Gesalbter und König: Titel und Konzeptionen der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und urchristlichen Schriften [Reprint 2013 ed.] 3110169371, 9783110169379

Die Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft (BZNW) ist eine der renommiertesten internatio

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Gesalbter und König: Titel und Konzeptionen der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und urchristlichen Schriften [Reprint 2013 ed.]
 3110169371, 9783110169379

Table of contents :
Vorwort
I. KAPITEL: EINFÜHRUNG
1. Das Problem
2. Zum aktuellen Forschungsstand
2.1 Forschungspositionen
2.2 Methodische Präzisierungen
3. Terminologie
4. Der unter dem Begriff „Frühjudentum“ gefaßte sachliche Gegenstand der Untersuchung
II. KAPITEL: FUNDIERUNG: GOTT ALS KÖNIG
1. Altes Testament (Hebräischer Kanon)
1.1 Pentateuch
1.2 Die Bücher Josua bis 2 Könige (Frühere Propheten)
1.3 Die Bücher der Propheten
1.4 Die Psalmen
1.5 Das Buch Daniel
1.6 Die Bücher der Chronik
1.7 Ergebnisse: Gott als König im Alten Testament
2. Frühjudentum
2.1 Geschichtserzählungen
2.2 Lehrerzählungen
2.3 Lehrschriften
2.4 Poetische Schriften
2.5 Schriftrollen von Qumran
2.6 Apokalyptische Schriften
2.7 Philo von Alexandrien und Josephus Flavius
2.8 Jüdische Gebete
2.9 Neues Testament
2.10 Ergebnis
III. KAPITEL: KÖNIGLICHE GESALBTENERWARTUNGEN IM JUDENTUM UM DIE ZEITENWENDE
1. Alttestamentliche Ermöglichung
2. Politisch umgesetzte Beanspruchungen der Königstradition
3. Die geschichtliche, davidisch-königliche Gesalbtenerwartung der Psalmen Salomos
3.1 PsSal 17
3.2 PsSal 18
3.3 Zusammenfassung
EXKURS: Königliche Motive in der jüdischen Weisheitstradition
4. Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten
4.1 Die Schriften der Qumran-Gemeinschaft
4.2 Die Testamente der zwölf Patriarchen
5. Mangelnde Evidenz: Die Sibyllinischen Orakel
5.1 Buch 3 der Sibyllinen
5.2 Buch 5 der Sibyllinen
6. Die endzeitliche Gestalt eines „Menschen“ bei Philo von Alexandrien
7. Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten
7.1 Aufstandsführer in der Darstellung bei Josephus Flavius
EXKURS: Jüdische Münzen aus der Zeit des jüdischrömischen Krieges
7.2 Ausblick: König Lukuas und Simon bar Kochba
8. Apokalyptische Variationen
8.1 Das äthiopische Henochbuch
8.2 Das vierte Buch Esra
8.3 Die syrische Baruch-Apokalypse
8.4 Die Offenbarung des Johannes
8.5 Rückblick
9. Nachklänge: Achtzehngebet und Targumim
9.1 Spiegelungen des Volksglaubens im Achtzehngebet (Schemone Esre)
9.2 Bewahrung und Umprägung: Die Targumim
10. Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament
10.1 Corpus Paulinum
10.2 Synoptische Evangelien und Apostelgeschichte
10.3 Johannesevangelium
10.4 Fazit: Zur Entwicklung von Jesus zum Christus
11. Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen
11.1 Der Gesalbte als Sohn Gottes
11.2 Leiden und Tod des Gesalbten
11.3 Der endzeitliche Prophet
11.4 Der wiedererwartete Elia
IV. KAPITEL: ERGEBNIS: DER KÖNIGLICHE GESALBTE IM FRÜHJUDENTUM
1. Zusammenfassung: Grundkonzeption und Variationen
2. Terminologie und Konzeption
3. Historische Situierung
4. Theologie
Literatur
Register

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Stefan Schreiber GesalSter und König

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentüche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

In Verbindung mit

James D. G. Dunn · Richard B. Hays Hermann Lichtenberger herausgegeben von

Michael Wolter

Band 105

W G DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2000

Stefan Schreiber

Gesalbter und König Titel und Kon2eptionen der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und urchristlichen Schriften

w DE

G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York 2000

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schreiber, Stefan: Gesalbter und König : Titel und Konzeptionen der königlichen Gesalbtenerwartung in frühjüdischen und christlichen Schriften / Stefan Schreiber. - Berlin ; New York : de Gruyter, 2000 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche ; Bd. 105) Zugl.: Augsburg, Univ., Habil.-Schr., 1999 ISBN 3-11-016937-1

© Copyright 2000 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

FÜR KATHARINA

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand aus der Beschäftigung mit der johanneischen Titelchristologie, genauer mit den Titeln „König" und „Christus", deren Bedeutung in ihrer Zeit nur auf dem Hintergrund religionsgeschichtlichen Vergleichsmaterials sinnvoll bestimmt werden kann. Genau dieser Untersuchungsgang erwies sich als Herausforderung: Trotz oder gerade angesichts neuerer Studien zum Thema der „Gesalbten"-Terminologie im Frühjudentum fand ich keine Darstellung, die ich mit guter Überzeugung hätte übernehmen und einer neutestamentlichen Untersuchung zugrundelegen können. Aus dieser Not entwickelte sich der hier unternommene Versuch einer neuen geschichtlichen und theologischen Darstellung und Beurteilung der erhaltenen Zeugnisse, die der Erwartung eines königlichen Gesalbten im Frühjudentum Ausdruck verleihen. Die ursprünglich angezielte Thematik konnte dabei nur noch ganz am Rande Beachtung finden. Die auf diese Weise gewachsene Arbeit wurde von der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Augsburg im Sommersemester 1999 als Habilitationsschrift angenommen. Für die Veröffentlichung habe ich versucht, die Geschlossenheit der Thematik durch den Einbezug weiteren Textmaterials (II.2.) bzw. durch vertiefte Untersuchungen (III. 10.) stärker sichtbar zu machen. Nun darf ich auch Dank sagen. Allen voran Herrn Prof. Dr. Herbert Leroy, der die Thematik anregte und in ihren Irrungen und Wandlungen mit Aufgeschlossenheit und Interesse begleitete; trotz kräftezehrender Krankheit hat er das Erstgutachten geschrieben und mögliche Themen für den Habilitationsvortrag mit mir diskutiert. Als Lehrer und als Freund gilt ihm mein herzlicher Dank. Ich danke der Augsburger Theologischen Fakultät für die Annahme meiner Habilitationsleistungen und besonders Herrn Prof. Dr. Walter Radi, der nicht nur das Zweitgutachten verfaßte und mir als seinem Mitarbeiter viel Freiraum zur Arbeit ließ, sondern auch während des Verfahrens selbst stets Ansprechpartner und Begleiter für mich war. Weiter danke ich den Herausgebern der „Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft", namentlich Herrn Prof. Dr. Michael Wolter, für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe und konstruktive Anfragen und Vorschläge, die manche Klärung und Horizonterweiterung ermöglichten.

Vili

Vorwort

Ich widme die Arbeit in Dankbarkeit meiner Frau Katharina, die unmittelbar an den Unebenheiten meines Lebens Anteil hat und mich gerade in der Ambivalenz einer spannungsvollen Beziehung nicht vergessen läßt, daß Leben immer weit mehr ist als Wissenschaft. Augsburg, 21. Juli 2000

Stefan Schreiber

INHALT Vorwort

VII

I. KAPITEL: EINFÜHRUNG 1. Das Problem 3 2. Zum aktuellen Forschungsstand 5 2.1 Forschungspositionen 5 2.2 Methodische Präzisierungen 19 3. Terminologie 29 4. Der unter dem Begriff „Frühjudentum" gefaßte sachliche Gegenstand der Untersuchung 33

II. KAPITEL: FUNDIERUNG: GOTT ALS KÖNIG 1. Altes Testament (Hebräischer Kanon) 1.1 Pentateuch 1.2 Die Bücher Josua bis 2 Könige (Frühere Propheten) 1.3 Die Bücher der Propheten 1.3.1 Jesaja 1.3.2 Jeremia und Ezechiel 1.3.3 Dodekapropheton 1.3.4 Zusammenfassung 1.4 Die Psalmen 1.4.1 Jahwe-König-Psalmen 1.4.2 Weitere Psalmen 1.4.3 Zusammenfassung 1.5 Das Buch Daniel 1.6 Die Bücher der Chronik 1.7 Ergebnisse: Gott als König im Alten Testament 2. Frühjudentum 2.1 Geschichtserzählungen 2.2 Lehrerzählungen 2.3 Lehrschriften

41 43 47 49 49 53 55 58 60 60 65 69 71 78 80 85 86 90 92

χ

Inhalt

2.4 Poetische Schriften 2.5 Schriftrollen von Qumran 2.6 Apokalyptische Schriften 2.7 Philo von Alexandrien und Josephus Flavius 2.8 Jüdische Gebete 2.9 Neues Testament 2.10 Ergebnis

96 99 111 121 128 129 138

III. KAPITEL: KÖNIGLICHE GESALBTENERWARTUNGEN IM JUDENTUM UM DIE ZEITENWENDE 1. Alttestamentliche Ermöglichung 2. Politisch umgesetzte Beanspruchungen der Königstradition 3. Die geschichtliche, davidisch-königliche Gesalbtenerwartung der Psalmen Salomos 3.1 PsSal 17 3.2 PsSal 18 3.3 Zusammenfassung EXKURS: Königliche Motive in der jüdischen Weisheitstradition 4. Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten 4.1 Die Schriften der Qumran-Gemeinschaft 4.1.1 Gesalbte(r) Aarons und Israels 4.1.2 Fürst der Gemeinde und Sproß Davids 4.1.3 Terminologisch offene und nicht auswertbare Texte 4.1.4 Fazit 4.2 Die Testamente der zwölf Patriarchen 5. Mangelnde Evidenz: Die Sibyllinischen Orakel 5.1 Buch 3 der Sibyllinen 5.2 Buch 5 der Sibyllinen 6. Die endzeitliche Gestalt eines „Menschen" bei Philo von Alexandrien 7. Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten 7.1 Aufstandsfuhrer in der Darstellung bei Josephus Flavius 7.1.1 Religion und Revolution: Der biographische Hintergrund 7.1.2 Texte und Gestalten 7.1.2.1 Im 1. Jh. n.Chr. vor dem jüdisch-römischen Krieg 7.1.2.2 Während der Zeit des jüdisch-römischen Krieges

145 155 161 163 184 188 191 199 199 200 214 230 239 245 259 260 264 269 275 275 275 283 283 295

Inhalt

EXKURS: Jüdische Münzen aus der Zeit des jüdischrömischen Krieges 7.1.2.3 Ergebnis 7.1.3 Diskussion 7.2 Ausblick: König Lukuas und Simon bar Kochba 8. Apokalyptische Variationen 8.1 Das äthiopische Henochbuch 8.1.1 Die Bilderreden des äthiopischen Henoch 8.1.2 Das Buch der Traumvisionen 8.2 Das vierte Buch Esra 8.2.1 Der „Gesalbte" in 4 Esr 7 und 12 8.2.2 Der „Mensch" aus 4 Esr 13 8.3 Die syrische Baruch-Apokalypse 8.4 Die Offenbarung des Johannes 8.5 Rückblick 9. Nachklänge: Achtzehngebet und Targumim 9.1 Spiegelungen des Volksglaubens im Achtzehngebet (Schemone Esre) 9.2 Bewahrung und Umprägung: Die Targumim 10. Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament 10.1 Corpus Paulinum 10.1.1 Authentische Paulusbriefe 10.1.2 Deuteropaulinen 10.2 Synoptische Evangelien und Apostelgeschichte 10.2.1 Vorgeschichten 10.2.2 Evangeliencorpora 10.2.3 Passion und Erscheinungen Jesu 10.2.4 Apostelgeschichte 10.3 Johannesevangelium 10.3.1 Christus 10.3.2 König 10.3.3 Zusammenfassung 10.4 Fazit: Zur Entwicklung von Jesus zum Christus 11. Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen 11.1 Der Gesalbte als Sohn Gottes 11.1.1 Qumran-Texte 11.1.2 Texte im Verdacht christlicher Interpolation 11.1.3 Texte aus dem Neuen Testament 11.2 Leiden und Tod des Gesalbten

XI

295 308 310 317 323 324 324 343 346 347 354 363 374 387 391 391 394 405 405 405 421 425 425 430 438 446 451 451 483 489 490 497 497 498 508 511 512

XII

Inhalt

11.3 Der endzeitliche Prophet 11.3.1 Frühjudentum 11.3.2 Jesus als endzeitlicher Prophet: Ein Überblick zur neutestamentlichen Erzählliteratur 11.4 Der wiedererwartete Elia

514 515 527 529

IV. KAPITEL: ERGEBNIS: DER KÖNIGLICHE GESALBTE IM FRÜHJUDENTUM 1. Zusammenfassung: Grundkonzeption und Variationen 2. Terminologie und Konzeption 3. Historische Situierung 4. Theologie

537 545 547 551

Literatur

555

Register

603

I. KAPITEL EINFÜHRUNG

1. Das Problem Die in christlicher Kultur verbreitete Gewohnheit, von der religionssoziologischen Identitätsgestalt als Jesus Christus zu sprechen, weiß nur noch selten um die disparaten semantischen Kategorien der geläufigen Wortverbindung. Während „Jesus" ohne Schwierigkeiten als Nomen proprium erkennbar ist und (in christlicher Kultur eindeutig) auf eine historische Gestalt referiert, handelt es sich bei „Christus" um die latinisierte Fassung des griechischen christos, das sich äquivalent mit „Gesalbter" oder auch mit dem semitischen Fremdwort „Messias" übersetzen läßt, und damit um die komplexe sprachliche Wirklichkeit eines Titels. Dessen ursprüngliche Bedeutung scheint heute weitgehend verloren. Ein Jesus-Anhänger des 1. Jh. n.Chr. durfte hingegen damit rechnen, bei Benutzung des Titels von seiner Umgebung verstanden zu werden. Mit dieser Aussage beginnen jedoch bereits die Probleme für den Historiker. Welche Inhalte in der Beschreibung der titulierten Gestalt evozierte der Gebrauch des Titels? Lassen sich einigermaßen fest umreißbare Vorstellungsstrukturen namhaft machen, die den Gehalt des Titels prägten? Oder sind dessen Verbreitung so ungewiß und seine inhaltliche Füllung so situationsabhängig, daß kaum eine gemeinsame Bedeutungslinie gefunden werden kann? Konnte man den Titel vielleicht nur in jeweils gruppenspezifischer Verortung verstehen? Diese Fragen können in der Forschung keineswegs als geklärt gelten - im Gegenteil: Mehr denn je stehen Verbreitung und Inhalt des Christus-Titels in der Diskussion. Der christliche Usus unserer Tage kann dabei nur sehr bedingt als Wegweiser zum Verständnis des 1. Jh. dienen, da die geschichtlichen Sprachfixierungen nicht über eine weitreichende hermeneutische Distanz hinwegtäuschen dürfen. Da der Christus-Titel jedoch die religiöse Sprachtradition der westlichen Welt wie kein anderer prägte, ist die Frage nach seinem Ursprung unerläßlich, soll die Bedeutung Jesu als Proprium christlichen Glaubens in ihrer geschichtlichen Bedingtheit weiter wahrnehmbar und sprachlich anschlußfähig bleiben. Der methodisch sachgemäßen Nachfrage bleibt nur die Konzentration auf die zeitgeschichtlich einschlägigen Texte der religiös-kulturellen Umwelt der frühen Jesusbewegung, um aussagefähige Konzeptionen von Gesalbtenbildem nachzeichnen zu können. Daher steht die Untersuchung dieser Texte auch im Mittelpunkt der vorliegenden Studie (Kap. III), wobei sich die Auswahl des Materials von der Benutzung spezifischer Gesalbten-Terminologie

4

Einfuhrung

leiten läßt. Diese Orientierung am durch die Termini „Gesalbter" und mit Einschränkung auch „König" gebildeten Wortfeld mag manchem als Engführung erscheinen, da so in der Tat motivliche Entsprechungen wie „Thron", „Königspalast" oder „Heilsherrschaft" an den Rand treten, doch führt der eingeschlagene Weg mit methodischer Zuverlässigkeit zu den zentralen Vorstellungen, die mit den Begriffen verbunden sind und über sie abgerufen werden können, und eröffnet den Zugang zu sich vereinzelnden Konkretionen. Der ntl Teil verfolgt dabei eine doppelte Zielsetzung: Er dient der Verifikation der eruierten frühjüdischen Traditionslinien und - indem das NT selbst als Bestandteil der frühjüdischen Welt wahrgenommen wird - der Charakterisierung der eigentümlichen Modifikationen, die die Aussage Jesu als Christus ermöglichen und prägen und so die Identität einer sich konstituierenden Religionsgemeinschaft bedingen. Da jedoch die Erwartung eines königlichen Gesalbten selbst nur in einem größeren religionsgeschichtlichen Kontext verständlich wird - wenn nämlich die grundlegende Abhängigkeit des Gesalbten von Gott erkannt ist - , thematisiert diese Untersuchung als Voraussetzung und Fundierung die Metaphorik von Gottes Königsein (Kap. II), die frühjüdisch und ntl einiges Gewicht erlangte und als Basisaussage der göttlichen Eigenart Signifikanz zeigt. Das in der Forschung nicht einheitlich klassifizierte Verhältnis beider Bildwelten wird so in einem möglichen Zusammenhang betrachtet, der die Eigenständigkeit der Vorstellungen ebenso berücksichtigt wie nachweisbare Kombinationen, die in der Sache durchaus sinnvoll zu entfalten sind. Vor dem Eintritt in die eigentliche Textarbeit sind einführend (Kap. I) der aktuelle Forschungsstand zur Vorstellung des königlichen Gesalbten zu positionieren, die terminologische Problematik durch Eindeutigkeit der Sprache zu klären und der zeitlich-kulturelle Gegenstand der Untersuchung unter dem Begriff „Frühjudentum" abzugrenzen.

2. Zum aktuellen Forschungsstand Die im NT durchgängig und in hoher Frequenz anzutreffende Rede von Jesus als „Christus" verweist die Frage nach der religionsgeschichtlichen Herkunft dieses Titels auf frühjüdische königliche Gesalbtenvorstellungen, die den Titel bereitlegen und die durch ihren literarischen Niederschlag in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende in einer gewissen Verfügbarkeit bezeugt sind. Verbreitung und Gegenstand solcher frühjüdischen Gesalbtenhoffnungen sind in der gegenwärtigen Forschung freilich wiederholt neu betrachtet und sehr verschieden bewertet worden. Dieser Diskussionsstand erfordert eine eingehende Aufarbeitung des einschlägigen Textmaterials unter verantwortbaren methodischen Kriterien, was ich als Ausgangsposition meiner Untersuchung verstehe.

2.1

Forschungspositionen

Eine detaillierte Auseinandersetzung mit in der Literatur greifbaren Entwicklungen und Positionen der Forschung braucht der an dieser Stelle erforderliche Überblick nicht zu bieten, da bereits M. Karrer am Übergang zu den 90er Jahren charakteristische Entwicklungslinien nachzeichnet und als Ergebnis ein in der bisherigen religionsgeschichtlichen Forschung übliches Bild präsentiert: 1 Der Messias stelle die „zentrale jüdische Erwartungsgestalt" dar, auf die sich z.Zt. Jesu die jüdische Heilshoffnung richtete und die als Herrscherfigur in Repräsentanz des machtvollen Wirkens Gottes gedacht wurde (88); die Umgebung Jesu bzw. die nachösterliche Gemeinde konnte aufgrund der Erfahrung des in Jesus kulminierenden Wirkens Gottes Jesus als Messias identifizieren, mußte aber wegen des aus dem zeitgeschichtlichen Vorstellungsrahmen fallenden Kreuzestodes Jesu die Messiaserwartung transformieren, wobei die Auferstehungserfahrung die herrscherliche Hoheit verbürgte (88).2 1 KARRER, Gesalbte (1990), 12-47: Überblick über Forschungsgeschichte zum ChristosTitel. 2 Ältere Literatur bis 1907 bei SCHÜRER, Geschichte II 579-582; bis in die 70er Jahre bei SCHÜRER/VERMES/MlLLAR, History II 488-492. - An älteren, einflußreichen Arbeiten zum

6

Einfuhrung

In die Frage nach der Messiaserwartung ist in jüngster Zeit wieder Bewegung gekommen, der „Messianismus" ist weiter ein aktuell diskutiertes Problem, wie die Zahl der seit Ende der 80er Jahre zum Thema erschienenen Veröffentlichungen dokumentiert. Drei Sammelbände mit einschlägigen Aufsätzen sind zu nennen - J. Neusner/W.S. Green/E. Frerichs (Hgg.), Judaisms (1987); J.H. Charlesworth (Hg.), Messiah (1992); Jahrbuch fur Biblische Theologie 8: Der Messias (1993) - , sodann die schon erwähnte Habilitationsschrift von M. Karrer, Gesalbte (1990), zwei Dissertationen von G.S. Oegema, Gesalbte (1994) und A. Laato, Star (1997) sowie die Monographie von J.J. Collins, Scepter (1995).3 Forschungsgeschichtlich existiert eine gerade in der älteren Forschimg entwickelte breite Konsenslinie, die die Dominanz der königlichen Messiaserwartung vertritt, doch gingen bereits einzelne Forscher des 19. Jh. (Bruno Bauer, HJ. Holtzmann) von einem Absterben messianischer Hoffnungen in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende aus, die, auch unter christlichem Einfluß, erst im 1. Jh. n.Chr. wieder aufgegriffen wurde, damit im Bewußtsein des Volkes z.Zt. Jesu nicht lebendig war.4 E. Schürer geht von der Gleichsetzung des Messias mit einem mit besonderen göttlichen Kräften ausgestatteten König Israels aus5 und stellt eine einheitliche messianische Konzeption, eine messianische „Dogmatik" des Frühjudentums dar (609; vgl. 588: „So wurde das [sc. bei den Propheten zu findende] poetische Bild zum gelehrten Dogma"); die systematische Darstellung (609-651) legt das in syrApkBar und 4 Esr sichtbare Schema zugrunde und bezieht zum Teil auch die späteren rabbinischen Äußerungen ein, so daß sich - gleichwohl der Autor um Unterschiede in den einzelnen Schriften weiß - eine Nivellierung differenter Erwartungen ergibt.6 Die englischsprachige Bearbeitung des Werkes von Schürer durch G. Vermes und F. Miliar vertritt auf der Linie der deutschen Originalfassung ein einheitliches System eines Messianismus im antiken Ju-

T h e m a seien genannt: EISLER, 1ΗΣΟΥΣ Β Α Σ Ι Λ Ε Υ Σ (1929.1930); GRESSMANN, Messias ( 1 9 2 9 ) ; KLAUSNER, M e s s i a n i c I d e a ( 1 9 5 6 ) ; MOWINCKEL, H e T h a t C o m e t h ( 2 1 9 5 9 ) ; BUBER,

Königtum Gottes (31956). ISSER, Studies 60-67 setzt sich kritisch mit den „messianischen" Entwürfen von J. Klausner und S. Mowinckel auseinander. 3 Vgl. auch den Titel „Messiah and Christos" der Festschrift für D. Flusser von 1992 mit verschiedenen Beiträgen z u m T h e m a (hg. von J. GRUENWALD/S. SHAKED/G.G. STROUMSA).

Mit spezieller Ausrichtung auf die in Qumran gefundenen Texte mit messianischen Bezügen die neue und umfangreiche Dissertation von ZIMMERMANN, Texte (1998) sowie die Aufsatzsammlung von CHARLESWORTH/LICHTENBERGER/OEGEMA (Hgg.), Qumran-Messianism (1998). 4 Dazu SCHÜRER, Geschichte II 589, der sich gegen die genannte Auffassung wendet. 5 SCHÜRER, Geschichte II 583-651, hier z.B. 586.590.616. 6 Rabbinische Literatur bezieht z.B. auch HAHN, Hoheitstitel 151-153 ein.

Zum aktuellen Forschungsstand

7

dentum; 7 eine Variation wird in den Schriften v o n Qumran erkannt, w i e der A n h a n g ( 5 5 0 - 5 5 4 ) zeigt. Der Einfluß dieser Darstellung gerade i m englischsprachigen R a u m darf nicht unterschätzt werden, so beruft sich z.B. J.D.G. D u n n wiederholt auf Schürer und geht v o n der Verbreitung der Erwartung eines königlichen Gesalbten als Hauptstrom in der jüdischen eschat o l o g i s c h e n H o f f n u n g des 1. Jh. n.Chr. aus. 8 J.J. Collins vertritt in einer w e i t g e h e n d umsichtigen und a b g e w o g e n e n Darstellung gegenüber anderslautenden Forschungsergebnissen wieder eine stärkere G e w i c h t u n g der davidischen M e s s i a s h o f f n u n g , die als zentraler Strang jüdischer Zukunftserwartung einzuschätzen sei; bei aller Vielfalt der Vorstellungen existieren einheitliche Grundzüge, so daß die Messiaserwartung als typisch für das Judentum u m die Z e i t e n w e n d e zu bewerten sei. 9 A. Laato kann in seiner erst 1997 ers c h i e n e n e n Arbeit die Gesalbtenerwartung als „a central theme", das bereits früh R e l e v a n z besaß und v o n v i e l e n Juden geteilt wurde, beschreiben. 1 0

7 SCHORER/VERMES/MILLAR, History II 492-549, hier 514. - Kritisch gegen die dort vertretene Auffassung wenden sich die Herausgeber der schon genannten Sammelbände: CHARLES WORTH, Messianology 5; GREEN, Introduction 10, der die Vielfalt der Messiaserwartungen, die zudem innerhalb des antiken Judentums keineswegs zentral waren, betont. 8 DUNN, Messianic Ideas 367. Auch MÜLLER, Messias 13f. setzt eine bekannte Messiasidee voraus (145f.: „Messiasdogmatik"); vgl. ferner TALMON, Waiting 111. Einen einheitlichen, verbreiteten Messianismus nimmt auch WITTLIEB, Bedeutung (1989) an. WEBB, John 231-234 geht von einer einheitlichen Messiasgestalt aus und nivelliert die signifikanten Unterschiede in den Erwartungen differenter sozialer Gruppen. 9 COLLINS, Scepter (1995), 1 l-14.65f.95.209; vgl. DERS., He Shall 147f.l63. - Vgl. KNIBB, Messianism (1995), der Verbindungslinien von Pseudepigraphen zu Qumran-Schriften zieht, um gängige Motive der Messiaserwartung aufzuweisen. - R. MAYER, Messias (1998) behandelt 22-103 mögliche Messiaserwartungen des Frühjudentums innerhalb seiner Ausführungen zur jüdischen Messiasidee von den Anfangen bis heute; die Mehrheit der Juden erwartete einen davidischen Messias-König (29), wobei er den politisch-revolutionären Aspekt der Messiaserwartung betont (6) und den Messiasbegriff über eine terminologische Nachweisbarkeit hinaus ausdehnt (z.B. auf den atl Nehemia, die Makkabäer, Herodes den Großen). - Aufgrund neuentdeckter Qumran-Texte wollen EISENMAN/WISE, Jesus (1993) eine breite messianische Bewegung rekonstruieren, die einen nationalen Messias erwartet (vgl. 18); die Autoren stützen sich besonders auf 4Q521 und 4Q285 (vgl. 19-29), zwei Texte, die freilich genauerer Untersuchung bedürfen. 10 LAATO, Star 394. Nach HORBURY, Associations 40 besitzt die messianische Erwartung im 1. Jh. n.Chr. „a stable core of widely shared and relatively fixed belief'; DERS., Messianism 422-433 erkennt in der übernatürlichen Gestalt des Messias auf dem Hintergrund der davidischen Königslinie ein grundlegend einheitliches Messiasbild. Er vereinheitlicht freilich differente Konzeptionen zu stark und differenziert die relevanten Texte nicht ausreichend (z.B. wenn er rabbinisches Material und Justin gleichwertig einbezieht). - Die Dominanz der herrscherlich-königlichen Messiaserwartung um die Zeitenwende wird vertreten von HAHN, Hoheitstitel 156-158; DERS., EWNT III 1150-1153; HOFIUS, Jesus 107.112; VERMES, Jesus 130-135; KOCH, Messias 77f.; STUHLMACHER, Gottesknecht 137; DEXINGER, Entwicklung

8

Einführung

Etliche neuere Veröffentlichungen stellen diesen Konsens vehement in Frage. Die gegenüber der älteren Forschungsmeinung eines rekonstruierbaren frühjüdischen Messianismus im Sinne einer für die jüdische Zukunftshoffnung zentralen Erwartung eines Heilskönigs kritische Grundaussage des Sammelbandes von J. Neusner, W.S. Green und E. Frerichs (Judaisms and their Messiahs at the Turn of the Christian Era, Cambridge - N e w York 1987) hebt die Pluralität des Judentums (vgl. im Titel den Plural „Judaisms") und die Inkonsistenz seiner Zukunftshoffhungen in der Zeit des zweiten Tempels hervor; man könne weder von einer zentralen Rolle noch von einer einheitlichen Form einer Messiaserwartung in diesem Raum sprechen, so daß auch keinerlei Systematisierungen möglich seien." Green stellt in seinem Einfuhrungsartikel die Differenzen zwischen einzelnen Schriften und die Unbestimmtheit des Terminus „messiah" heraus; bestimmend wurde der ntl Gebrauch, der Messias wurde zu „the culmination and completion of an ancient Israelite tradition".12 Die Tendenz des Sammelbandes zur Minimalisierung der Gesalbtenerwartung zeigt sich bereits äußerlich daran, daß den PsSal als fundierendem Zeugnis kein eigener Beitrag gewidmet ist und gleich der erste thematische Aufsatz die Weisheit als nicht-messianisches Ideengefüge breit behandelt. Angesichts dieser rigorosen Behauptung basaler Divergenz ist erneut die Frage nach gemeinsamen Vorstellungslinien und wiederholt anzutreffenden Komponenten von Gesalbtenerwartungen zu stellen, was die vorliegende Arbeit in bezug auf die königlichen Gesalbtenerwartungen zu unternehmen beabsichtigt. Dabei sind gemeinsame Vorstellungen, Motive und Termini zu erarbeiten, wobei zugleich auch deren unterschiedliche Rezeption zutage treten wird. A u f der inhaltlichen Linie des Bandes von Neusner, Green und Frerichs liegt auch die Tendenz des auf ein Symposium in Princeton im Oktober 1987 zurückgehenden Sammelbandes „The Messiah", den J.H. Charlesworth 1992 edierte. Diese Tatsache wird ganz deutlich in Charlesworth' Einfuhrungsartikel, der wiederholt die geringe Verbreitung und die nicht einmal in Grundzügen gegebene Einheitlichkeit der Messiasidee im Frühjudentum hervorhebt,13 was allein schon die schwache Bezeugung nahelegt; er betont die Uneinheit5.18.22.243.247; DERS., Szenarium 249.254f.265.278 (festes messianisches Szenarium, zu dem u.a. die Tempelzerstörung als Vorereignis zählt; Dexinger differenziert 249 den Messianismus in eine jüdische realpolitische Utopie und eine christliche „Spiritualisierung"; er gewinnt 266-277 indirekte Belege aus rabbinischen Zeugnissen); BLACK, Messianism 149 („mainstream royal messianism of Israel"); auch LEVEY, Messiah XIX. " Vgl. das Vorwort von J. NEUSNER, ebd. IX-XIII. Dazu auch die thesenartigen Zusammenfassungen bei ΤηομA, Redimensionierungen 209-211.216, der weitgehend zustimmt. 12 GREEN, Introduction 2-6, Zitat 6. 13 CHARLESWORTH, Messianology 3-35, hier 6.10.13f.28.31f.35.

Zum aktuellen Forschungsstand

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lichkeit messianischer Vorstellungen in den Pseudepigraphen (19-24) sowie das geringe Gewicht und die Diversität der Messiaserwartungen in Qumran (25-28); die in den Mittelpunkt gerückte Verschiedenheit messianischer Erwartung läßt keine kohärente frühjüdische Messianologie erkennen, so daß dieser Aspekt im Ganzen des Frühjudentums fast vernachlässigbar sei (28f.).14 Die Schwäche dieser pointierten, aber einseitigen Position liegt im Versäumnis, gemeinsame Grundlinien zu erwähnen, die die Verbreitung der „Gesalbten"-Terminologie in unterschiedlichen Schriftengruppen erklären könnten. Die Differenzierung von Charlesworth (19-24) zeigt sich nicht immer einleuchtend, so kann ich z.B. seine Ablehnung des militärischen Elements in PsSal 17,21-33 nicht nachvollziehen; ob man aufgrund der Beobachtung einer quantitativ geringen Bezeugung direkt auf eine geringe Verbreitung der Gedanken im Volk schließen darf, kann zumindest angefragt werden,15 da die Größe „Frühjudentum" insgesamt angesichts der Quellenlage nur in Umrissen sichtbar ist. Die Tendenz, messianische Vorstellungen möglichst zu minimieren, manifestiert sich auch im Fehlen eines eigenen Beitrags zu den PsSal. Deutlich wird: Die frühjüdischen Gesalbtenerwartungen stellen Interpretationen, die wenigstens zum Teil politisch-sozial bedingt sind, von gemeinsamen Grundlinien dar. Eine solche Interpretation bietet in diesem Rahmen auch das NT. Nachdem sich eine kritische Neubewertung der frühjüdischen Gesalbtenerwartung im Sinne einer Reduktion der herrscherlichen Linie und einer Ablehnung der Möglichkeit zur Rekonstruktion einer einheitlichen Konzeption als aktuelle Forschungstendenz dokumentiert, ist diese Tendenz - die als Anwort auf geläufige Systematisierungen in ihrer Genese zu erklären ist - selbst kritisch zu befragen, was durch eine erneute Konfrontation mit den relevanten Texten zu geschehen hat.16

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Bereits in seinem früheren Überblick über Gesalbtenkonzeptionen (DERS., Concept, 1979) wendet sich Charlesworth gegen eine Systematisierung der betreffenden Vorstellungen (209) und betont das Fehlen solcher Erwartungen in der Mehrzahl der zeitgenössischen Schriften (216f.); er erkennt aber noch an, daß ein Teil der Juden den Messias erwartete (217); die späteren und teilweise massiv unter christlichem Einfluß stehenden Schriften, die er ebd. 207-215 behandelt (z.B. 3 Hen; OdSal; ApkEl) sind für das 1. Jh. nicht aussagekräftig15 Auch KOCH, Messias 78 zeigt sich demgegenüber kritisch. 16 Der an dieser Stelle noch zu erwähnende Sammelband „Der Messias" (JBTh 8, hg. von I . B A L D E R M A N N , 1 9 9 3 ) gibt unter Berücksichtigung der in der voraufgegangenen Forschung forcierten Kritik einen Überblick über verschiedene Bereiche frühjüdischer und ntl Gesalbtenerwartung, ohne einer Hyperkritik zu erliegen; es existiert keine einheitliche Grundlage in den Auffassungen der einzelnen Beiträge, so daß auch - zu Recht - Widersprüchliches und Ungeklärtes zutage treten, vgl. z.B. die Beiträge von H O F I U S (Jesus) und S T U H L M A C H E R (Gottesknecht) bzgl. des Selbstverständnisses des historischen Jesus.

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Einfuhrung

Gegen die Dominanz einer königlichen Gesalbtenhoffnung spricht sich M. Karrer aus, der diese Linie besonders zugunsten eines erfahrbaren sakralen Salbungsvollzuges, daneben auch gegenüber einer hohepriesterlichen und einer prophetischen Gesalbtenerwartung stark zurücktreten läßt.17 Nach Karrer wurde die forschungsgeschichtlich beobachtbare Zentrierung der Messiaserwartung auf eine Herrschergestalt durch umfassendere Untersuchung der Gesalbtenterminologie im Frühjudentum in Frage gestellt (88f.); zudem erfolgte die Betrachtung des Christus-Titels zunehmend in Absehung von diesen umgebenden titularen Feldern (89); ein semantisches Verständnis des Begriffs Christus, das bislang an den palästinischen Raum der Urgemeinde gebunden schien, wurde mit wachsender Deutlichkeit im Bereich des hellenistischen Heidenchristentums sichtbar (89). Karrer versucht mittels einer Alternativhypothese den Gesamtentwicklungsgang der frühchristlichen Adaption des Appellativums „Gesalbter" auf Jesus grundzulegen: von ursprünglich undeterminiertem Gebrauch, der nicht auf den herrscherlichen Strang der Gesalbtentradition festgelegt war, wird das Prädikat in einem Verdichtungsprozeß zur zentralen Jesusbenennung in den (hellenistischen) pln Gemeinden; verzögert bezeugen auch die Evangelien den gleichermaßen onomastischen und titularen Gebrauch des Begriffs in singulärer Identifizierung Jesu; als „bemerkenswerteste sprachgeschichtliche Innovation der nachpaulinischen Zeit" (90) charakterisiert Karrer die Paronomasie von Christos mit dem itazistisch gleichklingenden Prädikat χρηστός, die eine Verschmelzung der Traditionen vom Gesalbten und der Güte Gottes dokumentiert; die Dominanz der Gesalbtenvorstellung erweist die ab dem späten 2. Jh. belegte Übertragung der Bezeichnung auf die Nachfolger des Christus, die Χριστοί (89-91). Als forschungsgeschichtliches Novum erscheint die Entschränkung des Gesalbtenbegriffs über die eschatologisch-jüdische herrscherliche Messiashoffhung hinaus und die Einschränkung des Begriffsfeldes, indem zum Prädikat „Gesalbter" andere Titel wie „Gottessohn" oder „König" nur dann in Beziehung gesetzt werden, wenn eindeutige Verbindungen vorliegen.18 Karrer intendiert den Aufweis der zunehmenden Trennung von königlicher und messianischer Tradition (vgl. 147.266f. u.ö.) und arbeitet als Ansatz breit den Realienhintergrund von Königssalbung, Hohepriestersalbung und kultischer Salbungssakralisierung in Israel und im Judentum, zu letzterem auch in der paganen Umwelt auf (95-213).19 Hierzu ist kritisch anzumerken, daß „Christus" zu einem von seinem konkreten Realienhintergrund gelösten Titel der 17

KARRER, Gesalbte (1990), passim. KARRER, Gesalbte 91; in die zeitliche Ausdehnung der Arbeit werden auch nach-ntl Jahrhunderte einbezogen. 19 Auch HAHN, Messias-Erwartung 131f. nimmt aus atl Texten sichtbare reale Salbungsakte zum Ausgang seiner Darstellung. 18

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frühjüdischen Heilshoffnung wird und keinen realen Salbungsvollzug voraussetzt; eine Erwartung der realen Salbung einer so bezeichneten Gestalt erlangt keine Bedeutung. Karrer selbst weiß um die primär theologische Funktion des Titels nach der Königszeit in Israel bzw. Juda (99.214). Weiter wird von Karrer die terminologische Entwicklung von den Anfängen bis zum 1. Jh. n.Chr. im Sinne einer übertragenen Verwendung des Substantivs in bezug auf einzigartige religiöse Gestalten unter Berücksichtigung verschiedener Entwicklungslinien und historischer Zeitumstände beschrieben (214-313), wobei neben den zukünftigen Hofinungsträgern (herrscherliche, priesterliche und prophetische Gesalbte) auch das Gottesvolk als Kollektiv sowie Idealgestalten der Geschichte Israels zur Sprache kommen. Laut Karrer existierte kein in ganz Palästina verbreitetes einheitliches Konzept einer Gesalbtenvorstellung (242), ebensowenig bestand eine Dominanz der herrscherlichen Gesalbtenerwartung um die Zeitenwende (243.266f.302). Die christliche GesalbtenVorstellung läßt sich nicht einseitig von einer jüdischen Erwartung eines herrscherlichen Gesalbten ableiten, letztere übt lediglich als eine einzelne und dabei begrenzte - Traditionslinie Einfluß aus (294.313). Das frühjüdische Verständnis von Salbung und dem Gesalbten ist nach Karrer kultisch situiert und damit am Tempel in Jerusalem zentriert; so seien „der Kult und das Allerheiligste des Tempels in Jerusalem, wo Gott nah und wirksam ist wie sonst nirgends, zum Zentrum der Salbungsvollzüge und zum Maßstab für die Salbungsaussagen Israels geworden", was sich in der aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Allerheiligste angewandten Bezeichnung „das Gesalbte" manifestiert und den einzig erfahrbaren Realienhintergrund für Gesalbtenkonzeptionen darstellt; einem solchen Gesalbtenbegriff entsprach „nach zeitgenössischer Erinnerung keine Realgestalt der Geschichte zurück bis einschließlich der Staats- und Tempelgründungszeit um David", da sich in ihm einzigartige Gottnähe und ausstrahlende göttliche Segenssphäre zeigt (406).20 Dem entspricht die in der Antike verbreitete Vorstellungskorrelation von sakraler Salbung und Gottnähe; diese Tatsache eines allgemeinen antiken Verständnisses von Salbung bedinge die Einsetzbarkeit des Gesalbtenbegriffs in der urchristlichen Mission unter den Heiden, wobei sich die christliche Verwendung im Blick auf Israels Selbstverständnis als von Gott gesalbtes Volk und auf die Jesus-Deutung des Sterbens des Gesalbten von der mythologischen Auffassung der hellenistischen Welt unterscheide (377-405). P. Stuhlmacher übt an dieser Sicht Kritik mit dem semantischen Hinweis, το χριστόν bezeichne im griechischen Sprachgebrauch die Salbe und sei wegen der sich ergebenden Mißverständlichkeit ungeeignet für die Anwendung

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Zum Allerheiligsten als „das Gesalbte" vgl. auch KARRER, Gesalbte 176.

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Einführung

auf das Allerheiligste im Tempel.21 Traditionsgeschichtlich scheint eine Entwicklung und Verbreitung des Abstraktbegriffs „das Gesalbte" für das Allerheiligste angesichts der breit bezeugten Linie personaler Gesalbtenerwartung höchst unwahrscheinlich. Als einzigen Beleg fur die frühjüdische Verwendung von το χρι,στόν als Terminus technicus für das Allerheiligste nennt Karrer Dan 9,26b LXX, doch läßt die Genitivform grammatisch nicht zwischen Maskulinum und Neutrum unterscheiden, Textbeobachtungen sprechen für ein personales Verständnis. K.-W. Niebuhr22 bemerkt zu Recht eine methodische Inkonsistenz bei Karrer, der gerade die von ihm in ihrer Dominanz zurückgewiesene herrscherliche Gesalbtenerwartung zum Maßstab für Einzelbelege, die Züge dieser Erwartung enthalten oder entbehren, macht, so daß er das Fehlen solcher Züge als bewußte Ablehnung interpretieren kann; Niebuhr fragt ferner an, ob die Ablehnung einer verschiedene eschatologische Gestalten integrierenden Erwartung (vgl. Karrer, ebd. 33f.46f.91) der geschichtlichen Situation der ntl Zeit gerecht wird. Gerade die Verbindung verschiedener Vorstellungsstränge endzeitlicher Gestalten wird sich als ein wichtiger Befund der Textsichtung zeigen. Die Erweiterung der Textgrundlage durch gemeinantike Salbungsvorstellungen muß - neben einer quellenmäßig geringen Auswertbarkeit23 - berücksichtigen, daß herrscherliche Gesalbtenerwartungen häufig tendenziell gegen die römisch-hellenistische Herrschaft (und Religion) gerichtet sind, daher auch eine Übernahme von in diesem Kulturkreis angesiedelten Vorstellungen eher unwahrscheinlich wird. Die Bewertungen, die Karrer an einzelnen Textpassagen vornimmt, werden zu überprüfen sein und stehen im Verdacht, Konsequenzen seiner Ausgangsthese darzustellen; die Entscheidungen fallen im Detail und erfordern eine Fundierung in der Einzelanalyse einschlägiger frühjüdischer Texte. Das Bewußtsein der Uneinheitlichkeit frühjüdischer Messiasvorstellungen prägt zahlreiche Äußerungen in der Fachliteratur. So kann H. Frankemölle den frühjüdischen Begriff „Messias" zutreffend als Polysem bezeichnen.24

21

22

STUHLMACHER, G o t t e s k n e c h t 1 5 2 - 1 5 4 .

NIEBUHR, Jesus Christus 344f. - Zur Kritik an Karrer vgl. auch HAHN, Hoheitstitel 467-470.473 (Anhang zur fünften Auflage). Auch GNILKA, Christen 224-226 übernimmt Karrers Herleitung nicht und beurteilt die jüdische Königsmessianologie als zur Erklärung ntl Stellen wie Mk 8,29 nötig; es bestehe ein Zusammenhang mit dem Kreuzestitel, der messianisch konnotiert sei. 23 Vgl. NIEBUHR, Jesus Christus 345 mit Anm. 23. 24 FRANKEMÖLLE, Messiaserwartung 103. Das Bewußtsein der Uneinheitlichkeit dokumentieren auch STEMBERGER, TRE XXII 622-624; LICHTENBERGER, Erwartungen passim; HORSLEY/HANSON, Bandits 90; ZENGER, Jesus 61; HENGEL, Jesus 163-165. KOCH, Messias 84-102 will in der jüdischen Apokalyptik um die Zeitenwende eine Zwei-Stufen-Messianologie mit den Zentralgestalten Messias und Menschensohn herausarbeiten. DUNN, Parting

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Nach R.A. Horsley zeigen die literarischen Zeugnisse, daß die Messiaserwartung in Palästina z.Zt. Jesu nur eine unbedeutende Rolle spielte; auch die jüdischen Aufstandsbewegungen lassen nur selten eine eschatologische oder messianische Orientierung erkennen.25 A. Chester26 konstatiert nach einer überblicksartigen Textsichtung (19-40) die Vielfalt und Verschiedenheit messianischer Konzepte im Frühjudentum (40.43); wesentlicher Bestandteil dieser Erwartungen ist eine innerweltliche, politische Bedeutung (43), transzendente Elemente treten erst sekundär hinzu (46). Die von Josephus dargestellten messianischen Revolutionsbewegungen im 1. Jh. n.Chr. zeigen eine Verbreitung messianischer Hoffnungen im Volk, die nicht unbedingt einheitlich sind, aber auch kein seltenes, elitäres Konzept bilden; vielmehr erweisen sie sich als „potentially very widespread and easily intelligible" (42). Entsprechend beurteilt Chester das Fehlen dieser Erwartung in weiten Teilen des frühjüdischen Schrifttums als Funktion der Abwehr messianischer Erwartungen im Volk, da diese eine politische Gefahr beinhalten (45-47). Bleiben solche Schlußfolgerungen aufgrund mangelnder Verifikationsmöglichkeit immer stark hypothetisch, bedarf Chesters Gebrauch der „Gesalbten"-Terminologie der Präzisierung, da er sie auf allgemein königliche, vielleicht gesalbte Personen ausweitet (vgl. 18). Eine Beschränkung auf terminologisch eindeutig auffindbare Belege wäre methodisch sicherer. In starkem Maße findet in neuerer Zeit auch die Einsicht in die spezifische historische Situiertheit messianischer Erwartungen Beachtung. Bereits S. Talmon betont gegenüber einer einseitig theologischen Betrachtung der biblischen Messiaskonzeptionen deren soziohistorische Situierung innerhalb des politischen Gebildes Israel bzw. der jüdischen Gesellschaft.27 Er betrachtet die königliche Messiastradition v.a. in ihrer Funktion als idealisierte historische Erinnerung an die dann als Heilszeit qualifizierte Herrschaft Davids und 18-36 zählt die Gesalbtenerwartung nicht zu den vier Hauptthemen des Judentums zur Zeit des zweiten Tempels (diese seien Bund, Erwählung, Monotheismus und Land). 25 HORSLEY, Figures 278-281; DERS., Messianic Movements 483 geht noch davon aus, daß die Erwartung eines gesalbten Königs z.Zt. des Jüdischen Krieges im Volk verbreitet war. - BECKER, Messiaserwartung 82 gelangt nach Untersuchung atl und frühjüdischer Texte zu dem Urteil: „Im Rahmen der gesamten Heilserwartung war der Messias eher eine Randfigur ohne echte Heilsfunktion", doch geht er offenbar von einer gewissen Bekanntheit der Vorstellung aus, wenn er ebd. 91 sagt: „Am Ende der Entwicklung steht providentiell eine recht intensive und von einem Teil des Volkes akzeptierte" Gesalbtenerwartung. 26

27

CHESTER, E x p e c t a t i o n s ( 1 9 9 1 ) .

TALMON, Concepts 81; wenn Talmon jedoch innerhalb der atl Zukunftshoffnung expressis verbis von einer messianischen Erwartung spricht (z.B. 86.91.97f.), läuft sein Sprachgebrauch Gefahr, terminologisch zu stark zu nivellieren; so versteht er z.B. die ImmanuelWeissagung Jes 7,14-16 messianisch (95-97); vgl. auch DERS., Gesalbte 37-63 passim (besonders 58).

Einführung

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seines Sohnes Salomo, die als solche die Basis fiir spätere messianische Erwartungen bildet (vgl. 113-115). In einem anderen Beitrag zum Thema 28 differenziert Talmon zwischen restaurativem und utopischem Messianismus und findet beide Typen in der hebräischen Bibel; im „normativen" Judentum pharisäischer Prägung und bei den Samaritanern herrscht eine restaurative Messiaserwartung vor, auch innerhalb der Qumran-Gemeinde, wobei hier einzelne utopische Züge hinzutreten; das frühe Christentum hingegen steht ganz auf dem Boden einer utopischen Messianologie. 2 9 Diese ursprünglich von G. Scholem ins Gespräch gebrachte Begrifflichkeit verfolgt hinsichtlich frühjüdischer Texte eine ungute, weil zu stark idealtypisch abstrahierende Konturierung der Einzeltexte und trägt so m.E. zu deren Verständnis wenig bei. D i e Arbeit von G.S. Oegema (Der Gesalbte und sein Volk, 1994) 30 wendet sich gegen die traditionelle Definition des Messias als davidischer Endzeitkönig und möchte besonders das Verhältnis der Texte zu ihrem geschichtlichen Kontext sichtbar machen (22f.; vgl. 28f.40.287f.); 3 1 der Verfasser ist daher mehr an der „Hermeneutik einer bestimmten Schrift, eines Autors oder einer Tradition" als an der „Beschreibung der messianischen Hoffnung an sich" interessiert (288) - darin unterscheidet sich seine Intention von der

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TALMON, Typen 213-224 (besonders 213). Vgl. zur Differenzierung von restaurativer und utopischer Messiaserwartung auch SCHIFFMAN, Reclaiming 317-322.326f.339, der beide Varianten friihjüdisch vertreten sieht; vgl. DERS., Concept 235-241.245 (in der hebräischen Bibel und in den meisten frühjüdischen Schriften sind beide Stränge noch getrennt voneinander vorhanden, verbunden werden sie in den Qumran-Schriften, 4 Esr und syrApkBar); zur wesentlichen Verbindung beider Stränge auch DERS., Figures 128f. 30 Neue englische Version: OEGEMA, The Anointed and his People (1998), in die noch aktuelle Literatur integriert wurde; die Passagen zu einschlägigen Qumran-Texten erfuhren einige Veränderungen, die besonders die zeitliche Einordnung einzelner Texte betreffen (Anointed 86-97.108-127; als Aufsatz veröffentlicht: OEGEMA, Expectations [1999]); Umstellungen und Variationen auch in Kap. 4.7-9. 31 Die Betrachtung von Texten in ihrem Umfeld eröffnet am ehesten die Möglichkeit, ihnen in der vom Autor intendierten Selbstaussage gerecht zu werden. Meiner hier vorliegenden Betrachtung frühjüdischer Gesalbtentexte geht es in erster Linie - und das ist eine durchaus anders geartete, eingeschränkte Zielangabe - um die Eruierung bekannter Vorstellungen, die die konkrete Gestaltung der einzelnen Texte prägten; es treten neben den spezifisch geschichtlich bedingten Ausprägungen und Nuancierungen die gemeinsamen und damit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit verbreiteten Grundlinien hervor. Die ursprüngliche politisch-soziale Einbettung eines Textes verliert an Bedeutung, wenn sich diese Umstände verändern - bestimmte Vorstellungen werden dann auf einem anderen, dem eigenen zeitgeschichtlichen Hintergrund verstanden. Konkret heißt dies, daß der Autor einer Schrift durchaus bekannte Vorstellungen aufgreift, doch nicht an deren ursprünglicher Situierung interessiert ist, sondern sie in seinem eigenen Erlebens- und Denkhorizont verarbeitet, womit diese aktuelle Situation dann verstehensrelevant wird. 29

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meiner Untersuchung. Oegema definiert einen messianischen Text als solchen, „der von einer bestimmten Tradition auf den ,Messias' bezogen worden ist" (24). Damit wird also eine situative nachträgliche Deutung eines Textes zu seiner terminologischen Klassifizierung herangezogen - anders nenne ich in einem solchen Fall (wie ich meine präziser) nicht den Text selbst, sondern seine (wieder als Text vorliegende) Deutung „messianisch". Oegema gelangt weiter zu folgender „Arbeitsdefinition": „Ein Messias ist eine priesterliche, königliche oder andersartige Gestalt, die eine befreiende Rolle in der Endzeit spielt" (28).32 M.E. berücksichtigt Oegema die Gesalbten-Terminologie in seiner Definition zu wenig, dabei wäre es wichtig zu sehen, daß bestimmte Gestalten als Gesalbte bezeichnet werden und dieser Terminus eine in Grundzügen abrufbare Vorstellung denotieren kann; daher muß ich seiner Definition hinzufugen: und der als Gesalbter bzw. mittels eines damit ausdrücklich korrelierten Titels33 bezeichnet wird. Nur auf diese Weise kann festgestellt werden, welche Vorstellungen mit einem bestimmten Titel evoziert werden können. - Das Bild, das Oegema vom königlichen Messias zeichnet, bleibt blaß, wie z.B. seine Analyse der PsSal zeigt (104108). Entsprechend seiner Definition kann Oegema den Begriff „Christus" im NT nicht unbedingt als messianischen Titel betrachten (137.173), 34 was aber in der Sache erhebliche terminologische Schwierigkeiten mit sich bringt. So wird die Differenzierung zwischen einer „christologischen" und einer „messianischen" Auslegung der Bibel (z.B. 200f.) sachlich nicht recht deutlich, sofern als Kriterium offenbar allein die endzeitliche Funktion in Frage kommt. Eher könnten soziologische Kriterien („Sitz im Leben") der Relevanz bestimmter Vorstellungen in einer bestimmten gesellschaftlichen (frühjüdischen bzw. christlichen) Gruppe ausschlaggebend sein, wobei besser zwischen (vielfältiger) frühjüdischer und christlicher „Christologie" oder - äquivalent - „Messianologie" unterschieden würde. Als Ergebnis der Untersuchung einschlägiger Texte (aus der Zeit von Pompeius bis Titus) vertritt Oegema ein entwicklungsgeschichtliches Konzept der Messiaserwartung im Judentum in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende in direkter kausaler Korrespondenz zu den zeitgeschichtlichen politischen, selten auch sozial-religiösen, Verhältnissen (186-194). Er räumt in bezug auf die „Messianisierung" der Gestalt Jesu die Einflußmöglichkeit 32

Zu anderen, älteren Definitionen vgl. OEGEMA, Gesalbte 26f. Dies trifft innerhalb der Qumran-Schriften fur die Titel „Fürst der Gemeinde" und „Sproß Davids" zu. 34 Das JohEv bleibt im Gegensatz zu Paulus, Q und den Synoptikern unberücksichtigt. Die Behandlung der Synoptiker z.B. (Gesalbte 159-171) hält sich m.E. zu allgemein, d.h. die Frage bleibt offen, ob ein notwendiger sachlicher Zusammenhang zwischen der GesalbtenVorstellung und der Theologie eines Evangelisten besteht. 33

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Einführung

sozial-religiöser Faktoren neben den politischen ein (192). Die den Messiaserwartungen inhärente Kritik richtet sich v.a. auf die Herrschaftsansprüche der römischen Kaiser bzw. deren lokaler Vertreter (194). Die Stärke dieser These liegt in der Geschlossenheit einer geschichtlichen Ursachenbegründung, doch bleibt das vertretene strikte Ursache-Wirkung-Prinzip m.E. in etlichen Punkten nicht verifizierbar. Die Begründung aus der politischen Situation scheitert - wie Oegema teilweise selbst sieht - in jedem Fall bei der christlichen Aufnahme von Gesalbtenvorstellungen, da in diesem Bereich die religiös-charismatische Gründer- und Führungspersönlichkeit Jesu von Nazaret die entsprechenden Modifikationen traditioneller Konzeptionen bedingte, die bestenfalls in zweiter Linie dann mit politischen Entwicklungen kontrastiert wurden. In der Zeit bis zum jüdisch-römischen Krieg wurde nach Oegema der Endzeitbefreier v.a. als davidischer König-Messias konzipiert (186-194.227). Für die Zeit des Interbellums (70-135 n.Chr.) konstatiert Oegema wiederum, daß die politischen Verhältnisse den Ausgang der Bildung messianischer Konzeptionen darstellen: In den apokalyptischen Schriften aus dieser Zeit (ApkAbr, syrApkBar, 4 Esr, Offb, Sib 5) finde sich ein „Messias-Konzept als Kombination eines Menschensohn-Richter-Königs" (229, vgl. 230f.). Die veränderten Macht- und Besitzverhältnisse schlagen sich in den messianischen Erwartungen nieder, die nun eine Wiederherstellung der früheren Verhältnisse intendieren und damit die von Rom beherrschte Wirklichkeit kontrastieren und scharf kritisieren (231 f.). Oegema vertritt einen Zusammenhang zwischen der Konzeptualisierung der messianischen Erwartungen und der sozialpolitischen Krise in der Zeit des Interbellums (und danach), indem die unterschiedlichen Funktionen des Herrschens, Kriegführens, Richtens und Bevollmächtigens in einer messianischen Gestalt als Kritik an der allmächtigen Stellung des römischen Kaisers konzentriert werden (284-286). Oegema bündelt seine Einzelergebnisse in tabellarischer Form unter Angabe der ungefähren Entstehungszeit der jeweiligen Schrift, der aufgenommenen biblischen Traditionen, einer stichwortartigen Etikettierung des messianischen Konzepts und möglicher Bezüge zu historischen Personen (291-296). Ferner bietet er eine Liste der messianisch gedeuteten Bibelstellen (297-301) und hält die sehr unterschiedliche Auslegung gleicher Stellen fest, die keine feste messianische Bedeutung an sich, sondern deren Interpretabilität zeigt (302). Zusammenfassend betont er das dynamische Verhältnis von Text und Geschichte (303-305); bei der jeweiligen Umdeutung der biblischen Konzepte durch einen bestimmten Autor in einem Konzeptualisierungsprozeß „spielten historische Faktoren eine bestimmende Rolle" (304), wobei auch viele Konstanten sichtbar wurden, die ebenfalls auf dem Hintergrund der religiös-politischen Machtverhältnisse erklärbar seien.

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Grundsätzlich ist dieser These zuzustimmen, wenngleich die Einzeluntersuchungen und Bewertungen der einschlägigen Texte für mich nicht immer nachvollziehbar sind; Gesalbtenkonzeptionen sind allgemein in ihrer herrschaftskritischen Funktion deutlich, doch erfordern Einzelzüge dieser Konzepte spezifisch eigene Erklärungen. Das Ergebnis der Textanalyse unter dieser Fragestellung kann freilich nicht erklären, wie mittels des Begriffes „Gesalbter" von christlichen Schriftstellern bestimmte bekannte Vorstellungen der Umwelt evozierbar sind. K.E. Pomykala35 untersucht die atl grundgelegte Tradition vom Bestand des davidischen Königsgeschlechts und fragt, inwieweit die Verheißung des ewigen Bestandes aufgegriffen und für die Formulierung von Hoffnungen auf zukünftige Restauration im frühjüdischen Schrifttum fruchtbar gemacht wird (2). Er gelangt zu dem Ergebnis, daß der davidische Messianismus nur eine Form des königlichen Messianismus im Frühjudentum darstellt und selbst wieder je nach Gebrauch in verschiedenen Schriften unterschiedlich ist (264.270f.). Seine Aussagen zur Gesalbtenerwartung werden durch den eingeschränkten Blick auf davidische Begründung problematisch, da er die Existenz von königlichen Gesalbtenerwartungen unterbewertet, innerhalb deren die davidische Abstammung ein mögliches, aber nicht notwendiges Element bildet. Insgesamt erweist sich die Perspektive der Arbeit als zu eingeschränkt, um für meine Fragestellung eine ausreichend breite Basis liefern zu können. Die jüngst erschienene Arbeit von A. Laato36 legt einen Schwerpunkt auf die Entwicklung „messianischer" Vorstellungen im AT (48-255) und zieht dann die Linien ins frühe Juden- und Christentum aus (256-393), wobei nach den jeweiligen historischen Umständen gefragt wird, die wichtige Impulse für Neugestaltungen boten. Laato zieht dabei religionsgeschichtlich parallele Texte, z.B. akkadische Schriften, heran und widmet ein grundlegendes Kapitel (13-32) der Untersuchung von Vorstellungsparallelen zu Israels Königsideologie in Urkunden aus dem alten Mesopotamien und Altägypten. Die Verheißung des ewigen Bestandes der David-Dynastie in 2 Sam 7 wird zur Grundlage für ein Interpretationsmodell atl und späterer Königsideologie und Messiaserwartung (33-47). Die Darstellung verliert ihre Prägnanz wegen der Breite des als Hintergrund messianischer Ideen herangezogenen atl Textmaterials; so gehen die Verbindungen, die Laato zwischen atl, frühjüdischen und ntl Texten zieht, teilweise über direkte Parallelen hinaus und umfassen allgemeine Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen, die kein konsistentes Bild der Aufnahme der speziellen königlichen Gesalbtenerwartungen ergeben können. Der terminologisch klar begrenzte Bereich von „Gesalbten"-Erwar35

POMYKALA, T r a d i t i o n ( 1 9 9 5 ) .

36

LAATO, Star ( 1 9 9 7 ) .

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Einfuhrung

tungen wird wiederholt überschritten,37 Laato wendet die „Messias"-Begrifflichkeit unreflektiert auf atl Texte an, ohne daß dort ein äquivalenter Begriff begegnet (11 f. und passim). Die Gefahr der Arbeit besteht in der idealtypischen Abstraktion einer breiten, einlinigen Entwicklung, die die Komplexität der Vorstellungen integriert und damit verwischt.38 Die Annahme eines direkten Weiterlebens atl „messianischer" Erwartungen in frühjüdischer Zeit erscheint mir problematisch, da für etliche Jahrhunderte nicht ausreichend Textmaterial zur Absicherung dieser Behauptung zur Verfügung steht. Eher scheint mir ein interpretatorischer Neueinsatz ab dem ausgehenden 2. Jh. v.Chr. in gewandelter historischer Situation angenommen werden zu müssen, wobei freilich zentrale Motive atl Königsideologie Verwendung fanden. Kann Laato auch die Entwicklung von der israelitischen Königsideologie zu Gesalbtenvorstellungen in Grundmotiven einsichtig machen, ist seine Arbeit zur Eruierung spezifischer königlicher Gesalbtenerwartungen im Frühjudentum weniger geeignet. Nicht immer erhalten die einschlägigen Texte das ihnen zukommende Gewicht (z.B. äthHen 37-71).39 Laato gewichtet historische Hintergründe in ihrer Breite stärker als die literarischen Zeugnisse in ihrer Eigengewichtigkeit als ideengeschichtliche Dokumente.40 Weniger in die kritische Nachfrage einbezogen wurde bislang der KönigTitel, dessen messianische Bedeutung besonders im Kreuzestitulus seit den Untersuchungen von N.A. Dahl41 fast als Allgemeingut christologischer Forschung gelten kann, wiewohl - wie M. Karrer festhält - „es sich zunächst um einen realpolitischen Titel handelt".42 Der von mir angestrebte Aufweis betrifft den König-Titel als Prädikation im Rahmen der königlichen Gesalbtenerwartung, womit die herrscherliche Seite frühjüdischer Gesalbtengestalten terminologisch gefaßt ist, auch wenn dieser Herrschaftsaspekt nicht eo ipso bereits der Christus-Titulatur zu subsumieren wäre. Eine direkte Bezie-

37

Z.B. hinsichtlich des lk Benediktas: LAATO, Star 321f. Ein Beispiel: Eine ungute Vereinheitlichung entsteht, wenn LAATO, Star 266 den „Menschensohn" aus Dan 7 als „functional equivalent" zum davidischen Gesalbten beschreibt. Die Verschiedenheit der Vorstellungen wäre stärker zu beachten. 39 Die Ausführungen zu PsSal 17, die LAATO, Star 281-284 vornimmt, beachten v.a. atl Bezugnahmen, stellen aber insgesamt eine Verkürzung der eigenständigen Gesalbtenaussage des Liedes dar. Zur Diskussion anstehende Texte des Josephus fehlen. 40 G. SCHIMANOWSKI, Weisheit (1985) fragt nach Präexistenz der Weisheit bzw. des Messias vor der Erschaffung der Welt, wobei die Präexistenz des Messias-Menschensohnes in ntl Zeit nur äthHen 48,6 belegt sei (107-205). Die königliche Gesalbtenerwartung wird dabei nicht analysiert. 41 DAHL, Messias (1960), 159-169. Vgl. DERS., Messianic Ideas 390f.398f.403. 42 KARRER, Gesalbte 33. Vgl. z.B. wieder JUEL, Exegesis 1-3. 38

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hung des König-Titels in womöglich hyponymer Relation 43 zum ChristusPrädikat muß im einzelnen an den entsprechenden frühjüdischen (und ntl) Texten nachgewiesen werden. Die zu behandelnden Texte bieten eine Vielzahl von Fragestellungen, von denen nur einige für die König-Thematik wichtige Aspekte hier verfolgt werden können. Die Thematik der frühjüdischen Gesalbtenerwartungen weist gerade in der aktuellen Forschung keinen Konsens des Verständnisses auf, wie die Unterschiedlichkeit der Arbeiten aus den letzten Jahren beweist. Alte Einseitigkeiten drohen in neue umzuschlagen. Daher ist es nötig, die Textevidenz unter dem hier verfolgten Interesse erneut zu sichten und zu beurteilen. Meine Arbeit versucht, einen gangbaren Weg des Verständnisses gerade auch angesichts differierender Interpretationen zu zeigen und beinhaltet dabei einen Überblick über verschiedene Verstehensweisen. Die neuere Literatur zeigt eine gewisse Konzentration auf den englischsprachigen Raum, so daß eine deutschsprachige Behandlung sinnvoll scheint. Die gesamte Literatur zum Thema kann in ihrer Fülle in dieser Arbeit nicht mehr erfaßt werden. So mußte ich mich auf Neueres und Wichtiges beschränken, was zwangsläufig eine subjektive Auswahl darstellt; ich bin jedoch stets bemüht, abweichende Positionen wenigstens zu benennen. Abschließend sei noch bemerkt, daß manche erst in den 90er Jahren edierte Qumran-Texte die Hoffnung auf eine Erweiterung und Vertiefung unseres Wissens über die jüdischen Gesalbtenvorstellungen um die Zeitenwende erweckten; die tatsächliche Evidenz dieser Texte wird jeweils kritisch zu prüfen sein.

2.2 Methodische

Präzisierungen

Der Begriff χριστός ist von der soziokulturellen Situierung Jesu, seiner Anhänger und der ersten christlichen Gruppen her im Kontext frühjüdischer Gesalbtenerwartungen vor und während des 1. Jh. n.Chr. zu verstehen, und daher muß an die terminologisch als Gesalbten-Texte faßbaren Zeugnisse bzw. die sich darin niedergeschlagenen Erwartungen die Frage gerichtet werden, welche Termini und Vorstellungen in ihnen zutage treten. Diese bilden dann den konkreten Inhalt dessen, was mit der Bezeichnung eines „Gesalbten" im Rahmen von narrativen oder argumentativen Erörterungen zum Gesalbtenverständnis im christlichen Denk- und Darstellungsprozeß abrufbar ist. Dabei ragt die herrscherlich-königliche Linie dieser Erwartungen als eigen43 Zum semantischen Phänomen der Hyponymie vgl. LYONS, Sprache 145f.; DERS., Semantik I 300-305.

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Einfuhrung

ständige und häufig titular aufgerufene Bildwelt hervor. Aus diesem zeitgeschichtlichen Kontext heraus wird die Denotation des titular gebrauchten Lexems „Gesalbter" deutlich werden. Die zur Durchführung einer solchen Untersuchung anzuwendende Methode ist zunächst von der konkreten Fragestellung meiner Arbeit abhängig, nämlich auf welche Vorstellungsgehalte die urchristlichen Schriftsteller zurückgreifen, wenn sie Jesus „Gesalbter" nennen. Ich gehe also von einem bestimmten Begriff - „Gesalbter" - aus, wobei ich auch korrelierte Titel wie „König", „Sproß Davids" oder „Fürst (der Gemeinde)" einbeziehe, deren Verhältnis zum Oberbegriff „Gesalbter" sich sprachwissenschaftlich formuliert als Hyponymie beschreiben läßt: Die Termini „König" etc. stellen Hyponyme zu „Gesalbter" dar; das gilt es freilich anhand der einschlägigen Texte für den Einzelfall der jeweiligen Trägergruppe erst zu erweisen. Auf dieser terminologischen Grundlage suche ich in einem bestimmten religionsgeschichtlichen Feld, präziser in einem abgegrenzten zeitlichen - jeweils das Jahrhundert vor und nach dem Beginn der christlichen Zeitrechnung als Referenzzeitraum des NT - und kulturell-ethnischen Kontext - das Judentum als explizit verbalisierte Bezugsgröße des Auftretens Jesu und seiner Anhänger im NT - nach Vorstellungen, die sich mit dem Terminus „Gesalbter" und hyponymisch zugeordnetem Vokabular verbinden. Nur so kann die Gesamtheit der königlich-herrscherlichen Gesalbtenvorstellungen, insoweit die erhaltenen literarischen Quellen davon Zeugnis geben, erfaßt werden. Auch die ntl Schriften sind übrigens als Bestandteil des markierten religionsgeschichtlichen Feldes in die Analyse einzubeziehen. Diese begriffsgeschichtliche Methode liefert die für einen Vergleich - denn um einen solchen handelt es sich letztlich, wenn Adaptionen und Modifikationen konstant terminologisch fixierter Vorstellungen untersucht werden - notwendigen Daten. Gerade diese Konstanz der terminologischen Etikettierung bestimmter Vorstellungsinhalte zeigt ja die Intention der Aufnahme und gegebenenfalls Interpretation schon bestehender, also in diesem Sinne traditioneller Vorstellungen. Methodisch ist dabei der Zusammenhang zwischen Titeln und Vorstellungen zu berücksichtigen. Den Ausgang bildet dabei der Titel Gesalbter, womit ein Kriterium für die Suche nach relevanten fnihjüdischen Texten, die eine Präzisierung des titularen Bedeutungsgehaltes erlauben, zur Verfügung steht. Stets ist der Kontext der jeweiligen Begriffsanwendung bedeutungsprägend und daher in erster Linie zu untersuchen. Mit diesem methodisch verifizierbaren Kriterium sind die zentralen Texte und damit die wesentlichen Aspekte der korrelierten Vorstellungen auffindbar, so daß eine ausreichende und angemessene Literaturbasis für die Untersuchung zur Verfügung gestellt wird. Eine Begriffsuntersuchung allein genügt demnach nicht, um methodisch fundierte Aussagen zu treffen. Vorstellungen bzw. Konzeptionen, die mit den

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relevanten Titeln verbunden sind, bedürfen der Erörterung, wobei zu berücksichtigen sein wird, daß ein Titel erst in einem bestimmten Kontext seine Bedeutung gewinnt - der Gebrauch legt die Denotation fest. Solche Konzeptionen können in begründeten Fällen auch ohne den Titel aussagekräftig sein und auf eine sonst mit dem Titel bezeichnete Gestalt weisen (vgl. in diesem Fall Aussagen bei Josephus, s. die Untersuchung unter 7.). Konzeptionen stehen wiederum in dynamischer Verbindung mit anderen Konzeptionen und werfen so gegenseitig Licht auf ihre jeweiligen Aussagen. Die jeweilige Konzeption ist zunächst für sich als eigenständige Sinneinheit im je aktuellen Text zu betrachten.44 Daraus folgt eine grundlegende Kritik an älteren Arbeiten, die bei jeder Nennung des Titels „Messias" die gesamte Bedeutungsvielfalt als angesprochen voraussetzen; dies müßte erst im einzelnen nachgewiesen werden. Eine spezifische Konzeption kann durch einen ihr wesentlichen Terminus wachgerufen werden, doch muß die Verbindung des Terminus mit gerade dieser Vorstellung dabei hinreichend deutlich sein. Ein Konzept kann definiert werden als „a cognitive construct, a discrete bundle of meanings composing an independent unit of meaning with a central, or prominent element, further defined by other delimiting elements".45 Man kann dabei sogenannte „discourse concepts" unterscheiden, die „denote not only the lexical sense of the expression involved, but also germane elements of meaning contributed by the context".46 Die Summe von discourse concepts läßt die ganze Breite der Vorstellungen erkennen, die unter einem bestimmten Oberbegriff gefaßt werden können, in unserem Fall unter die Begrifflichkeit des Gesalbten. Diese Summe ist aber ein theoretisches summierendes Konstrukt, das in dieser Form nicht konkret in Texten begegnet. Um einschlägige Konzepte zu erfassen, müssen zugehörige semantische Felder beschrieben werden.47 Dabei wird es einerseits notwendig, sich von zu engen Einzelbegriffen zu lösen im Blick auf umfassendere Konzeptionen; andererseits ist aber auch zu sehen: Es existieren zentrale Termini, mit denen sich eine Konzeption aufrufen läßt. Auf diese Weise werden relevante Korrelationen zwischen Leitbegriffen und inhaltlichen Konzeptionen greifbar. Der Gesalbten-Titel erhält seine Denotation also im Rahmen königlichherrscherlicher Vorstellungskreise, die der frühjüdischen Literatur zu entnehmen sind, die wiederum auf als Basistexte zu charakterisierende atl Pas44

Vgl. COTTERELL/TURNER, Linguistics 149.

45

COTTERELL/TURNER, Linguistics 151.

46

Ebd. 152. Die Bedeutung eines Lexems läßt sich methodisch gesichert durch eine semantische Feldanalyse gewinnen, wenn die Relationen (z.B. Synonymie, Antonymie) zu syntaktisch verbundenen Lexemen und Konstruktionen analysiert werden. Vgl. NIDA, Implications 85; 47

LYONS, Language 75.

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Einführung

sagen zurückgreift. Dabei ist freilich zu beachten: Wenn in frühjüdischen Schriften atl David-Verheißungen messianisch interpretiert werden, geschieht dies zu einem bedeutenden Teil unabhängig von deren ursprünglicher Bedeutung im Kontext der jeweiligen atl Bücher. Diese im atl Text fixierten Vorstellungen an sich sind Träger aufgreifbarer Inhalte, die ursprünglich zugrundeliegende Situation dieser Texte ist jedoch für spätere Rezipienten unbedeutend, d.h. der textspezifische historische Hintergrund erklärt die Entwicklung der atl Texte, aber nicht die Strukturen der Rezeption.48 An den Anfang meiner Analyse religionsgeschichtlich relevanten Materials stelle ich eine These: Die königlich-herrscherlichen Gesalbtenerwartungen stellen im Judentum in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende in verschiedenen Schriftengruppen bezeugte und daher partiell verbreitete Zukunftshoffnungen dar, die in unterschiedlichen Ausformungen begegnen und deren basale Denotationen begrifflich über Gesalbtenterminologie (oder seltener über eindeutige Korrelate) abrufbar sind. Inhaltlich handelt es sich allgemein um eine machtvolle herrscherliche Gestalt, die als Repräsentant Gottes von diesem bevollmächtigt zukünftig bzw. eschatologisch auftritt, um Israels Feinde (d.h. real die Feinde der jeweiligen sozialen Gruppe als Kontext der Textproduktion) zu vernichten und für Israel eine meist befristete Heilszeit aufzurichten. Über dieses Grundgerüst hinaus treten in einzelnen Schriften je verschiedene spezifische Funktionen und Charakteristika hinzu, die aus der jeweiligen historischen und geistigen Situiertheit der betreffenden Schrift erwachsen und die Variabilität der Basiskonzeption voraussetzen. Diese These ist an sich das Ergebnis meiner Textuntersuchung; ich setze sie hier an den Anfang, um den Gang meiner Überlegungen von vornherein transparent zu machen. Im übrigen soll im Rahmen der folgenden Analysen die Textevidenz dargelegt werden, ohne daß ein ideen- oder entwicklungsgeschichtliches Modell zu begründen versucht wird. Daher ist auch die Text48 Die vorliegende Untersuchung versucht, eine gewisse Intertextualität zu beachten, nämlich einen theoretischen Zusammenhang relevanter Texte, der in gleicher oder unterschiedlicher Verarbeitung bestimmter Titel oder Motive sichtbar wird. Ein solcher Zusammenhang besteht gerade angesichts differierender sozio-kultureller Verortung der jeweiligen Texte und erhält von daher seine Aussagekraft. Intertextualität meint dabei die Art und Weise, in der ein bestimmter Text zu seinen Kon-Texten als bestehender Bedeutungssysteme in Beziehung steht (vgl. die Definition von Mack, Wisdom 15). Aus solcher Beziehung erhellt die spezifische Signifikanz eines Textes. Gefordert ist dabei das Prinzip der Ähnlichkeit, das einen Vergleich von Texten erst möglich macht (vgl. ebd. 16). Nur das soll als Charakteristikum eines „Gesalbten" verstanden werden, was sich aus einem konkreten Text entnehmen läßt. Der königliche Gesalbte gewinnt Konturen durch verbundene königlich-herrscherliche Vorstellungskreise. Die in dieser Untersuchung verfolgte Fragestellung lautet dann: Welche verschiedenen Vorstellungsarsenale von königlichen Gesalbtenerwartungen stehen im 1. Jh. zur Verfügung?

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anordnung nicht immer exakt chronologisch (sofern dies bei der partiell nach wie vor bestehenden Datierungsunsicherheit überhaupt möglich wäre), sondern beginnt mit der primär innerweltlichen Erwartung der PsSal und endet mit eschatologischen Hoffnungen in apokalyptischen Schriften. Anschließend ist der Gebrauch weiterer Titel und Motive, die in urchristlichen Schriften mit königlichen Gesalbtenerwartungen verbunden werden, wenigstens kurz anzufragen und zu untersuchen. Meine Ausführungen beabsichtigen eine Nachzeichnung dieser einen Linie frühjüdischer Zukunftshoffnung, ohne daß sich diese an ihren Rändern stets streng gegenüber anderen Erwartungen bzw. Heilsgestalten abgrenzen läßt. Um einer präzisen wissenschaftlichen Sprache willen verwende ich stellenweise eine bestimmte linguistische Terminologie, die die unterschiedlichen semantischen Ebenen eines Lexems zu erfassen vermag. Dieses Vorgehen scheint mir in methodischer Hinsicht gefordert und sachdienlich bei einer Untersuchung, in deren Mittelpunkt die Titel „König" und „Gesalbter" stehen. Um die Bedeutungen von Wörtern und Ausdrücken schärfer erfassen zu können, greife ich dabei auf die semantische Differenzierung von J. Lyons zurück, die er seinen Überlegungen zur Beschreibung von Sprache zugrundelegt. Er unterscheidet zwischen Referenz, Sinn und Denotation von Wörtern bzw. Ausdrücken, wobei diese Unterscheidung in erster Linie fur die deskriptive Verwendung von Sprache gilt.49 Zunächst zum Begriff der Referenz von Ausdrücken.50 Ein referierender Ausdruck will etwas über eine bestimmte Entität oder Gruppe von Entitäten sagen. Als Referent wird dann die Person oder der Gegenstand bezeichnet, auf den der Sprecher mit einem bestimmten Ausdruck referiert. Bei nur einem referierenden Ausdruck innerhalb eines Satzes bildet dieser typischerweise das Subjekt des Satzes, das mit einem prädikativen Ausdruck verbunden ist. Z.B. referiert in dem Sätzchen .Adenauer ist ein Deutscher' der Name ,Adenauer' auf eine konkrete Person, während das Syntagma ,ist ein Deutscher' einen prädikativen Ausdruck dazu darstellt. Sätze können auch mehrere referierende Ausdrücke enthalten, so können in der Aussage ,Hans schlägt Anna' die Namen ,Hans' und ,Anna' als referierende Ausdrücke beschrieben werden, deren Referenten namentlich identifizierbare Individuen sind. Singulär definite Referenz besitzen Ausdrücke, die auf Individuen referieren (im Gegensatz zu Klassen) und die auf spezifische Individuen referieren (keine Gruppen). Es kommen drei Hauptarten von Ausdrücken in Betracht, die Referenz haben können: definite Nominalphrasen (definite Deskriptionen), Ei49

LYONS, S p r a c h e 142.

50

Dazu LYONS, Semantik 1 190-198.

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Einführung

gennamen und Personalpronomina. Referenz ist ein äußerungsabhängiger Begriff, d.h. referierende Ausdrücke werden in einer bestimmten Äußerungssituation gebraucht und sind daher lediglich aus dieser Situation heraus voll verständlich. In einem angemessenen Kontext können auch Titel eine eindeutig referierende Funktion erfüllen. Im weiten Bereich von Referenten, die durch definite Deskriptionen bezeichnet werden sollen, sind auch fiktionale und abstrakte Referenten möglich. Ein Sprecher kann ebenso über Dinge sprechen, deren Existenz ihm nicht sicher zu sein scheint, doch legt er sich bei der Verwendung eines singulär définit referierenden Ausdrucks zumindest vorläufig auf die Existenz eines Referenten, auf den die gegebene Deskription zutrifft, fest; dem Hörer wird nahegelegt, das Gleiche zu tun. Allgemein nimmt ein Sprecher mit einer vorgelegten Deskription an, daß sie in einem gegebenen Kontext ausreichend spezifisch ist, damit der Referent vom Hörer eindeutig identifiziert werden kann („Einzigartigkeitsproposition"). Definite Nominalphrasen können - als Komplement des Verbs ,sein' - freilich auch prädikative Funktion erfüllen und so etwas über das Subjekt sagen, z.B. .Helmut Kohl ist der Bundeskanzler von Deutschland'. Anders interpretiert, fungieren sowohl ,Helmut Kohl' als auch ,der Bundeskanzler von Deutschland' als referierende Ausdrücke, wobei die Kopula ,sein' eine Identität zwischen den beiden Referenten herstellt; bei identifizierenden Sätzen sind die beiden referierenden Ausdrücke austauschbar und (im Deutschen) der definite Artikel obligatorischer Teil des Ausdrucks. Davon abzugrenzen ist der Sinn von Lexemen oder Ausdrücken,51 wobei in der Literatur häufig von Bedeutung52 gesprochen wird. Sinn unterscheidet sich von Referenz bereits dadurch, daß Ausdrücke verschiedenen Sinn, aber gleiche Referenz aufweisen können; so vermögen die Ausdrücke ,der Sieger von Jena' und ,der Besiegte von Waterloo' beide auf Napoleon zu referieren. Wenn zwei Wörter synonym sind, bedeutet das, daß sie gleichen Sinn haben, nicht aber, daß sie gleiche Referenz haben. Den gleichen Sinn weisen sie in einem bestimmten Bereich von Äußerungen dann auf, wenn sie in diesen Äußerungen substituierbar sind, ohne ihre deskriptive Bedeutung zu verändern. Sinn ergibt sich aus den Sinnrelationen eines Wortes. So ist Junggeselle' semantisch in gewisser Weise mit .verheiratet' verwandt. Die Analyse des Sinns eines Wortes kann durch eine Analyse der Sinnrelationen, die es mit anderen Worten eingeht, durchgeführt werden. Eine solche Sinnrelation 51

Zur folgenden Darstellung des Begriffes ,Sinn' vgl. LYONS, Semantik I 210-218. Lyons verwendet Bedeutung als allgemeinen, intuitiven oder vortheoretischen Terminus im Sinne dessen, was der Alltagssprachgebrauch mit ,die Bedeutung von Wörtern/Sätzen' meint; er versteht den Begriff damit nicht definitionsgemäß innerhalb einer bestimmten linguistischen Theorie fixiert; vgl. LYONS, Semantik I 15-18.40f. Ich übernehme diesen allgemeinen Sprachgebrauch. 52

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kann durch ein Bedeutungspostulat expliziert werden, z.B. ,ein Junggeselle ist nicht verheiratet'. Hier wird der Begriff der pragmatischen Implikation bedeutsam: Eine Äußerung A impliziert pragmatisch eine Äußerung B, wenn das Äußern von A den Sprecher nicht nur auf die Wahrheit der Proposition, die in A ausgedrückt wird, sondern auch auf die Wahrheit der Proposition, die in Β ausgedrückt wird, verpflichtet. 53 Verschiedene Sprecher können über die Bedeutung von Wörtern verschiedene Vorstellungen haben, wobei sich freilich die Menge der Implikationen, die die Sprecher als Folgerungen aus einer Äußerung akzeptieren, gewöhnlich deutlich überschneiden. Sinn besteht also in der Definition von Lyons „zwischen den Wörtern oder Ausdrücken einer einzigen Sprache (...), unabhängig von dem Verhältnis (...), das zwischen jenen Wörtern oder Ausdrücken und ihren Referenten oder Denotata besteht". 54 Zu beachten bleibt, daß Sinn (und Denotation) sowohl einzelne Lexeme als auch Ausdrücke besitzen, während Referenz nur eine Subklasse von Ausdrücken hat. Der Sinn eines Ausdrucks ist eine Funktion der Sinne seiner Teillexeme und ihrer bestimmten grammatischen Verwendung. Mit dem Begriff der Denotation eines Lexems schließlich „ist das Verhältnis gemeint, das zwischen diesem Lexem und Personen, Dingen, Orten, Eigenschaften, Prozessen und Aktivitäten außerhalb des Sprachsystems besteht". 55 Diese Personen, Dinge etc. werden als Denotatum bezeichnet. So ist das Denotatum des Ausdrucks ,Hund' eine bestimmte Klasse von Tieren, aber auch die individuellen Tiere sind seine Denotata. Eine Abgrenzung gegenüber dem Begriff der Referenz wird notwendig. 56 Referenz ist eine äußerungsabhängige Relation, die für Ausdrücke (nicht Lexeme) in einem bestimmten Kontext gilt. Denotation ist hingegen eine auf Lexeme anwendbare Relation, die unabhängig von einzelnen Äußerungen besteht. Ausdrücke wie ,der Hund' oder ,Karls Hund' können - kontextabhängig - auf Individuen referieren, während das Lexem ,Hund' alleine das nicht vermag. Die Referenz von Ausdrücken, die ,Hund' enthalten, wird nun teilweise durch die Denotation von ,Hund' bestimmt; die Klasse von Objekten, die das Lexem ,Hund' denotiert, wird in der Referenz auf ein individuelles Exemplar als bekannt vorausgesetzt. Die Denotation eines Lexems wird seine Referenz bei Verwendung in referierenden Ausdrücken determinieren. Die Spezifizierung der Denotation eines Lexems kann auf irgendeine Weise geschehen, deren Erfolg vorauszusehen ist, wobei dies wohl am ehesten durch Deskription ge53 Zu dieser Definition vgl. LYONS, Semantik 1 2 1 7 . Der Wahrheitsbegriff ist hier pragmatisch zu verstehen, nämlich in bezug auf das, was in der Betrachtung des Sprechers wahr ist; vgl. ebd. 54 LYONS, Semantik 1218. 35 LYONS, Semantik 1219. 56 Zu den folgenden Ausführungen vgl. LYONS, Semantik 1219-222.

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Einfuhrung

schehen wird, die Merkmale und Eigenschaften beschreibt und möglicherweise auch auf Bekanntes zurückgreift. Eine wissenschaftlich exakte Beschreibung der Denotation eines Lexems ist letztlich kaum möglich; wichtig erscheint die Rolle oder Funktion von Objekten, Prozessen, Aktivitäten und Ereignissen im Leben und in der Kultur einer Gesellschaft, die die Sprache verwendet. Vor einer ausgereiften Theorie der Kultur einer Gesellschaft wird man sich auf die praktische Darstellung der Denotation von Lexemen beschränken müssen. Auch das Verhältnis von Denotation und Sinn bedarf weiterer Klärung.57 Ein Lexem steht von seinem Sinn her mit anderen Lexemen des Sprachsystems in Beziehung und ist über seine Denotation mit Entitäten, Situationen etc. der Außenwelt verbunden.58 Eine Lexemmenge mit Sinnbeziehungen ist z.B. ,Kuh',,Bulle', ,Tier', ,Kalb'. Es existieren Wörter, die keine Denotation besitzen, deren Sinn wir aber dennoch kennen, beispielsweise das Wort ,Einhorn'. So wissen wir als Sprecher des Deutschen, daß .Einhorn' in einer Sinnrelation mit ,Tier' steht, so daß wir sagen können: ,es gibt kein derartiges Tier wie ein Einhorn'. Vielleicht könnte man hier an eine Art „sekundäre" Denotation denken, indem ein Bild des vorgestellten Einhorns gemalt und mit dem Lexem identifiziert wird. Die Fähigkeit, das Bild des mythischen Tieres zu erkennen, beruht jedoch auf einem Verständnis des Sinns von .Einhorn' und insbesondere der Kenntnis der Relationen zu Wörtern wie ,Pferd' oder ,Horn' und der Fähigkeit, die Denotation dieser Wörter zu identifizieren. Die Kenntnis des Sinns von .Einhorn' erlaubt das Wissen darum, auf welche Art von Objekten es angewandt werden könnte (sofern es diese gäbe). Dieser Zusammenhang von Sinn und Denotation gilt ganz allgemein. Wenn also die Denotation eines Lexems definiert (deskribiert) wird, muß der Sinn der in der Deskription enthaltenen Lexeme bekannt sein, so z.B., wenn , Walroß' als ,seehundähnliches, arktisches Säugetier mit Flossen und Stoßzähnen' definiert wird. Sinn geht in vielen Fällen also der Denotation voraus, doch gilt umgekehrt gerade für den Prozeß des Spracherwerbs, daß Sinn häufig erst über das Lernen der Denotation gewonnen wird. Das Verhältnis läßt sich als interdependent bezeichnen: Sinn und Denotation hängen wechselseitig voneinander ab, wobei empiristisches Denken die Denotation, rationalistisches den Sinn als grundlegend und vorgängig versteht.59 Der Begriff der Denotation kann freilich über Extensionen in der aktualen Welt hinaus auf weitere mögliche (Vorstellungs-)Welten ausgeweitet werden und ist nicht immer völlig einheitlich in seiner Relation zur Welt identifizierbar, so bei 57 58 59

Dazu LYONS, Semantik I 222-224. Vgl. LYONS, Sprache 143. Vgl. LYONS, Sprache 143.

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Wörtern wie .intelligent' oder .gefährlich'.60 Bei der Denotation geht es also um die Anwendbarkeit (d.h. korrekte, zutreffende Anwendungsmöglichkeit) eines Lexems oder Ausdrucks in bezug auf bestimmte Entitäten, wohingegen mit der Referenz die Identifizierung einer Entität bzw. einer Gruppe von Entitäten mittels eines Ausdrucks angezielt wird.61 Ausdrücke können denotativ äquivalent oder enger bzw. weiter sein, z.B. ist ,dunkelrot' enger gegenüber ,rot'. Prädikative Ausdrücke besitzen Denotation, referierende Ausdrücke nach dem von Lyons vorgelegten Modell nicht.62 An dieser Stelle soll nun noch ein Wort zur Verwendung der Begriffe Konnotation und Assoziation gesagt werden. Unter Konnotation verstehe ich einen Teilsinn (eine Sinnrelation) eines Lexems oder Ausdrucks, der mit diesem verbunden wird, z.B. stellt .Macht' eine Konnotation des Lexems .König' dar, aber unter bestimmten Umständen auch .Willkür'. Konnotation bezeichnet also eine eher inhaltliche Komponente, während Assoziation einen Vorgang sprachlichen Handelns hervorhebt. Die bevorzugte Verwendung eines Wortes in bestimmten Kontexten führt zur Bildung einer Reihe von Assoziationen zwischen Wort und Kontext.63 Damit ist eine Assoziation die Bildung einer Vorstellung, die subjektiv und stark kontextabhängig mit der Verwendung eines Lexems verbunden werden kann. Beide Begriffe liegen nahe beieinander; so können verschiedene Konnotationen mit einem bestimmten Namen assoziiert werden, und zwar durchaus von unterschiedlichen Personen je anders (kontextabhängig). Aus den verschiedenen Konnotationen lassen sich identifizierende Beschreibungen gewinnen, z.B. .Napoleon war ein siegreicher Feldherr', .Napoleon war französischer Kaiser'; dadurch erhält ein Name einen deskriptiven Hintergrund.64 Neben und vielleicht - im täglichen Umgang sogar sicher - vor der deskriptiven Funktion vermag Sprache eine expressive Funktion zu erfüllen, z.B. bei einem Ausruf. Der Sprecher drückt über das Medium der Sprache seine Gefühle, Einstellungen und Überzeugungen aus, so daß also ein Ausdruck der eigenen Persönlichkeit geschieht. Die expressive Bedeutung ist abhängig von sozialen Beziehungen und Rollen, da ein beträchtlicher Teil der Persönlichkeit eines Menschen als Produkt seiner Sozialisation anzusehen ist.65

60

Ausführlicher LYONS, Semantik I 224f. Vgl. ebd. 225. 62 Dies führt LYONS, Semantik I 226-228 aus. 63 Dazu LYONS, Sprache 141. 64 Vgl. LYONS, Semantik 1232. 65 Zur expressiven Funktion der Sprache vgl. LYONS, Sprache 133-135; DERS., Semantik I 64-70. 61

3. Terminologie Das Lexem χριστό?, substantiviertes Verbaladjektiv in Ableitung vom Verb χρίω, ist griechisches Übersetzungsäquivalent des hebräischen Nomens ΓΡ0Ώ („Gesalbter"),1 das aus der Wurzel ΠΟΠ als Partizip Passiv (nominale qatilForm mit passiver Bedeutung) gebildet und atl nicht absolut gebraucht wird, sondern im Status constructus ΠΊΓΡ ΓΡϋφ (z.B. 1 Sam 24,7.11; 26,9.11.16.23; 2 Sam 1,14.16) bzw. mit auf Jahwe bezogenem Suffix (z.B. 1 Sam 2,10.35; Jes 45,l). 2 Überwiegend findet es in der hebräischen Bibel Anwendung auf den politischen König des Staatswesens, dessen Erscheinung eine königsideologisch gefärbte Gestaltung erfährt. Die LXX gibt das hebräische Substantiv mit χριστός wieder und konstruiert es stets mit anschließendem Genitiv κυρίου oder θεού bzw. einem entsprechenden Possessivpronomen. Die griechische Transkription Μεσσία? für das semitische Substantiv, die sich an der aramäischen Form ΝΓΡώΟ orientiert,3 findet sich im NT nur Joh 1,41 und 4,25, wobei beide Stellen die griechische Übersetzung χριστό? zusätzlich erklärend anfuhren. Χριστό? wird im NT als Titel verwendet, kann jedoch noch nicht generell - wie dies später in der christlichen Tradition bis heute geschieht - als Eigenname verstanden werden. Im atl und frühjüdischen Sprachgebrauch beinhaltet χριστό? eine titulare Funktionsbezeichnung, wobei im tatsächlichen oder übertragenen Sinne die Salbung die Legitimation zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe überträgt.4 Diese Prädikation kann einer historisch oder eschatologisch gedachten Gestalt beigelegt werden und impliziert eine personale Hoheitsaussage, die in christlichen Schriften im Kontext eines Bekenntnisses (z.B. mit συ ε!) hervortreten kann. Darin zeigt sich der titulare Charakter der Prädikation, der sowohl eine Vertretung des Eigennamens (onomastische Funktion) als auch dessen Erweiterung mittels des Titels ermöglicht. Die ntl Formulierung „Jesus Christus" kann so von ihrem Ursprung her nicht als bloßer Doppelna-

1

Vgl. KARRER, Gesalbte 93f. zur Äquivalenz der entsprechenden semantischen Felder. Zur atl Verwendung des Nomens vgl. HESSE, ThWNT IX 491f.; STRAUß, TRE XXII 617; SEYBOLD, ThWAT V 47f.52-58 (zur LXX ebd. 58); TALMON, Concepts 88; SAEBO, Verhältnis 43-45; LAATO, Star 3f.; zur LXX VAN DER WOUDE, ThWNT IX 501. 3 Für die aramäische Form als vorauszusetzender Vorlage der Transkription spricht schon SCHÜRER, Geschichte II 613 Anm. 11. 4 Vgl. dazu und zum Folgenden HAHN, EWNT III 1148f. 2

Einfuhrung

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me verstanden werden, sondern stellt eine titulare Erweiterung des Namens Jesu dar. In der exegetischen Forschung wie in der kirchlichen Alltagssprache ist es üblich geworden, vom „Messias" oder adjektivisch von „messianischen" Vorstellungen etc. zu sprechen und dies sowohl auf die Gestalt Jesu von Nazaret als auch auf eine (mehr oder weniger) verbreitete Erwartung innerhalb des Judentums zur Zeit Jesu, ja selbst auf eine ganze Reihe atl Texte zu beziehen. Da dieser Gebrauch aus christlicher Sicht initiiert und artikuliert ist, birgt er die Gefahr der Nivellierung differenter Vorstellungen unter einer terminologischen Systematisierung, die ihren Ausgang bei der ntl Darstellung Jesu nimmt, in sich. Gegen eine die Konturen verwischende Verwendung wurde gerade in bezug auf atl Texte in neuerer Zeit wiederholt und eindringlich und mit guten Gründen protestiert (s. III.l.). Doch auch für den Bereich des Judentums in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende, also die für die hier anvisierte Thematik relevante Zeit, werden gegenüber einem unreflektierten Sprachgebrauch eines „Messianismus" terminologiegeschichtliche Einwände laut. So hat unlängst J. Maier5 unter Verweis auf die christliche Überfremdung des Lexems „Messias" und - in bezug auf atl Texte - auf die Diskrepanz zwischen Textinhalt und der Messias-Terminologie in der Forschung vorgeschlagen, in Anwendung auf atl und frühjüdische Texte auf die „Messias"-Terminologie zugunsten von „Gesalbten"-Ausdrücken zu verzichten. Das sachliche Anliegen solcher Kritik ist voll berechtigt. Dennoch folge ich dem Vorschlag von Maier nicht ausnahmslos, da die durchgängige Verbreitung des Messias-Prädikats in der Literatur einen solchen Verzicht kaum wirklich realisierbar erscheinen läßt und zudem die Gefahr besteht, daß die durch den undifferenzierten Gebrauch von „Messias"-Vokabeln geleitete Nivellierung nur durch eine ebenso schädliche Einebnung unterschiedlicher Inhalte mittels des Wortfeldes „Gesalbter" schleichend abgelöst wird. Der einzuschlagende Weg zu mehr Klarheit und Anerkenntnis der Eigenständigkeit verschiedener Vorstellungen wird demgegenüber in der sachlichen Präzisierung der jeweiligen „messianischen" Textinhalte und Konzeptionen bestehen müssen, was speziell eine deutliche Differenzierung zwischen dem Gesalbten Jesus und Gesalbten-Gestalten seiner Umwelt angesichts des Wandels der Denotation des Substantivs im jungen Jesus-Glauben erfordert. Das Lexem ΓΡ0Ο begegnet in hebräischen Texten und wird mit „Messias" (oder „messiah") lediglich in heute geläufige Schrift und Sprache transkribiert, mit „Gesalbter" (oder „anointed one" etc.) in moderne Sprachsysteme übertragen. Beide Vorgänge sind berechtigt und begründen eine prinzipielle 5

MAIER, Messias (1996), 587f.612 und passim.

Terminologie

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Gleichwertigkeit von Transkription und Übersetzung im Gebrauch wissenschaftlicher Sprache. Entscheidend ist die Einsicht, daß sowohl Sinn als auch Denotation der Lexeme „Messias" und „Gesalbter" auf dem Hintergrund der jüdischen Kultur und Sprache um die Zeitenwende identisch sind, da „Gesalbter" lediglich semantisches Übersetzungsäquivalent von „Messias" ist. „Messias" oder „Gesalbter" stellt innerhalb der jüdischen Literatur des hier relevanten Zeitraums einen explizit verwendeten Titel dar und denotiert allgemein die Vorstellung (einer oder) mehrerer endzeitlicher Heilsgestalt(en) fur Israel, die besonders von Gott ermächtigt sind und eine militärische und richtende, eine kultische oder eine verbal-rechtsetzende Funktion erfüllen und damit Gottes Handeln repräsentieren. Ein von Gott gegebenes Erwählungsund Legitimationsmoment ist wesentlich. Es handelt sich in vielen Fällen um einen syntagmatisch erweiterten (z.B. „Gesalbter Israels"), geprägten Terminus technicus für eine endzeitliche, geschichtlich auftretende Herrschergestalt, die von Gott bevollmächtigt ihre militärische Macht zugunsten Israels einsetzt. Der Terminus kann als Oberbegriff der so umrissenen Vorstellung zukünftig erhoffter, häufig eschatologischer Funktionsträger mit speziellen Aufgaben verwendet werden.6 Dabei gilt es wahrzunehmen, welche Variationen der Vorstellung für die einzelnen Belegtexte grundlegend sind. Einzelne Verstehenslinien lassen sich nicht immer strikt voneinander abgrenzen, vielmehr vermischen sich bei gegebener volkstümlicher Rezeption verschiedene Titel, Gestalten und Funktionen, ohne einen Vorstellungskern zu verlieren. Daher genügen kurze Anspielungen mittels des Gesalbten-Terminus in 1QS IX 11 und CD XII 23f. zur Evozierung der damit denotierten Anschauungen. Die Verwendung der Messias-/Gesalbten-Begrifflichkeit ist freilich eng zu fassen und nur dort streng sachlich zu begründen, wo ein terminologisches Äquivalent im hebräischen, griechischen oder in einer anderen zeitgenössischen Sprache verfaßten Text vorhanden ist oder ein anderer, im Kontext der jeweiligen Schrift bzw. Schriftengruppe als gruppenspezifisch verorteter Einheit eindeutig für einen Gesalbten verwendeter Titel als Pendant vorliegt.7 6 Daß die atl Verwendung des Titels mit konkreter Referenzmöglichkeit auf den politischen König des Staates davon abweicht, bedarf keiner Begründung. Der von mir verfolgte Sprachgebrauch bezieht die Gesalbten-Terminologie nicht auf atl Texte (s. unten III. 1.). 7 Eine gewisse Ausnahme bilden lediglich die Schilderungen des Josephus, da dessen geschichtsfilternden Tendenzen keine Anwendung des Titels „Gesalbter" erlauben; bestimmte Vorstellungen werden in diesem Fall entscheidend sein, um ein vorsichtiges Urteil über mögliche messianische Akzente der geschilderten Gestalten zu fallen; zu Josephus s. unter 7.1. - COLLINS, Scepter 1 If", will die „Messias"-Terminologie nicht zu eng auf explizite Gesalbten-Begrifflichkeit beschränken und damit eine eschatologische Gestalt bezeichnen, die aber nicht immer als Gesalbter benannt sein muß. M.E. ist diese Bestimmung aber zu weit gefaßt, da „messianisch" dann im Grunde mit „eschatologisch" identisch wird. Vgl. auch den unspezifischen Gebrauch bei SCHIFFMAN, Reclaiming passim, z.B. 330-332, wo er

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Einführung

Nur auf diese Weise kann mit methodisch fundierter Sicherheit die spezifische Denotation des Titels „Gesalbter" aus der jeweiligen Korrelation des Titels mit zugeordneten Vorstellungen ermittelt werden, ohne daß verschiedenste eschatologische Anschauungen das Bild verzerren. Die „Gesalbten"Terminologie darf daher bei allen semantischen Überschneidungen nicht mit „eschatologischer" Begrifflichkeit vermischt werden, denn letztere bezeichnet allgemein eine am Ende oder Ziel der Geschichte stehende Zeit, die im frühen Judentum in aller Regel theokratisch durch Gottes Beanspruchung der Herrschaftsausübung charakterisiert ist. Eine „messianische" Zeit ist dann nur die deutlich absetzbare Zeit, in der ein „Gesalbter" auftritt. Die hier zu untersuchende Form der Gesalbtenerwartung hat eine königliche Gestalt zum Inhalt, deren königliche Attribute und Funktionen, teilweise auch Titulierung, den Charakter einer eigenen Vorstellungslinie tragen, die ich als königliche Gesalbtenerwartung bezeichne. Dieser Terminus stellt natürlich einen idealtypischen Klassifikationsbegriff heutiger Wissenschaft dar; wir wissen nicht mit Sicherheit, welche zeitgenössischen Begriffsbildungen existierten, um die einschlägigen Vorstellungsgehalte zu subsumieren, doch ist dabei angesichts der erhaltenen Texte nach wie vor am ehesten an die „Gesalbten"-Terminologie zu denken.

„the messianic war" anhand der Kriegsrolle aus Qumran behandelt, ohne das Fehlen von Gesalbten-Terminologie zu berücksichtigen. Auch CHESTER, Expectations 18 benutzt Messias-Terminologie in erster Linie äquivalent zu „Gesalbten"-Nennungen, doch weitet er den Begriff auf gesalbte Personen, davidisch oder allgemein königlich, aus. Wiederum wird der Terminus dadurch zu weit gefaßt. THOMA, Entwürfe 23 beschränkt seine (eher als Umschreibung zu klassifizierende) Definition eines Messias nicht auf durch Gesalbten-Terminologie gekennzeichnete Vorstellungen und gelangt so zu einem (zu) breiten Spektrum „messianischer" Gestalten. HORBURY, Messianism (1998) verwendet „Messias" sehr allgemein für eine Heils- und Mittlergestalt, ohne eine direkte begriffsspezifische Grundlage vorauszusetzen. - Eine Konzentration auf explizite Gesalbten-Terminologie mahnen dagegen DE JONGE, Use of the Word „Anointed" (1966) und CHARLESWORTH, Concept 195f. an.

4. Der unter dem Begriff „Frühjudentum" gefaßte sachliche Gegenstand der Untersuchung Die Bezeichnung „Frühjudentum" verwende ich um einer kompakten Terminologie willen intentioneil wertfrei für einen zeitlich und religiös begrenzten Volks- und Kulturkreis: fur das Judentum zu hellenistisch-römischer Zeit.1 Das Frühjudentum kennt neben uneschatologischen und konsequent theokratischen Heilshoffiiungen2 verschiedene Formen der Gesalbtenerwartung, die freilich nur in bestimmten Schriften der Zeit anzutreffen sind.3 Bezeichnend 1

MAIER, Zwischen 39 empfindet den Begriff als unklar und empfiehlt stattdessen den Ausdruck „das Judentum zur Zeit des zweiten Tempels". HOFIUS, Jesus 111 faßt unter „frühes Judentum" das „Judentum der vomeutestamentlichen und der neutestamentlichen Zeit". THOMA, Redimensionierungen 209 nennt die Zeit des Bestandes des zweiten Tempels frühjüdisch. HAHN, Apokalyptik 2 versteht darunter die „nachalttestamentlichen Überlieferungen aus der Zeit vom 2. Jh. v.Chr. bis zum ausgehenden 2. Jh. n.Chr.". 2 Zur eschatologischen Gottesherrschaft ohne messianische Gestalten vgl. MAIER, Zwischen 209f.; CHARLESWORTH, From Jewish 250f. An Texten sei nur AssMos 10,7f. erwähnt. 3 Zum in der LXX repräsentierten hellenistischen Judentum (3. Jh. v.Chr. - 1. Jh. n.Chr.) vgl. KARRER, Gesalbte 113-128: Die LXX-Übersetzer verstehen den Zusammenbruch des Nord- und Südreiches als von Gott gesetztes Ende des gesalbten Königtums; eine futurische Erwartung eines gesalbten Königs findet sich nur 1 Sam 2,1-10 (1 Reg 2,1-10 LXX); allgemein tritt der Gebrauch der Gesalbten-Terminologie für die historischen Könige Israels bzw. Judas mit dem 1. Jh. v.Chr. deutlich zurück. In aller Regel bietet die LXX keine „messianische" Interpretation von „Heilsherrscher"-Stellen, wobei in Gen 49,10 eine Ausnahme gesehen wurde, wo die LXX „Herrscher aus Juda" statt des hebräischen „Szepter aus Juda" liest (vgl. OEGEMA, Gesalbte 45f.); dies ist freilich keineswegs als messianische Deutung klar erkennbar. Nach LUST, Messianism 179f. wird der königliche Charakter eines erwarteten Erlösers in der LXX abgeschwächt, so werde in Ez 21,30-32 eine priesterliche einer königlichen Gesalbtenerwartung gegenübergestellt (ebd. 190). Die Übersetzung von Num 24,7.17 zeigt die Erwartung einer endzeitlichen Königsgestalt; so VAN DER WOUDE, ThWNT IX 501f., der noch einige Stellen nennt, an denen Salbungsterminologie von der LXX eingeführt wird; CHESTER, Expectations 38 mit Anm. 53 deutet die Version eher messianisch; dagegen LUST, Messianism 178. Insgesamt vermag auch CHESTER, Expectations 37f. keine spezifisch messianische Interpretation der LXX aufzuzeigen, vielmehr werden potentiell messianische Stellen des hebräischen Textes gerade nicht messianisch formuliert und bisweilen eine messianische Deutungsmöglichkeit heruntergespielt (ebd. 38); vgl. zu diesem Ergebnis LUST, Messianism (1985). - CHARLESWORTH, Concept 216f. betont das Fehlen von Gesalbtenerwartungen in der Mehrzahl frühjüdischer Schriften, was besonders für AntBibl auffallig sei, wo eine ausschließliche Theozentrik vertreten werde.

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Einfuhrung

für die Sachlage ist das Urteil von W. Bousset und H. Greßmann: „Die Gestalt des Messias gehört nicht zum eisernen Bestand der eschatologischen Hoffnungen Israels und des Judentums. In so manchen, ja den meisten Zukunftsschilderungen der älteren Zeit wird der Messias überhaupt nicht erwähnt oder bleibt seine Gestalt im Hintergrunde stehen. Wo sich wirklich im Ernst alle Gedanken auf das Kommen Gottes, auf die Aufrichtung der Herrschaft Gottes spannen, bleibt kein Raum übrig für messianische Erwartungen im engeren Sinn. Dieselbe Beobachtung können wir auch für unsem Zeitraum (sc. die späthellenistische Zeit) machen".4 Das Substantiv „Gesalbter" wird - wenn auch nicht gerade häufig - als Terminus technicus für eine erwartete Heilsgestalt gebraucht, eine Verwendung im absoluten Sinn ist erst ab dem 1. Jh. v.Chr. nachweisbar.5 Die syntagmatischen Erweiterungen „Gesalbter des Geistes" (llQMelch 18) und „heilige Gesalbte" (CD VI 1; vgl. AntBibl 59,2) akzentuieren die besondere Gottesbeziehung eines Gesalbten.6 Neben einem herrscherlichen Gesalbten begegnen die endzeitlichen Gestalten eines hohepriesterlichen und eines prophetischen Gesalbten, auch ein kollektives Verständnis des Gottesvolkes als Gottes Gesalbter ist möglicherweise vereinzelt nachweisbar.7 Damit stellt die 4 BOUSSET/GREBMANN, Religion 222. Auch nach SANDERS, Judaism 295-298 war die Erwartung eines Messias in der friihjüdischen Zukunftshoffnung nicht die Regel; vgl. BECKER, Messiaserwartung 82; WÄCHTER, Messianismus 125. Nach NICKELSBURG, Salvation 65 gehört die Gesalbtenerwartung nicht notwendig zur jüdischen Theologie z.Zt. des zweiten Tempels; vgl. CHARLESWORTH, From Jewish 250f. GOLDSTEIN, Authors 87f. hält das Fehlen einer Messiaserwartung in den Makkabäerbüchem fest. 5 Dan 9,25f. ist von Personen der Vergangenheit, nicht von zukünftigen Heilsgestalten gesprochen! - Die Erhaltung etlicher frühjüdischer Schriften lediglich in Übersetzungen erschwert die Nachweisbarkeit des absoluten „der Messias" und des artikellosen „Messias". Die artikellose Form könnte neben der Funktion einer Prädikation und dem Gebrauch fur eine erwartete Gestalt auch in eigentlich nominaler Bedeutung verwendet werden, also als Beiname oder Name unter Beibehaltung des titularen Charakters, doch ist dieser Schritt erst für die christliche Tradition nachweisbar. Dazu auch HAHN, EWNT III 1151. 6 Vgl. KARRER, Gesalbte 220f. 7 Zum hohepriesterlichen und prophetischen Gesalbten verweise ich auf die Arbeit von KARRER, Gesalbte 337-351.351-363, zur seltenen Vorstellung des gesalbten Gottesknechts, die sich erst christlich allmählich entfaltet, ebd. 363-376; ab dem 2. Jh. v.Chr. ist das kollektive Verständnis des Gottesvolkes als Gesalbter in Palästina sehr vereinzelt, in der Diaspora verbreiteter anzutreffen (ebd. 228-242); in der Diaspora seien zwar königlich-herrscherliche Heilshoffnungen bekannt gewesen, aber nicht mit dem Gesalbten-Terminus verbunden worden (vgl. 232-234). Umfassend informiert ZIMMERMANN, Texte (1998) über priesterliche und prophetische Gesalbtenvorstellungen in Qumran-Texten (230-311.312-417). Zum Priester-Messias vgl. auch den Überblick von COLLINS, Scepter 74-95; VANDERKAM, Messianism 220-233; ΚΕΕ, Christology 188-192 betont königliche und priesterliche Rolle des Gesalbten. Karrer beurteilt ebd. 172 die idealisierte Vorstellung der Hohepriestersalbung als stärker in der jüdischen Erinnerung der ntl Zeit verwurzelt als die Königssalbung, wobei

Der unter dem Begriff „Frühjudentum" gefaßte sachliche Gegenstand

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königliche Gesalbtenerwartung lediglich einen Strang - vielleicht nicht einmal den zentralen - der messianischen Vorstellungen dar.8 Diese Linie soll im Rahmen der in meiner Arbeit behandelten Thematik auf Inhalt und Bedeutung hin untersucht werden, wobei das Verhältnis zu anderen Ausprägungen der Gesalbtenerwartung weitgehend offen bleiben muß: Eine Gesamtgewichtung der königlich-herrscherlichen Linie innerhalb frühjüdischer Gesalbtenerwartungen liegt daher nicht im zentralen Interesse der Arbeit, vielmehr werden Inhalt und funktionale Ausprägung der königlichen Gesalbtentradition in den Blick genommen. Das Gewicht der folgenden Ausführungen liegt auf frühjüdischen Texten zwischen 100 v.Chr. und 100 n.Chr., da diese in zeitlicher Nähe zu den ntl Schriften stehen und so in den anvisierten Untersuchungszeitraum fallen. Ein Problem eigener Art stellen dabei die rabbinischen Aussagen dar, da sich diese aufgrund ihres späteren zeitlichen Ansatzes kaum zur Eruierung von Vorstellungen des 1. Jh. n.Chr. heranziehen lassen. Zur Schwierigkeit der Datierung rabbinischer Aussagen hat K. Müller einige skeptische Beobachtungen angestellt, die in die zusammenfassende Beurteilung münden, daß solche frühen Datierungsversuche aufgrund der Bearbeitungen späterer Re-

inhaltlich Werte wie Reinheit, Heiligkeit und Zugang zu Gottes Herrlichkeit prägend waren; als gemeinsame Basis der verschiedenen Gesalbtenprädizierungen versteht Karrer (ebd. 222) die personale Umsetzung der in den sakralen Salbungsvollzügen des zweiten Tempels erfahrbaren Vorstellung der Gottesnähe in bezug auf einzigartige religiöse Gestalten. Als ergänzenden Einflußfaktor bietet Karrer (ebd. 377-384) einen Überblick über Salbungsvorstellungen und -Vollzüge in der griechisch-römischen Welt, wobei diese häufig im Kontext von Tod und Unsterblichkeit bis hin zur Vergottung von Menschen begegnen, partiell auch kritische Töne artikulieren; eine singulare Personalisierung mittels des Christos-Titels findet sich jedoch nicht. Ein Einfluß dieses Motivstroms auf das Frühjudentum darf nicht überschätzt werden, da von einer prinzipiell kritischen Haltung gegenüber heidnischen Bräuchen auszugehen ist (vgl. oben im Forschungsbericht zu Karrer). Karrer thematisiert dann (384-388) eine im Monotheismus begründete jüdische Ablehnung solcher paganen Gedanken zugunsten eines jüdischen Gesalbtenverständnisses als gesalbtes Volk, das unsterbliches Leben in Gottes Gegenwart hat, sowie (388-405) die sich erstmals gegen Ende der ntl Zeit schriftlich fixierende Antwort des Christentums auf diese Herausforderung der Umwelt als sich durchsetzendes Festhalten an der Relevanz des irdischen Jesus. - Die Vielfalt frühjüdischer Gesalbtenerwartung halten u.a. auch fest: KNIBB, Messianism 166; CHARLESWORTH, Messianology 31f. u.ö.; COLLINS, Messianism 97f.; WÄCHTER, Messianismus 125f. (der zwischen einem diesseitig-nationalen und einem überweltlich-universalistischen Strang unterscheidet); CHESTER, Parting 262. 8 Vgl. die Beurteilung von KARRER, Gesalbte 147.172.243.260.264-267.294.296.302. 319, der die nachgeordnete Bedeutung des königlichen Stranges zeigen will, in dieser Absicht den Textbelegen m.E. jedoch nicht immer gerecht wird. Anders COLLINS, Scepter 12.65f.95, der dessen Verbreitung als Antwort auf die Hasmonäerherrschaft hervorhebt.

Einführung

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daktionen „weitgehend aussichtslos und nahezu unmöglich" sind. 9 Im gleichen Sinne bemerkt J. Neusner, 10 daß die rabbinischen Aussagen zum Messianismus ein Problem darstellen, „das kaum das des ersten Jahrhunderts gewesen sein dürfte" (296); die stereotype und formelhafte Sprache rabbinischer Aussagen erlaubt keine Zuweisung solcher Aussprüche an eine bestimmte Person zu einer bestimmten Zeit (294.296); die planmäßige spätere Redaktion sieht die Überlieferung von ipsissima verba nicht vor (297), sondern verfolgt ihre eigenen Ziele (303). Neusner hält fest, „daß die Quellen des 3. oder 4. Jahrhunderts zunächst als Zeugen für Auffassungen zu lesen sind, die in diesen Jahrhunderten vorherrschten", und als solche „nur mit großer Vorsicht als Belege für Ansichten früherer Zeiten benutzt werden" dürfen (299); eine methodisch verantwortete Klärung steht auf diesem Gebiet noch aus." Aufgrund ähnlicher Überlegungen mahnt P.S. Alexander in einem Aufsatz zur Vorsicht bei der Anwendung rabbinischer Quellen für das 1. Jh.; der Autor stellt fest, daß „totally convincing criteria for the dating of Rabbinic texts have not yet been worked out, and possibly never will be"; 12 so sind die Zuweisungen rabbinischer Aussprüche kritisch zu hinterfragen, wobei „suspicion and uncertainty should increase in ratio to the distance of the document from the time of the master whose saying is quoted" (241); aufgrund der einschneidenden Ereignisse der Tempelzerstörung 70 n.Chr. und des BarKochba-Aufstandes um 135 n.Chr. kann nicht einfachhin eine Kontinuität des Judentums vor 70 und der rabbinischen Traditionen nach 70 angenommen werden (244). A.J. Saldarmi hält entsprechend fest: „All rabbinic traditions were edited after 200 A.D. and what can be learned from these even of the second century is highly questionable, especially when we do not really know how or with what Judah the Prince worked". 13 9

MÜLLER, Datierung 553-587, zusammenfassend 571 (Zitat); vgl. DERS., Judentum 89-

101. 10

NEUSNER, Verwendung 295f. " Vgl. die von NEUSNER, Verwendung 304 entwickelten Kriterien und die Kritik von MÜLLER, Datierung 584-586. Dazu auch NEUSNER, Rabbinic Literature 13-16.24-26.36f. und passim; zur Entstehung der Mischna um 200 n.Chr. und der in den Jahrhunderten darauf beginnenden Erarbeitung des Talmud DERS., Mishnah (1987), besonders 266.278. - Zu messianischen Vorstellungen der rabbinischen Quellen vgl. NEUSNER, Messiah in Context (1984); Überblickshaft SCHIFFMAN, Concept 241-245. 12 ALEXANDER, Rabbinic Judaism 241. 13 SALDARMI, Form Criticism 273, vgl. 264.268f. In dieser Weise vorsichtig äußern sich auch HÄFNER, Vorläufer 342; BOOTH, Jesus 130-150 (dessen Interesse bei den Reinheitsgesetzen liegt). Auch nach OEGEMA, Gesalbte 258f. „ist die Datierung sowie Kennzeichnung des .früheren' Materials in den rabbinischen Schriften schwierig bis unmöglich" (259). Zur Problematik der Rekonstruktion von rabbinischem Material aus dem 1. Jh. auch SANDERS,

Der unter dem Begriff „Frühjudentum" gefaßte sachliche Gegenstand

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Auch für die Targumim gilt, daß die erhaltene Textform weit später anzusetzen ist als das NT, wenngleich einzelne Traditionen wohl deutlich älter sind. Der Nachweis gestaltet sich aber im einzelnen schwierig, weshalb bei der Datierung Vorsicht geboten ist. So kann A.D. York resümieren: „Given the assumption that the New Testament and the Targumim were contemporaneous, one still has to establish that the text of the Targum we have today corresponds to the text of New Testament times, and this is no easy task".14 Im Hintergrund einer Untersuchung zu frühjüdischen Vorstellungen muß die Einsicht stehen, daß das Judentum im 1. Jh. n.Chr. keine einheitliche Größe auf der Basis der Normativität eines breiten Feldes an Glaubensinhalten und Haltungen darstellt, sondern eine gewisse Vielfalt an Vorstellungen und Gruppierungen aufweist,15 die jedoch aufgrund der Quellenlage nicht immer eindeutig zugeordnet und abgegrenzt werden können. So lassen auch die nachfolgend untersuchten Vorstellungen eher ein offenes Bild denn eine entwicklungsgeschichtliche und systematische Ordnung erkennen. Dabei ist zu bedenken, daß die bis heute erhaltenen Schriften der jüdischen Volksgruppen im 1. Jh. keinen umfassenden Einblick in deren Lebens- und Geisteswelt gestatten, sondern tatsächlich eine durch die Willkür der Geschichte gelenkte Auswahl bieten,16 so daß nur begrenzte Aussagen über die Wirklichkeitsverhältnisse dieser Periode möglich sind. Über die Verbreitung und damit den Einfluß der jeweiligen Schriften ist die Forschung weithin völlig im Unklaren. Andererseits dürfen und müssen gerade die existierenden Zeugnisse herangezogen werden, um wenigstens einen partiellen Einblick zu erlangen. Methodisch ist dabei jedoch Vorsicht geboten, wenn allzu weitreichende Judaism 414. - Optimistischer urteilt (zu Unrecht) LAATO, Star 381, nach dem Motivübereinstimmungen in messianischen Erwartungen zwischen als solche ausgegebenen tannaitischen Aussagen im rabbinischen Schrifttum einerseits und atl und frühjüdischen Schriften andererseits auf jüdische messianische Hoffnungen in tannaitischer Zeit deuten (381-393). Zur Kritik s. oben. 14 YORK, Dating (1974), Zitat 62. Vgl. MAIER, Zwischen 138f.; die Hinweise bei KARRER, Gesalbte 326f. Die Datierungsproblematik der Targumim zeigt auch SYREN, Blessings 179-182 (vgl. 189-192.195-199), so daß die jeweiligen Passagen der Einzeluntersuchung bedürfen, was der Autor an den Targumim zu Gen 49 und Dtn 33 expliziert (192195.200f.). Vgl. schon SCHÜRER, Geschichte II 607f. CHARLESWORTH, Messianology 15 lehnt die Relevanz der Targumim für das erste Jh. n.Chr. völlig ab; vgl. DERS., From Jewish 230. - Optimistischer - zumindest in bezug auf das Prophetentargum - KOCH, Messias 78f. 15 Von einem „normativen Judentum" kann fur diese Zeit in keiner Weise gesprochen werden. Vgl. auch TALMON, Concepts 101; NEUSNER, Rabbinic Literature 13; OEGEMA, Gesalbte 195; GREEN, Introduction 10. Gegen eine einheitliche Größe „Judentum" auch CHARLESWORTH, From Jewish 227; DERS., Concept 193. 16 MAIER, Zwischen 66 weist darauf hin, daß die christliche Tradierung dieser Schriften aufgrund des spezifischen Interesses nur einen Ausschnitt der jüdischen Gesamtliteratur erhielt.

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Einführung

Aussagen auf der uns zur Verfugung stehenden schmalen Materialbasis getroffen werden sollen. Die folgenden Ausführungen legen nicht - wie dies in der ntl Forschung bis heute häufig geschieht - die aus den rabbinischen Quellen17 eruierbaren Aussagen der Darstellung der frühjüdischen Gesalbtenerwartung um die Zeitenwende zugrunde, sondern werten primär die Schriften aus, deren Entstehung während dieses Zeitraums wahrscheinlich gemacht werden kann. Das so skizzierbare Bild verdankt sich einer Erarbeitung aus den relevanten Quellen.

17 Zu den Messiaserwartungen in rabbinischen Dokumenten (Mischna, palästinischer und babylonischer Talmud, rabbinische Schriftauslegungen) vgl. NEUSNER, Messiah in Context (1984).

II. KAPITEL FUNDIERUNG: GOTT ALS KÖNIG

1. Altes Testament (Hebräischer Kanon) Die Erörterung des grundsätzlich für die theologische Verortung und Fundierung der königlichen Gesalbtenkonzeptionen im Frühjudentum aufgreifbaren religionsgeschichtlichen Hintergrundes setzt ein mit einem Überblick über einschlägige Aussagen des hebräischen Kanons des AT über Gottes Königsein. Der so vermittelte Einblick in atl Denken erweist sich in doppelter Hinsicht als bedeutsam. Einmal stellt das AT die religiös-geistigen Denkvoraussetzungen für das Verständnis der überlieferten Zeugnisse des Judentums aus hellenistisch-römischer Zeit, zum anderen wurde auch unter den frühen Christen das AT (dort freilich v.a. in der Übersetzung der LXX) als heilige Schrift gelesen und in christologischer Auslegung bekannt. Es kann im Zusammenhang dieser Ausführungen, die einen umgreifenden theologischen Hintergrund für die frühjüdischen Gesalbten-Vorstellungen erhellen wollen, nicht darum gehen, die (altorientalische) Herkunft der Königs-Vorstellungen und ihre Aufnahme in die Gedankenwelt Israels zu untersuchen.1 Diese Vorstellung könnte Israel aus seiner Umwelt, vielleicht über den Kult, zugekommen sein, denn sie war erstens in der gesamten Umwelt des AT verbreitet und zweitens offenbar nicht mit den geschichtlichen Überlieferungen Israels verbunden.2 Es wird hier jedoch keine historisch-kritische Würdigung der entsprechenden atl Texte angestrebt, die nach traditions- und redaktionsgeschichtlichen Prozessen, ursprünglichem Sitz im Leben etc. fragen würde. Vielmehr sollen bestehende atl Vorstellungsmuster aufgesucht und in ihrer Verwendung und Eigenart kurz dargestellt werden.3 Daraus er1

Dazu z.B. ElßFELDT, Jahwe als König (1928), der 174-178 auf das religionsgeschichtliche Umfeld Israels in bezug auf Eigennamen, die die Vorstellung von Gott als König spiegeln, eingeht und 179-181 einen Überblick über die Vorkommen dieser Vorstellung im AT bietet; SCHMIDT, Königtum Gottes ( 2 1966); DERS., Glaube 204-209; LLPINSKI, La royauté de Yahwé ( 2 1968); GRAY, Biblical Doctrine of the Reign of God (1979); KRAUS, Theologie 2935; DIETRICH, Gott als König 252-265; SCHMIDT, TRE XIX 330-332; SEYBOLD, ThWAT IV 947-951; JEREMIAS, Königtum Gottes (1987) (Ergebnisse 149-165); in Auseinandersetzung mit Jeremias JANOWSKI, Königtum, und OTTO, Mythos und Geschichte 97-101 (kurze Inhaltsübersicht über die Arbeit von Jeremias ebd. 94-97); LORETZ, Ugarit-Texte (1988); GUNNEWEG, Biblische Theologie 134-136. - Zur Alternative der Herleitung unter traditionsoder sozialgeschichtlicher Fragestellung vgl. JANOWSKI, Königtum 394f. 2

Vgl. CAMPONOVO, Königtum 73f. Umfangreiche Literatur zum Thema Jahwe als König im AT findet sich bei PREUß, Theologie I 173 Anm. 98. - Forschungsschwerpunkte umreißt CAMPONOVO, Königtum 743

Fundierung: Gott als König

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gibt sich methodisch ein ausschließlich synchroner Durchgang durch verschiedene Textgruppen des AT, deren Betrachtung auf der Textebene einen ersten Ausschnitt eines wenn nicht literarischen, so doch assoziativen Gedankenhintergrundes späterer Schriften erkennbar werden läßt. Dieses Vorgehen erweist sich im Blick auf den zentralen Untersuchungsgegenstand als angemessen, denn spätere, jüdische und christliche Schriftsteller legten die ihnen vorliegenden atl Texte als Einheit aus, gemäß ihres Verständnisses in ihrer Zeit, ohne die Frage nach einer ursprünglichen Absicht atl Autoren und Redaktoren stark zu gewichten.4 Sie lasen die atl Texte also in ihrer Endgestalt, und es wird interessant sein zu sehen, welche Vorstellungen sie dabei finden konnten. Daß der Kanon der atl Schriften wohl erst um 100 n.Chr. weitgehend feststand, braucht nicht gegen obige Annahmen angeführt werden. Denn sicher bildete das „Gesetz" (die fünf Bücher Mose) schon vor diesem Zeitpunkt eine feste Größe, auch die Sammlung der „Propheten" kann bereits um 200 v.Chr. als großteils abgeschlossen gelten, der Psalter war wohl schon früh fixiert und auch die Chronik vor dem jüdischen Schrifttum aus hellenistisch-römischer Zeit entstanden.5 Betrachtet werden diejenigen Textpassagen, in denen Gott in Verbindung mit der hebräischen Wurzel begegnet, die königliche Existenz zum

79. - Zur innerisraelitischen Entwicklung der Jahwe-König-Theologie vgl. den Überblick im Artikel von ZENGER, Herrschaft Gottes/Reich Gottes II, TRE XV 176-189 (mit Literatur 1 8 8 f . ) ; LOHFINK, B e g r i f f d e s G o t t e s r e i c h e s ( 1 9 8 7 ) ; SEYBOLD, T h W A T I V 9 4 7 - 9 5 6 ; PIGOTT,

Kingdom (1998), 13-20; auch schon die Bemerkungen bei ElßFELDT, Jahwe als König 191193. - BRETTLER, King (1989) untersucht die Vorstellung von Gott als König im AT auf dem Hintergrund des israelitischen Königtums, dessen Erscheinung und literarische Darstellung diese Vorstellung motiviert und entscheidend geprägt habe; wenn er 29-49 auf „royal appellations", die vom irdischen König und von Gott gebraucht werden, eingeht, gelangt er zu dem Ergebnis, die Bezeichnung „König" greife auf den Gebrauch für den irdischen König zurück, übersteige dessen Möglichkeiten aber auf die allumfassende Mächtigkeit Jahwes hin (vgl. 33); insgesamt stellt er in der Anwendung auf Gott eine Überbietung der königlichen Attribute und Wesenheiten fest (vgl. zusammenfassend 162-165). Er betrachtet dazu ein weites semantisches Feld über die direkte „Königs"-Begrifflichkeit hinaus, was aber über die Absicht zu eruieren, welche Assoziationen im AT mit dem Königstitel für Jahwe verbunden werden, hinausfuhrt. Es wäre bei dieser Art der Herleitung zu bedenken, ob der Realienhintergrund wirklich auf Israels/Judas Königtum beschränkt werden kann oder nicht eher auf die Vielzahl der Begegnungen Israels mit den Königtümern im alten Vorderen Orient ausgedehnt werden müßte. 4

Vgl. auch CAMPONOVO, Königtum 72. Schon WEISS, Predigt 2 bemerkt, daß ftir das Urchristentum „die etwa benutzten Vorstellungen auf einer Fläche neben einander" liegen. Diese Sicht ist im Grunde implizit auch bereits bei der Bildung des atl Kanons vorausgesetzt, wo verschiedenartige Schriften zu einer Einheit verbunden wurden; angedeutet ist dies bei PATRICK, Kingdom 68f. 3 Dazu CAMPONOVO, Königtum 72f.

Altes Testament (Hebräischer Kanon)

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Ausdruck bringt, also einen König bzw. das König-Sein oder -Werden bezeichnet, in Ableitungen auch die Herrschaft, Herrschaftsausübung oder das Reich des Königs.6 Die damit bestimmten Texte sind im Folgenden weitgehend nach ihrer Stellung im hebräischen Kanon angeordnet, sofern nicht Zusammengehöriges beieinander steht (so bei den Psalmen nach formalen Gesichtspunkten).7 Texte, die Jahwe als Hirten vorstellen, sind nicht in die Untersuchung aufgenommen, obwohl im alten Vorderen Orient „Hirte" eine geläufige Königsprädikation darstellte; im AT sind die Rede von Jahwe als „König" und als „Hirte" jedoch nirgends direkt verbunden.8 Die Konzentration der vorliegenden Untersuchung auf die expliziten Jahwe-König-Aussagen (substantivisch und verbal) ist methodisch insofern legitim,9 als sich im Kontext dieser Aussagen die zentralen Assoziationen, die in den atl Schriften mit diesem Bild verbunden sind, finden und erheben lassen. Darüber hinaus bietet dieses Vorgehen den Vorteil, daß gerade die zentralen Bedeutungsgehalte als dieses Bild fundamental prägende und auch für spätere Hörer das Verständnis bestimmende Aspekte erfaßt und nicht von peripheren Beiklängen verdeckt werden.

1.1 Pentateuch Im Pentateuch begegnet die Rede von Jahwe als König nur vereinzelt. Die Stelle Ex 15,18xa befindet sich im Kontext eines Liedes (15,1-18), das Jahwe als machtvollen Retter und Führer seines Volkes im Zusammenhang mit dem Exodusgeschehen aus Ägypten besingt. Er vernichtete die Feinde im Meer und erschreckte die Bewohner Kanaans, so daß sein Volk zu seinem Heilig-

6 Zu Herkunft und Bedeutung der Wurzel " ^ D vgl. SEYBOLD, ThWAT IV 933f., zu Vorkommen in bezug auf Jahwe ebd. 947. 7 Mit der Anordnung ist also keineswegs etwa eine Einstufung der Texte nach ihrem Alter präjudiziell Entsprechend dem Kriterium der Stellung im hebräischen Kanon unterscheidet sich meine Anordnung von der bei CAMPONOVO, Königtum 79-126 gebotenen, die am Aufbau der LXX orientiert ist; er geht dort auch näher auf die Texte ein. Vgl. zur Auswahl der Stellen auch die Angaben bei PREUß, Theologie I 174 Anm. 99 und 100. 8 Vgl. PREUß, Theologie 1174f. 9 Gegen BRETTLER, King 161 (vgl. auch ebd. 23), der aufgrund der großen Zahl an mit dem Königstitel verbundenen bekannten Vorstellungen jeden Versuch, den atl Königstitel in Anwendung auf Gott auf eine Untersuchung der Wurzel " ^ Q zu beschränken, als „fundamentally incorrect" betrachtet. 10 Zu dieser Stelle vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 93-106; SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 96-115; CAMPONOVO, Königtum 79f.; SCHREINER, Sion 208-210.

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Fundierung: Gott als König

tum ziehen konnte, womit auf Jerusalem und den Zion angespielt ist." Dort thront Jahwe (15,17). Der Schlußsatz12 des Liedes faßt unter Anwendung einer verbalen Form der Wurzel "^Q in einer Akklamation zusammen: „Jahwe ist König 0TJi7Q'' m r p ) für immer und ewig" (15,18). Die Aussage trägt Bekenntnischarakter, d.h. die Sprechenden stehen in einem personalen Verhältnis zu dem Gott Jahwe, den sie als ihren König anerkennen. Das vorher besungene Geschehen ist als Handeln Jahwes Manifestation seines Königseins, Ereignis seiner Herrschaft,13 die in den genannten Taten zur Verwirklichung gelangt. Jahwe erwies sich als Retter und Führer, darin kommt die Ausübung seiner königlichen Herrschaft zum Tragen. Beachtenswert an dieser Aussage ist der zu beobachtende Zusammenhang14 von Exodus und Landnahme als grundlegendem Heilshandeln Jahwes an Israel und seinem königlichen Wirken, das diese Ereignisse von einem anderen Vorstellungsbereich her als aus der Macht Jahwes resultierend theologisch interpretiert; gleichzeitig wird mit dieser Korrelation das Bild von Jahwe als König konkret gefüllt.

" Mit „Heiligtum" ist der jerusalemer Tempel auf dem Zion gemeint, so SCHREINER, Sion 209f. - SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 102f. reduziert die Bezugnahmen auf Exodus und Landnahme erheblich, scheidet 105-107 die VV. 14-16 aus und gibt 108 als Thema des Liedes „nicht Exodus und Landnahme, sondern Gotteskampf und Königsherrschaft Jahwes inmitten seines Volkes auf dem Tempelberg" an. Dabei weist er 108-110 auf Anleihen aus der kanaanäischen Mythologie hin. Er gelangt 112 zu dem Ergebnis, „Gotteskampf und Gottkönigtum, das sind die beiden zentralen Theologoumena, um die sich in Ex 15 Israels Heilsgeschichte als ewige Heilspräsenz gruppiert". Damit stehe das Lied einer Tempeltheologie, wie sie im Psalter vertreten ist, näher als den geschichtlichen Überlieferungssträngen des Tetrateuch (vgl. 114). - Soviel Richtiges diesen Beobachtungen eigen ist, so sehr bleiben dennoch - zumal im Blick auf die Rezeption des 1. Jh. n.Chr. - die deutlichen Bezugnahmen auf Exodus und Landnahme zu beachten, die auf Textebene begegnen und durch den unmittelbaren Kontext der Erzählung von der Rettung aus der Hand der Ägypter (Ex 14) noch assoziativ verstärkt werden. Diese Bezugnahmen und Assoziationen scheinen mir freilich so formuliert zu sein, daß sie offen bleiben fur gegenwärtige (Heils-) Erfahrungen der Rezipienten, die sich in dem für Israels Geschichte grundlegenden Beispiel von Jahwes Rettungshandeln wiederfinden sollen. Daß dabei auch Jahwes Beständigkeit mitthematisiert wird, ermöglicht den Glauben an die Kontinuität seines rettenden Tuns für sein Volk. 12 „Schlußsentenz" nach CAMPONOVO, Königtum 80. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 103 sieht in V. 18 „die abschließende Klimax"; zur Formel "^D'' ΓΤΙΓΡ vgl. ebd. 109f. 13 Wenn CAMPONOVO, Königtum 80 hier von „Beweis" spricht, kommt m.E. nicht deutlich genug zum Ausdruck, daß es um die Realisierung von Jahwes Königtum als ganzem, als Bedingung des Lebens Israels schlechthin geht; dieses Königtum erweist sich aus sich selbst heraus als solches. 14 Diesen Zusammenhang betonen auch CAMPONOVO, Königtum 80; GIESEN, Herrschaft 7. JEREMIAS, Königtum Gottes lOOf. versteht die Ereignisse von Ex 15 als konstitutiv für die Gestalt des Königseins Jahwes.

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Als weniger aussagekräftig erweist sich in Ex 19,6 die Rede von einem „Königreich von Priestern (D'DilD ΓΟ^ΠΟ)". Da die Wendung singular im MT steht, läßt sich der Ausdruck schwer deuten.15 Entweder ist das „Königreich von Priestern" als Parallele zu „heiliges Volk" auf ganz Israel bezogen; der Kontext des Bundesschlusses am Sinai (vgl. Ex 19,3-8) würde dann die Interpretation nahelegen, daß Israels Königtum im Bund mit Jahwe gegründet und von diesem bewirkt ist, wobei das altorientalische Verhältnis von Großkönig und Vasallenkönig den Vorstellungshintergrund bieten würde; damit wäre indirekt auf Jahwes Königsein angespielt. Oder Israel wird als priesterliches Königreich verstanden, dem vor Jahwe (oder den Völkern) eine vergleichbare Würde und Stellung eignet wie den Priestern in Israel. Oder aber das Königtum in Israel wird als „priesterliches Königtum" betrachtet, was den jeweiligen Herrscher als in besonderem Maße priesterlich, d.h. ausgesondert, heilig, gottgeweiht qualifiziert. Oder man versteht schließlich Priester als Könige angesprochen, was an ein ganz besonderes Volk, das von Priestern gelenkt wird, denken läßt.16 Im altorientalischen Denken kommt Priestern und Königen eine besondere Verbindung zu Gott zu, was hier, wohl für ganz Israel, betont wird. Das Königtum Gottes mag dabei im Hintergrund stehen, ist aber höchstens indirekt aufgegriffen. Großes Gewicht bei der Suche nach Jahwe-König-Aussagen kann Ex 19,6 jedenfalls nicht beigemessen werden. In Num 23,21 befindet sich die König-Titulatur für Jahwe innerhalb des zweiten Bileamspruches (Num 23,18-24), der den göttlichen Segen über Israel ins Wort faßt. Israel geschieht kein Unheil, denn Jahwe ist mit ihm. Der Parallelismus der Versteile „Jahwe, sein Gott, ist mit ihm" und „es jubelt dem König O7]1?!?) in ihm" (23,21) macht deutlich, daß unter dem König kein irdischer König, sondern Jahwe gemeint ist.17 Die gewählte Königs-Terminologie zeigt, wer allein die Herrschaft über Israel innehat; dies erkennend, vermag Israel zujubeln. Der unmittelbare Kontext setzt die Aussage in Bezug zur Herausführung des Volkes aus Ägypten (23,22), denn auch hier sieht der Autor offenbar Jahwes Königsein im rettenden Handeln an Israel verwirklicht. In der vorliegenden Erzählung spricht der Seher Bileam diese Worte 15

Zu den im Folgenden angedeuteten verschiedenen Verständnismöglichkeiten vgl.

CAMPONOVO, K ö n i g t u m 8 1 . 16

Nach SCHARBERT, Exodus 80 ist daran gedacht, daß in Israel anders als bei den übrigen Völkern Priester die Funktion eines Königs ausüben; als ganzes hat das so ausgezeichnete Volk auch priesterliche Funktion gegenüber den anderen Völkern, die es wie ein Priester vor Gott vertritt. - SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 3 sieht in diesem Ausdruck „die Verpflichtung zur Heiligkeit, aber kein .theopolitisches' Konzept" angesprochen. PATRICK, Kingdom 75 versteht Israel als nationale politische Einheit mit Jahwe als König. 17 So auch PREUß, Theologie I 175f.; SCHARBERT, Numeri 96; CAMPONOVO, Königtum 82 mit anderen Autoren in Anm. 47.

Fundierung: Gott als König

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gegen das Ansinnen des Balak, König von Maob, das Volk verfluchen zu lassen. Jahwes Macht als König, unter dessen Gewalt sowohl Bileam als auch Balak stehen, erweist sich so als weit wirkungsvoller als die des irdischen Königs. Der wohl absichtlich als Kontrapunkt piazierte König-Titel für Jahwe erhält in diesem Zusammenhang einen polemischen Klang gegenüber den Feinden Israels, die ihre Macht auf irdische Herrschaft stützen. Zu Beginn des Mose-Segens vor dessen Tod begegnet in Dtn 33,5n ein weiterer Beleg für die Bezeichnung Jahwes als König. Dabei befindet sich die Erwähnung innerhalb des Rahmens (33,2-5.26-29) vor den eigentlichen Segensworten (33,6-25). Die VV. 2-5 thematisieren die Theophanie19 Jahwes, sein Auftreten zugunsten seines Volkes. Im Zusammenhang der Gabe des Gesetzes (Tora) heißt es in 33,5: „Und König O]1?!?) wurde er in Jeschurun20". Wenn als den Worten zugrundeliegend gedachte Situation das Ende der Wüstenwanderung vor der Landnahme namhaft gemacht werden kann, was ja den Ort des Mose-Segens darstellt, dann kann in 33,5 kein irdischer König gemeint sein (den es ja zu dieser Zeit noch nicht gab), sondern nur Jahwe.21 Wieder steht die Benennung Jahwes als König in Verbindung mit Exodus (mittelbar über die Gesetzesgabe am Sinai zu fassen) und Landnahme (Situation des Mose-Segens), also beim grundlegenden Heils- und Erwählungsgeschehen in Israels Geschichte. „Erst in der Erwählung Israels kommt Jahwes universales Königtum zu seiner Vollendung".22 Als Fazit des kurzen Ganges durch den Pentateuch läßt sich festhalten: (1) Im Pentateuch ist nur selten von Jahwe als König die Rede. Die JahweKönig-Vorstellung kann in diesen Schriften nicht als zentral bezeichnet werden, man trifft auf eher beiläufige Erwähnungen ohne erkennbare Einbindung

18

Dieser Text wird häufig in die vorstaatliche Zeit Israels datiert und stellt dann den ältesten Beleg für die Vorstellung vom Königsein Jahwes dar. So JEREMIAS, Königtum Gottes 82.162 mit Literatur in 82 Anm. 1. Gegen diese Frühdatierung argumentieren u.a. LOHFINK, Begriff des Gottesreiches 45 Anm. 20; 59.65 Anm. 84; CRÜSEMANN, Widerstand 80ff.; JANOWSKI, Königtum 422f. 19

So CAMPONOVO, K ö n i g t u m 83.

20

Jeschurun ist Ehrenname für Israel in der Bedeutung „der Redliche"; vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 89; SCHMIDT, Königtum Gottes 84. 21 Vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 83 Anm. 13; CAMPONOVO, Königtum 83f.; GIESEN, Herrschaft 8. Daß im Kontext mit dem König in 33,5 nur Jahwe gemeint sein kann, legt die ursprüngliche Zusammengehörigkeit innerhalb des Rahmens mit V. 26 nahe, wo vom „Gott Jeschuruns" gesprochen wird; vgl. SCHMIDT, Königtum Gottes 84. - Anders beurteilt EIBFELDT, Jahwe als König 187 die Sachlage. 22 JEREMIAS, Königtum Gottes 88. Den Heilsaspekt des Königseins Jahwes betont GIESEN, Herrschaft 8.

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in den Kontext,23 d.h. dieses Königsein Jahwes wird nirgends ausfuhrlicher dargestellt oder zum Thema weiterer Reflexion erhoben. (2) Jahwes Königsein wird im Zusammenhang der Herausfuhrung aus Ägypten, der Wüstenwanderung und schließlich der Landnahme angesprochen, steht also in Korrelation mit seinem fur den Glauben Israels grundlegenden Heils- und Erwählungswirken in der Geschichte seines Volkes. (3) Implizit mitzudenkende Voraussetzung der Möglichkeit solchen Handelns ist Jahwes absolute Macht in der Geschichte.24

1.2 Die Bücher Josua bis 2 Könige (Frühere Propheten) Das Königtum Jahwes erscheint in dieser Schriftengruppe im Zusammenhang mit dem Aufkommen des irdischen Königtums in Israel, wobei das Verhältnis beider zueinander durchaus kritisch betrachtet wird. Unter den innerhalb der Bücher Josua bis 2 Könige nur sehr vereinzelt anzutreffenden Belegen für eine Jahwe-König-Vorstellung ist zuerst 1 Sam 8,7 zu nennen. Die verbale Form als Bedeutungsträger des Königseins Jahwes ist dabei angewandt in einem dem Samuel mitgeteilten Vorwurf Jahwes: „Ich soll nicht mehr König sein über das Volk". Der Rahmen dieser Aussage 1 Sam 8 bietet eine weitgehend negative Zeichnung des irdischen Königs über Israel,25 und dies gerade in der Situation der Einsetzung des Saul als ersten Königs über Israel (vgl. 1 Sam 9; 10). Denn indem die Israeliten die Einsetzung eines Königs fordern, verwerfen sie indirekt Jahwe als König.26 Zugleich aber wird Samuel von Jahwe beauftragt, Israel den gewünschten König einzusetzen (vgl. 1 Sam 8,7.9). Die sich in diesen Ausführungen spiegelnde dialektische Haltung27 gegenüber dem menschlichen Königtum verbindet - freilich recht unorganisch und ohne wirklichen inneren Zusammenhang - die beiden Pole der 23

Vgl. CAMPONOVO, Königtum 84f.; zur jiidisch-rabbinischen Rezeption ebd. 85 Anm. 60 und 61. - Gegen BUBER, Königtum Gottes X.XXXIX, der das Königtum Gottes an zentralen Stellen im Pentateuch verankert sieht. 24 Vgl. SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 3, der die aktive Ausübung der Herrschaft als Tat gegenüber ruhender Gewalt des Amtes betont. 25 Zu königsfreundlichen und königskritischen Aussagen in 1 Sam 7-12 vgl. CAMPONOVO, Königtum 86. 26

Ein möglicher Grund für das Konkurrenzverhältnis Jahwe als König - irdischer König wird nach 1 Sam 8,20 in der Frage der Führung im Krieg gesehen, denn in der Vorstellung vom Jahwekrieg ist diese Führung Gott allein vorbehalten; so CAMPONOVO, Königtum 88. Auf den traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Jahwekrieges verweist auch BOECKER, Beurteilung 98. 27 Dazu HENTSCHEL, 1 Samuel 72f.; CAMPONOVO, Königtum 86f.

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göttlichen Königslegitimation und der vom Jahwe-Königtum motivierten Königskritik, die jeweils aus konkreten geschichtlichen Erfahrungen resultieren. Die Gefahr des irdischen Königtums besteht im Verständnis des vorliegenden Textes nicht zuletzt im Wunsch Israels, sein zu wollen wie die anderen Völker (vgl. 8,20), was eine Preisgabe der alleinigen Jahwe-Verehrung auslösen kann (vgl. 8,8, wo von Götzendienst, also religiösem Synkretismus, gesprochen wird). Die Formulierung dieser Erkenntnis präsentiert das Ergebnis der erlittenen und wahrgenommenen Geschichte des Königtums in Israel. Die Vorstellung vom Königsein Jahwes liefert dabei einen sprachlich provozierenden und sachlich adäquaten, damit kritikfahigen Ermöglichungsgrund für die Infragestellung des irdischen Königtums von einer übergeordneten Position, der Mächtigkeit und dem Anspruch Jahwes, her. Eine in ihrer kritischen Funktion ganz ähnlich gerichtete Aussage begegnet in 1 Sam 12,12. Samuel wendet sich mit einem geschichtlichen Rückblick28 an das Volk, der mit dem Hinweis auf die Schöpfung und die Herausfuhrung aus Ägypten beginnt (12,6; vgl. auch 12,8). Angesichts drohender militärischer Gefahr durch den Anmarsch des Königs der Ammoniter forderte Israel im weiteren Verlauf seiner Geschichte die Herrschaft eines Königs über das Volk, „obwohl doch Jahwe, euer Gott, euer König ist (ΓΠΓΡ1 •DS'pn D D ' H ^ ) " (12,12). Wieder steht der Königswunsch Israels - hier unmittelbar im Zusammenhang mit der Kriegsflihrung - gegen das Königsein Jahwes. Die Bezeichnung Jahwes als König ist inhaltlich nicht weiter ausgeführt, doch inmitten der in Kap. 12 häufigen Erwähnung von irdischen Königen (Israels selbst und seiner Feinde) entsteht mit der Verwendung der König-Terminologie für Jahwe ein Kontrast zu allen menschlichen Königen, der nicht anders als auf die ungleich größere, der menschlichen Gewalt eigentlich zugrundeliegende Macht Jahwes gedeutet werden kann. Hingewiesen werden darf in diesem Zusammenhang auch auf Ri 8,22f., wo die Israeliten Gideon und seinen Nachkommen die Herrschaft antragen. Gideon aber lehnt ab mit dem Hinweis: „Jahwe soll über euch herrschen (CD3 b V V ÌTIÌT)". Die Ablehnung Gideons geschieht also in dem Wissen darum, daß Jahwe die eigentliche Herrschergewalt zukommt. Wenn Gideon in 8,22 als Befreier Israels aus der Gewalt Midians angesprochen ist, wird in seiner Zurückweisung des Herrschaftsangebotes zugleich die alleinige Mächtigkeit Jahwes zur Befreiung 29 deutlich. Eine Form der Wurzel " ^ Q , die das Herrschaftsangebot eindeutig als Königsherrschaft qualifizieren und damit auch die Jahwe-König-Vorstellung als Hintergrund der Kritik erweisen wür28

Dazu und zum gesamten Kontext 1 Sam 12,1-25 vgl. HENTSCHEL, 1 Samuel 86f. Nach CAMPONOVO, Königtum 88 wird in der ganzen Gideongeschichte betont, daß Jahwe die Rettung bewirkt. 29

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de, liegt an dieser Stelle nicht vor. Dennoch mag bei der erwähnten dynastischen Form der Herrschaft der Gedanke an das Königtum assoziiert werden.30 Für spätere Leser im 1. Jh. nach der Zeitenwende wird sich dieses Regieren am ehesten im Rahmen des israelitischen Königtums denken lassen. Die in Ri 8,22f. gebotene Königs- bzw. Herrscherkritik basiert auf der Grundlage der Vorstellung vom übergeordneten König- bzw. Herrschersein Jahwes31 (vgl. auch Hos 8,4; 13,10f.), wobei sich beide gegenseitig auszuschließen scheinen.32 Wenn sich diese Passage wegen unzureichender terminologischer Eindeutigkeit auch kaum für eine Verifizierung des atl Jahwe-König-Gedankens in den Vordergrund drängt, liegen die jeweiligen Aussagen (im Vergleich mit 1 Sam 8,7; 12,12) inhaltlich durchaus auf einer Linie.

1.3 Die Bücher der Propheten 1.3.1 Jesaja Das Kapitel Jes 6 stellt die Berufung 33 des Propheten Jesaja dar, wobei der Prophet in Jes 6,534 Jahwe als König bezeichnet. Die Berufung geschieht in Form einer Theophanie35 im Rahmen einer himmlischen Thronsaalvision, bei der der Prophet Jahwe auf seinem Thron in größter Herrlichkeit und Hoheit residieren sieht. Dieses Geschehen ist einerseits im Himmel mit himmlischem Thron und Hofstaat lokalisiert, andererseits erstreckt sich Jahwes 30 An die Königs würde denkt CAMPONOVO, Königtum 88 (mit Verweisen auf Literatur in Anm. 74). Anders GÖRG, Richter 48, der das Königsein nicht zwingend impliziert sieht; die terminologische Abhebung davon bezeichne einen „Anspruch auf ein unspezifisches Regieren". 31

V g l . BOECKER, B e u r t e i l u n g 9 8 .

32

Eine solche exklusive Konzeption habe in atl Zeit nach CRÜSEMANN, Widerstand 83 neben einer das irdische und das göttliche Königtum konstitutiv nebeneinander verstehenden bestanden. Die Zusammengehörigkeit von irdischem und göttlichem Königtum innerhalb der Königsideologie bemerkt CAMPONOVO, Königtum 89. 33 Dazu z.B. KILIAN, Jesaja I 47f.; SCHREINER, Theologie 226f. Nach WLLDBERGER, Jesaja 1238 ist Jes 6 „Jesajas prophetischer Legitimationsausweis". 34 Auch dieser Text wird (dann gegen Dtn 33,5) als ältester Beleg für die Jahwe-KönigVorstellung vorgeschlagen; dazu schon ELßFELDT, Jahwe als König 192. Vgl. auch JANOWSKI, Königtum 423f. (der O. Eißfeldt und A. Alt als erste Exponenten dieser Ansicht nennt); ZIMMERLI, Grundriß 32; SCHMIDT, Glaube 205; GUNNEWEG, Biblische Theologie 1 3 4 ; ZENGER, T R E X V 1 7 7 ; DIETRICH, G o t t a l s K ö n i g 2 5 3 ; GNILKA, C h r i s t e n 4 1 f . 35

250f.

Vgl. die Elemente Beben und Rauch; dazu KILIAN, Jesaja I 48; WlLDBERGER, Jesaja I

50

Fundierung: Gott als König

Herrlichkeit (der Saum seines Gewandes) bis in den Tempel. Dreimal wird Jahwe in 6,3 „heilig"36 genannt, was ihn eindeutig aus der menschlichen Sphäre heraushebt und das göttliche Anderssein, seine Erhabenheit, NichtFaßbarkeit, die beim Menschen Schrecken auslösen, bezeichnet. Diese göttliche Verborgenheit wird vermittelt über Jahwes ~ΙΏΞ> („Herrlichkeit", vgl. unten zu Ps 29), in dem er sich den Menschen offenbart. Ferner klingt Jahwes grenzenlose Macht über alle Schöpfung in dieser Theophanieschilderung an. Der Prophet spricht dabei vom „König, Jahwe Zebaoth"37 (6,5), der so erhaben ist, daß ihn kein Mensch sehen und am Leben bleiben kann (vgl. Ex 33,20). Die eher beiläufige Erwähnung des Königseins Jahwes weist auf die Geläufigkeit der Vorstellung zur Zeit der Abfassung des Textes hin.38 Die Theophanie vor dem Propheten ist verbunden mit seiner Beauftragung zur Verkündigung, die das Gericht über Israel ansagt (6,9-13). In diesem Text werden Jahwes allumfassende Mächtigkeit und göttliche Hoheit, die in scharfem Kontrast zur Unreinheit des Menschen stehen (vgl. 6,5), zum Ausdruck gebracht39 und mittels der König-Titulatur komprimiert in einem Stichwort gebündelt. Jes 24,33 stellt einen weiteren Beleg für die im Jesaja-Buch verwendete Jahwe-König-Vorstellung dar. Jes 2440 schildert innerhalb der häufig als „Jesaja-Apokalypse" bezeichneten Kapp. 24-2741 in eindrücklichen Bildern das endzeitliche Gerichtshandeln Gottes über die Welt. Dieses Handeln erfahrt seine Begründung und Ermöglichung in der in 24,23b mit einer verbalen Form der Wurzel genannten Aussage, „denn König (geworden) ist Jahwe Zebaoth (nitÓK miT "Tjl?D~'0) auf dem Berg Zion und in Jerusalem". Jahwes Königsein beinhaltet seine umfassende Allmacht über die ganze Welt, 36

Zu Herkunft und Bedeutung des Attributes „heilig" vgl. GUNNEWEG, Biblische Theologie 136f. 37 Das Epitheton Zebaoth zum Namen Jahwe („Jahwe der Heere") zielt auf die Allmacht Gottes (vgl. deutlich Am 4,13); es zeigt sich öfter mit der Prädikation Jahwes als König verbunden und besitzt seinen Verwendungsschwerpunkt in der prophetischen Literatur. Vgl. PREUß, Theologie I 164-167; ferner KILIAN, Jesaja I 48; EICHRODT, Theologie I 120f.; SCHREINER, Theologie 232f. Zur Problematik des Verständnisses der Wendung vgl. BRETTLER, King 107f. 38

V g l . CAMPONOVO, K ö n i g t u m 1 0 3 ; SCHREINER, T h e o l o g i e 2 2 7 ; PREUß, T h e o l o g i e I

1 7 7 ; JANOWSKI, K ö n i g t u m 4 2 3 f . ; ZENGER, T R E X V 1 7 7 . 39

Dazu ZENGER, TRE XV 177f.l80f.; WLLDBERGER, Jesaja I 260. Ob Jes 24,21-23 ebenso wie 33,17-24 (s. unten) zum ursprünglichen Bestand von Jesaja gehören, ist in Frage zu stellen; manches spricht für eine spätere Eintragung. Dazu ZENGER, TRE XV 183f.; KILIAN, Jesaja II 145f.; WILDBERÇER, Jesaja II 898f. - Mit Blick auf das Verständnis des Jesaja im 1. Jh. n.Chr. spielen solche Überlegungen jedoch eine sehr untergeordnete Rolle. 41 Dazu WlLDBERGER, Jesaja II 885-911; KILIAN, Jesaja II 140-142. 40

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die hier in seinem Gericht zur Auswirkung gelangt. Es ist aber auch der Aspekt des Heils für Israel impliziert, das ihm von seinem König her angekündigt wird (vgl. 24,23bc)42 und - als Voraussetzung für eine Friedenszeit die Aufhebung der Trennung zwischen Israel und den Völkern zum Inhalt hat (vgl. 25,6f.) sowie die Überwindung des Todes verheißt (vgl. 25,8)43. Dieses Heil wird durch die unumschränkte Herrschaft Jahwes bewirkt. In diesem Heilshandeln manifestiert sich endgültig Jahwes Königsherrschaft, was als eschatologisches Geschehen erwartet wird und im Anbruch einer völlig neuen Epoche, die die bisherige Geschichte des Unheils total abbricht, apokalyptische Züge trägt.44 Die Verse Jes 33,17.22 stehen innerhalb des Abschnitts Jes 33,17-24, wo eine Heilsverheißung zum Ausdruck gebracht wird. Dabei beginnt gleich V. 17 mit dem Substantiv „König f ^ Q ) " , das betont am Anfang des Abschnitts steht und damit die anschließend geschilderte Heilszeit unter die Herrschaft eines Königs stellt, der diese freisetzt. Unter diesem König kann im Kontext nur Jahwe selbst verstanden werden,45 wie V. 22 dann explizit unter Verwendung einer Suffixform des Substantivs sagt: „Jahwe (ist) unser König (Π1Π1 ID1???)". Und dieser König wird weiter charakterisiert als der, der dem Volk Rettung bringt: „Jahwe, unser König, er wird uns helfen (13i)1EjiT ΝΊΠ)" (V. 22). Die Königsherrschaft Jahwes ist an dieser Stelle mit der endzeitlichen Heilszeit46 für Israel identifiziert und dadurch eschatologisch qualifiziert. V. 22 zeigt im MT klimaktischen Aufbau: „Denn Jahwe ist unser Richter, Jahwe ist unser Gesetzgeber, Jahwe ist unser König, er wird uns retten".47 Jahwes Königsprädikation umfaßt sein ganzes Tun an Israel, das sich komprimiert im Begriff der Rettung aussagen läßt. Zu solchem Tun besitzt Jahwe die nötige 42

Zum Heilsaspekt vgl. KILIAN, Jesaja II 146f.; WILDBERGER, Jesaja II 949f.; CAMPO-

NOVO, K ö n i g t u m 105. 43

Dazu ZENGER, TRE XV 183f.

44

V g l . ZENGER, T R E X V 184; ferner SEYBOLD, T h W A T IV 955f.; KILIAN, Jesaja II 146;

WILDBERGER, Jesaja II 899.943-950. 45 So auch KILIAN, Jesaja II 193; KAISER, Jesaja 269.275; WILDBERGER, Jesaja III 1314f.; CAMPONOVO, K ö n i g t u m 106. 46

Diese Heilszeit ist in Jes 33 umfassend verstanden: Zu äußerem Frieden tritt Freude und Glück im Inneren Israels, was in der Schuldvergebung Jahwes an seinem Volk kulminiert. Die Konsequenz aus dem Heils- und Vergebungshandeln Jahwes stellt eine dadurch ermöglichte Lebensgestaltung im Sinne des sich so erweisenden Königs Jahwe dar, was eine Fortführung der Heilsgüter Frieden, Gerechtigkeit, Vergebung und Freude bedeutet. Dazu ZENGER, TRE XV 183; auch KILIAN, Jesaja II 193f.; WILDBERGER, Jesaja III 1314-1320.1322. 47 Kritisch gegenüber dieser - grundsätzlich der üblichen Wortbedeutung nach richtigen Übersetzung äußert sich WILDBERGER, Jesaja III 1311, der die Begriffe „Herrscher - Führer - König" vorschlägt. Daß die gebotene Übersetzung jedoch durchaus sinnvoll erklärbar ist, zeigt KILIAN, Jesaja II 194.

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Fundierung: Gott als König

umfassende Gewalt und Mächtigkeit, wie die Königs-Terminologie nahelegt. Diesem König kann Vertrauen entgegengebracht werden. Jes 41,2148 nennt zu Beginn einer Rede Gottes über die Nichtigkeit anderer Götter (41,21-29) Gott als Sprechenden „König Jakobs p p i r _ "^D)". Dieser König ist allen anderen Göttern überlegen, was sich besonders in seinem Vorauswissen von Zukünftigem erweist (vgl. 41,22-24). In Jes 44,6 wird Gott in einem vergleichbaren Kontext als Sprechender eingeführt mit der Bezeichnung „Jahwe, der König Israels (ΓΠΓΡ und sein Erlöser, Jahwe Zebaoth". Jahwe gibt sich als einziger Gott zu erkennen, der allein um die Zukunft weiß (44,6-8). Und Jes 43,15 läßt Gott sagen: „Ich bin Jahwe, euer Heiliger, der Schöpfer Israels, euer König (ΟΞφ'ρη)". Voraus geht in 43,8-13 eine Erörterung der Einzigkeit Jahwes als Gott, bevor Jahwe als der vorgestellt wird, der Neues schafft - auch in den ausweglos scheinenden Situationen der menschlichen Geschichte (vgl. 43,14-21). Überlieferter Ausweis für Jahwes machtvolles Geschichtshandeln ist sein rettendes Eingreifen zugunsten seines Volkes beim Auszug aus Ägypten gegenüber der Streitmacht des Pharao, worauf in 43,16f. angespielt wird. Die durch einen Parallelismus membrorum gekennzeichnete Struktur von 43,15 setzt „euer Heiliger" und „euer König" synonym als Attribute Gottes, die dadurch in gewisser Weise austauschbar werden. Die letzteren drei Belege der Jahwe-König-Vorstellung aus Deuterojesaja lassen erkennen, daß die König-Bezeichnung jeweils einen Titel unter anderen, also keinen absoluten Zentralbegriff, darstellt.49 Freilich bietet der Titel die Möglichkeit einer kompakten Zusammenfassung der alleinigen Allmächtigkeit Jahwes (gegenüber anderen vermeintlichen Göttern). Die Titulierung wird auf dem Hintergrund von Jahwes göttlicher Einzigkeit auch im Kontext seiner Geschichtsmächtigkeit50 verwendet, die im Blick auf die ausweglose Situation des Volkes zu dessen Heil aktualisiert wird (vgl. die Attribution „König Jakobs" 41,21, „König Israels" 44,6 und die Bestimmung „euer König" 43,15)51. 48 Die heute geläufige und dem Textbefund adäquate Unterscheidung in (Proto-)Jesaja, Deuterojesaja und Tritojesaja ist im Blick auf die Rezeptionsmöglichkeiten des 1. Jh. n.Chr. anachronistisch. Sie wird bei der Formulierung der Beobachtungen auf dem Hintergrund des derzeitigen Forschungsstandes zwar vorausgesetzt, dient aber nur als sekundäres Ordnungskriterium. 49 Dazu auch CAMPONOVO, Königtum 107; ferner GIESEN, Herrschaft 12. Stärker gewichtet ELLIGER, Deuterojesaja 182.340.400f. den Titel. 50 Den Aspekt der Macht betont auch ELLIGER, Deuterojesaja 340. Vgl. ähnlich CAMPONOVO, Königtum 107. " Vgl. ZENGER, TRE XV 182; auch ELLIGER, Deuterojesaja 340f.

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Als letzte Jesaja-Stelle ist Jes 52,7 zu besprechen. Jes 52,1-12 verkündet Zion neues Heil, das Gott bei seiner erwarteten Rückkehr zum Zion an seinem Volk wirken wird. Als Verheißung einer kommenden, unmittelbar bevorstehenden Wirklichkeit52 des Heils von Jahwe her zeigt sich dieser Gedanke eschatologisch qualifiziert. Die Einheit 52,7-10" kündigt dabei eine große Freude an, die der Errettung und Erlösung des Volkes schon antizipierend vorausgeht. In V. 7 wird ein Freudenbote verheißen, der Frieden und Heil ansagt und der - in einer verbalen Formulierung mit der Wurzel " ^ Q zu Zion spricht: „König ist dein Gott OJ'rfrN "^Q)". 54 Diese Aussage kann damit als Kurzfassung des Inhalts der Freudenbotschaft fungieren, die alle in der erwarteten Situation der Freude angesichts anbrechenden Heils nötigen Grunddaten in sich birgt. Wenn also die neue Heilszeit das Königsein Gottes offenbar machen wird, bedeutet dies, daß ihm alle Macht und Möglichkeiten eigen sind und er diese zugunsten der Rettung seines Volkes aufwenden wird. Die kurze Königs-Prädikation enthält komprimiert den Kern der Freude hervorrufenden Heilsansage: (1) Gott ist mächtig über die Geschichte; (2) er setzt seine Macht in unmittelbar bevorstehender Zukunft fur sein Volk ein. Das Königsein Jahwes bezeichnet hier besonders Gottes Mächtigkeit im Kontext israelitischer Heilserwartung, was sich in die deuterojesajanische Darstellung der Allmacht Jahwes über alle nur denkbaren Bereiche der Welt und des Himmels55 einfügt. In der Zukunftsperspektive Deuterojesajas fuhrt Jahwe sein Volk zurück zum Zion und erweist dort seine Königsherrschaft. 56 Darin offenbart sich die Botschaft vom rettenden König Jahwe als Freudenbotschaft für Israel.

1.3.2 Jeremía und Ezechiel An manchen Stellen des Jeremia-Buches wird die Königs-Prädikation auf Jahwe angewandt, so zunächst in Jer 8,19. Auf eine scharfe Verurteilung des Volkes (8,4-17) folgt die Klage über den Zustand des Volkes, das von Not 52

Dazu S C H M I D T , Glaube 2 0 8 - 2 1 0 . Zu dieser Abgrenzung vgl. C A M P O N O V O , Königtum 108 mit Anm. 164. 54 Übersetzungsvarianten zu dieser Konstruktion bei C A M P O N O V O , Königtum 108 Anm. 167. 55 Dazu ZENGER, TRE XV 182f. 56 Vgl. PREUß, Theologie II 102.297 mit Belegen in Anm. 155; ferner SEYBOLD, ThWAT IV 951 f. SCHMIDT, Königtum Gottes 95 beschreibt als deuterojesajanische Schwerpunkte der Königsprädikation Götzenpolemik und Bindung an Israel. Die Überlegenheit über andere Götter hält auch SEYBOLD, ThWAT IV 951 fest, der als deuterojesajanische Akzente des Jahwe-König-Theologumenons 952 angibt: „(1) den universalen und zugleich partikularen, (2) den superlativischen und (3) den eschatologischen Aspekt". 53

54

Fundierung: Gott als König

und Unheil betroffen ist (8,18-23). Dieser Elendszustand wird dabei mit der Abwesenheit Jahwes in Verbindung gebracht, wenn es heißt: „Ist denn Jahwe nicht in Zion, oder ist ihr König (PD^Q) nicht in ihr?" (8,19). Der deutliche Parallelismus membrorum gibt zu erkennen, daß Jahwe als König angesprochen ist.57 Die Gegenwart des Königs Jahwe bewirkt demnach Heil, in seiner Abwesenheit herrschen umgekehrt Leid und Not. Die Verse Jer 10,7.10 befinden sich innerhalb einer Warnung vor Götzen (10,1-16), die Jahwe allein als wahren Gott vor Augen stellt. In diesem Zusammenhang wird Jahwe „König der Völker (ΠΡίίΠ "^l?)" 58 (V. 7) und „Gott in Wahrheit, lebendiger Gott und ewiger König (p/II) "^Q)" (V. 10) genannt. Daran schließt sich eine Schilderung seiner Macht in der Schöpfung an (10,12-16), die in der Anwendung auf Israel als Jahwes Eigentum und der Nennung seines Namens als „Jahwe Zebaoth" (V. 16) gipfelt. An den Stellen Jer 46,18-, 48,15; 51,57 begegnet jeweils die gleichlautende Formulierung „Spruch des Königs, Jahwe Zebaoth ist sein Name C^QÌTDN] 1Q0 ΓΊΊΚΙΐΗ ΠΊΓΡ)". Diese Wendung dient stets dem Ausweis des JahweWortes innerhalb der sogenannten „Fremdvölkersprüche"59, in denen Jahwes Überlegenheit über fremde Völker und Könige zum Ausdruck kommt. So zeigt sich Jahwes machtvolles Tun in 46,18 gegen Ägypten, in 48,15 gegen Moab und in 51,57 gegen Babel gerichtet. Wenn Jahwe hier als „König" bezeichnet wird, impliziert dieses Hoheitsprädikat seine umfassende Macht, die sich auch über andere Völker erstreckt, was an der Namensgebung „Jahwe Zebaoth" vollends deutlich wird, da dieser Name charakteristisch Jahwes Allmacht umschreibt. Wieder steht Jahwe als König kritisch überbietend innerhalb der Polemik gegen die vermeintlich mächtigen Könige der Erde. Das Buch Ezechiel greift nur an einer einzigen Stelle, Ez 20,33, auf das Bild vom König Jahwe zurück. Die Aussage begegnet im Kontext einer sehr engagierten Rede Gottes an sein Volk, die das Volk von der Verehrung der Götzen abzubringen und wieder Gott zuzuwenden sucht.60 Dabei sagt Gott (unter Anwendung der Verbform "^Ί^ΏΚ): „Mit starker Hand und ausgestrecktem Arm und ausgeschüttetem Zorn will ich König sein über euch" (20,33). In diesem Zusammenhang findet sich dann das Exodus-Ereignis gleichsam als Folie für Jahwes zukünftiges Handeln thematisiert, wie die folgende Ereignisverbindung zeigt: Sammlung des Volkes aus seiner Zerstreuung, Fiih57 Daß mit dem „König" Jahwe gemeint ist, halten fest: SCHREINER, Jeremía I 67; CAMPONOVO, Königtum 109. Dagegen spricht sich SCHMIDT, TRE XIX 330 aus. 58 Als solcher wird Jahwe in V. 7 den Weisen der Völker und ihren Königreichen (ΟΠΌ1???) überbietend gegenübergestellt. 59 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 110; zur Sache auch SCHREINER, Jeremía II 236. 60 So läßt sich Ez 20,32-44 als „Disputationswort" beschreiben; vgl. ZIMMERLI, Ezechiel 452f.; CAMPONOVO, Königtum 110. FUHS, Ezechiel 107 spricht von „Heilswort".

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ren in die Wüste, dort Jahwes Gericht, das die Abtrünnigen außerhalb der Gemeinschaft des Volkes stellt, Führung in das gelobte Land, d.h. zum heiligen Berg Jahwes, wo das Volk ihm allein dienen wird (20,34-44). 61 Dieses Handeln erweist Jahwe als König; 62 die volle Verwirklichung dieser Königsherrschaft steht freilich noch aus und wird in der von Jahwe herbeigeführten Zukunft erwartet, worin eine eschatologische Qualifizierung der Herrschaft aufscheint.

1.3.3 Dodekapropheton Im Buch Obadja verheißt Obd 17-21 die Rückkehr des Volkes Israel und die Wiederinbesitznahme des Zion, womit die Erfahrung neuen Heils für Israel verbunden ist. Die Passage endet in dem Satz: „... und Jahwes wird die Königsherrschaft sein" (Obd 21). Man kann diese Aussage als abschließende Zusammenfassung und Höhepunkt der Verkündigung Obadjas verstehen. Das Bild von der Königsherrschaft Jahwes scheint also geeignet zur bündigen Formulierung der von Jahwe bewirkten Heilszeit und impliziert zugleich eine politische Kritik an den bestehenden Herrschaftsverhältnissen. Der Prophet Micha beschreibt in den Versen Mich 2,12.13 63 die eschatologische Sammlung Israels durch Jahwe und den Einzug des Volkes in Jerusalem als Heilsereignis in einem Jahwewort. Die Ermöglichung des geschilderten Geschehens und zugleich der Höhepunkt dieser Heilsansage tritt in dem anschließenden Prophetenwort Mich 2,13 zutage: „Es geht ihr König vor ihnen, und Jahwe an ihrer Spitze". Der Parallelismus im Aufbau der Sentenz weist deutlich Jahwe als diesen König aus. Jahwes Tun an Israel wird in 2,12 mit dem Bild von den Schafen, die geführt werden, veranschaulicht, was an Mich 7,14f. denken läßt, wo das Bild der Herde mit dem Exodus aus Ägypten korreliert ist. Das Heimführen des Volkes (auch aus dem Exil)64 bildet also den Vorstellungshintergrund für das erwartete Handeln Jahwes zur Erneuerung des Heils für Israel, wobei sich in der Bezeichnung Jahwes als König seine alleinige Mächtigkeit zu diesem Handeln und seine wesenhafte Zuständigkeit für Israel ausdrücken. In thematisch ähnlicher Weise handelt Mich 61

Dazu FUHS, Ezechiel 107f.; ZLMMERLI, Ezechiel 453-458; CAMPONOVO, Königtum 111 ; GIESEN, Herrschaft 11. 62 So ZlMMERLI, Ezechiel 454f.; CAMPONOVO, Königtum 111; vgl. ferner FuHS, Ezechiel 108. 63 Zur redaktionellen Herkunft der Verse vgl. WOLFF, Micha 45f.; DEISSLER, Zwölf Propheten II 178. 64 Zur Heimführung aus dem Exil als Hintergrund vgl. CAMPONOVO, Königtum 112; DEISSLER, Zwölf Propheten II 178; WOLFF, Micha 56.

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4,6.7 von der eschatologischen Zusammenfuhrung der Versprengten am Zion und der Erhebung der Schwachen. Dabei „herrscht Jahwe als König auf dem Berg Zion", wie Mich 4,7 mit dem Verb beschreibt. 65 Die Struktur der Aussage mit Jahwespruch und direkt anschließendem Prophetenspruch entspricht Mich 2,12.13. 66 Die Königsherrschaft Jahwes steht in Verbindung mit dem Heil Israels und der Völker. 67 Nicht eindeutig zu entscheiden ist die Alternative, ob mit dem König in der Frage Mich 4,9 „Ist denn kein König Ο^ΠΠ) bei dir?" (vgl. ähnlich Jer 8,19) Gott oder ein menschlicher König verstanden werden soll. Da gerade erst (in 4,7) Jahwe als König auf Zion angesprochen wurde, legt sich die Annahme, auch hier (wenigstens in der vorliegenden Textgestalt) an Jahwe zu denken, nahe. 68 Jedenfalls steht dieser König mit Israels Heil in Verbindung. In 4,9-14 wird Israels Bedrückung endzeitlich aufgehoben, was aber allein als Tat Jahwes sagbar ist, der somit ermöglichend und ermächtigend eigentlich handelt. Die Passage kann als Heilsorakel 69 verstanden werden, wobei sich V. 9 dann als rhetorische Frage 70 fassen ließe, die gegen Israels Hoffnungslosigkeit Jahwe als König und Retter stellt. Das Buch Zefanja verheißt in Zef 3,9-20 - teilweise in einer direkten Rede Jahwes - dem Volk Israel eine neue Heilszeit. Dabei wird Israel als Tochter Zion bzw. Tochter Jerusalem zum Jubel aufgerufen (V. 14), denn Jahwe hat seine Verurteilung aufgehoben und wirkt die Umkehr der Feinde (V. 15a). Der sich so offenbarende Jahwe ist in Zef 3,15b als „König Israels OJ^O71 65

Eine ingressive Bedeutung des Verbs konstatiert ZENGER, TRE X V 185. Vgl. DEISSLER, Zwölf Propheten II 184; CAMPONOVO, Königtum 112f. 67 Auf diese enge Verbindung weist CAMPONOVO, Königtum 113 hin; vgl. DEISSLER, Zwölf Propheten II 184; WOLFF, Micha 89f.96. - Nach DEISSLER, Zwölf Propheten II 184f. läßt die Einheit 4,6-8 einen expliziten Zusammenhang zwischen Königtum Gottes und messianischem Königtum erkennen. Dazu ferner WOLFF, Micha 97. 68 Vers 4,8 hilft bei der Entscheidung der Frage nicht weiter, da das darin verheißene Königtum ebenfalls nicht eindeutig bestimmbar ist. Sollte in V. 8 das irdische Königtum in Jerusalem gemeint sein, so läßt der Kontext keinen Zweifel daran, daß auch dies nur eine Wirkung des Heilshandelns des eigentlichen Königs Jahwe darstellt. In diesem Fall wäre die genaue Festlegung des Königs von V. 9 überhaupt nicht vom Text intendiert, es wäre vielmehr durch den irdischen König zugleich an den ermächtigenden Jahwe zu denken, womit der menschliche König zum Bild fur den (eigentlichen) König Jahwe würde. 66

65

So CAMPONOVO, Königtum 113. WOLFF, Micha 104f. benennt W . 9.10 formgeschichtlich als Rettungszuspruch. 70 Eine solche Bestimmung nimmt auch CAMPONOVO, Königtum 113 vor. Nach DE1SSLER, Zwölf Propheten II 185 verweist die Frage „bereits auf den Rettergott"; vgl. WOLFF, Micha 11 Of. 71 Anstelle des Substantivs wird - in Anlehnung an LXX βασιλεύσει - die Verbform • ^ ρ · 1 als Textvariante vorgeschlagen; vgl. die Angaben der Biblia Hebraica Stuttgartensia z.St. Zu dieser textkritischen Frage vgl. CAMPONOVO, Königtum 114 Anm. 200.

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^ í O f o T bezeichnet, er befindet sich in Israels Mitte, so daß es kein Unheil mehr fürchten muß (V. 15b). Der König Jahwe als derjenige, der Macht über Israel und die Völker besitzt, wendet diese zugunsten Israels auf und bringt Rettung und Heil. Die damit gegebene Gleichsetzung von Königsherrschaft Gottes und Heil für Israel trägt in der Unmittelbarkeit der Erwartung des endgültigen Eingreifens Jahwes eschatologischen Charakter, 72 wobei der Prophet die Erfüllung dieser Verheißung so fest erwartet, daß schon jetzt in antizipierender Hoffnung Freude darüber begründet ist. Der Text Sach 14,1-21 des Sachaqa-Buches beschreibt den Tag Jahwes als jenen Tag, an dem Jahwe seine Herrschaft in Jerusalem aufrichtet. Die Darstellung dieses Tages ist eschatologisch orientiert.73 Jahwe verwirklicht dabei seine Königsherrschaft über alle Völker und über die ganze Schöpfung, wie Sach 14,9 sagt: „Dann wird Jahwe König sein Ο]1?!?1? ΓΠΓΡ ΓΡΓΠ) über die ganze Erde". Alle Völker werden am Laubhüttenfest nach Jerusalem hinaufziehen, um „den König, Jahwe Zebaoth" anzubeten, was in Sach 14,16.17 unter zweimaliger Verwendung der Formulierung ausgedrückt wird. Wenn Jahwe im endzeitlichen Geschehen seine Macht zur Wirkung bringt, wird er als König bezeichnet. Die kommende Heilszeit ist einzig und allein sein Werk, und deren Inbegriff besteht nach dem Gesagten im Königsein Jahwes. 74 Jahwes umfassende und heilschaffende Herrschaft führt die Endzeit herauf und prägt sie in ihrer Gesamtheit. Der Prophet Maleachi wendet sich in Mal 1,6-14 gegen die Nachlässigkeit der Priester bei der Darbringung von Opfern. Diese Haltung ist dessen, dem die Opfer gebracht werden, nicht würdig. Zur Begründung wird in Mal 1,14 eine resümierende Wesensaussage über Jahwe getroffen: „Denn ein großer König " ^ Q ) bin ich, spricht Jahwe Zebaoth". Die vorausgesetzte Erha-

72

Vgl. ZENGER, TRE XV 185; CAMPONOVO, Königtum 114. Die gegebene Zusage als „eine große Frohbotschaft" resultiert nach DEISSLER, Zwölf Propheten III 251 aus der Realisierung von Jahwes Königsmacht. 73 Zur eschatologischen Ausrichtung von 14,1-21 vgl. DEISSLER, Zwölf Propheten III 310f.; auch ebd. 313f. Auf die herausragende Bedeutung Jerusalems innerhalb des endzeitlichen Handelns Jahwes geht SCHREINER, Theologie 324f. ein. Theokratische und eschatologische Sicht der Königsherrschaft Jahwes sind in 14,20f. im „Bild einer ,reinen Kultgemeinde'" versöhnt, so ZENGER, TRE XV 187. - BERGLER, Jesus 148-155 hebt die endzeitliche Bedeutung des Laubhüttenfestes in Sach 14,1-21 und den in der Völkerwallfahrt ausgesagten Heilsuniversalismus hervor. Doch stehen weiter Jerusalem und damit Israel im Zentrum des göttlichen Heils! 74 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 115. Zur Bedeutung der Jahwe-König-Vorstellung für die endzeitliche Zuwendung zu Jahwe bei Sacharja vgl. SCHMIDT, Glaube 21 lf. Die Königsaussage bildet nach DEISSLER, Zwölf Propheten III 311 den „Gipfel der geschilderten Geschehnisse"; zu Details der Aussage vgl. ebd. 311-314.

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benheit Jahwes als König wird nur mit den vorgeschriebenen kultisch einwandfreien Opfern angemessen verehrt.

1.3.4 Zusammenfassung (1) Die Jahwe-König-Vorstellung zeigt sich nicht auf eine prophetische Schrift beschränkt, sondern durchzieht sporadisch (mit differierender Häufigkeit) die Bücher Jesaja, Jeremía, Ezechiel und das Dodekapropheton. Verglichen mit dem Umfang der prophetischen Schriften, wird die Vorstellung nicht allzu häufig verwendet. (2) Allgemein gesprochen trägt die Titulierung Jahwes als König die Konnotationen von Macht und Hoheit in sich.75 Das ist dort explizit ausgesprochen, wo mit dem Königstitel für Jahwe die Bezeichnung „Jahwe Zebaoth" verbunden wird, was häufig der Fall ist.76 Dieses Syntagma betont die Allmacht Jahwes in Schöpfung und Geschichte. Implizit enthält die Königstitulatur immer das Moment der Mächtigkeit, die sich in verschiedenen Bereichen auswirkt, die sich gegenseitig durchdringen und ergänzen. An zahlreichen Stellen kommt mit Jahwes Königsein seine Geschichtsmächtigkeit zum Ausdruck.77 Bisweilen findet sich die Rede von Jahwe als König im Zusammenhang mit seiner Überlegenheit über andere Götter.78 (3) Auffallend häufig wird Jahwe als König bezeichnet im Kontext des Heiles für Israel, das er zu wirken vermag und beabsichtigt.79 Eine Gleichsetzung von Königsherrschaft Jahwes und Heil für Israel findet sich in Zef 3,15. Im Einklang damit ist Jahwes Königsherrschaft oft mit dem Zion oder mit Jerusalem als Ort der Verwirklichung dieser Herrschaft und der Präsenz dieses Königs verbunden.80

75 Nicht recht einsichtig ist m.E. die Einteilung der Texte in zwei Gruppen, von denen eine in Jahwe den mächtigen König sieht, die andere die Heilszeit unter dem Thema von Jahwes Königsein versteht, wie CAMPONOVO, Königtum 116 vorschlägt. Der Aspekt der Mächtigkeit Jahwes ist fur die Jahwe-König-Vorstellung fundamental und in allen speziellen Anwendungen, besonders auch im Blick auf die Durchsetzungsmöglichkeit der Heilszeit, grundlegend enthalten. 76 Vgl. Jes 6,5; 24,23; 44,6; Jer 10,7.10; 46,18; 48,15; 51,57; Sach 14,16.17; Mal 1,14. 77 Jes 43,15; 52,7; Jer 46,18; 48,15; 51,57; Sach 14,9; Mal 1,14. 78 Jes 41,21; 44,6; Jer 46,18; 48,15; 51,57; Ez 20,33. 79 Jes 24,23; 33,17.22; 52,7; Jer 8,19; Ez 20,33; Obd 21; Mich 2,13; 4,7.9; Zef 3,15; Sach 14,9.16.17. Zum Gesichtspunkt des Heils vgl. CAMPONOVO, Königtum 116f. Dieses Heilshandeln als eschatologisches Geschehen hebt GIESEN, Herrschaft 1 lf. hervor. 80 Jes 6,5; 24,23; 52,7; Jer 8,19; Ez 20,33; Obd 21; Mich 2,13; 4,7; Zef 3,15; Sach 14,9.16.17.

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(4) Jahwes Königsein kann auch bei seinem Gerichtshandeln an der Welt oder den Völkern wirksam werden (vgl. Jes 24,23; Ez 20,33). Manchmal wird es auf dem Hintergrund des Exodusgeschehens veranschaulicht (vgl. Ez 20,33; Mich 2,13; 4,7), so daß dieses Rettungs- und Erwählungshandeln Jahwes als bereits konkret geschichtlich ereigneter Ausweis des Königseins fungiert. (5) Ausdrücklich wird die Verwirklichung von Jahwes Königsherrschaft in der Welt in zahlreichen (späten) Prophetentexten als Charakteristikum der Endzeit beschrieben;81 das Königsein Jahwes trägt eschatologische Züge, in Jes 33,17.22 wird es mit der endzeitlichen Heilszeit für Israel identifiziert. (6) Die Wortverbindung „König Israels" erscheint in dieser speziellen Form nur Jes 44,6 und Zef 3,15. (7) Die Bedeutung des Bildes vom Königsein Jahwes bei den Propheten läßt sich kaum als zentral beschreiben.82 Die Verwendung der Bezeichnung zeigt teilweise eher formelhaften Charakter, wobei das Königs-Attribut dem Gesagten stärkeres Gewicht verleihen will.83 Andererseits weist das breite Vorkommen des Bildes in den verschiedenen prophetischen Schriften auf die Bekanntheit und Verbreitung der dahinterstehenden Vorstellung84 hin. Es konnte offenbar auch in nur kurzen und formelhaften Hinweisen das Königsein Jahwes angesprochen werden, und man durfte damit rechnen, auf einen bekannten Vorstellungsbereich zu treffen. So enthält dieses Bild eine Art Zusammenfassung85 von Jahwes heilschaffender Wirkmächtigkeit zugunsten Israels. Die begrifflich prägnant gefaßte Vorstellung von Jahwe als König erfüllt in prophetischen Texten die Funktion einer Kurzformel 86 für Jahwes Macht und Heilswirken. Die Texte versuchen damit keine detaillierte Beschreibung des sich eröffnenden Heilszustandes, sondern sprechen tröstend und verheißend in konkrete Notsituationen, in denen Rettung in Aussicht gestellt wird.

81 82

Vgl. z.B. SEYBOLD, ThWAT IV 952. Man denke nur an andere Attribute Jahwes wie z . B . Hirte; dazu SCHREINER, Theologie

54f. 83

So Jer 46,18; 48,15; 51,57; vgl. auch Jer 10,7.10; Mal 1,14; vielleicht auch Jes 33,22; Sach 14,16.17. Der einzige längere Text zu Jahwes Königsein ist Jes 6, wo nähere Eigentümlichkeiten dieses Königseins erkennbar werden. Dazu auch CAMPONOvo, Königtum 116. 84 Diese Vorstellung wird innerhalb der Ziontradition anzusiedeln sein; dazu SEYBOLD, ThWAT IV 951 f. 85 Vgl. EICHRODT, Theologie I 125; auch 327.331; ferner CAMPONOVO, Königtum 117. 86 CAMPONOVO, Königtum 117 spricht in diesem Zusammenhang von „Symbol". Ob dieser Ausdruck glücklich gewählt ist, sei dahingestellt.

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1.4 Die Psalmen 1.4.1 Jahwe-König-Psalmen Zu den Jahwe-König-Psalmen zählen in der Forschung stets Ps 47; 93; 96-99, manchmal auch Ps 95.87 Die Bezeichnung Jahwe-König-Psalmen gibt in eher allgemeiner Weise das Hauptthema der so benannten Psalmen an, was aber fur den Zweck der vorliegenden Untersuchung vollauf genügt. Ps 4788 tritt die König-Titulatur für Jahwe gehäuft auf (Ps 47,3.7.8.9). Nach der Aufforderung an die Völker zum Lob Gottes (V. 2) wird Jahwe als großer König ("^ft 'ΤΠί) über die ganze Erde bezeichnet (V. 3), wobei eine universale Perspektive der Königsmacht sichtbar wird. Jahwe unterwirft Völker wegen Israel und gibt Israel sein Land (VV. 4.5). Der erneuten Aufforderung zum Jubel Jahwes, des Königs (V. 7), folgt als Begründung des Lobes wiederum die Aussage, „Jahwe ist König der ganzen Erde ("^O ΙΠΝΓΓ1?^)" (V. 8), was nochmals seine Weltmacht unterstreicht. Und V. 9 hält fest: „Gott ist König (geworden) über die Völker, Jahwe sitzt auf seinem heiligen Thron". Das Verb "^Q89 in V. 9 trägt eine ingressive („König werden") und eine durative („König sein") Bedeutungsseite in sich. Zwischen diesen se87

Diese formgeschichtliche Einordnung findet sich bei PREUß, Theologie I 174, der Ps 95 dazunimmt; ebenso SCHMIDT, TRE XIX 331. Diese Klassifizierung nehmen u.a. auch vor: KRAUS, T h e o l o g i e 1 0 6 ; ZENGER, T R E X V 178; SCHNACKENBURG, G o t t e s H e r r s c h a f t 9.

SEYBOLD, ThWAT IV 953 spricht von „Jahwe-Königs-Hymnen"; vgl. DEISSLER, Psalmen II 26. Die Bezeichnung „Thronbesteigungspsalmen" wählen VON RAD, Theologie I 374 Anm. 13 und SCHREINER, Sion 191. - Diese vielleicht etwas oberflächliche Bestimmung läßt sich bei eingehenderer Untersuchung differenzieren in „Themapsalmen" (Ps 93; 97; 99) und „Imperativische Hymnen" (Ps 47; 96; 98); diese Unterscheidung in der Forschung zeigt JEREMIAS, Königtum Gottes lOf. 88 Zu diesem Psalm vgl. SEYBOLD, ThWAT IV 955. Zur Verwendung des Psalms beim Herbstfest als Lied der Thronbesteigung Jahwes und zum damit verbundenen Hintergrund der dauernden Königsherrschaft Jahwes, die sich in der Gegenwart manifestiert, vgl. SCHREINER, Theologie 294f.; PREUß, Theologie I 180 (im Blick auf alle Jahwe-König-Psalmen). Einen kultischen Sitz im Leben gibt auch KRAUS, Theologie 112 an. Dagegen BRETTLER, King 155; schon ElßFELDT, Jahwe als König 190f. - Ein solcher ursprünglicher Sitz im Leben ist für unsere Fragestellung von untergeordneter Bedeutung; wichtiger wäre zu sehen, wie der Psalm im 1. Jh. n.Chr. verstanden und gebraucht wurde. 89 Vgl. zur folgenden Präzisierung JANOWSKI, Königtum 441-444. Verschiedene Forschungspositionen, freilich in bezug auf die Formulierung " ^ Q ΠΙίΤ (Ps 93; 96-99), bespricht BRETTLER, King 141-144. Zur älteren Forschung vgl. auch SCHREINER, Sion 193197, der sich gegenüber der ingressiven Bedeutung skeptisch zeigt. Zu einer statischen Übersetzung tendiert auch KRAUS, Theologie 107f., was mit seiner Ablehnung der Thronbesteigung Jahwes zusammen zu sehen ist. Nach ElßFELDT, Jahwe als König 190 ist dagegen in VV. 6.9 mit dem Verb ein Akt bezeichnet.

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mantischen Varianten muß kein Gegensatz konstruiert werden, vielmehr korrelieren Sein als König und Vorgang des Werdens in der Aussageweise der „Vergegenwärtigung einer Seinsbestimmung durch Geschehensaussagen",90 Damit verbunden ist der perfektische Aspekt, der einen gegenwärtigen Zustand als Resultat eines vergangenen Sachverhaltes oder Vorgangs versteht." Es geht also um den Anbruch der Königsherrschaft Gottes in der Wahrnehmung der Welt. Jahwe, dessen Königsein schon immer existent ist, läßt es jetzt Ereignis werden, seine ewige Königsherrschaft wird gegenwärtig erfahrbar. In diesem Sinne kann dann von Inthronisation Jahwes als König gesprochen werden, wobei der Vorgang der Thronbesteigung als Herbeiführung des Zustands der Königsherrschaft Jahwes eigenständige Bedeutung gewinnt. Dieser Vorgang wird in den Bildern vom „Emporsteigen" und „Thronen" Jahwes (VV. 6.9) dargestellt. Als real erfahrbarer Ort der Vergegenwärtigung von Jahwes Königsherrschaft kann an den Kult gedacht werden. Die Proklamation des König-Werdens Jahwes läßt die feiernde Gemeinde teilhaben an Jahwes Königsein und in ihrer Existenz davon bestimmt sein und vergewissert sie der Gegenwart des Königs Jahwe. „Der Kult bildet das Sein Gottes als Werden, als Geschehen hier und jetzt ab".92 Das in Ps 47 zentrale Königsein Jahwes ist in geschichtlicher Auswirkung verbunden mit Jahwes Macht über alle Völker, die er zugunsten Israels erweist.93 Als König angesprochen, wird Jahwe als der Höchste überhaupt bekannt. 90

JANOWSKI, Königtum 445 (Hervorhebung im Original). Nach OTTO, Mythos und Geschichte 99 füllt „das urzeitliche Geschehen die Weltwirklichkeit gänzlich aus und bestimmt sie". 91 Bereits ElßFELDT, Jahwe als König 190f. formulierte: Der Hymnendichter „meint, daß Jahwe König ist, beschreibt aber, wie er König wird, weil er die Bedeutung des Zustandes an der Pracht des Aktes am besten veranschaulichen kann"; diesem Vorgehen liegt die Eigenart hebräischer Poesie zugrunde, „Zustände in Handlungen aufzulösen und sie so lebendig zu machen" (191). 92 JANOWSKI, Königtum 445; gegen einen zu starken Realismus dieser Vorstellung wendet er sich ebd. 446, wenn er auf das altorientalische Verständnis des Bildes als Denkbild, weniger als Sehbild hinweist; im Vordergrund steht also keineswegs eine „naturalistische Nachzeichnung" (ebd.) des Aufstieges, der Thronbesteigung. - OTTO, Mythos und Geschichte 99 sieht in diesem Psalm die Korrelation von Geschichte Israels, dem darin erfahrbaren urzeitlichen Geschehen der Thronbesteigung und der kultischen Vergegenwärtigung. Vgl. ähnlich JEREMIAS, Königtum Gottes 53.63f., zur kultischen Begrifflichkeit ebd. 57. 93 Ob damit in W . 4-6 ein bestimmtes Ereignis gemeint ist, und wenn, dann welches, ist umstritten; vgl. die differenten Positionen bei CAMPONOVO, Königtum 92 Anm. 87. Viel spricht für die Meinung von DEISSLER, Psalmen II 26, der unter Hinweis auf das Imperfekt der Verben in W . 4.5 ausgesagt sieht, „daß solches Walten Jahwes an Israel sich wiederholen wird". Auf die Präsenz von Jahwes Königtum in Israels Heilsgeschichte geht JEREMIAS, Königtum Gottes 55f. ein. - Den positiven Bezug zu den Völkern stellt PREUß, Theologie II 313 fest; vgl. SCHMIDT, TRE XIX 331; JEREMIAS, Königtum Gottes 65-68.

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Als typische Elemente der Jahwe-König-Psalmen lassen sich bereits jetzt nennen:94 Aufforderung an die Völker zum Lob Jahwes; Betonung seiner Macht und Hoheit als König; Handeln dieses Königs an Israel als Ausdruck seiner Macht; Jahwes Königtum auch über die Völker. Teilweise erscheinen noch andere Vorstellungen: Jahwes Handeln bei Schöpfung und Gericht; Überlegenheit Jahwes über andere Götter; der Zion als Ort der Präsenz des Königs Jahwe. Die Stellung zu den Völkern kann dabei positiv (Ps 47) oder negativ (Ps 97) gedacht sein. Die im Folgenden noch zu betrachtenden Psalmen, in denen Jahwe als König besungen wird, bestätigen die genannten Aspekte seines Königseins. Die Psalmen 96 und 98 lassen sich als Hymnen auf die Größe und das machtvolle Wirken Gottes beschreiben.95 Thematisch sind beide im Lob des großen und erhabenen Gottes nahe verwandt. Dabei tritt jeweils auch die Bezeichnung Jahwes als König auf: „Jahwe ist König" (Ps 96,10 mit dem Verb •^Q), 96 und Jauchzt vor dem Angesicht des Königs Jahwe" (Ps 98,6 mit dem Substantiv "^Q). Mit der so vorgestellten Königsherrschaft Jahwes verbinden die Psalmen 96; 98 im unmittelbaren Kontext verschiedene Konkretionen. In Ps 96,10 ist die Schöpfung der Erde als Tat Jahwes angesprochen. Insgesamt findet sich die Königs-Titulatur eingeordnet in eine Fülle von Aussagen, die die Größe, Hoheit und Macht Jahwes hervorheben. Auch der Gedanke des Gerichts an den Völkern wird in diesem Zusammenhang genannt (96,10.13; 98,9). Dieses Gerichtshandeln Jahwes steht in Verbindung (1) mit dem Recht (•,'")Ü,Q), mit dem, was recht ist (96,10; 98,9), d.h. was einer Sache entspricht und damit im richtigen Verhältnis zu ihr steht.97 (2) Es orientiert sich weiter an der Gerechtigkeit ( p T i ; 96,13; 98,9), also an dem, was der göttlichen Ordnung angemessen ist bzw. was von Gott selbst aktiv bewirkt wird.98 (3) Und es ist schließlich verbunden mit Treue (ΠϊΙΟΚ; 96,13), einem Verhalten auf der Basis von Zuverlässigkeit und Beständigkeit.99 Als eigener Schwerpunkt jedes Psalms läßt sich in Ps 96 die stärkere Wirkung des

94

Vgl. CAMPONOVO, Königtum 92f. JEREMIAS, Königtum Gottes 123.132 zählt diese Psalmen zu den Imperativischen Hymnen. 96 Zur Bedeutung der Formulierung "fpD ΓΤΙΓΡ vgl. SEYBOLD, ThWAT IV 952f., der das statische Verständnis deutlich im Vordergrund sieht; das Subjekt wird dabei betont. Eher an die Dauer des Königseins Jahwes denkt schon ELßFELDT, Jahwe als König 189f. 97 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit ALONSO-SCHÖKEL, ThWAT III 1062.1064. 98 Dazu JOHNSON, ThWAT VI 910-912. 99 Vgl. JEPSEN, ThWAT I 343-345.347f. 95

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Königs Jahwe nach außen, in Ps 98 die Betonung der Treue gegenüber Israel als seinem Volk erheben.100 Die Psalmen 93; 97; 99 beginnen alle drei mit der Feststellung „Jahwe ist König (geworden) p]1?!? ΠΊΓΡ)", wobei dieses Syntagma als zentral rezeptionsweisender Themasatz verstanden werden kann.101 Ps 93'02 handelt von Gottes beständiger Macht und Gewalt, was im Blick auf die Schöpfung und Jahwes Thron, der von Anbeginn fest steht, konkretisiert wird.103 Dabei erscheint Jahwe auch als starker König über die Wasser des Chaos.104 Das Königsein Jahwes stellt den unerschütterlichen Grund dar für das Bestehen der Welt. Der himmlisch thronende Jahwe ist den Menschen in Tempel, Kult und Wort (Weisung) gegenwärtig und erfahrbar (vgl. V. 5).105 - Ps 97m beschreibt Jahwes Königtum mit atl Theophanie-Motiven107 wie Wolken, Feuer, Blitze und Beben, die Jahwes Hoheit zum Ausdruck bringen (97,2-5). Als Stützen seines Königseins, d.h. seines Thrones, werden Gerechtigkeit (p~I?S) und Recht (C2SÇD) genannt (V. 2). In den Rahmen dieses Königseins gehört ein vernichtendes Gericht über alle, die Götzen dienen; selbst die Götter unterwerfen sich seiner Macht (V. 7). Dabei wird Jahwes Endoffenbarung Er-

100

Vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 134f.; CAMPONOVO, Königtum 93; SCHREINER, Sion

205f. 101 Wegen dieses Themasatzes bezeichnet OTTO, Mythos und Geschichte 94 diese Psalmen als „Themapsalmen". Vgl. in bezug zu Ps 99 auch SCORALICK, Trishagion 116. BRETTLER, King 152 favorisiert für Ps 99 die stativische, für Ps 97 (und 96) die ingressive Übersetzung. - Allgemein zu diesen Psalmen vgl. SEYBOLD, ThWAT IV 953f. 102 Zu diesem Ps und insbesondere seinem Umgang mit mythischen Vorstellungen Kana-

a n s v g l . SPIECKERMANN, H e i l s g e g e n w a r t 1 8 0 - 1 8 6 . 103

V g l . SPIECKERMANN, H e i l s g e g e n w a r t 1 8 2 - 1 8 4 ; CAMPONOVO, K ö n i g t u m 9 4 . BRETT-

LER, King 145 nennt „firmness" als Leitmotiv des Psalms. Die beständige Auswirkung von Jahwes Königsein in Ps 93, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umgreift, betont JEREMIAS, Königtum Gottes 18f.23f.; vgl. OTTO, Mythos und Geschichte 95.98. Dabei kann das Motiv der göttlichen Thronbesteigung durchaus am Anfang stehen; es handelt sich „um ein GründungsgeicAeAe«, das einerseits von weltübergreifender Dauer ist, andererseits Weltwirklichkeit gänzlich ausfüllt und bestimmt"; vgl. OTTO, Mythos und Geschichte 98f. (Zitat 99). Vgl. auch JANOWSKI, Königtum 413.452f. 104 Daß im Bild der tobenden Wasser das Chaos angesprochen ist, wird im Blick auf kanaanäische Mythologie deutlich; vgl. OTTO, Mythos und Geschichte 100; JEREMIAS, Königt u m G o t t e s 2 0 - 2 2 ; SCHREINER, S i o n 2 0 5 . 105

Dazu SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 184f.; JANOWSKI, Königtum 416; JEREMIAS, Königtum Gottes 24f. 106 JEREMIAS, Königtum Gottes 142 datiert den Psalm „in die äußerste Spätzeit des AT". Damit würde die Vorstellung vom König Jahwe der Zeit des 1. Jh. n.Chr. schon relativ nahestehen. 107 Vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 138; SCHREINER, Sion 203.

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eignis.108 Jahwes Königsein löst Freude aus (VV. 8.12), da er seine Macht zugunsten seines Volkes einsetzt. Ps 99' 09 besingt zunächst Jahwes gewaltige und universale Macht als König (VV. 1-3), der wesentlich mit dem Zion verbunden ist und die Anerkenntnis durch die Völker intendiert. Sein Königsein gründet eine Ordnung in der Welt und „in Jakob", die auf Recht und Gerechtigkeit basiert (V. 4).110 Dieser König wirkte heilschaffend in Israels Geschichte,111 wie sich an herausragenden Gestalten aus Israels Frühzeit (Mose, Aaron, Samuel) in ihrer Funktion als Dialogpartner Gottes („Priester") exemplarisch zeigen läßt (VV. 6-8). Er verzeiht, rächt freilich auch die Sünden, was Israel zur Befolgung seiner Satzungen mahnt. Als solcher ist Jahwe heilig, er erweist sich des Lobes und der Verehrung würdig (VV. 3.5.9). Das gegenwärtig erklingende Lob Jahwes impliziert als Grundlage dafür die Überzeugung, daß seine königliche Macht auch jetzt aktuell wirksam ist,112 wobei diese Überzeugung den doppelten Charakter von Zuspruch und Verpflichtung in sich trägt. Der ganze Psalm stellt so eine Explikation des anfangs thematisch fixierten Königseins Jahwes dar, dessen Macht in der sich geschichtlich vollziehenden personalen Zuwendung zu Israel konkret erfahrbar wird" 3 und so Hoffnung freisetzt und Vertrauen grundlegt.

108

Dazu JEREMIAS, Königtum Gottes 140f. Zu diesem Psalm vgl. die Monographie von SCORALICK, Trishagion (1989); nach ausführlicher Untersuchung favorisiert sie ein duratives Verständnis des Verbs "^D in 99,1: „Jahwe ist König, er herrscht als König" (44); insgesamt entdeckt sie in dem der Tradition der Jahwe-König-Psalmen nahestehenden Ps 99 Aussagen theologischer Originalität, die verschiedenen Überlieferungen neue Gestalt geben und darin über die verwandten Psalmen hinausgehen; vgl. 113-119, bes. 119. 110 CAMPONOVO, Königtum 95 versteht V. 4 als Kemsatz des Psalms; vgl. auch SCHREINER, Sion 202. SCORALICK, Trishagion 61-69 stellt differierende Verstehensmöglichkeiten fur V. 4 dar und zeigt 70-73 aus dem Kontext des Psalms, daß der „König" von V. 4 mit Jahwe zu identifizieren ist, dessen Rechtsliebe eine dem AT vertraute Vorstellung spiegelt. 111 Der Psalm zeigt also die Bedeutung von Jahwes Königsein fur Israel; vgl. SCHREINER, Sion 200-202; CAMPONOVO, Königtum 95; DEISSLER, Psalmen III 40. Nach SCORALICK, Trishagion 81 stellt die zweite Strophe ( W . 6-9) den „Aussagehöhepunkt des Psalms" dar, wofür sie 82-85 Argumente anführt; dabei sind Ruf und Antwort in V. 6b mit einiger Plausibilität „als allgemeine Umschreibung eines Verhältnisses der Nähe" zu Jahwe verstanden (ebd. 9 7 ) . " 2 Jahwes „Tun in der Vergangenheit eröffnet für die Gegenwart und Zukunft den Horizont der Hoffnung", so SCORALICK, Trishagion 111. 113 Vgl. SCORALICK, Trishagion 112, die als „Hauptthemen des Psalms" nennt: „die heilige Majestät Jahwes und sein freies Engagement in und fur Israel". 109

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Ps 95"14 begründet den Aufruf zum Lob Gottes (VV. 1.2) mit der Feststellung, daß Jahwe ein großer König (*7Π2 " ^ ü ) über allen Göttern ist (V. 3). Schöpfung und Erhaltung der Welt sowie die Geschichte Israels geben davon ein beredtes Zeugnis (VV. 4-7b). Daraus resultiert der Aufruf zur Treue gegenüber Gott (VV. 7c-11). Die Zusammenschau der Jahwe-König-Psalmen zeigt, daß diese Lieder Jahwe als König in gewaltiger, unbeschränkter Macht beschreiben, die in der Schöpfung Gestalt gewinnt und auch in der (Heils-)Geschichte seines Volkes Israel wirksam ist. Kosmische und politische Feindmächte vermag er zu überwinden, 115 und diese Macht wird er zu gegebener Zeit vor aller Welt offenbaren, worin eine Zukunftsperspektive Bedeutung erlangt. Die Prinzipien seiner Macht sind nicht Willkür, sondern Recht und Gerechtigkeit, die auch die Grundlage für Jahwes Gerichtshandeln bilden. Diesem König gilt das Lob und der Jubelgesang seines Volkes, das sich darin seiner gütigen Macht unterstellt und zu ihm allein als König bekennt.

1.4.2 Weitere Psalmen Zunächst sind einige Psalmen zu nennen, die sich gattungsgeschichtlich als Hymnen einordnen lassen. Ps 29ni fordert die himmlischen Wesen zur Huldigung Jahwes auf und besingt die Gewalt Jahwes im Gewitter. Genauer 7 werden in 29,1 die himmlischen Wesen zum Ruhm von Jahwes T Q 3τ " 7 seiner Herrlichkeit, Ehre - aufgerufen, denn in seinem T O S ist Jahwe in außerordentlichen Naturereignissen, aber auch im Kult wahrnehmbar. Dabei handelt es sich um eine geheimnisvolle, verhüllte, vermittelte Weise seiner Offenbarung, die seinem göttlichen Wesen entspricht, das dem Menschen nicht direkt begegnen kann. Dieser Jahwe thront nach Ps 29,10 als „König in Ewigkeit Ç f y s h ΠΊΠ1)". Er ist ganz göttlicher König, in seinem T Q 3 wesentlich anders und unendlich größer als jeder menschliche Herrscher. Als

114

JEREMIAS, Königtum Gottes 108 ordnet Ps 95 unter die Jahwe-König-Psalmen ein; vgl. auch SEYBOLD, ThWAT IV 954. Zur Einordnung unter die Prozessionslieder vgl. DEISSLER, Psalmen III 27. 115 VON RAD, Theologie I 375 erachtet die Thronbesteigungspsalmen als „die am wenigsten .israelitischen' Dichtungen", da in ihnen das Besondere Israels (Erwählung, Bund, Heilsgeschichte) zurücktrete. Es darf aber nicht übersehen werden, daß Jahwe seine Macht gerade zugunsten Israels verwirklicht. 116 Zum Verständnis des Psalms und besonders seiner religionsgeschichtlichen Entwicklung verweise ich auf SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 165-179. 117 Dazu GUNNEWEG, Biblische Theologie 137f.

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Ort des Thronens sind Himmel und Tempel denkbar, was sich gemäß altorientalischem Denken nicht aus-, sondern einschließt.118 Ps 68 zeigt „Jahwe als Triumphator über seine Feinde und als Helfer Israels".119 In 68,10 wird Jahwe als „mein Gott und mein König O?1???)" angesprochen. Dieser setzt seine göttlich-königliche Macht zugunsten Israels ein. Ps 103no singt Jahwes Lob und sagt ihm Dank, da er sich der sündigen Menschen, die ihn furchten, erbarmt und ihnen in seiner personalen Zuwendung Gnade und Heil schenken will. Diese Zuwendung wird im Rückgriff auf die Geschichte Israels greifbar (vgl. VV. 7.18) und darf so auch für die Gegenwart erhofft werden. Die Voraussetzung für das Heilshandeln Jahwes liegt in seiner Mächtigkeit: „Jahwe hat im Himmel seinen Thron errichtet, und seine Herrschaft (ΊΠΌ'ρζη) regiert das All"121 (103,19). Daraufhin ergeht die Aufforderung zum Lob (VV. 20-22). Die Vorstellung von Jahwe als König des Himmels,122 der über die ganze Schöpfung herrscht, tritt deutlich zutage. Ps 145 preist Gott wegen seiner Hoheit und seines macht- und huldvollen Wirkens, was als seine „Königsherrschaft bezeichnet ist (VV. 1113). Diese Königsherrschaft Jahwes ist Thema des ganzen Psalms.124 Zu Beginn des Psalms wird Gott bereits als „Gott und König" (V. 1) angesprochen. Zur Prädikation von Jahwes Macht (vgl. VV. 5f. 12) tritt das Bekenntnis zu Jahwes Güte und Erbarmen den Schwachen gegenüber (VV. 8f.l4). - Ps 146 lobt Gott als den, dem allein alle Macht zukommt und der allein Hilfe zu bringen vermag. Die Aussagen gipfeln im Schlußsatz V. 10, der den Ausruf „Jahwe ist König auf ewig ..." (mit der Verbform "^Ώ 1 ) enthält. Die Mächtigkeit des Königs Jahwe übersteigt so die den Menschen gesetzten zeitlichen Grenzen. - Ps 149 ruft zum Lob Gottes auf, der V. 2 in einem Parallelismus 118

Der Tempel als „Ort, dessen irdischer Bau himmlische Realität in sich birgt bzw. dessen himmlischer Bau irdisch fundamentiert ist"; vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 178f. (Zitat 179). Zur Lokalisierung von Jahwes Thron ferner BRETTLER, King 84f. CAMPONOVO, Königtum 96. Vgl. ferner JEREMIAS, Königtum Gottes 77f., der auch an kultsymbolische Vergegenwärtigung des Tempeleinzugs Jahwes denkt. Kritisch gegenüber einer kultischen Realisierung schon ElßFELDT, Jahwe als König 188. 120 Die Einordnung des Psalms unter die Hymnen rechtfertigt sich daraus, daß der größere Teil des Psalms ( W . 6-22) hymnische Züge trägt; VV. 3-5 erinnern an ein Danklied; vgl. KRAUS, Psalmen II 871 f. CAMPONOVO, Königtum 99 ordnet Ps 103 unter die Danklieder ein. 121 Übersetzung von KRAUS, Psalmen II 871. 122 Vgl. KRAUS, Psalmen II 875. 123 Für diese Übersetzung CAMPONOVO, Königtum 97, da mit diesem Begriff das Walten Gottes, kein fest umrissenes Reich gemeint sei. 124 So DEISSLER, Psalmen III 211; CAMPONOVO, Königtum 97, der ebd. auf die Tatsache hinweist, daß „König" in V. 1 parallel zu „Gott" in Idiomenkommunikation gebraucht werden kann, was darauf deutet, daß „König" zur Zeit des Psalms ein bekanntes und verbreitetes Prädikat Jahwes darstellte.

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membrorum als „Schöpfer" und „König" bezeichnet wird. Das Gerichtshandeln dieses Königs wird hier von den „Frommen" unter Jubel über ihren machtvollen Gott vollzogen (VV. 6-9). Ps 24n5 läßt sich grob beurteilt als Prozessionslied benennen. Zu Beginn des Psalms wird Jahwes Weltbesitz in seinem Schöpfungshandeln betrachtet (VV. 1.2), bevor Voraussetzungen seitens der Menschen, um Jahwe zu nahen, thematisiert werden (VV. 3-6). Die VV. 7-10 besingen daraufhin den Einzug Jahwes in sein Heiligtum, wobei Jahwe als „König der Herrlichkeit (ΤΠ3Π • ^ ü ) " bezeichnet wird. Der Begriff "TOS verbalisiert im Zusammenhang mit der Königstitulatur des Königs „Macht, Hoheit und Majestät".126 Dieser König ist identisch mit dem „Jahwe der Heerscharen127 (ΓΠΚΠ2£ ΠΊΓΡ; V. 10)", der sich als mächtig und stark im Kampf erweist (V. 8). Dieser Psalm hebt nachdrücklich die kriegerische Seite des Königs Jahwe hervor.128 Den Zionsliedern darf Ps 48129 zugerechnet werden, der in V. 3 den Zion als Stadt des „großen Königs p"1 ^ D ) " , des „Großkönigs" aussagt, womit vom Kontext der VV. 1-4 her nur Jahwe gemeint sein kann. Der ganze Psalm drückt Jahwes Macht aus, dessen weite Überlegenheit auch gegenüber feindlichen Königen siegreich zur Wirkung gelangt und in den gewaltigen Bauten des Zion sichtbaren Ausdruck findet. - Ps 84 besingt das Heiligtum Jahwes als Ort der Heilserfahrung. Dabei wird Gott, der Besitzer und Bewohner des Heiligtums, in V. 4 in formelhafter Sprache130 als „Jahwe Zebaoth, mein König und mein Gott" angesprochen und so als machtvoller Geber des Heils reflektiert. In Λ 10 bittet der Beter Jahwe um Hilfe gegen frevelhafte Menschen, die ihn bedrücken (VV. 1-15), was den Glauben an die Möglichkeit Jahwes zu machtvoller Hilfe impliziert. VV. 16-18 setzen nun ausdrücklich ihr Vertrau125 Zur Absicht von Ps 24 vgl. die Erörterung bei SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 196208. - Zur komplizierten formgeschichtlichen Zuweisung, die sich nur fur einzelne Psalmteile vornehmen läßt, vgl. DEISSLER, Psalmen I 96; HOSSFELD/ZENGER, Psalmen I 156f. So stellt die Einordnung unter die Prozessionslieder eine von einem hypothetischen kultischen Sitz im Leben beeinflußte, aber keineswegs zwingende Zuweisung dar. 126 Vgl. SCHREINER, Sion 188. 127 Nach CAMPONOVO, Königtum 98 stammt dieser Titel aus der altisraelitischen Kriegstradition, dort eng verbunden mit der Lade als Kriegspalladium; vgl. weiter SCHREINER, Sion 188f. Zur Vorsicht gegenüber dieser Herleitung mahnt dagegen SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 205. 128 Vgl. zur Verbindung des Königs Jahwe mit dem kriegerischen Aspekt auch Ps 68; Ex 15; Dtn 33. 129 Eine vorwiegend traditions- und religionsgeschichtliche Exegese von Ps 48 bietet

SPIECKERMANN, H e i l s g e g e n w a r t 1 8 6 - 1 9 6 . V g l . d i e A u s l e g u n g b e i HOSSFELD/ZENGER, P s a l men 1294-299. 130

So CAMPONOVO, Königtum 101 unter Verweis auf Ps 44,5; 5,3.

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en auf Jahwe, den mächtigen „König in Ewigkeit" (V. 16), der seine Königsmacht zugunsten der Armen, Unterdrückten und Entrechteten einsetzt. - Die Schlußverse 23-32 des Klageliedes Ps 22 tragen die Züge eines Dankliedes131 für geschehene Rettung. Darin stellen die VV. 28-32 einen universalistisch und eschatologisch geprägten Ausblick132 zu Ps 22 dar. Alle Menschen werden dabei zur Bekehrung zu Jahwe aufgefordert, denn Jahwe hat die Königsherrschaft inne über alle Völker (V. 29), worin seine Macht über die ganze Erde betont ist. Auch wenn Jahwe nicht direkt als König angesprochen wird, impliziert die Rede von seiner Königsherrschaft dieses Attribut. In Ps 5,3 wendet sich der klagende Beter an Jahwe mit den Worten „mein König und mein Gott", worin Vertrauen auf Gottes gütige Macht liegt. - Das Klagelied Ps 44 beginnt in VV. 2-9 mit einer Vertrauensäußerung, innerhalb deren Jahwe als „mein Gott und mein König" (V. 5) angeredet wird. Diese Titulierung geschieht im Hinblick auf das Ereignis eines Sieges Jakobs, den Jahwe hervorbringt. Der nähere Kontext thematisiert die Landnahme als Werk dieses Königs (VV. 2-4) und motiviert so in geschichtlicher Reminiszenz das Vertrauen auf die alleinige Macht des Königs Jahwe und seinen Heilswillen in bezug auf sein Volk (vgl. VV. 6-9). Auf dem Hintergrund des so fundierten Vertrauens können die VV. 10-27 Klage und Bitte um Hilfe äußern. - Das Klagelied Ps 74m bietet die Abfolge von Klage (1-11), Vertrauensäußerung (12-17) und Bitte um Eingreifen (18-23). Zu Beginn der Vertrauensäußerung kann der Beter sagen: „Gott ist mein König von Urzeit an" (V. 12), worauf der Hinweis auf Jahwes Heilstun auf Erden erfolgt. Daran schließt sich in verschiedenen Bildern eine Reihe von Machttaten Gottes bei der Schöpfung an (VV. 13-17), die das Vertrauen des Beters begründen und die auf die Überwindung des Chaos zielende Königsmacht Jahwes konkretisieren. In den genannten Klageliedern steht also die Anrede Gottes als König im Zusammenhang mit dem Ausdruck des Vertrauens, das der Betende auf Jahwe setzt.134 Dies wird ermöglicht durch die mit der König-Anrede verbundenen Konnotationen von Mächtigkeit Jahwes einerseits und Heilswillen fur sein Volk andererseits.

131

Ps 22,23-32 läßt sich als Danklied benennen nach DEISSLER, Psalmen I 88; HOSS-

FELD/ZENGER, P s a l m e n I 1 4 4 . 132 Vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 145; DEISSLER, Psalmen I 90; CAMPONOVO, Königtum 100. Zu VV. 28-32 als Erweiterung vgl. HOSSFELD/ZENGER, Psalmen I 144-146.151. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 244f. weist W . 27-29 und 30-32 zwei verschiedenen Redaktionsstufen zu. 133 Zu diesem Klagelied des Volkes vgl. die Auslegung bei SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 122-133. 134 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 101.

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1.4.3 Zusammenfassung (1) Die Psalmen als Zusammenstellung des Gebetsschatzes Israels weisen durch ihre häufige Wiederholung beim Gebet eine bedeutende Wirkungsgeschichte im Glauben Israels auf. Dies gilt dann auch fur den Terminus „König" als Attribut Jahwes, dessen Verbreitung sich in diesen Texten dokumentiert.135 In den Psalmen erscheint diese Bezeichnung häufig und kann so - wenigstens im Blick auf die Zeit des zweiten Tempels - als bekannt und geläufig gelten.136 (2) Als Gebetsinhalt steht die Verwirklichung der Königsherrschaft Jahwes außerhalb menschlicher Möglichkeiten, wird aber erwartend gefeiert und hoffend bekannt, da sich darin Jahwes Möglichkeiten zur Veränderung menschlicher Wirklichkeit ausdrücken.137 (3) Es handelt sich bei der König-Terminologie nicht um einen Namen Jahwes, sondern um einen Titel, ein Attribut. Daher steht der König-Begriff durchwegs in enger Verbindung mit „Jahwe" oder „Gott", d.h. er stellt allein keine Gottesbezeichnung dar, da ja das irdische Königtum in der Umwelt Israels und in Israels Geschichte und heiliger Schrift ebenfalls eine bekannte Größe ist, was den Begriff äquivok erscheinen läßt. Daß von den irdischen 135 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 101; GIESEN, Herrschaft 9. Man denke für die Psalmen insgesamt auch an die starke Verwendung dieser Lieder im NT. - Forschungsgeschichtlich gesehen stellen die Jahwe-König-Psalmen den Leser immer noch vor eine Reihe differierender Verstehensmöglichkeiten. So kann JEREMIAS, Königtum Gottes 7 formulieren: „Die sog. Thronbesteigungspsalmen gehören zu den umstrittensten Textgruppen innerhalb des Alten Testaments"; zustimmend JANOWSKI, Königtum 454. Die Aussage gilt v.a. in bezug auf das Alter der Jahwe-König-Vorstellung und ihre religionsgeschichtliche Herkunft sowie die Aufnahme/Umgestaltung durch Israel, auch die Art der kultischen Verwendung. 136 Das impliziert nicht, daß das Theologumenon vom Königsein Jahwes im Denken des gesamten AT tragend und zentral ist. Mit PREUß, Theologie I 182f., der dafür die Beschränkung auf einige Textgruppen und den erst nachexilischen Bedeutungszuwachs anfuhrt; vgl. auch DIETRICH, Gott als König 251. - Anders LOHFINK, Begriff des Gottesreiches 37, der fur das AT insgesamt „die Aussage, Jahwe sei König, prägend" sieht. Ähnlich versteht JANOWSKI, Königtum 391 - freilich in Ausweitung auf AT und NT - den Gedanken als zentral. Die Differenzen in der Beantwortung der Frage liegen häufig darin, daß der Rahmen für die semantische Analyse unterschiedlich weit gesteckt wird. Vgl. nur DIETRICH, Gott als König 251, der rund 50 Belege für die Vorstellung zählt, gegenüber LOHFINK, Begriff des Gottesreiches 37 Anm. 10, der etwa 130 Belege nennt. 137 Vgl. PREUß, Theologie I 182, der auch auf das stellvertretende Bekenntnis der gottesdienstlichen Gemeinde hinweist. - Angesichts der konvergierenden Erfahrungen von Hoffnung und Vergegenwärtigung ist kein Gegensatz zwischen kultischem und eschatologischem Verständnis dieser Psalmen zu konstruieren. Zu dieser forschungsgeschichtlichen Kontroverse vgl. JEREMIAS, Königtum Gottes 8; femer OTTO, Mythos und Geschichte 94.

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Königtümern und ihrer literarischen Darstellung der semantische Kontext der König-Titulatur fur Jahwe entscheidend mitbestimmt wurde,138 liegt auf der Hand und ist auch ohne eingehendere Untersuchung des dahinterstehenden Wirkungsgefiiges einsichtig. Der Faktor des situativen Kontextes ist für die in dieser Arbeit verfolgte Fragestellung dann im Blick auf die Rezeption des 1. Jh. n.Chr. zu bedenken. (4) Die König-Titulatur wird in Verbindung mit Jahwes Macht in Schöpfung139 und Geschichte verstanden, wobei dieser König seine Macht in bezug zu Israel und den Völkern ausübt.140 Es handelt sich also um einen Hoheitstitel, der die Verbindung von himmlischer und irdischer Königsherrschaft Jahwes141 und damit seine allumfassende Mächtigkeit impliziert, deren geglaubte und bekannte Gegenwart Israels Hoffnung stärkt. Dabei muß Jahwe seine Königsherrschaft wiederholt gegen feindliche Mächte durchsetzen, was ihm selbstverständlich gelingt und sein Thronen auf immer und ewig bestätigt.142 Schöpfer und Retter Israels, Exodus und Landnahme, Führer im heiligen Krieg sind Themenbereiche der israelitischen Tradition, in denen Jahwe als König am Werk gesehen wird,143 indem er seinem Volk Heil vermittelt, das für die Gegenwart Aktualisierung erfahren soll. Die so als grundlegend benannten Geschichtserfahrungen Israels werden zu unüberholbaren Urereignissen, die Gottes Wesen fur Israel und alle Völker zum Ausdruck bringen.144 Jahwe als König ist aber ebenso Herr der Schöpfung und garantiert als siegreicher Überwinder des Chaos den Bestand der Welt. (5) Der König Jahwe wird als Herr des Zion und des Heiligtums angesprochen, wo seine Gegenwart erfahrbar und kultisch feierbar ist.145 Die Verge138

Vgl. CAMPONOVO, Königtum lOlf., der auf die herausragende Funktion des Königs im Staat hinweist; aufgrund der Vermischung dieser Traditionen spiele die religionsgeschichtliche Herkunft einer Tradition für die Komposition eines einzelnen Psalms keine entscheidende Rolle mehr. 139 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Schöpfungsmotivs in Jahwe-KönigPsalmen vgl. JANOWSKI, Königtum 446-453. 140 Vgl. SCHREINER, Theologie 228. Den besonderen Bezug zu Israel hält ElßFELDT, Jahwe als König 181 fest. 141 Zu dieser Verbindung vgl. PREUß, Theologie 1181. 142 Dazu SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 221 f. 143 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 102; GIESEN, Herrschaft 9; zum Gesichtspunkt des Heils auch PREUß, Theologie 1181. 144 Dazu OTTO, Mythos und Geschichte 95. 145 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart 220-225 versteht Tempeltheologie als entscheidenden Ort der Rede von Jahwe als König, wobei diese die Züge der theologia gloriae trage; der Tempel erscheint dabei als Ort der Gottgegenwart (222f.), wo das Lob Gottes als Antwort des Menschen erschallt (224); eine Zusammenfassung der an ausgewählten Psalmen eruierten Tempeltheologie bietet er 284-292, wobei die Königsbezeichnung eine in diesem Kontext zur Sprache kommende Jahwe-Titulatur darstellt.

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genwärtigung im Kult umfaßt die Dimensionen von Jahwes Herrschaft über die Schöpfung seit Urbeginn, sein andauerndes Walten in der Geschichte und seine eschatologische Königsherrschaft.146 Menschen können sich mit Lebensäußerungen wie Lob, Dank, Bitte und Klage an ihn wenden. Als Sitz im Leben ist eine Zions- bzw. Tempeltheologie sichtbar. Es läßt sich insgesamt eine universalistische Perspektive erkennen: Jahwe als König trägt Verantwortung für alles, was im Himmel und auf der Erde geschah, geschieht und geschehen wird.147 (6) Jahwe als König übt seine Herrschaft nach den Prinzipien von Recht und Gerechtigkeit aus, was auch Gericht und Bestrafung der Frevler impliziert.

1.5 Das Buch Daniel Die Entstehung des Buches Daniel (= Dan) in seiner überlieferten Endgestalt ist in die letzten Jahre der Regierung des Antiochos IV. Epiphanes (175-164 v.Chr.), des Königs des Seleukidenreiches, also etwa in die Zeit zwischen 167-164 v.Chr. zu datieren.148 Es besteht grob gegliedert aus zwei Teilen, wobei der erste (Kapp. 1-6) Ereignisse der Vergangenheit vom babylonischen Exil bis zur Regierung des Kyros, der zweite (Kapp. 7-12) Visionen des Daniel über die Geschehnisse vom Ende des Exils bis zum Anbruch der endzeitlichen Gottesherrschaft: erzählt.149 Der zweite Teil enthält zahlreiche vaticinia ex eventu, deren „Erfüllung" auch den echten Voraussagen Glaubwürdigkeit verleiht. Es handelt sich dabei um ein apokalyptisches150 Buch, das von seinem Geschichtsverständnis aus die Weltgeschichte als geschlossene Einheit versteht, 146

Vgl. SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 12. Dazu auch SEYBOLD, ThWAT IV 955; CAMPONOVO, Königtum 102; ferner SCHNAKK.ENBURG, Gottes Herrschaft 10. 148 Zur Datierung vgl. FOHRER, Einleitung 519Í.525; auch PREUß, Theologie II 301; MÜLLER, TRE III 215 (Schlußredaktion um 165 v.Chr.) (= DERS., Apokalyptik 65); ferner GIESEN, Herrschaft 14; GUNNEWEG, Biblische Theologie 244; OEGEMA, Gesalbte 56.63; HAHN, Apokalyptik 35f. Eine entwicklungsgeschichtliche Skizze bei ZENGER, TRE XV 187f.; HAAG, Daniel 7-9. Zu Situation und Aussage des Dan-Buches vgl. MÜLLER, TRE III 215-218; DERS., Apokalyptik 65-72; femer OEGEMA, Gesalbte 64-67. 149 Dazu z.B. FOHRER, Einleitung 518; ZlMMERLI, Grundriß 205f.; GUNNEWEG, Biblische Theologie 244; HAAG, Daniel 6f.; HAHN, Apokalyptik 21. 150 Zu den folgenden Grundcharakteristika der Apokalyptik zu spät-atl (frühjüdischer) Zeit vgl. PREUß, Theologie II 301-304; FOHRER, Einleitung 526f.; WESTERMANN, Theologie 130-133; ZlMMERLI, Grundriß 202-211; GUNNEWEG, Biblische Theologie 243f.; HAHN, 147

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die in verschiedene Epochen - die einander ablösenden Weltreiche151 - gegliedert ist. Wenngleich die frühjüdische Apokalyptik keineswegs als uniforme Bewegung mißverstanden werden darf, sondern in ihrer geschichtlich bedingten Vielfalt und variationsfähigen Entwicklung wahrgenommen werden muß, lassen sich prägende Grundzüge oder basale Charakteristika abstrahieren. Geschichte wird periodisiert und läuft auf ein eschatologisches Ziel zu. Bestimmt wird die einheitliche Struktur der Geschichte von der beständigen und eigenverantwortlichen152 Entfernung des Menschen von Gott und seiner Gerechtigkeit, von kontinuierlich in der Geschichte wiederholtem Auflehnen und Widersetzen des Menschen gegen Gott und damit zunehmendem Heilsverlust, was sich in weltweiten Krisen und Katastrophen äußert. Zugleich stellt die so erfaßte Geschichte das Bewährungsfeld für diejenigen dar, die sich gemäß einem Leben nach der Gerechtigkeit der Tora für die endzeitliche Rettung und Herrlichkeit qualifizieren.153 Das (nahe) Ende dieser Geschichte erwartet die Apokalyptik allein von Gott her, denn dann erfolgt das Endgericht Gottes, das für die „Frommen" eine neue, geschichtslose Zeit des Heils und der Herrlichkeit unter der Herrschaft Gottes freisetzt. So erweist sich die „kompromißlose Theozentrik"154 als prägende Basis der Apokalyptik, die zusammen mit ihrer strikt eschatologischen Orientierung ihr Wesen und ihre konkrete Gestalt im Wandel der zu bewältigenden zeitgeschichtlichen Verhältnisse fundamental bestimmt. Dies schlägt sich im durchgängigen Festhalten an der Überzeugung nieder, daß Gott allein das Endgericht und den Abbruch der Geschichte sowie den Beginn einer neuen Zeit des Heils bewirkt und in voller Freiheit den Termin für diese Ereignisse festlegt. Apokalyptik 3f.34f.; MÜLLER, Apokalyptik 52-173; kritisch gegenüber verbreiteten Positionen MÜLLER, TRE III 223-248. - Eine Kritik zur Forschungslage in bezug auf die jüdische Apokalyptik, die aufgrund der methodischen Vernachlässigung der Verbindung ihrer Überlieferungsprozesse mit der jeweils zugrundeliegenden geschichtlichen Situation eine überwiegend negative theologische Wertung erfährt, bietet MÜLLER, TRE III (1978), 202-210; zur Herkunft und traditionsgeschichtlich mit einem gewissen Bruch eingeleiteten und situativ variierenden Entwicklung apokalyptischer Erwartung auf dem Hintergrund zeitgeschichtlicher Vorgänge in spät-atl Zeit vgl. ebd. 210-223. Zu einer - zumindest partiell möglichen - Entstehung der Apokalyptik aus der Prophetie siehe PREUß, Theologie II 299f.; ferner ZLMMERLI, Grundriß 203-205; HAHN, Apokalyptik 13-20; kurze Hinweise auch bei GUNNEWEG, Biblische Theologie 245. 151

Zum Verständnis dieser Weltreiche vgl. HAAG, Daniel 10f.; COLLINS, Kingdom 81-83. Gegenüber der Annahme einer strikten Determination der Geschichte in der Apokalyptik ist die Bedeutsamkeit des menschlichen Handelns, verstanden als menschliche Eigenmächtigkeit, d.h. Abfall von Gott, unbedingt zu betonen; zumeist ist der Mensch selbst für das Böse verantwortlich, nur im „Noachbuch" (vgl. äthHen 6-11) wird das Böse metaphysisch in der Welt der Engel fundiert. Dazu MÜLLER, Apokalyptik 109-124. 152

153

Zu dieser Geschichtsauffassung vgl. MÜLLER, TRE III 233f.

154

M Ü L L E R , T R E III 2 2 4 .

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Der sich im Rahmen dieser Endereignisse vollziehende Endkampf Gottes, der die Überwindung aller feindlichen Mächte des Himmels und der Welt sowie die Rettung des Volkes oder der Frommen beinhaltet, mündet in eine völlig neue „Zeit" außerhalb des Geschichtskontinuums, die allein unter Gottes Herrschaft steht. Diese neue Weltzeit, der neue Äon, der als umfassende Heilszeit charakterisiert ist, löst die alte Zeit, den alten Äon, ab, der dadurch einen pessimistischen Wesenszug erhält.155 Die Verbindung der beiden konträren Weltzeiten besteht in der freien Verantwortlichkeit des einzelnen Menschen gegenüber der Tora, da sich bereits in der Frage der Toragemäßheit des Verhaltens, also geschichtlich vor dem Ende, Heil und Unheil entscheiden; durch den in der Tora artikulierten Anspruch Gottes verkommt Geschichte nicht zum bloßen Durchgangsstadium.156 Eine qualitative Differenz beider Zeiten bleibt freilich in der Möglichkeit von Heilserfahrung und Aussicht auf Verwirklichung der göttlichen Herrschaft. Bereits im Dan-Buch steht die fur die Apokalyptik insgesamt kennzeichnende Trennung von (Unheils-)Geschichte und neuer (Heils-)Zeit prägnant im Hintergrund.157 Deutlich präsentiert sich darin ein gegenüber allen älteren Überlieferungen Israels neues Grundverständnis: Das Heilswirken Gottes wird nicht mehr auf der Folie des vergangenen geschichtlichen Rettungshandelns Gottes gedacht, sondern ausschließlich in der (nahe herangerückten) Zukunft von Gott bestimmt und als solches erwartet, woraus sich die Vorstellung zweier distinkter Weltzeiten abstrahieren läßt, deren erste beinahe vorüber ist und in ein unmittelbar bevorstehendes Gerichtsgeschehen mit universalen Heilsdimensionen mündet.158 So zeigt sich das Dan-Buch „bar jedes heilsgeschichtlich optimistischen Zu-

155

Vgl. ZlMMERLl, Grundriß 2 0 3 . Den Aspekt des „Trans-Endzeitlichen" nennt FABRY, Apokalyptik 88 als zur Abgrenzung des Phänomens „Apokalyptik" geeignet. 156 Vgl. MÜLLER, Apokalyptik 125f. 157 Nach PREUß, Theologie II 303f. ist ein Gegensatz zwischen jetzigem und kommendem Äon in Dan noch nicht explizit ausgedrückt, wohl aber im Gedanken der „Geschichtsüberwindung" und in der Gegenüberstellung der im Vergehen begriffenen Weltreiche mit dem kommenden Gottesreich bereits impliziert. MÜLLER, TRE III 226f. weist auf die Verschiedenheit der Zeiten hin, warnt aber vor einem Verständnis der totalen Gegensätzlichkeit (vgl. Dan 6,26-28: Gott übt schon gegenwärtig seine Königsherrschaft aus); vgl. ebd. 232; auch DERS., Apokalyptik 105-109, wobei er 108 darauf hinweist, daß die Geschichtsbetrachtung wichtig ist zur Wahrnehmung des eigenen Standortes „am Ende" der Weltzeit. COLLINS, Kingdom 82f. hingegen versteht die neue Herrschaft als jüdisches „political, earthly kingdom" (82), das freilich ohne Ende besteht. - PREUß, Theologie II 303 hält ferner fest, daß in Dan bereits eine Entgegensetzung von himmlischer und irdischer Welt stattfindet und spricht dabei von „dualistisch-jenseitige(r) Eschatologie". Vgl. WESTERMANN, Theologie 132. 158

Vgl. MÜLLER, TRE III 210f.214.

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trauens in die Vergangenheit Israels".159 Konkret löst der apokalyptische Blick des Dan-Buches auf die vier großen Reiche der Weltgeschichte die bis dahin das Wesen des Volkes Jahwes genuin qualifizierende Heilsgeschichte Israels ab, womit Israel entsprechend seine zentrale Heilsrolle in der Geschichte verliert.160 Freilich wird gegen Ende des Buches in Dan 12,1-3 dann doch wieder die Aufmerksamkeit speziell auf Israel gerichtet, dem Hoffnung auf eine endzeitliche Erhöhung nach der Zerschlagung der Weltreiche zugesprochen wird. Mit der von der Apokalyptik intendierten Lenkung der Erwartung auf das nahe bevorstehende Ende der Weltzeit mit ihren Schrecken und Bedrängnissen und auf den Anbruch der neu belebenden Heilsherrschaft Gottes möchte das Buch Mut machen zum Durchhalten des (toragemäßen) Glaubens und der Hoffnung gegenüber existentieller Verunsicherung in Zeiten der Verfolgung und brutalen Unterdrückung. Die apokalyptische Sicht entsteht also historisch als Reaktion auf eine Krise der Geschichtswahrnehmung, die durch die bedrückenden Verhältnisse unter fremder Herrschaft und deren Anspruch entsteht und diesen Fremdherrschem eine konsistente Deutung von Gegenwart und Zukunft aus dem allein bestimmenden, sicheren Handeln Gottes entgegensetzt.161 Die Einschätzung der gegenwärtigen Situation erweist sich als derart fatal, daß nur die endgültige und völlig umstürzende Lösung der Konflikte durch Gott noch denkbar bleibt; die absolut desolate Gegenwart bewirkt eine akute Naherwartung der Heilsinnovation. Dabei steht die Frage nach Gottes Geschichtsmächtigkeit, oder anders gesagt, nach seiner allumfassenden Königsherrschaft, forciert im Hintergrund, die aufgrund negativer Erfahrungen angesichts der Unterdrückung durch

159 MÜLLER, TRE III 225. Das besagt aber nicht die völlige Geschichtslosigkeit apokalyptischen Denkens, wie besonders an den frühesten Urkunden jüdischer Apokalyptik ersichtlich ist; dazu ebd. 224f.; DERS., Apokalyptik 99-105. 160 Dazu MÜLLER, TRE III 234f.237-240. Auch von anderer Seite her (gedacht ist an die sektenhafte Absonderung der Trägergruppe apokalyptischer Erwartung) ist Israels Heilsstellung - diesmal zugunsten weniger Auserwählter - eliminiert (dazu ebd. 240-243). Unter Berücksichtigung der jüdischen Apokalyptik insgesamt bleibt aber das zentrale Interesse an Israel letztlich aufweiten Strecken bestehen; vgl. ebd. 236.244-248. Dazu auch DERS., Apokalyptik 142-150. 161 Dazu FABRY, Apokalyptik (1999), 84-98, der konkret die Zeit des Antiochos IV. Epiphanes als Ansatz massiver Artikulation apokalyptischer Erwartung nennt (87) und Apokalyptik als „Instrument des politischen Handelns" (89) bezeichnet, das im Namen der Offenbarungsautorität Gottes politisch-religiöse Anliegen durchsetzt; neben Dan 2,28-45 kann er als Beispiele dieser soziopolitischen Fundierung auf das (persische?) HystaspesOrakel und das (ägyptische?) Töpferorakel hinweisen, die etwa zeitgleich anzusetzen sind (89-95); auch 4Q246 fügt sich in diese Linie (95-98).

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fremde politische Mächte162 in Zweifel gerät. Veranlaßt durch diesen Situationsdruck wird der Aufweis der Herrschaft Gottes über die Geschichte zum zentralen Thema des Dan-Buches.163 Gott wird als Herr über alle aufeinander folgenden Weltreiche und Großkönige erkannt, er teilt ihre Macht zu und legt ihre Zeit fest.164 Zu bedenken ist aber die Beobachtung, daß in Dan die Geschichte von ihrem von Gott initiierten Ende her bestimmt wird, „in dem Gott erstmals und einmalig dadurch manifest wird, daß er jenes ,Ende' bewirkt".165 Die als diesem Ende vorausgehend gedachte und als Endphase charakterisierte Geschichte vom Anfang der persischen und griechischen Zeit bis zu Antiochos IV. (vgl. Dan 8; 11) wird ohne Gottes Eingreifen und Wirken dargestellt. Und doch impliziert die Erwartung eines von Gott bewirkten Endes aller bisherigen Geschichte seine Mächtigkeit auch über diese geschichtliche Zeit, selbst wenn die Mächtigkeit derzeit nicht konkret wahrnehmbar ist. Die genannte Implikation verbietet eine Entgegensetzung der Aussage der Geschichtsmächtigkeit Gottes und der Erwartung seines erst endzeitlich manifesten Machtwirkens. Letztlich zielt apokalyptische Erwartung in Überbietung der „Geschichts"-Mächtigkeit auf die universale, Himmel und Welt in Totalität umfassende Machtentfaltung Gottes. In diesem Sinne lassen die Kapp. 1-6 des Dan-Buches erkennen, daß Israels Gott der wahre König ist, der zu der von ihm selbst festgesetzten Zeit seine Herrschaft aufrichtet. Die Vision in Kap. 7 schildert diesen Anbruch der Herrschaft Gottes in der Überwindung gegnerischer Könige. Kapp. 8-12 gehen auf weitere Fragen der Aufrichtung dieser Herrschaft ein, so die Fixierung des Zeitpunkts und das Problem des Schicksals Israels und der Gerechten.

162 Zur Zeit der Abfassung (bzw. Endredaktion) des Dan-Buches lebte Israel unter der Herrschaft der syrischen Weltmacht mit dem König Antiochos IV. Epiphanes (175-164 v.Chr.); vgl. GIESEN, Herrschaft 13. 163 So CAMPONOVO, Königtum 117. Dazu HAAG, Daniel 12f., der im Dan-Buch die Königsherrschaft Gottes als Bewertungsmaßstab fur jedes geschichtliche Königreich hervorhebt. Vgl. auch MOLLER, TRE III 227.237; er äußert sich 227-232 kritisch differenzierend und letztlich ablehnend zur Behauptung einer apokalyptischen Vorstellung der Determination der Geschichte und der Prädestination des einzelnen, wobei u.a. deutlich wird, daß sich der einzelne nicht seiner Verantwortung für ein toragemäßes Leben enthoben verstehen kann; in diesem Zusammenhang ist auch das Theodizee-Problem, die Frage nach der Ursache des im historischen Kontext der jüdischen Apokalyptik massiv existentiell erfahrenen Bösen angesprochen. 164

Vgl. SCHREINER, Theologie 337f.; femer PREUß, Theologie I 182.

165

MÜLLER, T R E III 2 1 6 .

Fundiening: Gott als König

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Im einzelnen spricht das Buch Dan an mehreren Stellen166 von Gottes Königsherrschaft und bezeichnet einmal Gott explizit als König. So verheißt Dan 2,44 eine Königsherrschaft (Ό^Ώ), die Gott aufrichten wird und die ewigen Bestand hat. Die Königtümer der Menschen werden durch diese Herrschaft abgelöst. Dan 3,33 MT heißt es in einem hymnischen Bekenntnis von Gottes Herrschaft: „seine Königsherrschaft ist eine ewige Königsherrschaft ΓΊΌ^α ΠΓιΌ'ρΰ)"; zuvor werden in 3,32f. Gottes gewaltige Zeichen und Wunder genannt, in denen Gott in Erscheinung tritt. In ähnlicher Weise spricht Dan 4,31 von der Königsherrschaft Gottes, die von Geschlecht zu Geschlecht dauert. Die Stelle Dan 4,34 bezeichnet Gott ausdrücklich als „König des Himmels (K'QtÖ "^Q)", was im Zusammenhang mit seinem gerechten Handeln zur Sprache kommt. In Dan 6,27 erfolgt ein weiteres Bekenntnis zu Gott als dem lebendigen und ewigen Gott, wobei es heißt: „seine Königsherrschaft (ΠΠΌ^ΠΊ) geht nicht zugrunde und seine Macht bleibt bis zum Ende"; unmittelbar darauf ist in Dan 6,28 von seinem rettenden Handeln und seinen Zeichen und Wundern im Himmel und auf der Erde gesprochen, was in Zusammenhang mit der erzählten Errettung des Daniel vor den Löwen (vgl. Dan 6,11-25) gebracht wird. Bei einer Vision Daniels erscheint Dan 7,13 eine Gestalt „wie ein Menschensohn"167 mit den Wolken des Himmels.168 Diesem wird in 7,14 die Herr166 Ausfuhrlicher auf die im Folgenden angesprochenen Stellen geht CAMPONOVO, Königtum 119-125 ein. Vgl. HAAG, Daniel z.St. Zum Königtum Gottes im Buch Dan auch

PLGOTT, K i n g d o m 15f. 167

Das aramäische Syntagma EÍ3R ~Q? (LXX: ώς υιός άνθρωπου) findet in dem verbreiteten Ausdruck „Menschensohn" philologisch betrachtet nur ein unzureichendes Übersetzungsäquivalent: die semitischen Wendungen D1S"]2, EQK 13 oder KtÖ3 13 beschreiben mittels des Lexems p / ~ D die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer Klasse oder Gattung, so daß die einfache Version „wie ein Mensch" sprachlich zutreffender wäre. Vgl. z.B. HAHN, Apokalyptik 31 f. 168 Zur Deutung dieses Menschensohnes vgl. den Überblick bei CAMPONOVO, Königtum 123 Anm. 238. GUNNEWEG, Biblische Theologie 244 z.B. versteht ihn kollektiv „als Symbolfigur für das endzeitliche Israel". Kollektiv deutet auch HAHN, Apokalyptik 27.32f. MÜLLER, Apokalyptik 69 interpretiert den Menschensohn in Korrespondenz mit den „Heiligen des Höchsten" in 7,18 im Sinne des Völkerarchontenglaubens als himmlische Entsprechungsfigur des irdischen „Israel"; gemäß Dan 10,13.20f., wo der Engel Michael als himmlischer Doppelgänger Israels erscheint, ist eine Identifikation mit Michael annehmbar (ebd. 70); vgl. DERS., Menschensohn 296-298, der in Dan 7,14 den Akzent der Hoffnung auf Restitution des davidischen Großreiches für Israel erkennt. Auch COLLINS, Kingdom 84 identifiziert den Menschensohn mit dem Erzengel Michael, der Israel im himmlischen Bereich repräsentiere. Vgl. DERS., Scepter 36f.; MÜLLER, Messias 27-30; KOCH, Heilandserwartungen 122f.; GNILKA, Christen 62-64. Nach ZENGER, TRE XV 188 beinhaltet die Figur des Menschensohnes „zumindest auch eine .Qualitätsaussage' über das kommende letzte Reich: im Kontrast zu den ,Tieren'" (Hervorhebung im Original). Nach HAAG, Daniel 13 ist

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schaft übertragen, die in gleicher Weise wie die Herrschaft Gottes charakterisiert wird: 169 „Ihm wurden Macht, Würde, Königsherrschaft ("ObQ"l) und alle Völker gegeben ... Seine Königsherrschaft (ΠΠΌ^ΟΙ) wird nicht zerstört". Als Bevollmächtigter Gottes übernimmt er die Herrschaftsfunktion Gottes über die Völker der Erde und löst damit einen Machtwechsel auf Erden aus. In der anschließenden Deutung der empfangenen Vision an Daniel, die selbst noch im Rahmen der Vision erfolgt, ist davon die Rede, daß die „Heiligen 170 die Königsherrschaft erhalten" (7,18.22). Und weiter unten heißt es: „Und Herrschaft und Macht und Größe der Reiche unter dem ganzen Himmel werden dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben.171 Seine Königsherrschaft ist eine ewige Königsherrschaft ..." (7,27; vgl. 3,33 MT). Es erscheint also mit diesen Aussagen die Übertragung der Königsherrschaft Gottes angesprochen, zunächst an den „Menschensohn", dann an die „Heiligen" Gottes, sein Volk. Den im Glauben standhaften Israeliten wird damit Teilhabe an der ewigen Königsherrschaft Jahwes verheißen. Die Herrschaftsausübung des himmlischen Menschensohnes und seines irdischen Pendants, des Volkes Gottes, korrespondieren einander. Zusammenfassend hat sich gezeigt, daß im Buch Dan explizit von Gott als König nur an der Stelle 4,34 die Rede ist. Seine Königsherrschaft als nicht endende Herrschaft über Himmel und Erde wird dagegen häufig direkt angesprochen und steht im Mittelpunkt der Verkündigung des Buches. Diese nahe herangerückte Herrschaft Gottes bedeutet das Ende aller menschlichen Reiche, die Israel nur Unterdrückung und tödliche Verfolgung brachten, und eine dauernde Zeit des Heils für alle in Israel, die Gott die Treue hielten. Die GottKönig-Vorstellung findet sich also im Buch Dan eingeordnet in die eschato-

er „Repräsentant der ewigen Königsherrschaft Gottes", was er ebd. 13-16 traditionsgeschichtlich begründet; vgl. auch ebd. 59f. Diese Figur als „eine der wichtigsten MessiasVorstellungen der hellenistisch-römischen Zeit" zu bezeichnen, wie dies OEGEMA, Gesalbte 58 (vgl. 64) tut, wird, was Dan 7 betrifft, vom Text her terminologisch nicht gedeckt. Die messianische Identifikation des Menschensohnes erfolgt explizit erst äthHen 48,10; 52,4. Oegema versteht ebd. 62 den Menschensohn als Symbol fur einen Bevollmächtigten Gottes in der Endzeit, der auf dem Hintergrund der seleukidischen Vasallenpolitik als kritischer Antipode gegenüber diesen realgeschichtlichen Machtverhältnissen gebildet wurde (71-73). Zum Menschensohn auch DEXINGER, Entwicklung 19f. 169

Zu dieser Beobachtung vgl. CAMPONOVO, Königtum 124 mit Anm. 239; HAAG, Dani-

el 5 9 . 170

Zur Deutung dieses Begriffs vgl. die Zusammenstellung bei CAMPONOVO, Königtum 124 mit Anm. 241. GIESEN, Herrschaft 15 argumentiert für eine Deutung auf das eschatologische Volk Israel; dafür auch ZENGER, TRE XV 188. Vgl. auch OEGEMA, Gesalbte 64; MÜLLER, Messias 25. HAAG, Daniel 60f. dagegen deutet auf Engelmächte. 171 Damit wird dem Volk Israel die Machtfulle übertragen, die bislang die früheren Weltreiche innehatten; vgl. WEISS, Predigt 18.

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logische Realisierung der damit von jeher verbundenen Macht und die in einer neuen Zeit erfolgende Aufrichtung seiner Herrschaft. Gott wird zum endzeitlich eingreifenden und offenbaren König. Als solcher ist er mächtig; von ihm kann man diese Änderung der Verhältnisse erwarten. Er wird - so das apokalyptische Credo des Dan-Buches - diese Herrschaft des Heils aufrichten und Israel bzw. den Frommen übergeben. Gott selbst fungiert als eigentlicher Heilbringer und Herrscher der Endzeit. Auch die Gestalt des „Menschensohnes" wird mit der Königsherrschaft betraut, was durchaus den Gedanken an das endzeitliche Israel implizieren mag. Es handelt sich dabei um eine streng eschatologische Erwartung, die auf die Vollendung der Herrschaft Jahwes, des einzigen Gottes, ohne Ende hofft. 172 Die Nähe des erwarteten Handelns Gottes prägt dann auch schon die Gegenwart, denn Gottes Königsein ist bereits Wirklichkeit und wird in unmittelbar bevorstehender Zeit adäquaten Ausdruck finden. 173 Israel wird dies als Heil erfahren, wobei es dieses zu erwartende Heil schon gegenwärtig in der Hoffnung antizipiert, allen Widerwärtigkeiten seiner destruierenden geschichtlichen Situation zum Trotz.

1.6 Die Bücher der Chronik Innerhalb der Chronik-Bücher findet sich insgesamt eine positive Beurteilung des irdischen Königtums - der König erscheint als Stellvertreter Gottes auf Erden. Gott bleibt dabei der eigentliche Herrscher, dem alle Gewalt eignet.174 In 1 Chr 16,31 ist als Inhalt der Verkündigung unter den Völkern genannt: „Jahwe herrscht als König Oj^Q mil 1 )". Die Aussage erfolgt innerhalb des Lobpreises Davids auf Jahwe (16,8-36) und steht damit im Kontext von Gottes Macht in der Schöpfung und v.a. im Verlauf der Heilsgeschichte mit Isra172

Dazu SCHREINER, Theologie 338; EICHRODT, Theologie I 344; HAAG, Daniel 12; PREUß, Theologie II 304 (der die Apokalyptik dabei in das Gottesbild des AT insgesamt eingefügt sieht); ZENGER, TRE XV 18. 173 Diesen präsentischen Aspekt des Königseins Jahwes im Dan-Buch hebt PREUß, Theologie I 182 hervor (vgl. Dan 3,33; 4,31; 6,27); vgl. ebd. II 304. 174 Zur Theologie der Chronik, die eine um das Zentrum des Tempels situierte Theokratie propagiert, vgl. ZENGER, TRE XV 185f. Die Identität Israels in der Hinwendung zu Jahwe versteht BECKER, 1 Chronik 8f. als zentrales Thema der Chronik-Bücher; herausragendes Zeichen dieser Hinwendung ist der Tempel, der damit wichtig für die Darstellung wird; die Frage nach dem Heil Israels in seiner Geschichte durchzieht dann die ganze chronistische Geschichtsdarstellung. PIGOTT, Kingdom 18 hält die Verbindung von Königsherrschaft Jahwes und davidischer Monarchie in den Büchern der Chronik fest. - Zu den im Folgenden angeführten Textstellen vgl. auch CAMPONOVO, Königtum 90f.

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el. - Interessant für das Verhältnis des irdischen Königs zu Jahwe zeigt sich 1 Chr 17,11-14, wo im Rahmen der Natanweissagung (17,4-14) dem Königtum eines Nachkommens Davids ewiger Bestand verheißen wird. Das so qualifizierte davidische Königtum wird in 17,14 mit dem Königtum Jahwes korreliert, wenn es heißt: „Bestand werde ich ihm geben in meinem Haus und in meinem Königtum in Ewigkeit". Das irdische Königtum ist Gabe Jahwes und ganz diesem verdankt, Jahwes Königsherrschaft der irdischen kausal vorgeordnet. - Die gleiche Relation liegt 1 Chr 28,5 zugrunde, wo David im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Tempelbau von seiner Erwählung zum König spricht (V. 4) und dann auf die göttliche Erwählung seines Sohnes Salomo hinweist: „Und erwählt hat er meinen Sohn Salomo zu sitzen auf dem Thron der Königsherrschaft Jahwes über Israel" (V. 5). Der irdische Königsthron partizipiert an der umfassenden Königsherrschaft Jahwes. In 1 Chr 29,11 wird die Königsherrschaft ausdrücklich als Jahwes Herrschaft angesprochen, dem alles im Himmel und auf Erden zu eigen ist. Jahwes alles umfassende Mächtigkeit wird betont (V. 12). - 2 Chr 9,8 bringt wiederum die kausale Vorordnung der Herrschaft Jahwes vor dem irdischen Königtum zum Ausdruck: Jahwe hat Salomo auf seinen (= Jahwes) Thron gesetzt, damit er König ist für Jahwe, seinen Gott; Jahwe bestellte Salomo zum König, damit er Recht und Gerechtigkeit übe. Diese Aussage fällt im Rahmen eines Besuches der Königin von Saba bei Salomo; sie lobt Jahwe angesichts der Weisheit und des Reichtums Salomos, was das Bewußtsein des eigentlichen Ursprungs dieser Gaben impliziert. - In 2 Chr 13,8 schließlich wird die Königsherrschaft Jahwes als in der Hand der davidischen Dynastie („der Söhne Davids") liegend bezeichnet. Daher kommt der davidischen Herrschaft auch ewiger Bestand zu (13,5). - Weitere theokratische Aussagen, die nicht direkt auf Jahwes Königsherrschaft Bezug nehmen, finden sich in 1 Chr 17,6.7.10; 29,22f. In den Chronik-Büchern wird die Jahwe-König-Vorstellung ausschließlich als übergeordneter Bezugspunkt des irdischen (davidischen) Königtums verwendet. Der eigentliche König Israels bleibt also Jahwe, die davidischen Könige regieren als eine Art „Stellvertreter" Jahwes und sind damit an ihn als ihren legitimierenden Ermöglichungsgrund rückgebunden (vgl. 1 Chr 28,7).175 Das direkte Königs-Prädikat für Jahwe wird dabei freilich vermieden. 175 Vgl. PREUß, Theologie I 182; CAMPONOVO, Königtum 90; GIESEN, Herrschaft 8; ferner BECKER, 1 Chronik 76-78.109. - Nach GIESEN, Herrschaft 9 zielt Jahwes Königsein in den Chronik-Büchern auch auf die Zukunft, da in ihnen „eine enge Verbindung zwischen einer messianischen Konzeption der Königsherrschaft mit der Königsherrschaft Jahwes" besteht. Anders freilich BECKER, 1 Chronik 9. - Zu den Mischungen von eschatologisch und theokratisch orientierter Jahwe-König-Theologie vgl. ZENGER, TRE XV 187; kritisch gegenüber dieser Differenzierung SCHMIDT, TRE XIX 330.

