes außerdem nutzen, um dem Leser späteres Unheil anzukündigen und eine bedrohliche Stimmung für die folgenden Berichte zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist der Bericht des Calvinisten Pierre Richer über Brasilien, der mit einem düsten Landschaftsbild »terres horribles et solitaires« in die Konfessionskonflikte in Villegagnons Kolonie einführt.233 Diese Zeichnung spitzt er noch zu, um die Leistung des von ihm angegriffenen Villegagnon zu diskreditieren, indem er dessen Insel als »seiche, sablonneuse, infertile, et inutile à tout usage d’hommes, et de bestail« beschreibt. 234 Das Bild der Umwelt musste allerdings keineswegs statisch negativ sein, sondern konnte sich auch vom anfänglich Positiven ins Negative entwickeln, so dass eine chronologisch nuancierte Darstellung entstand, die sich insgesamt zwischen den Extremen 229 Brief von Fernando Gorges an Robert Cecil vom 7. Februar 1608, zitiert nach  : Quinn NAW  III, S. 440f. Vgl. Thayer 1892, S. 137–139, Zitat S. 138. 230 Siehe hierzu die Analyse der Heroisierung Philipp von Huttens durch Moritz 2014. Zu dieser Wendung und der Inszenierung gefährlicher Landesnatur in spanischen Berichten generell WehrheimPeuker 1998, S. 36–52. Für die deutschen Konquistadoren siehe Jahn 1993, zu Federmann S. 201– 204  ; zu Ulrich Schmidl, S. 221–224. 231 Zur Nutzung von Gefahren und Rückschlägen als Legitimationsinstrument Burghartz, 2005. 232 Donegan 2014, insgesamt siehe speziell S. 92f. zu Percy. 233 Lestringant 1980, S. 168, zitiert Richers Refutation. Fol. 20r. Zur Argumentation, S. 171. 234 Ebd. S. 192.

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bewegt. Solch eine Entwicklung ist zwar rein pragmatisch durch den Wandel der Jahreszeiten und den Verbrauch nahegelegener Ressourcen zu erklären, sie erhält aber von den Autoren auch eine bestimmte Funktion, wenn bei Ralph Lane wie auch bei René de Laudonnière die sich schrittweise verschlechternde Lage der Kolonie mit einem zunehmend düsteren Bild des umgebenden Landes und der Bevölkerung verbunden ist.235 Mehrfach wird in den Texten eine Wechselwirkung zwischen dem Mangel und einer den Europäern feindlichen Umwelt einerseits sowie internen Konflikten und Spannungen in der Kolonie andererseits beschrieben, wie die Berichte über Laudonnières Florida, Jamestown und andere zeigen. Je nachdem, ob ein Autor versuchte, sich selbst für den Ausgang der kolonialen Unternehmung zu rechtfertigen, oder ob er deswegen Vorwürfe erheben wollte, war der Mangel entweder die Ursache für interne Spannungen oder aber deren Folge. Hier ist insbesondere der zweite Fall interessant, weil er erlaubte, die Fiktion von einem Land of Plenty aufrechtzuerhalten, indem beispielsweise Befehlshaber den Indigenen vorwarfen, den Mangel durch Feindseligkeit herbeigeführt zu haben. Standen diese Schilderungen noch oft im Zusammenhang damit, dass sich die Ereignisse insgesamt negativ entwickelten, so zeigte sich gegen Ende des Betrachtungszeitraums generell eine Neigung zu differenzierten Darstellungen der amerikanischen Umwelt. Hierzu gehörte auch, die Aussicht auf Minen und eine Passage als nur langfristig mögliche Ergebnisse zu präsentieren und andere, unmittelbare Profitquellen wie Pelzhandel, Fischerei oder Ressourcen für den Schiffsbau hervorzuheben. Samuel de Champlain berichtete beispielsweise in sachlicher Sprache von den langen, harten Wintern am St. Lorenz, die durch idyllische, ressourcenreiche Sommer ausgeglichen werden würden.236 Dieser Trend dürfte eine Reaktion auf das vielfach beschriebene Problem sein, dass Investitionen nicht langfristig getätigt wurden und insbesondere erste Enttäuschungen zu psychologisch großen Hürden wurden. Im Vergleich zeigt sich, dass französische Autoren diesen Stilwechsel früher vollzogen als englische.237 Ein rein pragmatischer Grund hierfür könnte gewesen sein, dass die Engländer 1600–1606 jeweils nur im Sommer für einige Wochen das Festland besuchten, während die Franzosen, speziell Samuel de Champlain, mehrfach nicht nur überwinterten, sondern auch die typische Abfolge – Ankunft im Sommer, Isolation im Winter, Hungerphase im Frühjahr und dann Abbruch der Unternehmung – überdauerten und einen erneuten Sommer erlebten. Ähnliche Erfahrungen machten die 235 DePasquale 1999, S.  109  ; Mackentun 1997, S.  153–161. Bei Lane steht das Lob der überaus schönen und reichen Landesnatur in frühen Briefen in deutlichem Kontrast zu den späteren Berichten. Siehe Ralph Lane  : Brief an Richard Hakluyt, 3. September 1585, ediert in  : Taylor 1935, Dok 51, S. 346f. Eine ähnliche Verschlechterung der Landschaft im Laufe der Darstellung beschreibt Bisnar 2003, S. 122. 236 Quinn 1998d, S. 20. 237 Kupperman 1982, S. 1271.

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Engländer erst in Jamestown. Daher ist es wenig überraschend, wenn Champlain und später John Smith als frühe Beispiele für die von Francis Bacon in dessen Essay Of Plantations 1625 deutlich artikulierte Haltung stehen können, dass es notwendig sei, offen die schwere Aufbauphase jeder Kolonie anzusprechen. Die Leser sollten erfahren, dass harte Arbeit aller Beteiligten, der Wille, Not und Mangel zu ertragen, sowie die Bereitschaft der Investoren, längere Zeit auf Profite zu verzichten und sich dauerhaft zu engagieren, unabdingbar waren, um eine dauerhafte Kolonie zu gründen.238 Diese Entwicklung war aber lediglich eine Tendenz und keineswegs eine zielgerichtete Erfolgsgeschichte pragmatischen Denkens und Schreibens. Weder in England noch in Frankreich verschwanden die idyllischen Landesbeschreibungen vollständig. Für Frankreich lässt sich hier das Beispiel Marc Lescarbots anführen. Er beschrieb das Land in seinen kleineren Schriften überaus positiv, ließ aber in seinem Hauptwerk Raum für Differenzierungen.239 In der Histoire de Nouvelle France griff er die Erfahrungen des harten Winters explizit auf und berichtete von Mangelerfahrungen der Franzosen zu seiner Zeit und in der Vergangenheit. Allerdings stellte er die Probleme als lösbar dar, indem er bestimmte Vorgehensweisen empfahl, wie die vorsichtige Wahl des Siedlungsortes im Verhältnis zu Wind und Sonnenstand. Außerdem grenzte er die Probleme räumlich ein, in dem er ausführte, dass zwar manche Regionen Kanadas schlecht für eine Siedlung geeignet wären, jedoch die von ihm und Poutrincourt favorisierte Acadie umso mehr zu loben sei. Auch in der Propaganda der Company of Virginia, deren Autoren deutlich weniger Wert auf differenzierte Töne legten, kamen ähnliche Methoden zum Einsatz. Nachdem einige Zeit jedwede negative Darstellung unterdrückt und ein rein positives Bild gezeichnet worden war, gingen die Autoren nach der Starving Time dazu über, Mangelerfahrungen zuzugeben. Als Ursache benannten die Verfasser allerdings uneinige und streitende Kolonisten oder feindselige Indigene.240 In den Texten erscheinen dementsprechend alle Probleme nicht als naturräumlich bedingt, sondern als von Menschen gemacht und damit lösbar.241 Dazu passte auch, dass die Verfasser wie Lescarbot Probleme lokal begrenzten. Sie führten die in Jamestown herrschenden Krankheiten nicht auf die Umwelt Virginias insgesamt, sondern entweder auf das angeblich nur unmittelbar bei der Kolonie verdorbene Trinkwasser zurück oder darauf, dass die Siedler während der Überfahrt in der Karibik einem heißen Klima ausgesetzt gewesen waren. Autoren wie William Strachey machten so Probleme beherrschbar, sei es durch strenge Gesetze für die Kolonisten, durch die ab 1609 genutzte nördliche Seeroute oder durch die Erschließung anderer Siedlungsorte mit besserer Wasserversorgung.242 238 Bacon 1625, vgl. Borge 2007, S. 112–114. 239 Marc Lescarbot 1606  ; Ders. 1606a. 240 Counseil for Virginia 1610  : A true declaration, ediert in  : Quinn NAW V, S. 248–262, hier S. 253f. 241 Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964. 242 Counseil for Virginia 1610a  : A true and sincere declaration  ; vgl. Hill 2013, S. 159f. und S. 174f.

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Neben derartig genauen Analysen gab die Company aber auch weiterhin extrem positive Schilderungen in Druck.243 Das deutlichste Argument dafür, dass trotz der angesprochenen Tendenz zur Differenzierung kein allgemeiner, zielgerichteter Lern- und Rationalisierungsprozess vorherrschte, sind die Darstellungen Amerikas in den Predigten, die für die Company of Virginia gehalten und gedruckt wurden.244 Die zunehmend sakrale Aufladung der englischen Kolonisation mit biblischen Themen und Bezügen zu Beginn des 17. Jahrhunderts brachte es mit sich, dass die Zielregion als ein gelobtes Land idealisiert wurde.245 Diese Entwicklung ist aber keineswegs dem stärkeren Engagement geistlicher Autoren nach 1600 per se zuzuschreiben. Sie ist eine Besonderheit der protestantischen englischen Geistlichen, die sie von den in der kolonialen Praxis weitaus stärker involvierten katholischen Ordensgeistlichen in Frankreich unterscheidet. Der Aspekt der Missionierung leitet über zur Rolle der indigenen Bevölkerung in den Darstellungen der Geschichte kolonialer Projekte und ihrer Bedeutung für die Konstruktion und Vermittlung bestimmter Vorstellungen von Amerika.246 Hierbei zeigte sich im Zuge der untersuchten kolonialen Projekte mehrfach, dass indigene Akteure die Vorstellungen der Europäer von Amerika kannten und für sich nutzbar machten. Indigene konnten die Europäer insbesondere mit der Aussicht auf Gold, Silber oder eine Passage ins Südmeer leicht manipulieren. Auch Walter Ralegh schrieb in seiner Apology, dass sie genau wüssten, was sie Europäern versprechen müssten, um diese zu einer bestimmten Handlung zu bewegen.247 Ein weiteres Beispiel ist die erfolgreiche Taktik der Indigenen gegen deutsche und spanische Konquistadoren. Sie schickten die Europäer immer weiter, zu immer neuen, angeblich gerade noch erreichbaren Goldminen. Auf diese Weise gelang es in Venezuela, aber auch in Florida, letztlich die Entradas zu ermüden und ihren Abbruch zu erzwingen. Doch nicht nur Spanier waren von indigenen Informanten abhängig. Jene konnten auch andere Europäer in die Siedlungsgebiete ihrer Feinde lotsen oder versuchen, Händler in ihrer Nähe zu halten. Indigene strebten danach, Allianzen zu schmieden, gemeinsame Kriegszüge zu organisieren oder die Europäer für Kriegsdienste gegen ihre indigenen Feinde als Söldner anzuwerben, wie Laudonnière oder Champlain berichteten.248 Sie beeinflussten außerdem die Ortswahl für Kolonien wie bei Roberval, der in Kanada explizit nach dem Goldreich Saguenay suchen sollte. 243 244 245 246

Siehe Kapitel 3.3.1. Fitzmaurice 2000. Armitage 2009, S. 85. Hier liegt ein enger Fokus auf diesem Zusammenhang, da übergreifende Fragen zu Funktion der Indigenen im Diskurs über Identität und Alterität in Kapitel 4.2.3 und 4.4 näher behandelt werden. 247 Edition in  : Edwards 1988, S. 226–248, hier S. 243f. 248 Für Anfragen bezüglich gemeinsamer Feldzüge siehe beispielsweise Laudonnière, der dies in seinem Bericht schildert  : Laudonnière/Basanier 1587, vgl. die Edition in  : Lussagnet 1958, bspw. S. 112–115.

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Trotz aller notwendigen Anerkennung für diesen Einfluss ist aufgrund der Einseitigkeit des Quellenmaterials nicht endgültig zu klären, inwiefern die Ereignisse tatsächlich immer Ausdruck einer Handlungsmacht der Indigenen waren. Sie könnten auch von Autoren lediglich zur Legitimierung ihrer eigenen Vorstellungen angeführt worden sein, die Indigene in ihren Texten zu Personifikationen der Versprechen oder Erwartungen machten, die sie selbst vermitteln wollten. Unabhängig davon zeigen alle Fälle, dass die Autoren in Deutschland, England und Frankreich im Diskurs den indigenen Akteuren den Rang von Experten zuschrieben, wenn es um die Ressourcen der Amerikas ging. Während sich saisonale Handelskontakte entlang der nord- und südamerikanischen Küste zu offenbar wechselseitigem Vorteil als Routine einspielten, stellten Überwinterungen und dauerhafte Siedlungsversuche eine andere Situation dar. In diesen Kontexten prägten sowohl auf Seiten der Kolonisten wie auch der Indigenen enttäuschte Erwartungen oft den Umgang. Ausgangspunkt hierfür war, dass die Kolonisten stets von Nahrungslieferungen der Indigenen abhängig waren, da bei keinem Projekt eine eigenständige Versorgungsbasis geschaffen wurde.249 Dies war auch fast nie beabsichtigt, da die Überlegenheit der Indigenen bei der Nahrungsbeschaffung offensichtlich war und man erwartete, von ihnen versorgt zu werden. Es galt, unabhängig davon, ob Ressourcen knapp oder im Übermaß vorhanden waren, fast immer als Sache der Indigenen, ausreichend Nahrung bereitzustellen. Die Autoren prokolonialer Texte versprachen jedoch nicht nur, dass die Indigenen Nahrung liefern, sondern auch deren Mitarbeit bei der Gewinnung von Rohstoffen und Handelswaren. Das Verhalten der Kolonisten vor Ort wiederum zeigt, dass sie diese Erwartungshaltung verinnerlicht hatten. Grund hierfür waren zum einen ein ungebrochener Glaube an die Attraktivität, welche die Christianisierung und europäische Lebensweise für die Indigenen haben müssten.250 Hinzu kam zum anderen das Selbstbild der sozial höherstehenden Kolonisten, wonach Arbeit zur Beschaffung von Gemüse, Getreide oder Fisch für sie sozial unangemessen und mangels europäischer Untergebener Sache der einfachen Indigenen sei.251 Kamen diese ihrer angeblichen Pflicht nicht nach, galt dies speziell in englischen Quellen als Verrat und Heimtücke, was im Kontext der ersten RoanokeKolonie und Jamestowns Überfälle und Strafexpeditionen legitimierte. Ebenfalls zu Spannungen führte die enttäuschte Erwartung, die Indigenen seien bereit, unbegrenzt lebensnotwendige Ressourcen oder begehrte Waren wie Pelze gegen Kinkerlitzchen, Plunder oder trifles zu tauschen.252 Wenn die Indigenen nach ei249 Fuller 1995, S. 93. 250 Kupperman 2000a, S. 482f.; Luca 2004, S. 135. 251 Schmidt 2010, S. 316–318. Vgl. Kupperman 2000a, S. 479, die das Vorgehen der englischen Kolonisten mit deren Erfahrungen in Irland erklärt. 252 DePasquale 1999, S. 113–161  ; Knapp 1994, S. 124f.

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ner Weile angesichts eines Überangebotes an trifles, eines Mangels an Handelswaren oder aufgrund gestiegenen Eigenbedarfs im Winter die Preise erhöhten, galt auch das als Verrat und Heimtücke, wie aus den Berichten von Cartier, Laudonnière oder John Smith und weiteren Autoren hervorgeht, die über Jamestown schrieben.253 Die völlige Verweigerung von Handelsbeziehungen galt schließlich als Feindseligkeit, die Gewaltausübung legitimierte.254 Die europäischen Akteure zeigten dabei kein Verständnis dafür, dass Indigene, um zu überleben einen Eigenbedarf sichern mussten – inwieweit hier nur eigene Not oder auch die Vorstellung von Amerika als einem Land of Plenty wirksam war, in dem die Indigenen keinen tatsächlichen Mangel erleiden konnten, sondern ihn nur vortäuschten, ist nicht genau zu sagen. Ein Wechsel der Perspektive auf die enttäuschten Erwartungen der Indigenen, soweit sie sich aus den europäischen Quellen ableiten lassen, führt ebenfalls zuerst zum Handel und Warentausch. Die Weigerung der Europäer, begehrte Waren wie Eisen- oder Feuerwaffen zu verkaufen, so in Jamestown, oder ihr Unwille indigene Preiserwartungen zu erfüllen, bot Anlass für Spannungen. Außerdem trafen grundsätzlich verschiedene Vorstellungen von der Bedeutung eines Gabentauschs aufeinander.255 Indigene konnten darin mehr als ein Geschäft sehen, beispielsweise dauerhaft verpflichtende diplomatische Handlungen, so dass die rein materielle Perspektive der Europäer sie irritierte. Weder Jacques Cartier noch die Kolonisten bei Jamestown verstanden beispielsweise, welche immense Bedeutung ein exklusiver Zugang zu ihnen und ihren Waren für ihre indigenen Alliierten hatte. Dies erklärt aber die Versuche der Indigenen, Kontaktaufnahmen und Bündnisse der Europäer mit benachbarten Gruppen zu verhindern, beispielsweise als am St. Lorenz die Indigenen Jesus und Maria beschworen, um Cartier 1536 nicht weiter flussaufwärts ziehen zu lassen. Dies alles zeigt, dass indigene Akteure nicht weniger als die Anerkennung ihrer eigenen politischen und wirtschaftlichen Verbindungen und Grenzziehungen erwarteten  – eine Voraussetzung, welche die Europäer oft nicht erfüllten. Mehrfach finden sich außerdem Hinweise darauf, dass Akteure wie Jacques Cartier und John Smith diplomatische Interaktion mit den Indigenen nicht oder falsch verstanden und Bündnisse entweder unwissentlich ablehnten oder sie eingingen und sich dann nicht an sie hielten.256 Dies konnte unbeabsichtigt geschehen wie in Jamestown, wo der Powhatan Wahunsonacock nach der vermutlichen rituellen Aufnahme John Smiths in seine Föderation von einem festen Bündnis beider Seiten ausging und die eigenmächtige Suche nach anderen Allianzen und Handelsverbindungen als Verrat deutete.257 Es konnte aber auch bewusst erfolgen, wie im Falle Laudonnières, der 253 254 255 256 257

DePasquale 1999, S. 113f. und Scanlan 1999, S. 111–114. Householder 2003, S. 112–116. Übersicht  : Mallios 1998 und Ders. 2005. Zu Smith  : Gleach 1997, S. 117–121  ; zu Cartier  : Gagnon/Petel, 1986, S. 74f. Für weitere Belege siehe Kapitel 3.3, vgl. kurz  : Van Zhandt 2008.

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Zusagen für gemeinsame Kriegszüge mit seinen Verbündeten brach oder ihnen Gefangene wegnahm, um seinem Ziel einer umfassenden Friedensallianz aller Indigenen näherzukommen.258 Bemerkenswert ist dabei, dass Laudonnière sein Verhalten zwar dokumentierte, aber in dem Bruch von Bündnissen kein Problem sah – sofern er derjenige war, der so handelte.259 In diesem und ähnlichen Fällen zeigt sich erneut der auf hegemonialem Selbstverständnis basierende Vorrang europäischer Interessen. Obwohl Irritationen zwischen Indigenen und Europäern sowie daraus resultierende Konflikte in den Quellen besondere Aufmerksamkeit erhalten haben, konnte doch aus einigen Projekten eine positive und konstruktive Beziehung zur indigenen Bevölkerung entstehen. Grund für derartige Berichte könnte sein, dass einige Unternehmungen rasch abgebrochen wurden oder nur Quellen über ihren Anfang vorliegen wie bei den englischen Guyanaprojekten von Leigh, Harcourt, Roe und anderen. Allerdings konnten auch langlebigere Vorhaben wie Lescarbots und Champlains Projekte positive Beziehungen hervorbringen. Insgesamt lassen sich konstruktive und kooperative Interaktionen vor allem dann ausmachen, wenn nur kleine Gruppen von Europäern vor Ort waren, die sich zeitweise selbst versorgen konnten, beispielsweise durch Jagd, Fischfang oder Vorräte. Für diese Projekte war wie in Guyana oder im Québec die Arbeitskraft der Indigenen und der Handel mit ihnen essentiell, um Profite zu erwirtschaften. Dabei übernahmen die Europäer aber nicht die Kontrolle, sondern ordneten sich als Tausch- und Bündnispartner, die ihre Absprachen einhielten, an das Ende der indigenen Handelsketten ein. Indem sie die Rolle der indigenen Zwischenhändler und der Truchements oder Factors, welche die indigene Lebensweise kannten, respektierten, vermieden sie diplomatische Missgriffe. Ein in den Quellen tendenziell sehr positiv geschilderter Faktor war schließlich noch die Missionierung, welche angeblich in der Acadie und in Maranhão die Indigenen und Franzosen zu einer dauerhaften Allianz verband. Die Zweifel der Jesuiten Biard und Massé an der Missionierung, die der Weltgeistliche Fleché in der Acadie durchführte, deuten aber darauf hin, dass die Begeisterung der Konvertierten und die Wirkung der Christianisierung tendenziell übertrieben dargestellt wurde – selbst wenn zu bedenken bleibt, dass die Jesuiten mit ihrer Kritik eine eigene Agenda verfolgten. Phasen friedlicher Koexistenz beförderten einen generell positiven Blick auf die Indigenen, deren Kooperation von fast allen in dieser Untersuchung behandelten Akteuren geschätzt wurde. Während die französischen Kolonisten insgesamt erfolgreicher beim Aufbau von Allianzen mit den Indigenen waren, nahm Walter Ralegh individuell eine herausragende Stellung ein. Er ließ von 1585 bis 1597 freiwillige In258 Laudonnières Beschreibung seiner Politik gegenüber den Verbündeten zeigt deutlich, dass das Erreichen der erhofften Goldminen und neue Bündnisse mit den Indigenen, die sie kontrollieren, für ihn über Treue zu seinen früheren Verbündeten geht. Siehe Laudonnière/Basanier 1586, Edition Lussagnet 1958, S. 108–113, und die Anmerkung der Herausgeberin, S. 108. 259 Boucher 2009, S. 140–151  ; Dickason 1984, S. 195–198.

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digene nach England bringen, die den Atlantik mehrfach überquerten, organisierte eine Sprachausbildung durch Thomas Harriot und schuf die Basis für Allianzen, die in Guyana noch 1617 wirksam waren.260 In England wie in Frankreich ist hierbei die Tendenz erkennbar, in Publikationen die Indigenen mit den eigenen Vorfahren gleichzusetzen und sie als den Galliern oder Pikten ähnlich zu präsentieren.261 Diese Vergleiche sind in mehrfacher Hinsicht interessant, da sie zum einen zeigen, dass die Verfasser die Zuschreibung von Primitivität nur als eine temporäre Eigenschaft der Indigenen verstanden, nicht als eine unveränderliche. Zum anderen boten die europäischen Autoren damit zugleich eine Perspektive auf die mögliche Zukunft der Indigenen, indem sie das Vorbild der römischen Expansion bemühten. Die Autoren gaben ihren Landsleuten die historische Rolle der Römer als Bringer von Christentum und Zivilisation und entschuldigten damit zugleich auch gewaltsame Bekämpfung der indigenen Lebensweisen und Glaubensvorstellungen als langfristig ebenso vorteilhaft wie die Romanisierung ihrer eigenen Völker.262 Eine deutliche Ausnahme von der allgemein positiven Darstellung Indigener waren die Predigten, in denen für die Kolonie Jamestown geworben wurde. Ihre Verfasser orientierten sich an der Deutung Amerikas als neues Kanaan – eine Erzählung, die letztlich auf Vertreibung der indigenen Bevölkerung und die Besiedlung des Landes mit Rechtgläubigen hinauslief.263 Diese erst ab 1609 in England öffentlich vertretene Sichtweise lief dem offiziellen Ziel der Missionierung zuwider und erforderte daher eine radikal negative Darstellung der Indigenen als zur Missionierung ungeeignet. Prediger wie Alexander Whitaker spitzten dies dahingehend zu, dass sie die indigenen »priests« als Diener des Teufels bezeichneten und ihre Gefangennahme oder sogar Tötung forderten.264 Diese Schilderungen ähnelten den wenigen Konquistadorenberichten aus dem Alten Reich, wie dem von Nikolaus Federmann, der sich durch die Bezwingung angeblich bestialischer Wilder zum Helden erheben wollte. Von diesen Ausnahmen abgesehen galt sowohl in England als auch in Frankreich fast immer die Kooperation der Indigenen als Voraussetzung dafür, die Ressourcen 260 Vaughan 2002. 261 So beispielsweise bei Lescarbot und prominent in John Whites Zeichnungen für Thomas Harriots True Report mit seinen zahlreichen Ausgaben. Vgl. Scanlan 1999, S. 50–65  ; Mancall 1995, S. 18  ; Fitzmaurice 2004, S. 157–159  ; Mahle 2005, S. 217–228. Zu André Thevet Lestringant 1994, S. 64–66. Bei Richard Eden ist das Argument eher indirekt  : Campos 2000, S. 64–66. 262 Die Identifikation der englischen Landsleute als römische Zivilisationsbringer und Missionare war aber keineswegs ohne Alternativen. Hodgkins 2002, S.  26 und 40f. stellte heraus, dass John Dee versuchte, eine genuin englische christliche Tradition unter König Artur zu erfinden, der die Römer vertrieben und eine englische Kirche begründet habe. Diese Traditionsbindung fand jedoch nur wenige Anhänger. 263 Scouten 2002, S. 202–209  ; Kupperman 1980, S. 166–168. Eine Ausnahme in der Anwendung ist Crashaw 1610, der explizit die Mission statt der Vertreibung als Ziel vorgibt, S. 44–46. 264 Deutlich durch die Gleichsetzung mit Hexen in England  : Whitaker 1613, S. 23.

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Amerikas zu finden und Kolonien zu errichten.265 Den Lesern eine freundliche und kooperative indigene Bevölkerung zu präsentieren, war somit ein wesentliches Argument, um Investoren und Fürsprecher zu gewinnen. In den französischen Texten schloss diese Sichtweise auch mutmaßliche Kannibalen ein und galt in England selbst dann, wenn mit Spannungen gerechnet wurde, etwa in den Instructions by the way of Advice, die Richard Hakluyt für die Virginia Company verfasste.266 Zwar beschrieb er darin Konflikte mit den an der Küste lebenden Indigenen als unvermeidlich, wenn diese erführen, dass die Engländer permanent in Virginia bleiben wollen, empfahl aber diese Information geheim zu halten und Bündnisse im Hinterland zu schließen. Daher ist es wenig überraschend, dass offene Konflikte mit Indigenen nur sehr selten, wie bei Jamestown oder auf San Lucia oder bei spanischen und deutschen Entradas vom ersten Moment an ausgetragen wurden, sondern in den meisten englischen und allen hier behandelten französischen Projekten erst nach einer in den Quellen als überaus positiv beschriebenen Anfangsphase eskalierten.267 Durch die Beschreibung solch einer negativen Entwicklung konnten die Befehlshaber oder ranghohen Kolonisten, die sich für den Ausgang einer Unternehmung und ihre Rückkehr rechtfertigen wollten, die Indigenen leicht als externe Verursacher für den Ausgang der Unternehmung benennen. Wenn es darum ging, das Land weiterhin positiv darzustellen, konnten sie außerdem die Indigenen dafür verantwortlich machen, dass die angeblich vorhandenen Ressourcen nicht erschlossen werden konnten. Für die Vorstellungen von Amerika, die in Europa kursierten, konnte solche Schuldzuweisung jedoch negative Folgen haben. Sie widersprach mindestens der Aussicht auf eine kooperative Ressourcenausbeute und konnte in extremen Fällen, wenn die Autoren die schlechte Natur der Indigenen mit der des Landes argumentativ verschränkten, auch gegen Kolonisierung allgemein sprechen. Hierfür sind die Schilderungen der Frobisher-Reisen ein Beispiel. Vorteilhafter war es dagegen, anderen Europäern oder interkulturellen Grenzgängern die Schuld an der Feindseligkeit der Indigenen zu geben. Englische Autoren machten von diesem Argument in Texten über Neuengland wie auch über Guyana Gebrauch.268 Diese Erklärung bot mehrere Vorteile, konnte aber nur dann vorgebracht werden, wenn es für die Leser wahrscheinlich war, dass andere Europäer die Indigenen bei häufigen Kontakten beeinflussten und aufhetzten. Sie entlastete die Engländer vor Ort, stellte die Indigenen als manipulierbar dar und bot so die Aussicht, sie zukünftig selbst gegen andere Europäer zu wenden. Somit 265 Siehe Schmidt 2010. 266 Vgl. Donegan 2014, S. 72–77  ; vgl. Barbour 1969 I, S. 49–54. 267 Kupperman 2000a, S.  488 hebt hervor, dass in englischen Quellen fast immer Begründungen für diese Entwicklung gegeben werden, um die Gewalt zu rechtfertigten. Ein Beispiel für die Entwicklung zum Negativen ist auch Laudonnières Bericht, in dem er die kultische Verehrung der Indigenen für französische Hoheitszeichen thematisiert, welche de Bry in Bildern fasste, und so einen Kontrast zu späteren Spannungen schafft. 268 Vgl. Cave 1995, S. 638. Siehe für weitere Belege Kapitel 3.3.2.

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konnten eine momentane Bedrohung für die Kolonie und Konflikte mit den Indigenen thematisiert werden, ohne Argumente gegen weitere Kolonisierung in Gänze zu liefern. Denselben argumentativen Vorteil boten auch Berichte über den häufigen Fall, dass entführte oder freiwillig nach Europa gereiste Indigene die Kolonisierung entgegen aller Erwartung nicht unterstützten, sondern bekämpften. Wanchese bei Roanoke, Skidwarres am Sagahadoc, Donnaconas Söhne am St.  Lorenz, Don Luis an der Chesapeake Bay und andere gelten in den Quellen daher als die Verursacher von Spannungen, Handelsboykotten und offenen Konflikten, die es ohne sie angeblich nicht gegeben hätte. Am einfachsten ließen sich mit dem positiven Amerikabild jedoch Schilderungen in Einklang bringen, in denen Konflikte darauf zurückgeführt wurden, dass die Indigenen von den Kolonisten provoziert worden seien.269 Dies lässt sich am Beispiel der Reaktion auf Ralph Lanes Bericht über die Roanoke-Kolonie 1585 verdeutlichen, in dem er den Indigenen vorgeworfen hatte, sie trügen Schuld am Nahrungsmangel und dem Ausbruch von Gewalt. Seine Darstellung brachte sowohl Thomas Harriot in seinem True Report wie auch Richard Hakluyt dazu, ein Gegenbild zu zeichnen.270 Beide beklagten die Konflikte als verständliche Reaktion der Indigenen auf eine unbegründete Provokation von Seiten der Europäer, die durch Gier und den schlechten Charakter einiger Kolonisten ausgelöst worden sei. Damit bedienten sie im Diskurs bestehende moralische Standards und mussten ihr überaus positives Bild der Indigenen nicht revidieren. Kam es tatsächlich zum Ausbruch von Konflikten, die nicht rasch zugunsten der Kolonisten entschieden wurden, sondern zu einer Isolation der Kolonie, Nahrungsmangel, Todesfällen oder sogar zur Aufgabe des Projektes führten, so lag hierin ein deutlicher Widerspruch zu dem eigenen Überlegenheitsanspruch.271 Diese Überzeugung beruhte einerseits auf den Geschichten über die Triumphe weniger Konquistadoren über indigene Armeen und andererseits auf dem positiven Indigenenbild in der Werbeliteratur. Harriot, Rosier und Brereton schilderten beispielsweise übereinstimmend die Indigenen als Menschen ohne Kriegswaffen, die keinerlei Gefahr für Kolonisten darstellten. In ihren Werken ist, so auch bei Edward Hayes, der Wunsch erkennbar, lieber einem bereits bei Kolumbus etablierten positiven Topos zu folgen, als konkrete Erfahrungen zu vermitteln.272 In englischen Texten überlagert daher die Schlussfolgerung völliger eigener Überlegenheit die Schilderungen indigener Jagdtechniken wie Schleichen und Bogenschießen sowie indigener Kriegsführung. Einer der wenigen Autoren, die eine andere Sicht vermittelten, war Strachey in seinem True Reportory, worin er ausführte  : »And it is true, the indian killed as fast without, if our men 269 Borge 2007, S. 173. 270 Householder 2003, S. 142–148  ; Moran 2007, S. 77. 271 Mackenthun 1997, S. 146. 272 So Hayes Discourse im Anhang des erweiterten Reiseberichts Brereton 1602.

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stirred but beyond the bounds of their blockhouse, as famine and pestilence did within.«273 Sein Bericht wurde jedoch wegen seiner negativen Darstellung der Kolonie längere Zeit unterdrückt. Französische Autoren wie Léry, Thevet oder Champlain widmeten der Schilderung indigener Kriegszüge und Taktiken sowie ihrer Gefährlichkeit für einzelne Europäer größeren Raum, zweifelten aber auch nicht an der eigenen Überlegenheit. Champlains Selbstdarstellung als mehrfacher, beinah alleiniger Bezwinger einer indigenen Übermacht ist hierfür ein Beispiel.274 Dass die Indigenen dennoch die Kolonisten zeitweise in schwere Bedrängnis bringen konnten, erklären die Autoren der Quellen durch Heimtücke und Überfälle auf einzelne, unvorsichtige Engländer und Franzosen, so in Florida oder bei Jamestown. Diese Angriffe waren ihnen zur Folge Teil von Blockaden und Belagerungen, welche die Kolonisten langsam dermaßen zermürbten, dass sie wie beispielsweise Cartier oder Ralph Lane angeblich hätten abreisen müssen. Indigene Erfolge kamen den Quellen nach fast nie durch einen Sieg in offener Konfrontation wie auf San Lucia zustande. Nur wenig häufiger gestanden die Verfasser den Indigenen als Verbündete anderer Europäer militärischen Erfolg in offener Konfrontation zu wie in Florida 1565 und bei France équinoxiale 1615. Somit blieb der Widerspruch zum Ideal eigener Überlegenheit gering. Für die Autoren, die für weitere koloniale Projekte werben wollten, bot die Erwähnung dieser indigenen Taktiken außerdem den Vorteil, dass sie mit ihrer Erzählung von einer positiven Landesnatur vereinbar war. Nahrungsmangel in der Kolonie lag in dieser Lesart nur an der Gewalt der Indigenen, die wiederum eigentlich friedlich waren und nur auf eine Provokation reagiert hatten. Ein Fazit kann angesichts der heterogenen, bereits innerhalb einzelner Quellen widersprüchlichen Schilderungen nur bedingt gezogen werden. In Bezug auf die Bedeutung, die indigenen Akteuren in der Vorstellung der Autoren von Amerika als kolonialem Handlungsort eingeräumt wird, ist es daher angebrachter, anstelle von einer definitiven Aussage von einer Skala auszugehen. Diese Skala der europäischen Vorstellungen beginnt mit einer Präsentation des Landes als Ort des friedlichen Zusammenlebens und gemeinsamen Wirtschaftens von Indigenen und Europäern. Nach französischen Vorstellungen konnte sich hieraus durch die Missionierung sogar eine Siedlungsgemeinschaft von Kolonisten und Indigenen ein neues Frankreich in Übersee entwickeln. Den Gegenpol der Skala stellt die Vorstellung von einem zwar physisch bewohnten, aber rechtlich und aufgrund mangelnder Nutzung eigentlich leeren Landes dar, das zur Besitznahme und Besiedelung durch die Europäer aufruft. Die Indigenen spielen hierbei lediglich eine Rolle als Aufbauhelfer, bis Kolonien etabliert sind, in denen europäische Siedler unter sich leben und selbst Profite erwirtschaften. 273 Stracheys True Reportory, Edition Wright, S. 64. 274 So beispielsweise sein legendärer Schuss, der drei Feinde tötete – darunter zwei gegnerische Anführer, wie er in seinen Voyages von 1632 erzählt, siehe die Edition Champlain/Biggar IV, S. 80–99, hier S. 83.

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Eine Verortung der englischen und französischen Quellen auf dieser Skala zeigt folgende Tendenzen  :275 In englischen Quellen herrscht über den größten Teil des Betrachtungszeitraums ein insgesamt positives Gesamtbild der Indigenen vor, das aber tendenziell zunehmend durch Vorwürfe unterminiert wird. Während Harriot und Ralegh die Indigenen lobten, zeichneten Ralph Lane und zahlreiche spätere Autoren im Kontext Jamestowns ein deutlich negativeres Bild. Die französischen Autoren hingegen beschrieben die Indigenen kontinuierlicher in einem positiven Licht, wobei auch hier schon früh vereinzelte Gegenstimmen, wie die von Laudonnière kursierten. Außerdem differenzierten die Franzosen situationsbedingt zwischen indigenen Alliierten und deren indigenen Feinden. Diese positivere Tendenz ergab sich sicherlich auch daraus, dass die französischen Kolonisten seltener in eine direkte Konfrontation mit Indigenen gerieten, sondern im Gegensatz zu den Engländern unter Angriffen anderer Europäer litten. Wenn man statt der Schilderung der Indigenen die der Landesnatur vergleicht, so zeigt sich eine gegenläufige Tendenz. Die naturräumliche Darstellung Amerikas ist in englischen Quellen positiver und häufiger idealisiert als in den französischen. Französische Autoren gingen hingegen früher und deutlicher, wie in Bezug auf Kanada erkennbar, auf Probleme ein, die sich aus der Umwelt ergaben, und suchten dagegen die Unterstützung und Kenntnisse indigener Akteure. Dies bedeutet aber nicht, dass über Florida, Brasilien oder einige Regionen Kanadas nicht auch extrem positive Darstellungen kursierten. Die Folge dieser beiden, trotz aller Heterogenität im Diskurs erkennbaren Tendenzen war, dass in englischen Texten eher die eigene Nutzung des Landes und eigene Besiedlung im Zentrum standen.276 Hierzu passt, dass die Missionierung zwar argumentativ immer mehr an Bedeutung gewann, aber in Jamestown bis 1615 nur in einem Fall erfolgte – bei Matoaka/Pocahontas. In Frankreich hingegen lässt sich nach 1600 eine tatsächlich stärkere Neigung zur Missionierung erkennen. Darüber hinaus sind mindestens zwei Visionen von einem gemeinsamen Leben in Städten und Siedlungsverbünden in Quellen belegt, einmal für Kanada und einmal für Brasilien. Beide beobachteten Tendenzen sind aber nicht ohne Gegenbeispiele und nicht einmal ohne Widersprüche innerhalb der einzelnen Quellen. Diese Einschränkung ist umso wichtiger, als diese Beobachtungen zu einer vereinfachten Rückprojizierung der späteren unterschiedlichen Kolonialgeschichte verleiten könnten. Außerdem ist festzuhalten, dass die Frage, inwiefern die zeitgenössischen Vorstellungen die kolonialen Praktiken 275 Die deutschen Quellen sind aufgrund ihrer geringen Zahl, knappen Umfangs und Schwerpunkte kaum vergleichbar. Sie zeigen allerdings eindeutig ein an die spanischen Konquistadorenberichte angelehntes Bild von Amerika als Gefahrenraum. 276 Pointiert  : Pagden 1995, S. 37  ; vgl. Macmilan 2006, S. 9  ; Dagegen schrieb Schmidt, dass die Planer englischer Projekte nach Unterwerfung der Indigenen ein dauerhaftes Zusammenleben anstreben würden. Dies passt jedoch kaum zur Praxis in Jamestown und zum Gebrauch der Kanaan-Erzählung, Schmidt 2010, S. 309–328.

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prägten oder ob sie die Folge der Rezeption der Erfahrungen in Übersee waren, vorerst nicht eindeutig beantwortet werden kann. Es ist daher eine Aufgabe für zukünftige Detailstudien, gezielt nach der Wechselwirkung und Verflechtung beider Faktoren zu fragen. 4.1.4 Die Kolonie – Aufstände, Tyrannei und verhängnisvolle Erwartungen

In der historischen Forschung wird angeführt, dass in der Frühen Neuzeit erstmals Thomas More in seinem Werk Utopia den antiken Terminus colonia für eine jenseits des Meeres gelegene Siedlung verwendete.277 Als Humanist kannte More sowohl die Wortbedeutung, die auf landwirtschaftliche Erschließung abzielte, als auch den historischen Hintergrund der römischen Siedlungspolitik und griff diese auf.278 Er beschrieb den Idealstaat Utopia, der auf einer Insel vor der Küste Amerikas liege, von wo aus dessen Bewohner eine für Thomas More mustergültige Kolonialpolitik betrieben.279 Die Utopians nutzten Kolonien als Mittel gegen Überbevölkerung und hätten Tochtersiedlungen mit intensiver Landwirtschaft auf dem Festland errichtetet, dessen Bewohner – so More – mehr Land hätten, als sie nutzen können. Die ursprünglichen Bewohner des amerikanischen Festlandes hätten angesichts der überlegenen Landwirtschaft der Utopians dann meist den Wunsch, die Gesetze und Lebensweise der Kolonisten anzunehmen und Teil von deren Gemeinschaft zu werden. Sollten die Indigenen dazu jedoch nicht bereit sein, dann würden die Kolonisten sie vertreiben und dabei auch Gewalt einsetzen. Legitimiert sei dies dadurch, dass nicht nur Menschen, sondern auch der Boden nicht nutzlos sein dürfe, was More sowohl durch Verweise auf antikes Recht wie auch auf den Willen Gottes begründet.280 Auch wenn More damit ein eindeutiges Konzept dafür schuf, was Kolonien sein sollten, zeigen die weitaus vielfältigere Wortwahl seiner Zeitgenossen und ihre bei einzelnen Projekten erkennbar unterschiedlichen, teilweise sogar widersprüchlichen Ziele, dass ihre Vorstellungen weitaus heterogener waren. In den vorherigen Kapiteln fanden sich Beispiele dafür, dass die historischen Akteure unter dem, was in der Forschung vereinfacht Kolonie genannt wird, einen Freibeuterstützpunkt, eine Minenkolonie, ein Sträflingslager, eine Festung, eine Stadt nach europäischem Vorbild, einen Handels277 Armitage 1998, S.  107f. Das Werk erschien zunächst auf Latein 1516 in Leuwen und erweitert 1518 in Basel. Damit rahmte es zeitlich das erste englische Kolonialprojekt ein, das Mores Schwager John Rastell 1517 unternahm. Vgl. Knapp 1994, S. 21f. Über den möglichen Einfluss zeitgenössischer Amerikaliteratur auf More siehe Cave 1991, über die koloniale Politik ebd. S. 226f. 278 Cave 1991, S. 226f.; Brown 2002, S. 25. 279 Die erste englische Ausgabe erschien 1551, Thomas More 1551 A fruteful, and pleasaunt worke of the beste state of a publyque weale, and of the newe yle called Vtopia. Eine gekürzte deutsche Ausgabe erschien bereits 1524. 280 Quinn 1976, S. 75–79  ; Cave 1991, S. 226f.; diese Argumentation war laut Pagden weit verbreitet  : Pagden 1995, S. 76.

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posten, eine Siedlerkolonie mit europäischer Feudalherrschaft, einen Fischerei- und Walfanghafen, einen Missionsstützpunkt, eine religiöse Zuflucht oder das Zentrum eines neuen Reiches von Städten missionierter Indigener verstanden. Selbstverständlich konnten solche Vorstellungen auch noch miteinander kombiniert werden. Solch eine bei vielen Projekten zu beobachtende Unklarheit konnte wiederum, ob absichtlich oder unabsichtlich, dieselbe Unternehmung für Akteure mit unterschiedlichen Zielen interessant machen. Dies brachte einen Vorteil bei der Werbung um Investoren, aber auch Konflikte, falls das Projekt tatsächlich realisiert wurde. Trotz der unterschiedlichen Ziele waren sich die meisten Organisatoren und Geldgeber darüber einig, welche Menschen den Grundstock der Kolonie bilden sollten. Abgesehen von Ausnahmen wie John Whites City of Ralegh überquerten meist zunächst rein männliche Gruppen den Atlantik. Sie sollten das Gelände erkunden, eine Befestigung errichten oder unter Indigenen leben und Kontakte knüpfen. Ohne Familien und ohne Aussicht auf eine Ehe innerhalb der Kolonie waren diese Personen jedoch nicht allzu eng an die neue Ansiedlung gebunden. Dies erhöhte das Risiko, dass sie versuchten, nach Europa zurückzukehren oder die Kolonie zu verlassen, um bei den Indigenen oder auf dem Meer ihr Glück zu machen. Die Kolonisten wiesen außerdem in der Regel eine bestimmte soziale und berufliche Prägung auf. Insgesamt überwogen Adelige und Veteranen gegenüber Handwerkern oder Siedlern mit Familien bei Weitem. Dies bedeutete bestimmte, standesbezogene Erwartungen an das Leben in der Kolonie und rein pragmatisch einen Mangel an Arbeitskraft und Expertise zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Zu kaum einem Projekt gehörten Bauern, Hirten, Fischer, Kürschner, Schneider, Weber, Schuhmacher und ähnliche Personen. Lediglich Handwerker, die für den Haus- und Festungsbau nützlich waren, oder Spezialisten für die medizinische Versorgung finden sich häufig in den Quellen. Schließlich ist noch festzuhalten, dass die Kolonisten in den Quellen meist im Widerspruch zur realen grenzübergreifenden Verflechtung der Unternehmungen als homogene Gemeinschaften aus dem Ursprungsland imaginiert wurden. Die Mitwirkung von Personen oder Gruppen aus anderen Ländern fand meist nur dann Erwähnung, wenn es zu Konflikten mit ihnen kam, wie mit den Dutch in Jamestown. Für die Vorstellung davon, was eigentlich eine Kolonie sei, war in der Regel die klare Trennung zwischen ihr und ihrer mit Misstrauen beobachteten indigenen Umwelt maßgeblich.281 Dabei unterschieden englische wie auch französische Autoren zwischen einer inneren, zivilisierten Sphäre und einem wilden Äußeren. Diese Haltung trug vermutlich dazu bei, dass fast alle Akteure davon ausgingen, die europäischen Gesellschaftsordnung mit ihren Regeln und Hierarchien nach Übersee zu transferieren. Diese Haltung konnte einerseits Anlass für eine Exklusion der savages/sauvages sein wie in Rio de Janeiro, Roanoke, Florida oder Jamestown und andererseits Grund für 281 Kupperman 2002  ; Lestringant 2004, S. 47.

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eine Inklusion zum Zwecke der Angleichung der Lebensweise der mutmaßlich wilden Indigenen an die der Kolonisten wie bei den französischen Missionsprojekten. Im letzteren, vergleichsweise selteneren Fall waren die Grenzen von Kolonie und Umwelt fließender gestaltet. Dasselbe galt auch für reine Handelsposten, deren einziger Zweck die Interaktion mit Indigenen war und die nicht auf Veränderungen der indigenen Lebensweise abzielten. Nachdem die meist männlichen, militärisch erfahrenen Kolonisten ihr Ziel erreicht, die Ansiedlung errichtet, die Vorräte ausgeladen und erste Kontakte zu den Indigenen hergestellt hatten, reisten die Schiffe ab und ließen die Männer zurück. Sofern nicht Missionierung oder Handel das primäre Ziel der Unternehmung war, kam es in den folgenden Monaten nur zu punktuellen Kontakten mit der indigenen Bevölkerung. Lange Zeit blieben die Kolonisten in ihrem Fort unter sich oder suchten in Gruppen im Umland nach Edelmetallen. Dies erklärt auch, warum in den Quellen interne Konflikte erheblichen Raum einnehmen. Auch wenn kein Projekt allein deswegen aufgegeben werden musste, standen sie in verstärkender Wechselwirkung mit anderen Problemfeldern, wie fehlenden Ressourcen, Spannungen mit der indigenen Bevölkerung oder Konfrontationen mit anderen europäischen Mächten. Anhand der Berichte über interne Auseinandersetzungen lassen sich deren Ursachen vereinfacht auf zwei enttäuschte Erwartungshaltungen der Investoren, Befehlshaber und einfachen Kolonisten zurückführen, die bereits im Zuge der Vorstellungen von Amerika thematisiert wurden. An erster Stelle steht die Aussicht auf Gold und Edelsteine. John Smith schrieb  : »But the worst mischiefe was, our guilded refiners with their golden promises, made all men their slaves in hope of recompence  ; there was no talke, no hope, no worke, but dig gold, wash gold, refine gold, load gold.« 282 Die zweite Erwartung betraf eine mühelose Versorgung mit Nahrungsmitteln. Speziell letztere aus der Werbeliteratur hervorgegangene Annahme ist in der Forschung als fatal bewertet worden.283 Sie führte zu einer für das Überleben nachteiligen Auswahl der Kolonisten, die oft nicht bereit waren, lebensnotwendige Arbeiten zu verrichten, falls sie ihrem Standesbewusstsein widersprachen. Doch selbst wenn die Kolonisten bereit waren, ihren Lebensunterhalt selbst zu erarbeiten, fehlten ihnen doch die nötigen Fertigkeiten, die Kenntnis der Umwelt und die Bereitschaft, indigenes Wissen anzunehmen. Da offenbar in der Regel von vornherein geplant war, dass die Indigenen die Nahrungsversorgung sichern sollten, liegt nahe, dass es zu Spannungen kam. Der Widerspruch zwischen den Erwartungen und dem Erlebten war den Zeitgenossen bewusst, die über koloniale Projekte schrieben, und bildete daher den üblichen Kontext für Schilderungen von internen Spannungen und Kritik an den Kolonisten. Am deutlichsten ist dies im Betrachtungszeitraum am Beispiel der Virginia Company zu erkennen. Hier standen die positivsten Schilderungen Amerikas im Kontrast zur 282 Smith 1612, Proceedings S. 21, vgl. Borge 2002, S. 28f.; Knapp 1994, S. 232. 283 Fuller 1995, S. 87f.

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höchsten Todesrate – ohne dass in den frühen Jahren Profite erzielt wurden. In einer ihrer offiziellen Publikationen thematisierte der in Jamestown lebende Prediger Alexander Whitaker 1613 diesen Widerspruch anhand einer Frage, die er mehrfach habe beantworten müssen  : »if this Countrey be so rich and plentifull, and your Commanders so wise and provident, as you pretend, how could it be that they being there, and not hindered by warre nor invasions, should fall into such extremities of want, as to be saine to quit the Countrey, and come for England, or else there to starve for food.«284 Im Auftrag der Company lieferte Whitaker seinen Lesern auch die Antwort auf die Frage  : Hunger und fehlende Profite wären nicht durch die Umwelt bedingt und die lobenden Beschreibungen des Landes daher gerechtfertigt. Die Ursache für den Mangel seien interne Konflikte und Disziplinlosigkeit gewesen, die man nun durch neue, weise und tugendhafte Anführer sowie strenge Gesetze überwunden habe. Wie angedeutet, stand Whitaker mit dieser Erklärung nicht allein – im Gegenteil. Es stellte vielmehr eine Ausnahme dar, wenn eine Kolonie mehrere Monate bestand und die Mitwirkenden keine Vorwürfe gegeneinander erhoben. Die Klagen und Anschuldigungen konnten unterschiedliche Personen oder Gruppen zum Ziel haben und verschiedene Funktionen im Diskurs erfüllen, wobei eine Rechtfertigung für die Ergebnisse und die Verteidigung der Eignung des Landes für Kolonien die häufigsten waren. Hinzu kommen simple Versuche, Schuld von der eigenen Person auf jemand anderen zu schieben. Anhand der beschuldigten Akteure lassen sich drei Kategorien von Berichten über interne Konflikte unterscheiden  : Erstens Vorwürfe von Befehlshabern oder Propagandisten gegen die Mitreisenden, sowohl diejenigen niederen Standes wie auch Adelige  ; zweitens Vorwürfe gegen den Befehlshaber oder die Führungsgruppe, sei es von ranggleichen Rivalen, Untergebenen oder Investoren  ; drittens schließlich Vorwürfe gegen Personen, welche die Abgrenzung zwischen der Kolonie und ihrer Umwelt in Frage stellten, wie die Truchements. Der erste Fall ist bei Weitem der häufigste und speziell im Zuge der französischen Kolonialprojekte schon zeitgenössisch als normal charakterisiert worden, so in Marc Lescarbots Überblick wie auch in Laudonnières Bericht über den Untergang der Florida-Kolonie 1565.285 Dabei ging Laudonnière noch über die Erfahrungen der französischen Projekte hinaus und sprach von Unruhe und internen Konflikten als einem allgemeinen Problem aller Expeditionen. Ein Fundament für diese Einschätzung bot zweifellos das zeitgenössische Schrifttum, unter anderem von Petrus Martyr, der bereits die Missstände in der ersten spanischen Kolonie La Isabella auf die Disziplin- und Maßlosigkeit der Kolonisten zurückgeführt hatte.286

284 Whitaker 1613, Widmungsepistel. 285 Lescarbot/Biggar, S. 6  ; Laudonnière/Basanier 1586, französische Edition der Ausgabe von Bassanier in  : Lussagnet 1958, S. 27–200  ; übersetzt in  : Quinn NAW II, S. 319–353, hier S. 338f. 286 PMA, S. 83–120.

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Vergleicht man die Zielrichtung der Argumentation, fällt bei beiden Autoren ein Unterschied auf. Lescarbot stellt die Erfahrungen interner Konflikte als wichtige Lektion dar, die inzwischen gelernt worden sei. Die erfolgreiche Führung Poutrincourts und Biencourts, denen mehrere konfliktfreie Überwinterungen, zuletzt mit dem »Ordre de bon temps« gelungen waren, steht somit als positives Gegenbeispiel am Ende seiner französischen Kolonialgeschichte.287 Damit hätten jene laut Lescarbot selbst ihren erfolgreicheren Zeitgenossen Champlain übertroffen, der über eine Verschwörung gegen seine Person berichtete.288 Allerdings musste auch Lescarbot Konflikte erwähnen, für die er aber die Jesuiten verantwortlich machte, die sich durch Intrigen gewissermaßen in das Projekt gedrängt und es sabotiert hätten. Hierin stimmt seine Vorgehensweise mit der Laudonnières überein, der in seiner Schilderung eine Reihe von internen Konflikten anführt, um sich geradezu mustergültig selbst zu entlasten.289 Laudonnière, dessen Darstellung durch andere Quellen gestützt wird, berichtete, dass eine große Gruppe seiner Männer ihn offen darauf hingewiesen habe, dass die Suche nach Gold das eigentliche Ziel der Unternehmung sei. Sie forderten – angeblich im Glauben, damit den Interessen des Königs zu dienen – von ihm Vorräte und Waffen für eine Expedition, was Laudonnière mit Verweis auf die notwendigen Arbeiten am Fort untersagte.290 Die Folge war eine erste Verschwörung, deren Rädelsführer drohten, sich in Frankreich über die angebliche Willkür Laudonnières zu beklagen. Die Aufrührer hatten sich bereits bewaffnet, als es ihm und seinen Getreuen gelang, ihre Rädelsführer aus der Kolonie zu verbannen und die Disziplin wiederherzustellen. Als Laudonnière jedoch erkrankte, kam es zu einer zweiten Meuterei, bei der sich flämische Zimmerleute bewaffneten und zusammen mit Anderen die Boote der Kolonie stahlen, um Piraten in der Karibik zu werden.291 Die Kolonisten bauten daraufhin neue Boote, nach deren Fertigstellung eine dritte Gruppe von Aufrührern auf den Plan trat und vom noch immer erkrankten Laudonnière gewaltsam einen Kaperbrief forderte. Danach stachen auch sie in See und versuchten sich als Piraten. Sie waren jedoch alle erfolglos  – einige wurden von Spaniern gefangengenommen und andere kehrten mangels Vorräten zum Fort zurück und ergaben sich. Der Friede währte jedoch nur kurz, denn beim Besuch des Engländers John Hawkins revoltierten die Männer schließlich massenweise, als Laudonnière dessen Angebot ausschlagen wollte, die Franzosen nach Europa zu bringen. Angesichts dieser Häufung von Verschwörungen 287 Lescarbot/Biggar, diese Zuspitzung auf die Leistungen Poutrincourts ist bereits in Lescarbots Widmung an den König eindeutig, S. 9–12. Zu der Einrichtung des Ordens vgl. Thierry 2004b. 288 Champlain/Biggar, S. 25–34. 289 Laudonnières Bericht ist ediert in  : Quinn NAW II, S. 319–353. Quinn nannte diese Quelle eine »eloquated defense«, Quinn NAW II, S. 319. Die Ereignisse werden in weiten Teilen durch den Maler Le Moyne, Le Challeux und immerhin teilweise durch Berichte aus der englischen Expedition von Francis Drake und durch spanische Quellen bestätigt. 290 Ebd. S. 333f. 291 Ebd. S. 334f.

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und Meutereien ist es durchaus bemerkenswert, dass Laudonnière zusammenfassend darlegt, dass solche Vorkommnisse normal seien.292 Sein in weiten Teilen auch durch andere Quellen bestätigter Bericht zeigt deutlich, dass die Vorstellung von Amerika als einem Ort schnellen Reichtums und von der Kolonie als einer Zweckgemeinschaft zum Erreichen dieses Zieles für viele Kolonisten handlungsleitend war. Als die Kolonie ihre Erwartung enttäuschte, ergriffen sie die erprobte Alternative der Kaperfahrt. Laudonnière hingegen hatte zwar auch die Aufgabe, Gold und Silber zu finden, musste aber als Kommandant andere Prioritäten setzen, um zuerst eine dauerhafte Kolonie zu errichten. Da er den Aufbau eines Allianznetzwerks betrieb, um Kriege zwischen den Indigenen zu unterbinden, und den Ausbau des Forts für spätere Siedler in den Vordergrund rückte, befanden er und einige seiner Männer sich in einem Interessenkonflikt. Laudonnière nutzte die Vorwürfe argumentativ, um die Schwächung seiner Kolonie vor dem Eintreffen der Spanier zu erklären. Dadurch, dass er die im europäischen Diskurs als negativen Topos bekannte grenzenlose Gier und den niederen Charakter der Verschwörer hervorhob, verwahrte er sich selbst gegen den Vorwurf der Tyrannei und Willkür und stellte sich und seine Ziele als moralisch höherwertig dar. Seine Krankheit schließlich könnte auch als Argument gedient haben, um als Anführer nicht für die Disziplinlosigkeit verantwortlich gemacht zu werden. Gestützt wurde seine Schilderung durch den Bericht des Malers Jacques Le Moyne und sogar von Le Challeux, obwohl dieser eigentlich Laudonnières Führungsstil kritisierte.293 Auch ein Begleiter John Hawkins’ bewertete die Kolonisten in Florida insgesamt kritisch und schrieb, »but they being soldiers, desired to live by the sweat of other mens browes.«294 Der Gesamteindruck, dass für französische Projekte interne Konflikte den Regelfall darstellen, bekräftigen auch zwei im Vergleich zu den englischen Quellen besondere Umstände, unter denen Befehlshaber oder deren Apologeten Vorwürfe an mitreisende Kolonisten formulierten. Zum einen gründeten nur Franzosen Projekte, deren Siedler vollständig oder zu einem größeren Teil deportierte Sträflinge waren. Dass diese Personenkonstellation konfliktreich war, zeigen beispielsweise die Berichte über die strengen disziplinarischen Maßnahmen Robervals in Kanada und die Todesfälle auf der Isle de Sable in La Roches Jagdkolonie. Auch aus Spanien und Portugal entsandte man Expeditionen, die Sträflinge als Kolonisten nach Amerika brachten.295 In England wurde hingegen der Einsatz verurteilter Straftäter zwar diskutiert, aber nur sehr bedingt umgesetzt.296 Über eine Auswahl von Kolonisten unter Verurteilten ist bis 1615 in England nichts bekannt. 292 Ebd. S. 338f. 293 Le Challeux 1566, französische Edition in  : Lussagnet 1958, S.  201–240, hier S.  206–227  ; Le Moyne 1591, englische Edition Bennett 1968, S. 89–122. 294 Edition in  : Quinn NAW II, S. 363–37, Zitat S. 367. 295 Luca 2004, S. 136, 140–143. 296 Canny 1978, S.  25. George Best 1578 erwähnte kurz, dass »Condemned people« nach Amerika ge-

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Der zweite besondere Umstand in französischen Quellen sind interne Konflikte, die aufgrund der Konfession der Beteiligten ausbrachen. Der gravierendste Fall ereignete sich in der France antarctique, wo der Geistliche André Thevet den Calvinisten vorwarf, sich gegen den Befehlshaber Villegagnon verschworen und die Kolonie in einem solchen Maße sabotiert zu haben, dass ihr Untergang drohte.297 Villegagnon, den die Calvinisten als Tyrannen und Mörder diffamierten, fokussierte hingegen in Publikationen seine eigenen Verdienste um die Monarchie und die Bedeutung, die einer einheitlichen Religion mit dem richtigen Verständnis der Eucharistie zukam.298 Dies gelte sowohl für Frankreich als auch für das Abbild Frankreichs in Übersee, dessen Konfessionskonflikt er somit für eine indirekte Warnung vor den Calvinisten nutzte, noch bevor in Frankreich der erste Religionskrieg ausbrach. Nach dem Edikt von Nantes lassen sich schließlich bis 1615 keine derart eindeutigen Konfessionskonflikte mehr ausmachen. Dennoch blieb die Religion ein Spannungsfeld, wie die schweren Vorwürfe Poutrincourts und Lescarbots gegen die Jesuiten zeigen, die sich der Kolonisierung der Acadie anschlossen.299 Hierbei nutzte Lescarbot die Kritik an den Jesuiten zu einer Entlastung des von ihm heroisierten Poutrincourts und dessen Sohn und verband dies mit allgemeinen Thesen dazu, dass die Kirche der weltlichen Gewalt nachgeordnet sein müsse. In englischen Quellen finden sich inter- und innerkonfessionelle Konflikte hingegen nur in der Schilderung der Überfahrt von Charles Leigh zu den Magdaleneninseln 1597, auf welcher der Brownist George Johnson vergeblich versuchte, die Schiffsbesatzung zu bekehren.300 Die vergleichsweise konfessionelle Harmonie in Berichten über englische Projekte bedeutet aber keineswegs, dass darin nicht auch Befehlshaber ihre Kolonisten kritisierten. Im Falle der ersten Roanoke-Kolonie klagte Ralph Lane in einem Brief an Sir Philipp Sidney darüber, wie schwer die Lage für ihn sei, da er in Virginia so viele wilde Männer seiner eigenen Nation befehligen müsse.301 Weitaus

297 298 299 300 301

bracht werden sollten. Diese Angabe ist auch im Ndr. in Hakluyt PN 1600 enthalten. Frobisher sei laut Best jedoch ermahnt worden, dass sein Patent solch ein Vorgehen nicht decken würde. McDermott gab hingegen an, Frobisher seien zehn Mann zugewiesen worden, die er auf seiner zweiten Reise auf Frizeland aussetzen sollte. Er habe sie aber in England zurückgelassen, da die Schiffe zu voll waren, McDermott 2001, S. 6f. Stefansson/McCaskill 1938, S. CXII gehen von sechs Männern aus. Michael Lok warf Frobisher vor, er habe damit einen Befehl ignoriert. Loks Statement gegen Frobisher ist ediert in  : McDermott 2001, S. 71–102, hier S. 74f. Das dieser Befehl eine Ausnahme war, zeigt sich in den Anweisungen zur dritten Reise, laut denen Frobisher keine Person mitnehmen dürfe, die sich etwas habe zuschulden kommen lassen. Siehe die Instruktion für Frobisher, ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 155–161, hier 156. Gewecke 1986, S. 186f.; vgl. Lestringant 2004, S. 135f.; McGraft 1996. Lestringant 2009, S. 25–55, speziell S. 29f. Vgl. die Belege und Verweise in Kapitel 3.3.1. Vgl. Kapitel 3.2, Siehe den Reisebericht  : Quinn NAW IV, S. 75–78  ; vgl. Moody  : Johnson, George. In ODNB  ; Quinn  : Johnson, George. In  : DCB. Ralph Lane  : Brief an Philip Sidney vom 12. August 1585, in  : CSP Colonial Vol. 1 (1574–1660), Dok. Nr. 5, vgl. Donegan 2014, S. 37.

