Gericht und Verfahren in der Stadt und im Hochstift Würzburg: Die fürstliche Kanzlei als Zentrum der (Appellations-)Gerichtsbarkeit bis 1618 [1 ed.] 9783412518233, 9783412518219

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Gericht und Verfahren in der Stadt und im Hochstift Würzburg: Die fürstliche Kanzlei als Zentrum der (Appellations-)Gerichtsbarkeit bis 1618 [1 ed.]
 9783412518233, 9783412518219

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Josef Bongartz

Gericht und Verfahren in der Stadt und im Hochstift Würzburg Die fürstliche Kanzlei als Zentrum der (Appellations-)Gerichtsbarkeit bis 1618

QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON ANJA AMEND-TRAUT, ALBRECHT CORDES, IGNACIO CZEGUHN, FRIEDRICH BATTENBERG, PETER OESTMANN UND WOLFGANG SELLERT

Band 74

Gericht und Verfahren in der Stadt und im Hochstift Würzburg Die fürstliche Kanzlei als Zentrum der (Appellations-)Gerichtsbarkeit bis 1618 Von JOSEF BONGARTZ

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort Das vorliegende Werk wurde in geringfügig veränderter Fassung als Dissertation an der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg angenommen. Erstberichterstatterin: Prof. Dr. Anja Amend-Traut Zweitberichterstatter: Prof. Dr. Steffen Schlinker Datum der mündlichen Prüfung: 19. 09. 2018

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Zeitgenössisches Verzeichnis über den Inhalt einer kanzleigerichtlichen Verfahrensakte, die abschriftlich im Jahr 1567 an das Reichskammergericht gelangte. © Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA, RKG (Bestellnr.) 14020) Satz: büro m’n, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51823-3

Inhalt VORWORT   . . ...............................................................................................  11 A. VON GIPFELN UND TÄLERN   .........................................................  13 B. PROLEGOMENA   . . ...............................................................................  16 I. Forschungsstand  .............................................................................  16

1. Kanzleientwicklung und -organisation im Hochstift Würzburg  .............................................................  2. Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg  . . ..................................  3. Weltliche (Appellations-)Gerichtsbarkeit im Alten Reich  .........  II . Von der Suche nach einem Kanzleigericht  ......................................  III . Untersuchungszeitraum  ..................................................................  IV. Erkenntnismöglichkeiten zwischen Norm und Praxis  ....................  V. Gerichtslandschaften  .. .....................................................................  VI. Quellenlage und Methode  .............................................................. 

16 17 21 24 25 27 29 32

C. DIE KANZLEI UND IHRE GERICHTSBARKEIT – GRUNDLAGEN DER ENTWICKLUNG   .........................................  39

I.

Gerichtsherrschaft und Territorialisierung im Hochstift Würzburg  .. .................................................................  1. Konsolidierung der bischöflichen Gerichtsherrschaft  . . ..............  2. Interessenkonflikte bei Auf- und Ausbau der Landesherrschaft  . 3. Bestandsaufnahme – Diözese und Hochstift an der Schwelle zur Neuzeit  ......................................................  II . Anfänge der fürstlichen Kanzlei bis zum Beginn der Neuzeit  .........  1. Wurzeln der Institutionalisierung im Hochstift  ........................  a. Bischöfliche Ratsgremien im Mittelalter  . . ............................  b. Entwicklung der Schreibstube  .............................................  c. Entstehung des Kanzleigerichts  .. ..........................................  2. Rahmenbedingungen der Kanzleigerichtsbarkeit  ......................  a. Herrschaftsverdichtung und -zentralisierung  .......................  b. Kanzleien als landesherrliche Justizkollegien  .. ......................  c. Rezeption des römisch-kanonischen Rechts  ........................  d. Einführung der Appellationsgerichtbarkeit  . . ........................ 

39 39 44 51 52 52 52 57 58 59 60 66 73 76

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Inhalt

D. DIE KANZLEI IN DER GERICHTSLANDSCHAFT DES HOCHSTIFTS   .............................................................................  80 I. Geistliche Gerichte im Hochstift  ....................................................  84 1. Vikariat, Offizialat und Konsistorium  .......................................  84 2. Die Archidiakonate  ...................................................................  89 3. Chor-, General- und Kellergericht  ............................................  91 II . Weltliche Gerichte im Hochstift  . . ...................................................  92 1. Landgericht  ...............................................................................  93 a. Zuständigkeit  .......................................................................  93 b. Gerichtsort und -besetzung  .. ................................................  102 c. Appellation gegen Urteile des Landgerichts  .........................  107

d. Zentralisierungstendenzen in personeller und rechtlicher Hinsicht  ......................................................  110 (1) Rang des Landgerichts in der Frühen Neuzeit  ...............  110 (2) Einfluss der fürstlichen Räte auf das landgerichtliche Verfahren  ........................................................................  113 (3) Konkurrenz der Rechtsquellen und -traditionen  . . ..........  115 (4) Reform des fränkischen Partikularrechts  ........................  119 2. Brückengericht, Landrecht, Stadt- und Saalgericht oder die oberste Zent  .. ...............................................................  127 a. Gerichtsbezeichnungen  . . ......................................................  127 (1) Landrecht  .......................................................................  127 (2) Brückengericht  ...............................................................  128 (3) Oberste Zent  ..................................................................  130 (4) Saal- oder Stadtgericht  .. ..................................................  132 b. Identität der Gerichte  ..........................................................  132 c. Besetzung  .............................................................................  137 d. Gerichtsort  . . .........................................................................  140 e. Verhältnis zum Kanzleigericht  .............................................  140 f. Appellation an die Reichsgerichte  ........................................  147 3. Hof- oder Ritterlehengericht  .....................................................  151 a. Besetzung  .............................................................................  151 b. Urteilsfindung  . . ....................................................................  155 c. Gerichtstermine  ...................................................................  156 d. Abgrenzung zwischen Hof- und Kanzleigericht  . . .................  157 (1) Zeitgenössische Gerichtsbezeichnungen  .. .......................  157 (2) Das Hof- als Ritterlehengericht  . . ....................................  160 (3) Appellationswege und Gerichtsentwicklung  ..................  165 e. Bischöfliche Zentralisierung und ritterliche Emanzipation  .  169

Inhalt

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4. (Bürger-)Lehengericht  ...............................................................  177 5. Gericht des Gnadenvertrages  . . ...................................................  178 6. Geschworenengericht  ................................................................  179 7. Montagsgericht  .. ........................................................................  179 8. Oberrat  . . ....................................................................................  182 9. Zenten  .......................................................................................  186 a. Zentgerichtsbarkeit  ..............................................................  186 (1) Zuständigkeit  .................................................................  186 (2) Konkurrenz der Obrigkeiten  ..........................................  188 (3) Interaktion mit anderen Foren  .......................................  193 b. Appellation gegen Urteile der Zentgerichte  .........................  196 10. Amtmänner  ...............................................................................  203 11. Stadt-, Markt- und Dorfgerichte  ...............................................  206 III. Annäherung: Das Kanzleigericht in der Gerichtslandschaft des Hochstifts  .................................................................................  209 E. DIE KANZLEI IN DER GERICHTSLANDSCHAFT DES ALTEN REICHS   ..........................................................................  217 F. KANZLEIORGANISATION UND -VERFAHREN IN NORM UND PRAXIS   ...................................................................  229 I. Vorbemerkung: zum Verhältnis von Recht, Norm und Praxis  ........  230 II. Entwicklung der Kanzleiorganisation im Kontext der Hochstiftsgeschichte  .................................................................  235 1. Anfänge bischöflicher Ordnungstätigkeit  ..................................  235

2. Die Kanzleiordnung von 1525/1526 als Brennglas der weiteren Entwicklungen  ......................................................  237 3. Das Hochstift in der Krise – Reformversuche Wirsbergs  ..........  243 4. Konsolidierungsmaßnahmen unter Julius Echter  . . ....................  249 5. Die moderate Neuordnung des Jahres 1617  . . .............................  254 III. Geschäftszeiten  ...............................................................................  256 IV. Kanzleipersonal  ...............................................................................  257 1. Räte  ...........................................................................................  257 a. Zusammensetzung des Hofrats  ............................................  257 b. Entscheidungsbefugnisse und Dienstpflichten  ....................  261 2. Kanzler  ......................................................................................  263 a. Der Kanzler als Direktor der Kanzlei im engeren Sinne  ......  263 b. Stellung im Rat  ....................................................................  267 c. Ausbildung der Amtsinhaber  ...............................................  269

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Inhalt

3. Vizekanzler  ................................................................................  273 4. Hofmeister  ................................................................................  274 a. Aufgaben im Rat, am Hof und bei Gericht  .........................  274 b. Ausbildung der Amtsinhaber  ...............................................  276 5. Hofmarschall  .............................................................................  278 6. Referendar  .................................................................................  278 7. Syndikus  ....................................................................................  282 8. Personal der Kanzlei im engeren Sinne  .. ....................................  285 a. Sekretäre  ..............................................................................  285 b. Registratoren  . . ......................................................................  286 c. Ratsschreiber  . . ......................................................................  289 d. Gerichtsschreiber  .................................................................  291 e. Gebrechenschreiber  .. ............................................................  293 f. Malefizschreiber  ...................................................................  296 g. Lehenschreiber  .....................................................................  299 h. Kammergerichtssachenschreiber  ..........................................  300 i. Weitere Bedienstete  .. ............................................................  301 V. Geschäftsgang und Verfahren  .........................................................  301 1. Untertanensuppliken  . . ...............................................................  301 2. Güte- und Schiedsverfahren vor den Räten  .. .............................  306 3. Appellationsverfahren  . . ..............................................................  309 a. Wesentliche Prozessmaximen des gemeinrechtlichen Verfahrens  ............................................................................  309 b. Aktenführung in Appellationsverfahren  .. .............................  311 c. Fallstudie: Melber gegen Schneider  .. ....................................  313 (1) Auswahlkriterien  ............................................................  313 (2) Ausgangslage: ein dorfgerichtliches Injurienverfahren  .. ..  315 d. Zuständigkeit  .......................................................................  319 e. Eröffnung des Appellationsverfahrens  .. ................................  322 (1) Interposition  .. .................................................................  323 (2) Introduktion  .. .................................................................  325 (3) Melber gegen Schneider: Eröffnung des Appellationsverfahrens  .............................................  332 f. Verhandlung und Beschlussfasssung im Rat  ........................  335 (1) Gerichtliche Audienzen und Vorbringen der Parteien  . . ..  335 (2) Gerichtstermine und Terminsystem  ...............................  340 i. Erster Termin  ............................................................  342 ii. Zweiter Termin  .........................................................  347 iii. Dritter Termin  ..........................................................  349

Inhalt

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(3) Beweisverfahren  . . ............................................................  354 i. Beiurteil und Beweisinterlokut  .................................  354 ii. Beweismittel und -verfahren  .....................................  357 iii. Melber gegen Schneider: Beweisverfahren  ................  365 (4) Beschlussfassung  . . ...........................................................  370 i. Die Umfrage im Rat  .................................................  370 ii. Bischöfliche Approbation und Resolution  ................  375 iii. Melber gegen Schneider: Urteil  ................................  377 g. Vollstreckung  .......................................................................  378 (1) Verfahren  ........................................................................  378 (2) Melber gegen Schneider: Vollstreckung und Ausgang des Verfahrens  . . .........................................  379 VI. Fazit: Ämterdifferenzierung, -professionalisierung und Orientierung am Reich  . . ..........................................................  383 G. ZUSAMMENFASSUNG   ......................................................................  388 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS   . . .................................  396 REGISTER   ..................................................................................................  433 Sachverzeichnis  .. ......................................................................................  433 Personenverzeichnis  . . ...............................................................................  446 Ortsverzeichnis  . . ......................................................................................  450

Vorwort Als ich mich vor einigen Jahren nach dem erfolgreichen Bestehen der ­Ersten Juristischen Prüfung auf die Suche nach einem geeigneten Thema für eine Dissertation begab, war rasch ersichtlich, dass die Rechtsgeschichte meiner Wahlheimat Würzburg den Gegenstand dieser Arbeit bilden würde. Doch die Konkretisierung ­dieses Themas sollte nicht leichtfallen. Erst die Beschäftigung mit den beiden städtischen Ratsgremien führte zu der Erkenntnis, dass eine grundlegende Studie zur ­Würzburger Gerichtsbarkeit fehlte, die eine Orientierung bei der Analyse der Interdependenzen der verschiedenen Foren in der Stadt und im Hochstift bot. Insbesondere verwunderte angesichts des stetigen Aufbaus der weltlichen Appellationsgerichtsbarkeit im Reich im Verlauf des 15. und 16. Jahrhunderts, dass zu einem obersten Appellationsgericht im Hochstift Würzburg bisher kaum etwas bekannt war. Diesen Desideraten der Forschung nachzugehen, machte ich mir zur Aufgabe. Die Ergebnisse meiner Bemühungen liegen nun nach einigen arbeitsreichen Jahren in ­diesem Band vor. Ihre Bedeutung mag der Leser selbst bemessen. Ich selbst sehe darin einen Zwischenstand, der denjenigen, die sich der Erforschung der Rechtsgeschichte im Allgemeinen und der Würzburger Rechtsgeschichte im Speziellen gewidmet haben oder noch widmen wollen, Anreize zur weiteren Erkundung der zahllosen verbleibenden Forschungsdesiderate geben soll. Auf das fertige Manuskript blicken zu dürfen, erfüllt mich mit Freude und Dankbarkeit. Freude über die Fertigstellung d­ ieses Buches, aber auch über die Tage, Monate und Jahre anregender Quellenlektüre in den Archiven, über die Möglichkeit zur Lehre an der Juristischen und der Philosophischen Fakultät der Julius-­ Maximilians-­Universität und über die akademische Freiheit in meiner Tätigkeit. Diese Freiheit bedeutete, ein Buch zu einem Thema schreiben zu dürfen, dem mein tiefstes Interesse galt und gilt. Sie bedeutete, daneben mein Philosophiestudium abschließen zu können, ohne der wirtschaftlichen Verwertbarkeitslogik allzu sehr entsprechen zu müssen. Sie bedeutete aber auch, hin und wieder das eine oder andere Glas Frankenwein trinken zu können und somit den Gewohnheiten der fürstlichen Räte, für die der Kanzleitrunk ein regelmäßigeres Ritual war als für die meisten gegenwärtigen Forscher, nicht nur wissenschaftlich nachzuspüren. Wie auch auf der politischen Bühne konfligierte diese Freiheit nicht selten mit einem grundlegenden Sicherheitsbedürfnis, nämlich dem Wunsch danach, d ­ ieses Buch eines Tages auch fertigzustellen und sich neuen Aufgaben widmen zu können. Als im Jahr 2015 noch kein Wort zu Papier gebracht war, stand diese Arbeit kurz vor ihrem Ende und ihr Bearbeiter vor dem Scheitern. Dem fortdauernden Zuspruch meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Anja Amend-­Traut und dem richtigen Wort zur richtigen Zeit seitens des Zweitberichterstatters Herrn Prof. Dr. Steffen Schlinker

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Vorwort

ist es zu verdanken, dass ich seinerzeit die Untersuchung fortgesetzt habe. Allein dafür gebührt ihnen mein herzlicher Dank. Ebenso danke ich den zahlreichen wichtigen Wegbegleitern, die mich und diese Arbeit durch die unterschiedlichsten Beiträge gefördert haben. Das Fundament für die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins verdanke ich meiner ­Mutter Katrin, die sich mehr als nur einmal in schwierigen Zeiten aufopferungsvoll für mich eingesetzt hat. Besondere Dankbarkeit gebührt ferner Herrn Uwe Bongartz und Herrn Christian Steinberger, die mir bei meinen Archivreisen nicht nur Unterkunft, sondern auch beste Gesellschaft gewährten. Ferner meinen wissenschaftlichen Kollegen am Lehrstuhl für Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte, Bürgerliches Recht und Kirchenrecht sowie am Institut für Rechtsgeschichte an der Juristischen Fakultät der Julius-­ Maximilians-­Universität, die mir durch viele wertvolle Fachgespräche und manch andere denkwürdige Unterhaltung die Zeit am Lehrstuhl versüßten. Für kritische und aufmunternde Anmerkungen zum Manuskript danke ich insbesondere Herrn Dr. Fabian Meinecke, Herrn Dr. Johannes Pfeiff, Herrn Dr. Christof Jeggle und Herrn Dr. Cyril Hergenröder, für sonnige Momente im gelegentlich trüben Lehrstuhlalltag Frau Karolina Tekin und für Zuspruch, manch wertvolle Idee und die rasche Erstellung des Zweitgutachtens Herrn Prof. Dr. Steffen Schlinker. Mein Dank gilt ferner den Mitarbeiter/innen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und vor allem jenen des Staatsarchivs Würzburg, die so manchen Wunsch auch kurzfristig und überobligatorisch erfüllten. Überdies meinen Vorstandskolleg/innen des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit für ihre Geduld, ihren Zuspruch und ihre Unterstützung sowie den Reihenherausgebern der „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“ für die Aufnahme des Bandes und die zahlreichen wertvollen Hinweise zum Manuskript. Niemand hat jedoch die Entstehung d ­ ieses Werkes und die akademische Entwicklung seines Autors mehr gefördert als Frau Prof. Dr. Anja Amend-­Traut, die mir an ihrem Lehrstuhl und darüber hinaus zahlreiche wunderbare Entwicklungsmöglichkeiten gegeben und meine Leidenschaft für die Rechtsgeschichte und das Familienrecht stets von Neuem entflammt und gefördert hat. Wichtiger noch als alle wissenschaftliche Formung und Förderung ist ein gelingendes Leben. Mein größter Dank gilt daher Christian Mottl, Fabian Meinecke und Anja Amend-­Traut. Ihre grenzenlose Unterstützung in schwierigen Zeiten hat mich ebenso beeindruckt wie ihre tiefe Menschlichkeit, Charakterstärke, Kreativität und Leistungsbereitschaft. Sie als Gefährten und Vorbilder haben zu dürfen, erfüllt mich mit andauernder Freude und größter Dankbarkeit. Ihnen sei ­dieses Buch gewidmet. Würzburg, 2020 

Josef Bongartz

A.  Von Gipfeln und Tälern [S]o ist auch ein newe gericht als vor der Cantzley […] angefangen der gleichen bey keynem unnserm g[nädigen] h[e]rnn von wirzpurg nie gewest ist und wirt gebraucht jn forma des hoffgerichts und dem selben nit gleich sundern merckliche beschwerung darauß erwachsen wider den vertrack und alles herkomen.1 Mit diesen Worten beschwerten sich im Jahre 1474 zahlreiche ritterliche Adelige bei Bischof Rudolf II. von Scherenberg (1466 – 1495) über die gerichtliche Tätigkeit der fürstlichen Räte in der Würzburger Kanzlei. Als Appellationsgericht maßte sich ­dieses Räthgericht 2 oder Cantzleigericht 3 aus Sicht der Gravamina sogar an, die durch die ritterlichen Urteilssprecher am kaiserlichen Landgericht des Herzogtums Franken ergangenen Urteile auf Grundlage des geschriebenen Rechts zu kassieren. Nur kurz zuvor muss demnach die Appellationsgerichtsbarkeit durch die fürstlichen Räte aufgekommen sein. Damit wurde der Grundstein für die bedeutendste Umwälzung der Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit gelegt. Am Ende dieser Entwicklung, die sich im Wesentlichen bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges vollzogen hatte, trat die fürstliche Kanzlei als Gipfel einer würzburgischen Gerichtslandschaft hervor, die sich in 150 Jahren allmählich zusammengefügt und verfestigt hatte. Die zentralisierenden und zentrifugalen Kräfte dieser Tektonik zu erforschen, soll das Ziel dieser Untersuchung sein. Gewissermaßen als Aussichtspunkt dient das sich als neuer Gipfel herausbildende Kanzleigericht selbst. Von ihm ausgehend kann sich der Blick in unterschiedliche Entfernungen richten: einerseits in die Nähe, um so das Gefüge der einzelnen weltlichen Gerichte im Hochstift sichtbar werden zu lassen, und andererseits in die Ferne, die das Gericht als Teil einer Gipfelkette ausweist, die zusammen mit den sie jeweils umgebenden Tälern als Gerichtslandschaft des Alten Reichs deutlich wird. Die in der Nähe und der Ferne erkennbaren Phänomene lassen schließlich eine Verortung des territorialen Obergerichts selbst zu. Als Boden und Grundlage dieser sich vor allem im 16. Jahrhundert konturierenden Gerichtslandschaft werden allgemeine, auch über das Reich hinausgehende Entwicklungen von rechtshistorischer Bedeutung, insbesondere im Z ­ usammenhang mit der Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts im Rahmen der weltlichen Zivilgerichtsbarkeit, ebenso dargestellt wie zeitlich vorgelagerte Territorialisierungsprozesse. Sie führten dazu, dass es schließlich zu einem Haupt-­Punct der Regierungs-­Geschäffte eines jeden Fürstbischofs – und der Landesherren im ­Allgemeinen – wurde, dass 1 StAW, ldf 12, S. 948 f. 2 StAW, ldf 12, S. 947. 3 StAW, ldf 12, S. 948.

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er nicht nur Krafft solcher Seiner LandFürstl[ichen] Hoheit und Obrigkeit und nach Außweisung des Lands Ordnungen Satzungen unnd Rechten, die Gerichtsbarkeit im Lande über seine Unterthanen übt[e],4 sondern auch die höchst[e] Gerichtsbarkeit […] [,] Ertheilung der Justiz, und gebührlich[e] Auffsicht über die andern Gerichte in seinem Lande 5 verantwortete. Eine Untersuchung der spezifisch würzburgischen Gerichtslandschaft mit Seiten­blicken auf die politischen Gegebenheiten der beginnenden Frühen Neuzeit bringt hervor, ­welche Gerichte im Hochstift überhaupt bestanden, wie sie besetzt waren und ­welche personellen und sachlichen Zuständigkeiten sie jeweils besaßen. Diesbezüglich müssen Überschneidungen hervorgehoben und ferner angedeutet werden, wie sich diese lösen oder eben nicht lösen ließen, wobei gerade Jurisdiktions­streitigkeiten häufig auch in ihrer politischen Dimension erkennbar werden. Im Besonderen wird anhand der Verbindungen der einzelnen Gerichte im Hochstift zur fürstlichen Kanzlei sichtbar, inwiefern durch die Etablierung von Instan­zenzügen im Rahmen von Appellationsverfahren oder anderen Aufsichts- oder Kontrollmechanismen eine Zentralisierung der Gerichtsbarkeit angestrebt wurde. Umgekehrt sind aber auch gegenläufige, oft auf Tradition und Rechtsgewohnheiten gegründete Tendenzen zu beobachten, die aus Sicht der Zeitgenossen eine Zentralisierung nicht erlaubten oder nicht als wünschenswert erscheinen ließen. Im Vordergrund der sichtbar werdenden Wandlungsprozesse stehen vor allem das kaiserliche Landgericht des Herzogtums Franken, das Würzburger Stadt- und Brückengericht und das Hofgericht. Sie waren als höhere Gerichte wie das Kanzleigericht auch in ihren Zuständigkeiten stärker regional als lokal ausgerichtet, hatten aber schon im Spätmittelalter herausragende Bedeutung im Rahmen der Gerichtslandschaft des Hochstifts. Gerade hier mussten, auch wegen der vom Kanzleigericht abweichenden Besetzung der verschiedenen Foren, Veränderungen im Gefüge der Gerichte besondere Friktionen auslösen, die sich in Versuchen der Über- und Unterordnung innerhalb eines Instanzenzugs, über den Weg einer personellen Einflussnahme oder auch auf Ebene des materiellen Rechts manifestieren konnten. Nach einem Überblick über die sich allmählich deutlicher konturierende Gerichtslandschaft kann der Aussichtspunkt selbst in den Fokus rücken: die fürstliche Kanzlei. Darunter verstanden bereits die Zeitgenossen einerseits die ­Schreibstube und andererseits den Hofrat der fürstlichen Räte. Besonderes Interesse verdient die Kanzlei hinsichtlich ihrer Entwicklung als Institution und bezüglich ihrer Ämterstruktur. Vor allem die aus den Kanzleiordnungen und anderen Quellen ersichtliche personelle Zusammensetzung einschließlich der entsprechenden Kompetenzzuweisungen erlaubt Feststellungen zur Gerichtsbarkeit im Hochstift zu 4 Seckendorff, Teutscher Fürstenstaat, S. 104. 5 Ebd, S. 103.

Von Gipfeln und Tälern

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Beginn der Frühen Neuzeit im Allgemeinen und zur Tätigkeit des Kanzleigerichts im Speziellen. Angereichert durch Erkenntnisse aus zahlreichen Gerichtsakten des Reichskammergerichts kann schließlich rekonstruiert werden, in welcher Formation das Kanzleigericht als Gericht der Hofräte zusammentrat und wann, wie oft und vor allem nach welchem Verfahren es in ­welchen Angelegenheiten urteilte. Darüber hinaus bieten Seitenblicke auf das außergerichtliche Verfahren vor den Räten insbesondere im Bereich von Untertanensuppliken 6 eine Möglichkeit, das umfassende und sich in seinen einzelnen Varianten gelegentlich überschneidende und beeinflussende Spektrum an Verfahren zur Konfliktbewältigung im Hofrat zu kontextualisieren. Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet die Darstellung der Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg zu Beginn der Frühen Neuzeit. Darüber hinaus werden bis in das Hochmittelalter reichende Kontinuitätsstränge angedeutet, der Kontext der Rechts- und Gerichtsentwicklung im Reich sichtbar gemacht und die Rechtsgeschichte im Lichte der politischen Geschichte untersucht, um die bereits von Volker Press kritisierte „Trennung von Reichs- und Landesgeschichte“, die „Zäsur ­zwischen mittelalterlicher und neuerer Geschichte“ und die Isolation der Rechtsvon der politischen Geschichte zu überwinden.7

6 Zur Bedeutung der Suppliken und jener der ihnen nicht unähnlichen, aber stärker politisch wirkenden und daher im Rahmen dieser Studie nicht schwerpunktmäßig untersuchten, Gravamina siehe S. 68 – 72. 7 Press, Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte, S. 5, 12.

B.  Prolegomena I.  Forschungsstand 1.  Kanzleientwicklung und -organisation im Hochstift Würzburg Die Geschichte der fürstlichen Kanzlei zu Beginn der Frühen Neuzeit war bereits Gegenstand historischer Forschungen unterschiedlichen Umfangs. Einen erhellenden Markstein liefert die Dissertation von Friedrich Heinrich aus dem Jahr 1930 zum Gebrechenamt.8 Angesichts der geringen Ausdifferenzierung der einzelnen Ämter im 16. Jahrhundert birgt die Arbeit nicht nur wertvolle Erkenntnisse zum Gebrechenamt, das insbesondere in Angelegenheiten und Streitigkeiten mit den angrenzenden Obrigkeiten tätig wurde, sondern zu Aufbau und Verfahren der Kanzlei im Allgemeinen. Trotz der verdienstvollen Aufarbeitung eines Forschungsdesiderats bleibt das Werk der gelegentlich prosaisch anmutenden Wissenschaftstradition seiner Zeit verpflichtet und lässt eine Rekonstruktion der Quellengrundlage kaum zu. Ferner ist es thematisch wenig fokussiert und gewährt daher nur einen oberflächlichen Zugang zum untersuchten Gegenstand. Das ist insbesondere deshalb bedauerlich, da die im Zweiten Weltkrieg vernichteten Archivbestände andernfalls in der Sekundärliteratur hätten überliefert werden können. Den artikulierten 9 Mangel an einer umfassenderen Darstellung versuchte neben Hildegunde Flurschütz mit einer Studie zum ausgehenden 18. Jahrhundert 10 vor allem Heinzjürgen Reuschling mit seiner von Volker Press betreuten Dissertation aus dem Jahr 1984 zu beheben.11 Für den Zeitraum von 1495 bis 1642 legte er eine detailreiche Studie vor, die maßgeblich durch ihren prosopographischen Teil zu den Inhabern der einzelnen Kanzleiämter überzeugt. Die gerichtliche Tätigkeit der Kanzlei wird darin allerdings nur ganz am Rande und mit zumeist zweifelhaften Ergebnissen beleuchtet. Immerhin liegt seither aber eine erste umfänglichere Beschreibung der verschiedenen Ämter und des Geschäftsgangs vor, die auch dieser Untersuchung als wesentliche Grundlage dient. Eine Übersicht nicht nur über die Geschichte des Hochstifts im Allgemeinen, sondern auch über die Verwaltungsentwicklung unter den einzelnen Bischöfen ermöglichen die von Alfred Wendehorst und Winfried Romberg

8 Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt. 9 Scherzer, Besprechung zu: Heß, Geheimer Rat, S. 507. 10 Flurschütz, Die Verwaltung des Hochstifts. 11 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts.

Forschungsstand

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bearbeiteten Bände der Germania Sacra.12 Aufschlussreich auch für die weltliche Regierung des Hochstifts im 16. Jahrhundert ist ferner die sehr aktuelle Dissertation von Veronika Heilmannseder zum Geistlichen Rat unter den Bischöfen Friedrich von Wirsberg und Julius Echter.13 Abgesehen von diesen Monographien widmen sich einige weniger umfangreiche Beiträge stärker der Archiv- und Registraturführung in der Kanzlei im 16. Jahrhundert. So nahm zunächst Schäffler vor allem die sogenannte „Hohe Registratur“ des Lorenz Fries und das dortige Verzeichnis der Bücher in der Kanzlei zur Grundlage einer Darstellung zu den Beständen der Kanzlei in der Mitte des 16. Jahrhunderts.14 Frenz hat mit ähnlicher Blickrichtung für das ausgehende 15. und beginnende 16. Jahrhundert versucht, einen Zusammenhang ­zwischen der Registratur und der Ausdifferenzierung der Schreibämter herzustellen, und liefert Hinweise zur Datierung der ersten umfänglichen Kanzleiordnung, die vermeintlich aus dem Jahr 1526 stammt.15 Eine Übersicht über die Aktenführung und Registratur der Kanzlei im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert und insbesondere zu den bedeutenden Amts- und Registerbüchern bietet mit Blick auf die Kanzleiordnungen der Jahre 1526 bis 1574 schließlich Walter Scherzer.16 Die Ordnung aus dem Jahr 1574 wurde, verbunden mit einer Einführung, die auch Parallelen zur Reichshofkanzlei herzustellen versucht, von Hans Eugen Specker ediert und dadurch einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht.17 Eine umfassende Studie zur gerichtlichen Tätigkeit der fürstlichen Räte in der Kanzlei lag bislang nicht vor. Die bisherigen Forschungen haben die Gerichts­ tätigkeit, wenn überhaupt, nur am Rande und überdies aus rein normativer Perspek­ tive berücksichtigt. 2.  Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg Gleichwohl existieren bereits einige Studien zur Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg. Als zeitgenössisches Lehrwerk sind zunächst die Elementa Iuris Franconici von Joseph Maria Schneidt besonders hervorzuheben, die vor allem die

12 Wendehorst, GS NF. 1, 4, 13; Romberg, GS 3. Folge 4, 8. 13 Heilmannseder, Der Geistliche Rat. 14 Schäffler, Die Urkunden und Archivalbände, der sich auf Stb. 1011, fol. 17r–35v, bezieht. Zur „Hohen Registratur“ im Allgemeinen siehe S. 80 und Anm. 361. 15 Frenz, Kanzlei, Registratur und Archiv. Zur Datierung siehe Anm. 1179. 16 Scherzer, Die fürstbischöfliche Kanzlei. 17 Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters. Zur Vergleichbarkeit mit der Reichshofkanzleiordnung des Jahres 1559 ebd., S. 280.

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Prolegomena

Gerichtsverfassung und das Gerichtsverfahren des späten 18. Jahrhunderts umfänglich beleuchten und dabei gelegentlich auch auf ältere Quellen verweisen.18 Für die rechtsgeschichtliche Forschung in der Moderne nach wie vor grundlegend ist das Standardwerk von Hermann Knapp aus dem Jahr 1907 zu den Zenten des Hochstifts, das neben einer ausführlichen Darstellung zu Gerichtsorganisation und den verschiedenen Verfahren an den Zentgerichten auch zahlreiche Zent­ ordnungen insbesondere aus dem 16. Jahrhundert enthält.19 Für diese Untersuchung, wie für die Würzburger Gerichtsforschung überhaupt, ist die grundlegende und überblicksartige Darstellung zahlreicher Gerichte im Hochstift als Schlüssel zur Verfasstheit der Gerichte im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Allerdings entspricht das Werk nicht dem gegenwärtigen Standard wissenschaftlicher Publikationen, sodass die verwendeten Quellen, die Knapp zweifellos umfänglich rezipiert hat, leider allzu häufig im Dunkeln bleiben.20 Wie in zahllosen anderen Werken seiner Zeit erfolgte die Ausrichtung in erster Linie an normativen Quellen und hatte hinsichtlich des nahezu unbegrenzten Untersuchungszeitraums bezüglich der Entwicklung der einzelnen Gerichte ein aus heutiger Sicht zu ambitioniertes Ziel. Der Anstoß zu ­diesem Werk wurde Hermann Knapp vor allem durch eine Publikation Ludwig Rockingers zum Würzburger Rat und Archivar Lorenz Fries und dem „fränkisch-­ wirzburgischen Rechts- und Gerichtswesen“ aus dem Jahr 1868 gegeben.21 Indem Rockinger die wohl bedeutendste zeitgenössische Quelle zu den verschiedenen Würzburger Gerichten transkribierte, interpretierte und durch den Druck einem größeren Leserkreis zugänglich machte, prägte er die nachfolgenden Forschungen zur Würzburger Rechtsgeschichte wie ansonsten nur Hermann Knapp, der die Schriften Rockingers jedoch umfänglich rezipierte. Einen wertvollen Überblick über die Würzburger Zivilgerichte erster Instanz bietet auch August Amrhein, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einer bezüglich des Untersuchungszeitraums recht disparaten, in der Auswahl der Gerichte unvollständigen sowie in der Schwerpunktsetzung eher unausgewogenen Darstellung Schlaglichter auf verschiedene Würzburger Gerichte im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit warf.22 Den bisher einzigen Versuch unter den neueren Forschungen, 18 Schneidt, Elementa Iuris. 19 Knapp, Zenten des Hochstifts. 20 Knapp, ebd., Bd. 2, S. V, verwies im Stil seiner Zeit bezüglich des von ihm geschaffenen Werkes darauf, dass „[w]ohl noch nie […] ein ähnliches Werk auf so zahllosen Satzungen und praktischen Beispielen“ aufgebaut habe. 21 Rockinger, Magister Lorenz Fries. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. V, verwies ausdrücklich darauf, dass „Rockingers treffliche Schriften über Lorenz Fries […] den ersten Anlaß“ für sein eigenes Werk zu den Würzburger Gerichten gaben. 22 Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte.

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das große ­Spektrum der Würzburger Gerichte überblicksartig zu erfassen, unternahm ­Dietmar Willoweit, dem es gelang, die grundlegenden Erkenntnisse der Genannten noch anzureichern, mit der neueren Literatur zu verbinden und nach gegenwärtigen wissenschaftlichen Standards darzustellen.23 Ferner enthalten auch die genannten Bände der Germania Sacra wertvolle Hinweise zur Rechts- und Gerichtsentwicklung im Hochstift und entsprechende Verweise auf die zugrunde liegenden und zumeist normativen Quellen. Abgesehen von diesen Studien, die die Gerichtsbarkeit im Hochstift umfäng­ licher darstellen, liegen zahlreiche Untersuchungen mit stärkerer sachlicher oder örtlicher Fokussierung vor. Speziell die städtische Gerichtsbarkeit in der Residenzstadt in der Frühen Neuzeit haben bereits 1841 Carl Gottfried Scharold und in jüngerer Zeit Hubert Drüppel näher beleuchtet.24 Als Standardwerk zum kaiserlichen Landgericht kann die 1956 erschienene Habilitationsschrift Friedrich Merzbachers gelten, die allerdings auf die wohl bedeutendste Phase der Gerichtstätigkeit im Spätmittelalter beschränkt ist.25 Für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts liegt überdies eine Edition und Auswertung der ältesten Landgerichtsprotokolle von Michael Schäfer vor.26 Die Zentgerichtsbarkeit wurde in jüngerer Zeit Gegenstand zweier ertragreicher Dissertationen von Christiane Birr und Sven Schultheiss, die sich allgemeiner dem Ausbau der Zentgerichtsbarkeit durch die Würzburger Fürsten zu Beginn der Frühen Neuzeit anhand der exemplarisch ausgewählten Zenten Ebenhausen, Fladungen und Karlstadt beziehungsweise spezieller der Zent Burghaslach im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit widmen.27 Ferner hat Christian Szidzek im Rahmen einer Untersuchung zum Appellationsverbot in Strafsachen versucht, auch die Appellationsgerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg zu erhellen, ist diesbezüglich aber zu zweifelhaften Ergebnissen gelangt.28 Der Vollständigkeit

23 Willoweit, Gericht und Obrigkeit. Ferner zur Verwaltungs- und Gerichtsorganisation im Hochstift Würzburg nach dem Dreißigjährigen Krieg Daul, Verwaltungs- und Gerichtsorganisation, und Willoweit, Staatsorganisation und Verwaltung. 24 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen; Scharold, Zur Geschichte des Gerichtswesens in Würzburg. 25 Merzbacher, Iudicium provinciale. 26 Schäfer, Das Würzburger Landgericht. 27 Birr, Konflikt und Strafgericht; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach. Ferner zu den nicht im Hochstift Würzburg, aber in räumlicher Nähe liegenden Zenten Schriesheim, Kirchheim, Eberbach und Mosbach Hägermann, Das Strafgerichtswesen im kurpfälzischen Territorialstaat. Außerdem ist in Kürze die Veröffentlichung der unter dem Arbeitstitel „und bringe das für ein rüg: Kriminalität und Devianz in der Frühen Neuzeit am Beispiel der Grafschaft Wertheim“ entstandenen Dissertation von Michaela Grund zur Zentgerichtsbarkeit in Wertheim zu erwarten. 28 Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation. Ausführlich dazu siehe S. 196 – 199.

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halber sei auch die neuere Studie von Mathias Allmansberger zu den Stadt- und Halsgerichtsordnungen zur Zeit Julius Echters erwähnt.29 Als Materialsammlung bot sich der Thesaurus Iuris Franconici an, in dem Joseph Maria Schneidt z­ wischen 1787 und 1791 in zwei Serien einerseits zahlreiche Schriften zur Würzburger Gerichtsbarkeit und andererseits normative Quellen wie Mandate und Ordnungen sammelte.30 Ferner existiert eine obrigkeitliche Verordnungssammlung aus dem Jahr 1776, die bis auf das Jahr 1546 zurückreicht und lediglich diejenigen Normen enthält, die als beständig fortdauern sollende Landesgesätze gelten sollten.31 Das Bestehen derartiger zeitgenössischer Sammlungen ist auch für die bedeutenderen geistlichen Fürstentümer keine Selbstverständlichkeit.32 In jüngster Zeit sind im Rahmen der Policeyforschung eine weitere Sammlung von Mandaten und ein Repertorium zu den entsprechenden Verordnungen vorgelegt worden, die auch das Hochstift betreffen.33 Die bisherigen Forschungen zur Verfasstheit der Würzburger Gerichte und ihren Beziehungen zueinander nehmen also vor allem das Landgericht und die Zentgerichtsbarkeit in den Blick. Letztere dürfte schon deshalb von besonderem Interesse sein, weil die peinliche Gerichtsbarkeit im Allgemeinen, vor allem aber die Hexenprozesse im Speziellen eine bis heute ungebrochene Anziehungskraft zu entfalten scheinen.34 Dem Würzburger Kanzleigericht hingegen wurde bisher praktisch kein 29 Allmansberger, Stadt- und Halsgerichtsordnungen. 30 Schneidt, Thesaurus. 31 So die auf Bischof Adam Friedrich von Seinsheim (1755 – 1779) zurückgehende narratio in: Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landesverordnungen, [ohne Seitenangabe]. 32 Für das Hochstift Augsburg etwa fehlt eine entsprechende Sammlung, Breit, Augsburg, S. 19. 33 Wüst (Hrsg.), Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd. 6, und Härter/Stolleis (Hrsg.), Repertorium der Policeyordnungen, Bd. 11. Die letztgenannte Publikation liefert allerdings kaum Erkenntnisse, die über die genannten zeitgenössischen Sammlungen hinausgehen, vgl. schon Bongartz, Rezension zu: Härter/Stolleis (Hrsg.), Repertorium der Policeyordnungen, Bd. 11, S. 476 f. 34 Allein in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich zahllose Publikationen mit der Hexenverfolgung in Franken und im Hochstift Würzburg befasst. Grundlegend hierzu Merzbacher, Die Hexenprozesse in Franken. Ferner unter anderem Beyer, Hexen-­Leut; Drüppel, Hexenprozesse, Schwillus, Die Hexenprozesse gegen Würzburger Geistliche; E. Weiss, Die Hexenprozesse im Hochstift Würzburg, ders., Würzburger Kleriker als Angeklagte. Allein in den letzten fünf Jahren erlebte die regionale Hexenforschung, wahrscheinlich durch den vierhundertsten Todestag des häufig als Hexenbrenner bezeichneten Julius Echter, eine regelrechte Renaissance, wie die Werke von Bergerhausen, Die Hexenverfolgung in Würzburg, Flurschütz da Cruz, Julius Echter und die Hexenverfolgungen, ders., Hexenbrenner, Seelenretter, und vor allem R. Meier, Julius Echter als Hexenretter, ders., Zwei Unwetter, drei Territorien, ders., Alles anders als gedacht?, ders., Strafjustiz

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Interesse entgegengebracht. Lediglich Rockinger und Knapp gelang eine zutreffende, wenngleich knappe Einordnung des Gerichts, weil sie sich streng an die zeitgenössische Darstellung von Lorenz Fries hielten. Exemplarisch für die bisher völlig unangemessene (Nicht-)Beachtung des Gerichts kann die Darstellung bei Johann Nepomuk Buchinger aus dem Jahr 1843 gelten, die in einem eigenen Kapitel zu Justiz und Policey eigene Abschnitte jeweils für die Zentordnungen, das Stadt- und Brückengericht, das Landgericht und die Hexenprozesse bereithält.35 Nur im letzten Absatz zum Landgericht wird darauf hingewiesen, dass neben demselben auch „ein eigenes Hofgericht zu Würzburg, von welchem eine Abtheilung das Ritterlehengericht bildete“, bestanden habe und „[d]ieses Hof- und Ritterlehengericht […] (Sachen ausgenommen die an das Landgericht gehörten) die höchste Landesinstanz“ gewesen sei.36 Wie sich zeigen wird, empfiehlt es sich nicht, zur Beschreibung der Gerichtsbarkeit im Hochstift des 16. Jahrhunderts von einem Hofgericht zu sprechen, wenn der Begriff für das Kanzleigericht verwendet werden soll. Keinesfalls war auch das Ritterlehengericht eine Abteilung des Hofgerichts, sofern damit das Gericht des Würzburger Hofrats gemeint sein soll. Und letztlich war auch das Landgericht einem Instanzenzug unterworfen, der schließlich an das Kanzleigericht führte. Vermutlich haben auch Projektionen der Gegebenheiten im 18. Jahrhundert auf die Verhältnisse zu Beginn der Frühen Neuzeit zu manch fragwürdiger Deutung des Gefüges der Gerichte im Hochstift Würzburg im 16. Jahrhundert geführt, die die mangelnde Würdigung des Kanzleigerichts bis heute beeinflusst haben. 3.  Weltliche (Appellations-)Gerichtsbarkeit im Alten Reich Auf Ebene des Reichs wurde die Appellationsgerichtsbarkeit vom Reichskammer­ gericht und zunehmend auch vom Reichshofrat ausgeübt. Beide Gerichte sind mittlerweile gut untersucht. Eine erste bedeutende Studie zum Reichskammergericht wurde bereits von Rudolf Smend im Jahr 1911 vorgelegt.37 Nachdem vor gut einem halben Jahrhundert Bernhard Diestelkamp und Wolfgang Sellert den Grundstein für eine nachhaltigere Erforschung der beiden Höchstgerichte des Alten Reichs gelegt haben,38 ist eine derartige Vielzahl an Schriften zur H ­ öchstgerichtsbarkeit

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auf dem Land, und zuletzt ders., Die frühen Hexenprozesse, der sich mit guten Argumenten gegen eine Konstruktion Echters als Frauenfeind und Hexenbrenner in Roper, Hexenwahn, richtet. Buchinger, Julius Echter, S. 208 – 242. Ebd., S. 232. Smend, Das Reichskammergericht. Genannt sei hier die Antrittsvorlesung Bernhard Diestelkamps aus dem Jahr 1968, die erst 1976 erstmals publiziert wurde, ders., Das Reichskammergericht im Rechtsleben. Ferner

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erschienen, dass Peter Oestmann, der die Forschung zum Reichskammergericht und überhaupt zur frühneuzeitlichen Gerichtsbarkeit wie kaum ein anderer vorangetrieben hat,39 kürzlich vor einer allzu starken Spezialisierung gewarnt hat, die Zweifel an der Relevanz der Ergebnisse aufkommen lassen könne.40 In der Tat sind beide Institutionen – das Reichskammergericht noch stärker als die gerichtliche Tätigkeit des Reichshofrats – und auch das Appellationsverfahren an den Reichsgerichten Gegenstand zahlreicher Publikationen geworden.41 Die Gerichtsverfassung und der gelehrte Zivilprozess im Heiligen Römischen Reich sind auf Ebene der Höchstgerichtsbarkeit also gut untersucht. Die erkennbare Abkehr 42 von normativen Quellen als Untersuchungsgrundlage verwundert – ganz abgesehen von den damit verbundenen Erkenntnisproblemen 43 – angesichts der umfangreichen Forschungen der vergangenen fünfzig Jahre und der damit verbundenen erschöpfenden Auswertung nicht. Auch deshalb dürften zunehmend Untersuchungen mit spezielleren Fragestellungen etwa zu einzelnen Sachgebieten oder verschiedenen Akteuren durchgeführt worden sein,44 die gleichwohl bedeutsame E ­ rkenntnisse

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besonders die Habilitationsschrift von Wolfgang Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, aus dem Jahr 1973 und schon zuvor ders., Über die Zuständigkeitsabgrenzung. So schon mit seiner Dissertation Oestmann, Hexenprozesse am Reichskammergericht. Ferner, um nur wenige Monographien zu nennen, etwa ders., Rechtsvielfalt; ders., Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht; ders., Geistliche und weltliche Gerichte; ders., Gemeine Bescheide, 2 Bde. Ferner ist auch für einen weiteren Leserkreis abseits der Fachöffentlichkeit zugänglich ders., Wege zur Rechtsgeschichte, und ders./Reininghaus, Die Akten des Reichskammergerichts. Oestmann, Zur Typologie frühneuzeitlicher Gerichte, S. 58. Überblick über die zahlreichen Publikationen gaben beispielsweise bereits 1994 Härter, Neue Literatur zur Höchsten Gerichtsbarkeit, 2001 Westphal/Ehrenpreis, Stand und Tendenzen der Reichsgerichtsforschung, 2006 Ortlieb/Westphal, Die Höchstgerichtsbarkeit im Alten Reich, und zuletzt Denzler/Franke/Schneider, Einleitung, insbesondere S. 3 – 29. Gut greifbar sind ältere und aktuelle Forschungen zum Thema generell in der bei Böhlau erscheinenden Reihe „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“. Einen Einblick insbesondere in aktuelle Forschungen von Nachwuchswissenschaftler/innen geben die Publikationen des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit, die ebenfalls dort oder in der „bibliothek altes Reich“ (De Gruyter Oldenbourg) erschienen sind. Schmitt, Säuberlich banquerott gemachet, S. 27. Siehe dazu im Folgenden S. 27 – 29. So wurden etwa Hexenprozesse, Oestmann, Hexenprozesse am Reichskammergericht, oder Untertanenprozesse, Sailer, Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, zum Gegenstand von Untersuchungen der letzten zwei Dekaden. Ferner entstanden zum Gerichtspersonal etwa die Publikationen von Baumann, Advokaten und Prokuratoren; dies./Oestmann/Wendehorst/Westphal (Hrsg.), Reichspersonal; Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, 2 Bde. Überdies wurden neben Frauen, Baumann, Frauen vor dem Reichskammergericht; Westphal (Hrsg.), In eigener Sache, auch Kaufleute, Amend-­Traut, Brüder unter sich; Schneider, Fugger contra Fugger, oder etwa bäuerliche

Forschungsstand

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über die höchstgerichtliche Prozesspraxis im Allgemeinen zutage gefördert haben.45 Auch wenn die weitere Erforschung des Reichskammergerichts und seiner Funktionsweise keine grundlegenden Veränderungen mehr in der Wahrnehmung und Bedeutung des Gerichts aus Sicht der Gegenwart erwarten lässt, so dürfte die Beschäftigung mit den mittlerweile weitgehend inventarisierten knapp 80.000 Prozessakten noch einige Zeit andauern. Das liegt auch daran, „dass nahezu jeder Bereich des historischen Lebens anhand der Akten d ­ ieses Gerichts in den Blickpunkt genommen werden kann.“ 46 Besonders in der jüngeren Vergangenheit hat auch die Gerichtsbarkeit auf Territorial- oder Regionalebene wieder besondere Zuwendung erfahren. Während ­Alexander Krey die vor allem im Spätmittelalter zu verortenden Oberhöfe des Rhein-­Main-­Gebiets untersuchte und damit die (nicht gänzlich vom Gemeinen Recht unbeeinflusste) Laiengerichtsbarkeit mit regionaler Wirkung in den Blick nahm,47 bezieht sich der größere Teil der Arbeiten auf die Appellationsgerichte frühneuzeitlicher Prägung. Im Grundsatz vergleichbar mit dem ­Würzburger Gemeinden, Bähr, Die Sprache der Zeugen, als Akteure vor Gericht mit ihren Konfliktlösungs- oder jeweiligen Argumentationsstrategien untersucht. Stärker einem bestimmten Streitgegenstand verpflichtet waren etwa die wirtschaftsrechtshistorischen Studien von Amend-­Traut, „Sich der Concurrenz erwehren …“, dies., Wechselverbindlichkeiten, und Schmitt, Säuberlich banquerott gemachet. 45 So haben etwa die sachlich dem Wechsel- oder Konkursrecht verpflichteten Arbeiten von Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 422 – 429, und Schmitt, Säuberlich ­banquerott gemachet, S. 317 – 319, ganz grundsätzliche Erkenntnisse zur Rechtsanwendung durch das Reichskammergericht bzw. zu den Argumentationen der Prozessparteien und ihrer Vertreter hervorgebracht oder bestätigt. Generell zur Bedeutung der reichsgericht­lichen Spruchpraxis für die Privatrechtsgeschichte ferner Amend-­Traut, Die Spruchpraxis der höchsten Reichsgerichte, passim, und dies., Zivilverfahren vor dem Reichskammergericht, S. 134 – 154. 46 Battenberg/Schildt, Über die Probleme der Bilanzierung, S. XVI. Generell zu aktuelleren ­Themen der Forschungen zur Höchstgerichtsbarkeit, insbesondere aber auch zur Inventarisierung der Gerichtsakten dies. (Hrsg.), Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Zahlreiche weitere Analysemöglichkeiten, insbesondere auch hinsichtlich quantitativ fassbarer Fragestellungen, dürften sich durch die Fortführung des Mitte der 1990er-­Jahre von Prof. Dr. Bernd Schildt an der Ruhr-­Universität Bochum ins Leben gerufenen Forschungsprojekts zur Erstellung einer Datenbank zur Erfassung und inhaltlichen Erschließung der Prozessakten des Reichskammergerichts durch Prof. Dr. Anja Amend-­Traut an der Julius-­Maximilians-­Universität Würzburg ergeben. Mit Fertigstellung der Datenbank werden erstmals archivübergreifende Auswertungen der Inventarbände ermöglicht und somit der Mangel an einem Gesamtregister kompensiert. Überdies dürften durch die langfristig geplante Erweiterung der Datenbank um Prozessakten des Reichshofrats oder des Wismarer Tribunals vergleichende Forschungen zur Höchstgerichtsbarkeit im Heiligen Römischen Reich angeregt werden. 47 Krey, Laiengerichtsbarkeit.

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Prolegomena

­ anzleigericht ist das etwas ­später begründete, allerdings stärker institutionell K eigenständig gefasste Hofgericht Paderborn. Dessen Gerichtsordnungen und entsprechende Entwürfe der Jahre 1619 bis 1720 sind Gegenstand einer von ­Thorsten Süss jüngst vorgelegten Dissertation, die demnach primär an normativen Quellen ausgerichtet ist.48 Ebenfalls eine normative Quelle, namentlich die Hofgerichtsordnung von 1572, bildet den Schwerpunkt der kürzlich erschienenen Dissertation von Ulrike Schillinger zum Hofgericht Rottweil,49 das aufgrund der kaiser­lichen Gerichtsherrschaft stärker regional als territorial wirkte. Es kann also keineswegs von einer – im Übrigen auch nicht wünschenswerten 50 – generellen Abkehr von normativen Quellen in der rechtsgeschichtlichen Forschung gesprochen werden. Durch Studien zu den Oberappellationsgerichten in Celle und Wismar liegen darüber hinaus neuere Untersuchungen zu Gerichten vor, die im Gegensatz zum Würzburger Kanzleigericht einerseits erst nach dem Dreißigjährigen Krieg begründet wurden und andererseits aufgrund unbeschränkter Appellationsprivilegien zugunsten des jeweiligen Gerichtsherrn in der Regel letztinstanzlich tätig wurden.51 Dabei wertete Stefan Alexander Stodolkowitz in seiner Dissertation zu dem braunschweig-­lüneburgischen Obergericht nicht nur normative Quellen, sondern auch einen nahezu geschlossenen Bestand an Gerichtsakten der Teilherrschaft Lauenburg für den Zeitraum von 1747 bis 1816 aus.

II.  Von der Suche nach einem Kanzleigericht Schon begrifflich ist die Untersuchung der Tätigkeit der fürstlichen Kanzlei als gerichtlicher Spruchkörper eine Herausforderung. Da die Kanzlei anders als andere Gerichte im Hochstift, etwa das kaiserliche Landgericht des Herzogtums Franken, nicht auf eine gerichtliche Tätigkeit beschränkt war, ist die Terminologie erwartungsgemäß schon aus zeitgenössischer Perspektive uneinheitlich und lässt per se auch keine Rückschlüsse auf die Organisationsform des Gerichts zu.52 So erscheint das fürstliche Gericht als Appellationsinstanz im Hochstift in den Quellen als Cantzeley, Räthgericht, Cantzleygericht, als Hoff- und Cantzley Gericht oder 48 Süss, Partikularer Zivilprozess. 49 Schillinger, Die Neuordnung des Prozesses. 50 Zur Bedeutung von Normen in der Frühen Neuzeit und den damit verbundenen Erkenntnisschwierigkeiten siehe S. 27 – 29. 51 Zum Wismarer Tribunal etwa der Sammelband von Jörn/Diestelkamp/Modéer (Hrsg.), Integration durch Recht; zum Oberappellationsgericht Celle Stodolkowitz, Das Oberappellationsgericht Celle. 52 So hinsichtlich des Hofgerichts Paderborn und dessen institutioneller Verselbstständigung auch Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 53.

Untersuchungszeitraum

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schlicht als die furstlich[en] räthe zu Wirtzburg.53 Die konsequente Nichtbeachtung des Gerichts in der rechtsgeschichtlichen Forschung hat kaum dazu beigetragen, diese Unklarheit zu beseitigen. Die häufig bis in die Gegenwart vollzogene Gleichsetzung von Kanzlei- und Hofgericht 54 trägt zumindest für das 16. Jahrhundert nicht.55 Die Verschiedenheit der Begriffe und auch die missverständliche Gleichsetzung von Hof- und Kanzleigericht deuten bereits einige der Schwierigkeiten bei der Beschäftigung mit der Würzburger Kanzlei an. Das Kanzleigericht stellte jedenfalls innerhalb der ersten 150 Jahre nach Beginn der gerichtsförmigen Tätigkeit in der fürstlichen Kanzlei keine von einem Regierungsgremium institutionell getrennte Einrichtung dar. Insofern vermischten sich Regierungs- und Justiztätigkeiten, die große inhaltliche Nähe zueinander hatten. Von den Untertanen vorgebrachte Anliegen konnten dabei gerichtsförmig und außergerichtlich vorgebracht und von der Kanzlei oder – genauer – dem Hofrat als Ratsgremium des Bischofs bewältigt werden. Überdies unterlag die Verfasstheit der Gerichte im Hochstift gerade im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit, in der das Rechtsmittel der Appellation und damit Instanzenzüge im weltlichen Verfahren endgültig etabliert wurden, einem Wandel, der sich auch im Verhältnis der einzelnen Gerichte zueinander manifestieren musste. Im Folgenden wird unter dem Begriff Kanzleigericht das Tätigwerden der fürstlichen Hofräte als Spruchkörper insbesondere in Appellationssachen verstanden.

III.  Untersuchungszeitraum Schon wegen der großen Menge an Quellen erscheint eine zeitliche Beschränkung der Untersuchung geboten. Da diese die gerichtliche Tätigkeit der fürstlichen Kanzlei und somit der fürstlichen Hofräte zum Gegenstand haben soll, bietet es sich an, mit dem Jahr 1474 zu beginnen, in dem erstmals eine s­ olche Tätigkeit aus dem verfügbaren Quellenmaterial hervorgeht. Schwieriger ist es, der Untersuchung einen Endpunkt zu geben. Der zunächst gefasste Vorsatz, die Gerichtstätigkeit bis zum Ende des Hochstifts zu beleuchten, 53 Canzley und Räthgericht etwa in StAW, ldf 12, S. 947 (1474), cantzleygericht in der Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72, Hoff- und Cantzley Gericht in der LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38, § 1 oder Cantzlei Gerichte, wirtzburgisch Cantzlei und furstlich[en] räthe zu Wirtzburg in StAW, Stb. 1011, fol. 276v, 282r (zwischen 1544 und 1546). 54 So schon im 18. Jahrhundert wohl auf dessen zeitgenössische Gegebenheiten gegründet Schneidt, Thesaurus 1,22, S. 4240. Die Inventarbände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs verzeichnen demnach auch die Bestände des 16. Jahrhunderts, in denen das Kanzleigericht als Appellationsinstanz vorkommt, unter dem Schlagwort „Hof- und Kanzleigericht“. 55 Ausführlich dazu S. 157 – 160 und 165 – 168.

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Prolegomena

musste schon deshalb aufgegeben werden, weil sich einerseits die Organisation der Kanzlei als (dann auch sogenannte) Regierung im späten 17. Jahrhundert recht grundlegend veränderte und sich andererseits die Entwicklung der sonstigen Würzburger Gerichte zu vielgestaltig zeigt, um eine einigermaßen kohärente und nachvollziehbare Verortung des Kanzleigerichts im Rahmen der Würzburger Gerichtslandschaft zu ermöglichen. Als sinnvoller Zeitpunkt für eine mögliche Begrenzung des Untersuchungszeitraums erweisen sich in mehrfacher Hinsicht die Jahre um den Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Weniger entscheidend ist dafür der Krieg selbst, der in Würzburg vor allem durch die 1631 beginnende Besetzung durch die Schweden zu einer historischen Zäsur wurde.56 Vielmehr erscheint das Ende der Regierungszeit Julius Echters als ein geeigneter Schlusspunkt. Unter ihm nahm die Kanzlei schon durch die Ordnung des Jahres 1574 ihre dauerhafte Prägung an. Die rasche Folge der Neufassungen in den Jahren 1617, 1623 und 163257 brachte demgegenüber keine substantiellen Änderungen, die die Zeit des Dreißigjährigen Krieges überdauert hätten.58 Im Jahr 1618 wurde kurz nach Echters Tod dann auch die Landgerichtsordnung als Ergebnis eines fast einhundertjährigen Entwicklungsprozesses 59 in Druck gegeben, die aufgrund eines recht fortschrittlich wirkenden Verweisungssystems auch Einblick in das Verfahren vor dem Kanzleigericht gibt. Ferner kam es nach 1618 zu einem erheblichen Rückgang der reichskammergerichtlichen Verfahren, die Appellationen von Würzburger Gerichten zum Gegenstand hatten. Aufgrund der schlechten Überlieferungssituation bezüglich der Kanzleigerichtsakten im Würzburger Staatsarchiv war aber eine möglichst breite Quellengrundlage erforderlich, um Einzelphänomenen nicht ein zu großes Gewicht zukommen zu lassen. Umgekehrt ist grundsätzlich auch eine engere Eingrenzung des Zeitraums denkbar. Denn bereits anhand der Kanzleiordnung von 1574 und einer ersten umfänglicheren und kaiserlich bestätigten Landgerichtsordnung aus dem Jahr 1580,60 die mit jener des Jahres 1618 in weiten Teilen identisch ist, werden wesentliche Entwicklungslinien der Gerichtsbarkeit im Hochstift deutlich. Allerdings lassen sich vor allem für das Ende des 16. und den Beginn des 17. Jahrhunderts am Würzburger Stadt- und Brückengericht und am Ritterlehengericht zunehmend Auseinandersetzungen ­zwischen dem Bischof und benachbarten Adeligen um die 56 Sicken, Politische Geschichte, S. 299 – 305. 57 StAW, ldf 40, S. 47 – 93 (1617); ldf 41, S. 37 – 90 (1623); Miscell. 6811, fol. 41r–59v (1632). 58 Dementsprechend war bereits Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 31, der Auffassung, dass (nur mit Einschränkungen für den Rat, aber jedenfalls für die Schreibstube) mit der Kanzleiordnung des Jahres 1574 die Grundlagen für das kommende Jahrhundert gelegt worden ­seien. 59 Siehe dazu ausführlich S. 113 f., 119 – 127. 60 StAW, WU Libell. 317; HHStA, RK, Reichsregister, Rudolf II., 14, fol. 147r–286v.

Erkenntnismöglichkeiten zwischen Norm und Praxis

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lokale Gerichtsherrschaft beziehungsweise die Unterordnung unter die Gerichtsherrschaft des Fürsten nachweisen, ohne die eine Beschreibung der Gerichtsbarkeit im Hochstift nicht vollständig wäre.

IV.  Erkenntnismöglichkeiten zwischen Norm und Praxis In der jüngsten Zeit hat das Verhältnis z­ wischen ­Theorie und Praxis, sofern eine strikte Trennung beider Bereiche überhaupt zugelassen wird,61 in der rechtshistorischen Forschung für eine epistemologische Wende gesorgt. Angeregt durch Peter Oestmann, der die rechtshistorische Forschung „unter methodisch-handwerklichen Gesichtspunkten“ cum grano salis in Normen-, Wissenschafts- und Praxisgeschichte einteilte,62 entstand eine Debatte 63 über die Erkenntnismöglichkeiten und -voraussetzungen in der rechtsgeschichtlichen Forschung. Berechtigung erhält diese Debatte schon durch das ersichtliche und mittlerweile anerkannte 64 häufige Auseinanderfallen von Normen und gerichtlicher oder verwaltungsmäßiger Praxis im Späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Angesichts dieser Beobachtung stellt sich freilich die Frage nach ihrer Bewertung: Bedeutet etwa die Nichtbefolgung einer schriftlich gesetzten Anordnung in der gerichtlichen Praxis die Rechtswidrigkeit einer solchen Entscheidung oder wird durch eine derartige Bewertung vielmehr ein gegenwärtiges Verständnis von Normativität auf die Vormoderne projiziert?65 Schon die Kommunikation über derartige Fragen ist nicht voraussetzungslos, geht sie doch bereits von einem Verständnis von Begriffen wie Recht, Gesetz, Th ­ eorie, Praxis und Norm aus, das maßgebliche Vorentscheidungen enthält. Überprüft eine Fragestellung etwa das Verhältnis von Recht und Gesetz 66 oder von Recht und Policey 67, entsteht eine Dichotomie der Begriffe, die eine Verschiedenartigkeit zum Ausdruck bringt, die alles andere als apriorisch ist. Das „wahre“ Recht wird dann rasch zum Gegenbegriff des unwirksamen Gesetzes. Indes kann auch ein Gesetz, das nicht befolgt wird, eine Funktion haben, die rechtliche Implikationen trägt. Ob d ­ ieses 61 Moriya, Rechtsgeschichte provoziert Jurisprudenz, S. 264, hat nicht unbegründet darauf hingewiesen, dass „[d]ie Praxis ‚an sich‘ […] nur ein semantisches Durcheinander dar[stelle], das erst durch die Sprache sinngemäß konstituiert“ werde, das Verständnis einer Praxis daher notwendig von einer (determinierenden) Sprache und somit der ­Theorie abhängig ist. 62 Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte, S. 2. 63 Vgl. dazu insb. die Beiträge in Rg. 23 (2015), S. 255 – 281. 64 Siehe dazu S. 230 – 235. 65 Entsprechend Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte, S. 6. 66 Willoweit, Gesetzgebung und Recht im Übergang. 67 Simon, Das Policeyrecht des 18. Jahrhunderts.

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Prolegomena

durch seine mangelnde Anwendung ausgerechnet auch seine Appellfunktion verliert, ist alles andere als ausgemacht.68 Es kann eine diskursive Funktion als Mittel der Selbstdarstellung von Herrschaft besitzen und somit den Inhalt ebendieser Herrschaft konkretisieren und Rechtsvorstellungen diesbezüglich konturieren oder als (bloßer) Appell an die Untertanen wirken und auf diese Weise das Rechtsverständnis beeinflussen. Ferner ist schon der Akt der Gesetzgebung ein „fragmentarisches Einzelgeschehen, das im Zeitpunkt seines aktuellen Vorkommnisses auf vielfältige Weise in ein weiteres, von zahlreichen Akteuren getragenes Rechtsgeschehen eingebunden“ ist.69 Dementsprechend ist auch die Rede von der Rechtswirklichkeit problematisch, da sie die Norm zum Gegenbegriff dieser Wirklichkeit stilisiert und somit auf diese als ein „unwirkliches“ Recht rekurriert.70 Natürlich kann man Rechtsgeschichte auch lediglich als Normengeschichte verstehen, indem man die Norm zum konstituierenden Merkmal der Disziplin Rechtsgeschichte erhebt und etwa die Wissenschaftsgeschichte nur als Rechtsgeschichte begreift, soweit der Universitätsbetrieb „als Schaffensrahmen auf den Normdiskurs eingewirkt hat.“ 71 Doch abgesehen davon, dass auf diese Weise die Praxis nicht einbezogen werden kann, sofern sie, wie in der Frühen Neuzeit häufig, nicht einen Reflex auf die Norm darstellt,72 müsste dafür das, was üblicherweise als Rechtspraxis verhandelt wird, selbst als Norm verstanden werden. Damit wären zwar in der Tat Norm und Recht auf einen einheitlichen Begriff gebracht. Es müsste dann aber erklärt werden, wie die Diskrepanz ­zwischen schriftlichen, über den Einzelfall hinausgehenden Normen und richterlichen Einzelfallnormen zustande kommt, womit die Ausgangsfrage paraphrasiert wäre, namentlich die Diskrepanz z­ wischen Norm und Praxis. Die Rekonstruktion der Rechtsordnung oder der Gerichtspraxis muss daher nicht nur im Lichte der zur Verfügung stehenden Kapazitäten im Rahmen dieser Untersuchung im Speziellen, sondern vor allem wegen der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten rechtshistorischer Forschungen im Allgemeinen 73 ausgeschlossen 68 So aber Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte, S. 7. Zu möglichen diskursiven Effekten siehe Anm. 251 und S. 232 f. 69 Ernst, Zur Epistemologie rechtsgeschichtlicher Forschung, S. 257. Gesetzgebung kann daher auch als Teil der Rechtspraxis verstanden werden, Thier, Zwischen Kultur, Herrschaftsordnung und Dogmatik, S. 270. 70 Ernst, Zur Epistemologie rechtsgeschichtlicher Forschung, S. 257. 71 Wiggerich, Rechtsgeschichte und Bedeutung, S. 275. 72 Wiggerich, ebd., S. 274, geht zutreffend davon aus, dass „der Erlass und die Auslegung von Rechtsnormen“ häufig – aber auch das nicht immer – „Probleme und Erfordernisse der Rechtspraxis [spiegeln].“ Umgekehrt rekurriert aber die Rechtspraxis der Frühen Neuzeit nicht regelmäßig auf eine Norm, wenn man nicht die Observanz selbst als s­ olche verstehen will. 73 Zur Unmöglichkeit, die Rechtsordnung als ­solche zum Erkenntnisgegenstand zu erheben, Ernst, Zur Epistemologie rechtsgeschichtlicher Forschung, S. 258.

Gerichtslandschaften

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bleiben. Daher wird im Folgenden der Versuch unternommen, unter Einbeziehung der aus heutiger Perspektive erkennbaren Rechtspraxis und Normgebung 74 immerhin Grundzüge der Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg im 16. Jahrhundert sichtbar zu machen, ohne damit zugleich einem Rechtssystem nach modernen (begrifflichen) Kategorien das Wort zu reden.

V.  Gerichtslandschaften Der Blick auf die Gerichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit offenbart eine Zeit des Wandels, in der lokale und genossenschaftliche Gerichte, die auf Grundlage von hergebrachten, häufig örtlich oder regional begrenzten Rechtsauffassungen oder Rechtsgewohnheiten Recht sprachen, umgebildet oder durch neue Gerichte abgelöst und fortan in einen Instanzenzug eingebettet wurden. In dem Maße, in dem sich hierdurch ein Verhältnis der Über- und Unterordnung ausbilden konnte, verfestigte sich auch die Herrschaftsmacht des Fürsten, dessen wichtigstes Recht die iurisdictio darstellte.75 Der Ausbau dieser Gerichtsmacht konnte weder gegenüber den hergebrachten Formen gerichtlicher Auseinandersetzung noch gegenüber einer sich allmählich entwickelnden Reichsgerichtsbarkeit ohne Widerstände stattfinden. Jürgen Weitzel prägte in ­diesem Zusammenhang die Rede vom „Kampf um die Appellation“, bei dem es natürlich um mehr als „nur“ ein Rechtsmittel zur Überprüfung untergerichtlicher Urteile ging, nämlich die Ausgestaltung von Herrschaft überhaupt.76 Wenn im Folgenden mit dem Kanzleigericht ein Herrschaftsmittel in ­diesem Sinne in den Vordergrund gestellt und seine Beziehungen zu anderen Gerichten im Hochstift und im Reich untersucht werden sollen, muss ein Begriff gefunden werden, der ­diesem Gebilde aus Gerichten gerecht werden kann. Weniger geeignet ist die Vorstellung eines Justizsystems. Denn schon der erste Teil des Kompositums regt zur Vorstellung eines obrigkeitlich gesteuerten Teils der Herrschaftsgewalt im Sinne der heutigen Judikative an, der für das 16. Jahrhundert nicht trägt. Weder bestand eine klare institutionelle Trennung von Verwaltung und Gerichtsbarkeit, wie schon die Doppelfunktion der fürstlichen Kanzlei beweist, noch waren die zahlreichen genossenschaftlichen Gerichte mit ihrer zum Teil jahrhundertelangen Tradition obrigkeitlich organisiert. Insofern kommt auch die 74 Pihlajamäki, How Much Context, S. 267, plädiert für einen Vorzug der Rechtspraxis vor den normativen Quellen bei rechtshistorischen Forschungen, im Idealfall aber für eine Kombination beider unter Einbeziehung in einen sozialen und vergleichenden Kontext. 75 Siehe dazu S. 62 – 6 4, 172 f. 76 Weitzel, Kampf um die Appellation, passim.

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Vorstellung eines Systems an ihre Grenzen, denn sie impliziert ein Verhältnis klarer und organisierter Abgrenzung. Im späten Mittelalter bestand aber eine genossenschaftliche Struktur der Gerichtsbarkeit, die auf dem freien Zusammenschluss von Personen zu einem Verband beruhte 77 und daher eher eine gleichheitlich-­horizontale als eine obrigkeitlich-­vertikale Rechts- und Sozialbeziehung ausdrückte.78 Das heißt nicht, dass es im Mittelalter keine an sachlichen Kriterien orientierten Differenzierungen zur Bestimmung der Zuständigkeiten eines Gerichts gegeben hätte.79 Gleichwohl führte die genossenschaftliche Struktur, die auch im 16. Jahrhundert noch fortbestand, zu einer stärker personal ausgerichteten Gerichtszuständigkeit. Selbstverständlich bezog sich etwa die Gerichtsbarkeit der Zünfte oder Handwerksgenossenschaften häufig auf gewerbliche Streitigkeiten. Sie richteten aber auch in anderen Konflikten ihrer Mitglieder und standen so – häufig nach Wahl der Parteien 80 – in Konkurrenz zu anderen städtischen Gerichten.81 Besonders Heiner Lück hat den Begriff der Gerichtsverfassung für das 15. und 16. Jahrhundert fruchtbar gemacht.82 Auch er sieht in der Begriffsbestimmung ein fundamentales Problem und verwendet Gerichtsverfassung im Sinne der „Gesamtheit der Gerichte in einem bestimmten Gebiet“, wobei es sich diesbezüglich „sowohl um ein einzelnes Dorf als auch das gesamte Alte Reich“ handeln könne.83 Nachdem ferner auch die Verhältnisse der einzelnen Gerichte zueinander sowie deren Zuständigkeiten und Besetzung umfasst sein sollen,84 entspricht der Begriff in seiner Reichweite dem dieser Untersuchung zugrunde gelegten Verständnis ihres Gegenstands. Ferner versteht Lück unter Gerichtsorganisation diejenigen Gerichte, die einem Gerichtsherrn zuzuordnen sind, sodass etwa „alle Gerichte im Alten Reich die Gerichtsverfassung des Reichs [bildeten], ­welche sich aus vielen Gerichtsorganisationen der verschiedenen Inhaber von Gerichtsbarkeit zusammensetzt[e]“.85 Diese Begriffsbestimmung, die entsprechend für die Territorien gelten soll, hat insbesondere für das Alte Reich den Charme, dass sie die Wahrnehmung desselben als 77 78 79 80 81 82 83 84 85

Arlinghaus, Genossenschaft, Gericht und Kommunikationsstruktur, S. 161. Dilcher, Zur Geschichte und Aufgabe, S. 117. Arlinghaus, Genossenschaft, Gericht und Kommunikationsstruktur, S. 164. Ein solches Wahlrecht findet sich etwa auch in Würzburg bei Injurienverfahren, die vor dem Stadtgericht oder dem Würzburger Oberrat ausgetragen werden konnten, siehe dazu S. 96 f., 214. Arlinghaus, Genossenschaft, Gericht und Kommunikationsstruktur, S. 165 f., 169, der angesichts der vorrangig am Personenverband orientierten Gerichtszuständigkeiten, von einer „nichtfunktionalen Ausdifferenzierung“ des Gerichtswesens spricht, ebd. S. 181. Lück, Die kursächsische Gerichtsverfassung, S. 5 – 12. Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 54. Ebd., S. 54; ders., Die kursächsische Gerichtsverfassung, S. 12. Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 54.

Gerichtslandschaften

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einheitliches rechtliches Gebilde ermöglicht und nicht als bloßes Nebeneinander von Territorien, deren Gerichtsentwicklung völlig eigenständig verlaufen wäre. Die Gerichtsverfassungen der Territorien können daher ebenso als Gerichtsverfassung im Reich und als Gerichtsverfassung des Reichs verstanden werden.86 Ein derartiges Verständnis der Gerichtsverfassung lässt sich auch mit der These vom „Kampf um die Appellation“ vereinbaren. Allerdings sind auch die Begriffe Gerichtsverfassung und -organisation nicht ganz unproblematisch zur Konzeptualisierung der Verhältnisse zu Beginn der Frühen Neuzeit. Die Dorf- und die Zentgerichtsbarkeit im Hochstift etwa dürfte zunächst lokal begründet und gewachsen sein. Gleichwohl wurde der Vorsitz durch den vom bischöflichen Amtmann – mancherorts auch unter Mitsprache der Urteiler oder der Gemeinde – bestimmten Schultheißen ausgeübt. Der Gerichtsherr war hier häufig, aber längst nicht immer, der Bischof. War er es aber auch, der die Gerichte eigentlich organisierte oder war nicht vielmehr die lokale Ausprägung dieser Gerichte entscheidend und somit die obrigkeitliche Gerichtsorganisation erst das Ergebnis eines sich noch im 16. Jahrhundert vollziehenden Prozesses? Diese Dynamik der Gerichte im Wandel spricht letztlich auch dagegen, von einer Verfassung der Gerichte zu sprechen, die sich – insbesondere wenn man das Verhältnis einzelner Gerichte zueinander einbeziehen will – wohl bestenfalls durch eine vorübergehende Verfasstheit auszeichneten. In jüngerer Zeit ist der gelungene Begriff der Gerichtslandschaft aufgekommen. Geprägt durch das Netzwerk Reichsgerichtsbarkeit sollte der offene Begriff als Einladung zur Diskussion über das Alte Reich und seine Konturierung als Rechtsraum dienen.87 Der Begriff der Landschaft soll ein Synonym für Vielfalt bilden, die gegenläufigen Momente dieser Vielfalt als „zusammenhängendes soziales Ganzes“ erkennbar machen und die „Gleichzeitigkeit von Einheit und Verschiedenheit“ in ­diesem Rechtsraum abbilden.88 Wurde der Begriff zunächst noch vornehmlich auf das Reich angewendet, diente er bald, erneut befördert durch eine Tagung des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit, auch der Beschreibung regionaler Räume wie der Reichsstadt Frankfurt. Der Landschaftsbegriff bezeichnet insofern nicht ein abgeschlossenes Territorium, sondern ein Gebiet „mit unbestimmten, osmotischen Grenzen“ im Gegensatz zu einem „einheitliche[n], homogene[n], hierarchisch klar durchstrukturierte[n] Gebilde.“ 89 Kann mit dieser Unabgeschlossenheit noch die Reichsstadt Frankfurt im 18. Jahrhundert adäquater beschrieben werden als mit dem Begriff Territorium,90 ist sie für das Hochstift Würzburg im 16. Jahrhundert 86 87 88 89 90

Ebd., S. 57. Baumann/Amend/Wendehorst, Einleitung, S. 5. Ebd., S. 2. Amend/Baumann/Wendehorst/Wunderlich, Recht und Gericht, S 12. Ebd., S 11.