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1.7 Ergebnisse: Gott als König im Alten Testament Die Vorstellung von Gott als König ist gegen Ende der Entstehungszeit der hebräischen Bibel bekannt.176 Der Einflußbereich des Königs Jahwe läßt sich abstrahierend in vierfacher Weise differenzieren: Jahwe ist König seines Volkes Israel, der Welt/Erde, der Völker und des einzelnen;177 ferner erweist er seine Königsherrschaft auch über andere Götter.178 Jahwe kann als König über alle Völker und die ganze Welt angesprochen werden; charakteristisch für die Besonderheit seines Königseins zeigt sich das Bestehen ohne Ende.179 Die Universalität seiner Herrschaft ist damit ein Wesensmerkmal des Königs Jahwe, der sich aber gerade als solcher auch dem einzelnen zuwendet. Als Ort der Herrschaftsausübung muß der Zion genannt werden, wie in Verbindung mit der Jahwe-König-Vorstellung häufig erwähnt wird.180 Zum semantischen Feld des Königseins Jahwes gehört auch die Rede von seinem „Thron" bzw. seinem „Thronen", wobei als damit angesprochener Ort der

176 So auch GIESEN, Herrschaft 16; CAMPONOVO, Königtum 127. Im Buch Daniel, dessen Endredaktion in spät-atl Zeit anzusetzen ist (um 165 v.Chr.), läßt sich diese Vorstellung sicherlich als zentral beschreiben. BRETTLER, King 159f. versteht die Metapher „God is king" als fundamentalen atl Sprachgebrauch, sowohl explizit in Formulierungen mit der Wurzel als auch implizit in der Anwendung von Sprachkategorien, die im Bereich des staatlichen Königtums verwendet wurden. - Zur Entfaltung und Situierung der Königsvorstellung in bezug auf Gott in der Geschichte Israels vgl. PREUß, Theologie I 173-183; EICHRODT, Theologie I 122-126; ferner SCHREINER, Theologie 228. - Im Entwurf von WESTERMANN, Theologie (1978) spielt die Vorstellung vom Königsein Jahwes hingegen keine Rolle. 177

Dazu SCHREINER, Theologie 227; die angeführten Herrschaftsbereiche nennen auch OTTO, Mythos und Geschichte 94; JEREMIAS, Königtum Gottes 149. ZIMMERLI, Grundriß 32f. betont die Konnotation der weltweiten, die ganze Schöpfung umgreifenden Geltung der Königsherrschaft Gottes, sieht diese aber auch mit spezifisch israelitischem Traditionsgut angereichert; dazu SCHMIDT, Glaube 207f. PATRICK, Kingdom 72f. teilt die atl Vorkommen - reichlich oberflächlich - in zwei Kategorien oder Traditionsstränge ein: die universale Herrschaft und die Herrschaft über Israel, die aber im AT noch nicht voll zur Synthese gelangten. 178 Ps 95,3; 96,4; 97,7-9. Vgl. PREUß, Theologie I 177f. 179

180

V g l . SCHREINER, T h e o l o g i e 3 3 5 .

Dazu SCHREINER, Theologie 293; PREUß, Theologie I 174 sieht den Schwerpunkt der Jahwe-König-Aussagen in Texten der Zionstheologie; vgl. ebd. 54. Vgl. SEYBOLD, ThWAT IV 949f.; ZENGER, TRE XV 178f. (zur Zionstheologie). Bei STECK, Zion 262.270 ist unter Verweis auf Jes 49,22f.; 52,2.7-10; 60,1-22; 61,10f.; 62,1-7; Ez 16,13f.; Sach 2,14f. von der Stellung Zions als Königin die Rede; vgl. ebd. 276.280f.; er liefert ebd. 274f. Belege für die Vorstellung einer Stadt als Königin in Israels Umwelt. - Die Ambivalenz des Zion-Glaubens beleuchtet kritisch GUNNEWEG, Biblische Theologie 120-124.

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Tempel, der Zion und der Himmel gedacht werden kann.181 In diesem Zusammenhang kann auch auf die Vorstellung vom königlichen Hofstaat Jahwes hingewiesen werden, die in 1 Kön 22,19-22; Jes 6; Ijob 1,6-12 und Dan 7,9-14 vorausgesetzt ist und zur Erweiterung und Festigung des Bildes vom König Jahwe beiträgt.182 Es ist dabei an einen Thronrat zu denken, der aus himmlischen Wesen besteht und in dessen Mitte Jahwe auf seinem Thron residiert. Jahwes Hoheit erscheint an diesen Stellen in den Kategorien einer königlichen Thronversammlung dargestellt, doch die zur Gestaltung verwendeten Motive (Menge und Besonderheit der himmlischen Wesen; Beratungsgegenstand, der absolute Macht über Menschen und Völker impliziert; Beben, Feuer und Rauch) zeigen unzweifelhaft, daß es sich bei diesem König um Gott handelt, der allein alle erdenkliche Macht innehat. Die wesentliche Unterschiedenheit Jahwes von jedem menschlichen König wird besonders in der Rede von seiner Heiligkeit und Herrlichkeit (vgl. Jes 6,3; Ps 29,1) sichtbar, die Anderssein und Erhabenheit, dabei die fur den Menschen im allgemeinen nur vermittelt zugängliche Theophanie Jahwes zum Ausdruck bringt.183 Das Verbindungsglied zwischen dem König Jahwe und einem politischen König besteht also im Gedanken der Macht: Wie ein irdischer König über sein Herrschaftsgebiet und die darin lebenden Menschen entscheiden und verfugen kann, so herrscht Gott als König - ausgesagt in absoluter Überbietung - über alles Existierende, über Himmel und Erde, über himmlische Wesen und Menschen in allgewaltiger und unumschränkter Macht. Will man die Rede von Gott als König als Metapher bezeichnen, trifft man in diesem Verhältnis auf das entscheidende Moment, das von der Sachebene her das Bild bestimmt. Es ist darin aber auch eine Kritik an jeder politischen Macht, die sich losgelöst von der alles begründenden Gewalt Jahwes versteht, mitzuhören. Die atl Texte geben freilich weitere Charakteristika dieses machtvollen Königs-Gottes.

181

Darauf weise ich der Vollständigkeit halber hin; eine Untersuchung dieses Bereichs würde jedoch die Möglichkeiten der vorliegenden Arbeit sprengen. Nähere Informationen dazu bei PREUß, Theologie I 175; ZENGER, TRE XV 178; vgl. ferner SCHREINER, Sion 155157; zum Thron auch BRETTLER, King 81-85. 182 Einen Vergleich mit dem Hofstaat des irdischen israelitischen Königs bietet BRETTLER, King 103-109. 183 Dazu GUNNEWEG, Biblische Theologie 136-138. - Zur Rede von Gottes Macht im AT vgl. auch BRETTLER, King 61-68. - Eine atl Traditionslinie übt mittels der Vorstellung von Jahwes Königsein und unter dem Einfluß der Negativerfahrung mit den politischen Königen Kritik am israelitischen Königtum; dazu ZENGER, TRE XV 180-182; MOENIKES, Ablehnung (1995), v.a. 209-221.

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Fundierung : Gott als König

Die König-Titulatur fur Jahwe steht in Verbindung mit Gottes Macht über Schöpfung und Geschichte, die Gott zugunsten des Heils184 seines Volkes Israel verwirklicht. Von Jahwe, als König bezeichnet, wird also die Rettung des Volkes vor Feinden erwartet. Aus diesem Gedankenkreis ergibt sich die Anwendung dieser Vorstellung auf das Exodus-Geschehen als Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens.185 Teilweise begegnen Recht und Gerechtigkeit als Charakteristika der Königsherrschaft Jahwes. Die Verwirklichung dieser Herrschaft erweist sich nach etlichen Texten als Erwartungstatsache, und so trägt die Rede von Gott als König auch eschatologische Züge, wodurch Hoffnung auf das rettende Eingreifen Jahwes ermöglicht und freigesetzt wird.186 Inhaltlich bleibt die Darstellung des Königseins Jahwes auffällig offen, doch ist seine Charakterisierung als Heilsgeschehen für Israel wichtig. Details dieses Heilszustandes treten angesichts der Not der Menschen, in die hinein die Schriften sprechen, zurück.187 Gottes Allmacht und Hoheit188 erscheinen als semantisch prägende Konnotationen der Vorstellung von Gott als König, worin dann auch der Aspekt der Einzigkeit Gottes enthalten ist. In absoluter Steigerung des Allmachtsgedankens kann Gottes Königsherrschaft als „ewige" Herrschaft ausgesagt werden, was ihre Dauer vom Anbeginn der Schöpfung 184 Der Heilsgedanke ist verstärkt in exilisch-nachexilischer Zeit durch Erweiterung in die Jahwe-König-Texte aufgenommen worden; vgl. SCHREINER, Theologie 336; DERS., Sion 215 sieht die in der Königs-Prädizierung angesprochene Hoheit und Größe Jahwes besonders im Hinblick auf dessen Volk Israel ausgesagt. Dies wird auf dem Hintergrund ugaritischer Aussagen, die im Königstitel Gottes nie die Bindung an die Menschen bekunden, noch auffalliger; vgl. SCHMIDT, Königtum Gottes 92f. - Die besondere Stellung des Königs Jahwe zu Israel als dessen „Beschützer" betont auch ElßFELDT, Jahwe als König 181f. Daß sich im Königsein Jahwes ein personales Verhältnis zu seinem Volk ausdrückt, dem Heil zuteil werden soll, stellt GIESEN, Herrschaft 17 heraus. Den Gedanken der Heilsgeschichte hebt - freilich in sehr oberflächlicher Weise - BLATTER, Macht 96f. hervor. 185 Vgl. Ex 15; Num 23,21f. Zu dieser Thematik SCHREINER, Theologie 51; PREUß, Theologie I 179; SCHMIDT, Glaube 210f. 186 Dazu PREUß, Theologie I 181; ferner SCHREINER, Sion 216; SCHMIDT, Königtum Gottes 96f.; DERS., Glaube 208-212; ElßFELDT, Jahwe als König 182-186. - Die „Verbindung des Königsnamens mit der eschatologischen Heilstat Jahwes" (Hervorhebung im Original) sieht EICHRODT, Theologie I 124f. als Werk des Deuterojesaja; vgl. auch SCHMIDT, TRE XIX 331. - Zum Begriff atl Eschatologie vgl. PREUß, Theologie II 274-277; KILIAN, Überlegungen (1981). - Auf die beiden grundsätzlichen Rezeptionslinien der Jahwe-KönigVorstellung in nachexilischer Zeit, die sich durch die Stichworte Theokratie und Eschatologie charakterisieren lassen, weist DIETRICH, Gott als König 265-267 hin. 187

Es handelt sich gerade bei prophetischen Texten also nicht um „lehrhafte Ausführungen", „sondern um Antworten auf Notsituationen", so CAMPONOVO, Königtum 127; vgl. GIESEN, Herrschaft 16. 188 Eine solche „semantische Relation der Superiorität: der Allererste, Mächtigste, Höchste" ist nach SEYBOLD, ThWAT IV 949f. charakteristisch für die Verwendung der JahweKönig-Vorstellung im traditionsgeschichtlichen Kontext der Ziontradition.

Altes Testament (Hebräischer Kanon)

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bis zum Ende der Zeit ausdrückt. Damit erweist sich auch die Gegenwart von dieser Königsherrschaft gehalten und bestimmt.189 Die wirkmächtige Präsenz des Königs Jahwe läßt sich in der geltenden Weltordnung erkennen, wenngleich dies nicht ohne weiteres fur alle sichtbar ist. Neben der umfassenden Mächtigkeit Jahwes beinhaltet die Rede vom König Jahwe als zweites wesentliches Element seine spezielle Verantwortung und Zuständigkeit für Israel, d.h. Gott als machtvoller König handelt zugunsten Israels, seines Volkes, seine Gunst gewährt diesem Schutz und Heil. So umfaßt Jahwes Königsein primär Israel und seine Könige, wird aber in weiterer Erstreckung universal gedacht.190 Dennoch darf Jahwe nicht im Sinne eines politischen Königs mißverstanden werden, als ob Israel als Gottesstaat gemeint sei.191 Vielmehr stellt das Bild von Jahwe als König seine Macht über die ganze Schöpfung und Geschichte dar, wobei Israel als Volk dieses Königs freilich eine bevorzugte Stellung erhält. Im Sinne seiner Zuständigkeit für Israels Weltwirklichkeit und seines Eingreifens in die Geschichte kann der König Jahwe als Krieger und gerechter Richter erscheinen.192 Wenn der gläubige Hörer des hebräischen „AT" Gott als König bekennt, tut er dies im Vertrauen auf Gottes Macht, oft aber gerade in der geschichtlichen Erfahrung völliger Ohnmacht des Volkes. Der Glaube an den so titulierten Gott hält diese in der Wirklichkeit Israels auftretende Spannung aus und gibt der Hoffnung Raum, daß Jahwe als König schließlich doch seine Herrschaft über alle Welt und Geschichte geltend macht und alle Völker umgreifend aufrichtet. Angemerkt sei noch, daß die Verwirklichung der Königsherrschaft Gottes und einer zukünftigen irdischen Heilsherrschaft eines davidischen Königs im AT unabhängig voneinander erwartet werden, wie auch göttliches und irdisches Königtum nur sehr selten in Gegenüberstellung (1 Sam 8,7; 12,12; vgl. Ri 8,22f.) oder Verbindung zu einer kausalen Einheit (1 Chr 17,14; 28,5; 29,llf.23 u.a.; vgl. Ps 110,1) begegnen.193 Diese Trennung resultiert aus den 189 Vgl. EICHRODT, Theologie I 125f.; SCHMIDT, Glaube 212; EMFELDT, Jahwe als König 184f. Der Gedanke der universalen Weite der Königsherrschaft Jahwes wird von Israel entwickelt; dazu SCHMIDT, Königtum Gottes 95f.

V g l . PIGOTT, K i n g d o m 19f. 191

Diesen Gesichtspunkt hebt SCHREINER, Theologie 51 f. hervor. - Zu sehr wird Jahwes Königsein mit irdischen Maßstäben gemessen, wenn vor dem Mißverständnis eines triumphalistischen Herrschergottes gewarnt wird, bei dem „das menschenfreundliche Antlitz des biblischen Gottes zu dem eines despotischen und herrschsüchtigen Gesetzgebers verdunkelt" wird, so die Anfrage bei DIETRICH, Gott als König 252. Dagegen zu Recht PREUß, Theologie I 181f. - Die politisch-gesellschaftliche Dimension des Königseins Jahwes erwähnt ZENGER, TRE XV 176. 192 Dazu auch PLGOTT, Kingdom 18f., die auf den kriegerischen Gott großes Gewicht legt. 193

V g l . SCHMIDT, G l a u b e 2 1 2 .

Fundierung: Gott als König

84

verschiedenen Überlieferungsbereichen, denen beide Vorstellungen entstammen, was noch z.B. in 1 Kor 15,28 nachwirkt." 4 In der nach-atl Apokalyptik ist stellenweise der Ausgleich beider Bereiche dadurch herbeigeführt, daß die beiden Herrschaften chronologisch aufeinanderfolgen, also die göttliche Herrschaft die eines Heilskönigs (eines „Gesalbten") fortsetzt.195 Im Rahmen der geschichtlichen Bildungen dieser Vorstellungen kommt trotz enger begrifflicher Nähe die Vielfalt atl-jüdischer Eschatologieerwartungen deutlich zum Tragen.

,94

Dazu SCHMIDT, Glaube 212. Vgl. SCHMIDT, Glaube 212. Zum Verhältnis von Theozentrik und Messianismus in der eschatologischen Erwartung vgl. auch - an historischen Entwicklungen orientiert - MÜLLER, TRE III 245-247. Nach DEISSLER, Zwölf Propheten II 184 ist aber in Sach 4,6-8 ein direkter Zusammenhang zwischen Königtum Gottes und messianischem Königtum gegeben. I9S

2. Frühjudentum An sich liegt zum Thema der Königsherrschaft Gottes im Frühjudentum aus neuerer Zeit die umfangreiche Arbeit von O. Camponovo vor,1 die ausführliche Textbetrachtungen bietet, jedoch bei der Bewertung des Materials der Vorstellung „keine hervorragende Rolle" (437) zuerkennt. Diesem Urteil wurde wiederholt widersprochen,2 und in den Sabbatliedern von Qumran liegen nun aussagekräftige Texte neu vor, die Berücksichtigung verlangen; auch Philo von Alexandrien und Josephus Flavius gehören in den zeitlichen und sachlichen Rahmen der Thematik. Die Frage nach möglichen Mittlerfiguren, die mit Gott als König in Verbindung stehen und verschiedene Aufgaben dieses Königs übernehmen, kann nicht nur am Rande in die Betrachtung eingehen.3 Damit bedarf eine Bewertung der Bedeutung der Vorstellung von Gott als König im Frühjudentum erneuter Reflexion, die eine an der entsprechenden Terminologie orientierte4 kurze Analyse der relevanten Texte voraussetzt. Ich gebe einen Überblick über das relevante Textmaterial, ohne zugleich die damit verbundenen Positionen der Forschung stets adäquat wür1 CAMPONOVO, Königtum (1984). Literaturauswahl zum Thema Gott als König im Frühjudentum: LATTICE, Vorgeschichte 15-25; GIESEN, Herrschaft 17-22; mehrere einschlägige Beiträge in dem Sammelband von HENGEL/SCHWEMER (Hgg.), Königsherrschaft Gottes (1991); WOLTER, Gottes reich 8-12; COLLINS, Kingdom (1987); SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 23-47; ferner BROOKS, Kingdom 21f.; MERKLEIN, Handlungsprinzip 110-115; DERS., Botschaft 39-44. Unveröffentlicht und nur auf Mikrofilm zugänglich BEJICK, Basileia (1990), 55-382 (Sichtung religionsgeschichtlich relevanten Materials), 384-468 (Systematisierung); charakteristisch für die Arbeit ist der breite Einbezug hellenistischer Literatur. Diese mag als Gegenbild helfen, die Konturen zu schärfen, darf aber nicht über die Eigenständigkeit der frühjüdischen Vorstellung hinwegtäuschen, die sich aus dem spezifischen Gottesbild Israels ergibt. - Zum freilich erst in deutlich späterer Fixierung zugänglichen rabbinischen Verständnis vgl. THOMA, Herrschaft Gottes (1976); SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 28f.32-38; LATTKE, Vorgeschichte 24f. 2

So in der Rezension von H. MERKLEIN, ThRv 82 (1986) 193f.; im Vorwort von HENGEL/SCHWEMER (Hgg.), Königsherrschaft lf.5f. - Übernommen wurde Camponovos Urteil z . B . v o n GIESEN, H e r r s c h a f t 17; LINDEMANN, T R E X V 2 0 0 . 3 Vgl. nur die differente Beurteilung bei WOLTER, Gottes reich lOf. und HENGEL/SCHWEMER (Hgg.), Königsherrschaft 8-10. 4 Dabei le^t sich ein enger, d.h. ausschließlich an der Begrifflichkeit von König/Königsherrschaft ausgerichteter Sprachgebrauch nahe, der sich so vor nichtssagender Verallgemeinerung (z.B. durch Einbezug des omnipräsenten Gottesepithetons κύριος-) schützt. Vgl. zum Prinzip schon LATTKE, Vorgeschichte 11.

Fundierung: Gott als König

86

digen zu können. Viele Vorfragen können dabei sehr knapp behandelt werden oder wegfallen, da hier Camponovos Arbeit umfangreiche Angaben bereitstellt.5 Da sich mein Textdurchgang notwendig auf einige Grundstrukturen beschränken muß, richte ich das Augenmerk neben der semantisch fundierenden Denotation der Terminologie besonders auf das Verhältnis von Gegenwart und Zukunft, von Himmel und Erde sowie auf die spezielle Art der Durchsetzung der Herrschaft bzw. deren Vermittlung durch Vollmachtsträger Gottes. Die an literaturwissenschaftlichen Kategorien ausgerichtete Gliederung6 des Abschnitts dient der Übersichtlichkeit und der überschaubaren Anordnung des sehr unterschiedlichen Materials und impliziert keine sozialgeschichtliche Einordnung der Texte. Eine chronologische Orientierung wird nicht streng verfolgt, da ohnehin gewisse Unsicherheiten in der Datierung der Schriften und besonders der aufgegriffenen Traditionen bestehen und in erster Linie gängige Vorstellungen und wiederholt verarbeitete Überlieferungslinien aufgezeigt werden sollen.7

2.1

Geschichtserzählungen

Die unter dieser Rubrik zu nennenden Schriften und Schriftteile geschichtlichen Charakters fanden allesamt Aufnahme in die LXX, womit ihre Rezeption im 1. Jh. n.Chr. (und später) gesichert ist. Das Buch Judit8 nennt im Rahmen eines Gebetes der Judit Gott in Jdt 9,12 „König der ganzen Schöpfung" und impliziert dabei seine Macht zur Hilfe gegen die aktuellen Feinde, was den Grund bildet für die Bitte der Beterin um Hilfe. Gott erweist seine Macht freilich in diesem Fall durch die Protagonistin Judit, also vermittelt durch einen Menschen. 2 Makk9 1,7 erwähnt den Abfall des Hohenpriesters Jason άπό της άγιας γης- και της βασιλείας unter Demetrios im Jahre 169 v.Chr. im zeitge5 Ausführlicher auf einleitende Fragen zu einzelnen Büchern gehe ich in Kap. III ein; zu Textausgaben und Übersetzungen vgl. jeweils das Literaturverzeichnis. 6 Zum Prinzip der Gliederung vgl. schon KAUTZSCH, Apokryphen I.II (Inhaltsverzeichnisse); dann die Einteilung in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit (JSHRZ),

h g . v o n W . G . KÜMMEL u n d H . LICHTENBERGER; a u f g e g r i f f e n v o n MAIER, Z w i s c h e n 6 8 - 7 3 . 7

Die Behandlung des Buches Dan orientiert sich an der kanonischen Rezeption der hebräischen Bibel und der üblichen Greifbarkeit des Textes in Bibelausgaben, soll aber keine Trennung vom Bereich des Frühjudentums signalisieren, zu dem Dan unzweifelhaft gehört; die Formulierung der Ergebnisse zu diesem Abschnitt wird daher Dan einbeziehen. 8 Entstehung etwa 2. Hälfte 2. Jh. v.Chr. 9 Entstehung gegen Ende 2. Jh. v.Chr.

Frühjudentum

87

schichtlichen Kontext von Hellenisierungsbestrebungen und bezieht sich auf das heilige Land Israel und die in ihm wirksame Königsherrschaft, womit in der geschichtlichen Situation nur die Herrschaft Gottes gemeint sein kann. Es handelt sich aber nicht um eine ausgeführte Staatstheorie, die Israels Staatsform als βασιλεία Gottes darstellen und das Gesetz als grundlegende Verfassung annehmen will.10 Wenn allein Gott Israels König ist, so kann als Ort seiner irdischen Präsenz der Tempel vermutet werden, dessen Heiligkeit durch Jasons Tat beschädigt zu werden drohte. Die Hinweise auf das Hauptportal in 1,7 und den Königspalast (βασίλειον) in 2,17", die kaum anders als auf den Tempel zu beziehen sind, bestätigen diese Interpretation.12 Die Analogie der Königsherrschaft Gottes fungiert als integrierende Basis der Identität Israels, und dies umso mehr, als sie im Tempel einen irdisch aufsuchbaren Ort besitzt. Folglich stehen Gottes Anerkennung sowohl im kultischen Vollzug als auch in der politischen Gestalt des Staates in der Zielrichtung der Aussage. Das Gebet zum Opfer in 2 Makk 1,24-29 enthält den Lobpreis des allmächtigen Gottes und die Bitte um Rettung für Israel. Dabei wird Gott in einer ganzen Reihe von Gottesepitheta auch als ό μόνο? βασιλεύς· (1,24) angesprochen, was zeitlose Theokratie und Israelzentrik impliziert. Im Kontext der Mahnung zur Begehung des Tempelweihfestes greift 2 Makk 2,17 in der Wortwahl auf Ex 19,6 zurück, wo die Bundesverheißung an das Volk Israel ergeht. Wenn dabei Gott seinem Volk το βασίλειον („den Königspalast") gibt, ist er als eigentlicher Inhaber aller Königsherrschaft deutlich, der seinem Volk daran potentiell Anteil verleiht - damit ist eine Heilsgeschichte begründet und deren kultische Vergegenwärtigung im Tempel13 ermöglicht und aktuell forciert. Daneben darf auch ein kritisches Moment der Staatsmacht 10 Mit CAMPONOVO, Königtum 187f., der auch auf 2 Makk 4,11 und 5,8 verweist. Von einer „Theokratie" spricht dann erst Josephus (s. unten 2.7) und verbindet damit stärker staatstheoretische Gedanken. - Für eine Identifikation als Gottes Königsherrschaft auch COLLINS, Kingdom 87. " Der Bezug gilt in unserem Zusammenhang auch dann, wenn das zweite Schreiben l,10b-2,18 einem späteren Verfasser zuzuordnen ist (vgl. HABICHT, 2. Makkabäerbuch, der 167-194.199-202 die Einleitungsfragen behandelt), da sich in diesem Fall ein Verständnisansatz in zeitlicher Nähe abzeichnet. 12 Dazu SCHWEMER, Gott als König 70-74, die den „ganz präzis kultischen Sinn von βασιλεία" in 2 Makk 1,7 diagnostiziert und den Begriff metonymisch für Tempel und Kult gebraucht sieht (72). Daß freilich die politische Herrschaft über Israel eng mit der religiösen Begründung verbunden ist, bleibt davon unberührt. Zur Relation von Jahwes Königsein und seinem Thron im Tempel vgl. auch Ex 15,17f. 13 Ex 19,6 wird damit im Lichte der Tempeltheologie neu interpretiert; vgl. SCHWEMER, Gott als König 73f. Deutung auf den Tempel auch bei COLLINS, Kingdom 87. Zu einer politischen Interpretation auf die Hasmonäer-Dynastie vgl. GOLDSTEIN, Authors 83f.

88

Fundierung: Gott als König

gegenüber gehört werden, wenn Gott der alleinige König seines Volkes bleibt. 2 Makk 7,9 steht im Kontext des Martyriums von sieben jüdischen Bekennern und ihrer Mutter unter Antiochos IV. Epiphanes. Einer der sieben Brüder spricht in Kontrastierung des gottlosen und gewalttätigen politischen Königs Gott als του κόσμου βασιλεύς an und verbindet damit dessen Macht zur Erweckung von Toten zum ewigen Leben,14 womit Gottes Macht gegenüber den politischen Mächten als größer und umfassender präsentiert wird. Das Festhalten an der mosaischen Tora verbindet den Menschen mit Gott (vgl. 6,23; 7,9.30). Auch nach 13,4 besitzt Gott als „König der Könige" Macht über den irdischen König Antiochos. In 3 Esr15 4,46.58 wird Gott als „König des Himmels" bezeichnet und als solcher dem persischen König Darius übergeordnet; Situation und Funktion der Aussage als Kontrastmotiv zur politischen Herrschaft treten deutlich hervor. Die griechischen Zusätze zum biblischen Buch Esther finden sich nur in der LXX.16 Das Gebet des Mordechai in ZusEst 4,17b-h benutzt das Syntagma βασιΛεΰ πάντων κρατών als Anrede zu Beginn (V. 17b) und hebt dessen Allmacht über Himmel und Erde im Sinne zeitloser Theokratie hervor (V. 17b.c). Als „König" wird Gott um Rettung für sein Volk Israel aus der erfahrenen Unheilssituation angerufen (V. 17f), worin sich eine israelzentrische Orientierung der göttlichen Königsherrschaft abzeichnet. Das Gebet der Esther in 4,171-z beginnt ebenfalls mit der König-Anrede Gottes (V. 171) und schließt die Bitte um Hilfe für Israel an. Dabei wird in V. 17q Gottes Szepter gegenüber den nicht-seienden Mächten genannt und in V. 17r Gott als βασιXeû των θεών und „Herrscher über alle Mächte" angesprochen, was seine Allmacht ausdrückt und die Möglichkeit zur Bitte um Rettung aus der existentiellen Notlage eröffnet. Innerhalb der Zusätze zum Buch Daniel preist das Dankgebet nach der Rettung der drei Männer aus dem Feuer (ZusDan 3,52-90) Gott mit der Bestimmung in V. 54 έπΐ θρόνου της βασιλείας σου.17 Der Kontext in 3,53-56 betrachtet den himmlischen König in absoluter Herrlichkeit (vgl. Jes 6), wor14 Der Glaube an die Auferstehung der (nach der Tora) Gerechten nach dem Tod gründet sich in der Vorstellung der göttlichen creatio ex nihilo (2 Makk 6,23.30; 7,2.9.11.14.23f. 28f.) und ermutigt zum Martyrium gegenüber der die jüdische Identität gefährdenden Fremdmacht. Vgl. LATTKE, Vorgeschichte 22. 15 Das Buch ist in seiner Entstehung der 2. Hälfte des 2. Jh. v.Chr. zuzuweisen. 16 CAMPONOVO, Königtum 181 ordnet die Zusätze der Makkabäerzeit zu. 17 Grammatisch liegt die adjektivische Übersetzung „auf seinem königlichen Thron" nahe, da das Fehlen des entsprechenden Adjektivs in der semitischen Sprache die Umschreibung mit dem Substantiv nötig macht.

Frühjudentum

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aus sich die Hoffnung auf Rettung für die Nachbeter nährt. Gott - so demonstriert die Erzählung - wirkt als machtvoller König an einzelnen Israeliten, den Söhnen seines Volkes. 3 Makk18 2,1-20 enthält das Gebet des Hohenpriesters Simon um göttliche Hilfe angesichts des Vorhabens von Ptolemaios IV. Philopator (221-204 v.Chr.), das Allerheiligste des Tempels zu betreten und dadurch zu entweihen. Das Gebet rekurriert auf Gottes Geschichtsmächtigkeit, Schöpfermacht und Erwählung Israels (2,3-12) und bittet um Erbarmen trotz Israels unbezweifelbarer Sünde (2,13-20). Dabei wird Gott in V. 2 angesprochen als ßor σιλεϋ των ουρανών και δέσποτα πάση? κτίσεως,... μόναρχε, παντοκράτωρ; in V. 9 erscheint die Anrede βασιλεϋ, in V. 13 άγιε βασιλεϋ. In den titularen Attributen dieser Fülle an Gottesepitheta spiegelt sich wieder der kausale Zusammenhang zwischen Gottes Allmacht und der Bitte um Rettung seitens Israels.19 Gottes zeitlose Theokratie, sein himmlischer Ort20 und seine spezifische Beanspruchung für Israel treten ebenso hervor wie die lokale Beziehung zum Tempel als Ort der irdischen Gegenwart Gottes (2,9f.l6). Nach 2,3 ist Gott als gerechter Herrscher qualifiziert, so daß er insgesamt als Gegenbild zur politischen Fremdmacht fungiert. In 3 Makk 5,35 rettet Gott als „König der Könige" die Juden und erweist sich so als größter König. Das Gebet um Rettung vor tödlicher Verfolgung der ägyptischen Juden, das der Priester Eleazar in 3 Makk 6,1-15 spricht, wendet sich an Gott als βασιλεϋ μεγαλοκράτωρ, ϋψιστε παντοκράτωρ (6,2), erinnert an das göttliche Rettungshandeln in der Geschichte Israels (6,3-8) und äußert auf dieser Basis die Bitte um aktuelle Rettung (6,9-15), womit die gleiche Struktur wie in 2,1-20 zutage tritt. Die geschichtlichen Schriften heben mit der König-Metapher Gottes zeitlose Theokratie und umfassende Allmacht heraus, die partiell auch irdische Wirkung entfaltet und speziell zugunsten Israels erkannt wird. Häufig begegnet die „König"-Anrede im Rahmen von Gebeten, was die Denkstruktur erhellt: Als machtvoller König kann Gott auch helfen. Die vorherrschende geschichtlich rückblickende Wahrnehmung der Vorstellung räumt einer bevollmächtigten Mittlergestalt keinen Raum ein.

18

Die Schrift 3 Makk ist gegen Ende des 1. Jh. v.Chr. anzusetzen und bedient sich bereits eines stärker hellenistisch beeinflußten Stils. 19 Die Gottesprädikate in 3 Makk bestätigen allgemein diesen Zusammenhang, wenn sie entweder die Macht Gottes herausstellen (vgl. 3 Makk 1,9.16.27; 3,11; 4,16; 5,7.25.28.51; 6,12.14.39; 7,2.6.9.22; u.ö.) oder sein Israel gewährtes Erbarmen (5,7.13.35; 6,9.13.29.32; 7 , 1 6 . 2 3 ) ; v g l . CAMPONOVO, K ö n i g t u m 1 9 7 A n m . 6 4 . 20 Der mit dem Semitismus „Himmel der Himmel" superlativisch gefaßte Ort ist nach 2,15 Gottes Wohnung.

90

Fundierung: Gott als König

2.2

Lehrerzählungen

Unter dieser Gattung sind das Buch Tobit und das Buch der Jubiläen zu behandeln. Das Gebet Tobits in Tob 1321 singt den Lobpreis Gottes, weil sich Gott als Retter erwiesen hat. Der Psalm setzt ein mit dem Lob der universalen und überzeitlichen βασιλεία Gottes (13,2), die sich in Züchtigung und Erbarmen kundtut und das Bekenntnis Israels vor den Völkern zu Gott in seiner Macht und Größe als König fordert (13,2-9). Als Folge dieses Bekenntnisses wird das göttliche Heilshandeln an Jerusalem vor Augen gestellt (13,10-18), in dem sich Gottes Königsmacht im irdischen Bereich manifestiert. Wiederholt wird Gott als König angesprochen: „ewiger König" (13,7.11), „König des Himmels" (13,9.13) und „großer König" (13,16).22 Als König besitzt Gott Macht über die Welt und den Heilswillen fur Israel, was pragmatisch Hoffnung und Vertrauen grundlegt. Selbst die Völker werden Gott anerkennen und loben (13,13).23 Ahnlich wie in den atl Jahwe-König-Psalmen verwendet auch das preisende Gebet in Tob 13 die König-Metapher als zentralen Träger der Aussage.24 Das Buch der Jubiläen25 verzeichnet mehrere Belege für die gesuchte Thematik. In Jub 1,28 verheißt Gott dem Mose: Der „Herr wird erscheinen dem Auge eines jeden, und jeder wird erkennen, daß ich der Gott Israels bin und der Vater für alle Kinder Jakobs und der König auf dem Berge Sion in die Ewigkeit der Ewigkeit".26 Gottes Königsein erscheint als ein Bild unter anderen und kommuniziert zeitlose Theokratie und Israelzentrik, wobei die Offenbarung und damit allgemeine Erkennbarkeit des Königseins eine Verheißung darstellt. Ort des Königtums ist der Zion und speziell das Heiligtum Gottes (1,27). Der Verf. kann die Vorstellung offenbar als bekannt voraussetzen.

21

CAMPONOVO, Königtum 129 datiert die Entstehung des Buches Tobit ins 2. Jh. v.Chr. vor Beginn des Makkabäeraufstandes. 22 Nur der Codex Sinaiticus liest auch in 13,17 „König des Himmels". 23 Vgl. SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 27. 24 In einzelnen Varianten des Codex Sinaiticus tritt die König-Metapher zusätzlich auf: In 1,18 ist Gott König des Himmels und vollzieht das Gericht über den König Sanherib; als „König über das AH" besitzt Gott nach 10,14 Macht über Himmel und Erde. Die Varianten bringen sachlich nichts Neues, verstärken aber das Bild Gottes als König im Buch Tobit. 25 Entstehung etwa um die Mitte des 2. Jh. v.Chr. BERGER, Buch der Jubiläen 298-300 nennt exakter den Zeitraum 145-140 v.Chr.; vgl. CAMPONOVO, Königtum 230f. mit Anm. 4. Zur Diskussion um den genauen Ansatz im 2. Jh. vgl. SCHWEMER, Gott als König 52 Anm. 26. 26

Übersetzung: BERGER, Buch der Jubiläen 319.

Frühjudentum

91

Jub 12,19f. spricht von Gottes Königsein in Kombination mit Abraham als Identifikationsfigur jüdischer Existenz. Nach 12,16-18 erkennt Abraham die Bedeutungslosigkeit astrologischer Praktiken, da Gott Herr über alles ist. Daraufhin bekennt sich Abraham in einem Gebet zu Gott als Schöpfer von allem, dessen Königsherrschaft Abraham für sich erwählte (V. 19). Das Erwählen bedeutet: Abraham tritt in Gottes Herrschaft ein und unterstellt sich ihr in Schutz und Verpflichtung. Dadurch gewinnt er den Vorbildcharakter des exemplarischen Juden, der seine Identität nicht in hellenistischen Versuchungen verliert, was im historischen Kontext aussagekräftig wird.27 An diese Zugehörigkeit zu Gottes Herrschaft knüpft sich die Bitte um Bewahrung vor Verirrung, die durch böse Geister ausgelöst werden kann, die im „Denken des Herzens der Menschen herrschen" (V. 20);28 entsprechend soll Gott allein in Abrahams Denken herrschen, was eine individuelle Spiritualisierung des Wirkortes des göttlichen Königs darstellt. Wieder wird die Vorstellung von Gottes Königsein als bekannt aufgegriffen und zur Aussage jüdischer Identität fruchtbar gemacht. Jub 50,6-13 stellt das Halten des Sabbatgebotes, das jede Form von Arbeit strikt ausschließt, in den Mittelpunkt der Ausführungen, womit in der geschichtlichen Situation der Hellenisierungsgefahr gegengesteuert und der Sorge um Israels Identität Ausdruck verliehen wird. Der Sabbat „für Israel" (50,9) erscheint als Identitätsmerkmal der religiösen Ordnung Israels, umgekehrt zieht ein Sabbatbruch nach der strengen Regelung von 50,8.12f. die Todesstrafe nach sich. Der Sabbat läßt sich als Gabe Gottes interpretieren und daher als „ein Tag des heiligen Königreichs für ganz Israel".29 Er verbindet offenbar das Leben Israels mit Gottes Königreich30 und gewährt jetzt schon partiell Anteil daran, indem der Fest- und Feiertag den erhofften Heilszustand gegenwärtig antizipiert.31 Als zeitlose, Himmel und Erde umfassende Theokratie setzt Gottes Königsherrschaft die Heilshoffnung ins Bild; die Feier des Sabbats reiht das feiernde Israel in die ewige himmlische Feier des Hofstaates der Engel ein (vgl. die Sabbatlieder von Qumran unter 2.5), wobei die kultische Anteilhabe geschichtliche Wirkung verspricht. Das Zeichen des Sabbats fundiert Israels Identität in Gottes allmächtiger Herrschaft. Einzig erlaubt ist daher am Sabbat das Opfer für Gott im Heiligtum (50,1 Of.), da es den Partizi27

Vgl. zum Identitätsaspekt später die mit der malküt verbundene Deutung in der rabbinischen Literatur: Das Beten des Schema, das ein monotheistisches Bekenntnis impliziert, beinhaltet das Auf-sich-Nehmen des Joches der Königsherrschaft Gottes (mBer 2,2.5). 28 Übersetzung: BERGER, Buch der Jubiläen 394f. 29 Übersetzung ebd. 554. 30 SCHWEMER, Gott als König 54 spricht von der „Gemeinschaft Israels mit den beiden obersten Engelklassen". Der Bezug zur Sphäre Gottes ist daran entscheidend. 31 In der Tätigkeit des Lobpreises Gottes 50,9.10f. findet z.B. solche Antizipation statt.

92

Fundierung: Gott als König

pationsprozeß am himmlischen Kult unterstützt. Die Vorstellung von Gott als König wird in den Möglichkeiten ihrer Bildwelt kaum aktualisiert, steht aber ohne Zweifel als bekannt im Hintergrund und vermag so die entscheidende Partizipations- und Identitätsaussage zu tragen.32

2.3 Lehrschriften

Eher am Rande begegnet die Aussage des Königseins Gottes im Buch Jesus Sirach,33 dessen griechische Version im Kanon der LXX steht, von dem aber auch hebräische Textteile existieren. Sir 50,15 (LXX) nennt im liturgischen Kontext den „All-König" (παμβασιλεύς) Gott als Empfänger des hohenpriesterlichen Opfers, wobei die Vorstellung des allmächtigen himmlischen Herrschers im Hintergrund steht. Der hebräische Text nennt Gott in 50,7 Y^D. In Sir 51,1 (LXX) wird Gott zu Beginn eines wohl nicht zum ursprünglichen Bestand des Buches Sir gehörenden34 Dankliedes an Gott für Rettung und Hilfe (51,1-12) als „Herr" und „König" angesprochen, womit seine königliche Stellung das Gebet leitet. Der nur im hebräischen Sir erhaltene 16-zeilige Psalm nach 51,1235 nennt in Z. 14 Gott DO^D ,Dt7D "^Q. Die superlativische Formulierung im Sinne von „König aller Könige" sagt eine absolute Steigerung aus und enthält eine besondere Betonung der alles überragenden Allmacht Gottes. Diese Allmacht ermöglicht den israelzentrisch gehaltenen Lobpreis, der allgemein Gottes Erbarmen zugunsten Israels preist. - Gottes Königsein dient in Sir als Metapher zur Aussage der göttlichen Allmacht und des Bezugs zugunsten Israels und steht meist im Kontext eines Gebets. Eine konkrete inhaltliche Füllung erfolgt nicht, so daß die bekannte Grundbedeutung den Begriffsinhalt bestimmt.

32

Gemessen an diesem Textbefund geht CAMPONOVO, Königtum 236f. in seiner Kritik zu weit, wenn fur ihn die Vorstellung „in Jub praktisch keine Rolle spielt" (237). - Jub 16,18 und 33,20 beziehen das Königtum aus Ex 19,6 auf Gottes Volk Israel im Sinne besonderer Stellung zu Gott, sagen also instrumentalisierend eine Auszeichnung aus. Vgl. auch BERGER, Buch der Jubiläen 490 Anm. d zu 33,20; CAMPONOVO, Königtum 236. In Jub 16,18 könnte dabei Israel als Gegenstand der Gottesherrschaft gemeint sein, doch bleibt die kurze Notiz undeutlich. 33 Das hebräische Original läßt sich etwa 190-170 v.Chr. datieren, die griechische Version nach 132 v.Chr. Vgl. SAUER, Jesus Sirach 489f. 34 Dazu CAMPONOVO, Königtum 136f. 35 Text: DILELLA, Hebrew Text of Sirach 92; EVANS, Jesus 282f. Der Psalm ist zeitlich als Einfügung in den ursprünglichen Textbestand zu betrachten, aber noch in vorchristlicher Zeit; so DILELLA, Hebrew Text of Sirach 101-105; CAMPONOVO, Königtum 139 mit Anm. 48.

Frühjudentum

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Das in der LXX überlieferte Buch der Weisheit nimmt die Vorstellung ebenfalls auf.36 Nach Weish 3,8 wird Gott als König der Gerechten herrschen (βασιλεύσει), wobei das Schicksal der Gerechten nach dem Tod in Frage steht. Die König-Metapher artikuliert und verbürgt den Heilszustand: Genannt sind die Rettung vor dem Endgericht (vgl. die „Zeit der Heimsuchung", V. 7) und die Teilhabe an Gottes endzeitlicher Funktion (Richten der Nationen und Herrschen über die Völker, V. 8);37 weiter ist vom Erkennen der Wahrheit und Bleiben bei Gott in Gnade und Erbarmen die Rede (V. 9). Diese Verheißung gilt für die Gerechten, Treuen und Erwählten, womit das ethisch-religiöse Verhalten einer Bewertung unterzogen wird - der Einfluß der hellenistischen Philosophie zeichnet sich ab. Als König vermag Gott Heil zu schenken, das als Lohn für die Gerechten eingeschränkt wird. Die Königsherrschaft zeigt eschatologische und universale Orientierung, so daß keine Israelzentrik sichtbar wird - das Verhalten, nicht die ethnische Identität bestimmen das endzeitliche Ergehen. Die atl Tradition von Gott als König kombiniert die Weish mit der hellenistischen Idee der Unsterblichkeit.38 Weish 6,4 erkennt die Herrscher der Welt als Diener der Königsherrschaft Gottes (ύπηρέται ... τη? αΰτου βασιλεία?) und ordnet so die politische Macht in die (Himmel und Erde umfassende) Mächtigkeit Gottes ein.39 Daraus resultiert die Verpflichtung zum entsprechenden Vollzug der Herrschaft, was mit der Orientierung am jüdischen Gesetz zusammenfällt (6,4) und bei Mißachtung eine scharfe Strafe durch Gott nach sich zieht (6,5). Das hat auch eine eschatologische Komponente: Laut Weish 6,20f. ist die Weisheit die Grundlage für die Erlangung der eigentlichen Königsherrschaft, die nach dem Erdenleben von Gott geschenkt wird (vgl. 3,8; 5,16). Daß die βασιλεία auf den endzeitlichen Heilszustand zu beziehen ist,40 zeigt der Kontext von „Unsterblichkeit" und „Gottnähe" in 6,18f. und der Aspekt der Ewigkeit der Herrschaft (6,21). Das Bild für die eschatologische Heilszeit orientiert sich an der irdischen Funktion (und Bewährungsebene) der politischen Herrscher. In Weish 10,1-11,4 wird die rettende Macht der Weisheit an einzelnen Patriarchengestalten (Adam, Noah, Abraham, Lot, Jakob, Josef) und am Volk Israel exemplifiziert. Jakob (vgl. Gen 28,10-19) erhielt durch die Weisheit 36

Entstehung im 1. Jh. v.Chr., wobei einiges für eine Lokalisierung in Ägypten spricht. Vgl. Weish 5,16: Die Gerechten empfangen nach dem Tod die „Königskrone" (βασίλειον, parallel zu διάδημα) aus der Hand des Herrn, wobei diese königlichen Attribute eine Herrschaftsfunktion und darin eine Heilsstellung repräsentieren. 38 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 358-360.376. COLLINS, Kingdom 87 konstatiert in den philosophischen Kreisen des Diasporajudentums ein stärker spirituelles oder ethisches Verständnis des Königtums. 39 Vgl. 6,4: Die irdische Gewalt wird von Gott gegeben. 40 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 372f. 37

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Fundierung: Gott als König

Einblick in die himmlische Welt, denn die Weisheit zeigte ihm das Königreich Gottes und geleitete sein Leben. Die βασιλεία θεού erweist sich als zeitlos-theokratische, himmlische41 und statische Institution, die man „zeigen" kann. Der Verf. kann die mit diesem Begriff verbundene Vorstellung voraussetzen und in sekundärer Beanspruchung zur Demonstration seiner Absicht anwenden. Sie dient hier lediglich der Exemplifizierung des heilschaffenden Tuns der Weisheit und darin als Bild für das Heil in der Gegenwart Gottes. Die Weisheit schafft die Verbindung der Menschen zum Gottesreich und fungiert so als Mittlergestalt. Im Buch der Weish wird das Thema von Gottes Königsein eher am Rande eingesetzt und enthält zeitlos-theokratische (6,4; 10,10) und eschatologische (3,8; 5,16; 6,20) Facetten. Hinzu tritt eine individual- und sozialethische Komponente. Die Weisheit agiert als Mittlergestalt zwischen göttlichem König und Menschen und ermöglicht so den Zugang des Weisen zur göttlichen Einsicht. Die Testamente der zwölf Patriarchen präsentieren sich der Untersuchung als jüdisches Werk mit christlichen Überarbeitungen, wobei eine exakte Trennung von Bearbeitungsschichten äußerst schwierig ist42 und damit einer zeitlichen Einordnung eine weite Spanne vom 1. Jh. v.Chr. bis in die christliche Zeit offen steht. Drei Stellen seien betrachtet. TestDan 543 handelt vom Anbruch des Eschatons (vgl. 5,4 „in den letzten Tagen") auf Erden und sagt den Abfall Israels vom Herrn (5,4-7) und die notwendig folgende Erfahrung von Unheil und Not (vgl. 5,8 die „Plagen Ägyptens") an. Erst die Bekehrung zum Herrn führt zu Erbarmen und Frieden (5,9-13). Gott führt im endzeitlichen Krieg über Beliar und die Feinde die Heilszeit herauf, wendet die Ungehorsamen zu sich und verleiht den Seinen dauerhaften Frieden (δ,ΙΟί.).44 Das Ende des Teufels setzt die Heilszeit frei.45 Dann leben die Heiligen in Eden, und das neue Jerusalem wird für die Gerechten verwirklicht (5,12). Das Königsein (βασιλεύων) Gottes bedeutet da41

Gottes Thronen im Himmel zeigt Weish 9,4.10; 18,15. Zum Himmel als Ort der Königsherrschaft Gottes auch CAMPONOVO, Königtum 374f. (gegen andere Interpretationen). Die „Erkenntnis der Heiligen (= Engel)" in 10,10 meint dabei als Genitivus subjectivus die sonst nur den Engeln eigene Erkenntnis; so GEORGI, Weisheit 438. 42 Dazu unter III.4.2; vgl. CAMPONOVO, Königtum 309-314. LATTKE, Vorgeschichte 16 kann die TestXII den apokalyptischen Schriften zuordnen. Zumindest in Einzelelementen bestehen Übereinstimmungen. 43 Text: DE JONGE (Hg.), Testaments 107-109. 44 5,10a kann christlicher Redaktion zugeschrieben werden; vgl. BECKER, Untersuchungen 351 f.; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 205; CAMPONOVO, Königtum 322 mit A n m . 49. 45 Auch AssMos 10,1 spricht vom Ende des Teufels. Vgl. MERKLEIN, Botschaft 42f. COLLINS, Kingdom 91 nennt den Sieg über Beliar, Auferstehung und neues Jerusalem als apokalyptische Topoi des Textes.

Frühjudentum

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bei die Anwesenheit des Herrn in ihrer Mitte46 und die korrelierte Überwindung von Verwüstung oder Gefangenschaft (5,13) - es handelt sich also um eine irdische Heilssituation. Der Parallelismus membrorum der Aussage „der Herr wird in ihrer Mitte sein und der Heilige Israels wird unter ihnen als König herrschen" in 5,13 setzt König-Metapher und Heilsabsicht in direkte Beziehung: Der König besitzt die nötige Macht zur Rettung, das Bild erfüllt die Funktion sachlicher Grundlegung; als „Heiliger Israels" inmitten der Seinen erweist er seinen Heilswillen zugunsten Israels. In TestDan 6 handelt der Engel Israels als Mittler und Fürsprecher zwischen Gott und den Menschen Israels. TestBen 9,1 f. macht die sexuellen Verfehlungen der Söhne Benjamins dafür verantwortlich, daß ή βασιλεία κυρίου (V. 1) nicht unter ihnen ist. Der Zusatz „denn er selbst wird sie [sc. die basileia] sogleich wegnehmen" (V. 1) läßt sich als Anspielung auf das Königtum Sauls, der nach 1 Sam 9,1 aus dem Stamm Benjamin gebürtig ist, beziehen, das wegen seiner Verfehlung von ihm genommen wurde.47 Dann wäre die politische Königsherrschaft als irdische Verwirklichung und Umsetzung des Königtums Gottes verstanden, wie dies schon aus 1 Chr 28,5 hervorgeht. Als solche recht vollzogen, gewährt sie allgemein einen Heilszustand für das Volk, der in Gottes Königsein gründet. Die frühjüdische Aktualisierungsmöglichkeit des atl Gedankens basiert auf der Denotation der Heilsherrschaft, die Gott als König ausübt, und deren geschichtliche Abwesenheit eben Unheil impliziert. Somit steht neben und in der politischen Konkretion die Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes. TestBen 10,7 blickt auf die endzeitliche Auferstehung Israels voraus, die sich nach Stämmen geordnet ereignet und zur Anbetung des „Königs der Himmel" (βασιλέα των ουρανών) führt. Auferstehung geschieht auf Veranlassung der himmlischen Macht Gottes und eröffnet in neuer Weise den Kontakt zu Gottes himmlischem Lebensbereich, der durch die Bildwelt der Königsherrschaft aussagbar wird. Der allgemeinen Auferstehung folgt Gottes Gericht (10,8-10).48 46 Die Satzteile „und mit den Menschen wandeln" und (angehängt an: „der Heilige Israels wird über sie als König herrschen") „in Erniedrigung und Armut; und wer auf ihn vertraut, wird in Wahrheit im Himmel herrschen" in 5,13 stehen im starken Verdacht christlicher Interpolation, die Christus als Heilsbringer einträgt. Vgl. BECKER, Untersuchungen 352; CAMPONOVO, Königtum 323f.; schon SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 26. Der Aspekt des Herrschens im Himmel als Verbildlichung der endzeitlichen Teilhabe derer, die auf den Herrn vertrauen, erinnert an 1 Kor 6,2f.; Mt 19,28; Lk 22,29f.; Offb 3,21; 20,4, aber auch an Ps 149,7; Weish 3,8; Dan 7,27, so daß der Gedanke nicht mit Sicherheit als genuin christlich bestimmt werden kann. 47 So CAMPONOVO, Königtum 325. 48 Zum Text ohne christliche Zusätze, der sich auf die armenische Version stützen kann, vgl. BECKER, Testamente 136f.; CAMPONOVO, Königtum 327f. mit Anm. 66. - Die deutliche

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Fundierung: Gott als König

In den TestXII wird das endzeitliche Heil auf Erden durch Gott als König verbürgt, was v.a. in TestDan 5,10.13 deutlich wird: Das Gericht über Beliar setzt die Heilszeit im neuen Jerusalem frei. Gottes universale Herrschaft verwirklicht sich zugunsten Israels. Die Auferstehung gewährt Anteil an der Heilszeit. Eine politische Beanspruchung der Vorstellung im Sinne von Vorbild und Partizipation verleiht dieser bereits Bedeutung für die irdische Gegenwart. Das Bild wird selbstverständlich und als bekannt verwendet, was seine Verankerung in der atl Tradition andeutet.49

2.4 Poetische

Schriften

Einiges Material zum Thema bieten die Psalmen Salomos, die im 1. Jh. v.Chr. entstanden und in den Kanon der LXX Aufnahme fanden.50 PsSal 2 setzt mit einem Sündenbekenntnis der Betenden und der Schilderung der aus der Sünde erklärten Unheilserfahrung ein, die Gott als gerechten Richter zeigt (2,118). Es folgt die als Gericht an den Römern konkretisierte Hilfe Gottes (2,1932) und ein Lobpreis für Gott, der alle Macht besitzt und Gerechtigkeit ausübt (2,33-37). Der Sturz des anmaßenden Gegenherrschers Pompeius (2,1927)51 demonstriert Gottes Macht, was angesichts der politisch-militärischen Unterdrückung Israels zur Verheißung wird und die Wende des Unheils hoffnungsfordernd anzeigt. Als „König im Himmel" (2,30) ist Gott dem hybriden römischen Herrscher vollständig überlegen, und entsprechend vollzieht er das Gericht an den Herrschern auf Erden, die Israel unterdrücken (2,30.32), und an den Anmaßenden, die Gott „nicht erkannten" (2,31c).52 Im Gericht und in der Erhebung Jerusalems zur Herrlichkeit (V. 31a) findet ein Zukunftsaspekt Ausdruck, wobei sich das Gericht offenbar im Ansatz bereits gegenwärtig christliche Bearbeitung in TestTos 19,1 lf. bringt die βασιλεία mit dem Lamm Gottes in Verbindung und kontrastiert sie mit der vergänglichen Herrschaft Josefs. Ob in einer früheren Textform einmal Gottes Herrschaft angesprochen war, läßt sich nicht mehr erkennen. 49 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 331. Auch LATTKE, Vorgeschichte 16, der die untergeordnete Bedeutung des Themas festhält. 50 Auf Fragen der Datierung und Herkunft gehe ich in Kap. III.3. ein. 51 Die Schilderung des Todes des Pompeius in PsSal 2,26f. zeigt Parallelen zu antiken Berichten über seinen Tod; vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 66. Zu den Ereignissen mn Pompeius, auf die PsSal 2 anspielt, vgl. Josephus, Ant 14,58-74; Bell 1,141-158; dazu auch SCHÜPPHAUS, Psalmen 25 Anm. 28. 52 Der Text zeigt in 2,28-30 eine parallele Struktur mit klimaktischer Zielrichtung: irdischer Herrscher - Gott; Herrschaftsanmaßung des Pompeius - allein Gott ist der allmächtige König. Die Gegenüberstellung signalisiert die Größe und Überlegenheit Gottes. Vgl. zu der symmetrischen Struktur CAMPONOVO, Königtum 212 Anm. 43.

Frühjudentum

97

vollzieht und in endgültiger Durchführung noch zukünftig aussteht (2,32-36). Als μ έ γ α ? β α σ ι λ ε ύ ς und δ ί κ α ι ο ? κ ρ ί ν ω ν (2,32b) besitzt Gott alle Macht und wird sie im Gericht ausüben, was Heil für die, die Gott fürchten, bedeutet. In dieser Kombination von Allmacht, Gericht und Heil verbürgt und ermöglicht die König-Metapher die Hoffnung auf Gottes gegenwärtige Wirksamkeit. Die gesamte Bildwelt von PsSal 5 evoziert ein gegenwärtig-irdisches Geschehen, sei es im Lobpreis für Gottes Gaben (5,1-4.8-19) oder in der Bitte um Gottes Hilfe (5,5-7). Damit muß auch die β α σ ι λ ε ί α in 5,18b als zeitübergreifende Herrschaft verstanden werden, wofür auch das zeitlos ohne Verbalform konstruierte Bekenntnis zu Gott als „König" der Betenden (5,19) spricht. In diesem universal-zeitübergreifenden Sinne erscheint Gottes Königsherrschaft auch an den Stellen PsSal 2,30.32 und 17,1-3.46. Der Wunsch nach Freude über Gottes Gaben in 5,18" ist sachlich adäquat in die zeitübergreifende Theokratie (vgl. 17,3) eingebettet, die seine Möglichkeit sinnvoll eröffnet. 54 Den Inhalt des Psalms bestimmt Gottes Sorge für die Ernährung seines Volkes und die Bildwelt der Nahrungsgabe als Ausdruck des göttlichen Heilshandelns (5,8-17). Die von der Bitte in 5,5-7 vorausgesetzte Not muß sich nicht auf die materielle Versorgung beschränken, sondern kann auch auf die politisch-militärische Notlage gedeutet werden 55 - Gottes Gabe von Nahrung weckt dann Vertrauen auf seine umfassende Sorge für Israel. Gott erweist seine Güte zugunsten Israels. Damit gehört der Lebensraum Israels zu Gottes βασιλεία (έν τη βασιλεία σου, V. 18), wobei der so um-

schriebene Heilsraum schon auf Erden und speziell hinsichtlich Israels wirklich wird. Adäquat schließt sich der Lobpreis Gottes, α ϋ τ ό ? β α σ ι λ ε ύ ς 53 Der Optativ εύφρανθείησαι; in V. 18 im Text von GEBHARDT, Psalmen 77 (RAHLFS, Septuaginta II 477) ist eine Konjektur (dafür auch SCHÜPPHAUS, Psalmen 41 Anm. 132; CAMPONOVO, Königtum 216f.); die Handschriften bieten den Aorist, doch dürfte hebräisch eher Imperfekt als Perfekt vorauszusetzen sein (so HOLM-NIELSEN, Psalmen 75; KITTEL, Psalmen 136), was eine Übersetzung im Sinne eines (ja immer am Kommenden orientierten) Wunsches nahelegt. Vgl. auch CAMPONOVO, Königtum 217. Gegen die Konjektur (und mit präsentischer Übersetzung) KITTEL, Psalmen 136; HOLM-NIELSEN, Psalmen 75; VLTEAU, Psaumes 21. 54 Gegen CAMPONOVO, Königtum 217f., der die βασιλεία auf die eschatologische Zukunft bezieht und als Bezeichnung des künftigen Heils deutet; vgl. auch SCHÜPPHAUS, Psalmen 41; KITTEL, Psalmen 136; RIEßLER, Schrifttum 888. Sie ist vielmehr zeitlose Voraussetzung für eine positive Zukunft, die bereits im Jetzt beginnt. Präsentisch HOLM-NIELSEN, Psalmen 75. Unwahrscheinlich ist die These von VlTEAU, Psaumes 285, der Israel mit der basileia identifiziert (und έν ausläßt; dagegen GEBHARDT, Psalmen 52). 55 Die Bitte in 5,5-7 zielt nach SCHÜPPHAUS, Psalmen 40 und CAMPONOVO, Königtum 216 auf eine Notlage kriegerischer Art. Bei literarkritischer Ausscheidung von 5-7 handelt es sich beim Resttext um eine weisheitliche Reflexion über die schenkende Güte Gottes; so SCHÜPPHAUS, ebd. 38; CAMPONOVO, ebd. 215. Eine solche Ausscheidung ist jedoch unnötig und willkürlich.

Fundierung: Gott als König

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ημών, an (V. 19), in dem Israel sich unter die Heilsherrschaft dieses Königs stellt. PsSal 17 wendet sich angesichts der desolaten politisch-sozialen Verhältnisse unter Hasmonäern und Römern56 (17,5-14) an Gott als den ewigen König für Israel (17,1-3.46), dessen zeitlose, universale Theokratie auch die Völker umfaßt und dessen Anrede als σωτήρ das Ziel der Königsmacht in der Rettung Israels befestigt (17,3)." Diesen Heilsaspekt tragen auch die Bestimmungen „Erbarmen" (ελεος) und „Gericht" (κρίσις) in 17,3bc, da das Gericht über die Völker Erbarmen über Israel bedeutet.58 Der zeitgeschichtlich vertraute Gedanke des Königseins Gottes wird nun aber hinsichtlich einer potentiellen konkreten Geschichtswirksamkeit reflektiert. In der Vergangenheit wurde das davidische Königtum von Gott eingesetzt und legitimiert (17,4; vgl. 2 Sam 7) und bildet so die Basis für Israels Hoffnung auf politisches Wohlergehen. Doch die Erfahrung der Gegenwart ist von Unterdrükkung durch Fremdmächte geprägt (17,5-20). Das schon einmal erwiesene Heilshandeln Gottes setzt eine Erwartung für die Zukunft frei, die sich in der Gestalt des königlichen Gesalbten (s. unter III.3.1) konkretisiert: Der Gesalbte setzt sich auf Erden gegenüber den Feinden durch und errichtet eine Heilszeit für Israel, die auch die Heidenvölker umfaßt, deren Mittelpunkt freilich die nationale Restitution Israels bleibt (17,21-43). Der Gesalbte steht dabei in einem untergeordneten Verhältnis der Partizipation zu Gott: Göttliche Begabung und Bevollmächtigung verleihen ihm Anteil an Gottes Macht, Gerechtigkeit und Erkenntnis (vgl. 17,32-39), er ist von Gott eingesetzt (17,21.42) und trägt wie Gott den Titel „König", wobei Gott als König auch über den Gesalbten deutlich bleibt (17,34) - der Gesalbte agiert als Repräsentant der Herrschermacht Gottes zum Heil für Israel. Wenn PsSal 17,40 Israels Heil im Bild des Weidens der Herde durch den Gesalbten darstellt, erfüllt dieser eine Tätigkeit, die noch in Ez 34 Gott selbst vorbehalten blieb. Die grundlegende Theozentrik der Sicht des Verf. tritt am Schluß des Psalms wieder ans Licht, wo Gott selbst das Heil Israels wirkt (V. 44) und als solcher 56

Zur in PsSal 17 angesprochenen Fremdherrschaft vgl. COLLINS, Scepter 50-53; WLN-

NINGE, Sinners 99-101.106f.; HOLM-NIELSEN, Psalmen 98-100; SCHÜPPHAUS, Psalmen 657 0 . 1 0 5 ; RYLE/JAMES, P s a l m s 1 2 6 - 1 3 3 . 51

Mit αύτός in 17,1 soll wohl der Gegensatz zu den weltlichen Fremdherrschern betont

werden; mit SCHÜPPHAUS, Psalmen 66 Anm. 296; CAMPONOVO, Königtum 221; VLTEAU,

Psaumes 340; gegen HOLM-NIELSEN, Psalmen 97. Die Verben in 17,lb.3a tragen präsentische Bedeutung (vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 97; CAMPONOVO, Königtum 222; KITTEL, Psalmen 144f.), wobei die zukünftige Dimension der irdischen Verwirklichung der basileia enthalten ist (vgl. den Gerichtsaspekt). Die Rede von Gottes ewiger Königsherrschaft ist atl in Ex 15,18 vorgezeichnet. 58 Gegen CAMPONOVO, Königtum 221f.; vgl. aber ebd. 228.

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dringlich angerufen wird, sich mit seinem Erbarmen über Israel zu beeilen (V. 45). Der Psalm endet mit dem Bekenntnis zu Gottes ewigem Königsein (V. 46), womit sich die Klammer zum Anfang (V. 1) schließt. Die PsSal verstehen Gottes Königsein als universale zeitlose Theokratie, die ihren Ort im Himmel besitzt, deren irdische Verwirklichung jedoch mit spezieller Heilsabsicht für Israel gedacht werden kann. So erfüllt die Metapher eine Kontrastfunktion zu den aktuellen politischen Kräften. Die Wirkung in der irdischen Sphäre wird durch einzelne geschichtliche Heilstaten Gottes, das Gericht über als Feinde erfahrene Heiden und auch durch göttliche Nahrungsgabe und Sorge beschrieben. Die vollständige Durchsetzung der göttlichen Königsherrschaft geschieht nach PsSal 17 auf Erden in der Zukunft durch die Mittlergestalt des königlichen Gesalbten, der an Gottes Königsein partizipiert und in der Überwindung der Feinde Israels und einer gerechten Regierung zentrale Bedeutung und Funktion erhält.59 Als alleiniger Repräsentant Gottes ist er in Gottes universale Herrschermacht eingeordnet und fundiert, womit sein Verhältnis zu Gott Struktur gewinnt. Es handelt sich um die Restitution einer national orientierten Heilsherrschaft für Israel.60 Historisch läßt sich diese Utopie61 als Reaktion auf die Enttäuschung Israels mit den weltlichen Herrschern betrachten.62

2.5 Schriftrollen von Qumran

Die aus der Qumran-Literatur einschlägigen Texte spiegeln Gedanken der jüdischen Gruppe in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende, so daß weniger die exakte Datierung der Entstehung einer Rolle als vielmehr deren offensichtlicher Gebrauch bis ins 1. Jh. n.Chr., d.h. bis zur Verbergung der

39

Vgl. auch CAMPONOVO, Königtum 228, der von der Verwirklichung der Königsherrschaft Gottes in der Herrschaft des Gesalbten spricht. Es geht dem Verf. der PsSal aber weniger um den Schutz der alleinigen Herrschaft Gottes (wie CAMPONOVO, ebd. 228f. voraussetzt), sondern um die Kreation eines Hoffnungsbildes für die konkrete geschichtswirkliche Durchsetzung der Gottesherrschaft, wozu die Vorstellung vom davidischen Gesalbten-König als bevollmächtigten Repräsentanten Gottes dient. 60 Den nationalen Skopus in Vermittlung durch den davidischen Messias hebt COLLINS, Kingdom 91 heraus. BROADHEAD, Naming 76 betont die Partizipation des davidischen Königs an Gottes Königsein. 61 Zum Begriff in bezug zur in PsSal 17 angesprochenen Sache vgl. SCHREIBER, Utopie (2000). 62 Das hat CAMPONOVO, Königtum 228 richtig beobachtet.

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Fundierung: Gott als König

Rollen im jüdisch-römischen Krieg, hier relevant ist.63 Daß die zu entnehmenden Vorstellungen in den Grunddaten auch außerhalb des engen Zirkels der Gemeinde gebräuchlich waren, zeigen für die Gott-König-Thematik die anderen frühjüdischen Belege. Die Sabbatlieder aus Qumran konnte C. Newsom auf der Basis einer Reihe von Textfragmenten (OQShirShab MsMasada; 4Q400-407; 11Q17) als Zyklus von 13 aufeinander bezogenen Psalmen rekonstruieren, deren Überschriften ihren liturgischen Gebrauch an einer Reihe von Sabbaten vorstellen.64 Die erhaltenen Textteile belegen im Vergleich zur übrigen frühjüdischen Literatur in auffallend häufiger Weise die Verwendung der Lexeme ^ D (55mal) und r r o ^ n (21 mal) in bezug auf Gott65 und stellen so ein sehr bemerkenswertes Zeugnis für die denotierte Vorstellung der Königsherrschaft Gottes dar. Der Erhalt der Lieder in einer ganzen Reihe von Handschriften dokumentiert deren hohe Wertschätzung und häufigen Gebrauch innerhalb der QumranGemeinschaft, 66 woraus die Vertrautheit mit dem Thema von Gottes Königsein erhellt. In der konsequenten Verbindung der Thematik gerade mit dem Sabbat liegt ein qumranisches Spezifikum.67 Aus der liturgischen Verwendung und eigenen Thematik der Gesänge lassen sich Rückschlüsse auf ihre textexterne Funktion ziehen: Sie intendieren offenbar die Legitimation der qumranischen Priesterschaft über ihren kultischen Dienst, mit dem sie am Dienst der Engel im Tempel von Gottes Königsherrschaft teilhaben, so daß Gottes Königsein in priesterlicher Vergegenwärtigung und Partizipation wahrnehmbar wird.68 Damit greift die Priesterschaft die Traditionslinie der Tempeltheologie auf, die im priesterlichen Handeln 63 Textausgaben finden sich im Literaturverzeichnis; weitere Angaben und deutsche Übersetzungen bei M A I E R , Qumran-Essener I . I I ( 1 9 9 5 ) . 64 Zur Rekonstruktion der Texte und einer Kommentierung vgl. N E W S O M , Songs ( 1 9 8 5 ) ; die Texte der einzelnen Rollen in deutscher Übersetzung bietet M A I E R , Qumran-Essener I 3 9 - 4 3 . 3 6 5 - 3 6 9 ; I I 3 7 7 - 4 1 7 ; zur Thematik der Königsherrschaft Gottes in den Liedern vgl. den umfangreichen Aufsatz von S C H W E M E R , Gott als König ( 1 9 9 1 ) , 4 5 - 1 1 8 (darin 4 7 - 5 8 zu Gattung und Thema, 5 8 - 6 4 zu den atl Jahwe-König-Psalmen als Vorbildern); auch C A R M I G N A C , Roi ( 1 9 8 6 ) , 1 7 8 - 1 8 6 . Die Entstehung der Texte wird grob in der Zeit zwischen 1 5 0 und 50 v.Chr. anzunehmen sein. Die paläographische Datierung der Handschriften in die späthasmonäische/frühherodianische Zeit ( N E W S O M , Songs 1; B R O O K E , Kingship 4 3 9 ) zeigt, daß sie gegen Ende des 1. Jh. v.Chr. gebräuchlich waren. 65 Vgl. S C H W E M E R , Gott als König 4 8 . Einen Kurzüberblick über verschiedene Belege bietet auch B R O O K E , Kingship 4 4 0 , der die Popularität der Sabbatlieder hervorhebt. 66 Die Übernahme der Lieder zu liturgischem Gebrauch in der Qumran-Gemeinde relativiert die Frage ihrer außergemeindlichen Entstehung; dazu N E W S O M , Literature 1 7 9 - 1 8 5 . 67 SCHWEMER, Gott als König 51f. Vgl. aber auch die Ansätze in Jub 50,9. 68 Dazu N E W S O M , Songs 1 - 4 . 5 9 - 7 2 und S C H W E M E R , Gott als König 6 4 - 7 6 , die begründend weitere thematisch einschlägige Qumran-Texte erörtert.

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Anteil an Gottes Mächtigkeit erkennt und so den Ansatz bietet zur Fundierung d e s eigenen Selbstverständnisses der qumranischen Priester. D i e w i e derholte liturgische Präsentation des T h e m a s gewährleistet Verbreitung, A k z e p t a n z und A n e i g n u n g in der Gemeinde. Vorausgesetzt ist dabei freilich, daß die Königsherrschaft Gottes als Basisvorstellung in der G e m e i n d e allgem e i n anerkannt war. Der A u f b a u der Sabbatlieder zeigt eine pyramidenförm i g e Anordnung, bei der das siebte Lied im Zentrum steht. 69 Ein Überblick über die eigentümliche Darstellung der Gott-König-Thematik der Lieder erm ö g l i c h t Konkretionen. 7 0 Lied I (4Q400 Fr. 1 = 4Q401 Fr. 15 u.a.)7' beschreibt in Kol. I die Einsetzung der Engel zu ihrem priesterlichen Dienst am himmlischen Heiligtum, wobei von Gott als " p O (Z. 8) und den „Palästen des Königs" f ^ O ^DTI; Z. 12f.) die Rede ist. Als König ist Gott Herr des Himmels, d.h. der himmlischen Scharen und Heiligtümer. Die Engel vollziehen den entsprechenden kultischen Dienst und besitzen eine Mittlerfunktion zwischen Gott und der QumranGemeinde in der rituellen Reinigung und Weitergabe der himmlischen Gesetze zur priesterlichen Reinheit.72 Damit vermag die irdische Gemeinde im Lobpreis an der himmlischen Liturgie der Engel teilzunehmen; sie besitzt also bereits Anteil am himmlischen Kult, der Gottes Königsherrschaft in himmlischer Präsenz voraussetzt, und antizipiert damit dessen endzeitliche irdische Verwirklichung in ihrem liturgischen Handeln. Die Festigkeit des Königtums Gottes im Himmel setzt die Hoffnung auf irdische Durchsetzung frei. Sachgemäß preist dann Kol. II die Größe der Königsherrschaft Gottes im Himmel, wobei die irdische Gemeinde als Vollzugsorgan des Preises möglich und im Kontext denkbar bleibt.73 Dabei erscheint mäläk dreimal (ZZ. 7.8.14), malkût zweimal (ZZ. 1.3), und die im Kontext damit korrelierte Herrschaft über Engelwelt und himmlisches Heiligtum ermöglicht, vermittelt über die Engel, die kultische Partizipation der Gemeinde. Auch in Lied 21* zeigt die himmlische Königsherrschaft Gott als Herrn über die himmlischen Wesen. Dabei besitzt die malkût ein lokales (die himmlische Welt) und ein attributives (Eigenschaft, Qualität Gottes) Bedeutungsspektram.75 Es handelt sich um eine Qualität Got69

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NEWSOM, S o n g s 16f.; SCHWEMER, G o t t als K ö n i g 77.

Eine gründliche philologische und semantische Untersuchung der einzelnen Lieder, die die Rekonstruktion von Newsom wiedergibt, bietet SCHWEMER, Gott als König 77-115. Meine Ausführungen bauen weithin darauf auf. 71 Nähere Angaben bei NEWSOM, Songs 89f. und SCHWEMER, Gott als König 77 Anm. 101. 72 Dazu SCHWEMER, Gott als König 79f.; zur Teilnahme der irdischen Gemeinde an der himmlischen Liturgie der Engel auch ebd. 48.76. 73 Zu dieser Möglichkeit SCHWEMER, Gott als König 80. Die Einschränkung der malkût auf die Installation des himmlischen Kultes und Tempels, die SCHWEMER, ebd. 81 vornimmt, scheint mir zwar vom immanenten Kontext her gegeben, doch kann der Begriff auch umfassender gemeint sein, wobei sich Gottes königliche Allmacht eben im himmlischen Kult zugänglich macht. 74 4Q400 Fr. 2 und 4Q401 Fr. 14 I. Textrekonstruktion bei NEWSOM, Songs 110.136; deutsch bei SCHWEMER, Gott als König 81 f. Das Abstraktum malkût begegnet 4mal, die Anrede mäläk einmal. 75 Vgl. SCHWEMER, Gott als König 83f. CARMIGNAC, Roi 181 betont hingegen einseitig den Qualitätsaspekt.

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tes, die sich bereits im Himmel als ihrem Ort verwirklicht, was pragmatisch Vertrauen und Anerkennung befördert; beide Denotationselemente gehören von der Sache her zusammen und können nicht sinnvoll isoliert gedacht werden, wenn auch in einzelnen Formulierungen der eine oder andere Aspekt überwiegen kann. Anders als in Weish 10,10 (Teilhabe Jakobs durch Vermittlung der Weisheit) bleibt die Erkenntnis Gottes hier eine Eigenschaft der Engel. Die im dritten Abschnitt sprechende Gemeinde betont ihre Unwiirdigkeit vor Gott und den himmlischen Geschöpfen und stimmt in den himmlischen Jubel ein, ohne daß ein sachlicher Bezug zu Gottes malkût ausgedrückt wird - möglicherweise ist dazu der Abstand zu groß. Lied 3 läßt sich nicht mehr identifizieren. In Lied 4 (4Q401 Fr. 1+2) findet sich je einmal malkût und mäläk, doch verbietet der fehlende Kontext der Bruchstücke eine nähere Bestimmung. In Lied 5 begegnen die gesuchten Begriffe nicht. Von Lied 6 sind zwei umfangreiche Teile erhalten,76 die Gesänge als Engelliturgie präsentieren. Der erste Teil stellt das Lob Gottes durch die sieben Hauptfürsten der Engel vor, wobei alle sieben Preisungen streng schematisch durchkonstruiert sind und jeweils die parallel verwendeten Gottesprädikationen „Gott" ("TN/DVrî?») und „König" ( p D ) enthalten.77 Besonderes Gewicht trägt das Lob des siebten Engels, der die vorausgehenden Preisungen thematisch zusammenfaßt und dabei unter den Eigenschaften Gottes auch seine nennt. Die streng konzipierte Formelhaftigkeit des Lobes vermittelt den Eindruck vollkommener Ordnung78 und erfaßt durch diese formale Struktur Gott in Erhabenheit und Majestät, deren himmlische Größe alle menschlichen Vorstellungen übersteigt. Der zweite Teil von Lied 6 bietet den Segen der sieben Engelfürsten über die ihnen zugeordneten Scharen, wobei der dritte Segen „im Namen der Höhe seiner Königsherrschaft" und der vierte „im Namen der Majestät des Königs" ergeht. Wieder ist der siebte Segen gewichtet. Der siebte Engelflirst nennt die Gesegneten „Lobende der malkût seiner kabod" und hebt so die Königsherrschaft als Attribut Gottes hervor.79 Der abschließende Lobpreis spricht Gott u.a. als „König des Alls" an und artikuliert einen Segenswunsch zunächst fur alle Heiligen (= Engel), dann für alle, die Gott segnen; mit „allen" wird vorsichtig die lobende und betende Gemeinde auf Erden einbezogen, die fundierende Denkstruktur kann auf der Grundlage von Gottes Allmacht seinen Segen erhoffen. Die liturgisch formulierte Potenzierung göttlicher Attribute versinnbildlicht Gottes Allmacht und Erhabenheit und läßt sie im liturgischen Vollzug erfahren, während Gott sonst unzugänglich im Himmel wohnt. Lied 7 (4Q403 Fr. 1 I 30 - II 16 = 4Q404 Fr. 3+4+5+6 = 4Q405 Fr. 4+5+6+7) bildet in zentraler Stellung80 den feierlichen Höhepunkt des Psalmzyklus. Der erste der beiden Teile enthält sieben Abschnitte, die jeweils mit einer Imperativischen Aufforderung zum Lob Gottes einsetzen und sich an die Engel wenden. Die Prädikationen „Gott" und „König" be76 OQShirShab I 8 - II 26; 4Q403 Fr. 1 I 1-29; 4Q404 Fr. 1+2; 4Q405 Fr. 1+2+3; evtl. 4Q401 Fr. 3; 13. 77 Eine Ausnahme bildet lediglich die vierte Preisung, die anstelle von " ^ D die Anrede als "ΙΏ3, der Starke, gebraucht. Die Austauschbarkeit deutet auf partiell synonyme Denotation, so daß fur das Lexem mäläk der Aspekt der Macht bedeutungstragend erscheint. Der erste Teil von Lied 6 liest 6mal mäläk und einmal malkût. 78 Dazu auch SCHWEMER, Gott als König 88f. 79 SCHWEMER, Gott als König 90 akzentuiert die Aussage der Eigenschaft Gottes. Das lokale Element dürfte aber im Hintergrund mitzudenken sein, da die Eigenschaft einen Ort besitzt, an dem sich das Lob vollzieht. 80 Die Bedeutung der Siebenzahl betonen unübersehbar die rahmenden Lieder 6 und 8.

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gegnen im Wechsel, wobei „Gott" zahlenmäßig überwiegt und so durch die König-Metaphorik qualifiziert wird." Einige Abschnitte des ersten Teils sind thematisch einschlägig. Der zweite Abschnitt betont Gottes Heiligkeit (in einem Satz wird 5mal die Wurzel ΕΠρ verwendet) als „König der Herrlichkeit" ("ΤΠ3Π ^ D ) . Der dritte Abschnitt thematisiert die malküt als Qualität Gottes und zugleich als seinen himmlischen Herrschaftsbereich.82 Gottes Königsherrschaft ist Ziel und Ermöglichung des Lobpreises der Engel, als König herrscht Gott über die ganze himmlische Welt und alle ihre Bewohner. In der Frage, ob die Engel als Subjekt oder Objekt83 des Lobes anzusehen sind, bedarf es keiner exklusiven Alternative: Die Engel preisen den erhabenen Gott, die Menschen partizipieren im Preis der Engel (als Adressaten), die so als Mittlerinstanz fungieren (vgl. Lied 2). Im vierten Abschnitt wird Gottes „Göttlichkeit" mit seiner Hoheit als „König der Könige" erklärt, so daß Gott von den himmlischen Wesen qualitativ unterschieden ist im Sinne ursächlicher und autoritativer Überlegenheit:84 Gott erweist sich durch das „Sprechen seines Mundes" als Schöpfer aller Engelwesen; diese sind seine Geschöpfe und erst aus seinem Willen entstanden. Der Dank der Engel an Gott als König im sechsten Abschnitt nennt dessen Treue und Gerechtigkeit. Im zweiten Teil von Lied 7 loben die himmlischen Tempel in allen ihren Bauteilen Gott als den „König der Treue und Gerechtigkeit", wobei letztere Formulierung pragmatisch einen Ansatz bietet für die Hoffnung der irdischen Gemeinde, daß auch ihr Gottes Gerechtigkeit zuteil werde. Das höchste Heiligtum im Himmel stellt den Ort der Herrlichkeit der malküt Gottes dar. Die Lieder 8 bis 11 sind nur recht fragmentarisch erhalten. Der Einleitungsteil von Lied 8 nennt Gott 4mal „König", der als Herr der Engel deutlich wird. Das Syntagma „König der Reinheit" zeigt eine spezifisch kultische Konnotation. In Lied 9 trägt Gott 5mal den Titel mäläk im vorherrschenden Zusammenhang mit dem himmlischen Tempel, dessen durch himmlische Geister personifizierte Bestandteile sein Lob singen. Das Heiligtum im Himmel ist Ort Gottes, des Königs, und manifestiert seine überragende Größe und Herrlichkeit. Lied 10 nennt Gott 2mal mäläk in enger sachlicher Verbindung mit dem himmlischen Heiligtum. Auch in Lied 11 ist Gott „König" (2mal) im Kontext des himmlischen Tempels. Malküt erscheint im Zusammenhang mit dem priesterlichen Dienst der Engel im Inneren des Heiligtums, an einem „Sitz wie der Thron seiner Königsherrschaft" - Gottes Transzendenz prägt die Formulierung.85 Lied 12, von dem einige Passagen gut erhalten sind, setzt ein mit Preisungen des Urbildes des göttlichen Thronwagens, der sich unzugänglich außerhalb des Himmelsgewölbes befindet (4Q405 Fr. 20 II 7-14). Ein weiteres Fragment nennt den „König der Herrlichkeit" (11Q17 Fr. 5+6), doch gestattet der stark zerstörte Kontext keine inhaltliche Präzisierung. Der Abschluß von Lied 12 (4Q405 Fr. 23 I 1-13) nennt zu Beginn die „Throne der Herrlichkeit seiner Königsherrschaft" (Z. 3).86 Wieder (vgl. Lied 9) verkünden die Bestandteile seines himmlischen Heiligtums „die Herrlichkeit des Königs" (Z. 9), wodurch der Tempel als 81

Der erste Teil von Lied 7 liest 2mal mäläk, einmal DO'PD und 2mal malküt. Die Beobachtung deckt sich mit dem Ergebnis von SCHWEMER, Gott als König 99-101. 83 SCHWEMER, Gott als König lOOf. neigt zu der Annahme, die Verehrung der Engel von Seiten der irdischen Gemeinde sei angesprochen. 84 Auf diesen Qualitätsunterschied weist auch SCHWEMER, Gott als König 95f. hin. 85 Dazu SCHWEMER, Gott als König 106f. 86 Zum Wechsel von Singular und Plural in der Bezeichnung des Thrones Gottes vgl. LÖHR, Thronversammlung 193f.; SCHWEMER, Gott als König 110 Anm. 175. Gottes Ort ist vielgestaltig und nicht einfachhin faßbar. 82

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Ort der malkût hervortritt. Interessant ist die Beschreibung des Gehorsams der Engel gegenüber Gott, dem „König" (2mal in ZZ. 10b-13): Sie übertreten seine Gesetze nicht und erfüllen seine Aufträge. 87 In solcher Mittlerfunktion führen die Engel Gottes Wort und Auftrag aus - die Menschen gelangen freilich dabei nicht in den Blick. Lied 13 schließlich beschreibt zu Beginn und am Ende das Sabbatopfer (im Sinne eines Lobopfers) durch die himmlischen Priesterschaften (11Q17 Fr. 8+7; 2+1+9), wobei Gott im Schlußteil 2mal als „König" bezeichnet wird und als solcher der Herr des himmlischen Heiligtums ist. Der Gedanke prägt auch den Mittelteil des Liedes (4Q405 Fr. 23 II 1-13):88 4mal begegnet die Gottesanrede „König" in der Bedeutung des Herrn über das himmlische Heiligtum und über die „Heiligen", die Priesterschaften der Engel. Die höchsten Heiligtümer sind Ort der malkût Gottes, die damit eine deutlich artikulierte räumliche Komponente besitzt. Gott unterstehen alle Ordnungen der Engel, er erscheint als höchster Herrscher in Allmacht.

Nach diesem Textdurchgang sind einige Grundlinien deutlich. Die Terminologie mäläk/malküt wird in den Sabbatliedern ausgesprochen häufig auf Gott bezogen und verbindet damit die Vorstellung der himmlischen Herrschaft Gottes im Sinne einer zeitlosen Theokratie; als König ist Gott Herr des himmlischen Heiligtums und der Engel, die seinen Kult vollziehen.89 Der Bereich der Menschen findet dabei kaum Beachtung. Charakteristisch für die Sabbatlieder erweist sich der kultische Kontext: Die Liturgie, der Lobpreis der Engel weist auf Gott hin und sagt über die Vorstellung der Königsherrschaft seine Allmacht und Erhabenheit aus, Gott selbst aber bleibt in seiner Transzendenz unzugänglich - unendliche Majestät und absolute Macht bestimmen das Gottesbild.90 Die Rede von Gottes niD^Q integriert den lokalen und den qualitativen Aspekt der Königsherrschaft.91 Fragt man nach der 87 Vgl. zur Motivik des Gehorsams und der Unterordnung der Engel gegenüber Gott auch 4 Esr 8,20-23 - dort ist freilich Gott dem Gebet des Esra zugänglich; in der himmlischen Wohnung, dem unermeßlichen Thron Gottes und seiner unfaßbaren Herrlichkeit begegnen königliche Elemente; das Heer der Engel steht zitternd vor Gott. 88 Zur Stelle vgl. SCHWEMER, Gott als König 114. 89 Die inhaltliche Unterscheidung der Gottesprädikationen El/Elohim als Schöpfer und König als Herrscher, die SCHWEMER, Gott als König 115 als für die Sabbatlieder grundlegend erkennt (vgl. aber ebd. 116 die Betonung der Einheit des Gottesbildes), scheint mir zu stark idealtypisch und trifft jedenfalls für das 7. Lied (erster Teil, Abschnitt 4) nicht zu. 90 Vgl. dazu die häufige Verbindung von und TQD in den Sabbatliedern. Diese Kombination ging auch in die pln Aussage in 1 Thess 2,12 ein, sie war wohl aus dem liturgischen Gebrauch geläufig. 91 Besonders deutlich wird die Verbindung im 7 . Lied. SCHWEMER, Gott als König 116 differenziert beide Aspekte stärker: Im 1., 2., 12. und 13. Lied trete der räumliche Aspekt hervor, sonst der der Eigenschaft, im 7. Lied sind beide verbunden. M.E. ist die Trennung so kaum denkbar, wenn auch jeweils verschiedene Gesichtspunkte akzentuiert sein können. CARMIGNAC, Roi 181f. erkennt in der malkût nur die Bedeutung als „qualité de roi" (181), also als reine Eigenschaft. Diese hat aber ihren Ort im himmlischen Heiligtum. Beide Aspekte nennt GIESEN, Herrschaft 19.

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Funktion der König-Vorstellung, gelangt man über die Aussage von Größe, Allmacht und Transzendenz Gottes zu der Intention, diesen Gott in seiner Mächtigkeit in positiver Auswirkung auf die ihm irdisch Zugehörigen zu betrachten. Wie jedoch ist dies möglich, wenn Gott und seine malkût nur in der himmlischen Liturgie zugänglich sind, und diese Liturgie auf die himmlische Welt, die Engel beschränkt ist? Die Teilnahme der irdischen Gemeinde geschieht über die Engel als vermittelnde Instanz zwischen der irdischen Gemeinde (von Qumran) und dem himmlisch-transzendenten Gott. Die Engel besitzen eine Mittlerfunktion im Vollzug der Aufträge Gottes und im himmlischen Lobpreis, an dem die Gemeinde auf Erden (vgl. Lied 1 und 2) bzw. speziell ihre Priesterschaft indirekt - im liturgischen Lobpreis und Gebet Anteil erhält.92 Der König Gott ist damit insbesondere für seine irdischen Verehrer König, die so auf ihn hoffen dürfen. Denn die Liturgie prägt die Atmosphäre des ganzen Liedzyklus, was affektive Wirkung zeitigen kann: Das Nachsprechen und Hören der gleichsam „himmlischen" Worte der Engel suggeriert93 Anteil und Einbezug in die Sphäre der Engel. Die Sabbatlieder sind also geeignet, über die Praxis des liturgischen Handelns Autorität und Selbstverständnis der qumranischen Priesterschaft zu vermitteln.94 Die präsentische Partizipation der Gemeinde im Kult bildet die Basis für die Erwartung der irdischen Verwirklichung der göttlichen Herrschaft in der Heilszukunft. Die Vorstellung des überzeitlich im Himmel herrschenden Gottes als König konnte zur Basis werden für die Erwartung seiner eschatologischen Gegenwart im endzeitlich restituierten Tempel in Jerusalem. Was im Himmel bereits gegenwärtig Wirklichkeit ist, wird sich auch auf Erden eschatologisch verwirklichen.95 Eben weil die Möglichkeit der direkten Verbindung des Menschen zu Gott, dem König, ausfällt, wird die Frage nach Vermittlern virulent. In 4Q174 III schließt sich die Lücke zwischen Gottes malkût und der 92 Vgl. 1QH III 19-23, w o die Gemeinde expressis verbis Anteil an der himmlischen Stellung der Engel vor Gott besitzt, was ihr Selbstverständnis prägt. Vgl. zur Anteilhabe der Qumran-Gemeinde SCHWEMER, Gott als König 117; LÖHR, Thronversammlung 187.202. CAMPONOVO, Königtum 21 Ai. spricht sich indessen gegen eine Funktion der Lieder in der Praxis der Qumran-Gemeinde aus, da eine Opferliturgie in Qumran unwahrscheinlich sei. Als Opfer des Lobes aber sind die Lieder geeignet! 95 SCHWEMER, Gott als König 93 spricht von der „suggestive(n) Kraft der hochpoetischen Sprache". 94 Vielleicht beabsichtigte die Priesterschaft, über die zeitgeschichtlich situierte menschliche Erfahrung der Transzendenz und Unzugänglichkeit Gottes ihre Unentbehrlichkeit und Autorität zu zementieren, da die Vermittlung der Engel durch die Priester vollzogen wird (und werden muß). 95 Zu diesem in der Apokalyptik vielfaltig variierten Prinzip vgl. in bezug zu den Sabbatliedern SCHWEMER, Gott als König 116f.

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Gemeinde über die Gestalt des königlichen Gesalbten (vgl. lQSb III; dazu gleich). lQSb (= lQ28b) stellt einen Teil der Rolle 1QS dar, in der eine Sammlung vorwiegend gesetzlicher Texte der Qumran-Gemeinde tradiert ist, und enthält eine Reihe gemeindespezifischer Segensworte.96 Die Texte bringen das Selbstverständnis der Qumran-Gemeinde zum Ausdruck. Das Substantiv JTD^Q begegnet zuerst in lQSb III 5, doch erlaubt der fragmentarische Textzustand kaum eine nähere Bestimmung; es könnte im gleichen Sinne wie in V 21 (s. unten) zu verstehen sein, hier aber mit Bezug zum eschatologischen Priester, dem Gesalbten aus Aaron (vgl. 1QS IX 11; lQSa II 11-14).97 Der im Kontext genannte „Friede" gibt eine inhaltliche Konkretisierung der malkût. In lQSb IV 25f. dürfte mit dem „Palast der Königsherrschaft' ' (ΠΌ^Ώ ^ Π ) der Tempel Gottes gemeint sein. Die Vorstellung, daß sich Gottes Königsein im Jerusalemer Tempel manifestiert, läßt sich im Hintergrund erkennen. Der Vergleich mit dem „Engel des Angesichts" in Gottes Wohnstatt und dessen Funktion zur Ehre Gottes (Z. 25) artikuliert eine Assoziation an die himmlische Liturgie und deutet so den Adressaten des Textes auf die Priesterschaft als irdische Repräsentanten des himmlischen Gottesdienstes, die als solche für die Gemeinde von Qumran Gottes Gegenwart verbürgen. Es sind damit himmlische und irdische Gegenwart Gottes verbunden, so daß zwischen gegenwärtiger und eschatologischer Präsenz der Königsherrschaft Gottes keine scharfe Trennung gezogen werden darf.98 lQSb V 20-28 thematisiert das eschatologische Auftreten des ΓΠ1ΓΓ N1®] (Z. 20), unter dem der königliche Gesalbte zu verstehen ist (dazu unter III.4.1.2). Der Sinn der anschließenden Aussage ist aufgrund einer lacuna schwer zu fassen, doch wird die Erneuerung eines „Bundes der Einung" ("ΙΓΡΠ rp-Q) genannt, der die Voraussetzung bildet (finales "?) für die Aufrichtung der „Königsherrschaft seines Volkes" (ΊΏΰ rVD^Q; Z. 21). Die folgenden ZZ. 21-28 beschreiben die durch diese Herrschaft charakterisierte Zeit unter Verwendung von Motiven aus Jes 11,1-5 als eschatologische Heilszeit. Die ΓΤΙΙΛΌ kann dabei nicht alternativ dem Fürsten oder dem Volk zugeordnet werden, denn sie vollzieht sich unter der Leitung des Fürsten für das Volk und unter Einbeziehung des Volkes, so daß alle an der Heilszeit partizipieren. Eine explizite Relation zur Königsherrschaft Gottes findet nicht statt, und so muß offenbleiben, ob die ΓΊΌ^Ο des Fürsten als irdische Verwirklichung der Herrschaft Gottes gedacht sein will. Da in IV 25 f. die Königsherrschaft nur 96

Datierung etwa Anfang 1. Jh. v.Chr. Text: DJD I (1955), 118-130. Dazu CAMPONOVO, Königtum 269-271; zur eschatologischen Priester-Gestalt VAN DER WOUDE, Vorstellungen 11 Of.; ZIMMERMANN, Texte 230-311. 98 Vgl. auch SCHWEMER, Gott als König 68f. 97

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Gott zugewiesen werden kann, verweist die Identität der Terminologie auf eine Partizipation des Fürsten (und des Volkes) an Gottes Königsein. Einen Bezug des Fürsten zu Gott im Sinne von Ermächtigung und Beauftragung läßt der Text in den Motiven von Bund und Segen (ZZ. 20f.) erkennen; das sich im Tun des Fürsten ausdrückende Wirken des Herrn explizieren Z. 23 und besonders ZZ. 27f.: Gott erhebt den Fürsten zum Szepter über die Herrschenden und macht ihn durch seinen heiligen Namen stark. Damit tritt die Mittlerfiinktion des Fürsten unübersehbar hervor, was fur die Vermutung spricht, daß die irdische ΓΤΟ^Ο die Verwirklichung der universalen Herrschaft Gottes bedeutet - die Vorstellung scheint unausgesprochen den Hintergrund zu bilden." Der Text llQMelch (= 11Q13) Fr. 3 II 15-25 enthält einen Pescher über Jes 52,7: Die Stelle wird anfangs zitiert (ZZ. 15f.), wobei am Ende die Phrase γπΥΡΚ pJ^D] („[als König herrscht] dein Gott") steht.100 Der Pescher deutet einzelne Bestandteile des Zitats und greift in Z. 23 die genannte Phrase explizit wieder auf. Dabei behandelt er in Z. 24 die semantischen Einheiten „Zion" und „dein Gott", die dazwischen liegende Königsaussage findet offenbar keine Beachtung, sollte sie nicht in der Textlücke Z. 25 aufgegriffen sein. Eine bewußte Auslassung muß freilich nicht schon als Desinteresse an der Bildwelt interpretiert werden,101 denn der entsprechende Passus aus Jes 52,7 wird immerhin zweimal zitiert (ZZ. 16.23); wahrscheinlich genügt der verbale Anklang dem Verf. zur Evokation einer bekannten Vorstellung als Denkermöglichung. Inhaltlich verbürgt die Auslegung die Aufrichtung einer eschatologischen Friedens- und Heilszeit durch Gott, dessen königliche Machtposition als implizierte Voraussetzung unausgesprochen im Hintergrund stehen wird. Der dabei als „Gesalbter des Geistes" identifizierte Freudenbote (Z. 18) stellt eine (wohl prophetische) Mittlergestalt dar (dazu III. 11.3.1), die in der schriftgemäßen Ansage des nahen Heils bereits für die Gegenwart Heilsantizipation und Hoffnung eröffnet. Der spezifische Bezug zur Gemeinde von Qumran als Heilsadressaten wird in Z. 24 deutlich durch die Identifikation mit „Zion".102

W CAMPONOVO, Königtum 269 spricht nur vom „messianischen Königreich", doch läßt sich dessen Ermöglichung durch Gott sinnvoll mit der Vorstellung der umfassenden Königsherrschaft Gottes verstehen. 100 Die gerade das Verb '^'PQ betreffende Textzerstörung läßt sich ohne große Unsicherheit aus dem sicheren Kontext des Zitats ergänzen. - llQMelch datiert aus der Mitte des 1. Jh. v.Chr. 101 So aber CAMPONOVO, Königtum 291. 102 Vgl. FLTZMYER, Further Light 40f., der auf vergleichbare Stellen hinweist: 1QS V 21; VIII 10; lQSb V 23; 1QM XIII 7; CD III 13; IV 9.

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4Q174 III enthält einen thematischen Pescher zu 2 Sam 7,10f.,103 bei dem aus Ex 15,17f. zitiert wird, wobei Gottes Heiligtum und sein ewiges Herrschen als König (D^IU ^ i b o 1 ΠΊΓΡ) genannt sind (Z. 3). Der in den Zitaten erkannte Schutz Gottes für sein „Haus" (ΓΡ3) bezieht sich auf die Gemeinde von Qumran104 als die zu Gott Gehörigen, die seine Rettung vor Feinden erfahren (ZZ. 2-9). Der angesprochene eschatologische Tempel kann durch Gottes Gegenwart und seine königliche Qualität nicht mehr der Vernichtung anheimfallen. Der Bezug der Qumran-Gemeinde zu diesem Tempel läßt sich erklären, wenn die Gemeinde als „Tempel von Menschen" (Z. 6) in der Interimszeit zwischen irdischem und eschatologischem Tempel letzteren bereits antizipiert und damit seine Vollendung berechtigt erwartet.105 Die Sabbatlieder (s. dort) lassen Gottes Königsherrschaft als im Himmel bereits realisierte Tatsache erscheinen, die sich nach 4Q174 III zukünftig auch auf Erden als endgültige Wirklichkeit erweisen wird. Die König-Anrede verbürgt Gottes Möglichkeiten und Macht zu solchem Tun und steht in eschatologischer Perspektive (vgl. Z. 2 das „Ende der Tage"): Gottes zeitloses Königsein verwirklicht sich eschatologisch auf Erden. Freilich wird die im Zitat genannte König-Vorstellung nicht weiter ausgeführt, so daß sie nicht den Akzent der Aussage trägt.106 Die weitere Deutung zu 2 Sam 7,11-14 (III lOf.) bezieht sich auf den Sproß Davids, d.h. den davidischen königlichen Gesalbten (dazu III.4.1.2), der eschatologisch (am „Ende der Tage" Z. 12) auftreten wird in der Funktion der Rettung Israels (ZZ. 11-13). Seine Legitimation auf der Basis der Verheißung eines beständigen Thrones der Königsherrschaft Davids spricht ihm die Erfüllung dieser Worte zu und zeigt seine Partizipation an 103

Text: DJD V (1968), 53-57; STEUDEL, Midrasch 11-53. Datierung grob 1. Jh. v.Chr. Vgl. 1QS VIII 5-10 zum „Haus" als Gemeinde des Bundes. Hier in 4Q174 III 6f. sind gemeindespezifisch das „Heiligtum von Menschen" und „Taten des Gesetzes" als Opfer genannt; dazu CAMPONOVO, Königtum 282-284. In CD VII 16f. wird der „König" aus dem Zitat Am 5,26f. (dessen „Hütte" durch ein Wortspiel genannt ist), das wiederum von Am 9,11 her gedeutet wird („Hütte Davids"), mit der Gemeinde selbst identifiziert, so daß das Bild der Hütte indirekt mit der Gemeinde in Zusammenhang gebracht ist. 105 Vgl. D I M A N T , 4QFlorilegium 1 7 7 , die den „Tempel von Menschen" als „interim stage" zwischen Israels Tempel der Vergangenheit (und vielleicht der Gegenwart) und dem Tempel der Zukunft beschreibt; aufgegriffen von S C H W E M E R , Gott als König 7 5 . Ich fasse die Verbindung Gemeinde - eschatologischer Tempel im Gedanken der Antizipation (gegenüber der reinen Erwartung) noch enger. 106 Man sollte aber nicht von der Überlegung her, daß Ex 15,17f. wegen des Hinweises auf das Heiligtum zitiert wird, das Gewicht der Königsvorstellung minimieren, wie dies CAMPONOVO, Königtum 284 tut, denn der Verf. hätte das Zitat vorher abbrechen können. Vielmehr entsprechen sich Königsvorstellung und Heiligtum als Ort der Gegenwart. Das Herrschen als König ist wohl absichtsvoll als Heilsperspektive (vgl. Z. 5) genannt, wenn auch nicht der zentrale Gedanke des Pescher. 104

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Gottes Königsmacht, die die politische Herrschaft Israels umgreift. Der endzeitliche David-Sproß fungiert also als Mittlergestalt und Repräsentant Gottes zur Aufrichtung der eschatologischen Heilszeit. Einige kurze oder fragmentarische Hinweise zum Thema sind noch zu nennen. 1QH XVIII 8 (früher X 8) besingt Gottes Erhabenheit und Allmacht über die ganze Schöpfung im Gegensatz zum begrenzten und sterblichen Menschen (XVIII 3-12), wobei Gott u.a. als „König der Herrlichen" (ÜH3DJ " ^ 0 ) bezeichnet wird.107 Nach 4Q510 Fr. 1 ist Gott „König der Herrlichkeit" c r œ n η ^ α ; ζ . 1) und wohnt in der „Herrlichkeit seines Königtums" Z. 4); der Kontext der ZZ. 1-5 betont Gottes Hoheit und Allmacht, seine Erhabenheit und Herrschaft über alle Mächte des Himmels. In 4Q511 Fr. 52-59 III 4 wird der „König der Herrlichkeit" im Kontext des Gerichts genannt, doch bleibt der Text äußerst fragmentarisch. 4Q216 IV 9f. (ergänzt aus der Parallele Jub 1,28) nennt den Gott Israels König auf dem Zion und versteht diesen so israelzentrisch. Der „Palast seiner Königsherrschaft" (hêkal malkûtô) von 4Q301 Fr. 5 Z. 2 dürfte als himmlischer Ort Gottes zu lesen sein. In 4Q303 Fr. 1 Z. 7 scheint „König" auf Gott als Schöpfer bezogen, der Text ist jedoch stark beschädigt. Wenn in 4Q252 V 2.4 der „Bund des Königtums" mit dem davidischen Gesalbten verbunden wird, ist primär dessen Königsherrschaft bezeichnet; eine Relation zur übergreifenden Herrschaft Gottes mag im Hintergrund stehen, wird aber nicht expliziert.'08

Die Kriegsrolle 1QM datiert etwa um die Zeitenwende und schildert den endzeitlichen Krieg der Söhne des Lichtes gegen die Söhne der Finsternis, das Heer Belials (I 1-4). Der Krieg gegen Israels Feinde wird die aktuelle Situation der römischen Fremdherrschaft im Land in den Blick nehmen. Es handelt sich um Anleitungen zu realistisch vorgestellten, auf der irdischen Ebene zu vollziehenden Kampfhandlungen, die das eschatologische Geschehen einleiten und zum Sieg Gottes und der Seinen führen. Dabei wird bisweilen das Bild von Gottes Königsein aktiviert. Der Abschnitt 1QM V 3 - VII 7 bietet eine detaillierte Schilderung der Aufstellungen zum Kampf, wobei auch die Gestalt des „Fürsten der ganzen Gemeinde" (V 1) kurz genannt ist (dazu III.4.1.2). Den Krieg qualifiziert VI 5f. als göttliches Gerichtshandeln über die Feinde, worauf in VI 6 der Ausblick auf Gottes siegreiche Herrschaft folgt: „dem Gott Israels wird sein die Königsherrschaft (ΓΟΙ^ΟΠ)". Dieses unter Variation der Gottesbezeichnung angeführte Zitat aus Obd 21 präsentiert Gott als siegreichen Herrn des Kampfes, der als König die dazu nötige Macht besitzt.109 Die Fortsetzung in VI 6 „durch die Heiligen seines Volkes wird er Kraft erweisen (1DJJ ,CÖ'npTi)" zeigt die aktive Beteiligung und Mittlerfunktion der „Heiligen", wobei die instrumentale Präposition 3 die Durchsetzung Gottes mittels der Hei107

Die König-Anrede begegnet auch in lQGenAp II 4 . 7 . 1 4 in bezug auf den ewigen, himmlischen Gott. Der „große König" von 5Q10 Fr. 1 Z. 3 könnte sich auf Gott beziehen, doch ist die Textzerstörung für eine einigermaßen gesicherte Aussage zu groß. V I V I A N O , Kingdom 1 0 2 stellt diese Verbindung her als Herrschaft Gottes durch seinen Gesalbten. C A M P O N O V O , Königtum 2 9 8 sieht keine solche positive Funktion des Bildes und stellt lediglich das mangelnde Interesse der Kriegsrolle an der Zeit nach dem Krieg heraus. Im Kontext des „Heiligen Krieges" deutet S C H N A C K E N B U R G , Gottes Herrschaft 2 9 - 3 1 . 108

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ligen aussagt. Das Volk wird in die umfassende Theozentrik eingeordnet, wie auch XI 1-12 verdeutlicht: Gott selbst führt den Krieg („dein ist der Kampf XI 1.2.4), aber menschliche Gestalten sind daran beteiligt - aus der Geschichte Israels genannt werden Könige, David, prophetische Gesalbte als Verkündiger und „Arme deiner Erlösung" (Z. 9); entsprechend betont VII 1-7 die Reinheit und Heiligkeit der Kämpfer. Deswegen sind fur 1QM die Ordnungen der irdischen Kämpfer so wichtig. Die Szene in 1QM XII 1-5 blickt auf den im Himmel herrschenden Gott, dessen Herrschen als König (Verbform " ^ O ) in Z. 3 genannt wird. Gegenstand seines Herrschens sind die himmlischen Scharen der Engel und die Erwählten seines heiligen Volkes, die zusammen das endzeitliche Heer bilden. Gottes Königsein zentriert sich so auf die Gemeinde von Qumran und zeigt eschatologische Orientierung, indem sich die zeitlos-himmlische malkût endzeitlich auf Erden konkretisiert. Das Königsein garantiert Gottes überirdische Macht und damit den Sieg im Krieg und die Gerichtsvollmacht. Engel und „Erwählte" agieren in Ausübung der Absicht Gottes und erfüllen so eine Mittlerfunktion. Das in 1QM XII 7-18 (nach der Leerzeile 6) die Fortsetzung bildende Gebet an Gott als den Herrn des eschatologischen Krieges führt das Bild des himmlisch thronenden Königs in gleicher Intention fort, wobei Gott in der „Herrlichkeit seiner Königsherrschaft" (TQD r o r ï D ^ D ; Ζ. 7) und als ΎΠ3Π " ^ D (Z. 8) angesprochen ist. Als solcher garantiert Gott vermittelt auch über die Heerscharen seiner Engel - den eschatologischen Sieg über die Feinde (7-12), der als Vollzug des Endgerichts verstanden wird (Z. 10). Der Einsatz von Gottes eigener Gewalt110 bedeutet eine Heilszeit fiir die Beter (12-15).'" Der Vollzug von Gottes malkût setzt hier kriegerisch die eschatologische Heilszeit für sein Volk frei, so daß diese als eine Verwirklichung der universalen göttlichen Herrschaft erscheint." 2 Der mit Z. 13 einsetzende Jubel Zions, der gleichsam die Heilszeit vorwegnimmt, weil Gottes königliche Allmacht sie garantiert, verwendet nochmals das Motiv der Königshenschaft, diesmal jedoch in Verbindung mit Israel (ZZ. 15.16). Wahrscheinlich wird damit die eschatologische Heilszeit als Herrschaft Israels beschrieben, doch läßt sich ein Verständnis dieser Herrschaft als Partizipation an Gottes umfassender malkût angesichts der Textlücken nur noch vermuten." 3

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XII9: Gott als Starker/Held des Krieges, Z. 10 die Aufforderung zu seinem Eingreifen. " ' Vgl. Z. 7 Gott und die Engel sind „in unserer Mitte"; Z. 8 „der König der Herrlichkeit ist mit uns". ' 12 Zu dieser zeitlichen Verhältnisbestimmung vgl. auch VIVIANO, Kingdom 105f. Anders CAMPONOVO, Königtum 304, der davon die Komponente irdischer Herrschaft ablöst; er übersieht den umfassenden Charakter der göttlichen Herrschaft. Ebd. hebt er die dynamische Akzentuierung des Bildes von Gottes Königsherrschaft hervor. 113 LATTKE, Vorgeschichte 21 identifiziert das aus der Qumran-Gemeinde restituierte Königreich Israel mit dem Gottesreich, was freilich nur in 1QM belegt sei. Vgl. noch die Parallelen zu 1QM XII 8.16 in XIX 1.8 (anstelle des verbalen "φ^Π1? in XII 16 liest XIX 8 jedoch nominal H O W ? ) . 1QM XIV 16 (= 4Q491 Fr. 8-10 I 13) nennt Gott „König der Könige" mit größter Macht über die Söhne der Finsternis, die sich zum Gericht auswirkt. Zu einer ähnlich gelagerten Verwendung der Vorstellung von Gottes Königsherrschaft vgl. aus weiteren Textteilen der Kriegsrolle 4Q491 Fr. 11 II 17 und 4Q491 Fr. 14+15, 7. - Zur Wurzel *?tÖD als semantische Fassung des Herrschaftsaspekts vgl. 1QM I 5.15; X 12; XIII 10f.; XIV 9f.; XVII 5.7; XVIII 1.11. Zu weiteren Herrschafts-Termini vgl. die Übersicht bei VIVIANO, Kingdom 101.103f.106.

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In ÎQM dient die Metapher der Königsherrschaft Gottes bei der Beschreibung des endzeitlichen Krieges zur Ansage der Sieghaftigkeit und der umfassenden Macht Gottes. Sie versteht sich universal und zugleich israelzentrisch bzw. auf die Qumran-Gemeinde bezogen („Söhne des Lichtes" I I ) . Als Teilhaber an dieser Macht sind neben den Engelscharen die menschlichen Kämpfer aktiv einbezogen (VI 6; XII 9f.). Die eschatologische Heilsherrschaft Israels resultiert daraus (XII 16). Die Kriegsrolle verbindet zeitlose Theokratie und eschatologische Herrschaft Gottes im Gedanken der irdischen Konkretion der himmlischen ITD^D. Insgesamt verwenden die Schriftrollen von Qumran die Vorstellung vom Königsein Gottes sowohl als zeitübergreifende himmlische Theokratie als auch als eschatologische Heilszeit an einigen Stellen, um angesichts der göttlichen Allmacht Vertrauen auf sein Heilshandeln zu wecken. Zentralen Rang erhält sie in den Sabbatliedem, die Gottes himmlische malkût in liturgischer Sprache besingen und seine Erhabenheit und Transzendenz herausstellen. Muß die Vorstellung damit als bekannt vorausgesetzt werden, spielt sie jedoch im Blick auf das Gesamt der Schriften keine zentral thematisierte Rolle - die Gemeinde von Qumran artikuliert also ihr Selbstverständnis nicht primär mit Hilfe dieser Bildwelt, nimmt sie jedoch gleichsam selbstverständlich auf (vgl. drei Belege in lQSb)." 4 Liegt die Begründung fur die eher sporadische Verwendung in der Tatsache, daß Gott als König in aller Regel für ganz Israel eintritt, während die Qumran-Gemeinde gegenüber weiten Kreisen Israels gruppenspezifische Interessen in den Vordergrund rückt?

2.6 Apokalyptische Schriften Nach dem Buch Daniel (um 165 v.Chr.) errichtet Gott selbst die eschatologische Königsherrschaft (Dan 2,44f.); wenn Gott über die malkût der Menschen Herrscher ist (4,14.22f.29.31), wird seine eigene universale malkût impliziert.115 In 7,14 übt dann der Menschensohn als Gottes Bevollmächtigter die Herrschaft aus und steht nach einer möglichen Deutung von 7,27 für das endzeitliche Israel (dazu oben 1.5); die malkût wird dabei dem Menschensohn 114 CAMPONOVO, Königtum 306f. bewertet die König-Vorstellung eher als Randerscheinung. Vgl. LATTKE, Vorgeschichte 20. Gegen die Unterordnung der Thematik bei Camponovo mit einigem Recht SCHWEMER, Gott als König 46f. Die Präsenz der Vorstellung hält auch VIVIANO, Kingdom 107 fest; seine programmatische Trennung von überzeitlich-himmlischer und eschatologischer Königsherrschaft Gottes (ebd. 97f.) beeinflußt die Textauswahl. Zur Übersicht auch FABRY, ThWAT IV 956f. 115 Vgl. LATTKE, Vorgeschichte 17.

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bzw. Israel von Gott gegeben (7,13.27), jedoch nicht terminologisch ausdrücklich mit Gottes Königsein verbunden - dieses steht freilich als prägendes Fundament im Hintergrund." 6 Buch 3 der Sibyllinischen Orakel verdankt sich jüdischer Herkunft und läßt sich (mit Ausnahme von 3,1-92 und teilweise 295-544) in die Mitte des 2. Jh. v.Chr. datieren." 7 Die literarische Fiktion sibyllinischer Weissagung verrät bereits formal den Einfluß der hellenistischen Kultur." 8 Das Buch bietet verschiedene Durchgänge durch die Geschichts- und Heilszeit und daher keine strikt „chronologische" Ordnung der Ereignisse. Es ist als ganzes kaum als Apokalypse zu klassifizieren, bietet aber breite Passagen apokalyptischen Charakters. Sib 3,492-503 ergehen Weherufe über die Phönizier, die von Gott bestraft werden, da sie sich durch schlechtes Reden und Leben „gegen Gott, den großen König" (κατέναντί θεού μεγάλου βασιλήος) stellten (499)."' Aus der Ablehnung resultiert Unheil, das Gottes königliche Macht demonstriert. Erst die Erfahrung des Zornes Gottes wird die Griechen nach 3,556-560 dazu bewegen, Gott als den „großen König" (βασιλήα μέγαν) als Helfer und Retter anzurufen.120 Die Anerkennung bewirkt Rettung und Hilfe, wozu Gott die Macht besitzt, die er umgekehrt bereits im Zorn offenbarte. Sib 3,616-623 sprechen von der aus der Unheilserfahrung resultierenden Anerkennung und Anbetung Gottes, des „großen Königs" (μεγάλω βασιλήι), seitens der Heiden (616f.). Nach der Vernichtung der falschen Götzenbilder (618) läßt Gott eine Zeit der Freude, dargestellt als Überfluß an allen Arten von Nahrung, entstehen (619-623). Die Zeit des Überflusses und der Freude erscheint im Textduktus als irdische Verwirklichung der Königsherrschaft Gottes, die eschatologisch erwartet wird. Interessanterweise wird dabei die strenge Israelzentrik aufgebrochen, nicht aber der jüdische Monotheismus. Gott als König verbürgt das endgültige Heil. Sollte die Interpretation des von Gott gesandten „Königs von der Sonne" (βασιλεύς· απ ήελίοιο) aus 3,652 als ägyptischer König121 richtig sein, ist keine messianische Gestalt im Blick, wohl aber ein politischer Herr116 Insofern sollte keine zu scharfe Trennung der malkût Gottes von der des Menschensohnes behauptet werden. LATTKE, Vorgeschichte 17 betont jedoch die Diastase der Konzepte.

" 7 Dazu MERKEL, Sibyllinen 1044.1059-1062; COLLINS, Sibylline Oracles 24-33; NLKKELSBURG, Literature 162-164; HAHN, Apokalyptik 91. 118

Vgl. MERKEL, Sibyllinen 1043f.; COLLINS, Transformation 182-197. Der Text der von mir angeführten Stellen findet sich bei GEFFCKEN, Oracula 74.77.79f.84f.87f. 120 Der Hinweis auf die Opfer im „Tempel des großen Gottes" in 3,565 zeigt eindeutig, daß der Gott Israels gemeint ist; freilich ist die Verwirklichung von Anrufung und Hilfe erst endzeitlich zu erwarten (3,568-572). 121 Dazu unten III.5.1; besonders COLLINS, Sibylline Oracles 40-44. 119

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scher, der eine gewisse punktuelle Mittlerfunktion zwischen Gott, dem übergeordneten großen König, und der Menschenwelt erfüllt. Er erweist sich dabei dem göttlichen Willen gehorsam, also Gott deutlich untergeordnet (654f.), und als Instrument der königlichen Absichten Gottes mit der Welt; faktisch besitzt er kaum praktische Bedeutung. Die von Gottes heilvollem Handeln an seinem Volk beeindruckten Heidenstädte (vgl. 3,702-714) praktizieren nun die Zuwendung zu Gott, die sich in Lobliedern und Anbetung Gottes und der Absicht, zum Tempel zu ziehen und das Gesetz zu beobachten, manifestiert (715-720). Die Heilszeit rückt Israel ins Zentrum, bezieht aber auch die Heiden mit ein (Heilsuniversalismus). Gott wird dabei als „unsterblicher König (αθάνατοι βασιλήα), großer und ewiger Gott" (717) angesprochen. Als König ist er der eigentliche Herrscher (vgl. 718), der allein Frieden und Heil dauerhaft zu gewähren vermag. Als Ort der Begegnung mit ihm erscheint der Jerusalemer Tempel (718). Gott tut seinen Willen im Gesetz kund, das „gerechtes" Leben gewährleistet (719f.). Die unmittelbare Anteilhabe an der Herrschaft Gottes ist das Ziel der Geschichte. Die Passage Sib 3,767-807 bestimmt das Eschaton durch Gottes Königsherrschaft (βασιλήιον) für alle Zeiten (767), die „alle Menschen" (768) „von der ganzen Erde" (772) integriert und so die Heiden ins Heil einbezieht. Eine auffallende Entgrenzung der nationalen Prävalenz Israels findet statt.122 Das als irdische Heilszeit erfahrene Ende des Unheils im Eschaton als Ziel der Geschichte entfalten die angeschlossenen Orakelworte. Die liturgische Verehrung Gottes stellt den Tempel in den Mittelpunkt (772-775), so daß der prinzipielle Heilsuniversalismus israelzentrisch strukturiert ist. Ausdruck des Heils sind Ruhe in der Natur (777-779), Friede auf Erden (das Schwert wird hinweggenommen, 780-782) und gerechter Wohlstand (783). Die Ordnung auf Erden wird von Gott autorisiert und durch die „Propheten des großen Gottes" vollzogen, die als Richter und Könige fungieren (781 f.) - bevollmächtigte Propheten partizipieren an Gottes Heilstun und wirken in der Funktion von Königen als Repräsentanten des eigentlichen Königs. Eine Zeitstruktur deutet sich an: Die eschatologische irdische Heilsherrschaft des Königs Gott ist Wirkung seiner zeitlosen Königsherrschaft über Himmel und Erde. Das Gericht erst führt zur Heilsherrschaft, die Gott selbst durchsetzt123 und die dann mit biblischen Heilsbildern (vgl. Jes 11,6-8) geschildert wird (785-795). Zeichen des nahenden Endes sind kosmische Ereignisse und angedeutete Kampfhandlungen (796-806). Das Opfer „für den großen König" (μεγάλω βασιλήι, 807), das den Höhepunkt der Ereignisse darstellt, deutet 122 123

Vgl. auch LATTKE, Vorgeschichte 18. Vgl. 3,784 „das ist das Gericht und die Herrschaft (άρχή) des großen Gottes".

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eine präsentische Antizipationsmöglichkeit für die Menschen an Gottes Herrschaft im Himmel an, die als zeitübergreifende Theokratie Gegenwart und Zukunft umfaßt. Sib 3,46-61a gehören wohl nicht ursprünglich zum dritten Buch, sondern dürften aus dem verlorenen zweiten Buch stammen; eine Entstehung um 40 v.Chr. ist wahrscheinlich.124 Die bedrängende Situation des 1. Jh. v.Chr. bewirkt eine deutlich pessimistischere Betrachtung der Geschichte und der Heiden (= Roms). Die Herrschaft Gottes überwindet und vernichtet die pejorativ klassifizierte125 Römerherrschaft, so daß ein scharfer Gegensatz zur politischen Herrschaft entsteht. Das „größte Königreich des unsterblichen Königs" (βασιλεία μεγίστη αθανάτου βασιλήος, 47f.) läßt sich als Gottes Herrschaft identifizieren, denn in 3,56 ist vom Gericht des „unsterblichen Gottes, des großen Königs" (άθανάτοιο θεού μεγάλου βασιΛήος) gesprochen und dabei das gleiche Attribut „unsterblich" benutzt. Die Königsherrschaft beinhaltet das Gericht über Rom (56) und erweist sich als universale Weltherrschaft (49: Szepter der ganzen Erde). Gott selbst führt sie gegen die weltlichen Herrscher herauf.' 26 Als König besitzt Gott die Macht, alle irdischen Reiche (v.a. Rom als das mächtigste und aktuell bedrängende) zu überwinden und seine endgültige Herrschaft des Heils aufzurichten. Hier werden nun freilich die Heiden vernichtet (51-54) und besitzen keine Heilsmöglichkeit - die negative Erfahrung mit der Fremdmacht überwiegt, die Zuspitzung der Situation verursacht eine nationalistische Fokussierung. Eine detaillierte Heilsschilderung fällt aus, da das Heil schon mit der Vernichtung der Römer gegeben ist.127

Die Königsherrschaft Gottes wird in Sib 3 in verschiedenen Anläufen entfaltet.128 In eschatologischer Erfüllung ist sie irdische Herrschaft, in deren Zentrum Jerusalem und der Tempel stehen. Gottes zeitlose himmlische Herrschaft setzt die eschatologische Durchsetzung auf Erden frei. Sie wird als paradiesische Heilszeit beschrieben, an der aller Welt prinzipiell die Teilhabe eröffnet ist - das Gericht scheidet Anwärter und Ausgestoßene. Die Heiden werden potentiell ins Heil integriert, was auf die textexterne Situation der jüdischen Diaspora in der hellenistischen Welt hinweist, in der das Zusammenleben mit den Heiden und ein gutes Verhältnis mit der Umwelt wichtig sind; auch der Weg zu Mission und Bekehrung steht so offen. Damit dient das Bild von Gott als König als zentrales Thema zur Beschreibung der Mög-

124 Vgl. GEFFCKEN, Oracula 46; KURFESS, Weissagungen 287; CAMPONOVO, Königtum 334.352f.; COLLINS, Sibylline Oracles 65; ferner LATTICE, Vorgeschichte 18. 123 So 58f.: Götzendienst führt zum Gericht. 126 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 355, der sich gegen den Eintrag von Messiasfiguren wendet. Weniger vorsichtig noch SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 27. 127 Vgl. noch Sib 5,492-500, wo ebenfalls der König-Titel, freilich ohne zentrale Bedeutung, begegnet; Gott selbst ist König, seine eschatologische Königsherrschaft verwirklicht sich im irdischen Jerusalem mit universaler Ausrichtung. 128 Zur Struktur von Sib 3 vgl. auch CAMPONOVO, Königtum 351.

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lichkeit der Endzeit. Die Hoffnung auf jüdische Eigenstaatlichkeit mag im Hintergrund stehen.129 Das traditionell als Assumptio Mosis130 bezeichnete Buch spricht pseudepigraph in der Autorität des Mose, der die Geltung der Tora bekräftigt und auf der Basis einer göttlichen Offenbarung die apokalyptischen Ereignisse der Endzeit zu enthüllen vermag. Damit ist die eschatologische Perspektive deutlich erwiesen, wenn AssMos an zwei Stellen Gottes Königsein thematisiert. AssMos 4,2f. formuliert ein Gebet zu Gott im Rahmen eines Geschichtsrückblicks auf die Exilszeit Israels. In V. 2 wird Gott als domine omnis, rex in alta sede, qui dominaris saeculo angesprochen und damit die Allmacht und Weltherrschaft Gottes, der im Himmel thront, festgehalten. Ein besonderer Bezug des Königs besteht zu Israel als seinem auserwählten Volk. V. 3 schildert die Notlage dieses Volkes und schließt eine Bitte um Erbarmen an: Gott möge seine königliche Macht fur Israel einsetzen, also irdisch das verwirklichen, was himmlisch schon gegeben ist. Die Aussage bleibt auch in gewandelter Situation aktualisierbar. Sollte der in 4,1 als unus qui supra eos est vorgestellte Sprecher des Gebetes als Engel Israels zu identifizieren sein,131 der im himmlischen Hofstaat Israels Sache vor Gott, dem König, vertritt, so wäre der Engel als Mittlergestalt zwischen Gott und seinem Volk zu interpretieren. Mit AssMos 7,1 setzt die Schilderung der Endzeit ein (finientur tempora). Kapp. 7 und 8 beschreiben die Erfahrung einer Unheilszeit für das Volk Israel, wobei im Hintergrund die historische Situation der Bedrohung und Unterdrückung durch die römische Fremdmacht aufscheint. Kap. 9 dient der 129

CAMPONOVO, Königtum 352 zieht Parallelen zur Herrschaft der Makkabäer. Doch auch danach blieb Sib 3 rezipierbar, wie schon der Zusatz Sib 3,46-6la erweist. 130 AssMos 6 thematisiert die Aufstände nach dem Tod des Herodes 4 v.Chr. sowie das Einschreiten des Römers Sabinus (Anzünden des Tempels) und des syrischen Statthalters Varus (Kreuzigung von 2000 Revolutionären); AssMos 6,7 spiegelt die Verbannung des Archelaos 6 n.Chr.; zu diesen Ereignissen vgl. Josephus, Ant 17,213ff.295. Dementsprechend liegt eine Datierung des Buches in nachherodianischer Zeit, also am Anfang des 1. Jh. n.Chr. nahe; zur Datierung TROMP, Assumption 116f.; BRANDENBURGER, Himmelfahrt 59f. 62f., zu Einleitungsfragen ebd. 59-66. CAMPONOVO, Königtum 151-158 (vgl. bereits NLCKELSBURG, Literature 80-82.213) rechnet mit älteren Traditionen aus der Zeit des Antiochos IV. Epiphanes und rekonstruiert 151-155 eine Grundschrift, die der Jetztgestalt des Textes vorausliegt; dies bleibt freilich unsicher. Vgl. aber auch COLLINS, Kingdom 89f. Dagegen BRANDENBURGER, Himmelfahrt 62f. und TROMP, Assumption 120-123. Text: CHARLES, Assumption 54-101; CLEMEN, Himmelfahrt; TROMP, Assumption 6-25. 131

So CAMPONOVO, Königtum 164. Vgl. auch die Engelsgestalt in 10,2. Anders BRANDENBURGER, Himmelfahrt 72 und CHARLES, Assumption 14 (eher für eine Identifizierung als Daniel). REESE, Geschichte 76 akzentuiert die Funktion des stellvertretenden Beters und erwägt ebd. Anm. 32 eine Relation zu Nehemia (Bezug auf Neh 1). Berührungen mit Esra (vgl. Esr; 4 Esr) sieht TROMP, Assumption 175f.

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Demonstration des rechten Verhaltens angesichts der Bedrohung jüdischer Identität, die sich in der Toraobservanz bewährt. AssMos 10,1 f. richtet dann den Blick in die Zukunft und spiegelt wohl eine Szene im himmlischen Thronrat, bei der der Teufel ein Ende findet und der Engel Israels zu Israels Heil eingesetzt wird.132 Ein himmlisches Geschehen mit gewaltigen irdischen Konsequenzen zeichnet sich ab und macht eine Trennung beider Sphären in der folgenden Schilderung unmöglich. 10,1a setzt ein mit der Verheißung Et tunc parebit regnum illius in omni creatura illius, wodurch die ganze Schilderung in 10,1-10 als Darstellung der Auswirkung des regnum Gottes qualifiziert ist - Gottes Königsherrschaft wird zur zentralen Thematik.133 Das Futur parebit signalisiert die doppelte zeitliche Bestimmung des regnum, das schon immer überirdisch und überzeitlich existiert, sich aber mit dem Anbruch des Eschaton auch auf Erden ganz verwirklicht.134 Die Bestimmung „in seiner ganzen Schöpfung" erweist den universalen, Himmel und Erde umfassenden Charakter der Herrschaft. Entscheidend ist, daß Gottes regnum das Ende des Teufels bewirkt (10,1b) und so die Qualität der endgültigen Heilszeit trägt, in deren Mittelpunkt ganz Israel als Empfänger des Heils steht; das macht der Text wiederholt deutlich: 10,1c sagt sofort anschließend das Ende der Traurigkeit (tristitia) an, 10,3 spricht von Gottes Anteilnahme am Ergehen seiner Kinder (fìlii), 10,8a nennt Israel felix, 10,8b-10 schildern Israels Erhöhung in den Himmel, womit ihm Gottnähe und Erhöhung über die Feinde gewährt sind, so daß Israel sich freuen wird (gaudebis, 10,10b). Die Erde genügt offenbar nicht als Heilsort, vielmehr garantiert erst der Himmel als Wohnort die unmittelbare Präsenz Gottes.135 Das Heilsgeschehen wird eingeleitet durch die machtvolle Durchsetzung Gottes, wenn er sich in seiner himmlischen Macht erhebt a sede regni sui (10,3a); die Folge sind kosmische Erscheinungen, denn Berge und Täler, Meere und Flüsse, ja sogar die Gestirne werden in ihrer Ordnung erschüttert 132 Zur Thronratsszene vgl. Jes 6; Ijob 1,6-12; Dan 7,9-14. Die VV. lf. sind nicht literarkritisch als sekundär auszuscheiden; so zu Recht CAMPONOVO, Königtum 169-171; gegen CHARLES, Assumption 39-41. - Zum Ende des Teufels auch TestDan 5,10f.; vgl. MERKLEIN, Botschaft 42f. Vgl. ntlLk 10,18; Joh 12,31; 16,11; Offb 12,9. 133 Als griechische Originalterminologie wäre βασιλεία (hebräisch malkût) äquivalent zu regnum. Im Anschluß an CHARLES, Assumption XXXVIII-XLV fand die These eines hebräischen Originals der AssMos breite Rezeption (vgl. BRANDENBURGER, Himmelfahrt 59; NICKELSBURG, Literature 83). Zu Recht macht nun wieder TROMP, Assumption 78-85.117f. auf die Schwäche der Hinweise dafür aufmerksam, so daß nur die Annahme einer griechischen Textbasis als gesichert gelten kann. 134 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 172; femer TROMP, Assumption 229. 135 Dazu SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 42. Zum atl Hintergrund der Vorstellung von Israels Erhöhung vgl. REESE, Geschichte 89f. (Dtn 32,11); TROMP, Assumption 236f. (etliche Belege).

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(10,4-6) und demonstrieren die unbegrenzte Macht Gottes, dessen Erscheinung sichtbar wird. Die Bestrafung der Feinde, der Heiden mit ihren Götzenbildern schließt sich an und läßt den Gott Israels summus Deus aeternus solus sein (10,7). Gott rettet also in seiner königlichen Macht sein Volk, die Gegner freilich erfahren die destruktive Kraft seiner Herrschaft.136 Das Bild des regnum konnotiert die nötige Macht Gottes und seinen spezifischen Israelbezug. Diese strikt theozentrische Struktur gewährt freilich am Anfang einer Mittlergestalt Raum: Der nuntius, qui est in summo constitutus (10,2), läßt sich als speziell für Israel zuständiger Engel begreifen,137 der als Bevollmächtigter Gottes (vgl. 2a: implebuntur manus nuntii) Israel sogleich von seinen Feinden befreit. Der Auftakt der endzeitlichen Rettung geschieht durch ein himmlisches Mittlerwesen, dann handelt Gott selbst (10,3-10).138 Der Äthiopische Henoch139 setzt sich aus mehreren Büchern zusammen, die je eigens als Einheit betrachtet werden müssen. Die spätere Redaktion der einzelnen Bücher zur Gesamtschrift des äthHen zeigt deren Rezeption im 1. Jh. n.Chr. (und danach). Im grob in der ersten Hälfte des 2. Jh. v.Chr. entstandenen Buch der Wächter (äthHen 1-36) spricht 9,4 in einem von Engeln vorgebrachten Gebet Gott als ,,Herr der Herren, Gott der Götter und König der Könige"140 an, dessen Thron ewigen Bestand hat. Gott wird als himmlisch thronender König vorgestellt, was im Kontext seine Allmacht und Majestät in Schöpfung und Welt voraussetzt (9,5). Dabei handeln die Engel als Fürsprecher der Menschen, die von Unrecht und Not auf Erden zutiefst bedrängt sind (9,3); angesichts des irdischen Unheilszustandes (9,1-3.6-10) artikulieren die Engel die 136

Den destruktiven Charakter des göttlichen Königtums in AssMos 10 betont COLLINS, Kingdom 90. Doch wird das Königtum auch nicht positiv beschrieben, ist es dennoch verschiedentlich - wie oben gezeigt - als Heilszeit für Israel deutlich. 137 BRANDENBURGER, Himmelfahrt 76 identifiziert den Engel als den Erzengel Michael (Dan 12,1; Offb 12,7-9); vgl. REESE, Geschichte 88f. Dagegen behauptet TROMP, Assumption 228-231 die Identität des nuntius mit Taxo (9,1), was freilich keine aussagekräftigen Anhaltspunkte besitzt; Taxo erfüllt ebensowenig eine priesterliche Funktion wie der nuntius (das „Füllen der Hände" in 10,2 meint eine göttliche Bevollmächtigung zur Befreiung [vindicare] von den Feinden). 138

Die in 10,7 ausgedrückte Theozentrik („der einzige ewige Gott") bedeutet nicht, daß Gott notwendig ganz allein handelt, sondern daß er allein Leben und Macht ohne Grenzen besitzt und dabei Handlung zu delegieren vermag. Gegen SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 41. Richtig sieht COLLINS, Kingdom 90, daß keine menschliche Vermittlung stattfindet. HAHN, Apokalyptik 41 hebt das Fehlen einer Messiasgestalt hervor. 139

Zu den Einleitungsfragen vgl. UHLIG, Henochbuch 466-497; in dieser Arbeit unter III.8.1 ; speziell zur Datierung der behandelten Buchteile UHLIG, ebd. 494.506.574f.673f.709. 140 So die Lesart nach Aram 2 (Ausgabe MILIK; KNIBB); übernommen von UHLIG, Henochbuch 524. Das griechische Fragment GrP liest „König der Ewigkeiten" (βασιλεύς των αιώνων); vgl. BLACK, Apocalypsis 23.

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Bitte um Rettung. Die gedankliche Struktur der Aussage stellt Gottes Allmacht fest und erhofft auf dieser Basis die göttliche Rettung der Menschen. Dabei ist auch ein Mißbrauch der von Gott dem Engel Semyaza verliehenen Herrschaft über die zu ihm Gehörenden (wohl Engelwesen) genannt (9,7), was eine Möglichkeit des Anteils an Gottes Herrschermacht erwähnt. Die in 9,4f. gezeichnete zeitlose Theokratie Gottes erweist sich eher kosmisch als israelzentrisch orientiert. ÄthHen 12,3 benutzt die Gottesbezeichnung „König der Welt",141 wobei diese Wendung Gottes Allmacht und Hoheit evoziert. Der in 14,18-21 geschilderte göttliche Thron im Zentrum des himmlischen Heiligtums (14,1523) unterstreicht in seiner unbeschreiblichen Herrlichkeit die Transzendenz Gottes, der den Patriarchen Henoch angesichts dessen Gerechtigkeit (vgl. 15,1) punktuell einer Vision und eines göttlichen Wortes würdigt - gerade genug zur autorisierten Offenbarung. - In äthHen 25,3-7 wird Gott dreimal „König der Welt"142 genannt, wobei im Kontext das endzeitliche Gericht erscheint, das eine Heilszeit (im paradiesischen Bild des Baumes) fur die Erwählten freisetzt (25,4-6). Der Thron in V. 3 fungiert als Symbol der göttlichen Macht zu Gericht und Heil, das Gute dominiert freilich die herrscherliche Absicht Gottes. Gottes Königsein sagt eine zeitlose Theokratie mit zukünftiger Gerichts- und Heilswirkung auf der Erde aus. Das Heil zentriert sich um das Haus Gottes (V. 5), so daß der Tempel in Jerusalem das Heilszentrum bildet und die Israelzentrik der Schilderung verortet. Nach der Heilsschilderung in paradiesischer irdischer Verwirklichung wird Gott nochmals als König der Welt/Ewigkeit gepriesen (V. 7): Er besitzt also die nötige Macht, die die angesprochene Hoffnung rechtfertigt. Auch äthHen 27,3 steht im Kontext des gerechten Gerichts mit den Alternativen Strafe und Erbarmen. Die Geretteten preisen Gott als „Herrn der Herrlichkeit" und „König der Welt",143 womit ihre Zugehörigkeit zu Gott Ausdruck findet und in Gottes Barmherzigkeit begründet wird (V. 4). Der König übt seine Gerichtsmacht in Gerechtigkeit aus. Im Buch der Wächter werden Majestät, Erhabenheit und Allmacht Gottes betont, die keine Grenze der Zeit oder der Möglichkeiten kennt. Das Königsein umfaßt die Gegenwart der Welt und das zukünftige Gericht, doch ist Gottes Ziel dabei das Heil der Gerechten in Israel. Das Buch der Traumvisionen in äthHen 83,l-91,10.18f. stammt aus dem 2. Jh. v.Chr. und wendet die Vorstellung von Gott als König einmal im Rah14 ' Das aramäische KQ^IJ bedeutet „Welt" und „Weltzeit". Den Text bevorzugt UHLIG, Henochbuch 533. Griechisch wieder βασιλεύς των αιώνων; vgl. BLACK, Apocalypsis 27. 142 UHLIG, Henochbuch 560f. Die griechische Version liest in 25,3.5.7 βασιλεύς· του αιώνος (BLACK, Apocalypsis 35). 143 UHLIG, Henochbuch 564; griechisch βασιλεύς του αιώνος (BLACK, Apocalypsis 35).

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men eines Gebets an. In 84,2-6 bittet Henoch Gott um Bewahrung eines Restes der Menschen vor dem göttlichen Gericht.144 Die zentrale Aussagekategorie bildet dabei Gottes Königsein, wobei seine Majestät, himmlische Erhabenheit und Macht (alle Himmel als Thron) sowie seine überzeitliche Existenz Gegenstand des Lobpreises werden (V. 2). In ihrer Universalität umfaßt Gottes Herrschaft Himmel und Erde. Die Anrede als „König" bzw. „König der Könige" und die Nennung seiner Königsherrschaft (V. 2) artikulieren in plerophorer Rede seine absolute Macht, die sich in Schöpfung, Regierung und Allwissenheit erweist (V. 3). Nun schwenkt der Blick um auf die Geschöpfe. Die Sünde der Engel und Menschen mündet zwangsläufig ins Gericht (V. 4). Daher folgt in 84,5f. die Bitte um Bewahrung der Gerechten und Rechtschaffenen, wobei u.a. die Anrede Gottes als „großer König" (V. 5) steht. Das Gebet formuliert Gottes universale, zeitlose Theokratie in absoluter Macht, die sich hinsichtlich der Menschen entsprechend ihrem Verhalten in Gericht und Erbarmen erweist. Der König-Titel faßt das gezeichnete Bild Gottes titular zusammen. Die beiden Textstücke äthHen 93,1-10 und 91,11-17 bilden die sogenannte Zehnwochenapokalypse, die im 1. Jh. v.Chr. gestaltet wurde und das göttliche Gericht vorhersieht. 93,7.8 sprechen vom „Haus der Herrlichkeit und Herrschaft" bzw. „ H a u s der Herrschaft", das in der fünften Woche der Epochengliederung erbaut und in der sechsten Woche durch Feuer vernichtet wird, was sich kaum anders als auf den Jerusalemer Tempel deuten läßt.145 Die achte Woche beinhaltet das gerechte Gericht an den Unrechtstätern und Sündern (91,12) und erlebt an ihrem Ende den Bau eines Hauses „für den großen König zur Herrlichkeit bis in Ewigkeit" (91,13). Das aramäische Fragment 7 (Aram7) liest an dieser Stelle „der Tempel der Königsherrschaft des Großen in der Herrlichkeit seines Glanzes" ( K m ΠΊΡ]*7[Ώ] ^ T I ) . 1 4 6 Damit wäre der Tempel als Ort der irdischen Gegenwart der Königsherrschaft Gottes interpretiert und somit als irdischer Zugang zur himmlischen Wirklichkeit der göttlichen malkût. Eine solche Deutung der Präsenz der himmlischen Königsherrschaft Gottes im Tempel ist zeitgeschichtlich durchaus vorstellbar (vgl. schon die Jahwe-König-Psalmen). Der Tempel als Haus Gottes ist sowohl geschichtlich präsent (93,7f.) als auch eschatologisch in Vollendung (91,13) gedacht. Die Vorstellung des göttlichen Königs wird dabei nur terminologisch knapp angedeutet, um die Bedeutung des Jerusale-

144

ÄthHen 84,2-6 spielt in verschiedenen Termini und Motiven auf 9,4-11 an; dazu

CAMPONOVO, K ö n i g t u m 2 4 8 . 145

Vgl. UHLIG, Henochbuch 712. Deutung auf den Tempel auch bei COLLINS, Kingdom 88. Vgl. die Übersetzung bei UHLIG, Henochbuch 713. Aramäischer Text der Zehnwochenapokalypse bei MLLIK, Books 263-269; vgl. DEXINGER, Zehnwochenapokalypse 179f. 146

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Fundierung: Gott als König

mer Heiligtums als Ort Gottes zu artikulieren, spielt aber sonst keine Rolle zur Beschreibung der Zeit nach Gottes Gericht.147 Die Bilderreden (äthHen 37-71) bilden den jüngsten Teil des äthHen und erhielten ihre bezeugte Gestalt am Anfang des 1. Jh. n.Chr. Die Vorstellung von Gott als König findet nur indirekt Verwendung, wenn in 63,4 Gott „(als König) herrscht über alle Könige" und in 63,2.4 als „ H e r r der Könige" betrachtet wird. Die Aussage steht im Kontext der alle irdischen Mächte übergreifenden Herrschermacht Gottes, der Einsicht, Weisheit und Gerechtigkeit besitzt (63,2f.), und wird vom Verf. den Mächtigen der Erde (V. 1) als Gebet in den Mund gelegt, die das Gericht erfahren mußten (Kap. 62). Diese zu spät erfolgende Anerkennung demonstriert dem Leser die überragende Allmacht Gottes, die selbst weit über den mächtigsten Erdenkönigen steht und die Anerkennnung durch die schärfsten Gegner erzwingt. Interessant wird die Stelle in Zusammenhang mit dem vorangehenden Kap. 62: In 62,1 f. setzt Gott die Gestalt eines „Erwählten" auf den Thron, um das Gericht zu vollziehen (62,25); nach V. 5 sitzt der (mit dem „Erwählten" identische) „Menschensohn"148 auf dem Thron seiner Herrlichkeit - er herrscht über alles (V. 6), partizipiert offenbar an Gottes Herrschaft und Gericht und verwirklicht diese teilweise. Seine anfangliche Verborgenheit („Präexistenz"; 62,6f.) erweist seine besondere Stellung und Bedeutung als himmlische Gestalt. Der Menschensohn wird - wie Gott - angebetet und zum Adressaten der Bitten um Erbarmen seitens der irdischen Fürsten (V. 9). Damit besitzt er eine ähnliche Funktion wie Gott und handelt als dessen entscheidender Repräsentant. Das Konzept der Bilderreden bedient sich also einer bevollmächtigten Mittlergestalt, eines Repräsentanten Gottes. Die Gemeinschaft mit dem Menschensohn verbürgt entsprechend das Heil der Auserwählten bei Gott (V. 14), und das von Gott bestimmte Gericht über die weltlichen Fürsten ergeht vor seinem Angesicht (63,11 f.).149 147 Noch weniger Gewicht legt man auf die Vorstellung, wenn man das aramäische Syntagma adjektivisch wiedergibt: „königlicher Tempel"; so MILIK, Books 267; CAMPONOVO, Königtum 254. - Von einer „antimessianische(n) Konzeption der Heilszeit" (so CAMPONOVO, ebd. 253) könnte man berechtigt nur sprechen, wenn sich eine direkte Abweisung einer messianischen Erwartung nachweisen ließe oder eine solche Erwartung als fester Bestandteil der zeitgenössischen Glaubenslehre gelten könnte, der hier bewußt oder auffallig fehlte. Weder das eine noch das andere ist der Fall. 148 Zur Identität dieser verschieden titulierten Gestalt und ihrer Bedeutung in den Bilderreden vgl. unten III.8.1.1. Auch in äthHen 51,3f. sitzt der „Erwählte" auf dem Thron. In 48,10 und 52,4 trägt er den Titel „Gesalbter". Die Verbindung des „Menschensohnes" mit Gott hält auch COLLINS, Kingdom 89 fest. Eine Trennung der Vorstellungen findet sich bei

LATTKE, V o r g e s c h i c h t e 19. 149 In äthHen 41,1 f. umschreibt die Verteilung des Königreichs wohl den Heilszustand der Auserwählten im Himmel bei Gott, ohne daß die Bemerkung deutliche Konturen gewinnt.

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Die Vorstellung des Königseins Gottes bildet nicht das Hauptthema des äthHen, wird aber verschiedentlich mit eschatologischem Skopus bezeugt und als bekannt vorausgesetzt. Häufiger findet sie im Buch der Wächter Verwendung. Der Gebrauch in verschiedenen Büchern zeigt eine weite Bekanntheit der Vorstellung. Sie wird zur theologischen Fundierung und Verdeutlichung einer Aussage eingesetzt, jedoch weniger in den Möglichkeiten ihrer Bildwelt ausgeschöpft. Die bekannten Grundkonstanten der göttlichen Allmacht und Heilsabsicht prägen auch im äthHen das Bild, in den Bilderreden nimmt dabei die Mittlergestalt des Erwählten/Menschensohnes breiten Raum ein.150

2.7 Philo von Alexandrien und Josephus Flavius Philo von Alexandrien verwendet zwar den Begriff βασιλεία in bezug auf Gott nur selten, spricht aber häufiger von Gott als βασιλεύς. 151 Die Aussagen finden sich in verschiedenen Schriften und Kontexten und bilden ein komplexes Textmaterial, aus dem sich jedoch einige Grundlinien erheben lassen. Durchgehend erweist sich Philos Denken dabei stark von der hellenistischen Philosophie, besonders von Piaton und der Stoa, geprägt,152 und der Gebrauch des König-Titels für den Schöpfergott bzw. Zeus begegnet in diesem Denkraum beinahe als Allgemeingut. Drei Gedankenkomplexe zeichne ich anhand der Texte nach.

150

In den Apokalypsen 4 Esr 7,28-30 und syrApkBar 29f. erfolgt die Verhältnisbestimmung der Mittlergestalt, des Gesalbten, zu Gott chronologisch: Die Herrschaft des Gesalbten ist zeitlich befristet und vor die eigentliche neue Weltzeit als alleinige Tat Gottes gestellt. Sinnverwandt mit dem Gedanken der Königsherrschaft Gottes sprechen syrApkBar 48,7; 54,13f.; 75,7f.; 83,7 von der Herrschaft Gottes des Schöpfers, Gesetzgebers und Richters. 151 Die Forschung maß Philo in der Frage nach Gottes Königsherrschaft in der Nachfolge von SCHMIDT, ThWNT I 5 7 5 , der die philonische Rede von der βασιλεία lediglich als ein „Kapitel aus der Tugendlehre" einstuft, häufig eine sehr untergeordnete Bedeutung bei: CAMPONOVO, Königtum 7 verzichtet auf eine Behandlung Philos zum Thema wegen der Unergiebigkeit des Materials; auch LATTICE, Vorgeschichte 13f. urteilt ähnlich und bewertet Philos „Anschauung vom Gottesreich" als „durch und durch ethisch" (14). Vgl. die sachlich inadäquaten Hinweise bei COLLINS, Kingdom 88. Zwei neue Untersuchungen von U M E M O TO, Königsherrschaft (1991) und MAYER, Titulatur (1993) belegen eine optimistischere Einschätzung des Materials. 152 Dazu UMEMOTO, Königsherrschaft passim (Fazit 255); MAYER, Titulatur 299f.

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Fundierung: Gott als König

(1) Gott als König des Kosmos.1" Als König ist Gott Erhalter und Lenker des Kosmos im Gegenüber zu seiner Funktion als Schöpfer.154 Der himmlische König ist für die Menschen nicht direkt zugänglich (Op 69-71; SpecLeg I 44f.), was seine Erhabenheit und Transzendenz signalisiert. Gottes Königsherrschaft läßt sich als μοναρχία (Alleinherrschaft) qualifizieren, womit der jüdische Monotheismus gegenüber der hellenistischen Welt verbürgt und die Transzendenz Gottes, dem die Schöpfung als Ganze qualitativ unterschieden gegenübersteht, ausgesagt ist.'55 Gott kann aber über seine Kräfte (s. unten) verehrt werden, so daß sich eine vermittelte Zugangsmöglichkeit zu seiner Transzendenz eröffnet (SpecLeg I 31; IV 191; Flacc 123; LegGai 3). In Fug 10 und QuaestEx II 42 verwendet Philo βασιλεία synonym mit άρχή νομίμου („Herrschaft des Gesetzes") und artikuliert damit die Gesetzmäßigkeit und Gerechtigkeit des göttlichen Herrschens - Gott ist kein Tyrann (Proν II 15; VitMos II 100; All III 79). Vielmehr gilt Gottes basileia als Ursache von Güte und Glück (Som II 289) und garantiert Ordnung (VitMos II 132) und Frieden (Decal 178; QuaestEx I 23); die in der frühjüdischen Tradition gängige positive Konnotation einer intendierten Heilsherrschaft hält auch Philo durch. Das drückt sich weiter in der herangezogenen Bildwelt von Hirte und König aus, die eine kosmologische Deutung der Herrschaft Gottes (Lenker des ganzen Kosmos), in der Gott das erforderliche Gesetz bestimmt, impliziert und die Fürsorge Gottes für seine Schöpfung anzielt; der göttliche Logos fungiert dabei als Mittler, als „Vertreter des Großkönigs", und vollzieht die Fürsorge für die Herde (Agr 50-52; vgl. Fug 103.108.111. 118). Gottes Transzendenz und zugleich seine Verbindung zur Kreatur wahrt Philo durch die Mittlergestalt des Logos. Weiter verbindet Philo mit dem König Gott die Vater-Metapher, die den Ursprung von allem und bleibende Autorität vermittelt; Gott ist Vater des Alls (Fug 109; LegGai 3), des Kosmos (Imm 31; Prov II 15), von Göttern und Menschen (SpecLeg II 165; Prov II 15), des Logos (Fug 109), der Weisheit (All I 64) und der Kräfte Gottes (Cher 106). Die Engel vermitteln zwischen dem „Vater" und seinen „Kindern", den Menschen (Som I 140f.), denen die Fürsorge des Vaters gilt.156 Ein Herrschaftsgebiet Gottes als König denkt Philo nur sehr zurückhaltend in räumlichen Vorstellungen an: der Kosmos in seiner Gesamtheit (SpecLsg I 13-31; vgl. Agr 51), der Kosmos als Heiligtum, als himmlischer Tempel, den das irdische Heiligtum abbildet (SpecLeg I 66). Gottes Herrschaft bedeutet entgegen lokaler Umgrenzung eher den Vollzug von Fürsorge zugunsten der Schöpfung (Sobr 63; Abr 70); nach Op 88 ist der Mensch (Adam steht für die Gattung „Mensch") Statthalter des Königs Gott auf Erden und trägt in dessen Stellvertretung die sorgende Verantwortung fur Tiere und Pflanzen. (2) βασιλεύς als eine der Hauptkräfte Gottes. Mittels der Kräfte wirkt der transzendente Gott, der selbst in absoluter Unerkennbarkeit west (Post 168; Imm 62; Mut 7), in seiner Schöpfung, womit eine mittelbare Überbrückung des Grabens der Transzendenz, die den Schöpfer vom Geschöpf trennt, entsteht. Philo differenziert die beiden Hauptkräfte ποιητική 153 Zu diesem Vorstellungskomplex vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 212-225; MAYER, Titulatur 294f. 296f. 154 QuaestEx II 66; Abr 74; QuaestGen II 34; vom König und Lenker des Kosmos sprechen auch SpecLeg I 207; Flacc 169-175; VitMos II 100; Conf 170. 155 So Decal 31.51.154f.; SpecLeg II 224; vgl. Her 168f.; SpecLeg I 13-31; QuaestGen III 34; Decal 54-56; Imm 159; Som II 99. Zur starken Abneigung Philos gegen die Ochlokratie vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 221. 156 Zur Fürsorge Gottes als Vater vgl. Prov II 15; QuaestGen IV 87; femer Sobr 63; Op 171; Decal 41. Die Rede von Gott als Vater und König war in der griechisch-hellenistischen Philosophie verbreitet; vgl. MÜLLER, König 21-26.29-43.

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δύναμις als schöpferisch-wohltätige Kraft und βασιλική δύναμι? als herrscherlich-richtende Kraft.157 Dem entsprechen die Gottesbezeichnungen θεό? und κύριος/βασιλεύς (Cher 29; Plant 88), wobei Gott als θεό? Wohltaten und das Gute bewirkt, als κύριο? Herrschaft und Gericht ausübt. Die βασιλική δύναμι? beinhaltet gesetzgebende und bestrafende Kraft.158 Herrschen und Richten werden damit als die wesentlichen Funktionen des Königs deutlich. Doch auch die königliche Kraft zielt letztlich auf das Wohlergehen der Schöpfung, denn die Strafe enthält einen Heilsaspekt, da sie auf Behebung und Verhinderung von Mängeln und Fehlern abhebt. 15 ' Philo beachtet stets das Herrsein Gottes über die Kräfte, durch deren Vermittlung Gott wirkt; Philo denkt dabei an eine bestimmte Art von „Seelen", d.h. Engel (Plant 14), die in Beziehung zum König Gott stehen (Conf 175). Som I 141 verbildlicht die Vermittler als „Augen und Ohren des großen Königs", die die Bedürfnisse der Untertanen kommunizieren. Die Transzendenz und Unnahbarkeit des thronenden Königs der Könige tritt hervor. Nicht Gott selbst, nur seine Kräfte sind vom menschlichen Nous erkennbar (Op 6971; SpecLeg I 44f.; QuaestEx II 67) und wirken im Menschen (Cher 29.106; Imm 90). Bisweilen schenkt Gott gerade Wohltaten auch selbst, ohne Vermittler (Fug 66; Decal 178).160 Die Kräfte sind also eine von Gott bevollmächtigte Wirkung und eine gleichsam „personifizierte" Eigenschaft Gottes und können als solche vom Menschen wahrgenommen werden. Auch die Weisheit kann als höchste göttliche Kraft gelten (All II 86), und Gott ist stets der Ursprung der Weisheit (All I 64; vgl. Sacr 64; SpecLeg I 277; Migr 40-42); die nach Gottes Weisheit lebenden Menschen, die Weisen, vertreten dann die Kräfte Gottes (QuaestGen III 39; IV 184). Die Kräftelehre Philos verbindet mit der König-Terminologie weniger die Bildwelt des „Königs" als bestimmte philonische Gedankenmuster göttlicher Wirkweise. Philo selbst spricht vom uneigentlichen Gebrauch der Gottesbezeichnungen θεό? und κύριο? (Mut 11). (3) Gottes Königtum als Urbild des politischen Königtums. Das hellenistische Denken versteht allgemein das Wesen der irdischen Könige in der Nachahmung Gottes, des himmlischen Königs, gegründet.161 Philo übernimmt diese Grundstruktur und akzentuiert das „Gute" als Skopus idealen königlichen Handelns, wozu Orientierung am Gesetz nötig ist.162 Philo füllt Gesetzmäßigkeit von Gleichheit und Gerechtigkeit her, was das jüdische Gesetz voll verwirklicht. Wie Gott besitzt der irdische König die Pflicht zur Fürsorge für seine Untertanen, die Philo häufig im Hirtenbild ausdrückt.163 Gottes Königsein findet als Urbild politische Umsetzung, die irdischen Könige übernehmen jedoch keine eigentliche Mittler157

Die Lehre von den Kräften Gottes läßt sich als Antwort Philos auf die stoische Kräftelehre, die den Kräften göttliches Wesen zuspricht, verstehen, denn Philo hält die Trennung von Schöpfer und Kreatur konsequent durch. Zu den Kräften bei Philo vgl. WOLFSON, Philo I 217-226; MAYER, Titulatur 295f.; UMEMOTO, KönigsherTSchaft 226-241. 158 Fug 94-99.103-105; QuaestEx II 64.68; Mut 17.27f.; VitMos II 99; Sacr 131. 155 Conf 171; Plant 86-88.90-92; QuaestGen II 16; IV 26. Die schöpferische Kraft trägt bei Philo das größere Gewicht (QuaestEx II 62); vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 235f.; MAYER, Titulatur 295. Zum Verhältnis der philonischen Gottesbezeichnungen το öu, θεό? und κύριο? UMEMOTO, ebd. 237-241. 160 Vgl. MAYER, Titulatur 296f. 161 Zur hellenistischen und philonischen Königskonzeption vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 241-245; MAYER, Titulatur 301f. 162 Z.B. SpecLeg IV 165.168f.176; VitMos II 4.241; Decal 40f. 163 Agr 49-66; Jos 2f.; Decal 41. Mose stellt das Ideal des rechten Königs dar, Praem 54; VitMos I 148.

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Fundierung: Gott als König

funktion, sondern stellen die Verwirklichung des göttlichen Urbildes auf Erden dar. Gottes ideale Königsherrschaft erlaubt umgekehrt eine Kritik an den unwürdigen politischen Königen.164 Gott ist vollmächtiger Herr und König über die Könige der Erde (LegGai 149) und vermag diese entsprechend auch zur Rechenschaft zu ziehen. Speziell aber versteht er sich als König Israels (LegGai 3; QuaestEx II 51),165 woraus die besondere Qualität Israels als Heilsmittler unter der Menschenwelt resultiert (QuaestEx II 42.46). Als König wirkt Gott auch im einzelnen Menschen; so ist der Mensch wahrhaft frei, über dessen Seele Gott als König herrscht (Plant 53). Die Seele läßt sich auf diesem Hintergrund als βασιλέων („Königspalast") Gottes qualifizieren (Plant 33), wo sich Gottes Kräfte niederlassen können (Cher 99).166 Eine Spiritualisierung der göttlichen basileia durch die menschliche Seele als Erfahrungsort findet dabei statt. Damit eröffnet sich dem Menschen - über die wahre Philosophie, die mit Gottes Offenbarung inhaltlich zusammenfällt - die Möglichkeit des Strebens zu Gott (Imm 159f.; Gig 64; Op 71).

Philos Gebrauch der Rede von Gottes Königsein setzt, zumindest als Denkhintergrund, die Allmacht Gottes über den ganzen Kosmos voraus, in dem Gott alles lenkt und leitet. Die frühjüdisch häufig belegte zeitlos-theokratische Auffassung dominiert die Vorstellungswelt signifikant.167 Mit der platonischen Philosophie korrespondiert der transzendente Charakter Gottes, mit der Stoa die kosmische Herrschaft des göttlichen Gesetzes. Als König vereinigt Gott gesetzmäßig-gerechtes Herrschen mit Barmherzigkeit, die letztlich überwiegt, worin sich jüdische Tradition findet, die in der Fokussierung des göttlichen Königtums auf Israel weiter deutlich wird. Durch die Funktion des idealen Vorbildes fordert Gottes Königsein politisch wirksame Konsequenzen. Den Zugang zum transzendenten Gott ermöglichen verschiedene Mittlerwesen, worunter Gottes Kräfte, die Weisheit, der Logos, die Engel und in abgestufter Bedeutung auch die irdischen Könige, der Weise und alle Menschen fallen. Durch seine Kräfte herrscht Gott als König über den einzelnen Menschen, was besonders an der Gestalt der Weisheit deutlich wird. Im Blick auf Gottes urbildliches Wesen beinhaltet Gottes Königsein eine ethische Forderung an den Menschen. Die Analogsetzung Gottes mit dem, was der Terminus „König" assoziiert, wird von Philo philosophisch reflektiert und ethisch angewandt, wobei er seine jüdische (monotheistische) Tradition nicht 164

Dazu UMEMOTO, Königsherrschaft 245-250. Ebd. 250-252. 166 Vgl. MAYER, Titulatur 297f. - Zur Wirkung der Königsherrschaft Gottes im Inneren des Menschen vgl. Jub 12,19f. 167 Vgl. aber Flacc 123f.: Das Ende des alexandrinischen Pogroms gegen den jüdischen Bevölkerungsteil durch Inhaftierung des römischen Präfekten Flaccus (38 n.Chr.) löst unter den Juden Alexandriens Jubel über Gott als den größten König aus, der seine kosmische Macht erwies; dabei nimmt diese Siegestat Gottes die endgültige Wiederherstellung der Ordnung in der Zukunft vorweg und fundiert so die Hoffnung des jüdischen Volkes. Dazu auch UMEMOTO, Königsherrschaft 248. Vgl. VitMos I 290. Damit ist eine eschatologische Perspektive (selten) angedeutet. 165

Friihjudentum

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verleugnet, dieser aber in hellenistisch geprägter Artikulation deutlich eigene Züge verleiht. In diesem erweiterten Rahmen bezeugt Philo die frühjüdische Vorstellung von Gott als überzeitlichem himmlischem Herrscher über den ganzen Kosmos. Während Israel als Objekt der Herrschaft noch teilweise im Zentrum steht, öffnet sich der Zugang für die durch Weisheit und Gerechtigkeit mit Gott verbundenen Menschen. Josephus greift die Bildwelt des Königseins Gottes an wenigen Stellen in politischer Konkretion auf.168 Ant 6,60f. blickt auf das Ende der vormonarchischen Zeit Israels. Der Kontext thematisiert die Problematik der vom Volk vorangetriebenen Einfuhrung des politischen Königtums in der Geschichte Israels. Samuel versammelt dazu das Volk in Mizpa, um diesem Ansinnen Rechnung zu tragen und durch das Los Saul zum ersten König Israels zu bestimmen (6,60-66; vgl. 1 Sam 10,17-24). Die dabei von Samuel gehaltene Ansprache an das Volk formuliert freilich eine durchaus kritische Beurteilung dieses Vorgangs, die Gott als den besten Herrscher den menschlichen Tyrannen gegenüberstellt (6,60f.). Trotz der in der Geschichte erfahrenen Wohltaten Gottes - Freiheit für Israel und Niederwerfung der Feinde - weist Israel im Wunsch nach einem menschlichen König Gottes βασιλεία zurück, obwohl doch Gott als der beste (άριστος) Herrscher erwiesen ist.169 Der menschliche βασιλεύς steht in krassem Kontrast zu Gott, da er sich stets in der Gefahr befindet, nach reiner Willkür zu regieren. Josephus begründet dies damit, daß nur Gott als Urheber und Schöpfer der Menschen aus innerem Antrieb für sein Volk sorgt. Danach nimmt Samuel dennoch die Bestellung des Königs vor (6,62-66). Josephus verwendet die Metapher von Gottes βασιλεία an dieser Stelle in einem eminent politischen Sinne; die im Hintergrund zweifellos vorauszusetzende universale, d.h. zeit- und ortsübergreifende Herrschaft Gottes wird im Hinblick auf Gottes Wirken in der Geschichte seines Volkes konkretisiert und so in ihrer Bedeutung fur die irdische Welt erfaßt. Gottes Königsherrschaft ist deswegen wichtig, weil sie sich irdisch auswirkt und speziell Israel als seinem erwählten Volk gilt. Die politischen Könige bilden dazu Kontrastfiguren und fungieren damit gerade nicht als Mittler und Vertreter der göttlichen ßa168 Die anzuführenden Stellen belegen eine auffallene Zurückhaltung des Josephus gegenüber einer als eschatologische Erwartung qualifizierten jüdischen Hoffnung auf Gottes Königsherrschaft, die der Gesamttendenz seines Werkes entspricht, das revolutionär zu deutende Potential der jüdischen Religion im Gegenüber zur römischen Welt, die für die soziale Existenz des Josephus grundlegend wurde, zu marginalisieren (vgl. III.7.1.1). Gerade angesichts dieser Tendenz verdienen die eher beiläufigen Notizen des Josephus zum Thema Beachtung. Das Urteil von LATTKE, Vorgeschichte 13, die Schriften des Josephus geben fur das Thema „überhaupt nichts her", erscheint zu ausschließlich. 169 In Ant 4,223 spricht Mose zum Volk: „Gott soll euch als Herrscher genügen".

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Fundierung: Gott als König

σιΛεία, sondern eher als Hemmnis einer gerechten und guten Herrschaft. Josephus wird damit der königskritischen Intention seines Vorlagetextes 1 Sam 10,17-19 durchaus gerecht, bringt aber Terminologie und Vorstellung der malkût Gottes neu ein, womit der Kontrast zwischen Gott und den politischen Machthabem schärfer hervortritt - Geschichtserfahrung und -reflexion des Josephus lassen eine echte Heilsverwirklichung exklusiv mit Gottes alleiniger Königsherrschaft verbunden sein. Ant 14,24 belegt ebenfalls die Vorstellung von Gottes Königsein. Voraus geht eine militärische Auseinandersetzung im Bürgerkrieg zwischen Aristobul II. (67-63 v.Chr.) und seinem Bruder Hyrkan II., den der nabatäische Fürst Aretas unterstützte. Aristobul unterlag und mußte sich in die Tempelburg zurückziehen, die von den gegnerischen Truppen belagert wurde (14,22f.). Der gottesfurchtige Onias, dessen Gebet Wundermacht besitzt, soll nun zum Fluch über seine eigenen Landsleute (Aristobul und die Priester) im belagerten Tempel gezwungen werden. Onias unterwirft sich dem Zwang nicht und bittet stattdessen um einen friedlichen Ausgang des Krieges. Dabei spricht er Gott als βασιλεύς των όλων an (14,24). Die Weigerung zieht die Ermordung des Onias durch Steinigung nach sich. Als „König des Alls" wird Gottes Macht auch über die irdischen Geschehnisse vorausgesetzt, damit Gottes überzeitliche Herrschaft nicht auf die himmlische Sphäre beschränkt, sondern in ihrer gegenwärtigen Wirksamkeit auf Erden erfaßt. Weiter steht Gott als König in besonderer Beziehung zu seinem Volk (σος δήμο?), womit speziell Israel als das Gottes Schutz und Fürsorge unterstellte Volk seiner Königsherrschaft hervortritt. Folglich darf nicht eine Volksgruppe gegen die andere ausgespielt werden, vielmehr verbürgt und fordert die Herrschaft Gottes über ganz Israel die Einheit des Volkes. Geschickt teilt Josephus die sozialpolitisch fundamentale Einsicht der notwendigen Einheit der nationalen Bevölkerungsgruppen vermittelt über das Gebet und Beispiel des Onias mit, das Gottes Königsein über alle zum Grund der Einheit werden läßt. Damit zieht Josephus aus dem in der religiösen Vorstellungswelt verankerten Bild vom Königsein Gottes Konsequenzen für die politische Struktur des jüdischen Volkes. In Ap 2,164f. stellt Josephus den paganen Staatsformen Monarchie, Oligarchie und Republik die Verfassung, die der Gesetzgeber der Juden (Mose) eingerichtet hat, gegenüber und bezeichnet diese mit dem Terminus θεοκρατία, den er selbst als nur annähernd für das Ausgesagte geeignet (βιασάμενος - „gewaltsam") qualifiziert und wohl selbst gebildet hat.170 Er erklärt die Theokratie so, daß staatliche Autorität und Gewalt bei Gott selbst liegen (Ap 170

1953.

Das Lexem θεοκρατία ist vor Josephus nicht belegt; vgl. LIDDELL/SCOTT, Lexicon

Frühjudentum

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2,165); Gott ist Urheber alles Guten, das öffentlich und privat erfahren wird und das Gott auf Bitten hin selbst im Unglück gewährt (2,166). Die Sprachschöpfiing des Josephus identifiziert Gottes Herrschaft mit der speziellen politischen Regierungsform der Theokratie und versteht sie so als gegenwärtige, irdisch-politische Größe mit israelzentrischer Ausrichtung, die die Umsetzung des Guten sichert. Josephus wendet die jüdische Überzeugung von Gottes Königsein also in staatspolitischer Konkretion an und verleiht ihr dadurch eine bislang nie in dieser Deutlichkeit artikulierte Situierung in der irdischen Sphäre, was ihre Wahmehmbarkeit im jüdischen Staat mit sich bringt. Eine völlige Identität will Josephus freilich nicht behaupten. Damit Gottes Wesen nicht im Irdischen aufgeht, beschreibt Josephus anschließend Gottes Allwissenheit und Transzendenz (ungeschaffen, unveränderlich, erhaben); das göttliche Wesen kann von Menschen nicht erkannt werden ( ά γ ν ω σ τ ο ι ; ) , Gotteserkenntnis resultiert jedoch aus Gottes erfahrbarer Wirkmacht ( δ ύ ν α μ ι ς ) (2,166f.). Das mosaische Gesetz bildet als Selbstmitteilung Gottes die Grundlage der m σ τ ι ς - des jüdischen Volkes (2,169) und stellt als solches das Charakteristikum jüdischen Lebens dar: Die Beziehung zu Gott ( ε υ σ έ β ε ι α „Frömmigkeit") prägt das gesamte Leben, das von Mose im Gesetz geregelt wurde (vgl. 2,170-172). Das Gesetz also fundiert die jüdische Verfassung des Staates und teilt Wesen und Willen Gottes den Menschen mit; der Gesetzgeber Mose vermittelte die göttliche Absicht dem Volk. Die Rede von der Theokratie beansprucht Gottes Königsherrschaft für die Verfassung des jüdischen Staates und verankert die politische Herrschaft in der Entsprechung zum Willen Gottes, was eine Abhebung von paganen Staatsformen bedeutet.171 Möglicherweise wurde die Vorstellung von Gottes Königsein aber auch von den jüdischen Revolutionären des 1. Jh. v.Chr. als theologische Fundierung und Motivation aufgegriffen. Wenn Judas Galilaios nach Ant 18,23 gegen die römische Herrschaft allein Gott als ήγεμών und δεσπότη? anerkennen will und sich darin die theoretische Basis seiner Bewegung ausdrückt,172 könnte eine politische Beanspruchung der Vorstellung vorliegen, wobei die Aufrichtung der basileia dann von Menschen auf der militärischen Ebene unternommen wird; die propagandistische Funktion läge auf der Hand. Vielleicht verstand sich Judas selbst als irdischen Repräsentanten der göttlichen Herrschaft, wobei die Gesalbtenkonzeption zur Konkretion des Verhältnisses in Frage kommt (dazu III.7.1.2). Das Auftreten des Menahem während des jüdisch-römischen Krieges in königlicher Gewandung im Tempel, also am Ort der irdischen Gegenwart des Königs Gott, könnte die Nutzung der Vorstellung intendieren (Bell 2,443f.); Menahem stammte überdies von Judas Galilaios ab (Bell 2,118). Auch Simon

171 In Ap 2,246 nimmt Josephus die hellenistische Vorstellung vom Göttervater Zeus als König auf, doch erweist der Kontext des ehebrecherischen Treibens der Götter eine pejorative Einschätzung. 172 Vgl. RHOADS, Israel 48f.; HENGEL, Zeloten 84.87.93-111.

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Fundierung: Gott als König

bar Giora erhob einen deutlich signalisierten Königsanspruch (Bell 7,29-31).173 Die Schilderung des Josephus bleibt an diesem Punkt unklar entsprechend der Tendenz, die jüdische Religion von der Politik zu trennen und so vor römischen Verdächtigungen zu schützen.

2.8 Jüdische Gebete Verschiedene Gebete der Synagoge vollziehen den Lobpreis der Königsherrschaft Gottes oder artikulieren die Bitte um deren Aufrichtung. Die schriftliche Fixierung dieser Gebete ist erst in der rabbinischen Literatur überliefert, so daß im Wortlaut für die beiden Jahrhunderte um die Zeitenwende Unsicherheiten bestehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit enthalten die bekannten Fassungen ältere Traditionen, doch sind diese schwer exakt differenzierbar. Es finden sich freilich die Vorstellungen, die auch von anderen Texten des Untersuchungszeitraums bezeugt werden. Eine von der Mischna an tradierte Beracha verbindet das Thema von Gottes Königsherrschaft durch liturgischen Gebrauch mit dem Schema: Die Antwort der Gemeinde auf die Verlesung des ersten Verses des Schema, der das monotheistische Bekenntnis Dtn 6,4 enthält, besteht aus der Eulogie „Gepriesen sei der Name der Herrlichkeit seiner Königsherrschaft (1123 ΊΓΐΟ^Ο) immer und ewig".174 Israels einziger Gott wird vom Bild der beständigen, machtvollen malkût her gedeutet. Der Gebrauch als Responsion, der bereits in der Zeit des zweiten Tempels möglich ist, weist auf eine weite Verbreitung der Vorstellung im Volk durch häufige Rezitation. Die Gebetsformel OO^Q 13ΌΚ (Selicha) geht offenbar auf tannaitische Tradition zurück und wird in dieser Form Rabbi Akiba zugesprochen (bTaan 25b); die betende Gemeinde redet Gott als „unser Vater, unser König" 173 Vgl. noch die Königsprätendenten Simon und Athronges zu Beginn des 1. Jh. (Ant 17,273-276.278-285). Nach SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 31f. erhielten die Zeloten von einer politisch-militärischen Interpretation der Königsherrschaft Gottes her Motivation. Eine Verbindung der Revolutionäre mit der (göttlichen) Königsherrschaft über Israel setzt auch COLLINS, Kingdom 92 voraus. 174 So mYoma 3,8; 4,1-3; 6,2; vgl. mBer 1,2; tTaan 1,11-13. Dazu ELBOGEN, Gottesdienst 22.26.93. 495; LEHNARDT, Gott 289-292; HEINEMANN, Prayer 77-103.135f.; SCHWEMER, Gott als König 46 Anm. 3; 62 mit Anm. 57; 91f. mit Anm. 132. Deutsch teilweise bei BARRETT/THORNTON, Texte 235.237 (mYoma 3,8; 6,2). - Zur frühen rabbinischen Diskussion um das Schema und seine Deutung auf Gottes Königsherrschaft vgl. LEHNARDT, Gott 288-292; nach mBer 2,2.5 bedeutet das Lesen des Schema das Auf-sich-Nehmen des Jochs der Königsherrschaft Gottes. Zur weiteren Ausgestaltung durch das Motiv in Schema und Qeduscha ebd. 292-306; dabei greift die rabbinische Auslegungstradition auf Ex 15,18 als Zentralbeleg für Gottes ewiges Königsein zurück (ebd. 296-299), wozu TargO, TargPsJon und TargNeo zu Ex 15,18 zu vergleichen sind, wo jeweils das Verb "^Q 1 durch das Abstraktum Π TTD^D ersetzt ist (was Gottes Transzendenz betont).

Frühjudentum

129

an und verbindet damit das Bekenntnis zu Israels Monotheismus („wir haben keinen Gott außer dir").175 Die Amida (das Achtzehngebet) enthält in der ältesten palästinischen Rezension nur in der 11. Bitte die Königsmetapher, 176 wobei die Gebetsanrede „sei König über uns, du allein" die Verwirklichung des Königseins Gottes (im Rückgriff auf Ex 15,18) erbittet und so einen zukünftigen Aspekt erfaßt. Ebenfalls im Blick auf die Zukunft ruft die 14. Beracha das göttliche Erbarmen über Jerusalem herab und verknüpft damit die Verwirklichung der davidischen Königsherrschaft des Gesalbten, so daß der Gesalbte als Mittler und Repräsentant der endzeitlichen Heilsherrschaft Gottes erscheint (vgl. III.9.1). Auch das Qaddisch-Gebet zeigt zukünftige Orientierung, wenn sich die Hoffnung artikuliert: „Seine Königsherrschaft erstehe zu euren Lebzeiten und in euren Tagen und dem Leben des ganzen Hauses Israel bald und in naher Zeit". 177

2.9 Neues Testament Im NT wird die Vorstellung der βασιλεία τοϋ θεού (bzw. των ουρανών) innerhalb der synoptischen Evangelien als zentrale Botschaft Jesu wichtig und findet eingehende Behandlung. Wenn dabei Mk 1,15 das Zentrum der Verkündigung Jesu in dem thesenartigen Satz zusammenfaßt „die Zeit hat sich erfüllt und nahe gekommen ist die Königsherrschaft Gottes" und diesen gleichsam als Überschrift dem Auftreten Jesu voranstellt, wird bereits hier sowohl religions- wie überlieferungsgeschichtlich die Verschränkung zweier unterscheidbarer Gedanken- und Geschichtsebenen sichtbar: Religionsgeschichtlich durchdringen sich die Vorstellungen von der gegenwärtig wirksamen Königsherrschaft Gottes und ihrer zukünflig-eschatologischen Verwirklichung, überlieferungshistorisch formuliert der Evangelist im Kontext seiner literarisch-theologischen Gestaltung die Verkündigung des geschichtlichen Jesus, so daß diese nur vermittelt über die Evangelienschrift greifbar ist. Doch es ist gerade die erstgenannte Spannung, die der Rede Jesu von Gottes niD^Q ihren Charakter verleiht, und die Darstellungen der Synoptiker spie-

175 176

Dazu LEHNARDT, Gott 286; HENGEL, Zeloten 111-114; HEINEMANN, Prayer 200. V g l . BILLERBECK, K o m m e n t a r I V 2 1 1 - 2 1 4 ; SCHÜRER, H i s t o r y II 4 5 5 - 4 6 3 ; LEHN-

ARDT, G o t t 2 8 6 ; ELBOGEN, G o t t e s d i e n s t 2 7 - 6 0 . 5 1 7 ; KUHN, A c h t z e h n g e b e t 1 0 - 2 6 . 4 2 . 177 Deutsch bei BARRETT/THORNTON, Texte 239, die die ursprüngliche Fassung der tannaitischen Zeit zuweisen. Vgl. ELBOGEN, Gottesdienst 92-98; HEINEMANN, Prayer 24f.32. 136.191.256.266f. Später tritt die Bitte um das Kommen des Messias hinzu; vgl. BIL-

LERBECK, Kommentar I 178.

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Fundierung: Gott als König

geln wenigstens in Grundzügen - wie heute weithin anerkannt ist - diese für Jesu Verkündigung prägenden Inhalte.178 Eine Reihe von Aussagen zeichnet Gottes Königsherrschaft als primär zukünftig-eschatologische Größe. Die Makarismen zugunsten der Armen, Hungernden und Weinenden sagen diesen unterprivilegierten Gruppen in der βασιλεία Gottes die entscheidende Wende ihrer negativen Lebensverhältnisse an (Lk 6,20f.).179 Die Wende geschieht in der Zukunft, die Ansage durch Jesus verbürgt die berechtigte Hoffnung und ermöglicht bereits gegenwärtig Freude. Die zweite Bitte des Vater-unser (Lk 11,2; Mt 6,10) blickt ebenso auf die kommende βασιλεία voraus wie die symbolhaltige Rede von Völkerwallfahrt und Gastmahl im Eschaton (Lk 13,28f.; Mt 8,11). Die sogenannten „Einlaßworte" in Mk 9,43-48; 10,15.23; Mt 7,21 formulieren Bedingungen für den Zugang in das eschatologische Reich Gottes, die die Haltung gegenüber Gott und das ethische Handeln betreffen.180 Alle diese Aussagen setzen zu ihrer Verwirklichung die Allmacht Gottes voraus, ohne sie eigens zu thematisieren, was angesichts der Bekanntheit der Vorstellung nicht nötig ist. Eine Trennung von Himmel und Erde findet insofern nicht statt, als sich im Eschaton die Qualitäten beider Sphären einander annähern. Der Heilsskopus der eschatologischen Gottesherrschaft steht stets im Vordergrund, wofür die Makarismen ein besonders signifikantes Beispiel liefern. Das gilt aber auch für die Gerichtsaussage Mt 8,1 If. par Lk 13,28f., die über das drastische Bild vom Ausgeschlossensein Israels aus der Gottesherrschaft doch wieder Bekeh-

178

Im einzelnen kann ich auf die historische Frage nicht näher eingehen; die Grundlinien des folgend Dargestellten sind jedoch als Botschaft des historischen Jesus gesichert. Einen Überblick über die Thematik (und die zahlreiche Literatur) bieten THEIBEN/MERZ, Jesus 2212 5 3 ; BECKER, J e s u s 1 0 0 . 1 2 2 - 2 3 3 ; CONZELMANN/LINDEMANN, A r b e i t s b u c h 4 7 4 - 4 7 7 ; LEROY,

Jesus 70-78; vgl. auch BROOKS, Kingdom (1998), besonders 25-32; WOLTER, Gottes reich (1995), 7f. 12-19 (zu Jesus und den Modifikationen der ersten christlichen Schriften); MERKLEIN, B o t s c h a f t ( 1 9 8 3 ) ; OERS., H a n d l u n g s p r i n z i p

17-45.115-125.146-166;

GIESEN,

Herrschaft 35-86; f e m e r HODGSON, K i n g d o m (1987); MICHAELS, K i n g d o m (1987). 179

Vgl. Mt 5,3f.6; der Vergleich beider Stellen zeigt die Überlieferung als Bestandteil von Q, wobei die Interpretation bei Mt weiter fortgeschritten ist. Bereits das Akrostichon Ps 145 verbindet Gottes ewige Königsherrschaft mit seinem Erbarmen gegenüber den Schwachen. In der frühjüdischen Tradition steht die Gottesherrschaft in enger Verbindung mit dem Heil des unterdrückten Volkes. - Die Armen, Hungernden und Weinenden können als Symbolgruppen für das gesamte leidende Israel als Empfänger des bedingungslosen Heilszuspruchs stehen; vgl. MERKLEIN, Botschaft 45-47; WOLTER, Gottes reich 12f. 180 Auch das eschatologische Abendmahlswort Mk 14,25 par Mt 26,29 par Lk 22,18 erwartet die βασιλεία als (nahe) zukünftige Größe. - Die Verbindung der Erwartung des unmittelbaren Anbruchs der Königsherrschaft Gottes mit der lokalen Nähe zu Jerusalem in Lk 19,11 nimmt das traditionelle Element der Israelzentrik, die Jerusalem (und den Tempel) als Mittelpunkt der Gottesherrschaft impliziert, auf.

Friihjudentum

131

rung und Teilhabe am Heil intendiert.181 Während keine Aussage über die endzeitliche βασιλεία eine strikte Israelzentrik in nationaler Fixierung propagiert, wird eine solche in Mt 8,10-12 par Lk 13,28f. vollends aufgebrochen, wenn die Völker die Teilnehmer am endzeitlichen Mahl in Gottes βασιλεία stellen.182 Eine (militärische) Vernichtung oder Unterwerfung der Heiden tritt nirgends in den Blick. Damit übereinstimmend enthalten die Bedingungen zum Eintritt in die Gottesherrschaft gerade keine Orientierung am jüdischen Ritual und Kult, die die jüdische Identität befestigen, sondern Forderungen der Ethik und der Haltung gegenüber Gott und Menschen. Charakteristisch für die Verkündigung Jesu erweist sich jedoch der in Person und Auftreten Jesu schon gegenwärtig eingesetzte Anbruch dieser eschatologischen Gottesherrschaft, so daß sich futurische Erwartung und präsentische Erfahrung verbinden.183 Lokal betrachtet, wird die himmlisch antizipierte Heilsrealität bereits irdisch wirksam.184 Bezeichnenden Ausdruck findet diese Überzeugung in der Qualifizierung der Exorzismen Jesu als in der Gegenwart erfahrbarer Anbruch der göttlichen βασιλεία in Lk 11,20; Mt 12,28, die damit bereits in der Welt begonnen hat und sichtbare Zeichen setzt.185 Die im Kontext diskutierte Vollmachtsfrage zeigt Jesus als bevollmächtigten Repräsentanten der Königsherrschaft Gottes. In gleichem Sinne bringt Lk 10,9 die Heilung von Kranken mit der unmittelbaren Nähe der βασιλεία zusammen.186 Die Vision vom Satanssturz in Lk 10,18 demonstriert das Ende des Teufels und damit der Unheilszeit und verbildlicht den Beginn

181

Der Gerichtsgedanke warnt vor einer blinden Heilssicherheit und lenkt hin zur berechtigt empfundenen Hoffnung. Durch diese Einschränkung der Heilsgabe wird der Mensch mit seinem Wollen und Handeln (in moderner Sprache: Freiheit) einbezogen. 182 Der Aspekt deutet sich bereits in Lk 4,18f. an, wenn Lk das Zitat aus Jes 61,If. vor den Aussagen über Rache und Tröstung, die Israel gegenüber den Heiden präferieren, abbricht; dazu WOLTER, Reich 5 5 5 . Vgl. auch die symbolisch zu verstehende Größe des Baumes in Lk 13,18f. und die Einladung der Außenstehenden in 14,22f. 183 Die Gegenwärtigkeit der βασιλεία, die in Jesus selbst anbricht, heben z.B. auch HENGEL/SCHWEMER, Königsherrschaft 10-12 als Eigentümlichkeit der Lehre Jesu hervor; vgl. BROOKS, Kingdom 28f.35f. Den futurischen Aspekt betont (zu einseitig) MICHAELS, Kindom 110-113. 184 Vgl. zur räumlichen Verwirklichung himmlischer Realität auf Erden in bezug zu Lk 1 1 , 2 0 WOLTER, Reich 5 5 0 . 185 Der Aorist εφθασεν (in beiden Belegen) meint keinen mit Gewißheit vorherverkündeten Anbruch im Sinne des hebräischen Perfectum propheticum, sondern eine bereits ereignete Wirklichkeit. Vgl. auch den Gebrauch des Verbs in 1 Thess 2,16; 4,15. Dazu THEIBEN/ MERZ, Jesus 236f. 186 Der Aorist ήγγικεν bezeichnet ein schon ereignetes Geschehen, d.h. die Annäherung ist vollzogen, die Königsherrschaft Gottes da.

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Fundierung: Gott als König

der Heilsherrschaft, die nun mit Gewißheit begonnen hat.187 Das Beelzebulgespräch Mt 12,22-30; Lk 11,14-23 kontrastiert das Reich Gottes dem des Satans, wobei die Überwindung des „Starken" in Jesu Exorzismen die präsentische Geltung des Gottesreichs signalisiert. Der sogenannte „Stürmerspruch" (Mt ll,12f.; Lk 16,16) impliziert ein Epochenschema, das ab Johannes dem Täufer die Präsenz der Gottesherrschaft erkennt, die nun „mit Gewalt ergriffen" werden kann.188 Die Erfüllung in der Gegenwart wird in der Frage nach dem Fasten Mk 2,18-20 deutlich, da die gegenwärtige Anwesenheit des Bräutigams ein Fasten unsinnig macht. Das präsentische Verständnis der Gottesherrschaft erhellt schließlich aus Lk 17,20f., wo die Frage nach deren Kommen mit dem Dasein „inmitten" (εντός) der Menschen beantwortet wird. Ob damit eine lokale oder eher spirituelle Anwesenheit gemeint ist, bleibt unklar und verweist in dieser Rätselhaftigkeit auf die ganz eigene Art der βασιλεία bei Jesus, die sich nicht mit unübersehbaren kosmischen oder militärisch-politischen Ereignissen durchsetzt, sondern Offenheit für die Erfahrung voraussetzt und an der Person Jesu festmacht. Eine Verbindung der beiden an sich widersprüchlichen Zeitaspekte von Gegenwart und Zukunft lassen die Gleichnisse vom Senfkorn (Mk 4,30-32 par Mt 13,31 f. par Lk 13,18f.) und von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,2629) erkennen, die als „Wachstumsgleichnisse" die βασίλεια τοϋ θεού (Mk 4,26.30) erläutern: Die Königsherrschaft Gottes entwickelt sich aus einem verborgenen Anfang heraus, das kleine Pflänzchen des Anfangs deutet auf die Größe der ausgewachsenen Pflanze; die basileia hat in der Gegenwart schon begonnen, so unscheinbar der Beginn auch sein mag, und wird sich in der Zukunft in voller Größe verwirklichen.189 Eine solchermaßen ausgesagte präsentische Verwirklichung der eschatologischen basileia verleiht Jesus im Frühjudentum singulare Züge; nur bei Jesus hat die eschatologische Herrschaft schon gegenwärtig begonnen. Die präsentische Durchsetzimg enthält einen außerordentlichen Anspruch Jesu, der Gottes Herrschaft unmittelbar und untrennbar mit seiner Person verbindet (vgl. nur Lk 11,20). Die Integra1,7 Zum Ende des Teufels vgl. AssMos 10,1; TestDan 5,10f.; Joh 12,31; 16,11; Offb 12,9. Die Geschichte von der Versuchung Jesu (Mt 4,1-11; Lk 4,1-13; vgl. Mk 1,12f.) läßt sich als narrative Darstellung der Gewißheit von der Überwindung des Satans lesen. 188 Dabei spielt es für unseren Zusammenhang keine Rolle, ob das eifrige Hineindrängen aufgeschlossener Menschen oder eine gewalttätige Gegnerschaft (vielleicht auch eine Anspielung auf die Zeloten) vermittelt werden soll; im LkEv klingt die erste, im MtEv die zweite Möglichkeit stärker an. - Vgl. auch Mt 11,11 par Lk 7,28: Der Täufer stellt den Wendepunkt dar, ab dem die Gottesherrschaft präsent ist. 189 Die Verbindung von Gegenwart und Zukunft prägt auch die Struktur des Vater-unser (Lk 11,2-4; vgl. Mt 6,9-13), in dem die beiden du-Bitten (die Reich und Willen Gottes betreffen) in die Zukunft weisen, die drei wir-Bitten (um Brot, Vergebung und Führung) auf die Gegenwart Bezug nehmen.

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tion der Person Jesu Christi an entscheidender Stelle bewirkt eine Modifikatio n der traditionellen Denotation der Begrifflichkeit. 1 9 0 B e s t i m m e n d für das ntl Verständnis der β α σ ι λ ε ί α Gottes ist also die Person Jesu selbst, w o m i t der frühjüdisch wiederholt konkretisierte Gedanke einer Mittlergestalt eine spezifische Ausprägung erhält: Ein ans Irdische gebundener Mensch vermittelt autoritativ Gottes Herrschaft! 191 Anders als in der Tradition trägt er w e d e r militärische n o c h himmlisch-übernatürliche Züge, worin eine Modifikation der überlieferten Vorstellung auftritt. Einzig i m heilenden Wunderwirken Jesu finden übernatürliche Elemente ihren Niederschlag, w a s w i e d e r u m der Tradition fremd ist und den Heilsaspekt pointiert. Im Laufe der christlichen Überlieferung gelangten freilich zusehends die Z ü g e des h i m m l i s c h e n Gott e s s o h n e s ins B i l d (dazu III. 10). S o kann Lk 2 3 , 4 2 i m Hinblick auf Christus als Erhöhten v o n der β α σ ι λ ε ί α Jesu sprechen, die hier eine der irdischen Erfahrung n o c h verborgene h i m m l i s c h e Realität darstellt. - D i e V e r w e n d u n g der ß a a i X e i a - B e g r i f f l i c h k e i t zeigt ein stärker d y n a m i s c h e s als lokal-statis c h e s Denotationsfeld, 1 9 2 w a s sich adäquat in der deutschen Übersetzung mit ,.Königsherrschaft" spiegelt. Freilich ist immer auch eine lokale K o m p o n e n t e 190 Die Bindung der basileia an Jesus Christus und die Revision der traditionellen Israelzentrik sind im lk Werk als Zentralelemente der Interpretation erkennbar, wozu noch die (der „nachösterlichen" Situation des Lk entsprechende) Kerygmatisierung des Konzepts und der Gedanke des Besitzverzichts als sozialethische Relativierung der Israelzentrik (und damit Neudefinition der Teilhabe) treten. Diese Akzente in LkEv und Apg arbeitet WOLTER, Reich 549-561 heraus. 191 Es ist der irdische Jesus, der in Lk 4,43 die spezifische Aufgabe der Verkündigung der basileia Gottes ausübt; der Kontext von Lehre und Wundern (4,31-41) verbindet diese mit Jesu Stellung als „Gesalbter" (4,41) und der basileia, die er auf diese Weise und in solcher Funktion repräsentiert. Auch Lk 23,42 stellt eine direkte Verbindung von Jesus und der Königsherrschaft Gottes her, wobei Jesu Erhöhung bereits im Blick ist. - Ich sehe meine Interpretation auch in grundlegender Übereinstimmung mit WOLTER, Gottes reich 14f., der die Identifikation des Wirkens Jesu mit der irdischen Durchsetzung der himmlischen Königsherrschaft Gottes als „semantische Innovation der traditionellen Vorstellung an einem ganz zentralen Punkt" (14) klassifiziert. Doch sollte man nicht der „Gegenwärtigkeit des Zukünftigen" die „irdische Präsenz des Himmlischen" (14) gegenüberstellen, denn die Einheit von himmlischer und irdischer Wirklichkeit der göttlichen basileia ist gerade ein eschatologischer Akt, der in Jesus gegenwärtig beginnt. Jesus als Repräsentant der basileia fällt auch weniger in der Durchbrechung des alleinigen Tuns Gottes - das Jesus selbst festhält, weil er ja nur einen Beginn verkörpert - aus dem Rahmen, sondern durch sein Proprium als einfacher Mensch ohne „durchschlagende" göttliche Ausstattung und Durchsetzungsweise. Stärker als Wolter akzentuiere ich den Anbruchscharakter des Tuns Jesu. - Das MtEv kann dann auch Petrus (Mt 16,19) bzw. allen Jüngern (18,18) eine Mittlerfunktion zuschreiben, wenn „Binden" und „Lösen" auf Erden Auswirkung auf die himmlische Wirklichkeit besitzen; die βασιλεία των ουρανών gilt dabei als zukünftig-himmlische Größe. Vgl. z.B. BROOKS, Kingdom 29. 192

S o a u c h BROOKS, K i n g d o m 21; MERKLEIN, B o t s c h a f t 38f.

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gegeben, denn die konkret angesprochene Verwirklichung der Herrschaft bedarf eines Ortes auf Erden; so wird gelegentlich in Abhängigkeit von der Intention der Aussage auch vom „Reich Gottes" gesprochen werden dürfen. Gehört die abstrakte Redeweise von der Königsherrschaft Gottes ins Zentrum der Verkündigung Jesu und der synoptischen Evangelien, fällt demgegenüber das Fehlen der personalen Anrede Gottes als „König" auf. Stattdessen benutzt Jesus den Begriff „Vater" (vgl. nur das Vater-unser), womit Nähe und Heilsabsicht Gottes sowie seine Fürsorge für die Menschen innerhalb der Welt akzentuiert werden.193 Freilich kann natürlich auch die Vater-Anrede im zeitgeschichtlichen patriarchalen Kontext Gottes Autorität und Handlungsmacht voraussetzen. Im JohEv begegnet das Syntagma βασιλεία του θεοί) nur in 3,3.5 beim Dialog zwischen Jesus und Nikodemus, während in 18,36 Jesus gegenüber Pilatus von seiner βασιλεία spricht. Der formal gemeinsame Kontext des Gesprächs (Dialog, Verhör), die jeweils rätselhafte Antwort Jesu und die an 3,3.5 anschließende Hinfuhrung zur wesenhaften Verbindung Jesu (des „Menschensohnes" bzw. des „einziggeborenen Sohnes", 3,13f.l6) mit der Gottesherrschaft deutet implizit eine Identität der beiden Größen basileia Gottes und basileia Jesu an.194 Im „Eingehen" (3,5) und „Schauen" (3,3) in bezug auf die basileia finden sich die frühjüdisch bezeugten Zeitfaktoren von Zukunft und Gegenwart wieder, wobei beide im Anbruch des Eschaton in Jesus ineinander übergehen, ohne gänzlich ineinander aufzugehen. Die βασιλεία Jesu (18,36) reflektiert eine gegenwärtige Erfahrung, die nicht ihren Ursprung, wohl aber ihren Ort (auch) in der Welt hat. Der Repräsentationsgedanke erfährt in der christlichen Interpretation des JohEv seine höchste Steigerung.195 Die Apg spricht von Gottes Königsherrschaft überwiegend als terminologisch kompakte Zusammenfassung der gegenwärtigen christlichen Lebensqualität, wobei im Kontext meist die Verkündigung von Jesus Christus korreliert ist (Apg 8,12; 19,8; 20,25; 28,23.31); im Zusammenhang mit 8,12 werden in 8,6-8 Verkündigung und Wundertätigkeit des Philippus dargestellt, was deutlich die präsentische Wirklichkeit der Herrschaft signalisiert. Die basileia zeigt sich christologisch bestimmt.196 In Apg 14,22 erscheint die 193

Zu diesem Akzent der Gottesanrede vgl. H E N G E L / S C H W E M E R , Königsherrschaft 14f., die einen Wandel im Gottesbild konstatieren. 194 Das zeigt H E N G E L , Reich Christi 178f. Im Einklang damit kann das JohEv Jesus häufig als „König" (Israels/der Juden) titulieren; vgl. nur Joh 1,49; 12,13.15; 18,33.37.39; 19,3. 12.14f. 19.21 ; dazu unten III.10.3. Vgl. Lk 23,42 die Rede von Jesu βασιλεία. 195 Vgl. nur Joh 14,9 „wer mich sieht, der sieht den Vater". 196 Die narrative Darstellung der beiden lk Bücher bringt eine unterschiedliche Artikulation der inhaltlichen Dimension der basileia, aber auch eine grundlegende Kontinuität mit

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göttliche βασιλεία als zukünftige Größe in räumlicher Statik, in die man „hineingehen" kann, und motiviert als Zielbild zur Beständigkeit im Glauben. Die in 1,6 angefragte βασιλεία fur Israel stellt eine sich irdisch-politisch verwirklichende eschatologische Größe dar, deren Aufrichtung vom auferstandenen Jesus erwartet werden kann und in deren Zentrum traditionsgemäß Israel steht; der Auftrag zur Zeugenschaft in 1,8 weitet freilich dann die Perspektive über Israel hinaus 'έως έσχατου της yfjç, womit sachlich - entgegen der frühjüdischen Konzeption - die Heidenwelt heilsgeschichtlich umfaßt ist. Die am Schluß der Apg geschilderte Verkündigung der Gottesherrschaft durch Paulus (28,23.31) wendet sich zunächst an die römischen Juden (V. 23), greift dann aber auf alle Interessierten aus (VV. 30f.). Entsprechend dem narrativen Fortschritt der Apg wird zwischen beiden Nennungen mit dem Zitat von Jes 6,9f. (LXX) Israels Verstockung und die Heilsverlagerung zu den Heiden zum Programm erhoben (28,25-28), so daß der potentielle Einbezug der Heiden ins Heil, ja deren Gleichstellung als Heilsadressaten (V. 28) unter Verlust der traditionellen Israelzentrik zu den Konnotationen der basi/ei'a-Verkündigung hinzutritt;197 dies ist am Ende der Apg als Ergebnis des heilsgeschichtlichen Ausgriffs auf die Heiden erkennbar. Paulus greift den Zentralbegriff der Verkündigung Jesu eher am Rande auf. 1 Thess 2,12 motiviert die Mahnung zum gottgefälligen Leben mit der Berufung der Glaubenden zu Gottes eigener βασιλεία und Herrlichkeit, die dabei als zukünftig erreichbarer Heilsraum zu denken ist.198 Die βασιλεία dient als Bild für den noch zu erlangenden Heilszustand in der Gemeinschaft sich: Während im LkEv Jesus Gottes Herrschaft ankündigt und deren Anbruch kausal mit seiner Person verbindet, ist in der Apg die basileia christologisch konnotiert und hält damit die Bindung an Jesu Person auch in der Verkündigung der Zeugen durch. Wenn WOLTER, Reich 551f. die Differenz betont (die v.a. in der christologischen Näherbestimmung der Apg besteht), vernachlässigt er m.E. den jeweiligen narrativen Ort der Aussagen. Entsprechend problematisch erscheint es mir, nach Jesu Erhöhung nur noch die Möglichkeit der Verkündigung der basileia einzuräumen (WOLTER, Reich 551), die in der Gegenwart des Lk als rein himmlische Größe, deren Kommen noch aussteht, zu betrachten wäre (ebd. 561f.). Konstitutiv für das öasi/ef'a-Verständnis des Lk ist der Charakter des Anbruchs in Jesus, der sich so einerseits in der Geschichte der Evangeliumsverkündigung stimmig fortsetzt (vgl. in der Sache das Wirken des Geistes), andererseits den Blick auf die endgültige Erfüllung und Verwirklichung öffnet. 197 Dazu WOLTER, Reich 543.548f.558-561 (der 558 eine „konsequente Fortschreibung" der basileia-Verkündigung Jesu des LkEv in der Apg festhält); DERS., Gottes reich 18. - Die Modifikation der traditionellen Semantik durch die gleichberechtigte Heilsstellung der Heiden ermöglicht die theologische Integration des lk Konzepts der heilsgeschichtlichen Kontinuität, die zwischen Israels Verheißungen, dem Auftreten Jesu und der Zeit der christlichen Gemeinden besteht; zu diesem Konzept auch SCHREIBER, Wundertäter 153-157. 1,8 Vgl. 2 Thess 1,5; 2 Tim 4,18. Ferner 2 Petr 1,11. - Hebr 1,8 und 12,28 benutzt die Vorstellung im Sinne zeitloser Theokratie.

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mit Gott. Der Kontext des apostolischen Evangeliums (2,1-16) verbindet die Aussicht auf Eintritt in die heilvolle βασιλεία eng mit der persönlichen Übernahme des Glaubens an Christus, der so in vermittelnder und repräsentierender Position erscheint. Anders benutzt Paulus in 1 Kor 4,20 die Metapher von Gottes Königsherrschaft zur Bezeichnung der gegenwärtigen christlichen Lebenswelt, die nicht él·- λόγω, sondern èv δυνάμει existiert.199 Christliches Dasein besitzt königliche Qualität und eine spezifische Kraft aus der neueröffneten Heilsstellung zu Gott, was Konsequenzen für das konkrete Verhalten fordert. Wieder verleiht der Kontext des Evangeliums Jesu Christi (4,15) der βασιλεία ihre eigentümliche Gestalt.200 Diese bereits gegenwärtige besondere Qualität des Lebens setzt auch Rom 14,17 voraus, wenn die βασιλεία του θεοί) nicht „Essen und Trinken", sondern „Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist" bedeutet. Die ethische Komponente ist hier ebenfalls unverkennbar. Der darin erkannte „Dienst" für Christus (14,18) bewirkt Wohlgefallen vor Gott, so daß Christus als verbindendes Glied und Repräsentant angedacht ist. Die weiteren pln Belege verorten die βασιλεία Gottes in der Zukunft: Das „Erben der Königsherrschaft" Gottes (κληρονομέω βασιλείαν) bezeichnet im Futur den kommenden Heilsaspekt und knüpft sich an ethische Bedingungen (1 Kor 6,9f.; 15,50; Gal 5,21).201 Als Ermöglichung zum Eintritt in das Reich nennt der Kontext in 1 Kor 6,11 Reinigung, Heiligung und Rechtfertigung durch Jesus Christus, der so eine Vermittlerrolle übernimmt, die bereits gegenwärtig Gültigkeit besitzt. Nach 1 Kor 15,57 schenkt Gott entsprechend den endzeitlichen Sieg durch Christus. Die zu Christus Gehörigen sind laut Gal 5,24 zur Überwindung der Sünde befähigt; Christus erscheint als wirkmächtiger Repräsentant des göttlichen Heilswillens. Paulus kennt und benutzt die beiden frühjüdischen Denkweisen der Königsherrschaft Gottes, die präsentische und die zukünftige, und verbindet damit Fragen christlicher Ethik und Identität.202 Besonderes Gewicht erhält dabei die Gestalt Jesu Christi als Repräsentant und Vermittler der Heilswirklichkeit der βασιλεία, deren Anwesenheit auch für Paulus bereits die Gegenwart prägt, ohne den eschatologischen Vorbehalt aufzuheben. Die exklusive Bindung der Königsherrschaft Gottes an Christus hält sich von Jesus her 199

Vgl. 1 Kor 4,8, wo das βασιλεύειν ebenfalls den christlichen Lebensvollzug umschreibt und dabei über die Terminologie einen Akzent auf die besondere königliche Stellung des Christen (nämlich auf der Basis seiner neuen Gottesbeziehung) setzt. 200 Kol 4,11 kann dann - singular im NT - wohl im Sinne der Evangeliumsverkündigung Missionare als συνεργοί an Gottes βασιλεία klassifizieren. 201 Vgl. Eph 5,5; Jak 2,5. 202 Den paränetischen Kontext der pln Verwendung betont HAUFE, Reich Gottes 467-472; vgl. WOLTER, Gottes reich 16f.

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durch, so daß die ntl Christologie zur hermeneutisch adäquaten Fortschreibung und konsequenten Interpretation der Verkündigung Jesu wird.203 Der personale Bezug der Gottesherrschaft ist nicht mehr durch die traditionelle Israelzentrik, sondern die Zugehörigkeit zu Christus bestimmt, was seinen historischen Hintergrund in der christlichen (pln) Heidenmission und der Trennung der christlichen Gemeinden von der Synagoge findet. 204 Das personale Substantiv βασιλεύς wendet das NT - vielleicht als Folge des Fehlens in der Verkündigung Jesu und deren Überlieferung - nur selten explizit auf Gott an. Von Gott als „König" ist ungleich seltener die Rede als von seiner Königsherrschaft, wobei meist eine mehr oder weniger direkte Verbindung zu Christus hergestellt wird. Drei Stellen belegt das MtEv: In Mt 5,35 findet sich im Kontext des Schwurverzichts der Hinweis auf Jerusalem, das im Anklang an Ps 48,5 als „Stadt des großen Königs" bezeichnet ist. „König" umschreibt hier lediglich den Gottesbegriff, ohne thematisches Gewicht zu tragen, und enthält die zeitlose Herrschaft Gottes, die sich traditionell besonders in seiner heiligen Stadt (und dem Tempel) manifestiert. Das mt Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger (Mt 18,23-35) verweist in der Gestalt des Königs auf Gott, der Schuld vergibt und entsprechend Vergebung der Menschen untereinander einfordert. Der König trägt richterliche Züge. Den Gott darstellenden König rückt ebenfalls das mt Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl (Mt 22,2-14), das die göttliche βασιλεία beschreibt (22,2), in den Mittelpunkt, wobei dieser seine Kriegsmacht ausspielt und in Strafe und Belohnung wiederum eine Gerichtsfunktion ausübt. Gegenwärtige und zukünftige Ausübung der Herrschaft verbinden sich in der Bedeutung und Auswirkung des präsentischen Handelns des Menschen für das endzeitliche Gericht. Jesus selbst ist in die Aufrichtung der basileia nur indirekt involviert durch seine Vollmacht zur autoritativen Verkündigung, die das MtEv im Kontext voraussetzt; eine eigentliche aktive Mittlerrolle im Geschehen wird nicht deutlich. Erst der 1 Tim verwendet die Vorstellung wieder und preist Gott in 1,17 als βασιλεύς των αιώνων, wobei dessen Unsterblichkeit, Unsichtbarkeit und Einzigkeit zeitlose Erhabenheit und Transzendenz signalisieren. Im Kontext spricht der Verf. über Christus als Vermittler der göttlichen Gnade (1,12-16). Der Hymnus 1 Tim 6,15f. nennt Gott βασιλεύς των βασιλευόντων und verbindet damit herrscherliche Macht, Unsterblichkeit und absolute Unzugänglichkeit. Diese wiederum überzeitliche Hoheit und Transzendenz denotie203

Das wird auch i m JohEv (3,3-5 und

18,36) u n d in der A p g (8,12;

19,8;

20,25;

28,23.31 im jeweiligen Kontext) deutlich. Vgl. WOLTER, Gottes reich 19. 204 Vgl. zu diesem Kontext auch WOLTER, Gottes reich 16f., der ebd. 19 in bezug auf den Aspekt der Israelzentrik eine (zu) markante Trennungslinie zwischen Jesu i a í ¡7e¿ü-Verkündigung und der frühchristlichen Interpretation zieht.

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Fundierung: Gott als König

rende Prädikation ist in dieser Form aus der LXX und dem Frühjudentum bekannt und verdankt sich dem Einfluß orientalischer Hofideologie. 205 Die erwartete Parusie Jesu Christi gilt als Tat dieses königlichen Gottes (6,14f.), womit die Erscheinung Jesu zur Parusie Gottes eschatologische Herrschaft vermittelt. Offb 15,3 besingen die Sieger über den Kaiserkult Gott als βασιλεύς των εθνών (vgl. Jer 10,7)206 und verbinden damit Gottes Größe, Allmacht, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Als Herr über alles besitzt Gott auch Macht über die Heidenvölker, deren Gericht Heil für Gottes Volk impliziert. Die endzeitlich orientierte Aussage steht ganz auf jüdischem Boden.207 Offb 11,15 nennt die kosmische Königsherrschaft Gottes und des Christus, wobei Gott auf ewig herrschen wird; Christus partizipiert daran als bevollmächtigter Repräsentant - entsprechend kann Christus selbst in Offb 17,14 und 19,16 als „König" tituliert werden. Auch Offb 12,10 spricht von Gottes βασιλεία, 19,6 vom „Herrschen" Gottes.208

2.10 Ergebnis Die atl fundierte Tradition von Gott als König lebt in frühjüdischer Zeit fort, wobei man sich häufig eine im politischen Bereich wirksame, endgültige Manifestation der Macht Gottes erhoffte, so daß die Herrschaft Gottes die herrschende politische Gewalt ablösen würde.209 Die Kriegsrolle von Qumran 205

Vgl. Ez 26,7; Dan 2,37; Esr 7,12 für politische Könige; für Gott Dan 2,47; 4,37 (LXX); 2 Makk 13,4; 3 Makk 5,35; äthHen 9,4; 84,2; Philo, Cher 99; SpecLeg I 18. Zur persischen Königsideologie vgl. MÜLLER, König 27.37-41. 206 Vgl. auch zum „Lied des Mose" (Offb 15,3) Ex 15,18, wo Gottes ewiges Herrschen als König (Partizip βασιλεύων in der LXX) nach der Rettung aus dem Schilfmeer besungen wird. 207 Vom Thron Gottes spricht Offb 3,21; 4,2-11; 5,1.6f.l 1.13; 6,16; 7,9-11.15; 8,3; 12,5; 14,3; 16,17; 19,4f.; 20,1 lf.; 21,3.5; 22,1.3. Das Bild vom himmlischen Thronsaal prägt die Darstellung und zeichnet Gott in seiner königlichen Allmacht, die er im Gericht den Gegnern und im Heil/Lohn den Getreuen zuwendet. 208 Die aufgrund der Datierungsunsicherheit schwierige Frage nach den Targumim kann ich hier nicht angehen; der Ertrag führt in der Sache ohnehin nicht weit über die frühjüdischen Zeugnisse hinaus; dazu CAMPONOVO, Königtum 401-436; speziell zu TargJon CHILTON, Glory 77f.; COLLINS, Kingdom 93f. Prinzipiell vorsichtig auch LATTKE, Vorgeschichte 14. Ein Charakteristikum: Die in TargJon die verbale Formulierung „Gott wird herrschen" ablösende Phrase „offenbaren wird sich die Königsherrschaft Gottes" stellt eine Abstraktbildung dar, die Gottes Souveränität vor direkter Anrede schützt und eine eschatologische Perspektive betont. 209 Dazu MAIER, Zwischen 194f.; ferner COLLINS, Kingdom 95.

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faßt den Gedanken in der Form des endzeitlichen Krieges, den Gott mit seinen Scharen siegreich fuhrt (vgl. 1QM XII 7-18). Die biblischen Vorstellungen des Thronens Gottes im Himmel, seines Herrseins über Schöpfung und Kosmos, seiner Heilsabsicht mit Israel und seines irdischen Ortes im Jerusalemer Tempel finden sich auch in frühjüdischen Schriften. Die fast durchgängige Israelzentrik (Ausnahmen: Sib 3; Weish; NT; ansatzweise Philo) bestimmt Israel personal und lokal als Herrschaftsbereich des Königs.210 Nach wie vor wird Gottes Gegenwart im Tempel in einigen Schriften mit dem Bild des thronenden Königs beschrieben, wobei die Grenzen zwischen irdischer und himmlischer Wohnung Gottes verschwimmen (vgl. die Sabbatlieder von Qumran).211 Die schon im hebräischen Kanon bekannten Zeitachsen der gegenwärtig-zeitlosen und der zukünftigen Gottesherrschaft werden weiter beschritten, wobei die zukünftige irdische Verwirklichung der zeitlosen himmlischen Wirklichkeit korrespondiert. Zwischen beiden Zeitfaktoren besteht kein Gegensatz, vielmehr bedingen sich die Vorstellungen gegenseitig und gehören zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille. Das Verhältnis läßt sich theoretisch so denken, daß die zeitlose Theokratie Gottes (im Himmel) die Grundlage und Voraussetzung bietet für die zukünftige (irdische) Verwirklichung,212 und diese wiederum erst die Rede von der himmlischen Herrschaft durch irdischen Anteil bedeutungsvoll macht. Das eschatologische Hervortreten der Gottesherrschaft bedeutet deren auch irdische Durchsetzung mit Endgültigkeit. Die Differenzierung zwischen irdisch erst noch zu erhoffender Verwirklichung und im Himmel bereits gegenwärtiger Wirklichkeit der malkût erlaubt Wahrnehmung und Integration aktueller Geschichtserfahrung, die im krassen Kontrast zur ersehnten Heilsherrschaft steht. Das damit eröffnete Bewußtsein über die geschichtliche Realität kann vor Ideologisierung religiöser Ideen bewahren.

210

Die von SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 23-32.38-45 praktizierte Differenzierung zwischen traditionell-nationaler und apokalyptischer Eschatologie trennt Verwandtes zu rigoros und übersieht, daß auch apokalyptische Schriften primär an der Rettung Israels bzw. eines Restes daraus interessiert sind. Zur Israelzentrik auch WOLTER, Gottes reich 10; DERS., Reich 545-547. 211

212

V g l . MAIER, Z w i s c h e n 197.

Mit HENGEL/SCHWEMER, Königsherrschaft 7f.; gegen CAMPONOVO, Königtum 439. Da die Heilszeit im Himmel quasi schon antizipiert wird, besteht auch keine prinzipielle Unvereinbarkeit zum apokalyptischen Gedanken des neuen Äons; gegen MERKLEIN, Handlungsprinzip 114. SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 32 verbindet dabei Israels Geschichte, Gegenwart und Zukunft. COLLINS, Kingdom 95 betont die eschatologische Manifestation; vgl. auch WOLTER, Gottes reich 11 (als Wiederherstellung der Einheit von irdischer und himmlischer Wirklichkeit).

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Fundierung: Gott als König

Die Vorstellung der malkûtlbasileia Gottes läßt sich als Metapher charakterisieren, 213 deren Bildwelt die Zentraldenotation umfassender, universaler Macht enthält. Gottes Allmacht über Himmel und Erde begründet die Bitte um Rettung aus (meist lebensbedrohender) Gefahr; Gottes Macht rechtfertigt Israels Hoffnung. Diese gedankliche Struktur erhellt die pragmatische Funktion der König-Metapher: An deren Grundkonstanten können die Rezipienten ihre Assoziationen, Phantasien und Hoffhungen anschließen, was Rezeption und Aneignung ermöglicht und darin die jüdische Identität stärkt. Eine funktional ähnliche Orientierung besitzt die mit Gottes Königsein teilweise verbundene Macht zur endzeitlichen Totenerweckung (2 Makk 7,9; Weish 3,8; 6,20f.; TestBen 10,7). Wenn die Vorstellung vom Königsein Gottes auch nicht als Hauptthema frühjüdischer Literatur bezeichnet werden kann, gewinnt sie doch in etlichen Schriften zentrale Bedeutung als Vergewisserung der auf Gott gesetzten Heilshoffnung (Dan; Sib 3; Sabbatlieder; PsSal 2; 5; 17; AssMos; NT) und erfahrt in zahlreichen weiteren Schriften eine punktuelle Beanspruchung. Die Verbreitung über verschiedene Schriftengruppen und die Möglichkeit knapper terminologischer Evozierung zeigen die allgemeine Bekanntheit und weite Verbreitung der Basisvorstellung. 214 Die anzunehmende Benutzung der heiligen Schriften Israels und besonders der Jahwe-König-Psalmen, die die Vorstellung häufig reflektieren, verstärkt diesen Eindruck. Immer wieder begegnet die Vorstellung im Kontext eines Gebetes oder einer liturgischen Handlung, was einen Sitz im Leben im jüdischen Gebetsschatz als Anrede 2,3 CAMPONOVO, Königtum 437-440 bevorzugt hingegen den Symbolbegriff zur Charakterisierung und betont, daß es sich dabei in den frühjüdischen Schriften nicht um eine systematische Darstellung handelt. Während letzteres richtig gesehen ist, bleibt der Symbolbegriff schwierig: Die innere Verbindung zwischen Symbol und Symbolisiertem ist unsicher, der Charakter der Abbildlichkeit einer sonst nicht oder nur schwer aussagbaren Wirklichkeit wird nicht deutlich. Besser spricht man von Metapher, da damit die Übertragenheit und Analogie der Vorstellung verbalisiert ist und die Anknüpfung an eine kulturell verbreitete Basiskonzeption zum Ausdruck kommt. Vgl. zur Kritik am Symbolbegriff auch HENGEL/SCHWEMER, Königsherrschaft 5f., die in der König-Vorstellung fur Gott eine grundlegende Metaphorik erkennen. Diese steht freilich schon in der Antike zu ihrem irdischen VorBild in deutlicher Diskrepanz. Von Metapher sprechen auch GIESEN, Herrschaft 5.18; MICHAELS, Kingdom 111; WOLTER, Gottes reich 5f. 214

Anders CAMPONOVO, Königtum 437, der die untergeordnete Rolle des Themas in der frühjüdischen Literatur konstatiert; vgl. im Anschluß LINDEMANN, TRE XV 200; GIESEN, Herrschaft 17. Kritisch dagegen das Vorwort von HENGEL/SCHWEMER, Königsherrschaft lf.5. Als frühjüdisch zentrale theologische Kategorie beurteilt ZENGER, TRE XV 187 die Vorstellung. Von der Seltenheit der Vorstellung im Frühjudentum sprechen schon MERKLEIN, Handlungsprinzip 110; LATTKE, Vorgeschichte 9 („verschwindend kleine Rolle" des Abstraktbegriffs „Königsherrschaft Gottes"). Anders betonte bereits THOMA, Herrschaft Gottes 68 die Wichtigkeit der Sache (nicht die Häufigkeit der Terminologie).

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Gottes nahelegt und so wiederum die Geläufigkeit und Bekanntheit andeutet. Trotz des Facettenreichtums der mit der Rede von Gottes Königsherrschaft verbundenen Themenbereiche, die sich kaum auf eine einheitliche, klar definierbare Linie einschränken lassen,215 bleiben Gottes Himmel und Erde umfassende Allmacht und sein grundlegender Heilswille für Israel als Volk seiner Herrschaft semantisch tragend. Lokale und dynamische Komponente lassen sich je nach Anlaß der Schrift verschieden akzentuieren, jedoch nicht theoretisch scheiden; ortsgebundene Manifestation und aktive Verwirklichung gehören zusammen.216 Wie noch verschiedentlich sichtbar wird, verdankt sich die aktuelle Beanspruchung des Ideenkomplexes sehr oft der politischen Situation von Bedrückung, Not und Gefährdung der jüdischen Identität durch die Herrschaft von heidnischen Fremdmächten.217 Besonders einschneidende Spuren hinterließen dabei die Krisen unter Antiochos IV. Epiphanes (vgl. Dan), anläßlich der römischen Herrschaftsaufrichtung in Judäa durch Pompeius und nach dem Tod Herodes' des Großen. Gott als König fungiert als Kontrastbild zur feindlichen politischen Herrschaft und zu einem depravierten oder hybriden Königtum: Gott als eigentlicher König vermag Vertrauen auszulösen und die Identitätsbewahrung zu fördern.218 Andererseits kann Gottes als optimal begriffene Königsherrschaft als Vorbild politische Konsequenzen für die irdischen Herrscher fordern.219 Die politische Hoffnung erwartet grundsätzlich die Befreiung Israels aus der Gewalt der heidnischen Fremdmächte und bewegt sich zwischen der als heilvoll erfaßten Restitution der verlorenen Eigenstaatlichkeit Israels und der Utopie einer umfassend geordneten und gesegneten Gottesherrschaft. In Korrespondenz dazu erfahren die Heiden in etlichen Schriften Bestrafung und Vernichtung im Endgericht, ein (seltener) Einbezug ins Heil erfolgt stets unter der Prämisse der Zuwendung zum Gott Israels. 215 Dies betont das Ergebnis von CAMPONOVO, Königtum 437-439. Zur Verschiedenartigkeit auch COLLINS, Kingdom 95. 216 Anders schließt noch MERKLEIN, Handlungsprinzip 110.114 die lokale Sicht („Reich") aus und versteht „Königsherrschaft Gottes" als Abstraktbildung von „Gott ist König" als reinen ,Aktionsterminus" (114); vgl. LATTKE, Vorgeschichte 10 (nomen actionis). Die Handlung besitzt aber einen Ort. Vgl. O'NEILL, Kingdom 130-132; WOLTER, Gottes reich 7 Anm. 5. 217 Vgl. auch CAMPONOVO, Königtum 440f.; WOLTER, Gottes reich 9; DERS., Reich 546; GIESEN, Herrschaft 18f.; HENGEL/SCHWEMER, Königsherrschaft 6f. - Stärker paränetisch orientiert sind Weish und TestXII. 218 Auch der Verlust der Eigenstaatlichkeit wird die Sehnsucht nach einem eigenen König ausgelöst haben, der för Israel agiert. Angesichts einer völlig desolaten Lage kann dies nur mehr von Gott in seiner Königsmacht erwartet werden. 219 Weish 6,4; PsSal 2,30-32; Philo; Josephus („Theokratie"); vgl. TestBen 9,lf.; Sib 3,652.

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Fundierung: Gott als König

Wo die irdische Wirkung der göttlichen malküt angesprochen wird, tritt partiell die Möglichkeit von Mittlergestalten zutage, die zwischen dem im Himmel wohnenden und damit unzugänglichen Gott und der Erde vermitteln oder zur endzeitlichen Aufrichtung der Herrschaft wirken. Gerne wird in der Forschung dabei auf PsSal 17 hingewiesen,220 wo die Gestalt eines mit übernatürlichen Möglichkeiten ausgestatteten königlichen Gesalbten aus der davidischen Königsdynastie auftritt und auf Erden eine politische Heilszeit durchsetzt; abgesehen vom politischen König trägt nur dieser Gesalbte unter den Mittlern königlichen Titel und Eigenschaften. De facto wird eine ganze Reihe von Mittlergestalten zum Einsatz gebracht, wozu die Engel, die Weisheit, der Menschensohn (Dan 7; Bilderreden des äthHen), der Gesalbte (lQSb V; 4Q174; PsSal 17; äthHen) sowie in Abstufung irdische Herrscher, Propheten und Menschen zählen.221 Dabei sind der endzeitliche oder himmlische Bevollmächtigte und Gottes eigene Herrschaft durchaus in einem sachlich sinnvollen Zusammenhang zu verstehen: Der Bevollmächtigte gehört als Repräsentant in den Raum der göttlichen malküt, was die Verhältnisbestimmung von PsSal 17 in besonderer Deutlichkeit illustriert.

220 So z.B. HENGEL/SCHWEMER, Königsherrschaft 8-10; WOLTER, Gottes reich 10; schon SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 24. - Die enge sachliche Verbindung von Gott und dem Gesalbten über das Königsmotiv in PsSal 17 läßt vorsichtig sein gegenüber der Aussage von MERKLEIN, Handlungsprinzip 111, Gottesherrschaft und Herrschaft des Messias seien prinzipiell zu unterscheiden. Die Bedeutung von Mittlergestalten schätzt auch WOLTER, Gottes reich lOf. m.E. zu gering ein, wenn er (zugunsten der unmittelbaren Präsenz Gottes selbst) keine Rolle einer messianischen Mittlergestalt (außer in PsSal 17, wo Gott nicht aus seiner Transzendenz hervortrete) anerkennt; ähnlich schon LATTKE, Vorgeschichte 16-24 passim. Zu weit in die andere Richtung geht SCHNACKENBURG, Gottes Herrschaft 23-32.3845, wenn er eine direkte und enge Verbindung von Gottes- und Messiasherrschaft voraussetzt, ohne die von vielen Texten bezeugte Eigenständigkeit der Vorstellungen (besonders Gottes Königsein vollzieht sich meist ohne Gesalbten) ausreichend zu beachten. 221

Speziell bei Philo treten noch die göttlichen Kräfte und der Logos als Mittler sowie die Menschen und besonders der Weise als Stellvertreter Gottes auf Erden hinzu. In QumranSchriften kann die Gemeinde selbst eine gewisse Mittlerrolle übernehmen (vgl. 1QM VI 6; XII 1-5).

III. KAPITEL KÖNIGLICHE GESALBTENERWARTUNGEN IM JUDENTUM UM DIE ZEITENWENDE

1. Alttestamentliche Ermöglichung Der am Beginn dieser Untersuchung zur Darstellung der Voraussetzungen messianischer Interpretationen atl Texte nötige Überblick bewegt sich in erster Linie auf der Ebene einer „kanonischen" Lektüre der hebräischen Bibel, da hinsichtlich der Rezipienten in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende keine historisch differenzierende Auslegung der Bibel, sondern eine verschiedenartiges Material aufgreifende Interpretation, die primär vom jeweiligen Interesse des Rezipienten gesteuert ist, sichtbar wird. Die hebräische Bibel steht als ein Ganzes, als eine Einheit dem frühjüdischen Ausleger zur Verfügung, der sich der seiner Aussage entsprechenden Passagen bedient und daraus Termini und Motive gewinnt, die in einer Gesamthaltung überlieferungsgeschichtlich fundierten Glaubens wurzeln. Den Realienhintergrund für die sich weiter entwickelnde Vorstellung des „Gesalbten" bildet die im hebräischen Kanon bezeugte Königssalbung,1 die die theologisch ausdeutende Bezeichnung des Königs als göttlich legitimierten „Gesalbten Jahwes" (ITCpQ ΠΙΓΡ) hervorbringt (2 Sam 19,22; 23,1; vgl. 1 Sam 12,3.5; Ps 18,51; 132,17). Die Königssalbung, von der z.B. 1 Sam 9,16; 10,1; 15,1 (in bezug auf Saul), 1 Sam 16,3.12f.; 1 Chr 11,3 (David), 1 Kön 1,34.39; 1 Chr 29,22 (Salomo) die Rede ist, findet bevorzugt2 in Beziehung auf Saul, David und die Davididen Erwähnung. Häufig gelangt die Formulierung „zum König salben" zur Anwendung (Ri 9,8.15; 1 Sam 15,1; 2 Sam 2,4; 1 Kön 19,15; u.ö.), aus der die innere Verbindung von Königtum und Salbung als Ritus der Initiation, Bevollmächtigung und Legitimation hervorgeht. Diese Konzeption eines Gesalbten ist theologisch und soziopolitisch begrün1 Zum atl Salbungsakt vgl. KUTSCH, Salbung (1963); zur historischen Königssalbung METTINGER, King and Messiah (1976), 185-232. KARRER, Gesalbte 95-105 hat diesen Hintergrund kritisch gesichtet. Dazu auch STRAUß, TRE XXII 619f.; SEYBOLD, ThWAT V 4952; HESSE, ThWNT IX 487-489; HAHN, EWNT III 1149f.; TALMON, Concepts 85.87-90. Zur Bedeutung des Königs als Gesalbter Jahwes auch SAEBO, Verhältnis 45-47. Zur atl Verwendung der Terminologie ROBERTS, Contribution 39. Zur Vorstellung der Vergöttlichung des Königs in der Frühzeit Israels im Kontext des polytheistischen religiösen Umfeldes vgl. LANG, König 42-59. 2 Vgl. sonst 2 Kön 9,3.6.12 (Jehu); 1 Kön 19,15 (Hasael); 2 Kön 11,12 (Joasch); 23,30 (Joahas); Ri 9,7-15 (Jotam-Fabel); Jes 45,1: der Perserkönig (!) Kyros. Zur Erklärung der auffallenden Bezeichnung eines nichtisraelitischen Königs in Jes 45,1 als „Gesalbter" vgl. H A N S O N , Messiahs 7If. Zur Gesalbtenbezeichnung in bezug auf Israels Könige H E S S E , ThWNT IX 492-494.

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Königliche Gesalbtenerwaitungen im Judentum um die Zeitenwende

det und in der historischen Institution und Interpretation des Königtums Israels situiert.3 Durch den theologisch gedeuteten Akt der Salbung wird der König rechtsgültig in sein Amt eingesetzt, so daß er Autorität und eine zumindest literarisch konstatierte gewisse Unverletzlichkeit oder Unantastbarkeit genießt (vgl. 1 Sam 24,7.11; 26,9-11.23; 2 Sam 1,14.16).4 Selbst Geistbegabung kann an einzelnen Stellen als Wirkung der Salbung genannt sein (1 Sam 10,6.9-13; 16,13). Die performative Wirkung der Gottes Erwählung signalisierenden Salbung läßt sich einerseits als Verpflichtung des Königs, andererseits als göttliche Zusicherung von Macht und Würde beschreiben.5 In der Natan-Weissagung 2 Sam 7,8-16 wird die besondere Erwählung des Königs David, die sich nicht zuletzt in der Zusage der Weiterfuhrung seiner Herrschaft durch einen eigenen Nachkommen äußert, verkündet, freilich ohne daß dabei „Gesalbten"-Terminologie zur Anwendung käme. Das besondere Verhältnis zu Gott zeigt sich in der von Gott intendierten Vater-SohnBeziehung des königlichen David-Nachfahren, das die legitime Herrschaft als Repräsentanz Gottes ins Bild setzt. In etlichen atl Texten wird die Ideologie oder, positiv formuliert, die Tradition von der davidischen Königsdynastie und ihrem auf der Zusage Jahwes gegründeten Bestand bezeugt und verschiedenartig benutzt, was eine lebendige Überlieferungsgeschichte zeigt, ohne daß damit die einzig mögliche Begründung von Königtum vorläge noch eine Erwartung eines Heilskönigs untrennbar verbunden wäre.6 Als Gesalbter 3

Dazu TALMON, Concepts 81. MAIER, Messias 590-594 akzentuiert die verfassungsrechtlichen Aspekte der Königssalbung. - Das im Rückblick entworfene Geschichtsbild Israels um die Zeitenwende tendiert dann dazu, nur Personen mit eindeutig verifizierbarer „Gottesnähe" als Gesalbte zu bezeichnen; dazu KARRER, Gesalbte 222-228. 4 In Ps 105,15 ergeht eine göttliche Warnung vor Schädigung der Gesalbten, die unter Annahme eines Parallelismus membrorum mit den Propheten identisch wären. Dies mißachtend liest OEGEMA, Gesalbte 49 den Singular und stellt den Psalm in den Rahmen der Königsideologie. Zur Unverletzlichkeit des Gesalbten vgl. auch CHARLESWORTH, From Jewish 229; CRÜSEMANN, Widerstand 137; WASCHKE, König 33. 5 Vgl. KARRER, Gesalbte 100.215. Zum König als Repräsentant Gottes MAIER, Zwischen 208f. 6 Einen Überblick über die relevanten Texte im AT vermittelt die unlängst erschienene Arbeit von POMYKALA, Tradition 11-126, der die Diversität der Vorstellungen betont (vgl. 67f.), die eine Vielzahl von aufgreifenden Interpretationen ermöglicht. - Auch die Untersuchung von LAATO, Star 48-255 räumt der historischen Entwicklung der davidischen Königsideologie vom vormonarchischen Israels an in den jeweiligen geschichtlichen Situationen breiten Raum ein und berücksichtigt auch beginnende „messianische" (besser: eschatologische) Erwartungen am Ausgang des AT; er ordnet freilich die Diversität der Vorstellungen in einen breiten, weitgehend einheitlichen Strom der Königsideologie ein, vgl. nur 236-240, wo er neun zentrale Aspekte der israelitischen Königsideologie als Impulse zur Entwicklung messianischer Erwartungen nennt und dazu so verschiedene Komplexe zählt wie z.B. die Idee vom Königsein Jahwes, die Verheißung des ewigen Bestandes der Daviddynastie, die

Alttestamentliche Ermöglichung

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Jahwes steht der politische König unter der souveränen Erwählung und Legitimierung Gottes,7 woraus sich bei Mißachtung der Abhängigkeit sofort ein Spannungsverhältnis ergibt.8 Der gesalbte König ist Repräsentant der Gottesherrschaft und der den Willen Gottes beinhaltenden Tora.9 Das Verhältnis der Erwählung und Bevollmächtigung des Königs durch Gott wird an den Stellen reflektiert, die vom Setzen des Königs auf den Thron durch Jahwe sprechen, wobei dieser königliche Thron als Thron Jahwes charakterisiert ist. So herrscht der von Gott erwählte König Salomo nach 1 Chr 28,5 auf Gottes Königsthron über Israel (vgl. 29,23). 2 Chr 9,8 hebt die Stellvertretung Jahwes durch den König hervor, wenn Salomo von Jahwe auf seinen (= Jahwes) Thron gesetzt wird. Deutlich bleibt, daß der eigentliche König Jahwe selbst ist. Entsprechend wird vom israelitischen König die Eigenschaft der Gerechtigkeit gefordert, die in umfassender Weise eine Eigentümlichkeit Jahwes darstellt. Auch Ps 132,11 f. und 1 Kön 2,24 nennen das Setzen des davidischen Königs auf den Thron durch Jahwe.10 Die Rede vom König als „Gesalbter Jahwes" trägt den Charakter eines Theologumenons, dessen Denotation etwa folgende Bedeutungsaspekte umfaßt:11 (1) Ein exklusives Verhältnis des Königs zu Jahwe, (2) Statusdefinition und Legitimation des Königs, (3) Integration des gesalbten Königs (mit außerordentlicher Rolle und Funktion) in das universale Königtum Gottes und (4) die Darstellungsmöglichkeit eines Typos des von Gott einzigartig auserwählten Menschen als Paradigma einer privilegierten Gottesbeziehung. Neben der Königssalbung begegnet im AT auch die Salbung des Hohenpriesters, die besonders von der Priesterschrift bezeugt wird.12 Möglicherweiprophetische Idee vom Kommen eines neuen Davididen, die diarchische Struktur unter Einbeziehung des priesterlichen Elements, die Erwartung eines neuen Exodus, Sühne und endzeitliche Sündbefreiung sowie einen apokalyptischen Rahmen und den kanonischen Kontext. Zur Nachzeichnung der Entstehung der atl „Messiaserwartung" auch SCHUNCK, Attribute 643-648. 7 Vgl. STRAUß, TRE XXII 618.620. Die Abhängigkeit des Königs von Gott wird auch in Ps 2 und 110 sichtbar. Die Unterordnung des Königs unter Gott betont SAEBO, Verhältnis 45.47.49; LAATO, Star 236f. hebt die Bedeutung der Vorstellung von Jahwes Königsherrschaft als Grundlage der israelitischen Königsideologie hervor. 8 Zum Niedergang des realpolitischen Königtums in Israel und Juda, zu einzelnen Restitutionsversuchen und zur theokratischen Ausrichtung im 4./3. Jh. v.Chr. vgl. KARRER, Gesalbte 101-113. 9 Vgl. MAIER, Messias 591.593Í, der die Unterordnung des Königs unter die Tora hervorhebt. 10 Vgl. ferner Dan 4,37 LXX (Nebukadnezar); Ijob 12,17f. (Könige); 36,5-7 (Gerechte wie Könige); 1 Sam 2,7f. (Arme auf den Thron gesetzt). " Vgl. SEYBOLD, ThWAT V 52; zum atl Gebrauch des Terminus ebd. 52-58. 12 Z.B. Lev 4,3.5. - Zur atl Hohepriestersalbung vgl. KARRER, Gesalbte 147-160; HAHN, EWNT III 1150; MAIER, Messias 590; KOCH, Messias 74f. (unter Berücksichtigung von

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

se ist sie als nachexilische Übertragung ehemals königlicher Traditionen nach dem Untergang des Königtums und der Übernahme einiger königlicher Funktionen durch den Hohenpriester zu erklären. Auch der Aspekt kultischer Heiligkeit der priesterlichen Gestalt wird zu veranschlagen sein. Real praktiziert dürfte die Priestersalbung nur vom 4. bis 2. Jh. v.Chr. worden sein, wobei die damit von Gott verliehene Heiligkeit und Würde als Grundlage für eine Übernahme herrscherlicher Aufgaben seitens der Hohenpriester interpretiert wurde. Von einer Prophetensalbung ist atl nur selten die Rede, wobei neben einem grundlegenden Moment der Legitimation die zur vorgesehenen Verkündigungsaufgabe bereitende Geistverleihung (Jes 61,1; ferner 2 Kön 2,9.15f. nach 1 Kön 19,16) bzw. die Befähigung zum Gericht (1 Kön 19,16f.) in unmittelbare Beziehung zur Salbung gesetzt werden.13 In Parallelität stehen in Ps 105,15 und 1 Chr 16,22 die Begriffe „meine Gesalbten" und „meine Propheten", die durch das Personalsuffix als in prägender Beziehung zu Jahwe stehend charakterisiert werden. Diese gesalbten Propheten sind an dieser Stelle wohl mit den Patriarchen Israels zu identifizieren.14 - In Dan 9,25f. begegnet zweimal das Nomen ITtÖQ im fur das AT singulären Status absolutus; interessant im Blick auf später zu beobachtende Titelverflechtungen ist die Verbindung von „Gesalbter" und „Fürst" in V. 25. Bezeichnenderweise stellt der Gesalbte in dieser Passage eine historische Gestalt der Vergangenheit Israels dar, so daß nicht von messianischen Erwartungen, wie sie als Zukunftshoffnung deutlich werden, gesprochen werden kann. In Dan 9,25 könnte dabei an den Hohenpriester Josua oder den Statthalter Serubbabel, in V. 26 auch an den legitimen Hohenpriester Onias III., der unter Antiochos IV. Epiphanes abgesetzt und möglicherweise ermordet wurde, gedacht sein.15 Dan); ferner CHARLESWORTH, From Jewish 229; HESSE, ThWNT IX 489f. Von vormonarchischer Salbung des Hohenpriesters geht TALMON, Concepts 87 aus; bei den dafür heranzuziehenden Texten dürfte es sich freilich um sekundäre Rückprojektionen handeln, wie KARRER, Gesalbte 151-159 zeigt. 13 Zur Prophetensalbung HAHN, EWNT III 1150; ferner KARRER, Gesalbte 214-216; MAIER, Messias 590; HESSE, ThWNT IX 490f. 14

15

S o ROBERTS, C o n t r i b u t i o n 4 0 .

Dazu ROBERTS, Contribution 40f., der ebenfalls ein messianisches Verständnis ablehnt. - Auf weit verbreitete kultische Salbungssakralisierungen im Judentum und seiner paganen Umwelt geht KARRER, Gesalbte 172-209 ein, wobei als Grundvorstellung im gesamten antiken Kulturraum gelten kann, daß die Salbung durch Reinigung und Heiligung Gottgegenwart bewirkt. Eine Bezeichnung der gesalbten Gegenstände mit den Termini χριστός oder χριστός ist nicht nachweisbar, so daß das Christos-Prädikat als jüdisch-christliches Proprium anzusehen ist (vgl. ebd. 192.211). Diese von Karrer angestellte Betrachtung des konkreten Vollzugs von Salbungsriten darf freilich nicht einfachhin für den frühjüdisch-christlichen Gebrauch der Christos-Terminologie ausgewertet werden, da es sich bei diesem Prädikat um

Alttestamentliche Ermöglichung

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Nach dem Untergang des israelitischen Königtums und der Eroberung Jerusalems im Jahr 586 v.Chr. verschwindet die Königsvorstellung nicht aus dem Denken Israels, sondern wandelt sich in etlichen Kreisen von Traditionsträgern sukzessiv zu einer idealisierten, auf die Zukunft gerichteten Erwartung eines davidischen Herrschers für Israel.16 Lediglich Ansätze einer erst nach-atl Gestalt gewinnenden messianischen Erwartung finden sich bereits im AT, ohne daß dabei der Begriff ΓΠ00 zur Anwendung käme.17 Aufgrund dieser terminologischen Beobachtung am AT scheint es mir sinnvoll, auch in der Forschung die Rede von der messianischen Erwartung im AT zu vermeiden, um nicht erst später mit dieser Bezeichnung verbundene Strukturen mit den atl bezeugten Erwartungen gleichzusetzen und zu vermischen. Man könnte stattdessen z.B. einfach von einem zukünftigen Heilskönig Jahwes sprechen.

einen von seinem Realienhintergrund längst gelösten Titel der frühjüdischen Heilshoffnung handelt, der nicht einmal theoretisch einen konkreten Salbungsvollzug voraussetzt; eine konkrete Erwartung einer Salbung der so bezeichneten Gestalt erlangt keine Bedeutung in den literarisch bezeugten Gesalbtenvorstellungen. 16 Vgl. zu diesem Prozeß TALMON, Concepts 90-101. " Kritisch gegen ein in der Forschung häufig beobachtbares Hineinlesen eines Messiänismus in atl Texte wendet sich STRAUß, TRE XXII 617-619, der ebd. 620 die Unmöglichkeit festhält, aus atl Texten eine terminologisch und inhaltlich konsistente Messiastradition zu rekonstruieren; vgl. kritisch auch KARRER, Gesalbte 95-105; BECKER, Messiaserwartung 10-81, besonders 32.53.74; MAIER, Messias 587-590. Die Inadäquatheit der Messias-Terminologie in bezug auf atl Texte arbeiten heraus: STRAUß, Messianisch (1984); WASCHKE, Wurzeln (1985); DERS., Frage (1988); SEEBAß, Herrscherverheißungen (1991). - Etliche Autoren halten am Gebrauch der Messias-Begrifflichkeit im atl Bereich fest. So konnte VON RAD, Theologie II 175-181.282f. von „messianischer Erwartung" bei Jesaja und allgemein bei den Propheten sprechen. DEXINGER, Entwicklung 12-18 (besonders 12.17) klassifiziert einige atl Verheißungstexte (z.B. Jes 11,1-6; Sach 3,8-10) als „messianische" Texte nach dem Kriterium der Erwartung der zukünftigen Umgestaltung aller irdischen Verhältnisse durch einen idealen König. Vgl. auch RUPPERT, Messiaserwartungen 4, der die Begrifflichkeit fur atl und frühjüdische Texte gleichsetzt (4-11.11-13). SCHUNCK, Attribute 642f. argumentiert für eine Verwendung des Messias-Titels auch für atl „eschatologische" Texte. SCHREINER, Theologie 327 zeigt sich der terminologischen Problematik bewußt, verwendet aber dennoch „Messias"-Terminologie (327-332). Anwendung der Messias-Terminologie auf atl Texte auch bei SCHMIDT, Aspekte llf.; SAEBO, Verhältnis 27.47-54 passim; HOFIUS, Jesus 110; STUHLMACHER, Gottesknecht 136; COLLINS, Scepter 20-41 passim; OEGEMA, Gesalbte 25f.41-67 passim; HAHN, Hoheitstitel 136.156; WÄCHTER, Messianismus 123-125; ZENGER, Jesus 25 u.ö. Diese forschungsgeschichtliche Kontroverse in der atl Wissenschaft kann hier in ihrem Facettenreichtum nicht dargestellt werden. Zu Aspekten einzelner messianisch gedeuteter atl Texte vgl. den Sammelband von STRUPPE, Messiasbild (1989). Zum altorientalischen und israelitischen Königtum und besonders zu Heilskönigserwartungen im AT vgl. zahlreiche Beiträge bei DAY (Hg.), King and Messiah (1998).

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Eine Voraussetzung solcher Erwartung artikuliert sich in der überlieferungsgeschichtlich später (im strengen Sinn) messianisch interpretierten Natan-Weissagung 2 Sam 7,8-16 (vgl. die abhängige Fassung 1 Chr 17,4-14), die eine Erneuerung des davidischen Königtums durch einen Nachfolger Davids, also den Fortbestand der davidischen Dynastie als göttliche Absicht verheißt.18 Vom Sproß (ΠΠϋ) Davids, der als König herrschen wird, ist auch Jer 23,5f.; 33,14-17 die Rede. Weiterhin sind als interpretable Basistexte der Jakobssegen Gen 49,10 und der Bileam-Spruch Num 24,17 anzuführen, die Bestand und Durchsetzung der Herrschaft über Israel verheißen.19 Ist mit diesen Verheißungen auch eine Zukunftshoffnung verbunden, so handelt es sich nicht immer schon um eine eschatologische Erwartung im strengen Sinne, da die Durchsetzung der Herrschaft im Verlauf des Geschichtskontinuums zur Geltung gelangen wird, was eine Überhöhung der geschichtlichen Verhältnisse keineswegs ausschließt.20 Als Beispiel dafür mag Jes 8,23-9,6 gelten. Die apokalyptische Sicht des Dan-Buches transzendiert freilich die Zukunftserwartung über die geschichtlichen Verhältnisse hinaus auf den Anbruch eines gänzlich neuen Zeitalters hin, das als Ablösung der geschichtlichen Perioden erscheint. Den Motivhintergrund für eine erst nach-atl ausgeprägte messianische Vorstellung liefert in erster Linie die traditionelle israelitische Königsideologie, die sich in den Königspsalmen Ps 2; 45; 72; 89,2-5.20-38; 110; 132,ΙΟΙ 8 niedergeschlagen hat und von der zentralen Überlieferung der besonderen, einmaligen Erwählung Davids ausgeht, wobei wiederholt der Titel IT0Q Verwendung findet.21 Nach Ps 45,7f. kann der König in seiner Pracht und 18 Vgl. SAEBO, Verhältnis 47; MAIER, Messias 593; DEXINGER, Entwicklung 7f.l7; HAHN, EWNT III 1150. Nach LAATO, Star 33-47 bildet 2 Sam 7 Grundlage und Modell für atl Königsideologie und Messiaserwartung, die Stelle sei „cornerstone" fur die weitere Entwicklung (33) und stammt aus der Zeit Salomos. Auch SCHREINER, Theologie 327 betrachtet das Natan-Orakel (2 Sam 7,11-15) als Ursprung königlicher (messianischer) Erwartungen.

Z u m z e i t g e s c h i c h t l i c h e n H i n t e r g r u n d v o n 2 S a m 7 , 8 - 1 6 v g l . HENTSCHEL, G o t t

(1992);

SCHROER, S a m u e l b ü c h e r 1 5 4 - 1 5 7 . 19

Dazu z.B. COLLINS, Scepter 24; ROBERTS, Contribution 41. Vgl. HAHN, EWNT III 1150; ferner TALMON, Concepts 100; DERS., Gesalbte 59f.; zu nationalen Elementen innerhalb prophetischer Eschatologie DERS., Typen 216f. 21 Zu der in Inthronisationstexten enthaltenen Königs-Theologie, die eine Propagandafunktion involviert, vgl. ROBERTS, Contribution 42f. Zu den Königspsalmen auch WASCHKE, König 33f. Laut BROYLES, Redeeming King 24 bilden die Königspsalmen die Grundlage für die prophetischen Heilskönig-Verheißungen; speziell zu Ps 72 und dessen Einfluß auf Prophetentexte (und PsSal 17) vgl. ebd. 26-39. Zum Thema auch SAEBO, Verhältnis 48f.; COLLINS, Scepter 23; HAHN, EWNT III 1150 (der für Jes 11,1-10 freilich an Paradiesestradition denkt). Zur atl David-Tradition DULING, Promises 56-62. Dabei griff Israel partiell die Königsideologie seiner Umwelt auf; vgl. SCHREINER, Theologie 90. - Zur charakteristischen Pluralität atl „messianischer" Visionen, in deren Zentrum eine messianische Zeit (keine Ein20

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Würde selbst als ΠΡΓΤ1^ (LXX Ps 44,7 : ό θεός) angesprochen werden, wobei der Bestand seiner Herrschaft und die Gerechtigkeit ihrer Ausübung im Zentrum stehen; die Salbung durch Gott ordnet sich in den Lobpreis ein und läßt wenigstens andeutungsweise die Grundlage dieser königlichen Macht anklingen. Funktional dient der kommende Heilskönig allgemein als Mittler göttlichen Segens, verkörpert also die von Gott intendierte heilvolle Zuwendung zum Volk Israel.22 Wird dem König dabei die Weltherrschaft zugesprochen (vgl. Ps 2,8-10; 72,8-11; 89,26; 110,lf.6), geschieht dies als Teilhabe an der Weltherrschaft Jahwes; seine Stellung erhält der König allein von Jahwe, und er vermag seine Aufgabe nur im Verhältnis zu Jahwe auszuüben, so daß sein Glanz als Abglanz von Jahwes Herrlichkeit verstanden werden kann.23 Daher kann man den König als irdischen Repräsentanten Jahwes, das Verhältnis als das der Bevollmächtigung des Königs durch Jahwe bestimmen. Die Psalmenredaktion verwendet den Begriff „Gesalbter" pointiert zu Anfang und am Ende von Psalmsammlungen (vgl. Ps 2,2; 89,39.52; 132,10.17), was unter der Voraussetzung eines (redaktionellen) eschatologischen Verständnisses den Psalter im Sinne von Weissagungen erfassen läßt, in denen dann die Hoffnung auf einen zukünftigen davidischen Gesalbten Ausdruck findet.24 In Ps 132,10.17 wird David beispielsweise selbst als Gesalbter bezeichnet. Mit diesen Bezeichnungen Davids bzw. des davidischen Königs als „Gesalbter" steht ein Titel bereit, um dann frühjüdisch als Oberbegriff für zukünftigeschatologische Heilskönig-Konzeptionen Anwendung zu finden. Erwartet wird faktisch bereits in atl prophetischen Schriften ein nahe bevorstehender völliger Neubeginn innerhalb des Hauses David, der sich mit der prophetischen Gerichtspredigt verbindet; Belege sind Jes 7,1-17; 9,1-6; 11,1-5; Jer 22,24-30; 23,2-8; 30,8f.; 33,15f.; Ez 17,22-24; 34,23f.; 37,24f.; Am 9,11-15.25 Dabei wird auf jeweils eigentümliche Weise die Herrschaft zelgestalt) stehe, vgl. ZENGER, Jesus 38-53; er beschreibt 26-38 die Entstehung solcher Erwartungen aus der (negativen) Erfahrung Israels mit dem historischen Königtum und den Besatzungsmächten und erkennt als Zentralinhalt ein gewaltfreies Königtum einer gottgeleiteten Führer- und Mittlergestalt (37f.). Anders legt z.B. LANG, Messias 74f. den Akzent auf den restaurativ-royalistischen Aspekt messianischer Erwartung. 22 Dazu auch SCHREINER, Theologie 90. - Entsprechend kann die Abwesenheit des Königs die Unheilszeit charakterisieren; vgl. Klgl 4,20, wo der „Gesalbte des Herrn" innerhalb einer Reflexion auf den Untergang des israelitischen Königtums als Lebensatem Ο^ΞΝί ΓΠ~Ι) des Volkes bezeichnet ist. 23

V g l . VON R A D , T h e o l o g i e I 3 3 1 - 3 3 6 ; SAEBO, V e r h ä l t n i s 4 9 .

24

Vgl. KOCH, Messias 78. Zur red Stellung der Königspsalmen Ps 2; 72 und 89 an Schlüsselpositionen im Psalter vgl. WASCHKE, Stellung 348f. 25

D a z u ROBERTS, C o n t r i b u t i o n 4 4 - 4 9 ; COLLINS, S c e p t e r 2 4 - 2 8 ; SAEBO, V e r h ä l t n i s 5 0 - 5 3

(der in der prophetischen Verkündigung den Übergang „zum eschatologischen Messiasbild" [ 5 0 ] e r k e n n t , v g l . 5 0 . 5 3 ) ; HAHN, H o h e i t s t i t e l 1 3 6 - 1 3 9 ; DERS., E W N T III 1 1 5 0 ; SCHUNCK,

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

eines besonderen davidischen Königs verheißen, der mit Weisheit und Gerechtigkeit begabt ist und ein Reich des Friedens und der Sicherheit für Israel und Juda in Anknüpfung an die vorbildhaft verklärte Zeit Davids und Salomos aufrichten wird. Eine solche Vision „of the perfect future age"26 findet sich in zahlreichen Prophetentexten wie Jer 23,5f. (vgl. 17,25; 22,3f.; 33,1417); Jes 9,5f.; 11,1-10; Hos 3,4f.; Mich 5,1-8, in denen restaurative und utopische Hoffnungen verbunden sind. Im einzelnen bewirkt nach Jes 11,1-5 der Geistbesitz des davidischen Heilskönigs, daß er eine gottgefällige, weise und gerechte Herrschaft antreten kann. Instrument der Durchsetzung dieser Friedensherrschaft ist nach Jes 11,4 der „Stab seines Mundes" (vgl. anders Ps 2,9 der „eiserne Stab"), was eine politisch-militärische Kategorien überschreitende Machtausübung beschreibt.27 Jes 11,2 bedient sich in diesem Zusammenhang einer Baum-Metaphorik zur Beschreibung des erwarteten davidischen Königs: die Bilder vom „Reis aus dem Stumpf Isais" und vom „Schößling aus seinem Wurzelstock" dienen zur bildhaften Charakterisierung eines radikalen Neuanfangs auf der Basis überlieferten Glaubens.28 In Jes 32,1 werden ein gerecht regierender König und Fürsten, die so herrschen, wie es recht ist, angesagt. Jer 33,15 spricht von einem „Sproß", der fur David erstehen wird und Recht und Gerechtigkeit im Land aufrichten wird. Ez 34,24 bringt die enge Verbindung der Herrschaft des davidischen Fürsten mit der Herrschaft Gottes zum Ausdruck.29 Die Kontinuität der davidischen Königsdynastie bleibt vorausgesetzt, wobei als zentraler Hoffnungsträger die Gestalt eines von Jahwe bevollmächtigten und daher zur Aufrichtung einer Heilsherrschaft befähigten Königs in den VorAttribute 643-647; zu „messianischen" Texten im A T auch SCHREINER, Theologie 327-332. Zur red Stellung der jesajanischen Königstexte (Jes 9,1-6; 11,1-5.6-8; 32,1-5.15-20; 55,1-5) an Schlüsselpositionen im Jes-Buch und einer darin gegebenen Strukturähnlichkeit mit den Königspsalmen vgl. WASCHKE, Stellung 351-364. - Auf die Immanuel-Weissagung Jes 7,14-16 baute REHM, Messias (1968) sein Bild des königlichen Messias, als den er den Immanuel begreift (30-121.355-375); auch etliche andere Texte, z.B. Jes 9,1-6 und 11,1-9, versteht er messianisch (122-234). 26 TALMON, Concepts 86; zur atl Entwicklung solcher Vorstellungen DERS., Gesalbte 3659, der eine sekundäre Verbindung von allgemeiner Heilserwartung und messianischer Hoffnung herauszuarbeiten sucht. Die Komplexität der atl Vorstellungen hält ZENGER, Umgang 142f. gegenüber einer einlinigen Interpretation fest. 27 Zur gewaltlosen Herrschaft in Jes 11,1-9 vgl. ZENGER, Jesus 47. 28 Vgl. SAEBO, Verhältnis 52; SEEBAß, Herrscherverheißungen 18-39; WlLDBERGER, Jes I 436-462; NIELSEN, Hope for a Tree 123-144. Vgl. auch Ez 17,22-24, wo Baum-Metaphorik „in der Verkündigung einer eschatologischen Naherwartung" ebenfalls eingesetzt wird; so SAEBO, Verhältnis 53; ZlMMERLI, EZ II z.St. 29 SCHMIDT, Aspekte 11 f. beschreibt den Zukunftskönig als Repräsentanten und Mandatar Gottes, der eigentlich das Heil herbeifuhrt; die Unterordnung des davidischen Königs unter Jahwes Königsherrschaft hält SAEBO, Verhältnis 52.54 fest.

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dergrund tritt. In seiner Eigenschaft der Gerechtigkeit hat der idealisierte König teil an der oft gepriesenen Gerechtigkeit Gottes über die ganze Erde (z.B. Jes 45,19.21; Jer 11,20; Ps 9,5.9; 11930); der Gedanke einer Repräsentationsfunktion, die der König als Bevollmächtigter Gottes ausübt, ist inhärent. Was hier nur grob im Sinne eines verbreiteten (auf der „kanonischen" Textebene verifizierbaren) Grundverständnisses angegeben werden kann, zeigt bei näherer Betrachtung der einzelnen Texte, denen bekanntlich durchaus differente historische Erfahrungen zugrundeliegen, eine breite Vielfalt der zur Beschreibung der erwarteten Herrschergestalt verwendeten Bilder und Vorstellungen. Zeitlich besteht eine solche Erwartung eines neuen davidischen Königs vor und während des Exils. Sie erfährt nach der Rückkehr(möglichkeit) neue Belebung und teilweise auch realgeschichtliche personale Konkretisierung, wie das Beispiel der mit dem Davididen Serubbabel als Statthalter von Juda verbundenen Erwartung auf einen Neubeginn des politischen davidischen Königtums zeigt (Hag 2,20-23; vgl. Sach 4,1-14; 6,9-15).31 Bei Sachaija, also einer Schrift aus der Spätzeit des AT, tritt neben den Davididen Serubbabel als zweite Heilsgestalt der Hohepriester Josua (Sach 3; 4; 6,13), wobei beide als „Söhne des Öls" bezeichnet werden (4,14).32 In diesem Zusammenhang findet auch der Terminus FIQ^ („Sproß") in Sach 3,8 und 6,12 für den Davididen Verwendung. In 1 Chr 29,22 tritt in struktureller Analogie anachronistisch zur Königssalbung Salomos die Salbung Zadoks zum Priester. Ebenfalls bei Sachaqa findet sich eine besondere Form einer Hoffnung auf einen König für Jerusalem, indem dieser gerechte und als Helfer charakterisierte König in Niedrigkeit auftritt, um für die Völker ein Friedensreich aufzurichten (Sach 9,9f.).33 Seine Niedrigkeit ist Ausdruck seines Vertrauens auf Gott und gibt dem machtvollen Wirken Gottes Raum, dem eigentlich die Herrschaftsausübung zukommt.34 Wenn der Friedenskönig - nachdem Gott selbst das Kriegsgerät vernichtete - den Frieden für die Völker verkündet (Sach 30 31

Genauer: Ps 119,7.40.62.75.106.123.137f.142.144.164.172. Dazu TALMON, Concepts 91f.97f.; DERS., Gesalbte 61f.; KARRER, Gesalbte 105f.;

SAEBO, V e r h ä l t n i s 5 3 f . ; ROBERTS, C o n t r i b u t i o n 4 9 f . ; HAHN, H o h e i t s t i t e l 139; DERS., E W N T

III 1150; HESSE, ThWNT IX 497f. (mit dezidiert messianischer Deutung); SCHUNCK, Attribute 647f. Zum historischen Hintergrund LAATO, Star 195-207; HANSON, Messiahs 68f.; BECKER, Messiaserwartung 59-61. 32

V g l . BECKER, M e s s i a s e r w a r t u n g 60f.; COLLINS, Scepter 30f.; STEGEMANN, E s s e n e r 2 8 5 f . ;

KARRER, G e s a l b t e 105f.; ROBERTS, C o n t r i b u t i o n 5 0 ; HANSON, M e s s i a h s 6 9 - 7 1 ; DEXINGER,

Entwicklung 16; HAHN, Hoheitstitel 139; DERS., EWNT III 1150. 33

D a z u SAEBO, V e r h ä l t n i s 5 4 ; KARRER, G e s a l b t e 109; HAHN, E W N T III 1 1 5 0 ; DERS.,

Hoheitstitel 140; zum zeitgeschichtlichen Kontext der Aussage LAATO, Star 209-211 ; COLLINS, S c e p t e r 3 1 f . ; STRAUß, T R E X X I I 6 2 0 . 34 Nach BECKER, Messiaserwartung 67f. tritt in Sach 9,9 Jahwe selbst „im Gewand des irdischen Königs a u f ' (68).