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umfangreicher ist hingegen die Kritik an den Siedlern in Jamestown, die neben unterschiedlichen Befehlshabern auch mehrere Amtsträger sowie Autoren und Prediger im Auftrag der Company vorbrachten, so dass ein desaströses Gesamtbild entstand. Den Eindruck von fehlender Disziplin, internen Spannungen und Verbrechen aufgrund von Nahrungsmangel oder schlechtem Charakter vermittelten aber nicht nur publizierte Quellen, sondern auch Briefe. So schrieb Thomas Dale 1611 an Robert Cecil  : »the 300 disorderly persons he took with him are so profane, so riotous, and so full of mutiny, that no many are Christians but in name.« Die moralische Verkommenheit ging dabei einher mit körperlicher  : »Their bodies are so diseased and crazed that not sixty of them may be employed upon labour.«302 Zu der Wechselwirkung von Krankheit, Moral und Disziplin ist zu beachten, dass in der Jamestown-Propaganda nicht die schlechte Situation den Charakter der Männer beeinflusste, sondern ihr Charakter die schlechte Situation heraufbeschwor. Der dortige Prediger Alexander Whitaker und auch eine offizielle Publikation der Company beschrieben idleness sowie mangelnde Sauberkeit und Tugend der Siedler als die Ursachen der Krankheiten.303 Damit versuchten sie offenbar der für Zeitgenossen naheliegenden Vermutung entgegenzuwirken, dass die Krankheiten durch schlechtes Klima oder schlechte Luft in Virginia verursacht sein könnten.304 Die True declaration der Company ging noch weiter und schilderte alle Missstände als Folge fehlender Führung nach dem Hurrikan, der 1609 die Verstärkung mit dem neuen Befehlshaber getroffen hatte.305 Ohne ein Oberhaupt hätte jeder der Männer nur seinen eigenen Vorteil gesucht und darüber vergessen, dass sie »Coloni« sein müssten, also Siedler, die das Land bestellen. Somit thematisierte der Autor selbst divergierende Interessen und Zielvorstellungen. Zu den vom Hurrikan Betroffenen, die erst später nach Jamestown kamen, gehörte auch William Strachey. Er beschrieb, dass in Jamestown die Disziplin angesichts fehlender Versorgung und der indigenen Bedrohung zusammengebrochen sei  : »Unto such calamity can sloth, riot and vanity bring the most settled and plentiful estate.«306 Laut Strachey war die Lage nahezu ausweglos, was erkläre, warum mit diesen Leuten keines der von der Company vorgegebenen Ziele erreicht werden konnte  : »every man, overvaluing his own worth would be a commander  ; every man, underprizing another’s value, denied to be commanded.«307 Die häufige Verwendung dieses Zitats in historischen Darstellungen trug dazu bei, 302 Thomas Dale  : Brief an Robert Cecil, Lord Salisbury, vom 17. August 1611. In  : CSP Colonial Series Vol. 1 (1574–1660), Dok. Nr. 26  ; vgl. die Einleitung der Edition der Gesetze für Jamestown Strachey/Flaherty 1969, S. XXX. 303 Whitaker 1613  ; Conseil for Virginia 1610, Edition Quinn NAW V, S.  248–262  ; vgl. Hill 2013, S. 158f. und 167f. 304 Hill 2013, S. 158–147. 305 Conseil for Virginia 1610, Edition Quinn NAW V, S. 248–262, hier S. 255. 306 Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964, S. 66. Vgl. Donegan 2014, S. 107. 307 Stracheys True Reportory, Edition Wright 1964, S. 96.

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einen katastrophalen Gesamteindruck zu festigen, den John Smith um eine wichtige Nuance erweiterte. Smith wandte sich in seinen Schriften ausdrücklich gegen Kolonisten, die von Stand waren und als Gentlemen auf ihre Privilegien pochten. Er inszenierte die Gentlemen als eigennützig und faul und damit letztlich als ein Hindernis für den Erfolg der Unternehmung.308 Für ihn selbst und für die Kolonie seien 100  Arbeiter mehr wert als 1000 Gentlemen. Gegen ihren Widerstand habe er – so schrieb er sich selbst zu  – Jamestown durch eine allgemeine Arbeitspflicht und rigoroses Vorratsmanagement nach dem Leistungsprinzip gerettet, eine Einschätzung, die viele Autoren unkritisch übernehmen.309 Diese offensiv vorgebrachte Haltung brachte Smith speziell in der US-amerikanischen Historiographie eine besondere Rolle ein.310 Er gilt darin als »All-American-Hero«, der aus dem Glauben gehandelt habe, dass in der Neuen Welt Gleichberechtigung und Leistung zählen sollten.311 Auch wenn Smiths tatsächliche Vorgehensweise, die Gentlemen ebenso wie alle anderen zu Arbeitsdiensten zu verpflichten und Privilegien unwirksam zu machen, ungewöhnlich war, so war er nicht der Einzige, der sich über vornehme Mitreisende beschwerte. John Rolfe bestätigte ihre von Smith angeprangerte Trägheit in Jamestown.312 Thomas Harriot warf einigen von ihnen vor, die Insel Roanoke nie verlassen zu haben und alles, was ihrem luxuriösen englischen Lebensstil mit Federbetten und Gasthäusern nicht entspräche, als unzumutbaren Missstand anzuprangern.313 Richard Hakluyt schrieb in einer Widmung an Walter Ralegh, was alles hätte erreicht werden können, wenn nicht einige Kolonisten nur »foolish drones, mindful only of their bellies and gullets« gewesen wären.314 Der Maler Le Moyne schließlich schrieb bezüglich Laudonnières Florida-Kolonie, dass dort insbesondere Adelige zur Unruhe und Disziplinlosigkeit neigten, wenn ihnen die Goldsuche verweigert wurde.315 Solche Äußerungen deuten – sofern sie nicht ausnahmslos als auf das Ursprungsland selbst bezogene Sozialkritik gelesen werden – insgesamt darauf hin, dass insbesondere die adeligen Kolonisten erwarteten, dass die europäische Sozialordnung mit ihren Privilegien nach Amerika transferiert und in der Kolonie reproduziert werden würde. Die Vorstellung von der Kolonie als einem zweiten Heimatland kollidierte 308 Ein Leitmotiv in Smiths Werk, beispielsweise in den Proceedings 1612, S. 5f., 13, 35f., 48f. und 94f. Vgl. kurz Kupperman 1980, S. 148, die auch Beispiele für gegenteilige Schilderungen nennt. 309 Moran  : Smith, John. In  : ODNB. 310 Jehlen 2008, S. 73–76. 311 So beobachtete Bach 2000 in der amerikanischen Historiographie, S. 227  ; vgl. Householder 2003, S. 169 mit Zitat und weiteren Verweisen. 312 Fitzmaurice 2004, S. 88–90. 313 Harriot 1588  ; vgl. Sell 2006, S. 62. 314 Hakluyt in der Widmung seiner Ausgabe von Petrus Martyrs Decaden an Walter Ralegh, ediert in  : Quinn 1955 II, S. 513–515, hier S. 515. 315 Der Bericht von Le Moyne ist ediert in  : Bennett 1968, S. 95–99.

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jedoch mit pragmatischen Notwendigkeiten wie der Lebensmittelversorgung  – einigen Autoren zufolge bis zu einem Maße, dass einige Kolonisten eher bereit waren, zu verhungern, als ihre Lebensweise zu verändern.316 Daraus ergaben sich Bedrohungslagen, die Autoren wie John Smith eine Möglichkeit boten, als Retter aufzutreten und durch Zwangsmaßnahmen die eigene Bedeutung und Führungsqualität zu unterstreichen. Smiths Bereitschaft, sich mit Personen aus dieser gutvernetzten Gruppe und mit der Company selbst anzulegen, um deutlich zu machen, wie wichtig harte Arbeit und die Entsendung von Handwerkern sei, deuten aber auch auf die hohe Relevanz hin, die dieser Aspekt für ihn hatte. Er musste mit Entgegnungen und vielleicht sogar dem Widerspruch der Company rechnen. Dem beugte er jedoch auf erprobte Weise vor, indem er seine potentiellen Kritiker moralisch diskreditierte und als träge und selbstsüchtig brandmarkte. Die unter anderem anhand der Beispiele Florida und Jamestown erkennbare Methode der Amtsträger und Befehlshaber, die Kolonisten ins Zentrum der Kritik zu stellen und sich damit selbst von Schuld freizusprechen und gleichzeitig Kritiker zu delegitimieren, erfordert zukünftig eine stärkere Berücksichtigung in der Forschung. Auch wenn in einigen Fällen unterschiedliche Quellen einander stützen, bleibt die soziale Prägung des Diskurses und das Fehlen von Stimmen der einfachen Kolonisten, ja selbst der Gentlemen in Jamestown bestehen. Daher ist es sicherlich nicht angebracht, solchen Quellen blind zu vertrauen, wie es auch in neueren Publikationen zur Geschichte kolonialer Projekte noch der Fall ist, seien sie populärwissenschaftlich wie Pickett/Pickett oder wissenschaftlich wie Renaud.317 Doch welche Folgen hatte es für die Darstellung der Kolonie als sozialem Raum, wenn der Befehlshaber selbst im Zentrum der Kritik stand  ? Solche Vorwürfe gingen der generellen Quellenlage entsprechend meist von ranghohen Mitwirkenden an der Unternehmung oder von unmittelbaren Rivalen der Anführer aus. Die Kolonie konnte dadurch anstatt als ein sicherer Raum für eine soziale Gemeinschaft eher als eine Arena für offene Konflikte zwischen Rivalen um Ruhm und Rang erscheinen. Da Führungskonflikte außerdem den zeitgenössischen Ordnungs- und Hierarchievorstellungen entsprechend per se negativ bewertet wurden, gefährdete solch eine Konfrontation wie im Falle des Streits zwischen Ralegh Gilbert und George Popham in der Kolonie am Sagahadoc den Ruf der Unternehmung im Ursprungsland. Entsprechend schrieb Ferdinando Gorges über den Streit Gilberts und Pophams in einem Brief an Cecil, dass die Spannungen sie Investoren kosten würden.318 Die Schuld dafür sah Gorges allein bei Ralegh Gilberts Machtstreben, den er so zur Personifikation der Probleme machte. 316 Donegan 2014, S. 83. 317 Pickett/Pickett 2011  ; Renaud 2011. 318 Brief Fernando Gorges an Robert Cecil am 7. Februar 1608, ediert in  : Quinn  : NAW III, S. 440f.; vgl. Thayer 1892, S. 137–139. Außerdem  : Brief Fernando Gorges an Robert Cecil vom 1. Dezember 1607, ediert in  : Quinn NAW III, S. 437f.; vgl. Thayer 1892, S. 132–134.

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Weitere Fälle zeigen, dass derartige Vorkommnisse bei den englischen Projekten kein Einzelfall waren. Ralph Lane beschwerte sich in einem Brief an Walsingham über Richard Grenville, dessen Amtsführung bei der Überfahrt und »hys intollerable pryede, and vnsaciable ambycione«.319 Nachdem Grenville auf der Suche nach Gold die Beziehungen von Lanes Kolonie zu den Indigenen in eine Krise gestürzt hatte, reiste er jedoch ab, so dass die Spannungen sich nicht weiter auswirken konnten. Weitaus langwieriger und eher strukturell bedingt als personenbezogen waren hingegen die Führungskonflikte in Jamestown, wo dem Rat ein erheblicher Einfluss auf den Präsidenten zukam.320 Edward Maria Wingfields unpublizierte Verteidigungsschrift, aber auch John Smiths Proceedings schildern hier den Streit um die Position des Anführers und die Manipulationen des Amtsinhabers als ein geradezu alltägliches Phänomen.321 Alle Beteiligten waren bestrebt, ihre Rivalen als machthungrig, maßlos oder für ihr Amt unfähig darzustellen. Damit versuchten sie ihr individuelles Handeln zu rechtfertigen, verschärften in Wechselwirkung mit der intensiven Kritik an den einfachen oder adeligen Kolonisten aber den negativen Eindruck von Jamestown in England, den die Company publizistisch bekämpfte. Auch in den französischen Quellen spielten Konflikte zwischen den Anführern eine Rolle, allerdings erreichen sie nicht die gleiche Publizität wie in den englischen Texten über Jamestown. Bereits der Autor des Berichtes über die Reise Robervals 1542 beklagte die angebliche Ruhmsucht Cartiers, der seine Pflicht nicht erfüllt und seinen Befehlshaber und dessen Kolonisten bei Neufundland verlassen habe. Auch in der Schrift von René de Laudonnière über Florida finden sich Vorwürfe an Jean Ribault, der mit seiner Verstärkung zu spät gekommen sei und durch seine Entscheidungen die Niederlage verschuldet habe.322 Der Maler Le Moyne bekräftigte die Vorwürfe, wohingegen der Zimmermann Le Challeux ihnen widersprach.323 Hierbei zeigt sich eine unterschiedliche diskursive Einbettung der Argumente. Laudonnière wollte bloß einen Schuldigen an seiner statt benennen, Le Challeux ging es hingegen, wie Waldmann nachgewiesen hat, darum, seine kolonialkritische Schrift um eine Art Fürstenspiegel zu ergänzen.324 Folglich führte er das Scheitern der Kolonie auf die Schwäche des Anführers Laudonnière zurück, die auch durch die vielen Aufstände gegen ihn belegt sei. Seine fehlende Autorität habe den Männern Freiraum gelassen, die Indigenen 319 Brief Ralph Lanes an Francis Walsingham am 12. August 1585 über Streit auf der Überfahrt und am 8. September 1585 über die Ankunft. Ediert in  : Quinn 1955, S. 198–204 und S. 210–214  ; vgl. Moran 2007, S. 16  ; Griffiths 2001, S. 141. 320 Siehe die Vorschriften zur Verwaltung der Kolonie in der ersten Charter, beschrieben in Kapitel 3.3.1. 321 Smith 1612  ; Edward Maria Wingfield  : A Discourse of Virginia. Edition in  : Haile 1998, 183–201. Vgl. die Edition Quinn NAW V, S. 276–284. 322 Wehrheim-Peuker 1998, S. 80–82, vgl. zu den gegenseitigen Vorwürfen Mahlke 2005, S. 89–117. 323 Challeux 1566, Edition Lussagnet 1958, S. 201–240  ; Le Moyne 1591, Edition Bennett 1968, S. 89–112. 324 Waldman 2000, S. 101–107.

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zu provozieren, was die Versorgung der Kolonie gefährdet habe. Auch die schlechte Vorbereitung für eine Verteidigung habe Laudonnière zu verantworten, der sich laut Le Challeux zum Zeitpunkt des Angriffs bei seiner Mätresse aufgehalten habe.325 Ribault hingegen erscheint bei Le Challeux  – wie Waldman hervorhebt  – als das Idealbild eines guten Anführers, dessen Tod nur darauf zurückzuführen sei, dass er dem Wort der Spanier vertraut habe.326 Im Falle der Kritik an Villegagnon zeigt sich hingegen erstmals, dass in Frankreich – im Gegensatz zu England – geistliche Personen Befehlshaber kritisierten. Hierzu gehörten Männer beider Konfessionen, die sowohl den Willen als auch die Fähigkeit zur Teilnahme am Diskurs besaßen. Das Beispiel der Kritik an Villegagnon und dessen Führung von France antarctique ist hierbei sicherlich herausragend. Pierre Richer, Jean de Léry, aber auch Lancelot de la Popelinière und andere Calvinisten warfen ihm Tyrannei, Willkür, konfessionelle Heuchelei, Eitelkeit, Betrug und metaphorisch durch die Gleichsetzung mit dem Zyklopen Polyphem sogar Monstrosität und Kannibalismus vor.327 Letzteres schloss den argumentativen Bogen zum Streit über das Abendmahl. Als tiefergehende Ursache des Konfliktes, der diese Kritiken zur Folge hatte, ist jedoch eine auch aus anderen Beispielen vertraute divergierende Vorstellung davon erkennbar, was France antarctique sein sollte. Villegagnon ging davon aus, eine Festung in feindlicher Umgebung zu befehligen, die einen sicheren Hafen für Kaperfahrer und Holzhändler bieten und ein steingewordener Anspruch der französischen Krone auf Brasilien sein sollte. Dieses Ziel wird daran sichtbar, dass er nur eine kleine Insel besiedelte und stark befestigte. Zur Sicherung der lebensnotwendigen Disziplin hoffte er auf den Beistand engagierter Prediger, bei denen er aber keine Abweichung von seiner eigenen, religiösen Auffassung und keinen Widerspruch gegen seinen Führungsanspruch duldete. Die Calvinisten hingegen hofften auf eine Missionierung der Indigenen und vielleicht auch eine größere Ansiedlung von Glaubensbrüdern vor Ort. Sie sahen die Kolonie als Ausgangspunkt für eine größere calvinistische Expansion und Villegagnon als Verbündeten, der ihnen diese ermöglichen würde. Der Vergleich mit Polyphem deutet, der Szene in der Odyssee entsprechend, darauf hin, dass für sie die Insel ein Ort der Gefangenschaft und nicht der freien Entfaltung war. Nachdem die Frage der Eucharistie den Anlass zum offenen Konflikt gab, fokussierten jedoch Villegagnon und seine Kritiker gleichermaßen, dem zeitgenössischen theologischen Diskurs entsprechend, die konfessionellen Gegensätze und beschrieben ihre Ausein­ 325 Challeux 1566, Edition Lussagnet 1958, S. 201–240  ; Le Moyne 1591, Edition Bennett 1968, S. 89–112. 326 Waldman 2000, S. 101–107. 327 McGraft 1996, steht klar gegen Lestringants Lesart der Kolonie als protestantische Zuflucht. Lestringant 2004, S. 137–151. Zu La Popelinière siehe Popelinière 1997, Fol. 18r.; Zu Richers und Lérys Kritik vgl. Lestringant 1980, S. 167–192. Zu einer Deutung von Lérys Text als Satire unter anderem Villegagnon  : Mahlke 2005, S. 141–195.

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andersetzung unter dem Eindruck der innerfranzösischen Glaubenskonflikte. Die fundamental unterschiedlichen Vorstellungen über den Zweck der Unternehmung waren damit an den Rand gedrängt. Das dritte und letzte Ziel von Vorwürfen – nach Untergebenen und Befehlshabern – bildeten Akteure, die sich als Grenzgänger zwischen der Kolonie und ihrer Umwelt bewegten. Sie konnten einerseits für die Nichterfüllung von Erwartungen verantwortlich gemacht werden, galten aber andererseits wie im Falle Indigener, die englisch oder französisch sprachen und längere Zeit in Europa gewesen waren, als zentraler Erfolgsfaktor. Immer wieder hofften Organisatoren, die Kenntnisse der Grenzgänger nutzen zu können. Wie ein Überblick über die kolonialen Projekte des 16. und 17. Jahrhunderts zeigt, konnten diese Personen jedoch ebenso hilfreich wie hinderlich sein. Verschiedene Quellen von den Reisen Cartiers, über Roanoke bis zur PophamKolonie schreiben indigenen Grenzgängern die Verantwortung für Spannungen mit der Bevölkerung des Landes zu. Diese Wendung hatte den Vorteil, die Kolonisten selbst von jeder Verantwortung freizusprechen. Die Bilanz der Nutzung solcher indigener Grenzgänger dürfte in England jedoch insgesamt als ausgewogen gegolten haben, wie sich aus der Länge des Zeitraums ergibt, in dem Versuche unternommen wurden, Indigene auszubilden und mit ihnen zu kooperieren.328 In französischen Projekten stand hingegen mit den europäischen Grenzgängern, die als Truchements jahre- oder jahrzehntelang in Amerika lebten, eine Alternative zur Verfügung. Sie waren für viele koloniale Projekte in Südamerika ein wesentlicher Faktor, um die Ansiedlung zu ermöglichen und Kontakte zu den Indigenen herzustellen, in France antarctique ebenso wie in France équinoxiale. Allerdings standen auch sie im Fokus von Kritik, die sich aus ihrer Stellung an den und außerhalb der Grenzen der Kolonie ergab. Die Berichte sowohl protestantischer als auch katholischer Autoren führen an, dass die Truchements mit einem Mordkomplott auf Villegagnons Versuch reagierten, in der Kolonie europäische Moralvorstellungen durchzusetzen, indem er sexuelle Beziehungen mit indigenen Frauen verbat. Der Vorfall führte zwar nicht zum Untergang der Kolonie, verdeutlicht aber einmal mehr, wie konfliktreich die Vorstellung war, die Kolonie könne ein Abbild der europäischen Gesellschaft sein. Die Kritik an den Truchements war Ausdruck einer von Lestringant analysierten, tiefergehenden Sorge der Europäer davor, dass Kolonisten in Amerika ihre Identität verlieren und sich den mutmaßlich wilden Indigenen angleichen würden.329 Dabei folgten Autoren offenbar einem mittelalterlichen Topos und übertrugen ihn auf die Situation der Kolonie als zivilisatorischer Insel inmitten der Indigenen.330 Lestrin­ 328 Luca 2004, S. 117f. 329 Lestringant 1996f, S.  177–188. Alternativ konnten die Truchements auch zur Verkörperung von Sünden gemacht werden, vor welchen Autoren ihre Leser warnen wollten, so bei Léry bezüglich Unkeuschheit, siehe Mahlke 2005, S. 63f. 330 Lestringant 1996f, S. 180–183.

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gant führt diese Sorge auch als mögliches Motiv Villegagnons für seine Zwangsmaßnahmen gegen die Truchements an. Auch in englischen Quellen spielt die angebliche Anziehungskraft der indigenen Lebensweise eine wichtige Rolle. Hier ging es allerdings, wie beispielsweise über Jamestown von Beginn an berichtet wurde, um Kolonisten, welche die Gemeinschaft verließen und zu den Indigenen überliefen.331 Jene forderten durch ihr Verhalten die grundlegenden europäischen Überlegenheitsvorstellungen noch stärker heraus als indigene Akteure, die in ihre Ursprungsgesellschaft zurückkehrten. Scharfe Kritik war die Folge. Das Verhalten solcher Überläufer verweist auf eine fundamental unterschiedliche Wahrnehmung des Verhältnisses von Kolonie und Umwelt bei Akteuren, die im Ursprungsland blieben, und solchen, die selbst in Übersee waren. Die Investoren, Auftraggeber und auch viele Autoren von Werbetexten gingen davon aus, dass die Kolonie ein Raum des Schutzes und der Sicherheit war, dem eine von Gewalt, Primitivität und eventuell sogar Kannibalismus geprägte Umwelt gegenüberstand. Für die Akteure vor Ort erwies sich die Kolonie aber als Ort des Mangels und des Zwangs. Die indigenen Gesellschaften hingegen boten bessere Versorgung, sexuelle Freiheiten und Privilegien, falls die eigenen Fertigkeiten und Wissensbestände von den Indigenen geschätzt wurden. Genau hierin lag für viele Autoren wie beispielsweise John Smith, bezüglich der Dutch, die zu Powhatan flohen, das zentrale Problem. Die Überläufer brachten den Indigenen Blankwaffen und Wissen über die Leistungsfähigkeit und Schwächen von Feuerwaffen sowie über die Ziele, Taktiken und die völlige Abhängigkeit der Europäer von Nahrungslieferungen. Dadurch wurde die Durchbrechung der Grenze zwischen Kolonie und Umwelt nicht nur zu einer abstrakten, sondern einer konkreten Gefahr. Im europäischen Diskurs waren die Benennung der internen Probleme und gegenseitige Vorwürfe der Kolonisten in der Regel unmittelbar mit Problemlösungsstrategien verknüpft. Diese konnten rein auf den Diskurs bezogen sein, liefen aber oft auch auf konkrete Handlungsempfehlungen hinaus. Eher auf der Diskursebene verhaftet war die Betonung des besonderen moralischen Wertes von harter Arbeit und Tugendhaftigkeit zur Besserung der Moral – verbunden mit Angriffen auf Müßiggang.332 Bereits als konkrete Handlungsempfehlung formulierte hingegen Richard Hakluyt 1587 in einer Widmung an Walter Ralegh eine Schlussfolgerung aus seiner Übersetzung des Reiseberichts von Laudonnière  : »[…] to beware of the grosse negligence on providing sufficience of victuals, the securite, disorders, and mutinies that fell out among the french, with the great inconveniences that thereupon ensued, that by others mishaps they might learne to prevent and avoyde the like […]«333 Dies ist bemerkenswert, weil Hakluyt an dieser Stelle die Argumentation umkehrt, die in den Quellen zu Jamestown und Roanoke erkennbar ist – hier kann Nahrungsmangel Unruhen verursachen und ist nicht 331 Canny 1978, S. 30f.; Luca 2004, 137f. 332 Kupperman 1982, S. 1286. 333 Taylor 1935, Dok. 58, Widmung an Ralegh 1587, S. 372–378  ; Zitat S. 372.

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deren Folge. Offenbar ließ sich diese Lektion besser formulieren, wenn das Scheitern der Anderen im Fokus stand und keine eigene Kolonie am selben Ort geplant war. In Frankreich folgte auf die Erfahrung der internen Konflikte der Trend, die Siedlungsgruppen homogener zu gestalten. Konfessionell wurde dies bis 1615 zwar nicht zur Norm, aber die klare Dominanz der katholischen Konfession war zunehmend offensichtlich. In Québec waren außerdem formal alle étrangères ausgeschlossen, so dass zumindest normativ ein geschlossenes System nach spanischem Vorbild entstand. In England, besonders in den Predigten für die Virginia Company, ging hingegen die Sakralisierung der Expansion mit dem Appell einher, eine genaue und strenge Auswahl der Kolonisten vorzunehmen.334 Der Appell blieb jedoch weitgehend erfolglos. In England wie in Frankreich findet sich schließlich in den Quellen ein Lob für die Verkündung von Gesetzen für die Kolonie sowie deren strikte Durchsetzung. In Frankreich zeigt sich dies in der Erwähnung der Gesetze für France équinoxiale und ihrer positiven Wirkung in den Schriften Claude d’Abbevilles.335 Noch um ein Vielfaches deutlicher lobten Autoren im Dienst der Virginia Company die Einführung der Laws Divine, Moral and Martial durch Lord De-La-Warre und Thomas Dale, die von William Strachey und anderen als Ausweg aus allen internen Problemen gefeiert und auch separat gedruckt wurden.336 Diese Argumentation passte zu den bereits zuvor von Smith in England publizierten Proceedings, wonach durch hartes Durchgreifen und klare Ordnung die Lage der Kolonie zeitweise verbessert werden konnte. Die Company stellte in der True Declaration von 1610 diese Argumentation sogar als eine Erkenntnis aus antiken Kolonien zur Zeit des Nero und Tacitus dar.337 Die Bestimmungen der neuen Gesetze, die von genauen Vorschriften zum Verhalten im Wachdienst bis zur täglichen, allgemeinen Gottesdienstteilnahme und einem strengen Zeitmanagement für den Tagesablauf der Siedler reichen, griffen weit über den Rahmen des englischen Rechts hinaus. Die Kolonie war somit in Gänze viel eher eine Festung in Feindesland denn ein Abbild der englischen Gesellschaft, auf die laut John Smith speziell die Gentlemen gehofft hatten. Diese Härte feierte die Company öffentlich als Grundlage für eine bessere Zukunft.338 Ihre Glorifizierung der Gesetzgebung wirkt bis heute in der Historiographie nach, wo in Handbüchern und zentralen Nachschlagewerken die Kritik an den Kolonisten und die Einführung der Gesetze als Heilmittel unkritisch wiedergegeben wird.339 334 Gray 1609, S. 20f.; vgl. Scanlan 1999, S. 104. 335 Publiziert in Abbeville 1614, Fol. 165–170. 336 Anonymus 1612  : For the colony in Virginea Britannia. Laws divine, Morall and Martiall. William Strachey berichtete über die Einführung in seiner Schrift  : True Reportory, Edition Wright S. 1–101. 337 A true declaration of the estate of the colony in Virginia 1610, Edition Quinn NAW V, S. 248–262, hier S. 255. Dazu merkte Quinn 1976, S. 89 allerdings an, dass es sich bei den Antikenverweisen nicht um inhaltliche Bezüge, sondern mehr um eine Chiffre für tradiertes Wissen handelte. 338 A true Declaration 1610, Edition Quinn NAW V, S. 248–262, hier S. 258f. 339 Beispielsweise bei  : Morgan  : Dale, Sir Thomas. In  : ODNB.

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Doch nicht allein die Gesetze, sondern mehr noch der weise und durchsetzungsfähige Gesetzgeber spielen in den zeitgenössischen Texten eine zentrale Rolle, in denen Probleme oder sogar Gründe für die Erfolglosigkeit kolonialer Projekte in den Kolonien selbst verortet waren. Dies entspricht einer insgesamt erkennbaren Fixierung auf Führungsgestalten und Hierarchien, von der auch die Historiographie nicht frei ist. Dies gilt sowohl für Befehlshaber, die ihre eigenen Leistungen hervorhoben und einer anonymen Masse moralisch fragwürdiger Untergebener die Schuld für Probleme gaben, wie auch für Kritiker der Befehlshaber, die Maßstäbe entwarfen und sie anlegten, um ihre Rivalen entweder im Vergleich mit vorbildlichen, besseren Anführern oder sogar mit sich selbst schlecht aussehen zu lassen. Die Zeitgenossen etablierten so die Figur des starken Anführers als Ausweg aus der Krise und eine schwache, nicht klar hierarchische Führungsstruktur als ihre Ursache. So machten viele Autoren die Person des Anführers sowie seine Verbündeten und Widersacher zum Angelpunkt ihrer Berichte. Sie schufen auf diese Weise ideale Vorlagen für historiographische Erzählungen, in denen ForscherInnen scheinbar wahrhaftige Helden und Schurken der Kolonisierung Amerikas vorfinden. Diese Perspektive ist aber nicht nur in ihrer Eindeutigkeit in Zweifel zu ziehen, sondern verschleiert mit ihren positiven Wertungen, selbst wenn die Quellen als reine Tatsachenberichte gelten könnten, die Ambivalenz starker Führungspersönlichkeiten. Solche Akteure tendierten, wie der in der Historiographie vielgelobte John Smith, dazu, Gegenbewegungen zu provozieren, speziell wenn enttäuschte Erwartungen die Kolonie belasteten. Wenn man den Quellen folgen will, dann war anstelle der reinen Durchsetzungsstärke des Anführers gegen mutmaßliche Antagonisten viel eher seine Fähigkeit entscheidend, aus den Leuten eine kooperativ arbeitende Gemeinschaft mit einem gemeinsamen Ziel zu machen. Ob sie dabei erfolgreich waren, entschied sich oft schon im Ursprungsland, wo Befehlshaber, Kolonisten, Investoren und Unterstützer idealerweise in ihrer Vorstellung dessen übereinstimmten, was die Kolonien eigentlich sein und leisten sollte. Solch eine Einmütigkeit bestand jedoch selten, denn in der Regel gefährdeten oder schwächten divergierende oder konträre Vorstellungen vom Raum »Kolonie« die Projekte, die es bis nach Amerika geschafft hatten. 4.2 Argumentations- und Deutungsformen 4.2.1 Prüfung, Strafe oder Segen – Transzendierung

Über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg nimmt Gott in Berichten über den Ausgang kolonialer Projekte eine zentrale Rolle ein. Von Beginn an ist die Kolonialisierung mit Missionierung in seinem Namen verknüpft, und in den Quellen treten er selbst und der Teufel als Akteure auf, die das Schicksal von Unternehmungen bestimmen. Viele Autoren verwiesen auf Gott und seinen Widersacher, um den Verlauf von Ereignissen zu erklären und ihrer eigenen Botschaft eine moralische und sakrale Be-

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deutung zu verleihen. Diese Bezugnahme auf das Eingreifen übernatürlicher Mächte wird im Folgenden als Transzendierung bezeichnet. In den Texten griffen übernatürliche Wesenheiten allerdings nicht unmittelbar in Form einer Manifestation ein, sondern entweder durch Beeinflussung menschlichen Handelns oder durch Wunder und Katastrophen, die als göttliche Gnade, Strafe oder als Wirken des Teufels präsentiert werden. Von einer solchen Transzendierung der Ereignisse sind Argumentationen zu unterschieden, die Religion oder Konfession zwar thematisieren, aber allein menschliche Akteure handeln lassen wie beispielsweise die im nächsten Kapitel behandelte Heroisierung von Märtyrern. Verweise auf den Einfluss Gottes oder des Teufels auf den Gang der Ereignisse stammen in auffällig hohem Maße von geistlichen Verfassern. Diese Neigung teilten anglikanische mit katholischen Geistlichen ebenso wie mit studierten calvinistischen Predigern. Im Umkehrschluss gilt bezüglich der vorhandenen Textpassagen  : Je ausführlicher der Bezug auf übernatürliche Akteure ist, desto wahrscheinlicher gehörte sein Verfasser zu einer dieser Personengruppen. Allerdings nutzten nicht nur Geistliche diese Deutungsform. Auch Laien wie Ralph Lane, Jean Ribault, Jacques Cartier, Le Challeux, Walter Ralegh griffen darauf zurück, wenn auch nur selten in vergleichbarer Intensität. Trotz der weiten Verbreitung der Transzendierung verzichteten andererseits viele Autoren darauf, ihren Lesern von direkten oder indirekten Eingriffen Gottes oder des Teufels im Kontext kolonialer Projekte zu berichten. Ein Grund hierfür könnte das fundamentale Problem sein, dass über Unternehmungen berichtet werden musste, bei denen trotz postulierter Gottgefälligkeit die zuvor gesteckten Ziele nicht erreicht worden waren. Unter solchen Umständen Gott mittelbar oder unmittelbar handeln zu lassen, erforderte argumentative Strategien, um den Lesern entweder zu erklären, warum Gott das Projekt scheitern ließ, oder umgekehrt das Ergebnis umzudeuten und zu begründen, warum es nicht wirklich gescheitert sei. In der zweiten Vorgehensweise lag – falls ein Autor dazu bereit war – auch das Potential, um für weitere Projekte zu werben, Schuld von sich zu weisen oder eine moralisch-theologische Positionierung der eigenen Kolonisationsbemühungen vorzunehmen. Für die Analyse der Quellen ist zunächst die in der Forschung grundlegend festgestellte enge Vernetzung englischer und französisch-hugenottischer Texte zu beachten. In der französischen Historiographie, prominent bei Lestringant, wurden sie als ein gemeinsames Corpus Huguenot mit übergreifenden Themen, Zielen und gemeinsamen Argumentationsstrukturen gedeutet.340 Diese Auffassung stützt sich auf die zahlreichen zeitgenössischen Übersetzungen und Kooperationen sowie auf die Bündelung vieler Texte im Gesamtwerk Theodor de Brys und seiner Erben. In seiner in Frankfurt 340 Hierfür sind die Arbeiten von Lestringant maßgeblich, bspw. Ders. 1996, S.  10  ; Ders. 2004, S. 322f.; Die Formulierung Corpus Huguenot geht zurück auf Marcel Battaillon, vgl. Battaillon 1974, S. 47 und 54. Kritisch gegen diese Angleichung der Diskurse hingegen Hart 2001.

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erschienenen Buchreihe fügten sich englische und französische Texte zu einem gemeinsamen, antispanischen Diskurs, der eine alternative und moralisch bessere Form der Kolonialisierung proklamierte als die iberische.341 Diese Gemeinsamkeiten und Verbindungen sollten jedoch weder dazu führen, Unterschiede zwischen anglikanischen und calvinistischen Autoren zu vernachlässigen, noch dazu, katholische Autoren aus der Analyse auszublenden. Nur so lässt sich ein Gesamtbild der Rolle Gottes und des Teufels in Erzählungen über koloniale Expansion zeichnen. Die einfachste Form, Gott handeln zu lassen, war, ihm die Verantwortung für den Gang der Ereignisse zuzuschreiben und auf jedwede Begründung zu verzichten. Ein Verweis auf seinen unergründlichen Ratschluss kann als Versuch gewertet werden, Verantwortung generell von sich zu weisen und Rückfragen zu unterbinden, doch besaß diese Argumentationsweise wenig weiterführendes Potential und provozierte die Frage danach, warum Gott sich so entschieden habe. Ein Beispiel hierfür ist Ralph Lanes Bericht über den Sturm, mit dem Gott ihn ohne eigene Schuld zur Abreise aus Virginia gezwungen habe.342 Auch Walter Ralegh nutzte in seinem Journal die Formulierung »it pleased god« um zu erklären, dass Krankheit, Sturm, Todesfälle und weitere Rückschläge außerhalb seiner eigenen Verantwortung lagen.343 Waren dies noch zwei unpublizierte Texte, so verwies auch Robert Johnson in der Schrift The new life of Virginea auf Gottes unergründlichen Willen, der den Allmächtigen dazu gebracht habe, die Flotte der Company 1609 mit einem Hurrikan zu treffen.344 Mit solche einem simplen Verweis auf Gott verzichteten die Autoren darauf, das Ergebnis der Unternehmung umzudeuten, ihm eine tiefere Bedeutung zu verleihen oder Kausalzusammenhänge herzustellen, die den menschlichen Akteuren Handlungsmacht zurückgaben  ; vielmehr machten sie die Kolonisten zu unwissenden Objekten göttlicher Intervention. Gänzlich anders gingen Autoren vor, wenn sie vom unglücklichen Ausgang kolonialer Projekte schrieben, die im Auftrag anderer Monarchen unternommen worden waren. Jean Ribault eröffnete beispielsweise seinen 1563 zuerst in England veröffentlichten Bericht über Florida mit der Aussage, dass zwar bereits zahlreiche spanische Versuche zur Kolonisierung des Landes unternommen worden seien, Gott sie aber alle verhindert habe.345 Das Land  – so erfuhr auch das englische Publikum  – war folglich den Untertanen des französischen Königs vorbehalten. Dieselbe Argumentation nutzten auch die Engländer Edward Hayes bezüglich Neufundland und der Region Norumbega an der Küste Nordamerikas, William Strachey für Bermuda und Walter Ralegh für Guyana.346 Hayes schrieb beispielsweise, das Land sei  : »strongly defended 341 Wehrheim-Peuker 1998, S. 255f. 342 Ralph Lane  : Discourse of the first colony, ediert in  : Quinn 1955 II, S. 255–294, hier S. 275. 343 Walter Ralegh  : Journal 1617, in  : Edwards 1988, S. 198–217. 344 Johnson 1612, S. 3f. 345 Quinn NAW II, S. 285f. 346 Vgl. Burghartz 2005, S. 316  ; Hulme 1992, S. 96f.; Kupperman 1980, S. 161  ; Zu Ralegh  : Fuller

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on our behalf by the almighty hand of god withstandig the enterprises of other nations«.347 Diese Art, auf Gottes Eingreifen zu verweisen, ermöglichte den Autoren die hervorragende Eignung des Landes für eine Besiedlung und andere Vorzüge zu betonen, was Investoren anlocken und zugleich erklären sollte, warum ein perfektes Land unkolonisiert geblieben war. Außerdem bestätigte diese Argumentation die Gottgewolltheit der eigenen Projekte und eventuell sogar den Status des eigenen Volkes, als von Gott zur Kolonisierung auserwählt. Allerdings verhinderte solch eine Deutung der Ereignisse, obwohl sie Scheitern klar benannte, eine sorgfältige Reflexion über deren Ursachen. Da Gottes Wille verantwortlich war, mussten keine Überlegungen bezüglich der Ausrüstung, der Vorräte, der Umweltbedingungen oder anderen Faktoren angestellt werden, denn das eigene Vorhaben stand ja unter Gottes Schutz. Diese Argumentation wurde allerdings dann problematisch, wenn die eigene Unternehmung nicht die versprochenen Erfolge gebracht und Gott die erhoffte und in seinem Namen proklamierte Zusage nicht eingehalten hatte. Im Falle einer solchen Enttäuschung deuteten Autoren die Ereignisse, die zum Abbruch des kolonialen Projektes führten, als Strafe Gottes, welche die Beteiligten durch ein Fehlverhalten heraufbeschworen hätten. Die Funktion dieses Arguments lässt sich an vier Beispielen verdeutlichen. Zum einen hatte – wie erwähnt – Ralph Lane den Hurrikan, der ihn zum Aufbruch gezwungen habe, in seinem vorerst unpublizierten Text als unergründliche Handlung Gottes bezeichnet, um sich selbst der Verantwortung zu entziehen. Der Geistliche Richard Hakluyt, dem Lanes Bericht bekannt war, widersprach dieser Deutung öffentlich, indem er den Sturm als Gottes Strafe für die Aggression einiger Kolonisten gegen Indigene erklärte.348 So beantwortete er die bei Lane noch offene Frage nach dem Grund für das göttliche Eingreifen. Der zweite Fall ist Humphrey Gilberts Untergang 1583, dessen zeitgenössische Deutung in der historischen Forschung intensiv diskutiert worden ist. Fitzmaurice stellte in einer Gesamtschau der Literatur fest, dass Edward Hayes, Richard Hakluyt und andere Autoren den tödlichen Sturm als göttliche Strafe für das unmoralische Verhalten mehrerer Mitreisender deuteten.349 Das Streben nach Gewinn anstelle von Missionierung und Ruhm für das eigene Land sowie die Duldung von Piraterie habe Gott zur Intervention bewegt, wobei Hakluyt die Kolonisten allgemein kritisierte 1995, S. 68  ; Ralegh 1596 spricht von 20 Versuchen zur Eroberung, Die Argumentation wird auch verwendet in  : Anonymus 1618, S. 38. 347 So Edward Hayes in seinem zunächst nur zirkulierendem, aber nicht gedruckten Bericht über Gilberts letzte Expedition, ediert in  : Quinn 1940 II, S. 385–423  ; hier zitiert nach der neueren Edition Archer/Price 2011, S. 602. 348 So Hakluyt in einem kurzen Bericht über die Geschichte der Kolonie, in Hakluyt PN 1589, S. 747– 748, ediert in  : Quinn NAW III, S.  311f.; vgl. Moran 2007, S.  87. In seine späteres Sammelwerk Hakluyt PN 1600 nahm er auch Lanes Bericht auf und brachte beide Deutungen somit als alternative Angebote zusammen. 349 Fitzmaurice 2004, S. 46–50.

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und Hayes als persönlich Beteiligter die Verantwortung allein bei Humphrey Gilbert sah.350 Trotz gewisser Unterschiede folgten beide Autoren den gängigen Moralvorstellungen sowie dem etablierten Lob der Vita activa und bekräftigten somit diese Normen zugleich. Mary Fuller deutete Hayes Text jedoch noch tiefergehend und sah in der Schilderung von Gilberts Schiffbruch die Inszenierung eines Opfergangs für die englische Nation.351 Ihrer Interpretation nach habe Edward Hayes in seiner Schilderung den Tod des mit der Bibel in der Hand freiwillig auf dem kleinsten Schiff im Sturm reisenden Gilbert zu einer Versöhnung mit Gott erhoben, deren Beweis seine eigene sichere Heimkehr als Augenzeuge sei. Zukünftige Projekte könnten daher wieder auf himmlische Unterstützung bauen. Die Erklärung, Gottes Strafe folge auf unmoralisches Verhalten, erhielt weitere Nuancierungen und verfestigte sich im dritten Beispiel  : der Jamestown-Propaganda. Zum einen unterstützten nun Prediger die Botschaft von der Kanzel sowie in eigenen Druckschriften und verliehen ihr so zusätzliche Autorität  ;352 zum anderen fügten Autoren weitere Formen des Fehlverhaltens als Erklärung für Gottes Strafe hinzu, wobei die Habgier stets zentral blieb. John Smith ergänzte in seiner True Relation Uneinigkeit und Missgunst der Kolonisten untereinander, und William Strachey fügte in seiner True Reportory fehlende Demut und geringen Gottesglauben hinzu. Der Verweis auf die biblische Erzählung von Kanaan machte schließlich  – wenn auch nur implizit – schlechte Rede über Virginia und Kritik an der Unternehmung im Heimatland zu möglichen Ursachen für göttliche Strafe.353 Hierbei zeigt sich deutlich, dass der Verweis auf Gottes Strafe als Argument für die Beförderung jedweden moralisch wünschenswerten Verhaltens diente. Das vierte und letzte Beispiel ist die Darstellung des Untergangs von Florida, die der Hugenotte Le Challeux 1566 verfasste. Sie ist eine der wenigen heute bekannten kolonialkritischen Schriften ihrer Zeit. Le Challeux deutete den Sieg der Spanier und den Tod zahlreicher Kolonisten als Gottes Strafe dafür, dass die Männer ihre Heimat verlassen und damit ihre Familien und den rechten Glauben in Frankreich im Stich gelassen hätten.354 Seine Deutung ist in ihrer Radikalität einmalig, da sie darauf hinausläuft, dass jede hugenottische Siedlungskolonie gegen Gottes Willen verstoße, egal wie die Kolonisten sich verhalten würden. Über diese allgemeine Beobachtung hinaus hat Monika Wehrheim-Peuker die persönliche Errettung als zentrales Ele350 Vgl. Analysen von Hayes Vorgehen bei  : DePasquale 1999, S. 143f. und Edwards 1992, S. 270–286. Auf dieselbe Weise argumentierte auch John White gegen die Seeleute, die ihn 1588 nach Virginia bringen sollten, siehe Griffiths 2001, S. 198f. 351 Fuller 1995, S. 33–36. 352 Whitaker 1613, S. 1. 353 Smith 1608  ; Strachey  : A true Reportory, ediert in  : Haile 1998, S. 381–445, hier S. 442. Zur Bedeutung und Nutzung der Kanaan-Erzählung vgl. Kapitel 4.1.1. 354 Üblicherweise wird Le Challeux mit dieser Aussage zusammengefasst, vgl. Boucher 2007, S. 294  ; Hart 2001, S. 71f.

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ment einer calvinistischen Diskursgemeinschaft interpretiert, in der Le Challeux’ Text zu verorten sei.355 Wehrheim-Peuker baut dabei auf Arbeiten Lestringants zu Jean de Léry auf und betrachtet Le Challeux und dessen Mitreisenden, den Maler Jacques le Moyne, genauer. Das Leitmotiv der Darstellungen beider Männer bildet ihre eigene Errettung durch völliges Vertrauen auf Gottes Vorsehung.356 Dies gilt sowohl für Le Challeux und Le Moyne, die den Gnadenversprechen der Spaniern nicht trauten, sondern sich versteckten und betend auf Gottes Beistand hofften, als auch für Jean de Léry, der sich lieber einem schwer beschädigten Schiff und damit Gott anvertraute, als auf die Milde Villegagnons zu bauen.357 Die folgende Errettung des Autors ist dann wiederum Beweis für seine persönliche Auserwähltheit, die den eigentlichen Untergang der Kolonie an Bedeutung überstrahlt.358 Le Challeux’ Fokus auf das eigene Auserwähltsein führt dazu, dass er auch für seine Tätigkeit als Autor göttliches Wohlwollen beanspruchen kann. Die so gewonnene zusätzliche Autorität wollte Le Challeux nutzen, um einerseits den König und andererseits die Hugenotten selbst von ihrer Bedeutung und ihrem Wert für Frankreich zu überzeugen. Die vier Beispiele zeigen insgesamt, dass die Hervorhebung göttlicher Strafe es den Autoren erlaubte, Amerika weiterhin in ein positives Licht zu rücken und die Verantwortung für das Geschehen an die Akteure zurückzugeben. Das bedeutete zugleich – die hugenottische Lesart ausgenommen – Handlungsmacht für die beteiligten Akteure, die es gewissermaßen in der Hand hatten, ob Gott ihre Unternehmung wohlwollend begleitete oder ihnen zürnte. Auch wenn Le Challeux’ Text antikolonial war, so bediente er mit der Aufwertung des eigenen Überlebens und des Erzählens von den Ereignissen einen Argumentationsstrang, den auch viele prokoloniale Autoren nutzten. In seinem Fall waren die sichere Heimkehr und der Bericht ein vom Autor selbst hervorgehobener, zumindest teilweiser Ersatz für fehlende Erfolge und ein Zeichen von Gottes Gnade. Die Deutung der Ereignisse als göttliche Strafe ermöglichte den Autoren außerdem ihre eigene moralische Agenda zu transportieren, die sich zwar an dem moralischen Horizont der Zeit orientieren musste, aber jeweils nuanciert werden konnte. Durch diese Bezugnahme bekräftigten sie wiederum die moralischen Standards und unterstützten die darauf basierende Konstruktion einer eigenen moralisch aufgeladenen kolonialen Identität im Ursprungsland. Rein pragmatisch ist festzuhalten, dass durch diese Sichtweise bestimmte interne Aspekte, die zum Abbruch vieler Unternehmungen führten, wie Uneinigkeit oder kurzfristige Profitorientierung besondere Aufmerksamkeit erhielten. Doch daraus folgten kaum Veränderungen. Außerdem führte der meist moralische Fokus auf das Argument göttlicher Strafe tendenziell zu einer Vernachlässigung anderer Ursachen wie Umwelteinflüsse. Über diese Aspekte 355 356 357 358

Wehrheim-Peuker 1998, Kapitel 4 insgesamt und S. 236f. Diesen Ansatz verfolgt auch Mahlke 2005, S. 118–128 für Challeux und S. 129–138 für Morgues. Wehrheim-Peuker 1998, zu Le Moyne, S. 250, zu Léry, S. 237, 244. Wehrheim-Peuker 1998, S. 245.

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hinaus erfüllte der Verweis auf Gottes Strafe aber vermutlich auch ein grundlegendes Bedürfnis der Autoren und vieler Leser, Zufall erklärbar zu machen und den Ereignissen in einer Weise Kausalität und Sinn zu geben, die mit ihrem bestehenden Weltbild und Glaubenssystem vereinbar war. Letzteres galt auch für die Deutung der Geschehnisse als Beweis für Gottes Wohlwollen und Schilderungen seines Eingreifens zugunsten der Kolonisten. Hierbei nimmt insbesondere die indigene Bevölkerung eine ambivalente Stellung ein, denn die den Kolonisten erwiesene Gnade konnte sowohl in der Hilfe der Indigenen für die Kolonie als auch in einer göttlichen Strafe für die Indigenen manifest werden. Gottes »gerechter« Zorn gegen Indigene ist ein Leitmotiv der Konquistadorenberichte, die Wunderzeichen schilderten und ihre eigenen Erfolge gegen eine immense Übermacht auf göttliches Eingreifen zurückführten. Die Verfasser stellten Kannibalismus, Menschenopfer und die Gottlosigkeit der indigenen Gesellschaften als Gründe für Gottes Zorn dar und rechtfertigten so zugleich eigene Gräueltaten und ihre Landnahme.359 Auch Thomas Harriot sah in seinem True Report in dem Verhalten der Indigenen die Schuld für göttliche Strafe, die aber nicht durch Europäer vollstreckt worden sei, sondern durch von Gott gesandte Krankheiten.360 Er berichtet, dass in den von Engländern besuchten Dörfern all jene Indigenen krank geworden seien, die böse, verräterische Absichten hegten. Mit seiner Darstellung bediente er das in englischen Schriften häufige Stereotyp der treachery und verwies zugleich auf göttliche Unterstützung für Raleghs Kolonialprojekt, bei dem im Gegensatz zu zahlreichen Indigenen nur ein Engländer gestorben sei. Nicht nur, dass Harriot Landschaft und Klima als für Europäer gesundheitsfördernd darstellte, er hob somit auch hervor, dass man bei Konfrontationen mit den Indigenen auf Gottes Beistand zählen könne. Französische Quellen, die so argumentieren, sind bisher nicht bekannt, denn bei Léry oder Abbeville werden Leiden der Indigenen eher als Werk des Teufels beschrieben, von dem die Christianisierung sie erretten würde. Harriots Argumentation von der Strafe Gottes setzt ein bestimmtes Verhalten der Indigenen voraus und spricht ihnen somit Handlungsmacht zu, eine Einschätzung, die ins Gegenteil verkehrt wird, wenn Autoren von positivem indigenen Verhalten berichten. Sowohl bei Jacques Cartier wie auch in Quellen, die im Kontext der JamestownPropaganda entstanden, erscheinen hilfreiche Indigene als bloße Instrumente positiven göttlichen Willens. Bei Cartier schickte Gott sie, um das Heilmittel gegen Skorbut zu bringen und den Franzosen zu helfen.361 William Crashaw wiederum dankte in seiner Predigt Gott für  : »giuing vs fauour in the eies of the sauages, who rather inuite vs

359 Nach Wehrheim-Peuker 1998, S. 247. 360 Harriot 1588, Fol. F.r. u.v. (S. 41f. in eigener Zählung). 361 In der englischen Ausgabe  : Hakluyt 1582, S. 67f. und S. 195f  ; Auch bei Lescarbot/Biggar III, S. 148f. Zur Verwendung der Argumentation in englischen Texten siehe Kupperman 1980, S. 181.

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then resist vs.«362 Auch George Percy führte eine indigene Waffenruhe nicht auf deren eigene Entscheidung zurück, sondern schrieb  : »If it had not pleased God to haue put a terrour in the Sauages hearts, we had all perished by those vild and cruell Pagans.«363 Diesen Deutungen war gemeinsam, dass sie vom bestehenden Weltbild ausgehend im Diskurs die grundsätzliche Abhängigkeit der Europäer von den Indigenen und deren Überlegenheit durch Verweis auf die größere Macht Gottes abschwächten. Dieses Argument passt hervorragend zu der auf der Annahme eigener Überlegenheit basierenden Werbung für weitere koloniale Projekte. Gottes Gnade zeigte sich aber nicht nur durch indigene Akteure, sondern viel häufiger noch durch wundersame Rettung aus Gefahr zur See oder an Land. Im Vergleich der Erwähnung beider Räume in den Texten fällt auf, dass das Meer viel häufiger und intensiver als Ort der Gottesbegegnung inszeniert wird als das Festland. Hierbei folgen die Texte älteren Pilgerberichten und biblischen Reiseerzählungen.364 Die Wirkmacht dieser Vorbilder zeigt sich unter anderem darin, dass französische und englische Autoren konfessionsübergreifend mit ähnlichen Motiven arbeiteten und einen Sturm als Prüfung des Glaubens zeichneten, in dem Gottvertrauen und das rechte Gebet entweder Gott dazu bringen, das Unwetter zu besänftigen, oder Ausdruck eines bereits bestehenden Zustands der Gnade sind. Solch eine Betrachtungsweise teilen beispielsweise Claude d’Abbeville und André Thevet mit Samuel de Champlain einerseits und die Autoren mehrerer Berichte über Frobishers Reisen wie George Best, Edward Sellman, Dionyse Settle und Thomas Ellis mit Richard Grenville oder Alexander Whitaker andererseits.365 Eine Besonderheit verlieh Jean de Léry seiner Erzählung, indem er betonte, dass er und seine hugenottischen Gefährten bei Stürmen und Flauten allein auf Gott vertraut hätten und nicht wie ihre katholischen Seeleute auf Heilige, was er als nutzlos ansah.366 Gott besänftigte aber nicht nur Stürme, sondern beeinflusste angeblich auch die Schiffsführung als ein »Heavenly Pilot«, der koloniale Projekte zum Ziel führe.367 Diese Argumentation griff das vorherrschende Bild vom Atlantik als Gefahrenraum auf, relativierte jedoch dessen Risiken und bekräftigte, falls

362 363 364 365

Crashaw 1610, zitiert nach  : DePasquale 1999, S. 133f. Percy’s unveröffentlichter Discourse, zitiert nach  : DePasquale 1999, S. 125. Jahn 1993, S. 243. Zu Claude d’Abbeville siehe D’Abeville 1614, Fol. 12–60  ; zu Champlain das Beispiel der Berichte über seine dritte Reise 1611, in  : Champlain/Biggar, S. 155f. und S. 158f.; zu Frobisher siehe speziell die Texte zur dritten Reise, gemeinsam ediert in  : McDermott 2001, allgemein S. 23  ; zu Thomas Ellis, S.  195–203, hier S.  197 und S.  199  ; Edward Sellman S.  177–194, hier S.  181  ; George Best, S. 205–244  ; Siehe zu Richard Grenville seinen Brief an Walsingham vom 29. Oktober 1585, ediert in  : Quinn 1955, S. 218–221  ; Zu Thevet siehe die Ausgabe  : Thevet/Lestringant 1983, S. 39  ; Zu Whitaker siehe Whitaker 1613, Widmungsepistel und S. 23. 366 Léry 1578 und Ndr. 2001, Kapitel VIII, Eintrag Mai 1558. 367 Whitaker 1613, Widmungsepistel, vgl. die Edition in  : Haile 1998, S. 695–746, Zitat S. 701.

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vom Untergang von Schiffen aus anderen Ländern die Rede war, das Motiv der göttlichen Reservierung des Landes für die eigene Nation. Deutlich seltener verweisen Autoren auf Gottes Hilfe gegen Gefahren, die zu Lande drohten. Dieses Verhalten resultierte vermutlich daher, dass der Raum »Neue Welt« generell in einem weitaus positiveren Licht geschildert wurde. Eine wichtige Ausnahme bilden die deutschen Konquistadorenberichte, in denen nach spanischem Vorbild das Land und nicht die See der eigentliche Gefahrenraum war.368 Englische Autoren argumentierten hingegen aufgrund ihrer allgemein prokolonialen Zielsetzung anders. Sie beriefen sich nur in wenigen Fällen auf ein Eingreifen Gottes als Ausweg aus Not zu Lande. Der Grund hierfür war, dass die meisten von ihnen jedweden Mangel entweder als übertriebene Empfindung oder Lüge abtaten und ihn, wenn sie ihn überhaupt thematisierten, nicht auf die Landesnatur, sondern auf die Trägheit der Kolonisten oder nach 1610 auf die Feindseligkeit Indigener zurückführten. Die paradiesische Landesnatur und meist friedlichen Indigenen gaben in den Texten wenig Anlass, um von einer göttlichen Errettung zu berichten. Die wenigen Beispiele für Bezugnahmen auf Gottes Beistand zu Lande sind daher oft prospektiv, wie Ralph Lanes Behauptung gegenüber Walsingham 1585, er mache sich über Hunger keine Sorgen, da Gott zur Not Raben befehlen würde, seinen Kolonisten Nahrung zu bringen – eine direkte Anspielung auf eine Erzählung des Propheten Elias.369 Auch der Prediger William Symonds verkündete 1609 in London zukünftigen Kolonisten, dass Gott in Virginia keine Not und keinen Mangel zulassen werde und jede Sorge unbegründet sei.370 Seine Predigt zeigt, dass sich prospektive Hinweise auf Gottes Gnade mit den paradiesischen Vorstellungen des Topos vom Land of Plenty vereinbaren ließen. Noch deutlicher verknüpft die Schrift Good newes from Virginia beide Aspekte. Der Autor legt seinen Lesern dar, dass das Überleben und die Gesundheit der schiffbrüchigen Kolonisten um Thomas Gates auf Bermuda der Beweis dafür seien, dass Gott die Engländer so sehr unterstütze, dass er für sie selbst die »Isle of devils« zur Idylle mache.371 Die Ankunft Lord De la Warres gerade in dem Augenblick, in dem Gates Jamestown aufgeben wollte, deutete Whitaker natürlich ebenfalls als göttliches Zeichen. Einen besonderen Kontext für Schilderungen, in denen eine sichere Ankunft als Beweis für angeblich erwiesene göttliche Gnade galt, boten Unternehmungen, die vom Autor als Bußfahrten, ähnlich einer Pilgerreise, präsentiert wurden. Ein bekannter Fall hierfür ist Walter Raleghs erste Guyana-Reise 1595, auf der er die Entdeckung eines neuen, besser als jedes andere zur Kolonisierung geeigneten Landes als Beweis göttlichen Wohlwollens präsentierte. Griffiths interpretierte dies angesichts des Zustandes der Ungnade, in dem Ralegh sich befand, und dessen Wunsches, sich bei 368 369 370 371

Jahn 1993, S. 201–243. Ralph Lane an Walsingham am 12. August 1585, ediert in  : Quinn 1955 I, S. 198–204, hier 203f. Symonds 1609, S. 25 und 45. Whitaker 1613, hier besonders die Widmungsepistel.