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als territorium non clausum geradezu ein Wesensmerkmal. Der Begriff der Gerichtslandschaft enthält alle Vorzüge jenes der Gerichtsverfassung, zeichnet sich aber durch diese stärkere Unabgeschlossenheit aus und lässt so der Dynamik der Verhältnisse Raum. Gleichzeitig stellt er jedoch, anders als der jüngst ventilierte Begriff der Gerichtsvielfalt,91 die Gerichte nicht als bloße Kontingenzen nebeneinander, sondern lässt Beziehungen unter ihnen zu, deren nahezu organisches Wesen sich begrifflich geradezu aufdrängt. Es mag zunächst überraschend erscheinen, dass gerade ein fürstliches Obergericht als Aussichtspunkt für den Blick auf die Gerichtslandschaft des Hochstifts herangezogen werden soll, das doch als Appellationsinstanz gerade Assoziationen von Hierarchie und Ordnung weckt. Allerdings ist die Reichweite dieser Hierarchisierung und Zentralisierung gerade die Kehrseite ihrer im 16. Jahrhundert immer wieder neu ausgeloteten Grenzen, die einen Gegenstand dieser Untersuchung bilden.

VI.  Quellenlage und Methode In den Beständen des Bayerischen Staatsarchivs in Würzburg finden sich vor allem zahlreiche Kanzlei- und Landgerichtsordnungen, die ebenso wie eine große Anzahl von Einzelmandaten in den sogenannten libri diversarum formarum et contractuum aufgefunden werden können, die für den Untersuchungszeitraum vollständig erhalten sind. Daneben geben einige für die Jahre 1525 bis 1560 und 1565 bis 1572 sowie 1603 bis 1606 verbliebene Ratsbücher einen Einblick in die Tätigkeit der fürstlichen Räte.92 Allerdings sind daraus detaillierte Hinweise auf die Gerichts­ tätigkeit der Räte nicht zu erwarten, da das Amt des Gerichtsschreibers, der schon früh ein gesondertes Gerichtsbuch führte, bereits 1506 und somit noch vor einer stärkeren Ausdifferenzierung der Kanzleiämter im Laufe des 16. Jahrhunderts bestand.93 Die Gerichtsbücher selbst sind hingegen nicht überliefert. ­Gerichtsakten 91 Vgl. etwa zuletzt Amend-­Traut/Bongartz/Denzler/Franke/Stodolkowitz, Unter der Linde, passim. Zur Eignung des Begriffs zur Konzeptualisierung Amend-­Traut/ Bongartz/Denzler/Franke/Stodolkowitz, Gerichtsvielfalt und Gerichtslandschaften, S. 13 – 18, 31 – 37. 92 StAW, Stb. 962 – 964 (1525 – 1549), Rößnerbuch 363 (1550 – 1560). Bei StAW, Stb. 960 und 961 handelt es sich um Protokolle des sog. Regimentsrats, die neben nachbarlichen Gebrechen und Angelegenheiten der Kammer und auch allgemeine Ratsangelegenheiten enthalten. In UBW , M. ch. f. 466 sind einige Protokolle des Rats vom 11. 01. 1603 bis 31. 05. 1606 überliefert. 93 Eine frühe Überlieferung des Amts des Gerichtsschreibers findet sich etwa in der Kanzleiordnung von 1506, StAW, ldf 19, S. 193. Zweifellos führte der Schreiber 1527 bereits ein eigenes Gerichtsbuch, Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 320.

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des ­Kanzleigerichts oder Aktenfragmente bestehen lediglich vereinzelt. Da es spätestens seit 1546 einen Kammergerichtssachenschreiber gegeben haben muss,94 verfügte die Kanzlei mit Sicherheit auch über eine entsprechende Registratur. Deren Bücher sind jedoch ebenfalls nicht überliefert. Allerdings wurden gegen Ende des 16. Jahrhunderts diejenigen reichskammergerichtlichen Verfahren, in denen – wie häufig – der bischöfliche Landesherr als Partei oder Interessent beteiligt war, durch ein eigenes Syndikatamt begleitet. Offenbar sind im Würzburger Staatsarchiv noch Syndikatsakten vorhanden, die allerdings nicht als ­solche über die vorhandenen Findmittel zu erkennen sind, sodass ein systematischer Zugriff auf diese Bestände gegenwärtig nicht möglich ist.95 „Der Kampf ums Recht hinterläßt mehr Quellen als friedliche Eintracht.“ 96 Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass trotz des Mangels an Gerichtsakten aus dem ursprünglichen Bestand der Kanzlei Aussagen über die kanzleigericht­ liche Praxis getroffen werden können. Denn dieser Kampf ist in größerem Umfang auch vor dem Reichskammergericht ausgetragen worden, sodass dessen Bestände eine gewisse Kompensation bieten. Zwar sind die Erkenntnismöglichkeiten bei der Auswertung ­dieses Bestandes dadurch begrenzt, dass schon wegen der geltenden Appellationsprivilegien nur ein kleiner Teil der Verfahren am Kanzlei­ gericht auch vor das Reichskammergericht gelangte. Allerdings geben die Akten des Reichskammergerichts einen ansonsten verlorenen Einblick in die Prozesspraxis der Untergerichte, weil darin regelmäßig die (abschriftlichen) Gerichtsakten der untergerichtlichen Verfahren enthalten sind.97 Als Grundlage dieser Untersuchung dienen daher die Inventarbände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München zu den Beständen des Reichskammergerichts.98 Berücksichtigt sind dabei nicht nur die ersten zwanzig erschienenen Bände, sondern auch die sonstigen bisher 94 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. 95 Für diese Information ist Herrn Oberarchivrat Jens Marin M. A. herzlich zu danken. Die ehemaligen Syndikatsakten ­seien demnach lediglich an ihrem Umschlag zu erkennen, aber gegenwärtig als s­ olche noch nicht verzeichnet. Wahrscheinlich wurde der Bestand nach der Säkularisation durch den Archivar Andreas Sebastian Stumpf getrennt, der die alte Archivordnung zugunsten einer neuen Systematik veränderte, Frenz, Kanzlei, Registratur und Archiv, S. 139 f. 96 Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte, S. 16. 97 Zur Bedeutung der Reichskammergerichtsakten für die Erforschung der Instanzgerichte bereits Amend-­Traut, Die Spruchpraxis der höchsten Reichsgerichte, S. 7, und für die landesgeschichtliche Forschung Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 61. Generell zur Qualität reichskammergerichtlicher Akten als Rechtsquellen Amend-­Traut, Die Akten und Beilagen, S. 180 – 193, 204 f. 98 Der Münchener Bestand an Prozessakten umfasst etwa 16.000 Verfahren und damit gut ein Fünftel aller überlieferten Akten, Hörner, Anmerkungen zur statistischen Erschließung, S. 74.

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­ eitgehend ­unveröffentlichten Teile der Reihe, sodass eine vollständige Einbew ziehung der Archivbestände möglich ist.99 Dabei ist das Vorinstanzenverzeichnis der Bände eine wertvolle Hilfe zum Auffinden der einschlägigen Verfahren. Eine lediglich quantitative Analyse dieser Verzeichnisse ist jedoch angesichts des gegenwärtigen Veröffent­lichungsstandes weder möglich noch im Hinblick auf das Untersuchungsziel sinnvoll. Denn abgesehen von der bereits angesprochenen Vielfalt der Gerichtsbezeichnungen umfasst das Vorinstanzenverzeichnis nicht nur gerichtsförmige Spruchkörper, die im jeweiligen Verfahren entschieden oder entscheiden sollten, sondern vielmehr alle irgendwie gearteten Personen oder Gremien, die mit der Sache befasst waren. Dabei konnte es sich beispielsweise auch um ein Gericht handeln, das zuvor, unabhängig von dem konkreten Streitfall vor dem Reichskammergericht, ein Testament oder einen Vertrag bestätigt hatte, auf das sich eine Partei im späteren Verfahren zu Beweiszwecken berief. Ferner decken sich die Einträge im Register begrifflich nicht immer mit jenen der entsprechenden Falldarstellung. Wenngleich man einer quantitativen Auswertung der Inventarbände mit Blick auf die frühneuzeitliche Gerichtsvielfalt ihren Nutzen nicht gänzlich absprechen kann,100 ist sie doch für das dieser Untersuchung zukommende Ziel, die Gerichtslandschaft des Hochstifts im 16. Jahrhundert zu erhellen, nur ein (notwendiger) Zwischenschritt. Allein aus den ersten 19 Bänden zu den Münchener Beständen des Reichskammergerichts ergeben sich aus dem Vorinstanzenverzeichnis 748 Nennungen Würzburger Gerichte oder Personen, davon 481 aus der Zeit bis 1650. Zwar liegen 41 dieser Verfahren außerhalb des Untersuchungszeitraums bis 1618, sie werden aber gleichwohl einbezogen, um Unschärfen zu korrigieren, die sich daraus ergeben, dass das Ausgangsverfahren noch in der Zeit bis 1618 begonnen hatte, erst s­ päter aber das Reichskammergericht mit der Sache befasst wurde. Zudem werden diese Verfahren auch berücksichtigt, um eine möglichst umfangreiche Quellengrundlage heranziehen zu können. Jene Verfahren hingegen, die erst nach Ende des Untersuchungszeitraums im Hochstift gerichtsnotorisch wurden, sind im Folgenden nicht oder nur mit einem ausdrücklichen Hinweis verbunden berücksichtigt. Schon ein erster Blick in die Inventarbände zu den 481 verbleibenden Verfahren zeigt, dass bestimmte Gerichte mit besonderer Häufigkeit in den Vorinstanzenindizes verzeichnet wurden. Immerhin 94-mal kommt dort ein sogenanntes Hofund Kanzleigericht, sogar 165-mal das Landgericht des Herzogtums ­Franken vor. 99 An dieser Stelle ist den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München und insbesondere Herrn Dr. Hörner für ihre bzw. seine Bereitschaft herzlich zu danken, stets neue Anfragen mit großer Geduld und Freundlichkeit beantwortet zu haben. 100 Erhellende Ansätze diesbezüglich liefert Denzler, Versuch einer quantitativen Analyse, passim.

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Andere Gerichte bleiben demgegenüber quantitativ deutlich zurück. So finden sich zum Stadtgericht Würzburg 15, zum Stadt- und Brückengericht 40, zum Brückengericht 20, zum Lehengericht zwölf, zum Ritterlehengericht 32, zum geistlichen Gericht oder Konsistorium 22 und zum Hofgericht elf Einträge neben zahlreichen Zentgerichten, die für diese quantitative Betrachtung nicht berücksichtigt wurden. Die Aussagekraft dieser rein zahlenmäßigen Darstellung ist freilich gering und geht kaum darüber hinaus, dass es verschieden bezeichnete Gerichte im Hochstift gegeben hat, die in der Überlieferung des Reichkammergerichts eine gewisse Rolle gespielt haben. Keinesfalls kann diese Anzahl der Nennungen mit der Anzahl der reichskammergerichtlichen Verfahren gleichgesetzt werden, in denen die Gerichte als Vorinstanzen beteiligt waren, da erstens die Aufnahme in den Index eine tatsächliche Beteiligung als Instanzgericht im Verfahren nicht voraussetzt und zweitens bei Verfahren, die über mehrere Instanzen, also etwa zunächst ein Zentgericht und ferner das Würzburger Brückengericht, an das Reichskammergericht gelangten, auch alle Instanzgerichte verzeichnet wurden. Bereinigt man die Zahl der zugrunde gelegten Verfahren um diejenigen, in denen Würzburger Gerichte nicht als Vorinstanzen in dem Sinn zu verstehen sind, dass gegen ihre Urteile vor dem Reichskammergericht im Appellationswege vorgegangen wurde, und entfernt man überdies Mehrfachnennungen bei Verfahren, die über verschiedene Instanzgerichte an das Reichskammergericht gelangten, reduziert sich die Anzahl der Verfahren naturgemäß. Es verbleiben demnach 236 Appellationsverfahren, in denen die einzelnen Einträge der Inventarbände auch eines oder mehrere Würzburger Gerichte als Vorinstanz beziehungsweise Vorinstanzen bezeichnen.101 Außerhalb der bisher veröffentlichten Bände lassen sich 157 weitere Prozesse nach den genannten Kriterien auffinden, sodass sich eine Gesamtzahl von 393 Verfahren für den Untersuchungszeitraum ermitteln lässt. Hinzu kommen weitere elf Verfahren, die so knapp an der Grenze des Untersuchungszeitraums lagen, dass unklar bleibt, ob das Ausgangsverfahren noch in denselben fiel oder nicht, die aber gleichwohl wertvolle Rückschlüsse auf die Gerichtslandschaft des Hochstifts zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu liefern versprechen. Außerdem werden noch etwa einhundert Verfahren einbezogen, die nicht als Appellationsverfahren, sondern etwa als Mandatsverfahren oder Nichtigkeitsbeschwerden an das Reichskammergericht gelangten, aber geeignet erscheinen, trotzdem Aufschluss über die Würzburger Gerichtslandschaft zu geben. Die Erkenntnismöglichkeiten bezüglich einer Auswertung der Reichskammergerichtsakten sind mangels eines umfassenden Aktenbestandes des ­Kanzleigerichts 101 Der entsprechende Instanzeneintrag muss sich also unter 6. auffinden lassen. Nennungen in Klammern, bei denen die vorinstanzlichen Akten nicht überliefert sind, wurden ebenfalls einbezogen.

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begrenzt. Weder das Verfahrensaufkommen an dem fürstlichen Gericht im Allgemeinen noch das Verhältnis dieser Verfahren zu den ­später eingelegten Appellationen kann ermittelt werden. Eine aus den reichskammergerichtlichen Beständen ersichtliche Zunahme der Appellationen in einem bestimmten Zeitraum könnte demnach etwa ebenso für eine bessere Überlieferungssituation 102 wie für eine größere Unzufriedenheit mit den Entscheidungen des territorialen Gerichts sprechen oder schlicht mit einem Anstieg der dortigen Verfahrenszahlen erklärt werden. Auch eine am Streitgegenstand, den Parteien oder den beteiligten Gerichten orientierte Quantifizierung ließe kaum Aussagen über die Gerichtsbarkeit im Hochstift zu. Augenfällig ist etwa die große Zahl an Verfahren, die vom kaiserlichen Landgericht des Herzogtums Franken, häufig in Erbstreitigkeiten, an das Kanzleigericht und schließlich an das Reichskammergericht gelangten, während kaum jemals Dorf- oder Stadtgerichte als Vorinstanzen des Kanzleigerichts erscheinen. Daraus nun etwa eine, gemessen am Verfahrensaufkommen, größere Bedeutung des Landgerichts gegenüber anderen Gerichten im Hochstift zu folgern, wäre schon deshalb problematisch, weil nur in Verfahren mit einem bestimmten Streitund Beschwerdewert überhaupt an das Reichskammergericht appelliert werden konnte,103 die vielleicht an anderen Gerichten seltener verhandelt wurden. Ferner waren Appellationen im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit jedenfalls ab 1530 grundsätzlich ausgeschlossen.104 Entsprechende Verfahren sind daher in der Überlieferung des Reichskammergerichts auch nicht zu vermuten. Angesichts des langen Untersuchungszeitraums dürfte hingegen der vorübergehende Stillstand der Gerichtstätigkeit von 1544 bis 1548105 die Aussagekraft der gefundenen Ergebnisse kaum beeinträchtigen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Appellationen an das Reichskammergericht ein Urteil des Untergerichts voraussetzten und daher Formen der einverständlichen Konflikt­lösung im Zusammenhang mit anhängigen Verfahren vor dem Kanzleigericht unberücksichtigt bleiben müssen.106 Das ist 102 Die Überlieferung des Reichskammergerichts ist weitgehend vollständig. Von einer Verlustquote von etwa 10 % ist aber auszugehen, Oestmann, Die Rekonstruktion der reichskammergerichtlichen Rechtsprechung, S. 17. Ranieri, Recht und Gesellschaft, S. 79, geht von einer Verlustquote von 5 – 10 % zur Zeit der Vorbereitung des Wetzlarer Generalrepertoriums aus. 103 Dazu S. 218 – 220. 104 Härter, Das Aushandeln von Sanktionen, S. 248; Sellert, Prozessrechtliche Aspekte, S. 107; Weitzel, Der Reichshofrat, S. 164. 105 Baumann, Visitationen des Reichskammergerichts, S. 77; Dotzauer, Die deutschen Reichskreise, S. 459; Kroeschell/Cordes/Nehlsen-­von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 277; Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, S. 66, Anm. 51. 106 Zum Problem der Urteilszentriertheit der rechtshistorischen Forschungen angesichts der Tatsache, dass keineswegs alle Verfahren auch mit Urteilen abgeschlossen wurden, etwa

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insbesondere deshalb problematisch, da in der Frühen Neuzeit, die sich geradezu als „Kultur der Entscheidungsvermeidung“ 107 darstellt, der Übergang von einem gerichtlichen Verfahren zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung relativ leicht möglich war und daher häufig auf Endurteile verzichtet wurde.108 Die Akten des zweiten Höchstgerichts im Alten Reich, namentlich des Reichshofrats, sind für den Untersuchungszeitraum nicht in gleicher Weise geeignet. Zwar ist gegenwärtig ein auf Jahrzehnte angelegtes Erschließungsprojekt im Gange, das Teile der rund 70.000 Judizialakten 109 zu erschließen versucht, von denen bis zu zwei Drittel Appellationsverfahren sein könnten. Nach den bisherigen Ergebnissen dürften aber Appellationsverfahren, die von Würzburger Gerichten an den Reichshofrat gelangten, im Untersuchungszeitraum nur vereinzelt vorzufinden sein. Der Reichshofrat als kaiserliche Behörde mit administrativen und gerichtlichen Aufgaben, der 1559 eine eigene Ordnung erhielt, entwickelte sich allmählich in einer Formierungsphase von 1519 bis 1564.110 Noch unter Karl V. verstand sich das Regierungsorgan keineswegs in erster Linie als Appellationsgericht.111 Doch auch in der Folgezeit scheinen Appellationen an den Reichshofrat nur einen geringen Anteil am gesamten Geschäftsaufkommen ausgemacht zu haben. In den ersten drei Bänden zu den Alten Prager Akten, die maßgeblich aus der Zeit ­Kaiser Rudolphs II. stammen, entfallen nur 56 von 3303 Fällen auf Appellationsverfahren.112 In den Vorinstanzenverzeichnissen aller fünf Bände, die zu den Appellations- oder Revisionsverfahren am Reichshofrat die Vorinstanzen angeben, deren Urteile angegriffen wurden,113 erscheint Würzburg demnach nur zweimal.114 Dass die weitere Erschließung der Bestände „Antiqua“ und „Denegata antiqua“, die vornehmlich Akten aus dem 17. beziehungsweise dem 16. und 17. Jahrhundert enthalten,115 einen u ­ mfänglicheren,

107 108 109 110 111 112 113 114

115

Cordes, „Mit Freundschaft oder mit Recht“, S. 11. Stollberg-­R ilinger, Einleitung, S. 19. Ebd., S. 19, 23. Sellert, Vorwort, S. 8. Ortlieb, Die Formierung des Reichshofrats, S. 19 f.; dies., Untertanensuppliken am Reichshofrat, S. 267; ausführlicher zu dieser Entwicklungszeit auch dies., Vom Königlichen/Kaiserlichen Hofrat, passim. Ortlieb, Der Hofrat ­Kaiser Karls V., S. 47, 56; dies., Vom Königlichen/Kaiserlichen Hofrat, S. 289; Weitzel, Der Reichshofrat, S. 168. Sellert, Prozessrechtliche Aspekte, S. 113. Ortlieb, Praktische Hinweise, S. 26. HHStA, RHR, Alte Prager Akten, 596, 3313. Es handelt sich einerseits um ein Verfahren, in dem ein Gutachten der Juristischen Fakultät in Würzburg aus dem Jahr 1615 überliefert ist (596), und andererseits um ein Verfahren, in dem gegen die Entscheidung des Würzburger Bischofs als kaiserlicher Kommissar appelliert wird. Würzburger Gerichte erscheinen also auch hier nicht als Vorinstanzen in territorialen Verfahren. Zu den Beständen Sellert, Vorwort, S. 16.

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mit dem Reichskammergericht nur annähernd vergleichbaren Bestand an Appellationsverfahren zutage fördern, die innerhalb des Untersuchungszeitraums von Würzburger Gerichten an den Reichshofrat gelangten, ist unwahrscheinlich.116 Denn erst allmählich seit 1620 und endgültig im 18. Jahrhundert avancierte der Reichshofrat zum führenden Höchstgericht im Reich.117 Abgesehen von der durch die Quellenlage bedingten Begrenztheit der Erkenntnismöglichkeiten dieser Untersuchung ist eine weitere Einschränkung hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse vorzunehmen: Im Zentrum dieser Studie steht ein territoriales Obergericht, das in der Gerichtslandschaft des Altens Reichs im Allgemeinen und des Hochstifts im Speziellen verortet werden soll. Sie hat daher eine institutionen- und gelegentlich personengeschichtliche Tendenz, die bestimmte Formen der Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit unberücksichtigt lässt. Insbesondere der Bereich des infrajudiciaire, „als außergerichtliche[r] Raum […], in dem […] [die] Konfliktparteien in den Grenzen obrigkeitlicher Toleranz wie auch sozialer Akzeptanz in komplementärer oder substitutiver Alternative zum formellen Justizsystem über Selbsthilfe, Verhandlung […] oder Schlichtung […] Wege finden, ihre Interessengegensätze so zu regeln, daß die Streitenden den sozialen Frieden wiederherstellen“ 118, muss unter den genannten methodischen Weichenstellungen im Verborgenen bleiben.

116 Zwar verweisen die Indices der bisher veröffentlichten Bände deutlich häufiger auf Würzburger Vorinstanzen. Allerdings stammt lediglich HHStA, RHR, Antiqua, 585, aus der Zeit vor 1620. Eine genauere Untersuchung der Appellationen an den Reichshofrat hatte das an der Universität Wien angesiedelte Projekt „Appellationen an den Reichshofrat (1519 – 1740)“ zum Gegenstand, das allerdings „angesichts der Fragestellungen, der Überlieferungslage sowie der Datenmenge“ auf die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg gerichtet war, Franke, Bene appellatum et male iudicatum, S. 123. 117 Schenk, Das frühneuzeitliche Kaisertum, S. 249. 118 Loetz, L’infrajudiciaire, S. 557.

C.  Die Kanzlei und ihre Gerichtsbarkeit – Grundlagen der Entwicklung I.  Gerichtsherrschaft und Territorialisierung im Hochstift Würzburg 1.  Konsolidierung der bischöflichen Gerichtsherrschaft Die Geschichte der würzburgischen Kanzlei als Justiz- und Regierungsorgan der Fürstbischöfe ist eng mit dem Ausbau der Landesherrschaft der Würzburger Bischöfe in ihrem Hochstift verbunden. Dabei musste wie in allen Gebieten des Reichs auf dem Weg zur Konsolidierung der Landesherrschaft gerade der Ausbau der Gerichtshoheit eine hervorgehobene Stellung einnehmen.119 Marksteine der Würzburger Territorialentwicklung stellen daher zwei bedeutende Privilegien des 12. Jahrhunderts dar, die den Würzburger Bischöfen die Gerichtsgewalt im entstehenden Hochstift zusicherten. Es handelt sich zunächst um die dignitas judiciaria in tota orientali Francia, die den Würzburger Bischöfen am 1. Mai 1120 von K ­ aiser Heinrich V. verliehen wur120 de. Bereits vor Beginn des Investiturstreits, in dessen Zusammenhang die (Wieder-)Verleihung der Gerichtswürde zu sehen ist,121 hatte der Würzburger Bischof 119 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 54. 120 Monumenta Boica 29,1, Nr. 444, S. 238; vgl. auch Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 11. Entsprechende Privilegien sind zwar schon für die Jahre 974, 996, 1018, 1032 und 1049 vorhanden, allerdings handelt es sich dabei mit Sicherheit um Fälschungen, die – zumindest hinsichtlich der letztgenannten Urkunden – nur scheinbar aus dem 11. Jahrhundert stammten und wahrscheinlich ­Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Zuge der Verleihung der sogenannten Goldenen Freiheit vorgelegt wurden, um ein günstiges Privileg zu erhalten, vgl. Stumpf-­B rentano, Wirzburger Immunität-­Urkunden, S. 16. Hinsichtlich der Fälschungen aus dem 10. Jahrhundert vgl. ebd., insb. S. 17 – 65; zustimmend Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 5 – 7, 14. Siehe hierzu auch S. 43. 121 Nach der Exkommunikation K ­ aiser Heinrichs V. durch den Papst hatte sich Bischof Erlung im Jahr 1116 in Köln der Opposition gegen den K ­ aiser angeschlossen. Jener entzog ­diesem daraufhin seine richterliche Gewalt und übertrug sie seinem Neffen Konrad von Schwaben, dem späteren König Konrad III., vgl. Wendehorst, GS NF. 1, S. 130; ders., Ringen ­zwischen ­Kaiser und Papst, S. 303 f., wodurch – so schon Fries, Chronik I, S. 282 – die nachbaüren und insbesondere Konrad von Schwaben dem stifte sein hochgefreite vnd so lang herbrachte obrigkait vnd gerichtzwang schmelerten, niderlegten vnd inen zuzogen. Die Wiederherstellung der Würzburger Rechte dürfte überdies mit der Übereinkunft ­zwischen Papst und ­Kaiser zusammenhängen, wonach Heinrich V. versprach, insbesondere die kirchlichen Rechte in ihrem alten Bestand wiederherzustellen, Henner, Die herzogliche Gewalt, S. 115. Henner beruft sich dabei auf MGH LL II S. 74, wo es heißt: Possessiones autem ecclesiarum et omnium qui pro ecclesia laboraverunt quas habeo reddo. Den Zusammenhang mit dem Investiturstreit sah bereits Fries: Die ­Wiederverleihung der Würzburger Rechte

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Die Kanzlei und ihre Gerichtsbarkeit – Grundlagen der Entwicklung

eine hervorgehobene Stellung in Franken eingenommen. So hielt etwa der mittelalterliche Chronist Adam von Bremen fest: Solus erat Wirciburgensis episcopus, qui dicitur in episcopatu suo neminem habere consortem, ipse cum teneat omnes ­comitatus suae parrochiae, ducatum etiam provintiae gubernat episcopus.122 Der Würzburger Bischof wird im Lichte der Quelle als Landesherr gezeichnet, der keine gleichrangigen Herren (consors) im Sinne der Heerschildordnung neben sich hatte, außer ihm also in der Region niemand unmittelbar Lehensmann des Königs war.123 Dass die Würzburger Bischöfe tatsächlich sämtliche Grafschaften der Diözese besessen oder unter eigene vogteiliche Verwaltung gebracht hatten, ist unwahrscheinlich.124 Offenbar hatten sie aber aus Sicht der Zeitgenossen eine mit dem Stammesherzogtum vergleichbare Stellung inne,125 wenngleich ihnen freilich wesentliche Merkmale eines vollwertigen Stammesherzogtums, etwa der Stammesverband unter ihrer militärischen Führung, nicht zukamen.126 Auch Ekkehard von Aura hielt in seiner Chronik aus dem frühen 12. Jahrhundert fest, dass einerseits K ­ aiser Heinrich II. dem Würzburger Bischof nach dem Tod des Fränkischen Herzogs Ernst dessen Würde (cuius dignitas) übertragen habe 127 und es andererseits gerade diese Herzogswürde (ducatum orientalis Franciae) gewesen sei, die Heinrich V. dem Würzburger Bischof im Jahr 1116 entzogen und auf seinen Neffen Konrad übertragen hatte,128 bevor er sie im Jahr 1120 zurückerlangen konnte. Wenngleich man die Wortbedeutung dieser zeitgenössischen Aussagen hinsichtlich des Würzburger Dukats nicht überschätzen sollte, geben sie doch wieder, ­welchen Rang der Würzburger Bischof schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts gehabt haben muss.

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fand demnach statt, nachdem der kaiser mit dem babst wider versonet ware worden, Fries, Chronik I, S. 282 f. Adam von Bremen, Hamburgische Kirchengeschichte, S. 188. So schon Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 8. Herde, Das staufische Zeitalter, S. 333 f.; Schrader, Vom Werden und Wesen, S. 45. Auch Wendehorst, GS NF. 1, S. 112 f., zweifelt die Aussagen Adams „in ihrer vollen Bedeutung“ an. Zur Vogtei siehe Anm. 961. Herde, Das staufische Zeitalter, S. 333 f.; Korzilius, Burgenzerstörung als Sanktion, S. 36 f.; Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 9. Schrader, Vom Werden und Wesen, insbesondere S. 33 – 45, 58, geht mit guten Argumenten sogar davon aus, dass das Herzogtum der Würzburger Bischöfe im 11. Jahrhundert bereits bestand und von den Zeitgenossen anerkannt war. Generell dürfte der Herzogstitel von der Gestaltungskraft und dem Machtwillen seines Trägers abhängig gewesen sein und daher eine fürstliche Dimension gehabt haben, Erkens, Herzog, Herzogtum, Sp. 997 f. Herde, Das staufische Zeitalter, S. 334 f. Die Bedeutung des Stammeselements ist von neueren Forschungen noch nicht umfänglicher ergründet worden, Erkens, Herzog, Herzogtum, Sp. 997. MGH SS VI, S. 193; vgl. auch Herde, Das staufische Zeitalter, S. 334 f. MGH SS VI , S. 249 f.; vgl. auch Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 11.

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Die Vorrangstellung der Würzburger Bischöfe für das Gebiet des heutigen Mainfrankens war durch zahlreiche äußere Faktoren begünstigt worden. So hatte sich in ­diesem Gebiet kein tragfähiges Stammesherzogtum herausbilden können. Vielmehr war es den Siedlungseinflüssen der umliegenden Stammesherzogtümer der Baiern, Alamannen, Thüringer und Sachsen ausgesetzt.129 In einem Gebiet, in dem kraftvolle Herrschaftsträger fehlten, wurden zunächst die Ottonen und schließlich die Salier zum Garanten der bischöflichen Machterweiterung. So wurde etwa durch Heinrich II. im Jahr 1003 der Aufstand Heinrichs von Schweinfurt niedergeschlagen und so die Konkurrenz der mächtigen Markgrafen zu Schweinfurt zu den Würzburger Bischöfen dauerhaft beseitigt.130 Überdies versahen die Salier im Rahmen des ottonisch-­salischen Reichskirchensystems die Bischöfe des ostfränkischen Raums – man denke nur an die Bistumsgründung in Bamberg im Jahr 1007 – mit umfangreichen weltlichen Machtbefugnissen zur Stabilisierung ihrer eigenen Herrschaft.131 So erhielt Bischof Heinrich I. (995/996 – 1018) unmittelbar nach der Jahrtausendwende zahlreiche Grafschaften in der Region und das Recht der eigenständigen Einsetzung der dortigen Grafen, die so zu Lehensmännern des Bischofs wurden.132 Endgültig anerkannt wurde die über zwei Jahrhunderte hinaus entstandene herzogliche Macht der Würzburger Bischöfe spätestens 133 durch das Privileg des 129 Herde, Das staufische Zeitalter, S. 333; Schäfer, Das Würzburger Landgericht, S. 10 f. 130 Zum Verlauf der Auseinandersetzung und zur vormals bestehenden Machtposition der Schweinfurter Markgrafen insbesondere auch in geostrategischer Hinsicht vgl. Meyer, Harmonie von ­Kirche und Reich, S. 213, 221 f. 131 Herde, Das staufische Zeitalter, S. 333. 132 Schäfer, Das Würzburger Landgericht, S. 15 f. Die Würzburger Bischöfe pflegten schon im 10. Jahrhundert stets enge Verbindungen zu den Herrschern des im Entstehen befindlichen Regnum Teutonicum und waren so ein fester Bestandteil der Reichskirche, Meyer, Harmonie von ­Kirche und Reich, S. 210 – 212. In besonderer Weise galt dies auch für Bischof Heinrich I., der – einem hochadeligen rheinfränkischen Geschlecht entstammend – enge Beziehungen zum Hof pflegte und dessen Ergebenheit gegenüber Heinrich II. die wohlwollende Haltung der Salier gegenüber seinem Bistum begünstigt haben dürfte, ebd., S. 219 f. Diese Ergebenheit war freilich alles andere als selbstverständlich, hatte doch die Bistumsgründung in Bamberg zu erheblicher Missstimmung Bischof Heinrichs I. geführt, der sich als Kompensation die s­ päter unterbliebene Erhebung Würzburgs zum Erzbistum hatte versprechen lassen, ebd., S. 223. Im Zuge der Lösung des Konflikts gelang es dem Würzburger Bischof aber, weitere Gebiete und Herrschaftsrechte als Kompensation an sich zu ziehen, ebd. S. 225. 133 Schrader, Vom Werden und Wesen, S. 43, 46, sieht z­ wischen den Diplomen der Jahre 1120 und 1168 eine starke Kontinuität und kommt zu dem Ergebnis, dass beide Urkunden die ­gleiche rechtliche Aussage trafen, sie nämlich die Gerichtsherrschaft des Bischofs über das gesamte Diözesangebiet bestätigen sollten. Im Ergebnis wohl ebenso Herde, Das staufische Zeitalter, S. 334.

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Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa vom 10. Juli 1168,134 das in der Würzburger Geschichtsschreibung besonderen Rang einnimmt und daher schon von Lorenz Fries als guldin fraihait bezeichnet wurde.135 Der Chronist des 16. Jahrhunderts sah darin den bischouen zu Wirtzburg als rechten vnd waren hertzogen zu Francken ire alte herbrachte freihaiten […] vernewet, confirmirt vnd bestettigt.136 In dieser Goldenen Freiheit wurde dem Würzburger Bischof Herold (1165 – 1171) und seinen Nachfolgern omnem iurisdictionem seu plenam potestam faciendi iusticiam per totum episcopatum et ducatum Wirzebvrgensem et per omnes cometias in eodem episcopatu vel ducatu sitas de rapinis et incendiis, de allodiis et beneficiis, de hominibus et de vindicta sanguinis 137 bestätigt. Neben der Anerkennung des Würzburger Herzogtums war damit die volle Gerichtsgewalt der Würzburger Bischöfe im Bistum einschließlich der in selbigem befindlichen Grafschaften anerkannt, die sich auf raub, brant, aigen, lehen, leute vnnd blutsrach 138 erstrecken sollte. Mit Ausnahme der Bargilden, die einen Sonderstatus genossen,139 sollte ne aliqua ecclesiastica secularisve persona die Gerichtsgewalt in den genannten Bereichen ausüben, nisi solus Wirzebvrgensis episcopus et dux vel cui ipse commiserit.140 Ebenso sollte es ohne die bischöflich-­herzogliche Genehmigung niemandem gestattet sein, Zenten zu errichten oder Zentgrafen einzusetzen.141 Es zeigt sich anhand der ­kaiserlichen Urkunde, 134 MGH DD F I,3 Nr. 546. 135 Fries, Chronik II , S. 44. Die Bezeichnung der Goldenen Freiheit leitet sich von der Goldbulle, also dem goldenen Siegel der Zweitschrift dieser Urkunde ab, die ebenso wie die durch eine ausgedehnte Rasur entstellte Urschrift noch heute im Original erhalten ist, Herde, Das staufische Zeitalter, S. 344. 136 Fries, Chronik II, S. 45. 137 MGH DD F I,3 Nr. 546, S. 5. 138 So die spätere Übersetzung bei Fries, Chronik II, S. 47. 139 Zu den Bargilden als „Grafschaftsfreie einer frühen Stufe“ im Zusammenhang mit den Würzburger Privilegien Metz, Zur Geschichte der Bargilden, insb. S. 187 – 190, 193. 140 MGH DD F I,3 Nr. 546, S. 5 f. 141 Im Wortlaut heißt es im Diplom, MGH DD F I,3 Nr. 546, S. 6: ne aliquis in prefato episcopatu et ducatu vel in comitiis in eis sitis aliquas centurias faciat vel centgravios constituat nisi concessione episcopi ducis Wirzebvrgensis. Centurias wurde gelegentlich mit „Hundertschaften“ übersetzt, so etwa MGH DD F I,3 Nr. 546, S. 3. Richtigerweise sollte hier wegen des starken Zusammenhangs zur Gerichtsherrschaft der Begriff Zent verwendet werden, der wahrscheinlich über das mittellateinische centa auf centena zurückgeht, Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 10; Theuerkauf, Zent, Sp. 1663. Die Zent umfasste meist mehrere Siedlungen innerhalb einer Region und hatte vor allem in Hessen und Ostfranken eine dezidiert (hoch-)gerichtliche Funktion, Theuerkauf, Zent, Sp. 1663. Ihre wichtigste Aufgabe war die Ausübung Blutgerichtsbarkeit, Kroeschell, Zent, -gericht, Sp. 536. Eine Vergleichbarkeit der Zent mit der centena als Hundertschaft ist nur gegeben, wenn man vom umstrittenen Institut einer gemeingermanischen Hundertschaft als Gerichtsgemeinde ausgeht, Kroeschell/Köbler, Hundertschaft, Sp. 1165, ähnlich auch

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wie eng für die Zeitgenossen die Verbindung von Herrschaft und Gerichtsbarkeit, die geradezu „als das eigentliche Substrat der weltlichen Herrschaft angesehen wurde“ 142, gewesen sein muss. Trotz der weitreichenden Begünstigung musste das Privileg von Bischof Herold als Enttäuschung verstanden werden, hatte er doch unter Vorlage gefälschter Urkunden,143 die angeblich von Heinrich II., Konrad II. und Heinrich III. stammten, in Wirklichkeit aber von der bischöflichen Kanzlei um 1165 erstellt worden waren, versucht, die Gerichtshoheit über ganz Ostfranken und somit insbesondere auch über das Gebiet der 1007 gegründeten Diözese Bamberg zu erlangen.144 Zwar wies das Diplom vom 10. Juli 1168 das Herzogtum der Würzburger Bischöfe wiederholt aus. Bei dessen Erstellung wurde aber – wohl nicht nur zufällig – auf die Bezeichnung Ostfrankens vollständig verzichtet.145 So gab es für Bischof Herold und seine Nachfolger keine begründete Hoffnung mehr, die Gerichtsherrschaft auch im benachbarten Bamberger Hochstiftsgebiet zu erlangen. Gleichwohl bedeutete die Goldene Freiheit den Abschluss einer Entwicklung zur Konsolidierung der Gerichtsherrschaft der Würzburger Bischöfe. Indem sich der Bischof nun auch die königlich übertragene Hochgerichtsbarkeit selbst vorbehielt, wurde die seit dem 11. Jahrhundert nachgewiesene 146 und spätestens im 12. Jahrhundert von den Hennebergern geführte Hochstiftsvogtei überflüssig, deren Verschwinden den Ausbau der Territorialherrschaft seitens der Würzburger Bischöfe erleichterte.147 Spätestens mit der confoederatio cum principibus ecclesiasticis im Jahre 1220, durch die der königliche Einfluss in den geistlichen Herrschaften weiter zurückgedrängt wurde,148 war der Aufstieg der Würzburger Bischöfe zu Territorialherren e­ ndgültig

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Gudian, Centena, Sp. 606; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 11. Ausführlich zur Zent als Neuschöpfung des hohen Mittelalters Kroeschell, Zentgerichte in Hessen, insb. S. 357 – 360. Zur Zentgerichtsbarkeit in der Frühen Neuzeit siehe S. 186 – 203. Willoweit, Rezeption und Staatsbildung, S. 26. Siehe hierzu auch S. 29, 62 – 64 und 172 f. Vgl. hierzu bereits Anm. 120. Dass es sich tatsächlich um Fälschungen handelte, ist allgemein anerkannt. So etwa Herde, Das staufische Zeitalter, S. 344; Landau, Lehrbuch contra Fälschung, S. 529; Schrader, Vom Werden und Wesen, S. 55. Herde, Das staufische Zeitalter, S. 334 f.; Landau, Lehrbuch contra Fälschung, S. 529 f.; Schmale/Störmer, Die politische Entwicklung, S. 189. MGH DD F I,3 Nr. 546, S. 4. Bünz, Stift Haug, S. 411. Herde, Das staufische Zeitalter, S. 345. Die Henneberger sind als Inhaber der Hochstiftsvogtei seit 1103 nachweisbar, ebd.; Wendehorst, Ringen z­ wischen K ­ aiser und Papst, S. 323. Die Verdrängung der Hochstiftsvögte und die damit verbundene Schwächung bedeutender Adelsfamilien bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts im Territorium der im Entstehen begriffenen Fürstbistümer ist ein reichsweit zu beobachtendes Phänomen, Willoweit, Vogt, Vogtei, Sp. 936 f. Willoweit, Reichskirche, Sp. 668.

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besiegelt, obwohl freilich einige der durch diese Magna Charta der geistlichen Fürsten vermittelten Rechte bereits im Vorhinein bestanden hatten.149 Im gleichen Jahrhundert, in dem der Begriff domini terrae erstmals, namentlich im über die confoederatio noch hinausgehenden statutum in favorem principum des Jahres 1231/32, urkundliche Erwähnung fand,150 war der „würzburgische Streubesitz“ im Wesentlichen bereits zu einem Territorium zusammengewachsen,151 das unter der Landesherrschaft des Bischofs stand. 2.  Interessenkonflikte bei Auf- und Ausbau der Landesherrschaft Hatte die Goldene Freiheit den Würzburger Bischöfen die Gerichtsbarkeit per totum episcopatum et ducatum Wirzebvrgensem et per omnes cometias in eodem episcopatu vel ducatu sitas übertragen, konnten sie diese doch langfristig nur auf dem Gebiet des Hochstifts durchsetzen, das sich in seiner Ausdehnung bedeutend von jener der Diözese unterschied.152 Und schon die Aufgabe, das Hochstift in seinem Bestand zu sichern, zu arrondieren oder gar zu vergrößern, sollte, mit vielen Schwierigkeiten verbunden, noch zwei Jahrhunderte in Anspruch nehmen. So sahen sich die Bischöfe im Laufe der Zeit zahlreichen inneren und äußeren Bedrohungen ausgesetzt. Bereits auf dem Boden des Hochstifts hatten die Nachfolger des Heiligen Kilian Mühe, die territoriale Integrität sicherzustellen. Insbesondere mit der Würzburger Bürgerschaft kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, die zumeist im Widerstreit ­zwischen städtischem Autonomiestreben und bischöflicher Stadtherrschaft begründet lagen. Schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts hatte die selbstbewusste stauferfreundliche Würzburger Bürgerschaft dem Bischof die Tore versperrt, als dieser die Wahl Heinrich Raspes zum Gegenkönig K ­ aiser Friedrichs II . in Würzburg durchführen wollte.153 In der Mitte des 14. Jahrhunderts nahmen die ohnehin häufigen Spannungen weiter zu: Bischöfliche Anordnungen zu Gerichtsbarkeit, Immunitäten und Zünften führten zu Protesten der Bürgerschaft, die sich dadurch in ihren Freiheiten beschränkt sah.154 Nach Lorenz Fries, der als bischöflicher Sekretär, Rat und Archivar auch in seiner Tätigkeit als Chronist vor allem nach dem sogenannten Bauernkrieg eine stets bischofsnahe 149 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 21. 150 Scherzer, ebd., S. 22, der eine maßgebliche Beteiligung Bischof Hermanns am Zustande­ kommen des statutum in favorem principum vermutet. 151 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 14. 152 W. Ziegler, Würzburg, S. 101 f. Dazu überdies S. 51 f. 153 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 25. 154 Wendehorst, GS NF. 4, S. 91; Fries, Chronik II, S. 344 f.

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Perspektive einnahm 155 und der demgemäß die Einschränkung bürgerlicher Freiheiten nur als vermeintliche begriff, wohingegen der Bischof lediglich das alte Herkommen aktualisiert habe,156 entstand deswegen ­zwischen beden thailen ain grosser vnwil, der von tage zu tag zuname vnd so hoch wuchse, das es zu der that kame; der bischoue finge etliche aus den burgeren, furet die in sein gefengnus vf vnser Frawen berg; hinwider schlugen die burgere etliche gaistliche vnd setzten der ains theils in gefengnus.157 Im Winter 1353/54 kam es zu einer weiteren Eskalation und zu vheden vnd angriffen,158 die durch den Bischof militärisch durch eine dreiwöchige Belagerung der Stadt niedergeschlagen wurden, die im Nachgang umfangreiche Reparationen für zerstörte geistliche Güter leisten musste.159 Nach der kaiserlichen Intervention hinsichtlich weiterer Bündnisse gegen die Geistlichkeit und einem hofgericht­ lichen Urteil, das die geforderten Ersatzzahlungen bestätigt hatte, verpflichtete sich die Stadt 1358 zur Zahlung und übergab dem Bischof 1360 die Stadttürme, -tore und -schlüssel.160 Damit waren die Autonomiebestrebungen der Bürger keineswegs dauerhaft beseitigt worden. Schon wenige Jahrzehnte ­später versuchten die Würzburger Bürger erneut, sich aus der Landesherrschaft des Bischofs zu lösen, und erlangten 1397 ein zweifelhaftes Privileg König Wenzels, das zwar Würzburg und zehn weiteren Städten des Hochstifts, die sich zu einem Städtebund zusammengeschlossen hatten, in unsern [des Königs, Anm. JB] und des heiligen riches schucz und schirme gnediclich genomen und empfahen hatte, worin sie dann unser leptag in krafft diez brieffes von Romischer kuniglicher mehte bleiben sollten.161 Allerdings sollten die egenanten stete zugleich eynem bischoff von Wirczpurg reichen alle reht die er von alders von ­rehtes und guter gewonheit hat, und im die nit vorhalden noch doran hindern in keine wise.162 Nachdem der König im Dezember desselben Jahres die Huldigung seitens der Würzburger Bürger empfangen hatte, die ihre Stadt bereits mit dem Reichsadler hatten schmücken lassen, musste Wenzel unter Druck der Fürsten die erteilte 155 Heidenreich, Brisante Erinnerungen, S. 368, 372; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 208. Flachenecker, Der Chronist des Bischofs, S. 229, sieht Fries demnach nicht „als naiv-­einseitigen Diener seiner Herren“, sondern als jemanden, der „Geschichte im politischen Sinne“ instrumentalisierte. 156 In der Überschrift heißt es daher: Wie sich die burgere zu Wirtzburg mit irem heren dem bischoue von wegen der gerichte geirret haben, Fries, Chronik II, S. 344. 157 Fries, Chronik II, S. 345. 158 Ebd., S. 346. 159 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 44; Wendehorst, GS NF. 4, S. 91. 160 Ebd., GS NF. 4, S. 92. 161 RTA. Ältere Reihe II, Nr. 308, S. 494. 162 RTA. Ältere Reihe II, Nr. 308, S. 494.

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und ohnehin paradoxe Privilegierung am 21. Januar 1398 faktisch wieder zurücknehmen,163 ohne dass dadurch freilich die Würzburger Autonomiebestrebungen zum Erliegen gekommen wären. Erst nachdem Bischof Gerhard von Schwarzburg (1372 – 1400) begonnen hatte, die Stadt im Jahr 1400 auszuhungern, und daher die Bürger schließlich versucht hatten, einen domkapitelischen Getreidespeicher in Bergtheim zu stürmen, konnte er diese militärisch besiegen.164 Im Ergebnis war es dem Bischof und seinen Parteigängern gelungen, die städtischen Ambitionen auf die Reichsfreiheit langfristig zu beseitigen und die territoriale Konsolidierung des Hochstifts entscheidend und nachhaltig voranzutreiben.165 Eine gewichtige Besonderheit ergab sich für das Hochstift ferner aus seiner Eigenschaft als geistliches Territorium und somit als Wahlfürstentum. Hier waren die Kräfteverhältnisse ­zwischen den verschiedenen lokalen, regionalen und überregionalen Akteuren und somit auch die Möglichkeiten der Ausdehnung der Herrschafts- und Gerichtsmacht geistlicher Landesherren determiniert. Zunächst war das Hochstift in besonderer Weise dem Einfluss von König oder ­Kaiser und Papst ausgesetzt, die häufig bereits im Rahmen der Bischofswahl versuchten, eigene Interessen geltend zu machen, um die gewünschten Kandidaten in die Nachfolge des Heiligen Kilian zu erheben. Theoretisch war zwar seit dem Wormser Konkordat des Jahres 1122 die freie Bischofswahl 166 durch die Domkapitel zugestanden worden. In der Praxis versuchten die deutschen Könige jedoch häufig, ihren Einfluss vor und während der Wahl geltend zu machen, während es auf päpstlicher Seite nicht selten zur nachträglichen Verweigerung der Anerkennung einer erfolgten Wahl und mitunter sogar zur Exkommunikation der Elekten oder der Domkapitulare kam, die die Wahl vorgenommen hatten.167 163 Wendehorst, GS NF. 4, S. 121. 164 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 49 f.; Wendehorst, GS NF. 4, S. 122. 165 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 50. 166 Ausführlich zu Wahlvorgang und Formen A. Schmidt, Bischof bist Du und Fürst, S. 179 – 285. 167 So versuchte etwa ­Kaiser Ludwig IV. (1314/1328 – 1346) bei der Wahl des Jahres 1333, seinen Kanzler auf dem Würzburger Bischofsstuhl zu inthronisieren. Nach entsprechender Wahl durch das Domkapitel wurde diese durch Papst Johannes XXII. (1316 – 1334) nicht anerkannt und sein Gegenkandidat als Bischof Otto II. von Wolfskeel auf den Bischofsstuhl erhoben, wobei freilich auch der frühe Tod des Elekten Hermann von Lichtenberg im Jahr 1335 eine Rolle spielte, Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 37. Ähnlich verlief die Wahl Bischof Albrechts II. von Hohenlohe (1345/50 – 1372), der schon 1345 gewählt wurde, dem als „Domprobst“ das Bistum aber erst 1350 päpstlicherseits übertragen wurde, Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 41 f. Die Androhung der Exkommunikation durch Gregor XI. im Jahr 1373 erfuhren etwa (der allerdings von einer Kapitelsminderheit gewählte) Albrecht von Heßberg und seine Anhänger, Wendehorst, GS NF. 4, S. 98. Auch die geweihten Bischöfe mussten im angespannten Verhältnis z­ wischen Papst- und Königtum geschickt ihre

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Einen bedeutenden Machtfaktor in den geistlichen Herrschaften der Fürstbischöfe stellten ferner die Domkapitel dar. Selbst die Regenten der bedeutenden und reichspolitisch einflussreichen Hoch- und Erzstifte konnten aufgrund ihrer verordnet zölibatären Lebensführung keine legitimen Nachkommen haben und daher keine dynastisch geprägten Herrschaftsverhältnisse ausbilden. Sie waren vielmehr auf die Wahl durch die Domkapitel angewiesen, die es verstanden, sich durch Wahlkapitulationen Einfluss auf zentrale Schaltstellen von Verwaltung und Regierung zu verschaffen und so bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts überall im Reich zu einem wesentlichen Bestandteil der Landesherrschaft zu avancieren.168 Es ist daher alles andere als verwunderlich, dass sich etwa in Würzburg eine landständische Mitregierung größeren Umfangs nicht etablieren konnte, versuchten doch die wichtigen regionalen Adelsgeschlechter hier wie überall im Reich, ihre Deszendenten in den Domkapiteln zu installieren, um so hinreichenden Einfluss auf die Geschicke des Landes nehmen zu können.169 Insbesondere für den niederen Adel konnte darüber hinaus das bischöfliche Amt selbst reizvoll sein. Denn durch die Wahl zum Würzburger Bischof stieg der Elekt in den Rang eines Reichsfürsten auf, der ihm ansonsten aufgrund seiner Herkunft verwehrt bleiben musste.170 Die Auseinandersetzungen innerhalb des regionalen Adels blieben nicht auf die Bischofswahlen beschränkt. Immer wieder gab es, gerade hinsichtlich der so wichtigen Gerichtsherrschaft, Zwistigkeiten ­zwischen den Würzburger Bischöfen und benachbarten Obrigkeiten. Zwar konnte im Jahr 1250 mit den Grafen von Henneberg und zu Castell ein Vertrag erzielt werden, in dem sich diese als Vasallen und Amtsträger des Bischofs dessen Recht und Gericht unterwarfen.171 Aber auch weiterhin gab es vor allem um die territoriale Reichweite der Rechtsprechungskompetenz des kaiserlichen Landgerichts, aber auch der geistlichen Gerichte, Differenzen mit anderen regionalen Akteuren, die 1392 mit der Reichsstadt Rothenburg, 1404 mit den Nürnberger Burggrafen und 1443 mit dem Hochstift Bamberg und dem Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg-­Ansbach eine nur vorübergehende Entspannung erfuhren.172 Darüber hinaus führte allein Bischof Johann II. von Brunn (1411 – 1440) Fehden mit den Nürnberger Burggrafen, den Grafen von Wertheim, den Herren von Thüngen und Georg von Seckendorff.173

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­ olitischen Allianzen wählen, wenn sie der Gefahr entgehen wollten, von der einen oder andep ren Seite sanktioniert zu werden, vgl. etwa Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 36, 41. Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 8. Ebd., S. 8. Schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde etwa das Würzburger Domkapitel ausschließlich mit Personen adeliger Geburt besetzt, siehe dazu S. 53. Stollberg-­R ilinger, Das Heilige Römische Reich, S. 29. Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 24. Ebd., S. 52, 64. Ebd., S. 57.

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Freilich blieben ­Kaiser und Papst auch im Rahmen dieser Auseinandersetzung nicht unbeteiligt. Obwohl es den Bischöfen meist gelang, sich politisch geschickt ­zwischen beiden Akteuren zu bewegen, fanden sie in Markgraf Albrecht Achilles einen Gegenspieler, der bei ­Kaiser und Papst gleichermaßen in hoher Gunst stand. Der Markgraf wurde von ­Kaiser Friedrich III. (1440/1452 – 1493) zur Kriegführung benötigt und war 1456 zum Hofmeister, Reichshauptmann und Hofrichter bestellt worden. Falls Papst Pius II. (1458 – 1464), der schon Albrechts Vater freundschaftlich verbunden war, auf dem Fürstentag zu Mantua 1459/60 den Markgrafen tatsächlich als „Herzog in Franken“ begrüßt haben sollte,174 musste das für den Würzburger Bischof als bedrohlicher Affront gelten, hatten doch die Würzburger Bischöfe seit Beginn des Jahrhunderts diesen Titel zunächst gelegentlich und seit 1446 regelmäßig in ihren Schriftstücken verwendet,175 um gerade gegenüber den fürstlichen Nachbarn die eigene Vorrangstellung zu betonen.176 Nachdem Würzburg die Wittelsbacher um Herzog Ludwig den Reichen von Baiern-­Landshut (1450 – 1479) im Kampf gegen Markgrafen Albrecht Achilles unterstützt hatte, entzog der K ­ aiser dem Bischof von Würzburg im Jahr 1461 nicht nur die vom Reich zu Lehen gehende weltliche Gerichtsbarkeit und erklärte die gleichwohl ergehenden Urteile insbesondere von den Zentgerichten sowie von Land- und Brückengericht für unwirksam, sondern auch den Guldenzoll, der mit einem Gulden je Fuder, also etwa 900 Litern, Wein angesetzt und für das hochverschuldete Hochstift von besonderer Wichtigkeit war.177 Erst die empfindliche Niederlage des Markgrafen, der mittlerweile zum kaiserlichen Feldhauptmann ernannt worden war, gegen den Wittelsbacher in der Schlacht bei Giengen im Jahre 1462 konnte die Versuche Albrechts dauerhaft vereiteln, eine Hegemonialstellung in Franken zu erlangen.178

174 So ebd., S. 66; zurückhaltender Wendehorst, GS NF. 13, S. 5. 175 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 52, 64 – 66. Gleichwohl gehörte die Herzogswürde schon vorher zur Selbstdarstellung der Würzburger Bischöfe. Bereits der Epitaph ­Manegolds von Neuenburg (1287 – 1303) im Würzburger Kiliansdom zeigt den verstorbenen Bischof mit dem Herzogsschwert in der rechten Hand, bevor diese Darstellung herzog­licher Würde seit Bischof Otto II. von Wolfskeel (1335 – 1345) zur Regel wurde, vgl. hierzu auch Störmer, Gesellschaft, S. 408. 176 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 46 – 48, 202. Besondere Bedeutung kam der Herzogswürde auch deshalb zu, weil die benachbarten Fürsten ihrerseits gegenüber den Würzburger Bischöfen einen gehobenen Rang einnahmen und artikulierten. Kurmainz hatte durch die Metropolitanrechte gegenüber den Würzburger Bischöfen und – ebenso wie die benachbarten Markgrafen – durch die Kurwürde eine erhöhte Stellung inne, während sich die Bamberger Regenten immerhin als Erzbischöfe profilieren konnten, ebd. S. 46. 177 Müller, Reichs Tags Theatrum, Bd. 2, S. 80; Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 66, 68; Wendehorst, GS NF. 13, S. 9. Zur Maßeinheit Fuder siehe auch Anm. 1292. 178 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 66.

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Gleichwohl war der „Dualismus zu den Markgrafen als neue Konstante der fränkischen Verfassungsverhältnisse“ dauerhaft etabliert.179 Schließlich blieb auch das Verhältnis der Würzburger Bischöfe zum Stiftsadel angespannt. Schon im sogenannten Runden Vertrag versuchte die Ritterschaft, gegenüber Bischof Johann II. von Brunn (1411 – 1440) die eigene Mitregentschaft im Hochstift durchzusetzen.180 Der Bischof stand insbesondere wegen seiner nachlässigen Finanzpolitik und der zum Ausgleich derselben erforderlichen weitreichenden Steuererhebung in der Kritik, sodass ihm 1433 seitens des Domkapitels ein Koadjutor aus den Reihen der Wertheimer Grafen aufgenötigt wurde, dessen er sich erst nach einigen Jahren wieder entledigen konnte.181 Der Runde Vertrag sah die Mitregierung durch einen ständischen Rat vor, der sich in einer weiteren Zusammensetzung aus 21 und in einer engeren Formation aus drei Personen formierte, die aus dem Domkapitel und dem Stiftsadel stammten.182 Auch wenn dieser Vertrag bestenfalls in Ansätzen jemals Anwendung fand, weil die verschiedenen beteiligten und nicht beteiligten Akteure aus Adel, Domkapitel und Bürgerschaft unterschiedlichste Interessen verfolgten, blieb er doch bis weit in das 16. Jahrhundert hinein prägend für das Selbstverständnis des fränkischen Adels, der immer wieder – vergeblich – versuchte, die im Vertrag festgeschriebenen Rechte zu aktualisieren.183 Immerhin gelang es Bischof Johann III . von Grumbach (1455 – 1466), die Ritter­schaft gegen das Werben des Markgrafen Albrecht auf seiner Seite zu halten.184 Dazu sicherte er dem Adel im sogenannten Gnadenvertrag vom 17. Oktober 179 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 43. 180 Schubert, Landstände, S. 77. Der „Runde Vertrag“ verdankte seine Bezeichnung den mehr als 100 Siegeln fast der gesamten Stiftsritterschaft, die an allen vier Seiten des Perga­ ments befestigt waren, ebd., S. 83. Vgl. dazu auch die entsprechende Miniatur aus der Fries-­Chronik der UBW, M. ch. f. 760, fol. 380r. 181 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 58 f. Allgemein zum Begriff Koadjutor, der als Stellvertreter oder Helfer eines kirchlichen Amtsträgers, meist auf dessen Wunsch hin, tätig wurde, aber – wie hier – immer wieder auch politisch instrumentalisiert wurde, vgl. Bier, Koadjutor, Sp. 1916; Weigand, Koadjutor, Sp. 1242. 182 Schubert, Landstände, S. 77, 83. 183 Ebd., S. 83 – 93. Die dem Runden Vertrag zugrunde gelegten Prinzipien einer umfassenden ständischen Mitregierung waren mit der von den Bischöfen im 16. Jahrhundert angestrebten Herrschaftskonzentration nicht mehr in Einklang zu bringen. Entsprechenden Forderungen des Adels entzog man sich seitens der bischöflichen Kanzlei einerseits mit dem Hinweis darauf, dass der Vertrag nie in Vollzug gesetzt worden war, und andererseits indem man geltend machte, dass die Unterzeichnung des Vertrags in die Zeit der Stiftspflegschaft des Wertheimer Koadjutors fiel und Bischof Johann II. von Brunn daher diesen gar nicht hätte wirksam abschließen können, ebd., S. 91, 93. 184 Gerlich/Machilek, Staat und Gesellschaft, S. 560. Der Gnadenvertrag ist vor dem Hintergrund der bereits (S. 48) geschilderten Auseinandersetzungen mit dem Markgrafen

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1461 die Lehenssukzession zu, indem er zugestand, dass bischöfliche Lehen fortan auch an weibliche Adelsmitglieder verliehen oder verkauft werden konnten, was zu einer weiteren Verdinglichung der Lehen führen musste.185 Überdies sollten die Nachfolger des Heiligen Kilian alle Grauen, Herrn, Rittere und Knechte des Hochstifts und deren Erben und Nachkommen bey Iren Alten Herkhomen, Freyhaitten, gerechtigkhaiten und Erbschafften pleiben lassen,186 was den rechtlichen Austrag bei Streitigkeiten ­zwischen Bischof und Adel ebenso sicherte wie die gemäß der zuvor ergangenen Reformation etablierte Rechtspraxis am kaiserlichen Landgericht, für das bestimmt wurde, das es mit Rittern ordenlich besezt 187 sein sollte. Das „Alte Herkommen“ sollte aber schon bald von anderer Seite in Bedrängnis geraten: Mit dem Reichstag zu Worms 1495 und den dort beschlossenen Maßnahmen einer Reichsreform konnte die Ritterschaft kaum zufrieden sein, verbot die Reform durch den Ewigen Landfrieden doch nicht nur die Fehde generell, sondern führte auch in § 30 der Ordnung des neu geschaffenen Reichskammergerichts einen rechtlichen Austrag ein, der vor neun fürstlichen, teils adeligen und gelehrten Räten vorzunehmen war, unter denen der beklagte Fürst im Beisein des Klägers den Richter als Vorsitzenden der Verhandlung auswählen sollte.188 Zwar war für die Beteiligten, soweit sie durch die Entscheidung beschwert waren, der Weg zum Reichskammergericht gemäß der Ordnung eröffnet und daher eine den Würzburger Fürstbischof willkürlich begünstigende Entscheidung durch eine Appellation angreifbar. Gleichwohl war nun die ursprüngliche Schiedsgerichtsbarkeit unter Standesgenossen, wie sie durch den rechtlichen Austrag vormals vorgesehen war, zugunsten einer landesherrlichen Rechtsprechung verschoben worden.189 Die zu sehen, Wendehorst, GS NF. 13, S. 9. 185 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 66; Schubert, Landstände, S. 77; Wendehorst, GS NF. 13, S. 9. 186 Fries-­Chronik, UBW, M. ch. f. 760, fol. 485v; vgl. auch den Druck bei Lünig, RA 12, S. 297 – 299 und Schubert, Landstände, S. 95, Anm. 26. Allgemein zum rechtlichen Austrag als gewillkürter Schiedsgerichtsbarkeit z­ wischen den streitenden Akteuren siehe Kotulla, Austrägalinstanz, Sp. 387 – 388. 187 Fries-­Chronik, UBW, M. ch. f. 760, fol. 485v; vgl. auch den Druck bei Lünig, RA 12, S. 297 – 299. 188 RA 06. 08. 1495, NSRA II, S. 1 – 29, Tit. II, § 30. Schubert, Landstände, S. 124, Anm. 6, meint hingegen, dass die Auswahl des Richters aus den neun Räten beim Kläger gelegen habe. 189 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 74 f.; Schubert, Landstände, S. 124. Auf Drängen des benachteiligten nicht-­fürstlichen Adels wurde diese Regelung allerdings in den Jahren 1521, 1548 und 1555 mehrfach modifiziert, Meurer, Die Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit, S. 50 f. Vgl. zur späteren Zusammensetzung der Austrägalgerichte insb. RKGO 1555 2. Teil, Tit. 4, § 3, 5 – 14 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 171 – 174.

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fortgesetzten Auseinandersetzungen um den rechtlichen Austrag zu Beginn des 16. Jahrhunderts entfremdeten Fürstbischof und Ritterschaft weiter voneinander, bevor diese im Laufe des Jahrhunderts die Reichsunmittelbarkeit erlangte und der fürstbischöflichen Landes- und Gerichtsherrschaft, trotz vielfachen Fortbestehens der Lehensmannschaft, folglich weitgehend entzogen blieb.190 Arrondierungsprozesse, wie sie vielen anderen großen Landesherren auf Kosten des Ritteradels gelangen,191 blieben den Würzburger Bischöfen daher weitgehend verwehrt. Hinzu kam, dass der niedere Adel, trotz der generellen Ausdifferenzierung innerhalb des Adels und der stärkeren Abgrenzung des Fürstenstandes von den übrigen Adeligen im Laufe des 15. Jahrhunderts, durch den Dualismus der Würzburger Bischöfe mit den benachbarten Markgrafen in die Lage versetzt wurde, durch konkurrierende Dienst- und Lehensbindungen zu den fränkischen Fürsten größere politische Bedeutung zu gewinnen.192 3.  Bestandsaufnahme – Diözese und Hochstift an der Schwelle zur Neuzeit An der Schwelle zur Neuzeit regierte der Bischof als geistlicher Herr über ein Diözesangebiet, das von Hersfeld – gerade außerhalb der Diözese – im Norden bis nach Heilbronn und Schwäbisch Hall im Süden reichte und das im Westen von Fulda, Wertheim und Heilbronn und im Osten von Coburg und der Reichsstadt Nürnberg begrenzt wurde. Gleichwohl war des Bischofs weltliche Macht als Fürst auf das Gebiet des Hochstifts beschränkt, das sich in seiner räumlichen Ausdehnung in etwa von Neustadt im Norden bis zum 1504 endgültig zum Hochstift gehörigen Lauda 193 im Süden und von Homburg im Westen bis über Haßfurt, Ebrach und Iphofen hinaus im Osten erstreckte, aber durch Herrschaftsbereiche der Grafschaften Wertheim und Henneberg ebenso geographisch zerfurcht war wie durch die Gebiete der Reichsstadt Schweinfurt und der nach Reichsunmittelbarkeit strebenden Ritterschaft im Bistum. Obwohl sich das Hochstift als typisches territorium non clausum in seiner räumlichen Ausdehnung zerklüftet darstellte, war es doch aus Perspektive des Reichs keineswegs unbedeutend. Als eines der größten und bedeutendsten g­ eistlichen 190 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 75; Schubert, Landstände, S. 125, 128 – 130. Zu den damit verbundenen gerichtlichen Auseinandersetzungen siehe S. 169 – 176 und S. 188 – 193. 191 Stollberg-­R ilinger, Das Heilige Römische Reich, S. 37. 192 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 43. Siehe ferner zu den Differenzierungsprozessen innerhalb des Adels Press, Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft, S. 518 – 528. 193 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 77.

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Territorien im Reich stellte es eine wesentliche mittlere Territorialmacht dar, die zusammen mit dem Erzstift Mainz im Westen und dem Hochstift Bamberg im Osten einen Sperrriegel geistlicher Gebiete z­ wischen Norden und Süden des Reichs bildete.194

II.  Anfänge der fürstlichen Kanzlei bis zum Beginn der Neuzeit 1.  Wurzeln der Institutionalisierung im Hochstift Unter der fürstlichen Kanzlei wurde in Würzburg einerseits die Schreibstube mit Kanzler, Sekretären und Schreibern, andererseits aber auch der Hofrat selbst verstanden.195 Dementsprechend heißt es etwa in der Kanzleiordnung des Jahres 1526, dass inn dem wertlin Canzley, nit allein unnser Canntzler secritarj, unnd anndere schreybere, sunder auch unsere Räthe, begriffenn werden deren jeder theyll sein sonnder unnd unnderschidlich Ampt unnd beuelhe haben sollenn.196 Ferner wurde auch der Ort, also das Gebäude, als Kanzlei bezeichnet, in dem sich die Schreibstube befand und die Räte des bischöflichen Landesherren tagten. Wenngleich die erste nachweisbare Kanzleiordnung erst auf das Jahr 1506 datiert werden kann, ist sowohl ein fürst­ bischöfliches Ratsgremium als auch die Schreibstube schon viel früher nachgewiesen. a.  Bischöfliche Ratsgremien im Mittelalter Die geistlichen Territorien waren in besonderer Weise dazu bestimmt, dass sich in ihnen eine umfassende Ratstätigkeit an der Seite der bischöflichen Regenten entwickelte. Denn seit dem 4. Laterankonzil im Jahr 1215, das die bereits im 12. Jahrhundert entstandene Praxis in Canon 24 des Konzils kirchenrechtlich verankerte, waren die Bischöfe ausschließlich von dem jeweiligen Domkapitel zu wählen, das diesbezüglich eine Mehrheitsentscheidung zu treffen hatte.197 Es ist daher kaum 194 W. Ziegler, Würzburg, S. 100. Nach Press, Das Heilige Römische Reich in der deutschen Geschichte, S. 48, gehörte das Hochstift Würzburg neben den Gebieten der geistlichen Kurfürsten sowie Salzburg und Münster zeitweise zu der „Spitzengruppe der Territorien“. 195 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 225, weist darauf hin, dass diese Verwendung des Kanzleibegriffs kein Unikum darstellte, sondern, wenngleich nicht typisch, so doch auch in anderen Territorien, etwa in der Kurpfalz oder in der Anfangszeit des Herzogtums Württemberg, vgl. diesbezüglich DRW VII, Kanzlei, Sp. 5, gebräuchlich war. 196 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4r. 197 Ganzer, Bischofswahl, Bischofsernennung, Sp. 505; Schubert, Landstände, S. 21; vgl. auch Störmer, Gesellschaft, S. 409.

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verwunderlich, dass die Kapitulare, die die Wahl vornahmen, stets versuchten, sich durch Wahlkapitulationen, die in Würzburg erstmals im Jahr 1225 und s­ päter ­zwischen 1400 und 1695 bei jeder Bischofswahl vom Elekten erlangt wurden,198 schon im Vorfeld der Wahl Zugeständnisse machen zu lassen, die ihren eigenen Einfluss sicherten. Dabei blieb über das gesamte Mittelalter und die Frühe Neuzeit hinweg, anders als in anderen Bistümern im Reich, nur das Domkapitel an der Erstellung der Wahlkapitulationen beteiligt, während sich eine darüber hinausgehende Einflussnahme durch die Landstände in Würzburg nicht nachweisen lässt.199 Eine domkapitelische Beteiligung an der Landesherrschaft findet sich zunächst in der umfangreichen Wahlkapitulation des Jahres 1314 in einem (jedenfalls ­später) sogenannten „engeren Rat“.200 Dieser Rat (consilium) muss bereits zur Regierungszeit Bischof Irings von Reinstein-­Homburg (1254 – 1265) existiert haben; er lässt sich wohl schon für das Jahr 1257 nachweisen 201 und erscheint bereits 1260 in seiner späteren Besetzung aus dem Domprobst, dem Domdechanten und zwei weiteren Domkapitularen als eine Art von Mitregierung an der Seite des Landesherrn.202 Diese Beteiligung war das frühe ­­Zeichen eines erstarkenden Domkapitels, das – seit dieser Zeit ausschließlich durch den Adel geprägt – bis in das 17. Jahrhundert hinein eine zentrale politische Größe bleiben sollte, die auf die Geschicke des Hochstifts erheblichen Einfluss haben würde.203 Das Domkapitel hatte ­später auch eine maßgebliche Position hinsichtlich der städtischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit Würzburgs inne, da einige Domherren zusammen mit den Vertretern der Würzburger Stifte und der Bürgerschaft 198 Schubert, Landstände, S. 25; zur ersten Wahlkapitulation des Jahres 1225 vgl. Monumenta Boica 37, Nr. 205, S. 215; Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 22; Störmer, Gesellschaft, S. 409; Wendehorst, GS NF. 1, S. 212 f. 199 Abert, Wahlkapitulationen, S. 47. 200 Ebd., S. 59. Als Räte (consiliarios) wurden – wie schon 1260 – vier Domkapitulare vorgesehen, wobei neben Domprobst und Domdechanten zwei weitere Domherren vom Kapitel auszuwählen waren, Monumenta Boica 46, Nr. 37, S. 64. 201 Monumenta Boica 37, Nr. 331, S. 373. 202 Monumenta Boica 37, Nr. 343, S. 390; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 11; Schubert, Landstände, S. 24, Anm. 24, die von einer Einführung des Rates im Jahr 1260 ausgehen. Auch der Friedensvertrag z­ wischen Stadt und Bischof aus dem Jahre 1265 erwähnt im Rahmen der durch die Bürger zu erbringenden Entschädigungsleistungen den Rat des Bischofs (consilium suum), Arnold, Im Ringen um die bürgerliche Freiheit, S. 98; Wendehorst, GS NF. 4, S. 7. Arnold, Im Ringen um die bürgerliche Freiheit, S. 108, sieht hierin – wohl unzutreffend – die erste Nennung des Oberrats. 203 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 11; Störmer, Gesellschaft, S. 409. Zum angesichts explosiv gestiegener Schulden sehr hohen politischen Einfluss des Domkapitels im 15. Jahrhundert, als d ­ ieses sogar erwog, das Hochstift an den Deutschen Orden zu übertragen, vgl. Merz, Fürst und Herrschaft, S. 44.

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auch Mitglieder des sogenannten Oberrats waren. Dieses Gremium ist bereits im 14. Jahrhundert umfänglich nachweisbar.204 Ob der obere Rat erst seit 1296 existierte und seinerzeit durch eine Täuschung der Bürger durch Bischof Manegold von Neuenburg (1287 – 1303)205 zustande gekommen ist, der den unliebsamen städtischen Rat durch einen bischöflichen ersetzen wollte, erscheint sehr zweifelhaft.206 Jedenfalls hatte der Bischof zu dieser Zeit von den Bürgern die Absetzung eines neuen zugunsten eines alten Rats verlangt.207 Damit war vermutlich nicht die grundsätzliche Beseitigung des bürgerlichen Ratsgremiums, des sogenannten Unterrats, und die Ersetzung desselben durch einen vermeintlich älteren Oberrat beabsichtigt, sondern wohl eher eine ohne Zustimmung des Bischofs ergangene Neuwahl der städtischen Räte sanktioniert worden.208 Über das Verhältnis des „engeren Rates“ zum Oberrat herrscht bisher noch keine endgültige Klarheit. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass sich dieser aus jenem entwickelt hat.209 Ohne Zweifel gab es neben dem aufgrund seiner fixierten Zahl von Mitgliedern schon früh institutionalisierten „engeren Rat“ – 204 Hoffmann, Würzburger Polizeisätze, S. 41, Nr. 8 (1328), S. 43, Nr. 10 (1341/42); S. 70 f., Nr. 105 (1349), S. 78, Nr. 121 (1376/97), S. 90 f., Nr. 209 (1376/97). Zum Oberrat in der Frühen Neuzeit siehe S. 182 – 185. 205 Eine entsprechende Täuschungsabsicht des Bischofs unterstellen Füsslein, Das Ringen um die bürgerliche Freiheit, S. 309; ders., Zwei Jahrzehnte, S. 49, 54; Hoffmann, Handel und Gewerbe, S. 153, 156. Füsslein, Zwei Jahrzehnte, S. 49, spricht gar von der „Fiktion einer Zeit […], die bereits stark von absolutistischen Neigungen beherrscht“ gewesen sei. 206 So jedoch Hoffmann, Handel und Gewerbe, S. 156; Reimann, Ministerialen, S. 199 f. Auch Schich, Würzburg im Mittelalter, S. 213 f. und ebd., Anm. 7, geht mit Verweis auf Monumenta Boica 38, Nr. 85, S. 146, davon aus, dass der Oberrat als alte[r] rat bezeichnet worden war, vermutet aber die Existenz desselben bereits um 1220. Merzbacher, Oberrat, bischöflicher, Sp. 1156, scheint hingegen ebenfalls von 1296 als Entstehungsjahr des Rates auszugehen. 207 Monumenta Boica 38, Nr. 85, S. 146. 208 Willoweit, Bischöfliche Stadtherrschaft, S. 105 f.; ders., Stadtverfassung und Gerichtswesen, S. 238. Eine derartige Bewertung der Quellen ließe sich auch mit der schon von Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 89, wahrscheinlich unter Rekurs auf Monumenta Boica 38, Nr. 86, S. 151 – 158, hervorgebrachten Erkenntnis vereinbaren, wonach das eigentlich abgeschaffte Bürgermeisteramt auch unmittelbar nach dem Jahr 1296 noch nachgewiesen werden kann. Mit dieser Deutung erwiesen sich auch die aus den Ereignissen des Jahres 1296 gelegentlich abgeleiteten Bezeichnungen des unteren und oberen Rats als neuer bzw. alter Rat als unzutreffend, so aber etwa Gramich, Verfassung und Verwaltung, S. 19, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 88 f., Reimann, Ministerialen, S. 199 f., und ferner Hirsch, Quellen und Untersuchungen, S. 55 und ebd., Anm. 48, der ansonsten einen scharfsinnigen Überblick über den Forschungsstand (des Jahres 1984) gibt, ebd., S. 55 f. Sie sollten daher aufgegeben werden. 209 So wohl auch Reimann, Ministerialen, S. 200.