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

9,10), tritt ein prophetisches Element in die königliche Überlieferungslinie ein.35 Die LXX-Übersetzung der Stelle zeigt eine deutliche Königsorientierung, ohne jedoch die Gesalbten-Terminologie mit der Königsvorstellung zu verbinden, 36 was nicht dazu rät, von einem „messianischen" Text zu sprechen. Schließlich wird atl auch mit dem gewaltsamen Tod des/der Davididen (Sach 12,10) bzw. des Gesalbten (Dan 9,24-26) gerechnet, was die Voraussetzung für die Erneuerung des Amtes oder der Dynastie bildet. 37 - Die Figur eines von Gott gesandten Boten tritt in Jes 61,1 in der ersten Person Singular auf, wobei sich diese als mit dem Geist Gottes verbunden und vom Herrn „gesalbt" (Verbalkonstruktion) einfuhrt. Dieser Bote erfüllt eine gewisse Doppelfiinktion, denn seine Aufgabe besteht zunächst in der Ankündigung einer heilvollen Zeit für Arme, Unterdrückte und Trauemde, doch bringt allein schon die Ankündigung kommenden Heils neue Hoffnung und damit Trost und Freude der Hoffenden. Die Verkündigung des Boten schildert inhaltlich die von Gott unmittelbar zu erwartende Heilszeit (61,1-11). Für das Judentum etwa in der Zeit zwischen 500 und 200 v.Chr. läßt sich eine Erwartung einer zukünftigen oder gar eschatologischen königlichen Gesalbtengestalt als Retter und Heilbringer in einer bedrückenden politischen Situation nicht nachweisen. 38 Wichtig wird hingegen besonders in Prophetentexten ein für die Zukunft erwarteter politischer, von Jahwe bevollmächtigter König aus der Dynastie Davids, der eine entscheidende irdische Heilsfunktion für Israel übernimmt. Mit der atl Königsideologie und Erwartung eines zukünftigen wahrhaften und gerechten Königs steht in Umrissen ein Modell bereit, von dem aus die Entwicklung einer königlichen Gesalbtenerwartung nur noch einen kleinen Schritt darstellt, zu dem besonders die titulare Fixierung dieser Konzeption beitrug. Die für spätere Konzeptionen grundlegende Herrschaftsfunktion, verbunden mit einer Heilserwartung und teilweise der davidischen Abkunft, liegt in vielfältigen atl Hoffnungen und Beschreibungen begründet. 35

Vgl. SCHMIDT, Aspekte 14 Anm. 52. Dazu KARRER, Gesalbte 122f., der die in der LXX erfolgte Uminterpretation von Sach 9,9f. vom noch auf Gott selbst bezogenen hebräischen Text auf einen irdischen König in der Funktion der Herstellung von Frieden feststellt; das Fehlen der Gesalbten-Terminologie veranlaßt Karrer, von einer Verselbständigung der Königslinie gegenüber einer alten „königstheologischen Gesalbter Jahwes-Linie" (123) in der Mitte des 2. Jh. v.Chr. zu sprechen. 37 Vgl. KARRER, Gesalbte 110; HAHN, EWNT III 1150; COLLINS, Scepter 32-35. Die davidischen Könige starben den Tod aller sterblichen Menschen, vgl. TALMON, Concepts 93f. 38 Vgl. COLLINS, Scepter 33.40; BECKER, Messiaserwartung 74 spricht vom „messianologische(n) Vakuum" in der Zeit des zweiten Tempels; vgl. ferner POMYKALA, Tradition 11 Of. 124-126. - Anders sieht noch HESSE, ThWNT IX 495.500 eine ungebrochene Tradition eines jüdischen Messianismus vom biblischen zum nachbiblischen Judentum. Nach LAATO, Star 242-247 ist z.B. im Buch Sir die Verheißung des David-Bundes weiterhin gültig. 36

2. Politisch umgesetzte Beanspruchungen der Königstradition Die atl Königstradition lebte auch ohne Zusammenhang mit zukünftigen oder eschatologischen Hoffnungen in hellenistischer Zeit weiter, was für die Makkabäerzeit (2. Jh. v.Chr.) durch zeitgenössische Schriften bezeugt wird (vgl. 1 Makk; Sir).1 In einer Vermächtnisrede des Mattatias an seine Söhne (1 Makk 2,49-68), als deren Hauptteil Mattatias das leuchtende Beispiel2 großer Gestalten aus Israels Geschichte wachruft, greift der Verfasser von 1 Makk in 2,57 die Tradition vom ewigen Bestand der davidischen Königsdynastie auf (vgl. 1 Sam 24; 26; 2 Sam 7): aufgrund seiner Treue erhielt David den Königsthron als ewiges3 Erbe. Diese Erwähnung kann in ihrer Bedeutung nur durch Beachtung des Kontextes erfaßt werden: Sie begegnet innerhalb einer Reihe exemplarischer Gestalten aus der Geschichte Israels, die jeweils für ihr

' Vgl. auch die Ausbildungen israelitischer Königstheorien, denen es häufig darum geht, die historisch oft als Willkür erfahrene Autorität des Königs unter die Tora zu stellen und so den jeweils die Tora interpretierenden Gruppen Einfluß einzuräumen; dazu MAIER, Zwischen 237f. 2 Zur Tendenz des Autors von 1 Makk, große Gestalten aus Israels Geschichte als Beispiele vorzustellen und damit auf seine spezifische Art einen Schriftbezug herzustellen, vgl. z.B. auch 1 Makk 2,24-26 (Num 25,6-15: Pinhas). Dazu GOLDSTEIN, Authors 79f.; femer LAATO, S t a r 2 7 7 . 3 GOLDSTEIN, Authors 75 mit Anm. 34 behauptet eine Einschränkung der Kennzeichnung „ewig" in 1 Makk 2,57. POMYKALA, Tradition 154f. lehnt die Basis der Annahme Goldsteins, der sich auf eine Numerusdifferenz beim Substantiv αίώ^ beruft, zwar ab, vertritt aber ebenfalls die Deutung als eine „lange Zeit" aufgrund des Kontextes, so daß der Hinweis auf David rein ein Ereignis der Vergangenheit wachrufe. Nach BECKER, Messiaserwartung 79 ist die Anspielung auf das ewige Königtum Davids in 2,57 nicht ernst gemeint, sondern Aufnahme einer traditionellen Floskel. - Demgegenüber gilt Vorsicht, da eine Einschränkung nicht verbalisiert wird; man kann sie nur aus der Ambivalenz des Begriffs „ewig"/„lange Zeit" erschließen, doch sollte man sich besser darauf beschränken zu sagen, daß der Verfasser von 1 Makk kein Gewicht auf die Aussage legt. - Nach COLLINS, Messianism 104 ist ein Aufgreifen der traditionellen Hoffnung auf Restauration der davidischen Dynastie hier durchaus möglich, freilich im Blick auf die eschatologische Zukunft. Doch wird eine solche Hoffnung in keiner Weise fruchtbar gemacht, was nicht für deren Bedeutung in 1 Makk spricht. Gegen Collins POMYKALA, Tradition 155. Auch LAATO, Star 177f. spricht sich für die Gültigkeit der Verheißung des ewigen Bestandes der davidischen Dynastie in 1 Makk als eschatologische Erwartung aus; die eschatologische Interpretation bedeutet einen Kompromiß mit der aktuellen Herrschaft der Hasmonäerdynastie.

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herausragendes Verhalten belohnt wurden. Diese Vorbildfiguren sind als Prototypen fur die Makkabäersöhne hervorgehoben (1 Makk 2,51.62).4 Die Tradition vom Bestand der Davidsdynastie ist dem Verfasser bekannt, doch wendet er sie entsprechend seinem Ziel der Legitimierung der Hasmonäerherrschaft 5 nicht an. In 1 Makk 5,62 werden gemäß dieser Absicht Judas Makkabäus und seine Brüder indirekt als die eigentliche Herrscherlinie vorausgesetzt, als das Geschlecht, dem die Rettung Israels anvertraut war. Daher errangen sie - wie der Verfasser unter Anwendung einer „empirischen" Argumentation zeigt - große Siege, während andere Israeliten Niederlagen erfahren mußten (vgl. 5,55-61), womit ein „historischer Beweis" fur die Rechtmäßigkeit der Makkabäer hintergründig evoziert wird. Es besteht eine gewisse sprachliche Nähe zu 2 Sam 3,18, wo König David als Akteur der Rettung Israels auftritt; nun findet diese Sprache in bezug auf die Hasmonäer Verwendung, so daß in subtil vermittelter Ablösung die Tradition der davidischen Königsdynastie ihre Legitimationsfunktion verliert und an die Hasmonäer abgeben muß.6 Das Bedürfnis nach herrscherlicher Legitimation drückt sich in diesem Text aus, wobei das noch immer theoretisch und allgemein gültige Modell das der davidischen Königsdynastie darstellt. Diese Legitimierungsunsicherheit tritt auch in 1 Makk 14,41 zutage, wo Simeon als Führer und Hohepriester der Juden akzeptiert wird mit der charakteristischen Einschränkung „bis ein wahrer Prophet auftrete". Eigentliche göttliche Legitimation vermag erst ein Gottes Willen kündender Prophet zu vermitteln. Die Erklärung für diesen Vorbehalt liegt in der Tatsache, daß Simeon kein Abkomme der davidischen Dynastie war. Bei den Hasmonäern wurden hohepriesterliches und königliches Amt verbunden. So erhielt Jonatan nach 1 Makk 10,19-21.62.64f.89 von Alexander Epiphanes zusätzlich zum Amt des Hohenpriesters die Stellung eines Vasallenkönigs, wofür Purpurmantel und goldener Kranz als Insignien stehen (10,20). Den politischen Hintergrund stellt die Herrschaftskonkurrenz zwischen Alexander Epiphanes und Demetrius I. dar, wobei Jonatan nach 1 Makk 10,46f. die Partei Alexanders ergriff. Simeon, der Bruder und Nachfol4

Zu dieser Deutung vgl. POMYKALA, Tradition 156-159. Zu dieser Absicht von 1 Makk vgl. POMYKALA, Tradition 152f. 6 Dazu auch GOLDSTEIN, Authors 80, der die vorsichtige Formulierung in 5,62 festhält, da durch die passivische Form nicht direkt von Gott gesprochen wird. Offenbar wollte der Verfasser von 1 Makk doch nicht einfachhin die Ablösung der Davididen durch die Hasmonäer behaupten. Ohne Bezug zu 2 Sam 3,18 sieht auch COLLINS, Messianism 103f. die Hasmonäer als Heilsbringer für Israel gezeichnet, wobei die Ablösung der davidischen Dynastie nicht direkt behauptet wird. LAATO, Star 258-260 beschreibt die Schwierigkeit der Hasmonäer bei der Führung des „König"-Titels, da diese keine davidische Herkunft beanspruchen können. 5

Politisch umgesetzte Beanspruchungen der Königstradition

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ger Jonatans, erlangte von den Juden selbst die Anerkennung als „Hohepriester, Feldherr und Fürst der Juden", wie 1 Makk 13,42 und 14,41f.47 berichten (vgl. 15,lf.). 7 Den hasmonäischen Herrschern legt das Buch 1 Makk bestimmte königliche Bedeutungen bei, wobei es eine unübersehbare Tendenz zur Idealisierung der relevanten Gestalten verfolgt. Das Loblied auf Judas Makkabäus (1 Makk 3,3-9) besingt diesen als siegreichen Kriegshelden, der die Sünder überwand und seinem Volk Befreiung und Freude verschaffte. 8 Simeon erreichte die endgültige Befreiung Israels, da er die Burg von Jerusalem friedlich einnehmen konnte (1 Makk 13,49-52). Der Einzug der Israeliten wird mit Siegesmotiven geschildert, wozu Instrumentalmusik und Hymnengesang sowie Palmzweige als Siegessymbol Israels gehören (V. 51). Das Loblied auf Simeon (14,4-15) preist seine Herrschaft über das Land Judäa, das eine Zeit der Ruhe und des Friedens erlebte und einen gewissen Wohlstand genoß, was in verschiedenen Bildern aus Agrikultur und Militärwesen beleuchtet wird. So findet z.B. das Motiv des friedlichen und sicheren Sitzens eines jeden Israeliten unter seinem Weinstock und seinem Feigenbaum (V. 12) Verwendung (vgl. die verbale Übereinstimmung mit Mich 4,4). Das Gesetz fand wieder Beachtung, der Tempelkult wurde in neuer Intensität betrieben. In der politischen Theologie von 1 Makk erlangte die Vorstellung des siegreichen Königs bzw. Herrschers, der Israel Freiheit, Frieden und Heil bringt, zentrale Relevanz.9 Dem dann erblichen Amt eines „Hohenpriesterkönigs" wurde in der Folgezeit große Bedeutung beigemessen, wofür das in Sir 50,1-21 tradierte Loblied auf einen solchen Amtsträger den Beweis liefert.10 In Sir 44,17-45,26 wird deutlich, daß dieses Hohepriestertum alle Ämter der Geschichte Israels

7

Vgl. MAIER, Zwischen 156-158; HAHN, EWNT III 1151; KARRER, Gesalbte 164-166. Eine messianische Erwartung läßt sich daraus nicht erschließen, so STEMBERGER, TRE XXII 622; vgl. KARRER, Gesalbte 131f. - MAYER, Messias 24-26 wendet auf die makkabäischen und hasmonäischen Herrscher messianische Terminologie an; vgl. HORBURY, Messianism 417f. Dies findet jedoch keinen Rückhalt in den Quellentexten. 8 Zur prohasmonäischen Einstellung von 1 Makk vgl. BECKER, Messiaserwartung 79f. 9 GOLDSTEIN, Authors 80f. weist darauf hin, daß gerade die Erwartung siegreicher Herrschaft als ständige Herausforderung die Herrschaft des Alexander Jannäus erschwerte. - Ein kollektives Verständnis der Königsherrschaft in 2 Makk 2,17 ist textlich nicht gesichert; vgl. GOLDSTEIN, ebd. 83f. mit Anm. 71; zeitgeschichtlich paßt die Aussage, individuell gedeutet, erst zur Herrschaft des Alexander Jannäus, so daß möglicherweise der Glaube des Judas Makkabäus (und seiner Zeit) an eine baldige Verwirklichung der Hoffnung auf Israels Königsherrschaft ausgesagt werden soll. 10

V g l . HAHN, E W N T III 1 1 5 1 ; z u m H i n t e r g r u n d KARRER, G e s a l b t e 1 5 7 f . l 6 6 ; MAIER,

Zwischen 158-165.

158

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

in sich einschließt, wozu gerade auch das königliche Amt zählt.11 Auch die Überlieferung von David als von Gott erwähltem König Israels greift Ben Sira dabei auf (47,1-11 innerhalb des Lobliedes auf David und Salomo 47,122), wobei neben dem Kriegskönig Motive der Frömmigkeit (vgl. Psalmengesang) wichtig werden. Die Beständigkeit der Dynastie findet kaum Erwähnung, lediglich in V. 11 ist vom Bund des Königtums und des Thrones in Jerusalem im Zusammenhang mit Sündenvergebung und ewiger Aufrichtung eines „Horns" (]~lp) die Rede.12 Der Bund Gottes mit David, der die davidische Herrscherdynastie begründet, findet in Sir 45,25 nur kurze Erwähnung, was neben der breiten Behandlung der Erwählung Aarons 45,6-22 auffallt und zeigt, daß Ben Sira den Akzent auf die Herrschaft der Priesteraristokratie legt,13 die das Ideal der Königsherrschaft Gottes, also einer Theokratie, politisch umzusetzen beansprucht. Der Davidsbund fungiert als Beispiel für die Errichtung der hohepriesterlichen (!) Dynastie. Messianische Erwartungen oder Hoffnungen auf einen zukünftigen davidischen Heilskönig artikuliert Ben Sira nicht, doch bietet er ein Beispiel für die Präsenz der Tradition vom Bund Gottes mit Davids Königshaus im Denken seiner Zeit. Zur Zeit des hasmonäischen und später des herodianischen Königtums in Palästina ist eine Salbung des Königs weder historisch belegbar noch literarisch angezielt, auch nicht in frühen apokalyptischen Texten (Teilen des äthHen und Dan). Eine zunehmende Hellenisierung des jüdischen Königtums wird sichtbar,14 was die Ausbildung gegenläufiger restaurativer Hoffnungen nahelegt. Johannes Hyrkan I. (134-104 v.Chr.) konnte nach Josephus (Bell 1,68; Ant 13,288-300) die Stellung eines Königs, Hohenpriesters und Propheten zugeschrieben werden, wobei wohl eine hasmonäische Hofideologie zugrundeliegt. Ausdrücklich nahm Aristobul I. (104-103) den Königstitel an (vgl. Bell 1,70; Ant 13,301), was von Alexander Jannäus (103-76) fortgeführt wurde.

" So trägt Aaron in Sir 45,12 mit der goldenen Krone ein königliches Symbol (vgl. Ps 21,4), anders als in der Schilderung Ex 28,36-38; 29,6; 39,30; Lev 8,9. Zur Betonung des Hohepriestertums vgl. POMYKALA, Tradition 142-144. 12 Eine rein historische Betrachtung ohne Zukunftsperspektive dürfte hinter Sir 47,22 steh e n ; vgl. POMYKALA, T r a d i t i o n 144-147; BECKER, M e s s i a s e r w a r t u n g 78. 13

Vgl. COLLINS, Messianism 98. Voran geht (Sir 45,24) die Nennung des Pinhas in Verbindung mit dem Bund des Hohepriestertums; dazu POMYKALA, Tradition 139f., der diesen Kontext der hohepriesterlichen Verheißung betont (allgemein ebd. 151); zur Beispielfunktion des Davidsbundes ebd. 141-144. Die eingeschränkte Beanspruchung der David-Tradition in Sir betont SCHÄFER, Diversity 20f. 14 Vgl. KARRER, Gesalbte 128-140.147.

Politisch umgesetzte Beanspruchungen der Königstradition

159

Neben diesen innergeschichtlichen Entwicklungen kannte die Makkabäerzeit auch eschatologische Erwartungen (vgl. das Buch Dan),15 wobei eine messianische Hoffnung anfanghaft eine gewisse Rolle spielte, wie dem Zeugnis der Qumran-Literatur - freilich unter dem Vorbehalt einer gewissen Datierungsunsicherheit mancher Schriften - entnommen werden kann.16 Die Makkabäerbücher selbst enthalten bemerkenswerterweise keinerlei messianische Erwartungen. Man darf aufgrund dieser Beobachtung zwar nicht e silentio darauf schließen, daß eine solche Erwartung unbekannt war oder Ablehnung erfuhr,17 doch wurde sie jedenfalls nicht für die eigene politische und theologische Absicht in Anspruch genommen. Liegt die Begründung für dieses Fehlen in der Orientierung an den politischen Herrschern der Hasmonäer? Sicherheit läßt sich für diese Annahme nicht gewinnen, so daß ein möglicher Sitz im Leben der Entstehung der Gesalbtenhoffnung zwar ganz allgemein in der Unzufriedenheit mit den realpolitischen Herrschern Israels erblickt werden darf,18 aber im Glauben an die Verheißung eines zukünftigen Heilskönigs für Israel noch ein entscheidender Faktor hinzutreten muß. Drei Traditionslinien lassen sich in der Folgezeit grob unterscheiden: immanente königliche Gesalbtenerwartungen, die Erwartung zweier messianischer Gestalten und die Verbindung königlicher Gesalbtenhoffnung mit apokalyptischen Vorstellungen.

15

Dazu HAHN, EWNT III 1151; zu Dan COLLINS, Messianism 99f.; ebd. 101-103 zu transzendenten Heilsfiguren (Engelwesen). 16 Vgl. COLLINS, Messianism 106, der messianische Züge als erkennbar, aber nicht verbreitet beurteilt. Demgegenüber ist Vorsicht geboten, da Hinweise auf die davidische Verheißung noch nicht als messianische Hoffnung gelesen werden können; terminologisch spielt die Gesalbten-Begrifflichkeit mit Ausnahme einiger (weniger) Qumran-Schriften keine Rolle. 17

M i t COLLINS, M e s s i a n i s m 104. G e g e n GOLDSTEIN, A u t h o r s 8 8 m i t A n m . 9 3 . HAHN,

Hoheitstitel 14lf. erkennt eine uneschatologische und unmessianische Haltung der Makkabäer und erklärt sie aus der Übernahme deuteronomistischer Theologie. 18 Auch der Verfasser der gekürzten Geschichte der Makkabäerzeit in 2 Makk 2,19-15,39 zeigt sich den Hasmonäem gegenüber skeptisch, mit Ausnahme des glorifizierten Judas Makkabäus; vgl. GOLDSTEIN, Authors 87f. Den prägenden Einfluß politischer Einstellungen bemerkt COLLINS, Messianism 106; allgemein gewinnen in hellenistischer Zeit transzendente Heilsfiguren an Bedeutung; vgl. ebd. 101-103.

3. Die geschichtliche, davidisch-königliche Gesalbtenerwartung der Psalmen Salomos Ein grundlegendes Zeugnis der Erwartung eines königlichen Gesalbten stellen die PsSal 17 und 18 dar, in denen ausdrücklich vom χριστός κυρίου (bzw. αύτοΰ) gesprochen wird (PsSal 17,32; 18,1.5.7). Die Texte entstanden im 1. Jh. v.Chr. und wurden von der Forschung vielfach pharisäischen Kreisen zugeschrieben.1 Aufgrund der mangelnden Informationen, die uns über eine jüdische Gruppierung der Pharisäer im 1. Jh. v.Chr. zur Verfugung stehen und die die Existenz einer solchen klar abgrenzbaren Gruppierung für diesen Zeitraum überhaupt in Frage stellen, ist gegenüber einer derartigen Identifizierung Vorsicht geboten.2 Eine erkennbare Nähe zur später in Grund1 Vgl. RYLE/JAMES, Psalms (Titel: The Psalms of the Pharisees); ROST, Einleitung 90f.; KITTEL, Psalmen 127f.; HOLM-NIELSEN, Psalmen 51.58f.; HAHN, EWNT III 1151; SCHÜPP-

HAUS, Psalmen 105-107.115Í.126-137; LICHTENBERGER, Erwartungen 14; OEGEMA, Ge-

salbte 104; MÜLLER, Messias 76 mit Anm. 58; NICKELSBURG, Literature 203f.; ausfuhrlich ordnet WLNNLNGE, Sinners 141-180 die PsSal den aus der Bewegung der Chasidim entstandenen Pharisäern des 1. Jh. v.Chr. zu; an den Pharisäern nahestehende Gruppen denkt POMYKALA, Tradition 159f. Auch MÜLLER, Apokalyptik 169f. setzt dies voraus. Datierung ins 1. Jh. auch bei KARRER, Gesalbte 44; DA VENPORT, Anointed 68; WLNNLNGE, Sinners 12f.; DE JONGE, Psalms 160f.; WASCHKE, König 35; WRIGHT, Psalms of Solomon 640f.; ROST, Einleitung 90; LAATO, Star 280; POMYKALA, Tradition 159; gegen andere Datierungen BRANDENBURGER, Gesalbte 217f. A n m . 7. 2 Auf mangelnde Evidenz für pharisäische Herkunft weist KARRER, Gesalbte 249 mit Anm. 43 hin; zur Entstehung vgl. ebd. Vgl. auch STEMBERGER, Pharisäer 106f.; COLLINS, Scepter 51; MACK, Wisdom 36; CHARLESWORTH, From Jewish 234; CHESTER, Expectations 29f.; DE JONGE, Psalms 160; SANDERS, Judaism 452f. Eine Verbindung mit der QumranGemeinde favorisiert WRIGHT, Psalms 136-154; DERS., Psalms of Solomon 642 hält pharisäischen oder essenischen Ursprung fur möglich. Wegen terminologischer und sachlicher Gemeinsamkeiten, aber auch signifikanter Differenzen mit Qumran-Schriften vermutet HANN, Community 184-189 eine Verbindung zu essenischen Kreisen; eine ursprünglich essenische Bewegung spaltet sich in die Qumran-Gemeinde und die „Sekte" der PsSal auf, was Nähe und Distanz erklärt; ein gemeinsamer gedanklicher Hintergrund ist dabei gegeben, was möglicherweise noch an der messianischen Erwartung sichtbar ist. ATKINSON, Redating 1 ΙΟΙ 12 betont die Distanz der PsSal zu den bekannten jüdischen Gruppierungen der Pharisäer und der Qumran-Gemeinde; seine Untersuchung (101-107) favorisiert eine Datierung der Redaktion der PsSal in die Zeit zwischen 37 und 30 v.Chr. und sieht die Lieder innerhalb einer sektiererischen Jerusalemer Gruppe aus dem Bereich der Synagoge situiert (107-112): Die PsSal seien „a collection of theological reflections of a Jerusalem synagogue community to the turbulent political events occuring within Jerusalem from approximately 62-30 BCE"

162

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

ziigen einheitlich entwickelten pharisäischen Geistesbewegung und Frömmigkeit ist dagegen sicher gegeben. Die Indizien innerhalb der PsSal erlauben keine eindeutige Festlegung in dieser Frage. Die PsSal sind von einer religiösen Grundhaltung geprägt, die deutlich zwischen Gottesfurchtigen und Gottlosen unterscheidet.3 Allgemein wird in den PsSal angesichts des offensichtlichen Gedeihens von Sündern und Gottlosen in der Welt und im eigenen Volk die Frage der Gerechtigkeit Gottes, der Theodizee virulent. Die fragwürdig gewordene Gerechtigkeit Gottes wird durch die Überlegung verteidigt, daß die aktuellen Anfechtungen als von Gott getragene Prüfung und Läuterung des Frommen im Hinblick auf die endgültige Erlösung zu verstehen sind, wo der Fromme seinen gerechten Lohn erhalten wird, sofern er die ihn situativ bedrängenden Leiden erträgt.4 Dazu lenkt der Psalmist den Blick auf die von ihm erwartete anbrechende Herrschaft Gottes. Sünder aller Art werden dann ihre gerechte Strafe erhalten. Die PsSal sind in griechischer und syrischer Sprache überliefert, dabei jedoch als Übersetzungen einer ursprünglich hebräischen Originalfassung erkennbar. Die Übertragung ins Griechische, das dem hebräischen Original wohl nähersteht als die syrische Version, dürfte im 1. Jh. n.Chr. erfolgt sein.5 Die syrische Übersetzung geht dabei mit einiger Wahrscheinlichkeit auf eine griechische Vorlage zurück und trägt so als Übersetzung einer Übersetzung deutlich sekundären Charakter.6 Der ursprüngliche Sitz im Leben7 dieser Ge-

(110). Aspekte der neueren Forschung zum Thema bieten WINNINGE, Sinners 14-16; TRAFTON, Psalms 7f.; FRANKLYN, Climax 15-17 (der eine Nähe zur essenischen Bewegung und zum Pharisäismus erkennt, doch eine exakte Zuweisung aufgrund mangelnder äußerer Daten unterläßt). 3 Dazu SCHÜPPHAUS, Psalmen 94-105.120-124; KITTEL, Psalmen 128f.; HOLM-NLELSEN, Psalmen 56f.; VLTEAU, Psaumes 51-56; DE JONGE, Psalms 160; FRANKLYN, Climax 8-12. Zu Sündern und Gerechten in PsSal 17 vgl. WINNINGE, Sinners 108f., allgemein in den PsSal ebd. 125-136. 4 Vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 51.56. Zur Züchtigung der (nicht sündlosen) Frommen und einem endgültigen Leben der Frommen in Gottes Heil vgl. SCHÜPPHAUS, Psalmen 9093; zur Notsituation der Gemeinde und der erhofften Hilfe Gottes ebd. 108-115; zu den entsprechenden Intentionen der PsSal ebd. 116f. Zur Theologie der PsSal auch WRIGHT, Psalms of Solomon 643f. 5 Zur Textgrundlage vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 53-55; WINNINGE, Sinners 9-14; KITTEL, Psalmen 129f.; WRIGHT, Psalms of Solomon 640. Zu den verschiedenen Textversionen liegen die Arbeiten von KUHN, Textgestalt (1937); HANN, Manuscript (1982) und TRAFTON, Syriac Version (1985) vor. 6 Dazu WINNINGE, Sinners 11 mit Arnn. 14 (Literatur). ROST, Einleitung 89 klassifiziert die syrische Version als Übertragung des hebräischen Textes unter Mitbenutzung einer griechischen Übersetzung. An eine direkte syrische Übersetzung aus dem Hebräischen denkt TRAFTON, Syriac Version (1985).

Die geschichtliche, davidisch-königliche Gesalbtenerwartung der PsSal

163

dichte läßt sich möglicherweise innerhalb gottesdienstlicher Gestaltungsformen in der jüdischen Synagoge bestimmen. Termini wie „Psalm" und „Lobgesang" sowie wiederholte Aufforderungen zu Preis, Dank oder Anrufung Gottes könnten auf gottesdienstliche Verwendung weisen, wenn man sie nicht als geprägte literarische Formsprache fassen will. 8 Die Möglichkeit des Gebrauchs beim Gottesdienst erweist sich jedenfalls als durchaus denkbar. Aufgrund ihres paränetischen und parakletischen Charakters wurden die PsSal darüber hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bereich religiöser Bildung und Erziehung eingesetzt. Dafür spricht auch die fundamental prägende Rezeption atl Texte innerhalb der PsSal. Als Herkunftsort ist Palästina anzunehmen, wobei der Verbreitungsgrad ungewiß bleibt. Die Aufnahme in die LXX deutet auf Verwendung in Alexandria, später scheinen die PsSal jedoch völlig außer Gebrauch geraten zu sein. Die Gedichte werden von verschiedenen Verfassern gebildet worden sein, da zwischen den einzelnen Texteinheiten offenkundige inhaltliche und stilistische Differenzen bestehen.9

3.1 PsSal 17 Dieser thematisch wichtige Text bedarf eingehenderer Betrachtung.10 Gattungsgeschichtlich läßt sich PsSal 17 als Klagepsalm bestimmen." Eine ge7

Dazu HOLM-NIELSEN, Psalmen 51.59; zur Aufnahme atl Gedanken ebd. 57. Vgl. auch WINNINGE, Sinners 18f.; DE JONGE, Psalms 159; SCHOPPHAUS, Psalmen 153; ferner ROST, Einleitung 90. Zum synagogalen Sitz im Leben der PsSal vgl. auch ATKINSON, Redating 109f.; MACK, Wisdom 37. 8 Auch der Ausdruck δίάψαλμα (17,29; 18,9) könnte gleichfalls eine äußerliche Nachahmung atl Psalmschemata bilden. ' Vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 58f. Zu Palästina und spezieller Jerusalem als Entstehungsort auch WINNINGE, Sinners 14; POMYKALA, Tradition 159. Zum paränetischen Gebrauch auch DE JONGE, Expectation 6. 10 Zur Analyse vgl. SCHOPPHAUS, Psalmen 64-73, zusammenfassend zum Bild des „Gesalbten" ebd. 93f.ll5; eine sukzessive Entstehung des Psalms vermutet und beschreibt er ebd. 140f.l48-150. OEGEMA, Gesalbte 105-107 greift dessen Theorie auf und akzentuiert die historische Situierung des Psalms. Die Einzelanalyse von PsSal 17,21-43, die BRANDENBURGER, Gesalbte 220-235 durchführt, lenkt den Blick auf atl Bezüge und deren Anwendung auf die Gegenwart des Autors als Gegenbild zur Herrschaft der Hasmonäer und Römer. Auf zahlreiche atl Zitate und Anspielungen in PsSal 17 verweist KNIBB, Messianism 167. " So HOLM-NIELSEN, Psalmen 56; DAVENPORT, Anointed 71 („communal lament"); POMYKALA, Tradition 160; WASCHKE, König 35 (ebd. 43 präzisierend: Mischform aus Hymnus, Klage und Bitte). Andere Bestimmungen bei SCHÜPPHAUS, Psalmen 64 Anm. 287. NICKELSBURG, Literature 203-212 teilt die PsSal in „psalms of the individual" und „psalms of the nation" ein, wobei PsSal 17 und 18 zu letzterer Kategorie zählen; vgl. auch FRANK-

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

nauere Datierung des Liedes in die Zeit zwischen 61 und 57 v.Chr. wurde vorgeschlagen, da 17,7-9 die Einnahme Jerusalems durch Pompeius und die Wegfiihrung Aristobuls II. nach Rom spiegelt, andererseits noch keine Kenntnis des Aufstandes des Jahres 57 durch den Sohn Aristobuls, Alexander, Niederschlag fand. 12 Bereits die sekundär 13 thematisch zentrierende Überschrift gibt zu verstehen, daß sich der Psalm mit der Kennzeichnung eines Königs (τω βασιλεΐ) befaßt. Der Aufbau des Psalms ist klar erkennbar und stringent. Nach einem Vertrauen motivierenden Lobpreis Gottes (VV. 1-3) verbindet der erste Hauptteil (VV. 4-20) einen Geschichtsrückblick mit der Klage über die aus der Geschichtserfahrung resultierenden desolaten Verhältnisse der Gegenwart. Der zweite Hauptteil (VV. 21-43) 14 formuliert in einem heilvollen Zukunftsbild die Bitte um Renovierung des politischen Zustandes Israels. Der Abschluß (VV. 44-46) enthält Seligpreisung, forcierte Bitte und schließlich den wiederholten Lobpreis Gottes. Die Vorstellung von Gott als König, die im Zentrum des Lobpreises zu Beginn (17,1-3) und im Schlußsatz (17,46) ausgesprochen wird, bildet eine inclusio des ganzen Liedes und erweist sich aufgrund dieser formalen Struktureigenart als theologisches Fundament der umschlossenen Aussagen, das pragmatisch betrachtet - dazu geeignet ist, beim Rezipienten Vertrauen auf Gottes machtvolles Handeln zugunsten seines Volkes Israel zu wecken: „Herr, du selbst bist unser König für immer und ewig" (V. 1 ; vgl. V. 46). Im Sinne dieser theozentrischen oder theokratischen Grundausrichtung erscheint Gott als der alleinige und ewige Grund und Inhaber aller Macht und Herrschaft, 15 sein im Mittelteil vorgestellter irdischer Repräsentant partizipiert dann an dieser Machtfulle und handelt in göttlicher Ermächtigung. 16 EntspreLYN, Climax 2-4 (mit geringfügigen Variationen), der ebd. 12 als Grundthema von PsSal 17 und 18 die Bitte um Gottes Hilfe in Zeiten nationaler Not nennt. 12

Dazu DAVENPORT, Anointed 71; POMYKALA, Tradition 159; BRANDENBURGER, Ge-

salbte 220. - Zum Hintergrund der hasmonäischen und der römischen Herrschaft als Antrieb zur Gestaltung messianischer Erwartung vgl. NICKELSBURG, Literature 208. 13 Zum sekundären Charakter der Psalmüberschriften vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 58.92 (zu PsSal 15); allgemein WLNNINGE, Sinners 19f. Zur in Überschrift und Diapsalma greifbaren Redaktion der PsSal 17 und 18 mit ihrem auf die Gestalt Salomos reflektierenden Akzent KARRER, Gesalbte 263f. 14 DAVENPORT, Anointed 71 Anm. 17 (88) differenziert hier zwischen Bitte (VV. 21-24) und prophetischer Antwort (VV. 25-44). Dagegen scheint mir das ganze Zukunftsbild als Ausgestaltung einer hoffnungsvollen Bitte zu verstehen zu sein. Gegen diese Differenzierung auch POMYKALA, Tradition 160. 15 Vgl. zu diesem Gedanken auch PsSal 2,28-31; 5,19. 16 SCHÜPPHAUS, Psalmen 65 mit Anm. 291 sieht unter Nichtbeachtung des Partizipationsverhältnisses im Themenwechsel vom Königtum Gottes zum davidischen Königtum einen Bruch, eine Spannung, „einen neuen Aspekt". Bereits SCHÜRER, Geschichte II 597

Die geschichtliche, davidisch-königliche Gesalbtenerwartung der PsSal

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chend setzt jeder Psalmteil mit einer Anrede Gottes als „Herr" (VV. 1.4.21) ein, und der ganze Psalm endet in V. 46 auf gleiche Weise. Auf den genannten irdischen Repräsentanten rekurriert das Lied auch sogleich, indem der zum König über Israel bestimmte David genannt wird, wobei charakteristischerweise sofort die göttliche Verheißung des ewigen Bestandes der DavidDynastie hinzugefugt ist (V. 4).17 Mit dieser quasi-historischen Reminiszenz wird der messianische Gedankenkreis eröffnet:18 (17,4) Du, Herr, erwähltest David zum König über Israel, und du schworst ihm für seinen Samen in Ewigkeit, daß sein Königtum vor dir nicht aufhöre.

Danach spricht der Psalmist als solche eingestufte gottlose Widersacher der legitimen davidischen Herrschaft an (VV. 5f.),19 die wegen ihres Unrechten erkennt hingegen die Verbindung von göttlichem und davidischem Königtum; vgl. auch DAVENPORT, Anointed 72; WASCHKE, König 43f. (der diese Verbindung schon in Ps 89 findet); NICKELSBURG, Literature 207f.; LAATO, Star 281. 17 Als atl Bezugstellen im Hintergrund der folgenden Darstellung des Königs kommen neben 2 Sam 7,11-16 ebenso Ps 89,4f.; 132,11; Jer 33,17; 1 Makk 2,57; Sir 45,25, aber auch Jes 11,4, wo überall die Tradition vom Bestand der davidischen Dynastie aufgegriffen wird, in Betracht. Nicht eindeutig eruierbar ist, ob eine bestimmte atl Stelle den zentralen Bezugsort darstellt. HOLM-NLELSEN, Psalmen 101 sieht 2 Sam 7 als Zentralstelle mit Passagen aus den Prophetenbiichem verbunden. Anders weist WASCHKE, König 40 mannigfache atl Bezüge zu 17,4 auf, so daß V. 4 „aus der Fülle der alttestamentlichen Traditionen formuliert" scheint; Ps 89 biete eine nähere Parallele als der oft favorisierte Text 2 Sam 7; Waschke bevorzugt eine Herleitung der Gesalbten-Bitte aus der atl David-Tradition, besonders aus den traditionellen Königspsalmen, und weist auf Gemeinsamkeiten zwischen der Stellung atl Königspsalmen im Psalter und PsSal 17 und 18 allgemein sowie auf formale und sachliche Parallelen zwischen Ps 89 und PsSal 17 im besonderen hin (41-44); entsprechend beschreibt er PsSal 17 betont in Kontinuität und Tradition mit den Königspsalmen und der davidischen Verheißung (41.45f.). Freilich ist auch der Einfluß von Jes 11,4 stark (ebd. 41). 18

Die im Zuge meiner Darstellung gegebenen deutschen Übersetzungen folgen HOLMNIELSEN, Psalmen 97-107; griechische Phrasen stammen aus RAHLFS, Septuaginta II 486488. 19

Zu denken ist mit einem breiten Forschungsstrom an die Hasmonäer-Könige, die außerhalb der davidischen Verheißung stehend (vgl. V. 5) verstanden werden. So COLLINS, Scepter 51-53; HOLM-NLELSEN, Psalmen 98 z.St.; SCHÜPPHAUS, Psalmen 65-67.105; WINNINGE, Sinners 99f; U.B. MÜLLER, Messias 77-79 (der die Pharisäer als Gegenpartei der Hasmonäer hervorhebt); K. MÜLLER, Apokalyptik 168-170; SANDERS, Judaism 453; ZENGER, Jesus 54f.; LAATO, Star 281; ATKINSON, Redating 104f.; HAHN, Hoheitstitel 150; KUHN, Messias 176f.; KITTEL, Psalmen 145; VLTEAU, Psaumes 12f.23.65f.342f.; RYLE/JAMES, Psalms 126f. 129f. - Anders erkennt TROMP, Sinners 351-354.359-361 auch hier die Fremdmacht als Gegner, worunter die Römer zu verstehen sind; die Hoffnung richtet sich auf das Eingreifen einer anderen Großmacht, der Parther (vgl. DUes: Kyros); das Volk der Juden muß dann als zwar sündige, aber im Blick auf den Autor und die von ihm repräsentierte Gruppe auch fromme Einheit verstanden werden. Diese Rekonstruktion ist aufgrund der Nivellierung des

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Handelns dem Gericht Gottes und ihrer gerechten Strafe verfielen. Durchgeführt wurde das Gericht durch einen „Ausländer", unter dem wohl der Römer Pompeius20 verstanden werden muß (VV. 7-10).21 Dessen zerstörerisches Gerichtshandeln wird als heidnisches, von Gott in seiner Maßlosigkeit nicht mehr gedecktes Tun beschrieben (VV. 11-14), doch auch ein Teil des Volkes Gottes selbst, v.a. dessen Führer, wandten sich von Erbarmen und Treue, von Gerechtigkeit und Recht ab, so daß die Frommen zu Flucht und Absonderung

Unterschieds zwischen Sündern und Frommen und wegen der mangelnden historischen Situierbarkeit wenig wahrscheinlich. 20 Darauf deuten die Ähnlichkeiten mit PsSal 2,25-31 und 8,15 sowie der Vergleich von 17,11-14 mit Josephus, Ant 14,71.79; Bell l,157f.: Die Eroberung Jerusalems kostete zwölftausend Juden das Leben, Aristobul II., sein Schwiegervater Absalom, seine Söhne und Töchter wurden im Triumph nach Rom geführt. Dazu WLNNINGE, Sinners lOOf.; KITTEL, Psalmen 145; HOLM-NLELSEN, Psalmen 99f.; ferner SCHÜPPHAUS, Psalmen 68f. (mit 27 Anm. 43); 105; VLTEAU, Psaumes 15-18.344; RYLE/JAMES, Psalms 127.131-133; COLLINS, He Shall 149; OERS., Scepter 50; OEGEMA, Gesalbte 105; HAHN, Hoheitstitel 150. Zur Bewertung des Pompeius in PsSal 2; 8; 17 auch DE JONGE, Expectation 7-9. - Anders favorisiert ATKINSON, Herod 314.322 eine Datierung kurz nach 37 v.Chr., also in der Zeit nach Belagerung und Eroberung Jerusalems durch Herodes I. und den römischen General Sosius, wonach bis 30 v.Chr. die allmähliche prophylaktische Ermordung potentieller Königsprätendenten hasmonäischer Herkunft (Antigonus, Aristobul III., Hyrkan II.) durch Herodes erfolgte; darauf deuten einmal die Futurformen in PsSal 17,7-9a (Bestrafung der Hasmonäer stehe unmittelbar bevor), dann das Verständnis des Herodes (als Idumäer) als „Halbjude", der - anders als Pompeius, der sich hasmonäische Unterstützung sicherte - Hasmonäer töten ließ; schließlich passe die 17,11-20 geschilderte Situation zu Eroberung Jerusalems und Regierung des Herodes in den Jahren 37-30 (ebd. 315-322). Vgl. auch DERS., Redating 105107. Diese Interpretation ist keineswegs zwingend und bringt das Problem mit sich, den Psalm nur sehr kurze Zeit aktuell applizierbar erscheinen zu lassen (bis nämlich 30 v.Chr. der letzte Hasmonäer den Tod fand); eher schon liegt eine Erinnerung an die Tötung einzelner Hasmonäer durch den Römer Pompeius vor, die - ganz im Sinne der Futurübersetzung in VV. 7-9a - die Hoffnung auf ein gleichgerichtetes zukünftiges Eingreifen Gottes fundiert. 21 Problematisch erscheinen die Tempora in W . 7-9: In W . 7-9a bieten die griechischen Handschriften und die syrische Version das Futur, in V. 9b steht griechisch der Aorist, syrisch ein Jussiv; vgl. HOLM-NlELSEN, Psalmen 99. Das Futur wird wohl auf ein Imperfekt im hebräischen Original zurückgehen, das Vergangenheit in ihrem Gegenwartsbezug anspricht; so SCHÜPPHAUS, Psalmen 67 Anm. 303. Der syrische Jussiv in V. 9b weist zu einer Deutung, die das Futur in W . 7-9a im Sinne von Wunsch oder - stärker - Beschwörung versteht; so HOLM-NlELSEN, Psalmen 99; zustimmend BRANDENBURGER, Gesalbte 219 Anm. 16. Eine Übersetzung durch Futurformen kann gut durch die Erwartungshaltung des zweiten Teils von PsSal 17 (VV. 21-46) veranlaßt sein. Imperfektisch deutet WlNNINGE, Sinners 90 mit Anm. 388. Vgl. RYLE/JAMES, Psalms 131; KITTEL, Psalmen 145. -TROMP, Sinners 346-350 beläßt die Tempora: VV. 7-9a meinen die zukünftige Strafe, V. 9b sieht die dafür notwendigen Vorbereitungen als schon getroffen an; vgl. zustimmend ATKINSON, Herod 315f.

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gezwungen waren;22 sogar die Natur verweigerte den Menschen angesichts solcher Gesetzlosigkeit Regen und Quellwasser (VV. 15-20). Auf dieser Negativfolie ergeht nun - und damit beginnt der zweite Hauptteil des Psalms - die drängende Bitte an Gott um Sendung eines die Verhältnisse umstürzenden, heilbringenden Königs, eines Gesalbten, der freilich zunächst ohne Verwendung der „Gesalbten"-Terminologie beschrieben wird: (21) Sieh zu, Herr, und richte ihnen auf ihren König, den Sohn Davids, zu der Zeit, die du ausersehen, o Gott, über Israel, deinen Knecht, zu herrschen, (22) und umgürte ihn mit Stärke, zu zermalmen ungerechte Fürsten, zu reinigen Jerusalem von Heidenvölkern, die vernichtend zertreten, (23) in Weisheit der Gerechtigkeit23 die Sünder vom Erbe zu verstoßen, des Sünders Übermut zu zerschlagen wie des Töpfers Geschirr, (24) mit eisernem Stab zu zerschlagen all ihren Bestand, zu vernichten gesetzlose Völkerschaften durch das Wort seines Mundes, (25) durch seine Drohung den Feind in die Flucht zu schlagen fort von seinem Angesicht, und die Sünder zu züchtigen in ihres Herzens Wort.

Die erbetene Gestalt wird eingeführt als König (βασιλεύς) und Sohn Davids (υιός Δαυίδ), also als Erbe der an David ergangenen dynastischen Verheißung und Erfiiller einer königlichen Gesalbtenerwartung, wie die Verwendung des Titels „Gesalbter" in V. 32 dann terminologisch eindeutig einträgt (V. 21a).24 Der erbetene davidische König steht in direktem Kontrast zu den geschichtlich erfahrenen ungerechten (hasmonäischen) Führern und Herrschern, wobei unmittelbar zuvor von der Gesetzlosigkeit des Königs (gleicher Terminus βασιλεύς) gesprochen wurde (V. 20). Die Natanweissagung 2 Sam 7,8-16 bildet offenbar den geistigen Hintergrund, der die Bitte um Sendung eines davidischen Heilskönigs ermöglicht und motiviert. Aufgrund der Verheißungstreue Gottes darf auf das Auftreten eines neuen davidischen Königs 22 Historisch mag an Vorgänge zur Zeit des Hasmonäers Alexander Jannäus angespielt sein, als um 94-88 v.Chr. ein pharisäischer Aufstand blutig niedergeschlagen wurde (vgl. Josephus, Ant 13,379-383; Bell 1,96-98); die Flucht blieb als einziger Ausweg. So SCHÜPPHAUS, Psalmen 69f.; auch KITTEL, Psalmen 146. WINNINGE, Sinners 106f. tendiert zur Identifikation der Schilderung mit den in Ant 14,19-24 überlieferten Ereignissen, als im Bürgerkrieg zwischen Hyrkan II. und Aristobul II. um 65 v.Chr. eine Gruppe angesehener und frommer Juden nach Ägypten floh, die Winninge als Pharisäer erkennt. - Die genannten vernachlässigten Eigenschaften lassen auf soziale und politische Unterdrückung schließen. 23 Hier weicht meine Übersetzung von der bei HOLM-NIELSEN, Psalmen 1 0 2 gebotenen ab, der das griechische Syntagma èv σοφία δικαιοσύνης mit der bereits interpretierenden Wendung „in Weisheit (und) in Gerechtigkeit" wiedergibt. Analog übersetzt auch WINNINGE, Sinners 9 2 („in wisdom and righteousness"). - Mittels Genitivkonstruktion übersetzt D A V E N PORT, Anointed 6 9 . Näheres dazu unten. 24 Vgl. 2 Sam 7,8-16; Ps 89; auf die Verheißung an David spielte bereits V. 4 an. Die davidische Abkunft des königlichen Gesalbten kennen auch die Qumran-Texte, wenn sie vom „Sproß Davids" sprechen; vgl. 4Q252 V 4; 4Q285 Fr. 5; 4Q161 Fr. 8-10, 18; 4Q174 III 11.

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in naher Zukunft gehofft werden. Die Rezeption der atl Zusage geschieht an dieser Stelle angesichts der aktuellen Unheilserfahrung mit Zukunftsperspektive.25 Die Rede vom υ'ώς Δαυίδ vertritt den Begriff σπέρμα aus PsSal 17,4 und 2 Sam 7,12 (LXX) bzw. JT1Î 2 Sam 7,12 (MT), womit nun eine Einzelgestalt in den Blick rückt,26 die ihre Königsherrschaft durch Zugehörigkeit zu der von Gott erwählten davidischen Dynastie legitimiert.27 Die Bezeichnung als „Sohn Davids" bedeutet eine spezifische, göttliche Erwählung signalisierende und daher autorisierende Qualifikation des erbetenen Königs, ohne schon die Funktion eines feststehenden Titels zu erfüllen. Dafür spricht auch die Singularität des Syntagmas innerhalb frühjüdischer Texte. Der folgende Halbvers 21b ist nicht ganz einfach zu übersetzen. Sein griechischer Text läßt sich wie folgt rekonstruieren: eiç τον καιρόν, öv Ï5eç28 σύ, 25 DAVENPORT, Anointed 82.85 ignoriert den motivierenden Aspekt der Verheißungstreue Gottes, wenn er die Bedeutung der davidischen Abstammung auf a „testimony to the dependability of God" reduziert. Den maßgeblichen Einfluß der davidischen Gesalbtenerwartung sieht auch DE JONGE, Expectation 10. Dagegen bewertet DULING, Promises 68f. die Rede vom ,JSohn Davids" in PsSal 17,23 als Fehler bei der Übersetzung ins Griechische, da das Syntagma in dieser Form im 1. Jh. v.Chr. jüdisch nicht bezeugt ist. M.E. ist dieses Urteil willkürlich, da die Sohn-Metaphorik in bezug auf einen davidischen Nachkommen bereits in 2 Sam 7,14 und Ps 89,27 (vgl. Ps 132,11 f.) angelegt ist. - Zur Bekanntheit der davidischen Abstammung des königlichen Gesalbten im Frühjudentum vgl. auch BURGER, Davidssohn 16-24. - Gegenüber einer vorschnellen Verwendung der Charakteristik „eschatologisch" gilt hier Vorsicht, da die Zukunft innergeschichtlich gedacht und nicht als Ende der geschichtlichen Zeit verstanden ist. Vgl. aber BRANDENBURGER, Gesalbte 220, der von Eschatologisierung der Zusage an David spricht. Dagegen hat NICKELSBURG, Literature 207-209 darauf hingewiesen, daß von einer neuen himmlischen Welt nicht die Rede ist und so keine apokalyptische Eschatologie vorliegt. Die innerweltliche Erwartung hält CHESTER, Expectations 28 fest. 26 Nach KARRER, Gesalbte 251 erfolgt in V. 21 eine Individualisierung des Hinweises auf die Nachkommenschaft Davids in V. 4, woraus die frühjüdisch singuläre Individualbezeichnung „Sohn Davids" hervorgeht, die noch nicht im strengen Sinne titular gebraucht ist. Vgl. auch BRANDENBURGER, Gesalbte 221. 27 Die genealogische Rückbindung sichert die beanspruchte Autorität des Stammvaters; vgl. KARRER, Gesalbte 251; DA VENPORT, Anointed 72 versteht diese Herkunftsangabe als Zeichen für Gottes Treue zu seinem Versprechen; vgl. POMYKALA, Tradition 162. 28 Die Form ï f k ç liest der Codex Vaticanus Gr. 336, der als dem griechischen Urtext sehr nahestehend qualifiziert wird; vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 101 (und 53), der zu dieser Lesart tendiert, die auch von der syrischen Übersetzung vorausgesetzt wird; ϊδες bietet auch VLTEAU, Psaumes 350 (aufgrund seiner abweichenden Verszählung in V. 23). Vgl. WLNNINGE, Sinners 92 Anm. 392. Andere Lesarten der Manuskripte sind elôeç, olSes, οίδας, wobei die beiden letzteren als Verbesserungen erklärbar sind; vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 101; GEBHARDT, Psalmen 131. GEBHARDT bringt in seiner Ausgabe (Psalmen 86.131) die Konjektur εϊλου, die auch RAHLFS (Septuaginta II 487) in seiner LXX-Ausgabe übernimmt. Die Konjektur ist freilich unnötig, da auch Îôeîu (als Äquivalent des hebräischen ΠΚ"ί) „auser-

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ό θεός, του βασιλευσαι επί 'Ισραήλ παΐδά σου. Die allgemein übliche Übersetzung der Schlußphrase versteht πάίδά σου als Apposition zu dem von του βασιλεΰσαι abhängigen Objekt 'Ισραήλ: „zu herrschen über Israel, deinen Knecht". 29 Syntaktisch möglich wäre auch die Annahme eines Acl, der mit „... daß dein Knecht herrsche über Israel" in der Übersetzung ausgedrückt werden müßte, doch sprechen sowohl die griechische Wortstellung als auch die dahinter zu erahnende hebräische Syntax für die erste Auffassung. 30 Das Subjekt des Herrschens bleibt rein syntaktisch offen, es kann an Gott oder den davidischen König gedacht werden. Doch braucht diese Alternative angesichts der schon zu beobachtenden Partizipation des Repräsentanten an Gottes umfassender Machtfulle nicht exklusiv verstanden zu werden. Zunächst ist sicher der unmittelbar vorher erbetene König der die Herrschaft Ausübende, dessen Bestimmung folglich darin besteht, über Israel zu regieren (V. 21b); doch seine Erwählung und Ermächtigung durch Gott zeigt ihn in dessen alles umspannende Herrschaft einbezogen. Inhaltlich erscheint dieser so eingeführte König in einem wahren Sinne entgegen denen, die sich diese Herrschaft zu Unrecht anmaßen - als König Israels. Es besteht freilich kein Zweifel daran, daß dieser König seine Legitimation und Ermächtigung allein von Gott empfängt, in dessen Hand die zeitliche Festsetzung des Auftretens des Königs und damit des Beginns des erhofften Umschwungs liegt (V. 21b).31 Damit repräsentiert der davidische König in seiner Herrschaft die Königsherrschaft Gottes über Israel, die den Psalm einleitet und abschließt (VV. 1.46). Als Davidide ist dieser König von Gott dazu erwählt, so daß seine Anerkennung seitens Israels zugleich Anerkennung Gottes bedeutet.32

sehen, bestimmen" bedeuten kann; so HOLM-NIELSEN, Psalmen 101. Gegen diese Konjektur auch DE JONGE, Expectation 20 (Anm. 22), der die Lesart οίδα bevorzugt. 29 So bei HOLM-NIELSEN, Psalmen 101; KITTEL, Psalmen 146. 30 Vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 102. Die Bezeichnung des davidischen Königs und Gesalbten als „Knecht", die die zweite Version bezeugen würde, kann sich zwar auf Ps 89,4.21 berufen, findet sich aber in der frühjüdischen Literatur nicht eben häufig und nur in späteren Texten am Ende des 1. Jh. n.Chr. (vgl. Apg 4,27; 4 Esr 7,28f.; 13,32.37.52; syrApkBar 70,9). 31 SCHÜPPHAUS, Psalmen 70 (vgl. 125) denkt an eine Abschwächung der unmittelbaren Erwartung von V. 21a, indem der genaue Zeitpunkt Gott überlassen wird; vgl. auch STEMBERGER, TRE XXII 622. M.E. liegt eine Deutung im Blick auf das Partizipationsverhältnis des davidischen Königs zu Gott hier näher. - HORBURY, Messianism 430-432 deutet PsSal 17,21.42 auf die Präexistenz des Gesalbten als Sein im Himmel vor seinem Auftreten und den Gesalbten als himmlische Gestalt; vgl. LAATO, Star 283f. Die Interpretation ist deutlich von anderen Texten her eingelesen. 32 Vgl. auch DAVENPORT, Anointed 7If. In der Legitimation durch die mittels davidischer Abstammung gesicherte göttliche Erwählung ist ein aktuell gegenwartskritisches Moment

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Die in V. 21 formulierte Bitte um das Kommen des davidischen Königs erfährt in V. 22 eine Erweiterung mittels der Aufforderung „umgürte ihn mit Stärke", die eine Qualifikation seiner Aufgaben impliziert. Der dabei verwendete Imperativ ύπόζωσον ist einer Folge sachlich präzisierender InfinitivAussagen (VV. 22-25) syntaktisch übergeordnet.33 Die Herrschaft des davidischen Königs erweist sich demnach zunächst in der Vernichtung unrechtmäßiger Herrscher34 und der Reinigung Jerusalems von Heiden und Sündern im eigenen Volk (VV. 22-25). Indem der Gesalbte Jerusalem von den Heiden reinigt, stellt er einen Zustand wie am Anfang (der Weltordnung) her (17,22.30),35 wobei in diesem Zusammenhang an ein geheiligtes irdisches Jerusalem, nicht an eine einer neuen Zeit, einem neuen Äon zugehörige Stadt gedacht ist. Der Gebrauch einer ganzen Reihe aktiver Verben in VV. 21-33 zeigt den König auf der syntaktischen Ebene als Träger der Initiative und machtvoll Handelnden bei der Errichtung einer kommenden Heilszeit für Israel. Die Eigenschaft der Stärke (ισχύς), die in V. 22 für ihn erbeten wird, ist ihm auf Textebene wiederholt zugesprochen (VV. 36-38.40) und gewährt ihm Anteil an einer auch von Gott ausgesagten Qualität (V. 3), was als Zurüstung zur Aufgabe der Durchsetzung und der Repräsentation Gottes verstanden werden darf. Zu beachten ist dabei auch Jes 11,2, wo der Sproß Isais ebenfalls mit „Stärke" (LXX: πνεύμα ... ισχύος) ausgerüstet wird.36 Als Gottes Repräsentant ist der König eben nur dann akzeptabel, wenn sein Auftreten geschichtliche Wirkung entfaltet, „durchschlagend", d.h. die Verhältnisse fundamental verändernd in Erscheinung tritt. Eine weitere Eigenschaft des Königs stellt nach V. 23 (vgl. noch V. 29) seine „Weisheit der Gerechtigkeit" (έν σοφία δικαιοσύνης) dar, wobei die Genitivkonstruktion zwei Eigenschaften korreliert, die je für sich in PsSal 17 das Bild des erhofften Königs prägen (Gerechtigkeit: 17,26.29.32.37.40; Weisheit: 17,29.35.37).37 Beide Charakteristika begegnen schon in Jes 11,2.5. enthalten, das die politische Herrschaft der Hasmonäer wie der Römer in Frage stellt; vgl. BRANDENBURGER, Gesalbte 221. 33 Zu dieser Strukturbeobachtung vgl. auch WASCHKE, König 37f. 34 Die Formulierung vom Zerschlagen wie Töpfergeschirr in V. 23 zeigt Anklänge an Ps 2,9. VLTEAU, Psaumes 32.352 deutet die Anspielung historisch auf die aus der Gefangenschaft entkommenen Hasmonäer. - PsSal 17,22-25 weist etliche Anspielungen an Jes 11,2-4 auf; zu 17,22 vgl. auch Ps 110,5f. 35 Die Errichtung eines neuen Jerusalem durch Gott, das teilweise als bereits im Himmel aufbewahrt gedacht ist, wird in apokalyptischen Schriften bedeutsam, ohne freilich in direkter Verbindung mit dem Auftreten einer Gesalbten-Gestalt zu stehen; vgl. äthHen 90,28-36; 4 Esr 10,40-55; syrApkBar 4,1-6; 32,4; Offb 3,12; 21,2.10; vgl. auch TestDan 5,12. 36 Zu diesen Bezügen vgl. DAVENPORT, Anointed 72; BRANDENBURGER, Gesalbte 221. 37 DAVENPORT, Anointed 73 versteht die Weisheit als eine spezifische Ausprägung der Gerechtigkeit, die Gott in einem personalen Akt seinem Repräsentanten verleiht. HOLM-

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In einer chiastisch gebauten Konstruktion werden in V. 24 als Instrumente der machtvollen Durchsetzung des Königs gegenüber Sündern und Heiden38 ein eiserner Stab (ράβδο? σιδηρά) und bemerkenswerterweise das Wort seines Mundes (λόγο? στόματος- αύτου) genannt.39 In drastischer Parallelisierung kann der Psalmist also die Wirkmächtigkeit des Wortes des messianischen Königs mit der Schlagkraft eines Eisenstabes vergleichen, wobei beide gleichermaßen die gewaltsame Vernichtung der Heiden anzielen. Das Wort ist damit durch seine geschichtlich wahrnehmbare Wirkkraft charakterisiert, die - zumindest im Blick auf die Heidenvölker - zerstörend zur Geltung gelangt. Es handelt sich also um die Vorstellung eines wirksamen, wirkmächtigen Wortes, das real das bewirkt, was es inhaltlich aussagt. Der erbetene König übt so eine militärische Funktion unter Anwendung gewaltsamer Machtmittel gegenüber seinen Gegnern aus.40

NIELSEN, Psalmen 102 zu V. 23 erwägt eine Status constructus-Form im hebräischen Original, die die griechische Genitivverbindung verursachte; dies erklärt die in seiner Übersetzung vorgenommene Auflösung in zwei parallele Substantive (anders aber bei V. 29!), die m.E. jedoch bereits zu stark interpretiert. - Die Gerechtigkeit als spezifische Eigenschaft des Gesalbten-Königs setzt ihn im Duktus von PsSal 17 in signifikanten Gegensatz zu den ungerechten Herrschern über Israel; vgl. WLNNINGE, Sinners 109. 38 Auf die Härte des Vorgehens gegenüber (in den Augen des Autors) fehlgegangenen und abgefallenen Juden, die strenger behandelt werden als selbst die Heiden, macht POMYKALA, Tradition 163 aufmerksam. 39 Nach THOMA, Entwürfe 24f. tragen die atl Metaphern in VV. 22-24.35 „nur literarischornamentalen und traditionell-hinweisenden Charakter" (25), der Messias sei in der Absicht des Verf. von PsSal 17 vielmehr „Gegner und Antitypus von imperialistischen Herrschern und Kriegshetzern" (25; vgl. PsSal 17,33) und werde substantiell nach dem Bild Salomos als Diplomat und weiser Richter gezeichnet. Diese inhaltliche Abwertung der Schriftallusionen ist m.E. unsachgemäß, da mittels dieser Schriftstellen Wesentliches in der Autorität der göttlichen Offenbarung Israels gesagt wird. 40 Vgl. COLLINS, Scepter 54f.; OERS., Jesus 104; ferner HENGEL, Zeloten 282f. Die national-staatliche Ausrichtung des Königs bemerkt ZENGER, Jesus 57 (gegenüber der gewaltlosen Herrschaft von Jes 11,1-9; ebd. 47). Gegen CROSSAN, Jesus 108. CHARLESWORTH, Messianology 20 betont gerade die nicht-militärische Durchsetzung des Messias (vgl. DERS., From Jewish 236; DERS., Concept 197-199). Vgl. auch POMYKALA, Tradition 162; CHESTER, Expectations 28; WRIGHT, Psalms of Solomon 645; LAATO, Star 281f. Die Tatsache, daß die Machtinstrumente des Gesalbten menschliche Möglichkeiten übersteigen, bedeutet keineswegs einen Verzicht auf militärisch-kriegerische Durchsetzung; lediglich die Form variiert. Die Parallelisierung von Wort und Eisenstab in V. 24 darf nicht als Verwandlung des Stabes ins Wort mißverstanden werden, so als ob militärische Stärke durch weisheitliche Charakteristik ersetzt wäre (so aber BRANDENBURGER, Gesalbte 224; vgl. DAVENPORT, Anointed 72f.); vielmehr wird Macht - durchaus auch im Sinne von „Gewalt" - mittels des übernatürlichen „Instrumentes" des Wortes ausgeübt. Im Hintergrund steht wohl die aktuelle Erfahrung der Machtlosigkeit und des Scheiterns der menschlichen militärischen Möglichkeiten, was die Erwartung übernatürlicher Formen begünstigt. - MACK, Christ 203 sieht hier die weisheitli-

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Diese militärische Komponente muß gegenüber einem sich ausbreitenden Forschungstrend, der Wort- oder Weisheitselemente als Charakteristika des Königs behauptet, festgehalten werden, denn die Nennung des „Wortes" legt nicht schon automatisch die Kommunikationsebene seines Einsatzes fest, so als ob mit dem Wort eine Lehre oder verbale Überzeugungskraft angesprochen wäre. Vielmehr gelangt das „Wort" auf der Ebene der Überwindung oder Vernichtung von Gegnern, die in der geschichtlichen Dimension im Kontext kriegerischer Handlungen auftreten, zum Einsatz, womit sich nur das Instrument oder Mittel, nicht aber die Ebene militärischer Aktionen entsprechend den übernatürlichen Möglichkeiten des Königs ändert.41 Die vernichtende Macht „durch das Wort seines Mundes" (τω λόγω του στόματος αύτου) begegnet auch innerhalb der Verheißung eines Davidsprosses in Jes 11,4 LXX, so daß es sich auf dieser atl Grundlage um ein für die königliche Gesalbtentradition typisches Motiv handeln könnte.42 Zugleich besteht in der Vorstellung des wirkmächtigen Wortes des Gesalbten-Königs eine sachliche Verbindung zum Macht- und Befehlswort Gottes selbst, das aus seinem Mund hervorgeht;43 ein Partizipationsverhältnis des davidischen Königs an Gottes Wortmacht deutet sich an. che Funktion des Lehrers; vgl. ferner DERS., Wisdom 40f. Auch DE JONGE, Expectation 12 versteht den König weniger als Kämpfer denn als „ideal scribe, a wise man par excellence as Solomon". - Zur Forschung in der Frage der militärischen Charakteristik des Gesalbten vgl. auch TRAFTON, Psalms 8-10. 41 Demgegenüber läßt sich auch nicht die Gerechtigkeit als eigentliche Charakteristik des Königs gegenüber einer politischen Absicht ins Feld führen, wie dies DE JONGE, Psalms 174 und im Anschluß POMYKALA, Tradition 162 tun. Vielmehr gründen sowohl die Eigenschaft unbeirrbarer Gerechtigkeit als auch die Anwendung übernatürlicher Machtmittel des Königs in seinem einzigartigen Gottesverhältnis, das er als „Gesalbter" (V. 32) genießt. Die Entgegensetzung von „Wort" und militärischer Aktion, so bei DE JONGE, Expectation 12, ist demnach nicht gerechtfertigt. - In gewisser Parallelität dazu kennt auch Weish 18,15f. den Gedanken des kriegerischen Wortes des königlichen Gottes, wenn in bezug zur Tötung von Ägyptens Erstgeburt vor dem Exodus der Ausgang des machtvollen Wortes Gottes vom himmlischen Thron Gottes genannt wird, wobei dieses Wort mit dem Bild eines scharfen Schwertes als kriegerisch charakterisiert ist und tödliche Wirkung entfaltet. 42 Vgl. äthHen 62,2; ferner lQSb V 24. Zur Betonung der Wortelemente in der LXXÜbersetzung von Jes 11,1-5 vgl. KARRER, Gesalbte 12lf. Die Rede vom „eisernen Stab" greift modifizierend Ps 2,9 auf. Zu den Modifikationen am hebräischen und griechischen Text von Ps 2,9 und Jes 11,4 vgl. DAVENPORT, Anointed 89f. (Anm. 25 zu S. 72). 43 Zum Macht- und Befehlswort Gottes, das keinesfalls als eigene göttliche Hypostase mißverstanden werden darf, vgl. Jes 55,11; ferner 45,23; Ps 107,20 (in bezug auf Heilung und Befreiung von Verderben); Jes 9,7 (Wort gegen Jakob, im Kontext zum Gericht; vgl. 31,2); Jes 30,27 und Ps 18,9 (= 2 Sam 22,9): Lippen und Zunge Gottes als Ausgang des Gerichtsfeuers; Weish 12,9 (vernichtende Macht des Wortes Gottes, hier nicht tatsächlich eingesetzt); Weish 18,15f. (königliches Wort, vernichtende Macht gegenüber den ägyptischen Feinden im Kontext des Exodus); vgl. auch die tödliche Wirkmöglichkeit einer göttli-

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Erwähnenswert scheint auch die in PsSal 17,25 ausgedrückte Zurechtweisung der Sünder durch den König in den Gedanken ihrer Herzen44 (έν λόγω καρδία? αυτών) zu sein, also im Zentrum der Überzeugungen und Einstellungen, die die Mitte ihrer Person ausmachen und ihr Wesen dergestalt prägen, daß sie als Sünder bezeichnet werden können. Die Verwendung des gleichen Terminus λόγος kontrastiert die Haltung der Sünder mit dem wirkmächtigen Gerichtswort des Königs in V. 24b. Die Konkretisierung der Strafe mittels des durch ev eingeleiteten Präpositionalausdrucks enthält diverse, korrelierte Konnotationen. So kann an den Strafort gedacht werden, d.h. die Züchtigung trifft die Sünder im innersten Wesen; damit hängt natürlich die Ursache der Strafe im von Gott abgekehrten Wesen der Sünder zusammen; überdies wird der Sinn der Strafe deutlich, die den inneren Grund der Sündhaftigkeit zunichte macht; ob als Resultat die Umkehrmöglichkeit oder die völlige Vernichtung der Sünder angezielt ist, bleibt offen. Vorausgesetzt wird dabei eine übernatürliche Menschenkenntnis des kommenden davidischen Königs,45 eine Art wunderbaren Wissens um das, was diese Personen an wesentlich prägenden Gedanken in sich tragen. Auch Jes 11,3 setzt eine über äußere Bekundung hinausgehende Menschenkenntnis des verheißenen Davididen voraus. Die vorgelegte Textinterpretation stützt sich auf die Einsicht, daß der König offenbar tiefer zu sehen vermag, als dies bei Menschen üblich ist. Mit diesem Wissen hat der König teil an der Herzenskenntnis und am umfassenden Wissen Gottes, das in PsSal 9,3 und 14,8 thematisiert wird. Der zweite Schritt der Durchsetzung der messianischen Herrschaft besteht in der Sammlung, Begründung und Regierung eines heiligen Volkes, d.h. darin, daß der König über ein geheiligtes Volk Israel, aus dem das Unrecht, die Sünder und die Fremden entfernt sind, in Gerechtigkeit richtet und regiert (VV. 26-28).46 Das Thema der Herrschaft in Gerechtigkeit erinnert an Jes

chen Anordnung in 4 Esr 8,14. Anders treten z.B. in Spr 2,6 Erkenntnis und Einsicht aus dem Mund des Herrn hervor. 44 Vgl. die Übersetzung von KITTEL, Psalmen 146 („ob ihres Herzens Gedanken"), der die Konstruktion kausal versteht. HOLM-NIELSEN, Psalmen 102 übersetzt wörtlich: „in ihres Herzens Wort". BRANDENBURGER, Gesalbte 224 erkennt in V. 25 weisheitliche Tradition. 45 Sonst hätte die Zurechtweisung der Sünder etwa wegen ihrer gottlosen Taten o.a. erfolgen können. 46 Das zur Beschreibung der Herrschaft des Königs verwendete Bild von der Verteilung der Stämme im Lande (V. 28a) erinnert an die Aufgabe Josuas (Jos 13-19). Die Einsicht in die Bildhaftigkeit der Aussage spricht gegen die Auffassung, daß „der Messias als ein neuer Josua gedacht ist"; so aber HOLM-NLELSEN, Psalmen 103 z.St. BRANDENBURGER, Gesalbte 226 denkt an die Neuverteilung des Landes unter den Stämmen Israels bei Ezechiel (Ez 45,8; 47,13; 47,21-48,29); auch POMYKALA, Tradition 163 Anm. 168; LAATO, Star 283.

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11,3-5 und Ps 72,2.47 Ausdrücklich nennt V. 27c dabei die Kenntnis des Königs in bezug auf sein Volk, dessen Mitglieder alle als Kinder ihres Gottes48 qualifizierbar sind (γνώσεται γαρ αύτούς ότι49 πόντε? υιοί θεού είσιν αυτών). Diese bereits in V. 25 beobachtete besondere Menschenkenntnis des Königs gehört offenbar zu seinen spezifischen, seinen Auftrag unterstützenden Eigenschaften. Mit seiner richterlichen Funktion partizipiert er am Gericht Gottes, das nach PsSal 2,30-36 Gott selbst als König an Sündern und Gerechten ausübt. Eine Gerichtsfunktion des Heilskönigs innerhalb der ethnischen Gruppe begegnet auch in Jes 11,3f., dort freilich unter Betonung der sozialen Gerechtigkeit; ähnlich akzentuiert die Variation in Ps 71,2 (LXX), die den Gerichtsgedanken gegenüber Ps 72,2 (MT) von V. 1 her einträgt; der Kontext (Ps 71,2-4 LXX) zeigt soziales Bewußtsein. Die sich im erwarteten König vollziehende Neukonstituierung Israels als religiöse und staatliche Einheit erfüllt angesichts widriger Gegenwartserfahrung eine sozialpolitische Funktion,50 deren Skopus in der Gerechtigkeit (als Gott-Gemäßheit) des herrscherlichen Verhaltens liegt. Voraussetzung dafür ist die universale Geltung der Herrschaft des Königs,51 die wiederum als Durchsetzung der Heilsbotschaft Gottes auf Erden, damit in der religiösen Intention der Verwirklichung der Theokratie auf Erden52 besteht. Auch die Völker sind dem Gericht des Königs unterworfen (V. 29), wobei wiederum (vgl. V. 23) die „Weisheit der Gerechtigkeit" das entscheidende Kriterium bildet. Es werden mit dieser Eigenschaft des Königs religiöse (gegenüber dem Jahwe-Glauben) und sozial-politische (gegenüber Israel) Einstellungen der Völker der Bewertung unterzogen.53 Diese Gerichtskriterien bilden dann auch den Ansatz, von dem aus sich eine möglicherweise zu empfindende 47

Zu Anklängen an Ps 72 in PsSal 17 (v.a. W . 26.29f.43) in bezug auf die Themen „Gerechtigkeit" und „Richten" vgl. BROYLES, Redeeming King 33f. 48 Zu dem Syntagma υίοί θεού vgl. Dtn 14,1 (Kontext: Abgrenzung Israels); Hos 2,1.25 (Gottesverhältnis); Weish 2,7.19.21 (Synonym fiir Volk Gottes). 49 Ein explikatives Verständnis des ÖTL ist einem kausalen vorzuziehen, da sich die Kenntnis des Königs nach V. 25 auch auf die Sünder erstreckt. Der Aspekt des „Anerkennens" mag im „Kennen" impliziert sein (vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 103 z.St.), ist aber nicht Hauptbedeutung, da die Kenntnis der Menschen grundlegende Voraussetzung für die Herrschaft des kommenden Königs ist und daher hier als solche genannt wird; vgl. Jes 11,3. 50 Diesen Aspekt akzentuiert BRANDENBURGER, Gesalbte 225f. 51 Im Hintergrund können Aussagen wie Ps 72,8-11 und Ps 89,26 stehen, wo die universale Herrschaft des davidischen Königs Ausdruck findet. 52 Diese religiöse Intention hält DE JONGE, Expectation 12 gegenüber einem rein politischen (oder sozialen) Verständnis fest. 53 Anachronistisch formuliert BRANDENBURGER, Gesalbte 227, der an den „Bereich des internationalen Rechts unter Berücksichtigung von Interessen- und Rechtsausgleich in kritischen Fragen" denkt.

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Spannung zwischen Aussagen über die Vernichtung der Völker (z.B. V. 24) und solchen über eine gewisse Heilsstellung der Völker (so V. 31) verstehen läßt: Zunächst müssen die konkreten Unterdrücker der Frommen vernichtet werden, um eine Heilszeit für Israel überhaupt erst zu ermöglichen; die nicht unmittelbar an der Unterdrückung beteiligten Völker brauchen dieser Vernichtung nicht anheimzufallen und können sogar bis zu einem gewissen Grad in Israels Heil einbezogen werden, was den universal-heilvollen Charakter dieser Zeit ja nur unterstreicht und steigert, die Macht des neuen Königs (und damit des ermächtigenden Gottes) ausdehnt und beweist. Die Herrschaft des messianischen Königs erreicht im Duktus von PsSal 17,30 dann auch die Heidenvölker,54 die ihm - von ihm unterjocht - zu Diensten stehen und vor denen er die Herrlichkeit Gottes präsentiert. Die dabei ebenfalls vollzogene Reinigung und Heiligung Jerusalems läßt an den Aspekt der kultischen Reinheit denken, womit der Verfasser das idealisierte Bild der Anfangszeit Jerusalems als Ausdruck eines neuen Heilszustandes vorstellt. Im Kontext der Schilderung des Heilskönigs aus davidischer Dynastie darf vielleicht an die nun bereits verklärte Zeit des urbildlichen Königs David gedacht werden, die so Vorbildcharakter gewinnt. In Folge der Neukonstituierung Jerusalems beschreibt V. 31 die Völkerwallfahrt der Heiden nach Jerusalem, um dort Gottes Herrlichkeit zu sehen.55 In diesem groß angelegten Bild erreicht auch die völlige Restitution Israels ihr Ziel, denn die Heiden werden im Zuge ihres Kommens nach Jerusalem die zerstreuten Söhne Gottes, das zerstreute Israel, zurückgeleiten und „als Gaben darbringen" (V. 31), womit die prophetischen Verheißungen Jes 49,22; 60,4.9 und 66,2056 erfüllt sind. Die Verwendung kultisch-sakraler Sprache verleiht der Szenerie den feierlichen Charakter eines finalen Aktes. Der zukünftig erbetene König übt also allgemein hinsichtlich der Abgrenzung seines Volkes eine doppelte Funktion aus: Vernichtend bzw. aussondernd handelt er an den Völkern, ordnend und richtend an Israel. 54 DE JONGE, Expectation 1 If. betont die Doppelaussage der Rettung fur Israel (in Palästina) und für die Heiden. Das Schwergewicht liegt aber auf Israels Heil - diesem dienen letztlich auch die geretteten Heiden; vgl. V. 31. 55 Angesichts der W . 30f. ein Übergewicht weisheitlicher, universal offener Züge gegenüber einem national-politischen Regiment zu konstatieren, wie dies KARRER, Gesalbte 253 tut, unterbewertet die mannigfaltigen kriegerischen Vorstellungen; zudem steht immer Israel im Zentrum des Heilsgeschehens, die Völker dienen letztlich nur dem Wohlergehen Israels, z.B. wenn sie die außerhalb Palästinas lebenden Söhne Gottes heimgeleiten. LAATO, Star 283 spricht zu V. 31 vom Thema eines neuen Exodus, der besonders die in der Diaspora lebenden Juden betrifft. 56 Aufgrund weitgehender Motivübereinstimmung ortet DAVENPORT, Anointed 75 mit Anm. 29 in erster Linie Jes 66,18-21 als atl Bezugstelle; vgl. auch BRANDENBURGER, Gesalbte 228 mit Anm. 55.

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Nach dem durch das grandiose Finale erreichten Heilszustand bringt PsSal 17,32 einen Neueinsatz, wobei der davidische König und die durch ihn gewährleistete Heilszeit weitere Qualifizierung erfahren. Dieser für die Gesalbten-Thematik wichtige Vers sei in seinem Textzusammenhang geboten: (32) Und er ist ein gerechter, von Gott gelehrter König über sie; und in seinen Tagen ist kein Unrecht unter ihnen, denn alle sind sie heilig, und ihr König ist der Gesalbte des Herrn. (33) Denn er wird nicht auf Pferd und Wagen und Bogen hoffen, noch wird er sich aufhäufen Gold oder Silber zum Kriege, und er wird (seine) Hoffnung für den Tag des Krieges nicht auf die vielen sammeln. (34) Der Heir selbst ist sein König, die Hoffnung des Starken (besteht) in Hoffnung auf Gott, und er wird ...57 alle Völkerschaften vor seinem Angesicht in Furcht. (35) Denn er wird die Erde schlagen durch das Wort seines Mundes in Ewigkeit, und er wird das Volk des Herrn segnen in Weisheit mit Freude, (36) und er ist rein von Sünde, um über ein großes Volk zu herrschen, Fürsten zu züchtigen und Sünder auszurotten durch die Macht des Wortes. (37) Und er wird nicht ermatten in seinen Tagen bei seinem Gott, denn Gott hat ihn stark gemacht mit heiligem Geist und weise in einsichtigem Rat samt Stärke und Gerechtigkeit. (38) Und der Segen des Herrn (wird) mit ihm (sein) in Kraft, und er wird nicht schwach werden. (39) Sein Vertrauen (ist) auf den Herrn, und wer ist mächtig gegen ihn? (40) Gewaltig in seinen Werken und mächtig durch Gottesfurcht, indem er die Herde des Herrn weidet in Treue und Gerechtigkeit, und er wird nicht zulassen, daß (einer) unter ihnen ermüde auf ihrer Weide. (41) Ohne Unterschied wird er sie alle führen, und unter ihnen wird sein kein Hochmut, daß Unterdrückung bei ihnen geschehe.

Da der Davidide nach V. 32 von Gott unterwiesen ist, vermag er als gerechter58 König zu herrschen, dessen Volk entsprechend frei von Unrecht und heilig ist. Syntaktisch nicht eindeutig festgelegt ist der Bezug des έπ αυτούς am Ende der ersten Zeile von V. 32, da sowohl die unmittelbar zuvor thematisierten Völker als auch Israel59 als das eigentümliche Volk des Königs angesprochen sein können. Da in den beiden Folgezeilen von V. 32 das Freisein 57

Der griechische Text ist an dieser Stelle unverständlich, der syrische zeigt eine lacuna. Das überlieferte Verb ελεήσει steht in Widerspruch zu dem mit γάρ inhaltlich in Beziehung gesetzten πατάξει im unmittelbar anschließenden Vers. Vgl. die Angaben bei HOLM-NLELSEN, Psalmen 104. Die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung muß offen bleiben. 58 Nach DAVENPORT, Anointed 76 drückt sich die hier gemeinte Existenzweise der Gerechtigkeit in der Fähigkeit, zu siegen und gerecht zu herrschen, aus; sie wird als Gabe Gottes bestimmt. 59 An die Völker denken DAVENPORT, Anointed 76; POMYKALA, Tradition 164; BRANDENBURGER, Gesalbte 229 mit Anm. 56. Für Israel spricht sich HOLM-NIELSEN, Psalmen 1 0 4 z.St. aus.

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der Untertanen von Unrecht und besonders deren Heiligkeit zur Sprache kommen, wird man in der Tat speziell an Israel denken müssen, was eine Differenzierung verlangt: Wenngleich der König über alle Völker Macht besitzt und ausübt, gilt speziell Israel als Gegenstand seiner Königsherrschaft, die fur das eigentliche Volk des Königs (und über dessen Repräsentationsfiinktion auch Gottes) eine Zeit der Gerechtigkeit und des Heils freisetzt. Den pragmatischen Skopus der Schilderung des heilbringenden Königs bildet Israel als unterdrücktes, bedrängtes und so der Rettung bedürftiges Gottesvolk. In Israels traditioneller Königsideologie ist der Gesalbte als solcher der von Gott erwählte und eingesetzte König über Israel, das als das einzige und eigentümliche Volk Gottes verstanden wird. Die nationale Orientierung des Gesalbten tritt hervor.60 Das Gelehrtsein durch Gott zeigt den König mit Gottes Heilsplan vertraut, was sein entsprechendes Handeln ermöglicht und im Willen Gottes fundiert.61 Dieser König ist für seine Aufgabe qualifiziert und erwählt, da er der „Gesalbte des Herrn" (χριστός κυρίου) ist (V. 32c). Beim wiedergegebenen Text handelt es sich um eine Konjektur,62 die jedoch - auch im Blick auf PsSal 18,5.7 sowie die Überschrift zu PsSal 18, wo die so rekonstruierte Form bezeugt ist, - mit einiger Wahrscheinlichkeit den ursprünglichen Text repräsentiert; als hebräisches Original, aus dem sowohl der Handschriftenbefund als auch die Konjektur erklärt werden können, läßt sich entsprechend ΠΊΓΡ FPtüQ vermu60

Diesen Gesichtspunkt betont RUPPERT, Messiaserwartungen 12f. Vgl. BRANDENBURGER, Gesalbte 229. Zum Motiv des Unterrichtetseins durch Gott Jes 54,13. LOHSE, König 340 bestimmt aufgrund dieses Motivs den Sitz im Leben der Aussage in Kreisen von Gesetzestreuen, die den Gesalbten in Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes, das er zur alleinigen Richtschnur mache, verstanden. 62 Die Ausgabe von RAHLFS (Septuaginta II 488) bietet die Konjektur. Für diese Konjektur sprechen sich auch aus KARRER, Gesalbte 252 Anm. 58; HOLM-NLELSEN, Psalmen 104; SCHOPPHAUS, Psalmen 71; WLNNINGE, Sinners 93 Anm. 394; HAHN, Hoheitstitel 150 61

m i t A n m . 2 ; DE JONGE, E x p e c t a t i o n 2 1 ( A n m . 2 5 ) ; BRANDENBURGER, G e s a l b t e 2 2 9 m i t

Anm. 59; mit dem Versuch einer theologischen Begründung auch DAVENPORT, Anointed 77-79. Auch VITEAU, Psaumes 362 gesteht sie zu (auch wenn er 360 χριστός κύριο? liest). GEBHARDT, Psalmen 133 und RYLE/JAMES, Psalms 141ff. bieten χριστό? κύριος. Auch WRIGHT, Psalms of Solomon 667 liest „Lord Messiah" (zur Begründung vgl. 667f. Anm. z). HANN, Christos lehnt 620-623 die Konjektur ab und versteht 623-626 KÚpios von einer hellenistischen Herrscherappellation her, was sich dann mit „lord messiah" übersetzen ließe. LAATO, Star 283f. schließt sich an. Erwogen wird dies auch von MAIER, Messias 594, der von „gesalbter König" spricht, der von Hann vorgeschlagenen Rekonstruktion der hebräischen Vorlage als ΓΡΟΠ aber zu Recht kritisch gegenübersteht (ebd. Anm. 13); kritisch auch KARRER, Gesalbte 252 Anm. 58. Zudem ist zu bedenken, daß es sich bei einer solchen, von Hann angenommenen Titelverbindung traditionell um einen hellenistischen, nicht um einen jüdischen Titel handelt; das paßt schlecht zu einem Text, der sich gegenüber den heidnischen Unterdrückern kritisch-abwehrend äußert.

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ten. Diese Konjektur ist darin begründet, daß sich eine Gesalbtenbezeichnung in syntaktisch paralleler Verbindung mit dem Prädikat κύριο? frühjüdisch nicht plausibel machen läßt, sondern erst christlichen Sprachgebrauch spiegelt (vgl. Lk 2,11); in der LXX ist Gott selbst als κύριο? angesprochen. Die übereinstimmende Lesart χριστός κύριο? der griechischen Handschriften kann auf schlechte Übersetzung oder einen griechischen Fehler beim Abschreiben zurückgeführt werden; eine christliche Interpolation ist wohl nicht anzunehmen.63 Die als dem Ursprungstext adäquat angenommene Konstruktion mittels des Geniti vus subjectivus verbalisiert die Vorstellung der einzigartigen Erwählung des „Gesalbten des Herrn",64 der so in einem singulär bedeutsamen Verhältnis zu Gott stehend verstanden ist. Damit korrespondiert die Aussage der ersten Zeile von V. 32, wo das Verhältnis Gottes zu seinem erwählten König in analogem Gefalle als Belehrung des Königs durch Gott artikuliert wird. Entsprechend setzt der König nach VV. 3 3 f. seine Hoffnung auf Gott, worin das Bewußtsein Ausdruck findet, daß Gott die Ermächtigung und Qualität des Königs grundlegt und bewirkt. Der Terminus „Gesalbter" denotiert also göttliche Erwählung, Legitimation und wirksame Bevollmächtigung. Die Anwendung des Gesalbten-Titels für den zukünftig erwarteten davidischen König begründet die Benutzung von Gesalbten-Terminologie für diese Gestalt aus PsSal 17 und deren messianisches Verständnis. PsSal 17,32 bietet einen der frühesten Belege für eine titulare Verwendung des Terminus „Gesalbter" in bezug auf eine zukünftige königliche Heilsgestalt, die in ihren Fähigkeiten und Zuständigkeiten (Gericht Gottes!) menschliche Möglichkeiten übersteigt. Die Benutzung als festgefugter Titel65 wird nicht zuletzt auch aus der Tatsache deutlich, daß an keiner Stelle in den PsSal ein konkreter Akt

63

So HOLM-NIELSEN, Psalmen 104 z.St.; vgl. ferner KNIBB, Messianism 170; CHESTER, Expectations 27; einen Übersetzungsfehler nimmt auch SCHÜRER, Geschichte II 597 Anm. 16 an. An christliche Bearbeitung denken KITTEL, Psalmen 147 z.St.; VLTEAU, Psaumes 361f.; HAHN, Hoheitstitel 150 Anm. 2; als Möglichkeit DE JONGE, Psalms 175. - Vielleicht kann auch ein terminologischer Einfluß der Wendung „König Messias", die in den Targumim (vgl. besonders die Targumim zum Pentateuch) gängig ist, erwogen werden. 64 KARRER, Gesalbte 252 weist dies aus der Traditionsgeschichte des Titels auf; vgl. DE JONGE, T h W N T I X 5 0 5 . 65 DAVENPORT, Anointed 79 stellt den titularen Charakter für PsSal 17,32 in Frage, gesteht ihn aber bereits fur PsSal 18 zu (ebd. Anm. 34); seine Ausführungen ebd. 81 f. bergen die Gefahr in sich, an einen realen Salbungsvollzug zu denken, der aber nirgends auch nur angedeutet ist. Der Gebrauch des Begriffs „Gesalbter" in einer bestimmten Denotation, die sich von seinem ursprünglichen Sinn her entwickelt hat, erweist ihn als geprägten Titel. An einen „technical term" denkt DE JONGE, Expectation 10; DERS., Psalms 175 spricht hingegen von „a qualification rather than a title", in PsSal 18 sieht er titularen Gebrauch (ebd. 177).

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der Salbung dieses Königs auch nur angedeutet ist, so daß an einen vom realen Vollzug abstrahierten, geprägten Titel gedacht werden muß. Als Gesalbter steht der König unter göttlicher Ermächtigung und Legitimation66 und erhält von Gott selbst seine siegreiche Gewalt im Kampf,67 wie die im anschließenden V. 33 verwendeten Substantive aus dem militärischen Bereich deutlich machen: Er vertraut weder auf die Menge der Streiter noch auf Waffen noch auf die pekuniären Möglichkeiten zum Krieg.68 Dabei ist zwar der Verzicht auf die üblichen irdischen Militärmittel deutlich,69 doch findet die vorausgesetzte Überwindung der Gegner durchaus auf der kriegerischen Ebene statt, nur daß der Gesalbte eben seine Gewalt im Krieg von Gott selbst erhält und ihm so überirdische Machtmittel zur Verfugung stehen, die er dann aber auf dem Schauplatz irdischer Kämpfe - dem Ort, an dem sich seine Gegner befinden - wirksam zur Geltung bringt.70 Der Terminus „König" stellt insgesamt die zentrale Bezeichnung der Gesalbtengestalt in PsSal 17 dar;71 zu seinen Aufgaben zählt die militärische Auseinandersetzung in der politischen Welt, die seine Herrschaft erst aufrichtet. Es handelt sich um eine menschliche Gestalt in geschichtlichem Wirkungsfeld, die aufgrund der göttlichen Erwählung und Ausstattung über übernatürliche Qualitäten verfügt. Das in VV. 32f. implizierte Verhältnis des königlichen Gesalbten zu Gott wird im folgenden V. 34 angesprochen, der die metaphorische Vorstellung von Gott als König aufgreift, die bereits in den Büchern des AT häufig zur Charakterisierung des Wesens und Wirkens Gottes gebraucht wird und auch 66 Das Moment der Legitimation ist in PsSal 17 durch den Rückgriff auf Davidsohnschaft und Gesalbtenidee, also auf alte Tradition, betont. Vgl. MACK, Wisdom 38f. 67 Die Verbindung von göttlicher Erwählung und Verleihung von Kraft zur Erfüllung der anstehenden Aufgaben konstatieren KARRER, Gesalbte 253; DA VENPORT, Anointed 78.82; BRANDENBURGER, Gesalbte 230. 68 BRANDENBURGER, Gesalbte 230 beschreibt dies als traditionelle weisheitliche Charakterisierung des Königs, freilich ohne Belege zu liefern. 69 HAHN, Hoheitstitel 151 betont zu stark die „wunderbare Geistesmacht" gegenüber einer „kriegerische(n) Aktion". Vgl. auch DAVENPORT, Anointed 83; POMYKALA, Tradition 165. 70 Das Bild des „Königs" in den beiden Psalm-Teilen VV. 21-31 und 32-43 ist keineswegs so unterschiedlich oder gar widersprüchlich, wie manche Forscher annehmen wollen; so differenziert SCHÜPPHAUS, Psalmen 71.73 zwischen dem Handeln des Königs an Israel und an der Welt in 21-31 und einem königlichen Gesalbten in bestimmter Stellung vor Gott und vollkommenem Wesen in VV. 32-43; vgl. auch WASCHKE, König 38f., der gar von Dubletten spricht. 71 Zu betonen ist die Identität des „Königs" mit dem „Gesalbten". Wenn SCHÜPPHAUS, Psalmen 71 (vgl. 124-126) hier eine „deutliche Verschiebung" vom Israels Not wendenden David-König zum königlichen Gesalbten Gottes „in seiner Stellung vor Gott und seinem makellosen vollkommenen Wesen und Handeln" beobachtet, wird er der differenzierten Darstellung der einen messianischen Gestalt kaum gerecht. KARRER, Gesalbte 251 f. versteht den Titel „Gesalbter des Herrn" als das prädikative Feld von PsSal 17 und 18 dominierend.

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in nach-atl Zeit lebendig geblieben ist.72 Als solche umgreift sie theokratisch die Ausführungen von PsSal 17 (vgl. VV. 1-3.46). Da in beiden angesprochenen Vorstellungskreisen die Zentralgestalt als König betitelt wird, eignet sich die Terminologie zur Verhältnisbestimmung von Gott und Gesalbtem. Das Verhältnis ist das der Unterordnung bzw. genauer der Partizipation: Gott selbst ist der König des Gesalbten, dessen Stärke und Gewalt über die Heiden und Sünder aus der Hoffnung auf Gott resultieren (V. 34). Die königliche Macht des Gesalbten erweist sich als Teilhabe an der königlichen Macht Gottes, der Gesalbte kann König über Israel und die Heidenvölker nur deshalb sein, da er von Gott erwählt und eingesetzt wird, der selbst als König über die gesamte Schöpfung herrscht.73 Die Unterordnung des Gesalbten unter Gott im Sinne von Legitimationsbedarf und Machtpartizipation ist offenkundig,74 wobei diese Anteilhabe in einzigartiger Weise geschieht. Diese Relation begründet die Herrschaft des königlichen Gesalbten über das Volk des Herrn. Da er in seinem speziellen Gottesverhältnis ohne Sünde ist,75 mit heiligem Geist sowie Weisheit, Gerechtigkeit, Stärke und Tatkraft gesegnet,76 vermag er das Volk gedeihlich, gerecht und gottesfürchtig zu regieren, ohne selbst zu ermatten, d.h. ohne der Gefahr zu erliegen, aus dem grundlegenden Gottesverhältnis herauszufallen; sein Vertrauen ruht auf dem 72

Zu Gott als König im AT und zu hellenistisch-römischer Zeit vgl. oben Kap. II. BRANDENBURGER, Gesalbte 230f. spricht unter Verweis auf V. 33 von der „vermeintlichen Schwäche" (230) des Gesalbten, die dieser durch sein Gottvertrauen überwindet und so „eine Vorbildfiinktion für die Betenden" (230) übernimmt, die trotz ihrer bedrängenden Situation auf Gott und seine Königsherrschaft vertrauen sollen. - Solche pragmatischen Überlegungen bedürfen, gerade wenn sie auf eine Unheilssituation rekurrieren, der Fundierung in der Macht Gottes und in Korrelation auch seines ihn vertretenden Repräsentanten, denn das Vertrauen der Beter ist eben nur dann gerechtfertigt, wenn sie begründet auf ein wirkmächtiges Handeln zu ihren Gunsten hoffen können. Entsprechend erscheint der Gesalbte keineswegs schwach, im Gegenteil transzendiert er alle Möglichkeiten militärischer Einflußnahme und erweist sich durch seinen Anteil an Gottes Wirkmacht als überlegen. 74 Die Unterordnung beobachten auch SCHÜPPHAUS, Psalmen 130; VLTEAU, Psaumes 7173; KARRER, Gesalbte 250.253; CHARLESWORTH, From Jewish 236; DERS., Messianology 30f. (der darin freilich etwas überzogen eine Kritikfunktion an der Gesalbtenerwartung erkennt); MÜLLER, Messias 83; POMYKALA, Tradition 164; DAVENPORT, Anointed 72; CHESTER, Expectations 28; DE JONGE, Expectation 11; SANDERS, Judaism 455 (Gottes „Vizekönig"); WRIGHT, Psalms of Solomon 645f. (Gesalbter als Manifestation des Königtums Gottes, Gott selbst herrscht). 75 Zum Motiv der Sündlosigkeit vgl. COLLINS, Scepter 55; ferner BRANDENBURGER, Gesalbte 231 f.; DAVENPORT, Anointed 79f. Sündlosigkeit bedeutet aber nicht die Enthaltung von militärischer Aktivität; gegen LAATO, Star 282. 16 Zu den angeführten Eigenschaften vgl. Jes 11,2.5; zur „Gottesfurcht" (V. 40) vgl. Jes 11,2f. Den Geistbesitz (vgl. Jes 11,2f.) hat der davidisch-königliche Gesalbte mit einer Prophetengestalt gemeinsam, vgl. Jes 61,1. 73

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Herrn (vgl. VV. 35-41). Die Geistbegabung des Gesalbten (V. 37; vgl. PsSal 18,7; lQSb V 25) stellt ein Element seiner von Gott gegebenen Ausstattung dar und setzt ihn in ein enges, fast unmittelbares Gottesverhältnis,77 was in Jes 11,2f. eine Grundlegung findet. Die ihm zugesprochenen Eigenschaften weisen den Gesalbten als idealen König aus, der seine Vollmacht und Kompetenz von Gott selbst erhält und daher zugunsten Israels einsetzen kann.78 Dabei spielt wiederum sein machtvolles Wort als Instrument der Durchsetzung seiner Herrschaft eine bemerkenswerte Rolle. Mit dem „Wort seines Mundes" (λόγος του στόματος αύτοΰ) schlägt er die Erde fur immer (V. 35), was noch deutlicher als V. 24 an Jes 11,4 (LXX79) anklingt. Die angefügte Zeitangabe „in Ewigkeit" (eïç αιώνα) weitet die Herrschaft des Gesalbten auf unbestimmte Dauer innerhalb des Geschichtskontinuums, die durch ihre Beständigkeit erst eigentlich Heilszeit sein kann. Eine Unsterblichkeit des Gesalbten ist nicht impliziert.80 Der Gesalbte züchtigt Fürsten und vertilgt Sünder „durch die Macht des Wortes" (èv ίσχύι λόγου) (V. 36). Das messianische Wort tritt wiederum in militärische Funktion ein und vollzieht das Gericht an den Sündern. Die Tätigkeit des Segnens seines Volkes (V. 35) hingegen ist Ausdruck des erhofften Heilszustandes.81 Der Gesalbte selbst ist durch Gottes Segen gestärkt und ermächtigt (V. 38); in seinem Vertrauen drückt er seine Abhängigkeit von Gott aus und partizipiert an Gottes Macht, gegen die keine irdische Macht etwas vermag (V. 39). Die Herrschaft des gesalbten Königs, die das Volk vor einem Abweichen vom rechten Weg zu bewahren vermag, wird in V. 40 mit dem Bild des Weidens der Herde des Herrn beschrieben, wobei eine in Israel verbreitete und bereits auf altägyptische und allgemein altorientalische Vor77

Nach THOMA, Entwürfe 26 weisen die W . 37.43f. auf den übernatürlichen, himmlischen Charakter des Messias. Aber hier gilt Vorsicht: Der Gesalbte ist als irdisch-menschliche Gestalt Repräsentant Gottes durch göttliche Bevollmächtigung, die ihm göttliche Möglichkeiten sichert. 78 Die Nennung der Weisheit (V. 35; vgl. V. 37) darf nicht ohne weiteres auf einen weisheitlichen Lehrer hin interpretiert werden, wie dies jedoch MACK, Christ 203; DERS., Wisdom 40f. tut. Zustimmend auch POMYKALA, Tradition 168f. Militärische und national-herrscherliche Motive einer königlichen Gesalbtenvorstellung sind hier wesentlich ausgeprägter. Die Weisheit als eine göttliche Gabe dient dem Vollzug der Aufgabe; vgl. auch Jes 11,2; Dan 5,1 If. 79 Der MT liest statt λόγο? - so die LXX - an dieser Stelle „Stab" (CMC). 80 Mit DAVENPORT, Anointed 79; BRANDENBURGER, Gesalbte 231. Es greift jedoch zu kurz, wenn man den Begriff als „eher poetischer Art" abschwächt (so aber BRANDENBURGER, ebd.). 81 KARRER, Gesalbte 252 kann von einer zwischen Gott, Gesalbtem und Volk erstehenden Segenssphäre sprechen, denn die eigentliche Würde zu segnen besitzt atl Gott. Vgl. auch BRANDENBURGER, Gesalbte 231.

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Stellungen rückfuhrbare Metapher fur königliches Wirken, die sowohl auf Gott als König als auch den politischen König Anwendung fand, aufgegriffen ist: der König als Hirte.82 Die Königsherrschaft begegnet in dieser Bildhaftigkeit als positive, weil Schutz gewährende und die Verhältnisse ordnende Institution. Wenn dabei von der „Herde des Herrn" gesprochen ist, bleibt die Überordnung Gottes als des eigentlichen Hirten und Königs gewahrt, an dessen eigentümlicher Funktion der Gesalbte Anteil erhält.83 Die Fortfuhrung des Bildes in V. 41 qualifiziert die Heilszeit durch den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit, die weder Hochmut der Überlegenen noch Unterdrückung der Machtlosen erlaubt.84 Die preisende und verherrlichende Beschreibung des Gesalbten endet in 17,42f., wobei seine Erwählung, seine Herrschafts- und Gerichtsfunktion und besonders die göttliche Qualität seines Wortes gleichsam zusammenfassend rekapituliert werden: (42) Dies ist die Majestät des Königs Israels, den85 Gott auserwählt, ihn zu setzen über das Haus Israels, um es zu leiten. (43) Seine Worte sind geläuterter als das allerkostbarste Gold, in den Versammlungen wird er die Stämme eines geheiligten Volkes richten, seine Worte sind wie Worte von Heiligen inmitten geheiligter Völker.

Gott erwählte86 den Gesalbten als König Israels (βασιλεύς- ' Ισραήλ), und als solcher leitet87 dieser das Haus Israel (V. 42). Seine Königsherrschaft wird dabei als göttliche Setzung bestimmt. Die Majestät dieses erwählten Königs 82 Zu dieser altägyptischen und israelitischen Vorstellung KOGLER, König 227-232. Vgl. besonders Ez 34; 37,24 (der davidische König als Hirte); auch Jes 40,11; Jer 23,1-6; Mich 5,3; die ntl Aufnahme der Metapher in Joh 10. Zur Anwendung der Metaphorik auch BRANDENBURGER, Gesalbte 233. 83 Daher ist auch nicht von der „Herde des Gesalbten" gesprochen. Vgl. DAVENPORT, Anointed 80f.; BRANDENBURGER, Gesalbte 233. 84 Vgl. BRANDENBURGER, Gesalbte 234. GNILKA, Christen 56 erkennt in W . 36-46 ein gewandeltes Messiasbild, das nicht mehr den Krieger, sondern die Verbindung zu Gott hervorhebt. Doch handelt es sich entgegen einer Wandlung um die Entfaltung einer identischen Gestalt in verschiedener Blickrichtung. 85 Die Handschriften lesen ην, das sich gemäß Genuskongruenz auf εύπρεπεια (Würde, Majestät) bezieht; vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 106 z.St. Denkt man an das hebräische Relativpronomen "HÖN im Original, so erscheint ebensogut, ja syntaktisch passender ein Bezug auf den „König" möglich, was freilich im Griechischen die Maskulinform ου erfordern würde. Man wird dieser Rekonstruktion den Vorzug zu geben haben, was die gebotene Version rechtfertigt. In jedem Fall - so der Textsinn - gewährt die göttliche Erwählung dem König seine spezifische Würde und Bedeutung. Die Femininform liest WINNINGE, Sinners 94. 86 Formuliert mittels des Verbs γίνώσκει,ν. 87 Das Verb π α ι δ ε ύ ε ι meint hier weniger „züchtigen" als umfassender „leiten und bewahren", vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 106 z.St. Die Salbung bewirkt nach KARRER, Gesalbte 253 also eine Verleihung von Kraft zur Erfüllung der königlichen Aufgaben.

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manifestiert sich gerade in der gerechten und h e i l v o l l e n Regierung. D i e göttliche Erwählung des K ö n i g s ermöglicht und sichert die w e s e n s g e m ä ß e Leitung und B e w a h r u n g Israels als V o l k Gottes. D i e s e s B i l d des v o n Gott erwählten idealen Heilsherrschers für Israel fungiert auf der pragmatischen E b e n e als Kontrast zur aktuellen Erfahrung sündiger Führer in Jerusalem und der damit g e g e b e n e n Herausforderung des Glaubens an Gottes gütige Führung Israels, die mit e i n e m in die Zukunft projizierten, idealisierten H o f f nungsbild beantwortet wird. 8 8 V . 4 3 besingt die (durch Feuer) gereinigten, also in Wahrhaftigkeit und Lauterkeit ergehenden Worte ( τ α ρ ή μ α τ α α ύ τ ο ϋ π ε π υ ρ ω μ έ ν α ) des Königs, 8 9 der die S t ä m m e eines geheiligten V o l k e s richten wird. Seine Worte (οί λόγοι, α ύ τ ο ΰ ) sind aufgrund seiner Gottesbeziehung den Worten der H e i l i g e n (ώς λ ό γ ο ι ά γ ι ω ν ) , d.h. der Engel, 9 0 vergleichbar, wodurch ihnen überirdische Qualität zugesprochen wird. D a s Wort als typisches Ausdrucksmittel des g e salbten K ö n i g s erhält göttlichen Charakter und daher besondere Wirkmacht, 9 1 so daß es auch als Gerichtswort fungieren kann. In Verbindung mit der unmittelbar zuvor genannten Leitungsaufgabe des K ö n i g s über Israel (V. 4 2 )

88 Vgl. auch MACK, Wisdom 38f., der an die Priesterschaft am Tempel als konkrete innerjüdische Gegengröße denkt; er interpretiert ebd. 40f. jedoch das Bild des idealen Herrschers als Imagination (nicht als Erwartung), die als offenes soziales Modell fungiert und von der Weisheit, spezieller von der weisheitlichen Eigenschaft ihrer universalen Herrschaft, wesentlich geprägt ist, so daß nicht königliche Autorität und Macht, sondern die Vorstellung von Weisheit und Gerechtigkeit im Mittelpunkt stehe; die Frage der Macht werde im Hinblick auf die Ausübung von Überzeugung, die in Weisheit und Gerechtigkeit gründet, gelöst (vgl. ebd. 39). - Die von Mack aufgerichtete Entgegensetzung von Weisheit und Königsmacht findet in PsSal 17 keinen Rückhalt, vielmehr sind Eigenschaften wie Einsicht, Weisheit und Gerechtigkeit in die Darstellung eines machtvollen, auch kriegerischen Heilskönigs Gottes für Israel als Basis seiner Herrschaftsausübung integriert. Richtig nennt POMYKALA, Tradition 165-169 Hasmonäer und Römer als Gegengröße, wobei die alte Tradition von der davidischen Dynastie reaktiviert wird; vgl. ferner BRANDENBURGER, Gesalbte 233f. 89

Als solche übertreffen diese Worte des Gesalbten sogar den Wert des Goldes; die Lauterkeit des Wortes ist nach Ps 12,7; 18,31; 119,140; 2 Sam 22,31 eine Eigenschaft des Wortes Gottes (vgl. Ps 19,11: kostbarer als Gold), die hier auf den Gesalbten übertragen wird. Dazu auch BRANDENBURGER, Gesalbte 234. 90 So KITTEL, Psalmen 147 z.St.; VITEAU, Psaumes 368; HOLM-NIELSEN, Psalmen 106 z.St. spricht von „himmlische(n) Wesen". Vgl. Dtn 33,2; Ijob 5,1; 15,15; Ps 89,6.8; Dan 4,14; äthHen 1,9; Mk 8,38; Lk 9,26; Jud 14. - Aufgrund dieser Verbindung sieht LAATO, Star 284 die Beschreibung des Gesalbten in die Nähe einer transzendenten Gestalt gerückt. Das sonst in PsSal 17 gezeichnete Gesalbten-Bild zeigt jedoch deutlich eine irdische vollmächtige Repräsentanten-Figur, der übernatürliche Züge aus ihrer göttlichen Ausstattung zuwachsen. 91 Vgl. noch einmal den Bezug zu Jes 11,4 LXX.

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gewinnt sein Wort die Funktion des zentralen Herrschaftsinstruments. Die Herrschaft des Gesalbten bewirkt die Heiligung des Volkes. 92 Den ganzen Psalm abschließend werden in Form eines Makarismus diejenigen selig gepriesen, die die angekündigte, von Gott gewirkte messianische Heilszeit Israels erleben dürfen, deren baldiges Eintreffen als Errettung vor den bedrängenden unheiligen Feinden von Gott erbeten wird (VV. 44f.). „Es beeile sich Gott mit seinem Erbarmen über Israel", lautet der dringliche Anruf des Betenden in V. 45. Am Ende steht das auf den Anfang (V. 1) zurückweisende Bekenntnis zu Gott als ewigem König Israels (, J)er Herr selbst ist unser König für immer und ewig", V. 46), dessen Königsherrschaft die Basis für die vorgetragene messianische Erwartung darstellt und in einem theozentrischen Fundament verankert. Der Gesalbte erhält seine Ermöglichung von Gott und bleibt trotz aller Machtfülle diesem untergeordnet, da Gott als eigentlicher König der Heilszeit hinter dem Gesalbten steht. PsSal 17 zeigt insgesamt deutliche und sich wiederholende Anklänge an Jes ll,2-5 9 3 und bezeugt mit der messianischen Interpretation der JesajaStelle eine frühjüdische Tradition, die den Text Jes 11,1-5 messianisch versteht.

3.2 PsSal 18 Eine terminologische und partiell auch inhaltliche Bestätigung erfährt das aus PsSal 17 über den königlichen Gesalbten zu eruierende Bild durch PsSal 18. Dieser kann der Gattung nach unter die Hymnen eingeordnet werden. 94 Der Psalm schließt die Sammlung der PsSal ab und greift dabei in besonderer Weise auf die in PsSal 17 entwickelten Gedanken zurück. 95 Bereits die se-

92 Die Rede von den „geheiligten Völkern" im Plural in V. 43fin ist schwer verständlich (vgl. nur V. 45 „unheilige Feinde"). Sollte es sich nicht um einen Übersetzungsfehler handeln (diese Möglichkeit erwägt HOLM-NIELSEN, Psalmen 106), muß die Aussage wohl auf die universale Herrschaft des Gesalbten gedeutet werden, die selbst die Völker umgreift. 93 Wichtig wurden daneben auch Ps 2,8f. und 2 Sam 7, ferner Passagen aus den Königspsalmen und den Propheten Jesaja, Jeremía und Ezechiel. - Teilweise wird eine motivliche Nähe zur apokalyptischen Literatur festgehalten, vgl. NICKELSBURG, Literature 208f.; POMYKALA, Tradition 169; zurückhaltender COLLINS, Imagination 113f. 94

Vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 56; WASCHKE, König 35. SCHÜPPHAUS, Psalmen 73

spricht von einer „lobpreisartigen Betrachtung". 95 Dazu die Analyse von SCHÜPPHAUS, Psalmen 73f.; auch 78.150; vgl. auch VLTEAU, Psaumes 44.

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kundäre Überschrift96 gibt als Thema des Liedes den χριστός κυρίου an, womit die Thematik von PsSal 17 eine Fortführung erhält. Der Psalm läßt sich in zwei Strophen gliedern und besitzt in VV. 10-12 einen sekundären Anhang.97 Die Strophengliederung orientiert sich an der formalen Beobachtung, daß im ersten Teil des Psalms (VV. 1-4) jede Zeile zu Beginn eine Eigenschaft, Wahrnehmungsweise oder Aktivität Gottes nennt und diese dann näher bestimmt. Dies geschieht mittels des stereotypen Schemas Substantiv (mit Artikel) + σον + nähere Bestimmung'8 und trägt den Charakter des Lobes Gottes. V. 5 setzt in der Formulierung einer Bitte an Gott neu ein und eröffnet damit die zweite Strophe (VV. 5-9). Die erste Strophe besingt Gottes Gnade und Güte über seine Schöpfung und speziell über Israel, dem Gottes besondere Liebe gilt (VV. 1-4). Sie endet schließlich in einer positiven Sicht der göttlichen Züchtigung, deren Absicht in der Abwendung einer gehorsamen Seele von der Torheit aus Unwissenheit erkannt wird (V. 4). Das angestimmte Lob Gottes mündet zu Beginn der zweiten Strophe (VV. 5-9) in die Bitte um von Gott bewirkte Reinigung99 Israels, was den Gedanken der pädagogischen Züchtigung der Kinder Israels aus V. 4 in gewisser Weise - freilich im Blick auf das kommende Gericht modifiziert - weiterführt. Der Text von PsSal 18,5-9 lautet:100 (5) Gott reinige Israel für den Tag der Barmherzigkeit mit Segen, für den Tag der Auswahl durch Herbeiführung seines Gesalbten. (6) Wohl denen, die leben in jenen Tagen, zu sehen die Wohltaten des Herrn, die er erweisen wird dem kommenden Geschlecht 94 Zum sekundären Charakter der Superscriptio vgl. HOLM-NIELSEN, Psalmen 58.107; allgemein SCHÜPPHAUS, Psalmen 151-153; KARRER, Gesalbte 264. 97 Die VV. 10-12 enthalten eine völlig anders geartete Thematik als VV. 1-9. Es ist aufgrund der inhaltlichen Differenzen wahrscheinlich, daß sie einen nachträglichen Zusatz in der Funktion einer Schlußdoxologie des Psalmbuches darstellen. Dazu HOLM-NIELSEN,

Psalmen 55; KITTEL, Psalmen 148; SCHÜPPHAUS, Psalmen 74; VLTEAU, Psaumes 44.373.

Auch KARRER, Gesalbte 264, der jedoch den Preis des Weltregiments Gottes der VV. 10-12 als Relativierung der Gesalbtenerwartung versteht - zu Unrecht, denn gerade von dieser göttlichen Macht wird der königliche Gesalbte ermächtigt und getragen (vgl. PsSal 17,34). RYLE/JAMES, Psalms XXIff. sehen VV. 10-12 als Fragment eines 19. Psalms; skeptisch dagegen GEBHARDT, Psalmen 136. 98 Die Ausnahmen lassen sich erklären: V. 1 redet zunächst Gott als κύρι,ε an, nimmt dann aber sofort das Schema auf; V. 3 deutet das και eine Differenzierung an (barmherziges Gericht über die Erde versus Liebe für Israel); V. 4 weist nur in der ersten Zeile das Schema auf, die Ausführung erstreckt sich weiter auf die zweite Verszeile, was inhaltlich bereits zum Beginn der zweiten Strophe in V. 5 überleitet (Abwendung von Torheit V. 4b - Reinigung Israels V. 5a). 99 PsSal 17,22.30 spricht von der Reinigung Jerusalems durch den Gesalbten. 100 Deutsche Übersetzung von HOLM-NIELSEN, Psalmen 107f.; griechischer Text bei RAHLFS, Septuaginta II 489.

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(7) unter dem züchtigenden Stab des Gesalbten des Herrn in seiner Gottesfurcht, in der Weisheit des Geistes und der Gerechtigkeit und der Stärke, (8) einen jeden anzuleiten in Werken der Gerechtigkeit in Gottesfurcht, um sie alle vor dem Herrn darzustellen. (9) Ein gutes Geschlecht in Gottesfurcht in den Tagen der Barmherzigkeit. Diapsalma.

Der Wunsch nach Reinigung wird in einer parallel gebauten Satzkonstruktion expliziert: Die Reinigung geschieht „für den Tag der Barmherzigkeit" (eis ήμέραν ελέους-) und, mit instrumental zu verstehendem έν101 formuliert, „mittels Segen" (ev ευλογία) (V. 5a). Sie erfolgt weiter - in einer syntaktisch analog gebauten Aussage - „für den Tag der Auswahl102" (eis ήμέραν εκλογής) „durch Heraufführung seines Gesalbten" (èy αράξει 103 χριστού 104 αύτου) (V. 5b). In den Formulierungen entsprechen sich die Satzglieder „für den Tag der Barmherzigkeit" und „für den Tag der Auswahl" sowie „mittels Segen" und „durch Heraufführung seines Gesalbten". Der Segen in V. 5a und das Auftreten des Gesalbten in V. 5b erfüllen die gleiche syntaktische Funktion und dürfen daher auch inhaltlich weitgehend gleichgesetzt werden. Für dieses Urteil spricht die Beobachtung, daß in PsSal 17,38 der „Segen des Herrn" (ευλογία κυρίου) dem Gesalbten als Zurüstung für seine Aufgabe zugesprochen wird. Die von Gott zu initiierende Reinigung Israels erscheint als Aufgabe des Gesalbten, der in göttlicher, d.h. von Gott übertragener Funktion handelt. Unter dem „Tag der Barmherzigkeit"105 und dem „Tag der Auswahl" ist wohl das endzeitliche Gericht Gottes zu verstehen, das dem Gesalbten zur Durchführung übertragen wird. Damit zeigt PsSal 18 gegenüber PsSal 17 eine greifbare eschatologische Akzentuierung, die die Erwartung des Gesalbten aus der unmittelbaren Geschichtserfahrung herausnimmt. Eine politische Funktion des Gesalbten wird dabei kaum mehr ausgeführt,106 woraus 101

Das instrumentale Verständnis ist wegen der Parallelität zu iv αράξει χριστού αύτοΟ von V. 5b einer Bestimmung als Apposition zu έλέουζ vorzuziehen; HOLM-NlELSEN, Psalmen 108 z.St. entscheidet die Alternative nicht. 102 Vgl. den parallelen Gedanken PsSal 17,21b. 103 Das Substantiv άι>άξΐ5 dürfte sich vom Verb ανάγω herleiten lassen; als hebräisches Äquivalent des Verbs wäre D"lp denkbar. Vgl. CHESTER, Expectations 28f. Anm. 30; LAATO, Star 284 Anm. 80. 104 Vom χριστοί spricht auch PsSal 17,32. Nach CHARLESWORTH, Concept 199 bezieht sich der Vers auf die Erinnerung an die Salbung der davidischen Könige und die Hoffnung auf Erneuerung eines idealen Königtums; eine Präexistenz des Gesalbten ist nicht im Blick. LAATO, Star 284 hält eine Interpretation auf die Präexistenz des Gesalbten offenbar für möglich. Die allgemeine Formulierung erlaubt jedoch keine derart spezielle Deutung. 105 Vgl. die Wendung in PsSal 14,9. 106 Vgl. CAMPONOVO, Königtum 227f.; KARRER, Gesalbte 254; zur neu hinzutretenden endzeitlichen Zukunftsperspektive auch SCHÜPPHAUS, Psalmen 76f.l24f.l41ff.

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aber nicht vorschnell auf einen Verzicht dieser Funktion geschlossen werden darf. Die Bezugnahme auf die Schilderungen von PsSal 17 läßt die dort beschriebene politisch-militärische Tätigkeit auch hier implizit mitgemeint erscheinen. Der „züchtigende Stab" in 18,7 kann als Symbol politischer Herrschaft gelesen werden. Möglicherweise wird der Gesalbten-Titel hier schon als festgefiigter Terminus technicus gebraucht,107 was dann freilich eine gewisse konventionelle Verbreitung der damit bezeichneten Inhalte voraussetzt. Das endzeitliche Gerichtshandeln des Gesalbten wird als Auftakt einer Heilszeit für Israel verstanden, denn anschließend werden in einem Makarismus diejenigen selig gepriesen,108 die jene kommenden Tage des Heils und der göttlichen Wohltaten erleben dürfen (V. 6), die „unter dem züchtigenden Stab" (ύττό ράβδον παιδεία?) 109 des χριστό? κυρίου aufgrund seiner Gottesfurcht, geistgewirkten Weisheit, Gerechtigkeit und Stärke110 entstehen (V. 7). Der Stab wird eine Herrschafts- und Gerichtsfunktion symbolisieren. Unter Anleitung des Gesalbten entwickelt sich eine wahrhafte Heilszeit, die durch Werke der Gerechtigkeit und Gottesfurcht im Angesicht des Herrn gekennzeichnet ist (VV. 8f.). V. 9 trägt abschließend summierenden Charakter, 1 " wenn das messianische Geschlecht aufgrund seiner Gottesfurcht als „gut" (αγαθός) qualifiziert wird. Das Syntagma „Tage der Barmherzigkeit" trägt eschatologische Konnotation, wobei diese Endzeit dann durch die besondere Zuwendung der Barmherzigkeit Gottes (beim Gericht) ihr eigentümliches Gepräge erhält. Die Herrschaft des Gesalbten besteht nach PsSal 18 also im endzeitlichen Vollzug des Gerichts über Israel und der Aufrichtung einer Herrschaft des Heiles, der Gerechtigkeit und der Gottesfurcht für Israel, wozu er von Gott bevollmächtigt ist. Das Partizipationsverhältnis zu Gott wird wiederum deutlich, zunächst formal im Aufbau des Liedes, das zuerst Gottes gütige Zuwendung zu Israel besingt (VV. 1-4), bevor diese Zuwendung in ihrem Vollzug durch den Gesalbten als Gottes Repräsentanten konkretisiert wird (VV. 5-9). Das Auftreten des Gesalbten entspringt der Aktivität Gottes (V. 5), das Handeln Gottes (V. 6) wechselt sich mit dem Handeln des Gesalbten (VV. 7f.) ab, so daß sich beide durchdringen und eine Scheidung unmöglich wird; die Heilszeit entsteht durch Gottes Tun, das sich durch den dazu bestimmten Gesalbten vermittelt erweist.

107

Dazu KARRER, Gesalbte 254. "" Vgl. die wörtliche Parallele in PsSal 17,44a, die auf literarische Abhängigkeit schließen läßt; so HOLM-NIELSEN, Psalmen 108 z.St. 109 Der eiserne Stab begegnet auch in PsSal 17,24. 110 Zu den angeführten Eigenschaften vgl. PsSal 17,35.37.40; auch - wie d o r t - J e s 1 l,2f. " ' Nach HOLM-NIELSEN, Psalmen 108 ist V. 9 „zusammenfassender Abschluß".

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3.3 Zusammenfassung Der zukünftig erwartete königliche χριστός wird in den PsSal in für die frühjüdische Literatur einzigartiger Ausführlichkeit unter Rückgriff auf die Tradition vom ewigen Bestand der davidischen Königsdynastie gezeichnet, also als idealer messianischer König,112 der sich als primär national orientierte Gestalt gegenüber Heiden und Sündern machtvoll durchsetzen und seine Herrschaft des Friedens für Israel innerhalb des Geschichtskontinuums113 (PsSal 17) bzw. schon in der Endzeit (PsSal 18) aufrichten wird, nachdem Sünder und Gottlose vernichtet sind.114 Entsprechend wird er in PsSal 17 als βασιλεύς betitelt. Auch die Völker fuhrt der gesalbte König dann zumindest partiell zur Schau der Herrlichkeit Gottes. Er tritt dabei als geschichtlich handelnder Mensch auf Erden auf, der im Zuge seines Gottesverhältnisses über menschliches Maß übersteigende Möglichkeiten verfugt, die er auf der Ebene der Auseinandersetzung mit Feinden gewaltsam und siegreich-wirksam einsetzt. Legitimation und Ermächtigung erhält er von Gott, der, selbst als König der ganzen Schöpfung gedacht, dem gesalbten König Israels Macht, Gerechtigkeit und Beständigkeit verleiht. Als solcher verfügt er auch über eine besondere Menschenkenntnis, der das Innere des Menschen nicht verborgen bleibt. Das zentrale Instrument der Durchsetzung seiner Herrschaft stellt sein wirkmächtiges Wort dar, das über die Sünder und Gottlosen Gericht spricht und bewirkt, d.h. sie vertilgt, und den besonderen Charakter geheiligten Wortes genießt. Im Hintergrund dieses speziellen Gesalbtenbildes stehen geschichtlich die ambivalenten Erfahrungen mit dem hasmonäischen Königshaus und die politische und militärische Unterdrückung durch die Römer. Interessanterweise sprechen nur PsSal 17 und 18 von einer davidischen Gesalbtenerwartung, obwohl eschatologische Erwartungen in allgemeiner, 112

DEXINGER, Entwicklung 22 bemerkt eine Hervorhebung der kriegerischen und nationalen Züge des Messias in PsSal. Nach MÜLLER, Messias 77 wird „Messias" in den PsSal als Würdetitel verwendet. WRIGHT, Psalms of Solomon 646 beschreibt den Gesalbten als endgültigen, apokalyptischen König, der alle idealisierten königlichen Tugenden besitzt. 113 Als eine „völlig innerweltliche Messiaserwartung" kann LICHTENBERGER, Erwartungen 14 den Entwurf der PsSal klassifizieren; vgl. KARRER, Gesalbte 254; SCHIFFMAN, Reclaiming 320; HAHN, Hoheitstitel 150. Von einer geschichtlichen menschlichen Gestalt sprechen auch WINNINGE, Sinners 107; NICKELSBURG, Literature 207-209 (der ihm freilich „semidivine characteristics" [208] zugeschrieben sieht). 114 Dieser Aspekt ist zentral fur die Messiaserwartung der PsSal, auch wenn der messianische König durchaus verschiedene Züge trägt. Auf ähnliche Weise faßt FRANKLYN, Climax 14 die Bedeutung des Gesalbten zusammen. Vgl. die Differenzierung bei SCHÜPPHAUS, Psalmen 124-126, die m.E. zu stark kontrastiert.

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theozentrischer Form auch in anderen PsSal (z.B. 11) vorliegen. Dieser Befund fugt sich in die bekannte Tatsache, daß die Erwartung eines königlichen Gesalbten nicht die einzige Denkmöglichkeit einer dann breiter zu veranschlagenden frühjüdischen Endzeitvorstellung bildete." 5 Eine gewisse Verbreitung der die PsSal 17 und 18 prägenden Gesalbtenerwartung darf vom didaktischen Sitz im Leben der PsSal und der relativ knappen titularen Nennung des Gesalbten in PsSal 18, die offenbar auf einen bekannten Vorstellungshintergrund zurückgreifen kann, vermutet werden.116 Möglicherweise sehen wir in den PsSal 17 und 18 auf den literarischen Niederschlag der Anfänge einer frühjüdischen königlichen Gesalbtentradition, die, auf der Folie negativer Geschichtserfahrung, die atl Verheißung des ewigen Bestandes der David-Dynastie mit der titular umgesetzten Vorstellung israelitischer Königssalbung als Akt göttlicher Erwählung verbindet und in die Zukunft projiziert, wobei der Zentralgedanke der national-politischen Herrschaft zugunsten des Wohles Israels bestimmend bleibt. Auf diese Weise entsteht das Idealbild einer königlichen Herrschergestalt, die - von Gott erwählt - in einem besonderen Gottesverhältnis steht und so endlich die erhoffte Herrschaft der politischen und religiösen Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit für Israel schafft. Repräsentationsfunktion des Gesalbten und Partizipationsverhältnis zu Gott lassen sich aus diesem Modell erklären. Der Gerichtsaspekt zur Vertilgung der als Unterdrücker erfahrenen Völker und der Sünder, d.h. wohl in erster Linie Kollaborateure im eigenen Volk, tritt angesichts der konkreten Negativerfahrung hinzu, da erst Befreiung von Gottlosigkeit im Lande, was auf die Fremdherrschaft zu beziehen ist, zum ersehnten Heil fuhrt. Wesentliche Orientierung fand die Beschreibung des gesalbten Königs an der atl Verheißung eines heilschaffenden Davididen in Jes 11,1-5. In der gezeigten motivlichen Grundstruktur kann die Basis für alle weiteren Entwicklungen und spezifischen Ausprägungen der königlichen Gesalbtenvorstellung im Frühjudentum (und dazugehörig im Urchristentum) gefunden werden, so daß damit Ursprung und Grundstruktur der Vorstellung greifbar erscheinen. Diese Sicht läßt sich wegen des Fehlens der nötigen frühen Zeugnisse für eine solche Entwicklung freilich nicht sicher verifizieren, 115 Zur situativen Erklärung der Singularität der Gesalbtenerwartung von PsSal in ihrer Zeit vgl. KARRER, Gesalbte 255. Auch DE JONGE, Expectation 11 stellt im Blick auf das Gesamt der PsSal fest, daß der davidische Gesalbte als Endzeitgestalt keineswegs dominant ist. 116 Eine gewisse Verbreitung vermutet KARRER, Gesalbte 266. MAIER, Messias 594 erblickt - unter Berücksichtigung der Qumran-Texte - „eine in den Grundzügen doch ziemlich fest geprägte Vorstellung, die aber über die traditionelle Vorstellung eines (davidischen) Idealkönigs nicht hinausgeht". - Nach VERMES, Jesus 130-134 deutet der Charakter eines Gebetstextes auf weite Verbreitung der Ideen.

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sondern kann nur hypothetisch als Vermutung wahrscheinlich gemacht werden.

EXKURS: Königliche Motive in der jüdischen Weisheitstradition In einem Beitrag zu den jüdischen Denkhintergründen früher christologischer Entwicklung propagiert B.L. Mack die jüdische Weisheitstradition als bislang weitgehend vernachlässigten, tatsächlich aber entscheidenden Faktor im Zuge dieser sonst gerne im apokalyptischen Horizont verorteten Genese von Jesusund Christus-Traditionen.1 Sowohl für die jüdische Weisheitsspekulation als auch für deren christliche Adaption sei dabei jeweils die eigene geschichtlichsoziale Situation grundlegend, da weisheitliche Interpretationen die Entwicklung neuer sozialer Wirklichkeiten legitimierend begleiten und begründen. Die Bildung frühjüdischer Idealfiguren mit wesentlich weisheitlichen Elementen stellt entsprechend eine intellektuelle Antwort auf die sozialen und politischen Gegebenheiten dar, die den überlieferten Glauben in Frage stellen. Diese Figuren verkörpern Charakteristika, die als wesentliche Funktionen und Eigenschaften des sozialen Gefuges Israel zu verstehen sind, so daß die Analyse der Beziehung zwischen Literatur und Sozialgeschichte zur grundlegenden Aufgabe wird.2 Die geistige Tätigkeit wird als sozial veranlaßter Umgang mit gesellschaftlich-strukturellen Problemen und Möglichkeiten im jüdischen Sozialgefuge auf der Basis der literarischen Tradition Israels interpretiert. In kausaler Einlinigkeit gedacht, droht diesem methodischen Ansatz freilich eine sozialgeschichtliche Engführung geistig-religiöser Vorstellungsmuster. Zumindest ist das Verhältnis wechselseitig bestimmt, denn es werden nicht nur gesellschaftliche Experimente durch weisheitliche Reflexionen legitimiert, sondern die religiösen Reflexionen prägen ihrerseits wiederum die Strukturen gesellschaftlicher Neuentwicklungen. Die in Heilserwartungen basale Perspektive der Hoffnung enthält in sich stets ein Element der geistigen Grenzüberschreitung konkreter Erfahrungswirklichkeit, die zwar situativ veranlaßt ist, aber nicht in der aktuellen Situation aufgeht. In den grundlegend formulierten Komponenten trägt nach Mack bereits das urchristliche Kerygma von Tod und Auferweckung Jesu eine weisheitliche Struktur, die durch die Verbindung von Prüfung und Rechtfertigung 1

MACK, Christ (1992), 192-197.209-221. Diese Voraussetzungen stellt MACK, Wisdom (1987), 19-21.42-47 in einem anderen Beitrag zur Messiasfrage heraus; Situationsbewältigung fuhrt zur Bildung der Weisheit und der damit verbundenen Idealfiguren (ebd. 45). 2

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(„trial and vindication") des Gerechten gekennzeichnet ist.3 Mit dieser basalen Struktur sei im urchristlichen Denken die weisheitliche König-Vorstellung verbunden worden: Die frühen Christen betonen die Souveränität und Macht ihres Königs; nach seiner Auferstehung ist Jesus Herr der Welt und König seines Königtums, für das er starb.4 Diese allgemeinen Feststellungen werfen die Frage auf nach dem Vorkommen königlicher Vorstellungen im Rahmen der jüdischen Weisheitsliteratur.5 Wegen ihrer privilegierten Stellung und Macht fungieren Könige im weisheitlichen Denken als Symbolfiguren, wobei der weise König als Idealgestalt erscheint.6 Nur in der durch die Weisheit vermittelten Form der Gotteserkenntnis ist also rechtes Herrschen möglich. So zeigt die Weisheit Jakob als Gerechtem die Königsherrschaft Gottes und geleitet sein Leben (Weish 10,10-12); in Spr 8,15f. erscheint die Weisheit als Grundlage und Ordnungsprinzip der Herrschaft von Königen und Machthabern, so daß ein wahrer König sich im Besitz der Weisheit befindet. Für Könige in ihrer herausgehobenen Funktion der Herrschaft über Völker wird die Weisheit als Mittlerin des göttlichen Willens besonders wichtig. Als das herausragende Beispiel 3

MACK, Christ 216. MACK, Christ 217. Der Autor gibt allerdings keine konkreten Belege für die ntl Stellen, in denen er diese Konzeption findet. Seine auf das MkEv bezogene Begründung für die nur partielle Übernahme christologischer Traditionen lautet, die Jesusbewegung des Mk brauche einen Mythos des Ursprungs, was die Auswahl des Märtyrer-Mythos bedinge (219). Diese einseitig sozialgeschichtliche Sichtweise ist ebenso bedenklich wie die unreflektierte Verwendung des Begriffs „Mythos", dessen Anwendung gerade im Bereich der Passion Jesu falsch ist, da es sich um historisch situierte Ereignisse handelt; Formulierungen eines urchristlichen Kerygmas wie κύριος ' Ιησούς (1 Kor 12,3) oder die Formel 1 Kor 15,3b-5a, die Tod und Auferstehung umfaßt, zeigen, daß gerade die Identität von Irdischem und Erhöhtem die Bekenntnisgrundlage der frühen Christen darstellt, so daß nicht von einem (in seiner Funktion Wirklichkeit deutenden, aber nicht historisch greifbaren) Mythos gesprochen werden sollte. 4

5 Zum Folgenden vgl. auch MACK, Christ 202f. Zum Weisheitsbuch DERS., Logos und Sophia 63-107. 6 Sir 10,1-18 schildert den weisen Herrscher als Ideal. In Weish 9,2-12 bittet der König um die Weisheit Gottes, die seiner Regierung rechte Orientierung verleiht; in Weish 6,20f. erscheint die Weisheit als Grundlage königlicher Herrschaft. Ein weiser König bedeutet Heil für sein Volk (Weish 6,24). Nach Spr 8,15f. herrschen Könige durch die Weisheit und vollziehen die Herrschenden durch sie das Recht. Nach 1 Kön 4,29; 10,23 repräsentiert Salomo das Ideal des weisen Königs; in Weish 6,22-8,18 präsentiert sich der fiktive Autor Salomo als Beispiel weisheitlicher und königlicher Existenz. - Zum König als weisheitlicher Idealfigur vgl. auch MACK, Wisdom 25f. - Vom politischen König redet Spr 14,28.35; 16,10.1215; 20,8.26.28; 21,1; 22,11; 24,21f.; 25,2f.6f.; 29,4.14; 30,27f.31; 31,1-9, wobei häufig die idealen Züge von Gerechtigkeit und Weisheit verbunden sind, teils die Repräsentation Jahwes, teils eine ethische Vorbildfunktion im Kontext zur Sprache kommen; in 16,15 ähnelt der König in der Funktion der Lebensvermittlung der Weisheit. Dazu DELL, King 172-182.

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eines weisen Königs fungiert der fiktive Autor der Weish, Salomo selbst: So erwähnt Weish 9,7 die göttliche Erwählung Salomos zum König im Zusammenhang mit der Bitte Salomos um die Gabe der göttlichen Weisheit (9,119); Weish 9,10-12 thematisiert die Weisheit als Grundlage der königlichen Herrschaft, entsprechend wählte Salomo nach 8,9 die Weisheit zu seiner Lebensgefährtin im Sinne einer Ratgeberin und Trösterin, in 8,14f. erscheint sie als prägendes Fundament seiner Regierung und Kriegstätigkeit.7 Die Beschreibung solcher Idealfiguren erlaubt eine Konzentration der Reflexion gerade auch über anzustrebende soziale Verhältnisse. In diesem Sinne richtet sich der erste Teil des Buches der Weish an die Könige und Herrscher der Erde als fiktive Adressaten (1,1; 6,lf.9.21), denen in besonderer Weise die Notwendigkeit des Strebens nach Weisheit als Voraussetzung zur erfolgreichen und gelungenen Durchführung der Regierungsaufgabe nahegelegt wird. Erst die Verbindung von herrscherlicher Macht mit der Weisheit als der einzig adäquaten Einsicht in das von Gott her zu ergreifende Wesen menschlicher Existenz sichert den rechten, Gott und Mensch gemäßen Vollzug königlicher Herrschaft. Entsprechend werden die Könige der Erde in Weish 6,4 als Diener der Königsherrschaft Gottes angesprochen und dabei zur Einsicht gemahnt, daß sie dem Willen Gottes unterstehen und darauf ihr Regieren gründen sollen. In der exemplifizierenden weisheitlichen Darstellung von Ursprungsgestalten der Geschichte Israels wie Adam, die Patriarchen, Mose oder Aaron werden königliche Attribute wichtig.8 In mythologischer Betrachtung gilt der König als Sohn der Weisheit, anthropologisch verkörpert er den idealen Menschen.9 An dieser Stelle muß nach der Bedeutung der Gestalten in Weish 18,15f.2125 gefragt werden. Im Kontext des Auszugs aus Ägypten tritt in Weish 18,15f. das Wort (λόγο?) Gottes in kriegerischer Funktion vom himmlischen Thron Gottes her auf, um den Befehl Gottes im Bild eines scharfen Schwertes auszufuhren. Der Logos wird als personifizierte Kriegsgestalt in todbringender Vollmacht gezeichnet.10 Letztlich dient die Personifizierung des Befehls7 Zum weisen König Salomo vgl. MACK, Logos und Sophia 82f., der ebd. 90-95 einen Vergleich der Salomo-Darstellung im Buch Weish mit dem ägyptischen Mythos von Isis und ihrem Sohn Horns, der in der ägyptischen Mythologie die Verkörperung des Königs darstellt, bietet. 8 Vgl. z.B. Weish 10,13f., wo das königliche Szepter als Bild der Rettung Josefs durch die Weisheit gebraucht ist; auch 10,2; 10,10-12, wo Jakob die βασίλεια θεού sieht. Nach Philo ist Abraham König und empfing die Weisheit von Gott (QuaestGen II 75; IV 76). 9 Vgl. die endzeitliche Herrschaft der Gerechten mit Gott in Weish 3,8. 10 Vgl. Offb 19,11-21, wo Christus als Wort Gottes den endzeitlichen Vernichtungskampf ausführt. Einen Vergleich des Logos in Weish 18,15f. mit dem ägyptischen Gott Thot bietet MACK, Logos und Sophia 102-106.

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worts dem Erweis der göttlichen Macht auch gegenüber den Feinden Israels, die Gott zugunsten seines Volkes einsetzen kann. Die bekannte ExodusHandlung fortsetzend, führt Weish 18,21-25 im Zusammenhang des Israel in der Wüste befallenden Todes die Gestalt eines Vorkämpfers (vgl. das Verb προεμάχησεν) ein, unter der, wie die Anspielungen auf die Schilderung in Ex 28 erweisen," die priesterliche Urgestalt Aaron zu verstehen ist, der mittels seines priesterlichen Dienstes (V. 21) dem Tod entgegentritt. Nicht durch Körperkraft und Waffen, sondern durch das Wort (λόγο?) bezwingt er den Tod (V. 22), wobei das Wort an dieser Stelle den von Gott zugesicherten Bund mit den Vätern meint. Wiederum erscheint Gott selbst als eigentlich handelnde Kraft, der durch seinen priesterlichen Repräsentanten erkennbar wird und seine Macht auch über den Tod entsprechend seiner Bundesverheißung einsetzt. Im in V. 24 genannten Diadem (διάδημα) Aarons liegt ein königlicher Zug der priesterlichen Figur. Gott wirkt in einer historischen Person zum Heil Israels; es handelt sich nicht um weisheitliche oder königliche Idealgestalten. In hellenistischer Zeit bildete das Königtum bzw. die Frage nach dem idealen König ein vieldiskutiertes Thema, denn die Gestalt des Königs vermochte den Menschen in Vollendung zu verbildlichen. Entsprechend konnte die Rede von der „Herrschaft" als Metapher für die sittliche Vollendung verwendet werden, in Stoa und Kynismus wurde vom Weisen als dem wahren König gesprochen.12 Bei Philo von Alexandrien verbindet die Weisheit als höchste göttliche Kraft den Weisen mit Gott, so daß Philo den Geist des Weisen als Gottes Königspalast (βασίλειον) bezeichnen kann (Praem 122f.); der Weise hat an Gottes Königsherrschaft teil, indem er seinen Mitmenschen das Gute und die gesetzliche Ordnung vermittelt (Abr 261).13 Der weise Mensch vertritt Gottes kosmische Kräfte, nämlich die schöpferische und die königliche Kraft (QuaestGen III 39; IV 184). Der weise Mensch ist auch nach dem " Das in Weish 18,24 geschilderte Gewand des Vorkämpfers erinnert an die Beschreibung der Gewandung Aarons in Ex 28, konkret an die vier Reihen Edelsteine mit den Namen der zwölf Stämme Israels (Ex 28,17-21) und an die Rosette mit der Inschrift „Heilig dem Herrn" für Aarons Haupt (28,36-38). - MACK, Logos und Sophia 85 denkt bei diesem Vorkämpfer zu Unrecht an eine kosmische Größe und einen Repräsentanten Israels, der neben den Logos gesetzt ist. Vielmehr ist die historische Gestalt Aaron im Blick. 12 Die Vorstellung stammt aus dem platonischen Gedanken des Philosophenkönigs, der in der Stoa weiterentwickelt wurde; vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 253. BERGER, Messiastraditionen 34-36 weist auf die hellenistische Königskonzeption vom Weisen als wahrem König hin, wobei dieser weise König zunächst unerkannt, bedürftig und gewaltlos auftritt, doch gerade darin den Besitz von Weisheit demonstriert; das weisheitlich geprägte Judentum versteht dann die Basileia als weisheitliche Erkenntnis Gottes, der Gerechte vermag nach seinem Tod die Königsherrschaft zu erlangen. 13 Zum Weisen als König bei Philo vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 252-255.

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biblischen Weisheitsbuch als der wirklich königliche Mensch zu verstehen.14 Darin tritt eine Demokratisierung der Königsvorstellung zutage, aber auch Gedanken über die Gestaltung des politischen Systems finden Ausdruck. Im Judentum der Hasmonäerzeit wurde aus der konkreten Geschichtserfahrung heraus das Königtum kritisch beurteilt. Einerseits blieb die Phantasie des goldenen Zeitalters unter David und Salomo weiter idealisierend wirksam, andererseits wurden die Grenzen der Anwendung der Königsvorstellung im weisheitlichen Horizont fließend: So übertrug der Autor des Buches Sir die königlichen Funktionen seiner anthropologischen Typologie auf den (eine politische Figur darstellenden) Hohenpriester; der Verfasser der Weish betont Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Weisheit des Königs;15 bei Philo ist Mose als König, Priester und Prophet gezeichnet, dessen wichtigsten königlichen (!) Akt die Gesetzgebung bildet.16 Insgesamt werden die Könige in der Weisheit aus einer sozialgeschichtlichen Perspektive heraus dargestellt, wobei das Verhältnis von Weisheit und Macht zentrale Bedeutung erlangt. So wird die ideale königliche Figur als weise betrachtet, was soziale und politische Konsequenzen fordert. Der kurze Überblick vermag deutlich zu machen, daß innerhalb des weisheitlichen Denkens keine einzelne, herausgehobene Königsgestalt an sich Bedeutung erlangt oder - spezieller - in der Rolle eines zukünftigen bzw. eschatologischen Heilsherrschers erwartet wird. Als vorbildlicher Mensch begegnet vielmehr der Gerechte, der sein Leben an Gottes Weisheit orientiert (vgl. Weish 2,12-20; 3,1-12; 4,7-5,16). Der gerechte und weise Mensch freilich kann in seiner von Gott (nach dem Erdenleben, vgl. Weish 3,7; 5,15) gewährten Vollendung mit königlichen Qualitäten und Attributen beschrieben werden. Nach Weish 5,16 empfangen die Gerechten von Gott die endzeitliche Herrschaft (βασίλειον) der Herrlichkeit und die Krone (διάδημα) der Schönheit; in Weish 3,8 ergeht an die Gerechten die Verheißung der Durchführung des endzeitlichen Gerichts über die Völker und der Herrschaft über die Nationen, was in der Königsherrschaft (Verb βασιλεύω) Gottes 14 Vgl. ENGEL, Buch 159.163; ferner KÜGLER, König 31. - Zur Demokratisierung des hellenistischen Königsideals in Weish 12,19-21 vgl. auch STROTMANN, Pädagogik 184. 15 In Weish 9,10 bittet der König (vgl. 9,7) Salomo um Weisheit. 16 Zu Mose als König bei Philo (so Praem 54; VitMos I 148) vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 243.245; MEEKS, Prophet-King 100-131. Zur philonischen Kritik am politischen Königtum mittels der Metapher von Gottes alleinigem Königsein vgl. UMEMOTO, ebd. 245-250. Den mit Weisheit und dem Wort seines Mundes regierenden König aus PsSal 17 und 18 versteht MACK, Christ 203 in der Funktion eines weisheitlichen Lehrers. Ganz offensichtlich überwiegen demgegenüber jedoch die Züge eines gesalbten Heilskönigs mit politischnationalen und militärischen Aufgaben, begabt mit besonderer göttlicher Vollmacht (dazu oben 3.1).

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selbst über sie grundgelegt ist. Entsprechend kann der Gerechte in Weish 2,13 als „Kind des Herrn" (παις κυρίου) und in 2,18 als „Sohn Gottes" (υιός θεού)17 bezeichnet werden, worin sein durch die Weisheit vermitteltes besonderes Gottesverhältnis Ausdruck findet. Spr 4,8f. verheißt die königliche Erhöhung des Weisen im Bild der Verleihung eines Siegeskranzes (στέφανο?).18 Die königliche Bildwelt wird auch in Sir 6,31 auf den Weisen adaptiert, denn wer der Weisheit dient, legt sie wie ein herrliches Gewand und eine Freudenkrone (στέφανο? άγαλλιάματο?) an." Im Zentrum all dieser Einzelaussagen steht die Vorstellung „Erhöhung durch Weisheit", nicht der Gedanke einer Königsherrschaft des Weisen, der lediglich der metaphorischen Veranschaulichung der Erhöhung dient. Die Aufnahme königlicher Bildelemente zielt nicht eigentlich eine königliche Funktion an, sondern weist analog zum Motiv des Königs als des idealtypischen Menschen auf die Stellung eines Königs als Ausdruck göttlicher Vollendung des Weisen.20 Nicht die königliche Titulierung konkreter Personen steht innerhalb des weisheitlichen Denkens im Blickfeld, vielmehr fungiert die Königsvorstellung metaphorisch bzw. symbolisch als Strukturelement einer weisheitlichen Anthropologie, wo sie besonders im Bereich der Ethik wichtig wird. Die personifizierte Weisheit selbst ist nicht einfachhin als König titulierbar21 noch in ihrer Funktion wesentlich von königlichen Attributen 17 Vgl. Weish 2,16: Gott ist der Vater (πατήρ) des Gerechten. Weish 18,13 kann das Volk Israel insgesamt als „Sohn Gottes" (θεού υιό?) bezeichnen, was eine im Erwählungshandeln Gottes und der daraus resultierenden besonderen Gottesbeziehung begründete Kollektivierung bzw. Demokratisierung des Motivs bedeutet. Zur Qualifizierung des Gottesvolkes als Kinder Gottes vgl. auch Weish 12,7.19.21; 16,21.26. Das Prädikat der Gotteskindschaft muß freilich nicht zwingend (vgl. KOGLER, König 31) aus dem Bereich der Königsvorstellung abgeleitet werden, sondern enthält eine in sich selbst stimmige Bildwelt. 18 Zur Erhöhung des Weisen vgl. auch Sir 1,19; 4,11-15; 11,1.5; 15,5f., wobei letztere Stelle vom Finden einer „Freudenkrone" (στέφανο? άγαλλιάματος) spricht. " Dazu auch MACK, Logos und Sophia 88. 20 Eine sachliche Analogie bildet die Aufnahme königlicher Bilder in bezug auf die Gottesfurcht, die Sir 1,11 im Bild des königlichen Kranzes und 1,18 als Krone der Weisheit erscheint. 21 Laut Weish 11,10 verurteilt die Weisheit die Frevler vor dem Strafgericht wie ein König (βασιλεύς), die Gerechten dagegen züchtigt sie wie ein Vater. Das Bild des „Königs" wird hier nicht gebraucht, um das Wesen der Weisheit zu beschreiben, sondern um das Strafgericht zu veranschaulichen und einen Gegensatz zum „Vater" herzustellen. - Allgemein gesprochen, zielt auch die Gestalt der Weisheit auf das Heil in Israel, der Akzent liegt aber auf dem weisheitlichen Verhalten und daraus heilen Leben in Israel. - THEISOHN, Richter 137-139 vergleicht Spr 8,12-20 mit Jes 11,2-5 und spricht von einer „Messianisierung der Weisheit" (137). Auch wenn einzelne Elemente wie Einsicht oder Klugheit terminologisch identisch sind und auch die Gerechtigkeit als wichtige Eigenschaft jeweils genannt wird, können diese Attribute nicht als spezifisch „messianisch" bewertet werden; die Weisheit ist

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bestimmt. Vielmehr wird dem politischen König das Ideal weisheitlicher Existenz vorgelegt. Einen leisen Anklang an Königstradition innerhalb der Beschreibung der Weisheit bietet Weish 9,4, wo die Weisheit als Beisitzerin (πάρεδρος) auf Jahwes Königsthron vorausgesetzt wird.22 Begegnet hier die Weisheit als personifizierte Gestalt, erscheint sie Sir 1,8, wo nur der auf seinem Thron sitzende Gott als eigentlicher Besitzer der Weisheit prädiziert ist, als Eigenschaft Gottes. Im Loblied der Weisheit in Sir 24 findet im Bild vom himmlischen Thron der Weisheit (24,4) ein königliches Motiv Verwendung, auch die Machtstellung über Völker und Nationen (V. 6) deutet königliche Vollmacht an.23 Diese eher sekundären Anklänge genügen nicht, um die Weisheit als königliche Gestalt zu charakterisieren. Die in Sir 24,23 im Anschluß an die genannten Stellen erfolgende Identifizierung der Weisheit mit dem mosaischen Gesetz lenkt den Skopus der Weisheitsdarstellung in Richtung Orientierung an der Tora, aber nicht auf königliche Bildbereiche. Philo von Alexandrien verbindet die Weisheit mit dem göttlichen Logos bis hin zur Identifizierung,24 wobei der Logos als Mittlergestalt zwischen Gott und Menschen erscheint (Agr 51). Eine königliche Funktion des Logos wird vergleichsweise selten expliziert. Philo kann den Logos als „schöpferische und königliche Kraft" Gottes (Fug 103; gleiche Bestimmung der Weisheit in All II 86) bezeichnen und so als höchste Wirkweise Gottes zeigen.25 Freilich tritt dazu das Bild des Hohenpriesters des Makrokosmos (Welt) und Mikrokosmos (menschliche Seele), was wieder einen anderen Akzent setzt (Fug gegenüber einem erwarteten Heilskönig eine völlig andersgeartete „Person", so daß sich möglicher Einfluß in engen Grenzen bewegt. - Die von LAATO, Star 252 behauptete Inthronisation der Weisheit in Spr 8,22 vermag ich nicht zu erkennen. 22 Dies ist im Sinne eines Zusammenlebens mit Gott zu verstehen, vgl. Weish 8,3; damit steht die dadurch bedingte Teilhabe der Weisheit am Wissen Gottes deutlich gegenüber königlichen Elementen im Vordergrund. MACK, Logos und Sophia 67 kann angesichts dieses Zusammenlebens von der Weisheit quasi als „Gattin" Gottes sprechen. Zu der so ausgedrückten Lebensgemeinschaft der Weisheit mit Gott vgl. SCHIMANOWSKI, Weisheit 82f. Nach SCHROER, Weisheit 38-49 übernimmt die Weisheit auf dem Hintergrund der Krise des israelitischen Königtums dessen klassische Funktionen, wobei an Offenbarung des göttlichen Willens, Garantie der gerechten Ordnung, Repräsentation der Herrschaft Jahwes und Ratgeberfunktion zu denken sei. Doch ist die Perspektive der Weisheit als direktes „ausführendes Organ" Gottes gegenüber dem politischen Königtum eine andere: Die Weisheit ist gerade kein überhöhter Ersatzkönig, sondern direkte Vermittlerinstanz Gottes. 23

Der Sitz der Weisheit in Israel, speziell in Jerusalem (Sir 2 4 , 8 b - l l ) deutet bestenfalls indirekt eine königliche Funktion an. 24 Philo, All I 65; Her 191; Som II 242-245. Vgl. MACK, Logos und Sophia 141-154; KÜGLER, König 3 3 f. 25 Zu den Kräften Gottes, deren höchste schöpferische und königliche Kraft sind, vgl. UMEMOTO, Königsherrschaft 226-241.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

108-118). Der Logos trägt das königliche Diadem, steht aber in ausdrücklicher Unterordnung unter Gott (Fug 111); er wird als Hoherpriester und König bezeichnet (Fug 118).26 Der Logos partizipiert an Gottes Königsmacht, indem er diese vermittelt; er ist Instrument und Wirkweise Gottes. So stellt er keine eigentliche Königsgestalt dar, sondern zeigt in funktionaler Hinsicht königliche Züge. Zwischen der königlichen Gesalbtenerwartung (sowie einer Titulierung Jesu als König im NT) und der Anwendung von Königsvorstellungen in der weisheitlichen Anthropologie und Theologie bestehen somit strukturelle Differenzen, die eine Relationsbestimmung beider Denkwelten in dieser Hinsicht nicht nahelegen. Mögliche Einflüsse im einzelnen müssen fallweise an konkreten Texten nachgewiesen werden.

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Vgl. zu diesen Texten KOGLER, König 35. Der Logos wird von Philo mit einer vielgestaltigen Bildwelt gezeichnet, wozu der erstgeborene Sohn, der oberste Engel, der kosmische Hohepriester und die Bezeichnung als „Mann Gottes" gehören; dazu ebd. 38-41 (mit Belegen).

4. Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten 4.1 Die Schriften der Qumran-Gemeinschaft Eine doppelte Gesalbtenerwartung kann als bereits in den beiden atl Gesalbten von Sach 3; 4 und 6,9-14, dem Davididen Serubbabel und dem Hohepriester Josua, in 4,14 als „Ölsöhne" bezeichnet,1 grundgelegt verstanden werden (s. oben 1.). Weiterhin mag an die Zweiteilung der vorexilischen Führerschaft Israels mit den Funktionen von König und Hohepriester sowie an die beiden atl korrelierten Gestalten Mose und Aaron gedacht werden.2 Die Verheißung des Bestandes einer königlichen und einer priesterlichen Linie findet sich in Jer 33,17f. und Sir 45,24f. bezeugt.3 Die jüdische Gesellschaft der beiden Jahrhunderte v.Chr. ist politisch mit einer Konzentration der königlichen und priesterlichen Leitungsaufgabe in einer Person im Rahmen der Hasmonäerherrschaft konfrontiert. Die Gemeinde von Qumran, in deren Organisation und Theologie die seit 1947 in verschiedenen Höhlen der Umgebung wiederentdeckten Schriftrollen Einblick gewähren, bildet den Ort, an dem die Erwartung zweier (oder mehrerer) gesalbter Gestalten nachweislich gepflegt wurde.4 Zu bedenken ist da1 Das leider stark beschädigte Fragment 4Q254 (4QpGenc) Fr. 4, Z. 2 zitiert mit dem Syntagma ""ΙΠ2ΓΠ " Ή Ό Ϋ („zwei Ölsöhne") wohl aus Sach 4,14 (Text: WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition II 218-222; vgl. auch EVANS, Two Sons 570; deutsch: MAIER, QumranEssener II 200). Im Duktus der Fragmente könnte Fr. 4 im Kontext des Juda-Segens (Gen 49,8-12) stehen. Das Zitat aus Sach 4,14 zeige in diesem Kontext ein frühes messianisches Verständnis der Sach-Stelle, so BROOKE, 4Q254, 186-188; DERS., Kingship 450; EVANS, Two Sons 570-573. Ein solches Verständnis ist angesichts der Textzerstörung bestenfalls zu erschließen und bleibt stark hypothetisch, da einschlägige Terminologie fehlt. 2 Dazu COLLINS, Scepter 77. 3 Vgl. SCHNIEDEWIND, Structural Aspects 527f. 4 Über die mir im Rahmen meiner Darstellung möglichen Literaturangaben zum Thema einer Gesalbtenerwartung in Qumran hinaus vgl., besonders zu älteren Veröffentlichungen, FLTZMYER, Scrolls 1 1 4 - 1 1 8 (Revised Edition 1 6 4 - 1 6 7 ) ; OEGEMA, Gesalbte 8 7 Anm. 5 1 ; VAN DER W O U D E , Qumranforschung ( 1 9 8 9 - 1 9 9 2 ) ; die Bibliographie in CHARLESWORTH/LICHTENBERGER/OEGEMA (Hgg.), Qumran-Messianism ( 1 9 9 8 ) , 2 0 4 - 2 1 4 . - Vgl. auch die immer noch rezeptable monographische Untersuchung zum Thema von VAN DER WOUDE, Vorstellungen ( 1 9 5 7 ) . Eine ausführliche Übersicht über einschlägige Qumran-Texte zum Thema bietet EVANS, Jesus ( 1 9 9 5 ) , 8 7 - 1 5 4 ; er zieht jedoch eine Reihe von Texten heran, die auf-

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bei von vornherein die Uneinheitlichkeit der messianischen Vorstellungen im Schrifttum von Qumran, deren chronologische Einordnung etliche Unsicherheiten in sich birgt. 5 Ich verzichte daher auf den ohnehin stark hypothetisch befrachteten Versuch, die einschlägigen Qumran-Texte chronologisch darzubieten, sondern zeichne basale Elemente des königlich-herrscherlichen Gesalbtenverständnisses nach, in denen sich, wie sich zeigen wird, auch anderweitig bezeugte Vorstellungen spiegeln. Der zeitliche Ansatz 6 der Qumran-Schriften überwiegend im 1. Jh. v.Chr. und partiell in den Jahrzehnten nach der Zeitrechnung läßt diese Texte in jedem Fall als Bestandteil der (zeitlich weiter gefaßten) Umwelt des NT erscheinen, so daß die eruierbaren Konzeptionen das noch sichtbare Bild herrscherlich-messianischer Erwartungen im Umfeld des NT zu bereichern vermögen. Von direktem Einfluß darf dabei freilich wegen der Absonderungs-Strategie der Qumran-Gemeinschaft nicht ausgegangen werden; vielmehr schlagen sich in den Qumran-Schriften Vorstellungen nieder, die im zeitgenössischen Judentum auch sonst bekannt sind, wobei charakteristische Modifikationen berücksichtigt werden müssen.

4.1.1 Gesalbte(r) Aarons und Israels 1QSIX11; CD XII 23f, XIV19, XIX1 Of., XXI: Gesalbte(r) Aarons und Israels Zwei ausdrücklich terminologisch als solche bezeichnete Gesalbtengestalten finden in der Gemeinderegel 1QS7 einmal und innerhalb der Damaskusschrift

grund terminologischer Unbestimmtheit keine Aussage zur Gesalbtenthematik erlauben. Neuerdings steht mit ZIMMERMANN, Texte (1998) eine umfangreiche Dissertation zu den messianischen Texten aus Qumran zur Verfügung. 5 Vgl. STEMBERGER, TRE XXII 622; SCHIFFMAN, Figures 116f.; CHARLESWORTH, From Jewish 232f.; Kurzüberblick bei LICHTENBERGER, TRE XXVIII 71. Eine chronologisch differenzierende Erörterung wichtiger Qumran-Texte zum Thema bietet KARRER, Gesalbte 243-249.255-260. Die Vielfalt der messianischen Elemente betonen DEXINGER, Entwicklung 21 und OEGEMA, Gesalbte 99-102 (auf dem diese bedingenden Hintergrund der zeitgeschichtlichen politischen Situation). - Zur Ausbildung einer Gruppenidentität der QumranGemeinde als eigentlicher Rest des biblischen Israel und Ort der Erfüllung der nachexilischen biblischen Prophetie, was wiederum den Ansatz zur Gestaltung der spezifischen messianischen Erwartungen liefert, vgl. TALMON, Waiting 115-121. 6 Den grob gesteckten zeitlichen Rahmen der einschlägigen Qumran-Texte bildet die Zeit ab Mitte des 2. Jh. v.Chr. bis ins 1. Jh. n.Chr. Vgl. z.B. STEGEMANN, Remarks 484.487. 503f.; COLLINS, He Shall 147; OEGEMA, Gesalbte 88; VANDERKAM, Messianism 233. 7 Neue Textausgabe von CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls I 1-51 (Fragmente 4Q255264; 5Q11 ebd. 53-107); deutsch bei MAIER, Qumran-Essener I 168-200.

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CD8 mehrmals Erwähnung. Dabei werden die beiden Endzeitgestalten als „Gesalbte Aarons und Israels" oder „Gesalbte/r aus Aaron und Israel" fanön |"hrjK 'Π'ρη/Π'ώΏ) benannt, deren Kommen erwartet wird. 1QS IX 11 liest den Plural, nachdem ZZ. 7-9 die unterscheidende Ordnung der Qumran-Gemeinde herausstellten; die Absicht des Textes besteht in der Ermunterung der Mitglieder der Gemeinde zur ausschließlichen Orientierung ihres Lebens an der Tora. Neben den Gesalbten steht an dieser Stelle noch die Gestalt eines Propheten, auf die unten (11.3.1) eingegangen wird:9 (9)... Und keinerlei Rat der Tora sollen sie verlassen, um zu wandeln (10) in all der Verstocktheit ihres Herzens, und sie sollen anhand der alten Gesetze gerichtet werden, mit denen die Männer der Einung begonnen hatten, sich zu disziplinieren, (11) bis zum Eintreffen eines Propheten und der Gesalbten Aarons und Israels.

8 Neben den schon seit Anfang dieses Jahrhunderts bekannten Handschriften von CD aus der Kairoer Geniza wurden weitere Textstücke in Höhle 4 und 5 gefunden. Neue Ausgabe des Textes bei CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls II 4-57 (zu den mittelalterlichen Ab-

schriften), II 59-79 (zu d e n F r a g m e n t e n 4 Q 2 6 6 - 2 7 3 ; 5 Q 1 2 ; 6 Q 1 5 ) ; zu 4 Q 2 6 6 - 2 7 3 vgl. a u c h

DJD XIII (1996), 1-199 sowie WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition I 1-59. Deutsche Version bei MAIER, Qumran-Essener I 1-37. - Zu den als Resultat einer komplexen Redaktionsgeschichte zu verstehenden Texten von CD vgl. DAVIES, Damascus Covenant (1983) und die jüngst erschienene Arbeit von HEMPEL, Laws (1998), die in der Einführung (1-14) forschungsgeschichtlich relevante Literatur nennt und sich v.a. mit der Frage nach Redaktion und ursprünglichem Bestand des Gesetzesteils von CD (IX-XVI) befaßt (Fazit 187-191), wobei sie den ursprünglichen Text jeweils unter Heranziehung der Fragmente zu CD aus Höhle 4 rekonstruiert. Hempel weist die Gesalbten-Passagen CD XII 23 f. und XIV 19 der Redaktion zu (ebd. 79-81.108-110.145), die auf der Ebene von CD I-VIII.XIX.XX anzusiedeln ist. - Ungeachtet des entwicklungsgeschichtlichen Hintergrundes spiegelt CD in seiner Endgestalt an einigen Stellen eine qumranische Gesalbten-Erwartung, die in dieser Form für die jüdische Vorstellungswelt des 1. Jh. n.Chr. Relevanz besitzt. * Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener I 191. - Als Hintergrund der Aussagen ist Sach 4,14 zu berücksichtigen. Zu den angeführten Texten vgl. HAHN, EWNT III 1151 f. ; DERS., H o h e i t s t i t e l 146; LICHTENBERGER, E r w a r t u n g e n 9f.; TALMON, C o n c e p t s 105; KARRER,

Gesalbte 338-340; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 193-196. - Anzumerken ist, daß die messianische Erwartung von 1QS IX 11 (zusammen mit einem Textstück von 24 Zeilen) in 4Q259 und 4Q319, die eine ältere Fassung von 1QS repräsentieren, fehlt; vgl. den Text bei CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls I 88f. mit Anm. 26; dazu STEGEMANN, Remarks 486; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 194. CHARLESWORTH, From Jewish 232 spricht von späterer redaktioneller Zufügung; jetzt detaillierter DERS., Challenging (1998), 122-133: 1QS ist (gegenüber 4QSe = 4Q259) eine spätere Fassung der Gemeinderegel, in die entsprechend einer breiteren fiühjüdischen Entwicklung eine Gesalbtenerwartung Eingang fand. COLLINS, Scepter 83 mißt dieser Beobachtung fur das überlieferte Stadium von 1QS keine Signifikanz bei; vgl. auch PUECH, Messianism 236f.; VANDERKAM, Messianism 213 (die Relation von 1QS und 4Q259 ist nicht sicher bestimmbar); ZIMMERMANN, Texte 25f. Wenn in der Qumran-Gemeinde erst im 1. Jh. v.Chr. eine Gesalbtenerwartung greifbar wird, liegt dies auf der Linie der anderen erhaltenen Zeugnisse des Frühjudentums.

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Wiederum im Kontext der Absonderung ergeht in CD XII 23f. eine zeitlich mit dem Auftreten von Gesalbten begrenzte Lagerordnung, wobei der hebräische Text den Singular „Gesalbter" bietet:10 (22)... [vacat] Und dies ist die Wohnsitzordnung (23) der Lag[e]r, die danach wandeln in der Zeit des Frevels bis zum Auftreten des Gesalbten Aarons (XIII 1) und Israels bis zehn Männer mindestens, nach Tausendschaften und Hundertschaften und Fünfzigerschaften (2) und Zehnerschaften.

Auch die anderen Belege aus CD lesen den Singular: CD XIV 19: Und das ist die Darlegung der Gesetze, nach welchen [man] [richten soll bis zum Auftreten des Gesalb]ten Aarons und Israels. Und es sühnt ihre Verschuldung. [ Vergebung und Sündopfer ] CD XIX 10f.: ... (10) diese werden gerettet in der Zeit der Heimsuchung, doch die übrigen werden dem Schwert überliefert beim Kommen des Gesalbten (11) Aarons und Israels." CD XX 1: (XIX 33) ... [vacat] Desgleichen alle die Leute, die eingetreten sind in den Bund, (34) den neuen, im Lande Damaskus, und die umgekehrt sind und Verrat übten und abwichen vom Brunnen des Lebenswassers. (35) Sie werden nicht mitgerechnet im Volksrat und in ihr Verzeichnis werden sie nicht eingeschrieben seit dem Tag des Hinschieds des {Anweisers} (XX 1) {vom Tag} des Anweisers der bis zum Auftreten des Gesalbten aus Aaron und aus Israel, [vacat]

Ob der Singular der Wendungen aus CD wirklich „eine spätere Konzentration der messianischen Funktionen in einer einzigen priesterlichen Gestalt" aussagt,12 läßt sich keineswegs mit Sicherheit behaupten, da die Abkunft des Gesalbten weiterhin doppelt bestimmt bleibt und die grammatische Kon10 Übersetzung der folgenden Belege aus CD bei MAIER, Qumian-Essener I 26f.29.34.35. Es gelten die üblichen textkritischen Zeichen: [] markieren eine Textrekonstruktion, {} eine Korrektur im Manuskript und o eine Konjektur. ( ) enthalten eine Verdeutlichung bzw. einen Kommentar. " Ein Abhängigkeitsverhältnis der Texte CD VII 9 - VIII 2 und CD XIX 5-14, das sich aufgrund mancher Ähnlichkeiten diskutieren läßt, braucht hier nicht erörtert werden, da die Aussagen auf Textebene interessieren. Vgl. zur Problematik z.B. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 38f.61-64; STRICKERT, Damascus 329-345; COLLINS, Scepter 80-82. 12 STEMBERGER, TRE XXII 622; für eine Gestalt sprechen auch WISE/TABOR, Messiah 61; ABEGG, Messiah 127-131; KNIBB, Interpretation 244; STRICKERT, Damascus 337-339; SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History II 552; offenbar auch CHARLESWORTH, From Jewish 233; DE JONGE, Role 41f. - Anders LICHTENBERGER, Erwartungen 10, der von einer mittelalterlichen Korrektur ausgeht; so schon KUHN, Messias 173f.; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 78. Die originale singulare Lesart von CD XIV 19 ist aber durch das Vorhandensein des Satzes in der ältesten Kopie 4Q266 Fr. 18, III 12 bewiesen; vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 195 Anm. 54; BECKER, Gesalbten 79 Anm. 31; ABEGG, Messiah 129. - Im 2. Jh. n.Chr. spricht Justin, Dial 113,5 unter Hinweis auf die Gestalt des Melchisedek vom Messias als König und Priester in Jerusalem.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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struktion auch zwei Gestalten bezeichnen kann. Daher ist ein distributives Verständnis des Singulars im Sinne eines gesalbten Hohepriesters und eines davon unterschiedenen gesalbten Herrschers eher sachgemäß.13 Der Kontext des eindeutig pluralen Gebrauchs in 1QS IX 11 und die am stimmigsten distributiv zu erklärende Formulierung in CD XX 1 (Gesalbter aus Aaron und aus Israel) sprechen fur diese Interpretation. Dabei bezieht sich das Gesalbten-Prädikat in gleicher Weise auf beide Personen, da „Aaron" und „Israel" durch 1 verbunden sind und in gleicher Abhängigkeit vom Bezugswort FTtÖD stehen.14 In 1QS IX 11 wird von den gesalbten Gestalten inhaltlich nur ihr zukünftiges Kommen und der damit verbundene Abschluß der geschichtlichen Periode, die durch das Halten bestimmter Vorschriften markiert ist, ausgesagt. In CD XII 23f. tragen die Lagereinheiten militärischen Charakter; in CD XIV 18f. kommt den beiden Gesalbten möglicherweise eine Sühnefunktion zu, doch erlaubt der fragmentarische Zustand des Textes keine Sicherheit in dieser Vermutung;15 nach CD XIX 10.13f. nehmen sie eine Gerichtsfunktion wahr, und in CD XIX 33 - XX 1 wird ihre eschatologische16 Bedeutung deutlich. 13 Nach CROSS, Notes 14 ist philologisch ein plurales Verständnis angezeigt. Dafür auch VAN DER WOUDE, Vorstellungen 60f.66 (der von CD VII 18-21 her argumentiert); ebd. 77

( z u 1 Q S I X 11); DERS., T h W N T I X 5 0 9 ; GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 1 9 4 - 1 9 6 ; COLLINS,

He Shall 147.156Í.; DERS., Scepter 79-83; DERS., Messiahs 224f.; MAIER, Messias 596; SCHIFFMAN, Reclaiming 324; PUECH, Messianism 237f.; VANDERKAM, Messianism 220f. unter Verweis auf die unterschiedliche Denotation von „Israel" und „Aaron" und 230 im Blick auf grammatische Parallelen; femer TALMON, Concepts 105 Anm. 64 (Hinweis auf formale Parallelen in Ri 7,25 und Gen 14,10); DERS., Waiting 122f. mit Anm. 36; EVANS, Jesus 93; LAATO, Star 297; SCHÄFER, Diversity 28f. KARRER, Gesalbte 245f.339 gesteht die plurale Verwendung zu, fällt aber keine Entscheidung; unentschieden auch SCHIFFMAN, Figures 118f.; CHESTER, Expectations 22; ZIMMERMANN, Texte 42-45 (mit Tendenz zum Plural/Dual). 14

Daher leuchtet mir nicht ein, wie VAN DER WOUDE, Vorstellungen 29 zu CD XIII 1 bemerken kann: „Dabei fällt gleich auf, dass die messianische Erwartung offenbar in erster Linie mit Aaron, d.h. mit dem Priestertum, verknüpft wird". 15 Die Unsicherheit einer solchen Aussage betont HEMPEL, Laws 144f., da das Subjekt der Sühne aus dem zerstörten Text nicht klar hervorgeht. Optimistischer urteilt jetzt BAUMGARTEN, Forgiveness (1999), der u.a. von der Parallelbezeugung in 4Q266 Fr. 10, I 12f. her argumentiert (freilich ist auch dieser Text sehr fragmentarisch!) und folgert, daß der Messias (als Einzelgestalt!) in seiner Funktion als göttlicher Erlöser Sühne für die Sünden der eschatologischen Gemeinde bringt. Gegen eine solche Annahme STEGEMANN, Essener 303 (da atl nur Gott Sünden vergeben kann). 16 Das Auftreten der Gesalbten Aarons und Israels markiert die Grenze der jetzigen Zeit, wodurch diese als eschatologische Gestalten erscheinen; vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 37f. Den eindeutig eschatologischen Kontext der Stellen XIX lOf. und XX 1 betont HEMPEL, Laws 108-110; zu diesen Texten auch DAVIES, Damascus Covenant 143-197. Daß der Gesalbte die Autorität zur Entscheidung über den endgültigen Ausschluß von Apostaten

204

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Die mit den Gesalbten anbrechende Heilszeit wird an diesen Stellen nicht näher beschrieben, ihr Auftreten bedeutet jedoch das Ende der Gültigkeit bestehender Vorschriften der Qumran-Gemeinde, die damit auf die Zeit vor dem Anbruch der neuen Zeit beschränkt werden. Dieses Ende der Gültigkeit der für die geschichtliche Gemeinde geltenden Vorschriften im Zuge des Auftretens der prophetischen und der zwei gesalbten Gestalten in 1QS IX 11 zeigt deren eschatologischen Charakter:17 eine ganz neue Zeit mit einer eigenen neuen Ordnung18 beginnt. Die beiden Gesalbten fungieren hier v.a. zur Kennzeichnung einer Zeiteinheit, wie auch CD XIV 18f. zeigt. Der Sinn der Terminologie, die das Lexem „Gesalbter" durch die Attribute „Aarons und Israels" qualifiziert, enthält die Motivik der göttlichen Salbung der Gestalten und eine Herkunftsbezeichnung," die Denotation zielt auf deren besondere Erwählung durch Jahwe und die damit freigesetzte herausragende eschatologische Funktion. Das Fehlen näherer personaler Charakterisierung, wie z.B. einer davidischen Abstammung, und funktionaler Bestimmung, wie z.B. der Aufrichtung einer Heilsherrschaft, darf an diesen Stellen nicht überbewertet werden,20 da die titulare Nennung in gewissem Umfang mit dem Titel korrelierte bekannte Vorstellungsgehalte evoziert. Darauf deutet die kurze titulare Erwähnung ohne inhaltliche Erläuterung, die offenbar nicht notwendig war. Die auffällige Dualität der Gesalbtenerwartung steht in Korrespondenz zur sozioreligiösen Struktur der Gemeinde von Qumran, in der priesterliche Personen Führungspositionen besetzten (vgl. 1QS VI 3b-6.8f.). Mit einiger Wahrscheinlichkeit läßt sich eine Orientierung dieser Erwartung am nachexilischen biblischen Modell des Sach-Buches (Kapp. 3; 4; 6) vermuten, das in den historischen Gestalten Serubbabel und Josua eine königliche und eine aus der Gemeinschaft besitzt, wie ZIMMERMANN, Texte 40 vermutet, deutet der Text in keiner Weise an. 17 OEGEMA, Gesalbte 92 zweifelt zu Unrecht am eschatologischen Rahmen und damit am messianischen Charakter der Gestalten; DERS., Expectations 57. Richtig VANDERKAM, Messianism 214. 18 KOCH, Heilandserwartungen 114 kann dabei vom „Beginn einer neuen endzeitlichen Tora" sprechen und darin „eine gewisse Analogie zu neutestamentlichen Aussagen" erkennen. Dieser als grundlegend charakterisierte Wechsel der Zeiten erlaubt die Verwendung der Etikettierung „eschatologisch". TALMON, Waiting 115 bewertet diesen Wechsel offenbar nicht als grundlegend, da er die Erwartung einer kommenden Zeit im Verlauf der Geschichte festmacht und daher den Terminus „eschatologisch" vermeidet; vgl. ebd. 126-128.131, wo das neue Zeitalter als weiterer Schritt der erfahrenen Geschichte verstanden ist. VANDERKAM, Messianism 229 beschreibt die Funktion der Gesalbten als Bestimmung einer Zeiteinheit. " Den Aspekt der Herkunft betont ZIMMERMANN, Texte 42. So aber SCHIFFMAN, Figures 120, wenn er behauptet, daß die davidische Abstammung in keiner Weise eine Rolle spielt. Dagegen erkennt SCHÄFER, Diversity 29 im „Messias Israels" den davidischen Gesalbten. 20

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

205

hohepriesterliche Figur in einer Art Aufteilung der Zuständigkeiten nebeneinanderstellt.21 Königliche und priesterliche Verheißung sind in der nachexilischen Tradition bekannt (vgl. Jer 33,17f.; Sir 45,24f.), und darauf aufbauend durchzieht die Dualität von Israel und Aaron, des königlichen und des priesterlichen Elements, die ganze Schrift CD, so daß auch die Gesalbtenstellen auf zwei verschiedene Figuren zu beziehen sind.22 IQSa II 11-22: Gesalbter Israels Innerhalb der Vorstellung zweier gesalbter Gestalten in den Schriften der Qumran-Gemeinde genießt der hohepriesterliche Gesalbte die Vorrangstellung, was besonders in IQSa (= lQ28a) 23 II 11-22 bei der Schilderung einer hierarchisch organisierten endzeitlichen Versammlung der Qumran-Gemeinschaft mit Mahlfeier als Ätiologie bestehender Mahl-Praxis (vgl. Z. 22) Ausdruck findet.24 Dieser Vorrang stellt ein Spezifikum der Qumran-Gemeinde dar und resultiert aus ihrer geistigen Verwurzelung in priesterlich-zadokidischer25 Tradition und ihrer von einer Überordnung der Priester über die Laien gekennzeichneten soziologischen Struktur.26 Der Vorrang eines Priesters bei 21 Vgl. ausfuhrlicher TALMON, Waiting 123-126: Nachexilisch gewann der Hohepriester gegenüber dem politischen Herrscher an Bedeutung, wogegen Sacharja das Schema einer Zweiteilung der Herrschaft und damit zweier „Gesalbter" vertritt; angesichts dieser Dualität habe die Qumran-Gemeinde ihr Zukunftsbild entworfen. 22 Dazu SCHNIEDEWIND, Structural Aspects 528-535; zur Tradition Israels ebd. 526-528. 23 Text: DJD I (1955/21964), 107-118; CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls (1994), I 108117. Deutsch bei MAIER, Qumran-Essener I 240-244. - Zur Erklärung des Textes vgl. z.B. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 197f.; COLLINS, Scepter 75f. Immer noch plausibel erscheint mir die Rekonstruktion von KUHN, Messias 169-171, der einen gesalbten Hohepriester einem gesalbten König vorgeordnet erkennt. Vgl. auch VAN DER WOUDE, Vorstellungen 99-101; ferner SCHIFFMAN, Community 55f. 24 Die Gemeinde nimmt das endzeitliche Mahl in ihrer Mahlpraxis bereits vorweg; dazu auch SCHIFFMAN, Reclaiming 334f.338f.; OERS., Figures 121; OERS., Community 70; PRIEST, Note 228f. Auch TALMON, Waiting 128-131 sieht eine Brechung der realhistorischen Struktur der sozioreligiösen Einheit der Gemeinde. - ZIMMERMANN, Texte 34 legt den Akzent dagegen auf die Zukunftsperspektive. Doch bildet seine Berufung auf die vorausgesetzte Anwesenheit des endzeitlichen Gesalbten Israels kein Argument gegen eine ätiologische Funktion hinsichtlich der gegenwärtigen Mahlpraxis, da diese als Antizipation eines später vollendeten Zustandes zu verstehen ist. 25 Zum herausragenden Status der zadokidischen Priester vgl. 1QS V 2.9; IQSa 12.24; II 3. 26 Dazu VAN DER WOUDE, Vorstellungen 229.243; HAHN, EWNT III 1151; LICHTENBERGER, Erwartungen 10.12f.; TALMON, Concepts l l l f . ; KARRER, Gesalbte 246-248; BÖHLEMANN, Jesus 217f; COLLINS, Scepter 77.86.95. Die Überordnung des priesterlichen Gesalbten stellen auch fest: COLLINS, He Shall 157.160f.; MAIER, Messias 595.605-607; SCHIFFMAN, Reclaiming 333; DERS., Figures 121; CHARLESWORTH, From Jewish 230f.; HAHN, Hoheitstitel 146f.; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 101.104. TALMON, Waiting 128-131 stellt ebenfalls die Überordnung der priesterlichen Führer fest, sieht aber gegenüber der politischen

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

einer jeden (erfahrungswirklichen, nicht eschatologischen) Versammlung ab zehn Männern der qumranischen Gemeinde ist in 1QS VI 3b-6 anschaulich dokumentiert: Der Priester übernimmt den Vorsitz, erteilt Rat, spricht zuerst die Segnung über die Erstlingsgabe von Brot und Wein (diese Vorschrift wird wiederholt!) und erteilt Anweisungen in bezug zur Tora. Die in den anschließenden Zeilen 1QS VI 8 f. gebotene Ordnung einer hierarchisch strukturierten Gemeindesitzung erklärt den fuhrenden Rang der Priester. Die Entstehung dieser qumranischen Erwartung zweier, in der Rangfolge abgestufter messianischer Gestalten ist verschiedentlich diskutiert worden und muß zumindest auch auf dem Hintergrund der politischen Situation des Judentums im ersten Jahrhundert vor der Zeitrechnung erklärt werden.27 Der Text lQSa II 11-22 lautet übersetzt: (11)... [Die Sit]zung der Männer des Namens, der [zur Festversammlung] Berufenen, für den Rat der Einung, wenn sich [zusammenfin]det [...(12)....] der Gesalbte mit ihnen. Es komme [der Priester an der Sp]itze der ganzen Gemeinde Israels und [all (13) seine Brüder, die Söhne] Aarons, die Priester, Festversammlungs-[Berufene], Männer des Namens, und sie setzen sich (14) ν [or ihn hin, ein jeder] entsprechend seiner Würde. Danach [kommt der Gesal]bte Israels und es setzen sich vor ihn hin die Häupter (15) der Tausendschaften Israels, ein jeder entsprechend seiner Würde, gemäß seinem Rangposten in ihren Kriegslagern und auf ihren Kriegszügen. Und alle (16) Häupter [der Sippen der Gemeind]e mit [ihren(?)] Wei[sen und ihren ] setzen sich vor ihnen hin, ein jeder entsprechend (17) seiner Würde. [Und wenn sie zum Tisch] sich gemeinschaftlich verein[en zu Brot und Neu]wein, und es ist zubereitet der Tisch (18) der Einung[, um zu essen und um den] Neuwein zu trink[en, strecke nie]mand seine Hand aus nach der Erstlingsgabe (19) des Brotes und [dem Neuwein] vor dem Priester. Sonder[n er se]gne das Erstlingsbrot (20) und den Neuwei[n und er strecke aus] seine Hand nach dem Brot zuvor, und danafch strec]ke der Gesalbte Israels seine Hand aus (21) nach dem Brot, [und danach

Vorrangstellung der militärisch-weltlichen Herrscher im alten Israel hier eher eine Gleichordnung angezielt. 27 Zu einer Erklärung der Entwicklung der Gesalbtenvorstellungen von Qumran, bei der neben den dominanten Priester-Gesalbten der königliche davidische Gesalbte tritt, vgl. STEMBERGER, TRE XXII 622f. Dazu auch die Hinweise bei TALMON, Concepts 102-104, der Anschauungen und Strukturen der Qumran-Gemeinde 106-110 aus der nachexilischen politischen Situation Israels bzw. deren biblisch bezeugter Deutung erklärt; vgl. DERS., Gesalbte 33f.; DEXINGER, Entwicklung 21; KUHN, Messias 174-178. COLLINS, He Shall 148152.158 betont hingegen die antihasmonäischen Wurzeln der Gesalbtenerwartung in Reaktion auf die personale Vereinigung von königlicher und priesterlicher Funktion; vgl. DERS., Scepter 86f. 90f.94f.; PUECH, Messianism 239f. MAIER, Messias passim geht auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund z.Zt. des zweiten Tempels ein, wo eine Unterordnung des gesalbten Königs unter die priesterliche Autorität besonders in Fragen des Tora-Verständnisses stattfand (603f.); solche Verfassungsvorstellungen wurden zwar auch eschatologisch fruchtbar gemacht, betreffen aber primär die konkrete politische Situation (612). - Zu kurz greift demgegenüber die Ansicht von BÖHLEMANN, Jesus 219, „daß in Qumran kultischsakramentale [sie!] Dinge ohnedies eine größere Bedeutung als die Politik hatten".

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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segn]e die ganze Gemeinde der Einung, ein jeder nach seiner Würde. Und nach dieser Vorschrift verfahre [man] (22) in bezug auf jeden [Po]sten, wenn sie [sich versjammeln zu (mindestens) zehn Männ[ern], 28

'Rekonstruktion und Verständnis dieses Textes bedürfen der Erklärung. Die wiederholt für die Textlücke am Ende von Ζ. 11 als solche rekonstruierte Aussage, daß Gott einen Gesalbten „geboren werden läßt" (T1?^).29 läßt sich weder exklusiv einer der genannten Gestalten zuordnen noch eindeutig, z.B. auf den göttlichen Ursprung des Gesalbten in Anlehung an Ps 2,7,30 interpretieren und vermag darum weder inhaltlich wahrscheinlich gemacht noch gewinnbringend ausgewertet zu werden; zudem erweist sich dieser Rekonstruktionsversuch als ausgesprochen hypothetisch, da Anhaltspunkte am Text zu unsicher sind.31 H. Stegemann32 rekonstruiert folgenden Text für lQSa II 1 If.: „When they eat together, and the messiah is together with them, a priest must (always) come at the top of every congregation of Israel". Stegemann versteht Ζ. 11 als Schlußbemerkung des Voraufgehenden und beobachtet die Nachordnung des Gesalbten gegenüber dem (nicht-messianischen) Priester; damit sei lQSa ein früher, vor 1QS VIII 15b - IX 11 und 4QTest verfaßter Text, der nicht für eine endzeitliche Versammlung Israels, sondern für jede Versammlung im gegenwärtigen Israel gilt, das, genuin in der Qumran-Gemeinde repräsentiert, 28 29

Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener I 243f. Zu dieser Lesart vgl. DJD I (1955/ 2 1964), 110 (anders aber Übersetzung und Kom-

m e n t a r 1 1 7 f . ! ) ; LOHSE, T e x t e 5 0 ; GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 197; CHARLESWORTH,

From Jewish 230f.; EVANS, Jesus 96f.; DERS., „Son" Texts 138-140 (Verweis auf Ps 2,2.7); weitere Angaben bei COLLINS, Scepter 164f. Diese Möglichkeit hält auch SCHIFFMAN, Figures 121 fest. Zur Forschung vgl. ZIMMERMANN, Texte 30f. 30 Diese Möglichkeit erwägt GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 197. 31 Kritisch gegen diesen Rekonstruktionsversuch PUECH, Préséance (1994) (mit eigener Textrekonstruktion 362); auch MAIER, Qumran-Essener I 244 Anm. 646; DERS., Messias 605f., der am Anfang von Z. 12 eher den gesalbten Priester ergänzen will; schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 99. SCHIFFMAN, Community 53f. ergänzt zu „sich zusammenfinden/ vereinen", was MAIER, Messias 607 als plausibel erachtet. Die von PUECH, Messianism 237 angeführte Ergänzung „king Messiah" scheint mir zu stark von späteren (Targumim; rabbinische Äußerungen) Titulierungen beeinflußt. 32 STEGEMANN, Remarks 491, wobei er sich 490 gegen den Vorschlag von Puech (Préséance) wendet; zu seiner Begründung der folgend angeführten Thesen vgl. ebd. 489495. - Auch VANDERKAM, Messianism 223 versteht den Priester nicht als Gesalbten und sieht so nur den „Messias Israels" als gesalbte Gestalt; er ergänzt ebd. 222 die zweite Lücke von Z. 12 mit „Priester". Vgl. auch PUECH, Fragment 100 Anm. 6; SCHIFFMAN, Community 53f. mit Anm. 7; DERS., Figures 121. Gegen einen Priester-Messias auch ABEGG, Messiah 132; PRIEST, Note 229. MAIER, Messias 605-607 versteht den Text nicht als Lehre über den Messias, sondern als Regelung der Rangordnung von Priester- und Laienhaupt bei Versammlungen des wiederhergestellten Israel.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

bereits in der letzten Geschichtsperiode lebt. Wäre entsprechend dieser These der Priester nicht als messianische Gestalt zu verstehen, würde die Stelle als Beleg für die Überordnung des priesterlichen Gesalbten hinfallig. Sie bezeugt aber in jedem Fall die Erwartung eines herrscherlichen Gesalbten. Stegemanns These zieht freilich die Schwierigkeit nach sich, daß dann der (von Gott als solcher legitimierte und als machtvolle Endzeitgestalt herausgehobene) Gesalbte einer rein innergeschichtlichen, wenn auch priesterlichen Figur untergeordnet wäre, was m.E. wenig wahrscheinlich ist. Dem Erhaltungszustand des Textes am ehesten angemessen ist eine Rekonstruktion unter Beibehaltung der Textlücke: „wenn sich [zusammenfindet [ ... ] der Gesalbte mit ihnen" (ZZ. 11 f.),33 wobei als zu vervollständigendes Verb i n ' oder "ΙΠΠ1 anzunehmen ist. Die erste Nennung eines Gesalbten in Z. 12 bleibt wegen der Textlücken inhaltlich undeutlich, doch zeigt der Zusammenhang (ZZ. 11-13) diesen Gesalbten in Gemeinschaft mit anderen und in Verbindung mit Priestern, den Söhnen Aarons, was auf seinen priesterlichen Charakter weisen kann. Der Ausdruck ΓΓϋΏΠ begegnet an dieser Stelle in für die Qumran-Schriften singulärer Weise nicht in der Status constructusForm, sondern absolut ohne Genitivattribut. Der in Z. 14 genannte Gesalbte Israels besitzt durch sein Auftreten an zweiter Stelle eine der priesterlichen Gestalt gegenüber nachgeordnete Stellung und präsidiert über die militärischen Führer Israels, was seinen herrscherlichen Charakter hervorhebt. Die vom Text intendierte Identität besonders der Priestergestalt läßt sich aufgrund der formalen Struktur, mit der die Darstellung des Auftretens der beiden fuhrenden Figuren gestaltet ist, mit einiger Wahrscheinlichkeit erheben. Dabei wird der Text von einer gewissen (abgestuften) Parallelstruktur geprägt:34 (a) eine Gestalt, deren Bezeichnung im Text nicht mehr erkennbar ist, tritt auf an der Spitze der ganzen Gemeinde Israels (Z. 12); (b) zu dieser Gestalt gehören die Söhne Aarons, die Priester, und andere herausgehobene Männer (Z. 13); (c) sie setzen sich vor ihm nieder entsprechend ihrer jeweiligen Dignität (Z. 13f.). Die temporale Partikel ΊΠΝ („danach") leitet parallel dazu einen neuen Textabschnitt ein: (a) eine als „Gesalbter Israels" bezeichnete Gestalt tritt auf (Z. 14); (c/b) vor ihm setzen sich die militärischen Führer Israels gemäß ihrer Dignität und Rangordnung (Z. 14f.). Und noch ein drittes Mal ist (b) von einer Gruppe die Rede, nun von den Häuptern der Sip33 So die oben gegebene Übersetzung und MAIER, Qumran-Essener I 244; vgl. z.B. auch SCHIFFMAN, Reclaiming 333f.; DERS., Community 53f. CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls I 116f. Anm. 64 emendiert zu „... when God leads forth the Messiah". 34 Zu dieser Strukturanalyse vgl. ähnlich VANDERKAM, Messianism 222f., der daraus aber nicht auf eine Priestergestalt schließt. Nach CHESTER, Expectations 22f. ist es unklar, ob ein priesterlicher Messias gemeint ist. - Zu Einzelheiten des Textverständnisses vgl. auch VAN DER WOUDE, Vorstellungen 99-104; ZIMMERMANN, Texte 32-34.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

209

pen der Gemeinde und den Weisen (Z. 15f.), die sich (c) vor den beiden vorher eingeführten Gestalten - die jetzt nicht mehr genannt sind, d.h. Element (a) fehlt - entsprechend ihrer Dignität niedersetzen. Die formale Parallele zwischen der ersten Gestalt und dem Gesalbten Israels und deren vorausgesetztes Auftreten als Einheit im dritten Abschnitt sprechen für die Annahme, auch die erste Gestalt messianisch zu verstehen und im Blick auf die Erwartung der „Gesalbten aus Aaron und Israel" von 1QS IX 11 (vgl. auch CD XII 23f. u.ö.) als priesterlichen Gesalbten Aarons zu identifizieren. Der Gesalbte Israels wird nochmals in Z. 20 titular erwähnt, wo er im Anschluß an den Priester deutlich nach diesem das Mahl beginnt, wobei die Trennung und Nachordnung wie in Z. 14 mit der Partikel ΊΠΚ markiert wird. Deutlich voneinander abgesetzt werden der Priester-Gesalbte35 aus Aaron und der Gesalbte Israels, der dem Priester in Stellung und Würde eindeutig nachgeordnet ist, wie der in abgestufter Reihenfolge geschilderte praktische Vollzug der Versammlung offenlegt. Den Rahmen für das Auftreten dieser Gestalten bildet die Ordnung für die Gemeinde „am Ende der Tage" ( D ^ T ! Γι'ΊΠ«?), 36 wie lQSa 11 ausdrücklich angibt, so daß der eschatologische Charakter der Gesalbten-Gestalten feststeht. Dem Priester, der als „Haupt der ganzen Gemeinde Israels" ϋ Ν Π , Ζ. 12) mit dem hohepriesterlichen Gesalbten Aarons zu identifizieren ist, kommt die führende Stellung über den Gesalbten Israels und über alle Mitglieder der Qumran-Gemeinde zu, wie sein Vorsitz beim Mahl ausdrückt. Der diesem untergeordnete Gesalbte Israels trägt als Vorsitzender der Abteilungen Israels militärischen Charakter (vgl. II 15), doch 35 VAN DER WOUDE, Vorstellungen 105f. deutet dagegen den „Priester" in Z. 19 als jeden beliebigen Priester der Gemeinde, dem so mehr Ehre als dem Gesalbten Israels gebühre. Auf Textebene legt die Struktur von ZZ. 11-15, die in ZZ. 17-21 wieder aufgegriffen wird (vgl. die wörtlichen Entsprechungen „Priester", „Gesalbter Israels", „danach"), eine Identifikation des Priesters in Z. 19 mit dem oben angeführten messianischen Priester nahe; daß damit auf der pragmatischen Ebene eine Überordnung der Priester (also aller Priester) gegenüber den Laienfuhrern innerhalb der Gemeinde signalisiert wird, bleibt davon unberührt; das Verhältnis von Textebene und Kommunikationsebene läßt sich als eschatologische Motivierung der Gegenwart bestimmen. 36

V g l . GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n

1 9 7 ; SCHIFFMAN, C o m m u n i t y

12; VAN DER

WOUDE, Vorstellungen 102. Nach STEGEMANN, Remarks 494f. richtet sich lQSa auf die gegenwärtigen Angelegenheiten der Gemeinde und bildet keine Regel fur ein zukünftiges messianisches Zeitalter. Diese Entgegensetzung ist jedoch zu scharf. Erkennt man die Erwartung der literarisch fingierten messianischen Zeit als Anspruch an die Gegenwart von Verfasser und Gemeinde, also den Blick in die nahe Zukunft als schriftstellerisches Mittel des Autors, braucht hier kein Gegensatz von Gegenwart und Zukunft konstruiert werden. Der Zukunftsaspekt wird jedenfalls an der Gestalt des endzeitlichen Gesalbten deutlich, der nicht ohne konkrete Identifikation als präsent gedacht werden kann.

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bleibt seine Gestalt ansonsten bis auf den Aspekt der Unterordnung unter den Priester-Gesalbten ohne sachliche Qualifizierung. Bemerkenswert ist die Situierung des endzeitlichen Auftretens messianischer Gestalten innerhalb einer gemeindlichen Mahlfeier. Das Mahl dient als Bild und als realsymbolische Antizipation der Heilszeit, die im Wirken von Gesalbten-Gestalten ihre Verwirklichung erfahren wird. In diesem Zusammenhang könnte eine Verifizierung der doppelten Gesalbtenerwartung anhand der Texte 4Q375 und 4Q37637 vorgeschlagen werden. Die beiden Manuskripte sprechen zwar von einem gesalbten Priester (4Q375 Fr. 1,1 9; 4Q376 Fr. 1,1 1) und einem Fürsten der Gemeinde (4Q376 Fr. 1, III 1), doch ist kein eschatologischer Kontext nachweisbar, so daß es sich um eine nicht-kanonische, historisch darstellende Schrift zur Geschichte Israels handeln kann. Eine Grundlage für Aussagen zur endzeitlichen Gesalbten-Erwartung bietet der Text so nicht.38 Auf einige Belege innerhalb der Kriegsrolle 1QM,39 die möglicherweise mit der sichtbar gewordenen Figur eines endzeitlichen gesalbten (Hohenpriesters in Übereinstimmung gebracht werden können, sei noch kurz verwiesen. Nach 1QM II 1; X V 4-7; X V I 13f.; XVIII 5-9 und X I X 11 (vgl. auch X 2) eignet dem genannten „Hohepriester", der allerdings in 1QM nicht als Gesalbter tituliert ist, eine entscheidende Funktion beim Endkampf. Dieser hervorgehobene eschatologische Hohepriester in führender Stellung entspricht mit einiger Wahrscheinlichkeit dem priesterlichen Gesalbten von lQSa II 1122 bzw. war zumindest von den Rezipienten als solcher interpretierbar.40

37

Veröffentlicht von STRUGNELL, Moses (1990), besonders 226.236. Text jetzt auch in

DJD X I X (1995), 111-119.121-136. Übertragung bei MAIER, Qumran-Essener II 324.326. 38

Vgl. die skeptischen Ausführungen bei GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 198f.; ferner

ABEGG, Messiah 140; VANDERKAM, Messianism 233. -

Optimistischer ZIMMERMANN,

Texte 52.233-246 (der die Bezeichnung von Priestern als „Gesalbte", wahrscheinlich sogar in einem eschatologischen Kontext, bezeugt sieht). 19

Zum Text, der in einer fast vollständigen Handschrift und mehreren Fragmenten über-

liefert ist (1Q33 = 1QM und 4Q491-496), vgl. DJD V I I (1982), 12-72; CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls II 80-203. Deutsch bei MAIER, Qumran-Essener I 125-156. 40

Vgl. die Benennung des Priesters als „Haupt" in lQSa II 12. Die Identität dieser Ge-

stalten vertreten z.B. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 101, vgl. 126-133; HAHN, Hoheitstitel 148; HENGEL, Zeloten 284; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 197f. Anm. 61; COLLINS, Scepter 148; GNILKA, Christen 105; offenbar auch ABEGG, Messiah 144. VANDERKAM, Messianism 231 sieht ihn zumindest in eschatologischer Funktion. - Gegen diese Identifizierung STEGEMANN, Remarks 502 Anm. 84.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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4Q252 (4QPatriarchensegen) V1-7: Gesalbter und Sproß Davids Das Fragment 4Q252 (= 4QPatr oder 4QpGena)41 V 1-7 spiegelt in für die Qumran-Literatur seltener Deutlichkeit die Erwartung eines königlichen Gesalbten aus dem Hause Davids, der eine irdische Königsherrschaft mit seinem Erscheinen aufrichtet.42 Der am Ende stark beschädigte Text V 1-7 läßt sich deutsch wiedergeben:43 (1) [Nicjht wird weichen ein Herrschender aus dem Stamme Juda (Gen 49,10a); wenn Israel Herrschaft besitzt (2) [wird nicht ]einer fehlen, der für David auf dem Thron sitzt, denn der Mechoqeq, das ist der Bund des Königtums, (3) [und die Tau]sendschaften Israels, sie sind die Füße (Gen 49,10b) [vacat] Bis daß ankommt der Gesalbte der Gerechtigkeit, der Sproß (4) Davids, denn ihm und seiner Nachkommenschaft ist der Bund des Königtums seines Volkes auf ewige Generationen gegeben, weil (5) er bewahrt hat [ — der Erteiler (?)] der Tora mit den Männern der Einung, denn (6) [ ~ Völk]er, sie ist die Versammlung der Männer (7) [ — ] gab er

Den Kontext des Hinweises auf einen Gesalbten bildet die in einem thematischen Pescher44 gebotene Auslegung des Jakobssegens über Juda Gen 49,10, der als Zusage einer dynastischen Kontinuität der Davidsherrschaft mit dem Ziel des Auftretens des davidischen Gesalbten gedeutet wird. Dabei wird im Zitat das Substantiv „Szepter" des MT, analog zur gleichen Variation in der LXX, durch den Begriff „Herrschender" ersetzt, was Assoziationen an die Gestalt des königlichen Gesalbten weckt. Der Herrscherstab (rrfchoqeq), der in CD VI 7 mit dem .Ausleger des Gesetzes" (oder „Tora-Erteiler"45) identifiziert wird, steht in Z. 2 in Beziehung zum „Bund des Königtums" und könnte so die Bindung des Herrschers an die Tora implizit - vermittelt über 41

Text: DJD XXII (1996), 185-207; WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition II 212215; ELSENMAN/WLSE, Jesus 92-94; LOHSE, Texte 246. Deutsch: MAIER, Qumran-Essener II 194-198. Die ältere Bezeichnung „4QPatr" bezieht sich genau genommen nur auf Kol. V des Manuskripts. - Als neue Bezeichnung wird auch 4QComGen A (Commentary on Genesis A) verwendet; vgl. ZIMMERMANN, Texte 113; zur Datierung in die zweite Hälfte des 1. Jh. v.Chr. ebd. - Zur zeitlichen Ansetzung von 4Q252 (paläographisch: herodianische Zeit; traditionsgeschichtlich: 1. Jh. v./n.Chr.) und zum prägenden apokalyptischen Epochenschema in Kol. I-V vgl. OEGEMA, Studies 166-171. 42 Zu diesem Text vgl. allgemein GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 174-177; KARRER, Gesalbte 256-258, der dessen Randstellung innerhalb der Qumran-Schriften betont (258); ZIMMERMANN, Texte 113-125, der gegen Karrer die Bedeutung des Textes hervorhebt (124f.). 43 Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener II 198; die Angabe „Gen 49,10b" in Z. 3 ist korrigiert (Maier: Gen 40,10b). 44 Differenzierende Überlegungen zur Pescher-Gattung von 4Q252 bietet POMYKALA, Tradition 181-183, der den Text zwischen continuous und thematic pesharim ansetzt. Der Pescher-Gattung ordnet auch OEGEMA, Studies 168 den Text 4Q252 zu, da biblische Verse historische und eschatologische Deutung erfahren. 45 Diese Übertragung trifft nach MAIER, Messias 598 den Sachverhalt besser; vgl. DERS., Qumran-Essener 116.

212

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

die Anspielung auf die Gestalt des Tora-Erteilers - zum Ausdruck bringen.46 Doch ist dieser Bezug hier in keiner Weise festgemacht, vielmehr erfolgt eine Identifizierung des m'choqeq mit dem Bund des Königtums, womit die dynastische David-Verheißung (vgl. 2 Sam 7; Ps 89) assoziiert werden muß; Geltung der Verheißung und Beständigkeit des Königtums bilden die sachliche Spitze der Aussage, die ab Z. 3b in charakteristischer Weise ihre Bestätigung und Erfüllung erfährt, wenn der davidische Gesalbte die Königsherrschaft mit dauerhafter Perspektive übernimmt und vollendet. In jedem Fall symbolisiert der Stab die herrscherliche Gewalt des davidischen Gesalbten. Der Hinweis auf die „Tausendschaften Israels" (Z. 3) deutet die militärische Gewalt und Führungsposition des gesalbten Herrschers an. Die Formulierung in Z. 3 „ ... ΚΩ Ί ΰ " („bis ... kommt") läßt offenbar erkennen, daß die davidische Herrscherdynastie weiterlebt, bis als Höhepunkt der Gesalbte die verheißene Königsherrschaft genuin verwirklichen wird.47 Das begründende „denn" (Ό) zu Beginn der Satzeinheit Z. 2b fundiert diese Beständigkeit in der dynastischen Königsverheißung an David. In diesen Aussagen sind zugleich prinzipielle Akzeptanz und aktuelle Kritik der gegenwärtigen Herrscher als quasi-Inhaber des Thrones Davids impliziert.48 Die Verheißung des noch ausstehenden eigentlichen Throninhabers wird sich zukünftig im Kommen des „Gesalbten der Gerechtigkeit" (p~l?¿n ΓΡφΟ), des „Sprosses Davids" (Τ"Π ΠΏΙί) mit ewiger Dauer erfüllen (Z. 4). Mit dem „Sproß Davids" ist im Blick auf Jer 23,5 und 33,15, wo sachlich analog ein „gerechter Sproß" (pHÜ ΠΏϋ) verheißen wird,49 ein wichtiger Titel für den königlich-davidischen Gesalbten innerhalb der Qumran-Literatur erkennbar.50 46 Dazu MAIER, Messias 600. Anders versteht BÖHLEMANN, Jesus 218 den Stab als Bezeichnung des königlichen Messias. ZIMMERMANN, Texte 116f. bezieht den Herrscherstab auf die Dynastieverheißung an David, die die Beständigkeit des davidischen Königtums beinhaltet (vgl. 2 Sam 23,5; Jer 33,19-26; Jes 55,3-5). 47 Vgl. SCHWARTZ, Departure 260-263. Dagegen POMYKALA, Tradition 186f., der im Sinne einer Vorhersage mit „wenn" übersetzt. Doch auch bei dieser Interpretation ist ein Weiterleben der Verheißung an sich vorauszusetzen, auch wenn sich keine politische Verwirklichung greifen läßt. Eine zukünftige Interpretation vertritt auch ZIMMERMANN, Texte 115f. 48 KARRER, Gesalbte 256f. denkt zeitgeschichtlich aktuell an eine überbietende Akzeptanz Herodes' des Großen, POMYKALA, Tradition 188-190 an die herodianischen Könige oder die Römer, GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 176f. an Polemik gegen die Usurpatoren der Hasmonäerzeit (vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 171). Gegen konkrete historisierende Bezüge ZIMMERMANN, Texte 120 (vgl. aber 127). 49 Auf die Analogie mittels des Motivs der Gerechtigkeit weist POMYKALA, Tradition 186 hin. Vgl. auch Sach 3,8; 6,12. 50 Vom „Sproß" ist auch Sach 3,8 und 6,12 in bezug auf einen irdischen Hoffnungsträger die Rede; vgl. Jes 11,1. - Dazu auch ABEGG, Messiah 134f. Den königlich-davidischen Charakter und die messianische Identifikation hält auch VANDERKAM, Messianism 215.217 fest.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

213

Die Identität der beiden Titel „Gesalbter" und „Sproß Davids" als Prädikate derselben Gestalt wird an dieser Stelle deutlich. Dieser kommende Heilsherrscher ist eindeutig als Davidide erkennbar, wobei in Z. 4 wiederum auf die Verheißung der Beständigkeit der davidischen Dynastie in 2 Sam 7 angespielt wird.51 Der „Gesalbte der Gerechtigkeit" vermag seine Königsherrschaft in der Eigenschaft der Gerechtigkeit auszuüben, wie das den Titel „Gesalbter" qualifizierende Genitivattribut nahelegt, womit eine in der Qumran-Literatur singulare Variation auftritt.52 Diese Gerechtigkeit korrespondiert der Nennung der Tora in Z. 5, die die Autorität Jahwes trägt und vermittelt, worin die Qumran-Gemeinschaft ihre eigene Toraorientierung in die Gesalbtenerwartung einbringt. Der nur fragmentarisch erhaltene Text läßt vielfach Fragen offen, zeigt aber klar ein messianisches Verständnis von Gen 49,10 als Zusage der vollen Verwirklichung der davidischen Königsherrschaft durch einen Gesalbten. Dieser gewinnt aber nur wenig Konturen. Deutlich sind seine traditionelle davidische Abstammung, seine Legitimität zur irdischen Herrschaft und seine militärische Tätigkeit, wahrscheinlich auch seine besondere Verbindung mit der Qumran-Gemeinde (ZZ. 5f.), wobei schon nicht mehr gesagt werden kann, ob seine Königsherrschaft ganz Israel oder nur die Qumran-Gemeinde anzielt. Weiter läßt der fragmentarische Textcharakter keine Einordnung dieser messianischen Artikulation gegenüber anderen qumranischen GesalbtenGestalten zu; der in Z. 5 möglicherweise rekonstruierbare „Erteiler der Tora" bleibt für eine diesbezügliche Aussage zu vage. Die Bedeutung dieses Textes liegt nicht zuletzt in seiner terminologischen Signifikanz, da er einen der frühesten Belege für den Gebrauch des Titels ,;Gesalbter" in bezug auf den davidischen Endzeitkönig bietet. Zwei bislang unedierte, noch fragmentarischere V g l . VAN DER WOUDE, V o r s t e l l u n g e n 1 7 1 f . ; EISENMAN/WISE, J e s u s 8 9 - 9 2 . - OEGEMA, G e -

salbte 112 (DERS., Expectations 73) lehnt ein Verständnis des „Sprosses Davids" als Messias ab, doch ist seine Begründung allein von der Wendung „und seinen Samen" her völlig haltlos und steht zudem im Widerspruch zur eigenen Aussage, in 4QPatr seien messianische Erwartungen formuliert (111); Überlegungen in bezug auf eine feste Terminologie fehlen völlig. Vgl. wieder DERS., Studies 165, der jedoch 170f. zeitgenössische Parallelen zitiert, die explizit den königlichen Gesalbten nennen, und 172 von messianischen Konzepten spricht. 51 Vgl. die Rede vom ΓΤΏ^ηΠ IT~Q in Z. 2, die auf den Bund Gottes mit David als Grundlage seines Königtums weist, auch wenn die Formulierung als solche nicht in der hebräischen Bibel begegnet. Vgl. auch Ps 89. 52 Vgl. die Anklänge an Jer 23,5; 33,15; auch Jes 11,3f. und den gerechten König in PsSal 17,32. Die terminologische Parallele von „Gesalbter der Gerechtigkeit" und „Lehrer der Gerechtigkeit" zeigt, daß ein wirklicher, legitimer Gesalbter denotiert werden soll; vgl.

GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 176; VAN DER WOUDE, V o r s t e l l u n g e n 171. MAIER, M e s s i a s

600 versteht die Rechtmäßigkeit darüber hinaus als Tora-Gemäßheit. Gegen eine ausgesagte Relation des Messias zur Tora COLLINS, Scepter 62 Anm. 55 (7If".).

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Kopien (4Q253, 4Q254) des genannten Genesis-Pescher sind zwar aus sich nicht aussagekräftig, mahnen aber in diesem Zusammenhang zur Vorsicht gegenüber der Annahme einer exklusiven Stellung des davidischen Gesalbten: eine Notiz nennt die „Söhne des Öls der Salbung" in Anlehnung an Sach 4,14 (4Q254 Fr. 4, 2), eine andere enthält vielleicht ein Zitat aus Mal 3,17f. (4Q253 Fr. 3), was mit der endzeitlichen Wiederkehr Elias bzw. der Hoffnung auf einen endzeitlichen Propheten in Beziehung stehen könnte.53

4.1.2 Fürst der Gemeinde und Sproß Davids lQSb V 20-29: Fürst der Gemeinde Die Erwartung von zwei Gesalbtengestalten könnte auch für die Textsegmente lQSb (= lQ28b) II 22 - III 21 und V 20-29 prägend geworden sein.54 Dann befände sich auch der priesterliche Gesalbte im Besitz der Königsherrschaft und wäre so zum Kampf gerüstet (lQSb III 5-7); unübersehbar hätte hier eine Übertragung königlicher Motive stattgefunden. Das Fehlen speziell hohepriesterlicher als auch messianischer Titel läßt freilich in der Annahme

53

Dazu die Angaben bei GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 177. Vorläufiger Text bei WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition II 216f.218-222; entsprechende Übersetzung der Texte bei MAIER, Qumran-Essener II 199f. Dazu auch ZIMMERMANN, Texte 122. 54 Text von lQSb: DJD I (1955/21964), 118-130; CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls I (1994), 119-131. Neben diesen üblichen Ausgaben ist nun für die Zeilen V 22-25 ein Fragment bekannt, das Text und Rekonstruktion weitgehend bestätigt: vgl. BROOKE/ROBINSON, Further Fragment (1995), besonders 130f., wo als Ergebnis Text und Übersetzung erscheinen; jetzt auch in: DJD XXVI (1998), 227-233. Deutsche Übertragung bei MAIER, QumranEssener I 244-249. - Zu einer Einteilung der Segnungen in acht Abschnitte vgl. z.B. SCHIFFΜΑΝ, Community 73. Demgegenüber ist die von STEGEMANN, Remarks 495-498 aufgrund der formalen Struktur vorgenommene Abgrenzung von vier Abschnitten zu bevorzugen. Stegemann argumentiert ebd. 500f. gegen ein messianisches Verständnis der Hohepriestergestalt: die umgebenden Segnungen der Glaubenden und der zadokidischen Priester sind nicht zukünftig-eschatologisch orientiert, erst mit dem königlichen Messias gelangt die Zukunft in den Blick, wobei dessen Segnung eine sekundäre Zufügung sein könnte; daraus leitet Stegemann die Möglichkeit ab, den Hohepriester von lQSb I 19 - III 19 nicht als zukünftigen priesterlichen Messias, sondern als realgeschichtlichen Hohepriester der Zeit der Abfassung von lQSb zu verstehen; Hinweise auf seine zukünftige Rolle finden sich nicht, vom königlichen Messias ist er formal durch die Segnung der zadokidischen Priester getrennt; daher sei lQSb auch nicht weiter rezipiert worden, denn ursprünglich wurde der Lehrer der Gerechtigkeit mit dem Hohepriester identifiziert, was nach dessen Tod nicht mehr möglich war. Kritisch gegenüber der Annahme eines priesterlichen Messias auch VANDERKAM, Messianism 224f. Vgl. SCHIFFMAN, Figures 122, der freilich einen Hinweis darauf im ursprünglichen vollständigen Text nicht ausschließt.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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eines priesterlichen Gesalbten keine Sicherheit gewinnen und mahnt so zu einer zurückhaltenden Bewertung.55 Der königliche Gesalbte findet sich dagegen ausdrücklich bezeugt, denn dieser ist unter dem „Fürsten der Gemeinde" (ΓΠΰΠ von lQSb V 20 zu verstehen, wie aus der folgenden Darstellung V 21-29 hervorgeht. Diese Zeilen greifen zentrale Motive aus Jes 11,1-5 auf, einem Text, der in 4Q161 Fr. 8-10, ZZ. 11-25 auf den davidischen Gesalbten-König interpretiert ist (s. unten). Dafür spricht auch die in lQSb V 21 artikulierte Aufrichtung einer ewigen Herrschaft für sein Volk. Damit handelt es sich hier offenbar um die Beschreibung einer Kampftätigkeit in der Endzeit. Der Gebrauch des Titels N 1 ©] ist auf dem Hintergrund atl Terminologie zu sehen: „Fürst" wird für politische Stammesführer (z.B. Ex 16,22; Num 4,34; 2 Sam 7,8)56 ebenso wie für einen zukünftig erwarteten davidischen Herrscher, also eine königliche Gestalt (Ez 34,24; 37,25; ohne davidische Charakterisierung 44,3), verwendet.57 Die Anwendung des für die königliche Gesalbtentradition nicht typischen Titels N'ró (anstelle eines gebräuchlicheren ΓΡϋΟ oder "^Q, vgl. PsSal 17) läßt sich möglicherweise auf dem zeitgeschichtlichen politischen und sozialen Hintergrund als antihasmonäische Polemik erklären, da sich die Hasmonäer - in den Augen des Verf. von lQSb dann zu Unrecht - den Königstitel beilegten.58 Der Text lQSb V 20-29 lautet:59 (20) [vacat] Für den Maskîl, zu segnen den Fürsten der Gemeinde, damit [...] (21) seine [Mach]t, und den Bund der [Ei]nung ihm erneuere, um aufzurichten die Herrschaft seines Volkes auf ewi[g, um zu richten in Gerechtigkeit Geringe (?)] (22) [und] um zurechtzuweisen mit Rechtsch[affenheit die Ele]nden des Landes, und vor Ihm vollkommen zu wandeln in allen Wegen [...] (23) [und zu erfüllen [seinen heiligen (?)] Bun[d in] der Bedrängnis für jene, die nach [Ihm] fragen: Es] erh[ebe d]ich der Herr zu ewiger Höhe und wie einen Weh[r]turm in einer Mauer, (24) die hochragt, daß du schlägst Völker (?)] mit der Kraft deines [Mu]ndes und mit deinem Szepter verwüstest [vacat] (die) Erde. Durch Hauch deiner Lippe (25) tötest du Frev[ler, mit Geist des Ratschlu]sses und ewiger Kraft, Geist [vacat] (der) Erkenntnis und Gottesfurcht, und es soll (26) Gerechtigkeit der Gürtel [deiner Lenden und Treu]e (?) der Gürtel deiner Hüften sein. (vgl. Jes 1 l,4f.) [Er] mache dein Horn eisern und deine Hufe ehern, (27) du wirst stoßen wie ein J[ungstier - und Völk]er wie Straßenkot [zertreten], (vgl. Mich 4,13) Denn Gott hat dich aufgestellt als 55

Die Textunsicherheit von lQSb I 21 - III 21 zeigt schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 107.1 lOf. auf, er neigt jedoch zur Annahme, daß von einem endzeitlichen Hohepriester die Rede ist. Zur Annahme eines Segensformulars für den eschatologischen Hohepriester bzw. den priesterlichen Gesalbten tendiert aktuell auch ZIMMERMANN, Texte 277-285. 56 Vgl. auch Num 16,2; 31,13; 32,2; Jos 9,15.18. 57 Dazu KNIBB, Interpretation 250; POMYKALA, Tradition 240f.; zum atl Hintergrund COLLINS, S c e p t e r 2 7 f . 58

Zu dieser Überlegung vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 116.135; STARCKY, étapes

488. 59

Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener 1248f.

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Szepter (28) von Herrschenden, vo[r dir ... und alle Nationen werden dir dienen. Durch den Namen Seiner Heiligkeit macht Er dich stark (29) und du wirst wie ein L[öwe ...] dir Beute und keiner bringt (sie) wieder. Es werden ausschwärmen deine [Schnellen (Reiter) über...

Wie der zitierte Textabschnitt erkennen läßt, besitzt der „Fürst der Gemeinde" die einem davidischen Zukunftskönig traditionell zugesprochenen Eigenschaften und Funktionen:60 ewige Königsherrschaft über sein Volk, militärische Vernichtung der Völker und Gottlosen, Herrschaft in Gerechtigkeit, in göttlichem Geist und Kraft, Weltherrschaft. Im einzelnen bestehen Beziehungen zu den atl Bezugstellen Num 24,17-19, Gen 49,10 und besonders Jes 11,1-5.61 Das Szepter erinnert in lQSb V 24 an Jes 11,4, in Z. 27 an Gen 49,10 und Num 24,17 (absolute Verwendung) und trägt so königlich-messianische Symbolik als Herrschaftszeichen über Könige und Völker. Motivlicher Einfluß von Ps 2,9 her wäre zu erwägen, wo der „eiserne Stab" zur Zerschlagung der Feinde wie Töpfergeschirr dient.62 Der messianische Fürst steht in direkter Beziehung zur endzeitlichen Qumran-Gemeinde, deren Bund er erneuert, und übt die Funktion eines Exekutivorgans63 der Herrschaft Gottes bzw. des Volkes Israel aus. Seine enge und als Ermöglichung seiner eschatologischen Kriegstätigkeit zu verstehende Beziehung zu Gott selbst fundiert wiederholt die Textaussagen (ZZ. 23.25f.27). Als Instrument seines Kampfes gegen die Völker begegnen die Kraft seines Mundes und der Hauch seiner Lippen (Z. 24), worin auf der Basis von Jes 11,4 und der parallelen Konstruktion in PsSal 17,24 Anklänge an die Vorstellung vom wirkmächtigen Wort des Gesalbten erblickt werden können. Die Erwähnung der Geistbegabung in Z. 25 erinnert an Jes 11,2f. (vgl. PsSal 17,32; 18,7) und verdeutlicht das besondere Gottesverhältnis des Gesalbten. Das Bild des „Homes" in Z.

60

Vgl. auch LICHTENBERGER, Erwartungen 12; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 178-

180; OEGEMA, Gesalbte 93f.; ferner STEGEMANN, Remarks 499; HAHN, Hoheitstitel 147f.; im Vergleich mit PsSal 17 VAN DER WOUDE, Vorstellungen 115; auch ZIMMERMANN, Texte 56-59. 61 Zur Verwendung von Jes 11,1-5 und anderer atl Texte in lQSb V 20-29 vgl. KNIBB, Messianism 169; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 115; ferner SCHIFFMAN, Community 75f.; LAATO, Star 296; ZIMMERMANN, Texte 57f. KARRER, Gesalbte 249 möchte wegen des Fehlens expliziter Gesalbten-Terminologie nicht von einem „messianischen Text" sprechen; vgl. MAIER, Messias 607. Doch wird die königliche Gestalt nach Jes 11,1-4 in 4Q161 Fr. 8-10, 11-25 als Gesalbter benannt. Zum messianischen Verständnis auch GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 179; BÖHLEMANN, Jesus 218. 62 Vgl. ZIMMERMANN, Texte 57, der eine Interpretation von Jes 11,1-5 durch Ps 2,8f. annimmt. 63 Vgl. MAIER, Messias 607. - VAN DER WOUDE, Vorstellungen 104f. hält Gott als Urheber der Erlösung und den Messias als dessen Heilsorgan fest.

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26 weist auf den gesalbten davidischen König.64 Angesichts dieser konzeptionellen Übereinstimmungen erklärt sich die Figur des „Fürsten der Gemeinde" im Kontext anderer thematisch einschlägiger Qumran-Schriften am besten, wenn sie mit dem herrscherlichen „Gesalbten Israels" identifiziert wird;65 damit erübrigt sich die Hypothese einer vom „Gesalbten" unterschiedenen Endzeitgestalt des „Fürsten", deren gegenseitige Abgrenzung sachlich große Schwierigkeiten aufwirft und eher Nähe denn Distanz erweist. Der Titel „Fürst der Gemeinde" ist daher in terminologischer Parallelität zu „Gesalbter Israels" zu begreifen, wobei die irdische Verwirklichung seiner national orientierten Herrschaft, zu der er von Gott bevollmächtigt ist, die Darstellung dominiert. Seine militärische Funktion tritt in den Vordergrund. Von Interesse erweist sich in diesem Zusammenhang ein Rekonstruktionsversuch, den H. Stegemann vorgelegt hat.66 In lQSb V 21 wird die zweite Textlücke meist zu "infjn ergänzt.67 Demgegenüber schlägt Stegemann den Namen Τ[Ί]Ί als Ergänzung vor, was besser in den zur Verfügung stehenden Raum paßt. Somit ergibt sich der Text: „... und den Bund Da[v]ids möge er (= Gott) für ihn (= den Gesalbten) erneuern, um die Königsherrschaft seines Volkes aufzurichten auf ewi[g ...",68 Diese Formulierung zeigt sich an 2 Sam 7,16 angelehnt69 und begegnet ähnlich in 4Q252 V 1-4. Sollte diese Rekon64

Vgl. 1 Sam 2,10; Ps 89,18; 132,17; Sir 47,1-11; äthHen 90,9b-12; Offb 5,6. - Auf weitere Bezüge von lQSb V 20-29 zu PsSal 17 und Jes 11 sei hingewiesen: Motiv der Gerechtigkeit ZZ. 21.26, PsSal 17,32.43; Motiv des tadellosen Lebens unter der Herrschaft des königlichen Gesalbten Z. 22, PsSal 17,32; Wende in einer Zeit der Bedrängnis Z. 23, PsSal 17,22-25; Eigenschaften Z. 25, vgl. Jes 11,2 und PsSal 17,37f.40; Wendung „Gerechtigkeit ist der Gürtel der Lenden" Z. 26, Jes 11,5, PsSal 17,32; Herrschaft über die Völker Z. 28, PsSal 17,31. 65 Vgl. auch SCHIFFMAN, Figures 122; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 114-116. Dagegen POMYKALA, Tradition 242f., der seine Ablehnung auf den Hinweis stützt, die Allusionen an Jes 11,2-5 genügen nicht für eine eindeutige Identifizierung. Seine Argumentation krankt neben der Vernachlässigung anderer signifikanter Züge daran, daß er Texte aus den TestXII - also von außerhalb der Qumran-Literatur - heranzieht, um eine eindeutige Bedeutung von Jes 11 zurückzuweisen. Eine sinnvolle Identifikation ist nur aufgrund naheliegender Parallelen möglich, ansonsten bleibt lediglich die Konstruktion einer eigenen eschatologischen Gestalt des „Fürsten der Gemeinde", die in ihrer Eigenständigkeit dann wieder von anderen Endzeitgestalten der Qumran-Literatur abgegrenzt werden müßte (was sachlich kaum möglich ist) und letztlich die Hypothesenbereitschaft stark strapaziert. 66

67

STEGEMANN, R e m a r k s 4 9 9 .

So DJD I 127; LOHSE, Texte 58; auch in der Übertragung bei MAIER, Qumran-Essener I 248 vorausgesetzt. 68 Übersetzung von mir. Die englische Version von STEGEMANN, Remarks 499 lautet: „and the covenant of Da[v]id He (= God) may renew for him (= the Messiah) to establish the kingdom of His people for eve[r". Übernommen von ZIMMERMANN, Texte 53f. 65 Der Zusammenhang des Bundesgedankens mit einem von Gott verheißenen davidischen Heilskönig erinnert an Ez 34,24f.; 37,24.26; dazu LAATO, Star 298.

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struktion den ursprünglichen Text repräsentieren, wäre die mit dem Titel „Fürst der Gemeinde" bereits ausgedrückte Vorstellung des herrscherlichen Gesalbten deutlich auf dem Hintergrund des davidischen Gesalbten-Königs bezeugt. Sicherheit läßt sich für diese Hypothese kaum gewinnen, angesichts der titularen Verbindung von „Fürst der Gemeinde" und „Sproß Davids" in 4Q285 Fr. 5, Z. 4 (s. direkt im Anschluß) kommt ihr aber einige Plausibilität zu. 4Q285 Fr. 5: Fürst der Gemeinde und Sproß Davids Terminologisch von Bedeutung zeigt sich das Fragment 4Q285 Fr. 5,70 das wohl ursprünglich einen Pescher zu Jes 10,34-11,1 bot und in dem der „Fürst der Gemeinde" (ΓΠΰΠ Κ"1©]) ausdrücklich mit dem „Sproß Davids" identifiziert wird (Z. 4). Dabei stehen am Ende von Z. 4 lediglich die beiden Buchstaben doch kommt der Rekonstruktion zu TTT ΠΏ2ί aufgrund der expliziten Verwendung des Syntagmas in Z. 3 im Rahmen des Zitates bzw. der Anspielung aus Jes 11,1 hohe Wahrscheinlichkeit zu. Die Verbform ΊΓΤΉΠΊ (3. Pers. Mask. Sing. Hifil von ΠΙΟ, „töten") in Z. 4 läßt sich als Singular mit Personalsuffix oder als Plural vokalisieren und erlaubt auf der grammatischen Ebene keine eindeutige Sicherung der Satzaussage: tötet der Sproß Davids einen Gegner oder töten Gegner den Sproß Davids? Eindeutigkeit angesichts dieser exklusiven Alternativen schafft erst der Kontext. Unmittelbar vor der strittigen Aussage zitiert Z. 2 Jes 11,1 („Sproß aus dem Wurzelstock Isais"), wobei im weiteren Verlauf des Jes-Textes der Davidsproß die Frevler tötet (Jes 11,4). Im Einklang damit wird der messianische Fürst der Gemeinde auch in den Texten 4Q161 Fr. 8-10, 18-22 (s. unten) und lQSb V 24-29 (s. oben) als siegreich charakterisiert, der Tod dieser Gestalt begegnet jedoch nirgends im Qumran-Schrifttum.71 Der Text von 4Q285 Fr. 5 70

Den Text bieten NITZAN, Benedictions 79f.; VERMES, Oxford 86-88; WACHOLDER/ ABEGG, Preliminary Edition II 223-227; ZIMMERMANN, Texte 83; EISENMAN/WISE, Jesus 34-36 (die den Text als Fr. 7 einordnen). (Die Arbeit von Eisenman und Wise wurde von J.C. Greenfield vernichtend rezensiert in: The Jerusalem Post. International Edition, Nr. 1689, 20. März 1993, S. 20.) Deutsche Übersetzung bei MAIER, Qumran-Essener II 243; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 180f. ; ebd. 180 zur Diskussion um den Text; vgl. auch STUHLMACHER, Gottesknecht 145f. ABEGG, Messianic Hope 81 datiert das Manuskript in die frühe herodianische Zeit; vgl. POMYKALA, Tradition 204; NITZAN, Benedictions 79. 71 Zur mittlerweile konsensfáhigen Argumentation vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 181; VERMES, Oxford 88-90; ABEGG, Messiah 139f.; DERS., Messianic Hope (1994); COLLINS, Scepter 58f.; DERS., Messiahs 215; POMYKALA, Tradition 207-209; ZIMMERMANN, Texte 86f.; ferner KOCH, Heilandserwartungen 117; SCHIFFMAN, Reclaiming 346f.; VANDERKAM, Messianism 217; DERS., Dead Sea Scrolls 179f.; EVANS, Jesus 130f. Zur Deutung auch STUHLMACHER, Gottesknecht 145f. - Dagegen sehen EISENMAN/WISE, Jesus 30-36 den Tod

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kann somit im Sinne einer aktiven Rolle des Sprosses adäquat verstanden und wie folgt übersetzt werden:72 (2)... Da geht hervor ein Sproß aus dem Wurzelstock Isais [ — ] (3) [ — ] der Sproß Davids, und sie führen einen Prozeß gegen den [ — ] (4) [ — ] und es tötet ihn der Fürst der Gemeinde, der Sp[roß Davids — ] (5) [ — ] und mit Reigentänzerinnen. 73 Und es befiehlt [der Haupt-(?)] Priester [ -- ].

In 4Q252 (4QPatr) V 3f. wird der Titel „Sproß Davids" mit dem Terminus „Gesalbter der Gerechtigkeit" gleichgesetzt. Dementsprechend muß der Fürst der Gemeinde in 4Q285 Fr. 5, 4 als der davidische gesalbte König der Endzeit verstanden werden,74 der seinen Gegner im endzeitlichen Kampf tötet, womit eine Durchsetzung mit militärischen Mitteln75 in den Blick gerät. Dies und die Identität des Fürsten der Gemeinde mit dem messianischen Davidsproß läßt sich dem Fragment inhaltlich entnehmen. Jes 11,1 wird auf den Sproß Davids, den Fürsten der Gemeinde gedeutet, womit eine öfter evozierte Schriftauslegung hervortritt. Über das Verhältnis des Fürsten zu dem in Z. 5 erwähnten Priester erlaubt der Überlieferungszustand des Textes keine Aussage.76 Möglicherweise ist - ähnlich wie in 4Q161 Fr. 8-10, ZZ. 24f. - eine Anweisungsfimktion vorausgesetzt.77 Der Text von 4Q285 Fr. 6+4,78 zweier in dieser Folge zusammengehöriger Fragmente von 4Q285, ist so stark beschädigt, daß die dort zu rekonstruierende Nennung des „Fürsten der Gemeinde" in ZZ. 2.6.10 (= Fr. 6, Z. 2 und Fr. 4, ZZ. 2.6) kaum inhaltlich präzisiert werden kann; der rudimentär erhaltene Kontext deutet offenbar auf eine kriegerische Auseinandersetzung mit des Messias ausgesagt (sie bieten die hier vertretene Variante in Klammern). Weitere Diskussionsbeiträge bei POMYKALA, Tradition 203 Anm. 132. 72 Übersetzung in Anlehnung an MAIER, Qumran-Essener II 243. - Für die Vokalisation als Singular mit Suffix argumentiert BOCKMUEHL, Slain Messiah 165f., wobei der Fürst der Gemeinde das Subjekt der Handlung darstellt. 73 Die Bedeutung des Ausdrucks Πΐ'ΛΊΠΟΠΙ ist unsicher. Vgl. die Angaben bei ZIMMERMANN, Texte 84 (der die Bedeutung „Reigentänzerinnen" präferiert). WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition II, XV übersetzen „dancing women" (vgl. Ex 15,20; Ri 21,23); so auch MAIER, Qumran-Essener II 243. EVANS, Jesus 131 vertritt die Version „with tambourine and with dancing"; vgl. ABEGG, Messianic Hope 88f. POMYKALA, Tradition 209 denkt an Details der genannten Hinrichtung und übersetzt „and with wounds". 74 So auch COLLINS, Messiahs 217; LAATO, Star 294f.; ZIMMERMANN, Texte 85-87. 75 POMYKALA, Tradition 210 denkt an eine Funktion innerhalb des eschatologischen Krieges gegen die Kittim. Vgl. auch ZIMMERMANN, Texte 93. 76 VERMES, Oxford 88 erwähnt die Möglichkeit, die Textlücke in Z. 5 nach ]ΠΌ durch zu ergänzen, so daß von einem „Hauptpriester" gesprochen wäre. - Eine Relativierung des davidischen Fürsten scheint im Kontext der Qumran-Literatur durchaus möglich. 77

S o ZIMMERMANN, T e x t e 88.

78

Text bei NLTZAN, Benedictions 87f.; auch bei ZIMMERMANN, Texte 88.

220

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Feinden,79 so daß der „Fürst der Gemeinde" als militärischer Führer des Gottesvolkes, wohl in der eschatologischen Schlacht, erscheint. Damit läßt sich der Text parallel zu 1QM V 1 (s. unten 4.1.3) lesen, wo ebenfalls der Titel „Fürst der Gemeinde" begegnet, wobei in 4Q285 Fr. 6+4 die Häufung dieses Titels auf engem Raum auffällt. Der militärische Charakter des endzeitlichen messianischen Fürsten findet Bestätigung. Weitere Aussagen zu dieser Gestalt sind auf der vorfindlichen Quellenbasis nicht möglich. CD VII 18-21: Fürst der Gemeinde in Auslegung von Num 24,17

Eine messianische Deutung der Stelle Num 24,17 findet sich in CD VII 1821:80 (18) ... [vacat] Und der Stern (Am 5,26), das ist der Tora-Darleger, (19) der nach Damaskus gekommen ist, wie es geschrieben steht (Num 24,17): Es ging ein Stern aus Jakob auf, ein Szepter erhob sich (20) aus Israel. Das Szepter, das ist der Fürst der ganzen Gemeinde, und bei seinem Auftreten wird er zerschmettern (21) alle Söhne des Set. [vacat] Diese sind entronnen in der ersten Zeit der Heimsuchung,...

Diese Interpretation nimmt ihren Ausgang in den mittels eines Wortspiels korrelierten Stellen Am 5,26f. und Am 9,11, wobei die „Sikkut" (ΓΠ30, etwa „Götzen") des Königs aus Am 5,26 als „Sukkot" (TD"10, „Hütten") des Königs verstanden und über eine Begriffsassoziation mit Am 9,11 („ich richte die zerfallene Hütte Davids wieder auf') verbunden werden (CD VII 14-16).81 Die Schriftrollen der Tora werden im Zuge dieses Gedankens mit der Hütte des Königs identifiziert. In Z. 18 wird sodann der im Zitat von Am 5,26 in Z. 15 gegenüber dem MT ausgelassene „Stern" eingeführt und mit dem „Ausleger des Gesetzes" in Übereinstimmung gebracht, was wiederum zum Zitat aus Num 24,17 in Z. 19 überleitet. Unter Auflösung des Parallelismus von Num 24,17 werden in der Deutung zwei Gestalten unterschieden: der mit dem Stern identifizierte „Ausleger82 des Gesetzes" (ΠΊΐΠΠ ϋ"ΥΠ) und der als Szepter gedeutete „Fürst der ganzen Gemeinde" (ΓΠΰΠ 'iD K'Ö]).83 Bei bei79 Vgl. auch NITZAN, Benedictions 78; ZIMMERMANN, Texte 89-91; zur Rekonstruktion des Syntagmas „Fürst der Gemeinde" ebd. 89. 80 Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener 119. - Zum Text s. oben 4.1.1. 81 Am 9,1 lf. wird in Apg 15,16f. als Beleg für die Heilsstellung der Heiden im Zeitalter des Christos zitiert. 82 MAIER, Messias 598 betont die autoritative Vollmacht dieser Gestalt zur Toraoffenbarung, was mehr als nur Auslegung des Bestehenden ist; der „Ausleger des Gesetzes" dürfte im Besitz der höchsten Tora-Autorität eines Offenbarers geglaubt worden sein, die nachexilisch einem Propheten wie Mose als Tora-Offenbarer zugedacht war und in hellenistischmakkabäischer Zeit strittig wurde (vgl. ebd. 603). 83 Zum Verständnis dieser Auslegung von Num 24,17 auf zwei unterscheidbare Gestalten

v g l . a u c h VAN DER WOUDE, V o r s t e l l u n g e n 5 3 - 6 1 ; COLLINS, H e S h a l l 154; PUECH, M e s s i a -

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

221

den Gestalten wird an eschatologisches Auftreten gedacht werden müssen, was die oben gebotene Übersetzung nur in Z. 20 zum Ausdruck bringt. Für den „Fürsten der Gemeinde" zeigt dies deutlich seine Funktion der endzeitlichen Vernichtung der Gottlosen, der „Söhne Sets", sowie der titular eindeutig vermittelte messianische Charakter der Gestalt; dies gilt dann analog für die im Zitat von Num 24,17 parallel gesetzte Figur des „Tora-Darlegers".84 Der „Fürst der Gemeinde" ist aufgrund der aus der Textkombination von lQSb V 20 (s. oben) und 4Q161 Fr. 5, 3; Fr. 8-10, 12-25 (s. unten) zu verifizierenden Denotation des Titels als davidischer gesalbter Endzeitkönig erwiesen und entspricht so dem „Gesalbten Israels" anderer Texte. Darauf deutet auch die Korrelation mit dem Bild des „Szepters"85 (vgl. lQSb V 27; 4Q252 V 2) und die geläufige Auslegung von Num 24,17 auf einen erwarteten gesalbten Heilbringer.86 Einzige sachliche Qualifizierung des messianischen Fürsten in dieser Passage ist die durch ihn erfolgende Niederwerfung der Söhne Sets, wobei diese Bildaussage aus Num 24,17 ohne direkte Präzisierung im Sinne militärischen Handelns gegen aktuelle Gegner aufgenommen wird.87 Die Fortsetzung des Textes in VIII lf. kündigt das Gericht über die nism 238; VANDERKAM, Messianism 218f.; KOCH, Heilandserwartungen 113f.; BROOKE, Exegesis 308. 84 Es kann daher mit Recht überlegt werden, ob dieser Zukunftsaspekt nicht in der Übersetzung ausgedrückt werden sollte. Den eschatologischen Charakter betont schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 53-61. 85 Zum Szepter als atl Symbol des Königs vgl. Ps 45,7; 110,2; Jes 14,5; Am 1,5.8; Sach 10,11. - Vgl. auch den Gebrauch in Ps 2,9 und Jes 11,4, die messianische Deutung fanden (PsSal 17; lQSb V 20-27). 86 SCHÄFER, Bar Kokhba 56 kann in bezug auf die messianische Interpretation von Num 24,17 von „einer relativ weit verbreiteten gemeinjüdischen Auslegung" sprechen, die besonders in Qumran, aber auch darüber hinaus gepflegt wurde; vgl. auch LENHARDT/VON DER OSTEN-SACKEN, Rabbi Akiva 314; LEVEY, Messiah 21-27; COLLINS, Messiahs 221f.; MAYER, Messias 300f. (Texte in deutscher Übersetzung); HENGEL, Hoffnung 338 spricht vom „exegetisch und politisch wirkungsvollsten messianischen Text". Kritisch KARRER, Gesalbte 318 Anm. 28. - Die Identität des Fürsten der Gemeinde mit dem Gesalbten Israels betonen VAN DER WOUDE, Vorstellungen 57-61; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 199f.; vgl. COLLINS, He Shall 154; BÖHLEMANN, Jesus 218; ferner ΚΝΙΒΒ, Interpretation 250. Nach OEGEMA, Gesalbte 97 (DERS., Expectations 61f.) beziehe sich das „Messianische" „auf die Tora und auf den jetzigen und zukünftigen Lehrer der Tora, nicht aber auf einen (davidischen) Endzeitbefreier". Er übersieht dabei die sonstige messianische Verwendung von Num 24,17, den titularen Gebrauch von „Fürst der Gemeinde" für eine herrscherliche Gesalbtengestalt und deren militärische Funktion. POMYKALA, Tradition 239 betont das Fehlen eines Hinweises auf davidische Abstammung. 87 Zur Konkretisierung des Begriffs vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 59f., der als Aussageziel ebenfalls „die endgültige Vernichtung der Gottlosen" festhält. - LAATO, Star 295 korreliert CD VII wegen des Zitats aus Num 24,17 mit 1QM XI 6f. und sieht deswegen auch CD VII im Kontext des eschatologischen Kampfes. Der Bezug sollte unterbleiben, da

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Abtrünnigen an, so daß der Fürst der Gemeinde offenbar eine Gerichtsfiinktion erfüllt. Nur recht allgemein läßt sich entnehmen, daß der messianische Fürst seine (königliche) Gewalt gegen feindliche Mächte zur Geltung bringt. Damit bietet der Text einen weiteren Hinweis auf eine Ausprägung der königlich-herrscherlichen Gesalbtenerwartung. Da in ZZ. 16f. die Gemeinde selbst mit dem „König" des Zitats aus Am 5,26f., der über Am 9,11 als David bestimmt ist, identifiziert wird, darf mit einiger Berechtigung eine Beteiligung der Gemeinde an der Herrschaftsaufrichtung des „Fürsten" vermutet werden die Gemeinde stellt das Ziel und den Ort des messianischen Heilshandelns dar. Die besprochene Interpretation von Num 24,17 stellt den „Ausleger des Gesetzes" in Parallelität zum Fürsten der Gemeinde und zeigt so seinen ebenfalls messianischen Charakter, was durch die Zuordnung des Auslegers des Gesetzes zum Sproß Davids, der in 4Q285 terminologisch parallel zum Fürsten der Gemeinde steht, in 4Q174 III 11 (s. unten) bestätigt wird. Daher spiegelt der Text die auch sonst in Qumran-Schriften belegte Erwartung zweier gesalbter Gestalten.88 Die Identifizierung des „Auslegers des Gesetzes" fallt aufgrund der knappen Angaben im Text nicht leicht, entsprechend den neben dem königlichen Gesalbten im Qumran-Schrifttum belegten endzeitlichen Gestalten werden der eschatologische Prophet89 und der priesterliche Gesalbte Aarons (bzw. der mit diesem identische wiederkehrende Elia)90 vorgeschlagen. Eine Entscheidung dieser Frage ist im Zusammenhang meiner Untersuchung weder möglich noch nötig. 4Q161 Fr. 8-10: Sproß Davids in Auslegung von Jes 11,1-5 Einen weiteren Beleg der davidischen Gesalbtenerwartung in der QumranLiteratur stellt 4Q161 (= 4QpIsaa) dar, wo Fr. 8-10, ZZ. 11-16 der Prophein 1QM XI eine messianische Deutung keineswegs deutlich ist; die militärische Funktion im Rahmen des endzeitlichen Auftretens des „Fürsten" erhellt auch aus CD VII 18-21 allein. 88 Dafür argumentiert GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 200, der auch andere Positionen nennt; überzeugend auch KNIBB, Interpretation 249-251 (Gegenargumente 248); COLLINS, Scepter 114f.; SCHNIEDEWIND, Structural Aspects 534. Vgl. ferner STRICKERT, Damascus 327f.339, der 329-335(/345) CD VII 10 - VIII2 als ursprünglichen Text, XIX 7-14 als bewußte Modifizierung der Messiaserwartung zu zeigen versucht; COLLINS, Scepter 80-82 zeigt sich nach einer Durchsicht der entsprechenden Forschungspositionen skeptisch gegenüber derartigen redaktionsgeschichtlichen Rekonstruktionsversuchen. 89 So STARCKY, étapes 497; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 201.205f.; vgl. STRICKERT, Damascus 340, der 342f. den Ausleger mit dem Lehrer der Gerechtigkeit identifiziert. 90 Grundlegend VAN DER WOUDE, Vorstellungen 53-57.60f., der dabei die Elia-Tradition eines endzeitlichen Hohepriesters bzw. des Erklärers ungelöster Gesetzesprobleme zur Interpretationsbasis macht. Für eine Priestergestalt auch COLLINS, He Shall 159f.; DERS., Scepter 114f.; BÖHLEMANN, Jesus 217; VANDERKAM, Messianism 227f.; LAATO, Star 308; ZLMMERΜΑΝΝ, Texte 437-441 ; GNILKA, Christen lOlf.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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tentext Jes 11,1-5 geboten wird, auf den ZZ. 18-25 die qumranische Interpretation in der Form eines Pescher folgt." Diese Interpretation lautet: (18) [Seine Deutung bezieht sich auf den Sproß] Davids, der auftritt am En[de der Tage — ] (19) [ — ] seinen [Fei]nd. Und Gott wird ihn stützen mit[ einem Geist(?) der M]acht(?) [ — ] (20) [ — Th]ron von Herrlichkeit, Diadem von Heiligkeit und Gewänder von Stickkun]st (21) [ — ] in seine Hand und über alle die Volk[sstämm]e wird er herrschen. Und Magog (22) [und Gog(?) und al]le die Vö[lker] wird sein Schwert richten. Und wenn es heißt: nicht (23) [nach dem Anschein seiner Augen wird er richten] und nicht nach dem Gehör seiner Ohren wird er zurechtweisen (Jes 11,3): Seine Deutung bezieht sich darauf, daß (24) [ — ] und wie sie (die Priester?) ihn anweisen werden, so wird er richten, und aufgrund ihrer Weisung (25) [ — ] mit ihm ziehe aus einer von den Priestern des Namens und in seiner Hand Gewände[r]

Der Text benutzt den Terminus technicus „Gesalbter" nicht, doch meint „Sproß Davids" (Z. 18) nach 4Q252 V 3f. (und 4Q285 Fr. 5, 4) ebenso diese Gestalt, so daß Jes 11,1-5 offenkundig als messianische Verheißung eines endzeitlichen königlichen Gesalbten gedeutet wird, der mit königlichen Attributen (Krone, Kleider, Thron Z. 20) ausgestattet und in siegreicher militärischer Funktion (ZZ. 19.21 f.) gezeichnet wird. Sein Auftreten „am Ende der Tage" (Z. 18) verbürgt die eschatologische Situierung der Gestalt.92 In ZZ. 21 f. kommt seine mit militärischen Mitteln durchgeführte Gerichtsaufgabe zum Tragen.93 Als ein Instrument der Tötung könnte ursprünglich nach Jes 11,4 der „Hauch seiner Lippen" genannt gewesen sein (ZZ. 15.19), was sich aber nicht mehr eruieren läßt. Eine führende Rolle im eschatologischen Kampf mit den Völkern begegnet als Hauptcharakteristik des David-Sprosses, der in der Herrschaft über alle Völker (ZZ. 21 f.) seine königliche Stellung erweist. Das Nomen „Sproß" (TIDÜ) stellt eine Rekonstruktion des partiell zerstörten Textes von Z. 18 dar, die jedoch wegen des in Z. 11 zitierten Bildes vom Sproß aus Jes 11,1 sehr wahrscheinlich (und daher allgemein anerkannt) ist.94 Dieser Sproß Davids nimmt eine Gerichtsaufgabe über alle

" Z. 17 ist leer. Text: DJD V (1968), 11-15; Übersetzung bei MAIER, Qumran-Essener II 69f. Übersetzung und Erklärung bietet auch GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 177f.; zur Erklärung vgl. ferner COLLINS, Scepter 57f.; DERS., Messiahs 216f.; ZIMMERMANN, Texte 68-71. - Die von mir gebotene Übertragung richtet sich nach MAIER, Qumran-Essener II 70. 92 Zum Verständnis des Syntagmas „am Ende der Tage" vgl. COLLINS, Expectation 75f., speziell in den Qumran-Schriften ebd. 79-82. 93 Nach ZIMMERMANN, Texte 69 deutet die Erwähnung Magogs auf den endzeitlichen Krieg gegen die Kittim; als Hintergrund wäre Ez 38,2; 39,6 zu betrachten. 94

V g l . z . B . VANDERKAM, M e s s i a n i s m 2 1 6 ; VAN DER WOUDE, V o r s t e l l u n g e n 177f.; POMY-

KALA, T r a d i t i o n 2 0 1 ; EVANS, J e s u s 106; ZIMMERMANN, T e x t e 6 8 .

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Völker wahr gemäß einer ihm (von den Priestern) 95 erteilten Lehre und Weisung (ZZ. 22-24). 96 Anders als in Jes 11,3 fundiert nicht die Fähigkeit, Augenschein und Gerücht zu durchschauen, das gerichtliche Urteil des Königs, sondern eine ihm von anderen, den Priestern, erteilte Weisung. Z. 25 erwähnt explizit einen lediglich als „einen von den Priestern des Namens" (DtÖH OiTDQ "1ΠΚ) qualifizierten Priester, was neben der allgemein mit Priestern zu verbindenden Weisungsfunktion auf der Basis der Tora die priesterliche Identität der Lehrer und Anweiser des königlichen Gesalbten erhellen könnte und so - vielleicht auch im Blick auf die Überordnung des priesterlichen Gesalbten in lQSa II 11-22 (freilich unter Beachtung der fehlenden GesalbtenTerminologie in 4Q161) - die Stellung des Sprosses Davids relativiert. Besonders bemerkenswert ist die in diesem Pescher ausdrücklich artikulierte Interpretation von Jes 11,1-5 als Voraussage eines davidisch-königlichen Endzeitherrschers, dessen Erwartung als militärische Gestalt durch die Prophétie firmiert wird. Sollte der in 4Q161 Fr. 5, Z. 3 im Rahmen der Auslegung von Jes 10,24-27 genannte „Fürst der Gemeinde" mit dem Sproß Davids identisch sein, erhält das Bild des davidisch-königlichen Gesalbten titulare Verstärkung. Jedenfalls scheint der Fürst in die Entfernung von Feinden einbezogen zu sein, sonst läßt der defekte Text keine weitere Aussage über diese Gestalt zu. 4Q174 (4QFlorilegium) III 10-13: Sproß Davids in Auslegung von 2 Sam 7,11-14 Der Text 4Q174 (= 4QFlor oder 4QMidrEschat*)97 III 10-13 bezieht in der From eines thematischen Pescher98 die dynastische David-Verheißung von 2 Sam 7,11-14 auf den „Sproß Davids", der zusammen mit dem „Ausleger des 95 Diese Ergänzung des lückenhaften Textes liegt von Z. 25 und der Weisungsfunktion her nahe; vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 181; POMYKALA, Tradition 202; ferner JUEL, Exegesis 75; ZIMMERMANN, Texte 69f. 96 Die Unterordnung unter die Tora als von Priestern gegebener Anweisung hebt MAIER, Messias 608 hervor. 97 Textausgaben: DJD V (1968), 53-57; Text und englische Version bei BROOKE, Exegesis 86-97 (hier 86f.91f.), der die einschlägige Passage als Kol. I einordnet; neue Edition und Rekonstruktion von STEUDEL, Midrasch 11-53 (zum hier relevanten Textteil 25); deutsch bei MAIER, Qumran-Essener II 102-107. - Der Text dürfte in der ersten Hälfte des 1. Jh. v.Chr. entstanden sein; vgl. STEUDEL, Midrasch 199.202.208.210. BROOKE, Exegesis 217 datiert um die Mitte des 1. Jh. n.Chr.; zu Struktur, Form (Qumran-Midrasch) und Sitz im Leben von 4Q174 (liturgischer Gebrauch bei jüdischen Festen, evtl. beim Laubhüttenfest) vgl. ebd. 129144.169-174. Zum Textverständnis auch COLLINS, Scepter 61. Zur Auslegung des ganzen Textes 4Q174 ZIMMERMANN, Texte 104-113. 98 STEUDEL, Midrasch 191 bezeichnet die Gattung als „thematischer Midrasch mit Parallelen zu den (frühen) Pescharim"; ZIMMERMANN, Texte 105 schließt sich an.

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Gesetzes" am Ende der Tage auftreten wird und damit den Anbruch der eschatologischen Zeit markiert. Der atl Text 2 Sam 7,11-14 wird in III 10-13 mit Variationen und Kürzungen wiedergegeben und anschließend unter Anwendung von Am 9,11 ausgelegt, wie die Übersetzung sichtbar macht:99 (10) Und es [verkündJet dirJHWH, daß (Er) dir ein Haus {bauen} werde (2 Sam 7,1 lb): {-} „Und ich werde deinen Samen aufrichten nach dir und fest hinstellen f -} den Thron seines Königtums (11) [für im]mer (vgl. 2 Sam 7,12f.). Ich [werde] fur ihn Vater sein und er wird für mich ein Sohn sein " (2 Sam 7,14). Das ist der Sproß Davids, der mit dem Toraerteiler auftritt, welchen (12) [Er auftreten lassen wird] 100 in Zi[on am E]nde der Tage, wie es geschrieben steht (vgl. Am 9,11): Und ich richte die umgefallene Schutzhütte Davids wieder auf Das ist die Schutzhütte (13) Davids, die umgefall[en ist, d]ie Er aufstellen wird, um Israel zu retten, [vacat]

Das Zitat des atl Textes 2 Sam 7,11-14 beschränkt sich auf die an König David ergangenen Verheißungsaspekte des Hausbaus,101 eines Nachfolgers, des Bestandes der Königsherrschaft und des besonderen Gottesverhältnisses, dargelegt im Bild von Vater und Sohn, worauf sofort der atl vorgeprägte (Jer 23,5; 33,15; Sach 3,8; 6,12) Sproß Davids als Bezugsperson eingeführt wird, in dem damit die Verheißung ihre Erfüllung findet. Der davidische Sproß stellt den eschatologischen Zielort der dynastischen Davidsverheißung dar und wird auf der Basis von 2 Sam 7,11-14 als Belegtext erwartet; die Einmaligkeit seiner Nähe und Beziehung zu Gott kennzeichnet das Bild von Vater und Sohn, das ein legitimierendes und bevollmächtigendes Moment in sich trägt. Die Überordnung Gottes bleibt in dieser patriarchal situierten Bildwelt gewahrt. Auch in diesem Text ist der königliche Gesalbte aus Israel titular (nämlich als Sproß Davids) angesprochen,102 von dem an dieser Stelle außer 99 Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener II 104f., der auf einige Änderungen gegenüber dem MT hinweist, die durch {} angezeigt sind. Zu diesen Variationen auch POMYKALA, Tradition 194; BROOKE, Exegesis 11 If. 163, nach dem die Auslassungen aus 2 Sam 7,12-14 (MT) die unmittelbare Folgezeit Davids betreffen, so daß in 4Q174 das Gewicht auf den „letzten Tagen" liegt. Vgl. ferner ZIMMERMANN, Texte 111. 100 POMYKALA, Tradition 193f. rekonstruiert mit anderen Dip' und übersetzt aktiv „will arise". BROOKE, Exegesis 113f. (87.92) schließt sich der Rekonstruktion "TIOD' an und überträgt mit „will rule". 101 Das Bild des Hauses wird wohl, vermittelt über die Identifizierung mit dem Tempel, als proleptische Antizipation des eigentlichen, reinen Tempels in der gegenwärtigen Gemeinde von Qumran zu verstehen sein; vgl. BROOKE, Exegesis 178-193.218. 102 Auch BROOKE, Exegesis 139.202.204f.218 denkt bei dem „Sproß" an die Erwartung eines davidischen königlichen Messias, wobei der Aspekt der königlichen Familie des Hauses David wichtig wird (204) und die Souveränität Jahwes durch diese Gestalt zur Ausführung gelangt (198f.). Vgl. JUEL, Exegesis 62.67f., der ebenfalls die messianische Deutung von 2 Sam heraushebt, den Titel „Sohn Gottes" selbstverständlich für den Gesalbten gebraucht sieht, jedoch kein eigentliches Interesse des Verf. am Gesalbten erkennt (76). Vgl. ZIMMERMANN, Texte 110-113; er kann 112 in der Qumran-Erwartung ein Bindeglied zwi-

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seiner Heilsfunktion fur Israel und seines in der Dynastie grundgelegten königlichen Wesens nur noch erwähnt wird, daß er zusammen mit dem Ausleger des Gesetzes im Rahmen des eschatologischen Geschehens auftritt.103 Den eschatologischen Vorblick markiert das Syntagma „am Ende der Tage"104 in Z. 12, wobei die so umschriebene Zeit durch das Kommen des Sprosses Davids charakterisiert ist. Dieser erfüllt in der Rettung105 Israels (Z. 13) eine Heilsfunktion, die durch das Zitat Am 9,11 als Wiedererrichtung der umgestürzten Schutzhütte Davids sehr allgemein beschrieben ist. Die davidische Herrschaft, die Israels Wohlergehen sicherstellt, ist in den Augen des Autors offenbar abgebrochen und bedarf so der Wiedererrichtung, was eschatologisch durch das Auftreten des Sprosses Davids106 geschieht und eine neue Heilszeit für Israel impliziert. Das Bild eines eschatologischen davidischen Heilskönigs für Israel wird in 4Q174 III 10-13 prägnant angesprochen und titular in der Wendung „Sproß Davids" komprimiert, wobei sich die Hoffnung auf dessen Auftreten aus der David-Verheißung nährt und fundiert. 4Q175 (4QTestimonia) 5-20: Gesalbtenrepräsentation im Zitat von Num 24,15-17 Auf messianische Hoffnungsträger wird wohl auch 4Q175 (= 4QTest)107 5-20 gedeutet worden sein,108 worauf zunächst das Zitat der anderwärts messiaschen der atl Verheißung eines davidischen Sprosses und verschiedenen frühjüdischen Erwartungen des davidischen Gesalbten erkennen. 103 Möglicherweise ist beim „Ausleger des Gestzes" an einen priesterlichen Gesalbten zu denken; vgl. POMYKALA, Tradition 195. Zur Identifizierung mit dem priesterlichen Messias aus Aaron vgl. BROOKE, Exegesis 203-205, der diese für wahrscheinlich, eine Bezugnahme auf eine eschatologische Figur ebd. 199f. als sicher erachtet. An eine priesterliche Gesalbtenfigur denken auch JuEL, Exegesis 68-76; V ANDERKAM, Messianism 227; LAATO, Star 297; ZIMMERMANN, Texte 437-441. Eine gewisse Relativierung der einzigartigen Stellung des Sprosses Davids mag enthalten sein. 104 Zur zukünftigen, eschatologischen Bedeutung des Syntagmas vgl. COLLINS, Scepter 104-109; ferner BROOKE, Exegesis 175-177, der an die Zeit vor dem Ende denkt. 105 POMYKALA, Tradition 196f. konkretisiert die allgemeine Aussage aufgrund verbaler Parallelen im Qumran-Schrifttum auf die Befreiung von den Kittim, den eschatologischen Feinden Israels, was auf kriegerische Weise geschieht. EVANS, Jesus 105 sieht die Rolle des Messias im endzeitlichen Krieg zur Rettung Israels. 106 Daß dieser (und nicht der Ausleger des Gesetzes) gemeint ist, deutet sich durch die gemeinsame Bestimmung des Sprosses und der Schutzhütte durch den David-Namen als Genitivattribut an. Anders bringt BROOKE, Exegesis 139 die Rettung Israels mit dem Ausleger des Gesetzes in Verbindung; doch ist nach Brooke (ebd. 198) andererseits das Verb Ι52Γ („retten") auf ein Individuum mit königlicher Funktion zu beziehen. 107 Text: DJD V (1968), 57-60; deutsche Übersetzung bei MAIER, Qumran-Essener II 107-110. Paläographisch ist der Text ins erste Viertel des 1. Jh. v.Chr. zu datieren; vgl. die Angaben bei ZIMMERMANN, Texte 428.