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Elisabeth zu rehabilitieren, als eine typische »painfull pilgrimage«.372 Da Ralegh seine Ausführungen mit dem Motiv der Reservierung des Landes für England und Gottes Strafe für alle anderen Mächte, die eine Eroberung versucht hätten, kombinierte, tritt das Zusammenspiel unterschiedlicher Deutungsangebote klar hervor.373 Gott war jedoch nur einer von zwei übernatürlichen Akteuren, die laut den Quellen Einfluss auf den Ausgang kolonialer Projekte nahmen oder zu nehmen versuchten. Als Antagonist Gottes spielt der Teufel lange Zeit kaum eine Rolle, gewann aber gegen Ende des Betrachtungszeitraums rapide an Bedeutung. Eine typische frühe Erwähnung findet sich beispielsweise bei Jean Ribault, der 1563 überwundene Hindernisse als Werke des Teufels beschrieb, gegen die Gott interveniert habe.374 Auch Claude d’Abbeville ließ den Teufel 1614 aktiv gegen die Kolonie France équinoxiale vorgehen, indem er ihn als unmittelbaren Verursacher eines Sturms benannte, aus dem Gott die Kolonisten vor dem »rage du diable« gerettet habe.375 Seine Schilderung ordnete sich in die etablierte Bedeutung des Meeres als Ort der Prüfung und der Gottesbegegnung ein. Nicolas de Villegagnon 1561 und George Popham 1606 machten den Teufel hingegen zum Hintermann verhängnisvoller Machenschaften menschlicher Widersacher gegen Kolonie und Königreich und stellten ihn weniger als unmittelbar handelnd dar.376 Im Vergleich der Texte zeigt sich insgesamt, dass der Teufel in katholischen französischen Quellen häufiger vorkam als in hugenottischen, wohingegen er in englischen Texten vor 1600 kaum eine Rolle spielte, danach aber immer deutlicher hervortrat, bis er in den Predigten von Crashaw und Whitaker unmittelbarer Widersacher der Unternehmung in Jamestown war.377 In all diesen Fällen stand der Teufel für Herausforderungen, die durch Glaubenseifer und Wachsamkeit zu überwinden seien. Daher erklärte die Bezugnahme auf ihn auch weniger den Ausgang der kolonialen Unternehmung, sondern vielmehr diente seine Opposition als Beweis dafür, dass das Projekt gottgefällig sei, so explizit bei Abbeville 1614. Konsequent fortgeführt bedeutete dieser Gedanke aber auch, dass jede Opposition gegen das Projekt ein Dienst für den Teufel und ein Affront gegen Gott war.378 Im Vergleich der englischen und französischen Quellen zeigen sich zwei Besonderheiten. Französische Autoren inszenierten den Teufel konfessionsübergreifend als 372 Griffiths 2001, S. 221 mit mehr Informationen zum Genre der painfull pilgrimage. 373 Fuller 1995, S. 68. 374 Jean Ribault, La complète et véridique Découverte de la »Terra Florida«, hier nach der Edition in  : Lussagnet 1958, S. 1–27, Zitat S. 6. 375 Abbeville 1614, ebd. Fol. 336r. und 336v.; vgl. zu einer anderen Passage Daher 2002, S. 150. 376 Zu Popham siehe Cave 1995, S. 627  ; Zu Villegagnon, siehe Villegagnon 1561. 377 In  : Whitaker 1613, S. 22f.; Crashaw 1610, S. 73  ; vgl. Borge 2002, S. 111  ; Ein Beispiel für die nur kurze Erwähnung in hugenottischen Texten ist neben Ribault auch Bassaniers Ausgabe von Laudonnières Reisebericht 1587, in der Edition Lussagnet 1958, S. 43. 378 Whitaker 1613, S. 22.

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Peiniger der Indigenen, so Jean de Léry und Claude d’Abbeville.379 Die gleichzeitige Schonung der Franzosen zeigte nach diesen Autoren zum einen, dass sie selbst sich im Zustand der Gnade befanden, und zum anderen, dass es ihre Aufgabe sei, die Indigenen zu missionieren, so dass Gott sie ebenso schützen werde.380 Zwar proklamierten auch englische Autoren die Notwendigkeit, die indigene Bevölkerung von einem Leiden unter dem Zustand der Gottlosigkeit zu befreien – doch eine vergleichbar aktive Rolle des Teufels ist dabei nicht üblich. In englischen Texten führten außerdem nach 1609 Verweise auf den Teufel und seine Mittelsmänner in Amerika verstärkt zu einer radikal antiindigenen Argumentation. Wenn die allgemeine negative Charakterisierung der Indigenen als »naked slaves of the divell«381 noch eventuell eine Aussicht auf ihre Befreiung und Missionierung hatte beinhalten können, so galten ihre angeblichen Priester allesamt als »a generation of vipers even of Satans own brood«382. Die Prediger der Company gaben ihnen die Schuld an Konflikten und allen Mängeln, unter denen die Kolonie litt. Sie nutzten dafür einen bedeutungsvollen Vergleich  : »Their Priests are no other but such as our English Witches are.«383 Somit hätten die priests bewusst einen Pakt mit dem Teufel zum Schaden anderer geschlossen, in diesem Fall der Engländer. Die Engländer und die indigenen priests waren demnach Stellvertreter des Guten und des Bösen und somit Antagonisten in einem göttlichen Kampf. Dieser von den Kanzeln gepredigten Einschätzung entspricht auch die Anweisung der Company an den Befehlshaber Thomas Dale, er solle die priests gefangen nehmen und ihrem Einfluss einen Riegel vorschieben.384 Dabei sollten, wie die Personalausstattung und Umsetzung zeigen, gewaltsame Sanktionen zum Einsatz kommen und nicht intensive missionarische Tätigkeit. Die Proklamierung dieses sakral aufgeladenen, negativen Indigenenbildes erinnert an die Argumente, die von spanischer Seite zur Legitimation der Eroberung Mesound Südamerikas vorgebracht wurden und brachte einige englischen Autoren nach 1610 auch dazu, den Untergang der Azteken, Maya und Inka weitaus positiver zu sehen als ihre Vorgänger im 16. Jahrhundert.385 Hierbei spielten sicherlich auch der 1604 geschlossene Frieden mit Spanien und die Allianz- und Eheprojekte der Stuarts eine Rolle. Die antiindigene Argumentation war allerdings keineswegs umfassend verbreitet, sondern blieb weitgehend auf die Predigten begrenzt. Trotzdem sollte diese Deutung nicht außer Acht gelassen werden, wie es in der englischen Forschung aufgrund einer 379 Abbeville 1613, S. 8  ; zu Léry siehe Frübis 1995, S. 123. 380 Allgemein Ruppel 1992, S. 117. 381 Whitaker 1613, S. 23. 382 Ebd., S. 26. 383 Ebd., S. 23. 384 Instruktionen für Thomas Gates, Mai 1609, ediert in  : Quinn NAW V, S. 212–218, hier S. 213. 385 Harcourt 1613, Fol. B2r.

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allgemeinen Vernachlässigung der Predigten als Quellen mehrfach geschehen ist.386 Sie in die Analyse einzubeziehen, verhindert, dass eine negative, auf Konflikt und Vertreibung zielende englische Politik gegenüber den Indigenen erst nach 1622 datiert und fälschlicherweise in Gänze als Reaktion auf den indigenen Angriff unter Opechancanough interpretiert wird.387 Als Folge des sogenannten Jamestown-Massakers von 1622 bildete sich demnach weniger eine völlig neue Sichtweise aus, sondern vielmehr eine Verschiebung bereits vorhandener Deutungsangebote. Ein vergleichender Blick in die französischen Quellen zeigt beispielsweise bei Yves d’Évreux oder Laudonnière zwar ebenfalls Verweise auf das Wirken des Teufels gegen die Bekehrung und ein Bündnis zwischen ihm und den indigenen Zauberern, doch die Schlussfolgerung daraus war ein Appell zur friedlichen Missionierung, um die Indigenen vor dem Verderben zu schützen.388 Diese Beobachtung passt zu den bezüglich der zeitgenössischen Raumvorstellungen von Amerika bereits angedeuteten, tendenziellen Unterschieden zwischen englischer und französischer Politik. Nach der Betrachtung der Rolle Gottes und des Teufels bleibt noch die Frage zu stellen, welche Alternativen zu einer Transzendierung der Ereignisse bestanden, insbesondere wenn die Akteure sich dezidiert religiös/konfessionellen Problemen gegenübersahen oder auf Phänomene wie Hurrikane trafen, die sich menschlichem Einfluss offensichtlich entzogen. Für den ersten Fall ist der Umgang Mark Lescarbots mit der France antarctique Villegagnons besonders interessant. Für Lescarbot war klar, dass ein Konfessionskonflikt die zentrale Ursache für den von ihm als Scheitern bewerteten Ausgang der Unternehmung war. Doch obwohl die Konfessionsfrage im Zentrum der Auseinandersetzung stand, verzichtete Lescarbot auf eine Transzendierung. Für ihn, der nach dem Edikt von Nantes lebte und Teil eines gemischtkonfessionellen Kolonialprojektes war, ging es nicht um Gottes Strafe. Er zog für seine Leser daraus vielmehr die Lehre, dass es an den Menschen lag, ob sie die Konfession zu einem einigenden oder trennenden Faktor machten und ob sie die religiöse über die weltliche Ordnung stellten, was er selbst bei der Gründung von Kolonien prinzipiell ablehnte – vermutlich auch wegen seiner eigenen Erfahrungen mit dem Einfluss der Jesuiten in der Acadie. Für den zweiten Fall bestand in der Frühen Neuzeit mit der Figur der Fortuna eine Alternative zur christlichen Transzendierung.389 Sie war eine Möglichkeit, im Diskurs Zufall und Schicksal zu personifizieren, ohne Gott selbst bemühen zu müssen. Allerdings, wie Tina Asmussen darlegte, war auch Fortuna mit heterogener Bedeutung aufgeladen. Sie galt als unergründlich und launisch, konnte aber angeblich auch durch 386 Die Predigten sind nicht in der Quellensammlung Quinn NAW enthalten. 387 So bei Canny 1998, S. 152f. und DePasquale 1999, S. 10 und S. 143. 388 D’Évreux/Denis 1864 und Évreux/Obermeier, Kapitel XI–XV. Siehe speziell Abbeville 1613 auch als Ndr. im Anhang von D’Évreux/Denis 1864  : Discours et Congratulation à la Franve, S. 365– 371. Zu Laudonnière, siehe die Edition Lussagnet 1958, S. 43. 389 Asmussen 2016.

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Tugendhaftigkeit oder Wissen beeinflusst werden.390 In jedem Fall ist auffällig, dass diese zeitgenössisch in anderen Kontexten wie dem Bergbau oder der kommerziellen Schifffahrt verbreitete Alternative zur Transzendierung der Ereignisse nach derzeitigem Kenntnisstand keine Rolle im Diskurs über koloniale Projekte spielte. Anstelle der naheliegenden Fortuna waren vielmehr Schuldzuweisungen an beteiligte Akteure die häufigste argumentative Alternative angesichts von Naturgewalten. Autoren machten die fehlende fachliche Eignung und Disziplin Mitreisender, beispielsweise der Seeleute zum Thema – eine Vorgehensweise, die wie in Kapitel 4.2.3 beschrieben, ganz eigene Vorzüge und Probleme mit sich brachte. Abschließend lassen sich einige Tendenzen festhalten. Zum einen spielte die Transzendierung über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg eine bedeutende und sogar an Relevanz zunehmende Rolle. Dies lag vermutlich an ihrem Potential, unterschiedliche Unwägbarkeiten und Erfahrungen eigener Ohnmacht in ein akzeptiertes Erklärungsmodell einzubinden – einerlei ob als göttliche Gnade und Strafe oder als Wirken des Teufels. Tendenziell sprachen französische Katholiken und Anglikaner dabei den beteiligten Akteuren mehr Handlungsmacht und Einfluss auf Gottes Zorn oder Wohlwollen zu, als die Hugenotten es taten. Allen gemeinsam ist, dass Gottvertrauen und der Beweis der göttlichen Unterstützung für ihre Person und/oder für Projekte aus dem eigenen Land im Mittelpunkt standen und eventuelle Rückschläge aufwogen. Erlittenes Leid spielte eine besondere Rolle für die Hugenotten, die damit ihr persönliches Auserwähltsein bewiesen, aber auch bei den Anglikanern, die dadurch eine Vergebung ihrer Sünden inszenierten. Bei katholischen Autoren stand hingegen tendenziell die Deutung des göttlichen Beistandes und der Errettung aus Gefahr als ein Zeichen der Unterstützung für die Missionierung der Indigenen im Fokus. Die Deutung der Missionierung als Rettung der Indigenen vor dem Teufel unterschied die katholischen Franzosen im Diskurs nur bedingt von den argumentativ promissionarischen Anglikanern, obwohl die Intensität ihrer praktischen Anstrengungen sich deutlich voneinander abhob. Im Gegenzug bestand in englischen Quellen mit der Verteufelung der Indigenen ab 1609 eine eigene, radikalere Interpretationsebene, welche die Konfrontation mit indigenem Widerstand zum Teil der heilsgeschichtlichen Konfrontation zwischen Gott und dem Teufel machte. Letztlich erwies sich Transzendierung als ein flexibles Deutungsmodell für Erfahrungen in Übersee, das Angehörige aller Konfessionen nutzen konnten. Es konnte sowohl für Rechtfertigungen, wie auch für Vorwürfe genutzt und damit je nach Wunsch sowohl für wie auch gegen weitere koloniale Projekte ins Feld geführt werden. Entscheidend war dabei stets die Frage, wie sehr Gott sich vom Verhalten der Menschen beeinflussen ließ, und in einigen Fällen auch, welche Macht dem Teufel zukam. Hierauf konnte dieses Kapitel nur fallspezifische Antworten geben, was darauf hinweist, 390 Ebd. S. 37–39.

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dass eine tiefergehende Analyse, mit einer umfangreichen theologischen und kirchengeschichtlichen Fundierung ein lohnenswertes Ziel für weitere Forschungen wäre. 4.2.2 Beweis der eigenen Größe – Heroisierung

Da ein großer Teil der überlieferten Quellen zur Geschichte transtalantischer kolonialer Projekte Erzählungen für ein relativ breites Lesepublikum waren, überrascht es wenig, dass die Autoren die Protagonisten einiger dieser Berichte – und damit manchmal auch sich selbst – zu Helden erhoben. Solch eine Heroisierung war ein etablierter Weg, um den dargestellten Ereignissen unabhängig von eventuellen finanziellen Verlusten, Todesfällen oder enttäuschten Erwartungen einen tieferen Sinn und eine positive Wendung zu geben. Generell ist Heroisierung in den letzten Jahren verstärkt zum Gegenstand der historischen und literaturwissenschaftlichen Forschung geworden.391 Als verbindende Definition lässt sich dabei in Anlehnung an von den Hoff von einem kulturellen Konstruktionsprozess sprechen, in dem bestimmte Gruppen oder einzelne Akteure zu Verkörperungen tradierter Vorstellungen von Heroismus und zeitspezifischer Ideale werden. Dieser Vorgang dient der kollektiven Selbstvergewisserung und bietet den Mitgliedern einer Gesellschaft Vorbilder zur Nachahmung. Allerdings werden hergebrachte Werte nicht nur aktualisiert, sondern auch transformiert und angepasst, beispielsweise um dem Publikum neue kollektive Identitätsangebote zu machen.392 Heroisierung kann dieselben Akteure mehrfach betreffen und in unterschiedlichen Kontexten ihre Bedeutung verändern wie beispielsweise in der Umformung bereits zeitgenössisch berühmter Personen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zu Nationalhelden als Archetypen einer Identitätsbildung im 20. Jahrhundert.393 Im Hinblick auf die Geschichte der europäischen Expansion ist Heroisierung ein in der Forschung häufig, meist im Fokus auf einzelne Akteure oder eine spezifische Gruppe wie die elisabethanischen seadogs, untersuchtes Thema.394 Dabei hat insbesondere Goodman herausgestellt, dass die zeitgenössischen Heroisierungen länderübergreifend der Tradition von Berichten über Pilgerreisen und Ritterfahrten folgten.395 Solche Werke waren in Buchform sehr erfolgreich, wobei, wie Goodman betont, insbesondere Ritterromane einen starken Einfluss hatten. Sie seien für die Zielgruppe junger Männer, die auf Ruhm und Karriere in Übersee hofften, besonders ansprechend gewesen, wie sie mit der raschen Zunahme der Zahl der Werke und des erzielten Um391 Definition und Literaturbericht zum Thema  : Von den Hoff 2015, zur folgenden Definition S. 4. Vgl. zur Übersicht Aurnhammer/Pfister 2013, S. 7–12. Siehe hierzu auch die weiteren Publikationen im Kontext des Freiburger Sonderforschungsbereiches Kulturen des Heroischen. 392 Schreier 2015, S. 32–34  ; Aurnhammer/Pfister 2013, S. 12. 393 Gordon 2010, S. 6–8, mit zahlreichen Informationen zum Beispiel Jacques Cartiers. 394 Vgl. die neueren Überblicke bei Borge 2007, S. 129–133  ; Seymour 2004, S. 87–92. Zu den Seadogs bereits Andrews 1978, S. 104 und zahlreiche weitere Beispiele. 395 Vgl. grundlegend Goodman 1998  ; Pfister 2013  ; Pagden 1996, S. 95–103.

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satzes von 1480–1580 belegt.396 Dazu gehörten viele Klassiker, die neu aufgelegt und mit exotischen Schauplätzen und Wunderwesen angereichert wurden.397 So bot die heroisierende Ritterliteratur, in der bestimmte Topoi und Strukturen etabliert waren, einen Erwartungshorizont und Vergleichsmaßstab, an denen Reisende und Autoren von Werbeliteratur ihre Texte ausrichteten.398 Da Erzählungen über transatlantische Reisen auf denselben Buchmarkt zielten wie die Rittergeschichten und teilweise sogar bei denselben Druckern und Händlern erschienen, ist es naheliegend, dass die Autoren den Vorlagen folgten.399 Die Folge war eine enge Fixierung auf einen Protagonisten, der durch die Erzählung führt, den Leser mit der Schilderung seiner Sinneseindrücke zum Staunen anleitet, das Fremde mit dem Bekannten vergleicht und in einer Reihe von Episoden Begegnungen erlebt, die zur Erweiterung seiner Kenntnisse führen und ihm Herausforderungen und Antagonisten entgegenstellen, die seinen Körper und Geist testen und an deren Überwindung er reift.400 Grundlegend lassen sich in vielen Werken Elemente der klassischen Heldenreise nach Campbell erkennen, etwa ein Erweckungsmoment als »Ruf des Abenteuers«, der Einfluss eines väterlichen Mentors und ein besonders herausgehobener »Schritt über die Schwelle«.401 Auch Autoren wie Richard Hakluyt, die ihre eigene literarische Tätigkeit als Äquivalent zu den Leistungen der Entdeckungsreisenden inszenierten, orientierten sich in ihrer Selbstbeschreibung daran.402 In Hakluyts Fall findet sich der Ruf des Abenteuers in der Begegnung mit seinem Mentor, dem älteren Richard Hakluyt, der ihm feierlich eine Karte der neuen Entdeckungen und eine Bibelstelle zeigt. Beides habe ihn sogleich inspiriert, fortan den Ruhm Englands mehren zu wollen. Die mühevolle Sammlung des Wissens in englischen Hafenstädten, in London, Paris und durch zahlreiche Übersetzungen machte er dann im Vorwort des Sammelwerkes zu seiner eigenen Heldenreise. Hakluyts Selbstinszenierung blieb allerdings sehr bescheiden im Vergleich mit der Heroisierung einiger Protagonisten in den Reiseberichten, die er in seine Sammelwerke aufnahm. Betrachtet man die Eigenschaften, die Autoren sich selbst oder den Protagonisten zuschrieben, die sie zu Helden machen wollten, so rücken Tapferkeit, herausragende 396 Goodman 1998, S. 6–11, 34f. Im Englischen als »Romance« bezeichnet. 397 Ebd. 1998, S. 16, 43 mit Verweis auf Klage der Humanisten über diesen Umgang mit Klassikern, bei Anerkennung der Popularität solcher Werke. 398 Ebd. 1998, S. 22f. über die Imitatio von angeblichen mittelalterlichen Vorbildern bei spanischen Konquistadoren, siehe zum Beispiel die Berichte des Cortes, ebd. S. 149–167. 399 Ebd. 1998, S. 28. 400 Ebd. 1998, S. 45–63  ; Sell 2006, S. 122–160 macht dies anhand der Leidenserfahrungen in englischen Reiseberichten deutlich. Mahlke 2005 für Texte französischer Protestanten, S. 53–64. 401 Campbell 2016  ; zur Anwendung auf die Expansionsgeschichte Moran 2007, S. 46–50. 402 Zur Gleichsetzung von Autoren und Reisenden siehe Fitzmaurice 2000  ; zum Beispiel Hakluyt siehe seine Epistel dedicatory in  : Hakluyt PN 1589 und 1598  ; vgl. Sacks 2010, S. 24–26 und Bisnar 2003, S. 11f.

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Leistungen sowie Tugendhaftigkeit in den Fokus. Der Gebrauch dieser drei Eigenschaften als Zuschreibungen in den Quellen wird im Folgenden anhand von Beispielen für die Selbst- und Fremdkonstruktion heroischer Individuen oder Kollektive sowie für die Sonderformen des indigenen Heroen und des Märtyrers näher beleuchtet. Daran schließt sich die Betrachtung von vier übergreifenden Tendenzen an  : erstens die gewählten Vergleichsmaßstäbe für die Exzeptionalität, zweitens die Antagonisten, drittens die Wechselwirkung mit mentalen Raumkonstruktionen und viertens schließlich die Wirkungen der so umrissenen Heroisierungen auf Erzählungen vom Scheitern. Am Ende des Kapitels steht ein Ausblick auf die bis in die Gegenwart anhaltende Wirkung der Heroisierungen auf die Historiographie. Als Ausgangspunkt für eine Betrachtung der Inszenierung von Tapferkeit und herausragenden Leistungen empfiehlt sich John Smith, dessen Selbstheroisierung in der Forschung bereits mehrfach analysiert worden ist.403 Er lässt in seinen Schriften, speziell in den True Travels, selten Gelegenheiten aus, um seine herausragenden Leistungen zu präsentieren. Neben eigenen Worten bekräftigen eingefügte Lobgedichte anderer Verfasser, beispielsweise in seiner General History, die Selbstinszenierung.404 Smith folgte dabei offenkundig dem Vorbild der heroisierenden Literatur seiner Zeit, wie Fuller und Goodman nachgewiesen haben.405 Die deutliche Orientierung zeigte sich ihren Analysen nach insbesondere in den True Travels, die von Jugendzeit und Wanderjahren ausgehen, den Ruf ins Abenteuer inszenieren und dann an verschiedenen Schauplätzen in distinkten Episoden die Heldenreise schildern. Diese Episoden sind parallel angelegt, so dass Smith beispielsweise an verschiedenen Orten von indigenen Prinzessinnen vor dem Tode gerettet wird – im Orient ebenso wie in Amerika. Die historische und literaturwissenschaftliche Forschung hat bisher noch keine vergleichbare Analysen der Schriften von Samuel de Champlain vorgenommen, obwohl auch er zweifellos ein heroisches Bild seiner selbst schuf.406 Wenn auch sprachlich bescheidener als Smith zählte Champlain durchaus ähnlich herausragende Leistungen und Beispiele seiner Tapferkeit auf.407 Beide Männer erscheinen in den Quellen als die unangefochten wichtigsten Akteure für die Erkundung des Hinterlandes. Sie übernahmen eigenverantwortlich die Interaktion mit indigenen Gruppen und erwarben nach eigenen Angaben durch Demonstration von Wissen und Tapferkeit deren Respekt. Sie schlossen Bündnisse mit Indigenen im Namen ihres Herrschers oder der Company – wobei Champlain seine Bündnisse achtete – und im Falle einer Konfrontation zeigten beide außergewöhnliche Tapferkeit gegen eine Überzahl von Gegnern. 403 Householder 2003, S.  171–201  ; Fuller 2008, S.  69–116  ; Goodman 1998, S.  196–216  ; Mackentun 1997 zu Smith 1624 und Smiths Selbstheroisierung in dem Werk, 204–206. 404 Smith 1624, zitiert nach der Edition Smith/Barbour 1986 II, S. 45. 405 Fuller 2008, S. 69–116  ; Goodman 1998, S. 196–216. 406 Thierry 2008, S. 355–357 am Beispiel von Champlains Voyages von 1613. 407 Zur neutraleren Wortwahl und dem Stil Champlains Lestringant 2004a, S. 234–236.

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Champlain beispielsweise tötete angeblich mit einem Schuss drei feindliche indigene Anführer, und Smith kämpfte sich allein aus einem Hinterhalt gegen eine riesige Übermacht frei. Sei es im Vergleich mit indigenen Verbündeten oder mit Feinden – stets machten beide Männer sich zu Personifikationen einer militärischen Überlegenheit der Europäer und der Leistungsfähigkeit des individuellen europäischen Mannes als Kämpfer, die im zeitgenössischen Diskurs als Tatsachen etabliert waren. Hierzu gehörte auch eine Darstellung der Indigenen als körperlich und charakterlich schwächer und damit der hegemonialen Männlichkeit der Kolonisatoren unterlegen. Beide Männer stellten außerdem ihre Leistungen als maßgeblich für den Aufbau der jeweiligen Kolonie dar, wobei Smith hervorhob, dass ohne ihn Jamestown verhungert und von Indigenen zerstört worden wäre, während Champlain eher auf seine Vermessung des Landes, die Erkundung der Ressourcen und den Aufbau von Allianzen und Handelsbeziehungen abzielte. Insgesamt zeigt sich klar das Ziel beider Autoren, sowohl Werbung für ein koloniales Engagement in Amerika als auch Werbung in eigener Sache zu machen, um bei weiteren Projekten eine Führungsrolle einnehmen zu können. Zugleich präsentierten sie sich als beispielhaft dafür, dass in Amerika Ruhm und Ehre erworben sowie Verdienste für den eigenen Herrscher erbracht werden können, und machten sich so zu Vorbildern. Damit wandten sie sich nicht zuletzt gegen Kritiker und eventuelle Feinde ihrer Person oder Unternehmung.408 Dieselben Ziele und ähnliche Mechanismen lassen sich auch erkennen, wenn Akteure von anderen für ein Lesepublikum aufgrund ihrer Tapferkeit und Verdienste zu Helden gemacht wurden. So bei Martin Frobisher, über den eine ganze Gruppe von Autoren schrieb, und Sieur de Poutrincourt, der mit Marc Lescarbot gewissermaßen seinen persönlichen Herold hatte. Lescarbot zeichnete in seiner umfangreichen Monographie und mehreren poetischen Werken Poutrincourt als großen Anführer, der das Überleben der Kolonie durch seine Entscheidungen und Führungsqualitäten sicherte. Er führte sogar mit der Inszenierung des ersten europäischen Theaterstücks in Nordamerika die Heroisierung auf eine neue literarische Ebene. Vor indigenen Zuschauern nahmen die Kolonisten bei der Aufführung des Stückes aktiv an der Darstellung einer Szene Teil, in der Neptun persönlich die Leistungen Poutrincourts feierlich anerkannte.409 Dabei nutzte Lescarbot, wie insgesamt in seinem Werk erkennbar, den Triumph über das Meer und den kanadischen Winter sowie die erfolgreiche Missionierung als Argumente, um die geringe Zahl der militärischen Siege Poutrincourts

408 Seymour 2004, S. 90f. 409 Sein Theaterstück über die Segnungen Neptuns war die erste Theaterinszenierung nördlich von Mexiko nach europäischem Maßstab und hat daher erhebliche Beachtung in der Forschung, auch in der Literaturwissenschaft, gefunden. Zur Übersicht  : Emont 2002, S. 112f.; Thierry 2008, S. 183f.; grundlegend Emont 2004.

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in Amerika zu kompensieren, und erweiterte somit die Bandbreite der als heroisch zu bewertenden Taten. Eine noch deutlichere Fokussierung auf einen Triumph über die Elemente statt auf Eroberung oder Profit findet sich in der zeitgenössischen Literatur über die FrobisherReisen nach Baffin Island. Auch wenn es zu kleineren Gefechten mit den Indigenen gekommen war, blieb der Sieg über Eis und Sturm die Basis für die Heroisierung Frobishers. Dies erfolgte umso eindringlicher, da seine Company of Cathay dringend Investoren brauchte. So erschien zu Beginn von Thomas Ellis’ Bericht über die dritte Reise ein Gedicht mit den Zeilen  : And cruel monsters he doeth tame, and men of savage kinde, and searcheth out the swelling Seas, and countries strange doth finde  : And bringes home treasure to his lande, and doth enrich the same. And courage geves to noble heartes, to seeke for flight of fame.410

Die Überwindung der feindlichen Umwelt wurde dabei über seine eigene Person hinaus zum zentralen Baustein einer bereits mehrfach analysierten, frühen heroischen maritimen Literatur in England.411 Als Anführer verfügte Frobisher zwar angeblich über außergewöhnliche Körperkraft, Willensstärke und große Tapferkeit  – doch im Gegensatz zu anderen Erzählungen standen seine Gefolgsleute ihm nur wenig nach. Grund hierfür ist, dass die Autoren den seltenen Schritt gingen, nicht nur einen Protagonisten, sondern ein Kollektiv zu heroisieren. Sie schufen die Figur des heldenhaften englishman als Seefahrer und nannten deren Kollektiv eine Gemeinschaft von »true englishmen and friends«.412 Sie wurden so zu Vorbildern für alle Engländer erhoben. Dabei ist wichtig, dass die Seeleute sich durch Tapferkeit, Fähigkeiten, Leistungen 410 Ellis 1577, zu Textbeginn, vgl. Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 45. 411 Siehe hierzu grundlegend die Analyse von George Bests Reisebericht durch Mary Fuller, in Fuller 2008, S.  23–67  ; vgl. Lemercier–Goddard 2013, S.  55–70  ; zur Einschätzung Parker 1965, S. 75–102, hier S. 75. 412 Best 1578, speziell S. 6–7. Zur Bedeutung der Reiseberichte für die Formierung einer Identität durch Imagination eines positiven Nationalcharakters und negativer Fremdheitszuschreibung gegenüber den Inuit siehe Fuller 2008, S. 26–43 und vgl. ähnliche Schlussfolgerungen bei Lemercier–Goddard 2013 und Reimer 2006, S.  73-76. Zitat in  : Hakluyt PN Ndr. V, S.  259  ; vgl. zur Heroisierung Frobishers und seiner Männer auch die Ausführungen in Kapitel 3.2  ; selten beachtet wird, dass auch Frobishers Partner und späterer Gegner Michael Lok zum Zwecke der Werbung für die gemeinsame Company of Cathay an der Heroisierung Frobishers mitwirkte  : Michael Lok  : Account of the first voyage, ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938 I, S.158f.

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und moralisch richtiges Verhalten im Sturm auszeichneten. Damit hätten sie sich der Gnade Gottes als würdig erwiesen.413 Ihre Tüchtigkeit zur See wurde dabei sprachlich militärischen Erfolgen zu Land angeglichen. Zum Beispiel bezeichnete George Best den Kampf gegen die Eisschollen als »to put their enemies to flight«414, und es durchzogen Wörter wie »fight«, »defence« und »triumph« das Werk von Dionyse Settle.415 Damit setzten die Autoren die auf See verorteten heroischen Leistungen mit den seit der Antike besonders geschätzten kriegerischen Heldentaten gleich. Die Heroisierung umfasste aber nicht nur die Seeleute im engeren Sinn, sondern auch die Männer, die mit Edward Fenton in Meta Incognita überwintern sollten.416 Zieht man die französischen Quellen für einen Vergleich heran, findet sich dort keine Entsprechung für eine solche kollektive Heroisierung. Diese Beobachtung wirkt insofern überraschend, als französische Seefahrer und Freibeuter früher als die englischen und mit bemerkenswertem Erfolg jenseits des Atlantiks aktiv waren. Die überlieferten Quellen fokussierten jedoch weitaus stärker die Protagonisten der kolonialen Unternehmungen an Land als die Seeleute und stellten im 16. Jahrhundert die koloniale über die maritime Tradition.417 Dies könnte sich daraus erklären, dass es an einem positiven maritimen Medienereignis wie der englischen Schlacht gegen die Armada 1588 fehlte, denn schließlich war Philippe Strozzi 1582 vor den Azoren gescheitert. Auch neigten viele Seeleute zum reformierten Bekenntnis und standen daher in konfessionellem Gegensatz zu ihren Königen. Hierin liegt auch eine Erklärung dafür, warum die Krone die meist hugenottischen Freibeuter lange Zeit nicht offen unterstützte. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei den Schilderungen der Frobisher-Reisen auch im englischen Kontext um Ausnahmen handelt, die viel eher zeitgenössischen Darstellungen heroischer Freibeuter folgten, als dass sie einen Standard für die Schilderung kolonialer Projekte setzten. Tatsächlich war die kollektive Heroisierung der Seeleute nur ein sehr seltenes, alternatives Deutungsangebot zu dem von fast allen Autoren vertretenen negativen Bild des einfachen Seemanns. Daher stellt sich die Frage, an wen sich diese außergewöhnliche kollektive Heroisierung richtete. Zweifellos 413 George Best schildert die Wechselwirkung von göttlichem Eingreifen und menschlichem Handeln als ein Teil der Männer gegen das Eis gekämpft und der andere Teil sich dem Gebet gewidmet habe, so dass sie gemeinsam gesiegt hätten. Best 1578, Edition McDermott 2001, S. 213 mit Interpretation des Herausgebers ebd. S. 23. Anhand anderer Beispiele beschreibt dies auch Burghartz 2005. 414 Best 1578, siehe Hakluyt PN Ndr V, S. 252f.; insbesondere auch im Text Ellis 1578, vgl. die Edition in  : McDermott 2001, S. 195–203. 415 Settle 1577, vgl. Hakluyt PN 1903/05 V, S. 140. 416 So beispielsweise im Bericht von Ellis 1578, vgl. Edition in  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 43. 417 Diese Tendenz bedeutet jedoch nicht, dass Leistungen zur See verschwiegen wurden. Champlain schilderte beispielsweise eine Seefahrt durch Treibeis mit den getroffenen Gegenmaßnahmen. Inhaltlich ähnelte seine Schilderung den Texten zu den Frobisher-Reisen, blieb aber sprachlich deutlich bescheidener. Siehe Champlain/Biggar, S. 155–167  ; zur sprachlichen Gestaltung Lestringant 2004a, S. 234–236.

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machte Hakluyt diese Texte durch die Aufnahme in sein aufwändiges Sammelwerk zu einem Teil seiner Bemühungen, für finanzstarke und einflussreiche Persönlichkeiten eine maritime und koloniale Identität zu erschaffen – aber in den Einzeldrucken richteten sie sich an ein breiteres Publikum. Sie zielten darauf, Investoren zu überzeugen, dass es nicht an Fähigkeiten für weitere Projekte mangelte und dass speziell die Master und Seeleute dieser Expeditionen für weitere Vorhaben beschäftigt werden sollten. Zu dieser These passt, dass hier ausnahmsweise mehrere Schiffsführer selbst über die Reisen schrieben und sich so als Teil des Kollektivs mitheroisierten. Doch nicht allein Tapferkeit und außergewöhnliche Leistungen zeichneten Helden aus. Ein weiteres wichtiges Element war die Tugendhaftigkeit, die ihren deutlichsten Ausdruck in der Selbstinszenierung Walter Raleghs in seiner Discovery of Guyana fand, welche in der Forschung bereits häufig auf diesen Aspekt hin untersucht worden ist.418 Ralegh machte sich darin selbst zu einem keuschen Triumphator, der die Jungfräulichkeit Guyanas geachtet habe. So erhob er die mögliche, aber nicht vollzogene Eroberung zur Heldentat – nicht ohne im selben Text zur späteren Eroberung aufzurufen. Durch explizite Bezüge auf John Mandevilles Reisebericht und durch die Übernahme zahlreicher Topoi bediente Ralegh dasselbe Publikum wie die Ritterromane seiner Zeit.419 Das keusche, tugendhafte Ritterbild stellte dabei einen wichtigen Kontrast zu den spanischen Eroberern dar, die Ralegh als zügellose Plünderer charakterisierte.420 Sein Text kann daher auch als Antwort auf die in den spanischen Darstellungen der Conquista verbreitete Fiktion eigener Ritterlichkeit gelesen werden, die beispielsweise in den Übersetzungen von Hernando Cortes’ Berichten in Europa verbreitet war. Zugleich stellte die Beherrschung der eigenen Emotionen und Triebe ein zentrales Element der als überlegen imaginierten europäischen Männlichkeit dar  – galten vielen Zeitgenossen doch Emotionalität, Unbeherrschtheit und fehlende Selbstdisziplin als weibliche Eigenschaften, welche die in Europa etablierte Geschlechterordnung rechtfertigten. Die zentrale Bedeutung der Tugendhaftigkeit des Helden zeigen auch andere Beispiele wie John Smiths Verzicht, auf erotische Angebote einer Gruppe junger indigener Frauen einzugehen, die ihn sogar körperlich bedrängt hätten.421 Ein anderes 418 Beispielsweise bei Lorimer 2015, S. XX  ; Fuller 1995, S. 64–79  ; Griffiths 2001, S. 212f. und S. 248–252. Diesen Widerspruch spitzt Lenman zu, indem er Ralegh als »political rapist« bezeichnet, der die Jungfräulichkeit Guyanas erst imaginiert und dann zerstören wolle, Lenman 2001, S. 122. Zur Forschungskontroverse, ob Ralegh dieselben Ziele verfolgte wie die spanischen Konquistadoren und sich nur anders präsentierte oder ob er genuin andere Vorstellungen und Pläne hatte, vgl. Lorimer 2015, S. LXV–LXVI mit einer Positionierung zugunsten einer andersartigen Grundhaltung Raleghs. Rowse 2003 betont hingegen die geplanten Plünderungen, S. 221. 419 Vgl. Goodman 1998, S. 175  ; Sell 2006, S. 122f.; Fuller 1995, S. 64–79. 420 Goodman 1998, S. 176–189. 421 Ausführlich in der Ausgabe John Smith  : General History 1629 III Kapitel  7, S.  141. Edition in  : Smith/Barbour 1986 II, S. 182f.; Fuller 1995, S. 126–130 sieht hierin eine Grauzone zwischen

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Beispiel bilden Poutrincourt und der Sieur de Monts, deren Tugend laut Lescarbot in Milde und Fürsorge gegenüber den eigenen Männern gelegen habe.422 Generell erhob Lescarbot die Kolonie Port Royal aufgrund der dortigen einfachen und gesunden Lebensweise zu einem Ort, an dem potentiell alle Kolonisten tugendhafter leben könnten als in Frankreich.423 De Monts fungiert dabei als Vorbild, dessen Tugendhaftigkeit Lescarbot sogar in einer Ode auf ihn explizit zum Grund für dessen postumen Nachruhm erklärte.424 Lescarbots Anerkennung für de Monts und Poutrincourt stützte sich auf das im Humanismus allgemein anerkannte Ideal des aktiven Lebens zum Wohle der Gemeinschaft. Dasselbe Ideal beeinflusste auch die schreibenden Seefahrer, die Frobisher begleitet hatten und die das Kollektiv der englishmen beschrieben, deren Moral im Angesicht der Gefahr ungebrochen geblieben sei.425 In diesen Texten treffen dann auch Tugend und Männlichkeit explizit zusammen, indem etwa Christopher Hall über seine Mannschaft schrieb, die Männer hätten gekämpft »with most willing heartes, venturous mindes, stoute stomachs, & singular manhood«.426 Das Ergebnis ihrer Haltung seien dann wiederum herausragende Leistungen gewesen. Somit ergibt sich die allgemeine Beobachtung, dass für die zeitgenössischen Autoren Tugendhaftigkeit, Tapferkeit und herausragende Leistungen Eigenschaften aller heroischen Akteure waren und sie lediglich die Betonungen der einzelnen Aspekte variierten. Ziel der Darstellungen war letztlich primär, die eigene oder des Protagonisten weitere Karriere zu fördern und mit den vorbildhaften Leistungen heroischer Akteure eine entsprechende maritime und koloniale Identitätsbildung zu fördern. Insbesondere bei Heroisierungen, die von der außergewöhnlichen Tugendhaftigkeit der Protagonisten ausgehen, steht ein positives Verhältnis zu den Indigenen im Zentrum. Laut den Verfassern beruhte es von europäischer Seite auf christlichen Idealen und sexueller Zurückhaltung, während es von indigener Seite von der Bereitschaft geprägt war, die Kolonisten bei der Ansiedlung zu unterstützen, deren Hegemonie anzuerkennen und das Christentum anzunehmen. Diese Verteilung zeigt einmal mehr den Glauben an die Überlegenheit der eigenen Religion und Lebensweise, der den europäischen Quellen zugrunde liegt. Indigene Akteure wie Manteo oder Matoaka/Pocahontas sind dementsprechend, selbst wenn sie namentlich genannt werden, nur wichtige Nebenfiguren, steigen aber

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Gefahr und Erotik  ; Vest 2012 hingegen deutet die Szene als literarische Fiktion Smiths nach dem Muster eines Theaterstücks und bietet einen diesbezüglichen Forschungsüberblick. Thierry 2001, S. 186f. Pfeiffer 2012, S. 78f. Siehe die Ode auf Sieur de Monts, ediert in  : Lescarbot/Desgent 1998, S. 26–29. Eine Ode auf Sieur de Poutrincourt, ebd. S. 31–33. Lemercier-Goddard 2013a, S. 9. Siehe Thomas Ellis’ Reisebericht Ellis 1578, ediert in  : McDermott 2001, S. 202  ; siehe auch Bests Reisebericht, Best 1578, ediert ebd. S. 213 und S. 222f. Abweichend ist nur Sellmans unpubliziertes Journal, in dem von Pöbeleien berichtet wird, ebd. S. 184f.

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fast nie zu Helden auf. All ihre Handlungen werden nur als Teil der Geschichte europäischer, in diesen Fällen englischer Akteure beschrieben, die wie John Smith den Lesern als Protagonisten gegenübertreten. In der französischen Literatur lassen sich allerdings zwei Ausnahmen festhalten, die einen Einblick in den Sonderfall des indigenen Helden erlauben. Zum einen André Thevets Imagination einer spirituellen Verwandtschaft großer indigener Herrscher Brasiliens mit europäischen Herrschern der Antike und der jüngeren Vergangenheit.427 Thevet schrieb in einer biographischen Sammlung einem indigenen Herkules sogar die Kraft zu, zwei erbeutete europäische Kanonen mit bloßen Händen tragen und abfeuern zu können. In seinen allegorischen Schilderungen stellte Thevet die indigenen Akteure auf eine Stufe mit mythischen großen Zivilisationsbringern der Antike und folgte somit dem allgemeinen Prinzip einer Historisierung der indigenen Kulturen. Seine Präsentation wurde jedoch bereits von seinen Zeitgenossen scharf angegriffen, wobei Kritiker wie Jean de Léry die Darstellungen wörtlich und nicht allegorisch nahmen, um gezielt die Unglaubwürdigkeit und den undifferenzierten Gebrauch von Wörtern wie »roi« für europäische und indigene Herrscher zu verspotten.428 Dies deutet darauf hin, dass Differenzkonstruktionen in Frankreich um 1570 tendenziell zu stark waren, um eine Heroisierung indigener Akteure nach europäischem Muster zuzulassen. Das zweite Beispiel zeigt allerdings, dass die Betonung von Unterschieden einer Heroisierung nicht zwingend im Wege stehen musste. Marc Lescarbot beschrieb 1607 zwar genau die Lebensweise und die realen Kompetenzen des indigenen Anführers/ Sagamore Membertou, die sich von europäischen Herrschern deutlich unterschieden, machte ihn aber dennoch zum Helden einer eigenen Erzählung.429 In Lescarbots Darstellung zeichnet er sich durch Tapferkeit, Kriegsgeschick, Weisheit und Führungsqualitäten aus. Die beiden letzteren Eigenschaften äußern sich natürlich in seiner Neigung zum Christentum und in seiner Bündnistreue gegenüber den Franzosen. Letzten Endes beruhte also die Heroisierung eines Indigenen auf der Anwesenheit von Europäern und seiner Anerkennung ihrer Überlegenheit. Neben dem indigenen Helden bildet der Märtyrer einen zweiten Sonderfall. Diese Form der Heroisierung führt generell zur Frage nach dem gestorbenen Heroen, dem die Rückkehr in die Heimat verwehrt blieb. Speziell für die Verehrung von Helden, die in der Schlacht gefallen waren, gab es bereits seit der Antike ein breites Repertoire an Beschreibungs- und Deutungsmustern, das jedoch in den in dieser Studie untersuch427 Lestringant 1994, S. 56–58, 64, 89–97  ; vgl. Lestringant 1991, S. 105–145, speziell S. 131–134  ; Das Original ist André Thevet 1584  : Vrais Poutraits et Vies des Hommes Illustres  ; siehe auch Lestringant 1987, S.  39–44. Zur Einordnung ist zu bedenken, dass Thevet in seinen Singularitez deutlich kritischer über die Indigenen schrieb, bspw. Thevet/Lestringant 1983, S. 49. 428 Lestringant 1987, S. 38–61  ; Cook 2008, S. 318–320. 429 Lescarbot 1607  : La defaite des sauvages armouchiqouis par le sagamos Membertou  ; Membertou nimmt außerdem die Rolle des zentralen Helfers und Verbündeten in Lescarbots Histoire de Nouvelle France ein.

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ten englischen und französischen Quellen kaum zum Einsatz kam. Dies könnte daran liegen, dass weder englische noch französische Kolonisten die Eroberung indigener Großreiche unternahmen und ihre Gegner im Diskurs ohnehin als völlig unterlegen konstruiert waren. Durch ihre Hand zu fallen, konnte daher nur schwer als heroische Tat gedeutet werden. Eine Ausnahme, die darauf hindeutet, dass dies in der Erzähltradition der Konquistadoren anders ist, zeigt sich im Falle des in Venezuela agierenden deutschen Reichsritters Philipp von Hutten. Moritz analysierte, wie Hutten sich in seinen Briefen selbst heroisierte, und stellte fest, dass sein Tod für die Familie eine Möglichkeit darstellte, seine angesichts ausbleibender Siege und Goldfunde eigentlich fragwürdige und durchaus unglaubwürdige Selbstidealisierung als Tatsache anzunehmen und zu einem Teil ihrer ritterlichen Familienmemoria zu machen.430 Somit erhielt der Tote Bedeutung für die Bestätigung der Werte und der Gemeinschaft der Überlebenden – in Huttens Fall einer Familie von Reichsrittern. Eine ähnliche identitätsstiftende Funktion kam der Erhebung Verstorbener zu Märtyrern zu.431 Diese besondere Form der Heroisierung zielte auf einen spezifischen konfessionellen Tugendkanon ab und folgte damit in der Frühen Neuzeit einer mittelalterlichen Tradition der Dualität von profaner und religiöser Heroisierung.432 Auf die erste Hinrichtung von Protestanten aufgrund ihres Glaubens 1523 in den Niederlanden folgte die Ausbildung einer eigenen martyrologischen Tradition in allen großen Konfessionen, die miteinander rivalisierten und sich in den folgenden Jahrzehnten wechselseitig beeinflussten.433 Märtyrergeschichten entwickelten sich auf dem reformatorischen und später gegenreformatorischen Buchmarkt zu Beststellern, aus deren Protagonisten einige Autoren in Überblickswerken einen jeweils spezifisch national und/oder konfessionell zugeschnittenen Kanon von Märtyrern schufen.434 Auch wenn im Protestantismus keine formelle Heiligsprechung möglich war, so nahmen Märtyrer dennoch eine besondere Rolle in der kollektiven Erinnerung ein, die Assmann genauer beschrieb.435 Sie stellte heraus, dass dem bewussten sacrificium, also des Opfertodes um des eigenen Glaubens Willen, eine hohe Bedeutung zukam, da mit dieser Handlung die Werte des jeweiligen religiösen Systems bestätigt werden. Dabei spielte nach Burschel auch die Verortung des Lebens sowohl der zeitgenössischen Märtyrer wie auch der Rezipienten ihrer Erzählungen im Kontext von deren Endzeitvorstellungen eine wichtige Rolle, da der Opfergang als

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Moritz 2014, S. 7–17. Burschel 2004, S. 7 nennt es einen Katalysator von Integrations- und Desintegrationsprozessen. Schreier 2015, S. 28. Mit Verweis, dass diese Grenzen nicht trennscharf sind. Gregory 2001, S. 1–8. Für die Kanonbildung in protestantischen Martyrologien in England, den Niederlanden und Frankreich siehe im Überblick Gregory 2001, S. 187–196. 435 Siehe dazu  : Stach 2013 mit weiteren, allgemeinen Verweisen  ; Assmann 2011, S. 73–75  ; Weigel 2007.

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Bestätigung der eigenen Heilslehre im Vergleich mit konkurrierenden Vorstellungen inszeniert wurde.436 Vor diesem Hintergrund ist auch die Aufnahme der von Villegagnon hingerichteten Hugenotten in Brasilien in die Martyrologie des Jean Crespin verortet.437 Er machte den Tod der drei Prediger zu einem Teil der europäischen und speziell französischen Protestantenverfolgungen, indem er ihre aufrechte Annahme des Opfergangs zu einer vorbildhaften Handlung für seine verfolgten Glaubensgenossen erhob. Die Reichweite von Crespins Darstellung war immens, denn aus seinem Werk wurde auf hugenottischen Versammlungen vorgelesen, und es war nach Bibel und Psalter das häufigste im Besitz von Hugenotten gefundene Buch.438 Daher dürfte die Martyrologie für viele Franzosen der einzige Kontext gewesen sein, in dem sie von Villegagnons Unternehmung erfuhren, was tendenziell zu einem negativen Eindruck geführt haben dürfte. Andere Fälle lassen sich hingegen weniger deutlich einordnen. Die von Spaniern getöteten Hugenotten in Florida trafen keine vergleichbar bewusste Entscheidung, für ihren Glauben zu sterben, und die überlieferten Autoren wie Le Challeux und Morgues legten ihren Fokus darauf, ihr Überleben als Beweis der eigenen Auserwähltheit zu beschreiben.439 Eine besondere Form des Märtyrertums schlug Fuller implizit als Deutung für Erzählungen vom Ende Humphrey Gilberts vor.440 Demnach hätte Edward Hayes durch die Interpretation von Gilberts Tod als Opfergang einen wichtigen und sogar exemplarischen Weg aufgezeigt, Scheitern zu Erfolgen umzudeuten. Die Schlussfolgerung ist allerdings keineswegs eindeutig. Zwar ist es richtig, dass Gilberts Läuterung und christliche Demut, mit der er sich den Gefahren des Sturmes auslieferte, als vorbildlich und auch als versuchte Versöhnung mit Gott gedeutet werden konnte  ; doch zugleich brachten die zeitgenössischen Autoren, darunter auch Hayes, starke Schuldzuweisungen gegen Gilbert vor und stimmten darin überein, dass er nicht aufgrund seines Glaubens gestorben sei. Somit ist eine transzendente Bedeutung des Todes insofern naheliegend, als es sich um eine Pilgerreise ohne Rückkehr handeln könnte, aber nicht im engeren Sinne eine Heroisierung als Märtyrer, der bewusst für seinen Glauben gestorben sei.441 Gilberts Untergang hat in der Forschung vermutlich deswegen genauere Beachtung gefunden, weil es im England der Frühen Neuzeit trotz der reichen und heterogenen Märtyrertradition der unterschiedlichen Konfessionen 436 Burschel 2004, S. 285f. 437 Zum Märtyrerstatus der Hugenotten in Brasilien grundlegend  : Lestringant 1996e, S.  141–155. Zur protestantischen Märtyrertradition Gregory 2001, S. 135–196. Zu französischer protestantischer Martyrologie in Übersee siehe Mahlke 2005, S. 56–64. 438 Gregory 2001, S. 190–192. 439 Vgl. Wehrheim-Peuker 1998 insgesamt  ; Mahlke 2005, S. 118–138, die detaillierte Vergleiche mit biblischen Schilderungen unternimmt  ; und die Ausführungen in Kapitel 4.2.1 mit weiteren Verweisen. 440 Übersicht über die Argumentation bei Olesen 2007, S. 70f. Vgl. Fuller 1995, S. 17–38, hier S. 36. 441 Griffiths 2001, S. 222.

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und trotz seiner maritimen Identitätskonstruktion, im Gegensatz zu Frankreich bis ins siebzehnte Jahrhundert keine Märtyrer in Übersee gab.442 Nachdem die Bandbreite der Heroisierungen, ihre Begründungen und Besonderheiten umrissen sind, stellt sich die Frage, anhand welchen Vergleichsmaßstabs die Exzeptionalität der Helden gemessen und präsentiert wurde. Hierfür lassen sich drei Vergleichsebenen erkennen, die Autoren getrennt verwendeten oder zur wechselseitigen Verstärkung kombinierten  : Erstens antike Heroen, zweitens zeitgenössische Entdecker aus anderen Ländern und drittens eigene Landsleute, speziell die Mitreisenden des Helden. Auf der ersten Ebene waren natürlich Odysseus sowie Jason und die Argonauten die primären Vergleichspersonen. Seltener treten hingegen Aeneas oder Alexander auf, letzterer vor allem im Hinblick auf Siege gegen eine Überzahl von Feinden.443 Damit nutzten die Autoren im Humanismus und der Renaissance übliche Bezüge und Vergleiche und passten ihre Werke so in den zeitgenössischen Diskurs ein.444 Die Bezüge blieben aber sehr oberflächlich und ihre Verfasser erwähnten die antiken Heroen nur kurz. Im direkten Vergleich übertrafen die eigenen Protagonisten dabei meist ihre antiken Vorbilder. So schrieb Ellis über Frobisher  : »Not as Ulysses aged and unknowne, But Gallant like arrive among thine own«445 und pries so dessen rasche Rückkehr und Erfolg zur See. Ähnlich bei Dionyse Settle  : A right heroicall heart of Britanne blood, Ulysses match in skill and Martiall might. For Princes fame and countries speciall good, Through brakish seas (where Neptune reignes by right) Hath safely saild in perils great despight  : The golden fleece like Iason hath he got And rich returned, saunce losse or lucklesse lot.446

Wir sehen hier wie auch in dem Theaterstück Marc Lescarbots über Poutrincourt einen Bezug auf Neptun und dessen Reich als Ort der Bewährung des Helden, wobei nur bei Lescarbot Neptun persönlich als Richter die Größe der französischen Helden bewertet und anerkennt.447 Dass die Taten der antiken Heroen übertroffen wurden, wog deswegen besonders schwer, weil die neuen Helden niemals über die göttliche Abstammung verfügten, auf die sich die Mehrzahl der Helden des Altertums beru442 Freeman 2007, S. 1–6. 443 Übersicht bei Seymour 2004, S. 87. 444 Aurnhammer/Pfister 2013, S. 7f. 445 Einleitung in Versen von Abraham Flemming in Settle 1577, mit einem ähnlichen Lobgedicht beginnt Ellis 1578  ; vgl. Parker 1965, S. 83  ; Lemercier–Goddard 2013, S. 58f. 446 Einleitung von Abraham Flemming in  : Settle 1577, S. 2. 447 Lescarbot  : Théâtre de Neptun, ediert in  : Emont 2004  ; Erstausgabe Lescarbot 1612a.

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fen konnte. Sie rechtfertigten daher eine Heroisierung allein durch ihr Verdienst.448 Daneben gab es allerdings auch antike Vorbilder, die durch ihre Taten eine Art Göttlichkeit erwarben, wie Richard Eden feststellte »which for theyr glorious and vertuous enterpryses were accounted as goddes amonge men«449  ; eine Aussicht, die er sich auch für englische Entdecker erhoffte. Auf der zweiten Vergleichsebene, also derjenigen der Entdecker und Seefahrer aus anderen Ländern, finden sich in der Regel spanische Akteure. In dieser Hinsicht gewichteten Richard Hakluyt und George Best, wie beschrieben, die Leistungen englischer Seefahrern als denen der Spanier überlegen, da ihre eigenen Landsleute gefährlichere Meere durchquert und härteren Stürmen getrotzt und damit größeren Ruhm verdient hätten  : »the englishman […] to the Spaniarde and Portingale is nothing inferiour  : and for his hard adventures, and valiant resolutions, greatly superior«450 oder als logischer Schluss formuliert  : »The Adventure the more hard, the more honorable.«451 Darüber hinaus bot die mehrfach thematisierte Abgrenzung von der angeblich moralisch verdorbenen spanischen Expansion in den Amerikas, die in England wie in Frankreich und in einem grenzübergreifenden Diskurszusammenhang vorgenommen wurde, einen idealen Hintergrund, um Leistungen der Konquistadoren abzuwerten. Hierzu passt, dass die eigene Tugendhaftigkeit im Vergleich mit der Tapferkeit und den Leistungen der Spanier höher geachtet wurde. Dadurch dass die an diesem Diskurs beteiligten Autoren den Konquistadoren unheroische Grausamkeiten gegen die Indigenen vorwarfen, die sie zu kindlichen oder effiminierten Opfern stilisierten, entwerteten sie die objektiven Leistungen der Eroberer wie deren Inbesitznahme von Edelmetallminen. Tugendhaftigkeit wird somit durch den Vergleich mit Spanien zur Leitkategorie erhoben.452 Die einzige Ausnahme hiervon ist in England in den Werken Richard Edens zu finden, die erschienen, als Philipp II. Ehemann Maria Tudors und somit Prinzgemahl von England war. Vergleiche Englands und Frankreichs untereinander waren hingegen selten. Wenn Autoren sie zogen, dann in allgemeinem Bezug auf Scheitern in bestimmten Regionen ohne Verbindung mit konkreten Heroisierungen. Diese Aussage gilt auch für den Fall der direkten Konfrontation im Jahre 1613. Zwar wurde Samuel Argall wegen der Zerstörung französischer Außenposten in England verteidigt und gelobt, aber eine öffentliche Heroisierung seiner Person aufgrund dieser Leistungen ist nicht zu beobachten. Den dritten Vergleichsmaßstab bilden eigene Landsleute, insbesondere Mitreisende, gegen deren Tugendlosigkeit, Unfähigkeit oder Heimtücke der Protagonist sich durchsetzen musste. Dies galt für John Smith, William Strachey, aber auch Poutrin448 449 450 451 452

Pfister 2013, S. 22. Eden 1555, Edition Arber 1895, S. 49–60, hier S. 50  ; vgl. Eldred 2013, S. 262. Best 1578, S. 4 der Widmungsepistel, wurde häufig zitiert, vgl. Knapp 1994, S. 75  ; Hart 2001, S. 93. Best 1578, S. 4 der Widmungsepistel, bisher nur selten zitiert. Hodgkins 2002, S.  77–112, mit einer exemplarischen Gegenüberstellung einer »weißen« und »schwarzen« Legende anhand der Rezeption von Francis Drake.

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court oder John Nicol, die alle im Vergleich mit einfachen Seeleuten im besten Licht dastanden. John Smith und Thomas Harriot hoben sich selbst außerdem explizit von trägen, verweichlichten Gentlemenkolonisten ab und Sieur de Monts, Poutrincourt und Champlain standen bei Lescarbot oder in ihren eigenen Werken den negativ gezeichneten saisonalen Händlern gegenüber. Dabei ist auffällig, dass diese Kontrastgruppen oftmals zugleich als Antagonisten des Helden fungierten und die Unternehmung in Gefahr brachten. Im Allgemeinen erlaubte die Einführung von Antagonisten, Schuldige für enttäuschte Erwartungen zu benennen, und entlastete so den Helden von möglichen negativen Zuschreibungen. Im Falle Philipps von Hutten wurde die Rolle des Schuldigem seinem Mörder Carvajal zugeschrieben, dessen moralische Verdorbenheit Hutten an der triumphalen Heimkehr gehindert habe.453 Weitere Beispiele können die Häufigkeit dieses Erzählmusters illustrieren  : Die protestantische Mission Brasiliens scheiterte nach Richer und Léry allein an der Person des als geradezu monströs beschriebenen Villegagnon, der schlechte Start der Jamestown-Kolonie lag laut John Smith wesentlich an den Intrigen der Führungsclique gegen ihn, und auch Samuel de Champlain schließlich sah sich wie viele andere einer Verschwörung gegenüber. Die Rolle des Antagonisten war somit häufig, aber keineswegs immer im Inneren der kolonialen Projekte verortet. Indigene Akteure erhielten nur selten eine solche Relevanz und eine ausführliche Charakterisierung wie der Powhatan Wahunsonacock in John Smiths Werken. Indigene Anführer als Widersacher wurden in der Regel eher im Kontext defensiver Rechtfertigungen erwähnt, die nicht auf eine Erhebung des Protagonisten zur herausragenden Heldengestalt zielten wie bei Ralph Lane und René de Laudonnière oder als Feinde indigener Alliierter wie bei Samuel de Champlain oder Marc Lescarbot. Autoren machten Indigene vermutlich tendenziell seltener zu zentralen Antagonisten, weil dies in England und Frankreich der Darstellung der eigenen kolonialen Politik als der spanischen moralisch überlegen widersprochen hätte.454 Spanische Autoren und Akteure kannten dieses Problem nicht und machten den Sieg über indigene Heere und deren Unterwerfung zu einem zentralen Argument ihrer Heroisierungen.455 Die Spanier selbst aber nahmen in englischen und französischen Quellen eine wichtige Rolle als Antagonisten ein, gegen die zu kämpfen einen Mann zum Helden machte. Bei den Engländern blieb dies auf den Seekrieg begrenzt, genauer die Abwehr der Armada oder die großen Kaperfahrten, während die Franzosen die Konfrontation in den Amerikas fokussierten, speziell in Florida. Hier war es insbesondere der 453 Moritz 2014, S. 12f. 454 Hodgkins 2002. 455 Seymour 2004 stellt die These auf, die Spanier hätten ausschließlich die Indigenen als Antagonisten in ihren Heroisierungen verwendet. Dies ist allerdings eine unvollständige Schlussfolgerung und wäre um den Sieg über Häretiker, wie in Florida, und den Diskurs über die Ausgrenzung von Häretikern zu ergänzen.

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Gegenschlag unter dem Befehl von Gorgues 1567, den Autoren als Wiederherstellung der Ehre der Nation inszenierten. Diese Berichterstattung war umso bedeutender, weil es sich um eine von Hugenotten finanzierte und ausgerüstete Expedition ohne königliches Mandat handelte – wenn auch unter Befehl eines Katholiken –, bei deren literarischer Verarbeitung die Rache für die Hugenotten als Angelegenheit der gesamten Monarchie und des Königs präsentiert wurde.456 Die Heroisierung des Rächers Gorgues konnte auf die vorherige Darstellung des Angriffs als Schlag gegen Frankreich in Gänze und Herausforderung an den König als Beschützer seines Volkes aufbauen, die in Druckschriften verbreitet worden war.457 Diese Interpretation war so erfolgreich, dass auch André Thevet Gorgues Heldenmut und Taten pries und Marc Lescarbot ihn noch im folgenden Jahrhundert mit einem Gedicht ehrte und in der Histoire de Nouvelle France noch 1618 lobte, Gourges »poussé de un courage vraiment françois et desir de releve le honneur de sa nation«.458 Auch Urbain Chauveton nahm Gorgues Expedition in seine koloniale Gesamterzählung auf und verlieh damit den Berichten über Florida einen positiven Abschluss.459 Er gestand den vorhergehenden Misserfolg somit zwar ein, verwandelte ihn aber durch den narrativen Rahmen in eine vorläufigen Episode mit heroischem Ausgang. Die Langzeitwirkung zeigt sich auch in der Historiographie, wenn beispielsweise der Herausgeber einer Quellenedition Gorgues 400 Jahre später als »essentialy a hero« bezeichnet.460 Doch eigene Landsleute, Indigene oder andere Europäer waren nicht die einzigen Kräfte, deren Überwindung die Glorifizierung eines Helden begründete. Wie das Beispiel Frobishers gezeigt hat, konnten auch die Elemente und die Landesnatur diese Funktion erfüllen. Dies setzte jedoch eine Darstellung der bereisten Räume als bedrohlich voraus, beispielsweise durch Nahrungsmangel, wilde Tiere oder gefährliche Wetterphänomene. Solche Aspekte konnten allerdings zu einer negativeren Sicht auf die bereisten Länder und Seegebiete führen. Doch letztlich wurden alle Gefahren in den Texten immer als beherrschbar beschrieben und der Heros war ein Vorbild für ihre Überwindung. 456 Anonymus 1568, Ndr. Mit Auslassungen in  : Bennett 1968, S.  182–228  ; vgl. Quinn NAW II, S.  568–572. Eine ausführlichere Edition der Manuskriptvorlage bietet  : Lussagnet 1958, S.  241– 253. Vgl. die Analyse von Waldmann 2000, S. 158–160, eine stärker konfessionelle Deutung bietet Mahlke 2005, S. 229–239. 457 So in dem Aufruf, welcher dem Bericht von Le Challeux beigegeben war  : Anonymus 1565  : Item une Request au Roy faite en forme de complainte par les femmes vevfes, petits enfans orphelins et autres leurs amis, parens et alliez de ceux qui ont esté cruellement envahis par les Espagnols en la Françe Anthartique, dite la Floride, in Le Challeux 1566, siehe die Edition Lussagnet 1958, S. 201 für den Titel und S. 234–239 für den Text. 458 Zur Rezeption Thevets siehe Lestringant 1982, S. 20–23. Zu Léry siehe die Edition  : Lescarbot/ Desgent 1998, S. 85–87. Zitat nach  : Lescarbot/Biggar, S. 289. 459 Waldmann 2000, S. 172–175. 460 Bennett 1968, S. 186.