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wahrscheinlich unter Einschluss der Mitglieder desselben – schon vor den ersten aktenkundigen Erwähnungen eines oberen Rates ein Gremium in größerer und mit einiger Sicherheit nicht festgeschriebener Form, dessen sich der Bischof zur Erfüllung der obrigkeitlichen Angelegenheiten bediente.210 Vermutlich setzte es sich bereits 1198 aus Angehörigen des Domkapitels, der Ministerialität und der Bürgerschaft zusammen.211 Wahrscheinlich enthält die Darstellung des Lorenz Fries aus dem 16. Jahrhundert daher einiges an Wahrheit, wonach die Existenz des bischofs rathe[s] vf dem sale den man noch heutigs tags den obern rath nennet 212 im Jahre 1296 vorauszusetzen ist und nicht erst begründet wird. Wahrscheinlich war dieser Rat auch noch nicht der dezidiert städtische Rat, zu dem er s­päter wurde, sondern ein allgemeines bischöfliches Beratungsgremium ohne allzu feste Konturen. Dafür spricht auch, dass sich die Stadt Würzburg als abgrenzbares Rechtssubjekt mit Siegel und Rat bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts überhaupt erst entwickelt hatte.213 Während der sich allmählich institutionalisierende obere Rat maßgeblich mit städtischen Belangen befasst war,214 bediente sich der Bischof auch für die allgemeineren Angelegenheiten des Hochstifts eines Rates. Auch wenn der Versuch gescheitert war, im Runden Vertrag des Jahres 1435 eine landständisch geprägte Mitregierung im Hochstift zu institutionalisieren,215 blieb ein „engerer Rat“, wie er bereits aus dem 13. Jahrhundert überliefert ist, wohl weiter bestehen. Denn auch die Wahlkapitulationen – derer es bis zur endgültigen und zukunftsweisenden Version des Jahres 1446 gleich vier gab 216 – anlässlich der Wahl Gottfrieds IV. Schenk von Limpurg (1443 – 1455) sahen einen Rat aus vier Domherren an der Seite des Bischofs vor, der in allen geistlichen Angelegenheiten befragt werden sollte und dessen drei Mitglieder außer dem mit dauerhaftem Sitz bedachten D ­ omdechanten ­jährlich zu 210 Vgl. auch Willoweit, Stadtverfassung und Gerichtswesen, S. 238. Reimann, Ministerialen, S. 200, weist auf die Existenz eines entsprechenden Gremiums bereits in der Mitte des 11. Jahrhunderts hin. 211 Reimann, Ministerialen, S. 200 m. w. N. Ebenso Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 11, allerdings ohne Nachweise. Eine entsprechende Zusammensetzung wäre jedenfalls für das 13. Jahrhundert keine Besonderheit, Spangenberg, Landesherrliche Verwaltung, S. 487. 212 Fries, Chronik II, S. 235. 213 Willoweit, Bischöfliche Stadtherrschaft, S. 104 f. 214 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 246. Siehe zum städtischen Oberrat auch S. 182 – 185. 215 Siehe diesbezüglich bereits S. 49. 216 So zuvor im Februar 1444, im November 1444 und im November 1445. Die endgültige Fassung des Jahres 1446 sollte jedenfalls für die folgenden knapp zwei Jahrhunderte in Inhalt und Umfang mustergültig werden, Abert, Wahlkapitulationen, S. 72 – 75; Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 61; Wendehorst, GS NF. 4, S. 175.

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wählen waren.217 Überdies gelang es dem Bischof, begabte adelige Exponenten der ständischen Opposition als Räte an seinen Hof zu bringen und sie zum Zwecke der weltlichen Regierung des Hochstifts einzusetzen.218 Die Unterstützung der Landesherren bei der Herrschaft durch „Rat und Hilfe“ (consilium et auxilium) seitens adeliger Berater war für die mittelalter­liche Gesellschaft alles andere als eine Ausnahmeerscheinung. Sie war im Gegenteil ein Wesenszug der Herrschaft überhaupt und konnte ihre Wurzeln ebenso in der Grundherrschaft wie in Dienst- oder Lehensverhältnissen haben.219 Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Lorenz Fries dem Stiftspfleger und späteren Bischof Gottfried, der schon 1442 von König Friedrich III . eingesetzt worden war,220 die Aufgabe zugewiesen sah, das er der pfleger die treffenlichsten aus dem capitel vnd von prelaten, grauen, heren, rittern vnd knechten im stift zu seinen rathen nehmen vnd nach der selben rath regiren sollte.221 Darin ist nicht zwingend ein Hinweis auf ein institutionalisiertes Ratsgremium mit fester Mitgliederzahl und regelmäßigem Zusammentreten zu sehen. Allzu fern liegt dieser Gedanke aber nicht, musste sich doch schon der Nachfolger Gottfrieds, Johann III . von Grumbach (1455 – 1466), gegenüber Stiftsadel und Domkapitel verpflichten, zwei ständige Ratsgremien zu zwölf und vier Personen zu akzeptieren, die sich aus dem Stiftsadel beziehungsweise aus dem Domkapitel zusammensetzten.222 Während es sich bei dem Rat der vier D ­ omherren um den bereits seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bestehenden „engeren Rat“ handeln dürfte, ist im Rat der zwölf weltlichen Herren der Beginn eines täglichen Hofrats im Hochstift zu erblicken, 217 Amrhein, Gotfrid IV. Schenk von Limpurg II, S. 9 (1444), 17 (1446); Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 14. Vgl. dazu die Wahlkapitulationen Gottfrieds IV. Schenk von Limpurg (1444), WU Libell 441 fol. 2v (Art. 16), in der sich der Bischof verpflichtete, bei den Genannten in des stifts sachen und gescheften Rat zu suchen, und Johanns III. von Grumbach, WU Libell 443, unfol. (Art. 19). 218 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 62; Schubert, Landstände, S. 88 – 90. 219 Auge, Lehnrecht, Lehnswesen, Sp. 719, 733; Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 109. 220 Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 61; Wendehorst, GS NF. 4, S. 174. 221 Fries, Chronik IV, S. 82. 222 So auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 16, und Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 225, die – wohl unzutreffend – von einem Rat aus zwölf Mitgliedern teils weltlicher (acht) und geistlicher (vier) Provenienz ausgehen. So ließe sich auch erklären, dass die Kanzleiordnungen der Jahre 1526, 1546 und 1551 die Anwesenheit von Mitgliedern des Würzburger Domkapitels nicht ausweisen und auch bei der Verkündung der Ordnung des Jahres 1551 kein Domkapitular zugegen war, Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 597. In diese Richtung geht auch Muehlon, Johann III. von Grumbach, S. 151, die von 12 bzw. 15 Räten ausgeht. Vgl. diesbezüglich die relevante Wahlkapitulation des Jahres 1455, StAW, WU 80/151, Art. 19.

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der ­insofern eine gewisse Institutionalisierung erfahren hatte, als seine Mitglieder, wie auch jene des Rates der Domherren, auf ein Jahr gewählt werden und täglich bei Hofe erscheinen sollten.223 b.  Entwicklung der Schreibstube Doch nicht nur der bischöfliche Hofrat wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts stärker institutionalisiert. Auch die Verwaltung des Hochstifts in der fürstlichen Kanzlei im engeren Sinne fand zu neuen Organisationsformen. Es war der genannte Bischof Gottfried, der die Entwicklung der Schreibstube nicht nur durch die Auswahl eines geeigneten Personenkreises, sondern auch durch die Begründung einer fortschrittlicheren Schriftgutverwaltung beförderte. Im Zentrum der Verwaltung stand die bischöfliche Kanzlei, die sich im sogenannten Palatium ­zwischen Dom und Neumünster befand.224 Begünstigt durch die seit Ende des 14. Jahrhunderts auch im Reich nördlich der Alpen heimisch gewordene Papierherstellung hatte im 15. Jahrhundert die Schriftlichkeit in der politischen Korrespondenz erheblich zugenommen und erforderte neuartige Methoden der Schriftgutverwaltung ebenso wie umfangreicheres und besser ausgebildetes Personal.225 Wenngleich eine bischöfliche Schreibstube als gemach der schribery bereits im Jahr 1344 nachzuweisen ist,226 lässt sich erst in der Kanzlei Gottfrieds im Jahr 1444 mit Friedrich ­Schultheis, der in Leipzig ein juristisches Studium absolviert hatte, ein ständiger Kanzler – als erster Träger dieser Bezeichnung – nachweisen.227 Daneben gab es einen Protonotar und einen Sekretär, die ebenfalls rechtskundig waren, und zahlreiche weitere Schreiber und Kopisten.228 Zu dieser Zeit wurden auch die sogenannten Gebrechenbücher angelegt, die die Gebrechen, also die A ­ useinandersetzungen 223 Muehlon, Johann III. von Grumbach, S. 151; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 16. 224 Amrhein, Gotfrid IV. Schenk von Limpurg II, S. 73; Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 62. 225 Ebd., S. 62 f.; Scherzer, Die fürstbischöfliche Kanzlei, S. 145. Die erste deutsche Papiermühle war um 1390, spätestens aber 1392 in Nürnberg in Betrieb gegangen, vgl. dazu etwa Sporhan-­K rempel/Stromer, Das Handelshaus der Stromer, S. 81, 94. 226 Engel, Urkundenregesten, S. 174. 227 Amrhein, Gotfrid IV. Schenk von Limpurg II, S. 73 f.; Scherzer, Die fürstbischöfliche Kanzlei, S. 147. 228 Amrhein, Gotfrid IV. Schenk von Limpurg II, S. 73 – 91, mit ausführlichen Hinweisen zu den einzelnen Mitgliedern der Kanzlei; Scherzer, Die fürstbischöfliche Kanzlei, S. 147 f. Ebenso Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 14 f., 17, der aber davon ausgeht, dass erst unter Rudolf II. von Scherenberg (1466 – 1495) weitere Schreibgehilfen in der Kanzlei eingesetzt wurden. Zutreffend ist, dass unter Bischof Rudolf der Kanzleibetrieb

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mit benachbarten Obrigkeiten, behandelten und dabei erstmals auch den eingehenden Teil des Schriftverkehrs mit den Nachbarn, wenngleich nicht systematisch, so doch chronologisch erfassten.229 Mithilfe der zumindest seit dem frühen 15. Jahrhundert existierenden Registerbücher, die die ausgehenden Schreiben in chronologischer Reihenfolge ihrem Inhalt nach erfassten und von Lorenz Fries ­später als libri diversarum formarum et contractuum bezeichnet werden sollten, war es den Kanzlisten nun mit etwas Mühe möglich, den Schriftverkehr umfassend zu rekonstruieren.230 c.  Entstehung des Kanzleigerichts Die Gerichtstätigkeit der fürstbischöflichen Kanzlei ist erstmals 1474 nachgewiesen, als sich die fränkische Ritterschaft neben zahlreichen weiteren Aspekten einer offenbar in Veränderung begriffenen Gerichtslandschaft 231 über ein neu entstandenes Gericht und dessen Kompetenzen beklagte.232 Demnach sei ein newe gericht als vor der Cantzley […] angefangen worden der gleichen bey keynem ­unnserm g[nädigen] h[e]rnn von wirzpurg nie gewest ist und wirt gebraucht jn forma des hoffgerichts und dem selben nit gleich sundern merckliche beschwerung darauß erwachsen wider den vertrack und alles herkomen.233 Die Rechtsprechungstätigkeit der Kanzlei kann daher erst kurz zuvor in erkennbarem Umfang aufgenommen worden sein. Und tatsächlich dürfte der Ritteradel dadurch merckliche beschwerung erfahren haben, die sich insbesondere aus dem Bruch mit dem herkomen ergeben musste. Gemeint ist hier jenes Herkommen, das noch Gegenstand des 1435 geschlossenen Runden Vertrags, auf den sich die Ritterschaft häufig 234 – und wohl auch hier – vergeblich berufen hatte, und des 1461 vereinbarten Gnadenvertrags gewesen war. Beide regelten unter anderem die Besetzung des kaiserlichen Landgerichts mit Rittern als Urteilern oder Schöffen. Freilich änderte das Bestehen eines Kanzleigerichts per se nichts an der U ­ rteilspraxis vor dem weiter professionalisiert und zu d ­ iesem Zweck ein zweiter rechtskundiger Sekretär unter dem Kanzler tätig war, Scherzer, Das Hochstift Würzburg, S. 62. 229 Scherzer, Die fürstbischöfliche Kanzlei, S. 148. 230 Ebd., S. 147 f. Das älteste Registerbuch geht noch auf das späte 14. Jahrhundert zurück. Es handelt sich dabei allerdings um eine Abschrift aus dem 16. Jahrhundert, sodass eine nachträgliche Kompilation nicht ausgeschlossen werden kann, ebd., S. 147. 231 Dazu ausführlich S. 80 – 216. 232 StAW, ldf 12, S. 947 – 949; dazu auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 18. Allgemein zu den häufig listenförmigen Beschwerden oder Gravamina S. 72. 233 StAW, ldf 12, S. 948. 234 Schubert, Landstände, S. 90 – 93.

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Landgericht, das wohl zunächst die etablierte Spruchpraxis beibehielt und auch, wie im Gnadenvertrag 13 Jahre zuvor gefordert, mit Rittern ordenlich besezt 235 worden war. Gleichwohl hatte sich eine folgenreiche Änderung der Gerichtslandschaft im Hochstift ergeben, von der das Landgericht und seine Urteiler betroffen waren, indem derjhenen wider die oder denn die urteile geen davon appelir[t]en […][,] sulch appellation jn der cantzeley angenomen wurde und man dort daraufhin, sodann die appellation an eynichem punckt uff geschr[iebene] Recht gegrundet war, fur wol geappellirt und ubel geurteylet sprach.236 Gegen die Urteile des Landgerichts, die durch die ritterlichen Schöffen ausgesprochen wurden, konnte also nunmehr an der Kanzlei appelliert werden. Während aber die Ritter nach dem sie sich versteen nach Lantrecht und nit nach geschriben rechten ihre Urteile sprachen, wurde an der Kanzlei nach dem gelehrten römisch-­kanonischen Recht verhandelt. Wenngleich die Gerichtsherrschaft sowohl bezüglich des Landgerichts als auch der Kanzlei beim Fürstbischof lag, musste es der Ritterschaft doch missfallen, dass ihre Urteilskompetenz von einem Gremium fürstbischöflicher Räte infrage gestellt werden konnte. Dies galt umso mehr, als bei der Urteilsfindung am Kanzleigericht ein den Urteilern fremdes Recht zur Anwendung gebracht wurde, das geeignet war, die alte deutsch-­gewohnheitsrechtliche Tradition des Landgerichts zu unterhöhlen.237 Denn gar selten wollten geschriben und ­landtrecht mit einander coinzedirn,238 sodass die Urteile der Räte in der Kanzlei unter Zugrundelegung des römisch-­kanonischen Rechts von jenen der Urteiler am Landgericht häufig abwichen.239 2.  Rahmenbedingungen der Kanzleigerichtsbarkeit Freilich lassen sich die dargestellten Entwicklungen im Hochstift in einem Kontext von Veränderungen verorten, die sich, wenn nicht gar in ganz Europa, jedenfalls im Heiligen Römischen Reich vielerorts vollzogen. So entwickelten sich Gebilde wie die Würzburger Kanzlei – wenngleich nicht immer begrifflich in einer Institution zusammengefasst – spätestens zu Beginn der Frühen Neuzeit praktisch in 235 Fries-­Chronik, UBW, M. ch. f. 760, fol. 485v; vgl. auch den Druck bei Lünig, RA 12, S. 297 – 299; siehe dazu schon S. 31. Hinsichtlich des Runden Vertrags vgl. Schubert, Landstände, S. 83, Anm. 31. 236 StAW, ldf 12, S. 947. 237 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 130. 238 StAW, ldf 12, S. 947. 239 Zum Verhältnis der Rechtsquellen, insb. der fränkischen Landesgebräuche zum Gemeinen Recht, S. 115, 119.

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allen Territorien des Reiches.240 Denn überall war einerseits eine professionalisierte Schriftgutverwaltung in einer Schreibstube erforderlich und andererseits ein Ratsgremium erkennbar geworden, das an der Seite des jeweiligen Landesherrn Aufgaben in Regierung, Verwaltung und Gericht wahrnahm. Diese Gebilde können nur verstanden werden, wenn sie im Lichte eines sich allmählich zur Staatlichkeit verdichtenden Gemeinwesens sowie unter den Bedingungen und Folgen der Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts betrachtet werden.241 a.  Herrschaftsverdichtung und -zentralisierung Die Entstehung des Kanzleigerichts um das Jahr 1470 fiel in „eine Epoche sehr beschleunigter Entwicklung, die vielleicht aufregendste des ganzen Spätmittelalters.“ 242 Abgesehen etwa von der Schaffung neuer Kommunikationswege im Reich durch Buchdruck und Postwesen oder einer europaweiten konjunkturellen Blüte mit „bisher unvorstellbare[r] Kapitalakkumulation“ 243 lassen sich am Ende des Mittelalters in allen Gebieten des Reichs politische Entwicklungen ausfindig machen, die neue Formen von Herrschaft begründeten, die maßgeblich durch eine zunehmende Zentralisierung und Verdichtung von verschiedenartigen Herrschaftsrechten zu landesherrlichen Befugnissen geprägt waren.244 Wie der Würzburger Bischof wurden auch die anderen Fürsten des Reichs in erster Line als principes bezeichnet. Darüber hinaus wurde Herrschaft zunächst mit dem Begriff des dominium beschrieben, der unter Einfluss des Römischen Rechts bereits ab dem 13. Jahrhundert stärker eigentumsrechtlich konnotiert wurde und in der sprachlichen Verbindung zu der räumlichen Ausdehnung dieser Herrschaft

240 Müller, Der Fürstenhof, S. 26, 28; Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 106 – 112. Zur Entwicklung der Kanzleien im Spätmittelalter Widder, Kanzler und Kanzleien, passim., die unter anderem auf die zunächst geringe Institutionalisierung der Kanzleien als flexible personale Gefüge hinweist, ebd., S. 504 f. 241 Bereits Moraw, Die Entfaltung der deutschen Territorien, S. 111, hat die Verleugnung des Zusammenhangs z­ wischen dem Anstieg der Schriftlichkeit sowie der Universitätsentwicklung einerseits und der Bedeutung der herrscherlichen Kanzleien andererseits als „kühne Behauptung“ bezeichnet. 242 Moraw, Neue Ergebnisse der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 67. 243 Ebd., S. 67. 244 Zu den Verdichtungsprozessen, die maßgeblich im 15. Jahrhundert stattgefunden haben, überblicksartig bereits Gasser, Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit, S. 206 – 216. Grundlegend zu ­diesem Zeitalter der Verdichtung Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, passim, und ders., Die Entfaltung der deutschen Territorien, S. 95, 125.

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im 15. Jahrhundert als „Landesherrschaft“ erscheint.245 Im Laufe des 15. Jahrhunderts setzte sich ferner der Begriff der Obrigkeit durch, der bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges geradezu ausufernde Verwendung finden sollte und der mit einem sich ausweitenden herrschaftlichen Gebotsrecht verbunden war, das vor allem in der guten Policey einen allmählich sichtbar werdenden Niederschlag gefunden hatte.246 Johann Jacob Moser etwa definierte diese im 18. Jahrhundert als diejenige[n] Landesherrliche[n] Rechte und Pflichten, auch daraus fliessende Anstalten, w ­ elche die Absicht haben, der Unterthanen äusserliches Betragen im gemeinen Leben in Ordnung zu bringen und zu erhalten, wie auch ihre zeitliche Glückseligkeit zu beförderen.247 Noch heutige Forschungen verstehen dementsprechend die gute Policey als guten Zustand eines Gemeinwesens in politischer, wirtschaftlicher und sittlich-­religiöser Hinsicht einschließlich der zugehörigen herrschaftlichen Normsetzung.248 Augenfällig ist, dass sich ein derart weit gefasster Policey-­Begriff, wie er am Ende des Spätmittelalters vermehrt im Kontext von „guter Ordnung“, „gutem Regiment“, „Sicherheit“ oder „Gemeinem Nutzen“ aufkam, weitgehend dem der Politik annähert.249 Die gemeinsame sprachliche Ableitung aus der griechischen politeía zeigt sich somit auch in der praktisch das gesamte Gemeinwesen umfassenden Bedeutung beider Begriffe. Die weitreichende und tief in das gesellschaftliche Leben eingreifende Zielsetzung der obrigkeitlichen Regelungsmaßnahmen wurde vor allem im 15. Jahrhundert sichtbar und unterschied sich von jener voriger Jahrhunderte. Waren nämlich die Ordnungen des 13. und 14. Jahrhunderts im Wesentlichen dem bestehenden Rechts- und Güterbestand verpflichtet gewesen und hatten auf dieser Basis das Zusammenleben in Dörfern und Städten funktional geordnet, verbanden sich diese Regeln nun mit allgemeinen policeylichen Zielvorstellungen, die häufig vor allem das sittliche Wohlverhalten der Adressaten zum Gegenstand hatten und daher etwa das Glücksspiel ebenso detailliert regeln 245 Willoweit, Landesherr, Landesherrschaft, Sp. 431. Willoweit, Rezeption und Staatsbildung, S. 30 – 37. 246 Willoweit, Obrigkeit, Sp. 1171 – 1173. 247 Moser, Johann Jacob, Von der Landes-­Hoheit, S. 2. 248 Landwehr, Policey vor Ort, S. 52; ähnlich auch schon H. Maier, Polizei, Sp. 1800, und Simon, „Gute Policey“, S. 112. Die ersten umfassenderen Ordnungen dieser Art lassen sich in Würzburg bereits im März 1279 nachweisen; Monumenta Boica 37, Nr. 435, S. 511 – 513; teilweise Übersetzung bei Hoffmann, Würzburger Polizeisätze, 33 – 37. Zur Frage der Datierung ebd., S. 33. Zu einzelnen policeylichen Normen im Hochstift und zum Policey-­Begriff im Allgemeinen zuletzt Bongartz, Jura vagabundorum, passim. Insbesondere Härter, Policey und Strafjustiz, S. 6, hat darauf hingewiesen, dass auch die Umsetzung derartiger normativer Vorgaben in der konkreten Praxis von Verwaltung und Justiz in ­diesem Zusammenhang stärker hervorgehoben werden muss; siehe diesbezüglich S. 230 – 235. 249 H. Maier, Polizei, Sp. 1800; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 369.

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konnten wie das Schankwesen.250 Mit dieser umfänglichen Vorstellung eines gelingenden gesellschaftlichen Zusammenlebens musste geradezu zwangsläufig auch eine entsprechende Herrschaftsverantwortung einhergehen, die mit den dazu erforderlichen obrigkeitlichen Rechten oder zumindest der Behauptung solcher Befugnisse durch die jeweiligen Herrscher korrespondierte.251 Die aufkommenden Ordnungen des 16. Jahrhunderts unterschieden sich schließlich nicht nur in Bezug auf ihre inhaltliche Reichweite von den vorhergehenden Regelungen, sondern auch hinsichtlich ihres Geltungsgrundes. Allmählich verschob sich ihr Charakter von dem des Privilegs oder der Einung, die oft noch von der landständischen Zustimmung abhingen, hin zu dem eines einseitigen Gebots.252 Eng verbunden war der Begriff der Obrigkeit auch mit dem des Territoriums, in dessen Grenzen die obrigkeitliche Herrschaft ausgeübt wurde.253 Auch wenn im Mittelalter und noch zu Beginn der Frühen Neuzeit Jurisdiktion als politisches Herrschaftsrecht nicht einem Territorium als Sacheigenschaft, sondern nur einer Person als persönliches Recht zukommen konnte,254 hatte sich im ­ausgehenden Mittelalter ein Prozess vollzogen, der in den Forschungen des 20. Jahrhunderts als Übergang vom Personenverbandsstaat zum institutionellen Flächenstaat beschrieben wurde und eine Verdinglichung von Herrschaftsrechten zum Gegenstand hatte.255 „Herrschaft verwandelte sich von einer Vielzahl 250 Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 122 f. Gerade hinsichtlich des Schankwesens wird die sittliche Dimension der Regelungen augenfällig. Neben Sperrstunde und sonstigen Ruhezeiten wurden auch Trinkgebräuche der Anwesenden sanktioniert, vgl. etwa die Policeyverordnung, das übermäßige Essen und Trinken, Fluchen, Schwören und anderes ungeziemliche Betragen, auch Hochzeiten, Gastereyen, Wirth und Gastgeber betreffend vom 30. 08. 1572 in: Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landes­ verordnungen, S. 23 – 25. Entsprechende Regelungen zur Mäßigung des Alkoholkonsums konnten auch Eingang in die Kanzleiordnungen finden, vgl. diesbezüglich die Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 74 f., und S. 253. 251 Selbst wenn der bloße Erlass derartiger Verordnungen nicht als Nachweis für ihre Umsetzung verstanden werden darf, ist der von ihnen geforderte Geltungsanspruch auf diskursiver Ebene nicht zu unterschätzen. So zeugt auch eine nicht eingehaltene Norm von einem Normgeber, der deren Einhaltung beansprucht; siehe hierzu S. 27 f. 252 Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 90; Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 77. 253 Willoweit, Territorium, Sp. 149. Die Beschreibung der spätmittelalterlichen Herrschaft mit den Begriffen Territorium und Territorialstaat wird in der Forschung ebenso wie Landes­herrschaft und Landeshoheit überwiegend als anachronistisch abgelehnt, Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 51 – 57 m. w. N. Auch der 1935 von Mayer, Staat der Herzöge, S. 350 – 364, insb. S. 351 f., geprägte Begriff des institutionellen Flächenstaats ist gegenwärtig in der Forschung nicht mehr konsensfähig, Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 58. 254 Willoweit, Territorium, Sp. 149. 255 Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 57; Willoweit, Territorialstaat, Sp. 146.

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v­ erschiedener H ­ errschaftsrechte über Personen zu einer einheitlichen Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet[.]“ 256 Wenngleich in d ­ iesem Kontext Herrschaft nach wie vor stark mit der Person des Landesherrn verbunden war, zeigt sich als Wesensmerkmal dieser erst allmählich entstehenden Flächenstaaten eine organisatorische Gemeinsamkeit: Herrschaftsrechte, insbesondere die Gerichtsgewalt, wurden nunmehr etwa von Vögten oder Pflegern als regionalen Amtsträgern wahrgenommen, die diese von wegen oder an stat des Landesherrn, also stellvertretend für diesen ausübten.257 Diese stellvertretende Herrschaftsausübung vor Ort war eine notwendige Vorbedingung für die Durchsetzung der verstärkt aufkommenden allgemeingültigen Anordnungen, w ­ elche die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsbeziehungen ­zwischen dem Landesherrn und den einzelnen Städten, Dörfern und Gerichten einzuebnen begannen.258 Bereits Peter Moraw hat das Ende des Mittelalters als ein Zeitalter der „Verdichtung“ beschrieben, das ein noch aus der Stauferzeit herrührendes Zeitalter der „Offenen Verfassung“ abgelöst habe, und darüber hinaus eine besonders intensive Phase der Verdichtung in den Territorien ab etwa 1460 ausgemacht.259 Noch jüngste Forschungen zur Gerichtsbarkeit im Heiligen Römischen Reich unterstellen den Fürsten bereits im Vorfeld der Reichsreform Maximilians I., dass sie „das Ziel [verfolgten], ihre Territorien zu verfestigen und sie langsam zu staatsähnlichen Gebilden heranreifen zu lassen.“ 260 Auch wenn diese Vorstellung zu teleologisch-­linear gedacht sein mag, ist sie doch im Kern zutreffend. Denn das Verständnis von fürstlicher Herrschaft hatte sich zum Ende des Mittelalters verändert. Ein wesentlicher Grund dafür lag im Aufeinandertreffen mit der Antike im Rahmen der Rezeption des Römischen Rechts, die sich ausgehend von den oberitalienischen Rechtsschulen seit dem späten 11. Jahrhundert allmählich vollzog und sich bereits in der Stauferzeit im – freilich noch nicht auf die Fürsten, sondern den bekanntlich von den quattuor doctores auf dem Reichstag von Roncaglia 1158 beratenen 261 ­Kaiser Friedrich I. Barbarossa bezogenen – Grundsatz omnis iurisdictio et omnis districtus apud principem est 262 manifestiert hatte.263 Wichtigster Bestandteil dieser Herrschaft 256 Stollberg-­R ilinger, Das Heilige Römische Reich, S. 16. 257 Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 15, 58; Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 85; ders., Territorialstaat, Sp. 147 f. 258 Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 77. 259 Moraw, Die Entfaltung der deutschen Territorien, S. 95, 125; grundlegend diesbezüglich ders., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, passim. 260 Schillinger, Die Neuordnung des Prozesses, S. 18. 261 Siehe hierzu auch S. 74 und Anm. 1645. 262 Weinrich (Hrsg.), Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Nr. 64b, S. 248. 263 Willoweit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit, S. 187.

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war die iurisdictio, also die Gerichtsgewalt und -herrschaft des princeps.264 Im Rahmen eines solchen, am Fürsten orientierten Verständnisses der Gerichtsherrschaft war auch der Auf- und Ausbau einer stärker zentralisierten Gerichtsorganisation geradezu selbstverständlich, sei es durch größeren Einfluss auf bereits bestehende Strukturen oder die Etablierung einer eigenen Appellationsgerichtsbarkeit in Justiz­ kanzleien oder Hofgerichten. Das neue Herrschaftsverständnis und der Ausbau einer zunehmend zentral organsierten Gerichtsbarkeit verstärkten sich gegenseitig. Denn in dem Maße, in dem ein Landesherr jene gelehrten Juristen an seinen Hof zog, die erforderlich waren, um eine Appellationsgerichtsbarkeit zu etablieren, verfestigte sich auch das aus dem Römischen Recht abgeleitete Herrschaftsverständnis, das diesen Ausbau legitimierte.265 Die enge Verbindung ­zwischen dem vermehrten Auftreten einer neuen Funktionselite von Juristen und der Verdichtung von Herrschaft im Spätmittelalter, die auch eine Begründung für die verschiedenen Entwicklungsgeschwindigkeiten in verschiedenen Gebieten Europas einerseits und innerhalb des Reiches andererseits bietet, kann kaum überschätzt werden.266 Umgekehrt fand der Ausbau der landesherrlichen Gerichtsbarkeit nicht in einem rechtsleeren Raum statt. Besonderen Schutz verdienten die als iura quaesita oder in der Moderne meist als wohlerworbene Rechte bezeichneten subjektiven Rechte, die durch besondere Rechtstitel, also insbesondere durch Privilegien, aber auch durch Verträge erworben worden waren.267 Zu ihrer Überwindung bedurfte es nach der zeitgenössischen Auffassung einer iusta causa, die sich etwa aus dem Vorrang des bonum commune ergeben konnte.268 Gerade in Würzburg, wo aufgrund der starken 264 Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 17 – 47, 186 – 213; ders., Einführung: Rechtsprechung und Justizhoheit, S. 12 („iurisdictio als Inbegriff der herrschaftlichen Rechte“); ders., Selbständigkeit und Unabhängigkeit, S. 187 f.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 156 f.; Stollberg-­R ilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 28 („Gerichtsbarkeit als Inbegriff aller Herrschaftsrechte“). 265 Daher liegt in der Annahme, dass „der Vormarsch des Römischen Rechts als Grund für die Einrichtung von Hofgerichten“ herangezogen werden kann, auch keine Vertauschung der „Kategorien von Ursache und Wirkung“; so aber Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 49, gegen die entsprechende Auffassung Duchhardts, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 57. Gleichwohl ist Süss darin beizupflichten, dass sich durch die Rezeption der Aufbau einer institutionell vom fürstlichen Rat abgekoppelten Hofgerichtsbarkeit nicht ohne Weiteres erklären lässt. 266 Auf diesen Zusammenhang hat bereits Moraw, Die Entfaltung der deutschen Territorien, S. 111 – 115; ders., Rechtspflege und Reichsverfassung, S. 12 – 15; ders., Neue Ergebnisse der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 65 f., hingewiesen. Vgl. ferner etwa Kroeschell, Die Rezeption der gelehrten Rechte, passim. 267 Olechowski, Jura quaesita, Sp. 1424; Willoweit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit, S. 190. 268 Willoweit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit, S. 190.

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Stellung des regionalen Adels auch das Gerichtswesen, vor allem hinsichtlich einer bestimmten Besetzung, durch Verträge mit dem Adel oder – meist im Wege der Wahlkapitulationen – mit dem Domkapitel festgeschrieben war, konnte der Aufbau einer stärker zentral organisierten Gerichtsbarkeit also nicht schrankenlos geschehen. Diese allgemeine Entwicklung in den frühneuzeitlichen Territorien des Reichs musste mit Veränderungen in der Ausübung von obrigkeitlicher Gewalt einhergehen. Je mehr Aufgaben die Herrschaft in einem Territorium umfasste und je konsequenter entsprechende Anordnungen auch außerhalb des Sitzes der sich allmählich verbreiternden fürstlichen Hofhaltung durchgesetzt werden sollten, desto umfangreicher musste eine entsprechende Verwaltung des Territoriums organisiert werden. Neben dem Ausbau einer lokalen Ämterstruktur waren dabei etwa die Kommunikation der Amtsträger mit der Kanzlei und eine Schriftgutverwaltung, die die Durchsetzung eigener Rechtsansprüche gegenüber benachbarten Reichsunmittelbaren gewährleistete, eine notwendige Bedingung zur Durchsetzung der fürstbischöflichen Herrschafts- und Gerichtsmacht. Zunächst war dazu die Ausbildung verschiedener Ämter erforderlich, in denen es zu einer Bündelung landesherrlicher Befugnisse kam. Die umfassende Vertretung des Landesherrn durch den jeweiligen Amtmann, die etwa militärische, finanzielle und gerichtliche Kompetenzen mit sich brachte, machte das Ämterwesen, das für das Hochstift schon im ausgehenden 13. Jahrhundert nachweisbar ist,269 zum Ausdruck eines allmählich flächig und somit territorial angelegten Herrschaftsverständnisses, ohne das die Entwicklung zum späteren institutionellen Flächenstaat nicht denkbar gewesen wäre.270 Mit dem politischen Einfluss der Landesherren ging auch ein zwangsläufiger Ausbau der Schriftlichkeit einher,271 der nach innen und außen betrieben wurde. Einerseits mussten Streitigkeiten mit den Nachbarterritorien  – in Würzburg ­Gebrechen genannt  272 – bewältigt werden. Dazu war es erforderlich, zum einen eine schriftliche Korrespondenz zu führen, in der ein- und ausgehende Schriftstücke verzeichnet wurden, und zum anderen das Schriftgut derart zu verwalten, dass bestehende Rechte gegenüber den Kontrahenten nachgewiesen werden konnten. Andererseits musste der sich steigernden Reichweite landesherrlicher Regelungen dadurch Rechnung getragen werden, dass diese den einzelnen Ämtern auch schriftlich zugingen, um eine umfassende Verkündung zu gewährleisten und so eine Befolgung überhaupt erst möglich zu machen. Umgekehrt waren die Amtmänner gehalten, Verstöße gegen obrigkeitliche Anordnungen zu melden, was wiederum 269 270 271 272

Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 15; Sprandel, Die territorialen Ämter, S. 46 f. Sprandel, Die territorialen Ämter, S. 45. Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 107. Dazu insb. S. 238, 293 f. und 372.

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den Bedarf nach einer gut funktionierenden Verwaltung in den Schreibstuben der einzelnen Territorien erhöhte, in denen diese Berichte registriert werden mussten. Zentralstelle der Verwaltung eines jeden Territoriums war die Kanzlei, die als Ort der verschriftlichten Herrschaftsausübung zum „große[n] Schrittmacher bei der Entpersonalisierung der Herrschaftspraxis“ 273 wurde. Mit der wichtiger werdenden Funktion der Schreibstuben oder Kanzleien bei der Ausbildung der Landesherrschaft musste auch ein Bedeutungsgewinn des zwangsläufig professionelleren Personals einhergehen. Vielerorts fanden sich im späten Mittelalter oberste Schreiber oder Protonotare, die – meist als Kleriker an Domschulen ausgebildet – außer über Schrift- auch über Rechtskenntnisse verfügten und daher eine hervorragende Rolle unter dem landesherrlichen Personal einnahmen.274 Am Ende des 15. Jahrhunderts waren sie daher in vielen Territorien des Reichs als Kanzler weniger der ursprünglichen Kanzleitätigkeit zugeordnet, sondern wirkten meist im engeren Umfeld des Landesherrn an dessen Herrschaft und Regierung mit.275 Schließlich ist auch die Verfestigung von Ratsgremien, wie sie bereits für das Hochstift dargelegt wurde, ein Strukturmerkmal der neuzeitlichen Territorien. Schon seit der Mitte des 15. Jahrhunderts sind Ratsgremien nachweisbar, die mit einer festen Mitgliederzahl regelmäßig tagten.276 Eine stärkere Institutionalisierung, die sich durch festgelegte Kompetenzen, durch eine Geschäftsordnung zum Ablauf der Sitzungen und Abstimmungen sowie zu den vorgesehenen Ratszeiten und durch vergleichbare Anordnungen manifestierte, fand hingegen überwiegend erst im Laufe des 16. Jahrhunderts statt.277 Eine besondere Rolle nahmen dabei fast überall im Reich die weltlichen gelehrten Räte ein, die für den Beratungsvorgang im Allgemeinen, vor allem aber für die juristische Praxis im Speziellen entscheidende Bedeutung hatten.278 b.  Kanzleien als landesherrliche Justizkollegien Mit der erstmaligen quellenmäßigen Erwähnung der Würzburger Kanzlei als gerichtlichem Spruchkollegium im Jahr 1474 wird auch im Hochstift eine Entwicklung deutlich, die sich vielerorts im Heiligen Römischen Reich vollzog: Es entstanden 273 274 275 276 277 278

Schubert, Fürstliche Herrschaft, S. 87. Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 107. Ebd., S. 108. Ebd., S. 111. Ebd., S. 111. Ebd., S. 112.

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unter den Namen Kanzlei, fürstliche Ratsstube, Hofrat oder Regierung Einrichtungen unter landesherrlicher Besetzung, die sich zunehmend – s­ päter mancherorts zuweilen auch als reine Justizkollegien ausschließlich – mit der Rechtsprechung befassten.279 Verbunden war ihre Errichtung mit der zunehmend stärkeren Stellung der Landesherren in den einzelnen Territorien. Solange deren Gerichtsmacht noch maßgeblich vom ­Kaiser abgeleitet war und sie etwa bei Adelsfehden als gewählte Schlichter auftraten 280 und in dieser Position maßgeblich von der Anerkennung der Parteien abhängig waren, konnte auch ein von ihnen abgeleitetes Gremium nicht umfassend als Gericht anerkannt werden. Zum Ende des 15. Jahrhunderts hatte sich jedoch die Machtposition der Landesherren weiter verdichtet; ein Zustand, der sich auch im bereits erwähnten rechtlichen Austrag niederschlug, wie er in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 vorgesehen war.281 Im Zusammenhang mit der sich erweiternden Fürstenmacht waren wohl schon im 15. Jahrhundert Rechtssprichwörter wie „jeder Fürst ist ­Kaiser in seinem Lande“ aufgekommen,282 ­welche die gestiegene Bedeutung insbesondere der Reichsfürsten illustrieren. Der jeweilige Landesherr galt nun zunehmend als oberster Gerichtsherr, dessen Entscheidungen, je nach Reichweite der von ihm erworbenen Appellationsprivilegien, selbst durch die Reichsgerichte nicht aufgehoben werden konnten.283 Mit erhöhtem Prozessaufkommen konnten die Landesherren gerichtliche Entscheidungen jedoch nicht mehr selbst treffen und bedienten sich daher ihrer Hofräte zur Erfüllung der gerichtlichen Aufgaben.284 Die Ausübung der obersten territorialen Gerichtsbarkeit durch die fürstlichen Räte als Regierungs- und Verwaltungsgremium entspricht insoweit dem frühneuzeitlichen Herrschaftsverständnis, das dem Landesherrn eine weitreichende Landeshoheit zugestand.285 Zwar gab es neben den Kanzleien und der dortigen Tätigkeit der fürstlichen Hofräte noch andere höhere Gerichte in den Territorien, im Hochstift etwa das 279 280 281 282 283 284 285

Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege, S. 4. Ebd., S. 2 f. Siehe dazu bereits S. 50 f. Schlinker, Fürstenamt und Rezeption, S. 295. Zu den Appellationsprivilegien siehe S. 218 – 220. Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege, S. 4 f. Stodolkowitz, Das Oberappellationsgericht Celle, S. 19. Sichtbare, überwiegend noch spätmittelalterliche Zeichen ­­ dieser landesherrlichen und insbesondere fürstlichen Machterweiterung waren etwa die zunehmende Verleihung von privilegia de non evocando et de non appellando, siehe S. 218 – 220, und der Übergang von der ausschließlichen Bannleihe durch den König zu den Territorialherren, die sie in ihrer Herrschaft vergaben, Schlinker, ­Fürstenamt und Rezeption, S. 288. In Würzburg war dieser Übergang bereits mit der Goldenen Freiheit vollzogen worden, siehe dazu schon S. 41 – 43 und Schlinker, Fürstenamt und Rezeption, S. 282.

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kaiserliche Landgericht und das Hof- oder spätere Ritterlehengericht.286 Da allerdings die Räte sehr regelmäßig, meist mehrmals pro Woche, tagten, waren sie den ständisch verfassten Gerichten mit deren festen periodisch, oft nur vierteljährlich stattfindenden Gerichtstagen organisatorisch überlegen.287 Als besoldete Räte waren sie außerdem stärker dem Landesherrn verpflichtet als die Urteiler an anderen Gerichten, wenngleich vor allem die adeligen Räte auch in regionale Beziehungs-, Verwandtschafts- und Loyalitätsnetzwerke eingebunden waren und daher auch eigene Interessen verfolgten.288 Gewissermaßen als Kehrseite 289 des zeitgenössischen Herrschaftsverständnisses 290 bestand für die Untertanen die Möglichkeit, sich mit verschiedentlichen Anliegen im Wege von Bittschriften, sogenannten Suppliken, an den Landesherrn als obersten Gerichtsherrn und Richter zu wenden, ohne dass es dazu gesonderter rechtlicher Voraussetzungen bedurft hätte.291 Insbesondere war die Supplikationsmöglichkeit weder von der sozialen, ethnischen oder regionalen Herkunft noch der Religionsoder Konfessionszugehörigkeit abhängig und konnte von Einzelpersonen ebenso wie von Personenmehrheiten genutzt werden.292 Die Supplikationspraxis in der 286 Siehe zu Land- und Hofgericht S. 93 – 127 bzw. 151 – 176. 287 Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege, S. 5. Zu den verschiedenen Würzburger Gerichten im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit siehe S. 92 – 209. 288 Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 656. 289 Bzgl. der Suppliken an den ­Kaiser gehen etwa Haug-­M oritz/Ullmann, Frühneuzeitliche Supplikationspraxis, S. 178, für die monarchische Herrschaftspraxis davon aus, dass „die normgebende Gewalt des Monarchen und seine Gnadengewalt zwei Seiten einer Medaille darstellen“, die „unauflöslich miteinander verwoben sind.“ Denn Bittschriften waren naturgemäß nur zweckmäßig, wenn sie sich an jemanden richteten, der die Macht hatte, die begehrte Gunst auch zu erweisen, Würgler, Bitten und Begehren, S. 20. 290 Dazu bereits S. 60 – 65. 291 Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 310, der aber – durchaus zeitgenössisch, vgl. etwa das bischöfliche Mandat Das übermäßige Suppliciren der Unterthanen an die hochfürstliche Regierung betreffend in: Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landesverordnungen, S. 1; ferner Lackner, Fiat (ut petitur), S. 287 – von „Supplikation“ spricht. Vgl. zu den Suppliken auch Dolezalek, Suppliken, Sp. 94 – 97, insb. Sp. 96. Zu unterscheiden von diesen Suppliken im weiten Sinne ist die Supplikation im Kameralprozess vor dem Reichskammergericht, mit der die Eröffnung des Verfahrens durch den Kläger beantragt wurde, über die dann im sog. Extrajudizialverfahren entschieden wurde, Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 171. Pionierarbeit zur Erforschung der Supplikationspraxis leistete Neuhaus, Reichstag und Supplikationsausschuß, und ders., Supplikationen als landesgeschichtliche Quelle, 2 Teile. 292 Würgler, Bitten und Begehren, S. 17, 40; ebenso Härter, Das Aushandeln von Sanktionen, S. 253, mit dem Hinweis auf den jedenfalls faktisch häufigen Ausschluss von Vaganten, Heimatlosen und fremden Bettlern. Zur geographischen und sozialen Herkunft und Konfession der Supplikanten Hausmann/Schreiber, Euer Kaiserlichen Majestät,

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Frühen Neuzeit wird mittlerweile als asymmetrischer Kommunikationsvorgang ­zwischen Obrigkeit und Untertanen begriffen, der sich in der Zeit um das Jahr 1500 stärker formalisierte, indem nun die Bitten schriftlich vorgebracht werden mussten und neben einem an Urkundentexte erinnernden Aufbau eine spezifische sprachlich-­rhetorische Gestaltung aufwiesen.293 Inhaltlich hatten diese Bittschriften, deren Nutzung durch die Untertanen in der Frühen Neuzeit stark anstieg,294 eine erhebliche Bandbreite 295 und enthielten oft auch Beschwerden gegen andere Personen oder die fürstlich eingesetzten Amtmänner.296 In den rechtshistorischen Forschungen wurden die Suppliken, trotz oder wegen ihrer sehr zahlreichen zeitgenössischen Bezeichnungen, zunächst häufig in Gnaden- und Justizsuppliken eingeteilt.297 Neuere Forschungen differenzieren hingegen Untertanensuppliken an den ­Kaiser etwa nach Bitten erstens um Gunsterweisungen, etwa die Privilegienerteilung, zweitens um kaiserliche Hilfe bei der Verfolgung ökonomischer Ansprüche etwa schuldrechtlicher oder erbrechtlicher Natur und drittens um kaiserlichen Schutz aus Anlass strafrechtlicher Verfolgung.298

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S. 88 f. Offenbar spielte die konfessionelle Zugehörigkeit auch bei der Argumentation in den Schreiben keine bedeutende Rolle, ebd., S. 89. Haug-­M oritz/Ullmann, Frühneuzeitliche Supplikationspraxis, S.  178, 181 f., Hausmann/Schreiber, Euer Kaiserlichen Majestät, S. 76, 78. Zum formularmäßigen Aufbau der Suppliken an ­Kaiser und Reichshofrat etwa Hausmann, Sich ahn höhern Orten beclagen, S. 218; Hausmann/Schreiber, Euer Kaiserlichen Majestät, S. 90 – 95; Ortlieb, Untertanensuppliken am Reichshofrat, S. 266, und im Allgemeinen Nubola/ Würgler, Einführung, S. 9 f., und Würgler, Bitten und Begehren, S. 42 f., m. w. N. zur umfänglichen Anleitungsliteratur. Entsprechend dürften die meisten Suppliken von professionellen Schreibern erstellt worden sein, Würgler, Bitten und Begehren, S. 40, die sich zur Steigerung der Erfolgsaussichten auch den Erwartungen der angerufenen Obrigkeit anpassten, Rudolph, Sich der höchsten Gnade würdig, S. 446. Willoweit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit, S. 194. Hausmann/Schreiber, Euer Kaiserlichen Majestät, S. 76, 89 f.; Härter, Das Aushandeln von Sanktionen, S. 244; Würgler, Bitten und Begehren, S. 17, 20. Hausmann/Schreiber, Euer Kaiserlichen Majestät, S. 79. Würgler, Bitten und Begehren, S. 20. Für diese Einteilung ist vor allem Hülle, Das Supplikenwesen in Rechtssachen, S. 194, eingetreten, der sich allerdings für eine Bezeichnung der Justiz- als Rechtssuppliken aussprach. Ihm folgen in der dichotomen Kategorienbildung etwa Dolezalek, Suppliken, Sp. 94, 96, Lackner, Fiat (ut petitur), S. 287, und Neuhaus, Supplikationen als landesgeschichtliche Quelle, Tl. 1, insb. S. 116 – 161. Kritisch dazu etwa Blickle, Supplikationen und Demonstrationen, S. 281 f.; Härter, Das Aushandeln von Sanktionen, S. 245; Ortlieb, Untertanensuppliken am Reichshofrat, S. 266. Schreiber, Die Ausübung kaiserlicher Gnadengewalt, S. 220 – 222. Die zweite und dritte Gruppe machten insgesamt über 50 % aller Eingaben aus. Eine andere Einteilung nimmt Ortlieb, Untertanensuppliken am Reichshofrat, S. 271 – 273, für die Zeit Karls V. vor. Auch hier bilden aber „unbefriedigte Ansprüche oder Beschwerden […] etwa eine nicht

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Vor allem im Rahmen der zweiten und dritten Gruppe zeigt sich eine enge Beziehung zur Gerichtsbarkeit, die natürlich auch auf territorialer Ebene im Rahmen der Suppliken an den Bischof bestehen konnte, wenn lokale Herrschaftsträger oder Gerichte agierten. Die Suppliken konnten sich daher auch auf laufende oder abgeschlossene gerichtliche Verfahren beziehen und so außerhalb des – modern gesprochen – ordentlichen Verfahrensgangs zu einer Entscheidung des Landesherrn selbst oder, wenn dieser die Sache durch seine Räte behandeln ließ, seiner Kanzlei oder seines Hofrats führen.299 Suppliken konnten sich also auch auf laufende Verfahren auswirken, obwohl schon zeitgenössische Juristen der Auffassung waren, dass das Supplizieren bei Rechtshängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens im Allgemeinen oder einer Appellation im Speziellen nicht erlaubt sein sollte.300 Sie können demnach als „integrierender Bestandteil der Justizpraxis“ verstanden werden.301 Generell lösten Suppliken einen nicht unerheblichen Teil des Regierungsund Verwaltungshandelns aus.302 Sie offenbaren sich daher als wirksame Verständigungskanäle von „unten nach oben“ und erweisen, dass die Kommunikation ­zwischen Herrschenden und Beherrschten in der Frühen Neuzeit keinen einseitigen Prozess darstellte.303 Von den Suppliken an den ­Kaiser der zweiten Gruppe wurden immerhin 70 % zugunsten des Supplizierenden beschieden, sodass an die Fürsten ein Fürbittschreiben erging, das sie zum Handeln in der Angelegenheit anregen sollte.304 Gerichtliche und außergerichtliche Verfahren sollten daher nicht isoliert voneinander betrachtet werden.305 Wertvolle Impulse hat ­diesbezüglich

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durchzusetzende finanzielle Forderung oder ein nicht korrekt geführtes Rechtsverfahren“ eine eigene Kategorie, ebd., S. 272, die immerhin z­ wischen der Hälfte und zwei Dritteln der Ansuchen ausmachte. Dolezalek, Suppliken, Sp. 96; Härter, Das Aushandeln von Sanktionen, S. 245; insb. zum Zusammenhang von Supplikationspraxis und Appellationsverbot in Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit ebd., S. 248. Geradezu rechtshistorische Berühmtheit für die Bedeutung des Supplizierens in Bezug auf laufende Verfahren hat der sog. Müller-­Arnold-­ Fall erlangt, in dem König Friedrich II. von Preußen in Reaktion auf die Supplik eines Müllers in ein gerichtliches Verfahren im Wege des Machtspruchs eingriff, vgl. etwa die Darstellung bei Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 186 – 188. Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 365. Nubola/Würgler, Einführung, S. 11. Hausmann, Sich ahn höhern Orten beclagen, S. 205; Hausmann/Schreiber, Euer Kaiserlichen Majestät, S. 80; Würgler, Bitten und Begehren, S. 36. Die „Bedeutung der individuellen Initiativen […] für die Ingangsetzung staatlicher Entscheidungsverfahren“ betont auch Holenstein, Klagen, Anzeigen und Supplizieren, S. 369. Schennach, Herrschaft im Land, S. 109 f. m. w. N. Schreiber, Die Ausübung kaiserlicher Gnadengewalt, S. 226 f. So etwa für die Tätigkeit des Reichshofrats Schenk, Das frühneuzeitliche Kaisertum, S. 248.

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auch das Konzept der Justiznutzung gegeben, wonach die Akteure unter verschieden bestehenden Angeboten der Konfliktbewältigung nach Maßgabe der eigenen Interessen wählten und daher nicht zwingend nach einer obrigkeitlichen Auflösung der Konfliktsituation strebten.306 Auch spitzfindige zeitgenössische Anwälte stellten bereits einen engen Zusammenhang ­zwischen Supplikenwesen und gerichtlichem Verfahren her. Im Versuch, die Appellation vom Würzburger Stadtgericht als unzulässig erklären zu lassen, verwiesen die Parteivertreter darauf, dass eine Appellation von stadtgerichtlichen Urteilen grundsätzlich unzulässig und eine s­ olche an das Reichskammergericht überdies nicht erforderlich sei, weil eine Rechtsverkürzung des Betroffenen wegen der Supplikationsmöglichkeit an den Bischof nicht zu befürchten sei.307 Es ist ersichtlich, dass die Möglichkeit, sich jederzeit an den Landesherrn oder seine Räte zu wenden, zu einer erheblichen Arbeitsbelastung der Kanzleien führen musste, sodass sich immer wieder obrigkeitliche Versuche in den Rats- und Kanzleiordnungen zeigen, die Supplikationsmöglichkeit an ein bestimmtes Verfahren, insbesondere an die vorherige Beschwerde bei einem lokalen Amtmann zu binden.308 Auch deshalb wurde das Supplikenwesen immer wieder Gegenstand der Kanzleiordnungen oder policeylicher Mandate.309 In dem Maße, in dem die Obrigkeit auf das Verbot unnötiger oder geringfügiger Appellationen hinwies, wurde aber die aus dem fürstlichen Selbstverständnis abgeleitete generelle Supplikationsmöglichkeit auch normativ gefestigt, mithin ihre grundsätzliche Legitimität ausgewiesen.310 Außerhalb dieser auch ohne vorhergehendes Verfahren möglichen Suppliken konnten die Untertanen auch im Wege der Appellation von anderen Gerichten an die Hofräte des Fürsten gelangen, um dort die Aufhebung eines gerichtlichen 306 Im Zusammenhang mit der Supplikationspraxis entsprechend Würgler, Bitten und Begehren, S. 26. Zum Konzept der Justiznutzung als Umgang der Zeitgenossen mit den Gerichten als „obrigkeitliches institutionelles Angebot […], dessen Inhalt nur zum Teil durch die Gerichtsherren determiniert wurde“, Dinges, Justiznutzungen als soziale Kontrolle, S. 505, ausführlich ebd., passim. Zur Justiznutzung der Parteien im Rahmen von wechselrechtlichen Streitigkeiten Amend-­Traut, Konfliktlösung bei streitigen Wechseln, S. 170 – 173. 307 Zur Argumentation in ­diesem Verfahren, BayHS tA, RKG S0022 (Bestellnr. 11184), Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 222, 227, 235 f., der allerdings den Quellenwert des Parteivortrags überschätzt, wenn er hieraus folgert, „die Bittschrift an den Landesherrn in gerichtlichen Dingen“ sei als „auf dem Weg zum Rechtsmittel“, ebd. S. 237, zu verstehen oder zeitgenössisch verstanden worden. 308 Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 313; ausführlicher dazu S. 204 f., 302 – 305. 309 Siehe dazu S. 204 f., 302 – 305. 310 Härter, Das Aushandeln von Sanktionen, S. 249.

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Urteils und eine endgültige rechtsförmige Entscheidung herbeizuführen, sofern nicht eine gütliche Einigung mit der gegnerischen Partei möglich war.311 Eine personelle oder institutionelle Trennung derjenigen Tätigkeiten des Rates, die nach heutigem Verständnis als Verwaltungs- oder Regierungshandeln verstanden werden, von seiner Aufgabe als Rechtsprechungsgremium existierte jedenfalls zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch nicht. Gleichwohl nahmen auch die Zeitgenossen einen Unterschied von Parteiangelegenheiten und sonstigen, stärker politisch relevanten Angelegenheiten wahr, die ebenso Streitigkeiten ­zwischen zwei oder mehr Akteuren unter Klärung bedeutender Rechtsfragen behandeln konnten.312 Dies zeigte sich etwa daran, dass entsprechende Verhandlungen von den Räten gesondert voneinander vorgenommen und die Ergebnisse in verschiedenen Ratsoder Protokollbüchern notiert wurden.313 Ebenfalls an politische oder religiöse Autoritäten waren die sogenannten Beschwerden oder Gravamina als Nöte oder Klagen gerichtet.314 Auf einer vordergründigen Ebene stellen sie das Gegenbild zu den Suppliken als Bitten an die Obrigkeit dar. Gemeinsam ist beiden die „Methode des Aushandelns und Vereinbarens“ in den Bereichen von Verwaltung, Justiz und Politik,315 die in einem kommunikativen Akt begründet lag. Die Gravamina unterscheiden sich aber insofern recht deutlich von den Suppliken, als sie zumeist kollektiv getragen und von „institutionalisierten Anlässen oder Phasen größerer Auseinandersetzung“ abhängig waren.316 Typisch ist ihr Auftreten als listenförmige Beschwerden.317 Sie gingen also etwa von der Bürgerschaft, dem Domkapitel oder der Ritterschaft aus und intensivierten sich in Zeiten, in denen größere Missstände herrschten. Anders als bei den Suppliken ist daher keine größere Nähe zu gerichtlichen, sondern eher zu politischen Auseinandersetzungen festzustellen.

311 Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 310 f. Ausführlich zu den Appellationen S. 76 – 79. 312 Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 310. 313 Diese Trennung zeigt sich nicht nur in Würzburg, vgl. hierzu die zunehmende Ausdifferenzierung der Schreibämter, S. 289 – 301, sondern allgemein in den Rats­ordnungen des 16. Jahrhunderts, Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungs­organisation, S. 311 f. 314 Nubola/Würgler, Einführung, S. 7. 315 Ebd, S. 12; zur Vielseitigkeit des Supplizierens als Handeln, Taktieren und Fordern auch Rudolph, Sich der höchsten Gnade würdig, S. 422. 316 Nubola/Würgler, Einführung, S. 8. 317 Würgler, Bitten und Begehren, S. 19.

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c.  Rezeption des römisch-kanonischen Rechts Der bereits erwähnte Anstieg der Schriftlichkeit in der Herrschaftsausübung des späten Mittelalters hatte eine Verbesserung der Kanzleiorganisation notwendig gemacht. Entscheidenden Anteil nicht nur an ­diesem Verschriftlichungsprozess, sondern auch an der fortschreitenden Entwicklung frühneuzeitlicher (Vor-)Staatlichkeit im Allgemeinen hatte die allmähliche Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts in den Gebieten des Reichs.318 Bereits im Hochmittelalter setzte eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem römisch-­kanonischen Recht ein, die auf der akademischen Beschäftigung mit einer durch den oströmischen K ­ aiser Justinian I. zusammengestellten Sammlung von Rechtsquellen, dem ab 1583 sogenannten corpus iuris civilis, einerseits und dem Kirchenrecht andererseits beruhte.319 Ausgehend von der Bologneser Universität, deren Gründung in der Neuzeit auf das Jahr 1088 datiert wurde, die sich vermutlich jedoch erst in den Jahren 1130 bis 1140 als Ort eines kontinuierlichen Unterrichts herausbildete,320 entstanden in ganz Europa Universitäten, an denen das Recht nach der scholastischen Methode gelehrt wurde. Die Verbreitung des corpus iuris civilis wurde nicht nur durch die Universitätsentwicklung, sondern auch durch den Buchdruck mit beweglichen Lettern begünstigt, sodass allein in der Zeit z­ wischen 1500 und 1536 dreißig Auflagen der Institutionen als Teil des corpus iuris civilis und allmählich auch deutsche Übersetzungen erschienen.321 Europäische Bedeutung hatte auch das kanonische Recht, das seit 1580 auch im amtlichen Sprachgebrauch der katholischen ­Kirche als corpus iuris canonici bezeichnet wurde.322 Diese Sammlung, die überwiegend aus spätantiken und mittel­alterlichen Konzilsnormen (canones) und päpstlichen Rechtssätzen (decretales) bestand, ging auf die concordia discordantium canonum zurück, die um 1140 von Gratian verfasst worden war, der in Bologna gelehrt hatte.323 Sukzessive um weitere Konzilstexte und päpstliche Anordnungen des 12. bis 14. Jahrhunderts erweitert, wurde das corpus iuris canonici in der editio romana 1582 kirchenamtlich publiziert.324 318 319 320 321 322 323

Willoweit, Rezeption und Staatsbildung, S. 19. Schlinker, Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts, Sp. 201. Rüegg, Themen, Probleme, Erkenntnisse, S. 24; Weimar, Bologna, Sp. 375. Meder, Schriftlichkeit, Papier und Recht, S. 232. Luig, Mos gallicus, mos italicus, Sp. 692; Thier, Corpus Iuris Canonici, Sp. 894. Belloni, Bologna, Sp. 641; Landau, Gratian, Sp. 530; Thier, Corpus Iuris Canonici, Sp. 895. 324 Thier, Corpus Iuris Canonici, Sp. 896 – 901.

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Das römische und das kanonische Recht wurden ausgehend von der Universität Bologna auch an anderen europäischen Universitäten in den Disziplinen der Legistik beziehungsweise Kanonistik gelehrt.325 Die beiden corpora bildeten die wesentlichen Rechtsquellen des sogenannten ius commune, das eben als Gemeines Recht im ganzen Heiligen Reich und darüber hinaus in weiten Teilen Kontinentaleuropas Geltung fand.326 Insofern ist es gleichzeitig als Gegenbegriff zu den lokalen und territorialen Rechtsquellen zu verstehen, die wegen ihres insbesondere räumlich, aber auch personell beschränkten Geltungsbereichs als Partikularrecht bezeichnet werden, das sich etwa aus örtlichen Statuten und Gewohnheitsrecht ergeben konnte.327 Die weitreichende Geltung des Gemeinen Rechts gründete vor allem auf der verstärkten theoretischen Beschäftigung mit dem römisch-­kanonischen Recht und wirkte so allmählich auf die Rechtspraxis ein. Maßgeblich handelte es sich dabei um einen Prozess der Verwissenschaftlichung, der vor allem die Dogmatik und Methode der Rechtsanwendung betraf.328 Die darin ausgebildeten Juristen wirkten dann zunächst von den Universitäten aus als Gutachter auf die zunächst vor allem oberitalienische Rechtspraxis ein.329 Von überragender Bedeutung für den umfassenden Eingang des römisch-­kanonischen Rechts in die Rechtspraxis des Reiches waren aber diejenigen an den Universitäten ausgebildeten Juristen, die als gelehrte Räte und somit als Berater und Urteiler am Kaiserhof und in den Fürstentümern fungierten. Schon K ­ aiser Friedrich I. Barbarossa, der die Universitätsentwicklung durch die authentica habita gefördert hatte, bediente sich auf dem Reichstag von Roncaglia 1158 der Beratung durch vier Bologneser Doktoren, die quattuor doctores.330 In der Folgezeit brachten zahlreiche Studenten, die vornehmlich in Frankreich oder Italien, ab dem 14. Jahrhundert allmählich auch in Deutschland,331 die Rechte studiert hatten, ihr Wissen um das römisch-­kanonische Recht zurück in ihre Herkunftsgebiete und prägten in den Städten oder an den fürstlichen Höfen als gelehrte 325 Belloni, Bologna, Sp. 641 f. 326 Lepsius, Ius Commune, Sp. 1333; Schwaibold, Gemeines Recht, Sp. 1214. 327 Becker, Partikularrecht, Sp. 1524; Lepsius, Ius Commune, Sp. 1333; Luig, Gemeines Recht, Sp. 60. Zum Verhältnis von Gemeinem Recht zu den einzelnen Partikularrechten siehe S. 115 – 119. 328 Schlinker, Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts, Sp. 202 f. 329 Manthe, Corpus Iuris Civilis, Sp. 905. 330 Dilcher, Friedrich I. Barbarossa (1122 – 1190), Sp. 1834; Hammerstein, Universitäten, Sp. 492. 331 In den deutschen Gebieten erfolgten die ersten Universitätsgründungen mit Prag (1348), Wien (1365), Erfurt (1379), Heidelberg (1386), Köln (1388) und Leipzig (1409) erst im 14. Jahrhundert, Hammerstein, Universitäten, Sp. 494. Insofern ist auch der erste – gescheiterte – Versuch einer Universitätsgründung in Würzburg schon 1402 bemerkenswert, vgl. dazu Endres, Schulen und Hochschulen, S. 319 – 321.

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Räte die dortige Rechtsprechung und Verwaltung. Andere lehrten vornehmlich als kirchliche Juristen neben dem kanonischen Recht auch Teile des Römischen Rechts an Kloster-, Dom-, Stadt- oder Ordensschulen.332 Vor allem an den Bischofssitzen, und so auch in Würzburg, waren römisch-­kanonische Rechtstraditionen auch aus dem Kirchenrecht bekannt, das insbesondere von den bereits seit dem frühen 13. Jahrhundert bestehenden Offizialaten zur Anwendung gebracht wurde. Allmählich traten neben die adeligen Berater der Landesherren auch Juristen als Entscheidungsträger, die einen rationalen Umgang mit Rechtsbegriffen erlernt hatten und so dazu beitrugen, dass einer entsprechenden Gesetzgebung in der Neuzeit der Weg geebnet wurde.333 Diese häufig bürgerlichen Gelehrten avancierten rasch zu einer einflussreichen Elite im Reich, deren Stellung mehr auf Leistung als auf adeliger Geburt gründete.334 Die Zunahme 335 gelehrter Juristen in den zentralen Positionen der städtischen und landesherrlichen Verwaltung und am Hofe der Fürstentümer und Herrschaften – im Hochstift Würzburg wurde etwa das wichtige Amt des Kanzlers ab dem späten 15. Jahrhundert durch gelehrte Juristen besetzt 336 – führte nun nicht nur im Rahmen der Kommunikation mit den Ämtern, in der Kanzleiregistratur und bei politischen Auseinandersetzungen, sondern auch in Rechtssachen zu einer zunehmenden Verschriftlichung, sodass bereits im 15. Jahrhundert ein größerer Teil der rechtlichen Streitigkeiten schriftlich abgewickelt wurde.337 Zur Bewältigung dieser Verfahren bedurfte es jedoch auf Seiten der Parteien wie der Gerichte weiterer Juristen, um die erforderlichen Schriftsätze zu verfassen beziehungsweise adäquat zu würdigen. Die erhöhte Schriftlichkeit und das römisch-­rechtlich beeinflusste Verfahren erforderten auch eine stärkere Professionalisierung der vor Gericht auftretenden Personen. Die Parteien mussten sich im eigenen Interesse in Vorbereitung des Verfahrens und vor Gericht von gelehrten Juristen vertreten lassen. Das galt nicht nur für die Kanzleigerichte und Justizkanzleien, sondern ebenso für die zunehmend professionalisierten Oberhöfe.338 Mit Fortschreiten der Rezeption entwickelten sich 332 Avenarius, Gelehrtes Recht, Sp. 31 – 34; Manthe, Corpus Iuris Civilis, Sp. 905; Kiefner, Rezeption (privatrechtlich), Sp. 975 f. 333 Vgl. auch Willoweit, Rezeption und Staatsbildung, S. 19. 334 Moraw, Neue Ergebnisse der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 65. 335 Zur mit der Universitätsentwicklung verbundenen Zunahme bürgerlicher Beamter und der Parallelisierung der akademischen Grade mit der Hierarchie des Adels vgl. Press, Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft, S. 528 – 532. 336 Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 108. Zwischen 1474 und 1618 waren bis auf eine Ausnahme alle Amtsinhaber auch promoviert, vgl. dazu S. 269 f. 337 Avenarius, Gelehrtes Recht, Sp. 35; Willoweit, Entwicklung der Landesherrschaft, S. 107. 338 Krey, Laiengerichtsbarkeit, S. 605.

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zwei Gruppen von Anwälten, die regelmäßig als advocati und procuratores bezeichnet wurden, wenngleich der mittelalterliche Begriff des Fürsprechers daneben noch längere Zeit in Gebrauch bleiben sollte.339 Während die Advokaten die Parteien rechtlich berieten und den Rechtsstreit einschließlich der Erstellung der Schriftsätze vorbereiteten, oblag den Prokuratoren die Vertretung vor Gericht und dort die Abgabe und der Empfang prozessual bedeutsamer Erklärungen.340 Schon im 16. Jahrhundert hatten jedoch allmählich die festen Grenzen von Advokatur und Prokuratur zu verschwimmen begonnen, bevor sich bis zum 18. Jahrhundert ein einheitlicher Berufsstand herausbildete.341 Es ist im Lichte dieser Entwicklungen nicht verwunderlich, dass sich die Ritter­ schaft in den bereits erwähnten Beschwerden an den Würzburger Bischof des Jahres 1474 darüber beklagte, dass sie von not wegen […] auch adtvocation haben müsste, wann […] die Ritter am lantgericht nach geschr[iebenen] rechten spreche [solt].342 Es handelt sich hierbei also um die Manifestation eines tiefgreifenden, reichsweiten Umwälzungsprozesses, an dessen Ende das ehemals mündliche Verfahren vor Laienrichtern einem überwiegend schriftlichen Prozesses wich, der nunmehr von gelehrten Juristen geführt und entschieden wurde.343 d.  Einführung der Appellationsgerichtbarkeit Mit der Verbreitung des Wissens über das gelehrte Recht bahnte sich auch ein bis dato im weltlichen Recht unbekanntes Rechtsinstitut den Weg: die Appellation. Die Appellation als Rechtsmittel mit Suspensiv- und Devolutivwirkung hatte sich in der römischen Kaiserzeit entwickelt und war zunächst durch das kanonische Recht in Ansätzen erhalten geblieben, bevor sie im 13. und 14. Jahrhundert im Rahmen des gelehrten kanonischen Prozesses vor den geistlichen Gerichten in den deutschen Gebieten allmählich wieder Anwendung fand.344 Im 15. ­Jahrhundert 339 Buchda/Cordes, Anwalt, Sp. 257; ausführlicher zu beiden Gruppen Nörr, Romanisch-­ kanonisches Prozessrecht, S. 28 – 36. 340 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 170; Baumann, Berufswege in der Frühen Neuzeit, S. 550; Buchda/Cordes, Anwalt, Sp. 257; Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 161; Oestmann, Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht, S. 28; Schmitt, Säuberlich banquerott gemachet, S. 105. 341 Buchda/Cordes, Anwalt, Sp. 257. 342 StAW, ldf 12, S. 947. 343 Avenarius, Gelehrtes Recht, Sp. 35 – 37. 344 Weitzel, Appellation, Sp. 268; zur Entwicklung im kanonischen Recht allgemein zuletzt Becker, Die Entwicklung der Appellation, S. 11 – 25, für den genannten Zeitraum insb. S. 12 – 15.

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erlebte das Appellationswesen auf Ebene des Reichs rasche Verbreitung, sodass zum Ende der langen Regierungszeit ­Kaiser Friedrichs III. (1440/1452 – 1493) die Appellation das in quantitativer Hinsicht dominierende Verfahren am königlichen Kammergericht war.345 Das hergebrachte deutsche Recht hatte keine Instanzenzüge vorgesehen. In der dinggenossenschaftlichen Rechtsfindung, bei welcher der Richter die Verhandlung nach formalisierten Regeln zu führen, aber nicht das Urteil zu finden hatte, wurde die Entscheidung durch juristische Laien getroffen, die nach Rechtserfahrung oder tradiertem Rechtswissen eine Konsensentscheidung finden mussten.346 Gelang es den Urteilern nicht, eine Einigung zu erzielen, oder wollte eine Partei einen abgegebenen Urteilsvorschlag zu ihrem Nachteil nicht anerkennen, konnten die Urteiler beziehungsweise die benachteiligte Partei den ergangenen Vorschlag schelten und einen sogenannten Oberhof als anerkannte Autorität anrufen, der seine Rechtsmeinung abgeben und so zu einer konsensuellen Lösung beitragen konnte.347 Auch wenn ­dieses Verfahren von den Zeitgenossen zuweilen als appellatio bezeichnet wurde,348 ist es doch von der Appellation römisch-­rechtlicher Prägung verschieden, bei der ein Endurteil durch ein höherrangiges Gericht aufgehoben oder bestätigt wurde. Bei der sogenannten Urteilsschelte im einstufigen Verfahren dinggenossen­ schaftlicher Prägung verkündete das Ausgangsgericht die Rechtsauffassung des Oberhofs nämlich als eigenes Urteil und erkannte daher zwar die Wissensautorität des Oberhofs an, war ­diesem aber nicht gerichtshoheitlich unterworfen.349 So plausibel diese kategorialen Unterscheidungen von Oberhofzug und Einstufigkeit des Verfahrens einerseits und Appellationsverfahren und Instanzenzug andererseits auch sein mögen, so verschleiern sie doch die zeitgenössische 345 Weitzel, Appellation, Sp. 269. Mit Abweichungen im Detail ebenso Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 61. Bemerkenswert ist es in d ­ iesem Zusammenhang, dass erst in den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts Appellationen auf Reichsebene überhaupt aufgekommen waren, Weitzel, Dinggenossenschaft und Recht, S. 1308. 346 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 18 f. Geprägt wurde der Begriff der Dinggenossenschaft nach d ­ iesem Verständnis maßgeblich von Weitzel, Dinggenossenschaft und Recht, passim. und insb. S. 56 f., 89 – 106. 347 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 19. Zuletzt umfassend zu den Oberhöfen Krey, Laiengerichtsbarkeit; vgl. ferner Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 93, 130. 348 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 19; Weitzel, Appellation, Sp. 269. 349 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 19; so zuletzt auch Krey, Laiengerichtsbarkeit, S. 97. Die von Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 104, 109, 119 f.; ders., Dinggenossenschaft und Recht, S. 1163 – 1166, geprägte und zuletzt von Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 19, und Krey, Laiengerichtsbarkeit, S. 97, rezipierte Rede von der Einstufigkeit ist wohl nur aus der Perspektive der im Zuge der Appellation entstandenen Instanzgerichte selbstverständlich, denn natürlich ist mit dem Oberhof ein anderes Gericht faktisch am Verfahren beteiligt; in ­diesem Sinne schon Rödel, Intervention, S. 349 f.