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nisch verstandenen Passage Num 24,15-17 hinweist, wenngleich keiner der bisher eruierten Termini technici zur Titulierung eines königlichen Gesalbten zur Anwendung gelangt. Im Duktus einer Zitatfolge werden in 4Q175 drei Schriftzitate ohne weitere Interpretation aneinandergereiht und offenbar implizit mit drei unterschiedlichen Gestalten, deren Auftreten damit erwartet wird, identifiziert, wobei diese Gestalten dann auf einer Ebene und einander parallel stehen. Eine solche Zitatenreihe ist von ihrer Natur her deutbar und verlangt nach einer Deutung, die aus dem Kontext des Qumran-Schrifttums wahrscheinlich gemacht werden kann. Ein endzeitlicher Prophet wird ZZ. 5-8 mit Dtn 18,18f., der Verheißung eines Propheten wie Mose, angekündigt und geht so als den beiden anderen, sich als messianisch erweisenden Gestalten gleichgeordnet noch über die in Qumran-Rollen bezeugte doppelte Gesalbtenerwartung hinaus - ein weiteres Beispiel für die Variationsfähigkeit messianischer Vorstellungen. Der Autor von 4Q175 orientiert sich hier offenbar am samaritanischen Text des Buches Exodus (Ex 20,2Iff.), bei dem Dtn 5,28b.29 und Dtn 18,18f. verbunden sind und auf Ex 20,21 folgen.109 Dieser endzeitliche Prophet, der auch 1QS IX 11 und llQMelch II 18 („Gesalbter des Geistes"; s. unten 11.3.1) erscheint, wurde möglicherweise mit dem als Traditionsgaranten fungierenden historischen „Lehrer der Gerechtigkeit" identifiziert,110 wobei dessen Wiederkehr 108 VAN DER WOUDE, Vorstellungen 79f. identifiziert die durch die Zitate repräsentierten Gestalten mit denen von 1QS IX 11; vgl. ebd. 121.184. Weitere ältere Literatur bei BROOKE, Exegesis 310, der ebd. 314-319 die Entsprechung der drei Zitate mit den eschatologischen, messianischen Figuren von Prophet, König und Priester feststellt. So auch JUEL, Exegesis 73f.; LAATO, Star 297; von den jeweiligen Funktionen der Gestalten her als wahrscheinlich erwogen von ZIMMERMANN, Texte 434-436. 105 Diese Beobachtung formulierte erstmals SK.EHAN, Period (1957), 435. 110

V g l . HAHN, E W N T III 1 1 5 1 ; LICHTENBERGER, E r w a r t u n g e n 9 f . ; STEMBERGER, T R E

XXII 622; zum endzeitlichen „Lehrer der Gerechtigkeit" VAN DER WOUDE, Vorstellungen 67-74, der ebd. 84f. das Problem des zeitlichen Abstandes von Lehrer und Messiasgestalten durch ein genetisches Modell der einzelnen Texte löst, wobei die Erwartung des endzeitlichen Propheten vor dem historischen Auftreten des Lehrers verfaßt sei; schon STARCKY, étapes 496f.501. - Diese Identifizierung lehnt KNIBB, Interpretation 251 Anm. 27 ab. Auch GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 206 sieht von CD XIX 35 - XX 1 her eine deutliche Zäsur zwischen der Zeit des „Lehrers der Gemeinde" und dem Auftreten der messianischen Gestalten aus Aaron und Israel, damit zusammenhängend auch des endzeitlichen Propheten. Diesen Sachverhalt der zeitlichen Distanz bemerkt auch VAN DER WOUDE, Vorstellungen 187. Die zeitliche Differenzierung zwischen der Lehrergestalt der Vergangenheit und der Endzeit betont ZIMMERMANN, Texte 443f. In 1QS IX 11 wird ein messianisches Verständnis des Propheten wegen der Voranstellung gegenüber den „Gesalbten Aarons und Israels" nicht deutlich, kann aber vielleicht aus 4Q175 5-8 erschlossen werden, wie jedenfalls GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 194f. erwägt. Eine Überordnung des Propheten über die beiden Gesalbten, wie sie STEGEMANN,

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

bzw. das Auftreten einer adäquaten Gestalt damit wohl erwartet wurde. Es muß dabei freilich zwischen der historischen Anfangsgestalt der QumranGemeinde und einem erwarteten endzeitlichen Lehrer deutlich unterschieden werden, da der Titel „Lehrer der Gerechtigkeit" je nach dem Kontext von Vergangenheit oder Zukunft verschiedene Referenten besitzen kann.111 Im Mittelpunkt des Auftretens dieses Propheten steht sachgemäß sein Wort, das das Wort Gottes selbst repräsentiert und in dessen Annahme oder Ablehnung eine Heilsentscheidung liegt. Für ein messianisches Verständnis dieses Propheten nach dem Vorbild des Mose in ZZ. 5-8 könnte auch das Fragment 4Q377 Fr. 2 einen Hinweis liefern, das auf der Rückseite von 4Q375 überliefert und kaum noch lesbar ist. Eine Publikation erfolgte meines Wissens bislang nicht.112 Es dürfte sich dabei um ein Fragment eines pseudepigraph Mose zugeschriebenen Werkes handeln, in dem der Prophet Mose als „Gesalbter" prädiziert wird: „durch den Mund des Mose, seines Gesalbten ..." (HTtüQ ΠώΐΟ , SQ) (4Q377 Fr. 2, II 5). Das Zitat aus Dtn 18,18f. in 4Q175 5-8 evoziert den Gedanken an die Gestalt des Mose im Hintergrund. Sollte dessen Titulierung als Gesalbter bezeugt sein, spricht dies auf der Ebene motivlicher Assoziation ebenfalls für eine messianische Auffassung des Propheten in 4Q175. Das anschließend gebotene ausfuhrliche Zitat Num 24,15-17 in ZZ. 9-13 weckt unter Inanspruchnahme der prophetischen Autorität Bileams Assoziationen an den königlichen Gesalbten, wofür besonders die Bildfolge von „Stern aus Jakob" und „Szepter aus Israel" (Z. 12) steht; anders als in CD VII 18-21 werden hier beide Bilder auf eine Gestalt bezogen. Inhaltlich wird die umschriebene Figur als zukünftig vorhergesagt und die militärische Durchsetzung ihrer Macht erwartet (ZZ. 11-13).113 Das in ZZ. 14-20 vorgetragene Zitat Dtn 33,8-11 präsentiert die Gestalt des Levi in seiner Treue gegenüber Gott (ZZ. 14-17). Der Opferdienst deutet unmißverständlich auf priesterliche Funktionen (Z. 18), wozu die Auslegung des Gesetzes tritt (Z. 17f.), eine Aufgabe, die die herausgehobene Bedeutung des priesterlichen Elements in Essener 287 vertritt, kann ich nirgends erkennen. PUECH, Messianism 240-242 beschreibt die Verständnismöglichkeiten als Elia redivivus. ' " Dazu VAN DER WOUDE, Vorstellungen 7 2 . 1 7 1 . 1 7 4 f . 1 8 7 ; COLLINS, Scepter 104.lllf.115 (zur Forschung 103 f.). 112 Vgl. MAIER, Qumran-Essener II 326, der wohl aufgrund der Textschwierigkeiten keine Übersetzung bietet. Die mir zur Verfügung stehenden Angaben entnahm ich GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 205 mit Anm. 76. Vorläufige Edition bei WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition III 164-166. 113 Targum Onkelos trägt ein messianisches Verständnis direkt in den Text ein, indem es statt „Stem" „König" und statt „Szepter" „Gesalbter" liest; vgl. die Angabe bei MAIER, Messias 599 Anm. 44; 600 Anm. 45. Zu den Targumim s. unten 9.2.

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der Qumran-Gemeinde im Hintergrund spiegelt. Der Segenswunsch für die Gestalt Levis schließt das Zitat ab (Z. 19f.). Die Parallelität von königlicher und priesterlicher Aussage der beiden letzten Zitate mit der Vorstellung der Gesalbten aus Aaron und Israel erlaubt es, ein messianisches Verständnis sowohl des in Stern und Szepter symbolisierten Herrschers als auch der Priestergestalt von Dtn 33,8-11 anzunehmen." 4 Zum mindesten kann gesagt werden, daß eine messianische Aktivierung der Zitatfolge möglich und naheliegend erscheint. Die Anordnung der Zitate in 4Q175 eröffnet den Zugang zur inhaltlichen Struktur des Textes. Das erste Zitat (Dtn 5,28f.) in ZZ. 1-4 steckt den Bezugsrahmen der folgenden Texte ab, indem die mangelnde Treue des Volkes gegenüber den zu seinem Wohlergehen verfügten Geboten Gottes beklagt wird. Um diese weithin verlorene Treue wiederherzustellen, treten endzeitliche Gestalten auf, die die Apostaten zur Rechenschaft ziehen werden (vgl. ZZ. 7f.12f.19f.). Diejenigen, die sich schon jetzt zu diesen Heilsgestalten bekennen - damit ist implizit natürlich die Qumran-Gemeinschaft als intendierte Rezipientenschaft angesprochen - werden freilich der Vernichtung entgehen. Die zuletzt (als vierte) genannte Gestalt in ZZ. 21-30 ist ein Verfluchter, wobei in ZZ. 22f. Jos 6,26 bzw. aus den sogenannten „Psalmen Josuas" (4Q378.379) die Passage 4Q379 Fr. 22, II115 zitiert wird. Mit der darin sichtbaren Kontrastierung stehen die endzeitlichen Heilsgestalten den gegenwärtigen116 Abtrünnigen gegenüber und bestärken so für die konkrete Situation den Anspruch der Qumran-Gemeinde auf wahrhafte Treue im Blick auf Gottes Gebote. Heil und Drohung (letztere erscheint jeweils am Ende der drei ersten Zitatblöcke und am Anfang des vierten Teils) werden einander kontrastiert, was appellativen Charakter trägt. Auch den gegenwärtig verstandenen ZZ. 21-29 ist im implizierten Ausblick auf die Überwindung der Frevler ein Zukunftsaspekt inhärent, denn 114

Zur Möglichkeit einer kollektiven Deutung von 4Q175 9-20 auf die Qumran-Gemeinde selbst vgl. KARRER, Gesalbte 239. Nicht messianisch, sondern auf den gegenwärtigen Kontrast von Treuen und Abtrünnigen gegenüber der Qumran-Gemeinde interpretiert LÜBBE, Reinterpretation 188-196; ABEGG, Messiah 133 schließt sich an. - Zur messianischen Auslegung von 4Q175 vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 204; STEUDEL, Midrasch 180 Anm. 2; COLLINS, Scepter 74f.; OEGEMA, Gesalbte 94f.; VANDERKAM, Messianism 226. 115 Text teilweise publiziert von NEWSOM, Psalm (1988). Zum Zitat vgl. STEUDEL, Midrasch 179f.; zum Verhältnis der Texte ZIMMERMANN, Texte 432. 116 Wenn nicht auch eine endzeitliche Gegenspielerfigur gemeint ist, wie STEUDEL, Midrasch 180 Anm. 2 meint. Doch muß dies unter Annahme einer möglichen Repräsentationsfunktion kein Gegensatz sein. Zu Versuchen der Identifizierung mit historischen Herrschergestalten vgl. BROOKE, Exegesis 31 Of., zum Verständnis des „Verfluchten" ebd. 313f. Vgl. auch LAATO, Star 297 (Makkabäer Simon und seine Söhne Judas und Mattatias als Gegner). Zu einem gegenwärtigen Verständnis des/der „Verfluchten" vgl. auch ZIMMERMANN, Texte 434f.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

noch steht deren Vernichtung aus. Man wird sich überhaupt vor der Konstruktion eines Gegensatzes zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Aussagen zu hüten haben,117 da gerade die futurischen Erwartungen einen Anspruch an die Gegenwart enthalten, nämlich der Qumran-Gemeinde treu anzuhangen, wobei die Entscheidung der Gegenwart das Schicksal in der Zukunft fundamental bestimmt. Eben zu dieser impliziten Gerichtsankündigung über Apostaten fugt sich gut die militärische Funktion der königlichen Gestalt nach Num 24,17, auf deren Charakter als gesalbter König der Endzeit auch das Symbol des „Szepters" in Z. 12 weist.118 Aus der Beschaffenheit des Manuskripts (es handelt sich nur um ein einzelnes Lederblatt), der Flüchtigkeit der Schrift sowie der Art und dem Inhalt der Zitate kann möglicherweise auf eine lediglich private Verwendungsabsicht von 4Q175 geschlossen werden, etwa als Vorlage zur Diskussion um eschatologische Fragen oder als Grundlage eines thematischen Pescher über erwartete endzeitliche Gestalten.119 Bleibt ein solcher Sitz im Leben wegen mangelnder Kenntnis der Umstände naturgemäß vage, vermag der Text doch eine Bestätigung der bisher aus der Qumran-Literatur erhobenen Gesalbtenerwartungen zu liefern.

4.1.3 Terminologisch offene und nicht auswertbare Texte 1QM V1 und XI 6f.: Uneindeutigkeit der Textaussagen Wenig sichere Grundlagen für Aussagen zum Thema der königlichen Gesalbtenerwartung bieten die beiden Textausschnitte 1QM V 1 und XI 6f. Der gerade beobachtete Titel „Fürst der Gemeinde" begegnet auch in 1QM VI: 120

" 7 Vgl. aber LÜBBE, Reinterpretation 190.192Í. 1,8 Selbst LÜBBE, Reinterpretation 189 sieht hintergründige messianische Andeutungen und spricht vom „Fürsten der Gemeinde" und vom „Ausleger des Gesetzes". Gerade das sind aber in der Qumran-Literatur eindeutig Gesalbtenfiguren. Der ebd. 188 gegebene Hinweis auf ein nicht-messianisches Verständnis von Num 24,17 in 1QM XI 6f. verfängt nicht, da auch dort messianische Assoziationen nicht völlig ausgeschlossen sind. 119 Vgl. STEUDEL, Midrasch 180, die ebd. Anm. 3 angesichts der Verwendung des Zitates aus den nicht-kanonischen pseudepigraphen Psalmen Josuas fragt, ob mündliche Benutzung von 4Q175 beabsichtigt war. Dies läßt sich nicht verifizieren, zumal die fragliche Passage auch im „kanonischen" Josua-Buch (6,26) begegnet. - Zeitgeschichtlich mag diese Erwartung dreier unterschiedener Endzeitgestalten die Vereinigung von königlicher, priesterlicher und prophetischer Gewalt in der Person des Johannes Hyrkanus (vgl. Josephus, Ant 13,299f.) kritisieren; vgl. COLLINS, Scepter 94f. Vorsichtiger ZIMMERMANN, Texte 433. 120 Text von 1QM: DJD VII (1982), 12-72; CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls II 80-203. Deutsch bei MAIER, Qumran-Essener I 125-156. - Die hier gebotene Übersetzung nach

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(1) Auf den Sch[i]ld des Fürsten der ganzen Gemeinde soll man seinen Namen schreiben [und] den Namen Israel und Levi und Aaron und die Namen der zwölf Stämme Israels nach ihrer genea[logisc]hen Folge (2) und die Namen der zwölf Befehlshaber ihrer Stämme, [vacat]

Der Titel war ursprünglich (bei Abfassung des Textes) vielleicht lediglich auf einen geschichtlichen militärischen Führer bezogen,121 stand jedoch angesichts der qumranischen messianischen Verwendung des Titels für spätere messianische Rezeption offen.122 Für ein messianisches Verständnis des Fürsten und eine Gleichsetzung mit dem „Gesalbten Israels" spricht neben der auch sonst als Titel eines Gesalbten bezeugten Verwendung des Syntagmas „Fürst der Gemeinde" seine am Tragen des Schildes ablesbare militärische Funktion, die Nennung Israels an erster Stelle der auf den Schild zu schreibenden Namen und die Erwähnung der Befehlshaber der zwölf Stämme in V 2; zudem scheint der Text in die Zukunft zu blicken. Doch läßt sich selbst bei einem messianischen Verständnis des Fürsten nur seine militärische Führungsrolle als Eigentümlichkeit erheben. 1QM XI 6f. zitiert die Belegstelle Num 24,17b-19, doch nicht - wie in CD VII 18-21 u.a. Texten - als Weissagung gesalbter Gestalten, sondern auffallenderweise im Kontext des bevorstehenden (endzeitlichen) Kampfes Gottes, bei dem Gott unmittelbar zuvor ausdrücklich als der eigentliche Inhaber von Stärke und Macht, also als Herr des Krieges, gepriesen wird (XI 4b-6a). Im Anschluß an das Zitat ist in XI 7c. 8 von „Gesalbten" im Plural die Rede, doch werden diese mit den „Sehern der Bezeugungen" identifiziert und sind

MAIER, ebd. 132. - DAVIES, IQM 123f. datiert die Endredaktion in die erste Hälfte des 1. Jh. n.Chr., Teile des Buches gehen ins 1. Jh. v.Chr. zurück. 121 Vgl. STEGEMANN, Remarks 502 Anm. 84; KNIBB, Interpretation 250. Gegen ein messianisch-davidisches Verständnis POMYKALA, Tradition 240. DAVIES, IQM 35f. bewertet IQM V i f . als sekundäre Zufügung, u.a. wegen der Singularität der Nennung des „Fürsten" in IQM und einer Diskrepanz zum Schema von IQM II-IX, in dem Priester Krieg und Kult bestimmen. Doch auch dann wäre nach der Absicht zu fragen, die ein Interpolator mit dieser Gestalt verband. 122 BÖHLEMANN, Jesus 218 interpretiert den Fürsten als „messianische(n) Heerführer"; eine solche Auslegung vertreten auch OEGEMA, Gesalbte 108; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 134f.; HAHN, Hoheitstitel 148; EVANS, Jesus 101; LAATO, Star 295f.; VANDERKAM, Messianism 219; PUECH, Remarks 550; ZIMMERMANN, Texte 52f.; GNILKA, Christen 105; offen für diese Interpretation auch COLLINS, Scepter 59f.; DERS., Messiahs 219; SCHIFFMAN, Reclaiming 325. - NITZAN, Benedictions 89f. versteht 4Q285 als Schluß oder spätere Ergänzung der Kriegsrolle, so daß von daher (4Q285 Fr. 5.6+4) Licht auf die Gestalt des Fürsten in IQM falle (ebd. 78): er übe eine Führungsfunktion im Krieg aus und vollziehe die Tötung des feindlichen Königs. Vgl. auch LAATO, Star 294f. Abgesehen von der Unsicherheit einer solchen Identifizierung erfährt der „Fürst der Gemeinde" in IQM V lf. keine wesentlich über seine ohnehin deutliche Kriegsfunktion hinausgehende Charakterisierung.

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so wie in CD II 12 und VI 1 als atl Propheten zu verstehen.123 Es erfolgt demnach keine Auslegung von Num 24,17-19 auf einen endzeitlichen Heilskönig hin.124 Wenngleich nicht ausgeschlossen werden kann, daß der gesalbte Heilsherrscher allein durch das Zitat repräsentiert und damit als göttliches Instrument des Kampfes eingeführt wird, steht hier sicher das theokratische Moment im Vordergrund, demgegenüber den ausführenden Organen nur periphere Bedeutung eignet. Gottes alleiniges theokratisches Handeln tritt in den folgenden Zeilen sowohl im Heilsgeschichte reflektierenden Hinweis auf die göttliche Vernichtung Pharaos beim Exodus aus Ägypten als auch in der die Gerichtsfunktion Gottes beanspruchenden Aufnahme des Zitates Jes 31,8 („Es fällt Assur durch ein Schwert, nicht durch das eines Mannes, ein Schwert, nicht das eines Menschen, wird es verzehren") deutlich hervor (XI 9-11). 4Q521: Gesalbte als Propheten? Wenig aufschlußreich erweist sich das erstmals 1991 von R. Eisenman partiell publizierte Fragment 4Q521.125 Die Textgattung bestimmt E. Puech als „Apocalypse messianique"; H. Stegemann lehnt die messianische Qualifikation ab und spricht von „Hymnen der Endzeit".126 Der eschatologische Cha123

V g l . VAN DER WOUDE, V o r s t e l l u n g e n 1 2 3 f .

124

Dazu auch OEGEMA, Gesalbte 109. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 118.123 versteht hingegen den Fürsten der Gemeinde auch ohne ausdrückliche Nennung als „Mittel des göttlichen Heilshandelns" (123) in diesem Text; die Tatsache, daß eine Gesalbten-Identifikation fehlt, zeige, „dass eigentlich nur Gott die Ehre gebührt" (123). Für eine messianische Interpretation auch COLLINS, Messiahs 221f.; EVANS, Jesus 102 (wegen Num 24,17). - OEGEMA, Gesalbte 110 weist auf eine formale Parallele bei Philo, Praem 95 hin, wo Num 24,7 eschatologisch, aber nicht messianisch ausgelegt wird; Gott bleibt handelndes Subjekt. Auch DAVIES, IQM 97 sieht das Zitat von Num 24,17-19 nicht auf eine menschliche Kriegsgestalt, sondern auf Gott bezogen; vgl. ferner STEUDEL, Eternal Reign 523. 125 Erstveröffentlichung von Teilen des Textes durch EISENMAN, Messianic Vision (1991), 65; wissenschaftliche Edition von PUECH, Une apocalypse messianique (1992), 485-495; mit partiellen Erweiterungen und Kürzungen der Untersuchung auch DERS., croyance (1993), 627-692; jetzt auch: DJD XXV (1998), 1-38 (Fr. 2, II: 10f.). Eine deutsche Übertragung bieten MAIER, Qumran-Essener II 683-687; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 182 (mit sachlichen Erklärungen 182-185); auch STUHLMACHER, Gottesknecht 142f., nach der Übersetzung von EISENMANAVISE, Jesus 27-30. Zum Verständnis vgl. auch COLLINS, Works (1994). - Auch wenn es sich bei 4Q521 nicht um einen originalen Qumran-Text handelt, wie SCHNIEDEWIND, Structural Aspects 525 meint und dem Text so keine zentrale Bedeutung bei der Eruierung qumranischer Gesalbtenhoffnung beimißt, muß doch eine offensichtliche Benutzung des Textes in Qumran beachtet werden. 126 PUECH, Une apocalypse messianique (1992); er bestimmt ebd. 515-519 die Entstehungszeit zwischen dem Buch Dan und dem paläographischen Datum etwa 80 v.Chr., also ungefähr gleichzeitig zu 1QH, 1QS, IQM; vgl. DERS., Messianism 253 Anm. 42; DERS.,

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rakter des Textes ist deutlich. Eine Ablehnung des messianischen Elements sollte freilich nicht übersehen, daß innerhalb der Fragmente von 4Q521 dreimal das Lexem „Gesalbte(r)" erscheint, dessen titularer Gebrauch an dieser Stelle von anderen Qumran-Rollen her jedenfalls zu vermuten ist. Die für die Gesalbten-Thematik einschlägigen Zeilen 4Q521 Fr. 2, II lf. können unter Beachtung von Interpretationsdifferenzen so ins Deutsche übertragen werden:127 (1) [ ... der(/s) Hi]mmel(s) und die(/der) Erde werden hören auf Seine(/Seinen) Gesalbten, (2) [ und alles, w]as in ihnen, wird nicht vom Gebot Heiliger weichen.

In Fr. 2, II 1 muß eine Unklarheit des Numerus beachtet werden. Die Substantivform ΙΓΡώΟ1? kann grammatisch als Singular (ΙΓΓΊΟΓ?1?, „sein [sc. des Herrn] Gesalbter") oder als defektiver Plural (TPEM?1?, „seine Gesalbten") vokalisiert und verstanden werden.128 Auf den/die Gesalbten hören Himmel und Erde,129 was autoritativen Charakter trägt und so vielleicht einen leisen

Remarks 551f. - STEGEMANN, Essener 373; vgl. BERGMEIER, Beobachtungen 41.46 („Psalm eschatologischen Inhalts", 41). Zweifel am messianischen Textverständnis äußert auch BECKER, Gesalbten 74f. 127 Übersetzung von MAIER, Qumran-Essener II 683. 128 Vgl. BECKER, Gesalbten 77. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 182f. entscheidet sich aufgrund sprachlicher Beobachtungen im Kontext flir den Singular; eine einzelne messianische Figur sehen auch WISE/TABOR, Messiah 60-62; BERGMEIER, Beobachtungen 39; COLLINS, Works 99; DERS., He Shall 161; SCHIFFMAN, Reclaiming 347f.; ELSENMAN/WISE, Jesus 26; KOCH, Heilandserwartungen 115f.; EVANS, Jesus 128f.; DERS., Dead Sea Scrolls 96f.; VANDERKAM, Messianism 215 (ohne Begründung). PUECH, Une apocalypse messianique 486 gibt eine plurale Verstehensmöglichkeit in Klammern an (vgl. seinen Kommentar 487f.); er übersetzt im Singular in DERS., croyance 632f.; offen DERS., Remarks 554. Offen auch ZIMMERMANN, Texte 385f. mit Tendenz zum Singular. - MAIER, Qumran-Essener II 683 mit Anm. 651 bevorzugt aufgrund des Parallelismus mit „Heiligen" in Z. 2 den Plural (Singular in Klammem); er verweist überdies auf Fr. 8, 9 (vgl. ebd. 686), wo eindeutig der Plural desselben Substantivs bezeugt ist, der sich auch auf Propheten beziehen kann; vgl. DERS., Messias 61 lf. Für Plural auch STEGEMANN, Essener 49-51.286; BECKER, Gesalbten 75-78 (v.a. aufgrund der Parallelkonstruktion ZZ. lf. und der Numeruskongruenz mit Fr. 8, 9); ferner offenbar auch ABEGG, Messiah 142. 129 Von BECKER, Gesalbten 79f. als Rezeptionsvorgang interpretiert; obwohl fur ihn „der Hörvorgang eindeutig autoritativ bestimmt ist" (80), lehnt er ein Verständnis als Herrschaftsaussage ab. Noch deutlicher gegen die Bedeutung „gehorchen" STEGEMANN, Essener 50f. unter Hinweis auf fehlende zeitgeschichtliche Einbettung dieses Gedankens. BERGMEIER, Beobachtungen 39 Anm. 7; 43 nennt die Möglichkeit, daß „die universale Herrschaft des Gesalbten im Stil von Ps 2" angesprochen sei (Hervorhebung im Original). Die Bedeutung „gehorchen" favorisiert ZIMMERMANN, Texte 348f. Zur Autorität des Messias auch SCHIFFMAN, Reclaiming 348. - MAIER, Messias 611 weist auf die Unsicherheit dieser Aussage in Z. 1 aufgrund der Textlücke hin, so daß alle Rekonstruktionen nur Vermutungen bleiben. Die

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Anklang an die königlich-herrscherliche Gesalbtenerwartung darstellt, wiewohl eine Herrschaft des königlichen Gesalbten über den Himmel in der Umwelt nicht bezeugt ist und so eine (von Ps 2 her erklärbare?) Besonderheit darstellen würde.130 Weiter wird zum Dienst des Herrn ermuntert (ZZ. 3f.), bevor der Herr selbst zum Subjekt der folgenden Heilsschilderung fur die Frommen (Hasidim) und Gerechten (Zaddikim) wird (Z. 5), womit der Kreis der Qumran-Gemeinde gemeint sein dürfte. Diese spezielle Relation zur Qumran-Gemeinschaft könnte auf die Identität des Gesalbten mit dem Fürsten der Gemeinde, also dem davidischen Gesalbten weisen,131 doch muß dies wegen mangelnder terminologischer Deutlichkeit Vermutung bleiben. Unklar scheint weiter, ob dabei der Gesalbte gegenüber dem göttlichen Handeln ganz aus dem Blick des Geschehens verschwindet oder ob Gott die messianische Heilszeit durch den Gesalbten wirkt.132 Letztlich kann der Text aber nicht anders verstanden werden, als daß Gott selbst in der „messianischen" Zeit, d.h. der Zeit, die mit dem Auftreten von Gesalbten beginnt, endzeitliche Wunder- und Heilstaten zugunsten seiner Frommen vollbringt. An wunderbaren Heilstaten werden Befreiung von Gefangenen, Blindenheilung, Aufrichtung von Unterdrückten (Z. 8) sowie Krankenheilung, Totenerwek-

von mir vorausgesetzte gängige Rekonstruktion bieten PUECH, croyance 632f.; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 182. 130 Autoritativen Charakter trägt freilich auch das Prophetenwort; vgl. Jes 1,2 die Aufforderung an Himmel und Erde zum „Hören" als Beginn der prophetischen Botschaft; Dtn 18,15 die Einforderung des Gehorsams gegenüber dem mosaischen Propheten. Dazu ZIMMERMANN, T e x t e 3 8 2 . 131 Dies vermutet GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 183f.; vgl. PUECH, Une apocalypse messianique 497; DERS., Remarks 556-558.563f. denkt an einen gesalbten Hohepriester oder - bei pluralem Verständnis - an König und Priester. - LAATO, Star 309f. erkennt im Gehorsam von Himmel und Erde und in der Parallelstellung des Gesalbten zu „Heiligen" (Engeln) Vergleichspunkte mit äthHen 48-51 und deutet die Gestalt des Gesalbten (im Singular) als „divine messianic agent" ähnlich dem Menschensohn. - Neuerdings deutet NIEBUHR, Psalm (1998) die „Gesalbten" auf die „endzeitliche Autorität des Priestertums" (160) und lehnt ein speziell messianisches Verständnis ab; die „Weisungsautorität der Priester" (159) gehe aus ZZ. lf. hervor. Den expliziten Gebrauch von Gesalbten-Terminologie läßt dieser Entwurf weitgehend außer acht. Weitere Einwände bei ZIMMERMANN, Texte 381. 132 STUHLMACHER, Gottesknecht 142f. versteht den Text durchweg messianisch; vgl. auch WISE/TABOR, Messiah 60-65, die in bezug auf Z. 12 von den „Zeichen des Messias" sprechen (65). Dagegen überzeugend GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 184f. KOCH, Heilandserwartungen 116 spricht vom Messias als einem „Instrument der Heilswende". Für Gott als Subjekt der Heilshandlungen auch BECKER, Gesalbten 90-92; STEGEMANN, Essener 325; ferner COLLINS, Works 99f.; DERS., He Shall 162; DERS., Scepter 117f.; KNIBB, Messianism 181 Anm. 57; SCHIFFMAN, Reclaiming 348.350; PUECH, Messianism 245; DERS., Remarks 556.558; VANDERKAM, Messianism 215; ZIMMERMANN, Texte 354.363f.; KVALBEIN, Wunder 123.

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kung und Verkündigung von Freude an die Sanftmütigen (Z. 12) angeführt.133 Den Charakter göttlicher Handlung bei der Erweckung von Toten bestätigt das fragmentarisch erhaltene Ezechiel-Pseudepigraphon 4Q385 und 4Q386, wo in Anlehnimg an Ez 37,1-14 deutlich Gott selbst als Subjekt der endzeitlichen Totenerweckung vorgestellt wird.134 Inhaltlich läßt sich außer dem Gehorsam von Himmel und Erde und der Verbindung mit der göttlichen Heilszeit nichts Konkretes über die messianische(n) Gestalt(en) sagen. Die Nennung des „Szepters" (oder „Stammes") in Fr. 2, III 6 ist schon aufgrund der textlichen Distanz und der Textunsicherheit für die Frage nach den Gesalbten in II 1 nicht auswertbar.135 M. Becker hat jüngst eine Deutung der Gesalbten (Plural!) von 4Q521 als Propheten mit eschatologischer Offenheit vertreten und das Motiv als einen eigenständigen Vorstellungsstrang charakterisiert.136 Eine königliche oder priesterliche Gesalbtendeutung weist er zurück (79-81). Er favorisiert ein prophetisches Gesalbtenverständnis (81-88) besonders aufgrund (1) von Par-

133 Die ZZ. 6-8.12 verraten Anklänge an Jes 61,If. und Ps 146,7f., ntl Parallelen bestehen zu Mt 11,5 und Lk 7,22. Dazu STUHLMACHER, Gottesknecht 142f.; BECKER, Gesalbten 9396; WISE/TABOR, Messiah 65; COLLINS, Works 106f.; DERS., Scepter 121 f.; DERS., Jesus 116-119; KOCH, Heilandserwartungen 116. - Zu Recht lehnt FABRY, Texte 25 wegen der Ableitbarkeit der Motive allein aus der atl Tradition eine Identifizierung mit Jesus von Nazaret (vgl. Lk 4,18f.; 7,22) ab. - KVALBEIN, Wunder (1997), 111-127 vertritt auf der Basis atl Vergleichsmaterials die bildlich-übertragene Bedeutung der Wunder in ZZ. 8.12f. zur Darstellung der endzeitlichen Restitution des Gottesvolkes; frühjüdisch existieren keine Belege für Heilwunder an einzelnen Israeliten in der Heilszeit (122), was auch für Texte wie Jub 23,26-31; 4 Esr 7,121-126; syrApkBar 29,7f.; 73,1-3 gelte (121f.; ausführlicher in der englischen Version: 101-106). Die Konkretheit der genannten Bilder weist freilich auf die Hoffnung auf konkrete physische Erfahrung des Heils, die durchaus in geschichtlicher Verwirklichung vorstellbar war, was gegen eine exklusive Deutung im Sinne eines übertragenen Verständnisses spricht. 134

Vgl. 4Q385 (= 4QPsEza) Fr. 2, 5-8 und 4Q386 (= 4QPsEzb) Fr. 1,1. Vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 183; BECKER, Gesalbten 80. Optimistischer PUECH, Une apocalypse messianique 497; DERS., Remarks 559 (votiert für die Lesart „Szepter"). COLLINS, Works 103 denkt von Sir 48,10 her an „Stamm/Stämme" (vgl. MAIER, Qumran-Essener II 685) und assoziiert eine Verbindung zu Elia, was aber nicht beweisbar ist. Zur Kritik daran vgl. BECKER, Gesalbten 80. Offen läßt ZIMMERMANN, Texte 369 einen Bezug zu Elia; er bevorzugt 367 die Lesart „Stämme" in III 6. 134 BECKER, Gesalbten 92; zur anschließend kurz skizzierten Argumentation ebd. 79-88. - Für ein prophetisches Verständnis der Gesalbten auch STEGEMANN, Essener 50f.286; ferner BERGMEIER, Beobachtungen 39 Anm. 7; 44; COLLINS, Works 100-106 (der 102 den gesalbten eschatologischen Propheten [Singular!] mit Elia bzw. einem Propheten wie Elia identifiziert); DERS., He Shall 162f.; DERS., Jesus 112-116; ZIMMERMANN, Texte 382-387 (der von Jes 61,1 ausgeht und eine Deutung auf eine eschatologische prophetische Einzelgestalt oder auf die atl Propheten für möglich erachtet); BROOKE, Kingship 449. 135

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

allelstellen, in denen Propheten im Plural als Gesalbte bezeichnet werden,137 (2) der eschatologischen Orientierung in 4Q521 Fr. 2, II, wobei Übereinstimmungen zu Jes bestehen und auf llQMelch II 15ff.138 verwiesen werden kann, und (3) im Blick auf den Kontext, wo die genannten Handlungen Gottes einem gängigen Inhalt prophetischer Botschaft entsprechen und die „Heiligen" in II 2 entweder als prophetische Gestalten oder als idealisierte, auf Gott bezogene Gruppe zu verstehen seien.139 Beckers Ausführungen bergen die Gefahr der Überinterpretation des nur lückenhaft erhaltenen Textes in sich.140 Aufgrund der unzureichenden kontextuellen Verifikationsmöglichkeit ist seine Deutung keineswegs zwingend. Weniger wahrscheinlich zeigt sich eine Deutung der Aussagen von Fr. 2, III 1-5 auf einen elianischen bzw. mosaischen Messiasvorläufer, womit der Gesalbte von II 1 als (königlicher) Messias erscheine, bzw. auf einen mittels einer Elia-Typologie gezeichneten Propheten, der mit dem „Gesalbten" von II 1 im Sinne eines messianischen Propheten zu identifizieren wäre.141 Resümierend bleiben als wahrscheinliche Deutungsalternativen zu II 1 das Verständnis als davidisch-königlicher Gesalbter im Singular oder als gesalbte endzeitliche Propheten im Plural, wobei letztere These gewichtigere Argumente anzuführen vermag. Sicherheit läßt sich nicht gewinnen, und so bleibt die Passage für die Gesalbten-Thematik letztlich nicht aussagekräftig. Ebenso wenig sicheren Anhalt bieten die zwei weiteren Gesalbten-Nennungen in anderen Fragmenten von 4Q521. Die Erwähnung der „Gesalbten" in 4Q521 Fr. 8, 9 geschieht eindeutig plural (ΓΡΓΡΒίΟ „und alle ihre Gesalbten") und bezeichnet in der Formulierung eine Vielzahl. Versuche zur näheren inhaltlichen Bestimmung dieser Gestalten denken entweder von der 137

1QM XI 7f.; CD II 12; VI 1; vgl. Ps 105,15; 1 Chr 16,22; Jes 61,1; 1 Kön 19,16. BECKER, Gesalbten 85f. - Er vernachlässigt freilich die unterscheidende Tatsache, daß die prophetische Gestalt von llQMelch im Singular erscheint. BERGMEIER, Beobachtungen 44 deutet einen Unterschied an. - Gegen ein prophetisches Verständnis spricht PUECH, Remarles 556-558. 139 ZIMMERMANN, Texte 349-352 argumentiert für ein Verständnis als „Engel". 140 M.E. zeigt dies beispielhaft die Aussage von BECKER, Gesalbten 86: „Damit vereinigen sich in diesen Gesalbten die Vergangenheitsdimension der biblischen Verkündigung sowie deren aktuell-eschatologische Bedeutung mit der Offenheit für ein spezifisch ,eschatologisches' Prophetenverständnis zu einem Ensemble mit universaler Bedeutung". 141 Zur ersten Interpretation vgl. PUECH, Une apocalypse messianique 496-499; DERS., Messianism 241f.; DERS., Remarks 559-561; DERS., croyance 646.679f.; LAATO, Star 309; zur zweiten COLLINS, Works 100-106; DERS., Scepter 117-122. Dagegen zu Recht BECKER, Gesalbten 89; ferner BERGMEIER, Beobachtungen 44 Anm. 42. - Eine Erwartung Elias als Gesalbtenvorläufer ist vorchristlich nicht belegt; vgl. unten 11.4; dazu KARRER, Gesalbte 351-353; HAHN, Hoheitstitel 354-356; COLLINS, Works 103-106; BECKER, Gesalbten 89; 138

OHLER, E l i a 2 9 .

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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Erwähnung des Heiligtums in Z. 8 her an Priester oder sehen sich in der Rede vom „Wort des Herrn" (Z. 10) an prophetische Verkündigung erinnert,142 wobei die zweite Deutung auf qumranische Belege für gesalbte Propheten verweisen kann. Letztlich fehlt sowohl fur 4Q521 Fr. 8, 9 als auch in noch deutlicherer Weise für Fr. 9, 3, wo wiederum eine Unsicherheit im Numerus begegnet, der Kontext für eine präzise Bestimmung der gesalbten Gestalten.143 Nicht auswertbare

Gesalbten-Notizen

Der Vollständigkeit halber seien noch einige weitere, wegen ihres undeutlichen Kontextes für die Untersuchung von Gesalbtenerwartungen kaum auswertbare Textbruchstücke angeführt. Die drei teilweise unveröffentlichten Fragmente 1Q30 Fr. 1, 4Q287 Fr. 3 und 4Q458 Fr. 2 sprechen von einem oder mehreren Gesalbten, doch sind jeweils nur wenige Worte erhalten, so daß der zur präzisen Bestimmung der Gestalten notwendige Kontext fehlt.144 1Q30 Fr. 1,2 ist ein „Gejsalbter der Heiligkeit" genannt, der Text ist aber so stark zerstört, daß eine nähere Qualifikation dieser Figur unmöglich ist.145 Ebenfalls keine Aussage erlaubt die einzelne Zeile 4Q287 Fr. 3, da die Gesalbten-Nennung mit einer Numerusunsicherheit belastet ist und ohne Kontext begegnet.146 4Q458 Fr. 2, II 6 bietet das Textrudiment: „gesalbt/Gesalbter mit dem Ol der Königsherrschaft" (JTD^O |D2D ITÜQ); im Zusammenhang 142

Für Priester: PUECH, Une apocalypse messianique 509; DERS., croyance 659; DERS., Remarks 557; EISENMAN/WISE, Jesus 25f.; ABEGG, Messiah 142. - Für Propheten: BECKER, Gesalbten 80; COLLINS, Works 102 erinnert an die Bezeichnung von Propheten als Gesalbte (im Plural) in den Qumran-Rollen (CD II 12; VI 1; 1QM XI 7); DERS., Scepter 118; vgl. auch WISE/TABOR, Messiah 65 Anm. 11; ferner GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 182; ZIMMERMANN, Texte 375. 143 Zu dieser Unsicherheit vgl. auch BECKER, Gesalbten 77.80f.; ZIMMERMANN, Texte 375f. 144 Texte: 1Q30: DJD I (1955/21964), 132f. - 4Q287: Vorläufige Teiledition bei EISENMAN/WLSE, Jesus 233. Jetzt: DJD XI (1998), 49-60. - 4Q458: WACHOLDER/ABEGG, Preliminary Edition II 287-291; EISENMAN/WISE, Jesus 54f. STRUGNELL, Moses 230 benutzt statt 4Q458 die Bezeichnung 4Q453. - Vorläufige deutsche Versionen der relevanten Fragmente bei MAIER, Qumran-Essener I 251; II 249.529. - Vgl. zu diesen Texten GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 206f. 145 An den Kontext des messianischen Mahles denkt ABEGG, Messiah 134. Vielleicht ist ein Prophet als Titelträger anzunehmen; vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 206. Die Unsicherheit des Textes zeigt ZIMMERMANN, Texte 427. 146 Nach VANDERKAM, Messianism 215 Anm. 9 ist die Plural-Lesart zu bevorzugen und damit eine Deutung auf Propheten wahrscheinlich. EISENMAN/WISE, Jesus 231 deuten den Vers als Zitat von Jes 11,2 und damit auf einen einzigen davidischen Messias. Nach ABEGG, Messiah 140 ist eine Aussage nicht möglich. Zur Unsicherheit beider Varianten auch EVANS, Jesus 135.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

deutet Z. 3 auf ein Kriegsgeschehen, ZZ. 4f. auf ein Gerichtshandeln. Dies könnte für ein Verständnis des Gesalbten als eines königlichen gesalbten Endzeitherrschers sprechen, doch bleibt wegen des Fehlens eines eindeutig eschatologischen Kontextes Vorsicht gegenüber jeder Interpretation geboten.147 Der aramäische Text 4Q534 (= 4QMess ar oder 4QElect of God) Fr. 1,1 611 spricht von einem „Erwählten Gottes" (KrfpK τ γ ώ ) und beinhaltet leichte Anklänge an Jes 11,2.4, doch zeigt sich weder terminologisch noch sachlich eine Verbindung zur königlichen Gesalbtenerwartung.148 Daß der Menschensohn und Gesalbte in den Bilderreden des äthHen auch als „Erwählter" betitelt wurde, läßt sich wegen der gruppenspezifischen Distanz149 nicht zur Deutung von 4Q534 heranziehen. Der fragmentarische Text bleibt inhaltlich undeutlich, ein messianisches Verständnis sehr vage. Kein Gesalbter im Sinne des Terminus technicus für eine endzeitliche Heilsgestalt dürfte in dem nicht-kanonischen Psalm 4Q381 Fr. 15, 7 angesprochen sein. Dabei besingt ein Gesalbter (König?) sein Verhältnis zu Gott, von dem er machtvolle Hilfe und Unterweisung erhält; ein endzeitlicher oder futurischer Hintergrund läßt sich nicht erkennen.150 Bei dem Text 11Q5 XXVIII 3-12 (= Ps 151A)151 handelt es sich um einen Psalm, in dem der fik147 Für ein adjektivisches Verständnis ABEGG, Messiah 141. EISENMAN/WISE, Jesus 54 betonen das gleiche Recht der nominalen Übersetzung. Als Verheißung des kommenden Messias interpretiert EVANS, Jesus 137f. das Fragment. ZIMMERMANN, Texte 205-210 erkennt eine königliche Salbung, läßt aber die exakte Bedeutung zu Recht offen. 148 Text: STARCKY, texte messianique (1964); EISENMAN/WISE, Jesus 42; EVANS, Jesus 111 (unter der Bezeichnung 4Q536 Fr. 3); ZIMMERMANN, Texte 171. Deutsche Version bei den genannten Autoren und besonders bei MAIER, Qumran-Essener II 704f. - Für eine messianische Interpretation: STARCKY, texte messianique (1964); EVANS, Jesus 111-113; DERS., „Son" Texts 144f.; ZIMMERMANN, Texte 170-203 („Spekulation über Geburt und Einweihung des Messias" [201f.]), der v.a. mit der Nähe zu den Bilderreden des äthHen argumentiert (196-199; zur Forschung ebd. 189-192). Dagegen FLTZMYER, Elect of God 144.151153.158-160 (schlägt Bezug auf Noah vor); SCHIFFMAN, Figures 127. Der königlichen Gesalbtenerwartung im eigentlichen Sinne entsprechende Wesenszüge lassen sich jedoch nicht finden. 149 Eine Bekanntheit der Bilderreden in Qumran ist nicht nachweisbar, da dort keine entsprechenden Textfragmente gefunden wurden. 150 Dazu ABEGG, Messiah 141. - Text von 4Q381: DJD XI (1998), 87-172; SCHULLER, Non-Canonical Psalms 71-240 (Fr. 15: 94-104). Deutsch bei MAIER, Qumran-Essener II 332-346 (Fr. 15: 334). - Nach SCHULLER, Non-Canonical Psalms lOlf. ist nicht einmal die Übersetzung von "^ΓΡίΟΟ als „Gesalbter" unzweideutig; sie trennt "ΐ]+Π,0+(|)0 und übersetzt: „As for me, I have gained understanding from Your discourse" (vgl. auch ebd. 28.97). EVANS, Jesus 140 präferiert die Bedeutung „Gesalbter" aufgrund von Anklängen an Ps 89 (David als Gesalbter) und hält eine eschatologische Interpretation für möglich. Auf eine (betende) Königsgestalt deutet ZIMMERMANN, Texte 222-228. 151 Text: DJD IV (1965), 49.54-60. Deutsch bei MAIER, Qumran-Essener I 341f.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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tive Sänger David seine Erwählung preist. Z. 8 spricht von seiner Salbung durch den Propheten Samuel, Ζ. 11 von der Salbung durch Jahwe, der ihn zum „Fürsten" für sein Volk und zum „Herrscher" (über der Zeile nachgetragen) machte. Der Text ist als Hintergrund für die Erwartung eines endzeitlichen gesalbten Königs aus dem Geschlecht Davids, der auch als „Fürst der Gemeinde" bezeichnet werden kann, interessant, da er die in der (theologisch interpretierten) Person Davids fundierten Grundlagen solcher Erwartung präsentiert. Eine explizite königliche Gesalbtenerwartung enthält er selbst nicht. Gleiches gilt für das Fragment 4Q504 Fr. 2, IV 6f.,152 in dem der Bund Gottes mit David genannt ist, der David zum Hirtenfürsten über Gottes Volk bestellt, so daß David vor Gott alle Tage auf Israels Thron sitzt; der Text bestätigt den Bestand einer Tradition, die die göttliche Verheißung an David enthält und die Voraussetzung bildet für die Hoffnung auf Restauration der davidischen Königsherrschaft. Das „Königsrecht" von 11Q19 (= 1 lQTempelrolle) LVI 12 - LIX 21 schließlich zielt nicht auf einen „messianischen" König der Endzeit,153 sondern hat eine politische Königsgestalt im Blick.

4.1.4 Fazit Aufgrund der vorangegangenen Textsichtung läßt sich nun resümierend die zur Bezeichnung des königlich-davidischen Gesalbten in den QumranSchrifien verwendete Terminologie zusammenstellen. Der „Gesalbte Israels" (btnc? 1 ΓΡώΏ, z.B. 1QS IX I I ) wird in 4Q174 III 11 in Auslegung von 2 Sani 7,11-14 und in 4Q252 V 3f. im Anschluß an Gen 49,10 sowie in 4Q285 Fr. 5 als „Sproß Davids" (T"H ^Οΐ?) bezeichnet, was unter Rückgriff auf atl Sprachgebrauch (Jer 23,5; 33,14-17) geschieht; der Terminus begegnet auch im Pescher zu Jes 11,If. (4Q161 Fr. 8-10, 18) mit Betonung der königlichen Herrschaftsausübung des Davididen sowie seiner Hinordnung auf priesterlichen Rat.154 Die Identität der mit den Titeln „Gesalbter" und „Sproß Davids" 152

Nach COLLINS, Messianism 105 stammt der Text aus der Mitte des 2. Jh. v.Chr. und ist als bestehende Tradition in die Qumran-Bibliothek übernommen worden. Text: DJD VII (1982), 143f.; deutsch: MAIER, Qumran-Essener II 608. - Gegen eine messianische Artikulation in 4Q504 auch POMYKALA, Tradition 180. 153 Vgl. COLLINS, Scepter 109f. Ferner YADIN, Temple Scroll I 344-346; POMYKALA, Tradition 237. - Text von 11Q19: YADIN, Temple Scroll II (hier: 252-270.404-411). Deutsch: MAIER, Qumran-Essener I 370-428 (hier 417-420). - Auch 1QH belegt keine Gesalbtenerwartung; vgl. SCHIFFMAN, Figures 123; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 155f. 154 Vgl. auch die 14. Beracha des palästinischen Achtzehngebetes. - Zum Bezug dieser Stellen auf einen „warrior messiah" (217) vgl. auch COLLINS, Messiahs 216-218. - Gegen

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bezeichneten Gestalt belegt 4Q252 V 3f. Weiter wird diese Gesalbtengestalt „Fürst der Gemeinde" (ΓΠΰΓϊ Κ1©]) genannt (lQSb V 20; CD VII 20; 4Q285 Fr. 5; 4Q161 Fr. 5, 3).1S5 '„Gesalbter Israels", „Sproß Davids" und „Fürst der Gemeinde" stellen verschiedene Titel für dieselbe davidische Gesalbtengestalt dar, für die sie gleichwertig verwendet werden.156 In der Auslegung und Anwendung von Jes 11,1-5 als Basistext einer königlich-messianischen Hoffnung sind etliche dieser Titel sachlich miteinander verbunden (lQSb V; 4Q161; 4Q285); es handelt sich dabei um einen militärischen Führer im endzeitlichen Kampf.157 Damit fand noch keine Konzentration der titularen Erfassung des davidischen Endzeitkönigs auf den „Gesalbten"-Terminus allein statt, vielmehr stehen in terminologischer Offenheit mehrere atl vorgeprägte Titel gleichwertig zur Verfügung. Interessanterweise ist der „Gesalbten"-Titel (noch?) nicht auf eine königliche Endzeitgestalt festgelegt, wie die Verwendung für historische atl Prophetenfiguren (dazu unter 11.3.1) zeigt; als zentrale Denotation des Terminus scheint so Geistbegabung und Autorisierung hervorzutreten.158 Eine Näherbestimmung (z.B. „Gesalbter Israels") wird im einzelnen notwendig, um eine bestimmte Konzeption eines von Gott erwählten eschatologischen Heilskönigs bezeichnen zu können. Ein festes Arsenal an Titeln lassen die

eine Identifizierung des „Gesalbten Israels" mit dem „Sproß Davids" wendet sich POMYKALA, Tradition 238, obwohl er ebd. 238f. einschlägige gemeinsame Motive erkennt. Er überakzentuiert dabei die titulare Differenz zu Lasten von Motivübereinstimmungen; methodisch sachgemäß wäre es hingegen, die Relation von Titeln und Vorstellungen und deren jeweilige Variationsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen. DULING, Promises 64-66 sieht die „Sproß"-Metapher auf dem Hintergrund der Tradition der atl Davidverheißung für die Qumran-Literatur um die Zeitenwende als zentral an. Die Identität der mit den verschiedenen Titeln bezeichneten Gestalt sieht auch LAATO, Star 294. 155 Zur Terminologie vgl. auch LICHTENBERGER, Erwartungen 11; MAIER, Messias 595; ABEGG, Messiah 136f.; COLLINS, Scepter 60-63; VANDERKAM, Messianism 212-219; ZLMMERΜΑΝΝ, Texte 124.126. - Zu Unrecht bemerkt SCHIFFMAN, Reclaiming 324.326, daß der Messias Israels nicht als davidisch identifiziert wird; vielmehr zeigen die titularen Verflechtungen gerade auch dieses Moment; Schiffman setzt ebd. 324-327 voraus, daß der Messias Israels und der Fürst der Gemeinde nicht identisch sind, wohl um seine künstliche Differenzierung von restaurativem und utopischem Messianismus durch unterschiedliche Zuweisung der Gestalten aufrechterhalten zu können. POMYKALA, Tradition 239-243 legt den Akzent auf die fehlende davidische Herkunft des „Fürsten der Gemeinde". 156 Damit ist keine traditionsgeschichtliche Aussage getroffen! 157 Zum bedeutenden Einfluß von Jes 11,1-5 vgl. auch ZIMMERMANN, Texte 59.94.228, der eine Interpretation der Jes-Stelle von Ps 2,8f. her vermutet. 158 Vgl. auch ZIMMERMANN, Texte 454, der jedoch eine funktionale Verwendung gegenüber einer titularen abgrenzt.

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einschlägigen Texte jedoch bereits deutlich erkennen,159 mit denen entsprechende Konzeptionen abrufbar waren. Jeder einzelne Titel enthält dabei ein traditionell bedeutungsprägendes Element, das seine Herkunft erkennen läßt und seine spezifische Anwendung im Rahmen einer königlich-herrscherlichen Gesalbtenerwartung prägt: „Gesalbter" denotiert göttliche Erwählung und Autorisierung, „Sproß Davids" akzentuiert eine Legitimierung von der dynastischen Davidverheißung her, „Fürst der Gemeinde" zentriert sich in herrscherlicher und kriegerischer Stellung im besonderen Verhältnis zur Qumran-Gemeinde als Repräsentantin des wahren Israel. Die Vielzahl der semantisch grundgelegten Aspekte zeigt deutliche Überschneidungen und ergibt in der Austauschbarkeit der Titel ein Gesamtbild der Bedeutung der herrscherlichen Endzeitgestalt.160 Die relevanten Qumran-Texte zeigen, daß die eine Traditionslinie begründende Erwartung eines königlichen Gesalbten innerhalb des in der QumranLiteratur erkennbaren vielfaltigen Inventars an messianischen Gestalten161 um die Zeitenwende lebendig und unter bestimmten kulturell-politisch-religiösen Gegebenheiten auch der Variation fähig war. Es bleibt weiterhin nicht sicher auszumachen, ob die verschiedenartigen Erwartungen (besonders ein oder zwei Gesalbte) in der Qumran-Gemeinschaft nebeneinander existierten oder Zeugnis für eine chronologisch zu situierende Entwicklung geben.162 Nicht 159 Anders kann ZIMMERMANN, Texte 127 „feste .Titel' (wie später .Messias')" noch nicht erkennen; vgl. ebd. 472.476.479. Seine eigene Untersuchung zeigt jedoch die Konzentration auf die Syntagmen „Sproß Davids" und „Fürst der Gemeinde", die in ihrer Abruffahigkeit hinsichtlich bestimmter königlicher Konnotationen geprägten titularen Charakter tragen. Es handelt sich nicht nur um Tätigkeits- oder Funktionsbezeichnungen, wie Zimmermann (ebd. 454) meint, sondern um spezifisch geprägte Titulierungen einer Endzeitgestalt, mit denen Konzeptionen wachgerufen werden, die jeweils legitimierende Elemente enthalten. 160 Daß mit den verschiedenen Titeln auch „unterschiedlich akzentuierte Interpretationen und Transformationen der königlichen davidischen Messiaserwartung" gegeben sind, wie ZIMMERMANN, Texte 454 voraussetzt, wird an den Texten selbst nicht recht erkennbar: Die jeweils im Hintergrund stehenden Konzeptionen ähneln einander sehr bzw. sind identisch, wie die wenigen inhaltlichen Konkretisierungen nahelegen. 161 Diese Vielfalt betont LICHTENBERGER, Erwartungen 12-14 und erklärt sie innerhalb der 200jährigen Entwicklung der Gemeinschaft (vgl. schon STARCKY, étapes 481-505) aus ihrem priesterliche Elemente und Schriftauslegung hervorhebenden Selbstverständnis. Diese Vielfalt beobachtet auch GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 185. Die Pluralität der Erwartungen, innerhalb deren die davidisch-königliche Gesalbtenerwartung zentral ist, bemerkt SCHIFFMAN, Reclaiming 317.326; zur Vielfalt auch DERS., Figures 128; KOCH, Heilandserwartungen 113; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 245f.; COLLINS, Messiahs 214; CHESTER, Expectations 25; EVANS, Jesus 126f. 162 Verschiedentlich wurden die unterschiedlichen Erwartungen und Gestalten in Entwicklungstheorien integriert. Eine erste, vierstufige Theorie bot STARCKY, étapes (1963), vgl. auch SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History II 551f., jüngst wieder aufgegriffen von OEGEMA,

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übersehen werden darf dabei freilich die Tatsache, daß in der Mehrzahl der

Gesalbte (1994), 88.91.98Í.114f.; Oegema unterscheidet aber tatsächlich dann zwei völlig unterschiedliche Phasen der Messiaserwartung: Etwa 150-75 v.Chr. analog zur politischen Situation unter den Hasmonäern die Erwartung verschiedener (königlicher, priesterlicher und prophetischer) messianischer Gestalten mit offener Beschreibung, etwa 75 v.-70 n.Chr. angesichts der Politik des Herodes und der Folgezeit eine Konzentration auf einen königlichmilitärischen Messias (ebd. 99-102.114f.); vgl. nochmals DERS., Expectations 55.63-66.81f., wobei er eine abweichende Zuweisung einzelner Texte vornimmt, was schon die fehlende Eindeutigkeit des Textmaterials andeutet. Eine ganz ähnliche Sicht bei BROOKE, Kingship 451-455; ferner SCHÄFER, Diversity 28-31. - Eine dreistufige Theorie mit Betonung des priesterlichen Elements bietet BROOKE, Messiah (1991). Eine dreistufige Entwicklung des Messianismus in Qumran vom Kollektiv Israels als Gegenstand endzeitlicher Erwartungen über die allein königliche Messiashoffnung bis hin zur Erwartung einer königlichen und einer priesterlichen Messiasgestalt sowie eines endzeitlichen Propheten beschreibt STEGEMANN, Remarks 501-505; er hält es 503f. fur möglich, daß die davidische Messiasvorstellung vom Lehrer der Gerechtigkeit angesichts seiner Kritik an der Herrschaft des Makkabäers Jonathan entwickelt wurde. Neuerdings hat POMYKALA, Tradition 232-246 ein Entwicklungsmodell zur Entstehung der davidischen Messiaserwartung in Qumran vorgelegt, wobei er aufgrund titularer Differenzierung zu dem Ergebnis gelangt, daß eine auf die Tradition der davidischen Dynastie gebaute Messiaserwartung erst in herodianischer Zeit aufgekommen sei; der Titel „Fürst der Gemeinde" sei erst zu dieser Zeit messianisch verstanden worden. Selbst wenn dies richtig wäre, hätte man diese Deutung dann sicher auch auf ältere Texte, die diesen Titel verwenden, übertragen (was auch Pomykala ebd. 244 sieht); eine anhaltende Unterscheidung ist kaum anzunehmen und findet in den Texten keinen Rückhalt. Ohne hier in die Diskussion eintreten zu können, seien zwei Anfragen an den Entwurf von Pomykala formuliert: 1. Lassen sich die endzeitlichen Herrschergestalten wirklich so strikt voneinander abgrenzen? 2. Vollzog sich die Entwicklung messianischer Ideen in Qumran unabhängig von in anderen Schriften bezeugten Strömungen? Kritisch gegenüber Pomykala äußert sich LAATO, Star 286-289. - Kritisch gegenüber einer generellen doppelten Gesalbtenerwartung in Qumran ABEGG, Messiah 143f. - SCHIFFMAN, Reclaiming 326 betont zwei widerstreitende messianische Vorstellungen in Qumran mit einem bzw. zwei Gesalbten. Diese strikte Gegensetzung ist jedoch zu scharf. DERS., Figures 129 trifft eine Unterscheidung zwischen einer restaurativen und einer utopischen Linie der qumranischen Gesalbtenerwartung. Dieses theoretische Konstrukt findet nicht genügend Rückhalt in den Texten. - Zurückhaltend gegenüber der Möglichkeit, eine stufenweise Entwicklung des Messianismus in Qumran rekonstruieren zu können, äußert sich GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 207f., betont aber auch, daß in Qumran keine Beliebigkeit der messianischen Vorstellungen ohne Kohärenz angenommen werden kann. Vorsichtig auch COLLINS, He Shall 160; KNIBB, Messianism 165f.; SCHIFFMAN, Reclaiming 326f.; PUECH, Messianism 238 Anm. 11; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 189; DERS., ThWNT IX 511; CHESTER, Expectations 25. ZIMMERMANN, Texte 451f. gelangt zu dem Ergebnis, daß die Variationen der messianischen Artikulationen im Sinne einer situativen „ A k z e n t v e r s c h i e b u n g " (452) zu verstehen seien, also nicht als einschneidende Entwicklungsstufen; er liefert ebd. 450f. Einwände gegen Entwicklungstheorien und schlägt 452f.479 in der Bewertung der Kohärenz einen Mittelweg vor, der sowohl Pluralität als auch Gemeinsamkeiten berücksichtigt (zur Mehrdeutigkeit des „Messias"-Begriffs ebd. 411); zum breiten Spektrum königlicher Gesalbtenerwartungen in Qumran mit Nähe zu PsSal 17 ebd. 228f.

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Qumran-Schriften bei der Schilderung der Endzeit jede messianische Gestalt völlig fehlt.163 Wenn es auch kaum möglich ist, ein konsistentes System von Gesalbtenerwartungen in Qumran zu rekonstruieren, wird die Existenz einer königlichen Gesalbtenerwartung doch an verschiedenen Stellen deutlich erkennbar. Es läßt sich ein vielfältiges Titelgeflecht zur Artikulation der königlichen Gesalbtenerwartung beobachten. Das Bild des königlichen Gesalbten ist von den Funktionen des militärischen Führers und des Richters geprägt, der freilich der priesterlichen Autorität untergeordnet wird.164 Dabei handelt es sich eindeutig um eine eschatologische Gestalt, die am Ende der gegenwärtigen geschichtlichen Verhältnisse auftritt, um als irdischer Herrscher Heil für die Getreuen und Vernichtung der Gottlosen durchzusetzen. Die davidische Abkunft bestätigt die göttliche Erwählung dieser Figur, die demnach zur Denotation des Titels „Gesalbter" gehört. Auf dem Hintergrund atl bezeugter Priester- und Königssalbung tritt in der Überordnung des priesterlichen Gesalbten ein bemerkenswerter Interpretationsspielraum innerhalb des Gesalbtenbegriffs zutage. Diese Unterordnung des königlichen Gesalbten, der damit nicht mehr die alleinige endzeitliche Autorität auf Erden besitzt, stellt zusammen mit der außerhalb der QumranLiteratur nicht bezeugten Anwendung des Titels „Fürst der Gemeinde" auf diese Gestalt ein Spezi fikum der Qumran-Gemeinde innerhalb des zeitgenössischen Judentums dar. In der Artikulation einer königlichen Gesalbtenerwartung bewegen sich die Qumran-Schriften grundsätzlich auf dem Boden des frühjüdisch Denkbaren, wie ein Vergleich mit PsSal 17 und 18 sowie anderen zeitgenössischen Schriften erweist.165 Die Gesalbtenerwartungen sind biblisch geprägt in Auslegung zentraler Schriftstellen wie Num 24,17, Gen 49,10, 2 Sam 7,11-14, Jes 11,1-5 und Am 9,11. An keiner Stelle freilich wird der davidische Gesalbte direkt als „König" angesprochen. War dieser Titel für Gott selbst reserviert? Die theokratische Orientierung der qumranisch163

Auf das Fehlen eines davidischen Gesalbten in 1QM geht SANDERS, Judaism 296f. ein. Zu den verschiedenen Endzeiterwartungen in Qumran vgl. COLLINS, Expectation 82-88. 164 Vgl. COLLINS, He Shall 153-156 (153: „military leader and judge, but subject to priestly authority"); Collins versteht ebd. 152f. das „Königsrecht" in 11Q19 LVI 12 - LIX 21 als Hintergrund fur die messianischen Vorstellungen, wobei als zentrale Themen der Krieg Israels gegen feindliche Völker und das Gericht erscheinen und der König der priesterlichen Autorität untergeordnet ist; um einen eschatologischen Messias-König handelt es sich dabei aber nicht; dazu DERS., Teacher (1994); dagegen WISE, Critical Study 177. Zur vorrangigen Rriegsaufgabe auch MAIER, Messias 595; ferner LAATO, Star 295f. 165 COLLINS, Jesus 102-107 erkennt eine kohärente Messiaserwartung in den QumranSchriften, die sich in die frühjüdisch bezeugte, relativ einheitliche Erwartung eines königlichen Gesalbten fügt. ZIMMERMANN, Texte 458-463.480 sieht in den Gesalbtenvorstellungen von Qumran keine Randerscheinungen im Frühjudentum, sondern eher eine Spiegelung verbreiteter Ideen.

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essenischen Aufständischen belegen die Masada-Funde, in deren Mittelpunkt die Gottes himmlisches Königtum preisenden Sabbatgesänge stehen.166 Beide messianischen Gestalten wirken innerhalb des Geschichtskontinuums und treten als Repräsentanten des wahren Priester- und Königtums auf.167 Auf dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Verbindung von königlicher und priesterlicher Funktion durch die Hasmonäer erhält die Erwartung zweier gesalbter Gestalten eine kritische Aussage zur aktuellen politischen Situation.168 Seine Wirkmöglichkeit und Bevollmächtigung erhält der königliche Gesalbte aufgrund seines besonderen Verhältnisses zu Gott, aus dem seine Ermächtigung resultiert (vgl. z.B. lQSb V 23). Er erscheint als besonderer Funktionsträger Gottes.

166 Dazu KARRER, Gesalbte 295. Zu Gott als König vgl. z.B. 1QM VI 6; XII 7; XIV 16; 4Q400-407 (= 4QShirShab) (Text: DJD XI [1998], 173-401); 1 lQMelch II 16.23; 4Q427 Fr. 7, I 13.15. Zu den Sabbatliedern, die die Heilsgabe Gottes als Königsherrschaft beschreiben und diese zum Zentralthema erheben (OQShirShab, 4Q400-407, 11Q17) vgl. SCHWEMER, Gott als König (1991), besonders 115-117 (Zusammenfassung); vgl. femer BEJICK, Basileia 187a-187f. Eine Untersuchung der Vorstellung von Gott als König in den Texten von Qumran bietet CAMPONOVO, Königtum 259-307 (der die Vorstellung als bekannt, aber nicht zentral beurteilt). Vgl. ferner FABRY, ThWAT IV 956f. - Nach VAN DER WOUDE, ThWNT IX 510 steht im Denken der Qumran-Gemeinde Gottes Heilsherrschaft im Vordergrund, weshalb die Zeichnung der Gesalbten blaß bleibt; das Fehlen des Titels „König" begründet er ebd. 511 auf dem Hintergrund der dominanten priesterlichen Tradition. Zur dominanten Theokratie vgl. auch BROOKE, Kingship 436.439f.453-455. 167

Dazu VAN DER WOUDE, Vorstellungen 186; HAHN, EWNT III 1152; zur Erwartung zweier messianischer Gestalten in Qumran auch STEGEMANN, Essener 287f.; ZIMMERMANN, Texte 463-466.480; BÖHLEMANN, Jesus 219; COLLINS, Scepter 83; DERS., Messiahs 223227; PUECH, Messianism 237f.; VANDERKAM, Messianism 234; DERS., Dead Sea Scrolls 117f.l77; SCHORER/VERMES/MILLAR, History II 550f.; EVANS, Jesus 124-127; LAATO, Star 292f.298f.; SCHNIEDEWIND, Structural Aspects (1999). Gegen eine gängige Erwartung zweier Gesalbter in Qumran WISE/TABOR, Messiah 60-65. Nach CHESTER, Expectations 21.25 ist ein zwei-Messias-Konzept in der Qumran-Literatur nicht fundamental. - Wenn HAHN, EWNT III 1152, offenbar im Anschluß an VAN DER WOUDE, Vorstellungen 186 (DERS., ThWNT IX 510), jedoch meint, es seien keine übermenschlichen Züge an den messianischen Gestalten nachweisbar, ist Vorsicht geboten, da ihre Kriegstätigkeit über instrumentale Formen verfugt, die menschliches Maß überschreiten, z.B. die Wortmacht in lQSb V 24f. und die Gebetsmacht in 1QM XV 4-14. Nach COLLINS, He Shall 145 betrifft die Messiaserwartung die konkrete Geschichte, die in politischer Hinsicht zugunsten Israels verändert werden soll. TALMON, Concepts 112 versteht die Verbindung von historischer Erfahrung und himmlischgeistlicher Utopie als Charakteristikum der Qumran-Erwartung eines millenniaristischmessianischen neuen Äon. 168 Vgl. COLLINS, Scepter 94f.; OEGEMA, Gesalbte 99-102. Ausführlich schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 217-245. Femer ZIMMERMANN, Texte 446.451.479 (der 453f. den Aspekt der Schrift-Aktualisierung hervorhebt).

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Eine zentrale Inanspruchnahme königlicher (davidischer) Gesalbtenerwartung läßt sich für das Gesamt der Qumran-Schriften nicht nachweisen.169 Eine dominante Rolle des königlich-davidischen Gesalbtenverständnisses zeigt sich im Rahmen der Entwicklung dieser Gemeinschaft aufs Ganze gesehen offenbar nicht. Andererseits spiegeln die deutlichen Hinweise auf den königlichen Gesalbten als der am häufigsten genannten gesalbten Endzeitgestalt das lebendige Bewußtsein dieser Ausprägung von Endzeiterwartung, die also auch innerhalb der Qumran-Gemeinde doch so grundlegenden Einfluß ausübte, daß sie in zahlreichen Schriften zur Sprache gelangte. Wenn, wie in 1QS IX 11, CD XII 23f. u.a., eine kurze titulare Anspielung auf die Gesalbten aus Aaron und Israel genügt, um bekannte, damit verbundene Vorstellungskreise beim Rezipienten wachzurufen, zeigt das einmal eine gewisse Verbreitung der Vorstellung, zum anderen ihre wesentliche Verknüpfung mit der Gesalbten-Terminologie; gleiches gilt für die Termini der Herrschaft über Israel („Fürst der Gemeinde") und der dynastischen Davidsabkunft („Sproß Davids").

4.2 Die Testamente der zwölf Patriarchen Die Erwartung zweier gesalbter Gestalten findet sich in Ansätzen in den TestXII (vgl. TestLev 17f. und TestJud 24), doch ist bei diesem Buch eine exakte Zuweisung zu einer jüdischen Grundschicht aufgrund christlicher Überarbeitung schwierig. Der Text ist in griechischer und armenischer Sprache erhalten, wobei in den griechischen Handschriften die entscheidende Textüberlieferung gefunden wird; der Wert der armenischen Version ist um-

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Vgl. zu dieser Einschätzung KARRER, Gesalbte 248f.259f., der - doch etwas einseitig - nur Anklänge an diese Vorstellung finden kann; vgl. CHARLESWORTH, Messianology 25f.; DERS., Challenging 133; zurückhaltend auch STEGEMANN, Essener 287f.; CHESTER, Expectations 26; BROOKE, Kingship 452.455. Vgl. ausgewogener ABEGG, Messiah 143: „Messianism is an eminent, but not a preeminent topic in the scrolls". Nach COLLINS, He Shall 147f. ist die Messiaserwartung in Qumran verbreitet und so selbstverständlich, daß beiläufige Anspielungen genügen; der königliche Gesalbte besitzt eine wichtige Rolle (163); er weist in DERS., Messiahs 219f. auf das über verschiedene Schriften verbreitete Titelgeflecht hin, stellt aber 214f.227 auch fest, daß eine Gesalbtenerwartung nicht das Zentralprinzip der Gemeinde bildet. Auch GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 174.185.208 hebt die Lebendigkeit und Präsenz der Erwartung eines davidischen königlichen Gesalbten in Qumran hervor, deren Bedeutung in der Fülle der Belege und Kontexte Ausdruck findet. ZIMMERMANN, Texte 127 spricht von „außerordentliche(r) Vitalität der davidisch-messianischen Erwartung innerhalb von Qumran bzw. bei den Essenern".

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stritten.170 Es wird heute allgemein angenommen, daß eine jüdische Urform des Buches bereits vorchristlich existierte, doch ist darüber weder lokal (Nordisrael oder Ägypten) noch zeitlich (2. oder 1. Jh. v.Chr.) ein Konsens erreicht.171 J. Becker geht davon aus, daß die TestXII im 2. Jh. n.Chr. eine christliche Bearbeitung erfuhren und auf eine jüdisch-hellenistische Schrift zurückgehen, deren Grundstock zu Beginn des 2. Jh. v.Chr. entstanden sein dürfte.172 Diese Grunddaten entsprechen im Wesentlichen auch dem Ergebnis der in jüngerer Zeit zum Thema erschienenen Untersuchung von J.H. Ulrichsen,173 wobei die Zuweisung einzelner Texte zu verschiedenen Stadien der Entwicklung, also an bestimmte Interpolatoren, im einzelnen deutlich abweicht. Für meine Fragestellung ist die Beobachtung wichtig, daß Ulrichsen fast alle relevanten Texte als sich sachlich nahestehende „Levi-Juda-Stücke" mit eigenem Charakter erfaßt, der durch Glorifizierung der für Priester- und Königtum stehenden Stämme und den Vorrang Levis bestimmt ist; handelt es sich dabei auch um sekundäre Stücke, so sind sie eindeutig jüdischer (vorchristlicher) Herkunft und im 2. Jh. v.Chr. anzusetzen.174 Das Fragment 170 Daneben existieren eine slawische und eine neugriechische Version, die aber textkritisch weitgehend ohne Bedeutung sind. Zur Thematik vgl. ULRICHSEN, Grundschrift 38-45; DE JONGE, Testaments XI-XLI; BECKER, Testamente 18-21; HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 10-17; ROST, Einleitung 106f. - Nicht mehr eindeutig feststellbar ist, ob die TestXII auf ein semitischsprachiges Original zurückgehen, was neuerdings wieder von ULRICHSEN, Grundschrift 304-314 (vgl. auch ROST, Einleitung 106f.) vertreten wird, oder ob die Schrift ursprünglich in griechischer Sprache abgefaßt war, wovon BECKER, Untersuchungen 169172.235 und passim; DERS., Testamente 25; HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 27-29 ausgehen. Weitere Literatur bei ULRICHSEN, ebd. 304. Nähere Angaben bei OEGEMA, Gesalbte 75f.; vgl. auch POMYKALA, Tradition 246f. mit Anm. 63; ULRICHSEN, Grundschrift 21 f. Zur Forschung vgl. auch COLLINS, Testamentary Literature (1986), 268-276. 172 BECKER, Testamente 23-25. Vgl. ferner OEGEMA, Gesalbte 75f. (mit Anm. 6); CHARLESWORTH, Pseudepigrapha 39f. Zur Schwierigkeit der Entstehung der TestXII auch SCHNAPP, Testamente 459f.; HAHN, EWNT III 1151; KARRER, Gesalbte 340f.343; KNIBB, Messianism 181; ROST, Einleitung 108f. Zur älteren Forschung VAN DER WOUDE, Vorstellungen 191195, der 215 ebenfalls auf christliche Bearbeitung eines jüdischen Buches schließt und wegen der Parallelen zu Qumran-Schriften eine Entstehung der Urform der TestXII in der Qumran-Gemeinde vermutet. Vorsichtig gegenüber der Auswertung der TestXII äußert sich HOFIUS, Jesus 112. - Zur frühchristlichen (weisheitlichen) Gattung des „Testaments" vgl. KÜCHLER, Weisheitstraditionen 415-430; KOLENKOW, Literary Genre 259-267. Auf atl Vorbilder weist NICKELSBURG, Literature 23If. hin. 173 ULRICHSEN, Grundschrift (1991), 27-29.315-319.337-339.343f. 174 So ULRICHSEN, Grundschrift 252-256.324-329.334.343. Er beruft sich u.a. darauf, daß die Problematik des Verhältnisses von Priester- und Königtum eine alte jüdische Thematik darstellt, die schon für Ez 44-46; Sach 4; 6 prägend wurde (327) (vgl. zu diesem geistigen Hintergrund auch BECKER, Untersuchungen 179f.); eine beabsichtigte Kritikfunktion gegenüber der hasmonäischen Ämterkumulation bleibt ihm fraglich (327f.), wobei sicher keine

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4Q541 Fr. 9,1 2-7 bietet Parallelen zu TestLev 18, was die Annahme bestätigt, daß hinter dem christlichen griechischen Text eine jüdische Quelle liegt. Weitere Schlüsse lassen sich daraus nicht ziehen.175 M. de Jonge vertritt hingegen die Hypothese, die TestXII seien christliche Kompositionen des 2. Jh., die auf jüdisches Traditionsmaterial zurückgriffen.176 Entsprechend sei auch nicht von zwei Gesalbtengestalten, sondern nur von dem einen Christus Jesus als der christlichen Retterfigur die Rede.177 Die crux interpretationis besteht in jedem Fall in der Differenzierung zwischen jüdischem und frühchristlichem Gedankengut, wobei die Grenzen traditionsgeschichtlich sicher fließend sind. Daher ist die Auswertung der TestXII von vornherein hypothetisch belastet. Entsprechend kontrovers werden die Gesalbtenerwartungen der TestXII diskutiert,178 so daß an dieser Stelle kaum mehr erreicht werden kann, als einige Elemente einer königlichen Gesalbtenerwartung zu eruieren und damit die Annahme der Existenz solcher traditioneller Vorstellungen zu stützen. Insgesamt stehen in den TestXII ethische Überlegungen im Vordergrund, Verherrlichung der Hasmonäerfürsten angezielt ist (326). Ulrichsen betont ebd. 316 den ursprünglich jüdischen Charakter der TestXII. - Ein Problem seiner stufenweisen Entstehungs-Hypothese besteht in der Annahme zahlreicher Interpolatoren (vgl. ebd. 336: vier oder fünf jüdische, dazu noch mehrere christliche), womit die Signifikanz sprachlicher und inhaltlicher Textmerkmale überlastet wird. - BECKER, Untersuchungen 373.406 verteilt hingegen die Levi-Juda-Stücke auf die (jüdische) Grundschrift und auf (jüdische) Überarbeitungen. 175 Vgl. die Auseinandersetzung bei KNIBB, Messianism 181-184. Zur Vorsicht mahnt auch DE JONGE, Two Messiahs 193. Optimistischer CHARLESWORTH, Pseudepigrapha 38f.; ROST, E i n l e i t u n g 109. 176

DE JONGE, Testaments of the Twelve Patriarchs ( 2 1975), passim; vgl. HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 83-85, wo die Autoren vorsichtiger die Schwierigkeit gesicherter Aussagen dazu festhalten. Nach HOLLANDER, Testaments 73f. ist der christliche Charakter der TestXII vorherrschend, wobei eine jüdische Quellengrundlage besteht. 177 Dazu DE JONGE, Two Messiahs 197f.201f.: Nur das Erscheinen eines Retters, Jesus Christus, wird erwartet, wozu der christliche Autor verschiedene Traditionen über Levi bzw. Levi und Juda benutzt; die verschiedenen atl Anspielungen in TestLev 18 und TestJud 24 seien in frühchristlichen Texten ebenfalls nachweisbar (ebd. 200). Vgl. HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 59-61. - Gerade diese Schriftanklänge sind nun aber in frühjüdischen Schriften zur Darstellung von Gesalbtengestalten verwendet worden, so daß von daher kein Anlaß zur Zuschreibung an einen christlichen Autor besteht. Die Identifizierung Jesu mit Levi und Juda ist als Absicht einer christlichen Bearbeitung deutlich, doch erklärt sich dies gerade dann gut, wenn in der ursprünglichen Fassung der TestXII zwei Heilsgestalten erwartet wurden; die Bearbeitung machte diese beiden Gestalten freilich vielfach unkenntlich. Zu den beiden Figuren Juda und Levi vgl. neben den im Text besprochenen Stellen noch TestSim 7,lf.; TestLev 2,11; TestDan 5,10; TestGad 8,1; TestJos 19,11 (6); TestNaph 8,2. 178

Vgl. die Hinweise bei POMYKALA, Tradition 247f. Nach CHARLESWORTH, Pseudepigrapha 40 und NICKELSBURG, Literature 233f. muß die Fülle messianischer Anspielungen in den TestXII auf christliche Redaktion zurückgeführt werden.

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wobei zur Veranschaulichung Ereignisse aus dem Leben des jeweiligen Patriarchen erzählt werden; zusätzlich ergehen Verheißungen über zukünftige Geschehnisse.179 Einige Hinweise auf Aussagen relevanter Texte genügen, um einen Einblick in die Denkstruktur der TestXII in bezug auf eine Erwartung von Gesalbten und zugleich in die Problematik der Abhebung potentieller christlicher Überarbeitung zu gewähren.180 Zunächst sei darauf hingewiesen, daß in den TestXII eine allein theozentrische Eschatologie durchaus denkbar war, wofür auf TestDan 5,10-12 verwiesen werden kann;181 in V. 12 findet sich ausdrücklich die Bezeichnung Gottes als König für Israel. In TestLev 8,2-10 wird in einer Vision die Einsetzung Levis zum Priester erzählt, wozu eine Salbung mit heiligem Öl (ελαίου άγιοι;) gehört (V. 4). Die Investitur enthält neben priesterlichen Elementen auch königliche (Stab,182 Purpurgürtel, Kranz in 8,4.7.9) und prophetische (Weissagung bzw. Prophetie in 8,2) Anklänge. Für seine Nachkommen wird im Anschluß (VV. 11-15) eine Trennung in drei Amtsgewalten verkündet: das erste Amt ist größer als die anderen (bleibt sonst aber unklar), das zweite ist das Priestertum, das dritte ein König aus Juda (βασιλεύς έκ του Ίουδά), der ein neues Priestertum (!) schaffen wird.183 Eine Erwartung einer gesalbten Endzeitgestalt wird nicht ausdrücklich formuliert, eher bildet der Text eine gedankliche, in Israels Heilsgeschichte situierte Grundlegung einer solchen Hoffnungsmöglichkeit. TestLev 17 spricht vom Priestertum, das sieben geschichtlichen Jubiläen zugeordnet wird und dessen Träger anfänglich noch - mittels Partizipialkonstruktion - als Gesalbte (χριόμενος) bezeichnet werden können (17,2.3).184 179

Zur inhaltlichen und formalen Struktur der einzelnen Testamente vgl. NICKELSBURG, Literature 232f.; ROST, Einleitung 107f. 180 Den Text bietet in deutscher Übersetzung BECKER, Testamente (1974); zu einzelnen Textausgaben vgl. ebd. 29; dazu kommt die neue griechische Ausgabe von DE JONGE (Hg.), Testaments (1978). 181 Zu diesem Text vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 205f. 182 8,4: και εδωκέ μοι ράβδον κρίσεως. THEISOHN, Richter 103 interpretiert den Stab als Gerichtsutensil. Von einem königlichen Attribut sprechen HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 152; weitere königliche Elemente ebd. 152f. Von Stab, Gürtel und Diadem als Zeichen des Königtums Judas ist in TestJud 15,3 die Rede. Als Symbol königlicher Macht dient der Stab auch dem Vollzug des Gerichts. 183 Christliche Bearbeitung ist sehr wahrscheinlich in TestLev 8,14f.; vgl. BECKER, Testamente 53 z.St.; auch ULRICHSEN, Grundschrift 196f.; HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 154; COLLINS, Scepter 91. - THOMA, Redimensionierungen 214 sieht diese Gestalt als „eine teleologische Figur", nicht als Messias, aber „auf der Wegstrecke, an deren Fortsetzung ein Messias auftauchen kann". V A N DER WOUDE, Vorstellungen 213 deutet TestLev 8,14 historisch auf das von David errichtete Priestertum. 184 Die Verse könnten als Teil der kleinen Jubiläenapokalypse (vgl. TestLev 17,1-8) noch in hasmonäischer Zeit entstanden sein; vgl. KARRER, Gesalbte 168; zum Hintergrund ebd.

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Diese Salbung zum Priestertum ruft durch die partizipiale Substantivierung des Verbs χρίω den Gedanken an einen ursprünglichen Salbungsvollzug wach. Die geschichtliche Erscheinung des Priestertums ist laut der Geschichtsinterpretation in TestLev von einem ständigen Niedergang geprägt, bis es schließlich an sein Ende gelangt (18,1). Sodann ersteht eschatologisch nach TestLev 18 ein neuer Priester (lepeùç καινός), der auf Erden ein wahrhaftiges Gericht halten und eine Zeit des Friedens und Heils aufrichten wird. Wenngleich er nicht als Gesalbter tituliert wird, bedient sich seine Charakterisierung besonders in 18,3 einer königlichen Gesalbten-Motivik, die seine Klassifizierung als Gesalbter auf dem Hintergrund bereits eruierter frühjüdischer Hoffnungen nahelegt.185 Die Rede vom „Stern" (αστήρ) und vom „König" (βασιλεύς) in 18,3, die an Num 24,17 erinnert, wird im Verdacht christlicher Interpolation beurteilt.186 Andererseits ist ein frühjüdisches mes-

168-170. Dazu MÜLLER, Messias 79-81. Vgl. auch OEGEMA, Gesalbte 79f., der VV. 1.11c einer späteren Redaktion zuweist; die Verbindung von priesterlichem und königlichem Amt (in Kap. 18) findet ihren historischen Hintergrund in den Herrschern der Hasmonäerdynastie (ebd. 80f.). An die Entartung des Priestertums zur Hasmonäerzeit denkt auch MÜLLER, Messias 79f. (der VV. lOf. als Nachtrag wertet). ULRICHSEN, Grundschrift 202-204 beurteilt Kap. 17 ganz als sekundär. Vgl. BECKER, Untersuchungen 288-290. 185 MÜLLER, Messias 79 spricht vom „priesterlichen Messias"; vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 210-214, der den Messias aus Levi angesprochen sieht und mit dem endzeitlichen Hohenpriester - parallel zur Erwartung in Qumran - identifiziert. Messianisch deutet auch CHESTER, Expectations 37. HAHN, Hoheitstitel 283 will „die Übertragung vereinzelter Motive der königlichen Messianologie" nicht als Charakteristikum der Gestalt verstanden wissen. Die Verbindung von priesterlichen und königlichen Elementen hält auch HULTGÄRD, Levite 105 fest, doch geht seine Rekonstruktion einer eigenen Gestalt eines „saviour priest" (104-106) zu weit. NICKELSBURG, Literature 237 beschreibt den eschatologischen Priester mit sprachlichen Ausdrucksformen für den davidischen König gezeichnet, so daß zwei eschatologische Figuren zu einer kombiniert seien. 186

V g l . BECKER, T e s t a m e n t e 6 0 ; OERS., U n t e r s u c h u n g e n 2 9 6 . ULRICHSEN, G r u n d s c h r i f t

204f.315 bewertet das ganze Kap. 18 als sekundär (christliche Komposition auf der Basis eines jüdischen Grundstocks); vgl. auch HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 63.179. Zum Text auch KARRER, Gesalbte 341 Anm. 25. - Eine vorchristliche Urform TestLev 18,2-9 nimmt OEGEMA, Gesalbte 80 an. Vorsichtig gegenüber einer christlichen Interpolation in V. 3 zeigt sich VAN DER WOUDE, Vorstellungen 212f. Vgl. CHESTER, Expectations 37, der von einem genuin jüdischen Text ausgeht. Zu einer (jüdischen) Bearbeitung vgl. HULTGÀRD, Levite 101. COLLINS, Scepter 89.92 betrachtet die priesterlichen Elemente als ursprünglich jüdischen Bestandteil. - In TestRub 6,8 ist mit dem Hinweis auf Christus als Hohepriester eine christliche Bearbeitung deutlich, weswegen Aussagen über einen möglichen gesalbten Hohepriester nicht möglich sind. Zum Nachweis christlicher Interpolation vgl. BECKER, Untersuchungen 197ff.; DERS., Testamente 39; auch ULRICHSEN, Grundschrift 76-78. Zu einer Nennung eines gesalbten Hohepriesters in TestRub 6,8 vgl. KARRER, Gesalbte 342; BÖHLEMANN, Jesus 219f.; KUHN, Messias 172; DE JONGE, ThWNT IX 503f.; HOLLAN-

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sianisches Verständnis von Num 24,17 bereits durch Qumran-Texte bezeugt (z.B. CD VII 18-21) und kann so durchaus vorchristlich eingeordnet werden. Zu dieser priesterlichen Endzeitgestalt treten königliche Züge, wozu neben der Stern-Symbolik die Gerichtsfunktion187 und die Errichtung einer Zeit des Friedens und des Heils auf Erden zu rechnen sind; im Zuge dieser Heilszeit wird Gott für die Heiligen selbst die Tore des Paradieses öffnen (18,10f.).188 Auch ein in Qumran-Fragmenten erhaltenes, teilweise rekonstruierbares aramäisches Levi-Dokument belegt die Anwendung königlicher Terminologie auf die Figur Levis.189 In TestRub 6,11 f. ist von einer Herrschaft über das ganze Volk und der Funktion eines „ewigen Königs" (βασιλεύς αιώνων) die Rede, doch ist das Subjekt der Aussagen nicht eindeutig bestimmbar: Für Juda spricht die Erwähnung Judas unmittelbar zuvor in V. II,190 für Levi der Duktus des ganzen Abschnitts 6,5-12, wo Levi im Vordergrund steht (vgl. besonders VV. 8.10).191 Eine königliche Herrschaftsfunktion ist in jedem Fall deutlich,192 wobei diese der königlichen Gesalbtenerwartung entsprechen könnte.193 DaDER/DE JONGE, Testaments 107. Zu einer adjektivischen Übersetzung vgl. die Angaben bei CHARLESWORTH, Messianology 17 Anm. 40. 187 THEISOHN, Richter 104 sieht zu Unrecht eine Spannung zur Vorstellung des königlichen Richtens; dies rührt daher, daß er messianische Charakteristika allein aus Jes 11 (!) gewinnt. Königliche Motive bemerkt auch DE JONGE, ThWNT IX 504. - Nach TestSim 5,5 fuhrt Levi den Krieg des Herrn, doch anders als bei der königlichen Gesalbtenerwartung richtet sich die Kriegsgewalt hier nicht gegen die Heiden, sondern gegen die Söhne Simeons. Liegt darin ein Hinweis auf christliche Bearbeitung? Eine solche nimmt (aus anderen Gründen) ULRICHSEN, Grundschrift 81 an. 188 In TestLev 18,2.4f.7 zeigen sich Anklänge an Jes 11,2-4.9, womit auf einen messianisch interpretierten Text zurückgegriffen ist; dies stützt meine These der Verwendung königlicher Gesalbten-Motive. Zu den Anklängen an Jes 11 vgl. THEISOHN, Richter 104-106. NICKELSBURG, Literature 237 ordnet die kosmischen Funktionen (Öffnung des Paradieses, Bindung Belials) dem endzeitlichen Priester zu. Doch erscheint letztlich Gott selbst als Handelnder. 189 So 1Q21 Fr. 1 das Syntagma ΚΓΤΠΓΟ ΠΌ^Ο. Vgl. GREENFIELD/STONE, Remarks 219. 2 2 3 ; DE JONGE, T w o M e s s i a h s 1 9 6 ; HOLLANDER/DE JONGE, T e s t a m e n t s 6 0 . - Z u m g e g e n -

wärtigen Stand der Rekonstruktion eines aramäischen Levi-Dokuments aus Qumran (zu dem u.a. 1Q21, 4Q213 und 4Q214 zählen) vgl. FITZMYER, Aramaic Levi Document 453-459. Text der entsprechenden Fragmente aus Höhle 4 (u.a. 4Q213.214) in DJD XXII (1996), 1-71. 190 Für Juda entscheidet BECKER, Testamente 39. Dafür kann die Parallele 1 Chr 28,4 herangezogen werden (vgl. Anm. 193); ein Niederfallen vor Juda ist in Gen 49,8 verbalisiert. 191

D E JONGE, TWO M e s s i a h s 195 A n m . 2 0 d e u t e t a u f L e v i ; v g l . HOLLANDER/DE JONGE,

Testaments 58.107f. 192 Vgl. zu den königlichen Elementen auch HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 58.107f. 193 Schwer zu beurteilen ist die mit dem König verbundene Aussage seines „Sterbens in sichtbaren und unsichtbaren Kriegen" (άποθανείται έν ττολέμοις ορατοί? και α ο ρ ά τ ο υ ; V.

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bei wird die Erwählung zum König über das ganze Volk (ÖTL έν αύτώ έξελέξατο κύριος βασιΧευσαι πάντων των Χαών; V. 11) ausdrücklich genannt, was an atl Aussagen über die königliche Erwählung Davids erinnert.194 In einer gewissen Parallelität zu TestLev 18 kündigt TestJud 24,5 in den Bildern eines „Szepters des Königtums" (σκήτττρον βασιλεία?) Judas und eines „Sprosses" (πυθμήν) an der Wurzel (ρίζα) Israel einen endzeitlichen König an. Die relevanten Verse lauten übersetzt:195 (5) Dann wird das Szepter meines Königtums aufleuchten, und an eurer Wurzel wird ein Sproß entstehen. (6) Und durch ihn wird ein Stab der Gerechtigkeit den Völkern heraufkommen, zu richten und zu retten alle, die den Herrn anrufen.

Bereits in TestJud 1,6 ergeht die Verheißung an Juda, er werde König sein und ein gelingendes Leben erfahren; in 17,5f. erwächst Judas Gewißheit, am Beginn des Königtums zu stehen, aus dem Segen Abrahams und Isaaks.196 Der „Sproß" klingt hörbar an die atl Königsverheißungen Jes 11,1; Jer 23,5; 33,15 an, doch erinnern „Sproß" und „Szepter" auch an Gen 49,9f., das „Szepter" überdies an Num 24,17 (LXX). Der so verheißene Endzeitkönig agiert als „Stab (ράβδος) der Gerechtigkeit" auf der Basis seiner herausragenden Eigenschaft der Gerechtigkeit und tritt zum Gericht und zur Rettung derer, die den Herrn anrufen, auf (24,6).197 Die verwendete Symbolik wie die angekündigte Tätigkeit des Königs tragen messianische Konnotationen, wenngleich keine Gesalbten-Terminologie Verwendung findet. Die vorausgehenden Verse 24,1-4, die den aufgehenden „Stern aus Jakob" (24,1) näher beschreiben, sachlich freilich in etlichen Gedanken auffallende Übereinstim12). Das Kriegsmotiv gehört wesentlich zur königlichen Gesalbtenerwartung, und auch das Sterben des Gesalbten ist frühjüdisch bezeugt in 4 Esr 7,29, doch stirbt der Gesalbte nicht im Krieg, sondern erst nach der von ihm errichteten Heilszeit; im Krieg pflegt er siegreich zu bleiben. Auch der „unsichtbare" Krieg ist untypisch. So wird man die Motivik doch eher einer christlichen Bearbeitung zuschreiben wollen. So jedenfalls BECKER, Testamente 39; DERS., Untersuchungen 201f.; ULRICHSEN, Grundschrift 76f. Christliche Parallelen bei HOLLANDER/DE JONGE, T e s t a m e n t s 1 0 8 . 1,4 Und mittels des Verbs εκλέγω verbale Anklänge an den LXX-Text aufweist, vgl. 2 Sam 6,21; 1 Kön 8,16; 1 Chr 28,4 (die wörtlich nächste Parallele bietet letzterer Text: και έξελέξατο κύριος ό θεός Ισραήλ εν έμοί ... είναι βασιλέα έπί Ισραήλ εις τον αιώνα). Dazu HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 107. Man beachte die ungewöhnliche Formulierung mit ev. In 1 Chr 28,4 wird unmittelbar anschließend die Königsherrschaft des Hauses Juda genannt, was für eine Identifizierung des Königs aus TestRub 6,11 f. mit Juda spricht. 195 Übersetzung in Anlehnung an BECKER, Testamente 77. 196 „Isaak" liest die Ausgabe von DE JONGE (Hg.), Testaments 71. Anders bietet BECKER, Testamente 73 „Jakob". 197 Zum „Stab" und einer korrelierten Gerichtsfunktion vgl. Jes 11,4. Weitere Parallelen zu Jes 1 1 , 1 - 1 0 findet THEISOHN, Richter 1 0 6 - 1 0 8 .

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

mungen mit der christlichen Jesus-Überlieferung aufweisen, dürften als christlicher Nachtrag einzuschätzen sein.198 Einige Bilder könnten dabei der königlichen Gesalbtenerwartung entnommen sein, so in 24,1 die „Stern"-Metaphorik, die in Num 24,17 grundgelegt ist, oder das Motiv der Sündlosigkeit, das auch in PsSal 17,36 begegnet. In dem Zusatz 24,4 ist ein bekanntes Bild der königlichen Gesalbtentradition, deren Überlieferung hier unabhängig von der Frage nach jüdischem oder christlichem Gebrauch199 bezeugt ist, enthalten,200

198 Die Verse enthalten Motive, die vorchristlich nicht nachweisbar sind. Vgl. B E C K E R , Testamente 76f. (24,1-4 christlich); C O L L I N S , Scepter 91f. (24,1-3 christlich); O E G E M A , Gesalbte 209 (24,1-3/4 christlich); D E JONGE, ThWNT IX 504 (24,1-3 christlich). U L R I C H S E N , Grundschrift 174 bewertet Kap. 24 als ganzes als christliche Komposition: während seiner Ansicht nach in W . 5f. ein bearbeitetes jüdisches Original vielleicht noch erkennbar ist, scheinen VV. 1-4 original christlich. Auch H O L L A N D E R / D E J O N G E , Testaments 63.227Í. sehen Kap. 24 ganz christlich. Nach H O L L A N D E R , Testaments 89f. ist TestJud 24,1-6 auf Jesus Christus bezogen, wofür eine Reihe atl Stellen spreche, die in der frühen Kirche auf Christus angewandt wurden; besonders in VV. 1-4 sind christliche Elemente beherrschend. Es ist daher Vorsicht gegenüber der Annahme zweier messianischer Gestalten in diesem Text (24,l-4.5f.) geboten; vgl. aber B Ö H L E M A N N , Jesus 221, der den „Stern aus Jakob" (24,1) und den „Herrscherstab" aus Juda (24,5) differenziert. Beide Symbolisierungen werden mit dem Bild des „Sprosses" verbunden, was ebenso wie die jeweils korrelierte Nennung der „Gerechtigkeit" auf Identität weist. Auch V A N D E R W O U D E , Vorstellungen 207-209 unterscheidet an dieser Stelle zwei Gestalten, einen Messias aus Levi und einen Messias aus Juda, und verweist dafür u.a. auf einen durch τότε in V. 5 erkennbaren Einschnitt. Das τότε kann freilich ohne Schwierigkeit auf die Schilderung der Heilszeit in W . 1-4 bezogen, d.h. zeitlich gleichgesetzt, werden, so daß kein sinnwechselnder Neueinsatz sichtbar ist. Gegen zwei Gestalten auch C O L L I N S , Scepter 92. - Eine Redaktion in 24,1-3 nimmt auch H U L T G A R D , Levite 102f. an; er ordnet diese ebd. 104f. einer jüdischen Bearbeitung zu und sieht eine spezielle Heilsgestalt angesprochen, die er „saviour priest" nennt (vgl. 104-106). Die angeblich unterscheidenden Merkmale dieser Gestalt (ebd. 106) lassen sich problemlos aus der königlichen Gesalbtenerwartung erklären; das Postulat eines vermeintlichen Einflusses hellenistischer Herrscherverehrung (vgl. ebd. 106f.) auf die frühjüdische Gesalbtenerwartung übersieht völlig die antihellenistisch-römische Tendenz dieser Traditionen, die als Antwort auf politische Mißverhältnisse sozialgeschichtlich bedingte Anwendung findet. D E J O N G E , Two Messiahs 201 wertet zwar die Benennung der Heilsgestalt als „saviour priest" positiv, kritisiert aber die fehlende Verifizierbarkeit der Hypothese über die Stufen der Entstehung der TestXII. Eine jüdische Überarbeitung hält auch D U L I N G , Promises 67 für möglich. P O M Y K A L A , Tradition 252 klassifiziert die ganze Passage 24,1-6 als christlich, doch übersieht er dabei, daß gerade die in W . 5f. genannten Termini häufig in jüdischen Darstellungen endzeitlicher Heilsgestalten Verwendung finden. 199 Der Verdacht christlicher Bearbeitung macht den Text freilich für die Auswertung hinsichtlich der historischen Verhältnisse im 1. Jh. wenig brauchbar. 200 Dazu auch H U L T G A R D , Levite 9 6 , der den Vers einer jüdischen Textschicht zuweist und die Erwartung eines davidischen Messias expliziert sieht. Anders P O M Y K A L A , Tradition 251 f.

Der herrscherliche Gesalbte innerhalb der Erwartung zweier messianischer Gestalten

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wenn vom „Sproß des höchsten Gottes" (βλαστός θεού ύψιστου; vgl. Gen 49,9) die Rede ist. Eine Verbindung der beiden Aspekte Priestertum aus Levi und Königtum aus Juda, die je einzeln in TestLev 18 und TestJud 24 zur Sprache kommen, findet sich in TestJud 21,1-4, wo das Priestertum Levis und das diesem untergeordnete Königtum Judas unterschieden werden.201 So sagt 21,2-4 der Sprecher Juda:202 „(2) Denn mir gab der Herr das Königtum (βασιλεία), jenem das Priestertum (ιερατεία), und er ordnete das Königtum dem Priestertum unter. (3) Mir gab der Herr das auf Erden, jenem das im Himmel. (4) Wie der Himmel die Erde überragt, so überragt das Priestertum Gottes das Königtum auf Erden, wenn es nicht durch eine Sünde vom Herrn abfallt und vom irdischen Königtum beherrscht wird."

Diese Unterscheidung läßt sich kaum aus christlichem Interesse erklären, sondern zeigt einen jüdischen Sitz im Leben: Die in V. 4 an die Priesterschaft ergehende Warnung, die eine Unterordnung unter das Königtum als Abfall vom Herrn - und damit vom eigentlichen priesterlichen Auftrag der JahweVerehrung - interpretiert, versteht sich gut als Kritik an den hasmonäischen Bestrebungen zur Vereinigung königlicher und priesterlicher Funktion.203 Eine eschatologische Bedeutung der genannten Differenzierung und eine Gesalbten-Titulierung der Gestalten werden freilich nicht erkennbar, so daß es sich offenbar in erster Linie um eine Reflexion über reale geschichtliche Verhältnisse handelt. Daß dabei eine eschatologische Motivation im Hintergrund steht (bzw. später verbunden werden konnte), braucht nicht ausgeschlossen zu werden. Die anschließend geschilderte Depravation des geschichtlichen Königtums Israels bis hin zu dessen Ende (21,6-22,2a) befaßt sich mit Ereignissen auf der historischen Ebene. Danach erfolgt eine heilsgeschichtliche Wende (22,2b.3), wenn nach dem Untergang des Königtums das „Heil Israels" (το σωτήριον ' Ισραήλ) ersteht.204 Dieses wird von V. 3 her qualifiziert, 201

Wie BÖHLEMANN, Jesus 221 hier von „zwei messianische(n) Gestalten" zu sprechen, ist terminologisch vom Text, in dem keinerlei Gesalbten-Prädikation begegnet, her nicht gerechtfertigt. 202 Übersetzung nach BECKER, Testamente 74; die Verszählung entspricht der Textausgabe von DE JONGE (Hg.), Testaments 74. 203 Dazu COLLINS, Scepter 90. ULRICHSEN, Grundschrift 17 lf. sieht nur fur V. 4b einen ganz allgemeinen geschichtlichen Hintergrund, nämlich das Problem der Käuflichkeit hoher Priesterämter, das seit Antiochos Epiphanes bestehe; 21,l-4a scheidet er als Levi-Juda-Stück aus. Dieses Vorgehen scheint mir unbegründet, da es die Möglichkeit, eine Spannung zwischen Priester- und Königtum im Judentum des 1. Jh. v.Chr. zu verorten, völlig außer acht läßt. 204

Einige Syntagmen in 22,2 tragen christliche Prägung, wenn von der παρουσία des Gottes der Gerechtigkeit und „allen Völkern" gesprochen wird. Vgl. BECKER, Testamente 75. Die königliche Verheißung Judas wird christlich als in Jesus mit universaler Wirkung

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wo von der göttlichen Zusage des ewigen Bestandes des Königtums Judas in Anklang an Gen 49,10 und 2 Sam 7,16 die Rede ist.205 So vermag der fiktive Sprecher Juda in TestJud 22,3 zu sagen:206 (3) Und er wird die Macht meiner Königsherrschaft (βασιλεία) bewahren bis in Ewigkeit. Denn durch einen Eid schwor mir der Herr, er werde meine Königsherrschaft von meinem Samen nicht verschwinden lassen alle Tage, bis in Ewigkeit.

Es liegt nahe, darin eine Anspielung auf die königliche Gesalbtenerwartung zu sehen, was dem Textduktus entspricht: nach dem Verfall des irdischen Königtums richtet sich Israels Hoffnung auf einen zukünftigen König, der einen Heilszustand herstellt, wobei biblisch fundierend auf die von Gott durch einen Eid zugesicherte dynastische Davidsverheißung rekurriert wird (vgl. analog PsSal 17,4). Das Fehlen einer explizit genannten Gesalbtengestalt legt den Akzent auf den Heilszustand unter einer legitimen Königsherrschaft. TestSim 7,1 mahnt zum Gehorsam gegenüber Levi und Juda, was mit deren von Gott intendierter Heilsfunktion begründet wird. 7,2 verheißt anschließend einen Hohepriester aus Levi und einen König (βασιλεύς) aus Juda, wobei die Bezeichnung des Königs als „Gott und Mensch" (θεός και άνθρωπο") und der Hinweis auf die Rettung aller Völker in syntaktischer Stellung vor der Rettung Israels christliche Gedanken wiedergeben, so daß in V. 2 mit christlicher Interpolation gerechnet werden muß. Testiss 5,7f. mahnt wiederum zum Gehorsam gegenüber Levi und Juda, da Gott selbst diese verherrlichte und (durch Losentscheid; vgl. die Verbform έκλήρωσεν in V. 7) für den einen das Priestertum, für den anderen das Königtum bestimmte.207 Eine endzeitliche erfüllt verstanden. Scheidet man die entsprechenden Phrasen aus, bleibt ein Text, dessen Vorstellungen sich - gerade auch auf dem Hintergrund einer königlichen Gesalbtentradition - als genuin jüdisch verstehen lassen. 205 Die Königsverheißung an Juda in TestJud 22,2f. wird nicht ausdrücklich messianisch gedeutet, wiewohl Anspielungen auf die Davids-Tradition erkennbar sind; zudem ist die jüdische Herkunft unsicher, da christliche Einflüsse sichtbar sind. Vgl. zu diesem Text POMYKALA, Tradition 252-255. ULRICHSEN, Grundschrift 172f. scheidet 21,7-22,2 (die eine extrem königsfeindliche Tendenz aufweisen) aus der Grundschrift von TestJud (das in Kapp. 1-20 keine königsfeindlichen Spuren zeigt) aus; bzgl. V. 3 (Bestand des Königtums) ist er sich entsprechend unsicher. 206 Übersetzung von mir nach dem griechischen Text bei DE JONGE (Hg.), Testaments 75; vgl. die Version von BECKER, Testamente 75. 207 Vgl. zu den Texten BÖHLEMANN, Jesus 220.222. BECKER, Testamente 45 vertritt für TestSim 7,2 christliche Interpolation; vgl. ULRICHSEN, Grundschrift 83f. (bzgl. des sekundären Charakters von Testiss 5,7f. ebd. 125); für die genannten Elemente in V. 2 auch VAN DER WOUDE, Vorstellungen 199f. Christliche Gedanken erkennen HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 59.126. - CHARLESWORTH, From Jewish 231 sieht in TestSim 7,2 eine doppelte Gesalbtenerwartung angedeutet.

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Beanspruchung beider Gestalten tritt nicht zutage. So wird in diesen Texten zwar eine Verbindung von Priestertum Levis und Königtum Judas sichtbar, jedoch ohne eschatologische Konsequenzen, so daß bestenfalls von einem allgemeinen geistigen Hintergrund für potentiell sich entwickelnde Gesalbtenhoffiiungen gesprochen werden kann. Die besondere Stellung von Levi und Juda drückt TestDan 5,4 dadurch aus, daß die Auflehnung der anderen Stämme gegen die beiden erfolglos sein muß, da ein Engel des Herrn ihre Führung übernimmt und ihren Bestand gewährleistet.208 Der in TestNaph 5,3-5 erzählte Traum beschreibt die Vorrangstellung von Levi und Juda gegenüber ihren Brüdern, wobei Levi mit der Sonne und Juda mit dem Mond als Sternbilder identifiziert werden. Anschließend erhält Levi zwölf Palmzweige (βάια φοινίκων δώδεκα), was möglicherweise messianische Symbolik birgt.209 V. 5 betont im Zueinanderlaufen und gegenseitigen Festhalten von Levi und Juda deren Zusammengehörigkeit. Eine Endzeitaussage oder Gesalbtenerwartung werden in diesem Text vielleicht vermittelt über die symbolische Funktion der Palme sichtbar. - Als letzter Text sei abschließend TestJos 19,8f.l2 210 zitiert:211 (8) Und ich sah: aus Juda wurde eine Jungfrau geboren; sie trug ein Gewand aus Byssus. Und aus ihr ging hervor ein unbeflecktes Lamm (αμνός άμωμος), und zu seiner Linken war etwas wie ein Löwe. Und alle wilden Tiere stürmten gegen es, aber das Lamm be208 Zum sekundären Charakter von TestDan 5,4 vgl. U L R I C H S E N , Grundschrift 103.105f. - Den Text οτι έν αύτοίς στήσεται. ' Ισραήλ (V. 4fin) überträgt B E C K E R , Testamente 95 im Hinblick auf die Stellung Israels passiv („ ... wird ... Bestand haben"), H O L L A N D E R / D E J O N G E , Testaments 285 hingegen aktiv („because Israel will stand by them"). Faßt man Ö T I explikativ, garantiert jedenfalls dia göttliche Zuwendung mittels des Engels den Bestand Israels unter Führung von Priester und König. 205 Vgl. V O N G E M Ü N D E N , Palme 90, die ebd. Anm. 39 auf die messianische Symbolik der Sonne nach TestLev 18,2-4 hinweist. - H U L T G A R D , Levite 95 sieht ein politisches und religiöses Programm im Hintergrund, wobei die Hoffnung auf Restauration des davidischen Königtums durch einen Messias, den die Gestalt Judas symbolisiert, bedeutsam werde. Von Interpolation des Textes (des ganzen Abschnitts 5,1-8,3) geht U L R I C H S E N , Grundschrift 148f.l59f. aus, wobei er zum Vergleich die hebräische Fassung des TestNaph heranzieht. H O L L A N D E R / D E J O N G E , Testaments 311 verstehen im Blick auf 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7 (Offb 7,9; Joh 12,13) die Palmzweige als Symbol für Triumph und Sieg; die zwölf Strahlen zu Füßen Judas bezeichnen königliche und weltweite Herrlichkeit (vgl. JosAs 5,6). 210 So die Verszählung bei B E C K E R , Testamente 129. Nach D E J O N G E (Hg.), Testaments 165: TestJos 19,3f.7; vgl. auch H O L L A N D E R / D E J O N G E , Testaments 406f. Der längere Einschub der armenischen Version nach 19,2 ist nach einhelliger Meinung sekundär. 211 Text von W . 8f. nach B E C K E R , Testamente 129. Für V. 12 orientiert sich Becker (ebd. 130) an der armenischen Version. Meine Übersetzung legt den griechischen Text bei D E J O N G E (Hg.), Testaments 165 zugrunde, denn der Gedanke einer ewigen Königsherrschaft ist der königlichen Gesalbtenerwartung keineswegs fremd (vgl. PsSal 17,4.35) und braucht deshalb nicht als christliche Interpolation ausgeschieden werden.

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siegte sie und vernichtete sie bis hin zur Zertretung. (9) Und über es freuten sich die Engel und Menschen und die ganze Erde. ... (12) Denn seine Königsherrschaft (βασιλεία) ist eine ewige Königsherrschaft, die nicht ins Wanken gerät....

Züge der königlichen Gesalbtenerwartung finden sich auch in diesem Text, wo A. Hultgârd im Vergleich von griechischer und armenischer Textform auf einen ursprünglichen jüdischen Text schließt, der eine geläufige davidische Gesalbtenhoffnung enthalte.212 Die Unsicherheiten einer solchen Deutung liegen im Fehlen von Gesalbten-Terminologie und im naheliegenden Verdacht christlicher Überarbeitung, worauf die Motive von „Jungfrau" und „Lamm" deuten.213 Der Löwe symbolisiert nach Gen 49,9f. Juda. Die kriegerische Vernichtung der Feinde erinnert an die königliche Gesalbtenerwartung, die auch in V. 12 im Gedanken einer dauerhaften Königsherrschaft anklingt. Insgesamt liegt christliche Bearbeitung eines ursprünglich jüdischen Textes nahe, der eine königliche Heilsherrschaft aus Juda erhoffte. Damit läßt sich ein Fazit formulieren. Eine Entfaltung einer doppelten Gesalbtenerwartung ist dem Grundstock der TestXII, soweit aufgrund der christlichen Bearbeitung noch erkennbar, trotz der Hervorhebung des levitischen Priestertums und des Königtums aus Juda nur mit Vorsicht zu entnehmen.214 Zu selten begegnet explizite Gesalbten-Terminologie, wohingegen eine Trennung von Priester- und Königsamt nicht zu übersehen ist. Der jüdische Grundstock der Texte dürfte in TestLev 18 einen eschatologischen Priester, in TestJud 24 einen eschatologischen König enthalten und deren Erwartung angenommen haben. Daß eine möglicherweise vorchristlich vorhandene Grundstruktur einer zweifachen Gesalbtenerwartung im Zuge der christlichen Bearbeitung, die an der einen Heilsgestalt Christi orientiert war, teilweise verlorenging, ist durchaus wahrscheinlich. Daher sind Rückschlüsse auf diese 212 HULTGARD, Levite 96-99. POMYKALA, Tradition 250 widerlegt dessen Argumentation überzeugend. Einer Bevorzugung der armenischen Version gegenüber gilt größte Vorsicht. 2,3 Zur Sündlosigkeit des Lammes vgl. 1 Petr 1,19, aber auch schon PsSal 17,36. Zur potentiell christlichen Gestalt des Textes vgl. POMYKALA, Tradition 250f.; BECKER, Testamente 129; ULRICHSEN, Grundschrift 116f., der fur den ursprünglichen Text von 19,8 eine messianische Deutung der Immanuel-Weissagung Jes 7,14 erwägt. Die Stelle Jes 7,14 wird freilich in der (außerchristlichen) frühjüdischen Literatur nirgends messianisch interpretiert. Schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 201-204 machte christliche Bearbeitung für die Passage TestJos 19,8-12 (und TestBen 11,1 f.) wahrscheinlich. 214 Vgl. zurückhaltend BECKER, Testamente 28; DE JONGE, Two Messiahs 201f.; HOLLANDER/DE JONGE, Testaments 60f. BÖHLEMANN, Jesus 222 erkennt dagegen die Vorstellung von zwei Messias-Gestalten; vgl. schon KUHN, Messias 171-173 und VAN DER WOUDE, Vorstellungen 215f. (195-214); auch COLLINS, Scepter 92; DULING, Promises 66f. ABEGG, Messiah 144 versteht die dualen Phänomene in Parallele zu den Qumran-Schriften, nicht als christliche Bearbeitung. Vgl. zur Übereinstimmung mit Qumran-Texten auch HAHN, Hoheitstitel 149; VAN DER WOUDE, Vorstellungen 215f.; NICKELSBURG, Literature 233.

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ursprüngliche Denkstruktur aufgrund der noch erhaltenen Hinweise prinzipiell begründet, im einzelnen freilich äußerst hypothetisch. Eine christliche Tilgung von xpLaTÓs-Titulierungen in bezug auf atl Stammvätergestalten ist gut vorstellbar, da christlich allein Jesus von Nazaret mit diesem Titel interpretiert wurde. Trotz der gegebenen Schwierigkeiten liefern die TestXII ein weiteres Zeugnis für die (sowohl vorchristlich im Judentum als auch christlich) existierende Vorstellung des symbolisch mit Szepter und Sproß repräsentierten endzeitlichen (gesalbten) Königtums, das nach dem Gerichtsvollzug eine Heilszeit für die Gläubigen beinhaltet. Angesichts des Fehlens des „Gesalbten"-Titels möchte man im Hinblick auf die unbestreitbar vorhandenen königlichen Elemente in der Gestaltung und der Zukunftsperspektive der TestXII vielleicht eher von einer „Heilskönigserwartung" sprechen. Dabei fallt freilich auf, daß eine solche Erwartung nirgends ausführlich entfaltet wird, sondern nur an einigen Stellen kurz genannt oder lediglich angedeutet ist. Diese Beobachtung weist auf die Existenz einer verbreiteten Vorstellung eines Heilskönigs, die durch die kurzen Hinweise evoziert werden kann. Sucht man nach inhaltlichen Möglichkeiten fur eine solche Vorstellung, stößt man unwillkürlich wieder auf die königliche Gesalbtenerwartung, mit deren zentralen Motiven die TestXII an einigen Stellen übereinstimmen. Entweder wurde das Gesalbtenprädikat vom Verfasser absichtlich nicht im Zusammenhang mit einem König aus Juda verwendet,215 oder aber ein christlicher Bearbeiter strich Gesalbtenbezeichnungen für jüdische Stammvätergestalten bzw. deren Deszendenten, da alleine Christus der ehrenvolle Titel gebührt.

2,5 Dann fragt man sich freilich nach dem Grund fur diesen Verzicht. Daß der Verfasser den Titel nicht kannte, scheint wegen des Gebrauchs der Salbungsvorstellung in TestLev 17,2f. unwahrscheinlich. Eher schon wäre eine Distanzierung gegenüber politischen Strömungen denkbar. Die vielen Probleme um die Entstehung der TestXII gewähren hier keinen Einblick.

5. Mangelnde Evidenz: Die Sibyllinischen Orakel Nicht hinreichend deutlich wird eine messianische Identität endzeitlicher Heilsgestalten, die an wenigen Stellen innerhalb der Sib auftreten. Möglicherweise lassen sich dabei Anklänge an eine königliche Gesalbtenerwartung feststellen. Die für diese Thematik einschlägigen Textpassagen finden sich in den Büchern drei und fünf der Sib, die innerhalb des für meine Arbeit maßgeblichen Untersuchungszeitraumes liegen. Diese Bücher verraten weitgehend jüdische Herkunft.1 Buch 3 kann (mit Ausnahme der VV. 1-92 und vielleicht 295-544) als ältestes Stück der Sammlung gelten und läßt sich in wesentlichen Teilen um die Mitte des 2. Jh. v.Chr. datieren.2 Buch 5 gehört nach einem mittlerweile recht breiten Forschungskonsens mit seinem Hauptteil (VV. 52-433) in das geistige Umfeld der jüdischen Aufständischen unter Trajan von 115-117 n.Chr.; die Schlußredaktion ( W . 1-51, vielleicht auch 434-531) fand wohl in der Frühzeit Hadrians statt.3 Damit tritt der ägyptische Ursprung von Buch 5 in den Blick, denn in dieser lokal greifbaren jüdischen Sozietät ist auf dem historischen Hintergrund der religiösen, wirtschaftlichen und politischen Verschlechterung der Lage der ägyptischen Juden im 1. Jh. n.Chr. angesichts einer wachsenden Feindschaft gegenüber Rom und den hellenistischen Lands-

' Dazu MERKEL, Sibyllinen 1044; HAHN, Apokalyptik 91, nach dem Buch 3 rein jüdisch, Buch 5 mit gewissen christlichen Zusätzen versehen ist. Zu einer potentiellen christlichen Interpolation in 5,256-259 vgl. unten z.St. 2 So MERKEL, Sibyllinen 1059.1061f., der Ptolemaios VI. Philometor (180-164 und 163145 v.Chr.) oder Ptolemaios VIII. Euergetes (170-164 Mitregent, 164/163 und 144-117 Alleinherrscher) mit dem siebten König identifiziert; so auch NLCKELSBURG, Literature 162-164; vgl. COLLINS, Transformation 186-188; DERS., Sibylline Oracles 24-33; DERS., Oracles 354361; DERS., Sibyl 201f. (der im siebten König der griechischen Dynastie [Sib 3,192f.318. 608f.] auf den ägyptischen König Ptolemaios VI. Philometor oder Ptolemaios VII. Neos Philopator [145/144 v.Chr.] angespielt sieht). Die Unterschiede, die auf der Frage der Zählung des nur äußerst kurz regierenden Ptolemaios VII. beruhen, sind für die Datierung letztlich unerheblich. Vgl. ferner OEGEMA, Gesalbte 82, der an das Ende des 2. Jh. v.Chr. geht. Anders denkt NLKIPROWETZKY, Sibylle 215 an Kleopatra VII. (und damit an das 1. Jh.), doch sprechen Genus und in der Antike nicht bezeugte Zählung als siebte gegen diese Annahme. 3 Vgl. COLLINS, Sibylline Oracles 73-95; MERKEL, Sibyllinen 1065-1068.

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leuten sowie in Erinnerung der Tempelzerstörung eine gesteigerte eschatologische Erwartung begründet.4 Das ägyptische Judentum läßt sich als griechischsprachiges Diasporajudentum charakterisieren, auf das die hellenistische Kultur verstärkt Einfluß ausübte; die grundlegende hellenistische Prägung der Sib findet in der literarischen Stilisierung der Aussagen unter Rückgriff auf das im Hellenismus beheimatete mantische Sibyllen-Wesen Ausdruck.5 Entsprechend dieser literarischen Fiktion, die Sprüche einer jüdischen Sibylle wiedergibt, bestehen die Sib aus Sammelgut, was zahlreiche Wiederholungen und bisweilen den Eindruck zusammenhangloser Aneinanderreihung mit sich bringt.6 Die Sib sind in griechischer Sprache verfaßt.

5.1 Buch 3 der Sibyllinen Der Textabschnitt Sib 3,652-660 wurde in der Forschung verschiedentlich messianisch gedeutet und bedarf daher der Betrachtung. Zunächst sei der Text in deutscher Version vorgestellt:7 (652) Und dann wird Gott vom Osten (απ ήελίοιο) einen König (βασιλήα) senden, (653) der weltweit dem schlimmen Krieg ein Ende machen wird, (654) indem er die einen tötet, den anderen aber Treueide auferlegt. (655) Dies alles wird er nicht nach eigenem Ratschluß (ταΐς ÌSLOLS βουλαί?) vollbringen, (656) sondern im Gehorsam gegenüber den edlen Satzungen des großen Gottes (θεού μεγάλοιο). (657) Das Volk 8 aber des großen Gottes wird von wunderbarem Reichtum (658) erfüllt sein, von Gold, Silber und Purpurschmuck, (659) und die Erde wird Frucht bringen und das Meer (660) voll von Gütern sein. ... 4 Vgl. MERKEL, Sibyllinen 1066f. Zur Verschlechterung der Lebenssituation der ägyptischen Juden auch COLLINS, Sibylline Oracles 73f.; HENGEL, Hoffnung 333f.; CHESTER, Parting 245f. 5 Dazu die Ausführungen von MERKEL, Sibyllinen 1043f. Die jüdische Übernahme paganer Vorbilder geschieht unter entscheidenden Modifikationen, so unter Betonung der Themen von universaler Geschichte und ethischer Lehre; dazu COLLINS, Transformation 182197. Zum antiken paganen Sibyllenwesen vgl. PARKE, Sibyls (1988); auch KURFESS, Weissagungen 5-22. Zur Herkunft der Schrift aus hellenistischen, ägyptischen Kreisen auch COLLINS, Sibylline Oracles 33. 6 Vgl. MERKEL, Sibyllinen 1059; COLLINS, Sibyl 201. 7 Übersetzung von MERKEL, Sibyllinen 1103. Text: GEFFCKEN, Oracula 82; KURFESS, Weissagungen 102f. 8 Das griechische Substantiv λαός der Handschriften wird von zahlreichen Forschern zu vaós konjiziert (so von GEFFCKEN, Oracula 82), was aber vom Textsinn her nicht absolut notwendig erscheint; so kann es mit einiger Berechtigung stehen bleiben. Vgl. die Angaben

bei MERKEL, Sibyllinen 1103 z.St.

Mangelnde Evidenz: Die Sibyllinischen Orakel

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Dieser Text gehört zu den ältesten Teilen der Sib und dürfte um die Mitte des 2. Jh. v.Chr. abgefaßt worden sein.9 Der von Gott gesandte „König vom Osten" (3,652) richtet durch Tötung der Feinde oder Verträge eine Friedenszeit auf, wobei er sich an den Satzungen Gottes orientiert; die folgende Heilszeit ist durch großen Wohlstand geprägt. Der Einfluß des Königs auf diese Heilszeit gelangt nicht ausdrücklich zur Sprache, kann aber implizit gemeint sein; deutlich ist nur die von ihm erreichte Beendigung des Kriegszustandes. Die Triebkraft fur sein Tun besteht dabei nicht in seinem eigenen Ratschluß, sondern im Gehorsam gegenüber Gottes Satzungen (VV. 655f.), so daß Gott entsprechend dieser sachlichen Überordnung im weiteren Kontext als „unsterblicher König, großer und ewiger Gott" (αθάνατοι βασιλήα, θεόν μέγαν άέναόν τε; 717), also als eigentlicher Inhaber der Herrschaft, gepriesen werden kann. Diese Priorität Gottes tritt sogleich im Anschluß an die „König"Passage 3,652-660 in den Vordergrund, denn den durch das Handeln des Königs provozierten Ansturm der feindlichen Herrscher schlägt Gott selbst zurück, indem er sie im Gericht vernichtet (3,661-693, besonders 669-672.686693). Die sich anschließende Heilsperiode für die „Söhne des großen Gottes" (üoi δ' αυ μεγάλοιο θεού; 702) wird von Gott selbst und allein (705) getragen, so daß er als „Alleinherrscher" (μόναρχος; 704) bezeichnet werden kann (702-740). Der „König" von 3,652 spielt bei allen diesen Ereignissen überhaupt keine Rolle mehr,10 so daß die Schilderung von einer deutlichen Theozentrik geprägt ist, wozu sich im übrigen die apokalyptische Diktion der ganzen Passage gut fügt. Der König tritt nur an einer zeitlichen begrenzten Phase des Geschehens mit einer konkreten militärischen Aufgabe als Werkzeug Gottes in Erscheinung und erhält so lediglich untergeordnete Bedeutung im Gesamtgeschehen. Läßt sich die Identität des „Königs vom Osten" in Sib 3,652 inhaltlich bestimmen? Bisweilen denken die Ausleger an eine messianische Gestalt im Sinne einer frühjüdischen Gesalbtenerwartung." Doch sollte ein ursprüngliches messianisches Verständnis des genannten Königs wegen der fehlenden Gesalbten-Terminologie nicht behauptet werden, vielmehr liegen Anklänge 9

So SCHWIER, Tempel 85; COLLINS, Development 430-433; SCHIFFMAN, Concept 238; SCHÜRER/VERMES/ MILLAR, History III/l, 634.637. Zum Text vgl. auch KARRER, Gesalbte 233 Anm. 19. 10 Zu dieser Beobachtung vgl. auch SCHWIER, Tempel 86. " So versteht SCHIFFMAN, Reclaiming 320 den Text messianisch; vgl. DERS., Community 5; schon SCHÜRER, Geschichte II 595f. POMYKALA, Tradition 256 erkennt „a type of messiah" (freilich unter Nichtbeachtung fehlender Gesalbten-Terminologie). Eine - hinter der „historischen" - zweite, messianische Textebene sieht CHESTER, Expectations 35. Von nationaler Messiaserwartung spricht MÜLLER, Messias 154. SCHÄFER, Diversity 26f. denkt an Ptolemaios VI. Philometor, der als Messias aus den Völkern (vgl. Jes 45,1) verstanden sei.

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an Vorstellungen eines erhofften geschichtlichen Heilskönigs vor, wobei bezeichnenderweise auch keinerlei Hinweis auf eine Herkunft aus der Dynastie Davids begegnet. Gemeinsamkeiten mit einer königlichen Gesalbtenerwartung könnten im militärischen Handeln des Königs, seiner Partizipation am Heilswillen Gottes und vielleicht in seiner Heilsherrschaft erblickt werden. Damit liegen Anknüpfungspunkte für eine spätere Interpretation der Stelle als messianische Verheißung vor, so daß eine solche spätere Deutung nicht ausgeschlossen werden kann. Die fehlende Gesalbten-Terminologie erlaubt jedoch nicht, dem Verfasser die Absicht der Darstellung einer Gesalbten-Gestalt, wofür ihm möglicherweise schon zu dieser frühen Zeit (Mitte 2. Jh. v.Chr.) Titel und Vorstellungsmuster zur Verfügung gestanden wären, zuzusprechen. Er verwendet die Gesalbten-Begrifflichkeit gerade nicht, was als Verzicht auf die Beanspruchung damit evozierbarer Vorstellungen verstanden werden kann, vielleicht aber auch mit der zu dieser Zeit noch nicht gegebenen Existenz oder Verbreitung einer königlichen Gesalbtenerwartung zu erklären ist. Damit kommt einem ursprünglichen Verständnis des Königs als geschichtlich-politischer Herrscher entscheidende Bedeutung zu. J J . Collins hat die These wahrscheinlich gemacht, daß der „König vom Osten" als (in etwa zeitgenössischer) ägyptischer König zu deuten ist. Demnach wäre die Angabe „vom Osten" (άττ' ήελιοιο) im Sinne der Aussage „vom Sonnengott" zu verstehen, was eine Übersetzung des Syntagmas mit „König von der Sonne" nahelegt; dahinter steht die ptolemäische Herrscherideologie, wie ein Vergleich mit dem ägyptischen Töpferorakel (Kol. 2) zeigt.12 Die ptolemäischen Könige betrieben politische Propaganda auf der Grundlage des ägyptischen 12 Zu diesem Verständnis als ägyptischer König (Ptolemaios VI. Philometor) vgl. COLLINS, Sibylline Oracles 40-44; DERS., Scepter 38f., wo er die Übersetzung „king from the sun" vertritt; DERS., Messianism 98f.; DERS., Sibyl 202-209; auch NICKELSBURG, Literature 164; MERKEL, Sibyllinen 1064; ferner POMYKALA, Tradition 256f. Zu der genannten Übersetzungsvariante auch OEGEMA, Gesalbte 83, der ebd. 83.85f. eine Identifizierung mit dem zeitgenössischen König Ptolemaios VI. oder VII. vorschlägt. - CHESTER, Expectations 35 bleibt dieser Verstehensvariante gegenüber vorsichtig: auch wenn die Übersetzung „König von der Sonne" auf dem Hintergrund der ägyptischen Königsideologie (vgl. Sonnengott) zutreffend ist, dient die Motivik zur Darstellung der messianischen Hoffnung Israels; ist jedoch die Übersetzung „vom Osten" vorzuziehen, wäre direkt die Gestalt eines jüdischen Messias angesprochen (ebd. 35f.). - Anders KIPPENBERG, Orient (1983), der von einer gesamtvorderasiatischen Erwartung eines „Königs vom Sonnenaufgang" her deutet. Zu dieser Vorstellung auch SCHWIER, Tempel 240-242, der jedoch keine generelle Erwartung eines „Königs aus dem Osten", der Rom vernichtet und die Weltherrschaft des Orients begründet, erkennt (vgl. auch COLLINS, Sibylline Oracles 39f.58); im Blick auf die von Josephus, Bell 6,312 überlieferte Weissagung habe es aber laut Schwier eine allgemeine Erwartung gegeben, der Orient werde über die Erde herrschen, die in Sib 3,652 auf eine Königsgestalt adaptiert werde (ebd. 242).

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Mythos vom kosmischen Kampf zwischen Horns, der als Sohn der Isis (und des Osiris) gedacht ist und im Bild der Sonne begegnet, und dem Gegenspieler und Osiris-Mörder Seth, wobei die jeweiligen politischen Feindmächte mit Seth, die Ptolemäerkönige selbst mit Horas (als himmlischer Verkörperung des Königs) identifizierbar waren.13 Der Text Sib 3,652 erwartet also mit einiger Wahrscheinlichkeit einen dem Judentum gegenüber wohlwollenden Ptolemäerkönig (vielleicht Ptolemaios VI. Philometor) als Retter aus den Schrecken der Kriegssituation. Von einem ägyptischen König (dem siebenten in einer Folge) als Wendepunkt der Geschichte ist Sib 3,193; 3,318 (nach 314); 3,608 die Rede, so daß wenn nicht eine Identifizierung, so doch eine Paralleldarstellung mit dem König von 3,652 naheliegt. Insgesamt erweist sich der Hinweis auf den „König vom Osten" in Sib 3,652 als wenig aussagekräftig im Hinblick auf eine königliche Gesalbtenerwartung. Fragt man nach einer Rezeptionsmöglichkeit dieses auf konkrete Gestalten zielenden Orakels in der gewandelten geschichtlichen Situation des 1. Jh. n.Chr. in jüdischen Kreisen, muß wiederum eine potentielle messianische Deutung in Erwägung gezogen werden. Doch zeigt sich eine solche deutlich sekundär und wäre von anderweitig bekannten Vorstellungen her inhaltlich zu füllen, so daß das Orakel weiter nicht positiv auswertbar bleibt. Undeutlich bleibt auch die Ankündigung des Kommens eines „heiligen Herrschers" (άγνός· άναξ), der die Welt regieren wird, in Sib 3,49f. sowie der Ausblick auf einen vom Himmelsgott gesandten König (βασιλήα) zum Gerichtsvollzug in Sib 3,286f.14 Der „große König" (βασιλεύς μέγας) aus Asien 13 Zu diesem Hintergrund vgl. COLLINS, Sibyl 205-208. Das ägyptische Töpferorakel sagt in Ausdeutung zerstörten Töpfergutes die Zerstörung Ägyptens und schließlich der Feindesmacht (Seth) voraus, wonach - und hier sei die zentrale Aussage des Orakels wiedergegeben - „Egypt will prosper, when the king from the sun, who is benign for fifty five years, comes, the giver of good things, sent by the great goddess Isis, so that those who survive will pray that those who have already died may rise to share in the good things" (nach COLLINS, ebd. 203); Textausgabe: KOENEN, Prophezeiungen (1968). Das jüdische sibyllinische Orakel zeigt demgegenüber eine positive und friedliche Einstellung und hofft auf eine Ära jüdischen Wohlergehens in Ägypten und die Restauration des Jerusalemer Tempels unter ptolemäischer Schutzherrschaft (vgl. COLLINS, ebd. 209). 14 Zur Übersetzung von 3,286 (Oeôç oùpdvioç) mit „himmlischer Gott" bzw. „Himmelsgott" vgl. MÜLLER, Messias 154; MERKEL, Sibyllinen 1091. Müller (ebd.) sieht in 3,286f. eine nationale Messiaserwartung. Zu bevorzugen ist m.E. die Ansicht von COLLINS, Messianism 99, der fur 3,286f. auf den Kontext der Wiederherstellung nach dem babylonischen Exil hinweist, so daß der „König" als der Perser Kyros identifiziert werden kann. Vgl. DERS., Sibylline Oracles 38f.; POMYKALA, Tradition 257; CHESTER, Expectations 34, der dazu aber auf einer zweiten Ebene eine messianische Applikation des Kyros-Hinweises annimmt. MERKEL, Sibyllinen 1091 (zu 3,286) sieht statt der Kyros-Identifikation in 3,287 eher ein endzeitliches Szenarium angedeutet. Auch NOLLAND, Sib.Or. III., 159-166 versteht Sib 3,282-294 eschatologisch und speziell VV. 286f. messianisch, wobei Kyros als Modell fur

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in Sib 3,611 wird wohl auf die Invasion des Antiochos IV. Epiphanes zu deuten sein.15 In Sib 3,767-795 wird die Errichtung der Königsherrschaft Gottes über alle Menschen und besonders die Frommen verheißen; diese Königsherrschaft beinhaltet eine Zeit des Heils und des Friedens (771.780), in religiöser Eindeutigkeit wird die alleinige Verehrung Gottes im Jerusalemer Tempel statthaben (772-775). Die Propheten des großen Gottes werden dabei eine Gerichtsfunktion ausüben (781 f.). Die Gestalt eines Gesalbten wird nicht einmal erwähnt, Gott allein hält in dieser theozentrischen Vision alle Herrschaft in der Hand. Während in 3,788-795 der atl Prophetentext Jes 11,6-12 teilweise bis in Wortübereinstimmungen hinein aufgenommen wird, trifft dies für den unmittelbar benachbarten Abschnitt Jes 11,1-5, der zeitgenössisch häufig messianisch beansprucht wurde, nicht in entsprechender Weise zu; gerade der gut messianisch verstehbare Text wird also nicht aufgegriffen, was auf das Fehlen einer messianischen Aussageabsicht schließen läßt.16 Fazit: Die Suche nach Gesalbten-Gestalten und damit verbundenen Vorstellungen in Buch 3 der Sibyllinen läßt sich nur als Fehlanzeige bewerten.

5.2 Buch 5 der Sibyllinen

Auch im 5. Sibyllinischen Orakelbuch, das nun deutlich später als das 3. Buch, nämlich nach der Wende zum 2. Jh. n.Chr. zu datieren ist,17 werden herrscherlich-richterliche Gestalten erwähnt, ohne daß Gesalbten-Termino-

den Messias fungieren kann (161f.); die Textpassage sei im 2. Jh. v.Chr. denkbar (im Vergleich mit Jub 1,15-18; 13,14-31) (163-166), so daß bereits für das 2. Jh. v.Chr. eine messianische Figur bezeugt sei, die eschatologisch den Tempel wiedererrichtet. Die Beobachtung, daß die Tempelerrichtung nach 3,288-290 Sache des ganzen Geschlechts ist, das zu dem königlichen Stamm gehört, mahnt zur Vorsicht gegenüber einer monokausalen Verbindung mit dem „König". - Für eine methodisch verantwortbare Gesalbten-Interpretation bleiben die Andeutungen zu vage, das Fehlen von Gesalbten-Terminologie ist entscheidend. Für die frühe Zeit des 2. Jh. v.Chr. lassen sich auch nicht ausreichend Parallelen beibringen, die eine über den Titel „König" erfolgende Evozierung eines messianischen Vorstellungskomplexes wahrscheinlich werden lassen. 15 Vgl. MERKEL, Sibyllinen 1101 z.St. Vorsichtiger COLLINS, Sibyl 202. 16 Anders bewertet OEGEMA, Gesalbte 83-86 die Nähe zu Jes 11, der die Parallelen stärker hervorhebt und den Text auf dem politischen Hintergrund deutet. 17 Sib 5 ist in der Entwicklung seiner überlieferten Gestalt zwischen 80 und 130 n.Chr. zu datieren; vgl. COLLINS, Oracles 390; OEGEMA, Gesalbte 225. HENGEL, Hoffnung 327 datiert die Endredaktion unter Hadrian, noch vor dem Bar Kochba-Aufstand; vgl. MERKEL, Sibyllinen 1066.

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logie verwendet würde. Vier Einzeltexte bedürfen der Besprechung. Zuerst sei Sib 5,108-110 erwähnt:18 (108) Und ein König, von Gott her gesandt (θεόθεν βασιλεύς πεμφθείς) gegen diese, (109) wird alle großen Könige und tüchtigsten Männer töten. (110) Darauf wird so Gericht sein vom Unsterblichen über die Menschen.

Dieser von Gott gesandte, die feindlichen Könige und Männer zerstörende „König" in Sib 5,108f. wird weder als eschatologische Gestalt noch in seiner Funktion, Stellung und Bedeutung deutlich, so daß auch die Annahme eines rein innergeschichtlichen, politischen Königs durchaus vertretbar ist. Darüber hinaus weist möglicherweise der Gedanke der Sendung durch Gott, denn darin klingt eine Repräsentationsfunktion an; doch wäre dies auch im Rahmen der israelitischen Königsideologie prinzipiell denkbar. König-Titel und Sendungs-Motiv in Verbindung mit einer militärischen Vernichtungs- und Gerichtsfunktion gegenüber den Machthabem der Erde erlauben eine (sekundäre) Deutung der Gestalt im Sinne eines königlichen Gesalbten der Endzeit,19 womit ein Aufgreifen der königlichen Gesalbtenerwartung sichtbar wäre. Die Kürze der Notiz und das Fehlen von Gesalbten-Terminologie lassen keine sicheren Schlußfolgerungen und kaum ertragreiche Auswertung zu. Als zweiter Text ist Sib 5,155-161 zu nennen, dessen Bildwelt Aufmerksamkeit verdient:20 (155) Aber wenn vom vierten Jahr an ein großer Stern (μέγας· αστήρ) erstrahlt, (156) der die ganze Erde vernichten wird um der Ehre willen, (157) die sie anfangs dem meerbewohnenden Poseidon gaben; (158) dann wird vom Himmel herab ein großer Stern kommen in die schreckliche Salzflut (159) und wird das tiefe Meer verbrennen und Babylon selbst (160) und Italiens Land, um dessentwillen umgekommen waren viele (161) heilige Gläubige der Hebräer ( Εβραίων άγιοι πιστοί) und der wahrhaftige Tempel21.

Die mit dem Bild des „großen Sterns vom Himmel" aus Sib 5,158 (vgl. 155) intendierte Anspielung bleibt vage. Selbst wenn Deutungen auf eine Endzeit-

18 Deutsche Übersetzung und Text bei HENGEL, Hoffnung 333; vgl. auch die Version bei MERKEL, Sibyllinen 1120. Text: GEFFCKEN, Oracula 109; KURFESS, Weissagungen 126. 19 So HENGEL, Hoffnung 333. Nach MERKEL, Sibyllinen 1066f. ist der König von Sib 5,108 noch als irdische Gestalt deutbar. Vorsichtig gegenüber einer messianischen Deutung auch CHESTER, Parting 243f. 20 Übersetzung von MERKEL, Sibyllinen 1122. Text: GEFFCKEN, Oracula l l l f . ; KURFESS, Weissagungen 128. 21 Die griechischen Handschriften lesen vaós, was MERKEL, Sibyllinen 1122 seiner Übersetzung zugrundelegt. GEFFCKEN, Oracula 112 konjiziert zu λαός (vgl. auch KURFESS, Weissagungen 128), wobei er sich auf das lateinische Übersetzungsäquivalent populus bei Laktanz beruft. Der Textsinn fordert freilich keine Konjektur.

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gestalt von Num 24,17 her evoziert werden könnten,22 sind keine über die Funktion der Vernichtung irdischer Herrschaft hinausgehenden Aussagen möglich. Einen Einfluß christlichen Gedankengutes und Vokabulars läßt der Textabschnitt Sib 5,256-259 erkennen:23 (256) Einer aber wird wiederum vom Himmel kommen, ein ausgezeichneter Mann (έξοχο? άνήρ), (257) der die Hände ausbreitete auf dem Holz, das viele Früchte bringt (ÖS παλάμας ήπλωσει; έπΐ ξύλου πολυκάρπου), (258) der Beste der Hebräer (Εβραίων ό άριστος), der einstmals die Sonne stillstehen lassen wird, (259) der mit schönem Wort (ρήσει τε καλη) und mit reinen Lippen redet.

Bei diesem vom Himmel her kommenden, außergewöhnlichen Mann von Sib 5,256 erzwingt die Charakterisierung mit den Vorstellungen „Bester der Hebräer" und „der die Hände ausbreitete auf dem fruchtreichen24 Holz" (257f.) die Annahme christlicher Bearbeitung.25 Selbst wenn nach der Ausscheidung 22 Vgl. unter Verweis auf Testhid 24,1; 4QTest und Mt 2,2 OEGEMA, Gesalbte 226 Anm. 124; COLLINS, Oracles 392. HENGEL, Hoffnung 333 spricht von einer verschlüsselten Erwähnung des Messias; die LXX-Übersetzung von Num 24 betont das kriegerische Element (vgl. ebd. 338). Eine messianische Interpretationsmöglichkeit hält auch CHESTER, Parting 243f. von Num 24,17 her fur wahrscheinlich. 23 Übersetzung von MERKEL, Sibyllinen 1126. Text: GEFFCKEN, Oracula 116f.; KURFESS, Weissagungen 154. 24 Vgl. die christliche Verwendung des Begriffs bei Ignatius (Sm I 2). - Das Prädikat έξοχος wird in 5,284 von Gott als Schöpfer ausgesagt - eine so nahe qualitative Verbindung des „Mannes" mit Gott würde zum christlichen Verständnis Jesu als Gottessohn passen. 25 Christliche Bearbeitung in Sib 5,256-259 sehen COLLINS, Scepter 188; DERS., Sibylline Oracles 88 (der ebd. 194 Anm. 104 nur V. 257 als interpoliert erwägt); HENGEL, Hoffnung 333; BLAB, Orakel 183 (der 211 eine ursprüngliche Deutung auf Mose und Josua für möglich erachtet); BILLERBECK, Kommentar I 12f. (Einschub in V. 257). Vgl. dazu die Angaben bei MERKEL, Sibyllinen 1126 (zu V. 256), der ebd. 1068 die Möglichkeit einer solchen christlichen Interpolation in VV. 256-259 erwägt. Christliche Interpolation in V. 257 sieht auch CHESTER, Expectations 36, doch bleibt seiner Ansicht nach eine messianische Gestalt im ursprünglichen Text erhalten; vgl. DERS., Parting 24If. Vielleicht war ursprünglich eine endzeitliche Wiederkunft Josuas gemeint (vgl. Jos 10,12-14: Josua bringt die Sonne zum Stillstand), doch trägt eine solche keine messianischen Züge; so MÜLLER, Messias 155. NOACK, Mann 125-130 weist den christlichen Charakter von 5,256-259 auf; die christliche Bearbeitung zielt auf die Wiederkunft Christi, wobei das Stillstehen der Sonne (im Vergleich mit Laktanz, Divlnst VII 26,2 „statuet deus soient") das Gericht Christi andeute (130-135); als atl Prototyp könnten Josua (Jos 10,12-14) oder, wahrscheinlicher, Mose (Ex 17,8-13) fungiert haben (135-140). O'NEILL, Man From Heaven (1991) sieht in diesen Versen (deren Text und Übersetzung er 88-91 unter Absehung von Emendationen leicht variiert) „a genuine Jewish oracle about a great teacher who had been crucified and was to come again as judge" (100); er deutet die Figur auf einen Messias als zweiten Josua (92-95). Die Deutlichkeit der christlichen Anspielung - besonders im Gedanken des Ertrages, der Frucht des Todes am Kreuz - verbietet m.E. eine solche Deutung.

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des christlichen V. 257 noch eine vom Himmel kommende Heilsgestalt im Text erhalten bleibt, erlauben die wenig konkrete Schilderung dessen Auftretens und besonders die fehlende Gesalbten-Terminologie keine messianische Deutung. Schließlich muß noch die Texteinheit Sib 5,414-419 untersucht werden, da die dort verheißene Gestalt noch am ehesten Ansatzpunkte für eine messianische Interpretation bietet:26 (414) Denn es kam vom Himmelsgewölbe ein seliger Mann (άνήρ μακαρίτης), (415) der hielt ein Szepter (σκήπτρον) in Händen, das ihm Gott verliehen, (416) und trat eine gute Herrschaft über alles an (πώντων ¿κράτησε καλώς) und gab allen (417) Guten den Reichtum, den die früheren Männer (ihnen) nahmen. (418) Jede Stadt aber nahm er von Grund auf mit viel Feuer ein (419) und verbrannte die Volksgemeinden der Menschen, die vorher Übeltäter waren,...

Das in Sib 5,414-433 gewählte griechische Tempus des Aorist soll das sichere Eintreffen der die Endzeit behandelnden Weissagung zum Ausdruck bringen.27 Der vom Himmel her kommende „selige Mann" in 5,414 könnte eine Endzeitgestalt bezeichnen, deren herrscherlicher Zug durch das von Gott verliehene Szepter, das er in Händen trägt (415), markiert wird. Er vernichtet Städte und Völker der Übeltäter (416-419) und erhöht die von Gott erwählte Stadt zu glanzvoller Gestalt (420-423), was einen nationalen Aspekt birgt. Dann bildet er einen zum Himmel reichenden Turm (πύργος), damit alle Gläubigen und Gerechten Gottes Herrlichkeit schauen können (424-427), worauf der Lobpreis Gottes erschallt und ein Leben in Tugend und Heil möglich ist, da Gott selbst in dieser „letzten Zeit der Heiligen" (ύστατος ... άγιων καιρός; 432) handeln wird (428-433). Damit ist eine theozentrische Komponente der Endzeitschilderung festgehalten, die den „seligen Mann" als Funktionsträger Gottes erweist. Kriegerische und herrscherliche Funktion der Gestalt stehen im Vordergrund.28 Das Feuer als Kampfinstrument läßt an übernatürliche militärische Mittel denken, was den „Mann" als in besonderer Weise von Gott ausgerüstet erweist.29 Etwaige Anspielungen auf den Menschensohn von Dan 7,1330 blei26

Übersetzung von mir. Vgl. auch MERKEL, Sibyllinen 1132. Zum Text neben den Editionen (GEFFCKEN, Oracula 124; KURFESS, Weissagungen 142) auch HENGEL, Hoffnung 333 Anm. 78. 27

28

S o MERKEL, S i b y l l i n e n 1 1 3 2 ( z u V . 4 1 4 ) .

Zur Hervorhebung der Kriegstätigkeit vgl. HENGEL, Hoffnung 334.336. Die Herrschertätigkeit über die Erde, zuvor noch einer ,Antichristengestalt" zugeschrieben (5,365), übernimmt nun der selige Mann. Politische Situation und himmlisch-kosmologische Imagination stehen in ursächlichem Zusammenhang. 29 Zum Motiv des göttlichen Gerichtsfeuers vgl. 4 Esr 13,4-11, wobei atl Texte wie Jes 11,4; Ez 39,6 und Dan 7,12 kombiniert sein können. Dazu HENGEL, Hoffnung 335 mit Anm. 84a.

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ben unklar.31 Eine richterliche Funktion und ein im Szepter anklingender herrscherlich-königlicher Akzent sind hingegen sichtbar und bieten Ansatz für die Vermutung des Einflusses einer königlichen Gesalbtenerwartung,32 doch treten dazu im Erbauen von Stadt und Turm wesensfremde Elemente. Aufgrund der wenig deutlichen Schilderung und der fehlenden terminologischen Präzisierung sollten aus diesem Text keine Äußerungen zur GesalbtenThematik, die über das ohnehin schon Bekannte hinausgehen, abgeleitet werden. Bestenfalls mag die Bekanntheit der eruierten königlichen Gesalbtenerwartungen (und der richterlichen Menschensohn-Vorstellung) eine gewisse Bestätigung erfahren. Schließlich muß auch die Betrachtung von Buch 5 der Sibyllinen ein insgesamt negatives Fazit hinsichtlich der Eruierungsmöglichkeit einer königlichen Gesalbtenerwartung im 1. Jh. ziehen. Selbst wenn sich einzelne Züge einer solchen Erwartung in Verbindung mit eschatologischen Heilsfiguren finden, bleiben diese vage und werden gerade nicht mit dem Titel „Gesalbter", den die Sib nicht verwenden, korreliert. Auch die zeitliche Ansetzung des Buches zu Beginn des 2. Jh. erschwert die Auswertung.

30

So gesehen von OEGEMA, Gesalbte 226. Erwogen von JUEL, Exegesis 1 6 3 . - Eine Vielzahl atl Anspielungen (Ps 2,9; Jes 11,4; Num 24,18; 2 Sam 7,13 u.a.) erkennt HORBURY, Associations 44f., der diese Texte als „messianisch" liest und damit die messianische Konnotation des Titels „Menschensohn" aus Dan 7,13, welche Stelle er als grundlegend für Sib 5,414 versteht, belegt. 31 Vgl. COLLINS, Scepter 188; wenig Aussagekraft bzgl. Messias- oder Menschensohnvorstellungen mißt auch MÜLLER, Messias 154f. der Stelle bei. 32 HENGEL, Hoffnung 334 identifiziert den „seligen Mann" mit dem „König" von Sib 5,108 und spricht vom „,Messias-Menschensohn', bei dem sich der irdisch-königliche und himmlisch-richterliche Aspekt (man könnte auch sagen Num 24,7.17 und Dan 7,13) verbinden"; eine solche Kombination tritt auch 4 Esr 13,2-13 und äthHen 46,3-5; 48,2-7; 49,1-4; 51,3 zutage. Vgl. auch OEGEMA, Gesalbte 226; HORBURY, Associations 44f.; offenbar zustimmend zitiert MERKEL, Sibyllinen 1067 die Aussage von Hengel, wobei er an eine „überirdische Rettergestalt" denkt; er spricht ebd. 1132 von der Weissagung des „königlichen Messias". Auch nach CHESTER, Expectations 36 sind die Traditionen von Messias und himmlischem Menschen verbunden; ein messianisches Königtum auf Erden werde sichtbar, auch werde in 5,375-385 - die Stelle steht in Beziehung zu 5,414 - das messianische Reich idyllisch geschildert; zur Stelle vgl. auch DERS., Sibyl 47-51; DERS., Parting 240f. sieht in 5,414 eine messianische Figur, deren Hauptaufgabe in der Wiedererrichtung des Tempels bestehe; 5,428-433 schildern das messianische Zeitalter. SCHWIER, Tempel 340 deutet 5,414-433 auf das Erscheinen des Messias; die Tempelzerstörung (5,286-433) werde so mit dem Messias verbunden, daß dieser den Tempel mit einem zum Himmel reichenden Turm wieder aufbaut. - Gegenüber diesen Positionen muß vom Text her klar gesagt werden, daß weder Gesalbtennoch Menschensohn-Terminologie Verwendung finden und somit bestenfalls Anspielungen konstatiert werden können, was zur Vorsicht vor zu weitreichenden Aussagen mahnt. Offenbar verzichtete der Verfasser bzw. Redaktor von Buch 5 der Sib absichtlich auf die bekannten Titel.

6. Die endzeitliche Gestalt eines „Menschen" bei Philo von Alexandrien Mit der Untersuchung einzelner Aussagen bei Philo von Alexandrien (etwa 15 v. bis 45 n.Chr.) werden die Grenzen des jüdischen Kulturkreises in Judäa überschritten und das Werk des zeitgeschichtlich bedeutendsten Repräsentanten des hellenistischen Judentums, dessen Schriften der politisch, religiös und kulturell eigengearteten Situation der Juden in Alexandrien entspringen, in den Blick genommen. Insgesamt liefert das umfangreiche Werk Philos keinen Beleg fur einen Gebrauch von Gesalbten-Begrifflichkeit für eine endzeitliche Heilsherrschergestalt, so daß kaum ein nennenswerter Hinweis auf messianische Hoffnungen zu erwarten ist.1 Dennoch werfen die an den Stellen VitMos I 290, Praem 95 und 165 zugrundeliegenden Vorstellungen die Frage nach einer Verarbeitung messianischen Gedankengutes auf. Die heilsgeschichtliche Basis für die Formulierung von zukünftigen Geschehnissen bildet bei Philo die Gestalt des Mose, der in den Funktionen von König, Gesetzgeber, Prophet und Hohepriester beschrieben wird (Praem 53; VitMos II 3); Mose erlangt Bedeutung als Offenbarer des jüdischen Gesetzes, in dem sich die universalen Prinzipien der Schöpfung spiegeln; das Wesen der Eschatologie bei Philo läßt sich damit als universale Realisation der Königsherrschafi des Mose beschreiben.2 VitMos 1290

Der Text VitMos I 289-291 steht auf dem atl Hintergrund von Num 24 im Kontext des durch Bileam gegebenen Segens über die hebräische Armee (στρατία Εβραίων), die beim Auszug aus Ägypten Gottes Führung und Schutz erfährt, und enthält die Verheißung einer zukünftigen Einzelgestalt, die in deutender Variation von Num 24,7 LXX gezeichnet ist und eine expandierende Herrschaft über viele Nationen errichtet. Zentral ist innerhalb der Verheißung Bileams in I 289-291 ein Abschnitt aus 290:3

1

Zu diesem Urteil vgl. auch OEGEMA, Gesalbte 115, der 121f. aber eine Entwicklung bei Philo von einer messianischen Erwartung (mosaischer Kriegs-König) hin zur Hoffnung auf Gott selbst als Befreier konstatiert. 2 Dazu BORGEN, There Shall 342-344; vgl. 347. 3 Übersetzung von mir.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

... Wie schön sind deine Wohnungen, Heer der Hebräer, deine Zelte wie schattige Täler, wie ein Paradiesgarten am Fluß, wie Zedern am Wasser. Einst wird ein Mensch aus euch hervorgehen (έξελεύσεταί ποτε άνθρωπο? έξ ύμών) und er wird herrschen über viele Völker, und seine Königsherrschaft (βασιλεία) wird mit jedem Tag zunehmen und sich zur Höhe erheben. Dieses Volk hat auf seinem ganzen Weg aus Ägypten Gott zum Führer, der die Menge in einer einzigen Schlachtreihe fuhrt.

Philo deutet Num 24,7 LXX im Zusammenhang der Funktion des Mose als König mit militärischen Aufgaben, so daß der erwartete „Mensch" (άνθρωπο?) als hebräischer Herrscher nach dem Bilde des Mose, jedoch als zukünftiger universaler Herrscher zu sehen ist.4 Damit stellt die Reminiszenz an den Exodus die Begründung erhoffter Heilsherrschaft dar.5 Gegenüber Num 24,1-9 LXX betont Philo das militärische Element, fugt den futurischen Aspekt (ποτέ) der universalen Herrschaft ein und legt auf die Herrschaft des „Menschen" durch Auslassung des feindlichen Königs Gog den Akzent.6 Zugleich rekurriert Philo sofort wieder auf die Führerschaft Gottes beim Exodus (290), womit er die Einbettung des Handelns des „Menschen" in das umfassende Heilshandeln Gottes andeutet. Die eschatologische Aussage Philos basiert also auf Gottes Handeln in der Vergangenheit und umfaßt dessen universale Realisation durch einen ¿er Werk des Mose zur Erfüllung bringt. Wenngleich sich die geschilderte Vorstellung des „Menschen" in den wichtigen Aspekten der zukünftigen Realisierung, militärisch-herrscherlichen Aufgabe und Vermittlung göttlichen Heils mit dem Bild des davidischen königlichen Gesalbten aus PsSal 17 u.a. deckt, findet Gesalbten-Terminologie bei Philo keine Anwendung, so daß im eigentlichen Sinne nicht von einer messianischen Erwartung gesprochen werden kann.7 Die fraglose Nähe der Motive erklärt sich am besten mit der Annahme, daß Philo die königliche Gesalbtenerwartung geläufig war. Angesichts der terminologischen Reduktion kann auf der Textebene nur noch von Anspielungen auf diese Vorstellung gesprochen werden, die in ihrer Offenheit Raum geben für eine Interpretation der Endzeitgestalt vom Bild des Mose her, der heilsrelevanten Zentralfigur Philos. „ M e n s c h e n " ,

Praem 95 Der große Abschnitt Praem 79-172 legt das Hauptaugenmerk auf die Auslegung der biblischen Texte Lev 26; 28 und Dtn 28, wobei allgemeine Segens4

Vgl. BORGEN, There Shall 345f. Zum Text auch OEGEMA, Gesalbte 116f. Zur Begründung des göttlichen Beistandes in der Zukunft aus dem Heilshandeln der Vergangenheit vgl. auch VitMos II 288. 6 Näheres kann den Ausführungen von BORGEN, There Shall 352f. entnommen werden. 7 Nach BORGEN, There Shall 354 trägt der „Mensch" als eschatologischer Herrscher die Züge des Messias, was in Übereinstimmung mit der messianischen Interpretation von Num 24,7 in den Targumim stehe. 5

Die endzeitliche Gestalt eines „Menschen" bei Philo von Alexandrien

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güter und Folgen des Fluches traktiert werden.8 Die Passage Praem 93-97 folgt im Zusammenhang auf die von Philo in 79 aufgestellte Behauptung, das Halten der göttlichen Gebote durch die jüdische Nation führe zum Sieg über die Feinde, und bietet verschiedene Konkretisierungen dieses Sieges. Dabei greift Philo in einer Art Parenthese wiederum auf Num 24,7 LXX zurück; der auftretende , ,Mensch" handelt in der Funktion des Heerführers und unterwirft auf kriegerische Weise große Völker, wozu ihm göttliche Unterstützung für Seele und Körper zuteil wird. Der relevante Text aus Praem 95 lautet übersetzt:9 „Denn es wird ein Mensch hervorgehen" (έξελεύσεται γάρ άνθρωπο?), sagt das Gotteswort [Num 24,7], und er wird als Heerführer im Krieg große und menschenreiche Völker unterwerfen, wozu Gott die Unterstützung, die den Heiligen entspricht, senden wird: diese besteht im unerschrockenen Mut der Seele und in der gewaltigen Stärke des Körpers,...

In der gegenüber VitMos I 290 freieren Paraphrase von Num 24,7 LXX in Praem 95 wird der Sieg deutlich auf militärische Weise errungen, so daß der „Mensch" als Oberbefehlshaber im eschatologischen Krieg erscheint.10 Die Bedingung für den dazu nötigen göttlichen Beistand stellt der Gehorsam gegenüber Gottes Geboten, also dem mosaischen Gesetz, dar. Der Einschub der Aussage über den „Menschen" in die Darstellung der siegreichen Überlegenheit des toratreuen Israel zeigt die höchste Form des Sieges, die erst am Ende der Zeit durch Gottes Repräsentanten selbst realisiert wird. Die argumentative Funktion besteht in der eschatologischen Überhöhung und damit Verifizierung der siegreichen Wirkung des Gehorsams gegenüber dem göttlichen Gebot. Philo vermag freilich die endzeitliche Führungsrolle durchaus zu variieren, wie der Vergleich mit der in der Auslegung von Dtn 28 und Lev 26 parallelen Stelle Virt 47 zeigt:11 In Virt 47 fungiert Gott selbst als Heerführer, in Praem 95 ist es der „Mensch"; dieser zweifachen Führungsmöglichkeit korrespondiert die doppelte Führung des Volkes beim Exodus aus Ägypten durch Gott und Mose, wobei das Königsein des Mose sich von Gott herleitet (vgl. VitMos I 149-159). Der aus der Gesalbtentradition bekannte Gedanke der Partizipation des Gesalbten an der göttlichen Aufgabe und Vollmacht sowie seiner Repräsentationsfunktion schlägt hier ebenfalls durch.

8

Vgl. HECHT, Philo 152. Übersetzung von mir. 10 Militärische Terminologie begegnet eindeutig in στραταρχών, πολέμων und χεψώσεται. Den militärischen Aspekt hebt BORGEN, There Shall 356f. hervor. " Dazu BORGEN, There Shall 355f. 9

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Wiederum stellt sich die Frage nach einem messianischen Verständnis der Gestalt des „Menschen".12 Die Rezeption von Num 24,7 LXX allein genügt dabei nicht als Kriterium, da es sich nicht um eine in der zeitgenössischen Literatur häufig messianisch interpretierte Stelle handelt.13 Wie schon in VitMos I 290 formuliert Philo auch hier auf der Basis von Num 24,7 sehr offen, so daß auf Textebene wieder eine Endzeitgestalt ohne nähere terminologische Charakterisierung begegnet. Entsprechend den Beobachtungen zu VitMos I 290 scheint auch in Praem 95 die königliche Gesalbtenerwartung als bekannt im Hintergrund zu stehen, ohne daß Philo direkt darauf verweist, womit er einen Interpretationsspielraum offenhält. Es handelt sich lediglich um eine motivliche Anspielung. Praem 165 In Praem 163-172 bilden Umkehr und Sündenbekenntnis der jüdischen Gläubigen die Voraussetzung für die Wirksamkeit des Heilshandelns Gottes. Es erfolgt ein Ausblick auf zukünftiges Heil, das in der durch ihre Tugend veranlaßten Heimkehr der Versprengten Ausdruck findet, die von einer göttlichen Vision gefuhrt werden (165); danach wird die Umkehr der bestehenden Verhältnisse zum Heil geschildert, womit das Buch endet. Dabei heißt es in Praem 165:14 Wenn sie aber diese unerwartete Freiheit erreicht haben, werden die, die bis vor kurzem in Griechenland und dem Barbarengebiet, auf den Inseln und dem Festland zerstreut waren, sich erheben und aus einem Antrieb von allen Seiten zu dem einen Ort, der ihnen gezeigt wird, eilen, geführt von einer göttlichen oder übermenschlichen Erscheinung 12 BORGEN, There Shall 356 versteht Num 24,7 hier als „word about Messiah from Scripture" und betont die bewußte, nicht notwendige Einfügung und damit deutliche Gewichtung; er gelangt zu dem Schluß: „without using the term .Messiah,' Philo looks for the Messiah to come in the form of ,a man' who is seen as a final commander-in-chief and emperor of the Hebrew nation as the head of the nations" (358). CHESTER, Expectations 44f. sieht eine messianische Führergestalt angesprochen und erklärt das Fehlen expliziter Gesalbtenterminologie als Kritikfunktion an einer wachsenden politisch-messianischen Erwartung im Volk. Einem solchen argumentum e silentio gegenüber gilt hier aufgrund des Fehlens von Quellen zur genauen soziopolitischen Situation und religiösen Denkwelt des jüdischen Bevölkerungsteils in Alexandrien Vorsicht. Für ein messianisches Verständnis auch DEXINGER, Entwicklung 241 f.; DERS., Szenarium 252 (qualifiziert die Aussage einschränkend als zurückhaltende messianische Anspielung); SCHÜRER, Geschichte II 602f. - Nach FISCHER, Eschatologie 199-202 liegt bei Philo kein Gewicht auf der Endzeitgestalt. - Kritisch gegenüber einer Deutung auf einen endzeitlichen Gesalbten OEGEMA, Gesalbte 117f. unter Hinweis auf Gott als Subjekt der Handlung, der selbst als Befreier fungiert. 13

Vgl. aber die Nähe zu Num 24,17, die über die lokale Textgegebenheit hinaus in der LXX mittels des Begriffs άνθρωπο? hergestellt scheint, der in 24,17 statt „Szepter" steht. 14 Übersetzung von mir; die Hervorhebungen verdeutlichen Akzente des griechischen Textes.

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(θειοτέρας- ή κατά φύσιν άνθρωττίνηΐ' όψεω?), die für andere unsichtbar, allein für die Wiedergeretteten15 sichtbar ist,...

Philo paraphrasiert in Praem 163-169 die atl Texte Lev 26,40-45 und Dtn 30,1-7, indem er eschatologische Traditionen einbringt.16 Innerhalb der artikulierten Heilserwartung nennt er eine „göttliche oder übermenschliche Erscheinung", die als Instrument der Führung bei der Heimkehr der versprengten Juden, die Buße getan haben, fungiert. Eine Gesalbten-Gestalt ist an dieser Stelle in keiner Weise angedeutet, denn es fehlt nicht nur jede GesalbtenTerminologie völlig, sondern es erscheint eindeutig Gott selbst als der, der die Befreiung Israels vollbringt.17 Anders als die beschriebene Erscheinung ist ein Gesalbter gerade in seiner militärischen Funktion durchaus von den Völkern zu sehen, also nicht nur für die jüdischen Volksgenossen sichtbar. Vielmehr muß die genannte Erscheinung auf dem Hintergrund von VitMos II 254 verstanden werden, wo beim Exodus aus Ägypten die Wolke als Orientierungszeichen der göttlichen Führung begegnet und in deutlichem terminologischen Gleichklang als göttliche Vision (θεία TLÇ όφις) bezeichnet wird.18 Die Erscheinung in Praem 165 symbolisiert dann in Korrespondenz zur Wolke beim Auszug aus Ägypten die göttliche Führung am Ende der Tage als Erfüllung und Vollendung des Exodus. So scheidet der Text als Belegstelle einer Gesalbten-Erwartung aus. Das Denken Philos sieht die Gesetze des Mose für Israel als Abbildung des universalen kosmischen Gesetzes, so daß diese Gesetze die Grundlage für die Existenz der hebräischen Nation und ihr Staatsgebiet bilden, damit auch die Voraussetzung für die erhoffte Rückkehr nach Palästina darstellen; nationale Eschatologie und allgemeine kosmische Prinzipien sind zu einer Einheit verbunden. Damit erkennt Philo die spezielle theologische Rolle der jüdischen Nation als zentral, die jüdische Nation besitzt die eschatologische Füh-

15 Der Begriff άνασωζομέvoi enthält vielleicht eine Anspielung auf den Exodus als erste Rettungstat, als Vorereignis der endzeitlichen Befreiung und Sammlung. 16 Vgl. BORGEN, There Shall 358. 17 Zur Textauslegung siehe OEGEMA, Gesalbte 118f., der kein messianisches Verständnis entwickelt; vgl. FISCHER, Eschatologie 184f.202; BORGEN, There Shall 359. - LLCHTENBERGER, Erwartungen 17 beurteilt den Text in dieser Hinsicht offenbar optimistischer. L. COHN, in: DERS. (Hg.), Philo von Alexandria II 382 denkt an einen persönlichen Messias. HECHT, Philo 161f. erkennt eine Reflexion „of the ideas of popular messianists" in Praem, wobei Philo diese politischen Ideen neutralisiert und Gott als allein Handelnden beschreibt. Eine freilich mehrdeutige messianische Anspielung auf dem Hintergrund der Feuersäule aus Ex 13,21 konstatiert DEXINGER, Szenarium 253. 18 Dazu BORGEN, There Shall 359; FISCHER, Eschatologie 205. - Vgl. auch VitMos I 66, wo in der Beschreibung des brennenden Dornbuschs von einer gewaltigen Erscheinung (όφις) gesprochen wird, also wiederum ein Zeichen göttlicher Gegenwart gemeint ist.

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rungsposition als Haupt der Völker.19 Die Erwartung einer speziellen Endzeitgestalt nimmt innerhalb der aufgerichteten Struktur von Gottes Heilsermöglichung im Gesetz und der Antwort des Volkes als Grundlage seiner zentralen endzeitlichen Rolle eine nur untergeordnete Stellung ein,20 wenngleich sie in der Zukunftshoffnung Philos kein fremdes Element bildet.21 Durch den Rückgriff auf bekannte Erwartungen (einer Gesalbten-Gestalt) in VitMos I 290 und Praem 95 veranschaulicht und präzisiert Philo seine Argumentation, durch die terminologische Offenheit bewahrt er die Rezipienten vor apokalyptischer Festlegung endzeitlicher Erwartungen und verweist sie zugleich auf ihre eigene Möglichkeit und Verantwortung zu einem Gott adäquaten Leben auf der Basis des mosaischen Gesetzes. Damit ist also die Existenz der königlichen Gesalbtenvorstellung zur Zeit des Philo durch diesen selbst bezeugt, er bietet aber eine spezielle Ausprägung dieser Erwartung, die in ihrer begrifflichen Reduktion und Offenheit die Variationsbreite der Rezeptionsmöglichkeiten dieser in Grundzügen geprägten Vorstellung nachdrücklich vor Augen führt.

19

Dazu BORGEN, There Shall 360; vgl. 343f.346. Optimistischer urteilt z.B. WOLFSON, Philo II 414-417 zu Praem 95.165, der messianische Vorstellungen entsprechend des nationalen Messianismus des „native Judaism" erkennt. Auch GOODENOUGH, Politics 118f. setzt fur Philo wie für alle Juden seiner Zeit eine Messiaserwartung voraus. 21 Nach BORGEN, There Shall 360f. ist für Philo die Erwartung eines messianischen Herrschers zwar nicht zentral, „but it forms a natural and integral part of the thinking of Philo" (Hervorhebung im Original), da er die Rolle des Mose als König betont und eine Königsideologie als Teil der jüdischen Gesetzgebung bietet. - HECHT, Philo 148f. unterscheidet zwei Arten messianischer Interpretation bei Philo, nämlich (1) allegorische Beschreibungen des Logos und (2) die messianische Zeit in Praem 79-172, wobei letztere als Dehistorisierung und Spiritualisierung des messianischen Dramas im Kontext des allgemeinen nomos erscheint (154f.l58); zu (1) sieht Hecht (ebd. 149-151.158.162f.) in den Texten Conf 62f., Op 79-81, VitMos II 44.288 und Virt 75 eine Spiritualisierung der Figur des Messias durch Identifizierung mit dem göttlichen Logos, der eine innere Verwandlung und Befreiung des Menschen bewirkt; es handelt sich um einen geistigen Prozeß, keine politische Aussage, der eine Neutralisierung „of populär messianism" bedeutet. Die Aussagen Hechts stellen zunächst vor ein methodisches Problem, indem ohne notwendige terminologische Differenzierung messianische Zeit und Endzeit („Golden Age") gleichgesetzt werden (vgl. ebd. 151. 153f.l57f. u.ö.). Die zu (1) genannten Texte erlauben keine messianische Aussage, da keinerlei Gesalbten-Terminologie oder deutliche motivliche Entsprechungen begegnen; eine Ausnahme könnte dabei lediglich Conf 62f. bilden, wo im Zitat aus Sach 6,12 ein „Sproß" genannt ist; dieser Anklang allein bleibt freilich zu vage für weiterreichende Aussagen, da keine sachliche Verbindung mit königlicher Gesalbtenmotivik sichtbar wird. - Nach DEXINGER, Szenarium 254f. ist für den Philosophen Philo eine Messiaserwartung nicht bedeutsam, wichtig erscheint vielmehr die sittliche Vernunft; Philo kannte jedoch die messianischen Erwartungen. 20

7. Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten 7.1 Aufstandsfiihrer in der Darstellung bei Josephus Flavius 7.1.1 Religion und Revolution: Der biographische Hintergrund Unabhängig von der Voraussetzung der Davidsohnschaft wurde wiederholt die Überlegung formuliert, ob die königliche Gesalbtenerwartung innerhalb einzelner, historisch noch faßbarer religiös-politischer Bewegungen der jüdischen Welt um die Zeitenwende und im 1. Jh. n.Chr. konkret wirksam wurde.1 Informationen über damit in Zusammenhang stehende Gestalten erhalten wir fast ausschließlich aus dem Werk des Josephus, das die einzig erhaltene, als solche konzipierte jüdische Geschichtsdarstellung dieser Zeit bildet. Die Angaben des Josephus sind nun freilich nur auf dem Hintergrund seiner Biographie hinsichtlich ihrer historischen Zuverlässigkeit und Aussagekraft richtig zu bewerten. Josephus, Sohn des Matthias, entstammt einer Jerusalemer Priesterfamilie (vgl. Bell 1,3) und wurde im ersten Jahr der Regierung des Kaisers Caligula, also 37/38 n.Chr. geboren. Das Todesdatum ist unbekannt (wohl nach 100). Seine soziale Stellung ist durch die Herkunft aus einer wohlhabenden aristokratischen Familie bestimmt, was eine merkliche Distanz zu einfachen Bevölkerungsschichten und Sympathien zur herrschenden Klasse grundlegt.2 Zu Beginn des jüdisch-römischen Krieges (66 n.Chr.) übernahm Josephus eine verantwortliche militärische Funktion auf Seiten der jüdischen Truppen in Galiläa, wobei er zuletzt die Verteidigung der Festung Jotapata befehligte und dem angesichts der bevorstehenden Niederlage geplanten kollektiven Selbstmord der Verteidiger entgehen konnte. Nach dem Fall der Festung geriet er in römische Kriegsgefangenschaft, prophezeite jedoch dem Feldherm und Oberbefehlshaber Vespasian unter Beanspruchung einer Weissagung vom Weltherrscher aus Judäa den Kaiserthron (vgl. Bell 3,399-408),3 was ihm schließlich 1 Z.B. bei HENGEL, Zeloten 297-304; STEMBERGER, TRE XXII 623; THEIBEN/MERZ, Jesus 139. 2 Dazu BILDE, Flavius 179f.; RHOADS, Israel 5. 3 Weitere Belege der Vorhersage in der zeitgenössischen Literatur bei STERN, Authors II 122f.

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- als Vespasian im Juli 69 tatsächlich zum Kaiser Roms ausgerufen wurde die Freiheit brachte. Josephus Schloß sich dessen Sohn Titus, der die Aufgabe des Feldherm in Palästina weiterführte, an und blieb auch nach dem Krieg im Gefolge der Flavier; er nahm deren Gentilnamen an und ließ sich am flavischen Hof in Rom nieder. Dort erfuhr er die finanzielle und materielle Förderung, die ihm die existentielle Grundlage für die Abfassung seiner bekannten Werke gewährte, die ihn freilich auch in ein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen römischen Gönnern versetzte. Dennoch blieb Josephus zeitlebens Jude und fühlte sich seinem Volk und seiner Religion zugehörig und verpflichtet, was ihn in eine gewisse Spannung zwischen jüdischem Glauben und römischer Herrscherdynastie stellte.4 Aus dieser politisch-sozialen Wende und der damit verbundenen Lebensstellung des Josephus resultiert folgerichtig eine ausgesprochen positive Darstellung der Flavier in seinen Werken.5 Um nur ein Beispiel zu nennen, erfährt Titus, Sohn des Vespasian und dessen Nachfolger als Oberbefehlshaber der römischen Truppen in Palästina, eine Entlastung von der Verantwortung für die Zerstörung Jerusalems, die er laut Josephus nur widerwillig durchführte (vgl. Bell 1,10; 4,92; 5,519; 6,328-350). Josephus unterstellt ihm sogar die Absicht, den Tempel zu retten (Bell 6,95.128.241.255-257.266).6 Laut Bell 3,455-457.532; 4,92-96 wollten Vespasian und Titus die Juden schonen. Daß die historischen Verhältnisse anders lagen,7 bedarf keiner Erklärung.

4

Zur Biographie des Josephus vgl. MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico, Band I, XI-XVIII; KRIEGER, Priester 50-54; SLEVERS, Josephus 61; HENGEL, Zeloten 6-15; BILDE, Flavius 20f.28-60; MAYER, TRE XVII 258-260; FELDMAN, ABD III 98If.; RHOADS, Israel 5-8. 5 Dazu MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XX. Ferner HENGEL, Zeloten 10-12. Die pro-flavische Tendenz bildete die Voraussetzung für die Herausgabe der Schriften des Josephus; vgl. KRIEGER, Geschichtsschreibung 279-282; ferner RHOADS, Israel 1 1 . - Das Bellum verfaßte Josephus zwischen 75 und 79 n.Chr., also kurz nach der Zerstörung Jerusalems, die Antiquitates veröffentlichte er deutlich später, um 93/94 n.Chr. Dazu MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XX; BILDE, Flavius 79.103f.; HENGEL, Zeloten 7f.l2; KRIEGER, Priester 52f.; SlEVERS, Josephus 61. - Zu den verschiedenen Textausgaben der Antiquitates Judaicae und des Bellum Judaicum vgl. das Literaturverzeichnis. Übersetzungen der Texte sind, wenn nicht anders vermerkt, von mir. - Zur Frage nach Quellen des Josephus vgl. z.B. HENGEL, Zeloten 8-10.13f.; SIEVERS, Josephus 62-66; BILDE, Flavius 78.87-89; RHOADS, Israel 14-16. 6 Auf Widersprüche dieser Darstellung zu den historischen Gegebenheiten weist KRIEGER, Feuer 74 hin. Stichhaltige Einwände gegenüber der Historizität der Aussage formuliert DERS., Geschichtsschreibung 295-304. 7 Vgl. nur Cassius Dio, Historia Romana 65,6,If., nach dessen Darstellung die von abergläubischen Ängsten zurückgehaltenen römischen Soldaten erst auf nachdrücklichen Befehl

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Auf diesem biographischen Hintergrund erfolgt seine Darstellung der verschiedenen Revolutionsbewegungen und des jüdisch-römischen Krieges. Nach eigenen Worten schildert Josephus die Ereignisse im Bellum Judaicum „zur Tröstung der Besiegten und eîç άποτροπήν των νεωτεριζόντων (zur Abschreckung der Revolutionäre)" (3,108),8 worin eine negative Bewertung der jüdischen Aufstandsbewegungen zum Ausdruck kommt. Diese Tendenz prägt auf der anderen Seite seine Beurteilung der römischen Herrschaft als im Besitz gottgegebener Legitimität, „denn ohne Gott hätte unmöglich eine so große Herrschaft entstehen können" (Bell 2,390). Gemäß der Erzählung des Josephus kann Titus Gott in diesem Sinne als seinen σύμμαχο? (Mitkämpfer) bezeichnen, also göttliche Autorität selbstverständlich fur sich in Anspruch nehmen (Bell 3,484). Die Unterwerfung so vieler Völker unter Rom zeige, daß das Schicksal bzw. die Schicksalsgöttin (ή τύχη) zu den Römern übergegangen sei (Bell 2,358-361; vgl. 3,354; 5,412), was vernünftigerweise nur die Option der Anerkennung ihrer Herrschaft offen läßt. Diese Passagen erhellen die Absicht des Josephus, seinen (jüdischen) Lesern9 die römische Herrschaft als schätzens- und anerkennenswerte Institution vorzustellen. Entsprechend müssen die dagegen ankämpfenden Aufstandsgruppen in schlechtem Licht erscheinen, da sie dieser Einsicht zuwiderhandeln. Eine Umdeutung und Verzeichnung der historischen Fakten um diese Gruppen liegt daher nahe10 und muß bei der historischen Beurteilung der von Josephus gebotenen Darstellung berücksichtigt werden. Auffallenderweise spielt eine religiöse Motivation der Aufständischen in den Berichten kaum eine Rolle. Auch bei der Beschreibung des Makkabäer-Aufstandes (Bell 1,36des Titus das jüdische Heiligtum betraten. SCHWIER, Tempel 309-316 argumentiert fur eine absichtsvolle Zerstörung des Tempels durch Titus. 8 HENGEL, Zeloten lOf. erkennt eine deutliche Tendenz des Bellum·. Josephus will „von der Berechtigung der jüdischen Niederlage und der Unüberwindlichkeit der römischen Macht überzeugen" (10f.). 5 An römische und jüdische Leser des Bellum denkt BILDE, Flavius 77f. Doch die Darstellung des Feldherrn Titus, der völlig die Kontrolle über seine Soldaten verliert, zielt kaum auf römische Rezipienten; vgl. Schilderungen des Ungehorsams in Bell 6,254-259.261-266. 282-284; Titus ist nicht länger Herr seines Heeres und zeigt sich machtlos, die Ordnung in seinen Streitkräften wiederherzustellen (Bell 6,257.260). Zur Tendenz der Entlastung des Titus vgl. KRIEGER, Geschichtsschreibung 298-300. 10 Zur Negativbewertung und Verzeichnung der jüdischen Freiheitskämpfer bei Josephus vgl. KRIEGER, Priester 52; DERS., Feuer 74f.; DERS., Geschichtsschreibung 288-290.326-338; HENGEL, Zeloten 16; MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XVII. Nach HORSLEY/HANSON, Bandits 11 Of. artikuliert sich Josephus in hellenistischen Kategorien; daher muß seine Rede von königlichen Ansprüchen als Messiasprätention verstanden werden. Die Unterdrückung religiöser Motivation hält RHOADS, Israel 82 als Tendenz des Josephus fest.

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53) kommt der religiöse Hintergrund kaum zum Vorschein (vgl. anders 1 Makk)," so daß Josephus offenbar die Tendenz verfolgt, politisch-militärische Handlungen von religiöser Motivation zu trennen. Dahinter wird die für ihn existentiell bedeutsame Absicht erkennbar, die jüdische Religion angesichts und trotz der militärischen Vernichtung und des in den Auseinandersetzungen sichtbaren staatsfeindlichen Potentials weiterhin zu leben. Parallel zur Negativcharakterisierung der Freiheitskämpfer stellt Josephus das jüdische Volk in seiner Mehrheit als friedliebende, gehorsame und zuverlässige Untertanen Roms dar, die ein primär religiöses Interesse in der Pflege der traditionellen Sitten und Gesetze des Mose verfolgen. So verhält sich das Volk (δήμος) von Jerusalem ablehnend gegenüber den Aufständischen (Bell 2,263.445), Bell 3,455.458f. zeichnet das Volk als friedlich und römerfreundlich.12 Das jüdische Volk bewegt sich folglich genau im Rahmen der ihm von Rom zugestandenen Rechte.13 Aufstände und Krieg gegen die Römer gehen somit auf das Konto einer rebellierenden jüdischen Minderheit.14 Damit gibt Josephus zu verstehen, daß die jüdische Religion an sich in keiner Weise in Konkurrenz oder Feindschaft mit dem römischen Staat steht. In diesem Gedankengefuge kann freilich eine politisch konnotierte Gesalb" Vgl. ähnlich die Darstellung der Hasmonäer (Bell 1,54-119). Dazu MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XXV. - In vergleichbarer Weise hebt die ausführliche Beschreibung der Essener in Bell 2,119-161 zwar den Gemeinschaftsaspekt, Askese und Bedürfnislosigkeit sowie die Gesetzesbeobachtung der Gruppe als signifikant hervor, eine eigentliche religiöse Motivation aber bleibt verborgen. Vgl. MICHEL/ BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XXVIIf. Sollte sich die Qumran-Gemeinde in der Tat als Subgruppe der Essener erweisen, läge eine weit stärker und fundamentaler religiös geprägte Literatur über diese Gruppe zum direkten Vergleich vor. Nach SCHWARTZ, Studies 33f. möchte Josephus in seinen späteren Schriften (Ant, Vit) die Leser überzeugen, daß die jüdische Religion keine politischen Implikationen aufweist; als Beispiele nennt er die Josephus-Fassung von 1 Makk, die Darstellung der Pharisäer und die Portraitierung der Juden als Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft, nicht als Volk eines Staates; was die Essener betrifft, zeichne Josephus Rebellen als Märtyrer (ebd. 37). 12

In Bell 2,449-509 werden die Juden als Opfer des Feldzuges unter dem syrischen Legaten Gallus dargestellt; dazu KRIEGER, Geschichtsschreibung 246. Vgl. HORSLEY/HANSON, Bandits 238. - Zur Absicht der Entlastung des jüdischen Volkes vgl. auch BILDE, Flavius 74; RHOADS, Israel 12. 13 Dieser Gesichtspunkt findet sich in Ant 18-20 stärker betont als in der parallelen Schilderung Bell 2,117-283; vgl. KRIEGER, Priester 53; zum Vergleich zwischen Antiquitates und Bellum DERS., Geschichtsschreibung (1994) passim. - MASON, Should Any (1998) beschreibt die Ant als „a handbook of Judean law, history and culture for a Gentile audience in Rome that is keenly interested in Jewish matters" (so 101 sein Ergebnis). 14 Vgl. SIEVERS, Josephus 6If.; MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XXI; HENGEL, Zeloten 11; RHOADS, Israel 12. Auch nach BOTHA, History 11 f. macht Josephus einige wenige Rebellen für die Aufstände verantwortlich; sonst ist das Judentum durchaus mit der römischen Kultur vereinbar.

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tenhoffnung keinen Raum beanspruchen, was zum völligen Schweigen des Josephus über eine derartige jüdische Tradition fuhrt.15 Die jüdischen Aufständischen bewertet Josephus folglich negativ und stellt sie in Distanz zur jüdischen Religion und Lebensweise stehend dar. Wenn Josephus aber überhaupt über Gesalbtenerwartungen schweigt, kann von seiner Darstellung etwaiger Gesalbtenanwärter nicht mehr erwartet werden als eine Beschränkung auf politisch-königliche Ansprüche.16 Josephus schuf sich durch seinen Frontwechsel während des jüdischrömischen Krieges Feinde, die ihn später denunzierten, mit den Aufständischen Kontakte zu unterhalten, ohne daß Auswirkungen dieser Anzeigen auf die Stellung des Josephus bei den Flaviern erkennbar wären.17 Offenbar konnte er sich am Hof der Flavier fest etablieren. Im Zusammenhang mit solchen Denunziationen mußte Josephus ein lebhaftes Interesse besitzen, die jüdischen Freiheitskämpfer möglichst fern von der jüdischen Religion, der er sich ja selbst zeitlebens zugehörig zeigte, zu zeichnen. So läßt seine Darstellung der Revolutionärsgestalten höchstens vermittelt einen religiösen Hintergrund erkennen, messianische Zuweisungen fehlen völlig. Signifikant für die Absicht des Josephus erweisen sich bereits die einleitenden Worte in Bell 1,1-30. Innere Konflikte unter den Aufständischen seien für die Niederlage der Juden verantwortlich, die „Tyrannen der Juden" erst provozierten das Einschreiten und schließlich siegreiche Kriegshandeln der Römer (1,10). Fünfmal benutzt Josephus die pejorative Klassifizierung τύραννοι fur die jüdischen Aufstandsfuhrer innerhalb der Einleitung.18 Seine 15 Dieses Schweigen konstatiert auch HENGEL, Zeloten 300, der 297 Anm. 2 bemerkt, daß Josephus die messianischen Erwartungen seines Volkes fast völlig entstellt, und auf Ant 17,43-45; 10,210.276; Bell 6,312f. verweist. Nach BILDE, Flavius 77 legt Josephus seinen Lesern die Abkehr von einem militanten Messianismus nahe; zu Ant 10,210 (Dan 2,34f.) auch DERS., Josephus 53f. 16 Vgl. HENGEL, Zeloten 300. - Dagegen kann auch nicht von der Überlegung her argumentiert werden, daß Josephus im Falle von Propheten durchaus politische und religiöse Motive verbindet, denn er qualifiziert die prophetischen Ansprüche als falsche Anmaßung („Pseudopropheten"); überdies zeigt Josephus an seiner Person, daß die jüdische Religion auch echte Prophetie freisetzt, wie seine Vorhersage der Kaiserwürde Vespasians (Bell 3,399-408) beweist. Diese Pseudopropheten lassen sich leicht als „religiöse Spinner" abqualifizieren, die keine ernste politische Gefahr darstellen. Im Gegensatz zur königlichen Gesalbtenerwartung intendiert das prophetische Auftreten keine politisch-militärische Tätigkeit, was den Titel als staatspolitisch unverfänglich erscheinen läßt.

" Vgl. MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XIV; KRIEGER, Priester 53; BILDE, Flavius 58. Vgl. Bell 7,437-453. - In Bell 2,569-646 begegnet der Leser dem Versuch des Josephus, sich selbst von den Revolutionsfuhrern abzusetzen. Dazu auch KRIEGER, Geschichtsschreibung 258-270. 18 Bell 1,10.11.24.27.28. Dazu SLEVERS, Josephus 62. Zu inneren Zwistigkeiten als Ursache des Untergangs vgl. auch Bell 1,31.

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persönliche emotional-subjektive Involvierung in die zu schildernden Ereignisse des jüdisch-römischen Krieges läßt Josephus 1,9-12 erkennen, wo er wiederholt von Trauer und Kummer über die Zerstörung Jerusalems als subjektive Begleiterscheinungen seiner Geschichtsschreibung spricht; auch seine eigene Beteiligung an den Ereignissen wird sichtbar (1,22). Seine anti-revolutionäre und pro-römische Haltung legt exemplarisch die auf Oppositionen gegründete syntaktische und semantische Struktur von 1,27 offen, wo er als Gegenstand seines Berichts gegenüberstellt: την τε των τυράννων προς TOÙÇ ομοφύλους ωμότητα καί την'Ρωμαίων φ€ΐδώ προ? του? αλλοφύλου;· die Roheit der Tyrannen gegenüber den Gleichstämmigen/Volksgenossen und die Schonung der Römer gegenüber den Fremdstämmigen.

Die ohnehin deutliche Wertung der Begriffe „Roheit" und „Schonung" wird durch den jeweiligen Objektbezug auf Angehörige des eigenen Volkes bzw. Fremde noch signifikant verstärkt.19 Josephus setzt die Aufständischen und besonders ihre Führer konsequent vom Volk ab, das dadurch Entlastung von der Verantwortung für die Aufstände erfahrt.20 So hätten die zelotischen „Tyrannen" das Volk gewaltsam unter ihre Führung gezwungen (Bell 4,158. 165f.172.178.258.347) und brutal in Knechtschaft gehalten (Bell 4,344). Der entscheidende Charakter der Erhebung als Befreiungskampf eines religiös und sozial unterdrückten Volkes ist in dieser Darstellung aufgegeben.21 Immer wieder nennt Josephus die inneren Konflikte zwischen den Aufstandsparteien als Grund für die Niederlage im jüdisch-römischen Krieg.22 Den Zeloten wirft er Gesetzlosigkeit in bezug auf ihre Herrschaftsausübung23 und die Wahl eines neuen Hohepriesters (4,154) vor.24 Die ganze Sündhaftigkeit des zelotischen Tuns verbalisiert Josephus in einem Redestück, das ein Zelot als

" Eine sinnparallele Kontrastierung liegt in Bell 5,257 vor: Finsteres - Einheimische versus Gerechtes - Römer. 20 Josephus konstruiert zu diesem Zweck das Schema einer Zweiteilung der Juden, wobei die kriegsbegierigen Revolutionäre dem friedliebenden Volk und der antirevolutionär gesinnten Oberschicht in Jerusalem gegenüberstehen; dazu KRIEGER, Geschichtsschreibung 331. 21 Dazu KRÌEGER, Feuer 74. 22 Bell 4,137.361; 5,257; 6,13.40.205.216f. 23 Bell 4,134.144.146.155.339.346.351.355. 24 Vgl. auch KRIEGER, Feuer 75. In Bell 4,179.238.243.328 kann Josephus die Zeloten mit dem Prädikat „die Bösen" abwerten. Zu negativen Charakterisierungen der Aufstandsgruppen vgl. auch Bell 7,253-274. Die Abkehr des Josephus vom Zelotismus bedeutet nach MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XVI auch eine Abkehr „von dessen messianischer Erwartung", wobei die Autoren auf Bell 6,312 verweisen.

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Eingeständnis seiner Schuld gehalten haben soll (Bell 4,346-352). Zu diesen Schlechtigkeiten tritt der Vorwurf der Entweihung des Tempels.25 In einer fiktiven Rede an die Verteidiger Jerusalems, die Josephus sich selbst in den Mund legt, hebt er die Sündhaftigkeit des Tuns der Juden hervor und zieht die Schlußfolgerung, daß Gott sich vom jüdischen Volk abgewandt habe (Bell 5,361-419). So zog sich Gott aus dem Heiligtum zurück und wechselte auf die Seite der Römer: „Daher bin ich überzeugt, daß die Gottheit aus dem Heiligtum geflohen ist und nun auf Seiten derer steht, die ihr bekriegt" (5,412; vgl. schon 2,539). Wiederholt bemerkt Josephus die Parteinahme Gottes zugunsten der Römer und gegen sein sündiges Volk:26 Die Pogrome gegen Juden in überwiegend heidnischen Städten deutet er als göttliches Strafgericht (Bell 2,455-457), nach Gottes Willen wurde Vespasian römischer Heerführer in Palästina (3,6), das Verderben Jerusalems entspricht dem Ratschluß Gottes (4,104.361f.573; 5,39). Gott selbst verdunkelte den Verstand der Widerstandskämpfer, so daß ihnen keine realistische Einschätzung der gegnerischen Kräfte gelang (5,343). Das ganze Volk erfuhr auf der Basis der Verurteilung durch Gott Verderben durch die Kriegshandlungen der römischen Auxiliartruppen (5,559). Dabei gab Gott den Juden Vorzeichen, aus denen sie das bevorstehende Unheil hätten ablesen können (6,288-315); so erklang aus dem Tempel der Ruf: „Laßt uns von hier fortgehen!" (6,299), der auf den Weggang Gottes aus seinem Heiligtum und von seinem Volk zu interpretieren ist.27 In der abschließenden Zusammenfassung der wesentlichen Aufstandsgruppen in Bell 7,253-274 werden alle diese Gruppen in gleicher Weise negativ charakterisiert, wobei sich die beinahe stereotyp wiederholten Vorwürfe durch die Begriffe κακία und ασέβεια bündeln lassen; das Ergebnis ist eine breite religiöse und moralische Verurteilung der Gruppen durch Josephus.28 Endlich erfolgt ein konkludierendes Schuldeingeständnis im Rahmen einer weiteren fiktiven Rede, die der Revolutionsfuhrer Eleazar den Verteidigern Masadas gehalten haben soll; die Grundaussage dieser Rede verurteilt die gesamte Erhebung als Mißachtung des göttlichen Willens (7,323-336). Wenn Josephus auf solche Weise den Revolutionären die rechtmäßige Beanspruchung göttlicher Absicht und Legitimation radikal abspricht, kann er 25

Bell 4,150f. 159.163.171 f.200f.242.262f. Dazu KRIEGER, Feuer 76f. - Vgl. noch Bell 7,332.359. Zum Krieg als Strafe Gottes Bell 2,455; 5,19; zu dieser theologischen Interpretation des Josephus vgl. BILDE, Flavius 75. 27 Vgl. syrApkBar 8,lf., wo im Kontext der Verarbeitung der Tempelzerstörung ebenfalls vom Weggang dessen, der den Tempel bewahrte, die Rede ist, so daß die Gegner Zutritt erhalten. 28 Vgl. die Ausführungen von KRIEGER, Geschichtsschreibung 310-313, der die jeweils benutzten Wortfelder zusammenstellt. 26

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umgekehrt den Führern des Aufstandes keine messianische Prädikation zugestehen, da eine solche ja die Momente göttlicher Erwählung, Legitimation und Bevollmächtigung zu politischem Handeln zugunsten des Gottesvolkes zentral denotiert.29 Und wenn er weiterhin Vespasian die Würde eines Weltherrschers zuspricht (Bell 6,312f.; vgl. 3,399-402),30 kann er die gleiche Bedeutung kaum einem der von ihm als „Tyrannen" disqualifizierten jüdischen Freiheitskämpfer zuerkennen. Damit ist eine messianische Titulierung, die den Gedanken einer Friedensherrschaft auf Erden - freilich mit dem nationalstaatlichen Impuls des Vorrangs Israels - impliziert, in diesem Kontext gar nicht zu erwarten. Entsprechend kann natürlich auch eine etwaige davidische Abkunft potentiell messianisch verstandener Gestalten von Josephus nur ignoriert werden. Zwischenergebnis·. Die historische Zuverlässigkeit der Angaben des Josephus in bezug auf antirömische Aufstände ist wegen der deutlich sichtbaren apologetischen Tendenzen seiner Darstellung grundlegend in Zweifel zu ziehen.31 Josephus steht der jüdischen Freiheitsbewegung feindlich gegenüber

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Die Schilderung über Johannes den Täufer (Ant 18,116-119) fügt sich in den beobachteten Rahmen. Wir wissen nicht, ob der Täufer sich als Gesalbter verstand oder - eher von manchen Anhängern als eine solche Heilsgestalt verstanden wurde; darauf könnte lediglich die indirekte Andeutung in Joh 1,20.25 weisen. Josephus sagt jedenfalls von einer solchen Prädikation nichts. Die gebotene unpolitische Darstellung der Gestalt des Täufers erlaubt Josephus eine positive Würdigung. Dazu LICHTENBERGER, Josephus 67-69. 30 MICHEL/BAUERNFEIND, Einleitung zu Josephus Flavius, De Bello Judaico XVI sehen gar einen Verrat des Josephus an der messianischen Hoffnung Israels; vgl. zu einer Beurteilung des Übergangs des Josephus zu den Römern aus dessen Einschätzung der historischen Wirklichkeit heraus ebd. XVIf. 31 Die eingeschränkte Zuverlässigkeit des Josephus als Geschichtsschreiber prägt auch das Urteil von HENGEL, Zeloten 15f., der Josephus eher als Apologeten sieht und dessen willkürlich-tendenziöse Stoffauswahl festhält; die Feindschaft gegenüber den jüdischen Freiheitskämpfern fuhrt dazu, daß die Konturen der Zeloten „verzerrt und verdunkelt" (16) werden. Vgl. DE JONGE, ThWNT IX 512. Die apologetische Tendenz des Josephus als zentral prägenden Zug seiner historischen Darstellung kann KRIEGER, Geschichtsschreibung 326338 als Ergebnis seiner Untersuchung formulieren, wobei sich diese Tendenz zugunsten des jüdischen Volkes, der Flavier und der eigenen Person des Josephus niederschlägt. Auch RHOADS, Israel 13f. stellt die historische Zuverlässigkeit des Josephus - u.a. in bezug auf die jüdischen Revolutionäre - deutlich in Frage. Vgl. ferner CHARLESWORTH, Concept 190 Anm. 7, nach dem potentielle messianische Figuren von Josephus als „deluded exentrics" dargestellt werden, weil Josephus bei seinen römischen Lesern um Unterstützung und Anerkennung für das Judentum nach der Tempelzerstörung werben möchte. Zur tendenziösen Geschichtsschreibung des Josephus (Geschichtsschreibung als Rhetorik) vgl. allgemein auch BOTHA, History (1997). - Dagegen betont BILDE, Flavius 195-200 stärker die historische Zuverlässigkeit der Darstellung bei Josephus, räumt freilich 191 f. auch die Verfolgung bestimmter Absichten ein. M.E. sind manche Tendenzen des Josephus unverkennbar und auch

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und betrachtet deren Protagonisten als Terroristen und Verbrecher. Auf dem skizzierten biographischen und schriftstellerischen Hintergrund des Josephus erscheint es von vornherein äußerst unwahrscheinlich, da mit seinem Darstellungskonzept unvereinbar, daß Josephus einem der geschilderten jüdischen Freiheitskämpfer messianische Würde beilegt, unabhängig von den tatsächlichen historischen Verhältnissen. Da dies also in keinem Fall zu erwarten wäre, bleibt nur, in seinen Berichten nach Hinweisen zu forschen, in denen sich ein solcher Anspruch noch erkennen läßt.

7.1.2 Texte und Gestalten 7.1.2.1 Im 1. Jh. n.Chr. vor dem jüdisch-römischen Krieg Josephus Flavius erzählt innerhalb seiner großen Geschichtswerke von einigen Gestalten an der Spitze jüdischer Aufstandsgruppierungen gegen die römische Besatzung, die in diesem Zusammenhang nun erwähnenswert sind.32 Besonders in den Krisenzeiten nach dem Tod Herodes' des Großen (4 v.Chr.) und während des jüdisch-römischen Krieges (66-70 n.Chr.) ereigneten sich verschiedene Aufstände, deren Führer königliche Ansprüche erhoben. Den politisch-sozialen Kontext dieser Erhebungswellen bildet dabei die Ablehnung der römischen Herrschaft über Palästina seitens der jüdischen Bevölkerung, die zur Bildung einzelner revolutionärer Bewegungen und Terrorgruppen führte und schließlich in dem großen militärischen Aufstand von 66-70/74 n.Chr., dem ersten jüdisch-römischen Krieg, gipfelte. Dabei handelt es sich um Bewegungen aus dem Volk, besonders aus der einfachen Landbevölkerung Palästinas, deren Führer ebenfalls aus einfachen Volksschichten stammen. Ihr Ziel stellt die Befreiung von der herodianischen und der römischen Herrschaft und die Restauration egalitärer sozial-ökonomischer Verhältnisse dar, was in einer Zeit gesteigerter Ausbeutung und Unterdrückung sowie extremer Armut drängend wurde.33 von der historischen Darstellung abhebbar, was für die Darstellung der „Königsprätendenten" zutrifft. n Vgl. den Überblick bei STEMBERGER, TRE XXII 623. HENGEL, Zeloten 297-304 kann dabei von „Messias-Prätendenten" sprechen. - Manche dieser Gestalten erwähnt auch Lk in Apg 5,36f. und 21,38; zur damit verbundenen Absicht vgl. BAUMBACH, TRE XXII 634. Der Bandenfuhrer Hiskia aus Bell 1,204 und Ant 14,159 sollte aufgrund mangelnder Hinweise nicht messianisch gedeutet werden; vgl. schon HENGEL, Zeloten 297f. 33 Zu den sozialen und ökonomischen Verhältnissen des Aufstandes vgl. HORSLEY, Figures 286f.; DERS./HANSON, Bandits 52-63; die Autoren beschreiben die verschiedenen aufständischen Gruppierungen als „social banditry", also ein aus der Situation sozialer Repression

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Aufgrund der weitgehend unergiebigen Quellenlage in dieser Frage ist de facto nur schwer zu entscheiden, inwiefern königlich-messianische Erwartungen im Rahmen der religiösen Motivation der verschiedenen Revolutionsgruppen Einfluß ausübten und wie gegebenenfalls die tatsächliche Bedeutung und Auswirkung dieses Einflusses zu bewerten ist.34 Festzuhalten ist: (1) Unsere Kenntnisse über jüdische revolutionäre Gruppen und Führergestalten im ersten Jahrhundert n.Chr. stammen einzig aus den Schriften des Josephus. (2) Die Geschichtsdarstellung des Josephus zeigt - wie oben aufgewiesen - in der Beurteilung der revolutionären Bewegungen die Tendenzen der negativen Charakterisierung und der Eliminierung religiöser Akzente; diese Tendenzen müssen bei der historischen Rückfrage nach dem tatsächlichen Erscheinungsbild der Aufständischen berücksichtigt werden. Entsprechend dieser Sachlage kann keine Sicherheit in der Beantwortung der Frage nach einer Beanspruchung der königlichen Gesalbtenerwartung innerhalb der politischen Bewegungen um und nach der Zeitenwende erlangt werden; als Aufgabe stellt sich die Abwägung historischer Wahrscheinlichkeiten. Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen kann eine Bewertung einschlägiger Texte begonnen werden. Josephus bemerkt Bell 2,55f. ein wiederholtes Bestreben jüdischer Revolutionäre an verschiedenen Orten, die Königsherrschaft (βασιλεία) zu erlan-

entstehendes Banditenwesen, das v.a. als ländliches Phänomen sichtbar wird, breiten Rückhalt im Volk erfahrt und schließlich zum Ausbruch des jüdisch-römischen Krieges führte, ebd. 48-85. Zu den soziohistorischen Bedingungen für messianische Hoffnungen vgl. ebd. 106-110; HORSLEY, Messianic Movements 480-483; auch BAUMBACH, Einheit 98f.; RHOADS, Israel 80f. 34 Von breitem Einfluß und relativ einheitlichen messianischen Visionen geht HENGEL, Zeloten 297-307 (vgl. 335f.) aus. RHOADS, Israel 165f.172f.180 sieht hingegen bestenfalls minimalen Einfluß. HORSLEY, Messianic Movements 471-495 spricht von lokalen messianischen Gruppen, die um verschiedene Prätendenten organisiert waren; nach DERS., Figures 285 (vgl. 294) können die königlichen Aufstandsbewegungen als messianisch bezeichnet werden, da sie auf der Grundlage der alten israelitischen Tradition der Salbung eines politischen Führers zum König zu sehen sind: er verweist 286 auf atl Volksbewegungen, die den König akklamieren (vgl. 1 Sam 11,15; 1 Kön 12,20; 2 Sam 2,4), und auf die Salbung des Königs von Jahwe her (z.B. 1 Sam 24,7); vgl. zum atl Hintergrund auch ebd. 294. Dazu auch HORSLEY/HANSON, Bandits 92-131. Zu einer messianischen Deutung ferner MAYER, Messias 47-49.50-53.69f.76-80. - MENDELS, Biblical Antiquities 268f. weist in diesem Zusammenhang auf die negative Beurteilung des israelitischen Königtums in AntBibl 56,2f. hin; hinzu kommt, daß der Autor der AntBibl sein Buch mit Saul beendet, also den König David wegläßt, obwohl er laut 62,9 um die Nachfolge innerhalb der davidischen Dynastie weiß; seiner Ansicht nach ist offenbar die Zeit für einen davidischen König noch nicht gekommen. Diese kritische Haltung gegenüber der Aufrichtung eines (davidischen) Königtums kann als Negativfolie der Annahme tatsächlicher davidisch-messianischer Prätentionen indirekte Unterstützung liefern.

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gen,35 wozu sie von der herrschenden Unruhesituation nach dem Tod des Herodes und während des anschließenden römischen Eindringens in Jerusalem unter dem kaiserlichen Finanzprokurator von Syrien Sabinus (4 v.Chr.) herausgefordert wurden. Dabei nennt Josephus zuerst einen Judas, Sohn des Ezechias, der in Sepphoris in Galiläa einen bewaffneten Aufstand begann (Bell 2,56); er charakterisiert ihn als ehemaligen „Räuberhauptmann" (άρχιληστός·),36 der schon von König Herodes überwältigt worden war. Die Parallelstelle Ant 17,271 f. nennt ausdrücklich das Streben des Judas nach der Königsherrschaft als Motivation seiner Erhebung: δηλώσει βασιλείου τιμής (272). Josephus aber bewertet sein Verhalten negativ als nicht von Tugend, sondern dem Mißbrauch anderer geleitet (272). Der König besitzt als solcher im Denken Israels sowohl politische als auch religiöse Bedeutung, denn als eigentlicher König Israels wurde stets Gott selbst angesehen, der seine Vollmacht partiell an den politischen König delegiert, damit dieser die irdischen Verhältnisse nach dem göttlichen Willen organisiert. Königsherrschaft ist dabei nur als von Gott legitimierte und erwählte Institution denkbar. Somit enthalten königliche Prätentionen immer auch ein religiöses Moment,37 das um das erste Jh. n.Chr. nach der historischen Erfahrung von Depravation und Untergang des israelitischen Königtums in nennenswerten Teilen der zeitgenössischen Literatur im Sinne einer königlichen Gesalbtenerwartung gesteigert und erhofft wurde. Königliche Attribute und Titel stehen also einer messianischen Interpretation nicht nur offen, sondern fordern diese geradezu heraus. Zu dieser Zeit der Wirren nach dem Tod Herodes' des Großen (4 v.Chr.) beanspruchen weiter sowohl ein Sklave Simon als auch der Hirte Athronges unabhängig voneinander, aber beide aufgrund ihrer Körpergröße38 und im Zeichen des Anlegens des königlichen Diadems (διάδημα) 39 - die königliche Würde, wobei Josephus beide als räuberisch und gewalttätig beschreibt (Bell 2,57-65; vgl. Tacitus, Hist 5,9,2). Die Berufsbezeichnung des Athronges als 35

Bei der Parallelstelle Ant 17,269f. fehlt der explizite Hinweis auf Königsprätentionen. Zur Verwendung des Begriffs λησταί bei Josephus, womit in abwertender Tendenz eine moralische Verurteilung der Aufständischen als Gesetzlose und Verbrecher verbunden ist, vgl. HENGEL, Zeloten 42-47.76; de facto stammten die so Bezeichneten wohl aus sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten. 37 Diesen Aspekt hebt auch EVANS, Jesus 54f. heraus. 38 Im Hinblick auf die Körperstärke (vgl. Bell 2,57.60; in bezug auf Simon bar Giora Bell 4,503) sprechen HENGEL, Zeloten 298 Anm. 2 und MICHEL, Simon 403 vom messianischen „Gibbor"-Motiv; vgl. auch SCHWIER, Tempel 155 Anm. 46. Die Konstruktion dieses Motivs verdankt sich atl (nicht-messianischen) Texten; die bezeugte frühjüdische Erwartung eines königlichen Gesalbten kennt das Motiv hingegen nicht, vielmehr agiert der Gesalbte mit übernatürlichen Gewaltmitteln und erweist sich so seinen Feinden gegenüber als siegreich. 39 Zum Diadem als Königssymbol vgl. z.B. HORSLEY/HANSON, Bandits 114f. 36

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Hirte klingt an die Tätigkeit des jungen David als Schafhirte an (1 Sam 16,11.19; 17,15.28.34), was eine Basis für eine davidische Gesalbtenerwartung bilden könnte.40 Athronges verhielt sich nach Bell 2,61 wie ein König (καθάπερ βασιλεύς·), der sich nach Delegation seiner militärischen Geschäfte mit wichtigeren Aufgaben befaßte. Die parallele Darstellung spricht in Ant 17,273-276 zusätzlich darüber, daß sich Simon als König (βασιλεύς) ansprechen ließ41 und der Königsherrschaft mehr als andere für würdig erachtete (étirai άξιος έλπίσας παρ' óimvow; 274), und weiß in Ant 17,278-284 davon, daß Athronges den Titel „König" führte (βασιλεΐ τε κεκλημένω; 281). Seine Bewegung verurteilt Josephus als habgierig und mordlustig. Königliche Prätentionen der genannten Gestalten sind an dieser Stelle überaus deutlich. Dabei handelt es sich um Gestalten aus einfachen Bevölkerungsschichten, die revolutionäre Volksbewegungen organisierten. Im Anschluß (Ant 17,285) beurteilt Josephus solche Königsprätendenten negativ im Sinne von politischen Verbrechern, die sich vorschnell die Königswürde anmaßen und in erster Linie ihren eigenen Landsleuten schadeten. Trotz der von Josephus vorgenommenen Klassifizierung als Terror- und Räuberbanden bleibt die Beanspruchung königlicher (also legitimer) Herrschaft sichtbares Charakteristikum der Bewegungen, deren Deutung so durchaus im Kontext der königlichen Gesalbtenerwartung gesucht werden darf.42

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Auch der Name „Athronges" wurde messianisch gedeutet: Nach SCHLATTER, Namen 115 liegt dem griechischen Namen, der ein Hapax legomenon darstellt, wohl das hebräische Äquivalent ΜΪΠΠΝί zugrunde, das an den Ethrog (311ΓΙΚ), eine Citrusfrucht als ein Symbol des Laubhüttenfestes, anklinge und so messianisch-national deutbar sei; vgl. auch HENGEL, Zeloten 298 mit Anm. 3. Zum Ethrog als Münzsymbol der Jahre 69/70 vgl. unten. - Die Namensdeutung ist aus sich allein höchst unsicher und vermag bestenfalls bestätigende Funktion zu erfüllen. - Auch FARMER, Judas 152-154 verweist auf diese Deutung und will Athronges als aus der Makkabäerfamilie stammend und eine lange dauernde Bewegung führend verstehen, was sich nur als reine Spekulation bewerten läßt. Gegen Farmer betont SCHWIER, Tempel 152 die niedere Abkunft. 41 Josephus beurteilt dies sofort als Verrücktheit (μανία), läßt also keinen Zweifel an der Unsinnigkeit solcher Bezeichnung aufkommen. Er gewährt damit einer potentiellen religiöspolitisch orientierten Deutung - im positiven Sinne der Befreiung Israels - keinen Raum. 42 Vgl. auch HENGEL, Zeloten 298.334; SCHWIER, Tempel 151-153 (kriegerischer Messias); EVANS, Jesus 62f.; DEXINGER, Szenarium 259f. Dazu weiter HORSLEY/HANSON, Bandits 111-117; im Hintergrund stehe eine als „popular kingship" bezeichnete Tradition, die z.B. an der Gestalt Davids greifbar wird (ebd. 92-110); vgl. HORSLEY, Messianic Movements 473480.484-486; aufgegriffen von POMYKALA, Tradition 262f. Eine solche Tradition wird in den frühjüdischen Schriften freilich nicht greifbar, so daß die eruierte königliche Gesalbtenerwartung als Hintergrund den Vorzug genießt. Z.B. weiß Josephus nirgends von der Wahl oder Akklamation der königlichen Gestalt durch das Volk (oder seine Anhänger) zu berichten. Auch RHOADS, Israel 26 spricht allgemein in bezug auf Simon und Athronges von

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Angesichts der pejorativen Bewertung der Revolutionäre durch Josephus, die sowohl Darstellungsweise als auch Stoffauswahl sicherlich beeinflußte, und aufgrund der verwendeten König-Terminologie und -Symbolik in Verbindung mit militärischen Absichten, darf berechtigt vermutet werden, daß diese Gestalten auch das Moment göttlicher Legitimation und Ermächtigung für sich in Anspruch nahmen. Es könnte sich in der Tat um Prätentionen auf die Würde eines gesalbten Königs handeln;43 hinter einer solchen Beanspruchung einer bekannten Vorstellung würde die Absicht erkennbar, die eigenen Ansprüche religiös zu legitimieren.44 Das Fehlen expliziten GesalbtenVokabulars wäre dann dem Urteil des Josephus zuzuschreiben. Während des römischen Zensus in Judäa (6 n.Chr.) tritt der Gelehrte Judas der Galiläer45 auf, lehnt Schätzung und Steuerzahlung als gegen das erste Ge-

messianischen Bewegungen, wobei neben sozialen und politischen Intentionen auch eine Intensivierung durch eschatologische Spekulationen vermutet werden könne. 43 Laut COLLINS, Scepter 199 fehlen echte Hinweise auf messianische Ansprüche dieser Gestalten; er möchte nur dann von Messiasprätendenten sprechen, wenn von ihnen die Wiedererrichtung der davidischen Herrscherlinie oder die Erfüllung biblischer Prophetien behauptet wird. Es ist aber zu beachten, daß die Eliminierung solcher Hinweise angesichts der eigenen schriftstellerischen Absicht auf das Konto des Josephus gehen könnte. - Auch MENDELS, Biblical Antiquities 267f. sieht zu wenig Beweise fur ein messianisches Verständnis dieser Aufstandsführer, bei denen es sich auch um reine Königsprätendenten (er verweist auf Pseudo-Philip und Eunus in der hellenistischen Welt) gehandelt haben könnte; es seien ferner keine Hinweise auf eine biblische Begründung verfugbar; die König-Terminologie allein genüge nicht, da sie auch in nicht-messianischem Kontext begegne (PseudoAlexander, Archelaos u.a.; vgl. Bell 2,26f.; Ant 17,202.232.269-284.324-338); eine Ausnahme bilde der ägyptische Prophet (Bell 2,261-263). - Zwischen solchen Königsprätentionen und messianischen Ansprüchen liegt lediglich eine terminologische Differenz, da nicht von „Gesalbten" die Rede ist, was aber auf Eliminierung durch Josephus zurückgeführt werden könnte. Ein König über Juda wird schwerlich ohne göttliche Legitimation gedacht worden sein, und so enthält der König-Titel für jüdische Ohren eine religiöse Konnotation, die in der Gesalbten-Bezeichnung noch weit stärker hörbar wäre. Tendenzbedingt wollte Josephus genau das vermeiden und beschränkte sich deshalb auf den für römisches Verständnis rein politischen König-Titel. Zur Durchdringung von politischer und religiöser Dimension vgl. HORSLEY, Figures 277f.; EVANS, Jesus 54f.; KOCH, Heilandserwartungen 111 unter Hinweis auf die vorexilische Einheit von Thron und Altar, die - wegen der realpolitischen Erfahrung von den Propheten aktuell aufgehoben - für die Zeit des Auftretens des eschatologischen Heilskönigs wieder erwartet wird; auch HENGEL, Zeloten 146-149 (in bezug auf die Bewegung des Judas Galilaios); BAUMBACH, Einheit 99; SCHWIER, Tempel 152. - An messianische Gestalten denken THEIBEN/MERZ, Jesus 139. 44

Angesichts der inhaltlichen Nähe von königlicher Gesalbtenvorstellung und revolutionärer Königsprätention wäre es verwunderlich und erklärungsbedürftig, wenn die Aufstandsführer sich nicht dieser naheliegenden Tradition zur religiösen Verstärkung und Legitimation ihres Anspruchs bedienten. 45 Josephus nennt Ant 18,4 seine Herkunft aus der Stadt Gamala in der Gaulanitis.

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bot verstoßend ab und fordert das Volk unter Zusage göttlichen Beistandes zum Befreiungsaufstand auf.46 Er bewirkte die Gründung einer vierten jüdischen „Philosophenschule" (neben Pharisäern, Sadduzäern und Essenern), die sich als grundlegend für die antirömische Aufstandsbewegung des 1. Jh. erwies (Ant 18,9) und als deren ήγεμώι/ Judas auftrat (Ant 18,23). Entgegen der römischen Herrschaft soll allein Gott als „Fürst und Herr" (ήγεμών και δεσπότης; Ant 18,23) anerkannt werden. In dem Glaubenssatz von der Alleinherrschaft Gottes dürfte die zentrale Lehre der Bewegung artikuliert sein.47 Weiter propagierte er einen revolutionären Synergismus,48 bei dem der Mensch zur aktiven Mitwirkung bei der Durchsetzung der göttlichen Herrschaft verpflichtet ist (Ant 18,5). Josephus bezeichnet Judas als σοφιστής einer eigenen jüdischen Gruppierung (Bell 2,118) und verbindet ihn Bell 7,253-258 mit der Entstehung der Sikarier,49 die den Freiheitskampf gegen Rom fuhren. Es ist überlegenswert, ob Judas im Rahmen dieses Befreiungskampfes für Israel messianische Ansprüche als davidischer königlicher Gesalbter erhob,50 wenngleich sich dies nicht expressis verbis belegen läßt. 46 Josephus, Bell 2,118; Ant 18,4-6.9f.23-25; Apg 5,37. Dazu BAUMBACH, TRE XXII 634. HAHN, Hoheitstitel 154f. versteht Judas als Ausgang des Zusammenschlusses der Zeloten; vgl. dazu den grundlegenden Nachweisversuch von HENGEL, Zeloten 79-150. Ferner BLACK, Judas 45.50f. Dagegen HORSLEY/HANSON, Bandits 190-199; BAUMBACH, Einheit 104-107. RHOADS, Israel 51f. mißt der Bewegung keine große Bedeutung bei. - Es ist nicht klar erkennbar, ob Judas eine fest organisierte Widerstandsbewegung ins Leben rief, deren Anhänger bereits zu seiner Zeit als „Zeloten" bezeichnet wurden; Josephus nennt „Zeloten" erst nach Kriegsbeginn 66 n.Chr., Lk 6,15 kennt hingegen bereits unter den Jüngern Jesu einen „Simon der Zelot". Zu bedenken ist, daß markante Übereinstimmungen unter den Aufstandsgruppen der Tendenz des Josephus zuzuschreiben sind. Vgl. KRIEGER, Geschichtsschreibung 310-313.333. - Einen Vergleich der Darstellungen in Bell und Ant bietet KRIEGER, Geschichtsschreibung 20-27, ohne auf die Frage nach Gesalbtenprätentionen einzugehen. 47

Dazu HENGEL, Zeloten 84.87.93-111; RHOADS, Israel 48f. - DEXINGER, Szenarium 261 betrachtet die Ablehnung jeder Untertanenschaft als messianisches Fundament der Bewegung. 48 Diese Begrifflichkeit verwenden THEMEN/MERZ, Jesus 140. Vgl. HORSLEY/HANSON, Bandits 193f. 49 Diese Identifikation steht freilich wegen der Allgemeinheit der verwendeten Motive, die auf verschiedenste Revolutionsgruppierungen passen, im Verdacht, von Josephus konstruiert zu sein. Vgl. KRIEGER, Geschichtsschreibung 305-307; RHOADS, Israel 54-59. Optimistischer HORSLEY/HANSON, Bandits 20If.; BAUMBACH, Einheit 94-96. 50 Vgl. HENGEL, Zeloten 298f.343; EVANS, Jesus 63f.; BAUMBACH, TRE XXII 634 unter Verweis auf zeitgenössische Münzprägungen; SÄNGER, Verkündigimg 204f. Anders KARRER, Gesalbte 137, der dies aufgrund des Fehlens von Gesalbten-Terminologie ablehnt und eine Orientierung der Aufständischen an der Makkabäererhebung favorisiert. - Die Annahme von HORSLEY/HANSON, Bandits 196f., die „vierte Philosophie" beinhalte keinen bewaffneten Aufstand, verkennt die unweigerlich in militärische Konfrontation mündenden Ziele der

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Daher würde auch die lk Erwähnung seines Scheiterns in Apg 5,37 erklärbar, da dieses Scheitern im lk Kontext der Gamaliel-Rede implizit auf die Wahrheit des christlichen Gesalbtenanspruchs deutet (vgl. 5,42 das in der Verkündigung des Evangeliums vom Christos Jesus bestehende Ziel der Perikope). Sollte sich Judas als menschlicher Repräsentant der Königsherrschaft Gottes verstanden haben - dafür ließe sich seine Bezeichnung als ήγεμών der Bewegimg anfuhren, die in unmittelbarer Nähe (Ant 18,23) auch fur Gott selbst in seiner Stellung als alleiniger Herrscher (!) Anwendung findet - so würde diese für die königliche Gesalbtenerwartung charakteristische Korrelation von Gott als Herrscher und menschlichem königlichem Repräsentanten weiter auf ein messianisches Selbstverständnis deuten. Seine Bezeichnung als Gelehrter weist auf Vertrautheit mit Israels Schriften und den darin enthaltenen, messianisch gedeuteten Heilskönigsverheißungen. Wegen der spärlichen Hinweise kann eine Beanspruchung der Gesalbtenerwartung seitens Judas nur unzureichend verifiziert werden; die Indizien gewähren ihr m.E. eine gewisse historische Wahrscheinlichkeit. Daß er die Ideologie jüdischer Freiheitsbestrebungen im 1. Jh. maßgeblich mitgeprägt hat, scheint hingegen noch deutlich sichtbar. Aus der Amtszeit des römischen Prokurators Felix (52-60 n.Chr.) berichtet Josephus von religiös motivierten und die Legitimation durch göttlichen Geist beanspruchenden Schwärmern, die das Volk in der Erwartung von Wunderzeichen,51 mit denen Gott die Befreiung ankündigen werde, in die Wüste locken, und die er als betrügerische Verführer und Aufrührer charakterisiert (Bell 2,258-260; Ant 20,167f.). Die Lokalisierung der Bewegungen in

Bewegung. - HILL, Jesus 146f. hebt das prophetische Element im Auftreten des Judas hervor, erkennt aber keine messianischen Züge. RHOADS, Israel 51 versteht Judas als Lehrer ohne messianischen Anspruch. 51 Man könnte diese legitimierenden Wunder von den göttlichen Befreiungswundern, auf die sich Theudas und der Ägypter (s. unten) beziehen, unterscheiden. Gemeinsam ist jedoch sicher das Verständnis des Wunders als Akt göttlichen Eingreifens (und damit Bestätigens), so daß eine solche Differenzierung unklar bleibt und wenig einträgt. Vgl. COLLINS, Scepter 198. GRAY, Prophetic Figures 131f. unterscheidet jedoch Theudas und den Ägypter von anderen Prophetengestalten im Hinblick darauf, daß deren Wunder die Befreiung nicht nur anzeigen, sondern selbst bringen; zur Legitimationsfunktion der σημεία, die Josephus präzise mit diesem Begriff verbindet, vgl. ebd. 125-133, besonders 127f. Zur Legitimationsfunktion der Wunder auch BETZ, Problem 30f. Zur an die Mose-Wunder beim Exodus erinnernden Terminologie z.B. BARNETT, Sign Prophets 682f.; differenzierter GRAY, Prophetic Figures 125-128. - KRIEGER, Geschichtsschreibung 145-148 beobachtet stereotype Erzählelemente in Berichten über Pseudopropheten und Goeten, was ihn zur Annahme einer Josephus bereits vorliegenden Gattung „Goeten-Erzählung" führt. Eine solche Stereotypie der Darstellung mahnt zur Vorsicht bei der historischen Auswertung der Berichte, v.a. was deren Negativtendenz betrifft.

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der Wüste wird als Reminiszenz an den Exodus des Volkes Israel aus Ägypten als heilsgeschichtliches Paradigma verstanden werden müssen;52 möglicherweise ist eine mosaische Konnotation enthalten. Die Bestimmung der Zeichen als „Zeichen der Freiheit" (σημεία ελευθερίας; Bell 2,259) weist auf eine grundlegende politische Intention der Bewegungen, die durch den Vorwurf, „Revolution und Aufruhr" (νεωτερισμοί und μεταβολαί) hervorzurufen, Bestätigung findet;53 die militärische Niederschlagung als Antwort der 52

Vgl. COLLINS, Scepter 198. Ferner WEBB, John 336; er schließt ebd. 31 lf. aus der negativen Terminologie bzgl. der Propheten bei Josephus, daß die an Israels Heilsgeschichte gemessen positiven Elemente in den Berichten über prophetische Prätendenten historisch zuverlässig sind, da Josephus selbst nicht an einer positiven Zeichnung dieser Personen interessiert war. - GRAY, Prophetic Figures 137 will die „Wüste" nicht generell als Anspielung auf den Exodus verstehen, da die Bedeutung des Begriffs weiter denotiert sei. Sie übersieht dabei die signifikante Verbindung mit der Hoffnung auf Befreiung durch Gott, die Josephus explizit artikuliert und die auch den Exodus charakterisiert. Auch RHOADS, Israel 83 verbindet die Wüste mit dem Exodus. SCHWARTZ, Studies 35-43 vertritt eine abweichende Deutung des Wüsten-Motivs: Die Wüste beinhaltet eine lokale Entfernung von der Regierungsautorität (35), v.a. aber wird von den Rebellen der Ort der Heiligkeit Jahwes von Jerusalem in die Wüste verlegt, so daß die Wüste vorübergehend als Ort Jahwes fungiert, von wo aus der Aufbruch nach Jerusalem möglich wird, was implizit eine Bedrohung der römischen Besatzung darstellt (38.43); Schwartz verweist dabei auf die in der Wüste lokalisierte QumranGemeinde, die sich als Ort der wahren Präsenz Gottes, als Ort der Offenbarung versteht und so als Gemeinde den Tempel ersetzt (37f.), und erkennt hellenistischen Einfluß im Gedanken der Präsenz Gottes nicht nur im Tempel (40-43). Die in den verschiedenen Schilderungen der Wüsten-Gruppen anzutreffenden Elemente wie „Zeichen und Wunder", der Einsturz der Mauern Jerusalems, der Name „Ägypter" u.a. deuten aber konkret auf Exodus und Landnahme. 53 Dazu GRAY, Prophetic Figures 119, die auf das Fehlen des politisch denotierten Vokabulars im Parallelbericht Ant 20,167f. aufmerksam macht und die Diskrepanz mit der Militarisierung der Gruppen in Bell 2 durch den Autor Josephus erklärt (auch KRIEGER, Zeichenpropheten 182.184 sieht den Zusammenhang von Widerstandskämpfern und Zeichenpropheten von Josephus hergestellt). Dahinter müßte man die Absicht vermuten, einzelne Gruppierungen für die Aufstände und schließlich den Krieg verantwortlich zu machen (vgl. ebd. 117). Doch wäre dieser Absicht bereits durch die Schilderungen der „Königsprätendenten" Genüge getan. Für ein positives Bild jüdischer Religiosität wäre mehr erreicht, hätte Josephus jede politische Intention getilgt und eine rein religiöse Gruppe gezeichnet, wie er es dann in den Antiquitates tut. Die Nähe des Bellum zu den berichteten Ereignissen würde erklären, warum Josephus die politische Absicht der Bewegungen nicht verschweigen kann, was später in den Antiquitates möglich ist. Josephus entschärft die politische Absicht aber in der üblichen Weise der Negativcharakterisierung, die auch die religiösen Züge als zu Unrecht beansprucht abqualifiziert; so spricht Josephus in Bell 2,259 vom „ Vorwand göttlicher Eingebung" (ττροσχήματι θειασμοΰ) und beschreibt die nachfolgende Menge als „besessen" (Verb δαιμονάω). - Nach SCHWARTZ, Studies 32 hält Josephus in Bell 2 noch die religiöse Motivation der Rebellen (freilich disqualifizierend) fest, während er in den Ant eine Aufspaltung vornimmt: Die Religion hat keine Verbindung zum Staat.

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römischen Besatzung deutet auf eine bewaffnete Aufstandsgruppe. Politische und religiöse Intention wirken zusammen. Etwa zeitgleich damit sammelt ein von Josephus als solcher disqualifizierter „falscher Prophet" (φευδοπροφήτης) und „Betrüger" (άνθρωπο? γόη?) aus Ägypten in der Wüste Anhänger, um sich gewaltsam die Herrschaft über Jerusalem zu verschaffen und die Stadt von den Römern zu befreien (Bell 2,261-263; vgl. mit Differenzen54 Ant 20,169f.; Apg 21,38). Die von Josephus formulierte Absicht des Ägypters, „über das Volk zu herrschen" (TOD δήμου τυραννειν; Bell 2,262), reiht den Ägypter unter die von Josephus dargestellten Revolutionärsgestalten ein.55 Die Mitführung einer Leibwache (δορυφόροι; 2,262) verleiht der Schilderung des Auftretens des Ägypters herrscherliche Züge.56 Die politisch-militärischen Bestrebungen werden den 54

Zu den Unterschieden in den Darstellungen vgl. GRAY, Prophetic Figures 116-118. Apg 21,38 nennt nur 4000 statt 30.000 Anhänger bei Josephus; nach der Apg führte der Ägypter die Anhänger in die Wüste hinein, nach Josephus aus der Wüste zum Ölberg; die Bezeichnung der Anhänger als Sikarier kennt nur die Apg, wobei wohl ein allgemeiner Sprachgebrauch für Aufständische vorliegt. Dazu WEISER, Apg II 608f.; ZMIJEWSKI, Apg 781 f. 55 Mit dem Verb τυραννέίν und stammverwandten Lexemen wie TupaviXs und TÙpawoç charakterisiert Josephus im Bellum wiederholt die politische Zielsetzung der Revolutionäre im Sinne von Herrschaftsanmaßung; Belege listet KRIEGER, Geschichtsschreibung 150 auf. Zur Gewaltbereitschaft des Ägypters vgl. auch DERS., Zeichenpropheten 185f. 56 Auch Menahem (Bell 2,434) und Simon bar Giora (Bell 6,229) fuhren δορυφόροι mit sich. Weitere Stellen, die eine Verbindung mit Aufstandsführern zeigen, und hellenistische Belege bei KRIEGER, Geschichtsschreibung 150f. mit Anm. 12. Die Leibwache (wörtlich: „Lanzenträger") fungierte als Zeichen königlicher Würde (vgl. 2 Makk 3,24.28; 1 Sam 10,26; 22,14; 2 Sam 23,23), was besonders bei Menahem (Bell 2,434.444) deutlich wird. Vgl. MICHEL/BAUERNFEIND (Hgg.), Josephus Flavius, De Bello Judaico II/l, 268 Anm. 177, die die Leibwache „geradezu als Zeichen fur messianische Ansprüche" betrachten. - Interessanterweise fehlen diese Elemente in Ant 20,169f. Der Revolutionär tritt hinter den Propheten oder Goeten zurück. HORSLEY, Populär Prophets 458f. und WEBB, John 337f. sprechen sich gegen eine militärische Absicht der Bewegung aus; vielmehr werde die Hoffnung auf Gottes Eingreifen gesetzt. Die darin aufgerichtete Gegensetzung leuchtet nicht ein, denn die Verbindung von Politik, Gewalt und Religion, die an anderen Aufstandsgestalten deutlich wird, spricht eher dafür, daß sich militärische Ziele mit der Hoffnung auf Gottes wirksamen Beistand vereinen; wegen seiner anti-revolutionären Tendenz spielt Josephus den Aspekt kriegerischen Tuns herunter. Apg 21,38 kann den Ägypter mit den Sikariem und Aufstandsbestrebungen korrelieren; während historisch die Identifizierung mit den Sikariern unwahrscheinlich erscheint, liegt die für Lk sichtbare Verbindung beider Gruppen wohl in ihrer militärisch-revolutionären Intention. Bewaffnung und militärische Absicht der Gruppe um den Ägypter zeigt GRAY, Prophetic Figures 117 mit Anm. 16 (S. 200f.); die von ihr in diesem Zusammenhang beanspruchte Tendenz des Josephus, die Schuld an den Unruhen einer revoltierenden Minderheit zuzuschreiben, läßt sich hier nicht in Anschlag bringen, da Josephus bekannte Tatsachen nicht völlig umgehen kann; wichtig wird ihm freilich die Trennung

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geschichtlichen Tatsachen entsprechen, da das Auftreten dieser Gestalt sonst kaum solche Beachtung seitens der römischen Behörde gefunden hätte. Möglicherweise trägt die Ortsbestimmung „aus Ägypten" Symbolcharakter im Hinblick auf den von Mose geführten Exodus des Volkes durch die Wüste zur Freiheit,57 so daß das Auftreten des Ägypters prophetisch-herrscherliche Züge gewänne. Verständlich wird diese Verbindung auf dem Hintergrund der atl Mose-Überlieferung, die Mose als Offenbarer und Volksflihrer, also in prophetischer und politischer Funktion zeichnet. Nimmt man die Erwartung eines Propheten wie Mose58 aus Dtn 18,15.18 und die Vorstellung der ermächtigenden Salbung des Propheten nach Jes 61,If. hinzu (vgl. unten 11.3.1), so läßt sich an „gesalbte Propheten" denken, bei denen sich königliche und prophetische Gesalbtenerwartung verbinden.59 Wie bei der atl überlieferten Eroberung Jerichos unter Josua (Jos 6,16), dem Nachfolger des Mose in der Führung Israels, sollen auf den Befehl des Ägypters hin die Mauern Jerusalems einstürzen (Ant 20,170). Der kriegerisch-politische Charakter dieses Vorhabens steht unübersehbar in Verbindung mit der - von Josephus als „prophetisch" kategorisierten - Inanspruchnahme göttlicher Autorität nach dem Vorbild der ersten Führer Israels und ermöglicht so mit Vorsicht eine Interpretation von der königlichen Gesalbtenerwartung her. Dafür spricht auch die implizit auf Gottes Eingreifen gerichtete Hoffnung, 60 die in der Anspielung auf die beiden genannten heilsgeschichtlichen Ereignisse sichtbar wird und dem Auftreten des Ägypters endzeitlichen Charakter verleiht.

von Religion und militärischer Gewalt, die er dadurch verfolgt, daß er das religiöse Anliegen des Ägypters diskreditiert. 57

D a z u BAUMBACH, T R E X X I I 6 3 4 ; HORSLEY, F i g u r e s 2 8 4 ; DERS./HANSON, B a n d i t s

169. 58

Auf diesem Hintergrund interpretiert EVANS, Jesus 73-76 und spricht von „messianischen Propheten", die ähnliche Absichten wie die Königsprätendenten verfolgen. BLTTNER, Zeichen 64-68 interpretiert die Zeichenpropheten allgemein in der Tradition des „Propheten wie Mose", lehnt aber 72f. die Erkennbarkeit messianischer Ansprüche ab. 59 Im Motiv des Geistbesitzes sind Propheten (vgl. Jes 61,1) mit dem davidischen königlichen Gesalbten verbunden (vgl. PsSal 17,37; 18,7; lQSb V 25; atl Bezugstext: Jes 1 l,2f.). 60 Vgl. auch COLLINS, Scepter 197. An einen messianischen Prätendenten denkt HENGEL, Zeloten 237. Von einer Überschneidung von Zeichenprophet und Volkskönig oder -messias in der Gestalt des Ägypters sprechen BARNETT, Sign Prophets 683.687 und GRAY, Prophetic Figures 136f. und nennen dabei - im Einklang mit meinen Kriterien - die Verbindung von prophetischem Anspruch und herrschaftspolitischer Absicht als Begründung. Vgl. EVANS, Jesus 73-76. Dagegen HORSLEY, Prophetic Movements 7f. Allgemein ablehnend auch BlTTNER, Zeichen 72f.; BARNETT, Sign Prophets 686 (Ausnahme: der Ägypter). - Zu Recht spricht sich GRAY (ebd. 142f.) gegen eine Bezeichnung als eschatologische Propheten aus. So aber doch z.B. HILL, Jesus 149.

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Bereits unter dem Prokurator der römischen Provinz Judäa Fadus (44-46 n.Chr.) beansprucht ein sich als Prophet bezeichnender Theudas,61 das Volk durch den von seinem Machtwort (πρόσταγμα) gespaltenen Jordan zu führen (Ant 20,97f.; vgl. Apg 5,36).62 Vielleicht klingt dabei in der Erwähnung des machtvollen Wortes ein aus PsSal 17 (vgl. Jes 11,4 LXX) bekanntes messianisches Motiv an. Die Spaltung des Wassers erinnert an die Wundermacht des Mose am Roten Meer und des Josua, seines Nachfolgers, am Jordan, deren Vorbild Theudas offenbar zur eigenen Legitimierung als göttlicher Befreier von der Römerherrschaft in Anspruch nahm.63 Damit gibt er sich als Herrscher und Prophet zu erkennen, was eine Verbindung der prophetischen und der königlichen Gesalbtentradition nahelegt, in jedem Fall die Heilsgeschichte Israels zur Autorisierung eigenen Handelns beansprucht. Josephus steht tendenziell auf der Seite des Fadus und erachtet die Niederschlagung der Bewegung offenbar als sachlich gerechtfertigt; wenn er auch keinen expliziten Grund für diese Niederschlagung angibt, setzt er implizit eine von der Gruppierung ausgehende politisch-revolutionäre Gefahr voraus, worin sich historische Tatsachen spiegeln dürften. Die Verbindung von prophetischer Tradition und politisch-revolutionärer Absicht ist bei den beiden Gestalten des Ägypters und des Theudas deutlich. Die Kennzeichnung dieser Figuren durch Josephus legt das Gewicht auf ein Verständnis als Propheten,64 doch scheinen auch die politischen Befreiungsten61

Josephus nennt ihn darüber hinaus γόη?, qualifiziert ihn also negativ als Zauberer oder Scharlatan. Zu Bedeutung und Verwendung des Substantivs bei Josephus vgl. GRAY, Prophetic Figures 143f. 62 Zwischen den beiden Darstellungen besteht eine chronologische Diskrepanz, da die Apg Theudas vor das Auftreten des Judas Galilaios 6 n.Chr. datiert; weiter setzt Lk die Rede des Gamaliel vor dem historisch bezeugten Auftreten des Theudas an. Der nicht eben häufige Name Theudas und die jeweils zentrale Charakterisierung als Aufstandsführer legen die Identität beider Begebenheiten nahe. Die Differenz erklärt sich aus der Absicht der Apg, in 5,36.37 zwei Beispiele zu präsentieren, wofür Lk zwei ihm umrißhaft bekannte Begebenheiten heranzog, ohne daß ihm an exakter historischer Verortung gelegen war (vgl. die Angabe „προ γαρ τούτων των ήμερων" zu Beginn von 5,36). Gegen Historizität der lk Chronologie argumentiert SCHRECKENBERG, Flavius 195-198. 63 Vgl. BAUMBACH, TRE XXII634; LICHTENBERGER, Erwartungen 18; COLLINS, Scepter 196f.; HORSLEY, Figures 284; DERS./HANSON, Bandits 166f.; WEBB, John 335; GRAY, Prophetic Figures 115; EVANS, Jesus 74f.; MEYER, ThWNT VI 827. SÄNGER, Verkündigung 202-204 interpretiert Theudas als Messiasprätendenten. 64 HORSLEY, Figures 282 sieht nur die prophetische Kennzeichnung und sucht 282-285 aus der Schilderung des Josephus einen bestimmten Prophetentyp herauszuarbeiten, zu dem neben der auf Gott gesetzten Hoffnung auch revolutionäre Absichten gehören; vgl. DERS./HANSON, Bandits 164-172; ferner HORSLEY, Prophetic Movements 7f.; DERS., Prophets 454-461. Andere Typen von Propheten unterscheidet WEBB, John 315-348; er differenziert 313f. zwischen prophetischen und messianischen Prätentionen und schließt hier einen messiani-

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denzen, an deren Minimierung Josephus interessiert war, noch durch, wenngleich nur in bezug auf den Ägypter explizit von einer gewaltsamen Erhebung die Rede ist; die Niederschlagung der Bewegungen erfolgt freilich gewaltsam, woraus die Intention hervorgeht.65 Daß mit den Gestalten eine messianische Hoffnung verbunden wurde, läßt sich nicht ausschließen, jedoch auch nicht sicher beweisen. Dafür spricht die Kombination religiöser und politischer Aktion und die Konzentration in einer Repräsentationsgestalt,

sehen Ansprach aus. GRAY, Prophetic Figures 133-143 arbeitet aus den Schilderangen des Josephus den Typos eines „Zeichenpropheten" (sign prophet) heraus (vgl. BARNETT, Sign Prophets 679, der den Terminus „sign prophet" in die Diskussion einführt) und sieht solche Gestalten in deutlicher Differenz zu Königsprätendenten, spricht ihnen so auch keine messianischen Züge zu (ebd. 136); vgl. BARNETT, Sign Prophets 686f.; HORSLEY, Prophetic Movements 7; SCHWIER, Tempel 151; BLTTNER, Zeichen 72f. Einen unterscheidbaren Typos des Zeichenpropheten erkennt auch KRIEGER, Zeichenpropheten 180-186. Daß die genannten „Zeichen" in der Sache häufig nicht recht deutlich werden (vgl. ebd. 184f.), spricht gegen diesen Rekonstruktionsversuch. Ich mahne zur Vorsicht gegenüber der Annahme einer typifizierenden Aussagekraft des Terminus „Prophet", da es sich dabei um ein theologisches Interpretament des Josephus handeln kann, der religiöse Ansprüche als falsche, illegitime prophetische Ansprüche abwertet und damit das inhärente politische Potential negativ kanalisiert; damit wäre eine etwaige messianische Intention aus dem Blickfeld des Lesers genommen. - HENGEL, Zeloten 236 spricht von einem „profetisch-messianischen Prätendenten eigener Prägung". Vgl. ferner HILL, Jesus 148; EVANS, Jesus 74f. DEXINGER, Szenarium 262f. versteht Theudas und den Ägypter als messianische Gestalten. Gegen eine strikte Trennung von messianischen und prophetischen Bewegungen auch SÄNGER, Verkündigung 205 Anm. 39. MEYER, ThWNT VI 826f. benutzt die Wendung „messianische Propheten" und verbindet damit offenbar ein festes Schema, zu dem Beglaubigungswunder als Erweis der Legitimität und Beginn der Heilszeit gehören; Mose und Josua fungieren als Vorbilder; Meyer zählt den Samaritaner, Theudas, den Ägypter und den Weber Jonatan zu dieser Kategorie. - Nach ΒΕΤΖ, Problem 32 resultiert die Verwendung der Bezeichnung „Prophet" daraus, daß Josephus die damit prädizierte Gestalt am Kriterium von Dtn 18,22 mißt, nämlich am realen Eintreten des Verkündigten. 65

GRAY, Prophetic Figures 115f. argumentiert gegen die Annahme, Theudas habe eine bewaffnete Bewegung geführt. So auch RHOADS, Israel 69.83f.; SANDERS, Judaism 285f. Tatsächlich vermittelt Josephus zu dieser Frage keine Informationen. Die beabsichtigte Imitation von Mose bzw. Josua impliziert eine eindeutige politische Absicht - die Josephus wegen seiner Intention der Trennung von Religion und Revolution nur zu gern herunterspielt - , die schwerlich ohne militärischen Einfluß denkbar ist; eine Analogie bilden verschiedene Aufstandsgruppen. In Korrespondenz zu einer militärischen Erhebung steht die Niederwerfimg durch römische Truppen. Auch SCHWARTZ, Studies 31 hält aufgrund der Kampfeshandlungen die Bewaffnung der Juden fest. BlTTNER, Zeichen 59-64 arbeitet die politische Absicht der Zeichenpropheten heraus. Die von GRAY (ebd. 138f.) vorgenommene strikte Differenzierung zwischen Zeichenpropheten und Revolutionären scheint wenig sinnvoll, da die Übergänge fließend sind und menschliche Anstrengung sich in unterschiedlicher Intensität wohl bei allen erkennbaren Aufstandsgruppen mit der Hoffnung auf Gottes Eingreifen verband.

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die für die Durchführung des angestrebten Prozesses zentral und mit Vollmacht versehen ist. Auf die prophetische Tradition scheint sich ein Samaritaner aus der Zeit des Pilatus (um 36 n.Chr.) zu berufen, der auf dem Garizim die heiligen Geräte des Mose zeigen will und sich so dessen Autorität im Sinne eines Propheten wie Mose (vgl. Dtn 18,15) zuspricht (Ant 18,85-87),66 um auf diese Weise Anhänger für eine Erhebung zu gewinnen. Ein Einfluß der königlichen Gesalbtenerwartung ist, sollte er jemals eine Rolle gespielt haben, völlig zurückgedrängt.

7.1.2.2 Während der Zeit des jüdisch-römischen Krieges Die Schilderung des jüdisch-römischen Krieges in Josephus' Bellum Judaicum läßt insgesamt in manchen Kreisen gehegte messianische Hoffnungen erkennen.67 Im folgenden Exkurs soll untersucht werden, ob sich diese Aussage angesichts jüdischer Münzfunde aus dieser Zeit bestätigt.

EXKURS: Jüdische Münzen aus der Zeit des jüdisch-römischen Krieges Die Frage nach dem Einfluß der königlichen Gesalbtentradition auf die jüdische Propaganda während des jüdisch-römischen Krieges kann neben dem literarischen Zeugnis auch an die Münzfunde aus dieser Zeit gestellt werden, doch ergibt die Auswertung der jüdischen Münzprägungen während der Kriegszeit (66-70 n.Chr.) kein eindeutiges Bild.68 Diese situationsbedingten Münzprägungen verdanken sich einer doppelten Motivation: Politisch dienen die Münzen als Zeichen nationalstaatlicher Unabhängigkeit, religiös besitzt der Silberschekel das Privileg der kultisch akzeptablen Währung.69 Die Auf66 Vgl. LICHTENBERGER, Erwartungen 18f. Auf die Unklarheit der Schilderung macht COLLINS, Scepter 197 aufmerksam. Den prophetischen Charakter betonen HORSLEY/HANSON, Bandits 163f.; WEBB, John 333f. 67 COLLINS, Scepter 199 versteht messianische Erwartungen als bedeutenden Faktor beim Ausbruch des jüdisch-römischen Krieges im Jahr 66. RHOADS, Israel 179 betont hingegen, die religiöse Dimension war nicht der allein bestimmende Faktor für den Ausbruch der Aufstände, ebenso müssen soziale und politische Mißstände berücksichtigt werden. 68 Zum jüdischen Münzbestand der Jahre 66-70 vgl. MESHORER, Coinage II 96-131; DERS., Numismatics 214f. Ferner REIFENBERG, Ancient Jewish Coins (1940); KADMAN, Coins of the Jewish War (1960). Einige Abbildungen von Münzen aus Jahr zwei und vier auch bei MAYER, Messias 282. Schriftprägungen geben auch SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History I 605f. wieder. 69 Vgl. MESHORER, Coinage II 99.

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prägung von Jahresangaben erlaubt eine chronologische Differenzierung der einzelnen Münzfunde. Die Silberschekel des Jahres 66 zeigen die Datumsangabe Κ („eins"), die den Beginn einer neuen Zeitrechnung, eines neuen Zeitalters signalisiert, das offensichtlich mit der militärischen Befreiungsbewegung anbricht: Israel wird als national selbständiger Staat des Volkes Gottes gedacht. Die erhaltenen Münzen bilden obvers ein kelchartiges Gefäß, umgeben von der Inschrift ^ΚΊώ 1 "TpCtf („Schekel Israels"), und revers einen Zweig mit drei Granatäpfeln sowie den Schriftzug ΠΕΠρ („Heiliges Jerusalem") ab.70 Die Deutung der Symbole und Aufschriften setzt mit der allgemeinen Beobachtung ein, daß der Sinn der Lexeme „Israel" und ,.heilig" eine religiöse Dimension enthält. Das Bild des Bechers oder Kelches erinnert an ein kultisches Gefäß beim Tempelopfer während des Passafestes71 und versinnbildlicht damit Israels Selbstverständnis als Volk Jahwes, das diesem im Kult begegnet. Der Zweig könnte auf Jes 11,1 hin gedeutet werden und würde dann einen von Gott gesandten, mächtigen Heilskönig fur Israel symbolisieren. Die Früchte lassen sich als Signal fur das unmittelbar bevorstehende Eintreffen der Heilszeit im Sinne des Gedankens „der Zweig trägt schon Früchte" verstehen.72 Auf diesem Hintergrund wäre eine zeitgenössische messianische Interpretation, deren Vorstellungsgehalte sich in literarischen Dokumenten der Zeit niedergeschlagen haben, naheliegend, läßt sich aber wegen des Fehlens von Gesalbten-Terminologie auf den Münzaufschriften und in Ermangelung direkter literarischer Angaben zum zeitgenössischen Münzverständnis weder verifizieren noch falsifizieren. Auf jeden Fall durchdringen sich in den Aussagen der Münzen politische und religiöse Dimension,73 womit eine Voraussetzung für eine messianische Interpretation gegeben wäre. Problematisch für ein solches Verständnis ist hingegen die fehlende Verbindung der Aufschriften mit einer bestimmten historischen oder fiktiven Person. Die Silberschekel erfahren in den folgenden Jahren kleinere gestalterische Variationen, aber, abgesehen von der aufsteigenden Jahreszählung, keine 70

Nähere Angaben und gestalterische Differenzierung sind bei MESHORER, Coinage II 100-105 einsehbar. Zur proklamatorischen Funktion der Aufschrift „Schekel Israels" im Sinne einer jüdischen Unabhängigkeitserklärung vgl. auch MILDENBERG, Vestigia 171f. 71 Vgl. die Identifizierung bei MESHORER, Coinage II 106-108; auch KLIMOWSKY, Cup; DERS., Symbols 28-30 sieht im Kelch allgemein ein Symbol der Gottheit Israels. 72 Laut MESHORER, Coinage II 108 Anm. 44 (S. 215) ist das Stadium des Übergangs von der Blüte zur Frucht dargestellt. Auf das Vorkommen des Granatapfels im Zusammenhang mit dem Kult Israels weist MESHORER, ebd. 108f. hin, womit wiederum Israel als primär religiöse Größe bezeichnet wäre. Dazu femer KLIMOWSKY, Symbols 33f. 73 So auch MESHORER, Coinage II 105f. Auf eine messianische Interpretationsmöglichkeit geht er an keiner Stelle ein.

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grundlegenden Änderungen.74 Für das zweite Jahr (67 n.Chr.) ist darüber hinaus die Existenz von Bronze-Münzen belegt, die obvers ein amphorenähnliches kultisches Gefäß und die Prägung „Jahr zwei", revers ein Blumenmuster, bestehend aus Weinzweig und -blatt mit Ranke und Nachlese, sowie den Aufdruck ΓΤΠΠ („Freiheit Zions") tragen.75 Dabei enthält der Begriff „Zion" eine nationalistische Konnotation unter Einschluß von Religion, Kultur und Geschichte der Stadt. Die amphorenähnlichen Gefäße dürften Behältnisse für kultische Wein-Libationen repräsentieren, der Weinstock als charakteristisches Symbol der jüdischen Kunst bezeichnet wohl - in verschiedenen Variationsmöglichkeiten - Israel in seiner spezifischen Heilsrolle. Im vierten Kriegsjahr (69 n.Chr.) tritt die Prägung eines Viertel-Schekels mit beidseitiger Abbildung von Palmzweigen auf.76 Münzprägungen während des Bar Kochba-Aufstandes bilden Palmzweige und die Aufschrift „Simon, Fürst Israels" ab (s. unten 10.2), so daß aufgrund der Verbindung von Motiv und Text die Palmzweige als Symbol des siegreichen Herrscher- oder Königtums des Simon bar Kochba angesehen werden können.77 Würde analog dazu die Palme schon zur Zeit des jüdisch-römischen Krieges einen herrscherlichen oder königlichen Anspruch bezeichnen, begünstigte dies ein messianisches Verständnis der einschlägigen Münzen. Als partieller säkularer Ersatz für die aufgrund der Kriegsnot knappen Silberschekel werden BronzeMünzen verschiedenen Wertes geprägt. An Bildern finden zum einen ein Bündel mit Palmzweig, Myrthe und Weide (Lulab) sowie eine Zitronenfrucht 74 Dazu MESHORER, Coinage II 109-123 passim. Zur eindeutigen Substantivierung „Jerusalem, die Heilige" in den Prägungen ab dem zweiten Kxiegsjahr vgl. SCHWIER, Tempel 128. Vor einer Überinterpretation dieser Variation ist aber generell zu wamen, eher ist identische Denotation anzunehmen. 75 Zur Identifikation der Amphore vgl. KLIMOWSKY, Amphorai. Zu Phänomen und Deutung der Münzen vgl. MESHORER, Coinage II 1 0 9 - 1 1 3 . Zum Begriff der „Freiheit" HENGEL, Zeloten 1 2 0 - 1 2 3 . - Ob sich mit dem Weinzweig als Interpretation von Gen 49,10f. eine messianische Symbolik verbindet, kann bestenfalls vermutet werden. - Eine Unsicherheit besteht in der eindeutigen Zuordnung von Vorder- und Rückseite der Münzen. 76 Zu Gestalt und Interpretation der Münzen des vierten Kriegsjahres vgl. MESHORER, Coinage II 114-123. Zu den Symbolen von Lulab und Ethrog vgl. auch KLIMOWSKY, Symbols 24-28, der bei der Deutung die ursprüngliche Gabe von Erstlingsfrüchten beim Erntefest hervorhebt; zur Palme als Symbol Judäas bzw. Israels ebd. 40. VON GEMÜNDEN, Palme 93 denkt an Anspielungen auf die jüdischen Pilgerfeste Sukkot und Schawuot, worin sich die nationale jüdische Selbstbestimmung während des jüdisch-römischen Krieges ausdrückt; auch Siegessymbolik wird enthalten sein (ebd. Anm. 74); zum Palmzweig als zentralem Symbol des Laubhüttenfestes und als Siegessymbol vgl. ebd. 89-91, wobei eschatologischmessianische Konnotationen enthalten seien. 77 Dazu MESHORER, Coinage II 145; ferner KLIMOWSKY, Symbols 31f., der den Palmzweig besonders als Symbol des Sieges versteht; VON GEMÜNDEN, Palme 93f. (Symbol des eschatologisch-messianisch geprägten Laubhüttenfestes).

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(Ethrog) als Symbole des Laubhüttenfestes (Sukkot) Verwendung, wobei dieses Fest an die Befreiung Israels aus Ägypten als fundamentale Heilstat Jahwes erinnert (Lev 23,42f.). In Sach 14,16-19 fungiert die gemeinsame Feier des Laubhüttenfestes mit dem Rest der Völker als Bild für Gottes Heilszeit. Als das jüdische Wallfahrtsfest repräsentiert es angesichts der immensen Menschenansammlung jüdischen Nationalstolz und entsprechende politische Hoffnungen, die auf dem religiösen Hintergrund der Rettung des Volkes durch Gott zu sehen sind. Zum anderen erscheint die Abbildung einer Palme mit zwei Körben voll Früchten, wobei die Palme als Symbol Israels bzw. Judäas gilt,78 die Früchte im Korb an die kultische Gabe der Bikkurim, der Erstlingsfrüchte, erinnern, womit Fruchtbarkeit und Überfluß im Land evoziert werden. Im Einklang mit der gesteigerten nationalpolitischen Symbolik steht die Variation der Aufschrift zu i v a r b x f r („Für die Erlösung des Zion") anstelle von „Freiheit Zions", wodurch die eschatologisch motivierte theokratische Komponente verstärkt wird: Die Rettung wird nicht länger aus eigener militärischer Kraft, sondern vom Eingreifen Gottes erwartet, ohne daß dieses sachlich präzisiert wäre. Die Wendung „Erlösung Israels" war überdies mit dem national-religiös bestimmten Laubhüttenfest verbunden.79 Im Überblick läßt sich festhalten, daß die während des jüdisch-römischen Krieges geprägten Münzen eine Verbindung von national-politischem und religiösem Bewußtsein repräsentieren, was an sich eine wesentliche Voraussetzung fur eine herrscherlich-messianische Interpretation darstellt. Die Motive und Aufschriften gestatten eine potentielle Erwartung einer Gesalbtengestalt im Rahmen der Ideologie des jüdisch-römischen Krieges,80 forcieren sie je78

Zur Palme als Symbol Judäas bzw. der Juden auf den römischen Judaea capta-Münzen, die nach dem siegreichen Ende des jüdisch-römischen Krieges als Träger von Siegessymbolik von den Römern geprägt wurden, vgl. VON GEMÜNDEN, Palme 93; als Symbol Israels ebd. 88f. 79 Zur Ambivalenz der Wendung hinsichtlich einer messianischen Deutung vgl. SCHWIER, Tempel 154 Anm. 40: Der eschatologische Charakter der Erlösung ist deutlich (vgl. auch MESHORER, Coinage II 122f.), eine messianische Deutung hingegen nicht sicher; lag eine solche vor, kommt in erster Linie Simon bar Giora als Bezugsperson in Frage. MESHORER, Numismatics 214 denkt an Hilfe vom Himmel. 80 Eine messianische Deutung setzt STEMBERGER, TRE XXII 623 voraus; vgl. auch HENGEL, Zeloten 303f.; ferner - in Verbindung mit Sukkot - VON GEMÜNDEN, Palme 90f. Im Zusammenhang mit dem Messiasprätendenten Bar Kochba versteht MESHORER, Coinage II 136 die Formulierung „Jahr eins der Erlösung Israels" als Träger eines messianischen Anspruchs. - Skeptisch demgegenüber KARRER, Gesalbte 143f.l46f.: Die Münzen zeigen die Hoffnung auf politische Restitution Israels und Jerusalems ohne Darstellung einzelner Herrscherpersönlichkeiten, so daß Karrer eine Interpretation auf „die Restauration eines gesalbten Königtums als jüdischer Zentralinstanz" als „primäres Ziel" der Aufständischen

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doch in keiner Weise und bringen keinerlei terminologische Festlegung darauf. Auch ein ausschließlich theokratisches Verständnis der religiösen Dimension der Münzprägungen steht als Interpretation offen. Dabei muß freilich beachtet werden, daß nur schwerlich angegeben werden kann, welche Motive denn als Träger messianischer Konnotationen fungieren könnten. Königliche Motive wie Stern und Diadem81 sind aus der realpolitischen Erfahrung negativ vorbelastet, Salbungsmotive scheinen aufgrund der titularen Abstraktion des Terminus „Gesalbter" von konkreten Vollzügen ohnehin irrelevant.82 Realhistorische Gestalten der Zeit fanden keine allgemeine Anerkennung als „Gesalbter". So gestatten die Münzen insgesamt keine eindeutige messianische Interpretation, stehen einer solchen aber theoretisch offen und schließen sie keineswegs aus. Generell ist dabei zu bedenken, daß eine königliche Gesalbtenerwartung durchaus nicht an eine konkrete historische Gestalt gebunden sein muß, sondern eher auf einen noch nicht real erkennbaren, von Gott zu sendenden und also erst noch erfaßbaren Heilskönig gerichtet sein wird. Eine neuartige, die geschichtliche Erfahrung transzendierende Herrschaftsaufrichtung bestimmt die Vorstellung, nicht eine Restauration des als depraviert erfahrenen realpolitischen Königtums.83 Doch kehren wir zum literarischen Zeugnis des Josephus zurück. Im einzelnen erhebt zu Beginn des jüdisch-römischen Krieges ein gewisser Menahem Anspruch auf die königliche Würde und tritt sogar im Tempel in königlichen Gewändern auf (Bell 2,433-448). Der Textausschnitt 2,442-445 läßt gut den Charakter der von Josephus formulierten Schilderung erkennen:84 (442) Menahem aber stieg die Bezwingung der festen Plätze und der Tod des Hohenpriesters Ananias so sehr in den Kopf, daß er grausam wurde, und da er glaubte, daß er keinen Gegner habe, der ihm die Herrschaft streitig machen könnte, zeigte er sich als unerträglicher Tyrann. (443) Die Männer um Eleazar jedoch empörten sich gegen Menaablehnt (144). Das ist sicher richtig, doch geht eine königliche Gesalbtenerwartung charakteristisch in dem Punkt darüber hinaus, daß die Ermächtigung des Gesalbten von Gott überirdische Durchsetzungsmöglichkeiten in sich birgt und daher als Hoffnungsträger in sich zuspitzenden militärischen Konflikten besondere Bedeutung zu erlangen vermag. 81 Dazu MESHORER, Coinage I 60f. im Hinblick auf Münzen der Hasmonäerzeit. Zu Münzaufschriften dieser Zeit, die in hebräischer oder griechischer Sprache den König-Titel enthalten, vgl. den Überblick bei SCHORER/VERMES/MILLAR, History I 604f. 82 Dies muß gegen die Einwendung von KARRER, Gesalbte 144, der zur messianischen Deutungsmöglichkeit offenbar Salbungsmotivik voraussetzt, überlegt werden. 83 Was wiederum gegenüber KARRER, Gesalbte 144 erwogen werden muß, da dieser zu einseitig die politische Sphäre verbalisiert, wenn er von der „Restauration eines gesalbten Königtums" spricht. 84 Übersetzung nach MICHEL/BAUERNFEIND (Hgg.), Josephus Flavius, De Bello Judaico I 271.