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In englischen Quellen ist dabei eine Schwerpunktsetzung auf das Meer als Gefahrenraum erkennbar, die den Autoren ermöglichte, ihr zum Teil extrem positives Amerikabild zu erhalten. Wie die Texte über Frobisher besonders deutlich zeigten, führte der auf Leistungen zur See gelegte Fokus außerdem dazu, dass Erfolglosigkeit an Land an Bedeutung verlor. Dabei konnten zentrale klassische Elemente der Heroisierung von Seereisenden verwendet werden, so dass allein schon die Rückkehr der Kolonisten als ein Triumph über die See erschien, obwohl sie dem proklamierten Ziel einer Koloniegründung absolut entgegenstand.461 Die französischen Quellen zeigen hingegen viel stärker, dass Heroisierungen als Chance genutzt werden konnten, um Landschaften, die wie Kanada im Winter einen schlechten Ruf hatten, durch die Taten eines Helden in ein neues Licht zu rücken. Hier ist die Überwindung von Gefahren zu Land, speziell des Winters, eine herausragende Leistung, die zu Heroisierungen führt. Champlain, Poutrincourt und ihre Gefolgsleute wurden so zu Vorbildern im Kampf gegen den kanadischen Winter, was letztlich auch dem Ziel der Werbung für weitere koloniale Projekte diente. Für ein abschließendes Fazit zu Heroisierungen ist festzuhalten, dass dadurch eine potentiell als Scheitern zu deutende Differenz zwischen Erwartung und Ergebnis in ihrer Bedeutung heruntergespielt und mit einer positiven Neuaufladung versehen werden konnte.462 Sie ermöglichte außerdem, die Darstellung der Ereignisse sehr leicht an tradierte Erwartungen eines breiten Lesepublikums anzupassen. Hierzu diente der bewusste oder unbewusste Gebrauch bestimmter Topoi, seien es archetypische Etappen der Narration, bestimmte Charakterisierungen der Akteure oder Beschreibungen von Landschaften oder Kreaturen. Im Zuge der Werbung für neue koloniale Projekte konnten Heroisierungen sowohl für die glorifizierten Akteure persönlich und deren weitere Beschäftigung in führenden Positionen werben als auch die vorbildliche Überwindung von Gefahrenräumen und Antagonisten vor Augen führen. Besondere Bedeutung hatte die Heroisierung für die Imagination einer kolonialen Identität, bei der die Exzeptionalität des Individuums als Verkörperung bestimmter Tugenden und Eigenschaften der Exzeptionalität der eigenen Nation entsprach. So konnten auch Projekte, deren Ergebnisse weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren, als Bausteine zukünftiger Erfolge und kolonialer Größe präsentiert werden. Bemerkenswerterweise harmonierte diese positive Gesamtdeutung sehr gut mit den individuellen Zielen von Akteuren, die sich aus persönlichem Interesse selbst heroisierten – sofern sie nicht alle ihre Landsleute zu Antagonisten erhoben. Texte, die auf eine Heroisierung abzielten, tendierten dazu, moralische Tugenden zur Abgrenzung des Helden von seiner Umwelt hervorzuheben. Die Folge ist, dass moralische Defizite bei anderen Seeleuten, Investoren und Kolonisten aus dem ei461 So das zentrale Argument bei  : Burghartz 2005. 462 Knapp 1994, S. 107.

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genen Land ins Zentrum rücken. Die häufigsten Vorwürfe an diese Personen waren dabei Habgier und Eigennutz, über die der Held erhaben sei, da sich sein Handeln allein am Wohl der Gemeinschaft orientiere. Damit adressierten heroisierende Texte ein auch in nichtnarrativen Quellen erkennbares zentrales Problem vieler Unternehmungen  : die Konzentration auf kurzfristigen Profit. Zugleich aber führten Heroisierungen in den Texten nicht zu einer abwägenden Reflexion über Lösungsstrategien, da in der Person des Helden und seinen Fähigkeiten schon die Lösung aller Probleme lag. Zwar empfehlen die Verfasser seine Handlungsweise pauschal zur Nachahmung, doch es war keineswegs leicht, ihren Rat umzusetzen. Die Leistungen und Fähigkeiten des Helden waren ausdrücklich exzeptionell und die Autoren orientierten sich bei der Präsentation seiner Strategien wie auch der Hemmnisse oft an tradierten Erzählelementen und nicht an empirischer Beobachtung im modernen Sinne. Dieses Defizit war für die Zeitgenossen aber entweder nicht ersichtlich oder es erschien ihnen als nebensächlich. In jedem Fall blieb die Attraktivität der Heroisierung als Deutungsform ungebrochen. Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass bereits die Zeitgenossen solchen Schilderungen erhebliche Wirkmacht zusprachen. So gelang es vielen heroisierten Akteuren nach ihrer Rückkehr von einem eigentlich erfolglosen kolonialen Projekt, neue Expeditionen zu starten oder eine Rolle als Experte für koloniale Expansion einzunehmen wie Martin Frobisher, Walter Ralegh oder Jacques Cartier.463 Generell spricht die häufige Nutzung von Heroisierungen ebenfalls dafür, dass die Autoren davon eine positive Aufnahme ihrer Texte bei der Leserschaft und eine Unterstützung ihrer Argumentation erwarteten, zumal die mehrfachen Nachdrucke und Neuausgaben auf ein verlegerisches Interesse und kommerziellen Erfolg hindeuten. Auch die Tatsache, dass einige Akteure die mögliche Wirkmacht einer Heroisierung fürchteten und ihr entgegenwirken wollten, belegt ihre Bedeutung. Ein deutliches Beispiel hierfür findet sich im Kontext der Rückkehr Walter Raleghs aus Guyana 1617. Jakob  I. und der Privy Council bekräftigten sein altes Todesurteil insbesondere deswegen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil er seinen ersten Prozess erfolgreich als Bühne zur Selbstdarstellung genutzt hatte.464 Dieselbe Besorgnis war auch Ursache dafür, dass eine »declaration of the demeanor and cariage of Sir Walter Raleigh« im Auftrag des Königs erschien. Immerhin hatte Ralegh es in seiner Discovery of Guyana schon einmal geschafft, eine Reise ohne nachweisbaren Erfolg auflagenstark zu einem heroischen Triumph umzudeuten.465 Der anonyme Autor der Declaration, vermutlich Francis Bacon, sprach Ralegh gezielt die für einen Helden zentralen Eigenschaften Tapferkeit, herausragende Leistungen und Tugendhaftigkeit ab und griff dessen Ehre an. Er schilderte Fluchtversuche, die er als Schuldgeständnis wertet, und geht ausführlich auf Raleghs Bemühungen ein, eine Krankheit vorzutäuschen, um leichteren 463 Vgl. Karstens 2015. 464 Für Literaturverweise Siehe Kapitel 3.3.2, zentral  : Greenblatt 1973. 465 Zur Declaration siehe Kapitel 3.3.2.

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Arrest zu erhalten.466 Hierbei spielt Körperlichkeit eine zentrale Rolle. Der Autor ist auffällig bemüht, durch Beschreibung von manipuliertem Erbrechen, Ausscheidungen, Ausschlag, Anfällen von Verwirrung und ähnlichem Raleghs Männlichkeit und damit Status als Held anzugreifen. Insbesondere kritisierte er, dass Ralegh lieber Schwäche und abstoßende Physis vorgetäuscht habe, als sich mutig und mit Gottvertrauen der gerechten Obrigkeit zu stellen. Ein ausführlich geschilderter letzter Fluchtversuch nach Frankreich rundet schließlich die Darstellung ab. Somit gelte »he had made himselfe utterly unwoorthy of his Maiesties further mercy«.467 Doch diese Taktik richtete langfristig wenig gegen die Heroisierung Raleghs aus, die posthum schon zur Zeit der ersten Konflikte zwischen Parlament und Stuarts einsetzte und bis in die Gegenwart anhält.468 Solch eine lange anhaltende Wirkung einer zeitgenössischen Heroisierung ist kein Einzelfall, denn wie sich bereits in der Untersuchung der Raumvorstellungen zur »Kolonie« gezeigt hat, war für die Historiographie die Fokussierung auf Führungspersönlichkeiten hochgradig anschlussfähig. Die Hervorhebung heroischer Individuen ist zwar in der gegenwärtigen historischen Fachliteratur unüblich, doch die lange Präsenz älterer Werke wirkt dieser Entwicklung entgegen. Beispielsweise wurden, wie eingangs erwähnt, Juliens und Rowses Überblickswerke aus den Jahren 1947 beziehungsweise 1955 beide noch 2003 nachgedruckt und sind in Fußnoten neuerer Arbeiten als Eckpfeiler der Forschung ausgewiesen.469 Im Falle von Rowse wird die für seine Zeit übliche unproblematische Einstellung zum Heldentum an seiner früheren Publikation  : Sir Richard Grenville of the Revenge  : an Elizabethan hero deutlich.470 Wenn sich die Fachwissenschaft auch von Heroisierungen distanziert, so setzten populärwissenschaftliche Werke die Heldenverehrung unvermindert fort, und auch Quellenausgaben, die für den Schulunterricht und interessierte Laien bestimmt sind, geben dieser Neigung nach wie Thompson, der noch 2007 John Smiths Selbstdarstellungen als wahrheitsgemäß ansah.471 Die starke Tradition der Heroisierung sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Bild der einzelnen Akteure einem erheblichen Wandel unterliegen konnte, wie es Gordon am Beispiel Jacques Cartiers untersuchte.472 Nachdem Cartier nach seinem Tod lange Zeit kaum Beachtung gefunden hatte, gewann er im 19. Jahrhundert speziell in Québec eine hohe Popularität. Hintergrund für diese Entwicklung war, 466 467 468 469

Bacon 1618, S. 48–60. Ebd, S. 61. Quinn 1973, S. 194f. Rowse 2003  ; Julien 2003. Vgl. auch das neuere Überblickswerk Pickett/Pickett 2011 mit der These, dass der Erfolg eines Projektes von der Stärke und Tapferkeit seiner Anführer abhänge, S. 225– 230, eine Deutung, die durch eine Bilderserie zu den Helden der beschriebenen Projekte untermauert wird. 470 Rowse 1949. 471 Smith/Thompson 2007. 472 Gordon 2010.

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dass die Frankokanadier die englische Bildungs- und Siedlungspolitik in der Mitte des 19. Jahrhunderts als eine Bedrohung ihrer Identität ansahen. Die Schaffung einer Gesamtprovinz Kanada 1841, welche die Eigenständigkeit der mehrheitlich frankophonen Kolonie Niederkanada beendete, bekräftigte diesen Eindruck. Die Frankokanadier schufen daraufhin eine eigene heroische Tradition und feierten insbesondere zu den Jahrestagen 1885 und 1935 Cartiers Reisen als die Entdeckung Kanadas und zugleich als québecoisische Jubiläen.473 Dabei kooperierten sie mit Frankreich, das ein Kriegsschiff zur zeremoniellen Unterstützung schickte und so die gemeinsame Erinnerung der inzwischen englischen Kolonie und des ehemaligen Mutterlandes zelebrierte. Eine Streitfrage in dieser Zeit blieb aber, inwiefern Cartier als Ursprung einer katholischen Identität gelten könne und wie wichtig für ihn die Missionierung Kanadas gewesen sei.474 Letztlich erhielt aber Cartier als historische Figur einen unbesiegbaren Konkurrenten in Gestalt Samuel de Champlains, der Familien ins Land geholt, eine durchgehende Traditionslinie begründet und mit Missionaren kooperiert hatte.475 Im Vergleich mit Champlain wurde der lange Zeit als Held gefeierte Cartier wieder auf die Rolle des gescheiterten Kolonisten reduziert.476 Champlain verdrängte außerdem zeitgleich mit ihm wirkende Protestanten wie den Sieur de Monts aus der Historiographie. Jene besaßen im Vergleich schlicht weniger Identifikationspotential für die frankophonen Kanadier, deren Identität im 19. und frühen 20.  Jahrhundert stark durch den Katholizismus geprägt war. Diese Deutung festigte sich, nachdem die professionelle Geschichtswissenschaft in der Mitte des 20.  Jahrhunderts jeden Bezug Cartiers zur Missionierung Kanadas widerlegte und seine Unternehmung als rein kommerziell einordnete. Als Neufundland 1949 schließlich dem unabhängigen Kanada beitrat, verlor Cartier auch seinen Status als Entdecker, da nun John Cabot als der Europäer galt, der zuerst kanadischen Boden betreten hatte. Diese Neubewertung passte hervorragend zur englischen Historiographie, in der seit der Zeit Königin Viktorias Cabot als englisches Gegenstück zu Kolumbus und erster Entdecker amerikanischen Festlandes gilt. Zuletzt ist noch auf die Folgen der postkolonialen Neubewertung der Geschichte der europäischen Expansion und deren Auswirkungen auf Heroisierungen hinzuweisen. Handlungen, die lange Zeit als heroische Taten galten, wie die Eroberung indigener Reiche oder Siege über eine indigene Übermacht, standen nun nicht mehr pauschal in einem günstigen Licht. Die Folge war ein Trend von der Heroisierung bestimmter Akteure zu ihrer Deheroisierung.477 Dies betraf allerdings die nach dem Maßstab ihrer Zeit erfolgreichen spanischen Konquistadoren deutlich stärker als die 473 474 475 476 477

Robert 1984, S. 299. Ein Beispiel für die unproblematisierte Verknüpfung  : Bonnhault 1950, S. 1f. Gordon 2010, S. 122–128. Gordon 2010, S. 35f. Jaenen 2001, S. 157.

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Engländer und Franzosen, die keine indigenen Reiche erobert und meist nicht mehr als einen Winter in Amerika überstanden hatten. Dennoch zeigt sich die Deheroisierung auch bei ihnen, wie der Fall Martin Frobishers belegt. Zwar blieb seine Idealisierung als Abenteurer und Entdecker, der über Sturm und Eisberge triumphierte, unangefochten, aber seine angebliche Tapferkeit im brutalen Kampf gegen die Inuit und deren Verschleppung erscheinen heute in einem anderen Licht. Daher ist Frobisher in der englischen und kanadischen Historiographie zwar noch sehr präsent, aber die Siedlung an dem Meeresarm, an dem er seinen Grabungen durchführte, wurde von Frobisher in Iqualuit umbenannt.478 In dieser Ambivalenz zeigt sich eine generell auffällige Differenzierung von Entdeckern, die moralisch unbelastet als Helden gefeiert werden können, und Eroberern, die als Unterdrücker und Aggressoren diskreditiert sind. Bereits Samuel Eliot Morison war in seiner 1943 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Kolumbusbiographie bemüht, seinen Helden als Entdecker von den ihm folgenden Eroberern abzugrenzen.479 Seiner Lesart folgten viele Autoren, die ihre Protagonisten zu heroischen Forschern machten, denen sie zum Teil auch noch moderne Vorstellungen vom Zusammenleben der Kulturen zuschrieben.480 Diese Unterscheidung spielt bis in die gegenwärtige Populärhistoriographie eine unterschwellige, aber zentrale Rolle, wie ein Blick in die Akteurskategorien offenbart, mit deren Hilfe innerhalb des Online-Lexikons Wikipedia Personen sortiert werden können. In der deutschen, englischen und französischen Version der Wikipedia sind die jeweils eigenen transatlantischen Reisenden als Entdecker/Explorator/Explorateur bezeichnet, wobei landessprachliche Zusätze mit der Bedeutung Seefahrer, Navigator, Kartograph, Soldat oder Hauptmann hinzutreten können – auf keinen Fall aber Eroberer. Diese Einschränkung gilt selbst dann, wenn die Gründung permanenter Siedlungen das Ziel der Männer war und Kämpfe gegen Indigene einen wesentlichen Teil ihrer Aktivitäten darstellten. Durch die Übersetzung vieler der englischen und französischen Personenartikel in die jeweils andere Sprache und ins Deutsche verfestigt sich so in drei Sprachversionen ein eindeutiges Bild über englische und französische Akteure des 16. und frühen 17. Jahrhunderts als Entdecker, aber nicht als Eroberer. Eine Kategorie für Eroberer existiert zwar in allen drei Versionen, sie ist jedoch als Konquistadoren im engeren Sinne gefasst und damit ausschließlich für Spanier und Portugiesen vorgesehen. Eine Ausnahme stellen die wenigen deutschen Heerführer im Auftrag der Welser dar, die teilweise als den Konquistadoren entsprechend oder als im Dienste von Konquistadoren erfasst werden. Warum und in welchem Maße die Rollen unter478 Auch die derzeit ausführlichsten, quellenkritischen Forschungsarbeiten von McDermott sind stark von Lob und Anerkennung für die nautische Leistung Frobishers geprägt, McDermott 1999, beispielsweise S. 80. Zur Umbenennung der Ortschaft siehe Fuller 2008, S. 65. 479 Morison 1942. 480 Für das Beispiel Champlains siehe die mehrfach ausgezeichnete Studie Fischer 2008. Zum Gebrauch der beiden Kategorien im Deutschen siehe Konetzke 1963  ; Huber 1966  ; Gründer 2003.

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schiedlicher europäischer Akteure in der Erinnerungskultur durch solche Kategorien im meistrezipierten Lexikon der Welt geprägt werden, ist eine spannende Frage für zukünftige Forschungen. 4.2.3 Spanier, barbarische Wilde und unmoralische Landsleute – Schuldzuweisung

Mit den Worten »[I] have by other men’s errors failed in the attempt I undertook« 481 fasste Walter Ralegh 1617 zusammen, warum er persönlich keine Verantwortung für den katastrophalen Ausgang der letzten großen Guyana-Expedition trage. Er stand mit seiner Argumentationsweise nicht allein, denn das Abstreiten persönlicher Schuld und der Versuch, sie auf andere zu transferieren, begleitet koloniale Projekte über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg. Allerdings handelt es sich bei der Schuldzuweisung um eine vergleichsweise seltene Argumentation. Grund hierfür könnte sein, dass sie grundlegende Zugeständnisse erforderte, zu denen nicht jeder Autor bereit war. Sie setzte voraus, eine teilweise Erfolglosigkeit oder sogar ein komplettes Scheitern der Unternehmung einzugestehen, und fand daher vornehmlich dann Verwendung, wenn sich dies ohnehin nicht mehr vermeiden ließ. Autoren nutzten Schuldzuweisungen dementsprechend vorwiegend, wenn sie sich in der Defensive sahen und versuchten, realen oder auch nur erwarteten Vorwürfen zu begegnen. Sie sind somit diejenige Argumentationsform, in der Scheitern als Beschreibungskategorie am deutlichsten verwendet wird und die daher auch das geringste Potential für eine Wendung der Ereignisse ins Positive bietet. Dennoch passen auch Schuldzuweisungen zu dem im Diskurs primär verfolgten Zweck, für weitere koloniale Expansion zu werben. Konkrete Personen als Ursache für Rückschläge zu identifizieren, ermöglichte Autoren ihrem Publikum die Botschaft zu vermitteln, dass durch Exklusion dieser Akteure oder einen anderen Umgang mit ihnen zukünftiges Scheitern vermieden werden könnte. Außerdem konnten Schuldzuweisungen durch Definition von Alterität, sei es mittels der Abgrenzung von anderen Europäern oder von Indigenen, zur Konstruktion einer kolonialen Identität beitragen. Aus dem einleitenden Zitat von Walter Ralegh ergibt sich die Frage, wer die other men waren, die für den enttäuschenden Ausgang die Verantwortung trugen. In Raleghs Text ist die Antwort eindeutig, denn die Gier seiner Mannschaft und der anderen Kapitäne habe in Kombination mit der Unfähigkeit und Unsicherheit seines Adjutanten Keymis die Erschließung der versprochenen Goldminen scheitern lassen. Bezieht man allerdings weitere englische, französische und deutsche Autoren ein, so lassen sich insgesamt drei verschiedene Zielgruppen unterscheiden, gegen die sich Schuldzuweisungen richten konnten  : erstens eigene Landsleute, seien es mitreisende Kolonisten, Seeleute oder daheimgebliebene Kritiker, zweitens Europäer, die aufgrund ihrer Zu481 Ralegh  : Apology, ediert in  : Edwards 1988, S. 226–248, hier S. 226.

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gehörigkeit zu einem anderen Herrschaftsverband als Fremde galten und drittens die indigene Bevölkerung. Schuldzuweisungen an diese drei Gruppen schlossen einander keineswegs aus, sondern konnten kumulativ verwendet werden, um die eigene Unschuld besonders nachdrücklich zu betonen oder die eigene Identität durch mehrfache Abgrenzungen zu definieren. Die folgenden Ausführungen sind nach diesen drei Gruppen gegliedert, wobei ihr unterschiedlicher Umfang sich aus den bereits in vorherigen Kapiteln gegebenen Erläuterungen ergibt.482 Ziel ist es, nicht nur individuelle Entlastungsstrategien bestimmter Akteure zu beschreiben, sondern darüber hinaus die Funktion von Schuldzuweisung als Teil komplexer Strategien zur Konstruktion eines »Anderen« im kolonialen Kontext und einer eigenen Identität nachzuzeichnen. Die gegen eigene Landsleute gerichteten Vorwürfe lassen sich in einem kurzen Rückgriff auf das Kapitel  4.1 wiederum anhand der beschuldigten Personen in vier Untergruppen einteilen  : Erstens die Kritiker im Ursprungsland der Kolonie, die gegen eine erfolgreiche Kolonialpolitik intrigierten. Speziell englische Autoren griffen diese Gruppe massiv an, nicht zuletzt durch Bezugnahme auf die biblische Erzählung von den Leuten, die Kanaan als Land der Verheißung verleugnet oder bezweifelt hatten und die Gott mit tödlichen Krankheiten oder jahrzehntelanger Wanderung durch die Wüste bestraft habe.483 Ebenfalls nur in englischen Texten spitzten die Autoren ihre Vorwürfe gegen Kritiker dahingehend zu, dass Rückschläge nur eine Erfindung und auch Scheitern nur eine Form übler Nachrede sei.484 Die zweite Gruppe waren Seeleute, die in Texten über Roanoke, Guyana, San Lucia und Jamestown gleichermaßen für Krisen und Rückschläge verantwortlich gemacht wurden. Ralegh nannte sie nur »the very scum of the world  ; drunkards, blasphemers«.485 An dritter Stelle folgten Kolonisten, wobei weit häufiger die einfachen Mitreisenden angegriffen wurden als Männer aus der Oberschicht. Gegen die eigenen Kolonisten wandten sich John Smith, Ralph Lane, Thomas Harriot, René de Laudonnière, André Thevet und viele weitere Autoren. Dabei war in englischen Quellen stärker eine soziale Differenzierung erkennbar, so bei John Smiths expliziter Kritik an den Gentlemen, während in den französischen Texten eine konfessionelle Trennlinie aufschien, so bei André Thevet, Jean de Léry, Pierre Richer und anderen. Schließlich konnten viertens auch die Anführer der Unternehmung oder ihnen untergeordnete Befehlshaber in den Fokus der Kritik geraten, so beispiels-

482 Vorwürfe an Landsleute spielten in den Kapiteln zu zeitgenössischen Vorstellungen vom Ursprungsland, dem Atlantik sowie der Kolonie (4.1.1/4.1.2/4.1.4) eine wichtige Rolle, während Schuldzuweisungen an andere Europäer (4.1.1/4.1.2), und an die Indigenen (4.1.3) bisher nachrangig berücksichtigt wurden. 483 Siehe 4. Buch Mose Kapitel 13, Vers 32–33 und Kapitel 14 Vers 22–37. 484 Beispielsweise bei Harriot 1588  ; und in den Werbeschriften der Virginia Company  ; vgl. Kapitel 4.1.1. 485 Ralegh  : Apology, ediert in  : Edwards 1988, S. 226–248, hier S. 227.

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weise bei Michael Loks ausführlichen Vorwürfen gegen Martin Frobisher oder subtiler im Kontext der französischen Projekte in Florida.486 Trotz aller Unterschiede zwischen den beschuldigten Akteuren zeigen die gegen sie gerichteten Schuldzuweisungen ein gemeinsames Argumentationsprofil. Die Vorwürfe zielen nur nachrangig auf konkrete Handlungen und einzelne Entscheidungen, sondern vielmehr auf allgemeine Aspekte wie Faulheit, den Unwillen, legitime Autorität zu akzeptieren, und das Streben nach kurzfristigem Reichtum anstelle moralisch höherwertiger Ziele wie Missionierung oder der Etablierung dauerhafter kolonialer Herrschaft.487 Richteten sich die Vorwürfe gegen Individuen, so konnte ihnen zusätzlich noch Geltungssucht, das Streben nach Tyrannei oder sogar der Wunsch vorgeworfen werden, dem eigenen Land und dem Herrscher zu schaden. Bemerkenswert ist, dass Schuldzuweisungen alle beteiligten Akteure treffen konnten, vom Befehlshaber über mitreisende Edelleute, Seeleute, einfache Kolonisten oder Geistliche bis hin zu Personen, die nichts weiter taten, als über die Kolonie zu schrei­ben. Die Kategorien, auf denen die Vorwürfe basierten, waren dabei weitgehend unumstritten. Sie wurden selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn widersprüchliche Vorwürfe kursierten, beispielsweise als Laudonnière gegen Ribault und zeitgleich Le Challeux gegen Laudonnière schrieb.488 Es bestand demnach ein gewisser Kriterienund Beschreibungshorizont für Fehlverhalten und Schuldzuweisungen im kolonialen Kontext. Die Folge war, dass Vorwürfe vermutlich nur exemplarisch belegt und auf den Einzelfall angewendet werden mussten, damit den Lesern ein komplexer Hintergrund von Vorwürfen vor Augen trat. Diese Tendenz bedeutet aber nicht, dass es keine detaillierten Vorwürfe gab, doch begnügten sich viele Verfasser mit kurzen, eher allgemeinen Verweisen. Ein für die Frage nach einer Alteritätskonstruktion interessanter Vorwurf war, dass Europäer in Amerika eine indigene Lebensweise angenommen, dadurch ihre Identität aufgegeben und schließlich gegen die Kolonie gearbeitet hätten. In französischen Texten spielte dies wie in Kapitel 4.1.4 beschrieben häufiger eine Rolle als in englischen, zumal Autoren wie John Smith dieses Verhalten überwiegend – wenn auch nicht exklusiv – Personengruppen vorwarfen, die sie ohnehin schon als fremd markiert hatten, beispielsweise als »damn dutch«.489 Dennoch zeigt diese Form der Schuldzuschreibung,

486 The abuses of Captayn Furbusher agaynst the Companye 1578, ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 208–212. Vgl. The Doyings of Martin Frobisher, ediert in  : McDermott 2001, S. 71–102. 487 Dabei war Gier als Leitmotiv der Kritik bereits mehrfach erkennbar, siehe Fuller 1995, S. 26. Eine Ausnahme stellt der detaillierte Katalog von Vorwürfen Michael Loks gegen Frobisher dar, ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938  II, S.  208–212  ; vgl. The Doyings of Martin Frobisher ediert in  : McDermott 2001, S. 71–102  ; Aber auch hier liegen als Ursache hinter den konkreten Handlungen abstrakte moralische Vorwürfe von Habgier, Ruhmsucht sowie Unbeherrschtheit und Willkür. 488 Waldman 2000, S. 32  ; Wehrheim-Peuker 1998, S. 80–82. 489 Lestringant 1996f, S. 177–188  ; Wehrheim-Peuker 1998, S. 189 und S. 198f.

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dass selbst bei internen Vorwürfen die Indigenen und ihre Lebensweise als Maßstab für die Konstruktion von Alterität bedeutsam waren.490 Insgesamt liefen alle Vorwürfe gegen die eigenen Landsleute auf die meist implizite Schlussfolgerung hinaus, dass die Beschuldigten aufgrund ihres Handelns in zweifacher Hinsicht exkludiert werden müssten. Zum einen sollten sie aus zukünftigen Projekten ausgeschlossen werden und zum anderen sollte ihnen, insbesondere aufgrund ihrer moralisch-charakterlichen Schwächen, keine Teilnahme am kolonialen Diskurs zugestanden werden. Als Gegenstück der zu Exkludierenden lässt sich in den englischen und französischen Texten indirekt die Vorstellung der Autoren von einem perfekten Kolonisten erkennen. Der ideale Kolonist wäre demnach  : fleißig, bescheiden, tapfer, bereit, entweder Führungsverantwortung zu übernehmen oder sich widerspruchslos unterzuordnen, tugendhaft gegenüber den Indigenen, an Reichtum nur interessiert, um die nötige Finanzierung zu sichern, und schließlich willens, Mangel und Leiden als Prüfungen zu ertragen, um sein Ziel, die Missionierung der Indigenen und die Errichtung eines Gemeinwesens in Übersee, zu erreichen. Diese Charakterisierung wurde von den Autoren zeitgleich und in Wechselwirkung mit den in Kapitel  4.1 herausgearbeiteten Idealvorstellungen von kolonialen Identitäten und Kolonien entwickelt. In diesem Idealbild spiegeln sich die moralischen Leitvorstellungen des Humanismus wider, die den zeitgenössischen Diskurs insgesamt prägten. Daher überrascht es nicht, dass die genannten Kategorien in englischen und französischen Texten weitgehend gleich waren. In den wenigen deutschen Texten über Venezuela ist hingegen kein vergleichbares Idealbild erkennbar, da es den Autoren eher um die Darstellung von Entradas nach spanischem Vorbild ging. Sie konnten daher Eroberungen und die Suche nach Gold offener thematisieren. Bei aller Parallelität ist allerdings auch ein Unterschied zwischen England und Frankreich festzuhalten. Während in den englischen Texten im Rahmen von Schuldzuweisungen die Konfession der Beteiligten kaum angesprochen wird, hat sie in Frankreich zum Teil zentrale Bedeutung.491 In der literarischen Debatte über den Verlauf und den Untergang der Kolonie France antarctique lässt sich dies deutlich erkennen und auch auf einen bestimmten Grund zurückführen. Als Villegagnon und Thevet auf der einen und Pierre Richer, Jean Crespin und Jean de Léry auf der anderen Seite Vorwürfe gegen die jeweilige konfessionelle Gegenseite erhoben, ging es um mehr als eine Insel vor der Küste von Rio de Janeiro.492 Es ging um die Frage, wie eine Gemeinschaft 490 Kupperman 2000a, S. 497. 491 Ausnahmen sind Aufforderungen zur Ausgrenzung von Katholiken, so bei Crashaw 1610  ; oder in den Instruktionen für Thomas Gates, ediert in  : Quinn NAW V, S. 212–218, hier 213 und in Hakluyts sogenanntem Discourse of Western Planting. Dies ist aber allgemein und nicht mit konkreten Vorwürfen verknüpft. 492 Für die folgende Einordnung siehe Lestringant 2009  ; vgl. zur Debatte auch Gewecke 1986, S. 173–192.

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mit konfessioneller Heterogenität umgehen sollte – und damit um Frankreich selbst. Thevet zeichnete die Hugenotten als Friedensbrecher, als Verräter und Feinde der Ordnung, während Villegagnon selbst die Hugenotten kaum direkt angriff, sondern sich auf die Bedeutung einer einheitlichen Konfession für Frankreichs Zukunft fokussierte.493 Die Hugenotten hingegen stellten Villegagnon aufgrund seiner angeblichen Glaubenstyrannei und Gewaltbereitschaft als alleinigen Schuldigen am Konflikt hin. Dabei fokussierte Richer sich auf eine Dämonisierung Villegagnons als eines mons­ trösen Menschenfressers, den er als Inbegriff eines schlechten Anführers dem positiven Fall Roberval gegenüberstellte.494 Wie Lestringant herausgestellt hat, nutzte Richer dafür Kannibalismus als Marker zur Konstruktion von Alterität.495 Da selbst die indigenen Kannibalen von Villegagnons Brutalität entsetzt gewesen seien, sind er und die ihn bei der Verfolgung der Hugenotten unterstützenden Katholiken laut Richer schlimmer als Kannibalen – eine Deutung, die durch seine Gleichsetzung von Transsubstantiationsglauben und Kannibalismus noch bekräftigt wurde. Crespin hingegen erhob die getöteten Hugenotten zu Märtyrern, wofür die Schuldzuschreibung an Villegagnon als tyrannischen Verfolger rechtgläubiger Christen zentrale Bedeutung hatte. Damit setzte auch er ein Zeichen für Frankreich, indem er Vorbilder benannte und eine moralische Leitlinie bot. Dieses Beispiel bestätigt somit die doppelte Wirkung von Schuldzuweisungen, die nicht nur pragmatisch akteursbezogen waren, sondern auch Identitäten und Alteritäten konstruieren konnten. Die wechselseitigen Vorwürfe im Kontext von France antarctique waren kein Einzelfall, auch wenn Reaktionen auf Schuldzuweisungen an Landsleute generell selten sind. Grund für ihre Seltenheit ist, dass die Personen und Gruppen, die im Zentrum der Kritik standen, wie Seeleute und einfache Kolonisten mehrheitlich nicht am Diskurs beteiligt waren. Daher war es auch für die Zeitgenossen risikolos, diese Zielgruppe in den Fokus zu nehmen, zumal sie dabei standesgesellschaftlich begründete Erwartungen ihres Lesepublikums bedienten. Ausnahmen von diesem Schweigen waren die wechselseitigen Vorwürfe von Michael Lok und Martin Frobisher, die Anschuldigungen gegen den Master von Humphrey Gilberts Delight 1583 und die gegenseitigen Vorwürfe von Kolonisten und Seeleuten bei der Landung auf San Lucia 1605.496 493 Lestringant 1980, S. 167–192. Vgl. Kapitel 3.1 und 3.2. 494 Richer 1561/1562, zu Villegagnon als Befehlshaber Fol.  4r.–31v. Der größte Teil der Schrift behandelt allerdings theologische Dispute mit ihm. Vgl. Lestringant 1980, S. 183–191  ; siehe auch Lestringant 1996c, S. 77–119, allerdings weniger auf den Vergleich eingehend, sondern mehr auf die Darstellung des Landes und der Indigenen. Siehe zur Vorgehensweise Lérys, der Villegagnon der Lächerlichkeit preisgab, Mahlke 2005, S. 148–153. 495 Vgl. Wehrheim-Peuker 1998, S. 160–174  ; Frübis 1995, S. 107 und S. 123–130. 496 Vgl. Patterson 1897 und den Bericht Nicholl 1607 sowie die Quellenangaben in Kapitel 3.3.2. Zu den wechselseitigen Vorwürfen Loks und Frobishers siehe Michael Lok  : The abuses of Captayn Furbusher agaynst the Companye 1578, ediert in  : Stefansson/McCaskill 1938 II, S. 208–212, in denen am Ende auch die angeblichen Vorwürfe Frobishers gegen Lok wiedergegeben werden.

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Diese Beispiele könnten als Hinweise darauf gedeutet werden, dass der Austausch von Vorwurf und Gegenvorwurf eher häufiger vorkam, aber nur selten überliefert ist, wenn Betroffene einen niedrigen sozialen Status besaßen. Zu dieser Überlegung passt, dass in den meisten Fällen, in denen Reaktionen auf Schuldzuweisungen bekannt sind, sozial höherstehende Personen wie Amtsträger oder Vertraute ranghoher Persönlichkeiten ihre Stimme erhoben, wie bei den wechselseitigen Beschuldigungen in Jamestown, Harriots Kritik an Lane und dessen Rechtfertigung oder den Vorwürfen Lescarbots und Poutrincourts an die Jesuiten und deren Entgegnungen. Allen diesen Beispielen ist gemeinsam, dass die gegenseitigen Vorwürfe in einem Widerspruch zueinanderstehen, der aufgrund fehlender paralleler oder neutraler Überlieferung zwar argumentativ analysiert, aber nicht aufgelöst werden kann. Neben den konkreten Vorwürfen ging es beiden Seiten aber auch grundsätzlich um die Glaubwürdigkeit der Gegenseite, wie das Beispiel André Thevets deutlich zeigt, den zahlreiche hugenottische Autoren aufgrund seiner Methodik und angeblich fehlender Faktentreue angriffen.497 Die Chancen auf eine breite zeitgenössische Rezeption und damit eine langfristige Überlieferung von Schuldvorwürfen hingen aber nicht allein vom sozialen Rang des Anklägers oder des Beschuldigten ab, sondern auch davon, wie sich die Vorwürfe in den bestehenden Diskurszusammenhang einordneten. Wenn die Vorwürfe Themen von übergreifender Relevanz wie konfessionelle Gegensätze oder Adelskritik betrafen, war ihnen mehr Aufmerksamkeit sicher, als wenn sie rein personenbezogen blieben. Die Orientierung an größeren Zusammenhängen erleichterte außerdem ihre Verbreitung in anderen Sprachräumen, wie dem Alten Reich. Dieser Trend zeigt sich insbesondere dann, wenn eine Verknüpfung zu konfessionellen oder politischen Konflikten in Europa und der damit verbundenen Konstruktion von Feindbildern und Stereotypen bestand. Vorwürfe, dass der negative Ausgang eines kolonialen Projektes auf eine gewaltsame Intervention anderer europäischer Akteure zurückzuführen sei, lassen sich – entsprechend den historischen Ereignissen – nur in französischen Quellen beobachten. Insgesamt viermal zerstörte eine aus Europa oder einer benachbarten Kolonie entsandte Streitmacht eine französische Kolonie, nämlich in Brasilien 1560, Florida 1565, der Acadie 1613 und erneut in Brasilien 1615. Während die Franzosen sich spanischen, portugiesischen und englischen Angriffen geschlagen geben mussten, fand im Betrachtungszeitraum keine bereits etablierte englische Kolonie durch europäische Einwirkung ihr Ende.498 497 Vgl. Lestringant 1987  ; Ders. 1991, S. 105–14  ; Ders. 2005, S. 44–51  ; Wehrheim-Peuker 1998, S. 136. 498 Nur wenig vergleichbar ist die gewaltsame Unterbindung der Überwinterung dreier englischer Brownisten auf Ramea 1597. Es handelte sich nur um eine Vorausmission, die nach dem Konflikt auch an einem anderen Ort hätte fortgesetzt werden können. Hinter der Konfrontation steckte außerdem kein Befehl einer europäischen oder kolonialen Obrigkeit, sondern sie war eine spontane Reaktion auf die

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Vergleicht man die Reaktionen der durch Druckschriften oder im Schriftverkehr hervortretenden Akteure, so fallen erhebliche Unterschiede in der Rezeption der vier Angriffe auf. Die spanische Zerstörung von Fort Caroline in Florida hat zwar nicht das umfangreichste literarische Echo, aber bei Weitem die intensivste argumentative Zuspitzung im Hinblick auf Schuldzuweisungen hervorgebracht. Die Ereignisse selbst, speziell der nächtliche Überraschungsangriff und die Tötung von wehrlosen Gefangenen, haben zeitgenössisch und historiographisch ausführliche Beachtung gefunden, so auch bei Lestringant, der von einem »Saint-Barthélemy américain«499 schrieb. Damit deutet er eine Einbettung in den europäischen Diskurszusammenhang der Konfessionskonflikte an, die auch von den zeitgenössischen Autoren vorangetrieben wurde. Zum einen schilderten sie die Ereignisse als Ausdruck einer allgemeinen antiprotestantischen Politik des spanischen Imperiums sowie einer angeblichen Neigung aller Spanier zu Brutalität und Grausamkeit, zum anderen betonten sie den protonationalen Gegensatz mit dem Ziel, die uneingeschränkte Zugehörigkeit der Hugenotten zum französischen Herrschaftsverband hervorzuheben.500 Dadurch, dass sie die Spanier als Aggressoren und ihre Opfer ungeachtet der konfessionellen Differenz homogen als Franzosen präsentierten, konstruierten Autoren die Notwendigkeit, einen Gegenschlag zu führen.501 Darauf baute Gorgues Vergeltungsexpedition auf, die in Berichten und Textsammlungen als heroische Wiederherstellung der nationalen Ehre gefeiert wurde.502 In der Reaktion auf die Ereignisse in Florida war daher ein klares Feindbild für die Autoren von zentraler Bedeutung, das jedoch, wie Wehrheim-Peuker nachgewiesen hat, nicht ohne die Einbeziehung der Indigenen verstanden werden kann.503 Sie bilden den dritten Bezugspunkt einer multipolaren Alteritätskonstruktion. Im Zentrum stand dabei die Konstruktion einer gemeinsamen, franko-indigenen Opferidentität im kolonialen Diskurs. Sie war laut Wehrheim-Peuker Ausdruck davon, dass in französischen Texten die Legitimität der eigenen Expansion einerseits auf Allianzen mit den Indigenen und deren angeblich freiwillige Unterordnung sowie andererseits auf eine Selbstdefinition als die im Vergleich mit Spanien moralisch überlegene koloniale Macht zurückgeführt wurde. Aufgrund dieser Leitvorstellung beschrieb Laudonnière ausführlich seine zunächst positive Beziehung zu den Indigenen und kontrastierte dies bei der Beschreibung der Überfahrt mit spanischen Gräueltaten

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Ankunft der Engländer und deren aggressives Auftreten. Sie war außerdem in Verlauf und Folgen eng begrenzt und wurde in Europa nicht diskutiert. Siehe dazu Kapitel 3.2. Lestringant 1996i. Waldmann 2000, S. 49f., 65–82 und 172–184  ; Wehrheim-Peuker 1998, S. 86–114. Lestringant 2004, S. 179f. Anonymus 1568, Edition in  : Lussagnet 1958, S. 241–253  ; vgl. Quinn NAW II, S. 568–572. Zur Inszenierung von Gorgues Expedition als protestantischer Tat und Teil protestantischen Schrifttums  : Mahlke 2005, S. 229–239. Wehrheim-Peuker 1998, S. 87f.

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auf den Kanaren und in der Karibik.504 Gorgues Expeditionsbericht bestätigte dementsprechend die positive Haltung der Indigenen den Franzosen gegenüber und ihre Feindschaft mit den Spaniern.505 Er erschuf für seine Leser, wie Wehrheim-Peuker betont, somit einen Kausalzusammenhang, demnach die Indigenen aufgrund ihrer Zuneigung zu den Franzosen unter der Grausamkeit der Spanier hätten leiden müssen.506 Allerdings sind die Indigenen in dieser Konstruktion, so WehrheimPeuker, von nachrangiger Bedeutung, da ihr Leiden nur durch die französischen Akteure Relevanz erhalte. Das ändere allerdings nichts an ihrer Funktion in einer dreipoligen Alteritätskonstruktion.507 Darin seien die Indigenen zwar aufgrund fehlenden Christentums und ihrer Lebensweise als koloniale Andere definiert, zugleich aber den Franzosen näher als die Spanier, da letztere durch ihre Grausamkeiten ihren Status als Christen und zivilisierte Europäer aufgegeben hätten. In diesem Dreieck sind die französischen Hugenotten demnach die einzigen wahren Christen und die einzigen zivilisierten Akteure, für deren koloniales Handeln dadurch Verbündete und Feinde eindeutig definiert sind. Die Indigenen als Opfer der iberischen Expansion darzustellen ist bekanntermaßen nicht nur ein zentrales Element für die Inszenierung eigener Tugendhaftigkeit und Konstruktion antispanischer Feindbilder in Bezug auf koloniale Räume, sondern auch für solche Feindbilder im protestantischen Europa des 16. und frühen 17.  Jahrhunderts.508 Als maßgeblich hierfür gilt in der Forschung die Rezeption der ursprünglich an den König von Kastilien gerichteten Klageschriften des Bischofs Bartholomé de las Casas in den Niederlanden.509 Dort erhielten seine Texte im Zuge des Konfessionskonfliktes und des Unabhängigkeitskrieges eine neue Bedeutung, indem das Leiden der Indigenen als Beweis für spanische Grausamkeit in Wort und Bild präsentiert wurde. Dabei ging es jedoch nie um eine Anerkennung indigener Rechte auf Land oder eine eigenständige Lebensweise, sondern nur um die Konstruktion eines antispanischen Feindbildes im europäischen und kolonialen Kontext. Die zahlreichen Kriege der spanischen Herrscher und ihre Inszenierung als Speerspitze der Gegenreformation trugen ein Übriges dazu bei, dass dieses Feindbild zunächst innerhalb des Alten 504 Wehrheim-Peuker 1998, S.  55–63, 67 und 110f. zu den guten Anfängen Lestringant 1982, S. 10f. Zur Darstellung der Indigenen siehe auch Mahlke 2005, S. 100–114. 505 Waldmann 2000, S. 158f. 506 Wehrheim-Peuker 1998, S. 87f. 507 Wehrheim-Peuker 1998, S. 100–106. 508 Der Diskurs wurde in der spanischen Literatur um 1913 als fiktionale leyenda negra kritisiert und hat seitdem eine bemerkenswert frühe, intensive diskursgeschichtliche Forschung hervorgebracht. Übersicht mit Forschungsgeschichte Edelmayer 2010  ; eine grundlegende Studie ist Hart 2001. Für neuere Überblicke und Forschungen siehe exemplarisch zu Frankreich  : Lestringant 2004, S. 371– 391  ; zu England  : Eldred 2013 mit deutlichen Relativierungen  ; Hodgkins 2002, S. 54–76  : für ältere Übersichten vgl. Maltby 1971 und Keen 1969, vgl. auch Gewecke 1986, S. 198–224. 509 Hillgarth 2000, S. 312–324.

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Reiches verbreitet, dann nach Frankreich und schließlich nach England exportiert und in diesen Ländern um eigene Elemente ergänzt wurde. Die dramatischen Berichte über die Zerstörung von Fort Caroline hatten dabei eine Schlüsselrolle. In Frankreich wurden sie bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts zur Grundlage von antispanischen Argumentationen, so bei Urbain Chauveton und anderen.510 Die Schriften bekräftigten außerdem durch Übersetzungen und Nachdrucke die 1565 auch in den Niederlanden noch junge antispanische Argumentation, und ihre englische Übersetzung 1587 erfolgte nicht zufällig im Kontext der bevorstehenden spanischen Invasion. Dies leitet zu der Beobachtung über, dass, obwohl keine englische Kolonie durch Spanier zerstört wurde, auch in England Autoren am antispanischen kolonialen Diskurs partizipierten und entsprechende Feindbilder propagierten. Dabei lassen sich allerdings stärker als in Frankreich Veränderungen ausmachen. Herrschte unter Maria Tudor noch eine prospanische Linie vor, so trat zur Zeit Elisabeths ein Umschwung ein, und die Verbreitung der Feindbilder erreichte ihre höchste Intensität.511 Durch seine konfessionelle Aufladung erhielt der 1585 begonnene Krieg heilsgeschichtliche Bedeutung, und englische Autoren inszenierten ihr Land als Vorkämpfer des Protestantismus. Dabei waren Bezüge sowohl auf außereuropäische als auch europäische Räume als Beweise für die Rechtmäßigkeit des Kampfes und zur moralischen Diskreditierung der Spanier weitgehend pauschal und austauschbar.512 Unter Jakob I. traten diese Feindbilder dann wieder in den Hintergrund. Die antispanische Prägung des Diskurses hatte demnach zeitweise erhebliche Auswirkungen auf Texte über koloniale Expansion. Walter Raleghs Werk über Guyana 1595 ist bereits häufig in diesen Kontext gestellt worden.513 Nach Borge ist der Bezug dabei so stark, dass seine koloniale Propaganda nur vor dem Hintergrund antispanischer Stereotype verstanden werden kann.514 Noch 1617 schrieb Ralegh neben dem Versagen seiner eigenen Männer der Aggression der Spanier die Schuld für das

510 Hart 2001, S. 105–124. Zu Chauveton vgl. Hart 2001, S. 108–112  ; Gewecke 1986, S. 205f. und 212–217  ; Waldman 2000, S. 174–187. Vgl. auch die kritische Haltung Lescarbots gegenüber spanischer Missionsarbeit in Lescarbot 1610  : La conversion, Edition in  : Thwaites I, S. 49–115. Später auch in der Histoire de Nouvelle France, siehe Lescarbot/Biggar S. 32–41. 511 Zum Diskurs zur Zeit der Herrschaft Maria Tudors vgl. Hart 2001, S. 54–68  ; Hillgarth 2000, S. 351f.; zum Wandel und zur Schlüsselrolle der versuchten Invasion von 1588 dafür  : Eldred 2013, S.  176–181. Vgl. die Relativierung bei Hillgarth 2000, S.  384  ; allgemein siehe Hulme 1992, S. 213–219. 512 Hart 2001, S. 87. 513 Mackenthun 1997, S.  177–181  ; Hodgkins 2002, S.  61–64  ; Hart 2001, S.  170–176. Dabei ist zu beachten, dass Hodgkins dies als weiße Legende Drakes bezeichnet, da dieser die Argumentation zuerst benutzt habe, siehe auch Hodgkins 2002, S. 77–112. 514 Borge 2002, S. 100f.

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Scheitern seiner Unternehmung zu  : »the Spaniards cannot endure that the English nation should look upon any part of America.«515 Als Gegenbild imaginierte Ralegh 1596, wie schon Hakluyt in seinem Discourse on Western Planting 1583, eine moralisch überlegene englische Kolonisierung Amerikas, die vornehmlich durch die Abgrenzung von der spanischen definiert ist.516 Somit bedienten sich zumindest einige englische Autoren eines ähnlichen, dreipoligen Modells zur Konstruktion von Alterität wie ihre französischen Zeitgenossen. Dies könnte unter anderem auch daran liegen, dass die Berichte über die Zerstörung von Fort Caroline in England das Meinungsbild im Kontext des Krieges erheblich prägten und den englischen prokolonialen Akteuren wie Ralegh und Hakluyt sehr gut bekannt waren.517 Schuldzuweisungen gegen Spanien erwiesen sich somit nach 1565 als Teil eines länderübergreifenden Diskurszusammenhangs, der dadurch hohe Relevanz erhielt, dass in ihm konfessionelle und politische Konfliktlinien kulminierten. Für ein breiteres Verständnis der Rezeption kolonialer Projekte, die durch andere Europäer zerstört wurden, muss der Blick aber über die Rolle Spaniens hinaus auf portugiesische und englische Angriffe gegen französische Kolonien erweitert werden. Hierbei ist auffällig, dass die beiden portugiesischen Angriffe auf France antarctique und France équinoxiale weitaus weniger intensive Reaktionen provozierten. Dies könnte dadurch erklärt werden, dass die Ereignisse weniger Anlass für eine Skandalisierung boten. Beide Kolonien wurden nach offener Konfrontation erobert und nur wenige Kämpfer gerieten in Gefangenschaft oder flohen zu den Indigenen. Im Falle von France équinoxiale kam es sogar zu einer Repatriierung der Kolonisten. Eine rein faktische Erklärung würde aber die Möglichkeit der Autoren verkennen, die Ereignisse in ihren Texten unterschiedlich auszugestalten und mit Bedeutung aufzuladen. Ihr Verzicht auf eine antiportugiesische Argumentation ist außerdem erklärungsbedürftig, weil die Literatur, die aus beiden Brasilienreisen hervorging, in Zahl wie auch Umfang die zu Florida übertraf. Auch wenn ein erheblicher Teil der Publikationen erschien, bevor die beiden Kolonien zerstört wurden, ändert dies nichts daran, dass die Angriffe in den späteren Texten und in überarbeiteten Neuauflagen oder Nacherzählungen in Überblickswerken nur randständige Bedeutung besaßen. Der Grund für die geringe Resonanz könnte in beiden Fällen die Wirkung der in Frankreich dominierenden Diskurszusammenhänge gewesen sein. Bezüglich France antarctique war für Richer, Villegagnon, Thevet, Léry und alle anderen Autoren die innerfranzösische, konfessionelle Konfliktlinie relevanter und die Zerstörung nur Fluchtpunkt einer Erzählung, die primär auf interne Konflikte zielte. Dieselbe Gewichtung prägte auch über die unmittelbare Rezeption hinaus frühe historische Überblicke, so bei Marc Lescarbot.518 515 516 517 518

Ralegh  : Apology, ediert in  : Edwards 1988, S. 226–248, hier S. 245, 247. Siehe für weitere Verweise Kapitel 3.2  ; vgl. kurz  : Solomon 1996, S. 35–58. Hart 2001, S. 71. Lescarbot/Biggar, S. 155–194.

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Im Falle von France équinoxiale erschien hingegen lediglich eine Schilderung des Untergangs im Druck.519 Da zu dieser Zeit Spanien und Portugal eine Personalunion bildeten, wäre eine antispanische Wendung darin zwar denkbar, doch das Werk ist im Gegenteil deutlich von der prospanischen Wendung der Politik Maria de Medicis geprägt. Offenbar ließ die spanische Ehe Ludwigs XIII. die Propagierung pauschaler Feindbilder nicht opportun erscheinen. Daher argumentierte Sieur de Razilly in seiner Werbung für eine erneute Unternehmung nicht mit Ruhm durch Vergeltung wie die hugenottischen Autoren um 1565, sondern mit den Vorzügen für Frankreich und der Pflicht, die man gegenüber den missionierten Indigenen habe.520 Auch im Falle von Saint-Sauveur und Port Royal zeigt sich, dass in einem umfangreichen Schrifttum, hier von Marc Lescarbot und Pierre Biard, die Schuldzuweisung an die Angreifer nur nachrangige Bedeutung hat. Lescarbot und seinem Partner Poutrincourt war es wie beschrieben wichtiger, den Jesuiten die Verantwortung für den Untergang der Kolonie zuzuschreiben. Sie warfen ihnen allgemein Herrschsucht und Eigennutz, aber auch konkreten Verrat vor.521 Dabei wirkte eindeutig der Streit um die Kontrolle über die Acadie, der zwischen den unterschiedlichen kolonialen Netzwerken um Poutrincourt und Lescarbot einerseits und den Jesuiten und der Hofdame de Guercheville andererseits ausgefochten wurde, auf die Schilderung ein. Lescarbot machte dementsprechend die Engländer zu Schuldigen zweiten Ranges, die von den Jesuiten erst provoziert und später zur Vernichtung von Poutrincourts Kolonie geführt worden seien. Der beschuldigte Pierre Biard konterte die Vorwürfe, indem er Samuel Argall und dessen Männern die Schuld am Angriff und Ende beider Kolonien gab, doch auch er ging über weite Strecken seiner Werke auf interne Konflikte und Vorwürfe ein.522 Damit schwächte auch hier der interne Konflikt die externen Schuldzuweisungen. Hierzu passt, dass die Texte zwar vor dem Hintergrund einer bereits seit längerem erkennbaren diskursiven Konstruktion kolonialer Rivalität mit England entstanden, es aber dabei gänzlich an der Radikalität fehlte, mit der zuvor antispanische Stereotype aufgebaut wurden. Insgesamt zeigt sich bei der Argumentationsform der Schuldzuweisungen an andere Europäer deutlich die Wirkmacht der jeweils in Frankreich oder England relevanten politischen und konfessionellen Konfliktlinien. Die wichtigste Folge davon war die Sonderstellung der Alteritätskonstruktion »des Spaniers« im Diskurs. Dass dies 519 Anonymus 1615, insbesondere S.  17–21  ; zur Quelle vgl. Daher 2002, S.  285f. und Obermeier 1995, S. 86. 520 Für weitere Verweise siehe Kapitel 3.3.2. 521 Poutraincourt 1614, Edition in  : Campeau 1967, Quelle 137, S. 320–406. Die Mitarbeit Lescarbots an dem Werk bezweifeln  : Thierry 2001, S.  285  ; Emont 2002, S.  141. Allerdings äußerte Lescarbot zweifellos sehr ähnliche Vorwürfe in der Histoire de Nouvelle France, siehe Lescarbot/ Biggar, S. 155–194. Sehr kritisch gegen die Vorwürfe positioniert sich zugunsten der beschuldigten Jesuiten Campeau 1967, S. 236. 522 Für Biards Darstellung der Angriffe und seiner Rolle dabei  : Biard 1616, Kapitel XXVII–XXXII.

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nicht zwingend an konkrete Erfahrungen kolonialer Aggression gebunden war, sondern rein diskursiv erfolgen konnte, zeigt sich darin, dass eine ähnliche koloniale Identitätskonstruktion auch bei englischen Autoren zu beobachten ist. In beiden Ländern wurde Alterität aber nicht nur durch Abgrenzung von anderen Europäern konstruiert, sondern durch eine Triangulation, die auch die indigenen Akteure einschloss. Um dieses Prinzip genauer zu verstehen, ist zuletzt ein Blick auf die Quellen notwendig, in denen Indigenen die Schuld an Krisen, Rückschlägen und der Erfolglosigkeit kolonialer Projekte zugeschrieben wird. Angesichts der umfangreichen Forschungsarbeiten über europäische Darstellungen der Indigenen im 16.  Jahrhundert, die inzwischen nach Zeitabschnitten, Ländern, kolonialen Kontexten, indigenen Gruppen, Autoren und einzelnen Texten differenziert verfügbar sind, werden im Folgenden nur unmittelbare Schuldzuweisungen sowie deren Kontextualisierung fokussiert. Davon ausgehend kann dann gestützt auf die Forschung gezeigt werden, inwiefern sich dies in die propagierten Vorstellungen von indigenen Akteuren einfügte und sie akzentuierte. Allgemein brachte die Zuschreibung von Schuld an indigene Akteure drei Probleme für Autoren mit sich, die für weitere koloniale Projekte werben wollten. Erstens wurde den Indigenen dadurch Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg eines kolonialen Projektes zugestanden. Darin lag eine Herausforderung für die Überzeugung europäischer Akteure, ihre Lebensweise, Technologie und Kriegsführung seien überlegen. Die zweite Problemlage war, dass im Diskurs die Missionierung der Indigenen als ein zentraler und unumstritten positiver Grund für koloniale Expansion etabliert war. Da der friedlichen Interaktion dafür hohe Bedeutung zukam, wäre jeder erwähnte Konflikt mit den Indigenen für sich genommen potentiell negativ, nicht zuletzt deswegen, weil zeitgleich die Eroberungspolitik der Spanier im Diskurs als negatives Gegenstück zum eigenen Handeln charakterisiert war. Das dritte Problem lag darin, dass auch für die von allen kolonialen Akteuren realiter angestrebte Ressourcengewinnung die Kooperation der Indigenen als essentiell galt, entweder weil sie die benötigten Handelswaren bereitstellten oder weil sie über Wissen um Lagerstätten und Handelswege verfügten. Aus diesen Problemlagen ergab sich der Gebrauch bestimmter diskursiver Strategien bei der Schuldzuweisung an indigene Akteure. Die erste von ihnen fand zunächst in spanischen und deutschen Quellen Verwendung, später auch in englischen. Hierbei wurden Konflikte als unvermeidliche Folge der Wildheit und Barbarei der Indigenen präsentiert, die ohne Glaube, ohne Gesetz und ohne Ordnung lebten und für eine Missionierung unterworfen werden müssten.523 Diese Schilderung spitzte sich bis zu einer Gleichsetzung der Indigenen mit Tieren zu, die letztlich einen vernünftigen Umgang und friedliche Missionierung unmöglich machte. Beispielsweise nannte Ulrich von Hutten Indigene, gegen die er auf seiner Entrada in Venezuela kämpfte, 523 Pagden 1986, S. 15–27 beschreibt ihre Charakterisierung als Antithese zur christlichen Gesellschaft.

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ein »bestialisch volck«.524 Er folgte damit der speziell im deutschen Humanismus reaktivierten, mittelalterlichen Vorstellung vom wilden Mann als einem tierisch lebenden humanoiden Wesen.525 André Thevet schrieb, negative Stereotype Vespuccis aufgreifend, die Indigenen seien »sans foi, sans loi, sans religion, sans civilité aucune, mais vivant comme bêtes irraisonnables«.526 Obwohl die im Zustand der Zivilisationsferne lebenden Menschen häufig auch positiv und als unverdorben charakterisiert wurden, dominierte im Konfliktfall die negative Interpretation von als zum Frieden nicht fähigen Anderen. Zusätzliche Bedeutung erhielten solche Darstellungen Indigener im humanistischen Schrifttum dadurch, dass sie als Lehrstücke über den Wert von Vernunft, Religion und Zivilisation vorgebracht werden konnten, so bei John Rastell.527 Sein Beispiel zeigt, dass auch ohne eigene Anschauung und Erfahrung manche Autoren das Bild von Indigenen als irrationalen Wilden im Diskurs tradierten. An dieser etablierten Vorstellung orientierten sich dann auch die Autoren, die eigene Erlebnisse in den Diskurs einbrachten, wie Dionyse Settle und George Best im Kontext der Frobisher-Reisen, als sie Schlafplätze der Inuit als »Nest« bezeichneten und einen indigenen Massenselbstmord angesichts drohender Gefangenschaft auf deren völlige Unkenntnis von Gnade und Mitgefühl zurückführten.528 Auch Robert Johnson schrieb 1609 über die Virginia-Algonquin, sie seien »wild and savage people, that live and lie up and downe in troupes, like heards of Deare in a Forrest  : they have no law but nature, their apparell skinnes of beasts, but most goe naked«.529 Solche eindimensionalen Schuldzuweisungen sprachen die Europäer von jeder Verantwortung frei und den Indigenen nützliches Wissen und die Eignung für eine friedliche Missionierung ab. Damit konnte zwar Verantwortung für ausbleibende Erfolge zurückgewiesen werden, aber die grundlegenden Probleme blieben bestehen, und die Autoren brachen außerdem mit den positiven Amerikabildern, welche die prokoloniale Literatur erschaffen hatte. In England waren seit Thomas Harriots und Walter Raleghs Werken positive Darstellungen der Landschaften Amerikas eng mit einem ebenso positiven Indigenenbild verwoben, das auch Amadas und Barlowe auf ihren Expeditionen bestätigt hatten.530 Damit waren die wirtschaftliche und militärische Kooperation 524 So in seinem Bericht in der Newe Zeytung 1550, ediert in  : Schmidt/Hutten 1999, S. 47–88, hier S. 56–58. Ähnliche Motive bedient auch Federmann 1557. 525 Vgl. Colin 1987, S.  7–14  ; Frübis 1995, S.  119f.; da der Wilde Mann sich durch massive Körperbehaarung auszeichnete, betonten Autoren, die sich von dieser Assoziation distanzieren wollten, die Haar- und Bartlosigkeit aller Indigenen, zu dieser Tendenz vgl. Ruppel 1992, S. 26–36. 526 Thevet  : Singularitez de la Françe Antarcique, Edition Thevet/Lestringant 1983, S. 49. 527 Campos 2000, S. 34. 528 Vgl. Sturtevant/Quinn 1987  ; Fuller 2008, S. 28–43. Siehe Settle 1577, Fließtext S. 17. Vgl. Best 1578, da Teile der digitalen Ausgabe auf EEBO unleserlich sind, siehe die Ausgabe Hakluyt PN Ndr. V, S. 170–276, hier S. 213 und 216. 529 Johnson 1609, S. 11f. (eigene Zählung)  ; vgl. DePasquale 1999, S. 122. 530 Vgl. die Edition des Reiseberichtes von Barlow in  : Quinn NAW III, S. 276–282.