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Die Kanzlei und ihre Gerichtsbarkeit – Grundlagen der Entwicklung

­ irklichkeit eines Systems im Übergang. Selbst wenn man das zweifelhafte KriteW rium der Freiwilligkeit des Oberhofzuges mit dem „Charakter einer lösbaren Selbstverpflichtung“ 350 anerkennt und daher einen Rechtszwang verneint,351 muss doch berücksichtigt werden, dass mit dem Oberhof faktisch ein weiteres Gremium tätig wurde, dessen Urteiler ihre Tätigkeit oft auch als Gerichts- und Urteilspraxis verstanden.352 Es ist angesichts der zwangsläufig unscharfen Grenzen von Oberhofzug und Appellation einleuchtend, dass Krey in denkbar weiter Definition Oberhöfe als diejenigen Gerichte versteht, die „anfragenden Gerichten in laufenden Prozesssachen konkrete Auskunft gab[en] oder in der Neuzeit Sachen entschied[en], beziehungsweise Privatpersonen auch in abstrakter Form Auskunft erteilte[n] und hierbei nicht kraft Vereinbarung der Parteien, kraft Gerichtsstandsprivileg oder als Schiedsgericht tätig wurde[n].“ 353 Offenbarte – mit den Worten Weitzels – die „Durchsetzung der A[ppellation], des Instanzenwesens und des gelehrten Richtertums […] den Umbruch von der m[ittel]a[lterlich]-dinggenossenschaftl[ichen] zur gelehrt-­neuzeitlichen Rechtsund Verfassungsordnung des Reiches“ 354, musste sich der gestiegene Anteil 355 an Appellationsverfahren am 1495 neu gegründeten Reichskammergericht auch auf die Territorien des Reichs auswirken. Es wurden, auch um geordnete Appellationen an die Reichsgerichte zu ermöglichen, das Prozessrecht und in Teilen auch das materielle Recht dem gelehrten Recht zunehmend angepasst und territoriale Appellationsinstanzen wie das Würzburger Kanzleigericht geschaffen oder bestehende 350 Weitzel, Dinggenossenschaft und Recht, S. 1153. 351 Müller, Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, S. 136 f.; Thomas, Der Oberhof zu Frankfurt, S. 54; Weitzel, Dinggenossenschaft und Recht, S. 1152; unentschieden ist hier offenbar Krey, Laiengerichtsbarkeit, der das Kriterium der Freiwilligkeit zwar infrage stellt, S. 28, 600, jedoch die vereinheitlichende Wirkung der Oberhofrechtsprechung wegen ebendieser Freiwilligkeit nicht überschätzt wissen will, S. 606. 352 Krey, Laiengerichtsbarkeit, S. 28, 600; ähnlich auch Weitzel, Gerichtsverfassung, S. 335, der immerhin den Einfluss neuerer Organisationsvorstellungen auf die Gerichtspraxis der Oberhöfe anerkennt. 353 Krey, Laiengerichtsbarkeit, S. 29. 354 Weitzel, Appellation, Sp. 270. 355 In den ersten Jahren der Gerichtstätigkeit des Reichskammergerichts bis 1539 betrug der Anteil der Appellationen am Gesamtverfahrensaufkommen nach einer Stichprobe von Ranieri, Recht und Gesellschaft, S. 396, konstant über 70 %. Eine Stichprobe durch Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 80, kommt für die Jahre bis 1550 zu ähnlichen Ergebnissen. Diese Entwicklung lässt sich schon zuvor in der Regierungszeit Friedrichs III. erkennen, wenn man neben den Appellationsverfahren auch die Nichtigkeitsbeschwerden berücksichtigt, bei denen das Urteil im Ausgangsverfahren aufgrund von Verfahrensfehlern für nichtig erklärt werden konnte, Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 37, 61.

Anfänge der fürstlichen Kanzlei bis zum Beginn der Neuzeit

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Gerichte allmählich zu solchen umgeformt.356 Das gilt auch schon für die Zeit vor der Gründung des Reichskammergerichts. So nimmt es nicht Wunder, dass sich parallel zur Zunahme der Appellationsverfahren vor dem Königlichen Kammergericht ab Mitte des 15. Jahrhunderts auch in den Territorien, so etwa den Kurfürstentümern Köln und Trier, der Kurpfalz, der Markgrafschaft Baden oder der Grafschaft Württemberg, Obergerichte etablierten, die in erster Linie als Appellationsinstanzen fungierten.357 Die Einführung der Appellation machte das Urteil einer höheren gerichtlichen Instanz erforderlich und musste in d ­ iesem Zusammenhang zu einer Professionalisierung der Territorial- und Reichsgerichtsbarkeit führen: Appellabel konnten nämlich nur diejenigen Urteile sein, die nicht durch das Diskursergebnis eines auf den Einzelfall gerichteten Gerichtsumstands aus juristischen Laien nach tradiertem Rechtswissen erfolgten, sondern allein diejenigen, die auf Basis von nachvollziehbaren Rechtsquellen, insbesondere autoritativen Rechtstexten, auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden konnten.358 Anders formuliert: lag die Autorität eines Urteils im einstufigen Verfahren in der konkret-­singulären Auseinandersetzung anerkannter Urteiler miteinander, konnte eine derart erreichte Sentenz – sozusagen als historisch-­situative Gegebenheit – nicht objektiv unrichtig sein und daher auch nicht überprüft werden.

356 Weitzel, Appellation, Sp. 270; ders., Kampf um die Appellation, S. 344. 357 Weitzel, Gerichtsverfassung, S. 335 f. 358 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 18 f., 147.

D.  Die Kanzlei in der Gerichtslandschaft des Hochstifts Einen zeitgenössischen Eindruck der Tätigkeit des Kanzleigerichts gibt Lorenz Fries in der von ihm begonnenen sogenannten Hohen Registratur, einer „als eine Art Archivrepertorium angelegten fränkisch-­wirzburgischen Realencyclopädie im besten Sinne des Wortes,“ 359 die – jedenfalls hinsichtlich der Fries’schen Teile – im fünften Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstanden ist.360 Unter dem Schlagwort Gericht, dessen Einträge wohl z­ wischen 1544 und 1546 verfasst worden sind,361 heißt es dort: An der Cantzlei Gerichte sein richter und urtailere die furstlichen räthe ­gaistliche und weltliche. Die richten in veranlassten und allen anderen sachen die appellation weis von dem Landgericht und anderen des Stiffts stat oder dorfgerichten dahin komen und mit x fl. antreffen.362 Abgesehen von der herausragenden Bedeutung der Kanzlei für Regierungsgeschäfte aller Art, insbesondere die sogenannten Gebrechen, unter denen in Würzburg vor allem Streitigkeiten mit den nachbarlichen Herrschaften und Obrigkeiten verstanden wurden,363 war ihre gerichtliche Tätigkeit also maßgeblich auf die Verhandlung von Appellationssachen gerichtet, die nach einem Urteil durch die Untergerichte an die Kanzlei gelangten. Überdies wurden zahlreiche Suppliken, also Bitten der Untertanen behandelt, die insofern eine Ähnlichkeit zu den im Appellationswege anhängig gemachten Parteistreitigkeiten hatten, als sie sich auch gegen das Verhalten eines Amtsträgers richten k­ onnten, der vor Ort die Gerichtsbarkeit 359 Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 197. Frenz, Kanzlei, Registratur und Archiv, S. 143, bezeichnet das Fries’sche Werk sogar als „systematische[s] Staatshandbuch“. 360 Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 199, Anm. 2. 361 Diverse zeitgenössische Datierungen legen nahe, dass die Registratur, von einigen Ergänzungen abgesehen, fortlaufend entstanden ist, Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 199, Anm. 2. Auf den Anfangsseiten der Buchstaben E und H finden sich entsprechende Datierungen für martini 44 bzw. ultima maij 46, StAW, Stb. 1011, fol. 184r, 309r. Ausführ­licher zur Hohen Registratur und zum Zeitpunkt der Abfassung Heiler, Die Würzburger Bischofschronik, S. 103 – 114, insb. S. 108 f. Zu ihrer Bedeutung für die Verwaltungspraxis Petersen, Die Hohe Registratur, insb. S. 269 – 275. 362 StAW , Stb. 1011, fol. 276v f. Es folgt der Verweis auf die belonung der wortredere oder procuratoren, Gerichtschreibers und der Supplicationschreibere, für die B[ischof ] Lorentz ain sondere ordnung gemacht und ufgericht hatte, StAW , Stb. 1011, fol. 277r, der sich auf die Kanzleiordnung von 1506 – und nicht jene der Jahre 1525/1526 – bezieht. Ob Fries die spätere Ordnung nicht gekannt hat – etwa weil sie nicht in den libri diversarum formarum et contractuum verzeichnet worden war – oder ob er sie als bekannt vorausgesetzt hat, ist nicht zu entscheiden, vgl. auch Anm. 1179. Mit ziemlicher Sicherheit war jedenfalls die Kanzleiordnung des Jahres 1546 zum Zeitpunkt der Abfassung noch nicht erlassen worden. 363 Siehe auch S. 65, 238, 293 f. und 372.

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ausübte.364 Auf diese Weise war die Kanzlei also in doppelter Hinsicht Zentralstelle für die Gerichtsbarkeit im Hochstift, die entweder durch die Durchführung eigener Verfahren im Appellationswege oder durch Anordnungen an die lokalen Amtsträger von den Entscheidungen der fürstlichen Räte beeinflusst wurde. Auch wenn das Kanzleigericht in dieser Hinsicht eine zentrale Position in der Gerichtslandschaft des Hochstifts einnahm, fügte es sich doch in ein zum Teil seit Jahrhunderten gewachsenes Geflecht der Gerichte und Gerichtsbarkeiten ein. Denn wie das späte Mittelalter war auch die Frühe Neuzeit durch eine große Vielfalt und Vielzahl an Gerichten geprägt.365 Nach Lorenz Fries waren allein in der stat zu Wurtzburg […] zwaierlai gerichte, weltlich und gaistlich. Der gaistlichen […] 15. Der welt­lichen 12.366 Obwohl sich die vorliegende Untersuchung maßgeblich mit der weltlichen Gerichtsbarkeit der fürstlichen Kanzlei auseinandersetzt, müssen auch die geistlichen Gerichte in gebotener Kürze dargestellt werden, weil ihnen, wie sich zeigen wird, gemäß ihren sachlichen und personellen Zuständigkeiten zahlreiche Verfahren zugewiesen waren, die folglich von der weltlichen Gerichtsbarkeit sowohl der Würzburger Gerichte im Allgemeinen als auch der Kanzlei im Speziellen ausgenommen blieben oder zumindest zu Zuständigkeitskonflikten unter den Gerichten führen konnten. Schon für die Zeitgenossen musste daher von großer Bedeutung sein zum ersten, in was fellen und sachen der richter zurichten habe[,] zum anderen, wohin und uber wen sich solch gericht erstrecke.367 Im Übrigen wäre eine scharfe Trennung von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit, die diese als jeweils abgeschlossene Systeme betrachten würde, nicht dazu geeignet, die Gerichtslandschaft der Frühen Neuzeit adäquat zu beschreiben. Zwar haben schon die Zeitgenossen weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit gerade auch begrifflich voneinander getrennt. Allerdings haben neuere Forschungen, zuletzt insbesondere von Peter Oestmann, auf die vielfältigen Zuständigkeitskonflikte und darauf hingewiesen, wie zahlreich die Verflechtungen der vermeintlich so klar vonein­ander abgrenzbaren Gerichtsbarkeiten tatsächlich waren.368 ­Diesbezüglich 364 Siehe zu den Suppliken etwa S. 68 – 72 sowie zu den Versuchen zu ihrer Regulierung S. 204 f. und 302 – 305. 365 Zuletzt wurde diese Vielfalt bei einem wissenschaftlichen Kolloquium der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung und des Netzwerks Reichsgerichtsbarkeit vom 10. – 12. 11. 2016 zum Thema „Unter der Linde und vor dem K ­ aiser. Neue Perspektiven auf Gerichtsvielfalt und Gerichtslandschaften im Heiligen Römischen Reich“ illustriert; vgl. Amend-­Traut/Bongartz/Denzler/Franke/Stodolkowitz, Unter der Linde, passim. 366 StAW, Stb. 1011, fol. 271r. 367 StAW, Stb. 1011, fol. 270v. 368 Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte, S. 719 – 722, 729 – 735, 737; vgl. in ­diesem Sinne auch die diesbezügliche Rezension von Haug-­M oritz, Rezension zu: Oestmann, S. 587.

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scheinen jedoch – zumindest aus Perspektive der Reichsgerichtsbarkeit – die Unterschiede ­zwischen den Territorien erheblich gewesen zu sein. Während etwa in Münster 561 Fälle bekannt sind, in denen sich die streitenden Parteien erstinstanz­lich vor dem Offizialat und s­ päter vor dem Reichskammergericht gegenüberstanden,369 erscheint der Würzburger Offizial nur einmal als Vorinstanz in einem reichskammergerichtlichen Appellationsverfahren.370 Gleiches gilt für das Würzburger Konsistorium als Vorinstanz,371 wenngleich immerhin 14 weitere Verfahren nachweisbar sind, in denen gerade die (mangelnde) Zuständigkeit des geistlichen Gerichts verfahrenserheblich war.372 Diese verhältnismäßig geringe Anzahl an Verfahren, die an den geistlichen Gerichten im Hochstift ihren Ausgang nahmen und schließlich am Reichskammergericht anhängig gemacht wurden, dürfte darin begründet liegen, dass in Würzburg, anders als etwa in Münster, Paderborn, Lüttich oder Mainz,373 konkurrierende Zuständigkeiten ­zwischen geistlichen und weltlichen Gerichten nur in geringerem Umfang bestanden und etwa ein Wahlrecht hinsichtlich derselben in Verfahren von Laien in weltlichen Angelegenheiten überhaupt nicht vorgesehen war.374 Ein Ausweis dafür, dass jedoch auch in Würzburg das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit nicht gänzlich unumstritten war, ergibt sich aus der Wahlkapitulation anlässlich der Wahl Julius Echters im Jahre 1573, in der das Domkapitel nach der Regierung Friedrichs von Wirsberg einen Höhepunkt seiner (den Bischof einschränkenden) Befugnisse hinsichtlich der Hochstiftsverwaltung und -regierung erlangt hatte.375 Demnach sollten die bischöfliche Kanzlei und der Hofrath […] in geistlichen Sachen und was denselben anhängt, gar nichts urtheilen, sich dieser Sachen gänzlich entschlagen, und sie vor das geistliche Gericht weisen.376 Ebenso sollte das Würzburger Stadtgericht nicht in Angelegenheiten richten, die eigentlich vor das (geistliche) Kellergericht gehörten, und das Landgericht des 369 Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte, S. 10. 370 BayHStA, RKG 3678. 371 BayHStA, RKG 2692. 372 In den meisten dieser Verfahren stand allerdings bereits die Gerichtszuständigkeit des Würzburger Fürstbischofs überhaupt infrage, BayHStA, RKG 750, 1169, 1235, 1241, 2429, 4025, 4028, 4033, S0869 (Bestellnr. 879), S1788 (Bestellnr. 879). Lediglich in BayHStA, RKG 2070, 2071, 4360 (nur hierbei handelt es sich um ein Appellationsverfahren), 4681 war offenbar die Zuständigkeit der Würzburger geistlichen und weltlichen Gerichte untereinander streitig. 373 Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte, S. 13, 15 f., 47; Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 56; Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 131. 374 Siehe diesbezüglich S. 84 – 92. 375 Siehe dazu S. 247 – 250. 376 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 366.

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Herzogtums Franken nicht in Sachen Recht sprechen, die vor den Sendgerichten der Erzpriester zu entscheiden waren.377 Derartige Hinweise deuten darauf hin, dass die Zuständigkeiten der weltlichen und geistlichen Gerichte in praxi keineswegs unumstritten waren. Gerade bei Konflikten über das zuständige Gericht war es daher auch möglich, dass vereinzelt Streitigkeiten von geistlichen Gerichten im Wege der Appellation an die Kanzlei vor die fürstlichen Räte gelangten.378 Derartige Jurisdiktionsstreitigkeiten konnten aber auch das Verhältnis der Reichsgerichtsbarkeit zur geistlichen Gerichtsbarkeit im Hochstift betreffen. So hatte schon im Jahr 1347 Karl IV . den Geistlichen des Hochstifts ein etwa 1468, 1498 und 1522 mehrfach bestätigtes Gerichtsstandsprivileg zukommen lassen, wonach dieselben auch in weltlichen Sachen nur noch vor dem geistlichen Gericht in Würzburg zu verklagen waren.379 Gleichwohl gelangten im Jahr 1617 zwei zusammenhängende, durch Wolf Ludwig von Crailsheim initiierte Mandatsverfahren gegen den Domkapitular Erhard von Lichtenstein an das Reichskammergericht, in dem sich selbiger unter Rekurs auf das privilegium fori der Geistlichen darüber beschwerte, dass er nicht vor dem geistlichen Gericht in der Domstadt verklagt worden war.380 Zwischen beiden Gerichtszweigen scheint es überdies hinsichtlich der Urteilsvollstreckung eine Form der Rechtshilfe gegeben zu haben. Denn in der Hohen Registratur wird unter der Überschrift Wie die Richtere zu voltziehung der urtail vor inen ergang[en] ain ander umb hilf ansuchen dargelegt, dass der geistliche Richter, der den uberwunden und geurtailten nit zu gehorsame bringen mochte, zu voltziehung der gesprochen urtail den weltlichen gewalt umb hilf ansuchen konnte, was Fries als Invocare brachium brachium [sic!] seculare 381 bezeichnete. Umgekehrt konnte sich der weltliche Richter zum Vollzug der Urteile an den geistlichen Richter wenden, 377 Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 356 f. 378 An das Reichskammergericht gelangte allerdings nur ein heute noch nachweisbarer Fall dieser Art, BayHStA, RKG 4360. In d ­ iesem Fall hatten sich die Räte aber bereits für unzuständig erklärt und auch das Reichskammergericht verwies das Verfahren zurück an das Ausgangsgericht. 379 Monumenta Boica 41, Nr. 115, S. 307 f. Fries vermerkt die Bestätigungen des Privilegs in der Hohen Registratur unter der Überschrift prophan das ist weltliche sachen mogen am Gaistlichen gericht gehandelt werden, StAW, Stb. 1011, fol. 273v f. 380 BayHStA, RKG 2070, 2071. Zum Klerikerprivileg, das diese von der weltlichen Zivilund Strafgerichtsbarkeit entband und ihnen einen eigenen Gerichtsstand zusicherte, etwa Kéry, Kleriker, Sp. 1893 f.; zum 13. Jahrhundert ferner Diestelkamp, Das privilegium fori, passim. Die Berufung auf das privilegium fori stellte wenig überraschend ein außerordentlich gängiges Verteidigungsmittel in der Hoffnung auf die Vermeidung eines weltlichen Gerichtsverfahrens durch die Parteien dar, Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte, S. 683, 720. 381 StAW, Stb. 1011, fol. 279v.

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wenn iemant am weltlichen gerichte verlustig worden und sich aus desselben richters iurisdiction an andere orte gethan hete.382

I.  Geistliche Gerichte im Hochstift Nach der Fries’schen Zählung existierten in Würzburg 15 geistliche Gerichte. Dazu zählte der bischöfliche Chronist offenbar Viakariat, Offizialat, die zehn Würzburger Archidiakonate, sowie das Chor-, General- und Kellergericht.383 1.  Vikariat, Offizialat und Konsistorium In der Mitte des 16. Jahrhunderts war der erst und vorderst richter in der Gaistlichkeit, zu Wurtzburg […] vicarius in Spiritualis. Das ist der Verwalter aines Bischofs in gaistlichen sachen, dan in seinen gerichtszwang gehoren alle sachen die ain bischof personlich ausrichten mag, nemlich besetzung und entsetzung der gaistlichen lehen, der schlag des banns und interdicts, wider abnemung derselben, und alle spruch und forderung, gaistliche personen und guetere belangend im gantzen bistumb.384 Damit übte der (General-)Vikar namens des Bischofs dessen Jurisdiktion aus.385 Er sollte jedenfalls seit 1423 und noch im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts aus dem Kreise der Domherren ausgewählt werden.386 Der Bedeutung des Amts und der Amtsinhaber entspricht es, dass sowohl Rudolf II. von Scherenberg als auch Melchior Zobel von Giebelstadt (1544 – 1558) und Friedrich von Wirsberg vor ihrer Wahl zum Bischof als Generalvikare tätig waren.387 Gemäß der Wahlkapitulation Julius Echters war der Vicar in spiritualibus neben der Entscheidung über geistliche Lehen auch für Verfahren wegen Unglaubens und Ketzerei zuständig, 382 StAW, Stb. 1011, fol. 279v. 383 Diese Zählung ist schon deshalb bemerkenswert, weil die Chorgerichte der vier Würzburger Stifte im Gegensatz zu den Archidiakonaten nicht eigens in die Zählung aufgenommen wurden. 384 StAW, Stb. 1011, fol. 271r. 385 Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 107 f.; Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken, S. 182. 386 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356; Abert, Wahlkapi­ tulationen, S. 160 und ebd., Anm. 1; Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 108. In immerhin 18 von 23 Besetzungen in den Jahren 1423 bis 1560 wurde dieser Anordnung auch Folge geleistet, Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 108; Krieg, Der Kampf der Bischöfe, S. 132, 174. 387 Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 109.

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während Verfahren zweier geistlicher Personen gegeneinander oder unter Beteiligung zumindest eines Geistlichen über Schuld und Scheltworte den Erzpriestern zur Entscheidung zugewiesen sein sollten.388 Dem Vikar kam somit im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit vor allem die Zuständigkeit in Streitigkeiten zu, die, wie Angelegenheiten der kirchlichen Verwaltung, dem Bischof zugewiesene Kirchenstrafen oder disziplinarische Maßnahmen gegenüber der Geistlichkeit,389 ihrer Art nach tendenziell ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zum Ausdruck brachten, während Parteistreitigkeiten eher vor den Erzpriestern oder dem Offizial ausgetragen wurden.390 Das Gericht des Vikars wurde im gerichtshaus zu der Rothenthur in der Nähe des Doms dienstags, donnerstags und samstags am Vormittag zur tertz zeit gehalten,391 also etwa gegen neun Uhr morgens. Das Vikariat hat als geistliches Gericht in der Überlieferung des Reichskammergerichts eine untergeordnete Bedeutung und taucht in den Akten nur am Rande auf. Interessant hinsichtlich des Zusammenspiels von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit ist allerdings ein Fall aus dem Jahre 1532.392 Dort wendete sich Osanna Stiebar von Buttenheim zusammen mit einigen anderen Konventualinnen des Benediktinerinnenklosters Kitzingen und dem Würzburger Generalvikar Johann von Guttenberg an das Reichskammergericht, um – erfolgreich – ein Pönalmandat gegen einige beklagte Geistliche zu erwirken, das diese zum Erscheinen als Zeugen vor dem Würzburger Vikariatsgericht bewegen sollte. Ausgangspunkt war eine 388 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356. 389 Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 111. 390 Wahrscheinlich ist das auch von Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 108, 111, gemeint, die insofern von einer „streitigen Gerichtsbarkeit“ bzw. von „nicht-­streitigen Jurisdiktionsbelangen“ spricht. Das würde allerdings voraussetzen, dass die auch von Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 132, vorgenommene Zuweisung der „streitige[n] Gerichtsbarkeit“ zum Offizialat umgekehrt einen Ausschluss von Parteistreitigkeiten vor dem Vikariat bedeuten würde. Allzu klar können derartige Abgrenzungen aber auch abseits ihrer begrifflichen Unschärfe nicht getroffen werden, denn bereits Abert, Wahlkapitulationen, S. 159, hat auf die Nähe der Kompetenzen von Offizialat und Vikariat hingewiesen. Dementsprechend wies auch die Reformation des Konsistoriums aus dem Jahr 1584 mit ausdrücklichem Verweis auf mögliche Konfusionen auf verschiedene Gerichtstage hin, Schneidt, Thesaurus 2,7, S. 1200; vgl. auch Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 140. 391 StAW, Stb. 1011, fol. 271r. Vgl. auch Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 140, und Schneidt, Thesaurus 2,7, S. 1200 f. Rot gefärbte Portale als Gerichtsorte waren schon im Mittelalter weder inner- noch außerhalb des Reichs eine Seltenheit, Deimling, Ad Rufam Ianuam, S. 499 – 507, und auch in Würzburg lässt sich eine entsprechende Tür bereits im Jahr 1165 nachweisen, ebd., S. 501. Die Farbe Rot hatte eine hohe symbolische Bedeutung im Rechts- und Gerichtswesen im Allgemeinen, ebd., S. 509, 511. Bezüglich der geistlichen Gerichte manifestierten rote Türen überdies in visueller Form den Zusammenhang „von irdischer Justiz, kirchlicher Autorität und dem Jenseits“, ebd., S. 500. 392 BayHStA, RKG 5836.

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Klage gegen Amalia Forstmeister am Vikariatsgericht gewesen, die ebenso wie die Klägerin das Äbtissinnenamt des Klosters nach angefochtener Wahl für sich beanspruchte. Erstaunlich an ­diesem Verfahren ist die ungewöhnliche Verschränkung von geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit: Obwohl Streitgegenstand und sämtliche Beteiligte aus der Sphäre der geistlichen Gewalt stammten, versuchte man, die eigenen Interessen mithilfe der weltlich-­kaiserlichen Gerichtsgewalt durchzusetzen und nicht etwa über den Metropoliten in Mainz. Nur in einem weiteren Verfahren, das im Appellationswege an das Reichskammergericht gelangte, fand das Vikariat am Rande Erwähnung.393 Auch d ­ ieses Verfahren liefert interessante Rückschlüsse auf die Verbindungslinien z­ wischen weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit. Im Ausgangsverfahren handelte es sich um einen 1528 geführten Injurienprozess vor dem Würzburger Kanzleigericht, in dem ­dieses offenbar erstinstanzlich tätig wurde, was möglicherweise daran lag, dass es streitgegenständlich um Aussagen in einem anderen vor den Würzburger Räten geführten Gerichtsverfahren ging. Zwei Würzburger Bürger hatten dort zahlreiche Einwohner der Stadt verklagt, darunter einige Geistliche und den Landschreiber. Diese hatten mit forideklinatorischen Einreden 394 darauf hingewiesen, dass für die beklagten Geistlichen das Generalvikariat, für den Landschreiber das Landgericht des Herzogtums Franken und für einen der beklagten Bürger aufgrund einer besonderen Privilegierung das Kellergericht zuständig sei. Auf diese Einreden reagierten die erstinstanzlichen Kläger mit einem Manöver, das eigentlich schon deshalb keinen Erfolg haben konnte, weil es das gesamte Gefüge der Gerichtsbarkeiten im Hochstift infrage stellte: Sie führten aus, dass das Verfahren bereits deshalb vor dem Kanzleigericht geführt werden könne, weil Bischof Konrad von Thüngen der oberste weltliche und geistliche Gerichtsherr aller Beklagten sei. Das Würzburger Kanzleigericht verpflichtete daraufhin zwar beide Parteien zu Streitbefestigung, setzte aber das weitere Verfahren aus anderen Gründen zunächst aus. Dagegen richteten sich die erstinstanzlich Beklagten wiederum mit ihrer Appellation an das Reichskammergericht, die allerdings s­ päter offenbar nicht weiter betrieben wurde. An Verfahren wie diesen zeigt sich, dass geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit nicht immer strikt voneinander getrennt werden können. Wohin sich eine Partei wendete, dürfte maßgeblich davon abhängig gewesen sein, an welchem Gericht sie 393 BayHStA, RKG S2031 (Bestellnr. 8360). 394 Mit forideklinatorischen Einreden, mit denen neben der mangelnden Qualifikation des Richters und einer anderweitigen Rechtshängigkeit vor allem mit den exceptiones fori incompetentes die Unzuständigkeit des Gerichts gerügt wurden, konnte der Beklagte vermeiden, auch nur hilfsweise zur Sache verhandeln zu müssen, Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 155; Schillinger, Die Neuordnung des Prozesses, S. 130; Schlinker, Litis Contestatio, S. 319 f., 322; Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 210.

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sich die größten Erfolgschancen ausrechnete. Ob das Verfahren dann auch vor dem angerufenen Gericht geführt wurde, konnte ferner in hohem Maße von Zufällen wie der Argumentationsgabe der Parteien, vor allem aber der eigenen Zuständigkeitszuschreibung eines angerufenen Gerichts abhängen, gegen die sich im Zweifel der Beklagte mit seinen Einreden richten musste. Von großer Bedeutung war außerdem das Offizialat, dem mit dem Offizial ein – gemäß der Wahlkapitulation des Jahres 1573 aus dem Domkapitel auszuwählender 395 – Amtmann des Bischofs vorstand, dessen Rechtsprechung sich personell auf alle burgere und burgerine der Würzburger Dompfarrei und des bischoflichen hofs gesinde erstreckte und sachlich die Aufgaben der Erzpriester umfasste.396 Außerdem konnte beim Offizialat, abgesehen von der Beglaubigung von Testamenten und Verträgen, die Appellation gegen ergangene erzpriesterliche Urteile geführt werden.397 Das Gericht des Offizials wurde ebenfalls im Gerichtshaus zur Roten Tür, allerdings am Montag, Mittwoch und Freitag jeweils nachmittags um ein Uhr gehalten.398 Erwartungsgemäß ist angesichts der besonderen Appellationszüge im Rahmen der geistlichen Gerichtsbarkeit der Bestand an Verfahren des Offizialats in der reichskammergerichtlichen Überlieferung überschaubar. Eine Streitigkeit aus dem Jahr 1578, in der mit Dr. iur. Wolfgang Lagus ein Chorherr zu St. Johannis einen weltlichen Adeligen, namentlich Wilhelm Eitel Fuchs von Schweinshaupten, verklagte, gelangte wegen des damit verbundenen Zuständigkeitskonflikts gleichwohl an das Reichskammergericht.399 Der Beklagte legte eine forideklinatorische Einrede ein, wonach nicht das Offizialat, sondern die weltliche Gerichtsbarkeit für Spolienklagen 400 von Klerikern gegen Laien zuständig gewesen sei. Der Kläger verwies umgekehrt darauf, dass die Appellation vom Offizialat nicht nach Speyer, sondern an das Metropolitangericht in Mainz hätte gerichtet werden müssen. Der Umstand, dass Vikariat und Offizialat am selben Ort tagten, war wohl kein Zufall. Denn beide Gerichte bildeten im Verständnis des späten 16. Jahrhunderts ein mehr oder weniger einheitliches Forum, das als geistliches Gericht oder Konsitorium bezeichnet wurde. Dementsprechend erhielt es 1584 durch 395 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356. 396 StAW, Stb. 1011, fol. 271r. 397 StAW, Stb. 1011, fol. 271r. 398 StAW, Stb. 1011, fol. 271v. Vgl. auch Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 139 f. 399 BayHStA, RKG 3678. 400 Das remedium spolii war auf Rückübertragung des widerrechtlich entzogenen oder vorenthaltenen Besitzes gerichtet, vgl etwa Göschen, Vorlesungen über das gemeine Civilrecht, S. 610. Im vorliegenden Fall ging es konkret um die Verweigerung des Beklagten, die zur Frühmesse zu Augsfeld gewidmeten Getreidegülten, also zu leistende Naturalabgaben, vgl. DRW IV, Gülte, Sp. 1255 – 1259, herauszugeben, die dem Kläger nach dessen Ansicht durch Bischof Julius Echter zugestanden worden waren.

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Julius Echter eine einheitliche Gerichtsordnung,401 die ausdrücklich auf vorangegangene Ordnungen und Statuten vor allem aus dem 14. und 15. Jahrhundert Bezug nahm und sich daher ganz im Sinne einer Rechtsreformation als Erneuerung im Geiste des Bestehenden oder als Rückkehr zu einer im Verlust begriffenen alten Ordnung darstellte.402 Die Gerichtsbarkeit des Offizials und des Vikars wurden in der Ordnung des Konsistoriums zusammen geregelt, obwohl angesichts der verschiedenen Zuständigkeiten unterschiedliche Gerichtstage ausgewiesen wurden.403 Während dem Konsistorium zu späterer Zeit hauptsächlich nur noch die Ehesachen zugewiesen waren,404 kann es im 16. und frühen 17. Jahrhundert als geistliches Hofgericht mit recht umfänglichen Kompetenzen charakterisiert werden.405 Auch wenn die Gerichtsbarkeit ausweislich der Ordnung des Jahres 1584 ausdrücklich nicht in weltlichen Angelegenheiten von Laien, sondern nur in causae spirituales et spiritualibus annexae ausgeübt werden sollte, konnten gewohnheitsrechtlich insbesondere Fälle der Rechtsverweigerung vor weltlichen Gerichten, Klagen von Klerikern gegen Laien und Verfahren mit einer durch die Parteien vorgenommenen Gerichtsstandsvereinbarung auch vor das geistliche Gericht gezogen werden.406 Zuständigkeitskonflikte ­zwischen der geistlichen und der weltlichen Gerichtsbarkeit scheinen aber im Hochstift Würzburg verhältnismäßig selten gewesen zu sein. Jedenfalls vor dem Reichskammergericht waren Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit des Konsistoriums die Ausnahme.407 Offenbar wurde nur in einem dieser Fälle die bischöfliche Gerichtsbarkeit als ­solche anerkannt und daher ein Zuständigkeitskonflikt ­zwischen dem Geistlichen Gericht und der Rechtsprechung der Räte ersichtlich, die hier aber nicht als Kanzleigericht, sondern als Austrägalgericht nach dem Gnadenvertrag von 1461 angerufen worden waren.408 Die Räte befanden sich jedoch in der Sache nicht für zuständig und lösten den Konflikt – ebenso wie s­ päter das R ­ eichskammergericht – 401 402 403 404 405 406 407

Schneidt, Thesaurus 2,7, S. 1194 – 1237. Ausführlich diesbezüglich Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 128 f., 131, 146. Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 128, 140. Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 250; Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 127. Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 127, 129. Schneidt, Thesaurus 2,7, S. 1213; Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 130. In den Vorinstanzenindices der Inventarbände des BayHStA erscheint das Konsistorium oder das geistliche Gericht in BayHStA, RKG 750, 1169, 1235, 1241, 2070, 2071, 2429, 2692, 4025, 4028, 4033, 4681, 5838 und 6738. Ferner ist die Zuständigkeit des Gerichts in BayHStA, RKG 4360, S0869 (Bestellnr. 879) und S1788 (16224) im Verfahren Gegenstand gewesen. Nur in BayHStA, RKG 2692, 4360 und 5838 handelt es sich formal auch um Appellationsverfahren. 408 Siehe dazu S. 178 f.

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z­ ugunsten der ­geistlichen Gerichtsbarkeit auf.409 Ansonsten handelte es sich stets um Fälle, in denen die Würzburger Bischöfe, und unter ihnen vor allem Julius Echter, die Zuständigkeit des Geistlichen Gerichts gegenüber einer anderen Obrigkeit behaupteten, die sich oder ihre Untertanen der fürstbischöflichen Gerichtsbarkeit als solcher nicht unterworfen sah.410 Augenfällig ist diesbezüglich der hohe Anteil an Auseinandersetzungen mit den in der fränkischen Reichsritterschaft organisierten Adeligen um die Wende zum 17. Jahrhundert,411 der sich auch bezüglich anderer Würzburger Gerichte manifestierte.412 Die gerichtlichen Auseinandersetzungen, die das Verhältnis z­ wischen weltlicher und geistlicher Gerichtszuständigkeit zum Gegenstand hatten, dürften den Würzburger Bischöfen somit vorrangig als Mittel zu dem Zweck gedient haben, die fürstbischöfliche Herrschafts- und Gerichtsmacht im Rahmen des gegenüber dem Hochstift weiterreichenden Diöze­ san­gebiets auszudehnen. 2.  Die Archidiakonate Lorenz Fries zählte zu seiner Zeit zwölf Erzpriester, die jeweils als Amtsinhaber der einzelnen Archidiakonate fungierten. Obwohl ihre Zuständigkeit das gesamte Diözesangebiet umfassen sollte, waren zehn von ihnen in der Stadt Würzburg ansässig. Ihre Jurisdiction umfasste in sachlicher Hinsicht Wucher, Ketzerei, Simonei Bann Ehe Ehebruche, Morgengab, Zehend, Geburt, Raub Gelubdbruch oder mainaid Sachen.413 In personaler Hinsicht waren ihnen Sachen der kirchendienere oder widemleute, der die so offenlich buessen, die witwen, waisen und armutseligen personen die Kirchfarter, pilgramen oder wallere die jhenigen den das recht von dem weltlichen richteren versagt wurt und darüber hinaus in sachlicher Hinsicht diejenigen, die gaistlichen diebstal 409 BayHStA, RKG 4360. 410 BayHStA, RKG 680, 750, 1235, 2692, 4025, 4028, 4033, 4681, S0869 (Bestellnr. 879), S1788 (16224) und W1089 (14193). In BayHStA, RKG 2070 und 2071, versuchte der reichsritterliche Beklagte, einem Verfahren vor dem Reichskammergericht mit dem Verweis auf seine Zugehörigkeit zum Würzburger Domkapitel und die damit verbundene Zuständigkeit des Geistlichen Gerichts zu entgehen. 411 BayHStA, RKG 1235, 2692, 4025, 4028, 4033, 4681 und S1788 (Bestellnr. 16224). 412 Siehe diesbezüglich S. 169 – 176, 188 – 193. 413 StAW, Stb. 1011, fol. 271v. Zur Morgengabe siehe sogleich Anm. 447. Mit dem Zehend ist der Kirchenzehnt als regelmäßige Geld- oder Naturalleistung an geistliche Grundherren oder Herrschaftsträger zu verstehen, Becker, Zehnt, Sp. 1629 f. Unter Geburt dürften einerseits Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Abstammung, aber auch der standesgemäßen, ehelichen oder ehrlichen Geburt verstanden worden sein, DRW III, Geburt, insb. Sp. 1322 – 1324.

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oder Kirchenbruch begehn, und andere dergleichen 414 unterstellt. Jedenfalls zu Beginn der Echterzeit sollten auch Schuldforderungen Geistlicher untereinander oder unter Beteiligung eines Geistlichen als Partei vor dem Erzpriester entschieden werden, in dessen Bezirk die Parteien ansässig waren.415 Die örtliche Zuständigkeit der zwölf Erzpriester erstreckte sich auf die verschiedenen Landkapitel des gesamten Bistumsgebiets einschließlich der zugehörigen Pfarreien.416 Das bedeutendste Erzpriesteramt hatte der Würzburger Domprobst inne, dem die Bürger der Würzburger Vorstädte Haug, Sand und Plaichach sämtlich unterworfen waren.417 Die in Würzburg wohnhaften Erzpriester hielten ihr Gericht am Dienstag-, Donnerstag- und Samstagnachmittag uf dem bruderhof hie zu Wurtzburg in ainem sunderen dartzu geordenten Gerichtshaus Consistorium causarum gehaissen.418 Zur Unterstützung ihrer Tätigkeit sollten die in Würzburg ansässigen Erzpriester jeweils einen Offizial haben, der an ihrer statt Urteile sprechen konnte, gegen die dann ebenfalls die Appellation an das Offizialat gestattet war.419 Eine wichtige Ausnahme galt für den Adel des Bistums: So sollten [a]lle und iede Graven, Heren, vom Adel und ire dienere oder gesind frawen und man […] kainem Archidiacon unterworfen sein, sondern on mitel unter ainen Bischofe oder seinen Officialen […] [gehoren].420 Sie wurden also durch den Bischof selbst oder seinen Offizial gerichtet, der stets dem Domkapitel angehörte.421 Im Laufe des 16. Jahrhunderts und vor allem nach dem Tridentinum verloren die Archidiakonate ihre Bedeutung.422 Wahrscheinlich fielen die einzelnen Archidiakonate durch entstehende Vakanzen und die mangelnde Wiederbesetzung der Stellen in den Jahren 1529 bis 1561 sukzessive weg.423 In der ansonsten sehr an vergangenen 414 StAW, Stb. 1011, fol. 272r. Mit Widemleuten dürften hier diejenigen Personen gemeint sein, die dem kirchlichen Grundbesitz zugehörig sind, vgl. diesbezüglich Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 30, Sp. 833. („Wittum“). Als wallere sind hier neben Kirchfahrern und Pilgern die Wallfahrer angesprochen. 415 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356. 416 Eine detaillierte Aufzählung findet sich in StAW, Stb. 1011, fol. 272r–273r. 417 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 167. 418 StAW, Stb. 1011, fol. 273r. 419 StAW , Stb. 1011, fol. 273v. Zur Auswahl der Offiziale Merzbacher, Verfassung und Gerichtsbarkeit, S. 329. 420 StAW, Stb. 1011, fol. 273v. 421 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 168. Eine entsprechende Verpflichtung resultierte auch aus der Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356. 422 Groten, Archidiakon, Sp. 948. 423 Krieg, Der Kampf der Bischöfe, S. 184, 193 f., 234 f. Der Darstellung des Lorenz Fries, StAW, Stb. 1011, fol. 272r–273r, lässt sich nicht entnehmen, dass die Archidiakonate in Auflösung begriffen waren. Lediglich das Amt in Karlstadt, das wohl schon 1529 nicht mehr besetzt worden war, beschrieb er im Imperfekt. Hierin dürfte keine inhaltliche ­Aussage

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Ordnungen zur geistlichen Gerichtsbarkeit im Hochstift orientierten Reformation des Konsistoriums unter Julius Echter erscheinen sie daher bereits nicht mehr.424 3.  Chor-, General- und Kellergericht Für Klagen gegen Angehörige der vier Würzburger Stifte und ihre Diener oder ihr Gesinde waren Chor-, General- und Kellergericht zuständig. Um die Stiftsherren von Dom, Neumünster, Haug oder Sankt Burkhard, insbesondere also auch die Domherren,425 zuvorderen oder zuclagen, musste man vor das Chorgericht ziehen, das unter Leitung des jeweiligen Stiftsdechanten durch das entsprechende Kapitel gehalten wurde.426 Vor dem jeweiligen Chorgericht waren auch Diener und Gesinde zu beklagen, sofern diese nicht zum Domkapitel gehörten und daher dem Kellergericht unterworfen waren. Gegen die Urteile des Chorgerichts war die Berufung an das Generalgericht gestattet, das mit zwei Geistlichen aus jedem der vier genannten Stiftskapitel – und zumindest zeitweise wohl auch je einem Vertreter der beiden Benediktinerklöster St. Stefan und St. Jakob 427 – besetzt war, die in den furbracht[en] Sachen entlich und on ferner appellation zu entscheiden hatten.428 Ein besonderes Gericht für die sogenannten Hausgenossen 429 des Domkapitels, vor allem also deren Amptleute und dienere,430 stellte das Würzburger Kellergericht dar. Gemäß der Darstellung des Lorenz Fries waren Klagen dieser Personen untereinander ausschließlich, also unabhängig von der Art der Streitigkeit, vor dem Kellergericht zu führen. Ferner musste, wo ain ander burger oder fremder si umb sachen, ire persone, ambte und ambtsguetere berurend anforderen will, […] es dieser auch an d­ iesem Gericht thun, aber sunst in anderen sachen gehoren si fur das ordenlich gericht.431 Das Kellergericht urteilte demnach über Zivilsachen im weiteren Sinne, gelegen haben, da zur Zeit der Aufzeichnungen in der Hohen Registratur mindestens sieben Archidiakonate nicht mehr besetzt gewesen sein dürften, vgl. diesbezüglich die Übersicht bei Krieg, Der Kampf der Bischöfe, S. 193, 234 f. 424 Trusen, Die Reformatio Consistorii, S. 146. 425 Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte II, S. 14. 426 StAW, Stb. 1011, fol. 274v. 427 Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte II, S. 14. 428 StAW, Stb. 1011, fol. 274v. 429 Eine detaillierte Aufzählung von 19 Personen befindet sich in StAW, Stb. 1011, fol. 275r. Eine umfangreiche Darstellung der einzelnen Ämter und der Amtsinhaber bietet Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte I, S. 132 – 202. 430 StAW, Stb. 1011, fol. 275r. 431 StAW, Stb. 1011, fol. 275r.

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wobei ihm allerdings das Erb- und eheliche Güterrecht und darüber hinaus Straf­ sachen entzogen blieben, für die das Land- beziehungsweise Brückengericht sachlich zuständig waren.432 Wurde einer der Hausgenossen vor ein sachlich unzuständiges Gericht geladen, musste dieser durch den Kellerrichter abgefordert werden, damit gleichwohl ergangene Urteile im Verfahren keine Rechtswirkungen entfalteten.433 Offenbar wurden aus Sicht des Domkapitels die gebotenen Zuständigkeiten nicht immer eingehalten, denn die Wahlkapitulation des Jahres 1573 erwähnte ausdrücklich, dass das Würzburger Stadtgericht keine Kellergerichtssachen annehmen, sondern diese an dasselbe verweisen sollte.434 Als Kellerrichter war stets ein Domherr berufen, an dessen Wohnstätte das Gericht tagen sollte.435 Dieser Cellarius oder oberster Keller genannte Richter hielt das Gericht daher im Bruderhof ab, genauer im Kreuzgang vor dem Weinkeller des Domkapitels.436 Als Schöffen fungierten die übrigen, nicht als Partei beteiligten Hausgenossen.437 Von den Urteilen des Gerichts war demjenigen, der sich beschwerdt zusein vermainet,438 die Appellation an das Chorgericht des Domstifts gestattet, dem der Domdechant vorsaß.439 Von hier aus führte eine weitere Berufung nicht an das Generalgericht, sondern an das Konsistorium.440

II.  Weltliche Gerichte im Hochstift Für die Verortung des Kanzleigerichts in der Gerichtslandschaft des Hochstifts Würzburg waren die weltlichen Gerichte auf lokaler und territorialer Ebene von besonderer Bedeutung, weil – wenn überhaupt – nur von ihnen ausgehend die Appellation an die fürstliche Kanzlei gestattet war und daher Beziehungen und

432 Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte II, S. 7, 9. 433 Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte II, S. 7. 434 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356. Entsprechende Klagen über die mangelnde Einhaltung der Gerichtskompetenzen insbesondere seitens des Stadtgerichts waren keine Ausnahmeerscheinung, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 64. 435 StAW, Stb. 1011, fol. 275r; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 169. 436 Amrhein, Die Würzburger Zivilgerichte II, S. 3 – 5. 437 Ebd., S. 8. 438 StAW, Stb. 1011, fol. 275v. 439 Merzbacher, Der Würzburger Generalvikar und Domdekan, S. 93. 4 40 Die Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 356, verpflichtete den Bischof dazu, die Ausübung insbesondere des Kellergerichts nicht zu stören. Von den geistlichen Gerichten des Domkapitels sollte jedoch die Berufung an die bischöflichen geistlichen Richter ungeschmälert bleiben.

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Wechselwirkungen ­zwischen den Gerichten zwangsläufig vorkamen. Lorenz Fries zählte in der Mitte des 16. Jahrhunderts 15 von ihnen allein in der Stadt Würzburg. Davon waren nach Angaben des Magisters zur Zeit der Abfassung noch neun, namentlich das Landgericht, das auch Landrecht, Brückengericht oder Oberste Zent genannte Stat oder Salgericht, das Cantzlei Gerichte, das Hofgericht, das Lehengericht, das Gericht des Gnadenvertrags, der stat geschworen Gericht, das Montags gericht und der Oberrath tätig.441 Überdies berichtete er von sechs Gericht[en] so vor alter zu W[ürzburg] gehalten worden, aber wider abgang[en] und erlosch[en] sein.442 Dabei handelte es sich um das Kampfrecht, das Gericht zu Haug, das Gericht zu Blaichach, das S. Steffans gericht zu Sande, das Airmarks Gerichte und das Juden Gerichte.443 1.  Landgericht a.  Zuständigkeit Von außerordentlicher Bedeutung für die Rechtsprechung im Hochstift war das Kaiserliche Landgericht des Herzogtums Franken in Würzburg, dessen Wurzeln bis auf das 12. Jahrhundert zurückgingen und das eng mit der Goldenen Freiheit des Jahres 1168 und der Herzogswürde der Würzburger Bischöfe verbunden war.444 Auf die Nennung des Reichsoberhaupts in der Gerichtsbezeichnung verzichtete man in Würzburg seit dem 14. Jahrhundert nicht mehr. Denn obwohl die Würzburger Bischöfe das Gericht schon im Hochmittelalter innehatten, das insbesondere gegenüber denjenigen Landgerichten eine Sonderstellung einnahm, die als königliches Reichsgut eng an das Reichshaupt als Gerichtsherrn geknüpft waren,445 gehörte doch die Betonung des kaiserlichen Ranges ebenso zur herrschaftlichen Selbstdarstellung wie die stets hervorgehobene Herzogswürde.446 Im 16. Jahrhundert gab Fries in der Hohen Registratur ein Zeugnis für eine sehr weitreichende sachliche und persönliche Zuständigkeit des Gerichts, das uber raub, plackerey, 441 StAW, Stb. 1011, fol. 275v–278v. 4 42 StAW, Stb. 1011, fol. 279v. 443 StAW, Stb. 1011, fol. 280r–281v. 4 44 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 3, 14 f. Wegen seiner hervorragenden Bedeutung wollte schon Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 119, das Landgericht mit umfangreicheren Forschungen bedenken. 4 45 Merzbacher/Lück, Landgericht, Sp. 525. 446 Diese Form der Selbstdarstellung ist daher auch an anderen Landgerichten erkennbar und oft erst im 15. Jahrhundert üblich geworden, als von der Delegation königlicher Gerichtsbarkeit an den Landgerichten eigentlich kaum mehr etwas übrig war, Baumbach, Königliche Gerichtsbarkeit, S. 120, 233, 238.

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vergwaltigung, Mortbrand, Erbschafft, Tailung, Testament, Letzte willen, Gescheffte, ubergab, Vermechtnus, Vormundschafft, Heirat, Ehebetaiding, Heiratgut, Morgengabe, ainkindschaft, voraus, vertzig, Schmahsachen, und dergleichen [richtete]. An das Landgericht gehör[t]en alle und iede leute[,] die in dem Bistumb Wirtzburg und desselben Hertzogthumb wonen, auch die Graven selbs und des hailigen reichs Stete und dienstleute, niemant ausgenomen dann die Bargilden allain unter den Graven gesessen.447 In räumlicher Hinsicht dürfte die Darstellung von Fries überzogen gewesen sein und eher Anspruch als Realität ausgewiesen haben. Dieser Anspruch musste sich fast zwangsläufig aus der von Fries in seiner Bischofschronik niedergelegten Übersetzung der Goldenen Freiheit des Jahres 1168 ergeben.448 Tatsächlich erstreckte sich die weltliche Jurisdiktionsgewalt des Würzburger Bischofs in der Mitte des 16. Jahrhunderts hingegen wohl nur auf das Gebiet des Hochstifts.449 Umgekehrt 4 47 StAW, Stb. 1011, fol. 275v. Bei der plackerey handelt es sich um eine Erpressung oder Nötigung auf offener Straße, DRW X, Plackerei, Sp. 1074. Vergewaltigung meint hier wohl generell eine Form der Gewaltausübung gegen eine andere Person, Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. 3, Sp. 113 („vergewaltigen“), und mit wohl fehlgehender Interpretation des Art. 162 CCC Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 25, Sp. 428 f. („Vergewaltiger“ und „Vergewaltigung“). Zum Mordbrand als heimlicher Brandstiftung unter Gefährdung anderer Personen etwa DRW IX, Mordbrand, Sp. 869 f., und Deutsch, Mordbrand, Sp. 1624 – 1626. Mit der Tailung ist wahrscheinlich das Teilrecht angesprochen, das es den Kindern aus erster Ehe ermöglichte, schon nach dem Tod eines Elternteils aus dem Erbe abgefunden zu werden. Ein den Kindern aus zweiter Ehe vergleichbares Erbrecht bestand dann nicht, Erler, Teilrecht, Sp. 143 f. Während die Voraussetzungen der Eheschließung und die Wirksamkeit derselben im Rahmen der geistlichen Gerichtsbarkeit überprüft wurden, waren vor allem die güterrechtlichen Folgen der Ehe der weltlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen. In ­diesem Kontext ist der Begriff der Heirat verständlich; siehe diesbezüglich sogleich S. 99. Ehebetaiding ist identisch mit der Ehebere­ dung und meint einen Ehevertrag, DRW II, Ehebeteid(ig)ung, Sp. 1210. Das Heiratsgut und der vieldeutige Begriff der Morgengabe stehen jedenfalls in der Frühen Neuzeit in engerem Zusammenhang mit der Mitgift, DRW V, Heiratsgut, Sp. 662 f.; Brauneder, Morgengabe, Sp. 1628 – 1634, insb. Sp. 1631 f. Bei der Einkindschaft handelte es sich zumeist um eine vertragliche Abrede z­ wischen den Eheleuten einerseits und den Kindern aus einer (durch Tod geschiedenen) Vorehe andererseits. Letztere verzichteten zugunsten eines Erbrechts neben den Kindern aus der zweiten Ehe insbesondere auf ihr Teilrecht, Lipp, Einkindschaft, Sp. 1297. Zum Voraus als vorweggenommener Zuwendung aus dem Nachlass, die der weiteren Auseinandersetzung der Erben entzogen ist, vgl. Neschwara, Voraus, Sp. 1032 – 1035. Mit vertzig ist schließlich der Verzicht (wahrscheinlich auf das Erbe) angesprochen. 4 48 Fries, Chronik II, S. 47. Neben der Gleichsetzung von Bistum und Herzogtum (iusticiam per totum episcopatum et ducatum Wirzebvrgensem), siehe schon S. 42, legt der ausdrückliche Verweis auf die Bargilden nahe, hierzu S. 42, dass Fries die Goldene Freiheit auch bei der Fertigung der Hohen Registratur zur Vorlage genommen hatte. 449 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 222.

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konstituierte sich ­dieses „Gebiet“ eigentlich erst dadurch, dass der Bischof dort Herrschaftsrechte und insbesondere die Gerichtsherrschaft auch ausüben konnte, wie die zahlreichen Zuständigkeitsstreitigkeiten um die Würzburger Zenten und eben auch um die räumliche Ausdehnung des landgerichtlichen Gerichtszwangs belegen.450 Deutlich wird dieser kleinere Geltungsbereich des Gerichts auch aus einer Fragment gebliebenen Darstellung des Lorenz Fries selbst. Wahrscheinlich hat sie zur Zeit der Entstehung der genannten Passage in der Hohen Registratur bereits ihren fragmentarischen Charakter gehabt, denn Fries schrieb, dass er über das Landgericht bereits ain sunder buch gemacht habe, um diese Formulierung zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu streichen und durch zu machen vorhab zu ersetzen.451 Unter Bezugnahme auf die Goldene Freiheit verwies Fries in seinem Manuskript zum Landgericht darauf, dass im Privileg des Jahres 1168 die Grenzen des Landgerichts nicht spezifiziert, sondern mit dem bistumb gemessen worden waren, dauon aber nachuolgender zeit durch vnfleisz und hinlessickait der bischofe vnd andern zugestanden vnrathe dem stifft Wirtzburg vill entzogen worden sei.452 Auch die von Fries in der Hohen Registratur angegebene weite sachliche Zuständigkeit des Gerichts, die sogar die Strafgerichtsbarkeit umfassen sollte, verwundert zunächst, da sich hierin eine außerordentliche Konkurrenz zur Zentgerichtsbarkeit manifestiert hätte. Doch auch diesbezüglich erhellte Fries selbst in seinem ­Manuskript zum Landgericht die tatsächlichen Verhältnisse des 16. Jahrhunderts. Dort findet sich eine Beschreibung der landgerichtlichen Zuständigkeiten, die zwar ausführlicher als jene in der Hohen Registratur, aber nicht kategorial verschieden von ihr ist. In seiner Schrift zum Landgericht zeigt sich diese Zuständigkeits­ zuschreibung aber als Interpretation der bereits in der Goldenen Freiheit gewährten Rechte und somit als eine Beschreibung der Rechte aus dem 12. und nicht dem 16. Jahrhundert. Entsprechend heißt es im Folgenden, dass die Würzburger Bischöfe die lehen sachen an ain sonder ort, nemlich fur die lehenmann verwiesen hatten, bey den ain bischof selbst oder dem er es beuolhen als lehenrichter saß und richtete.453 Damit waren die beiden Würzburger Lehengerichte, insbesondere aber das zunächst vornehmlich als Hof- und ­später als Ritterlehengericht bezeichnete Gericht für die adeligen Lehensmänner angesprochen, das in Streitigkeiten derselben untereinander ebenso zu richten hatte wie in Auseinandersetzungen mit dem bischöflichen Lehensherrn. Was hingegen raub, brant, andere blutsrach oder peinliche handlung berurt hat, wurde durch die Würzburger Bischöfe an einen Schultheißen und dartzu geordente 450 Siehe dazu S. 110 – 113, 188 – 193. 451 StAW, Stb. 1011, fol. 275r; vgl. dazu auch Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 191. 452 StAW, Manuskripte 5, fol. 21r, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 188. 453 StAW, Manuskripte 5, fol. 21v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 188.

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vrteiler oder schopfen übergeben vnd dasselbig gericht das landrecht im hertzogtumb zu Francken genenet worden.454 Vor allem für die Fälle der peinlichen Gerichtsbarkeit in und um Würzburg war somit das Brückengericht zuständig, das als eigentliche Würzburger Zent fungierte. In schuld, schmahesachen, vnd andere dergleichen sollte des clagers gefallen nach einer beder obberurten orte gewählt werden.455 Gemeint war hier neben dem Landgericht das Würzburger Stadtgericht, das mit dem Brückengericht praktisch identisch war.456 Dass d ­ ieses Wahlrecht in der Praxis tatsächlich bestand und sich die Parteien auch darauf beriefen, zeigt ein an das Reichskammergericht gelangtes Verfahren, das seinen Ausgang 1530 am Würzburger Landgericht nahm, wo sich in einem Injurienverfahren der Würzburger Wirt zum Baumgarten, Hans Helfferig, im Klagewege gegen Johann Birnesser 457 wendete und diesbezüglich durch eine Abforderung des Verfahrens an das Würzburger Stadtgericht von seinem Wahlrecht Gebrauch machen wollte.458 Helfferig führte angesichts der Tatsache, dass er und Birnesser Würzburger Bürger waren, vor dem Landgericht aus, dass er als solcher zwen richter nemblichen den Landrichter und dan das Statgericht hatte und es in seiner erwelung unnd wilkurh stand, vor welchem [er] jne beclagenn mochte.459 Ein besonderes Interesse an einer Verweisung des Verfahrens musste er auch deshalb haben, weil er mit Birnesser niemand geringeren als den Landschreiber und somit die neben dem Landrichter wohl bedeutendste Person am Gericht verklagen wollte.460 Der beklagte Land(gerichts)schreiber berief sich seinerseits darauf, dass er als ein Landgerichts personn auch vor ­diesem Gericht verklagt werden müsse.461 Die Urteiler lehnten die weysung des Verfahrens ab und verurteilten den Wirt dazu, sich am Landgericht einzulassen, wenn er nicht wollte, dass Birnesser von der Klage absolviert würde. Auf die Appellation des Klägers an das Kanzleigericht gegen ­dieses Urteil entschieden die Räte nach der zeitgenössischen Formel, dass 454 StAW, Manuskripte 5, fol. 21v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 188. 455 StAW, Manuskripte 5, fol. 22r, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 189. 456 Zur schwierigen Abgrenzung der Gerichtsbezeichnungen S. 127 – 132. 457 Birnesser erscheint erstaunlich häufig im Zusammenhang mit reichskammergerichtlichen Verfahren. Neben dem hier genannten etwa in BayHStA, RKG S2031 (Bestellnr. 8360) ebenfalls auf Beklagtenseite. In BayHStA, RKG 3928, Q9, unfol., wird ihm Manipulation der Gerichtsakten aus Neid gegenüber dem Appellaten vorgeworfen und in BayHStA, RKG 3959, Q5, unfol., wird ein von ihm vor dem Kanzleigericht geführtes Injurienverfahren ersichtlich, nachdem er seinerseits in einem gerichtlichen Verfahren von einer Partei beleidigt worden war. 458 BayHStA, RKG 1287. 459 BayHStA, RKG 1287, Kanzleigerichtsakte [ohne Q], unfol. 460 Zur Bedeutung des Land(gerichts)schreibers siehe S. 105 f. 461 BayHStA, RKG 1287, Kanzleigerichtsakte [ohne Q], unfol.

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am Landgericht übel geurteilt und daher wohl appelliert worden sei und verwiesen das Verfahren wie gewünscht an das Würzburger Stadtgericht. Auch in der Kanzlei beachtete man also das beanspruchte Wahlrecht des Klägers, das sich gegenüber der von Birnesser behaupteten personal orientierten Zuständigkeit durchsetzte.462 In der Mitte des 16. Jahrhunderts war das Landgericht also weder für Verfahren in Lehensangelegenheiten noch im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit sachlich zuständig, während in Schuld- und Schmachsachen nach Wahl des Klägers alternativ zum Landgericht das Stadtgericht und in letzteren zudem der Würzburger Oberrat 463 angerufen werden konnten. Dem Landgericht sollten als ausschließliche Zuständigkeiten Urteile vber erbschafft, stain, rain, grund, bodem, vnd andere sachen denselbigen anhängig vnd daraus fliessend 464 verbleiben, die Fries unter Bezugnahme auf die Goldene Freiheit unter den Begriff der Allodia subsumierte, den er überdies um vormundschafft, pfleg und ledigung aus vaterlichem gewalt 465 anreicherte. Entsprechend sah eine Fries’sche Aufzeichnung der Landesgebräuche [a]lle Urtheil, Acta und Gerichts-­Handell in sachen erbliche Guetter Grund und Boden, Heyrathguet, Ubergab und Vermechtnus als vor das Landgericht gehörig an und ließ als erstinstanzliche Verfahren ebenso persönliche Sprüche, als schelten, schmehen, und was dergleichen ist, […] es seye gegen Edlen oder Unedlen, zu.466 Sachlich war das Landgericht also ganz überwiegend in Zivilsachen verschiedener Art zuständig,467 die – modern gesprochen – insbesondere immobilien-, erb- und familienrechtliche Fragen behandelten. Augenfällig ist in der Überlieferung des Reichskammergerichts das große Übergewicht erbrechtlicher Verfahren, was wohl auch darin begründet liegt, dass hier die reichsrechtliche oder durch Appellationsprivilegien erforderliche Appellationssumme besonders häufig erreicht wurde.468 Eine wichtige Funktion hatte das Landgericht auch außerhalb von Parteistreitigkeiten, da es insofern die Aufgabe der bestetigung aller obberurter vnd anderer sachen vnd verträge innehatte. So mussten durch das Landgericht wahrscheinlich 462 Ob die behauptete Zuständigkeit des Landgerichts für Klagen gegen dessen Personal ansonsten anerkannt war, ist ungewiss. Behauptet wird eine ­solche in einem Verfahren gegen den Gerichtsschreiber etwa auch in BayHStA, RKG S2031 (Bestellnr. 8360), übrigens auch bezüglich Johann Birnessers auf Beklagtenseite. 463 Dazu S. 139. 464 StAW, Manuskripte 5, fol. 21v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 189. 465 StAW, Manuskripte 5, fol. 21r, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 187. 466 Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 121. 467 So vornehmlich für das Spätmittelalter schon Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 56 – 58. 468 Aufschlussreich dürfte diesbezüglich die Auswertung der für die Zeit von 1589 bis 1707 mit einigen Lücken vorliegenden Protokollbände des Landgerichts sein, StAW, Rößnerbücher 1468 – 1487, die nach wie vor ein Forschungsdesiderat darstellt.

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Verträge über Immobilien, mit Sicherheit aber bestimmte erb- und familienrechtliche Erklärungen oder Vereinbarungen bestätigt werden, um Wirksamkeit zu erlangen oder damit sie s­ päter – ähnlich der Funktion eines Registers – zum Beweis herangezogen werden konnten.469 Diese Zuständigkeitszuschreibungen dürften sich auch bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges nicht grundlegend geändert haben. Denn auch die unter Bischof Johann Gottfried von Aschhausen (1617 – 1622) erlassene und gedruckte, aber schon zur Echterzeit fertiggestellte Landgerichtsordnung versteht unter den sonderbahre Gebräuch undt Herokhommen wie es in gedachtem Stifft undt Hertzogthumb in landtgerichtsfällen […] zuehalten ausweislich des Titelblatts vor allem Erbschafften, Vohrmundtschafften Ehebethedigung, Vermächtnussen, Einkindtschafften und prozessuale Regelungen.470 Die Ordnung des Jahres 1618 war in einer „Epoche, deren Kennzeichen die Wiederherstellung verlorengegangener Ordnung, nicht Konstruktion eines neuen Gesellschaftsmodells gewesen ist“ 471, maßgeblich auf die Bewahrung des geltenden Rechtszustandes gerichtet. Es finden sich darin folglich die zunächst von Fries 1536 und schon seit Ende der vierziger Jahre desselben Jahrhunderts von den Land(gerichts)schreibern schriftlich festgehaltenen Landesgebräuche sowie die darüber hinausgehenden Kenntnisse der Urteiler und Landschreiber.472 Ein Großteil der im Jahr 1618 niedergelegten Anordnungen, die unter 469 Bezüglich Testamenten und erbrechtlichen Vereinbarungen finden sich entsprechende Hinweise auf landgerichtliche Bestätigungen gelegentlich. Auch die Antzaigung der Mengel des Gerichts aus dem Jahr 1536, dazu S. 113 f., geht von der Bestätigung und Bekräftigung von Vermächtnissen durch das Landgericht aus, Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 111. Ohne Errichtung am Landgericht oder spätere Konfirmation durch dasselbe waren alle Donation, Ubergaben, Vertzig, und Vermechtnus – gemeint sind hier wohl Fahrnisschenkungen, Eigentumsübertragungen an Grundstücken, Erbverzicht und Vermächtnis – […] nach gemeinen hergebrachten Gebrauch deß Lanndtrechtens untuglich, nichtig und uncräfftig, wenn sie nicht bei öffentlicher Heirat vereinbart und daher mit Brieffen sigeln, oder lebendiger Kundschafft, also durch Zeugen bewiesen werden konnten, ebd., S. 133. Bei Einkindschaften, zum Begriff siehe bereits Anm. 447, scheint ausweislich eines Berichts zweier Landschreiber aus dem Jahr 1569, dazu S. 121, 123, diese Ausnahme zugunsten einer Wirksamkeit ohne gerichtliche Bestätigung aber von Land-, Kanzlei- und Reichskammergericht nicht anerkannt worden zu sein, Schneidt, Thesaurus, 1,2, S. 273. Streitgegenständlich ist die Wirksamkeit von nicht landgerichtlich bestätigten Eheverträgen etwa in BayHS tA, RKG T362 (Bestellnr. 12977). Eine gerichtliche Funktion im Rahmen des Familienrechts außerhalb von Parteistreitigkeiten wird ferner im Beispielsfall Melber gegen Schneider erkennbar, in dem Schneiders Stieftochter regelmäßig als von Landtgerichts wegen, rechtgemachte tochter bezeichnet wird, StAW, Admin. 18432, unfol. 470 So das Titelblatt der Landgerichtsordnung des Jahres 1618. 471 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 222. 472 Ebd., S. 222, der von einer Sammlung der Landesgebräuche durch die Landschreiber ab 1569 ausgeht. Nach der früheren Sammlung älterer Landesgebräuche von Lorenz Fries

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anderem die Organisationsstruktur des Gerichts betrafen, hat demnach bereits im 16. Jahrhundert im Wesentlichen Anwendung gefunden. Sofern in der Hohen Registratur von Heirat die Rede ist, darf darunter ersichtlich nicht die Eheschließung und deren Wirksamkeit selbst verstanden werden, da entsprechende Rechtsstreitigkeiten der geistlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere dem Würzburger Offizial oder den Archidiakonen, zugewiesen waren. Dementsprechend enthält die Landgerichtsordnung des Jahres 1618 nur Ausführungen zum ehelichen Güterrecht; so etwa hinsichtlich der Unterscheidung von unbedingte[n] und bedingte[n] Heyrathen.473 Aufgrund der sachlichen Nähe von Ehe und ehelichem Güterrecht dürfte das Landgericht mit den geistlichen Gerichten und hierbei vor allem dem Konsistorium in Konkurrenz gestanden haben. Dementsprechend findet sich bereits in der Sammlung der Landesgebräuche aus dem Jahr 1536 der Hinweis, dass [w]as am Lanndtgericht ordenlich confirmirt und bestettigt worden ist, […] am Geistlichen Gericht nit abgethan, noch darüber gehanndtelt […] werden sollte.474 Für die genannten Streitigkeiten war das Gericht grundsätzlich erstinstanzlich zuständig, auch wenn es jedenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts vorkam, dass in etlichen Flecken die Bauern uber Erbfall Recht sprachen und dardurch dan liederlich ein Ungleichheit der Succession ab intestato, also der Erbfolge bei Fehlen einer testamentarischen Anordnung des Erblassers, entstand, und man es daher für erforderlich hielt, specifice zu benennen und in den Ämtern verkünden zu lassen, waß fur sachen an daß Landtgericht soldten gehören.475 Auch die fürstliche Obrigkeit schien diesen Bedarf zu erkennen, denn schon 1569 erging ein entsprechender Befehl an Landschreiber und Vizelandschreiber, ein lauttere Specification und schrifftlich Verzeichnus [zu] geben, in waß sachen […] durch ermelte Landtgericht geurtheilt, und gesprochen worden war.476 und dem Landrichter Daniel Stiebar, vgl. dazu zuletzt Flachenecker, Der Chronist des Bischofs, S. 223 – 226, die bereits auf das Jahr 1536 datiert, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 120, vgl. auch den Abdruck derselben in Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 94 – 192, entstanden bereits Ende der vierziger Jahre und 1557 entsprechende Sammlungen aus der Feder des Landschreibers Nicklauß Diemer, Schneidt, Thesaurus 1,2, S. 195 – 224 und 225 – 267. Dazu ausführlich S. 119 – 122. Zu ersichtlichen Übernahmen siehe insb. S. 106. 473 Vgl. diesbezüglich LGO 1618, 3. Teil, Tit. 96 f. Unter einer unbedingten Heirat wurde eine Eheschließung ohne zusätzliche güterrechtliche Einigung oder Errichtung eines Vermächtnisses verstanden. Diese führte dann dazu, dass dem Ehemann zwar hinsichtlich der beiderseitig eingebrachten Güter die Verwaltung zustand, grundsätzlich aber das bis zum Zeitpunkt der Eheschließung vorhandene Vermögen der Ehegatten getrennt blieb, ebd., Tit. 96, § 2 f. Im Falle der bedingten Heirat trat eine ehegüter- und erbrechtliche Einigung der Ehegatten an die Stelle der dargelegten Regelungen, ebd., Tit. 97, § 2. 474 Schneidt, Thesaurus 1,1, insb. S. 111. 475 So Landschreiber Nicklauß Diemer in seinen Aufzeichnungen aus dem Jahre 1557, Schneidt, Thesaurus 1,2, S. 263 f. 476 Schneidt, Thesaurus 1,2, S. 268.

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Die Tatsache, dass die Ordnung des Jahres 1618 keine materiell-­rechtlichen Aussagen zu zivilrechtlichen Gegenständen außerhalb der familien- und erbrechtlichen Sachen trifft, darf überdies nicht ohne Weiteres zu der Annahme verleiten, diese s­ eien nicht Gegenstand der landgerichtlichen Rechtsprechung gewesen. Möglicherweise war hier, beispielsweise wegen bereits bestehender Rechtsklarheit an den Gerichten oder eines größeren Einflusses römisch-­rechtlicher Regelungen, eine eigene materiell-­rechtliche Partikularregelung schlicht nicht erforderlich. Etwa die von Merzbacher für das späte Mittelalter nachgewiesene Gerichtstätigkeit in Immobiliensachen 477 scheint nämlich auch in der Frühen Neuzeit fortbestanden zu haben. Ein entsprechendes Verfahren am Landgericht, das im Appellationswege an das Kanzleigericht und schließlich an das Reichskammergericht gelangte, wurde etwa in den Jahren 1497 und 1498 z­ wischen zwei Würzburger Bürgern geführt, ohne dass eine der Parteien ausweislich der Gerichtsakten beider Instanzen auf die Zuständigkeit des Würzburger Stadtgerichts verwiesen hätte.478 In der Landgerichtsordnung am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges wird diese Zuständigkeit hingegen allenfalls beiläufig erwähnt. So findet sich zu Beginn eines Abschnitts über die Zeugenvernehmung lediglich der Hinweis, dass sichs auch o­ fftermals begibt, das jemands sich spruch, oder forderung, ­welche ihme etwann seiner Guter, oder Gerechtigkeit halb erlegt werden mögten, besorget.479 Im Übrigen war das Landgericht ausweislich der Ordnung des Jahres 1618 neben Erb- und Familiensachen im genannten weiteren Sinne auch für das Inzichtverfahren zuständig, bei dem sich eine zu Unrecht einer ehrenrührigen Handlung bezichtigte oder anderweitig verleumdete Person durch einen Reinigungseid von der Sache purgieren,480 also freisprechen und ihren Leumund wiederherstellen konnte.481 Anders als noch nach der Landgerichtsordnung des Jahres 1512, die das Inzichtverfahren bei Angehörigen der Ritterschaft unter erleichterten Bedingungen ermöglicht hatte,482 sollte nun, wo ein Rittermessiger man, Burger, Bawr, oder andere Persohn […] beruchtiget, und verleumbdet, oder beschreiet wehre, das Verfahren am Landgericht nur eröffnet werden, wenn es vom Landesherrn oder seinen Räten an das Landgericht verwiesen worden war.483

477 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 57. 478 BayHStA, RKG 2541, Q7, 8. 479 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 2, § 18. 480 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 2, § 6. 481 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 148; allgemein zum Inzichtverfahren Schlosser/ Guthke, Inzichtverfahren, Sp. 1301 f. 482 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 149. 483 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 2, § 7.

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Abgesehen von diesen erstinstanzlichen Verfahren war das Landgericht auch in Appellations- und Nichtigkeitsverfahren anzurufen, wann etwann Partheyen an den undergerichten uff dem Landt, sich durch Urtheil beschweret ermessen 484 beziehungsweise da jemandt an gedachten undergerichten, außgesprochene Urtheil, der nichtigkeit, oder nullitet, uberfuhren wolte.485 In welcher Weise, insbesondere unter Berücksichtigung welcher Fristen die Appellation anzunehmen war, regelte die Landgerichtsordnung ebenso ausführlich wie die Form, in der die untergerichtlichen Akten für den weiteren Prozess seitens der erstinstanzlichen Richter ausgefertigt werden mussten.486 Diese Zuständigkeit des Landgerichts in Appellationsverfahren gegen Urteile der Untergerichte des Hochstifts hatte sich schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts und somit vor der Entstehung des Kanzleigerichts etabliert;487 in der Zeit also, in der sich die Appellation in Verfahren der weltlichen Gerichtsbarkeit überhaupt erst in nennenswertem Umfang ausbildete.488 Gelegentlich scheinen sogar zu dieser Zeit gelehrte Juristen zur Begutachtung des Falles hinzugezogen worden zu sein.489 Auch in den folgenden Jahrzehnten verlor das Landgericht seine Stellung als Appellationsinstanz nicht. Denn noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts ging die Hohe Registratur davon aus, dass von den Stadt- und Dorfgerichten des Hochstifts bei Erreichen der jeweils erforderlichen Appellationssumme von zwölf beziehungsweise zehn Gulden entweder an das Kanzleigericht oder das Landgericht appelliert werden konnte, ohne dass diesbezüglich darauf eingegangen wurde, unter ­welchen Umständen das eine oder andere Gericht angerufen werden konnte.490 Möglicherweise hat in d ­ iesem Zusammenhang ein Wahlrecht der Appellanten bestanden. Dementsprechend regelte auch die Landgerichtsordnung des Jahres 1618 nach wie vor das Appellationsverfahren vor dem Landgericht. In den reichskammergerichtlichen Beständen lassen sich allerdings Verfahren, die von einem erstinstanzlichen Gericht im Wege der Appellation an das Landgericht geführt haben, kaum n ­ achweisen, denn in aller Regel gelangten 484 485 486 487

LGO 1618, 2. Teil, Tit. 2, § 2. LGO 1618, 2. Teil, Tit. 2, § 3. LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 46v–47v, 51r f.

Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 125 – 127, hat für die Sechzigerjahre des 15. Jahrhunderts einige Verfahren von verschiedenen Untergerichten innerhalb und außerhalb (!) des Hochstifts nachgewiesen, die etwa von den Stadtgerichten der Reichsstädte Schweinfurt und Heilbronn oder den Dorfgerichten Markelsheim und Rödelsee an das Landgericht gelangten. Diese weite Zuständigkeit des Landgerichts auch über die umliegenden Reichsstädte und Grafschaften als Teile des Herztogtums Franken entsprach einem Albrecht von Hohenberg (1345 – 1349) durch Karl IV. verliehenen Privileg aus dem Jahr 1347, Merz, Fürst und Herrschaft, S. 41. 488 Siehe dazu bereits S. 76 – 79 und S. 109 f. 489 So offenbar in einem Verfahren aus dem Jahr 1468, Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 127. 490 StAW, Stb. 1011, fol. 282r.