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hem und machten untereinander Bemerkungen in der Weise: Sie seien aus Liebe zur Freiheit von den Römern abgefallen und dürften diese deshalb nicht einem einfachen Mann aus dem Volk preisgeben und einen Gewaltherrscher dulden, der, selbst wenn er keine Gewalttat beginge, doch seiner Herkunft nach weit unter ihnen stünde. Denn wenn es auch notwendig sei, daß einer die Führung des Ganzen in die Hand nehme, so komme sie doch jedem anderen mehr als diesem Menschen zu. Sie trafen nun eine Verabredung und griffen ihn im Tempel an, (444) als er stolz und im Schmuck königlicher Kleidung zum Gebet hinaufschritt, wobei ihm eine Schar bewaffneter Eiferer folgte. (445) Wie nun die Anhänger Eleazars auf ihn eindrangen, hob auch das übrige Volk, um seiner Erbitterung Ausdruck zu verleihen, Steine auf und begann, auf den wortgewandten Volksverfuhrer zu werfen; sie glaubten, durch seine Ermordung dem ganzen Aufruhr ein Ende machen zu können.

Insgesamt darf dem Auftreten Menahems keine große historische Bedeutung beigemessen werden, es handelt sich lediglich um eine einzelne Episode im Wirkbereich der Sikarier.85 Seine Anhänger werden Bell 2,444 freilich als £ηλωταί bezeichnet. Die Abstammung des Menahem als Sohn (oder vielleicht Enkel) des Judas des Galiläers, der nach Bell 2,118 um 6 n.Chr. einen Befreiungsaufstand propagierte (und gemäß der Darstellung bei Josephus nicht mit dem Königsprätendenten Judas, Sohn des Ezechias aus Bell 2,56; Ant 17,271 f. identifiziert werden darf), läßt sich nicht im Hinblick auf etwaige Gesalbtenprätentionen auswerten.86 Menahem agierte als Führer einer Widerstandsgruppe im Verlauf des jüdisch-römischen Krieges. Nachdem seine Gruppe Waffen aus dem Arsenal des Herodes in Masada entwendet hatte, kehrte Menahem in der Art eines Königs (βασιλεύς) nach Jerusalem zurück, wurde ein Führer (ήγεμών) des Aufstandes und leitete die Belagerung der 85

Dazu HORSLEY, Figures 290f., der auf den Unterschied zwischen Sikariern und Zeloten hinweist: Die Zeloten traten wohl erst im Winter 67/68 in Erscheinung, zeigten eine „demokratische" und egalitäre Struktur und favorisierten eine priesterliche Führerschaft der legitimen zadokidischen Priesterfamilien; entsprechend spielten messianische Erwartungen keine Rolle. Vgl. DERS., Messianic Movements 487f.; DERS., Menahem 334-339; DERS./HANSON, Bandits 190-241. Zur Differenzierung zwischen Sikariern und Zeloten vgl. auch BAUMBACH, Einheit 96-101.104-107; RHOADS, Israel 97-110.111-122. Anders HENGEL, Zeloten 300.369.372f., der Menahem als zelotischen Messias im Rahmen einer fest organisierten, mehrere Generationen existierenden Bewegung der Zeloten versteht; vgl. DERS., Zeloten und Sikarier 391-412, der die einheitliche ideologische Grundlage der jüdischen Freiheitsbewegung zwischen 6 und 70 n.Chr. betont. SCHWIER, Tempel 131-138 nimmt eine zelotische Bewegung vor dem Kriegsausbruch, wohl schon in den 20er Jahren, an. KRIEGER, Geschichtsschreibung 236 charakterisiert die Bezeichnung des Menahem als ήγεμών της στάσεως (2,434) als „Übertreibung". 86 Hier mahnt HORSLEY, Figures 291 zu Recht zur Vorsicht; vgl. ebd. 286 die Einwände gegen eine Identifizierung von Judas dem Galiläer mit Judas, dem Sohn des Ezechias. Vgl. DERS., Menahem 342. Vorsichtig kritisch auch RHOADS, Israel 50f. Für diese Identifizierung HENGEL, Zeloten 337-339. Anders denkt aber MAYER, Messias 69f. an messianische Herkunft des Menahem.

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Königsburg in Jerusalem (Bell 2,433-440), hatte also wenigstens zeitweilig eine anerkannte Führungsposition inne. Die Belagerung zeitigte schließlich Erfolg. Menahem zog sich jedoch die Gegnerschaft der Tempelpartei unter Eleazar zu, was Josephus mit anmaßender Gesinnung wegen der militärischen Erfolge und daraus resultierendem tyrannischen Verhalten begründet (2,442). So klassifiziert ihn Josephus als τύραννος (442) und δεσπότη? (443).87 Die Anhänger des Eleazar und das ganze Volk, mit Steinen bewaffnet, drangen auf Menahem ein, als er mit königlicher Kleidung im Tempel auftrat, zwangen ihn zur Flucht und töteten ihn wenig später (2,443-448). Im Gegensatz zu anderen Königsprätendenten wird Menahem als Gelehrter (σοφιστή?; 2,433) bezeichnet, was ihn aus einer reinen Volksbewegung heraushebt, ohne daß ihm deswegen Sozialrevolutionäre Ziele abzusprechen wären (vgl. die Vernichtung des als Aufbewahrung der Schuldverschreibungen dienenden Archivs durch die Sikarier in 2,425-428). Die vorauszusetzende Bildung des Menahem impliziert Schriftkundigkeit, was eine Begründung einer Gesalbtenprätention aus der Schrift möglich erscheinen läßt. Das Auftreten des Menahem mit königlichen Gewändern und in Begleitung von bewaffneten Anhängern, also einer Leibwache, gerade im Tempel verleiht seiner Herrschaft religiöse und königliche Züge, die, als religiös-politische Legitimation interpretiert, den Gedanken an Präsentation und Verständnis der Gestalt des Menahem innerhalb der Gruppe in den Bahnen der königlichen Gesalbtenerwartung, wie sie in PsSal 17 als politisch-irdische Repräsentanz göttlicher Vollmacht greifbar wird, nahelegen.88 Die historische Basis dieser Annahme besteht in der (vorübergehenden) jüdischen Kontrolle über Jerusalem im Sommer 66, womit die lange gehegte Hoffnung auf Befreiung von der

87

Die tendenziöse Darstellung des Josephus hält auch KRIEGER, Geschichtsschreibung 237 fest. Nach SCHWIER, Tempel 152 Anm. 36 ist die in Bell 2,443 gegen Menahem in der Volkskritik angeführte Wendung „Liebe zur Freiheit" gegen den messianischen Anspruch Menahems gerichtet, da er als Messias Gottes Alleinherrschaft beeinträchtigt (!). Schwier verkennt dabei den partizipatorischen Charakter des königlichen Gesalbten, der als irdischer Repräsentant der göttlichen Herrschaft fungiert. 88 Eine solche Interpretation vertritt HENGEL, Zeloten 299-302 besonders aufgrund des deutlichen Königsanspruchs und unter Heranziehung talmudischer Texte. Vgl. HORSLEY/HANSON, Bandits 118f.; HORSLEY, Menahem 339-342; FELDMAN, ABD III 984; RHOADS, Israel 114; SCHWIER, Tempel 151-153; EVANS, Jesus 64f. - Freilich besteht bei der Übertragung literarischer Muster auf Vorstellungen des Volkes eine Differenz darin, daß Literaturproduzenten nicht unbedingt Volksvorstellungen wiedergeben; hier mahnt SCHWIER, Tempel 155 Anm. 44 im Anschluß an HORSLEY, Messianic Movements 471f.481f. zur Vorsicht. Gegenüber einer Trennung beider Größen muß jedoch die naheliegende Möglichkeit gegenseitiger Beeinflussung und ein gemeinsamer kultureller Kontext einbezogen werden.

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römischen Besatzung ihrer Erfüllung entscheidend nahegebracht ist,8' was gut als Eingreifen Gottes durch seinen herrscherlichen Repräsentanten, einen „Gesalbten", verstanden werden konnte. Die Anerkennung Menahems als Gesalbter kann nur gruppenspezifisch innerhalb der Sikarier verortet werden, und bevor die Möglichkeit zu weiterer Ausbreitung Verwirklichung finden konnte, wurde die Bewegung bereits wieder zerschlagen. Auch Simon bar Giora, der sich offenbar als Held der frühen jüdischen Siege über die römischen Truppen hervortat (vgl. Bell 2,517-522), visiert die Königsherrschaft an, zieht Gleichgesinnte an sich und wird in Jerusalem als Retter und Befreier von der gegenwärtigen Tyrannenherrschaft aufgenommen (Bell 4,503-544.556-584).90 Mit Ölzweigen (μετά ίκετηριών) führt die Bevölkerung Simon in die Stadt (4,573), da sie in ihm den Retter und Beschützer des Volkes (575) erblickt. Josephus aber wirft ihm Streben nach Alleinherrschaft (τυραννία) vor (508), so daß ihn die Jerusalemer als „zweiten Tyrannen" (δεύτερο? τύραννο?) - nach Johannes von Gischala - aufnahmen (573)." Möglicherweise fungierte Simon historisch als politisch-militärischer Oberbefehlshaber in Jerusalem während der Endphase des jüdisch-römischen Krieges.92 Die anfänglichen militärischen Erfolge Simons gegenüber römischen Truppen (vgl. Bell 2,521; 4,514-544.556f.) könnten zu Verständnis und Akzeptanz Simons als siegreicher kriegerischer Gesalbter beigetragen haben.93 Nach dem Tod des Hohepriesters Ananos94 begann Simon - wie der Schilderung des Josephus in Bell 4,508-520 zu entnehmen ist - , systematisch Leute aus den unteren Bevölkerungsschichten, aber auch aus bürgerlichen Kreisen an sich zu ziehen und seine Bewegung zu konsolidieren. R.A. Horsley hat auf Parallelen zwischen dem von Josephus berichteten Vorgehen des Simon und dem Aufstieg Davids in den Sam-Büchern aufmerksam ge-

89 Zu dieser gespannten Situation der Hoffnung vgl. HORSLEY, Figures 293; DERS., Menahem 345f. 90 SCHWIER, Tempel 153f. versteht diese Aufnahme Simons als Akzeptanz seines messianischen Anspruchs durch das Volk. Die von Josephus gebrauchte Terminologie zeigt indes nicht, inwieweit bei diesem primär politischen Geschehen religiöse und speziell messianische Motive maßgeblich waren. 91 Vgl. schon die vorausweisende Notiz in Bell 2,652fin, die auf die spätere Gewaltherrschaft (Tupawelv) des Simon hindeutet. 92

93

Vgl. HORSLEY, Figures 287; MICHEL, Studien 403-405; RHOADS, Israel 145-147.

Dies vermutet SCHWIER, Tempel 156. Für sich allein genommen ist dieser Hinweis wenig aussagekräftig, doch trägt er im Rahmen eines Gesamtbildes des Simon zu dessen Stringenz bei. 94 Ananos zählte offenbar zu den politischen Führern Jerusalems und hatte eine stärkere politische Einflußnahme des Simon verhindert; so Bell 4,504.

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macht,95 die angesichts der Bedeutung der Gestalt Davids als „Stammvater" oder Prototyp einer breiten Linie der königlichen Gesalbtenerwartung Aussagekraft gewinnen. Ähnlich David (vgl. 1 Sam 22-24; 27; 30) begann Simon seine öffentliche Wirksamkeit als Führer einer lokalen Gruppe von Freiheitskämpfern, scharte aber nach militärischen Erfolgen immer mehr Leute um sich, die ihn als ihren Führer anerkannten, ja „wie einem König gehorchten" (ώς προς βασιλέα πειθαρχεί ν; Bell 4,504-510, Zitat 510). Wie David begann auch Simon seine Bewegung unter sozial Deklassierten, erlangte aber zusehends Anerkennung in gehobeneren Schichten. Die militärische Kontrolle über Idumäa und das südliche Judäa, die Simon vor dem Zug nach Jerusalem errang (4,514-537), und damit verbunden das besondere Augenmerk auf der Stadt Hebron könnten im Blick auf David (vgl. 2 Sam 2-5) neben einer strategischen Funktion auch symbolische Bedeutung beinhalten: Simon richtet seine gerechte Herrschaft in Juda auf, wobei Hebron als Stadt der Salbung Davids zum König von Juda besonders wichtig wird; von Hebron aus wurde David als Haupt Israels verstanden und konnte so Jerusalem einnehmen und seine von Gott gewollte Herrschaft über das ganze Land ausbreiten. Josephus versucht an dieser Stelle freilich, den davidischen Akzent möglichst zu minimieren, indem er bei der Schilderung der Stadt auf das hohe Alter Hebrons und seine Verbindung mit Abraham rekurriert (4,530-533). Das Motiv der Gefangenschaft der Frau(en) ist in den Erzählungen über David und über Simon zu finden (1 Sam 30; Bell 4,538-544). Eine solche Parallelisierung geht aber nicht erst auf das schriftstellerische Konto des Josephus; eine bewußte geschichtsverändernde Darstellung in Richtung auf diese Ähnlichkeiten durch Josephus ist nicht wahrscheinlich, da er Simon durchgängig negativ charakterisiert,96 also kein Interesse an einer positiven Würdigung Simons durch einen Vergleich mit David verfolgt. Damit scheint es durchaus möglich, daß sich Simon selbst nach dem Vorbild des großen Königs David verstand. Angesichts der Parallelen könnte Simon sein Selbstverständnis anhand der Gestalt Davids orientiert und propagiert haben, was eine Beanspruchung königlicher Gesalbtenerwartung in greifbare Nähe 95

HORSLEY, F i g u r e s 2 8 8 ; v g l . HORSLEY/HANSON, B a n d i t s 1 2 1 f . ; MICHEL/BAUERNFEIND

(Hgg.), Josephus Flavius. De Bello Judaico II/l, 230; andeutungsweise MICHEL, Studien 403. Zur historischen Gestalt des Simon bar Giora vgl. HORSLEY, Figures 287-290; BAUMBACH, Einheit lOlf.; MICHEL, Studien 402-408. Die David-Nachfolge als Begründung des messianischen Anspruchs sieht auch MAYER, Messias 76. 96 Vgl. Bell 4,504-508: Simon schließt sich Räubern an; 508: versammelt schlechte Menschen um sich; 521-528: wendet Verrat an; 529.534-537: verwüstet Idumäa, zeigt dabei ein von Grausamkeit und Haß geprägtes Verhalten; 540-543: vollbringt Grausamkeiten vor Jerusalem. Die Betonung der Grausamkeit Simons ist als Tendenz des Josephus erkennbar; vgl. auch MICHEL, Studien 406.

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rückt. Die Schilderung des Simon bar Giora macht einmal mehr deutlich, wie Josephus ihm unangenehme politisch-religiöse Aspekte bis auf wenige Spuren, die ihm offenbar unverfänglich erschienen, eliminiert. Aus dieser Einsicht resultiert die Berechtigung, aufgrund äußerst geringer Anhaltspunkte auf ein breiteres historisches Bild hinsichtlich der subjektiven Aneignung der königlichen Gesalbtenerwartung durch realhistorische Gestalten zu schließen. Bedenkenswert ist ferner die von Josephus in Bell 4,508 überlieferte Notiz über das politisch-soziale „Programm" Simons, in der sich mit einiger Wahrscheinlichkeit ein zentrales Propagandaschlagwort der Revolutionsbewegung Simons erhalten hat: Simon „verkündete den Sklaven Freiheit, Geschenke aber den Freien". ... προκήρυξα? δούλοι.? μεν έλευθερίαν, γέρα? Sé ελεύθεροι.?.

Die chiastische Anordnung der Substantive in ihrer grammatischen Funktion und das dadurch ermöglichte Wortspiel mit den Begriffen ελευθερία und ελεύθεροι sprechen für das Vorliegen einer geprägten programmatischen Sentenz. Der Gedanke der Freiheit artikuliert einen Sozialrevolutionären Aspekt im Auftreten Simons, dessen durchschlagende Aufnahme in wirtschaftlich ausgebeuteten Bevölkerungskreisen97 gut erklärbar ist. Zugleich erinnert dieses Programm an die prophetische Verheißung eines gerechten Königs bzw. eines Idealherrschers aus dem Hause Davids, der im Land Gerechtigkeit schaffen wird (Jer 23,5: der Sproß Davids; Jes 11,1-5: Wurzelsproß aus Isai).98 Da diese Verheißung für die Charakterisierung eines erhofften königlich-herrscherlichen Gesalbten wichtig wurde, mag hier durchaus eine Vorstellung anklingen, die die Annahme eines messianischen Anspruchs Simons nahelegt.99 ®7 HORSLEY, Figures 288f. weist auf die ökonomischen Schwierigkeiten unter der Regierung des Herodes sowie auf die doppelte Besteuerung der Bevölkerung durch Römer und Priesteraristokratie hin. Vgl. HORSLEY/HANSON, Bandits 52-63 zur Armut der Bevölkerung. Einen sozial-revolutionären Zug merkt auch MICHEL, Studien 402 an. - Zum Begriff ελευθερία in der Darstellung des Josephus, der das Ziel der Revolutionsbewegungen ins Wort faßt, vgl. HENGEL, Zeloten 114-120; BLTTNER, Zeichen 178-181. 98

Auf diesem Hintergrund deutet HORSLEY, Figures 289; DERS./HANSON, Bandits 122. Vgl. auch den Anklang an Jes 61,1, auf den STROBEL, Kerygma 11 Anm. 2 und HENGEL, Zeloten 342 hinweisen; femer ROTH, Simon bar Giora 54f.; RHOADS, Israel 142. - Von der in Jer 34,8-10 erinnerten Freilassung von Sklaven unter König Zedekija her sieht MICHEL, Studien 402 im Programm Simons eine „königlich wirkende Maßnahme"; dies passe weder zu einem Tyrannen hellenistisch-orientalischer Prägung noch zu einem Bandenfuhrer und stehe so für eine neue königliche Ordnung (ebd. 403); aufgegriffen von RHOADS, Israel 142. 99 Die Hinrichtung von Adeligen in Jerusalem durch Simon (Bell 5,527-533) kann SCHWIER, Tempel 155 damit begründen, daß diese die messianischen Ansprüche Simons nicht akzeptierten; vgl. MICHEL, Simon 406; HORSLEY, Messianic Movements 490, der auf

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Im Rahmen von Kampfeshandlungen zwischen Juden und Römern artikuliert Josephus in Bell 5,309 das besondere Verhältnis der jüdischen Krieger zu ihrem Anfuhrer: „... am größten waren übrigens Scheu und Ehrfurcht vor Simon, und so sehr war jeder Untergebene an ihn gebunden, daß er auf dessen Befehl hin auch zum Selbstmord durchaus fähig gewesen wäre".100 Diese starke persönliche Bindung an Simon zeigt diesen als charismatische Führergestalt, die offenbar imstande war, eine religiöse Aura um sich aufzurichten. Selbst nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. tritt Simon noch in königlichen Gewändern (weißes Untergewand, purpurfarbenes Obergewand) vor den römischen Besatzern auf, doch erweist sich seine Hoffnung auf die - nach dem Scheitern aller menschlichen Möglichkeiten von Gott selbst endlich durchgesetzte101 - Königsherrschaft fur sein Volk als unbegründet (Bell 7,29-31). Diese Schilderung des Josephus erklärt sich am besten als Aufnahme historischer Tradition.102 Dabei ist die Symbolik eines Königsanspruchs eindeutig, wie die partiell identischen Gewänder und Attribute, die Josephus als prunkvolle Ausstattung Herodes' des Großen bei seinem Begräbnis nennt (Bell 1,671-673), zeigen. Es ist kaum vorstellbar, daß mit dieser letzten verzweifelten Aktion Simons in einer Situation, in der die militärischen Möglichkeiten der jüdischen Kämpfer erschöpft waren, keine Hoffnung auf ein nunmehr allein rettendes Eingreifen Gottes zugunsten seines erwählten Herrschers Simon und seines Volkes verbunden war.103 Verstand sich Simon als politischer Repräsentant Gottes, als Gesalbter, erhält diese Aktion ihre geistig-religiöse Begründung. Bezeichnenderweise will Josephus solche Überlegungen ausschalten, indem er die mit dem königlichen

das „Reinigungshandeln" des Gesalbten in Jerusalem nach PsSal 17,26ff. verweist. Sollte auch bei Simon die Gerichtsfunktion des königlichen Gesalbten, der Unheiliges entfernt, im Hintergrund anklingen? Dieser Gedanke böte Simon wohl eine willkommene Legitimation seiner „Rechtsprechung" vor den Augen des Volkes. Das politische Motiv der Eliminierung unliebsamer Gegner steht sicher im Vordergrund, doch kann eine messianische Legitimierung nicht ausgeschlossen werden, da sie ins Gesamtbild des Auftretens Simons paßt. 100 Übersetzung von MICHEL/BAUERNFEIND (Hgg.), Josephus Flavius. De Bello Judaico II/2, 157. "" Diese schließlich auf Gott gesetzte Hoffnung betont MAYER, Messias 79. Im Kontext eines „heiligen Krieges" wurde die Hoffnung auf Gottes Eingreifen während der Belagerung und schließlichen Erstürmung des Heiligtums mit dem Schwinden der militärischen Kräfte zusehends drängender; so HENGEL, Zeloten 291.293. 102 Vgl. MICHEL, Studien 406; ferner HORSLEY, Figures 289. 103 MICHEL, Studien 406f. spricht von der Selbstpreisgabe Simons, die möglicherweise auf Gottes apokalyptisches Eingreifen zielt, vielleicht aber auch nur der Erleichterung der Lage der Gefährten dienen soll. Vgl. SCHWIER, Tempel 169, der ebd. 155 den Auftritt als „messianische Demonstration" beschreibt.

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Erscheinen verbundene Absicht Simons - historisch nicht nachvollziehbar als Erweckung panischen Schreckens unter den Römern beschreibt (7,29). Das Scheitern Simons und seine Gefangennahme durch die Römer beurteilt Josephus als „Vergeltung" (δίκη) für seine Grausamkeit und Tyrannei (Bell 7,32), und er wiederholt den Gedanken der Vergeltung (7,34), indem er Simons mörderische Taten (33), seine Bosheit (πονηρία) und sein unrechtmäßiges Verhalten (παρανόμησα?) (34) betont. Die zusammenfassende Beschreibung Simons in Bell 7,265f. hebt nochmals dessen brutale gewalttätige Durchsetzung selbst gegenüber Angehörigen hervor. Insgesamt beschreibt ihn Josephus einseitig als brutalen Gewalttäter,104 dessen Ende seine Unrechtmäßigkeit bezeugt, denn er wird schließlich von den Römern in einer öffentlichen Zeremonie exekutiert. Die Hinrichtung spiegelt die römische Einschätzung Simons als eines Hauptführers des jüdisch-römischen Krieges.105 Er wird beim Triumphzug des Titus in Rom in Begleitung von Johannes als ήγεμώμ („Fürst") mitgeführt (Bell 7,118) und beim Tempel des Juppiter Capitolinus als der feindliche Feldherr hingerichtet (7,153-157), was einen Höhepunkt des Triumphzuges bildete. Die sich auch hier literarisch niedergeschlagende herausragende Stellung Simons als Königsprätendent des jüdisch-römischen Krieges erklärt sich in Anspruch und Rezeption gut, wenn Simon mit seinem Auftreten messianische Absichten verband,106 um sein politisches Ziel vor seinen Landsleuten religiös und politisch zu legitimieren. Auch nach der Eroberung Jerusalems setzen viele Sikarier ihren Widerstand gegen Rom in Ägypten fort. In diesem Zusammenhang berichtet Josephus das Auftreten eines Webers Jonatan in Kyrene, der mit dem Versprechen, in der Wüste Wunderzeichen und Erscheinungen (σημεία και φάσματα) zu präsentieren, Anhänger zu gewinnen sucht und den er als schlimmen Menschen darstellt (Bell 7,437-442). Die Bewegung wird von römischer Seite militärisch niedergeschlagen, worin sich deren politisch-revolutionärer Cha104 Nach RHOADS, Israel 146 war Simon in Wirklichkeit kein so grausamer Tyrann, wie ihn Josephus zeichnet. 105

106

V g l . HORSLEY, F i g u r e s 2 9 0 ; BAUMBACH, E i n h e i t 1 0 1 ; RHOADS, Israel 1 4 7 .

Allerdings sollte man hier - angesichts des Schicksals Simons - nicht vom leidenden Messias sprechen, wie dies MAYER, Messias 80 tut, denn in seinem Scheitern erweist sich die Unrechtmäßigkeit eines etwaigen solchen Anspruchs; sein Tod beendet eine an ihn geknüpfte Gesalbtenerwartung. - HENGEL, Zeloten 303f.382 interpretiert Simon als Messiasprätendenten; so auch HORSLEY/HANSON, Bandits 119-127; HORSLEY, Messianic Movements 488-491; MICHEL/BAUERNFEIND (Hgg.), Josephus Flavius. De Bello Judaico II/l, 230; BAUMBACH, Einheit lOlf.; SCHWIER, Tempel 151-153; EVANS, Jesus 66f. ROTH, Simon bar Giora 53-58 zeichnet Simon in erster Linie als militärischen Helden, geht dabei aber auch von einer religiösen Grundlage aus (53). Als primär militärische Gestalt, die vielleicht messianische Züge integrierte, deutet Simon RHOADS, Israel 142-148 (in Anlehnung an MICHEL, Studien 405f.).

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rakter zeigt.107 Der historischen Betrachtung sichtbar wird eine prophetische Gestalt, die - im Hinblick auf eine politisch motivierte Inanspruchnahme der Wundertätigkeit des Mose beim Exodus - auch herrscherliche, vielleicht messianische Züge integriert haben wird.108 Bezeichnend für derartige Strömungen scheint die von Josephus wiedergegebene zweideutige Weissagung (χρησμός αμφίβολος) zu sein, einer aus dem Lande der Judäer werde zu jener Zeit die Weltherrschaft erlangen (Bell 6,312f.; vgl. ohne Bezugnahme auf Josephus Tacitus, Hist 5,13,2; Sueton, Vespasian 4,5):109 (Bell 6,312) Was sie [sc. die Juden] aber am meisten zum Krieg aufstachelte, war eine zweideutige Weissagung, die sich ebenfalls in den heiligen Schriften fand, daß in jener Zeit einer aus ihrem Land über die bewohnte Erde herrschen werde. (313) Dies bezogen sie auf einen aus ihrem Volk, und viele Weise täuschten sich in ihrem Urteil. Der Gottesspruch zeigt vielmehr die Herrscherwürde des Vespasian an, der in Judäa zum Kaiser ausgerufen wurde.

Josephus nennt ausdrücklich den Schriftbezug der Weissagung, wobei die konkrete Stelle freilich unklar bleibt.110 Er beurteilt sie dann als zweideutig und deutet sie bezeichnenderweise auf Vespasian (vgl. Bell 3,401f.). Diese unerwartete Interpretation resultiert aus dem Bemühen des Josephus, jüdische 107

Wird Jonatan in Bell 7 eher als unbewaffneter religiöser Führer gezeichnet, so erscheint er Vit 424f. als bewaffneter Revolutionär, was wohl den historischen Verhältnissen entspricht. Dazu auch SCHWARTZ, Studies 32. MEYER, ThWNT VI 827 hebt hingegen die Wehrlosigkeit des unbewaffneten messianischen Propheten hervor. Die in seiner Bewegung gesehene Herausforderung der römischen Autorität spricht gegen diese Annahme. 108 An ein messianisches Verständnis denkt LICHTENBERGER, Erwartungen 18. HENGEL, Hoffnung 325 versteht Jonatan im Zusammenhang mit messianisch-politischen Hoffnungen der einfachen jüdischen Bevölkerungsschichten. Vgl. EVANS, Jesus 76. 105 Übersetzung von MICHEL/BAUERNFEIND (Hgg.), Josephus Flavius, De Bello Judaico II/2, 55. - Zur Textüberlieferung vgl. KARRER, Gesalbte 142f. Zur hellenistischen und jüdischen Genese des Orakels SCHWIER, Tempel 238-244. 110 Es wird wohl eine Kombination einzelner atl Verheißungstexte zu veranschlagen sein, etwa der Bileamsweissagung Num 24,17, des Judaspruches Gen 49,10 und der Menschensohnankündigung Dan 7,14; dazu KARRER, Gesalbte 143. Interessanterweise erfuhren diese Stellen in der friihjüdischen Literatur eine Deutung auf einen königlichen Gesalbten. Zu einzelnen Stellen vgl. LICHTENBERGER, Erwartungen 19; STEMBERGER, TRE XXII 623; OEGEMA, Gesalbte 126; EVANS, Jesus 57; HENGEL, Zeloten 244-246 (favorisiert Num 24,17); CHESTER, Parting 260 (Num 24,17); LAATO, Star 357 (Num 24,17); DE JONGE, Josephus 210 (denkt an einen apokalyptischen Text); MÜLLER, Menschensohn 310 (betont Nähe zu Dan 7,13f.). - Im Hintergrund wird wohl eine nicht-biblische Prophezeiung stehen, die aus einer gesamtvorderasiatischen Stellung gegen Rom resultiert und die Erwartung der Vernichtung Roms und der Weltherrschaft des Orients beinhaltet; diese Weissagung wurde dann in der jüdischen Welt von der Schrift her, dabei womöglich messianisch im Sinne einer aus Judäa erstehenden Herrschaft, gedeutet. Dazu KIPPENBERG, Orient 41,43f.; SCHWIER, Tempel 240-242.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Herrschaftsansprüche zu marginalisieren und den eigenen Standort nach dem verlorenen jüdisch-römischen Krieg in pro-römischer Intention zu fundieren. Entsprechend beurteilt er eine Deutung auf einen jüdischen Volksgenossen als eine Täuschung, der viele Weise verfielen (6,313), wobei historisch durchaus an eine Verbindung des Orakels mit einer königlichen Gesalbtenerwartung gedacht werden kann. Rudimente dieser Erwartung sind dann in der göttlichen Erwählung des Herrschers (Schriftbezug!), seiner umfassenden Herrschaftsfunktion, dem militärischen Handeln und einem national-ethnischen Akzent erhalten. Im Einklang damit steht die angeführte kriegsfördemde Wirkung der Weissagung, die dem jüdischen Freiheitswillen Hoffnung zu machen vermochte. Der Hinweis auf diese Weissagung paßt sachlich gut zu den königlichen Ansprüchen einzelner Gestalten und mag so ein gewisses Kolorit der Zeit spiegeln; sie war jedenfalls geeignet, eine kriegsfordernde und damit herrschaftspolitische Wirkung zu entfalten, was im Zusammenhang mit der atl fundierten Herrschererwartung eine messianische Rezeption der Weissagung" 1 im Hinblick auf eine von Gott ermächtigte königliche Herrschergestalt erlaubt. Die Erklärung der ursprünglichen jüdischen Bedeutung der Weissagung bietet am wenigsten Schwierigkeiten, wenn von atl Heilskönigsverheißungen ausgegangen wird, die im Frühjudentum im Sinne der königlichen Gesalbtenerwartung interpretiert wurden. Diese in der jüdischen Glaubenstradition verankerte Hoffnung verschweigt Josephus und adaptiert sie - da er sie angesichts ihrer Bekanntheit und ihrer Bedeutung innerhalb der eigenen Biographie nicht völlig übergehen kann - der hellenistisch-römischen Kultur durch formale Klassifizierung als Orakel und inhaltliche Reduktion auf politische Prägnanz.

7.1.2.3 Ergebnis Josephus schildert in persönlich abwertender Einschätzung jüdische Revolutionärsgestalten, die, wie das von ihm gebrauchte Vokabular erkennen läßt, ' " Was KARRER, Gesalbte 143 neben einer „allgemein herrscherlichen" Deutung wenigstens mit Vorsicht zugesteht; ebd. 142 charakterisiert er das Orakel aufgrund der titularen Offenheit freilich als „nicht in strengem Sinn messianisch". Eine messianische Erwartung sieht hingegen OEGEMA, Gesalbte 125f. angesprochen; vgl. HENGEL, Zeloten 243; ferner DE JONGE, Josephus 216, der in der Anwendung auf Vespasian keine messianische Deutung sieht (210). CHESTER, Parting 260f. versteht den Bezug auf Vespasian als Reinterpretation, die Vespasian nicht zum „Messias" macht, aber eine jüdische messianische Hoffnung entschärft. STERN, Authors II 6If. versteht in diesem Zusammenhang die messianische Erwartung als eine Triebfeder des jüdisch-römischen Krieges; so auch FELDMAN, ABD III 984. Die Texte bei Josephus, Tacitus und Sueton bieten freilich keinerlei Gesalbten-Terminologie.

Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten

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königliche Ansprüche erheben und in ihrer vorgeblichen politisch-religiösen Befreiungs- und damit Heilsfunktion einer messianischen Deutung offenstehen, auch wenn Josephus - wie aus seiner biographischen Situation heraus auch nicht anders zu erwarten - den Begriff „Gesalbter" vermeidet. Mehr als die Nennung von Königsprätentionen läßt seine anti-revolutionäre Tendenz nicht zu. In der Schrift fixierte Ereignisse aus der Heilsgeschichte Gottes mit Israel und politische Ziele und Vorhaben gehen eine innere Synthese ein,112 mit der göttlicher Beistand fiir die geplanten politisch-revolutionären Unternehmungen evoziert werden soll; die idealisierte Urzeit wird dabei zum Typos der ersehnten Endzeit.113 Aus den Ausführungen des Josephus ist damit die Existenz jüdischer politischer Königsprätendenten um die Zeitenwende deutlich. Deren Verbindung mit göttlicher Legitimation läßt wahrscheinlich eine Beanspruchung königlicher Gesalbtentradition und daneben auch prophetischer Tradition erkennen,114 wenngleich in dieser Annahme angesichts des spezifischen Quellenbefundes, d.h. der eigentümlichen Qualität der Darstellung bei Josephus keine Sicherheit zu gewinnen ist. Die Schilderungen des Josephus zeigen die Lebendigkeit solcher politisch-religiösen und damit in der zeitgenössischen Interpretation sehr wohl möglichen - „messianischen" Erwartungen im ersten Jh. nach der Zeitenwende, die die konkrete Inanspruchnahme dieser Hoffnungen durch politisch-religiöse Befreiungsbewegungen ermöglicht und begünstigt. Ich meine, mit dieser Interpretation ein stimmiges, dem Charakter der Josephus-Texte adäquates Deutungsmodell zu bieten, das manche Wahrscheinlichkeit besitzt, ohne Sicherheit erreichen zu können. Sollte die Rede von den ψευδόχριστοι in Mk 13,22 (par Mt 24,24), die das realhistorische Auftreten konkreter Gesalbten-Prätendenten im Hintergrund erkennen läßt und disqualifiziert, mit den von Josephus geschilderten Revolutionären in Verbindung zu bringen sein - was vom groben zeitlichen Ansatz des MkEv (um 70) her möglich und wenigstens im Blick auf eine Teilgruppe115 dieser „Pseudogesalbten" wahrscheinlich i s t - , so erhält die messianische Deutung von ntl Seite eine explizite terminologische Stütze,

112

Darauf weist COLLINS, Scepter 198f. hin. Zur Entsprechung von Urzeit und Endzeit vgl. auch HENGEL, Zeloten 258; BILDE, Flavius 225f. Als Kennzeichen einer restaurativen Eschatologie TALMON, Typen 213. " 4 Eine Zugehörigkeit zur davidischen Dynastie läßt Josephus dabei an keiner Stelle erkennen; vgl. POMYKALA, Tradition 261f. Damit ist eine solche zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht mehr verifizierbar. " 5 Während ursprünglich jüdische Messiasprätendenten gemeint waren, weitete Mk angesichts seiner aktuellen Situation den Bedeutungsgehalt des Begriffs „Pseudogesalbte" wohl auf das ganze Spektrum hellenistischer Heilsmittler und Verführer aus, deren Propaganda in Konkurrenz zu Christus als alleinigem Heilsbringer steht. Vgl. MÜLLER, Sohn Gottes 26f.; BRANDENBURGER, Markus 13,158f.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

die, positiv gewendet, die Beanspruchung des Gesalbten-Titels seitens jüdischer Revolutionäre bestätigt. Ansatzweise ist eine Verschmelzung verschiedener Heilserwartungen im Laufe des ersten Jh. erkennbar,116 wenn sich die königliche Gesalbtenlinie und die prophetische Erwartung gegenseitig anreichern. Möglicherweise ersetzt freilich Josephus auch das den Befreiungsbewegungen inhärente religiöse Moment im Sinne der Gesalbtenerwartung durch die nicht politisch konnotierte Prophetenvorstellung. Im Rahmen des Auftretens aller dieser Prophetengestalten spielt der an den Exodus erinnernde Wüstenzug eine zentrale motivliche Rolle als Ausweis der bevorstehenden Erlösung. Bemerkenswerterweise scheitern allerdings alle die genannten Königsprätendenten und erweisen damit ihren Anspruch als unbegründet. Es fällt auf, daß nach den Schilderungen des Josephus von den prophetisch-königlichen Revolutionsführern den potentiellen Anhängern wiederholt Wundertaten versprochen werden, die sicherlich ein zentrales legitimierendes Element enthalten. Der Gedanke wunderbarer Legitimation stammt aus prophetischer Tradition, wie die ausdrückliche Anfuhrung des Prophetentitels bei Josephus nahelegt (Bell 2,259-262; Ant 20,97f.l69f; vgl. Bell 7,437-442; Ant 18,85f.) und in atl Texten fundiert ist (vgl. Dtn 13,2-6; 34,10-12; Jer 23,9-32). Damit verbinden sich Propheten- und Wundertradition mit der königlichen Gesalbtenerwartung, worin ein zeitgeschichtlicher Hintergrund fur die Auffassung Jesu als wunderwirkender χριστό? erblickt werden kann.

7.1.3 Diskussion Äußerst skeptisch gegenüber der These einer zeitgenössischen Verbindung von messianischen Anschauungen mit dem realhistorischen Auftreten jüdischer Aufstandsführer zeigt sich in jüngster Zeit M. Karrer, auf dessen Argumentation exemplarisch eingegangen werden soll. Die prophetischen Gestalten in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n.Chr. (z.B. Theudas und der Ägypter) orientierten sich nach Karrer an den vorköniglichen altisraelitischen Wüsten- und Einzugstraditionen als Gegenmodell zur gegenwärtigen Herrschaftsdepravation, wodurch sie als „Träger jüdisch-königlicher, ,messianischer' Gegentra116 Vgl. BAUMBACH, TRE XXII 634; ferner HENGEL, Zeloten 238.297. Das spricht gegen eine scharfe Grenzziehung zwischen messianischen und prophetischen Bewegungen, wie sie HORSLEY (Messianic Movements [1984]; Prophetic Movements [1986]) vorschlug. - Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das direkte Nebeneinander von ψευδόχριστοι. und ψευδοπροφήται, die die Absicht der Verfuhrung der Auserwählten durch Zeichen und Wunder verfolgen, in Mk 13,22 par Mt 24,24; zwischen beiden Gruppen wird nicht eingehender differenziert.

Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten

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ditionen nicht ernsthaft in Frage kommen".117 Ebenfalls kritisch ablehnend äußert er sich gegenüber etwaigen messianischen Ansprüchen des Menahem und des Simon bar Giora, bei denen neben atl Traditionen in starkem Maße hellenistische Einflüsse prägend waren.118 Er behauptet folgernd für den von verschiedenen Vorstellungen gezeichneten jüdischen Aufstand das Fehlen „einer menschlichen Neukonstituierung jüdisch-gesalbten Königtums" (147). Das Problem bei den Ausführungen Karrers sehe ich primär darin, daß er eine reale Salbungsintention der jüdischen politischen Revolutionäre voraussetzt (vgl. Gesalbte 144.147) - die nirgends belegt ist - , um an messianische Ansprüche oder Interpretationen denken zu können. Er vertritt also einen sehr engen Begriff frühjüdischer messianischer Erwartungen, wie seine Formulierung „in strengem Sinn messianisch" (142f.) belegt. Diese strenge, an den realen Salbungsvollzug gebundene Sicht entspricht jedoch nicht den frühjüdischen Zeugnissen. Die Gesalbten-Terminologie konnte nämlich durchaus in einem Prozeß der Verselbständigung und Abstraktion gegenüber einer historisch belegbaren Praxis unter Denotierung besonderen göttlichen Erwähltseins zur Heilsherrschaft titular gebraucht werden,119 wie die literarischen Zeugnisse zeigen (vgl. die vor-ntl Belege einer königlichen Gesalbtenerwartung PsSal 17 und 18, vereinzelte Qumrantexte, vielleicht äthHen 48,10; 52,4). Somit ist es immerhin möglich, ja sogar naheliegend, daß politisch agierende jüdische Herrschaftsprätendenten angesichts der Beanspruchung religiöser (bei Josephus noch konkret sichtbar: prophetischer) Legitimation als von Gott ermächtigte, königliche und damit „messianische" Gestalten auftraten bzw.

117 KARRER, Gesalbte 141; zu Aufstandsfuhrern um die Zeitenwende ebd. 136f. Vgl. DE JONGE, Josephus 218f., der an „mosaische Propheten" denkt (218) und sich gegen eine königliche oder messianische Deutung dieser „Propheten" ausspricht. Vgl. ferner HORSLEY/HANSON, Bandits 161-172. - Anders klassifiziert MEYER, ThWNT VI 826f. die entsprechenden Gestalten als „messianische Propheten"; vgl. EVANS, Jesus 73-76. 118 KARRER, Gesalbte 144-146. - Bei einem jüdischen Revolutionsfuhrer gegen die römische Besatzermacht kann aber nur mit großer Vorsicht von hellenistischem Einfluß gesprochen werden, da zur Definition der spezifisch jüdischen Gruppenidentität, deren Festigung zu den grundlegenden Voraussetzungen einer aussichtsreichen Erhebung zählt, eben in erster Linie als genuin jüdisch empfundene Traditionen und nicht die Kultur der Gegnermacht geeignet sind. - Auch nach DE JONGE, Josephus 216f. wird nicht deutlich, daß es sich bei den Revolutionären um „gesalbte Könige" handelt. 119 Bereits atl zeigt sich eine Loslösung des „Gesalbten"-Begriffs vom konkreten Salbungsakt; der Begriff entwickelt sich allmählich zum „messianischen" Theologumenon. Vgl. SAEBO, Verhältnis 45; KOCH, Messias 78 spricht von „Metapher". Bereits der in Sach 4,14 als Gesalbter bezeichnete persische Statthalter und Davidide Serubbabel wird nicht real gesalbt worden sein; dazu STEGEMANN, Essener 285f. ZELLER, Transformation 157 weist auf die fehlende Praxis einer Priester- oder Königssalbung zur Zeit Jesu hin.

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interpretiert wurden.120 Gerade eine göttlich legitimierte, politisch-königliche Heilsherrschaft kann im 1. Jh. n.Chr. mit der Vorstellung einer als „Gesalbter" betitelten Repräsentationsfigur verbunden werden. Der militärische Führungsanspruch, den die genannten Königsprätendenten erheben, deckt sich mit der militärischen Funktion des endzeitlichen königlichen Gesalbten,121 wobei zum Gelingen der kriegerischen Unternehmungen göttliche Unterstützung erwartet wird. Daß Josephus angesichts seiner sozial-biographischen Verhältnisse, die bei Abfassung seiner großen Werke durch ein Arrangement mit der römischen Macht gekennzeichnet sind,122 religiös-königliche und damit „messianische" 120 Eine solche Interpretation vertreten STEMBERGER, TRE XXII 623f.; LICHTENBERGER, Erwartungen 16-19; DEXINGER, Entwicklung 242f.; ferner THEMEN/MERZ, Jesus 139; DAHL, Messianic Ideas 385; KOCH, Heilandserwartungen 127; HAHN, Hoheitstitel 155f.; CHESTER, Expectations 4If.; SCHIFFMAN, Concept 240; MEYER, ThWNT VI 826f. Eine religiöse Motivation der Aufständischen im Hinblick auf die endzeitliche Gottesherrschaft stellt MAIER, Zwischen 168-171.173f. 184-186 fest, wobei er teilweise von „messianischen" (und prophetischen) Bewegungen sprechen kann (168.170f.173.184); zur Einordnung solcher Bewegungen in endzeitliche Vorstellungen und Erwartungen der Zeit vgl. ebd. 260-263. Von politisch-messianischen Erwartungen aufständischer Gruppen, so der Zeloten und Sikarier, geht auch MENDELS, Biblical Antiquities 274f. aus; diese Erwartungen sind aufgrund der Orientierung an der Vergangenheit (König David) plausibel - konkrete Prätendenten wurden aber sowohl von den Pharisäern als auch vom Autor der AntBibl abgelehnt (ebd. 265.274). - Zu weit geht wohl EVANS, Jesus 61-66.76, der auch Johannes von Gischala und den Anonymus aus Ant 20,188 als Messiasprätendenten erfaßt. - Gegen ein messianisches Verständnis RAJAK, Josephus 140-143. 121

Den Zusammenhang bemerkt auch COLLINS, Scepter 203f. DEXINGER, Entwicklung 242 spricht von politischer Motivation und zeigt anhand von Ant 10,203-210, bes. 210 (das Schweigen des Josephus über den Stein aus Dan 2,34.44, der das vierte Weltreich zerstört) die Tendenz des Josephus, religiös-messianische Hintergründe zu verschweigen. Vgl. DERS., Szenarium 255.264f. (der im Hintergrund den Messianismus im 1. Jh. als Volksbewegung erkennt); MENDELS, Biblical Antiquities 261; VERMES, Jesus 129-159; RHOADS, Israel 82; HORSLEY/HANSON, Bandits 114; HENGEL, Zeloten 300 (unter Hinweis auf das fast völlige Schweigen des Josephus über messianische Hoffnungen); DERS., Zeloten und Sikarier 392f. - Auf der gleichen Linie liegt auch das Schweigen des Josephus über jüdische Münzprägungen während des Krieges 66-70, um den Anstoß jüdischer Eigenstaatlichkeitsbestrebungen gegenüber Rom zu vermeiden; vgl. MESHORER, Coinage II 105. Die in Ant 4,223 nur widerwillig eingeräumte Möglichkeit, einen König einzusetzen, und die Unterstellung des Königs unter priesterliche Autorität zeigt die antimonarchische Einstellung des aus priesterlichen Kreisen stammenden Josephus; in diesem Sinne erfolgt auch die Auslassung des Richters aus Dtn 17,9 in Ant 4,218; dazu MAIER, Messias 603. - Entsprechend zeigt sich auch die Präsentation des Königs David bei Josephus: Er tilgt Ant 6,247 das sozialrevolutionäre Element beim Aufstieg Davids und verkürzt Ant 7,94 die Natan-Weissagung um den Gedanken des ewigen Bestandes der dynastischen Herrschaft; eine messianische Beanspruchung der Gestalt Davids kommt nirgends zur Sprache. Zur an hellenistischem Geschmack orientierten Darstellung Davids bei Josephus vgl. FELDMAN, Portrait 129-174. 122

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Terminologie vermeidet, scheint in sich kongruent. Die negative Bewertung aller jüdischen Revolutionäre zeigt nur zu deutlich die pro-römische Einstellung des Josephus. Die in Bell 3,352-408 eingegangene Auseinandersetzung des Josephus mit seiner eigenen Hinwendung zur römischen Eroberermacht qualifiziert die militärische Überlegenheit der Römer als Folge des Willens Gottes, dem man sich vernünftigerweise zu beugen hat. Entsprechend formuliert sein Gebet zu Gott vor dem Übertritt zu den Römern (Bell 3,354): (354) Da es dir gut scheint, daß das Volk der Juden, das du geschaffen hast, sich beugen muß, und alles Glück zu den Römern überging, und du meine Seele erwähltest, um die Zukunft zu künden, so liefere ich mich freiwillig den Römern aus und bleibe am Leben. Ich rufe dich aber als Zeugen an, daß ich nicht als Verräter, sondern als dein Diener handle.

Die Deutung der in Bell 6,312f. überlieferten Weissagung, ein Mann aus dem Land Judäa werde in den Besitz der Weltherrschaft gelangen, auf den römischen Feldherm und nachmaligen Kaiser Vespasian dokumentiert ebenfalls die pro-römische Haltung des Josephus und macht zugleich seine abwertende und monoperspektivische Schilderung jüdischer Aufstandsführer verdächtig, die in der Regel auf rohen Terrorismus aus niederen Motiven reduziert werden. Aus dieser im Nachgang Geschichte und eigenes, im Gang der Ereignisse nunmehr problematisches Verhalten interpretierenden Haltung ergibt sich in logischer Folge die pejorative Evaluation aller revolutionären und potentiell messianischen jüdischen Bewegungen,123 die sein - des Josephus - Tun ja eminent in Frage stellen. Geschichtsdarstellung wird zur persönlichen Apologie mit tendenziöser Bewertung gegenläufiger Strömungen. Die Verbindung von Politik und Religion wird unterbrochen. Dann wird auch das Interesse des Josephus sichtbar, einen möglichen messianischen Charakter aufständischer Herrschaftsprätendenten zu verschweigen: Josephus fundiert sein eigenes Handeln im Willen Gottes, der auch im Rahmen von Gesalbten-Vorstellungen fundamental legitimierend beansprucht wird und so Josephus' Konzept substantiell alterniert. Um dies zu vermeiden, stellt Josephus ausschließlich den politischen Anspruch potentiell messianischer Bewegungen dar und verschweigt das religiöse Legitimationsmoment und den Anspruch der königlichen Gesalbtentradition.124 Auch die Salbung Davids durch Samuel in Ant 6,165 geht von einem geschichtlichen Ende der davidischen Linie aus (vgl. ferner Ant 7,337.384f.; 8,126f.); dazu POMYKALA, Tradition 222-226. 123 Vgl. HENGEL, Zeloten 16; OEGEMA, Gesalbte 122f. 126-129; DEXINGER, Entwicklung 2 4 2 ; MAYER, M e s s i a s 5 5 . 124

Überhaupt sind die Darstellungen revolutionärer Gruppen bei Josephus häufig unpräzise und in den Einzelheiten stark an gängigen Topoi der hellenistischen Historiographie zur Beschreibung von Revolutionären orientiert, wofür die generalisierende und pejorative Kenn-

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Für Josephus falsifiziert die Geschichte selbst die politisch-messianischen Erwartungen (vgl. Bell 6,312-315), so daß die vernichtende Erfahrung des jüdisch-römischen Krieges einen weiteren Grund dafür darstellt, daß Josephus Gesalbten-Terminologie meidet.125 Angesichts der sichtbaren Tendenzen im Werk des Josephus dürfen seine Schilderungen der Aufständischen nicht als Zeugnis wiederholter Königsprätentionen ohne Rückgriff auf Gesalbtenerwartungen herangezogen werden. Eine solche Festlegung erlauben die Quellen nicht und demaskieren sie als naive Gutgläubigkeit. Selbst eine die messianische Indizienlage negativ bewertende Interpretation kann m.E. nicht weiter gehen als zu sagen, daß die historischen Verhältnisse in der Gesalbtenfrage in bezug auf die Schriften des Josephus nicht mehr sichtbar werden und so nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich bleiben. Wenn Karrer so großes Gewicht auf den Realienhintergrund der Königssalbung legt, die zweifellos für die terminologische Prägung des Ausdrucks χριστό? und damit die semantische Sinnebene grundlegend ist, übersieht er, daß damit noch wenig zum inhaltlichen Vorstellungskreis einer Gesalbtenerwartung, d.h. zur durch spezifischen Gebrauch entstandenen Denotation des Terminus, ausgesagt ist. In die gleiche problematische Richtung weist Karrers Beobachtung des Fehlens der Gesalbten-Terminologie im Rahmen der geschilderten Königsverhältnisse der hellenistischen Zeit. Die mit dem Gesalbten-Terminus verbundenen Vorstellungsgehalte können nur den zeitgenössischen Texten, die den Begriff verwenden, selbst entnommen werden. Die von Josephus geschilderten Aufrührer verraten einen Herrschaftsanspruch, der als Herrschaft über das jüdische Volk und Land im Sinne einer Heilszeit (d.h. primär Befreiung von der römischen Besatzung) und angesichts der teilweise genannten Königssymbole eine königliche Herrschaft impliziert, die als solche von Gott legitimiert, ermächtigt und getragen sein soll. Trotz des Fehlens expliziter Gesalbten-Terminologie bestehen deutliche Ähnlichkeiten einer solchen, von Gott ermächtigten königlichen Gestalt zu literarisch bezeugten messianischen Erwartungen. Damit steht das Faktum Zeichnung von Aufständischen in Ant 17,285 ein Beispiel liefern mag. Dazu MENDELS, Biblical Antiquities 262 Anm. 5; 264. Zur subjektiv negativen Darstellung des Josephus aus persönlicher Betroffenheit heraus vgl. femer MAYER, Messias 27.51.72. - Eine Analogie zu dieser potentiellen „Unterschlagung" messianischer Charakteristika durch Josephus stellt die Behandlung Bar Kochbas, der doch mit einiger Deutlichkeit als Heilskönig und Gesalbter verstanden wurde (s. unten), bei Eusebius, h.e. IV 6,1 dar, der ihn lediglich als politischen Aufrührer zeichnet; die Gründe mögen andere sein (Jesus als einziger χριστός?), das Vorgehen der politischen Reduzierung einer Gestalt mit assoziierten religiösen Ansprüchen liegt jedenfalls auf der gleichen Linie. 125 So CHARLESWORTH, From Jewish 250. - Nach BILDE, Flavius 187f. besaß Josephus selbst durchaus eine messianische Hoffnung, wenn sich diese auch signifikant von militanten Vorstellungen der Aufständischen unterschied.

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der religiös-politischen Widerstandsbewegungen in großer Nähe zu literarischen Gesalbtenerwartungen; literarische und realhistorische Bezeugung sind in diesem Bereich als grundsätzlich gleichgerichtet zu verstehen. Das Fehlen eines königlichen Vorbildes, das Karrer126 mit Blick auf die Inanspruchnahme der Josua-Tradition feststellt, schließt eine interpretierende herrscherlich-königliche Aufnahme dieser Tradition keineswegs aus. In der Tat wird man für die jüdischen Heilserwartungen des 1. Jh. n.Chr. eine fast synkretistisch zu nennende Verbindung differenter Traditionen,127 im Fall der Aufständischen von herrscherlicher und prophetischer Tradition, konstatieren müssen, so daß eine exakte inhaltliche Scheidung von Überlieferungssträngen unmöglich und unsachgemäß wird.128 Die Beobachtung der Vernachlässigung der realen Salbung von altisraelitisch-altjudäischen Königen in der jüdischen Literatur bis nach dem jüdischrömischen Krieg129 läßt sich nicht gegen eine messianische Inanspruchnahme königlicher Erwartungen veranschlagen, da eine ideelle Gegenbewegung innerhalb der messianischen Erwartungen gegen ein depraviertes realpolitisches Königtum gewiß anzunehmen ist. Bestimmte eschatologische Erwartungen bestehen unabhängig oder besser in Absetzung von realpolitischen Verhältnissen, in denen eine Frieden gewährende Eigenstaatlichkeit der Juden in weite Ferne rückt. Die königlich-messianischen Erwartungen übersteigen besonders in den Aspekten der von Gott verliehenen Gerechtigkeit und Machtvollkommenheit des Gesalbten die erfahrbare Realität des zeitgenössisch präsenten jüdischen Königtums,130 auf das hier deswegen auch nicht einzugehen ist. Es bleibt eine bedeutungsvolle Unsicherheit. Ich erkenne darin eine Absicht des Josephus, der eine Gesalbten-Interpretation nirgends ausschließt und dessen Darstellung so auch für jene rezeptabel bleibt, die noch um die (als solche angenommenen) historischen Verhältnisse eines tatsächlichen messia126

KARRER, Gesalbte 141 Anm. 229. Die von aktuellen Bedürfnissen geleitete Verknüpfung verschiedener Vorstellungen endzeitlicher Gestalten hält MAIER, Zwischen 207f. als fiir die untersuchte Zeit gängig fest. 128 COLLINS, Scepter trennt dennoch zwischen prophetischen (196-199) und königlichen 127

(199-204) Bewegungen. So auch HORSLEY/HANSON, Bandits 88-189; SCHWIER, Tempel

151. THEMEN/MERZ, Jesus 139-142 differenzieren zwischen messianischen, radikaltheokratischen und prophetischen Oppositionsbewegungen. Eine theokratische Lehre schließt aber keineswegs eine messianische Erwartung aus, da eine solche gerade die Repräsentation der Herrschaft Gottes auf Erden durch einen königlichen Gesalbten beinhaltet. 129 So KARRER, Gesalbte 113-128. 130 Vgl. Überblickshaft MAIER, Zwischen 156-167 zu den hasmonäischen Herrschern und Herodes dem Großen, 172f. zu Herodes Agrippa als König; zum herodianischen Königtum bzw. dessen Prätentionen vgl. auch KARRER, Gesalbte 134-140. Zu diesem Hintergrund auch KOCH, Messias 77f.

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nischen Verständnisses realgeschichtlicher Personen wissen. Zugleich legt Josephus den Akzent auf die politischen Absichten der Revolutionäre und entlastet damit seine jüdische Religion vom Vorwurf der terroristischen politischen Agitation gegen Rom. Ergänzend zu meinem Versuch, die jüdischen Aufstandsbewegungen aus ihrem jüdischen Verständnis heraus als mit messianischen Zügen interpretiert zu betrachten, erfolgt nun ein Wechsel der Blickrichtung zur römischen Gegenmacht, auf deren Wahrnehmung dieser Aufstandsphänomene von einigen kurzen Notizen Hegesipps aus Licht fällt. In seiner Kirchengeschichte überliefert Eusebius nach eigenen Worten Angaben des Hegesipp. Eusebius berichtet nämlich unter Rückgriff auf Hegesipp (h.e. III 12) über eine Verfolgung von Davididen unter Vespasian (69-79) nach der Eroberung Jerusalems mit dem Ziel, „kein Jude aus dem königlichen Geschlecht" soll am Leben bleiben. Wenngleich eine kritische historische Betrachtung die darin forcierte Zuspitzung der Angabe auf eine „warnende Anordnung Vespasians" reduzieren kann,131 wird dennoch die in römischer Sicht gegebene Verbindung von Aufstandsgefahr und davidischer Abstammung sichtbar; weiter mag in der Bemerkung ein Hinweis auf eine in manchen Kreisen der jüdischen Bevölkerung vorhandene davidische (messianische) Hoffnung enthalten sein. Eine allgemeine Verbreitung dieser Hoffnung kann dem kurzen und generalisierenden Text hingegen nicht entnommen werden. In der von politischer Sorge gezeichneten Erwähnung der königlichen Dynastie wird ein Aspekt sichtbar, den Josephus in seiner Darstellung gänzlich unterschlägt, was wiederum die Tendenzgebundenheit seiner Aussagen zu jüdischen Königsprätendenten unterstreicht. Möglicherweise läßt sich die Zuweisung der revolutionären Königsprätendenten zur unteren Bevölkerungsschicht als absichtsvolle Retuschierung der historischen Tatsachen durch Josephus verstehen, der jeden auf der Basis davidischer Abstammung erhobenen Herrschaftsanspruch auszuschließen sucht.132 Die ebenfalls auf Hegesipp zurückgeführte Notiz einer Davididenverfolgung unter Domitian (81-96) (Eusebius, h.e. III 20,1-6) läßt aufgrund deutlicher christlicher Beanspruchung historisch kaum mehr erkennen als „Nachforschungen Domitians nach davidischen Kristallisationspunkten politischen Widerstands in Judäa".133 Die von den römischen Autoritäten mit Davididen 131

So KARRER, Gesalbte 296. Optimistischer HENGEL, Zeloten 305f. In einzelnen Notizen könnten sich Züge der historischen Realität erhalten haben: Die Bezeichnung des Judas Galilaios und des Menahem als Gelehrte (σοφιστής) spricht gegen eine Herkunft aus der unteren sozialen Schicht; Simon bar Giora erhält zusehends Zulauf aus gehobenen Schichten, sein Auftreten zeigt Parallelen zum Aufstieg Davids, dessen Vorbildfunktion genealogisch begründet sein könnte. 133 Jedenfalls lautet so das Urteil von KARRER, Gesalbte 296. 132

Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten

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als potentiellen Herrschaftsprätendenten verbundene politische Gefahr spricht auch aus diesem Text. Konkrete Aussagen über eine davidische Abstammung bzw. deren Beanspruchung seitens der Königsprätendenten lassen diese Hinweise natürlich nicht zu,134 wenngleich das negative Zeugnis des Josephus hierzu auch nicht als Gegenargument gelten kann, da wiederum die Tendenz des Josephus ein Verschweigen verursacht haben kann. Die Annahme einer Dominanz der herrscherlich-davidischen Gesalbtenerwartung im Palästina dieser Zeit rechtfertigen die Texte offenkundig nicht,135 doch erlauben sie die berechtigte Vermutung, daß eine solche Hoffnung wenigstens in manchen Bevölkerungskreisen wirksam war. Immerhin scheint sie so verbreitet und bekannt gewesen zu sein, daß die römischen Autoritäten davon Kenntnis zu nehmen bereit waren. Selbst eine vorsichtige Beurteilung der Texte kann Ansatzpunkte einer königlichen Gesalbtenerwartung mit politisch-militärischer Konnotation erkennen.

7.2 Ausblick: König Lukuas und Simon bar Kochba Eine Fortsetzung der besprochenen jüdischen Freiheitsbestrebungen bildet der jüdische Diasporaaufstand von 115-117 zur Zeit des Kaisers Trajan (98117), der die römischen Provinzen Kyrenaika und Ägypten schwer erschütterte.136 Dabei führte ein als „König" bezeichneter Lukuas einen Feldzug der Juden aus Kyrene nach Ägypten, um dann nach Jerusalem vorzustoßen. Ein religiöser Impetus (deutlich u.a. in der Zerstörung römischer Tempel) mischt sich mit politischen und sozialen Gründen für den Aufstand gegen die römische Unterdrückung, und so trägt die Erhebung - wie nicht zuletzt auch die Beanspruchung des König-Titels andeutet - wohl gewisse messianische Zü-

134 HENGEL, Zeloten 306 vermutet jedoch für die von Hiskia bis Eleazar ben Ari verlaufende Dynastie den Anspruch auf davidische Abstammung. Dies bleibt hypothetisch. 135 Zu dieser Beurteilung gelangt KARRER, Gesalbte 296. Auch der Hinweis auf eine Davididenverfolgung unter Trajan (98-117) (Eusebius, h.e. III 32,3f.) zeigt keine Bewertung der Davididen als große politische Gefahr (vgl. KARRER, ebd. Anm. 278), deutet aber auf das Weiterleben der davidischen Gesalbtenhoffnung wenigstens im Bewußtsein einzelner Gruppen. 136 Quellen: Eusebius, h.e. IV 2,1-5; Cassius Dio, Historia Romana 68,32,1-3. Cassius Dio nennt Andreas als Namen des Aufstandsfuhrers (32,1); Text bei STERN, Authors II 385. - Zu den vernichtenden militärischen und sozialen Auswirkungen vgl. HENGEL, Hoffnung 317-321. Zur Geschichte APPLEBAUM, Jews 201-260. 137 Vgl. LICHTENBERGER, Erwartungen 16f.; HENGEL, Hoffnung 322.326.336-340; EVANS, Jesus 67-70; CHESTER, Parting 258; auch den Hinweis bei STEMBERGER, TRE XXII

318

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Mit großer Deutlichkeit wird die königliche Gesalbtentradition im Rahmen des anfänglich militärisch sehr erfolgreichen Bar Kochba-Aufstandes (ca. 132135 n.Chr.), der sich v.a. im Gebiet Judäas durchsetzte, am überlieferten Verständnis einer realhistorischen Gestalt greifbar.138 So konnte nach der rabbinischen Überlieferung Rabbi Akiba (gestorben um 135) unter Heranziehung des in Num 24,17 - einer häufig messianisch beanspruchten Stelle!139 - prophezeiten Sterns aus Jakob Simon bar Kochba, dem „Stemensohn", messianische Würde zusprechen.140 In yTaan 4,8/68d bezeichnet ihn Akiba als „König 623f. COLLINS, Scepter 201 sieht den Messianismus als „significant factor in the revolt"; vgl. APPLEBAUM, Jews 260; FUKS, Aspects 103. Nach STERN, Authors II 386 beanspruchte Lukuas messianische Hoffnungen. Eine religiöse Motivation setzt MAIER, Zwischen 188 voraus. 138 Vgl. SCHÄFER, Bar Kokhba 55-73; OEGEMA, Gesalbte 227-229; HAHN, Hoheitstitel 1 5 6 m i t A n m . 3 ; DERS., E W N T I I I 1 1 5 1 ; HORSLEY/HANSON, B a n d i t s 1 2 8 f . ; HORSLEY, M e s -

sianic Movements 491-494; EVANS, Jesus 70-73.185.203f.; CHESTER, Parting 259; SÄNGER, Verkündigung 206-208. - Zu historischen Fragen des Bar Kochba-Aufstandes vgl. SCHÄFER, Bar Kokhba (kritische Auseinandersetzung mit den Quellen); SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History I 534-557; COLLINS, Scepter 201f.; MAYER, Messias 86-103 (Quellen in deutscher Übersetzung 298-303); LAATO, Star 369-372; FLTZMYER, Bar Cochba Period (von 1962; präsentiert damals neugefundene Dokumente); mehrere Beiträge zum Thema bei MILDENBERG, Vestigia 202-249 (Tafeln wichtiger Münzprägungen 370-389). Für den älteren Forschungsstand repräsentativ SCHÜRER, Geschichte I 670-704. - Der Bau eines kapitolinischen Jupitertempels in Jerusalem am Ort des zerstörten jüdischen Tempels durch die Römer zählt zu den entscheidenden Veranlassungen für den Ausbruch des Bar Kochba-Aufstandes; vgl. SCHWIER, Tempel 342-348. Das Beschneidungsverbot unter Hadrian sehen MLLDENBERG, Coinage 105 und EVANS, Jesus 185 als Hauptursache des Aufstandes. 139

Vgl. CD VII 18-21; 4Q175 9-13; ferner die Targumim zu Num 24,17 (TargO, TargPsJon, FrTarg). 140 Dazu SCHÄFER, Bar Kokhba 55-57 (vgl. aber die Zweifel an der historischen Zuverlässigkeit der Tradition ebd. 168f.); LENHARDT/VON DER OSTEN-SACKEN, Rabbi Akiva 307316; KARRER, Gesalbte 316-318; STEMBERGER, TRE XXII 624; MAIER, Zwischen 189f.; HEID, Messianologie 230; COLLINS, Scepter 202f.; DEXINGER, Entwicklung 245f.; MAYER, Messias 90f.; SCHÜRER, Geschichte I 685; SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History I 543-545. PEARSON, Book 229-239 argumentiert für ein messianisches Verständnis Bar Kochbas von einer zeitgenössischen messianischen Interpretation des Zwölfprophetenbuches her; zur Forschung ebd. 225-228. REINHARTZ, Perceptions 177.187f.191f. versteht den rabbinischen Versuch, Bar Kochba als falschen Messias zu deklarieren, als „irrefutable proof of the popularity of the identification of Bar Kosiba as the true Messiah" (177); zum Text ebd. 186, zur Forschung 172-176. EVANS, Jesus 195-197 zeigt die spätere rabbinische Korrektur der Position Akibas auf und folgert 203, daß diese Ablehnung auf Authentizität deutet (zur Auseinandersetzung mit den römischen, christlichen und rabbinischen Quellen vgl. ebd. 187198). Ein zeitgenössisches messianisches Verständnis Bar Kochbas nimmt auch NEUSNER, M i s h n a h 2 6 7 a n ; v g l . VAN DER WOUDE, T h W N T I X 5 1 4 ; SCHWIER, T e m p e l 3 4 9 ; BERGLER,

Jesus 183f. (der 190f. eine politische Reduktion des Anspruchs seitens Bar Kochbas behauptet).

Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten

319

Messias" („gesalbter König"; WTCÖQ fcO^Q), worin sich die personale Zuweisung der königlichen Gesalbtenerwartung an Bar Kochba erhalten hat. Auch wenn Gründe vorliegen, die diese Stelle als spätere Redaktion zu identifizieren versuchen, darf die Zuschreibung der genannten Worte an Akiba als historisch wahrscheinlich gelten, da eine spätere Belastung dieses bedeutenden Rabbis mit einer durch Scheitern falsifizierten Messiasidentifikation kaum stichhaltig begründet werden kann.141 Mit der Gestalt des Simon bar Kochba und der mit diesem Namen verbundenen national-politischen Freiheitsbewegung, die ihre Durchsetzung mit militärischen Mitteln zu erreichen suchte, wurden von einem Teil der Zeitgenossen messianische Erwartungen assoziiert, wofür neben der Gesalbten-Anrede durch Akiba in erster Linie der Name „Sternensohn" selbst als Indiz steht.142 Die unter Bar Kochba durchgeführten Münzprägungen passen in den Rahmen dieses Verständnisses und sollen als archäologische Verifikation des Gesagten kurz betrachtet werden. So beabsichtigte Bar Kochba wohl, mit der Aufschrift „Jahr eins der Erlösung Israels" seine messianische Identität und den Glauben daran, daß er als Gesalbter die Erlösung Israels bewirkt, zu verbreiten. Noch deutlicher wird dies in dem aus Namen und Titel gebildeten Syntagma „Simon, Fürst Israels" (bfcOtD1fcOttf]),143denn auf dem Hintergrund von Ez 34,24 („mein Knecht David wird in ihrer Mitte Fürst sein"; vgl. Ez 37,25: „Fürst" synonym mit „König") trägt der Titel „Fürst" messianischen Klang; die in der Qumran-Literatur bezeugte Titulierung des königlichen Gesalbten als „Fürst der Gemeinde" (s. oben 4.1.2)144 bestätigt diese Beobachtung. Die Bedeutung dieses Fürsten Simon ist auf den entsprechenden 141 Spätere Rabbinen lehnen eine messianische Deutung Bar Kochbas ab: So habe Rabbi Akiba seine eigene Aussage später zurückgenommen (yTaan 4,5); in bSanh 93b wird Bar Kochbas messianischer Charakter auf der Basis von Jes 11,3f. diskutiert und negativ bewertet. Dazu auch LAATO, Star 371. Eine spätere Abschwächung ist damit deutlich, das messianische Verständnis des Akiba ist nur als zeitgenössische Aussage verständlich, die später relativiert wurde. - MILDENBERG, Vestigia 219 lehnt eine messianische Proklamation Bar Kochbas durch Akiba ab. 142 Zu messianischen Prätentionen Bar Kochbas fugen sich zwei Notizen bei späteren Autoren gut: So weiß Eusebius, h.e. IV 6,2, daß Bar Kochba himmlische Herkunft und Erleuchtung für sich beansprucht habe; nach Justin, Apol I 31,6 nahm Bar Kochba Christen nur dann von der Verfolgung aus, wenn sie die Messianität Jesu leugneten. Letzteren Gedanken liest EVANS, Jesus 193 als Beleg für den Anspruch Bar Kochbas, allein der Messias Israels zu sein. 143 Auch in seinen Briefen benutzt Simon den Titel „Fürst Israels". Vgl. Text und englische Version der Briefe bei FITZMYER/HARRINGTON, Manual 158-163. Zu Briefen und Münzen Bar Kochbas auch EVANS, Jesus 198-202, der den Titel „Fürst" messianisch interpretiert (201). Gegen eine messianische Deutung MILDENBERG, Vestigia 219f. 144 Belege: lQSb V 20; CD VII 20; 4Q285 Fr. 5; 4Q161 Fr. 5.

320

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Münzen symbolisch durch einen die Aufschrift umgebenden Blätterkranz hervorgehoben.145 An Münzsymbolen soll die Abbildung des Tempels erwähnt werden, über dem teilweise ein Stern zu sehen ist. Der sich im Tempelinneren befindliche Gegenstand in Form eines „Kastens" ist als Bundeslade identifiziert worden;146 die Tempelabbildungen lassen sich am besten verstehen, wenn damit der Neubau des jüdischen Tempels propagiert werden soll.147 Zum Anspruch auf den Tempel fugt sich das schon bekannte Bündel mit Palmzweig (Lulab) als Symbol des nationalistisch beanspruchten Laubhüttenfestes.148 Der an den Namen „Kochba", der Simon mit Anklang an den eigentlichen Namen „Kosiba" beigelegt bzw. von diesem selbst angenommen wurde, erinnernde Stern könnte den messianischen Anspruch des „Sternensohnes" auf den Tempel und damit eine von Gott getragene, religiös-politisch fundierte Herrschaft über Israel versinnbildlichen. Ferner begegnet das Schema eines Palmzweigs, der von einem Blattkranz umgeben wird, um den herum der Schriftzug „Simon, Fürst Israels" zu lesen ist. Der Palmzweig repräsentiert entsprechend wohl das siegreiche (messianische) Königtum Simons, der Kranz hebt den herrscherlichen Aspekt des Titels hervor.149 So stellen die erhaltenen Münzen 145 Zu Aufschrift und Blätterkranz vgl. MESHORER, Coinage II 136.144; zu den Münzen der Bar Kochba-Zeit allgemein ebd. 132-165; DERS., Numismatics 215; einen ausführlichen Münzkatalog bietet MILDENBERG, Coinage 119-348; vgl. DERS., Vestigia 202-249 (Tafeln 370-389); vgl. femer MAYER, Messias 92f. (der einen messianischen Anspruch erkennt); Wiedergabe der Aufschriften auch bei SCHORER/VERMES/MILLAR, History I 606. Gegen eine messianische Deutung des Titels „Fürst" wendet sich KARRER, Gesalbte 317. Auf die politische Ebene beschränkt sich die Deutung von MILDENBERG, Coinage 69-72.84.92.102. LAATO, Star 371 f. erkennt hingegen im Titel „Fürst" und der Tempelabbildung Hinweise auf messianischen Anspruch. - Die Münzlegenden bedienen sich der literarisch längst nicht mehr gebräuchlichen althebräischen Schrift; vgl. die faksimileartigen Abbildungen bei MILDENBERG, Coinage 349-357. Dieser Schriftgebrauch läßt sich als Rückgriff auf die alte religiös-politische Tradition von Israel als national-kulturell selbständigem Volk Jahwes lesen. 146

147

S o MILDENBERG, C o i n a g e 3 3 - 4 2 .

Vgl. SCHWIER, Tempel 348f.; EVANS, Jesus 199f. Dazu MESHORER, Coinage II 138-141; zur Tempelbetonung passen auch andere Münzsymbole, vgl. ebd. 141-150; Abbildungen des Stems zeigen ebd. Plates 21.22.25. Zur Münzsymbolik des Laubhüttenfestes ferner BERGLER, Jesus 187. Zum Tempel und damit verbundenen Geräten vgl. auch KLIMOWSKY, Symbols 38f. - SCHWIER, Tempel 349 Anm. 66 will den „Stern" nicht messianisch deuten; vgl. SCHÄFER, Bar Kokhba 64f.; MLLDENBERG, Coinage 43-45. 149 So die Interpretation bei MESHORER, Coinage II 145; zu Variationen der Münzprägungen vgl. ebd. 150-154. Zum Palmzweig auch KLIMOWSKY, Symbols 31f. VON GEMÜNDEN, Palme 93f. deutet die Palme als Siegessymbol und v.a. auf das eschatologisch-messianisch konnotierte Laubhüttenfest, mit dem die Erwartung der Erlösung Israels verbunden ist; zur 148

Potentielle realpolitische Prätentionen auf die Königsherrschaft eines Gesalbten

321

im Einklang mit dem literarischen Zeugnis eine starke Grundlage fur die Annahme eines Verständnisses des Simon bar Kochba auf dem Hintergrund der königlichen Gesalbtenerwartung dar. Die Bewegungen um König Lukuas und Simon bar Kochba lassen also eine politische Beanspruchung der königlichen Gesalbtentradition noch erkennen und bezeugen so das Weiterleben dieser Vorstellung im Bewußtsein verschiedener jüdischer Bevölkerungsteile.

messianischen Konnotation von Sukkot vgl. ebd. 90f.; zur Palme als königlichem Münzmotiv unter Alexander Jannäus und Herodes Antipas ebd. 92f.

8. Apokalyptische Variationen Die apokalyptische Zukunftserwartung unterscheidet sich allgemein von den bisher erörterten literarischen Dokumenten charakteristisch darin, daß sie die Realisierung des kommenden Heils nicht mehr im Gang der irdischen Geschichte ergreift, sondern mit dem Ende der gegenwärtigen Zeit und dem Anbrach eines neuen Zeitalters oder Äons rechnet. Ein solcher völliger Abbruch der geschichtlichen Zeit als Voraussetzung eines totalen Neuanfangs, also eine „Äonenwende", wird erst im Kontext apokalyptischer Schriften aussagbar. Apokalyptische Denker vertreten eine konsequente Eschatologie und Theozentrik.1 Die geschichtliche Welt ist dabei von verschiedenen Krisen und Katastrophen geprägt,2 die auf das bevorstehende Ende hinweisen. Heil ist nicht als Zustand innerhalb der irdischen Weltgeschichte, sondern ausschließlich in der von Gott initiierten Neuschöpfung der Welt vorstellbar und erfahrt bereits im Himmel, in der Sphäre Gottes und der Engelwesen, eine Antizipation. Formal ist die apokalyptische Literatur durch die zentrale Stellung von Visionen und Auditionen ausgewählter Personen zur Übermittlung der göttlichen Absicht im Raum der unverständlich gewordenen negativen Welterfahrung geprägt. Bisweilen kommt innerhalb des apokalyptischen Schrifttums im Rahmen der Durchsetzung der neuen Herrschaft Gottes die Gestalt eines „Menschensohnes" zur Sprache (vgl. Dan 7,13: CÖÄ$ 153), dem Anteil an der dauernden Königsherrschaft Gottes über alle Völker verliehen wird (Dan 7,14). Bereits in der LXX und im aramäischen Sprachbereich wurde der Menschensohn als menschliche Königsfigur verstanden, im (späten) Targum zu Ps 80,16-18 wird von ihm ausdrücklich als „König Messias" gesprochen.3 Menschensohn- und Gesalbtenvorstellung gehen eine Verbindung

1 Vgl. zur Apokalyptik oben Kapitel II. 1.5. Zur frühjüdischen Apokalyptik - einem literaturwissenschaftlichen („Offenbarungsschrift"), nicht soziologischen Begriff - vgl. auch MAIER, Zwischen 264-266. HAHN, Apokalyptik 2-4, der einen weiteren Apokalyptik-Begriff vertritt, der „ganz bestimmte Modelle bzw. Strukturen zur Erfassung der Wirklichkeit und des Offenbarungsgeschehens" bezeichnet. Zu grundlegenden Ideenlinien und Symbolen der frühjüdischen Apokalyptik vgl. GIESEN, Offb 14-24; zu formalen Charakteristika auch ROLOFF, Offb 12f. 2 Vgl. HAHN, Apokalyptik 1. 3 Dazu KOCH, Messias 82f.; ferner DERS., Heilandserwartungen 126.

324

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

ein.4 Die Königsherrschaft des Menschensohnes steht in einem Partizipationsverhältnis zur Herrschaft Gottes (vgl. auch II. 1.5). Die Menschensohnvorstellung aus Dan 7 bildet einen ideengeschichtlichen Hintergrund der Entfaltung von Erwartungen endzeitlicher Heils- und Gerichtsgestalten in äthHen und 4 Esr.

8.1 Das äthiopische

Henochbuch

Vollständig liegt das Werk nur in äthiopischer Übersetzung vor, während aramäische, griechische, syrische und koptische Fragmente existieren.5 Das Original des Buches war wohl auf Aramäisch, vielleicht auch auf Hebräisch verfaßt; der frühe äthiopische Übersetzer dürfte eine stark semitisch gefärbte griechische Vorlage benutzt haben.6

8.1.1 Die Bilderreden des äthiopischen Henoch Für die Thematik der königlichen Gesalbtentradition einschlägige Aussagen treten besonders in den Bilderreden des äthHen (Kapp. 37-71) zutage, wo ein Menschensohn bzw. Erwählter als zentrale Endzeitgestalt fungiert. In der Frage der Datierung zeichnet sich allmählich ein gewisser Forschungskonsens ab: Manche Teile der Bilderreden sind wohl im 1. Jh. v.Chr. entstanden, wesentliche Passagen in den ersten Jahrzehnten nach der Zeitenwende, wobei teilweise wesentlich ältere Traditionen Aufnahme fanden.7 Bei den Bilderre4 Und zwar bereits im äthHen, dann auch in 4 Esr und syrApkBar in jeweils unterschiedlicher Ausprägung; vgl. MÜLLER, Messias 122; er betont ebd. 145 den Kontrast zwischen Menschensohn- und Messiasvorstellung und beschreibt den auf der Linie der jüdischen Orthodoxie liegenden Prozeß des Zurückdrängens der Menschensohnidee in 4 Esr und syrApkBar, was freilich der Verifikation bedarf. 5

V g l . UHLIG, H e n o c h b u c h 4 7 0 - 4 8 3 ; BLACK, B o o k 1 - 7 ; ROST, E i n l e i t u n g l O l f .

6

Dazu UHLIG, Henochbuch 483-488; femer VANDERKAM, Righteous One 176; HAHN, Apokalyptik 43-45; BLACK, Book 3f.l84-187; SACCHI, TRE XV 44. NICKELSBURG, Literature 223 hält eine direkte äthiopische Übersetzung aus dem Aramäischen fur wahrscheinlich. 7

S o UHLIG, H e n o c h b u c h 4 9 4 . 5 7 4 f . ; SACCHI, T R E X V 4 7 ; KARRER, G e s a l b t e 2 4 0 m i t A n m .

47; ferner KNIBB, Messianism 171; OEGEMA, Gesalbte 129; BLACK, Messianism 161f.; DERS., Book 187f.; HAHN, Apokalyptik 46.54f.; CHARLESWORTH, From Jewish 237; DERS., Concept 207 (aktualisiert: Messianology 40f.); THEISOHN, Richter 161 Anm. 20 (S. 253); COLLINS, Representative 111 mit Anm. 7; um die Zeitenwende datiert NICKELSBURG, Literature 221-223; ROST, Einleitung 104f. (1. Jh. v.Chr. und spätere Überarbeitungen); vor 70 LAATO, Star 267; zwischen 37 v. und 70 n.Chr. SCHIMANOWSKI, Weisheit 155. - Hingegen

Apokalyptische Variationen

325

den handelt es sich in jedem Fall um eine eindeutig jüdische, vorchristliche Konzeption.8 Die Bilderreden sind wohl erst zu Beginn des 1. Jh. n.Chr. an ihren jetzigen Ort im Gesamt des äthHen eingefügt worden.5 Die realsymbolische Gestalt des Menschensohnes steht innerhalb der apokalyptischen Weltsicht der Bilderreden des äthHen fur die noch verborgene Macht Gottes, die eine aus der Perspektive der Welt noch nicht wahrnehmbare Gegenwelt zu den herrschenden irdischen Machtverhältnissen konstituiert, die sich am Ende der Zeit in gewaltigen Phänomenen durchsetzen wird. Dabei verbürgt der himmlisch inthronisierte Menschensohn das Heil der noch unterdrückten und leidenden Gerechten auf Erden, die im Rahmen des endzeitlichen Gerichtsgeschehens, das sich in der Gestalt des Menschensohnes manifestieren wird, selbst Erhöhung und Heil erfahren werden.10 Damit stellt der Menschensohn funktional-pragmatisch ein Hoffnungsbild jüdischer Frömmigkeit in Zeiten der Gefährdung und Unterdrückung dar, das Bewährung des Glaubens fördert. Konkret begegnet der Menschensohn in den Bilderreden als Zentralgestalt des kommenden Gerichtshandelns, das die Sünder und Gottlosen, besonders ihre Könige und Machthaber, straft, für die Gerechten aber eine Zeit des Heils aufrichtet (vgl. v.a. Kapp. 45f.; auch 48,8-10; 53f.; 69,26-29). Zwischen diesen beiden Polen von sündigen Königen und gottgefälligen Gerechten" ist das ganze irdische Szenarium ausgespannt. Im Hintergrund steht ideengeschichtlich mit hoher Wahrscheinlichkeit die metaphorische Rede vom Menschensohn aus Dan 7,13, wie die sachlichen Anklänge in äthHen 46,1, wo der

datiert HOFIUS, Jesus 113 die Bilderreden Ende 1. Jh./Anfang 2. Jh. n.Chr., da in Qumran keine Fragmente gefunden wurden und keine frühchristlichen Zitate vorliegen. Gegen dieses Argument COLLINS, Scepter 177, der die Bilderreden vor 70 n.Chr. datiert. KNIBB, Ethiopie Book 44 geht ans Ende des 1. Jh. n.Chr. 8 Vgl. in bezug auf die Gestalt des Menschensohnes BLACK, Book 188f.; ferner SCHIMAN0WSK1, Weisheit 155. Gegen die Bestimmung der Bilderreden als christliches Werk SACCHI, TRE XV 47; VANDERKAM, Enoch 133. 9 Dabei traten sie an die Stelle eines ursprünglichen „Buches der Riesen". Vgl. SACCHI, TRE XV 43.46. 10 Dazu COLLINS, Scepter 182. Zur engen Verbindung des Menschensohnes mit der Gemeinde der Gerechten vgl. auch DERS., Representative 113-116, der vom Menschensohn als himmlischem „Doppelgänger" (116) spricht. Zur Thematik auch SACCHI, TRE XV 46f. Zur Gestalt des Menschensohnes in den Bilderreden vgl. femer CARAGOUNIS, Son of Man 84119. " Die „Gerechten" sind in den Bilderreden dadurch charakterisiert, daß sie im Glauben in Beziehung zu Gott stehen (vgl. äthHen 40,5; 46,8; 48,4; 58,5; 61,3.5), Unterdrückung und Verfolgung erfahren (z.B. 46,8; 47,1-4; 48,4; 53,7; 62,15) und Offenbarungen Gottes bzw. des Menschensohnes erhalten (48,6f.; 61,13; 62,7; 69,26). Dazu NICKELSBURG, Salvation 57f.

326

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Titel erstmals begegnet, erweisen.12 Die danielische Vorstellung erfuhr freilich im äthHen eine durchaus eigengeartete Rezeption. Der als individuelle Gestalt auftretende Menschensohn besitzt Gerechtigkeit und tritt zur Offenbarung des Verborgenen auf (46,3); er übt seine von Gott verliehene Macht zugunsten der Gerechten aus. Der Menschensohn wird göttliche Verehrung seitens der Könige und Mächtigen (62,9) bzw. von allen, die auf dem Festland wohnen (48,5), erhalten. Nach 62,14 werden die Gerechten und Auserwählten am Tag des Gerichts, nachdem ihre Unterdrücker bestraft und entfernt sind, mit dem Menschensohn speisen, worin ein Bild für die erwartete, von Ewigkeit zu Ewigkeit bestehende Heilszeit zutage tritt. Das Auftreten des Menschensohnes geht der eigentlichen Heilszeit, dem von Gott errichteten zukünftigen Äon, voran und ermöglicht dessen Durchsetzung.13 Diese endzeitliche Gerichts- und Heilsgestalt wird innerhalb der Bilderreden bevorzugt mit den Titeln „Menschensohn" und „Erwählter",14 seltener 12 Zu diesem Zusammenhang vgl. MÜLLER, Messias 40-43; THEISOHN, Richter 15-30; NICKELSBURG, Salvation 58f.; OERS., Literature 216f.; BLACK, Messianism 146; in gewisser Ähnlichkeit zum danielischen Menschensohn sei der Erwählte-Menschensohn des äthHen auch eine symbolische Figur für das neue Israel (ebd. 150.160f.). Vgl. DERS., Book 206f., der die drei lexikalisch differenten äthiopischen Syntagmen zeku/zentu walda sab' (etwa ille/hicfllius hominis; 46,2-4; 48,2; 60,10), zeku/we'etu walda 'eguala 'emma heyaw (jener/dieser Sohn des Ursprungs der Mutter des Lebendigen; 62,7.9.14; 63,11; 69,26f.; 70,1; 71,17) und we'etu walda be'si (hie fllius viri; 62,5; 69,29; 71,14) für „Menschensohn" als Übersetzungsvarianten auf ein aramäisches KtÖ](K)~~Q bzw. hebräisches D I W P p zurückfuhrt; als griechisches Äquivalent liegt ό υιό? του άνθρωπου nahe. Möglich wäre auch eine Übersetzung der mit dem Demonstrativpronomen konstruierten äthiopischen Syntagmen als „ille homo" (jener Mensch). Eine titulare Bedeutung ist dabei durchaus anzunehmen; weiter ist keine Differenz in der Bedeutung der drei verschiedenen äthiopischen Syntagmen zu konstruieren, eher kann an verschiedene Übersetzer gedacht werden (ebd. 206f.). - Auf eine gemeinsame Vorlage für Dan 7 und die Bilderreden schließt MÜLLER, Menschensohn 293-296. 13

Vgl. HAHN, EWNT III 1152; OEGEMA, Gesalbte 132. Der Titel „Menschensohn" erscheint äthHen 46,1-4; 48,2; 62,5.7.9.14; 63,11; 69,26f.29; 70,1; 71,14.17. Vom „Erwählten" sprechen 39,6; 40,5; 45,3f.; 49,2; 51,3.5; 52,6.9; 53,6; 55,4; 61,5.8.10; 62,1. Zum atl Hintergrund der Bezeichnung „Erwählter" vgl. BLACK, Messianism 150; MÜLLER, Messias 39. Den atl-jüdischen Hintergrund der Vorstellung des richtenden Erwählten weist THEISOHN, Richter 53-99 nach; gegen einen einseitigen Einfluß der Gottesknecht-Tradition bemerkt er ebd. 124, daß der Erwählungsgedanke „eine Grundhoffnung israelitischen Denkens" bildete. Wenn Theisohn aber ebd. 110-114.203f. eine eigene frühjüdische Vorstellung eines endzeitlichen Richters, der zwar in Verbindung mit dem Bereich des Königtums bzw. der königlich-messianischen Tradition stehe, aber dennoch eine eigenständige Gestalt darstelle, erkennen will, so abstrahiert er m.E. eine wichtige Funktion des eschatologischen Gesalbten/Menschensohnes und verleiht ihr eigene personale Züge. Textkritisch unsicher ist eine Titulierung als „Gerechter" in 38,2; vgl. UHLIG, Henochbuch 576 z.St.; VANDERKAM, Righteous One 170. - Unsicher ist die Bezeichnung „mein Sohn" in 105,2; dazu UHLIG, Henochbuch 742 z.St. - Nach NICKELSBURG, Literature 215 handelt es 14

Apokalyptische Variationen

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mit „Gesalbter" (48,10; 52,4) oder „Gerechter" (53,6) bezeichnet. An den genannten „Gesalbten"-Stellen erfährt die Menschensohnvorstellung titular eine messianische Erweiterung. Eine Identifizierung des Menschensohnes mit dem Gesalbten liegt dabei wesentlich näher als die Annahme einer eigenen Gestalt eines „Gesalbten", die völlig ohne spezifische Konturen bliebe.15 Auf welcher redaktionellen Stufe diese Identifizierung erfolgte, kann hier offen bleiben. Die vier in den Bilderreden als Titel angewandten Termini besitzen den gleichen Referenten, dienen also als Bezeichnung derselben Gestalt, wie in der Forschung schon verschiedentlich aufgewiesen wurde.16 sich bei „Menschensohn" nicht um einen Titel, sondern um die semitische Umschreibung für „Mann". Dagegen spricht schon die Parallelsetzung mit den Titeln „Erwählter" und „Gesalbter"; „Menschensohn" wird als feststehende Prädikation für die endzeitliche Richtergestalt gebraucht und trägt in eindeutiger Referenz titularen Charakter. 15 Für diese Identifikation auch COLLINS, Scepter 181, der 187 sogar eine verbreitete Verbindung des Messias mit dem Menschensohn aus Dan 7 behauptet; SCHIFFMAN, Reclaiming 321; OEGEMA, Gesalbte 130; HENGEL, Titles 446; CHARLESWORTH, From Jewish 238.240; BLACK, Book 212; CHESTER, Expectations 30; KNIBB, Ethiopie Book 45f.; VANDERKAM, Enoch 135.140. Nach VANDERKAM, Righteous One 172 ist eine Zuschreibung der Gesalbten-Stellen an christliche Redaktion unbegründet. Laut LICHTENBERGER, Erwartungen 15 fließen die einzelnen Bezeichnungen der einen messianischen Gestalt zusammen. - Nach BAUMBACH, TRE XXII 633 geschah die messianische Deutung der himmlischen Gestalt des Menschensohnes erst nachträglich. Auch U.B. MÜLLER, Messias 52f. geht von sekundärer Identifizierung aus, was zeigt, „daß die Menschensohnvorstellung bereits auf dem Wege ist, mit der Messiasvorstellung zu verschmelzen" (53). K. MÜLLER, Menschensohn 288-290 weist die Einfügung von 48,10 und 52,4 der Schlußredaktion der Bilderreden zu, wobei eine Kontamination von „Menschensohn" und „Erwähltem" bereits vorausgesetzt sei, da beide Titel mit „Gesalbter" verbunden werden. THEISOHN, Richter 55f. hält eine sekundäre Einfügung für möglich. - STEMBERGER, TRE XXII 623 beschreibt das Verhältnis als Zuordnung, nicht (oder erst redaktionell) als Gleichsetzung. - KOCH, Messias 98f. deutet den „Gesalbten" auf einen König Israels am Ende der Weltzeit und unterscheidet ihn vom Menschensohn; beide seien einander zugeordnet, aber auf zwei Epochen verteilt. Vgl. ähnlich noch CHARLESWORTH, Concept 206 (mit Anm. 64), der beim Gesalbten lediglich an eine irdische Königsfigur denkt. - Gegen eine Identifizierung auch KARRER, Gesalbte 241 Anm. 52. Eine kollektive Deutung des Gesalbten von 48,10 auf die Gerechten, die Karrer ebd. 240f. favorisiert, legt sich aufgrund der singularischen Nennung und der sich dann ergebenden Spannung zu 52,4, wo auch Karrer individuell deutet, nicht nahe; sie läßt sich als Möglichkeit nur aus Texten der Umwelt sekundär erschließen, doch bezeugen solche Texte ebenso die individuell-personale Gesalbtenerwartung. Die bei individueller Interpretation von 48,10 von Karrer empfundene Spannung, daß der Menschensohn noch 48,5 allgemein Anerkennung findet und nach 48,7 als Rächer der Gerechten auftritt, nach 48,10 aber verleugnet wird, ist dem Text auch ohne diese Deutung inhärent, da bei allgemeiner Anerkennung kein Vorgehen gegen „Feinde" mehr nötig wäre; vielmehr besitzt 48,5 gegenüber der Auseinandersetzung Zukunftsperspektive. 16 Vgl. VANDERKAM, Righteous One 185f.; DERS., Enoch 140 (der auf die Verteilung der bevorzugten Titel auf verschiedene Textpassagen hinweist: 38-45 Erwählter, 46-48 Men-

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Als ein Hauptargument läßt sich die an verschiedenen Stellen zu beobachtende Gleichsetzung der einzelnen Titel anführen, so „Erwählter" und „Menschensohn" in 62,1.5.7.9.14 (vgl. 48,6), „Erwählter" und „Gesalbter" in 52,4.6 sowie „Gerechter" und „Erwählter" in 53,6. Bereits bei seiner ersten Erwähnung in 46,1.3 wird dem Menschensohn die Eigenschaft der Gerechtigkeit zugesprochen und sein Erwähltsein von Gott hervorgehoben. Der Duktus des Erzählfortgangs in 48,2.6.10 schafft eine Verbindung des Titels „Menschensohn", dem Gedanken des Erwähltseins und dem Titel „Gesalbter". Mit den überwiegend benutzten Titulierungen „Erwählter" und „Menschensohn" sind jeweils gleiche Funktionen und Eigenschaften, die gleiche Rolle im göttlichen Heilsplan und Stellung zu Gott verbunden.17 Stets steht die ausgezeichnete Stellung vor Gott im Vordergrund. Die hauptsächlichen Bedeutungsverbindungen der Titel sind identisch; es handelt sich in erster Linie um das Motiv des endzeitlichen Richters, das Sitzen auf dem Thron der Herrlichkeit, die Gegnerschaft der Könige und Machthaber der Erde und die Eigenschaft der Gerechtigkeit.18 Als Attribute werden der Endzeitgestalt Gerechtigkeit, Weisheit und Einsicht, Herrlichkeit sowie Macht beigelegt.19 Der Autor des äthHen verwendet also unterschiedliche Titel zur Bezeichnung der endzeitlichen Heilsgestalt, was zu einer Verschmelzung verschiedener Traditionskreise fuhrt. Die dabei nötigen Identifizierungen finden ihre Ermöglichung in der Begriffsgeschichte der Termini, was fur den „Gesalbten"Titel aus der bislang eruierten Variabilität der denotierten Vorstellungen erhellt. Auch der Titel „Menschensohn" muß in einer gewissen Offenheit seiner Denotationen verstanden werden.20 Die terminologische Verbindung mit Dan 7 eröffnet die Möglichkeit des Zusammenwachsens mit der königlichen Gesalbtenerwartung, da bereits der „Menschensohn" von Dan 7 als Symbol na-

schensohn, 49-62,1 Erwählter, 62,2-71 Menschensohn); THEISOHN, Richter 31-49; CHARLESWORTH, From Jewish 238-240. 17 So die Untersuchung von THEISOHN, Richter 35-44. Vgl. auch CHARLESWORTH, From Jewish 238. 18 Dazu V ANDERKAM, Righteous One 186; DERS., Enoch 140. THEISOHN, Richter 36-40 nennt dazu noch Vertilgung der Sünder und Belohnung der Gerechten, Gegenstand der Verehrung und Offenbarerfunktion. " Stellenangaben bei THEISOHN, Richter 41 f. 20 Die Verbindung des Begriffs mit verschiedenen Heilsvorstellungen hebt MÜLLER, Messias 59.217 hervor: „Die Vorstellung vom Menschensohn hat wohl nie eine so klar begrenzte Bedeutung gehabt, daß eine Vermischung mit anderen Ideen ausgeschlossen blieb" (217). Vgl. auch DEXINGER, Entwicklung 20 mit Anm. 65. THOMA, Redimensionierungen 215 sieht in äthHen 46-49 königliche, priesterliche, prophetische und himmlische Motive verbunden. Zur Komposition verschiedener Vorstellungen im äthHen vgl. grundsätzlich BLACK, Messianism 147-149; NICKELSBURG, Salvation 62-64.

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tionaler Hoffnungen des Volkes Israel fungiert.21 Die an den beiden Stellen 48,10 und 52,4 explizit durchgeführte Identifizierung des „Gesalbten" mit dem „Menschensohn" (48,10) bzw. dem „Erwählten" (52,4) eröffnet dem Leser die Möglichkeit, die gesamte Menschensohnvorstellung des äthHen als messianisch, d.h. auf den Gesalbten bezogen, zu verstehen, auch dort, wo nicht direkt titular vom „Gesalbten" gesprochen wird.22 Der Titel „Gesalbter" wird zwar ausgesprochen selten in den Bilderreden verwendet, doch zeigt sich häufig der Einfluß der königlichen Gesalbtenvorstellung.23 Im Kontext der ersten Anwendung des Gesalbten-Titels in 48,10 wird der Name des Menschensohnes, der schon vor aller Schöpfung bekannt war, vor Gott genannt (48,2f.).24 Der Menschensohn erscheint als Stütze25 und Hoffnung für die Gerechten und genießt Verehrung und Anbetung, zusammen mit dem gepriesenen und gelobten Gott (48,4f.). Der im gemeinsam empfangenen Lobpreis fundierte enge Bezug zwischen Menschensohn und Gott ist Folge der besonderen Erwählung des Menschensohnes und Voraussetzung für die 21

Dazu SJÖBERG, Menschensohn 144f. - HORBURY, Associations 36.41-53 versucht, die messianische Konnotation des Titels „Menschensohn" aufzuweisen und bezieht sich auf verschiedene (angeblich frühe messianische) Deutungen von Dan 7,13 (z.B. beim Tragiker Ezechiel, W . 68^89), teils in Verbindung mit messianisch interpretablen Stellen wie Jes 11 oder Ps 2 und 110; neben den dafür einschlägigen Belegen aus äthHen und 4 Esr zitiert er eine Reihe von Quellen, die von ihrem zeitlich späten Ansatz (z.B. Targumim, Mischna, Justin) oder ihrer terminologisch nicht gesicherten messianischen Bedeutung (vgl. hebräisches AT, LXX, Sib 5,414) her nicht wirklich aussagekräftig sind und so die Argumentation hochgradig spekulativ erscheinen lassen. Nur direkte Titelverbindungen gestatten in diesem umstrittenen Forschungsfeld eindeutige Aussagen. 22 Anders wamt CHARLESWORTH, From Jewish 240 vor einer Übertragung der Funktionen und Eigenschaften, die mit den anderen Titeln verbunden werden, auf den Gesalbten; er gibt freilich keine eigentliche Begründung dafür. Vgl. ebenso CHESTER, Expectations 30. Nimmt man die Identifizierung der verschiedenen Titel ernst, erscheint die grundsätzliche Übertragbarkeit als logische Konsequenz. 23 BLACK, Book 212 deutet den „Menschensohn" stärker vom Gottesknecht aus Jes 42 und 49 her; als Begründung für die relativ seltene Verwendung des Titels „Gesalbter" erwägt er dessen davidisch-politische Konnotation, die nicht recht zur Gestalt des „Gottesknechtes" passe, oder den Ausdruck besonderer Majestät, der nur an bestimmten Stellen erreicht werden soll. 24 SJÖBERG, Menschensohn 62f. leitet die Nennung des Namens (48,2) aus der altorientalischen Königsideologie ab, wo die Namensnennung durch die entsprechende Gottheit Auserwählung zum König bedeutet. Trifft dies zu, wären auch hier königliche Züge impliziert. BLACK, Book 210 deutet auf dem atl Hintergrund der Berufung zu einer bestimmten Aufgabe (vgl. Jes 45,3; 49,1) und versteht den Menschensohn von der Gestalt des Gottesknechtes her. Auf Berufung und Indienstnahme deutet SCHIMANOWSKI, Weisheit 165-170. 25 Der in V. 4 gebrauchte Terminus „Stab" erinnert an die messianisch gedeuteten Stellen Gen 49,10 und Num 24,17; vgl. SCHIMANOWSKI, Weisheit 173f. Mehr als ein leiser Anklang an eine königliche Gesalbtenerwartung kann darin aber nicht erblickt werden.

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Erfüllung seiner endzeitlichen Aufgaben. In dieser Absicht gründet seine Erwählung vor aller Geschichte und bis in Ewigkeit (V. 6). Die Weisheit Gottes offenbarte ihn den Gerechten - denen, die sich der Ungerechtigkeit der Welt entgegenstellen - , und er bringt den Gerechten Rettung und rächt ihr Leben (V. 7); die Weisheit erscheint in der Funktion des Offenbarungsmittlers.26 „In jenen Tagen", also am Ende der geschichtlichen Zeit, erfahren die Könige und Machthaber27 der Erde aufgrund ihrer negativ zu qualifizierenden Werke keine Rettung, sie werden in der Hand der Auserwählten und vor dem Angesicht der Gerechten vollständig vernichtet (VV. 8f.). Dann kehrt Ruhe auf Erden ein, und die so Gerichteten finden keine rettende Zuwendung, was mit ihrer Verleugnung Gottes (des „Herrn der Geister") und „seines Gesalbten" begründet wird. Der Text von äthHen 48,8-10 lautet im Zusammenhang:28 (8) Und in jenen Tagen werden die Könige der Erde und die Mächtigen, die das Festland besitzen, niedergeschlagenen Angesichtes sein wegen des Werkes ihrer Hände, denn am Tage ihrer Not und Bedrängnis werden sie ihren Kopf (= sich selbst) nicht retten. (9) Und ich werde sie in die Hand meiner Auserwählten übergeben: Wie Stroh im Feuer und wie Blei im Wasser - so werden sie brennen vor dem Angesicht der Heiligen und untergehen vor dem Angesicht der Gerechten, und es wird keine Spur von ihnen zu finden sein. (10) Und am Tage ihrer Bedrängnis wird Ruhe auf Erden werden, und sie werden vor ihnen fallen und sich nicht wieder erheben, und niemand wird dasein, der sie mit seiner Hand nimmt und aufrichtet, denn sie haben den Herrn der Geister und seinen Gesalbten verleugnet. Und der Name des Herrn der Geister sei gepriesen!

Diese Ausführungen münden in den Lobpreis des Namens des Herrn der Geister, womit Gott umschrieben ist (V. 10). Damit ist einmal die theozentrische Gesamtsicht des eschatologischen Geschehens markiert, worin auch der „Gesalbte" eingeordnet erscheint. Zum anderen wird der Gesalbte durch die unmittelbare parataktische Verbindung mit dem „Herrn der Geister" als in 26

Vgl. SCHIMANOWSKI, Weisheit 190-192. Das Motiv der „Könige und Mächtigen" (48,8-10) findet sich auch im Gottesknechtslied Jes 49,7, doch während bei Jes die Völker am Heil partizipieren (vgl. Jes 49,6 der Knecht Gottes als „Licht ftir die Völker"), werden Könige und Mächtige in äthHen 48,8-10 vernichtet, so daß allein das Heil der Auserwählten und Gerechten angezielt wird. In 48,5 jedoch war noch von einer Verehrung des Menschensohnes durch alle Festlandsbewohner die Rede. - Das Motiv der Könige und Machthaber, die sich gegen den Herrn und seinen Gesalbten zusammenschließen, gelangt auch in Ps 2,2 zur Anwendung. Die in äthHen 48 und Ps 2 jeweils verwendete Gesalbten-Terminologie und der gemeinsame Kontext der potentiellen Vernichtung der Gegner (Ps 2,9), auch der Schlußfolgerung der Bekehrung zu Gott und seinem Repräsentanten (Ps 2,1 Of.) legen Ps 2 als biblischen Referenztext von äthHen 48,8-10 näher als Jes 49,7. An Ps 2 als Hintergrund denken auch VANDERKAM, Righteous 27

One 171.187; DERS., Enoch 136; NICKELSBURG, Salvation 60; DERS., Literature 217; KNIBB,

Ethiopie Book 52. 28 Übersetzung von UHLIG, Henochbuch 591 f.

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einzigartiger Nähe zu Gott stehend gezeichnet, so daß sich seine Verleugnung in gleicher Weise wie die Verleugnung Gottes beim Endgericht vernichtend auswirkt. Im Zusammenhang der erfolgten Menschensohn-Schilderung als in vorzeitlicher und ewiger Existenz (des Namens) bei Gott Erwählter (VV. 3.6), als gleich Gott Verehrung Genießender (V. 5) und als Retter und Orientierung der Gerechten (VV. 4.7) liegt die Identifizierung des Gesalbten mit dem Menschensohn unter Annahme titularer Variation nahe. Eine Qualifizierung des Gesalbten als königlich-herrscherliche oder priesterliche Heilsgestalt erfolgt nicht, so daß schon deutlich wird, daß bislang sichtbare Gesalbtenvorstellungen im Blick auf den Menschensohn variiert werden. Eine politischherrscherliche Funktion des Gesalbten klingt freilich an, wenn die Könige und Machthaber der Erde als Gegenfiguren genannt werden (48,8-10), was an die Darstellung der Könige und Mächtigen als Gegner des Herrn und seines Gesalbten in Ps 2,2 erinnert.29 Die folgenden Sätze erlauben eine inhaltliche Präzisierung. Der am Ende von 48,10 wachgerufene Lobpreis Gottes bildet zugleich den Übergang zur folgenden Passage 49,1-4, die das Lob - formal durch Begründungssätze aufnimmt und auf Gottes Gerechtigkeit hin entwickelt, der die Vergänglichkeit der Ungerechtigkeit kontrastiert wird (49,1.2a). Der Gedanke erfährt Veranschaulichung im Hinblick auf Gottes Repräsentanten, hier als „Erwählter" betitelt, dessen Herrlichkeit und Macht ewigen Bestand besitzen (49,2b). Diesem Erwählten eignet der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist der Lehre und der Kraft (V. 3), womit Jes 11,2 sprachlich und inhaltlich aufgegriffen ist, eine Stelle, die wiederholt auf einen gesalbten davidischen Heilskönig der Zukunft hin ausgelegt wurde (vgl. PsSal 17,37; lQSb V; 4Q161; 4Q285). Sein Gericht über die verborgenen Dinge und sein Durchschauen leerer Rede (49,4), fundiert in der göttlichen Erwählung (und Bevollmächtigung), liegt auf der Linie von Jes 11,3, wo das gerechte, sachgemäße Urteil des Davididen verbalisiert ist.30 Der folgende Abschnitt 50,l-531 schildert nun 29

Diesen Bezug beobachtet auch THEISOHN, Richter 56, der darin einen Ansatzpunkt für die Verwendung des Gesalbten-Titels gerade an dieser Stelle erblickt. Eine Auseinandersetzung auf militärischer Ebene wird dabei nicht ausdrücklich genannt, könnte aber von der Motivik der Gegenherrscher und ihrer Vernichtung her impliziert sein; militärische Aktionen der Heiden gegen Jerusalem kennt äthHen z.B. in 56,5-8. 30 Der Anklang an Jes 42,1, den N I C K E L S B U R G , Salvation 61 hervorhebt, verliert an Gewicht, wenn man wahrnimmt, daß in äthHen 49,4 nicht der Titel „Erwählter", sondern adjektivischer Gebrauch („erwählt") vorliegt. - Den Bezug von äthHen 49,3f. zu Jes 1 l,2f. hat T H E I S O H N , Richter 57-60 nachgewiesen. Vgl. ferner B L A C K , Book 212f.; K N I B B , Ethiopie Book 53. 31 Gegen eine literarkritische Ausscheidung von Kap. 5 0 zu Recht schon S J Ö B E R G , Menschensohn 142f.

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breiter dieses gerechte Gerichtshandeln, wobei Gott selbst (der„Herr der Geister") als Subjekt des Gerichts auftritt.32 Der Gesalbten-Terminus in Verbindung mit dem Motiv der Könige und Machthaber als Gegner in Ps 2,2 und dem Zitat und der Allusion aus Jes 11,2f. lassen die Vorstellung vom davidischen gesalbten Endzeitkönig im Hintergrund sichtbar werden,33 die im apokalyptischen Kontext freilich in Richtung himmlischer Macht und Herrlichkeit sowie Ausübung der Herrschaft im Gericht variiert wird. Damit kann auch dieser Gedankenkreis als messianische Idee bezeichnet werden, was einen weiteren Beleg für die Variabilität frühjüdischer Messiashoffnung liefert. In äthHen 51,1-5 wird die endzeitliche Totenerweckung und die Auswahl der Gerechten und Heiligen durch den Erwählten geschildert, was in eine auf Erden anbrechende Heilszeit mündet. Dann setzt eine Vision Henochs in 52,1 neu ein, wobei Henoch Berge von verschiedenen Metallen (Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Gußmetall [?],34 Blei) erblickt und nach der Deutung fragt (52,2f.). Der Deuteengel bezieht die Vision auf die Herrschaft des Gesalbten: „All diese Dinge, die du gesehen hast, dienen der Herrschaft seines Gesalbten, damit er stark und mächtig auf Erden sei"35 (V. 4). Der Hinweis auf die mächtige Herrschaft des Gesalbten im Bereich der Erde trägt politische Konnotationen und evoziert den Gedanken an den königlichen Gesalbten, der zu genau dieser Funktion von Gott ermächtigt wird.36 Der Deuteengel fährt in seiner Erklärung fort, indem er die angeführten Metallberge in ihrer Nichtigkeit gegenüber dem „Erwählten" beschreibt, dessen Auftreten die symbolisch für verschiedene menschliche Wertigkeiten und Machtmittel stehenden Metalle in ihrer Bedeutungslosigkeit erweist und vertilgt (VV. 5-9). Die in V. 5 explizit als solche eingeführte Antwort des Angelus interpres auf die Frage 32 Zur beiden gemeinsamen Gerichtsfunktion, die „a delegated authority" des „Erwählten" impliziert, vgl. KNIBB, Ethiopie Book 54. 33 Auch BLACK, Messianism 149 leitet die Bezeichnung „Gesalbter" aus der königlichen Messiastradition ab. Vgl. KNIBB, Ethiopie Book 52. 34 BLACK, Book 52 übersetzt „soft metal". 35 Übersetzung von UHLIG, Henochbuch 595. Entsprechende englische Version bei BLACK, Book 52. - CHARLESWORTH, From Jewish 237f. bietet verschiedene englische Übersetzungsvarianten, wobei z.Tl. das aktive Handeln des Gesalbten stärker betont wird. Der Gesichtspunkt einer aktiven Herrschaftsfunktion ist freilich auch bei der hier gebotenen Version deutlich. - Die Annahme christlicher Interpolation des „Gesalbten"-Titels in 52,4 weist SJÖBERG, Menschensohn 140f. zurück, was wohl auch für 48,10 gilt. 36 Ähnlich MÜLLER, Menschensohn 289. Anders deutet BLACK, Book 215 die Aussage von Dan 7,18 her, wo die universale Herrschaft des Menschensohnes über alle Weltreiche Ausdruck findet. Die Deutungen stehen letztlich nicht in Widerspruch zueinander; möglicherweise bot gerade die Herrschaftsfunktion des Menschensohnes den Anlaß für die Verwendung des Titels „Gesalbter".

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von V. 3 isoliert V. 4 in gewisser Weise, so daß der Erzählduktus auf Textebene unterbrochen erscheint. Diese Beobachtung wurde z.B. von K. Müller37 mit der These eines redaktionellen Einschubs von V. 4 erklärt. Unabhängig von Zeitpunkt und Charakter der Entstehung der jetzigen Textgestalt ist deren Struktur als vom Verfasser/Redaktor als sinnvoll empfunden zu begreifen: ihm bereitete es keine textorganisatorischen Schwierigkeiten, die Deutung in zwei Anläufen (VV. 4.6-9) und unter Anwendung der Titel „Gesalbter" und „Erwählter" zu entfalten. Die übernatürliche Macht des „Erwählten" bringt 52,6 im Vergleich der Metallberge angesichts des Erwählten mit Wachs im Feuer zum Ausdruck, womit ein Theophanie-Motiv (vgl. äthHen 1,6; Ps 97,5; Nah 1,5; Mich 1,4) zur Inszenierung der besonderen göttlichen Bedeutung des „Erwählten" beansprucht wird.38 Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zur Vision der vier Weltreiche in Dan 2,31-45, wo politische Reiche durch Metalle symbolisiert werden, so daß auch in äthHen 52 möglicherweise auf sechs Weltreiche bildlich hingedeutet ist, denen überbietend das messianische Reich folgt.39 Damit könnte an dieser Stelle an die königliche Gesalbtentradition angeknüpft sein, um das endzeitliche Geschehen zu beschreiben. Im Anschluß (53,1-54,6) erfolgt sogleich die für äthHen charakteristische Wende der Handlung zum Ereignis des Endgerichts, das die Vernichtung der Könige und Herrscher der Erde beinhaltet. Die so konzipierte Gestalt des Gesalbten bzw. Erwählten erfüllt die Funktionen des endzeitlichen Retters und Richters mit königlichen und militärischen Zügen.40 Die anhand der beiden expliziten Nennungen des Titels „Gesalbter" eruierten Grundlinien können unter Berücksichtigung der Gestalt des Menschensohnes in den Bilderreden vertieft und erweitert werden. Der auch als Gesalbter bezeichnete Menschensohn ist von Gott erwählt (46,3; 48,6; 49,2), erhält eine besondere Qualität durch sein präexistentes (vorgeschichtliches) Sein (vgl. 48,3.6; 62,7) bzw. sein Sein bei Gott (46,1; 48,2; 62,7)41 und sorgt für das Recht der Gottgefälligen und Gerechten 37

MÜLLER, Menschensohn 289. Auch nach NICKELSBURG, Literature 218 sind in 52,4.59 zwei Traditionen verbunden. 38 Vgl. BLACK, Book 216; VANDERKAM, Enoch 137. 39 Zu dieser Deutung UHLIG, Henochbuch 595 Anm. a zu Kap. 52; BLACK, Book 215. Vgl. die sieben Edelsteinberge in äthHen 18,6-8. 40 Die Dominanz des Konzeptes „eines weisen und gerechten Richters" in äthHen 45-57 hält OEGEMA, Gesalbte 134 fest. HAHN, Apokalyptik 56 sieht „die messianische Vorstellung ganz der apokalyptischen Erwartung einer himmlischen Gestalt angeglichen". 41 In 39,5-7 wird den Gerechten das Wohnen bei den Engeln verheißen, wo auch der Erwählte seinen Ort hat. - Den Aspekt der Präexistenz sehen auch MÜLLER, Messias 48-51; KNIBB, Messianism 171 F.; DERS., Ethiopie Book 52; COLLINS, Scepter 179; DERS., Representative 122; THOMA, Redimensionierungen 215; SJÖBERG, Menschensohn 87-93; vorsieh-

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(48,4f.7). Als Begründung der Präexistenzaussage dient in bezug auf 48,6f. neben der Antithese „verborgen - offenbar" die temporale Gegenüberstellung der Erwählung und Verborgenheit des Menschensohnes vor der Erschaffung dieses Àons und der Offenbarung in der Jetzt-Zeit des Eschaton („in dieser Stunde"; 48,2).42 Die zeitliche Antithetik prägt auch die im Rahmen des Endgerichts stehende Stelle 62,7: „zuvor/von Anbeginn verborgen - den Auserwählten offenbart", wobei die Offenbarung auf die Zeit des Endgerichts zu beziehen ist, was in der Logik von 69,26 eine Parallelstruktur und damit argumentativen Rückhalt findet.43 Die Präexistenzaussagen sind inhaltlich gefüllt mit Motiven der Gottnähe und Hoheit des Menschensohnes, die in der Auserwählung durch Gott gründen und in der Eigenschaft der Gerechtigkeit zur Wirkung gelangen.44 Die dem Menschensohn in 46,3 zugesprochene Eigenschaft der Gerechtigkeit45 läßt Formulierungen aus Jes 9,6f.; 11,3-5; Jer 23,5; Sach 9,9; PsSal tig HAHN, Apokalyptik 56 (der den Terminus Präexistenz vermeidet); nur flir 48,3 MÜLLER, Menschensohn 283f. Die Präexistenz-Idee entstammt wohl weisheitlicher Tradition; vgl. THEISOHN, Richter 130-135.141, der äthHen 48,3.6 auf Spr 8,23-26 zurückfuhrt (die wiederum an Ps 90,2 orientiert sind). Vgl. auch KNIBB, Ethiopie Book 52; NICKELSBURG, Literature 217; BLACK, Messianism 156. Möglich ist hinsichtlich der Verborgenheit der Gestalt auch ein Einfluß des „verborgenen" Gottesknechtes aus Jes 49,2; dazu THEISOHN, Richter 123f.l41; BLACK, Messianism 157f.; ferner DERS., Book 210f. - Gegen den Präexistenzgedanken VANDERKAM, Righteous One 179-182, der Präexistenz als Sein vor der Schöpfung definiert, was an den Belegstellen äthHen 48,3.6; 62,7 nicht ausgesagt sei: 1. Die Nennung des „Namens" vor der Schöpfung in 48,3 impliziere nicht das Sein des Trägers. - Dies übersieht die seinswirkliche innere Verbindung von Name und Träger. - 2. Die Verborgenheit vor Erschaffung der Welt (48,6) sei ähnlich Jes 49,2 (Verborgenheit als Schutz) zu verstehen, vielleicht sei nur eine vorweltliche Erwählung und Verhüllung der Identität (im Plan Gottes) gemeint. - Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, daß hier zwischen einer göttlichen Idee und realer Existenz differenziert wird. - 3. Auch in 62,7 sei das „Bewahren" erst auf die geschichtliche Zeit bezogen. - Zumindest eine Existenz vor der Offenbarung des Menschensohnes ist aber vorausgesetzt. Insgesamt ist die Differenzierung von Erwählung vor Schaffung der Welt (nämlich lediglich in Gottes Plan) und Existenz des Menschensohnes künstlich, so daß die Vorstellung seiner Präexistenz die Textaussagen besser erklärt. 42 Zu dieser Begründung vgl. MÜLLER, Messias 50. Altorientalisches und atl Denken erfaßte Präexistenz zumeist als Existenz vor der allgemeinen Schöpfung, vgl. ebd. 47-50. Zur Präexistenz-Vorstellung auch SCHIMANOWSKI, Weisheit 171-173.177, der 177-187 auf die Motivik von Auserwählung und Verborgenheit eingeht. 43 Dazu MÜLLER, Messias 51. 44 Zu Auserwählung und Gerechtigkeit des Menschensohnes vgl. SJÖBERG, Menschensohn 95f. Nach SCHIMANOWSKI, Weisheit 192-194 hebt die Präexistenz den Menschensohn aus aller Schöpfung heraus. 45 Die Eigenschaft der Gerechtigkeit begegnet in den Bilderreden in bezug auf Gott, den Menschensohn und die Gemeinde der Gerechten, wobei sich letztere durch den Glauben an Gott und den Menschensohn sowie durch Abkehr von der gottfeindlichen Welt als solche

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17,29.32.35.37.40 und syrApkBar 40,2 anklingen, was dem Menschensohn im Blick auf die assoziierte Gesalbten-Tradition weitere königlich-messianische Züge verleiht. In die Zeit seines Erscheinens fällt auch die Auferstehung der Toten, unter denen der Erwählte die Gerechten auswählt (51,1 f.). Er tritt auf Erden eine mächtige und starke Herrschaft des Heils an (52,4), gegen die jede irdische Gegenmacht versagt (52,6-9). Vom himmlischen Thron Gottes aus ergehen Offenbarungen der Weisheit aus seinem Munde, die ihm von Gott gegeben sind, womit er als in einem Verhältnis der Partizipation und Bevollmächtigung zu Gott stehend gedacht ist (51,3). Weisheitsbesitz zählt zu den Befähigungen des eschatologischen Königs (51,3; vgl. 49,3).46 Zur Zeit der Herrschaft des Erwählten („in jenen Tagen"; 51,4) bricht auf Erden eine Heilszeit an, über die sich selbst die Engel im Himmel freuen (51,4f.). 49,2-4 beschreiben den Erwählten als mit Macht, dem Geist der Weisheit und der Einsicht in die verborgenen Dinge begabt - es bestehen Anklänge an Jes 11,2, wo ein davidischer Heilbringer verheißen wird. Entsprechend übernimmt er die Funktion des Offenbarers, der Geheimes und Verborgenes enthüllt (46,3; 51,3; vgl. auch 53,6; 61,9; 62,6).47 Nach 46,3-6 setzt sich der Menschensohn kämpferisch durch, in 62,2 mittels der Rede seines Mundes, was wiederum an Jes 11,4 erinnert. Die als Rezeption von Jes 11,2-4 greifbaren Motive verleihen der dargestellten Endzeitgestalt königliche Züge, wie die parallele Aufnahme dieser Motive aus Jes 11 in lQSb V 20-29 in bezug auf einen königlichen Gesalbten belegt. Im übrigen liegt diese Verbindung der Gestalt des Menschensohnes (bzw. des Erwählten) mit dem königlichen Gesalbten durchaus auch auf einer durch Dan 7,14 ermöglichten Denklinie,48 wo dem danielischen Menschensohn „Herrschaft, Herrlichkeit und Königtum" gegeben werden, so daß „ihm alle Völker, Nationen und Sprachen dienen sollen" und seine Herrschaft als unvergängliche Herrschaft charakterisiert werden kann. Die damit korrespondierende Verbindung des Erwählten mit den Königen und Mächtigen der Erde, die seine überragende Hoheit anerkennen müssen (62,1-6), gründet auf der geistigen Basis atl Königsideologie bzw. der Erwartung eines zukünftigen Heilskönigs (vgl. Ps 2; 110; Jes 1 l,2f.). 49 auszeichnet; vgl. COLLINS, Representative 116f. BLACK, Book 207f. fuhrt die Gerechtigkeit auf die atl Beschreibung des davidischen Gesalbten (vgl. Jes 9,6-11; 11,3f.; Jer 23,5; Sach 9,9) zurück. MÜLLER, Menschensohn 282 beschreibt die Gerechtigkeit als Strafgerechtigkeit hinsichtlich des eschatologischen Gerichts. 46 Zu diesem Motiv und seiner atl Grundlegung vgl. SCHIMANOWSKI, Weisheit 191. 47 Dazu THEISOHN, Richter 40.141. Zur apokalyptischen Motivik des Geheimnisses auch SJÖBERG, Menschensohn 104-106. 48 Darauf weist BLACK, Messianism 156 hin; vgl. zur Jes-Rezeption ebd. 155f. 49 Auch die Gottesknecht-Tradition mag hier beeinflussend zu veranschlagen sein: Jes 49,7; 52,13; 53,12. Dazu BLACK, Messianism 159. SJÖBERG, Menschensohn 124-127 wies

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Der Menschensohn ist zum endzeitlichen Gericht50 über die Gottlosen autorisiert (46,4-6; 49,4; 69,26-29)," wofür die große Gerichtsszene in Kapp. 62f. anschauliches Bildmaterial bietet. Er besitzt alle Geheimnisse der Weisheit (51,3). Als Auserwählter Gottes sitzt er auf dem Thron (der Herrlichkeit), womit zumeist die Autorität des Menschensohnes zum Gerichtshandeln verbunden ist (45,3; 51,3; 55,4; 61,8; 62,2-5; 69,26-29); bei diesem Herrschaftssymbol des Thrones dürfte es sich um Jahwes Thron handeln.52 Auch in diesen Funktionsbereichen ist der Gedanke des Partizipationsverhältnisses zu Gott tragend: Legitimation, Erkenntnis und Macht fließen dem Menschensohn allein von Gott her zu. Noch deutlicher wird dies angesichts der ThronMetaphorik. In 25,3; 47,3 und 60,2 sitzt Gott auf dem Thron der Herrlichkeit und des Gerichts, umgeben von seinem himmlischen Heer. Gott erscheint dabei als der eigentlich in Allmacht Herrschende und wird in 25,3.5.7 entsprechend auch direkt als „König" angesprochen. Besonders bemerkenswert ist dabei der Vorgang in 61,8, denn dort setzt Gott den Erwählten auf seinen (Gottes) richterlichen Thron, was innerhalb der jüdischen Tradition des göttlichen Gerichts eine Variation53 der Vorstellung hin zur Beauftragung eines hingegen auf, daß sich ein Einfluß der Gottesknechtslieder nicht beweisen läßt, da nur sehr allgemeine Parallelen auftreten. Ähnlichkeiten ergeben sich u.a. auch dadurch, daß der atl Gottesknecht in Jes 42-53 königliche Züge trägt; zum Nachweis KAISER, Knecht 132-134 (Fazit); vgl. ferner BECKER, Messiaserwartung 65. THEISOHN, Richter 121-123 weist für äthHen 62,1-8 Einfluß aus Jes 49,1-12 nach, wobei freilich das Motiv in äthHen 62,2 (Rede des Mundes) keine Entsprechung findet. NICKELSBURG, Literature 220 hebt Jes 11,2.4 als Hintergrund fur 62,2 und damit eine messianische Verstehenslinie heraus. 50 THOMA, Redimensionierungen 215 hebt die Gerichtsfunktion gegenüber dem Menschensohn von Dan 7 hervor. Vgl. auch KOCH, Heilandserwartungen 123; zum Gericht SJÖBERG, Menschensohn 69-78. 51

BLACK, Book 249 erachtet 69,26-29 als redaktionelle Einfügung an dieser Stelle, wobei nicht mehr erkennbar ist, von welchem anderen Textteil die Verse entnommen sind. 52 Zum atl grundgelegten Motiv vom Sitzen auf dem Thron der Herrlichkeit, womit Jahwes Thron gemeint ist, vgl. die Untersuchung von THEISOHN, Richter 68-98. Ferner KNIBB, E t h i o p i e B o o k 55. Z u r T h r o n m o t i v i k a u c h BLACK, M e s s i a n i s m 1 5 1 - 1 5 5 ; DERS.,

Book 220 denkt an einen eigenen Thron des Menschensohnes. 53 Zu dieser Entwicklung vgl. BLACK, Messianism 152f. Nach SJÖBERG, Menschensohn 66f. übernimmt der Menschensohn mit seiner Inthronisation eine Funktion Gottes, indem er als Richter der Welt agiert. Das Motiv ist bereits atl grundgelegt: Dan 7,9f. schildert Gott auf dem Gerichtsthron; nach Ps 9,5 sitzt Gott als gerechter Richter auf dem Thron; Jes 16,5 spricht vom Gerichtsthron, wobei der Richter von Gott legitimiert ist und als solcher Gerechtigkeit besitzt; Ps 122,5 kennt Gerichtsthrone des Hauses David, nach 1 Kön 7,7 fungiert die durch Salomo erbaute Thronhalle auch als Ort des königlichen Gerichts; in Spr 20,8 (vgl. 20,26) sitzt der König auf dem Richterstuhl und sondert alles Böse bzw. die Frevler aus. Textkritisch unsicher ist die Stelle äthHen 62,2: das Verb nabara der Handschriften wird von Dillman und Charles zu anbaro (= „setzte ihn") konjiziert, was auch UHLIG, Henochbuch 613 z.St. als naheliegend erachtet (vgl. seine Angaben). Dann würde auch an dieser Stelle

Apokalyptische Variationen

337

Repräsentanten darstellt. Als Ausgang und gedankliche Grundlage dieser Entwicklung kann Ps 110,1 gedient haben, denn die Eröffnung dieses Psalms hat das Bild des davidischen Königs vor Augen, der „zur Rechten" Jahwes thront und machtvoll über seine Feinde triumphiert.54 Die atl Königsideologie kennt das Motiv des Setzens des Königs auf den Thron durch Jahwe, worin sich Erwählung und Vollmacht des Königs äußern (vgl. Ps 132,11 f.; 1 Kön 2,24; 2 Chr 9,855); in diesen königlichen Gedankenkreis fugt sich der Titel „Erwählter" gut, wenn man bedenkt, daß atl David von Gott zum König Israels erwählt wurde (vgl. 2 Sam 6,21; 1 Kön 8,16; 1 Chr 28,4). Die Inthronisation des Erwählten bedeutet also eine Übertragung königlicher und richterlicher Herrschergewalt. Dieser Gedanke der Bevollmächtigung durch Gott wird auch 51,3 sichtbar, wo ausdrücklich von dem auf dem Thron sitzenden Erwählten gesagt ist, daß Gott ihn berief und verherrlichte. Die Gestalt des Erwählten, die ja - neben Menschensohn - auch als Gesalbter betitelt ist, steht durch diese Motivassoziation wiederum in Verbindung mit der königlichen Gesalbtentradition.56 Traditionsgeschichtlich betrachtet, kann dabei das Motiv des Sitzens auf dem Thron durchaus schon in den Vorgaben der Bilderreden mit der endzeitlichen Gestalt des Menschensohnes bzw. Erwählten verbunden gewesen sein,57 was seinerseits die Identifikation mit der Vorstellung des königlichen Gesalbten begünstigte. Das Partizipationsverhältnis des Menschensohnes zu Gott prägt die Texte äthHen 48,7 und 62,7, nach denen Gott den Menschensohn den Heiligen und Gerechten offenbart. Es wird vollends deutlich in 49,1-4, wo der von Gott Auserwählte an Gottes ewiger Herrlichkeit, an Macht und Einsicht in die verborgenen Dinge und an der Überwindung von Ungerechtigkeit bzw. leerer Rede Anteil erhält.58 Nach 55,4 richtet der Erwählte im Namen Gottes. Áhnder Erwählte von Gott inthronisiert. So auch THEISOHN, Richter 87; SJÖBERG, Menschensohn 66 Anm. 23. Anders liest BLACK, Book 59.235 (nach einer anderen Überlieferung) intransitiv „der Erwählte saß auf dem Thron ..."; vgl. DERS., Messianism 152 Anm. 23. 54 Ein solches „Denkmodell" favorisiert THEISOHN, Richter 92-98; vgl. BLACK, Messianism 153f. 55 Vgl. ferner Dan 4,37 (LXX); 1 Chr 28,5; 29,23; Ijob 12,17f.; 36,5-7; 1 Sam 2,7f. 56 Vgl. BLACK, Messianism 153. Den Vorstellungsbereich des israelitischen Königtums sieht THEISOHN, Richter 98f. als prägenden Hintergrund, wobei eine deutliche Einschränkung auf den Bereich des Richtens mit endzeitlicher Qualifikation geschieht. 57 Dazu THEISOHN, Richter 81-99, der 99 die Identifikation des danielischen Menschensohnes mit dem erwählten Richter als Leistung des Autors der Bilderreden beschreibt, wobei auch königliche Züge einer Interpretation unterzogen werden. 58 Die jeweiligen Charakteristika sind in 49,1-4 sowohl Gott als auch dem Auserwählten zugeschrieben, wobei häufig sprachliche Parallelen auftreten. Der Abschnitt zeigt die Repräsentationsfiinktion des Menschensohnes in seiner wesentlichen Zuordnung zu Gott. Vgl. auch 51,3.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

lieh verhält es sich 61,8f., wo Gott den Erwählten auf den Thron setzt; auch wenn das Subjekt des folgenden Gerichtshandelns nicht klar ist, scheint der Erwählte als auf dem Thron Sitzender doch daran beteiligt; dann wird es auch ihm gegeben sein, die verborgenen Wege der Menschen zu erkennen und sie so richten zu können, d.h. er besitzt übernatürliche Einsicht in das Wesen einzelner Menschen. Zusammenfassend läßt sich festhalten: Der messianische Menschensohn der Bilderreden des äthHen besitzt durchaus die Züge einer endzeitlichen, auch militärischen, Herrschergestalt, es erfolgt aber kein Hinweis auf eine davidische Abstammung.59 Eine himmlische Richter- und Rettergestalt erscheint mit den Zügen eines messianischen Herrschers. Diese zentrale Endzeitgestalt der Bilderreden wird meist als „Erwählter" oder „Menschensohn" tituliert und fungiert in erster Linie als eschatologischer Richter der Gottlosen und Retter der Gerechten und Auserwählten. Die irdische Figur eines königlichen Gesalbten gewinnt die Charakteristik himmlischer Provenienz und vermag aus der damit verbundenen besonderen Nähe Gottes als bevollmächtigter Repräsentant Gottes zu wirken.60 Seine Darstellung verbindet verschiedene Vorstellungsstränge, so die atl bezeugte Kennzeichnung von erwählten Menschen,61 die danielische Menschensohn-Terminologie, die königliche Gesalb59

Die fehlende Davidsohnschaft hält auch LICHTENBERGER, Erwartungen 15 fest. Vgl. CHARLESWORTH, Concept 206. COLLINS, Scepter 182 versteht den Menschensohn nicht als Messias im herkömmlichen Sinne, wenngleich er Eigenschaften eines solchen erhält. 60 Auch NICKELSBURG, Salvation 63.65 erkennt eine transzendente, himmlische Gestalt und kann dabei von „God's heavenly vice-regent" (63; Hervorhebung im Original) sprechen. Vgl. auch COLLINS, Representative 114.123f.; ferner CHESTER, Expectations 31. MÜLLER, Menschensohn 285 beschreibt den Menschensohn als himmlisches Individuum, als eschatologischen Rächer der Gerechten und Strafrichter über die Herrschenden der Erde. - CHARLESWORTH, Concept 206 hingegen betont die nur kurze zweimalige Erwähnung des Gesalbten, die ihm keine spezielle Funktion und keine Herrschaft über ein messianisches Reich zuweise. - Die Bindung an Gott beschreibt schon SJÖBERG, Menschensohn 80-82; er betont 140.146 die Differenz zwischen Menschensohn- und Messiasvorstellung, die in der Zeichnung des Menschensohnes als himmlisches, präexistentes Wesen, das den Beginn der Äonenwende markiert, wurzelt; freilich bestehen motivliche Übereinstimmungen in nationalköniglichen Elementen (144f.). GNILKA, Christen 73.90-94 differenziert strikt zwischen Messias und Menschensohn und weist ersteren dem alten, den zweiten dem neuen Äon zu (94). Die in äthHen deutlich vermittelte Identität spricht gegen diese rigorose Trennung; die traditionsgeschichtliche Eigenständigkeit beider Figuren geht freilich der Identifizierung voraus. 61

Kollektiv in bezug auf Israel als ethische Größe, als Angehörige Jahwes und teilweise

in V e r b i n d u n g mit der Gottesknechtsgestalt z.B. 1 Chr 16,13; Ps 105,6.43; 106,5; Jes 42,1;

43,20; 45,4; 65,9.15.22. Individuell fur Jakob (freilich als Repräsentant Israels) Jes 45,4, Mose Ps 106,23, Saul 2 Sam 21,6 und David Ps 89,3. Zur Thematik BLACK, Messianism 150. - THEISOHN, Richter 51 f. betont die in der Verbindung der Vorstellungen von „Erwähl-

Apokalyptische Variationen

339

tenerwartung, ferner Gedanken aus der Weisheitsliteratur (z.B. Präexistenz) und Charakteristika des deuterojesajanischen Gottesknechtes.62 Zwischen den Traditionen besteht ein assoziativer Zusammenhang, keine streng logische Übereinstimmung.63 Dominant bleiben freilich die in apokalyptischen Farben gemalten Funktionen des Richters und Herrschers als Befreier der Gerechten. Titular spielt die königliche Gesalbtenerwartung nur eine untergeordnete Rolle innerhalb der Darstellung der Bilderreden des äthHen,64 der Vorstellungs-

tem" und „Menschensohn" liegende Neuinterpretation. Zur Kontamination zweier mit diesen Titeln verbundener Vorstellungskreise auch MÜLLER, Menschensohn 286-293, was zu einer „messianischen" Interpretation des Menschensohnes führe, da der „Auserwählte" einem irdisch-nationalen Messias ähnele (vgl. besonders 286f.). Eher als an eine Verbindung fester Traditionen ist an eine Kombination offener Vorstellungskreise zu denken; vgl. CHARLESWORTH, Pseudepigrapha 118. 62 Die Einflüsse dieser verschiedenen Traditionen betont BLACK, Messianism 161; DERS., Book 189. Vgl. CHARLESWORTH, From Jewish 240f.; KNIBB, Ethiopie Book 44; ferner THOMA, Entwürfe 28f. Zu Dan 7 und den deuterojesajanischen Gottesknechtstexten als Hintergrund vgl. VANDERKAM, Righteous One 188-190; DERS., Enoch 138-140. Ferner NICKELSBURG, Salvation 63.65; DERS., Literature 215-217. - BLACK, Messianism 156-161 betont den Einfluß der Gottesknecht-Tradition und mißt ihr teilweise prägende Bedeutung bei; so liege in äthHen 47,1 eine - wenigstens indirekt wahrnehmbare - Verbindung zum Leiden des Gottesknechtes vor (160f.). Diese angenommene Verbindung von äthHen 47,1 zum leidenden Gottesknecht bleibt jedoch äußerst vage; zudem sind wohl die Gerechten als Kollektiv angesprochen, deren Geschick nicht einfachhin mit dem ihres himmlischen Repräsentanten (des Menschensohnes) identifiziert werden darf. Ein kollektives Verständnis von 47,1 bevorzugen VANDERKAM, Righteous One 170f.; THEISOHN, Richter 33-35. Vorsichtiger beurteilt THEISOHN, Richter 123f. die Gottesknecht-Tradition als Einflußfaktor: seine Untersuchung (119-123) von äthHen 48,2-6 und 62,1-8 zeigt lediglich Beeinflussung durch Jes 49,1-12, wobei sich der Einfluß auf einzelne Motive beschränkt; vgl. auch ebd. 142. Einen ähnlich geringen motivlichen Einfluß zeigte schon SJÖBERG, Menschensohn 118-128, wonach nur die Lieder aus Jes 42 und 49 in Frage kommen und kein Leiden des Menschensohnes erschlossen werden kann (vgl. 128). Stärker bewertet LAATO, Star 338f. den Einfluß. SCHIMANOWSKI, Weisheit 188f. hält sowohl enge Verbindungen zwischen äthHen 48 und Jes 49,1-10 als auch die Eigenständigkeit von äthHen 48 (vgl. z.B. das Fehlen von Leiden und Verachtung) fest. Zur Interpretation und Modifikation von Motiven der Gottesknechtslieder aus Jes 40-55 vgl. VANDERKAM, Righteous One 189f.; für äthHen 61-63 NLCKELSBURG, Salvation 61. Zum Einfluß weisheitlicher Motive vgl. THEISOHN, Richter 126-143. SCHIMANOWSKI, Weisheit 171-173 betrachtet weisheitliche Vorstellungen, v.a. Spr 8, als entscheidenden Einflußfaktor, vgl. auch 177.190-192, zur Präexistenz der Weisheit ebd. Π Ι 06. 63

Vgl. auch SJÖBERG, Menschensohn 13; ferner SCHIMANOWSKI, Weisheit 198f. VANDERKAM, Righteous One 171 f. spricht von einer bescheidenen Rolle im Denken des Autors, die noch dazu relativ undeutlich bleibt. CHESTER, Expectations 31 und GNILKA, Christen 90 messen der Messias-Vorstellung nur periphere Bedeutung zu. Die über den Titelgebrauch hinausgehende Relevanz des Vorstellungskreises darf aber nicht unterschätzt werden. Vgl. auch NICKELSBURG, Salvation 63f.; er behauptet 65 eine Unterordnung der 64

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

kreis dieser eschatologischen Hoffnungsgestalt allerdings hielt verschiedentlich Einzug in die Schilderungen des äthHen. Die geistige Präsenz der königlichen Gesalbtenerwartung findet sich also auch in dieser Schrift bestätigt, unübersehbar vermag der Autor der Bilderreden aber auf der Grundlage seines eigenen apokalyptischen Denkhorizontes modifizierend und interpretierend frei mit dieser Überlieferung zu verfahren. Verständnisschwierigkeiten wirft die im Schlußkapitel der Bilderreden erfolgende Identifikation der verschieden titular greifbaren Gestalt des „Menschensohnes" mit Henoch selbst, dem fiktiven Adressaten der himmlischen Visionen und Worte, auf, wenn in äthHen 71,14 die göttliche Stimme zu Henoch, der zu diesem Zeitpunkt bereits in den Himmel entrückt ist (Kap. 70f.), spricht:65 (14) Und er [sc. Gott] kam zu mir [sc. Henoch] und grüßte mich mit seiner Stimme und sprach zu mir: „Du bist der Menschensohn, der zur Gerechtigkeit geboren ist, und Gerechtigkeit wohnt über dir, und die Gerechtigkeit des Hauptes der Tage verläßt dich nicht." (15) Und er sprach zu mir: „Er ruft über dir das Heil aus im Namen des Äons, der kommen wird, denn von da geht das Heil aus seit der Erschaffung der Welt, und so wird es auch dir zuteil werden in Ewigkeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. (16) Und alle werden auf deinem Wege wandeln, da dich die Gerechtigkeit in Ewigkeit nicht verläßt, bei dir werden ihre Wohnungen sein und bei dir ihr Anteil, und sie werden sich von dir nicht trennen bis in Ewigkeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit." (17) Und so wird die Länge der Tage bei jenem Menschensohn sein, und es wird Heil für die Gerechten sein und ein ebener Weg für die Gerechten - im Namen des Herrn der Geister für immer und ewig.

Der Textduktus der Bilderreden bietet keinerlei Anspielung oder Vorbereitung auf diese Identifizierung, die demnach völlig überraschend geschieht. Das bislang klar differenzierte Personeninventar der Bilderreden erhält damit eine neue Struktur. Die sich so ergebende narrative Diskrepanz lösen einige Ausleger dadurch, daß sie Kap. 70 bzw. Kapp. 70 und 71 als sekundären redaktionellen Zusatz vom Corpus der Bilderreden abtrennen und so als eigengeartete inhaltliche Einheit verstehen können.66 Gute Gründe sprechen Gesalbtentradition unter die Menschensohn- und Erwählten-Traditionen. Dies trifft für den titularen Bereich, nicht aber für die verwendete Motivik zu! 65 Übersetzung von UHLIG, Henochbuch 634. - MÜLLER, Menschensohn 290 identifiziert anstelle Gottes den Engel Michael als Sprechenden. Die voraufgehende Darstellung legt aber m.E. Gott als Redenden nahe. Dabei ist die Differenz zwischen den Alternativen nicht groß: Der Engel als Bote und „Sprechwerkzeug" Gottes vermittelt den göttlichen Willen. 66 Zu nennen sind UHLIG, Henochbuch 573.575; KNIBB, Messianism 177-180; MÜLLER, Messias 54-59; ferner COLLINS, Representative 123; BLACK, Book 250; NICKELSBURG, Literature 221; für Kap. 71 als Nachtrag THEISOHN, Richter 34 Anm. 4 (S. 216); HAHN, Apokalyptik 57; MÜLLER, Menschensohn 290f. - BLACK, Messianism 152.165f. betrachtet Kapp. 70f. als sekundären Teil des äthHen, den ein jüdischer Redaktor zu christlicher Zeit anfügte,

Apokalyptische Variationen

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freilich für Kapp. 70f. - abgesehen von der problematischen Stelle 71,14-16 als ursprünglicher Abschluß der Bilderreden, denn eine Entrückung Henochs in den Himmel als Abschluß seines von Gott ausgezeichneten Lebens als Seher und Offenbarungsmittler stellt eine stringente Erzählmöglichkeit dar; die zentralen Handlungsträger Gott, Menschensohn/Erwählter und Henoch sind durchgehalten.67 So vertreten manche Ausleger die Einheitlichkeit der Bilderreden, wozu sie entweder die Identifizierung als erzähltechnische Angleichung der Gestalten oder als reine Vorbildaussage abschwächen68 oder als ursprüngliche Aussageintention der Bilderreden von Beginn an deklarieren.69 Doch eine solche Identifizierung steht in Spannung zum Handlungsszenarium im Corpus der Bilderreden, denn nicht nur läßt sich die in äthHen 48,3.6 und 62,7 artikulierte Präexistenz des Menschensohnes nicht auf die menschliche Figur Henochs anwenden,70 sondern die gesamte in Henochs Visionen

intentioneil möglicherweise als Kontrast zur christlichen Identifizierung des Menschensohnes mit Jesus; dabei liege eine alte Tradition über die Verherrlichung des unsterblichen Henoch zugrunde. 67 Bestätigend lassen sich lexikalische Beobachtungen anfuhren: Gottestitulaturen sind konstant „Haupt der Tage" (äthHen 46,1; 60,2; 71,10.13) und „Herr der Geister" (37,2.4; 38,2; und passim; 70,1; 71,2.17), das Syntagma „Thron der Herrlichkeit" zur Bezeichnung des eigentlichen Ortes Gottes wird im Corpus (47,3; 60,2; vgl. 62,2) und am Schluß (71,7) der Bilderreden verwendet. 68 So beobachtet COLLINS, Scepter 178-181 anstelle einer Identifikation lediglich eine Angleichung, womit die Unterscheidung beider Gestalten weiterhin gegeben bleibt; vgl. DERS., Son of Man 453-457. LAATO, Star 267 greift diese Position auf und spricht vom Menschensohn als „Vorbild" fur Henoch; eine Identifizierung erkennt er nicht. Gegen eine Identifizierung schon SCHÜRER, Geschichte II 617 Anm. 21; MOWINCKEL, He That Cometh 443. 69 In jüngerer Zeit hat VANDERKAM, Righteous One 177-185 für eine ursprüngliche Verankerung der Identifizierung in der Absicht des Autors der Bilderreden argumentiert: Aufbau und Abschlußfunktion von Kapp. 70f. seien im Gesamt der Bilderreden stringent (177-179), so daß der irdische Henoch - ohne es zu wissen - im Menschensohn seine zukünftige Rolle sehe, damit ein himmlisches Gegenstück („a heavenly double or counterpart", 182f.) besitze; die Identität mit dem himmlischen Doppelgänger erkennt Henoch erst bei seiner Erhebung in den Himmel (182-184); Aussagen, die eine Trennung von Henoch und Menschensohn nahelegen, begegnen nicht (185), potentielle Präexistenzaussagen über den Menschensohn deutet VanderKam 179-182 allein auf die geschichtliche Zeit, so daß keine Präexistenz gemeint sei. Vgl. DERS., Enoch 141f.; femer GNILKA, Christen 93. Laut HOOKER, Son of Man 4If. bedeutet die Identifizierung die Enthüllung des Namens des „Menschensohnes", der äthHen 69,26 angesprochen ist. SJÖBERG, Menschensohn 153f. 159.165.167-186 versteht die Einsetzung Henochs zum himmlischen Menschensohn als Erhöhung des Menschen Henoch. Für eine ursprünglich intendierte Identifizierung auch CASEY, Use (1976). 70

Zu diesem Argument auch MÜLLER, Messias 47-51.55.59; COLLINS, Representative

122; z u m P r ä e x i s t e n z g e d a n k e n THEISOHN, R i c h t e r 1 3 0 - 1 3 5 ; SJÖBERG, M e n s c h e n s o h n 8 7 - 9 3 .

Auch die Annahme eines himmlischen Gegenstückes oder Doppelgängers des Henoch, so

342

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

und Auditionen gezeichnete Aktionspragmatik der Bilderreden differenziert unverkennbar und wesentlich die Offenbarungslinie ermöglichend zwischen dem Menschen Henoch und dem himmlischen Menschensohn, wobei sich beide als Inhalt und Empfänger der Offenbarungen gegenüberstehen.71 Um diesen Sachverhalten gerecht zu werden, schlage ich an anderer Stelle vor,72 die grundlegende Einheitlichkeit der Bilderreden festzuhalten und nur die eine inhaltliche Spannung erzeugende und eine gewandelte Situation voraussetzende Identifizierungsaussage in 71,14 als Werk eines jüdischen Redaktors abzuheben, der gegenüber der christlichen Beanspruchung des Menschensohn-Titels fur Jesus von Nazaret die Identität des Menschensohnes auf die genuin jüdische Autoritätsgestalt Henoch zu fixieren unternimmt und dazu in V. 14 lediglich die von mir als solche angenommene ursprüngliche Anrede Henochs als „Mensch", die eine auszeichnende und legitimierende Funktion verfolgt, durch den geprägten Titel „Menschensohn" wirkungsvoll ersetzt. Auf der Basis dieser Einsicht in die Spannung zwischen dem Corpus der Bilderreden und den Schlußkapiteln kann nun die Frage beantwortet werden, versucht von VANDERKAM, Righteous One 182f., findet in den Bilderreden keinerlei Bestätigung. 71 Dazu auch MÜLLER, Messias 5 5 ; ferner SJÖBERG, Menschensohn 1 6 6 . Noch äthHen 70,1 setzt in aller Deutlichkeit eine Differenzierung zwischen Henoch und Menschensohn voraus, wenn von der Erhöhung des Namens Henochs zu Gott und dem Menschensohn gesprochen ist. Vgl. COLLINS, Representative 12If. 72 SCHREIBER, Henoch als Menschensohn (2000). - OLSON, Enoch (1998), 27-38 rekonstruiert bereits fur äthHen 70,1 die Identifizierung von Henoch und Menschensohn als ursprüngliche Textaussage; er kann dazu neue äthiopische Handschriften heranziehen (30-32): EMML (Ethiopian Manuscript Microfilm Library) 1768, 2436, 6974, 7584 (unsicher bleibt 2080, da die entsprechende Lesart als Korrektur erkennbar ist; vgl. die Beobachtungen ebd. 37f.); diese bestätigen die bisher nur von Manuskript u gebotene Variante, die so als ernstzunehmende Alternativlesart einzuschätzen ist und Olson zu der Übersetzung von 70,1 f. veranlaßt: „And it happened afterwards that the immortal name of that Son of Man was exalted in the presence of the Lord of Spirits beyond all those who live on earth. He was raised aloft on a chariot of wind, and his name was often spoken among them" (33). Die weithin übliche Lesung hingegen beinhaltet die Erhöhung des Namens des Henoch zu Lebzeiten zu dem Menschensohn und zum Herrn der Geister. Olsons Rekonstruktion ist keineswegs zwingend. Das Problem des Verhältnisses von Kapp. 70f. zum Corpus der Bilderreden bleibt bestehen. Auch der alternative Text läßt sich im Sinne der Differenzierung der Personen verstehen (ebd. 34f.; vgl. VANDERKAM, Righteous One 183f.). Ich neige eher dazu, die als Identifizierung verstehbare (aber eben auch anders!) Textlinie einer späteren Überarbeitung in der äthiopischen christlichen Kirche zuzuweisen, die auf die Erhöhung des Menschensohnes Jesus anzuspielen gedachte, ohne exakten Ausgleich mit anderen Menschensohn-Aussagen der Bilderreden anzustreben. Die in christlicher Sicht bestehende Gefahr der Identifizierung des Menschensohnes mit Henoch wurde wohl gar nicht als solche wahrgenommen, da sie vom Text her nicht notwendig und auch nicht szenisch eingebettet ist. Damit fällt das Argument Olsons (ebd. 33) dafür weg, daß auch in 71,14 die Identifizierung ursprünglich sei.

Apokalyptische Variationen

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ob die Identifizierung von Henoch und Menschensohn die bisherigen Aussagen über die Identität des Menschensohnes mit dem Gesalbten beeinträchtigt. Im Rahmen der These von einer erst nachträglich erfolgten abschließenden Gleichsetzung von Henoch und Menschensohn durch einen Redaktor bleibt das Bild des Menschensohnes, das als Bestandteil der ideengeschichtlichen Umwelt ntl verarbeiteter Vorstellungen Relevanz besitzt, davon unberührt. Der Menschensohn-Gesalbte bleibt eine himmlische Gestalt mit überirdischer Vollmacht und Funktion, die im Eschaton erwartet wird und keine präsentisch-irdische Identifizierung erhält. Doch selbst die Annahme einer usprünglichen Identifizierung Henochs mit dem Menschensohn stellt die Gültigkeit der über den Gesalbten und Menschensohn getroffenen Aussagen nicht in Frage.73 Da es sich bei Henoch um eine Gestalt der Vergangenheit handelt, die - aus der Perspektive der Gegenwart - nach ihrer Erhebung in den Himmel in veränderter Seinsweise, nämlich in der Sphäre Gottes, weiterexistiert, so bleibt der Menschensohn auch angesichts einer Identifizierung mit dem erhobenen Henoch eine himmlische, vom Himmel her erwartete überirdische Figur, die nicht mit einem realhistorisch lebenden Menschen gleichgesetzt werden kann.

8.1.2 Das Buch der Traumvisionen Abschließend sollen noch einige Passagen des äthHen außerhalb der Bilderreden nach der Verarbeitung königlicher Gesalbtenvorstellungen befragt werden. Das Buch der Traumvisionen (äthHen 83-90) schildert die Geschichte Israels von der Schöpfung bis hin zur Endzeit in mehreren unterscheidbaren Perioden. Seine Entstehung dürfte ungefähr in der Mitte des 2. Jh. v.Chr. anzusetzen sein.74 Möglicherweise fand innerhalb der Traumvisionen in äthHen 90,9b-12 die königliche Gesalbtenerwartung Ausdruck, wo metaphorisch in helfender und befreiender Funktion von einem „Horn" gesprochen wird, das 73 Auch nach COLLINS, Representative 123f. bleibt der Menschensohn in jedem Fall eine himmlische Gestalt, denn die Identifizierung mit Henoch, wenn sie auch als ursprünglich angenommen wird, erfolgt chronologisch erst nach der Erhöhung des Henoch. 74 Eine Datierung des Geschichtsentwurfs äthHen 83-90 (Buch der Traumvisionen) um 165 v.Chr. vertreten UHLIG, Henochbuch 673f.; OEGEMA, Gesalbte 67f.; um 160 SACCHI, TRE XV 47. Darauf deutet das - nach BERGER, Buch der Jubiläen 298-300 - zwischen 145 und 140 v.Chr. entstandene Jubiläenbuch, das die Traumvisionen voraussetzt (Jub 4,19). Vgl. ferner HAHN, Apokalyptik 45f. (bzgl. der Tiervision äthHen 85-90); VANDERKAM, Enoch 83f.; DERS., Growth 163 („late 160's"); TILLER, Commentary 61-79, besonders 78f. (bzgl. der Tiervision, zwischen 165 und 160 v.Chr.); LAATO, Star 261 (Zeit des MakkabäerAufstandes 165-161 v.Chr.); NICKELSBURG, Literature 93.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

unter Rückgriff auf Ps 89,18 und 132,17 den gesalbten Davididen versinnbildlichen kann.75 Der Text lautet:76 (9) ... Und ich schaute, bis ein großes Horn hervorsproßte, eins jener Schafe, und ihre Augen wurden geöffnet. (10) Und ich sah nach ihnen, und ihre Augen wurden geöffnet, und es schrie nach den Schafen, und die Böcke sahen es und liefen alle zu ihm. (11) Und trotz alledem rissen jene Adler, Geier, Raben und Habichte fortwährend die Schafe in Stücke, sie flogen auf sie und fraßen sie; die Schafe waren still, aber die Böcke klagten und schrieen. (12) Und jene Raben kämpften und stritten mit ihm und wollten sein Horn wegreißen, aber sie hatten keine Macht über es.

Das durch das „Horn" ausgezeichnete Schaf befindet sich mitten in kämpferischen Auseinandersetzungen mit in der Tiersymbolik von Raubvögeln repräsentierten Gegnern. Es gerät in arge Bedrängnis, die erst der „Herr der Schafe" selbst in der Vernichtung der irdischen Mächte überwindet (90,1319). Spezielle Gesalbten- oder Königsterminologie begegnet an dieser Stelle freilich nicht, was zur Vorsicht gegenüber Gesalbtenaussagen als Interpretation des Textstückes mahnt; es kann auch eine zeitgenössische politische Herrschergestalt symbolisiert sein, wobei in erster Linie Judas Makkabäus in Frage kommt; diese Deutung entspricht der in der Tiervision vorgenommenen Gliederung der Geschichte in Perioden (90,6-12: seleukidische Zeit).77 Nach dem Vollzug des Endgerichts (äthHen 90,20-28) bricht eine neue Zeit an (90,29-38), die in neuer, Gott gemäßer Qualität erscheint. In 90,37f. beginnt die ideale Zukunft, die mit der uranfanglichen Vergangenheit korrespondiert, als deren Zentralgestalt Adam begegnet.78 Dabei wird ein weißer Jungstier geboren, wie äthHen 90,37f. erzählt:79 (37) Und ich schaute, wie ein weißer Bulle mit großen Hörnern geboren wurde, und alle wilden Tiere und alle Vögel des Himmels fürchteten ihn und flehten fortwährend zu ihm.

75

Vgl. Sir 47,1-11, wo der Begriff „Horn" innerhalb der Natan-David-Geschichte für den davidischen Herrscher Anwendung findet; auch Sir 51,12 (hebräische Version). Zur Deutung von äthHen 90,9b-12 vgl. KOCH, Messias 84f. Gegen ein Verständnis als davidischer König COLLINS, Scepter 34. Zu einer zeitgeschichtlichen Deutung auf Johannes Hyrkan oder Judas Makkabäus vgl. die Angaben bei UHLIG, Henochbuch 698 (zu 90,9). MÜLLER, Messias 66f. identifiziert das „Horn" mit Judas Makkabäus; vgl. COLLINS, Imagination 56; BLACK, Book 276; MÜLLER, Apokalyptik 59; VANDERKAM, Enoch 83. Auf den „siegreichen Judas Makkabäus als den erschienenen Messias" interpretiert KOCH, Heilandserwartungen 124, die „Messias"-Terminologie scheint in diesem Kontext jedoch anachronistisch. 76 Übersetzung von UHLIG, Henochbuch 698f. 77 Dazu TILLER, Commentary 62.350, der ebd. 62f.355f. die Identifizierung mit Judas Makkabäus begründet (und damit Johannes Hyrkan als Referenten unwahrscheinlich macht). Vgl. VANDERKAM, Growth 161-163; GNILKA, Christen 65. 78 Vgl. TILLER, Commentary 383. 79 Übersetzung von UHLIG, Henochbuch 704.

Apokalyptische Variationen

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(38) Und ich schaute, bis alle ihre Arten (oder: Generationen) verwandelt und sie alle weiße Bullen wurden.... A l s Ziel der Schilderung v o n Endereignissen wird die eschatologische Verw a n d l u n g Israels sichtbar, worin ein nationaler Aspekt z u m Tragen kommt. 8 0 D e r auftretende w e i ß e Jungstier fungiert dabei als Antizipator, himmlischer Repräsentant und V o r - B i l d der Verwandlung Israels in einen Heilszustand. D i e s e r w e i ß e Jungstier wird v o n manchen Autoren als m e s s i a n i s c h e Gestalt gedeutet, 81 doch fehlt auf der Textebene ein verifikabler Hinweis darauf, so daß diese A n n a h m e kaum evident gemacht werden kann. Dafür könnte lediglich die angedeutete universale Herrschaft der Figur sprechen. N i c h t zur GesalbtenM o t i v i k paßt j e d o c h die Verwandlung aller Glieder des neuen G o t t e s v o l k e s in w e i ß e Jungstiere. Singulär wäre auch das Auftreten des Gesalbten nach d e m V o l l z u g des Gerichtes Gottes über abgefallene Engel und abtrünnige Israeliten. Im B l i c k auf äthHen 85,3, w o A d a m durch einen w e i ß e n Stier symbolisiert wird, kann hier mit d e m w e i ß e n Stier der neue A d a m verbildlicht sein. 8 2 Einen H i n w e i s auf Verarbeitung der königlichen Gesalbtenerwartung bietet die Textstelle nicht.

80 Zum nationalen Gesichtspunkt, der in apokalyptischen Schriften neben einer „universalen" Ausrichtung bedeutsam bleibt, und zur Frage, welcher Personenkreis eigentlich als „Israel" identifiziert werden darf, vgl. MÜLLER, Apokalyptik 161-173. Zur Bedeutung des nationalen Aspekts und einer universalistischen Ausweitung auch TILLER, Commentary 20. 81 Vgl. SCHIFFMAN, Reclaiming 320f.; GOLDSTEIN, Authors 72f. (in Anlehnung an Ez 34); VANDERKAM, Enoch 84 (als neuer Adam oder Set); ROST, Einleitung 104; LAATO, Star 261 f. (wegen Parallelen zu Ez 34); SCHÄFER, Diversity 25f. (Messias als zweiter Adam); schon z.B. SCHÜRER, Geschichte II 596f. U.B. MÜLLER, Messias 68-72 identifiziert den Jungstier als Messias (vgl. lQSb V 27: „stoßen wie ein Jungstier"), scheidet aber die VV. 37-39 wegen Inkongruenzen im Textduktus als spätere Glosse aus. Ganz ähnlich urteilt K. MÜLLER, Apokalyptik 164-166.171-173: Der sekundäre Zusatz des Messias in 90,37-39 präzisiert den Zentralaspekt der Verwandlung Israels und resultiert aus der Absicht der Relativierung des als unrechtmäßig empfundenen hasmonäischen Anspruchs auf die Königswürde. - Dagegen OEGEMA, Gesalbte 69, der statt dessen den „Herrn der Schafe" und „eine weiße Gestalt" aus äthHen 90,20-22 als messianische Gestalten anspricht; es gilt jedoch der Einwand mangelnder Textevidenz. Gegen ein messianisches Verständnis auch HAHN, Apokalyptik 51. KOCH, Heilandserwartungen 125 bringt den weißen Bullen mit dem Menschensohn aus Dan 7 in Verbindung. Kritisch auch NICKELSBURG, Salvation 55f.; COLLINS, Messianism lOOf. 82 Nach TILLER, Commentary 19f.384f. ist der weiße Bulle als neuer Adam zu identifizieren, der als Patriarch des neuen Zeitalters auftritt, dabei jedoch lediglich bildhafte Funktion, sozusagen als „Katalysator" der Verwandlung aller Menschen, erfüllt. Zu dieser Motivik vgl. OEGEMA, Gesalbte 69; BLACK, Book 280, der freilich eine verbundene messianische Konnotation nicht ausschließen will: mit dem neuen Adam könnte der Messias symbolisiert sein, den die Völker fürchten. Die Ähnlichkeit mit Patriarchengestalten, die auch im Bild des Stiers auftreten, hält VANDERKAM, Growth 168 fest.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

8.2 Das vierte Buch Esra Beachtenswert ist weiter die Gesalbtenvorstellung des Buches 4 Esr,83 das sich mit der Frage der „Theodizee", also der Verheißungstreue und Gerechtigkeit Gottes angesichts der Leiden dieser Zeit (vgl. 4 Esr 6,57-59), die dann als Bewährungsstadium für die Toratreue (im Sinne weisen Verhaltens aus Einsicht in das überzeitliche göttliche Sinngefüge) qualifiziert werden, beschäftigt und den Standhaften das Erbarmen Gottes und damit Anteil am zukünftigen Äon verheißt. In den Gesprächen mit Esra wird wiederholt die Verborgenheit Gottes einsichtig gemacht, indem Offenbarungen die dem menschlichen Erkennen nicht zugängliche göttliche Wirklichkeit und Weisheit in ihrer Sinnstruktur enthüllen. Als zentrale Erfahrung des Unheils begegnet die Zerstörung des zweiten Tempels, auf deren Hintergrund das Ende der römischen Herrschaft und die Befreiung Israels ersehnt werden. Starken Ausdruck erhält dabei die Anklage Gottes, da die mit Adam initiierte Sündhaftigkeit im Wesen des Menschen, seinem „bösen Herzen" (3,20), liegt und trotz Bund und Tora unüberwindbar erscheint; die Heiden hingegen erwählte Gott allem Anschein nach und gewährt ihnen Gedeihen. Die auf diese erfahrungswirklich situierte Theodizee-Problematik gegebene Antwort in 4 Esr hält einerseits fest, daß Gottes Pläne für Menschen nicht einsehbar oder verstehbar sind, und verheißt andererseits eine eschatologische Heilszeit ohne Sünde und Leid; als Weg zu diesem Ziel in der aktuellen Zwischenzeit werden Toragehorsam und Glaube angeraten. 84 4 Esr liegt in verschiedenen Übersetzungen vor, die auf griechische Textrezensionen zurückgehen, denen wohl ein hebräisches Original zugrundelag; während die beiden letzteren nicht erhalten sind, dürfte die lateinische Übersetzung den ursprünglichen Wortlaut am treuesten wiedergeben. 85 Als Abfas83 Nur Kapp. 3-14 bilden eine jüdische Apokalypse, die Kapp. lf. und 15f. hingegen stellen christliche Ergänzungen dar und sind später als 5 Esr und 6 Esr bezeichnet worden. Vgl. HAHN, Apokalyptik 63; SCHREINER, 4. Buch Esra 291; WlLLETT, Eschatology 51f. Unter 4 Esr sind folglich nur die Kapp. 3-14 zu verstehen. - Die Gattungsbezeichnung als „Apokalypse" hat zu bedenken, daß in 4 Esr neben typisch apokalyptischen Formen das atl ausgeprägte Motiv der Klage (vgl. die Klagepsalmen) breiten Raum einnimmt; vgl. MÜLLER, Messias 84. Zur theologischen Konzeption von 4 Esr vgl. BRANDENBURGER, Verborgenheit 186-193.197-201; zum zentralen Theodizee-Gedanken und zur Funktion der Eschatologie in 4 Esr vgl. WlLLETT, Eschatology 65-75; zur theologischen Frage nach der Gerechtigkeit Gottes auch METZGER, Fourth Book 521. 84 Zur in 4 Esr pointierten Theodizee-Problematik vgl. zusammenfassend NICKELSBURG, Literature 293f., weiter WlLLETT, Eschatology 65-75; ferner LONGENECKER, 2 Esdras 94-98. 85 Dazu GUNKEL, Esra 331-334; KLIJN, Esra XIII-XXX; SCHREINER, 4. Buch Esra 292-

297; HAHN, Apokalyptik 64; MÜLLER, Messias 83 Anm. 1; STONE, Fourth Ezra 1-11; KLIJN,

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sungszeit kommt das Ende des 1. Jh. n.Chr. in Betracht, genauer die Zeit um das Todesdatum Domitians (81-96).86 Damit korrespondiert die fiktive Angabe der Abfassung im dreißigsten Jahr nach der Zerstörung Jerusalems in 4 Esr 3,1, womit auf der erzählten Ebene die Zerstörung des ersten Tempels 586 v.Chr., auf der Erzählebene die Vernichtung Jerusalems durch die Römer 70 n.Chr. angesprochen ist. Befindet sich 4 Esr damit auch am Ende des in dieser Untersuchung relevanten Zeitabschnitts, enthält es doch sicher ältere Traditionen und Vorstellungen,87 die als vor- bzw. außerchristlich zu beurteilen sind. Für die Gesalbtenerwartung ist diese Tatsache durch die vorangehenden literarischen Zeugnisse bestätigt. Von Bedeutung zeigt sich das Zeugnis von 4 Esr in bezug auf den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit v.a. dort, wo es mit älteren Vorstellungen übereinstimmt und in deren Weiterleben eine frühere Existenz bekundet.

8.2.1 Der „Gesalbte" in 4 Esr 7 und 12 Innerhalb der dritten Vision Esras (6,35-9,25) wird auch das Weltgericht angesprochen. Nach einer Zeit der Drangsale und Plagen werden die daraus Geretteten im Eintreffen von Zeichen Gottes Wunder schauen (7,26f.), denn88

Der lateinische Text 9-17; WILLETT, Eschatology 52f. (aramäisches Original); HAYMAN, Man lf.; METZGER, Fourth Book 518-520; ROST, Einleitung 91 f. 86 Die Vision von den drei Häuptern in 4 Esr 12,26-28 bezeichnet drei römische Kaiser, die als Vespasian (69-79), Titus (79-81) und Domitian (81-96) zu identifizieren sind; so erscheint das Todesdatum Domitians (96) als terminus ante quem. Zur Datierung von 4 Esr vgl. SCHREINER, 4. Buch Esra 301f.; GUNKEL, Esra 352; LICHTENBERGER, Erwartungen 15; KNIBB, Messianism 171; NICKELSBURG, Literature 287Í.292; ferner OEGEMA, Gesalbte 215 (zwischen 100 und 120 n.Chr.); HAHN, Apokalyptik 65.74; MÜLLER, Messias 84; STONE, Question 216; DERS., Fourth Ezra 9Í.363-365; KLIJN, Der lateinische Text 21; METZGER, Fourth Book 520 (um 100); ROST, Einleitung 93f.; LONGENECKER, 2 Esdras 13f. 87

STONE, Fourth Ezra 11-21 diskutiert relevante Quellen- und Redaktionstheorien und gelangt 21-23 zu dem Ergebnis, daß 4 Esr eine literarische Einheit bildet, wobei der Autor auf schriftliche und mündliche Überlieferung zurückgriff. Von einem Verfasser geht auch KLIJN, Der lateinische Text 20 aus. Ältere Traditionen hinter 4 Esr (und syrApkBar) setzt GNILKA, Christen 91 voraus. 88 Die Wunder bestehen faktisch aus den eschatologischen Ereignissen, die zugunsten der Geretteten eintreffen. Vgl. ähnlich STONE, Fourth Ezra 215; DERS., Features 105f.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

der Gesalbte wird sich offenbaren89 und fur 400 Jahre eine Zeit der Freude für die Übriggebliebenen herbeifuhren, wie 7,28 aussagt:90 (28) Denn mein Knecht(/Sohn), der Gesalbte, wird sich mit denen offenbaren, die bei ihm sind, und wird die Übriggebliebenen glücklich machen, 400" Jahre lang.

Der griechische Vorlagetext dürfte dabei den χριστός-Titel enthalten haben, das semitische Original den Terminus FPtÖD, wie die Übersetzungen nahelegen; der Gesalbte wird zusätzlich von Gott als „mein Knecht" (oder: „mein Sohn") angesprochen.92 Einer möglichen absoluten Verwendung des Gesalbten-Terminus, die in älterer frühjüdischer Literatur wenig bezeugt ist, sollte aufgrund der unmittelbaren Verbindung mit dem Syntagma „mein Knecht" 89 STONE, Fourth Ezra 209 vermutet vom Gedanken der Offenbarung her die Präexistenz des Gesalbten; vgl. DERS., Concept 295. An weiteren Gesalbten-Passagen wird dieser Gedanke deutlich. 90 Übersetzung nach SCHREINER, 4. Buch Esra 345. Statt des christlich vorbelasteten Terminus „Messias" wähle ich jedoch das neutralere „Gesalbter"; zudem gebe ich „Knecht" als wohl ursprüngliche Lesart an. - Wenn MÜLLER, Messias 89 hinter 4 Esr 7,28ff. vorgegebene Tradition vermutet, kann ihm zugestimmt werden; die von ihm 87-89 zwischen 7,26f. und 7,28ff. aufgerichtete Spannung (Diesseitigkeit versus neuer Äon) erscheint auf Textebene (nicht traditionsgeschichtlich!) künstlich, eher sollte die Relation der Teile als Folge verstanden werden: 7,26 beschreibt die messianische Zeit mit den Bildern der unsichtbaren Stadt und des verborgenen Landes, mit begründendem „enim" zu Beginn von 7,28 setzt daraufhin die Erläuterung dieser Zeit ein. 91 Die Zahl 400 ist als ursprünglich anzusehen, da sich die Varianten 30 bzw. 1000 Jahre als bewußte Überarbeitungen erklären lassen; vgl. SCHREINER, 4. Buch Esra 345 z.St.; MÜLLER, Messias 91. Möglicherweise gelangte man durch Kombination der Schriftstellen Gen 15,13 und Ps 90,15 auf die Zahl 400; so GUNKEL, Esra 370 Anm. h; STONE, Fourth Ezra 215. 92 Vgl. die Angaben bei GUNKEL, Esra 370 Anm. f; SCHREINER, 4. Buch Esra 345 z.St. (Lat: filius meus Iesus; Äth: mein Messias; Ar2: der Messias; Arm: unctus Dei; Geo: electus unctus meus); STONE, Fourth Ezra 208; KLIJN, Der lateinische Text 45; DERS., Esra 45. VIOLET, Apokalypsen 74 gibt nur die Kurzform THÖD (= ό χριστός μου) als ursprünglich an. MÜLLER, Messias 90 nimmt als Textgrundlage die vollere Form „mein Knecht, der Gesalbte" an. Für filius (vgl. die lateinische, syrische und erste arabische Version) kann υιός oder πaî s gestanden sein, so daß „mein Knecht" als Lesart möglich und wahrscheinlich erscheint; ursprünglich dürfte ό τταΐ? μου bzw. 1 - QD sein; so auch MÜLLER, Messias 89f.; DE JONGE, ThWNT IX 507 Anm. 126; STONE, Fourth Ezra 207f.; DERS., Features 74f. - Die Rede vom Knecht in bezug auf den Gesalbten läßt sich auf dem atl Hintergrund der Bezeichnung Davids in Ez 34,23f.; 37,24f. bzw. des kommenden Sprosses (ΓΓΏϋ) in Sach 3,8 als Knecht Gottes („mein Knecht", Ή3Ι!) erfassen. Weniger naheliegend und damit wahrscheinlich ist ein Bezug zum deuterojesajanischen Gottesknecht. Vgl. auch HAHN, Hoheitstitel 285 Anm. 1. Die Ableitung der königlichen Gesalbtentradition aus der atl Königserwartung wird dadurch bestätigt. - Auf dem Hintergrund von Ps 2,7 könnte nach COLLINS, Scepter 165 die „Sohn"-Bezeichnung ursprünglich sein; zustimmend LAATO, Star 315f.361. Eine Textentwicklung von „Knecht" zu „Sohn" ist m.E. insgesamt (gerade auch angesichts eines christlichen Gebrauchs) plausibler als der umgekehrte Vorgang.

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keine zu große Bedeutung zugemessen werden. Möglicherweise findet der seltene Gedanke der Gottessohnschaft des Gesalbten hier Ausdruck.93 Aufgrund der Unsicherheit des ursprünglichen Textes und der naheliegenden Möglichkeit christlicher Umdeutung läßt sich dies nicht als frühjüdische Bezeichnung eindeutig verifizieren.94 Der Gesalbte tritt zusammen mit anderen Gestalten auf, die nicht näher bestimmt werden und daher jeden Identifizierungsversuch zum Scheitern verurteilen;95 die Zentralgestalt der korrelierten Ereignisse bleibt der Gesalbte. Nach diesen Jahren wird der Gesalbte, der nochmals als „mein Knecht/Sohn, der Gesalbte"96 tituliert ist, sterben mitsamt allen Menschen (7,29), was in eine siebentägige Zeit des Schweigens mündet, die den Übergang zum von Gott selbst errichteten neuen Äon bildet (7,30-32, vgl. 7,50):97 (29) Nach diesen Jahren wird mein Knecht(/Sohn), der Gesalbte, sterben und alle, die Menschenodem haben. (30) Die Welt wird in das einstige Schweigen sieben Tage lang zurückkehren, wie es im Uranfang war, so daß niemand übrigbleibt. (31) Nach sieben Tagen aber wird die Welt, die noch nicht wach ist, erweckt werden, und das Vergängliche wird sterben. (32) Die Erde gibt die heraus, die in ihr schlafen, der Staub die, die still in ihm ruhen, und die Kammern geben die Seelen heraus, die ihnen anvertraut sind. (33) Der Höchste offenbart sich auf dem Richterthron; das Erbarmen vergeht, die Langmut verschwindet, (34) nur das Gericht bleibt. ...

Die mit sieben Tagen bestimmte Dauer der Übergangszeit stellt einen Anklang an die uranfängliche Schöpfung dar, so daß der neue Äon als völlige Neuschöpfung, d.h. als totale Umgestaltung der irdischen Verhältnisse durch Gott erscheint. Dieser neue Äon beginnt mit der Auferstehung der Toten (7,32) und dem Gericht Gottes über die Welt (7,33-38, vgl. 113f.). Die seltene98 Vorstellung vom Tod des Gesalbten hebt seine zeitlich befristete Be93 Manches spricht hingegen für eine christliche Interpolation dieses Gedankens (auch 13,32.37.52; 14,9); vgl. SCHREINER, 4. Buch Esra 345; KARRER, Gesalbte 305 (mit Andeutung neuerer Forschungspositionen in Anm. 320), der ebd. 309 die christliche Überarbeitung von 4 Esr 13 skizziert. Das Syntagma fllius meus lesus der lateinischen Übersetzung zeigt klar einen christlichen Einfluß. - Insgesamt bietet die Messiasaussage in 7,28f., wie sie die gebotene Übersetzung spiegelt, keinen Anhalt fur die Annahme christlicher Bildung. Vgl. CHARLESWORTH, From Jewish 242f. 94 Wohl aber als christlicher Titel und Gedanke! 95 Vgl. noch 4 Esr 13,52 und 14,9. Vielleicht darf an Engelmächte gedacht werden. Zum Thema der Begleiter des Gesalbten vgl. STONE, Features 133-135. 96 Die lateinische Version liest - offensichtlich christlich gefärbt - filius meus Christus; vgl. KLIJN, Der lateinische Text 45. 97 Übersetzung nach SCHREINER, 4. Buch Esra 345f., der Textvarianten angibt. 98 Vgl. noch syrApkBar 30,1, wo jedoch keine Qualifizierung des Abtretens des Gesalbten erfolgt. Die ausdrückliche Nennung des Todes des Gesalbten in 4 Esr 7,29 scheint somit frühjüdisch singulär zu sein.

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deutung" innerhalb einer 400jährigen messianischen Zwischenzeit vor der allgemeinen Totenerweckung und dem Endgericht hervor, denn nach seinem Auftreten eignet ihm keinerlei Funktion mehr, so daß seine Existenz überflüssig wird. Gott allein fuhrt das Endgericht durch. Die Errichtung eines irdischen Reiches des Heils bildet auch hier die Hauptfunktion des Gesalbten, ohne daß diese Herrschaft über die Aufgabe, die Übriggebliebenen glücklich zu machen, hinaus näher beschrieben ist. Ganz offensichtlich gehört der Gesalbte ans Ende des gegenwärtigen Zeitalters, das neue Zeitalter initiiert Gott selbst mit der Durchführung des Endgerichts. Der dargestellte Aspekt einer Zwischenzeit und die Charakterisierung dieser Zeit als Zustand des Glücks berechtigen dazu, hier eine implizierte Herrschaftsfunktion des Gesalbten anzunehmen, wodurch eine Heilszeit gewährt wird.100 Im Aspekt der innergeschichtlichen Heilsherrschaft und dem Titel „Gesalbter" zeigt sich der Einfluß der königlichen Gesalbtenerwartung. Die Deutung der fünften Vision (4 Esr 11,1-12,51)101 verheißt am Ende des vierten Weltreiches (vgl. 12,11), womit wohl Rom symbolisiert ist, im Bilde eines in Menschenworten sprechenden Löwen das Auftreten des Gesalbten, wie es in 12,31-34 (vgl. 11,36-46) heißt:102 (31) ... Der Löwe aber, den du gesehen hast, wie er aus dem Wald mit Gebrüll auffuhr, zum Adler sprach und ihm seine ungerechten Taten vorhielt durch alle jene Worte, wie du gehört hast, (32) das ist der Gesalbte, den der Höchste bis zum Ende der Tage aufbewahrt, der aus dem Samen Davids hervorgehen und kommen wird. Er wird mit ihnen reden, sie schelten wegen ihrer Frevel, ihnen ihre ungerechten Taten vorhalten und ihre Übertretungen vor Augen fuhren. (33) Zunächst wird er sie lebendig vor das Gericht stellen. Und wenn er sie überfuhrt hat, wird er sie vernichten. (34) Mein übriggebliebenes Volk aber, diejenigen, die in meinem Land gerettet wurden, wird er gnädig befreien. Er 99

V g l . STEMBERGER, T R E X X I I 6 2 3 ; LICHTENBERGER, E r w a r t u n g e n 16; MÜLLER, M e s -

sias 91f.; STONE, Question 214; DERS., Fourth Ezra 215f.; DE JONGE, ThWNT IX 506f.; CHESTER, Expectations 33; CHARLESWORTH, Concept 203f. 100 Daher gilt Zurückhaltung gegenüber der Aussage von CHARLESWORTH, From Jewish 242f., daß der Messias keinerlei Funktion erfüllt; ähnlich jedoch auch STONE, Features 107; DERS., C o n c e p t 2 9 6 . 101 Die Vision ist als Bearbeitung des Bildes von den vier Tieren bzw. Weltreichen in Dan 7 zu verstehen; vgl. OEGEMA, Gesalbte 216-218; STONE, Fourth Ezra 348.366; DERS., Features 115-118; NICKELSBURG, Literature 292; LONGENECKER, 2 Esdras 71f. In 12,1 lf. verweist der Autor explizit auf eine Vision Daniels. Der Einfluß der königlichen Gesalbtentradition muß dabei ebenfalls berücksichtigt werden. Möglicherweise übernahm der Autor in Kapp. 1 lf. vorgeprägtes Material, so MÜLLER, Messias 94-98; SCHREINER, 4. Buch Esra 383 (zu

11,1). 102

Übersetzung von SCHREINER, 4. Buch Esra 391. - Gegen etwaige literarkritische Ausscheidungen in 4 Esr 12,32.34 wendet sich zu Recht STONE, Question 211; vgl. zur literarischen Einheitlichkeit von Kapp. 1 lf. schon DERS., Features 110-113.118f.; DERS., Concept 296-299.303.

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wird ihnen Freude bereiten, bis das Ende, der Tag des Gerichtes kommt, über den ich am Anfang mit dir gesprochen habe.

Die Tiergestalt des Löwen versinnbildlicht nach Gen 49,9f. die Abstammung des Gesalbten aus dem Stamm Juda.103 Wie die erhaltenen Übersetzungen nahelegen, ist für den griechischen Vorlagetext die Verwendung des Terminus χριστό? wahrscheinlich.104 Der Terminus „Gesalbter" wird an dieser Stelle absolut gebraucht, was innerhalb der frühjüdischen Literatur äußerst selten geschieht (vgl. noch lQSa II 12; syrApkBar 29,3; 30,1). Die Lesart „König" der zweiten arabischen Version ist rezeptionsgeschichtlich von Interesse, liefert sie doch einen Beleg fiir ein explizites frühes Verständnis des Gesalbten im Rahmen der davidisch-königlichen Gesalbtentradition. Die Herkunft dieses Gesalbten führt der Verfasser von 4 Esr auf den Samen Davids zurück (12,32), womit ein Hinweis auf Kenntnis und Verarbeitung der königlichen Gesalbtentradition gegeben ist.105 Die Bezugnahme auf Abstammung von der davidischen Dynastie bringt ein schriftgemäßes Legitimationsmoment, doch liegt auf der davidischen Herkunft kein Gewicht.106

103 Ähnlich auch in Offb 5,5. Vgl. COLLINS, Scepter 186; STONE, Question 210; DERS., Fourth Ezra 209; DERS., Concept 296; ferner LONGENECKER, 2 Esdras 76f. Im Kontext weniger wahrscheinlich ist die Verbindung mit Mich 5,7, wo der Löwe ein Bild für Israels Stärke darstellt; diese Verbindungslinie zieht OEGEMA, Gesalbte 217f. 104 Die lateinische und die armenische Version bieten an der entsprechenden Stelle „unctus", die syrische „Messias", die zweite arabische Übersetzung liest „König"; so die Angaben bei SCHREINER, 4. Buch Esra 391 z.St. Zum lateinischen „unctus" vgl. auch KLIJN, Der lateinische Text 79. 105 Diesen Hinweis spielt KARRER, Gesalbte 268.303 freilich mit terminologischen Differenzierungen herunter. Wenn OEGEMA, Gesalbte 218 im Blick auf das Israels Stärke symbolisierende Löwenbild davon spricht, daß der Autor von 4 Esr in Aktualisierung von Dan 7 „auf zeitgerechte Weise eine neue Endzeitgestalt konzipiert", übersieht er die bewußte Aufnahme der traditionellen königlich-davidischen Gesalbtenerwartung; vgl. aber ebd. 230, wo er das Bild des Löwen dem davidischen „König-Messias" zuordnet. Das Fehlen königlicher Terminologie behauptet STONE, Question 210; DERS., Fourth Ezra 209. An den königlichen Messias und Davidsproß denken auch KOCH, Messias 88f.; COLLINS, Scepter 186; LONGENECKER, 2 Esdras 71.73.76f. 106 Eine Spannung zwischen der kosmischen Gestalt des Gesalbten und einer davidischen Herkunft dürfte der Verfasser von 4 Esr kaum als solche empfunden haben, da keine biologischen Abstammungsspekulationen intendiert sind. Dazu auch STONE, Fourth Ezra 368f.; DERS., Concept 311 (der das Element der davidischen Abstammung als traditionell und wenig gewichtet erkennt); NICKELSBURG, Literature 292; LAATO, Star 363; POMYKALA, Tradition 219f., der 221 die Verbindung zur davidischen Tradition in Jes 11,3-5 im Moment des vernichtenden Gerichtsvollzugs verortet und die Charakterisierung des Messias als gerechten Richter und Vernichter der Unterdrücker Israels mit der Anwendung der Tradition intendiert sieht. Diese Deutung scheint mir indessen unsachgemäß, weil zu eingeschränkt auf die Gerichtsfunktion unter Ausblendung der Heilstätigkeit.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Gott bewahrt den Gesalbten fur das Ende der Tage, wo sein Auftreten statthaben wird. Der Gedanke der Präexistenz des Messias scheint impliziert,107 zumindest wird seine Existenz vor dem aktuellen, irdisch wahrnehmbaren Auftreten vorausgesetzt. Seine Tätigkeit besteht zunächst im Sprechen, indem er den Menschen des vierten Weltreiches ihre Sündhaftigkeit und Gottlosigkeit vor Augen führt (12,32; vgl. V. 31 sowie die Gerichtsrede108 des Löwen 11,38-46). Mit einer Reihe von vier Verben drückt der Verfasser in V. 32 die Anklage109 gegenüber den Feinden anschaulich aus. Als Folge stellt er sie vor Gericht, um sie anschließend zu vernichten (12,33). Anders als in 7,28 übernimmt der Gesalbte hier aktiv die Vernichtung der Gottlosen. Im Gegensatz dazu wird der Gesalbte den im Lande verbliebenen Rest110 des Gottesvolkes befreien und mit Freude beschenken (vgl. die terminologische Parallele zu 7,28), bis das Ende der Welt, der Tag des Gerichts111 eintrifft (12,34). Das Auftreten des Gesalbten zeigt sich damit - ähnlich 7,28, doch ohne Fixierung der Dauer - zeitlich befristet und beinhaltet offenbar die Aufrichtung einer (temporären) Heilszeit für sein Volk.112 Das Heil besteht konkret in der Erlö107 Vgl. 4 Esr 13,26.51f. Auf Präexistenz deuten auch COLLINS, Scepter 187; MÜLLER, Messias 147; STONE, Question 210; DERS., Fourth Ezra 209; DERS., Concept 296; LAATO, Star 362f.; LONGENECKER, 2 Esdras 77; schon SCHÜRER, Geschichte II 618. Gegen SCHIMANOWSKI, Weisheit 195-197, der anstelle einer Präexistenz (vor aller Schöpfung) von einer himmlischen Existenz (vor dem Erscheinen auf Erden) spricht. Zu dieser Einschränkung vgl. auch MÜLLER, Messias 149. 108 Zur an der atl Prophetie orientierten Struktur der Löwenworte als Gerichtsrede vgl. MÜLLER, Messias 98f.; SCHREINER, 4. Buch Esra 386f. 105 MÜLLER, Messias lOOf. führt die Verben teilweise auf atl Gerichts- und Prozeßsprache zurück. 110 Unter dem „Rest" sind diejenigen zu verstehen, die die Schrecken des vierten Weltreiches überlebten; sie sind als Gerechte ausgewiesen. Vgl. STONE, Fourth Ezra 369f. Zum „Übrigbleiben" vgl. BRANDENBURGER, Verborgenheit 124-127; STONE, Features 103f. 111 Offenbar bildet das Gerichtshandeln des Gesalbten noch nicht das endgültige, universale Weltgericht Gottes, sondern eine temporär bedeutsame Vorstufe. So unterscheidet STONE, Fourth Ezra 210 zwischen eschatologischem Krieg und Endgericht, wobei ersteren der Messias, das zweite Gott selbst durchführt; zum Ende der Welt als Tag des Gerichts vgl. ebd. 370; zum Begriff des „Endes" auch DERS., Features 92-94.96f.; DERS., Concept 298. Stone hebt (Features 118) die militärische Funktion des Gesalbten als zentral hervor, wobei die Gerichtstätigkeit der Legitimierung des eschatologischen Krieges dient; vgl. DERS., Concept 300-303; zum Einfluß von Dan 7 ebd. 301f. Als Richter versteht LAATO, Star 362 den Gesalbten in 4 Esr 11 und 12. 112 HAHN, Apokalyptik 70 erkennt statt eines Zwischenreiches eine reine Vorbereitungsund Übergangsfunktion zur Heilszeit. Aus 12,34 geht aber eine Zeit der Freude vor dem Endgericht deutlich hervor, ohne daß eine zeitliche Festlegung erfolgt. - Nach POMYKALA, Tradition 220 erfüllt der Gesalbte keine Herrschaftsfünktion. Wird diese auch nicht ausdrücklich artikuliert, so ist sie im Motiv der Heilszeit wenigstens angedeutet. Die Gerichtsfunktion hebt STONE, Fourth Ezra 369 hervor.

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sung des Volkes von der römischen Unterdrückung,113 wobei diese Erlösungstat hier - anders als in der Vision vom Löwen in 11,36-46 - direkt der Ausführung durch den Gesalbten zugeschrieben wird; die Heilserwartung trägt in der Verbindung der Herrschaft (vgl. „Rettung" und „Freude") des Gesalbten mit dem Aspekt des „Landes" Gottes nationale Züge. Über die in 7,28f. lediglich angedeutete Herrschaftsfunktion des Gesalbten sowie die Zuschreibung der Gerichtshandlung allein an Gott hinaus erfüllt der königliche Gesalbte an dieser Stelle (12,32f.) in erster Linie eine Gerichtsfunktion im Rahmen des Endzeitgeschehens, wozu er von Gott ermächtigt wurde. Ausdrücklich artikuliert der Autor von 4 Esr dabei das Gerichtswort als Handlungsinstrument des richtenden Gesalbten, doch erlauben die Hinweise auf Vernichtung der Feinde und Befreiung des Volkes die Implikation gewaltsamer militärischer Aktivität, die freilich nicht so deutlich wie z.B. in PsSal 17,22-25 hervortritt.114 Die Gesalbtentradition erfuhr eine entscheidende Modifikation im Sinne der apokalyptischen Vorstellung einer endzeitlichen Richtergestalt, die in der sechsten Vision dann entsprechend der Menschensohn-Tradition artikuliert wird."5 Die Tätigkeit des Gesalbten umfaßt an dieser Stelle das Gericht über die Gottlosen und die Errichtung einer Heilszeit für den Rest Israels.116 113

STONE, Fourth Ezra 210 beschreibt die Zerstörung des römischen Reiches als Hauptaktivität des Messias. 114 MÜLLER, Messias 102 beobachtet das Zurücktreten der Kriegstätigkeit zugunsten einer Richterfiinktion. Vgl. auch HENGEL, Zeloten 283 Anm. 1. Gegen eine militärische Funktion POMYKALA, Tradition 218; CHESTER, Expectations 32; LONGENECKER, 2 Esdras 77. Doch wie hat man sich Gerichtsvollzug und Vernichtung sonst vorzustellen? Militärische Tätigkeit und Richteraufgabe bilden keine gegensätzlichen oder unvereinbaren Funktionen, vielmehr gehören sie zusammen im Sinne von Urteilsfindung und -Vollstreckung. Kriegerische und richterliche Funktion erkennen CHARLESWORTH, From Jewish 244f.; DERS., Concept 205; STONE, Concept 296.302f. Die Tätigkeit des Richters sieht THEISOHN, Richter 109; vgl. STONE, F e a t u r e s 108. 115 Dazu HAHN, Apokalyptik 70. MÜLLER, Messias 102 denkt dagegen an die richterliche Funktion des erwarteten Heilskönigs und verweist auf Jes 11,3f., nennt aber die universale Gerichtstätigkeit als Spezifikum von 4 Esr 12,32f. Der Einfluß der apokalyptischen Vorstellung einer eschatologischen Richtergestalt muß m.E. als prägender Faktor berücksichtigt werden, er erfuhr jedoch eine leichte Integrationsmöglichkeit in die königliche Gesalbtenerwartung, da der Gesalbte bereits Guten Heil schenkt und Feinde bestraft. - STONE, Question 21 If. qualifiziert das Gerichtshandeln des Gesalbten nicht als universales Gericht, da sein Gericht vom endgültigen Gericht Gottes unterschieden ist; darin bestehe ein Unterschied zu den Bilderreden des äthHen. Diese Differenzierung bedeutet jedoch nicht, daß die Gerichtsidee in 4 Esr nicht aus apokalyptischer Tradition erwachsen sein kann. - Von einer himmlischen Figur spricht CHESTER, Expectations 32. 116 Diese Struktur von Gericht und Heilsherrschaft beobachtet MÜLLER, Messias 103-105 parallel in 4 Esr 12,32-34, 4 Esr 13,37f.49f. und syrApkBar 40,1 f., so daß er auf ein traditio-

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8.2.2 Der „Mensch" aus 4 Esr 13 Die sechste Vision (13,1-56) beschreibt, wie ein „Mensch""7 (lateinisch homo) aus den Wogen des Meeres aufsteigt und mit den Wolken des Himmels fliegt; sein Blick und seine Stimme strahlen unwiderstehliche Macht aus. So lautet der Text 13,3f., der die Gestalt und die von ihr ausgehende Wirkung allgemein und vorausgreifend beschreibt:118 (3) Ich sah, und siehe, der Sturm führte aus dem Herzen des Meeres 1 " etwas wie120 die Gestalt eines Menschen herauf. Ich sah, und siehe, dieser Mensch flog auf den Wolken des Himmels. Wohin er sein Gesicht wendete und hinblickte, da zitterte alles, was er ansah. (4) Wohin die Stimme seines Mundes ging, zerschmolzen alle, die seine Stimme hörten, wie das Wachs schmilzt, wenn es Feuer spürt.

Daraufhin versammelte sich eine gewaltige Menschenmenge, um den „Menschen" zu bekämpfen; seine Überlegenheit manifestiert sich freilich in einer siegreichen Reaktion (13,5-11): (9) Und siehe, als er den Ansturm der herankommenden Menge sah, erhob er seine Hand nicht und griff weder zum Schwert noch zu einer anderen Waffe, sondern ich sah nur, (10) wie er aus seinem Mund etwas wie Feuerwogen und von seinen Lippen einen nelles Schema schließen kann. - Die Differenzen in der Gesalbtendarstellung von 4 Esr 7 und 11 (Auftreten des Gesalbten nach der Unheilszeit in Kap. 7, auf dem Höhepunkt der Gottlosigkeit in Kap. 11) erklärt STONE, Concept 300.303 mit der Übernahme traditionellen Materials. 117 Wörtlich: „wie ein Mensch/wie die Gestalt eines Menschen" 13,3. Die syrische Version läßt an eine ursprüngliche Lesart „Menschensohn" denken, so COLLINS, Scepter 183. Es bestehen Anklänge an Dan 7,13f. Motivähnlichkeiten von 4 Esr 13,3f.l0 zu Mich 1,4 und Ps 18,9.13 lassen den „Menschen" als theophane Gestalt erscheinen; dazu KARRER, Gesalbte 307 mit Anm. 326; KNIBB, Messianism 171; STONE, Question 213; DERS., Fourth Ezra 212.385; DERS., Concept 308; HAYMAN, Man 7 (Ps 18,6-11; 68,2.4; 104,3.32; Jes 19,1). Dies erklärt sich aus seiner besonderen Beziehung zu Gott. Zur Vision und ihrer Deutung in 4 Esr 13 vgl. COLLINS, Scepter 183-185; MÜLLER, Messias 107-134; ferner OEGEMA, Gesalbte 218f.; STONE, Question 212-214; DERS., Fourth Ezra 381-407. Zum „Menschensohn" in 4 Esr vgl. auch CARAGOUNIS, Son of Man 119-131. Übersetzung von SCHREINER, 4. Buch Esra 393f. Vielfältige atl Allusionen des Textes 13,1-13 zählt MÜLLER, Messias 110 auf. Vgl. auch die Anklänge an die Theophanieschilderung in 4 Esr 8,23. 119 Nur die lateinische Handschrift L liest in 13,3 virum ascendebat de corde maris; anders bietet die lateinische Tradition in 13,25 übereinstimmend de corde maris. Dazu KLIJN, Der lateinische Text 81.83. HAYMAN, Man 5f. rekonstruiert den der gebotenen Übersetzung zugrundeliegenden Text aus der syrischen Version. 120 STONE, Concept 303 erklärt die Formulierung „wie ein Menschensohn" als „mysterious style" des Apokalyptikers. Eher bringt der Autor von 4 Esr damit das Bewußtsein der Symbolhaftigkeit der Bildsprache zum Ausdruck.

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Flammenhauch aussandte; von seiner Zunge sandte er einen Sturm von Funken aus. Alle diese vermischten sich miteinander: die Feuerwogen, der Flammenhauch und der gewaltige Sturm. (11) Es fiel auf die anstürmende Menge, die zum Kampf bereit war, und setzte alle in Brand, so daß plötzlich von der unzählbaren Menge nichts mehr zu sehen war außer Aschenstaub und Rauchqualm. Ich sah es und war entsetzt.

Ein unzählbares Heer von Menschen sucht den „Menschen" zu bekämpfen, doch er vernichtet sie - bezeichnenderweise nicht mit menschlichen Waffen, sondern mit einem feuerigen Strom aus seinem Mund, einem flammenden Hauch seiner Lippen und einem Funkensturm von seiner Zunge (13,5-11), was an die Verheißung Jes 11,4 LXX, ferner an die angekündigte Überwindung feindlicher Könige in Ps 2,9 anklingt. Bereits in 13,4 wurde die Wirkmächtigkeit der „Stimme seines Mundes" im Bild des Schmelzens wie Wachs im Feuer dargestellt. Diese Beziehung zu messianisch interpretablen atl Texten (vgl. PsSal 17,24; lQSb V 24f.; äthHen 62,2) deutet eine Einflußmöglichkeit der königlich-davidischen Gesalbtentradition auf die Gestaltung der Vision in 4 Esr 13 an. Die Vorstellungen des wirkmächtigen Wortes und des Feuers als Gerichtsinstrument implizieren eine Ausstattung des „Menschen" mit göttlichen Eigenschaften: Die Wirkmacht des göttlichen Wortes kennen Jes 55,11; Weish 12,9 und 18,15f.,121 das Feuer als zerstörerisches Instrument Gottes begegnet in Dtn 32,22; 1 Kön 19,12; Ez 10,2; 22,21 und Ps 97,3; in Jes 30,27 und Ps 18,9 (= 2 Sam 22,9) wird der Ausgang des Feuers im Mund Gottes (bzw. seiner Zunge) lokalisiert.122 Der „Mensch" tritt in Gottes Funktion ein und handelt so als dessen Repräsentant, wobei er übermenschliche Züge gewinnt. Der „Mensch" setzt sich mit Gewalt, also auf kriegerische Weise durch, seine Machtmittel übertreffen jedoch die Möglichkeiten politisch-militärischer Kriegsführung weit und sichern ihm den Sieg. Dennoch erfüllt er eine militärisch-kämpferische Funktion, die er aber seiner himmlischen Herkunft und Macht entsprechend ausführt.123 Nach der Vernichtung 121 Weish 18,15f. steht im Kontext der Tötung der Erstgeburt Ägyptens vor dem Exodusereignis und bringt das Wort mit königlicher Motivik in Verbindung: Das machtvolle Wort geht vom himmlischen Thron Gottes aus, wird im Bild eines scharfen Schwertes als kriegerisch charakterisiert und zeigt entsprechend tödliche Wirkung. Vgl. auch Jes 49,2 das Bild des Schwertes aus Gottes Mund. 122 Zu diesen Bezügen und einer kosmischen Bedeutung des „Menschen" vgl. auch STONE, Fourth Ezra 386f.; DERS., Concept 308f.; HAYMAN, Man 7. Theophane Züge erkennt LONGENECKER, 2 Esdras 79 und spricht daher von einer göttlichen Figur. 123 Gegen CHARLESWORTH, Messianology 20, der die nicht-militärischen Mittel hervorhebt; DERS., From Jewish 245 bemerkt die zeitgeschichtlich (jüdisch-römischer Krieg!) bedingte Distanz des Verfassers zu irdischen Militärinstrumenten. Richtig MÜLLER, Messias 121; er betont ebd. 119f., daß der „Mensch" kein irdisches Wesen mehr ist, denn die wunderbaren Waffen sind nicht nur Aufnahme von Gesalbtenaussagen, sondern besitzen andere Qualität: die „entschiedene Abgrenzung gegenüber irdischen Waffen" (119) sei als bewußte

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der Gegner sammelt der „Mensch" ein friedliches Heer um sich (13,12f.), was inhaltlich eine Antithese zur voraufgehenden Vernichtungsaktion darstellt.124 Die in der Vision von 4 Esr 13,1-13 den Duktus bestimmende Abfolge von Vernichtung der Völker (VV. 5-11) und Sammlung der friedlichen Menge (VV. 12f.) begegnet auch in der Struktur von PsSal 17, wo auf die Vernichtung der Heiden (17,22-25) die Sammlung eines heiligen Volkes (17,26-29) folgt.125 Damit steht der „Mensch" in 4 Esr 13,1-13 in sachlicher Parallelität

Abhebung von jedem irdischen Heerführer zu verstehen, da es sich um eine göttliche Gestalt handle, „die irdische Maßstäbe transzendiert" (120). Eine so scharfe Grenzziehung ist jedoch nicht ratsam, da bereits der irdische Heilskönig aus PsSal 17,24 jeder irdischen Gewalt überlegen ist, was aus seinem Vertrauen gegenüber Gott erklärt wird (17,33). Zur Qualifizierung des „Menschen" innerhalb der Vision 4 Esr 13 vgl. auch STONE, Question 213; DERS., Fourth Ezra 383 sieht eine Nähe des „Menschen" zu Gott selbst in kriegerischer Funktion; vgl. DERS., Features 127; DERS., Concept 308. THEISOHN, Richter 144 beschreibt ihn als „Krieger (Vernichter und Erretter)". Vgl. auch MÜLLER, Menschensohn 299f.; NLCKELSBURG, Literature 292; LAATO, Star 364. 124 Einen religionsgeschichtlichen Entwurf zur Deutung der Vision in 4 Esr 13,l-13a und besonders des Bildes vom Herauffuhren des „Menschen" aus dem Meer durch einen Sturm (V. 3) hat jüngst A.P. HAYMAN (Man, 1998) vorgelegt. Er vergleicht die Vision mit einem in Ugarit-Texten überlieferten Baal-Mythos und stellt enge Entsprechungen fest (1 lf.); das Bild in 4 Esr 13,3 symbolisiert dann den Sieg des „Menschen" über das Meer, das im AT als Chiffre für das Chaos fungiert (vgl. Jahwes Vernichtung Leviatans Ps 74,12-17; 89,9f.), wobei der Chaoskampf neu und endgültig ausgefochten werden muß (12f.); die Bekanntheit eines solchen Mythos sei mit OdSal 22 für das 1. Jh. und danach belegt (13). Hayman identifiziert Jahwe selbst als diese Retterfigur, wohinter das Bild von Jahwe als göttlichem Kämpfer stehe und womit eine königliche Ideologie verbunden sei (14); der mythologische Chaoskampf spiegele in 4 Esr den inneren Kampf im Menschen zwischen guten und bösen Antrieben (15f.). So werde in 4 Esr 13,l-13a die mythologische Struktur der jüdischen Religion sichtbar, die diese von der Religion Kanaans erbte (16). - So einleuchtend dieser Entwurf auf den ersten Blick scheinen mag, wirft er doch eine Reihe ungeklärter Fragen und Probleme auf. Bereits die Voraussetzung der engen Parallelisierung mit dem Baal-Mythos ist anzufragen: so stellt m.E. die Annahme zu 13,3, der „Mensch" bedarf der Hilfe des Sturmes oder Geistes zu seinem Erscheinen (HAYMAN, Man 11), eine vom Baal-Mythos veranlaßte Überinterpretation dar - der Sturm ist beanspruchbare Begleiterscheinung, nicht notwendiges Instrument. Die von Hayman im Baal-Mythos verankerte Bildwelt läßt sich gut von atl Theophaniemotiven her erklären (dazu STONE, Fourth Ezra 212.385; KARRER, Gesalbte 307; KNIBB, Messianism 171). Das Bild vom Kommen aus dem Meer drückt in erster Linie die besondere Herkunft (nämlich aus dem göttlichen Machtbereich) des „Menschen" aus und kann dabei an überwältigende Naturerfahrungen anknüpfen (auf ein tatsächliches Naturereignis weist HAYMAN, Man 11 selbst beschreibend hin). Völlig unklar bleibt, aus welchen Gründen eine Parallelisierung bzw. Kontrastierung mit der Figur Baals gesucht werden sollte. Eine Identifizierung des „Menschen" mit Jahwe - auf Textebene ohnehin unmöglich - ist auch für die Vorlage äußerst unsicher und vom Titel her keineswegs naheliegend. 125 Zu dieser Beobachtung vgl. auch U.B. MÜLLER, Messias 117f.; K. MÜLLER, Menschensohn 300f.

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zum Gesalbten aus PsSal 17 und übernimmt wie dieser zwei korrelierte Funktionen. Die offene Formulierung in 4 Esr 13,12f. hat ähnlich PsSal 17,26-29 primär die Juden als Ziel der Aktion im Blick, die, entsprechend der Tradition vom endzeitlichen Zug der Völker zum Zion nach Jes 66,20 (vgl. Jes 11,12), von den Völkern herbeigebracht und an ihrem Heilsort vereinigt werden sollen, was wieder parallel zu PsSal 17,31 steht und ein nationales Interesse erkennen läßt.126 Die geschilderten Machtinstrumente zeigen den „Menschen" als übermenschliches himmlisches Wesen,127 das sich im Besitz göttlicher Vollmachten und Kräfte befindet. Nun beginnt in einem Neueinsatz die explizit als solche bezeichnete Deutung der geschilderten Vision, die in 13,25f. wie folgt eingeführt wird:128 (25) Die Deutung der Vision aber ist folgende: Daß du einen Mann aus dem Meer hast aufsteigen sehen: (26) Das ist jener, den der Höchste lange Zeit aufbewahrt, durch den er seine Schöpfung erlösen will; er wird die Übriggebliebenen ordnen.

Die gegenüber der Vision selbst eigene Akzente setzende Deutung in 13,2556 übernimmt und spezifiziert die Makrostruktur der Vision: 13,27-38 schildern die Vernichtung der Feinde und münden in das Ziel des Gerichtshandelns (VV. 37f.), 13,39-50 behandeln die Sammlung der friedlichen Menge und gipfeln in der Ansage der Heilsherrschaft (VV. 49f.).129 Die Deutung 126

Dazu MÜLLER, Messias 118, der Juden und Heiden eingeschlossen sieht. Zu Jes 66,20 als Hintergrund vgl. auch SCHREINER, 4. Buch Esra 395 z.St.; STONE, Fourth Ezra 387. POMYKALA, Tradition 220 akzentuiert hingegen die Beobachtung, daß von einer Herrschaft des Messias nicht die Rede ist. 127 Zu den übernatürlichen Zügen vgl. STONE, Fourth Ezra 383.387. 128 Übersetzung von SCHREINER, 4. Buch Esra 396. 129 Zu dieser Strukturanalyse vgl. U.B. MÜLLER, Messias 124; aufgrund der Ähnlichkeiten mit der Vision sollte Müllers Urteil („Der Seher stülpt der Vision sein Schema über", 124) vorsichtiger gefaßt werden. STONE, Fourth Ezra 395 vertritt einen weniger klaren Aufbau der Deutung mit Wiederholungen und Neueinsätzen. MÜLLER, Messias 123-128.134 weist Differenzen zwischen Vision und Deutung auf, die ihn die Vision als Vorlage, die Deutung durch den Autor von 4 Esr selbst verfaßt beurteilen lassen; in der Deutung werde die hoheitliche Charakterisierung des „Menschen" gemieden und seine Unterordnung unter Gott betont. - Kritik: Offen bleibt allerdings, warum diese Akzentsetzung nicht bereits bei der Präsentation der Vision stärker berücksichtigt wurde; die Gemeinsamkeiten überwiegen wohl die Unterschiede, die Aussage des Autors gründet auf beiden Textpassagen, die auf Textebene eine inhaltliche Einheit bilden. - Die Beurteilung der Deutung als Werk des Verfassers von 4 Esr vertritt auch STONE, Question 213 (ebenfalls aufgrund der Differenzen zwischen Vision und Deutung, vgl. ebd. 214); DERS., Fourth Ezra 211.397-400; DERS., Features 123-130, der in der Interpretation den Gerichtsaspekt neu eingetragen und die militärischen Züge heruntergespielt erkennt; DERS., Concept 305-310. Zustimmend HAYMAN, Man 8f., der die Vision in 13,l-13a als Traditionsstück aufgenommen sieht; Hauptdifferenz zur Deutung: Herunterspielen der übernatürlichen Züge in der Deutung; Bezeichnung „Mensch" (homo, άνθρωπος, D"IK) in der Vision, „Mann" (vir, άι>ήρ, ΕΓΚ) in der Deutung. Ebenso K.

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identifiziert den „Menschen" (oder „Mann", vgl. lateinisch vir) mit dem, den Gott lange Zeit aufbewahrte (13,26), worunter nach 12,32 der Gesalbte zu verstehen ist;130 in beiden Versen begegnet die gleiche Formulierung „den der Höchste ... aufbewahrte". Der ,.Mensch" stellt damit innerhalb der Vision ein Symbol fur die Gestalt des Gesalbten dar, wobei ein (freilich nicht ausgebauter) Anklang an die apokalyptische Figur des Menschensohnes aus Dan 7 und den Bilderreden des äthHen zu hören ist.13' Auch in 4 Esr können also analog zum äthHen - mehrere Titel fur die gleiche Endzeitgestalt verwendet werden. Die Feststellung der Aufbewahrung deutet präexistente Züge der himmlischen Menschen-Gestalt an (vgl. auch 13,51f.).132 Die dabei in 13,26 genannte „lange Zeit" beinhaltet eine Zeiterstreckung, was eine Präexistenzvorstellung deutlich werden läßt. Diese Präexistenz wird inhaltlich freilich nicht gefüllt, es wird weder der Ort des Aufenthalts angegeben noch eine Hoheitsaussage damit verbunden. In 13,52 ergeht nur die negative Auskunft, daß der „Mensch" während der geschichtlichen Zeit nicht sichtbar ist, seine Erscheinung findet erst im Eschaton statt.133 Das Motiv der Aufbewahrung (13,26) dürfte im Rahmen der apokalyptischen Determiniertheit der Geschichte seitens Gottes zu sehen sein, wobei in 4 Esr verschiedene Personen, Tiere und Dinge aufbewahrt werden, um erst am Ende der Zeit eine bestimmte Funktion zu erfüllen; diese sind damit als schon vorher geschaffen gedacht.134 In bezug auf MÜLLER, Menschensohn 302f., nach dem der Verfasser die Charakteristika der Menschensohn-Tradition ausscheidet: statt „Mensch" wird vom weniger signifikanten „Mann" (vir) gesprochen, der Mann erscheine nur mehr als Werkzeug Gottes ohne theophane Züge, die Waffen aus der Vision werden „allegorisiert und aus dem Blickpunkt gezogen", Gericht und Herrschaft (13,37f.49) werden als Funktionen neu gegenüber der Vision eingetragen. 130 Gegen KOCH, Messias 89f., der zwei unterschiedliche Gestalten in verschiedenen Zeitaltern annimmt; auch DERS., Heilandserwartungen 125. Das Fehlen messianischer Titel oder Symbole in der Deutung behauptet STONE, Question 213. - Zur Identität auch MÜLLER, Messias 92; COLLINS, Scepter 184f.; STONE, Fourth Ezra 401; CHESTER, Expectations 32; LONGENECKER, 2 Esdras 78. Zur Funktionsähnlichkeit zwischen den Gestalten aus Kapp. 12 und 13 vgl. STONE, Concept 309; DERS., Question 210-215; DERS., Fourth Ezra 207-213; COLLINS, I m a g i n a t i o n 166; POMYKALA, T r a d i t i o n 2 1 8 f . ; NICKELSBURG, L i t e r a t u r e 2 9 2 . 131

Dazu auch STONE, Concept 307-309; femer LAATO, Star 364. So auch HAHN, Apokalyptik 71, der von einer himmlischen „Urgestalt" spricht. Vgl. MÜLLER, Messias 148; DE JONGE, ThWNT IX 507f. (der dabei gegenüber ontologischen Spekulationen Gottes heilsgeschichtliches Wirken im Vordergrund sieht); STONE, Fourth 132

E z r a 4 0 1 ; DERS., C o n c e p t 3 0 3 ; NICKELSBURG, L i t e r a t u r e 2 9 2 ; LAATO, S t a r 3 6 2 f . ; LONGEN-

ECKER, 2 Esdras 79. MÜLLER, Menschensohn 304 faßt die sachliche Aussage der Präexistenz in 13,26.51 und 14,9 als einen auf seine endzeitliche Funktion wartenden Messias. 133 Dazu auch MÜLLER, Messias 149f. 134 Zur Aufbewahrung im AT und in 4 Esr vgl. MÜLLER, Messias 150-152; zu Herkunft u n d Bedeutung ebd. 152-154.

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den „Menschen" oder Gesalbten drückt die Aufbewahrung besondere göttliche Vorherbestimmung und Qualität aus.135 13,26 steht gleichsam überschriftartig am Beginn der Deutung und wird anschließend durch die folgenden Aussagen (13,27-50) expliziert, die die Vernichtung der Feinde und die Sammlung des heiligen Volkes enthalten. Daher liegt es nahe, die Mikrostruktur von V. 26 von der Makrostruktur der zugeordneten Deutung, die auch der sachlichen Struktur der voraufgehenden Vision entspricht, zu verstehen. Der an sich ungewöhnliche Gedanke der Erlösung der Schöpfung durch einen Repräsentanten Gottes im ersten Satzteil von V. 26 läßt sich dementsprechend als Vernichtung der Feinde, d.h. Befreiung der Schöpfung von den sündigen Völkern zugunsten Israels,136 interpretieren. Der zweite Satzteil „er wird die Übriggebliebenen ordnen137" beinhaltet dann das Heilshandeln des Gesalbten an Israel,138 was auch den Erwartungen von 4 Esr 7,28 und 12,34 entspricht, wo ein national orientierter Gesalbter den Übriggebliebenen Heil bringt. Der Mensch/Gesalbte wird die Schöpfung und die Erdenbewohner erlösen und die Feindschaft der Erdenreiche auf sich ziehen (13,26-34). In seiner Funktion der Vernichtung der Feinde vollzieht der „Mensch" Absicht und Willen Gottes, der als Ursache des eschatologischen Geschehens die Bewohner der Erde erlösen will (13,29: „Siehe, Tage werden kommen, da der Höchste die erlösen will, welche auf der Erde sind"139). Er agiert als bevollmächtigtes Vollzugsorgan Gottes. Diese göttliche Erlösungsabsicht erklärt nach V. 29 die Kriegstätigkeit des „Menschen" mit übernatürlichen,

135

Eine gewisse Spannung besteht zwischen der Präexistenz und der irdischen Abkunft des Gesalbten, der nach 12,32 „aus dem Samen Davids" stammt. Diese Spannung bleibt als solche stehen und scheint vom Autor von 4 Esr nicht als solche empfunden worden zu sein, möglicherweise weil er das traditionelle messianische Motiv nicht realgeschichtlich (biologisch) verstand. Gegen eine Überbewertung vermeintlicher Spannungen auch STONE, Question 211 ; gegen die Annahme verschiedener Autoren CHARLES WORTH, From Jewish 245. 136 So U.B. MÜLLER, Messias 130, der den Gedanken in die Gesamtaussage von 4 Esr einordnet. K. MÜLLER, Menschensohn 303 leitet den Gedanken aus der Menschensohn-Tradition (Prärogative Gottes und endzeitliche strafrichterliche Vernichtung der Heiden durch den Menschensohn) ab. 137 Die lateinische Version bietet disponet (vgl. Äth), der Syrer liest „hinüberfuhren" (vgl. Arm). Zur Erörterung der Problematik einer griechischen und hebräischen Rückübersetzung vgl. SCHREINER, 4. Buch Esra 396 z.St.; MÜLLER, Messias 132f. 138 Vgl. MÜLLER, Messias 133. GUNKEL, Esra 396 übersetzt treffend: „die neue Ordnung schaffen". 139 Übersetzung von SCHREINER, 4. Buch Esra 396. - Zur akzentuierten Priorität Gottes als eigentlicher Urheber des endzeitlichen Geschehens auch MÜLLER, Messias 124.130; STONE, Fourth Ezra 402. In 4 Esr 6,6 ist die endzeitliche Restitution allein Gottes Tat; vgl. die Besprechung bei MÜLLER, Messias 130-132.

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göttlichen Mitteln (VV. 27f.).140 Nach den in gegenseitiger Bekriegung geschilderten Wehen der Endzeit (vgl. 13,30f.) scharen sich die Völker gegen den „Menschen" zusammen, um ihn zu bekämpfen (13,33f.). Wiederholt wird er von Gott als „mein Knecht/Sohn" bezeichnet (13,32.37.52),141 womit auf der Linie von 7,28f., wo „mein Knecht/Sohn" und „Gesalbter" direkt parallel verwendet werden, wiederum mittelbar der Gesalbte identifiziert ist, so daß eine „Korrespondenz zwischen Gesalbten- und Menschen-Konzeption entsteht".142 Sein Ort ist der Zion (13,35f.), von wo aus er den Völkern ihre Sünden und bösen Machenschaften vorhalten und sie wegen ihrer Sünden vernichten wird (13,37f.). Der „Mensch" fungiert dabei zugleich als Ankläger, Richter und Vollstrecker des Urteils. Die in der Vision verwendeten Motive von Flamme und Feuer werden in 13,37f. allegorisch auf die Qualen der Bösen und das Gesetz gedeutet, wohinter die Absicht stehen könnte, die Souveränität Gottes deutlich zu wahren.143 Zion erscheint dabei als restituierter Ort der göttlichen Gegenwart und Macht. Die angedeutete Königsherrschaft vom Zion aus trägt nationale Züge und erinnert in Verbindung mit der Titulierung als „mein Sohn" an Ps 2. Das friedliche Heer symbolisiert das übriggebliebene Volk Israel, das teilweise zerstreut wurde, wofür die zehn144 unter dem Assyrer Salmanassar weggeführten Stämme als Bild dienen, das der Höchste aber bewahrte und dem er die Rückkehr ermöglicht, und das zum anderen Teil im heiligen Ge-

140

Anders behauptet STONE, Fourth Ezra 401f., daß der Verzicht auf Waffen keine Erklärung findet. CHARLESWORTH, Concept 206 beschreibt den „Menschen" aufgrund des Fehlens menschlicher Militärmittel als nicht militant. 141 Möglicherweise sprach die griechische Vorlage von παις·; vgl. die Angaben zu den verschiedenen Versionen bei SCHREINER, 4. Buch Esra 397.399 jeweils z.St.; STONE, Fourth Ezra 208; zur lateinischen Version filius meus KLIJN, Der lateinische Text 84.86. HAHN, Apokalyptik 71 mißt der Lesart „mein Knecht" (παις μου) höhere Wahrscheinlichkeit bei; vgl. DE JONGE, ThWNT IX 507 Anm. 126. Zur potentiellen christlichen Interpolation der Sohnes-Bezeichnung vgl. oben zu 4 Esr 7,28. 142 So KARRER, Gesalbte 307, der dies als „Steigerung der Messiasfunktion" bewertet, da der Gedanke der messianischen Erlösung - unbeschadet des komplementären Strafgerichts über das Gottesvolk (vgl. 12,34) hinaus Ausweitung auf die ganze Schöpfung (13,26) erfährt. Die vorgängige Vernichtung der Gegner darf dabei freilich nicht übersehen werden, so daß jedenfalls keine universale Heilserwartung verbalisiert ist. Zur Korrelation von „Mensch" und „Gesalbter" mittels der „Knecht/Sohn"-Bezeichnung vgl. auch CHARLESWORTH, From Jewish 245; DERS., Concept 205, der die literarische Einheitlichkeit von 4 Esr betont; ferner LAATO, Star 364. 143 Diese Vermutung äußert MÜLLER, Messias 125f. 144 Andere Textüberlieferungen lesen „neun" bzw. „neuneinhalb"; vgl. die Angaben bei SCHREINER, 4. Buch Esra 398, der sich für die Variante „zehn" entscheidet. Zu „neuneinhalb" tendiert STONE, Fourth Ezra 404.

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biet weiterlebte (13,39-48).145 Die „friedliche Menge" dient als Beispiel kompromißlosen Lebens nach Gottes Willen und artikuliert die Hoffnung auf eschatologische Restitution der zwölf Stämme Israels.146 Nach dieser Darstellung der göttlichen Führung Israels knüpft der Duktus des Textes in 13,49 wieder an die Vertilgung der versammelten Völker (vgl. VV. 33f.38; auch 12,33) an, wobei das handlungstragende Subjekt nicht ausdrücklich genannt wird. Bestimmt in den Ausführungen davor Gott selbst als der „Höchste" das Geschehen, so erweist die genannte Anknüpfung nun wieder den „Menschen" als Subjekt, der das übriggebliebene Volk beschützt und ihm „viele große Wunder" zeigt (13,49f.). Die Heilsfunktion des Gesalbten steht hier im Vordergrund der Beschreibung, wobei sich seine Schutzaufgabe als Heilsherrschaft beschreiben läßt. Der Aspekt des Wunderwirkens stellt eher eine Ausnahme in der Beschreibung einer messianischen Gestalt dar und verbindet den „Menschen" im Kontext mit Gott, der selbst an Israel Wunder tat (13,44; vgl. 13,57), was sich als Andeutung eines Partizipationsverhältnisses lesen läßt. Niemand aber vermag diesen „Menschen" zu schauen bis zur Zeit seines Tages (13,5 lf.), wenn er sein Wirken auf Erden beginnt. Das Heraufsteigen des ,.Menschen" aus der Tiefe des Meeres stellt metaphorische Sprechweise dar und spricht so keineswegs gegen eine himmlische Herkunft dieser Gestalt; im Gegenteil sind die Besonderheit und Undurchschaubarkeit der Abkunft hervorgehoben, was gut zu einer himmlischen Menschen(sohn)-Figur paßt. Verborgenheit und Undatierbarkeit seiner Ankunft stehen fest. Das Auftreten des „Menschen" trägt in 4 Esr 13 weniger den Charakter einer Zwischenperiode, sondern steht enger mit der Verwirklichung des endgültigen Heils in Verbindung,147 das jedoch letztlich wieder in Gott selbst gründet. Der „Mensch" handelt also als Repräsentant Gottes. Der messianische „Mensch" der Schrift 4 Esr tritt in quasi-militärischer himmlischer Vollmacht - seine Machtinstrumente tragen übernatürlichen Charakter - zur Vernichtung der von Gott abgewandten Völker und zur Errichtung einer (zeitlich begrenzten) Heilszeit für das restituierte Volk Israel auf und erfüllt damit zentral eine Gerichtsfunktion über die sündigen Völker. Dabei werden herrscherliche Züge eines Gesalbten sichtbar.148 Der mit traditionellen Motiven einer herrscherlichen Gesalbtenerwartung gezeichnete Gesalbte/Mensch setzt sich also innergeschichtlich machtvoll im Kampf durch, um zugunsten seines Volkes die Herrschaft anzutreten. Apokalyptische Vor145

In PsSal 17,26 sammelt der Gesalbte das heilige Volk. Dazu LONGENECKER, 2 Esdras 81 f. 147 Darauf weist HAHN, Apokalyptik 71 hin. 148 Wenn STONE, Question 215.219 (vgl. schon DERS., Features 131 F.; DERS., Concept 311) das fast völlige Fehlen des Aspekts der Königsherrschaft konstatiert, übersieht er zahlreiche Übereinstimmungen mit der königlichen Gesalbtentradition. 146

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Stellungen eines himmlischen Menschensohnes und die königliche Gesalbtenerwartung gehen eine Verbindung ein.149 Eigentlich Handelnder der Endzeit ist nach 4 Esr eindeutig Gott selbst, in dessen Plan der Gesalbte mit seinem befristeten Friedensreich eingeordnet ist.150 Die Herrschaft des Gesalbten gehört dabei noch zur gegenwärtigen Weltzeit und steht an deren Ende, bevor die neue Welt durch Gottes Aktion einbricht.151 Die messianische Motivik nimmt in der Endzeiterwartung von 4 Esr breiteren Raum ein als in den Bilderreden des äthHen,152 wenngleich die Korrelation mit der Gestalt des Menschen(sohnes) diese Motivik nachdrücklich modifiziert im Hinblick auf eine himmlische Retterfigur. Die einzelnen Passagen mit Aussagen über den Gesalbten (oder Menschen) verhalten sich nicht deckungsgleich zueinander;153 so ist in 4 Esr 7,28f. von einer kriegerischen Funktion des Gesalbten gar nicht

149 Nach MÜLLER, Messias 122 stellt die Gestalt des Menschen innerhalb der Vision 4 Esr 13,1-13 „eine besondere Ausprägung der Messiasvorstellung" dar, „die Elemente der Menschensohntradition aufgenommen hat"; im Hintergrund steht Dan 7,13 als Basistext der Menschensohnvorstellung, die in der Vision mit der Gesalbtenerwartung verbunden wurde (ebd. 120-122). Vgl. auch CHESTER, Expectations 32; JUEL, Exegesis 162. Kritisch gegenüber Müllers Herleitung der Menschensohnvorstellung aus den Bilderreden des äthHen äußert sich THEISOHN, Richter 145-148. Dazu auch COLLINS, Imagination 164-167. Eine Integration der Messiasvorstellung in die apokalyptische Konzeption konstatiert HAHN, Apokalyptik 73; vgl. DE JONGE, ThWNT IX 507; BRANDENBURGER, Verborgenheit 127.193f. (messianisches Zwischenreich in die zwei Äonen-Lehre eingebaut). Vorsichtig gegenüber einer Herleitung aus der Menschensohn-Tradition dagegen STONE, Question 213; von einer Menschensohnfigur in 4 Esr 13 spricht STONE, Fourth Ezra 384f. MÜLLER, Menschensohn 305f. entdeckt gegenüber dem Einfluß messianischer Gehalte nur noch einzelne Züge der MenschensohnTradition, da der Verfasser im Rahmen seines theozentrischen Ansatzes theophane Motive der Gestalt tilge. THEISOHN, Richter 145 betont das Fehlen von Gemeinsamkeiten zwischen dem „Menschen" von 4 Esr 13 und dem „Menschensohn" des äthHen. 150 Mit gutem Grund hält schon STONE, Features 226-228 fest, daß der Gesalbte nicht im Zentrum der Eschatologie von 4 Esr steht; er übernimmt hinsichtlich des Endgerichts die kriegerische Aufgabe von Gott, so daß Gott selbst allein als endzeitlicher Richter fungiert; vgl. DERS., Concept 312. Zu einer ähnlichen Einschätzung der Gewichtung des Gesalbten in 4 Esr vgl. WLLLETT, Eschatology 74; METZGER, Fourth Book 521 (der dem Gesalbten aber doch „a significant role in the author's eschatological scheme" einräumt); ferner LONGEN-

ECKER, 2 Esdras 82. 151

Vgl. auch SCHÄFER, Diversity 34f. So COLLINS, Scepter 186. Auch MÜLLER, Messias 61 mißt der Messiasidee in 4 Esr und syrApkBar größere Bedeutung bei als in äthHen; vgl. ebd. 105. - Nach STONE, Question 217 ist der Gesalbte nicht essentiell flir die Eschatologie von 4 Esr, da er nicht in allen sechs Visionen eine Rolle erhält; vgl. auch DERS., Fourth Ezra 369. Die Vertrautheit des Autors mit der entsprechenden Tradition kann freilich nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Vgl. STONE, Fourth Ezra 210.213. DERS., Features 131.133 (vgl. DERS., Concept 310312) erkennt eine weitgehend einheitliche messianische Konzeption in 4 Esr. Auf die Unterschiede weist LONGENECKER, 2 Esdras 82 hin. 152

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gesprochen, während die Vernichtung der römischen Gegenmacht in 12,33 und 13,9-11.37f. zu seinen durchschlagendsten Aktivitäten zählt. Andererseits bestehen zwischen diesen Aussagen auch keine Widersprüche, was die Differenzen als sachliche Differenzierungen und literarische Variationen erklärt. Das Gesalbtenbild von 4 Esr versteht sich eher additiv als Einheit denn als Kontrast verschiedener Einzelbilder. Der dem Visionär Esra nach der angekündigten Entrückung verheißene Aufenthalt bei Gottes „Knecht/Sohn"154 (14,9) deutet an, daß es sich beim Gesalbten um eine himmlische, präexistente Gestalt handelt.155 Interessant ist der abschließende Auftrag an Esra, die Geschehnisse seit Anbeginn der Welt, wie sie im Gesetz niedergelegt waren, aufzuschreiben, da das Gesetz verbrannt ist (14,21-26). Esra vollzieht diese Aufgabe in göttlicher Inspiration (14,37-47). Auf diese Weise wird das Buch 4 Esr selbst autorisiert und erhält Würde und Charakter einer geheimen göttlichen Offenbarung. Das Bedürfnis nach göttlicher Legitimation der Schriften Israels wird laut und findet seine Antwort zusammen mit der (wohl gruppenspezifisch zu verortenden) Autorisierung des Buches 4 Esr selbst.

8.3 Die syrische Baruch-Apokalypse Eine ähnliche Funktion wie in 4 Esr eignet dem Gesalbten auch in syrApkBar, die um 100 oder zwischen 100 und 130 n.Chr. zu datieren ist156 und 154 Vgl. wiederum die Übersetzungsvarianten bei SCHREINER, 4. Buch Esra 401 z.St.; STONE, Fourth Ezra 208. 155

V g l . GUNKEL, E s r a 3 9 8 A n m . f.; STONE, Q u e s t i o n 2 1 4 ; DERS., F e a t u r e s 131; DERS.,

Concept 310. Der Präexistenzbegriff darf freilich nicht theologisch - etwa im Sinne einer Schöpfiingsmittlerschaft - überfrachtet werden; davor warnt zu Recht KARRER, Gesalbte 304. Präexistenz sagt das Sein des Gesalbten vor seinem irdisch wahrnehmbaren Auftreten in der besonderen Sphäre Gottes aus. Nach MÜLLER, Messias 149 bedeutet Präexistenz in 4 Esr „schlicht eine Form der Existenz vor dem Erscheinen auf Erden". 156 Dazu KLIJN, Baruch 113f.; DERS., Syriac Apocalypse 195; DERS., 2 Baruch 616f.; ferner OEGEMA, Gesalbte 119f. (ebd. 221 f. spezifiziert: circa 117 n.Chr.); HAHN, Apokalyptik 83; CHARLESWORTH, From Jewish 246. Gegen Ende des 1. Jh. n.Chr.: NLCKELSBURG, Literature 287; B O G A E R T , Apocalypse I 258; R O S T , Einleitung 97 (ca. 90 n.Chr.). SAYLER, Promises 103-110 betont die Datierungsunsicherheit aufgrund mangelnder Indizien (nach 70; Ende 1. Jh.). CHARLESWORTH, Concept 200 denkt an die zweite Hälfte des 1. Jh. n.Chr. Zur Unsicherheit auch WILLETT, Eschatology 79. - Der aufgrund des apokalyptischen Wochenschemas in syrApkBar 28,2 durchgeführte Datierungsversuch von R O D D Y , Two Parts (1996) gelangt exakt zum Jahr 99 n.Chr. Zur antiken Datierungsungenauigkeit und einer Kritik an Roddy vgl. LAATO, Star 365f. (der grob zwischen 70 und 132 datiert).

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damit für den Untersuchungszeitraum besonders als Dokumentation und schriftliche Fixierung vorausliegender traditioneller Denkideen in bezug auf eine Gesalbten-Gestalt zur Auswertung ansteht. Diese frühjüdische apokalyptische Schrift läßt eine literarische Verwandtschaft mit 4 Esr,157 freilich auch eine eigenständige theologische Reflexion erkennen, die das Bestehen der Leidenserfahrung als Voraussetzung und Bedingung des Heils begreift. Die erhaltene syrische Version basiert auf einer griechischen Vorlage, die wiederum als Übersetzung eines hebräischen oder aramäischen Originals wahrscheinlich gemacht wurde.158 Nach der Klage über die Zerstörung Jerusalems und der Erörterung der dafür maßgeblichen Gründe im sündigen Verhalten des Volkes (Kapp. 1-20)159 ergehen Offenbarungen Gottes an die pseudepigraph in Anspruch genommene Autorität der atl Gestalt Baruch, des Schreibers des Propheten Jeremía, über die bevorstehenden Ereignisse am Ende der Tage (21-52). Die darin entwickelte Rechtfertigung Gottes fundiert in „pastoral-praktischer" Orientierung den Sinn des Glaubens an diesen Gott neu, indem die nach der Tempelkatastrophe artikulierten Zweifel überwunden werden.160 Nach dem sich in Tempelzerstörung und Leidenserfahrung in der Zeit danach artikulierenden Gericht Gottes wegen der mit Adams Ursünde 157

Zur Frage nach dem Verhältnis von 4 Esr und syrApkBar vgl. die kurze Forschungsübersicht bei BERGER, Synopse 1-3, wobei eine gewisse Mehrheit der Forscher die literarische Priorität von 4 Esr vertritt; eine allgemein akzeptable Klärung der Frage ist noch nicht erreicht. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Frage der Theodizee und der Eschatologie vgl. WILLETT, Eschatology 121-125. Zum Verhältnis von 4 Esr und syrApkBar auch HAHN, Apokalyptik 81-83; femer KLIJN, Baruch 113. SAYLER, Promises 129-134 stellt einen Vergleich zwischen beiden Schriften an und bestimmt das literarische Verhältais als Abhängigkeit von gemeinsamer Tradition, wobei theologische Differenzen bestehen; anders als 4 Esr ist syrApkBar deutlich an praktischen Antworten auf die Unsicherheitssituation nach der Tempelzerstörung orientiert (vgl. auch ebd. 149). Zur gemeinsamen Terminologie vgl. NLCKELSBURG, Literature 288-293. Zur gemeinsamen Traditionsgrundlage von Dan 7 in bezug auf das Schema der vier Weltreiche vgl. STONE, Features 117f., der trotz gemeinsamer Elemente keine literarische Abhängigkeit erkennt. 158 Vgl. KLIJN, Baruch 110; DERS., Syriac Apocalypse 193f.; DERS., 2 Baruch 615f. Schon CHARLES, APOT II 471-474; ZIMMERMAN, Observations (1939). Auch NlCKELSBURG, Literature 287; ROST, Einleitung 95. Anders geht BOGAERT, Apocalypse I 380 von einem griechischsprachigen Original aus. 159 Die Zerstörung Jerusalems wird als Strafe für die Sünden des jüdischen Volkes gedeutet und die heidnischen Eroberer als Werkzeuge Gottes verstanden (vgl. Kapp. 78-81), so daß Gottes Geschichtsmächtigkeit gewahrt bleibt und sich bald gegen die Feinde durchsetzen wird (82f.). - SAYLER, Promises (1984) arbeitet zwei Hauptaussageziele der syrApkBar heraus: die Rechtfertigung Gottes, der trotz Tempelzerstörung gerecht und mächtig ist und seine Verheißungstreue bewahrt (42-74); das (Über-)Leben der jüdischen Gemeinde, das auch nach der Tempelzerstörung gewährleistet und von Gott getragen ist (74-86). 160 Zum Theodizee-Versuch in syrApkBar und der davon geprägten Eschatologie, die gerechte Vergeltung durch Gott für die Zukunft erwartet, vgl. WILLETT, Eschatology 95-120.

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begonnenen Sünden des Volkes verspricht die syrApkBar eine Gnadenzeit Gottes, in der Sterblichkeit und Leiden aufgehoben werden; als Vorbereitung auf diese Heilszeit und gleichzeitig als Ersatz für den zerstörten Tempel (als religiöses Zentrum) fungiert nun die Beobachtung der Tora.161 Die Offenbarungen setzen mit der Darstellung einer in zwölf Abschnitten eintreffenden Zeit der Drangsal für die Bewohner der Erde (25-27) ein, nach der sich der Gesalbte offenbart, wie 29,3 sagt:162 (3) Und dann wird es geschehen: Wenn das vollendet ist, was kommen wird in diesen Zeitabschnitten, wird der Gesalbte dann beginnen offenbar zu werden.

Im griechischen Vorlagetext des syrischen Übersetzers 163 ist als Äquivalent für „Gesalbter" der Terminus χριστός zu vermuten. Hier und in 30,1 findet sich wiederum - wie schon 4 Esr 12,32 - der absolute Gebrauch des „Gesalbten"-Terminus. Mit dessen Auftreten beginnt eine Zeit des Heils und des Überflusses, in der überreich Wein und Nahrung 164 zur Verfügung stehen, ja selbst die wunderbare Gabe des Manna 165 in der Wüste beim Auszug aus Ägypten sich wiederholen wird (29,4-8). In diesem Sinne werden täglich Wunder erfahrbar sein (29,6). Auffallenderweise wird der Gesalbte nicht direkt als Subjekt des angekündigten Heilshandelns deutlich, es vollzieht sich ohne seine explizite Einflußnahme. 166 Daß dennoch eine innere (kausale) Verbindung zwischen dem Auftreten des Gesalbten und der Heilszeit besteht, wird formal aus der Struktur einer Inklusion sichtbar, denn die Hinweise auf das Erscheinen des Gesalbten in 29,3 und 30,1 rahmen die Schilderung des Heilsgeschehens 29,4-8. Inhaltlich deutet die Formulierung in 29,3 auf den Beginn der Offenbarung des Gesalbten hin,167 die sich im Duktus der Textlo161

Dazu auch NICKELSBURG, Literature 286f. Übersetzung von K.LIJN, Baruch 141 mit der Ausnahme, daß ich „Gesalbter" statt „Messias" lese. - Die Aussage des göttlichen Schutzes ausschließlich über diejenigen, die sich „in diesem Land" (Palästina) befinden, in 29,2 erinnert an 4 Esr 12,34; vgl. 4 Esr 13,4850. Dazu CHARLES, APOT II 497, der Joel 2,32 im Hintergrund sieht; femer SAYLER, Promises 59 Anm. 39. 163 Der erhaltene syrische Text ist aus dem Griechischen übersetzt, wobei der griechischen Version wohl ein hebräisches Original zugrundelag; dazu KLIJN, Baruch 110; HAHN, Apokalyptik 76f. 164 Im Bild dienen die bis dahin aufbewahrten urzeitlichen Ungeheuer Behemot und Leviatan als Nahrung, deren Schaffung (am fünften Schöpfungstag) und Aufbewahrung durch Gott als Zeichen seiner vorhersehenden Fürsorge für das übrige Volk gelesen werden können. 165 Vgl. Ps 78,24f.; Sib 3,746; AntBibl 19,10; Offb 2,17. 166 Die Funktionslosigkeit des Messias betont CHARLESWORTH, From Jewish 246; vgl. DERS., Concept 200; femer LAATO, Star 367. 167 Auch wenn es sich um eine geläufige jüdische Floskel handelt, die „für uns fast überflüssig wirkt" (MÜLLER, Messias 142), ist doch ein Anfang des Auftretens markiert. 162

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gik dann in den folgenden Ereignissen manifestiert; die Tatsache, daß in 30,1 mit der Rückkehr des Gesalbten in seine Herrlichkeit ein neuer Zeitabschnitt anbricht, zeigt ebenfalls die ursächliche Relation von Gesalbtem und Heilszeit. Damit wird an dieser Stelle über den erwarteten Gesalbten nicht mehr gesagt, als daß er in der Funktion eines Repräsentanten und Garanten einer Heilszeit für Israel auftritt. Nach dem irdischen Heilsgeschehen wird die Rückkehr des Gesalbten in seine Herrlichkeit (in den Himmel) erwartet, die mit der Auferstehung der in der Hoffnung auf ihn Gestorbenen verbunden ist (30,lf.):168 (1) Und danach wird geschehen: Vollendet sich die Zeit der Erscheinung des Gesalbten und kehrt er dann in die Herrlichkeit zurück, dann werden alle jene auferstehen, die in der Hoffnung auf ihn eingeschlafen sind. (2) Und es wird dann zu jener Zeit geschehen, daß jene Schatzkammern geöffnet werden, in denen die bestimmte Zahl der Seelen der Gerechten aufbewahrt ist. Sie werden dann hinausgehen, und all die vielen Seelen werden nun zugleich erscheinen als eines Sinnes eine Schar. Die Ersten freuen sich, die Letzten aber sind nicht traurig.

Umstritten erweist sich in der Forschung die Bedeutung der Wendung „kehrt in (die) Herrlichkeit zurück" (V. 1), die zunächst zwei grundlegend unterschiedene Verständnisalternativen erlaubt: Es kann eine Rückkehr von der Erde in den Himmel169 („Herrlichkeit" wird lokal als Himmel verstanden) oder ein Kommen vom Himmel auf die Erde („Herrlichkeit" wird modal als Weise seines Auftretens erfaßt) gemeint sein.170 Gegen die zweite Verstehensmöglichkeit spricht, daß das Erscheinen des Gesalbten bereits in 29,3 geschildert wurde und die beiden in 30,1 formulierten Gedanken des (Endes des) Erscheinens des Gesalbten und der Wiederkehr in Herrlichkeit nicht identisch sind, da das syrische Verb ml' die Beendigung der Anwesenheit meint.171 Eine zur Lösung dieser Schwierigkeit dann notwendig anzunehmende zwischenzeitliche Abwesenheit des Gesalbten deutet der Text in keiner Weise an. So muß diese Interpretationsvariante ausscheiden. Eine spezielle 168 Übersetzung nach KLIJN, Baruch 142 (mit der terminologischen Variation: „Gesalbter" statt „Messias"; Hervorhebung im Original); vgl. ebd. 116f. die Hinweise zur Vorstellung der Auferstehung in der syrApkBar. 169

So RYSSEL, A p o k a l y p s e n 4 2 3 ; KLIJN, B a r u c h 142; STEMBERGER, L e i b 96; NLCKELSBURG, Literature 283. 170

Vgl. VIOLET, Apokalypsen 246. An eine Rückkehr zur Erde denkt KOCH, Messias 92, wozu er eine zwischenzeitliche Abwesenheit oder Entrückung des Messias postulieren muß; vgl. auch CHARLESWORTH, Messianology 29f.; OERS., From Jewish 246f.; im Anschluß LAATO, Star 367. Davon spricht der Text jedoch nirgends; vielmehr schildert er gerade irdische Gegebenheiten. Die unterschiedlichen Zukunftsbilder von Kapp. 29 und 30 stehen in der jetzigen Textgestalt in temporaler Folge zueinander, stellen also keinen Widerspruch, sondern eine logische Geschehensabfolge dar (gegen KOCH, ebd. 93). 171

Vgl. MÜLLER, M e s s i a s 143.

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Form dieser Variante bietet U.B. Müller,172 wenn er den Versteil „und er wird in Herrlichkeit zurückkehren" (30,1) als christliche Interpolation bewertet, die den Aspekt der Parusie Jesu Christi in den Text eintragen wollte. Die nötigen Voraussetzungen fur eine Interpolationshypothese liegen jedoch nicht vor: Zwischen den Aussagen von 29,3 und 30,1 besteht kein Widerspruch, da 29,3 den Herkunftsort des Gesalbten offen läßt; eine himmlische Endzeitgestalt ist nicht erst christlich denkbar, sondern begegnet bereits frühjüdisch im apokalyptischen Menschensohn (vgl. äthHen); die Vorstellung der Totenerweckung nach dem Auftreten des Gesalbten ist nicht singulär, wie 4 Esr 7,2832 zeigt. Damit muß der ganze Vers 30,1 als ursprünglicher Bestandteil des Textes betrachtet werden. Angesichts der Sachlage bleibt die erste Verständnisalternative, die eine Rückkehr des Gesalbten von der Erde in den Himmel annimmt, als wahrscheinliche Deutung. Der Einwand, die Herabkunft vom Himmel sei vorher nicht ausdrücklich ausgesagt, verfängt nicht, da diese Aussage in 29,3 keineswegs notwendig erscheint und durch 30,1 impliziert wird. Daß eine Rückkehr des Gesalbten in den Himmel im Judentum ohne Beispiel sei,173 schließt diese Denkmöglichkeit hier nicht aus; das auch anderweitig bezeugte Verständnis der messianischen Zeit als Zwischenperiode (vgl. 4 Esr) setzt in irgendeiner Weise das „Abtreten" des Gesalbten voraus, das der Autor der syrApkBar möglicherweise gegenüber dem Sterben des Gesalbten in 4 Esr 7,29 durch ein Weiterleben im Himmel abschwächt. Die messianische Zeit steht damit am Ende der geschichtlichen Zeit und leitet den Übergang zum neuen Aon ein, so daß sie qualitativ als Zwischenzeit fungiert. Das in 30,3 (vgl. schon antizipativ 29,8b) erreichte „Ende der Zeiten" beinhaltet den Anbruch des neuen Äons, der auf die in Auftreten und Rückkehr deutlich markierte messianische Zwischenzeit als Präsenzperiode des Gesalbten folgt.174 Möglicherweise setzt der Gedanke der Rückkehr des Gesalbten, die als Rückkehr an seinen ursprünglichen Herkunftsort im Himmel zu verstehen ist, die Präexistenz des Gesalbten implizit voraus.175 Er trägt damit die Konturen einer himmlischen Figur.176 Damit ist das Ende der Zeiten gekommen, das 172

MÜLLER, Messias 143f. - Vorsichtig gegenüber Interpolationsvorschlägen zu 30,1 zeigt sich dagegen KARRER, Gesalbte 309 Anm. 341. 173 Diese Einwände bringt MÜLLER, Messias 143 vor. 174 MÜLLER, Messias 144 zählt die Heilszeit von 29,3-8 schon zum neuen Äon. Dies ist unwahrscheinlich, wie das deutliche Ende der messianischen Zeit in 30,1 vor dem mit der Totenerweckung beginnenden neuen Äon (30,2f.) zeigt. 175 Zur Präexistenz eines Gesalbten vgl. äthHen 46,1; 48,3; 62,7; 4 Esr 12,32; 13,26. Das Vorliegen dieser Vorstellung erwägen KLIJN, Baruch 142 z.St.; KNIBB, Messianism 180; STUHLMACHER, Gottesknecht 137; CHESTER, Expectations 33f.; LAATO, Star 367. 176 So auch CHESTER, Expectations 34.

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den Untergang der Gottlosen beinhaltet (30,3-5). Der Gesalbte erfüllt in syrApkBar also eine zeitlich befristete Funktion177 in Verbindung mit einer Heilszeit auf Erden, ohne daß die genaue zeitliche Dauer seines Auftretens thematisiert wäre. Weder militärisch-herrscherliche noch richterliche Züge dieser Gestalt werden in der Darstellung tragend. Nach einer Mahnung Baruchs an Israel (31,1-34,1) erhält der Seher im Anschluß an eine Anrufung Gottes eine weitere Vision, die sich der Bildwelt von Bäumen, Quelle, Weinstock und Zeder bedient (35,1-37,1), und bittet um deren Deutung (38,1-4). Die Deutung bezieht sich auf vier Königreiche, die Zion unterdrückten und deren letztes die schlimmsten Folgen mit sich brachte (39,l-6). 178 Zur bestimmten Zeit tritt alsdann Gottes Gesalbter auf, der das die Welt beherrschende Reich, das vierte Weltreich, vernichten und seine messianische Herrschaft179 aufrichten wird (39,7). Der relevante Text 39,7-40,3 folgt auf die Schilderung der Mißstände während des vierten Reiches:180 (39,7) Und wenn die Zeit seiner Vollendung nahe ist, in der es zu Fall kommen wird, dann wird meines Gesalbten Herrschaft geoffenbart werden. Sie gleicht der Quelle und dem Weinstock. Und wenn sie offenbart worden ist, wird seine ganze große Schar sie vertilgen. (8) Und das, was du gesehen hast: die hohe Zeder, die übrig blieb von jenem Walde, und daß der Weinstock diese Worte mit ihr sprach, die du gehört hast, bedeutet dies: (40,1) Der letzte Herrscher, der alsdann lebendig übrigbleiben wird, wenn seine ganze Schar vernichtet ist, wird nun gebunden werden. Auf den Berg Zion wird man ihn wegführen, und mein Gesalbter wird ihn aller seiner Freveltaten zeihen. Er wird versammeln und ihm vorlegen alle Taten seiner Scharen. (2) Danach wird er ihn töten, den Rest meines Volkes indessen schützen, das sich an dem Ort befindet, den ich erwählt habe. (3) Ewig wird seine Herrschaft dauern, bis daß die Welt dieser Vergänglichkeit ein Ende finden wird und die vorhergesagten Zeiten sich vollenden.

Im Zuge der im Text genannten Herrschaft wird der letzte Weltherrscher auf den Zion gebracht und vom Gesalbten abgeurteilt, d.h. seiner Freveltaten überführt (40,1). Dann tötet ihn der Gesalbte, schützt jedoch den Rest des

177 Vgl. HAHN, E W N T III 1152; KLIJN, Baruch 117; DERS., Sources 74f.; SLEMBERGER, T R E XXII 623; DERS., Leib 96; KNIBB, Messianism 181; DE JONGE, T h W N T IX 506f.; MURPHY, Structure 108; SAYLER, Promises 60; CHARLESWORTH, Concept 200; WLLLETT,

Eschatology 116. 178 Zum Schema der vier Königreiche, auf die Gottes Herrschaft des Friedens und Heils folgt, vgl. Dan 2,31-45 und 7,2-8.17-27 sowie 4 Esr 11 und 12. 179 Der als zugrundeliegend zu rekonstruierende hebräische Text liest ΝΓΪΈΠ (Anfangszeit), was RYSSEL, Apokalypsen 425 z.St. durch ΠΠ132Π (seine Herrschaft) emendiert; die Lesart „Herrschaft" bietet auch KLIJN, Baruch 146f. Vgl. auch CHARLESWORTH, From Jewish 247. Dagegen KOCH, Messias 94, der das Nomen „Anfangszeit" als ursprünglichen Text versteht. 180 Übersetzung von KLIJN, Baruch 146f.

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Gottesvolkes (40,2). Diese Herrschaft181 des Gesalbten wird bis zur Vollendung der Zeiten und dem Ende der Welt Bestand haben (40,3).182 Dabei wird der Gesalbte mit kämpferischen Zügen charakterisiert, er setzt sich mit Mitteln der Gewalt durch.183 Der Gesalbte begegnet in dieser Passage in erster Linie als herrscherliche Gestalt, die die Feinde des vierten Weltreiches gewaltsam vernichtet184 und in der Überfuhrung der Freveltaten des Weltherrschers mit anschließender Tötung auch eine richterliche Aufgabe wahrnimmt. Zur Gerichtsaufgabe tritt das Heilshandeln am Rest Israels, was strukturell an 4 Esr 13 erinnert. Grundzüge der traditionellen herrscherlichen Gesalbtenerwartung werden sichtbar,185 wobei sich dieser Vorstellungsstrang mit dem des apokalyptischen himmlischen Endzeitrichters, der in anderen apokalyptischen Schriften der Zeit gern als Menschensohn bezeichnet wird, verbindet. Der hier (39,7-40,3) in seiner endzeitlichen Funktion geschilderte Gesalbte ist als zentrale Endzeitgestalt mit dem Gesalbten aus 29,3-30,1 identisch,186 worauf schon die Anwendung des gleichen Titels verweist. Der in 29,3-30,1 betonte Aspekt der Heilszeit wird in 40,2f. aufgegriffen, dazu tritt hier das der Heilszeit voraufgehende Gerichtshandeln. In zwei unterschiedlichen Visionen 181 Sollte anstelle von „Herrschaft" in 39,7 vom „Anfang" bzw. der „Anfangszeit" des Gesalbten gesprochen sein, kann sich dies auf das eschatologische Geschehen als ganzes beziehen, bei dem die messianische Heilszeit den Anfang bildet, bevor Gott selbst endgültig das neue Zeitalter aufrichtet. - Anders aber KOCH, Messias 93f., der eher an die atl Redeweise (vgl. Jer 26,1) von einem „Anfangsjahr" eines Königs vor der endgültigen Thronbesteigung und Herrschaft als Hintergrund denkt. Will man diese Vorstellung heranziehen, könnte auch die messianische Zeit als „Anfangsjahr" der endgültigen Herrschaftsaufrichtung Jahwes verstanden werden. 182 Die Angabe der „ewigen" Dauer zu Beginn von V. 3 und die zeitliche Begrenzung im zweiten Versteil brauchen nicht als Widersprüche verstanden werden, denn die semitische Bedeutung von „ewig" denotiert einen länger dauernden Zeitraum innerhalb des Geschichtskontinuums; dann erfolgt der Beginn einer neuen Welt. Vgl. auch MURPHY, Structure 21. Die begrenzte Zeitdauer des Auftretens sieht auch KLIJN, Syriac Apocalypse 204. - Vom Gesichtspunkt des „Offenbarens" her an die Präexistenz des Gesalbten zu denken, wie dies LAATO, Star 368 tut, überfrachtet die Textaussage. 183 Vgl. syrApkBar 72,2; Jes 11,4 LXX (wobei der König die Gewalt hier durch das machtvolle Wort seines Mundes ausübt); äthHen 46,3-6; 62,2 (wo die Rede des Mundes des Messias die Sünder tötet); PsSal 17,22-25.30 (teils mittels seines Wortes; vgl. 17,24); Sib 5,108f. (wo vom „König" gesprochen ist); TargPsJon Gen 49,11; FrTarg Gen 49,11; Targum Jes 10,27; 4Q285 Fr. 5. 184 Den Aspekt des siegreichen Kriegers, der die Feinde vernichtet, hebt CHESTER, Expectations 33 als Charakteristik des Gesalbten-Bildes der syrApkBar hervor. Vgl. auch CHARLESWORTH, Concept 202; LAATO, Star 268. ' 85 MÜLLER, Messias 141 sieht „das alte Messiasbild von PsSal 17" als beherrschend, also die „alte irdisch-nationale Messiaserwartung", die nur durch das Schema der zwei Äonen variiert ist. 186 Gegen KOCH, Heilandserwartungen 125f.

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und Deutungen gibt der Verfasser der syrApkBar also in jeweils neuem Anlauf sein Bild der Endzeit zu erkennen, wobei sich Vorstellungen und Einzelzüge mischen und ergänzen. Die Vielfalt der apokalyptischen Bilder und Gedanken vermag - pragmatisch betrachtet - die Rezipienten des Textes zu fesseln und anzuleiten, sich emotional und rational in die Welt des Apokalyptikers hineinzuversetzen. Nach Gesprächen Baruchs mit Gott und dem Volk (41,1-48,50) befragt Baruch Gott über die körperliche Gestalt der Menschen nach dem Eintreffen des Tages Gottes (49,1-3). Die Antwort bezieht sich auf die endzeitliche Auferstehung der Toten, die in genau der Gestalt, die ihnen zum Zeitpunkt des Todes eigen war, wiedererstehen werden (50,1-4), um Gottes Gericht zu erfahren: Die Schuldigen und Frevler werden bestraft, die Gerechten und Gesetzestreuen erlangen Anteil an Gottes himmlischer Welt, am Paradies (51). Nach einer Antwort Baruchs (52) schaut dieser ein weiteres Gesicht. Die nun erfolgende Vision über eine Wolke voll schwarzen und weißen Wassers, das in zwölf Perioden auf die Erde regnet, und einen danach herrschenden Blitzstrahl (53) kann allein von der verwendeten Bildwelt her nicht eindeutig auf eine Endzeitgestalt bezogen werden und erlangt erst durch das explizit terminologisierte Auftreten eines „Gesalbten" in der Deutung (70,9) die fundierte Berechtigung zu messianischer Interpretation.187 Die so erschlossene Identifizierung des Blitzes als „Gesalbter" zeigt diesen in verschiedenen Eigenschaften und Funktionen: Er greift die Feindesmacht schlagartig an (V. 8), erfüllt also eine kriegerische Aufgabe; er besitzt eine machtvolle Erscheinung (VV. 8f.)188 und übt eine universale („über die ganze Erde") Herrschaftsfunktion aus (VV. 9f.); unverkennbar zeichnet sich eine nationale Ausrichtung der Gestalt in der Zwölfzahl der untergeordneten Ströme ab, die den zwölf Stämmen Israels entsprechen (V. 11). Zentrale Themen der könig187

Dessen ungeachtet setzt U.B. MÜLLER, Messias 138 die Identifizierung des Blitzes als Messias für die zugrundeliegende Tradition voraus. Zu Aufbau, Traditionsgrundlage, Verwandtschaft mit 4 Esr, Differenzen zur Auslegung (Kapp. 70-74) und Messiasvorstellungen dieser Vision vgl. ebd. 134-139; es liege in der Verbindung universaler und nationaler Aussagen „eine Kontamination von Messias- und Menschensohnvorstellung" vor. Letzterer Behauptung gegenüber gilt Vorsicht, denn einschlägige Titel fehlen völlig, so daß lediglich nicht immer eindeutig zuzuordnende motivliche Assoziationen begegnen; die Deutung nennt dann nur einen „Gesalbten". THEISOHN, Richter 147 bezeichnet Müllers Urteil als „bloße Spekulation" und argumentiert 147f. dagegen. K. MÜLLER, Menschensohn 307 sieht ebenfalls bereits in der ursprünglichen Bildwelt den Messias (vgl. PsSal 17) angesprochen; auch er erkennt eine grundlegende Messiasvorstellung mit Elementen der Menschensohn-Tradition angereichert (308f.). 188

Vgl. die Anklänge an das atl Theophaniemotiv „Blitz", z.B. in Ps 77,19 und 97,4. MÜLLER, Menschensohn 308 deutet den Hinweis auf den „oberen Rand der Wolke" als Herkunftsort des Blitzes (V. 8) auf dessen himmlische Herkunft.

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liehen Gesalbtenerwartung liegen vor, auch wenn die Bildsprache keinen „Gesalbten"-Titel artikuliert. - Die Vision in Kap. 53 erhält ihre nicht sklavisch als Ausdeutung von Einzelelementen der Vision praktizierte Interpretation im Blick auf verschiedene Epochen der Geschichte Israels, die nach den Kriterien von Bundestreue, Beobachtung der Tora und Verhältnis zum Zion189 als Heils- bzw. Unheilszeiten qualifiziert werden (56-68) und die in eine Zeit höchsten Unheils münden (69f.). Wer all den damit verbundenen Schrecken entgeht, fällt in die Hände des „Gesalbten", der hier als „Knecht"190 Gottes eingeführt und somit als in einem speziellen Dienstverhältnis zu Gott stehend ausgezeichnet wird (70,9f.):191 (70,9) Und jeder, der sich rettet und allen diesen hier vorhergesagten Dingen dann entkommt - mag er nun Sieger oder Unterlegener sein - sie alle fallen in die Hände meines Knechtes, des Gesalbten.

Vor dem Wirken des Gesalbten finden nur die Bewohner des heiligen Landes Schutz (71,1). Nach dem Erscheinen von Wunderzeichen richtet der Gesalbte die Völker gemäß ihrer Stellung zum Volk Israel (72), wie 72,2-6 formuliert:192 (2) Nachdem die Wunderzeichen, von denen dir zuvor gesagt ist, gekommen sind, wenn die Nationen aufgewiegelt werden und wenn die Zeit meines Gesalbten naht, da wird er alle Völker rufen. Die einen läßt er leben, die andern aber wird er töten. (3) Und solche Dinge werden dann die Völker treffen, die noch durch ihn am Leben sind: (4) Ein jedes Volk, das Israel nicht kannte und das den Samen Jakobs nicht zertreten hat, wird leben. (5) Und zwar, weil sie aus allen Völkern sich deinem Volke unterwerfen. (6) Doch alle, die herrschten über euch und euch gekannt haben - alle diese sollen dann dem Schwert verfallen.