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vor Ort und auch die baldige Missionierung in Reichweite gerückt, was entsprechende Erwartungen weckte. In Frankreich hingegen besaß die Allianz mit den Indigenen und deren freiwillige Unterordnung zentrale legitimatorische Bedeutung. Daher nahmen auch Ansprachen indigener Anführer in den Quellen einen wichtigen Platz ein.531 Eine rituelle Tabagie mit programmatischer Rede, wie sie Champlain 1603 beschrieb, oder eine Dankesrede getaufter Tupinamba vor dem König in Paris 1612 waren jedoch nicht mit einer Charakterisierung der Indigenen als tierähnliche Wilde vereinbar und machten eine solch negative Vorgehensweise im Diskurs weitgehend unmöglich. Die in französischen Texten vorherrschende, positive Haltung ging so weit, dass selbst Kannibalismus, der Europäern allgemein als zentrales Argument zur Konstruktion von Alterität diente, nicht die Feststellung ausschloss, dass die Indigenen die Notwendigkeit zur Unterordnung, Aufgabe ihrer Lebensweise und Annahme der Missionierung einsahen und damit gute Kooperationspartner waren.532 Dieser Diskurshorizont erklärt, warum Schuldzuweisungen an Indigene prinzipiell selten sind und warum von diesen Fällen wiederum nur wenige mit einem Postulat von brutaler Primitivität verbunden sind. Deutlich häufiger wurden gegenüber Indigenen stattdessen differenzierte Schuldzuweisungen vorgebracht, was sich auch aus der Tatsache erklärt, dass bei fast allen kolonialen Projekten erst nach einer Phase der Kontaktaufnahme, des Warentausches und weiterer Erkundungen Spannungen auftraten. Solch eine Entwicklung beschrieb beispielsweise Ralph Lane, als er seinen Rückzug von der Insel Roanoke 1585 rechtfertigte. Seine Argumentation ist in der Forschung von Moran und anderen als Musterbeispiel dafür beschrieben worden, Vorwürfe an die Indigenen zur eigenen Entlastung zu nutzen.533 Lane beschrieb, wie sich nach guten Anfängen im Frühjahr angesichts von Nahrungsmangel eine verräterische Natur der Indigenen gezeigt habe.534 Sie hätten die Nahrungslieferungen eingestellt und sich gegen die geschwächten Engländer verschworen, so dass er einen Präventivschlag habe durchführen müssen, der den Konflikt aber nicht beilegen konnte.535 Ziel seines Angriffs war der indigene Anführer Wingina, dessen heimtückischer Plan eines Angriffs auf die Engländer Lane gerade noch rechtzeitig durch indigene Verbündete enthüllt worden sei. Ursache für Winginas Verschwörung war laut Lane der allge531 Read 2005, S. 30–33, mit Verweis auf in den Texten erkennbare antike Vorbilder. 532 Vgl. Daher 1998, S. 292–302, speziell S. 299  ; Daher 2005, S. 18–20  ; zur Darstellung der Indigenen siehe Obermeier 1995, S. 298–354, für einen Vergleich des Indigenenbildes von Abbeville, Évreux, Léry und Thevet ebd. S. 371–393. Zur Übersicht über die Kannibalismusvorwürfe Wehrheim-Peuker 1998, S. 117–174. 533 Zu diesem Wandel in seinem Indigenenbild vgl. Moran 2007, S. 73–94  ; Mackentun 1997, S. 153– 161  ; DePasquale 1999, S. 109  ; Griffiths 2001, S. 138–147  ; Borge 2002, S. 93f. 534 Unkritisch  : Billings  : Lane, Sir Ralph. In  : ODNB. Für eine kritische Position siehe Mackenthun 1997, S. 153–155 und Moran 2007, S. 73–77. 535 Zur Nutzung der Situation durch die Indigenen vgl. Mallios 2005, S.  141–143  ; Quinn 1985, S. 205–236.

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mein verräterische Charakter der zunächst freundlichen Indigenen, eine Bewertung, die Kupperman in vielen englischen Texten fand und die sie meist auf enttäuschte Erwartungen der Engländer zurückführen konnte.536 Die Verweigerung unbegrenzter Nahrungsversorgung oder das Verfolgen eigener Interessen von Seiten der Indigenen galt den Engländern, wie Kupperman darlegt, auch über das Beispiel Lanes hinaus als Verrat und damit als Rechtfertigung für massive Gewaltausübung oder Präventivschläge.537 Allerdings ist relativierend anzumerken, dass Lane nicht nur verräterischen Indigenen um Wingina die Schuld an seinem Rückzug gab, sondern ein ganzes Panorama von Vorwürfen zeichnete, das Kolonisten, Seeleute und sogar die Unterstützer in der Heimat umfasste.538 Ein ähnliches Ziel wie Lane verfolgte auch René de Laudonnière mit seiner Entlastungsschrift, die ein entsprechend vergleichbar breites Panorama von Schuldzuweisungen bot.539 Auch er beschrieb einen stetigen Verfall ursprünglich guter Beziehungen. Dabei gab er offen zu, Allianzen gebrochen und Zusagen nicht eingehalten zu haben, um Zugang zu Gold zu erhalten und Kriege zwischen den Indigenen zu unterbinden. Als dann Nahrungsmittel knapp wurden und die Indigenen die Erwartung, sie würden die Franzosen versorgen, nicht erfüllten, wandte Laudonnière wie schon Lane deren Darstellung ins Negative.540 Dass die Indigenen ihre Überlegenheit nutzten und die Franzosen als Söldner einsetzen wollten, bot Laudonnière einen Grund, ihnen verräterisches Verhalten und böse Absichten vorzuwerfen und Geiseln zu nehmen. Sein Versuch, durch Gefangennahme eines Herrschers dessen Volk zum Gehorsam zu bringen, scheint von Erfahrungen Cortes’ oder Pizarros inspiriert, scheiterte aber. Laudonnière verkannte die Stellung und Bedeutung indigener Anführer in Florida deutlich, denn der gefangene angebliche König wurde schlicht durch einen neugewählten Nachfolger ersetzt. Somit änderte sich nichts an der fehlenden Kooperation der Indigenen, die ihn schließlich gezwungen habe, mangels Vorräten den Rückzug zu befehlen. Auch in seiner Argumentation sind die Indigenen aber keineswegs allein, sondern nur teilweise verantwortlich, denn wie Lane, so macht auch Laudonnière seinen Mitreisenden Vorwürfe. Betrachtet man Lanes und Laudonnières Vorwürfe im Zusammenhang, so lassen sich mehrere Gemeinsamkeiten erkennen. Beide identifizierten bestimmte indigene Anführer, denen sie die Verantwortung für die Spannungen zuschoben. Diese Individualisierung verminderte den Widerspruch ihrer Schilderungen gegen die etablierten positiven Stereotype. Die Beschuldigten sind in derartigen Texten generell mit hohem 536 537 538 539

Kupperman 2000a. Ebd. 2000a, S. 491. Vgl. die Übersicht bei Griffiths 2001, S. 138–143  ; Moran 2007, S. 73–88. Laudonnière/Basanier 1587, ediert in  : Lussagnet 1958, S. 27–200  ; englische Edition  : Quinn NAW II, S. 319–353, weitere Belege siehe Kapitel 3.1. Vgl. die Analyse von Mahlke 2005, S. 100– 114 für einen Vergleich der Berichte Ribaults und Laudonniéres. 540 Wehrheim-Peuker 1998, S. 202–219.

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Einfluss und einer Machtposition ausgestattet, die an europäische Herrscher erinnern. Dies erklärt einerseits ihre Handlungsmacht und Verantwortung für das Handeln ihrer Untergebenen, ergibt andererseits aber ein Zerrbild, das mit der realen Stellung indigener Anführer wenig zu tun hat.541 Neben der Individualisierung der Schuld können Autoren aber auch verschiedene Gruppen differenzieren, wobei im gesamten Betrachtungszeitraum die Leitvorstellung von einer klaren Zweiteilung in friedliche und aggressive Indigene vorherrscht, die auf Kolumbus’ Präsentation der Arrawak und Cariben als »opposite avatars of the primitive« zurückgeht.542 Als Gegenpol zur Differenzierung ist allerdings auch eine Tendenz zur Verallgemeinerung erkennbar, die Kupperman wie erwähnt in Bezug auf englische Texte herausgearbeitet hat und die  – wenn auch weniger deutlich  – ebenfalls in französischen Quellen erkennbar ist.543 Es handelt sich um die stereotype Vorstellung, alle Indigenen seien treacherous und würden nach zunächst positivem Umgang mit den Europäern zum Verrat neigen, Angriffe planen oder böswillig die Nahrungsversorgung einstellen. Diese den positiven Indigenenbildern widersprechende Argumentation wurde vornehmlich in Berichten über Situationen verwendet, in denen die Autoren eigene Unterlegenheit und Mangel angesichts einer eindeutigen indigenen Übermacht beschrieben.544 Grund für derartige Vorwürfe könnte zum einen sein, dass die Europäer in solchen Risikosituationen zu einer gewissen Paranoia neigten. Lange Kontaktlosigkeit mit dem Ursprungsland, Nahrungsmangel oder interne Spannungen konnten die Angst vor Verrat und Angriffen erhöhen. Außerdem verstanden Indigene diese Situation zu nutzen und manipulierten die Kolonisten durch Hinweis auf reale oder angebliche Verschwörungen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Im Diskurs wiederum erfüllte das von Kupperman benannte Stereotyp der treacherousness eine wichtige Funktion, da es die Anwendung von Gewalt gegen die Indigenen, auch in exzessiver Form, als Strafe für den Bruch von Allianzen oder des universellen Gastrechts legitimierte.545 Zuletzt ist als Gemeinsamkeit in den Schuldzuweisungen an Indigene auch über Lane und Laudonnière hinaus zu erkennen, dass europäische Autoren die Indigenen nachdrücklich abwerteten, wenn sie eine Situation beschrieben, die ihre Überlegenheitsvorstellung in Frage stellen könnte.546 Bei Konfrontationen zeigte sich diese Neigung daran, dass den Indigenen Hinterhalte, Heimtücke und Überfälle auf einzelne, 541 Siehe Cook 2008 zu Cartier S. 211, zu Laudonnière S. 313–315  ; vgl. den Hinweis in Cook 2007, S. 311, dass hierbei häufig die Bezeichnung »roi/king« verwendet wird, an die bestimmte Vorstellungen von einer indigenen Gesellschaftsordnung geknüpft waren. 542 Jehlen 2008, S. 46  ; zu dieser Stereotypisierung auch Hyles 2014, S. 11–14. 543 Kupperman 2000a  ; für französische Texte Wehrheim-Peuker 1998, S.  202–212 zu spanischen Quellen ebd. S. 219. 544 Kupperman 2000a, S. 477–503. 545 Borge 2002, S. 200. 546 Burghartz 2005, S. 312.

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unachtsame Kolonisten sowie Taktiken des Aushungerns vorgeworfen wurden. Niederlagen in einer offenen militärischen Konfrontation werden in den Quellen nicht genannt, ohne dass andere Europäer die Entscheidung herbeiführten und die Indigenen nur als Hilfstruppen agierten, so bei France équinoxiale.547 Angesichts der Leitlinien des Diskurses überrascht es wenig, dass Vorwürfe an Indigene Widerspruch hervorriefen oder dass alternative Erzählungen verbreitet wurden. Gegen Lanes zunächst nur als Manuskript zirkulierende Kritik brachten Thomas Harriot und Richard Hakluyt in Publikationen eigene Schuldzuweisungen in Stellung. Sie gaben einer Gruppe Kolonisten die Schuld am Ausbruch von Gewalt und gestörten Beziehungen. Auch wenn sie dabei keine Namen nannten, war naheliegend, dass Lane als Befehlshaber die Verantwortung trug.548 Auch für Laudonnières Schuldzuweisung, die längere Zeit nicht im Druck erschien, existierte ein bereits vorher publiziertes Gegenstück. Le Challeux warf in seiner Schrift über den Untergang von Fort Caroline dem Befehlshaber vor, durch Erpressung und ungeschickte Politik Indigene provoziert und sogar in ein Bündnis mit den Spaniern getrieben zu haben.549 Damit wollte Le Challeux jedoch anders als Harriot und Hakluyt keine positive Aussicht für weitere koloniale Projekte eröffnen, sondern vielmehr einen Baustein zu seiner Argumentation hinzufügen, dass der Sieg der Spanier eine göttliche Strafe für die französischen Kolonisten war. Trotz seines Appells an die Leser, in der Heimat zu bleiben, trug er aber dennoch zu einem generell positiven Bild der Indigenen in Frankreich bei, die er als der Missionierung zugeneigt, wohlgestaltet und zu Allianzen bereit beschrieb. Interessanterweise ist der Fall Laudonnière auch von einem externen Beobachter im Gefolge des Engländers John Hawkins thematisiert worden.550 Er führte die Konflikte mit den Indigenen auf eine Ausbeutungspolitik der Franzosen zurück und vermied somit ebenfalls, einen negativen Eindruck von Florida zu verbreiten.551 Dieser Blick von außen leitet zu der Rolle anderer Europäer in den Schuldzuweisungen an Indigene über. In englischen Texten lässt sich vereinzelt beobachten, beispielsweise bei der Popham-Kolonie, dass »the french« die Schuld für die Konflikte mit 547 Vgl. die Differenzierung von »nos sauvages« und »sauvages portugais« in  : Anonymus 1615, S. 14. 548 Borge 2002, S. 184  ; Householder 2003, S. 142–148  ; Moran 2007, S. 77. 549 Le Challeux 1566, französische Neuausgabe  : Lussagnet 1958, S. 201–240. Vgl. den Titel der englischen Ausgabe, der explizit auf die Person Ribaults verweist  : Le Challeux 1566a  : A true and perfect description of the last voyage or Navigation attempted by Capitaine Iohn Rybaut, siehe zu den Vorwürfen ebd. S. 25. 550 Mackenthun 1997, S.  44. Siehe den Bericht von John Sparks, aus Hawkins Gefolge, ediert in  : Quinn NAW II, 364–370. 551 Ähnlich ging der Jesuit Pierre Biard im heutigen Main vor. Pierre Biard  : Lettre au R.P.-Provincial à Paris. Port Royal, 31. Januar 1612, ediert in  : Thwaites II, S. 3–57, hier S. 45–47  ; vgl. die Edition in  : Campeau 1967, S. 246f.; siehe auch  : Vaughan 2006, S. 64f.; Morrison 1994, S. 127  ; Harrington 1994, S. 197.

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den Indigenen zugeschrieben wird.552 Solche Vorwürfe sind insofern bemerkenswert, weil sie nur glaubwürdig sein können, wenn das Publikum allgemein von einem guten Verhältnis der anderen Europäer zu den Indigenen ausgeht. Dies könnte auch erklären, warum derartige Argumente in französischen Quellen keine Rolle spielen, denn für deren Autoren stand die Überlegenheit der eigenen Beziehungen außer Zweifel. Den Indigenen die Schuld am Untergang einer Kolonie anderer Europäer zuzuschreiben, konnte schließlich argumentativ dahingehend genutzt werden, dies als Widerstand gegen falsche, illegitime Kolonisierung zu deuten, der dann die eigene, positive Vorgehensweise gegenübergestellt wurde. Die Kooperation der Indigenen mit den eigenen Landsleuten fungiert dann im Gegensatz dazu als Beweis für die Akzeptanz der eigenen kolonialen Expansion. Hierbei handelt es sich um eine primär französische Argumentation, die sowohl gegen die Spanier in Florida als auch von Pierre Biard gegen die Popham-Kolonie vorgebracht wurde.553 Gegen Ende des Betrachtungszeitraums zeigen sich im Vergleich der englischen und französischen Quellen sehr deutlich unterschiedliche Tendenzen bezüglich der gegen die Indigenen gerichteten Schuldzuweisungen. In Frankreich verschwindet dieses Argument nach 1600 zugunsten eines positiven Indigenenbildes, das aber durch die Differenzierung von befreundeten und feindlichen Indigenen gebrochen wird. Dabei werden auch deutlicher als zuvor Bündnisse der feindlichen Indigenen mit ebenso feindlichen Europäern thematisiert. Die indigenen Verbündeten wiederum sind Ziel einer praktischen Missionierung in der Acadie und in Brasilien sowie Gegenstand kolonialer Visionen von einer harmonischen franko-indigenen Koexistenz unter französischer Hegemonie. In England nahmen hingegen nach 1607 Schuldzuweisungen an Indigene und damit auch die negative Akzentuierung des lange Zeit überwiegend positiven Bildes zu. Besonders deutlich wird dies im Kontext der Virginia Company, sowohl in den Schriften von John Smith wie auch den Predigten. Bei Smith erscheint der Powhatan Wahunsonacock in der Tradition Lanes und Laudonnières als zum Verrat neigender, mächtiger Herrscher und als Urheber von Rückschlägen, der die Kolonie an den Rand der Aufgabe gedrängt hatte. Die Prediger weiteten die Vorwürfe auf alle indigenen Siedlungsgruppen aus, wobei den indigenen priests als angeblichen »Murders of Soules« die Hauptschuld zufiel.554 In einigen Texten wie denen Robert Johnsons spielte die Schuldfrage angesichts der pauschal unterstellten Wildheit der Indigenen kaum eine Rolle mehr, und man empfahl, auf Widerstand nicht wie bei Harriot mit Ursachenrecherche und einer milden Vorgehensweise zu reagieren, sondern mit Gewalt.555 Hier 552 Cave 1995, S. 638. Siehe für weitere Belege und Quellen hierzu Kapitel 3.3.1. 553 Siehe Pierre Biard  : Lettre au R.P.-Provincial à Paris. Port Royal, 31. Januar 1612, ediert in  : Thwaites II, S. 3–57, hier S. 45–47. Vgl. Wehrheim-Peuker 1998, S. 110–114. 554 Siehe hierzu die Instruktionen für Thomas Gates, ediert in  : Kingsbury 1933 III, S. 12–24, Zitat hier S. 15. Vgl. die Edition Quinn NAW V, S. 212–218. 555 Hart 2001, S. 195f.

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lassen sich in Teilen alte, in spanischen und deutschen Texten vorgebrachte Argumente wiedererkennen. Dazu passt, dass bei Smith und anderen Autoren Spaniards weniger deutlich als Ziel von Abgrenzung hervortraten, sondern, der neuen politischen Linie unter Jakob I. entsprechend, auch ein Vorbild sein konnten.556 Heroisierung war somit wie in Kapitel 4.2.2 beschrieben auch durch Taten gegen Indigene möglich, eine Vorstellung, die bei Thomas Harriot ausgeschlossen gewesen war.557 Diese Entwicklung passte letztlich auch zur Leitmetaphorik der Gleichsetzung Virginias mit Kanaan, die darauf hinauslief, dass die Eroberung des Landes und die Vertreibung der ursprünglichen Bewohner von Gott gewollt sei.558 Während in französischen Vorstellungen ein Zusammenleben als Ziel proklamiert wurde, argumentierte William Symonds explizit für eine Trennung von Indigenen und Engländern, was auf die Vertreibung der Algonquin hinauslief.559 Die anglikanischen Prediger forderten dies jedoch nicht einstimmig, so berief William Crashaw sich beispielsweise stärker auf das friedliche Vorbild Abrahams als auf den Eroberer König Saul.560 Dennoch zeigt diese Tendenz, dass die Vorstellung, die Indigenen seien Feinde der Expansion und müssten vertrieben oder besiegt werden, in ihren Grundzügen durchaus früher anzusetzen ist als in der Historiographie üblich. Meist gilt, wie bereits ausgeführt, der große indigene Angriff auf Jamestown 1622 als Wendepunkt, der einen Umbruch des Indigenenbildes ausgelöst habe.561 Problematisch an dieser Vorstellung ist aber nicht nur die geringe Berücksichtigung der Predigten als Quellengattung, sondern mehr noch, dass sie den Indigenen in indirekter Fortsetzung tradierter Schuldzuweisungen zuschreibt, die antiindigene Politik durch ihr Handeln selbst ausgelöst zu haben. Zwar ist die Bedeutung des Angriffs von 1622 für eine Radikalisierung der Konflikte unstrittig, doch um das Vorgehen der Siedler angemessen zu bewerten, darf der Hintergrund dieses Umschwungs nicht außer Acht gelassen werden. In einer kurzen Gesamtbetrachtung der Schuldzuweisungen an die jeweils eigenen Landsleute, an andere Europäer und an Indigene lassen sich trotz aller Heterogenität vier Tendenzen erkennen  : Erstens erfüllten Schuldzuweisungen eine mehrfache Funktion. Autoren konnten sie ganz pragmatisch nutzen, um mögliche Vorwürfe gegen ihre Person zurückzuweisen, oder aber auch, um ihr positives Bild von Amerika, seinen Bewohnern oder kolonialer Expansion insgesamt zu stützen. Darüber hinaus führten Schuldzuweisungen zur Konstruktion von Alterität, setzten somit Normen für die koloniale Praxis und trugen zur Schaffung einer kolonialen Identität bei. Es zeigte sich, 556 557 558 559

Ebd., S. 213f. Ebd., S. 232. Scouten 2002, S. 202–207. Symonds 1609. Die Trennung von Indigenen und Engländern war bei Symonds allerdings religiös begründet, nicht durch ethnische Kriterien, vgl. Hodgkins 2002, S. 121. Zur Politik der Vertreibung allgemein  : Pagden 1998, S. 37. 560 Scanlan 1999, S. 112. 561 So bei DePasquale 1999, S. 10, 143  ; Canny 1998, S. 152f.

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dass einige Autoren dieses Ziel bewusst verfolgten, während andere eher indirekt und unbeabsichtigt zur Alteritätskonstruktion beitrugen. Zweitens zeigte sich im Diskurs eine klare Dominanz europäischer Konfliktlinien. Den Autoren war eine Positionierung zu den in Europa bestehenden Feindschaften, Allianzen sowie konfessionellen Gegensätzen eindeutig wichtiger als die Beschreibung transatlantischer Ereignisse, so dass sie ihre Beobachtungen dementsprechend gewichteten. Dabei ist zu beobachten, dass die in Europa bestehenden Konfliktlinien, wie die antispanischen Stereotype sowohl die Berichte aus der sogenannten Neuen Welt prägten als auch durch diese verstärkt und akzentuiert werden konnten. Drittens maßen bei der Priorisierung europäischer Konfliktlinien die Autoren wiederum der Verortung in Diskurszusammenhängen im Inneren ihres eigenen Landes tendenziell höhere Bedeutung zu als dem gesamteuropäischen Kontext. Dies zeigt sich deutlich in der Hervorhebung der innerfranzösischen Konfessionskonflikte gegenüber einem externen Angriff auf France antarctique. Aber auch bei profanen Schuldzuweisungen war für die Autoren der Angriff auf die eigenen Kolonisten, Seeleute oder die Kritiker im eigenen Land die primäre Vorgehensweise. Dies könnte sich dadurch erklären, dass die meisten Autoren davon ausgingen, sich gegen Vorwürfe aus dem eigenen Land wehren zu müssen, und daher versuchten, Verteidigung und Angriff zu kombinieren. Außerdem gilt weiterhin, dass die Werbung für die eigene Person und koloniale Expansion allgemein das zentrale Ziel der meisten Autoren war. Viertens erklären die eben genannten Gewichtungen bei den Schuldzuschreibungen, warum Alteritätskonstruktion und Identitätsbildung zentrale Effekte dieser Texte waren. Dabei zeigte sich, dass Alterität für den Großteil des Betrachtungszeitraums nicht nur zwischen vertrauten Europäern und fremden Indigenen konstruiert wurde, sondern durch mehrfache Abgrenzung. Die Konstruktion »des Spaniers« als kolonialem Anderen, der negative Verhaltensweisen verkörpert, bildet den dritten Winkel eines Dreiecks, anhand dessen in vielen Texten eine eigene Identität als Kolonialmacht definiert wurde. Tendenziell war dabei in England die eigene Identität eher durch eine deutliche Abgrenzung gegenüber beiden anderen Bezugspunkten konstituiert, während französische Autoren dazu neigten, wie Wehrheim-Peuker und Mahlke nachgewiesen haben, für sich selbst eine größere Nähe zu den Indigenen zu konstruieren. Dies bedeutete zwar nicht die Aufgabe der französischen Überlegenheits- und Herrschaftsansprüche, beinhaltete aber Bezüge auf eine gemeinsame Leidenserfahrung unter den Spaniern und um 1615 deutlicher als in England Pläne für eine gemeinsame koloniale Zukunft. Tatsächlich hob Fitzmaurice als wichtiges Ergebnis der Berichterstattung über Virginia in der Zeit nach 1607 hervor, dass im englischen Diskurs Akzeptanz für die Notwendigkeit einer gewaltsamen antiindigenen kolonialen Politik geschaffen worden sei, die durch eine von den Indigenen verschuldete Notlage legitimiert wurde.562 Dies 562 Fitzmaurice 2004, S. 184–186.

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könnte man zu der These erweitern, dass am Ende des Betrachtungszeitraums die Schuldzuschreibungen an Indigene in England dahin führen, dass in England der Widerspruch zwischen eigener Gewaltanwendung und einer aus Abgrenzung von Spanien definierten, moralisch höherwertigen kolonialen Identität an Bedeutung verlor. Alterität wäre in Virginia dann, anders als von Walter Ralegh entworfen, letztlich nur noch bipolar und durch die Definition der Indigenen als andersartig konstruiert. 4.2.4 Erfahrung als Basis zukünftiger Erfolge – Wissenserwerb

In den Quellen, die im Kontext kolonialer Projekte in England und Frankreich entstanden und kursierten, spielte erworbenes Wissen stets eine wichtige Rolle. Informationen über Landschaften und ihre Bewohner wurden darin ebenso präsentiert wie die Erfahrungen der Europäer auf See, bei der Erkundung des Landes und innerhalb ihrer Kolonie. Wissenstransfer und Wissensvermittlung sind insofern omnipräsente Phänomene, und die spezifischen, in den Quellen vermittelten Wissensbestände sind seit Beginn der modernen Geschichtswissenschaft ein zentraler Gegenstand der Forschung zur Geschichte der europäischen Expansion. In diesem Kapitel geht es jedoch nicht um die Vielzahl der insgesamt im Zuge kolonialer Projekte gewonnenen Informationen und deren Transformation in verarbeitete und kursierende Wissensbestände, sondern vielmehr darum, welche argumentative Funktion explizite Bezüge auf Wissen in den Quellen erfüllten. Dabei liegt besondere Aufmerksamkeit auf Texten, in denen Autoren Wissen in Zusammenhang mit Projekten stellten, die sie als gescheitert oder von Rückschlägen getroffen präsentierten. Ein herausragendes und bereits erwähntes Beispiel hierfür ist Marc Lescarbot, der in seiner Histoire de Nouvelle France 1609 gezielt Wissen über gescheiterte Projekte zusammentrug und daraus explizite Lektionen für zukünftige Projekte destillierte. Sein Ansatz spiegelt sich in vielen historischen Handbüchern und Überblicksdarstellungen wider, deren Autoren davon ausgehen, dass eine schrittweise Erweiterung des Wissensstandes durch die Erfahrungen bei gescheiterten kolonialen Projekten die Grundlage für spätere Erfolge gebildet habe.563 Dieses »Lernen-aus-Scheitern«-Narrativ ermöglichte es Historikern, sowohl den ersten 100 Jahren englischer und französischer Transatlantikreisen einen logischen Zusammenhang zu geben als auch den Übergang von erfolglosen zu zunehmend erfolgreichen Koloniegründungen nach 1608 mit einem Wissensfortschritt zu erklären. Im Folgenden werden das bereits zeitgenössische »Lernen-aus-Scheitern«-Narrativ und seine Plausibilität als Erklärungsmodell ebenso wie alternative explizite Thematisierungen von Wissen genauer untersucht. Ausgangspunkt dafür sind eine kurze Skizze derjenigen Wissensbestände, die von den Zeitgenossen in den Quellen her563 Zu aktuellen Verwendung exemplarisch Pickett/Pickett 2011, mit Aussagen wie »the french had learned much«, S. 193, weitere Verweise siehe Kapitel 1.3.

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vorgehoben oder vernachlässigt wurden, sowie Anmerkungen zur Organisation des Wissens und seiner Verfügbarkeit. Es folgt eine dreiteilige Untersuchung des argumentativen Gebrauchs dieser Wissensbestände oder von Wissen allgemein  : erstens in Quellen über die Planung oder Durchführung kolonialer Projekte, deren Ausgang in den Quellen gar nicht thematisiert wird  ; zweitens in Quellen zu kolonialen Projekten, die Autoren explizit als gescheitert oder von schweren Rückschlägen betroffen präsentierten  ; drittens in Quellen, deren Autoren wie Marc Lescarbot eine Vielzahl von Berichten über koloniale Projekte zu großen Gesamterzählungen verbanden. Auf diesen Dreischritt folgt eine zusammenfassende Betrachtung zur Bedeutung von Wissen im Diskurs über koloniale Expansion und seine Wechselwirkung mit Scheitern als Beschreibungs- und Deutungskategorie. Eine genauere Betrachtung der in England und Frankreich verbreiteten Berichte über die beiden Amerikas zeigt deutlich, dass die Autoren zwei Themenfelder fokussierten, von denen sie sich besonderen Nutzen dafür versprachen, bei der Krone und Investoren um Unterstützung zu werben. Das erste Themenfeld war materieller Profit, sogar bei George Best, der, wie Fuller herausstellte, in einer Einleitung für sein Werk zwar mit dem vielseitigen angeblich darin enthaltenen Wissen über Geographie, Seefahrt, Klima sowie das richtige Verhalten im Packeis, im Sturm und bei Kontakten mit Indigenen warb, letztlich aber »infinite treasure of Pearle, Gold and Silver« versprach.564 Solch eine materielle Zuspitzung prägte auch Thomas Harriots Werk, der die indigene Bevölkerung in seinem True Report erst nach den Commodities und Ressources einordnete.565 Wie im Kapitel über die zeitgenössischen Vorstellungen von Amerika als kolonialem Handlungsraum dargelegt, war solch eine materialistische Sichtweise weit verbreitet und führte häufig zu einer idealisierten Darstellung der Landschaft, die durch die unkritische Wiedergabe früherer Entdeckerberichte ebenso wie antike und mittelalterliche Vorlagen geprägt war. Um den Lesern die Existenz der versprochenen Ressourcen glaubhaft zu machen, kam indigenen Akteuren in den Quellen eine hohe Bedeutung als Wissensträger zu, deren Kenntnisse und Kooperation sich die Europäer nutzbar machen wollten.566 Die Folge waren Entführungen oder die Mitnahme indigener Freiwilliger zur Dolmetscherausbildung und Befragung. Dabei zeigte sich ein angesichts mehrfacher Enttäuschungen bemerkenswert langlebiges Vertrauen der Europäer darin, dass die Kenntnis 564 Siehe Best 1578, Zur Einleitung noch vor der Widmungsepistel, vgl. Stefansson/McCaskill 1938 I, S. 4. Eine Zusammenfassung bieten Savours 1999, S. 42  ; Fuller 2008, S. 6. Zur Bedeutung der von Best entworfenen Lektionen vgl. ebd., S. 23–106 und Parker 1965, S. 83–85. 565 Bisnar 2003, S. 54–63. 566 Die den Indigenen zugeschriebene hohe Bedeutung resultierte auch daraus, dass Augenzeugenschaft als Mittel zum Erzeugen von Glaubwürdigkeit im Diskurs akzeptiert war  : Hofmann 2001, S. 219f.; zur Bedeutung indigener Wissensträger Vaughan 2002, S. 93–117. Der Fokus auf Ressourcen zeigt sich beispielsweise bei John Smith, der 1612 als ein Schlüsselproblem beschrieb, die Indigenen seien  : »ignorant of the knowledge of gold or silver, or any commodities«, Smith 1612, S. 77.

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der angeblich überlegenen christlichen Religion und europäischen Lebensweise die Indigenen zu vertrauenswürdigen Verbündeten machen würde. Der Glaube an die eigene Überlegenheit war auch auf das eigene Wissen bezogen, so dass die Europäer bei ihrer Interaktion mit indigenen Wissensträgern meist danach strebten, sich ihre Erwartungen bezüglich Ressourcen oder der amerikanischen Geographie bestätigen zu lassen. Um indigene Kenntnisse bezüglich Überlebenstechniken wie die Nahrungsgewinnung, die für eine erfolgreiche Kolonisierung essentiell gewesen wären, kümmerten sie sich hingegen nicht. Grund für ihr Desinteresse dürfte gewesen sein, dass die Europäer bis auf wenige Ausnahmen davon ausgingen, dass die Indigenen ohnehin alle Versorgungsarbeit übernehmen würden.567 Diese Annahme hielt sich trotz zahlreicher Berichte über daraus resultierende Spannungen und über Mangel und Hunger im gesamten Betrachtungszeitraum. Die Engländer und Franzosen hatten an der indigenen Bevölkerung jedoch nicht nur als Versorgern und Kennern örtlicher Ressourcen Interesse, sondern ganz erheblich auch aufgrund des zweiten zentralen Zieles kolonialer Projekte – der Missionierung. Die Mission war das stets zuerst genannte, aber bis um 1600 in den meisten Texten nur in geringem Umfang ausgearbeitete Argument, um die Kolonisierung zu rechtfertigen. Nach 1600 gewann sie sowohl in England wie in Frankreich im Diskurs noch erheblich an Bedeutung. Ihre besondere argumentative Relevanz erklärt sich daher, dass Habgier und das Streben nach Reichtum im Zentrum moralischer Kritik standen, während Missionierung, sofern sie mit Milde durchgeführt wurde, unanfechtbar positiv konnotiert war. Außerdem galt die Bekehrung zum Christentum als Meilenstein auf dem Weg zur Etablierung einer dauerhaften Herrschaft. Wissen über indigene Kulturen, Siedlungsorte, Sprache, Sitten und Religion konnten Autoren daher als wichtige Vorstufe zum missionarischen Erfolg präsentieren. Aber ähnlich wie bei Informationen zum möglichen materiellen Profit prägte auch hier das Ziel oftmals die Darstellung. So tendierten, wie bereits ausgeführt, viele Autoren dazu, die besondere Eignung und Neigung der jeweils in der Nähe der Kolonie lebenden Indigenen für eine Christianisierung zu betonen. Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass die Erwartungen und die Ziele der Europäer sie dazu brachten, bestimmte Wissensbestände in ihren Berichten zu fokussieren, so dass zumindest in den publizierten Texten ein einseitiger und eingeschränkter Wissenserwerb erkennbar ist, der nicht auf Kenntnisse abzielte, die das eigenständige Überleben einer Kolonie hätten sichern können. Zwar ist diese Schlussfolgerung dahingehend zu relativieren, dass zum einen Walfänger, Pelzhändler, Truchements und ähnliche Akteure praktisches Anwendungswis567 Cunningham/Williams 1993, S. 431. Mit der Wendung, dass auch heutigen Menschen das Verständnis für die Andersartigkeit der eigenen vergangenen Kultur in der Frühen Neuzeit fehle. Einen Umbruch sieht Heidenreich in Frankreich erst mit Champlain, der indigenem Wissen eine neue Geltung verschafft habe, Heidenreich 2010, S. XVIII.

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sen erwerben konnten und dass zum anderen zahlreiche Kolonisten praktische Erfahrungen sammelten, die keinen Niederschlag in Quellen fanden – doch ihr Wissen wurde nicht archiviert und blieb an die einzelnen Wissensträger gebunden. Der Aspekt der Archivierung leitet dazu über, dass in England und in Frankreich im gesamten Betrachtungszeitraum keine Institutionen entstanden, die Wissen über maritime und koloniale Räume sammelten. Es waren stattdessen in beiden Ländern einzelne Akteure oder prokoloniale Netzwerke, die ohne obrigkeitlichen Auftrag aus eigener Initiative Wissenssammlungen anlegten und in Auszügen teilten oder publizierten.568 Zu diesen zum Teil miteinander vernetzten Akteuren gehörten beispielsweise John Dee, Richard Hakluyt, Francis Walsingham, Walter Ralegh, William und Robert Cecil, die Virginia Company, Jean Ango, Admiral Coligny, André Thevet, Poutrincourt und Lescarbot, sowie ab dem 17. Jahrhundert die Jesuiten und Kapuziner. Die Folge dieser dezentralen Wissensorganisation war, dass die Verfügbarkeit von Wissen in England oder Frankreich in hohem Maße von den sozialen Beziehungen abhing, zumal viele Akteure sich in einer Konkurrenzsituation verorteten und daher Informationen geheim hielten oder nur begrenzt verfügbar machten.569 Daher stand auch das Wissen, das bestimmte Akteure bei der Durchführung kolonialer Projekte sammelten und auf dem sie bei einem zweiten oder dritten Vorhaben aufbauen konnten, oft nicht sofort, sondern erst Jahre nach Ende ihrer Bemühungen frei zur Verfügung. Inhaltlich orientierten sich die in diesen Netzwerken und bei zentralen Akteuren gebündelten Wissensbestände wiederum an den beiden primären Interessengebieten Profit und Mission, wie auch ein Blick auf die Quellen bestätigt, die im Kontext der Vorbereitung neuer kolonialer Projekte entstanden. Ein wichtiges Argument, um für koloniale Projekte Unterstützer zu gewinnen, war eine erfolgreiche Spähmission, welche die im Diskurs vorherrschenden Erwartungen bestätigte. Dementsprechend überrascht es nicht, dass als Resultat der Reisen, auf denen Cartier, Amadas, Barlowe, Ribault, Ralegh und andere Amerika erkundeten, Berichte entstanden, die ein positives, von den zwei Hauptzielen geprägtes Gesamtbild des Siedlungsortes und der indigenen Bevölkerung zeichneten. Über eine vergebliche und enttäuschend verlaufene Spähmission, die zu einer Verlegung des Siedlungsortes führte, erschienen keine Berichte. Dass es sich bei den Texten aber nicht um eine überzeichnete Werbung für Außenstehende handelte, sondern um die wirkliche Grundlage der späteren Unternehmung, zeigt sich darin, dass die darin enthaltenen Informationen die Ortswahl und das spätere Vorgehen bestimmten. Die Werbung und Planung für koloniale Projekte stützte sich aber nicht nur auf die durch unmittelbare Anschauung als gesichert geltenden Wissensbestände, sondern viel eher auf eine Mischung unterschiedlicher Informationsquellen. Wie Probasco in 568 Sie schufen somit eine Reihe von parallelen Wissensräumen. Allgemein zu Knowledge Spaces und Clusterbildung  : Turnbull 1996, S. 5–24. Zur Gesamteinschätzung vgl. Armitage 2004, S. 58f. 569 Cell 1969, S. 34f.; Mollat 1993, S. 87  ; Read 2005, S. 4f.

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einer detaillierten Analyse der im Netzwerk von Humphrey Gilbert um 1583 genutzten Wissensbestände darlegt, kombinierten Gilbert und seine Partner antike, spanische und französische Texte mit antiker und neuerer Kartographie, um die Existenz einer Nordwestpassage zu beweisen und ihre Zielregion Norumbega im besten Licht erscheinen zu lassen. Diese Kombination nutzte Gilbert auch, um in seinem Discourse über die Nordwestpassage die Durchführbarkeit und Profitabilität seines Vorhabens zu beweisen.570 Er wandte Platons Beschreibung von Atlantis auf Amerika an, kombinierte antike sowie zeitgenössische Werke über Meeresströmungen und Geographie, griff Berichte Amerikareisender wie Cartier oder Sebastian Cabot auf und thematisierte sogar den angeblichen Schiffbruch von Indern (!) in Deutschland. Zusätzlich fertigten Experten wie John Dee eine Reihe von Karten an, die zu Werbezwecken nicht nur die relative Lage der Zielregion zu England zeigten, sondern auch die erhoffte Nordwestpassage und das Meer des Verrazzano mit dem Isthmus des Nordens.571 Auf den Karten erscheinen so Vermutungen als ein gesichertes Wissen, das es nur noch anzuwenden gelte.572 Humphrey Gilbert und andere, die wie Richard Hakluyt, Edward Hayes, Jacques Cartier oder Samuel de Champlain Eingaben an den Herrscher oder ranghohe Berater richteten, nutzten ihre Kenntnisse aber nicht nur als Argument, um die Plausibilität ihrer jeweiligen Unternehmungen zu untermauern, sondern auch um sich selbst als Experten zu präsentieren. Einmal etabliert, konnte solch ein Expertenstatus den eigenen Anspruch auf die Führungsrolle bei kolonialen Projekten untermauern oder auch, wie beispielsweise bei Champlain, zum Argument im Diskurs werden. Nachdem ihm die Ehre zuteilgeworden war, dem König persönlich Bericht über seine Entdeckungen zu erstatten, empfahl die Chambre de Commerce 1618 sein neues Projekt für eine intensive Kolonisierung am St. Lorenz explizit mit dem Hinweis auf das immense Wissen des Autors über Nordamerika.573 570 A discourse of a discouerie for a new passage to Cataia. VVritten by Sir Humfrey Gilbert, Knight  ; London 1576, online verfügbar auf EEBO, für höhere Lesbarkeit vgl. die Edition in  : Quinn 1940 I, S. 129– 165. 571 Probasco 2013, S. 183–190. 572 Probasco 2013, S.  165, S.  183–190 und S.  207–215. Mit besonderem Hinweis auf eine geplante kartographische Mission im Zuge der Gilbertreisen und der These, dass einige der Karten für den konkreten Gebrauch auf See vorgesehen gewesen seien. Vgl. für die weit verbreitete Gegenposition, dass Kartographie zu dieser Zeit auf See noch nicht gebräuchlich war, den Handbuchartikel Tyacke 2007, S. 1722–1753 und Ash 2007, S. 509–528  ; zur ähnlichen Ansicht über französische Kartographie Toulouse 2007. Auch bei der Einschätzung der Qualität der Karten zeigt sich eine Sonderstellung Probascos, der sie für so gut erachtet, dass der Begriff »Trial and Error« für das Projekt nicht mehr angemessen sei, weil schon umfassende Kenntnisse vorhanden gewesen seien. Damit stellt er sich beispielsweise gegen Cell 1969, S. 37, der darauf verweist, dass die Karten nur veraltete, lückenhafte Kompilationen waren. 573 Zum Bericht an den König  : Champlain/Biggar, S. 109f.; Erklärung der Chambre de Commerce vom 9. Februar 1618, ebd. S. 346–349.

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Wenn sich die Werbung für ein koloniales Projekt an ein breites Publikum mit teilweise geringem Bildungsgrad richtete, brauchte Wissen als Werbeargument aber keineswegs durch eigene Erfahrung oder Verweise auf antike Autoritäten nachvollziehbar gemacht zu werden. Hier genügte den Autoren der allgemeine Verweis auf archetypische Autoritäten, um Plausibilität und Legitimität darzulegen. Die Folge waren wissensbezogene Floskeln, wie sie Price 1609 zugunsten der Jamestown-Kolonie vorbrachte  : »Surely, if the prayers of all good Christians prevayle, the expectation of the wisest and noblest, the knowledge of the most experimented and learnedst, the relation of the best traveld and obersvantst be true, it’s likely to be the most worthy Voyage that ever was effected by any Christian.«574 Deutlich konkreter wurde Wissen hingegen als Ressource thematisiert und als Argument zur Werbung in Quellen genutzt, die nicht nur zur Vorbereitung, sondern im Kontext der Durchführung kolonialer Projekte entstanden. Um diesen Vorgang im Hinblick auf Scheitern als Beschreibungs- und Deutungskategorie genauer nachzuzeichnen, werden zunächst Quellen betrachtet, in denen lediglich kleinere Rückschläge eingestanden werden, sei es, weil der negative Ausgang der Unternehmung den Autoren noch nicht bekannt war oder weil sie ihn bewusst verschwiegen. Hierbei konnten zum einen aufgrund eigener Erfahrung konkrete Hinweise für zukünftige koloniale Projekte gegeben werden, wie sie beispielsweise Yves d’Évreux 1615 in seinem Bericht über France équinoxiale einfügte. Er leitete seine Ratschläge mit den Worten ein  : »Sage est celuy, dit le Proverbe, qui par l’exemple & experience d’autruy pouruoit à ses affairs.«575 Ganz dem Zweck entsprechend, weitere Siedler anzulocken, taucht sein Text das Land und die Indigenen in ein positives Licht und d’Évreux vermittelt die Botschaft, dass es keine Schwierigkeiten gebe, die nicht durch richtiges Verhalten und gründliche Vorbereitung behoben werden könnten. Zu beachten ist, dass derartige praktische Hinweise für einzelne Siedler ein spätes Phänomen im Betrachtungszeitraum sind. Meist richteten sich Ratschläge, beispielsweise die der beiden Hakluyts, an potentielle Befehlshaber von Unternehmungen und waren eher allgemeiner Natur. Deutlicher auf Wissen als Mittel zur Behebung von Problemen ging hingegen Marc Lescarbot ein, als er Poutrincourts koloniales Projekt in dem Werk Conversation des Savvages von 1610 bewarb.576 Darin sprach er die ungute Wahl des ersten Siedlungsortes und auch den Mangel an Versorgungsgütern in den ersten Jahren an. Diese Probleme seien nun aber Vergangenheit, da durch die landwirtschaftliche Arbeit Poutrincourts und seiner Männer im dritten Jahr Abhilfe geschaffen worden sei  : »En la troisieme nous times epreuve de la terre laquelle nous rendit abondament le fruict 574 Price 1609, Fol. F2  ; Auch in den Newes of Sir Walter Ralegh, wird Wissen als Summe der Erfahrungen früherer Projekte und als eine pauschale Ressource Raleghs präsentiert, die ihn zum Erfolg befähige. 575 D’Évreux/Obermeier 2012, S. 250–254. 576 Marc Lescarbot 1610  : Le conversation des Savvages, Edition in  : Thwaites I, S. 49–115.

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de nôtre culture.«577 Diese Wendung zum Positiven nutzte Lescarbot, um zu belegen, dass Poutrincourt persönlich über das notwendige Wissen verfüge, um alle in Nordamerika auftauchenden Probleme zu lösen.578 Deswegen sei, wenn die Königinmutter ihn unterstütze, nicht nur die Missionierung zahlloser Seelen gesichert, sondern es werde auch die Entdeckung eines Weges nach Asien wahrscheinlich. Lescarbot kompensierte also den bisher ausbleibenden materiellen Profit nicht nur mit den im Diskurs ohnehin favorisierten missionarischen Erfolgen, sondern stellte Wissen um zukünftige Ressourcen und verminderte Risiken als Errungenschaften dar. Dieses Wissen sprach er wiederum explizit einem einzigen Akteur zu, der so für weitere Projekte unentbehrlich sei. Die besondere Betonung erworbenen Wissens als positive Errungenschaft ist auch in englischen Quellen zu erkennen, wofür der bereits angesprochene Bericht von George Best ein herausragendes Beispiel ist. Best bewarb sein Werk als wichtige Quelle für ein breites Wissen über transatlantische Reisen, das auch jenseits des auf der Expedition gefundenen, mutmaßlichen Golderzes einen Wert an sich darstelle.579 Diese Wertschätzung des eigenen Wissens könnte ein Argument für den Verkauf des Buches gewesen sein, ermöglichte Best aber außerdem seinen Lesern zu zeigen, dass er sich an dem im Diskurs etablierten Ideal des aktiven Lebens zum Wohle der Gemeinschaft orientierte – und nicht allein aus Gier nach Reichtum gehandelt habe.580 Mit der Hervorhebung von Wissen als Gewinn hatte Best in England ein Beispiel gegeben, dem andere Autoren wie Walter Ralegh folgten. Der erfahrene Seefahrer und Freibeuter Ralegh war bereits vor seiner Expedition 1595 von Hakluyt und anderen in Widmungen, die sie englischen und übersetzten Reiseberichten voranstellten, als Experte für transozeanische Reisen und koloniale Projekte inszeniert worden.581 In seinem Bericht über die Entdeckung Guyanas griff er Bests Argument auf und trieb es auf die Spitze. Während Best in seinem Text noch davon ausging, dass das auf der Frobisher-Reise abgebaute Golderz Gewinn erzielen würde, stand bei Ralegh fest, dass seine Reise keinerlei Profit gebracht hatte. Ralegh stellte daher, um für weitere Expeditionen zu werben, seinen angeblichen Wissenserwerb über Guyana als Erfolg dar.582 Neben seiner gewonnenen Kenntnis der genauen Lage der Goldminen betonte er außerdem seinen Verzicht auf ihre räuberische Ausbeutung, den er zum Fundament einer Selbstheroisierung als tugendhafter Entdecker nutzte. Das Argument, Wissen um zukünftige Fundorte von Edelmetallen sei ebenso wertvoll wie tatsächliche Profite, 577 Lescarbot 1610, Fol. 12. 578 Lescarbot 1610, Fol. 31f. und 35f. 579 Savours 1999, S. 42  ; Fuller 2008, S. 6. Zur Bedeutung der von Best entworfenen Lektionen vgl. ebd., S. 23–106 und Parker 1965, S. 83–85. 580 Zum Leitprinzip Fitzmaurice 1997, S. 242f. 581 Griffiths 2001, S. 52. 582 Ralegh 1596, vgl. mit weiteren Verweisen Kapitel 3.2.

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versuchte Ralegh zuletzt auch in seiner Apology für die desaströse Reise von 1617 anzuwenden.583 Sein Versuch, ein weiteres Mal den Traum von El Dorado zu beschwören, und die Versicherung, er allein habe das nötige Wissen um ihn zu realisieren, blieben jedoch vergeblich. Dieser ergebnislose Versuch leitet zu Berichten über, in denen Wissensfortschritt thematisiert wird, den die Autoren aus der Beobachtung von explizitem Scheitern kolonialer Projekte ableiteten. Solch eine Argumentation entspricht zwar eindeutig der zeitgenössischen und historiographischen Vorstellung von einem »Lernen-aus-Scheitern«, kam allerdings eher selten vor. Grund hierfür könnte sein, dass sie entweder die Zielregion und ihre Bewohner oder aber das Verhalten der beteiligten Personen in ein schlechtes Licht zu rücken drohte. Gegen diesen Nachteil fanden Autoren in England den Ausweg, das Scheitern und die Fehler von Kolonisten aus anderen Ländern zu thematisieren, wenn sie dem eigenen Publikum Lektionen vermitteln wollten. Bereits Richard Eden widmete seine Übersetzung von Sebastian Münsters Cosmographie dem englischen Volk, damit es aus den Triumphen, aber auch den Fehlern anderer lernen könne.584 Richard Hakluyt führte den Gedanken weiter und argumentierte in seiner Widmung der englischen Ausgabe der Reiseberichte Jacques Cartiers 1582 und in der Einleitung seiner Übersetzung der französischen Floridaberichte 1587 mit dem Scheitern der Anderen.585 In beiden Fällen ist dabei sein Wunsch klar erkennbar, die jeweilige Landschaft sowie ihre Ressourcen und Bewohner nicht zu diskreditieren, sondern vielmehr zur Kolonisierung zu empfehlen. So habe Cartier mangels Vorräten für den Winter umkehren müssen, unmittelbar bevor er eine Passage durch den Kontinent und das Goldreich von Saguenay entdeckt habe.586 Daher warte noch immer ein Land, das so reich und angenehm wie England und Frankreich sei, darauf, kolonisiert zu werden. Auch in seiner Widmung der französischen Floridaberichte an Walter Ralegh empfahl Hakluyt explizit, vom Unglück der Franzosen zu lernen. Er mahnte  : »to beware of the grosse negligence on providing sufficience of victuals, the securite, disorders, and mutinies that fell out among the french, with the great inconveniences that thereupon ensued, that by others mishaps they might learne to prevent and avoyde the like.«587 Bemerkenswert ist dabei, dass Hakluyt nicht die Notwendigkeit betonte, Vorbereitungen gegen einen Angriff der Spanier zu treffen, obwohl dies die Ursache für den Untergang der Kolonie ge583 Ralegh  : Apology, ediert in  : Edwards 1988, S. 226–248. 584 Vgl. Parker 1965, S. 38. 585 Vgl. Parker 1965, S. 122, Widmung von Florios Cartier Übersetzung »To all Gentlemen, Merchants and Pilots«, Ndr. in Hakluyt 1582, S. 121–127. Zu Basanier/Laudonnière als Quelle von Lektionen siehe Waldman 2001, S. 163–166. 586 Hakluyt 1582, S. 127  ; ähnlich argumentierte auch Richard Eden, in  : Eden 1555, S. 254f. in Edition Arber, S. 287f. 587 Richard Hakluyt 1587  : To the right worthie and Honorable Gentleman, Sir Walter Ralegh Knight, in  : Laudonnière/Basanier 1587, S. 1–6, ediert in  : Taylor 1935, Dok 58, S. 372–378, Zitat S. 372.

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wesen war. Seine Auslassung deutet darauf hin, dass er Lektionen auswählte, die ihm relevant für die englischen Projekte schienen. Hakluyts Übersetzung erschien ebenso wie Thomas Harriots True Report während John White versuchte, Roanoke zu kolonisieren. Da Hakluyt in einem direkten Bezug zu diesem Projekt stand, ist es naheliegend, die Quellen im Zusammenhang zu sehen, zumal später auch beide Texte  – vermittelt durch die Netzwerke Hakluyts  – im Alten Reich in mehrsprachigen illustrierten Ausgaben erschienen. Die Publikation der französischen Berichte erlaubte Hakluyt, Mahnungen und Hinweise auf Missstände zu veröffentlichen, ohne Harriots positive Werbebotschaft von einem Virginia abzuschwächen, in dem alles im Übermaß und ohne Mühe verfügbar sei. Zwar lag Hakluyt auch der kritische Bericht Ralph Lanes über die erste Roanoke-Kolonie vor, doch diese Quelle gab er erst in seinem Sammelwerk von 1589 in Druck, wo sie durch positive Schilderungen eingerahmt wurde. Berichte vom Scheitern der anderen konnten somit explizit als Wissensquelle beworben werden und ermöglichten zugleich, eigene Rückschläge auszublenden. Ralph Lane ging im Gegensatz zu Harriot in einem vorerst unpublizierten Bericht genauer auf seinen Abzug aus Virginia und das Ausbleiben der erhofften Profite ein.588 Auch in seinen Erläuterungen spielte Wissen eine erhebliche Rolle. Er versuchte nicht nur, sich selbst durch Schuldzuweisungen an andere von jeder Verantwortung freizusprechen, sondern bot wie Best und Ralegh Wissen über wichtige Entdeckungen, die er mit besserer Versorgung hätte machen können, als Ersatz für materielle Erfolge an. Hierzu gehörten speziell Informationen über Edelmetallminen, die er von Indigenen erhalten habe. Damit ging er in seinem Manuskript trotz fundamentaler Unterschiede ähnlich vor wie Harriot in seinem True Report, denn auch Harriot fokussierte, ganz den Zielen Reichtum und Mission entsprechend, Informationen über Ressourcen und die Indigenen. Der Unterschied zwischen beiden Texten liegt allerdings in der durchweg positiven Haltung Harriots gegenüber Virginia und seinen Bewohnern, da er im Gegensatz zu Lane nur in wenigen Zeilen auf das Ende des Projektes einging. Folglich bot Lane den Wissensgewinn und die potentiellen, aber unverwirklichten Entdeckungen als einen Ausgleich für fehlende Erträge und den Abzug an, während bei Harriot das koloniale Projekt als eine, abgesehen vom Ende, erfolgreiche Expedition erschien, deren Ziel von vornherein der Erwerb des von ihm beschriebenen Wissens gewesen sei. Eine sehr ähnliche Argumentation wie Harriot, wenn auch mit einer differenzierten Darstellung der Landesnatur, nutzte auch der Autor des Berichts über Jacques Cartiers zweite Reise, in dem er Hinweise auf Ressourcen, Häfen, zu bereisende Städte und ein indigenes Vokabular einfügte.589 Die Einbeziehung negativer Aspekte leitet zu den französischen Autoren allgemein über, da von ihnen ein deutlicher größerer Teil bereit war, das Scheitern kolonialer 588 Vgl. Moran 2007 insgesamt  ; Griffiths 2001, S. 151  ; zu Lanes Bericht siehe Kapitel 3.2. 589 Ediert u.a. in Cook 1993, S. 35–95  ; vgl. die Quellenangaben in Kapitel 3.1.

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Projekte offen zu thematisieren. So erfuhren die Leser beispielsweise aus dem Text Laudonnières Details über die Zerstörung der Florida-Kolonie 1565. Er und auch Autoren kürzerer Texte wie Le Challeux oder Le Moyne gingen mit Nahrungsmangel, Konflikten mit den Indigenen und internen Spannungen offener um als Thomas Harriot. Sie nahmen Ralph Lanes Herangehensweise vorweg, indem sie eine Begründung für das Scheitern boten, statt es argumentativ in den Hintergrund zu drängen.590 Dabei betrieb Laudonnière ebenso wenig wie Lane neutrale Ursachenforschung, sondern lieferte vielmehr eine Beweisführung dafür, dass er selbst keine Verantwortung für den katastrophalen Ausgang trage. Obwohl auch er in seinem Bericht Informationen über die Siedlungsregion vermittelte, machte er seine Kenntnisse nicht zum Ausgleich für das Ergebnis wie Harriot mit seiner umfangreichen Aufzählung von Commodities oder wie Lane mit seiner Vision, was hätte erreicht werden können. Bei Laudonnière erwiesen sich vielmehr die Hoffnung auf Gold als verderbliche Ursache für Meuterei und die Indigenen nicht als durchweg zur Mission geeignet, sondern zum Teil als heimtückisch und gefährlich. Ebenfalls auf die Ursachen eines kolonialen Scheiterns verwiesen André Thevet und Jean de Léry, wobei beide die Schuld dafür der jeweiligen konfessionellen Gegenseite zuschoben.591 Die Ereignisse in der Kolonie nahmen in ihren Werken jedoch nur einen geringen Anteil ein und die finale Zerstörung durch die Portugiesen spielte für sie keine Rolle im Vergleich mit den konfessionellen Konflikten. Beide warben außerdem nicht im selben Maße wie Thomas Harriot mit ihren Kenntnissen um eine Kolonisierung Brasiliens. Sie nutzten vielmehr ihr umfangreiches Wissen über indigene Kulturen und Landschaften für eine Positionierung in europäischen Diskurszusammenhängen. Dabei präsentierte Thevet vergleichsweise stärker die Erweiterung kosmographischer Kenntnisse als positives Ergebnis seiner Reise, die er in seinem Bericht noch um fiktionale Etappen und Bezüge auf ältere Wissensbestände erweiterte, während Léry sein Wissen vornehmlich für eine Beschreibung der Indigenen nutzte sowie für moralische Ausführungen über ihre Lebensweise im Vergleich zur europäischen.592 Eine anders akzentuierte, eindeutiger auf Wissen über Rückschläge zielende Argumentationsweise nutzte schließlich John Smith, der Laudonnières und Lanes Ansatz weiterführte und öffentlich Missstände und Rückschläge bei einem kolonialen Projekt thematisierte, an dem er selbst beteiligt war. Smith bot in seinen Proceedings of the english colony in Virginia aus dem Jahr 1612 – anders als Lane, Harriot oder Cartier – kein Wissen über reiche Ressourcen als Ausgleich für Rückschläge an. Er versprach stattdessen auf dem Titelblatt explizit, die Ursachen für eben diese Rückschläge und 590 Siehe Kapitel 3.1. 591 Siehe Kapitel 3.2. Zur Übersicht  : Gewecke 1986, S. 180–191. 592 Zu ihrem unterschiedlichen Vorgehen und daraus folgenden Konflikten siehe kurz  : Lestringant 2005  ; zu Lérys Argumentation als allegorischem Bezug auf den Kampf der Hugenotten in Frankreich Scanlan 1999, S. 41–49  ; zur allegorischen Gegenüberstellung indigener und europäischer Lebensweise Lestringant 1987, S. 53f. und Frübis 1995, S. 121–130.

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fehlende Erträge zu erläutern. »Unfolding even the fundamental causes from whence have sprang so many miseries to the Undertakers, and Scandals to the Businesses.«593 Damit warb er, ähnlich wie Best, wenn auch mit einem deutlich engeren Fokus, für seine eigene Schrift als Wissensquelle. Außerdem arbeitete Smith, der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr für die Virginia Company tätig war, so offensiv an seinem eigenen Ruf als Fachmann für zukünftige koloniale Projekte. Er stellte sich daher aus eigenem Interesse gegen die glorifizierende Virginiapropaganda der Company und ihrer Autoren. In seinem Text entfaltete Smith ein Panorama von Problemen, die aus internen Konflikten und Egoismus der Mitwirkenden entstanden. Er machte deutlich, dass es statt der versprochenen mühelosen Reichtümer nur ein gutes Land für alle gäbe, die bereit wären, für ihren Lebensunterhalt und Profit zu arbeiten. In seinen Ausführungen blieb er keineswegs neutral, sondern zielte stets auf seine eigenen Leistungen als Anführer ab. Die Lektion, dass interne Konflikte ein zentrales Problem seien, untermauerte Smith auch durch einen Verweis auf das Scheitern Anderer  : »if any deem it a shame to our nation, to have any mention made of these enormities, let them perseve the histories of the Spanish discoveries and plantations, where they may see how many mutinies, discords, and dissentions have accompanied them and crossed their attempts.«594 Dies bekräftigte die Relevanz seiner Schrift, in der er zur Lösung eine bessere Auswahl der Siedler sowie eine klare Hierarchie empfahl. Soweit lässt sich bereits festhalten, dass die Autoren ihren Lesern mit der expliziten Bezugnahme auf erworbenes Wissen einerseits ihre eigenen Leistungen und Verdienste darlegten und andererseits versprachen, dass zukünftig die erhofften Ziele leichter erreicht und Risiken vermieden werden könnten. Es gibt jedoch noch eine weitere argumentative Nutzung von Wissen im Diskurs. Sie ist insbesondere in historischen Karten erkennbar und zielt primär auf Legitimation. Wie bereits bezüglich der Vorbereitung zur Reise Gilberts 1583 erkennbar, ordnete sich im Betrachtungszeitraum die kartographische Darstellung meist der intendierten Aussage unter und zielte nicht auf eine neutrale Abbildung naturräumlicher Gegebenheiten. Wichtiger war es, die erhoffte Geographie oder vollzogene Besitznahmen zu visualisieren, so durch Benennung von Flüssen, Landschaften und Siedlungsplätzen.595 Solche kartographischen Darstellungen konnten nicht nur Erfolgsmeldungen und Zukunftspläne veranschaulichen, sondern auch ein Signal an Konkurrenten senden. Transatlantische Regionen zu beschreiben und zu kartieren, war keine reine paper-conquest, sondern kompensierte in der imaginierten kolonialen Konkurrenzsituation fehlende koloniale Präsenz.596 Eine sehr ähnliche Funktion von Wissen als Legitimationsargument findet sich auch in den Texten von John Dee, genauer in dessen fiktionaler Historiographie 593 594 595 596

Smith  : Proceedings 1612, Titelseite. Smith  : Proceedings 1612, S. 14. Cormack 1997, S. 12  ; MacMillan 2011, S. 78f.; Roper 1998, S. 12–15. MacMillan 2011, S. 79  ; zu der Kategorie der paper-conquests siehe Roper 1998 insgesamt.