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erstinstanzlich am Landgericht geführte Verfahren an das Kanzlei- und schließlich das Reichskammergericht. Die wenigen Prozesse am Reichskammergericht, die vor anderen erstinstanzlichen Foren begonnen worden waren, führten in der Regel unmittelbar an das Kanzleigericht.491 Immerhin aus drei reichskammergerichtlichen Verfahren, von denen sich zwei um die Wende zum 16. Jahrhundert und eines um 1540 ereigneten, wird eine tatsächliche Nutzung der aus den normativen Quellen ersichtlichen Appellationsmöglichkeit gegen die Urteile von Untergerichten im Hochstift an das Landgericht erkennbar.492 b.  Gerichtsort und -besetzung Das Landgericht tagte im Gebäude der fürstlichen Kanzlei in ainer sunderen dartzu geordent[en] und beraiten stuben,493 nachdem Bischof Lorenz von Bibra (1495 – 1519) es im neugebauten Westflügel des bischöflichen Saals oder Saalhofs hatte unterbringen lassen, in dem sich auch die – für den gesamten Komplex namensgebende – Kanzlei befand.494 Es sollte ausweislich der Landgerichtsordnung des Jahres 1618 zwölfmal im Jahr an mindestens drei Gerichtstagen, die der Landrichter noch ein, oder zween Tag continuieren konnte, jeweils ganztägig von sechs Uhr im Sommer oder sieben Uhr im Winter bis jeweils zehn Uhr und erneut von ein bis fünf Uhr am Nachmittag gehalten werden.495 491 So etwa von den Stadtgerichten Heidingsfeld, BayHStA, RKG S0236 (Bestellnr. 11530), W0859 (14040), Iphofen, S0604 (12471), Gerolzhofen, R0279 (10598), oder Karlstadt, 1811, sowie von den Dorfgerichten Bundorf, T0409 (13108), oder Obervolkach, 6943. 492 So (wohl) vom Stadtgericht Neustadt im Jahr 1497, wobei eine Partei behauptete, das Verfahren am Landgericht sei erstinstanzlich geführt worden, BayHStA, RKG 5816. Ferner von dem Dorfgericht Erlabrunn vor 1540, 4111, und sogar der Zent Mellrichstadt 1499, 8389. 493 StAW, Stb. 1011, fol. 275v. 494 Zimmermann, Gerichts- und Hinrichtungsstätten, S. 103. Es handelt sich um die Stelle, an der das Landgericht auch vor seiner Verlegung in den Justizpalast in der Ottostraße 1892 getagt hatte, bevor es zur Öffnung des Kürschnerhofs 1894 abgebrochen wurde, Memminger, Würzburgs Straßen, S. 236. Bevor das Gericht in dieser Landtgerichts Stuben tagte, war es zuvor auch an anderen Orthen, doch in der gemelten Statt Wirtzburg, gehalten worden, LGO 1618, 2. Teil, Tit. 1, § 1; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 9r. Zimmermann, Gerichts- und Hinrichtungsstätten, S. 100 f., gibt neben der hauptsäch­lichen Gerichtsstätte, dem, der späteren Kanzlei domseitig gegenüberliegenden, sogenannten Kalhard, für das Spätmittelalter verschiedene Würzburger Höfe, die Festung Marienberg, aber auch Dipbach und – angesichts des Gerichtsvorsitzes weniger überraschend – das in Besitz des Domkapitels befindliche Ochsenfurt an. 495 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 1, §§ 2, 7, 11. Aus § 2 geht hervor, dass die Anzahl der jährlichen Landgerichtsversammlungen in der Praxis einigen Schwankungen unterlegen haben dürfte. So sollten, [w]iewol auch etwann ein ungleiche Anzahl der Landtgericht gewesen, […]

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Das Gericht war mit siben redlichen verstendigen personen aus des lands Adl besetzt und inen alweg[en] ain Capiteldomher zu richter zugeordet worden.496 Nach der Darstellung von Lorenz Fries in der Hohen Registratur und in einer eigens angefertigten Schrift zum Landgericht hatte vormals der Bischof selbst neben sieben ritterlichen Urteilern dem Gericht vorgesessen. Später, nach Erteilung eines vermutlich aus Mangel an ritterlichen Urteilern erteilten königlichen Privilegs Sigismunds von Luxemburg aus dem Jahre 1422, konnte das Gericht wa si nit ­rittere gehaben konnen, auch mit edlen knechten die zum schilte und den wapen geboren, auch redlich vnd vernunfftig leut sein, besetzt werden.497 Und offenbar wurde bischöflicherseits von d ­ iesem Privileg, das alles andere als eine Würzburger Besonderheit war,498 auch Gebrauch gemacht. Denn der Gnadenvertrag des Jahres 1461 und die ritterlichen Beschwerden des Jahres 1474, die auch ein frühes Zeugnis der Appellationspraxis der fürstlichen Kanzlei gegenüber dem Landgericht enthalten, wiesen wohl nicht ohne jeden Anlass auf die ordentliche Besetzung mit Rittern hin. Die Erweiterung des Urteilerkreises hing vermutlich mit einem Phänomen zusammen, das auch an anderen Landgerichten erkennbar war. Schon im Laufe des hinfurter ein beständige Anzahl deroselben, nemblich in jedem Jahr zwölff […] gehalten werden, ebenso LGO 1580, StAW , WU Libell. 317, fol. 9r f. Einem Irrtum dürfte insoweit Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 223, unterliegen, der mit Verweis auf LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 14 von nur vier jährlichen Gerichtsversammlungen zu fünf oder sechs Tagen ausgeht. Die Ordnung sieht an der genannten Stelle angesichts des augenscheinlich hohen Geschäftsaufkommens lediglich vor, dass die Beisitzer vier Mal im Jahr schon Funff, oder Sechstag, vor dem angehenden Landtgericht, allhie sollen erscheinen und bei Bedarf etzliche täge nach dem Landtgericht verharren sollen, um Bescheide und Urteile zu verfassen. 496 StAW, Stb. 1011, fol. 275v. Sieben Urteiler sah bereits die Landgerichtsordnung von 1512 vor, StAW , Miscell. 6818, fol. 2v; ferner Schneidt, Thesaurus 1,1, insb. S. 105. Zur Besetzung des Landrichters durch einen Capitulshern unsers Dombstiffts, der eines Erbarn wandels und verständig sein sollte, ferner auch LGO 1618, Tit. 2, § 1 und ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 11r. Nach LGO 1618, Tit. 3, § 1 sollten die Beisitzer alle ritter, oder […] zum wenigsten vom Adell, eines zimlichen alters, Erbar, auffrichtig, v­ erständig, und […] geschickt seyn; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13r. 497 StAW, Manuskripte 5, fol. 23v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 191. Vgl. auch StAW, Stb. 1011, fol. 275v. Das am 03. 09. 1422 verliehene Privileg findet sich in RI XI Nr. 5119. 498 Vergleichbare Privilegien gab es für zahlreiche Landgerichte. So etwa für das Landgericht Oettingen 1399 und 1419, Feine, Die kaiserlichen Landgerichte, S. 217, jeweils 1401 bzw. 1404 für die Landgerichte im Klettgau, in Stühlingen und in Graisbach, Regesten der Pfalzgrafen, Bd. 2, S. 102, Nr. 1505 und 1506, und S. 245, Nr. 3486. Außerdem 1379 bzw. 1431 für die Landgerichte im Thurgau und in Ensisheim, Feine, Die kaiserlichen Landgerichte, S. 203, 206. Zahlreiche weitere Beispiele m. w. N. sind bei Baumbach, Königliche Gerichtsbarkeit, S. 234, Anm. 668, zu finden.

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14. ­Jahrhunderts hatte nämlich die Zahl an Freien und Ritterbürtigen im römisch-­ deutschen Reich ­abgenommen und die Besetzung der Landgerichte mit ­ritterlichen Urteilern erschwert.499 Gleichwohl rühmte sich – übrigens von der Gegenseite ausdrücklich zugestanden – das Hochstift noch Ende des 16. Jahrhunderts in einem Verfahren vor dem Reichskammergericht damit, über ein ansehenliche anzahl ­adenlicher vasallen und Lehenleuth zu verfügen.500 Diese entstammten in aller Regel dem ritterlichen Adel und urteilten auch am sogenannten Ritterlehengericht. Die Tatsache, dass zum Ende des 16. Jahrhunderts häufig nicht mehr als eine Handvoll Urteiler zu den im Vergleich zum Landgericht seltener stattfindenden Sitzungen des Ritterlehengerichts erschien,501 lässt allerdings vermuten, dass auch am Landgericht die ordnungsgemäße Besetzung gelegentlich Schwierigkeiten bereitet hat, auch wenn der Niedergang des ritterlichen Adels in Franken weniger deutlich war als in anderen Regionen des Reichs.502 Erkennbar werden diese Schwierigkeiten auch an der Ordnung des Jahres 1618. Nachdem noch die Landgerichtsreformation des Jahres 1512 verfügt hatte, das vnter siben vrteilern am Landgericht nit sitzen oder vrteil sprechen sollten,503 traf man nun ausführliche Regelungen zu kleineren Besetzungen des Urteilerkollegiums, weil die Beisitzer auß zufällen leichtlich nicht zusammen kommen mochten.504 Es waren dann, angelehnt an die Mehrheit aus sieben Urteilern, lediglich vier Beisitzer für den üblichen Gerichtsbetrieb erforderlich, während zur Bestätigung von Vermächtnissen oder ähnlichen Anliegen und, unter Hinzuziehung eines abgeordneten fürstlichen Rats, in unbedeutenderen Angelegenheiten sogar zwei Beisitzer ausreichten.505 Bereits die Reformation des Jahres 1512 enthielt ausführlichere Informationen zur Auswahl der Urteiler. In ihr wurde formuliert, dass es zwar die vorigen Reformation und Ordnung nit aufleg[t]en das s­olche urteiler Ritter sein sollten und überdies das genannte kaiserliche Privileg des Jahres 1422 die Besetzung des Gerichts mit Edelknechten erlaubte, gleichwohl der vertrag 506[,] so wir [der Bischof, Anm. JB ] mit unnsern Graven Herren und Ritterschafft und sie mit uns hatten, solch unser Lanndgericht mit Rittern zubestellen inneh[i]elt und man es dabei, wie es bei unsern 499 Baumbach, Königliche Gerichtsbarkeit, S. 233. 500 BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol. 501 Siehe dazu S. 152 – 154. 502 Arnold, Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S.  24; ausführlich zum fränkischen „niederen“ Adel und seiner fortbestehenden Geltung im 16. Jahrhundert Riedenauer, Entwicklung und Rolle des ritterschaftlichen Adels, S. 81 – 130, insb. S. 81 f., 86 – 88, 115, 119 f. 503 StAW, Miscell. 6818, fol. 2v. 504 LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 8; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13v f. 505 LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 9 – 12; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 14r f. 506 Gemeint ist vorliegend der Gnadenvertrag des Jahres 1461.

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vorfarn herkomen war, bißhere auch pleiben lassen hatte.507 Fortan wollte man aber, wie es auch Graven Herren und Ritterschaft fur gut angesehen hatten, das nit allein Ritter, sonnder auch ander vom Adel die tuglig und geschickt wern zu urteilern gesatzt würden, und dermassen bißhere gehalten Ritter zu werden unbestetiget pleiben solten, das dan wir und unser Capitel uns auch haben gefallen lassen.508 Offenbar hatte man also die nicht ritterlichen Urteiler, um den Gnadenvertrag zu erfüllen, in den Ritter­stand erheben wollen, was nun nach Intervention des landständischen Adels unterbleiben sollte. Dementsprechend heißt es in einer Randnotiz an dieser Stelle der Ordnung: Urteilere dorfen nit Riter werd[en].509 Es ist davon auszugehen, dass die nachfolgende Anordnung, wonach nur noch Urteiler angenommen werden sollten, die ihre Wohnung in Würzburg hatten oder sich dazu verpflichteten, in der Stadt zu wohnen,510 die Wahrscheinlichkeit nicht gerade erhöhte, geeignete ritterliche Urteiler in größerer Zahl zu finden. In der Landgerichtsordnung des Jahres 1618 findet sich diese Voraussetzung daher nur noch in sehr ­abgeschwächter Form wieder.511 Erwähnung muss auch der Land(gerichts)schreiber finden, der gemäß seinem Amtseid aus der Landgerichtsordnung 1512 vor allem dazu verpflichtet war, bei seinen Aufzeichnungen keine Fälschungen durch Auslassungen oder Zusätze vorzunehmen.512 Sein Einfluss am Gericht kann kaum überschätzt werden, da er, anders als die zwar grundsätzlich auf Lebenszeit bestellten,513 aber mangels Teilnahme des vollständigen Kollegiums häufig wechselnden Urteiler, dauerhaft dem Gericht beiwohnte und so durch seine Erfahrung eine besondere Autorität genoss, die ihm Einfluss auf die Verhandlungen ermöglichen konnte. 507 508 509 510

LGO 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 2v. LGO 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 2v f. LGO 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 3r. LGO 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 3r. In der Verzeichnung der Landgerichtsbräuche

von Lorenz Fries aus dem Jahr 1536 findet sich diese Anordnung ebenfalls, Schneidt, Thesaurus, 1,1, S. 109. 511 Nach Möglichkeit sollten nunmehr wenigstens zwei oder drei von ihnen in Würzburg wohnen, um den Landrichter bei den anfallenden Arbeiten ­zwischen den Gerichtstagen zu unterstützen, LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 2; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13r. Die Formulierung der Ordnung legt jedoch nahe, dass es diesbezüglich in der Vergangenheit zu Problemen gekommen war, die ein Festhalten an einer solchen Pflicht für alle Beisitzer geradezu unmöglich erscheinen ließen. 512 LGO 1512, StAW , Miscell. 6818, fol. 14r f. In einem Verfahren knapp zwanzig Jahre nach Erlass der Ordnung wurde ebendies dem amtierenden Landschreiber vorgeworfen, ­BayHS tA, RKG 3928, Q9, unfol., vgl. schon Anm. 457. Gerade in Appellationsverfahren, in denen die Gerichtsakten abschriftlich der Appellationsinstanz vorgelegt wurden, konnten Fehler oder Manipulationen für die Parteien zu Nachteilen führen. 513 So jedenfalls für das Spätmittelalter Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 83.

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Dass dieser Einfluss zuweilen auch ausgeübt wurde oder zumindest aus Sicht der Zeitgenossen eine größere Gefahr darstellte, belegen die Landesgebräuche des Jahres 1536, wonach der Landschreiber den Urtheilern der Zeit, alß sie Urtheil zu machen vorhaben, die Acta durchauß […] wohlverstendlich, so offt sie daß begehren, verlesen sollte, aber gleichwohl kein Urtheil machen helffen, noch darzu rathen, nichts zu Gefährde darin hanndtlen hindern noch fürdtern durfte. Bei alldem sollte er aber darob seyn, daß der Lanndts Gebrauch, und hergebrachter Gewohnheit mit Vleiß gehanndthabt, bedacht, gefürdert, und gehanndet werden.514 Dass sich diese beiden Anordnungen nicht ohne Weiteres miteinander vereinbaren ließen, liegt auf der Hand. Dementsprechend fehlt in der Landgerichtsordnung des Jahres 1618, die angesichts der großen Nähe im Wortlaut offenbar die Vorgaben des Jahres 1536 rezipierte, die Anordnung, bei der Erstellung des Urteils nichts beizutragen. Stattdessen sollte der Landschreiber die am Landgericht ergangenen Urteile in guter gedächtnuß halten, dieselbe so sich g­ leiche fäll zutragen, den Beysitzeren vermelden, damit in gleichen fällen, nicht Urtheil wider Urtheil erging.515 Auch wenn er sich in keine rechthängige sachen einschlagen oder etwas darinnen schreiben, rathen, oder reden sollte, dann was er seines Ampts halben zuthun schuldig war,516 dürfte sein Einfluss auf die Verhandlungen bemerkenswert gewesen sein. Sein rechtliches Verständnis manifestierte sich auch darin, dass der Landschreiber, nach deme der gemeine Bawrs unnd Heckersman einfältig sei, die Parteien bei der Erstellung oder Bestätigung der Vermächtnisse gütlich underweisen sollte.517 Angesichts seiner Bedeutung verwundert es kaum, dass es den Parteien gestattet war, einen unverdächtigen schreiber zu verlangen, wenn ein eigenes Interesse oder die Parteilichkeit des Landschreibers zu befürchten war.518 Die Bedeutung des Schreibers wird schließlich besonders an der Person des Landschreibers Nicklauß Diemer deutlich, der nicht nur über Jahrzehnte das Amt bekleidete, sondern mehrfach von der fürstlichen Obrigkeit aufgefordert wurde, die Landesgebräuche, wie sie vor Gericht und im Hochstift gehalten wurden, zu sammeln und aufzuschreiben.519

514 515 516 517 518

Schneidt, Thesaurus, 1,1, S. 113. LGO 1618, 1. Teil, Tit. 5, § 25; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 19v. LGO 1618, 1. Teil, Tit. 5, § 26; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 20r. LGO 1618, 1. Teil, Tit. 5, § 24; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 19v. So schon 1536 Schneidt, Thesaurus, 1,1, insb. S. 114, und LGO 1618, 1. Teil, Tit. 5, § 28; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 20r f. 519 Siehe dazu ausführlich S. 87. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er mit jenem „Nikolaus Diemar“ identisch ist, der am 12. 04. 1531 als Notar am Würzburger Konsistorium angenommen wurde, vgl. diesbezüglich Merzbacher, Der Würzburger Generalvikar und Domdekan, S. 94.

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c.  Appellation gegen Urteile des Landgerichts Seit Bestehen des fürstlichen Kanzleigerichts diente ­dieses insbesondere auch der Überprüfung der landgerichtlichen Urteile. Schon aus den ritterlichen Beschwerden des Jahres 1474 ergibt sich, dass von den landgerichtlichen Urteilen sulch appellacion jn der Canzeley angenomen 520 wurde. Die Landgerichtsordnung des Jahres 1506 bestätigt diesen Zustand, obwohl nunmehr das Vorliegen eines landgerichtlichen Urteilsbriefs 521 verlangt wurde, nach dem vil person yezenzeiten zuverlengerung der sach appellirn unnd darnach die sach bis aufs Jar ruen lassen unnd furter ir gerichts hennde eylanndts gemacht haben wollen, daraus offtermalen die partheyen lanng aufgehallten vnnd verzogen werden.522 Es handelt sich hierbei um eine Formvorschrift und nicht etwa um ein Appellationsverbot, wie dies von Forschungen zur Würzburger Kanzleitätigkeit für den Anfang des 16. Jahrhunderts postuliert wurde.523 Ein solches Verbot hat es seit Beginn der Appellationstätigkeit des Kanzleigerichts mit Sicherheit nicht gegeben. Wenn gleichwohl davon die Rede ist, dass die Annahme von Appellationen durch die Landgerichtsordnung des Jahres 1506 untersagt worden sei, liegt das bestenfalls an einem Schreibfehler in der herangezogenen Handschrift.524 Schon ohne jede Plausibilitätserwägung ist die Vermutung eines solchen Verbots aus der Handschrift selbst nicht zu rechtfertigen. Denn als zeitgenössische Randbemerkung findet sich an ebendieser Stelle 520 StAW, ldf 12, S. 947. 521 Die Urteilsbriefe des Landgerichts um 1500 gingen vom Landrichter aus und wurden vom Landschreiber ausgefertigt. Sie enthielten eine wohl chronologische Schilderung des Verfahrens, die mit der Klageerhebung begann und die einzelnen, offenbar noch mündlich gehaltenen Parteivorträge ebenso enthielt wie das Urteil der ritterlichen Beisitzer. Sie unterschieden sich daher weder in Inhalt noch in Umfang wesentlich von den Gerichtsakten dieser Zeit. Wahrscheinlich genügte zunächst auch der Urteilsbrief anstelle einer Gerichtsakte sowohl im reichskammer- als auch im kanzleigerichtlichen Appellationsverfahren. Dafür spricht, dass etwa die Gerichtsakten BayHStA, RKG 1266 (1497 am RKG) und 2062 (1495) lediglich Urteilsbriefe, aber keine Gerichtsakten enthielten, obwohl vor dem Reichskammergericht zur Sache prozessiert wurde und die vorinstanzlichen Akten, falls erforderlich, daher längst hätten eingebracht werden müssen. In BayHStA, RKG 2541 (1501), Q7, ist hingegen bereits eine Landgerichtsakte überliefert. 522 StAW, ldf 19, fol. 197. 523 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 129 f.; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 27. 524 So etwa Merzbacher, Iudicium provinciale, S.  129 f., der sogar den falschen Text heranzieht und von der Kanzleiordnung desselben Jahres auszugehen behauptet, und Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 27, die in der zitierten Passage wohl – in zutreffender Transkription – kein appellation an [statt on, Anm. JB] den vrteylbrife am Landtgericht gelesen haben, ebd.

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der Hinweis: Ap[pel]l[ati]on wie sie in der Cantzley angenomen werd[en] solle.525 Es handelt sich also offensichtlich um eine Formvorschrift, was auch dadurch bestätigt wird, dass der Landrichter auf dem erforderten Urteilsbrief zur Vermeidung der genannten Missstände ein zeyt setzen sol[te], darinnen sein appellation zu prosequirn.526 Es dürfte sich hierbei um die zu setzende Introduktionsfrist handeln, die einzuhalten war, um die Appellation beim iudex ad quem, also dem Kanzleigericht, anhängig zu machen.527 Die Parteien hatten also vor dem Landgericht die Appellation eingelegt oder dort nach Interposition vor dem Notar insinuiert und somit den Suspensiveffekt der Appellation ausgelöst, der das Gericht zum Nachteil der obsiegenden Partei an der Vollstreckung hinderte.528 Das sollte fortan nicht mehr möglich sein, indem im nun zwingend erforderlichen Urteilsbrief eine Introduktionsfrist bestimmt wurde, nach deren Ablauf die Appellation unzulässig war. Abgesehen von diesen offensichtlichen Mängeln in der Handschriftenrezeption ist es auch nicht plausibel, dass die Kanzlei im Jahre 1506 diese bedeutende Kompetenz nicht gehabt haben soll, die schon 1474 offenkundig war und die in allen folgenden Kanzleiordnungen, und nicht erst ab 1546,529 vorausgesetzt wurde. Jeden Zweifel zerstreut schließlich einerseits die Landgerichtsordnung des Jahres 1512, die die Anordnungen von 1506 wiederholte und eindeutig auswies, dass kein appellation on – und nicht „an“ – den urtheils brief vom Landgericht außgangen angenomen werden sollte,530 und andererseits die Tatsache, dass sich am Reichskammergericht eine ganze Reihe von Verfahren aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts nachweisen lassen, die als Appellationen vom Landgericht an die Kanzlei führten.531 Noch bevor schließlich in der ein Jahrhundert ­später erscheinenden Landgerichtsordnung demjenigen, der vermeinen wolte, daß er durch Urtheil, so an gesagtem unserm Keyserl. Landtgericht außgesprochen, beschweret worden wehre, gestattet wurde, an unser Hoff- und Cantzley Gericht, ferners sich zuberuffen,532 hatte Lorenz Fries in der Hohen Registratur 525 526 527 528 529

LGO 1506, StAW, ldf 19, S. 197. LGO 1506, StAW, ldf 19, S. 197.

Siehe dazu S. 325 – 332. Zur Interposition siehe S. 323 – 325. So aber Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 130, und Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 27. 530 LGO 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 6v. 531 BayHStA, RKG 3902 (am RKG im Jahr 1503), 4007 (1508), 5816 (1504), 6411 (1511), S1604 (Bestellnr. 12070 – ebenfalls 1511), W1325 (Bestellnr. 14360 – 1502), Z0072 (Bestellnr. 14460 – 1510). Meist urteilte das Kanzleigericht auch in der Sache, hielt sich also offensichtlich auch für zuständig. Auch die Parteien in diesen Verfahren brachten keine Zweifel an der Zuständigkeit des Kanzleigerichts in Appellationssachen vor. 532 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38, § 1.

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dem Kanzleigericht diejenigen Sachen zugewiesen, die appellation weis von dem Landgericht […] dahin kamen.533 Es zeigt sich also, dass schon im 15. Jahrhundert 534 Appellationen vom Landgericht an die Kanzlei führten und diese spätestens im 16. Jahrhundert – jedenfalls von bischöflicher Seite, zu der auch der Chronist und bischöfliche Rat Lorenz Fries gehörte – als Regelfall angesehen wurden. Man wird hier trotz mangelnder normativer Zuständigkeitsregelungen schon von einem Instan­zenzug sprechen können, wenngleich sich die bischöflichen Untertanen außerhalb des Rechtsweges nach wie vor im Wege der Supplik direkt an die Obrigkeit wenden konnten. Soweit Willoweit mangels klarer Zuständigkeitsregelungen für Appellationsverfahren davon ausgeht, dass die Zeitgenossen „von den Stadt- und Dorfgerichten an das Landgericht und von hier zum Hofgericht, aber auch umgekehrt vom Hofgericht zum Landgericht“ 535 appelliert haben, hängt dies wohl mit der häufig mangelnden Differenzierung ­zwischen Hof- und Kanzleigericht in den Forschungen zur Würzburger Rechtsgeschichte zusammen. Nach den zeitgenössischen und dieser Untersuchung zugrunde liegenden Gerichtsbezeichnungen kann dies allenfalls für einen sehr überschaubaren Zeitraum am Ende des Spätmittelalters Geltung beanspruchen. Wahrscheinlich gilt es nur für wenige Jahre oder Jahrzehnte seit den sechziger Jahren des 15. Jahrhunderts, in denen sich einerseits die Appellation im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit bereits durchgesetzt und sich andererseits das Kanzleigericht noch nicht gebildet oder etabliert hatte. Denn der Bischof dürfte kaum ein Interesse daran gehabt haben, dass von dem ihm der Besetzung nach näheren Kanzleigericht an das Landgericht appelliert wurde, welches durch einen domkapitelischen Richter und den fränkischen Adel besetzt war. Ferner stand die Entstehung des Kanzleigerichts doch gerade mit der Eigenschaft des Landesherrn als höchstem Gerichtsherrn in Verbindung, wie sie auch im Supplikenwesen ein Korrelat hatte. Dementsprechend findet sich auch in den frühen Kanzleigerichtsakten ein deutlicher Bezug zum fürstbischöflichen Gerichtsherrn.536 Überdies werden die Urteiler des Landgerichts auch kaum die Fähigkeit gehabt haben, 533 StAW, Stb. 1011, fol. 276v f. 534 So etwa das Verfahren in BayHStA, RKG 2810, das 1492 in Würzburg seinen Ausgang nahm und schon 1497 an das RKG gelangte, und BayHStA, RKG R0096 (Bestellnr. 10471 – 1498 am RKG). 535 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224. Zur Abgrenzung von Kanzlei- und Hofgericht siehe S. 157 – 160. 536 Etwa BayHStA, RKG 1287, Kanzleigerichtsakte [ohne Q], unfol. (1532), wonach die Kanzleiräte urteilten, so domals ann unnser [des Bischofs, Anm. JB] Statt, unnd jn unserer nahmen zu gericht sassenn. Entsprechend BayHStA, RKG 2541, Q8, unfol. (1501), wonach unser Rath und lieber getrewer Sigmundt von thüngen Ritter von unnsern wegen unnd in unnserm namen mit unnsern Rethen zu Recht gesessen hatte.

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die von den im Gemeinen Recht universitär ausgebildeten Räten in der Kanzlei ergangenen Urteile zu überprüfen. Es nimmt daher nicht Wunder, dass sich auch in den überlieferten Akten des Reichskammergerichts kein Verfahren finden lässt, in dem von einem höheren Würzburger Gericht oder gar der Kanzlei zunächst an das Landgericht und dann an das Reichskammergericht appelliert worden wäre. Dass das Landgericht zu Beginn des 17. Jahrhunderts gar „die obere Appellationsinstanz privatrechtlicher Angelegenheiten“ 537 gewesen sei, dürfte angesichts des schon etwa ein Jahrhundert zuvor etablierten Appellationszuges an das Kanzleigericht kaum haltbar sein. d.  Zentralisierungstendenzen in personeller und rechtlicher Hinsicht (1)  Rang des Landgerichts in der Frühen Neuzeit Im Verhältnis zu anderen Landgerichten war die Bedeutung desselben in Würzburg auch in der Frühen Neuzeit noch recht hoch. Da das Gericht von alters her in Händen der Würzburger Bischöfe lag, war die Frage danach, ob es sich mit den fortschreitenden Territorialisierungsprozessen auflösen oder eher in ein landesherrliches Gericht umwandeln würde, in stärkerem Maße als an anderen Landgerichten zugunsten der zweiten Alternative vorentschieden.538 Gleichwohl scheint die Bedeutung des Gerichts, anders als die umfangreiche Ordnung des Jahres 1618 zunächst vermuten lässt, schon zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges abgenommen zu haben. Auch wenn es noch bis zum Ende des Reichs bestand, nahm jedenfalls die Zahl der Verfahren, die sich aus den reichskammergerichtlichen Beständen noch heute rekonstruieren lassen, recht deutlich ab. Zwar ist die Anzahl der späteren Prozesse, an denen ausweislich der Münchener Inventarbände Würzburger Gerichte als Vorinstanzen beteiligt waren und die sich für die Zeit nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges nachweisen lassen, im Verhältnis zum Untersuchungszeitraum insgesamt niedriger. In besonders auffälliger Weise gilt das jedoch für Verfahren am Landgericht, die in der Folgezeit nur noch selten an das Reichskammergericht gelangten,539 obwohl sich an den Zuständigkeiten des Gerichts bis zum Beginn des 537 So Romberg, GS 3. Folge 4, S. 93. 538 Zu dieser noch unbeantworteten Frage in der Landgerichtsforschung Baumbach, Königliche Gerichtsbarkeit, S. 237. 539 Aus einer rein quantitativen Auswertung der Nennungen der einzelnen Gerichte in den Indices der Inventarbände bis O ergeben sich bis zum Jahr 1618 154 Verfahren unter Beteiligung des Landgerichts, nach 1619 hingegen nur noch 34. Demgegenüber führt eine Zählung aller Würzburger Vorinstanzen einschließlich des Landgerichts insgesamt zu einem Verhältnis von 440 zu 308. (Zu den Mängeln einer solchen Auswertung, die angesichts

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18. Jahrhunderts gegenüber der Fries’schen Darstellung aus der Hohen Registraur offenbar wenig geändert hatte.540 Vermutlich hat der Niedergang des Gerichts, der mit der stärkeren Zentralisierung der fürstlichen Gerichtsbarkeit einherging, bereits im 16. Jahrhundert begonnen, denn schon Fries machte verschiedene Probleme in der Praxis des Landgerichts, das er noch als daß gröst und höchst weltlich Gericht des Herzogthumbs zu Franckhen bezeichnete, zum Anlass seiner Sammlung der Landesgebräuche.541 Wahrscheinlich bezog sich diese besonders ehrerbietende Bezeichnung weniger auf das Verhältnis des Gerichts zu anderen Gerichten im Hochstift, sondern vielmehr auf die Tatsache, dass sich täglich zutrug, daß die umbliegenden Herrschafften ihren Underthanen unnd Verwanntenn ganz nit mehr gestatten wollten, vor diesen löblichen Lanndgericht einiges Rechten zu pflegen.542 Ein weiteres Mal sollte also der Vorrang des Landgerichts und somit der bischöflichen Gerichtsherrschaft vor anderen Gerichten der benachbarten Obrigkeiten postuliert werden. Um sich der Ausdehnung des landgerichtlichen Sprengels 543 zu vergewissern, sollten aus den alten Landgerichtsbüchern all jene Orte, lagen sie unter waß Herrschafften sie [wollten], verzeichnet werden, über die sich der Landgerichtszwang in der Vergangenheit erstreckt hatte.544 Doch die Wandlung des Landgerichts von einem regionalen Gericht ersten Ranges, bei dem auch Parteien außerhalb des Hochstiftsgebiets den rechtlichen Austrag ihrer Streitigkeiten suchten,545 zu einem territorialen Instanzgericht ließ sich nicht mehr umkehren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch die zwischenzeitlich etablierte Kanzleigerichtsbarkeit diese Entwicklung begünstigte. Hatte es sich beim Landgericht, wenngleich ihm zunächst der Würzburger Bischof und ­später sein domkapitelischer Vertreter vorsaß, noch im Spätmittelalter um ein Gericht des fränkischen Adels mit einer autonomen Entscheidungskompetenz gehandelt, bedeutete seine Anerkennung nun auch die Unterwerfung unter die bischöflichen Räte in einem der Deutlichkeit der hier zum Ausdruck kommenden Ergebnisse aber weniger schwer ins Gewicht fallen, siehe bereits S. 35 f.). Aufschlussreich dürfte auch diesbezüglich eine Auswertung der zahlreichen Protokollbände des Landgerichts sein, vgl. diesbezüglich schon Anm. 468. Ferner müsste für die Folgezeit auch die Verfahrensentwicklung am Reichshofrat einbezogen werden. 540 StAW , Manuskripte 13 (Kriegsverlust), zit. nach Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 250. 541 Schneidt, Thesaurus, 1,1, S. 96. 542 Ebd., S. 96. 543 Zum Begriff etwa Baumbach, Königliche Gerichtsbarkeit, S. 185 f., 343, der auf die keines­wegs selbstverständliche und erst im Laufe des Spätmittelalters allmählich entstehende räumlich-­flächige Vorstellung von Gerichtszuständigkeiten hinweist. 544 Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 104 f. 545 Siehe diesbezüglich bereits Anm. 487.

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möglichen Appellationsverfahren. Eine derartige Unterordnung konnten die standesbewussten regionalen Obrigkeiten, die selbst nach der Reichsunmittelbarkeit strebten, kaum akzeptieren. Ferner dürfte auch die Reformation die Verengung der landgerichtlichen Zuständigkeiten begünstigt haben. Denn mit dem 1555 auch reichsrechtlich verankerten Wegfall der geistlichen Gerichtsbarkeit des Würzburger Bischofs in den protestantischen Herrschaftsgebieten entfiel eine bedeutende Stütze des Landgerichts, die im fränkischen territorium non clausum innerhalb des umfänglichen Diözesangebiets ein wertvolles Mittel dargestellt hatte, um im Konfliktfall den Landgerichtszwang zu flankieren.546 Ferner scheint die Menge oder der Umfang der Verfahren in den Dreißigerjahren des 16. Jahrhunderts derart zugenommen zu haben, dass diese in zwölf oder dreizehn Landgerichtssitzungen nicht mehr zu bewältigen waren und im Haus des Landschreibers regelmäßig noch drei Tage lang Nachgericht gehalten werden musste, bis alle Parteien gehört worden waren. Der Andrang bei Gericht scheint so groß gewesen zu sein, dass die Urteiler, wenn sie alle zum Landgericht erschienenen und häufig aus entlegeneren Gebieten des Hochstifts angereisten 547 Parteien hören wollten, keine ausreichende Zeit hatten, um zu richten und die Urteile zu erstellen.548 Um diese Missstände zu beseitigen, schlug Landrichter Daniel Stiebar nicht etwa vor, weitere Landgerichte zu halten, da man dann die erntebedingt gerichtsfreie Zeit im Herbst hätte aufgeben müssen, was von wegen des gemeinen Manns nicht wohl zu thun sein konnte.549 Vielmehr sollten die Urteiler verpflichtet werden, wenigstens drei Mal im Jahr z­ wischen den Landgerichten zu erscheinen, um die Urteile zu fertigen und damit auch die eigentlichen Landgerichtstage zu entlasten, an denen sie dann keine oder weniger Urteile zu fällen hatten.550 Da die Urteiler angesichts dieser zusätzlichen Arbeit eine höhere Besoldung erhalten und häufiger am Mittagstisch teilnehmen mussten, schlug Stiebar ferner vor, einen oder zween auß den adelichen Räthen, auch in das Lanndgericht zu setzen, die sich dann im Appellationsfalle bei Beratungen im Kanzleigericht zu enthalten hatten.551 Wenngleich diese Maßnahme explizit der Kostendeckung dienen sollte, ist doch die zentralisierende Tendenz kaum zu übersehen. Wurde eine derartige Teilnahme der Kanzleiräte am Verfahren auch in der Gerichtspraxis umgesetzt, konnte das Landgericht der fürstlichen Beeinflussung stärker als je 546 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 203 f. 547 Zu den Auswirkungen von Reisezeiten und -kosten auf die Justiznutzung ausführlich Ströhmer, Jurisdiktionsökonomie im Fürstbistum Paderborn, S. 121 – 127, 266 – 275. 548 Schneidt, Thesaurus, 1,1, S. 97. 549 Ebd., S. 98. 550 Ebd., S. 99. 551 Ebd., S. 100.

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zuvor unterstellt werden. Durch die (offenbar wenig erfolgreiche) Auflage, dass die Urteiler in der Stadt wohnen mussten, wäre ferner der bedeutendere Teil des fränkischen Ritteradels aus dem Gericht gedrängt worden. Verbunden mit der Beteiligung eines fürstlichen adeligen Rates und in schwierigeren Fällen eines beigeordneten gelehrten Rates musste dies zu einer stärkeren Zentralisierung ­dieses ehemals landständisch ausgerichteten Spruchkörpers führen, dessen Entscheidungen noch dazu von der Kanzlei als bischöflicher Zentralbehörde überprüft und korrigiert werden konnten. (2)  Einfluss der fürstlichen Räte auf das landgerichtliche Verfahren Eine Vorgabe hinsichtlich einer juristischen Ausbildung des Landrichters oder der Beisitzer bestand nicht. Schon in den 1474 vorgebrachten Gravamina hatte die fränkische Ritterschaft darauf hingewiesen, dass die Beisitzer des Gerichts mangels universitärer juristischer Ausbildung keine Eingaben nach dem Gemeinen Recht behandeln konnten. Mit Sicherheit kamen diese im Laufe des 16. Jahrhunderts vermehrt vor. Dementsprechend regelte die Landgerichtsordnung des Jahres 1618, dass, nach dem nicht alle sachen am Landtgericht, auff den ­kundlichen Landtsbräuchen, sondern eines theils auff den puncten deß gemeinen geschriebenen rechtens bestanden, eines theils irrig, unnd weitleuffig, darinnen viel zeugen verhört, unnd sonsten hin und wider viel schrifften einbracht 552 worden waren, den Urteilern fortan ein fürstlicher Rat und Doktor der Rechte beigeordnet werden sollte. Diesen konnten die Beisitzer zu ihrer Gelegenheit, in wichtigen, zweifäligen, irrigen oder weitleuffigen sachen, zu ihnen […] forderen, […] und dann seines Raths in solchen sachen pflegen.553 War trotz des beigeordneten Juristen keine Einigung der Beisitzer möglich, konnten sie noch umb einen Doctorem bitten, der dann ihnen auch solle gefolget werden, damit sie sich deß Urtheils könten entschliessen.554 Gelangte das Verfahren schließlich nach einem landgerichtlichen Urteil im Wege der Appellation an das Kanzleigericht, mussten sich die beteiligten Räte solcher sachen entschlagen, davon auffstehen, unnd nichts darinnen votiren.555 Sowohl die Hinzuziehung von gelehrten Räten als auch deren Mitwirkungsverbot im Rahmen eines späteren Appellationsverfahrens waren freilich keine Erfindungen des 17. Jahrhunderts. Denn schon 1536 waren in einer Antzaigung der Mengel und Gebrechen des Landgerichts, die im Wesentlichen von Lorenz Fries stammte 552 553 554 555

LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13r f. LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13v. LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 6; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13r. LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 7; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13r.

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und mit einer Vorrede des Domherren und Landrichters Daniel Stiebar aus jener Zeit versehen wurde, ebendiese Maßnahmen für erforderlich gehalten worden, wann ­solche schwerliche Sachen furfielen, daß sich die Urtheiler als der geschriebenen Rechten nit verstendig, nit vergleichen konnten.556 [D]ieser weeg würdte gar nutz und guet sein, da offenbar vormals zahlreiche Verfahren an die Kanzlei gelangt waren, in denen sehr offt und vielmahl nulliter gehandelt worden war und darnach die Räthe nichtsdestoweniger viel vergebene Mühe und Arbeit gehabt hätten.557 Anscheinend wurde dieser Vorschlag im Verlauf der nächsten Jahrzehnte auch aufgegriffen und umgesetzt, denn in einem Ratsprotokoll vom Juli 1570 wurde nun wiederum angeordnet, dass man hinfuro kheinen doctor mehr, wie biszhero neuerlichen vnd wider den altten geprauch […] beschehen, in den gewonlichen haltenden landgerichten zu sich setzen noch geprauchen sollte.558 Vielmehr hatten sich die Urteiler in Fällen, in denen sie sich nicht vergleichen konnten, an den Fürsten, seine Räte oder an diejenigen, die sonst fürstlicherseits dazu bestimmt worden waren, zu wenden. Diese Anordnung eines Beiordnungsverbots scheint, wenn sie überhaupt praktiziert wurde, nicht allzu lange aufrechterhalten worden zu sein, wie die genannten Regelungen des Jahres 1618 zeigen, die schon in der Landgerichtsordnung des Jahres 1580 nieder­gelegt worden waren. Abgesehen von Fällen, in denen die Beisitzer des Landgerichts wegen ihrer mangelnden Ausbildung im Gemeinen Recht überfordert waren, konnten die Räte auf die Verhandlungen vor dem Landgericht auch dann Einfluss nehmen, wenn sich die Urteiler am Gericht nicht einig werden konnten oder überhaupt zu wenig Beisitzer erschienen waren. Denn die Urteile ergingen grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip, wobei nach der Landgerichtsordnung des Jahres 1618 die gemeinsame Auffassung von vier Beisitzern genügte, auch wenn die andere drey, zween, oder einer, einer anderen Opinion waren oder gar nur vier Beisitzer zugegen waren.559 Waren nur zwei oder drei Beisitzer vor Ort, konnten unter Hinzuziehung eines bischöflichen Rates als ausgebildetem Juristen immerhin geringfügige Sachen 556 Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 99 f., Vgl. auch ebd., S. 110. Zur Urheberschaft und zum Verbleib der Originale Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 233 f. 557 Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 100. 558 Ratsprotokoll vom 05. 07. 1570, zitiert nach: Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 239. Diese Bitte um Rat an die fürstlichen Räte scheint recht gefestigte Übung im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert gewesen zu sein. 559 LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 8 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13v f. Die Besetzung des Gerichts mit sieben Beisitzern, die ausweislich LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 8 und wortwörtlich ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 13v auß zufällen leichtlich nicht, zusammen kommen mögen, dürfte faktisch eher die Ausnahme als die Regel gewesen sein. Die dezidierten Regelungen zu den verschiedenen Besetzungen haben diesbezüglich jedenfalls Indizcharakter; siehe dazu schon S. 103 – 105.

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entschieden oder ein Vergleich der Parteien zur Güte erzielt werden. Ansonsten war die Verhandlung auf den nächsten Gerichtstermin zu verlegen, an dem das erforderliche Quorum erneut zu erreichen war.560 Offenbar war nicht immer eine Mehrheit von vier Urteilern ausreichend gewesen, denn die Landgerichtsordnung von 1512 hatte ebenso wie die etwa zwei Jahrzehnte spätere Fries’sche Darstellung der Landesgebräuche vorgesehen, dass die Urteiler, wenn sie sich nicht einigen konnten, [a]lso das ir funf nicht der merertheil wurden, sie die sachen an uns oder unnsern Erbern Rathe pringen sollten, um Rath darinn zuhaben[,] und […] ­darnach ir igklicher sein urtheil nach seiner besten gewissen vernunft und verstennthnus aussprechen sollte.561 Bereits im frühen 16. Jahrhundert konnten die gelehrten Räte des Fürsten also auch außerhalb von Appellationsverfahren Einfluss auf die Entscheidungen des Landgerichts nehmen. Schon nach der Fries’schen Darstellung des Jahres 1536 sollten sich aber die Räte, die unmittelbar auf das landgerichtliche Verfahren Einfluss genommen hatten, in einem möglichen Appellationsverfahren vor dem Kanzleigericht der Beratung und Beschlussfassung enthalten.562 (3)  Konkurrenz der Rechtsquellen und -traditionen Das Verhältnis der verschiedenen Rechtsquellen und -traditionen, die an Landund Kanzleigericht herangezogen beziehungsweise geübt wurden, hat in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Anlass zu Kritik gegeben, ohne dass sich diese stets nur auf das Landgericht mit seiner am Herkommen und somit an den Landesgebräuchen orientierten Rechtspraxis bezogen hätte. Denn am Kanzleigericht scheint man die partikularrechtlichen Regelungen nicht hinreichend gekannt 560 LGO 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 10 – 12; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 14r f. 561 LGO 1512, StAW , Miscell. 6818, fol. 3r. Vgl. auch Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 110. Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 110 f. hat aus den Landgerichtsbüchern des 14. Jahrhunderts nachgewiesen, dass schon im Spätmittelalter ein Mehrheitsbeschluss der Urteiler genügte. In einem Urteilsbrief aus dem Jahr 1488 wurde jedenfalls formuliert, dass die Ritter einmutigklich uf ir eydt urteilten, BayHStA, RKG 1266, Q4, unfol. Ob es sich dabei um eine Urteilsformel handelte, die vielleicht unabhängig von der tatsächlichen Entscheidung der Urteiler die Autorität des Spruches offenbaren sollte, oder ob hier tatsächlich Einstimmigkeit bestand, die dann entweder Erwähnung gefunden haben könnte, weil sie nicht üblich oder gerade Urteilsvoraussetzung war, kann nicht entschieden werden. Das Genügen einer einfachen Mehrheit scheint angesichts der Formulierung in der Landgerichtsordnung des Jahres 1512 unwahrscheinlich. Denn auch die spätere Ordnung des Jahres 1618, 1. Teil, Tit. 3, § 8, wies unter Bezugnahme auf jene darauf hin, dass in der Vergangenheit Fünffer Beysitzer Meynung, daß mehrere sein sollte. 562 Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 110.

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oder jedenfalls nicht berücksichtigt zu haben. Landrichter Daniel Stiebar berichtete daher, daß in etlichen fällen die Partheien Ihre Sachen am Lanndtgericht mit ­Urtheil und recht nach dem Landtbrauch erstanden, unnd von Grund an vor dem Rahten wider verloren hatten, da dieselben Gebreuch und Fälle, wider die geschriebene Recht sein sollten.563 Gegen diese Handhabung richtete sich Stiebar in zweifacher Weise: Zunächst sei das Landgericht kraft kaiserlicher und königlicher Privilegierungen dem Bischof zur Hanndthabung derselben Gebreuch […] geliehen worden und ferner habe eine vergangene Landgerichtsreformation ein sonnderlichen Articul enthalten, daß die geschrieben Recht wider die Lanndts-­Breuch nit statt haben sollten.564 Um die fortdauernde Anwendung dieser Gebräuche zu gewährleisten, erschien es erforderlich, daß man alle Lanndt Gebreuch, so In Judiciis contradictoris erhalten, auß den alten Lanndtgerichts Büchern ziehe und diese zusammenschreiben und drucken ließe, damit darauß sich Ihrer fürstl. Gnaden […] Räthe, die Urtheiler und menniglich zu richten wussten;565 ein Ansinnen, das erst in der Landgerichtsordnung des Jahres 1580 und hinsichtlich des Druckes erst 1618 verwirklicht werden sollte. In der Fries’schen Zusammenstellung der Landesgebräuche findet sich sodann auch eine Anmerkung zum Verhältnis derselben zum Gemeinen und Geschriebenen Recht, wonach d ­ ieses entsprechend der frühneuzeitlichen Rechtsquellenlehre und -hierarchie wider die Landts Gebreuch […] nit statt haben, sondern nur Anwendung finden sollte, wenn die lang hergebracht geübte gewohnheiten und Gebräuch des Lanndt Rechtens für den vorliegenden Fall nicht einschlägig waren.566 Helmut Flachenecker hat in diesen Ausführungen des Lorenz Fries einen „sehr konservativen“ Ansatz gesehen, der sich „gegen einen Verschriftlichungsprozess im juristischen Bereich, der nicht aufzuhalten war“, gerichtet habe.567 Wahrscheinlich kommt eine gegenteilige Bewertung den Tatsachen näher: Denn Fries befand sich mit der Forderung nach einem Vorrang des Partikularrechts im Einklang mit der geltenden Rechtsquellenlehre. Nicht nur im Hochstift Würzburg hatten sich mit dem zunehmenden Einfluss des römisch-­kanonischen Prozessrechts auf den Zivilprozess Abgrenzungsprobleme ergeben. Von besonderer Wichtigkeit war diesbezüglich die Frage nach dem Vorrang der Rechtsquellen im Kollisionsfall, wenn also das lokale Recht eine andere Regelung traf als das Gemeine Recht. Im Grundsatz galt diesbezüglich folgende Regel: Die Norm des engeren Rechtskreises sollte Vorrang vor den Normen des weiteren Rechtskreises haben, das Partikularrecht 563 564 565 566 567

Ebd., S. 101. Ebd., S. 101. Ebd., S. 102. Ebd., S. 122. Flachenecker, Der Chronist des Bischofs, S. 225.

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also prinzipiell dem Gemeinen Recht vorgehen.568 Mit d ­ iesem Grundsatz war in der Prozesspraxis freilich noch wenig gewonnen, ergab sich daraus vor allem noch nicht, ob das Partikularrecht von Amts wegen anzuwenden war oder ob es von den Parteien vorgebracht werden musste. Prominenten Niederschlag hat diese Frage in Art. 3 der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 gefunden, wonach der Richter und die Beisitzer nach des Reychs gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbern und leydlichen Ordnungen, Statuten und Gewonheyten der Fürstenthumb, Herrschafften und Gericht, die für sy bracht werden,569 urteilen sollten. Es sollten also neben dem Gemeinen Recht von den Urteilern auch die Partikularrechte bei der Entscheidung berücksichtigt werden, soweit sie fur sy bracht, also vorgebracht wurden. Nachdem aufgrund dieser Formulierung in den Forschungen des 20. Jahrhunderts zunächst davon ausgegangen worden war, dass das Gericht von Amts wegen das einschlägige Partikularrecht zu berücksichtigen hatte und gegebenenfalls von den Parteien den Beweis über dessen Bestehen hätte einfordern müssen, hat sich gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts die Auffassung verbreitet, es habe ausschließlich in Händen der Parteien gelegen, ob entsprechende Rechte vorgetragen und somit erst beachtlich wurden.570 Neuere Forschungen legen einen anderen Schluss nahe, der auf eine stärker diffe­ renzierte und flexiblere Rechtsanwendung schließen lässt. So hat jedenfalls das Reichskammergericht spätestens seit dem 17. Jahrhundert neben dem römischen Recht auch territoriale Rechte, insbesondere das schriftlich fixierte Statutarrecht, unabhängig vom Vorbringen der Parteien von Amts wegen herangezogen, wenn diese Rechte sachdienlich waren.571 Freilich stellte sich das Problem auf territorialer Ebene nicht in gleicher Schärfe, weil das dortige Statutarrecht nach dem Grundsatz statutum est ius commune in territorio gerichtsbekannt war.572 Dazu musste das lokale oder regionale Recht aber überhaupt als Statutarrecht vorliegen. Gerade das Beispiel des fränkischen Landrechts, das von allen Gerichten im Hochstift vorrangig zu beachten war, aber trotz zahlreicher Klagen und Beschwerden erst in einem über ein halbes Jahrhundert andauernden Verschriftlichungsprozess einigermaßen umfassend niedergelegt werden konnte,573 zeigt, dass das Vorliegen von Statutarrecht im 16. Jahrhundert alles 568 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1, S. 39 f., 87, 106; Luig, Gemeines Recht, Sp. 61. Oestmann, Rechtsvielfalt, S. 6. 569 RA 06. 08. 1495, NSRA II, S. 1 – 29, Tit. II, § 3. 570 Kiefner, Rezeption (privatrechtlich), Sp. 980; Oestmann, Rechtsvielfalt, S. 7; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 139. 571 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 424 – 426; Oestmann, Rechtsvielfalt, S. 635 f. 572 Luig, Gemeines Recht, Sp. 69. 573 Siehe dazu S. 119 – 127.

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andere als die Regel war. Nicht nur in Würzburg hat man daher die Erfahrung gemacht, dass der vermeintlich klare Vorrang des Partikularrechts vor dem Gemeinen Recht auch in der territorialen Gerichtspraxis nur mit Schwierigkeiten umzusetzen war. Gleichwohl hatte nach Ansicht der frühneuzeitlichen Juristen auch das Gewohnheitsrecht unter bestimmten Bedingungen erhebliche Bedeutung. Denn der – schwierige – Nachweis eines solchen Rechts, das aus unvordenklicher Zeit stammte, sollte auch noch nach Carpzov eine Bindungswirkung entfalten, die den Rang einer kaiserlichen Privilegierung hatte.574 Lorenz Fries richtete sich demnach keineswegs gegen einen Verschriftlichungsprozess im Recht, den der bischöfliche Chronist, Sekretär und Rat mit der vorgelegten Zusammenstellung der Landesgebräuche im Gegenteil sogar selbst vorantrieb. Denn nur auf diese Weise konnten die örtlichen und regionalen Rechtstraditionen gegenüber dem Gemeinen Recht bewahrt und überdies Rechtssicherheit für die Parteien und eine einheitliche Rechtsprechung im Hochstift gewährleistet werden.575 Der Lorenz Fries unterstellte Konservativismus entpuppt sich demnach lediglich als die gängige zeitgenössische Auffassung von Recht, das nach wie vor einen wesentlichen Geltungsgrund im Herkommen und der Tradition hatte. Dementsprechend enthielten auch die Revidirte[n] Lands-­Breuch des Jahres 1570, noch bevor die einzelnen Rechte dargelegt wurden, als prominent platzierten ersten Artikel die Anordnung, daß wider die alte Landts Breuch [sic!] Herzogthumbs zu Franckhen, daß gemein geschrieben Recht nicht statt habe[n] sollte.576 Mit diesen beiden konkurrierenden Rechtstraditionen war freilich auch eine Auseinandersetzung um die Gerichtssprache verbunden. Aus einem Ratsprotokoll aus dem Jahr 1570 heißt es demnach, dass weder seitens des Gerichtspersonals noch von den Prokuratoren oder Anwälten lateinische text und wörtter verwendet werden sollten, da dardurch die beysitzer als adeliche laiens vnd der geschribenen rechten vnerfarnen personen biszhero mehr irr dann berichtlich gemacht worden ­seien.577 Mag man sich auch in den Sitzungen daran gehalten haben, so enthielten doch die Schriftsätze der Parteien weiterhin lateinische Begriffe. Ebenso wenig verzichteten 574 Carpzov, Dissertatio Juridico-­Politica, XXXII. 25.: Welche eingeführte Gewonheit, weil sie sich weit über Menschengedencken erstrecket, auch in denen Fällen, so der Keyserlichen Hoheit sonderliche reservata und regalien seyn, Krafft und Macht eines ausdrücklichen privilegii und Befreyhung hat. Vgl. auch Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 230, m. w. N. aus der Kameralliteratur. 575 Zu diesen mehrfach erklärten Motiven für eine Verschriftlichung des Partikularrechts siehe auch S. 119 f., 122. 576 Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 897. Zu den Bemühungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die Landesgebräuche im Allgemeinen und in der obrigkeitlichen Formulierung des Jahres 1570 im Speziellen schriftlich zu fassen, siehe ausführlich S. 119 – 127. 577 Ratsprotokoll vom 05. 07. 1570, zitiert nach: Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 239.

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die ­Kontrahenten künftig auf die Allegation juristischer autoritativer Texte in der Original­sprache, um ihre (vermeintlichen) Ansprüche durchzusetzen. (4)  Reform des fränkischen Partikularrechts Der Reformbedarf hinsichtlich des Landgerichts war in der Folge der Dreißigerjahre des 16. Jahrhunderts anscheinend nicht abgeklungen. Vor allem die zweite Hälfte desselben sollte von einem andauernden Reformprozess geprägt sein, an dessen Abschluss die gedruckte Landgerichtsordnung des Jahres 1618 stand. Obwohl sich alle Reformbestrebungen in erster Linie auf die Sammlung und Anwendung der Landesgebräuche richteten, geben sie nicht nur Einblick in die Rechts- und Gerichtspraxis am Landgericht, sondern auch in das Verhältnis von Landgericht und Kanzlei zueinander und somit in jenes des fränkischen oder würzburgischen Partikularrechts zum Gemeinen Recht. In der Mitte des 16. Jahrhunderts verfasste der Landschreiber Nicklauß Diemer zwei Sammlungen der fränkischen Landesgebräuche, die zum Ende der vierziger Jahre und 1557 vorgelegt wurden.578 Schon aus der ersten Sammlung, die im Verhältnis zu jener von 1557 stärker auf die tatsächlichen Gebräuche eingeht als auf das Verhältnis derselben zum Gemeinen Recht, wird das Spannungsverhältnis der konkurrierenden Rechtsquellen ersichtlich. So wurde etwa hinsichtlich der Annahme von Kindern im Wege der Adoption festgestellt, dass der geübte Brauch wiewohl solches wieder die gemeinen Recht, auch E[urer] F[ürstlichen] Gn[aden] Gelehrte Räth solchen Brauch nit halten, sonder darwieder sprechen, im Hochstift zur Anwendung kam und auf seiner Grundlage zahlreiche Verträge gemacht wurden.579 Sollte solches aber in der Canzley nit fur ein Brauch gehalten werden, so würden […] sonderlich die unmündigen Kinder und arme Waisen, unbillicher weiß in große Gefahr kommen, und geführt werden,580 weswegen solches in allen Ämtern verkündet werden müsse, um die Untertanen über die Rechtslage zu unterrichten.581 Geradezu passioniert versuchte Diemer dem Bischof nahezulegen, die auch von ihm als Brauch angesehenen Gewohnheiten aufrechtzuerhalten, da andernfalls nicht nur dem gemein[en] Volck […] viel Zanck und Hader wegen der geschlossenen Verträge entstehe und die Kinder wissentlich in Gefahr geführt würden, sondern auch er gegen sein Gewissen und Seelenheil 578 Schneidt, Thesaurus 1,2, S. 195 – 224 und 225 – 267. Zur Datierung der ersten Schrift vgl. Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 235. 579 Schneidt, Thesaurus 1,2, S. 214. 580 Ebd., S. 214. 581 Ebd., S. 215 f.

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am Gericht sprechen müsse.582 Neben der Leidenschaft, die Diemer für die Aufrechterhaltung der Landesgebräuche aufbrachte, wird erneut deutlich, dass der Landschreiber auch im Rahmen der Rechtsfindung des Gerichts entscheidende Bedeutung hatte. Diemers Ausführungen zeugen von einer tiefen Kenntnis der Rechtsprechung an Land- und Kanzleigericht, die es ihm gestattete, zur Kontinuität der landgerichtlichen Rechtsprechung beizutragen. Nicht immer scheint aber die Anschauung der Bevölkerung ausschlaggebend gewesen zu sein, denn an anderer Stelle weist die Sammlung aus, daß der gemeine Mann sich in ­diesem Fall irre, und daß solches nit ein Landts Brauch, dann ­solches denen gemeinen Rechten heftig zuwieder sei.583 Über das Verhältnis von bloßer Übung und beachtenswerten Gebräuchen im Rechtssinne gab Diemer in seiner Überarbeitung aus dem Jahre 1557 näher Auskunft. Demnach bestand ein grosser Underschiedt, ­zwischen einem Brauch so im Recht ist Consuetudo genant, und dem, so villmahls wurdt gehalten und in Ubung aber doch nit lautter ist, ob es ein Rechtmessiger oder nit sey.584 Das Verhältnis von Gewohnheitsrecht zu bloßer Übung manifestierte sich also nicht schlicht durch die Diskrepanz ­zwischen Gerichtspraxis einerseits und den Rechtsüberzeugungen der Bevölkerung andererseits, sodass sich die c­ onsuetudo weder durch eine entsprechende Rechtspraxis in der Bevölkerung noch allein durch die landgerichtliche Gerichtspraxis etablieren konnte. Diemer wollte vielmehr darstellen, wie es am Landtgericht in gemeinen Fällen gehalten worden, ohne dass er sich selbst im Einzelfall sicher war, ob die dargestellte Übung ein bestendiger Rechtmessiger Brauch sey oder nit.585 Die Antwort auf die Frage, ob darin ein vera consuetudo[,] die ein Jus ist,586 bestehen sollte, wollte er weder selbst geben noch sah er sie in der Praxis der landgerichtlichen Urteiler. Vielmehr überließ er es dem Fürsten, durch die hochgelehrte[n] verstendige[n] Räthe oder andere dieselbige disputirn, und examinirn zu lassen sowie schließlich zu entscheiden, waß man für bestendige wurdt wollen halten.587 Die derart zustande gekommenen Rechtsansichten sollten schließlich dem Landrichter oder -schreiber zur Verwahrung gegeben werden, damit sich die Beisitzer und Richter zukünftig daran halten konnten.588 Auch auf diese Weise erlangten also die gelehrten fürstlichen Räte Einfluss auf die Rechtsentwicklung. Das partikulare Landrecht wurde demnach nicht nur durch die fortgesetzte Kassation von Urteilen zu bestimmten Rechtsfragen im 582 583 584 585 586 587 588

Ebd., S. 216. Ebd., S. 218. Ebd., S. 226. Ebd., S. 226. Ebd., S. 265. Ebd., S. 265. Ebd., S. 265.

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­ ppellationsverfahren am Kanzleigericht zurückgedrängt, auch wenn dies durchaus A dazu beitragen konnte, dass sich in der Folge auch die landgerichtlichen Urteiler der obergerichtlichen Rechtsauffassung anschlossen.589 Vielmehr nahmen die gelehrten Räte schon im Rahmen der obrigkeitlichen Entscheidung zu Zweifelsfragen des Landrechts Einfluss auf dasselbe und prägten so die ­später festgelegten und verkündeten Landesgebräuche mit, wie sie etwa in den Ordnungen von 1580 und 1618 Niederschlag fanden. Nicht immer ließen sich aber die Urteiler am Landgericht von den Räten eine Rechtsauffassung vorgeben. Nachdem in einem Appellationsverfahren in der Kanzlei hinsichtlich einer landgerichtlichen Auffassung darwider pronuncirt worden war, hatte man sich in der Folgezeit am Landtgericht, nichts daran kerth, sondern dieweill eß bey Menniglich vor einn LandtsBrauch wurdt gehalten, […] es darbey bleiben lassen und es entgegen den Gemeinen Rechten doch de consuetudine also gehalten.590 Ferner hielt man sich am Landgericht anscheinend nicht immer an die vom Gemeinen Recht vorgesehenen Formvorschriften. So erkannte man etwa Erbverträge auch dann als wirksam an, wenn diese nicht wie gemeinrechtlich vorgesehen vor dem Erbfall landgerichtlich bestätigt worden waren. Zur Begründung wies Diemer aus, dass das Gericht nit mitt hochgelehrten Persohnen besetzt war und Urteiler daher weniger auf rechtliche Formvorschriften (solennitates Juris) achteten, sondern uff den Willen und Meinung der Contrahenten.591 [W]aß sie [die Urteiler, Anm. JB] vermein[t]en, daß Ehrbar und billich sey, darbey [ließen] sie es bleiben, obgleich der ordo, oder forma Juris nit [war] gehalten worden.592 Dass allerdings ein beständig fortgesetzter Widerstand der Urteiler gegen die Rechtsprechungspraxis am Kanzleigericht kaum sinnvoll sein konnte, zeigt sich anhand einer späteren Schrift aus dem Jahr 1569. In ihr weist Landschreiber Diemer zusammen mit dem Vizelandschreiber ausdrücklich auf einen Fall hin, in dem die fürstlichen Räte den Urteilern am Landgericht angezeigt hatten, dass sie, so offt solcher fall für Sie würde kommen, […] allwegen wider solchen vermeinten gebrauch woldten erkennen.593 Daraufhin änderte man auch am Landgericht die entsprechende Praxis, um nicht nur die Kosten der Parteien gering zu halten, sondern auch grosser Verkleinerung und Spodt gegenüber dem Landgericht nicht den Weg zu ebnen.594 Es lässt sich d ­ emnach, obwohl die Urteiler am Landgericht durch 589 So berichtet Diemer an anderer Stelle, dass man sich etlichmahln, wen der fall durch Appellation in [die fürstliche] Cannzley komen, daselbsten aberkandt worden, […] hernach am Landtgericht auch darnach gericht und auch in der Folge entsprechende Verfahren nach der Vorgabe der Kanzleiräte entschieden habe, ebd., S. 237. 590 Ebd., S. 238 f. 591 Ebd., S. 259. 592 Ebd., S. 259. 593 Ebd., S. 277. 594 Ebd., S. 277.

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die Urteile des Kanzleigerichts nicht von Rechts wegen für zukünftige Verfahren in ihrer Entscheidung gebunden wurden, eine gewissermaßen normierende Wirkung der oberinstanzlichen Rechtsprechung erkennen, die geradezu ein überzeitliches Phänomen der Instanzrechtsprechung darzustellen scheint. Die Urteiler am Landgericht entsprachen also grundsätzlich dem auch in Würzburg häufig postulierten Vorrang des Partikularrechts, wenn sie eine bestimmte Rechtsauffassung als consuetudo betrachteten. In Zweifelsfällen ließen sie sich aber von den fürstlichen Räten zu einer Änderung ihrer Rechtsprechung bewegen. Derartige Zweifel waren anscheinend keine Ausnahmeerscheinung, denn Diemer wies in seiner Darstellung der Landesgebräuche aus dem Jahr 1557 mehrfach auf die Notwendigkeit einer obrigkeitlichen Resolution oder Ordnung diesbezüglich hin.595 Diese Notwendigkeit hatte sich neben dem Bedürfnis der Untertanen an einer wirksamen rechtlichen Regelung ihrer Angelegenheiten auch aus dem wechselnden Bestand an Urteilern bei Gericht ergeben, damit nit nach Verenderung der Gerichts Persohnen, Die Uhrtheil zu gleichen fellen, auch würden verendert, sondern auch ein bestendiger Brauch entstand und uber gleich felle g­ leiche Uhrteil getroffen werden konnten.596 Und schließlich versäumte es Diemer nicht, als weiteren Grund für das Bedürfnis nach einer schriftlichen Fixierung der relevanten Landesgebräuche das Verhältnis zur Kanzlei als Appellationsgericht zu thematisieren: An des Fürsten Zweyen Höchsten Gerichten habe nämlich, in fellen, die uff den Landts-­Brauch soll[t]en beruhen, die höchste Ungleichheit […], wie dann bißher vilmahl beschehen, geherrscht, die auch das Ansehen des Landgerichts geschmälert habe.597 Es sei nämlich häufig vorgekommen, dass man etwas am Landgericht für einen LandtsBrauch gehalten habe, aber in der cantzley stracks daß widerspiell […] erkannt worden sei, woraufhin sich dan auch die alten Beysitzer […] offtmahls nit wenig beschweret hätten.598 Auch über zwanzig Jahre nach den Hinweisen des Landrichters Daniel Stiebar war man also sowohl in der Bevölkerung als auch an den beiden bedeutendsten Würzburger Gerichten über die Ausgestaltung der einzelnen Landesgebräuche im Unklaren. Das Ziel der andauernden Reformmaßnahmen bestand demnach in der Schaffung eines ius certum, das Parteien und Gerichten gleichermaßen Klarheit über das geltende Recht bringen sollte.599 595 Etwa ebd., S. 251 f., 256 f., 261 f., 266. 596 Ebd., S. 257. Ähnlich auch ebd. S. 263, wo nach einer Resolution verlangt wird, damit […] nit […] nach Verenderung der gerichts Persohnen die Bescheidt und Urtheil auch würden geendert. Wollfarth und Nuz der Untertanen werden ausdrücklich ebd., S. 266, thematisiert. 597 Ebd., S. 263. 598 Ebd., S. 265 f. 599 Auf ein derartiges Regelungsinteresse der Gesetzgebung im Alten Reich im 15. und 16. Jahrhundert haben bereits etwa Coing, Die europäische Privatrechtsgeschichte, S. 15 f. („die lokalen Rechte [werden] endgültig fixiert“, ebd., S. 15), und vor allem Diestelkamp, Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht, S. 30 f., hingewiesen.

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Der Reformbedarf scheint drängend gewesen zu sein, denn im April 1569 war es abermals Landschreiber Nicklauß Diemer, der zusammen mit dem Vizelandschreiber Nicklauß Nunsam den noch im Juni desselben Jahres erfüllten Auftrag erhielt, die Zuständigkeiten des Landgerichts und die Landesgebräuche erneut zu prüfen und insbesondere Abweichungen zu der von Fries 1536 vorgelegten Sammlung darzulegen.600 Schon im Folgejahr wurden die Revidirte[n] Lands-­Breuch vorgelegt. Ausweislich des vorangestellten Schreibens des Würzburger Rats und Referendars Georg Schlehenrieth hatten sich Canzley und Lanndtgericht […] hinfüro in Ihren Vortheilen [sic!] und Beschaidten […] demselben alten Lanndtsgebrauch allerdings gemeß und gleichformig nachmals zuuerhalten, und erzaigen.601 Zwar waren nun für den Gerichtsgebrauch einige wichtige Zweifelsfragen über die Reichweite der einzelnen Landesgebräuche geklärt worden, allerdings wollten sich die Räte in der Kanzlei anscheinend nach wie vor nicht vollumfänglich daran halten. Denn schon im Januar 1572 ordnete der Bischof gegenüber seinen Hofräten erneut an, dass die Landesgebräuche in ihrer hergebrachten Form beachtet und nicht geändert werden sollten.602 Zu einem allmählichen Ende gelangten die über Dekaden hinweggehenden Versuche, die Landesgebräuche umfassend zu sammeln, unter Bischof Julius Echter, der schon im Jahr nach seiner Wahl im Juli 1574 von zahlreichen Städten des Hochstifts die Beantwortung von insgesamt 14 Fragen zu den Landesgebräuchen verlangte. Aus den Antworten entstand dann nach mehrtägigen Beratungen im Jahre 1576 die umfangreiche Landgerichtsordnung, die am 20. Mai 1580 von K ­ aiser Rudolf II. bestätigt wurde.603 Der noch zu Zeiten Echters geplante Druck der Ordnung ließ sich allerdings vor seinem Tod nicht mehr bewerkstelligen und erfolgte erst unter seinem Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen. Die Ordnung des Jahres 1618, die am 16. Oktober 1622 durch ­Kaiser Ferdinand II. Bestätigung fand,604 war im Wesentlichen jener des Jahres 1580605 nachgebildet. Demnach waren in beiden Ordnungen gleichermaßen einerseits der gemeinrechtliche Prozess, wie er in der Reichskammergerichtsordnung 600 Der Befehl und die Ausarbeitung der beiden Landschreiber befindet sich bei Schneidt, Thesaurus 1,2, S. 268 – 284. 601 Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 898. Schon in den, den revidierten Landesgebräuchen vorgehenden, Ratsverhandlungen im Sommer 1570 war die konsequente Anwendung derselben an Land- und Kanzleigericht erneut gefordert worden, Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 239. Es verwundert daher nicht, dass der Anordnung der Subsidiarität des Gemeinen Rechts gegenüber den Landesgebräuchen der prominente Rang des ersten Artikels zugewiesen wurde, vgl. Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 897 – 899. 602 Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 240. 603 Ebd., S. 240 f. 604 Ebd., S. 241. 605 StAW, WU Libell. 317.

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von 1555 niedergelegt war, und andererseits die partikularen Landesgebräuche des Hochstifts umfassend rezipiert beziehungsweise verschriftlicht worden.606 Wahrscheinlich wird die Bedeutung der Ordnung von 1618 gegenüber jener von 1580 überschätzt. Das mag auch daran liegen, dass die frühere Ordnung bisher konsequent in den wissenschaftlichen Untersuchungen der letzten zwei Jahrhunderte übergangen wurde.607 Möglicherweise war das Interesse vergangener Forschungen an einer Befassung mit der Ordnung angesichts der – im Wesent­ lichen zutreffenden – Einschätzung Schneidts aus dem 18. Jahrhundert, wonach diese mit jener von 1618 meistentheils […] übereinstimmend sei, gering.608 Eventuell wurde die frühere Ordnung im Staatsarchiv Würzburg bisher auch schlicht nicht aufgefunden.609 Dass diese „den Reformbedarf offenbar nicht zu befriedigen“ 610 vermochte, kann angesichts der großen Übereinstimmung beider Ordnungen nur mit Einschränkungen gelten, denn im Zuge der geplanten Drucklegung wurden lediglich moderate Veränderungen vorgenommen.611 Neuerungen brachte die Ordnung weniger inhaltlich als durch einen höheren Abstraktionsgrad und die Verwendung einer geradezu modern wirkenden Verweisungstechnik, durch die bestimmte Rechtsinstitute allgemein geregelt wurden, sodass von anderer Stelle nur noch auf sie verwiesen werden musste.612 Insbesondere wurde eine 606 Schon in der kaiserlichen Bestätigung wird erwähnt, dass bemelte verfaste Landtgerichts Ordtnung samt darbei eingeleibten gerichtlichen Proceß mehrertheils nach gemeinen geschriebenen Recht und unser und des heiligen Reichs Cammergerichts Ordtnung regulirt wurde, in allem übringen aber auf des Stiffts Ehrbahre Herkommen und Gewohnheiten beruhte, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 973. 607 Schneidt, ebd., S. 943, verzichtete wegen der großen Übereinstimmung beider Ordnungen auf einen vollständigen Abdruck der früheren. Gleichwohl enthält seine Darstellung, ebd., S. 943 – 976, immerhin eine Inhaltsübersicht und ferner eine Konkordanz zu den Titeln beider Texte, sodass der Gehalt der Ordnung von 1580 auch bisher in Grundzügen nachvollzogen werden konnte. 608 Ebd., S. 943. 609 Im Staatsarchiv Würzburg ist die Ordnung in den einschlägigen Findmitteln nicht verzeichnet, sondern lediglich die kaiserliche Bestätigung Rudolphs II. Gleichwohl ist unter der entsprechenden Signatur, StAW, WU Libell. 317, auch die Ordnung selbst aufzufinden. Ein entsprechender Nachweis ist aus der Literatur nicht ersichtlich. Lediglich Wendehorst, GS NF. 13, S. 221, gibt eine Fundstelle, allerdings im HHStA in Wien, an. 610 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 222. 611 Dementsprechend wurde auch von Würzburger Seite im Rahmen des Gesuchs um neuerliche kaiserliche Bestätigung der gedruckten Landgerichtsordnung darauf hingewiesen, dass diese gegenüber jener von 1580 in der Substanz unverändert geblieben sei, Merzbacher, Ordinatio Iudicii, S. 86. Ein Desiderat bleibt nach wie vor eine vergleichende Untersuchung der materiell-­rechtlichen Regelungen beider Ordungen. 612 Gut zu erkennen sind die Unterschiede etwa in den Ausführungen zur litis contestatio in den LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 5, und 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49v. Zur litis

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Verweisungsnorm, die für das kanzleigerichtliche Appellationsverfahren wesentliche Vorschriften des landgerichtlichen Verfahrens ausdrücklich für anwendbar erklärte, erst in der gedruckten Ordnung eingefügt.613 Wenn daher die Landgerichtsordnung von 1618 als eine der bedeutendsten Rechtsquellen des Würzburger Raums bezeichnet wird,614 kann dies nur mit Rücksicht auf die fortschrittlichere Normierungstechnik und die durch den Druck größere Verbreitung und bessere Überlieferung gelten. Denn schon mit Fertigung einer umfassenden Ordnung bis zum Jahre 1580 war die eigentlich bedeutende Entwicklung vollzogen. Das zuvor nur mündliche Herkommen war fixiert und obrigkeitlich in seiner Reichweite angeordnet worden. Es bestand fortan eine verbindliche Grundlage der Rechtsprechung im Hochstift, die weit über das Landgericht hinaus wirkte und mit dem Kanzleigericht auch das eigentliche territoriale Obergericht erfasste. Einerseits war damit das Herkommen als Statutarrecht festgelegt. Es konnte und musste daher auch von den höheren Instanz­gerichten, also auch dem Kanzlei- und dem ­Reichskammergericht – ­jedenfalls soweit es von den Parteien vorgebracht wurde 615 –, beachtet werden. Andererseits war damit auch die Grenze ­contestatio oder Kriegsbefestigung siehe S. 347. In der Ordnung des Jahres 1580 wurden der prozessrechtlichen Regelung noch konkrete Wortformeln angefügt: in sachen N. contra N. bin Ich der Appellation Clag nit gestendig, bitt zuerkennen, das wol geurteilt, und übel davon Appelliert. Oder Ich bitt zuerkennen, die urthel zu reformiern, das an dem Ortt wol, und am andern Ortt übel, oder nichtig geurtheilt seÿ, mit erstattung Costen und schäden, dargegen der Appellant, auch mit khurzen wortten sagen soll, Ich erholle meine articulirte Clag, an stat der Articul und gravaminum, bitt Innhalt zuerkennen. So aber die Clag nicht Articulirt, sonder in gemain furgebracht mit volgenden wortten, dargegen erhole Ich mein Appellation Clag, und bith zeit zu vernerer handlung biß zu neherm Landtgericht. Wollte der Appellant hingegen nichts Neues vorbringen, sondern auf die Akten voriger Instanz beschließen, sollte er der Ordnung gemäß, ebd., fol. 50r, ungefähr sagen: dargegen erhole Ich mein Clag auch die Acta voriger Jnstantien loco gravaminum bitt zuerkennen, wie in der Appellation Clag gebetten, unnd setze die sach zu entlicher erkhandtnuß. Nur hinsichtlich d ­ ieses letzten Teils entsprach LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 6 diesen Anordnungen. Ansonsten erfolgte lediglich eine Verweisung auf allgemeine Ausführungen zur litis contestatio, die dann für Verfahren erster und zweiter Instanz allgemein galten, ebd., Tit. 12. Demnach fanden sich dort abstraktere Ausführungen. Entsprechendes galt etwa auch für verschiedene Eidesleistungen, die in der LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 39r f., noch im Rahmen der prozessualen Vorschriften zum erstinstanzlichen Verfahren gemäß der Chronologie des Prozesses im Wortlaut aufgeführt worden waren, in der späteren LGO 1618, 1. Teil, [ohne Tit.], hingegen sämtlich in den ersten, allgemeineren Teil gezogen wurden. 613 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38 § 1. Siehe dazu S. 341. 614 Romberg, GS 3. Folge 4, S. 93. Sogar als „[d]ie bedeutendste Quelle des gesamten würzburgischen Rechtes“ bezeichnet Merzbacher, Ordinatio Iudicii, S. 90, die Ordnung von 1618. 615 RKGO 1495, RA 06. 08. 1495, NSRA II, S. 1 – 29, Tit. II, § 3 (fur sy bracht).