Der Gesalbte nimmt an dieser Stelle eine Gerichtsfunktion wahr und agiert als Herrscher über die Völker, die sich nicht gegen Gottes erwähltes Volk stellten und sich diesem nun unterordnen; eine Heilsmöglichkeit der Völker, die - so das entscheidende Kriterium - Israel freundlich gesinnt waren, unter der Führung Israels räumt die syrApkBar ein.193 Das in 72,6 artikulierte Motiv 189

Dazu NICKELSBURG, Literature 285. In Apg 4,27 wird Jesus als „Knecht" (παις) bezeichnet, den Gott salbte (Verb χρίω). Vgl. auch 4 Esr 7,28f. Zum Knecht Gottes vgl. Jes 41,9; 42,1.19; 43,10; 44,21; 49,3; 50,10; 52,13; 53,11; ferner Apg 3,13.26; 4,27.30. Die nach Deuterojesaja dem Gottesknecht zugeschriebenen Leidensaussagen werden in syrApkBar freilich nicht rezipiert, worauf KARRER, Gesalbte 305 hinweist. 191 Übersetzung von KLIJN, Baruch 170. 192 Übersetzung von KLIJN, Baruch 170f. 193 Zur Herrschaft über die Völker vgl. auch äthHen 90,30; PsSal 17,32; 4 Esr 13,37f.49 (endzeitlicher Gesalbter); Ps 72,11.17 (König Israels); Jes 14,2 (Israel); Jes 66,19-21; Sach 14 (Gott). 190

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des Schwertes läßt eine ausgesprochen kriegerische Funktion des Gesalbten in direkter Weise unter Nennung eines typisch menschlichen Kampfinstrumentes erkennen.194 Der Endkampf bildet den Auftakt für die messianische Zeit, der das Gericht des Gesalbten über die gottlosen Völker vorausgeht."5 Alsdann regiert der Gesalbte vom Thron seiner Königsherrschaft aus in Frieden die Welt, wie 73,1 verheißt (vgl. 53,9f. innerhalb der Vision):196 (73,1) Und einst wird es geschehen, wenn er alles erniedrigt hat, was in der Welt besteht, und sich gesetzt auf seiner Königsherrschaft Thron in ewigem Frieden, daß Freude dann geoffenbart und Ruhe erscheinen wird.

Ohne Zweifel ist im Textduktus weiter der Gesalbte gemeint, der das Gericht nun bereits vollzogen hat und dessen Thronbesteigung eine Heilszeit initiiert und garantiert.197 Der explizite Hinweis auf seine Königsherrschaft läßt die königliche Gesalbtenerwartung im Hintergrund erkennen. In diesen Bereich fügt sich der Thron als zentrales Signum der Herrschaft. Wiederum muß dieser Gesalbte als mit den beiden bereits geschilderten Gesalbtenfiguren identisch verstanden werden, so daß die hier breit erzählte Vision mit Deutung eine erneute Variation des für die syrApkBar zentralen Endzeitthemas bedeutet.198 An identischen Motiven begegnen Gerichtsfunktion, Herrschaftsausübung und damit verbunden die Heilszeit für Israel. Der folgende Abschnitt zeigt nämlich, daß die Herrschaft des Gesalbten eine paradiesische Heilszeit beinhaltet, was sich in Gesundheit, Freude, Ruhe vor Lastern, 194 Die Benutzung des Schwertes bringt den kriegerischen Aspekt sprachlich direkter zum Ausdruck, als das in PsSal 17 oder 4 Esr 13 geschieht. Gegen CHARLESWORTH, From Jewish 247 muß aber festgehalten werden, daß darin kein inhaltlicher Kontrast besteht. Zur kriegerischen Funktion auch CHESTER, Expectations 33; CHARLESWORTH, Concept 202; LAATO, Star 368. 195 Zum messianischen Endkampf und Gericht vgl. WLLLETT, Eschatology 118f. 196 Übersetzung von KLIJN, Baruch 171. 197 Von einer Heilszeit ohne Zutun des Messias sollte nicht gesprochen werden; so jedoch MÜLLER, Messias 141; er mißt ebd. 140 der messianischen Gestalt nur bescheidene Bedeutung bei, sie bilde „nur ein Glied unter vielen Ereignissen der herrlichen Zeit" (Hervorhebung von mir). 198 Eine zweistufige Messiaserwartung in der syrApkBar arbeitet KOCH, Messias 91-97 heraus und begründet sie traditionsgeschichtlich mit der Aufnahme zweier differierender Erwartungen, einer Menschensohn- und einer Messiastradition, die er in einer „Personalunion" (91.97) in der einen Gestalt des Messias verbindet; vgl. zu zwei Messiasgestalten DERS., Heilandserwartungen 125f. Da keinerlei Menschensohn-Terminologie begegnet, muß diese Annahme hypothetisch bleiben. Eine solche Verbindung von herrscherlicher Gesalbten-Erwartung und apokalyptischer richterlicher Menschensohn-Tradition in einer Person begegnet in apokalyptischen Endzeiterwartungen häufig. Die syrApkBar kennt eine messianische Gestalt in aufeinanderfolgenden, gleichgerichteten Visionen: die einzelnen Bilderfolgen lassen sich als verschieden ins Bild gefaßte Variationen des einen großen endzeitlichen Geschehens erfassen.

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Freundschaft der Menschen mit wilden Tieren und schmerzlosem Gebären sowie im mühelosen Wachsen der Ernte manifestiert (73,2-7; 74,l). 199 In der Rede vom Thron des Gesalbten in 73,1 kann eine sachliche Verbindung zum Thron Gottes gesehen werden, den die syrApkBar mehrfach erwähnt (21,6; 46,4; 54,13; 59,3): Inmitten von Engelheeren (21,6) regiert Gott auf seinem Thron in Weisheit (54,13), wobei er auch Wundertaten vollbringt (54,1 lf.). In Allmacht herrscht Gott über Himmel und Erde. An dieser Regentschaft hat der Gesalbte offenbar zu seiner Zeit und an dem ihm übertragenen Ort, der Erde, teil und empfängt von daher seine Vollmacht, so daß seine Herrschaft in einem Partizipationsverhältnis zur umfassenden göttlichen Herrschaft steht. Der Gesalbte übernimmt dabei die Funktionen des endzeitlichen Richters und Herrschers über ein Reich des Friedens und Heils;200 das Gericht fuhrt er mit dem „Schwert" (72,6), also mit militärischer Gewalt durch. Sehr deutlich tritt hier zur richterlichen Aufgabe die Tradition des Gesalbten, des herrscherlichen Königs über ein endzeitliches Friedensreich für Israel, der als Repräsentant Gottes von diesem ermächtigt agiert. Bei dieser messianischen Heilszeit handelt es sich um eine Zwischenzeit, die am Ende des Vergänglichen und am Beginn des Unvergänglichen steht (74,2).201 Das rechte Verhalten in der gegenwärtigen Zeit besteht für den Autor der syrApkBar in der Beobachtung des Gesetzes,202 wozu das Buch ermuntern 199 Damit sind die herrschenden Unheilsverhältnisse im Bereich der Schöpfung seit der Sünde Adams umgekehrt in eine Heilszeit, die die uranfangliche Paradieseszeit spiegelt. Dazu auch SAYLER, Promises 71; NICKELSBURG, Literature 286. Zum atl Hintergrund der Schilderung paradiesischer Zustände vgl. Jes 11,6-9. 200 OEGEMA, Gesalbte 222 hebt Kriegs- und Richter-Funktionen des Gesalbten hervor, ohne den kriegerischen Akzent in der königlichen Gesalbtentradition verankert zu sehen, wohl da er unerklärlicherweise seine Untersuchung mit Kap. 72 beendet und das korrelierte Kap. 73 nicht einbezieht. Zu den Aspekten von Teilhabe am Endgericht und Aufrichtung einer messianischen Heilszeit vgl. auch CHESTER, Expectations 33f. Die aktive Tätigkeit des Gesalbten in Kapp. 39-42 und 72-74 betont CHARLESWORTH, Concept 201 (anders als in Kap. 30). Zu kriegerischem Charakter und richterlicher Funktion auch KLIJN, 2 Baruch 618. 201 Eine eindeutige Zuordnung zum alten oder neuen Äon läßt der Text wohl bewußt offen. Gegen MÜLLER, Messias 141f., der die Heilszeit von Kapp. 72-74 schon dem neuen Äon zuordnet. - Nach BOGAERT, Apocalypse I 425 wird die Messiaserwartung einer stärker personalen Eschatologie untergeordnet, bei der persönliche Auferweckung und Gericht im Vordergrund stehen. Auch KLIJN, Sources 74f. versteht die messianische Herrschaft lediglich als einen Schritt zur Verwirklichung der unvergänglichen Welt; daher gehört sie noch in den Bereich dieser Welt und muß zum Ende kommen, damit die neue Welt entstehen kann. Zum Übergangscharakter vgl. auch MURPHY, Structure 108; STEMBERGER, Leib 96. KLIJN, 2 Baruch 619 hebt die Erwartung des Gerichts Gottes hervor, so daß kein eigentlich messianisches Reich auf Erden entstehe. 202 Vgl. besonders deutlich syrApkBar 77,15f.; auch 15,5; 19,3; 32,1; 38,4; 41,3f.; 44,3.7.14; 46,3-5; 48,22.24.27.38.40.47; 51,3f.7; 54,5.14; 57,2; 59,2; 66,5; 77,3f.; 84,2.5.8f.; 85,3.

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will. Insgesamt ist nicht zu übersehen, daß im traditionsgeschichtlichen Prozeß der Entfaltung apokalyptischen Denkens auch in der syrApkBar Elemente der königlichen Gesalbtenerwartung in das apokalyptische Modell integriert wurden.

8.4 Die Offenbarung des Johannes Vom wahrscheinlichen zeitlichen Ansatz gegen Ende des 1. Jh. n.Chr. her203 gehört auch die frühchristliche Offb, die die einzige im ganzen als solche klassifizierbare apokalyptische Schrift des Christentums im 1. Jh. darstellt, in den fur meine Untersuchung relevanten Zeit- und Kulturraum. Sie bedient sich einer in der Literatur der jüdischen Umwelt geprägten Sprache und Bildwelt, um in der gesellschaftlich bedingten Krisensituation des frühen Christentums am Ausgang des 1. Jh. Sinnhaftigkeit und Heilsvermögen des christlichen Glaubens zu verdeutlichen und zu bestärken.204 Im Rahmen einer christlich interpretierten apokalyptischen Vorstellungswelt spricht die Offb vom χριστό? in herrscherlicher Funktion, wobei die Identifizierung mit dem Dazu auch K.LIJN, Baruch 107.115f.; zum Spannungsverhältnis Gesetz - messianisches Reich ebd. 117; zum Gesetz als Zentralfokus von syrApkBar DERS., 2 Baruch 618f.; NICKELSBURG, Literature 281.284.286. Nach MURPHY, Structure 117-133 versteht der Autor der syrApkBar den Gesetzesgehorsam auf der Basis des Bundes Gottes mit seinem Volk, wobei er Baruch mit Mose parallelisiert und das Buch Dtn im Hinblick auf den eschatologischen Eintritt in die neue Welt (vgl. 133) interpretiert. Für SAYLER, Promises 79-85 ist die Führung Israels weiterhin durch die Tora gewährleistet. 203 Die Offb dürfte während der Zeit der domitianischen Verfolgung 95/96 n.Chr. entstanden sein; so HAHN, Apokalyptik 126; GIESEN, Offb 41 f.; MÜLLER, Offb 41 f.; ROLOFF, Offb 17-19. - Die Problematik der Rekonstruktion zugrundeliegender jüdischer Tradition behandelt MÜLLER, Messias 157-167 (Fazit 214-216), indem er die Christologie des Autors der Offb (v.a. Lammes-Christologie) zum unterscheidenden Kriterium erhebt; er rekonstruiert 167 folgende Differenzen der Texte: Ein Teil der Texte spricht vom gegenwärtigen Heil, das von Christus (das „Lamm") für die Gemeinde durch sein Blut erkauft wurde (christliche Redaktion), ein anderer Teil schildert die zukünftige Bekämpfung und Vernichtung der Völker und der Mächtigen der Erde durch den „Messias" (jüdische Tradition). Zu beachten bleibt aber die Tatsache, daß sich die theologische Position des Autors ebenso an übernommener Tradition (die er ja bewußt aufgreift) wie an redaktionellen Passagen zeigen kann. Später gewährt MÜLLER (Offb 38-40) der Einheitlichkeit des Werkes größeres Gewicht. Zur Einheitlichkeit der Gesamtschrift und der partiellen Verarbeitung von Traditionen auch ROLOFF, Offb 21 f. 204

Dazu auch GIESEN, Offb 13. - ROLOFF, Offb 13-16 klassifiziert die Offb als „ein prophetisches Schreiben, das zahlreiche apokalyptische Motive und Stilelemente enthält, dessen Form aber vorwiegend durch den Zweck brieflicher Kommunikation geprägt ist" (16).

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lebendigen und wiederkommenden Jesus charakteristisch ist. Zwei konträre Herrschaften stehen einander endzeitlich gegenüber, wenn die Gott repräsentierende Herrschaft des Christus schließlich über die widergöttliche Macht siegt. Die geprägte christliche Ausdrucksweise ' Ιησούς Χριστός in Offb 1,1.2.5,205 deren titulare Verwendung bereits den Charakter eines Eigennamens trägt, ohne daß damit die ursprüngliche Bedeutung des Titels „Gesalbter" verloren wäre,206 benennt im Kontext von Kap. 1 Jesus als Offenbarungsträger und Herrscher über die (feindlichen)207 Könige der Erde (1,5: ό άρχων των βασιλέων της γης·), worin eine Herrschaftsfunktion programmatisch formuliert ist. Es besteht dabei ein Zusammenhang zu Tod und Auferstehung Jesu als Heilsereignis (l,5f.). Die Verbindung des Namens „Jesus" mit dem Titel „Christos" erweist sich bereits als so fest, daß das Syntagma die Einzigkeit Jesu als Gesalbter denotiert. Daneben begegnet die absolute Prädikation ό χριστό? - womit selbstredend Jesus zu identifizieren ist - in engerer Anlehnung an die jüdisch-apokalyptische Tradition vom Gesalbten als Zentralgestalt der eschatologischen Heilsherrschaft Gottes.208 Konkrete Einzeleinflüsse einer königlichen Gesalbtenerwartung, wie sie von der xpLaTÔç-Terminologie her bereits zu vermuten sind, lassen sich an Texten der Offb aufweisen. Eine über diesen Nachweis hinausgehende Untersuchung der Texte beabsichtigt der folgende Überblick nicht. Offb 5,1-5 beschreibt in der Hand des thronenden Gottes ein „Buch mit sieben Siegeln", das niemand zu öffnen vermag außer einer eschatologischen Gestalt, die als „Löwe aus dem Stamm Juda" (ό λέων ό έκ της φυλής Ιούδα) und „Sproß Davids" (ή ρίζα Δαυίδ) bezeichnet ist (V. 5). Den Rahmen für die erzählte Himmelsszene bildet die traditionelle Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes und dem ihn umgebenden himmlischen Hofstaat, zu dessen Mitgliedern Älteste und Engel zählen (vgl. 4,2-11).209 Die genannte Gestalt wird an-

205

Hinzu treten die variae lectiones zu 1,9 und 22,21. GIESEN, Offb 56 betont, daß die Wendung „Jesus Christus" nicht zum bloßen Namen verblaßt und „Christus" so als „Gesalbter" zu übersetzen ist. MÜLLER, Offb 55 versteht die Christus-Bezeichnung in l , l f . 5 bereits als Namensbestandteil, doch wird in 11,15; 12,10; 20,4.6 der atl-jüdische Titel „Gesalbter" aufgegriffen. 207 Vgl. Ps 2,2; Offb 6,15; 17,2.18; 18,3.9; 19,19; 21,24. Dazu GIESEN, Offb 77; MÜLLER, Offb 74. ROLOFF, Offb 33 versteht diese Könige nicht nur als politische Herrscher, sondern auch als die dahinterstehenden dämonischen Mächte. - Zur Herrschaftsfunktion Christi über die Könige vgl. auch Offb 17,14 und 19,16. 208 So Offb 11,15; 12,10; 20,4.6. Dazu auch HAHN, EWNT III 1164; GIESEN, Offb 56; 206

MÜLLER, O f f b 5 5 . 209

Zum Schema des himmlischen Hofstaates Gottes, das z.B. 1 Kön 22,19-22 und Jes 6 zugrundeliegt, vgl. GIESEN, Offb 159f.; MÜLLER, Offb 154f.; ROLOFF, Offb 72f. Eine himmlische Inthronisation Christi erzählt der Text nicht, so MÜLLER, Offb 15 lf.

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schließend mit dem Lamm210 identifiziert, das würdig ist, die Siegel zu öffnen, da es mit seiner Schlachtung eine universale Heilsfunktion erfüllte und Menschen aller Völker in eine neue, unmittelbare Beziehung zu Gott setzte (im Bild: Menschen für Gott zur Königsherrschaft und zu Priestern, die auf der Erde herrschen werden, bestellte; V. 10) (5,6-14). Die Übergabe des Buches an das Lamm (VV. 7f.) bedeutet die endzeitliche Herrschaftsübertragung durch Gott.211 Die Doxologien in VV. 12-14 weisen auf gottgleiche, göttliche Stellung und allmächtige Herrschaft. Wenn in V. 13 der thronende Gott und das Lamm in gleicher Weise zum Gegenstand des Lobes werden, wird die Einordnung der königlichen Macht des Lammes in die Königsherrschaft212 Gottes sichtbar und damit ein Partizipationsverhältnis, das aus den königlichen Gesalbtentraditionen bekannt ist; dazu fugt sich die unmittelbare Beziehung des Lammes zum göttlichen Thron in V. 6. Das Bild des Löwen für den Stamm Juda verdankt sich Gen 49,9 und wird in 4 Esr 12,31 f. auf den Gesalbten aus dem Geschlecht Davids gedeutet; die Rede vom Sproß Davids greift auf atl Sprachgebrauch in Jer 23,5; 33,14-17 und Jes 11,1.10 LXX zurück und findet in einigen Qumran-Schriften zur Titulierung eines herrscherlichen Gesalbten als Nachkommen Davids Verwendung.213 Die eingesetzten Bilder erinnern an die in der Umwelt bezeugte davidisch-königliche Gesalbtentradition, in deren Rahmen sich die angesprochene Heilsfunktion der so bezeichneten Gestalt fügt. Neu hinzu tritt das genuin christliche Element des auf den Kreuzestod zu beziehenden „Geschlachtetwerdens" als Ursache des Heils, was im Gegenzug zur siegreichen214 gewaltsamen (militärischen) Durchsetzung des endzeitlichen Davididen von der Interpretation des Todes Jesu her spezifische Akzente setzt. Die in beiden Vorstellungswelten den Skopus bildende siegreiche Überwindung feindlicher Mächte wird in Offb 5 nicht mit militärischen Mitteln, sondern durch Hingabe des Lebens seitens des Lammes erreicht. 210

Zu Herleitung und Bedeutung des Titels „Lamm" in der Offb vgl. GIESEN, Offb 164-

1 6 7 ; MÜLLER, O f f b 1 6 0 - 1 6 2 ; ROLOFF, O f f b 7 5 f . 211

Vgl. ROLOFF, Offb 74f.76. Der Gedanke der Königsherrschaft Gottes steht innerhalb der verwendeten Bildwelt als Grund und Ursache des ganzen Geschehens im Vordergrund. Darin ist auch Gottes Schöpfungswerk eingeordnet, das ROLOFF, Offb 78 mit dem Heilswerk des Lammes zusammenordnet. Die Heilsherrschaft des Lammes erscheint wesentlich als Anteil an Gottes heilwollendem Königsein. 213 4Q161 Fr. 8-10, 18; 4Q174 III 11; 4Q252 V 3f.; 4Q285 Fr. 5. Vgl. TestJud 24,5; Rom 15,12. Die κέρατα έπτά in Offb 5,6 können ebenfalls dem königlichen Bildbereich zugehören, wenn das „Horn" als Symbol königlicher Macht fungiert; so MÜLLER, Messias 165; DERS., Offb 156; GIESEN, Offb 168. - Die Tradition von der davidischen Abstammung des Gesalbten findet sich auch in der Rede vom „Schlüssel Davids" in Offb 3,7. 214 Zum Motiv des „Siegens" (Verb νικάω) vgl. DE JONGE, Use 93f. 212

Apokalyptische Variationen

Die zum Abschluß der Offb durch einen Engel vermittelten Worte Jesu bedienen sich in 22,16 sehr ähnlicher Terminologie zur Bezeichnung der Bedeutung Jesu, wenn das als solches deklarierte Jesus-Wort ergeht: „ich bin der Sproß und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern" (έγώ είμι ή ρίζα και το γένος· Δαυίδ, ό άστήρ ό λαμπρό? ό πρωινός). Neben der Anspielung auf den Sproß mag der „Stern" Assoziationen an Num 24,17 wecken,215 so daß wiederum die davidisch-königliche Gesalbtenlinie im Hintergrund steht, in die Jesus, freilich als bereits irdisch manifeste Existenz und endzeitlich überbietend als Ziel und Erfüllung, eingeordnet wird. Entsprechend erwartet 22,20 das baldige Kommen bzw. die heilvolle Gegenwart Jesu.216 Der Kontext nennt zuvor (22,12-15) die Gerichtstätigkeit des kommenden Jesus, was sich durchaus im Rahmen der apokalyptischen Darstellung einer zentralen Endzeitgestalt bewegt. Die in Offb 12,l-6217 gebotene Bilderrede von der Frau, die ein Kind gebärt, enthält ebenfalls königliche Elemente. Die narrativ zugrundeliegende Antithetik des Kindes zum Drachen als dämonischem Exponenten der gottfeindlichen Weltmacht bietet einen Ansatz für ein messianisches Verständnis des Kindes, das in 12,5 als υιό? άρσεν und τέκνον bezeichnet ist. Die Frage nach dem wahren Inhaber der endzeitlichen Herrschaft über die Erde prägt Diktion und Inhalt der Passage 12,1-6. Bereits in V. 1 wird die Frau mit einem königliche Würde signalisierenden Kranz (στέφανος) aus zwölf Sternen auf ihrem Haupt geschildert; auch der Drache trägt in V. 3 im Gegenbild sieben Kronen (διαδήματα). Dem Kind wird in V. 5 die Aufgabe zugesprochen, in Zukunft alle Völker zu weiden έν ράβδω σιδηρά, wobei der „eiserne Stab" als Herrschaftssymbol verstanden werden muß; die darin enthaltene Anspielung auf Ps 2,9 fördert eine messianische Deutung der Gestalt des Kindes,218 215

Vgl. CD VII 18-21; lQSb V 27; 4Q175 9-13; TestLev 18,3. - GIESEN, Offb 490 denkt zusätzlich beim Motiv des „Morgensterns" an die mythologisch Sieg und Herrschaft verleihende Venus, die in römischer Zeit im Symbol des Morgensterns begegnet; das Bild fand in der römischen Kaiserpropaganda des Hofautors Statius Anwendung auf Domitian. Dieses negative Gegenbild findet seine positive Identifizierung in Christus, der als wahrer Gesalbter Gottes eigentlich Herrschender und Heilbringer ist. Dazu ferner MÜLLER, Offb 371. 216 Zum „Kommen" Jesu, das Beistand für die Gemeinde und Parusie umfaßt, vgl. GIESEN, Offb 493-496. An das endzeitliche Kommen Jesu denkt MÜLLER, Offb 372 (vgl. Offb 22,7.12). 2,7 Eine jüdische Vorlage für Offb 12 arbeitet MÜLLER, Messias 171-189 heraus. Eine einheitliche Szenerie, die gewisse Unstimmigkeiten der Bildebene in Kauf nimmt, zeigt GIESEN, Offb 276. Die Gestaltung des Verfassers hebt ROLOFF, Offb 124 heraus. 218 Vgl. MÜLLER, Messias 181, der die Gestalt der Frau entsprechend als Symbol Israels versteht (vgl. 4 Esr 9f.); so auch DERS., Offb 228-231.233; GIESEN, Offb 276f. Anders deutet ROLOFF, Offb 124f.l26 die Frau auf die Kirche als auf Erden existierende endzeitliche Heilsgemeinde. Das Geburtsmotiv läßt sich damit schwerlich in Einklang bringen. Die Wen-

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

die als Träger der endzeitlichen universalen Herrschaft die königliche Gesalbtenerwartung im Hintergrund erkennen läßt. Die Zielangabe der Entrükkung des Kindes προς τον θεόν και προ? τον θρόνον αύτοϋ („zu Gott und zu seinem Thron"; V. 5) evoziert den Gedanken der besonderen Nähe Gottes speziell hinsichtlich einer Herrschafts- und Gerichtsfunktion. Damit erscheint das Kind als apokalyptischer himmlischer Gesalbter, wobei auch Einfluß der Menschensohn-Tradition im Blick auf die Korrelation von Menschensohn und Thron Gottes in äthHen 51,3 und 62,2 angenommen werden darf.219 Angedeutet begegnet in der Entrückung nach der Geburt das Motiv der Verborgenheit des Gesalbten, der während der gegenwärtig erfahrenen Zeit der Drangsal - pragmatisch betrachtet als Hoffnungszeichen - bereits verborgen existiert.220 Insgesamt sind zahlreiche königliche Elemente sichtbar, so daß die eschatologische Königsherrschaft des Kindes zum zentral verhandelten Thema des Textes wird. In Offb 11,15 und 12,10 ist von der eschatologischen Herrschaft Gottes und seines Gesalbten (του χριστού αύτοϋ) die Rede, wobei der Duktus der jeweils kontextgebenden Doxologie die grundlegende Herrschaft Gottes und die Teilhabe seines Gesalbten daran erkennen läßt. Explizit besingt der himmlische Ruf nach dem Erschallen der siebten Posaune in 11,15-19 die Allherrschaft und das Königsein Gottes, die sich im Gerichtshandeln und der als Theophanie geschilderten Offenbarung der himmlischen Herrlichkeit Gottes erweisen werden (VV. 18f.). Während in 12,10 mit Gott σωτηρία, δύναμις· und βασιλεία verbunden sind, wird parallel dazu dem χριστό? Gottes die Eigenschaft der εξουσία zugeschrieben; nicht nur die Zahl der jeweils korrelierten Substantive weist Gottes Überordnung aus, sondern auch der im Begriff εξουσία zu hörende Gedanke der göttlichen Bevollmächtigung des Gesalbten. Die göttliche Herrschaft erweist hier ihre entscheidende Durchsetzung im „Hinauswurf ' 2 2 1 des Widersachers, des κατήγωρ der christlichen Gemeinde. Die Formulierung mittels des auf Gott bezogenen Genitivattributs αυτοί) zeigt den Gebrauch von χριστός als Titel und bietet einen Anklang an dung aus Ps 2,9 ist in PsSal 17,24 auf den königlichen Gesalbten angewandt; vgl. auch Offb 19,15. Dazu GIESEN, Offb 281; MÜLLER, Offb 233f. Die von ROLOFF, Offb 127f. neben Ps 2,9 für eine messianische Deutung des Kindes herangezogenen atl Belege Jes 7,14 und 66,7 lassen sich in der frühjüdischen Umwelt nicht als messianisch interpretiert nachweisen. 215 Bestätigend MÜLLER, Messias 188f. 220 Darauf weist MÜLLER, Messias 179.182-184 hin; die Entrückung ermöglicht zugleich die Wahrnehmung einer eschatologischen Funktion, auf die hin die Aufbewahrung erfolgt; vgl. ebd. 184-187; ferner DERS., Offb 234. 221 Das Hinauswerfen des Satans aus dem Himmel bedeutet eine Zeit der Bedrängnis auf Erden (12,12), doch steht die im Himmel antizipierte endgültige Überwindung Satans kurz bevor (12,12: dem Satan „bleibt wenig Zeit"). Dazu auch DE JONGE, Use 92f.; ferner GIESEN, Offb 290f.; ROLOFF, Offb 131.

Apokalyptische Variationen

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die in frühjüdischen Texten wiederholt verwendete Formulierung χριστός κυρίου zur Bezeichnung des Repräsentanten Gottes.222 Inhaltlich ist dabei festzustellen, daß der Gesalbte nicht absolut zu verstehen ist, sondern in Relation zu Gott als basalem Bevollmächtiger. Das Verhältnis von Gott und Gesalbtem wird dabei nicht ausdrücklich reflektiert, so daß es nur als Einbezug des in seiner Stellung zu Gott einzigartigen Gesalbten in die überzeitliche Herrschaft Gottes verstanden werden kann, was sowohl eine temporale als auch eine kausale Hinordnung des Christus zu Gott voraussetzt.223 Es handelt sich um Partizipation des χριστός an Gottes Macht, die an diesen Stellen seine Funktion der Herrschaft begründet und bestimmt. Der Singular im Nachsatz ll,15fin ,,καί βασιλεύσει εις τους αιώνας των αιώνων" fordert Gott allein als Subjekt, der so als ursprünglicher und eigentlicher Inhaber der Königsherrschaft ausgewiesen wird.224 Die enge wesenhafte Verbindung von Gott und seinem Repräsentanten, dort als „Lamm" betitelt, wird in Offb 7,9f. gut sichtbar. Gott fungiert als Inhaber des Thrones, das Lamm ist ihm jedoch so eng zugeordnet, daß beide die Verehrung der sie umgebenden Menge, die durch Palmzweige als siegreiche endzeitliche Gemeinde klassifiziert ist,225 genießen. Die hier nur angedeutete Herrschaftsfunktion wird in 14,14 durch die dem eschatologischendie ώρα θερίσαι in V. 15 meint das Endgericht - Repräsentanten Gottes zugeteilten Attribute erkennbar: Der goldene Kranz (στέφανος χρυσούς) auf

222 Vgl. DE JONGE, Use 87, der auf PsSal 17,32; 18,1.5.7; äthHen 48,10; 52,4; syrApkBar 39,7; 40,1; 72,2 hinweist. 223 Diesen Sachverhalt beachtet KARRER, Gesalbte 310 zu wenig, wenn er anachronistisch den Gesalbten „ohne subordinatianische Schranke" in die Herrschaft Gottes hineingezogen beschreibt. Anders versteht MÜLLER, Offb 55.223 Christus als Beauftragten Gottes, was schon durch die Formulierung „sei« Gesalbter" in 11,15 und 12,10 deutlich wird; Christus ist an Gottes eschatologischer Herrschaft beteiligt, dabei Gott untergeordnet (Verweis auf Ps 2,2; PsSal 17,21; 18,5.7); somit besteht eine Funktionseinheit Gottes mit Christus, keine seinsmäßige Gottgleichheit Christi (ebd. 55f.). Dazu auch ROLOFF, Offb 130, der 212 (in bezug auf Offb 22,16) die Funktionsgleichheit von Gott und Jesus (als messianischer Herrscher der Endzeit) als Verhältnisaussage nennt. 224 Dazu auch MÜLLER, Messias 173.176 (der an beiden Stellen eine jüdische Vorlage erkennt); DERS., Offb 223. Gott als Subjekt erkennt auch DE JONGE, Use 89f. GIESEN, Offb 263 interpretiert im Sinne einer „Aktionseinheit" (263) von Gott und Gesalbtem; „seine strenge Theozentrik" bleibt vom Verfasser der Offb dabei gewahrt (264). 225 Zum Palmzweig als Siegessymbol in Offb 7,9f. vgl. VON GEMÜNDEN, Palme 91. GIESEN, Offb 197f. versteht die Palmzweige v.a. als Symbol des Friedens und der Freude. Zur Siegessymbolik auch MÜLLER, Offb 181f. (Verweis auf 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7); ROLOFF, Offb 91. BERGLER, Jesus 175-178 sieht in Offb 7,9-17 (und 21,1-22,5), besonders in den Palmzweigen, Anklänge an Sach 14 und Sukkot.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

dem Haupt des Menschensohnes226 in 14,14 weckt königliche, siegreiche Assoziationen;227 dieser Menschensohn erfüllt in 14,14-16 die Funktion eines Richters der Erde, wofür die Sichel zur Ernte ein Bild darstellt.228 Die angesprochene Verbindung von Gott mit Jesus wird in Offb 3,21 ausgeweitet auf den, der (in Verfolgungen) standhält (ό νικών): Dieser darf sich mit Jesus auf seinen Thron setzen, ebenso wie sich der siegreiche Jesus mit seinem Vater auf dessen Thron setzte; eine endzeitliche Herrschaftsfunktion bildet eine Implikation des Thron-Motivs. In Offb 22,1.3 wird die Verbindung von Gott und dem „Lamm" quasi im Sinne einer Gleichsetzung dargestellt, wenn unter Denotierung herrschaftlicher Macht vom „Thron229 Gottes und des Lammes" gesprochen wird; deren herrscherliche Anwesenheit verbürgt die ewige Heilszeit (22,1-5), in der alle Diener Gottes βασιλεύσουσιν eïç του? αιώνας τών αιώνων (V. 5), also Anteil an der Macht Gottes und des Lammes erhalten, was eine qualitativ neue, heilvolle Lebenswelt umschreibt, in der Leben in seiner Eigentlichkeit (im Bild als königliches Leben) stattfindet. Jeweils innerhalb einer bildhaften Rede wird das „Lamm", das Christus in Tiersymbolik repräsentiert, in gewisser Anlehnung an die Gottestitulatur von Dan 2,47 LXX als „Herr der Herren und König der Könige" (κύριο? κυρίων και βασιλεύς βασιλέων; Offb 17,14; in umgekehrter Folge der Wendungen 226

Für die eine Endzeitgestalt werden mehrere Titel verwendet: „Gesalbter", „Lamm", „Menschensohn". Ein solches Titelgeflecht ist in der Darstellungsweise eines apokalyptisch geprägten Autors nicht ungewöhnlich, wie die in äthHen verwendeten Titel zeigen. Die Umschreibung „gleich (ομοιο?) einem Menschensohn" erinnert an Dan 7,13. 227 Der goldene Kranz stellt ein königliches Attribut dar, z.B. trägt der israelitische König nach Ps 21,4 einen goldenen Kranz; der Reiter in Offb 19,12 trägt in analoger Metaphorik Diademe - zwischen Kranz und Diadem ist keine scharfe Trennung anzunehmen. Dazu MÜLLER, Messias 196. Zum Kranz als königlichem Symbol und einer Ableitung aus Dan 7,14 vgl. GIESEN, Offb 337; zur semantischen Valenz des Kranzes STEVENSON, Background (1995). Neben diesem königlichen Einzelzug erwägt MÜLLER, Messias 193-197 die Menschensohn-Vorstellung in dem aus jüdischer Tradition entnommenen Textstück Offb 14,1420 als unter dem Einfluß angelologischer Vorstellungen stehend: darauf deute die parallele Gestalt eines Gerichtsengels (VV. 17.19) und die Bezeichnung άλλος άγγελος in V. 15; der Menschensohn sei andererseits durch die Wolke als Thronsitz (V. 14) und die speziell königlichen Attribute aus den Engeln herausgehoben. Vgl. ROLOFF, Offb 154. MÜLLER, Offb 270 macht aber deutlich, daß die Gestalt von V. 14 nicht als Engel zu verstehen ist; in V. 15 fungiert der Engel als Überbringer des göttlichen Befehls und zeigt sich so dem Menschensohn nicht übergeordnet. Vorsichtig gegenüber dem Einfluß angelologischer Vorstellungen auch GIESEN, Offb 337. 228

Vgl. OEGEMA, Gesalbte 203; GIESEN, Offb 337f.; MÜLLER, Offb 269f.; ROLOFF, Offb 154. - Das nach Offb 14,1 auf dem Zion stehende Lamm mit den Hundertvierundvierzigtausend, die als seine endzeitliche Truppe erscheinen, erinnert an den Gesalbten und seine Militärmacht vom Zion in 4 Esr 13,6. 229 DE JONGE, Use 99 hebt hervor, daß es sich nur um einen Thron handelt.

Apokalyptische Variationen

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1 9 , 1 6 ) bezeichnet, w o b e i die Titelfolge beidemale i m Kontext militärischer Unterwerfung der feindlichen K ö n i g e b z w . der Völker V e r w e n d u n g findet. D a m i t wird Christus z u m Instrument der Durchsetzung der Herrschaftsmacht Gottes und tritt so in d e s s e n Funktion ein, daß er selbst einen an Gott erinnernden Titel zu tragen vermag. 2 3 0 Christi königliche Herrschaftsaufrichtung ist fur d i e s e Bilder prägend, w o b e i die Ermächtigung dazu durch Gott titular mitschwingt. D e r relevanten Textstelle 19,16 voran geht in 19,11-15 die V i s i o n eines den endzeitlichen Christus symbolisierenden w e i ß e n Pferdes mit Reiter, der in Gerechtigkeit richtet ( έ ν δ ι κ α ι ο σ ύ ν η κ ρ ί ν ε ι ) und kämpft (V. 11) und auf s e i n e m Haupt „viele Kronen" ( δ ι α δ ή μ α τ α π ο λ λ ά , V . 12), die seine überragende königliche Stellung symbolisieren, trägt. 231 Sein N a m e lautet ,,ό λόγος τ ο υ θεού" (V. 13), 232 w a s ihn als n i c h t e r f ü l l t e n irdischen

250 KARRER, Gesalbte 310 möchte aufgrund dieser Verwendung des König-Titels die Christusvorstellung der Offb vom Gedanken der Königsherrschaft Gottes her verstehen. Der von ihm dabei implizierte Gegensatz zur messianischen Herrschererwartung ist künstlich, da messianische Herrschaft oft sogar explizit (vgl. PsSal 17,34) als Partizipation an der umfassenden göttlichen Herrschaft charakterisiert ist. Auch GIESEN, Offb 425 sieht den Gottestitel für Christus gebraucht, der ihn mit Recht führen darf, ohne daß Giesen dabei eine Verbindung mit königlichen Gesalbtentraditionen herstellt. - Interessant ist in diesem Zusammenhang die auf der gleichen Basis göttlicher Herrschaftsmitteilung fundierte Bezeichnung Nebukadnezars als „König der Könige" in Dan 2,37: der unmittelbare Kontext nennt ausdrücklich die Gewährung der Herrschaft durch Gott. - Die Titelfolge „König der Könige und Herr der Herren" erinnert auch an die Titulatur persischer Großkönige bzw. römischer Caesaren, so daß eine polemische Absicht der Verwendung für den Gesalbten als eigentlichen Herrscher gegenüber heidnischen Potestaten enthalten sein kann; das jedenfalls nimmt MÜLLER, Messias 204 an. In äthHen 9,4; 63,4; 84,2 wird Gott als „Herr der Herren, Gott der Götter, König der Könige" angesprochen (vgl. 2 Makk 13,4; Dan 4,37 LXX). Zum altorientalischen und atl Hintergrund vgl. auch GIESEN, Offb 384f.425; MÜLLER, Offb 296.328, der Christus in von Gott gegebener Machtfülle als Vollstrecker des Gerichts Gottes beschreibt; der Titel demonstriert „seine wahre, von Gott bestimmte Herrschermacht" (328); auch ROLOFF, Offb 171.186 (die von ihm 171 formulierte „Tendenz, Jesus ganz auf die Seite Gottes zu stellen", wird dem durch den basalen Partizipationsgedanken geprägten Sachverhalt nicht gerecht); BEALE, Origin (1985); SLATER, King of Kings (1993). 231 HERZER, Reiter (1999), 248 versteht die Diademe als „endgültige Offenbarung und Proklamation der Königsherrschaft Christi". Die Vielzahl der Diademe deutet m.E. weniger auf die Anteilgabe an der Herrschaft für die Geretteten (so aber ebd. 249), sondern steigert die königliche Position des Trägers. Herzer deutet in seinem Aufsatz den Reiter auf weißem Pferd in 19,11-16 und 6,2 auf die gleiche Gestalt als Chiffre für Christus. Mag dies auch zutreffen, so ist die Bildwelt in 6,2 jedoch in Krone und Siegesmotiv weniger signifikant für eine königlich-messianische Figur. 232 Vgl. motivliche Übereinstimmungen mit dem vom Himmel herabkommenden, kriegerisch-vernichtenden Wort Gottes in Weish 18,14-16, das freilich als göttliche Hypostase erscheint. Dazu die Deutung bei ROLOFF, Offb 185f. - Eine literarkritische Ausscheidung von V. 13b nimmt MÜLLER, Offb 323-325.329f. vor. Dagegen GIESEN, Offb 422f. - Eine

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Verwirklicher des Wortes und der darin artikulierten Absicht Gottes zeigt. Diese königliche Gestalt Christi repräsentiert wesentlich Gott selbst. Das Phänomen der unterschiedlichen Namen (VV. 11.13.16) scheint in Verbindung mit dem unbekannten Namen (V. 12) anzudeuten, daß die verwendeten Namen jeweils nur einen Teilaspekt der Bedeutung des Christus zum Ausdruck zu bringen vermögen.233 Die Bezeichnung „das Wort Gottes" zeigt Christus als Personifizierung des durchschlagenden richterlichen Machtwortes Gottes und damit als einzigartigen Repräsentanten Gottes.234 Seine Herrschaftsaufrichtung wird unmittelbar vor 19,16 bildlich durch ein Schwert aus seinem Mund beschrieben, das die Völker in richterlicher Funktion schlägt, und seine Herrschaft setzt er mit eisernem Stabe235 durch, was analog zu PsSal 17,24 ein Zitat aus Ps 2,9 darstellt (V. 15; vgl. V. 21; 1,16). Der Anklang an Jes 11,4 (und Ps 2,9) macht diese Bilder als messianisches Motiv deutlich. Die Wendung ,,έν δικαιοσύνη κρίνει" (V. 11) nimmt Formulierung und Gedanken aus Jes 11,4 auf, die Charakterisierung des Reiters Ableitung der Aussagen von der königlichen Gesalbtenerwartung liegt näher als von Weish 18,14-16, wenn man das Ganze der Darstellung mit atl Anspielungen berücksichtigt. 233 Vgl. ROLOFF, Offb 185; MÜLLER, Wort Gottes 479-481. 234 Dazu auch MÜLLER, Wort Gottes 483f.; in seinem aktuellen Beitrag (1999) lehnt Müller eine Herleitung der Bezeichnung „Wort Gottes" aus Joh 1,1 oder Weish 18,15f. ab (476f.) und ordnet sie ganz der Konzeption des Verf. der Offb zu (477-487), wofür das Syntagma „das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu" in Offb 1,2.9; 6,9; 20,4 (vgl. 19,9.10 als Kontext von 19,13) einen Anhalt bietet (477f.485-487); im Hintergrund steht der Kampf des wahren Christuszeugnisses (der Offb) gegen die drohende Verführung zum Götzendienst durch heidnische Agitation (und christliche Falschprophetie) (481-485), wobei die wahre göttliche Botschaft in Christus eine Personifizierung erfährt (485-487). - Die Representations- und Partizipationsfunktion begegnet aber auch als zentrales Motiv der königlichen Gesalbtenerwartung, wo der Gesalbte an Gottes Gerichtshandeln beteiligt sein kann; die Macht seines Wortes, die seine Durchsetzung vermittelt (vgl. PsSal 17,24.35f.; äthHen 62,2; 4 Esr 13,9-11), verdankt sich göttlicher Begabung. So ist ein Einfluß dieser Tradition auf die Gestaltung in 19,13 wenigstens nicht auszuschließen. 235

Die Formulierung „er wird sie weiden mit eisernem Stab" (ποιμαΐ'εΐ αύτούΐ έν ράβδω σιδηρςί, V. 15; vgl. 2,27; 12,5) klingt eigenartig, da die Hirten-Metaphorik atl eine Heilstätigkeit denotiert; möglicherweise liegt eine Fehlübersetzung vor, die auf einer unkorrekten Vokalisierung des hebräischen Textes beruht, nämlich ΠΙΠΓ1 (von ΠΙΓ), weiden) statt richtig • J n n (von zerbrechen); der Kontext deutet entsprechend auf ein vernichtendes Gerichtshandeln. Dazu MÜLLER, Messias 204; DERS., Offb 327f. Nach GIESEN, Offb 424 hat „weiden" seinen ursprünglichen Sinn des Schutzgewährens verloren. Sowohl der „eiserne Stab" als auch die Hirtensprache gehören in den atl königlichen Bildbereich, so daß auf diesem gemeinsamen Hintergrund eine Verbindung der Motive möglich erscheint, die dann den König in seiner kriegerischen Ambivalenz zeichnet: schützend gegenüber den Seinen, vernichtend gegenüber den Feinden. - Als Gerichtsbild deutet ROLOFF, Offb 58.186. Zur Vernichtung der gottlosen Völker als wesentliche Aufgabe des Lammes vgl. MÜLLER, Offb 57.

Apokalyptische Variationen

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als „πιστό? καΐ αληθινό?" (V. 11) erinnert an Jes 11,5;236 ganz ähnliche Motive begegnen auch bei der Beschreibung des Gesalbten in PsSal 17,32.40. Die Verbform πολεμει in Offb 19,11 drückt die militärisch-kriegerische Tätigkeit aus, die das Gerichtshandeln präzisiert.237 Auch das Motiv des Schlagens der Gottlosen (V. 15) findet sich in Jes 11,4, zusätzlich wird das Bild des Schwertes aus dem Mund (V. 15) aus Jes 49,2 entnommen sein. Die Gegnerschaft der Völker (V. 15) verleiht der Gestalt irdisch-nationale Züge. Insgesamt erscheint der apokalyptische Reiter in Funktion und Eigenart eines kriegerischen nationalen Gesalbten,238 so daß die Aufnahme der königlichen Gesalbtenerwartung deutlich hervortritt. Auf fur die Apokalyptik typische Weise wird der Gesalbte dabei als himmlische Gestalt gedacht, die in den Funktionen von Herrschaftsaufrichtung und Gericht239 auf die Erde herabkommt. Anschließend wird in kriegerischen Bildern der Gerichtsvollzug durch Christus geschildert (VV. 17-21). In Offb 19,9 wird auf das „Hochzeitsmahl des Lammes" vorausgedeutet, worunter ein endzeitliches Mahl mit dem erhöhten Jesus als Darstellung des erwarteten Heils zu verstehen ist. Darin klingt die Vorstellung des eschatologischen Mahles in direkter Gegenwart des Gesalbten oder Menschensohnes bzw. in der von diesem errichteten Heilszeit im Hintergrund an.240 Offb 20,1-6 verbalisiert die Vorstellung einer tausendjährigen Herrschaft, die aufgrund der temporären Eliminierung Satans als befristete Heilszeit be-

236 Die Substantive und als Eigenschaften des verheißenen Davididen sind in Jes 11,5 formal durch die Struktur des Parallelismus membrorum verbunden. - MÜLLER, Offb 326 denkt an die Übertragung eines Gottesprädikats (LXX: Ex 34,6; Num 14,18; Ps 85,15; Jes 65,16) auf Christus. Der Zusammenhang des Abschnitts mit Jes 11 deutet m.E. eher auf ein Verständnis von messianischen Motiven her. 237 Vgl. GIESEN, Offb 421, der die Kriegsführung im Richten eingeschlossen erkennt. Nach MÜLLER, Offb 326 zielt das „Richten" auf die henscherliche Aufgabe (Verweis auf PsSal 17,26.29). Zum Bild des sieghaften Kriegshelden fügt sich die Schilderung des blutgetränkten Gewandes in V. 13 und die Begleitung durch das himmlische Heer in V. 14. Zur Deutung vgl. MÜLLER, Offb 327; ROLOFF, Offb 185f., der freilich darauf aufmerksam macht, daß die festlichen weißen Gewänder der Begleiter nicht auf Krieger deuten. Die übernatürliche Macht des Reiters ist so groß, daß er allein die Feinde siegreich zu vernichten imstande ist. 238 Zu diesem Ergebnis gelangt auch MÜLLER, Messias 203f. Vgl. auch DERS., Offb 326329; GIESEN, Offb 424, der dabei auf die vergleichbare Aussage äthHen 62,2 verweist; ferner ROLOFF, Offb 186. Vgl. noch 4 Esr 13,5-11. 239 Die beiden Funktionen nennt auch OEGEMA, Gesalbte 204; vgl. ROLOFF, Offb 185f. Nach MÜLLER, Messias 206 zeigt das Kommen vom Himmel den Messias als Himmelsgestalt, wobei Einfluß der Menschensohn-Tradition vorliegt. 240 Vgl. lQSa II 11-22; äthHen 62,14; syrApkBar 29,4-8. GIESEN, Offb 413 nennt atl und ntl Verwendungen der Metapher; zum Hochzeitsbild ROLOFF, Offb 181.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

stimmt ist.241 In dieser Zeit ereignet sich die Auferstehung242 (vgl. 20,5: άνάστασι?) derer, die gegen alle Anfechtung und sogar im Martyrium243 in ihrem (christlichen) Glauben standhaft blieben. Diese - in V. 6 als Priester244 Gottes und Christi angesprochen - regieren zusammen mit dem Gesalbten während des tausendjährigen Reiches (20,4: έβασίλευσαι> μετά του Χρίστου; 20,6: βασιλεύσουσι,ν με τ 'αύτοϋ [sc. Χρίστου]). Die darin ausgesagte königliche Stellung erhebt ihr Leben zur höchsten Form, dem königlichen Leben. Der Terminus Χριστός wird vorwiegend als Titel gebraucht, eine damit angesprochene Funktionsbestimmung konzentriert sich auf die Herrschertätigkeit. Die angekündigte Teilhabe an der Herrschaft des Gesalbten erfüllt im Textduktus die Funktion der Belohnung der Standhaften;245 insgesamt spielt die tausendjährige Herrschaft des Gesalbten innerhalb der Offb gegenüber der theokratisch verstandenen Heilszeit Gottes nur hier eine Rolle, was sich vielleicht aus der speziellen Belohnungsfimktion erklärt.246 Die Vorstellung der zeitlich begrenzten messianischen Herrschaft, die vor der endgültigen, von 241

Vgl. TestLev 18,12 die Bindung Beliars durch die endzeitliche priesterliche Heilsgestalt. - ApkEl 43,8-44,2 spricht vom Gesalbten, der wiederholt als „König" bezeichnet wird und vom Himmel her kommt; tausend Jahre verbringt er auf Erden und richtet einen neuen Himmel und eine neue Erde auf, die eine vom Teufel befreite Heilszeit erleben. Im Kontext seines Königseins zusammen mit den Heiligen ist - ähnlich Joh 1,51 - von seinem Hinaufund Herabsteigen gesprochen (43,16f.). Die Entstehung der ApkEl ist in die zweite Hälfte des 3. Jh. n.Chr. zu datieren, eine christliche Bearbeitung fand wohl im 4. Jh. statt (vgl. SCHRÄGE, Elia 220-225; HAHN, Apokalyptik 86) und könnte so bereits von Joh 1,51 beeinflußt sein. Jedenfalls ist das Weiterleben der königlichen Gesalbtenerwartung darin bezeugt. OEGEMA, Gesalbte 252 datiert die ApkEl zwischen 150 und 275 n.Chr.; zur Gesalbtenvorstellung der ApkEl ebd. 254f. 242

Zur Differenzierung zweier Auferstehungsvorgänge (20,5.11-15) vgl. MÜLLER, Offb

3 3 9 ; ROLOFF, O f f b 1 9 3 . 243 Wahrscheinlich ist an zwei unterscheidbare Gruppen zu denken: Diejenigen, die gegenüber dem Kaiserkult standhaft blieben, und speziell die Märtyrer; vgl. GIESEN, Offb 433f.; ROLOFF, Offb 193. Auch MÜLLER, Offb 337f. differenziert zwei Gruppen, doch stehe bei beiden das Erleiden des Martyriums im Vordergrund. 244 Zum Motiv der „Priester" vgl. SCHÜSSLER FIORENZA, Priester 329-344; DE JONGE, Use 97. 245 Dazu auch DE JONGE, Use 96. Laut GIESEN, Offb 431 f. steht die Rehabilitierung der Bewährten durch Gott im Vordergrund der Thron-Aussagen. Vgl. ROLOFF, Offb 193f. MÜLLER, Offb 338 spricht von besonderer Belohnung der Märtyrer. Unklar bleibt, wer sich in 20,4 auf die Throne setzt und das Gericht vollzieht, die himmlischen Wesen (und Gott) oder die in V. 4fin wieder Lebenden (vgl. DE JONGE, Use 96f.; MÜLLER, Offb 335f.; ROLOFF, Offb 193). Somit kann mit der Herrschaftsfunktion nicht einfach eine Gerichtstätigkeit verbunden werden. 246 Vgl. DE JONGE, Use 98. Nach ROLOFF, Offb 191 wird mittels des tausendjährigen Reiches das irdische Heil angezielt, da Gott Schöpfer und Herr der Geschichte ist und so Heil immer auch einen welthaften, politischen Aspekt integriert.

Apokalyptische Variationen

385

Gott durchgeführten Vollendung der Welt und der Errichtung einer ganz neuen Heilszeit steht, nimmt auf fur die frühjüdische Apokalyptik typische Weise eine irdisch-nationale Eschatologie (vgl. PsSal 17) auf und verbindet sie mit der Erwartung eines völlig neuen universalen Zeitalters oder Äons unter Gottes alleiniger Heilsherrschaft.247 Daß der Christus ausdrücklich als König herrscht, wie mittels des Verbs βασιλεύω formuliert ist, und daß diese Herrschaft als Heilszeit qualifiziert wird, zeigt die prägende Bedeutung der königlichen Gesalbtentradition im Denken des christlichen Apokalyptikers,248 wobei die messianische Heilszeit auch hier, wie öfter in der frühjüdischen Apokalyptik (vgl. 4 Esr 7,28f.; 12,34; syrApkBar 29,2; 40,2; 71,1),249 eine Zwischenperiode darstellt. Abschließend soll noch die Schilderung des neuen Jerusalem in Offb 21,922,5, das der neuen himmlischen Welt Gottes entspricht, auf Einfluß der königlichen Gesalbtentradition hin befragt werden.250 Zunächst wird das „Lamm" (als metaphorische Chiffre für Jesus Christus) nur indirekt mit der neuen 247

Dazu auch MÜLLER, Offb 334f.; ROLOFF, Offb 190f. Unabhängig davon, ob der Text als jüdisches Traditionsstück einzuordnen ist (so MÜLLER, Messias 212f.); der Verfasser hat dieses ja immerhin in seinen Entwurf integriert. Eine besondere Betonung der Herrschaftsfunktion konstatiert auch HAHN, EWNT III 1164. KARRER, Gesalbte 311 weist auf die kollektivierende Verwendung der Tradition in 20,4-6 hin; er hebt ebd. die Differenz zu 4 Esr 7,28f. (der Tod begrenzt das Wirken des Gesalbten) hervor, da in der Offb das messianische Wirken nicht auf die tausendjährige Heilsherrschaft mit den Auferstandenen begrenzt ist. 249 Auch wenn die Übereinstimmungen im einzelnen nicht zahlreich sind (das betont DE JONGE, Use 99; zum Vergleich auch ROLOFF, Offb 190), bleibt doch die grundlegende Parallele im Gedanken der Zwischenzeit. Zur traditionsgeschichtlichen Voraussetzung im Frühjudentum vgl. auch MÜLLER, Offb 334f., der ebd. 339 zwei wesentliche Unterschiede festhält: 1. Der Gesalbte der Offb stirbt nicht, sondern besitzt ewiges Leben; 2. die Zwischenzeit zeigt keine national-israelitische Beschränkung. Anzumerken ist: Auch frühjüdisch ist der Tod des Gesalbten nur 4 Esr 7,28f. bezeugt, in syrApkBar bleibt dessen Fortleben offen; in der Offb ersetzt eine gruppenspezifisch-christliche Erwartung die national-jüdische. 250 Zum Verständnis von Offb 21 und 22 vgl. GEORGI, Visionen (1980), der vom Verfasser Motive hellenistischer Idealvorstellungen des Sozialgefuges „Stadt" aufgegriffen zeigt, die im „neuen Jerusalem" verarbeitet und zu einem überhöhenden Gegenbild konstruiert werden (362-372); das entspricht einer politischen Theologie in der Offb (352), innerhalb deren das himmlische Jerusalem als Gegenbild zur ,JRoma Aeterna" erscheint (356; vgl. 362); in dieser idealen hellenistischen Stadt verwirklichen Gott und das Lamm gleichsam die Idee des Prinzipats (gegenüber dem römischen Kaiser und dessen zerstörerischer Perversion) (368). - M.E. sollte stärker berücksichtigt werden, daß in der Offb in erster Linie jüdische Traditionen Verwendung finden. Die anti-römische Tendenz der Schrift stimmt vorsichtig gegenüber der Aufnahme und Rezeption hellenistischer Ideen. - Zu den im Hintergrund stehenden Traditionskreisen von neuem Jerusalem, antiker himmlischer Stadt und Paradies vgl. MÜLLER, Offb 355f. Als literarisches Vorbild diente nach ROLOFF, Offb 203 Ez 40-48, wobei charakteristische Variationen stattfanden und ein Gegenbild zur Stadt Rom entstand. 248

386

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Stadt verbunden, wenn in 21,9 die neue Stadt Jerusalem metaphorisch als Braut und Frau des Lammes beschrieben wird, womit eine durch die Qualität von Liebe und personaler Nähe bestimmte Lebensgemeinschaft mit dem Lamm bezeichnet ist. Die zwölf Tore der Stadt tragen nach V. 12 die Namen der zwölf Stämme Israels, was den Gedanken der eschatologischen Restitution Israels im Hintergrund anklingen läßt; in V. 14 fundieren zwölf Grundsteine die Mauer der Stadt, die die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes (δώδεκα ονόματα των δώδεκα αποστόλων του άρνίου) aufweisen. Die Betonung der Zwölfzahl verbindet eine jüdische und eine christliche Begründung der Stadt, so daß Kontinuität der neuen Welt mit der Geschichte Israels besteht.25' Auffallenderweise besitzt die neue Stadt keinen Tempel mehr, d.h. das jüdische religiöse Zentrum fehlt, was so wohl nur christlich als Unmittelbarkeit der Gottgegenwart (unter Wegfall kultischer Vermittlung) gedacht werden kann; denn Gott selbst und das Lamm treten an die Stelle des Tempels der neuen Stadt (21,22), Gott und das Lamm erleuchten die Stadt (21,23).252 Nichts Unreines gelangt in diese Stadt, nur die im Lebensbuch des Lammes Verzeichneten (21,27), wobei eine paränetische Zielsetzung verfolgt ist und der Gedanke der Reinheit Jerusalems an die Herrschaft des königlichen Gesalbten nach PsSal 17,22.26-28.30.32 erinnert.253 Anschließend begegnet das 251 Nach GEORGI, Visionen 364 bedeutet die Zwölfzahl auch eine Verbindung mit dem Motiv des Tierkreises und bietet so einen Reflex auf die Regelmäßigkeit zyklischer Bewegung, auf Ruhe in Veränderung; ebd. 365f. verweist Georgi auf die zwölf Stämme und die zwölf Apostel, so daß das himmlische Jerusalem die Fortsetzung Israels bildet und damit in Verbindung mit der Geschichte steht. Vgl. MÜLLER, Offb 357f. GIESEN, Offb 465 gesteht dem Bezug zum Tierkreis bestenfalls entwicklungsgeschichtliche Bedeutung zu, aktuell steht das eschatologische Volk Gottes, die vollendete christliche Heilsgemeinde, im Zentrum des Aussageinteresses. ROLOFF, Offb 204f. deutet im Rahmen der zwölf Stämme und zwölf Apostel; er verweist auf die apostolische Verkündigung als Fundament der Heilsgemeinde; vgl. ebd. 206 in bezug auf die zwölf Edelsteine ( W . 19f.) den Hinweis auf den Tierkreis. 252

Das Fehlen des Tempels bedeutet nach GEORGI, Visionen 363 die Existenz von Himmel und Erde in einem, wobei die Gegenwart Gottes als Lichtwirklichkeit beschrieben wird (Offb 21,23f.; 22,5), was strukturell dem Streben hellenistischer Städteplanung nach „Helligkeit" entspricht. Vgl. MÜLLER, Offb 360f., der auf die radikale Offenheit des neuen Jerusalem, das keine Scheidung von Kultischem und Profanem mehr kennt, hinweist. Nach ROLOFF, Offb 203.206 wird die endzeitliche Gottesstadt selbst zum Tempel und so als ganze zum Wohnort Gottes; die direkte, leibhafte Gegenwart Gottes steht im Zentrum der Aussage. 253 Zur Reinheit Jerusalems vgl. auch SCHWIER, Tempel 361; ROLOFF, Offb 207. Nach GEORGI, Visionen 369 ist universalistisch die Reinheit der neuen Welt angesprochen. MÜLLER, Offb 362 spricht von der „Kirche aus Juden und Heidenvölkern". GIESEN, Offb 472f. denkt an die Christen, die sich in den Bedrängnissen des aktuellen Alltags bewährten. - Der Skopus der Aussage liegt m.E. im Anspruch an die restriktiv verstandene soziale Gruppe standhafter Christen.

Apokalyptische Variationen

387

Motiv des Thrones, das im Hinblick auf die Symbolik von Macht und Gegenwart Gottes eine Herrschaftsfunktion impliziert, wenn vom Thron Gottes und des Lammes nach 22,1 ein Strom mit Wasser des Lebens ausgeht; in 22,3 bürgt der Thron Gottes und des Lammes für die Reinheit Jerusalems in deren herrscherlicher Gegenwart; auch laut 22,15 gelangen Unreine und Sündige nicht in die neue Stadt.254 Diese Herrschaft Gottes und des Lammes impliziert eine ungetrübte Heilszeit in der Gemeinschaft mit Gott und dem Lamm, die sich als Leben in Vollendung für die christliche Gemeinde (im Bild des königlichen Herrschens, V. 5) erweist. Gott und das Lamm sind in diesen Aussagen engstens verbunden und als Träger universaler All-Macht funktional identifiziert, was nicht schon als metaphysische Identität gedeutet werden darf, aber die außerordentliche Gottesnähe des Lammes als Repräsentant zeigt. Insgesamt spiegelt der Text der Offb wiederholt den Einfluß der königlichen Gesalbtenerwartung, aus der Terminologie und motivliche Elemente aufgenommen und konzeptorientiert verarbeitet werden. Daß dies in mehreren Schritten der produktiven Weitergabe von Tradition geschah, liegt nahe, kann hier aber nicht Gegenstand der Untersuchung sein.

8.5 Rückblick In den besprochenen apokalyptischen Schriften aus dem ersten Jahrhundert nach der Zeitenwende bildet der Menschensohn, der stellenweise (äthHen 48,10; 52,4; 4 Esr 13) deutlich mit dem Gesalbten identifiziert wird, eine zentrale eschatologische Gestalt, auch wenn sich die apokalyptische Erwartung nicht exklusiv darauf beschränken läßt.255 Weiter ist wiederholt ein „Gesalbter" als Zentralfigur des endzeitlichen Geschehens genannt.256 „Menschensohn" und „Gesalbter" sind weiterhin als titulare Komprimierung zweier Traditionslinien erkennbar, die noch ihre unterschiedliche Herkunft verraten und bislang über ihre Verbindung innerhalb einer apokalyptischen Gesalbtenbzw. Menschensohnkonzeption hinaus keine vollständige normative Deckung

254

Die neue, bessere Gerechtigkeit steht in Widerspruch zur römischen Reichsideologie;

s o SCHWIER, T e m p e l 3 6 1 . 255 KARRER, Gesalbte 302 betont unter Verweis auf 4 Esr 6,25 und syrApkBar 78,1-86,3, daß die apokalyptische Hoffnung von 4 Esr und syrApkBar nicht ausschließlich auf messianische Erwartungen zentriert werden kann. Die theozentrische Auffassung steht stets im Mittelpunkt apokalyptischer Erwartung, worauf HAHN, Apokalyptik 156 hinweist; vgl. MÜLLER, Messias 61 f. (Fehlen des Messias in der frühen Apokalyptik). 256 Vgl. 4 Esr 7,28f.; 12,32; syrApkBar 29,3; 30,1; 39,7; 40,1; 70,9; 72,2.

388

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

oder Verschmelzung erreichten.257 Durch diese Korrelation erhält der Gesalbte (als Menschensohn) den Charakter eines himmlischen Retter-Königs, was mit der Enttäuschung über die Fehlschläge irdischer Gesalbten-Prätendenten vor und während des ersten jüdisch-römischen Krieges in Zusammenhang gebracht werden kann,258 wenn nicht schon die negative Erfahrung mit politischen Herrschern ausschlaggebend war. Himmlische Herkunft und irdische Tätigkeit fließen in einer Gestalt zusammen.259 Auch die Bezeichnung des Gesalbten als παις· läßt sich für 4 Esr 7,28f.; 13,32.37.52; 14,9 und syrApkBar 70,9 wahrscheinlich machen. Die königliche Gesalbtentradition fand Eingang in die apokalyptischen Endzeithoffnungen, ohne daß sie sich titular in der König-Anrede des Gesalbten niedergeschlagen hätte. Die Darstellung des eschatologischen Auftretens des Menschensohnes oder des Gesalbten wird meist in einer Folge verschiedener Visionen präsentiert, die das gleiche große Ereignis des Eschaton durch eine quasi spiralförmige Reihung unterschiedlicher Bilder in immer neuem Anlauf schildern. Die gleiche endzeitliche Gestalt erscheint damit innerhalb der jeweiligen apokalyptischen Schrift in einer facettenreichen Vielfalt von Aufgaben und Funktionen, die sich gegenseitig ergänzen und bedingen.260 Die Übernahme der Gesalbtenidee in das apokalyptische Denken geschieht in der Form der Einordnung in das Gesamt der eschatologischen Ereignisse, wobei Gott selbst die entscheidende Äonenwende bewirkt, so daß die Stellung des Gesalbten nicht als die des alleinigen Heilbringers charakterisiert werden kann.261 Doch auch der Entwurf von PsSal 17 ordnet den Ge257

Das Fehlen einer vollen, ausdrücklichen Kontamination oder Identität beider Titel hält KARRER, Gesalbte 307f. ausgehend von Beobachtungen an 4 Esr 13 fest und fordert eine traditionsgeschichtlich differenzierende Aufschlüsselung von ntl Gesalbten- und Menschensohnaussagen. 258 Dies vermutet COLLINS, Scepter 189. Die Aussage von MÜLLER, Messias 106, daß es sich beim Messias in 4 Esr und syrApkBar um eine menschliche nationale Gestalt handelt, läßt sich in dieser Ausschließlichkeit nicht ausreichend belegen: Züge einer himmlischen und einer irdischen Gestalt durchdringen sich entsprechend den zugrundeliegenden verschiedenen Traditionslinien. 259 Vgl. auch MÜLLER, Messias 146, der freilich 145 den umgekehrten Prozeß der Abschwächung der Menschensohn-Vorstellung zugunsten der Messiastradition hervorhebt; zur temporären Vermischung beider Linien in der Apokalyptik auch ebd. 217-219. 260 Anders will KOCH, Heilandserwartungen 123-126 in der Apokalyptik eine zweistufige Messianologie mit zwei aufeinanderfolgenden Heilandsgestalten rekonstruieren. - HAHN, Apokalyptik 156 hält die „untergeordnete Stellung" der Messiaserwartung in apokalyptischer Transformation fest. 261 Dazu auch MÜLLER, Messias 105f., der von einer Minderung der ursprünglichen Bedeutung des Gesalbten spricht. Solchen Bewertungen gegenüber gilt Vorsicht, da der Gesalbte in allen Schriften als Repräsentant Gottes erscheint.

Apokalyptische Variationen

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salbten bereits als Repräsentanten und Partizipanten in die Herrschaft Gottes ein. Der Gesalbte richtet eine die gegenwärtige Welt betreffende, zeitlich befristete und eine Zwischenperiode262 vor der Äonenwende darstellende Herrschaft des Heils auf, die er zugunsten der Gerechten Israels ausübt und die sich in ihrer Mächtigkeit als allen irdischen Herrschern und Königen überlegen erweist. Die Ermöglichung dazu erhält der Gesalbte von Gott, zu dem er in einem außerordentlichen Verhältnis der Anteilgabe steht263 und an dessen allumfassender Königsherrschaft er im Hinblick auf ein irdisches Friedensreich partizipiert. Bisweilen sitzt der Gesalbte auf seinem Thron,264 womit er offenbar an der Macht und Herrschaftsausübung Gottes Anteil besitzt, der als Herr über Himmel und Erde den himmlischen Thron innehat. Aufgrund dieses Partizipationsverhältnisses bleibt die absolute Herrschaft Gottes gewahrt, der Gesalbte erscheint - auch und gerade angesichts seiner besonderen Erwählung durch Gott - als untergeordnetes ausführendes Organ der göttlichen Herrschaft im Bereich der Welt.265 In Zusammenhang mit der messianischen Herrschaft steht die Auferstehung der Toten, die vor oder nach der messianischen Zeit neues Leben erlangen. Von herausragender Bedeutung ist weiter die Gerichtsfunktion des Gesalbten (bzw. des Menschensohnes), die zu seinen zentralen Aufgaben zählt. Als Bilder für die erwartete Heilszeit dienen das Speisen mit dem Gesalbten (äthHen 62,14; vgl. Offb 19,9) und ein Überfluß an Speise und Trank (syrApkBar 29,4-8). Der Tod des Gesalbten am Ende der Friedenszeit wird in 4 Esr 7,29 erwartet.

262 Vgl. auch D E X I N G E R , Entwicklung 19; H A H N , Apokalyptik 156; M Ü L L E R , Messias 218. Zur Auffassung der messianischen Zeit als Zwischenperiode in den Targumim sowie in Talmud und Midrasch vgl. V A N D E R W O U D E , ThWNT IX 515-518. 263 Vgl. den Präexistenzgedanken äthHen 48,3-6; 4 Esr 14,9. 264 So äthHen 51,3; 61,8; syrApkBar 53,9f.; 73,1; vgl. Offb 22,1.3 (angedeutet Offb 3,21 und 12,5). 265 Der Messiaskönig, der nicht ursprünglich zur apokalyptischen Erwartung gehört, stellt auch im 1. Jh. n.Chr. in der Apokalyptik nicht die eigentliche Heilsgestalt dar, sondern leitet die Heilszeit nur ein; so S C H R Ä G E , Elia 273 Anm. f; vgl. D E J O N G E , ThWNT IX 506f.; M Ü L L E R , Messias 106.213. In der (späteren) ApkEl bildet der königliche Messias die einzige Heilsgestalt.

9. Nachklänge: Achtzehngebet und Targumim 9.1 Spiegelungen des Volksglaubens im Achtzehngebet (Schemone Esre) Problematisch erweist sich eine exakte Datierung des Schemone Esre und der ihm vorausliegenden traditionellen Vorstellungen. Die einzelnen Sprüche des Achtzehngebets gehen als separate Einheiten mehrheitlich auf die Zeit vor der Zerstörung des zweiten Tempels zurück. Ihre überlieferte Gestalt in Zahl und Anordnung erhielten sie erst nach 70 n.Chr. in Jabne, wo Gamaliel II. (um 90) angesichts der Gefahr des Verlustes jüdischer Identität und Einheit nach 70 eine liturgische Konstituierung förderte. Schon vorher existierten aber verschiedene Reihen von Berachot, die im Wortlaut durchaus differierten.1 Seit der Zeit Gamaliels wurde das Achtzehngebet zum jüdischen Hauptgebet und als solches dreimal täglich gesprochen.2 Verschiedene Parallelen zu den Benediktionen des Achtzehngebets zeigen, daß ähnliche Reihen in den beiden Jahrhunderten vor der Tempelzerstörung existierten, aus denen sich die geprägte Form des Schemone Esre erst entwickeln konnte.3 Die älteste Fassung der „messianischen" (= 14.) Bitte kann in die Zeit vor der Tempelzerstörung zurückgehen,4 da die Existenz messianischer Erwartungen für die1

V g l . PETUCHOWSKI, A c h t z e h n g e b e t 8 4 f .

2

Vgl. zu diesem Hintergrund MAYER, Talmud 471; KARRER, Gesalbte 268; CHARLESWORTH, From Jewish 249; DERS., Hymns 420f.; LOHSE, König 342. Eine inhaltliche Kontinuität bis in die Zeit vor 70 sieht auch NEUSNER, Theme 276f.; vgl. HORSLEY/HANSON, Bandits 109; CHESTER, Parting 254f. Die Datierungsunsicherheit betont HOFIUS, Jesus 113 Anm. 23. 3 Dazu HEINEMANN, Prayer 219-222; die Differenzen zwischen den einzelnen überlieferten Gebetsreihen sprechen gegen die Existenz eines frühen „Standardtextes", vielmehr bestand erheblicher Freiraum zur Gestaltung des Beters; vgl. auch ebd. 48-51, zum Text der verschiedenen Versionen 70-72 (englisch), 288f. (hebräisch); die terminologische Verbreitung zeige, daß die Gewohnheit, achtzehn Benediktionen zu rezitieren, spätestens im Jahrhundert vor 70 entstand (ebd. 224). Auch BARTA, Achtzehngebet 77 hebt die vielen Varianten heraus, deren thematische Abfolge seit Jabne fest sei. 4

V g l . HAHN, E W N T III 1 1 5 1 ; DERS., H o h e i t s t i t e l 151; DULING, P r o m i s e s 6 3 f . ; BARTA,

Achtzehngebet 86. - BICKERMANN, Civic Prayer 166 Anm. 17 betrachtet die Bitte um Wiederherstellung des Königtums des Davidhauses als späteren Zusatz; BILLERBECK, Kommentar IV 208 datiert die ganze 14. Beracha erst nach der Tempelzerstörung. Die Zerstörung Jerusalems und des Tempels setzt der Text jedoch keineswegs voraus; vgl. KUHN, Achtzehngebet 22f.; VAN DER WOUDE, ThWNT IX 512 Anm. 170 präferiert v.a. wegen der Übereinstimmungen mit dem hebräischen Textstück nach Sir 51,12 eine Entstehung der Bitte vor 63 v.Chr. Der in einzelnen Motiven ähnliche Psalm in der hebräischen Version des Buches

392

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

se Zeit durch die Schriftrollen von Qumran, die PsSal und den äthHen nachgewiesen ist. Der Mangel an gesicherten, greifbaren Anhaltspunkten macht eine genaue Datierung des Achtzehngebets allgemein und speziell der 14. Beracha unmöglich, so daß zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit von älterer Tradition ausgegangen werden darf, die in der überlieferten Gestalt formulierte Bitte um Sendung eines davidischen Gesalbten-Königs aber durchaus auch zur Wirkungsgeschichte der königlichen Gesalbtenerwartung nach dem 1. Jh. gerechnet werden kann. Die drei ersten und die drei letzten Berachot bilden als eigene Texteinheiten Anfang und Abschluß des Gebets, wobei Gott in seiner umfassenden Allmacht und seiner besonderen Stellung zu seinem Volk Israel angesprochen wird. Gegen Ende des Mittelteils, der verschiedene thematische Einzelbitten an Gott heranträgt, deren 11. bis 14. einen gewissen eschatologischen Charakter tragen, wird innerhalb der 14. Benediktion das Erbarmen Gottes herabgerufen über sein Volk Israel, seine Stadt Jerusalem, seine Wohnung Zion, seinen Tempel, über das Königtum des Hauses Davids, seines gerechten Gesalbten. Der Wortlaut der 14. Beracha läßt sich wie folgt übersetzen:5 Sir (51,12) dankt Gott, da er für das Haus Davids ein „Horn" ( p p ) erstehen läßt; dieser Psalm bietet Hinweise darauf, daß einzelne Gebetsmotive des Schemone Esre schon vorchristlich verwendet wurden. Text dieses Psalms: DILELLA, Hebrew Text of Sirach 92, der ebd. 101-105 den Psalm in vorchristliche Zeit datiert; Text auch bei EVANS, Jesus 282f. Das Symbol des „Horns" steht in bezug zum gesalbten Davididen in Ps 89,18; 132,17 (vgl. Sir 47,1-11) und vermag so eine messianische Deutung zu tragen (vgl. diese Möglichkeit auch für äthHen 90,9-12). Aufgrund der Parallele im hebräischen Sir geht DULING, Promises 63f. davon aus, daß bereits vorchristlich ein frommer Jude um das Kommen des David-Sprosses betete. - Gegen die Annahme einer Parallele in der Abfolge der Bitten im hebräischen Sir 51,12 wendet sich KLMELMAN, 'Amidah 175f. Anm. 34 u.a. mit dem Hinweis auf die geringe Anzahl paralleler Bitten und die Tatsache, daß sich die Reihe im hebräischen Sir auch aus biblischen Parallelen erklären läßt. Dennoch bietet der Psalm auffallende gedankliche Entsprechungen. Reichlich ungenau meint DERS., Messiah 313, Struktur und Motive gehen in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung zurück; zur singulären Nüchternheit und Schlichtheit des Gebets ebd. 314f. - Nach HORSLEY/HANSON, Bandits 109 spiegeln sich im Schemone Esre Traditionen des 1. Jh. n.Chr. Auch wenn der Text in der erhaltenen Fassung erst nach 70 festgelegt worden ist, greift er als offizielles Gebet sicher auf bereits bekannte Tradition zurück, die entsprechend schon vorher existierte. 5 Übersetzung von mir. Talmudische Überlieferung in yBer 2,4/4d-5a. Zur Übersetzung der palästinischen Textform vgl. MAYER, Talmud 473. Daneben existiert eine noch heute im jüdischen Glaubensleben gebräuchliche babylonische Textform, in der eine eigene 15. Bitte um das baldige Kommen des Sprosses Davids überliefert ist. Vgl. DEXINGER, Entwicklung 241 mit Anm. 125; PETUCHOWSKI, Achtzehngebet 81 f.; beide Varianten in deutscher Version bei BILLERBECK, Kommentar IV 211-214; STAERK, Gebete 13.18. SCHÜRER, Geschichte II 542f.607 stellt die Ursprünglichkeit der palästinischen gegenüber der babylonischen Fassung in Frage. Daneben existieren noch eine palästinische Kurzform in yBer 4,3 (ohne explizite Nennung eines Gesalbten) und eine babylonische Kurzform in bBer 29a (die den davidi-

Nachklänge: Achtzehngebet und Targumim

393

„Habe Erbarmen, Herr, unser Gott, über Jerusalem, deine Stadt, und über Zion, die Wohnung deiner Herrlichkeit (^"TDD), und über die Königsherrschaft (ΠΌ^Ο) des Hauses David, des Gesalbten deiner Gerechtigkeit ("^ρΉ ΓΡϋΟ). Gepriesen bist du, Herr, Gott Davids, der du Jerusalem erbaust."

Der hebräische Text der relevanten Zeile lautet:6 •îjpns iTDD irr rrn rro 1 » ·?ΒΊ Inhaltlich blickt die Beracha ausdrücklich auf das Wirken Gottes selbst an seinem Volk Israel und dessen heiligen Orten. Die Erwähnung der Königsherrschaft des Hauses David spricht dabei eine irdische Herrschaft an, die von Gott ermächtigt und in Dienst genommen wird. Wenn David in diesem Kontext als „Gesalbter" bezeichnet wird,7 mag ursprünglich an die alte israelitische Praxis der Königssalbung zur legitimierenden Autoritätsübertragung gedacht sein. Angesichts einer ab dem 1. Jh. v.Chr. literarisch bezeugten Gesalbtenerwartung, in deren Ausformungen eine von Gott mit übernatürlicher Vollmacht ausgestattete herrscherliche Figur aus Davids Geschlecht im Mittelpunkt steht,8 ist es denkbar, ja wahrscheinlich, daß in Kreisen, die mit dieser Erwartung vertraut waren, mit der einschlägigen Beracha bereits im 1. Jh. n.Chr. eine Gesalbtenerwartung mitgedacht wurde. Der die 14. Benediktion abschließende Makarismus lenkt den Skopus des Beters auf die (Wieder-)Errichtung Jerusalems durch Gott selbst, so daß die beiden Zentralgrößen der Aussagereihen hervortreten: Auf der einen Seite steht Gott als Ermöglichung und Ursache allen Heils, auf der anderen das durch seinen lokalen Mittelpunkt Jerusalem repräsentierte Volk Israel als des göttlichen Heilshandelns sehen Gesalbten enthält, wohl aber jüngeren Datums ist); zu diesen Texten vgl. Text und englische Übertragung bei EVANS, Jesus 280f. - Nach DE JONGE, Christian Use 113 bezieht sich der Term „Gesalbter" auf David selbst und bezeichnet somit keinen zukünftigen Nachkommen. Diese Möglichkeit hält auch KIMELMAN, Messiah 315 Anm. 15 fest. 6 Die wohl älteste Fassung des Achtzehngebets wurde in der Kairoer Geniza gefunden. Vgl. den Text bei EVANS, Jesus 278; CHARLESWORTH, From Jewish 250 (nach S. SCHECHTER, Genizah Specimens, JQR O.S. 10 [1898] 654-659); HEINEMANN, Prayer 288. 7 KIMELMAN, 'Amidah 176-178 weist auf das Fehlen des Terminus „Gesalbter" in einigen Textüberlieferungen hin und sieht in der modernen (babylonischen) Fassung die Bedeutung des „Sprosses" heruntergespielt, da er keine eigentliche Herrschaftsfunktion übernehme und nur den Höhepunkt der von Gott errichteten Heilszeit markiere - Gott allein ist Erlöser Israels, der Sproß Davids drückt die Manifestation der göttlichen Macht aus. Vgl. DERS., Messiah 314-318. - Es ist aber immerhin bezeichnend, daß sich diese Manifestation gerade in der Königsgestalt des Sprosses darstellt. Für die frühe Fassung läßt sich diese Untergewichtung nicht in gleicher Schärfe aussagen, doch ist die Representations- und Partizipationsfunktion des Gesalbten an Gottes Heilswillen und -macht und entsprechend seine Nachordnung gegeben. 8 Textgrundlage bilden die PsSal 17 und 18 sowie einige Qumran-Schriften; dazu die entsprechenden Abschnitte in dieser Untersuchung.

394

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

bedürftige Einheit. Innerhalb dieses Heilsgefüges kommt einem davidischen Gesalbten lediglich eine vermittelnde Funktion in der Bindung an den Auftrag Gottes zu. Die 14. Beracha kann also im Rahmen der Erwartung eines Gesalbten und Königs aus der davidischen Dynastie verstanden werden, dessen irdischnationale Herrschaft offenbar eine Zeit des Erbarmens Gottes, also eine Heilszeit für Israel herbeiführt. Daß dies ganz im Kontext der von Gott bewirkten Umkehr der geschichtlichen Situation zugunsten Israels geschieht, deckt sich mit der Erkenntnis eines Partizipationsverhältnisses des Gesalbten zu dem ihn bevollmächtigenden Gott. Der Gesalbte agiert als Repräsentant Gottes in Zuständigkeit für die irdisch-nationale Entität Israel. Diese Erwartung wurde durch wiederholtes Sprechen des Gebetstextes im Glauben Israels wachgehalten und fungiert damit als entscheidender Hoffnungsfaktor.' Von den vorausgehenden drei Berachot (11.-13.) richtet sich die erste auf Gott als alleinigen königlichen Herrscher Israels.10 Das an PsSal 17 beobachtete Verhältnis von Gott als König und dem daran teilhabenden Gesalbten und König ist also auch hier - wenigstens implizit im Duktus der achtzehn Benediktionen - gewahrt. In der zweiten Bitte wird die Auslöschung der Ketzer erbeten, was sich in den Kontext der Vernichtung von Heiden und Sündern durch den königlichen Gesalbten fügt. Die dritte Beracha ruft das Erbarmen Gottes über die gerechten Proselyten und diejenigen, die Gottes Willen erfüllen, herab. Die Kürze des Hinweises auf den davidischen Gesalbten, die fast nur als Anspielung beschrieben werden kann, setzt beim Beter das Wissen darüber voraus, was inhaltlich gemeint ist. Offenbar kann auf eine in Umrissen geprägte Vorstellung zurückgegriffen werden.

9.2 Bewahrung und Umprägung: Die Targumim Ganz allgemein kann gesagt werden: Die literarische Endgestalt dieser aramäischen Paraphrasen des hebräischen Bibeltextes ist sicher spät, wohl ab dem 4. Jh. n.Chr. (also jedenfalls deutlich nach dem 1. Jh.) anzusetzen, jedoch sind darin partiell ältere Traditionen bewahrt.11 Doch auch wenn ältere Über9

V g l . STEMBERGER, T R E X X I I 6 2 5 ; DEXINGER, E n t w i c k l u n g 2 4 1 ; STUHLMACHER, G o t t e s -

knecht 136; MÜLLER, Messias 82; LOHSE, König 342; VERMES, Jesus 130-134. Gegen eine implizierte messianische Erwartung KARRER, Gesalbte 268f.; CHARLESWORTH, From Jewish 250. 10 Zum Gedanken der allmächtigen Herrschaft Gottes über die ganze Schöpfung vgl. auch die drei ersten Benediktionen. " Dazu EVANS, Jesus 155; HAHN, EWNT III 1151; OEGEMA, Gesalbte 260f. (der ebd. 271 f. die im Folgenden angeführten Stellen aus dem palästinischen Targum überwiegend in

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395

lieferungen mit großer Wahrscheinlichkeit Eingang in die erhaltene Gestalt der Targumim gefunden haben, sind diese nicht unabhängig von der redaktionellen Bearbeitung bezeugt, so daß wegen der Problematik ihrer Abhebung keinerlei Sicherheit bei der Heranziehung zur Rekonstruktion des jüdischen (Volks-)Glaubens im 1. Jh. besteht. Unter diesem Vorbehalt sollen einige Beispiele genannt werden, deren Frühdatierung aufgrund verschiedener Überlegungen wahrscheinlich zu machen versucht wurde. Insgesamt nehmen die Targumim nur zurückhaltend messianische (d.h. terminologisch als solche verifizierbare) Interpretationen des Bibeltextes vor, wobei variierende Vorstellungen sichtbar werden. Unter Absehung von einzelnen Differenzierungen und Ausgestaltungen läßt sich als zentrale Linie ein Gesalbtenverständnis angeben, bei dem der „Messias", der häufig als Nachkomme Davids kenntlich gemacht wird, nach kämpferischer Überwindung der Feinde die Befreiung und Heimfuhrung Israels verfolgt, wozu er eine Herrschaft der Gerechtigkeit und des Friedens für Israel aufrichtet. Im Mittelpunkt der universalen Herrschaft des Messias auch über die Heiden stehen die Wiedererrichtung Jerusalems und des Tempels sowie die Befolgung der Tora.12 Terminologisch variieren das einfache „Messias" und das Syntagma „König Messias".13 Die Targumim zum Pentateuch (TargNeo, TargO, FrTarg, TargPsJon) enthalten relativ wenig messianische Deutungen, stärker ist messiani-

die Zeit des Interbellums datiert); CHILTON, Glory 96.102-111 (bzgl. TargJon zu Jesaja); CHESTER, Expectations 40 betont die späte Ansetzung der Targumim (TargO, TargNeo, FrTarg, TargPsJon, TargJon: 4. Jh. n.Chr.), so daß diese für die Rekonstruktion jüdischer Vorstellungen im 1. Jh. n.Chr. nicht brauchbar seien; vgl. DERS., Revelation 252-259. LEVEY, Messiah 144 hält die späte Redaktion von TargJon, nämlich nach der arabischen Eroberung Babylons, fest. 12 Vgl. das Ergebnis von LEVEY, Messiah 142f. sowie die Einzelresultate 31f.102f.141, die er aus seiner Untersuchung der Pentateuch-Targumim (1-32), des Prophetentargums TargJon (33-103) und der Targumim zu den Schriften (104-141) gewinnt. Zum Thema vgl. auch LANDMAN, Messias (1986); PÉREZ FERNÁNDEZ, Tradiciones (1981); NEUSNER, Theme 278-286, der 289-291 bedeutsame Differenzen zwischen der Messiaserwartung der Targumim und in rabbinischen Dokumenten aufweist. Damit wird eine Bewahrung älterer Elemente in den Targumim generell wahrscheinlicher. Neusner (ebd. 289.292) schließt freilich die historische Fragestellung nach einer Situierung der Messiaserwartung aus, da die von ihm gelieferten Daten nur Aussagen zum rabbinischen Kanon, dem Talmud, und zu dessen umgestaltender Aufnahme der Messiastradition (vgl. 292-299) erlauben. Zum Prophetentargum vgl. ferner die Angaben bei VAN DER WOUDE, ThWNT IX 515f. - Eine aktuelle Untersuchung zu den messianischen Erwartungen in den Targumim unter Berücksichtigung der Frage nach der Eruierungsmöglichkeit älterer Überlieferung wäre eine dringende und verdienstvolle Aufgabe. 13

V g l . LEVEY, M e s s i a h 142.

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sches Material in den Propheten-Targumim und den Targumim zu den Schriften vertreten.14 Als erstes Beispiel sollen die Targumim zu Gen 49,10-12 betrachtet werden. Der aramäische Text von TargNeo läßt sich wie folgt ins Deutsche übertragen:15 (10) Könige sollen nicht aufhören aus den Nachkommen des Hauses Juda, und ebensowenig Schriftgelehrte, die das Gesetz lehren, von dessen Söhnen, bis zur Zeit des Kommens des König Messias (KIVBO tO"?D), der die Königsherrschaft besitzt; ihm sind alle Königreiche unterworfen. (11) Wie schön ist der König Messias, der von den Nachkommen des Hauses Juda erstehen wird. Er gürtet seine Lenden und beginnt den Kampf gegen die, die ihn hassen; und er tötet Könige und Herrscher, und er macht die Berge rot vom Blut ihrer Tötung und macht die Täler weiß vom Fett ihrer Streiter; seine Kleidung ist getränkt mit Blut, er ist wie ein Kelterer von Trauben. (12) Wie schön sind die Augen des König Messias, mehr als reiner Wein, da er mit ihnen weder die Enthüllung von Nacktheit noch das Vergießen unschuldigen Blutes sieht. Seine Zähne sind reiner als Milch, da er mit ihnen weder gestohlene noch geraubte Dinge ißt. Die Berge werden rot von seinen Weinstöcken und die Fässer von Wein; und die Hügel werden weiß vom Überfluß an Getreide und von Schafherden.

Alle vier Pentateuch-Targumim zu Gen 49,10-12 nennen den „König Messias" aus dem Hause Juda und schildern ihn einerseits als kämpferische Gestalt, andererseits in körperlicher Schönheit und Reinheit.16 Aufgrund sprachlicher (Partizipform als definites Präsens aufzufassen) und inhaltlicher (blutige Kampfesszenerie und militärischer Endzeitherrscher) Argumente ortet S.H. Levey den Sitz im Leben der Targumim zu Gen 49,10-12 in der Zeit des Bar Kochba-Aufstandes.17 Die beiden Titel „König" und „Gesalbter" begegnen

14

Dazu auch EVANS, Jesus 155, der Stellen angibt; ferner CHESTER, Expectations 39 (der innerhalb der Pentateuch-Targumim zwischen stärkerer - TargPsJon - und schwächerer TargO - messianischer Interpretation differenziert). - Abkürzungen: Pentateuch-Targumim: TargNeo - Targum Neofiti (palästinisches Targum); TargPsJon - Targum Pseudo-Jonatan (= TargJer I - Jerusalemer Targum I); FrTarg - Fragmenten-Targum (= TargJer II); TargO Targum Onqelos. Propheten-Targum: TargJon - Targum Jonatan. 15 Übersetzung von mir. Zum aramäischen Text der Targumim vgl. die Ausgaben im Literaturverzeichnis; auch EVANS, Jesus 156-176 passim (hier 158f.). Zu Texten und Übersetzungen zu Gen 49,10-12 vgl. z.B. auch BLLLERBECK, Kommentar IV 877f.; HENGEL, Zeloten 2 8 3 ; CHESTER, E x p e c t a t i o n s 3 9 . 16 Dazu auch SYREN, Blessings 102-111, nach dem die Textelemente auf die beiden Jahrhunderte um die Zeitenwende zurückgehen können (zu zwei weiteren königlich-messianischen Anspielungen ebd. 112-115). 17 LEVEY, Messiah 9f. Vgl. zu diesem Text auch OEGEMA, Gesalbte 262-264, der 264 eine Datierung in die Jahrzehnte vor dem Bar Kochba-Aufstand vertritt. Zu Einzelheiten der Texte vgl. auch NEUSNER, Theme 278-280, der ebd. 277f. TargO in nächster Nähe zu rabbinischen Aussagen sieht; ferner CHARLES WORTH, Concept 198f. Aufgrund gewisser Paralle-

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auch in frühjüdischen (und christlichen) Texten vor Ende des 1. Jh., auch die endzeitliche siegreiche militärische Funktion des so Titulierten und dessen Königsherrschaft zum Heile Israels. Ungewöhnlich für die frühe Zeit erscheint der Gedanke der Schönheit des Königs und die titulare Verbindimg im Syntagma „König Gesalbter". Gerade das aramäische Syntagma KITtÖO t O ^ Q findet weder im christlichen NT noch innerhalb der frühjüdischen Literatur der beiden Jahrhunderte um die Zeitenwende eine Entsprechung, sei es aramäisch, hebräisch oder als griechisches Äquivalent. Den ersten (in etwa) zeitlich fixierbaren Gebrauch stellt die Anwendung des Doppeltitels auf Bar Kochba durch Rabbi Akiba dar, was frühestens ab den 30er Jahren des 2. Jh. eine Bezeugung eröffnet. Dies deutet darauf, daß der Doppeltitel erst ab dem 2. Jh. gebräuchlich wurde, wofür weiter der Gebrauch in späteren rabbinischen Quellen spricht. In Aufnahme dieser Beobachtungen kann bereits aus der Betrachtung der Targumim-Paraphrase zu Gen 49,10-12 ein Fazit gezogen werden, das für alle weiteren Beispieltexte Gültigkeit beanspruchen kann: Weder terminologisch noch sachlich gelangt man mittels der Targumim über das an einschlägigen Schriften aus der Zeit um die Zeitenwende Eruierte hinaus. Die Annahme des Bestehens sowie der Verbreitung und Bekanntheit einer entsprechenden königlich-messianischen Überlieferung schon im 1. Jh. enthält freilich bemerkenswerte Unterstützung.18 Einige weitere Beispiele seien genannt. Die eschatologische Situierung der Gesalbtenerwartung scheint in TargNeo Gen 3,15 auf, das als Zeitbestimmung in der Zukunft den „Tag des König Messias" (ΚΓΡϋΟ fcO'PD"! KOTH) einträgt. Aufgrund der für das 1. Jh. nicht bezeugten Vorstellungskorrelatiolen zu Qumran-Schriften und der ntl Offb (19,11-16) sieht EVANS, Jesus 159f. Überlieferungen aus dem 1. Jh. reflektiert. 18 EVANS, Jesus 155 erkennt in der Mehrzahl der in diesem Kapitel angeführten Texte Reflexe von Traditionen aus dem 1. Jh., was er durch die Heranziehung von Parallelen aus dem frühjüdischen Schrifttum und dem NT zu untermauern sucht (ebd. 157-177 passim); er zeigt ebd. 177-181 allgemein einige Übereinstimmungen zwischen den Targumim und dem N T (z.B. Jes 6,9f. u n d M k 4,12; Jes 50,11 u n d M t 26,52; Jes 66,24 u n d M k 9,47f.; u.a.) u n d

gelangt 181 zu dem Schluß, daß die meisten messianischen Stücke der Targumim zwar nachntl seien, doch zu einem beträchtlichen Teil ältere Tradition (aus dem 1. Jh. oder früher) bergen. - Alle messianischen Stellen der Targumim gestatten es auf diesem Hintergrund jedoch nicht, ein eigenständiges messianisches Szenarium der Targumim zu zeichnen und für das 1. Jh. als bekannt vorauszusetzen; zu bedenken ist weiter auch eine im Urchristentum stattfindende eigenständige „messianische" Applikation verschiedener Bibeltexte auf Jesus als Christus hin, die keine geläufige Targum-Paraphrase voraussetzt. Die Forschung kann mit Hilfe der Targumim über eine Bestätigung des schon aus anderen Texten Bekannten methodisch gesichert nicht hinausgelangen. Doch ist auch eine solche Bestätigung nützlich und hilfreich!

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nen sicher später sind TargNeo und FrTarg Ex 12,42, die dort neben Mose und der Memra (dem Wort) des Herrn einen „König Messias" als Endzeitgestalt mit Führungsaufgabe nennen; TargPsJon Ex 40,9-11 spricht von drei Endzeitgestalten: einem „König Messias" in der Funktion des Befreiers, einem Hohepriester Elia und einem Messias ben Efraim als Befreier von Gog und seinen Helfern, wobei diese Gestalten im Zusammenhang mit Akten der Salbung stehen.19 Alle vier Pentateuch-Targumim bieten eine explizit messianische Interpretation von Num 24,17, was angesichts der frühjüdischen Heranziehung des Textes als messianische Belegstelle nicht verwundert und eine frühe messianische Deutung im Hintergrund erkennen läßt. So lesen die Targumim anstelle des hebräischen Textes, der die Formulierungen „Stern aus Jakob" und „Szepter aus Israel" enthält, die messianisch zu verstehenden Syntagmen „König aus Jakob" p p l T Q *0*?0) und „Gesalbter aus Israel" (ΝΓΡϋΟ ^NliiTO) und zeichnen diese Figur als endzeitlichen Kämpfer gegen die Fürsten von Moab und königlichen Herrscher über die ganze Menschheit.20 Der Aspekt des endzeitlichen Befreiungskampfes tritt auch in TargNeo, TargPsJon und FrTarg Num 11,26 hervor, wo innerhalb einer Prophezeiung vom „König Messias" (ΠΓΡΟΏ tO^Q) die endzeitliche Überwindung der Feindesmächte Gog und Magog ausgesagt ist, worauf eine siebenjährige Friedenszeit für Israel folgt.21 Im Prophetentargum zu 1 Sam 2,10 folgt nach der Überwindung feindlicher Mächte durch Gott selbst die Bitte um Kraftverleihung an den König und um Größe der „Königsherrschaft seines (sc. Gottes) Gesalbten" (¡rrrtaa π ό ^ ώ ) , ein Gedanke, der durchaus im 1. Jh. vorstellbar ist, in dieser Zeit aber nicht unter Bezugnahme auf 1 Sam 2,10 bezeugt ist.22 Im Rahmen der Endzeitdarstellung von TargPsJon Dtn 30,4 " Vgl. zu diesen Texten OEGEMA, Gesalbte 264-266.266f.; NEUSNER, Theme 281-283. Anders verortet EVANS, Jesus 171 die Variation in TargNeo und FrTarg zu Ex 12,42 im Hinblick auf NT-Parallelen als frühe Überlieferung. Doch kann der Hinweis auf NTParallelen generell nicht überzeugen, da damit nur eine bestimmte christliche Interpretation, aber kein Targum-Text zu vergewissern ist und so die Unsicherheit bleibt. 20 So im Wortlaut TargO und TargPsJon. Zum Text vgl. neben den Editionen auch EVANS, Jesus 160; BILLERBECK, Kommentar III 833; NEUSNER, Theme 279. Vgl. die Angaben bei OEGEMA, Gesalbte 46 Anm. 29; 267f. Zur Datierung EVANS, Jesus 161. 21 Dazu auch EVANS, Jesus 172f. TargPsJon Num 23,21 tritt der König Messias zusammen mit der Memra des Herrn auf, FrTarg Num 24,7 sammelt er die Exulanten; vgl. zu diesen Aussagen LEVEY, Messiah 17-20; OEGEMA, Gesalbte 267. Eine siegreiche militärische Funktion innerhalb der Geschichte übernimmt der „König Messias" nach TargPsJon Num 24,24; dazu NEUSNER, Theme 283. 22 Dazu auch EVANS, Jesus 161f., der eine messianisch verstandene christliche Parallele im Magnifikat Lk 1,46-55 erblickt. Die Targum-Paraphrase als Voraussetzung des lk Liedes bleibt unsicher.

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spielen der Hohepriester Elia und der „König Messias" lediglich in der Zeit des Übergangs von dieser zur zukünftigen Welt eine Rolle.23 Die im Targum erfolgte Verbindung der älteren königlichen Gesalbtenerwartung mit dem endzeitlichen Auftreten Elias (bzw. Moses) einerseits und dem dieser Tradition fremden eschatologischen Wort des Herrn andererseits weist m.E. auf eine spätere Situierung der formulierten Vorstellungen, also jedenfalls nach den jüdisch-römischen Kriegen.24 Im Hinweis auf die König-Gesalbten-Erwartung erhielt sich aber eine ältere Überlieferung, deren Bekanntheit im 1. Jh. die Targumim indirekt bestätigen. Im Prophetentargum zu den späteren Propheten, dessen Grundbestand möglicherweise auf römische (teils vorchristliche?) Zeit zurückgeführt werden kann, wird der aramäische Titel NITCÖp in der überwiegenden Zahl der Prophetentexte, die eine herrscherliche Heilserwartung artikulieren (wie Jes 11,1; Jer 23,5; Mich 4,7f.), gebraucht.25 Exemplarisch sei TargJon Jes 11,1.6 deutsch wiedergegeben:26 (1) Ein König (ÍO'PO) wird hervorgehen aus den Söhnen des Isai, und ein Gesalbter (ΚΓΡΟΟΊ) wird erhöht werden aus den Söhnen seiner Söhne. ... (6) In den Tagen des Gesalbten Israels ΚΓΡΟΟΤ TODTD) wird der Friede zunehmen im Land, und der Wolf wird mit dem Lamm wohnen, und der Leopard wird an der Seite des Kindes liegen, und das Kalb und der Löwe und das Mastvieh sind zusammen, und ein kleiner Säugling kann sie führen.

Der hebräische Text von Jes 11,1 spricht vom Sproß aus dem Baumstumpf Isais und dem Trieb aus seinen Wurzeln, wohingegen das Targum die Begriffe biologischen Anfangs durch die Titel „König" und „Gesalbter" ersetzt und mit der Erhebung eines Gesalbten aus der Dynastie Isais eine messianische Interpretation des Textes festschreibt. Entsprechend wird in V. 6 das Syntagma „in den Tagen des Gesalbten" qualifizierend in die Bildwelt für die eschatologische Heilszeit eingetragen, so daß diese als (im strengen Sinne) „messianische" Zeit erscheint. Der frühjüdisch gern messianisch verstandene Text (vgl. PsSal 17; 4Q161; lQSb V 21-26) wird dadurch ganz im Sinne dieses messianischen Verständnisses interpretatorisch fixiert. Die Formulierung greift dabei auf eine ältere Verstehensweise zurück und bestätigt so deren

23 Dazu OEGEMA, Gesalbte 269. Vgl. TargPsJon Dtn 25,19, wo die „Tage des König Messias" als endzeitliches Ziel genannt sind; Text bei NEUSNER, Theme 283. 24 Gegen OEGEMA, Gesalbte 271f.280f. 25 Dazu KOCH, Messias 77; DERS., Heilandserwartungen 119-121. Nach CHESTER, Expectations 39 sind im Prophetentargum messianische Deutungen recht selten (wobei er Jes 16,5 als Ausnahme nennt). 26 Übersetzung von mir. Text: Editionen; EVANS, Jesus 163.

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Existenz im 1. Jh.27 Die messianische Konnotation der „Sproß"-Begrifflichkeit spielt dann freilich keine Rolle mehr. In analoger Weise ersetzt das Targum auch bei Jer 33,15 und den abhängigen Stellen Sach 3,8 und 6,12 die „Sproß"-Metaphorik durch den Terminus „Gesalbter" ([Ν]ΓΡϋΏ); TargJon Jer 23,5 liest statt des „gerechten Sprosses" des MT die Formulierung: „Siehe, Tage werden kommen - Spruch des Herrn - an denen ich für David (ΤΠ 1 ?) einen gerechten Gesalbten ITtÖQ) erstehen lassen werde, und er wird herrschen als König (fc070) und Erfolg haben, und er wird ein gerechtes und vorzügliches Gesetz im Land erlassen".28 Die Andeutung einer eschatologischen Königsherrschaft des Heils gehört zur gängigen Motivik einer königlichen Gesalbtenerwartung, wozu sich auch der Gedanke der Gerechtigkeit passend fugt. Die terminologische Ersetzung von „Sproß" durch „Gesalbter" fällt insofern aus dem frühjüdischen Rahmen, als dort die „Sproß"-Metaphorik als solche messianisch verwendet und offenbar auch verstanden wurde (vgl. 4Q174 III 11; 4Q252 V 3f.; 4Q285 Fr. 5). Darf man aus dieser Dissonanz den Schluß ziehen, daß die Formulierung des Targums doch deutlich später ist? Die aus der christlichen Tradition (Mt 2,4-6; Joh 7,42) bekannte Prophetenstelle Mich 5,1 deutet das Targum explizit messianisch, indem vom „Gesalbten" (NITÖQ) gesprochen ist, der aus dem unbedeutenden Ort Betlehem hervorgeht, seine Herrschaft über Israel aufrichtet und dessen Name von den Tagen der Schöpfung an genannt wurde. Ob die christliche Parallelbezeugung einer messianischen Interpretation zur Datierung der Targum-Tradition ins 1. Jh. ausreicht,29 scheint mir fraglich, da keine jüdische Bezeugung aus diesem Zeitraum verfugbar ist und so die Möglichkeiten der Analogiebildung oder der christlichen messianischen Erstinterpretation des Textes Mich 5,1 offen bleiben.

27 Vgl. auch EVANS, Jesus 163-165, der aufgrund frühjüdischer und christlicher Parallelen eine Existenz der messianischen Deutung von Jes 11 im 1. Jh. annimmt, die der Darstellung von 4 Esr 12,34 und syrApkBar 40,4 vorausliege. - TargJon Jes 11,4 betont in diesem Zusammenhang den Aspekt des „Wortes"; vgl. LEVEY, Messiah 49; CHARLESWORTH, Concept 197. Diese Betonung steht im Einklang mit der Bedeutung des Wortes als Durchsetzungsinstrument des Gesalbten nach PsSal 17. 28 Zu den Texten vgl. EVANS, Jesus 169f.l74. - Auch das Targum zu Jes 9,5f. spricht den Davididen als „Gesalbten" (KlTtÖD) an, dessen Herrschaft durch das Charakteristikum des Friedens geprägt ist. Vgl. auch TargJon Jes 16,5: Der Messias Israels richtet seinen Thron auf und herrscht in Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit in der Stadt Davids. 29 So EVANS, Jesus 170. - Im Targum zu Mich 4,7f. steht das Auftreten des Gesalbten in Zusammenhang mit der künftigen Aufrichtung der Herrschaft Gottes; der dabei artikulierte Gedanke, daß die Sünden des Volkes das Kommen des Gesalbten hinauszögern, ist dem 1. Jh. fremd und deutet auf späte Entstehung.

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Das Prophetentargum interpretiert den Gottesknecht in Jes 42,1; 52,13; 53,4.5.10 als Gesalbten. So heißt es in TargJon Jes 52,13 „mein Knecht, der Gesalbte (KITÜQ HDU) wird Erfolg haben ...", Jes 53,10 spricht von der „Königsherrschaft ihres (sc. des Restes Israels) Gesalbten" q i n m ö n m ^ n ) . Entsprechend ändert sich die Charakteristik der Figur im Gottesknechtslied Jes 52,13-53,12, denn der leidende, machtlose, verspottete und ausgelieferte Gottesknecht des hebräischen Textes wurde im Targum zum machtvoll über seine Feinde triumphierenden und den Tempel in Reinheit und Sündlosigkeit wiedererrichtenden königlichen Gesalbten.30 Die christliche Jesus-Deutung appliziert in einigen Traditionssträngen Züge des (leidenden!) Gottesknechtes auf die Gestalt Jesu,31 so daß sich die Frage nach dem Verhältnis von christlicher und targumischer Aufnahme des atl Gedankenkreises stellt. Enthält das Targum einen überlieferungsgeschichtlichen Niederschlag der Voraussetzungen oder die von jüdischer Seite her erfolgende Antwort angesichts der christlichen Aneignung? Die als zentrale Prägung des targumischen Gesalbtenbildes aufzufassende Umdeutung des Gottesknechtes in Richtung eines triumphierenden Königs steht in scharfem Kontrast zum christlichen Bild des Gesalbten Jesus, der in der Tat Leiden und Machtlosigkeit über sich ergehen lassen mußte, so daß m.E. eine Datierung der Modifikation des Targums nach dem 1. Jh. (vielleicht im Zusammenhang des Auftretens Bar Kochbas) größere Wahrscheinlichkeit beanspruchen darf. Andernfalls scheint es mir schwer erklärbar, warum die Interpretation als Machtfigur in keiner frühjüdischen Schrift bezeugt ist.32

30

Vgl. zu diesem Variationsprozeß auch EVANS, Jesus 166; er weist ebd. 165 daraufhin, daß nur ein Teil der aramäischen Handschriften des Prophetentargums zu Jes 42,1 den Titel „Gesalbter" enthält, doch erachtet er allein die zutage tretende Tatsache flir wichtig, daß in einigen Kreisen der Knecht als Gesalbter verstanden wurde. 51 So Mt 8,17/Jes 53,4; Joh 12,38/Jes 53,1; Apg 8,32f./Jes 53,7f.; Rom 10,16/Jes 53,1; Rom 15,21/Jes 52,15; 1 Petr 2,24f./Jes 53,5f.; dazu EVANS, Jesus 167f., der besonders auf die in Targum und NT parallel erscheinenden Themen von Sünde und Ungerechtigkeit sowie des Eingreifens zugunsten des Volkes aufmerksam macht. 32 Diese Überlegung richtet sich besonders gegen EVANS, Jesus 168f., der die targumische Deutung vorchristlich verortet und deren Überleben trotz christlicher Beanspruchung aufgrund ihres Alters und ihrer weiten Verbreitung behauptet. Doch gerade dann fällt das Fehlen einer Bezeugung in der frühjüdischen Umwelt des 1. Jh. als Gegenargument ins Gewicht. Wenn Evans (ebd. 169) den Triumphalismus nun doch als Antwort auf die christliche Betonung des Leidens erklärt, wird eine Annahme vorchristlicher Entstehung schwierig. Gegen die Annahme antichristlicher Polemik wenden sich SYRÉN, Targum (1989) und CHILTON, Glory 91.93f.l04-107, wobei letzterer die vorrabbinische Form feststellt und eine vorchristliche jüdische Messiaserwartung annimmt. LAATO, Star 342 hält hingegen zu Recht fest, daß die Endfassung des Textes sicher in christlicher Zeit stattfand und so ein gewisser christlicher Einfluß wahrscheinlich ist.

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Abschließend erfolgen noch einige kurze Hinweise auf das Targum zum Psalter. So trägt das Targum zu Ps 45,3 die bereits bekannte Titelverbindung „König Messias" (KITtüQ fcO^Q) und damit korreliert den Hinweis auf die übermenschliche Schönheit des Gesalbten und den Besitz des Geistes der Prophetie ein, worin sich der auf ihm ruhende ewige Segen Gottes zeigt; die Widmung im hebräischen Original (MT) von Ps 45 an den König (V. 2), die Anführung von Thron und Szepter als Herrschaftssymbole (V. 7) und die Nennung der Salbung durch Gott (V. 8) boten Ansatzpunkte für eine messianische Deutung. Der Doppeltitel und das Motiv der außerordentlichen Schönheit erinnern an Aussagen der Pentateuch-Targumim zu Gen 49,11, die Themenverbindung von königlichem Gesalbten und Prophetie an manche Darstellungen von jüdischen Kritikern und Gegnern der Römerherrschaft bei Josephus (s. dort). Ps 45 gehört nicht zu den im 1. Jh. bevorzugt messianisch interpretierten atl Texten, so daß die Frage einer frühen Datierung wiederum keine eindeutig positive Antwort erhält.33 Der Anfangsvers im Targum zu Ps 72,1 appliziert den ursprünglichen Königspsalm auf den „König Messias", den „Sohn des Königs David", für den die göttliche Gabe der Weisungen der Gerechtigkeit (zum Gericht) erbeten wird. Das Targum zu Ps 89,51 f., dessen hebräischer Text bereits vom „Gesalbten" sprach, fugt den auf Zukunft gerichteten Gedanken der Verzögerung seines Erscheinens ein und verleiht dem Auftreten dieser Gestalt so eschatologisches Gepräge, was eine messianische Interpretation darstellt. Eine frühe Deutung von Ps 89 auf einen königlichen Gesalbten ist gut denkbar und könnte im Targum eine Fortsetzung erfahren haben.34 Die Datierungsproblematik erlaubt insgesamt keine direkte Übernahme der Gesalbtenvorstellungen in den Targumim als Ausdruck einer gängigen und verbreiteten Erwartung des Frühjudentums im 1 Jh. n.Chr. Im Verein mit 33

EVANS, Jesus 175 verweist auf christliche Anwendung von Ps 45,6f. in Hebr l,8f. (und eine Nähe des Targums zu Ps 45 zum JohEv); TargPsJon und TargNeo Gen 49,11 seien von Targum Ps 45,3 beeinflußt. Ein solcher Einfluß ist auch umgekehrt denkbar; die Anknüpfungsorte im Originaltext des Psalms für die messianische Deutung des Targums waren auch fur einen christlichen Interpretator sichtbar. 34 Zum Targum Ps 72 und Ps 89 vgl. EVANS, Jesus 176f., der christliche Parallelen beibringt: Ps 72,1 Of. 15 mit Mt 2,11 und Offb 22,26; Ps 89,51 (LXX 88,51) mit 1 Petr 4,14; daraus leitet er offenbar eine frühe Datierung ab. Eine Differenzierung scheint mir nötig: Während eine messianische Deutung im 1. Jh. gerade für Ps 89 durchaus möglich ist, sollte die konkrete Formulierung im Targum doch eher später angesetzt werden. - Im Targum zu Ps 80,16 wird der „Sohn" durch Nennung des „König Messias" erklärt (BILLERBECK, Kommentar III 19), was eine im 1. Jh. seltene Vorstellung evoziert (vgl. 4Q174 III). - Vgl. noch das Targum zu Höh 4,5, das einen Messias ben David und einen Messias ben Efraim unterscheidet und mit Mose und Aaron parallelisiert (dazu CHESTER, Expectations 39f.). Ein Vergleich mit rabbinischen Zeugnissen erweist diesen Text als spät (sicher nach dem 1. Jh.).

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zeitgenössischen Zeugnissen tragen diese Versionen aber zur Bestätigung der Annahme bei, daß im genannten Zeit- und Kulturraum eine herrscherlichkönigliche Gesalbtenerwartung - zumindest als eine Linie der auf Gott gesetzten Hoffnungen auf Erlösung - existierte, ohne daß deren Verbreitungsgrad damit einschätzbar würde. Es handelt sich beim Gesalbten und König der Targumim überwiegend um eine von Gott ermächtigte irdisch-königliche Figur, die im politischen Bereich Befreiung von Feindesmächten und Initiierung einer Zeit der Gerechtigkeit und des Friedens zugunsten Israels vollbringt.

10. Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament Das NT muß am Rande der Erörterung der Gesalbtenerwartung des Frühjudentums, in dessen religionsgeschichtlichem Horizont die frühen Christen ihrer geistig-religiösen Herkunft nach anzusiedeln sind, aufgrund der intensiven und restriktiv-exklusiven Verwendung des Christus-Titels für Jesus von Nazaret zur Sprache kommen. Anstelle einer strikten Grenzziehung zwischen „Juden" und „Christen" sollte sachgerecht im 1. Jh. die basale religiös-kulturelle Gemeinsamkeit anvisiert werden,1 die erst in einem sukzessive verlaufenden Prozeß zur Herausbildung zweier distinkter religiöser Gruppierungen führte, die paradigmatische Differenzen aufweisen. Ganz allgemein wird Jesus im NT übereinstimmend in personaler Einzigkeit als Gesalbter verstanden. Dieser Titelgebrauch für Jesus ist an sich schon bemerkenswert, da er weder notwendig noch selbstverständlich erscheint. Hier sollen einige Grundzüge genannt werden, wobei das Gewicht der Ausführungen auf der Entdekkung von Übereinstimmungen mit frühjüdischen Gesalbten-Traditionen liegt, die von den ntl Autoren aufgegriffen, bearbeitet und modifiziert wurden. Diese Modifikationen tragen allgemein christlichen Charakter und finden bei den einzelnen Schriftstellern spezifische Ausprägung. Der folgende Überblick dient der Verifikation der eruierten königlichen Gesalbtenkonzeptionen anhand der ersten christlichen Schriften und zeigt damit zugleich die Bekanntheit der Traditionen im christlichen Gedankengut.

10.1 Corpus Paulinum

10.1.1 Authentische Paulusbriefe Ausgesprochen häufig findet der Christus-Titel in den authentischen Paulusbriefen Verwendung in bezug auf Jesus (ca. 271 Stellen). Diese gegenüber 1

HENGEL, Christentum ( 1 9 9 7 ) vertritt z.B. die These, daß das Urchristentum ganz aus seinem jüdischen Mutterboden hervorging. Vgl. auch CHARLESWORTH, Dead Sea Scrolls ( 1 9 9 8 ) , 124f. Angesichts einer häufig aufgerichteten Trennung des frühesten Christentums vom Judentum verdient ein solcher Ansatz als fällige Neuorientierung Beachtung, zumal wenn man die Vielfalt der jüdischen Welt im 1. Jh. („Judentümer") berücksichtigt, in die sich die Jesus-Bewegung - wenn auch randständig - einordnet.

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den wenigen frühjüdischen Belegen auffallende Häufung 2 des Lexems erlaubt eine doppelte Folgerung: Zum einen bezeichnet der Titel die Gestalt Jesu für christliche Rezipienten in völliger Eindeutigkeit, so daß er zusehends die Funktion eines Eigennamens bzw. eines eindeutig referierenden Titels zu übernehmen vermag. Zum anderen zeigt gerade diese titulare Referenz die innere Relevanz des Titels zum Verständnis der Gestalt Jesu, über die damit eine Wesensaussage fällt, die inhaltlich über eine rein onomastische Funktion deutlich hinausgreift. 3 Die Paulusbriefe haben als älteste Quellen über christliche Variationen frühjüdischer Gesalbtenhoffnungen zu gelten und werden gerade angesichts der begründeten Annahme wichtig, daß zwischen den dem literarischen Schaffen des Paulus vorausliegenden christologischen Traditionen hellenistisch-judenchristlicher Provenienz und der Christologie des Paulus selbst keine Situation wesentlicher Neubildung, sondern eher gegenseitiger Prägung und Beeinflussung, also grundlegender Kontinuität, liegt.4 Bei Paulus begegnet der Christus-Titel in einigen gängigen Wortverbindungen. Die wiederholt anzutreffende Formulierung κύριο? ' Ιησούς1 χριστό? (z.B. Rom 1,7; 5,1; 1 Kor 1,3; 8,6), in der bereits geprägte Sprache zum Ausdruck kommt, trägt bekenntnishaften bzw. liturgischen Charakter. Die Bezeichnung ' Ιησούς Χριστό? begegnet in verschiedenen Wortverbindungen und Zusammenhängen. 5 Das einfache (ό) Χριστό? in unterschiedlichem Kontext ist schon so fest mit der Gestalt Jesu und seiner messianischen Bedeutung verbunden, daß mit diesem Titel in nominaler Verwendung auf Jesus referiert werden kann, ohne daß dabei die ausgesagte messianische Qualität durch abgeschliffenen Sprachgebrauch verloren wäre. 6 Die zeitgenössisch

2 Zur Häufigkeit des Titels in den pln Briefen vgl. auch ZELLER, Transformation; HAHN, EWNT III 1156-1159; ferner BAUMBACH, TRE XXII 632; HENGEL, Jesus 155f. 3 Auch SÄNGER, Verkündigung 244 bewertet „Christus" bei Paulus als entscheidende Deutekategorie fur Jesus. 4 Diese These begründet SÄNGER, Verkündigung 224-244 (Ergebnis 241-244), indem er die vor-pln Christologie der „Hellenisten" im Sinne gesetzesfreier Heidenmission und Kultkritik bestimmt (Apg 6,8-15) und an auf die Frühzeit verweisenden Passagen der Paulusbriefe gegenliest (z.B. die Berufung Pauli zur Heidenmission von Anfang seines Wirkens an, Gal 1,16). 5 Z.B. Rom 1,1; 3,22; 5,15.17; 1 Kor 1,1; 2,2; 2 Kor 1,19; Gal 1,12; 3,1. 6 Vgl. Rom 8,35; 10,17; 1 Kor 12,12.27; 2 Kor 1,5; 12,9; Gal 1,22; 2,16; 3,27; Phil 1,29; 3,18; u.v.a. Zum titularen Charakter von χριστός in 1 Kor 15,3-5 vgl. HAHN, Hoheitstitel 208f. Aufgrund der nominalen, onomastischen Funktion ist Großschreibung des Substantivs angezeigt. Nach HENGEL, Titles 444f. wurde „Christus" in der griechischsprachigen Welt schnell zum Eigennamen; in 1 Kor 15,3 handelt es sich aber noch um einen Titel. Den Gebrauch als Eigennamen mit Verlust titularer Relevanz behauptet MACRAE, Messiah 171. Zum Erhalt der titularen Bedeutung vgl. die Argumente bei KARRER, Gesalbte 48-57; SÄNGER, Verkündigung 248.251; auch GNILKA, Paulus 230f.; DERS., Christen 223.

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zukünftig bzw. eschatologisch erwartete Realisierung der messianischen Herrschaft begann für Paulus bereits mit dem irdischen Jesus (besonders seinem Kreuzestod) und prägt demgemäß die Gegenwart,7 ohne damit die Hoffnung auf zukünftige Erfüllung des Begonnenen hinfällig werden zu lassen (vgl. Rom 5; 11); man darf von partiell realisierter Eschatologie sprechen.8 Der Gedankengang in Rom 5,2-11 veranschaulicht diese Aussage. Der Glaubende befindet sich durch den „Herrn Jesus Christus" bereits gegenwärtig in der Gnade und darf zugleich auf die Herrlichkeit Gottes als noch zu erreichendes Heilsgut hoffen (5,2). Am Anfang der gegenwärtigen Gnadenzeit steht Christi wirksamer Tod „für" 9 die sündenbehafteten Menschen, der sich allein aus dem Übermaß göttlicher Liebe zu den Menschen erklärt (5,6-8). Diese Liebe Gottes vermittelt der heilige Geist in das Herz (ei> r a i s καρδίαι?), den innersten Wesensgrund des Menschen (5,5). Auf der Grundlage des bereits im Vollzug begriffenen Heilsgeschehens korreliert Paulus Gegenwart und Zukunft, denn die schon jetzt durch Jesu Tod Gerechtgesprochenen dürfen um so berechtigter auf die zukünftige Errettung vor dem endzeitlichen Zorngericht Gottes (vgl. die Futurform σωθησόμεθα) hoffen (5,9). Die Wirklichkeit der Welt steht zwischen Anbruch und Vollendung der Heilszeit und erhält dadurch bereits eine eschatologische Heilsqualität, die sie innerhalb frühjüdischer Gesalbtenerwartung noch nicht gewinnen konnte - Gegenwart wird dort v.a. als Bedrohung wahrgenommen. Bei Paulus ist nun aber die Hoffnung die adäquate Ausschau in der Gegenwart auf die

7

Die Gegenwart betrachtet Paulus als bereits angebrochene Endzeit: 1 Thess 2,12; Gal 3,23-25; 4,4-7; 1 Kor 7,29-31; 10,11; 2 Kor 5,17; 6,2; Rom 3,24-26; 5,12-21; 14,8f. Die Formulierung „in Christus" charakterisiert die christliche Existenz sowohl in der Gegenwart (z.B. 1 Thess 1,1; 2,14; 1 Kor 1,2.30; Phil 2,5; 4,21) als auch in der Endzeit (1 Thess 4,17; 1 Kor 15,22; Phil 3,14); dazu auch GNILKA, Paulus 256-258; BECKER, Paulus 429. 8 Vgl. OEGEMA, Gesalbte 152f.l55f.; schon BULTMANN, Theologie 271-280. - SCHADE, Christologie 36f.91-98 formuliert die These, die messianische Herrschaft Christi präge für Paulus die Gegenwart und fülle so die präsentische Eschatologie des Paulus inhaltlich, was aus 1 Kor 15,23-25 deutlich ableitbar sei; dabei übernehme Paulus die apokalyptische Vorstellung eines messianischen Zwischenreiches, womit er das Leben der Glaubenden als Existenz in der Zeit verstehen kann; die eigentliche Zeitenwende Gottes steht dann noch aus. Dagegen muß das Handeln Gottes bereits in Leben, Tod und Erweckung Jesu wahrgenommen werden, womit die Endzeit schon anbrach und Christus als endzeitliche Zentralgestalt bestimmt wurde; traditionsgeschichtlich betrachtet, sind messianische Herrschaft und göttliche Endzeit in dem die Gegenwart kennzeichnenden Anfangszustand des neuen Äons zu einer Einheit verschmolzen. Als geeignetere Kategorien zur Beschreibung der in den pln Briefen noch wahrnehmbaren Distanz von Welt und Endzeit schlage ich Anbruch und Vollendung vor, die eine geschichtsimmanente Spannung ausdrücken und zugleich keinen qualitativen soteriologischen Bruch mehr ansagen. Der Anbruch der neuen Zeit muß freilich im Glauben ergriffen werden, sonst vollzieht sich Existenz weiter unter den Bedingungen „dieses Äons" (Rom 12,2; 1 Kor 1,20; 2,6.8; 3,18; 2 Kor 4,4; Gal 1,4). - Auch nach LOHSE, Paulus 21 lf. ist „das endzeitliche Urteil Gottes (...) mit der Offenbarung seiner Gerechtigkeit und seinem freisprechenden Wort bereits ergangen", also kein stufenweiser Prozeß von Gerechtsprechung, sondern ein Wandel „hier und jetzt im neuen Leben" (212) gegeben. 9 Der Tod „für uns" (υπέρ ήμών) hat soteriologische Wirkung; vgl. zur Bedeutung des Präpositionalausdrucks SÄNGER, Verkündigung 25lf.; auch KERTELGE, Verständnis 63-70.

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vollendete Zukunft. 10 Da die Versöhnung durch den Tod des Sohnes Gottes zu einer Zeit, als die Menschen noch „Feinde" Gottes waren (wegen der Sünde), bereits geschah, dürfen die so Versöhnten um so mehr auf Rettung durch das Leben des Sohnes (seine Erweckung) vertrauen, wie Paulus Rom 5,10 in einer Qal-Wachomer-Folgerung festhält. Die Versöhnung gelangt schon präsentisch zur Geltung (5,11), wodurch Jesu Sterben „für uns" (5,8) Erläuterung findet.

Der präsentische Heilsanbruch ermöglicht den Anteil an Christus in der Gegenwart auf sakramentale Weise, nämlich vermittelt durch Taufe und Herrenmahl. Nach Rom 6,3f. gewährt die Taufe in sakramentaler Erfahrung Anteil an Tod und Leben Jesu, denn die Taufe auf den Tod Christi Jesu bewirkt - in einer gewissen Analogie zu Jesu Auferweckung, die durch Jesu Tod grundgelegt ist - eine gänzlich neue Lebensweise (έν καινότηπ £ωή?) (6,4) und erlaubt zugleich die Hoffnung auf die zukünftige Teilhabe an Jesu Erweckung (6,5.8)." Die so initiierte Christusgemeinschaft als wesenhafte Zugehörigkeit des Getauften zu Christus ermöglicht grundsätzlich die Abkehr, die Freiheit von der Sünde, weil die sakramentale Teilhabe an Jesu Tod ein „Gestorbensein für die Sünde" beinhaltet (6,2.6-11; vgl. femer 2 Kor 5,14f.). Die Taufe auf Christus bewirkt Verwandlung in einen neuen Menschen (Rom 6,11-14; Gal 3,27).12 Die soteriologische Bedeutung des Todes Jesu artikulieren Rom 4,25 und 1 Kor 15,3 („für unsere Sünden"), wobei Anklänge an das deuterojesajanische Lied vom leidenden Gottesknecht Jes 53,5f. zu hören sind, das als Begründung aus der Schrift als Deutekategorie für Jesu Tod vorstellbar wurde:13 Der Gesalbte trägt damit auch Züge des leidenden und sterbenden Gottesknechtes, was seiner Funktion als Repräsentant Gottes den Tod integriert und dies zugleich als vorherverkündigten Willen Gottes auslegt. Paulus verbindet hier mit der Erörterung der Taufe die paränetische Absicht, die Christen in der Gefahr der Sünde zum Widerstand, zur Bewährung zu ermuntern (6,12-14). In 1 Kor 6,11 sind Taufe und Rechtfertigung14 parallel gesetzt, denn beide zielen auf Befreiung von der Sünde und verdanken sich der Gabe des Geistes (vgl. Rom 3,24-26). Dies geschieht durch existentielle Hineinnahme in die Christusgemeinschaft,15 wie die Taufe auf den Namen Jesu (vgl. Rom 6,3.11; 10,9; Apg 10,48; 19,5) sinnenhaft erfahrbar aussagt. 10

Aussagen zur Grundhaltung der Hoffnung formuliert Paulus Rom 8,18-25; 1 Kor 13,912; 2 Kor 4,16-18; 5,6-8; Phil 1,23; dazu die Studie von NEBE, Hoffnung (1983). " Zu diesem Zusammenhang auch GNILKA, Paulus 274-276; HORN, Angeld 176-178; BECKER, P a u l u s 4 4 6 ; LOHSE, P a u l u s 137; HÜBNER, P a u l u s 147. 12

Vgl. Kol 2,11-15; 3,9f.; Eph 4,22-24. Dazu KERTELGE, Verständnis 63-70; LOHSE, Paulus 106f. 14 Zur Gerechtmachung in 1 Kor 6,11 vgl. STRECKER, Befreiung 504, der die Übernahme jüdischer Tradition zeigt. Im Kontext des pln Rechtfertigungsverständnisses LOHSE, Paulus 201 f. 15 Anders HORN, Angeld 143-147, der zwischen der Überfuhrung in den neuen Stand und der Übereignung an Christus differenziert und lediglich ersteres unter Berufung auf juden13

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Der Vollzug des Herrenmahles (1 Kor 11,23-26 im Kontext 11,17-34; 10,16f.) vermittelt die Präsenz des Herrn und Teilhabe an Christus. Dieses Mahl verkörpert Jesu Anwesenheit „bis er kommt" (1 Kor ll,26fin), so daß es in der Darstellung des Paulus bewußt innerhalb der irdischen Verhältnisse stattfindet und nicht als endzeitliches Mahl der Vollendung verstanden wird. Die doppeldeutige Rede vom „Leib Christi" (1 Kor 10,16; 11,24) weist auf den gemeinschaftsstiftenden Charakter des Herrenmahls hinsichtlich der Gemeinde (vgl. 1 Kor 12,12-27), die daran teilnimmt: Die Gemeindeglieder sind sowohl mit Christus als auch untereinander vereint. 16 So verlangt Teilnahme am Herrenmahl ethische Konsequenzen, die die Teilhabe an Christus im zwischenmenschlichen Miteinander lebendig verwirklicht und demonstriert.' 7

Im Kontext frühjüdischer Gesalbtenerwartung treten spezifisch christliche Umrißlinien hervor: Die historische Gestalt Jesus von Nazaret steht am Anfang des Glaubens an den Christus Jesus. Gerade dessen Tod gewinnt soteriologische Relevanz (vgl. Rom 6,3f·) und wird so zu einer zentralen semantischen Prägung des Christus-Titels, was frühjüdisch nicht gedacht wurde, ja anstößig war (vgl. 1 Kor 1,23). Angesichts dieser Spannung muß das Ereignis der Auferweckung Jesu als entscheidender Glaubensfaktor veranschlagt werden, um das Gesalbtenbild christlich zu modifizieren. Die Erweckung legitimiert die göttliche Sendung Jesu. So erhält der Christus-Titel in Kreuz und Erweckung Jesu die Grundkonstanten seiner Denotation.18 Damit dürfte auch zusammenhängen, daß Paulus (fast)19 keine ausfuhrlichen Schilderungen der apokalyptischen Ereignisse präsentiert. Allein entscheidend erweist sich das Vertrauen auf Christus, so daß Paulus die erfüllte Endzeit als Zeit vollkommener Gemeinschaft mit Christus ohne Ende ansprechen kann (1 Thess 4,17; 5,10; Phil 1,23). Der Glaube an Jesu Erweckung bildet die alleinige Basis für die Hoffnung auf Teilhabe an dieser Auferweckung seitens der Glaubenden (vgl. 1 Thess 4,14; 1 Kor 6,14; Rom 8,11).20 Für Paulus stellt das vollkommene Heil der Endzeit keine Utopie ohne Gegenwartsbezug dar, vielmehr christliche Tradition im Sinne einer Reinigung gegeben sieht. Jedoch vermittelt der Name (Jesu) das Wesen der benannten Person, macht dieses zugänglich und ist gerade darin wirksam. 16 Zur doppelsinnigen Bildrede vom Leib vgl. GNILKA, Paulus 279; LOHSE, Paulus 141f.; HORN, Angeld 289f.; KLAUCK, Herrenmahl 335-337. 17 Taufe und Herrenmahl im Verständnis des Paulus thematisieren z.B. GNILKA, Paulus 272-281; LOHSE, Paulus 137-142; BORNKAMM, Paulus 196-200. 18 Bei Paulus in 1 Kor 15,3-5; Rom 4,24f.; 6,3f.; 8,34; u.ö. Zu den Bedeutungsspezifika von Kreuz und Auferweckung vgl. auch LOHSE, Paulus 43f.l06f.; BECKER, Paulus 425-427; GNILKA, Paulus 229f. " Ausnahme ist vielleicht das apokalyptische Szenarium 1 Thess 4,16f., das jedoch auch nur in kurzen Strichen skizziert wird und in die zentrale Aussagespitze der dauernden Christusgemeinschaft mündet. Ähnlich verhält es sich in 1 Kor 15,23-28, wo Gottes universale Macht aufleuchtet. 20 Vgl. auch BECKER, Paulus 469-471.475-478.

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bildet die Christus-Erfahrung der gegenwärtigen Gemeinde, die bereits den Anbrach des Eschaton signalisiert, die Grundlage für die Hoffnung auf zukünftige Vollendung; diese Eröffnung eines strengen Bezugs zur Geschichtsrealität scheint mir für Paulus - gerade auch gegenüber frühjüdischen Entwürfen bemerkenswert.21 Freilich enthält das Christus-Bild bei Paulus auch traditionelle Elemente. Die davidische Traditionslinie des königlichen Gesalbten schimmert Rom 1,3; (9,5;) 15,8-12 noch durch.22 Das Präskript des Rom (1,1-7) besteht aus einer aufwendig konstruierten syntaktischen Einheit, die Pauli Apostolat grundlegend thematisiert und zur Basis des Schreibens an die römische Christengemeinde macht. Das Apostolat steht in wesenempfangender Verbindung zum Evangelium Gottes (V. 1), das Paulus heilsgeschichtlich entfaltet: Gott hat es im voraus verheißen durch seine Propheten in heiligen Schriften (V. 2); als zentraler Inhalt der Verheißung ist zu Beginn von V. 3 Gottes Sohn genannt,23 der in zweierlei Hinsicht bestimmt wird: „geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, eingesetzt als Sohn Gottes in Macht nach dem Geist der Heiligung aus der Auferstehung der Toten" (l,3f.). 24 Am Ende von V. 4 folgt mit feierlichem Gewicht das eindeutig identifizierende Syntagma „Jesus Christus, unser Herr". Die doppelte Bestimmung artikuliert in Form einer Klimax irdische und himmlische Existenz des Sohnes Gottes. Der Hinweis auf die Herkunft aus der David-Dynastie läßt an das Motiv der davidischen Abstammung des Gesalbten denken, das grundlegend in 2 Sam 7,12-14 gefunden wird.25 Dadurch beschreibt Paulus (bzw. die von ihm aufgegriffene Tradition) die Gestalt Jesu auf heilsgeschichtlichem Hintergrand mit der Ge21

Zur Begründung weise ich hin auf die pln Rede vom Kreuz (1 Kor 1,18; 2,2; 2 Kor 4,1 Of.; Gal 3,1.13; 5,11.24; Phil 2,8; Rom 6,4.6) und auf Geist- und Gemeindeerfahiung (Gal 3,2-5; 4,6; 2 Kor 3,17f.; Rom 5,5; 8,9; 1 Kor 15,45; zur Gemeinde 1 Kor 11-14; Gal 3,28), sowie auf das pln Interesse an der sittlichen Praxis (1 Kor 5-11; Gal 5,22f.25) und die menschliche Schwachheit als Wesen apostolischer Existenz nach Paulus (2 Kor ll,29f.; 12,5.9f.; 13,4); dazu SCHREIBER, Utopie 102-104. 22 Dazu ZELLER, Transformation 160f. Vgl. z.B. auch 2 Tim 2,8. In Rom 9,5 spricht Paulus allgemein von der Herkunft des Christus aus dem Volk Israel „nach dem Fleisch". 23 Möglicherweise schwingt in der eröffnenden Rede von „seinem Sohn" der Präexistenzgedanke mit (so GNILKA, Paulus 234; WlLCKENS, Rom I 64f.), der aber von Stellen wie Gal 4,4f.; Rom 8,3; Phil 2,6 her eingebracht werden muß. M.E. liegt der Akzent hier auf dem Auftreten Jesu, das freilich von Anfang an das Auftreten des Gesalbten ist. Dazu steht der Präexistenzgedanke natürlich nicht im Gegensatz, bereits in der Apokalyptik konnte er mit der Gesalbtenerwartung verbunden werden (äthHen 48,3.6; 62,7). 24 GNILKA, Paulus 233 verortet diesen „Credosatz" im palästinischen Judentum. Zum Nachweis einer vor-pln Formel WlLCKENS, ROM I 56-61; auch RADL, Ursprung 344-346; ferner KÜGLER, König 18f.; zur Traditionsgeschichte HORN, Angeld 96-100. 25 2 Sam 7 als Hintergrund favorisieren HENGEL, Sohn Gottes lOOf.; GNILKA, Paulus 233; RADL, U r s p r u n g 3 4 6 ; KÜGLER, K ö n i g 19.

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salbtentradition, womit im Kontext stimmig seine einzigartige Gottverbundenheit und damit Offenbarerqualität und Macht zu assoziieren sind. Dazu fügt sich gut die Einsetzung zum „Sohn Gottes in Macht (eu δυνάμει) 26 nach dem Geist der Heiligung" (V. 4), da wiederum die einzigartige Gottnähe zum Tragen kommt; wenn man im Hintergrund der Aussage Ps 2,727 - der gesalbte König von Israel wird zum Sohn Gottes eingesetzt - erkennt, klingt über die Assoziation von König und Salbung wiederum die Gesalbtentradition an, wobei das Motiv der Vollmacht hervortritt. Auffällig ist nun freilich, daß diese Einsetzung έζ αναστάσεως νεκρών erfolgt. Damit wird einmal die primär irdisch-national verortete Gesalbtenerwartung vom Gedanken der Auferstehung her modifiziert, was auf der Basis der Ostererfahrung so nur christlich von Jesus als Gesalbtem gesagt wird. Die Auferstehung als Einsetzung darf dabei nicht als Zeitpunkt der Inthronisation zum König und Gesalbten mißverstanden werden - gemäß der David-Tradition war Jesus schon κατά σάρκα (V. 3fin) der Gesalbte. Die Einsetzung bedeutet vielmehr eine von Gott gewährte Vollmachtstellung im Sinne eines Herrschers vom Himmel her.28 Zum anderen erweckt der Genitiv Plural νεκρών Aufmerksamkeit, der, als Geniti vus subjectivus verstanden, den Blick auf die allgemeine Totenerweckung weitet. Jesu Erwekkung markiert so den Beginn der endzeitlichen Totenerweckung,29 die in der frühjüdischen Apokalyptik als Tat Gottes am Anfang des neuen Zeitalters steht (vgl. noch in 1 Thess 4,14 und 1 Kor 15,12-28). Während apokalyptisch die messianische Zeit der Endzeit Gottes in aller Regel einleitend bzw. den alten Aon beschließend voraufgeht, sind hier messianische Zeit und Endzeit zu einer nicht auflösbaren Einheit verbunden (vgl. auch 1 Thess 4,16f.; Phil 3,20f.), was als durch das „Jesus-Ereignis" stimulierte Aufwertung der Gesalbtengestalt beurteilt werden darf. Der „Sohn Gottes"-Titel wird in diesem Kontext in die Gesalbtenerwartung integriert, was fnihjüdische Ansätze besitzt (vgl. 4Q174 III 10-13), christlich aber ungleich stärkeres Gewicht gewinnt. Sohn Gottes bezeichnet so die Gottunmittelbarkeit des Christus, will aber (noch) keine metaphysische Aussage in bezug auf dessen göttliches Wesen treffen. 30 Diesen Sohn Gottes, der zentral als Gesalbter gezeichnet wird, stellt Paulus den 26

Mir scheint die Macht als Gabe der Einsetzung wahrscheinlicher als ein instrumentales Verständnis als „Kraft des Geistes", das WlLCKENS, Rom I 65 von 1 Kor 6,14 und Rom 8,11 her erwägt. Die Tradition enthielt (noch ohne die Formulierung mit κατά) möglicherweise die instrumentale Deutung, so HORN, Angeld 99; wenn Horn ebd. 97f. die Absicht der Zusammenfügung von Davidsohnschaft und Erweckung in der Domestizierung der Davidsohnschaft durch die Erweckung erblickt, richtet er einen unnötigen Gegensatz auf. Eher soll der Messias durch die Erweckung gedeutet werden im Sinne einer endzeitlichen Vollendung durch Gott (vgl. auch WlLCKENS, Rom I 60f.). 27 Auch LOHSE, Paulus 77 und GNILKA, Paulus 233 erkennen Ps 2,7 als atl Basistext für Rom 1,4. 28 Mit WlLCKENS, Rom I 61.65. Gegen GNILKA, Paulus 233. Vorsicht gilt auch gegenüber der Aussage von HENGEL, Titles 437f., der davidische Messias werde in der Erweckung zum Sohn Gottes „adoptiert"; freilich bezieht sich Hengel auf die rekonstruierte Traditionsvorlage von Rom l,3f. Nach LOHSE, Paulus 77f. wird der Einsetzungsgedanke der Tradition von Paulus durch die Präexistenzchristologie überholt. Vgl. auch 1 Kor 15,23-28; Phil 2,9-11. 29 Vgl. auch WlLCKENS, Rom I 65; GNILKA, Paulus 233. 30 Auch GNILKA, Paulus 233 hält fest, daß mit „Sohn Gottes" nicht die göttliche Herkunft ausgesagt ist. WlLCKENS, Rom I 59 (mit Anm. 15) versteht „Sohn Gottes" als „messianisches Prädikat"; vgl. ebd. 65.

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Adressaten als Ziel der Heilsgeschichte Gottes und Inhalt des Evangeliums am Eingang seines Briefes an die römische Gemeinde fundierend vor Augen. In Rom 15,8-12 nennt Paulus Christus einen Diener der Beschneidung um der Wahrheit Gottes willen, um die Verheißungen an die Väter zu bestätigen (V. 8), und weitet dann den Blick hin auf die Völker, die aufgrund der Barmherzigkeit Gottes zu dessen Lob gerufen sind (V. 9); Paulus belegt den Gedanken mit mehreren Schriftstellen, zuletzt mit Jes 11,10 LXX: „es wird kommen der Sproß des Jesse und wird sich erheben, um über die Völker zu herrschen; auf ihn werden die Völker hoffen" (V. 12);31 den Anklang an die davidische Herkunft des Gesalbten und seine Herrschaftsfunktion hört der jüdische Rezipient deutlich, der Akzent der pln Aussage liegt jedoch im Kontext auf der - im frühjüdischen Umfeld auffallenden - heilsgeschichtlichen Stellung der Heiden und ihrer Hoffnung auf Gottes Gnade, was wohl für die Auswahl gerade dieser Stelle verantwortlich zeichnet. Die Davidsohnschaft Jesu steht nicht zentral im Aussageinteresse des Paulus, wie die Anspielungen auf eine davidische Abstammung Jesu im Rom erkennen lassen.32

Der bekannte Hymnus des Phil (2,6-11) ist mit dem Hinweis auf „Christus Jesus" (2,5) überschrieben und bietet entsprechend eine inhaltliche Konkretion des so Bezeichneten.33 Die Ausgangsvorstellung der Präexistenz (V. 6) ist der königlichen Gesalbtenerwartung insofern nicht fremd, als sie in der Apokalyptik, vermittelt über die Menschensohn-Tradition, teilweise zum Bild des Gesalbten hinzutrat (äthHen 48,3.6; 62,7). Die Formulierung èv μορφή θεου υπάρχων drückt allerdings eine über die Gottunmittelbarkeit des Gesalbten hinausgehende wesentliche Einheit mit Gott aus, die dem Gesalbten in der philosophischen Sprache des Hellenismus göttliche Substanz zuerkennt34 und in dieser Zuspitzung im Frühjudentum nicht aussagbar war. Der sich anschließende Inkarnationsgedanke (V. 7) verdichtet sich in der pointierten Rede vom Tod („bis zum Tod, dem Tod am Kreuz", V. 8),35 wobei der darin bezeugte Gehorsam den Ausgang bildet für die Erhöhung durch Gott, die mit dem Gnadengeschenk des höchsten Namens (όνομα) verbunden ist (V. 9). Folgerichtig müssen sich dem „Namen Jesu" alle Mächte im Himmel, auf Erden und unter der Erde unterordnen (V. 10), woraus die Funktion des Namens als Träger höchster göttlicher Vollmacht erhellt, durch die der Kosmos von widergöttlichen Fremdmächten befreit wird. Solche Vollmacht entspricht dem frühjüdischen Bild des königlichen Gesalbten aufweiten Strecken, des31

Übersetzung von mir. Vgl. KARRER, Gesalbte 272-275, der 277 Jesu Heirsein aus der Gegenwart Gottes und Jesu Dienst um der Menschen willen als Spezifika des pln Gesalbtenverständnisses beschreibt. COLLINS, Scepter 204 denkt an Jesu himmlische Inthronisation als volle Realisation seiner Königsherrschaft bei Paulus; er liefert jedoch keinen Textbeleg. Nach MACRAE, Messiah 172 „Messiahship is superseded by divine son-ship". 33 Zu Einzelfragen dieses vielverhandelten Liedes vgl. z.B. HOFIUS, Christushymnus (1976). 34 Die Deutung auf „göttliche Substanz und Kraft" formuliert GNILKA, Paulus 235. 35 Die soteriologische Funktion der Erniedrigung Christi artikuliert in einfacherer Diktion 2 Kor 8,9. Zur pln Betonung des Kreuzes in Phil 2,8 LOHSE, Paulus 79. 32

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sen Macht v.a. auf Erden und in nationaler Orientierung zur Wirkung gelangt. Die universale kosmologische Bedeutung, die keine nationale Bevorzugung mehr kennt, stellt eine Neuakzentuierung dar; auch Tod und Auferstehung (Erhöhung) als Heilsereignisse sind christliche Spezifika. Die einzigartige Machtstellung des erhöhten Jesus fordert das einstimmige Bekenntnis zu ihm als κύριος ' Ιησούς Χριστός, das theologisch in der δόξα Gottes, des Vaters, verankert wird (V. 11), so daß das frühjüdisch so entscheidende Partizipationsverhältnis des Gesalbten zu Gott wenigstens in Andeutung gewahrt bleibt, wenn auch der Abstand in der hymnischen Sprache schon sehr gering ausfallt. Weisheitliche Terminologie findet in 1 Kor 1,24.30 in bezug auf Christus Verwendung. So beinhaltet die apostolische Verkündigung „Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit" (V. 24), Christus wurde für die, die „in" ihm sind, von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Befreiung (V. 30). Damit werden durch den Christus Eigenschaften vermittelt, die auch in frühjüdischen Beschreibungen des Gesalbten begegnen (vgl. PsSal 17,22f. 32-40). Diese Aussagen identifizieren aber keineswegs Christus mit der Weisheit, vielmehr wird die Weisheit als Eigenschaft charakterisierend zu Christus gezogen.36 Die Präferenz weisheitlichen Denkens seitens der Korinther muß bei der Anführung der Weisheit im 1 Kor als außertextliche Vorgabe berücksichtigt werden (vgl. 1 Kor 1,18-2,16).

Einige Bedeutung in der Verkündigung des Paulus besitzt die Erwartung der Parusie des Christus. Dabei wird in nahe bevorstehender Zukunft37 das Kommen Jesu aus den Himmeln erwartet, das endgültige soteriologische Wirkung entfaltet. Davon spricht Paulus in Phil 3,20f., wobei der Heilscharakter aus der Bezeichnung des „Herrn Jesus Christus" als σωτήρ und der Verwandlung des irdischen Leibes zur Gleichgestaltung mit Jesu Leib der Herrlichkeit hervorgeht.38 Diese Verwandlung geschieht mit einer Wirkkraft (ενέργεια), mit der sich Jesus alles unterordnen kann. Diese gleichsam göttliche Macht in Anwendung zum Heil der Glaubenden korrespondiert grundsätzlich der königlichen Gesalbtenerwartung, ebenso seit dem Einfluß der Apokalyptik das Kommen der Heilsgestalt vom Himmel?9 Entscheidend neu ist aber die Iden36

Nach CHESTER, Expectations 7If. benutzt Paulus hier eine entwickelte Weisheitstradition. Eine solche dient jedoch bestenfalls im Hintergrund der umfassenden Beschreibung des Christus. 37 In 1 Thess 4,15.17 erwartet Paulus die Parusie noch zu seinen Lebzeiten; nach Phil 4,5b ist „der Herr nahe". Auch der Gebetsruf „Maranatha" (1 Kor 16,22), dessen aramäische Sprachgestalt auf die judenchristlichen Gemeinden Palästinas als Herkunftsort weist, trägt drängenden Charakter. 1 Kor 15,51 beginnt die Verwandlung noch zu Lebzeiten einiger Gemeindeglieder. 38 Zur Erlösung des Leibes vgl. auch Rom 8,23. 35 In 1 Kor 15,47-49 spricht Paulus (im Kontext einer Adam-Christus-Typologie) vom „Menschen aus dem Himmel", was Anklänge in apokalyptischen Schilderungen des Menschensohnes besitzt (äthHen 37-71; 4 Esr 13), der mit dem Gesalbten identifiziert ist.

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tität des Kommenden mit dem irdischen Jesus, so daß die Erwartung der Heilsvollendung im anfanghaften Anbruch des Heils mit dem Auftreten Jesu wurzelt. Der aus seinem Erdenleben bereits bekannte Gesalbte wird zur Vollendung des Begonnenen wiederkehren. Die Heilsvollendung deutet auf den Tag des Endgerichts, bei dem der Gesalbte seine Vollmacht in rettender und verwandelnder Weise zur Geltung bringt.40 Die endgerichtliche Rettung durch den Christus Jesus thematisiert Paulus wiederholt.41 Die frühjüdische Gesalbtenerwartung kennt in ihrer apokalyptischen Ausprägung durchaus das Gerichtshandeln des Gesalbten (vgl. äthHen 45f.; 48,8-10; 53f.; 69,26-29; 4 Esr 12,32f.; 13,37f.; syrApkBar 72,2-6), doch erfüllt dieses primär eine vernichtende Funktion an den Feinden und öffnet erst den Weg für das Endgericht Gottes (so 4 Esr 12,32f. vor dem Endgericht 12,34). Die soteriologische endgerichtliche Valenz des Christus erfährt christlich eine Steigerung. Die wesentlichen Elemente der pln Parusieerwartung finden sich prägnant in dem heilsgeschichtlichen Ausblick 1 Thess 1,10, der auf der Bekehrung zur Verkündigung des Paulus und zum wahren Gott (V. 9) ruht. Es handelt sich um eine Zukunftshoffnung, bei der Jesus, der „Sohn", aus den Himmeln erwartet wird, nachdem ihn Gott von den Toten erweckte, und der Rettung bringen wird vor dem kommenden Zorngericht. Das darin ausgedrückte Vertrauen auf die Errettung durch Jesus ist in seiner Bestimmtheit, die auf das bereits geschehene Heilsereignis zurückgreift, bemerkenswert. Im gleichen Brief überliefert Paulus eine kurze Schilderung der Parusie in apokalyptischen Bildern (1 Thess 4,16f.), 42 die himmlische Herabkunft und Totenerweckung zeitlich zusammenstellt. Der Skopus der Bildfolge ist aber wieder soteriologischer Art, denn das Geschehen mündet in der nicht endenden Gemeinschaft mit dem Herrn (4,17fin) und gibt so Anlaß zum aktuellen gegenseitigen Trost der Gemeinde (4,18). Der Gedanke der νεκροί tv Χριστώ in 4,16 findet sich mutatis mutandis auch in Gesalbten-Vorstellungen der Apokalyptik; so spricht äthHen 49,3 vom Wohnen des Geistes der in Gerechtigkeit Entschlafenen im Menschensohn, syrApkBar 30,1 drückt die Erwartung der Auferstehung der in der Hoffnung auf den Gesalbten Entschlafenen aus. 43 Die Zugehörigkeit zum Gesalbten während des Erdenlebens erlaubt berechtigte Hoffnung auf heilvolle Gemeinschaft nach dem Tod.

Paulus kennt also apokalyptische Traditionen, setzt sie aber nur sehr begrenzt ein, da er christliche Hoffnung allein auf den erhöhten und wiederkommenden Christus richtet, der Gottes Heilswillen verbürgt.

40

Zur Rettung am Tag des Endgerichts vgl. 1 Kor 3,15; 5,5. Vgl. Rom 5,9f.; 8,34; 10,9-13; 11,26; 1 Kor 15,20-23; u.ö. Einen soteriologischen Skopus des Handelns Christi im Hinblick auf das Endgericht läßt auch 1 Kor l,7f. erkennen. 42 Zur Rekonstruktion einer aufgegriffenen Tradition vgl. HOLTZ, 1 Thess 184f.l98f.; LÜDEMANN, Paulus 247.265-271; GNILKA, Paulus 236f. mit Anm. 20. Vgl. ähnliche apokalyptische Bilder in 1 Kor 15,51 f. 43 Zu einer christlichen Redaktion in syrApkBar 30,1 vgl. MÜLLER, Messias 143f.; HORN, Angeld 140 (christliche Bearbeitung nicht zwingend nachweisbar). Zum Verständnis von äthHen 49,3 HORN, ebd. 141. 41

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In 1 Kor 15 behandelt Paulus das apokalyptische Thema der Totenerwekkung. Christus begegnet in 15,20-22 als erster der Erweckten und ist als solcher in einer spezifischen Form der Adam-Christus-Typologie der Gestalt des Adam kontrastiert, der den urzeitlichen Beginn des menschlichen Todes darstellt. Die eschatologische Auferweckung aller Toten ereignet sich - wiederum in apokalyptischer Vorstellung beheimatet- nach einer bestimmten Ordnung oder Folge (τάξις), an deren Anfang Christus selbst steht (15,23). Im Rahmen der endzeitlichen Herrschaft Christi wird die Tradition des endzeitlichen königlichen Gesalbtenherrschers in 15,24f. ansatzweise sichtbar, denn das nach der Erweckung eintretende Ende wird dadurch charakterisiert, daß Christus die βασιλεία Gott übergibt, nachdem er alle irdische Herrschaft vernichtet hat (V. 24); bis zur Überwindung der Feinde nämlich muß Christus herrschen (Verb βασιλεύειν, V. 25), womit der Aspekt einer als Zwischenperiode vor der eigentlichen Herrschaft Gottes (vgl. 15,27f.) fungierenden königlichen Herrschaft Christi, des „Gesalbten", zutage tritt, die an die apokalyptische Funktion des königlichen Gesalbten (bzw. Menschensohnes) erinnert.44 Dabei besitzt Christi Herrschaft Charakteristik und Funktion der Repräsentation Gottes,45 womit das endzeitliche Verhältnis von Gott und Christus klar gedacht werden kann. Ebenso wird - diesmal unter Ansehung der gegenwärtigen Verhältnisse aus 1 Kor 8,6 die Partizipation der Herrschaft Christi an der Herrschaft Gottes deutlich, wobei wiederum differenziert wird: Gott erscheint als Ursache aller Dinge (vgl. die Präposition έξ), der κύριος ' Ιησούς χριστός als deren wirksame Vermittlung (διά mit Genitiv). Die Herrschaft des Christus deutet Rom 8,34 in der Aussage seines Seins zur Rechten Gottes (έστιν èv δεξιά toû θεού) an, was bezeichnenderweise in Verbindung mit Tod und Auferweckung Jesu formuliert wird; der Bezug zur Gemeinde Christi wird dadurch hergestellt, daß dieser himmlische Christus für die christliche Gemeinde in der Welt eintritt (έντνγχάνει ύπέρ ημών).46 Das genannte Syntagma aus Jesus44 Die Übergabe der Herrschaft kann nach CHESTER, Expectations 68 auch als himmlisches Geschehen interpretiert werden, womit der Einfluß einer irdischen Gesalbtenhoffnung zurückträte; er hält freilich auch die Deutung auf ein irdisches Reich fur möglich. Die proleptische Parallelisierung irdischen Geschehens im Himmel zählt zu den apokalyptischen Denkmustern, so daß hier überhaupt kein Gegensatz anzunehmen ist; himmlische Ereignisse erweisen sich eben in ihrem Zusammenhang mit dem Gang der Dinge auf Erden als bedeutsam. 45 OEGEMA, Gesalbte 152 spricht von „Vertretung Gottes auf dieser Erde" und nennt Christus „Stellvertreter Gottes und Richter in einer Person", was an die Funktionen des Menschensohnes in Dan 7 erinnert. - Die Erweckung Christi verbürgt dabei die am Ende erfolgende Erweckung der Christus Zugehörigen, so 1 Kor 15,23; Rom 8,11; 2 Kor 4,14. 46 Den Aspekt der Herrschaft denotiert deutlich der KÜpios-Titel, der gleichsam in hellenistischer Diktion einen Aspekt der Qualität des Gesalbten aussagt. So ist Christus nach Phil

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Name und Titeln begegnet in der Form ' Ιησούς χριστός κύριος auch 2 Kor 4,5, wobei die beiden Titel bereits eine Herrschaftsfunktion Jesu denotieren, was am Gegenüber der Person des Paulus (einschließlich anderer Verkündiger) durch die Selbstbezeichnung als δούλοι vollends deutlich wird. Daraus läßt sich ein Herrschaftsverhältnis zwischen den Gläubigen und dem erhöhten Christus erschließen, das die Vorstellung von der Repräsentation (der Herrschaft) Christi in der Wirklichkeit der Gemeinde freisetzt: In 1 Kor 12,12-2747 findet sich Gemeinde mittels der Metapher des Leibes, also eines lebendigen Organismus, in der versöhnten Spannung von Einheit und Vielfalt gezeichnet, wobei diese Gemeinde nach den die Ausführungen zur Leib-Metapher inkludierenden Aussagen in 12,12.27 mit Christus selbst bzw. dem Leib Christi identifiziert werden kann; damit repräsentiert Gemeinde die Herrschaft Christi als Ort deren irdisch-gegenwärtiger Verwirklichung und erfährt ihre „ekklesiologische" Begründung in eben dieser Herrschaft. In diesem Sinne bezeichnet Paulus in 1 Kor 6,15 die Leiber der Christen von Korinth als „Glieder Christi" (μέλη Χρίστου). Verantwortung für Entstehung und Leben der Gemeinde trägt Paulus selbst in seiner Funktion als Apostel, in dessen Auftreten Christus zur Wirkung gelangt (vgl. 1 Kor 4,15; Gal 2,20; Rom 15,18.29). In 2 Kor 1,19f. kann Paulus den „Sohn Gottes, Jesus Christus", als eindeutiges Ja-Wort zu Gottes Verheißungen bezeichnen, so daß sich in ihm der Glaube festmachen darf („das Amen" sagen). Gott selbst aber ist es, der den Apostel und die korinthische Gemeinde festgemacht hat in Christus und gesalbt hat (1,21); das Partizip χρίσας greift dabei semantisch auf den Titel (und Namen) Χριστός zurück und nimmt die Glaubenden (inklusives ήμάς) in die Stellung des Gesalbten zu Gott hinein, die nun ebenfalls wie der Christus in Gottes Nähe zu leben vermögen. Diese Erweiterung der Gesalbtenvorstellung auf die „Anhänger" des Gesalbten hin muß wohl weniger als „Demokratisierung" denn als Partizipation an der Stellung des Gesalbten beschrieben werden, wobei der Gesalbte seine einzigartige Position behält, die Anhänger aber an seiner von Gott gegebenen Heilsstellung partizipieren; der Gesalbte bleibt unverzichtbar als wirksamer Anfang und Mittler dieser Stellung. Diese Anteilgabe öffnet den Weg für die Bezeichnung der Glaubenden als „Christen" (vgl. dann die offenbar als Klassifizierungsversuch aus der Außenperspektive gewonnene Prädizierung

2,6-11 κύριος als Erhöhter, der sich nahezu in der Stellung Gottes, der des Kosmokrators, befindet (dazu G N I L K A , Phil 111-147); laut 1 Kor 8,6 ist er Herr in allen Dingen, auch Herr über die Gemeinde (vgl. Rom 4,24; 1 Kor 5,4; 12,3); zu diesen Texten auch G N I L K A , Paulus 232. In 2 Kor 4,5 interpretiert der prädikativ nachgestellte Titel „Kyrios" das Syntagma „Jesus Christus" und betont damit dessen Herrschaftsstellung, der die Existenz des δούλος seitens des Apostels entspricht; dazu K E R T E L G E , Jesus Christus, bes. 89, der im KyriosPrädikat die Öffentlichkeit der Herrschaft des wahren Messias ausgesagt sieht. 47 Zu 1 Kor 12 vgl. den Überblick bei S C H R E I B E R , Wundertäter 177-179 (mit Literaturhinweisen).

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Χριστιανοί Apg 11,26; vgl. 26,28; 1 Petr 4,16),48 die zur Gottunmittelbarkeit berufen sind. Das folgend genannte Bild des Versiegeins und die abschließend angeführte Gabe des Geistes in die Herzen als Unterpfand vertiefen diesen Gedanken theologisch und pneumatologisch (2 Kor 1,22). Ein weiterer Aspekt der eschatologischen Christus-Herrschaft findet 2 Kor 5,10 Erwähnung, wo im Kontext der Orientierung gegenwärtiger Lebenswirklichkeit des Apostels Christus als endzeitlicher Richter fungiert, der selbst auf seinem Richterstuhl (βήμα του Χριστού) sitzt und das Endgericht ausübt, das an der Lebenspraxis orientierten Lohn beinhaltet. 49 Wie der Menschensohn/Gesalbte der Bilderreden des äthHen erscheint er als zentrale Gerichtsfigur, wie dieser fungiert er als Partizipant Gottes, der nach Rom 14,10 selbst auf dem βήμα Gericht spricht. Endzeitherrschaft und Gerichtsfunktion sind an dieser Stelle in der Person des Gesalbten wie in apokalyptischen Vorstellungen eines Repräsentanten Gottes institutionell miteinander verbunden. Andeutungsweise klingt der Gedanke der Gerichtspartizipation des Gesalbten auch in Rom 2,16 an, wenn Gott am Tag des Endgerichts durch (instrumentales διά mit Genitiv) Christus Jesus richtet;50 das Gericht ist bereits im Evangelium des Paulus (κατά τό ευαγγέλιον μου) enthalten, so daß positiv eine berechtigte Orientierung der Lebensgestaltung an Christus, am Evangelium das pragmatische Ziel der Aussage bildet.

Die königlichen Gesalbtenerwartungen des Frühjudentums erfassen den Heilszustand in erster Linie politisch als Leben des Volkes unter der wahrhaft gerechten Herrschaft des königlichen Gesalbten, die eine Zeit des Friedens und des Wohlstandes beinhaltet und die vorgängige Vernichtung (oder Integration) der Feindmächte voraussetzt. Natürlich ist damit der heilvolle Lebenszustand des einzelnen mitgegeben. Paulus akzentuiert anders primär die Gottesbeziehung des einzelnen, die durch den Christus Jesus auf eine neue Basis gestellt ist, die sich als „Gerechtigkeit" im Sinne des Angenommenseins durch Gott und damit der wirklichen Entsprechung gegenüber Gott bezeichnen läßt (1 48

GNILKA, Christen 227 erwägt eine Entstehung der Bezeichnung in der Synagoge. Dann wäre die frühjüdische Konnotation klar enthalten. 49 Gegen SCHADE, Christologie 41-43 ist an dieser Stelle an Christi Gerichtshandeln festzuhalten, das ihn als Repräsentanten Gottes und in Partizipation (vgl. Rom 14,10 das βήμα Gottes) an Gottes Richterfunktion zeigt: Dafür spricht das Motiv der Vergeltung (κομίσηται έκαστος), das gute oder böse Taten voraussetzt, und das eindeutig richterlich konnotierte βήμα (vgl. äthHen 51,3; 62,2f.; 69,27; aber auch Joh 19,13). Die pln Endzeiterwartung erweist sich als facettenreich und nicht durchgängig systematisch ausgeglichen, vgl. Rom 8,34; 1 Kor 4,5. REISER, Wir alle 460 betont das aus 2 Kor 5,10 resultierende Prinzip der menschlichen Verantwortung als Skopus der Aussage, keineswegs die Schilderung von Lohn oder Strafe. 50 Syntaktisch und semantisch liegt ein Bezug der beiden Präpositionalphrasen κατά τό εύαγγέλιόν μου und διά Χρίστου ' Ιησού auf die Kemaussage des Satzes κρίνει ό θεός nahe, da die Verbindung beider präzisierend das göttliche Gericht im Sinne der christlichen Botschaft deutet; die Schlußstellung der Phrase „durch Christus Jesus" zeigt den Christus sowohl als Urheber des Evangeliums als auch als Bevollmächtigten zum Gericht, womit ein übereinstimmender sachlicher Richtungssinn beider Größen versichert ist, der eine Handlungsorientierung freisetzt. Zu dieser Auflösung der pln Satzkonstruktion vgl. in der Sache auch WLLCKENS, Rom I 137 (gegen anderslautende Versuche); REISER, Wir alle 460.

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Kor 1,30; 6,11; 2 Kor 5,21; Gal 2,16; 3,10-14). Der Christus aber fungiert als Offenbarer und Wirker dieser Gerechtigkeit Gottes, was sich in seinem Tod am Kreuz zentriert (Rom 3,21f.; 4,24f.; Gal 3,13f.).51 Die wichtige Aussage in Rom 3,24-26 artikuliert die Erlösung durch Christus Jesus kultisch als Sühne (vgl. αίμα) und damit als Sündenvergebung durch Gott, die der Mensch im Glauben ergreift. Glaube ist die Haltung der Annahme der Erlösung seitens des Menschen und die Kategorie der neuen Existenz in der heilvollen Nähe zu Gott durch Christus Jesus.52 Dies kann nicht ohne eine innere Umgestaltung des Menschen, ein Neuwerden seiner zuinnerst prägenden Haltung und damit der ganzen Person geschehen, wie die Taufaussage Gal 3,26f. und die Situierung des Glaubens im „Herzen" des Menschen Rom 10,6-10 illustrieren." Der Christus öffnet sich für die wesensbegründende Gemeinschaft mit den Menschen, die ihn annehmen: So drückt die Wendung „in Christus" diese besondere Christusgemeinschaft der Glaubenden aus, ebenso das Syntagma „Christus in uns"; in Phil 3,12 bezeichnet sich Paulus als „von Christus ergriffen". 54 Anders als in frühjüdischen Texten kann Paulus Gerechtigkeit Gottes und Gesalbtenvorstellung, freilich in christlicher Modifikation von Kreuz und Erweckung her, ursächlich zusammendenken. 55 Der Mensch in seiner Ganzheit ist von der Erlösung durch Christus erfaßt, was sich dann auch auf der sozialen und politischen Ebene sichtbar auswirkt - im Leben der christlichen Gemeinden. So möchte man auch nicht von einer Individualisierung der Gesalbtenerwartung sprechen, eher schon von einem Ausgang beim einzelnen Menschen.56

51

Vgl. zur Gerechtigkeit Gottes in Christus bei Paulus GNILKA, Paulus 237-244; BECKER, Paulus 305-321.376-394.436f.; LOHSE, Paulus 199-214: Rechtfertigungslehre als Zentrum der pln Theologie; so schon BORNKAMM, Paulus 126-129 in seinem einflußreichen Buch; vgl. ferner ESKOLA, Theodicy 235-251. Die pointierte Akzentuierung des Kreuzestodes Jesu in Gal 3,13 verdankt sich der Prämisse, daß der Fluch der Tora (3,10; vgl. Dtn 27,26) endgerichtliche Bedeutung besitzt und nur der Kreuzestod des Christus davon befreien kann, was wiederum erst von der Auferweckung des Gekreuzigten her aussagbar wird. Ausfuhrlicher zu diesem Problemkreis SÄNGER, Verkündigung 273-279. Die Befreiung vom Fluch des Gesetzes ist wesentliche Tat des Christus, was in dieser soteriologischen Abwendung vom Gesetz nur christlich denkbar ist. 52

Vgl. Rom 1,17; 3,22.26.28; 4,5.24f.; Gal 2,16; 3,11.22; negativ abgrenzend Rom 10,3. Intellektuelle Bejahung und ganzheitlich existentielle Annahme gehören zusammen; vgl. GNILKA, Paulus 245; zum pln Glaubensverständnis ebd. 244-247; BECKER, Paulus 437447; BORNKAMM, Paulus 151-155. 54 Vgl. „in Christus": Gal 3,28; 1 Kor 1,2.4.30; 2 Kor 5,17.19; Rom 3,24; 6,11.23; 8,1.39; Phil 1,13; 2,5; 4,21; auch Gal 1,22; 2 Kor 12,2; „Christus in uns": Gal 2,20; 4,19; 2 Kor 13,3.5; Rom 8,10. Dazu GNILKA, Paulus 255-259. 55 Diesen Gesichtspunkt behandelt auch LOHSE, Paulus 202. 56 Vgl. 1 Kor 6,17.19 den einzelnen als Geistträger und „Tempel des Geistes". 53

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Eine charakteristische Antwort erhält auch die Frage nach einem Heilsvorrang Israels als des Gottesvolkes. Bei Paulus greift das durch Christus in die Erdenwirklichkeit eingebrochene Heil weit über die nationalen Grenzen des Judentums hinaus und schließt die Heiden in gleicher Weise mit ein, wenn sie nicht gar wegen Israels Verstockung und Ablehnung Jesu den Vorzug genießen.57 Ein solch neuartiger Heilsuniversalismus mit zentraler Gewichtung der Heiden war in dieser Zuspitzung in den Darstellungen frühjüdischer königlicher Gesalbtenerwartung nicht aussagbar, was sicher mit deren politischer Antihaltung aufgrund erfahrener Unheilssituation durch die „Völker" als Feinde Israels zusammenhängt. Ziehen wir ein Fazit. Frühjüdische Überlieferung und christliches Proprium sind bei Paulus ineinander verschränkt. Tod und Auferstehung Jesu bilden innerhalb der pln Verwendung des χρισ-rôç-Titels Aussageschwerpunkte (vgl. nur 1 Kor 15,3-5; Rom 6,3f.), womit das in Jesus ereignete Heilsgeschehen als messianische Konnotation verbalisiert wird.58 Eine christliche Akzentuie37 Vgl. unterschiedlich akzentuierte Aussagen Pauli zum Thema in 2 Kor 3,4-18; Gal 3 , 8 f . l 4 ; 4,21-31; Rom 2,28f.; 4,1 lf.; 9-11. Zu einer Entwicklung im pln Verständnis Israels und des Gesetzes vgl. HÜBNER, Paulus 140f.l44-147; zu den Zentraltexten im Rom SÄNGER, Verkündigung 80-197; auch LOHSE, Paulus 215-227. 58 Dazu HAHN, Hoheitstitel 197-214; DERS., Messias-Erwartung 139; HOFIUS, Jesus 122124; KARRER, Gesalbte 368-373. Zur anfänglichen Entwicklung der Christologie vgl. die Überlegungen von HENGEL, Titles 446-448; auch er sieht eine christliche Neufüllung des Christus-Titels v o m soteriologisch belegten Tod Jesu her (ebd. 444-446). SÄNGER, Verkündigung 216-219 erkennt im gekreuzigten Christus die interpretatio Christiana und in der Auferstehung des Gekreuzigten den Ansatz der Christologie. ESKOLA, Theodicy 259-261 beschreibt Kreuz und Erweckung als zentral in der pln Soteriologie. Vgl. auch LOHSE, Paulus 4 3 f . l 0 6 f . - MACRAE, Messiah 172f. schlußfolgert eine sehr untergeordnete Bedeutung der Gesalbtentradition bei Paulus sowie eine christliche Interpretation in Richtung einer transzendenten Gestalt. Der vorherrschende Gebrauch des xpLoxós-Titels und die neue inhaltliche Füllung mit Tod und Auferstehung Jesu sollten dagegen stärker Beachtung finden. - Auch CHESTER, Expectations 66-71 behauptet eine überwiegende Verwendung des Terms χ ρ ι σ τ ό ? als Eigenname unter Verlust seiner titularen Funktion und der damit verbundenen inhaltlichen Füllung im Sinne einer Gesalbtenerwartung, was sich als Entleerung verstehen lasse: Paulus benutzt den Titel fast völlig ohne Bezug auf die tatsächliche Realisation des messianischen Zeitalters, die mit Jesus begonnene messianische Bewegung sei damit als solche nahezu beendet (69); entsprechend unterschlage Paulus Jesu ßaaiAcia-Botschaft, was Chester auf deren politische Gefährlichkeit zurückfuhrt (70); diese Entfernung von der (bekannten) spezifisch messianischen Erwartung (71) gewähre auf der anderen Seite Raum für eine wesentliche himmlische Charakterisierung des Christus, wobei ihm frühjüdisch angelegte, himmlisch-transzendente Kategorien zuwachsen (was auch der frühjüdischen Messiasgestalt nicht fremd sei) (76f.); möglicherweise war fur diese himmlische Konnotierung die Visionserfahrung des Paulus (seine Bekehrung) prägend (76-78). Dieser Vorschlag von Chester übersieht m.E. wichtige Faktoren; so müßte die erarbeitete Variabilität der königlichen Gesalbtenerwartung im Frühjudentum als Ermöglichungsgrund für Modifikationen entgegen

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rung bzw. Transformation des frühjüdischen Titels „Gesalbter" ist dabei unübersehbar, eine neue Denotation des Substantivs tritt gegenüber dem frühjüdischen Gebrauch hinzu. Die aus den Paulusbriefen erhebbare semantisch prägende Denotation des Christus-Titels läßt sich charakterisieren durch (1) die einzigartige Gottnähe Jesu als Repräsentanten Gottes, (2) den Erweis als Christus in Kreuz und Auferweckung als doppeltem Heilsereignis, (3) die Vollmacht Jesu zu Offenbarung und Gericht, wobei ein Heilsskopus überwiegt, (4) den gegenwärtigen Bezug zur Gemeinde, die in Jesus Zugang zu Gottes (und Christi) eschatologischer Herrschaft und Befreiung erhält und in gleicher Weise Juden wie Heiden offensteht.59 Diese semantische Prägung mußte auf der Basis frühjüdischer Vorstellungen für Nicht-Juden freilich erst erschlossen werden, worin wir auf einen essentiellen Bestandteil der urchristlichen Mission blicken. Eine partielle Vertrautheit mit jüdischen Traditionen darf fur den Kreis heidnischer Sympathisanten mit dem Judentum, den sogenannten „Gottesfurchtigen" (σεβόμενοι oder φοβούμενοι τον θεόν), vorausgesetzt werden, doch bilden diese schwerlich das Gesamt des heidenchristlichen Gemeindeanteils.60

einer Abgrenzung zur Gesalbtenerwartung fundamental berücksichtigt werden. Weiter ist von nachweisbaren Übereinstimmungen einzelner Christus-Aussagen bei Paulus mit der königlichen Gesalbtenkonzeption her zu fragen, ob diese Aussagen wirklich so stark ihres Inhalts und ihrer Bedeutung entleert sind und ob nicht die assoziative Fähigkeit der Leser stärker einbezogen werden muß. Kreuzestod Jesu und Auferstehungserfahrung sind als Schubkräfte (oder gar Initialzündung) einer Christologie zu berücksichtigen, wobei auch die nachösterliche Personalisierung der überlieferten Botschaft Jesu in bezug auf die Gestalt Jesu selbst als Christus als Modifikationsimpetus gewichtet werden muß. 55 Die Geschichte und Verheißung vermittelnde Charakterisierung, „daß der Messias die Geschichte auf Grund der Verheißung vollendet und daß in dem Messias die göttliche Verheißung als eine geschichtliche selbst offenbar wird" (so formuliert von WASCHKE, Frage 329, und aufgegriffen bei SÄNGER, Verkündigung 248), beschreibt angesichts frühjüdischer Texte, auf die die Aussage ebenfalls zutrifft, jedenfalls kein ntl Proprium. 60 SÄNGER, Verkündigung 248-251 sieht einen Großteil der Heidenchristen aus Gottesfurchtigen rekrutiert, für die er dann eine Bekanntheit mit der Semantik des Christos-Titels voraussetzt. Es spricht aber nichts dagegen, daß diese Verstehensvoraussetzung in der missionarischen Verkündigung fur einen Teil der Interessierten erst grundgelegt wurde, gerade auch was untere soziale Schichten und Sklaven betrifft, denen nicht ohne weiteres die Möglichkeit zum Erwerb jüdischer Bildung gegeben war. Diese Verkündigung war natürlich nicht auf die Person Pauli beschränkt, sondern wurde von zahlreichen Missionaren ausgeübt (vgl. nur die .Apostel" Andronikus und Junia in Rom 16,7), so daß in den heidenchristlichen Gemeinden ein christliches „Grundwissen" vorausgesetzt werden konnte, das auch die materiale Basis für die Abfassung des Rom an eine Paulus persönlich noch unbekannte Gemeinde darstellte.

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10.1.2 Deuteropaulinen Die Deuteropaulinen führen den pln Sprachgebrauch in differierender Intensität fort, wobei der titulare Charakter von χριστός weitgehend gewahrt bleibt.61 Innerhalb der Ausführungen „über die Parusie unseres Herrn Jesus Christus" (2 Thess 2,1) tritt in 2 Thess ein Widersacher Gottes auf (2,3-7), den „der Herr Jesus durch den Hauch seines Mundes (πνεύμα του στόματος αύτου) töten wird" (2,8), womit ein bekanntes Motiv zur gewaltsamen Durchsetzung des königlichen Gesalbten aufgegriffen ist.62 In 2 Thess 1,7-10 führt Christus das endzeitliche Gericht durch, was apokalyptische Motive evoziert. Kol 1,12f. dankt Gott für die geschehene Rettung vor der Macht der Finsternis und für die Hineinnahme in die βασιλεία seines Sohnes, die an die frühjüdisch erhoffte Herrschaft des Gesalbten erinnert, die hier jedoch schon angebrochen ist, und zwar, wie V. 14 fortführt, als Erlösung und Befreiung von Sünden. Die Königsherrschaft Christi erscheint als Lebensbasis des neuen Volkes Gottes. Der anschließende Hymnus auf diesen Sohn trägt charakteristische christliche Prägung: Die Bestimmung des Sohnes als είκών des unsichtbaren Gottes (Kol 1,15 a) kommuniziert seine Funktion des Mittlers und Offenbarers Gottes, die auch für den frühjüdischen Gesalbten als Repräsentanten Gottes an zentraler Stelle steht. Der breit entfaltete Gedanke der Präexistenz verstanden als Sein vor der Schöpfung der Welt - und der Schöpfungsmittlerschaft (1,15b-17) findet nur hinsichtlich der Präexistenz ein Pendant in der (apokalyptisch gefärbten) Gesalbtentradition. Die daraus resultierende Machtstellung des Sohnes korrespondiert in gewisser Weise der Herrschaft des Gesalbten. Diese Machtposition macht der Verf. fruchtbar für die Gemeinde, die, im Bild des Leibes mit dem Sohn als Haupt gezeichnet, unter seiner Heilsherrschaft existiert (1,18a). Der Kreuzestod als göttliches Versöhnungsgeschehen und die Erweckung von den Toten (l,18b-20) stellen die christlichen Grundkonstanten des Verständnisses Jesu als Christus vor, die von Paulus her vertraut sind. Die Warnung vor falscher Lehre (Kol 2,8) rekurriert kontrastierend auf Christus, da in ihm „die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt" (2,9) und er diese an die Glaubenden vermittelt (2,10a). Er besitzt alle Macht (2,10b) und gibt Anteil daran durch das Initiationssakrament der Taufe und den angenommenen Glauben, die Teilhabe am Heilsgeschehen von Kreuzestod und 61 Dazu HAHN, EWNT III 1159-1161. Zum Hebr und den katholischen Briefen ebd. 1162-1164. Zum Hebr auch KARRER, Gesalbte 344-346; ferner OEGEMA, Gesalbte 200f.; HENGEL, Titles 435-440. 62 Basierend auf Jes 11,4 LXX; vgl. PsSal 17,24.35f.; lQSb V 24; äthHen 62,2.

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Auferweckung Jesu bewirken und dadurch in einen Heilszustand der Sündenvergebung versetzen (2,11-15)." Neben den christlichen Spezifika finden in der Mächtigkeit des Christus und seiner Vermittlerrolle als einzigartiger Repräsentant Gottes Motive der frühjüdischen Gesalbtentradition Anwendung. In Folge des Mitauferstandenseins der Glaubenden mit Christus ermahnt der Verf. des Kol die Adressaten zur Orientierung ihres Daseins am Ort der Befindlichkeit des Christus, der mit „oben" (άνω) als der Himmel ausgewiesen ist, „wo Christus ist zur Rechten Gottes sitzend" (Kol 3,1). Die darin hörbare Anspielung auf Ps 110,1 markiert die heilsgeschichtliche Stellung des Christus und zeigt seine Gott ähnliche königliche Vollmacht über Himmel und Erde, die ihm von Gott her zuwächst. Christus erscheint - im Einklang mit entsprechenden frühjüdischen Vorstellungen - als bevollmächtigter Repräsentant Gottes, der für die Menschen die himmlische Herrlichkeit verbürgt. Aus der bei Paulus zu beobachtenden zeitlichen Spannung zwischen Anbrach und Vollendung des Heils wurde im Kol eine räumliche Dichotomie, die die Gleichzeitigkeit des Heils ermöglicht und doch die Spannung der irdischen Unvollendetheit aufrechterhält. Der Himmel als Ort der voll verwirklichten Christusherrschaft wirkt schon auf das Erdenleben ein, das in seiner Charakteristik als Ort der Anfechtung nach Bewährung verlangt (vgl. 3,2-4,6). Interessant ist die Rede von der βασιλεία του Χρίστου καί θεού in Eph 5,5, die in paränetischem Kontext steht, die königliche Gesalbtentradition impliziert und die Königsherrschaft des Christus und Gottes nebeneinanderstellen kann, ohne freilich deren Verhältnis zu erörtern. Entsteht dabei der Eindruck, die Teilhabe an der Herrschaft Christi und Gottes steht noch als Zukunftsereignis („Erbe") aus, so bringt Eph 2,6 die aktuelle Partizipation am Heilsereignis Christi zum Ausdruck: Gott hat die in ihren Sünden toten Menschen mit Christus zusammen lebendig gemacht, mitauferweckt und miteingesetzt in den Himmeln (2,5f.).M Die in den VV. 5-10 viermal verwendete Christus-Prädikation, die bis auf eine Ausnahme die Wortstellung Χριστό? Ιησού? aufweist, deutet auf semantische Valenz der titularen Bedeutung: Der Christus Jesus vermittelt als einmaliger Repräsentant Gottes wirksam dessen

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Die Heilsaussage in Kol 2,12 ist kunstvoll strukturiert: Mitbegrabensein durch die Taufe und Miterwecktsein durch den Glauben sind parallel konstruiert, wobei das zweite Glied fortgeführt wird im Hinweis auf die Macht Gottes, der Jesus von den Toten erweckte; in diesen Prozeß sind die Adressaten einbezogen (V. 13). Vgl. zur Neuwerdung in der Taufe Kol 3,9f.; Eph 4,22-24. 64 SCHNACKENBURG, Eph 224f. erwägt von der Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft der Herrschaft her die Wahl des Doppelausdrucks „Reich Christi und Gottes" vom Verf. in Eph 5,5 zur Verbindung der Zeitperspektiven (Hinweis auf 1 Kor 15,25-28).

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Gnadenhandeln, wobei die Gegenwärtigkeit des Heils prägnant in den Vordergrund rückt.65 Bereits Eph 1,20-23 thematisiert die präsentische Herrschaft Christi als Haupt der Gemeinde (1,22), die aus seiner Erweckung von den Toten durch Gott und seiner himmlischen Einsetzung zur Rechten Gottes (vgl. Ps 110,1) resultiert (1,20). Die universale Herrschaft66 Christi erhält ausdrücklich diesen Äon und den zukünftigen als Objekt und Bezugsraum zugesprochen (1,21) und wird mit Ps 8,7 gedeutet („alles legte er unter seine Füße"). Der genannte Zeitfaktor spiegelt im Hintergrund die apokalyptische Zwei-Äonen-Lehre, doch will der Verf. des Eph durch die gleichordnende Verbindung gerade keinen Gegensatz, sondern die Fortdauer der schon begonnenen Herrschaft Christi beschreiben (vgl. Eph 1,10; 2,17f.).67 In dem an dieser Stelle hervorgehobenen Herrschaftsaspekt des Christus blieb Einfluß der Gesalbtentradition lebendig, die Akzentuierung der Gegenwärtigkeit erscheint im christlichen Kontext als neuer Verstehensfaktor, der den Verf. des Eph mit Paulus verbindet.

Eschatologischer Anteil an der Herrschaft Christi wird in 2 Tim 2,12 denen verheißen, die standhaft bleiben: Sie werden mit dem in 2,10 genannten Christus Jesus zusammen herrschen (συμβασιΛεύσομεν, V. 12); die Teilhabe der Glaubenden an Christi Herrschaft ist prinzipiell eröffnet, bleibt aber an die Bewährung des Glaubens gebunden. 2 Tim 2,8 bestimmt Jesus Christus als „auferstanden aus Toten, aus dem Geschlecht Davids", was inhaltlich an die Formel in Rom l,3f. erinnert, aber eine Inversion der Aussagefolge bietet. Die Plazierung der Auferweckung vor der davidischen Herkunft fällt auf und akzentuiert Christus als vom Tod Erstandenen, der als davidischer Gesalbter kenntlich gemacht wird. Mit diesem Rückgriff auf eine Linie der frühjüdischen Gesalbtenhoffnung wird der Auferstandene gerade als solcher als Christus identifiziert und legitimiert, der er jedenfalls von Beginn seines Lebens/Auftretens an war; die Erweckung erhält die Funktion letztgültiger Legitimation. Der Gedanke des Gesalbtenstatus des Menschen Jesus läßt sich von 1 Tim 2,5f. her veranschaulichen, wo der „Mittler" (μεσίτη?) zwischen Gott und den Menschen als der „Mensch Christus Jesus" bestimmt wird: Der Mensch Jesus trägt bereits den Titel „Gesalbter", denn es darf die titulare Bedeutung von χριστός aufgrund der Voranstellung vor das Nomen proprium „Jesus" noch deutlich mitgehört werden. Die Hingabe Jesu als Erlösung für alle (V.

65 Die Taufe als konkreten Ort der Hineinnahme in Christus vermutet SCHNACKENBURG, Eph 94f.; er betont ebd. 95 die nachdrückliche Akzentuierung der Gegenwart als Heilszeit im Eph. 66 Die einzelnen in 1,21 angeführten Machtweisen sind inhaltlich nicht strikt voneinander abzugrenzen, sondern betonen in ihrer Vielzahl kontrastierend die Machtfulle und den Machtumfang des Christus. Zu Einzelheiten der Terminologie vgl. SCHNACKENBURG, Eph 76-78; zum angedeuteten Kirchenverständnis ebd. 78-83. 67 Gegen den Gedanken einer zukünftigen „Äonenwende" auch SCHNACKENBURG, Eph 78, der die Wende im Denken des Eph bereits als im Jesus-Ereignis geschehen eruiert.

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6) zentriert Jesu irdisches Wirken im Tod, der eben aufgrund seiner im Christus-Titel denotierten Repräsentanz Gottes die Erlösung verkörpert. Der Hymnus 1 Tim 3,16 entfaltet das εύσεβείας μυστήριον (vgl. 3,13fin die Nennung des „Christus Jesus") dann ausfuhrlicher: „Offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen (vor den) Engeln, verkündet bei den Völkern, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit". Die beiden ersten Sinneinheiten artikulieren dabei Jesu Existenz in der Sphäre der Welt, der Geschichte Israels, und in der Sphäre Gottes, der himmlischen und weltübergreifenden Herrschaft Gottes; als Gesalbter Gottes vermag er beide Sphären zu verbinden und so zum Offenbarer göttlicher Wirklichkeit in der Welt zu werden, wozu ihn Gott gegenüber dem Unglauben und der tödlichen Ablehnung der Welt legitimierte, „rechtfertigte". 68 Die in der dritten Sinneinheit genannte Erscheinung des Christus ist durch die Engel als Empfänger der Erscheinung im Himmel situiert und läßt sich als Erweis der herrscherlichen Macht des Christus vor dem himmlischen Hofstaat lesen.69 Die himmlische Herrscherstellung des Gesalbten bildet auch ein Element der Gesalbtenhoffnung frühjüdischer Apokalyptik. Die Verkündigung unter den Völkern (vierte Sinneinheit) setzt die Geltung der himmlischen Herrschaft Christi auch über den Bereich der Erde voraus (vgl. analog Offb 5,6-14). Dieser Gültigkeit entspricht die subjektive Annahme im Glauben als Unterstellung unter Christi Herrschaft seitens der Menschen, der Bewohner des Kosmos (fünfte Sinneinheit), während die sechste Einheit noch einmal zurückblickt auf die himmlische Herrscherstellung Christi in Herrlichkeit. 70 Interessant scheint mir die konsequente Verbindung von himmlischer und irdischer Realität zu sein, die Struktur und Inhalt des Hymnus prägt,71 da sich darin ein Strukturmoment der Apokalyptik spiegelt, bei dem himmlische Geschehnisse irdische Geschichtsvollzüge antizipieren; was im Himmel bereits volle Gültigkeit besitzt, wird sich mit dem Eingreifen Gottes auch auf Erden durchsetzen. Als entscheidende Differenz tritt freilich die Beobachtung hervor, daß die Herrschaft des Christus bereits jetzt Himmel und Erde umfaßt und in Folge keine qualitative Neugestaltung der Erdenverhältnisse mehr erwartet werden muß; pln Einfluß ist hörbar.

68 Darin ist weder die Niedrigkeit noch die Inkarnation bzw. Präexistenz Jesu ausgesagt, sondern die Bedeutung des irdischen Auftretens Jesu als göttlicher Epiphanie (vgl. 1 Tim 1,15; 6,13); die „Rechtfertigung" legitimiert Jesus dabei von Gott her und hebt implizit das Unrechtsurteil der Kreuzigung auf. Dazu die Untersuchung von ROLOFF, 1 Tim 203-206, der ebd. 190-197 eine formale Analyse des Liedes bietet. 69 Vgl. ROLOFF, 1 Tim 206f. Zu den Engeln des Himmels vgl. Offb 1,20; 5,2.11; 7,lf.l 1; 8,2-6; u.ö. 70 Zur δόξα als Herrschaftsbereich Gottes vgl. 1 Kor 2,8; 2 Kor 3,18; Rom 1,23; dazu ROLOFF, 1 Tim 209f., der den Gedanken mit der Erhöhung Christi und seinem Sitzen zur Rechten Gottes nach Ps 110,1 in Verbindung bringt. 71 Das zeigt die Untersuchung von ROLOFF, 1 Tim 192-196.203-211.

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10.2 Synoptische Evangelien und Apostelgeschichte Der Christus-Titel wird in den synoptischen Evangelien und der Apostelgeschichte auf die historische Gestalt des Jesus von Nazaret appliziert.72 Die narrative Gestalt der Schriften läßt eine Verwendung von Erzählmotiven der Gesalbtentradition prinzipiell erwarten. Der Ansatz für die messianische Deutung Jesu liegt wohl (1) beim Selbstverständnis des historischen Jesus als Repräsentanten des Anbruchs der Gottesherrschaft, (2) in einer positiven christlichen Interpretation des mit einiger Wahrscheinlichkeit den historischen Verurteilungsgrund der römischen Autorität spiegelnden Titulus crucis und (3) in der Jesu Botschaft und Wirken endgültig von Gott her legitimierenden Ostererfahrung. 73 Sowohl Mk als auch Mt beginnen ihr Evangelium, indem sie in Verwendung eines nominalen Syntagmas „Jesus Christus" als Thema angeben, wobei in Mt 1,1 die Abstammung von David bzw. Abraham, in Mk 1,1 die Gottessohnschaft zusätzlich erwähnt werden. Nimmt man zu Mk 1,1 die Christus-Frage beim Verhör Jesu vor dem Hohenpriester 14,61 f. hinzu, ergibt sich eine Inclusio der ganzen Erzählung unter dem Stichwort χριστό?, das das Zentralthema enthält: Das ganze MkEv entfaltet die Bedeutung Jesu als Christus, die ganze Erzählung interpretiert diesen Titel.74

10.2.1 Vorgeschichten Im Kontext der lk Ankündigung von Geburt und Bedeutung Jesu gegenüber Maria, deren Verlobung mit Josef, einem Mann aus dem Hause Davids, in Lk 1,27 absichtsvoll genannt ist, ergeht Lk l,32f. die Ansage über Jesu spezielle Relation zu Gott („Sohn des Höchsten") und seine Herrschaftsfunktion in der dauernden Übernahme des Thrones Davids, seines Vaters. Mit der eruierten königlichen Gesalbtentradition stimmen dabei die davidische Abstammung, die explizit königliche Herrschaft (auch in der Umwelt partiell mit dem Mo-

72

D a z u HAHN, E W N T III 1 1 5 4 - 1 1 5 6 ; BAUMBACH, T R E X X I I 6 3 1 . - D i e F r a g e n a c h ei-

nem messianischen Selbstverständnis Jesu kann hier nicht erörtert werden. Eine Selbstbezeichnung Jesu als „König" kennt die christliche Überlieferung des NT nicht. 73 Dazu 10.4. Vgl. zu diesen Aspekten auch ZENGER, Jesus 62f.; er beschreibt ebd. 63-65 als Zentrallinien der christlichen Umdeutung herrschender Erwartungen Gewaltlosigkeit und Beginn des neuen Äon mit endzeitlicher Totenerweckung. 74 Zur Rahmung des MkEv in 1,1 und 14,61f. vgl. BROADHEAD, Naming 151-153, der den Christus-Titel entsprechend als „hermeneutical code" (152) zum Verständnis der narrativen Einzelelemente und das Evangelium als Deutung des Titels erkennt.

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tiv des „Thrones" 7 5 ausgedrückt), die Ermächtigung durch Gott und die K ö nigsherrschaft speziell über das Haus Jakob überein. 7 6 D e r A s p e k t der e w i g e n Dauer der Königsherrschaft des Gesalbten klingt frühjüdisch in PsSal 17,35 und äthHen 6 2 , 1 4 an; nach 2 Sam 7,16 wurde die dauernde Herrschaft freilich der D y n a s t i e D a v i d s als ganzer zugesagt. 7 7 D i e R e d e v o m „ S o h n des Höchsten" b z w . „ S o h n Gottes" ( 1 , 3 2 . 3 5 ) artikuliert mittels der christlich verbreiteten Vorstellung der Gottessohnschaft des Gesalbten die einzigartige N ä h e Jesu zu Gott. 7 8 Mit für das N T seltener Deutlichkeit greift Lk die frühjüdische Erwartung eines davidischen königlichen Gesalbten auf und appliziert sie auf Jesus, w a s i m M u n d e des Engels als göttliche Offenbarung autorisiert wird. 7 9

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ÄthHen 51,3; 61,8; syrApkBar 53,9f.; 73,1; Offb 22,1.3 (vgl. 3,21; 12,5). RADL, Ursprung 302.324-326.341-343.347f. ordnet VV. 32f. der vorlk Tradition zu, die auf dem Weg über das Judenchristentum jüdische Elemente enthält (vgl. zum „Sohn des Höchsten" Ps 2,7; 89,27f.; 2 Sam 7,14 - der König wird durch Adoption Sohn Gottes; zur Formulierung der Herrschaftsfunktion Jes 9,6; 2 Sam 7,8-16). 77 Die Konzentration ewiger Dauer in der einen Person Jesu geht über die atl (2 Sam 7,16) Erwartung hinaus. 78 Zum (davidischen) Gesalbten als Gottessohn in christlicher Tradition vgl. auch Lk 4,41 (die Dämonen erkennen Jesus als Sohn Gottes, das unmittelbar anschließende Schweigegebot bezieht sich auf deren Wissen, daß Jesus der Christus ist); 22,67.70; Apg 9,20.22; Gottessohnschaft und Davidsohnschaft sind ebenfalls korreliert in Apg 13,23.33 und Rom l,3f.; zu diesen Verbindungen vgl. RADL, Ursprung 331f.343-346. - Frühjüdisch ist der Gesalbte laut 4Q174 III 10-13 Sohn Gottes. Atl Vorbereitung in 2 Sam 7,14 und Ps 2,7: In 2 Sam 7,14 erhebt Gott den David-Nachfahren in ein Vater-Sohn-Verhältnis, das primär funktional bestimmt ist (der König als legitimer Repräsentant Gottes); Ps 2,6f. deutet die Königsinthronisation als göttliche Zeugung, was die Ermächtigung des Königs durch Gott pointiert. - Von „Transzendierung des davidischen Messianismus in der jüdisch-hellenistischen Kirche" spricht BOVON, Lk I 75 zu dieser Stelle. Nach RADL, Ursprung 346 legt Lk mit V. 35 den Akzent auf Jesu Gottessohnschaft von Anfang an. Auf dem Hintergrund der Gesalbtentradition wird man eher von der Modifikation der Gottnähe durch die Geistzeugung als Verstärkung des Gottesverhältnisses sprechen. Die Geistzeugung Jesu als Sohn Gottes (l,34f.) unterstreicht den Erzählzug der besonderen Gottunmittelbarkeit Jesu. - Zum in einigen Zügen mit Lk l,32f.35 parallelen Text 4Q246, dessen Aussagekraft durch den fragmentarischen Textzustand stark reduziert ist, vgl. die Diskussion unter 11.1.1. 76

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MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 17-28 eruiert fur das Magnificat (Lk 1,46-55) den prägenden Einfluß atl Texte, die von ihrem Kontext her messianisch deutbar seien, so daß die Autorin den „durch und durch messianischen Charakter" (23) des Hymnus feststellt. Da jedoch weder Titel noch Motive der Gesalbtenerwartung im lk Text deutlich werden, kann eine „messianische" Deutung nicht den Skopus der lk Intention bilden; der von der Autorin geübte inflationäre Gebrauch der „Messias"-Terminologie besitzt keinen terminologischen Anhalt am Text. Weiter fehlt eine Verifikation einer tatsächlichen messianischen Deutung der betreffenden atl Texte in der Zeit des NT anhand der frühjüdischen Schriften. Unter Beachtung der strikt theozentrischen Aussage des Magnifikat wird man die lk Absicht pragmatisch in der Vorausdeutung des Folgenden zu suchen haben: Lk baut mit diesem ersten

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Das Canticum Zachariae (Lk 1,68-79) nimmt die Tradition vom Heilskönig aus davidischem Geschlecht zum Ausgang seiner soteriologischen Entfaltung. Gott hat nach V. 69 seinem Volk ein „Horn des Heils" (κέρας σωτηρία?) im Hause seines Knechtes David aufgerichtet; der Gedanke wird V. 70 als Erfüllung prophetischer Verheißung qualifiziert und in VV. 71 f. als Errettung vor Feinden sowie bundesgemäßer Heilsgabe veranschaulicht. Mit der „Horn"-Metaphorik greift das Lied messianisch deutbare Symbolik auf,80 die durch den Aspekt des Heils funktional konkretisiert wird. Die davidische Abstammung bildet nachweislich ein Motiv der königlichen Gesalbtenerwartung,81 für deren Beanspruchung die Bezeichnung Davids als παΐ? ein weiteres Indiz liefert.82 Das von Lk gebotene Canticum verwendet also Motive der königlichen Gesalbtenkonzeption zur lobpreisenden Charakterisierung der Heils- und Erlöserfunktion eines Davidnachkommen für Israel, wobei die nationale Beschränkung Beachtung verdient.83 Impliziert wird entsprechend eine Heilsherrschaft Jesu für Israel, die von Gott selbst initiiert und getragen ist,84 was wiederum in der Repräsentationsfiinktion der Heilsgestalt ein Motiv der königlichen Gesalbtentradition spiegelt.85 Das κέρα? bestimmende GeniCanticum beim Leser einen Fragehorizont auf hinsichtlich der Art und Weise, wie Gott die ihm zugeschriebene Verheißung erfüllen wird. 80 Atl grundgelegt ist das Motiv in 1 Sam 2,10; Ps 89,18; 132,17; Sir 47,1-11; hebräischer Sir 51,12, wo jeweils ein Bezug zum irdischen davidischen Gesalbten/König besteht. Verwendung für eine königliche Gesalbtengestalt begegnet in lQSb V 26; femer in Offb 5,6 (sieben κέρατα des Lammes). Mit Bezug auf Gott 2 Reg 22,3 LXX; Ps 17,3 LXX. - Weitergehende atl Bezüge und den prägenden messianischen Hintergrund des Benediktas beschreibt MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 28-32. Ihre Reduzierung der Belege auf das AT blendet die frühjüdische Deutung aus und verringert so die Beweiskraft der Texte. 81 PsSal 17,21; 4Q161 Fr. 8-10, 18; 4Q174 III 1; 4Q252 V 3f.; 4Q285 Fr. 5; 4 Esr 12,32. 82 Die Anrede des Gesalbten als παIs läßt sich für 4 Esr 7,28f.; 13,32.37.52; 14,9; syrApkBar 70,9 wahrscheinlich machen; vgl. Apg 4,27. 83 Für Benediktas (und Magnifikat) nimmt MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 144-153 als zentralen Hintergrund den die Geburt des Messias thematisierenden Textkreis Jes 9,1-6; 12 mit 11,1-10; 7,14 an. Zur Vorsicht mahnt demgegenüber die Beobachtung, daß die frühjüdische Gesalbtenerwartung davon lediglich Jes 11 rezipiert, und darin wird die Geburt gerade nicht genannt; die Geburt des Gesalbten spielt frühjüdisch keine Rolle, so daß eher spezifischer Einfluß der Jesus-Geschichte erwägenswert wäre, wobei Jesu Geburt zu seinem Menschsein gehört und zusehends soteriologische Bedeutung gewinnt. Die Autorin deutet ebd. 215f. Lk 1,69.71 messianisch, doch entgehen ihr die von mir herausgearbeiteten Motive der Gesalbtentradition weitgehend; als Folge droht eine Engfuhrung des Textverständnisses. 84 Gott ist Subjekt des Satzes in VV. 68b.69 und Gegenstand des Preises in V. 68a. 85 Die traditionelle Herkunft der motivlich repräsentierten Gesalbtenerwartung wird noch deutlicher, wenn der Hymnus l,68-75(/79) (in Grundzügen) als vorchristliches Traditionsstück zu verstehen wäre, das von Lk aufgearbeitet wurde; das nehmen z.B. an: HAHN, Hoheitstitel 246f.; BOVON, Lk I 97-99. Eher an ein christliches Lied denkt SCHNEIDER, Lk I 61f. RADL, Ursprung 93-97 weist die VV. 69f. der lk Redaktion zu - damit muß von einer

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tivattribut σωτηρίας bedient sich eines für Lk typischen soteriologischen Zentralbegriffs (vgl. Lk 1,77; 19,9; Apg 4,12; 7,25; 13,26.47; 16,17), der die Reflexion des Lesers zu öffnen vermag für die auf die Völker ausgreifenden Dimensionen des Heilsanbruchs in Jesus.86 Der in Mt 1,1-17 gebotene „Stammbaum" Jesu betont seine davidische Herkunft: In V. 1 wird Jesus Christus sogleich als „Sohn Davids" bezeichnet; David steht in V. 6 am Ende der ersten vierzehn Generationen, wobei er durch das Prädikat βασιλεύς ehrenvoll herausgehoben wird; zugleich bildet David den ersten Namen der zweiten Reihe von vierzehn Generationen, muß also doppelt gezählt werden, was wiederum seine Bedeutung unterstreicht; die Zusammenfassung in V. 17 nennt wieder ausdrücklich David. Die Betonung der dreimal vierzehn Glieder des Stammbaums (V. 17) kann unter der möglichen Annahme der Verwendung von Zahlensymbolik diesen Eindruck noch verstärken: Im Judentum des 1. Jh. n.Chr. bedeutet die Zahl vierzehn den Namen David.87 Damit läuft die ganze Generationenfolge seit Abraham auf Jesus als den davidischen königlichen Gesalbten zu. Das Motiv der Davidsohnschaft erhält eine zentrale Rolle. Die Anrede Josefs als „Sohn Davids" durch den Engel in Mt 1,20 stellt auch den verheißenen Sohn - trotz eines gewissen Spannungsverhältnisses zum Motiv der Jungfrauengeburt - in die Linie des Geschlechts Davids. In der mt Darstellung der Geburt Jesu erlangt der Titel βασιλεύς eine zentrale Funktion zur Abwägung der Bedeutung Jesu im Kontext der Kontrastierung mit dem politischen Herrscher Herodes (Mt 2,1-12); die heidnischen Magoi wissen innerhalb der Erzählstruktur um Jesu eigentliche Position als „König der Juden", wie die entscheidende und thematisch festlegende Ausgangsfrage in V. 2 artikuliert. In 2,4 erfolgt über das Geburtsmotiv und das Objekt der Suche der Magoi bzw. des Herodes die Parallelsetzung des „Königs der Juden" mit dem Prädikat χριστό?, 88 so daß die Verbindung beider Titel auf Beanspruchung der königlichen Gesalb-

Vertrautheit des Lk mit fnihjüdischen Gesalbtenkonzeptionen ausgegangen werden. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 35-49 weist dem ursprünglichen Bestand des Benediktas l,68f. 71-75.78 zu und bestimmt 63-132 dessen Herkunft aus dem palästinischen Judenchristentum. 86 Den Aspekt umfassenden Heils gibt auch RADL, Ursprung 95 zu bedenken; seine Vermutung, im Verb έγείρω spiegele sich die Auferweckung Jesu, kann kaum ein zentrales lk Anliegen wiedergeben, da V. 69 die davidische Herkunft als Gewährleistung der zur Heilsfunktion nötigen Macht thematisiert. Vgl. aber auch MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 215f. 87 Entsprechend der Summe der auch als Zahlsymbole dienenden hebräischen Buchstaben des Namens Τ Π Π = 4; 1 = 6; also: 4+6+4=14). Dazu DAVIES, Jewish Sources 499f.; erwogen auch von SCHNACKENBURG, Mt I 17; als eine Verständnismöglichkeit unter anderen genannt bei GNILKA, Mt I 12. 88 Daher betrachte ich die königliche Gesalbtenkonzeption als traditionsgeschichüichen Hintergrund. - Anders verortet BERGER, Messiastraditionen 22-28 den Titel „König der Juden" in der Mose-Tradition (vgl. Mose als „Gott und König" in Philo, VitMos I 158) und sieht königliche Elemente allgemein in der prophetischen Tradition grundgelegt, wobei er die Verbindung beider Traditionskreise im Gerichtsgedanken erkennt: „In der spannungsvollen Einheit Prophet/Zeuge - Richter sind sowohl der Christos-Titel als auch die Königsattribute fundiert" (28). Problematisch wird Bergers Traditionsherleitung durch die Verwendung jüngerer oder in ihrer Genese umstrittener Schriften (wie TestXII).

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tentradition weist,89 deren politische Konnotation im Erschrecken des Herodes (2,3) narrative Gestaltung erfahrt. Die Geburt des Christus im judäischen Betlehem, die Mt 2,4f. als in der Schrift vorhergesagt darstellt und in V. 6 mit einem Zitat aus Mich 5,2.4 (5,1.3 LXX) abstützt, kann zwar auf die frühjüdisch nachweisbare Abkunft des Gesalbten aus der David-Dynastie zurückgreifen, erscheint jedoch in dieser spezifischen Lokalisierung als christliches Novum (vgl. noch Joh 7,42); schwer zu entscheiden ist die Frage, ob dahinter nicht vielleicht doch eine historische Reminiszenz an die Geburt Jesu in Betlehem zu sehen ist, die traditionsbildende Wirkung freisetzte und die Prophetenstelle Mich 5,2.4 begründend an sich zog.90 Das theologische Gewicht der mit Betlehem als Geburtsort nun auch lokal abgesicherten David-Abkunft spricht eher gegen eine positive Antwort. Die Tradition von der Geburt des Christus in der Davidstadt Betlehem prägt auch die lk Geburtsgeschichte (Lk 2,4.11). Wenn der Engel den Hirten die Geburt des σωτήρ,91 der χριστός und κύριος' 2 ist, in der Stadt Davids verkündigt (2,11), wird die Gesalbtentradition sowohl im Motiv der davidischen Abkunft als auch titular beansprucht und besonders hinsichtlich der Heilsfunktion (vgl. „Retter") und dazu nötigen Macht („Herr") des Gesalbten interpretiert. Das christliche Proprium findet sich im Anschluß bereits angedeutet: Die für das Kind bezeichnenden Attribute Windeln und Krippe (2,12) bringen Unscheinbarkeit und Ausgeliefertsein des Christus zum Ausdruck,93 zugleich erschallt das „Gloria" der Engel (2,13f.) - Hoheit und Niedrigkeit des Gekreuzigten und Erweckten klingen voraus. 89 Der Brief des syrischen Stoikers Mara bar Sarapion (aus Samosata) aus römischer Gefangenschaft an seinen Sohn mit dem Zentralthema der Weisheit als einzig sinnvoller Lebensgrundlage, dessen Datierung bald nach Ende des jüdisch-römischen Krieges wahrscheinlich ist, nennt unter den für weisheitliches Leben angeführten Beispielgestalten einen „weisen König" der Juden, der sich im Kontext als Jesus von Nazaret identifizieren läßt. Aus der Perspektive eines paganen Philosophen (der weder als Jude noch als Christ erkennbar ist) findet sich der „König"-Titel für Jesus bezeugt; dabei sind die betreffenden Aussagen des Mara wohl von christlichen Quellen abhängig (vgl. die inhaltliche Nähe zum MtEv) und bieten so keine von den Synoptikern unabhängige Bezeugung. Vgl. den Überblick bei THEIBEN/MERZ, Jesus 84-86; ferner SCHULTHESS, Brief (1897), 365-391 (Text und Interpretation); BAUMSTARK, Geschichte (1922). Die Nennung des „Königs" im Brief des Mara belegt eine gewisse Bekanntheit der Bezeichnung Jesu als König im frühen Christentum und seinem Umfeld, so daß dieser Titel nicht nur als unbedeutende Randerscheinung bewertet werden darf. Offenbar denotiert er einen auch fur Außenstehende der hellenistischen Welt nachvollziehbaren Aspekt der christlichen Jesus-Interpretation. 90

In der neueren Forschung wird aus guten Gründen zumeist Nazaret als Geburtsort Jesu bevorzugt, vgl. nur THEIBEN/MERZ, Jesus 158; BECKER, Jesus 24f.; LEROY, Jesus 52f. Dann hätte das Bemühen um Einordnung Jesu in die David-Tradition unter Heranziehung der Schriftstelle Mich 5,2.4 den Gedanken der Geburt Jesu in Betlehem als lokal gestütztes Theologumenon erst gebildet. 91 Zum Hintergrund und der lk Verwendung des Begriffs RADL, Ursprung 175-177.198f.; zur Tradition hinter 2,1-20 ebd. 159-193. 92 Der κΰριος-Titel verdankt sich christlicher Reflexion; speziell Lk kann „Christus" und „Herr" in Parallele setzen: Apg 2,36; vgl. die Parallelformulierungen in Apg 5,42 und 11,20. Dazu RADL, Ursprung 173-175.199f. 93 SCHNEIDER, Lk I 67 zieht darüber hinaus einen Vergleich zum unscheinbaren Anfang des messianischen Stammvaters David nach 1 Sam 16,1-13.

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10.2.2 Evangeliencorpora Die synoptischen Evangelien interpretieren die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer zu Beginn seines öffentlichen Auftretens als Geistverleihung'4 (Mk 1,9-11 par Mt 3,13-17 par Lk 3,21 f.), freilich ohne dabei das Gesalbten-Prädikat anzuwenden; die Geistverleihung vorbereitend geht jeweils die Ankündigung des Täufers voraus, der nach ihm kommende „Stärkere" werde mit heiligem Geist taufen (Mk 1,8; Mt 3,11; Lk 3,16). Die darin gegebene Entsprechung zur königlichen Gesalbtentradition liegt in der mehrmals artikulierten Geistbegabung des Gesalbten (PsSal 17,37; 18,7; äthHen 49,3; 62,2; TestLev 18,7; TestJud 24,2; lQSb V 24f.), die als Ausdruck besonderer göttlicher Begabung zu seiner Aufgabe fungiert. Die Anrede Jesu durch die Himmelsstimme als „mein geliebter Sohn" artikuliert in Anlehnung an Ps 2,7" die spezielle Gottnähe Jesu. - Eine göttliche Geistbegabung Jesu kann Mt 12,18-21 mittels des Reflexionszitates Jes 42,1-4 wiederholen, wobei im Kontext die wirkmächtige Heilsverkündigung für die Völker als Frucht und Gabe des Geistes an den Knecht Gottes erscheint.96 Ebenfalls im Zusammenhang mit der Heilsverkündigung deutet Lk 4,1821 die Gestalt Jesu unter Zitation des Prophetentextes Jes 61,If., der zu Beginn Geistbesitz und Salbung kombiniert. Die Salbung des Propheten durch den Herrn" gewährt den Geist, der die prophetische Ansage des Heils ermöglicht. Für Lk wird in der Salbung darüber hinaus bereits der χριστός-ΤύεΙ mitzuhören sein,98 so daß Jesus umfassend als Repräsentant Gottes und wirkmächtiger Heilsträger bestimmt ist. Das σήμερον der Deutung verbürgt den gegenwärtigen Anbruch der Erfüllung dieser Verheißung der Schrift, was durch die Gestaltung als „Antrittspredigt" zum Auftakt des öffentlichen Wirkens Jesu programmatisch wird. - Die in Lk 3,15 formulierte Überlegung, ob Johannes der Täufer möglicherweise ό χριστό?

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Bereits die Ankündigung der Geburt Jesu in Lk 1,35 zeigt Jesu Existenz als aus dem heiligen Geist entstanden. Damit ist aber noch kein vollständiger Geistbesitz Jesu ausgesagt; das Herabkommen des Geistes (καταβαίνω) enthält den Aspekt lokaler Transmission. Der Geistbesitz wird verliehen und zugleich den Umstehenden offenbart. BOVON, Lk I 180 spricht von der „Gabe des Geistes" und sieht von Lk vorausgesetzt, daß der Messias mit der wunderbaren Geburt noch nicht völlig ausgestaltet ist; daher erhält er in funktionaler Orientierung hinsichtlich seiner Mission die „Beigabe der göttlichen Kraft". SCHNEIDER, Lk I 92 betont hingegen, daß nicht Geistmitteilung, sondern „öffentliche Präsentation und Proklamation" ausgesagt sind. 95 Die himmlischen Worte enthalten eine Offenbarung des Wesens Jesu, sagen jedoch keine Adoption aus; dazu BOVON, Lk 1181; SCHNEIDER, Lk 192f. 96 Zur mt Deutung des Zitates vgl. GNILKA, Mt 1450-454. 97 Die Frage nach dem konkreten Subjekt der Salbung beantwortet der LXX-Text (anders als MT: der Herr) nicht eindeutig, doch wäre selbst eine Salbung durch den Geist instrumental im Herrn verankert. 98 Vom „Messias als Geistträger" spricht BOVON, Lk I 212 und bringt Geistsalbung und Christus-Titel in Verbindung (Hinweis auf Lk 2,11 und Apg 10,38), wobei auch prophetische Züge zum Tragen kommen; zum LXX-Text des Zitats vgl. ebd. 21 lf. - SCHNEIDER, Lk I 108 versteht hingegen die Salbung Jesu als Deutung des Taufgeschehens; zur lk Interpretation des Zitats ebd. 107f.

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sei, greift auf eine bekannte, mit diesem Terminus technicus zu verbindende Vorstellung zurück; die prädikative Konstruktion läßt klar den titularen Charakter erkennen."

Besonders deutlich tritt die Anwendung auf Jesus in dem für die Jüngerschaft Jesu exemplarischen Gesalbtenbekenntnis des Petrus zutage, das keine Zurückweisung erfährt (Mk 8,29 par Mt 16,16.20 par Lk 9,20),100 ohne daß eine gewisse Problematik um das traditionelle Gesalbten-Prädikat ausgeschlossen wäre (vgl. die „Korrektur" vom christlich durch Leiden, Tod und Erweckung gefüllten Menschensohn-Titel her in Mk 8,31; Mt 16,21; vgl. Lk 9,22).101 Der Terminus χριστός dient allgemein als messianische Hoheitsprädikation102 Jesu und zeigt seine titulare Funktion in der Ersetzung des Jesusnamens.103 Mt 11,2 spricht von den έργα του χριστού, 104 die in der traditionellen frühjüdischen Gesalbtenerwartung bestenfalls am Rande begegnen. Die Erwartung, ein Gesalbter müsse wundertätig sein, steht auch hinter der in apokalyptischem Kontext stehenden Warnung vor falschen Gesalbten (ψευδόχρι,στοι), die sich zur Verführung der Erwählten des Wirkens von Zeichen und Wundern (σημεία και τέρατα) bedienen (Mk 13,21f. par Mt 24,23f.). Die Warnung vor unrechtmäßigen Gesalbten-Prätendenten in Mt 24,5 öffnet den Blick für eine mit dem Begriff χριστός verbundene Vorstellung, freilich ohne diese inhaltlich zu füllen. Die Formulierung „Jesus Christus" trägt nominalen Charakter, ohne daß damit die titulare Funktion aufgegeben wäre.105 Der Christus-Titel begegnet aber auch im Rahmen der im Frühjudentum bekannten Funktions- und Hoheitsbezeichnungen, so bei der Frage nach der Davidsohnschaft des Gesalbten (Mk 12,35 par Mt 22,42 par Lk 20,41),106 womit auf der 99 Die Antwort des Johannes in 3,16f. deutet auf Jesus als eigentlichen Gesalbten voraus: Er ist der Stärkere, der Würdigere; er tauft mit heiligem Geist und Feuer und vollzieht das endzeitliche Gericht. Zu dieser Überbietung vgl. die Erklärung bei SCHNEIDER, Lk I 88f. 100 Um so aussagbar zu werden, mußten traditionsgeschichtliche Modifikationen im Sinne der Anwendbarkeit des Titels auf Jesus vollzogen werden; vgl. BAUMBACH, TRE XXII 631;

z u s a m m e n f a s s e n d KARRER, G e s a l b t e 3 1 3 ; z u M k 8 , 2 7 - 3 0 e b d . 3 5 6 - 3 5 9 . Z u r m k Interpreta-

tion der Tradition auch JUEL, Origin 457-459; MACRAE, Messiah 174-176; KEE, Christology 2 0 0 - 2 0 6 ; FRANKEMÖLLE, M e s s i a s e r w a r t u n g 1 0 4 - 1 0 8 ; BROADHEAD, N a m i n g 1 4 9 - 1 5 4 . 101

Vgl. MACRAE, Messiah 175f.; HAHN, Hoheitstitel 174f.; zur lk Interpretation SCHNEIDER, Lk I 209f. 102 Z.B. Mk 9,41; Mt 1,16; 27,17.22; Lk 2,11; 23,2; Apg 17,3b; 18,5.28. 103 Mt 1,17; 11,2; 23,10; Lk 24,26.46 (Lk 24 im Kontext des Leidens des χριστός); Apg 8,5. 104 Zur Genese des Gedankens aus jesajanischen Aussagen zum eschatologischen Heilshandeln Gottes und der Parallele in 4Q521 Fr. 2, II 12 vgl. BECKER, Gesalbten 93f. Zum mt Verständnis MACRAE, Messiah 180. 105 Vgl. Mk 1,1; Mt 1,1.18; Apg 3,6; 11,17; 15,26; 28,31. 106 Zur signifikanten Bedeutungsvariation in Mk 12,35-37a vgl. HAHN, Hoheitstitel 191. Vom „Davidsohn" ist weiter Mk 10,47f.; Mt 1,1; 9,27; 12,23; 15,22; 20,30f.; 21,9.15; Lk 18,38f. die Rede. Wörtlich begegnet das Syntagma auch in PsSal 17,21 als Bezeichnung des

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Linie von Mk 11,10; Lk 24,21; Apg 1,6 die Tradition vom davidischen Gesalbtenkönig aufgegriffen und die Aufrichtung einer politischen Königsherrschaft über Israel (und gegen Rom) von Jesus erwartet wird,107 und im warnend Gesalbten. Zu beachten ist auch die semantische Nähe zum Titel „Sproß Davids" in QumranTexten (s. 4.1.2). - Zur christlichen Interpretation des Gedankens der Davidsohnschaft vgl. grundlegende Überlegungen bei HAHN, Hoheitstitel 242-279, der 268 eine selbständige urchristliche Entfaltung der Davidsohn-Tradition gegenüber der königlichen Gesalbtenkonzeption festhält; Jesus könnte tatsächlich aus dem Geschlecht Davids stammen (244); die endgültige Aufrichtung der davidischen Herrschaft sei freilich erst zukünftig im eschatologischen Werk Jesu erwartet worden (250f.). Da die davidische Abstammung des königlichen Gesalbten frühjüdisch zwar gut bezeugt (vgl. PsSal 17; Qumran; 4 Esr 12,32), aber nicht notwendiges Element ist, bleibt die Möglichkeit der Bedingung der verbreiteten Aufnahme im NT durch die historischen Abstammungsverhältnisse Jesu offen. Zur ntl Aufnahme und Modifikation der Davidsohnschaft in bezug auf Jesus vgl. auch BURGER, Davidssohn 25178, der die hellenistisch-judenchristliche Gemeinde als Ort der Traditionsformung erkennt und die Vielfalt der Verwendung herausarbeitet: Bezeichnet werden bei Paulus die Niedrigkeit Jesu, bei Mk und Mt die vorläufige Hoheit des Irdischen, bei Lk die Hoheit als Gottessohn, in der Offb die Hoffnung auf das baldige Eingreifen des erhöhten Davididen in den endzeitlichen Kampf, der Verf. des JohEv lehnt das Motiv in bezug auf Jesus ab (177f.); eine Entpolitisierung der Vorstellung zeigt sich durchgängig. Auch BROADHEAD, Naming 109112 erkennt „Sohn Davids" als messianischen Titel für die irdische Gestalt eines Befreiers Israels und zeigt 113-115 die mk Neubestimmung (Kraft heilender Gnade in Mk 10,47f., Autorität über die davidische Tradition in 12,35-37). 107 KARRER, Gesalbte 279-283 bietet eine andere Interpretation der Davidsohnaussagen: Die herrscherliche Linie werde verlassen zugunsten eines heilenden Davidsohns (Mk 10,47f.; Mt 9,27 u.ö.), einer Integration von König in Niedrigkeit und Davidsohn, der später heilt (Mt 21,1-17), und einer Überbietung der Davidsohnschaft durch Jesus (Mt 22,41-46); in Mt 1,2-16.20 wird zunächst Josef als Sohn Davids vorgestellt (ebd. 278). In Mk 11,10 ist nach Karrer (ebd. 283f.) die individuelle Davidsohnschaft eingeebnet. Gegenüber letzterer Aussage ist zu bedenken: Die erwartete Herrschaft wird hier gerade an der Person Jesu festgemacht; bei aller Ablehnung der herrscherlichen Erwartung benutzt Mk diese Anschauung doch als (Negativ-)Folie. - Allgemein verläuft nach KARRER, Gesalbte 267-272 die jüdische Davidsohnvorstellung um die Zeitenwende auf zwei Linien: Vereinzelt belegt ist die Davidsohnschaft des Messias, gleichzeitig ist eine Traditionslinie der Bezeichnung des weisheitlichen Heilers Salomo als Sohn Davids nachweisbar. Dieser Versuch traditionsgeschichtlicher Grundlegung ist nicht neu: Bereits BERGER, Messiastraditionen 4-9 rekonstruiert über den Titel „Sohn Davids" und die Motive von Exorzismus und Weisheit eine auf den atl bezeugten David-Sohn und König Salomo zurückgreifende Salomo-Tradition, die durch den Titel „Sohn Davids" evozierbar sei; auf diesem Hintergrund werden Weisheit und Herrschaft über die Dämonen der Figur des endzeitlichen Davididen (christlich: Jesus) zugeordnet (ebd. 8). Kritisch anzumerken ist, daß für eine exorzistische Tätigkeit eines königlichen Gesalbten in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende kein Beleg existiert. Methodisch unsachgemäß zieht Berger ζ. Tl. jüngere Schriften zur Erarbeitung seiner Traditionsprägungen heran. Die Verankerung der Davidsohn-Motivik in der königlichen Gesalbtenerwartung wird deutlicher als eine vage Salomo-Tradition; wenig einsichtig ist das Fehlen des Namens „Salomo" selbst. - PAFFENROTH, Jesus as Anointed (1999) deutet den Davidsohn Jesus im MtEv als

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quittierten, allgemeinen Hinweis auf die nicht-christliche Gesalbtenhoffhung (Mk 13,21 par Mt 24,23; vgl. daneben Lk 2,26). Mk 12,35-37 relativiert freilich die davidische - und damit stärker politisch konnotierte - Erwartung und macht die Gestalt Jesu davon unabhängig. Die Einzugsperikope108 ist sowohl in der synoptischen als auch in der joh (dazu unten 10.3) Fassung von der messianischen König-Vorstellung geprägt, was bei Mk noch indirekt über die Identifizierung Jesu mit der βασιλεία des genealogischen Vaters David, in den drei anderen Darstellungen direkt über die König-Titulierung Jesu geschieht; bei Mk 11,10 und Mt 21,9 erfolgt der ausdrückliche Hinweis auf die davidische Linie, in der Jesus steht und dadurch in seiner Königsherrschaft charakterisiert wird. Die Erzählung des Einzuges in Jerusalem als Einholung durch das Volk stellt Jesus als siegreichen König dar. Das in Mt 21,5 als erfüllt zitierte Prophetenwort Sach 9,9 enthält angesichts der Charakterisierung des Königs als „sanftmütig" (πραΰς) einen eigentümlichen Akzent (vgl. das Fehlen dieser Bestimmung in Joh 12,15), der die politisch-militärische Konnotation der königlichen Gesalbtenerwartung in bezug auf Jesus in Frage stellt. Die bei Mt 21,11 abschließend gegebene Antwort des Volkes, Jesus sei ein Prophet aus Nazaret, bedient sich des im Kolorit der Zeit mit der Gesalbtentradition verbindbaren Prophetentitels (vgl. Josephus), stellt damit aber zugleich ein Gegengewicht zu einseitiger politischer Deutung vor. Lk 19,38 erweitert das Zitat von Ps 118,26 um den König-Titel, öffnet aber sogleich die Perspektive über die irdische Sphäre hinaus, indem die Jüngerschar in einem chiastischen Parallelismus „im Himmel Frieden und Herrlichkeit in den Höhen" besingt;109 eine politische Herrschaft Jesu ist damit weit überschritten auf seine universale Bedeutung und himmlische Stellung hin, die in Frieden und Herrlichkeit eine vollkommene Heilszeit repräsentiert. Eine christliche Akzentuierung und Interpretation der vorausliegenden Vorstellungen ist deutlich in der Abweisung bzw. soteriologischen Weiterfuhrung eines herrscherlich-königlichen Gesalbtenstatus Jesu.110 KontrasAigur zum genealogischen Vater David, wobei die (David selbst nicht mögliche; vgl. 2 Sam 12,16.18) Heiltätigkeit Jesus als größer erweist. 108 Mk 11,1-10; Mt 21,1-9; Lk 19,28-38; Joh 12,12-18. 109 Den Hosanna-Ruf und die Rede vom anbrechenden Davidreich aus Mk übergeht Lk, wohl um den unkriegerischen Charakter des Königs Jesus hervorzuheben. Vgl. SCHNEIDER, Lk II 385f., der ebd. 386f. als Gegenüber zur himmlischen Heilsansage in V. 38 die irdischen Machterweise in V. 37 nennt. 110 Vgl. KARRER, Gesalbte 285f.313; die christliche Aneignung der Davidsohnschaft Jesu geschieht nicht in der Bildung eines gewichtigen Theologumenons, sondern kritisch eigenakzentuierend (ebd. 286f.). BERGLER, Jesus 155-166 erkennt in der Einzugsperikope v.a. bei Mk Züge, die an Sach 14 und damit an das endzeitliche Laubhüttenfest (Sukkot) erinnern und so messianische Assoziationen wecken; der christliche Friedenskönig korrigiere dann die jüdische Sukkot-Erwartung (160). Die messianische Deutung tritt freilich auch ohne die

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Gerade im lk Schrifttum wird die innere Verbindung im Sinne einer heilsgeschichtlichen Notwendigkeit zwischen der Person des χριστός und der Erfahrung des Leidens und der Auferstehung als wesentliches Element artikuliert (Lk 24,26.46; Apg 3,18; 17,3; 26,23).'" Der Titel χριστό? steht in unmittelbarer Relation zur Leidens- und Erweckungsaussage, was frühjüdisch in vergleichbarer Form nicht belegt und so spezifisch christlich ist. Stellenweise leitet Lk daraus die Möglichkeit der Sündenvergebung ab (Lk 24,47; Apg 3,19). Den Christus-Titel kann Lk in großer narrativer und sachlicher Nähe zu „Sohn Gottes" verwenden (Lk 4,41; 22,67-70; Apg 9,20.22), wodurch die Gottunmittelbarkeit des Gesalbten akzentuiert ist. Der lk Gebrauch des Gesalbten-Titels unterscheidet sich von sonstiger ntl Verwendung in der wiederholten Verbindung von χριστός mit einem auf Gott referierenden Genitivattribut: χριστός κυρίου in Lk 2,26 bzw. χριστός αύτου [sc. κυρίου] in Apg 4,26; χριστός του θεού in Lk 9,20 und 23,35; mit dieser grammatischen Zuordnung des Gesalbten zu Gott steht Lk dem frühjüdischen Gebrauch nahe,"2 der den Charakter der Bevollmächtigung und Repräsentation trägt. Das Bild des wiederkommenden und richtenden Königs bildet die Grundlage für die endzeitlich interpretable Parabel Lk 19,12-27, die der Evangelist expressis verbis in den Kontext der Frage nach dem unmittelbar bevorstehenden Anbruch der βασιλεία του θεού stellt (19,11).113 Die temporäre Abwesenheit des Hauptakteurs, eines vornehmen Mannes, wird mit dem Erlangen der Königsherrschaft (βασιλεία) motiviert (V. 12). Gegen den erklärten Willen seiner Untertanen (V. 14) erhält er die βασιλεία und kehrt zurück, um - auf der Bildebene - die wirtschaftlichen Erfolge seiner Beauftragten zu beurteilen und Lohn und Strafe zu verteilen (VV. 15-26); die Gegner seiner Königsherrschaft läßt er hinrichten (V. 27). Eine von Lk intendierte allegorische Deutung des Königsanwärters auf Jesus liegt nahe, wenn die Textelemente Verwerfung, Aufenthalt in fernem Land und Rückkehr (19,12.14f.) auf Jesu Passion, Himmelfahrt und Parusie bezogen werden." 4 Die königliche Gesalbtenerwartung

Anspielungen auf Sukkot hervor. Zur lk Neudefinition der davidisch-königlichen Gesalbtenerwartung in bezug auf Jesus vgl. BÖHLEMANN, Jesus 240-242; MACRAE, Messiah 181184; HAHN, Hoheitstitel 215-217. Zur mt Neuinterpretation VERSEPUT, Rejection 305 (und passim); DAVIES, Jewish Sources 496-511; MACRAE, Messiah 179-181; OEGEMA, Gesalbte 165-168; zur synoptischen Interpretation messianischer Erwartungen in der Einzugsperikope und der Frage nach der Davidsohnschaft ebd. 176-179. ' " Dazu auch SCHNEIDER, Lk I 96, der den lk Akzent in der Verwendung des ChristusTitels auf dem Leidensmotiv in der christlichen Tradition grundgelegt sieht. Der Gebrauch in den Paulusbriefen verweist auf diese Traditionsgrundlage. 112 Vgl. MACRAE, Messiah 181; die grundsätzliche Unterordnung des Sohnes unter den Vater bei Lk hält auch SCHNEIDER, Lk 197 fest. Deutliche Belege sind Lk 23,46 und Apg 2,36. 113 Das Problem der Parusieverzögerung klingt in Lk 19,11 an, indem eine unmittelbare Naherwartung kritisch in Frage gestellt wird (vgl. den Gebrauch der Verben δοκέω und μέλλω); das folgende Gleichnis stellt eine heilsrelevante Zwischenzeit vor Augen. 1,4 Der Erzählzug des Thronanwärters (19,12.14f.27) erinnert an die historische Begebenheit um Archelaos, Sohn Herodes' des Großen, den Augustus nach des Vaters Tod zum

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fand in den Aspekten der Königsherrschaft und des Gerichtshandelns in die Darstellung Eingang, narrativ prägend und damit die Basiskonzeption entscheidend modifizierend erweist sich jedoch das Jesus-Kerygma. Die mt Parallelperikope (Mt 25,14-30) bietet eine sehr ähnlich geartete Parabel," 5 ohne sich der königlichen Motivik zu bedienen. Die in der Apokalyptik beheimatete Vorstellung des richtenden Königs prägt die zum mt Sondergut zählende Rede vom Endgericht Mt 25,31-46: Ist zunächst vom Menschensohn, der auf dem Thron seiner Herrlichkeit residiert, gesprochen (V. 31), 116 und wird dann das Bild des Hirten, der Schafe und Böcke scheidet, in Anspruch genommen (VV. 32f.), so bedienen sich die anschließenden Ausführungen der Konzeption des richtenden Königs (βασιλεύς, W . 34.40), der unter Anwendung die Gegenwart betreffender ethischer Kriterien Anteil an seiner Königsherrschaft (βασιλεία, V. 34) gewährt oder versagt. Das auf den Menschensohn bezogene Motiv des καθίζΐΐν έπί θρόνου δόξης αύτου begegnet auch Mt 19,28 im Kontext einer eschatologischen Gerichtsfunktion, wobei dort die Verbindung mit denen, die Jesus nachfolgen, hergestellt ist, indem diese auf zwölf Thronen sitzen und Israel richten werden," 7 also an der endzeitlichen Gerichtsvollmacht des Menschensohnes partizipieren. Es besteht eine sachliche Parallelität zum richtenden Menschensohn-Gesalbten der Bilderreden des äthHen, wobei auch dort - freilich nur selten - eine Partizipation der Gerechten an seiner endzeitlichen Herrschafts- und Gerichtsaufgabe verheißen wird (äthHen 48,9; vgl. 38,5). 1,8 Die Parallelstelle Lk 22,28-30 sagt den Standhaften Teilhabe an der eschatologischen Königsherrschaft zu und bedient sich dabei ebenfalls des Bildes vom Sitzen auf dem Thron zum Gericht über die zwölf Stämme Israels, wozu noch die Vorstellung des eschatologischen Freudenmahls tritt. Das Gericht bedeutet die zentrale Wirkform der im Thron symbolisierten Herrschaft und eine heilsgeschichtliche Überbietung Israels: Wenn nämlich die lk Zwölf als Repräsentanten der Jesus Zughörigen die Herrschaft über die zwölf Stämme Israels innehaben, tritt eine Herrschaftsablösung ein, die den endzeitlich gültigen Heilsweg im Glauben an Jesus situiert. Der damit unmittelbar verbundene paränetische Aspekt wurde bereits in 22,28f. tragend, indem das Ausharren in den Versuchungen durch die Gabe der eschatologi-

Ethnarchen über Judäa, Samaria und Idumäa bestimmte und ihm zugleich die Königswürde in Aussicht stellte; auf Klagen seiner Untertanen hin wurde er nach Rom bestellt und abgesetzt (vgl. Josephus, Ant 17,213ff.299ff.); dazu MAIER, Zwischen 168-170. Zur lk Verbindung der Parabel von den Minen mit der Thronanwärtergeschichte und einer Deutung auf das Jesus-Geschehen vgl. SCHNEIDER, Lk II 380-382. Ob in der ursprünglichen Fassung der Parabel (bei Jesus) von Gott als König die Rede war, kann hier nicht entschieden werden. 115

Die Frage einer gemeinsamen Vorlage diskutieren die Kommentare. Zu V. 31 als Anfügung mt Redaktion vgl. THEISOHN, Richter 175-182; zur Ableitung des Motivs vom Sitzen des Menschensohnes auf dem Thron der Herrlichkeit aus den Bilderreden des äthHen ebd. 160f. 1,7 Ähnlichkeiten zeigt die in Offb 3,21 artikulierte Vorstellung, daß die Standhaften mit Jesus auf dem Thron sitzen werden, wie sich dieser mit seinem Vater auf dessen Thron setzte; da der Kontext nicht vom Gerichtshandeln spricht, steht der Thron wohl allgemein als Bild einer Herrschaftsfunktion, womit das Leben in der Gemeinschaft Jesu als königliches und damit eigentliches Leben im Vollsinn charakterisiert wird. Vgl. Offb 20,4. 118 WEHNERT, Teilhabe 83-96 möchte diese Vorstellung auch als Interpretationsbasis für die allegorisch gedeutete Winzer-Parabel Mk 12,1-11 in ihrem traditionellen Bestand annehmen, doch bleiben entsprechende Züge wenig deutlich; eine gesicherte Aussage ist nicht möglich. 116

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sehen Königsherrschaft motiviert wird." 9 Explizite Gesalbten-Terminologie findet sich nicht, doch fugen sich himmlischer Ort und Herrscherfunktion in das traditionelle Gesalbtenbild; der Anteil der Getreuen an Jesu βασιλεία geschieht nach dem Muster der Anteilgabe von Gottes βασιλεία an Jesus (22,29),120 womit in aller Deutlichkeit die Partizipation Jesu an Gottes Macht Ausdruck erhält. Eine traditionsgeschichtliche Beziehung zur Gesalbtenvorstellung mit christlicher Akzentsetzung, die besonders an der heilsgeschichtlichen Prävalenz der Person Jesu Gestalt gewinnt, zeichnet sich ab. Als eschatologischer Richter der Lebenden und der Toten wird Christus in Apg 10,38.42 bezeichnet.121

In einigen Passagen apokalyptischer Schriften und in einem Text der Qumran-Gemeinde dienen die Vorstellungen des endzeitlichen Mahles mit dem eschatologischen Repräsentanten Gottes, dem Gesalbten bzw. Menschensohn (lQSa II 11-22; äthHen 62,14; Offb 19,9), sowie des Überflusses an Speise und Trank in der messianischen Zeit (syrApkBar 29,4-8) als Bilder für den erhofften Heilszustand. Dieser Motivkreis fand, wenigstens in Anklängen und als Denkhintergrund verschiedener Perikopen, auch in die ntl Evangelienliteratur Eingang. Sachliche Ähnlichkeiten bietet wieder die in testamentarischen Abschiedsworten ergehende Verheißung Jesu an die Zwölf in Lk 22,28-30, die ihnen aufgrund ihres Ausharrens bei Jesus die endzeitliche Mahlgemeinschaft mit dem Erhöhten zusagt. Dabei ist dieses Mahl ausdrücklich als Bestandteil der eschatologischen βασιλεία Jesu charakterisiert122 und steht in Verbindung mit einer im Bild des Thronens ausgesagten Gerichtsfunktion der Jünger über die zwölf Stämme Israels. Im Rahmen der Abendmahlserzählung 119

Den paränetischen Gedanken der Motivierung des Durchhaltens in Anfechtung mit der Aussicht auf die Herrlichkeit erhebt SCHNEIDER, Lk II 451 f. zur Grundlage der Deutung der Gerichtsverheißung. Daneben muß aber die mit Israels Stellung verbundene heilsgeschichtliche Neuorientierung im Jesus-Glauben Beachtung finden. Das bedeutet kein „Herrschen der Kirche über Israel" (mit SCHWEIZER, Lk 224), geht aber über eine reine Zeugenschaft (ebd.) insofern hinaus, als diese zwar den Modus des Verhältnisses bestimmt, inhaltlich aber die christliche Umprägung der Heilsgrundlage thematisiert und so kontrastierend wirkt. 120 Die Aoristform διεθετο ist in erster Linie vom Standort des Rezipienten des Evangeliums zu betrachten und schließt so Wirken, Tod, Erweckung und Erhöhung Jesu als Voraussetzungen der Aussage im Sinne ermöglichender Erkenntnisfaktoren ein; doch auch auf Textebene vermag Jesus im Bild des Lk bereits über seine Königsherrschaft zu verfügen, auch wenn diese noch nicht voll zur Wirkung gelangt, da er schon seit Empfängnis und Taufe Christus und Sohn Gottes ist. Eine klare Auflösung zu empfindender Spannungen intendiert Lk nicht. Anders verortet SCHNEIDER, Lk II 451 die Übereignung der Herrschaft an Jesus in der Zukunft. Das Verb διατίθημι erinnert an den „neuen Bund" von 22,20, der so als volle endzeitliche Mahlgemeinschaft entfaltet wird; vgl. SCHWEIZER, Lk 224. 121 Vgl. Apg 17,31; zum zukünftigen χριστό? 3,20. 122 Die Struktur der Aussage bietet zur übergeordneten Verheißung der Anteilgabe an der Herrschaft (V. 29) eine doppelte Konkretisierung durch Mahlgemeinschaft und Gerichtsfunktion (V. 30). Auch Offb 3,20f. bringt Mahlgemeinschaft und Thronen als endzeitliche Heilsbilder in unmittelbare Verbindung, wobei Jesu Partizipation an des Vaters Herrschaft ebenfalls bedeutungstragend ist.

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ergeht ein Ausblick auf das erneute Trinken des Weines durch Jesus in der zukünftigen Gottesherrschaft (Mk 14,25 par Mt 26,29 par Lk 22,18). Die bei Mt und Lk überlieferte Parabel vom Hochzeitsmahl eines Königs bzw. Mahl eines Herrn (Mt 22,1-10 par Lk 14,16-24) zentriert sich um die Symbolik des Mahles, zeigt aber auf der Bildebene keinen direkten Bezug zu Jesus als Gottes Repräsentanten; die Gestalt des Königs bei Mt erinnert an die verbreitete Vorstellung von Gottes Königsherrschaft, die einen Makarismus formulierende einführende Bemerkung über das Essen des Brotes in der (zukünftigen) Königsherrschaft Gottes in Lk 14,15 stellt die folgende Geschichte in den Kontext des endzeitlichen Mahles als Ausdruck eines von Gott getragenen Heilszustandes; die Differenzierung der Gäste evoziert den Gedanken an das göttliche Endgericht. Die über Jesus erzählten Speisungswunder'23 sind allgemein als Anspielung auf das endzeitliche Mahl Gottes bzw. seines Repräsentanten verstehbar, wobei sie das endzeitliche Heil als in Jesus bereits in nuce erfüllt demonstrieren und so Jesus als eschatologischen Repräsentanten Gottes gegenwärtig legitimieren. Weitere motivliche Anklänge enthalten die Stellen Lk 24,28-35 und Joh 21,9-13, die Erscheinungen des Auferstandenen in der Form der Mahlgemeinschaft schildern.124 Die Anwendung des Jesajazitates über einen gesalbten Propheten (Jes 61,1 f.) in Lk 4,1621, das Jesus auf seine Person hin auslegt, und die Bezeichnung Jesu als von Gott mit heiligem Geist Gesalbter in Apg 10,38, die an die jüdische Vorstellung von Propheten als Gesalbte erinnert, lassen Züge eines prophetischen Gesalbten in der lk Jesus-Darstellung erkennen.125 Da jedoch diese Andeutungen nicht mit einer expliziten titularen Beanspruchung mittels des Terminus „Gesalbter" korreliert sind und nur sehr vereinzelt begegnen, kann daraus nicht auf ein Hauptinteresse der Darstellung Jesu als gesalbter Prophet geschlossen werden. Im Hintergrund mag freilich die schon frühjüdisch stellenweise anzutreffende Verbindung prophetischer und königlicher Gesalbtenaussagen zu sehen sein. Die auf Jesus angewandte Prophetenattribution ohne Assoziation mit „Gesalbten"-Terminologie begegnet in Mk 6,4.15 und Joh 6,14. Der Titel „Menschensohn", dessen Herkunft und Verhältnis zum historischen Jesus hier offen bleiben müssen, wird in der Evangelientradition auf Jesus als (messianischen 126 ) Menschensohn angewandt und entsprechend in dreifacher Weise interpretiert: auf den in Vollmacht Handelnden (vgl. Mk 2,10.28 parr), auf Leiden, Tod und Auferstehung Jesu (vgl. Mk 8,31 parr; 9,31 parr; 10,33f. parr) und auf den Wiederkommenden (Mk 8,38 parr; 13,26 parr; 14,62 parr).127 Daneben kann auch Jesu Menschsein bzw. Niedrigkeit angesprochen sein (Mt 123

Mk 6,35-44 par Mt 14,15-21 par Lk 9,12-17; Mk 8,1-10 par Mt 15,32-39; Joh 6,5-15. Zu den einzelnen Stellen vgl. auch die Auswahl von PRIEST, Note 229-232, der noch weitere ntl Anklänge erwägt; diese sind m.E. jedoch kaum aussagekräftig. 125 Vgl. COLLINS, Scepter 205 (unter Angabe entsprechender Forschungspositionen). In Richtung der prophetischen Identifizierung denkt BECKER, Gesalbten 95f. in Beziehung zum Selbstverständnis des irdischen Jesus. Nach HAHN, Hoheitstitel 220 sind im Motiv der Geistverleihung Propheten- und Gesalbtentradition verbunden, was den traditionsgeschichtlichen Prozeß der Anwendung des Christos-Prädikats auf Jesus befördert. - Vgl. auch die Erwartung eines Propheten wie Mose Apg 3,22. 126 HOFIUS, Jesus 118f. lehnt eine messianische Denotation des Menschensohn-Titels ab. 127 Vgl. BAUMBACH, TRE XXII 633; MÜLLER, Menschensohn 279. - Eine eingehende neuere Erörterung der Menschensohnproblematik bei den Synoptikern bietet z.B. HAMPEL, Menschensohn (1990), 49-367, wobei der von ihm vorausgesetzte frühjüdische messianische 124

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8,20 par Lk 9,58; Mt 11,19 par Lk 7,35; Mt 16,13). Im MkEv begegnet die Verbindung der Titel „Gesalbter" und „Menschensohn" (8,29.31; 14,61f.), wobei der Gesalbte von der Menschensohn-Tradition her interpretiert wird.128

10.2.3 Passion und Erscheinungen Jesu In besonderer Intensität befaßt sich die synoptische Passionsüberlieferung mit der Bedeutung Jesu als Gesalbter.129 In der Passion tritt die Diastase zur traditionellen Gesalbtenvorstellung und damit das christliche Proprium signifikant hervor, was eine intensive narrative Auseinandersetzung mittels der einschlägigen Terminologie bewirkt. Beim Verhör Jesu vor dem Synedrium stellt der Hohepriester in der mk und mt Fassung Jesus die Frage, ob er der χριστό?, der Sohn Gottes bzw. des Gepriesenen sei (Mt 26,63 par Mk 14,61).130 Geläufig ist die Verbindung der Titel „Gesalbter" und „Sohn Gottes" erst in der christlichen Überlieferung, angelegt freilich schon in der atl Motivik der Gottessohnschaft des Königs (Ps 2,7) und am Rande der frühjüdischen Gesalbtenhoffhung (4Q174 III 10-13). Die prädikative Konstruktion der Titel in der formal bekenntnishaften Formulierung erweist den titularen Gebrauch. Die Titelfolge evoziert die Gesalbtentradition und betont in ihrer Eigenart die besondere Gottnähe des Gesalbten.131 Die Antwort Jesu ergeht bei Mk 14,62 eindeutig positiv (έγώ ειμι), bei Mt 26,64 ambivalent (σύ ei πας), wohl um jeder etwaigen Mißverständlichkeit zu wehren. Entsprechend fugt der erzählte Jesus in beiden Evangelien ein eigenakzentuierendes Menschensohn-Wort an, das in der Verbindung von Zitaten aus Dan 7,13 und Ps 110,1 in der Schrift fundiert ist und Nähe zu Gott, Macht und himmlische

Hintergrund- die Vorstellung eines auf Erden verborgenen designierten Messias (707 9 . 1 2 8 - 1 4 0 ) - der Überprüfung bedarf. Zur Kritik an der von Hampel konstatierten Entwicklung des messianischen Selbstverständnisses Jesu vgl. NIEBUHR, Jesus Christus 342f. Zum Menschensohn-Titel vgl. auch CARAGOUNIS, Son of Man (1986), 145-243. 128 Vgl. MACRAE, Messiah 175f. 129 Dazu KARRER, Gesalbte 407. Nach JUEL, Origin 452f. wird die mk Passion vom Motiv des königlichen Christus dominiert. 130 Der Terminus εύλογητός fungiert als ehrfuchtsvolle Umschreibung des Gottesnamens; zu Belegen vgl. BAUER, Wörterbuch 652f. Das Syntagma „Sohn des Hochgelobten" bleibt ohne Parallele; möglicherweise formulierte es Mk in der Absicht, den jüdischen Charakter der Szene herauszuheben. 131 GNILKA, Mk II 281 verortet den Gottessohntitel als Königstitulatur, so daß er göttliche Erwählung, nicht aber göttliche Abstammung bezeichnet; DERS., Christen 233f. verweist auf die enge Verbindung des Gottessohntitels mit der Messianität (Bezüge: Mt 16,16; Joh 1,49; 11,17; 20,31; Rom l,3f.).

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Herkunft des Menschensohnes unterstreicht.132 Eine politische Konnotation des Gesalbten-Prädikats wird dadurch in Frage gestellt. Das vom Erzähler den Juden zugeschriebene Verständnis als Gotteslästerung ist die Folge (Mk 14,63f.; Mt 26,65f.). Lk 22,67-71 ordnet die gleichen Sinnelemente anders an: Die ChristusFrage bescheidet Jesus mit dem Hinweis auf den Unglauben der Fragenden und akzentuiert mittels des Menschensohn-Wortes die himmlische Position der Gestalt (άπό του νυν meint nach Jesu Tod und Erweckung133). Die narrative Trennung der Titel bei Lk vermittelt den Akzent auf der semantischen Valenz des Titels „Sohn Gottes".134 Die Frage nach seiner Gottessohnschaft findet ambivalente Antwort („ihr sagt, daß ich es bin", V. 70).135 Das Synedrium faßt die Antwort positiv und verzichtet angesichts des Schulderweises auf weitere Zeugenaussagen. Diese auf Textebene zuungunsten Jesu wirkende Aufnahme seiner Antwort als Zustimmung signalisiert auf der Kommunikationsebene zwischen Autor und Rezipient die intendierte Aussage der wahrhaften Gottessohnschaft Jesu. - Nur in Mt 26,68 ist die an Jesus gerichtete Aufforderung derer, die ihn schlugen, zu prophezeien (προφητεύω), wer ihn schlug, mit dem χριστός-Titel verbunden, was eine Korrelation von Gesalbtem und wahrem Propheten herstellt.136 Pilatus stellt Jesus die grundlegende Ausgangsfrage des Verhörs, ob er „der König der Juden" sei (Mk 15,2; Mt 27,11; Lk 23,3), die von Jesus nicht abgelehnt und so fur die Suche nach dem rechten Verständnis offengehalten 132 Zur Korrelation von Gesalbten- und Menschensohn-Titel vgl. die Bilderreden des äthHen. Es handelt sich dabei im übrigen nicht um eine Einsetzung zum Gesalbten (anders HAHN, Hoheitstitel 127-131, der die Einsetzung mit der Parusie verbindet), sondern um dessen Erscheinungsweise und seinen genuinen Ort im Himmel, bei Gott. Nach GNILKA, Mk II 282 wird Jesus als bereits Inthronisierter erscheinen. 133 So SCHNEIDER, Lk II 469; es ist an die Zeit vor der Parusie gedacht. Vgl. auch

SCHWEIZER, L k 2 3 1 . 134 KILOALLEN, First Trial (1999) verortet die lk Trennung der bei Mk direkt verbundenen Titel im Vergleich mit der Geburtsankündigung Lk 1,32-35 in der Absicht des Lk, durch „Sohn Gottes" den „Messias"-Titel zu überbieten im Sinne einer Gottesbeziehung, die sich allein dem schöpferischen Handeln Gottes verdankt (bes. 409-411). Die Betonung der semantischen Differenz der Titel (ebd. 402f.) ist zeitgeschichtlich jedoch problematisch: Die Titel sind auf der Basis der frühjüdischen Überlieferung sowohl in der Sache als auch partiell titular verbunden; der Gesalbte genießt ein einzigartiges, unmittelbares Gottesverhältnis, das seine Repräsentationsfunktion ermöglicht. 135 So auch SCHWEIZER, Lk 2 3 2 . Anders versteht SCHNEIDER, Lk II 4 6 8 . 4 7 0 die Antwort Jesu als Zustimmung. Doch erfaßt das hinter der Frage der Ältesten stehende Sohn-GottesVerständnis Jesu Wesen nicht wirklich, so daß eine offene und damit korrigierende Antwort angemessen erscheint. 136 Zu dieser Beobachtung auch MACRAE, Messiah 181. Vgl. die frühjüdisch nachgewiesene Bezeichnung der Propheten als Gesalbte (Josephus).

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wird.137 Im Munde des Römers trägt der Titel politischen, speziell antirömischen Klang, der durchaus dem traditionellen Hintergrund entspricht.138 In Lk 23,2 geht (als lk Proprium) der Frage des Pilatus die ausformulierte Anklage durch die jüdischen Autoritäten voraus, die Jesus als politischen Revolutionär darstellt, der das Volk aufhetzt und die Steuer an den römischen Kaiser ablehnt, was eine Aufkündigung des Untertanenverhältnisses bedeutet; eine angebliche Selbstbezeichnung Jesu als χριστό? βασιλεύς soll - im Sinne der politischen Konnotation frühjüdischer Gesalbtentradition sachlich adäquat - diese Anklage belegen,139 wobei das Syntagma „gesalbter König" für jüdische Rezipienten religiös-politische, für hellenistische Leser v.a. revolutionär-herrschaftsprätentive Aspekte denotiert; bezeichnenderweise erfolgt diese Aussage nicht als christliches Bekenntnis, sondern als jüdische Anklage vor dem paganen Gericht.140 137

Jesu Antwort „du sagst es" zeigt sich ambivalent, kann also je nach Verständnis des Titels Bejahung oder Ablehnung signalisieren. Die Ursache dieser Ambivalenz liegt in der politischen Konnotation des Titels, die - so bei Josephus - eine Anwendung auf jüdische Revolutionäre ermöglicht, nicht aber Gestalt und Auftreten Jesu trifft. Der inhaltlichen Füllung des Königseins Jesu öffnet erst die ganze Passion den Blick. Zur Offenheit der Antwort Jesu vgl. GNILKA, Mk II 299f. Diese Ambivalenz nimmt BROADHEAD, Naming 78-80 nicht wahr, wenn er den Königtitel bei Mk von einer negativen Aura umgeben, mit der Konnotation des Gewalttätigen belegt und so als Bezeichnung Jesu inadäquat von Mk abgelehnt beurteilt. 138 Lk 23,4 läßt Pilatus die Schuldlosigkeit Jesu aussprechen, was die Bedeutungslosigkeit oder besser Ungefährlichkeit Jesu auf der politischen Ebene für den römischen Staat aussagt; die apologetische Intention des Lk gewinnt Gestalt. Ein Interesse an der religiösen Bedeutung zeigt Pilatus nicht. 139 Die Struktur der Anklage in Lk 23,2 läßt sich am besten so verstehen, daß die Volksaufwiegelung den übergeordneten Anklagegrund angibt, der (mit explikativem καί) durch den Aufruf zur Steuerverweigerung und den Königsanspruch konkretisiert wird. Ähnlich SCHNEIDER, Lk II 472. Der implizierte Rückhalt Jesu im Volk wird von Lk wiederholt zur Sprache gebracht: Lk 19,48; 20,6.19.26; 22,2. Der Vorwurf der Steuerverweigerung widerspricht Lk 20,20-26 und ist so als unwahr demaskiert. - Daß der Christus-Titel bei Lk nicht im politisch-revolutionären Sinne („König"), sondern in der Denotation besonderer Gottunmittelbarkeit verstanden werden soll, zeigte die direkt voraufgehende Szene des Verhörs vor dem Synedrium (22,66-71), die den Titel „Sohn Gottes" akzentuiert. 140 Entscheidend fur eine Übersetzung ist die Bestimmung von χριστό? als Adjektiv oder Substantiv. Da βασιλεύς eindeutig als Substantiv klassifizierbar ist, legt sich ein adjektivisches Verständnis von χριστός, das damit zur Qualifizierung seines Bezugswortes dient, grammatisch nahe; im frühjüdischen und christlichen Milieu ist die Christus-Bezeichnung andererseits bereits so verbreitet, daß eine titulare Auffassung von χριστός wahrscheinlich erscheint und somit eine Folge von zwei nominalen Titeln als möglich angenommen werden muß: „[ein] Gesalbter [und] König". - Vorsicht gilt gegenüber der Verwendung bestimmter Artikel in modernen Versionen. Vgl. dessen ungeachtet die Einheitsübersetzung (1979): „der Messias und König"; sachgemäßer bietet die LutherTevision (1984): „Christus, ein König". Vgl. auch die asyndetische Titelreihe χριστός κύριος in Lk 2,11.

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Die Spannung zwischen politischer Erwartung und Jesu Erscheinung durchzieht die folgenden Verwendungen der Titel Christus und König. Im Fortgang der Verhandlung rekurrieren Mk und Mt auf eine Gepflogenheit des Pilatus, zum Passafest einen Gefangenen freizugeben (Mk 15,6-15; Mt 27,1526). Die Erzählstruktur stellt Jesus den Verbrecher141 Barabbas gegenüber, womit ein narrativer Kontrast zur gewaltlosen und unpolitischen Herrschaft Jesu entsteht. In Mk 15,9 bietet Pilatus die Freilassung des „Königs der Juden" an, womit der Verf. die Unzulänglichkeit einer politisch-revolutionären Begriffsfullung signalisiert: Jesus könnte freigelassen werden, da er keinen militärischen Umsturz intendiert; der Neid der Hohenpriester als Motiv der Auslieferung (15,10) verstärkt diesen Erzählzug. Die Parallele in Mt 27,17 hebt mittels einer Alternativfrage den Gegensatz zwischen Jesus und Barabbas noch pointierter hervor; anders als Mk nennt Mt Jesus an dieser Stelle τον λεγόμενον χριστόν und artikuliert mit diesem Titel eine über den politischen Bereich hinausgreifende umfassende Heilsbedeutung Jesu. Der Gesalbte als Gefangener der weltlichen Obrigkeit fordert freilich ein grundlegendes Umdenken des traditionellen Bildes einer Machtfigur. Das von Mk übernommene Neid-Motiv (Mt 27,18) und die Bezeichnung Jesu als „Gerechten" durch die Frau des Pilatus (27,19) dienen der Öffnung zur Einsicht in Jesu eigentliche Bedeutung. Die erneute Vorstellung Jesu als „König der Juden" (Mk 15,12) bzw. „Gesalbter" (Mt 27,22) endet im von der jüdischen Menge ausgestoßenen Ruf nach dessen Kreuzigung; das Heilsangebot erfährt endgültige Ablehnung. Der Gruß Jesu als „König der Juden" innerhalb der Verspottungsszene (Mk 15,16-20a; Mt 27,27-31a) treibt den Gegensatz zwischen der vordergründig wahrnehmbaren Erscheinung Jesu und seiner wahrhaften Existenz auf die Spitze. Die im Spott angewandten hoheitlichen Insignien der Herrschermacht falsifizieren die Einordnung Jesu in die traditionell politisch-militärische Linie der Gesalbtenvorstellung und fordern zugleich den die Wahrnehmung wandelnden Überstieg zu seiner Anerkennung als Gesalbter.142 Der Titulus crucis nennt Jesus wiederum „König der Juden" (Mk 15,26; Mt 27,37; Lk 23,38), was darauf schließen läßt, daß Jesus als politischer Re141 Mk 15,7 charakterisiert Barabbas als Terrorist (στασιαστής - Aufrührer) und Mörder, Mt 27,16 beschränkt sich auf das Adjektiv επίσημος, doch trägt das sinngebende Herausragen oder Auszeichnen hier pejorativen Klang. 142 Wenn freilich OEGEMA, Gesalbte 171 für die Synoptiker (und Q) feststellt, daß die religiöse Bedeutung des Gesalbtenstatus Jesu die politische Deutung ablöse, übersieht er die unlösbare Bindung der politischen an die religiöse Dimension, die fur das jüdische Gesalbtenverständnis grundlegend ist. Demgemäß handelt es sich bei den Synoptikern um eine signifikante Akzentverschiebung, nicht aber um die Innovation der religiösen Ebene. Fraglich ist nur, auf welche Weise und an welchem Ort sich die Spiegelung Gottes erweist.