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mittelalterlicher Kolonien walisischer Herrscher.597 Im Diskurs konnten er und andere Akteure Wissen als Legitimationsargument je nach Interesse in den Vorder- oder Hintergrund rücken, wobei es durch das pragmatische Argument, dass alle Ansprüche bedeutungslos seien und nur wirklicher Besitz zähle, letztlich obsolet wurde.598 Die hervorgehobene argumentative Nutzung von Wissen als Mittel zur Ressourcengewinnung, Risikoverminderung und als Legitimationsgrundlage für den Aufbau zukünftiger Kolonialreiche findet sich selbstverständlich auch in Gesamtdarstellungen der englischen beziehungsweise französischen kolonialen Expansion um 1600, also bei Richard Hakluyt und Marc Lescarbot. In den Principal navigations und der Histoire de Nouvelle France präsentierten beide das von ihren Landsleuten jenseits des Ozeans erworbene Wissen als Nachweis der eigenen protonationalen Leistungsfähigkeit und als Trittsteine auf dem Weg zu finanziellem Profit und Missionierung der Indigenen. Somit zeigen sich deutliche Gemeinsamkeiten, aber auch argumentative Unterschiede. Bei Hakluyt herrscht ein vergleichsweise positiverer Blick auf die bisherigen kolonialen Projekte vor. Seine Sichtweise erklärt sich daraus, dass er ältere, idealisierende Werbetexte wie Harriots True Report unverändert übernahm. In einigen Fällen fügte er negativ konnotierte Schilderungen wie Ralph Lanes Bericht als Kontrapunkte ein, so dass der Leser aus widersprüchlichen Informationen ein Bild gewinnen konnte. Allerdings nahm Hakluyt zu mehreren Projekten ausschließlich Texte in sein Werk auf, die noch vor dem Ende des Vorhabens entstanden waren, so dass seine Leser nichts über den Ausgang  – also über Erfolg oder Scheitern  – erfuhren. Durch geschickte Auswahl einer Summe von Wahrheiten, die Hakluyt seinen Lesern anbot, beanspruchte er zwar nicht, als Erzähler eine eigene singuläre Wahrheit zu verkünden, ließ aber dennoch Amerika insgesamt im besten Licht und die englischen Seefahrer und Kolonisten als Helden erscheinen.599 Krisen und Rückschläge kommen dabei zwar vor und bilden eine Szenerie für heroische Taten, aber Scheitern ist kein Leitmotiv, sondern ein vorläufiges, punktuelles Phänomen, das durch fortschreitendes Wissen um die besten Landschaften und Häfen kompensiert wird. Wissenszuwachs war bei Hakluyt aber nicht nur pragmatische Grundlage zukünftiger Erfolge, sondern galt als ein Ziel der englischen Reisen, das im Gegensatz zum Streben nach Reichtum moralisch legitim war. Hakluyt verstand unter der wohlüberlegten Sammlung von

597 Artese 2002, S. 7–55 über John Dee. Hierbei ist besonders zu beachten, dass John Dees Theorie Berichte über koloniale Erfahrungen geprägt hat. Beispielsweise berichtete noch William Strachey von Indigenen, die eine in Teilen walisische Sprache nutzten, vgl. ebd. S. 118  ; MacMillan 2006, S. 15f. 598 Siehe Cooper 2011, der von einer Staffelung ausging. Falls die eigenen alten Ansprüche nicht anerkannt würden, seien die englischen Akteure bereit gewesen, das Argument vom wirklichen Besitz in den Debatten zu stärken, S. 261. 599 Olesen 2007, S. 53. Hakluyt konnte aber durchaus seine eigenen früheren Werke zitieren und so kontextbezogen in die Erzählung eingreifen. Er nahm dabei aber keine retrospektive Erzählerperspektive ein, ebd. S. 51.

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Wissen eine Handlung zum Wohl und Ruhm der eigenen Nation.600 Diese Deutung erklärt auch Hakluyts Selbstdarstellung als Wissenssammler und Herausgeber, dessen Taten ebenso bedeutsam und ruhmvoll waren wie Reisen nach Übersee und der sich an dem Ideal eines aktiven Lebens für die Gemeinschaft orientierte.601 Aufgrund des von ihm publizierten, unter Gefahren erworbenen Wissens und des von ihm verkündeten Ruhmes der englischen Seeleute kam seiner Nation, nach Hakluyts Lesart, schließlich das Recht zu, Amerika zu kolonisieren. Durch seinen Fokus auf Ruhm und Wissen machte Hakluyt insgesamt materielles Scheitern oder Erfolg zu nachrangigen Kategorien. So konnte er trotz aller Rückschläge eine Erzählung von England als kolonialer Macht erschaffen, die koloniale Ansprüche, eine koloniale Vergangenheit und auch das Wissen sowie die Fähigkeit hatte, zukünftig ein koloniales Reich zu errichten.602 Marc Lescarbot strebte zwar das gleiche Ziel an, ging dafür aber einen anderen Weg. Er fügte seine Quellen stärker zu einer durchgehenden Erzählung zusammen, auch wenn er einige längere Passagen als Zitate wiedergab. Er selbst beschrieb seine Arbeitsweise mit der Analogie, sein Werk sei wie ein Schwarm Fische, da er eine Vielzahl von Erkenntnissen und Berichten zu einem Ganzen zusammenzufüge, das sich gegen Angriffe besser verteidigen könne.603 Lescarbot spricht im Gegensatz zu Hakluyt aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers über frühere koloniale Projekte. Dementsprechend berichtet er auch anders als Hakluyt stets über ihr Ende und thematisiert Scheitern nicht nur explizit, sondern analysiert es sogar.604 Seine Erzählung ist insgesamt wie auch die Hakluyts an den gängigen zeitgenössischen moralischen Leitvorstellungen orientiert. Daher nennt er als die wichtigste Ursache ausbleibender Erfolge, dass die Franzosen nicht nach Missionierung und ehrenvollem Dienst für ihren Herrscher gestrebt, sondern sich von ihrer Gier hätten leiten lassen.605 Er ergänzt allerdings, dass Wein, Vieh, Korn und die Fischerei besser seien als Gold, da sie sowohl Profit erzielen als auch die Siedler ernähren würden. Lescarbot führt den Leser durch eine Geschichte französischen kolonialen Scheiterns mit explizit formulierten Lektionen für die Zukunft. Er beginnt mit einer Darstellung der Florida-Kolonien, die eng der Vorlage von Laudonnière folgt, und hebt schon in Kapitelüberschriften die Unruhen und Meutereien als Ursache des Unter600 Wie er selbst in seiner Widmung zur ersten Auflage an Francis Walsingham ausführt. Siehe zu seiner Selbstheroisierung Kapitel 4.1. 601 Bisnar 2003, S. 27. 602 Olesen 2007, S. 79. Zur Bedeutungstransformation, die Texte durch die Aufnahme in das Sammelwerk Hakluyts erhalten  : Fuller 2008, S. 7. 603 Lescarbot/Biggar I, S. 33. 604 Bideaux 1998, S.  171, 175  ; Lestringant 1984  ; Lestringant sieht in dieser Gesamtschau die herausragende Leistung Lescarbots im Vergleich mit seinen Zeitgenossen, so Ders. 2004, S. 401–403. Vgl. Thierry 2008, S. 276–280  ; Thierry 2001, S. 179–188. 605 Lescarbot/Biggar I, S. 41  ; vgl. Hakluyt bspw. in der Widmung an Philip Sidney, Hakluyt 1582, S. 8.

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gangs hervor.606 Dabei habe die Beschäftigungslosigkeit der Kolonisten, die generell zur Disziplinlosigkeit verleite, eine wichtige Rolle gespielt. Lescarbot kontrastiert dies mit dem Vorgehen seines früheren Befehlshabers und Geschäftspartners Sieur de Poutrincourt, der seine Männer immer beschäftigt gehalten habe, so dass bei ihm auch ohne Gewalt die Disziplin gefestigt gewesen sei.607 Die weiteren Fehler bei den Florida-Kolonien waren nach Lescarbot mangelnder Anbau von Nahrungsmitteln, schlechte Vorratshaltung und eine zu späte Versorgung – lauter Probleme, für deren erfolgreiche Vermeidung er später Poutrincourt lobte.608 Bezüglich der Brasilienkolonie Villegagnons kritisiert Lescarbot die Auswahl einer ressourcenlosen Insel als Standort und erneut die fehlende Landwirtschaft.609 Außerdem hätten Kaperzüge der Verstärkungen nicht nur Verzögerungen verursacht, sondern auch Gott dazu gebracht, dem Projekt seine Unterstützung zu versagen. Diese Behauptung nutzte Lescarbot sogleich, um zu kontrastieren, dass bei den aktuellen, friedlichen Neufrankreichreisen Poutrincourts dieses Problem nicht mehr bestehe.610 Zuletzt habe in Brasilien die Uneinigkeit in der Religionsfrage das Projekt zum Scheitern gebracht, was Lescarbot explizit mit den Ereignissen in Florida zu der Mahnung verdichtet, interne Konflikte unbedingt zu vermeiden.611 Bemerkenswert ist, dass er zur Betonung dieser Lektion in beiden Fällen den fatalen externen Angriff auf die Kolonie in den Hintergrund rückt und nicht auf die Notwendigkeit eingeht, eine Verteidigung zu organisieren. Hier zeigt sich, dass Lescarbot keine umfassende Auswertung vornehmen wollte, sondern konkrete Informationen zur Werbung für die Kolonisierung von Nouvelle-France nutzte, wo weder er noch seine Partner mit einem Angriff durch Europäer rechneten – eine Annahme, die sich 1613 als falsch herausstellte. Als Lescarbot sich im dritten Buch seiner Histoire Nordamerika zuwandte, zeigte er, dass sich dort anhand der früheren, vor der Übernahme der Führung durch Poutrincourt selbstverständlich gescheiterten Projekte alle bereits formulierten Problemlagen erneut bestätigten ließen, wie fehlende Vorräte, mangelnde Landwirtschaft, ungute Standortwahl und interne Konflikte.612 Hinzu kommt aber als ein neues Phänomen die schädliche Aufhebung von Monopolen durch die Krone. In seiner Aufzählung der Ursachen des bisherigen Scheiterns machte Lescarbot deutlich, wie wichtig es ihm war, Nordamerika ins rechte Licht zu rücken. Er schrieb explizit, dass die Ursachen des Scheiterns nie im Land und seinen Ressourcen gesucht werden dürften, sondern nur bei den Kolonisten.613 Diese Wendung richtete er gegen die lange verstorbenen Car606 607 608 609 610 611 612 613

Lescarbot/Biggar I, S. 60–133. Ebd. I, S. 70. Ebd. I, S. 76 und 125. Ebd. II, S. 155f. und 178f. bezüglich der Wasserversorgung und fehlendem Proviant. Ebd. II, S. 167. Ebd. II, S. 181–194, die gemeinsame Lektion, S. 194. Ebd. III, S. 187, 189. Ebd. III, S. 190.

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tier und Roberval, aber auch gegen La Roche, Chauvin de Tonnetuit und den Sieur de Monts, der laut Lescarbot zuletzt den Fehler Villegagnons bezüglich der Wahl seines Siedlungsortes wiederholt habe.614 Seine Lektionen beschließt Lescarbot damit, dass nun aus der Summe allen Scheiterns das notwendige Wissen für zukünftige Erfolge gewonnen worden sei. Es bedürfe nur, wie das Beispiel Poutrincourts zeige, des richtigen Anführers, um dieses Wissen anzuwenden. Aus dessen eigener, als überaus erfolgreich beschriebener kolonialer Unternehmung leitet Lescarbot schließlich noch einen Leitfaden für Anführer künftiger kolonialer Projekte her, in dem er Kriterien für gute Siedlungsorte, Ausrüstung, Medizin, Nutztiere, Saatgut und vieles mehr empfiehlt.615 Da hierin sowohl früheres Scheitern als auch die erfolgreiche Vorgehensweise Poutrincourts zusammenlaufen, ist erkennbar, dass der Text letztlich darauf hin konstruiert ist, Lescarbots Partner als den idealen Kolonisator zu inszenieren. Diese Fixierung auf Poutrincourt und seine Projekte in der Acadie engt Lescarbots Werk im Vergleich zu Hakluyts umfassender Textsammlung ganz erheblich ein. Ein weiterer Unterschied zeigt sich bei einem Vergleich des Potentials der jeweiligen Erzählweise beider Autoren, zukünftiges Scheitern zu verarbeiten. Während Hakluyt weitere Projekte anfügen könnte, die auch bei materiellem Scheitern seine Erfolgsgeschichte von Wissenserwerb und Ruhm fortschreiben würden, postulierte Lescarbot eine Teleologie des Scheiterns, die auf zukünftige materielle und missionarische Triumphe Poutrincourts hinausläuft. Jedweder Rückschlag bedrohte sein Bild von einem perfekten Siedlungsort, umfassendem Wissen und einem heroischen, nahezu unfehlbaren Anführer. Vermutlich deswegen machte er in späteren Auflagen die Jesuiten zu Sündenböcken. Eine abschließende Gesamtbetrachtung zur Bedeutung von Wissen als Argument im Diskurs über koloniale Expansion muss zunächst einen kurzen Blick über die überlieferten Quellen hinaus riskieren. Trotz der logistischen und epistemischen Beschränkungen des europäischen Wissenserwerbs steht außer Frage, dass über Jahrzehnte hinweg tausende Akteure in transatlantischen Räumen Erfahrungen sammelten und persönliches Wissen erwarben, das sie in koloniale Unternehmungen einbringen konnten. Dieses praktische Anwendungswissen erreichte jedoch fast nie die Ebene der schriftlichen und noch heute fassbaren Diskurse. Im Diskurs über koloniale Projekte wiederum spielte Wissen in England wie in Frankreich explizit als Argument eine zentrale Rolle  – unabhängig davon, dass die Auswahl der präsentierten Informationen eng und epistemische Vorprägungen der Diskursteilnehmer klar erkennbar sind. Fast alle Quellen thematisierten neue Erfahrungen und Erkenntnisse, die als Kompensation für fehlende materielle Erfolge dienen konnten. Dahinter lassen sich unterschiedliche zeitgenössische Interpretationen 614 Ebd. III, S. 255–260. 615 Ebd. III, S. 260–283 mit Bericht über die Verlegung der Siedlung nach Port Royal.

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der Ereignisse vermuten  : zum einen eine Akzeptanz erlebten Scheiterns, das dann durch eine argumentative Strategie relativiert werden sollte, zum anderen eine wirkliche Überzeugung, dass Scheitern angesichts der Rückkehr mit neuen Informationen gar keine angemessene Beschreibungskategorie sei. Generell war eine komplette Umdeutung abgebrochener kolonialer Projekte zu erfolgreichen Expeditionen, deren Ziel der Gewinn von Wissen gewesen sei, eine seltene Strategie. Sie war außerdem, wie die Beispiele Harriot und Ralegh zeigen, nicht auf Wissen allgemein, sondern primär auf zukünftig zu erwerbenden Reichtum zugespitzt. Scheitern konnte aber auch offen als Beschreibungskategorie genutzt werden, um bestimmte Argumente zu lancieren. Beispiele hierfür sind französische Berichte, etwa über Florida, sowie deren englische Übersetzungen mit spezifischen Vorworten. Während in den französischen Quellen die eigene Rechtfertigung noch im Fokus stand, präsentierte Richard Hakluyt als Herausgeber das koloniale Scheitern der anderen als explizite Lektion für zukünftige eigene Projekte. Damit galt nicht mehr nur Wissen, das für Missionierung und Profitgenerierung hilfreich war, sondern explizit Wissen über Scheitern als eine Errungenschaft. Diese Tendenz führte Marc Lescarbot ab 1609 zu einem vorläufigen Höhepunkt, als er eine fast ein Jahrhundert umspannende Gesamterzählung vom »Lernen-aus-Scheitern« schuf. Damit beruht das verbreitete historiographische Narrativ eindeutig auf einem zeitgenössischen Fundament. Die Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts haben so einen langlebigen Bezugspunkt für die nachfolgende Historiographie bis in die Gegenwart geschaffen, insbesondere da »Wissenserwerb« im Gegensatz zur »Eroberung« keine umfassende moralische Neubewertung im postkolonialen Zeitalter durchlief. Als Erklärungsmodell für den Verlauf der Ereignisgeschichte ist »Lernen-ausScheitern« allerdings aufgrund erheblicher Einschränkungen wenig tauglich. Zum einen blieb die Auswahl der thematisierten Wissensbestände im gesamten Betrachtungszeitraum klar durch den Zweck der Quellen geprägt, Werbung für weitere koloniale Projekte zu machen. Dies führte zu einer Ausblendung bestimmter Problemfelder und zu der Hervorhebung oder teilweise auch immensen Überbetonung von Aspekten, die zum Erreichen der Ziele hilfreich erschienen. Zum anderen thematisierte die Mehrheit der Texte über transatlantische Reisen Scheitern nicht direkt und selbst temporäre Rückschläge nur in geringem Maße. Da außerdem viele Quellen entstanden, als der Ausgang des jeweiligen Projektes noch offen war, wäre es insgesamt angebracht, dem bereits zeitgenössisch im europäischen Diskurs etablierten »Lernen-aus-Scheitern« in der Historiographie ein pragmatisches »Learning by Doing« zur Seite zu stellen, das auf einzelne Projekte als epistemische Kontexte sowie auf Akteursgruppen und Wissensfelder eingegrenzt werden müsste. Dieses Wissen ist allerdings in den bisher erschlossenen Quellen nur schwer fassbar. Die deutlich besser überlieferten Informationen, die Autoren für Entscheidungsträger und Geldgeber aufbereiteten und die in Publikationen verfügbar waren, liefen auf sehr allgemeine Aspekte wie schnellere Versorgung, größere Vorräte, höhere Moralität

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und stärkere Disziplin hinaus. Sie waren theoretisch leicht umsetzbar und gefährdeten nie das positive Bild des Landes oder die Überzeugung von einer Überlegenheit der europäischen gegenüber der indigenen Lebensweise  – obwohl es reichlich Anlässe dafür gab, diese Überlegenheitskonstruktion in Zweifel zu ziehen. 4.3 Verschweigen und Vergessen – Jenseits des Diskurses Aus der Untersuchung argumentativer Strategien für die Rezeption und Präsentation kolonialer Projekte ergibt sich die Frage nach den Grauzonen und Grenzen der Überlieferung – also danach, welche Projekte oder negativen Erfahrungen nicht oder nur nachrangig rezipiert wurden. Dabei ist zwischen einem intentionalen Verschweigen und einem unbeabsichtigten Vergessen zu unterscheiden. Beide Kategorien können sich sowohl auf koloniale Projekte in Gänze wie auch nur auf ihren Ausgang oder spezifische Ursachen dafür beziehen. Die Unterscheidung zwischen Verschweigen und Vergessen ist allerdings aufgrund der Quellenlage selten eindeutig. Hinzu kommt, dass in erheblichem Maße strukturelle epistemische Faktoren Auswirkungen darauf hatten, ob ein Projekt intensivere Beachtung erhielt oder für den Diskurs irrelevant war. Dieses Kapitel beginnt daher mit einigen allgemeinen Anmerkungen zur Rezeption kolonialer Projekte, die sich zum Teil aus den bisher untersuchten Deutungsmustern ergeben, zum Teil aber auch aus den allgemeinen, bereits in früheren Kapiteln vorgestellten epistemischen Strukturen sowie den Leitlinien des Diskurses. Zunächst ist festzuhalten, dass viele Autoren und Herausgeber die Ziele, die sie mit ihrer Berichterstattung verfolgten, auch ohne Informationen über den letztlichen Ausgang der Projekte erreichen konnten. Dies galt nicht nur, wenn ihr Ziel Werbung für weitere koloniale Expansion war, die bei einer Ausblendung eventueller Rückschläge sogar umso leichter vorgebracht werden konnte. Auch falls ihr Ziel war, Informationen über transatlantische Landschaften und Völker zu vermitteln und sie in das bestehende epistemische System einzuordnen  – egal ob zu dessen Bestätigung oder Widerlegung –, waren Details zum Ausgang der Unternehmung nachrangig. Das Interesse nahm allerdings zu, wenn die Berichte über ein koloniales Projekt und eventuell sogar über sein Ende mit Themen verknüpft waren, die in Europa intensiv diskutiert wurden und bereits eine hohe mediale Aufmerksamkeit genossen. Die konfessionellen Konflikte im Falle von France antarctique oder die Konfrontation mit dem spanischen Imperium bei Walter Ralegh sind hierfür gute Beispiele. Die Folge war allerdings nicht nur, dass die Berichte, die zu diesen Themen passten, besondere Beachtung fanden, sondern auch eine Zuspitzung der Ereignisse, speziell der Ursachen für koloniales Scheitern, auf den spezifischen diskursiven Kontext hin, was zum Ausblenden von als irrelevant eingestuften Informationen führte. Rein pragmatisch erscheint hingegen die Beobachtung, dass koloniale Projekte im Allgemeinen je mehr Aufmerksamkeit erhielten, desto weiter sie räumlich voranka-

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men. Über Vorhaben, die noch in der Antragsphase oder auf dem Atlantik scheiterten, erschienen deutlich weniger Publikationen, und sie wurden auch in übergreifenden Darstellungen weitgehend vernachlässigt. Wenn im Zuge einer Unternehmung aber ein Außenposten etabliert und eine detaillierte und den Erwartungen entsprechende Beschreibung von Land und Leuten entstand, so erhöhte dies deutlich die Chancen, ein langfristiges Interesse zu wecken, wie das Beispiel Thomas Harriots und vieler anderer zeigt. Bezüglich der spezifischen Regionen der beiden Amerikas, die von Verschweigen oder Vergessen betroffen waren, zeigt ein geographischer Vergleich klare Tendenzen. Unternehmungen, die Nordamerika erreichten, fanden weitaus häufiger in eigenen Publikationen und Sammelwerken Berücksichtigung als Reisen nach Südamerika. Speziell die zahlreichen Guyana-Reisen zu Beginn des 17.  Jahrhunderts waren nur wenigen bekannt. Auch wenn die beiden französischen Großprojekte in Brasilien hiervon ebenso eine positive Ausnahme darstellen wie die Vernachlässigung von Neufundland eine negative, so bleibt eine tendenzielle Fokussierung der Zeitgenossen und dementsprechend auch der Historiographie auf Nordamerika auffällig.616 Eine weitere Tendenz in der zeitgenössischen Rezeption ist in den Fällen erkennbar, in denen ein Projektzusammenhang zwischen mehreren Expeditionen oder Siedlungsversuchen unter einem bestimmten Akteur oder Netzwerk von Förderern bestand. Hier kam es in der Rezeptionsgeschichte mehrfach dazu, dass einzelne Reisen in den Hintergrund gerieten und nur als Randerscheinungen anderer, damit verbundener und für bedeutsamer erachteter, Unternehmungen thematisiert wurden. Dies ist beispielsweise bei Humphrey Gilbert oder dem Sieur de La Roche erkennbar, deren erste Reisen, die bereits in europäischen Gewässern endeten, oftmals keine Beachtung in Darstellungen finden. Ähnlich war dies auch bei Jacques Cartier, dessen dritte Reise häufig ignoriert oder mit der seines Vorgesetzten Roberval vermischt wurde.617 Die fehlende Berichterstattung über Cartiers dritte Reise leitet zu dem generellen Phänomen über, dass der größte Teil der Publikationen über koloniale Projekte in England und Frankreich entstand, ehe die jeweilige Unternehmung abgebrochen werden musste und bevor ihr Ergebnis feststand, so bei Thevets Singularitez oder den Texten über die Frobisher-Reisen. Dass in diesen Texten Scheitern keine Erwähnung findet, ist selbstverständlich – doch ist bemerkenswert, dass sich dies auch bei Neuausgaben und der Aufnahme in Sammelwerken nur bedingt änderte. Ausnahmen hiervon 616 Zur zeitgenössischen und historiographischen Vernachlässigung Neufundlands   : Fuller 2008, S. 118–141. 617 Die bekannten Quellen zur dritten Reise sind nur über den Umweg von Hakluyts PN überliefert, vgl. zur Quellenlage Kapitel 3.1  ; auch Belleforest schreibt in seiner Cosmographie universelle von zwei Reisen Cartiers, François Belleforest 1575  : Cosmographie universelle de tout le monde, S. 2184–2193. Diese Begrenzung dürfte darauf zurückgehen, dass nur ein Bericht über die zweite Reise als Einzeldruck erschien und nur die beiden ersten Reiseberichte Teil von Ramusios einflussreichem Sammelwerk Navigatione e Viaggi waren.

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sind die englischen Übersetzungen französischer Berichte, deren Herausgeber in den Vorworten die entsprechenden Informationen lieferten. Auch in Richard Hakluyts Principal Navigations fehlen oft Informationen über den Ausgang von Unternehmungen, obwohl sie dem Herausgeber zweifellos vorlagen. Grund hierfür war, dass er Berichte aus dem Kontext früherer Reisen zu einem Sammelwerk aus weitgehend unveränderten Quellen kompilierte. Nur wenn nach dem Abbruch einer Unternehmung weitere Texte entstanden waren, bot Hakluyt seinen Lesern damit manchmal einen Blick auf ihr Scheitern an. Dieser Effekt war Hakluyts Selbstverständnis als Herausgeber und Bewahrer des Wissens und der Taten englischer Reisender geschuldet, da er selbst nicht als Erzähler in Erscheinung treten wollte.618 Es ist daher nicht pauschal zu bestimmen, inwiefern er schwieg, um negative Aspekte zu kaschieren oder weil ihm keine Texte vorlagen, die er seiner Arbeitsweise entsprechend zitieren konnte. Es war ihm jedoch nicht möglich, sein zweifellos vorhandenes Wissen über den Ausgang einfach als Kommentar einzufügen, ohne seine Vorgehensweise grundsätzlich zu ändern. Seine konsequente Haltung erwies sich in jedem Fall als folgenschwer, denn in Kombination mit Samuel Purchas’ Gesamtwerk, in dem eine ähnliche Tendenz erkennbar ist, bestimmt seine Textauswahl, welche Informationen bis in die Gegenwart die Grundlage der Historiographie bilden.619 Anders als Hakluyt war Marc Lescarbot durchaus bereit, die Rolle des Erzählers einzunehmen und Informationen über den Ausgang aller Projekte zu ergänzen, die er in die im Umfang stetig wachsenden Ausgaben seiner Histoire de Nouvelle France aufnahm. Da seine Schrift dezidiert für eine koloniale Expansion nach Nordamerika warb, ist in seinem Fall wahrscheinlich, dass die Auslassung von Informationen über Projekte in Südamerika kein Zufall war. Hierfür ließe sich zwar als Grund der geographische Fokus anfügen, doch Lescarbot behandelte France antarctique ausführlich. Davon abgesehen, begrenzte er sich aber ebenso wie Champlain auf Nordamerika. Somit blendeten die beiden wichtigsten prokolonialen Autoren ihrer Zeit einen geographischen Raum aus, der zeitweise nicht nur mehr Siedler und mehr Investitionen anzog, sondern in dem auch eine erfolgreichere Missionierung begonnen hatte.620 Als Kontrast zum eher ambivalenten Vorgehen Hakluyts und Lescarbots lassen sich aber auch Fälle von bewusstem Verschweigen anführen. Ein im Betrachtungszeitraum einmaliges, aber für zukünftige koloniale Regime wegweisendes Beispiel hierfür ist die Informationspolitik der Virginia Company in Bezug auf Jamestown. Sie versuchte eindeutig, jedwede Kritik an ihren idealisierenden Predigten und Propagandaschriften und etwaige Gegendarstellungen zu ihren Werken zu unterbinden, wie der zwölfte Artikel der Laws Divine, Morall and Martiall belegt  :

618 Er zitierte lediglich seine eigenen früheren Werke, vgl. Olesen 2007, S. 51f. 619 Zur Vorgehensweise von Purchas als Herausgeber siehe Urness 2012. 620 Vgl. Trudel 1963 II, S. 52  ; Thierry 2008, S. 215f.; Thierry 2002, S. 189f.

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Vom Scheitern sprechen oder schweigen

No manner of person whatsoeuer, shall dare to detract, slaunder, calumniate or utter unseemely, and vnfitting speeches, either against his Maiesties Honourable Councell for this Colony […] or against the Commitees, Assistants […], or against the zealous indeauors, & intentions of the whole body of Aduenturers for this pious and Christian Plantation, or against any publique booke, or bookes […] for the aduancement of the good of this Colony […] vpon paine for the first time so offending, to bee whipt three seuerall times, and vpon his knees to acknowledge his offence, and to aske forgiueness vpon the Saboth day in the assembly of the congregation, and for the second time so offending to be condemned to the Gally for three yeares, and for the third time so offending to be punished with death.621

Die hohe Bedeutung, welche die Gesetzgeber der Unterdrückung negativer Informationen zuschrieben, wird durch die Schwere der Strafen deutlich, die keinen Unterschied nach Geschlecht oder Stand vorsahen. Unterstützt wurde das Schweigegebot durch die Anweisung der Company an den ersten Gouverneur und seinen Stellvertreter, eine strenge Briefzensur einzuführen.622 Beide Vorschriften traten an die Seite der angesprochenen Propaganda zugunsten der Kolonie in Schriften und Predigten, in denen bereits seit 1608 konsequent Rückschläge und Krisen verschwiegen wurden. Eine ähnliche Denkweise, allerdings ohne entsprechende Realisierung findet sich zeitnah auch im Kontext der Popham-Kolonie. Ferdinando Gorges bat Robert Cecil 1607, angesichts der negativen Auswirkungen, welche Berichte über interne Konflikte auf die Unterstützer in England hatten  : »your Lordshippe may be pleased to sende downe present commaunde, to intercept all letters whatsoever, and to whomsoever […]«623 In Frankreich ist weder eine vergleichbare Propagandakampagne noch ein ähnliches Gesetz im Betrachtungszeitraum zu beobachten. Allerdings griff dort die Obrigkeit in die Berichterstattung über France équinoxiale und seinen Untergang ein. Grund hierfür war vermutlich die prospanische Politik Maria de Medicis, die nur schwer mit kolonialen Plänen in Brasilien in Einklang zu bringen war. Ob bereits die Zerstörung der ersten Auflage von Yves d’Évreux’ Suitte de l’Histoire des choses mémorables advennues en Maragnan és années 1613 & 1614 auf obrigkeitlichen Befehl geschah, ist zwar unklar, eindeutig ist aber, dass in der späteren Ausgabe durch Sieur de Razilly Passagen zur europäischen Mächtepolitik und deren Wechselwirkung mit kolonialer Expansion gestrichen werden mussten.624 621 Anonymus/Virginia  : Lavves Diuine 1612, Artikel 12, S.  6 vgl. mit abweichendem Wortlaut das Zitat bei DePasquale 1999, S. 124. 622 Vgl. die Anweisungen für Lord De-la-Warre, ediert in  : Quinn NAW V, S. 218–220 und für seinen Stellvertreter Thomas Gates, ediert ebd. S. 212–218. 623 Brief von Fernando Gorges an Robert Cecil, Plymouth am 3. Dezember, zitiert nach der Edition Thayer 1892, S. 134–136, hier 136. Vgl. Quinn NAW IV, S. 438f. 624 Daher 2005, S. 8  ; Obermeier 2007, S. 130  ; Obermeier 2012, S. III.

Verschweigen und Vergessen – Jenseits des Diskurses

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Das Zurückhalten von bestimmten Informationen oder ganzen Berichten konnte jedoch nicht nur von Seiten der Obrigkeit verordnet werden, sondern angesichts des Fehlens von Institutionen, die Wissen sammelten und organisierten, auch von den Entscheidungen einzelner Personen abhängen, die über Wissen exklusiv verfügten. Die von Samuel Purchas nach dem Tode Richard Hakluyts herausgegebenen Reiseberichte, Briefe und Verwaltungsschriftstücke aus dessen Nachlass zeigen, dass auch Hakluyt viele Informationen nicht publizierte. Ob er dies absichtlich tat oder nur in seiner Lebenszeit nicht mehr dazu kam, ist nicht zu ermitteln. Hakluyt selbst wiederum lobte in einem Fall ausdrücklich seine eigene Leistung, bis dahin absichtlich verschwiegene Informationen ans Licht gebracht zu haben. Es handelte sich dabei um den Bericht Laudonnières über den Aufbau und das Ende von Fort Caroline in Florida.625 Der Text war im Privatbesitz André Thevets, der zwar, wie oben bereits angemerkt, Informationen daraus für seine eigenen Werke entnahm, aber das Manuskript nicht in den Druck gab. Während seines Aufenthaltes in Paris lieh Hakluyt sich den Text von Thevet aus und ließ eine Abschrift anfertigen, die zur Grundlage einer französischen und einer englischen Ausgabe wurde. Während Thevet über diesen Vertrauensbruch empört war, feierte Hakluyt sich im Jahr 1599 im Vorwort des zweiten Bandes seiner Principal Navigations dafür selbst und gab an, er habe die Machenschaften einer prospanischen Fraktion sabotiert, die den Bericht verbergen wollte.626 Auch wenn sein Eigenlob übertrieben erscheint, belegt das Beispiel dennoch, dass es sehr unterschiedliche zeitgenössische Vorstellungen sowohl von der Notwendigkeit gab, eine breite Leserschaft mit Informationen über koloniale Projekte zu versorgen, als auch davon, ob dafür Volltexte notwendig waren oder ob Zusammenfassungen und plakative Zuspitzungen ausreichten. Zuletzt bleibt noch auf das Phänomen der kontrafaktischen Präsentation kolonialer Projekte zu verweisen. In diesen Fällen wurden Unternehmungen ungeachtet materieller und personeller Verluste oder ihres vorzeitigen Abbruchs als vollumfängliche Erfolge beschrieben. Diese ungewöhnliche und vermutlich auch für viele Zeitgenossen als unwahr zu erkennende Argumentationsweise findet sich besonders deutlich in den 1618 anonym erschienenen Newes of Sir Walter Rauleigh.627 Der Autor versichert darin, dass jede der bisherigen englischen kolonialen Unternehmungen ein Triumph im Hinblick auf den Erwerb von Reichtümern, Ruhm oder wertvollem Wissen gewesen sei. Eine derart umfassende und positive Neuinterpretation der Geschichte kolonialer Expansion blieb aber im Betrachtungszeitraum einmalig. Andere Autoren wendeten hingegen lediglich einzelne Projekte oder die Taten bestimmter Persönlichkeiten pau-

625 Vgl. Kapitel 3.2. 626 Richard Hakluyt 1599  : Epistel Dedicatory des zweiten Bandes der Principal Navigations an Robert Cecil, ediert in  : Taylor 1935, Dok. 76, S. 457–463. 627 Anonymus 1618.

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schal ins Positive.628 In diesen Einzelfällen wäre aber jeweils genauer zu prüfen, inwiefern die Autoren überhaupt vom tatsächlichen Ausgang der Unternehmung Kenntnis hatten. 4.4 Räume und Argumente –  Wechselwirkungen und Widersprüche Nachdem in den beiden vorhergehenden Kapiteln die Ursachen möglichen Scheiterns sowie die Strategien zur Deutung der Ereignisse und Ergebnisse im Zentrum gestanden haben, zieht dieses Kapitel ein dreistufiges Zwischenfazit. Zuerst werden übergreifende Beobachtungen zu den unterschiedlichen Verortungen der Ursachen und den damit verbundenen Raumvorstellungen präsentiert  ; als zweites folgen Anmerkungen zum Zusammenspiel der verschiedenen Deutungsformen und zuletzt eine Kombination beider Elemente. Zum ersten Aspekt  : In Kapitel 4.1 sind die Ursachen des Scheiterns anhand des Verlaufs einer idealtypischen Reise – vom Ursprungsland bis zur Kolonie – untersucht worden. Es bleibt aber zu bedenken, dass die in diesen vier Räumen auftretenden Probleme in der Realität nicht nacheinander überwunden und damit ungefährlich wurden, wenn eine Expedition ihren Weg fortsetzte. Stattdessen konnten während der gesamten Dauer eines kolonialen Unternehmens die in den Quellen beschriebenen Widerstände jeweils in allen vier Räumen immer wieder auftreten. So bestand, nachdem ein Fort oder eine Siedlung gegründet worden war, im Ursprungsland, auf dem Atlantik sowie an Ort und Stelle weiterhin eine Vielzahl von Risiken für eine neue Kolonie. Gefährlich wurde die Lage für die Kolonisten vor allem dadurch, dass sie von Versorgungsexpeditionen abhängig blieben, deren Finanzierung und Durchführung fast immer ungewiss waren. Da ausbleibender Nachschub wiederum die Spannungen mit den Indigenen intensivierte, deren Hilfe die einzige Alternative zu Nahrungslieferungen aus Europa darstellte, waren die Bewohner einer eigentlich erfolgreich gegründeten Kolonie die Akteure, die dem größten Spektrum von Risiken ausgesetzt waren. Hinzu kam, dass die in den unterschiedlichen Räumen verorteten Bedrohungen sich wechselseitig verstärkten. Fehlender finanzieller Rückhalt im Ursprungsland erhöhte den Druck auf die Versorgungsfahrten, zusätzlichen Profit durch Kaperfahrten zu erwirtschaften, oder schränkte deren Vorbereitung und Ausrüstung ein. Ebenso konnten politische Konflikte in Europa das Risiko, Opfer von Kaperfahrten zu werden, aber auch die Attraktivität von Freibeuterei als Alternative erhöhen. Jede Verzögerung der Versorgungsfahrten führte wiederum zu erhöhten Spannungen in der Kolonie. Für die Folgezeit lassen sich dann zwei miteinander verwobene, fatale Kreisläufe erkennen  : Zum einen führte Nahrungsmangel zu Konflikten mit den Indigenen, was wiederum 628 So beispielsweise Ribault in seinem zuerst auf Englisch erschienenen Bericht, Ribault 1563, S. 5, siehe die Edition Quinn NAW II, S. 285–294, hier S. 286.

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den Nahrungsmangel langfristig verstärkte  ; zum anderen führte Nahrungsmangel zum Niedergang der oft ohnehin schon brüchigen Disziplin, was Maßnahmen zur Behebung des Mangels erschwerte und wiederum die Spannungen mit den Indigenen verschärfte. Die Folge beider Kreisläufe war, dass die Kolonisten in ihren Berichten trotz hoher Erwartungen keine Erfolge vermelden konnten und damit den Rückhalt ihrer Geldgeber oder politischen Förderer im Ursprungsland verloren. Einen Ausweg aus diesen beiden Kreisläufen hätten regelmäßige und pünktliche Versorgungsfahrten geboten, die aber im Betrachtungszeitraum nur sehr selten zustande kamen. Daher lässt sich schlussfolgern, dass die zentrale Ursache des Scheiterns derjenigen Projekte, die den weiten und erfolgreichen Weg bis zur Gründung gegangen waren, ihre Abhängigkeit von Nahrungslieferungen war, die entweder aus Europa oder vor Ort von den Indigenen kommen sollten. Um zu verstehen, warum sich daran über einen so langen Zeitraum nichts änderte, müssen die illusorischen Erwartungen der Investoren und auch vieler Mitreisender berücksichtigt werden, die schon von den Zeitgenossen ausführlich kritisiert wurden. Letztlich lassen sich für die Aufgabe von Kolonien zwei Motive unterscheiden  : Für die unmittelbar in Übersee Beteiligten stand Nahrungsmangel als größtmöglicher Gegensatz zur erwarteten mühelosen Versorgung an erster Stelle, gefolgt von enttäuschten Profiterwartungen  ; während für die Hintermänner im sicheren Ursprungsland lediglich die ausbleibenden Erträge der Grund für ein Ende ihres Engagements darstellten. In einer Gesamtbetrachtung der in Kapitel  4.1 analysierten Raumvorstellungen zeigt sich, dass die historischen Akteure häufig, teilweise sogar innerhalb eines einzelnen Projektkontextes, unterschiedliche und sogar widersprüchliche Vorstellungen von den vier Räumen hatten. Die zeitgenössischen Verfasser erkannten diesen Zusammenhang zwar nicht in Gänze, wohl aber hinsichtlich einzelner kolonialer Projekte und manchmal auch bezüglich eines bestimmten Raumes. Im jeweiligen Ursprungsland verlief die Konfliktlinie entlang unterschiedlicher Vorstellungen davon, ob für die Zukunft des Landes der Status einer kolonialen Macht essentiell sei, um andere Mächte zu überflügeln, oder ob es sich im Vergleich mit der europäischen Politik nur um eine Nebensächlichkeit handelte. Im Falle des Atlantiks kollidierte hingegen das Verständnis vom Ozean als einem Raum, der nur durchquert werden sollte, mit der Ansicht, es sei ein Raum, in dem der Lebensunterhalt verdient und Profiterwartungen erfüllt werden müssten. Hierbei ist hervorzuheben, dass der in pragmatischer Hinsicht so wichtige Atlantik in der Mehrheit der kolonialen Werbetexte eine nachgeordnete Rolle spielte, da sie auf Amerika oder eine Passage in den Pazifik fixiert waren. Auch bezüglich der beiden Amerikas lassen sich mehrere, widersprüchliche oder gegensätzliche Raumvorstellungen unterscheiden. Zum einen galt einigen Verfassern und Organisatoren der Kontinent nur als ein Hindernis auf dem Weg nach Asien. Gegen diese Deutung setzte sich jedoch im Lauf des Betrachtungszeitraums eine ste-

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tig wachsende Mehrheit durch, die den Kontinent selbst als Ziel ansah und Projekte konzipierte, die auch ohne eine Passage in den Pazifik Profite erwirtschaften konnten. Allerdings konnten auch die Anhänger dieser Sichtweise sich nicht davon freimachen meist einen zukünftigen Handel mit Asien, gewissermaßen als besonderen Mehrwert, in Aussicht zu stellen. Infolge waren vor Ort Ressourcen gebunden, um das Hinterland und speziell Flussläufe zu erkunden. Eine andere Form divergierender Vorstellungen von der Bedeutung Amerikas hegten die Herrscher Europas. Die Könige von Spanien und Portugal betrachteten das Land und die Küsten als ihr Eigentum und waren insbesondere in südlichen Regionen bereit, ihre Vorstellung mit Gewalt gegen die Idee der Engländer und Franzosen durchzusetzen, dass nur wirklicher Besitz eines europäischen Herrschers transatlantische Herrschaft begründen könne. Eine dritte und letzte Konfliktlinie bezüglich der Vorstellungen von Amerika zeigte sich in der Sichtweise auf die Natur der »Neuen Welt«. Sie erschien in den Quellen zwar länderübergreifend fast eindeutig positiv, doch erlebter Mangel und ausbleibende Profite drohten dieser Einschätzung zu widersprechen. Die Folge waren in der englischen Werbeliteratur Angriffe auf Kritiker und die Inszenierung zweier konträrer Amerikabilder  : ein angeblich erlogenes negatives Bild, dessen Verbreitung im radikalsten Fall als eine Sünde gegen Gott bezeichnet wurde, und ein angeblich wahres positives Idealbild. In den französischen Quellen inszenierten die Autoren stattdessen den Gegensatz zwischen der Vorstellung saisonaler Pelzhändler, dass Kolonien nur eine Belastung und keinen Mehrwert bedeuten würden, und ihrer eigenen, prokolonialen Vorstellung mit den erwarteten Vorzügen für das Ursprungsland. Auch in den Kolonien manifestierten sich Konflikte, die auf divergierenden Vorstellungen beruhten. Hierbei ging es um die Fragen, welche Regeln des Zusammenlebens gelten, inwiefern die Kolonie ein Spiegel der Gesellschaftsordnung des Ursprungslandes sei und – woraus besonders häufig Spannungen hervorgingen – was die Ziele der Kolonie sein sollten. Die insgesamt erkennbaren Deutungskonflikte bezüglich der einzelnen vier Räume verstärkten sich  – ebenso wie die oben beschriebenen Hemmnisse  – wechselseitig umso mehr, je weiter ein koloniales Projekt vorankam und je länger es bestand. Bemerkenswerterweise waren den Zeitgenossen die Symptome ihrer widersprüchlichen Vorstellungen von den vier Räumen zwar im Einzelfall bewusst, nicht aber als übergreifendes Phänomen. Dies zeigt sich daran, dass die Verfasser von Berichten jeweils kontextbezogen explizit über unliebsame Erwartungen und Vorstellungen klagten oder sogar Maßnahmen zur Homogenisierung der Vorstellungen der Beteiligten anregten, beispielsweise durch Exklusion bestimmter Akteure. Doch trotz des Bewusstseins für die Symptome, dagegen empfohlener Maßnahmen und einer breiten prokolonialen Propaganda gelang es bis zum Ende des Betrachtungszeitraums nicht, die Widersprüche zwischen den handlungsleitenden Vorstellungen gänzlich zu überwinden. Den zweiten Aspekt dieses Zwischenfazits stellen Beobachtungen zum Zusammenwirken der unterschiedlichen Deutungsformen dar. Für ihre Darlegung bietet

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sich ein Rückgriff auf die zu Beginn von Kapitel 4 vorgestellte captatio benevolentiae an. Sie war eine typische Form des Vortrages und der Argumentation, die explizit dafür vorgesehen war, das Wohlwollen und die Unterstützung der Zuhörer zu gewinnen  – sicherlich das Ziel, das die historischen Akteure am häufigsten verfolgten.629 Ihre typischen Bestandteile bieten außerdem eine Struktur an, um Einblicke quer zu den unterschiedlichen Kategorien zu eröffnen, anhand derer die zentralen Fragen von Identität, Alterität und der Möglichkeiten und Grenzen des Wissenserwerbs zusammenfassend behandelt werden können. Dementsprechend folgen hier zunächst Anmerkungen dazu, wie die unterschiedlichen Deutungsformen dazu beitrugen, den Lesern ein bestimmtes Bild von der Person des Autors und seiner Partner zu vermitteln (ab nostra persona). Daran schließen sich die Präsentation der Widersacher (ab adversariorum persona) an, die auf eine Alteritätskonstruktion zielte, und die Wendung an das Publikum (ab auditorum persona), die aufbauend auf der Alteritätsvorstellung eine Identitätskonstruktion darstellte. Den Abschluss bilden Anmerkungen dazu, welche Inhalte – seien es Ereignisse oder Informationen über die unterschiedlichen Räume – von den Autoren im Kontext der verschiedenen Deutungsformen ausgewählt und präsentiert wurden (ab re ipsa). Bezüglich der eigenen Person – oder des Personenkreises dem der Verfasser angehörte – waren zwei Botschaften von zentraler Bedeutung  : erstens, dass diese Personen keine Verantwortung für eventuell enttäuschende Ergebnisse des Projektes trugen, und zweitens, dass sie und ihre Partner eine wertvolle Leistung für das Wohl ihres Herrschers und Landes erbracht hatten, auf die in Zukunft aufgebaut werden sollte. Das erste Ziel fand sich primär in Schuldzuweisungen, bei denen die Verfasser Ursachen in allen vier untersuchten Räumen zusammenführten, wie fehlende Unterstützung in der Heimat, Probleme auf See, indigene oder europäische Widersacher in Amerika und  – wenn die Expedition so weit kam  – interne Konflikte. Offenbar gingen viele Verfasser hierbei von der Annahme aus, dass ihre Argumentation umso überzeugender war, je mehr Ursachen sie anführen konnten, die sich ihrer eigenen Handlungsmacht entzogen. So warb Ferdinando Gorges gegenüber Robert Cecil um Verständnis für die ausbleibenden Erträge der Popham-Kolonie  : »that ther is no enterprise (how well so ever intended) but hath his particular impedimentes meeting with many oppositions, and infinite Crosses as this small attempt.«630 Das zweite Ziel der Autoren war, ihre Ergebnisse in ein positives Licht zu rücken, und für weitere Expansionspolitik zu werben. Es konnte mit mehreren Deutungsformen erreicht werden. Besonders auffällig sind explizite Heroisierungen, da in ihnen Gefahr und Triumph in einem positiven Spannungsverhältnis standen. Hierzu gehörten sowohl die Selbstheroisierung des Verfassers wegen seiner in Übersee voll629 Sell 2006, S. 64–67. 630 Brief von Fernando Gorges an Robert Cecil, Lord Salisbury, aus Plymouth am 3. Dezember zitiert nach  : Quinn NAW IV, S. 438f.; vgl. Edition Thayer 1892, S. 134–136.

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brachten Taten als auch die Inszenierung eines Protagonisten durch Berichterstatter oder Herausgeber. Der zentrale Akteur konnte als Teil eines heroischen Kollektivs von Seeleuten oder Siedlern präsentiert – oder aber von Widersachern unter seinen Männern abgegrenzt werden. Meist jedoch stand er als herausragende Person einem eher diffusen Kollektiv vor, dessen Leistungen unter seinem Namen summiert wurden. Alle drei Argumentationsweisen trugen auf unterschiedliche Art dazu bei, dass die Heroisierung eines Individuums und seine Präsentation als ein Vorbild einen Beitrag zur Imagination einer kollektiven Identität leisteten. Die Heroisierung brachte allerdings tendenziell einen negativen Blick auf die jeweilige Umwelt – zu Land wie zu Wasser – mit sich und barg daher das Risiko, als Argument gegen eine weitere Expansion verstanden zu werden. Doch hier boten die Schuldzuweisungen einen wichtigen Ausweg. Sie befreiten den Protagonisten von der Verantwortung, ließen Probleme beherrschbar erscheinen und ermöglichten, negative Umwelteinflüsse auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. Der Schlüssel zur Überwindung der Hindernisse lag dabei wiederum in der Person des Protagonisten und seiner heroischen Eigenschaften – wobei große Gefahren letztlich eine Ressource für umso intensivere Heroisierung darstellten.631 Auch Autoren, die nicht persönlich an der Unternehmung beteiligt waren, konnten sich selbst auf zweierlei Weisen als Verteidiger einer guten und gerechten Sache inszenieren. Die erste Möglichkeit hierfür waren Angriffe gegen Kritiker und Zweifler, meist unter Verweis darauf, dass der Autor selbst als einziger über wahres Wissen verfüge und antrete, um Lügen aufzudecken. Die zweite Möglichkeit war es, sich selbst als Verbreiter und Vermittler wichtiger Wissensbestände zu inszenieren. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der ursprüngliche Erwerb dieses Wissens oft der Verdienst ihrer jeweiligen Protagonisten in Übersee war. In einer Zeit, in der ein Großteil des Wissens personengebunden blieb, brachten die Autoren somit ein deutliches Argument dafür vor, diese Männer erneut einzusetzen. Die Präsentation ihres Wissens im Diskurs, beispielsweise um den Ruhm der eigenen Nation zu erhöhen, konnte hingegen als genuine Leistung der Autoren oder Herausgeber selbst gelten. Schließlich wurde Transzendierung genutzt, um den Lesern zu zeigen, dass der Protagonist und eventuell auch seine Mitreisenden sich im Zustand göttlicher Gnade befanden – egal ob jene vorherbestimmt oder die Folge ihrer Taten war. Generell galten im Vertrauen auf Gott ertragene Leiden und Gefahren als vorbildliche Leistungen und bewiesen die moralischen Qualitäten der Protagonisten.632 Somit liefen in der Figur des Protagonisten (ab nostra persona) Transzendierung, Heroisierungen, Schuldzuweisungen und Wissenserwerb zusammen. Bereits die bloße Selbstdarstellung des Verfassers oder die Inszenierung seines Protagonisten konnte mit der Konstruktion von Identität und Alterität verknüpft sein, beispiels631 Burghartz 2005. 632 Scanlan 1999, S. 114–116  ; so auch Donegan 2014.

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weise wenn der Held als Vorbild inszeniert oder Schuldzuweisungen zu seiner Entlastung formuliert wurden. Die Konstruktion dieser beiden miteinander verwobenen Aspekte ging jedoch viel weiter und stand im Zentrum von Ausführungen über die Widersacher ab adversariorum persona und über das Publikum ab auditorum persona, die gleichermaßen darauf hinausliefen, argumentativ Vorstellungen von Kollektiven zu erschaffen. In diesem Kontext führte die Schuldzuweisung über die bloße Entlastung der eigenen Person oder eines Protagonisten hinaus. Sie bot – egal ob sie gegen Landsleute oder die Untertanen eines anderen Herrschers gerichtet war – Feinde und Feindbilder für die positiv präsentierte koloniale Unternehmung an. Hierin lag das Gegenstück zum Heros als Vorbild, da die Widersacher ebenso negative Eigenschaften verkörperten wie jener positive. Die Bedeutung solcher Antagonisten wurde durch die Neigung der Autoren erhöht, Probleme und Gefahren zu personalisieren und auf menschliche Handlungen oder Versäumnisse zurückzuführen. Selbst eine Transzendierung stand dem nicht entgegen, denn viele Verfasser beschrieben den Entzug göttlicher Gnade als Folge von Fehlverhalten oder moralischer Schwäche. Die Tendenz der Personalisierung von Widerständen und Gefahren erfüllte einen dreifachen Zweck  : Erstens verstärkte sie die Schuldzuweisung, wenn Gott selbst seine Ablehnung gegenüber bestimmten Personen oder Handlungen zum Ausdruck brachte  ; zweitens machte sie Gefahren beherrschbar und zeigte in Form von zu vermeidenden Verhaltensweisen einen Ausweg für zukünftige Projekte auf  ; drittens gab die Personalisierung im Umweg über Transzendierung den menschlichen Akteuren sogar Handlungsmacht gegenüber den Naturgewalten und verhinderte so, dass der Eindruck entstand, Gott stünde gegen das jeweilige Projekt oder die Expansionspolitik in Gänze. Die Schuldzuweisung an Widersacher unter den eigenen Landsleuten konnte im Ursprungsland, auf See und auch in der Kolonie selbst verortet sein. Überall waren die Schuldzuweisungen mit der klaren Botschaft verbunden, bestimmte Akteure müssten aufgrund fehlender Tugendhaftigkeit, mangelndem Arbeitseifer, Habgier oder ihrer Konfession exkludiert werden. Im Gegenzug zeichnete sich in den Quellen aber indirekt das Bild eines idealen, guten Untertanen und Kolonisten ab, das ein Identitätsangebot für das Publikum darstellte. Diese Vorstellung von einer kollektiven Identität wurde durch zwei komplementäre Abgrenzungen näher definiert, bei denen Verfasser auf die Unterschiede zwischen ihren Landsleuten und Akteuren hinwiesen, die außerhalb des eigenen Herrschaftsverbandes standen. Ziel dieser Abgrenzung bildeten entweder Kolonisten aus anderen Ländern und/oder Indigene. Beide Gruppen konnten als Widersacher der eigenen Projekte in Amerika benannt werden. Die Autoren schrieben beiden Gruppen dabei angeblich typische, negative Eigenschaften zu, was die Konstruktion einer Alterität im Vergleich mit ihrem Publikum bekräftigte. Bezüglich anderer Europäer zeigte sich deutlich die radikale Abgrenzung von einem negativen Stereotyp der spanischen Expansionspolitik. Dies ist als Resultat eines

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grenzübergreifend verflochtenen Diskurses zu sehen, in dem europäische und transatlantische Konfliktlinien zusammenliefen. Im Gegensatz dazu nahmen Engländer und Franzosen einander zwar als Konkurrenten wahr, schufen aber argumentativ keine vergleichbar eindeutigen Feindbilder. Die Konstruktion einer Alterität der Spanier in kolonialen Räumen geschah jedoch insgesamt nicht ohne damit verwobene Bezugnahme auf die Indigenen. Die Verfasser englischer wie auch französischer Quellen bestimmten somit ihre eigene Identität und die ihres Publikums durch eine doppelte Abgrenzung – oder Triangulation. Spanier und Indigene bildeten die zwei dabei genutzten Bezugspunkte, wobei beide Gruppen sowohl positiv wie auch negativ aufgeladen werden konnten. In Bezug auf Spanien ließ sich beispielsweise in England eine deutliche Veränderung vom Positiven zum Negativen erkennen, während in Frankreich bei den mehrheitlich hugenottischen Autoren ein konsequent negatives Bild vorherrschte. Auch bezüglich der Indigenen zeigten sich heterogene Sichtweisen. Ihre Bandbreite konnte von völliger Ablehnung bis zur Akzeptanz als untergeordnete Partner in einem zukünftigen kolonialen Gemeinwesen reichen. Gemeinsam war diesen Bildern die Definition einer Alterität, die auf fehlendem Christentum und einer als primitiv geschilderten Lebensweise basierte. Der Blick auf die Indigenen stand außerdem in Wechselwirkung mit dem Stellenwert, den die Autoren dem Wissenserwerb zuschrieben. Eine Ablehnung der Indigenen als wild und feindselig ging mit einer Entwertung ihres Wissens und ihrer Fertigkeiten einher. Eine Betonung der Wertigkeit und des Nutzens indigenen Wissens über Pflanzen, Metalle oder Flusswege war hingegen meist mit einem positiveren Blick auf diese Akteure verbunden. Die Bestimmung der eigenen Identität durch Abgrenzung von den Indigenen ließ sich durch Transzendierung zusätzlich verstärken. Erkrankungen der Indigenen oder Siege kleiner Gruppen von Europäern über eine Übermacht konnten auf Gottes Eingreifen zurückgeführt werden. Im Falle des Sieges bekräftigte dies außerdem die Heroisierung der eigenen Akteure. Somit zeigt sich auch hier, dass Transzendierung, Heroisierung und Schuldzuweisungen einander wechselseitig verstärkten. Als positives Gegenstück zu der Ausgrenzung von Akteuren aus der eigenen Nation aufgrund bestimmter, negativer Eigenschaften und zu der Abgrenzung von einem europäischen und kolonialen Anderen traten zuletzt Leitvorstellungen von einer eigenen, protonationalen kollektiven Identität hinzu. Die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft mit dieser positiv verstandenen Identität basierte nicht konsequent auf unveränderlichen Eigenschaften, wie Muttersprache oder Abstammung, sondern war veränderlich. Aufnahme und Ausschluss aufgrund bestimmter Eigenschaften und Handlungsweisen war möglich, wobei die exklusive Loyalitätsbeziehung gegenüber dem Souverän eine Schlüsselstellung einnahm. Die Eigenschaften, auf deren Grundlage ein Akteur zur imaginierten kolonialen Gemeinschaft gehörte, wurden in den Texten durch positive Leitbilder vermittelt. Hierbei konnten Heroisierungen oder Transzendierungen zur Proklamierung bestimmter angeblicher Tugenden der Mitglieder der eigenen Gemeinschaft verwendet werden.