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des Partikularrechts gezogen, über die hinaus das Gemeine Recht im Verfahren vor der Kanzlei von den Räten berücksichtigt werden konnte. Mit dem Druck einer Ordnung im Jahre 1618 wurde überdies dem von Nicklauß Diemer unablässig betonten Interesse der Untertanen nach Rechtsklarheit Rechnung getragen. Friedrich Merzbacher wies darauf hin, dass „[d]as römische Recht […] weitgehend den alten Geist und die deutsch-­gewohnheitsrechtliche Tradition des Landgerichts“ unterhöhlt habe, weil das langjährige Studium im Ausland und die romanistische Kasuistik „die rechtsgelehrten Räte den volkstümlichen, althergebrachten Rechtseinrichtungen und heimischen Rechtsüberlieferungen“ entfremdet habe.616 Daran ist zutreffend, dass dem materiellen Recht römisch-­rechtlicher Provenienz schon deshalb ein nicht zu unterschätzender Anwendungsbereich zukam, weil die Partikularrechte nach der zeitgenössisch gelehrten Statutentheorie eng auszulegen waren. Anders als bei der Heranziehung des Gemeinen Rechts war daher auch eine analoge Anwendung partikularrechtlicher Normen nicht möglich.617 Gleichwohl kann von einer in der Entfremdung der fürstlichen Räte begründeten Beseitigung der gewohnheitsrechtlichen Traditionen des fränkischen Landrechts nicht gesprochen werden. Ganz abgesehen davon, dass das römisch-­kanonische Recht keineswegs nur von Seiten der Gerichte, sondern häufig auch durch die Parteien im Verfahren vorgebracht wurde,618 lässt das langjährige Ringen um die Landesgebräuche eher ein ernsthaftes Bemühen bei Bischof, Räten, Landrichtern und -schreibern darum erkennen, die nur mündlich tradierten Landesgebräuche überhaupt im Rahmen der Appellationsgerichtsbarkeit fruchtbar werden zu lassen. Der Rezeptionsprozess hatte eine auf das Verständnis von materiellem Recht quasi-­ katalytische Wirkung. Denn durch die umfassende Schriftlichkeit der Rechtsquellen wurde die Vorstellung eines objektiven materiellen Rechts begünstigt, das eine von dem jeweiligen Streitfall unabhängige und somit generelle Gültigkeit besaß. Dieses Rechtsverständnis stand in der Tat in einem Gegensatz zu der am Herkommen ausgerichteten und stärker situativ ausgerichteten Rechtsprechung genossenschaftlich organisierter mittelalterlicher Schöffengerichte wie dem Landgericht.619 Allerdings war auf Grundlage dieser Vorstellung von materiellem Recht auch ein Maßstab 616 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 130. 617 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1, S. 106; Luig, Gemeines Recht, Sp. 61. 618 Entsprechend hat Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 410, die Anwendung des römisch-­kanonischen Rechts an den Laiengerichten in Nürnberg nicht nur mit dem durch das Universitätsstudium vermittelten Wissen der beratenden Juristen und deren Überzeugung von der Geltung dieser Rechtsquellen begründet, sondern auch mit dem Interesse der Parteien und der Obrigkeit am Ausweis der Rechtslage nach gelehrtem Recht. 619 Ähnlich etwa Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 18 f., 147. Dieses am Herkommen orientierte Rechtsverständnis verdeutlicht auch ein Blick auf die Wort- und

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gefunden, mit dem gerichtliche Urteile von einem mit dem Ausgangsgericht verschiedenen Spruchkörper auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden konnten. Die Verschriftlichung der Landesgebräuche war daher ein Mittel, um deren Geltung als materielles Recht und somit deren Anwendung in allen Instanzen dauerhaft zu garantieren. Auch wenn sich die Räte im Zweifel über einzelne Rechtsgewohnheiten hinweggesetzt haben mögen, scheint doch das Interesse an einem handhabbaren Gewohnheitsrecht auch im fürstlichen Rat bestanden zu haben. Denn einerseits konnte dadurch eine Homogenität der Rechtsprechung im Hochstift erreicht werden, die schon aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein musste, und andererseits waren nun die Landesgebräuche verschriftlicht und konnten daher auch als geltendes Partikularrecht vor den Reichsgerichten nachgewiesen und von diesen berücksichtigt werden. 2.  Brückengericht, Landrecht, Stadt- und Saalgericht oder die oberste Zent a.  Gerichtsbezeichnungen Die Hohe Registratur des Lorenz Fries bezeugt eindrucksvoll die gerichtliche Vielfalt im Hochstift und in der Stadt Würzburg, die offenbar bereits für die Zeitgenossen nicht immer leicht zu durchschauen war.620 Im Falle des Würzburger Stadtgerichts war sie schon namentlich angelegt. Das bedeutendste städtische Gericht hatte nämlich gleich vier Namen, die es auch dem gegenwärtigen Betrachter erschweren, sich ein kohärentes Bild über ­dieses Gericht oder diese Gerichte zu machen. Entsprechend hat Jürgen Weitzel betont, dass „die Abgrenzung der Stadtgerichte untereinander als auch zum Landgericht einer Überprüfung bedürftig“ sei.621 (1)  Landrecht Dieses Gericht, das nach Fries sein vermögen und wirkung 622 aus denselben Privilegien ableitete, daher das obgemelt Landgericht […] sein crafft und bestand 623 hatte – ­Begriffsgeschichte von urkundt, das auch im 16. Jahrhundert noch als urkunft gebraucht und verstanden wurde, Willoweit, Selbständigkeit und Unabhängigkeit, S. 182. 620 Zur schon von den Zeitgenossen aufgeworfenen Frage nach der Identität der Gerichte siehe S. 132 – 137. 621 Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 215, Anm. 10. 622 StAW, Stb. 1011, fol. 276r. 623 StAW, Stb. 1011, fol. 276r.

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wobei Fries vor allem die sog. Goldene Freiheit meinte 624 –, wurde zunächst als Landrecht bezeichnet. So hieß es zu unterschiede des Landgerichts, darumb das sein zwang sich durch das gantz land, das ist den Stifft Wirtzburg und das hertzogtumb zu francken strecket,625 wobei auch hier die tatsächliche Gerichtsgewalt des Bischofs kaum über das Gebiet des Hochstifts hinausreichte. Mit dem Begriff Landrecht war damit weniger eine bestimmte Zusammensetzung des Gerichts als vielmehr seine Bedeutung kraft kaiserlicher Privilegierung angesprochen. Möglicherweise steht die Gerichtsbezeichnung auch deshalb an erster Stelle in der Hohen Registratur, denn in der Praxis war sie gegenüber den anderen Bezeichnungen kaum gebräuchlich. Seine über die Stadt hinausgehende Bedeutung erlangte das Gericht, das seitens der Parteien und auch des bischöflichen Normgebers in aller Regel als Stadt- oder Brückengericht bezeichnet wurde, vor allem in seiner Eigenschaft als oberste Zent. (2)  Brückengericht Als zweite Bezeichnung des Gerichts nannte Fries jene als Brückengericht, die von der behausung[,] darin es gehalten wurt, stammte, welchs haus nechst am ende der Main bruck[en] hie zu W[irtzburg] lag.626 Als solches tagte es, wie es in einem Manuskript zum Landgericht des Lorenz Fries heißt, wenn in peinlichen sachen […] oder in executionen und verurteilung zu der acht umb ungehorsame oder sunst iemant geurteilt werden soll [t]e.627 Es fungierte somit als eigentliche Würzburger Zent, zu deren Sprengel noch einige nahegelegene Orte gehörten. 628 In peinlichen Sachen wurden demnach als weitere Schöffen zwei aus Zell am Main, zwei aus (Wald-)Büttelbrunn und einer aus Höchberg hinzugezogen,629 624 Dafür spricht neben der besonderen Bedeutung des Barbarossa-­Privilegs des Jahres 1168 in der Würzburger Tradition, Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224, auch die hervorgehobene Stellung desselben in der Fries’schen Chronik. Überdies erwähnt das mittelalterliche Diplom die Zenten ausdrücklich, siehe dazu S. 42. Insofern musste das Brücken­gericht gleich in zweifacher Weise durch das Privileg umfasst erscheinen: einerseits als eigentliches Würzburger Zentgericht und andererseits als oberste Zent im Sinne einer Berufungsinstanz und Ort der Rechtsauskunft für die anderen Zenten, vgl. S. 196 – 201. Zur Goldenen Freiheit und den Gerichtsprivilegien im Allgemeinen siehe S. 39 – 44. 625 StAW, Stb. 1011, fol. 276r. 626 StAW, Stb. 1011, fol. 276r. 627 StAW, Manuskripte 5, fol. 22v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 190. 628 Vgl. StAW, Manuskripte 5, fol. 22v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 190, wo es heißt, dass aus diesen Dörfern weitere Urteiler hinzugezogen würden, d­ arumb das dieselben flecken auch an die zent gein Wirtzburg gerichtbar sein. 629 StAW, Stb. 1011, fol. 276v; vgl. auch Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1263; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 412, Anm. 2065; Willoweit, Gericht

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die sich mit den neun üblichen Stadtgerichtsschöffen auff dem Saal, also dem eigentlichen Stadtgerichtsort trafen, wo das Gericht gehegt wurde. Von dort aus begab man sich auf den Weg zum Rathaus, wo man den Beklagten abholte und ihn zum Gerichtsort an der Mainbrücke unterhalb des Marienbergs führte, wo das Gericht gehalten wurde.630 Das Gericht erhielt im 15. und 16. Jahrhundert einige Ordnungen, die in weiten Teilen wörtlich übereinstimmen und aus denen sich das Gerichtsverfahren recht gut rekonstruieren ließe. Knapp nimmt die Brückengerichtsordnung des Jahres 1478 zur Grundlage seiner Darstellung, wobei er die (wenigen) zusätzlichen Passagen jener von 1447 in Klammern hinzufügte.631 In Schneidts Thesaurus findet sich eine praktisch identische Ordnung, die – wohl unzutreffend – auf die Jahre 1577 – 1582 datiert ist. Ihr sind allerdings noch die Eide von Gerichtsschöffen und Brückengerichtsknecht vorangestellt.632 Diese ist wiederum inhaltlich identisch mit einer Ordnung Konrads von Thüngen, die wahrscheinlich aus dem Jahr 1527 stammt.633

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und Obrigkeit, S. 224. Schultheiss, ebd., geht aber mit Verweis auf Knapp, ebd., irrig davon aus, dass es sich bei Büttelbrunn um Gaubüttelbrunn handle. Das ist unwahrscheinlich und beruht wahrscheinlich auf der Bezeichnung der beiden Orte im 18. Jahrhundert. Bis zum frühen 17. Jahrhundert ist allerdings auch Waldbüttelbrunn als Pütelbrun oder Bütelbrun geläufig; vgl. etwa die Karten von Blaeu (1650), Goos (1626), Mercator (1600) und Rotenhan (1533), jeweils einzusehen unter http://franconica.uni-­wuerzburg. de/ub/topographia-­franconiae/maps.html (abgerufen am 18. 11. 2019). Auch angesichts der geographischen Lage kann nur Waldbüttelbrunn gemeint sein, das wie die anderen genannten Orte – im Jahr 1627 kamen noch Randersacker und Gerbrunn hinzu, so ein nachträglicher Vermerk in StAW, Stb. 1011, fol. 276v und Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1263 – in unmittelbarer Nähe Würzburgs liegt. Vgl. dazu ausführlich die Würzburger Halsgerichtsordnung Konrads von Thüngen um 1530, StAW, ldf 27, S. 424 – 431, insb. S. 424, 427, und jene (nahezu identische) des Jahres 1580, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 933 – 943, insb. S. 933 f., 938 f. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1267 – 1274. Das Original aus dem Jahr 1478 befindet sich in StAW, ldf 13, S. 736 – 740. Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 987 – 1000. Die Fundstelle zu dieser Ordnung ist nicht angegeben. Trotz der wörtlichen Übereinstimmung zur Brückengerichtsordnung Konrads von Thüngen ist nicht ersichtlich, ob es sich um eine fehlerhafte Datierung einer älteren Ordnung handelt, wie dies Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 213, Anm. 1, nahelegt. Die Ordnung Konrads, StAW, ldf 27, S. 298 – 305 und 307 – 314, kann jedenfalls nicht mit Sicherheit als Grundlage für den Druck im 18. Jahrhundert angenommen werden, da diesbezüglich zu viele Abweichungen in Schreibweise und Absatzführung bestehen. Diese Ordnung findet sich identischen Inhalts gleich in zweifacher Ausführung in StAW, ldf 27, S. 298 – 305 und 307 – 314.

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(3)  Oberste Zent Drittens wies Fries auf die Bezeichnung als oberste Zent hin. Diesen Namen trug das Gericht, weil es als Appellationsgericht in zentbarlichen sachen[,] die burgerlich furgenomen 634 wurden, fungierte. Diese Einschränkung auf bürgerliche 635 Verfahren ist von den Forschungen zur Würzburger Gerichtsbarkeit nicht immer erkannt oder ernst genommen worden und hat daher zu teilweise sehr fragwürdigen Ansichten über die frühneuzeitliche Gerichtsbarkeit im Hochstift geführt, wonach es etwa „trotz der vorhandenen normativen Zulässigkeit einer echten Appellation gleichwohl eine ­solche in Strafsachen nicht gegeben“ 636 habe. Mit Lorenz Fries stellt sich die Lage anders dar: Appellationen in Kriminalsachen waren offenbar – wie auf Ebene der Reichsgerichtsbarkeit jedenfalls nach 1530637 – generell ausgeschlossen.638 Verfahren im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit, sogenannte Malefizsachen, die im 16. Jahrhundert zunehmend unter die Aufsicht des fürstlichen Rats und der Kanzlei gelangten,639 konnten aber vor dem Bischof selbst – wohl im Wege der Supplik – angegriffen werden, der entsprechende Eingaben dann regelmäßig von seinen Räten in der Kanzlei bearbeiten ließ.640 Ferner war das Gericht für Fälle, in denen das recht versagt, abgeschlagen oder vertzogen wurt,641 also hinsichtlich Rechtverzögerungs-, Rechtsverweigerungs- und 634 StAW, Stb. 1011, fol. 276r. 635 Der Begriff deckt sich nicht mit dem heutigen Verständnis des bürgerlichen Rechts, sondern umfasst diejenigen Sachen, die weder der grundsätzlich nicht gerichtlich Überprüfbaren obrigkeitlichen Tätigkeit in Verwaltungshandeln oder Policeygesetzgebung noch der peinlichen Gerichtsbarkeit als hoher Strafgerichtsbarkeit, insbesondere unter Androhung von Leibes- und Lebensstrafen, zuzuorden waren. Seckendorff, Teutscher Fürstenstaat, S. 104, zählt im Jahr 1656 zu den bürgerlichen Sachen etwa die Macht des Fürsten etliche geringer Verbrechen mit geringer Straffe anzusehen, zum Theil, die Erkändtnuß in allen streitigen Händeln, zu sprüchen, unnd Forderungen der Leute, die sie gegen einander haben, es sey umb Schuld, oder Eigenthum auff persönliche Verpflichtung oder die Güter selbsten ergehen zu lassen, unnd dann auch die Bottmässigkeit in allerhand Gerichtlichen Anordnungen, vollziehung der Urtheile, Pfändungen, Verordnung der Vormünder und Pflegere, einweisung in den Besitz eines Guts, bestetigung allerhand handlungen, die vor Gericht zu geschehen pflegen […] und dergleichen. 636 Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 102. Auch Merzbacher, Die Hexenprozesse in Franken, S. 61 f., nimmt diese Unterscheidung nicht zur Kenntnis und gelangt – zudem unter zumindest missverständlicher Würdigung der Würzburger Appellationsgerichtsbarkeit – zu höchst fragwürdigen Ergebnissen. 637 So RA 19. 11. 1530, NSRA II, S. 306 – 332, § 95. Siehe dazu S. 225. 638 Ausführlich zur Appellation von den Zenten an die Obergerichte in Würzburg siehe S. 196 – 203. 639 Siehe dazu S. 298 f. 6 40 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 225. Zum Malefizamt siehe S. 296 – 299. 641 StAW, Stb. 1011, fol. 276r.

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überdies wohl auch Nullitätsklagen zuständig.642 Zu diesen Verfahren bestimmte die Ordnung des bruckengerichts zu Wirtzpurg des Jahres 1478: Item woe einem an anderen gerichten wissentlich recht versagt wurde, der mocht sein recht am bruckengericht fordern u. man solt ime auch recht daran geen u. widerfaren lassen on geverde. Item was auch an andern zenten im stift seumbnuss oder frevele von zentgrefen oder schopfen geschee, das sol auch am bruckengericht ausgetragen werden.643 Auch diese Verfahren haben sich wohl nicht auf die peinliche Gerichtsbarkeit bezogen. Die Zenten waren vor allem bis zum 16. Jahrhundert und in Einzelfällen auch darüber hinaus keineswegs nur in Kriminalsachen, sondern häufig auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten tätig,644 sodass es sich zumindest hinsichtlich dieser an das Brückengericht gelangten Verfahren um „echte“ Berufungsverfahren, also um ein Verfahren der Überprüfung eines abschließenden Urteils durch ein anderes Gericht innerhalb eines mehrstufigen Systems gehandelt haben dürfte.645 Ob in ­diesem Sinne auch die Anordnung der Brückengerichtsordnung des Jahres 1478 zu verstehen ist, wonach auch von anndern zenten anderswoehin nirgent appellirt werden sollte dann fur das bruckengericht,646 ist zweifelhaft, da sich diese Passage wortgleich auch in der Ordnung des Jahres 1447 findet. Es handelte sich dann um ein recht frühes Zeugnis der Appellation im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit im Hochstift, die auf Ebene der Reichsgerichtsbarkeit erst in den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts aufgekommen war.647 Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich die dieser Passage b­ eigemessene Bedeutung im Verständnis der Z ­ eitgenossen 6 42 Zu den entsprechenden Verfahren auf Ebene der Reichsgerichtsbarkeit siehe S. 225 f. 6 43 Brückengerichtsordnung 1478 in: Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1273. Entsprechende Ausführungen finden sich auch in den Ordnungen in StAW, ldf 27, S. 304, 313, und Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 999. 6 44 Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 369 f.; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235, geht – allerdings ohne Quellenbefund – davon aus, dass die Tätigkeit der Zenten außerhalb der peinlichen Gerichtsbarkeit eher die Ausnahme war und vor allem mit einer geringen Ausprägung der Dorfgerichtsbarkeit im Gebiet der jeweiligen Zent in Zusammenhang gestanden haben dürfte. Zur Zuständigkeit der Zentgerichte siehe ausführlich S. 186 – 188. 6 45 Die von Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224, diesbezüglich geäußerten Zweifel erscheinen angesichts der Formulierung in der Darstellung von Lorenz Fries, StAW, Stb. 1011, fol. 276r., (die burgerlich furgenomen werden) unbegründet. In ­diesem Sinne auch Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 413, insb. Anm. 2069, der für die Zent Burghaslach im Jahr 1478 ein Verfahren ausmacht, das nach dem ergangenen Endurteil am Würzburger Brückengericht fortgesetzt wurde. 6 46 Brückengerichtsordnung 1478, StAW, ldf 13, S. 740; vgl. auch den Druck in: Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1273. Vgl. auch die Ordnungen in StAW, ldf 27, S. 304, 314, und Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 999. 6 47 Weitzel, Dinggenossenschaft und Recht, S. 1308.

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zum Zeitpunkt des wieder­holten Erlasses der nahezu identischen Ordnung im Jahre 1478648 in Richtung eines Appellationsverfahrens im frühneuzeitlichen Sinne verschoben hatte. Das Gericht tagte unter Leitung des bischöflichen Oberschultheißen, der die ursprünglich einem Zentgrafen zugedachte Stellung des Richters ausübte,649 und war mit neun Fromen, Ehrbahren Tuglichen Männern aus dem Rathe und Gemeindt 650 als Urteiler besetzt, die umb schuld, zins, gult und andere felle fur si gehorend, allenthalben uber des Stiffts underthanen 651 richteten. Die Zahl der Urteiler wird auch durch die Gerichtsreformation des Jahres 1582 bestätigt.652 (4)  Saal- oder Stadtgericht Ohne weitere Nummerierung ging Fries in der Hohen Registratur im Folgenden auf das Stat oder Salgericht 653 ein, das aber der Zählung nach den vierten Gerichtsnamen ausmachen muss. Als Stadtgericht tagte das Gericht in burgerlichen sachen umb schuld und schmahe, uber alle burgere der stat und vorstete zu Wirtzburg 654 in der Zusammensetzung des Brückengerichts außerhalb peinlicher Sachen. b.  Identität der Gerichte Unklar ist, ob es sich nach dem Verständnis der Zeitgenossen im 15. und 16. Jahrhundert bei Stadt- und Brückengericht jeweils um ein eigenes Gericht gehandelt hat. Dafür spricht neben der Struktur der Fries’schen Darstellung in der Hohen Registratur, die immerhin beiden Gerichten bestimmte sachliche Zuständigkeiten zugewiesen hatte, vor allem die Tatsache, dass im Jahre 1478 für beide Gerichte eine jeweils eigene Ordnung erlassen wurde.655 1484 brachte der Schultheiß im unteren 6 48 Vgl. diesbezüglich Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1267, Anm. 1. 6 49 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 113. 650 Stadtordnung Würzburg 1527, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 833; entsprechend StAW, Stb. 1011, fol. 276v (neun redliche, geschickte und verstendige burgere der stat W [ürzburg]). Vgl. auch die Brückengerichtsordnungen in StAW, ldf 27, S. 298, 307, und Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 987. 651 StAW, Stb. 1011, fol. 276v. 652 Stadtgerichtsreformation 1582/83, Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 1003; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1291. Zur Datierung ebd., S. 1290, Anm. 1. 653 StAW, Stb. 1011, fol. 276v. 654 StAW, Stb. 1011, fol. 276v. 655 StAW, ldf 13, S. 733 – 740, gedruckt bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1267 – 1280.

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Rat vor, dass man ausweislich der reformacion […] hinfure keinen burger mer in obern rathe gebieten solle umb schulde, auch nyemants an die brucken umb schulde 656 laden sollte, sodass diesbezüglich fortan das Stadtgericht eine ausschließliche Zuständigkeit besaß.657 Im 15. Jahrhundert scheint es sich also in der Tat noch um verschiedene Gerichte gehandelt zu haben, auch wenn der Urteilerkreis, abgesehen von Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit, zu dieser Zeit bereits identisch war. An anderer Stelle unterstreicht Fries hingegen ausdrücklich die Identität des Gerichts trotz dessen zahlreicher Namen, indem er auf das herkomen hinwies, das solch gericht vier unterschiedlich namen hat, und doch der gerichts personen und sunst aller ding halben nit mer dan ain ding ist, allain das in peinlichen sachen noch funff schopfen aus den obbererten enden den neun andern urtailern zugesetzt werden[.]658 Dementsprechend hatte auch die Stadtordnung Konrads von Thüngen aus dem Jahre 1527 beide Gerichte durchgängig gemeinsam unter dem Begriff Brücken- und Stadt-­Gericht mit Regelungen versehen 659 und schon aus der Regierungszeit Lorenz’ von Bibra, wahrscheinlich aus dem Jahr 1512, ist ferner eine Eidesformel für die Gerichtsschöffen am Brugken und Stat gericht überliefert.660 Nach Hermann Knapp lässt sich eine eigenständige Tätigkeit des Brücken­ gerichts bis 1551 nachweisen.661 In dieser Zeit – so jedenfalls im Jahr 1544 – tagte das Gericht zwölfmal im Jahr.662 Für das dritte Quartal des 16. Jahrhunderts herrscht bisher Unklarheit über die weitere Gerichtstätigkeit. Knapp wies etwa darauf hin, dass die Würzburger Bürgerschaft und das Domkapitel 1558 beziehungsweise 1560 beim Bischof vergeblich um die Wiedererrichtung des Brückengerichts ersuchten.663 1583 sei es dann schließlich im Stadtgericht aufgegangen, dessen Schöffen in peinlichen Sachen nach wie vor im Brückenhaus zusammenkamen, um die Blutgerichtsbarkeit auszuüben, und ihr Zusammentreten als Brückengericht auch in ihren Protokollen auswiesen.664 Wieso Knapp die Zusammenlegung der Gerichte 656 StadtAW, Rp 6, fol. 61v. 657 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 112, der diesen Hinweis – wohl zutreffend – auf die Gerichtsreformationen von 1478 bezieht. 658 StAW, Manuskripte 5, fol. 22v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 190. 659 Stadtordnung Würzburg 1527, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 833. Die Ordnung spricht gleichwohl an einer Stelle davon, dass die Gericht mit verständigen Personen zu besetzen ­seien, was sich allerdings angesichts der mangelnden Institutionalisierung der Gerichte in der Frühen Neuzeit auch auf die einzelnen Gerichtstermine beziehen könnte. 660 StAW, ldf 19, S. 274. 661 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 110; ihm folgend Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 225. 662 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 115. 663 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 110. 664 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 111 – 113, 115.

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ausgerechnet auf das Jahr 1583 datierte, ist nicht mehr ersichtlich.665 Auch in der Folgezeit hat es keinen Versuch gegeben, die Periode ­zwischen der Einstellung des Gerichtsbetriebs und der Zusammenlegung der Gerichte zu erläutern. Hinsichtlich der Einstellung des Gerichtsbetriebs dürfte Knapp allerdings richtig gelegen haben, denn schon Scharold hat eine Befragung der letzten überlebenden Brückengerichtsschöffen aus der Echterzeit im Wortlaut in Druck gebracht, die übereinstimmend erklärt hatten, dass der Gerichtsbetrieb um die Zeit des sogenannten Markgräflerkrieges und somit ­zwischen 1552 und 1554 eingestellt worden war.666 Und tatsächlich beschwerten sich die Würzburger Bürger in umfänglichen Gravamina aus dem Jahre 1558 über die Einstellung der Gerichtstätigkeit bei ihrem bischöflichen Stadtherren,667 der sich in seiner Antwort im November 1559 zu erhaltung der justitien geneigt zeigte, zum furderlichsten die befurderunng zuthun, damit das Bruckengericht, mit Gerichtz Personen, widerumb ersetzt, aufgericht und in gang gebracht werde,668 wozu es in der Folgezeit offenbar aber nicht kam. Ein Blick in die Vorinstanzenverzeichnisse der Münchener Inventarbände zur Überlieferung des Reichskammergerichts bestätigt scheinbar die von Knapp gefundenen Ergebnisse. Angesichts der begrifflichen Überschneidungen und der weitgehenden personellen Identität der beiden Gerichte erscheint es jedoch geradezu erstaunlich, mit welcher Trennschärfe die Gerichtsbezeichnungen in der Überlieferung des Reichskammergerichts vermeintlich mit der von Knapp postulierten Vereinigung der Gerichte im Jahr 1583 übereinstimmen. Die Bezeichnung einer Vorinstanz als Stadt- und Brückengericht findet sich dort erstmals in Verfahren um das Jahr 1580, während zuvor stets entweder vom Würzburger Stadtgericht oder dem Brückengericht daselbst die Rede ist. Wenn sich diese Bezeichnung doch einmal in Prozessen auffinden lässt, die ihren Ausgang vor 1583 im Hochstift nahmen, kann dies mit dem jeweiligen Verfahrensgang erklärt werden. In zwei Verfahren aus dem Jahr 1582 waren ursprünglich Würzburger Zenten mit der Sache befasst gewesen und erst im späteren reichskammergerichtlichen Prozess, also nicht vor 1583, von bischöflicher Seite auf die erforderliche Appellation an das Stadt- und Brückengericht verwiesen worden.669 In einem anderen Verfahren, das am Dorfgericht Altbessingen 1580 begonnen hatte, fällte das ­später im Appellationsverfahren tätig gewordene Stadt- und Brückengericht erst 1583 ein Urteil, gegen das 665 Möglicherweise bezog er sich damit auf Scharold, Zur Geschichte des Gerichtswesens in Würzburg, S. 136, der meinte, das Brückengericht sei nach 1554 „nimmer errichtet, sondern seiner Wesenheit nach dem vom Bischofe Julius 1582 reformierten Stadtgerichte einverleibt worden“. 666 Scharold, Zur Geschichte des Gerichtswesens in Würzburg, S. 131 – 135, insb. S. 133 f. 667 StadtAW, Rp 11, fol. 173v. 668 StadtAW, Rp 11, fol. 262r. 669 BayHStA, RKG 2783, 3618.

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in der Folge am Reichskammergericht appelliert wurde.670 Umgekehrt findet sich in der reichskammergerichtlichen Überlieferung von ­diesem Zeitpunkt an kein Ausgangsverfahren im Hochstift mehr, in dem ausschließlich die Bezeichnung als Brückengericht oder als Stadtgericht verwendet wird.671 In der Tat scheint also das Jahr 1583 mit erstaunlicher Deutlichkeit den Übergang zu einem einheitlichen Gericht zu markieren. Wahrscheinlich folgt diese vermeintliche historische Evidenz vornehmlich aus der Struktur des Inventars, das die Kategorien gelegentlich eher an die Akten herangetragen hat als umgekehrt. Dies lässt sich etwa anhand zweier Verfahren am Stadt- und Brückengericht vor dem Jahr 1583 erweisen, in deren Gerichtsakten das Forum konsequent als solches ausgewiesen ist, die Verzeichnung des Inventars jedoch jeweils nur das Brücken-672 beziehungsweise Stadtgericht 673 wiedergibt. Es liegt auf der Hand, dass auch in der Zeit nach dem Markgräflerkrieg zumindest die peinliche Gerichtsbarkeit in Würzburg ausgeübt worden sein muss. 674 Sollte das Brückengericht als solches tatsächlich nicht mehr zusammengekommen sein, dürften die Stadtgerichtsschöffen schon früh entsprechende Funktionen wahrgenommen haben.675 Die Akten des Reichskammergerichts lassen es als gesichert erscheinen, dass das Brückengericht jedenfalls dem Namen nach auch in der Zwischenzeit zusammentrat. So verwiesen die Beklagten in vier Verfahren, die in den Jahren 1555, 1557, 1564 und 1570 an das Reichskammergericht gelangten, auf die Zuständigkeit des Brückengerichts in Appellationssachen. In den letztgenannten, die an den Gerichten im Hochstift in den Jahren 1563 und 1569 anhängig waren, waren es sogar die Vertreter des Bischofs, der als Interessent auf Beklagtenseite auftrat, die diese Einreden vorbrachten.676 Im letztgenannten und in vier weiteren Verfahren, die in den Jahren 1562, 1564, 1565 und 1577 im Hochstift anhängig waren, war das Brückengericht sogar vor der Appellation an 670 BayHStA, RKG W0557. 671 Die einzige Ausnahme bildet ein Verfahren, dass sich über BayHStA, RKG 737, rekonstruieren lässt, in dem im Jahr 1586 am ganerbschaftlichen, vgl. hierzu Anm. 967, Zentgericht Hohenaich über Verbalinjurien verhandelt wurde, die sich auf ein zuvor am Brückengericht ergangenes Verfahren bezogen. Wann dieser Prozess stattfand, ist allerdings unklar. 672 BayHStA, RKG 2779, Q7/II. 673 In der Gerichtsakte, BayHStA, RKG 2779, Q3, fol. 1r, und mehrfach auch im Parteivortrag des Appellanten im reichskammergerichtlichen Verfahren gegen die Zuständigkeit des Würzburger Gerichts, Q7, unfol., ist dasselbe als Stadt- und Brückengericht angesprochen. 674 Schon Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 111 f. verwies auf ein entsprechendes Verfahren aus dem Jahr 1564. Aus demselben Jahr erweist auch eine Gerichtsakte in der Überlieferung des RKG die Gerichtstätigkeit in peinlichen Verfahren, BayHStA, RKG R0931a (Bestellnr. 11112), Q4. 675 So auch Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 111 f. 676 BayHStA, RKG 665 (1564), 676 (1570), 1907 (1555), 1920 (1557).

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das ­Reichskammergericht mit der Angelegenheit befasst gewesen.677 Gleich über mehrere Jahrzehnte wird die Gerichtstätigkeit des mit dem Stadtgericht verbundenen Brückengerichts durch ein reichskammergerichtliches Verfahren in den Jahren ab 1581 dokumentiert. In einer Auseinandersetzung um die Zuständigkeit der Zent Prosselsheim forderten Abt, Prior und Konvent des Zisterzienserklosters Ebrach das Verfahren über einen Hintersassen des Klosters erfolglos ab und wendeten sich deshalb 1565 an das Brückengericht in Würzburg. In den beiden Folgejahren wurden dort Zeugen gehört, deren Aussagen in die reichskammergerichtliche Überlieferung Eingang fanden.678 Ebenso finden sich die vom Brückengericht unter dem Namen des Würzburger Oberschultheißen Philipp von Gebsattel ausgegangene Inhibition und ein Kompulsorialsbrief vom 6. Juli 1565 in der Akte.679 Nachdem der als klösterlicher Hintersasse betroffene Müller Hans Heßler auch in der Folgezeit wiederholt der Zentgerichtsbarkeit unterworfen werden sollte, gingen seit 1577 neuerliche Appellationen desselben und des Ebracher Abts am Würzburger Brückengericht ein, das den Müller schließlich zum Erscheinen vor der Zent verpflichtete, bevor sich die unterlegenen Kläger letztlich 1581 an das Reichskammergericht wandten. In der Gerichtsakte ist, etwa als im Jahr 1565 das zunächst am Kanzleigericht anhängig gemachte Verfahren an das städtische Forum remittiert wurde 680 oder 1577 mit Pelagius Wagner ein Brücken unnd Stattgerichts Procurator und Wirtzburgisch[er] Cantzleÿ verwannter 681 als Parteivertreter auftrat, durchgängig von einem Stadt- und Brückengericht die Rede. Auch wenn die Gerichtsakte erst 1582 für das Reichskammergericht ausgefertigt wurde, dürften derart konsequente nachträgliche Veränderungen durch die Schreiber auszuschließen sein. Denn auch sonst wurden begriffliche Unterscheidungen in den einzelnen Protokollen, aus denen die Akten erstellt wurden, offenbar schlicht übernommen, ohne dass auf besondere Einheitlichkeit geachtet worden wäre. Stadt- und Brückengericht waren also schon vor 1583 vereint. Im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit tagte das Stadtgericht aber weiter als Brückengericht oder Hals- und Brückengericht 682 unter Hinzuziehung der weiteren Gerichtsschöffen aus den umliegenden Gemeinden. Ansonsten übte das Stadtgericht insbesondere auch die Appellationsgerichtsbarkeit über die Zenten schon seit den

677 BayHStA, RKG 2779 (1565), 3600 (1562), R0931a (1564), S0857 (1577). 678 BayHS tA, RKG 2779. Zu den Zeugenaussagen vor dem Brückengericht siehe Q7/II , fol. 39r–46r, 52v–72r. 679 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 7r. Zu Inhibition und Kompulsorialbrief siehe S. 324 bzw. 311. 680 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 7r. 681 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 152v. 682 So etwa in BayHStA, RKG R0931a (Bestellnr. 11112), Q4.

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fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts aus. Entsprechend wusste schon einer der beiden noch lebenden Gerichtsschöffen zur Zeit Julius Echters zu berichten, dass die an das Brückengericht gehörenden Sachen nach dessen Einstellung an das Stadtgericht verwiesen worden ­seien, während sein Kollege der Auffassung war, die Dinge s­ eien fortan unerörtert geblieben.683 Vor dieser Zeit scheint es allerdings auch abgesehen von der peinlichen und der Appellationsgerichtsbarkeit eine vom Stadtgericht zu unterscheidende Funktion des Gerichts gegeben zu haben, denn dieselben Schöffen erinnerten sich, dass am Brückengericht vornehmlich Schuldsachen verhandelt worden ­seien. c.  Besetzung Das Gericht war, sofern es nicht in peinlichen Sachen als Würzburger Zent tagte, mit neun Schöffen aus Rat und Gemeinde besetzt. Das Verhältnis von ­Ratsherren und sonstigen Gemeindeschöffen lag üblicherweise bei fünf zu vier.684 Die Gemeindeschöffen entstammten fast immer auch den im Rat vertretenen Familien und stellten sich häufig selbst s­ päter zur Wahl für den Stadtrat, auch wenn eine vorherige Schöffentätigkeit keine notwendige, aber doch sehr häufige Station vor einer Wahl in den Rat war.685 Die Urteiler gehörten ebenso wie die Ratsherren zur städtischen Elite und wurden daher wie diese und die Mitglieder der fürstlichen Kammer in der Luxusordnung von 1617 dem zweiten Stand nach den fürstlichen Räten und den Universitätsprofessoren zugerechnet.686 Über eine juristische Vorbildung der Urteiler, die aus dem unteren Rat und der Gemeinde stammen sollten, schweigt die Ordnung von 1582, die lediglich erfahrene Bürger als Beisitzer verlangte.687 Den umfangreichen Zuständigkeiten des Gerichts entsprechend hatte aber schon die Stadtreformation des Jahres 1527 zu Stadt- und Brückengericht verfügt, dass es hoch vonnöthen sei, die Gericht mit verständigen, redlichen Leuthen zubesetzen, weil diejenige, so bey einander wohnen, und mit einander handieren, ihrer Händel halben, mit Kauffen und Verkauffen, und sonsten je zu Zeiten gegen einander in Forderung [ge]wachsen 688 ­seien. Die ­Komplexität der 683 684 685 686

Scharold, Zur Geschichte des Gerichtswesens in Würzburg, S. 134. Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 211, Anm. 700. Ebd., S. 241. Ebd., S. 97; Merzbacher, Fürstbischof Julius Echter, S. 102. Damit ging einher, dass die Schöffen als Mitglieder der städtischen Elite von ihren Zeitgenossen nicht nur positiv wahrgenommen wurden, Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 280, Anm. 991. 687 Stadtgerichtsreformation 1582/83, Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 1003; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1291. 688 Stadtordnung Würzburg 1527, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 833.

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­ erfahren, insbesondere bezüglich des Handels, verlangte also eine gewisse Bildung V der Schöffen. Allerdings legte erst die Ratsordnung von 1618 hinsichtlich der Ausbildung der Ratsmitglieder fest, dass, da angesichts der aufrichtung der Universität nunmehr gemeine bürgerschafft auch mit gelehrten personnen zimblich ersetzt sei, ins künfftig, soviel möglich nicht Idioten, w ­ elche offtermahls auch ihre selbst muttersprach weder lesen noch schreiben können, sondern dergleichen leudt für die Ratsämter und somit auch für die Besetzung des Stadtgerichts vorgeschlagen werden sollten, dero Verstandß und anderer von gott Verliehener und mit lehrung guter künsten erleuchtet qualitaten man sich beÿ Administration und Verwaltung […] desto ersprießlicher zu gebrauchen wusste.689 Mit Blick auf die Gerichtspraxis muss das Gericht allerdings schon zum Zeitpunkt der Echter’schen Stadtgerichtsreformation entweder teilweise mit gelehrten Juristen besetzt gewesen oder zumindest von diesen beraten worden sein. In einem umfänglichen Appellationsverfahren,690 das am Stadt- und Brückengericht als oberster Zent seit 1584 über zwei Dekaden hinweg geführt wurde, und das – wie noch zu zeigen sein wird – auch in anderer Hinsicht erhellend zur Erörterung des Gerichtswesens im Hochstift ist,691 wurde der Prozess nach den üblichen gemeinrechtlichen Vorgaben geführt. Möglicherweise hätten citatio, inhibitio und compulsoriales auch von einem mit erfahrenen, aber ungelehrten Schöffen besetzten Gericht ausgehen können. Das umso mehr, da dem Gericht über Jahrzehnte hinweg mit Friedrich Albrecht von Heßberg ein fürstbischöflicher Oberschultheiß mit einiger Gerichtserfahrung vorsaß, der als fürstlicher Rat nicht nur am Kanzlei­ gericht teilnehmen konnte, sondern auch am Landgericht als Beisitzer und am Hof- und Lehengericht als sogenannter Vizelehenrichter mehrfach bezeugt ist und dort den eigentlich vorsitzenden Hofmeister vertrat.692 Doch war auch er vermutlich nicht rechtsgelehrt,693 sodass er und die Schöffen wohl ohne ­rechtsgelehrten 689 Ratsordnung 1618, StadtAW, RA 204, S. 7 f.; vgl. auch Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 242. 690 Siehe StAW , Admin. 19181, und die Gegenüberlieferung BayHS tA, RKG W1241 (Bestellnr. 14314). 691 Dazu sogleich S. 142 f. 692 Zu den zahlreichen Gerichtsämtern, die Friedrich Albrecht von Heßberg innehatte und zu denen auch jenes als fürstlich-­sächsischer Hofrichter zu Coburg gehört haben soll, Höhn, Sachsen-­Coburgische Historia, Bd. 1, S. 96; ausführlicher Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 283 f. Als Vorsitzender des Hof-, Lehen- oder Ritterlehengerichts ist er vor allem in den achtziger und neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts mehrfach in den Protokollextrakten des Gerichts belegt, StAW, Admin. 10515, unfol.; siehe dazu auch S. 116. 693 Über die Zeit vor seiner Tätigkeit als Würzburger Rat ist bei Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 283 f., nichts überliefert. Angesichts seiner langen Dienstzeit als Rat von 44 Jahren ist eine umfängliche juristische Ausbildung nicht sehr wahrscheinlich, aber – wie sein bischöflicher Dienstherr zeigt – nicht ausgeschlossen.

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­ eistand nicht in der Lage waren, die Schriftsätze oder Rezesse, also das in einigen B Teilen auf Latein unter Allegation von Institutionen- und Digestenstellen abgefasste Parteivorbringen,694 adäquat zu würdigen.695 Die Rezeption des Römischen Rechts ging demnach nicht nur von den Gerichten aus. In dem Maße, in dem die Parteien vor den mit Laienschöffen besetzten Foren ihren Vortrag auf römisch-­ kanonisches Rechts stützten, mussten die Urteiler ihre in örtlicher und empirischer Rechtskenntnis begründeten Auffassungen von fachlich versierten Juristen ergänzen lassen.696 Da im genannten Verfahren, wie in jenem mit der Abtei Ebrach,697 überdies der Fürstbischof als Partei am Verfahren beteiligt war, werden sich die Urteiler am Stadtgericht auch nicht auf den Rat der bischöflichen Juristen in der Kanzlei verlassen haben, die auch die Schriftsätze der fürstlichen Partei verfasst hatten. Eine Unterstützung des Gerichts durch gelehrte Juristen, die nicht dem Urteilergremium angehörten, ist auch in anderen Städten nachgewiesen 698 und wäre daher nicht verwunderlich.

694 DRW XI, Rezeß, Sp. 984 f. 695 Vgl. hierzu die Gerichtsakte des Verfahrens, StAW, Admin. 19181, unfol. 696 Ähnlich für Nürnberg auch Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 318, 331, und für Speyer Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts, S. 233. Dementsprechend hat ferner Coing, Die Rezeption des Römischen Rechts, S. 187, für Frankfurt dargelegt, dass es auch hier häufig die Parteien und nicht die Gerichte waren, die sich gelehrter Juristen bedienten und so das Römische Recht in das Verfahren einführten. Dabei habe nicht die Überlegenheit des geschriebenen Rechts, sondern die Hoffnung den Ausschlag gegeben, dass der angesehene Gelehrte der Sache eher zum Erfolg verhelfen könne als sie selbst. Ebenso ließen die Urteilssprecher des hergebrachten Grossbasler Schultheißengerichts die gelehrten Juristen in ihren Ausführungen gewähren und begünstigten so die Verschränkung der beiden Rechtstraditionen, Hagemann, Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 2, S. 110 – 117. 697 Für eine ausführlichere Darstellung des Verfahrens siehe S. 136 und S. 142 f. 698 In Nürnberg, das schon wegen der Reichsunmittelbarkeit, dem starken Handelsaufkommen sowie der damit verbundenen patrizischen Oberschicht, die einer juristischen Funktionselite tendenziell kritisch gegenüberstand, mit Würzburg freilich nur bedingt vergleichbar ist und das spätestens mit der Stadtrechtsreformation 1522 römisch-­kanonisches Recht umfänglich rezipiert hatte, wurden bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts drei oder vier Doktoren beider Rechte zur Beratung des Stadtgerichts regelmäßig hinzugezogen, Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 313, dort auch Anm. 25 f. Entsprechendes gilt für den dortigen Rat als Appellationsinstanz und jenen der Stadt Köln, ebd. S. 314, 318 – 320, die durch die Konsiliartätigkeit der Rats- bzw. Universitätsjuristen auch Ausstrahlungswirkung auf zahlreiche andere Städte hatten, ebd. S. 328. Die Nürnberger Juristen formulierten Urteilsvorschläge und schufen durch ihre zahlreichen Gutachten ein Kompendium zu verschiedensten insbesondere prozessualen Rechtsfragen, vgl. ebd. S. 355 – 404, das für die weitere Unterrichtung genutzt werden konnte, ebd. S. 409.

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d.  Gerichtsort Das Gericht wurde, jedenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts, wenn es nicht als Brückengericht in ainer sondern dartzu gemachten und gerichten behausung jhenseit Mains an der brucken tagte, in allen andern sachen inwendig der stat Wirtzburg 699 dienstags, donnerstags und freitags uf dem Bischoflichen Sale 700 gehalten, der sich im Gebäude der Kanzlei ­zwischen Dom und Neumünster befand. e.  Verhältnis zum Kanzleigericht Das Stadtgericht diente ausweislich der Ordnung des Jahres 1478 selbst als Appellationsgericht für denjenigen, der bedeucht[e,] an andern werntlichen gerichten in der stat u. vorstetten zu Wirtzpurg ausgenomen am lantgericht u[nd] am hofgericht beswert 701 zu sein. Hinsichtlich des Kanzleigerichts dürfte eine entsprechende Formulierung nicht erforderlich gewesen sein. Denn die Appellationstätigkeit der Räte war erst wenige Jahre zuvor begründet worden und leitete sich unmittelbar aus der landesherrlichen Gerichtsherrschaft ab. Eine Appellation von den Urteilen des Landes- und Stadtherrn an dessen eigenes Stadtgericht muss schon den Zeitgenossen geradezu undenkbar erschienen sein. Umgekehrt war aber auch eine Appellation gegen die Urteile des Stadtgerichts an andere Gerichte im Hochstift einschließlich des Kanzleigerichts nicht gestattet, wenngleich es nach Fries pfleglich herkomen gewesen und geubt worden sei, das die schopfen daran in treffenlichen zweifenlichen sachen vor gebung der urtail in der furstlichen Cantzlei bei den Räthen unterricht und weisung suchen, biten und nehmen[.]702 Ob es eine s­ olche, mit den spätmittelalterlichen Oberhofzügen oder der späteren Aktenversendung im Kern vergleichbare, Ratsuche bei den fürstlichen Räten tatsächlich gab oder ob diese nicht eher den Idealvorstellungen des Bischofs und seines Sekretärs und späteren Rates Lorenz Fries entsprach, die die Möglichkeit einer fürstlichen Einflussnahme auf die Rechtsprechung des Gerichts wahrscheinlich schon aus Gründen der bischöflichen Stadtherrschaft für zulässig hielten, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Jedenfalls ­zwischen 1525 und 1540 ist eine stärkere Einbindung 699 StAW, Manuskripte 5, fol. 22v, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 190. 700 StAW , Stb. 1011, fol. 276v. Diese drei Gerichtstage wurden auch in der Stadtgerichts­ reformation im Jahre 1582/1583 veranschlagt, gedruckt bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1292. 701 Stadtgerichtsordnung 1478, StAW, ldf 13, S. 733 – 736; gedruckt bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1278. 702 StAW, Stb. 1011, fol. 276v.

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der Kanzlei und der bischöflichen Räte in die Rechtsprechung des Stadtgerichts alles andere als unwahrscheinlich, da die Stadt nach ihrer Niederlage im sogenannten Bauernkrieg und ihrer darauffolgenden Unterwerfung unter den Bischof zahlreiche Rechte aufgeben musste, die erst nach dem Tod Konrads von Thüngen allmählich wiedererlangt werden konnten.703 Und auch die Gerichtspraxis liefert Indizien für eine entsprechende Übung: In einem reichskammergerichtlichen Verfahren um das Jahr 1550, in dem es um die grundsätzliche Zulässigkeit von Appellationen von Urteilen des Stadtgerichts an das Reichskammergericht ging, brachte eine Partei vor, dass die Urteile des Stadtgerichts regelmäßig erst nach Belehrung durch die fürstlichen Räte ergingen, während die Gegenseite darauf verwies, dass derartige Belehrungen nur in Einzelfällen vorgekommen ­seien.704 Beide Parteien gingen also übereinstimmend davon aus, dass eine Ratsuche durch die Stadtgerichtsschöffen in der Kanzlei zumindest möglich und gelegentlich auch praktiziert worden war. Dietmar Willoweit hat darauf hingewiesen, dass das angesprochene Ratsuchen in der Kanzlei, verbunden mit der Tatsache, dass „die Appellation an eine höhere Instanz grundsätzlich nicht gestattet“ gewesen sei, zeige, dass am Stadtgericht „noch immer die mittelalterliche Struktur erhalten“ geblieben sei.705 Das Stadtgericht wird somit zur Kanzlei in ein Verhältnis gestellt, dass den spätmittelalterlichen Oberhofzügen stark ähnelt. Das ist in vielfacher Hinsicht unwahrscheinlich. Zunächst sollte man das durch den bischöflichen Sekretär und Rat Lorenz Fries unterstellte Verhältnis von dem in seiner Besetzung bürgerlich geprägten Stadtgericht zu dem fürstlichen Kanzleigericht nicht überbewerten. Vorsicht ist diesbezüglich vor allem im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen ­zwischen der Stadt und dem Fürsten im sogenannten Bauernkrieg geboten, da diesbezüglich die Fries’sche Partei­ nahme für die fürstliche Seite als Chronist bestens belegt ist.706 Ferner spricht auch die Gerichtspraxis gegen eine derartige Einordnung. Sofern das Gericht nämlich als oberste Zent tagte, war es selbst Appellationsgericht für die Zenten des Hochstifts. Überdies war das Gerichtsverfahren bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts durch das römisch-­kanonische Prozessrecht geprägt.707 Ferner war eine Appellation, 703 Bongartz, Das Würzburger Kanzleigericht, S. 222; Wagner, Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg, S. 46; ders., Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg, S. 131 – 133. 704 BayHStA, RKG S0022 (Bestellnr. 11184), Q21, fol. 85v, Q22, fol. 100v f., Q23, fol. 106v f., Q24 fol. 114v f., Q25 fol. 121, Q26 fol. 135. Umfänglichere Ausführungen zur Argumentation im Einzelnen bei Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 238. 705 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 241. 706 Heidenreich, Brisante Erinnerungen, S. 368, 372; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 208. Siehe dazu bereits S. 44 f. 707 Vgl. etwa den seit 1564 andauernden Prozess, der in der erstinstanzlichen Gerichtsakte zu BayHStA, RKG 2779, Q7/II, überliefert ist und dem Verfahren am Kanzleigericht ­weitgehend entspricht.

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jedenfalls ab 1550, auch nicht grundsätzlich unzulässig. Sie führte nur nicht an das Kanzleigericht, sondern an die Reichsgerichte, wenngleich hierfür das Überschreiten einer Appellationssumme von zunächst 400 und seit 1586 1000 Gulden in der Hauptsache erforderlich war 708 und somit ein Großteil der Bevölkerung mangels Vermögens faktisch an der Appellation gehindert war.709 Natürlich markierte schon der bischöfliche Oberschultheiß als Richter und Vorsitzender des Gerichts die enge Verbindung desselben zum bischöflichen Fürsten als Stadtherrn. Dementsprechend hat Hubert Drüppel mit Recht darauf hingewiesen, dass der Stadt Würzburg eine gerichtsherrliche Stellung nicht zukam. Von städtischer Gerichtsbarkeit könne nur insofern gesprochen werden, als sich in deren personeller Zusammensetzung kommunaler Einfluss geltend machte, während die „omnimoda iurisdictio […] vielmehr, wie Julius Echter im Jahr 1582 betonte, beim bischöflichen Stadtherrn [lag].“ 710 Damit verwies Echter auf die umfassende Gerichtsmacht, die ihm nach eigenem Selbstverständnis und dem der Würzburger Bischöfe im Allgemeinen mit dem Herzogtum von den alten Römischen Königen und Kaysern 711 verliehen worden war. Zweifellos waren hiermit die königlichen Privilegien der Jahre 1120 und 1168 angesprochen.712 Dass ­Echter diese Vergewisserung seiner Gerichtsherrschaft gleich an den Anfang seiner Stadtgerichtsreformation stellte, war wohl kaum zufällig. Die Privilegien hatten den Würzburger Bischöfen nicht nur zur Begründung ihrer Herzogswürde, sondern auch in unzähligen reichskammergerichtlichen Verfahren zum Nachweis mannigfaltiger Jurisdiktionsrechte gedient oder dienen sollen. Nun wurden sie auch – gewissermaßen nach innen gewendet – als Ausweis der Herrschaft innerhalb des Hochstifts herangezogen. Aus dieser Selbstzuschreibung darf allerdings nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse der Zeit geschlossen werden. Ein Blick auf die Praxis des Stadt- und Brückengerichts zur Echterzeit zeigt, dass ­dieses keineswegs stets darum bemüht war, sich den Interessen der fürstlichen Kanzlei unterzuordnen. So konnte es trotz aller Beratung durch seine gelehrten Räte durchaus vorkommen, dass der Bischof 708 Vgl. die entsprechenden Privilegia de non appellando, StAW , WU 41/37a (1550) und StAW, WU 37/35 (1586); siehe diesbezüglich auch S. 222 f. Auf erstgenanntes Privileg wird auch in der Stadtgerichtsordnung 1583, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1292, Bezug genommen. Wendehorst, GS NF. 13, S. 122; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 241, Anm. 85. 709 Zu Kaufkraft und Vermögen im Hochstift Würzburg im 16. Jahrhundert siehe im Folgenden S. 318 sowie Anm. 1292 und 1682. 710 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 247. 711 Stadtgerichtsreformation 1582/83, Schneidt, Thesaurus 2,6, S. 1001; entsprechend Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1290. 712 Siehe dazu bereits S. 39 – 43.

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als Partei in einem Appellationsverfahren um eigene Jurisdiktionsrechte gegenüber der Vogteigerichtsbarkeit einer anderen Obrigkeit vor dem Stadtgericht als oberster Zent unterlag. Er musste dann am Reichskammergericht im Wege der Appellation versuchen, zu seinem (vermeintlichen) Recht zu gelangen.713 In dem bereits erwähnten 714 Verfahren ­zwischen dem Bischof und der Abtei Ebrach um die Zuständigkeit des Zentgerichts Prosselsheim konnte sich der Bischof zwar hinsichtlich der streitgegenständlichen Frage durchsetzen, ob Hintersassen des Klosters dem Gerichtszwang der Zent unterworfen waren. Insoweit erhielt er ein für ihn günstiges Urteil, wonach die durch das Zentgericht ausgegangenen Ladungen rechtmäßig gewesen und daher zu befolgen waren. Der bischöfliche Syndikus hatte aber überdies zu erreichen versucht, dass das Stadt- und Brückengericht die Zulassung zur Appellation an das Reichskammergericht und in d ­ iesem Zusammenhang die Erstellung des Apostelbriefs verweigerte. Er begründete dies damit, dass das Ausgangsverfahren die vier hohen Rügen 715 zum Gegenstand gehabt und es sich daher um ein peinliches Verfahren gehandelt habe, in dem die Appellation an das Reichskammergericht nicht zugelassen werden durfte.716 Das Stadt- und Brückengericht hatte aber nicht als Appellationsgericht über ein Sachurteil in einem pein­lichen Verfahren entschieden, wie dies ohnehin im Hochstift nicht möglich gewesen wäre.717 Vielmehr hatte es im Rahmen des Zuständigkeitskonflikts ­zwischen den Gerichten und ihren Gerichtsherren lediglich bestimmt, dass sich der geladene Müller als Hintersasse des Klosters vor der Zent überhaupt zu verantworten hatte.718 Nachdem die Gegenseite d ­ iesem Vorbringen widersprach und der bischöfliche Syndikus Georg Reusch erklärte, dass er diesbezüglich richterlichen beschaÿdt wol leÿden [mochte]719, ließ das Gericht den Appellanten mit sollicher appellation […] zu und entschied, das jme die begerte Ap[osto]li reverentiales, billich mittgetheÿlt 720 werdenn sollten. Auch hier behauptete das Gericht also seine Eigenständigkeit gegenüber dem bischöflichen Gerichtsherrn. Auch an das Verbot der Appellation an andere Gerichte im Hochstift gegen Urteile des Stadtgerichts scheint man sich in aller Regel gehalten zu haben, denn im Untersuchungszeitraum lassen sich immerhin 33 Verfahren auffinden, die vom Stadtund/oder Brückengericht direkt im Appellationswege an das R ­ eichskammergericht 713 StAW, Admin. 19181; BayHStA, RKG W1241 (Bestellnr. 14314). 714 Siehe S. 136. 715 Siehe S. 186 – 188. 716 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 335r. 717 Siehe dazu ausführlicher S. 201 – 203. 718 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 334r f. 719 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 335v. 720 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 336r.

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führten. Die Appellanten mussten (und konnten) demnach insbesondere nicht zunächst an das Kanzleigericht appellieren. Das Verbot scheint zur Zeit des Lorenz Fries bereits einige Tradition genossen zu haben, denn schon in den ritterlichen Beschwerden des Jahres 1474 hatten die Adeligen hinsichtlich des Brückengerichts darauf verwiesen, dass die Gerichtsschöffen wenn iemantt jn seiner antwort mit urteyl beschwert worden sei, nimantt davon appelirn ließen.721 Und auch nach einem Ratsbeschluss des Jahres 1482 sollten Bischof und Domkapitel daran erinnert werden, dass man vom stattgericht […] nicht appellirn dorffe.722 Selbst wenn sich ­später, wie im Rahmen der Appellation des Ebracher Abts Leonhard gegen Zentgrafen und Zentgericht Prosselsheim, ein Appellant mit seiner Supplikation an den Bischof und seine Kanzlei wendete, nahm man diese dort nicht an, sondern remittierte das Verfahren an das zuständige Stadt- oder Brückengericht als oberste Zent.723 Es zeigt sich also, dass sich das Stadt- und Brückengericht in Würzburg gegenüber dem fürstlichen Stadtherrn eine gewisse Eigenständigkeit bewahrte, die sich einerseits in der Behauptung gegen bischöfliche Verfahrensvorstellungen und andererseits in einer besonderen Stellung im Instanzenzug manifestierte. Umgekehrt agierte das Stadtgericht natürlich nicht völlig losgelöst vom bischöflichen Landes­herrn und seiner Kanzlei, wie zwei andere Verfahren in der Überlieferung des Reichskammergerichts bezeugen, die in der Zeit Echters vor Würzburger Gerichten ihren Ausgang nahmen. Der erste 724 dieser Fälle, der seinen Ausgang 1597 am Stadt- und Brückengericht nahm, muss für die Regierungs- und Verwaltungseliten städtischer- und fürstlicherseits geradezu ein Politikum dargestellt haben. Auf der Klägerseite befand sich ein Schweinfurter Bürger, der als curator litis, also als Streitpfleger,725 seiner Schwiegermutter Anna Hagen im Verfahren auftrat. Auf der Gegenseite waren Würzburger Bürger beklagt, die einige streitgegenständliche Güter innehatten, die als Sicherheit für eine (nicht bediente) Forderung der Kläger gegen einen Dritten bestellt worden waren. Besondere Brisanz erhielt das Verfahren durch die Beteiligten, denn 721 StAW, ldf 12, S. 947. 722 StadtAW, Rp 5, fol. 483v; dazu bereits Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 125; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1265, Bd. 2,1, S. 117; Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 225. 723 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 7r. 724 BayHStA, RKG R0981. 725 Jedenfalls am Landgericht mussten sich Frauen, die nicht Ehemänner hatten, also entweder unverheiratet oder wie hier verwitwet waren, Curatores unnd Treußträger, mit deren Rath sie handlen mochten, zuordnen lassen, LGO 1618, 3. Teil, Tit. 7, § 7. Die Landgerichtsordnung des Jahres 1580 sah ferner bei schwerer Krankheit einer Partei zur Wahrung ihrer Interessen einen curatorn ad litem vor, StAW, WU Libell. 317, fol. 35r. Wahrscheinlich galt am Stadtgericht Entsprechendes.

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auf Klägerseite standen nicht nur Schweinfurter Bürger, sondern zugleich die einstige bürgerliche Elite der bischöflichen Residenzstadt. Bei Anna Hagen handelte es sich nämlich um die Witwe des verstorbenen Hieronymus Hagen, der in den Akten des Reichskammergerichts als fürstbischöflicher Sekretär und Einwohner Schweinfurts erscheint. Er dürfte mit jenem Hieronymus Hagen identisch sein, der bereits 1559 als oberer Ratsschreiber in der Kanzleiordnung benannt worden war.726 Dieser war noch mindestens bis 1587 unter Julius Echter oberster Sekretär in der Schreibstube gewesen, bevor er als Protestant alsbald seine Behausung und einige Weingüter in Würzburg verkauft und die Stadt verlassen hatte,727 um sich in der Reichsstadt Schweinfurt niederzulassen. Es war ihm offenbar gelungen, seine Tochter außerordentlich gut zu verheiraten, denn als curator litis Anna Hagens trat mit ihrem Schwiegersohn niemand geringeres als Balthasar Rüffer der Jüngere vor Gericht auf, der 1606, 1613 und 1620 bis 1630 Bürgermeister und ab 1636 auch Reichsvogt von Schweinfurt werden sollte.728 Er dürfte vielen Stadtgerichtsschöffen noch persönlich bekannt gewesen sein, war er doch der Sohn Balthasar Rüffers des Älteren, der mit einem Vermögen von immerhin etwa 20.000 Gulden nicht nur einer der bedeutendsten Kaufmänner der Region, sondern auch ehemaliger Würzburger Bürgermeister war. Nachdem der Protestant Rüffer am 13. Juni 1587 seiner Ämter enthoben worden war, hatte auch er Würzburg 1588 in Richtung Schweinfurt 729 verlassen und teilte somit das Schicksal Hagens. Vielleicht war auch die Tatsache, dass hier die – von Julius Echter nicht mehr geduldete – ehemalige protestantische Elite der bischöflichen Residenzstadt auf Klägerseite vor Gericht auftrat, der Grund für den weiteren, ungewöhnlichen Verfahrensverlauf: Nachdem nämlich das Stadt- und Brückengericht die Beklagten, die sich auf das vorrangig anzustrebende Verfahren gegen den eigentlichen Schuldner der Kaufpreisforderung beriefen, verpflichtet hatte, sich auf die Klage einzulassen, wendeten sich diese im Wege der Supplik an Bischof Julius Echter und beschwerten sich über das Interlokut, das sie zur litis contestatio verpflichtete.730 Auf diese Supplik hin erging am 13. Oktober 1597 die fürstliche Resolution durch Julius Echter oder seine Räte, in der befollen wurde, daß der Process, an 726 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65; ferner schon in der Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 598, als er wohl noch einfacher Schreiber war, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 259. 727 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 259. 728 Sporn, Balthasar Rüffer, S. 423, der einen Überblick über das Leben Balthasar Rüffers des Älteren bietet. 729 Ebd., S. 422. 730 Der Gerichtsakte BayHStA, RKG R0981, Q6, ist die auf das Interlokut, ebd., fol. 37r, folgende Supplik als Extrajudizialakt nicht zu entnehmen. Ihr Inhalt ergibt sich aber im Wesentlichen aus dem schriftlichen Parteivortrag, ebd., fol. 39r.

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seiner furstlichen G ­ naden Stattgericht alhie […] eingesteltt, und wider sie die Supplicanten nicht weiter verfahren, sondern die erben an die bürgen gewisen werden sollten.731 Und tatsächlich folgte das Stadtgericht dem bischöflichen Befehl und stellte das Verfahren ein. Wenngleich derartige Interventionen eine Ausnahme gewesen zu sein scheinen, zeigt sich hieran doch exemplarisch die Nähe von gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren zueinander. Dass die Grenzen beider Verfahren offensichtlich auch aus Sicht der Parteien fließend waren, erweist sich am Vorbringen des Klägers bei seiner am Reichskammergericht anhängig gemachten Appellation. Einerseits brachte dieser vor, dass der bischöfliche Bescheid nuhr uff schlechtes […] supplicirn der beclagten erfolgtt 732 sei und man in der Kanzlei von den Hintergründen des Verfahrens kein grundlich wißen 733 gehabt habe. Der Kläger rügte also gerade die Tatsache, dass es sich nicht um ein gerichtliches Verfahren im eigentlichen Sinne gehandelt habe. Andererseits wendete er ein, dass die Beklagten nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist gegen das ergangene Zwischenurteil appelliert hätten und außerdem von Urteilen des Stadtgerichts nicht an den Bischof, sondern direkt an das Reichskammergericht zu appellieren sei.734 In dieser Hinsicht wurde zur Begründung der Appellation also gerade auf die Regelungen des gerichtlichen Verfahrens verwiesen. Auch wenn der Bischof oder seine Räte in ­diesem Verfahren erheblichen Einfluss auf den Prozess am Stadtgericht genommen hatten, handelte es sich nicht um ein Appellationsverfahren im technischen Sinne, wie es die Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1555 vorgesehen hatte, die durch die 1580 kaiserlich bestätigte Landgerichtsordnung umfassend rezipiert wurde. Denn es wurde an den Bischof suppliziert und nicht an das Kanzleigericht appelliert. Der Rechtsweg wurde in formaler Hinsicht also eingehalten und eine Appellation vom Stadtgericht an die Kanzlei auch hier nicht durchgeführt. Gleichwohl lässt sich bereits eine Tendenz zur bischöflichen Einflussnahme auf die Entscheidungen des Würzburger Stadtund Brückengerichts erkennen, die sich im 17. Jahrhundert noch verstärkte. Diese Intensivierung der Einflussnahme führte letztendlich doch zu einer Überprüfung der stadtgerichtlichen Urteile in der fürstlichen Kanzlei, denn jedenfalls im 18. Jahrhundert konnten die Urteile des Stadtgerichts per viam revisionis an die hochfürstliche Cantzeley gebracht werden.735 Wahrscheinlich hat sich das Rechtsmittel der Revision bereits zum Ende des Untersuchungszeitraums im Hochstift 731 BayHStA, RKG R0981, Q6, fol. 39v. 732 BayHStA, RKG R0981, Q10, unfol. (Art. 13). 733 BayHStA, RKG R0981, Q11, unfol. 734 BayHStA, RKG R0981, Q10, unfol. (Art. 8, 19). 735 Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 252.

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entwickelt, denn in dem zweiten der beiden Verfahren, in denen die Indices der ­Inventarbände zu den Münchener Beständen die Kanzlei als Instanzgericht nach dem Stadtgericht ausweisen, handelt es sich bereits um ein solches Revisionsverfahren.736 Ausgangspunkt war ein Urteil in einem Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit, das 1609 an der Zent Markt Bibart gefällt wurde, gegen das sich der Beschwerte an das Würzburger Stadt- und Brückengericht wendete. Ob d ­ ieses Verfahren den Schluss nahelegt, dass im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit im Hochstift Appellationen zulässig waren, ist zweifelhaft. Denn eigentlich ging es um die Restitution von Gütern des Beklagten, die dieser zur Voraussetzung einer Einlassung vor der Zent machte. Entsprechend erging ein Urteil der Zent, wonach zunächst die Restitution stattfinden und alß dan in der Haubtsachen ferner verfahren, und darauff erkandt werden soll[te], was recht ist.737 Nach einem langwierigen Verfahren, in dem auch zahlreiche auswärtige Gerichte angerufen worden waren, erging erst 1619 das Urteil des Stadtgerichts, gegen das sich die Revision richtete, die von 1621 bis 1623 am Kanzleigericht verhandelt wurde, bevor das Verfahren schließlich als Appellation an das Reichskammergericht gelangte.738 Ob die Revision eventuell bereits vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges möglich war und wann sie sich gegebenenfalls etabliert hatte, kann auf Grundlage der im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Quellen nicht geklärt werden. f.  Appellation an die Reichsgerichte Konnte sich das Stadtgericht gegenüber der Gerichtsbarkeit der fürstlichen Räte also eine gewisse Eigenständigkeit hinsichtlich des ordentlichen Appellationsweges erhalten, musste unter reichsrechtlicher Perspektive damit die Appellation unmittelbar an das Reichskammergericht eröffnet sein. Wenn es nämlich nach der lokalen Rechtsauffassung nicht möglich war, vom Stadtgericht an ein anderes, insofern übergeordnetes Gericht zu appellieren, war mit einem Urteil ebendort der territoriale Rechtsweg erschöpft und eine beschwerte Partei konnte sich an das Reichskammergericht wenden. In Würzburg hat man diese Interpretation nicht ohne Widerstand 736 BayHStA, RKG S1075 (Bestellnr. 11842). Am Reichskammergericht entwickelte sich die Revision als parteiseitig initiiertes Verfahren zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen hingegen bereits im Laufe des 16. Jahrhunderts, verlor aber schon zum Ende desselben seine Bedeutung in der Praxis wieder, Amend-­Traut, External and Internal Control, S. 219 – 221. 737 BayHStA, RKG S1075 (Bestellnr. 11842), Q3, fol. 37v f. 738 Die Akte des Revisionsverfahrens, die im November 1623 ausgefertigt wurde, findet sich in BayHStA, RKG S1075 (Bestellnr. 11842), Q3 fol. 93r–104v (gemäß der neubegonnenen Foliierung nach fol. 112v). Die früheste Aufzeichnung darin ist auf den 14. 01. 1621 datiert.

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hingenommen, denn von Seiten des Bischofs und der Kanzlei bestand das Interesse, eine Appellation vom Stadtgericht gänzlich zu untersagen. Entsprechend heißt es in der Hohen Registratur, dass es kainem burger zu Wirtzburg oder anderem Stiffts verwanten gestatet war, von den daran ergangen urtailen zu appeliren.739 Damit waren ersichtlich auch Appellationen an das Reichskammergericht gemeint, denn an anderer Stelle heißt es, dass sich von des Stifft hohern Gerichten, als der Cantzlei, hof oder lehengericht niemand in Sachen bis 200 Gulden an das kayserlich chamergericht berufen sollte.740 Eine Appellation vom Stadtgericht an das Reichskammergericht war demnach offensichtlich nicht vorgesehen. In der Tat lassen sich bis zur Abfassung ­dieses Teils der Hohen Registratur keine Appellationsverfahren ausmachen, die vom Stadtgericht an das Reichskammergericht gelangten. Erst in den Jahren 1548 und 1549 werden zwei Verfahren am Stadtgericht geführt, die wenig s­ päter als Appellationsverfahren auch das Reichskammergericht beschäftigen sollten.741 In beiden Verfahren wies der Bischof auf die Gewohnheit hin, dass von stadtgerichtlichen Urteilen nicht appelliert werden könne. Entsprechende Einwände wurden in der Folgezeit nicht mehr vorgebracht. Im Gegenteil wurde in einem reichskammergerichtlichen Verfahren nur zwei Dekaden s­ päter auch von bischöflicher Seite von einer Appellationsmöglichkeit ausgegangen, denn nun wurde nur noch das Nichterreichen der Appellationssumme in Höhe von 400 Gulden gerügt.742 Speziell für das Stadtgericht bestand nämlich schon seit dem Jahr 1550 ein Appellationsprivileg in Bezug auf die Reichsgerichte in Höhe von 400 Gulden.743 Damit war der Appellation – nach einiger Auseinandersetzung 744 – ein rechtlicher Rahmen gegeben, der die Anerkennung derselben vom Stadt- an das Reichskammergericht durch den Bischof fortan unvermeidlich werden ließ. Umgekehrt lag nun für das Stadtgericht immerhin ein Appellationsprivileg vor, das summenmäßig über dem den Würzburger Bischöfen erteilten allgemeinen Appellationsprivileg von 1530 lag, welches die Appellation schon in Verfahren mit einem Streitwert von über 200 Gulden zuließ. Damit galt bis zur Erteilung zweier neuerlicher Privilegien durch Rudolf II. über dreißig Jahre ­später im Jahr 1586, ­welche die Appellationssumme allgemein auf 1000 Gulden heraufsetzten,745 speziell für das Stadtgericht ein stärker begünstigendes Privileg als für alle anderen Gerichte des Hochstifts. 739 StAW, Stb. 1011, fol. 276v. 740 StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 741 BayHStA, RKG 4606 (1548), S0022 (1549). 742 BayHStA, RKG 5160. 743 Privilegium de non appellando, StAW, WU 41/37a. Auf ­dieses Privileg wird auch in der Stadtgerichtsordnung 1582/1583, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1292, Bezug genommen. 744 Hierzu sogleich der folgende Absatz. 745 StAW, WU 37/35 und WU 37/36. Siehe diesbezüglich bereits S. 106 und S. 170.

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Das ist erstaunlich, bedeutete es doch, dass gerade dasjenige Gericht ein besonders günstiges Privileg erhielt, dessen Besetzung vom Bischof relativ unabhängig war und von dem auch nicht an das Kanzleigericht appelliert werden konnte. In der Tat hing, wie Jürgen Weitzel dargelegt hat,746 die Erteilung des Privilegs mit einem Würzburger Gewohnheitsrecht zusammen, wonach Appellationen von Urteilen des Stadtgerichts grundsätzlich ausgeschlossen waren. Anlass der Privile­ gierung war unter anderem das Appellationsverfahren Anna Sailers gegen ihre Gläubiger vor dem Reichskammergericht.747 Unmittelbar nach der Appellation im Jahre 1549 versuchte der Würzburger Bischof, ein der vorgebrachten Gewohnheit entsprechendes kaiserliches Privileg dahingehend zu erhalten, dass die Urteile des Würzburger Stadtgerichts gänzlich von einer reichsgerichtlichen Überprüfung ausgenommen sein sollten.748 Der ­Kaiser wird einem derart umfänglichen Verzicht auf seine eigene Gerichtsmacht wohl kaum geneigt gewesen sein. Denn immerhin wäre ein vollständiger Ausschluss der Appellation einem unbeschränkten Appellationsprivileg gleichgekommen, das zu dieser Zeit selbst für die Kurfürsten keine Selbstverständlichkeit war.749 Nach Behandlung der Angelegenheit im Reichshofrat am 12. und 15. November wurde dem Würzburger Bischof immerhin ein auf den 12. November 1550 rückdatiertes weiteres, speziell für das Stadtgericht verliehenes, Appellationsprivileg gewährt.750 Das konkrete Appellationsverfahren der Anna Sailer wurde daraufhin vom Reichskammergericht für zulässig erachtet, da der Streitwert in der Hauptsache auch das erteilte Privileg bei Weitem überstieg.751 Der Rekurs auf das Würzburger Gewohnheitsrecht gab also den entscheidenden Impuls zur Verleihung eines besonders begünstigenden Privilegs für das Stadtgericht. Umgekehrt führte aber die Privilegierung auch dazu, dass man von Würzburger Seite aus künftig auf einen vollständigen Ausschluss der Appellation von am Stadtgericht ergangenen Urteilen nicht mehr bestand, wenngleich für Appellationen 746 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 212; ders., Der Reichshofrat, S. 165 f.; ausführlicher ders., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 215 – 245. 747 BayHStA, RKG S0022 (Bestellnr. 11184). 748 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 212 749 Siehe diesbezüglich S. 218 f. und Anm. 1127. 750 Weitzel, Der Reichshofrat, S. 166; zu den Verhandlungen vgl. HHStA, RHR, Resolutionsprotokoll Nr. 7, fol. 353v–354r, Nr. 8, fol. 109r, zit. nach Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 244. 751 Die Appellantin war im Ausgangsverfahren zur Zahlung von 7.000 fl. verurteilt worden, Weitzel, Der Reichshofrat, S. 165; ders., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 218 f. Das Zwischenurteil, durch das die bischöflichen Einreden zurückgewiesen wurden, ist unter dem zutreffenden Datum vom 17. 06. 1551, anders Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts, S. 217, Anm. 17, bei Seyler/Barth, Urtheil und Beschaydt, Bd. 3, S. 289, abgedruckt. Die Entscheidung ist ferner zitiert bei Mynsinger von Frundeck, Singularium Observationum Imperialis Camerae, S. 13 (I, 14).