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volutionär gekreuzigt wurde,143 und was andererseits für jüdische Ohren messianische Konnotationen trägt. In der Kombination von König-Titel und Kreuzigung besteht eine hermeneutische Herausforderung für alle Rezipienten, die auf der Basis der traditionellen Gesalbtenhoffnung im Kreuz eine Falsifikation des Anspruchs Jesu sehen können. Gerade aus dieser Spannung entwickelt sich in der Reflexion das spezifisch Neue des christlichen Gesalbtenverständnisses, das Kreuz (und Erweckung) integriert. In spöttischer Weise wird Jesus Mk 15,32 im Munde der Hohenpriester und Schriftgelehrten, während er bereits am Kreuz hängt, als ό χριστός ό βασιλεύς ' Ισραήλ benannt, der sich dadurch in der Tat als solcher legitimieren könnte, würde er machtvoll vom Kreuz herabsteigen. Eine realgeschichtlich als Machtausübung wahrnehmbare (vgl. „sehen" in V. 32) Durchsetzung ist als Bedingung des Glaubens genannt, eine Bedingung, die Jesus nicht erfüllt und so als Mißverständnis offenlegt. Die Parallele Mt 27,42 spricht nur vom „König Israels", trägt aber den Titel „Sohn Gottes" in sachlicher Beziehung auf den an Gottes Macht Partizipierenden zweimal ein (27,40.43);144 die über das Motiv der Sohnschaft ausgesagte besondere Gottnähe erweist sich jedoch ganz anders, als von den Spöttern erwartet. Bei Lk 23,35 verspotten die Führer des Volkes Jesus, indem sie seine Selbstrettung fordern, wenn er „der Gesalbte Gottes, der Erwählte" ist;145 parallel dazu rufen die römischen Soldaten in 23,36f. Jesus als „König der Juden" zur Selbsthilfe auf.146 Die königliche Gesalbtenerwartung mit der zentralen Konnotation der sich (militärisch) durchsetzenden Macht des Königs wird im Hintergrund der Spottszenen als bekannt vorausgesetzt.147 In pragmatischer Betrachtung ist es nun Sache des Lesers, den eigentlichen Ort der Mächtigkeit Jesu zu reflektieren. 143

Nach HAHN, Hoheitstitel 176.178 wurde Jesus als messianischer Aufrührer gekreuzigt. Die von Gott zu erwartende Hilfe fundiert Mt 27,43 durch ein Zitat aus Ps 22,9 (vgl. Weish 2,18). 145 Die prädikative Verwendung zeigt klar den titularen Charakter von χριστός, die Verbindung mit dem Genitivattribut „Gottes" liegt auf der Linie des frühjüdischen Titelgebrauchs und denotiert das Partizipationsverhältnis des Gesalbten zu Gott. „Erwählter" heißt der Menschensohn/Gesalbte auch an zahlreichen Stellen der Bilderreden des äthHen. 146 Im Einklang mit den Spottszenen will SCHNEIDER, Lk II 483f. auch den lk Kreuzestitel als Spott verstehen. Hinter allem Spott liegt aber fur Lk eine tiefere Wahrheit, d.h. Jesus ist wirklich Christus und König, zu dessen rechtem Verständnis die narrative Gestaltung den Leser anleiten will. Die krasse Diskrepanz zwischen dem traditionellen Bild des Gesalbten als königlicher Machtfigur und dem gekreuzigten Jesus will in dieser lk Forcierung zu einer radikalen Neuinterpretation des Gesalbten vom Kreuzesgeschehen her anleiten, die den einzigartigen Repräsentanten Gottes in seiner gänzlich unkriegerischen Haltung und Wirkmacht („König") erfaßt. 144

147 Der Aussageschwerpunkt liegt auf der sich realgeschichtlich durchsetzenden Machtausübung des Königs und besagt nicht, daß der Messias wundertätig sein müsse, wie KUHN,

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Den Dialog Jesu mit den beiden neben ihm gekreuzigten Verbrechern überliefert nur Lk 23,39-43, indem Lk an diesen Gestalten die gegensätzlichen Haltungen von Ablehnung und Akzeptanz dem als „König der Juden" Gekreuzigten (V. 38) gegenüber exemplifiziert; die Spannung zwischen Tod und Königsein Jesu erfährt unterschiedliche Auflösung. Einer der Verbrecher lästert (έβλασφήμει.) Jesus aufgrund der offenkundigen Unwirksamkeit einer Macht, die er als ό χριστό? besitzen müßte; die spöttische Frage beansprucht in prädikativer Formulierung χριστός als Titel frühjüdischer Gesalbtenkonzeption (23,39). Die korrelierte Aufforderung zur Rettung seiner selbst und auch der Leidensgenossen situiert den Erweis des Gesalbtenstatus Jesu auf der Ebene gewaltsamer Durchsetzung im Gegenüber zur verurteilenden Gewalt. Dieser Sicht widerspricht der andere Verbrecher, indem er - auf Textebene doch überraschend, dem Leser freilich vertraut - die Furcht Gottes anmahnt, die angesichts der (Todes-)Strafe angemessen wäre, und damit Jesu wesenhaften Bezug zu Gott signalisiert (23,40). Die Betonung eigener Schuld und der Unschuld Jesu nimmt die wirklichen Verhältnisse realistisch wahr (23,41). Der Beziehung Jesu zu Gott (V. 40) entspricht die Bitte des Verbrechers an Jesus, sich seiner zu „erinnern" (23,42). Die dabei aufgegriffene Umschreibung einer Heilsaussage mit dem Verb μιμνησκομαι verdankt sich der Sprache der LXX und ist dort auf Gottes Tun bezogen;148 die konkrete Form μνήσθητι im Sinne einer Gebetsformel wird in der LXX als Anruf Gottes in Unheilssituation bezeugt: Ri 16,28; Ijob 7,7; Ps 88,51. Nur in Lk 23,42 fungiert Jesus als Subjekt der Anrede und tritt durch diese narrative Anspielung in die Heil gewährende Funktion Gottes ein; der Gesalbte partizipiert - auf dem Hintergrund frühjüdischer Gesalbtentradition durchaus nachvollziehbar - an Gottes königlicher Heilsmacht, wobei Gottes genuiner Ort im Himmel zu denken ist und seine universale Machtposition im Bild des Thronens Ausdruck finden kann.149 Dazu fugt sich nun die temporal verbundene (όταν) Fortsetzung der Bitte: „wenn du in deine Königsherrschaft kommst".150 Die mit dem Gesalbten traditionell verbundene KönigsChristologie 514-517 zu Unrecht behauptet. 148 Entsprechende Verwendung auch in Lk 1,54.72; Apg 10,4.31. Zum Hintergrund LEIVESTAD, EWNT II 1058. 145 So bereits atl in der Thronvision Jes 6,1-4; vgl. Ps 93,lf.; 97,lf.; 99,1. Besonders deutlich in der Bildwelt frühjüdischer Apokalyptik (vgl. 8.) 150 Textkritisch ist in Lk 23,42 die Lesart eis την βασιλείαν (bezeugt von Ρ75 Β L und einigen Übersetzungen) nicht sicher, da etliche Handschriften έν τη βασιλείς bieten (Κ A C und viele weitere). Die Bezeugung läßt eine klare Entscheidung kaum zu. Die lange Variante zu W . 42f. in A C 2 W u.a. zeigt durch die eingeschobene Anrede κύριε sekundären Charakter, der sich möglicherweise, aber nicht notwendig auch auf έν τη βασιλείς erstreckt. Eine Entwicklung von eis zu έν könnte in formaler Hinsicht von Mt 16,28 und 20,21 unterstützt sein, wo die Formulierung έν τη βασιλεία begegnet, inhaltlich aber sowohl lokalstatische (Sitzen zur Rechten/Linken in Jesu Königsherrschaft, Mt 20,21) als auch übertragene, modale (Menschensohn kommt in [der Macht] seiner Königsherrschaft, Mt 16,28) Bedeutung trägt. Inhaltlich fügt sich die lokale Bestimmung adäquat in den Erzählduktus, in dem Jesus in die himmlische Heilsstellung Gottes eintritt (vgl. die Bitte um „Erinnerung") und so wie dieser himmlische Lokalisierung erhält; die eindeutig statische Rede vom „Paradies" in V. 43 unterstützt diese Deutung. Ein Zusammenhang mit der Parusie besteht dabei (noch) nicht. Erst wo der Hintergrund des „Erinnerns" verblaßt, verliert die Allusion an Gottes Gnadenhandeln an Bedeutung, die Phrase wird interpretationsbedürftig, wobei unter geringer Wortvariation der ntl verbreitete Parusiegedanke eingebracht wird, wofür die aus Mt bekannte Formulierung bereitsteht. - Anders bevorzugt SCHNEIDER, Lk II 485 die Lesart

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herrschaft kann dabei nicht mehr als irdisch realisierte Größe verstanden werden, sondern als lokal von der Welt getrennte, gleichzeitig existierende eigene Wirklichkeit, als deren Ort nur der „Himmel" denkbar ist. Diese Denkbewegung wird von der christlichen Vorstellung in Gang gesetzt, die Jesu Existenz nach seiner Erweckung bei Gott situiert;151 diese Entwicklung zeichnet den Gesalbten als himmlische Gestalt mit einer „geistigen" (vgl. Apg 2,17f.33), d.h. aber vermittelt wahrnehmbaren Macht in bezug auf die ihm zugehörigen Menschen. Der die als Amen-Wort autorisierte Antwort Jesu semantisch prägende Hinweis auf das „Paradies"152 bestätigt diese lokal-statische Entwicklungslinie des basileia-Verständnisses, die den Eintritt in die Herrschaft des Gesalbten erst nach dem Tod situiert (23,43). Die die temporal offene Formulierung der Bitte radikal aktuell terminierende Pointierung in der Antwort Jesu durch „heute" (σήμερον) sagt die unverzügliche Teilhabe am Heil zu. Der Heilszustand kann damit an einem irdisch noch nicht wahrnehmbaren „Ort" bereits unmittelbar nach dem Tod realisiert werden. Die rechte Haltung des zweiten Verbrechers findet motivierende Verstärkung.

Zu beobachten ist in diesem Zusammenhang, daß das NT bei weitem nicht alle messianisch interpretierbaren atl Weissagungen aufgreift; es existiert also zu ntl Zeit offenbar kein als solches rezipierbares atl Schriftsystem in bezug auf Gesalbtenaussagen, so daß der Erfahrung des jungen Jesus-Glaubens große Offenheit in Auswahl und Interpretation der „heiligen Schrift" eignet.153 Bei Mk begegnet speziell davidisch-königliche Gesalbten-Terminologie fast ausschließlich in Kapp. 11-15 innerhalb von Auseinandersetzungen mit römischen und jüdischen Autoritäten, was möglicherweise einen Sitz im Leben dieser Titel in Kontroversen zwischen Christen und jüdischen Schriftgelehrten und Priestern sowie römischen Machthabern in den 60er Jahren des 1. Jh. erhellt.154 „in deiner Königsherrschaft", so daß die Antwort Jesu als Korrektur einer Parusieerwartung sichtbar werde, wobei diese Antwort als „Bestandteil der lukanischen Bewältigung des eschatologischen Verzögerungsproblems" einzuordnen sei; später sei der räumliche Aspekt als Erleichterung eingetragen worden. Als von Lk intendierte Korrektur einer Parusieerwartung läßt sich freilich noch weit eher die lokale Lesart begreifen. Für die übertragene Lesart auch JEREMIAS, ThWNT V 768 Anm. 47, dessen hebräische Rekonstruktion aber keineswegs zwingend ist; SCHWEIZER, Lk 238.240. Doch auch im Fall einer ursprünglich modalen Bedeutung („in der Macht seiner basileia") ist das Bestehen der Herrschaft Jesu vorausgesetzt; eine himmlische Position der basileia stellt im Hintergrund die Voraussetzung dar für den Akt ihrer Offenbarung, der dann akzentuiert wäre; der Hinweis auf das Paradies zeigt die Statik der Basis Vorstellung. 151

Narrativen Ausdruck fand diese Überzeugung im Werk des Lk durch die (doppelte) Darstellung der Himmelfahrt Jesu (Lk 24,51; Apg 1,9-11). 152 Die Paradieses-Vorstellung ist im Frühjudentum bekannt (vgl. äthHen 25,4f.; 60,7f.; 61,12; 70,4; 89,52; 4 Esr 4,7f.; 7,36; 8,52; TestLev 18,10f.; ApkAbr 21,6f.; TestAbr 11,3; ApkMos 37,5; VitAd 25,3) und bezeichnet einen irdisch verborgenen, meist himmlischen Ort, an dem sich die Erlösten in der Zeitspanne zwischen Tod und Totenerweckung aufhalten dürfen. Dazu JEREMIAS, ThWNT V 764-766; BALZ, EWNT III 40f. 153 Vgl. KARRER, Gesalbte 329-333 (mit Beispielen). 154 So OEGEMA, Gesalbte 162; wenn er freilich ebd. 165 den Ursprung wichtiger messianischer Epitheta in einer Situation von Verfolgung und Bedrückung der Christen sieht, iden-

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In den lk Erscheinungserzählungen gelangt noch zweimal der χριστόςTitel zur Anwendung, wobei die christliche Prägung seiner semantischen Valenz im Kontext deutlich hervortritt. Die Perikope vom Gang zweier Jünger in das Dorf Emmaus und ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen (Lk 24,13-35) thematisiert das Todesschicksal Jesu und die Erweckungsbotschaft in irritierender Rätselhaftigkeit, bis der erzählte Jesus selbst die von den Propheten als Kündern des göttlichen Willens vorhergesagte Notwendigkeit offenlegt, daß „der Christus" leiden und in die Herrlichkeit eingehen müsse (24,25f.).155 Leiden und Erweckung transformieren hier wie schon bei Paulus in der christlichen Interpretation die zentralen Denotationselemente des Gesalbten-Titels. Die Deutung der ganzen Schrift, angefangen von der mosaischen Tora und den Propheten, auf Jesus (24,27) begründet auf der Grundlage des Jesus-Kerygmas ein neues hermeneutisches Prinzip zum Umgang mit der jüdischen Bibel. Die Erkenntnis der Identität des Auferstandenen beim Brotbrechen (24,30f.) vermittelt Zugang zu diesem Christus in der sakramentalen tifiziert er vorschnell einen Sitz im Leben bestimmter Titel und deren Ursprung; in einer bestimmten Situation kann unter einer bestimmten literarischen Absicht älteres Material aufgegriffen sein, was gerade für die königliche Gesalbtentradition - auch in bezug auf Jesus - wahrscheinlich ist. Oegema versucht ebd. 174-176 eine Konkretisierung dieser Situierung, indem er, ausgehend von Mk 11-16, auf die jüdische und römische Auffassung der jesuanischen Verkündigung der Königsherrschaft Gottes als Prätention eines politischen messianischen Reiches hinweist, womit die politische Stabilität und die jüdische Religion gefährdet werden; da entsprechende Messiaskonzeptionen in Mk 11-16 nur von den jüdischen und römischen Gegnern Jesu verwendet werden, werde christliche Kritik daran erkennbar; diese Kritik hat ihren Sitz im Leben in den christlichen Gemeinden Jerusalems, Galiläas und Syriens um die Zeit des jüdisch-römischen Krieges, einer Gruppe, die wie andere „einen alternativen Weg zwischen Israel und Rom zu finden" versucht (175); damit wird die Diskussion um Jesu Messianität in den 60er und 70er Jahren situiert: „erst in der Auseinandersetzung mit den jüdischen und römischen Machthabern wird Jesus zum Messias Israels" (176; vgl. 176-183). - Von meiner These überlieferungsgeschichtlicher Kontinuität des Titels aus werden Bedenken gegenüber dieser traditionsgeschichtlichen Einordnung laut: Bereits die frühere - von Paulus bezeugte - Titulierung Jesu als „Christus" enthielt die Konnotation des königlichen Gesalbten, erfuhr jedoch bereits früh eine entscheidende christliche Umdeutung im Blick auf Leben und Botschaft Jesu; möglicherweise liegt der Ansatz zur GesalbtenBezeichnung Jesu bereits im (historischen) Titulus crucis „König der Juden" sowie der gegebenen Aufgabe der Deutung des Todes Jesu (wenn man nicht schon beim historischen Jesus ansetzen muß); die verstärkte Verbindung messianischer Vorstellungen mit Jesu Gegnern kann gut auch auf eine historische Situation während und nach Jesu Wirken weisen, wo die messianische Identifikation - in meist ablehnender Weise - von außen an Jesus herangetragen wurde. 155 Die Form der rhetorischen Frage (vgl. SCHNEIDER, Lk II 498) kommuniziert auf Textebene die neu gewonnene Einsichtigkeit in das Geschick Jesu, das von Gott, vermittelt durch die Propheten, von jeher festgelegt war; pragmatisch sieht sich unwillkürlich der Leser angesprochen und zur Reflexion herausgefordert, um diese Bezüge herzustellen.

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Erfahrung,156 worin sich im Einklang mit Paulus ein genuin christlicher Gedanke abzeichnet. Bei der Erscheinung Jesu vor den Jüngern in Jerusalem (Lk 24,36-49) beschreibt der Auferstandene selbst in einem gleichsam testamentarischen Abschiedswort sein Geschick als Erfüllung der ganzen157 Schrift (VV. 44f.) und konkretisiert es inhaltlich als mit Notwendigkeit geschehenes Leiden des χριστό? und Auferstehen von den Toten am dritten Tag (V. 46); wiederum treten die spezifisch christlichen Bedeutungselemente hervor. Der daraus folgende schriftgemäße Auftrag zur Verkündigung von Umkehr und Sündenvergebung in seinem Namen zielt auf alle Völker als Adressaten der Christus-Botschaft (VV. 47f.), womit die zumeist engen nationalen Grenzen frühjüdischer Gesalbtenerwartung überwunden sind. Die abschließend verheißene „Kraft aus der Höhe" (V. 49)158 eröffnet die Möglichkeit der Verbundenheit mit dem himmlisch lokalisierten Christus. Eine Reminiszenz an die Machtposition des frühjüdischen königlichen Gesalbten mag in den Worten des erstandenen und erschienenen Jesus in Mt 28,18 noch zu hören sein, wenn Jesus „alle Vollmacht (εξουσία) im Himmel und auf Erden" für sich reklamiert. Die universale Geltung seines Machtbereichs resultiert (im immanenten Kontext) aus Tod und Erweckung. Der Skopus dieser Vollmachtsaussage liegt in der pragmatischen Anrede an die Leser, die sich als ihm seit der Taufe Zugehörige in seinem Machtbereich verstehen und daraus Ermutigung und Trost schöpfen dürfen (vgl. 28,19f.).

10.2.4 Apostelgeschichte Gerade auch die lk Apg verwendet in positiver christlicher Rezeption häufig die Titulierung Jesu als Christus. Apg 2,29-36 stellt die Verbindung von David und Jesus als Christus her, indem David als Prophet der Auferstehung des 156 Die Ankunft am Ziel des Weges (die Wanderer gelangen nach Emmaus) entspricht der Zielaussage der Erzählung, die das Herrenmahl als Ort der gegenwärtigen Erkenntnis des Erstandenen demonstriert; vgl. SCHNEIDER, Lk II 499. - Die lebenschaffende Mächtigkeit des Christus in ihrer Erfahrbarkeit im Herrenmahl vermittelt auch die lk Erzählung von der Totenerweckung des Paulus in Troas (Apg 20,7-12), denn das Brotbrechen bildet dort den wohl redaktionell gestalteten Rahmen (VV. 7.11) fur Predigt und Erweckung eines jungen Mannes durch Paulus vor seiner Abreise aus der Gemeinde; die erfahrbare Präsenz Christi in Wort und Sakrament findet wunderbare Bestätigung. Zur Deutung dieser Perikope vgl. SCHREIBER, Wundertäter 108-122, zur lk Redaktion bes. 114-120. 157 Gesetz, Propheten und Psalmen (Schriften) stellen die drei Schriftengruppen der hebräischen Bibel dar; die Schriftankündigungen umfassen nicht nur Leiden und Erweckung des Christus (V. 46), sondern auch die daraus erwachsende Verkündigung vor allen Völkern

( V . 4 7 ) ; d a z u SCHNEIDER, L k II 5 0 2 . 158

Zur damit bezeichneten Sendung des Geistes vgl. noch Apg 1,2.5; 2,4.

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Christus genannt wird, dessen Vorhersagen bestätigen, daß Jesus der Christus ist. Vom Leiden des Christus sprechen Apg 3,18 und 17,3a. Das als Pfingstpredigt des Petrus bekannte Redestück Apg 2,14-36 läßt sich als midraschartige Komposition159 erfassen, die den Text Joel 3,1-5 LXX zitiert (2,17-21)160 und vom Jesus-Kerygma her deutet (2,22-24), wobei nach dem öffentlichen Auftreten Jesu - durch Wundertaten als göttliche Heilszeit charakterisiert besonders Kreuzestod und Auferweckung durch Gott als heilsgeschichtlich zentrale Komponenten hervortreten; der prägende Einfluß dieser Ereignisse ist seit den pln Briefen als christliche Modifikation der Denotation des Gesalbten-Terminus greifbar. Das schwer faßbare Todesschicksal des Gesalbten wird durch die göttliche Erweckung als heilsgeschichtlich verankerter und sinnerfiillter Bestandteil seines Weges einsichtig. Die Unmöglichkeit des Bleibens Jesu im Tod demonstriert ein weiteres Zitat, Ps 15,8-11 LXX (Apg 2,25-28), das als Lied Davids im Sinne einer prophetischen Verheißung eines Nachkommens auf Davids Thron interpretiert wird (2,29f.), was an frühjüdische Gesalbtenerwartungen erinnert (vgl. PsSal 17,21)16' und in der expliziten Nennung des Christus (2,31) auch titular verifizierbar wird. Als entscheidendes Charakteristikum dieses Gesalbten erscheint aber nun (vom Psalm-Text her gedeckt) die legitimierende Auferweckung durch Gott, wofür die Apostel als Zeugen fungieren (2,31 f.) Wie schon bei Paulus treten auch in der Apg Kreuzestod und Auferweckung als Spezifika des christlichen Gesalbtenverständnisses hervor. Auf dieser Basis schließt Lk die Erhöhung des Christus zu Gott, Geistempfang und Ausgießung des Geistes als Erklärung des Pfingstgeschehens an und bestätigt die himmlische Position Christi wiederum durch ein „Lied Davids", indem er Ps 110,1 (109,1 LXX) anführt (Apg 2,33-35). Die in der himmlischen Stellung „zur Rechten Gottes" (V. 33) vorausgesetzte einzigartige und unmittelbare Nähe des Gesalbten zu Gott entspricht im Grunde der Tradition, die weiterhin zur irdischen Wirklichkeit bestehende Verbindung durch die Mittlergestalt des heiligen Geistes verdankt sich erst christlicher Erfahrungsreflexion; Gottes Allmacht bleibt gewahrt162 und wirkt sich funktional in der Ermächtigung seines Christus aus. Die ganze Argumentation der Petrusrede mündet in eine offenbarungstheologisch vermittelte erkenntnis159

Dazu WEISER, Apg 191. Zur lk Präsentation des Joel-Zitats vgl. SCHNEIDER, Apg 1268-270. 161 Im Hintergrund klingt die Natan-Weissagung an; vgl. Ps 131,11 LXX; 2 Sam 7,12f.; ferner Ps 89,4. Dazu auch SCHNEIDER, Apg I 274. 162 SCHNEIDER, Apg I 275 hält die Subordination Christi fest, die durch den Vorgang des Erhöhens und die Ortsangabe „zur Rechten Gottes" markiert ist. - Die schon in der himmlischen Stellung verbürgte Machtposition des Gesalbten mag in V. 35 durch die Unterwerfung der Feinde anklingen, trägt hier aber keinen Akzent und verdankt sich eher dem Zitatfluß. 160

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

theoretische Sicherheit (vgl. ασφαλώς)163 fur das „ganze Haus Israel" in bezug darauf, daß Gott den gekreuzigten Jesus zum Herrn und Christus (κύριος und χριστός) machte (2,36). Mit dieser titularen Kompression ist das Ziel der Rede erreicht.164 Die in ihrer Funktion zur Klassifizierung der Heils- und Machtstellung Jesu synonym gebrauchten Titel Herr und Christus erweisen sich im Kontext heilsgeschichtlich gestützt und abgesichert: „Herr" durch die in Ps 110 ausgesagte himmlische Herrscherstellung, „Christus" durch die aus der David-Tradition hörbare Gesalbtenerwartung und die aus der Verheißung Ps 15 resultierende Auferstehung. Kreuz und Auferstehung als Grundlage der himmlischen Herrschaft des Gesalbten bilden die Fixpunkte für das christliche Bekenntnis, das Lk in eine Gesamtsicht von Kontinuität der Heilsgeschichte einbindet.165 Die existentielle Anerkennung der Heilswirklichkeit des Christus Jesus vollzieht sich in der Taufe auf den Namen Jesu Christi, die Sündenvergebung und Geistgabe bewirkt (2,38). Die Konkretion des Glaubens zeigt sich in der besonderen Qualität der christlichen Gemeinde, die Lk idealisiert als Gemeinschaft in Herrenmahl, Gebet und sozialer Egalität zeichnet (2,42-47). Apg 3,20f. kennzeichnet Jesus als den zum χριστός Bestimmten im Hinblick auf das jüdische Volk, das die kontextgebende Predigt des Petrus hört, und lokalisiert diesen Christus gegenwärtig im Himmel, bis das verheißene Ende der Weltzeit eintrifft. In Apg 5,34-39 macht Lk die politisch-messianische Überlieferung fur seine apologetische Intention, Jesus als den wahren Gesalbten gegenüber jüdischem Einspruch zu erweisen, nutzbar. Die Rahmenerzählung schildert die Gefangennahme der Apostel, ein Verhör vor dem Hohen Rat und schließlich die Tötungsabsicht dieses Gremiums (5,26-33). Lk erweist sodann diese Tötungsabsicht angesichts der in solchem Fall wirk163 Sicherheit (ασφάλεια) in bezug auf die Jesus-Überlieferungen zu vermitteln, gibt bereits das lk Vorwort als schriftstellerische Intention an (Lk 1,4). 164 Das christologische Bekenntnis als Mittelpunkt verstehen auch SCHNEIDER, Apg 1276;

WEISER, A p g I 9 6 ; v g l . ZMIJEWSKI, A p g 1 2 4 ; SÄNGER, V e r k ü n d i g u n g 2 2 0 . - D a s έ π ο ί η σ ε υ i n

Apg 2,36 könnte so verstanden werden, daß Gott Jesus erst mit der Auferweckung (und Erhöhung) in seine messianische Machtstellung einsetzte (so bei SCHNEIDER, Lk I 97; PESCH, Apg I 128 als Bewahrung vor-lk Tradition). Mir scheint hier kein Bruch ausgesagt: Die schon bei Geburt und Taufe Jesu vermittelte Qualität göttlicher Nähe (vgl. den Geist Lk 1,35; 3,22) findet sich in der Auferweckung legitimiert und offenbart, die Erhöhung bringt die damit verbundene Machtposition voll zur Geltung. Zur Einheit des ganzen Jesus-Kerygmas an dieser Stelle vgl. WILCKENS, Missionsreden 36.171-175.237-240; ROLOFF, Apg 60f. (der zwischen hellenistisch-judenchristlicher Tradition und lk Christologie differenziert); SCHNEIDER, Apg I 276f. 165 Zum theologischen Interpretament der heilsgeschichtlichen Kontinuität bei Lk vgl. (mit besonderem Bezug zur Gestalt des Paulus als Wunderwirker) SCHREIBER, Wundertäter 153-157; auch ZMIJEWSKI, Apg 177.

Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament

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samen historischen Evidenz als überflüssig. Er läßt den Pharisäer Gamaliel auf die beiden jüdischen Revolutionärsgestalten Judas Galilaios und Theudas (dazu 7.1.2) hinweisen, deren Anspruch (vgl. 5,36: λέγων eluaí τινα έαυτόν) nach Lk als Gesalbtenprätention zu deuten ist,166 da nur unter dieser Voraussetzung Übereinstimmung mit der zentral verhandelten Evangeliumsverkündigung, nämlich daß Jesus der χριστός ist (so im den Skopus der Perikope formulierenden Schlußsatz 5,42), herrscht; nur dann erscheint die Parallelisierung des Schicksals der beiden Revolutionäre mit Jesus sinnvoll.167 Deren Tod bedeutete das Ende der von ihnen geführten Bewegungen. Das Argument bedient sich der falsifizierenden Bedeutung des Todes eines solchen Prätendenten, was schließlich auch für Jesus zutrifft, doch insinuiert Lk textpragmatisch dem Leser - der dies ja ohnehin schon weiß - , daß Jesu Tod nicht das Ende, sondern erst den Anfang neuer Lebenswirklichkeit und damit die Basis für das Verständnis als Christus darstellt, indem er die Apostel trotz Verbots unablässig das Evangelium von Jesus Christus verkündigen läßt (5,41 f.). Auf Textebene besteht die Argumentationslogik des Gamaliel in der Einsicht, daß bloßes Menschenwerk mit dem Tod des Protagonisten untergeht, Gottes Werk aber Bestand hat auch gegenüber denen, die es vernichten wollen und sich in diesem Fall als θεομάχοι disqualifizieren (5,39). Die folgende Freilassung der Apostel vermeidet diese gefährliche Möglichkeit. Innerhalb der Rede des Paulus in der Synagoge im pisidischen Antiochia (Apg 13,16-41) wird wiederholt die Figur des Königs David erwähnt, freilich in spezifisch christlicher Interpretation: Die Rede beginnt mit einem Rückblick auf Israels von Gott geführte Geschichte, wobei speziell David als König genannt ist (VV. 17-22); an dieser Stelle wird der Blick auf Jesus gelenkt, denn aus Davids Geschlecht erstand Jesus als Retter (σωτήρ, V. 23),168 woraufhin das Leben Jesu mit besonderer Gewichtung von Tod und Auferstehung zusammengefaßt wird ( W . 23-31); im Anschluß erfolgt die Deutung der Erweckung Jesu als Erfüllung der Verheißung an die Väter (VV. 32-37), wozu aus Ps 2,7, Jes 55,3 LXX (Hinweis auf 166 Die historische Untersuchung (7.1.2) ließ diese Deutung zu, ohne sie zwingend erweisen zu können. - Theudas trat nach Josephus, Ant 20,97-99 erst in den Jahren 44-46 unter Fadus auf; offenbar hat Lk diese historische Unstimmigkeit zugunsten seiner Aussageabsicht in Kauf genommen, wenn nicht ein historischer Irrtum des Lk vorliegt. Dazu SCHNEIDER, Apg I 400. Ein gewaltsames Ende des Judas Galilaios überliefert Josephus nicht, vielmehr dürfte von ihm eine größere Revolutionsbewegung (die Zeloten?) ausgegangen sein (dazu unter 7.1.2). Damit resultiert die Darstellung aus der theologischen Geschichtsinterpretation des Lk. 167 Auch SÄNGER, Verkündigung 204f. sieht die Stringenz der Argumentation des Gamaliel nur dann gegeben, wenn alle drei Gestalten „den gleichen messianischen Typus repräsentieren" (205). Einen unscharfen, aber doch „messianischen" Anspruch des Theudas erkennt auch SCHNEIDER, Apg 1400. 168 Vgl. auch Lk 2,11. Im Hintergrund wird die Natan-Weissagung zu sehen sein (2 Sam 7,12). Vom „Samen Davids" sprechen auch Rom 1,3; 2 Tim 2,8; Joh 7,42. Lk l,32f. kündigt der Engel Maria den Thron Davids fur Jesus an.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

David!) und Ps 16,10 zitiert ist;169 in W . 36f. greift Lk die Gestalt Davids aus Jes 55,3 auf und schafft eine Kontrastierung: David sah nach seinem Leben die Verwesung, Jesus - in Antithese - sah die Verwesung nicht. Der lk Paulus zieht die Folgerung, daß in Jesus, nicht im mosaischen Gesetz, Sündenvergebung und Gerechtigkeit liegen (VV. 38f.), und endet mit einer Schlußmahnung (VV. 40f.). Lk bedient sich der Tradition vom König David, deutet sie aber im Sinne einer David-Jesus-Typologie auf die Erweckung Jesu; die davidische Gesalbtenerwartung macht Lk an dieser Stelle nicht fruchtbar. Die Synagogenpredigt Pauli in Thessalonich erläutert die Gestalt des χριστός aus der Schrift und bestimmt diesen - in christlicher Eigenprägung - als den, der leiden und von den Toten auferstehen mußte (Apg 17,2f.).'70 Als diesen Christus identifiziert Paulus den Jesus, den er verkündigt (V. 3); der prädikative Gebrauch weist auf den Titel der frühjüdischen Tradition, der aber hier schon markant christlich modifiziert ist. Die sich im Erzählduktus aus der Verkündigung ergebende Anklage einiger Christen vor den Stadtoberen wird politisch mit Verstoß gegen die Gesetze des römischen Kaisers und der revolutionären Aussage, ein anderer, nämlich Jesus, sei βασιλεύς, begründet (17,7). Das Motiv der Opposition gegen den Kaiser erinnert an das jüdische Argument gegenüber Pilatus, um Jesu Hinrichtung durchzusetzen (Lk 23,2; vgl. Joh 19,12), und akzentuiert die politische Linie der königlichen Gesalbtenerwartung. Die am Ende stehende Freilassung der Beschuldigten (17,9) läßt den mit der lk Jesus-Deutung vertrauten Leser die Irrtümlichkeit des politischen Verständnisses hören.171 An einigen weiteren Stellen benutzt Lk den Christus-Begriff in prädikativer Funktion und damit mit titularer Valenz, die die frühjüdische Gesalbtenerwartung wenigstens noch im Hintergrund hören läßt. So kann Lk die christliche Verkündigung darin komprimieren, daß Jesus der χριστός sei (Apg 3,20; 9,22; 18,5.28); die christlichen Spezifika Leiden und Auferstehung sind dabei heilsgeschichtlich vorbereitet, da die Propheten und Mose diese Charakteristika vorhergesagt hätten (26,22f.; vgl. 3,18). In Apg 4,26 greift Lk das Motiv des Wirkens des Gesalbten auf der kriegerischen Ebene auf, wenn er im Zitat aus Ps 2,1 f. die Auflehnung der politischen Mächte gegen den Christus übernimmt; Lk versteht diese Ansage im Todesschicksal Jesu durch die Akteure Herodes, Pilatus, die Heiden und die Stämme Israels erfüllt, wobei er Jesus als den „heiligen Knecht" Gottes, den dieser salbte, bezeichnet (4,27). Ein realer Salbungsakt zum „Gesalbten" wird in keiner einzigen frühjüdischen Schrift greifbar, so daß die Vorstellung von Lk neu angewandt wurde (Lk 4,18; Apg 4,27; 10,38): Die in Lk 4,18 über das Zitat von Jes 61,1 LXX vermittelte Assoziation von Salbung und Geistverleihung interpretiert die bei Jesu Taufe sichtbare Geistbegabung (vgl. Lk 3,21f.) zu Beginn seines Auftretens als Salbungsakt durch Gott mit heiligem Geist und Kraft (δύναμις; Apg 10,38),172 womit der Gesalbtenstatus Jesu eine Bestätigung erfährt.

Häufig findet sich der Christus-Titel in nominaler Verwendung, die einen typisch christlichen Gebrauch spiegelt, der den titularen Charakter zurück169

Zur christologischen Bedeutung der Zitate vgl. SCHNEIDER, Apg II 137-139. Vgl. die in der spezifisch christlichen Aussage parallele Formulierung in Lk 24,26f. bei der Erscheinung Jesu gegenüber den Emmaus-Jüngern. 171 Lk verfolgt mit dieser Form der Anklage der Christen also auch eine apologetische Zielsetzung; vgl. SCHNEIDER, Apg II 225. 172 SCHNEIDER, Apg I 359 setzt die Salbung mit der Taufe Jesu in Beziehung und verweist auf Lk 3,22; 4,1.14.18; Apg 10,38. Daß das Komplott nach Apg 4,26 (Ps 2,2) gegen Gott und seinen Gesalbten gerichtet ist, deutet die Repräsentationsfunktion des Gesalbten an. 170

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treten läßt. So ist von der Verkündigung des Jesus Christus gesprochen (Apg 8,5.12; 10,36; 24,24; 28,31), die Taufe erfolgt auf den Namen Jesu Christi (10,48), Glaube richtet sich auf den Herrn Jesus Christus (11,17), der Name des Herrn Jesus Christus ist Grund für den Lebenseinsatz von Christen (15,26); im Namen Jesu Christi werden Heilungen, Exorzismen und Erwekkungen vollzogen (3,6; 4,10; 9,34; 16,18). Wiederholt sind dabei auch im Kontext Kreuzestod und Auferweckung als christliche Denotationsfaktoren genannt: Apg 4,10; 10,36-43.

10.3

Johannesevangelium

10.3.1 Christus Im Johannesevangelium findet das Lexem χριστός an 19 Stellen Verwendung und verweist in seinem textimmanenten Gebrauch wiederholt auf einen in der frühjüdischen Gesalbtenerwartung situierten geistigen Hintergrund.173 Bereits an formalen Beobachtungen zum Gebrauch des Substantivs zeigt sich seine vom Verf. absichtsvoll eingesetzte titulare Bedeutung, die eine über einen Eigennamen hinausgehende semantische Füllung voraussetzt. So begegnet neben der prädikativen Aussage ούτος έστιν ό χριστός (4,29; 7,26.41) die titulare Verwendung mit bekenntnishaftem Charakter: σύ eî ό χριστός (10,24; 11,27); όμολογεΐν χριστόν (9,22); ϊνα πιστεύ[σ]ητε ötl ' Ιησούς έστιν ό χριστός (im summierend die Absicht des Verfassers hervorhebenden Zielsatz 20,31). Die stärker nominale Verwendung Ίησους Χριστός174 findet sich nur 1,17; 17,3, ohne daß damit der titulare Gehalt des Substantivs χριστός verloren wäre. Der Prolog175 des JohEv (1,1-18) besingt in symbolhafter Sprache die göttliche Identität des λόγος und seine Mittlerfunktion in bezug auf die 173

Zum Vorverständnis: In die subtile wissenschaftliche Diskussion um ein schichtenweises Wachstum des JohEv vermag ich hier nicht einzusteigen. Ich setze aber voraus, daß der Text in Jetztgestalt - zumindest, was Kapp. 1-20 betrifft - eine sinnvolle literarische Einheit darstellt, die in synchroner Betrachtung eine einheitliche lexikalische, grammatische und semantische Textoberfläche besitzt und die als solche interpretiert werden darf und muß. Ein Verstehensmodell, das neben der synchronen Einheit des JohEv diachrone Prozesse berücksichtigt, entwirft z.B. SCHNELLE, Joh 25-27. 174

Die nominale Verwendung eröffnet die Möglichkeit, das Substantiv Χριστός ähnlich einem Eigennamen groß zu schreiben. 175 Literarkritisch läßt sich als Vorlage für Joh 1,1-18 ein älterer (vorchristlicher bzw. vor-joh) Logos-Hymnus wahrscheinlich machen, wobei sich das Logos-Motiv der frühjüdischen Weisheitsspekulation verdankt; dazu BECKER, Joh I 81-88.91-93 (der mit seiner Aus-

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Schöpfung der Welt und das von Gott her sinnerfullte Leben der Menschen. Die sarkische, also individuell-menschliche Existenz des Logos (V. 14) eröffnet demnach den Menschen, die sich ihm im Glauben zuwenden (V. 12), die Möglichkeit eines Lebens in heilvoller Gottnähe (im Bild: als τέκνα θεού, V. 12). Johannes (der Täufer) legt in der Darstellung des Prologs Zeugnis176 von diesem Logos ab (1,6-8.15). Aus seiner einzigartigen Verbindung zu Gott (vgl. ώς μονογενούς παρά πατρός, V. 14) gewährt der Logos Anteil an seiner Gnadenfulle (V. 16), so daß er als Offenbarer in eine antithetische Relation zu Mose gestellt werden kann:177 Das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit178 geschahen durch „Jesus Christus" (V. 17). Zum erstenmal im JohEv wird die bisher in symbolischer Referenz kommunizierte Heilsgestalt eindeutig identifiziert als der Mensch Jesus, der den Titel „Christus" in solcher Exklusivität trägt, daß er wie ein Eigenname konstruiert werden kann. Als „Gesalbter" genießt Jesus eine ganz anders geartete Qualität als Mose, dessen Funktion damit hinfällig wird.179 Die frühjüdische Dedifferenzierung von vier Entwicklungsstufen das Textmaterial m.E. freilich überstrapaziert); SCHNACKENBURG, Joh I 200-207; HAENCHEN, Joh 132-145; SCHNELLE, Joh 29-45 passim; WILCKENS, Joh 21-26; GNILKA, Joh 13f. BULTMANNS (Joh 8-15.41-43) Herleitung aus dem gnostischen Mythos darf als überholt gelten; zur literarkritischen Analyse ebd. 3-5. 176 Anders als bei den Synoptikern, die den Täufer als Vorläufer Jesu zeichnen, fungiert er im JohEv als erster, notwendiger Zeuge für Jesu einmaliges Verhältnis zu Gott, das sich im Geistbesitz manifestiert (vgl. 1,29-34). Vgl. BECKER, Joh I 98f.; SCHNACKENBURG, Joh I 226-228; ferner BULTMANN, Joh 65 (zu 1,28). 177 Die Gegenüberstellung drückt die Überlegenheit der Gnade in Jesus Christus aus: Nur Jesus kennt Gott, gehört zu Gott und kann ihn so offenbaren; die Ausschließlichkeit der Offenbarung im Sohn tritt ins Zentrum der Aussage. Vgl. BECKER, Joh I 101-103; GNILKA, Joh 16; KÜGLER, König 68-70. Zurückhaltender spricht SCHNACKENBURG, Joh I 252f. von „Überbietung der bisherigen Gesetzesordnung durch die Gnadenwirklichkeit Jesu Christi" (253); in V. 18 sieht er dann den „Absolutheitsanspruch der christlichen Offenbarung" (ebd.) ausgesagt. Zur Absolutheit der Offenbarung in Jesus auch BULTMANN, Joh 53; SCHNELLE, Joh 42f. Von Unterordnung der Tora spricht SCHENKE, Joh 34. 178 Die Begriffe „Gnade" (Rom 5,12.20; 1 Kor 15,10; Gal 1,6; 5,4; Apg 6,8) und „Wahrheit" (2 Kor 11,10; 2 Tim 2,15) sind nach BECKER, Joh I 95 bereits „Globalbezeichnungen für das christliche Heil". Zum atl Hintergrund SCHNACKENBURG, Joh 1248; ferner BARRETT, J o h 1 9 3 ; SCHNELLE, J o h 4 2 . 179 Diese Beobachtung spricht nicht gerade für die Ansicht von KÜGLER, König 50-53, der in 1,17 die Relation von Jesus zu Mose als Opposition faßt, wobei die königlichen Züge des Mose, die sich bei Philo (und schon beim Tragiker Ezechiel) finden, auf Jesus übertragen wären. Zu königlichen Zügen des Mose bei Philo vgl. VitMos I 148.153f.158.163; II 2f.; Praem 54. Da sich Vergleichbares in der Beschreibung des Mose durch Josephus (Ant 2-4) nicht findet (die von SÄNGER, Verkündigung 204 Anm. 30 gebotenen Belege sagen keine Königswürde des Mose aus!), kann an eine alexandrinische Tradition gedacht werden, die dem Verf. des JohEv eher nicht geläufig war. Unkomplizierter und in sachlich naheliegender Verbindung stellt dagegen die Gesalbtenerwartung königliche Motivik zur Verfügung, die

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notation des Titels wird an dieser Stelle nur in wenigen Zügen greifbar: In Präexistenz, Gottnähe und Heilsfunktion Jesu. Der Aspekt der Gottnähe erfährt freilich in der christlichen Interpretation des Prologs eine Steigerung, die in frühjüdischen Texten nicht begegnet, wenn V. 18 mit Bezug auf den Christus vom μονογενής θεό?180 spricht. Eine direkte Verbindung mit Gott findet statt, wie sie schon 1,1c zum Ausdruck kam: „... und (ein) Gott war der Logos".' 8 ' Die Spitzenaussage in Joh 1,1c beschreibt das in 1,1b ausgesagte Verhältnis von Logos und Gott näher, das als solches zwei unterscheidbare Gestalten voraussetzt. Das artikellose Substantiv θεός in V. lc fungiert grammatisch als Prädikat,'82 so daß die Unterscheidbarkeit von Gott und Logos gegeben bleibt und keine Ineinssetzung des Logos mit ό θεό? (VV. lb.2) stattfindet. Mit dieser Prädizierung wird der göttliche Charakter, die einzigartige und direkte personale Gemeinschaft des Logos mit Gott ausgesagt. Die Frage nach einer etwaigen Auflösung des jüdischen Monotheismus hat den Charakter des Prologs als Lied zu bedenken, das mit bildhafter Sprache arbeitet und keine theologische Systematik intendiert, damit auch der affektiven Wahrnehmung zugänglich sein will. Das Bild des Logos, der im Wesen wie Gott ist, sagt eine einmalige Gottunmittelbarkeit aus, antwortet aber nicht direkt auf die Anfrage theologisch-systematischer Gotteslehre. Orientierung fur die Suche nach dem vorausgesetzten Denkmodell kann ein terminologischer Vergleich mit Aussagen bei Philo von Alexandrien bieten, der in Som I 228-230 den Logos ohne Verwendung des Artikels „Gott" nennt (vgl. Conf 146), wobei eine Differenzierung, keine metaphysische Identifikation erkennbar ist; bei höchster Aufwertung des Logos bleibt seine Unterordnung unter Gott bestehen (vgl. das an anderen Stellen gebrauchte Attribut „göttlich": Op 20.31.36.146; All III 171.218; Sacr 66; u.a.).' 83 Größte Einheit drückt sich in 1,1c unter Wahrung der Verschiedenheit aus. Das Prä-

die joh Jesus-Darstellung prägte. Der königliche Christus bedarf so keiner Aufnahme von Motiven aus der Beschreibung seines Opponenten Mose. 180 Die von mir (wie bei Aland27) vorausgesetzte Lesart in V. 18 dürfte ursprünglich sein, da sie von den besten Zeugen geboten wird und als lectio difficilior einzuschätzen ist. Dazu auch

SCHNELLE,

Joh

29;

BECKER,

Joh

I

103;

BARRETT,

Joh

195.

Unentschieden

SCHNACKENBURG, J o h 1 2 5 5 . BULTMANN, J o h 5 5 m i t A n m . 4 u n d HAENCHEN, J o h 132 l e s e n

„Sohn". 181 Zu einer göttlichen Qualität Jesu im JohEv vgl. z.B. HENGEL, Titles 430-435. 182

183

S o a u c h WLLCKENS, J o h 2 7 ; SCHNACKENBURG, J o h I 2 1 1 .

Auf der Linie der philonischen Differenzierung deutet BECKER, Joh I 88, wenn er die untergeordnete Stufe des Logos nennt, dem das Prädikat „Gott" im Sinne einer Vorstufe (Hinweis auf Sir 24,1 f.; Weish 7,26; 9,4) gebührt und der „göttlicher Art" ist; bei fehlender Gleichrangigkeit mit dem Gott ist er „göttliche Person und zugleich nur Mittler des einen Gottes". Vgl. KÜGLER, König 157-161, der auf diesem Hintergrund gegenüber Becker (und mit HAENCHEN, Joh 116) die Nähe des Logos zu Gott betont und dabei die Verschiedenheit festgehalten sieht; im Hinblick auf Philo sowie die Divinisierung des Königs oder Kaisers in der antiken Herrscherideologie gibt Kügler als kulturelles Wissen der Zeit eine reduzierte Semantik des Θεóç-Begriffs zu bedenken (151-156). Freilich müßte überlegt werden, daß das Lexem θεό? in der griechisch-römischen Welt eine andere Denotation besitzt als im Judentum (Monotheismus!). KÜGLER vertieft ebd. 41-46 den Gedanken der Einheit mit der Vorstellung von Sohn und Vater, die auch Philo zur Charakterisierung des Logos verwendet. Nach SCHNELLE, Joh 31 wird „gleichermaßen das göttliche Wesen des Logos und seine Unterschiedenheit vom höchsten Gott" ausgedrückt. Vgl. ferner HENGEL, Titles 431-433;

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dikat θεός in 1,18 läßt sich im gleichen Sinne wie in 1,1c verstehen. Ohne die joh Aussagen metaphysisch mit philosophischen Kategorien deuten zu wollen, ist jedenfalls die Gottnähe bis hin zur völligen Unmittelbarkeit und direkten personalen Gemeinschaft fortgeführt.

Die wesensmäßige Verbindung zu Gott übersteigt die frühjüdisch stärker funktional ausgerichtete Gottnähe des Gesalbten;184 mit V. 18 wird die Wesensaussage dann auch in der Funktion der einzigartig möglichen Offenbarung Gottes durch Jesus fruchtbar gemacht. Die Gewichtung des Verhältnisses im Sinne einer Partizipation des Christus an Gott scheint in der Bildsprache des „einziggeborenen (Sohnes)" und des „Vaters" (1,14.18) noch durch, weiter in der eigentümlichen Stellung des Einziggeborenen „an der Brust des Vaters" (V. 18)185 und schließlich in der funktionalen Ausrichtung des Verhältnisses, WILCKENS, Joh 27f. Im Zentrum der joh Aussage steht jedoch die direkte und einzigartige Nähe des Logos zu Gott; am Ende des Evangeliums (20,28) wird der Auferstandene von Thomas als „mein Herr und mein Gott" bekannt, womit das göttliche Wesen Jesu das Ziel des christlichen Bekenntnisses bildet. Diesem Aspekt wird GNILKA, Joh 14 gerecht, wenn er die einzigartige personale Gemeinschaft und die Teilhabe an Gottes Wesen nennt, womit gilt: Der Logos „war Gott". Einen Schritt weiter geht SCHNACKENBURG, Joh I 210-212, der die persönliche Wesensgemeinschaft von Logos und Gott betont; der Logos erfahrt im GottSein eine Steigerung zur „vollen Göttlichkeit" (212) und teilt ein mit Gott gemeinsames Wesen (nicht nur eine Funktion); vgl. ebd. 255f. Nach SCHENKE, Joh 25 existiert der Logos als „Gott" in Einheit mit Gott und besitzt dabei ein eigenes Selbst, so daß der Monotheismus nicht gefährdet ist - das darin liegende Rätsel ist dem Leser für die Lektüre des JohEv aufgegeben. BULTMANN, Joh 16-18 hebt die in Joh 1,1c erfolgte Gleichsetzung von Gott und Logos hervor, die aber in einer paradoxen Relation zur in VV. lb.2 vorausgesetzten Unterordnung steht; das Paradox will zeigen, „daß im Offenbarer wirklich Gott begegnet, und daß Gott doch nicht direkt, sondern nur im Offenbarer begegnet". 184

Anders sieht BULTMANN, Joh 18 den Gottesgedanken in Joh l,lf. vom Offenbarungsgedanken her bestimmt. Dies kann in VV. lf. freilich nur über die semantische Valenz des Lexems λόγος geschehen und steht so gegenüber der markanten Wesensaussage keineswegs im Vordergrund. Für V. 18 ist dies hingegen deutlich; vgl. SCHNELLE, Joh 43. 185 Zu dieser Wendung vgl. die Deutung bei BECKER, Joh I 103f. SCHNACKENBURG, Joh I 256 bevorzugt die Übersetzung „im Schöße des Vaters"; vgl. SCHENKE, Joh 35. Auch KÜGLER, König 54-67 argumentiert für ein Verständnis von κόλπος als „Schoß"; das kulturelle Wissen um die Geste des „Sitzens auf dem Schoß" als Zeichen königlicher Herrschaftsübergabe vermittelt die Sicht Jesu als des einzigen, vom Vater anerkannten, geliebten und bevollmächtigten Sohnes (vgl. 67), was möglich ist, da die joh Sohneschristologie eine Königschristologie darstelle (65). M.E. eignet dem Hintegrund altägyptischer und römischer Herrscherideologie bestenfalls sekundäre Bedeutung: Das Bild spricht für sich und drückt in erster Linie größte Nähe und Vertrautheit aus, die im JohEv nicht im Sinne der Übergabe einer himmlischen Herrschaft, sondern offenbarungstheologisch genutzt wird; die Personmitte, semitisch das „Herz", ist der Ort personaler Nähe, was dann auch die Beziehung des geliebten Jüngers zu Jesus prägt (13,23); aus dieser Unmittelbarkeit resultiert die allein gültige „Auslegung" Gottes durch Jesus (1,18); eine staatspolitische Wirkung Jesu lehnt das JohEv ab (vgl. 6,15; 18,36f.). - Die Stelle läßt sich nicht doketistisch verstehen, als sei Jesu Menschwerdung nur Schein; so aber KÄSEMANN, Jesu letzter Wille 27f.; dagegen HAENCHEN,

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denn die unmittelbare Gottnähe verbürgt die Wahrheit der Offenbarung; das „Sehen" Gottes, das nur dem Einziggeborenen zukommt, ermöglicht die „Darlegung" Gottes für die Menschen (V. 18). Vielleicht findet der Christus-Titel gerade deshalb an dieser Stelle Verwendung, weil als Ort und Ziel des Wirkens des Gesalbten traditionell die irdische Welt begegnet, in der der Gesalbte Gottes Heilsplan verwirklicht. Das im Prolog bereits angesprochene Zeugnis des Johannes thematisiert die eine sachliche Einheit bildende anschließende Perikope Joh 1,19-51186 unter der Leitfrage nach der Identität des χριστό? (vgl. 1,20). Die narrative Struktur der ersten Szene (1,19-28) ist von der dialogischen Auseinandersetzung zwischen Priestern, Leviten und Pharisäern als Repräsentanten des Judentums einerseits und Johannes als erstem Boten und Zeugen des JesusGlaubens andererseits geprägt.187 Der Dialog beginnt mit der an Johannes gerichteten Ausgangsfrage nach seiner Person und Legitimation „wer bist du?" (1,19), die bezeichnenderweise von Priestern und Leviten gestellt wird und so die religiös-kulturelle Situierung der Szene im frühjüdischen Milieu voraussetzt. Auf dieser Basis erfolgt die Antwort des Johannes, die durch ihre negative Form überrascht, die nur angibt, wer Johannes nicht ist: „Ich bin nicht der Christos" (1,20); diese unvermittelte Einführung des Prädikats χριστό? belegt es erzähltechnisch mit einem starken Akzent.188 Das betont vorangestellte έγώ gibt zu verstehen, daß zwar nicht Johannes, wohl aber ein anderer zu Recht den Titel χριστό? trägt.189 Dieser vorausgedeutete andere wird im Zentrum der joh Aussage stehen, und die hinweisende Antwort des Johannes trägt so bereits den Charakter eines Bekenntnisses (vgl. die pointierende Wiederholung des Verbs όμολογέω in V. 20). Die prädikative Konstruktion zeigt eindeutig die titulare Bedeutung von χριστός, womit frühjüdische Joh 131 f. ; BROWN, Joh I 17 kann an eine Doppelexistenz Jesu im Himmel und auf Erden denken (unter Verweis auf Joh 3,13). Eine Front gegen doketische Irrlehrer favorisiert SCHNELLE, Joh 8-10. - In der Koine kann eïç mit Akkusativ gleichbedeutend zu èv mit Dativ gebraucht werden; vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik §§205.218. 186 Als größere Einheit liest BECKER, Joh I 105 sogar 1,19-2,12; vgl. SCHENKE, Joh 37. SCHNACKENBURG, J o h 1 2 7 3 f a ß t 1 , 1 9 - 5 1 als E i n h e i t ; a u c h BULTMANN, J o h 5 7 . 187

Die formale Bestimmung der Szene 1,19-28 als Dialog findet sich auch bei GNILKA, Joh 17. Die Gesandtschaft von Priestern, Leviten und Pharisäern als Repräsentanz des Judentums betont SCHENKE, Joh 41. 188 BECKER, Joh I 107 empfindet V. 20 als „eingangs störend redundant" und als Antwort unpassend und erklärt dies literarkritisch mit Aufnahme aus der dem Evangelisten vorliegenden Semeiaquelle (109f.). Dies ist schon deswegen wenig plausibel, da unklar bleibt, warum der Evangelist die Spannung nicht ausglich. 189

V g l . s c h o n BULTMANN, J o h 6 0 A n m . 4 ; SCHNACKENBURG, J o h I 2 7 7 ; BARRETT, J o h

198. Die negative Formulierung bereitet nach SCHNELLE, Joh 47 die Selbstoffenbarung des joh Jesus mittels έγώ είμι-\νοΛεη vor.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Gesalbtenkonzeptionen als basale Vorstellungswelt evoziert werden.190 Als entscheidend verhandelte Thematik fungiert die Frage, wer nun eigentlich als der Gesalbte identifizierbar ist, was vom Leser auf der pragmatischen Ebene bereits hier die Antwort des Glaubens fordert. Die Ablehnung des Johannes erstreckt sich ebenso auf die weiter an ihn herangetragenen Kategorien „Elia"191 und „Prophet" (1,21) und macht den Weg frei fur seine eigene positive Deutung mittels des Prophetenwortes Jes 40,3 LXX, das ihn als Vorboten des Herrn erweist (1,23). Der Dialog fahrt fort, indem dieselben Klassifizierungen „Gesalbter", „Elia" und „Prophet" in ursächlichem Zusammenhang mit der Legitimation zur Taufe an Johannes herangetragen werden (1,25), was diesem die Gelegenheit bietet, nochmals auf den nach ihm Kommenden hinzuweisen (l,26f.). Die Verbindung des Gesalbten mit der Taufvollmacht erscheint an dieser Stelle zeitgeschichtlich singulär'92 und erklärt sich am besten aus der (christlich konzipierten) spezifischen Gesprächssituation mit dem Täufer Johannes. Eine Verborgenheit des Gesalbten, die durch das Motiv des Unbekanntseins in l,26fin angedeutet ist, gehört gerade nicht zu frühjüdisch nachweisbaren Kennzeichen der Gestalt;193 vielmehr erweist sich der Gesalbte bei seinem Auftreten machtvoll und dabei öffentlich unzweideutig erkennbar. Die christliche Erfahrung, daß Jesu Auftreten und Anspruch auf Unverständnis und Ablehnung stoßen können und erst im Glauben in ihrer eigentlichen Bedeutung faßbar werden, scheint als Auslöser der Formulierung plausibel. 190 Gegen die von BERGER, Hintergrund 393-400 vorgeschlagene Herleitung aus der Bezeichnung von Propheten als vom Geist Gesalbte spricht die zu schmale fiühjüdische Traditionsbasis für diese Aussage und die an einigen Stellen des JohEv eindeutig auf die königliche Gesalbtentradition zurückgehende Verwendung (vgl. Joh 6,14f. die Verbindung mit „König" und 7,42). Dazu BECKER, Joh 1115, der aber auch die Tradition vom politisch-davidischen Messias als „nur bedingt geeignet" einstuft und ihre Verwendung nur unter christlicher Umprägung fur möglich erachtet. Genau diese Umprägung muß bei Aufnahme wichtiger Denotationsgehalte der Tradition (wie einzigartiger Gottnähe) vorausgesetzt werden. 191 Die als Möglichkeit vorausgesetzte Identität mit Elia nimmt eine selbständige eschatologische Funktion des Elia zum Ausgang (vgl. Mal 3,1.23f.). Mit einiger Wahrscheinlichkeit wurde Johannes von der Täufergemeinde als dieser endzeitliche Elia gedeutet. Zum Hintergrund vgl. SCHNELLE, Joh 47f.; BECKER, Joh I 113f. Eine untergeordnete eschatologische Bedeutung Elias setzt HAENCHEN, Joh 156f. voraus. Auch NEUFELD, And When 126f. geht von einer messianischen (!) Erwartung um Elia aus; offen bleibt aber, ob er als Vorläufer oder eigenständig agiert. DE JONGE, Jewish Expectations 254-256 deutet die Bezeichnung „Elia" (1,25) und die Verborgenheit Jesu (1,26) auf dem Hintergrund der von Justin (Dial 8,4; 49,1; 110,1) dem jüdischen Dialogpartner zugeordneten Aussage der Verborgenheit des (menschlichen) Messias auf Erden, der erst durch Elia bewußt- und bekanntgemacht wird; Joh weise diese Vorstellung für Jesus zurück, besonders was die Rolle des Johannes als Elia betrifft. Schwierig bleibt dabei der spätere Ansatz von Justins Schrift, eine eigenständige eschatologische Elia-Gestalt scheint im Umfeld des JohEv plausibler (vgl. 11.4). 192

Gegen BULTMANN, Joh 61; NEUFELD, And When 128. Gegen GNILKA, Joh 18, der eine Entsprechung zu „einer bestimmten Messiasdogmatik" sieht; auch gegen BULTMANN, Joh 63 („messianisches Dogma"). Adäquat ist die negati193

v e B e w e r t u n g b e i SCHNACKENBURG, J o h I 2 8 2 .

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Die paradigmatische Relation der verwendeten Titel gewinnt Konturen aus der schon beschriebenen Hervorhebung des xpiŒTÔç-Titels, der den beiden anderen Titeln hyperonymisch vorgeordnet ist (l,20f.25)." 4 Die Zuordnung des „Propheten" dürfte frühjüdisch unter Einschluß politischer Implikationen vorgeprägt sein," 5 die Verbindung mit Elia wird wohl erst im frühen Christentum hergestellt (vgl. 11.4). Nur die Kumulation differenter, aber sachlich (über die Thematik Endzeitgestalt/Gesalbter) korrelierter Titel genügt dem Verf. zur vorbereitenden Umschreibung der Bedeutung Jesu,196 wobei eine sachgerechte Anwendung auf Jesus ambivalent erscheint: Die Titel erfassen Jesu Wesen nur partiell, sie sagen zwar Richtiges aus, bleiben aber eine vollständige und umfassende Bezeichnung Jesu schuldig.

Die nächste Szene (1,29-34; abgesetzt durch den Temporalausdruck τη επαύριον in V. 29) beinhaltet das ausgeführte Zeugnis197 des Johannes, der Jesus als nach ihm kommenden Geistträger identifiziert und abschließend als „Erwähltem/Sohn) Gottes"198 (1,34) bezeugt. Die Geistbegabung als besondere 194 Diese semantische Bewertung der terminologischen Hierarchie setzt voraus, daß der Gesalbten-Titel im Rahmen frühjüdischer Konzeptionen die zentrale und eindeutig bestimmende Funktion der titularen Abbreviatur von Vorstellungswelten erfüllt und damit als Hyperonym über andere Begriffe steht; dazu treten andere Titel in Konnotation relevanter semantischer Einzelelemente, die dem übergeordneten Begriff „Gesalbter" als Hyponyme zugeordnet sind. 195 Vgl. die politisch-revolutionären Züge von Prophetengestalten in der Darstellung des Josephus, wobei sich eine Charakterisierung als „messianische" Propheten nahelegt (dazu 7.1.2); zur frühjüdischen Vorstellung des endzeitlichen Propheten 11.3.1. Die christliche Anwendung der Propheten-Vorstellung auf Jesus (11.3.2) motiviert wohl schon die Stelle Joh 1,21.25. Damit wäre auch die von BECKER, Joh I 114f. resultierend festgehaltene Schwierigkeit, den Propheten-Titel eindeutig frühjüdisch oder spezieller aus der Täufergemeinde herzuleiten, erklärt und einer Antwort entgegengeführt. SCHNACKENBURG, Joh I 278f. situiert den Titel frühjüdisch (unter Verweis auf 1QS IX 11; 4QTest - Dtn 18,18f.); vgl. BARRETT,

J o h 1 9 8 ; HAENCHEN, J o h 156; NEUFELD, A n d W h e n 127f. BOISMARD, M o s e s 6 6 f . v e r w e i s t

auf die samaritanische Tradition des Propheten wie Mose. 196 Die primäre Situierung der genannten Titel in der christlichen Gemeinde hält auch BECKER, Joh I 112 fest, wobei die gegenseitige Vermischung auf ein traditionsgeschichtliches Spätstadium weise; sie fungieren zur Entscheidung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Jesus und Johannes. Vgl. auch GNILKA, Joh 17. Die Anwendung der Prädikate „Elia" und „Prophet" auf Jesus (zusammen mit der defmiten Referenz „Johannes der Täufer") wird auch durch Mk 6,14f. par Lk 9,7f.; Mk 8,28 par Mt 16,14 par Lk 9,19 bezeugt, wobei die Unzulänglichkeit der Einschätzung im Petrusbekenntnis Mk 8,29 durch den überbietenden Christus-Titel Ausdruck findet. Dazu BECKER, Joh I 112f. 197 Dieses Zeugnis (μαρτυρία) begann bereits mit 1,19; in 1,32.34 findet jeweils das Verb μαρτυρέω Verwendung. Die Legitimation für die Zeugenfunktion besteht nach l,32f. in der göttlichen Offenbarung des Zeichens an Johannes: Der Geist kommt vom Himmel auf Jesus herab und bleibt bei ihm. 198 Codex Sinaiticus und einige Übersetzungen lesen in Joh 1,34 εκλεκτό? gegenüber der Mehrzahl der Handschriften, die υιό? bieten. Eine Entscheidung fällt trotz der gewichtigen Bezeugung für „Sohn" schwer, da innere Kriterien eher für „Erwählter" sprechen: „Erwählter" muß im christlichen Kontext als schwierigere Lesart gelten, da der „Sohn Gottes"-Titel ge-

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

göttliche Ausstattung zur Durchführung bestimmter A u f g a b e n bildet ein häuf i g genanntes M o t i v der königlichen Gesalbtenerwartung. 1 9 9 D i e A n s a g e der Weitergabe des Geistes (Taufe i m heiligen Geist) als Tat des Gesalbten verdankt sich urchristlicher Geisterfahrung. Im Kontext der A u s g a n g s f r a g e nach der Identität des Gesalbten tritt nun Jesus als realgeschichtliche Antwortalternative auf, w o b e i er zunächst titular anders bezeichnet wird, w o h l i m B e w u ß t s e i n des Verf., daß der traditionell denotierte Gesalbten-Titel nicht zur präzisen B e s t i m m u n g Jesu ausreicht und so erst in seiner v o l l e n (christlichen) B e d e u t u n g erfaßt werden muß. D i e Titulierung der Endzeitgestalt als „Erwählter" findet sich zahlreich in den Bilderreden des äthHen belegt 2 0 0 und steht dort in enger Korrelation mit d e m Gesalbten-Titel (so äthHen 52,4.6; v g l . die Attribution in 4 8 , 2 . 6 . 1 0 ) , so daß die Identität der einen eschatologis c h e n Zentralfigur Gottes in verschiedener titularer Anrede durchgehalten wird. In äthHen 4 9 , 2 f . und 62,1 f. ist speziell der Geistbesitz des Erwählten ausgesagt. A u f d i e s e m in enger thematisch-titularer A n a l o g i e zu Joh 1,19-51

läufig ist (vgl. 11.1); „Erwählter Gottes" als Christustitulatur begegnet hingegen ntl nur noch Lk 23,35. Dazu kommt der Kontext der Tauferzählung, die in der synoptischen Überlieferung (Mk 1,11 parr) fest mit dem Titel „Sohn Gottes" verbunden ist. Dem JohEv ist der Sohn-Titel vertraut (vgl. gleich 1,49), so daß dessen Eliminierung nicht recht plausibel zu machen wäre. Der Verf. mag die Korrelation von Geistbesitz und „Erwähltem" (vgl. äthHen 49,2f.; 62,lf.) gekannt und seinem Bemühen um Anwendung einer Vielzahl frühjüdischer Gesalbtentitel auf Jesus damit entsprochen haben. Eine Entwicklung vom frühjüdisch bezeugten Titel „Erwählter" (äthHen 39,6 u.ö.) zum christlich gängigen „Sohn", angestoßen von der Tauferzählung und vielleicht in Angleichung an Joh 1,49, läßt sich jedenfalls besser erklären als der umgekehrte Prozeß. Ein weiterer Anstoß für einen Abschreiber zum Titelwechsel von „Erwählter" zu „Sohn" kann in der im NT häufiger anzutreffenden Verwendung des Substantivs „Erwählte" für den Heilsstand der Christen gesehen werden (vgl. Mk 13,20.22.27; Mt 22,14; 24,22.24.31; Lk 18,7; Rom 8,33; 16,3; Kol 3,12; 2 Tim 2,10; Tit 1,1; 1 Petr 1,1; 2,9; 2 Joh 1,13; Offb 17,14); das Verb εκλέγομαι sagt in Joh 13,18; 15,16.19 (vgl. 6,70 bzgl. der Zwölf) speziell die Erwählung der Christen durch Jesus aus; wollte der Abschreiber Jesu göttliche Qualität vom Stand aller Christen absetzen? (Man könnte natürlich auch fragen: Wollte der Abschreiber die Erwählung der Christen terminologisch eindeutig in Jesu Erwählung durch Gott bei der Geistbezeugung situieren? Doch wäre diese Eintragung näher an den relevanten Stellen eher plausibel.) Die Variante electusfllius einiger Lateiner dokumentiert den Prozeß der Einfügung und Ersetzung mittels „Sohn". - Nach der Regel der Angleichung des Besonderen an das Übliche bevorzugt BECKER, Joh I 117 die Variante „Erwählter". So aus inneren Gründen auch SCHNACKENBURG, Joh I 305; vgl. GNILKA, Joh 19; BARRETT, Joh 203. Anders BULTMANN, Joh 64 Anm. 2 (da „Sohn Gottes" bei Joh häufiger Titel für den fleischgewordenen Logos sei). „Sohn" lesen auch SCHENKE, J o h 4 5 ; HAENCHEN, J o h 169; SCHNELLE, J o h 4 6 . 5 1 ; WLLCKENS, J o h 4 2 f . 199 PsSal 17,37; 18,7; äthHen 49,3; 62,2; TestLev 18,7; TestJud 24,2; lQSb V 24f.; als atl Basis Jes 11,2 (42,1). In der christlichen Tradition ist die Herabkunft des Geistes mit der Taufe Jesu verbunden, vgl. Mk 1,10. 200 So äthHen 39,6; 40,5; 45,3f.; 49,2; 51,3.5; 52,6-9; 53,6; 55,4; 61,5.8.10; 62,1.

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stehenden Hintergrund kann der Verf. des JohEv den Titel „Erwählter Gottes" in sachlicher Entsprechung in seine (hyponymische) Reihe der mit 1,20 begonnenen Christus-Bezeugungen einordnen und im Zusammenhang mit der Ausstattung Jesu durch göttlichen Geist fruchtbar machen: Der den Geist besitzt, ist der von Gott Erwählte.201 Der Rezipient vermag die einzigartige Bedeutung Jesu als des endzeitlichen Offenbarers Gottes zu hören. Die in dieser Szene ebenfalls zu findende Bezeichnung Jesu als „Lamm Gottes" (ό αμνό? του θεού), das die Sünde der Welt aufhebt, trägt in leisen Tönen bereits die Modifikation der Machtfunktion des Gesalbten durch Jesu Tod als interpretatio Christiana ein.202 Die in 1,30 gebotene Aussage des erzählten Täufers, die Jesus als zeitlich vor ihm Existierenden beschreibt (vgl. die Wendungen έμπροσθεν μου und πρώτος μου), läßt sich im Kontext der joh angezielten heilsgeschichtlichen Vorrangstellung Jesu auf Jesu Präexistenz deuten. Damit wäre auch an dieser Stelle (vgl. schon den Prolog) ein in der Apokalyptik mit der Gesalbtenerwartung verbundenes Element verarbeitet,203 das sich sachlich adäquat in die joh JesusDarstellung fügt.

201 Die Anrede des Gottesknechtes als „Erwählter" verbindet sich Jes 42,1 (MT/LXX) mit der Gabe des Geistes und der Funktion der Verkündigung der Wahrheit bei den Völkern, so daß potentieller Einfluß dieser Stelle auf die Darstellung in Joh 1,34 berücksichtigt werden muß. Das umso mehr, als ein frühjüdischer Traditionsstrang den Gesalbten auch παις nennt (4 Esr 7,28f.; 13,32.37.52; 14,9; syrApkBar 70,9). Die Verbindung mit der Himmelsstimme und der Anrede „der Geliebte" bei den Synoptikern, die SCHNACKENBURG, Joh I 305 anführt, ist dagegen keineswegs notwendig. 202 Christi Tod als Heilstod zur Sühne für die Sünde der Menschen begegnet Joh 6,51; 10,11.15; 1 l,51f.; 15,13; 17,19; 1 Joh 1,7.9; 2,2; 3,5; 4,10. MÜLLER, Eigentümlichkeit 48-52 stellt jedoch die Aussagekraft dieser Belege hinsichtlich eines Sühnetodes Jesu teils aufgrund inhaltlicher Erwägungen, teils wegen des red Charakters der Stellen in Frage; vgl. noch partiell KNÖPPLER, theologia crucis 94f.204.206f. - Eine christliche Deutung des „Lammes" hält

a u c h SCHNACKENBURG, J o h 1 2 8 8 f . 3 2 4 f . f e s t ; v g l . GNILKA, J o h 18f.; BULTMANN, J o h 6 6 . -

Die Bezeichnung „Lamm Gottes" verdankt sich möglicherweise der christlichen Reflexion, die Jesus als das wahre Passalamm deutet (vgl. 1 Kor 5,7f.; Lk 22,15-18; Joh 19,36; 1 Petr l,18f.; Offb 5,6.9.12; 12,11), dessen Tod in Stellvertretung Sühne für der Menschen Sünde bewirkt. Eine weniger wahrscheinliche Deutung geht von der aramäischen Polysemie des Begriffs K^C? aus, der „Lamm" und „Knecht" denotieren kann, so daß in Doppeldeutigkeit eine Anspielung auf den Gottesknecht von Jes 53 vorliegen kann. In Joh 1,29 steht aber nicht der aramäische Begriff, sondern eindeutig griechisch αμνό?. Für die Interpretation als Passalamm BECKER, Joh I 116; BARRETT, Joh 201f.; KNÖPPLER, theologia crucis 67-88; DSCHULNIGG, Berufung 437f. Beide Deutungselemente vereinen SCHNACKENBURG, Joh I 285-288 (mit Lit.); GNILKA, J o h 19; HAENCHEN, J o h 1 6 6 Í . 1 7 0 ; WLLCKENS, J o h 4 0 f . ; SCHNELLE, J o h 4 9 f .

BULTMANN, Joh 66f. sieht den Terminus „aus der judenchristlichen Tradition ... als Messiastitel ohne Reflexion auf seine ursprüngliche Bedeutung" (67) verwendet. Im übrigen scheint es nicht unbegründet, daß der Verf. durch die semantische Offenheit des Titels eine gewisse Rätselhaftigkeit vorgibt, die pragmatisch zur Reflexion herausfordern soll. Vgl. auch SCHENKE, Joh 44. 203 Zur Präexistenz der Gesalbtengestalt in der frühjüdischen Apokalyptik vgl. äthHen 46,1; 48,3.6; 62,7; 4 Esr 12,32; 13,26.51f.; 14,9; ferner syrApkBar 30,1; dazu unter 8. - Zur

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Die beiden folgenden Szenen (1,35-42.43-51; jeweils abgesetzt mit τη επαύριον) fuhren die Thematik der Identifizierung Jesu in der Form von Jüngerberufungen fort, die beim Zeugnis des Johannes ihren Ausgang nehmen (1,3539) und dann formal so verfahren, daß entweder ein Jünger einen neuen Kandidaten zu Jesus fuhrt (l,40-42.45f.) oder Jesus selbst die Initiative ergreift (l,43f.; vgl. 47-51).204 Wiederum wird Jesus als „Lamm Gottes" tituliert (1,36), sodann setzt der Verf. die transkribierte aramäische Form μεσσία?205 ein, die er für die implizierten Rezipienten adäquat mit χριστό? übersetzt (1,41). Da der Gesalbte gefunden wurde (εύρήκαμεν), muß man ihn vorher gesucht oder erwartet haben; der Verf. nimmt also Bezug auf die frühjüdische Gesalbtenerwartung, deren zentrale Inhalte der Titel „Gesalbter" (verstärkt durch den aramäischen Klang) evoziert.206 Dieser „Messias" wird nun mit Jesus identifiziert (1,42). Damit ist die Antwort auf die implizierte Ausgangsfrage nach der Identität des χριστό? (1,20) ausdrücklich gegeben. Im weiteren Verlauf der Jüngerberufungen wird Jesus als der charakterisiert, „von dem Mose schrieb im Gesetz und die Propheten" (1,45); der Christus erweist sich als der in atl Verheißungen und Beschreibungen Vorherverkündigte und tritt damit als Ziel und Höhepunkt in die heilsgeschichtliche Linie Gottes mit Israel ein. Die Deutung auf Jesus als der endzeitlichen Heilsgestalt erlangt christlich Bedeutung als neues hermeneutisches Prinzip zum Umgang mit der jüdischen Bibel.207 Als der so Erwartete (vgl. wiederum die Verbform εύρήκαμεν)

Deutung von Joh 1,30 auf Jesu Präexistenz vgl. SCHNACKENBURG, Joh I 289f.300-302; SCHNELLE, J o h 5 0 ; SCHENKE, J o h 4 4 ; GNILKA, J o h 19; BARRETT, J o h 2 0 2 . 204

Die narrative Struktur von Joh 1,43-51 habe ich ausführlicher nachzuzeichnen versucht in SCHREIBER, Jüngerberufungsszene 21-24; zu Ansätzen der literarkritischen Dekomposition der Perikope und Argumenten für deren Einheitlichkeit ebd. 7-15.18-27. 205 „Messias" ist nicht Eigenname, sondern Titel; insofern sollte im Griechischen eigentlich Kleinschreibung des Substantivs erfolgen. Anders bevorzugt die Ausgabe von Aland 27 Großschreibung. 206 Demgegenüber spielt ein weisheitliches Element, das GNILKA, Joh 21 unter Verweis auf Spr 8,35 erkennt, kaum eine Rolle. Zum Finden durch Suchende auch BULTMANN, Joh 71. SCHNELLE, Joh 54 erwägt einen Reflex auf Petri Messiasbekenntnis (Mk 8,27-80 parr). 207 Die allgemein bleibende Ansicht von OBERMANN, Erfüllung 368-370, das joh „Finden" in Joh 1,45 sei auf atl Hintergrund als Finden Gottes in der Begegnung mit Jesus zu deuten, läßt sich angesichts der den Kontext bestimmenden Christus-Frage präziser als Erfüllung einer frühjüdisch geformten und christlich modifizierten Gesalbtenerwartung verstehen (angedeutet ebd. 370f.). - BOISMARD, Moses 25-30 behauptet einen exklusiven Bezug von 1,45 auf Dtn 18,18 (den Propheten wie Mose). Dies läßt sich nicht durch den Mose-Namen abstützen, da Mose im zeitgeschichtlichen Kontext als Verf. des gesamten Pentateuch gilt. Eine Deutung auf eine „messianische" Voraussage wie Num 24,17 oder Jes 11,1-10 liegt näher. Die Phrase „Gesetz und Propheten" bezeichnet inhaltlich die ganze hebräische Bibel, vgl. Rom 3,21; Mt 5,17; 7,12; 11,13; 22,40; Lk 16,16; 24,44; Apg 28,23.

Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament

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wird nun in singular definiter Referenz „Jesus, Sohn des Josef,208 aus Nazaret" als spezifisches menschliches Individuum bestimmt (1,45). Der in der Berufungsfolge zu Jesus geführte Natanael wird von diesem als αληθώς 'Ισραηλίτης angesprochen (1,47), womit die religiös-kulturelle Situierung der Ereignisse im Judentum als einer intentioneil heilsgeschichtlichen Größe weiter gilt. Die in dieser Qualifizierung des Natanael Ausdruck findende übernatürliche Menschenkenntnis Jesu im Sinne eines Einblicks in das grundlegende Wesen des Menschen erhält in 1,48 eine auf der Ebene geschichtlich greifbarer Geschehnisse angesiedelte Bestätigung: Jesus kennt in wiederum übernatürlicher Gewißheit (vgl. „sah ich dich") den Ort der Begegnung von Natanael und Philippus, der ihn zu Jesus führte: einen Feigenbaum. Die Wirklichkeit tieferer Wesenskenntnis Jesu wird durch die unmittelbar einsichtige Kenntnis eines Jesus an sich unbekannten, einfachen Geschichtsvollzugs demonstriert.209 Daraufhin210 bekennt Natanael Jesus als „Sohn Got208 BOISMARD, Moses 30-41 will „Sohn Josefs" als Titel verstehen und in der samaritanischen Tradition vom Patriarchen Josef als Königsfigur verorten, der neben dem zentralen Propheten wie Mose stehe und so als königlicher Typos (neben dem prophetischen) fur Jesus fungiere. Doch existieren zeitgenössisch weder Belege für einen Titel „Sohn Josefs" noch die Erwartung einer Zukunftsgestalt nach dem Vorbild des Josef, so daß hier einfach der Name des Vaters Jesu vorliegt, der zur eindeutigen Identifizierung verwendet wird. Die rabbinische Rede vom Messias ben Josef (ebd. 34f.) bezeugen erst spätere Texte. 209 Zu dieser narrativen Struktureigenart vgl. ähnlich BECKER, Joh I 124, der dabei dem Feigenbaum keine symbolische Valenz beimißt. Vgl. KYSAR, Joh 41; BROWN, Joh I 83; WLLCKENS, Joh 51. Anders will SCHNACKENBURG, Joh I 315f. durch symbolische Deutung des Feigenbaums, die freilich nicht mehr eindeutig erkennbar ist (z.B. Ort des Schriftstudiums; Baum der Erkenntnis im Paradies), „auch die .innere' Situation Nathanaels getroffen" sehen. Doch das geschah bereits 1,47; nun erfolgt die geschichtswirklich wahrnehmbare Legitimation. - Möglicherweise soll bereits 1,42 Jesu Begegnung mit Simon Petrus Jesu übernatürliche Kenntnis von Wesen und Bedeutung eines Menschen enthüllen; so SCHNACKENBURG, Joh I 310; BECKER, Joh I 122; SCHNELLE, Joh 54. In 2,24f. artikuliert der Verf. das Motiv in aller Deutlichkeit. Wenn BULTMANN, Joh 71 mit Anm. 4; 73 und SCHNACKENBURG, Joh I 314 (vgl. BECKER, Joh I 139f.211; HAENCHEN, Joh 182) die übernatürliche Herzenskenntnis Jesu äußerlich mit den Schilderungen hellenistischer θείοι àuôpeç in Verbindung bringen und dabei von festen Vorstellungen ausgehen, gilt zweifacher Einwand: 1. Eine einheitliche Vorstellung eines im ontologischen Sinne „göttlichen" Menschen existierte in der Antike nicht; so jetzt aufgewiesen bei DU TOIT, THEIOS ANTHROPOS (1997), bes. 402.405f. 2. Die religionsgeschichtliche Situierung in der königlichen Gesalbtenerwartung des Frühjudentums liegt terminologisch und im Kontext näher. Gleiches gilt gegen die von KUHN, Christologie 352-551 für Joh 1,35-42.44-50 behauptete theios-aner-Christologie (unter atl-jüdischem Einfluß). - Auch eine exklusive Herleitung aus der atl Prophetentradition (vgl. BOISMARD, Moses 26f. mit Verweis auf 2 Sam 12,1-7) überzeugt nicht. 210

1,50 bringt den für das Bekenntnis des Natanael vorausgesetzten Glauben kausal mit dem Erweis der übernatürlichen Erkenntnismacht Jesu in Zusammenhang, freilich mit sofortiger Überhöhung des Verhältnisses.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

tes" und „König Israels" (1,49). Als davidischen König, der über Israel herrschen soll, erbittet schon PsSal 17,21 den Gesalbten, wobei eine militärischnationale Komponente unüberhörbar mitschwingt. Der nationale Skopus prägt auch den Titel „König Israels" in 1,49, da der objektive Genitiv του Ισραήλ211 den Herrschaftsbereich bestimmt. Die Gesalbtenerwartung kennt in PsSal 17,25.27c die übernatürliche Herzenskenntnis des Königs,212 wozu durch die Beanspruchung solcher Einsicht für Jesus in Joh l,47f. eine motivliche Parallele besteht. „Sohn Gottes" fugt sich als gängige Bezeichnung erst christlich - mit Akzent auf der einzigartigen, unmittelbaren Nähe zu Gott - in den Bereich der Gesalbtentitulierung.213 Dann darf die geschichtliche 2

" SCHNACKENBURG, Joh 1316; III 283 differenziert zwischen dem Ehrentitel „König Israels" und dem politisch denotierten „König der Juden", wobei letztere Form im JohEv umgedeutet wurde; zu dieser Spannung auch STEGEMANN/STEGEMANN, König 41-44; DE JONGE, Prophet 168; SCHLIER, Jesus und Pilatus 60. Zu bedenken wäre freilich, daß auch der Titel „König Israels" nicht einfach übernommen wird; es besteht bei jeder der beiden Genitivattributionen eine joh Spannung zum traditionellen Hintergrund, die eine vom Jesus-Kerygma inspirierte Modifikation ins Aussagezentrum stellt. Damit kann der Zusatz „Israels" nicht als Reinigung von messiaspolitischer Erwartung verstanden werden (gegen SCHNACKENBURG, Joh I 316). Eher schon kann die Formulierung „der Juden" als Ausweis einer Betrachtung aus römischer Sicht gelten; vgl. WILCKENS, Joh 280. Die von KUHN, Christologie 526-530 gegenüber einer politischen Bedeutung behauptete Verbindung des König-Titels mit der Wundermacht des Trägers ist in ihrer inhaltlichen Konkretion nur aus der königlichen Gesalbtentradition sinnvoll erklärbar und zeigt dort eine übernatürliche, gerade in der irdisch-politischen Sphäre entfaltete Mächtigkeit. 212

Vgl. auch äthHen 49,4; 61,8f.; im Hintergrund Jes 11,3. - In der Begabung „mit göttlichem Wissen" und „vertrautester Nähe zu Gott" liegt jedenfalls nicht die Begründung für die von SCHNACKENBURG, Joh I 309 aufgestellte Behauptung, Jesus sei „ein Messias von unerwarteter, alle jüdische Erwartung sprengender Eigenart". - Zu weit geht m.E. die Hypothese von BETZ, Nazareth 9-16, der auf dem Hintergrund zeitgenössischer messianischer Deutung den Text Jes 11,1-4 als atl Basis der Natanaelberufiing versteht mit der Begründung, dort werde ebenfalls das besondere Wissen des Messias genannt und das hebräische Lexem nezer (Sproß) erinnere klanglich an den Ortsnamen „Nazaret" - Joh 1,45-51 fungiere so als urchristlicher Schriftbeweis. Auch BITTNER, Zeichen 246 deutet von Jes 11,2 her. Die Aufnahme von Jes 11,2 in frühjüdischen Gesalbtentexten wäre als Vermittlung zu beachten. Zu unterschiedlichen traditionellen Einflüssen auf die Perikope vgl. SCHREIBER, Jüngerberufungsszene 15-17. Wenn KUHN, Christologie 483-497 Jesu wunderbares Wissen aus dem hellenistischen Judentum unter Einfluß der Vorstellung „göttlicher Menschen" ableiten will, übersieht er die sachliche Konzentration des Wissens auf Jesu Menschenkenntnis und die Traditionsbasis in der Gesalbtenkonzeption. 2,3

Zur christlich geläufigen Bezeichnung des Christus als „Sohn Gottes" vgl. 11.1. Diese Gesalbtenbezeichnung ist frühjüdisch bereits angelegt: 4Q174 III 10-13. Atl vorgeprägt in Ps 2,2-7. - KUHN, Christologie 526-531 passim beobachtet die Verbindung des König-Titels mit Jesu Wundermacht, was freilich bestenfalls als Nebenaspekt erscheinen kann; über das Motiv der Wundermacht sei auch der „Sohn Gottes"-Titel aus der königlichen Messianologie

Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament

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Gestalt Jesus also als von Gott legitimierter und ermächtigter König seines Volkes Israel geglaubt werden;214 eine sachliche Fortsetzung der Messias/Christus-Aussage von 1,41 tritt hervor, wobei Titel und Bild vom „Sohn Gottes" einen christlichen Akzent einzigartiger Gottunmittelbarkeit setzen. Ein „wahrhafter Israelit" ist demnach der, der Jesus als seinen König bekennt und sich unter dessen Herrschaft stellt. Die Antwort Jesu freilich relativiert die umfassende Erkenntnisgrundlage des Bekenntnisses des Natanael,215 indem sie auf noch ausstehende größere Erweise der Sendung Jesu (1,50) und die Verbindung Jesu zum geöffneten Himmel, aus dem im Bild die Engel Gottes über ihm hinauf- und hinabsteigen (Zitat aus Gen 28,12) (1,51), vorausdeutet; der dabei verwendete Titel „Menschensohn" (1,51, in Ausnahme als Selbstbezeichnung Jesu) kann ebenfalls dem Bereich der Gesalbtentitulierungen zugeordnet werden, denotiert aber anders als der national-politische König-Titel die himmlische Herkunft und Vollmacht des Bezeichneten.216 Damit bleibt die Frage nach dem wahren Wesen Jesu trotz aller angeführten Titel weiterhin nicht vollständig beantwortet, was in die Lektüre des JohEv als ganzen hineinführt und dort Konkretisierung sucht.217 Die Aussage in eingedrungen (ebd. 498-504), doch liegt Gottunmittelbarkeit als Zentralkonnotation des Titels wesentlich näher. 2,4 Diesen Hintergrund hält WILCKENS, Joh 51f. fest. Die verwendeten Titel haben nicht „mehr oder weniger ihre Eigenkraft verloren", wie HAENCHEN, Joh 185 behauptet; auch KUHN, Christologie 509-514 vernachlässigt den titular angezeigten Hintergrund frühjüdischer Gesalbtenhoffnung. 215 SCHNACKENBURG, Joh 1317 erblickt in der Antwort Jesu nicht Skepsis, sondern Verheißung. Gegen einen tadelnden Ton auch BULTMANN, Joh 74 Anm. 2. KUHN, Christologie 527 sieht ein vollgültiges Bekenntnis in einem durch Wunder geweckten Glauben. Nach KOGLER, König 47 ist die Intention des Autors voll repräsentiert. Ein kritisches Moment, das auf eine Vertiefung der inhaltlichen Füllung vorausweist, ist jedoch mitzuhören. Das Bekenntnis Natanaels kann trotz der Variierung durch „Sohn Gottes" noch nicht als „Ausdruck des vollen Glaubens" (so GNILKA, Joh 22) gemeint sein. Überlegen ist ein Glaube, der sich nicht auf Wunder stützt (vgl. Joh 4,48; 14,11), so BARRETT, Joh 210. Von .Auslöser" des Glaubens in Jesu übernatürlichem Wissen spricht WILCKENS, Joh 52. Nach HOEGEN-ROHLS, Johannes 63-66 trägt die Verheißung von Joh l,50f. die Merkmale vor- und nachösterlichen Ausblicks. 2.6

Die Überbietung im Menschensohn-Titel im Sinne direkter Verbindung zu Gott und Erhöhung am Kreuz formuliert SCHNACKENBURG, Person 291-293. Vgl. BARRETT, Joh 210f.; DE JONGE, Prophet 168f.; DSCHULNIGG, Berufung 444f. Die Verbindung des Titels „Menschensohn" mit „Gesalbter" findet sich in den Bilderreden des äthHen. Das Bild von den hinauf- und hinabsteigenden Engeln drückt nach BECKER, Joh I 125 Jesu ununterbrochene Unmittelbarkeit zum Vater aus. Vgl. auch SCHNACKENBURG, Joh I 318f.; BULTMANN, Joh 75; WILCKENS, Joh 53f. Jesu irdische Existenz bleibt dabei ohne Einschränkung wirklich; gegen KÄSEMANN, Jesu letzter Wille 61.145, der von doketischer Verflüchtigung spricht. 2.7 Die Bezeichnung Jesu als „Rabbi" (1,38.49) geschieht in der Funktion ehrfuchtsvoller Anrede, bleibt dabei aber ganz im Bereich irdischer sozioreligiöser Strukturen. Die Anrede

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1,51 trägt besonderen Akzent: Die Einleitung mit doppeltem „Amen" gewichtet das Wort Jesu als unumstößliche Wahrheit, die in göttlicher Autorität ergeht; die erzähltechnische Position als erstes Selbstzeugnis Jesu vermittelt den Charakter des Anfänglichen, wobei bereits hier der - auf Textebene noch rätselhaft anmutende - wesensbegründende Bezug zur himmlischen Sphäre in den Vordergrund tritt. Die Identifizierung der historischen Person Jesus von Nazaret als endzeitlichen himmlischen Heilsbringer, als Gesalbten und Menschensohn, steht im Interesse der Aussage - das Heil ist in Jesus bereits gegenwärtig, Jesus ist der einzige bevollmächtigte Offenbarer und Repräsentant des Heils. Die in Joh 1,19-51 angesichts der Häufung von Jesus-Titulierungen zu beobachtenden paradigmatischen Titelrelationen ergeben ein semantisches Netz unterschiedlicher Titel und heben dabei den „Gesalbten"-Titel (als Hyperonym) durch die narrative Textstruktur hervor, dem alle weiteren Titel (als Hyponyme) zur Bedeutungserweiterung und -Vertiefung beigeordnet werden. Aus dem semantischen Feld der „Gesalbten"-Terminologie lassen sich entsprechend dieser Textstruktur die anderen Termini verstehen,218 was die Rezipienten in die Vorstellungswelt der königlichen Gesalbtenerwartungen des Frühjudentums hineinfuhrt.219 gewinnt keinen titularen Charakter im Sinne der Darstellung des Wesens und der Bedeutung Jesu. BECKER, Joh I 122 klassifiziert „Rabbi" im JohEv als „allgemeine respektvolle Anrede"; vgl. noch 3,2.26; 4,31; 6,25; 9,2; 11,8. Vgl. HAENCHEN, Joh 184f. (christlich als Ehrentitel gebraucht). Zu weit geht SCHNACKENBURG, Joh I 308, wenn er mit der „gebräuchliche(n) Anrede der Schüler" die Erwartung von Schriftauslegung verbindet; vgl. aber auch OBERMANN, Erfüllung 45f.; ferner DSCHULNIGG, Berufung 438f. 218 NEUFELD, And When 129-131 behauptet die Unklarheit, ob in 1,35-51 ein priesterlicher, prophetischer oder königlicher Messias gemeint sei und erklärt dies mit verschiedenen Entwicklungsstadien joh Christologie; er sieht eine Überdeckung der königlichen Elemente durch die prophetischen, so daß Jesus als Prophet wie Mose (mit königlichen Zügen) erscheine. Der Bezug zu 4Q521 (ebd. 130f.) läßt sich freilich gerade nicht nachweisen, so daß die Titel „Gesalbter" und „König" den messianischen Hintergrund in aller Deutlichkeit wachrufen. 219 In der Forschung wurden verschiedene Versuche unternommen, speziell den „König"Titel religionsgeschichtlich anders zu verorten: MEEKS, Prophet-King (1967) geht von der Kombination der Titel „Prophet" und „König" aus und situiert diese in der Mose-Tradition (100-285), womit Jesus als eschatologischer „prophet like Moses", der freilich bedeutender als Moses ist, erscheine (32-99.286-319); die prophetischen Züge seien gegenüber dem königlichen Auftreten beherrschend. Vgl. zur prophetischen Deutung auch PAINTER, Quest 224; BARRETT, Joh 90.291; ANDERSON, Christology 174-179; DE BOER, Perspectives 85-90 (in bezug auf eine Zeichensammlung als erstes Stadium des JohEv, die Jesus als Prophet wie Mose, der - wie Elia - Wunder tut und deshalb der Messias ist, zeige). BERGER, Messiastraditionen beruft sich auf die Mose-Tradition (22-28) und die Vorstellung des Weisen als des wahren Königs (34-36). BOISMARD, Moses (1993), 6-67 sieht Jesus im JohEv als den über

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Der nächste Beleg des Christus-Titels findet sich in Joh 3,28 wiederum im Kontext der Auseinandersetzung zwischen Juden und Johannes und erneuert das Zeugnis des Johannes (vgl. 1,20), nicht selbst ό χριστό? zu sein; der prädikative Gebrauch zeigt die semantische Valenz als Titel, der frühjüdische Gesalbtenkonzeptionen wachruft. Die himmlische Offenbarung Jesu als des authentischen Zeugen, des von Gott gesandten Sohnes, der ewiges Leben zu geben vermag, liefert die christologische Interpretation des JohEv (3,31-36). Das in Joh 4,4-30 erzählte Gespräch Jesu mit der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen legt der Frau aus Samarien die frühjüdische Gesalbtenerwartung in den Mund: Sie weiß um das Kommen des Gesalbten (4,25). Der Verf. verwendet dabei (wie in 1,41) die transkribierte aramäische Form μεσσίας und übersetzt sie sinnäquivalent mit χριστό?. Durch diese Sprachgestaltung zeigt er einmal den titularen Charakter des Terms „Gesalbter", zum anderen die samaritanische Tradition vermittelten Propheten wie Mose nach Dtn 18,18f. gezeichnet, der Mose aber als Inkarnation Gottes überbietet. An neuen Ansätzen sind zu nennen: Nach STEGEMANN/STEGEMANN, König (1993) deutet Jesu Darstellung als „König Israels" auf eine Epiphanie des eigentlichen Königs Israels, also Gottes (bes. 45-48), wobei als Interpretament das weisheitliche Königtum (Gottes universale Königsherrschaft) erkennbar wird (49-53). KANAGARAJ, Jesus the King (1996) hebt auf eine jüdische Thronwagen-Mystik ab, die Erscheinungen Gottes in menschenähnlicher Gestalt in Thronvisionen kennt; Jesus als König verkörpere das Königsein Gottes, wobei Joh die variierende Deutung des „Cross mysticism" (366) bietet. Die ägyptische Königsideologie nimmt KÜGLER, Der andere König (1997) zum Ausgang seiner Überlegungen (223) und stellt fest, daß die Königstradition prägenden Einfluß auf die weisheitliche Präexistenzchristologie des JohEv ausübe (227); speziell untersucht er die Hirtenmetapher (227-232), die durch den Kreuzestod Jesu als Hoheitsakt transformiert werde (234f.), und die Vorstellung vom weisheitlichen König (235-238), der ein geistliches Königtum (240) aufrichtet. KOGLER, König (1999) weitet diesen Blick im Rahmen einer Monographie aus: Neben dem Bild vom Logos als königlichem Sohn (47-53) zeigt er die antike Königstradition als kulturelle Grundlage für die joh Darstellung Jesu als Brotgeber (72-108), als guter Hirte (109-127) und als wortmächtiger König (128-145); auf die Qualifizierung Jesu als 9eós sieht Kügler Einwirkung antiker Herrscherdivinisierung (neben dem Wortgebrauch bei Philo) (146-165). - Gerade das weite Feld altorientalischer Königstheologie und -ideologie läßt natürlich ein breites Spektrum von Vorstellungen zu, die mit diesem Titel prinzipiell verbunden werden können. Entscheidend ist aber die Frage, was im JohEv davon aufgegriffen wird, und hier zeigen die in eine narrative Struktur gebundenen paradigmatischen Relationen der Titel deutlich die Gesalbtenhoffnung als Hintergrund, der die semantische Füllung der titularen Denotation grundlegt. Vgl. zu dieser religionsgeschichtlichen Verortung allgemein z.B. BECKER, Joh I 121; II 442f.671.695; BULTMANN, Joh 74-76 u.ö.; DERS., Theologie 389; SCHNACKENBURG, Joh I 316; II 469-471; DERS., Person 247.282; BLANK, Verhandlung 180.185.189.195f.; HAENCHEN, Joh 535.541.546; BROWN, Joh I 87.

235.462; LOADER, Christology 67; HENGEL, Reich Christi 174-176.181; WENGST, Gemeinde 206; GNILKA, Joh 22.47.98; PAINTER, Quest 14.148-151.322; BARRETT, Joh 209.411414.520.525; WEISER, Theologie 192; OBERMANN, Erfüllung 201; BLTTNER, Zeichen 158162.166.246; WLLCKENS, Joh 51 f.

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verweist er auf den frühjüdischen Hintergrund der königlichen Gesalbtenerwartung.220 Der kommende Christus wird an dieser Stelle durch die Funktion umfassender Verkündigung der Wahrheit221 Gottes bestimmt, was einen joh Akzent darstellt. Als dieser gibt sich Jesus mit einem offenbarungstheologisch gefüllten έγώ eï μι-Wort als bereits gegenwärtig zu erkennen (4,26). Für Joh trägt der traditionell zukünftig erwartete Gesalbte die Züge des aktuell irdisch anwesenden Menschen Jesus von Nazaret. Die Frau macht in Reaktion auf das Gespräch mit Jesus nun im Fortgang der Erzählung in ihrer Heimatstadt auf Jesus aufmerksam, indem sie zu überlegen gibt, ob er nicht222 ό 220

Im Vordergrund steht dabei die christologische Offenbarung Jesu, die die Gegenwart als Heilszeit bestimmt und in christlicher Absicht thematisiert wird. Soweit ist BECKER, Joh I 211 zuzustimmen; Bedenken erheben sich aber gegenüber der Behauptung, anstelle des Messiastitels hätte ebenso ein anderer, der joh Gemeinde geläufiger Hoheitstitel verwendet werden können (ebd.). Denn bei den Lesern ist die Bekanntheit frühjüdischer Gesalbtentraditionen vorauszusetzen, so daß zentrale Denotationselemente wie einzigartige Gottnähe und Heilsvermittlung (vgl. den Titel σωτήρ am Schluß der Makroeinheit 4,42) absichtsvoll zu hören sind. Der spezifisch christliche Akzent liegt hier auf der Offenbarerfunktion: Als solcher Gesalbter gibt sich Jesus zu erkennen - die Bedeutungsfiille des Titels erschließt sich der Reflexion der Leser. - Der sozioreligiöse Ort des Dialogs mit einer Samaritanerin sollte nicht dazu verleiten, den Gesalbten von der samaritanischen Taheb-Vorstellung her verstehen zu wollen. Eine solche ist erst deutlich später nachweisbar (vgl. 11.3.1). Zu Recht differenziert hier BECKER, Joh I 201 f. Nicht mehr haltbar SCHNACKENBURG, Joh I 469.475f.; WLLCKENS, Joh 86; NEUFELD, A n d W h e n 132f.; ferner BULTMANN, Joh 141 A n m . 4.5; BAR-

RETT, Joh 257; vorsichtig DE JONGE, Jewish Expectations 268f. 221 Dem Wortlaut von V. 25 nach verkündigt der Christus „alles" (άπαντα). In W . 23f. war vom Anbeten des Vaters in Geist und Wahrheit die Rede; die Verkündigung des Christus schafft die inhaltlichen Voraussetzungen für dieses Anbeten und kann so selbst als Träger der göttlichen Wahrheit gedacht werden. Vgl. 18,36. Zu den joh Vorstellungsgehalten von „Geist" und „Wahrheit" vgl. BECKER, Joh I 210; SCHNACKENBURG, Joh I 471-473; ferner

GNILKA, J o h 3 4 f . ; BULTMANN, J o h 140. - N a c h ZANGENBERG, C h r i s t e n t u m 1 5 5 f . ist J o h b e i

der Verwendung von χριστό? „nicht an besonderer terminologischer Zuverlässigkeit interessiert", bedient sich also weniger der samaritanischen Termini als seiner eigenen Sprache; so kann Zangenberg (156f.l64f.) vom Motiv der Verkündigung her an die traditionelle samaritanische Vorstellung des Propheten wie Mose nach Dtn 18,15.18, der primär als autoritativer endzeitlicher Lehrer auftritt, als Hintergrund denken; zum Verständnis der samaritanischen Situation zieht er 157-164 die Gestalt des Dositheos heran, der wohl im 1. Jh. unter dem Anspruch des von Mose vorhergesagten Propheten v.a. als autoritativer Gesetzeslehrer auftrat - bleibe ein direkter Bezug zu Joh 4,25f. auch unsicher, erscheine Dtn 18 als geläufiger Basistext (164). Freilich können die ältesten einschlägigen Quellen wegen ihres Ansatzes gegen Ende des 2. Jh. das Dunkel um diese Gestalt kaum erhellen; auch die Verbindung zu Jesus bleibt vage und scheint von Joh nicht intendiert, da Jesus nach Joh 1,17 gerade kein Gesetzeslehrer ist, sondern in der Gabe von „Geist und Wahrheit" darüber hinausgreift (vgl. 4,23.25). Das Element der Verkündigung kann sich auch dem Proprium des geschichtlichen Auftretens Jesu verdanken und so zur Gesalbtentradition hinzutreten.

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χριστός sei (4,29); der prädikative Gebrauch erweist das Substantiv als Titel. Die Begründung für diese Bestimmung Jesu mit dessen übernatürlichem Wissen um die Lebensverhältnisse (konkret im ehelich-sexuellen Bereich: 4,16-19) und damit das Wesen der Frau erinnert an das Motiv der übernatürlichen Menschenkenntnis in der Gesalbtenkonzeption von PsSal 17.25.27.223 Eine allgemeine Erwartung des Gesalbten im Bewußtsein der Zeit wird vom Verf. des JohEv vorausgesetzt. Der Glaube der Samaritaner an Jesus als ό σωτήρ224 του κόσμου (V. 42) artikuliert die Überwindung partikular-nationaler Grenzen in der kosmischen Bedeutung der Heilsgabe Jesu.225 Das in der frühjüdischen Erwartung zentrale Element der Herrschaft des Gesalbten kann in der Joh 6,15 geschilderten Absicht des Volkes, Jesus zum König zu machen, als vorausgesetzter Wirkfaktor erblickt werden. Der Titel „König" trägt auf frühjüdischem Hintergrund eindeutig politische Konnotation.226 Jesus jedoch zieht sich zurück und behält dadurch selbst die Initiative; der Verf. übernimmt die politische Herrschaft also nicht als Zentrum seiner

222

Griechisch μήτι will hier keine negative Antwort suggerieren, drückt eher zurückhaltende Zustimmung aus. Dazu BLAB/DEBRUNNER, Grammatik §427,2; BULTMANN, Joh 142 A n m . 4 ; SCHNACKENBURG, J o h I 4 7 8 m i t A n m . 2. SCHENKE, J o h 8 8 s p r i c h t g a r v o n v o l l -

ständiger Überzeugung der Frau. 223 Vgl. äthHen 49,4; 61,8f.; Jes 11,3; Joh l,47f.; 2,24f. Gegen die Herleitung des Motivs vom wunderbaren Wissen aus der Darstellung hellenistischer Gottmenschen (BULTMANN, J o h 1 3 8 ; HAENCHEN, J o h 2 5 0 f . 2 5 6 ; BECKER, J o h 1 2 1 1 ) v g l . o b e n z u J o h 1,48. - I n J o h 4 , 1 6 -

19 mündet der Erweis des übernatürlichen Wissens Jesu in das Bekenntnis der Frau, Jesus sei Prophet. Daher ist dort eine Klassifizierung des Wissens als prophetische Gabe der Allwissenheit statthaft. So BECKER, Joh I 204; femer BULTMANN, Joh 138; SCHNACKENBURG, Joh I 468f.478 erklärt das Wissen als prophetische Begabung und versteht die Anrede „Prophet" in 4,19 ganz allgemein als Bezeichnung eines Gottesmannes; allgemein auch GNILKA, Joh 34; SCHNELLE, Joh 89 Anm. 141; DE JONGE, Jewish Expectations 268f. 4,29 bringt dann eine Steigerung (BECKER, ebd. 211; SCHENKE, Joh 85; DE JONGE, Prophet 173) oder besser Vertiefung: Jesus ist der einzigartige Gesalbte Gottes; dessen Tiefenwissen um der Menschen Wesen steht fest (vgl. noch 4,39). Nach ZANGENBERG, Christentum 165 verwendet der Verf. hier „Gesalbter" statt „Prophet", da Gesalbter für die joh Gemeinde deutlicher die „Endgültigkeit und Unüberbietbarkeit" aussagt; vgl. BlTTNER, Zeichen 157f. 224

Zum vorwiegend hellenistischen Gebrauch von σωτήρ vgl. BARRETT, Joh 261; SCHNELLE, Joh 94; WLLCKENS, Joh 88f. - ZANGENBERG, Christentum 176-179 verortet den Titel eher frühjüdisch. 225 Die verbreitete varia lectio zu 4,42fin trägt den Titel „Christus" als entscheidendes christliches Jesus-Prädikat zusätzlich ein, wohl weil „Retter der Welt" nicht aussagekräftig bzw. eindeutig genug schien; damit wird außerdem die Verkündigung der samaritanischen Frau von 4,29 positiv aufgenommen. Auch zu 6,69 existieren Alternativlesarten, die den „Christus"-Titel lesen; auch hier dient der Titel wohl der prägnanten christlichen Näherbestimmung des „Heiligen Gottes". 226 Das Verb ποιέω konnotiert 19,12 noch deutlicher die politische Bedeutungsebene.

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Jesus-Deutung.227 Im Kontext der Speisung der 5000 Männer (6,5-15) klingt das eschatologische Mahl des Gesalbten als Bild für die Heilszeit an (lQSa II 11-22; äthHen 62,14; vgl. Offb 19,9; syrApkBar 29,4-8), das als narrativer Hinweis auf Jesu Bedeutung offenbarungstheologische und legitimierende Funktion erfüllt. Die nach dem Mahl übriggebliebenen zwölf Körbe voll Brot (6,13) stellen im Bild Speise für das ganze, endzeitlich wiederhergestellte Israel (als Zwölf-Stämme-Volk) zur Verfügung,228 womit wieder ein nationaler Vorrang und die politische Ebene der Verwirklichung traditionell eingeschlossen sind, freilich nur, um anschließend in Frage gestellt zu werden. Der positiv an den Wundertäter herangetragene Titel „Prophet" wurde christlich wiederholt auf Jesus appliziert (vgl. 11.3.2) und konnte schon im frühjüdischen Palästina in gegenseitiger Anreicherung von Elementen mit königlichpolitischen Hoffnungen verbunden werden (s. oben zu Joh 1,21.25). Der Propheten-Titel läßt im frühjüdischen Milieu freilich auch an den endzeitlichen „Propheten wie Mose" auf der atl Basis von Dtn 18,15.18 denken; die Brotvermehrung wäre dann typologisch als überbietende Wiederholung des Mannawunders beim Exodus zu deuten.225 Weiter besteht eine thematische Entsprechung in der Verbindung des Motivs der 227

Die unpolitische Art des Königseins hält auch HAENCHEN, Joh 303f. fest; vgl.

SCHNACKENBURG, J o h II 2 5 . 2 7 ; BECKER, J o h I 2 3 2 ; GNILKA, J o h 4 7 ; BULTMANN, J o h 1 5 8 ; STEGEMANN/STEGEMANN, K ö n i g 4 8 ; SCHENKE, J o h 124; SCHNELLE, J o h 117; LABAHN,

Jesus 278-280. 228 BECKER, Joh I 231 beschränkt die Bedeutung der zwölf Körbe auf die Funktion der Demonstration der Größe des Wunders; vgl. schon BULTMANN, Joh 157. Wenn die Zwölfzahl der Körbe der Jüngerzahl entsprechen soll (so z.B. GNILKA, Joh 47), ist damit indirekt doch wieder auf das endzeitlich restituierte Israel gewiesen, das die Zwölf repräsentieren. Nach SCHNELLE, Joh 117 ist auf das endzeitliche Israel hingedeutet. 229 Zu solcher Jesus-Interpretation vgl. Apg 3,22f.; 7,37. Vgl. zu dieser Deutung BoiSMARD, M o s e s 6 - 1 0 ; BARRETT, J o h 2 9 0 ; HAENCHEN, J o h 3 0 2 ; SCHNACKENBURG, J o h II 2 4 - 2 7 , d e r

jedoch 25 positiv im Prophetenwort die „messianisch-christologische [man beachte die Tautologie!] Folgerung" aus dem Wunder gezogen sieht. Diese Aussage wird erst einsichtig, wenn man die Kombination der endzeitlichen Prophetenerwartung mit der Gesalbtenerwartung wahrnimmt. Den Hintergrund des Mannawunders erkennt auch BLTTNER, Zeichen 152f., doch lasse sich Jesus nicht als die traditionell eigenständige Gestalt des eschatologischen Propheten wie Mose deuten; von diesem, mit dem bestimmten Artikel als der Prophet bezeichnet (im Unterschied zu ein Prophet, was lediglich prophetische Züge des Auftretens Jesu aussagt), ist Jesus deutlich unterschieden (ebd. 155-158); auch ein politisches Verständnis des König-Titels weist das JohEv zurück (158-162). Nach DE JONGE, Prophet 170 bedingt der bestimmte Artikel vor „Prophet" oder dessen Fehlen keine sachliche Differenzierung; die Vorstellung des Propheten wie Mose stellt nur die Basis dar fiir die Aussage des „Sohnes Gottes" (ebd. 167f.). KOGLER, Brotspender 121-124 (ausführlicher DERS., König 72-108) verbindet Mose-Typologie (im Sinne radikaler Überbietung durch Jesus) mit der KönigVorstellung, die durch die Brotgabe beansprucht werde und in der philonischen MoseDeutung mit der prophetischen Linie verbunden ist (vgl. VitMos II 3); Jesu Weggang zeige das Brotwunder nur als Zeichen fur den himmlischen König, der Jesus bereits ist; die Identi-

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wunderbaren Sättigung einer Menschenmenge mit wenigen Broten und dem Auftreten eines Propheten zu der Erzählung über Elischa 2 Kön 4,42-44, so daß eine ausschließlich mosaische Deutung von 6,5-15 zurücktritt. Eine Darstellung Jesu als endzeitlicher Prophet wie Mose dominiert daher keineswegs die Szene Joh 6,5-15: Das Gewicht liegt auf der realgeschichtlich wirksamen Heilserfahrung, die den Wunsch nach der politischen Königsherrschaft Jesu als des Gesalbten freisetzt, doch im Blick auf Jesu Sendung zugleich der Korrektur bedarf. Der bestehende Zusammenhang (vgl. 6,31 f.) mit der Tradition von Mose und dem Mannawunder gründet einmal in der heilsgeschichtlichen Motivik der Mahlgemeinschaft als Ausdruck göttlicher Fürsorge und Heilsgabe, die auch im eschatologischen Mahl des Gesalbten die Symbolik bestimmt; zum anderen zeigt sich im JohEv eine in der Umwelt bereitliegende Integration des Propheten-Titels in die Gesalbtentradition, so daß die Gestalt Jesu auch prophetische Züge trägt, dies aber als Gesalbter (in einzigartiger Gottunmittelbarkeit), der Mose in der direkten Schau Gottes überbietet und funktional als Offenbarer ersetzt. Die Aussage gewinnt ihre Prägnanz auf dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit jüdischen Dialogpartnern. Die Bedeutung des Mannawunders übersteigt Jesus folglich nach 6,32-35 signifikant:230 Die Speisung ist gerade nicht Wiederholung der Tat des Mose, sondern Ausdruck der einmaligen und vollmächtigen Beziehung Jesu als dessen Gesandter zu Gott, dem Vater. Die Deutung des Speisungswunders auf der Basis des Mosewunders erweist sich als Mißverständnis. Die Klassifizierung des geschilderten Wunders als σημείου (V. 14) spricht ihm eine über die Tatsächlichkeit der Erfahrung hinausweisende Bedeutung zu, die in der Aktivierung der Erwartung eines kommenden Propheten und Königs liegt.23' Die der Menge als Trägergruppe narrativ zugeschriebene spezifische Form dieser Erwartung mißversteht Jesu Absicht: Die Ebene politischer Herrschaft wird von Jesus in dieser Perikope bewußt nicht beschritten, sein Rückzug hält den Blick des Lesers offen für eine andere, wesentlichere Bedeutungsebene seiner Sendung. Diese wird in dem partizipial konstruierten Zusatz zum Propheten-Titel in 6,14 wenigstens angedeutet: „der Kommende in die Welt". Das JohEv stellt Jesus als himmfikation von Geber und Gabe in der Brotrede findet Entsprechungen in der weisheitlichen Sophia als pneumatischer Ernährerin. - Auf dem Hintergrund der Mose-Tradition und dabei in Verbindung mit der König-Vorstellung deutet MEEKS, Prophet-King 91-93.99.112-131; vgl. BARRETT, Joh 291; BORGEN, John 6,269f. Auch ANDERSON, Christology 174-177 favorisiert die Vorstellung des mosaischen Propheten nach Dtn 18 zur Deutung und greift 177179 die damit verbundene königliche Tradition nach Meeks auf, wobei er eine mk „König wie David"-Christologie durch die „Prophet wie Mose"-Christologie korrigiert sieht (178). Er vernachlässigt dabei den Hintergrund des Christus-Titels und verabsolutiert die prophetische Einflußlinie, die frühjüdisch keineswegs solche Bedeutung aufweist; außerdem übersieht er die joh Modifikation der königlichen Gesalbtenerwartung, die keine Ablehnung, sondern eine christliche Fortführung und Interpretation dieser Tradition darstellt. - BARNETT, Sign Prophets 689f. sieht Jesus in der Tradition friihjüdischer Zeichenpropheten; kritisch dagegen zu Recht BITTNER, Zeichen 71-74. - Ablehnend gegenüber der Deutung vom mosaischen Propheten her BECKER, Joh I 232 (für die Semeiaquelle); BULTMANN, Joh 158 Anm. 2; SCHNELLE, Christologie 117-119; DERS., Joh 117 Anm. 15; ferner KUHN, Christologie 333-336 (der aber Anklänge an 2 Kön 4,42-44 feststellt). SCHNACKENBURG, Person 303f. differenziert die Traditionskreise von Messias und eschatologischem Propheten deutlich; vgl. DE JONGE, Jewish Expectations 258; LABAHN, Jesus 277. 230 231

Zum Verhältnis von 6,14f. und 6,30f. vgl. auch BORGEN, John 6, 276-278. Vgl. BORGEN, John 6,271.

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lischen Gesandten des Vaters dar, der zur Offenbarung an die Menschen in die Welt kommt.232 Wer Jesus auf der politischen Ebene zum König machen will, übersieht seine eigentliche Bedeutung als König, der er längst schon ist.2" Die in der anschließenden Gesprächsszene auf das Speisungswunder Bezug nehmende Abgrenzung Jesu gegenüber einer Speisung Israels durch Mose und Selbstidentifikation als Lebensbrot von Gott (6,32-35) falsifiziert jede Deutung der Speisung auf der Basis der Mose-Tradition. Allein Jesus ist wahrer Repräsentant Gottes.

Der Textabschnitt Joh 7,25-44 enthält eine Diskussion über die Kennzeichen des Christus und deren Erkennbarkeit im Auftreten Jesu. Die in 7,26 von jüdischer Seite (vgl. die Lokalisierung in Jerusalem in V. 25) artikulierte Option, Jesus könnte ό χριστό? sein,234 soll von der verborgenen Herkunft des Christus her verifizierbar sein; Jesu Herkunft dagegen ist bekannt (7,27). Möglicherweise spielt diese Herkunftsdiskussion auf die in der frühjüdischen Apokalyptik bekannte himmlische und damit irdisch nicht nachvollziehbare Herkunft des Gesalbten an.235 Der joh Jesus stellt die Aufforderung dagegen, seine wahre Abkunft von dem ihn sendenden Gott zu erfassen (7,28f.). Die Deutung Jesu als von Gott Gesandter236 stellt die inhaltliche Konkretisierung des im Christus-Titel Ausgesagten aus der Sicht des Verf. dar. Auch in den frühjüdischen Konzeptionen erscheint der Gesalbte als von Gott her Kom232

V g l . a u c h J o h 1,9; 3 , 1 9 ; 9 , 3 9 ; 10,36; 1 1 , 2 7 ; 1 2 , 4 6 ; 1 6 , 2 8 ; 1 8 , 3 7 . D a z u BECKER, J o h I

232; ferner LABAHN, Jesus 277. - Christliche Apologetik gegen die Verleumdung des frühen Christentums als antirömische politische Bewegung versteht HAENCHEN, Joh 304 als Situation von 6,14f. 233

V g l . SCHENKE, J o h 124.

234

Der Stil eines akklamatorischen Bekenntnisses in 7,26 verweist auf das Bekenntnis der joh Gemeinde, deren Auseinandersetzung mit dem Judentum im Christusbekenntnis thematisch zentriert wird. Vgl. SCHNACKENBURG, Joh II 202; BECKER, Joh 1318. 235 ÄthHen 46,2; 69,29; 4 Esr 7,28; 13,32; syrApkBar 29,3. Eine irdische Verborgenheit des Gesalbten vor seinem Auftreten sagt der Text nicht aus; das Woher des Kommens bleibt offen, der Akzent liegt auf der Unbekanntheit des Herkunftsortes. Später artikuliert Justin, Dial 8,4; 49,1; 110,1 die Vorstellung, der Gesalbte sei nach seiner Geburt solange auf Erden verborgen und unbekannt, bis er von Elia gesalbt und offenbart wird. Die spätere Gestalt der Erwartung im Vergleich zu frühjüdischen Konzeptionen liegt deutlich zutage. SCHNACKENBURG, Joh II 203 legt diese Vorstellung Justins jedoch seiner Deutung von Joh 7,27 zugrunde, ohne den späteren zeitlichen Ansatz zu berücksichtigen (so auch GNILKA, Joh 60; HAENCHEN, Joh 356); entsprechend lehnt er die apokalyptische Konzeption einer himmlischen Verborgenheit des Gesalbten ab. BARRETT, Joh 329 verbindet beides. Auch SCHNELLE, Joh 145f. zitiert Justin. BULTMANN, Joh 223 Anm. 2 deutet vom Ursprung (nicht der Verborgenheit) her, behauptet aber zu Unrecht Einfluß des gnostischen Mythos und hellenistischer Vorstellungen von göttlichen Menschen. NEUFELD, And When 133 mit Anm. 44 deutet die apokalyptischen Stellen fälschlich als irdische Verborgenheit; dann verweist er auf Justin (134). Den apokalyptischen Hintergrund bevorzugt DE JONGE, Jewish Expectations 257. 236

Weiter zur joh Gesandten-Konzeption vgl. BECKER, Joh I 318f.; femer SCHNACKEN-

BURG, J o h I I 2 0 3 - 2 0 5 ; GNILKA, J o h 6 0 ; BULTMANN, J o h 2 2 4 f . ; WLLCKENS, J o h 131.

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m e n d e r oder zumindest v o n Gott besonders Befähigter; der s p e z i f i s c h christliche A k z e n t auf der göttlichen Sendung resultiert aus d e m T h e o l o g u m e n o n der einzigartigen Gottunmittelbarkeit des Gesalbten und verleiht d i e s e m e x ponierten Interpretament Ausdruck. D e r Grund fur die schriftstellerische Präsentation der D i s k u s s i o n u m Jesu Herkunft liegt in der Absicht, d e s s e n wahre Herkunft v o n Gott in der R e f l e x i o n der christlichen Rezipienten zu verankern. 237 N a c h 7,31 orientiert sich der Glaube vieler aus d e m V o l k an Jesus an seinen in ausreichender Zahl vorliegenden σ η μ ε ί α , die ihn als χ ρ ι σ τ ό ? ausweisen. D i e Erwartung eines wundertätigen Gesalbten läßt sich i m Frühjudentum bestenfalls als Randerscheinung belegen 2 3 8 und wird w o h l erst christlich in A u f n a h m e der Wunder des historischen Jesus aussagbar (vgl. M t 11,2; in negativer A b s e t z u n g M k 13,21f. par M t 24,23f.); damit steht der Verf. des JohEv in christlicher Tradition, 239 die Jesu Wunder als geschichtliche Legiti-

237 Christliche Schuldiskussionen und Auseinandersetzungen mit einer jüdischen Umwelt könnten im Hintergrund stehen. 238 Evtl. 4Q521 Fr. 2, II 8.12. Die von Josephus dargestellten jüdischen Prophetengestalten des 1. Jh. ziehen in typologisierender Weise (vgl. Mose, Josua) das Moment der Beglaubigung durch Wundertaten an sich, wobei diese Wunder in der Sache eine gesellschaftliche Breitenwirkung mit politischer Konsequenz intendieren, also nicht einfach mit den mehr individuell orientierten Heilwundern Jesu gleichzusetzen sind. Belege: Josephus, Ant 18,8587; 20,97f.l67f.l69f.; Bell 2,258-260.261-263; 7,437-442; ferner Apg 5,36; 21,38; zu den Texten s. oben 7.1.2. 239 Damit wird in der Tat deutlich, daß der Verf. nicht die historische Rekonstruktion zeitgenössischer religiöser Inhalte der frühjüdischen Welt intendiert. Doch liegt die Annahme des dominierenden Einflusses bereits bekannter urchristlicher Tradition, die der Verf. unbedarft übernimmt, wesentlich näher als die Vermutung eigenwilliger Produktion. An christlichen Hintergrund denken auch SCHNACKENBURG, Joh II 206; DE JONGE, Jewish Expectations 257f.; MARTYN, History 81-88; WLLCKENS, Joh 131. Dabei sollte man nicht behaupten, daß sich der Verf. wenig um jüdische Heilserwartungen kümmert; so aber BECKER, Joh I 320. Was fehlt, ist exakte Differenzierung der Traditionsstränge. SCHNELLE, Joh 146 sieht eine Überbietung der wunderhaften Handlungen der bei Josephus geschilderten Messiasprätendenten durch die Wunder des joh Jesus. - BITTNER, Zeichen 136-150 geht unter Berufung auf Jes 11 und assoziativ verbundener Texte von einer in der Umwelt des NT verbreiteten Vorstellung eines wunderwirkenden Messias aus. Er versäumt freilich die notwendige Beachtung der frühjüdischen Deutung solcher Texte im Rahmen von Gesalbtenkonzeptionen, die gerade die Wunderaussagen nicht aufnimmt; zu Unrecht bezieht er jüngere Texte wie Targumim und Rabbinica - in entscheidender Weise in die Untersuchung ein, so daß sich ein für das 1. Jh. falsches Bild ergibt. Es fällt auf, daß letztlich nur ntl Texte das Bild des wunderwirkenden Christus enthalten (vgl. Mt 11,2-6; Lk 7,18-23) - dies sollte als traditionsgeschichtlicher Hintergrund ernst genommen werden! Vergleichbares gilt gegenüber dem Herleitungsversuch eines wundertätigen Messias aus 4Q521 (so COLLINS, Scepter 205; DERS., Works 110; NEUFELD, And When 136), da der Text große Unsicherheiten bietet und wiederum erst christliche Texte eindeutig werden.

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mation seiner Vollmacht als Gesalbter begreifen kann. Erfährt diese Deutung auch keine strikte Ablehnung, so verleihen ihr die nachfolgenden Worte Jesu, die das Wesen seiner Sendung inhaltlich vertiefen (7,33f.37f.), doch den Charakter des Anfanghaften und Vorläufigen.240 Die in der Handlungsfolge kurz darauf vorgebrachten Jesusdeutungen im jüdischen Volk nennen den „Propheten" (7,40) und den „Christus" (7,41) als zeitgeschichtlich situierte Alternativen des Verständnisses. Wie schon in 4,19.29 überbietet der Christus-Titel den des Propheten,241 da sich an der Identität Jesu als Christus die Diskussion entzündet. Dabei wird sogleich die Herkunft Jesu aus Galiläa zum Einwand gegen seine Bestimmung als ό χριστό? (7,41); begründet wird der Einwand unter Verweis auf die Schrift mit der in der frühjüdischen Gesalbtentradition verankerten Abstammung des Christus aus der königlichen Dynastie Davids242 und besonders mit dem erst christlich nachweisbaren Gedanken der Herkunft des Christus aus Betlehem in Judäa als Ort Davids (7,42).243 Wie schon in der Frage nach den messiani240

Die Unzulänglichkeit des Glaubens aufgrund von Wunderzeichen erhebt GNILKA, Joh 60; vgl. HAENCHEN, Joh 357; BARRETT, Joh 330f. Weiter geht freilich BECKER, Joh I 320, wenn er von Verfehlung der wahren Kenntnis Jesu spricht. Die Unzuverlässigkeit solchen Glaubens sieht BULTMANN, Joh 231 ausgesagt. Vorbehalte auch bei SCHENKE, Joh 162. Auf der anderen Seite versteht SCHNACKENBURG, Joh II 206 die σημεία im spezifisch joh Sinne als sinnerfüllte Zeichen, die bei rechter Einsicht zum Glauben fiihren. - BERGLER, Jesus 169-174 verbindet die „Quelle lebendigen Wassers" (Joh 7,38) mit Sach 14,8 und darüber mit Sukkot, das er messianisch deutet. Diese Deutung von Sach 14,8 ist in fnihjüdischen Zeugnissen aber keineswegs gängig! 241 Gegen MEEKS, Prophet-King 34f., der im Rahmen einer chiastischen Struktur des Abschnitts 7,40-52 die genaue Parallelität der Titel vertritt; vgl. BULTMANN, Joh 230 Anm. 6; GNILKA, Joh 62; BOISMARD, Moses 6-8.28f. Der Propheten-Titel ist bereits so fest in der christlichen Tradition verankert, daß eine spezielle Herleitung von Dtn 18,15.18 (Mose als Typos des endzeitlichen Propheten) hier nicht erforderlich ist; die Beziehung der Rede von den Strömen lebendigen Wassers (V. 38) zum Wasser-Wunder beim Exodus liegt keineswegs nahe. Auf diesen Hintergrund weisen aber SCHNACKENBURG, Joh II 218; BLTTNER, Zeichen 157; DE JONGE, Prophet 166 hin. Dagegen BECKER, Joh I 328. 242 So in PsSal 17,21; 4Q161 Fr. 8-10; 4Q174 III 10-13; 4Q252 V 1-6; 4Q285 Fr. 5, 3f.; 4 Esr 12,32. Atl Basistexte sind 2 Sam 7,12-16; Jes 11,1.10; Jer 23,5; Ps 18,51; 89,4f.37f. Zur christlichen Übernahme des Gedankens vgl. Mt 1,1; 22,42; Lk l,27.32f.69; Apg 13,22f.; Rom 1,3; 2 Tim 2,8; Offb 22,16. Die Formulierung έκ σπέρματος Δαυίδ steht auch Rom 1,3; 2 Tim 2,8 und scheint so in christlicher Tradition geläufig geworden zu sein; vgl. SCHNACKENBURG, Joh II 219; HAHN, Hoheitstitel 253. - Von jüdischer „Messiasdogmatik" ( s o z . B . BULTMANN, J o h 2 3 0 f . ; SCHNACKENBURG, J o h II 2 1 9 ; GNILKA, J o h 6 0 ; SCHENKE,

Joh 161) darf man freilich sachgerecht nicht sprechen, beachtet man die Variabilität der Konzeptionen und das Fehlen einzelner Elemente wie der Abkunft aus der David-Dynastie in etlichen Texten. 243 Vgl. noch Mt 2,4-6, dort atl mit Mich 5,2.4 (5,1.3 LXX) abgesichert. Der Hinweis auf die Schrift in Joh 7,42 läßt ebenso an diese Prophetenstelle denken. Vgl. auch Lk 2,4.11.

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sehen Wundern (7,31) unterscheidet der Verf. nicht streng zwischen frühjüdischer und neuer christlicher Tradition. Letztlich spielt eine davidische Abkunft Jesu im JohEv keine christologisch signifikante Rolle, so daß 7,42 dem Leser die Irrelevanz der Fragestellung signalisieren will.244 Besteht zwischen der davidischen Herkunft (7,42) und der Verborgenheit der Herkunft (7,27) des Gesalbten ein sachlicher Widerspruch, liegt dieser überlieferungsgeschichtlich in der Verschiedenheit der frühjüdischen Gesalbtenkonzeptionen begründet, die sich nicht um Ausgleich bemühen. Für den Verf. des JohEv spielt ein solcher Widerspruch keine Rolle, da er Jesu Wesen als Gesalbter nicht von der irdischen Herkunft her entfaltet, sondern die Reflexion auf die Stellung als Gesandter von Gott, dem Vater, lenken will. Die angeführten Vorstellungen im Frühjudentum dienen nur der Kontrastierung dieser Aussageintention. Der Gesalbtentitel wird wiederum wegen der an ihn anknüpfenden Frage nach der (legitimierenden) Abstammung der Heilsgestalt wichtig, wobei der Leser nun die göttliche Herkunft des einzigen Offenbarers und Gesandten bereits wissen sollte und damit zugleich den besonderen Charakter des Christus Jesus erfaßt: Das Heil liegt gerade im Glauben an den Offenbarer und das Offenbarte. Die Diskrepanz zur politisch-zukünftigen frühjüdischen Erwartung ist unverkennbar. Alle sechs Nennungen des Titels ό χριστό? in Kap. 7 zeigen syntaktisch prädikative Funktion und damit seine titulare Valenz als Oberbegriff der königlichen Gesalbtenkonzeptionen. Eine Entscheidung über Jesu Identität bleibt offen (7,43f.). In Joh 9,22 erhält die Entscheidung über Jesu Gesalbtenstatus im Raum der Erzählung soziale Relevanz, denn ein Bekenntnis zu Jesus als χριστό?

G e g e n BECKER, J o h I 3 2 9 ; SCHNACKENBURG, J o h II 2 1 9 ; BULTMANN, J o h 2 3 1 A n m . 1; DE

JONGE, Jewish Expectations 259 ist daran festzuhalten, daß die Deutung von Mich 5,2.4 auf Betlehem als Geburtsort des Gesalbten erst in christlichen Texten bezeugt wird; so erscheint die Annahme frühjüdischer Tradition ohne jeden Anhalt in den verfügbaren Quellen. Richtig BARRETT, J o h 3 3 6 . 244

Vgl. KARRER, Gesalbte 287f.; SCHNACKENBURG, Joh II 220; DE JONGE, Jewish Expectations 259f.; DERS., Prophet 165; ferner MACRAE, Messiah 177f.; GNILKA, Joh 63; SCHNELLE, Joh 149. Nach BECKER, Joh I 329 korrigiert der Verf. die Aussagen über den irdischen Ursprung nicht, um die Problematik der Verhaftung an irdische Phänomene zu demonstrieren, die den Zugang zu Jesu Wesen verstellt. Laut BULTMANN, Joh 231 ist gezeigt, „daß die Dogmatik den Weg zu Jesus verbaut"; vgl. BARRETT, Joh 337. Pragmatisch muß darüber hinaus die Stimulation zur Reflexion seitens der Rezipienten als Darstellungsintention bedacht werden, die nun selbst Jesu wirkliche Herkunft erkennen sollen. SCHENKE, Joh 164 spricht von einer Ironie, da die Leser um Jesu wirkliche Abstammung aus davidischem Geschlecht und Geburt in Betlehem wissen.

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droht den Synagogenausschluß nach sich zu ziehen.245 In diesem Bekenntnis dürften die auf der außertextlichen Verstehensebene angesiedelten aktuellen Auseinandersetzungen der joh Gemeinde mit den jüdischen Zeitgenossen und der synagogalen Obrigkeit inhaltlich zentriert sein, wobei das Christus-Bekenntnis in bezug auf Jesus von jüdischer Seite klare Ablehnung erfuhr (vgl. 7,27.41f.).246 Der frühjüdische Hintergrund des Christus-Titels muß als Kommunikationsbasis vorausgesetzt werden, wenn eine Identifikation mit Jesus aus jüdischer Sicht nicht akzeptabel ist. Ob bei diesem Prozeß inhaltliche Kategorien des Bekenntnisses oder eher Probleme sozialer und religiöser Gruppenidentität dominierten, kann hier offen bleiben. Die Fokussierung der Diskussion im Christus-Titel beleuchtet diesen als begriffliche Verdichtung christlicher Identität. Die Juden als Erzählgröße tragen in Joh 10,24 an Jesus die Frage nach seiner Identität als ό χριστός heran. Der voraufgehende Kontext der joh Hirtenrede (Joh 10,1-18) steht nur indirekt über die in 10,24 gestellte ChristusFrage mit Gesalbtenkonzeptionen in möglicher Verbindung, die darüber hinaus in der Hirtenmetapher eine motivliche Entsprechung finden kann: Nach PsSal 17,40 weidet der Gesalbte die Herde seines Volkes in Gerechtigkeit, was eine Heilszeit freisetzt (als atl Hintergrund vgl. besonders Ez 34).247 Die charakteristische offenbarungstheologische und soteriologische Deutung solcher Tradition im JohEv wird v.a. in 10,11.14.15 laut, wo der Hirte Jesus das Kennen des Vaters verbürgt und sein Leben für die Seinen läßt (Interpretation des Todes Jesu!). Nach 10,16 überschreitet die Hirtenaufgabe Jesu die Grenzen Israels. Die positive Antwort Jesu248 auf die Frage von 10,24 deckt zugleich den Unglauben der Juden auf; Glaube wird zur erkenntnistheoretischen Voraussetzung, um Jesus als Gesalbten begreifen zu können. Anders als in frühjüdischen Konzeptionen vorausgesetzt, bei denen das machtvolle Auf245

Vgl. auch Joh 12,42; 16,2. Zur geschichtlichen Problematik des Synagogenausschlusses als Situation der joh Gemeinde WENGST, Gemeinde 75-104; BECKER, Joh I 56-58.375; ferner SCHNACKENBURG, Joh II 316f.; WLLCKENS, Joh 159; GNILKA, Joh 77f. Anders verortet SCHNELLE, Joh 9f.l72 die Trennung der joh Gemeinde von der Synagoge bereits als Ereignis der Vergangenheit; vgl. DERS., Christologie 135-137. Ähnlich LABAHN, Jesus 344346; 359f. mit Anm. 288; 364f. mit Anm. 309, der 9,22 als sekundäre Interpretation einstuft. 246 Dazu WENGST, Gemeinde I i i . , der auf rigorose und sozial verunsichernde Ausgrenzung der joh Gemeinde deutet. SCHENKE, Joh 186 hält die Vertrautheit der Leser mit der geschilderten Situation fest, die ihre eigene Erfahrung aufgreift. 247 Zur altägyptischen und israelitischen Hirten-Metapher vgl. KOGLER, König 109-120, zur Aufnahme bei Joh ebd. 120-123. Ausführlicher auf den atl Hintergrund von Joh 10,1-18 geht BEUTLER, Hintergrund 221-232 ein. 248 Jesu Antwort deutet formal Distanz und damit die joh Neubesetzung der Semantik des Christus-Titels an. Vgl. GNILKA, Joh 85, der die Bedeutung des Glaubens in der Aussage des Textes hervorhebt.

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treten des Gesalbten keinen Zweifel an seiner Identität zuläßt, entbehrt die Erscheinung Jesu solcher Eindeutigkeit und bedarf zum wirklichen Verständnis als Gesalbter des Glaubens: Der vom joh Jesus erhobene Anspruch kann nicht empirisch bewiesen, sondern nur im Glauben erfaßt werden; „Glaube" als hermeneutische Modalkategorie bildet ein ganz neues Konnotationselement joh Gesalbten-Konzeption. Jesus beruft sich zur Beglaubigung auf seine im Namen des Vaters vollzogenen Werke (έργα), deren inhaltliche Füllung der Leser dem JohEv selbst entnehmen muß (10,25; vgl. 5,36). Das angedeutete Verhältnis zum Vater ist über die in 10,25.29 vermittelte Partizipation hinaus im Spitzensatz249 10,30 als Einheit von Vater und Sohn beschrieben, was das frühjüdisch bezeugte singulare Repräsentationsverhältnis des Gesalbten zu Gott an Nähe und Unmittelbarkeit übersteigt. Der Anspruch der Einheit mit Gott, dem Vater, tritt als Zentralaspekt der joh Modifikation der den Christus-Titel semantisch füllenden Denotation hervor,250 was auf der Basis der Tradition vom Gesalbten als Repräsentanten Gottes geschieht. Auf diesem Hintergrund wird die Aussage als Überbietung einer schon existierenden Vorstellung verständlich Eigenart und Eigenheit von Vater und Sohn bleiben dabei gewährleistet,251 der Sohn vermag freilich den Vater genuin zu offenbaren. Die Gabe ewigen Lebens durch den Christus Jesus (V. 28) findet in der einzigartigen Gottesbeziehung ihren Ermöglichungsgrund. 249 Diese erzähltechnische Strukturbeobachtung halten auch GNILKA, Joh 85; SCHENKE, Joh 204; ferner WLLCKENS, Joh 170 fest; nach SCHNELLE, Joh 22.182 steht 10,30 absichtsvoll genau in der Mitte des JohEv. 250 BECKER, Joh I 394 klassifiziert diesen Prozeß als formalisierte Einordnung traditioneller Titel in die joh Sendungschristologie. Auch HAENCHEN, Joh 391 minimiert die semantische Äquivalenz von „Messias" und „Christus", da er die christliche Bezeichnung allein als Aussage versteht. Wichtig ist aber die Einsicht in die überlieferungsgeschichtliche Ermöglichung dieses Vorgangs, die in der schon fur frühjüdische Konzepte tragenden Nähe des Gesalbten zu Gott begründet liegt; in der Jesus-Deutung erfuhr diese Vorstellungsbasis freilich eine pointierte Zuspitzung. Das anschließende (10,31-39) Thema der Gottessohnschaft Jesu vertieft diesen Gesichtspunkt. 251 Als „Sohn" besitzt Jesus freilich nach 10,34-36 göttliche Würde, ohne im „Vater" aufzugehen. - HAENCHEN, Joh 392 betont, daß Einheit keine einzige Person meint; Joh vertrete „eine ausgesprochen subordinatianische Christologie". MÜLLER, Eigentümlichkeit 34f. ordnet die Aussage Joh 10,30 in die joh Gesandtenchristologie ein, so daß einerseits die Unterordnung unter den Vater gesichert, andererseits die „Willens- und Aktionseinheit Jesu mit dem Vater" (35) gegeben sei. Die Unmittelbarkeit der Vater-Sohn-Beziehung erweist sich zeitgeschichtlich jedenfalls als außerordentlich weitgehende Aussage. KÜGLER, König 45f. weist auf die antike Vater-Sohn-Vorstellung hin, die „qualitative Einheit bei personaler Verschiedenheit" beinhaltet; zur Göttlichkeit Jesu ebd. 146-165 (auf dem Hintergrund von Divinisierungsprozessen in der antiken Herrscherideologie und von uneigentlichem Sprachgebrauch von θεός bei Philo).

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Nach dem Tod des Lazarus und dem Eintreffen Jesu am Ort Betanien bekennt Marta, Schwester des Verstorbenen, in Joh 11,27 ihren Glauben (vgl. zum Motiv VV. 25-27) an Jesus mit einer Häufung christologisch relevanter Titel: Der Anrede mittels κύριος folgt das Bekenntnis zu Jesus als ό χριστός und ό υιός του 6eoü, was noch durch eine partizipiale Bestimmung um dessen Kommen in die Welt252 erweitert wird. Während „Herr" durch die Anredefunktion in seiner semantischen Valenz zurücktritt, liegt das Gewicht des Bekenntnisses auf den prädikativ gebrauchten Titeln „Christus" und „Sohn Gottes": Jesus ist der Gesalbte, dessen einzigartige Gottunmittelbarkeit das parallel gestellte Syntagma „Sohn Gottes"253 denotiert. Das gleichlautende Bekenntnis mittels der Doppeltitulatur artikuliert in 20,31 mit voller Ausdruckskraft die Darstellungsintention des Verf. und steht auch dort im Kontext der Ansage des Lebens durch den Glauben an den titular Bezeichneten; angesprochen ist hier wie dort die Gemeinde, deren Glaubensbekenntnis in den Titeln eine Formulierung erhalten hat.254 Wichtig ist für Joh 11,27 der Kontext des voraufgehenden Gespräches Jesu mit Marta (11,21-26), das Glauben an Jesus mit ewigem Leben korreliert; damit erscheint der Gesalbte bereits gegenwärtig im Besitz der Vollmacht, dauerhaftes Leben ohne Todesgrenze zu schenken.255 Dieser Gedanke wird als christliche Modifikation der 252

Das Motiv vom „Kommen in die Welt" verbalisiert eine in Sendung und Offenbarung Jesu fundierte joh Denkbewegung, die Jesu göttliche Herkunft und Legitimation fundamental voraussetzt; vgl. Joh 3,19; 6,14; 9,39; 12,46. Es fungiert als Näherbestimmung der Titel; s o SCHNACKENBURG, J o h II 4 1 7 ; BECKER, J o h II 4 2 6 . G e g e n GNILKA, J o h 9 2 ( M e s s i a s t i t e l

durch die beiden anderen Würdenamen interpretiert); BULTMANN, Joh 309 (die letzte Prädikation als bedeutsamste, weil der Einbruch des Jenseits in das Diesseits am deutlichsten ist). 253 „Sohn Gottes" ist christlich als Jesus-Prädikat verbreitet (vgl. 11.1), frühjüdisch als Bezeichnung des Gesalbten vorbereitet: 4Q174 III 10-13 (vgl. Ps 2,6f.). - Eine stärkere Verhaftung der Vorstellung vom Gesalbten als „Sohn Gottes" im Frühjudentum setzt NEUFELD, And When 138f. im Anschluß an COLLINS, Scepter 168f. voraus, wobei das JohEv die Konnotation der Göttlichkeit verstärke und so den Gesalbten-Titel korrigiere. Da das Moment der Gottnähe auch zur Denotation von „Gesalbter" zählt, umfaßt „Sohn Gottes" keine Korrektur, sondern eine Verstärkung des entsprechenden Bedeutungselements; zur geringen Textevidenz von „Sohn Gottes" als Gesalbtentitel vgl. 11.1.1 und 11.1.2. 254 Vgl. Mt 16,16. Zu diesem Gemeindebezug vgl. auch BECKER, Joh II 426; SCHNACKENBURG, Joh II 416f.; LABAHN, Jesus 420f. mit A n m . 231. Ferner SCHENKE, Joh 226; GNILKA,

Joh 92. 255 Die Selbstoffenbarung Jesu als Auferstehung und Leben (ll,25f.) tritt in der vorliegenden Textgestalt als Zentralaussage der Lazarus-Perikope (11,1-44) hervor; dazu WILCKENS, Joh 178f.; SCHNACKENBURG, Joh II 396; BECKER, Joh II 417. Interessant ist, daß gerade in diesem zentralen Text wiederum der Christus-Titel Verwendung findet, dessen Bedeutung dadurch konkretisiert wird. Inhaltlich sagt ll,25f.: Das Leben, das sich als Leben über den Tod hinaus fortsetzt, beginnt für den Menschen bereits gegenwärtig im Glauben an Jesus, der allein aufgrund seiner einzigartigen Sohnesbeziehung zu Gott, dem Vater, dieses Leben

Jesus als königlicher Gesalbter im Neuen Testament

All

Gesalbtentradition auf der Basis des Glaubens an Jesu Erweckung deutlich.256 Die folgende Erweckung des Lazarus ins Leben bestätigt narrativ diese Vollmacht Jesu (11,38-44), die in der Sohnesbeziehung des Gesandten zum Vater fundiert ist (ll,42f.); diese Beziehung wurde bereits durch den Doppeltitel von 11,27 in titularer Komprimierung ausgesagt. Der Verf. deutet Joh 12,33 Jesu Wort von seiner Erhöhung (12,32) als Hinweis auf die Beschaffenheit seines Todes. Der Tod Jesu am Kreuz läßt sich so als wahrnehmbares Ereignis der Erhöhung257 an seinen Ursprungsort gibt. Es läßt sich eine präsentische Eschatologie aus diesem Text erheben. Dem folgenden Erweckungswunder eignet dann die Funktion der unmittelbar „geschichtlich" wahrnehmbaren Demonstration der theologischen Aussage, nämlich der schon präsentischen Macht Jesu über den Tod (zum Formschema der Bestätigung durch unmittelbare Einsichtigkeit vgl. schon 1,47-50). BECKER, Joh II 425 sieht in der joh Abfolge der Szenen die theologische Bedeutungslosigkeit des Wunders (unter Verweis auf Joh 20,29). SCHNACKENBURG, Joh II 414-416 stellt hingegen die Verbindung der beiden Ebenen „des Vordergründig-Ereignishaften und des Hintergründig-Zeichenhaften" fest (415), was gegen die Bedeutungslosigkeit des Wunders spricht. Der Demonstrationsfunktion eignet m.E. eine zur Erklärung der Kombination ausreichend große Bedeutung in erzähltechnischer Sicht. Vgl. femer GNILKA, Joh 91.93; BULTMANN, Joh 307f.; SCHENKE, Joh 225f.229; HAENCHEN; Joh 406f.; LABAHN, Jesus 420422.460-463 (betont Bedeutung des Wunders). - SCHNELLE, Joh 189f. verortet die Betonung der präsentischen Eschatologie an dieser Stelle im Kontext des Erweckungswunders, so daß dieser Aussage keine prinzipielle Bedeutung eignet; für das JohEv sollte so kein Gegensatz zwischen präsentischer und futurischer Eschatologie behauptet werden; vgl. DERS., Christologie 146. 256 Die nachösterliche Perspektive unter Voraussetzung des Auferstehungsbekenntnisses hebt HOEGEN-ROHLS, Johannes 262f. hervor. 257 Die Heilsbedeutung des Kreuzestodes und damit die Frage nach einer joh theologia crucis werden in der Forschung aktuell divergierend beurteilt. Zur joh Theologie der Erhöhung vgl. BECKER, Joh II 452.460-464 (Tod als reiner Durchgang; Betonung des Aspekts der Verherrlichung); vgl. KÄSEMANN, Jesu letzter Wille 23; nach MÜLLER, Eigentümlichkeit 39-55 bedeutet Jesu Tod nur eine Station, einen Durchgang auf dem Weg zum Vater und zeigt sich so in die joh Gesandtenchristologie organisch eingeordnet; allein die Erhöhung trägt den Akzent der Heilsvermittlung in 12,32f. (ebd. 43-45). Betonung des Kreuzes (als Heilsereignis) bei KNÖPPLER, theologia crucis 162-165; SCHNELLE, Joh 23.205f.; WILCKENS, Joh 195f. Auch BITTNER, Zeichen 248 sieht in der Erhöhung den Kreuzestod und erwägt eine theologiegeschichtliche Herleitung aus Jes 11,12 (ebd. 254f.). Wesentlich prägender Einfluß muß aber der Tatsache des Todes Jesu am Kreuz an sich zugemessen werden, die der Deutung bedurfte. Bittner arbeitet ebd. 138-150.189.245-258 Jes 11,1-12 als Basistext joh Messiasaussagen heraus. Dieser Bezug gewinnt aber erst eigentlich messianische Aussagekraft, wenn die Verwendung von Jes 11 in der frühjüdischen Gesalbtentradition Beachtung findet. BULTMANN, Joh 331 betont das Kreuz als Ort der Erhöhung auch für die Nachfolge der Anhänger Jesu; er reißt ebd. 269.327 den Zusammenhang von 12,27-33 und 12,34-36 auseinander, die Forschung ist ihm in aller Regel darin jedoch zu Recht nicht gefolgt. Zur Thematik auch SCHNACKENBURG, Joh II 492-494.499-502; femer BARRETT, Joh 421;

GNILKA, J o h 101.

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begreifen, wobei an der Erhöhung eine Heilszusage haftet (12,32). Die in V. 31 genannten Vorstellungen einer Gerichtsfunktion und einer sich in der Ausstoßung des Teufels, des Herrschers dieser Welt, manifestierenden machtvollen Herrschaftsposition nehmen Motive der frühjüdischen königlichen Gesalbtenerwartung in Dienst, die dann auch titular beansprucht wird (V. 34). Die Antwort des Volkes in 12,34 schränkt ein: Laut Gesetz soll der Christus wieder prädikativ als Titel formuliert - in Ewigkeit bleiben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellt die Tradition vom ewigen Bestand der David-Dynastie die Basis für diese Behauptung dar;258 das Wirken des Gesalbten „in Ewigkeit" (als militärische Durchsetzung gegenüber Feinden und Friedensherrschaft) deuten PsSal 17,35 und äthHen 62,14 an. Angesichts dieser Erwartung werden die Erhöhung (vgl. V. 32 mit V. 23) und überhaupt die Identität des Gesalbten-Menschensohnes259 fraglich (V. 34). In Frage steht letztlich die Identität Jesu als endzeitlicher Heilsmittler, die sein Tod (vgl. den in V. 33 sichtbaren Mikrokontext fur V. 34) zu falsifizieren scheint.260 Die ungläubige Haltung des Volkes beruft sich auf überlieferte Gesalbtenvorstellungen vom irdisch-politischen Gesalbten aus Davids Geschlecht, der christliche Glaube muß diese Vorstellungen inhaltlich von der Gestalt Jesu her neu füllen. Die Verwendung zweier traditionsgeschichtlich differenter Titel intendiert weniger eine (ohnehin nicht mögliche) sachliche Unterscheidung der korrelierten semantischen Valenz, sondern will den notwendigen Prozeß des Umdenkens, d.h. der christlichen Neufiillung der 258 2 Sam 7,12-16; 1 Kön 8,25; 9,5; Ps 89,4f.36f.; Jes 9,6f.; Ez 37,25; aufgenommen in PsSal 17,4; vgl. syrApkBar 40,3 und Joh 8,35. Zu diesem Hintergrund auch BECKER, Joh II 464, der besonders auf Ps 89,37 hinweist; ebenso SCHNACKENBURG, Joh II 495; BARRETT, Joh 421 will eher „an die allgemeine messianische theologia gloriae" denken; vgl. DE JONGE, Jewish Expectations 260. Die joh Aussage ist jedoch spezieller gefaßt. 259 In den Bilderreden des äthHen (37-71) sind die aus unterschiedlichen Traditionskreisen stammenden Titel „Gesalbter" und „Menschensohn" in einer Gestalt verschmolzen (s. oben 8.1.1). Auch der Verf. des JohEv setzt die Titel in 12,34 parallel. Demnach kann nicht nur die christliche Gemeinde „Menschensohn" als anderen Namen des Messias erkennen, wie HAENCHEN, Joh 448 behauptet. - Über die titulare Verbindung zum apokalyptischen Menschensohn hinaus bestehen auch thematische Übereinstimmungen: Der „Erwählte", der titular mit dem Menschensohn zu identifizieren ist, erfahrt von Gott her die Inthronisation im Himmel, die mit Herrlichkeit und Gerichtsfunktion zusammenhängt (äthHen 49,2; 51,3; 61,8; 62,2). In der christlichen Tradition wird die Erhöhung des Christus zu einem grundlegenden theologischen Interpretament (Phil 2,6-11; Kol 1,15-20; 1 Tim 3,16; Mt 28,18-20; Lk 24,26; Apg 1,4-11; hier Joh 12,28.31.32). Vgl. BECKER, Joh I 169f. Zu den Motiven von Menschensohn, Erhöhung und Heilszusage vgl. auch Joh 3,14f. 260

Nach WILCKENS, Joh 196 ist für einen Juden ein gekreuzigter Messias undenkbar, ja blasphemisch (Verweis auf Dtn 21,22f.); vgl. auch MÜLLER, Eigentümlichkeit 27. Zum Anstoß des Gekreuzigten in der Umwelt des Urchristentums vgl. auch HENGEL, Titles 425429.

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Denotation der Titel, angestoßen vom Kreuzestod Jesu initiieren.261 Die endzeitliche Herrschermacht des Gesalbten vermag dabei Vertrauen zu erwekken; entscheidend neu ist freilich in christlicher Sicht das Kreuz als Ort der Ausübung dieser Herrschermacht.262 Die Erwiderung Jesu auf den vorgebrachten Einwand bedient sich der Dichotomie von Licht und Finsternis, die Glauben verlangt (12,35f.). Der Tod Jesu (vgl. V. 35) tritt als Verständnisfaktor des Titelgebrauchs hinzu, was einen neuen Denotationsaspekt in den traditionellen Gesalbten-Titel einträgt. Damit sind die besonders von Paulus her überlieferten Modifikationen der Denotation des Titels „Gesalbter" durch Tod und Erweckung Jesu auch im JohEv erkennbar. Die Problematik des traditionell nicht begründbaren Todes des Gesalbten Jesus ist in der Deutung als Erhöhung zum Vater, der ihn gesandt hat, aufgehoben. Das in Kap. 17 formulierte umfangreiche Gebet Jesu zum Vater vor dem Eintritt ins Leiden läßt diese Bedeutungsfaktoren im Christus-Titel weiterhin hören. Die Gewichtung verlagert sich jedoch, wie die wichtige Stelle Joh 17,3 zeigt. Der erzählte Jesus spricht das Gebet in der Situation des Abschieds von seinen Jüngern und der Welt, vor der Rückkehr des Gesandten zum Vater.263 Auf der Erzählebene richtet sich das Gebet als ganzes an die Lesergemeinde, die an dieser erzähltechnisch gewichtigen Stelle wiederum zur Reflexion über das Wesen Jesu und seiner Sendung geführt werden soll.264 Der nun erreichte 261 BECKER, Joh II 464 erklärt die Titeldifferenz nur damit, „das Befremdliche der dualistischen Sicht in 12,31 f. aufzuweisen", nämlich daß sich ewiges Leben nur jenseitig verwirklichen läßt. M.E. liegt die Bewältigung der Anstößigkeit des Todes Jesu hier als Deutungsbedürfnis näher. Die von SCHNACKENBURG, Joh II 496 (ähnlich differenziert GNILKA, Joh 101) vorgenommene kontrastive Unterscheidung zwischen der ,jüdische(n) Erwartung des davidischen Messiaskönigs" und der „christliche(n) Menschensohn-Theologie" baut eine Differenz auf, die in der frühjüdischen Tradition nicht begegnet und auch im christlichen Denken nicht existiert, denn christlich erhalten beide Titel eine sachliche Neufullung. Offener in seiner Verwendung ist freilich der Titel „Menschensohn", der daher gut zur Infragestellung gültiger Vorstellungen geeignet erscheint. - Nach BULTMANN, Joh 270 richtet sich 12,34 gegen das Mißverständnis des Heils als irdischen Geschehens in der Verfugung der Menschen; vgl. SCHENKE, Joh 244 (unter Verweis auf die nationale Messiaserwartung). Die Kritik zeitgenössischer Messiasvorstellungen hält BARRETT, Joh 422 als Intention fest. Die Frage der christlichen Gemeinde sieht HAENCHEN, Joh 448 aufgegriffen. 262

Dazu auch WLLCKENS, Joh 195. Vgl. BECKER, Joh II 611.613. Zur Rückkehr in die himmlische Existenzweise BULTΜΑΝΝ, Joh 375. 264 In dieser Gesprächssituation ist auch der feierliche Bekenntnissatz 17,3 verankert, so daß 17,1-5 in der Funktion der Anrede der Rezipienten eine sinnvolle Einheit bilden; das Syntagma „Jesus Christus" ist dabei geläufige Formel des christologischen Bekenntnisses, dessen stilistische Auffälligkeit im Kontext einen pragmatischen Akzent setzt. Gegen BECKER, Joh II 615f.; SCHNACKENBURG, Joh III 195f.; GNILKA, Joh 128; BOISMARD, Moses 124-126, die V. 3 als nachträgliche Erläuterung ausscheiden. BULTMANN, Joh 378 bestimmt V. 3 als 263

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Zeitpunkt der Gesamterzählung ist durch den Anbrach der „Stunde" der Verherrlichung des „Sohnes" bestimmt (17,1), und dieser Sohn tritt sogleich ins Aussagezentrum: Er besitzt - in soteriologischer Konkretisierung der Verherrlichung - die Vollmacht (εξουσία), allen ihm zugehörigen265 Menschen ewiges Leben zu geben (V. 2; vgl. schon 10,28; 11,25-27). Ewiges Leben bedeutet aber Erkenntnis des einen wahren Gottes und seines Gesandten, Jesus Christus (V. 3). Neben 1,17 gewinnt χριστό? im JohEv nur hier auch nominalen Charakter, doch bleibt die sonst klar durchgehaltene titulare Funktion weiter gegeben. Der schon in der irdischen Sphäre als Christus zu erkennende Jesus trägt in seinem Wesen als Gesandter Gottes die Vollmacht in sich, dem ihn so Erkennenden ewiges Leben zu schenken;266 in der Weise des Erkennens, d.h. des gläubigen Annehmens, vollzieht sich die Gabe ewigen Lebens bereits in der irdischen Existenz, womit dieser Zusammenhang zugleich die grundlegende Intention der gesamten Offenbarung Jesu erfaßt: Das Ziel bildet das Heil der Menschen, Christologie und Soteriologie fallen zusammen.267 Die Zentrierung der Vollmacht des Gesalbten auf die Gabe ewigen Lebens variiert die frühjüdische Tradition des Gesalbten christlich, der soteriologische Skopus des Auftretens des Gesalbten gilt freilich grundsätzlich weiter. Zusatz des Evangelisten selbst zu einem vorliegenden Text. BARRETT, Joh 487 spricht von Parenthese. SCHENKE, Joh 323 erkennt in 17,1-5 einen ringförmigen Aufbau, so daß V. 3 im Zentrum steht. Nach SCHNELLE, Joh 255 fügt sich V. 3 passend in die nachösterliche Perspektive der VV. 2.4 und bildet so keine sekundäre Einfügung; vgl. WLLCKENS, Joh 262. 265 BECKER, Joh II 620f. legt der Aussage die Vorstellung göttlicher Determination zugrunde, also einer vorweltlichen Vorherbestimmung einer kleinen Gruppe zum Heil durch Gott. Isoliert für V. 2 mag das gelten; V. 3 freilich spricht eher für einen willentlich vollzogenen und damit der Entscheidung zugänglichen Akt des Erkennens, damit gegen einen Determinismus. BARRETT, Joh 487 kann von Prädestination sprechen. SCHNACKENBURG, Joh III 194 mahnt zur Vorsicht und verweist auf ein „starkes Erwählungsbewußtsein ..., das sich in einer .esoterischen' Gemeinde gebildet haben könnte". Nach GNILKA, Joh 128 ruht das theologische Interesse auf der Gemeinde. Den Aspekt des Glaubens betont SCHENKE, Joh 323 (Verweis auf 6,47); 324f. (keine willkürliche Auswahl). Gegen eine „Prädestination zum Gericht" WILCKENS, Joh 261. 266

Gegen BECKER, Joh II 622, nach dem das ewige Leben mit V. 4 als weltfern, d.h. nicht mehr irdisch in der Person des Sohnes anwesend verstanden werden muß. Die irdische Aktualität der Gabe ewigen Lebens wird jedoch noch deutlicher, erfaßt man das „Erkennen" im atl geprägten Sinn als „Gemeinschaft haben mit Gott"; so SCHNACKENBURG, Joh III 195 mit Anm. 15, der ebd. 196 gemäß joh Verständnis den irdischen Aspekt ewigen Lebens festhält. Dazu ferner BULTMANN, Joh 378; GNILKA, Joh 128. SCHENKE, Joh 324 betont den präsentischen Charakter des ewigen Lebens, den das „Erkennen" erweist. 267 Ist solche Zielsetzung erkannt, wird man sich vor einem doketischen Mißverständnis zu hüten haben. Vgl aber KÄSEMANN, Jesu letzter Wille 18.26. Dagegen HAENCHEN, Joh 511.

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Die Sendung und Bevollmächtigung durch Gott fügt sich in den frühjüdisch basalen Repräsentationsgedanken, als „Sohn" wird die Gottunmittelbarkeit jedoch gesteigert. Gott bleibt als solcher einzig, der Sohn partizipiert als Gesandter an göttlicher Stellung und Macht. Die Motive von Verherrlichung und ewigem Leben deuten auf Tod und Erweckung Jesu,268 doch ist hier die Beleuchtung des Geschehens aus der Perspektive der Hoheit des Christus (vgl. 17,4f.) charakteristisch: Das anstößige Novum christlicher Gesalbteninterpretation im Tod des Repräsentanten verliert dadurch an Gewicht. Der Gesalbte rückt als machtvolle und hoheitliche Gestalt wieder näher an die frühjüdische Tradition, unterscheidet sich aber im Verzicht auf eine politischmilitärische Durchsetzung - seine Vollmacht zielt auf ewiges Leben und Offenbarung des Vaters (17,6-8); der Anstoß der Identifizierung dieser Hoheitsgestalt mit dem irdischen Jesus bleibt jedoch bestehen. Im Einklang mit der hoheitlichen Stellung steht der durch die Präexistenz (Herrlichkeit Jesu vor Schaffung der Welt, 17,5),269 die der Gesalbtentradition (in der Apokalyptik) nicht fremd ist, ausgesagte himmlische Charakter Jesu; die einzigartige Einheit des Christus mit Gott tritt hervor. Nach den Erscheinungserzählungen über den auferstandenen Jesus konkludiert der Verf. sein Buch270 mit dem Hinweis auf weitere σημεία271 Jesu, 268

Damit sind die Grundkonstanten der pln Tradition sichtbar, vgl. 1 Kor 15,3b-5; Rom 5,6; 14,15; femer 1 Petr 3,18. Auch SCHNACKENBURG, Joh III 197 sieht das Kreuzesgeschehen in den Gedanken der Verherrlichung des Vaters im Werk Jesu einbezogen; vgl. SCHNELLE, Joh 255f.; KNÖPPLER, theologia crucis 172f. Die Rede vom „Vollenden" in 17,4 nimmt nach SCHENKE, Joh 323 Jesu Tod in den Blick, das „ewige Leben" in 17,2 erscheint als Wirkung der Lebenshingabe Jesu. Für V. 4 denkt HAENCHEN, Joh 502 freilich an Jesu Erdenwirken, nicht seinen Tod. 269 Die Verherrlichung Jesu als seine Einsetzung in die himmlische Herrschaft nach Vollendung seines irdischen Lebens unterscheidet sich hier vom Hymnus Phil 2,9f., mit dem im Präexistenzgedanken (vgl. Phil 2,6f.) eine Verbindung besteht: Während nach Phil 2,9f. der Erhöhte eine Stellung erhält, die seinen präexistenten Status in der Herrschaft über alle Wirklichkeit übersteigt, gelangt in Joh 17,5 der Erhöhte wieder in die exklusiv himmlische Form seiner Herrlichkeit, die er bereits vor der Erniedrigung besaß. Dazu SCHNACKENBURG, J o h III 1 9 7 f . ; BECKER, J o h II 6 2 2 . 270

Dies gilt unabhängig von der Entscheidung, ob Kap. 21 als Epilog des Verf. der Evangelienschrift oder Nachtrag eines späteren Redaktors anzusehen ist. In die Argumente der Forschung fuhren ein SCHNELLE, Einleitung 555f.; DERS., Joh 314f.; SCHNACKENBURG, Joh III 406-417; BECKER, Joh II 758f.; SÖDING, Schrift 344-347. Für die Einheit von Joh 1-21 neuerdings JACKSON, Conventions 1-34 (ausfuhrliche Begründung). - Zum literarischen Abschlußcharakter von 20,30f. BECKER, Joh II 753f.; LATTKE, Buchschluß; BULTMANN, Joh 5 4 0 m i t A n m . 3 ; JACKSON, C o n v e n t i o n s 1.5; SCHNELLE, J o h 3 1 0 . 3 1 2 ; SÖDING, S c h r i f t 3 4 9 -

351. - 20,30.31a werden von BECKER, Joh II 754-756 als ursprünglicher Abschluß einer postulierten Semeiaquelle verstanden, den der Evangelist als Buchschluß aufgenommen (und mit V. 31b erweitert) hätte; dafür spreche eine Diskrepanz der Aussage zum Evangelium,

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die nicht mehr erzählt werden (20,30). Als Ziel seines Erzählens formuliert er den Glauben, daß Jesus der „Christus" ist, der „Sohn Gottes", und die Teilhabe der Glaubenden am Leben im Namen Jesu (20,31). Glaubensinhalt und Glaubensakt bilden eine das Heil des Lebens verbürgende Einheit.272 Der soteriologische Skopus gehört zum Wesen der Christologie.273 Der (wieder als Prädikat konstruierte) Titel χριστός erweist sich als geeignet zur Zusammenfassung der gesamten Bedeutung Jesu, freilich in Verbindung mit der bereits aus dem JohEv hinlänglich bekannten Akzentuierung durch den Gottunmittelbarkeit denotierenden Titel „Sohn Gottes". Als zentrale Funktion des Gott genuin repräsentierenden Christus tritt wiederum - wie schon 10,28; 11,2527 und 17,2f. - die Gabe des (uneingeschränkten) Lebens hervor. Wie die soteriologische Bestimmung der Glaubenden zum Leben zeigt, müssen die genannten Titel als mit spezifisch joh Denotation gefüllt verstanden werden, wobei die einzigartige und unmittelbare Gottnähe des Gesalbten als Sohn hervortritt, die Jesu Offenbarung und Heilsgabe erst ermöglicht; der nächste das sich nicht durch „Zeichen" (die im Evangelium nur konkrete Wundertaten meinen) charakterisieren lasse. Rückführung auf eine Semeiaquelle auch bei SCHNACKENBURG, Joh III 4 0 1 - 4 0 3 ; GNILKA, J o h 1 5 5 f . ; BULTMANN, J o h 5 4 1 . D a g e g e n BARRETT, J o h 5 5 0 ; SCHNELLE,

Joh 310f.; DERS., Christologie 153f. HAENCHEN, Joh 574f. denkt an den Schluß des ursprünglichen Evangeliums. Es bleibt die Frage, ob der Verf. die Spannung zum eigenen Werk nicht wahrgenommen haben sollte; „Unachtsamkeit" erscheint als schwache Erklärung dafür. Vielleicht setzt der Verf. den im Evangelium auf Wunderbares konzentrierten Begriff am Schluß bewußt ein, um den Blick des Lesers vom Ende des Lebens Jesu (Tod und Erweckung) her zu öffnen fur den Zeichencharakter seines ganzen im Evangelium erzählten Auftretens; Zeichen vor den Jüngern (!) sind genügend geschehen, für den Leser bleibt die nun entscheidende Anerkennung Jesu im Glauben auf der Basis des Erzählten und eigener Erfahrung. Zu den im Buch geschriebenen Zeichen als Grundlage für den Glauben des Lesers vgl. auch SCHENKE, Joh 381. 271 Nach BECKER, Joh II 755 wird der Begriff „Zeichen" im JohEv nur für konkret erzählte Wunder Jesu verwendet. SCHNACKENBURG, Joh III 402 sieht speziell in 20,30 die „Zeichen" auf Jesu Erscheinungen ausgeweitet. BULTMANN, Joh 541 erkennt einen Rückblick „auf das ganze Wirken Jesu" einschließlich der Ostergeschichten, was angesichts der vom Evangelisten vertretenen Einheit von Worten und Zeichen verständlich werde. Auch SCHENKE, Joh 381 und WILCKENS, Joh 319 fassen Jesu ganzes Wirken unter den Zeichen. SCHNELLE, Joh 31 lf. hebt den Glauben stiftenden Offenbarungscharakter der Zeichen hervor, was den Begriff zum Abschluß geeignet mache; es sind entsprechend Wunder, Worte und Taten Jesu sowie Erscheinungen darunter faßbar; vgl. DERS., Christologie 154-156; SÖDING, Schrift 361-367; VAN BELLE, Meaning (1998). HAENCHEN, Joh 575 deutet auf „Hinweise" und geht damit über die Wunder hinaus. 272 Zur Bedeutung der fides quae und ihrer Einheit mit der fides qua vgl. SÖDING, Schrift 357-359. 273 Vgl. SCHNACKENBURG, Joh III 405; SCHNELLE, Joh 312. Zum „Leben haben" als Formulierung des Heilsziels Joh 3,15f.36; 5,24.40; 6,40.47; 10,10; vgl. umgekehrt die Gabe des Lebens 6,32; 10,28; 17,2.

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Kontext beleuchtet dies einmal durch die im Thomas-Bekenntnis (20,28) ausgesagte Gotteswürde Jesu,274 zum anderen durch die Wendung „in seinem Namen" (20,31b), die Jesu einzigartige Heilsfunktion aus der Beziehung zu Gott enthält.275 Die zu Beginn des Evangeliums auftretende Fundamentalfrage nach der Identität des Christus (1,20) erhält am Ende ihre zum Glauben ermunternde Antwort, womit das ganze Wirken Jesu thematisch in Form einer Inclusio umschlossen ist.276

10.3.2 König In diesen Vorstellungsrahmen der Gesalbtentradition ordnet das JohEv auch den „König"-Titel ein, wie bereits die Titelrelationen in 1,49 erwiesen. Der Titel konnotiert traditionell insbesondere den nationalen Bezug zu Israel und eine politisch-militärische Funktion. 6,15 machte freilich deutlich, daß der joh Jesus eine politische Aufgabe nicht für sich in Anspruch nimmt. Die Königswürde Jesu thematisiert die Perikope vom Einzug in Jerusalem nochmals nachdrücklich (12,12-19). Der Palmzweig als Symbol des siegreichen Kö-

274 Nach KÜGLER, König 161-165 deutet die Konstruktion mittels des Personalpronomens μου auf die Subjektivität und den soteriologischen Skopus der Aussage; die göttliche Würde Jesu tritt hervor (163). Vgl. WLLCKENS, Joh 315f. 275 Im „Sohn Gottes"-Titel geschieht nach SCHNACKENBURG, Joh III 404f. die Anerkennung der Selbstoffenbarung Jesu als wahrer Sohn Gottes, wobei der königliche Messias traditionell im Hintergrund steht; der Christus-Titel deutet wieder auf die Situation der Gemeinde in Auseinandersetzung mit jüdischen Einwänden gegen Jesu Messianität. Dazu ferner SCHNELLE, Joh 312; GNILKA, Joh 156. Zur christlichen Neufullung des Christus-Titels durch „Sohn Gottes" vgl. jetzt auch SÖDING, Schrift 355-357.359. 276 In 1/2 Joh bleibt die exakte inhaltliche Füllung des Christus-Titels weniger deutlich. Der titulare Charakter tritt unzweifelhaft in der Bekenntnisformulierung „Jesus ist der Christus" (1 Joh 2,22; 5,1) hervor. Die stärker nominal geprägte Verwendung im Syntagma „Jesus Christus" überwiegt (1 Joh 1,3; 2,1; 3,23; 4,2; 5,6.20; 2 Joh 3.7); das Syntagma kann mit dem Bekenntnis zur Menschwerdung des Christus (1 Joh 4,2; 2 Joh 7) bzw. seines Gekommenseins (1 Joh 5,6) direkt verbunden werden. Onomastischer und titularer Klang liegt in der Rede von der „Lehre Christi" in 2 Joh 9. Auffallend ist die häufige Korrelation der Christus-Aussage mit der Gottessohnschaft Jesu: 1 Joh 1,3; 2,22; 3,23; 5,1 mit 5 (Verbindung über Glaubensmotiv und Nomen proprium „Jesus"); 5,6 mit 9-12; 5,20; 2 Joh 3.9. Die damit kommunizierte Akzentuierung des Christus-Titels im Sinne höchster Gottumnittelbarkeit entspricht dem Befund im JohEv. - Als Folgeschriften des JohEv betrachten 1/2 Joh z.B. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch 382-384.386; BECKER, Joh I 50-53; differenziert KLAUCK, 1 Joh 42-49; DERS., 2/3 Joh 17-23. Anders vertritt SCHNELLE, Einleitung 500.503f. 509.516-522 die Schriftenfolge 2 Joh - 3 Joh - 1 Joh - JohEv.

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nigs277 und das Geleit der Menge, die jubelnde Einholung278 des Königs in die Hauptstadt Jerusalem, sind narrative Träger der Königsthematik (12,13), die den Rezipienten Jesu Bedeutung als wahrer König Israels plastisch vermitteln. Im Zentrum steht die Begründung des Königsstatus aus der Schrift, zunächst aus der Verbindung von Ps 118,25f. mit Zef 3,15 LXX, wo ausdrücklich vom βασιλεύς ' Ισραήλ die Rede ist (12,13);279 die nationale Herrschaft des Königs und Gesalbten erscheint als entscheidender Erzählzug, der seinen religionsgeschichtlichen Ort in der frühjüdischen Gesalbtenerwartung findet. Auffällig ist der Subjektwechsel in der joh Anwendung des Zef-Zitates: Spricht Zef 3,15 LXX vom Herrn (Gott) selbst als siegreichem Überwinder der Feinde und heilschaffendem König Israels, so tritt bei Joh Jesus in diese Funktion und Würde ein; dahinter läßt sich der Partizipationsgedanke der Gesalbtentradition erahnen, zumal das Zitat von Ps 118,26 den im Namen des Herrn Kommenden preist. Die atl Fundierung ordnet die beim Einzug in Erscheinung tretende Herrschaft des Gesalbten in Gottes Heilsgeschichte mit seinem Volk Israel ein. In diese heilsgeschichtliche Linie fügt sich das Reiten Jesu auf dem Eseljungen, das von Sach 9,9 her (mit terminologischem Einfluß von Jes 35,4 und 40,9) gedeutet wird (12,14f.). Zugleich bewirkt dieses Zitat eine Nuancierung des Königsbildes:280 Nimmt der Verf. im

277

Münzprägungen der Bar Kochba-Zeit lassen diese Symbolik deutlich hervortreten (dazu unter 7.2). Zum Symbolcharakter der Palmzweige vgl. auch MÄRZ, König 177; WlLCKENS, Joh 188 (Belege: 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7; 14,4; TestNaph 5,4; Offb 7,9). Auf Sukkot-Symbolik deutet BERGLER, Jesus 156f. 278 Es liegt die antike Vorstellung der Hypantesis, der Einholung einer hervorragenden Persönlichkeit, besonders eines Königs, in eine Stadt zugrunde; dazu MÄRZ, König 174-176; v g l . WlLCKENS, J o h 188. 275 Die Einfügung des Syntagmas „König Israels" in das Zitat aus Ps 118,25f. in Joh 12,13 läßt Jesu Einzug in Jerusalem nach OBERMANN, Erfüllung 191.199f. (vgl. GNILKA, Joh 98; KNÖPPLER, theologia crucis 258f.) als Einholung eines Königs erscheinen; die königliche Würde Jesu fungiert als Zentralmotiv der Einzugsperikope, so daß sich in Jesus Israels Hoffnung auf Gottes neuerliches Rettungshandeln erfülle (201). Den Hintergrund der königlichen Gesalbtenerwartung bezieht Obermann freilich nicht ein. SCHNACKENBURG, Joh II 469-471 erkennt eine „messiaspolitische Färbung im Sinne des jüdischen Nationalismus" (469). 280 Die Darstellung des umjubelten Königs beherrscht freilich die Szene, die Nuancierung mittels des Friedensaspekts bedarf subtiler Wahrnehmung. MÄRZ, König 182 hält im Blick auf traditionsgeschichtliche Entwicklungen der Einzugsperikope fest, daß die Spannung zwischen Jesu messianischem Königsein und seinem unpolitischen Charakter nicht mehr deutlich hervortritt. Der Eselsritt betont nach OBERMANN, Erfüllung 210-213 Jesu Würde als König, die theologisch fundiert ist. SCHNACKENBURG, Joh II 471 sieht hingegen durch das Sach-Zitat den Friedensfürsten hervorgehoben, was als Korrektiv gelten muß; vgl. BULT-

MANN, J o h 3 1 5 . 3 1 9 ; STEGEMANN/STEGEMANN, K ö n i g 4 5 f . ; BECKER, J o h II 4 4 2 - 4 4 4 ; BROWN,

Joh I 462f.; DSCHULNIGG, Berufung 442; WlLCKENS, Joh 188f. DE JONGE, Prophet 169f.

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Wortlaut auch nur die Ermutigung Zions im Blick auf den kommenden König, der auf dem Eseljungen reitet, auf, vermittelt der Kontext der Sach-Stelle einen König, der ein Ende der militärischen Auseinandersetzungen und eine Friedenszeit herbeiführt; die Vernichtung der Feinde durch den Herrn wird dabei freilich mitgedacht (Sach 9,14f.). Die Nähe zur Gesalbtentradition, die eine Heilszeit für Israel nach der Unterwerfung der Feinde kennt, ist unüberhörbar. Die nationale Orientierung („Zion") hält das JohEv durch. Die Aufnahme der Stelle Sach 9,9, die für die frühjüdische Gesalbtentradition keineswegs einschlägig ist, verdankt sich möglicherweise der spezifisch christlichen Sicht Jesu als König, dessen Herrschaft sich in irdischer Erniedrigung manifestiert. Der Verf. des JohEv nimmt dieses Gesalbtenbild jedoch lediglich als Ausgangsbasis. Das rechte Verstehen der Königsstellung Jesu ordnet 12,16 erst der Zeit nach der Verherrlichung Jesu zu - das Ereignis von Tod, Erweckung und Rückkehr zum Vater in die himmlische Welt als Verherrlichung Jesu wird zur entscheidenden Deutekategorie seiner Königsherrschaft.

Die dabei entstehende Spannung in Wahrnehmung und Bedeutung des Königseins Jesu prägt dann die joh Passionsgeschichte, die eine Häufung des König-Titels aufweist.281 Den Auftakt beim Verhör Jesu durch Pilatus bildet die im Erzählgeftige unvorbereitete und damit thesenartig akzentuierte Frage: , 3 i s t du der König der Juden?" (18,33). 282 Jesus beantwortet die Frage in 18,36 mit der sogleich wiederholten Feststellung, seine Königsherrschaft (ή βασιλεία ή έμή) 283 ist nicht aus dieser Welt (έκ του κόσμου τούτου), wofür er spricht vom triumphalen Einzug Jesu in seine Hauptstadt als König, doch werde der Titel neu interpretiert als erst nach Tod, Erweckung und Rückkehr zum Vater in seiner universalen Bedeutung verstehbar. 281 Zur Beobachtung der zentralen Rolle des König-Titels in der joh Passionserzählung vgl. BLANK, Verhandlung 171.189; DAUER, Passionsgeschichte 249f.252.336; BROWN, Joh II 863; DE JONGE, Prophet 175; LOADER, Christology 66-69.74; BARRETT, Joh 511f.516. 520.526; SENIOR, Passion 71.86.94.152; MEEKS, Prophet-King 18f.; GARLAND, John 18-19, 485; RENSBERGER, Trial 87; HENGEL, Reich Christi 165; DE LA POTTERIE, Passion 24f.64. 69.78f.; KNÖPPLER, theologia crucis 258. - Den König-Titel wird der Verf. bereits in der vor-joh Tradition vorgefunden haben, wie ein Vergleich der joh Passionserzählung mit den synoptischen Pendants erhellt. Einige einschlägige Arbeiten zur Rekonstruktion des literarischen Wachstums der joh Passion sichtet SABBE, Trial (1992), der direkte Abhängigkeit von den Synoptikern vertritt. An vorausliegende (vor-mk und vor-joh) Tradition denkt MYLLYKOSKI, Tage I.II (1991.1994), bes. II 138-174.185. Zur Existenz des König-Titels in der vorj o h T r a d i t i o n v g l . z . B . SCHNACKENBURG, J o h III 2 8 2 ; BECKER, J o h II 6 7 6 f . ; BULTMANN, J o h

75f.503; BARRETT, Joh 519; HAENCHEN, Joh 535.551. - Eine sehr eingeschränkte Bedeutung der Königsvorstellung vertreten DIEBOLD-SCHEUERMANN, Jesus 293.299; BAUM-BODENBENDER, Hoheit 66.77-83 passim; ferner SCHNACKENBURG, Joh III 285; BECKER, Joh II 676f.; HAENCHEN, Joh 185. 282 Das erzähltechnische Mittel des unvorbereiteten, überraschenden Einsatzes eines Titels begegnete schon in Joh 1,20 in bezug auf den Christus-Titel, so daß neben der formalen auch eine sachliche Entsprechung zu 18,33 besteht. Damit setzt der Verf. einen thematischen Akzent. 283 Die dreimalige Wiederholung der gleichen Formulierung in 18,36 verleiht dieser starkes Gewicht; die Aussage enthält eine Konzentration auf die Person Jesu - im Kontrast zur

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die vom Erzählverlauf des JohEv her einfach nachvollziehbare Bestätigung anfuhren kann, daß seine Diener sonst durch Kampf seine Auslieferung an die Juden verhindert hätten. Die Ablehnung jeder politisch-militärischen Betätigung ergeht in unübersehbarer Deutlichkeit,284 womit auch die Gesalbtentradition einen ganz neuen Akzent erhält. Von der ßaaiXeia - freilich mit dem charakteristischen Genitivattribut του θεού - handelt auch Joh 3,3.5 beim Gespräch Jesu mit dem Pharisäer Nikodemus. Beide Stellen sind über den terminologischen Einklang hinaus auch durch den Kontext eines Dialogs parallelisiert, wobei Jesu Antwort jeweils änigmatisch bleibt. Das sich an 3,3-5 anschließende Gespräch stellt über das Motiv der Neugeburt den „Menschensohn" bzw. den „einziggeborenen Sohn" (3,13-16) in Zusammenhang mit der Aussage über die Königsherrschaft, wodurch diese in notwendiger Verbindung mit der Person Jesu steht. Damit ist Gottes basileia in Jesus in so umfassender Weise gegenwärtig, daß sie als Jesu eigene basileia bezeichnet werden kann.285 Jesus agiert als Repräsentant und vollmächtiger Verwirklicher der göttlichen Herrschaft, was sich gut in seine im JohEv gezeichnete Stellung als königlicher Gesalbter fugt. Die Verbindung von Gottes Königsein und der Herrschaft des Gesalbten im Motiv der Partizipation begegnet schon in der frühjüdischen Überlieferung (PsSal 17; lQSb V; 4Q174 III). Auf die erneute Frage des Pilatus beschreibt Jesus sein Königsein offenbarungstheologisch (18,37): Geburt und Kommen in die Welt dienen der Bezeugung bei den Synoptikern üblichen Rede von der Königsherrschaft Gottes. Vgl. auch BROWN, Joh II 868f., der die Differenz aber mit dem Hinweis auf die enge Verbindung von Gott und Jesus herunterspielt. Im Hintergrund kann die von Ps 110,1 her motivierte Vorstellung von Jesu Erhöhung als himmlischer Inthronisation stehen (vgl. HAHN, Prozeß 40), so daß die Basileia des Sohnes Gottes sachlich aussagbar wird; vgl. HENGEL, Reich Christi 177-179. Näher liegt aber der aus der königlichen Gesalbtenhoffnung stammende Gedanke der Partizipation des Königs Jesus an Gottes königlicher Hoheit und Macht. 284 Die Andersartigkeit der Königsherrschaft Christi im Vergleich zur politischen Macht stellt HENGEL, Reich Christi 167-169.182 dar, wobei Jesu Botschaft die Entscheidung der Hörer fordert; Jesu Basileia besitzt im Glauben ihren eigenen Machtbereich (170.183). RENSBERGER, Trial 96-98 erkennt eine Transzendierung der Kategorie „Königsherrschaft" beim joh Jesus, doch fordert die Zeugenfunktion Jesu auch die politische Macht heraus; diese Konfrontation findet nicht mit den üblichen Mitteln der Welt statt (99f.). Auch nach SCHLIER, Jesus und Pilatus 63 f. besteht die politische Relevanz der Herrschaft Jesu im Ruf zur Ents c h e i d u n g . V g l . f e r n e r BULTMANN, J o h 5 0 6 f . ; SENIOR, P a s s i o n 8 1 f . 8 5 . 1 5 2 f . ; MEEKS, P r o -

phet-King 64.76; BLANK, Verhandlung 181 f. - Zur joh Ablehnung eines politischen K ö n i g t u m s J e s u v g l . SCHNACKENBURG, P e r s o n 2 6 3 f . 3 0 4 ; DERS., J o h III 2 7 4 ; DAUER, P a s s i o n s g e s c h i c h t e 1 1 5 . 2 5 8 f . ; BECKER, J o h II 6 7 3 . 6 9 5 . 7 0 1 ; WLLCKENS, J o h 2 8 1 ; HAENCHEN, J o h 5 3 5 f . 5 4 1 . 5 4 3 ; GNILKA, J o h 1 3 9 f . ; BROWN, J o h II 8 5 1 - 8 5 3 . 8 6 3 . 8 6 8 f . 8 8 5 ; STEGEMANN/STEGEMANN, K ö n i g 4 9 ; PAINTER, Q u e s t 2 2 5 f . 2 4 2 f . 4 0 5 ; LOADER, C h r i s t o l o g y 6 7 . 285 Die Identität von joh Gottesherrschaft und Königtum Christi entwickelt HENGEL, Reich Christi 178f.

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der Wahrheit, die die Jesus Zugehörigen erkennen. In der Offenbarung der von Gott autorisierten Wahrheit, die mit der Person Jesu wesentlich verbunden ist, erhält das Gesalbtenbild wiederum eine signifikante Modifikation, die von der realpolitisch offenlegenden Durchsetzung zur Einsichtigkeit des Glaubens führt. Nochmals benutzt Pilatus den König-Titel (18,39), der nur die Ablehnung der Juden erfährt. Die Verspottung Jesu als „König der Juden" durch die römischen Soldaten (19,3) demonstriert in aller Schärfe den Verzicht Jesu auf die politisch-militärische Anwendung königlicher Macht, signalisiert aber auf der Metaebene Wahrhaftigkeit und Wesen des Königseins Jesu, die freilich der subtilen Wahrnehmung des Glaubens bedürfen.286 Als König ist Jesus der Gesalbte in exklusiver Gottunmittelbarkeit, der auf seine Weise - nämlich ohne Gewalt den Menschen die Offenbarung Gottes anbietet. Angesichts der Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen den Juden und Pilatus um das Schicksal Jesu läßt der Verf. die Juden die politische Konnotation des König-Titels aufgreifen und gegen die Autorität des römischen Kaisers in Anschlag bringen (19,12); mit dieser Aussage wird ein weiteres Mal die traditionelle Gesalbtenvorstellung im Hintergrund erkennbar. Noch zweimal betitelt Pilatus Jesus den Juden gegenüber als „euren König" (19,14f.), doch die Hohenpriester lehnen Jesus als König kategorisch ab zugunsten des römischen Kaisers, womit sie ironischerweise ihrem (im zeitgeschichtlichen Kontext betrachtet) Hauptfeind Anerkennung zollen, nur um die Anerkennung Jesu, der in Wahrheit ihren Gott repräsentiert, zu umgehen (19,15fin). Mit

286 Nach SENIOR, Passion 85.94.148.154 drückt der Verf. innerhalb der Verspottungsszene durch das Mittel der Ironie Jesu wirkliches Königsein aus, das dann aber auch politische Implikationen im Sinne der Infragestellung staatlicher Macht erhalte. Eine Mehrdeutigkeit des joh König-Verständnisses (in der Sicht der Juden, des Pilatus, Jesu) halten auch BLANK, Verhandlung 171 und DE LA POTTERIE, Passion 68-73 fest. - Im Hinblick auf die ganze joh Passion spricht BLANK, ebd. 174.181f. vom Stilmittel der vertauschten Rollen, wobei die Hintergründigkeit der Handlung den (textimmanenten) Vordergrund in Frage stellt. Eine Spannung zwischen Herrlichkeit und Leiden, Königsein und Erniedrigung wird in der Auslegung häufig als Doppeldeutigkeit oder Ironie der Darstellung erklärt, die durch vordergründiges Geschehen wesentliche Wahrheit sichtbar werden läßt. Dazu DAUER, Passionsgeschichte 107.111.175.179.181; HAHN, Prozeß 40.51; BARRETT, Joh 524f.528; HAENCHEN, Joh 541.547. 551; SENIOR, Passion 68f.81.104f. 147f.l52f.; PANACKEL, ΑΝΘΡΩΠΟΣ 266.285.304.310. 334.336f.; BULTMANN, Joh 510; OERS., Theologie 400. Das Kreuz kann so als Ort der Ver-

h e r r l i c h u n g e r s c h e i n e n ; v g l . DAUER, P a s s i o n s g e s c h i c h t e 175; BULTMANN, J o h 5 1 8 ; BECKER,

Joh II 642. Anders gibt LOADER, Christology 66f.74.110f. zu bedenken, daß Jesu Herrlichkeit bereits sein ganzes Auftreten als Offenbarer Gottes prägt. Statt einer von Ironie geprägten Darstellung intendiert das JohEv m.E. eher die Betrachtung des wahren Wesens Jesu und der spezifischen Art seiner Offenbarung im irdischen Bereich. Wenn der König-Titel nicht vom frühjüdischen Hintergrund her semantisch gefüllt wird, bleibt sein Inhalt merkwürdig blaß (so bei DE LA POTTERIE, Passion 79: Der Glaube sieht, „daß Jesus sein Königtum durch seine Passion begründet und bestärkt, daß er im äußersten Gehorsam an den Vater seine göttliche Sohnschaft offenbart und so König der Menschen wird").

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dieser als grotesk insinuierten Haltung der jüdischen Autoritäten steigert der Verf. deren Verstocktheit bis zum Höhepunkt. 287

Der von Pilatus angebrachte Titulus crucis schließlich identifiziert den Menschen Jesus von Nazaret als König der Juden (19,19), so daß gerade am Kreuz dessen wahre Bedeutung erkennbar wird - freilich nur fur den, der es zu verstehen vermag. Die dabei bestehende Spannung zwischen der Machtgestalt der traditionellen Gesalbtenerwartung und dem gekreuzigten König Jesus wird in sich zum Träger der spezifisch joh Aussageintention:288 Eben als Gekreuzigter und darin Verherrlichter ist Jesus König, er bindet seinen Status als König und Gesalbter an die Möglichkeiten und Gefahren menschlicher Existenz. Da in der Erzählung viele Juden den Titulus lesen, wird diesen in ihrem religiös-kulturellen Kontext Jesus als der königliche Gesalbte vor Augen gestellt, als den sie ihn hätten (an)erkennen sollen; dem entspricht die hebräische Formulierung des Titels, die Versionen in der griechischen Umgangssprache der Zeit und der lateinischen Amtssprache der römischen Weltmacht289 signalisieren darüber hinaus die universale Geltung des Königsstatus Jesu (19,20). Der vordergründigen Erfahrung zeigt sich nur der zutiefst erniedrigte Mensch, die Perspektive des Glaubens jedoch, angestoßen von der Diskrepanz zwischen Kreuz und mittels der König-Semantik ausgesagter Herrschermacht, vermag die wirkliche Bedeutung Jesu zu erfassen. Der anschließende Einwand der Hohenpriester gegen die Formulierung des Kreuzestitels, der die Subjektivität der Anmaßung der Königswürde durch Jesus 287 Von Preisgabe der messianischen Hoffnung und Zerstörung der eigenen Glaubensgrundlage spricht HAHN, Prozeß 51; vgl. GIBLIN, Narration 238. Man hat darin die Zurückweisung der Königsherrschaft des genuinen jüdischen Gottes gesehen; vgl. RENSBERGER, Trial

9 6 ; BROWN, J o h II 8 5 6 . 8 9 4 f . ; SENIOR, P a s s i o n 9 7 ; GARLAND, J o h n 18-19, 4 9 4 . V g l . HENGEL,

Reich Christi 173f. (auf dem Hintergrund des verlorenen jüdisch-römischen Krieges), der ebd. 174-176.180 den historischen Ort der Problematik um Jesu Königtum in aktuellen Auseinandersetzungen der joh Gemeinde sowohl mit Juden als auch mit der römischen Staatsmacht erblickt; vgl. STEGEMANN/STEGEMANN, König 54f.; WENGST, Gemeinde 183f. 205-207. 288 BLANK, Verhandlung 17lf. 180.186-189 interpretiert den Prozeß Jesu als Königsepiphanie mit den Elementen Königsproklamation (vor Pilatus), Inthronisation und Investitur (Verspottung), Epiphanie (vor dem Volk mit Purpurmantel und Dornenkrone), Akklamation durch das Volk (Kreuzigungsruf). Meist wird das Kreuz selbst als Epiphanieereignis be-

s c h r i e b e n , s o HAHN, P r o z e ß 4 0 . 4 3 ; DAUER, P a s s i o n s g e s c h i c h t e 1 7 3 . 1 7 5 . 2 6 2 - 2 6 9 ; BROWN,

Joh II 890.912.919; PFITZNER, Coronation 2-11; KNÖPPLER, theologia crucis 259-262. Speziell zum Kreuz als Königsthron vgl. noch WEISER, Theologie 170; GARLAND, John 18-19, 489; DE LA POTTERJE, Passion 17f.88-98.138; SENIOR, Passion 104f.l47f. Eine solche Deutung bleibt freilich stark hypothetisch, da sich vom Text her (vgl. nur 18,37) andere inhaltliche Füllungen des Königseins Jesu nahelegen. So zeigen sich zu Recht skeptisch gegenüber d e r I n t e r p r e t a t i o n d e r P a s s i o n als K ö n i g s e p i p h a n i e SCHNACKENBURG, J o h III 2 9 6 ; BECKER, J o h I I 6 7 6 f . ; PANACKEL, Α Ν Θ Ρ Ω Π Ο Σ 2 8 6 ; LOADER, C h r i s t o l o g y 1 1 1 . 1 1 9 . 289

Zur Bedeutung der Sprachen z.B. WILCKENS, Joh 291.

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festhalten will,290 verstärkt auf narrative Weise die Bedeutung des Titels; der Einwand findet bei Pilatus jedoch nun kein Gehör mehr (19,21 f.) - die Königsbezeichnung Jesu bleibt gültig, der Blick des Glaubens auf Jesus legitim, wie auf der pragmatischen Ebene für den Leser einsichtig wird.

10.3.3 Zusammenfassung In der Zusammenschau zeigen die joh Belege291 des Terminus χριστό? (und sachlich verbunden auch βασιλεύς) überwiegend prädikativen Gebrauch und damit die semantische Prägung eines Titels, der in frühjüdischen Vorstellungssystemen situiert ist. Eine für die Zeit vorausgesetzte Gesalbtenerwartung steht im Bewußtsein des JohEv, wie zahlreiche Hinweise nahelegen: Das Kommen des Gesalbten wird allgemein erwartet (1,41; 4,25.29), seine Herkunft diskutiert (7,26f.41f.), die Frage nach den messianischen Zeichen gestellt (7,31), sein ewiges Bleiben als Aussage des Gesetzes vorgetragen (12,34). Die transkribierte aramäische Form μεσσία? wird 1,41 und 4,25 aufgegriffen. Das JohEv läßt innerhalb der untersuchten ntl Schriftengruppen die engste Anlehnung an frühjüdische Konzeptionen erkennen, wenngleich im joh Gesamtbild der Gestalt Jesu inhaltlich fundamentale qualitative Veränderungen stattfanden. 292 Dabei übernimmt der Verf. selbstverständlich die christliche Tradition, die als Zentralfaktoren Jesu Niedrigkeit bis zum Kreuz und seine Erweckung integriert, dafür aber die militärisch-politische Komponente ausklammert, wobei im JohEv die Hoheit des Gesalbten wieder stärkere Betonung erfährt. In der theologischen Reflexion des Verf. wird der Gesalbte Jesus zusehends als Geber ewigen Lebens ausgewiesen (Joh 10,28; 11,25-27; 290 Auffallenderweise nehmen die Hohenpriester im JohEv eine gänzlich andere, nämlich die traditionelle Aussagekraft des Titels als Infragestellung ihrer Position emst nehmende, Haltung gegenüber dem Titulus ein als bei Mk und Mt, wo sie Jesus damit verspotten. Vgl. auch BECKER, Joh II 695. Der Rezipient wird so zur Ernsthaftigkeit der Entscheidung angesichts dieses Titels geführt. 291

Vgl. zu den j o h Schriften ferner HAHN, E W N T III 1161f.; BAUMBACH, T R E XXII

63 If.; zu einzelnen Aspekten auch KARRER, Gesalbte 392-395. ZurOffb vorne unter 8.4. 292 Dazu HOFIUS, Jesus 128 Anm. 50, der folgende Stellen anführt: Joh 1,45-51; 6,26-58; 7 , 2 5 - 3 0 . 4 0 - 5 2 ; 8 , 4 8 - 5 9 ; 9 , 1 3 - 4 1 ; 1 0 , 2 2 - 3 9 ; 1 8 , 3 3 - 4 0 . Z u r j o h I n t e r p r e t a t i o n f e m e r MACRAE,

Messiah 176-178. - BECKER, Joh I 330 hebt die geringe Häufigkeit des Christus-Titels im JohEv (im Gegensatz zu 1/2 Joh) hervor und legt das Gewicht auf die Vater-Sohn-Metapher. Solche Entgegensetzung wird jedoch überschritten, wenn man die neue semantische Füllung des Christus-Titels im JohEv durch die verschieden artikulierte Gottunmittelbarkeit des Trägers wahrnimmt; dieser Gesichtspunkt gehört schon traditionell zur Zentralbedeutung des Titels „Gesalbter". - DE JONGE, Prophet 162-177 bestimmt die joh Neudefinition der Titel „König" und „Prophet" vom Gedanken der einzigartigen Vater-Sohn-Beziehung her.

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17,2f.; 20,31), was einen starken soteriologischen Akzent setzt. Die eschatologische Dimension der Gesalbten-Tradition spielt im JohEv insofern kaum eine Rolle,293 als die Identität oder Bedeutung Jesu stets im Kontext gegenwärtiger Erfahrbarkeit und Verifikation verhandelt werden. Freilich gilt es zu bedenken: Wenn das Auftreten Jesu als des Gesalbten den Anbruch des Eschaton bedeutet (vgl. ll,25f.), muß die eschatologische Dimension als übergreifender Faktor berücksichtigt werden. Die Bedeutung Jesu als „Gesalbter" garantiert im JohEv die Endgültigkeit der Offenbarung Gottes in Jesus (vgl. nur 1,18).294 Gesalbtenstatus und Gottessohnschaft Jesu sind im JohEv eng verbunden, wie in 11,27 und 20,31 direkt ausgesagt ist; auch die Zusammenstellung der Prädikation „Sohn Gottes" mit „König Israels/der Juden" in 1,49 und 19,3.7.12 deutet darauf.295 Die Gottunmittelbarkeit Jesu in absoluter Zuspitzung bildet ein joh Novum. Gottessohnschaft und Menschsein Jesu schließen sich im JohEv nicht aus, sondern finden in der Christus-Anrede ihre titular artikulierte Verbindung.

10.4 Fazit: Zur Entwicklung von Jesus zum Christus Zusammenfassend lassen sich die ntl Christusaussagen als in der Tradition der frühjüdischen königlichen Gesalbtenerwartungen stehend beschreiben, wobei häufig explizit die königliche Gesalbtenkonzeption die freilich in aller Regel christlich transformierte und eigenakzentuierte Basis bildet.296 Diese 295

MACRAE, Messiah 178 hebt die fehlende Bedeutung des eschatologischen Aspekts hervor. 294 Vgl. auch ROWLAND, Christ 484. 295 HAHN, EWNT III 1162 hebt die enge Verbindung von Messianität und Gottessohnschaft als Kennzeichen joh Theologie hervor. - NEUFELD, And When 139f. betont die Diversität der christologischen Titel im JohEv und ihre vercshiedenen Entsprechungen im Frühjudentum; der Messias erscheint als himmlischer Erlöser, der in Jesus Mensch wurde. Meine Untersuchung erweist hingegen die königliche Gesalbtenkonzeption als tragenden religionsgeschichtlichen Hintergrund, der christliche und speziell joh Modifikationen erfuhr. - Nach DE JONGE, Jewish Expectations 25If. ist die Aussage des Titels ΧΡΙΣΤΌ? fur das JohEv unzureichend und bedarf der Interpretation durch („Menschensohn" und) „Sohn Gottes", womit die Einheit Jesu mit dem Vater bezeichnet wird. Doch ist der Gedanke der göttlichen Nähe und Bevollmächtigung bereits in der Repräsentationsfunktion des Gesalbten in den frühjüdischen königlichen Gesalbtenkonzeptionen durchgängig angelegt, so daß sich der Christus-Titel auf diesem Hintergrund adäquat zur Einheitsaussage eignet; der Titel „Sohn Gottes" setzt in diesem Rahmen nochmals einen spezifischen Akzent. 296 Vgl. auch HAHN, EWNT III 1164; ZELLER, Transformation 167; ROWLAND, Christ (1998). - Anders akzentuiert KARRER, Gesalbte 294.313, der die herrscherliche Gesalbtenvorstellung nur als eine einzelne Einflußlinie gelten läßt. Im Vordergrund sieht er 406f. kul-

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Erwartungen waren also in der christlichen Tradition präsent. Sie stellen jedoch keineswegs die einzigen Einflußfaktoren bei der Gestaltung des ntl Bildes von Jesus als Christus dar,297 sondern verbinden sich mit verschiedenen anderen jüdischen und christlichen Überlieferungen und Gedanken. Ein wesentlicher Grund für die christliche Modifikation der königlichen Gesalbtenkonzeption liegt sicher darin, daß zentrale Züge dieser Tradition wie nationale Präferenz, königliche Herrschaftsausübung, politische Umgestaltung und übernatürliche (quasi-militärische) Macht im Auftreten Jesu keinen Anhalt finden. Dafür stellt der Titel die Möglichkeit zur Verfügung, Jesu einmalige Nähe zu Gott und den Heilscharakter seiner Existenz prägnant zu artikulieren. Dazu treten neu Kreuz und Erweckung Jesu als soteriologische Faktoren. Die gegenüber allen traditionellen Vorstellungen im Auftreten Jesu enthaltene Neuheit mag in den Bildern vom neuen Stoff auf einem alten Kleid bzw. vom neuen Wein in alten Schläuchen Mk 2,21 f. signifikanten Ausdruck erhalten. Im Einklang damit steht die für frühjüdische Verwendungen kennzeichnende Offenheit der Gesalbtenkonzeption, die jeweils gruppen- und situationsspezifisch eine eigene Interpretation fordert und diese christlich in Orientierung am geschichtlichen Jesus auch erfährt. Die traditionell angelegte Variabilität der Gesalbtenvorstellung wird im NT voll für die Jesus-Interpretation nutzbar gemacht und im Rahmen der erhaltenen frühjüdischen Zeugnisse in deutlicher Unterschiedenheit zur Überlieferung spezifisch gefüllt. Die Gestalt Jesu läßt sich in ihrem eigengearteten Anspruch nur unter Anwendung einer Vielzahl von Interpretisch-sakrale Salbungsvollzüge im Jerasalemer Tempel als Maßstab für Salbungsaussagen Israels; „Gottes Herrsein, nicht Davids Herrschertum" wird zum „entscheidenden Maßstab christlichen Gesalbtenverständnisses" (408). - Bei letzterer Aussage darf man freilich nicht übersehen, daß bereits frühjüdisch der herrscherliche Gesalbte wesentlich in Gottes Herrschaft integriert ist, ohne dazu in Konkurrenz zu stehen: Gerade im Gesalbten herrscht Gott selbst. Interessanterweise entsprechen die von Karrer erarbeiteten christlichen „Gesalbten"Kategorien, die sich mit der Christus-Bezeichnung Jesu semantisch zentral verbinden - hoheitliches und rettendes göttliches Erbarmen über die Menschen und Anspruch Gottes auf diese (KARRER, Gesalbte 407) - , weitgehend den Zentrallinien der herrscherlich-königlichen Gesalbtenerwartung, die die messianische Herrschaft als Heilszeit für die Menschen (die „Gläubigen") qualifiziert und den Gesalbten als einzigartig legitimierten und damit beanspruchenden Repräsentanten Gottes zeichnet. So wird man den Einfluß der königlichen Gesalbtenerwartung auf christliches Vorstellen nicht zu gering veranschlagen dürfen. Anders verortet BERGER, Hintergrund 393-411 den ntl Christus-Titel in der frühjüdischen Tradition vom Gesalbten als einer Priester- und Prophetengestalt, so daß Jesus als mit heiligem Geist gesalbter endzeitlicher Prophet erscheint, der die wahre Lehre besitzt. - THOMA, Redimensionierungen 215 sieht im NT die Integration königlicher, priesterlicher, prophetischer und himmlischer (!) Messiastraditionen. 297 MACRAE, Messiah 174.184 sieht zwar die Absicht der Evangelisten, Jesus als Messias Israels darzustellen, beobachtet aber auch eine Entfernung von der jüdischen Gesalbtentradition und eine periphere Bedeutung der messianischen Einflußlinie.

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tationsmustern wenigstens approximativ erfassen.298 Charakteristisch erweist sich für die christliche Sichtweise die Verbindung von realisierter und zukunñsbezogener Hoffnung, die ihre Grundlage im Auftreten des Menschen Jesus von Nazaret findet: In Jesus ist der Gesalbte bereits gekommen, und nicht einmal sein Kreuzestod vermag dieses Verständnis zu falsifizieren und die von ihm ausgehende eschatologische Bewegung zu zerstreuen. Darin unterscheidet sich die frühchristliche von anderen frühjüdischen endzeitlichmessianischen Bewegungen, daß sie den Tod ihrer Identifikationsgestalt überlebte.299 Ein irdischer Mensch ohne besondere Machtinstrumente, Durchsetzungskraft und damit Legitimation wird als „Gesalbter", als königlicher Repräsentant Gottes geglaubt! Das Auftreten des historischen Jesus läßt, soweit die Quellen dazu auswertbar sind, keine Dominanz typisch messianischer Züge erkennen; ein Selbstverständnis Jesu in politisch-religiösen Kategorien frühjüdischer Gesalbtenerwartung ist kaum nachweisbar.300 Ein Ansatzpunkt für die christliche 298

Vgl. auch FRANKEMÖLLE, Messiaserwartung 104, der vom Verzicht des geschichtlichen Jesus auf jedweden Titel ausgeht, da Jesu Anspruch über jede mit einem Titel zu verbindende Idealgestalt hinausgeht. - Anders versucht LAATO, Star 317-354, die Entwicklung der ntl Christologie aus den ursprünglichen messianischen Erwartungen der Bewegungen Johannes des Täufers und Jesu auf atl und frühjüdischem Hintergrund zu rekonstruieren; in Lk 1 und 2 habe sich das älteste Stadium entsprechender Vorstellungen erhalten, wobei der Vergleich mit atl und frühjüdischen Königs- und Messiastexten zeige, daß es sich nicht um genuin christliche Gedanken handle und so ursprünglich jüdische Texte aufgenommen wurden (318-332); Jesu Selbstverständnis (als Messias) inklusive der Idee vom leidenden Messias habe sich aus Sach 9-14 gebildet (334-348), der historische Jesus habe wenigstens anfänglich eine politische Botschaft auf der Basis von Jes 61 verkündigt (333). Neben den Anfragen an Laatos Entwurf, die sich von der Forschung zum historischen Jesus her formulieren ließen, ist auch seine religionsgeschichtliche Situierung nicht akzeptabel, da er vielfältige textliche Bezüge zu atl und frühjüdischen Königstexten sucht, wobei oft Texte erscheinen, die frühjüdisch nirgends messianisch gedeutet werden, was ein irreführendes Bild ergibt; Textbeziehungen gehen wiederholt über direkte Parallelen hinaus auf allgemeine Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten, so daß sich kein konsistentes Bild von Traditionsaufnahmen (z.B. hinsichtlich einer speziellen königlichen Gesalbtenerwartung) ergeben kann. 299 300

Vgl. ROWLAND, Christ 475.493f. Gegen ein messianisches Selbstverständnis Jesu HAHN, EWNT III 1153f.; DERS., Ho-

h e i t s t i t e l 1 5 9 - 1 7 9 ; DERS., M e s s i a s - E r w a r t u n g 137. V g l . KARRER, G e s a l b t e 4 0 6 ; DEXINGER,

Entwicklung 23.25f.; HOFIUS, Jesus 119-122; femer CHARLESWORTH, From Jewish 252. Keineswegs zwingend ist die Argumentation von STUHLMACHER, Gottesknecht 133.138154, der ein Selbstverständnis Jesu als messianischer Menschensohn und Gottesknecht nachzuweisen versucht. Nach BECKER, Gesalbten 95f. ist es denkbar, daß bereits der irdische Jesus als „Messias" im Sinne eines gesalbten Propheten bezeichnet wurde, was später zugunsten der davidischen Erwartung modifiziert wurde. Vgl. auch COLLINS, Works 107-112. Von den in 4Q521 genannten Werken [Gottes oder des/der Gesalbten?], die starke Übereinstimmungen mit der Antwort Jesu auf die Täuferfrage (Mt 11,2-6 par Lk 7,18-23) aufweisen,

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Aufnahme des Hoheitstitels mag in der Hinrichtung Jesu als „König der Juden" liegen, was freilich zu entscheidenden Modifikationen der Vorstellung nötigte.301 Der Glaube an die göttliche Erweckung Jesu legitimiert seine Sendung, die eine einzigartige Nähe zu Gott voraussetzt; die Aussage der Gottnähe des Repräsentanten Jesus kann als weiterer Impetus zur christlichen Adaption des Gesalbten-Titels betrachtet werden.302 M. Karrer303 möchte den Titulus crucis nicht herrscherlich-messianisch deuten, da eine Äquivalentsetzung von „König" und „Gesalbter" im 1. Jh. n.Chr. nicht ausreichend quellenmäßig zu belegen sei: Den Ausgang bilde vielmehr die politische Reduzierung des Wirkens Jesu und besonders seiner Verkündigung der mit seiner Person vermeint COLLINS, Scepter 205-207, daß der Gesalbten-Titel aufgrund Jesu Taten auf den historischen Jesus angewandt werden konnte, womit dann analog zu 4Q521 an einen prophetischen Gesalbten zu denken sei; Jesus habe vielleicht den Einzug in Jerusalem als Symbolhandlung mit prophetischen und königlichen Zügen intendiert oder wenigstens diese Inteipretationsmöglichkeit damit eröffnet. Zur naheliegenden Deutung Jesu als eschatologischen gesalbten Propheten, von dem aus die Grenzen zum königlichen Gesalbten fließend waren, vgl. DERS., Jesus 116-119. MAYER, Messias 56F.60-66 geht gleichsam selbstverständlich davon aus, daß Jesus ein jüdischer Messias war, der politisch-revolutionäre Ziele verfolgte. Ein messianisches Selbstverständnis Jesu nimmt auch OEGEMA, Gesalbte 148 an; vgl. HAMPEL, Menschensohn 98-128.159-164.168-174.343-367 und passim. DUNN, Messianic Ideas 373-376 geht von der Konfrontation Jesu mit der Frage nach einem Selbstverständnis als davidischer Gesalbter und einer Ablehnung bzw. beginnenden Neufullung der Vorstellung durch Jesus aus. Auch HENGEL, Jesus (1992) erkennt ein „messianisches" Sendungsbewußtsein Jesu: Historisch seien als Kern der Passion Anklage und Hinrichtung Jesu als „König der Juden", also als Messias (166-170); den Titel „Menschensohn" habe Jesus als messianische Chiffre gebraucht (171), das Auftreten Jesu als solches bestimmte, was (nach Jesus) als messianisch zu verstehen sei (172-176). Zu messianischen Ansätzen im Auftreten Jesu auch RUPPERT, Messiaserwartungen 14f. ROWLAND, Christ 485 ordnet Jesus als Teil in das weite Feld des frühjüdischen Messianismus ein, wofür in der eschatologischen Botschaft und in prophetischen Merkmalen seines Auftretens die Ansätze liegen; ein messianischer Selbstanspruch Jesu ist nicht erkennbar. 301 Vgl. BAUMBACH, TRE XXII 631; HAHN, Hoheitstitel 178f.; DERS., Messias-Erwartung 138; SÄNGER, Verkündigung 245f.; MERKLEIN, Auferweckung 232; HOFLUS, Jesus 122; zur christlichen Neuqualifizierung des Gesalbten-Begriffs ebd. 124-129. Zur Historizität des Titulus crucis und seiner Deutung auf einen Messiasprätendenten vgl. DUNN, Messianic Ideas 373; HAHN, Hoheitstitel 176-179; auch SÄNGER, Verkündigung 210-213 versteht Jesu Hinrichtung durch die Römer als Urteil gegen einen politischen Rebellen. - Nach GNILKA, Christen 167 kommt das Messiasprädikat dem Sendungsanspruch Jesu am nächsten, wobei zwei wesentliche Veränderungen stattfanden: Der Tod am Kreuz - Jesus rettet sein Volk nicht durch einen Sieg über Feinde, sondern als der Getötete - und die Verbindung mit Gott durch „das Band einmaliger Sohnschaft". 302 GNILKA, Christen 225f. stellt eine sachliche Verbindung her zwischen dem Titulus crucis „König der Juden" und der pln Sterbe- und Erweckungsformel (Rom 5,6.8; 8,34; 14,9.15; 1 Kor 8,11; 15,3; u.ö.). 303

KARRER, G e s a l b t e 4 0 9 - 4 1 1 .

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Königliche Gesalbtenerwaitungen im Judentum um die Zeitenwende

bundenen Königsherrschaft Gottes auf einen realpolitischen Königsanspruch Jesu seitens der gegnerischen römischen Obrigkeit mit der terminologischen Fassung im politischen Begriff „König der Juden";304 der Titel „König" sei bei der Kreuzigung jedenfalls „als Vorwurf zu hören, der einen theonomen Anspruch Jesu bestreitet, ihn ... allein auf menschliches Königtum zu fixieren unternimmt" (41 Of.); damit ergibt sich eine Spannung zwischen allein menschlichem Königsanspruch und einzigartiger heilvoller Gottesbeziehung Jesu. So wahrscheinlich die römische Behörde den König-Titel rein politisch denotiert verstand, muß demgegenüber eine jüdisch-christliche Betrachtungsmöglichkeit differenziert werden, die auf den königlichen Gesalbtenkonzeptionen basiert und damit Stellung und Funktion Jesu als des Repräsentanten Gottes assoziiert. Eine naheliegende christliche Interpretation muß ernsthaft in Betracht gezogen werden, die beim König-Titel an die frühjüdisch literarisch bezeugte königlich-herrscherliche Linie der Gesalbtenerwartung denkt und diese aufgreifend modifiziert, um gerade in der Interpretation des Kreuzestodes Jesus als königlichen Gesalbten zu begreifen. Die sachliche Parallelität und die semantische Nähe der Titel „Gesalbter" und „König" bezeugt explizit PsSal 17. Jesu Anspruch der Gottnähe und der personalen Identifikation mit der anbrechenden basileia Gottes (vgl. Lk 11,20) legen eine solche Aufnahme und Interpretation von Kreuz und Auferstehung her nahe. In der urchristlichen Bekenntnistradition spielt der Christus-Titel eine zentrale Rolle, wobei der traditionsgeschichtliche Prozeß der Anwendung auf Jesus weitgehend im Dunkeln liegt.305 Allgemein wird erkennbar, daß der 304 Vgl. auch DEXINGER, Entwicklung 24; HAHN, Hoheitstitel 179; HOFIUS, Jesus 122. Die allgemeine Differenzierung von (jüdischer) politischer und (christlicher) religiöser Bedeutung der messianischen Erwartungen, die OEGEMA, Gesalbte 171 vornimmt, ist unsachgemäß, da ein Gesalbter stets eine religiös legitimierte und motivierte Gestalt mit irdischpolitischer Bedeutung darstellt, was die zentrale Denotation des Lexems prägt. 305 Zum Versuch der Rekonstruktion der traditionsgeschichtlichen Entwicklung der urchristlichen Aufnahme und Aneignung des Christus-Titels vgl. HAHN, EWNT III 1164f.; KARRER, Gesalbte 406-409. HAHN, Hoheitstitel 179-225 legt folgendes Modell zugrunde: Eine erste Übertragung auf Jesus geschieht im apokalyptischen Horizont seiner Parusie (179-189); mit der Reflexion der Parusieverzögerung tritt die Erhöhungsvorstellung hinzu, d.h. Jesus wird im Zuge seiner himmlischen Inthronisation bereits aktuell König der Welt (189-193); innerhalb der Passionsüberlieferung wird der Titel zentral (193-218); der Gebrauch verfestigte sich schließlich bis zur Verwendung als Eigenname (218-225); vgl. DERS., Messias-Erwartung 137-139. Für eine zurückhaltende und späte christliche Aufnahme CHARLESWORTH, From Jewish 2 5 1 - 2 5 4 . - M.E. muß eine hoheitliche Konnotation in der Artikulation der Auferstehungserfahrung als zentraler Faktor berücksichtigt werden, der es ermöglicht, den erhöhten Jesus als mächtigen Herrn der Lebenswirklichkeit seiner Bekenner zu ergreifen; diese urchristliche Basiserfahrung Jesu in heilschaffender Wirkmacht fand verbalen Ausdruck mittels der traditionsgeschichtlich zur Verfügung stehenden königlichen Gesalbtenkonzeption, die Titel und Denkelemente bereitstellt.

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soteriologisch gedeutete Tod und die Auferweckung des in einzigartiger Gottesbeziehung stehenden Jesus zu den basalen Komponenten des Titels avancieren. Mit dem Titel konnten auf verschiedenen Entwicklungsstufen weitere christologische Aussagen verbunden werden, wie die von der Erhöhung Jesu und seiner Parusie, seiner machtvollen Wiederkunft zur Aufrichtung einer königlichen Heilsherrschaft in der Endzeit.306 Die Anfänge der Titulierung Jesu als „Gesalbter" können auf das älteste palästinische Judenchristentum zurückgehen. Dabei zeigt die Verwendung von χριστός als Beiname oder Ersatz des Jesusnamens, daß wohl eine ältere Tradition mit prädikativem Gebrauch vorausgeht, wobei die Prädikation immer enger mit der Person Jesu als Heilsgestalt verbunden wurde und zusehends einen eindeutig referierenden titularen Charakter gewann, 307 der eine restriktive Verwendung bewirkte. Im Christus-Titel für Jesus verbinden sich funktionale und personale Aussageintentionen zu einer wesentlichen Einheit.308 Vielleicht kann man noch einen Schritt weitergehen und die christliche Aufnahme des Christus-Titels in Zentralfunktion in einer Hypothese plausibel machen. Das Fundament legt der Ausgang beim historischen Jesus, nach dessen Verkündigung Gott die endzeitliche βασιλεία heraufführt; diese steht unmittelbar bevor und ist untrennbar mit der Person Jesu selbst verbunden, bricht in Jesu Wirken bereits an (vgl. Lk 11,20). Ein besonderer Sendungsanspruch Jesu und sein Bewußtsein von der Erfüllung des göttlichen Willens in seinem Handeln treten hervor. Nach dem Ausweis des Zeugnisses der Evangelien, wo stets andere den Titel an Jesus herantragen, benutzte Jesus selbst den Christus-Titel offenbar nicht zur Bestimmung seiner Bedeutung; das gilt auch für das JohEv, wo Jesus den Titel akzeptiert (Joh 10,24f.). Nach Ostern suchen die neu motivierten Anhänger Jesu, Judenchristen in Palästina, in ihrem kulturellen Horizont nach einer sachgerechten Deutung der Person Jesu. Dabei sind zwei Gedanken als Grundkonstanten wichtig: (1) Die Verbindung Jesu mit Gottes eschatologischer Herrschaft als bereits begonnener neuer Heilszeit; und (2) deren endgültige Verwirklichung in Jesus, was seine Gestalt in einzigartiger Gottunmittelbarkeit erfaßt und sein irdisches Wirken (nicht das einer himmlischen Figur) als das des bevollmächtigten Repräsentanten (der nicht bloß ansagt, sondern anfanghaft selbst darstellt) begreift. Die Verbindung der basileia Gottes mit einer Mittlergestalt wird frühjüdisch in ihren Möglichkeiten partiell ergriffen und speziell auch für einen Gesalbten bezeugt (vgl. Π.2.). Diese Grundkonstanten finden sich in der aus der Umwelt bekannten königlichen Gesalbtenerwartung, die so als auf Jesus passend er306

Vgl. Offb 11,15; 12,10; auch Mt 25,31; Apg 3,20.

507

D a z u HAHN, E W N T III 1 1 6 5 .

308

KARRER, Gesalbte 412f.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

kannt wird. Sie stellt nicht nur Grundmuster von Repräsentanz und Legitimation und den Christus-Titel als Deutekategorien zur Verfugung, sondern erklärt auch die causa mortis Jesu sinnvoll, die als Titulus crucis überliefert wurde: „König" ist Jesus als Gesalbter tatsächlich, wobei sein Tod aus der mangelnden Bereitschaft der Obrigkeit zur Akzeptanz seines Anspruchs einerseits, aus der schriftgemäßen Heilsabsicht Gottes andererseits resultiert. So erweist sich die Aufnahme des Titels durchaus an der konzeptionell verbundenen Sache orientiert. Von diesen Grundkonstanten aus, die die Kommunizierbarkeit einer Wesensaussage über Jesus in der geistig-kulturellen Umwelt ermöglichen, sind die Spezifika des Auftretens Jesu, besonders Kreuzestod und Erweckung, aber auch Wunder und Lehre, einbezogen worden. Die Gesalbtenhoffnung stellt im Motiv der unmittelbaren Gottnähe des Gesalbten auch die Voraussetzung dar für die Interpretamente der Erhöhung und himmlischen Position Jesu. Der „Christus"-Titel besitzt - besonders auch in einem über das palästinische Judentum hinausgehenden hellenistischen Milieu eine größere semantische Offenheit als „König", steht konkret einer religiösganzheitlichen Deutung eher offen als der stärker politisch konnotierte König-Titel. Daraus erklärt sich die starke Verbreitung der Titulierung Jesu als „Christus", die eine Wesensaussage über Jesus als göttlichen Repräsentanten und Heilbringer intendiert und so zum fundamentalen Bekenntnis der jungen Christenheit avanciert. Der Anbruch der Gottesherrschaft und das Auftreten des Gesalbten fallen damit christlich zusammen, um dann allmählich angesichts christlicher Welterfahrung und theologischer Entwicklung den irdischen Ort zu verlassen und in himmlischer Situierung gedacht zu werden. Die Entfaltung „christ"-licher Begriffe und Motive, die die Identität des jungen Glaubens bestimmten, fand in den Jahren zwischen Jesu Tod und den Paulusbriefen als ältesten schriftlichen Zeugnissen, die die Facetten dieses Glaubens dokumentieren, statt, wobei die einzelnen Stationen des Prozesses im Dunkeln bleiben.

11. Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen 11.1 Der Gesalbte als Sohn Gottes Ein atl Hintergrund für die potentielle Vorstellung vom Gesalbten als Sohn Gottes wird sichtbar, wenn der von Gott inthronisierte davidische König zugleich als „Sohn" angesprochen und zu Gott in Beziehung gesetzt wird: 2 Sam 7,14.16; Ps 2,6f.; 89,28; Jes 9,5f.' Bezeichnenderweise stehen diese Stellen, die die Gottessohnschaft des Königs ausdrücken, in unmittelbarer Verbindung mit Aussagen zur Herrschaft eines Königs über Israel, die die ideengeschichtliche Voraussetzung für die Entwicklung königlicher Gesalbtentraditionen bilden. Die so formulierte besondere Beziehung zu Gott garantiert göttliche Legitimation und Unterstützung. Der Begriff des „Sohnes" Gottes ist in der Erwählung und Legitimation eines davidischen Königs durch Gott, sogar in der Adoption eines königlichen Menschen zum Sohn Gottes geistig fundiert, so daß es sich um eine Amts- bzw. Funktionsbezeichnung handelt; er beinhaltet die Einzigartigkeit der Gottesbeziehung des Königs und - daraus folgend - des königlichen Auftrages und Wirkens.2 Die besondere Bindung des davidischen Königs an Gott wird exemplarisch im Duktus von Ps 89 erkennbar: Grundlegend wird Gott selbst als König in Macht und Gerechtigkeit besungen (89,16f.), der für sein Volk David zum König krönt und salbt (89,20f.) und ihm angesichts dieser Erwählung wirkungsvollen Beistand zusichert (89,22-30). Ein funktionaler Skopus prägt 2 Sam 7,14, denn die Erhebung des königlichen Nachfahren Davids durch Gott in ein Vater-SohnVerhältnis erweist den König als legitimen Repräsentanten Gottes. Die göttli' Die die Repräsentanz Gottes im König ausdrückende Vorstellung vom König als Sohn Gottes verdichtete sich in der davidischen Königsideologie und beinhaltet zentral eine Retterfunktion des Königs; vgl. MAIER, Zwischen 208. FLTZMYER, Contribution 105 warnt in bezug auf Ps 2 vor einem frühjüdischen messianischen Verständnis des atl königsideologischen Textes. 2 Dazu auch HOFIUS, Jesus 117, der ebd. 117f. demgegenüber einen (späteren) metaphysischen Sohn-Gottes-Begriff unterscheidet, der Wesen und Ursprung Jesu als präexistenter Gottessohn bezeichnet. Zur atl Verwendung für den davidischen König auch HENGEL, Sohn Gottes 37-39. - In der Weisheitsliteratur kann der „Gerechte" als Sohn Gottes bezeichnet werden: Sir 4,10; Weish 2,18. - Im JohEv mag der königliche Hintergrund der Sohn GottesAnrede noch durchscheinen, wenn in 1,49 das Bekenntnis zu Jesus als Sohn Gottes und König Israels direkt nebeneinander steht.

498

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

che Ermächtigung des Königs sagt auch Ps 2,6f. aus, wo die Königsinthronisation als Zeugung durch Gott gedeutet wird.

11.1.1 Qumran-Texte Ein Nachweis der Bezeichnung des Gesalbten als Sohn Gottes im frühen Judentum gestaltet sich aufgrund des Quellenbefundes schwierig. Eindeutig bezeugt ist diese Vorstellung nur in 4Q174 (= 4QFlor) III 10-13 innerhalb eines Zitates von 2 Sam 7,14 mit anschließender messianischer Auslegung.3 Die Tatsache, daß der Titel „Sohn Gottes" nur innerhalb des Zitats aus 2 Sam 7,14 erscheint, sollte nicht eo ipso zu einer Abwertung der Belegkraft fuhren, da der unmittelbar anschließende Deutevers die Identifizierung mit dem „Sproß Davids" - womit ein königlicher Gesalbter betitelt ist - ja ausdrücklich vornimmt.4 Auch wenn der Textskopus nicht auf der Bezeichnung des Gesalbten als „Sohn Gottes" liegt,5 wird diese Prädikation als Möglichkeit vorausgesetzt und akzeptiert. Auf dem Hintergrund atl Königsideologie ist der Titel innerhalb einer königlichen Gesalbtenerwartung kein Fremdkörper. Ein weiteres Qumran-Fragment wurde als Zeugnis für eine Bezeichnung des Gesalbten als „Sohn Gottes" herangezogen. Der aramäische Text 4Q246 (= 4QPsDan ar* bzw. 4QApocalypse ar)6 läßt sich paläographisch etwa ins letzte Drittel des 1. Jh. v.Chr. datieren7 und spiegelt offensichtlich ein end3 Zu diesem Text vgl. oben 4.1.2. Dazu HAHN, Hoheitstitel 285f.; DERS., EWNT III 1152; HOFIUS, Jesus 108; JUEL, Messiah llOf. HENGEL, Sohn Gottes 71 zitiert in diesem Kontext auch lQSa II 1 lf.; die Lesart „geboren werden" ist aber kaum ursprünglich, vgl. oben. 4 Eine solche Abwertung vertreten jedoch KARRER, Gesalbte 253 und im Anschluß MÜLLER, Sohn Gottes 2, da der „Sohn Gottes"-Titel nicht explizit in der Auslegung aufgenommen werde. Wegen der unmißverständlichen Identifizierung verliert die Beobachtung an Gewicht und wird diese Abwertung unsachgemäß. Vgl. noch BURGER, Davidssohn 19, der sich ebenfalls gegen „Sohn Gottes" als Messiasbezeichnung ausspricht. 5 Dies betont MÜLLER, Sohn Gottes 2: es soll lediglich das Auftreten des Messias als Erfüllung des Schriftwortes gezeigt werden. Doch warum gerade im Anschluß an 2 Sam 7,14, wo doch auch andere Belegtexte ohne die Sohn Gottes-Titulatur verfugbar gewesen wären? 6 Der Text von 4Q246 liegt jetzt vollständig ediert vor bei PUECH, Fragment (1992); DERS., in: DJD XXII (1996), 165-184; vgl. ferner (ungenügend) EISENMAN/WISE, Jesus 76; ZIMMERMANN, Texte 129f.; Text und englische Übersetzung auch bei FLTZMYER, 4Q246, 155f.;

DERS., S o n o f G o d 166f. D e u t s c h e Ü b e r t r a g u n g b e i GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 1 9 0 ;

MAIER, Qumran-Essener II 189-191. Zur Geschichte der verzögerten Edition COLLINS, Scepter 154 (vgl. parallel zu dieser Veröffentlichung seinen Aufsatz: COLLINS, Son of God [1993]). 7

V g l . PUECH, F r a g m e n t 1 0 5 ; DERS., R e m a r k s 5 4 6 . 5 5 0 f . ; FITZMYER, S o n o f G o d

165;

DERS., 4Q246, 156. Ins 1. Jh. v.Chr. datiert SCHIFFMAN, Reclaiming 342. Aufgrund der in Diktion und Vokabular gegebenen Nähe zum Buch Dan verortet FABRY, Texte 26 das Frag-

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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zeitliches, vielleicht apokalyptisches 8 Szenarium, in dem eine Zeit der Bedrängnis von einer göttlichen Heilszeit abgelöst wird, die durch Gott selbst oder einen Repräsentanten Durchsetzung erfährt. Die Zeile 4Q246 II 1 enthält die Syntagmen „Sohn Gottes" und „Sohn des Höchsten", wobei die Identität der bezeichneten Person schwer zu bestimmen ist. Entsprechend dem schlechten Erhaltungszustand des Textes wurden etliche differierende Deutungen angeboten. F. García Martínez denkt an einen „endzeitlichen Befreier himmlischer Natur, ähnlich dem ,Menschensohn' aus Dan 7" zur universalen endzeitlichen Heilsherrschaft, der eine besondere, vergöttlichte Messiasgestalt neben königlichem und priesterlichem Gesalbten darstellt, und verweist dabei auch auf llQMelch. 9 É. Puech und J.J. Collins vertreten eine messianische (im Sinne einer königlichen Gesalbtenerwartung) Deutung des Textes, so daß der Gesalbte als „Sohn Gottes" und „Sohn des Höchsten" betitelt wäre. Puech versteht dabei diverse atl Stellen wie 2 Sam 7 oder Ps 2 messianisch, was freilich titelgeschichtlich nicht gerechtfertigt ist; auch Ez 34,23f. und 37,24f. enthalten keine Gesalbten-Terminologie, dennoch zählt Puech auch diese zu seinen messianischen Belegen. 10 Er liest weiter Z. 4 als Höhepunkt der vorausgehenden Krisenzeit und versteht die geschilderte Gestalt mit der endzeitlichen Aufgabe der Aufrichtung des Friedens betraut.11 Die Alternative zwischen historischer (Antiochos IV. Epiphanes) und messianischer Deutung läßt er offen, wobei er an einen vergöttlichten himmlischen Messias ähnlich Melchisedek und dem himmlischen Menschensohn denkt.12 In einem späteren ment in Entstehung und Aussage inhaltlich in zeitlicher Nähe zu Dan; vgl. DERS., Apokalyptik 95f.; so auch PUECH, Remarks 546.550f. 8 So FLTZMYER, 4Q246, 166; ebenso DERS., Son of God 165; DERS., Contribution 91Í.106; ZIMMERMANN, Texte 137f. 9 GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 188-193, Zitat 192; vgl. auch seine Untersuchung: DERS., Eschatological Figure (1992), 162-179. Ganz ähnlich stellt LAATO, Star 314-316 auf der Basis einer (vermeintlichen) Strukturähnlichkeit mit Dan 7 die Deutungsmöglichkeit fest, daß in 4Q246 „an angelic saviour figure" gemeint sei, die „a transcendental equivalent to the human Messiah" darstelle (316). - Zur Interpretation auf eine Engelsgestalt vgl. auch COLLINS, Scepter 161-163, der diese aber letztlich als nicht textgemäß ablehnt. Kritisch demgegenüber auch ZIMMERMANN, Texte 156. 10 PUECH, Fragment 98.100.127. - Vgl. zum messianischen Verständnis von 4Q246 auch KUHN, Rom l,3f., 103-113; KIM, Son of Man 20-22; GNILKA, Christen 106. - Einwände gegen eine messianische Deutung formuliert FITZMYER, Son of God 171-175; DERS., 4Q246, 170-173. Kritisch gegenüber einer messianischen Deutung auch ABEGG, Messiah 138 (mit weiterer Literatur). " PUECH, Fragment 116f. 12 Ebd. 127.129f. - Für eine Einzelgestalt sprechen auch WISE/TABOR, Messiah 61;

KNIBB, M e s s i a n i s m 1 7 5 - 1 7 7 ; COLLINS, S c e p t e r 1 6 1 ; SCHIFFMAN, R e c l a i m i n g 3 4 4 ; EISEN-

MAN/WLSE, Jesus 74f. - J.T. MLLIK denkt an eine Darstellung der seleukidischen Geschichte

500

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Beitrag legt sich Puech auf die historische Interpretation (Antiochos IV. Epiphanes als Negativfigur) fest und schließt ein messianisches Verständnis definitiv aus.13 Von den atl Stellen 2 Sam 7 und Ps 2; 89, wo die SohnesBezeichnung im Kontext israelitischer Königsideologie begegnet, sowie von der Aufnahme des Gedankens in Lk 1,32.35 („Sohn des Höchsten") her sieht Collins den davidischen Messias angesprochen.14 Er verweist darüber hinaus auf die Parallelstruktur in 4Q246 I 4 - II 9: feindliche Könige - königlicher Messias; Vergehen der Königreiche - ewige Königsherrschaft. Dies erinnere an die Struktur von Dan 7, so daß der Menschensohn aus Dan 7 als Folie für die Darstellung in 4Q246 gedient haben mag. J.A. Fitzmyer lehnt ein messianisches Verständnis ab und sieht einen zukünftigen jüdischen Herrscher als Nachfolger auf dem Thron Davids, der

in Form eines Visionsberichts, wobei der eschatologische Friede anvisiert ist; diese Friedenszeit folgt auf die negativ bewertete (vgl. die im auf Münzprägungen sichtbaren Beinamen „Theopator" dokumentierte göttliche Anmaßung) Machtkumulation des Alexander I. Balas (150-145 v.Chr.); die Position Miliks summieren FABRY, Texte 26 und FITZMYER, Contribution 92. 13 PUECH, Remarks (1999), 545-551; er deutet die positiven Aussagen II 4-9 auf das Volk Gottes (548f.), lehnt aber eine Qualifizierung als „kollektiver Messianismus" ab (550). 14 COLLINS, He Shall 155f. Zum Folgenden DERS., Son of God 70f.76-82; auch DERS., Scepter 157-160.163-167; DERS., Jesus 107-112. Zustimmung äußert EVANS, Jesus 108-111; er stützt sein Urteil u.a. auf Parallelen zwischen 4Q246 und Jes 10,20-11,16; vgl. DERS., Dead Sea Scrolls 94; DERS., „Son" Texts 142f. (Parallelen in Lk 1,32-35 und 2 Sam 7,9-16). Vgl. BROOKE, Kingship 445-449 (der neben Lk 1,32-35 noch Joh 10,22-39 zur Deutung heranzieht); als Möglichkeit OEGEMA, Expectations 80f. Auch ZIMMERMANN, Texte 158170 sieht eine messianische Gestalt als „Sohn Gottes" betitelt, wofür er auf atl Parallelen verweist, die dem davidischen König diese Bezeichnung beilegen (159-161); umgekehrt sei die negative Verwendung des Ausdrucks ohne jüdische Parallele; die Struktur des Textes (zweimaliger Wechsel von feindlicher und göttlicher Herrschaft; 161f.) und die Funktion des Individuums als Repräsentant des Volkes Gottes in II 4-9 (163f.) unterstützen diese Deutung; entscheidend sei der Vergleich mit Dan 7, wobei im Gedanken der Repräsentation der „Menschensohn" mit dem „Sohn Gottes" verbunden ist (165-168); in Konsequenz vertritt Zimmermann eine Datierung um die Zeit des Buches Dan und versteht „Sohn Gottes" im palästinischen Judentum als Bezeichnung des Menschensohnes - der „Sohn Gottes" aus 4Q246 sei eine messianische Gestalt wie der Menschensohn (!), wozu die Verschmelzung von Messias und Menschensohn in den Bilderreden des äthHen und 4 Esr 13 eine Fortsetzung darstelle. Vgl. auch DERS., Observations (1998), 179-188. Kritik: Diese deutlich späteren Texte sollten freilich nicht zur Eruierung von Aussageweisen eines Textes aus dem 2. Jh. v.Chr. herangezogen werden. V.a. aber muß der terminologische Gebrauch beachtet werden: weder in Dan 7 noch in 4Q246 begegnet „Gesalbten"-Vokabular, vielmehr stellt der „Menschensohn" einen eigenen Traditionskreis gegenüber der königlichen Gesalbtenerwartung dar, wobei erst später (Bilderreden des äthHen) eine Zusammenführung stattfand, die dann aber auch eindeutig terminologisch fixiert wurde. In 4Q246 ist gerade nicht vom Menschensohn und auch nicht vom Gesalbten gesprochen!

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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möglicherweise der hasmonäischen Dynastie angehört, verheißen; es handelt sich dabei um eine historische Gestalt, auf die der „Messias"-Titel nicht angewandt wird und in der Gottes Bewahrung des davidischen Thrones Bestätigung finden soll.15 Gegen diese Annahme ist aber kritisch anzumerken, daß in 4Q246 nirgends von David oder der davidischen Dynastie gesprochen wird; eine so gezeichnete Heilsgestalt in göttlicher Legitimation, wie Fitzmyer sie vorstellt, fordert auf dem Hintergrund unserer Kenntnisse aus zeitgenössischen Texten eine messianische Interpretation geradezu heraus. D. Flusser deutet 4Q246 auf die Figur eines Antichristen, der nicht als historische Gestalt, sondern als menschliche Verkörperung der Mächte des Bösen zu verstehen ist; dieser bringt Unheil und Schrecken über die Erde, sammelt Anhänger, die ihn verehren, und maßt sich göttliche Würde an.16 Etwas allgemeiner interpretiert auch O. Hofius den „Sohn Gottes" als eine sich göttliche Würde anmaßende Gestalt,17 also in negativer Charakterisierung als einen Gegenspieler Gottes und seines Volkes. Wieder anders schließt M. Hengel eine kollektive Deutung der Aussagen auf das Volk Gottes, das in Repräsentation Gottes die Herrschaft übernimmt, nicht aus und verweist dabei unterstützend auf die kollektive Verständnismöglichkeit von Dan 7,13.18 Auch die Übersetzung von J. Maier favorisiert Gottes Volk als Träger der Herrschaft." H.-J. Fabry geht von vorqumranischer Ansetzung des Textes aus und beobachtet das Fehlen messianischer Terminologie, Anklänge an die atl Königsideologie, eine historische Epochengliederung (in drei Teile) und als die Zielphase der Geschichte bestimmende positive Größe das Volk Gottes; er stellt daraufhin einen Vergleich mit Dan 7,25 und 11,36 an, wo die Blasphemie des Antiochos IV. Epiphanes angegriffen wird, dessen im Prädikat „Epiphanes" enthaltene Hybris einer epiphanen Gottheit eine Nähe zur „Sohn Gottes"Titulatur aufweist (vgl. 2 Makk 9) und der die massive Gegnerschaft des jüdischen Volkes erfuhr, die im Makkabäeraufstand gipfelte; zudem steht auch im Buch Dan ein Epochenschema der Geschichte im Hintergrund; so sei 4Q246 eine Streit- und Trostschrift in widrigen geschichtlichen Verhältnis15 FITZMYER, Son of God 175; ebenso OERS., 4Q246, 173f.; DERS., Contribution 92f.l06. Auch VANDERKAM, Messianism 219 Anm. 16 sieht eine Aussage zu einer historischen Königsgestalt. 16 FLUSSER, Hubris 31-37. - Einwände gegen Flussers Vorschlag formuliert ZlMMERMANN, Texte 154f. 17 HOFIUS, Jesus 109; ebenso KOCH, Heilandserwartungen 118. 18 HENGEL, Sohn Gottes 71 f. - Zur geläufigen Verbindung der Herrschaft Gottes mit der Herrschaft seines Volkes vgl. DERS., Zeloten 314 (z.B. Dan 2,44; 7,27; Josephus, Ant 4,114.116f.; 1QM II 7; XI 13; XII 13f.; XVII 7f.; Jub 26,23; 32,18f.). " MAIER, Qumran-Essener II 190f. - Zum Volk Israel als Sohn Gottes vgl. atl Ex 4,22f.; Hos 11,1; Sir 36,17. - Gegen eine kollektive Deutung COLLINS, Scepter 161.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

sen.20 A. Steudel deutet die negative Königsfigur ebenfalls auf Antiochos IV. Epiphanes und argumentiert fur ein kollektives Verständnis des Textteils II 49, wo in antithetischer Struktur zum voraufgehenden Abschnitt das Volk Gottes eine positiv bewertete Funktion erfüllt.21 Die Vielzahl der Auslegungen22 resultiert aus der Schwierigkeit eines auch nur halbwegs eindeutigen Textverständnisses. Darauf muß nun eingegangen werden. Die der fur eine Sohn Gottes-Titulierung relevanten Zeile 4Q246 II 1 voraufgehende Kol. 11-9 ist nur stark fragmentarisch überliefert.23 In dieser Kolumne sind bei allen neun Zeilen jeweils einige Worte am Zeilenanfang zerstört, so daß kein zusammenhängender Text mehr vorliegt und der Sinn der Zeilen notgedrungen vage bleibt. An erkennbaren Bedeutungseinheiten seien genannt: Eine Person fällt vor einem Thron nieder (Z. 1); ein König wird als solcher angeredet und als zürnend charakterisiert (Z. 2); eine Vision und eine ewige Dauer finden Ausdruck (Z. 3); eine Zeit der Bedrängnis auf Erden, ein Gemetzel in den Provinzen und im Zusammenhang damit der König von Assur und Ägypten sind angesprochen (ZZ. 4-6); jemand wird als „groß" auf Erden hervorgehoben (Z. 7); vom Dienen aller ist die Rede (Z. 8); nochmals wird eine Gestalt „groß" genannt (Z. 9a). Als inhaltliche Aussage läßt sich bis dahin letztlich nur entnehmen, daß von einer Königsherrschaft gehandelt wird, die im Zusammenhang mit einer Unheilszeit auf Erden steht, ohne daß das Verhältnis positiv oder negativ verifizierbar wäre; vielleicht

20

FABRY, Texte 27; DERS., Apokalyptik 95-98 betont noch stärker den Aspekt der Herrschaftskritik, die bis zur Ablehnung jeder Herrschergestalt gesteigert ist und sich gegen einen König richtet, der sich die Rolle des eschatologischen Heilsbringers anmaßt, und dessen Anspruch ironisiert. Vgl. auch PUECH, Fragment 115f.127.129f.; DERS., Remarks 546-551. Zustimmend zu Fabry MOLLER, Sohn Gottes 2-4; vgl. auch STUHLMACHER, Gottesknecht 147-149; BERGER, Qumran 97f. An eine blasphemische Figur, vielleicht Antiochos IV., denkt auch COOK, 4Q246 (1995). 21

STEUDEL, E t e r n a l R e i g n 5 1 1 - 5 2 1 .

22

Zu einer kritischen Würdigung verschiedener Interpretationen vgl. FLTZMYER, 4Q246, 167-173, sowie DERS., Son of God 168-175. Zu diesen und weiteren Deutungsvarianten vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 191; COLLINS, H e S h a l l 155; DERS., S c e p t e r 1 5 5 - 1 5 7 . 23 Dieser fragmentarische Charakter von Kol. I sollte Zurückhaltung gegenüber zu detaillierten Rekonstruktionen der vorauszusetzenden Situation innerhalb der Textschilderung anmahnen. Ein Beispiel flir einen solchen problematischen Versuch bildet die Annahme von SCHIFFMAN, Reclaiming 342, es werde vom Propheten Daniel gesprochen, der vor dem Thron des babylonischen Königs niederfallt und ihm seinen Traum deutet. Eine anders geartete Textrekonstruktion bietet z.B. FlTZMYER, Contribution 92f., der die Gestalt eines Königssohnes sichtbar macht. Vertretbar ist demgegenüber die Darbietung des Textes in der Übertragung von MAIER, Qumran-Essener II 190, der die Lückenhaftigkeit der Zeilen offenlegt.

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

503

stehen sich auch die Königsherrschaft Gottes und eine irdische Herrschaft als Gegenmacht gegenüber.24 Eine Schwierigkeit beim Verständnis der folgenden Sinngruppen liegt in der nicht klar erkennbaren Abtrennung der syntaktischen Einheit. Im einzelnen stellt sich die Frage, ob mit II 1 eine neue Satzeinheit beginnt25 oder ob der in I 9 begonnene Satz in II 1 seine Fortsetzung findet.26 Der aramäische Text lautet:27 ΠΌΓΓ Π02Ώ1 (I 9b)

K'P'D ranp1 i r ^ r -οι - m i r

M TO (II i)

Mit („wie Sternschnuppen", II lfm) beginnt dann deutlich ein neuer Satz. Zu einer sinnvollen Satzabgrenzung fuhren folgende Überlegungen. I 9b schließt an das Vorangehende mit Ί an, ebenso wird der zweite Satzteil von II 1 durch Τ mit dem ersten verbunden (~Q1). Zu Beginn von Ζ. 1 steht hingegen kein 1, was auf den Anfang einer neuen syntaktischen Einheit weist. Darauf deutet auch die Beobachtung, daß in I 9b, II la und lb die Aussagen jeweils nach dem gleichen Schema konstruiert sind, bei dem auf eine Nominalphrase eine Verbform folgt. Durch diese Satzeinteilung entsteht in Verszeile 1 von Kol. II ein Parallelismus membrorum, was einem geläufigen formalen Prinzip entspricht.28 Die drei Verben in I 9b und II 1 gehören dem gemeinsamen Wortfeld „nennen, bezeichnen" an, womit sich eine sachliche Zusammengehörigkeit der Bedeutungseinheiten andeutet. Ungewöhnlich ist die Konstruktion Ή ÏT"Q, da das Pronominalsuffix Π in Verbindung mit dem durch das Relativpronomen Ή angeschlossenen Substantiv 'PK tautologisch erscheint. Sachlich nimmt das Possessivsuffix Π in einer proleptischen Konstruktion die nähere Bestimmung des Sohnes (~Q) durch die beigeordnete Relativphrase 24 Ob hier wirklich „an apocalyptic vision of the eschatological war" vorliegt, wie LAATO, Star 314 unter Hinweis auf die Nennung von Assyrien und Ägypten in 1QM meint, läßt sich nicht verifizieren; die Klassifizierung von Kol. I als Vision und Kol. II als Deutung (LAATO, Star 314f.) ist aus der Luft gegriffen. 25 So die meisten Interpreten; vgl. PUECH, Fragment 109; FITZMYER, Son of God 167;

DERS., 4 Q 2 4 6 , 1 5 5 ; GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 190; ZIMMERMANN, T e x t e 130; DERS., Observations 175.177. 26 Dieses Verständnis liegt der Übersetzung von MAIER, Qumran-Essener II 190 zugrunde: ... (I 9b) „und mit seinem Namen/Beinamen wird (auch) bezeichnet" - Ende der Kolumne - (II 1) „sein(en) Sohn, da er (der König) ,Gott' genannt wird und man ihn als ,Sohn des Höchsten' benennen wird" .... 27 Vgl. PUECH, Fragment 106; FITZMYER, 4Q246, 155 (zum Textverständnis ebd. 161163); DERS., Son of God 166 (Differenz: trennt am Ende von I 9b il] DÎT1; wohl ein typographisches Versehen). 28 PUECH, Fragment 114 spricht für die beiden Halbverse in Z. 1 von „parallélisme synonymique".

504

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

^ H vorweg. Damit ist das Syntagma mit „Sohn Gottes" durchaus korrekt übersetzt, die schwerfällige Konstruktion legt jedenfalls auf diese Wendung einen sprachlichen Akzent, dessen inhaltliche Deutung jedoch dunkel bleibt und daher nicht überzogen werden sollte.29 Andererseits wird aus der komplexen syntaktischen Verbindung deutlich, daß es sich dabei (noch) nicht um einen geprägten, abgeschliffenen Terminus technicus handelt. Der titulare Charakter scheint wegen der im Text artikulierten Voraussetzung der Benennbarkeit jedoch bereits gegeben.30 Auf diesem Hintergrund kann nun eine Übersetzung der relevanten Zeilen erfolgen:31 (I 9)... gr]oß wird er genannt, und mit seinem Namen wird er bezeichnet. (II 1) Sohn Gottes wird er genannt, und Sohn des Höchsten wird man ihn nennen. ...

Trotz der zahlreichen und unterschiedlichen Lösungsversuche bleibt die Schwierigkeit der konkreten Identifizierung des „Sohnes Gottes" bzw. „Sohnes des Höchsten" bestehen.32 Die Vorstellung eines Sohnes Gottes könnte sich atl Königsideologie verdanken, z.B. der Aussage der Natan-Weissagung in 2 Sam 7,14, daß Gott für den davidischen König Vater und der König für Gott Sohn sei.33 Dies gilt sowohl für eine positive als auch eine negative Gestalt,

29 Die Konstruktion fallt auch deswegen auf, weil im folgenden Halbvers als parallele Nominalphrase "Π und in direkter Konstruktion verbunden sind. Damit werden Überlegungen, die mittels der proleptischen Konstruktion die Wahrung der Distanz zwischen Gott und dem „Sohn" ausgedrückt finden wollen, äußerst fraglich. Eher schon soll diese Verbindung von Gott und „Sohn" hervorgehoben werden, womit auf die so bezeichnete Figur das Gewicht göttlicher Erwählung gelegt wird. Ob damit im positiven Sinne eine Heilsgestalt ausgezeichnet oder negativ die Anmaßung eines Widersachers pointiert werden soll, läßt sich von der Konstruktion her nicht entscheiden, so daß beide Alternativen möglich bleiben. - Gegenüber der Version von MAIER, Qumran-Essener II 190, der kausal auffaßt und damit eine eigene syntaktische Einheit beginnt, ist die sprachliche und inhaltliche Einheit der Konstruktion i"l~Q hervorzuheben. 30 Nach FlTZMYER, Contribution 106 ist der Titelcharakter deutlich; der Titel intendiert weder göttliche Zeugung noch Inkarnation Gottes, wofür der Text keinerlei Hinweise bietet (ebd. 1 0 7 ) . 31 Übersetzung von mir, in Anlehnung an GARCÍA MARTINEZ, Erwartungen 190. 32 Zeitgenössisch existieren im Frühjudentum weder exakte Parallelen für positiven Gebrauch der Titel in bezug auf eine Gesalbtengestalt (am nächsten liegt 4Q174 III 10-13) noch für negativen Gebrauch hinsichtlich eines hybriden Herrschers. Damit erübrigt sich die Argumentation von ZIMMERMANN, Observations 179-181 (es gebe keine Parallelen für negativen Gebrauch), der auf atl Texte und Lk l,32f.35 verweist; der christliche Text resultiert aus einer anderen sozioreligiösen Situation und verwendet den Titel fur eine historisch verifizierbare Gestalt. 33 An diese Stelle denkt FlTZMYER, 4Q246, 162. Vgl. Ps 2,7; 89,27-30. Zur atl Fundierung auch ZIMMERMANN, Texte 159f.l64. Dieser potentielle Hintergrund spricht gegen die Annahme von STEUDEL, Eternal Reign 511-514.520f., die Titel seien nur aus hellenistischem

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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denn im letzteren Fall wird auf diesem Hintergrund die unrechtmäßige Anmaßung der Gegengestalt in ihrer Absage an Gottes freie Erwählung erst richtig deutlich. Die Benennung als „Sohn des Höchsten"34 bietet eine weitere Charakteristik dieser Gestalt, die in engem inhaltlichen Zusammenhang mit den voraufgehenden Bezeichnungen steht. Die vollständig erhaltene Kol. II spricht also offenbar weiter von der in I 9 als „groß" bezeichneten Gestalt und fuhrt zur eingehenderen Kennzeichnung ihres Wesens die Benennung als Sohn Gottes und Sohn des Höchsten an (II 1). Das gehäufte Auftreten an sich positiv denotierter Wendungen („groß", „Sohn Gottes", „Sohn des Höchsten") spricht eher für ein Verständnis als von Gott ermächtigte Heilsgestalt. Im Anschluß wird von einer nur kurz andauernden zerstörerischen Königsherrschaft geredet (II 2f.), worauf in Z. 4 (vgl. das doppelte vacai) ein inhaltlicher Neueinsatz erfolgt, der eine Umkehr der desolaten Zustände verheißt: es entsteht eine ewige Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit, die durch Gottes Kraft aufgerichtet wird und mit einer (nicht explizit identifizierten) Gestalt verbunden ist (II 4-9). Nimmt man das zweimalige vacai in Z. 4 als Gliederungssignal ernst, ergibt sich eine Textstruktur, die eine positive Herrschaft (II 4-9) einer negativen Zeit (I 4 - II 3) folgen läßt. Der an die Titulierungen in II 1 anschließende Text lautet im Zusammenhang:35 (II 1) ... Wie die Sternschnuppen, (2) die du gesehen, so wird ihre Königsherrschaft sein: Jah[re] werden sie herrschen über (3) die Erde und sie werden alles niedertreten, ein Volk wird ein anderes Volk niedertreten und eine Provinz eine andere Prov[inz.] (4) [vacat] Bis aufsteht Gottes Volk36 und allem Ruhe verschafft vor Verwüstung/Schwert, [vacat] (5) Seine Herrschaft wird eine ewige Herrschaft sein und alle seine Wege sind (der) Wahrheit (gemäß). Er/es rich[tet] (6) die Erde in Wahrheit und wird alles vollkommen ausführen, Verwüstung/Schwert wird von der Erde verschwinden (7) und alle Provinzen huldigen ihm. Der große Gott wird zu seiner Hilfe (8) dasein, Er fuhrt für ihn/es Krieg, Völker gibt er in seine Hand und sie alle (9) wirft er hin vor ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft und alle Gebiete [Ende der Kolumne]

Als Einzelgestalt verstanden, trägt die Figur in ZZ. 5-9 deutlich messianische Züge im Sinne der königlichen Gesalbtentradition: ewige Friedensherrschaft Milieu (als griechisch-römische Königstitel) verständlich. Gegen Steudel auch LAATO, Star 315f. 34 FLTZMYER, 4Q246, 162 weist auf den vergleichbaren Ausdruck in Lk 1,32 (und ähnlich 6,35 im Plural) hin; zum atl Hintergrund des Begriffs jV^Ü (z.B. Ps 83,19; 97,19) ebd. 162f. Als „Höchster" (altissimus) wird Gott 68mal in 4 Esr tituliert (vgl. 4 Esr 3,3; 4,2; u.ö.); vgl. schon Sib 3,719. 35 Meine Übersetzung erfolgt in Anlehnung an MAIER, Qumran-Essener II 190f. Die alternativ angegebenen Varianten des Subjekts als Maskulin bzw. Neutrum halten verschiedene Interpretationsmöglichkeiten offen. 36 Zur Begründung dieses Textverständnisses, das Gottes Volk als handelndes Subjekt begreift, vgl. ZIMMERMANN, Texte 147f.

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in Wahrheit, Gerichtsfunktion, Durchsetzung auf der militärischen Ebene zugunsten einer Zeit der Ruhe, göttliche Unterstützung, Hilfe fur Gottes Volk. Zudem erinnern die Bezeichnungen „Sohn Gottes" und „Sohn des Höchsten" an atl Texte, die eine Verheißung eines davidischen Königs enthalten (2 Sam 7,14; Ps 2,7; 89,27-30).37 Sollte diese potentiell messianische Gestalt mit der oben in II 1 erwähnten identisch sein, böte der Text allerdings einen seltenen Beleg für die frühjüdische Titulierung des „Messias" als Sohn Gottes, wie sie auch in 4Q174 III 10-13 innerhalb eines Zitates von 2 Sam 7,14 und seiner messianischen Deutung begegnet. Allerdings erweist sich der erhaltene Text als so unklar, daß eine solche Identität nicht mehr verifizierbar ist. Zudem gilt es zu bedenken, daß keinerlei „Gesalbten"-Terminologie, auch keine damit in paralleler Denotation verbundene Titulatur, sichtbar wird, so daß es geboten erscheint, hier nicht einfachhin vom „Messias" zu sprechen; ein solcher Sprachgebrauch wäre allein auf die genannten motivlichen Übereinstimmungen gegründet, die für sich genommen aber nicht notwendig auf eine messianische Gestalt weisen, sondern auch von Gott selbst oder seinem Volk aussagbar sind. Eine weitere Deutungsmöglichkeit erhellt die Unsicherheit der messianischen Interpretation. II 4-9 kann auch kollektiv verstanden werden und das Volk Gottes als handelndes Subjekt voraussetzen, so daß nach dem Auftreten einer Gegenspieler-Gestalt, die sich göttliche Würde beilegt (I 4 - II 3),38 allein Gott selbst und sein Volk die Handlung tragen und die Friedensherrschaft errichten (II 4-9). Für diese Position ließe sich die Beobachtung anführen, daß beim Neueinsatz in Z. 4 als einzig konkret faßbare personale Entität das Volk Gottes verbalisiert ist. Die Pronominalsuffixe in II 5-9 ge37 Darauf weist KNIBB, Messianism 176 hin und lehnt so eine Deutung auf eine Engelsgestalt wie Michael oder Melchisedek ab; vgl. auch COLLINS, Scepter 163-166. 38 Diesbezüglich scheint ein Hinweis auf Dan 11 f. angebracht. Der in Dan 11,21-45 geschilderte Usurpator der Königswürde (wohl Antiochos IV. Epiphanes) führt eine Unheilszeit für Israel herauf und zeigt sich anmaßend selbst gegenüber den Göttern (11,36). Danach bewirkt der Engelfürst Michael als Repräsentant Gottes eine Heilszeit, indem er Israel Rettung bringt (12,1-3). Es bestehen inhaltliche Ähnlichkeiten zur Szenerie in 4Q246, doch begegnen die Titel „Sohn Gottes" und „Sohn des Höchsten" nicht. Möglicherweise läßt sich das Verhältnis der Texte nicht als literarische Abhängigkeit, sondern als Analogiebildung verstehen. - Andererseits finden sich nahezu wörtliche Entsprechungen von 4Q246 II 5 zu Dan 7,27 und von II 9 zu Dan 7,14. - Unwahrscheinlich ist eine Personenkonstellation, die von einer Unheilszeit (I 1-8), einer von Gott getragenen Heilszeit (I 9 - II 1), einer erneuten Unheilszeit (II 2f.) und schließlich dem Volk Gottes als Träger einer Heilsherrschaft (II 4-9) ausgeht, da zu viele Handlungsträger in diesem kurzen Text nötig wären und zudem die Heilsgestalt aus I 9 - II 1 keine eigentliche Funktion besäße; wird in II 4-9 auf Gottes Volk gedeutet, bleibt für die Gestalt von I 9 - II 1 nur die Annahme eines anmaßenden Gegenspielers.