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Von den genannten Bestandteilen einer captatio benevolentiae bleibt noch die Argumentation zur Sache  – ab re ipsa  – zu betrachten. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass in jeder Quelle Informationen über den jeweiligen Projektverlauf und die bereiste Umwelt enthalten sind, unabhängig davon, ob der Autor des Textes auf eine Heroisierung, Schuldzuweisung, Transzendierung oder eine Kombination dieser Deutungsformen abzielte. Daher stand die Vermittlung von spezifischen Wissensbeständen gewissermaßen im Hintergrund aller Deutungsformen. Allerdings beeinflussten die verwendeten Deutungsformen die Auswahl und Gewichtung der Wissensbestände, die Verfasser ihren Lesern vermittelten. In Bezug auf die Beschreibungen der vier untersuchten Räume ist daher von einem wechselseitigen Einfluss auszugehen. Es konnte sowohl sein, dass ein Verfasser die Schilderung der vier Räume je nachdem nuancierte, ob er auf eine Heroisierung, eine Schuldzuweisung oder das Eingreifen höherer Mächte hinauswollte  – es kam aber auch vor, dass die Informationen, die er über die Räume und dortige Ereignisse besaß, ihn zur Auswahl oder Hervorhebung bestimmter Deutungen veranlassten. Das Zusammenspiel von Deutungsformen und Wissensvermittlung äußerte sich wie folgt  : Heroisierungen beförderten die Vermittlung von Wissen über Gefahren, egal ob sie von der Landesnatur oder den Indigenen ausgingen  ; Transzendierung stand in Bezug zur Hervorhebung von moralischen Werten und Verhaltensregeln  – aber auch Verstößen gegen diese  ; Schuldzuweisungen waren für die Vermittlung von Wissen potentiell nachteilig – denn Vorwürfe führten tendenziell zu einer Abwertung der betroffenen Akteure und ihres Wissens – mochte es sich um Seeleute aus dem eigenen Land oder um amerikanische Indigene handeln  ; Wissenserwerb als Argument kehrte die letztere Tendenz schließlich um, da hier Informationen im Zentrum standen, die meist durch Interaktion mit den Indigenen gewonnen worden waren. Diese Beobachtungen führen zu der Frage, inwiefern die unterschiedlichen Deutungsformen sich mit der bereits bei Marc Lescarbot und anderen Zeitgenossen prominenten These von einem »Lernen-aus-Scheitern« verbinden lassen. Grundlegend waren Deutungsformen wie Heroisierungen oder Wissenserwerb nur schwer mit einer Analyse von Scheitern im engeren Sinn vereinbar. Sie zielten darauf, Scheitern als Zuschreibung im Diskurs zu schwächen und als Vorwurf zu widerlegen. Auch wenn man als Historiker die Perspektive erweitert und Diskurse über enttäuschende Teilergebnisse und überwundene Widrigkeiten als Quelle möglicher Lernerfahrungen in die Analyse einbezieht, finden sich noch immer vorwiegend Argumente gegen die Gültigkeit des Narrativs. Fokussiert man statt der engen Kategorie Scheitern stärker die vermittelten Inhalte, so zeigt sich, dass nicht nur die allgemeine Transformation der gemachten Erfahrungen durch Erwartungshaltungen und die Leitlinien des Diskurses Lerneffekten im modernen Sinne einer empirischen Erweiterung des Wissensstandes entgegenwirken konnten. Auch die Deutungsmuster Transzendierung, Heroisierung und Schuldzuweisung erschwerten einen neutralen, umfassenden Wissenserwerb. Sie alle führten aber

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zur Hervorhebung bestimmter Aspekte, deren genauere Beachtung oder Verbesserung nach Ansicht der historischen Verfasser einen Vorteil für künftige Projekte bedeutete. Somit boten sie zwar durchaus Lerneffekte – diese blieben aber eng begrenzt. Sie umfassten Forderungen nach höherer Moralität, mehr Disziplin, weniger Profitdenken, besserer Versorgung und in den meisten Fällen nach einem positiveren Umgang mit den Indigenen. Diese Aufzählung entspricht auch dem Fazit der von Marc Lescarbot erstellten, detailliertesten Analyse kolonialen Scheiterns. Die zeitgenössischen Schlussfolgerungen zeigen, dass ihre Verfasser bestimmte Einflüsse entweder nicht wahrnahmen oder bewusst nicht thematisierten. Diese Leerstelle im Diskurs wird besonders bei Problemen aufgrund des Klimas und der Landesnatur deutlich, die meist weit in den Hintergrund rückten, während der moralischen Argumentation insgesamt größere Bedeutung zukam. Der Gebrauch bestimmter Deutungsformen führte außerdem tendenziell zu simplifizierten, einseitigen Lösungsvorschlägen wie beispielsweise starken Anführern, mehr Gottvertrauen oder Ausschluss konfessioneller Minderheiten. Die pauschalen Angriffe auf jedwede Kritiker und die Versuche, den Diskurs durch Zensur zu kontrollieren, stellten schließlich gewissermaßen sogar Antithesen zu einem »Lernen-aus-Scheitern« dar. Allerdings konnten die genannten Lektionen für zukünftige Projekte sowie die Breite gemachter Erfahrungen und erworbenen Wissens durchaus zeitgenössisch explizit als Argument für koloniale Expansion und zukünftige Projekte genutzt werden. Wissen galt als Ressource, die den heroischen Status eines Helden begründen oder festigen konnte, als ein Vorteil im Wettbewerb unterschiedlicher kolonialer Mächte und als bedeutsam, um zukünftige Projekte zu verbessern. Dafür mussten Wissensbestände aber nicht im Detail präsentiert werden, sondern es reichte, das Vorhandensein von Wissen relativ pauschal zu postulieren. Somit unterlag ein »Lernen-aus-Scheitern« jenseits persönlicher Erfahrungen erheblichen Beschränkungen. Dazu passt, dass selbst die auf simple Lektionen heruntergebrochenen Ratschläge lange Zeit nicht angewendet wurden. Sie waren zwar seit den 1580er Jahren im Diskurs präsent, blieben aber weitgehend noch in Francis Bacons Essay Of Plantations von 1625 eine offene Forderung. Angesichts der erheblichen Transformation der in Übersee gemachten Erfahrungen im schriftlichen Diskurs sowie der Grenzen ihrer Vermittlung und Nutzung ist es für ein Gesamtbild umso wichtiger, auf die zweifellos immensen Erfahrungen und das praktische Anwendungswissen der reisenden Akteure zu verweisen. Deren Kenntnisse blieben jedoch oft unverschriftlicht und fanden nur in Auszügen Eingang in zeitgenössische Werke. Zwar wäre gerade dieses Wissen für die Verbesserung zukünftiger kolonialer Projekte von Bedeutung gewesen, doch derartige Wissensbestände waren im Diskurs von nachrangiger Bedeutung und ihre Träger sogar häufig das Ziel interner Schuldzuweisungen. Bezüglich der Argumentation zur Sache zeigt sich somit, dass sie trotz ihres Umfangs in vielen Fällen argumentativ deutlich den Ausführungen zur eigenen Person,

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zu den Widersachern oder der Identität des Publikums nachgeordnet war. In einer Gesamtbetrachtung der vier Argumentationsteile zeigt sich bezüglich des Zusammenwirkens der Deutungsformen, dass Transzendierung häufig in Kombination mit Schuldzuweisungen und/oder der Heroisierung auftrat. Dies geschah sowohl bei der Inszenierung der eigenen Person als auch bei der Ausgrenzung von Widersachern und ebenso bei der Konstruktion einer eigenen kollektiven Identität. Diese Deutungsformen konnten einander ergänzen und wechselseitig verstärken. Der explizite Gebrauch von Wissenserwerb als Argument für eine positive Deutung kolonialer Projekte und zur Werbung für weiteres Engagement war hingegen im Vergleich weniger stark mit den anderen verwoben. Wissenserwerb trat am ehesten in Verbindung mit einer Heroisierung der Autoren oder Führungspersonen hervor, wurde aber nur begrenzt für Identitäts- und noch seltener für Alteritätskonstruktionen verwendet. Von diesen Anmerkungen auszunehmen sind jedoch die Vermittlung neuer Kenntnisse und Erfahrungen im allgemeinen Sinne, jenseits eines expliziten Gebrauchs als Argument. Nach Anmerkungen zu den Raumvorstellungen und Deutungsformen bleibt zuletzt das Zusammenwirken aller Aspekte zu betrachten. Hierfür ist zunächst eine allgemeine Anmerkung zur Rezeption sowohl der Schilderung bestimmter Räume als auch der untersuchten Deutungsformen zu machen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Texte, in denen sie vorkamen, von den Zeitgenossen in zweierlei zeitlicher Perspektive gelesen werden konnten  : einerseits als abgeschlossene Ereignisberichte in einem Vergangenheitsbezug, der auf Fragen von Schuld und Rechtfertigung zielte, andererseits mit einer Perspektive auf zukünftige Projekte. Was in Bezug auf vergangene Ereignisse eine Schuldzuweisung, ein Eingeständnis von Rückschlägen oder ein Versuch zur Verteidigung war, konnte mit Blick auf die Zukunft als eine wertvolle Erfahrung oder Mahnung erscheinen. Somit dürfte die von den Autoren nur selten explizit angesprochene Möglichkeit bestanden haben, dass ihre Zeitgenossen die Quellen auf eine alternative Art rezipierten, durch die selbst offensichtlich negative Schilderungen für prokoloniale Werbung nutzbar wurden  – sofern die Texte sich nicht gegen die amerikanische Landesnatur oder Expansion in Gänze aussprachen. Die Existenz dieser zusätzlichen Lesart ist mangels Quellen zur zeitgenössischen Rezeptionsgeschichte kaum eindeutig zu belegen. Sie könnte aber erklären, warum Herausgeber wie Richard Hakluyt keinen Widerspruch darin sahen, kritische Berichte über Rückschläge in prokoloniale Sammelwerke aufzunehmen. Verschweigen oder Überarbeiten erschien ihnen eventuell nicht notwendig, wenn sie davon ausgingen, dass die Leser die Texte auch in einer konstruktiven, zukunftsgewandten Perspektive rezipieren konnten. Die folgenden, abschließenden Anmerkungen zur Kombination von Raumvorstellungen und Deutungen sind in die vier schon mehrfach thematisierten Räume unterteilt. Grund hierfür ist einerseits, dass es sich um zeitgenössische, trotz gewisser Ambivalenz relativ eindeutig zu differenzierende Kategorien handelt, und andererseits, dass diese Struktur die überschneidende oder widersprüchliche örtliche Bindung der

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Deutungsformen und Wechselwirkungen mit den Raumvorstellungen deutlich werden lässt. Das Ursprungsland war ein Raum, in dem viele Verfasser vorwiegend Schuldzuschreibungen verorteten. Diese bezogen sich primär auf eigene Landsleute, speziell die Kritiker der Expansion, deren Verhalten die Autoren ablehnten. Vorwürfe an die Kritiker im eigenen Land wurden daher zu Bausteinen einer Alteritätskonstruktion. Diese Konstruktion konnte durch eine antispanische Argumentation bekräftigt werden, in der europäische Konflikte mit den Gegensätzen in Übersee zusammengeführt wurden. Beide Bestandteile der Argumentation ließen sich mit einer transzendenten Bedeutung aufladen und somit verstärken. Im Falle der Kritiker geschah dies beispielsweise durch den Verweis auf die Erzählung vom gelobten Land Kanaan, im Falle der Konfrontation mit Spanien durch die Schilderung eines gottgewollten Kampfes zwischen Katholizismus und Protestantismus, der auch im eigenen Land ausgefochten werden musste. Den Alteritätskonstruktionen stand eine Identitätskonstruktion des eigenen Landes als kolonialer Macht komplementär zur Seite. Dabei wurden eine koloniale Vergangenheit und Zukunft imaginiert, die auch als göttliche Mission transzendent begründet werden konnte. Heroisierungen zielten hingegen nur selten auf das Ursprungsland als Schauplatz, da die Taten der Helden meist auf dem Ozean oder in der sogenannten Neuen Welt vollbracht wurden. Nur zwei heldenhafte Leistungen konnten im Ursprungsland selbst erbracht werden  : Widerspruch gegen antikoloniale Kritiker und die Verbreitung von Wissen über den Atlantik oder Amerika. Den Maßstab dafür, welche Taten heldenhaft, welches Verhalten tugendhaft und welche Wissensbestände wertvoll waren, lieferte aber der zeitgenössische europäische Diskurs. Das Meer war ein Raum, in dem zeitgenössische Verfasser in besonders hohem Maße übernatürliche und göttliche Kräfte verorteten. Hier musste die eigene Erwähltheit bewiesen, eine Prüfung Gottes bestanden oder Angriffen des Teufels getrotzt werden. Die Transzendierung ging häufig einher mit Identitäts- und Alteritätskonstruktionen, die durch eine Schuldzuweisung unter Verweis auf Gottes Strafe oder Gnade für bestimmte Akteure untermauert werden konnten. Der häufigen Einschätzung als Gefahrenraum entsprechend war der Atlantik auch ein Ort, an dem die Grundlage für zahlreiche Heroisierungen geschaffen wurde. Dies konnte sowohl auf der Basis eines Kampfes gegen die Elemente erfolgen  – und dann mit einer transzendenten Deutung kombiniert werden – als auch aufgrund von Kämpfen gegen andere Europäer. Letzteres ist bemerkenswert, weil in solchen Fällen auch die in den Projektkontexten öfter kritisierte Freibeutertätigkeit zur Basis für Heroisierungen werden konnte. Im Vergleich unterschiedlicher Autoren neigten englische Verfasser stärker als deutsche oder französische dazu, ihre Protagonisten für Taten auf See zu heroisieren, was auch die insgesamt meist kritisierten Seeleute einschließen konnte. Die mit der Kritik verbundene Differenzierung zwischen dieser Gruppe und den Kolonisten unterstützte zugleich die Vorstellung, die Siedler seien eine Einheit mit gemeinsamen Zielen und Interessen. Schuldzuweisungen gegenüber Akteuren aus anderen Ländern waren hin-

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gegen im Kontext kolonialer Projekte selten im Atlantik verortet, obwohl dort ihre Angriffe Projekte wesentlich behindern konnten. Dies ist bemerkenswert, da im zeitgenössischen Diskurs allgemein – speziell in England – derartige Vorwürfe durchaus üblich waren, wenn es um Konfrontationen im Kaperkrieg oder bei Handelsreisen ging, so im prominenten Fall des spanischen Angriffs auf John Hawkins’ Flotte bei San Juan de Ulúa. Der Wissenserwerb schließlich hatte in Bezug auf den Raum des Ozeans eine vergleichsweise nachgeordnete Bedeutung. Informationen über Strömungen oder den Küstenverlauf finden sich zwar in vielen Werken, doch nur in wenigen Fällen wurden Erfahrungen auf See in Texten über koloniale Projekte explizit als wertvolle Errungenschaft genannt. Dies war natürlich in Berichten über reine Seereisen oder Erkundungsmissionen anders. In den Fällen, in denen Wissenserwerb zur See in Texten mit kolonialem Bezug hervortrat, geschah dies überwiegend in Verbindung mit Heroisierungen oder mit der Konstruktion einer kollektiven Identität der eigenen Landsleute als einer Nation von Seefahrern. In der sogenannten Neuen Welt verorteten die Autoren schließlich eine besondere Form der Transzendierung, da hier Gott oder der Teufel angeblich weniger unmittelbar, beispielsweise durch Stürme, sondern mittelbar durch Indigene oder andere Europäer eingriffen, um Kolonisten zu unterstützen oder zu bestrafen. Allerdings konnte Transzendierung in Amerika durchaus auch direkt erfolgen, sofern es um die Erfolglosigkeit anderer Europäer ging. Solch ein Scheitern benannten die Verfasser der Quellen in der Regel nicht nur deutlich, sondern führten es häufig auf Gottes Willen zurück. Aufgrund dieser Argumentationsweise konnte auch ihr meist positives Amerikabild unangefochten bleiben. Heroisierung wiederum erfolgte auf dem amerikanischen Festland auf zweierlei Weisen  : zum einen durch den Kampf gegen harsche Umweltbedingungen und das Überstehen von Nahrungsmangel, wobei solche Schilderungen den Nachteil mit sich brachten, die Landesnatur in ein schlechtes Licht zu rücken  ; zum anderen durch die Konfrontation mit indigenen Widersachern. Angesichts der hohen Bedeutung, die guten Beziehungen zu den Indigenen allgemein zugeschrieben wurde, hatten solche Konfrontationen lange Zeit jedoch nur untergeordnete Bedeutung oder wurden zeitgenössisch sogar kritisiert. Eine Veränderung trat insofern auf, als französische Autoren dazu übergingen, Taten bei gemeinsamen Kriegszügen mit indigenen Verbündeten für Heroisierungen zu nutzen. In England ließ sich hingegen zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine Tendenz dazu erkennen, Siege über Indigene als heroische Taten zu akzeptieren. Konflikte mit Indigenen oder gegen andere Europäer bildeten auch einen wesentlichen Bestandteil der in Übersee verorteten Schuldzuweisungen, die eng mit der Konstruktion von Alterität einhergingen. Tatsächlich war Amerika der Raum, in dem die Autoren am deutlichsten ihre Antworten auf die Frage nach der eigenen Identität verorteten. Auch wenn die Ereignisse in Amerika mit denen in Europa hinsichtlich der Konstruktion antispanischer Stereotype ineinandergriffen, war nur bei der Beschreibung der sogenannten Neuen Welt eine doppelte Abgrenzung zwischen der eigenen Identität einerseits und »den Indige-

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Vom Scheitern sprechen oder schweigen

nen« und »den Spaniern« andererseits möglich. Die Verantwortung für den Ausbruch der Konflikte wurde in der Regel der Gegenseite zugeschoben, sofern nicht kolonieinterne Schuldzuweisungen dem entgegenstanden. Auf den verräterischen oder brutalen Charakter der Widersacher zu verweisen, machte einerseits weitere Erklärungen unnötig und verstärkte andererseits die Alteritätskonstruktion. Auch für den Gebrauch von Wissenserwerb als explizitem Argument war der Bezug auf die sogenannte Neue Welt von zentraler Bedeutung. Die Kolonie schließlich war ein Raum, in dem ähnlich wie im Ursprungsland Schuldzuweisungen an Landsleute eine zentrale Rolle spielten, die auch mit Transzendierungen bekräftigt werden konnten. Dazu gehörten Alteritätskonstruktionen aufgrund konfessioneller Kriterien ebenso wie aufgrund von Verstößen gegen etablierte Moralvorstellungen. Somit zeigt sich auch hier, dass die Berichte über transatlantische Ereignisse eng an die Diskurse im jeweiligen Ursprungsland gebunden waren. Ebenso wie die Transzendierung waren auch Heroisierungen, die innerhalb der Kolonie verortet wurden, eng mit Schuldzuweisungen verknüpft. Grundlage der Heroisierungen war der Beweis von Führungsstärke, die Protagonisten gegen Widersacher und bei der Sicherung der Disziplin zeigten – Leistungen, die argumentativ auf vorherigen Unruhen und internen Krisen aufbauten. Einen Sonderfall mit starkem Bezug zur Konstruktion von Alterität stellen Schuldzuweisungen an Grenzgänger dar, die weder eindeutig zur Kolonie noch zu den Indigenen gehörten. Akteure, die ihre europäische Identität aufgaben – sei es, um wie die Indigenen zu sein oder um zu einer früheren indigenen Identität zurückzukehren –, standen im Zentrum zahlreicher Vorwürfe, die verhindern sollten, dass ihre Verhaltensweise nachgeahmt wurde. Allerdings konnten enge Kontakte zu den Indigenen auch eine Grundlage für Heroisierungen bilden wie bei Champlain und John Smith. Voraussetzung hierfür war, dass die europäische Identität der Helden eindeutig bestehen blieb und sie so europäische Überlegenheit verkörperten. Wissenserwerb schließlich spielte in engerem Bezug auf den Raum Kolonie kaum eine Rolle. Der Grund hierfür lag darin, dass die Kolonie im Diskurs gerade dadurch definiert wurde, dass sie weniger fremdartig als ihre Umgebung war. Für viele Autoren war sie sogar ein Abbild oder Idealbild ihrer eigenen Heimat. Allerdings war sie der Ort, an dem Wissen über die amerikanische Umwelt gesammelt wurde, so dass die neue Siedlung durch den Wissenserwerb zumindest indirekt gerechtfertigt und als Erfolg gedeutet werden konnte. Die in diesem Kapitel zusammengeführten Beobachtungen bestätigen insgesamt, dass erhebliche Wechselwirkungen zwischen den Raumvorstellungen und den Deutungsformen bestanden. Sie konnten einander einseitig oder wechselseitig beeinflussen. Der Blick auf die vier untersuchten Räume zeigte diesbezüglich einerseits, dass bestimmte Räume und Deutungen besonders häufig und andere eher selten in Kombination miteinander auftraten, und andererseits, dass diese Kombinationen Auswirkungen auf die den Lesern vermittelten Informationen hatten. Dabei zeigte sich die

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Tendenz, dass Transzendierung, Heroisierung und Schuldzuweisungen häufiger miteinander zur gegenseitigen Verstärkung kombiniert wurden. Wissenserwerb war als explizites Argument zwar keineswegs bedeutungslos, erscheint im Vergleich aber dennoch als nachrangig. Infolge dieser Beobachtung wäre es interessant zu untersuchen, inwiefern sich dieses Verhältnis der Deutungsformen zueinander und ihre Wechselwirkung mit den Raumvorstellungen angesichts der zahlreichen gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Entwicklungen des 17. Jahrhunderts veränderten.

5. Gescheiterte Kolonien – Erträumte Imperien »There is no land unhabitable nor Sea innavigable.«1 Mit diesen optimistischen Worten warb der seereisende Kaufmann Robert Thorne bei Heinrich VIII. 1527 um Unterstützung für seine maritimen und kolonialen Projekte. Angesichts der Tatsache, dass von Thornes verheißungsvoller Botschaft bis zur Gründung der ersten dauerhaften englischen Kolonie 80 Jahre vergingen, ist es verständlich, dass diesem Zeitraum in der historischen Forschung meist nachrangige Beachtung zuteilwurde. Es ist naheliegend, darin eine Phase des Scheiterns und vergeblicher Versuche zu sehen, in der sich bezüglich der transatlantischen Herrschaftsverhältnisse wenig änderte und in der Seekrieg primär im europäischen Handlungszusammenhang wichtig war. Claudia Schnurmann führte diese Perspektive zu der Schlussfolgerung, es habe sich bei den englischen und französischen kolonialen Projekten nur um »kleinere[n] Sticheleien der neidischen, weniger erfolgreichen Konkurrenten« gehandelt, die den spanischen Herrschaftsanspruch »weitgehend ungeschmälert« belassen hätten.2 Trotz der großen Erfolge mancher Kaperfahrer auf See, trotz der Angriffe auf spanische Siedlungen in der Karibik und trotz der Vielzahl der aus England, Frankreich und sogar dem Alten Reich unternommenen kolonialen Projekte ist ihre Einschätzung berechtigt. Egal ob die historischen Akteure eine Festung, einen Handelsposten, eine Siedlung, eine Missionsstation oder sogar Städte mit einer indigen-europäischen Bevölkerung in Übersee erschaffen wollten – bis 1615 scheiterten außer Québec und Jamestown alle ihre Projekte. Vielfältig wie die Ziele waren auch die Umstände, unter denen die kolonialen Unternehmungen ihr Ende fanden. Manche Akteure hatten noch nicht einmal europäische Gewässer verlassen, bevor sie an Stürmen, Flauten, Angriffen anderer Schiffe oder der Gier der Besatzung nach Beute scheiterten. Falls einsame Außenposten an der Küste Nord- oder Südamerikas entstanden, blieb deren Existenz fragil, denn sie waren abhängig von Versorgungsschiffen aus Europa und dem Wohlwollen der indigenen Bevölkerung. Dennoch setzten die Investoren im Ursprungsland, aber auch die Männer und Frauen vor Ort ihre Hoffnungen auf Reichtum, gottgefällige Missionierung, Ruhm und manchmal auch ein neues Leben auf eine meist nur winzige Ansiedlung. Alle diese Erwartungen blieben jedoch unerfüllt. Angesichts dieser Tatsache, und davon ausgehend, dass das spanische Kolonialreich in seiner Gesamtheit unangefochten bestehen blieb, könnte die Wahl des Untertitels 1 Zitat von Robert Thorne in seinem »Book presented to Dr. Lee« 1527, das er mit einer Eingabe an Heinrich VIII. sandte, siehe Quinn NAW I, S. 181–189, hier S. 187  ; zeitgenössisch publiziert bei Hakluyt 1582 und auch in den Ausgaben von Hakluyt PN 1589 und 1598–1600. 2 Schnurmann 2003, S. 62.

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dieser Studie  – eine andere Geschichte der europäischen Expansion  – durchaus vermessen wirken. Es wäre allerdings zu einseitig, den Optimismus Robert Thornes nur im Kontrast zur harschen Realität zu sehen. Seine Aussage »There is no land unhabitable nor Sea innavigable« mag naiv erscheinen, sie war aber der Ausdruck einer Überzeugung, die nicht nur in England über Jahrzehnte hinweg trotz negativer Erfahrungen bewahrt und sogar bestärkt wurde. Der Glaube an einen möglichen Erfolg motivierte Herrscher, Projekten ihren Schutz zu verleihen, und Investoren, ihr Vermögen einzusetzen. Er brachte Menschen dazu, ihr Leben zu riskieren, und führte zu einer bisher ungeahnten Vernetzung beider Seiten des Atlantiks. Schon die Vielzahl und die Heterogenität der in dieser Untersuchung erstmals im Zusammenhang vorgestellten Projekte können als Hinweis darauf gelten, dass es sich bei ihnen um mehr als nur kurzlebige Etappen auf dem Weg zur ersten dauerhaften Kolonie handelt. Denselben Eindruck vermitteln auch die bloße Anzahl und thematische Breite der hier erstmalig zusammengeführten Quellen. Insbesondere die Zahl der zeitgenössischen Publikationen – seien es Einzelschriften oder Sammelwerke –, deren oftmals mehrfache Auflagen und schließlich die Debatten, die sich aus der Rezeption von Schriften im In- und Ausland ergaben, bestätigen die Bedeutung der Ereignisse. Auch wenn andere Themen wie die osmanische Expansion und die Reformation den Zeitgenossen in England, Frankreich und dem Alten Reich zweifellos bedeutender erschienen, so bleibt die Tatsache ungeschmälert, dass Vorstellungen und mental maps vom eigenen Land als kolonialer Macht, vom Ozean, von Amerika und von Kolonien jenseits des Meeres entstanden und die Diskurse des 17. und sogar 18. Jahrhunderts potentiell beeinflussten. Mehr noch als die bloße Zahl der Vorhaben, der jeweils betriebene Aufwand und die Folgen, die einige Projekte für die indigene Bevölkerung oder für den Diskurs über transatlantische Räume in ihrem Ursprungsland hatten, rechtfertigt jedoch die hier untersuchte Verflechtung der kolonialen Expansion den Untertitel der Arbeit. Durch den Fokus auf die Verknüpfung von Akteuren und Diskursen traten neue Zusammenhänge hervor. Sie konnten mit den bereits bekannten Informationen zu einem Gesamtbild kombiniert werden, das die Geschichte der transatlantischen europäischen Expansion nahezu von ihrem Beginn an als multilateral verflochtenes Phänomen zeigt. Verbindungen bestanden sowohl in Hafenstädten, an Bord von Schiffen oder in Kolonien, zwischen Kaufleuten und Investoren, Kolonisten, Kaperfahrern und insbesondere zwischen unterschiedlichen Autoren und ihren jeweiligen Werken. Diese Verflechtungen verknüpften nicht nur Akteure in den Ländern, die klassisch als Herausforderer der iberischen Mächte gelten, miteinander, sondern erstreckten sich zeitweise auch in die iberischen Kolonialreiche hinein. Zugleich war und blieb aber für die Zeitgenossen die Zugehörigkeit von Personen, Schiffen und ganzen Projekten zu bestimmten Herrschaftsverbänden eine wichtige Kategorie, um Fremdheit zu bestimmen oder um zu entscheiden, ob jemand Verbündeter oder Feind war. Wie die vorliegende Studie gezeigt hat, war diese Kategorie zwar

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ungebrochen bedeutsam – blieb aber nur eine von mehreren. Sie konnte im Diskurs und in der Praxis vor Ort an Bedeutung gewinnen und verlieren. Tendenziell erhöhte sich aber im Laufe des Betrachtungszeitraums ihre Relevanz, als sich vielfältige Versuche zuerst in Spanien, später in England und Frankreich ausmachen lassen, die koloniale Expansion zu monopolisieren. Diese Tendenz zur Betonung protonationaler Zugehörigkeiten ist jedoch nur angemessen zu verstehen, wenn sie mit der früheren und zeitgleichen Verflechtung kontrastiert wird. Als Robert Thorne 1527 seinen Brief an Heinrich VIII. schrieb, waren weite Teile des Atlantiks und der Küsten Amerikas den Europäern noch unbekannt  ; Neufundland, seine umliegenden Küsten und Brasilien waren jedoch bereits das Ziel zahlreicher Seefahrer aus verschiedenen Ländern. Anders als in Mesoamerika und dem westlichen Südamerika, wo die Konquistadoren indigene Großreiche brutal eroberten, ergaben sich in Brasilien und Nordamerika vielfältige Formen des Kontaktes, von denen die meisten auf Handel und Zusammenarbeit bei der Ressourcenausbeute hinausliefen. Selbst die französischen Konfessionskriege oder die Konfrontation Englands und Spaniens konnten diese vielgestaltige und wachsende Vernetzung beider Seiten des Atlantiks nicht beenden. Pelze in der Acadie und am St. Lorenz, Tabak in Guyana, Fisch bei Neufundland, spanische Schiffe in der Karibik und die Hoffnung auf Gold und Silber an vielen Orten Amerikas lockten Personen aus England, Frankreich und den Ländern des Alten Reiches an. Im dritten Kapitel der vorliegenden Studie wurde die Geschichte dieser Akteure aus einer im Hinblick auf die Gattungen, Sprachen und Kontexte überaus heterogenen Quellengrundlage und einer breit gefächerten historischen und literaturhistorischen Forschung heraus rekonstruiert und chronologisch dargelegt. Das Kapitel ging über die Ereignisrekonstruktion aber zugleich hinaus, denn stets spielten die Rezeption der Reisen und die darüber entstandenen Berichte eine wesentliche Rolle. Daher bündelte dieses Kapitel auch Informationen über die Autoren der Texte, über die Herausgeber, die sie (nach)druckten, übersetzten oder kombinierten, über die Illustratoren, die Bilder dazu anfertigten, und über die möglichen Rezipienten, seien es die Leser von Publikationen oder die Empfänger von Briefen und vertraulichen Berichten. Es ließ sich zeigen, wie Texte aufeinander aufbauten und wie Autoren auf reale und mutmaßliche Herausforderungen reagierten, wie Werke den Weg in andere Länder fanden und zuletzt wie Argumente nacherzählt oder umgedeutet und in unterschiedlichen Kontexten neu im Diskurs positioniert wurden. Durch die konsequente Verknüpfung dieser Aspekte ließen sich nicht nur die Kausalzusammenhänge zwischen unterschiedlichen kolonialen Projekten nachzeichnen, sondern auch die Entstehung der Quellen selbst. Somit konnte neues Licht auf das Fundament der bisherigen Forschung und die Ursprünge historiographischer Traditionen geworfen werden, die noch in der Gegenwart wirkmächtig sind. Selbstverständlich waren diese Ausführungen nur aufgrund verdienstvoller Vorarbeiten in der hier angebotenen Breite möglich. Da am Ende des Kapitels 3.3 ein Ausblick gegeben wird,

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der zugleich ein Zwischenfazit der vorher gemachten Beobachtungen bildet, soll hier nur ein zentraler Aspekt hervorgehoben werden. Die vorliegende Untersuchung knüpfte an die im Forschungsbericht skizzierte Tendenz an, die Indigenen als Akteure mit eigenen Interessen und eigener Handlungsmacht zu respektieren. Dies umfasste auch Überlegungen zu den Erfahrungen, welche die unterschiedlichen indigenen Gemeinschaften im Laufe des Untersuchungszeitraums mit europäischen Reisenden und Kolonisten machten, und zu den Konsequenzen, die sie daraus für ihre weiteren Handlungen zogen. Auch wenn das zentrale Problem einer fehlenden indigenen Perspektive in den durchweg europäischen und eurozentrischen Quellen nach wie vor besteht, konnte diese Untersuchung dafür doch auf einer etablierten Tradition der kritischen Quellenlektüre aufbauen. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Indigenen – auch wenn zeitgenössische europäische Autoren das nur selten offen eingestehen wollten – eine mehr als wichtige Rolle für den Ausgang kolonialer Projekte spielten. Ob eine Kolonie überhaupt etabliert werden konnte, ob sie einen oder mehrere Winter überdauerte und ob sie genug Profit abwarf oder zumindest glaubhafte Aussichten auf Gewinne und erfolgreiche Missionierung eröffnete – all das hing letztlich von ihnen ab. Im Vergleich waren die Kolonisten eine kleine, nicht überlebensfähige Minderheit. Allerdings sprachen die Indigenen den Europäern häufig beachtliche Fähigkeiten als Kämpfer zu und wünschten daher, gemeinsam mit ihnen gegen ihre indigenen Feinde Krieg zu führen. Als Gegenleistung dafür boten sie an, den Kolonien Nahrung oder Gold zu liefern. Dies zeigt, dass die indigene Bevölkerung die Europäer nach einiger Zeit in ihre bestehenden Weltordnungen inkludierte. Die Indigenen besaßen eigene Gestaltungsmöglichkeiten und waren sich dessen auch bewusst, wie das Werben um eine Ansiedlung von Europäern, der Versuch, Handelsbeziehungen zu monopolisieren, oder die gewaltsame oder durch Boykott erzwungene Aufgabe von Kolonien belegen. Allerdings ergab die relative militärische Stärke der Kolonisten in Verbindung mit ihrem Weltbild und dem in Amerika erlebten Mangel an Nahrungsmitteln eine mit zunehmender Dauer kolonialer Projekte meist verhängnisvolle Kombination. Die Europäer glaubten konsequent an ihre Überlegenheit, ihren Anspruch auf Hegemonie, ihr Anrecht auf die Ressourcen Amerikas sowie an ihren göttlichen Auftrag, die indigene Lebensweise durch Christianisierung zu verändern. Die Folge des Widerspruchs zwischen diesen Überzeugungen und der von Mangel und Gefahr geprägten Realität waren Entführungen, Plünderungen und Gewalttaten, die wiederum zukünftige interkulturelle Beziehungen belasteten. Am Ende des Betrachtungszeitraums waren zwar nur zwei kleine Kolonien in Nordamerika und einige Außenposten in Guyana entstanden, doch die Welt der Indigenen hatte sich weit in die beiden Kontinente Amerikas hinein verändert. Indigene Handelsnetze und wirtschaftliche Hierarchien waren transformiert sowie Machtverhältnisse durch neue Allianzen und Kriege verschoben worden. Migrationsbewegungen waren die Folge, die in manchen Regionen lange vor der Ankunft der Europäer

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weitere Veränderungen auslösten. Neue Tiere und Pflanzen kamen ins Land und neue Krankheiten forderten Opfer. Die indigene Lebens- und Arbeitsweise begann, sich an vielen Orten zu verändern, um europäischen oder indigenen Handelspartnern bestimmte Waren und Rohstoffe zu liefern. Um all diese Vorgänge auszulösen, bedurfte es keiner dauerhaften Kolonien, die Versuche zu ihrer Etablierung reichten dafür aus. Auch wenn in der vorliegenden Studie ein breites Panorama der transatlantischen Reisen und Kulturkontakte des 16. und frühen 17.  Jahrhunderts gezeichnet werden konnte, so handelte es sich dabei noch immer nur um einen kleinen Ausschnitt. Mangels Quellen werden der größte Teil der transatlantischen Seereisen und eine Vielzahl von Erstkontakten sowie auch langjährig gepflegte, saisonale Handelsbeziehungen unerschlossen bleiben müssen. Dennoch kann als Ergebnis dieser Studie festgehalten werden, dass der Atlantik bereits 1615 zu einem multilateralen Handlungsraum geworden war  – nicht deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt seit Kurzem dauerhafte Kolonien verschiedener Mächte bestanden hätten, sondern aufgrund einer mehr als 100-jährigen Geschichte transatlantischer Seefahrt und nicht zuletzt aufgrund englischer, französischer und deutscher Kolonialprojekte. Die enge Verknüpfung von Ereignissen und ihrer zeitgenössischen Rezeption in Kapitel 3 war jedoch kein Selbstzweck. Sie bildete die notwendige Basis des vierten Kapitels, in dem zum einen die Entstehung und Wirkung bestimmter Raumvorstellungen (mental maps) sowie zum anderen die Deutungsmuster untersucht wurden, in deren Rahmen die Ereignisse verarbeitet und erzählt wurden. Für diese Analyse konnte die vorliegende Studie auf eine breite, heterogene Forschung aus der Geschichtswissenschaft und Literaturwissenschaft aufbauen. Das vierte Kapitel erweiterte den Blick auf die Ereignisgeschichte um Querschnitte, die der Frage gewidmet waren, wie Akteure die kommunikative Situation nutzten, die sich aus der Differenz von Erwartung und Ergebnis ergab. Deswegen ist diese Studie nicht nur eine Arbeit über koloniales Scheitern, sondern zugleich eine Untersuchung darüber, wie die Zeitgenossen vom Scheitern sprachen oder darüber schwiegen. Auch weil sie dadurch die bisherige binäre Einordnung von Projekten als Erfolg oder Scheitern hinterfragt, kann sie als eine andere Geschichte der europäischen Expansion bezeichnet werden. Diese Perspektive einzunehmen, wurde dadurch erleichtert, dass im dritten Kapitel das Alte Reich und dort aktive Verleger sowie erschienene Bücher genannt und im Kontext verortet wurden. Zwar ist offensichtlich, dass das Alte Reich auf der Ebene der Ereignisgeschichte nicht gleichberechtigt als Vergleichsgegenstand neben England und Frankreich stehen kann  – doch ein solcher Vergleich war nie das Ziel. In einer auf Verflechtungen zielenden Untersuchung hingegen, die über das Verständnis der Ereignisse hinaus auch die zeitgenössischen Diskurse berücksichtigt, ist es naheliegend, Akteure aus dem Alten Reich und ihre Werke einzubeziehen. Durch persönliche Kontakte, Nachdrucke, Übersetzungen und die Erstellung illustrierter Sammelwerke war das Alte Reich mit England und Frankreich verbunden. Inhaltlich ließen sich

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dort Tendenzen der humanistischen Amerikarezeption ausmachen oder bestätigen, die auch in anderen Ländern die Rezeption der Ereignisse prägten. Bezieht man die Niederlande ein – was bis 1648 zumindest formal berechtigt ist –, zeigt sich, dass die Freibeuterei, die koloniale Praxis in Venezuela und Guyana sowie die Entstehung und Verbreitung von Kannibalismuserzählungen und antispanischen Stereotypen ohne Bezug auf das Alte Reich nur eingeschränkt erfasst werden können. Die Querschnitte zielten auf eine Gesamtschau der historiographisch oftmals getrennten englischen, französischen und deutschen Diskurse. Durch diese Verbindung zeigten sich Verknüpfungen, Ähnlichkeiten, Unterschiede, Rezeptionen von Texten und auch die wechselseitige Wahrnehmung und Interpretation der jeweils anderen kolonialen Praxis. Die Akteure thematisierten nicht nur Projekte aus ihrem eigenen Land, sondern wiesen den jeweils anderen Europäern eine Rolle in ihren Narrationen zu und schufen gemeinsam ein Gerüst von Deutungsformen und Vorstellungen vom Atlantik, der sogenannten Neuen Welt und den Kolonien, die dort entstehen sollten. Insofern war es Ausdruck einer eng ereignisgeschichtlichen Sichtweise, als in der Einleitung davon die Rede war, dass von kolonialen Projekten oftmals nur Mauerreste oder Schiffswracks übrigblieben. In einer breiteren Perspektive rücken als Ergebnis weniger die ohnehin problematische und zeitgenössisch umstrittene Kategorie Scheitern und ihre materiellen Zeugnisse ins Zentrum, sondern die aus der Rezeption der Reisen entstandenen Zukunftsvorstellungen und die Träume von Imperien, die nie verwirklicht wurden. Die Grundlage dieser Vorstellungen waren jedoch nicht nur neue Erfahrungen, sondern ebenso die Erwartungen und Vorannahmen der Europäer, die zum Teil bereits seit Jahrhunderten tradiert worden waren und nun auf die sogenannte Neue Welt übertragen wurden. Das bedeutete, dass Wissenserwerb im Betrachtungszeitraum den kolonialen Träumen und Wünschen der historischen Akteure sowie den Leitlinien des Diskurses in den Ursprungsländern untergeordnet war. Diese Prägung der Beobachtung und der Berichte durch den Diskurs, in den sie eingebunden waren, zeigte sich deutlich anhand der untersuchten Raumvorstellungen. Sie alle wiesen eine konfliktreiche Heterogenität auf, weil die Akteure  – aus unterschiedlichen Ländern ebenso wie aus dem Kontext eines einzelnen Projektes  – verschiedene Vorstellungen davon besaßen, wie die Räume beschaffen waren und was in ihnen auf welche Weise erreicht werden sollte. Konflikte im Ursprungsland, auf dem Atlantik, in Amerika und in der Kolonie ließen sich auf dieses grundlegende Problem zurückführen. Die spezifischen Vorstellungen vom Atlantik oder von bestimmten Regionen Amerikas waren jeweils Gegenstand eines grenzübergreifend geführten und teilweise verflochtenen Diskurses, der auf tradierten Wissensbeständen aufbaute und dann sowohl in verschiedenen Ländern als auch durch wechselseitige Rezeption und Beobachtung weitergeführt wurde. In diesem Diskurs waren auch die hier untersuchten Deutungsformen verortet. Sie zu analysieren, erwies sich als Schlüssel für die Beantwortung der Frage, inwiefern die Zeitgenossen überhaupt aus Scheitern lernen konnten. Tatsächlich sprachen die

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historischen Akteure selten direkt vom Scheitern und nutzten viele der untersuchten Deutungsformen, um solch eine negative Deutung ihrer Taten zu vermeiden – sei es durch Hervorheben des erworbenen Wissens oder der vollbrachten Leistungen. In den Quellen ist vom Scheitern vor allem dann die Rede, wenn andere scheiterten, wenn jemandem Schuld zugewiesen werden sollte und wenn die Verfasser der Texte aus den gewonnenen Erfahrungen ein Fundament für zukünftige Erfolge schaffen wollten. Solch eine Basis zukünftiger Erfolge konnte wie bei Richard Hakluyt aus positiven, ruhmreichen Trittsteinen auf dem Weg zu noch größeren Erfolgen bestehen oder aber wie bei Marc Lescarbot aus lehrreichen Erfahrungen des Scheiterns, an deren Ende erst ein Triumph folgen wird. Da Näheres hierzu in einem eigenen Zwischenfazit dargelegt ist (Kapitel 4.4), sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass die publizierten Lektionen und die in Schriftform verfügbaren Wissensbestände bis zum Ende des Betrachtungszeitraums eher allgemeiner Art blieben und nach wie vor stark von den tradierten Raumvorstellungen geprägt waren. Diese Beobachtung führt zu der Überlegung, dass die tatsächlich gemachten Erfahrungen und erworbenen Kenntnisse eher eine nachrangige Bedeutung für die Gründung der ersten dauerhaften Kolonien hatten. Wichtiger war die Entstehung einer zweifachen Vision. Sie bestand zum einen aus der Vorstellung vom eigenen Land als kolonialer Macht mit einer kolonialen Identität, Vergangenheit und Zukunft und zum anderen aus Plänen zur kolonialen Expansion in bestimmte Regionen Amerikas. Diese zweifache Vision entwickelte sich über mehrere Jahrzehnte hinweg. Sie wies Brüche und Varianten auf und speiste sich aus allen in dieser Studie untersuchten Raumvorstellungen und Deutungsformen. Sie beruhte auf der Exklusion ungeeigneter Kolonisten, Angriffen auf Kritiker, auf der Erschaffung von Helden oder Feindbildern und auf den widersprüchlichen Erwartungen dessen, was jenseits des Meeres geschehen sollte und was die Kolonien zu sein hatten. Solche erträumten Imperien erforderten kein Detailwissen oder erfolgreiche Vorgängerkolonien, aber sie waren essentiell, um die Herrscher, ihre Berater, Investoren und Siedler so lange für weitere Unternehmungen zu gewinnen, bis die ersten dauerhaften Kolonien entstanden waren. In gewisser Weise ist die vorliegende Untersuchung daher nicht nur eine Geschichte erfolgloser Projekte und ihrer Rezeption, sondern zugleich auch eine Geschichte der unerfüllten Visionen, die sie inspirierten. Hierzu gehören franko-indigene Reiche in Nordamerika, in denen christianisierte Indigene und Franzosen gemeinsam in großen Städten leben  ; ein englisches Fischerei- und Piratenimperium, das von Neufundland und Norumbega aus den Atlantik kontrolliert und zum Ausgangspunkt einer Kolonisierung Neuenglands wird  ; die französischen Azoren oder ein französisches Brasilien  ; ein Netz von englischen Handelsposten vom Orinoko bis zum Amazonas  ; konfessionelle Zufluchten für verfolgte Minderheiten – sei es ein katholisches Nordamerika oder ein calvinistisches Brasilien. Dies ist nur eine kleine Auswahl der Kolonien und kolonialen Reiche, die es nie gab, deren Gestalt und Struktur aber vieles über die Akteure verrät, die sie entwarfen oder sogar für ihre Verwirklichung eintraten.

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Dabei ist aus den vielen in dieser Arbeit vorgestellten Beobachtungen ein Aspekt noch einmal besonders hervorzuheben. Es ist auffällig, dass zwar die transatlantischen Erfahrungen, Praktiken und sogar die Diskurse grenzübergreifend verflochten waren  – die kolonialen Visionen und erträumten Imperien aber fast immer auf eine Exklusion und Monopolisierung zielten. Sie liefen in Bezug auf Europa auf eine doppelte Abgrenzung, einerseits von Spanien – was mit der Konstruktion starker Feindbilder verbunden war – und andererseits je nach Herkunft des Autors vom jeweils weitaus weniger diffamierten Rivalen England oder Frankreich hinaus. Somit war die Entwicklung einer kolonialen Identität untrennbar mit der Konstruktion von Alterität verwoben. In diesem Kontext nahmen auch die Indigenen eine wichtige Rolle ein, die in mehreren Kapiteln genauer untersucht wurde. Die Frage, was für eine Art Kolonien entstehen und was für eine Art Kolonialmacht das eigene Land sein sollte, war nicht zu beantworten, ohne den Indigenen eine bestimmte Rolle zuzuweisen. Wie angedeutet, konnten dabei Visionen entstehen, die auf eine Exklusion und Vertreibung der Indigenen hinausliefen, aber auch Pläne, die auf ein friedliches Zusammenleben setzten. Bei aller Vielfalt kam allerdings keinem Europäer in den Sinn, die indigenen Lebensweisen und Glaubenswelten einfach zu respektieren. Die Entstehung dieser von den Expeditionen nach Amerika inspirierten und dann wiederum weitere Projekte anregenden kolonialen Visionen zeigt, dass die Reise durch den Raum von Europa nach Amerika in doppelter Hinsicht auch eine Reise durch die Zeit war. Einerseits führte sie die Reisenden und die Leser ihrer Berichte in die Vergangenheit. Die Indigenen konnten als in einem friedlichen Urzustand lebend und/ oder auf einer früheren Stufe desselben Entwicklungsweges wie die Europäer verortet werden. Die zeitliche Nähe dieser Vorstellungen zur Entdeckung und Erfindung eigener antiker Vorfahren in England, Frankreich oder Deutschland ist dabei kein Zufall. Primitivität oder Wildheit der Indigenen waren in diesem Sinne keine unveränderlichen Kategorien, sondern ein vorläufiger Zustand. Andererseits führte die Möglichkeit, diesen Zustand zu verändern, gedanklich aus der Vergangenheit in die Zukunft. Der Vergleich der Indigenen mit den eigenen Vorfahren führte zu einer Gleichsetzung des eigenen Landes in der kolonialen Gegenwart mit dem römischen Imperium der Antike. Autoren verknüpften insofern  – oft implizit  – Christianisierung, Zivilisierung und die Aussicht für die Indigenen, zukünftig so zu leben wie die Engländer und Franzosen der Gegenwart, mit dem Blick in die Vergangenheit. Hinzu kommt, dass die Beobachtungen und geknüpften Kontakte zu Bausteinen für die Ausgestaltung kolonialer Visionen wurden. In ihnen konnte ausgemalt werden, was in Amerika mit Hilfe der Indigenen erreicht und erschaffen werden könnte. Hierfür war nicht relevant, ob die Informationen in einem modernen empirischen Sinne wahr oder überprüfbar waren. Es genügte, wenn sie im Diskurs als glaubwürdig erschienen, und damit halfen, die jeweilige Vision zu stützen. Somit waren lange vor den ersten dauerhaften englischen und französischen Kolonien bereits Vorstellungen von kolonialen Räumen, Identitäten, Alteritäten und Zu-

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kunftsvisionen entstanden. Mit ihnen verfügten Akteure über ein Arsenal von Argumenten, Deutungen, historischen Traditionen und Narrativen, das ein wichtiges und wachsendes Fundament für zukünftige Projekte bildete. Darin zeigten sich klare Unterschiede zwischen den Diskursen in England und Frankreich, die deren divergierende koloniale Politik in folgenden Jahrhunderten vorwegzunehmen scheinen. Ein Beispiel hierfür ist, dass in England bereits lange vor dem Jamestown Massacre genannten indigenen Angriff von 1622 eine Deutung von Amerika als kolonialem Raum mit starken, auf Exklusion zielenden Alteritätskonstruktionen etabliert war, die genutzt werden konnten, um Vertreibung, Landnahme und Gewalt zu rechtfertigen. Allerdings sollten infolge solcher Beobachtungen spätere Entwicklungen wie die Ausprägung eines englischen Siedlerimperialismus oder ein anglo-französischer kolonialer Gegensatz keineswegs einfach zurückdatiert werden. Es geht vielmehr darum, dass sich in den Quellen mögliche Ursprünge und Vorläufer erkennen lassen, die von nachfolgenden Generationen je nach Kontext genutzt, umgeformt oder auch ignoriert werden konnten. Doch die hier untersuchten Vorstellungen und Deutungsformen waren noch über die damalige und nachfolgende koloniale Politik hinaus wirkmächtig, denn sie prägten langfristig die Geschichtsschreibung. Immer wieder ließen sich in dieser Untersuchung durch die Analyse von Primärquellen die Fundamente von historiographischen Traditionen freilegen, die bis in die Gegenwart Bestand haben. Die Heldengeschichten, die Champlain und John Smith über sich selbst verfassten  ; die Vorwürfe eines Laudonnière gegen seine rebellischen Kolonisten, eines Jean de Léry gegen seinen tyrannischen Befehlshaber oder eines John White gegen die gierigen Seeleute  ; aber auch Lescarbots Vorstellung von einem erfolgsgarantierenden »Lernen-aus-Scheitern« und Hakluyts Loblied auf die Leistungen der Engländer als Seefahrer, sie alle sind feste Bestandteile von Überblickswerken und Detailstudien. Es ging in diesem Buch jedoch nie darum, diese Traditionen als falsch zu entlarven. Ziel war vielmehr, ihre Entstehung nachzuvollziehen und Gründe dafür aufzuzeigen, warum sie sich gegenüber alternativen Narrativen und Deutungen durchsetzten und vermutlich auch in Zukunft die Geschichtsschreibung beeinflussen werden. Dabei ist es bedauerlich, dass oft ein negatives Zerrbild von den Seeleuten und den einfachen Kolonisten vorherrscht. Waren es doch genau diese Akteure, die unter erheblichem persönlichen Einsatz und mit geringem persönlichen Profit die Vernetzung des Atlantiks und seiner Küsten vorantrieben und damit erst die Grundlage für die großen imperialen Visionen schufen, die ihre Anführer oder Propagandisten in der zukünftigen Metropole formulierten. Abschließend sei noch ein letztes Mal auf Robert Thorne und seinen Brief an Heinrich  VIII. verwiesen. Seine Worte »There is no land unhabitable nor Sea innavigable« können auch als Ausdruck eines über Jahrzehnte ungebrochenen Glaubens daran verstanden werden, dass Visionen in die Tat umgesetzt und scheinbar unmögliche Ziele erreicht werden können. Trotz der immensen Rückschläge, Niederlagen und mensch-

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lichen sowie finanziellen Verluste vertraten über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg Akteure diese oder eine ähnliche Sichtweise. Sie griffen Kritiker und Zweifler an und warben immer wieder um Unterstützung für die Umsetzung ihrer Pläne. Wie der Blick auf die erträumten Imperien gezeigt hat, prägte die Überzeugung, dass Kolonien entstehen könnten und müssten, nicht nur das in England, Frankreich und dem Alten Reich zirkulierende Wissen über die sogenannte Neue Welt, sondern schuf über Jahrhunderte hinweg wirkmächtige Narrative, die in Berichten über fremde Landschaften und Kulturen zutage traten. Thornes Aussage kann letztlich auch als ein Hinweis darauf gesehen werden, dass die ersten dauerhaften kolonialen Projekte der Engländer und Franzosen in erheblichem Maße deswegen entstanden, weil sich zumindest einige der historischen Akteure durch eine Eigenschaft auszeichneten, die man gleichermaßen als bewundernswertes Durchhaltevermögen oder auch als lebensgefährliche Unbelehrbarkeit beschreiben könnte.

6. Quellen- und Literaturverzeichnis 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2

Quellen Archivalien und Regesten Druckschriften Quelleneditionen Sekundärliteratur

S. 523 S. 523 S. 524 S. 540 S. 546

6.1 Quellen 6.1.1 Archivalien und Regesten

National Archives Kew  : Public Records Office  : Statepapers Colonial Series CO 1/1. Acts of the Privy Council of England, Vol.  1–35, hg. von John Roche Dasent u.a., London 1890–1927. Acts of the Privy Council of England Colonial Series, Vol. 1, hg. von Almeric Fitzroy, James Munro und W. L. Grant, London 1908. A collection of state Papers, Relating to Affairs in the Reigns of King Henry VIII, King Edward VI, Queen Mary and Queen Elizabeth, Vol. 1 (1542–1570), hg. von Samuel Haynes, London 1740. Calendar of State Papers Colonial Series, America and West Indies preserved in the state paper department of Her Majesty’s public record office, Vol. 1 (1574–1660), hg. von W. Noel Sainsbury, London 1860. Calendar of State Papers Domestic Series, Edward VI, Mary and Elizabeth (1547–1580), hg. von Robert Lemon, London 1856. Calendar of State Papers Domestic Series, Elizabeth (1581–1590), hg. von Robert Lemon, London 1865. Calendar of State Papers Domestic Series, James I (1603–1610), hg. von Mary Anne Everett Green, London 1857. Calendar of State Papers Domestic Series, James I (1611–1618), hg. von Mary Anne Everett Green, London 1858. Calendar of State Papers Foreign Series, Elizabeth, Vol. 7 (1564–1565), hg. von Joseph Stevenson, London 1870. Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury, Preserved at Hatfield House, Hertfordshire, hg. von »Her Majesty’s Stationery Office«, Vol. 1 (1306–1571), London 1883. Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury, Preserved at Hatfield House, Hertfordshire, hg. von »Her Majesty’s Stationery Office«, Vol. 2 (1572–1582), London 1888. Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury, Preserved at Hatfield House, Hertfordshire, hg. von »Her Majesty’s Stationery Office«, Vol. 3 (1583–1589), London 1889.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury, Preserved at Hatfield House, Hertfordshire, hg. von »Her Majesty’s Stationery Office«, Vol. 4 (1590–1594), London 1892. Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury, Preserved at Hatfield House, Hertfordshire, hg. von »Her Majesty’s Stationery Office«, Vol. 5 (1591–1595), London 1894. Calendar of the Manuscripts of the Most Hon. the Marquis of Salisbury, Preserved at Hatfield House, Hertfordshire, hg. von »Her Majesty’s Stationery Office«, Vol. 6 (1596), London 1895. Calendar of the Cecil Papers in Hatfield House, Vol. 18 (1606), hg. von M. S. Giuseppi, London 1940. Calendar of the Cecil Papers in Hatfield House, Vol. 19 (1607), hg. von M. S. Giuseppi, London 1940. Inventaires des Arrêts du Conseil d’État, Regne Henri IV, hg. von Noel Valois, Paris 1896. Inventaire des Arrêts du Conseil Privé, Règnes de Henri  III et de Henri  IV. Vol.  1, hg. von François Dumont, Paris 1969. Letters and Papers, Foreign and Domestic, Henry  VIII, Vol.  16 (1540–1541), hg. von James Gairdner und R. H. Brodie, London, 1898. Proceedings and debates of the British parliaments respecting North America (1582–1688), hg. von Leo Stock, Washington 1924. Andrews/Davenport 1908 Andrews, Charles M.; Davenport, Frances Gardiner  : Guide to the Manuscript Materials for the History of the United States to 1783 in the British Museum, in Minor London Archives and in the libraries of Oxford and Cambridge, Washington, D.C. 1908. Alden 1980 Alden, John Eliott und Landis, Denis  : European Americana  : a chronological guide to works printed in Europe relating to the Americas, 1493–1776, 6 Vol. New York 1980–1982. Hier Bd. 1 (1493–1600) und Bd. 2 (1601–1650). Harisse 1861 Harrisse, Henry  : Bibliotheca Americana Vetustissima. A description of works relating to America published between the years 1492 and 1551, New York 1861. Harrisse 1872 Harrisse, Henry  : Notes pour servir à l’histoire, a la Bibliographie et à la cartographie de la Nouvelle-France et des Pays Adjacents 1545–1700, Paris 1872. Sanz 1960 Sanz, Carlos  : Bibliotheka Americana Vetustissima. Ultimas Adiciones, Madrid 1960. 6.1.2 Druckschriften

Anonymus 1503 Anonymus  : Dise figur anzaigt uns das volck und insel die gefunden ist durch den cristenlichen künig zu Portigal oder von seinen underthonen […], o.O. o.D. [ca. 1503] [verfügbar in der Einblattsammlung der Bayerischen Staatsbibliothek]. Anonymus 1551

Quellen

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Anonymus  : Cest la deduction du sumptueux ordre plaisantz spectacles et magnifiques theatres dresses, et exhibes par les citoiens de Rouen ville metropolitaine du pays de Normandie, a la Sacree Majesté du Treschristian Roy de France, Henry Second leur souverain seigneur, et à tresillustre dame, ma Dame Katharine de Medicis, la Royne son espouze, lors de leur triumphant joyeulx & nouvel advenement en icelle ville, qui fut es jours de mercredy & jeudy premier & second jours d’octobre, mil cinq cens cinquante, et pour plus expresse intelligence de ce tant excellent triumphe, les figures & pourtraictz des principaulx aornementz d’iceluy y sont apposez chascun en son lieu comme l’on pourra veoir par le discours de l’histoire, Rouen 1551. Anonymus 1551 Anonymus  : Les pourtres et figures du sumptueux ordre, plaisantz spectacles et magnifiques theatres dresses et exhibes par les citoiens de Rouen a l’entrée de Henry second, Rouen 1551. Anonymus 1561 Anonymus  : La response aux lettres de Nicolas Durant, dict le chevallier de Villegaignon addressées à la Reyne mere du Roy. Ensemble la Confutation d’une heresie mise en auant par ledict Vilegaignon, contre la souueraine puissance & authorité des Rois, o.O. 1561. Anonymus 1565 Anonymus  : Requeste au Roy, faite en forme de complainctes par les femmes vefves & enfans orphelins, parens & amis de ses subiects, qui ont esté cruellement massacrez par les espagnols en la france antarctique, nomee la Floride [erschien als Anhang zu Le Challeux 1566 o.O.]. Anonymus 1568 Anonymus  : Histoire Memorable de la reprinse de l’Isle de la Floride faicte par les François sous la conduite du Captain Gourges, o.O. 1568 [wird in Katalogen üblicherweise Dominique de Gorgues zugeschrieben]. Anonymus 1579 Anonymus  : Merckliche Beschreibung sampt eygenlicher Abbildung eyes frembden unbekannten Volcks eyner neu-erfundenen Landschaft oder Insul neulicher Zeit vom Herrn Martin Frobisher erkündigt, Strassburg 1579. Anonymus 1596 Anonymus  : Harangue d’un cacique Indien, envoyee aux François pour se garder de la tyrannie de l’Espaignol, Traduite par P.A., Paris 1596. Anonymus 1598 Anonymus  : Edict contenant le pouvoir donné au marquis de Cottenmael et de la Roche pour la conqueste des terres Canada, Labrador, Isle de Sable, Noremberg et pays adjacens, Rouen 1598. [in mehreren Bibliothekskatalogen Samuel de Champlain zugeschrieben]. Anonymus/ Virginia 1612 Council of Virgina [Willam Strachey]  : For the colony in Virginea Britannia. Lavves diuine, morall and martiall, &c., London 1612 [verfügbar auf EEBO]. Anonymus 1615 Anonymus  : Histoire Veritable de ce qui c’est passé de nouveau entre les François & Portugais en l’Isle de Maragnan au pays de Toupinambous, Paris 1615. Anonymus 1618 Anonymus  : R. M.: Nevves of Sr. VValter Rauleigh With the true description of Guiana  : as also a relation of the excellent gouernment, and much hope of the prosperity of the voyage. Sent

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Quellen- und Literaturverzeichnis

from a gentleman of his fleet, to a most especiall friend of his in London. From the riuer of Caliana, on the coast of Guiana, Nouemb. 17. 1617, London 1618. Arnauld 1590 Arnauld, Antoine  : Anti-Espagnol, autrement Les Philippiques d’un Demostenes françois touchant les menees & ruses de Philippe Roy d’Espagne, Paris 1590. Arnauld 1590a Arnauld, Antoine  : The coppie of the Anti-Spaniard made at Paris by a French man, a Catholique. Wherein is directly proued how the Spanish King is the onely cause of all the troubles in France. Translated out of French into English, London 1590 [verfügbar auf EEBO]. Arnauld 1590b Arnauld, Antoine  : Antihispanvs. Anti-espagnol das ist Widerlegung Spanischer unart, Angemaßter der Kron Franckreich vnzeitigen beherschung. Darinnen der Parisischen Gott anfeindenden Ligisten, vnnd zustimmenden Jesuwidern vntrew, Rebellion vnd wütender auffstand, sampt den Spannischen Trugverschlagenen Practicken entdeckt werden. Auß dem Frantzösischen Antiespagnol verdolmetschet, Leiden 1590. Arsène 1613 Arsène de Paris  : Dernière lettre du R.P. Arsène de Paris estant de présent en l’Inde occidentale, en la coste du Brésil, en une isle appelée Maragnan, qu’il envoye au R.P. provincial des capucins de la province de Paris (27 aoust 1612), Paris 1613. Bacon 1618 Bacon, Francis  : A declaration of the demeanor and cariage of Sir Walter Raleigh, Knight, aswell in his voyage, as in, and sithence his returne and of the true motiues and inducements which occasioned His Maiestie to proceed in doing iustice vpon him, as hath bene done. London  : Printed by Bonham Norton and Iohn Bill, printers to the Kings most excellent Maiestie, M.DC.XVIII, London 1618 [verfügbar auf EEBO]. Bacon 1625 Bacon, Francis  : The essayes or counsels, ciuill and morall, of Francis Lo. Verulam, Viscount St. Alban, London 1625 [verfügbar auf EEBO. Zahlreiche Ausgaben mit variierenden Essays liegen vor]. Barré 1557 Barré, Nicolas  : Coppie de quelques lettres sur la navigation du Chevalier de Villegaignon es terres de l’Amerique oultre l’equinoctial, Paris 1557. Belleforest 1575 Belleforest, François  : La Cosmographie universelle de tout le monde en laquelle, suivant les auteurs plus dignes de foy, sont au vray descriptes toutes les parties habitables & non habitables de la terre et de la mer, leurs assiettes & choses qu’elles produisent  : puis la description & peincture topographique des régions, la différence de l’air de chacun pays d’où advient la diversité tant de la complexion des hommes que des figures des bestes brutes. Et encor l’origine, noms ou appellations tant modernes qu’anciennes & description de plusieurs villes, citez & isles avec leurs plantz & pourtraictz & sur tout de la France, non encor iusques à present veus ny imprimez. […], Paris 1575 [verfügbar auf Gallica]. Best 1578 Best, George  : A true discourse of the late voyages of discouerie, for the finding of a passage to Cathaya, by the Northvveast, vnder the conduct of Martin Frobisher Generall deuided

Quellen

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into three bookes. In the first wherof is shewed, his first voyage […] Also, there are annexed certayne reasons, to proue all partes of the worlde habitable, with a generall mappe adioyned. In the second, is set out his second voyage […] In the thirde, is declared the strange fortunes which hapned in the third voyage […], At London  : Imprinted by Henry Bynnyman, seruant to the right Honourable Sir Christopher Hatton Vizchamberlaine, Anno Domini 1578 [verfügbar auf EEBO]. Biard 1616 Biard, Pierre  : Relation de la Novvelle France de ses terres, naturel du Pais & ses Habitants, item, du voyage des Peres Iesuites ausdictes contrées, Lyon 1616. Bigges 1589 Bigges, Walter  : A summarie and true discourse of Sir Frances Drakes VVest Indian voyage VVherein were taken, the townes of Saint Iago, Sancto Domingo, Cartagena & Saint Augustine. With geographicall mappes exactly describing each of the townes with their scituations, and the manner of the armies approching to the winning of them  : diligently made by Baptista Boazio, London 1589 [verfügbar auf EEBO]. Brereton 1602 Brereton, John  : A Briefe and true relation of the Discoverie of the North Part of Virginia  ; being a most pleasant, fruitfull and commodious soile  ; Made the present yeere 1602, by Captain Bartholomew Gosnold, Captaine Batholomew Gilbert, and divers other gentlemen their associats, by the permission of the honourable knight, Sir Walter Ralegh. Written by m. Iohn Brereton one of the voyage. Whereunto is annexed a Treatise, conteining important inducements for the planting of those parts and finding a passage that way to the South Sea and China, written by M. Edward Hayes a gentleman long since imploied in the like action, London 1602 [verfügbar auf EEBO/vergleiche Ndr. New York 1903]. Carleill 1583 Carleill, Christopher  : A breef and sommarie discourse vpon the entended voyage to the hethermoste partes of America  : Written by Captaine Carleill in Aprill 1583. for the better inducement to satisfie suche marchauntes of the Moscouian Companie and others, as in disburcyng their money towardes the furniture of the present charge  : doe demaunde forthwith a present returne of gaine  : albeit their saied perticuler disburcements are required but in verie slender sommes  : The highest beeyng twentie and fiue pounde. The second at twelve pound ten shillynges. And y lowest at sixe pound fiue shillinges, o.O. [London] 1583 [verfügbar auf EEBO]. Cartier 1580 Cartier, Jacques  : A shorte and briefe narration of the two nauigations and discoueries to the northweast partes called Newe Fraunce  : first translated out of French into Italian, by that famous learned man Gio  : Bapt  : Ramutius, and now turned into English by Iohn Florio  ; worthy the reading of all venturers, trauellers, and discouerers, London 1580 [verfügbar auf EEBO]. Cartier 1598 Cartier, Jacques  : Discours du voyage fait par le capitaine Jaques Cartier aux Terres-neufves de Canadas, Norembergue, Hochelage, Labrador, & pays adjacens, dite Nouvelle France, avec particulières moeurs, langage, & cérémonie des habitans d’icelle, Rouen 1598. Champlain 1603 Champlain, Samuel de  : Des sauvages, ou Voyage de Samuel Champlain, de Brouage, fait en la

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France nouvelle l’an mil six cens trois […]  : contenant les moeurs, façons de vivre, mariages, guerres, & habitations des sauvages de Canadas, Paris 1603 [verfügbar auf Gallica]. Champlain 1613 Champlain, Samuel de  : Les voyages dv Sievr de Champlain Xaintongeois, capitaine ordinaire pour le Roy, en la marine. Divisez en devx livres ou, Iovrnal tres-fidele des observations faites és descouuertures de la Nouuelle France  ; tant en la dexcriptiõ des terres, costes, riuieres, ports, haures, leurs hauteurs, & plusieurs declinaisons de la guide-aymant  ; qu’en la creace des peuples, leur superstition façon de viure & de guerroyer  : enrichi de quantité de figures, Paris 1613. Chauveton 1579 Chauveton, Urbain  : Histoire nouvelle du Nouveau Monde, contenant en somme ce que les Hespagnols ont fait jusqu’à présent aux Indes occidentales, et le rude traitement qu’ils font à ces povres peuples-là. Extraite de l’italien de M. Hierosme Benzoni Milanois, qui ha voyagé xiiii. ans en ces pays-là  : et enrichie de plusieurs discours et choses dignes de memoire. Par M. Urbain Chauveton. Ensemble, une petite histoire d’un massacre commis par les Hespagnols sur quelques François en la Floride. Avec un indice des choses les plus remarquables, Genf 1579. Chauveton 1579a Chauveton, Urbain  : Brief Discours et Histoire d’vn voyage de quelques Français en la Floride. & du massacre autant iniustement que barbarement executé sur eux, par les Hespagnols, l’an mil cinq cens soixante cinq  ; par ci devant rédigé au vray par ceux qui s’en retirerent & maintenant reveue & augm. de nouveau par Urbain Chauveton 1579. [Separater Druck ist nicht nachgewiesen, überliefert als Anhang zu Chauveton 1579]. Churchyard 1578 Thomas Churchyard  : A discourse of the Queenes Maiesties entertainement in Suffolk and Norffolk with a description of many things then presently seene. Deuised by Thomas Churchyarde, Gent. with diuers shewes of his own inuention sette out at Norwich  : and some rehearsal of hir Highnesse retourne from progresse. Wherevnto is adioyned a commendation of Sir Humfrey Gilberts ventrous iourney. At London  : Imprinted by Henrie Bynneman, seruante to the right Honourable Sir Christofer Hatton Vizchamberlayne, London 1578 [verfügbar auf EEBO]. Council for New England 1622 Council for New England [Fernando Gorges]  : A briefe relation of the discouery and plantation of Nevv England and of sundry accidents therein occurring, from the yeere of our Lord M.DC.VII. to this present M.DC.XXII. Together with the state thereof as now it standeth  ; the generall forme of gouernment intended  ; and the diuision of the whole territorie into counties, baronries, &c., London 1622 [verfügbar auf EEBO]. Counseil for Virginia 1610 Counseil for Virginia  : A true declaration of the estate of the colonie in Virginia with a confutation of such scandalous reports as haue tended to the disgrace of so worthy an enterprise. Published by aduise and direction of the Councell of Virginia, London 1610 [verfügbar auf EEBO]. Counseil for Virginia 1610a Counseil for Virginia  : A true and sincere declaration of the purpose and ends of the plantation begun in Virginia of the degrees which it hath receiued  ; and meanes by which it hath beene aduanced  : and the resolution and conclusion of his Maiesties councel of that colony, for

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the constant and patient prosecution thereof, vntill by the mercies of God it shall retribute a fruitful haruest to the kingdome of heauen, and this common-wealth. Sett forth by the authority of the gouernors and councellors established for that plantation, London 1610 [verfügbar auf EEBO]. Crashaw 1610 Crashaw, William  : A sermon preached in London before the right honorable the Lord Lavvarre, Lord Gouernour and Captaine Generall of Virginea, and others of his Maiesties Counsell for that kingdome, and the rest of the aduenturers in that plantation At the said Lord Generall his leaue taking of England his natiue countrey, and departure for Virginea, Febr. 21. 1609. By W. Crashaw Bachelar of Diuinitie, and preacher at the Temple. Wherein both the lawfulnesse of that action is maintained, and the necessity thereof is also demonstrated, not so much out of the grounds of policie, as of humanity, equity, and Christianity. Taken from his mouth, and published by direction, London 1610 [verfügbar auf EEBO  ; die Druckfassung trägt als Kopfzeile  : »A New-Yeeres Gift to Virginea«  ; dies wird oft als Titel verwendet]. D’Abbeville 1612 Abbeville, Claude d’  : Lettre d’un pere capucin s’estant acheminé en la flotte dressée soubz l’auctorité du roy, par le sieur de Razilly au fleuve de Maragnon & terres adjacentes en l’Inde Occidentale, en laquelle est descritte l’arrivée des françois audict païs, & l’acueil qu’on leur y a faict […], Paris 1612. D’Abbeville 1612a Abbeville, Claude d’  : L’arrivée des Peres Capucins en l’Inde nouvelle, appellée Maraguon,  : avec la reception que leur ont faict les sauvages de ce pays, & la conversion d’iceux à nostre saincte foy. / Declarée par une lettre que le R. P. Claude d’Abbeville, predicateur capuçin, envoye à frere Martial, pareillement capuçin, & à M. Foullon, ses freres, Paris 1612 [verfügbar auf Gallica]. D’Abbeville 1613 Abbeville, Claude d’  : Discours et congratulations à la France sur l’arrivée des Pères capucins en l’Inde nouvelle de l’Amérique méridionale, en la terre du Brésil. Apellée des François, Maragnon, sous lauthorité de nostre tres-Chrestien Monarque Lovys  XIII Roy de France & de Nauare, & la conduite de Monsieur de Rasilly. vec la réception que leur ont faite les sauvages de ce pays & la conversion d’iceeux à nostre saincte Foy avec d’autres particularités agréables non encores ouies ou imprimées de ce pays las. Déclarées par six paires de lettres que deux desdits pères, à savoir  : P. Claude d’Abbeville et D. Arsène de Paris […], Paris 1613 [verfügbar auf Gallica]. D’Abbeville 1614 Abbeville, Claude d’  : 1614 Histoire de la mission des Pères capucins en l’isle de Maragnan et terres circonvoisines, où est traicté des singularitez admirables & des meurs merveilleuses des Indiens habitans de ce pais, avec les missives et advis qui ont esté envoyez de nouveau par le R. P. Claude d’Abbeville, Paris 1614 [verfügbar auf Gallica]. Dabertzhofer 1613 Dabertzhofer, Chrysostomus  : Nova Francia, Gründliche History Von Erfündung der grossen Landschafft Nova Francia, oder New Franckreich genannt/ auch von Sitten und Beschaffenheit derselben wilden Völcker  : Auß einem zu Pariß gedruckten Französischen Büch summarischer weiß ins Teutsch gebracht, Augsburg 1613.