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innerhalb des Territoriums ein entsprechendes Herkommen zunächst fortbestand. Diese Entwicklung scheint kein Sonderfall gewesen zu sein, denn gegen Ende des 16. Jahrhunderts berief sich kein Reichsstand mehr auf ältere Gewohnheitsrechte zum Nachteil der Reichsgerichtsbarkeit.752 Möglicherweise ging das bischöfliche Interesse aber auch in eine andere Richtung: Eine besondere Privilegierung könnte auch deshalb im Interesse des Bischofs gelegen haben, da das Stadt- und Brückengericht als oberste Zent auch in Ausein­ andersetzungen mit anderen Herrschaftsträgern um die Gerichtsbarkeit, die vor allem im letzten Quartal des 16. Jahrhunderts von besonderer Häufigkeit waren, eine besondere Stellung einnahm. Schauplätze dieser Auseinandersetzungen waren nämlich vor allem das Stadtgericht als oberste Zent und das Hof- und Ritter­ lehengericht. Während sich an ­diesem die mittlerweile in der fränkischen Reichsritterschaft organisierten Adeligen von der Teilnahme an den Gerichten als Urteiler ebenso wie der Unterwerfung unter den bischöflichen Gerichtszwang zu entziehen versuchten,753 wurden an jenem die häufigen Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit der Würzburger Zentgerichte gegenüber der vogteilichen Gerichtsbarkeit der benachbarten Obrigkeiten geführt.754 Ein Beispiel hierfür liefert erneut das Verfahren z­ wischen dem Kloster Ebrach und dem Zentgericht Prosselsheim sowie dem bischöflichen Zentherren als Interessenten,755 das einen Teil einer ganzen Serie von Prozessen um die Jurisdiktionsgewalt ­zwischen den Kontrahenten in den Jahren 1580 bis 1594 vor dem Reichskammergericht darstellte.756 Nachdem das Kloster fast zwei Jahrzehnte am Stadt- und Brückengericht prozessiert hatte und schließlich unterlag, behauptete man im sich anschließenden reichskammergerichtlichen Verfahren, dass man dem Würzburger Gericht schon deshalb nicht unterworfen sei, weil d ­ ieses von der Würzburger Bürgerschaft gestiftet worden war. Die bischöfliche Seite entgegnete unter Nennung der einzelnen Verfahren, dass der gegentheil selbst in acht unterschiedtlichen sachen, (wie hieoben auch angeregt) nahent beÿ 20 jarn hero von denn […] zenthgerichten, (wie durchauß jm Stifft breuchlich) appelliert 757 hatte. Im Jahr 1594 wurde dem Reichskammergericht in d ­ iesem und 758 den anderen Prozessen eine gütliche Einigung angezeigt. In derartigen Prozessen konnte nun ein möglichst weitreichendes Appellationsprivileg ein formales Argument liefern, um Zuständigkeitsstreitigkeiten mit benachbarten Obrigkeiten vor 752 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 345. 753 Siehe dazu S. 169 – 176. 754 Siehe dazu ausführlich S. 188 – 193. 755 BayHStA, RKG 2779. Siehe dazu schon S. 136, 143. 756 BayHStA, RKG 2776 – 2779, 2782 f., 2786, 2789 f. 757 BayHStA, RKG 2779, Q14, unfol. 758 BayHStA, RKG 2779, [ohne Q].

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den Reichsgerichten zu vermeiden. Zumindest konnte ein weitreichendes Privileg die Hoffnung nähren, in Einzelfällen die Feststellung der Unzulässigkeit einer Appellation in ähnlichen reichskammergerichtlichen Verfahren zu erreichen und somit mittels der landesherrlichen Gerichtsbarkeit zu einer abschließenden Konfliktlösung zu gelangen. 3.  Hof- oder Ritterlehengericht a.  Besetzung Im Hofgericht, das ebenfalls im Kanzleigebäude in einer dazu vorgesehenen Räumlichkeit tagte, wurden ausweislich der zeitgenössischen Darstellung in der „Hohen Registratur“ gefordert und beclagt, die von der Riterschafft, in lehen und anderen sachen.759 Den Vorsitz führte der Hofmeister oder in seiner Abwesenheit der erste unter den weltlichen bischöflichen Hofräten, während als Urteilssprecher Mitglieder der Ritterschaft dienten, die zwar vom Stift belehnt, aber zugleich nicht auch Amtleute waren oder anderweitig in Diensten des Bischofs standen.760 Es handelte sich also um ein genossenschaftlich geprägtes Gericht, in dem die Streitigkeiten der Ritterschaft von Standesgenossen abgeurteilt wurden. Um eine allzu große Parteilichkeit der Richter zu vermeiden, durften sie zum Bischof, der in Lehensangelegenheiten der Ritterschaft häufig selbst Partei war, in keinem engeren Verhältnis stehen.761 Dass die Aufzeichnungen in der „Hohen Registratur“ die tatsächlichen Gegebenheiten der Zeit recht akkurat widerspiegeln, wird angesichts einer bedeutenden Quelle zum Hofgericht deutlich. Für die Zeit von 1536 bis 1610 finden sich Extrakte aus den Protokollen des Gerichts, die fast immer Aufschluss über den die Sitzung leitenden Richter sowie die teilnehmenden Urteiler oder Assessoren und regelmäßig auch über die jeweils verhandelten Verfahren oder die streitenden Parteien geben.762 Eine vergleichbare Aufzeichnung für die Jahre 1607 bis 1616 kann einer Verfahrensakte des Reichskammergerichts entnommen werden.763 Abgesehen von der Position des Richters, die in jedem Fall von einem adeligen Rat wahrgenommen 759 StAW, Stb. 1011, fol. 277r. 760 StAW, Stb. 1011, fol. 277r. 761 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 232. 762 StAW, Admin. 10515. Die Struktur der Aufzeichnungen, die zahlreiche Verweisungen enthalten, lässt vermuten, dass es sich um verwaltungsinterne Findmittel handelte, die den Zugriff auf die umfänglicheren Protokollbände erleichtern sollten. 763 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol.

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wurde, hat es Überschneidungen mit den Urteilern am Kanzleigericht zumindest bis in das Jahr 1616 nicht gegeben.764 Mit großer Genauigkeit scheint man also auf die Unabhängigkeit des Gerichts von bischöflichen Einflüssen geachtet zu haben. Beispielhaft belegt dies etwa die Besetzung von Karl Zollner von Rotenstein, der in den Protokollen des Hofgerichts letztmalig am 18. März 1538 erscheint und noch im gleichen Jahr (wieder) als adeliger Rat an den Sitzungen des Hofrats teilnahm.765 In vergleichbarer Weise trat Joachim Sigmund Truchseß von Henneberg noch am 12. Mai 1615 als Urteiler am Gericht in Erscheinung, bevor er 1616 Rat und Oberschultheiß in Würzburg wurde.766 Umgekehrt gehörte sein älterer Bruder Veit Ulrich Truchseß von Henneberg, der wohl erst 1613 aus Würzburger Diensten getreten ist, im Jahr 1616 dem Kreis der Urteiler an.767 Eine zeitgleiche Besetzung in beiden Gremien war also auch in praxi ausgeschlossen. Die Zahl der beschriebenen, also der geladenen Urteiler lag zunächst in der Regel bei etwa zwölf.768 Von den Dreißigerjahren an bis in die Mitte der fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts, in denen das Gericht üblicherweise als Lehen- oder Hofgericht bezeichnet wurde, waren neben dem Hofmeister als Hof- oder Lehenrichter meist ­zwischen sechs, manchmal aber noch weniger,769 und zehn Beisitzer anwesend. In der Folgezeit wurde die Zahl der geladenen Assessoren gelegentlich sogar auf bis zu 15 erhöht, bevor sie ab 1580 wieder auf regelmäßig acht bis zwölf sank.770 In einem am Reichskammergericht ab 1590 anhängigen Verfahren vermerkte 764 Dies ergibt sich aus einem Vergleich der bei Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 161 – 171, 182 – 195, 221 – 228, 234 – 244, 278 – 288, 310 – 329, umfänglich aufgezählten bischöflichen Räte und der in den Protokollextrakten, StAW, Admin. 10515, genannten Beisitzer des Gerichts. 765 StAW, Admin. 10515, unfol. Nach Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 191, nahm er von 1526 bis 1529 und von 1538 – 1546 an den Hofratssitzungen teil. 766 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol.; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 326. 767 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol.; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 323, der allerdings davon ausgeht, dass der Würzburger Rat ­zwischen 1609 und 1612 den Dienst in Würzburg quittiert hätte, bevor er am 08. 05. 1613 sächsischer Rat und Hofmarschall in Coburg wurde. Das ist unwahrscheinlich, denn er erscheint noch zu Beginn des Jahres 1613 als Vicelehenrichter in den Gerichtsprotokollen, BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol. 768 In den Extrakten der Gerichtsprotokolle, StAW, Admin. 10515, findet sich nicht immer eine Aufzählung der abwesenden Beisitzer. Ist dies der Fall, ergibt sich aus der Addition der An- und Abwesenden in der Regel ein Zahlwert von elf oder zwölf. 769 Bei der dritten Sitzung des Jahres 1537 waren etwa nur vier Beisitzer anwesend, StAW, Admin. 10515, unfol. 770 Am 14./15. 12. 1556 sind etwa acht Anwesende und sieben Abwesende Beisitzer verzeichnet, am 10. 06. 1562 neun An- und sechs Abwesende. Ein der Sitzung vom 11. 06. 1579

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ein insoweit auch von der Gegenseite zugestandener Schriftsatz des bischöflichen Appellaten, dass diß Furstenthumb Wirtzburg, ein ansehenliche anzahl adenlicher vasallen und Leh(en)leuth hatte, von denen zu jedem gericht beÿ 6. 8. 10. mehr oder weniger Personen als Urteiler beschrieben worden s­ eien,771 die allerdings nicht alle auch zu den Verhandlungen erschienen. Nur selten lag die Zahl der anwesenden Beisitzer nun noch bei mehr als sechs und um die Jahrhundertwende gelegentlich auch deutlich darunter.772 Glaubt man dem Vortrag des bischöflichen Syndikus in einem Verfahren, das seit 1607 am Ritterlehengericht geführt wurde, ließ der Lehenrichter auff alle unnd jede quartal (darauff die Lehengericht ordinarie gehalten werden) ein zimbliche anzahl ennd inn die 15 oder mehr beschreiben, unnwissend wer auß denselben erscheinen werde, oder nitt.773 Häufig s­eien aber, dieweil sich etwan einer da, der and(er) dorten, seiner ehehafften halb entschuldigt […] [,] auß solcher anzahl bißweilen kaum 4 oder funff ersch[ie]nen, die daß gericht besizen, unnd demselben abwartten.774 Es bestanden zu dieser Zeit also größere Probleme bei der Besetzung des Gerichts, die wahrscheinlich mit der Entfremdung des reichsritterlichen fränkischen Adels von den Würzburger Bischöfen in Zusammenhang stehen.775 Die Kontinuität der Urteiler am Hofgericht scheint ausweislich der von 1523 bis 1616 fast durchgängig belegbaren Besetzung des Gerichts an den quartalsweisen Verhandlungsterminen trotzdem recht hoch gewesen zu sein; fast immer haben sie über mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte dem Gremium angehört, wenngleich nicht zu jedem Gerichtstermin dieselben Beisitzer geladen wurden. Falls sich von einem Gericht zum anderen einzelne Urteiler entschuldigten unnd an deren stadt ainer nothwendig substituirt unnd derselben stell ersezt werden musste, eine Sache aber beschlussreif war, sollten die beschriebene Vasallen, beÿ verlessung der […] actum gegenwertig seÿen, vleißig darauff achtung haben, unndt ihrem besten verstandt nach daß recht, dem es gebührt, ertheil[en].776 Angesichts der regelmäßig hohen K ­ ontinuität b­ eigefügtes Verzeichnus der Junckern die zum Hofgericht […] sein beschriben weist wiederum 13 Beisitzer aus, StAW, Admin. 10515, unfol. 771 BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol. 772 So sind etwa am 04. 03. 1599 und 18. 12. 1600 nur drei, am 16. 12. 1599 zwei und am 25. 05. 1600 offenbar nur ein Beisitzer zum Gericht erschienen. Auch im folgenden Jahrzehnt sind an zahlreichen Sitzungen drei oder weniger Assessoren in den Protokollextrakten verzeichnet, StAW, Admin. 10515, unfol. Zumeist waren im Zeitraum bis 1616 aber ­zwischen vier und sieben Beisitzer anwesend, StAW, Admin. 10515, unfol.; BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 80r–111r und Lit. H. 773 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 36r. 774 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 36r. 775 Siehe dazu S. 127. 776 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 37r. Auch in einem anderen Verfahren verwies die bischöfliche Partei darauf, dass es den Beisitzern frei gestanden habe, in den actis sich zuersehen, BayHStA, RKG 3625, Q15, unfol.

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der Urteiler in den aufeinanderfolgenden Gerichtsterminen konnte d ­ ieses Verfahren praktikabel sein. War allerdings die Anzahl der Urteiler über einige Zeit sehr niedrig, konnte es leicht passieren, dass keiner derselben bei dem vorherigen Termin zugegen gewesen war. Demnach war die einzig anwesende Person, die das Verfahren in Gänze aus eigener Anschauung beurteilen konnte, neben den gemäß ihrer Stellung als Parteivertreter zwangsläufig parteilichen Prokuratoren und dem Gerichtsschreiber, der Richter selbst. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser als fürstlicher Rat gerade in lehnrechtlichen Streitigkeiten, in denen der Bischof häufig selbst Partei war, ein Interesse an einem günstigen Ausgang für den Lehensherrn hatte. Selbstverständlich ist das aber nicht, denn die Würzburger Hofmeister oder die adeligen fürstlichen Räte, die sie im Vorsitz des Gerichts vertraten, waren praktisch durchgängig Angehörige des fränkischen Adels, die somit auch eigene Interessen oder diejenigen bestimmter Standesgenossen im Blick haben konnten. Bis zum Ende der fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts wurde auch der richterliche Vorsitz des Gerichts recht konstant durch die Hofmeister Martin von Rotenhan (1536 – 1537 und 1545 – 1557) und Heinz oder Heinrich Truchseß von Wetzhausen (1538 – 1546) geführt,777 wenngleich es gelegentlich zu einer Vertretung durch einen Verweser des Hofgericht Ambts oder Lehenrichters Verweser kam.778 Ganz selbstverständlich und unbestritten scheint diese Vertretung zunächst aber nicht gewesen zu sein, denn in einer Gerichtssitzung vom 26. September 1558, in der der bischöfliche Rat Hanß Christoff von Berlichingen als Judex und Hofrichters Verweser erschien, erging der aus den Protokollauszügen ersichtliche Hinweis, dass am Hofgericht, das mittlerweile auch als Ritterlehengericht bezeichnet wurde,779 von alters ie und alweg preuchlich und herbracht worden d[a]ß ein jeglicher Bischoff zu Würtzburg eines Lehenrichters an dißem Ritterlehengericht gesetzt, wo derselbig forhandt od[er] franckh, ein andern an desselben ort verortente.780 Eine derartige Erläuterung wäre wohl kaum notwendig gewesen, wenn die Vertretungsmöglichkeit durch einen bischöflichen Rat selbstverständlich gewesen wäre. In der Folgezeit 777 Heinrich Truchseß von Wetzhausen wird von Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 186 f., für die Jahre 1538, 1540 und 1542 als Hofmeister ausgewiesen. Offenbar übte er d ­ ieses Amt, wie sich aus den Protokollen, in denen er bei Anwesenheit fast immer auch als Hofmeister bezeichnet wurde, auch in der Zwischenzeit und darüber hinaus bis letztmalig im Juni 1546 aus, wenngleich er häufig durch den früheren und späteren Hofmeister Martin von Rotenhan vertreten wurde, der dann allerdings in der Regel nur als Richter oder Judex sowie am 22. 09. 1545 sogar noch deutlicher als Lehengerichts Verweser, nicht aber als Hofmeister bezeichnet wurde, StAW, Admin. 10515. 778 So die Eintragungen zu den Sitzungen vom Januar 1542 bzw. 22. 03. 1545 in StAW, Admin. 10515, unfol. 779 Siehe dazu S. 160 – 165. 780 StAW, Admin. 10515, unfol.

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wurde der Hofmeister dann allerdings häufiger durch einen sogenannten Verweser oder Vizelehenrichter vertreten, bei dem es sich stets um einen adeligen Rat, gelegentlich um den Marschall, häufiger aber um den Würzburger Oberschultheißen handelte. Ab etwa 1590 wurde der Vorsitz regelmäßig durch einen, nun wieder seltener wechselnden, Vizelehenrichter geführt. Auch wenn das Amt nun nicht mehr durch den Hofmeister ausgeübt wurde, trug die Bezeichnung doch dessen Stellung als originärem Vorsitzenden des Gerichts Rechnung. Besonders häufig traten als Vizelehenrichter die fürstlichen Räte Paul Martin von Lichtenstein und Friedrich Albrecht von Heßberg in Erscheinung. Letzterer scheint ein besonderes Vertrauen bei Fürst und Bischof Julius Echter genossen zu haben, denn er saß schon in den siebziger Jahren und zuletzt noch im Dezember 1607 immer wieder dem Ritter­lehengericht vor und war im Übrigen auch über Jahrzehnte Würzburger Oberschultheiß und somit Richter am Würzburger Stadt- und Brückengericht.781 Indem er als Rat auch dem Kanzleigericht beiwohnen konnte, hatte er folglich Einfluss auf die bedeutendsten Gerichte in der Residenzstadt. Kurz nach Übernahme des Amtes durch Johann Servatius vom Stein zu Diemantstein 782 könnte der formale, aber in der Praxis spätestens seit den 1580er-­Jahren kaum faktisch ausgeübte Vorsitz durch den Hofmeister vorübergehend abgeschafft worden sein, denn Diemantstein erscheint seit einer Sitzung des Gerichts im Jahre 1604 fortan wieder als Lehenrichter.783 Augenfällig ist, dass diese Veränderung in demselben Jahr erfolgte, in dem Kuno V. von Winneburg und Beilstein als letzter Hofmeister vor einer längeren Vakanz des Amtes Würzburg verließ, um eine Stellung als Reichshofrat anzutreten.784 Nach Diemantsteins Tod im September 1612785 wechselte das Amt des Lehenrichters allerdings erneut häufiger unter verschiedenen Personen und auch die Bezeichnung als Vizelehenrichter lebte wieder auf.786 b.  Urteilsfindung Wie sich aus einer Sammlung von Urteilen und Tagzetteln des Gerichts 787 ergibt, aus der nicht nur die einzelnen Verfahren, sondern auch die für die Parteien auftretenden Prokuratoren ersichtlich werden, wurde eine Entscheidung des Gerichts 781 Siehe dazu schon S. 138. 782 Zu seiner Person vgl. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 320. 783 StAW, Admin. 10515, unfol. 784 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 313 f. 785 Ebd., S. 320. 786 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol. 787 StAW, Lehen 3878.

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im Wege der Umfrage getroffen. Die Reihung der Beisitzer war dabei stets dieselbe. Zuletzt war der Hofmeister oder der vertretende Richter an der Reihe. Ob er selbst ein eigenes Votum abgab oder nur die bestehenden im Ergebnis zusammenfasste, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Aus einem Vorbringen des Würzburger Syndikus in einem seit 1607 geführten Verfahren geht aber – die Richtigkeit des Parteivortrags unterstellt – hervor, dass weder der Lehenherr selbsten, noch der ihne zuegeordnete Lehenrichter einem Urteil vorzuegreiffen hatte, sonder was per maiora beschlossen, erkennen unnd pronunciren sollte oder wan paria vota eingefallen waren, der Lehenrichter alß dann erst einem theil beÿ fallen durfte und hierinn auch einehr partialität nitt zuebefinden gewesen sei.788 Ähnlich wie der Hofmeister, Kanzler oder Marschall bei der Umfrage im Rat,789 hatte sich der Richter am Ritterlehengericht, der stets auch bischöflicher Rat war, einer Äußerung zu enthalten, bis die Urteiler ihr Votum abgegeben hatten. Erst dann sollte er sein Votum abgeben, um erforderlichenfalls die Mehrheit herzustellen. In einem kleineren Urteilergremium von zwei oder vier Personen, wie es insbesondere seit Ende des 16. Jahrhunderts zunehmend vorgekommen ist,790 konnten derartige Stichentscheide natürlich häufiger vorkommen, sodass die Bedeutung ­dieses Rechts nicht marginalisiert werden sollte. War ein Urteil getroffen worden, konnte sich derjenige, der hiervon beschwert war, vom Hofgericht im Wege der Appellation an das Reichskammergericht wenden.791 c.  Gerichtstermine Das Gericht tagte, wie dies auch von anderen Hofgerichten bekannt ist, nur einige Male im Jahr.792 Die Kanzleiordnung des Jahres 1574 weist dementsprechend vier jährliche Gerichtstermine aus.793 Aus den Protokollauszügen 794 und aus einer Aufstellung über Gerichtstermine, Richter und Beisitzer, die frühestens 1609 erstellt worden sein kann und als Beweismittel in einem reichskammergerichtlichen Verfahren genutzt wurde,795 ergibt sich, dass der vierteljährliche Gerichtsturnus sehr regelmäßig eingehalten wurde. Das Gericht tagte demnach in aller Regel in den 788 BayHStA, RKG , [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 37r f. 789 Siehe dazu S. 372 – 375. 790 Siehe dazu S. 153 und dort insb. Anm. 772. 791 StAW, Stb. 1011, fol. 277r, 282r. 792 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 232. 793 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. 794 StAW, Admin. 10515, unfol. 795 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 80r–111r.

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Monaten März, Juni, September und Dezember.796 In den Dreißigerjahren des 16. Jahrhunderts war Montag der übliche Gerichtstag, s­päter changierten die Gerichtstage ohne erkennbare Regelmäßigkeit z­ wischen Montag und D ­ onnerstag. War das Verfahrensaufkommen nicht an einem Tag zu bewältigen, wurde der folgende Tag ebenfalls für die Sitzungen herangezogen.797 Die Zahl der Verfahren, die an den einzelnen Gerichtsterminen verhandelt wurden, lässt sich mangels konsequenter Verzeichnung in den Protokollauszügen nicht mit Sicherheit rekonstruieren und unterlag auch größeren Schwankungen ­zwischen den quartalsweise stattfindenden Sitzungen.798 Noch bis in die neunziger Jahre des 16. Jahrhunderts wurden aber häufig circa zehn Verfahren pro Termin in den Protokollen verzeichnet, bevor deren Zahl – die Vollständigkeit der Dokumentation in den Protokollauszügen vorausgesetzt – um die Jahrhundertwende zunächst deutlich zurückging,799 etwa 1610 aber erneut auf den vorigen Stand anstieg.800 d.  Abgrenzung zwischen Hof- und Kanzleigericht (1)  Zeitgenössische Gerichtsbezeichnungen Für einige Konfusion sorgt die Bezeichnung des Gerichts vor allem hinsichtlich der Inventarbände zu den Beständen des Reichskammergerichts im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München. Dort werden – durchaus im Einklang mit der zeitgenössischen Terminologie seit dem Ende des 16. Jahrhunderts – unter dem Schlagwort „Hof- und Kanzleigericht“ beide Gerichte, die sich nach der hier dargestellten und an Lorenz Fries angelehnten Beschreibung deutlich voneinander unterschieden, im Vorinstanzenverzeichnis zusammengeführt und dadurch der 796 Auch die (von der Gegenseite zugestandenen) Ausführungen in einem Schriftsatz des bischöflichen Appellaten um das Jahr 1590, BayHStA, RKG 3625, Q14, unfol. (4. A ­ rtikel), belegen, dass das Gericht zu vier mahlen, nemblich im Martio, Junio, Septembri, und Decembri, ordinarie gehalten worden ist. 797 StAW, Admin. 10515, unfol. 798 In den Protokollauszügen zu den Gerichtsterminen des Jahres 1547 lassen sich in chronologischer Reihung der Hofgerichte beispielsweise sechs, neun, 14 und fünf Verfahren nachweisen, in vier aufeinanderfolgenden Sitzungen der Jahre 1589/90 ferner elf, fünf, drei und acht, StAW, Admin. 10515, unfol. 799 Um die Jahrhundertwende lassen sich pro Gerichtstermin häufig nicht mehr als drei Verfahren nachweisen. In den Jahren vor 1610 sind es schließlich meist nur noch ein oder zwei, StAW, Admin. 10515, unfol. 800 Nach der Aufstellung in BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol., sind im Zeitraum bis Ende 1616 häufig sogar wieder mehr als zehn Verfahren pro Termin behandelt worden.

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Eindruck erweckt, es handle sich um ein und dasselbe Gericht.801 Diese Zusammenführung dürfte in der Rezeption des wohl weitgreifendsten Irrtums in den Forschungen zur Würzburger Gerichtsbarkeit begründet liegen, der sich seit dem 18. Jahrhundert stetig fortschreibt. Dieser Irrtum beruht auf der uneinheitlichen Bezeichnung der Gerichte durch die streitenden Parteien und die obrigkeitlichen Akteure. Schon die ritterlichen Beschwerden aus dem Jahre 1474 hatten das neue Gericht in der fürstlichen Kanzlei als Räthgericht 802 und damit, an der Besetzung orientiert, sehr treffend bezeichnet. Über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg finden sich dementsprechend seitens der Parteien, des Würzburger Bischofs und des Reichskammergerichts immer wieder Formulierungen, wonach gerichtliche Urteile durch den Bischof und seine Räte oder durch die Räte ergangen ­seien.803 Vor allem zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist gelegentlich sogar nur der bischöfliche 801 Scheinbar haben die Bearbeiter der Inventarbände die Nomenklatur der Gerichte aus den Akten unverändert übernommen (für diesen Hinweis aus dem Bearbeiterkreis sei Prof. Dr. Anette Baumann herzlich gedankt). Ob diese gleichwohl den Würzburger Gerichtsbezeichnungen entsprechen, ist zweifelhaft. Denn selbst für die Zeit der Fries’schen Darstellung weisen die Inventarbände ein „Hof- und Kanzleigericht“ aus, vgl. etwa BayHStA, RKG 1811 (Anhängig am RKG 1548), 2129 (1549), 2681 (1549), 3959 (1543), 4111 (1540), 5009 (1540), 5234 (1540), 8864 (1540), R0989 (Bestellnr. 11138 – 1543). Eine stichprobenartige Überprüfung hat allerdings keine entsprechende zeitgenössische Verwendung des Begriffs hervorgebracht. In der Inhibition zu BayHStA, RKG 5234, Q4, wird etwa von einem Urteil, so durch Euch die Hof Rethe ergangen ist, und in der Gerichtsakte, ebd., Q8, fol. 1r bzw. 22r, von einem Verfahren vor unnsern hoffmeister und Rethen, in unser Cantzleÿ und einem Urteil der Rethe gesprochen. Wahrscheinlich wurde der Begriff aus Würzburger Feder erst um 1560 und regelmäßiger in der Zeit Julius Echters verwendet, vgl. auch Anm. 807. 802 StAW, ldf 12, S. 947. 803 BayHStA, RKG 2810, Q7 (1497: vor des Bischofs von Wurtzpurg Rethen ergangen); ­BayHStA, RKG 6411, Q6, fol. 11r (1503: vor unnsern Rethen nachvolgennde Supplication eingelegt); BayHStA, RKG 2680, Q6, unfol. (1537: vor unsern Räten in unser Cantzley die damals an unser statt und in unserm namen zu gericht sassen); BayHStA, RKG 3959, Q5, unfol. (1536: jn […] Cantzleij und furstlichen Sale, auch hove, hie zu wirtzburg, do deglich rechtliche und andere sachen gehandelt werden in aigner persone e. f. g. [eure fürstliche Gnaden, Anm. JB] oder aber derselben ehrloblichen Rethen so an efg. stat in rechtlichen unnd ander handellung sitzen); BayHStA, RKG R0652 (Bestellnr. 10887), Q4 (1542: unsers gnedigen herren R ­ ethen) und Q5 (von den Rethenn in jrer lieb Cantzleÿ); BayHStA, RKG R0717 (Bestellnr. 10926), Q2, fol. 1r. (1529: jn unnser Cantzleÿ vor unsern Rethen, so damals jn unnserm namen recht sassen); BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477), Q4 (1566: furstlichen Räthen) und Q6 (vor dem Wurtzburgischen Bischoflichen Rethen verhanndlet); BayHS tA, RKG 7130, Q3 (1522: Conraten Bischoven zu Wirtzburg […] und lieben andechtigen werntliche hofrethe) und Q6 (1522: seiner [des mittlerweile verstorbenen Bischofs Lorenz von Bibra; Anm. JB] lieb Reten, dy in seiner lieb namen zu recht gesessen).

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Gerichtsherr in der reichskammergerichtlichen Überlieferung genannt.804 Ferner – und hierin dürfte der Grund für die fehlerhafte Rezeption liegen – weisen die Gerichtsakten immer wieder auch „den Hofrichter und die Räte“ als Spruchgremium aus.805 Mit dem Hofrichter war dann der Hofmeister angesprochen, der sowohl dem Hof- als auch dem Kanzleigericht als Richter vorsaß. Die Bezeichnung des in der Kanzlei von den Räten abgehaltenen Gerichts als Hofgericht ist hingegen in der Überlieferung des Reichskammergerichts die absolute Ausnahme.806 Dagegen wird vor allem ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Bezeichnung als Kanzleigericht auch in den reichskammergerichtlichen Schreiben häufiger gebraucht, während sich in Würzburg vor allem zur Jahrhundertwende hin allmählich der Begriff Hof- und Kanzleigericht durchzusetzen scheint.807 In Bezug auf die seitens des Reichskammergerichts ausgegangenen Ladungen und 804 Etwa im Spezialprotokoll in BayHStA, RKG 5816 vom 07. 03. 1508, wonach am Reichskammergericht zurecht erkant worden sei, das durch herrn Laurenzen Bischoven zu wirtzburg wole geurteylt, und davon ubel appellirt worden war; in den Parteivorbringen der Akte war hingegen stets von Rete und hoffgericht die Rede, ebd., Q1, 3. 805 BayHStA, RKG 5816, Q3 (1503: den Hofrichter urtelsprecher und Rete); BayHStA, RKG W0192 (Bestellnr. 13526), Q1 – 3 (1513: in verschiedenen Schreibungen „Hofrichter und Räte“). 806 Meist findet sich die Bezeichnung in Parteischriften. So etwa in einem Gewaltsbrieff, also einer Vollmacht aus dem Jahr 1503 in BayHStA, RKG 5816, Q1 (durch die loblich Rete und hoffgericht); ferner ebd., Q4, in der Supplikation (seiner genaden loblich Rete und hoffgericht); ebenso 1513 in einer Vollmacht, BayHStA, RKG W0192 (Bestellnr. 13526), Q7. Ferner in einer Botenrelation aus dem Jahr 1579 BayHStA, RKG 4356, Q1, 2, wonach der hoffgerichts secretarÿ das Original gelesen und verstanden habe. Ansonsten ist aber auch hier von wirtzburgischen hoffrichtern und Rhetten die Rede. 807 Als Selbstbezeichnung findet sich der Begriff etwa in dem an das Reichskammergericht im Rahmen der vorinstanzlichen Akten ausgegebenen Gerichtsprotokoll in BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477), Q20, fol. 6r, 57r (1561/62). Die seitens der Kanzlei an das Reichskammergericht gesendete Prozessakte in BayHStA, RKG 4215, Q9, aus dem Jahr 1592 ist sogar mit Hoff und Cantzley Gerichts Acta zu Wirtzburg verhandelltt. Primae et secundae Jnstantiae überschrieben. In den enthaltenen Protokollen ist das Gericht fast durchgängig als Kanzleigericht, an zwei Stellen und ferner in einer schriftlichen Vollmacht als Hof- und Kanzleigericht bezeichnet, ebd. fol. 254v, 273r f. bzw. 294v. Eine reichskammergerichtliche Inhibition, ein Kompulsorialbrief und die entsprechenden Botenrelationen aus dem Jahr 1606 wurden etwa Cantzlei Richtern und Räthen zugestellt, BayHStA, RKG 5676, Q2, 3. In der Gerichtsakte der Kanzlei in ­diesem Verfahren heißt es hingegen Cantzlei Richter unnd Räthe und ferner Hoff: unnd Cantzleigericht, ebd., Q14, fol. 1r. In BayHStA, RKG 1265, Q1, 2, richteten sich Inhibition und Ladung an das Würzburgisch[e] hof oder Cantzlei­gericht, während ausweislich der Selbstbezeichnung in der vorinstanzlichen Akte von „Kanzleirichter und Räten“ und in den einzelnen protokollarischen Einträgen wiederum von Cantzlej Gericht und im Urteil von Cantzlej Richter, und räthe[n] die Rede ist, ebd., Q3, fol. 327r, 329v bzw. 333v.

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Inhibitionen lassen die Prozessakten vermuten, dass man bei der Bezeichnung des Würzburger Gerichts in aller Regel jener durch die Parteien im Rahmen der Supplikation gefolgt ist.808 (2)  Das Hof- als Ritterlehengericht Einen klaren Blick erhält nur, wer sich fernab von begrifflichen Details, die sich angesichts der mangelnden Institutionalisierung der einzelnen Gerichte und der personellen Überschneidungen vor allem hinsichtlich des Richteramts zeigen, an der Besetzung der Gerichte im Hochstift orientiert. Demnach gestaltete sich die Lage wie folgt: Im 16. Jahrhundert existierten in Würzburg zwei verschieden besetzte Gerichte, die gelegentlich als Hofgericht bezeichnet wurden. Das ursprünglichere der beiden ist das von Fries beschriebene. In d ­ iesem Sinne ist das Hofgericht jedenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht mit dem Kanzleigericht, sondern dem sogenannten Ritterlehengericht identisch, das ebenfalls in den Inventarbänden (eigenständig) als Vorinstanz genannt wird. Die Tatsache, dass Kanzlei- und Hofgericht zu dieser Zeit aus obrigkeitlich-­würzburgischer Sicht nicht miteinander identisch waren, wird schon aus der von Fries jeweils verschieden dargestellten sachlichen Zuständigkeit und Zusammensetzung der Gerichte deutlich. Es besteht kein Anlass zu vermuten, dass einem derart wichtigen Diener des Bischofs die korrekte Bezeichnung der Würzburger Gerichte nicht geläufig war. Besetzung und Zuständigkeit des als Hofgericht bezeichneten Spruchkörpers weisen schon für sich genommen darauf hin, dass es sich bei demselben faktisch um ein ritterliches Lehengericht handelte. Gleichwohl erwähnt die Aufzeichnung des späteren Würzburger Rats aus den Jahren 1544 bis 1546 ein sogenanntes Ritter­ lehengericht an keiner Stelle. Das ist nicht verwunderlich, denn erst kurz nach der entsprechenden Aufzeichnung in der Hohen Registratur scheint der Begriff vermehrt Verwendung gefunden zu haben. So erscheint er erstmals in der reichskammergerichtlichen Überlieferung in einem Verfahren, dass 1549 vor dem – nota bene – „Hof- und Ritterlehengericht“ seinen Ausgang nahm.809 Erstmals findet sich die Bezeichnung als Hof und Ritterlehengericht in den Protokollextrakten in 808 Die Orientierung am jeweiligen Parteivorbringen in der Ladung ist keine Überraschung. Denn auch die narratio in den Ladungen und Mandaten des Reichskammergerichts ist nichts anderes als eine Wiederholung des Parteivortrags aus der Supplikation, Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 44; Oestmann, Die Rekonstruktion der reichskammer­ gerichtlichen Rechtsprechung, S. 22 f. 809 BayHStA, RKG 4727. Die Bezeichnung findet sich auch in zwei Verfahren, die 1568 und 1598 im Hochstift geführt wurden und ­später an das Reichskammergericht gelangten, BayHStA, RKG 5968 bzw. 5282.

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einem Eintrag aus dem Dezember 1556, im folgenden Frühjahr ferner als Hof, und Ritterman Lehengericht, bevor die Aufzeichnungen 1560 erstmals mit Extract aus dem […] Hoff, unnd Ritterlehengerichts prothocoll überschrieben wurden.810 Auch wenn im Fortgang des 16. Jahrhunderts die Bezeichnung als Ritterlehengericht in den Akten des Reichskammergerichts und entsprechend ab etwa 1570 auch in den Würzburger Protokollextrakten dominiert,811 hat über das ganze Jahrhundert hinweg auch jene als „Hof- und Lehengericht“ Verwendung gefunden.812 Ein ähnliches Bild ergibt sich auch aus einer Liste der Richter und Urteiler am Ritter­ lehengericht von 1523 bis 1609, die in einem reichskammergerichtlichen Verfahren als Beweismittel vorgelegt wurde 813 und frühestens im Jahr 1609 vermutlich aus Gerichtsprotokollen oder -büchern erstellt wurde. Dort erscheint das Gericht erstmals am 18. März 1549 als Hof- und Lehengericht und am 3. März 1550 als Hof- und Ritterlehengericht. In der Folge wechseln die Bezeichnungen häufiger, wobei das Gericht zunächst noch meist als Hofgericht benannt wird, bevor ab 17. September 1572 mit drei Ausnahmen in den Jahren 1574, 1584 und 1593 stets lediglich von Lehengericht die Rede ist.814 In dieser Zeit wird ein Bedeutungswandel hinsichtlich des Hofgerichtsbegriffs erkennbar, der nun verstärkt auch auf das Kanzleigericht Anwendung fand, während das ursprüngliche Hofgericht nunmehr überwiegend als Ritterlehengericht bezeichnet wurde. Von Seiten der bischöflichen Obrigkeit wurde zwar, etwa in der Kanzleiordnung Echters des Jahres 1574, zunächst das Kanzleigericht noch vornehmlich unter seinem ursprünglicheren Begriff benannt. Kurz vor der Wende zum 16. Jahrhundert findet sich hingegen bereits die Bezeichnung als „Hof- und Kanzleigericht“ parallel zu dem nach wie vor bestehenden „Hof- und Lehengericht“.815

810 StAW, Admin. 10515, unfol. 811 BayHStA, RKG 2665, 2714, 3183, 3575, 3682, 3684, 3685, 4374, 4377, 4391, 4488, 4727, 6417, 7078, 7237, 7239, 7240, 7241, R0710 (Bestellnr. 10927/1), R0797 (859), S0594 (12463), S0799 (874), S0803 (11413), S1006 (11778), S1065/66 (2206/I-III), S1082 (2201/I-II), S1636 (12059), S1716 (12125), S1720 (12126), V0157 (938), W1133 (629), W1298 (633), W1299 (634); StAW, Admin. 10515, unfol. 812 BayHStA, RKG 1158 (Ausgangsverfahren 1533), 1224 (vor 1572), 1276 (1590). Entsprechendes ergibt sich auch aus den Protokollextrakten des Gerichts und der fortdauern­den Bezeichnung der Vorsitzenden als Lehen- oder Vizelehenrichter, StAW, Admin. 10515, unfol. 813 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 80r–111r. 814 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 80r–111r. 815 Besonders deutlich wird diese Parallele in einem Bericht die Hof- und Kanzleigerichts Registratur betr[effend] aus dem Jahr 1597, wo es heißt, dass [i]n der E ­ rsten Registratur […] alle hoff- und Cantzlei Gericht Sach[en] in gemein[,] [i]n der andern aber die hoff- und Lehen­ gerichts Sach[en] in gemein zu finden ­seien, StAW, Admin. 10515, unfol. Ebenso ist, anders

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Zwei vor das Reichskammergericht gelangte Verfahren, die in den Jahren 1587 und 1607 vor dem Ritterlehengericht verhandelt worden waren, belegen die Identität desselben mit dem Hofgericht beispielhaft.816 In beiden Fällen hatte Bischof Julius Echter als Kläger ein Verfahren in Lehensachen gegen die Beklagten Georg und Georg Ernst Fuchs von Bimbach beziehungsweise Philipp Fuchs von Schweinshaupten anhängig gemacht. Die Beklagten erkannten die Zuständigkeit des bischöflichen Gerichts deshalb nicht an, weil die Beisitzer des Gerichts nicht, wie an anderen Lehengerichten üblich, hälftig durch Lehensherrn und Lehensmann, sondern einseitig durch den Bischof bestimmt wurden. Noch dazu kamen sie unter einem bischöflichen Hofmeister als Richter zusammen, der im Verfahren gegen die Herren Fuchs von Bimbach mit Graf Rudolf von Helfenstein selbst nicht einmal Lehensmann des Bischofs war.817 Der Bischof hingegen berief sich auf das Herkommen, wonach dem viermal jährlich gehaltenen Ritterlehengericht seit jeher, unabhängig von seiner jeweiligen Stellung als Lehensmann, der Hofmeister als Richter vorsaß. Die Beisitzer ­seien hingegen stets im quartalsweisen Wechsel aus dem Kreise der Lehensmänner ausgewählt worden.818 Es bestätigen sich insoweit also hinsichtlich Besetzung und sachlicher Zuständigkeit des Gerichts die Ausführungen von Fries für das Hofgericht in der Jahrhundertmitte. Interessant erscheinen auch die von bischöflicher Seite eingebrachten Beweismittel. Schon im ersten Verfahren war der Eidformel der bischöflichen Lehensmänner ein Extract Ettlicher vor der Zeitt gewesener f[ürstlich] w[ürzburgischer] hoffmeister, unnd des Löblichen Ritterlehengerichts verordenter Richtern als punktuelle Darstellung der Hofmeister und Edlen Lehengerichts […] Richter 819 von 1451 bis 1580 hinzugefügt worden.820 Augenscheinlich sollte damit der Beweis erbracht werden, dass die Würzburger Hofmeister qua Amt auch Richter am Hof- und Ritterlehengericht waren.821 Im zweiten Verfahren waren für die Zeiträume von 1523 bis 1609 und von 1607 bis 1616 neben den Hofmeistern und Lehenrichtern auch die Beisitzer des Gerichts wohl nahezu vollständig aufgeführt, zu denen im Übrigen auch der Beklagte im Ausgangsverfahren zu früherer Zeit gehört hatte.822 Außerdem wurde neben einem Auszug aus der als noch in der Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72, in der Landgerichtsordnung 1618 von dem Hof- und Kanzleigericht die Rede, LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38 § 1. 816 BayHStA, RKG 3625 (1587) und 3685 (1607). 817 BayHStA, RKG 3625, Q12, unfol. 818 BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol., 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 34v. 819 BayHStA, RKG 3625, Q11, fol. 28r. 820 BayHStA, RKG 3625, Q11, fol. 28r–30v. 821 Als solches ist das Gericht auch in BayHStA, RKG 3625, Q11, fol. 30v, bezeichnet. 822 Die entsprechenden Aufstellungen finden sich in BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 80r–111r und Lit. H. Philipp Fuchs von Schweinshaupten erscheint als Beisitzer des Gerichts etwa am 18. 09. 1589 und am 17. 06. 1590. Die Aufstellung ist sehr

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­ oldenen Freiheit von 1168 zur Ausweisung der bischöflichen Gerichtsherrschaft G die Formel für den Hoff- und Ritterlehengerichts Beysitzer ayd auß dem gemeinen ayd Büchlein hinzugefügt.823 Schon die Zeitgenossen gingen also von einer Kontinuität des Hofgerichts seit mindestens 1451 aus. Entsprechend formulierten die, insoweit auch von der Gegenseite zugestandenen, bischöflichen Responsiones in einem reichskammer­ gerichtlichen Appellationsverfahren um das Jahr 1590, daß es auch von unverdenck­ lichen Jahrn hero, und weitt uber menschen gedechtnus ein adenlich Ritterlehengerichtt gegeben hatte.824 Auch Lorenz Fries setzte in der Hohen Registratur das Bestehen des Gerichts im Jahre 1447 voraus, indem er darauf verwies, dass zur Zeit Bischof Gottfrieds IV. Schenk von Limpurg die Fürsprecher am Gericht aus dem Kreis der Urteiler genommen worden ­seien.825 Ferner hat bereits Knapp auf die seitens der Würzburger Bischöfe mit der Ritterschaft 1412 und 1456 geschlossenen Verträge hingewiesen, wonach das Gericht schon zu dieser Zeit mit adeligen Urteilern besetzt war und, wie auch ­später das mit ihm identische Ritterlehengericht, vier Mal im Jahr zusammentrat.826 Wahrscheinlich bestand ein unter dem bischöflichen Lehensherrn nach dem Prinzip der Ebenbürtigkeit als iudicium parium zusammentretendes Gericht der Vasallen und Lehensmänner schon deutlich länger, denn bereits im 14. Jahrhundert verwies das Landgericht die Lehenssachen, die ­diesem ursprünglich durch die Goldene Freiheit zugewiesen worden waren,827 an die Lehengerichte der jeweils betroffenen Lehensherren.828 umfänglich. Gleichwohl fehlen einige Gerichtstermine im quartalsweisen Turnus. Ob diese Gerichte nicht gehalten oder lediglich nicht verzeichnet wurden, geht aus der Darstellung nicht hervor. 823 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 59r–60v (Goldene Freiheit), 111v (Eidesformel). Letztere lautete: Ich soll unnd will des Wirzburgischen Hoff unndt Ritter­ lehengerichts, mit vleiß wartten, auch desselben gerechtigkeitt unnd gewonheitt, getreulich helffen handthaben, dem armen alß dem Reichen den Reichen alß dem armen, nach meinem besten verstendtnuß urtheil sprechen heimligkeitt deß gerichts, unnd die gefaste urtheil, zuvor unnd ehe sie rechtlich eröffnet, unnd außgesprochen werden verschweigen, dieselben niemands offenbahren, oder derohalben warnen, getreulich unnd ohne alles gevehrde. 824 BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol. (3. Artikel). 825 StAW, Stb. 1011, fol. 277r. 826 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 130. Der Vertrag mit dem Adel von 1412, StAW, ldf 31, S. 1 – 6, enthält auch einen Hinweis auf den Gerichtsort, der uff unserm Sale zu Wirtzburg lag, ebd., S. 4. Das Gericht tagte also am Ort des Stadtgerichts und der fürstlichen Verwaltung, noch bevor der Westflügel als eigentlicher Kanzleibau parallel zum Verlauf der Domstraße angebaut wurde, siehe dazu bereits S. 102. 827 So schon Lorenz Fries, StAW, Manuskripte 5, fol. 21r, gedruckt bei Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 188. 828 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 62 f.

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Ein weiteres – wenngleich nicht ganz eindeutiges – Indiz für die Übereinstimmung von Hof- und Ritterlehengericht bietet ferner die Kanzleiordnung Julius Echters aus dem Jahre 1574. Demnach sollte der (Kanzlei-)Gerichtsschreiber auch deß hoff- unnd lehengerichts mit vleiß außwharten, die gericht, so jerlich gehalten werden, nemblich zehen cantzley gericht, vier ritterlehen und vier burgerlehen gericht […] ansetzen und die ritterlehens gerichts assessores der obbestimpten furgenommenen lehengericht […] mit vorwissen eines hofrichters beschreiben und erfordern.829 Es ist nach der bisherigen Darstellung ersichtlich, dass hier mit hoff- und lehengericht das sogenannte Ritterlehengericht gemeint war und die zehen cantzleygericht als davon verschieden verstanden wurden. Der Gerichtsschreiber war demnach nicht nur für das Kanzleigericht zuständig, das bereits an anderer Stelle der Ordnung Erwähnung gefunden hatte. Dass er dasselbe „auszuwarten“ hatte, konnte daher unerwähnt bleiben und musste als Tätigkeit eines Kanzleigerichtsschreibers selbstverständlich erscheinen. Für das Hof- und Lehengericht musste er mit Wissen des Hofrichters die ritterlehensgerichts assessores laden,830 deren Namen dann häufig ebenso wie die der tatsächlich erschienenen Beisitzer als sogenannte Beschriebene eigens in den Protokollen und gelegentlich auch in den überlieferten Extrakten verzeichnet wurden.831 Dass eine ähnliche Praxis auch für das Bürgerlehengericht herrschte, ist anzunehmen. Noch am Übergang zum 17. Jahrhundert findet sich das Hofgericht als spezielles Lehengericht jedenfalls begrifflich vom Kanzleigericht getrennt in der reichskammergerichtlichen Überlieferung.832 Zu späterer Zeit erscheinen dann in der Tat Kanzlei- und Hofgericht vereinigt oder zumindest in ihrer Besetzung identisch. In einer Darstellung aus dem frühen 18. Jahrhundert, die erkennbar auf die Aufzeichnungen des Lorenz Fries in der „Hohen Registratur“ zurückgeht, ist hinsichtlich des ehemaligen Kanzleigerichts und mittlerweile Hofgericht genannten Forums formuliert, dass dort die Hoffräthe Assessores s­ eien und allerley Stritt sachen und Appellationes alda vorgenohmen würden.833 Zwischenzeitlich war demnach das ehemalige Kanzleigericht begrifflich zum Hofgericht avanciert. Nach wie vor war es aber mit den fürstlichen Räten besetzt. Demgegenüber hatte auch das alte Hofgericht seine Funktion als Ritterlehengericht nicht verloren, denn aus der genannten Aufzeichnung wird ersichtlich, dass immernoch ein Lehengericht 829 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. 830 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. 831 StAW, Admin. 10515, unfol. 832 BayHStA, RKG 1276 (Ausgangsverfahren 1590 am „Hof- und Lehengericht“), 5282 (Ausgangsverfahren 1598 am „Hof- und Ritterlehengericht“). 833 StAW , Manuskripte 13 (Kriegsverlust), zit. nach Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 248 – 254, hier S. 252. Zur, angesichts des Aufbaus der Darstellung, offensichtlichen Anknüpfung an Fries vgl. ebd., S. 233 – 237.

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an gesonderten, vom jetzt sogenannten Hofgericht verschiedenen, Gerichtstagen zusammentrat.834 Gleichwohl waren nun Richter und Assessores […] die im Hoffgericht,835 die Foren mithin in ihrer Besetzung identisch. Möglicherweise hat die personelle Vereinigung der Gerichte sogar noch vor 1618 stattgefunden, denn nach der Landgerichtsordnung desselben Jahres war es gestattet, falls jemandt vermeinen wollte, daß er durch Urtheil, so an unserm Kayserl. Landtgericht außgesprochen, beschweret worden wehre, […] an unser Hoff: und Cantzley Gericht, ferners sich zuberuffen.836 Das ist allerdings unwahrscheinlich. Denn erstens lässt sich schon vor der Jahrhundertwende die Bezeichnung als Hof- und Kanzleigericht in Würzburger Quellen auffinden,837 als es sich noch eindeutig um personell getrennte Gerichte handelte. Zweitens lässt sich die Besetzung des Ritterlehengerichts mit Adeligen, die nicht zugleich bischöfliche Räte waren, noch für den 22. September 1616 nachweisen.838 Letztlich hatte sich also auch bis in das 18. Jahrhundert nicht allzu viel am Wesen der Würzburger Gerichte geändert. Das ehemalige Kanzleigericht war zum Hofgericht geworden, in dem nach wie vor die fürstlichen Räte Recht sprachen. Darüber hinaus richteten sie nun auch in Lehensangelegenheiten am ehemaligen Hofgericht, das mittlerweile nur noch Lehengericht genannt wurde. (3)  Appellationswege und Gerichtsentwicklung Schon Schneidt hat im 18. Jahrhundert bemerkt, dass sich im Vergleich der zeitgenössischen Gerichtsverfassung mit den Verhältnissen des 15. Jahrhundert ein fast unbegreiflicher Unterschied ergeben habe, indem im 18. Jahrhundert das Hofgericht die Oberinstanz des Landgerichts […] in älteren Zeiten aber das Hofgericht unter dem Landgerichte stunde, und von jenem an ­dieses die Berufung geschah.839 Um diesen Unterschied zu erklären, verortete er richtigerweise einen Wandel ­zwischen den Jahren 1467 und 1512, versuchte diesen aber mit der Reichsreform und der Entstehung des Reichskammergerichts 1495 zu erklären, weil in ­diesem Zeitpunkte sämmtliche Reichstände anfiengen, ihre Dikasterien in eine bessere und ordenlichere 834 StAW , Manuskripte 13 (Kriegsverlust), zit. nach Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 252. 835 StAW , Manuskripte 13 (Kriegsverlust), zit. nach Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 252. 836 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38 § 1. 837 So der bereits erwähnte, vgl. Anm. 815, Bericht die Hof- und Kanzleigerichts Registratur betr[effend] aus dem Jahr 1597 in StAW, Admin. 10515, unfol. 838 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q], Lit. H., unfol. 839 Schneidt, Thesaurus 1,22, S. 4193.

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Form zu bringen, woraus die Festsetzung und Unterordnung der verschiedenen Gerichtsstellen entsprungen s­ eien.840 Überdies habe erst ein kaiserliches Privileg des Jahres 1510 alle dem Landgericht zuwiderseyenden oder nachtheiligen Freyheiten und Privilegien kassiert und den Weg für die Landgerichtsreformation des Jahres 1512 geebnet, die schließlich das Landgericht dem Hofgerichte unterworfen habe.841 Schneidt hat damit bereits wichtige Parameter des geschilderten Wandels weitgehend zutreffend bestimmt. Diese können jedoch noch deutlicher ausgeformt werden. Als terminus ad quem lässt sich auf normativer Ebene bereits das Jahr 1506 festlegen, in dem eine Landgerichtsordnung erstmals die Appellation an das Kanzleigericht ausdrücklich erwähnte. Schon die erste Erwähnung der Appellationstätigkeit im Jahre 1474 und überdies die Verfahren, die vor der Jahrhundertwende an das Reichskammergericht gelangten und teilweise vor 1495 im Hochstift ihren Ausgang genommen hatten,842 zeigen, dass sich die Tätigkeit der Kanzlei in Appellationsverfahren bereits im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts ausgebildet hatte. Die Reichsreform konnte daher allenfalls katalytische Wirkung haben, nicht aber der eigentliche Auslöser der Veränderung sein. Aus Schneidts – von neueren Forschungen zuweilen übernommenen 843 – Perspektive des 18. Jahrhunderts, in dem Hof- und Kanzleigericht auch hinsichtlich ihrer Besetzung vereinigt erscheinen, war das Hofgericht innerhalb kürzerer Zeit von einer dem Landgericht untergeordneten Instanz zum bischöflichen Obergericht geworden. Auch Willoweit hat diesen Wandel mit der Begründung angedeutet, dass „es für den neuen Rechtsbehelf [die Appellation, Anm. JB] noch keine festen Regeln“ gegeben habe.844 Die Annahme eines solchen Wandels sieht sich zwei gravierenden Einwänden ausgesetzt. Erstens hätte innerhalb der Zeit von etwa einer Dekade ein etabliertes bischöfliches Gericht eine sehr rasche und wohl aus Perspektive der Zeitgenossen, angesichts des am Herkommen orientierten Rechtsverständnisses, außerordentlich begründungsbedürftige Wandlung vollziehen müssen. Zweitens ließe sich dann auch nicht die mangelnde Identität von Hof- und Kanzleigericht nach den Aufzeichnungen in der Hohen Registratur erklären. Die Auflösung dieser Einwände lässt sich durch eine andere Deutung bewerkstelligen, die auf ein 840 Ebd., S. 4240. 841 Ebd., S. 4240 f. 842 Vgl. etwa die Verfahren in BayHStA, RKG 1266, 2810, 2062, 437, die erstinstanzlich in den Jahren 1488, 1492, 1494 bzw. 1496 am Landgericht anhängig waren. 843 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 127, erkennt zwar selbst den Unterschied z­ wischen Hof- und Kanzleigericht, übersieht aber die von Schneidt, Thesaurus 1,22, S. 4193, 4237 – 4241 erkennbar angenommene, aber unzutreffende Identität beider Gerichte. Unter Berufung auf Merzbacher folgt wohl auch Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224, ­diesem Irrtum. 844 Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224.

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Phänomen rekurriert, das in der deutschen Rechtsgeschichte bereits andernorts dokumentiert ist. Es handelt sich bei Hof- und Kanzleigericht zumindest nach Besetzung und sachlicher Zuständigkeit um die von gegenwärtigen Forschungen sogenannten Hofgerichte „älteren“ beziehungsweise „jüngeren Typs“.845 Während sich die Hofgerichte älteren Typs idealtypisch dadurch auszeichneten, dass eine Trennung ­zwischen dem vorsitzenden Richter, zunächst häufig dem Herrscher selbst, und den im Römischen Recht ungelehrten Urteilern bestand, verfügten die räumlich und personell stärker institutionalisierten Hofgerichte jüngeren Typs über universitär ausgebildete, gelehrte Urteiler, die häufig nach einer gesonderten Gerichtsordnung verfuhren.846 Unter den Forschungsbegriff des Hofgerichts jüngeren Typs lässt sich daher auch die Rechtsprechungstätigkeit der gelehrten Hofräte des Landesherrn in der Kanzlei einordnen.847 Als maßgebliche Unterscheidungskriterien ­zwischen den beiden Typen von Hofgerichten sollen eine gewisse Selbstständigkeit und Verfestigung der gerichtlichen Tätigkeit etwa durch festgelegte Organisations- und Verfahrensformen und die zumindest teilweise Besetzung mit gelehrten Juristen herangezogen werden.848 Diese Kriterien können für Würzburg trotz der geringen institutionellen Ausdifferenzierung von Rats- und Gerichtstätigkeit und dem Fehlen einer eigenen Gerichtsordnung grundsätzlich Geltung beanspruchen. Das Würzburger Hofgericht hatte sich als genossenschaftliches Gericht des fränkischen Adels konstituiert, das über die Standesgenossen vor allem, aber nicht ausschließlich in Lehenssachen richtete. Wahrscheinlich auch deshalb verfügte schon 1467 Bischof Rudolf von Scherenberg, dass Appellationen gegen Urteile des Landgerichts in Verfahren ­zwischen Bürgern, Bauern und Geistlichen nicht (mehr) am Hofgericht angenommen werden sollten.849 Adelige konnten jedoch wohl weiterhin an dasselbe appellieren.850 Jedenfalls lassen sich entsprechende 845 Zu dieser Unterscheidung Lück, Die kursächsische Gerichtsverfassung, S. 120; Oestmann, Hofgerichte, Sp. 1088 – 1090. 846 Lück, Die kursächsische Gerichtsverfassung, S. 119 f.; Oestmann, Hofgerichte, Sp. 1088 f.; Schillinger, Die Neuordnung des Prozesses, S. 13; Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 47 f. 847 Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 48; Zur häufigen personellen Identität in der Besetzung von Kanzleien und Hofgerichten schon Stölzel, Die Entwicklung des gelehrten Richterthums, Bd. 1, S. 255. 848 So Oestmann, Hofgerichte, Sp. 1089, und ihm folgend Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 48 f. 849 StAW, Stb. 548, fol. 284. Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 128, folgerte daraus ohne weitere Nachweise, dass es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts „üblich wurde und sich die Übung einbürgerte“, entsprechende Appellationen an das Hofgericht vorzunehmen. 850 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 129.

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Appellationen vom Landgericht zunächst an das Hofgericht und schließlich auch an das königliche Kammergericht nachweisen.851 Regelmäßiger scheint aber umgekehrt die Appellation vom Hof- an das Landgericht geführt zu haben.852 Offenbar hat es also um 1470 in der Tat noch keine allzu fest gefügten Appellationszüge im Hochstift gegeben. Demgegenüber erscheint eine Appellationsmöglichkeit vom Kanzleigericht, dessen Entwicklung vielleicht sogar durch diese unklaren Verhältnisse angestoßen oder beschleunigt wurde, an eines der beiden Gerichte aus den genannten Gründen sehr unwahrscheinlich. Seine Form als genossenschaftliches Adelsgericht hat das Hofgericht auch bis in das 17. Jahrhundert hinein behalten, in dem es nach wie vor als Hof- oder vor allem als Ritterlehengericht bezeichnet wurde. Parallel dazu konstituierte sich aus dem bischöflichen Hofrat mit dem Kanzleigericht als Appellationsinstanz im Hochstift ein Hofgericht des jüngeren Typs. Dieses war nun zumindest teilweise mit gelehrten Räten besetzt und entschied an gesonderten Gerichtstagen nach dem gelehrten Prozessrecht, wenngleich es sich ansonsten nicht institutionell vom bischöflichen Rat unterscheiden ließ. Auch wenn für das Gericht im 16. Jahrhundert keine eigene Gerichtsordnung erlassen wurde, war seit Erlass der Landgerichtsordnung des Jahres 1580 eine Grundlage auch für das Kanzleiverfahren geschaffen, wenngleich eine ausdrückliche Verweisung auf dasselbe, anders als in der kurz nach dem Tod Echters in Druck gegebenen Landgerichtsordnung, noch fehlte.853 Gleichwohl hatte das Verfahren durch die Gerichtspraxis und die universitäre Ausbildung eines Teils der Assessoren längst festere Formen angenommen. Die Tatsache, dass bereits aus der Kanzleiordnung von 1506 neben der Appellation als solcher auch ein Gerichtsschreiber erkennbar wird, zeigt, dass schon früh eine gewisse organisatorische Trennung der verschiedenen Bereiche der Ratstätigkeit gegeben sein musste. Später, wohl im Laufe des 17. Jahrhunderts, vollzog sich dann auch die personelle Vereinigung der beiden Gerichte zu einem Hof- und Kanzleigericht, an dem fortan die bischöflichen Räte richteten und der genossenschaftliche Charakter des alten Hofgerichts gänzlich aufgegeben war, wenngleich ­dieses noch im 18. Jahrhundert in eigenen Gerichtssitzungen als Lehengericht tagte.854

851 HHStA, RHR, Antiquissima, Fasz. 2, Konv. 2, fol. 163, Fasz. 3, Konv. 1, fol. 308 – 319, RK, Fridericiana, Fasz. 2, Konv. 3, fol. 9v. Weitzel, Zur Zuständigkeit des Reichskammer­ gerichts, S. 242, Anm. 178, meinte hingegen, dass sich jedenfalls für den Zeitraum von 1471 bis 1474 derartige Appellationen nicht belegen ließen. 852 Entsprechend die zahlreichen Nachweise bei Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 127 f. 853 Siehe dazu auch S. 124 f. und S. 341. 854 Siehe bereits S. 164 f.

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e.  Bischöfliche Zentralisierung und ritterliche Emanzipation Zweifellos wird man in der ­später wirksam gewordenen Zusammenführung der Gerichte hinsichtlich ihrer Besetzung mit bischöflichen Räten als Urteilern eine zunehmende Zentralisierung der gerichtlichen Strukturen im Hochstift erblicken können. Als Kehrseite ­dieses Prozesses fand aber eine endgültige Herauslösung der sich im 16. Jahrhundert als Reichsritterschaft formierenden Adeligen aus dem Hochstift statt. Die Ritterschaft hatte seit 1412 stets auf eine vom Bischof weitgehend unabhängige Besetzung des Gerichts gedrängt. Diesem Anliegen wurde auch nach der Darstellung in der „Hohen Registratur“ noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts dadurch Rechnung getragen, dass die Urteiler des Gerichts nicht in Diensten des Bischofs stehen durften. Im letzten Quartal des 16. Jahrhunderts nahm dann nicht nur die Zahl an (überlieferten) Appellationen an das Reichskammer­gericht erheblich zu, sondern mit großer Regelmäßigkeit wurden Legitimität und Zuständigkeit des Gerichts seitens der ritterlichen Adeligen infrage gestellt. In den 22 überlieferten Appellationsverfahren im zeitgenössisch-­technischen Sinne, die im Zeitraum ­zwischen 1578 und 1598 am Ritterlehengericht anhängig waren, finden sich auffallend häufig wiederkehrende Argumentationsmuster der dem Bischof gegenüberstehenden adeligen Parteien. Eine stetige Quelle der Auseinandersetzungen bildete zunächst die von den adeligen Kontrahenten des Bischofs als einseitig empfundene Besetzung des Gerichts,855 das vom Bischof nach Belieben zusammengesetzt worden sei und daher nicht als allgemeines, paritätisch besetztes Lehengericht angesehen wurde. Dementsprechend ­seien auch die Urteiler nach Belieben des Bischofs ausgetauscht worden.856 Es konnte sich nach Ansicht vieler Adeliger somit nicht um ein übliches und allgemeines Lehengericht handeln, an dem Lehensmann und Lehensherr entweder gemeinsam oder jedenfalls zu gleichen Teilen über die Gerichtsschöffen bestimmten.857 Ferner wurde in zwei Verfahren vorgebracht, dass der bischöfliche Hofmeister als Lehenrichter ohne Mitsprache des Lehensmannes besetzt worden sei und selbst kein Lehen des Hochstifts getragen habe.858 In dem in diesen Verfahren häufig zu findenden Rekurs auf die Pares Curiae als standesgleiche Lehensmänner 859 betonten die Adeligen stets den genossenschaftlichen Charakter des Gerichts. Die b­ ischöfliche Seite unter Julius 855 BayHStA, RKG 3625, 4374, 4488, 7237, 7239, R0797 (Bestellnr. 859), S0799 (874), S0803 (11413), S1636 (12059). 856 BayHStA, RKG 4488, 7239, R0797 (Bestellnr. 859). 857 BayHStA, RKG 3625, 4488, R0797 (Bestellnr. 859), S0799 (874), S0803 (11413), S1636 (12059). 858 BayHStA, RKG 3625, 4488. 859 Vgl. dazu auch Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 62 f.

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Echter verwies zur Verteidigung gegen d ­ ieses Vorbringen auf das entsprechende 860 Herkommen im Hochstift. Exemplarisch ist diesbezüglich ein Parteivortrag der bischöflichen Seite in einem Verfahren, das seit 1607 am Ritterlehengericht verhandelt worden war und im Jahr 1614 an das Reichskammergericht gelangte. Demnach war das Würzburger Ritterlehengericht andern gemeinen per pares curiae utrimque electes besezten Lehengerichten, nit gleich, oder zue comparieren, sondern es habe vielmehr eine viridi observantia, also eine stetige Übung, dahingehend bestanden, dass stets allein vom Bischof beschriebene Urteiler zu den Lehengerichten erschienen waren.861 Ferner sei das Ritterlehengericht nicht fall-, sondern quartalsweise und somit unabhängig von einzelnen Verfahren besetzt worden, wozu der Hofmeister als Lehenrichter die ritterlichen Beisitzer angeschrieben und geladen hatte.862 Ein weiteres Vorbringen der ritterlichen Kontrahenten des Bischofs bezog sich auf ihre im Zusammenhang mit der Entstehung und Konsolidierung der Reichsritterschaft erworbene Reichsunmittelbarkeit.863 Dieser Hinweis stand freilich in enger Verbindung zu den bereits geschilderten Einwänden. Denn gerade die einseitige Besetzung des Ritterlehengerichts durch den Bischof unter Vorsitz des Hofmeisters ließ das Forum in den Augen des Adels als landesherrliches Gericht erscheinen, vor dem sie als Reichsunmittelbare nicht erscheinen mussten. Geradezu beispielhaft kulminierten diese Kritikpunkte im bereits dargestellten Appellationsverfahren von Georg und Georg Ernst Fuchs von Bimbach gegen Bischof Julius Echter.864 Nach den artikulierten Gravamina der Appellanten waren Streitigkeiten ­zwischen dem Lehensherrn und seinen Vasallen durch die Lehenleuth oder Pares Curiae als Richter und urtheiler in erster Instanz zu entscheiden, wobei Lehenherr und vasall […] in gleichen Rechten geacht und gehalten werden sollten, sodass sie die Pares sembtlich oder ein jeder jn sonderheit die seine jn gleicher anzahl ohne Prorogative erkiessen und niedersetzen konnten.865 Damit war aus Sicht der Appellanten selbstverständlich, daß viel weniger ein frembtling, so nicht ex paribus curiae ist, lehen-­Richter sein konnte,866 wie dies wolermelter Grave war. Damit war der dem Ritterlehengericht im Ausgangsverfahren vorsitzende Hofmeister Rudolf V. Graf von Helfenstein gemeint, der von dem Stifft Wurtzburg daß geringste Lehen nicht hatte.867 Sofern sich der Würzburger Syndikus auf das 860 BayHStA, RKG 3625, 4374, 7237, 7239, R0797 (Bestellnr. 859). 861 BayHStA, RKG 3685, [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 34v. 862 BayHStA, RKG S1636 (Bestellnr. 12059). 863 BayHStA, RKG V0157 (Bestellnr. 938), S0594 (12463). 864 BayHStA, RKG 3625; siehe dazu schon S. 162 f. 865 BayHStA, RKG 3625, Q12, unfol. (1. bzw. 2. Artikel). 866 BayHStA, RKG 3625, Q12, unfol. (1. bzw. 2. Artikel). 867 BayHStA, RKG 3625, Q12, unfol. (5. bzw. 8. Artikel); knapp zur Person Helfensteins Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 332 f.

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anderslautende ­Würzburger Herkommen berufen hatte, wonach der Bischof das Gericht stets selbst besetzt und als Lehenrichter stets seinen Hofmeister eingesetzt habe, sei ein derartiges Vorgehen gleichwohl jn rechten nicht gultig und ausweislich der Darlegungen Andreas Gaills vom Reichskammergericht bereits kassiert worden.868 Natürlich wies die fürstliche Seite in ihren Responsiones ­darauf hin, dass neben dem von den Appellanten beschriebenen Verfahren auch sondere gebrauch und gewonhaiten jedes Furstenthumbs und curiarum feudalium statt haben […], und das nach herbringen solcher gerichtlich und Crefftig erkhant werden sollte.869 Die Vertreter des Bischofs beriefen sich also auf die gegenüber gemeinrechtlichen Rechtsvorstellungen vorrangigen Landesgewohnheiten, aus denen sie die Rechtmäßigkeit des Forums ableiten wollten. Demnach sei der je zu zeitten Regierenden fursten zu wirtzburg ennttsendt hofmeistere ordinarj Lehenrichter gewest und außerdem zu jedem Gericht eine bestimmte Anzahl von Urteilern von der Wirtzburgischen Cantzleÿ, auß Crafft deß schuldigen Lehens gehorsambs beschriben worden, zu denen in der Vergangenheit auch die Appellanten, dem herkhommen gemeß, bestelt gewesen s­eien.870 Indem die Fuchs’schen Appellanten lediglich den Worten ordinari, auß Crafft deß schuldigen Lehens gehorsambs und dem herkhommen gemeß widersprachen,871 gestanden sie der Gegenseite die tatsächlichen Verhältnisse am Ritterlehengericht zu, die im Übrigen leicht zu beweisen gewesen wären. Sie erkannten aber nicht an, dass diese als Gewohnheitsrecht (consuetudo) beachtlich waren. Denn generell genügte für die Anerkennung als Gewohnheitsrecht die tatsächliche Übung über längere Zeit nicht. Vielmehr war es erforderlich, dass eine Gewohnheit mit dem animus inducendi consuetudinem, also einer entsprechenden Überzeugung, dass diese Gewohnheit ein Recht war oder sein sollte, mindestens zweimal ausgeübt worden war und ferner der ratio entsprach, also vernünftig und billig war.872 Die Ablehnung dieser Rechtspflicht war schon deshalb streitentscheidend, weil die Appellanten ansonsten 868 BayHStA, RKG 3625, Q12, unfol. (15. und 16. Artikel). Zur Bedeutung Gaills, der erst kurz vor dem reichskammergerichtlichen Verfahren verstorben war, für die deutsche Rechtsentwicklung etwa Nehlsen-­von Stryk, Andreas Gaill, passim. Eine Fundstelle bei Gaill wurde von den Appellaten nicht angegeben. 869 BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol. (1. Artikel). 870 BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol. (6., 7. bzw. 15. Artikel). 871 BayHStA, RKG 3625, Q14, unfol. 872 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1, S. 109; Krause/Köbler, Gewohnheitsrecht, Sp. 370. Die Entscheidung über das Vorliegen dieser Voraussetzungen oblag dem Richter, Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. 1, S. 109. Dementsprechend hatte im dargelegten Verfahren die bischöfliche Gegenseite darauf gedrungen, daß ­solche consuetudo von rechttswegenn fur billich zuachten, auch passirt und fur rechtmessig erkhant und zugelassen werden sollte, BayHStA, RKG 3625, Q13, unfol. (14. Artikel).

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z­ ugestanden hätten, dass sie in der Tat eine lehnrechtliche Pflicht verweigerten, wie der Bischof ihnen dies im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Ritterlehengericht vorgeworfen und aus ­diesem Grund auch beabsichtigt hatte, ihnen das Lehen zu entziehen.873 Doch auch der Gegenstand des erstinstanzlichen Prozesses erhellt den Blick auf allgemeinere Entwicklungen des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Bischof Julius Echter hatte vor dem Würzburger Ritterlehengericht in den Jahren 1587 bis 1589 drei Kaduzitätsklagen 874 auf Heimfall der Lehen gegen die späteren Appellanten erhoben, in denen erstens die Verweigerung, als Beisitzer am Ritterlehengericht zu erscheinen und somit die Verletzung einer Lehenspflicht, zweitens die Errichtung eines eigenen Hochgerichts ohne Zustimmung des Bischofs als Lehensherrn und drittens die nicht erfolgte Erneuerung der Lehen eines verstorbenen Bruders binnen Jahr und Tag 875 gerügt wurden.876 Diese Auseinandersetzung kann beispielhaft die Emanzipation des reichsunmittelbaren Adels von einer erstarkenden Territorialherrschaft illustrieren. In gleichem Maße, in dem die bischöfliche Obrigkeit das Hof- und Ritterlehen­ gericht in eine territoriale Gerichtsverfassung unter fürstlicher Führung zu bringen versuchte, indem etwa von der Würzburger Kanzlei durch den Hofmeister quartalsweise über die Besetzung des Gerichts entschieden wurde, bekräftigten die durch die Reichsunmittelbarkeit erstarkten Adeligen ihre Ablehnung d ­ ieses Gerichts schon durch die Verweigerung der Teilnahme als Schöffen und erst recht als Beklagte. Durch die wiederholte Forderung eines zu gleichen Teilen von den Kontrahenten besetzten Urteilergremiums artikulierten sie das Bedürfnis nach einer Verhandlung der Lehenstreitigkeiten unter, in Bezug auf die Reichsangehörigkeit, Gleichrangigen. Offenbar wurde auch das Lehen zunehmend als Eigengut verstanden, sodass dessen Übertragung durch den Bischof eine zu einem subjektiven Recht erstarkte Selbstverständlichkeit geworden war. Unter ­diesem Selbstverständnis war dann auch der Aufbau einer eigenen, vom Bischof unabhängigen Gerichtsherrschaft möglich und geradezu geboten. Der Bischof hingegen versuchte in ­diesem Kampf um die Gerichtsbarkeit, die in ­diesem 873 BayHStA, RKG 3625, Q9, fol. 3r. 874 Zum Begriff vgl. etwa DRW VI, Kaduzität, Sp. 668, und Kaduzitätsklage, Sp. 669, der dort allerdings spezieller auf Verfall oder Fortfall einer Erbschaft gerichtet ist. 875 Unter „Jahr und Tag“ wird eine schon im Mittelalter gängige Frist zur Vornahme von Rechtshandlungen verstanden, über deren tatsächliche Dauer keine Klarheit herrscht. Jedenfalls liegt sie z­ wischen einem Jahr, so L. Hardenberg, Zur Frist von Tag und Jahr, ZRG GA 87 (1970), S. 289 f., und einem Jahr, sechs Wochen und drei Tagen. Möglicherweise handelte es sich auch um eine variable, von den konkreten Gerichtstagen abhängige Frist, vgl. m. w. N. Dusil, Jahr und Tag, Sp. 1348 – 1350. 876 BayHStA, RKG 3625.

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­ erfahren in dreifacher Weise hinsichtlich der Besetzung der eigenen Gerichte, V der persönlichen Zuständigkeit dieser Gerichte und der Exklusivität der eigenen Gerichtsherrschaft gefährdet war, die Oberhand zu bewahren. Denn immerhin war in der iurisdictio das wichtigste Herrschaftsrecht überhaupt Gegenstand der Auseinandersetzung.877 Zum Nachweis der bischöflichen Vorherrschaft wurden von der Würzburger Seite regelmäßig früh- oder hochmittelalterliche Privilegien, wie hier eines aus dem Jahre 823, viel häufiger aber Abschriften jener wertvollen Urkunden aus den Jahren 1120 und 1168 vorgelegt, ­welche die bischöfliche Gerichtsherrschaft und Herzogstellung umfänglich etablierten.878 Die beiden Positionen konnten nicht zusammenkommen. Das Postulat der bischöflichen Territorialherrschaft vertrug sich nicht mit der auf die Reichsunmittelbarkeit bezogenen Gleichrangigkeitsvorstellung 879 des fränkischen Adels, der überdies im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in der fränkischen Reichsritterschaft eine zunehmend festere Organisationsform fand, die eine Entfremdung von den fränkischen Bischöfen noch vorantrieb.880 Das Reichskammergericht bot den gräflichen und ritterlichen Vasallen, die versuchten, sich mithilfe des Kaisers und der Reichsgerichte gegen die fürstlichen Lehensherren zu behaupten, Hoffnung auf eine der (vermeintlichen) Gerechtigkeit verpflichtete Konfliktlösung.881 Schon im Februar 1581 hatte sich der Adel darüber beschwert, dass ihm der Bischof keine eigene Lehengerichtsbarkeit mehr gestatte, sondern versucht hatte, diese Fälle an die fürstliche Kanzlei zu ziehen.882 Einem bischöflichen Gericht wollte man aber weder als Schöffe noch als Beklagter Folge leisten. Dementsprechend mehrten sich die Klagen vor dem Reichskammergericht. Doch auch das bischöfliche Selbstverständnis trug entscheidend dazu bei, die Konflikte z­ wischen den Adeligen und dem Fürsten zu eskalieren. Die bloße Verweigerung eines ritterlichen Adeligen, sich nicht als Schöffe am Ritterlehengericht zu beteiligen, hätte per se noch nicht zu einem gerichtlichen Verfahren führen müssen. Die bischöfliche Seite sah es allerdings vermög der Lehenrecht, auch gelaisten Pflichten nach als erforderlich an, dass ein jeder Vasallus, oder Lehenman, auf beschreibung, unnd erforderung deß Lehenheren, zu den L ­ ehengerichten, 877 Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 17 – 47, 186 – 213; ders., Einführung: Rechtsprechung und Justizhoheit, S. 12; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1, S. 156 f.; Stollberg-­R ilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 28. Siehe hierzu bereits S. 29, 62 – 6 4. 878 Siehe dazu bereits S. 39 – 43. 879 Vgl. hierzu etwa Krug, Juden in Mainfranken, S. 29. 880 Ulrichs, Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft, S. 541 – 544, 573 f. 881 Press, Das römisch-­deutsche Reich, S. 35. 882 StAW, Stb. 956, S. 29, 39 f.; Ulrichs, Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft, S. 564.