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statten auch diese Interpretation.39 Damit wäre der „Sohn Gottes" nicht als Heilskönig, sondern als Gegenfigur, die sich zu Unrecht göttliche Würde anmaßt, verstanden.40 Die zwischen diesen Positionen bestehende Spannung löst sich etwas, freilich zugunsten der singulären Identifikation, berücksichtigt man die Möglichkeit, daß die Einzelgestalt des „Sohnes Gottes" als Repräsentant des Volkes Gottes fungieren kann, was in Analogie zu Dan 7,17.23-27 verstanden werden mag, wo eine Königsgestalt für ein Königreich, also ein individueller Repräsentant für die Gesamtheit eines Volkes steht.41 Für die eruierten Formen einer königlichen Gesalbtenerwartung ist diese Funktion der Repräsentation eines ethnischen Kollektivs durch eine „Sohnes"-Gestalt allerdings nicht typisch. Die bestehenden Anklänge an die Gestalt des Melchisedek von llQMelch zeigen - bei vorausgesetzter positiver Interpretation der Gestalt - das sich aus der Nähe, d.h. Erwählung Gottes konstituierende Wesen des „Sohnes Gottes", was auf dem Hintergrund von Ps 110,4 gesehen werden kann, wo dem davidischen König ein ewiges Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks verheißen wird.42 Die Figur des Melchisedek stellt freilich keinen Bestandteil der sonst nachweisbaren königlichen Gesalbtenerwartung dar. Sollte sich der Titel „Sohn Gottes" auf eine Anti-Gestalt bezie39

S o GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 192. V g l . FITZMYER, C o n t r i b u t i o n 9 1 ; ZIMMER-

MANN, Texte 149-151; auch DERS., Observations 184. - Einen neu zugänglich gemachten Beleg für das kollektive Verständnis des Volkes Israel als endzeitlicher „geliebter Sohn" Gottes liefert der von ELGVIN, Renewed Earth (1999), Text: 577, erstmals edierte Text 4Q475, Z. 7, der das Syntagma 31ΠΚ ρ bietet, das von Elgvin (586-589) im Kontext biblischer und qumranischer Vorstellungen von Israel als Sohn Gottes gedeutet wird. - Bei der in 4Q369 Fr. 1, II 6 ausgesagten Einsetzung zum Sohn Gottes mit offensichtlich königlicher Funktion bleibt der Bezug (zu einer historischen Gestalt; zu Israel?) unklar; dazu ZIMMERMANN, Texte 211-222, der die Deutung auf die davidisch-messianische Tradition oder die Erwartung eines Henoch redivivus offen läßt. EVANS, „Son" Texts 145-152 deutet auf einen davidischen königlichen Messias als Sohn Gottes, doch läßt sich seine Deutung terminologisch nicht verifizieren; die von ihm vorausgesetzten Qumran-Belege fur einen messianischen Sohn Gottes (ebd. 137-145) sind größtenteils höchst unsicher. Erwägenswert wäre eine kollektive Interpretation auf das Volk Israel, dessen Bezug zu seinem Gott in der SohnMetapher Ausdruck findet (vgl. auch 4Q504 Fr. 1+2 III 6). Text: DJD XIII (1994), 353-362. 40 Die Vorstellung eines machtvollen endzeitlichen Gegenherrschers, der sich als gewalttätiger Tyrann gegenüber den Gläubigen Israels verhält, findet sich in AssMos 8,1 bezeugt; von einer Anmaßung göttlicher Würde durch diesen König ist an dieser Stelle jedoch nicht die Rede. - Historisch könnte an Antiochos IV. Epiphanes gedacht werden (vgl. Dan 7,25; 11,36); dazu FABRY, Texte 27; DERS., Apokalyptik 97f.; STEUDEL, Eternal Reign 511-519; PUECH, Remarks 546.550. 41 Dazu COLLINS, Scepter 159. Als eine Möglichkeit nennt FITZMYER, Contribution 92 das Verständnis der Einzelgestalt als Repräsentanten eines Kollektivs, wobei er auf den Menschensohn in Dan 7,13 verweist, der die „Heiligen" von 7,18 repräsentiere. Vgl. auch ZIMMERMANN, Texte 163f.; DERS., Observations 185. 42 Vgl. zu diesen Entsprechungen PUECH, Fragment 129; KNIBB, Messianism 177.

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hen, so ist via negativa die Anmaßung des königlichen Gegenspielers erst auf dem Hintergrund einer positiven Titulierung einer königlichen Gestalt als „Sohn 'Gottes" verständlich. 43 Für eine solche Anrede bietet die im AT noch erkennbare Königsideologie Israels Anhaltspunkte, so daß wiederum keine messianische Deutung notwendig wird, also auch kein indirekter Hinweis auf die Bezeichnung eines Gesalbten als Sohn Gottes vorliegt. Fazit: Die terminologische und sachliche Unklarheit des Fragments 4Q246 befrachtet jede Interpretationshypothese mit großer Unsicherheit und warnt vor Schlußfolgerungen aus dem Text, die über das hinausgehen, was sich aus dem Qumran-Schrifttum sonst erheben läßt. Die Deutung auf eine königliche Gesalbtengestalt scheint zwar durchaus möglich und von 4Q174 her auch bestätigt, ist aber nicht beweisbar. Einer durch diesen Text ausgewiesenen Titulierung eines Gesalbten als Sohn Gottes gegenüber gilt folglich Zurückhaltung. Mehr als Anklänge an die königliche Gesalbtenerwartung kann diesem Text in keinem Fall entnommen werden, so daß man damit keine Hypothese hinsichtlich einer Gesalbtentradition stützen kann.

11.1.2 Texte im Verdacht christlicher Interpolation Die Stellen 4 Esr 7,28; 13,32.37.52; 14,9 sind der christlichen Interpretation bzw. Interpolation verdächtig und werden wahrscheinlich ursprünglich von einem „Knecht Gottes" (παις), nicht von einem „Sohn" (υιός) gesprochen haben. 44 Die Lesart filius in Verbindung mit dem Namen Iesus in der lateinischen Version von 4 Esr 7,28 beweist die textliche Realisierung dieses christlichen Verständnisses. Die Varianten „Jüngling" bzw. „Knecht", die verschiedentlich in den beiden arabischen und der äthiopischen Übersetzung zu 13,32.37.52 und 14,9 Verwendung fanden, deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Substantiv π α ΐ ? im griechischen Vorlagetext. 45 Wenn eine solche christliche Überarbeitung auch nicht für alle Stellen zwingend nachweisbar ist, so erscheint sie doch äußerst wahrscheinlich. 4 Esr bietet somit wenig

43 HAHN, Hoheitstitel 476 stellt im Anhang zur 5. Auflage fest, daß es sich in 4Q246 unabhängig von einem Bezug auf einen Antimessias oder einen Messias „eindeutig um eine messianische Prädikation mit titularem Charakter" handelt. - In Frage steht jedoch bereits das Verständnis der Gestalt als „Gesalbter". 44 Vgl. die Angaben bei SCHREINER, 4. Buch Esra 345.397.399.401 jeweils z.St.; so z.B. auch MÜLLER, Sohn Gottes 1. Optimistischer urteilt COLLINS, Scepter 165, der auch bei der möglichen Lesart παις im griechischen Text einen „Sohn Gottes" gemeint sieht. 45 Im einzelnen: 13,32: Ar1 Jüngling, Ar2 Knecht; 13,37: Äth Ar 12 Jüngling; 13,52: Ar1 Jüngling, Ar2 Knecht; 14,9: Ar' Jüngling, Ar2 Knecht.

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sicheren Grund fur weiterreichende Aussagen zur Sohnes-Bezeichnung des Gesalbten. In TestLev 4,4 wurde die christliche Interpolation des ganzen betreffenden Teilsatzes wahrscheinlich gemacht,46 so daß diese Stelle als Beleg ausscheiden muß. Auch für äthHen 105,2 ist mit christlicher Interpolation zu rechnen.47 In ApkEl 41,6f. scheint es zumindest unklar, ob „Sohn Gottes" einen jüdischen Gesalbtentitel oder eine christliche Eintragung darstellt.48 Da Entstehung und Überarbeitung der ApkEl deutlich nach dem 1. Jh. anzusetzen sind,49 kommt das Werk zur Erhebung von geläufigen Vorstellungen des 1. Jh. ohnehin nicht in Betracht. Eine eigenständige titulare Verwendung des Syntagmas „Sohn Gottes" als frühjüdische Gesalbtenbezeichnung bleibt bis auf wenige Ausnahmen fraglich.50 Jedenfalls ist deutlich, daß dem Motiv im Zusammenhang der königlichen Gesalbtentradition bestenfalls untergeordnete Bedeutung eignet.51 Inhaltlich darf der Titel „Sohn Gottes" ganz entspre46

Vgl. BECKER, Testamente 50 z.St.; SCHRÄGE, Elia 270 (zu ApkEl 41,6f.). Dazu UHLIG, Henochbuch 742 z.St.; SCHRÄGE, Elia 270. 48 Vgl. SCHRÄGE, Elia 270 z.St. 49 Dazu HAHN, Apokalyptik 86; SCHRÄGE, Elia 220-225. - Als später Beleg trägt auch die Identifizierung des „Sohnes" mit dem „König Messias" im Targum zu Ps 80,16 nichts für die Suche nach Belegen aus frühjüdischer Zeit aus; vgl. zum Text BILLERBECK, Kommentar III 19; HAHN, Hoheitstitel 286f. zieht den Beleg indirekt doch heran. 50 Vgl. auch HAHN, EWNT III 1152; HOFIUS, Jesus 109. - MÜLLER, Sohn Gottes 4f. geht noch einen Schritt weiter, wenn er (im Anschluß an KARRER, Gesalbte 253) die prinzipielle Unsachgemäßheit des Titels „Sohn Gottes" als Gesalbtenbezeichnung behauptet, denn der Titel „Gesalbter", der den Abstand zu Gott wahrt, schließt eine Adoptionsaussage aus; entsprechend rezipiert PsSal 17, der in 17,4 die Stelle 2 Sam 7,12 aufgreift, 2 Sam 7,14 und den Sohn Gottes-Titel gerade nicht; aufgrund der negativen Erfahrungen mit dem hybriden hellenistischen und römischen Herrscherkult sei „Sohn Gottes" frühjüdisch nicht auf den Messias anwendbar (Verweis auf BOUSSET/GREBMANN, Religion 228). Problematisch an dieser Position Müllers ist die ungenannte Voraussetzung, die Denotation des Titels „Sohn Gottes" (quasi-metaphysisch) mit einer Adoption (im Sinne von Vergöttlichung) gleichzusetzen; die atl Königsideologie weiß noch um den Abstand von König und Gott, und auch frühjüdisch wird man sich bei aller potentiellen Mißverständlichkeit der Bildhaftigkeit der „Sohnes"Sprache bewußt gewesen sein (vgl. PsSal 17,27.31; 18,4 zum Volk als Sohn Gottes; Weish 2,18 und Sir 4,10 zum Gerechten als Sohn Gottes). Damit ist eine Anwendung prinzipiell möglich. - Zu einer von der Gesalbtenerwartung unabhängigen frühjüdischen Verwendung der Bezeichnung Sohn Gottes vgl. Sir 4,10; Weish 2,18 (in bezug auf den Gerechten); JosAs 6,2-6; 13,10; 21,3 (bzgl. Josef in außerordentlicher Weisheit und Schönheit). Zur Metapher der „Söhne Gottes" als ethisch-religiöse Auszeichnung bei Philo vgl. HENGEL, Sohn Gottes 84-88. 47

51

V g l . HAHN, E W N T III 1 1 5 2 . O p t i m i s t i s c h e r n o c h DERS., H o h e i t s t i t e l 2 8 7 ; HENGEL,

Sohn Gottes 71 f. - Das völlige Fehlen von „Sohn Gottes" als messianischer Titel im Judentum, das OEGEMA, Gesalbte 175.180 feststellt, übersieht den Qumran-Beleg 4Q174. Vgl. aber auch MÜLLER, Sohn Gottes 1; LOHSE, ThWNT VIII 362f.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

chend der atl Verwendung nicht - etwa im Sinne der christologischen Festlegungen der altkirchlichen Konzilien - als metaphysische Kategorie verstanden werden, vielmehr ist eine königliche und damit menschliche Gestalt gemeint, die freilich in ihrer speziellen Beziehung zu Gott über normales Maß hinausragt.52 Das periphere Vorhandensein der Sohn Gottes-Bezeichnung für einen königlichen Gesalbten ist durch 4Q174 III 10-13 für den Bereich des Frühjudentums bezeugt. Auf der Basis der für einige Texte wahrscheinlichen Interpolationshypothesen gibt sich diese Vorstellung als im frühen Christentum verbreitete Anschauung zu erkennen,53 was im Hinblick auf die Interpretation des NT nicht zu gering veranschlagt werden sollte. Zumindest in christlichen Kreisen war der Titel „Sohn Gottes" als mit der Person Jesu verbundene Gesalbtenbezeichnung durchaus bekannt und gebräuchlich.54 52

Dazu auch COLLINS, Scepter 168. Vielleicht liegt gerade in der Mißverständlichkeit des Titels die Ursache für dessen Vermeidung im Frühjudentum, denn im alten Orient konnte sich damit der Gedanke einer physischen Gottessohnschaft verbinden; so LOHSE, ThWNT VIII 361-363. 53 Vgl. im 2. Jh. Justin, Dial 7,3; 45,4; 118,2 (unter Aufnahme von 2 Sam 7,14-16). 54 Zur Aufnahme der Gottessohn-Vorstellung im Urchristentum vgl. HAHN, Hoheitstitel 287-319, wobei im jüdisch-palästinischen Verständnis die Denotation der besonderen Beziehung eines königlichen Menschen zu Gott den Ausgang bildet, in der hellenistischen Rezeption durchaus schon der Charakter einer wesenhaften Vergöttlichung enthalten sein kann; vgl. im Anhang zur fünften Auflage ebd. 477-483, wo Hahn nun den Einfluß einer am göttlichen Wesen orientierten Christologie (in hellenistischen Kreisen) geringer veranschlagt und die weitgehende Beibehaltung des uneingeschränkten Menschseins Jesu sieht (482). Vgl. zum christlichen Gebrauch auch JUEL, Messiah 112-114. - Zur Problematik der christlichen Adaption des mißverständlichen (vgl. hellenistischer Herrscherkult) Titels auch MÜLLER, Sohn Gottes (1996): Die Aufnahme zentraler Schriftstellen wie 2 Sam 7,12-14 und Ps 2,7 und die darauf gegründete einzigartige Bezeichnung Jesu als „Sohn Gottes" setzt dessen Leiden und Tod als Bewährung und Legitimation voraus (11-14.31); während der frühjüdisch bezeugte Herrschaftsaspekt der Gesalbtenerwartung bei der Verwendung des Sohn GottesTitels in Rom l,3f. wenigstens noch in Umdeutung (Geist als Mittel der Regentschaft, Mission als Ort) erhalten ist (31), lassen die Epiphanie-Eizählungen von Taufe und Verklärung Jesu im MkEv (Mk 1,11; 9,2-8) keine königliche Funktion erkennen; Jesus wird in letzterer Perikope als (bereits als solcher existierender) Sohn Gottes identifiziert, nicht erst eingesetzt (16-23). Die mk Redaktion integriert Leiden und Tod (24-27). Erst christlich wird der Sohn Gottes-Titel exklusiv auf eine Einzelperson angewandt, wobei in der Situation des MkEv die römische Kaiserpropaganda (Vespasian) einen negativen Anstoß gegeben haben kann (MÜLLER, ebd. 26f.; vgl. auch HENGEL, Sohn Gottes 50). Auch die die Frage nach Jesu Gottessohnschaft integrierende Versuchungsgeschichte (Mt 4,1-10 par Lk 4,1-12) polemisiert gegen die hellenistische Herrscherideologie, die ein Vorrecht Gottes (Herrschaft über alle Weltreiche) usurpiert; der Gehorsam erweist die Legitimität des Gottessohnes (vgl. Weish 2,16-18); Gottessohnschaft umfaßt offenbar die irdische Weltherrschaft nicht mehr (dazu MÜLLER, ebd. 27-30).

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

511

11.1.3 Texte aus dem Neuen Testament Einen ntl Beleg für eine königlich-messianische Konnotation des SohnesTitels bietet Mk 14,61, wenn der Hohepriester Jesus in titularer Parallelität fragt, ob er „der Christus, der Sohn des Hochgelobten 55 " sei (συ ei ό χριστό? ό υιό? του εύλογητοί);). Der Gesalbte wird durch den Titel des Gottessohnes hinsichtlich seiner besonderen Beziehung zu Gott näher erläutert, was weniger den Gedanken der Abstammung als der Erwählung durch Gott beinhaltet.56 Der Gottessohntitel ist aufgrund dieser Relation als Königstitulatur zu verstehen,57 wobei als gedanklicher Hintergrund die göttliche Bezeichnung des Königs als „Sohn" in Ps 2,6f. und die messianisch gedeutete NatanWeissagung 2 Sam 7,14 denkbar sind. Dieses Verständnis fugt sich in die wiederholte Anwendung der Titel „König" und „Christus" und der darin sichtbaren thematischen Zentrallinie in der mk Passion. Aufschlußreich zeigt sich in diesem Zusammenhang auch Lk l,32f., wo der Engel innerhalb der Ankündigung der Geburt eines Sohnes an Maria diesen als υιό? ύψιστου tituliert und mit dem Thron seines Vaters David sowie der ewigen Königsherrschaft über das Haus Jakob in Beziehung setzt, also Sohn Gottes-Titel und königliche Gesalbtentradition korreliert.58 Spezifisch christlich ist die exklusive Identifizierung mit dem Kind Jesus, das allein als Träger der ewigen Herrschaft fungiert; die geistgewirkte Empfängnis legitimiert die besondere Gottessohnschaft.59 Bekannten christlichen Gebrauch lassen auch die authentischen Paulusbriefe erkennen, in denen durchgängig, wenn auch nicht sehr häufig (lediglich fünfzehnmal), vom Christos Jesus mittels des Prädikates vom „Sohn Gottes" ge55 Das Syntagma ulòs του εύλογητοΟ ist sonst nirgends belegt; für die Umschreibung Gottes als Hochgelobter existieren jüdische Parallelen, vgl. BILLERBECK, Kommentar II 51 ; BEYER, ThWNT II 761 f. 56

V g l . GNILKA, M k II 2 8 1 .

57

So auch JUEL, Origin 455f.; GNILKA, Mk II 281.

58

Zu Lk

1 , 2 6 - 3 8 v g l . MERKLEIN, E i n f l ü s s e 3 3 . 4 3 - 4 6 , der 2 2 - 3 1 . 3 4 - 4 2 darstellt,

wie

ägyptische Vorstellungen des Königs als „Sohn Gottes" die Königsideologie Israels beeinflußten, die wiederum von den ntl Autoren aufgegriffen wurde. 59 Vgl. HAHN, Hoheitstitel 275f. Auch MÜLLER, Sohn Gottes 31 f., der von einer traditionsgeschichtlich späten christlichen Bildung in Lk l,32f.35 spricht und angesichts des durch geistgewirkte Empfängnis vermittelten göttlichen Ursprungs Jesu von einer fast „seinshaft" verstandenen Gottessohnschaft ausgeht. Mir scheint es fraglich, ob der „theonome Bedeutungsgehalt" den „frühen Christen voll bewußt" war (so aber MÜLLER, ebd. 6); eine besondere, ja einzigartige Gottesbeziehung bedeutet noch keine wesenhafte Identifizierung, die auf frühjüdischem Hintergrund - und von diesem müssen wir als Bezugssystem ausgehen undenkbar ist.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

sprochen wird. So artikuliert Rom 1,3f. die Einsetzung des χριστός Jesus zum Sohn Gottes durch die Auferstehung von den Toten; die Sendung des Sohnes durch Gott zur Überwindung der Sünde in Rom 8,3f. impliziert bereits dessen Präexistenz. 60 - Abschließend sei noch auf Joh 1,49 hingewiesen, wo in unmittelbarer Parallelstellung das Bekenntnis zu Jesus als Sohn Gottes und König Israels erfolgt; diese Titelkorrelation verweist auf den in atl Königstexten grundgelegten Sachverhalt, daß der König als „Sohn" in Beziehung zu Gott steht (vgl. 2 Sam 7,14; Ps 2,6f.; 89,28).61

11.2 Leiden und Tod des Gesalbten Die Belege aus dem Bereich des Frühjudentums sprechen nicht von einer Unsterblichkeit des Gesalbten, vielmehr wird partiell entsprechend der Funktion des Gesalbten als irdischer Herrscher mit seinem Tod gerechnet. Dieser Aspekt des Sterbens des Gesalbten kommt in der apokalyptischen Schrift 4 Esr 7,29f. direkt zum Ausdruck, 62 ohne daß dieses Sterben die Funktion der Versöhnung mit Gott erhielte; der Tod des Gesalbten erscheint hier völlig frei von jeder Soteriologie. Eine Heilsbedeutung des Todes des Gesalbten ist überhaupt außerchristlich nicht nachweisbar. 63 Geht man davon aus, daß zahlreiche der von Josephus geschilderten jüdischen Aufstandsfiihrer des 1. Jh. n.Chr. von der königlichen Gesalbtentradition her interpretiert und legitimiert wurden (Selbst-, Gruppen- oder Fremdverständnis) (s. oben 7.1.2), bedeutet 60 Weitere Belege bei Paulus sind Rom 1,9; 5,10; 8,29.32; 1 Kor 1,9; 15,28; 2 Kor 1,19; Gal L,15f.; 2,20; 4,4-6; 1 Thess L,9f. Dazu HAHN, EWNT III 920f.; HENGEL, Sohn Gottes 18-31. Zur Deutung der Auferweckung als Einsetzung zum Sohn Gottes, d.h. als Einsetzung in das messianische Königtum (auf dem Hintergrund von 2 Sam 7,12-14) in Rom l,3f. vgl. MERKLEIN, Einflüsse 31 f. Zu Rom l,3f. vgl. auch MÜLLER, Sohn Gottes 7-14.31, der als Voraussetzung für die auf 2 Sam 7,12-14 und Ps 2,7f. basierende christliche Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes dessen Bewährung und Legitimation in Leiden und Tod (vgl. die Vorstellung vom leidenden Gerechten, die jedoch aufgrund ihrer generellen Wiederholbarkeit so Weish 2,18 - nicht als solche prägend für Rom l,3f. wurde, da dort Jesu Einzigartigkeit feststeht) erkennt; Müller beschreibt dabei die christliche Umprägung der jüdischen messianischen Erwartung im Gedanken der Realisierung der Herrschaft Christi im Geist, der als Mittel der Regentschaft des Gottessohnes erscheint (ebd. 8f.). Die Herrschermacht des Gesalbten ist dabei gleichwohl vorausgesetzt. Zum Hintergrund von 2 Sam 7,12-14 und Ps 2,7 vgl. auch KUHN, Rom l,3f., 111. 61

An weiteren ntl Stellen ließen sich Apg 13,33; Hebr 1,5; Mk 1,11 (vgl. Ps 2,7 und 2 Sam 7,12-14 im Hintergrund) anfuhren; dazu MERKLEIN, Einflüsse 32f.; JUEL, Exegesis 77-81. 62 Zur Stelle vgl. oben 8.2.1. Vgl. syrApkBar 30,1. Zur Thematik MÜLLER, Messias 91f. 63 So auch HAHN, EWNT III 1152.

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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deren Tod gerade nicht, daß die Vorstellung eines sterbenden Gesalbten im Frühjudentum existierte,64 vielmehr erwies der Tod den Anspruch als unbegründet und reine Prätention; Mißerfolg und Scheitern falsifizierten einen solchen Anspruch. In Justins Dialog mit Tryphon, der ein Fortleben und wohl auch eine verstärkte christliche Beanspruchung des (christlichen!) Motivs vom Sterben des Gesalbten im 2. Jh. n.Chr. spiegelt, zeigt sich der jüdische Gesprächspartner Tryphon mit der Tradition vom leidenden und sterbenden Messias vertraut und findet diese auch in der Schrift wieder, den Tod in der spezifischen Form der Kreuzigung lehnt er aber unter Berufung auf Dtn 21,23 (vgl. Gal 3,13), wo der Kreuzestod einen Fluch beinhaltet, als gesetzeswidrig ab (Justin, Dial 89,2; 90,1; vgl. 36,1: der Gesalbte [χριστό?] wird bei seiner ersten Ankunft leidensfähig sein, bei seinem Kommen in Herrlichkeit zum Gericht wird er als König und Priester [βασιλεύς· και ιερεύς·] bezeichnet - die königliche Gesalbtentradition ist weiter geläufig; auch 39,7: leidensfähiger Messias, wird für ewig seine Herrschaft über die Völker aufrichten; zum Fluch des Kreuzestodes 32,1; 93,4).65 Die Aussagen Justins lassen sich aber nicht als Beleg dafür verstehen, daß schon im 1. Jh. n.Chr. eine jüdische Vorstellung des leidenden Gesalbten existierte.66 Von einem Sühnetod ist auch dabei nicht die Rede. Der leidende und sterbende Gottesknecht, wie ihn Jes 52,13-53,12 schildert, ist erst in christlicher Zeit und Tradition messianisch gedeutet worden.67 Vielleicht darf die Variation des hebräischen Bibeltextes, die lQJes" zu Jes 52,14 in Ersetzung der Aussage der Entstellung des Gottesknechtes durch dessen verbal formulierte göttliche Salbung vornimmt (ΤΊΠώΠ statt MT:

64

So aber MAYER, Messias 49.80, der nicht zwischen Anspruch und dessen Verifikation bzw. Falsifikation differenziert. 65 Vgl. HEID, Messianologie 225-227; HAHN, EWNT III 1152, der daraufhinweist, daß die Erfahrungen des Bar Kochba-Aufstandes (132-135 n.Chr.) im 2. Jh. die rabbinische Anschauung des zunächst verborgenen und dann sterbenden Messias ben Josef bewirkte; vgl.

HEID, M e s s i a n o l o g i e 2 2 5 ; STEMBERGER, T R E X X I I 6 2 5 ; DEXINGER, E n t w i c k l u n g

246f.;

COLLINS, Scepter 126. Kritisch gegen diese Herleitung KARRER, Gesalbte 320f. 66 Vgl. HEID, Messianologie 226; bereits HLGGINS, Belief 305 beurteilt die Aussagen über den leidenden Messias als für das 1. Jh. n.Chr. nicht historisch zuverlässig; vgl. SCHÜRER, Geschichte II 648-651, der für das 2. Jh. die Vorstellung des leidenden und sühnenden Messias in rabbinischen Aussagen belegt sieht; sehr ähnlich SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History II 547-549. 67

V g l . KARRER, G e s a l b t e 3 6 3 - 3 7 6 , s u m m i e r e n d 3 6 5 ; HAHN, E W N T III 1 1 5 2 ; MAIER, Z w i -

s c h e n 2 0 9 ; HEID, M e s s i a n o l o g i e 2 2 6 ; HEGERMANN, J e s a j a 5 3 ( 1 9 5 4 ) ; RESE, Ü b e r p r ü f u n g (1963).

514

nntíú),

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende als anfanghaftes Stadium dieser Deutung gelten. 6 8 D o c h m u ß insge-

samt als Ergebnis gelten: Die Vorstellung eines leidenden und damit Sühne für die Sünden des V o l k e s bewirkenden Gesalbten ist i m Judentum u m die Zeitenwende nicht nachweisbar.

11.3 Der endzeitliche

Prophet

B e r e i t s in 1 M a k k 4 , 4 6 und 1 4 , 4 1 wird ein zukünftiger Prophet als Organ definitiver Entscheidungen in kultischen und politischen F r a g e n

erwartet.

D a m i t einher geht die Erfahrung des V e r s t u m m e n s der Prophetie ab d e m 2 . Jh. v.Chr., w i e die K l a g e des Psalmisten in Ps 7 4 , 9 ausdrückt: „ Z e i c h e n für uns sehen wir nicht, kein Prophet ist mehr d a " . 6 9 Entsprechend benennt 1 M a k k 9 , 2 7 die „ T a g e der Propheten" als eindeutige Kennzeichnung der V e r gangenheit Israels. D i e Besetzung der genannten zukünftigen prophetischen Funktion, die wohl a m Bild des M o s e als Tora-Offenbarer orientiert war, wurde für die hasmonäischen Herrscher zu einer politischen M a c h t f r a g e . 7 0 M a l 3 , 2 3 wird v o r d e m K o m m e n des endzeitlichen „ T a g e s J a h w e s " das Auftreten des „Propheten E l i a " verheißen, so daß diese Prophetengestalt Verbindung mit der A n s a g e eines B o t e n v o r dem K o m m e n J a h w e s in 3,1

in -

eine endzeitliche Ankündigerfunktion erhält. Mit der in solchen Vorstellun68 Dazu KARRER, Gesalbte 364f. In TargJon zu Jes 52,13 stehen „Knecht" und „Gesalbter" dann nebeneinander; vgl. KARRER, ebd. 366f.; COLLINS, Scepter 124. Kritisch gegenüber einer messianischen Deutung schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 166f. Die Unsicherheit betont jetzt auch ZIMMERMANN, Texte 419f. - Zum Bezug des leidenden Gottesknechtes auf einen Gesalbten in Qumran-Fragmenten vgl. auch STUHLMACHER, Gottesknecht 145Í; GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 185-188 (zum Fragment 4Q540 in bezug auf eine priesterliche Messiasgestalt); ZIMMERMANN, Texte 247-277 (zu 4Q541: endzeitliche Priestergestalt in Sühnefunktion; 4Q540: unklar). COLLINS, Scepter 123-126 zeigt hingegen, daß in Qumran-Texten wie im Frühjudentum überhaupt die Vorstellung eines leidenden Gesalbten nicht existierte (auch nicht in 4Q541); dazu auch HAMPEL, Menschensohn 260-269; schon VAN DER WOUDE, Vorstellungen 165-169; vgl. auch SÄNGER, Verkündigung 213-215. w Vgl. Dan 3,38 LXX; ferner Joel 3,1. Zum Thema MEYER, ThWNT VI 813-817.828 (mit weiteren Belegen); MÜLLER, Pseudepigraphie 205-207. 70 Dazu MAIER, Messias 603f. Nach HORSLEY, Prophets 438f. hingegen sind 1 Makk 4,46 und 14,41 als zeitgeschichtliche Kritik an der Hasmonäerherrschaft, nicht als Erwartung eines endzeitlichen Propheten zu verstehen. Auch wenn man eine Kritikfunktion intendiert sieht, bleibt dennoch eine Erwartungshaltung im Hinblick auf eine Prophetengestalt deutlich, die gerade als solche zum Träger der Kritik wird. Laut MÜLLER, Apokalyptik 85 besitzt der Ausblick auf einen kommenden Propheten keine tatsächliche Bedeutung, sondern bezeugt nur „den schuldigen Respekt vor einer erhabenen Größe der Vergangenheit". Demgegenüber muß die Zukunftsperspektive der Aussagen beachtet werden.

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

515

gen grundgelegten Hoffnung auf ein zukünftiges Auftreten eines gottgesandten Propheten sind verschiedene Phänomene von Prophetie im Laufe der Geschichte nicht ausgeschlossen;71 diese können freilich nicht den Stellenwert eines atl Propheten, also des Künders göttlichen Willens, beanspruchen.

11.3.1 Frühjudentum Die in Dtn 18,15.18 ausgesprochene Verheißung eines Propheten nach dem Vorbild des Mose wird in den Schriften von Qumran (vgl. 1QS IX 11; 4QTest 5-8) als Erwartung eines eschatologischen Propheten interpretiert (vgl. auch TestLev 8,15).72 Es handelt sich dabei im Denken Israels (vgl. Ex 18; Dtn 17; 18) um einen Tora-Ausleger und Satzungsgeber mit besonderem Offenbarungsanspruch und entsprechend hoher Autorität.73 Israel durfte darauf hoffen, in seiner Geschichte immer wieder Jahwes Willen durch zur Kündung ermächtigte Propheten zu erfahren. Geistbegabung des Propheten aufgrund seiner Salbung durch Gott ist in Jes 61,1 f. artikuliert. Nach 1 Kön 19,16 erhält Elia den Auftrag, Elischa als seinen Nachfolger zum Propheten zu salben (und Jehu zum König von Israel). In Sir 48,8 LXX salbt Elia Könige und Propheten. Terminologisch ist in diesem Zusammenhang die in Qumran-Schriften mehrfach bezeugte Bezeichnung von geschichtlichen Propheten Israels als „Gesalbte" von Bedeutung. In CD II 12 sind die „Gesalbten seines [sc. Gottes] heiligen Geistes" mit „Sehern seiner Wahrheit" parallelisiert und in der Funktion der Kündung göttlicher Entscheidung genannt, was eine Deutung auf atl Propheten nahelegt; die „heiligen Gesalbten" in CD V 52 - VI 1 stehen neben Mose und haben teil an dessen Aufgabe der Vermittlung der Gebote, womit wiederum auf Propheten gewiesen ist; in 1QM XI 7f. werden die „Gesalbten" direkt mit den „Sehern der Bezeugungen" identifiziert und erfüllen als solche in der Verkündigung göttlicher Pläne eine prophetische Funktion.74 Dieser Sprachgebrauch muß nicht als Neuschöpfung verstanden 71

GRAY, Prophetic Figures 7-34 zeigt einerseits die Vertrautheit des Josephus mit dem Gedanken des Versiegens der Prophetie, andererseits dessen Überzeugung, daß auch gegenwärtig Personen auftreten, die - wie die alten Propheten - in Wort und Tat Gottes Willen künden. 72 Die nicht gänzlich systematisierbare Offenheit der qumranischen Gesalbtenvorstellungen kommt freilich auch hier, wo sich keine völlig eindeutige Linie zeichnen läßt, zum Trag e n ; v g l . KARRER, G e s a l b t e 3 5 2 . 73 74

Dazu MAIER, Messias 598. Zu diesen Texten vgl. z.B. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 16f.25-27.123f.; BECKER,

G e s a l b t e n 81f.; GARCÍA MARTÍNEZ, E r w a r t u n g e n 2 0 4 f . ; KARRER, G e s a l b t e 2 2 2 - 2 2 4 ; ZIMMER-

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werden, da schon Ps 105,15 (= 1 Chr 16,22) „Gesalbte" (im Plural) mit „Propheten" in Parallele setzt (Parallelismus membrorum), was innerhalb einer göttlichen Warnung vor deren Schädigung passiert. Der erst vorläufig edierte Text 4Q37775 legt in Fr. 2, II 5 der atl Figur des Mose die Bezeichnung als „Gesalbter" bei, was im Kontext einer aktuell mahnenden Schilderung der Gesetzgebung am Sinai geschieht; die Nähe des Mose zu Gott und die göttliche Autorität der von Mose gesprochenen Worte stehen dabei sachlich im Vordergrund. Dementsprechend denotiert der „Gesalbten"-Terminus die Gottnähe des Trägers in göttlicher Erwählung und Autorisierung. Eine endgültige Beurteilung des Fragments wird die vollständige Edition abzuwarten haben. Die Bezeichnung „Gesalbte" in Anwendung auf Propheten trägt in Abstrahierung von einem konkreten Salbungsakt den Charakter eines theologisch konnotierten Titels.76 Mit dieser Anwendung auf historische Gestalten ist freilich noch keine Aussage über die Benennbarkeit einer eschatologischen Prophetenfigur als „Gesalbter" präjudiziell,77 die damit zwar prinzipiell ermöglicht erscheint, aber im tatsächlichen Gebrauch erst nachgewiesen werden muß. Eine ausgeprägte Form der Hoffnung auf eine eschatologische Prophetengestalt liegt in den Schriften der Samaritaner vor, die jedoch eine Auswertung für den Untersuchungszeitraum erschweren, da ihre Entstehung eine Zeitspanne vom 4. Jh. n.Chr. bis hinauf in die Neuzeit umfaßt.78 Der in der samaMANN, Texte 316-319.325f. - Der Bezug der „Gesalbten des heiligen Geistes" in 4Q270 Fr. 2, II 14 auf Propheten ist nicht explizit artikuliert und damit unsicher, darf aber wegen terminologischer Parallelen vermutet werden; zu dieser Identifizierung ZIMMERMANN, Texte 319-325. 75 Text bei WACHOLDER7ABEGG, Preliminary Edition III 164-166; auf dieser Grundlage auch bei ZIMMERMANN, Texte 334f.; zur Erklärung ebd. 332-342. 76 Anders scheint ZIMMERMANN, Texte 342 einen Akt der Salbung zur prophetischen Inspiration vorauszusetzen. Die Salbungsvorstellung prägt den Sinn des Begriffs, die (aktuell bedeutungsgebende) Denotation hat sich davon gelöst und beinhaltet ein theologisches Ideengefuge. 77 Gegen ZIMMERMANN, Texte 340.342, der auf dieser Textbasis auf eine Anwendung für eschatologische Propheten schließt. - Undeutlich bleiben 4Q287 und 4Q521 Fr. 5; 8; 9. 78 Die samaritanischen Schriften sind ins 4. bis 18. Jh. n.Chr. zu datieren, wobei einzelne Traditionen bereits aus dem 2. Jh. stammen können; vgl. DEXINGER, Taheb 25. Die Unsicherheit einer früheren Datierung einzelner Traditionen betont OEGEMA, Gesalbte 245. Vgl. aber auch die Angaben bei DEXINGER, Taheb 25-41; DERS., Taheb-Vorstellung 3 geht von älteren Vorstadien der Taheb-Vorstellung aus, da diese in ihrer frühesten literarischen Bezeugung bereits voll entwickelt auftrete; DERS., Reflections (1998), besonders 98f. vergleicht die Vorstellung vom Taheb als zukünftigem Propheten nach dem Bild des Mose mit von Qumran-Schriften bezeugten Erwartungen eines eschatologischen Propheten und schließt so auf grundlegende Gedanken zur Zeit des zweiten Tempels. Ablehnend gegenüber einer Heranziehung der samaritanischen Quellen CHARLESWORTH, Messianology 14. Nach HORSLEY, Prophets 442f. hingegen kann die samaritanische Erwartung des Taheb auf die Zeit Jesu zu-

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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titanischen Tradition erwartete Taheb wird auf der Basis von Dtn 18,15.18 als „Prophet wie Mose" vorgestellt, in der samaritanischen Schrift Memar Marqa sogar mit Mose identifiziert. Die in den frühesten Texten (4. Jh.) ersichtlichen Aspekte der Gestalt des Taheb sind: (1) Der Garizim stellt das Zentrum seiner Aktivitäten dar; (2) an diesen Ort wird er das heilige Zelt bringen und leitet dort auch die Erneuerung des Opferkultes ein; (3) zu den Aufgaben des Taheb zählt die Offenbarung der vollen Wahrheit; (4) sein Auftreten ist mit Frieden verbunden (5) und steht in Zusammenhang mit seiner Königsherrschaft über die ganze Welt;79 (6) die ursprüngliche Funktion des Taheb läßt sich als die eines Propheten wie Mose nach Dtn 18,18 beschreiben, wobei der Gedanke des Mose redivivus im Memar Marqa hinzutritt.80 Als früheste Werke der samaritanischen Literatur gelten der Memar Marqa und die liturgischen Texte des Durran, deren Entstehung als Schrift ins 4. Jh. n.Chr. zu datieren ist.81 Der Taheb trägt primär keine königlichen Züge und läßt sich auch nicht in die frühjüdischen Gesalbtenerwartungen einordnen, wichtig sind vielmehr die prophetischen Züge der Gestalt unter expliziter Bezugnahme auf Dtn 18,15-18, so daß eine prophetisch-lehrende Vorläuferfigur sichtbar wird, deren Entstehung bereits in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende wahrscheinlich ist.82 Im Memar Marqa bringt ein Text den Taheb, der von Mose her gedeutet wird (vgl. Dtn 1,1 Of.), in Verbindung mit der Königsherrschaft, über die er lehrt, die er aber offenbar nicht selbst aufrichtet; die Hoffnung auf Befreiung, die wohl auch politisch als Überwindung der Fremdherrschaft zu verstehen ist, wird in Verbindung mit der Gestalt des Taheb artikuliert.83 Ähnlich verbindet ein Text des Durran den Taheb mit

rückgehen; aufgrund der Feindschaft zwischen Juden und Samaritanern ist diese Erwartung jedoch eher ein Beweis, daß eine ähnliche Erwartung im Judentum nicht gepflegt wurde, um sich von den religiösen Gegnern abzusetzen. - Allgemein zu Ursprung, Entwicklung und Geschichte der religiösen Gemeinschaft der Samaritaner vgl. den Sammelband von DEXINGER/PUMMER, Samaritaner (1992) mit verschiedenen Beiträgen. 79 Zur Königsherrschaft des Taheb vgl. Memar Marqa III 4; IV 12. 80 Zu diesen Charakteristika vgl. DEXINGER, Taheb 26-29.29-37.159-184; zum Hintergrund des mosaischen Propheten auch DERS., Taheb-Vorstellung 6-14; DERS., Reflections (1998). Nach TALMON, Typen 214f. ist bei den Samaritanern die restaurative Form von Eschatologie völlig dominant. 81 Dazu DEXINGER, Taheb 159.164.173. Zur Entstehung des Memar Marqa und der Frage der Ursprünglichkeit der Taheb-Stellen vgl. ebd. 163-165, die relevanten Texte erscheinen 166-172 passim (vgl. ebd. 162-173). Der Durran bildet Kernstück und ältesten Bestandteil der samaritanischen Liturgie und ist sicher im 4. Jh., vielleicht schon im 2. Jh. von Amram Dara verfaßt worden; dazu DEXINGER, Taheb 173-176; die darin enthaltenen ältesten Zeugnisse der samaritanischen Tradition über den Taheb bietet Dexinger ebd. 173-175. 82

D a z u DEXINGER, T a h e b 1 5 9 - 1 6 2 . 1 7 6 .

83

Vgl. DEXINGER, Taheb-Vorstellung 10; zum Text DERS., Taheb 167.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

einem Zustand des Friedens und des Glücks in der Welt, sein dabei genannter großer Sieg über die Welt, von Gott ermöglicht, spiegelt vielleicht ein königliches Element.84 Die Erwartung des Friedens in Memar Marqa und Durran läßt sich als Anklang an die frühjüdische Vorstellung der messianischen Heilszeit verstehen, die dabei erwähnte Scheidung von Erwählten und Verworfenen erinnert an das Gericht des Gesalbten.85 Diese wenigen Hinweise könnten darauf hindeuten, daß die königliche Gesalbtentradition wenigstens am Rande in das Bild des Taheb Eingang fand, doch wird dieser grundsätzlich nicht als davidisch-königliche Gestalt, sondern in erster Linie als Prophet gezeichnet.86 Der Taheb wird auf der Grundlage einer Interpretation von Num 24,5-7.17 auch als König bezeichnet,87 doch ist der Bezug zu Num 24,17 erst für das 11. Jh., die ausdrückliche Verwendung des Titels König gar erst fur das 14. Jh. bezeugt.88 Als Gesalbter ist der Taheb freilich an keiner Stelle gedacht. - Vielleicht darf man in der Schilderung des Josephus über eine prophetische Gestalt, die auf dem Garizim die heiligen Gerätschaften des Mose zu präsentieren vorgibt (Ant 18,8587), eine politische Usurpation der samaritanischen Taheb-Erwartung sehen, so daß eine entsprechende Tradition bereits für das 1. Jh. angenommen werden müßte.89 Damit wäre diese an sich eschatologische Utopie mit politischen 84

Text bei DEXINGER, Taheb 174. Dazu auch Angaben und Deutung bei DEXINGER, Taheb-Vorstellung 12-14. 86 Vgl. DEXINGER, Taheb 2, der königliche Elemente als nicht konstitutiv und traditionsgeschichtlich sekundär einstuft (vgl. DERS., Taheb-Vorstellung 2 ) ; er hält ebd. 34 die noch schwache Bezeugung der Königsherrschaft im Memar Marqa fest, doch könnte die Figur des Taheb möglicherweise diese königlichen Merkmale in einem geringen Umfang schon früh angezogen haben; vgl. ebd. 35; auch VAN DER W O U D E , Vorstellungen 81 (unter Verweis auf Joh 6,14f.). 87 Näheres dazu bieten die Ausführungen von M E E K S , Prophet-King 250-254; vgl. MAYER, Messias 43 (Text 249); ferner TALMON, Gesalbte 35f.; OEGEMA, Gesalbte 245. 88 DEXINGER, Taheb 28f.; Text ebd. 155f.; vgl. DERS., Taheb-Vorstellung 15-18. Ein entsprechender samaritanischer Text aus dem 14. Jh. (Text bei DEXINGER, Taheb 116-119) wendet den „Stern" aus Num 24,17 auf die Geburt des Taheb (als Zeichen) an; der Taheb erscheint als Prophet wie Mose und steht in Verbindung mit einem dauernden Königreich, das bis zum letzten Tag des Taheb existiert; in bezug auf dieses Königtum wird Num 24,7 zitiert. Ein weiterer Text aus dem 14. Jh. (Text bei DEXINGER, Taheb 119f.) beschreibt das Prophetentum des Taheb: Er wird als Prophet wie Mose gezeichnet, wozu Dtn 18,18 zitiert wird (und was nach DEXINGER, ebd. 122 ältere Tradition enthält); in diesem Text ist der Taheb ausdrücklich als „König" bezeichnet und übt eine Gerichtsfunktion aus, wonach keine Sünde mehr existiert. 89 Dafür läßt sich v.a. die Lokalisierung auf dem Garizim, dem heiligen Berg der Samaritaner, und die prophetische Charakterisierung der Gestalt auf der Basis einer MoseErwartung heranziehen. DEXINGER, Taheb-Vorstellung 4 zieht diese Verbindung zu älterer Tradition. Zur Verbindung der Vorstellung mit politischen Absichten vgl. auch DEXINGER, 85

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Implikationen im Sinne einer Naherwartung des eschatologischen Geschehens verbunden. Deutlich erkennbar zeichnet sich der ideengeschichtliche Hintergrund einer Erwartung eines endzeitlichen mosaischen Propheten ab, die von der bei Josephus überlieferten Gestalt beansprucht werden konnte. Läßt sich die Existenz einer samaritanischen Taheb-Erwartung auch für das 1. Jh. nicht verifizieren, spricht doch einige Wahrscheinlichkeit dafür, daß die von den Samaritanern aufgegriffene Tradition der Hoffnung auf einen endzeitlichen mosaischen Propheten auf der Basis von Dtn 18,15.18 schon vor der samaritanischen Beanspruchung im Judentum bekannt war. Die Unsicherheit bei der Datierung der in den samaritanischen Quellen enthaltenen Traditionen verlangt äußerste Vorsicht gegenüber ihrer direkten Verwendung zur Erhebung frühjüdischer und frühchristlicher Gedanken. Eine eschatologische Prophetengestalt, die zudem den Gesalbten-Titel trägt, findet in einem Textfragment der Qumran-Gemeinschaft Erwähnung. Der Text llQMelch II 15-20 erlaubt die Vermutung, daß das Motiv der Salbung des Propheten um die Zeitenwende (zumindest in qumranischen Kreisen) existierte.90 Direkt in terminologischer Eindeutigkeit ausgesagt ist dieses Motiv nicht, doch läßt es sich aus dem Kontext der biblischen Zitate und Anspielungen innerhalb dieses thematischen Peschers wahrscheinlich machen. Voraus geht eine Verheißung über Melchisedek als endzeitliche himmlische Gerichts- und Heilsgestalt (II 2-14), der in priesterlicher Funktion Sühne für die Sünden der Erwählten schafft, als Repräsentant Gottes das Gericht vollzieht und die Erwählten aus der Hand Belials errettet.91 Der mit Melchisedek verbundene Nachlaß von Verschuldungen im endzeitlichen Gericht Gottes (ZZ. 9-14) wird auf dem Hintergrund des „Jobeljahres" nach Lev 25,13 und ebd. 5.20, wobei er stärker den utopischen Charakter als die revolutionäre Kraft der Hoffnung hervorhebt. 90 Erstveröffentlichung und Deutung des Textes 4QMelch bei VAN DER WOUDE, Melkisedek (1965); zur aktuellen Textrekonstruktion vgl. Transkription und französische Übertragung bei PUECH, Notes (1987), 488-491; jetzt auch: DJD XXIII (1998), 221-241; deutsche Übersetzung bei MAIER, Qumran-Essener I 362f. Literatur bei EVANS, Jesus 119 Anm. 80; ZIMMERMANN, Texte 389 Anm. 252. - Nach KARRER, Gesalbte 353 schwankt die Datierung der Fragmente zwischen Mitte des 1. Jh. v.Chr. und Mitte des 1. Jh. n.Chr. So datiert schon VAN DER WOUDE, Melkisedek 357 in die erste Hälfte des 1. Jh. n.Chr.; PUECH, Notes 507510 datiert die Handschrift in die Mitte des 1. Jh. v.Chr., die Textkomposition selbst in die zweite Hälfte des 2. Jh. v.Chr. Für 1. Jh. v.Chr. auch MAIER, Qumran-Essener I 361. Eine vorchristliche Entstehung darf wohl als gesichert gelten. - Eine direkte Rezeption dieser Prophetenvorstellung außerhalb Qumrans läßt sich aufgrund der Quellenlage nicht nachweisen, auch nicht im NT; so KARRER, Gesalbte 355f. 91 Zu diesen Funktionen vgl. GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 203; KNIBB, Messianism 173; ferner SCHÜRER/VERMES/MILLAR, History II 553f. Zur Gestalt des Melchisedek die Ausführungen bei ZIMMERMANN, Texte 403-410.

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Dtn 15,2 gezeichnet (II 2-9.13f.). Diese Situationsschilderung trägt eindeutig eschatologischen Charakter, wie die Anwendung des Zehn-Jubiläen-Schemas mit der zeitlichen Fixierung des Geschehens im letzten Jubiläum belegt (II 7); bestätigend treten dazu der Vollzug des Endgerichts und die Überwindung Belials (II 10-13). In diesem Zusammenhang thematisiert der Text nun den „Tag des Friedens", den Gott im Prophetenwort Jes 52,7 vorhersagen ließ (ZZ. 15f.), wobei offenbar eine neue Endzeitgestalt in den Blick rückt:92 (15) ... Das ist der Tag des [ Friedens (?), worüb]er [Gott einstens] ges[agt hat in den Worten des Jesaja, des Propheten, da er sprach (Jes 52,7): Wie lieblich sind] (16) auf Bergen Füße eines Frieden verkünden[den] Bot[en], eines Boten von Gutem, Heil verkündend, indem er zu Zion spricht: König geworden ist dein Gott! (17) Seine Deutung: die Berge, [sie sind die] Prophete[n,] sie sind es, d[ie auf/für alle(s), welche(s) .... ] (18) Und der Bote, er ist der Gesalbte des Gei[stes, über den] Dan[iel] gesagt hat (Dan 9,25): [bis zum Gesalbten Fürsten sind es sieben Wochen. Und Bote von] (19) Gutem, verkündifgenjd Hilf[e] - das ist es, was über ihn gesch[rieb]en ist, da [ - (Jes 61,1 f.) - ] (20) um zu trösften Trauernde. Seine Deutung:] Sie zu [unterrichten in allen Zeiten der E[wigkeit/Welt (?) -- ]

Mit dem ,3oten" tritt eine neue Gestalt auf, was einmal daraus erhellt, daß der Name „Melchisedek" nun nicht mehr genannt wird, während dies im voraufgehenden Abschnitt fünfmal geschah, zum anderen aus einem deutlichen Funktionswechsel: Melchisedek erscheint als Gerichtsfigur in performativer Funktion, während der Bote als Verkündiger mit akklamatorischer Aufgabe begegnet.93 Der im Zitat Jes 52,7 angekündigte Bote (Ί2ΠΏ) des Friedens und der Rettung wird im Singular als „Gesalbter des Geistes" (ΠΊΊΠ ITtDQ)94 betitelt und, wie die Anspielungen zeigen, von Jes 61,1 f.95 her gedeutet (Z. 92

Übersetzung nach MAIER, Qumran-Essener I 362f. (eckige Klammern belegen eine Textunsicherheit, die aber partiell durch Einzelfragmente ausgeglichen wird; detaillierte Angaben ebd.) - SCHIFFMAN, Figures 126 identifiziert den Boten von Jes 52,7 mit der Gestalt des Melchisedek. Dann erhielte dieser prophetische Aufgaben zugesprochen. Auch CHESTER, Expectations 55f. erkennt Melchisedek als Gesalbten und spricht so von einer „gesalbten Figur". Vgl. PUECH, Remarks 558. Als vom fragmentarischen Text her nicht verifizierbare Möglichkeit nennt FLTZMYER, Further Light 254 die Identifizierung. 93 ZIMMERMANN, Texte 410 sieht in der Charakteristik Melchisedeks als Engelsgestalt (bzw. eine eindeutige Unterscheidung vom Gesalbten, Engel sind keine Gesalbten; der Gesalbte ist als Mensch im irdischen Bereich vorzustellen, Melchisedek im Himmel tätig. 94 Vgl. zu dieser Textrekonstruktion DE JONGE/VAN DER WOUDE, 1 lQMelchizedek 302; FLTZMYER, Further Light 252f.265f. (ohne Artikel vor ITDD). 95 Zu Jes 61,1 f. in Verbindung mit Lev 25 als Zentraltexte in llQMelch (die durch liturgischen Gebrauch verbunden waren) vgl. BROOKE, Exegesis 321-323; MILLER, Function 467 favorisiert Jes 61,1 f. als hinter llQMelch stehend; vgl. DE JONGE/VAN DER WOUDE, 1 lQMelchizedek 306; LAATO, Star 312; ZIMMERMANN, Texte 401f. FlTZMYER, Further Light 251

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18f.), womit die Legitimationsaussage von Jes 61,1, ein Salbungsvollzug Jahwes bewirke den Geistbesitz des Propheten, fruchtbar gemacht ist. Gerade diese Annahme ist jedoch nicht unumstritten 96 und bedarf so der Begründung. Ab Z. 15 wird die vorher thematisierte Rettung als „Tag des Friedens" beschrieben, wobei das Zitat aus Jes 52,7 den „Boten" hervorhebt, der die Königsherrschaft Gottes verkündigt (II 15f.). Die anschließende Deutung greift zwei Elemente des Zitats auf, einmal die „Berge", die als „Propheten" interpretiert werden, und sodann den „Boten", der als „Gesalbter des Geistes" bezeichnet und von Dan 9,2597 und Jes 61,1 f. her beleuchtet wird (II 17-20). Das Zitat aus Jes 61,1 f. erhält wiederum eine Deutung, von der wegen des defekten Textes nur noch eine Unterweisungsfunktion erkennbar ist; danach klaffen lange Lücken. Aus mehreren Gründen votiere ich in der Frage nach der Identität des Boten, des Gesalbten des Geistes, für ein prophetisches Verständnis: (1) Die mögliche Parallelaussage zwischen „Bergen" und „Boten" in der Deutung (II 17f.) würde auf ein prophetisches Verständnis des Boten weisen. (2) Das auf den ersten Blick konkurrierende Bedeutungsfeld der Zitate (herrscherliche Gesalbtengestalt nach Dan 9,25 versus gesalbter Prophet nach Jes 61,1 f.) löst sich in doppelter Hinsicht: Einmal wird der Gesalbte von Dan 9,25 (der dort als „Fürst" bestimmt ist, also als königlich-herrscherliche Gestalt im Raum der Geschichte) hier speziell im Hinblick auf seine zukünftige Funktion aufgegriffen (vgl. Z. 18 die explizite Anfuhrung seines Auftretens am Ende von sieben Wochen), also nicht in seiner herrscherlichen Aufgabe; zum anderen ergibt sich frühjüdisch die Möglichkeit, daß ein Prophet gewisse königliche Züge erhält (vgl. die prophetischen Revolutionärsgestalten bei Josephus, s. unten), die durch das Zitat von Dan 9,25 dem Boten integriert werden. Damit bleiben Gesalbten-Prädikat und Boten-Funktion inhaltlich prägend, was sich gut auf einen Propheten deuten läßt (vgl. terminologisch Propheten als „Gesalbte" in CD II 12; VI 1; 1QM XI 7f.). (3) Innerhalb des Textabschnitts II 15-20 zeigt sich Vokabular der Verkündigung vorherrschend: Bestimmung Jesajas als „Prophet" in Z. 15 (David und Daniel in ZZ. 10.18 erhalten keine vergleichbare Bestimmung), je zweimal eine Form von „verkünden" und das Substantiv „Bote" sowie einmal das nennt Lev 25 als Leittext für llQMelch. Salbung und Geistverleihung sind atl auch 1 Sam 16,13 verbunden, dort freilich bei der Salbung König Davids durch Samuel. 96 So legt PuECH, Remarks 558 seinem Verständnis der Gestalt den Beleg Dan 9,25 zentral zugrunde und ortet den „Gesalbten" von der Figur eines „Fürsten" her. Vgl. zu dieser Deutung auch FlTZMYER, Further Light 253.265f.; EVANS, Jesus 119f. 97 Das Zitat aus Dan 9,25 ist wegen des defekten Textes nicht sicher (vgl. ZIMMERMANN, Texte 400), aber in der Forschung weitgehend geläufig. Meine Argumentation setzt es voraus, da es meiner Textdeutung die meisten Schwierigkeiten entgegenbringt.

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Verb „sprechen" in Z. 16, Substantiv „Propheten" in Z. 17, ,3ote" und „sagen" in Z. 18, „verkünden" und „schreiben" in Z. 19, „unterrichten" in Z. 20. Die „Text-Atmosphäre" bietet den adäquaten semantischen Kontext für das Auftreten einer Prophetenfigur. (4) Der Mikrokontext der „Gesalbten"-Nennung bemüht zwei prophetische Zitate (Jes 52,7 und 61,1 f.), was den Skopus des Textes andeutet. - Da laut Zitat Jes 52,7 die Füße des Boten auf den Bergen stehen, die Berge anschließend aber als Propheten gedeutet werden (Z. 17), ergibt sich als intendierte Aussage:98 Die Verkündigung des Boten basiert auf der atl prophetischen Botschaft, als endzeitlicher Prophet erfüllt der Bote freilich eine qualitativ andere Aufgabe, deren Ausführung seine Geistbegabung ermöglicht; sein prophetischer Charakter als aktualisierender Ausleger atl Prophetenworte bleibt gewahrt. (5) Das Genitivattribut im Syntagma „Gesalbter des Geistes" legt eine Deutung der Gestalt von Jes 61,1 her nahe, wo ebenfalls der Geist Gottes und eine Salbung Beauftragung und Legitimierung der Prophetengestalt bezeichnen. Die zentrale Assoziation zu Jes 61,1 ermutigt insgesamt dazu, den Boten als endzeitliche prophetische Gestalt zu interpretieren." Es dürfte sich dabei dann um dieselbe endzeitliche Prophetengestalt wie in 1QS IX 11 und 4QTest 5-8 handeln (vgl. gleich unten).100 Der endzeitliche Bote ist freilich von den Propheten der Vergangenheit wiederum eindeutig abgesetzt und als eigenständige Gestalt sichtbar, die durch das Gesalbtenprädikat messianisch qualifiziert ist. Inhaltlich darf von 98

Vgl. zu dieser Auslegung auch ZIMMERMANN, Texte 411. Dazu ZIMMERMANN, Texte 410-412; KARRER, Gesalbte 353f.; BECKER, Gesalbten 85f.94; HAHN, EWNT III 1152f.; VAN DER WOUDE, Melkisedek 367; DE JONGE/VAN DER WOUDE, 1 lQMelchizedek 307; SCHIFFMAN, Figures 117; ferner STEMBERGER, TRE XXII 623. LIM, llQMelch (1992) zeigt, daß dieser Prophet nicht mit Melchisedek zu identifizieren und kein sterbender Messias dargestellt ist. - Zur Bezeichnung von Propheten als „Gesalbte" von Gottes heiligem Geist vgl. auch CD II 12; VI 1; 1QM XI 7f.; atl Ps 105,15 = 1 Chr 16,22. Sollte sich die Lesart „durch den Mund des Mose, seines Gesalbten" in 4Q377 Fr. 2, II 5 als richtig erweisen, wäre der Prophet Mose (als „Urtyp" des Propheten, vgl. Dtn 34,10) als Gesalbter benannt; dies spräche dafür, daß auch der als Gesalbter betitelte „Bote" eine prophetische Gestalt darstellt. Atl ist das Motiv der Salbung eines Propheten in 1 Kön 19,16 und Jes 61,1 bezeugt. In Sir 48,8 LXX salbt Elia Könige und Propheten. Nach HAHN, Hoheitstitel 354 steht bei der Bezeichnung von Propheten als Gesalbte der Akt der Amtsübertragung, keine Funktionsbeschreibung, im Vordergrund. 99

100

Vgl. auch DE JONGE, Role 30; ZIMMERMANN, Texte 412, der auf Dtn 18,15-18 (und vielleicht Mal 3,23f.) als ideengeschichtlichen Hintergrund verweist. Anders deutet EVANS, Jesus 119f. den Boten als messianische Figur nach Dan 9,25. Den Bezug zum „gesalbten Fürsten" aus Dan 9,25 stellt schon FLTZMYER, Further Light 253.265f. ins Zentrum.

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der Rolle des Boten her auf eine Vorläuferschaft des gesalbten Propheten vor den sich im Auftreten Melchisedeks erfüllenden endzeitlichen Geschehnissen geschlossen werden. Die im Zitat anvisierte Verkündigung des Propheten erweist sich - auf der Linie von Jes 61,1 f. - als immanente Heilsbotschaft (vgl. Z. 19), deren Grundlage die Überzeugung des Königseins Gottes, also seiner umfassenden Mächtigkeit und Herrschaft, bildet (Z. 16: Zitat Jes 52,7). Die Vorstellung von Gott als König formt die Konturen für die vom Propheten zu kündende Heilsbotschaft. Die Geistbegabung autorisiert seine Verkündigung. Insgesamt verdient die Deutung der Boten-Gestalt auf einen endzeitlichen gesalbten Propheten den Vorzug,101 der durch die Prädizierung als „Gesalbter des Geistes" terminologisch von einer königlichen Gesalbtengestalt abgesetzt wird. Damit liegt in llQMelch II 15-20 ein Beleg für die Verwendung des „Gesalbten"-Prädikats in bezug auf einen eschatologischen Propheten vor. Die geistige Basis dafür liefert Jes 61,1, wo der Geistbesitz die prophetische Verkündigung legitimiert. Der fragmentarische Charakter der folgenden Zeilen erlaubt kaum Präzisierung. Offenbar wird noch in bezug auf den Boten die Heilsverheißung Jes 61,2f. zitiert und auf dessen (prophetische) Weisung gedeutet (ZZ. 19f.). Die übrigen Satzbruchstücke artikulieren eine Rettung aus der Hand Belials (ZZ. 22.25) und den Vollzug von Gottes Gericht über die vom Weg des Volkes Abweichenden, wobei Gott nochmals in seinem Königsein angesprochen ist (ZZ. 23f.). Ob damit der Bote als Repräsentant Gottes bzw. dessen Heilshandelns durch fast gleichartige Funktionen neben die Gestalt des Melchisedek tritt oder ob entsprechend den oben formulierten Aufgaben des Melchisedek dieser auch hier wieder in Aktion gesehen werden muß, bleibt unklar; der noch sichtbare Textduktus deutet ersteres an, ohne eine Verifikation zu erlauben. Die sichtbar gewordene Vorstellung eines eschatologischen gesalbten (und damit „messianischen") Propheten könnte in ihrer Verbreitung in Qumran durch das Fragment 4Q521 Fr. 2, II 1 gestützt werden, wo der Terminus „Gesalbte^)" erscheint und von manchen Forschern in den letzten Jahren auf eine oder mehrere messianische Prophetengestalt(en) gedeutet wurde. Freilich wurde auch an eine herrscherliche Gesalbtenfigur gedacht. Letzte Sicherheit läßt der lückenhafte Zustand der Textteile nicht gewinnen.102 - Die Anwendung des Zitats aus Dtn 18,18f. in Parallelität zu Num 24,15-17 und Dtn 101 Vgl. auch GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 203. LAATO, Star 311-313 hält die Vorläuferfunktion der eschatologischen Figur fest und stellt die Deutungsalternative Davidide oder Prophet auf, wobei er offenbar (313) auf der Basis von Ps 110 zum davidischen Messias tendiert. 102 Zu den Fragmenten 4Q521 vgl. oben 4.1.3, wo wichtige Forschungspositionen genannt werden.

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33,8-11 in 4Q175, 5-20 läßt die Erwartung einer endzeitlichen prophetischen Gestalt erkennen.103 Innerhalb der Gemeinderegel begegnet 1QS IX 11 in der eine Zeitepoche begrenzenden Aussage „... bis ein Prophet und die Gesalbten Aarons und Israels kommen" eine weitere, als Prophet bestimmte Figur. Dieser Prophet dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit auf dem Hintergrund von Dtn 18,15-18 als Prophet nach dem Bilde des Mose verstanden worden sein.104 Die formale Parallelität zu den „Gesalbten" und ihr offenbar gleichzeitiges Auftreten weist diesen Propheten sicher als endzeitliche Gestalt aus. In Frage steht jedoch seine Messianität, da hier das Gesalbten-Prädikat zwar explizit auf die beiden anderen Protagonisten, nicht aber auf den Propheten angewandt wird. Angesichts der Gleichordnung der drei Personen in 4Q175 5-20, die mit den drei Gestalten von 1QS IX 11 identifizierbar sind (s. oben 4.1.1), mag auch hier die Messianität des Propheten impliziert sein. Bei einer (möglichen) Identifizierung des Propheten mit dem „Boten", dem „Gesalbten des Geistes" aus llQMelch II 18 (s. oben) erhärtet sich aufgrund der Prädizierung mittels des Terminus technicus „Gesalbter" der messianische Charakter des Propheten.105 Möglich ist aber auch eine Interpretation auf die Vorläuferschaft des Propheten, wie sie in llQMelch II 15-20 angedeutet erscheint.106 Die Parallelstellung der Gestalten in 1QS IX 11 und 4Q175 5-20 legt jedoch eine Gleichzeitigkeit des Auftretens nahe. Die Annahme einer Vorläuferrolle schließt freilich wiederum angesichts der Vielfalt an messianischen Titeln und Gestalten innerhalb der in den Qumran-Schriften artikulierten Endzeitvorstellungen eine messianische Qualität des Propheten keineswegs aus. 103

Vgl. oben 4.1.2. Vgl. VAN DER WOUDE, Vorstellungen 79; ferner DEXINGER, Reflections 90. 105 GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 204-206 vertritt nachdrücklich den messianischen Charakter des Propheten in 1QS IX 11; vgl. auch KARRER, Gesalbte 351-353. Vorsichtig BECKER, Gesalbten 84 Anm. 59. Dagegen MAIER, Messias 597f.; BÖHLEMANN, Jesus 244; HAHN, Hoheitstitel 369f. (wegen der differierenden zugrundeliegenden Traditionslinien). 106 Darauf legt sich VAN DER WOUDE, Vorstellungen 83-86 fest: „Man kann ihn nur als Vorläufer des Messias, demnach nicht selbst als Messias bezeichnen" (86), und identifiziert den Propheten mit der historischen Gestalt des Lehrers der Gerechtigkeit (84-86). So auch HAHN, Hoheitstitel 369. Letztere Folgerung ist aber keineswegs zwingend und wird wohl auch für llQMelch II 15-20 nicht zutreffen. Als Vorläufer des Messias verstehen den Propheten auch SCHÜRER/VERMHS/MILLAR, History II 553. TALMON, Waiting 136 Anm. 44 weist in diesem Zusammenhang auf Mal 3,23 hin, wo der Prophet Elia als dem Tag Jahwes vorausgehend gedacht ist. - STR1CKERT, Damascus 344 vertritt eine Identifizierung mit dem (historischen) Lehrer der Gerechtigkeit; vgl. schon HAHN, Hoheitstitel 367f. (aus dem Vergleich von CD XIX 35f. mit 1QS IX 11). Von einem eschatologischen Propheten spricht LAATO, Star 308. 104

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Eben diese Verbindung von (prophetischem) Vorläufer und gesalbter Gestalt scheint auch in 1 lQMelch II 15-20 vorzuliegen. Es muß im übrigen durchaus mit einer Entwicklung zwischen den einzelnen Texten im Zuge der Geschichte der Qumran-Gemeinde gerechnet werden, bei der etwa eine Verstärkung der messianischen Konnotation des endzeitlichen, ursprünglich als Vorläufer der „Gesalbten" fungierenden Propheten statthatte. Zugunsten eines messianischen Verständnisses des Propheten läßt sich terminologiegeschichtlich die Bezeichnung von Propheten der Vergangenheit als Gesalbte (CD II 12; VI 1; 1QM XI 7f.)107 bzw. speziell von Mose, dem Prototyp eines kommenden Propheten, als Gesalbtem (4Q377 Fr. 2, II 5) anfuhren.108 Insgesamt läßt sich sicher von einem eschatologischen Propheten sprechen, unter Berücksichtigung anderer Qumran-Texte steht zu erwarten, daß dieser Prophet auch als Gesalbter gedacht wurde, doch kann dies in 1QS IX 11 nicht explizit terminologisch belegt werden. Über die Belege aus der Qumran-Gemeinde hinaus bieten die großen geschichtlichen Schriften des Josephus Hinweise auf die Bekanntheit der Erwartung einer Prophetengestalt im Judentum des 1. Jh. Offenbar konnte nämlich die Hoffnung auf das Auftreten eines endzeitlichen Propheten im Rahmen der jüdischen Aufstandsbewegungen gegen die römische Herrschaft im 1. Jh. n.Chr. von politisch-religiös motivierten Revolutionsführern aufgegriffen und zur eigenen Darstellung und Legitimation in Anspruch genommen werden. Josephus jedenfalls berichtet109 aus der Zeit der römischen Statthalter Fadus (44-46 n.Chr.) und Felix (52-60) von Aufstandsfuhrern, 107 Zu diesen Stellen, an denen die atl Propheten der Geschichte Israels als „(heilige) Gesalbte" bezeichnet werden, vgl. oben. 108 So GARCÍA MARTÍNEZ, Erwartungen 204f., der ebd. 205f. auch die von ihm vertretene Identität des endzeitlichen „Auslegers des Gesetzes" mit dem Propheten geltend macht. Zum umstrittenen technischen Verständnis des Gesalbten-Prädikats in 4Q377 Fr. 2, II 5 vgl. HUGHES, Birth Story 12f. Der Gebrauch fügt sich in die auch sonst qumranisch bezeugt Bezeichnung vergangener Propheten als Gesalbte und eröffnet die Möglichkeit zur Artikulation der Erwartung eines eschatologischen Propheten unter Verwendung messianischer Terminologie. - Anders erkläre nach VAN DER WOUDE, Vorstellungen 84-86 die Identifikation des Propheten mit dem historischen Lehrer der Gerechtigkeit das Fehlen des Propheten in den späteren Texten aus CD, da dieser zur Zeit der Abfassung von CD bereits gekommen war. Dann fallt aber auf, daß 1QS IX 11 dennoch in der bekannten Form weiterüberliefert wurde, so daß mit einer Neuinterpretation des Propheten gerechnet werden muß (vielleicht ähnlich 1 lQMelch II 15-20); der Prophet ist dann wieder zukünftig zu verstehen, nahm aber de facto möglicherweise keine konkrete Bedeutung innerhalb der qumranischen Zukunftserwartung mehr ein, sondern wurde als Relikt einer Tradition weitergegeben. 109 Ausführlicher gehe ich oben (7.1.2.1) auf die genannten Texte und Gestalten ein. Vgl. aber auch HAHN, Hoheitstitel 361f.

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deren Bezeichnung als „Prophet" er ausdrücklich erwähnt110 und deren Beschreibung Reminiszenzen an atl Prophetengestalten enthält. Zu nennen sind der Prophet Theudas (Ant 20,97-99) und ein „falscher Prophet" aus Ägypten (Bell 2,261-263; vgl. Ant 20,169-172), deren Schilderung Anspielungen auf mosaische bzw. josuanische Tradition enthält111 und die politisch-revolutionäre Ziele verfolgen, so daß eine Verbindung mit herrscherlichen Vorstellungen gegeben ist. Einige Anfuhrer veranlaßten das Volk durch die Zusage von Wunderzeichen als Auftakt der göttlichen Befreiung, mit ihnen in die Wüste zu gehen (Ant 20,167f.; Bell 2,258-260), womit wieder auf Mose und den Exodus angespielt sein dürfte. Auch ein um 36 auftretender Samaritaner scheint die Autorität eines Propheten wie Mose beansprucht zu haben (Ant 18,85-87). Der bereits nach der Eroberung Jerusalems durch römische Truppen auftretende Weber Jonatan stellt sich in die Linie eines mosaischen Propheten, wenn er - analog zu den Wundern des Mose beim Exodus - seinen Anhängern in der Wüste Wunderzeichen verspricht (Bell 7,437-442). Politisch-herrscherliche und prophetische Traditionen sind verbunden,112 wobei die Bezugnahme auf den Exodus als Typos göttlicher Befreiung seines Volkes und die Entsprechungen zu Mose bzw. seinem Nachfolger Josua deutlich hervortreten. Der Titel „Prophet" scheint tatsächlich angewandt worden zu sein. Die legitimierende Wundertätigkeit des Propheten bildet in den Schilderungen ein zentrales Element. Einen zusätzlichen Hinweis auf die Vorstellung vom gesalbten Propheten bietet AntBibl 51,7, wo in Substitution der Gesalbten-Bezeichnung für Saul eine Salbung des Propheten Samuel eingeführt wird, womit die Motivik der Prophetensalbung um die Wende zum 2. Jh. n.Chr. forciert erscheint.113 Insgesamt existierte zu ntl Zeit die Vorstellung eines endzeitlichen, teilweise eines gesalbten Propheten zur Ankündigung von Gericht und Heil am 110 Vgl. terminologisch Ant 20,97 in bezug auf Theudas: προφήτη? γαρ ελεγεν είναι; mit Bezug auf den Ägypter Bell 2,261: προφήτου πίστιν έπιθεί? έαυτφ; Ant 20,169: προφήτη? είναι λέγων. " ' S o die Wiederholung des wunderbaren Jordandurchzugs bei Theudas und die Erwartung, die Mauern Jerusalems würden wie einst die Jerichos zusammenstürzen, beim Ägypter. 112 Der in Qumran gefundene Text 11Q05 XXVII 2-11 (= „David's Compositions") besingt David (die urtypische Königsgestalt Israels schlechthin) als Schriftsteller und Psalmendichter und nennt in diesem Kontext als Ermöglichung für dieses Tun die göttliche Gabe der Prophetie (Ζ. 11); Text: DJD IV (1965), 48.91-93; deutsch: MAIER, Qumran-Essener I 340f.; zur Auslegung ZIMMERMANN, Texte (1998), 445f. Der Text zeigt in dieser Verbindung der Königsgestalt David mit der Prophetie eine ideengeschichtliche Grundlage für die Verschmelzung königlicher und prophetischer Endzeithoffhungen. Vgl. sachlich parallel Apg 2,29-31. ' " Zu diesem Text KARRER, Gesalbte 224f. Vor 70 n.Chr. datieren OEGEMA, Gesalbte 183; HARRINGTON, OTP II, 299 (erste Hälfte des 1. Jh. n.Chr.).

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Ende der Geschichte,114 ohne daß eine breite Bezeugung und damit gängige Vertrautheit der Bevölkerung mit dieser Erwartung nachweisbar wäre. Die Beanspruchung prophetischer Legitimation durch politische Revolutionäre, von denen Josephus erzählt, spricht für eine gewisse Verbreitung als Voraussetzung der Beanspruchbarkeit. In der Berufung auf das genuin israelitische Propheteninstitut wird religiöse Motivierung politischer Ziele erreicht, ohne daß eine eigentliche eschatologische Wende gegenüber einer politisch-sozialen Wandlung abgrenzbar würde. So kann eine Realisierung einer zukünftigendzeitlichen Erwartung einer besonderen Prophetengestalt, wie sie literarisch punktuell auftritt, durch geschichtliche Personen nicht ausreichend sicher verifiziert werden. In der Hoffnung auf einen endzeitlichen Propheten besteht eine bedeutsame Ergänzung der Erwartung eines politisch-königlichen Gesalbten durch eine endzeitliche Figur, deren Aufgabe in Lehre und Offenbarung des göttlichen Wortes und Willens gefaßt ist, womit wiederum die Bedeutung von Lehre und Tora-Verständnis in den zeitgenössischen Vorstellungen zutage tritt. Möglicherweise darf Joh 1,21.25 als Niederschlag einer endzeitlichen Prophetenerwartung gelesen werden,"5 wo in der Frage nach der Identität des Täufers ό χριστός, Elia und der Prophet als Möglichkeiten parallel gesetzt und gleichermaßen von Johannes zurückgewiesen werden.

11.3.2 Jesus als endzeitlicher Prophet: Ein Überblick zur neutestamentlichen Erzählliteratur Die ntl Evangelientradition kann, teilweise als Ausgang einer christologischen (Mk 8,29 parr mittels des Christus-Titels erfolgenden) Überbietung, von Jesus als endzeitlichem Propheten sprechen (besonders deutlich Lk 9,8.19).116 In Lk 24 wird die Tradition von Jesus als προφήτης δυνατό? év εργω καΐ λόγω (V. 19) korrigiert unter Hinweis auf den leidenden und verherrlichten χριστό?, von dem Mose und die Propheten kündeten (VV. 2527); ein solcher würde Israel Erlösung bringen (V. 21), womit der national,H

Vgl. auch B Ö H L E M A N N , Jesus 245; C O L L I N S , Scepter 122f. " 5 So z.B. H A H N , Hoheitstitel 359. 116 Vgl. Mk 6,14-16 parr; 8,27-30 parr; Mt 21,11.46; Lk 7,16; 24,19. Dazu S C H N I D E R , EWNT III 445-447; auch B A U M B A C H , TRE XXII 632f.; K A R R E R , Gesalbte 356-360; H A H N , Hoheitstitel 380-404; B E C K E R , Gesalbten 94-96 (der das Verständnis Jesu als geistgesalbter eschatologischer Prophet als Verbindungsglied der Übertragung des davidischen Gesalbtenprädikats auf Jesus beurteilt). Im JohEv steht dabei die Rede vom Propheten Jesus bereits stärker im Kontext der christologischen Gesamtkonzeption; vgl. z.B. Joh 4,1-42; 9,1-41; 8,48-58.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

militärische Aspekt der königlichen Gesalbtentradition angesprochen und wiederum durch die Aussage von VV. 25-27 christlich modifiziert wird. Prophetenerwartung und königliche Gesalbtenhoffnung treten in nächste Nähe zueinander und erfahren eine christliche Korrektur. In Joh 7,40f. stehen sich Propheten- und Gesalbtenerwartung als Alternativen zum Verständnis der Person Jesu gegenüber. Die an Jesus herangetragenen Zeichenforderungen machen deutlich, daß man Jesu Auftreten in die Kategorie eines endzeitlichen Propheten einzuordnen suchte und seinen Anspruch als prophetisch verstand. 117 Denn überhaupt ist die Frage nach der Legitimierung Jesu in den Evangelien bedeutend, und die Legitimation durch Wundertaten gehört häufig zum Auftreten eines Propheten. 118 Durch seine Wundertätigkeit und speziell seine Heilungen kann Jesus in einer die traditionell vorliegenden Vorstellungen fortfuhrenden interpretatio Christiana als endzeitlicher Prophet ausgewiesen betrachtet werden (vgl. Lk 7,16; 24,19; Joh 9,17; Apg 2,22; 10,38). Dazu zählt auch die eschatologischen Charakter tragende Wiederholung der Wüstenspeisung des Mose durch Jesus (Mk 6,35-44 parr; 8,1-9 par Mt 15,32-38; Joh 6,l-15.30f.), die in der joh Fassung mit dem expliziten Bekenntnis der Menge zu Jesus als „in die Welt kommenden Propheten" (Joh 6,14) gewürdigt wird. Als eschatologischer Prophet ragt Jesus über die abgebrochene Reihe der atl Propheten hinaus, seine Worte und Taten besitzen besonders gewichtige Bedeutung im Hinblick auf das bevorstehende Endzeitgeschehen Gottes. Die Tradition vom endzeitlichen Propheten rückte bisweilen in die Nähe der Vorstellung vom davidischen königlichen Gesalbten, wie aus Joh 6,14f. und Mk 13,22 par Mt 24,24 hervorgeht. 119 In Mk 6,4 par Mt 13,57 par Lk 4,24 und Lk 13,33 wendet Jesus den Propheten-Titel auf sich selbst an. Lk 4,18f. zitiert Jes 61,1 f. LXX, eine Stelle, die in der zeitgenössischen Literatur öfter als Beleg einer Gesalbtenhoffnung verwendet wird und die ausdrücklich die Salbung des Propheten artikuliert. Lk 7,39 versteht Jesu wunderbares Wissen als prophetische Gabe. Der gleiche Zusammenhang kommt auch Joh 4,16-19 zum Ausdruck, da die Offenbarung des übermenschlichen Wissens Jesu die samaritanische Frau veranlaßt, Jesus als einen προφήτη? zu bekennen (4,19). Apg 3,22 und 7,37 wird Jesus, der „zum Christus bestimmt ist" (3,20), unter Zitation von Dtn 18,15.18 als der angekündigte „Prophet wie Mose" dargestellt; königliche Gesalbtentradi117

Belege: Mt 12,38f. par Lk 11,16.29; Mt 16,1-4 par Mk 8,1 lf; Lk 23,8; Joh 2,18; 4,48; 6,30; 7,31; 9,16; 11,47. Dazu BAUMBACH, TRE XXII633; COLLINS, Works 107-112. 118 So Dtn 13,2-6; 34,10-12; Jer 23,9-32; Josephus, Ant 18,85-87; 20,97-99.169-172; Bell 2,258-263; 7,437-442. Zur Wundertätigkeit als Bestandteil der Tradition vom endzeitlichen Propheten vgl. HAHN, Hoheitstitel 388-390. V g l . BAUMBACH, T R E X X I I 6 3 3 .

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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tion und endzeitliche Prophetenerwartung sind in Apg 3,20-23 verbunden. Die Perikope von Jesu Verkündigung in Nazaret Lk 4,16-30 konstatiert expressis verbis die Erfüllung des Prophetenzitates Jes 61,1 f. (LXX) in Jesus; der damit gegebene endzeitlich-prophetische Charakter Jesu wird durch die Anwendung der Propheten-Bezeichnung auf Jesus in einem Wort Jesu (Lk 4,24: ουδείς προφήτης δεκτός έστιν έν τη πατρίδι αύτοϋ) bestätigt; anschließend wird Jesu Tun unter dem Aspekt des lediglich punktuellen Wirkens mit den Propheten Elia und Elischa parallelisiert (4,25-27). Die Erzählung der Verklärung Jesu (Mk 9,2-8) stellt Jesus in die prophetische Tradition mit Mose und Elia, die in VV. 4f. ausdrücklich genannt werden; überbietend charakterisiert die Gott repräsentierende Bat Qol in V. 7 Jesus als ,,ό υιός μου ó α γ α π η τ ό ς " ; die korrelierte Aufforderung ,,άκούετε αύτου" in V. 7fin greift die entsprechende Wendung aus Dtn 18,15, der Zusage eines mosaischen Propheten, auf. Die ntl Schriftsteller betrachten also eine endzeitliche (messianische) Prophetenerwartung als in Jesus erfüllt. - Darüber hinaus scheint innerhalb der kurzen Notizen Lk 3,15 und Joh 1,20 (vgl. vorbereitend Lk 7,26.28 par Mt 11,9.11) die wohl in der Täufergemeinde erwachte und erwogene Überlegung durch, Johannes der Täufer sei - anstelle von Jesus - der Gesalbte, dessen Charakterisierung besonders die prophetische Titelkonnotation anklingen läßt.120

11.4 Der wiedererwartete

Elia

Die Grundlage für die Erwartung der endzeitlichen Wiederkehr Elias bildet der Entrückungsbericht über Elia 2 Kön 2,1-18. Der in Mal 3,1 vor dem endzeitlichen Kommen Jahwes erwartete Bote wird in 3,23f. (sekundär) mit dem Propheten Elia identifiziert, der vor dem Gericht Jahwes die Umkehr Israels initiiert, die innere Verfassung Israels als Volk Jahwes wiederherstellt und damit als zentrale eschatologische Gestalt vor dem Tag Jahwes in vorbereitender Funktion auftritt. Sir 48,10 greift diese Vorstellung auf und kündigt dazu die politische Restitution Israels durch den eschatologischen Elia an.121 Bemerkenswert ist die Rolle des Elia als eschatologische Heilsgestalt, die auch den politischen Bereich betrifft. Eine spezielle messianische Erwartung 120

Entsprechend lehnt der Täufer in Joh 1,21 nicht nur ab, der „Gesalbte" zu sein, sondern auch der „Prophet". Zur Thematik KARRER, Gesalbte 360-362. Zur synoptischen Interpretation des Täufers als endzeitlicher Elia vgl. HAHN, Hoheitstitel 371-380. 121 Vgl. zu den atl Belegen ZELLER, Elija 154-156; OHLER, Elia 2-11; HÄFNER, Vorläufer 321-327; HAHN, Hoheitstitel 354f. Aus Sir 48,11 LXX läßt sich zudem die Bedeutung des Elia für ein Leben nach dem Tod entnehmen.

530

Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

Elias läßt sich daraus jedoch nicht folgern,122 wenngleich in diesem Aufgabenschwerpunkt ein potentieller Ansatz gegeben ist, um das Auftreten Elias später mit messianischen Zügen zu deuten.123 Elia fungiert als direkter Vorläufer Jahwes, ohne daß die Figur eines „Gesalbten" in diesem Szenario eine Funktion übernähme; auch Elia selbst wird nirgends im AT als solcher betitelt. Die frühjüdischen Schriften enthalten nur wenige und in ihrer Datierung oft unsichere Belege für eine Vorstellung des eschatologischen Elia.124 Die aufgrund verschiedener Textrezensionen schwierige Stelle VitProph 21,3 scheint einen Beleg zu bieten fur die Erwartung der endzeitlichen Wiederkunft Elias zum Gericht bzw. zum Heil für Israel.125 Die Entrückung Elias ist äthHen 89,52 und 93,8 angedeutet, wobei Elia die Hoffnung auf Bewahrung durch Gott verkörpert; nach ApkZef 9,4f. bewohnt Elia die himmlische Welt.126 Die Wiederkehr Elias zu Beginn der Heilszeit Gottes wird teilweise zusammen mit anderen Gestalten der Geschichte Israels erwartet, ohne daß eine deutliche eschatologische Funktion sichtbar würde: So - unter der Voraussetzung der Identifikation des Elia mit Pinhas127 - in Pseudo-Philos AntBibl 48,1, wobei in V. 2 die göttliche Salbung des Pinhas im Rahmen der Einsetzung zum Priester erwähnt wird; auch in 4 Esr 6,26, wo Elia nicht namentlich genannt, aber wohl zu implizieren ist, und in Sib 2,245-248, doch ist hier christliche Bearbeitung anzunehmen.128 Das Auftreten Elias (und anderer Figuren) markiert damit offenbar in erster Linie den Zeitpunkt des Beginns der endzeitlichen Ereignisse.

122

So auch das Ergebnis von HÄFNER, Vorläufer 325f.; vgl. HAHN, Hoheitstitel 355. VON DOBBELER, Gericht 170 möchte „von einem eschatologischen Propheten (...), dem messianische Züge beigelegt werden", sprechen. 124 BILLERBECK, Kommentar IV 780 hält das Zurücktreten der endzeitlichen Elia-Erwartung in den Pseudepigraphen fest; vgl. FAIERSTEIN, Why 78; HÄFNER, Vorläufer 327.382. 125 Dazu ÖHLER, Elia 12f.296; SCHWEMER, Vitae 645 Anm. f. 126 Vgl. ZELLER, Elija 156; ÖHLER, Elia 13. Zu der wenig aussagekräftigen Stelle äthHen 90,31 vgl. HÄFNER, Vorläufer 327f.; FAIERSTEIN, Why 79; ÖHLER, Elia 15. Nach 1 Makk 2,58 ist der Eifer Elias für das Gesetz der Grund seiner Empomahme in den Himmel; dazu ZELLER, Elija 156f. 127 Dazu ÖHLER, Elia 24-27; ZELLER, Elija 156f.; HÄFNER, Vorläufer 339f.; ÖEGEMA, Gesalbte 185; HENGEL, Zeloten 167-172. 128 Zu diesen Stellen im einzelnen ÖHLER, Elia 14. Skeptisch zu 4 Esr 6,26 HÄFNER, Vorläufer 328f. MENDELS, Biblical Antiquities 269f. hält in AntBibl 48,1 die Aussage einer Antizipation des Messias durch den mit Pinhas zu identifizierenden Elia für möglich. Wenn 4 Esr 7,28; 13,52 von denen spricht, die mit dem Gesalbten zusammen sind, mag Elia mitgedacht sein; dazu SCHREINER, 4. Buch Esra 399 z.St.; ZELLER, Elija 158; kritisch gegen dieses Einlesen und besonders gegen eine daraus geschlossene Vorläuferschaft Elias vor dem Messias zu Recht ÖHLER, Elia 14; HÄFNER, Vorläufer 330. 123

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

531

In Sib 2,187-189 wird das endzeitliche Kommen des Thesbiten angekündigt, der drei Zeichen bewirkt: Dunkelheit (2,194f.), Feuer (2,196-200) und Sternenfall (2,200-202). Unsicher ist freilich, ob sich der Text jüdischer oder christlicher Herkunft verdankt.129 Die späte (wohl 3. Jh. n.Chr.)130 ApkEl spricht 34,7-35,12 vom Auftreten Elias und Henochs, die den „Sohn der Gesetzlosigkeit" überführen, nachdem sie, von diesem getötet,131 nach dreieinhalb Tagen auferstanden; nach ApkEl 42,10-15 töten Elia und Henoch den Sohn der Gesetzlosigkeit. Elia und Henoch erhalten in der kriegerischen Überwindung der gottfeindlichen Macht, die sich hier freilich nicht mehr auf irdische Reiche und Herrscher beschränkt, sondern in einer überirdischen Gestalt Ausdruck findet, eine traditionell messianische Aufgabe übertragen und gehen dem Auftreten des Messias (43,8-10) unmittelbar voraus, jedoch ist aufgrund der späten Datierung der ApkEl ein Rückschluß auf EliaVorstellungen im 1. Jh. kaum möglich.132 Die wenigen Belege fur die eschatologische Erwartung Elias um die Zeitenwende präsentieren Elia als eigene Heilsgestalt, nicht als Vorläufer eines Gesalbten.133 Sehr vereinzelte Qumrantexte lassen möglicherweise erkennen, daß die Eliaerwartung im 1. Jh. v.Chr. existierte, so das stark beschädigte Fragment 129 Vgl. ÖHLER, Elia 14Í.296. Die starke christliche Bearbeitung von Buch 2 der Sib hält HAHN, Apokalyptik 91 fest. 130 Detaillierter SCHRÄGE, Elia-Apokalypse 225: Entstehung in der zweiten Hälfte des 3. Jh., christliche Überarbeitung zu Beginn des 4. Jh. Vgl. HAHN, Apokalyptik 86. 151 Die Tradition vom Tod des Messias (4 Esr 7,29f.) mag sich hier mutatis mutandis erhalten haben, um anschließend auf der Basis christlichen Gedankengutes (vgl. die deutlichen Anklänge an Offb 11,7-11) variiert zu werden. - Zu vorchristlichen Elementen in ApkEl vgl. SCHRÄGE, Elia-Apokalypse 207-209; BAUCKHAM, Martyrdom; vorsichtiger HÄFNER, Vorläufer 358-366. OEGEMA, Gesalbte 257 führt die eschatologische Rolle von Elia und Henoch auf Mal 3,23 und äthHen 90,31 zurück. 132 Zu den Belegen aus der ApkEl vgl. ÖHLER, Elia 15; ZELLER, Elija 159; OEGEMA, Gesalbte 256f. Zur Datierungsproblematik nach-ntl apokalyptischer Aussagen vgl. HÄFNER, Vorläufer 343-346. Die Tradition von der Vernichtung des Antichristen durch Elia und Henoch betraut diese mit einer messianischen Aufgabe und stellt sie so in Konkurrenz zum eigentlichen Messias - eine Beobachtung, die eine christliche Entstehung der Tradition unwahrscheinlich macht; kann man so von jüdischem Ursprung ausgehen, ist eine Datierung der Tradition ins 1. Jh. noch nicht gesichert; vgl. HÄFNER, Vorläufer 362f. Übrigens übernehmen in ApkEl 39,7-15 auch die Engel Gabriel und Uriel eine Aufgabe, die in früheren Schriften dem königlichen Gesalbten zukam, wenn sie die Gerechten schützen und ihnen eine Heilszeit gewähren; vgl. zur Stelle OEGEMA, Gesalbte 255f. 133 Vgl. zu diesem Ergebnis ÖHLER, Elia 16. - Für eine Identifizierung der Gestalt des Taxo aus AssMos 9,1 mit dem endzeitlichen Elia finden sich keine Anhaltspunkte; vgl. HÄFNER, Vorläufer 330-333; Taxo läßt sich auch nicht als Gesalbter verstehen; dazu KARRER, Gesalbte 262 Anm. 120. HAHN, Apokalyptik 41 f. deutet Taxo als endzeitlichen Propheten; DERS., Hoheitstitel 355f. erwog noch eine Verbindung zum endzeitlichen Elia.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

4Q558134 und indirekt auch 4Q521.135 In Qumran hatte eine Erwartung des wiederkommenden Elia jedenfalls gegenüber der priesterlichen und der königlichen Gesalbtenerwartung wenig oder gar kein Gewicht; Elia besaß auch keine Vorläuferfunktion. 136 Aufgrund des Datierungsproblems läßt auch eine Untersuchung der Targumim keine sicheren Aussagen über Vorstellungen des 1. Jh. n.Chr. zu. Verschiedentlich sind aber wohl ältere Traditionen erhalten und weiterüberliefert, doch sind diese schwer (oder gar nicht) als solche abhebbar. In TargPsJon zu Dtn 30,4 begegnet Elia als messianische hohepriesterliche Gestalt neben dem königlichen Messias.137 Die Rolle der Endzeitgestalten betrifft nur die Übergangszeit von dieser in die zukünftige Welt, danach übernimmt der Memra des Herrn selbst alle Aufgaben. Auch TargPsJon zu Ex 40,9-11 wird der Hohepriester Elia als Endzeitgestalt zusammen mit einem König-Messias und einem Messias Ben Efraim genannt, wobei alle drei Gestalten in Verbindung zu kultischen Salbungsakten stehen.138 Möglicherweise wurde Elia schon zur Zeit der Hasmonäer als Priester betrachtet und sogar (zusammen mit Pinhas) als in Johannes Hyrkan I. wiedergekommen verstanden.139 Die rabbinische Tradition bezeugt eine feste Erwartung des eschatologischen Elia. Ausgesprochen selten begegnet die Vorstellung von Elia als Vorläufer des Messias, der älteste Beleg (bEr 43a-b) stammt dabei frühestens aus dem 3. Jh. n.Chr.140 Die Texte gestatten die Folgerung, daß eine Erwartung Elias als Vorläufer eines Gesalbten im Judentum des 1. Jh. n.Chr. nicht existierte bzw. nicht positiv zu erweisen ist.141 Das rabbinische Schrifttum läßt eine große Bedeutung 134

Von STARCKY, étapes 497f. als 4QarP benannt. Dazu ÖHLER, Elia 16-19.296. Zum weitgehend negativen Befund der Qumrantexte vgl. auch ZELLER, Elija 158. 136 Vgl. OHLER, Elia 21f.; noch kritischer HÄFNER, Vorläufer 333-336. Anders aber PUECH, Messianism 240-243, der v.a. vom Zitat Mal 3,24 in 4Q521 Fr. 2, II lf. ausgeht. Doch ist eine darauf basierende Identifizierung eines Vorläufers Elia äußerst unsicher. ZIMMERMANN, Texte 414f. erkennt in 4Q558 „mit einiger Wahrscheinlichkeit" einen „Beleg für die Erwartung des wiederkommenden Elia in vorchristlicher Zeit" (415), eine Vorläuferfiinktion wird jedoch nicht sichtbar. 137 Vgl. die Übersetzung bei LEVEY, Messiah 29; zum Text auch OEGEMA, Gesalbte 269. 138 Zu diesem Text vgl. OEGEMA, Gesalbte 266f. 135 Zu Eliavorstellungen in den Targumim vgl. ÖHLER, Elia 22-24; FAIERSTEIN, Why 80f. Zur Frühdatierung der Tradition von TargPsJon zu Dtn 33,11 her vgl. auch SYREN, Blessings 135

1 6 5 ; OEGEMA, G e s a l b t e 2 7 0 . 140

V g l . ÖHLER, E l i a 2 7 - 2 9 . Z u d e n B e l e g e n a u c h HÄFNER, V o r l ä u f e r 3 3 6 - 3 3 8 ; FAIER-

STEIN, Why 81-85. DEXINGER, Erwartung 245 datiert diese Erwartung in die Zeit des ausgehenden 1. Jh. n.Chr. Zur rabbinischen Elia-Erwartung auch SCHÜRER, Geschichte II 61 lf. 141

V g l . HÄFNER, V o r l ä u f e r 3 4 2 ; ÖHLER, E l i a 2 9 ; FAIERSTEIN, W h y 8 3 - 8 5 ; VON DOBBE-

LER, Gericht 171. Im Hintergrund steht die Schwierigkeit einer methodisch kontrollierten Datierung rabbinischer Aussagen, so daß kaum Schlüsse auf Vorstellungen des 1. Jh. gezo-

Die Frage nach weiteren korrelierten Titeln und Vorstellungen

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Elias im Rahmen der eschatologischen Erwartung des Judentums in den Jahrhunderten nach der Tempelzerstörung erkennen, Elia begegnet in differierenden Funktionen als Vorläufer des Tages Gottes.142 In die christliche Jesus-Darstellung der Synoptiker hat die Tradition vom Auftreten Elias als eschatologische Gestalt, teilweise in messianischer Funktion, nur in wenigen kurzen Notizen Eingang gefunden.143 Vielmehr wird in den synoptischen Evangelien Johannes der Täufer mit Elia identifiziert und als Vorläufer Jesu, des Gesalbten, verstanden.144 Dabei tritt eine Gestaltung und Interpretation der bestehenden Eliaerwartungen zutage: Elia wird zum Vorläufer Jesu, des Gesalbten, was eine messianisch orientierte Einengung der atl-frühjüdischen Eliaerwartung bedeutet, da Elia keine eigenständige eschatologische Gestalt mehr darstellt.145 Die Beobachtung solcher christlicher Interpretation bestehender Vorstellungen läßt einen recht freien Umgang mit religiöser Tradition erkennen und verweist auf die Möglichkeit ähnlicher Prozesse in anderen Überlieferungsbereichen, z.B. in bezug auf die königliche Gesalbtenerwartung. Ein Fazit kann aufgrund der schmalen Textbasis nur mit Vorsicht und unter Vorbehalt formuliert werden. Eine Erwartung Elias als Vorläufer eines Gesalbten ist im Judentum des 1. Jh. n.Chr., abgesehen vom sozialspezifisch situierten frühchristlichen Gebrauch, nicht nachweisbar.146 Die Vorstellung des eschatologischen Kommens Elias steht im Zusammenhang mit dem Tag Gottes, also dem göttlichen Endgericht, und erlangte mit einiger Wahrscheingen werden können; zu dieser Problematik oben 1.4. Dies mißachtet HEID, Messianologie 223, der die Vorläuferschaft Elias als „feststehende Lehrmeinung der ersten Rabbinen" bezeichnet; vgl. auch HAHN, Hoheitstitel 356. 142 Dazu ÖHLER, Elia 29; HÄFNER, Vorläufer 341; ferner ZELLER, Elija 158. 143 Mk 6,15; 8,27f.; Mt 16,13f.; Lk 9,7f. 144 Vgl. die implizite Identifikation Mk 1,2-6 und 9,9-13; direkt Mt 11,14; 17,13; vgl. Lk 1,17; 7,24-29. Zur Vorläuferschaft eines endzeitlichen Propheten vgl. Lk 1,76-78; dazu LAATO, Star 325-329, der zu Unrecht von der Vorläuferschaft des Elia vor dem Gesalbten als frühjüdischem Hintergrund ausgeht. 145 Die ntl Eliavorstellungen arbeitet die jüngst erschienene Dissertation von OHLER, Elia (1997) auf, vgl. besonders die Zusammenfassung 289-294.297f. Vgl. auch NÜTZEL, Elija; HÄFNER, V o r l ä u f e r 3 6 7 - 3 7 7 . 3 8 4 f . 4 0 4 - 4 0 8 . Z u m T ä u f e r BAUMBACH, T R E X X I I 6 3 2 . - J u -

stin, Dial 8,4; 49,1 muß Elia den Messias salben und so allen offenbar machen; die Aussage steht freilich in dringendem Verdacht, bereits auf den Täufer hin gesagt zu sein (vgl. 49,5); dazu ZELLER, Elija 158 mit Anm. 16; FAIERSTEIN, Why 85f. Zu optimistisch unter Verkennung des christologischen Charakters der Aussage HEID, Messianologie 223. 146 Vgl. auch ÖHLER, Elia 29; HÄFNER, Vorläufer 342f.383f.; FAIERSTEIN, Why, zusammenfassend 86; FiTZMYER, More; COLLINS, Works 103-105; KARRER, Gesalbte 351-353. Anders z.B. ALLISON, Elijah (in Entgegnung auf Faierstein); PUECH, Messianism 242. Nach HORSLEY, Prophets 439-441 existierte im 1. Jh. n.Chr. überhaupt keine Erwartung des wiederkommenden Elia.

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Königliche Gesalbtenerwartungen im Judentum um die Zeitenwende

lichkeit eine gewisse Verbreitung.147 Elia begegnet in der Funktion des Vorläufers und Ankündigers Gottes. Eine aktualisierende Weiterinterpretation der Eliaerwartung wird deutlich, wenn eine Identifikation Elias mit anderen Gestalten vorgenommen wird (Pinhas; Hyrkan I.) und wenn Elia im NT und später in der rabbinischen Literatur als Vorläufer des Gesalbten verstanden wird.148 In Ansätzen erhält das Auftreten Elias funktional betrachtet messianische Züge, so daß ein gewisses Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Gestalten Elia und Gesalbter vermutet werden kann, das erst im Verlauf weiterer Reflexion und Systematisierung ursprünglich eigenständiger Vorstellungen einen Ausgleich findet.149 Einmal mehr zeigt sich die religiöse Vorstellungswelt des Frühjudentums als von erstaunlicher Vielfalt und Variabilität geprägt. Als mit Elia identifizierter letzter Prophet konnte Johannes der Täufer innerhalb seines Jüngerkreises messianisch interpretiert werden, wie die christliche Auseinandersetzung mit dieser Auffassung noch erkennen läßt.150 Eine quasi-messianische Stellung Elias kann also in der eschatologischen Erwartung des Judentums im 1. Jh. n.Chr. eine Rolle gespielt haben.

147

So OHLER, Elia 29.296. Skeptischer HÄFNER, Vorläufer 382f. "" Dazu auch ÖHLER, Elia 296. 149

V g l . ÖHLER, Elia 29f.; ZELLER, Elija 158f.

150

Vgl. Joh 1,20; Lk 3,15-17. Dazu BAUMBACH, TRE XXII 632.

IV. KAPITEL ERGEBNIS: DER KÖNIGLICHE GESALBTE IM FRÜHJUDENTUM

1. Zusammenfassung: Grundkonzeption und Variationen Die Summe der Einzelergebnisse bildet die Basis für die folgende Ergebnisreflexion. Der königliche Gesalbte, griechisch als χριστός tituliert, stellt eine facettenreiche Gestalt innerhalb der auf Gott gesetzten Heilshoffhungen des Frühjudentums dar. Für die vorchristliche Zeit findet sich nur eine relativ schmale und späte (sicher ab 1. Jh. v.Chr.) Textbasis, die den titularen Gebrauch des „Gesalbten"-Prädikats für einen zukünftigen Heilskönig belegt. Eine gewichtige mit diesem Terminus verbundene Vorstellungslinie basiert auf der theologisch interpretierten israelitischen Praxis der Königssalbung, die besonders für David und die Davididen bezeugt ist und dem König rechtsgültige, von Gott verliehene Autorität verleiht. Eine wesentliche Voraussetzung königlich-messianischer Erwartung drückt sich in der Natanweissagung 2 Sam 7,8-16 aus,1 wobei bereits im AT auf dem Hintergrund der traditionellen israelitischen Königsideologie Ansätze einer Erwartung einer königlichen Heilsgestalt gegeben sind, die freilich weitgehend uneschatologischen Charakter tragen und auf das Geschichtskontinuum beschränkt bleiben. Eine erst im 1. Jh. v.Chr. titular mit dem Gesalbten-Begriff verbundene Form der königlichen Gesalbtenerwartung2 bezeugen für das Frühjudentum besonders die PsSal 17 und 18, in denen die geschichtlich vollzogene Herrschaft des messianischen Königs von Israel (βασιλεύς Ισραήλ PsSal 17,42) als Heilszeit für das Volk erbeten wird. Dieser wird sich im politischen Bereich gegen die Feinde Israels durchsetzen, wobei ihm das „Wort seines Mundes", dem reale Wirkmacht eignet, als zentrales Instrument der Herrschaftsaufrichtung und ihres Vollzugs dient. Im Blick auf Jes 11,4 LXX, äthHen 62,2 und lQSb V 24 handelt es sich beim Gedanken der Wirkmacht seines Wortes oder Mundes offenbar um ein verbreitetes Motiv der königlichen Gesalbtentradition. Dabei trägt das Wort Gerichtscharakter: Weil das Wort vollmächtiges Wort Gottes ist, das sein Repräsentant, der königliche Gesalbte, „spricht", entscheidet sich an ihm das göttliche Gerichtsurteil und stellt es so eo ipso 1

Zur seltenen Rezeption der Natanweissagung (v.a. PsSal) vgl. KARRER, Gesalbte 328. Zum Versuch einer Beschreibung der Entwicklung einer davidischen Gesalbtenerwartung, die (neben einem Priestermessias) nach der makkabäischen Erhebung als Gegensatz zu den Hasmonäerkönigen wirksam wurde, vgl. MÜLLER, Messias 72-83. Nach BECKER, Messiaserwartung 82 entsteht die frühjüdische Gesalbtenerwartung im 2. Jh. in einem gegenüber den Heilshoffhungen des AT neuen Anlauf angesichts der politischen Situation mit Tendenzen gegen Hasmonäer, dann Römer und Herodianer. 2

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Ergebnis: Der königliche Gesalbte im Frühjudentum

bereits den Vollzug des Gerichts dar. Der messianische König besitzt als solcher übernatürliche Menschenkenntnis. Er reinigt Israel von seinen Sünden und herrscht auch über die Heidenvölker, vor denen er Gott verherrlicht. Das Verhältnis des Gesalbten-Königs zu Gott, der in den Schriften des AT und Frühjudentums selbst immer wieder als König vorgestellt und angesprochen wird, läßt sich in den Kategorien der Ermächtigung und Legitimation des Gesalbten durch Gott und der funktionsorientierten Partizipation des Gesalbten an göttlichen Qualitäten und an der Verwirklichung der Königsherrschaft Gottes beschreiben. - In konkreten Einzelgestalten der jüdischen Geschichte des 1. Jh. n.Chr. kann das königliche Gesalbtenverständnis im Rahmen politisch-religiöser Befreiungsbestrebungen realhistorisch verifizierbaren Niederschlag gefunden haben, zumindest gestatten die Schilderungen des Josephus Flavius im Kontext zeitgenössischer, literarisch bezeugter Gesalbtenerwartung diese Interpretation. Dabei wird eine Verbindung von prophetischer und königlicher Tradition deutlich, die legitimierende prophetische Wundertätigkeit rückt in nächste Nähe zur königlichen Gesalbtenerwartung. Eine die königliche Gesalbtentradition erweiternde und damit modifizierende Gesalbtenhoffnung stellt die doppelte Gesalbtenerwartung dar, die, in Sach 3; 4 und 6 grundgelegt, ansatzweise in TestXII begegnet und für die Endzeitvorstellung der Gemeinde von Qumran charakteristisch ist. Neben dem bedeutenden priesterlichen Gesalbten existiert in Qumran die Gestalt eines königlichen Gesalbten, der eine traditionelle Funktion der Königsherrschaft über Israel unter Vernichtung der Heiden erfüllt. Darüber hinaus kennen die Qumranschriften einen endzeitlichen Propheten, dessen Wort in Gott gründenden Heilscharakter trägt und so zur Entscheidung ruft. Diese Variation der Gesalbtentradition beweist deren Interpretationsfahigkeit. In der Apokalyptik erfährt die Gesalbtenhoffnung eine konsequent eschatologische Interpretation, wobei die messianische Herrschaft als Zwischenzeit an der Schwelle eines die Geschichte ablösenden neuen Äons angesiedelt ist. Im äthHen wird der apokalyptische himmlische Menschensohn mit dem Gesalbten identifiziert, so daß „Menschensohn" als Titel der Gesalbtengestalt gebraucht wird; darüber hinaus findet der Titel „Erwählter" Verwendung.3 Dieser Gesalbte richtet als solcher eine alle irdische Macht überragende Herrschaft des Heils für die Gerechten auf Erden auf, ohne direkt als „König" bezeichnet zu werden. In die Periode seines Auftretens fällt die Auferstehung der Toten, unter denen er die Gerechten auswählt. Die Präexistenz des Gesalbten-Menschensohnes bei Gott zeigt seine besondere Qualität, er ist mit Macht, Weisheit und der Einsicht in die verborgenen Dinge begabt. Seine 3

Sachlich entsprechend beurteilt auch CHESTER, Expectations 46 die Transzendenz des Gesalbten als sekundäres Element der Gesalbtenerwartung.

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Durchsetzung geschieht kriegerisch und mittels der Rede seines Mundes. Mit seinem Sitzen auf dem Thron4 ist meist ein Gerichtshandeln verbunden, wozu ihm übernatürliche Einsicht in das Wesen der einzelnen Menschen eignet. Das Bild des Mahles mit den Gerechten am Tag des Gerichts symbolisiert die kommende Heilszeit. Das Verhältnis zu Gott ist das der Partizipation, da der Menschensohn von Gott Legitimation und Vollmacht erhält. Wird auch nicht direkt von Gott als König gesprochen, so zeichnen motivliche Anspielungen (Thron) und die Funktionen der Niederwerfung der Feindmächte und des Gerichts das Bild Gottes als das des kosmischen Herrschers, wobei der Gesalbte als Repräsentant zur Aufrichtung der Herrschaft beiträgt. Sein Auftreten geht dem neuen Äon, der dauernden Heilszeit, voran und initiiert dessen Durchsetzung. 4 Esr kennt eine 400jährige irdische Heilszeit unter der Herrschaft des Gesalbten, an deren Ende der Tod des Gesalbten sowie aller Menschen und der Übergang zum neuen Äon stehen. An anderer Stelle übt der Gesalbte eine paränetische Funktion aus, die in sein Gerichtshandeln mündet, das zwischen Vernichtung der Gottlosen und Heilsgabe an den Rest des Gottesvolkes alterniert. Der Gesalbte setzt sich mit überirdischen Waffen - einer seinem Mund entströmenden Macht - gegen militärische Angriffe der feindlichen Erdenbewohner innergeschichtlich durch und sammelt daraufhin das Volk Israel in Frieden um sich, um es zu beschützen und unter Wundertaten zu fuhren. Dabei zeigt sich der Gesalbte als in Gottes endzeitlichen Plan, der in Gottes universaler Herrschermacht verankert ist, eingeordnet. Ganz ähnlich erscheint die Funktion des Gesalbten auch in der syrApkBar, wo er ebenfalls eine Heilsherrschaft - beschrieben u.a. im Bild der überreichen Nahrung und der Wiederholung des Manna-Wunders aus der Wüstenzeit - errichtet. Sein Auftreten ist zeitlich befristet, er kehrt daraufhin in den Himmel zurück, wonach sich Totenerweckung und Untergang der Gottlosen ereignen. Der Gesalbte wird als kämpferische Gestalt im irdisch-politischen Bereich gezeichnet, die auch eine Gerichtsfunktion wahrnimmt. Die Regierung vom Thron seiner Königsherrschaft aus erweist sich als Teilhabe an Gottes Regentschaft, deren zeitgeschichtlich bekanntes Bild in apokalyptischer Zuspitzung die Denkvoraussetzung bildet. Insgesamt sind in der frühjüdischen Apokalyptik um die Zeitenwende Existenz und Funktion des Gesalbten zeitlich befristet auf seine himmlischirdische Herrschaft. In die apokalyptischen Modelle der Hoffnung auf eine 4

Die apokalyptischen Schriften zeichnen häufig die Königsherrschaft des Gesalbten im Bild des Thrones, so äthHen 51,3; 61,8; syrApkBar 53,9f.; 73,1; Offb 22,1.3 (andeutungsweise Offb 3,21 und 12,5); vgl. Lk l,32f.; 2 Kor 5,10 (Sitzen auf dem βήμα). Die Voraussetzung des Bildes im Sinne der Ermächtigung durch Gott besteht in der sachlichen Verbindung zum himmlischen Thron Gottes als König.

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himmlische Rettergestalt werden dabei zentrale Elemente der königlichen Gesalbtenerwartung integriert, ohne daß dabei die direkte König-Anrede auftritt. Die eigentliche Herrschaft bleibt bei Gott, dem König, der Gesalbte hat in seinem Aufgabenbereich daran teil. Im Zusammenhang der messianischen Herrschaft ereignet sich die endzeitliche Totenauferstehung. Die christliche Apokalyptik der Offb identifiziert Jesus als Gesalbten in der nach seiner Wiederkehr ausgeübten Funktion der irdischen Heilsherrschaft eines tausendjährigen Reiches, wobei mit Tod und Auferstehung Jesu als Heilsereignis spezifisch christliches Gedankengut integriert wird. Der Gesalbte (χριστός) hat an der endzeitlichen Herrschaft Gottes teil, setzt die Herrschaftsmacht Gottes in Übernahme göttlicher Funktion durch und regiert mit den aufgrund der Standhaftigkeit ihres Glaubens vom Tod Erweckten. Mit gewissen Modifikationen findet dabei auch der König-Titel Anwendung. Im Vergleich mit den frühjüdischen Pendants tritt der Christus in der christlichen Offb gegenüber Gott selbst stark in den Vordergrund der geschilderten Szenarien, was keine Verschiebung der theologischen Grundstruktur, wohl aber der Wahrnehmung von endzeitlichen Aktionen und Protagonisten bedeutet, die von dem spezifisch christlichen Fundament im Auftreten der historischen Gestalt Jesu von Nazaret ausgeht. Die Vorstellung vom Gesalbten als „Sohn Gottes" kann sich auf das im Rahmen atl Königsideologie bekannte Motiv von der göttlichen Adoption des Königs berufen, ist jedoch im frühen Judentum um die Zeitenwende nur mit 4Q174 III 10-13 eindeutig bezeugt, da weitere Belege christlicher Interpolation verdächtig sind. Als christliche Gesalbtenbezeichnung ist „Sohn Gottes" damit aber klar erwiesen. Der Tod des Gesalbten ist der frühjüdischen Apokalyptik aufgrund des zeitlich begrenzten Auftretens dieser Heilsgestalt nicht wesensfremd und mit 4 Esr 7,29 bezeugt, ein (soteriologisch gedeutetes) Leiden jedoch nicht belegt. Eher am Rande begegnet das Auftreten eines eschatologischen Propheten, wie es die Schriften aus Qumran und die samaritanische Tradition bezeugen. Die ntl Tradition kann den Christus Jesus als solchen ansprechen, wobei damit nur ein Teilaspekt von Wirken und Gestalt Jesu adäquat bezeichnet ist.5 In der Anwendung des Christus-Titels auf Jesus greift das frühe Christentum in bedeutendem Umfang auf zeitgenössische Vorstellungen königlicher Gesalbtenkonzeptionen zurück, nimmt aber substantielle Modifikationen vor. Der Titel erhält eindeutige personale Referenz auf Jesus von Nazaret und prädiziert ihn als messianische Heilsgestalt, mit der Tod und Auferstehung 5 Vgl. KARRER, Gesalbte 408, der die Überbietung aller Propheten durch Jesus in den ntl Schriften festhält.

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als Heilsereignis verbunden werden. In formaler Ähnlichkeit zu den Bilderreden des äthHen werden auch für Christus weitere Titel wie Menschensohn, Sohn Gottes, Prophet und Herr benutzt, was zeigt, daß die Bedeutung einer besonderen Gestalt mittels ursprünglich verschieden denotierter Titel aus unterschiedlichen Traditionslinien zu formulieren versucht werden kann.6 Auch der wiederkehrende Elia ist dem Frühjudentum als eschatologische Gestalt bekannt, wobei er als Vorläufer des Tages Gottes fungiert. Die spärlichen Belege lassen aber keine große Bedeutung dieser Vorstellung im Rahmen der Endzeiterwartung erkennen. Ansatzweise erhält das Auftreten Elias messianische Züge, so daß er in eine gewisse Konkurrenz zum königlichen Gesalbten tritt. Erst das frühe Christentum interpretiert Elia als Vorläufer des Gesalbten und identifiziert ihn mit Johannes dem Täufer, der dem Christus Jesus vorausgeht. Die Textuntersuchung fuhrt also in der Zusammenschau zu folgendem Ergebnis: Es existierte keine fest umrissene, in ihren Motiven völlig einheitliche königliche Gesalbtenerwartung im Frühjudentum, vielmehr treffen wir in den erhaltenen literarischen Quellen auf verschiedene Bilder von herrscherlichen Gesalbten-Gestalten, die sich um einen gemeinsamen, das Zentrum all dieser Bilder formenden Kern von Vorstellungen gruppieren. Dieses Zentrum bildet eine als „Gesalbter" betitelte, von Gott, der selbst als alleiniger Herrscher über Himmel und Erde alle Macht besitzt, erwählte Repräsentationsgestalt, die als König oder Herrscher auf Erden auftritt, eine Heilszeit fur das Volk Israel aufrichtet und sich dabei mit übernatürlichen militärischen Mitteln durchsetzt. Aufgrund des Partizipationsverhältnisses zu Gott ist das Wesen dieser Gestalt durch Heiligkeit, Einsicht, Weisheit und besonders Gerechtigkeit geprägt, woraus die Fähigkeit zur Friedensherrschaft resultiert, wie sie in den aktuellen sozial-politischen Verhältnissen in weite Feme gerückt ist. Um diesen Kern herum entstanden die geschilderten Variationen in je unterschiedlichen geschichtlichen Situationen und Trägergruppen. Damit darf von der Existenz einer königlichen Gesalbtenerwartung im Sinne von Grundgedanken ausgegangen werden, die in der jeweiligen schriftstellerischen Situation eines Autors in eine bestimmte Form der Darstellung integriert werden können; eine Art „ Grundgerüst" wird je eigen mit unterschiedlichen Elementen angefüllt. Die Variabilität der königlichen Gesalbtenkonzeption erweist sich als formale Grundcharakteristik und bietet damit den Ansatzort für eine so weitgehende Umgestaltung wie die der frühen Jesus-Bewegung. Kern und 6 OEGEMA, Gesalbte 158 hält fest, daß „die Konzeptualisierung einer Gestalt mit Hilfe mehrerer, auf den ersten Blick recht unterschiedlicher, Konzeptionen im ersten Jahrhundert n.d.Z. möglich war und statt fand" (Original kursiv). Vgl. auch THOMA, Redimensionierungen 2 1 5 .

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Variationen zeichnen das im 1. Jh. n.Chr., also zu ntl Zeit, potentiell zur Verfügung stehende Bild eines königlichen Gesalbten. Ausschlaggebendes Charakteristikum des davidischen gesalbten Endzeitherrschers ist seine militärische Funktion zur Aufrichtung der von Gott getragenen Heilsherrschaft,7 worin der Gedanke der Königsherrschaft Gottes über Israel (und die Völker) eine realgeschichtliche Verwirklichung findet.8 Damit verbunden kommt wiederholt eine Gerichtsfunktion des Gesalbten zur Sprache, wobei zum Teil Jes 11,3f. im Hintergrund anklingt.9 Einen beliebten atl Referenztext zur Beschreibung messianischer Qualitäten stellt neben Gen 49,10, Num 24,17 und 2 Sam 7,14 besonders die Zukunftshoffnung auf einen Heilskönig Jes 11,1-5 dar.10 Die Tatsache, daß das messianische Textverständnis von Jes 11,1-5 in den voneinander unabhängigen Schriftengruppen der PsSal und der Qumran-Texte, dazu noch in 4 Esr 13,10 und äthHen 49,3 f. und 62,2f. relevant wird, weist auf eine gewisse zeitgenössische Verbreitung dieses Verständnisses." Eine herausragende Eigenschaft des gesalbten Herrschers, die ihm von Gott zur Ermöglichung der Durchführung seiner Aufgaben verliehen ist, bildet seine Gerechtigkeit.12 Seine Geistbegabung13 (PsSal 17,37; 18,7; lQSb V 25) setzt ihn in ein spezielles, einzigartiges Gottesverhältnis und ermöglicht Partizipation an Willen und Macht Gottes. Auffällig ist das Wort seines Mundes als Herrschaftsinstrument des Gesalbten, das im Verheißungstext Jes 11,4 LXX - in der LXX tritt dieser Zug wesentlich deutlicher hervor als im MT - seine Grundlage findet: lQSb V 24; PsSal 17,24.35f.; äthHen 62,2.14 7

CD VII 20f.; lQSb V 24-29; 4Q174 III 13; 4Q161 Fr. 8-10, 21f.; 4Q285 Fr. 5, 4; PsSal 17,22-36; äthHen 46,3-6; 52,6-9; 4 Esr 13,27-34.37f.; syrApkBar 39,7; 40,lf.; 70,9f.; 72,2. 8 Vgl. diese Überlegung bei SCHÜRER, Geschichte II 628. 9 lQSb V 21f.; 4Q246 II 5f.; PsSal 17,29.43; äthHen 46,4-6; 49,4; 55,4; 61,8f.; 62,3; 69,26-29; 4 Esr 12,32f.; 13,37f.; syrApkBar 72. - THEISOHN, Richter 110-114.203f. denkt an eine vom Gesalbten geschiedene und daher zu differenzierende frühjüdische Gestalt eines endzeitlichen Richters, wofür sich als atl Basis Jes 11,1-10 vermuten lasse; trotz notwendiger Differenzierung bestehe wegen des Reflexes auf Jes 11 aber Traditionsverwandtschaft zur königlichen Gesalbtenerwartung. Meine Untersuchung bestätigt diese These nicht; das Gerichtshandeln bildet eine zentrale Funktion des königlichen Gesalbten, dessen Variationsfähigkeit zu berücksichtigen ist; Jes 11,1-5 wird überdies frühjüdisch häufig auf einen königlichen Gesalbten interpretiert. 10 lQSb V 20-29; 4Q161; 4Q285 Fr. 5; PsSal 17,21-46. " Dazu auch COLLINS, Scepter 65f.; DERS., Messiahs 220f. 12 lQSb V 20-23; 4Q252 V 3; 4Q161 Fr. 8-10, 23f.; PsSal 17,23.26f.32.37.40; 18,7f.; äthHen 38,2; 53,6. 13 Als atl Referenztext vgl. Jes 1 l,2f. (in bezug auf den davidischen König). Im Motiv des Geistbesitzes besteht eine sachliche Verbindung zur Gestalt eines Propheten (so Jes 61,1). 14 Vgl. auch 2 Thess 2,8; Offb 19,15.21. In Ps 32,6 LXX (vgl. 33,6 MT) eignet mit Bezug auf Gott dem λόγος του κυρίου bzw. in Parallelismus dazu dem πνεύμα τοδ στόματος air

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Bemerkenswerterweise zeigt sich der Gedanke der davidischen Abstammung des Gesalbten als nicht wesentlich zum Bedeutungskern gehörig,15 da er nur in den PsSal, einigen Qumran-Rollen und in 4 Esr deutlich wird, wo die Herkunft aus der davidischen Königsdynastie zusätzliche Legitimation verleiht. Nur in apokalyptischen Texten ist das Auftreten des Gesalbten mit der Totenerweckung zeitlich verbunden, sie geschieht äthHen 51,1 f. in der Zeit des Menschensohnes (durch Gott), während sie 4 Esr 7,32 und syrApkBar 30,1 f. und 50 von Gott nach dem Auftreten des Gesalbten durchgeführt wird. Der herrscherliche Gesalbte tritt in etlichen Texten in Verbindung mit anderen Endzeitgestalten auf, v.a. im 1. Jh. v.Chr. in Kombination mit einem eschatologischen Priester und im 1. Jh. n.Chr. in Identität mit dem apokalyptischen Menschensohn. 16

TOO Schöpferkraft; in Ijob 4,9 tötet Gottes Atem; die Macht des Wortes/Hauches des Mundes setzt den messianischen Herrscher in eine Relation der Partizipation und Ermächtigung zu Gott. 15 Vgl. das Ergebnis der Untersuchung von P O M Y K A L A , Tradition 2 6 4 . 2 7 0 Γ , wonach der davidische Messianismus nur eine Form des königlichen Messianismus im Frühjudentum darstelle und in sich selbst nicht einheitlich sei. - Dabei besteht freilich die Gefahr, im analytischen Streben nach Differenzierung die Textzeugnisse zu stark zu isolieren. M.E. wird man dem Textbefund, der bestimmte wiederkehrende Vorstellungen ausweist, eher gerecht, wenn man von einer königlichen Gesalbtenkonzeption ausgeht, die teilweise durch das Motiv der davidischen Herkunft angereichert wird, bzw. bei der teilweise das zur atl Voraussetzung zu zählende Motiv der davidischen Abstammung nicht genannt wird. 16 Dazu auch O E G E M A , Gesalbte 2 8 7 . Die Dynamik verschiedener Konfigurationen hält S C H Ä F E R , Diversity 3 5 als Ergebnis seines Überblicks fest.

2. Terminologie und Konzeption Die zu Beginn der Arbeit eingeführten linguistischen Kategorien Sinn, Denotation und Referenz gestatten eine präzise Bestimmung der Bedeutung eines Lexems oder Syntagmas. Diese Kategorien liefern für den Bereich der königlichen Gesalbtenerwartung die nötigen Kriterien zur Beschreibung des Verhältnisses von konkretem Salbungsakt und „Gesalbten"-Terminologie, die in ihrer Bedeutung über diesen Vollzug hinausreicht. Das Lexem „Gesalbter" (TP5ÖD, χριστός) erhält seinen Sinn in der Tat von der historischen Salbung der Könige Israels her, so daß eine königliche Person als „Gesalbter" bezeichnet werden kann, die durch einen realgeschichtlichen Salbungsakt als solche eingesetzt ist. Dieser Sinn-Hintergrund erweist sich durch etliche atl Texte als hinreichend bezeugt und steht so für spätere Anwendungen der Begrifflichkeit sinngebend zur Verfügung. Entscheidend für ein zeitgeschichtlich aktuelles Verständnis des Lexems ist jedoch dessen spezifische Denotation, die dem nachweislichen Gebrauch entnommen werden muß. Für den untersuchten frühjüdischen Zeitraum der beiden Jahrhunderte um die Zeitenwende denotiert „Gesalbter" eine Kemvorstellung und in verschiedenen sozio-religiösen Kontexten hinzugewachsene Variationen. Das Kernbild zeichnet eine von Gott einzigartig ermächtigte Herrschaftsfigur in gewaltwirkender richterlicher und herrscherlicher Funktion zugunsten des Heils Israels mit besonderer Tugend und Begabung. Die Variationen sind abhängig von der jeweiligen sozialen und religiösen Umwelt der Trägergruppe und entwickeln sich in je spezifischem Ideengefüge. Daraus resultiert die Folgerung, daß der „Gesalbten"-Titel zu seiner sinnvollen Anwendung einer Hermeneutik bedarf, also seine genaue, spezifische inhaltliche Füllung über den Kern hinaus im Kontext der Trägergruppe eine - zumeist narrativ praktizierte - Definition und Abklärung erfordert. Dann vermag der Begriff eine korrelierte Konzeption zu evozieren, die so im jeweiligen Makrokontext der den Terminus verwendenden Schrift gesucht werden muß (s. oben 1.). Bei der Betrachtung des Verhältnisses von Sinn und Denotation fällt auf, daß der königliche „Gesalbten"-Titel frühjüdisch an keiner Stelle mit dem konkreten Vollzug einer Salbung verbunden wurde. Offenbar tritt eine titulare Ablösung und Abstraktion vom konkreten Salbungsvollzug auf, so daß der Sinn des Lexems nur mehr den begriffsgeschichtlichen Hintergrund für die Übernahme der Denotation darstellt; die Momente göttlicher Erwählung und Ermächtigung weisen noch auf den historisch verankerten Sinn-Hintergrund.

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Insgesamt gewinnt die Denotation ihre eigene Bedeutungsfüllung, womit Sinn und Denotation auseinandertreten. Konkrete geschichtliche Referenten des Titels (als dessen eigen- oder fremdverfugte Träger) lassen sich zunächst nicht sicher ausmachen; das Zeugnis des Josephus deutet eine Übernahme seitens jüdischer Revolutionärsgestalten an, ohne eine explizite terminologische Verifikation zu erlauben. In der Jesus-Bewegung bzw. dem frühen Christentum fungiert exklusiv Jesus von Nazaret als Titelträger, was einschneidende, die Denotation stark variierende Modifikationen erfordert; von den ntl Texten her fraglich und in der Forschung diskutiert wird eine Anwendung schon für die geschichtliche Person Jesu oder erst nach Tod und Auferstehung in christlichen Kreisen. Für die erste Hälfte des 2. Jh. weist der Talmud Simon bar Kochba als historischen (aber umstrittenen) Titelträger aus. Deutlich weiter denotiert erweist sich der „König"-Titel, der primär in bezug auf ein realpolitisches Königtum Anwendung findet, wobei die überhöhenden, religiös motivierten Aspekte auch ohne die weit entwickelte Form einer „Gesalbten"-Konzeption hervortreten können. Der Titel akzentuiert eine politische Konnotation.„König" kann freilich schriftspezifisch auch synonym zu „Gesalbter" fur die gleiche Gestalt gebraucht werden, wofür PsSal 17 das Beispiel liefert. Auffallenderweise lebt eine in atl Prophetentexten breit bezeugte Heilskönig-Konzeption auch ohne Beanspruchung von „Gesalbten"Terminologie in frühjüdischer Zeit fort (so in Sib 3 und 5; TestXII; Einzelzüge bei Philo und Josephus), wobei der Terminus „König" oder weitgehend äquivalente Umschreibungen (z.B. in der Gestalt des Juda in TestXII) zur Bezeichnung der Konzeption dienen. Inhaltlich lassen sich dabei teilweise kaum einschlägige Differenzen zur königlichen Gesalbtenerwartung aufweisen, womit eine Grenzziehung undeutlich und letztlich auf die jeweilige Zentralterminologie beschränkt ist: Terminologisch enthält „König" nämlich nicht eo ipso die mittels „Gesalbter" denotierte einzigartige Stellung der Figur in bezug auf Gott. Damit zeigt sich also auch unter Absehung von präziser „Gesalbten"-Terminologie eine herrscherlich-politische und pro-jüdische Heilskonzeption unter Verwendung des „König"-Begriffes aufrufbar. Auf den genannten königlichen Traditionsstrang kann eine Titulierung einer messianischen Gestalt als „König" rekurrieren, wobei nicht übersehen werden darf, daß die frühjüdische Literatur relativ selten diese titulare Verdichtung gebraucht. Damit steht stärker ein um die herrscherliche Linie als Zentrum offener Vorstellungskreis eines „königlichen" Gesalbten denn eine feste, gebräuchliche titulare Komprimierung der Vorstellung im König-Titel für eine potentielle Jesus-Interpretation, die den genannten Vorstellungskreis mittels des Titels evoziert, zur Verfügung. D.h. aber auch, daß gegebenenfalls nach weiteren Einflußfaktoren für eine solche Interpretation Jesu mittels des König-Titels zu suchen ist, die den Gebrauch gerade dieses Titels firmieren.

3. Historische Situierung Als zeitlicher Ansatz der königlichen Gesalbtenerwartung läßt sich das 1. Jh. v.Chr. aufgrund der Bezeugung durch verschiedene Qumran-Dokumente und die PsSal sicher bestimmen. Ein Weiterwirken im 1. Jh. n.Chr. zeigen neben den ntl Schriften einige apokalyptische Bücher, in späterer Fixierung auch Achtzehngebet und Targumim. Die konkrete Entstehung der Vorstellung liegt weithin im Dunkeln. Als Voraussetzung dienten offensichtlich die atl besonders in den Königspsalmen und den Sam-Büchern tradierte israelitische Königsideologie und die prophetischen Heilsherrscher-Verheißungen, woraus etliche Motive und Schriftbelege in die Konzeptionen einflossen und an zentralen Stellen prägend wirkten. Nach diesen Voraussetzungen treten sichtbar erst wieder einzelne frühe Konzeptionen eines königlichen Gesalbten zutage, ohne daß Abhängigkeiten, Verbindungen und geschichtlich situierte Entstehungsbedingungen hinreichend erkennbar würden.1 Unter Absehung verschiedener Entstehungs- und Entwicklungshypothesen soll an dieser Stelle lediglich die Existenz von königlichen Gesalbtenkonzeptionen als geschichtlich greifbares Faktum festgehalten werden. Eine Entwicklung solcher Konzeptionen im untersuchten Zeitraum der beiden Jahrhunderte um die Zeitenwende gibt sich nicht als generelles, allgemein frühjüdisches Phänomen zu erkennen. Vielmehr treten individuelle Ausprägungen variabler Konzeptionen in gruppen- und situationsspezifisch zu verortender Eigenheit auf, die um den relativ fixen Bedeutungskern herum Einzelentwicklungen beinhalten (vgl. prägnant Qumran und Apokalyptik), ohne allgemeine Entwicklungslinien zu verfolgen. Erst Christentum und Rabbinat finden dann zu jeweils festen Formen, die innerhalb der religiösen Gemeinschaft alleinige Gültigkeit beanspruchen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die einzelnen konzeptionellen Ausprägungen der königlichen Gesalbtenerwartung - in analoger Situationsorientierung - als Antwort auf konkrete politische Gegebenheiten zu verstehen, d.h. die darin abgebildeten Zukunftshoffhungen finden sich in der Unzufrieden' Laut THOMA, Entwürfe 18f. liegt der Beginn der messianischen Hoffnungen im Dunkeln, doch seien diese in späten prophetischen Texten (Deutero- und Tritosachaija, Tritojesaja) schon vorhanden; die Hauptzeit beginnt erst 175/150 v.Chr. mit verschiedenartigen messianischen Entwürfen; als Voraussetzungen seien ein eschatologisches Szenarium und die Möglichkeit der Rückschau auf einen relativ festen Offenbarungskomplex anzusehen (ebd. 17-19).

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Ergebnis: Der königliche Gesalbte im Frühjudentum

heit mit den depravierten Hasmonäerherrschern (Qumran, PsSal), dem als fremd empfundenen Königtum des Herodes (Teile der Bilderreden des äthHen?) und besonders der Besatzungsmacht der Römer (PsSal, Josephus, 4 Esr, syrApkBar, Offb) situiert, wobei die Erfahrung sozialer Repression, religiöser Indifferenz und politischer Unterdrückung ein zu verarbeitendes Negativpotential schuf. Die gegenüber diesen negativen Erfahrungen aufgerichteten Utopien des Eingreifens Gottes und einer besseren, einer qualitativ neuen Welt umfassen auch die königlichen Gesalbtenerwartungen; die Utopie erfüllt eine politische Kritikfunktion.2 Die frühjüdische Gesalbtenerwartung ist also generell als politisch-national orientierte - wenn auch in der Apokalyptik eschatologisch überhöhte - jüdische Befreiungsbewegung3 zu verstehen, die aus der geschichtlichen Not der hasmonäischen Regierung und der römischen Besatzung und Herrschaft erwächst und im Blick auf eine von Gott gesandte Gestalt Hilfe erwartet. Unter der Prämisse dieser politisch-nationalen Hoffnung kann das Auftreten Jesu allerdings nur als Scheitern beurteilt werden,4 wie dies z.B. im Munde der Emmaus-Jünger Lk 24,21 geschieht (vgl. auch Apg l,6f.). Entsprechend zeigt die ntl Darstellung Jesu als Gesalbten eine größere Unabhängigkeit von den staatspolitischen Verhältnissen, wobei gerade die Passionserzählungen den Konflikt mit der Staatsmacht spiegeln, diesen aber auf das wahre Wesen der Sendung Jesu hin zu überschreiten suchen. Da die Forschung Akzeptanz, Rezeption und Verbreitung der einschlägigen literarischen Quellen nicht hinreichend sicher zu bestimmen vermag, bleibt auch der Bekanntheitsgrad der königlichen Gesalbtenkonzeptionen im einzelnen unsicher, was zu großer Divergenz verschiedener Forschungspositionen führte (vgl. den Forschungsüberblick 1.2.1). Generell lassen sich aber einige Beobachtungen zur Verbreitung dieser Erwartungen zusammentragen und methodisch verantwortet beurteilen. Dabei erweist sich zu Beginn eine oft unbeachtete Differenzierung als sachlich notwendig und klärend: Eine in 2 Nach Z E N G E R , Umgang 136 sind die messianischen Traditionen im Prinzip „kontrafaktische Utopien". 3 So H E I D , Messianologie 231. Auch C H E S T E R , Expectations 43 versteht die innerweltliche, politische Bedeutung als integralen Bestandteil frühjüdischer Gesalbtenerwartung. Auch in rabbinischen Äußerungen erhält sich die gesellschaftskritische Funktion der Gesalbtenerwartung; vgl. D E X I N G E R , Entwicklung 250f. Die Kritikfunktion der königlichen Gesalbtenkonzeption gegenüber der römischen Herrschaft betont O E G E M A , Gesalbte 193f. Nach T H O M A , Redimensionierungen 211-213 bildet die Hasmonäerherrschaft den historischen Hintergrund sowohl für das Fehlen als auch für die Ausformung von Gesalbtenerwartungen, wobei die drei Ämter von Hohepriester, Fürst und Prophet in Verbindung mit dem Gedanken des vertraulichen Umgangs mit Gott richtungsweisend waren; der Autor beruft sich dabei auf die Schilderung des Johannes Hyrkan bei Josephus, Bell l,68f.; vgl. Ant 13,290. 4 C O L L I N S , Scepter 204f. hält die Differenz zwischen Jesu Wirken und der militärischherrscherlichen Gesalbtenerwartung fest.

Historische Situierung

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den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende im Frühjudentum allgemein verbreitete Kenntnis der basalen königlichen Gesalbtenkonzeption bedeutet nicht zugleich die Prävalenz dieser Erwartung als grundlegendes Dogma frühjüdischen Glaubens; während sich letzteres in keiner Weise verifizieren läßt, kann ersteres wahrscheinlich gemacht werden. Eine richtungsweisende Feststellung betrifft das Vorkommen der königlichen Gesalbtenkonzeptionen in verschiedenen literarischen Gattungen (bzw. Formen), die sich in Umrißlinien als Gemeinde-Ordnungen (CD; 1QS IX 11; vgl. lQSa II 11-22), Gebete bzw. Lieder (PsSal 17 und 18; später Achtzehngebet), Schriftauslegungen (thematische Pescharim: 4Q174 III, 4Q252 V, 4Q285 Fr. 5; Pescher: 4Q161 Fr. 8-10; vgl. CD VII 18-21; später Targumim), endzeitliche und apokalyptische Schilderungen (lQSa II, lQSb V; äthHen, 4 Esr, syrApkBar, Offb) und Erzählungen über geschichtliche Personen (NT; evtl. Josephus; später Bar Kochba) angeben lassen. Der jeweils vorauszusetzende unterschiedliche Sitz im Leben der einzelnen Groß-Gattungen bietet einen verifikablen historischen Hinweis auf eine weitere Verbreitung und Bekanntheit der Vorstellung, was freilich nicht schon im Sinne eines basalen frühjüdischen Credo, sondern schlicht als Wissen darüber zu verstehen ist. Der Nachweis des Auftretens der Konzeptionen in verschiedenen, nicht in direkter literarischer Beziehung stehenden frühjüdischen Schriften(gruppen)5 deutet auf unterschiedliche Traditionsströme und erlaubt die Folgerung, daß eine königliche Gesalbtenerwartung in der geistigen Welt des Judentums in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende bekannt und beheimatet war.6 Die titulare Evozierbarkeit der Basiskonzeption mittels des zentralen Stichwortes „Gesalbter" (und Korrelate) (so in CD XII 23f. u.ö.; 1QS IX 11; später Achtzehngebet) weist ebenfalls auf grundlegende Kenntnis dieser Konzeption innerhalb der Bevölkerung. Eine Verbreitung der Hoffnung läßt sich weiter wegen ihrer pragmatischen Funktion als Gegenbild zu negativ erfahrenen politischen Zeitverhältnissen vermuten,7 da die darin angelegte Idealisierung 3

So in der Qumran-Literatur, den PsSal, apokalyptischen Schriften und der ntl Brief- und Erzählliteratur. 6 NICKELSBURG, Salvation 63 erkennt z.B. eine lebendige messianische Hoffnung in den beiden Jahrhunderten v.Chr.; vgl. VERMES, Jesus 130-134; CHESTER, Expectations 42, der ebd. 46 das Fehlen in vielen frühjüdischen Schriften mit der Funktion der Abwehr politisch gefahrlicher messianischer Erwartungen begründet. Eine gewisse Bekanntheit („Zeitgeist") gesteht auch CHARLESWORTH, From Jewish 250f. zu, wiewohl er betont, daß bei weitem nicht alle Juden im 1. Jh. eine Gesalbtenerwartung teilten. Vorsichtiger auch COLLINS, Messiahs 222. 7 Vielleicht kann man sich von dieser Einsicht her der Frage nähern, warum nicht mehr literarische Bezeugungen messianischer Erwartungen aus dem untersuchten Zeitraum zur Verfügung stehen. In der gespannten politischen Situation der römischen Oberherrschaft mußten „Gesalbte" von den Römern - nicht zu Unrecht - im Sinne politischer Revolutionäre

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Ergebnis: Der königliche Gesalbte im Frühjudentum

göttlich legitimierter Machtausübung ein kontrafaktisches Hoflhungsbild bereitstellt und damit Sehnsüchte artikuliert und kanalisiert. Besonders nach dem von mir angewandten Kriterium der mehrfachen und unabhängigen Bezeugung ist es also historisch legitim und gefordert, von einer allgemeinen Bekanntheit der königlichen Gesalbtenkonzeption zu sprechen. Mit der Annahme allgemeiner Bekanntheit d a r f - um dies nochmals zu betonen - freilich keineswegs selbstredend die These persönlicher oder gruppenspezifischer Aneignung und Relevanz im Sinne einer wesentlichen geistigen Prägung identifiziert werden; inwieweit Gesalbtenerwartungen zum existentiellen Glaubensgut gehörten, läßt sich im Blick auf die zahlreichen zeitgenössischen Schriften, die keine solche Hoffnung präsentieren, für weite Bevölkerungsteile berechtigt anzweifeln und kaum sicher angeben, gleichwohl in manchen Kreisen diese Erwartung offenbar gepflegt wurde.

verstanden werden, was die Verfolgung der Trägergruppe solcher Hoffnung bewirken muBte. Mit diesem Erklärungsmodell würde die Zurückhaltung jüdischer Literaten einsichtig. Josephus kann dafür als Modellfall dienen.

4. Theologie Beachtet man den grundlegenden Charakter des einschlägigen Textmaterials, geben sich königliche Gesalbtenkonzeptionen als um einen Kern hemm offene Vorstellungen zu erkennen. Daher können nur einige theologische Grundzüge genannt werden, die aber für das rechte Verständnis eines königlichen Gesalbten wesentlich und unentbehrlich sind. (1) Die basale Voraussetzung für das Verstehen der Konzeption bildet die sich geschichtlich und universal auswirkende Mächtigkeit Gottes, die im Bild von „Gott als König" metaphorischen Ausdruck findet. Die allumfassend und absolut gedachte Königsherrschaft Gottes kommuniziert die zu wesentlicher Einflußnahme in der Welt nötige Macht Gottes sowie seinen Heilswillen und beinhaltet geistige Ermöglichung und theologische Einordnung der königlichen Gesalbtenkonzeptionen. Denn der königliche Gesalbte ist partizipatorisch-repräsentativ in die Königsherrschaft Gottes integriert und vermag diese somit irdisch durchzusetzen und darzustellen, so daß kein Gegensatz zwischen diesen aufeinander bezogenen Herrschaftsvorstellungen konstruiert werden darf.1 Die frühjüdischen Vorstellungen der Königsherrschaft Gottes kennen in unterschiedlicher Gewichtung und Funktion verschiedene Mittlergestalten zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und den Menschen, unter denen der Gesalbte eine gedankliche Möglichkeit darstellt. Der zukünftige bzw. eschatologische gesalbte König erhält von Gott Ermächtigung und Legitimation; eine Vergöttlichung des gesalbten Königs im Sinne hellenistisch-römischer Herrscherapotheose ist damit nicht denkbar. Das Verhältnis des Gesalbten zu Gott läßt sich als Partizipation an Macht, Heiligkeit, Gerechtigkeit und Erkenntnis Gottes seitens des Gesalbten erfassen, der Gesalbte fungiert als primär irdisch wirkender Repräsentant Gottes. Erst die Einsicht in die ursächliche Verbindung mit Gottes Königsherrschaft ermöglicht die rechte theologische (im Sinne von Gottbezogenheit) Gewichtung des königlichen Gesalbten. (2) Die königliche Gesalbtenerwartung impliziert Nähe und Distanz Gottes. Gott tritt in Distanz zur menschlichen Welt, wenn er nurmehr vermittelt durch den Gesalbten zu Gericht und Heil agiert, also nicht direkt selbst eingreift; diese Distanz darf freilich nicht überbewertet werden, da im Kontext 1

In den eschatologischen Figuren kommen delegierte Gottesfunktionen zum Tragen, wie MAIER, Zwischen 207 beobachtet.

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Ergebnis: Der königliche Gesalbte im Frühjudentum

auf das Auftreten des Gesalbten häufig Gottes eigene endzeitliche Aufrichtung des neuen Äon folgt.2 Gleichzeitig vermittelt der Gesalbte als Repräsentant Gottes in einzigartiger Gottnähe und Begabung Gottes Wirkmächtigkeit und Präsenz an die Welt der Menschen, innerhalb derer er auftreten wird. Die christliche Darstellung des Gesalbten Jesus steigert den Aspekt der Gottnähe bis zu Unmittelbarkeit und göttlicher Identität, was u.a. in der Häufung der „Sohn Gottes"-Titulatur Ausdruck findet; im irdischen und erhöhten Jesus vollzieht sich in untrennbarer Einheit Gottes Wirken, wobei der Anteil des Gesalbten einen vergleichsweise weiten Umfang besitzt. Die irdische Wirkung des Gesalbten bleibt festzuhalten: Der auf diesem Hintergrund gezeichnete herrscherliche Gesalbte ist lokal betrachtet König auf der Erde und zeitlich innerhalb des Geschichtskontinuums angesiedelt, also in seiner Hauptwirkung nicht überzeitlich im Himmel gedacht. Er erfüllt in erster Linie eine Gott vermittelnde irdische Funktion und tritt dazu in der Regel als geschichtlich greifbarer Mensch auf; eine gewisse Ausnahme bildet hier die Apokalyptik, wo er als himmlische Gestalt gezeichnet wird, aber doch wieder für das Endzeitgeschehen auf Erden Relevanz gewinnt. Der christliche Parusiegedanke schließt hier an. (3) Charakteristischerweise basiert die messianische Erwartung allgemein auf der religiösen Dimension der Heilsgeschichte Israels,3 innerhalb derer die Erfüllung der biblischen Verheißungen an Israel durch Gott erhofft wird. Damit besteht ein innerer Zusammenhang zwischen heilsgeschichtlicher und politisch-nationaler Zukunftshoffhung, die in der Gestalt des Gesalbten immanente Verwirklichung erfährt. Dieser Gesalbte erweist sich entsprechend stets in geschichtlich wahrnehmbarer Weise als solcher, indem die konkrete Durchsetzung seiner messianischen Herrschaft seinen Gesalbtenstatus evident werden läßt. Der Vollzug seiner Wirkmacht bildet die Basis für seine Akzeptanz; der Erfolg beweist die Legitimität seines Anspruchs.4 Die atl idealisierte Zeichnung des israelitischen Königtums und die David-Verheißung begründen die Situierung der königlichen Gesalbtenkonzeptionen in Israels Heilsgeschichte. Die partiell wiederholte Rede von der davidischen Abstam2

Als erfahrungs- und situationsbezogener Hintergrund läßt sich die Unterdrückung Palästinas durch eine fremde politische Macht (Rom) erkennen, so daß Gottes nationales Heilswirken ohne konkrete Erfahrung bleibt und in Frage steht. 3 Vgl. HEID, Messianologie 231. Schon TALMON, Gesalbte 63 stellt in bezug auf die biblischen Heilserwartungen an die Zukunft fest, daß deren Hauptzüge einer einst geschichtlich erfahrenen Realität entsprechen. 4 Vgl. HEID, Messianologie 224, der weiter ausführt: „Ein Jude .glaubt' nicht an den Messias, er akzeptiert ihn, wenn er da ist und sich bewährt". Vgl. auch MAYER, Messias 91. HAHN, Messias-Erwartung 135 betont die Diesseitigkeit der messianischen Heilsverwirklichung im Frühjudentum.

Theologie

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mung des Gesalbten (vgl. die Anrede als „Sproß Davids") impliziert die königliche Funktion des Gesalbten als wesentliches Kennzeichen und umfassende Aufgabe der Gestalt. 5 Die ntl Darstellung ordnet Jesus als Klimax in die göttliche Heilsgeschichte ein; sie impliziert ebenfalls Jesu Mächtigkeit, integriert aber mit dem historischen Auftreten Jesu die spezifische Weise seiner „Herrschaft" in Gewaltlosigkeit und Liebe sowie zur Offenbarung des Vaters. Entsprechend tritt die Bedeutung der davidischen Abkunft sehr zurück. (4) Die königliche Gesalbtenhoffhung artikuliert den im Hintergrund stehenden end-gültigen Heilswillen Gottes in geschichtlich unheiler Situation, was eine Rechtfertigung der religiösen Identität Israels angesichts der Infragestellung durch konkrete Negativerfahrung enthält. Dabei tritt bevorzugt Israel als Heilsempfänger hervor, die Stellung gegenüber den Heidenvölkern schwankt zwischen untergeordnetem Einschluß ins Heil und Vernichtung. Die abwertende bis vernichtende Tendenz hinsichtlich der Völker erklärt sich aus der Perspektive der Autoren und Rezipienten und der diese prägenden Erfahrung konkreter Feindschaft und Unterdrückung durch die Fremdmacht. Die weitgehende Offenheit gegenüber den Heiden stellt das NT (besonders Paulus) an den Rand frühjüdischer Identität. (5) Die in der königlichen Gesalbtentradition enthaltene Erwartung des Heils gründet in chronologischer Betrachtung in einer Trennung von Gegenwart und Zukunft, die gegenwärtiges Unheil und zukünftiges Heil als zwei korrelierte Wirklichkeiten verstehen läßt. Diese teilweise eschatologisch überhöhte zeitliche Trennung erlaubt auf der pragmatischen Ebene die Konstruktion eines Hoffnungsbildes, das angesichts desolater Verhältnisse Vertrauen auf Gottes Heilswillen und Mächtigkeit zu dessen Durchsetzung zu wecken intendiert; die titular evozierbare Bildwelt animiert die Phantasie der Rezipienten zur geistigen Auseinandersetzung und praktischen Bewältigung der Lebenswirklichkeit in erfahrener Negativsituation. Die Integration von gegenwärtigem Beginn des Heils im Auftreten Jesu mit der zukünftigen Verwirklichung präsentiert sich als christliches Proprium und hält zugleich die Möglichkeit von Hoffnung in Negativerfahrung aufrecht; gefordert ist die Verbindung von realistischer Gegenwartswahrnehmung und in der Geschichte Jesu begründeter Zukunftshoffnung. (6) Die theologische Dimension königlicher Gesalbtenkonzeptionen wird von den jeweiligen Autoren in die eigene sozial-politische und religiöse Lebenswelt integriert und erfüllt darin eine propagandistische Funktion zum Zweck der Konsolidierung der eigenen religiös-politischen Anschauung. Po-

5

Vgl. auch LOHSE, König 343.

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Ergebnis: Der königliche Gesalbte im Frühjudentum

litik und Religion werden in Übereinstimmung gebracht und wirken als Einheit. Insgesamt sehen wir auf die Erwartung eines zukünftigen, in der Apokalyptik endzeitlichen Heilskönigs für Israel, der eine irdische Herrschaft des Friedens und der Gerechtigkeit mit militärischen Mitteln errichtet. Die politische, von Gott ermächtigte und getragene Königsherrschaft des Gesalbten zum Heil für Israel bildet die zentrale Linie der frühjüdischen Gesalbtenerwartung,6 die verschieden akzentuiert und weitergeführt werden konnte. Ein bemerkenswerter Interpretationsspielraum wird erkennbar, wobei eine gewisse Verbreitung der Vorstellung vorausgesetzt werden muß. Die sichtbar gewordene Flexibilität im Gebrauch der Gesalbtentradition in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende fördert ein Spektrum an messianischen Erwartungen, das vom ganz irdischen Gesalbten der PsSal und mancher Qumran-Texte bis zur himmlischen Gesalbten-Menschensohn-Gestalt der Apokalyptik reicht;7 endzeitlicher König, Priester und Prophet können als gesalbte Gestalten gezeichnet werden. Im Christus Jesus verbinden sich irdisches Auftreten und himmlische Position, Gegenwart und Endzeit, wobei entgegen militärischer Aktion die grundlegende Heilszusage Gottes und eine am Besten des Anderen orientierte Ethik die Grenzen Israels öffnen und die Identität der „Christen" bestimmen. Der königliche Gesalbte begegnet in erster Linie als theologische Gestalt: Sein Auftreten als Gottes einzigartiger Repräsentant vermittelt Gottes Mächtigkeit in den Raum des politischen Geschicks der Welt und bringt Gottes Heilswillen seinem erwählten Volk Israel nahe.

6

Das gilt angesichts der Vielfalt der frühjüdischen messianischen Erwartungen, die LICHTENBERGER, Erwartungen 9 sachlich berechtigt betont; vgl. auch TALMON, Concepts 84; COLLINS, Scepter 1 If.; KARRER, Gesalbte 242f.266f.302; OEGEMA, Gesalbte 287.304f.; THOMA, Redimensionierungen 209.216; CHARLESWORTH, Messianology 6.10.13f.l9-24; DERS., From Jewish 247f. (der freilich manche Kontraste überbetont); NICKELSBURG, Salvation 65. Doch scheint mir traditionsgeschichtlich die königliche Gesalbtentradition Basis und Zentrum für verschiedenste Transformationen zu sein. Als zentrale Linie verstehen die königliche Gesalbtenhoffnung HAHN, EWNT III 1150-1153; DERS., Hoheitstitel 156-158; HOFIUS, Jesus 107.112; DEXINGER, Entwicklung 5 u.ö.; COLLINS, Scepter 12.65f.95. 7 Vgl. COLLINS, Scepter 189. Die Variabilität hält schon HAHN, Hoheitstitel 156 fest. Vielfalt und Verschiedenheit konstatiert auch CHESTER, Expectations 40.43.

LITERATUR Abkürzungen für Reihenwerke, Periodika und Lexika richten sich nach S.M. Schweriner, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin New York 21994. Siglen für biblische, pagane, frühjüdische und christliche Schriften gebrauche ich nach H. Balz/G. Schneider (Hgg.), Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Band I, Stuttgart - Berlin - Köln 21992, XIIXXI. Darüber hinaus werden verwendet: Mk/mk Mt/mt Lk/lk Joh/joh ρ In Ev parto red fin AT/atl NT/ntl LXX MT Verf.

Markus/markinisch Matthäus/matthäisch Lukas/lukanisch Johannes/johanneisch paulinisch Evangelium in Übereinstimmung mit einem (zwei) Synoptiker(n) redaktionell Ende Altes Testament/alttestamentlich Neues Testament/neutestamentlich Septuaginta Masoretischer Text Verfasser

Monographien und Aufsätze werden mit Verfassername und Titelstichwort zitiert, Kommentare zu biblischen Büchern mit Verfassername und Siglum der kommentierten Schrift, gegebenenfalls mit Bandangabe in römischen Zahlen. Lexikonartikel erscheinen mit Verfassername und abgekürzter Angabe des Lexikons mit Bandnummer in römischen Zahlen.

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REGISTER 1.

Altes Testament (Hebräische Bibel) Gen 28,10-19 28,12 49 49. 8 49,8-12 49. 9 49,9f. 49.1 0

Ex 14 15 15.1 7 15,17f. 15.1 8 16,22 17,8-13 19,6 20,21 28 33,20 Lev 4,3 4,5 23,42f. 26 26,40-45

93 463 37 250 199 253.376 351 33.150.211.213. 216.239.243.251. 254.256.297.307. 329.542

44 67.82 44 87.108 43f.98.128.129. 138 215 266 45.87.92 227 194 50

147 147 298 270f. 273

28

Stellen

270

Num 4,34 215 23.21 f. 45.82 24,7 33.232.268-272 24,15-17 ..226-228.230.523 24.1 7 33.150.220-222. 243.249-252.266.268. 272.307.318.329.377. 460.518.542 24,17-19 216.231f.268 25,6-15 155 Dtn 5.2 8 5.2 9 6,4 13,2-6 18,15

227.229 227.229 128 310.528 234.292.295.466. 468.472.515.517519.522-524.528 18.1 8 292.460.466.468. 472.515.517-519. 522-524.528 18,18f. 227f.457.465 18.2 2 294 21.2 3 513 28 270f. 30,1-7 273 32,11 116 33 37.46.67 33,5 46.49 33,8-11 228f.524 34,10-12 310.528

Jos 6,16 6,26 10,12-14 13-19 Ri 8,22f. 9,7-15 1 Sam 2,1-10 2,7f. 2,10 2,35 7-1 2 8-1 0 8. 7 8. 8 8. 9 8,20 9,1 9,16 10,1 10,6 10,9-13 10,17-24 12,3 12. 5 12. 6 12,8 12,12 15,1 16,3

292 229 266 173

48f.83 145

33 147 29.217.427 29 47 47 47.49.83 48 47 47f. 95 145 145 146 146 125f. 145 145 48 48 48f.83 145 145

16,11

286

16,12f.

145

604 16,13 16,19 17.1 5 17,28 17,34 22-24 24 24,7 24,11 26 26,9 26,9-11 26,11 26.1 6 26,23 27 30

Register 146 286 286 286 286 303 155 29.146 29.146 155 29 146 29 29 29.146 303 303

2 Sam 1,14 1,16 2-5 2,4 3,18 7

29.146 29.146 303 145 156 17.98.155.184. 212f.499f. 7,8 215 7,8-16 146.150.167. 426.537 7.10-1 4 108 7.11-14 ...224f.239.243.268 7.11-1 6 165 7,12 168 7,12f. 447.449 7.12-1 4 410 7,12-16 472.478 7,14 168.498.504.506. 51 lf.542 7,14-16 497 7,16 217.254.426 19,22 145 23,1 145 1 Kön 1,34 1,39 2,24 4,29

145 145 147 192

8,25 9. 5 10,23 19.1 5 19.1 6 19,16f. 22,19-22 2 Kön 2,1-18 2,9 2,15f. 4,42-44 9,3 9. 6 9,12 11,12 23,30

478 478 192 145 236.515 148 81.375

529 148 148 469 145 145 145 145 145

Jes 1. 2 234 6 49.59.81.88.116.375 6,1-4 443 6. 3 50.81 6. 5 49f.58 6,9f. 135 7,1-17 151 7,14 256.378.427 7,14-16 152 8,23-9,6 150 9,1-6 151.427 9,5f. 152.497 9. 6 426 9,6f. 334.478 9. 7 172 10,24-27 224 10,34-11,1 218 11,1 212.219.296. 376.472 11,If. 239 11,1-4 462 11,1-5 ....106.151f.172.184. 189.215-218. 222-224.240.243. 250f.264.304.542 11,1-6 149 11,1-9 171 11,1-10.... 150.152.427.460

11.1-1 2 477 11. 2 238.336.458.331f. 11,2f. 181.187.292 11.2- 4 335 11.2- 5 170.180.196 11. 3 173.331f.467 11,3f. 213.319.353 11.3- 5 174.334.351 11.4 165.172.181.183. 221.238.268.293.336. 355.369.382f.421.537 11. 5 383 11,6-8 113 11,6-9 373 11,6-12 264 11.1 0 376.412.472 11.1 2 357 24-27 50 24,21-23 50 24,23 50f.58f. 24,33 50 25,6f. 51 25,8 51 30,27 172 31,8 232 32,1 152 33,17 51.58f. 33,17-24 5Of. 33.2 2 51.58f. 40,3 456 40.1 1 182 41.2 1 52.58 41,21-29 52 42 329f.339 42,1-4 430 43,15 52.58 44. 6 52.58f. 45. 1 29.145.261 45.2 3 172 49 329f.339 49,1-12 336.339 49. 2 334.355.383 49. 7 335 49.2 2 175 52,7 53.58.107.520-523 52.1 3 335 52,13-53,12 513 53,5f. 408

Register 53.1 2 335 54.1 3 177 55,1 355 55. 3 449f. 55,11 172 60. 4 175 60. 9 175 61,1....148.154.180.236.304 61,If. 131.235.292.430. 437.450.515. 520-523.528f. 66,20 175.357 Jer 8,18-23 54 8,19 53.56.58 10,7 54.58f.138 10.1 0 54.58f. 17,25 152 22,3f. 152 22,24-30 151 23.1- 6 182 23.2- 8 151 23. 5 212f.225.239.251. 304.334.376.472 23,5f. 150.152 23,9-32 310.528 30,8f. 151 33,14-17 150.152.239. 251.376 33,15 212f.225 33,15f. 151 33.1 7 165 33,17f. 199.205 46.1 8 54.5 8f. 48,15 54.58f. 51,57 54.58f. Ez 17,22-24 20,32-44 20,33 21,30-32 34 34,23f. 34,24 37,1-14 37,24

15 lf. 54f. 54.58f. 33 98.182.345.474 151.348.499 152.215.319 235 182

37,24f. 37,25 44,3 45,8 47,13 47,21-48,29

605

151.348.499 215.319.478 215 173 173 173

Hos 3,4f. 8,4 13,10f.

152 49 49

Joel 3,1-5

447

Am 4,13 5,26f. 9.1 1 9,11-15 Obd 21 Mich 2.1 2 2.1 3 4,4 4. 6 4. 7 4. 8 4. 9 5,1-8 5. 2 5. 3 5. 4 5,7 7,14f. Zef 3,15 Hag 2,20-23 Sach 3

50 108.220.222 108.220.222. 225f.243 151

55.58.109

55f. 55f.58f. 157 56.58f. 56.58f. 56 56 152 429.472 182 429.472 351 55

56f.58f.484

153

199.204

3. 8 3.8-1 0 4 4,1-14 4,6-8 4,14 6.9-1 4 6,9-15 6,12 9. 9 9,9f. 9,14f. 12,10 14. 8 14. 9 14.1 6 14.1 7 14,16-19

153.212.225.348 149 199.204 153 84 199.201.214.311 199.204 153 212.225.274 334.433.484f. 153f. 485 154 472 57f. 57-59 57-59 298

Mal 1,14 3. 1 3,17f. 3.2 3 3.2 4

57-59 456.514.422.529 214 456.514.522.529 456

Ps 2

150f.233f.330.335. 360.499f. 2. 2 331f.379 2,6f. 497f.511f. 2. 7 207.348.411.426. 430.438.449.476.506 2. 8 184 2. 9 152.170.172.184. 216.221.240.268. 355.377f.382 5. 3 67f. 8,7 423 10 67f. 15,8-11 447 16.1 0 450 18,9 172 18,51 145.472 22,23-32 68 24 67 29 65 29,1 81

606 44 68 44,5.. 67 15 Of. 45 60-62 47 48 67 137 48,5.. 68 66f. 72 15 Of. 72,2.. 174 72,8-11 174 74 68 74,9 514 84 67 89 150f.167.212f.497 89. 4 169.447 89,4f. 165.472.478 89,18 217.344.392.427 89,21 169 89.2 6 174 89.2 7 168 89,27f. 426 89,27-30 506 89,37f. 472.478 93 60.63 93, If. 443 93. 5 63 95 60.65.80 96 60.62f.80 97 60.62-64.80 97, If. 443 98 60.62f. 99 63f. 99,1 444 103 66 105,15 146.148.236. 516.522 107,20 172 110 150.335.337 110,1 83.422-424.438. 447.486 110,4 507 110,5f. 170 118,25f. 484 118,26 433 132,10-18 15 Of. 132,11 165.447 132,1 If. 147.168

Register 132,17 14 5 14 6 146,7f. 149 149,7

145.217.344. 392.427 66.130 66 235 66f. 95

Ijob 1,6-12

81.116

12,17f. 36,5-7

147 147

Spr 2,6 4,8f. 8,12-20 8,15f. 8,22 8,23-26 16,15

173 196 196 192 197 334 192

Klgl 4,20

151

Dan 1-6 71.75 2,28-45 74 2,31-45 333.368 2,44 76 2,44f. Ill 2,47 380 3.3 3 76-78 4,14 Ill 4,22f. 111 4,29 Ill 4,31 76.78.111 4.3 4 76f. 4,37 147 6,26-28 73 6,27f. 76.78 7 18.71.75.77.350-352. 358.364.368.499f. 7,9-14 81.116 7,13 76.112.267f.323. 325.329.354.362. 380.438.501.507

7,14

11,21-45 11,36 12,1 12,1-3

76.111.307.323. 335.354.380.507 76f. 77 507 501 77.95.11 If. 75 71.75 154 ...,521f. .34.148 12 .76 .76 .75 506 501 117 74.506

/ Chr 11. 3 16,22 16,31 17,4-14 17. 6 17. 7 17.1 0 17,11-14 28. 4 28. 5 28. 7 29.1 1 29,22 29,22f.

145 148.236.516.522 78 150 79 79 79 79.83 250f. 79.83.95.147 79 79.83 145.153 79.83

7,18 7,22 7.23-2 5 7,25 7,27 8 8-12 9.24-2 6 9,25... 9,25f.. 9,26... 10,13. 10,20f.. 11.

2 Chr 9,8 13. 8

79.147 79

Frühjudentum AntBibl 48,If. 51,7 56,2f.

530 526 284

Register 59,2 62,9

34 284

syrApkBar 1-20 364 8,If. 281 21-52 364 21. 6 373 28,2 363 29f. 121 29. 2 365.385 29. 3 351.365-367.369. 387.470 29,4-8 365.367.383.389. 436.468 30,1 349.351.365-367. 369.387.414.459.512 30,If. 366.543 30,3 367 30,3-5 368 39f. 542 39. 7 379.387 39,7-40,3 368f. 40. 1 379.387 40,If. 353 40. 2 335.385 40. 3 478 46.4 373 48,7 121 50 543 53 370f. 53,9f. 372.389.426.539 54,1 If. 373 54,13 373 54,13f. 121 59,3 373 70-72 542 70,9 169.370f.387f. 427.459 71. 1 385 71. 2 369.379.387 72,2-6 371.414 72,6 373 73,1 372f.389.426.539 73,2-7 373 74. 1 373 74. 2 373 75,7f. 121

607

77,15f. 83,7

373 121

ApkEl 34,7-35,12 39.7-15 41,6f. 42,10-15 43.8-1 0 43,8-44,2

531 531 509 531 531 384

ApkZef 9,4f.

530

AssMos 4,1 4,2f. 6,7 7 8 8,1 9 9,1 10. 1 10,1-10 10. 2 10,7f. 3 Esr 4,46 4,58

115 115 115 115 115 507 115 117.531 94.116.132 116f. 115f. 33

88 88

4 Esr 3,1 347 3,20 346 6,26 530 6,57-59 346 7,26f. 347f. 7.2 8 348f.352f.359f.362. 371.385.470.530 7,28f. 169.387f.427. 459.508 7,28-30 121 7,28-32 367 7.2 9 251.349.353.360. 362.385.389.540 7,29f. 512 7,30-38 349

7,32 543 8,14 173 8,20-23 104 11 368 11.36-4 6 350.352f. 12 368 12,11 350 12,26-28 347 12,3 If. 376 12,31-34 350-353 12.3 2 359.365.367.387. 427.432.459.472 12,32f. 414 12.3 3 363 12.3 4 359f.365.385 13 369.372.387 13,1-13 354-357.362 13,4-11 267f. 13,9-11 363 13,25-56 357-361 13,26 352.358.367.459 13,32 169.349.388.427. 459.470.508 13,37 169.349.388.427. 459.508 13,37f. 353.363.371.414 13,48-50 365 13,49 371 13,49f. 353 13,5 If. 352.358.459 13,52 169.349.388.427. 459.508.530 14,9 349.358.363.388f. 427.459.508 14,21-26 363 14.37-4 7 363 äthHert 6-11 9,1-10 9,4-11 12,3 14,18-21 25,3 25,3-7 27,3 37-7 1 38-6 9

72 117f. 119 118 118 336 118 118 18.120.324 542

Register

608 38. 2 39,5-7 39,6 40,5 41,If. 45f. 45. 3 45,3f. 46. 1 46.1-4 46. 2 46. 3 46,3-5 46,3-6 47. 1 47,3 48. 2 48.2- 6 48,2-7 48.2-1 0 48. 3 48.3- 6 48.4- 7 48. 5 48. 6 48. 7 48,8-10 48. 9 48.1 0 49,1-4 49. 2 49,2f. 49. 3 49. 4 50,1-5 51,If. 51,1-5 51,3

51,3f. 51,4f. 51. 5 52,1-9

326 333 326 326 120 325.414 336 326 325.328.333. 367.459 326 470 326.328.333f. 268 335f.369 339 336 326.328.333f.458 339 268 329-331 341.367.410. 412.459 389 334 326f. 18.328.333.341. 410.412.458f. 337 325.414 435 77.120.311.327332.379.387.458 268.331.335.337 326.333.478 458 335.414.430 336.462.467 331 335.543 332 268.326.335-337. 378.389.417.426. 478.539 120 335 326 332f.

52,4

77.120.311.327329.332.379.387.458 52,6 326.328.458 52,6-9 335 52,9 326 53f. 325.414 53,1-54,6 333 53,6 326Í.335 55. 4 326.336f. 60,2 336 61. 5 326 61. 8 326.336.338.389. 426.478.539 61,8f. 462.467 61. 9 335 61.1 0 326 62 120 62f. 336 62. 1 326.328 62,If. 458 62,1-8 339 62. 2 172.335f.355.369. 378.421.430.478.537 62,2f. 417 62. 5 326.328.336 62. 6 335 62. 7 326.328.333f.337. 341.367.410.412.459 62,9 326.328 62,14 326.328.383.389. 426.436.468.478 63,1-4 120 63.1 1 326 63,1 If. 120 69,26f. 326.334.341 69,26-29 325.336.414 69,27 417 69,29 326.470 70f. 340f. 70,1 326.342 71,14 326.340-342 71,17 326 83-90 343 83.1-91,1 0 118 84.2- 6 119 85. 3 345 89,52 530 90,9-12 217.343f.

90,13-19 90,20-22 90,30 90,37f. 91,11-17 91,12f. 91,18f. 93,1-10 93,7f. 93,8 105,2

344 345 371 344f. 119 119 118 119 119 530 326.509

Josephus Ant 4,218 4,223 6,60f. 6,62-66 6,165 6,247 7,94 10,203-210 10,210 10,276 13,288-300 13,290 13,299f. 13,301 13,379-383 14,19-24 14,22f. 14,24 14,58-74 14,71 14,79 14,159 17,43-45 17,213ff. 17,269f. 17,271f. 17,273-285 17,285 17,295 17,299ff. 18,4 18,4-6 18,9f. 18,23

312 125.312 125 125 313 312 312 312 279 279 158 548 230 158 167 167 126 126 96 166 166 283 279 115.435 285 285.300 128.286 314 115 435 287 288f. 288f. 127

Register 18,23-25 18,85f. 18,85-87 18,116-119 20,97f. 20,97-99 20,167f. 20,169f. 20,169-172 20,188 Ap 2,164 f. 2,166-172 2,246 Bell 1,1-30 1,3 1,36-53 1,68 l,68f. 1,70 1,96-98 1,141-158 l,157f. 1,204 1,671-673 2,55f. 2,56 2,57-65 2,118 2,258-260 2,261-263 2,263 2,358-361 2,390 2,433-448 2,443f. 2,445 2,517-522 3,108 3,352-408 3,399-402 3,399-408

288f. 310 295.471.518. 526.528 282 293.310.471 449.526.528 289f.471.526 291f.310.471 526.528 312

126f. 127 127

279f. 275 277f. 158 548 158 167 96 166 283 305 284f. 300 285f. 127.288.300 289f.310.471. 526.528 287.291.310. 471.526 278 277 277 299-301 127.291 278 302 277 313 282 275.279

3,401f. 3,455 3,458f. 3,484 4,154 4,158 4,165f. 4,172 4,178 4,258 4,344 4,346-352 4,347 4,503 4,503-544 4,556-584 4,508 5,309 5,361-419 5,527-533 6,229 6,299 6,312 7,29-31 7,32-34 7,118 7,153-157 7,253-258 7,253-274 7,265f. 7,323-336 7,437-442 7,437-453

609

307 278 278 277 280 280 280 280 280 280 280 281 280 285 302f. 302f. 304 305 281 304 291 281 262.279f.282. 307f.313f. 128.305f. 306 306 306 288 281 306 281 306.310.471. 526.528 279

Vit 424f.

307

JosAs 5,6 6,2-6 13,10 21,3

255 509 509 509

Jub l,27f.

90

1,28 4,19 12,19f. 16,18 33,20 50,6-13 50,9 Jdt 9,12

109 343 91.124 92 92 91 100

86

1 Makk 2,24-26 2,57 3,3-9 4,46 5,62 9,27 10,19-21 10,62-65 10,89 13,42 13,49-52 13,51 14,4-15 14.4 1 14.4 2 14,47

155 155.165 157 514 156 514 156 156 156 157 157 255 157 156f.514 157 157

2 Makk 1. 7 1,10-2,18 1,24-29 2,17 4,11 5. 8 6,23 7. 9 7,30 10,7 13,4

86f. 87 87 87.157 87 87 88 88.140 88 255 88

3 Makk 2,1-20 5,35 6,1-15

89 89 89

Register

610 Philo Abr 70 74 261 Agr 49-6 6 50-5 2 51

122 122 194

123 122 122.197

Allí 64 65

122f. 197

Alili 86

123.197

All III 79 171 218

122 453 453

Cher 29 99 106

123 124 122f.

Conf 62 f. 146 17 0 17 1 175 Decal 31 40f. 41 51 54-56 154f. 178 Flacc 123 123f. 169-175

274 453 122 123 123

122 123 122f. 122 122 122 122f.

122 124 122

Fug 10 66 94-99 103 103-105 108 108-118 109 111 118

122 123 123 122.197 123 122 197 122 122.197 122.197

Gig 64

124

Her 168f. 191

122 197

Imm 31 62 90 15 9 16 0 Jos 2f. LegGai 3 149

122 122 123 122.124 124

123

122.124 124

Migr 40-42

123

Mut 7 11 17 27f.

122 123 123 123

Op 20 31 36 69-71 71

453 453 453 122f. 124

79-81 88 146 171

274 122 453 122

Plant 14 33 53 86-88 90-92

123 124 124 123 123

Post 168

122

Praem 53 54 64 95 122f. 165

269 195.452 123 232.269-272.274 194 269.272-274

Prov II 15

122

QuaestEx I 23

122

QuaestEx II 42 46 51 62 64 66 67 68 QuaestGen II 16 34 75 QuaestGen III 34 39

122.124 124 124 123 123 122 123 123

123 122 193

122 123.194

Register QuaestGen IV 26 76 87 184

123 193 122 123.194

Sacr 64 66 131

123 453 123

Sobr 63

122

SomI 140f. 141 228-230

122 123 453

Som II 99 242-245 289

122 197 122

SpecLeg I 13-31 44f. 66 207 277

122 122f. 122 122 123

SpecLeg II 165 224

122 122

SpecLeg IV 165 168f. 176 191

123 123 123 122

Virt 47 75

271 274

VitMos I 66 148

273 123.195.452

149-159 153f. 158 163 290 VitMos II 2f. 3 4 44 99 10 0 132 241 254 288

611

271 452 428.452 452 124.269-272.274

452 269.468 123 274 123 122 122 123 273 270.274

PsSal 2,25-31 166 2,26f. 96 2,28-31 164 2,30 96f. 2,30-32 141 2,30-36 174 2,32 96f. 5,5-7 97 5.1 8 97f. 5.1 9 97Í164 8,15 166 9,3 173 14. 8 173 14. 9 186 17 18.140.142.163-184. 188f.195.215.217.221. 242f.270.293.301.311. 356f.372.385f.388. 393f.399.486.494.509. 537.542.546.549 17,1 169 17,1-3 97-99.164f.180 17. 3 98 17. 4 168.254f.478 17.4-2 0 164.165-167 17.5-2 0 98 17,7-9 164.166 17,11-14 166

17,21

167-169.379.427. 431.447.462.472 17,21-31 167-175.179 17,21-33 9 17.21-4 3 98.164 17,22f. 413 17.22-25...170-173.353.369 17.2 3 168 17.24 216.355.378. 382.421 17.2 5 462.467 17,26ff. 305 17,26-31 173-175 17,27 462.467 17.2 9 163.334f. 17.3 0 369 17,32 161.176-179.186. 213.216.334f.371. 379.383 17,32-40 413 17,32-43 176-184 17.3 4 98.179f.185 17.3 5 334f.426.478 17,35f. 421 17,35-41 181 f. 17.3 6 252.256 17.3 7 292.331.334f. 430.458 17.3 8 186 17,40 334f.383.474 17,42 537 17,42f. 182-184 17,44-46 98f.164.184 17,46 97f.169.180 18 184-189.195.243. 311.393.542.549 18,1 161.379 18,1-4 185.187 18,5 161.177.379 18,5-9 185-187 18,7 161.177.181.216. 292.379.430.458 18,9 163 18,10-12 185 Sib 2,187-189 2,194-202

531 531

612 2,245-248 530 3,1-92 112.259 3,46-61 114f. 3,49f. 263 3,193 263 3,286f. 263 3,295-344 259 3,295-544 112 3,318 263 3,492-503 112 3,556-560 112 3,565 112 3,568-572 112 3,608 263 3,611 264 3,616-623 112 3,652 112.141.261-263 3,652-660 260f. 3,654f. 113 3,661-740 261 3,702-720 113 3,767-795 264 3,767-807 113 5,1-51 259 5,52-433 259 5,108f. 369 5,108-110 265.268 5,155-161 265 5,256-259 266f. 5,414-419 267 5,420-433 267 5,434-531 259 5,492-500 114 Sir 1,8 197 1,11 196 1,18 196 4,10 509 6,31 196 10,1-18 192 24 197 44,17-45,26 157 45,12 158 45,24f. 199.205 45,25 158.165 47,1-11 158.344.392.427 47,22 158

Register 48,8 48,10 50,1-21 50,7 50,15 51. 1 51,12

515 235.529 157 92 92 92 92.344.391f.427

TestXlI TestRub 6,8 6,1 If.

249 250f.

TestSim 5. 5 7, If.

250 254

TestLev 4,4 8,2-15 8,15 17f. 18 18,3 18,7

509 248 515 245.248-250 247.251.253.255Í. 249.377 430.458

Testfud 1. 6 251 15,3 248 17,5f. 251 21,1-4 253 22,2f. 253f. 24 245.247.251-253.256 24,1-4 25 If. 24. 2 430.458 24,5 376 24,5f. 25 If. Testlss 5,7f. TestDan 5 5,4 5,10 5,10f. 5,10-12 5,13

254

94 255 94-96 116.132 248 94-96

TestNaph 5,3-5

255

TestJos 19,8f. 19.1 1 19.1 2

255 96 96.255

TestBen 9,If. 10,7

95.141 95.140

Tob 1,18 10,14 13 VitProph 21,3

90 90 90

530

Weish 1,1 193 2,12-20 195 2,13 196 2,16 196 2,18 196.509 3.1-1 2 195 3. 8 93-95.140.193.195 4,7-5,16 195 5,16 93f.l95 6,If. 193 6,4 93f.141.193 6. 9 193 6,20f. 93f.140.192 6,21 193 6,22-8,18 192 6,24 192 8. 3 197 8. 9 193 8,14f. 193 9.2-1 2 192 9. 4 94.197 9,7 193 9.1 0 94.195 9,10-12 193 10,1-11,4 93f. 10,2 193

613

Register 10,10 10,10-12 10,13f. 11,10 12,9 12,19-21 18,13 18,14-16 18,15 18,15f. 18,21-25

102 192f. 193 196 172.355 195 196 38 lf. 94 172.193.355 193f.

ZusEst 4,17

88

ZusDan 3,54

88

Qumran CD II 12 III 13 IV 9 V 52-VI 1 VI 1 VI 7 VII 16f. VII 18-21

VII 20 VII 20f. Vili lf. XII 23f. X I V 18.19 X I X 1 Of. XX 1 OQShirShab

232.236f.515. 521f.525 107 107 515 34.232.236f. 521f.525 211 108 220-222.228. 231.240.250. 318.377.549 319 542 221 31.200-203.209. 245.549 200-204 200.202f. 200.202f. 100.102.244

1QH III XVIII 8

105 109

1QM I1

II 22-III 21 111 109 210 220.230Í. 109.111 142 110 221.230f.236f. 515.521f.525 110.142 110.139 111 111 107 110 210 244 210 210 110 110 210

I 1-4 II 1 VI VI 5f. VI 6 XI1-12 XI 6f. XI 7f. XII 1-5 XII7-18 XII 9f. XII 16 XIII 7 X I V 16 X V 4-7 X V 4-14 X V I 13f. XVIII 5-9 XIX 1 XIX 8 X I X 11

1QS V 21 107 VI 3-6 204.206 VI 8f. 204.206 VIII 5-10 108 VIII 10 107 VIII 15-IX 11 207 IX 11 31.106.200f.203f. 209.227.239.245.457. 515.522.524f.549 lQGenAp

II 4.7.14

1Q21 Fr. 1

109 250

214

lQSb III 5 106 IV 25f. 106 V 142.331.486.542.549 V 20 221.319 V 20f. 106f. V 20-29 214-218.221. 240.335 V 21-26 399 V 23 107.244 V 24 172.421.537 V 24f. 244.355.430.458 V 24-29 218 V 25 181.292 V 26 427 V 27 221.345.377 V 27f. 107 1Q30¥T. 1 4Q161 Fr. 5 Fr. 5,3 Fr. 8-10

Fr. 8-10, 18

237 331.399 319 240 215f.218f. 221-224.239. 472.542.549 167.376.427

142

4Q174 III

105.108.486. 542.549 III 1 427 III 10-13 224-226.239. 411.426.438.462. 472.476.498.504. 506.510.540 III 11 167.222.376.400

lQSa II II 11 f. II 11-14 II 11-22 II 12 II 14 II 19.20

209 207-209 106 205-210.224. 383.436.468.549 351 208f. 209

4Q175 (= 4QTest) 5-8 5-20 9-13 21-29

4Q2J3.214

207.457 515.522 226-230.524 318.377 229

250

614

Register

4Q216YV 9f.

109

4Q246 II 5f. 4Q252 V V 1-4 V 1-6 V 1-7 V2 V 3f. V4

74.498-508 542

542.549 217 472 211-213.239f. 109.221 219.223.376. 400.427 109.167

4Q253 Fr. 3

214

4Q376 Fr. 1,1 1 Fr. Ι,ΙΙΙ 1

4Q534VT. 1,16-11

238

4Q536 Fr. 3

238

4Q377 Fr. 2, II 5... 228.516.

4Q540

514

522.525

4Q541

514

210 210

4Q379 Fr. 22, II

229

Fr. 9,1 2-7

247

4Q381 Fr. 15,7

238

4Q558

532

4Q385 Fr. 2, 5-8

235

5Q10 Fr. 1

109

4Q386 Fr. 1,1

235

4Q400

101

11Q05 XXVII2-11 XXVIII 3-12

526 238

4Q259

201

4Q401

lOlf.

4Q266-273

201

4Q403

102

llQMelch II 15ff. 11 15-20 II 15-25 II 18

4Q266 Fr. 10,1 12f. Fr. 18, III 12

4Q404

102

11Q17

203 202

4Q405

102-104

4Q270 Fr. 2, II 14

516

4Q458 Fr. 2, II 6

237

7.222.231.331 167.218f.223.239f. 319.369.376.400. 427.472.542.549 Fr. 6+4 219f.

4Q475

507

4Q491

110

4Q504 Fr. 2, IV 6f.

239

4Q287 Fr. 3

237

4Q510 Fr. 1

109

4Q301 Fr. 5

109

4Q511 Fr. 52-59, III 4.. 109

4Q303 Fr. 1

109

4Q521

4Q254 F r . 4 , 2

199.214

4Q285 Fr. 5

4Q319

201

4Q369 Fr. 1, II 6

507

4Q375 Fr. 1,19

228 210

100.244

4Q400-407.

Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr. Fr.

2, II 2,111 2,118 2, II 12 2, III 1-5 8,9 9, 3

7.492Í.532 232-237 523 471 431.471 235f. 233.236f. 237

507 236 519-525 107 34.227 100.103f.244

¡1Q19 LVI 12-LIX 21

239.243

Neues Testament Mt 1,1 1,1-17 1.2 0 2,1-12 2,4f. 2,4-6 3,11 3,13-17 4,1-11 5,3f.6 5,35 6.9-1 3 6,10 7.2 1 8.10-1 2 8,20

425.431.472 428 428 428 429 400.472 430 430 132 130 137 132 130 130 130f. 438

Register 9,27 43 If. 11. 2 431.471 11,5 235 11,11 132 1 l,12f. 132 11,14 533 11,19 438 12,18-21 430 12.22-3 0 132 12,23 431 12,28 131 13.3 If. 132 13,57 528 14,15-21 437 15.2 2 431 15,32-39 437 16.1 3 438.533 16.1 4 457.533 16,16 431 16,19 133 16,20.21 431 17,13 533 18,18 133 18.23-2 5 137 19.2 8 95.435 20,30f. 431 21,1-9 433 21,1-17 432 21,9 431 21,11 527 21.1 5 431 21,46 527 22.1-1 0 437 22.2-1 4 137 22,41-46 432 22,42 431.472 24,5 431 24.2 3 431.433.471 24.24 309f.431.471.528 25.14-3 0 435 25,31 495 25,31-46 435 26.2 9 130.437 26,63f. 438 26,65f. 439 26,68 439 27,11 439 27.15-2 6 441

27,27-31 27,37 27,40-43 28,18 28,18-20

615 441 441 442 446 478

Mk 1,1 425 1,2-6 533 1,9-11 430 l,12f. 132 I,1 5 129 2,10 437 2,18-20 132 2,21f. 491 2.2 8 437 4.26-2 9 132 4,30-32 132 6,4 437.528 6,14f. 457 6,14-16 527 6,15 437.533 6,35-44 437.528 8,1-9 528 8.1-1 0 437 8,27f. 533 8.27-3 0 527 8,28f. 457 8.2 9 431.438 8,31 431.437f. 8,38 437 9.2- 8 529 9,9-13 533 9,31 437 9,43-48 130 10,15 130 10.2 3 130 10,33f. 437 10,47f. 43 If. II,1-1 0 433 11,10 432 12,1-11 435 12,35 431 12,35-37 433 13.2 1 431.433.471 13.2 2 309f.431.471.528 13,26 437 14.2 4 130

14.2 5 14.6 1 14.6 2 14,63f. 15,2 15,6-15 15,16-20 15.2 6 15,32 Lk 1.1 7 1.2 7 1,32 l,32f. 1,35 1,46-55 1,68-79 1,69 1,76-78 1,77 2,4 2,11 2,11-14 2,26 3.1 5 3.15-1 7 3.1 6 3,16f. 3,2 If. 4,1-13 4.16-2 1 4,16-30 4.1 8 4,18f. 4,18-21 4,25 4,41 4,43 6.1 5 6,20f. 7.1 6 7,18-23 7,22 7,24-29 7.2 8 7,35 7,39

437 425.438.511 425.437f. 439 439 441 441 441 442

533 425.472 426.500.504 425.472.511.539 426.430.500.504 398.426 427 472 533 428 429 178.449 429 433f. 430.529 534 430 431 430 132 437 529 450 131.528 430 528 133.426.434 133 288 130 527f. 471 235 533 132 438 528

616 9. 7 9. 8 9,12-17 9.1 9 9.2 0 9,22 9,58 10,9 10,18 11,2 11,2-4 11,14-23 11.2 0 13,18f. 13,28f. 13,33 14,16-24 14,22f. 16,16 17,20f. 18,38f. 19,9 19,11 19,11-27 19,28-38 20.4 1 22,18 22,28-30 22,29f. 22,67 22,67-70 22,67-71 22,70 23. 2 23. 3 23. 4 23,35 23,36f. 23,38 23,39-43 23.4 2 24,13-35 24,19-27 24.2 1 24,26 24,28-35 24,36-49 24,46.47

Register 457.533 457.527.533 437 457.527 431.434 431 438 131 116.131 130 132 132 131f.494f. 13 If. 13 Of. 528 437 131 132 132 431 428 130 434 433 431 130.437 435f. 95 426 434 439 426 440.450 439 440 434.442 442 441 443f. 133f. 445 527f. 432.548 434.478 437 446 434

24,51

444

Joh 1,1-18 451-455 1,9 470 1,17 451.466.480 1,18 490 1,19-28 455-457 1,19-51 455-464 1,20 282.459f.465.483. 485.529.534 1,21 527 1,25 282.527 1,29-34 457-459 1,35-51 460-464 1,41 29.489 l,47f. 467 1,49 134.458.483. 490.512 1,51 384 2,24f. 467 3,3.5 134.137.486 3,19 470 3,28 465 4,1-42 527 4,4-30 465-467 4,16-19 528 4,19 472 4,23 466 4,25 29.466.489 4,29 451.472.489 4,42 466f. 6,1-15 528 6,5-15 437.468Í. 6,14 437.456 6,15 454.456.467.483 6,31f. 469 6,32-35 469f. 6,51 459 7,25-44 470-473 7,26 451.489 7,27 474.489 7,31 489 7,40 528 7,41 451.474.489.528 7,42 400.429.456. 474.489 8,35 478

8,48-58 527 9,1-41 527 9,17 528 9,22 451.473 9,39 470 10 182 10,1-18 474f. 10,11.15 459 10,24 451.474 10,24f. 495 10,28 480.482.489 10,30 475 10,34-36 475 10,36 470 11,21-27 476 ll,25f. 490 11,25-27 480.482.489 11,27 451.470.490 11,38-44 477 ll,51f. 459 12,12-18 433 12,12-19 483-485 12,13 134.255 12,15 134 12,31 116.132 12,31-34 477-479 12,34 489 12,35f. 479 12,42 474 12,46 470 14,9 134 15,13 459 16,2 474 16,11 116.132 16,28 470 17,1 480 17,2 480.482.490 17,3 451.479f.482.490 17,4-8 481 17,19 459 18,33 134.485 18,36 134.137.454.485 18,37 134.454.470.486 18,39 134.487 19,3 134.487.490 19,7 490 19,12 134.450.487.490 19,13 417

Register 19,14f. 19,19 19,19f. 19,21 19,21 f. 20,28 20.3 0 20.3 1 21,9-13

134.487 134 488 134 489 454 482f. 451.476.482f.490 437

ΛPg 1,4-11 1. 6 1. 7 1. 8 1,9-11 2,14-36 2,17f. 2,22 2,29-36 2.3 3 2,36 3,6 3.1 8 3.1 9 3.2 0 3,20-23 3.2 1 3.2 2 3.2 3 4,10 4,12 4.2 6 4.2 7 5,34-39 5.3 6 5,36f. 5.4 1 5.4 2 6,8-15 7,25 7.3 7 8,5 8,6-8 8,12 9,20 9,22 9.3 4

478 135.432.548 548 135 444 447f. 444 528 446 444 429 451 434.447.450 434 436.448.450.495 529 448 468.528 468 451 428 434.450 169.371.427.450 448f. 471 283.288f.293 449 429.449 406 428 468.528 451 134 134.137.451 426.434 426.434.450 451

10,36 10,38 10,42 10,48 11,17 11,20 11,26 13,16-41 13,22f. 13.2 3 13,26 13,33 13,47 14,22 15,16f. 15,26 16.1 7 16.1 8 17,2-9 17,3 17,31 18,5 18,28 19,5 19,8 20,7-12 20,25 21,38 24.24 26.2 2 26.2 3 26,28 28,23 28,25-28 28,31 Rom 1,3 1,3 f. 1,7 1,17 2,16 2,28f. 3,21 f. 3,24 3,24-26 3,26 3,28

451 436f.450.528 436 408.451 451 429 417 449f. 472 426 428 426 428 134 220 451 428 451 450 434.447 436 450 450 408 134.137 446 134.137 283.291.471 451 450 434.450 417 134f. 137 135 134f.137.451

472 410f.423.426.512 406 418 417 419 418 418 407f.418 418 418

617 4,5 4,1 lf. 4.2 4 4.2 5 5 5,1 5,2-11 5,9f. 5,12-21 6,2-14 6,3f. 6,11 6,23 8. 1 8,3f. 8.1 0 8.1 1 8,18-25 8,23 8,34 8,39 9-11 9,5 10,3 10,6-10 10. 9 10,9-13 11 11,26 14,8f. 14.1 0 14,17.18 15,8-12 15,12 15,18 15,29 16,7 / Kor 1. 2 1. 3 1. 4 l,7f. 1.2 3 1.2 4 1,30 3,15 4,8

418 419 409.418 408f.418 407 406 407f. 141 407 408 408f.419 418 418 418 512 418 409 408 413 409.414f. 418 419 410 418 418 408 414 407 414 407 417 136 410.412 376 416 416 420

418 406 418 414 409 413 413.418 414 136

Register

618 4,15 4.2 0 5. 5 6,2f. 6,9f. 6,11 6.1 4 6.1 5 6,17.19 7,29-31 8. 6 10,11 10,16f. 11,23-26 12,3 12,12-27 13,9-12 15,3 15,3-5 15,12-28 15,20-28 15,20-33 15,23-25 15,23-28 15,28 15,47-49 15,50 2 Kor 1,19-21 1,22 3,4-18 4,5 4,16-18 5,6-8 5,10 5,14f. 5,17 5,19 5.2 1 6,2 8,9 12,2 13,3.5 Gal 1.2 2

136.416 136 414 95 136 408.418 409 416 418 407 406.415f. 407 409 409 192 409.416 408 408 192.406.409. 419.481 411 415 414 407 409.411 84 413 136

416 417 419 416 408 408 417.539 408 407.418 418 418 407 412 418 418

418

2,16 2,20 3,8f. 3,10-14 3,14 3,22 3,23-25 3,26 3,27 3,28 4,4-7 4,19 4,21-31 5,21

418 416.418 419 418 419 418 407 418 408.418 418 407 418 419 136

Eph 1,10 1,20-23 2,5-10 2,17f. 4,22-24 5,5

423 423 422 423 408 136.422

Phil 1,13 1,23 2,5 2,6-11 2,9f. 2,9-11 3,12 3,20f. 4,21

418 408f. 418 412f.415f.478 481 411 418 411.413 418

Kol 1,12-20 1,15-20 2,8-10 2,11-15 3,1 3,9f. 4,11

421 478 421 408.422 422 408 136

1 Thess l,9f. 2,1-16 2,12 2,16

414 136 104.135.407 131

4,14 4,15 4,16f. 5,10 2 Thess 1,5 1,7-10 2,1-8 2,8

409.411 131 409.411.414 409

135 421 421 542

I Tim 1,15 1,17 2,5f. 3,16 6,13 6,15f.

424 137 423 424.478 424 137f.

2 Tim 2,8 2,10 2,12 4,18

410.423.472 423 423 135

Hebr 1,8 12,28

135 135

Jak 2,5

136

1 Petr 1,19 4,16

256 417

2 Petr 1,11

135

1 Joh 1,3 1,7.9 2,1 2,2 2,22 3,5 3,23 4,2

483 459 483 459 483 459 483 483

Register 4,10 5. 1 5. 6 5.2 0

459 483 483 483

2 Joh 3.7.9

483

22,21.

619 375

Targumim TargNeo 397 396 398 128 398 398

Offb 1,1.2.5 I, 9 3. 7 3.2 1

375 375 376 95.380.389.426. 435f.539 4,2-11 375 5,1-5 375 5. 5 351 5. 6 217.427 5,6-14 376.424 6. 2 381 7,9 255 7,9f. 379 II,1 5 138.375.378f.495 12,1-6 377f. 12. 5 389.426.539 12,7-9 117 12. 9 116.132 12.1 0 138.375.378f.495 12,12 378 14,1 380 14,14f. 379f. 15. 3 138 17.1 4 138.375.380 19. 6 138 19,9 383.389.436.468 19,11-15 381-383 19,11-21 193 19.1 5 542 19.1 6 138.375.381f. 19,21 542 20,1-6 383f. 20. 4 95.375.384f. 20,6 375.384f. 21,9-22,5 385-387 22,1.3 389.426.539 22,1-5 380 22.1 5 387 22.1 6 377.472

TargPsJon

Num 11,26 Num 23,21 Num 24,17 Num 24,24 Dtn 25,19 Dtn 30,4 FrTarg Gen 49,10-12 Gen 49,11 Ex 12,42 Num 11,26 Num 24,7 Num 24,17 TargO Gen 49,10-12 Ex 15,18 Num 24,15-17 Num 24,17 TargJon 1 Sam 2,10 Jes 9,5f. Jes 10,27 Jes 11,1 Jes 11,4 Jes 11,6 Jes 16,5 Jes 42,1

396 369 128 .532 398 398 318.398 398 399 398.532

396 369 398 398 398 318.398

396 128 228 318.398

398 400 369 399 400 399 399f. 401

Jes 52,13 Jes 53,4f.l0 Jer 23,5 Jer 33,15 Mich 4,7f. Mich 5,1 Sach 3,8 Sach 6,12

401.514 401 399f. 400 399f. 400 400 400

TargPs 45,3 72,1 80,16 80,16-18 89,5 lf.

402 402 402.509 323 402

TargHoh 4,5

402

Rabbinica Mischna mBer 1,2 2,2.5

128 91.128

mYoma 3,8 4,1-3 6,2

128 128 128

Tosefta tTaan 1,11-13

128

Jerusalemer Talmud yBer 2,4/4d-5a 4,3

392 392

yTaan 4,5 4,8/68d

319 318

Babylonischer Talmud bBer 29a 392

Register

620 bEr 43a-b

532

bTaan 25b

.128

Samaritanica Memar Marqa

517-519

Durran

517-519

Christliche Autoren Eusebius he. III 12 III 20,1-6 III 32,3f. IV 2,1-5

316 316 317 317

IV 6,1 IV 6,2

314 319

Ignatius Sm I 2

266

Justin Apoll 31,6

319

Dial 7. 3 8. 4 32,1 36,1 39,7 45. 4 49. 1 49. 5 89. 2 90,1 93,4 110,1

510 456.470.533 513 513 513 510 456.470.533 533 513 513 513 456.470

113,5 118,2

202 510

Pagane Autoren Cassius Dio Historia Romana 65,6, If. 68,32,1-3

276 317

Laktanz Divlnst VII 26,2

266

Sueton Vesp 4,5

307

Tacitus Hist 5,9,2 5,13,2

285 307

2. Autoren

Abegg M.G. 202, 207, 210, 212, 218f„ 229, 233, 237f., 240, 242, 245, 256, 499 Alexander P.S. 36 Allison D.C. 533 Alonso-Schökel L. 62 Anderson P.N. 464,469 Applebaum S. 317f. Atkinson Κ. 161, 163, 165f. Baldermann I. 9 Balz Η. 444 Barnett P.W. 289, 292, 294, 469 Barrett C.K. 128f„ 452f„ 455, 457-460, 463470,472f., 477-480, 482, 485, 487 Barta J. 391 Bauckham R.J. 531 Bauer W. 438 Bauernfeind O. 276-280, 282, 291, 299, 303, 305-307

Baumbach G. 283f„ 287f„ 292f„ 300, 303, 306, 310, 327, 406, 425, 431, 437, 489, 493, 527f„ 533f. Baum-Bodenbender R. 485 Baumgarten J.M. 203 Baumstark A. 429 Beale G.K. 381 Becker Joachim 13, 34, 78f., 149, 153-155, 157f., 336, 537 Becker Jürgen 94f., 130, 246-256, 407-409, 418,429,451-459, 461, 463-489, 509 Becker M. 202,233-237,431,437, 492, 515, 522, 524, 527 Bejick U. 85, 244 van Belle G. 482 Berger Κ. 90-92, 194, 343, 364, 428, 432, 456, 464, 491,502 Bergler S. 57, 318, 320, 379,433, 472, 484 Bergmeier R. 233, 235f.

Register Betz O. 289, 294, 462 Beutler J. 474 Beyer H.W. 511 Bickermann E.J. 391 Bilde P. 275-279, 28 lf., 309, 314 Billerbeck P. 129, 266, 391f., 396, 398, 402, 509, 511, 530 Bittner W.J. 292, 294, 304, 462, 465, 467469, 471f., 477 Black M. 8, 117f., 288, 324-329, 331-340, 344f. Blank J. 465, 485-488 Blass F ./Debrunner Α. 455, 467 Blaß F. 266 Blatter T. 82 Bockmuehl M. 219 Boecker H.J. 47, 49 Bogaert P. 363f„ 373 Böhlemann P. 205f„ 212, 216, 221f„ 231, 244, 249, 252-254, 256, 434, 524, 527 de Boer M.C. 464 Boismard M.-É. 457, 460f., 464, 468, 472, 479 Booth R.P. 36 Borgen P. 269-274, 469 BomkammG. 409,418 Botha P.J. 278, 282 Bousset W./Greßmann H. 34, 509 Bovon F. 426f., 430 Brandenburger E. 115-117, 309, 346, 352, 362 Brandenburger S.H. 161, 163f„ 166, 168, 170f., 173-177, 179-183 Brettler M.Z. 42f„ 50, 60, 63, 66, 80f. Broadhead E.K. 99, 425, 4 3 l f , 440 Brooke G.J. 100, 199, 214, 221, 224-227, 229, 235, 242, 244f, 500, 520 Brooks J.A. 85, 130f., 133 Brown R.E. 455,461, 465, 484-486, 488 Broyles C.C. 150, 174 Buber M. 6,47 Bultmann R. 407, 452-456, 458-461, 463, 465-470, 472f, 476f„ 479-482, 484-487 BurgerC. 168, 432,498 Camponovo O. 41-59, 61-64, 66-71, 75-80, 82, 84f, 87-90, 92-99, 105-111, 114116, 119-121, 138-141, 186, 244 Caragounis C.C. 325, 354, 438

621

Carmignac J. lOOf, 104 Casey M. 341 Charles R.H. 115f, 364f. Charlesworth J.H. 6-9, 32-35, 37, 146, 148, 161, 171, 180, 186, 199-202, 207f, 210, 214, 230, 245-247, 250, 254, 282, 314, 324, 327-329, 332, 338f, 349f, 353, 355, 359f, 363, 365f, 368f„ 372f„ 391, 393f, 396, 400, 405, 492, 494, 516, 549, 554 Chester A. 13, 3 2 f , 35, 161, 168, 171, 178, 180, 186, 203, 208, 241f, 244f„ 249, 260-263, 265f, 268, 272, 307f, 312, 317f, 327, 329, 338f„ 350, 353, 358, 362, 367, 369, 372f, 391, 395f„ 399, 402, 413, 415, 419, 520, 538, 548f„ 554 Chilton B.C. 138, 395, 401 Clemen C. 115 Cohn L. 273 Collins J.J. 6 f , 31, 3 4 f , 7 2 f , 76, 85, 87, 9 3 f , 98, 112, 114f, 117, 119-121, 128, 138f, 141, 149-151, 153-156, 158f„ 161, 165f, 171, 180, 184, 199-203, 205-207, 210, 213, 215, 218-224, 226, 228-237, 239-246, 248f, 252f„ 256, 259-264, 266, 268, 287, 289f, 292f„ 295, 309, 312, 315, 318, 324f, 327, 333, 335, 338, 340345, 348, 3 5 l f , 354, 358, 362, 388, 412, 437, 471, 476, 492f, 498-502, 506f, 508, 510, 513f, 527f, 533, 542, 548f„ 554 Conzelmann H./Lindemann A. 130,483 Cook E.M. 502 Cotterell P./Turner M. 21 Cross F.M. 203 CrossanJ.D. 171 Crüsemann F. 46, 49, 146 Dahl N.A. 18,312 Dauer A. 485-488 Davenport G.L. 161, 163-165, 167-172, 175182 Davies P.R. 201,203, 231f. Davies W.D. 428,434 Day J. 149 Deissler A. 55-57, 60f„ 64-68, 84 Dell K.J. 192 DexingerF. 7, 77, 119, 149f, 153, 188, 200, 206, 272-274, 286, 288, 294, 312f, 318,

622

Register

328, 389, 392, 394, 492, 494, 513, 516518, 524, 532, 548, 554 Di Leila A.A. 92, 392 Diebold-Scheuermann C. 485 Dietrich W. 41, 49, 69, 82f. DimantD. 108 von Dobbeler S. 530, 532 Dschulnigg P. 459, 463f., 484 Duling D.C. 150, 168, 240, 252, 256, 39If. Dunn J.D.G. 7, 12, 493 Eichrodt W. 50, 59, 78, 80, 82f. Eisenman R.H. 7, 211, 213, 218, 232f., 237f„ 498f. Eisler R. 6 Eißfeldt O. 4If., 46, 49, 60-62, 66, 70, 82f. Elbogen I. 128f. Elgvin T. 507 Elliger Κ. 52 Engel Η. 195 EskolaT. 418f. Evans C.A. 92, 199, 204, 207, 218f„ 223, 226, 231-233, 237f., 241, 244, 285-288, 292-294, 301, 306f„ 31 lf., 317-320, 392-394, 396-402, 500, 507, 519, 521f. Fabry H.-J. 73f„ 111, 235, 244, 498, 500, 502, 507 Faierstein M.M. 530, 532f. Farmer W.R. 286 Feldman L.H. 276, 301, 308, 312 Fischer U. 272f. Fitzmyer J.A. 107, 199, 238, 250, 318f., 497-505, 507, 520-522, 533 Flusser D. 501 FohrerG. 71 Frankemölle Η. 12, 431, 492 Franklyn P.N. 162-164, 188 Frerichs E.S. 6, 8 Fuhs H.F. 54f. FuksA. 318 García Martínez F. 201-203, 205, 207, 209214, 216, 218, 221-223, 227-229, 232235, 237, 241f., 245, 498f, 502-504, 507, 514f„ 519, 523-525 Garland D.E. 485, 488 von Gebhardt O. 97, 168, 177, 185 Geffcken J. 112, 114, 260, 265-267 von Gemünden P. 255, 297f., 320, 379 Georgi D. 94, 385f.

Giblin C.H. 488 Giesen H. 44, 46, 52, 55, 58, 69-71, 75, 77, 79f. 82, 85, 104, 130, 140f., 323, 374384, 386 Gnilka J. 12, 49, 76, 182, 210, 222, 231, 338f, 341, 344, 347, 406-412, 414, 416418, 428, 430, 438-440, 452, 454-460, 463, 465-468, 470, 472-477, 479f., 482484, 486, 493,499,511 Goldstein J.A. 34, 87, 155-157, 159, 345 Goodenough E.R. 274 Görg M. 49 Gray J. 41 GrayR. 289-294,515 Green W.S. 6-8, 37 Greenfield J.C. 250 Gressmann H. 6 Gruenwald I./Shaked S./Stroumsa G.G. 6 Gunkel H. 346-348, 359, 363 Gunneweg A.H.J. 49f„ 65, 71 f., 76, 80f. Haag E. 71f., 75-78 Habicht C. 87 Haenchen E. 452-454, 456-459, 461, 463465, 467f., 470, 472, 475, 477-482, 485487 Häfner G. 529-534 Hahn F. 6f., 10, 12, 29, 33f„ 71f., 76, 112, 117, 145, 147-151, 153f., 157, 159, 161, 165f., 177-179, 188, 201, 205, 210, 216, 227, 231, 236, 244, 246, 249, 256, 259, 288, 312, 318, 323f., 326, 333f., 340, 343, 345-348, 352f„ 358, 360-365, 368, 374f., 384f„ 387-389, 391, 394, 406,419, 421, 425, 427, 431f., 434, 437, 439, 442, 472, 486-490, 492-495, 498, 508-513, 522, 524f„ 527-531, 533, 552, 554 Hampel V. 437, 493,514 Hann R.R. 161f., 177 Hanson P.D. 12, 145, 153, 277f„ 283-286, 288, 292f„ 295, 300f„ 303f., 306, 31 lf., 315,318, 39lf. Harrington D.J. 319, 526 Haufe G. 136 Hayman A.P.347, 354-357 Hecht R.D. 271, 273f. Hegermann H. 513 HeidS. 513, 533, 548, 552 Heinemann J. 128f., 391,393

Register Hempel C. 201, 203 HengelM. 12, 85, 127, 129, 131, 134, 139142, 171, 210, 221, 260, 264-268, 275279, 282-288, 292, 294, 297f„ 300f„ 304-310, 312f„ 316f„ 327, 353, 396, 405f., 410f, 419, 421, 453, 465, 478, 485f., 488, 493, 497f„ 501, 509f„ 512, 530 Hentschel G. 48f„ 150 Herzer J. 381 Hesse F. 29, 145, 148, 153f. Higgins A.J.B. 513 Hill D. 289, 292, 294 Hodgson R. 130 Hoegen-Rohls C. 463, 477 Hofius O. 7, 9, 33, 149, 246, 325, 391, 412, 419, 437, 489, 492-494, 497f., 501, 509, 554 Hollander H.W. 246-252, 254-256 Holm-Nielsen S. 96-98, 161-170, 173f., 176-178, 182-187 Holtz T. 414 Hooker M.D. 341 Horbury W. 7, 32, 157, 169, 268, 329 Horn F.W. 408-411,414 Horsley R.A. 12f, 277f., 283-288, 291-295, 300-306, 310-312, 315, 318, 391f., 514, 516, 533 Hossfeld F.L./Zenger E. 67f. Hübner H. 408,419 Hughes P.E. 525 Hultgârd Α. 249, 252, 255f. Isser S. 6 Jackson H.M. 481 Janowski B. 41, 46, 49f., 60f., 63, 69f. Jepsen A. 62 Jeremias Joachim 444 Jeremias Jörg 41, 43f., 46, 60-66, 68f., 80 Johnson B. 62 de Jonge M. 32, 94, 161-163, 166, 168f., 172, 174f„ 177f„ 180, 189, 202, 246256, 282, 307f., 311, 348, 350, 358, 360, 362, 368, 376, 378-380, 384f„ 389, 393, 456, 462f., 466-473, 478, 484f., 489f., 520, 522 Juel D.H. 18, 224-227, 268, 362, 431, 438, 498, 510-512 Kadman L. 295

623

Kaiser O. 51,336 Kanagaraj J.J. 465 Karrer M. 5f„ 10-12, 18, 29, 33-35, 37, 145-149, 153f„ 157f., 161, 168, 172, 175, 177-182, 185-189, 200f., 203, 205, 21 lf., 216, 221, 229, 236, 244-246, 248f., 261, 288, 298f„ 307f„ 311, 315318, 320, 324, 327, 349, 351, 354, 356, 360, 363, 367, 371, 379, 381, 385, 387f, 391, 394, 406, 412, 419, 421, 431-433, 438, 444, 473, 489-495, 498, 509, 513, 515, 519, 522, 524, 526f„ 529, 531, 533, 537, 540, 554 Käsemann E. 454, 463, 477, 480 Kautzsch E. 86 Kee H.C. 34, 431 Kertelge K. 407f.,416 Kilgallen J.J. 439 Kilian R. 49-51,82 Kim S. 499 Kimelman R. 392f. Kippenberg H.G. 262, 307 Kittel R. 97f., 161f., 165-167, 169, 173, 178, 183,185 Klauck H.-J. 409, 483 Klausner J. 6 Klijn A.F.J. 346-349, 351, 354, 360, 363369, 371-374 Klimowsky E.W. 296f„ 320 Knibb M.A. 7, 117, 163, 178, 202, 215f„ 221 f., 227, 231, 234, 242, 246f., 324f„ 327, 330-332, 334, 336, 339f., 347, 354, 356, 367f., 506f., 519 Knöppler T. 459, 477, 481, 484f. Koch K. 7, 9, 12, 37, 76, 147, 151, 204, 218, 221, 233-235, 241, 287, 31 l f , 315, 323, 327, 336, 344f, 351, 358, 366, 368f, 372, 388, 399, 501 Koenen L. 263 Kolenkow A.B. 246 Kraus H.-J. 41, 60, 66 Krieger K.-S. 276-282, 288-291, 294, 300f. Küchler M. 246 Kügler J. 182, 195-198, 410, 452-454, 463, 465, 468, 474f, 483 Kuhn H.-J. 442, 461-463, 469 Kuhn H.-W. 499, 512

624 Kuhn K.G. 129, 162, 165, 202, 205f, 256, 391 Kümmel W.G. 86 Kurfess A. 114, 260, 265-267 Kutsch E. 145 Kvalbein H. 234f. KysarR. 461 Laato A. 6f., 17f., 29, 37, 146f., 150, 156, 161, 165, 169, 171, 173, 175, 180, 183, 186, 197, 203, 216f., 22If., 226f., 229, 231, 234, 236, 242-244, 307, 318-320, 324, 339, 343, 345, 348, 35If., 356, 358, 360, 365-367, 369, 372, 401, 492, 499, 505, 523f. Labahn M. 468-470, 474, 476f. Landman A. 395 LangB. 145, 151

Register 249,

153177, 219, 240, 341, 363, 503,

Lattke M. 85, 88, 94, 96, 110-114, 120f., 125, 138, 140-142,481 Lehnardt T. 128f. Leivestad R. 443 Lenhardt P./von der Osten-Sacken P. 221, 318 Leroy H. 130, 429 Levey S.H. 221, 395f., 398, 400, 532 Lichtenberger H. 6, 12, 86, 161, 188, 199202, 205, 216, 227, 240f„ 273, 282, 293, 295, 307, 312, 317, 327, 338, 347, 350, 554 Liddell H.G./Scott R. 126 Lim T.H. 522 Lindemann A. 85, 140 Lipinski E. 41 Loader W. 465, 485-488 Lohfink N. 42,46, 69 LöhrH. 105 Lohse E. 177, 207, 211, 217, 391, 394, 407409,41 If., 418f., 509f., 553 Longenecker B.W. 346f., 350-353, 355, 358, 361f. Loretz O. 41 Lübbe J. 229f. Lüdemann G. 414 Lust J. 33 Lyons J. 19,21,23-27 Mack B.L. 22, 161, 163, 171, 179, 181, 183, 191-197

MacRae G. 406, 412, 419, 431, 434, 438f., 473,489-491 Maier J. 30, 33, 37, 86, 100, 138f., 145, 147-150, 155, 157, 177, 189, 199-203, 205-207, 210-220, 223-226, 228, 230233, 237-240, 243, 312, 315, 318, 323, 435, 497f„ 501f., 504f., 513-515, 519f„ 524, 526, 551 Martyn J.L. 471 März C.-P. 484 Mason S. 278 Mayer G. 121-124, 276 Mayer R. 7, 157, 221, 284, 295, 300, 303, 305f„ 313f., 318, 320, 391f., 493, 513, 518, 552 Meeks W.A. 195, 464, 469, 472, 485f„ 518 Mendels D. 284, 287, 312, 314, 530 Merkel H. 112, 259f„ 262-268 Merklein H. 85, 94, 116, 130, 133, 139-142, 493, 51 If. Meshorer Y. 295-299, 312, 320 Mettinger T.N.D. 145 Metzger B.M. 346f„ 262 Meyer R. 293f., 307, 31 If., 514 Michaels J.R. 130f„ 140 Michel O. 276-280, 282, 285, 291, 299, 302307 Mildenberg L. 296, 318-320 MilikJ.T. 117, 119f., 499 Millar F. 5-7, 202, 241, 244, 261, 295, 299, 318, 320,513,519, 524 Miller M.P. 520 Mittmann-Richert U. 426-428 Moenikes A. 81 Mowinckel S. 6, 341 Müller Κ. 36, 71-76, 84, 161, 165, 307, 326f„ 332-335, 338-340, 344f„ 356, 358f., 362, 370, 437,514 Müller K.W. 122, 138 Müller U.B. 7, 76f, 161, 165, 180, 188, 249, 261, 263, 266, 268, 309, 324, 326-328, 333f„ 340-342, 344-348, 350, 352-360, 362f„ 365-370, 372-389, 394, 414, 459, 475,477f„ 498, 502, 508-512, 537 Murphy F.J. 368f., 373f. Myllykoski M. 485 Nebe G. 408 Neufeld D. 456f., 464, 466, 470f., 476, 490

Register Neusner J. 6, 8, 36-38, 318, 391, 395f„ 398f. Newsom C.A. lOOf., 229 Nickelsburg G.W.E. 34, 112, 115f„ 161, 163-165, 168, 184, 188, 246-250, 256, 259, 262, 324-326, 328, 330f, 333f„ 336, 338-340, 343, 345-347, 350f„ 356, 358, 363-366, 371, 373f., 549, 554 NidaE.A. 21 Niebuhr K.-W. 12, 234, 438 Nielsen K. 152 Nikiprowetzky V. 259 NitzanB. 218-220, 231 Noack B. 266 Nolland J. 263 Niitzel J.M. 533 O'Neill J.C. 141,266 Obermann Α. 460,464f., 484 Oegema G.S. 6, 14-16, 36f., 71, 77, 146, 149, 161, 163, 166, 199f., 204, 211, 213, 216, 221, 229, 231f., 241, 244, 246, 249, 252, 259, 262, 264, 266, 268-270, 272f„ 307f„ 313, 318, 324, 326f., 333, 343, 345, 347, 350f., 354, 363, 373, 380, 383f„ 394, 396, 398f„ 407, 415, 421, 434, 441, 444, 493f„ 500, 509, 516, 518, 526, 53lf., 541, 543, 548, 554 Ohler M. 236, 529-534 Olson D.C. 342 Otto E. 61,63, 69f., 80 Paffenroth K. 432 Painter J. 464f„ 486 Panackel C. 487f. Parke H.W. 260 Patrick D. 42, 45, 80 Pearson B.W.R. 318 Pérez Fernández M. 395 Pesch R. 448 Petuchowski J.J. 39lf Pfitzner V.C. 488 Pigott S.M. 42, 76, 78, 83 Pomykala K.E. 17, 146, 154-156, 158, 161, 163f., 168, 171-173, 176, 179-181, 183f„ 21 lf., 215, 217-219, 221, 223-226, 231, 239f„ 242, 246f„ 252, 254, 256, 261263, 286, 309, 313, 351-353, 357f., 543 de la Potterie I. 485,487f.

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Preuß H.D. 41, 43, 45, 50, 53, 60f., 69-73, 75, 78-83 Priest J. 204, 437 Puech É. 201, 203, 206f., 220, 228, 231237, 242, 244, 498-500, 502f., 507, 519521, 533 PummerR. 517 von Rad G. 60, 65,149,151 Radi W. 410, 426-429 Rahlfs A. 97, 165, 168, 177, 185 RajakT. 312 Reese G. 115-117 RehmM. 152 Reifenberg A. 295 Reinhartz A. 319 Reiser M. 417 Rensberger D. 485f. Rese M. 513 Rhoads D.M. 127, 275-278, 282, 284, 286, 288-290, 294f., 300-302, 304, 306, 312 Rießler P. 97 Roberts J.J.M. 145, 148, 150f„ 153 Robinson J.M. 214 RoddyN. 363 Roloff J. 323, 374-386, 424, 448 Rost L. 161-163, 246-248, 324, 345, 347, 363f. Roth C. 304, 306 Rowland C. 490, 492f. Ruppert L. 149, 177, 493 Ryle H.E./James M.R. 98, 161, 165f., 177, 185 Ryssel V. 366, 368 Sabbe M. 485 Sacchi P. 324f„ 343 Saebo M. 29, 145, 147, 149-153, 311 Saldarmi A.J. 36 Sanders E.P. 36, 161, 165, 180, 243, 294 Sänger D. 293f„ 318, 406f., 418-420, 448f, 452,493, 514 Sauer G. 92 Saylor G.B. 363-365, 368, 373f. Schade H.-H. 407,417 Schäfer P. 158, 203f., 221, 242, 261, 318, 320, 345, 362, 543 Scharbert J. 45 Schechter S. 393

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Register

Schenke L. 452, 454f„ 458-560, 467f„ 470, 472-477, 479-482 Schiffman L.H. 14, 31, 36, 188, 200, 203205, 207-209, 214, 216-218, 231, 233f„ 238-242, 261, 312, 327, 345,498f., 502, 520, 522 Schimanowski G. 18, 197, 324f„ 329f„ 334f„ 339, 352 Schlatter A. 286 Schlier H. 462, 486 Schmidt K.L. 121 Schmidt L. 41, 54, 60f., 79, 82 Schmidt W.H. 41, 46, 49, 53, 57, 80, 82-84, 149, 152, 154 Schnackenburg R. 45, 47, 60, 71, 85, 90, 95, 109, 114, 116f„ 128, 139, 142, 422f„ 428,452-474, 476-486, 488 Schnapp F. 246 Schneider G. 427, 429-431, 433-436, 439f., 442f„ 445-450 Schnelle U. 451-456, 458-461, 467-469, 471,473-475,477,480-483 Schnider F. 527 Schniedewind W.M. 199, 205, 222, 232, 244 Schräge W. 384, 389, 509, 531 Schreckenberg H. 293 Schreiber S. 99, 135, 342, 410, 416, 446, 448, 460, 462 Schreiner J. 43, 49f„ 54, 57, 59f„ 63f., 67, 70, 75, 78, 80-83, 149-152, 346-352, 354, 357, 359f., 363, 508, 530 SchroerS. 150, 197 Schuller E.M. 238 Schulthess F. 429 Schunck K.-D. 147, 149, 151, 153 Schüpphaus J. 96-98, 161-167, 169, 177, 179f., 184-186, 188 Schürer E. 5-7, 29, 37, 129, 164, 178, 202, 241, 244, 261, 272, 295, 299, 318, 320, 341, 345, 352, 392, 513, 519, 524, 532, 542 Schüssler Fiorenza E. 384 Schwartz D.R. 212, 278, 290, 294, 307 Schweizer E. 436, 439, 444 Schwemer A.M. 85, 87, 90f„ 100-106, 108, 111, 128, 131, 134, 139-142, 244, 530

Schwier H. 261f., 268, 277, 285-287, 294, 297f., 300-302, 304-307, 315, 318, 320, 386f Scoralick R. 63f. SeebaßH. 149, 152 Senior D. 485-488 Seybold K. 29, 41-43, 51, 53, 59f„ 62f„ 65, 71, 80, 82, 145, 147 Sievers J. 276, 278f. Sjöberg E. 329, 331-339, 341f. Skehan P.W. 227 Slater T.B. 381 SödingT. 481-483 Spieckermann H. 43f., 63, 65-68, 70 Staerk W. 392 Starcky J. 215, 222, 227, 238, 241, 532 Steck O.H. 80 Stegemann E./Stegemann W. 462, 465, 468, 484, 486, 488 Stegemann H. 153, 200-203, 207, 209, 214, 216f„ 227, 231, 233-235, 242,244f., 311 StembergerG. 12, 157, 161, 169, 200, 202, 206, 227, 275, 283, 298, 307, 312, 317f„ 327,350, 366,368, 373, 394, 513, 522 Stern M. 275, 308, 317f. Steudel A. 108, 224, 229f., 232, 502, 504, 507 Stevenson G.M. 380 Stone M.E. 250, 346-364 Strauß H. 29, 145, 147, 149, 153 Strecker G. 408 Strickert F.M. 202, 222, 524 Strobel A. 304 Strotmann A. 195 Strugnell J. 210, 237 Struppe U. 149 Stuhlmacher P. 7, 9, llf., 149, 218, 232, 234f„ 367, 394, 492, 502,514 Syrén R. 37, 396, 401,532 Tabor J.D. 202, 233-235, 237, 244, 499 Talmon S. 7, 13f., 29, 37, 145f., 148-150, 152-154, 200f., 203-206, 244, 309, 517f., 524, 552, 554 Theisohn J. 196, 248, 250f„ 324, 326-328, 331, 334-341, 353, 356, 362, 370, 435, 542 Theißen G./Merz A. 130f., 275, 287f., 312, 315,429

Register Thoma C. 8, 32f„ 85, 140, 171, 181, 248, 328, 333, 336, 339, 491, 541, 547f„ 554 Thornton C.-J. 128f. Tiller P.A. 343-345 du Toit D.S. 461 Trafton J.L. 162, 172 Tromp J. 115-117, 165f. Uhlig S. 117-119, 324, 326, 330, 332f„ 336, 340, 343f„ 509 Ulrichsen J.H. 246, 248-256 UmemotoN. 121-124, 194f., 197 VanderKam J.C. 34, 200f., 203f., 207f., 210, 212, 214, 218, 221-223, 226, 229, 231, 233f., 237, 240, 244, 324-328, 330, 333f„ 339, 341-345, 501 Vennes G. 5-7, 189, 202, 218f., 241, 244, 261, 295, 299, 312, 318, 320, 394, 513, 519, 524, 549 Verseput D. 434 Violet Β. 348, 366 Viteau J. 97f„ 162, 165f., 168, 170, 177f„ 180, 183-185 Viviano B.T. 109-111 Wacholder B.Z./Abegg M.G. 199, 201, 210, 214, 218f„ 237,516 Wächter L. 34f„ 149 Waschke E.-J. 146, 149-152, 161, 163, 165, 170, 179, 184,420 Webb R.L. 7, 290f„ 293, 295 Wehnert J. 435 Weiser A. 291, 447f„ 465, 488 Weiss J. 77 WengstK. 465,474,488 Westermann C. 71, 73, 80

Wilckens U. 410f„ 417, 448, 452-454, 458f„ 461-463, 465-467, 470f., 474-480, 482484, 486, 488 Wildberger H. 49-51, 152 Willett T.W. 346f„ 362-364, 368, 372 Winninge M. 98, 161-168, 171, 177, 182, 188 Wise M.O. 7, 202, 211, 213, 218, 232-235, 237f„ 243f., 498f. Wittlieb M. 7 Wolff H.W. 55f. Wolfson H.A. 123,274 Wolter M. 85, 130f„ 133, 135-137, 139142 van der Woude A.S. 29, 33, 94, 106, 199, 202f., 205, 207-210, 212f., 215-217, 220f., 223f., 227f, 231f., 239, 241f„ 244, 246, 248f„ 252, 254, 256, 318, 389, 391, 395, 514f„ 518-520, 522, 524f. Wright R.B. 161f., 171, 177, 180, 188 Yadin Y. 239 York A.D. 37 Zangenberg J. 466f. Zeller D. 311, 406, 410,490, 529-534 Zenger E. 12, 42, 49-53, 56f„ 60, 71, 76-81, 83, 140, 149, 151f„ 165, 171, 425, 548 Zimmerli W. 49, 54f., 71-73, 80, 152 Zimmerman F. 364 Zimmermann J. 6, 34, 106, 200f., 203-205, 207f., 210-212, 214-220, 222-227, 229231, 233-238, 240-245, 498-501, SOSSOS, 507, 514-516, 519-522, 526, 532 Zmijewski J. 291,448

3. Namen und Aaron 64, 107, 158f., 194f„ 200-205, 207, 209f., 223, 227f„ 230, 232, 246, 403, 524 Abraham 91f„ 94, 194, 252, 304,426, 429 Achtzehngebet 129f„ 392f„ 547, 549f. Adam 94, 123, 194, 345-347, 414f. Ägypter 44,290-295,311,526 Akiba siehe Rabbi Akiba

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Sachen

Alexander Jannäus 158,167,321 Alexandrien 86, 122, 164, 195, 198, 269, 272f., 454 Allmacht 50, 53f., 58, 82, 89f., 93, 97, 102f„ 105, 109, Ulf., 116, 118f., 121f„ 125, 131, 139, 141f„ 337, 374, 448 Antiochos IV. Epiphanes 71, 74f., 88, 116, 142, 148, 254, 264, 500, 502, 506f.

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Register

Äon 73, 140, 171, 245, 324, 327, 335, 339, 341, 347, 349, 350, 363, 368, 370, 374, 385,407,411,423,426, 538f„ 552 Apokalyptik 13, 33, 71-76, 78, 84, 106, 113, 118, 162, 166, 260, 324f„ 334, 341, 344-348, 353f., 359, 361-366, 375, 384f„ 385, 388-390, 410-412, 414, 424, 436, 444, 460, 471, 482, 499, 502, 507, 509, 514, 531, 538f., 540, 548, 553f. Aretas 127 Aristobul I. 159 Aristobul II. 127, 164, 167f. Athronges 128, 286f. Auferstehung 88, 95f., 192f, 335, 350, 367, 371, 376, 384, 390, 410f„ 413, 415, 419, 435, 438, 447, 449-451, 477, 495, 512, 538, 540, 546 Auferweckung 192, 374, 408f„ 415f„ 418, 420,422f., 429,448f., 452,494,496, 512 Ausleger des Gesetzes 212, 214, 221, 223, 227, 231, 525 Bar Kochba 265, 298f„ 314, 318-321, 397, 402, 485,513, 546, 549 Barabbas 442 Behemot 366 Beliar 95f. Berufung 49, 136, 206, 330, 406, 409, 460, 464f., 472, 485, 513, 527 Beter 67f., I l l , 116, 181, 392, 394f. Betlehem 401,430,473f. Bileam 45, 150,270 Daniel 7If., 75-78, 80, 89, 112, 116, 351, 502, 521 David 12, 14, 16, 18, 21f., 78f., 109f., 145f., 150-152, 154, 156-159, 166, 168f., 176, 180, 190, 196, 212-215, 219-221, 223227, 239-242, 246, 249, 252, 255, 262, 285-287, 303-305, 312f., 317, 320, 337339, 344, 349, 351f„ 359, 376f, 392394, 396, 401, 403, 410f., 423, 426-430, 433f., 447-450, 470, 473, 479, 492, 498, 501,511,521,526, 537, 553 Davidide 145, 147, 153f., 157, 170, 174, 177, 190, 201, 214, 240, 312, 317f., 332, 344, 377, 383, 393, 401, 433, 523, 537 Denotation 20-22, 24, 26f., 3If., 86, 96, 103, 133, 147, 179, 203, 205, 222, 241, 244, 297, 315, 409, 420, 438, 441, 448,

454, 466, 476f., 480, 483, 495, 506, 509f„ 516, 545f. Denotationsfeld 134 Diadem 195, 198, 224, 249, 286, 299, 381 Diaspora 35, 115, 176 Domitian 317,348,378 Eigenstaatlichkeit 115, 142,316 Elia 215, 223, 229, 236f., 385, 390, 399f., 457f., 465, 471, 509, 515, 522, 524, 527, 529-534, 541 Elischa 470, 515, 529 Endgericht 72, 93, 111, 142, 331, 334f., 345, 350f., 353, 363, 374, 380, 414, 417, 436, 438, 520, 534 Endkampf 73, 211, 372f. endzeitlicher Krieg 111, 139 Engel 72, 76, 92, 94, 96, 101-107, llOf., 116, 118, 120, 123-125, 143, 184, 195, 198, 237, 256f., 336, 341, 346, 376f., 381, 424,429f., 450, 464, 511, 520, 531 Engelwesen 104, 118, 159, 324 Erteiler der Tora siehe Ausleger des Gesetzes Erwählter 93, llOf., 119, 121f„ 239, 325328, 330-334, 336-340, 342, 432, 443, 458-460, 479, 518f., 538 Erwählung Israels 46, 89 Erweckung 88, 236, 306, 407-409, 411, 415, 418f„ 421, 423, 432, 437, 440, 443, 445-448, 450, 478, 480, 482f„ 486, 490, 492, 494, 497 eschatologisch 8, 11, 13, 23, 30, 32-34, 51, 53, 55-59, 68, 71f., 77-79, 82, 84, 94, 98, 106-116, 120, 125f„ 130-133, 136f„ 139f„ 146, 149, 150-152, 154-156, 159, 169, 187-189, 196, 204-207, 210-212, 215-218, 220-224, 226-228, 231, 233f., 236f, 239, 241, 244, 250, 254, 256f., 260, 264f., 269, 271-274, 287f„ 293, 298f„ 316, 321, 327, 331, 335f„ 339f, 345, 347f., 353f„ 360f„ 369, 374, 376, 379f., 384, 387-389, 393, 398, 400f„ 403, 407f„ 415, 417, 432f., 436-438, 445, 457, 459, 469f„ 491, 493f., 500, 502, 515f„ 518-520, 523-525, 527-534, 538, 540f., 543, 547f., 552, 554 Eschaton 114, 117, 131, 135, 335, 344, 359,410, 491

Register Esra 104, 116, 346-353, 355, 358, 360f„ 364, 508, 530 Essener 100, 153, 200-202, 204, 206-212, 215f„ 218-221, 224-227, 229, 233-236, 238-240, 245f„ 278, 312, 499, 501-505, 519f., 526 Ethik 132, 137, 197, 555 Ethrog 286, 298 Ewigkeit 65, 68, 79, 91, 94, 118-120, 166, 177, 182, 255, 327, 330, 341,479 Exil 55,71, 116, 153,264 Exodus 44-46, 54f., 70, 82, 147, 173, 176, 194, 228, 233, 270, 272-274, 290, 292, 307,310, 356, 469, 473, 526 Fadus 293, 450, 526 Feigenbaum 158, 462 Feinde 23, 43, 46, 48, 56, 66, 82, 87, 95, 99, 108, llOf., 117f., 126, 173, 184f„ 189, 194, 217, 221, 225, 227, 257, 261, 271, 280, 286, 328, 338, 353f., 358, 360, 365, 370, 383f„ 396, 402, 408, 414f., 419, 428, 448, 479, 485f., 494, 537 Felix 290, 526 Flaccus 125 Freiheit 72, 126, 131, 158, 190, 273, 276, 291 f., 297, 299-301, 304f„ 408 Freiheitskämpfer 278-280, 282f. Freudenkrone 197 Friede 51, 53, 95, 107, 114, 123, 137, 153f., 158, 316, 373, 400, 434, 500, 517, 520, 539 Fürsprecher 96, 118 Fürst(en) 21, 107, 110, 121, 127, 148, 152, 157, 168, 177, 182, 289, 298, 306, 399, 520-522, 548 Fürst der Gemeinde 16, 211, 215-223, 225, 231-233, 235, 240-244, 246, 320 Gastmahl 131 Gebet 69, 87-91, 93, 104, 106, 111, 116, 118-121, 127, 129f., 141, 300, 313, 393, 449, 480, 549 Geburt 239, 379, 426, 428-431, 449, 471, 474,487, 511, 518 Gegenwart 35, 54, 60f., 63f., 66, 70, 74, 78, 83, 86, 90, 94, 96, 99, 106-109, 114, 119f., 128, 132f., 135-137, 140, 164f., 210, 231, 274, 344, 361, 378, 384, 387, 407f., 412, 423, 436, 467, 554f.

629

Geist Gottes 154,522 Geistbegabung 146, 181, 217, 241, 431, 451,458,515, 522f„ 542 Geistverleihung 148, 431, 438, 451, 521 Gemeinde 6, 11, 15f., 21, 61, 69, 100-112, 129, 136, 138, 143, 162f„ 200, 202, 204211, 214-223, 225f., 228-233, 235, 240247, 278, 290, 320, 326, 335, 365, 375, 378-380, 388, 409f., 412-414, 416, 419421, 423, 433, 437, 446f„ 449, 458, 466468, 471, 475, 477, 479-481, 484, 489, 525, 538, 549 Gerechtigkeit 51, 62-65, 71 f., 79, 82, 97, 99, 104, 119, 121, 123-125, 137, 139, 147, 151f., 163, 167f., 171, 173-175, 177f„ 181, 183f., 186, 188-190, 193, 196f., 212-218, 220, 223, 228, 243, 252254, 305, 316, 327, 329, 332, 335, 337, 341, 347, 382, 388, 394, 396, 401, 403f„ 407, 413f„ 418, 451, 475, 498, 505, 524f., 541 f., 552, 554 Gericht 50f„ 55, 62f„ 71, 91, 96f„ 99, 111, 114f., 119-121, 123, 138f., 148, 166, 173, 175, 179, 182f„ 186-189, 204, 223f., 233, 244, 250, 252, 262, 265-267, 305, 332f„ 337, 350-354, 358, 362, 365, 370374, 379, 384f„ 390, 403, 417, 420f„ 432,436f„ 441,479, 481, 506, 513, 518f., 523, 529f„ 533, 539, 542, 552 Gerichtsaufgabe 224, 370, 436 Gerichtsfunktion 138, 175, 183, 188, 204, 223, 233, 251 f., 265f., 305, 332, 337, 352-354, 362, 372f., 379, 390, 417, 436f., 479, 506,518, 539, 542 Gerichtshandeln 50, 59, 62, 65, 67, 110, 167, 188, 239, 326, 332, 337f„ 353f„ 358, 370, 379, 383f., 414, 417, 436, 539, 542 Gerichtsinstrument 356 Gesalbter des Geistes 108, 228, 520, 522f. Geschichtsmächtigkeit 52, 58, 74, 89, 365 Gesetz 42, 46, 87, 94, 108, 114, 123-125, 128, 158, 178, 198, 212, 221, 223, 226f„ 229, 231, 270, 272, 274, 361, 364, 374, 397, 401, 418f., 447, 451, 453, 461, 479, 490, 525, 530 Gottesknecht 8, 10, 12, 149, 219, 233, 235f„ 327, 330, 334, 336, 340, 349, 368, 372, 402, 408, 460, 493, 502, 513f.

630

Register

Gottessohn 11, 134, 267, 427, 433, 499, 510-512 Hadrian 265,319 Hasmonäer 35, 88, 156f„ 160, 164, 166, 167, 170, 171, 184, 196, 200, 213, 216, 245, 250, 278, 299, 514, 532, 537, 548 Haus 79, 108,119f., 130, 151, 183, 226, 252, 337, 392-394, 397, 427, 449, 511 Heer 104, 110, 270, 278, 337, 355, 361, 384 Hegesipp 316f. Heiden 12, 99, 113-115, 117, 132, 136, 139, 142, 171f„ 176, 181, 189, 221, 251, 332, 347, 357f„ 360, 395f., 412, 419f„ 451, 538,554 Heil 32, 44, 46f„ 51-58, 65-68, 70, 72f., 77f„ 82f„ 93-99, 108, 113-117, 119, 121, 131, 136, 139, 142, 152, 154, 157f„ 163, 176, 178, 188, 190, 193, 195, 197, 222, 230, 236, 244, 250, 254, 258, 264, 268, 271, 273, 310, 324, 326, 331, 336, 341, 350, 353f„ 360, 362, 365f„ 369, 372, 374f., 377f„ 384f„ 390, 394, 400, 401, 410, 414, 417, 419, 422f„ 428f., 431, 438, 444f„ 449, 453, 465, 474, 480f., 483, 497, 520, 530, 538, 545f., 552-554 Heilige 76f., 94f„ 103, 105, 110, 183f., 234f., 237, 251, 268, 271, 297, 331, 333, 338, 384,468, 507 Heiligtum 44, 67, 70, 91f„ 102, 104f„ 108f., 119f., 123,238, 277, 281,306 Heilsherrschaft 4, 74, 83, 96, 98, 100, 111, 114, 123, 130, 132, 140, 152, 205, 245, 257, 262, 270, 312, 351, 354, 358, 362, 376f., 386, 421, 428, 496, 499, 506, 539f„ 542 Heilskönig 9, 84, 146, 149-152, 159f., 168, 175f„ 184, 196f., 218, 227, 233, 241, 258, 262, 288, 297, 300, 314, 332, 336, 354, 356,428, 507, 537, 542, 546, 554 Heilsverwirklichung 127, 553 Heilszeit 14, 23, 51, 53, 55-59, 73, 94-96, 99, 107-109, 111-115, 117, 119f„ 140, 143, 154, 171, 176f„ 182f„ 185, 188, 204, 210, 227, 235f., 251-253, 258, 261, 295, 297f„ 315, 327, 333, 336, 347, 351, 353f., 362, 365f„ 368-370, 373f„ 381, 384, 388, 390, 394f„ 400, 408, 423, 434,

448, 467, 469, 475, 486, 492, 496, 499, 506, 518, 530f., 537, 539, 541 Henoch 118, 119, 325, 333, 341-344, 507, 531 Herde 55, 99, 123, 177, 182f„ 475 Herodes 8, 115, 142, 167, 213, 243, 284286, 301, 305f„ 316, 321, 429, 435, 451, 548 Herrenmahl 408f., 447, 449 Herrlichkeit 35, 49, 65, 67, 72, 81, 97, 103f., llOf., 119-121, 129, 136, 151, 176, 189, 196, 224, 256, 268, 329, 332f., 336-338, 342, 366f., 379, 394, 407, 414, 422, 424, 434, 436f., 446,479, 482, 488, 513 Herrscher 33, 45, 51, 65, 78, 89f., 93f„ 97, 105, 112, 114f., 125f„ 142f„ 149, 157f., 171, 184, 193f., 203, 205f„ 212, 216, 230, 240, 244, 262-264, 270f„ 274, 289, 294, 298, 306, 308, 334, 339, 344, 369, 372, 374, 376, 380, 382, 395, 397, 399, 411, 429, 479, 501, 504, 512, 514, 531, 539, 541-543 Himmel 49, 53, 66, 71, 73, 75-77, 79, 81, 86, 89-92, 94-97, 99, 102-104, 106, 109f„ 114, 116f„ 119, 121, 131, 139-142, 170f„ 234-236, 254, 264, 266-269, 299, 324, 336, 341f„ 344f„ 355, 367f„ 374, 379, 382, 384, 387, 390, 411, 413-415, 422, 424, 434, 440, 444f., 447, 449, 456, 458, 464, 479, 520, 530, 539, 541, 552 Hirte 43, 59, 123, 183, 286, 383, 430, 436, 466, 475 Hochzeitsmahl 138, 384,438 Hofstaat 49,81, 116,376,424 Hoherpriester 87, 89, 147f., 153, 157, 159, 196, 198-200, 205f., 211, 215f„ 235, 250, 255, 270, 300, 399f., 426, 439, 442f., 488-490, 511,532, 548 Horn 27, 158, 216, 344f„ 377, 392f., 408411,415,428 Hütte 108,221 Hyrkan I. 159,532,534 Hyrkan II. 127, 167f. Israelzentrik 88f., 91, 93f., 110-114, 118f., 127, 131, 133, 136, 138, 140 Jakob 52, 64, 68, 91, 94, 102, 173, 193f„ 221, 229, 252f., 319, 339, 372, 399, 427, 511

Register Jakobssegen 150 Jerusalem 12, 44, 50, 55-58, 90, 95f„ 106f„ 114f., 119f., 130f., 138, 140, 153, 158, 162, 164, 168, 171, 176, 184, 198, 203, 219, 263, 265, 276, 279, 281, 285, 290f., 296f„ 301-305, 318f„ 332, 386f„ 393f„ 397, 434,447, 471,484f„ 492, 494 Johannes der Täufer 133, 282, 431, 458, 493, 529, 533f., 541 Johannes Hyrkan 159, 231, 344f., 532, 548 Johannes von Gischala 303,312 Jonatan 157,295,307,397,526 Josua 47, 148, 153, 174, 200, 205, 231, 267, 293-295,315,472, 526 Juda 11, 33, 147, 152f„ 200, 212, 247-249, 251-258, 288, 304, 351, 376, 397, 546 Judas Galilaios 128, 288, 293, 301, 317, 450 Judas Makkabäus 156-158,160,345 Knecht 168, 170, 320, 331, 336, 348-350, 361, 364, 372, 402, 428, 431, 451, 460, 508f., 514 König der Juden 429, 440, 442, 444, 446, 463, 486,488f., 494 König Israels 7, 52, 56, 59, 79, 124, 126, 158, 170, 183, 185, 189, 285, 328, 338, 372, 443, 463, 466, 485, 491, 499, 512 Königsideologie 18,49, 138, 146f., 150, 154, 178, 263, 265, 330, 336, 338, 466, 498501, 504, 508f„ 511, 537, 540, 547 Königsprätendent 307 Königssalbung 11, 35, 145-147, 153, 190, 244,312,315, 394, 537 Königsthron 147, 156, 198, 489 Kosmos 122, 125, 139, 413, 424 Kranz 157, 197, 249, 321, 378, 380f. Kreuz 267, 409f., 413, 418-420, 443, 449, 464, 478, 480, 488-490, 492, 494f. Kreuzestitel siehe Titulus crucis Kreuzestod 377 Kreuzestod 6, 407, 418, 420-422, 448, 452, 466, 478, 480, 493, 495, 497, 513 Kriegsgewalt 251 Kriegsmacht 138 Krone 158, 196f„ 224, 382 Kult llf., 31, 41, 58, 60f„ 63, 65-67, 69-71, 88, 92, lOlf., 104-106, 132, 148, 176, 207, 232, 296-298, 387, 418, 514, 532

631

Kynismus 195 Kyros 71, 145, 166,264 Lamm 96, 256f„ 375-377, 380f„ 383f„ 386f„ 400, 428, 460f. Laubhüttenfest 57,225,299,321,434 Legitimation 30, 101, 109, 145, 147f., 157, 170, 179f., 189, 282, 287f., 290, 302, 305, 309, 31 lf., 337, 364, 423, 456-458, 462, 477, 493, 497, 499, 501, 510, 512, 525, 527f„ 538f„ 543, 552 Legitimierung 147, 156, 242, 294, 305, 353, 522, 528 Leiden 163, 340, 347, 365, 402, 432, 435, 438, 446-448, 451, 480, 488, 510, 512, 540 Levi 229, 232, 247f„ 250f„ 253-256 Leviatan 366 Logos 123, 125, 143, 193-195, 197f., 274, 452-454, 459, 466 Löwe 76, 256f., 351-353, 376f., 400 Lukuas 318,321 Lulab 298, 321 Machtmittel 172f„ 180, 333, 356 Mahl 132, 206, 209f., 384, 409, 437f., 469f. Mahlfeier 206,210 Makkabäer 8, 89, 115, 155, 157, 159f„ 230, 278, 289, 344 Mara bar Sarapion 430 Märtyrer 193,278,385 Martyrium 88,385 Mattatias 156,230 Melchisedek 203, 506f„ 519f„ 522f. Menahem 128,292,300-302,311,317 Mensch 50, 72, 76, 123f., 131, 134, 189, 194-196, 255, 270-272, 289, 327, 343, 354-362, 418, 424, 453, 489, 491, 493, 520, 552 Menschensohn 13, 17, 19, 76-78, 112, 121f., 143, 235, 239, 268, 308, 324-344, 346, 354f„ 357-360, 362f„ 368, 370f„ 373, 379-381, 384, 388-390, 412, 414f„ 417, 432, 436-440, 443f„ 464f„ 479f„ 491, 493, 499f„ 507, 514, 538, 541, 543, 555 Messiasdogmatik 8,457, 473 Michael 76, 118,340,506 Mission 12, 115,421,431,510

632

Register

Mittler 96, 123f., 126, 130, 143, 151, 417, 422, 424, 454 Mittlerfunktion 102, 104, 106f., llOf., 113, 134,452 Mittlergestalt 32, 90, 94f., 99, 108f„ 116, 118, 121-123, 134, 143, 151, 198, 448, 496 Monotheismus 13, 35, 113, 122, 129,454 Mose 42, 46, 64, 91, 115, 124, 126-128, 139, 194, 196, 200, 210, 221, 228f„ 238, 267, 270, 272, 274, 279, 290, 292-295, 307, 339, 374, 399f„ 403, 429, 438, 451, 453, 458, 46If., 465, 467, 469, 471-473, 480, 514-518, 522, 524-526, 528f. Mund 104, 121, 152, 168, 172f, 177, 182, 196, 217, 229, 281, 335f„ 355, 369, 382f., 422, 466, 522, 537, 539, 542f. Münzen 296-299, 320f. Nahrung 98, 113,365,539 Nation 271, 274 national 8, 35, 45, 99f., 114, 127, 131, 140, 150, 164, 172, 176, 178, 182, 189, 190, 196, 218, 262, 264, 268, 274, 286, 296, 298f, 308, 320f„ 339, 345, 353, 357, 359, 361, 370f., 383, 385, 388, 395, 412f., 419, 428, 447, 463f., 469, 480, 484-486, 492, 528, 548, 552f. Nehemia 8, 116 Offenbarung 65, 91, 116, 119, 125, 172, 198, 290, 326, 334, 348, 363, 366, 374, 379, 382, 408, 421, 427, 431, 445, 453, 455, 458, 466f., 471, 477, 481-483, 488, 491,517, 527f„ 553 Ölzweige 302 Onias 127, 148 Palmzweig 158, 256, 298, 321, 380, 484f. Paradies 370, 386, 445, 462 Partizipation 96, 99-102, 106f., 109, 111, 170, 181, 262, 272, 335, 379, 381, 416418, 423, 436f., 455, 476, 487, 538f., 542f., 552 Parusie 139, 367, 377, 414f„ 421, 435, 440, 444, 495f. Paulus 16, 136f., 407-424, 433, 446-451, 480,512, 554 Pescher 108f., 212, 215, 219, 224f., 231, 240,519, 549 Petrus 134, 432, 448f., 462

Pharisäer 162, 166, 168, 278, 450, 487 Pilatus 135, 295, 440-442, 451, 463, 486489 Platon 122 politischer Herrscher 94, 113, 160, 205, 263, 344, 375, 388, 429 Pompeius 16,97, 142, 164, 167 Präexistenz 19, 121, 170, 187, 334f., 339f., 342, 348, 352, 358f„ 363, 368f., 413, 422, 424, 454, 460, 482, 512, 538 Priester 35, 45, 57, 64, 90, 101, 106f., 127, 153, 196, 203, 206-210, 215, 220, 224f., 228, 232, 235, 238, 244, 247, 249-251, 254, 256f„ 276-280, 312, 384, 492, 513, 530, 532, 543, 555 priesterlich 12, 16, 34f., 45, lOlf., 104, 118, 147f, 195, 200, 203, 205-209, 211, 215f., 223, 225, 227, 229-231, 236, 240, 242245, 249-251, 254, 301, 313, 329, 331f., 384, 465, 492, 499, 514, 519, 538 Priestersalbung 148 Priestertum 204, 249, 254f., 508 Prophet 49, 55, 57, 157, 196, 223, 228f., 238, 270, 288, 291, 293f., 429, 434, 438, 447, 457f., 463-465, 468-470, 473f., 485487, 490, 492, 514, 517f„ 521-529, 534, 541,548,555 Prophetensalbung 148, 526 prophetisch 10, 12, 35, 49f., 58f., 82, 108, 110, 147, 150f„ 154, 165, 176, 204, 229, 231, 235-238, 243, 249, 279f., 289f., 292-295, 305, 307, 310-312, 315f., 329, 375, 428f„ 431, 438, 448, 462, 465, 468470, 492, 494, 514f„ 517f„ 520-524, 526-529, 538, 547 Pseudopropheten 279, 290 Qaddisch 130 Rabbi Akiba 129, 319f., 398 Rechtfertigung 137, 192, 365, 409, 553 Referenz 24-27, 327, 406, 453, 458, 540, 545 Repräsentant 23, 77, 99f., 107, 109, 121, 128, 130, 132, 134, 137, 139, 146f., 151f., 165, 170f., 181f., 184, 195, .245, 269, 272, 289, 301f., 330f., 337-339, 345, 356, 359, 361, 373, 379f., 382, 387, 389, 395, 409,

424, 462, 114, 143, 188, 306, 366, 418,

Register 421-423, 426f„ 431, 436-438, 443, 456, 465, 471, 476, 482, 487, 492-494, 496, 499f„ 506f„ 519, 523, 537, 539, 552, 555 Rettung 44, 48, 51, 53, 57, 59, 68, 72f, 82, 88-90, 93, 95, 98, 108, 113, 118, 139, 140f„ 156, 176, 178, 194, 227, 252, 255, 298f., 330, 353, 408, 415, 422, 444, 506, 520, 523 Revolution 277, 291, 295 Revolutionäre 115, 128, 277, 281-283, 285, 287, 292, 295, 310-314, 316, 441, 450, 527, 550 Richter 17, 49, 51, 83, 97, 114, 122, 172, 197, 244, 249, 251f„ 313, 325-328, 331342, 352f„ 356, 360, 362, 371, 373, 380, 416f., 429, 436f., 542 Rom 17, 115, 164, 167, 260, 263, 276f., 279, 289, 306-308, 313, 316, 350, 386, 433, 436, 446, 552 Römer 115, 164, 166f„ 170, 184, 189, 213, 279-281, 305f„ 313, 319, 347, 494, 537, 548 Römerherrschaft 115, 294, 403 Sabbat 92, 101 Sabbatlieder 92, lOOf., 105f., 109, 140f. Sabinus 115,285 Salbung l l f . , 30, 145, 147f„ 151, 153, 159, 179, 183, 187, 205, 215, 239f„ 249f„ 284, 293, 304, 313, 316, 399, 403, 412, 431, 451, 514-516, 519, 521f, 526, 528, 530, 545f. Salbungsakt 145,312,451,516,545 Salomo 14, 79, 97, 145, 147, 150, 152f., 158, 162, 165, 172, 193f., 196, 337, 433 Samuel 47f„ 64, 126, 240, 313, 521, 526 Satan 132,379,384 Saul 47, 126, 145, 285, 339, 526 Schema 7, 91, 129, 186, 205, 232, 281, 295, 321, 354, 357, 364, 368, 370, 376, 503 Schöpfung 48, 50, 54, 57f, 62f., 65f„ 68, 70f„ 78, 80, 82f„ 87, 109, 117f„ 120, 122f„ 139, 181, 186, 189, 270, 329, 334f„ 344, 350, 352, 357, 359f., 373, 395,401,422,453 Semyaza 118 Septuaginta 98, 166, 169, 178, 186 Serubbabel 148, 153, 201, 205, 312

633

Sieg 68, 95, llOf., 137, 256, 271f., 298, 356, 377,494, 518 Siegeskranzes 197 Sikarier 289, 291f„ 301f„ 307, 312f. Simeon 157f. Simon bar Giora 286, 292, 299, 302-305, 307,311,317 Simon bar Kochba 298, 318, 319, 321, 546 Simon (Sklave) 128, 286f. Sinn 24f., 27, 31, 34, 88, 107, 150, 174, 179, 205, 296, 309, 312, 365, 383, 440, 481,502,516, 545f. Situation 13, 15, 17, 19, 22, 24, 46f., 52f., 71 f., 74, 78, 87, 89, 92, 110, 115f., 133, 142, 154, 167, 181, 192, 200, 207, 230, 243, 245, 264, 268f„ 272, 284, 302, 306, 309f., 343, 395, 407, 445, 462, 467, 471, 475, 480, 484, 502, 504, 510, 537, 541, 550, 553 Sohn 79, 146, 164, 168f., 194, 196, 198, 226, 263, 276f„ 285, 301, 310, 326f„ 348f„ 360, 363, 403, 41 lf., 415, 417, 422, 426f„ 429-431, 433, 435, 437, 439-441, 443, 453f, 458, 462-464, 466, 476f, 481-484, 487, 490f., 498-512, 531, 540f, 552 Sohn Davids 168f., 429, 433 Sohn des Höchsten 426f., 499, 503-506 Sohn Gottes 196, 226, 310, 41 lf., 417, 427, 435, 437, 439-441, 443, 458, 463f„ 477, 483f„ 491, 498-502, 504-512, 540f„ 552 Sonne 113, 256, 263, 266f. Sosius 167 Speise 390,437,469 Sproß 16,21, 109, 150, 152f„ 168, 171, 212f„ 215, 219f„ 223-226, 240-242, 246, 252, 258, 275, 305, 376f., 394, 400f., 412, 433, 463, 498, 553 Staat 70, 128, 279, 291, 296, 441 Staatsmacht 88,489,549 Stab 152, 168, 172f., 182, 186-188, 213, 217, 249, 252, 330, 378, 382 Sterben 252, 367, 408, 512f. Stein 221, 229, 250, 252f„ 266, 276, 299, 309, 318f., 321,377, 399,518 S toa 122, 125, 195

634

Register

Sünde(n) 64, 89, 97, 120, 137, 177, 181, 204, 254, 347, 360, 364f., 373, 401f., 408f, 422f., 460, 512, 514, 518f., 538 Sünder 157, 163, 168, 174f„ 177, 181f„ 189f., 325, 328, 369 Sündlosigkeit 181,253,257,402 Szepter 33, 89, 107, 115, 194, 212, 216f, 22If., 229, 231, 236, 252, 258, 267f„ 272, 399, 403 Taheb 467,516-519 Taufe 409f., 422f„ 431, 437,447, 449, 451f, 457,459,510 Taxo 118,531 Tempel 9, 12f„ 33-35, 44, 50, 63, 66, 69f., 78, 81, 87-90, lOlf., 104, 106f„ 109, 113-115, 119f., 123, 127-129, 131, 138, 140, 154, 184, 207, 226, 261-266, 269, 277, 28If., 286-288, 290, 294, 297, 299303, 305-308, 316, 318f., 321, 346f., 365, 386f., 392f., 396, 402,419, 492, 517 Teufel 116,384 Theodizee 75, 163, 346f„ 364f. Theokratie 78, 82, 87-92, 98f., 105, 11 If., 114, 118-120, 127f„ 136, 140, 142, 159, 175,245 theokratisch 32f„ 79, 94, 147, 165, 180, 233, 244, 299,316,385 Theozentrik 34, 72, 84, 99, 110, 118, 262, 324, 379 theozentrisch 117, 165, 185, 189, 249, 265, 268, 331,362, 388, 427 Theudas 290, 293-295, 311, 450, 526 Thron 4, 49, 60, 63, 66, 79-81, 88f„ 104, 109, 118f„ 121, 139, 147, 158, 173, 194, 198, 212f„ 224, 226, 240, 288, 328, 335338, 341, 355, 372f„ 376, 378, 380f„ 384, 387, 389, 401, 403, 426, 436, 448, 450, 501f., 511,539 Thronrat 81, 116 Thronsaal 139 Titulus crucis 13, 426, 442f., 446, 489, 494, 497 Titus 16,276-278,306,347 Tod 35, 46, 51, 88, 93, 97, 115, 142, 154, 167, 192-195, 215, 219, 267, 284-286, 300, 303, 307, 350, 370, 375, 377, 385, 390, 408-410, 413, 415f., 418, 420, 424, 432, 435, 437f., 440, 444-448, 450, 460,

475, 477-480, 482f., 486, 493f., 496f., 510, 512f„ 529, 531,539f., 546 Töpferorakel 74, 263 Tora 46, 72f., 88, 115, 147, 156, 198, 202, 205-207, 212, 214, 221f., 225, 346, 365, 371, 374, 396,418, 446, 453, 514f„ 527 Totenerweckung 141, 236, 332, 350, 367f., 412,415,426,445,447, 539 Trajan 260,318 Transzendenz 104-106, 112, 119, 122f., 128, 138, 143,538 transzendent 105, 123, 125, 159f., 184, 338, 420 Tyrann 123, 126, 280-282, 300, 303, 305f., 507 Umwelt 3, 11, 18, 31, 35, 41, 69, 80, 115, 148, 150, 201, 235, 327, 343, 375, 377f., 402, 470, 472, 479, 496, 545 Utopie 8, 100, 142, 245, 410f., 518, 548 Varus 115 Vergebung 51, 133, 138,203 Versammlung 206,208,210,212 Vespasian 276f., 281f., 308f., 314, 317, 347, 510 Volk Gottes 77, 167, 175, 178, 184, 296, 386, 422, 500f, 506f. Völker 48, 54, 56f„ 60, 62, 64, 68, 70, 77, 80f„ 83, 91, 93, 98, 132, 153, 175-177, 183, 185, 189f., 193, 196, 198, 216-218, 224, 244, 255, 268, 270f„ 274, 277, 298, 324, 330, 336, 346, 357, 360-362, 371f„ 374, 376, 378, 381, 383, 412, 420, 429, 431,447, 506,513,542,553 Völkerwallfahrt 57, 131, 176, 357 Weber Jonatan 295, 307, 526 Weinstock 158, 298, 368f. Weissagung 14, 113, 146, 150, 152, 232, 249, 263, 268, 276, 307f„ 313f., 448, 450, 504, 511 Wissen 20, 27, 48, 174, 198, 229, 395, 427, 454f., 463f., 468, 528, 549 Wort 25, 27f., 45, 54, 63, 104, 119, 168, 172-174, 177, 182-184, 189, 194, 196, 217, 229, 238, 266, 293, 305, 355, 369, 377, 382, 399, 400f„ 408, 417, 439f„ 445, 447, 465, 467, 478, 515, 527, 529, 537f., 542f. Wort Gottes 194, 229, 382, 537

Register Wort seines Mundes 168, 172f., 177, 182, 196, 369, 537, 542 Wortmacht 245 Wunder 76, 235f., 290f., 310, 348, 361, 366, 464f„ 469,472f„ 483, 497 Wundertaten 311, 373, 448, 472, 483, 528, 539 Wunderwirken 134, 361 Wunderzeichen 290, 307, 371 f., 473, 526 Zeloten 128f., 133, 172, 211, 276-279, 281, 283-289, 293f„ 297, 299, 301f„ SOSSIO, 312-314, 317, 353, 397, 450, 501, 530

635

Zion 44, 50, 53-56, 58, 62, 64, 67, 70, 80, 91, 108, 110, 297, 299, 357, 360, 368f., 371,380, 393f., 486, 520 Zukunft 52f., 55, 63f., 73f., 79, 86, 98f., 109, 114, 116, 125, 130f, 133,. 135, 137, 140, 149, 154, 156, 168f., 184, 190, 210, 215, 229, 231 f., 270, 313, 331, 345, 365, 378, 398, 403, 408, 414,423, 437, 553f. zwölf/Zwölf 55-57, 84, 95, 195, 232, 246, 256, 361, 365, 370f„ 378, 386, 436f., 459,469

CHRISTIAN WAGNER

Die Septuaginta-Hapaxlegomena im Buch Jesus Sirach Untersuchungen zu Wortwahl und Wortbildung unter besonderer Berücksichtigung des textkritischen und übersetzungstechnischen Aspekts 1999. 2 3 χ 15,5 cm. XVI, 4 2 8 Seiten. Leinen. D M 2 1 8 , - /öS 1 5 9 1 , - /sFr 1 9 4 , - /approx. US$ 136.00 • ISBN 3-11-016506-6 (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft 282) Der Autor legt mit diesem Buch eine lexikographisch angelegte Studie mit septuagintaspezifischer und wortstatistischer Ausrichtung vor. Die Studie leistet eine Vorarbeit zu einem bisher noch nicht unternommenen exegetischen Wörterbuch des griechischen Alten Testaments. Mittels synoptischer Präsentation der vier Haupttraditionen (H, Gr, Syr, La) werden die 2 7 3 sirazidischen Septuaginta-Hapaxlegomena nach übersetzungstechnischen, wortstatistischen und textkritischen Gesichtspunkten diskutiert. In this book the author presents a lexicographical study directed towards phenomena peculiar to the Septuagint, and word statistics.

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