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Dabertzhofer 1613a Dabertzhofer, Chrysostomus  : Die Ankunfft der Vätter Capuciner Ordens in die newe Indien Maragnon genannt, Augsburg 1613. De Bry 1590 De Bry, Theodore  : To the right worthie and honorable Sir Walter Ralegh Knight, in  : Thomas Harriot  : A Brief and true report of the new found land of Virginia, Frankfurt 1590, 3f. De Bry 1599 Americae Achter Theil, In welchem Erstlich beschrieben wirt das Mächtige und Goldtreiche Königreich Guiana, zu Norden deß grossen Flusses Oronoke, sonsten Oregliana genannt, gelegen […] Item, eine kurtze Beschreibung der umbligenden Landtschafften Emereia, Arromaia […] Warhafftige und Eygentliche Fürbildung etlicher der fürnembsten Historien und Völcker deren in dieser Guianaischen Beschreibung meldung geschihet Warhafftige Beschreibung deß goldreichen und herrlichen Königreichs Guiana, zu dieser zeit bewohnet von den alten Eynwohnern von Prru, unnd von den Nachkömmlingen deß Guiana-Capa […] mit Beschreibung der reichen Länder Emeria, Arromaia, unnd Amapaia, allesampt im Jahr 1595. erfunden durch den Strengen und Vesten Walthern Ralegh, Rittern Warhafftige unnd außführliche Beschreibung der zweyten Engelländischen Schifffahrt in die Landschafft Guiana […] Reyse deß Edlen und vesten Thomas Candisch, welcher im Jar 1586. mit 3 Schiffen in Engellandt außgefahren […] Die Reise Herrn Francisci Draci und Johann Hauken beyde Ritter, nach West-Indien, welche fürhatten Panama eynzunemmen, Frankfurt 1599 [online verfügbar durch die Bayerische Staatsbibiliothek]. Dee 1577 Dee, John  : General and rare memorials pertayning to the perfect arte of nauigation annexed to the paradoxal cumpas, in playne  : now first published  : 24. yeres, after the first inuention thereof, London 1577 [verfügbar auf EEBO]. Eden 1553 Münster, Sebastian  : A treatyse of the newe India with other new founde landes and islandes, aswell eastwarde as westwarde, as they are knowen and found in these oure dayes, after the description of Sebastian Munster in his boke of universall cosmographie  : wherin the diligent reader may see the good successe and rewarde of noble and honeste enterpryses, by the which not only worldly ryches are obtayned, but also God is glorified, [and] the Christian faythe enlarged. Translated out of Latin into Englishe. By Rycharde Eden, London 1553 [verfügbar auf EEBO]. Eden 1555 Anghiera, Pietro Martire d’  : The decades of the newe worlde or west India conteynyng the nauigations and conquestes of the Spanyardes, with the particular description of the moste ryche and large landes and ilandes lately founde in the west ocean perteynyng to the inheritaunce of the kinges of Spayne. […] Wrytten in the Latine tounge by Peter Martyr of Angleria, and translated into Englysshe by Rycharde Eden, London 1555 [verfügbar auf EEBO]. Eden 1561 Cortes, Martin  : The Arte of Nauigation, Conteynyng a compendious description of the Sphere, with the makyng of certen Instrumentes and Rules for Nauigations  : and exemplified by manye Demonstrations. Wrytten in the Spanyshe tongue by Martin Curtes, And directed to

Quellen

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the Emperour Charles the fyfte. Translated out of Spanyshe in to Englyshe by Richard Eden, London 1561 [verfügbar auf EEBO / erweiterte Ausgaben 1572/1589/1596]. Ellis 1578 Ellis, Thomas  : A true report of the third and last voyage into Meta incognita  : achieued by the worthie Capteine, M. Martine Frobisher Esquire. Anno. 1578. Written by Thomas Ellis sailer and one of the companie, London 1578 [verfügbar auf EEBO]. Enciso/Frampton 1578 Enciso, Martin Fernández de  : A briefe description of the portes, creekes, bayes, and hauens, of the Weast India  : translated out of the Castlin tongue by I.F. The originall whereof was directed to the mightie Prince Don Charles, King of Castile, &c., London 1578 [Übersetzung E. Frampton]. Federmann 1557 Federmann, Nikolaus  : Indianische Historia. Ejn schöne kurtzweilige Historia Nicolaus Federmanns des Jüngern von Vlm erster raise, so er von Hispania an Andolosia auß in Jndias des Occeanischen Mörs gethan hat, Hagenaw 1557. Gilbert 1576 Gilbert, Humphrey  : A discourse of a discouerie for a new passage to Cataia. VVritten by Sir Humfrey Gilbert, Knight, London 1576 [verfügbar auf EEBO]. Gray 1609 Gray, Robert  : A good speed to Virginia, London 1609 [verfügbar auf EEBO]. Hakluyt 1582 Hakluyt, Richard  : Diuers voyages touching the discouerie of America, and the ilands adiacent vnto the same made first of all by our Englishmen, and afterward by the Frenchmen and Britons  : and certaine notes of aduertisements for obseruations, necessarie for such as shall heereafter make the like attempt, with two mappes annexed heereunto for the plainer vnderstanding of the whole matter, London 1582 [verfügbar auf EEBO]. Hakluyt PN 1589 Hakluyt, Richard  : The principall nauigations, voiages and discoueries of the English nation made by sea or ouer land, to the most remote and farthest distant quarters of the earth at any time within the compasse of these 1500. yeeres  : deuided into three seuerall parts, according to the positions of the regions wherunto they were directed. […] Whereunto is added the last most renowmed English nauigation, round about the whole globe of the earth. By Richard Hakluyt Master of Artes, and student sometime of Christ-church in Oxford, London 1589 [verfügbar auf EEBO]. Hakluyt PN 1598–1600 Hakluyt, Richard  : The principal nauigations, voiages, traffiques and discouer-ies of the English nation made by sea or ouer-land, to the remote and farthest distant quarters of the earth, at any time within the compasse of these 1500. yeeres  : deuided into three seuerall volumes, according to the positions of the regions, whereunto they were directed. London 3 Bde. 1598, 1599, 1600 [verfügbar auf EEBO]. Hakluyt 1609 Hakluyt, Richard  : Virginia richly valued, by the description of the maine land of Florida, her next neighbour out of the foure yeeres continuall trauell and discouerie, for aboue one thousand miles east and west, of Don Ferdinando de Soto, and sixe hundred able men in his

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Quellen- und Literaturverzeichnis

companie. Wherin are truly obserued the riches and fertilitie of those parts, abounding with things necessarie, pleasant, and profitable for the life of man  : with the natures and dispositions of the inhabitants. Written by a Portugall gentleman of Eluas, emploied in all the action, and translated out of Portugese by Richard Hakluyt, London 1609 [verfügbar auf EEBO]. Hakluyt 1611 Hakluyt, Richard  : The vvorthye and famous history, of the trauailes, discouery, & conquest, of that great continent of Terra Florida being liuely paraleld, with that of our now inhabited Virginia. As also the comodities of the said country, with diuers excellent and rich mynes, of golde, siluer, and other mettals, &c. which cannot but giue us a great and exceeding hope of our Virginia, being so neere of one continent. Accomplished and effected, by that worthy Generall and captaine, Don Ferdinaudo de Soto, and six hundred of Spaniards his followers, London 1611 [verfügbar auf EEBO]. Hamor 1615 Hamor, Ralph  : A true discourse of the present estate of Virginia and the successe of the affaires there till the 18 of Iune. 1614. Together with a relation of the seuerall English townes and forts, the assured hopes of that countrie and the peace concluded with the Indians. The christening of Powhatans daughter and her mariage with an English-man. Written by Raphe Hamor the yonger, late secretarie in that colony, London 1615 [verfügbar auf EEBO]. Harcourt 1613 Harcourt, Robert  : A relation of a voyage to Guiana Describing the climat, scituation, fertilitie, prouisions and commodities of that country, containing seuen prouinces, and other signiories within that territory  : together, with the manners, customes, behauiors, and dispositions of the people. Performed by Robert Harcourt, of Stanton Harcourt Esquire. The pattent for the plantation of which country, his Maiestie hath granted to the said Robert Harcourt vnder the Great Seale, London 1613 [verfügbar auf EEBO]. Harriot 1588 Harriot, Thomas  : A briefe and true report of the new found land of Virginia of the commodities there found and to be raysed, as well marchantable, as others for victuall, building and other necessarie vses for those that are and shalbe the planters there  ; and of the nature and manners of the naturall inhabitants  : discouered by the English colony there seated by Sir Richard Greinuile Knight in the yeere 1585. which remained vnder the gouernment of Rafe Lane Esquier, one of her Maiesties Equieres, during the space of twelue monethes  : at the speciall charge and direction of the Honourable Sir Walter Raleigh Knight, Lord Warden of the stanneries  ; who therein hath beene fauored and authorised by her Maiestie and her letters patents  : directed to the aduenturers, fauourers, and welwillers of the action, for the inhabiting and planting there  : by Thomas Hariot  ; seruant to the abouenamed Sir Walter, a member of the Colony, and there imployed in discouering, London 1588 [verfügbar auf EEBO]. Johnson 1609 Johnson, Robert  : Noua Britannia Offring most excellent fruites by planting in Virginia. Exciting all such as be well affected to further the same, London 1609 [verfügbar auf EEBO]. Johnson 1612 Johnson, Robert  : The nevv life of Virginea declaring the former successe and present estate of that plantation, being the second part of Noua Britannia. Published by the authoritie of his Maiesties Counsell of Virginea, London 1612 [verfügbar auf EEBO].

Quellen

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Jourdain 1610 Jourdain, Silvester  : A discovery of the Barmudas, otherwise called the Ile of Diuels by Sir Thomas Gates, Sir George Sommers, and Captayne Newport, with diuers others. Set forth for the loue of my country, and also for the good of the plantation in Virginia. Sil. Iourdan, London 1610 [verfügbar auf EEBO]. Jourdain 1613 Jourdain, Silvester  : A plaine description of the Barmudas, now called Sommer Ilands VVith the manner of their discouerie anno 1609. by the shipwrack and admirable deliuerance of Sir Thomas Gates, and Sir George Sommers, wherein are truly set forth the commodities and profits of that rich, pleasant, and healthfull countrie. With an addition, or more ample relation of diuers other remarkeable matters concerning those ilands since then experienced, lately sent from thence by one of the colonie now there resident, London 1613 [verfügbar auf EEBO]. Keymis 1596 Kemys (!), Lawrence  : A relation of the second voyage to Guiana. Perfourmed and written in the yeare 1596. By Lawrence Kemys, Gent, London 1596 [verfügbar auf EEBO]. Las Casas 1583 Casas, Bartolomé de Las  : The Spanish colonie, or Briefe chronicle of the acts and gestes of the Spaniardes in the West Indies, called the newe world, for the space of xl. yeeres  : written in the Castilian tongue by the reuerend Bishop Bartholomew de las Cases or Casaus, a friar of the order of S. Dominicke. And nowe first translated into english, by M.M.S., London 1583 [verfügbar auf EEBO]. Las Casas 1597 Casas, Bartolomé de Las  : Warhafftige Anzeigung der Hispanier grewlichen, abschewlichen und unmenschlichen Tyranney, von ihnen inn den Indianischen Ländern, so gegen Nidergang der Sonnen gelegen und die Newe Welt genennet wird, begangen Erstlich Castilianisch durch Bischoff Bartholomeum de las Casas oder Casaus […] beschrieben. Hernacher in die Frantzösische Sprach durch Jacoben von Miggrode gebracht. Jetzt aber erst ins Hochteutsch durch einen Liebhaber deß Vatterlands übergesetzt, o.O. 1597. Laudonniere/Basanier 1586 Laudonnière, René Goulaine de  : L’histoire notable de la Floride située es Indes occidentales  : contenant les trois voyages faits en icelle par certains capitaines et pilotes françois, descrits par le capitaine Laudonnière qui y a commandé l’espace d’un an trois moys  : à laquelle a esté adjousté un quatriesme voyage fait par le capitaine Gourgues/ mis en lumière par M. Basanier, Paris 1586. Laudonnière/Hakluyt 1587 Laudonnière, René Goulaine de  : A notable historie containing foure voyages made by certayne French captaynes vnto Florida vvherein the great riches and fruitefulnes of the countrey with the maners of the people hitherto concealed are brought to light, written all, sauing the last, by Monsieur Laudonniere, who remained there himselfe as the French Kings lieuetenant a yere and a quarter  : newly translated out of French into English by R.H. […] London 1587 [Übersetzung und Vorwort von Richard Hakluyt]. Le Challeux 1566 Le Challeux, Nicolas  : Discours et histoire de ce qui est advenu en la Floride en l’an 1565  :

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Rédigé au vray par ceux qui s’en sont retirez  ; Ensemble La Requeste presentée au Roy en forme de complainte [konnte nur in Ndr. und Editionen eingesehen werden, insbesondere Lussagnet 1958]. Le Challeux 1566a Le Challeux, Nicolas  : A true and perfect description, of the last voyage or nauigation, attempted by Capitaine Iohn Rybaut deputie and generall for the French men, into Terra Florida, this yeare past 1565. Truely sette forth by those that returned from thence, wherein are contayned things as lame[n]table to heare as they haue bene cruelly executed, London 1566 [verfügbar auf EEBO]. Le Moyne 1591 Le Moyne de Morgues, Jacques  : Der ander Theyl, der Newlich erfundenen Landtschafft Americae, Von dreyen Schiffahrten so die Frantzosen in Floridam (die gegen Nidergang gelegen) gethan. Eine vnter dem Hauptmann H. Laudonniere, Anno 1564. Die ander unter H. Ribald 1565. Die dritte unter H, Guorguesio 1567 geschehen, Frankfurt a. Main 1591 [Hrsg. von Theodor de Bry]. Léry 1578 Léry, Jean de  : Histoire d’un voyage faict en la terre du Bresil, autrement dite Amerique. Contenant la navigation & choses remarquables, venuës sur mer par l’aucteur  : Le comportement de Villegagnon en ce pais là. Les meurs & façons de vivre estranges des Sauvages Ameriquains  : avec un colloq de leur langage. Ensemble la description de plusieurs Animeaux, Arbres, Herbes, & autres choses singulieres, & du tout inconues par deça, dont on verra les sommaires des chapitres au commencement du livre […] Genf 1578 [verfügbar auf Gallica  ; ebenso die erweiterte Neuausgaben 1584 und 1594]. Lescarbot 1606 Lescarbot, Marc  : A Dieux aux François retournans de la Nouvelle France en la France gauloise, La Rochelle 1606 [Separater Druck ist nachgewiesen, war aber war nicht einsehbar, vgl. daher den zeitgenössischen Ndr. in Lescarbot 1612a]. Lescarbot 1606a Lescarbot, Marc  : Adieu à la France sur l’embarquement du sieur de Poutrincourt et de son équipage faisant voile en la terre de Canadas, dicte la France occidentalle, le 26e de may, 1606  : avec une lettre de l’autheur, addressante à Madamoiselle sa mère / par Marc L’Escarbot, Rouen 1606. Lescarbot 1607 Lescarbot, Marc  : La défaite des Sauvages armouchiquois par le Sagamos Membertou & ses Alliez Sauvages, En la Nouvelle-France, Au mois de Juillet dernier 1607, Paris 1607. Lescarbot 1609 Lescarbot, Marc  : Histoire de la Nouvelle France, Paris 1609 [verfügbar auf Gallica  ; für die erheblich erweiterte, finale Ausgabe, siehe Lescarbot 1617]. Lescarbot 1609a Lescarbot, Marc  : Noua Francia  : or The description of that part of Nevv France, which is one continent with Virginia Described in the three late voyages and plantation made by Monsieur de Monts, Monsieur du Pont-Graué, and Monsieur de Poutrincourt, into the countries called by the Frenchmen La Cadie, lying to the southwest of Cape Breton. Together with an excellent seuerall treatie of all the commodities of the said countries, and maners of the

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naturall inhabitants of the same. Translated out of French into English by P.E, London 1609 [verfügbar auf EEBO]. Lescarbot 1610 Lescarbot, Marc  : La conversion des sauvages qui ont esté baptizés en la Nouvelle France, cette année 1610  : avec un bref récit du voyage du sieur de Poutrincourt, Paris 1610 [verfügbar auf Gallica]. Lescarbot 1612 Lescarbot, Marc  : Relation dernière de ce, qui s’est passé au voyage du Sieur de Poutrincourt en la Nouvelle-France depuis 20 mois en ça, Paris 1612. Lescarbot 1612a Lescarbot, Marc  : Les muses de la Nouvelle France, à Monseigneur le Chancellier, Paris 1612 [Verfügbar auf Gallica]. Lescarbot 1617 Lescarbot, Marc  : Histoire de la Nouvelle France  : contenant les navigations, découvertes, & habitations faites par les françois és Indes Occidentales & Nouvelle-France, par commission de noz Roy Tres-Chrétiens, & les diverses fortunes d’iceux en l’execution de ces choses depuis cent ans jusques à hui. En quoy est comprise l’histoire morale, naturele & géographique des provinces cy décrites […], Paris 1617 [finale Edition der Histoire  ; verfügbar auf Gallica, ebenso die erste und zweite Ausgabe 1609/1611]. Löw 1598 Löw, Conrad  : Meer oder Saehanen Buch/ Darinn Verzeichnet seind/ die Wunderbare/ Gedenckwuerdige Reise vnd Schiffarhten/ so recht vnd billich geheissen Meer vnd Seehanen der Kœnigen von Hispania/ Portugal/ Engellandt vnd Franckreich/ inwendig den letst vergangnen hunder Jahren gethan, Köln 1598. Marguerite 1559 Angoulême, Marguerite d’  : L’heptaméron des nouvelles de la princesse Marguerite de Valois, royne de Navarre, remis en ordre par Claude Gruget, Paris 1559. More 1524 More, Thomas  : Von der wunderbarlichen Innsel Utopia genant das ander Buch, Basel 1524. More 1551 More, Thomas  : A fruteful, and pleasaunt worke of the beste state of a publyque weale, and of the newe yle called Vtopia  : written in Latine by Syr Thomas More knyght, and translated into Englyshe by Raphe Robynson citizein and goldsmythe of London, at the procurement, and earnest request of George Tadlowe citezein [and] haberdassher of the same citie, London 1551 [verfügbar auf EEBO]. Münster 1628 Münster, Sebastian  : Cosmographia, Das ist  : Beschreibung der gantzen Welt  : Darinnen Aller Monarchien Keyserthumben, Königreichen, Fürstenthumben, Graff- vnd Herrschafften, Länderen, Stätten vnd Gemeinden […] Vrsprung, Regiment, Reichthumb, Gewalt vnd […] Beschaffenheit, Basel 1628 [erheblich erweiterte Neuausgabe, Original ebd. 1544]. Nicholl 1607 Nicholl, John  : An houre glasse of Indian newes. Or A true and tragicall discourse, shewing the most lamentable miseries, and distressed calamities indured by 67 Englishmen, which were sent for a supply to the planting in Guiana in the yeare. 1605 VVho not finding the saide

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place, were for want of victuall, left a shore in Saint Lucia, an island of caniballs, or meneaters in the West-Indyes, vnder the conduct of Captain Sen-Iohns, of all which said number, onely a 11. are supposed to be still liuing, whereof 4. are lately returnd into England. Written by Iohn Nicholl, one of the aforesaid company, London 1607 [verfügbar auf EEBO]. Pithou 1578 Settle, Dionyse  : La navigation du capitain Martin Forbisher [!] Anglois, és regions de west & nordwest, en l’année M. D. LXXVII, o.O. Übersetzt von Nicolas Pithou, o.O. [in mehreren Katalogen wird Genf angegeben] 1578. Popelinière 1582 La Popelinière, Henri Lancelot Voisin de  : Les trois mondes, Paris 1582. Postel 1553 Postel, Guillaume  : Les très merveilleuses victoires des femmes du nouveau monde et comment elles doivent à tout le monde par raison commander  ; et même à ceulx qui auront la monarchie du monde vieil  ; a Madame Marguerite de France  ; a la fin est adjoustée la doctrine du siècle doré, ou de l’evangelike règne de Jesus roy des roys, Paris 1553. Price 1609 Price, Daniel  : Sauls prohibition staide. Or The apprehension, and examination of Saule And the inditement of all that persecute Christ, with a reproofe of those that traduce the honourable plantation of Virginia. Preached in a sermon commaunded at Pauls Crosse, vpon Rogation Sunday, being the 28. of May. 1609. By Daniel Price, Chapleine in ordinarie to the Prince, and Master of Artes of Exeter Colledge in Oxford, London 1609 [verfügbar auf EEBO]. Purchas 1613 Purchas, Samuel  : Purchas his pilgrimage. Or Relations of the vvorld and the religions obserued in all ages and places discouered, from the Creation vnto this present In foure partes. This first containeth a theologicall and geographicall historie of Asia, Africa, and America, with the ilands adiacent. […] With briefe descriptions of the countries, nations, states, discoueries, priuate and publike customes, and the most remarkable rarities of nature, or humane industrie, in the same. By Samuel Purchas, minister at Estwood in Essex, London 1613 [Erstausgabe und die Ausgaben 1614/1617/1626 verfügbar auf EEBO]. Purchas HP 1625 Purchas, Samuel  : Hakluytus Posthumus or Purchas his pilgrimes. Contayning a history of the world, in sea voyages & lande-travells, by Englishmen & others. Wherein Gods wonders in nature & providence, the actes, arts, varieties, & vanities of men, with a world of the worlds rarities, are by a world of eywitnesse-authors, related to the world. Some left written by M. Hakluyt at his death. More since added. His also perused & perfected. All examined, abreviated with discourse. Adorned with pictues and expressed in mapps. In fower parts. Each containing five bookes, London 1625 [verfügbar auf EEBO]. Peckham 1583 Peckham, George  : A true reporte, of the late discoueries, and possession, taken in the right of the Crowne of Englande, of the new-found landes  : by that valiaunt and worthye gentleman, Sir Humfrey Gilbert Knight Wherein is also breefely sette downe, her highnesse lawfull tytle therevnto, and the great and manifolde commodities, that is likely to grow thereby, to the whole realme in generall, and to the aduenturers in particular. Together with the easines and shortnes of the voyage. Seene and allowed, London 1583 [verfügbar auf EEBO].

Quellen

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Rabelais 1552 Rabelais, François  : Le Quart livre des faicts et dicts heéroiques du bon Pantagruel. Composé par M. François Rabelais docteur en medicine, Paris 1552 [verfügbar auf Gallica]. Ralegh 1596 Ralegh, Walter  : The discouerie of the large, rich and bevvtiful empire of Guiana with a relation of the great and golden city of Manoa (which the spaniards call El Dorado) and the prouinces of Emeria, Arromaia, Amapaia, and other countries, with their riuers, adioyning. Performed in the yeare 1595. by Sir W. Ralegh Knight, Captaine of her Maiesties Guard, Lo. Warden of the Stanneries, and her Highnesse Lieutenant generall of the countie of Cornewall, London 1596 [verfügbar auf EEBO]. Ramusio 1550 Ramusio, Giovanni Battista  : Delle navigationi et viaggi, Venedig 1550  ; erweitert 1556 [zahlreiche Neuauflagen und weitere Bände erschienen im Laufe des 17. Jahrhunderts]. Ribault 1563 Ribault, Jean  : The whole and true discouerye of Terra Florida (englished the florishing lande.) Conteyning as well the wonderfull straunge natures and maners of the people, with the merueylous commodities and treasures of the country  : as also the pleasaunt portes, hauens, and wayes therevnto neuer founde out before the last yere 1562. Written in Frenche by Captaine Ribauld the fyrst that whollye discoured the same. And nowe newly set forthe in Englishe the xxx of May 1563, London 1563 [verfügbar auf EEBO]. Rich 1610 Rich, Richard  : Nevves from Virginia The lost flocke triumphant. With the happy arriuall of that famous and worthy knight Sr. Thomas Gates  : and the well reputed & valiant captaine Mr. Christopher Newporte, and others, into England. With the maner of their distresse in the Iland of Deuils (otherwise called Bermoothawes) where they remayned 42. weekes, & builded two pynaces, in which they returned into Virginia. By R. Rich, Gent. one of the voyage, London 1610 [verfügbar auf EEBO]. Richer 1561 Richer, Pierre  : La Refutation des folles resveries, execrables blasphemes, erreurs & mensonges de Nicolas Durand, qui se nomme Villegaignon  : divisee en deux livres, Paris 1561/1562. Richer 1561a Richer, Pierre  : L’estrille de Nicolas Durand, dict le Chevalier de Villegaignon, Paris 1561. [keine Verfasserangabe auf dem Deckblatt, daher manchmal auch als Anonymus verzeichnet]. Rosier 1605 Rosier, James  : A true relation of the most prosperous voyage made this present yeere 1605, by Captaine George Waymouth, in the discouery of the land of Virginia where he discouered 60 miles vp a most excellent riuer  ; together with a most fertile land. Written by Iames Rosier. a gentleman employed in the voyage, London 1605 [verfügbar auf EEBO]. Schmidel 1567 Schmidel, Ulrich  : Neuwe Welt. Das ist, Warhafftige Beschreibung aller schönen Historien von erfindung viler vnbekanten Königreichen, Landschafften, Jnsulen vnnd Stedten, von derselbigen gelegenheit, wesen, bräuchen […]  ; Auch von allerley gefahr, streitt vnd scharmützeln. Jtem von erschrecklicher, seltzamer natur und Eygenschafft der Leuthfresser Wunderbarliche und warhafftige beschreibung der wilden nacketen Menschenfresser Warhafftige und

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liebliche Beschreibung etlicher fürnemen Indianischer Landtschafften und Insulen, Frankfurt a.M. 1567. Seall 1563 Seall, Robert  : A co[m]mendation of the adue[n]terus viage of the wurthy Captain. M. Thomas Stutely Esquyer and others, towards the land called Terra florida, London 1563 [verfügbar auf EEBO]. Settle 1577 Settle Dionyse  : A true reporte of the laste voyage into the west and northwest regions, &c. 1577. worthily atchieued by Capteine Frobisher of the sayde voyage the first finder and generall With a description of the people there inhabiting, and other circumstances notable. Written by Dionyse Settle, one of the companie in the sayde voyage, and seruant to the Right Honourable the Earle of Cumberland, London 1577 [verfügbar auf EEBO]. Smith 1608 Smith, John  : A true relation of such occurrences and accidents of noate as hath hapned in Virginia since the first planting of that collony, which is now resident in the south part thereof, till the last returne from thence written by Captaine Smith [Cor]one[ll] of the said collony, to a worshipfull friend of his in England, London [verfügbar auf EEBO]. Smith 1612 Smith, John  : A map of Virginia VVith a description of the countrey, the commodities, people, government and religion. VVritten by Captaine Smith, sometimes governour of the countrey. Whereunto is annexed the proceedings of those colonies, since their first departure from England, with the discourses, orations, and relations of the salvages, and the accidents that befell them in all their iournies and discoveries. Taken faithfully as they were written out of the writings of Doctor Russell. Tho. Studley. Anas Todkill. Ieffra Abot. Richard Wiefin. Will. Phettiplace. Nathaniel Povvell. Richard Pots. And the relations of divers other diligent observers there present then, and now many of them in England. By VV.S., Oxford/London 1612 [verfügbar auf EEBO]. Smith 1624 Smith, John  : The generall historie of Virginia, New-England, and the Summer Isles with the names of the adventurers, planters, and governours from their first beginning. ano  : 1584. to this present 1624. With the procedings of those severall colonies and the accidents that befell them in all their journyes and discoveries. Also the maps and descriptions of all those countryes, their commodities, people, government, customes, and religion yet knowne. Divided into sixe bookes. By Captaine Iohn Smith sometymes governour in those countryes & admirall of New England, London 1624 [verfügbar auf EEBO  ; weitere Ausgaben, teilweise mit Ergänzungen, erschienen 1625, 1626, 1627, 1629]. Smith 1630 Smith, John  : The true travels, adventures, and observations of Captaine Iohn Smith, in Europe, Asia, Affrica, and America, from anno Domini 1593. to 1629 His accidents and sea-fights in the straights  ; his service and stratagems of warre in Hungaria, Transilvania, Wallachia, and Moldavia, against the Turks, and Tartars […] After how he was taken prisoner by the Turks, sold for a slave […] and escaped […] Together with a continuation of his generall History of Virginia, Summer-Iles, New England, and their proceedings, since 1624. to this present 1629  ; […] All written by actuall authours, whose names you shall finde along the history, London 1630 [verfügbar auf EEBO].

Quellen

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Staden 1557 Staden, Hans  : Warhaftige Historia vnd beschreibung eyner Landtschafft der Wilden, Nacketen, Grimmigen Menschfresser Leuthen, in der Newenwelt America gelegen, vor vnd nach Christi geburt im Land zu Hessen vnbekant, biß vff dise ij. nechst vergangene jar, Da sie Hans Staden von Homberg auß Hessen durch sein eygene erfarung erkant, vnd yetzo durch den Truck an tag gibt. […] Mit eyner vorrede D. Joh. Dryandri, genant Eychman, Marburg 1557. Symonds 1609 Symonds, William  : Virginia. A sermon preached at White-Chappel, in the presence of many, honourable and worshipfull, the aduenturers and planters for Virginia. 25. April. 1609 Published for the benefit and vse of the colony, planted, and to bee planted there, and for the aduancement of their Christian purpose. By William Symonds, preacher at Saint Sauiors in Southwarke, London 1609 [verfügbar auf EEBO]. Stucley 1618 Stucley, Lewis  : To the Kings most excellent Maiestie. The humble petition and information of Sir Lewis Stucley, Knight, Vice-admirall of Deuon, touching his owne behauiour in the charge committed vnto him, for the bringing vp of Sir Walter Raleigh, and the scandalous aspersions cast vpon him for the same, London 1618 [verfügbar auf EEBO]. Thevet 1557 Thevet, André  : Les singularitez de la France antarctique, autrement nommée Amérique, & de plusieurs terres & isles découvertes de nostre temps  : par F. André Thevet, Paris 1557/1558 [verfügbar auf Gallica]. Thevet 1568 Thevet, André  : The new found vvorlde, or Antarctike wherin is contained wo[n]derful and strange things, as well of humaine creatures, as beastes, fishes, foules, and serpents, trées, plants, mines of golde and siluer  : garnished with many learned aucthorities, trauailed and written in the French tong, by that excellent learned man, master Andrevve Theuet. And now newly translated into Englishe, wherein is reformed the errours of the auncient cosmographers, London 1568 [verfügbar auf EEBO]. Thevet 1575 Thevet, André  : La cosmographie universelle d’André Thevet, […] illustrée de diverses figures des choses plus remarquables veuës par l’auteur, Paris 1575 [verfügbar auf Gallica]. Thevet 1584 Thevet, André  : Les vrais pourtraits et vies des hommes illustres grecz, latins et payens  : recueilliz de leurs tableaux, livres, médalles antiques et modernes, Paris 1584 [verfügbar auf Gallica]. Torsay 1582 Torsay, Herrmann Taffin Sieur de  : La Vie, Mort, et Tombeau de Haut et Puissant Seigneur Philippe de Strozzi, Paris 1582 [Hier verwendet der Ndr. in Cimber/Danjou 1836]. Villegagnon 1560 Villegagnon, Nicolas Durand de  : Ad articulos Calvinianae, de sacramento Eucharistiae, traditionis, ab ejus ministris in Francia antarctica evulgatae, responsiones, per Nicolaum Villagagnonem, […] ad Ecclesiam christianam. Paris 1560 [Original und nahezu identische Neuausgabe 1562 verfügbar auf Gallica].

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Personenregister Regierende Monarchen sind entsprechend dem geschichtswissenschaftlichen G ­ ebrauch in deutscher Sprache bezeichnet. Abbeville, Claude d’ 311 – 317, 370, 372, 386, 423, 430 – 434 Acuña, Diego Sarmiento de [siehe Gondomar] 320, 322f., 328, 331 Alba, Fernando Álvarez de Toledo Herzog von 148 Albaigne, André d’ 149, 174 Albaigne, Francisque d’ 149, 174 Amadas, Philip 186, 469 Anghiera, Petrus Martyr von 50, 87 – 89, 94, 130f., 184, 196, 347, 394, 412 Ango, Jean 70, 72 – 75, 77, 87, 91, 98, 110, 375, 382, 480 Angoulême, Marguerite d’ 109 Antonio, Prior von Crato 169f., 181, 183 Aragon, Katharina von 61, 127 Argall, Samuel 19, 279, 286 – 289, 449, 467 Artus [legendärer König] 155, 364, 388 Arundell, Thomas 242, 244, 361 Autriche, Anne d’ 316, 333 Ayllón, Lucas Vásquez de 51f., 88f. Bacon, Francis 322, 328, 336f., 399, 453f., 506 Barents, Wilhelm 220 Barlowe, Christopher 186, 469, 480 Barlowe, Roger 61, 64, 71, 95, 98 Barré, Nicolas 115 – 117, 136 Bassanier, M. 365 Belleforest, François 171f., 494 Bellenger, Étienne 181f. Best, George 158 – 162, 342, 372f., 387, 414, 431, 442, 449, 469, 478, 483 Biard, Pierre 248, 252, 282 – 286, 288f., 369, 403, 467, 473f. Biencourt, Charles de 280 – 289, 413 Bourbon, Charles I. de 181 Bourbon, Charles III. de 310 Brant, Sebastian 86, 93

Brereton, John 252f., 393, 406 Brésil, Catherine de 102 Bry, Theodor de 19, 31, 36, 151, 199 – 201, 206, 219 – 212, 334, 371, 425 Cabot, John [zgl. Caboto, Giovanni] 65f., 69f., 227, 364, 455 Cabot, Sebastian 63f., 66, 69f., 92, 127 – 130, 158, 365, 379, 481 Cabral, Francisco 53, 55 Calvin, Johannes 113 – 117, 119f. Carleill, Christopher 175, 179f., 179 – 182, 185 – 187, 191 – 193, 198, 207, 356, 368, 389f. Cartier, Jacques 36, 102 – 111, 117, 132f., 155, 157, 165, 171, 176f. 182, 187, 202, 214, 216, 218, 273, 275, 278, 287, 289, 358, 367, 389f., 396, 402, 407, 419, 421, 425, 430, 451, 454f., 480f., 484 – 486, 490f., 494 Carvajal, Juan de 123, 450 Casas, Bartholomé de Las 58, 172f., 184, 201, 220f. 350, 368, 464 Cecil, William 128f., 204, Cecil, Robert [zgl. Lord Salisbury] 222f., 227, 228, 241, 244 – 246, 248 – 251, 253, 297, 303, 305, 358, 362, 397, 416, 418, 480, 496, 501 Chabot, Philippe 76f., 363 Le Challeux 143 – 145, 147, 173, 354, 362, 384, 393f., 414, 419f., 425, 428f., 447, 459, 473, 486 Champlain, Samuel de 213, 215, 218, 228 – 231, 235 – 242, 254, 273 – 279, 283, 294, 309, 330, 334, 340, 343, 346, 355f., 367, 371, 389f., 392, 396, 398 – 400, 407, 413, 431, 439f., 450, 452, 455, 470, 481, 495, 510, 521 Chaste, Aymar de 217 – 219, 226, 228f., 231 Chauveton, Urbain 124, 173, 352, 364, 368, 451, 465 Chicora, Francisco 51f., 88, 106 Churchyard, Thomas 167, 352, 366

616 Clemens VII. 77 Coligny, Gaspard de 113, 115f., 133, 135, 137, 139, 142, 144, 149, 167, 231, 360, 376, 480 Condé, Henry II. de Bourbon Prince de 277f., 285 Corte-Real, Gaspard de 54f. Corte-Real, Miguel de 54f. Coronado, Francisco 51 – 53 Cosa, Juan de la 65 Cortes, Hernando 50, 62, 72, 75, 87f., 98, 122, 124, 257, 306, 324, 443, 471 Crashaw, William 266, 404 – 430, 433, 475 Crespin, Jean 460f., 447 Dale, Thomas 416, 423, 434 Dalfinger, Ambrosius [zgl. Ehinger] 122 Dare, Virginia 195 Dee, John 129, 132, 151, 153 – 155, 159, 165f., 174, 176f., 180, 184, 211, 364, 404, 480f., 487f. Descelliers, Pierre 111 Donnacona 104 – 107 Drake, Francis 148f., 151, 160, 168f., 174, 176, 188, 191 – 193, 319, 373, 376f., 382, 449 Dudley, John 128f. Eden, Richard 128 – 132, 137, 177, 350, 352, 393, 404, 449, 484 Edward VI. 127, 129 Ehinger, Ambrosius [siehe Dalfinger] Elisabeth I. 101, 132, 151 – 154, 163, 168, 181, 185, 187f., 191, 196, 199, 203, 205f., 209f., 303, 327, 358, 360, 366, 376f., 382, 433, 465 Ellis, Thomas 159, 431, 441f., 448 Évreux, Yves d’ 317 – 319, 354, 370, 435, 482, 496 Fagundes, João Álvarez 54f., 215 Federmann, Nikolaus 122 – 124, 126, 130, 371, 357, 404, 469 Fenton, Edward 158f., 162, 380, 442 Fernandez, Simão 167, 186, 189, 194f., 365, 385 Ferrières, Jean de 137 Fleché, Jessé 280, 283, 403 Franz I. 61, 70, 75 – 77, 91, 98, 101 – 106, 108 – 111, 127, 358, 375 Frobisher, Martin 151, 153 – 162, 164, 167f., 174, 176f., 185f., 191 – 193, 205, 210, 322, 324, 340,

Personenregister

352, 357f., 372, 380, 388, 390, 397, 405, 415, 431, 440 – 442, 444, 448, 451f., 456, 459, 461 Fugger (als Gesellschaft) 60 – 64, 72, 96, 126, 372 Gama, Vasco da 96 Gamboa, Sarmiento de 204 Gates, Thomas 246, 267f., 270, 272, 372, 432 Gaula, Amadis de 85 Gilbert, Humphrey 137, 145, 147, 149, 151 – 154, 158, 164 – 169, 174 – 181, 185, 187f., 194, 198, 207, 210, 224, 245, 356, 368, 372, 385f., 390, 427f., 447, 461, 481, 487, 494 Gilbert, Ralegh 249 – 252, 418 Gomara, Francisco Lopez de 396 Gondomar, Diego Sarmiento de Acuña Graf von 320, 322f., 328, 331 Gonneville, Binot Paulmier de 73 Gorges, Fernando/Ferdinando 243 – 245, 247 – 253, 357, 397, 418, 496, 501 Gorgues, Dominique de 144, 146, 196, 451, 463f. Gosnold, Bartholomew 224 – 227, 230, 234, 242, 246 Grenville, Richard 149, 153f., 167, 176, 188 – 195, 199, 324, 378, 384, 431 Guercheville, Annette de Pons, Marquise de 281 – 283, 285, 287, 467 Hacket, Thomas 145, 147 Hakluyt, Richard (sen.) 32, 165f., 175 – 177, 184, 207, 337, 438, 482 Hakluyt, Richard 19, 30, 32, 71, 151, 176 – 187, 193, 196 – 202, 207f., 211 – 213, 221 – 228, 242f. 245f. 265f., 269f., 334, 337, 339f., 346f., 351 – 354, 364 – 369, 373f., 387, 389, 393 – 395, 405f., 417, 422, 427, 438, 443, 449, 466, 473, 480 – 485, 488 – 492, 494f., 497, 507, 519, 521 Hall, Christopher 158, 444 Hamor, Ralph 271f. Harcourt, Robert 302 – 307, 327, 337, 354, 362, 369, 291, 391, 403 Harriot, Thomas 186, 188, 193, 196f., 199f., 204, 206, 230, 240, 261, 291, 306, 339, 353f. 367, 390, 393, 395, 404, 406, 408, 417, 430, 450, 458, 462, 469, 471, 474f., 478, 485f., 488, 492 Hatton, Christopher 154, 162, 168 Hawkins, William 75

Personenregister

Hawkins, John 140 – 142, 145, 148, 184, 413f., 473, 509 Hayes, Edward 175, 178 – 182, 207, 224 – 227, 230, 234, 244f. 266, 369, 389f. 406, 426 – 428, 447, 481 Heinrich II. [Frankreich] 112 – 114, 116, 393 Heinrich III. [Frankreich] 149, 170, 190, 202 Heinrich IV. [bis 1589 als Heinrich von Navarra] 148, 152, 190, 202, 208f., 214 – 217, 219, 229, 231 – 233, 240f., 273, 278, 280f., 285, 297, 309f., 365, 376 Heinrich VII. [England] 63, 65f., 158, 198, 362 Heinrich VIII. [England] 61, 69, 71, 91, 95, 96, 98, 110, 127f., 368, 375, 513, 515, 521 Heinrich, Prinz [Sohn Jakobs I.] 303f. Howard, Charles 205, 222, 297, 381 Hulsius, Levinus 220 – 222, 334 Hutten, Philipp von 123f., 126, 397, 446, 450, 468 Iwan IV. 129, 157 Jakob I. 213, 227f., 242, 245 – 247, 250f., 263f., 294, 296, 301, 303, 305, 320 – 323, 326 – 329, 331, 358, 360 – 362, 391, 453, 465, 475 Jeannin, Pierre 233, 277, 290, 358 Johann III. 56, 105 Johnson, George 207f., 415 Johnson, Robert 265, 270, 274, 426, 469 Karl V. 50, 61 – 64, 75f., 87, 96, 103, 105f., 109 – 112, 127, 360 Karl IX. 120, 362 Keymis, Lawrence 296, 303, 319f., 324 – 327, 352, 457 King, Thomas 308 Kolumbus, Christoph 14, 44, 46 – 48, 55, 78, 85f. 94, 127, 129, 138, 293, 392, 406, 455, 472 Lane, Ralph 188 – 194, 196f., 199, 258, 353, 372f., 375 – 378, 384f., 390, 395, 398, 406 – 408, 415, 419, 425 – 427, 432, 450, 458, 462, 470 – 474, 485f., 488 Laudonnière, René de 139 – 144, 183f., 187, 196, 199, 230, 232, 289, 311, 340, 384, 386, 390, 393, 398, 400, 402f., 405, 408, 412 – 414, 417, 419 – 422, 435, 450, 458f., 463, 471 – 473, 484, 486, 489, 497, 521

617 Leigh, Charles 207 – 209, 296 – 300, 304, 327, 372, 384 – 386, 403, 415 Leigh, Oliph 298f., 372, 385 León, Ponce de 51f. Leri, Sieur de 68, 215 Léry, Jean de 115 – 118, 120, 125, 152, 172, 197, 201, 221, 314, 318, 339f., 360, 384, 407, 420f., 429 – 431, 434, 445, 450, 458, 460f., 466, 470, 486, 521 Lescarbot, Marc 19, 31, 109f., 209, 215, 235, 237 – 241, 265, 274 – 277, 279 – 286, 288 – 291, 294, 309, 334, 339f., 343, 352f., 356, 364, 367 – 369, 370, 373f., 385, 387, 393, 397, 399, 403f., 412f., 415, 435, 440, 444f., 448, 450f., 462, 465 – 467, 477f., 480, 482f., 488 – 492, 495, 505f., 519 Lok, Michael 153, 156 – 161, 165, 176f., 324, 415, 441, 459, 461 Lorraine, Charles de 114 Löw, Conrad 220, 369 Ludwig XIII. 277f., 281, 288, 290, 310, 333, 352f., 467 Don Luis 256f., 406 Luna, Tristan de 133f. Madoc [walisischer Prinz] 154, 180, 198, 345, 364 Magellan, Ferdinand 63, 70, 87, 96, 98 Mandeville, Jean de 85, 346, 443 Manteo 186, 188, 190, 193 – 195, 272, 444 Maria, Königin von England 127, 129, 359, 361, 449, 465 Massé, Enemont 282, 403 Medici, Katharina de 77, 120, 139, 142f., 151, 163, 168f. 174, 218, 310 Medici, Lorenzo de 86 Medici, Maria de 213, 280f., 288, 309f., 314f., 331, 467 Membertou 238, 240f., 280f., 445 Menéndez, Pedro [später de Avilés] 143 Montbarrot, René de 297 Montmorency, Charles de 231, 285, 287, 358 Monts, Pierre Dugua Sieur de 212, 217, 231 – 238, 240, 243, 273f., 276 – 287, 280, 283, 288, 330, 334, 355f., 390, 397, 444, 450, 455, 491 More, Thomas 17, 69, 409 Morgues, Jacques le Moyne de [alt. James Morges]

618 139, 141, 143, 145, 199 – 201, 414, 417, 419, 429, 446f. Moyne, Jacques [siehe Morgues] Münster, Sebastian 95 Narváez, Pánfilo de 51, 53, 88 Navarra, Margarete von [siehe Marguerite d’Angoulême] 109 Newport, Christopher 257 – 264 Nicholl, John 299 – 301, 461 Noël, Jacques 152, 182, 202, 355 North, Roger 307, 331, 333, 337 Opechancanough 256, 260, 335, 435 Oranien, Wilhelm von 376 Ornesan, Bertrand d’ 74 Parkhurst, Anthony 165 Parmentier, Jean 72 Philipp II. 101, 110, 127, 129f., 132, 134, 142, 147 – 153, 169, 171, 184, 187f., 190f., 196, 202, 209, 224, 359, 449 Peckham, George 167, 174, 176, 178 – 181, 187, 207, 361, 368, 393 Percy, George 255, 260, 262f., 267 – 269, 397, 431 Pezieu 313, 315 Pizarro, Francisco 306, 324, 471 Plato 481 Plessis, Armand-Jean du [später Kardinal Richelieu] 279, 310, 318, 357 Plessis-Mornay, Philippe Du 190 Pocahontas [auch Amonute/Matoaka] 254, 260f., 271f., 286, 408, 444 Polo, Marco 85, 95 Popelinière, Lancelot Voisin de la 173f., 370, 420 Popham, George 246, 249 – 251, 418, 421, 433, 473f., 496, 501 Popham, John 245 – 250, 253, 421, 473f. 496, 501 Poutrincourt, Jean Biencourt Sieur de 212, 236 – 242, 274f., 277, 279 – 288, 290f., 340, 355f., 390, 397, 399, 413, 415, 440, 444, 448 – 450, 452, 462, 467, 480, 482f., 490f. Pont, François Gravé Du 216, 218, 226, 228, 231, 275, 284 Ptolemäus 85, 95 Purcel, James 308

Personenregister

Purcel, Philip 308 Purchas, Samuel 30, 248, 253, 255, 261, 271, 304, 334, 340, 395, 495, 497 Rabelais, François 113 Ralegh, Walter 151f., 166f., 176, 181, 184 – 189, 192, 194 – 201, 203 – 206, 208, 210, 220 – 228, 246, 292, 294, 296, 298, 303 – 307, 310, 319 – 330, 337 – 340, 346, 352, 356, 358, 365, 368, 372, 380, 382, 384 – 386, 389, 392 – 395, 400, 403, 408, 417, 422, 425 – 427, 430, 432f., 443, 453f., 457f., 465f., 469, 477, 480, 482 – 485, 492f. Ralegh, Walter d.J. [genannt Wat] 324 – 326 Ramusio, Giovanni Battista 177, 194 Rastell, John 69, 70, 93, 386, 409, 469 Ratcliffe, John 262f., 267 Ravardière, Daniel de La Touche, Sieur de La 297, 302, 308 – 312, 315f., 318 Razilly, François 309 – 312, 315 – 319, 354, 357, 364, 496 Razilly, Isaac 357 Ribault, Jean 128, 134 – 140, 142 – 145, 147, 177, 196, 209, 289, 311, 362, 393, 419f., 425f., 433, 459, 471, 473, 480, 498 Rich, Richard 270 Richelieu, Kardinal [siehe Plessis, Armand-Jean] Richer, Pierre 116, 118, 120, 360, 397, 420, 450, 458, 460f., 466 Riffault, Jacques 152, 203, 297 Roberval, Jean-François de la Rocque de 106 – 111, 114f., 120, 133, 214, 216, 232, 334, 358, 367, 383, 390, 396, 400, 414, 419, 461, 491, 494 Roche, Troilus de Mesgouez Sieur de la 152, 163f., 167, 174, 182, 186, 202, 209, 211, 214 – 219, 232, 367, 372, 378, 414, 491, 494 Roe, Thomas 302f., 305, 307f., 337, 403 Rolfe, John 271, 417 Rosier, James 243, 393, 406 Rotz, Jean 91, 98, 379 Rut, John 71 Sancy, Nicolas Harlay de 310 Santángel, Luis de 47, 85 Schmidl, Ulrich [Utz] 64, 126, 397 Sellmann, Edward 161, 380, 431, 444

Personenregister

Settle, Dionyse 160, 162, 340, 373, 387, 396, 431, 442, 448, 469 Sidney, Henry 147, 153f. Sidney, Philip 176f., 199, 415, 489 Skidwarres 251, 406 Smith, John 249, 251, 253 – 256, 258 – 264, 267 – 269, 271 – 273, 294, 334, 340, 385f., 390f., 399, 402, 411, 417 – 419, 422 – 424, 428, 439f., 443 – 445, 449f., 454, 458f., 474f., 478, 486f., 510, 521 Smythe, Thomas 246 Soisson, Comte de 277 Somers, George 372 Southampton, Henry Wriothesley Earl of 362 Staden, Hans 83, 125 – 127, 130, 144, 200f. Strachey, William 257, 259, 268f., 352, 372, 385, 399, 406, 416, 423, 426, 428, 449, 488 Strozzi, Phillipe 169f., 173, 190, 218, 442 Stuart, Maria 114, 188 Stucley, Lewis 327 – 329 Stucley, Thomas 136 – 139, 383 Soto, Hernando De 51 – 53, 134, 265 Sully, Maximilien de Béthune, Duc de 232f., 240, 276, 310, 356, 363 Symonds, William 370, 393f., 432, 475 Testu, Guillaume Le 113, 149 Thevet, André 31, 108f., 111, 114 – 117, 125f., 147, 152, 171 – 173, 177, 181, 183f., 218, 339f., 343, 349f., 360, 404, 407, 415, 431, 445, 451, 458, 460 – 462, 466, 469f., 480, 486, 494, 497 Thorne, Robert 61, 71, 95, 158, 368, 513, 515f., 521f. Tonnetuit, Chauvin de 216, 229, 231, 234, 491 Tudor, Arthur [Sohn Heinrichs VII.] 61 Turner, William 299f.

619 Vaca, Álvar Núñez Cabeza de 53, 88, 124 Vaux, Charles des 203, 297, 309, 311 Veneur, Jean le 102 Verrazzano, Giovanni 70 – 72, 82, 92, 97f., 102, 173, 289, 364, 388, 390, 481 Verrazzano, Girolamo 92 Vespucci, Amerigo 55, 86f., 89, 94, 117, 126f., 349 Villegagnon, Nicolas Durand de 31, 114 – 121, 125, 133, 136, 145, 147, 149, 171f., 236, 289, 295, 309, 312, 316, 352, 360, 390, 397, 415, 420 – 422, 429, 433,435, 447, 450, 460f., 466, 490f. Wahunsonacock [Powhatan] 256f., 259 – 264, 266, 269, 271, 286, 306, 402, 450, 474 Walsingham, Francis 129, 154, 156f., 165, 167f., 175f., 177, 179, 181 – 186, 188 – 191, 193, 195, 197 – 199, 204, 210, 223, 353, 419, 431f., 480, 489 Waldseemüller, Martin 87, 94 Wanchese 186, 188, 190, 193, 406 Welser-Vöhlin (als Gesellschaft) 18, 60 – 64, 72, 96, 101, 121 – 124, 126f., 150, 357, 360, 456 Welser, Bartholomäus 123 West, Thomas [Lord De-la-Warre] 266 – 270, 423, 432, 496 Waymouth, George 242 – 244, 249 Whitaker, Alexander 270, 355, 363, 404, 412, 416, 431 – 434 White, John 186, 188, 193 – 196, 198 – 200, 203, 223, 258, 337, 353, 384 – 386, 395, 404, 410, 428, 485, 521 Wilson, John 299 Wingfield, Edward Maria 246, 258, 261f., 419 Wingina 470f. Winwood, Ralph 320, 322, 325f., 329

LEBEN UND WIRKEN DES ÖSTERREICHISCHEN STAATSBEAMTEN JOSEPH VON SONNENFELS

Simon Karstens Lehrer – Schriftsteller – Staatsreformer Die Karriere des Joseph von Sonnenfels (1733–1817) Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Band 106. 2011. 520 Seiten, gebunden € 90,00 A | € 93,00 D ISBN 978-3-205-78704-4

Leben und Wirken des österreichischen Staatsbeamten Joseph von Sonnenfels (17331817) werden in dieser mehrfach ausgezeichneten Studie für einen biografisch fokussierten Einblick in eine Zeit des Umbruchs und der Reformen genutzt. Im Zentrum der auf neue Quellenfunde gestützten Untersuchung stehen die sozialen Netzwerke, in die Sonnenfels eingebunden war und die seinen Lebensweg prägten. Dadurch werden seine Tätigkeiten als Professor, populärer Schriftsteller, Sekretär oder Hofrat in ihrem jeweiligen Kontext ebenso nachvollziehbar wie sein Einfluss auf die Reform des Theaters, des Bildungswesens oder der Polizei. Egal ob Professoren, Studenten, Verleger oder Bühnendichter, der Fokus liegt stets auf Sonnenfels“ Interaktion mit seinen Zeitgenossen und deren Auswirkungen auf seinen Lebenslauf.

Preisstand 1.1.2020

DIE KLUFT ZWISCHEN IMPERIALEM ANSPRUCH UND DER WIRKLICHKEIT INTERKULTURELLER BEGEGNUNGEN

Damien Tricoire Der koloniale Traum Imperiales Wissen und die französischmadagassischen Begegnungen im Zeitalter der Aufklärung Externa, Band 13 2018. 408 Seiten, mit 23 Abb., gebunden € 65,00 A | € 67,00 D ISBN 978-3-412-51131-9 E-Book: € 54,99 D | € 56,60 A ISBN 978-3-412-51360-3

In der Frühen Neuzeit nahm die europäische Expansion ihren Anfang, aber die Europäer waren im 18. Jahrhundert noch weit davon entfernt, in Afrika oder in Asien ihre Herrschaft zu etablieren. Viele Expansionsversuche scheiterten kläglich. Dennoch festigte sich der Glaube an eine europäische Übermacht und zivilisatorische Ausstrahlung. Die Studie fragt nach den Gründen für diese unrealistischen Pläne und zeigt auf, wie eine Kluft zwischen imperialem Anspruch und der Wirklichkeit interkultureller Begegnungen entstand. Anhand der Geschichte der französischen Expansionsversuche auf Madagaskar analysiert sie die Entfaltung kolonialer Fantasie, die Produktion bürokratischen Wissens und die Rolle der Aufklärung in der Entwicklung des Kolonialismus.

Preisstand 1.1.2020