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­zuerscheinen hatte und die justitiam, nach seinem gewissenn, und besten verstendnus, zu befördern, schuldig war.883 Wurde ain solches von ainem, oder dem andern verächtlich […] gehallten, sollte alß dann der Lehenherr guet fueg, unnd macht haben […] jhne dem Vasallen auff seine Lehen zu clagen, und jhnen derselben rechtlich zu priviren, ihm diese also rechtmäßig zu entziehen.884 Während die fürstliche Seite auf diese Weise gerichtliche Auseinandersetzungen forcierte, um den Adeligen ihre Lehen streitig zu machen, wurde es dem Bischof durch die Verweigerung des Adels, sich dem Gericht zu unterwerfen und in ­diesem als Beisitzer zu wirken, zunehmend erschwert, das Ritterlehengericht adäquat zu besetzen, sodass sich die Zentralisierungsprozesse hinsichtlich der Besetzung noch beschleunigten. Letztlich wurde also durch die Emanzipation des Adels von der Bischofsherrschaft die spätere personelle Einheit von Hof-, Ritterlehenund Kanzleigericht noch begünstigt. Inwiefern den gegenseitigen Vorhaltungen und Rechtfertigungen der Parteien tatsächliche Veränderungen in der Besetzung des Hof- und Ritterlehengerichts zugrunde lagen oder ob diese vor allem auf einem gewandelten Selbstverständnis der Kontrahenten beruhten, kann nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls war bereits seit den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts die – auch vertretungsweise – Leitung des Gerichts durch einen adeligen Rat als Richter in der Praxis etabliert. Auch die Anzahl und der Wechsel von Richtern oder Beisitzern hat in den Jahren nach 1580, als die reichskammergerichtlichen Verfahren in quantitativer Hinsicht anstiegen, ­welche die Besetzung des Ritterlehengerichts zum Gegenstand machten, gegenüber den vorherigen Jahren nicht erkennbar zugenommen. Nur selten kam es von einer zur nächsten Sitzung hinsichtlich der beschriebenen Urteiler zu gravierenden Abweichungen, die mehr als lediglich ein oder zwei Personen umfassten.885 Entsprechendes geht auch aus dem Reichskammergerichtsverfahren z­ wischen Georg und Georg Ernst Fuchs von Bimbach sowie Bischof Julius Echter hervor. Nachdem die fürstliche Partei darauf verwiesen hatte, dass die Urteiler in der Regel für ein Jahr besetzt werden sollten, und die Appellanten dem widersprachen und behaupteten, der Bischof habe zu jedem lehengericht pro arbitrio beschreiben laßen,886 gestand die Gegenseite dies nicht. Gleichwohl lässt der etwas halbherzige 883 So die Klageschrift des bischöflichen Syndikus vor dem Ritterlehengericht gegen Georg und Georg Ernst Fuchs von Bimbach, BayHStA, RKG 3625, Q9, fol. 3r. 884 BayHStA, RKG 3625, Q9, fol. 3r. Der Begriff stammt eigentlich von lat. privare und entspricht „berauben“ oder „befreien“, Georges, Ausführliches lateinisch-­deutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Sp. 3844; vgl. auch Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. 2, Sp. 299 („privierunge“), und Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­ Teutonicum, S. 559 (Privatio). 885 StAW, Admin. 10515, unfol. 886 BayHStA, RKG 3625, Q14, unfol. (3. Artikel).

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Widerspruch, wonach hierin soviell müglich ordnung gehalten werde,887 vermuten, dass sich der Bischof und seine Vertreter sehr wohl bewusst darüber waren, dass es Abweichungen bei den beschriebenen Urteilern von Termin zu Termin gab. Dementsprechend gestand man auch den Vorwurf zu, dass gelegentlich Beisitzer an den Verhandlungen teilnahmen, die zuvorn der sachen iudicialiter niemals beÿgewont hatten.888 Es s­eien vielmehr stets alte und neue Beisitzer geladen worden, denen allerdings frei gestanden habe, in den actis sich zuersehen, unnd nach ihres geleisten pflichten unnd aiden zu urtheiln.889 Dieser Vortrag entspricht der recht geringen, aber stetigen Fluktuation, die sich aus den Protokollextrakten des Gerichts erkennen lässt. Auch das Vorbringen der bischöflichen Partei, wonach das Gericht nach Terminen und nicht nach Verhandlungsgegenstand besetzt wurde, erscheint im Lichte der Protokollauszüge als zutreffende Beschreibung der Gerichtspraxis. Bestenfalls nach 1600, als die Anzahl der verhandelten Verfahren häufig nur noch bei ein oder zwei lag, mochte diese Besetzung jener nach dem Verhandlungsgegenstand gelegentlich gleichgekommen sein. Inwiefern der Hofrichter auf bischöflicher Seite durch die Auswahl der beschriebenen Assessoren im Rahmen der dargestellten – insofern möglicherweise nur scheinbar – marginalen Veränderungen unter den Urteilern von einem Gerichtstermin zum anderen bereits bewusst Einfluss auf den Verfahrensausgang nehmen wollte, lässt sich aus den Protokollen freilich nicht ersehen. Sollte eine derartige Manipulation zugunsten eines bestimmten Verfahrensausgangs tatsächlich erfolgt sein, wäre sie allerdings nicht immer gelungen. Denn zumindest in drei vor dem Reichskammergericht geführten Verfahren trat der Bischof selbst als Kläger im Appellationsverfahren in Erscheinung, nachdem er in hof- und ritterlehengerichtlichen Verfahren aus den Jahren 1580, 1589 und 1593 Niederlagen erfahren hatte.890 Die vor allem am Ritterlehengericht sowie an den Zentgerichten und ferner um deren jeweilige Zuständigkeit am Brückengericht geführten Auseinandersetzungen stellten keine Würzburger Sonderphänomene dar. Auch im Herzogtum Bayern hat gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Justiznutzung 891 durch den Adel sowohl an den landesherrlichen als auch den Reichsgerichten zugenommen.892 Man wird auch diese Verfahren als Ausdruck des ständischen Selbstbewusstseins und als Reaktion auf landesherrliche Territorialisierungsversuche verstehen dürfen.893 Unabhängig 887 BayHStA, RKG 3625, Q15, unfol. 888 BayHStA, RKG 3625, Q14, unfol. (4. Artikel). 889 BayHStA, RKG 3625, Q15, unfol. 890 BayHStA, RKG W1133 (Bestellnr. 629), W1298 (633), W1299 (634). 891 Siehe dazu Anm. 306. 892 Wieland, Adel ­zwischen territorialstaatlicher Integration, S. 56 f. 893 Ebd., S. 57.

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davon, ob darin zugleich eine Abkehr von gewaltsamen Konfliktlösungsstrategien, also in Anlehnung an Winfried Schulze eine Verrechtlichung von sozialem, ­wirtschaftlichem oder politischem Verhalten liegt oder vielmehr gerichtliche Versuche der Konfliktbewältigung neben gewaltsame traten,894 scheint das Verhältnis von Hoch- und Niederadel eine Dynamisierung erfahren zu haben, die sich auch in der Justiznutzung niederschlug. Wie lange das Ritterlehengericht in der genannten Besetzung noch zusammenkam, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise endete seine Tätigkeit entsprechend den protokollarischen Aufzeichnungen bereits im Jahr 1616, wahrscheinlich aber nur kurze Zeit ­später. Denn auch aus der weiteren Überlieferung des Reichskammergerichts wird das Ritterlehengericht als Vorinstanz letztmals 1612 in entsprechender Besetzung erkenntlich.895 Angesichts der abnehmenden Anzahl der gerichtlichen Verfahren zum Ende des ersten Jahrzehnts des 17. Jahrhunderts und vor allem wegen der andauernden Streitigkeiten um die Gerichtszuständigkeit, die in der Ablehnung des Gerichts durch den reichsunmittelbaren Adel begründet lagen, ist eine baldige Überführung der Rechtsprechung in Lehensangelegenheiten in den Rat nicht unwahrscheinlich. Damit verlor das Gericht schließlich seine genossenschaftliche Prägung und wurde endgültig der Territorialgerichtsbarkeit einverleibt.

894 Zur These der Verrechtlichung Schulze, Einführung in die neuere Geschichte, S. 79 – 83. Unbeantwortet lässt dies auch Wieland, Adel ­zwischen territorialstaatlicher Integration, S. 56 f. Xenakis, Daß man täglich die Bauern, S. 201, hat etwa mit Verweis auf ethnologische Erkenntnisse darauf hingewiesen, dass Gewalt keinesfalls eine Vorstufe gerichtlicher Konfliktlösung darstellen muss und gewaltsame und gerichtliche Auseinandersetzungen auch parallel verlaufen können. In den Folgeprozessen vor dem Reichskammergericht zum sog. Bauernkrieg lässt sich hingegen schon im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts eine deutliche Tendenz zur Verrechtlichung ausmachen, die der Intention zur Gründung des Reichsgerichts im Zusammenhang mit dem Ewigen Landfrieden Rechnung trug, Amend-­Traut, Judikative Folgen des Bauernkriegs, S. 259. 895 BayHStA, RKG S1716. Der Kläger wies in ­diesem Verfahren – nach der Verpflichtung zur Streitbefestigung im Jahr 1612 – noch auf die Besetzung mit jungen und unerfahrenen Lehensmännern des Bischofs hin, sodass davon auszugehen ist, dass zu dieser Zeit noch nicht die bischöflichen Räte in Lehensachen richteten. Als Vorinstanz eines reichskammergerichtlichen Verfahrens erscheint das Gericht in der Folgezeit nicht mehr in der Überlieferung des Reichskammergerichts. Lediglich in BayHStA, RKG 1695, Q57, Lit. PP, unfol., und 6246 wird mittelbar eine Gerichtstätigkeit in den Jahren 1625, als es offenbar einen eigenen Ritter-­Lehengerichts Secretarius gibt, bzw. 1624 deutlich, ohne dass ersichtlich würde, wie sich die Besetzung des Gerichts gestaltete. Nach den Vorinstanzenindices der Münchener Inventarbände ist das Ritterlehengericht auch in Verfahren späteren Datums noch gelegentlich angeführt, etwa in BayHStA, RKG 3153, 6052, 6890, 7139. Es handelt sich in allen Fällen um Verzeichnungsfehler.

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4.  (Bürger-)Lehengericht Das Äquivalent zum Hofgericht für Streitigkeiten über diejenigen Lehen, die nicht an Mitglieder der Ritterschaft, sondern an Bürger oder Bauern vergeben wurden, stellte das Lehen- oder Bürgerlehengericht dar, das ebenfalls im Kanzleigebäude gehalten wurde und wie das Kanzleigericht und das Hof- oder Ritterlehengericht durch den Gerichtsschreiber der Kanzlei anzusetzen war.896 Ausweislich der Kanzleiordnung des Jahres 1574 tagte es viermal im Jahr.897 Der Vorsitz des Gerichts wurde vom Lehenher und Landsfurst 898 an einen der weltlichen adeligen Räte vergeben, während belehnte Würzburger Bürger als Beisitzer fungierten.899 Die Appellation führte unmittelbar an das Reichskammergericht.900 In der reichskammergerichtlichen Überlieferung lassen sich nur zwei Verfahren im Untersuchungszeitraum ausmachen, die zweifelsfrei am Bürgerlehengericht ihren Ausgang nahmen und aus den Jahren 1569 und 1582 stammen.901 Aus der kaiserlichen Inhibition und dem Kompulsorialbrief aus dem zeitlich früheren Verfahren ergibt sich, dass der Würzburger Rat und Syndikus Dr. Max Eisenmenger das umstrittene und vor dem Reichskammergericht angegriffene Interlokut ausgesprochen hatte und folglich zu dieser Zeit dem Gericht vorsaß.902 Eine weitere Streitigkeit um ein Würzburger Bürgerlehen, die 1517 an einem nicht näher spezifizierten Würzburger Lehengericht anhängig war, gelangte 1522 an das Reichskammergericht.903 Es handelte sich um ein Verfahren z­ wischen dem Bischof und mehreren Rothenburger Bürgern um die neuerliche Verleihung eines Bürgerlehens nach dem Tod des Lehensmannes, in dem die bischöfliche Seite geltend machte, dass Bürgerlehen nach dem Tod des Lehensmannes heimfielen und daher dem Lehensherrn und nicht den Erben zustanden.904 Der Prozess, in dem ­[d]ie mann […] zu recht erkannten, dass der Bischof den clegern jn dem fall zu leyhen nit schuldig sey,905 wurde bereits größtenteils schriftlich und 896 StAW, Stb. 1011, fol. 277r; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. 897 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. 898 StAW, Stb. 1011, fol. 277v. 899 StAW, Stb. 1011, fol. 277v. 900 StAW, Stb. 1011, fol. 277v, 282r. 901 BayHStA, RKG 2885 (1582), RKG 6704 (1569). BayHStA, RKG 2885 enthält keine Hinweise auf den Fortgang des erstinstanzlichen Verfahrens. Offenbar hatte nach der Appellation an das Reichskammergericht eine gütliche Einigung stattgefunden. 902 BayHStA, RKG 6704, Q2, 4, unfol. Zur Person Eisenmengers, der in Heidelberg studiert hatte, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 294. 903 BayHStA, RKG 8076. 904 BayHStA, RKG 8076, Q8, fol. 28r. 905 BayHStA, RKG 8076, Q8, fol. 31v.

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im ­Positionalverfahren durchgeführt. Die immerhin 32 Blatt starke Gerichtsakte weist den adeligen Rat und zeitweiligen Würzburger Oberschultheißen Peter von Maßbach 906 als sogenannten Lehenrichter und jeweils donnerstägliche Gerichtstage aus. Am Ende der Akte wurden die manne namentlich genannt, so zu disem lehen gericht erfordert, unnd nyder gesetzt worden waren.907 Es handelte sich um einen Doktor der Medizin, der wahrscheinlich auch Mitglied des Stadtrats war, einen der Bürgermeister und zwei weitere Stadträte. Ferner waren acht Würzburger Bürger als Beisitzer und Urteiler anwesend, die nicht dem Rat angehörten. Die geringe Bedeutung dieser Verfahren am Reichskammergericht im Vergleich zu jenen, die vom Ritterlehengericht nach Speyer gelangten, dürfte einerseits an der angesichts der erforderlichen Appellationssumme wertmäßig häufig geringen Bedeutung von Bürgerlehen im Allgemeinen, andererseits aber auch an ihrer geringeren politischen Bedeutung gelegen haben. Denn anders als bei den Konflikten um ritterliche Lehen spielten bei den Bürgerlehen Auseinandersetzungen um die Gerichtsherrschaft regelmäßig keine Rolle. Auch bezüglich ­dieses Gerichts kam es bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts zu einer personellen Verschiebung der Rechtsprechung zur fürstlichen Kanzlei hin. Denn eine zeitgenössische Darstellung, die den Fortbestand des Gerichts im Grundsatz bestätigt, weist aus, dass zu dieser Zeit die Richter und Asserssores Cantzler und hochfürstliche Räthe 908 gewesen ­seien und demnach bürgerliche Urteiler nicht mehr als Assessoren beteiligt waren. 5.  Gericht des Gnadenvertrages Über achtzig Jahre nach Abschluss des Gnadenvertrages 909 des Jahres 1461 kannte Lorenz Fries noch das daraus hervorgegangene und fur des Stiffts Riterschafft gemacht[e]910 Gericht. In Verfahren des Stiftsadels gegen den Bischof oder Geistliche des Stifts, insbesondere das Domkapitel, oder seitens der Genannten gegen den Stiftsadel sollte der rechtliche Austrag vor den bischöflichen Räten gesucht werden, wobei freilich gaistliche felle und sachen ausgenomen 911 sein sollten. In Verfahren unter Beteiligung des Bischofs als Partei war die Entscheidung von den 906 Zu seiner Person vgl. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 168. 907 BayHStA, RKG 8076, Q8, fol. 31v. 908 StAW , Manuskripte 13 (Kriegsverlust), zit. nach Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 250, 252. 909 Siehe dazu schon S. 49 f. 910 StAW, Stb. 1011, fol. 277v. 911 StAW, Stb. 1011, fol. 277v.

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weltlichen Hofräten zu fällen, während in Verfahren, in denen ein oder mehrere Geistliche als Partei beteiligt waren, das Gremium der Beisitzer aus weltlichen und geistlichen Räten zusammengesetzt war.912 Im letztgenannten Fall wurden die Urteilssprecher bei grundsätzlich paritätischer Besetzung je nach weltlichem oder geistlichem Stand des Beklagten durch eine zusätzliche Person aus dem Kreis der weltlichen beziehungsweise geistlichen Räte ergänzt.913 Die Bedeutung des Gerichts in der Rechtspraxis ist unklar. In der Überlieferung des Reichskammergerichts sind entsprechende Prozesse, die im Wege der Appellation mit Sicherheit nach Speyer geführt hätten, nicht ersichtlich. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich vereinzelt entsprechende Verfahren, vor allem unter den zahlreichen erstinstanz­ lichen Hofgerichtsprozessen, auffinden lassen, die bei der Inventarisierung der Gerichtsakten wegen der sachlich und personal großen Nähe zum Kanzleigericht nicht eigens verzeichnet wurden. 6.  Geschworenengericht Ein Gericht mit besonderer sachlicher Zuständigkeit bildete das Geschworenengericht, das bei Streitigkeiten der Würzburger Bürger im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden und Bauwerken die stritigen burgere solcher irer zwaiung und irrung in bewen [sic!], unbauen und uberbauen nach gleichem billickait und der stat herkomen entlich zuentschaiden 914 hatte. Als Schöffen dienten die sogenannten Statgeschworenen, die sich aus vier erliche[n], geschickte[n] und verstendige[n] personen aus Zimerleuten, Stainmitzen und Meurern 915 zusammensetzten, die ihre Urteilsbriefe mit dem Siegel der Stadt zu siegeln hatten. Die Urteiler waren hier als Bürger der Stadt dem gleichen Stand zugehörig wie diejenigen, über die sie zu richten hatten. Sie zeichneten sich aber als Handwerker überdies durch eine besondere Sachkunde bezüglich der vor dem Gericht behandelten Konflikte und vor allem der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen aus. 7.  Montagsgericht Das Montagsgericht hatte seinen Namen augenscheinlich von dem Wochentag, an dem es gehalten wurde. Lorenz Fries wusste mitzuteilen, dass das Gericht vormals 912 StAW, Stb. 1011, fol. 277v. 913 StAW, Stb. 1011, fol. 277v. 914 StAW, Stb. 1011, fol. 278r. 915 StAW, Stb. 1011, fol. 278r.

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an Sonntagen gehalten und dementsprechend Sonntagsgericht genannt worden war.916 Als solches tagte es noch zur Zeit Konrads von Thüngen, nachdem es nach der entporung, dem sogenannten Bauernkrieg, 1527 wieder zugelassen worden war.917 Der sachlichen Zuständigkeit stärker verpflichtet ist eine andere Gerichtsbezeichnung als Feldgeschworenengericht. Das Gericht, dessen fünf vom unteren Rat ernannte Urteilssprecher unter Vorsitz des bischöflichen Hofschultheißen aus dem Kreis der Häcker, also der kleineren Landwirte und Winzer, kamen,918 urteilte in Verfahren wegen Schäden an veldgueteren, gärten, äckeren, wissen, weingarten und dergleichen und konnte neben diesbezüglichen Entscheidungen nach der stat gebrauch und herkomen auch die guetere messen, tailen, verrainen, und verstainen,919 also durch ihre Entscheidung ausmessen, teilen, und durch Brachflächen oder Grünstreifen beziehungsweise Marksteine begrenzen lassen.920 Um Schäden an Feld und Vieh ausfindig zu machen und sich nach den Schädigern zu erkundigen, waren durch den städtischen Rat und den bischöflichen Schultheißen, gemeint ist hier wohl der sogenannte Oberschultheiß, vier Jarhütter auszuwählen, die entsprechende Schäden an den Hofschultheißen zu melden hatten, der dann die Gerichtsschöffen zur Verhandlung einberufen sollte.921 Neben diesen Jahrhütern waren zusätzlich im Herbst für die Erntezeit von den städtischen Viertelmeistern weitere Personen dem Rat und dem Schultheißen anzuzeigen, von denen die tauglichsten dann als Herbsthütter eine entsprechende Funktion einnahmen.922 Außer 916 StAW, Stb. 1011, fol. 278r. Als Sonntags-­Gericht wurde es noch in der Würzburger Stadtordnung des Jahres 1527 bezeichnet, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 834. Im gleichen Jahr erhielt es allerdings eine Ordnung, in der es bereits als Sonntags oder Manntags gericht bezeichnet wurde, aber bereits Montag als Gerichtstag ausgewiesen ist, StAW, ldf 27, S. 315. 917 So die Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 315. Noch für die Regierungszeit Lorenz’ von Bibra ist als sontags schopffen eyde die Eidesformel der Beisitzer belegt, die aus dem Jahr 1512 stammen dürfte, StAW, ldf 19, S. 274. 918 StAW, Stb. 1011, fol. 278v; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 100. Entsprechend auch die Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 315, die aber davon ausgeht, dass die Urteiler nicht vom Rat, sondern bischöflicherseits an dasselbig Ampt verordennt waren und weiterhin werden sollten, was angesichts der großen zeitlichen Nähe zum Bauernkrieg und der damit verbundenen relativ starken Einschränkung bürgerlicher Selbstverwaltungsrechte bischöflicherseits nicht unwahrscheinlich erscheint. 919 StAW, Stb. 1011, fol. 278r. Vgl. zur Tätigkeit der Urteiler auch die Sonntags- oder Montags­ gerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 315, wo die Urteiler als die geschwornen ­Stainsetzer uffm feldt bezeichnet wurden, womit ihre Tätigkeit recht gut beschrieben worden sein dürfte. 920 Vgl. zur Wortbedeutung auch Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 25, Sp. 983, 1713 („verrainen“ bzw. „versteinen“). 921 Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 316, 318. 922 Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 317.

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den Feldschäden und Rügbar sachen[,] die uff dem felde gescheen, sollte kein annder sache fur solch gericht getzogenn werdenn.923 Als Gerichtsort diente der bischöfliche Saal im Kanzleigebäude, in dem auch das Stadtgericht tagte.924 Die getroffenen Entscheidungen waren dem Gerichtsschreiber in der Kanzlei anzuzeigen und von ­diesem in das Gerichtsbuch einzuschreiben.925 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Gericht in städtische Hand unter Vorsitz des jüngeren Bürgermeisters gegeben, nachdem sich der Rat beim Bischof 1558 darüber beschwert hatte, dass der Hofschultheiß nicht nur die Strafgelder, sondern bei Felddiebstahl auch das Diebesgut zulasten der Geschädigten eingezogen hatte.926 Gemäß der bischöflichen Antwort vom 15. November 1559 sollte der Hofschultheiß fortan demjenigen, der bestohlen worden war, zu dem seinen, so vil also entwandt, oder wo dasselbig nit mer vorhanden, in andere wege geburliche kerung, und abtrag zuthun verhelffe[n], während der Unterrathe die Bus, und Straf der Veldscheden halber, bis uf widerrueffen eineme[n] durfte.927 Über eine Appellationsmöglichkeit vom Montagsgericht an andere Würzburger Gerichte berichtete Fries nichts. Wahrscheinlich war aber die Berufung – falls sie überhaupt möglich war – an das Stadtgericht zu richten. Nicht nur die spätere Übergabe des Gerichts unter städtische Aufsicht spricht dafür, sondern auch ein Gerichtsverfahren, das 1527 an das Reichskammergericht gelangte.928 Gegenstand des Appellationsverfahrens war die Klage einiger Würzburger Bürger gegen die verweigerte Abforderung einer Streitigkeit vom Hofgericht Rottweil. Nach dem Vortrag des Klägers am Rottweiler Hofgericht und späteren Appellaten Lenhart Reumann hatten die Sontagsschopffen oder Stainsetzer […] wider jr glubdt unnd eÿdt auß […] neÿdt in Gut und Weingärten des Klägers etliche Marksteine umgestoßen und hatten ihn dann, nachdem er diese nach eigenem Ermessen wieder aufgerichtet und eingesetzt hatte, vor dem Gericht, an dem sie selbst als Urteiler saßen, beklagt und ihn wohl auch gegenüber dem Bischof injuriert.929 Auf eine Supplik an denselben hin wurde der Kläger, welcher Widerruf und 200 Gulden zur Wiederherstellung seiner Ehre verlangte, zunächst an das Sonntagsgericht und nach dessen – wenig überraschender – Untätigkeit in der Angelegenheit von Konrad von Thüngen an das Stadtgericht verwiesen, das allerdings ebenfalls untätig blieb.930 Offenbar sah man 923 Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 318. 924 StAW, Stb. 1011, fol. 278v; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 120. 925 Sonntags- oder Montagsgerichtsordnung 1527, StAW, ldf 27, S. 320. 926 StadtAW, Rp 11, fol. 173v; StAW, ldf 30, S. 101; Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 251; Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 203. 927 StadtAW, Rp 11, fol. 262r. 928 BayHStA, RKG 4278. 929 BayHStA, RKG 4278, Q7, unfol. 930 BayHStA, RKG 4278, Q7, unfol.

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die Streitigkeit von Seiten der fürstlichen Kanzlei, von der der Supplikant s­ päter noch ein zweites Mal an das Stadtgericht verwiesen wurde, als primär städtische Angelegenheit an. Wahrscheinlich war also das Stadtgericht auch sonst die erste Anlaufstelle für Appellationen gegen Urteile des Sonntags- oder Montagsgerichts. 8.  Oberrat Zur Zeit von Lorenz Fries bestand der von ihm sogenannte obere – nota bene – furstliche Rat aus 15 Personen und setzte sich aus vier Domherren, jeweils einem Kapitelsherrn aus den Kapiteln des Neumünsters, des Stifts Haug und Sankt Burkhards, dem hinsichtlich seines Stimmrechts im Rat nicht unumstrittenen 931 Oberschultheißen und schließlich sieben Bürgern zusammen, von denen drei aus dem unteren Rat kamen, die durch einen Häcker, einen Metzler und einen Bäcker sowie einen gemainsman ergänzt wurden.932 Ursprünglich hatte der Rat aus 13 Personen bestanden, bevor spätestens ab 1499 ein Burkharder Kapitelsherr und ein zusätz­licher Bürger, der vom unteren Rat zu wählen war und nicht den genannten Handwerken zugehörig sein durfte, aufgenommen wurden.933 Den Vorsitz im Rat führte der Senior des Domkapitels. Die anderen Domherren wurden vom Kapitel gewählt, erschienen aber auch nach Androhung von Bußgeldern nur selten zu den Sitzungen.934 Die formal bestehende Parität z­ wischen den Geistlichen der Kapitel und der Bürger­ schaft konnte in der Praxis dadurch unterminiert werden, dass das Votum durch 931 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 246. In einer Oberratsordnung des Jahres 1474 war dem bischöflichen Schultheißen nur ein eingeschränktes Stimmrecht zugebilligt worden. Demnach sollte er keine eigene Stimme abgeben, wohl aber bei Stimmengleichheit ein merers […] machen, also das Votum majorisieren können, Hoffmann, Würzburger Polizeisätze, S. 150, Nr. 318 (1474); Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 218; Gramich, Verfassung und Verwaltung; Hoffmann, Handel und Gewerbe, S. 158. 1585 zeigte sich Echter gegenüber dem Domkapitel ettwas befrembdt, daß dero Oberschultheiß im Obernrath, kein votum haben söll, der doch immerhin an seiner statt dem Gremium angehörte, StAW, Dkp 41, 105v; vgl. auch Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 219, insb. Anm. 743. 932 StAW, Stb. 1011, fol. 278v. Als Häcker bezeichnete (und bezeichnet) man in Würzburg vor allem Weinbauern mit kleineren Anbaugebieten, die in der Frühen Neuzeit auch häufig innerhalb der Stadtmauern lagen und gelegentlich nur wenige Quadratmeter umfassten, Sporn, Wirtschaftsgeschichte Würzburgs, S. 413 f.; vgl. auch Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Sp. 106 („Häckersmann“). Der Begriff Metzler stellte eine vornehmlich in Franken vertretene Form von Metzger dar, Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 12, Sp. 2158 („Metzler“). 933 StAW, Stb. 1012, fol. 153r. 934 Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 219, insb. Anm. 745.

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den vorsitzenden Senior majorisiert werden konnte.935 Julius Echter scheint d ­ iesem Verfahren mit Skepsis gegenübergestanden zu haben, denn immerhin ermahnte er den Senior, dass dieser ohne erhebliche Ursachen maiora vota nit endern sollte.936 Der Oberrat sollte die policei und gemainen nutz der stat W[ürzburg] und irer Inwonere 937 sicherstellen und befördern und übte daher insbesondere die Markt- und Gewerbepolicey aus, indem er etwa die Aufsicht über die Würzburger Handwerke führte, Maße, Preise und Löhne festlegte und die Einhaltung der Vorschriften durch die Verhängung von Bußen ebenso zu ermöglichen versuchte wie die Schlichtung von Parteistreitigkeiten in den genannten Bereichen.938 Dementsprechend enthielt das in der Kanzlei um 1560 geführte Oberratsbuch die ordnung und satze aller und ieder gewerbe handwerkere und anderer einwonere zu wirtzburg zuerhaltung und handhabung gutter pollicei gemacht.939 Weniger unumstritten war die sachliche Zuständigkeit des Oberrats in Schmähund Injuriensachen, wie Lorenz Fries lebhaft zu berichten wusste: Umb das Jare des Heren 1542 namen Hanns Helmut und Kilian Morder bede burgere zu W[ürzburg] ainen andern burger daselbst Casparn Soler genant etlicher schmahworthalben an dem obangeregt[en] statgericht mit recht fur. Und wiewol die gemelten heren des Obernraths, die sachen daselbst ab, und fur sich erfordert[en], so baten doch die clägere B[ischof ] Conrat[en] von Bibra, er wolte verschaffen das si am statgericht gelassen wurden. Daruf erkundigt sich B[ischof ] Conrat, wie es in solchen fellen vorhin gehalten und fande das etwavil schmahe sachen an dem genanten Statgericht gerechtvertigt waren worden, ­darumb er den heren des obern raths den beschaid geben liesse, das alle schmah sachen fur den Obern rath gehoren und mit recht daselbst ausgetragen werden solten, es wolte dan der clager das recht lieber am Statgericht suchen, daran er alsdan gelasen werden solte. Diser beschaide gefiele aber den heren heren [sic!] des Obern raths gar nit, sunder baten sie sich bei irem herkomen und freihait[en] zulasen. Unter solchem kamen bede obgemelte parteien der sachen zu entlichem spruch uf B[ischof ] Conrat[en] obgenant, der entschiedet si uf dinstag nach Jubilate des 1544 Jars.940 In dem beginnenden Rechtsstreit wandten sich zwei Würzburger Bürger klageweise an das Stadtgericht und verklagten dort den ebenfalls bürgerlichen Caspar Soler wegen beleidigender Ehrverletzungen, die auch Verbalinjurien genannt wurden. Der Oberrat forderte dann, wahrscheinlich auf Bitte des Beklagten, der sich vor dem Stadtgericht nicht verantworten wollte, das 935 Ebd., S. 219. 936 StAW, Dkp 41, fol. 105r; Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 219, Anm. 749. 937 StAW, Stb. 1011, fol. 278v. 938 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 246; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 238. 939 StAW, Stb. 1011, fol. 32r. 940 StAW, Stb. 1011, fol. 278v f.

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Verfahren ab, weil er seine eigene Zuständigkeit annahm. Das Begehren der Kläger war hingegen darauf gerichtet, den Konflikt vor dem Würzburger Stadtgericht und nicht vor dem Oberrat entscheiden zu lassen. Sie beriefen sich dabei auf ein Würzburger Gewohnheitsrecht, das der Bischof auch anerkannte. Denn obwohl durch die bischöfliche Entscheidung ein grundsätzlicher Vorrang der Zuständigkeit des Oberrats artikuliert wurde, führte sie doch im Wesentlichen zu einem Wahlrecht des Klägers. Unverkennbar ist der rechtsbewahrende Aspekt der Entscheidung des Bischofs, der sich zuvor über die geübte Praxis in seiner Residenzstadt informiert hatte und somit dem auf dem Herkommen beruhenden Rechtsverständnis der Zeitgenossen Rechnung trug. Zu einer endgültigen Klärung der Zuständigkeiten in Injurienverfahren führte die von Fries geschilderte Entscheidung des Bischofs offenbar nicht. Denn nur wenige Jahre s­ päter, im Jahr 1549, stellte der Oberschultheiß im Domkapitel klar, dass Verbalinjurien 941 vor den Oberrat, Realinjurien aber vor das Stadtgericht gehörten. Im Jahr 1558 wiederum weisen die Protokolle des Domkapitels die Feststellung aus, dass die Gerichte durch den Kläger zu seinem willenn und gefallenn angerufen werden konnten.942 Derartige Abgrenzungsprobleme bezüglich der gerichtlichen Zuständigkeit ergaben sich nicht nur ­zwischen Oberrat und Stadtgericht. Denn noch um 1530, also in der Zeit, in welcher der Oberrat in der Folge des sogenannten „Bauernkrieges“ vorübergehend nicht zusammentrat,943 waren die Verfahren der Bürger wegen Verbalinjurien vor dem Stadtgericht oder nach Wahl des Klägers vor dem Landgericht geführt worden.944 Derartige Kompetenzstreitigkeiten waren in einer Zeit, die noch keine festen Zuständigkeitsregelungen kannte, keine Seltenheit. Noch im späten 15. Jahrhundert etwa war der Oberrat in Schuldsachen tätig geworden, die „eigentlich“ dem Stadtgericht zugewiesen waren.945 Verstärkt wurden Zuständigkeitskonflikte zudem dadurch, dass an den verschiedenen Gerichten unterschiedliche Personengruppen als Beisitzer und Urteilssprecher tätig wurden, die von bestimmten Parteien bei der Konfliktbewältigung bevorzugt wurden. Indem sich etwa die Würzburger Bürger im Rahmen der geschilderten Geschehnisse des Jahres 1542 an das Stadtgericht wandten, konnten sie sicherstellen, dass sie von 941 Bereits im Mittelalter wurden Verletzungen des Körpers und der Ehre seitens der Zeitgenossen als eng miteinander verbunden und strafwürdig verstanden, Fuchs, Um die Ehre, S. 37. Unter Einfluss des Römischen Rechts bildete sich dann der in der Frühen Neuzeit übliche Injurienbegriff aus, wobei unter Verbalinjurien schriftliche oder mündliche Ehrverletzungen und unter Realinjurien Körperverletzungen und Ehrverletzungen mittels Gestik verstanden wurden, ebd., S. 46. 942 StAW, Dkp 15, 90v f.; Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 211, Anm. 702. 943 Hierzu sogleich S. 185. 944 BayHStA, RKG 1287, Kanzleigerichtsakte [ohne Q], unfol.; vgl. hierzu schon S. 96 f. 945 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 106.

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ihresgleichen, nämlich den Mitgliedern des unteren Rats und anderen Bürgern, eine Entscheidung erhalten würden, während die Bürger im Oberrat in der Unterzahl waren. Je nach Lagerung der Streitsache konnte daher auch die Auswahl des Gerichts den Verfahrensausgang beeinflussen. Begünstigt wurden derartige Kompetenzstreitigkeiten sicherlich auch durch die Auflösung des Oberrats nach dem sogenannten „Bauernkrieg“ im Jahre 1525 durch Bischof Konrad von Thüngen, der die bürgerliche und städtische Autonomie zugunsten seines eigenen Einflusses und dem seiner Statthalter zurückzudrängen versuchte.946 Eine Wiederaufrichtung des Rates schon unter Konrad von Thüngen scheiterte am Widerstand des Domkapitels, das die neuerliche Errichtung des Rats zwar mehrfach angemahnt hatte,947 aber nicht dazu bereit war, die Bedingungen zu akzeptieren, die der Bischof daran geknüpft hatte. Neben einer Verkleinerung der Zahl der Ratsmitglieder auf neun Personen war eine größere fürstliche Einflussnahme durch den bischöflichen Oberschultheißen vorgesehen, der fortan die Umfrage im Rat führen und das Recht zur abschließenden Stimmabgabe erhalten sollte.948 In der Zeit bis zur Wiedererrichtung des Rates hatte der Bischof selbst über seinen Schultheißen das regiment der pollicey in Händen gehalten.949 Erst nach dem Tod des Bischofs verglichen sich die heren vom Capitel vor der wale mit ainander, das ain kunfftig her den Oberen rath wider ufrichten und aller gestalt wie vor dem Baurenkrieg beschehen, halten lassen solte,950 sodass der Rat, wie in der Wahlkapitulation bestimmt, unter Bischof Konrad von Bibra (1540 – 1544) noch im Wahljahr erneut seine Tätigkeit aufnehmen konnte.951 Wegen der starken Stellung des Domkapitels im Rat war ­dieses stets darum bemüht, dass der Oberrat gehalten wurde. Es verwundert daher kaum, dass auch Julius Echter bereits in der Wahlkapitulation auf die Aufrechterhaltung des Rates verpflichtet wurde,952 nachdem der von Bischof und Stadtrat ohnehin wenig geschätzte Rat nach seiner Wiedererrichtung allmählich an Bedeutung verloren hatte.953 946 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 232; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 239. 947 Merzbacher, Der Würzburger Generalvikar und Domdekan, S. 95 f. 948 Der Schultheiß sollte an des furst[en] stat die umbfrag haben, auch die merer stime schliessen, StAW, Stb. 1011, fol. 279r. 949 StAW, Stb. 1012, fol. 153r; vgl. auch Merzbacher, Der Würzburger Generalvikar und Domdekan, S. 96. 950 StAW, Stb. 1011, fol. 279r. 951 StAW, Stb. 1011, fol. 279r; StAW, Stb. 1012, fol. 153v; vgl. dazu auch Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 246; Merzbacher, Der Würzburger Generalvikar und Domdekan, S. 96; Rublack, Landesherrliche Stadtordnungen, S. 123 – 125, Anm. 2. 952 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 366. 953 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 246.

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9.  Zenten a.  Zentgerichtsbarkeit (1)  Zuständigkeit Auf regionaler Ebene bestanden im fränkischen Raum die wegen ihrer Tätigkeit in peinlichen Sachen auch Hals-, Malefiz- oder Blutgericht genannten Zentgerichte.954 Ihre Zuständigkeiten können kaum generell beschrieben werden, da sie lokal sehr verschieden waren und von unterschiedlichen Faktoren, etwa dem Grad der Ausbildung der Dorfgerichtsbarkeit und den lokalen oder regionalen Herrschaftsverhältnissen abhingen.955 Generell lässt sich cum grano salis sagen, dass es sich bei den Zentgerichten um Schöffengerichte handelte, an denen zu Beginn der Frühen Neuzeit meist ein Gremium aus zwölf bis sechzehn männlichen und vielfach bäuerlichen Mitgliedern aus den in den Gerichtsbezirk fallenden Ortschaften urteilte.956 Dem Forum saß ein Zentgraf vor, der die Verhandlungen leitete und das Urteil aussprach. Lag die alleinige Zentherrschaft bei den Bischöfen von Würzburg, bestimmten sie oder ihre Amtmänner den im 16. Jahrhundert regelmäßig bürgerlichen oder bäuer­ lichen Zentgrafen, der häufig aus den im Zentbezirk liegenden Städten oder Dörfern stammte und dem, jedenfalls für Verfahren der Blut- oder Halsgerichtsbarkeit, seitens des Bischofs der Blutbann 957 verliehen werden musste.958 Hinsichtlich ihrer sachlichen Zuständigkeit wurde in vergangenen Forschungen häufig jene in gravierenderen Kriminalsachen, etwa Mord, Diebstahl und 954 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 136. 955 Die Vielfalt der lokalen Verhältnisse dürfte zu Beginn der Regierungszeit Julius Echters auch Anlass zur Erstellung eines Zentbuchs in den Jahren 1574 bis 1576 gegeben haben, in dem nach Antwort auf einen Katalog von 59 Fragen durch Amtmänner und Zentgrafen versucht wurde, die jeweiligen örtlichen Gewohnheiten zu ergründen und schriftlich zu fixieren, siehe diesbezüglich S. 298. 956 Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 28; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235. Zur Zent Burghaslach entsprechend Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 270 f. 957 Der Blutbann kam dem Bischof aber nicht aus seiner eigenen Machtvollkommenheit zu, sondern musste ihm, wenngleich seit 1168 garantiert, nach Antritt seines Amts als Reichslehen zusammen mit den anderen Regalien verliehen werden, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 74. 958 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 153 f.; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 256; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235. Ohne eine Differenzierung nach Spätmittelalter und Neuzeit geht Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 28, hingegen davon aus, dass die Zentgrafen dem niederen Adel angehört hätten.

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­ randstiftung, aber auch schwerere Körperverletzungen mit blutigen Wunden, in B den Blick genommen.959 Diese bedeutenden Verbrechen wurden als (drei oder vier) hohe Rügen in den Zentordnungen und zahlreichen reichskammergerichtlichen Verfahren angesprochen. Für sie war die Zuständigkeit der Zentgerichte weitgehend unbestritten, wenngleich die als hohe Rügen bezeichneten Delikte in den einzelnen Zenten und sogar den jeweils in ihren Bezirk fallenden Orten sehr unterschiedlich sein konnten.960 Damit war aber die Zuständigkeit der Zenten keineswegs erschöpft, sondern ging je nach der lokalen Ausprägung der Dorfgerichtsbarkeit häufig über die hohen Rügen hinaus und umfasste oftmals auch die Vogteisachen.961 Beispielhaft kann hier die Zent Aschach genannt werden, an der nach den zeitgenössischen Darstellungen in den Zentbüchern des 16. Jahrhunderts [a]lle peinliche und andere sachen und händel, verwundung, schäden, schmach, unrecht, stain, rain und schuld belangend, […] verrecht wurden, soweit die zent raicht, dan in kainem dorf in dieser zent kain dorfgericht war.962 Vereinzelt lassen sich sogar Zentgerichte nachweisen, 959 So etwa Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 27 („seit dem frühen 14. Jahrhundert war im allgemeinen die Zuständigkeit […] auf die mit der Todesstrafe geahndeten […] ‚hohen Rügen‘ […] eingeschränkt“); Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235 („[d]ie Zuständigkeit der Zenten erstreckt sich überall in erster Linie auf Fälle schwerer Kriminalität“). 960 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 212 – 214, 241 f. 961 Ebd., S. 214; Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 590; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 369 f.; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235; demgegenüber meint etwa Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 27, dass die Zuständigkeit der Zenten bereits seit dem 14. Jahrhundert auf die Hohen Rügen beschränkt gewesen sei. Vogtei- oder Vogtgerichte sind vielerorts die Vorläufer der Dorfgerichtsbarkeit. Sie verschwinden in ihrer ursprünglichen Form unter Vorsitz eines Vogtes im Verlauf des 15. Jahrhunderts, führen aber den Namen häufig auch dann fort, wenn der Gerichtsvorsitz bereits durch einen bischöflichen Amtmann oder von ­diesem ausgewählten Schultheißen wahrgenommen wird, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 152. Zum Umfang vogteilicher Herrschaftsrechte Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 237. Neben den gerichtlichen Kompetenzen umfasste die Vogtei auch andere Herrschaftsrechte, darunter insbesondere das Recht, Abgaben und Steuern von den eigenen Hintersassen und Untertanen zu fordern, Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 39; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 149. Da im Hochstiftgebiet die Leibeigenschaft weitgehend unbekannt war, Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 40, bezogen sich diese Rechte weniger auf die jeweilige Person des Untertanen, sondern waren stärker lokal auf dessen Grundbesitz gerichtet, den die insofern halbfreien Bauern auch verkaufen und sich so den mit der Vogtei verbundenen Rechten und Pflichten entziehen konnten, Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 147 – 149. 962 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 109; entsprechend für die Zent E ­ benhausen bereits Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 214 f. Ferner hat Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 153, 158, Burghaslach an der Schwelle zur Frühen Neuzeit als „illimitierte Zent“ ausgewiesen, die „die niedere Gerichtsbarkeit mit ein[schloss]“.

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die gar keine Gerichtsbarkeit in peinlichen Sachen ausübten, sondern sich auf die ­bürgerlichen Verfahren beschränkten. So wurde etwa über die Delinquenten der Zent Retzbach vom Zentgericht Karlstadt gerichtet.963 Häufiger war hingegen, etwa in Albrechtshausen, Gelchsheim, Gemünden, Heidingsfeld, Homburg und Kitzingen, der Fall eines reinen Halsgerichts, das nur bei Bedarf gehalten wurde.964 Dass die Zuständigkeit der Zenten schon von den Zeitgenossen aber auch gerade außerhalb der peinlichen Gerichtsbarkeit gesehen wurde, zeigt beispielhaft die Zentordnung für Aub, wo es heißt, dass nachdem man sonst an dieser zent gar kain ander gericht, dan in peinlichen sachen helt, ist es mehr ein halsgericht, dann ein zent zu nennen.965 Ferner verlangte ein Fragenkatalog, den die Ämter um 1580 erhielten und dessen Beantwortung die Grundlage für die Erstellung der sogenannten ­Salbücher bilden sollte, die sämtliche Rechte und Einkünfte des Hochstifts zu erfassen versuchten, dass die Amtmänner Auskunft über das Zentverfahren in peinlichen und bürgerlichen Sachen gaben.966 Eine pauschale Einordnung der Zentgerichte als Halsgerichte verbietet sich im Lichte der Quellen daher ebenso wie eine umgekehrte Feststellung, wonach die Zentgerichte immer auch außerhalb der hohen Rügen tätig wurden. Stets sind hingegen die lokalen Gegebenheiten zu untersuchen, die sich nicht nur ­zwischen den Zentbezirken, sondern auch nach den in denselben liegenden Ortschaften unterschieden. (2)  Konkurrenz der Obrigkeiten Seit dem Privileg des Jahres 1168 war es das verbriefte Recht der Würzburger Bischöfe, dass ohne die bischöflich-­herzogliche Genehmigung niemand Zenten errichten oder Zentgrafen einsetzen sollte. Für die Ausübung der Blutgerichtsbarkeit war überdies die Verleihung des Blutbanns erforderlich. Beide Rechte konnten aber auseinanderfallen: Waren, etwa in der Zent Burghaslach, Herrschafts- und Gerichtsrechte an andere (nicht-­fürstliche) Herren verliehen, konnten diese zwar den Zentgrafen bestimmen, waren aber gleichwohl auf die Verleihung des Blutbanns durch den Bischof angewiesen.967 Darüber hinaus war der Würzburger Bischof nicht in

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­ ementsprechend belegte er an der Zent ein halsgerichtliches und ein bürgerliches VerD fahren, ebd., S. 327 – 424. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 136. Ebd., Bd. 2, S. 136. Ebd., Bd. 1,1, S. 126. Merz, Herrschaftsverständnis und Herrschaftspraxis, S. 660. Siehe zu den Salbüchern und dem genannten Fragenkatalog ferner Anm. 1062 und 1587. Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 369. Faktisch war für die Ernennung eines Zentgrafen damit ein Konsens z­ wischen dem jeweiligen Zentherrn und dem Bischof

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allen Fällen der Zentherrschaft auch alleiniger Herr der Zent. Wegen der starken herrschaftlichen Zerklüftung des territorium non clausum konnte auch eine andere Obrigkeit als Zentherr in Erscheinung treten, sodass die für die Blutgerichtsbarkeit erforderliche Bannleihe durch beide Herren erfolgen musste.968 Unterstand ein Halsgericht, wie das in Heidingsfeld, direkt dem ­Kaiser, musste die durch den Bischof vorgenommene Bannleihe zusätzlich durch ihn bestätigt werden.969 Selbst wenn der Bischof von Würzburg alleiniger Zentherr war, konnten Zuständigkeitskonflikte zahlreich sein. Das galt insbesondere dann, wenn die regelmäßig in der Dorfgerichtsbarkeit ausgeübte Vogteigerichtsbarkeit einem anderen Herrn oder gar verschiedenen Obrigkeiten zugewiesen war. Ein solches Auseinanderfallen der Gerichtsherrschaft bezüglich der Vogtei- und Zentgerichtsbarkeit war alles andere als eine Seltenheit. Unter den 37 Orten etwa, die zur Zent Karlstadt gehörten, waren nur zwölf unbezweifelbar würzburgisch.970 So vielgestaltig die Herrschaft über die Zenten und ihre sachlichen Zuständigkeiten waren, so häufig erfolgten auch die Auseinandersetzungen um dieselben mit anderen Obrigkeiten um die Besetzung der Gerichte 971 oder die Zentfolge einzelner Ortschaften, die entweder keine Schöffen an die Zent entsandten oder deren Einwohner nicht bereit waren, sich vor dem als unzuständig erachteten Gericht zu verantworten.972 Häufig war also das Verhältnis der lokalen Dorf- und

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erforderlich. Ein solcher Konsens war auch erforderlich, wenn der Zentgraf, wie in seltenen Fällen nachgewiesen, durch die Schöffen selbst gewählt wurde. Der Elekt musste dann den Ganerben, also den gemeinsamen adeligen Dorfherren, die auch Zentherren waren, präsentiert werden, bevor nach deren Zustimmung seitens des Bischofs die Bannleihe erfolgte, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 181. Zum Begriff der Ganerbschaft als in der Regel förmlich geschlossene ritterliche Personenvereinigung nach den Grundsätzen der Gesamthandsgemeinschaft vgl. Ogris, Ganerben, Sp. 1928 f., und ders., Gemeinder­schaft, Sp. 54  f. So etwa in Münnerstadt, vgl. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 76. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 177 f. Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 43. So entstand ­zwischen den Grafen zu Castell und den Würzburger Bischöfen eine reichskammergerichtsnotorische Streitigkeit um die in gemeinsamer Zentherrschaft stehende Zent Remlingen, nachdem das Gericht ein Urteil traf, obwohl der Casteller Zentherr seine Schöffen von der Zent abberufen hatte, BayHStA, RKG 1944. In BayHStA, RKG R0806 (Bestellnr. 11060) und R0807 (11061) wiesen die Herren von Rotenhan darauf hin, dass ihre Untertanen der Zent Ebern nur im Rahmen der vier hohen Rügen Mord, Diebstahl, Notzucht und Mordbrand unterlagen und keine Zentpflichten mit Ausnahme des Schöffendienstes zu erfüllen hatten. Vergleichbare Verfahren führten die Würzburger Bischöfe – um nur wenige Beispiele zu nennen – etwa mit dem Kloster Ebrach hinsichtlich der Zent Iphofen, BayHStA, RKG R0618 (15925), R0618a (15925/I), mit Veit Ulrich von Schaumberg als Dorfgerichtsherr zu Unterschwappach hinsichtlich der Zent Haßfurt, BayHStA, RKG W1241 (14314), mit den Dorfherren zu

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der ­Zentgerichtsbarkeit zueinander streitig. Die Zuständigkeit richtete sich dann nach dem Verfahrensgegenstand, wobei die streitenden Gerichtsherren versuchten, die Kompetenz ihres jeweiligen Gerichts zu begründen, indem sie entweder entsprechende generelle Zuständigkeiten behaupteten oder das konkrete tatsächliche Geschehen als Unterfall einer anerkannten Zuständigkeitsregelung darstellten. Derartige Jurisdiktionsstreitigkeiten betrafen also die Reichweite der Gerichtszuständigkeit als rechtliche Frage ebenso wie die Bewertung der Tatsachen im Einzelfall. Ging es um die grundsätzliche Zuständigkeit des Zentgerichts nach bestimmten sachlichen Kriterien, konnte etwa die Frage Relevanz gewinnen, ob außerhalb der hohen Rügen weitere Verfahren der Gerichtsbarkeit der jeweiligen Zent unterlagen.973 War hingegen die rechtliche Einordnung des konkreten Falls streitig, musste bestimmt werden, ob es sich bei einer Tat um eine bloße Realinjurie oder eine schwerwiegendere, mit Leibes- oder Lebensstrafe zu sanktionierende Kriminalinjurie handelte.974 Auch Verfahren mit geringfügigen Streitwerten konnten so an die Reichsgerichte gelangen und wurden als Jurisdiktionsstreitigkeiten rasch nicht mehr z­ wischen den eigentlichen Kontrahenten, sondern den beteiligten Obrigkeiten geführt.975 Dementsprechend wurde dann, obwohl es sich formal um Appellationsverfahren handelte, der im Hochstift vorgesehene Appellationsweg nicht eingehalten sowie aus bischöflicher Sicht daher nicht gradatim 976 appelliert und deswegen auf die Zuständigkeit des Brückengerichts hingewiesen.977 Die ­Gegenseite konnte

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­ ütschengereuth ­hinsichtlich der Zent Hohenaich, BayHStA, RKG Z0172 (14532), mit T der Gemeinde Ziegen­bach und dem Dorfherren Graf Konrad II. zu Castell hinsichtlich der Zent Iphofen, BayHStA, RKG Z0065 (14458), oder mit Philipp Albrecht Truchseß von Wetzhausen zu Sternberg als Inhaber der vogteilichen Gerichtsbarkeit in Sulzdorf hinsichtlich der Zent Königshofen, BayHStA, RKG T0432 (13141). Etwa BayHStA, RKG 6428, 6858, R0618 (Bestellnr. 15925) und R0618a (15925/I). ­Ferner schon Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 25, 34 – 38, 40 – 43, der entsprechende Konflikte anhand eines reichskammergerichtlichen Verfahrens darstellte, das innerhalb der Zent Wettringen seinen Ausgang genommen hatte. Etwa BayHStA, RKG W1241 (Bestellnr. 14314). Zum Begriff der Realinjurien siehe bereits Anm. 941. Darauf, dass in der Frühen Neuzeit mitunter auch relativ brutale Gewaltformen rechtlich als Realinjurien behandelt wurden, hat etwa Fuchs, Um die Ehre, S. 140, hingewiesen. So hatte etwa das Zentgericht Haßfurt einen Hintersassen der Abtei Ebrach wegen Nichterscheinens vor dem Gericht zu einer Zentbuße von 12 fl. verurteilt, woraufhin dieser zusammen mit dem Ebracher Abt als Interessenten ein Verfahren an das Reichskammergericht anstrengte, BayHStA, RKG 2749. Siehe dazu S. 217. So etwa in BayHStA, RKG 656, 660, 665, 760, 1216, 1225, 1227, 1237, 1691, 1907, 1920, 1937, 2776, 2777, 2778, 2782, 2783, 2790, 3618, 1944, 6428, 6438, 6442, 6464, 6858, R0545 (Bestellnr. 10799), R0618 (15925), R0618a (15925/I), R0768 (11066), R0789 (11047), R0801 (11063), R0806 (11060), R0807 (11061), R0809 (11062), S0007 (11171),

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diese geradezu zwangsläufig nicht anerkennen, denn schließlich griff sie gerade die Zuständigkeit des bischöflichen Zentherrn an, dem sich die Partei dann kaum in der Appellationsinstanz unterwerfen konnte. Gleichwohl erfolgte in seltenen Fällen zunächst noch eine Appellation an das Brückengericht.978 Vereinzelt führte sie sogar zu einer Entscheidung für die auswärtige Obrigkeit und gegen den Bischof.979 Die Jurisdiktionsstreitigkeiten mit anderen Obrigkeiten um die Zentgerichte waren im 16. und frühen 17. Jahrhundert sehr häufig und betrafen immerhin knapp die Hälfte der Würzburger Zenten.980 Augenfällig ist – ähnlich wie am S0654 (4015), S1068 (11840), S1616 (12077), S1617 (12065), S1629 (12042), S1638 (12046), S1640 (12060), S1645 (12062), S1704 (12121), T0018 (12695), T0067 (12684), T0283 (13066), T0333 (12717), W0726 (13944), Z0165 (14528), Z0172 (14532). Freilich war diese Argumentation keine Würzburger Besonderheit, denn auch umgekehrt versuchte der Bischof, Verfahren, die an Zentgerichten benachbarter Obrigkeiten anhängig waren, unter dem Verweis auf das Nichtvorliegen eines Zentfalls an Gerichte innerhalb des Hochstift zu ziehen, während die Gegenseite auf die Zuständigkeit der eigenen Appellations­gerichte verwies, so etwa BayHStA, RKG W1173 (14257), W1197 (14254/I–II) und W1296 (14229) hinsichtlich der (markgräflichen) Zent Kitzingen und des von der Gegenseite erbrachten Verweises auf die Appellationsmöglichkeit an das Landgericht Nürnberg oder das Hofgericht Ansbach. 978 So etwa in einer Auseinandersetzung des Hochstifts mit der Reichsstadt Schweinfurt nach einem Urteil des Zentgerichts Werneck, BayHStA, RKG S0857 (Bestellnr. 11683). Die Appellation von Rat und Bürgermeister der Stadt Schweinfurt gegen das Urteil der Zent im Interesse ihres Untertanen an das Brückengericht blieb erfolglos. 979 StAW, Admin. 19181; BayHStA, RKG W1241 (Bestellnr. 14314), siehe dazu schon S. 142 f. 980 Vor dem Reichskammergericht wurden entsprechende Verfahren unter anderem im Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit der Zenten Bischofsheim, BayHStA, RKG 2705 [am RKG anhängig ab dem Jahr 1595], Bütthard, S1191 (Bestllnr. 12379) [1590], Karlsberg 1225 [1583], 2777 [1580], 2782 [1582], Ebern, 5367 [1590], R0545 (10799) [1612], R0789 (11047) [1588], R0806 (11060) [1615], R0807 (11061) [1616], R0809 (11062) [1619], S1629 (12042) [1583], S1630 (12054) [1583], S1638 (12046) [1594], S1640 (12060) [1599], S1645 (12062) [1608], S1650 (12064) [1616], Eltmann, 604 [1600], 665 [1564], 676 [1570], R0801 (11063) [1605], Estenfeld-­Rimpar, 747 [1598], Fladungen, T0018 (12695) [1591], T0067 (12684) [1585], Geldersheim, 1237 [1597], Gerolzhofen, 2778 [1580], 3639 [1602], 3650 [1615], 3654 [1615], S0187 (11317) [1603], Z0158 (14523) [1573], Haßfurt, 729 [1584], 2789 [1587], Heidenfeld, 2783 [1583], T0283 (13066) [1609], Hilders S1704 (12121) [1534], T0280 (13064) [1600], Hohenaich, 655 [1528], 656 [1531], 660 [1548], 737 [1586], R0790 (11048) [1589], S0654 (4015) [1583], Z0172 (14532) [1587], Iphofen, 1937 [1604], R0618 (15925) [1610], R0618a (15925/I) [1611], Z0065 (14458) [1550], Königshofen, 1216 [1590], T0333 (12717) [1601], T432 (13141) [1617], Markt Bibart, 1691 [1611], S1068 (11840) [1611], Medlitz 760 [1605], R0768 (11066) [1585], Mellrichstadt, 1227 [1588], Oberschwarzach, 2776 [1580], 2786 [1585], 3618 [1587], 3632 [1598], Prosselsheim, 2779 [1581], Rothenfels, V0160 (13335) [1590], Saal, 6858 [1592], Seßlach, 6428 [1615], 6438 [1615], 6442 [1620], S1617 (12065) [1617], Werneck, S0857 (11683) [1584], Wettringen, S0007 (11171) [1609], T428 (13138) [1616], und Wipfeld, 1907 [1555], 1920 [1557], geführt.

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­Ritterlehengericht  981 – die deutliche Zunahme der Zuständigkeitsstreitigkeiten im letzten Quartal des 16. Jahrhunderts.982 Zwar waren auch schon früher Streitigkeiten um die Zuständigkeiten der Zentgerichte vor dem Reichskammergericht ausgetragen worden. Allerdings handelte es sich bei den Kontrahenten der Würzburger Bischöfe insbesondere um die benachbarten brandenburgischen Markgrafen 983 oder die Bischöfe von Bamberg 984 und damit – abgesehen von den schon im 13. Jahrhundert in den Reichsgrafenstand erhobenen Grafen zu Castell 985 – um standesgleiche fürstliche Akteure. Seit dem Jahr der Wahl Julius Echters nahmen nun allerdings Jurisdiktionsstreitigkeiten mit ritterlichen Adeligen, aber auch anderen Obrigkeiten wie der ebenfalls (allerdings vergeblich) nach der Reichsunmittelbarkeit strebenden Zisterzienserabtei Ebrach,986 deutlich zu.987 Mit Sicherheit haben die Verfestigung der Reichsritterschaft und das mit der Reichsunmittelbarkeit verbundene Selbstverständnis der Adeligen für die Emanzipation von der sich verdichtenden Landesherrschaft des Bischofs große Bedeutung gehabt. ­Möglicherweise 981 Siehe dazu S. 169 – 176. 982 Vergleiche hierzu die Aufzählung in Anm. 980. 983 Besonders häufig stritt man sich hierbei um die Reichweite der (im Untersuchungszeitraum) markgräflichen Zent Kitzingen, BayHStA, RKG S0654 (Bestellnr. 4015) [anhängig am RKG im Jahr 1527], W1132 (14277) [1574], W1172 (14216) [1530], W1173 (14257) [1565], W1197 (14254/I–II) [1562], W1296 (14229) [1539]. 984 BayHStA, RKG 655 [anhängig am RKG im Jahr 1528], 656 [1531], 660 [1548], 665 [1564], 676 [1570] und nach Beginn des letzten Quartals des 16. Jahrhunderts ferner BayHStA, RKG 604 [1601], 729 [1584], 737 [1586], 747 [1598], 760 [1605]. 985 BayHStA, RKG 1907 [anhängig am RKG im Jahr 1555], 1920 [1557], Z0165 (Bestellnr. 14458) [1550]. 986 H. Weiss, Die Zisterzienserabtei Ebrach, S. 3. Siehe zu diesen Auseinandersetzungen bereits S. 136, 143 und 150. 987 Besonders häufig wurden vor dem RKG Streitigkeiten mit den Herren von Bibra, B ­ ayHStA, RKG 1216 [anhängig am RKG im Jahr 1590], 1225 [1583], 1227 [1588], 1237 [1597], Fuchs von Bimbach, BayHStA, RKG 3618 [1587], 3632 [1598], 3639 [1602], 3650 [1615], 3654 [1615], und von Rotenhan, BayHStA, RKG R0768 (Bestellnr. 11066) [1585], R0789 (11047) [1588], R0790 (11048) [1589], R0798 (11053) [1600], R0800 (11055) [1605], R0801 (11063) [1605], R0803 (11057) [1608], R0806 (11060) [1615], R0807 (11061) [1615], R0809 (11062) [1618], geführt. Gleich mit mehreren Mitgliedern des Adels gelangte der Bischof in Konflikt, wenn die Zuständigkeit z­ wischen der Zent und einem ganerbschaftlichen Dorfgericht umstritten war, in dem es also mehrere Dorfgerichtsherren gab; siehe zum Begriff bereits Anm. 967. So etwa in zwei Verfahren im Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit in Rödelsee, BayHStA, RKG R0618 (15925) [1610], R0618a (15925/I) [1611], als der Bischof dem Abt von Ebrach, dem Grafen zu Castell und den Herren von Crailsheim und Zollner von der Hallburg im Verfahren vor dem Reichskammergericht gegenüberstand. Vgl. zu letzteren etwa auch BayHStA, RKG Z0158 (14523) [1573] und ferner die bereits in Anm. 972 genannten Auseinandersetzungen mit ritterlichen Adeligen.

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hat aber auch das Bemühen Echters um die Reformation der Zenten dazu gedient, die fürstlichen Herrschaftsansprüche seitens der Zentgerichte auch gegenüber der Dorfgerichtsbarkeit lokaler Obrigkeiten deutlicher zu artikulieren, und so zur Eskalation entsprechender Konflikte beigetragen. Überdies wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine stärkere Zentralisierung der Zentgerichtsbarkeit im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit erkennbar, ­welche die Zentgerichte noch stärker als landesherrliche Gerichte konturierte.988 (3)  Interaktion mit anderen Foren Das Verfahren an den Zentgerichten war stark am Herkommen orientiert und blieb daher vom 15. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, abgesehen von der zunehmenden Schriftlichkeit, in weiten Bereichen unverändert.989 In peinlichen Sachen wurde allerdings häufig bereits im 15. Jahrhundert, in Würzburg wahrscheinlich erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts,990 das Übersiebnen 991 in der Praxis abgeschafft und vor allem durch das rationalere Inquisitionsverfahren ersetzt, das sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch gegenüber dem weiterhin als reguläre Verfahrensform vorgesehenen Akkusationsprozess durchsetzte.992 Mit dem Ausbau ­dieses komplexeren Verfahrens, dessen Verlauf überwiegend schriftlich dokumentiert wurde, trat der Rechtstag unter Beteiligung der Laienschöffen in seiner Bedeutung stärker in den Hintergrund, während der Einfluss der fürstlichen Kanzlei auf das Verfahren durch eigene Untersuchungen und Nachprüfungen erheblich zunahm.993 Von Würzburg aus wurden, wie aus der Kanzleiordnung Julius Echters aus dem Jahre 1574 hervorgeht, die peinlichen 988 Dazu S. 193 f., 196 – 203. 989 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 590; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235. 990 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 460. 991 Mit dem Übersiebnen ist eine strafprozessuale Erscheinung des Mittelalters gemeint, bei der ein Kläger zusammen mit (häufig) sechs Eideshelfern zur Überführung landschädlicher Leute schwören konnte, vgl. Holzhauer, Übersiebnen, Sp. 1166; Kaufmann, Übersiebnen, Sp. 408. 992 Krey, Inquisitionsprozess, Sp. 1246; Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 187; Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 338. 993 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 73. Die Entwertung des endlichen Rechtstags, also der abschließenden Verhandlung mit Urteilsverkündung und Vollstreckung, Schild, Endlicher Rechtstag, Sp. 1324, zu einem formal erforderlichen, aber jedenfalls hinsichtlich der Wahrheitsfindung bloßen Schauprozess, in dem die gewonnenen Erkenntnisse des eigentlich erheblichen Vorverfahrens lediglich wiederholt wurden, ist geradezu ein Wesensmerkmal des weltlichen Inquisitionsverfahrens, dazu etwa Krey, Inquisitionsprozess, Sp. 1245; Ogris, Inquisitionsprozeß, Sp. 380.

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­ erfahren zunehmend dokumentiert und überwacht.994 Insbesondere die rechtliV che Bewertung des jeweiligen Falles wurde von den fürstlichen Räten vorgenommen.995 Dies führte zwangsläufig auch zu einer Entwertung der Zentgerichte in Kriminal­sachen. Ihnen verblieb neben der Eröffnung des Verfahrens vor allem der sogenannte Endliche Rechtstag, an dem unter anderem das im Rahmen der nicht öffentlich geführten Spezialinquisition erlangte Geständnis nochmals öffentlich wiederholt wurde und somit das meist im Anschluss vollstreckte Urteil eine wesentliche Legitimitätsvoraussetzung erhielt.996 Wie schon in der spätmittelalterlichen Urteilsfindung suchte man in bürgerlichen Streitigkeiten, vor allem in schwierigen Fällen oder wenn sich die Zentschöffen nicht einigen konnten, noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts Rat bei anderen, häufig nahe gelegenen Gerichten. Besondere Zentren scheinen sich mit Ausnahme Würzburgs dabei nicht ausgebildet zu haben. So wendeten sich etwa die Zentschöffen der Zentgerichte Arnstein, Ebenhausen, Fladungen und Wildberg an jene der Zentgerichte in Karlstadt, Münnerstadt, Bischofsheim beziehungsweise Neustadt.997 Anscheinend war es überdies unerheblich, ob es sich bei den angerufenen Gerichten ihrerseits um Zentgerichte handelte oder nicht, denn die Schöffen von Aschach und Aura-­Trimberg wendeten sich an den Rat oder das Stadtgericht zu Münnerstadt, jene von Bischofsheim, Dampsdorf-­Donnersdorf und Neustadt an die Räte von Neustadt, Gerolzhofen beziehungsweise Bischofsheim, die dort die Stadtgerichtsbarkeit ausübten.998 Die Zentschöffen aus Karlsberg und Wettringen 994 Siehe dazu S. 298 f. Eine stärkere Beeinflussung des zentgerichtlichen Verfahrens in der Echterzeit hat bereits Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 29, angenommen. 995 So etwa R. Meier, Strafjustiz auf dem Land, S. 146 – 149, bezüglich der Zent Remlingen um 1600. Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 176, 181, 183 f., 186 – 189, 191, 194 f., zeigt für die Echterzeit zahlreiche Interaktionen z­ wischen den lokalen Akteuren und der fürst­ lichen Kanzlei auf, würdigt diese Zentralisierungstendenzen allerdings recht zurückhaltend, ebd., S. 311. Nach Schultheiss, Das Zentgericht Burghaslach, S. 364, 370, erfolgte das Inquisitionsverfahren unter „Regie der Zentherrschaft“ bzw. „unmittelbarer Kontrolle der Zentherren“. 996 Schild, Endlicher Rechtstag, Sp. 1324; Trusen, Strafprozess und Rezeption, S. 83 f. Hingegen sah noch Knapp, Das alte Nürnberger Kriminalverfahren, S. 523, im Endlichen Rechtstag bloß eine „leere Komödie“. Vgl. hierzu ferner Bongartz, Die Rechts- und Gerichtslandschaft, S. 286. Siehe im Übrigen S. 193, 299 und Anm. 993. 997 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 91 (Arnstein), S. 253 (Ebenhausen), S. 385 (Fladungen); Bd. 1,2, S. 1241 f. (Wildberg). 998 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 110 (Aschach), S. 153, 165 f. (Aura-­Trimberg), S. 183 (Bischofsheim), S. 234 f. (Dampsdorf-­Donnersdorf ); Bd. 1,2, S. 929 f. (Neustadt). Noch im 16. Jahrhundert wandten sich wohl auch die Schöffen der Zent Mellrichstadt an den Neustädter Rat, ebd., S. 859.

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hatten noch im 16. Jahrhundert Rat sogar außerhalb der fürstlichen Einflusssphäre beim Rat der Stadt Schweinfurt gesucht, bevor dies wohl in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts aufgegeben wurde.999 Vielerorts sollte Rat nur bei der Obrigkeit eingeholt werden, wobei neben den Amtleuten der Fürst selbst oder seine Räte in der Kanzlei infrage kamen. Dabei scheinen vor allem in unbedeutenderen Sachen die Amtmänner, Vögte oder Keller und ansonsten der Fürst und seine Räte als Adressaten der Schöffenanfrage vorgesehen gewesen zu sein.1000 Kaum überraschend dürfte überdies erscheinen, dass nicht selten auch das Würzburger Brückengericht als oberste Zent, gelegentlich nach einer Anfrage bei dem lokalen Amtmann oder als Alternative neben der Kanzlei, Ort der Ratsuche für die Gerichtsschöffen der Zenten wurde.1001 Auch in Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit wurde Rat von anderen Gerichten eingeholt. Städtische Gerichte, die üblicherweise nicht über den Blutbann verfügten, dürften allerdings kaum Adressaten derartiger Anfragen gewesen sein. Wenig überraschend findet sich bei Knapp nur in der Zent Aura-­Trimberg ein Gericht, das nach dessen Darstellung vermeintlich nur für „peinl[iche] händel“ 1002 zuständig war und dessen Schöffen gleichwohl ein Stadtgericht, nämlich jenes in Münnerstadt um Rat anriefen. Hierbei dürfte es sich um einen Irrtum gehandelt haben, denn jenes Zentgericht war durchaus auch für bürgerliche Sachen 999 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 643 (Karlsberg); Bd. 1,2, S. 1220 (Wettringen). In beiden Fällen ergibt sich aus dem Zentbuch Julius Echters, dass sich die Gerichtsschöffen vormals nach Schweinfurt gewendet hatten, bevor durch ein Mandat Friedrichs von Wirsberg die Wettringer Schöffen aus Kostengründen nach Haßfurt gewiesen wurden. In Karlsberg wiederum sollten die Schöffen an dem sein, wohin sie fürter in irrigen fellen gewiesen würden, ebd., S. 643. 1000 Ausschließlich der Amtmann wird für die Zenten Aub und Königsberg erwähnt, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 128 bzw. Bd. 1,2 S. 723. Überdies war eine Anfrage bei Fürst, Kanzlei oder Räten entweder generell, nur für wichtige Sachen oder wenn durch den lokalen Stellvertreter der fürstlichen Obrigkeit keine Abhilfe geschaffen wurde in Markt Bibart, Eltmann, Gerolzhofen, Grünsfeld (allerdings im späten 17. Jahrhundert), Haßfurt, Heidenfeld, Kitzingen (ebenfalls im späten 17. Jahrhundert), Medlitz, wo allerdings bis dato ein solches nie nicht geschehen, Oberschwarzach, Retzbach, Seßlach und Wipfeld üblich oder zumindest möglich, ebd., S. 171, 337, 453 f., 474, 514, 536, 703; Bd. 1,2, S. 845, 941 f., 1025, 1109 f. bzw. 1258. 1001 So ausweislich der Zentordnungen bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 305 (Eichelberg), S. 374 f. (Estenfeld-­Rimpar), S. 419 (Geldersheim – in geringen Sachen vor dem Amtmann in Werneck), S. 550 (Hellmitzheim – jedenfalls um 1510), S. 677 (Karlstadt), Bd. 1,2, S. 1009 f. (Remlingen), S. 1025 (Retzbach – in geringen Sachen vor dem Amtmann, ansonsten am Stadtgericht (wobei hier auch jenes in Karlstadt gemeint sein könnte) oder in der Kanzlei), S. 1062 f. (Rothenfels), S. 1079 (Schlüsselfeld), S. 1161 (Ullstadt), S. 1175 f. (Volkach), S. 1205 f. (Werneck). 1002 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 136.

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z­ uständig.1003 Die verschiedenen Zentordnungen erwähnen nur selten ausdrücklich die Einholung eines Rates von anderen Gerichten in peinlichen Verfahren. Lediglich die Zentordnungen für Schlüsselfeld, Ullstadt und Volkach sahen im 16. Jahrhundert ausdrücklich auch das Ansuchen um Rat in peinlichen oder stattgerichtssachen, schwebenden peinlichen und zentbarn beziehungsweise peinlichen sachen vor, das in allen Fällen an das Würzburger Brückengericht zu richten war.1004 Die Zentordnung für Hartheim, die allerdings aus dem Jahr 1663 stammt, weist entsprechende Anfragen hingegen der Kanzlei zu.1005 Wenig überraschend suchten die Gerichtsschöffen demnach im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit nur Rat bei Gerichten, die ebenfalls über den Blutbann verfügten und in entsprechenden Verfahren richteten. b.  Appellation gegen Urteile der Zentgerichte Schon zum Brückengericht ist ausgeführt worden, dass ­dieses als oberste Zent für Appellationsverfahren gegen zentgerichtliche Urteile zuständig war.1006 Unklar scheint allerdings erstens zu sein, ob es sich dabei bereits um mehrstufige Verfahren an verschiedenen Instanzgerichten handelte oder lediglich um Fälle der Rechtsverweigerung oder Verletzung der fürstlichen Zentzuständigkeit. Alternativ könnten derartige Appellationen im Wortsinne als Anrufung des eigentlichen Gerichtsherrn oder eines anderen Gerichts verstanden werden, die im Rahmen eines laufenden Verfahrens, also vor einem Urteil an dem jeweiligen Zentgericht im Sinne einer Urteilsschelte erfolgten.1007 Ferner bleibt zweitens zu klären, ob eine Appellation in Strafsachen überhaupt vorgesehen war. Den an sich verdienstvollen Versuch, beide Fragen einer Klärung zuzuführen, hat zuletzt Szidzek unternommen und kam dabei auf Grundlage der Untersuchung mehrerer Zentordnungen insbesondere der zweiten Hälfte des 16. ­Jahrhunderts 1003 Die dargestellten Zentordnungen aus dem 16. Jahrhundert legen diesen Befund nahe, indem sie hinsichtlich des Ausbleibens der Schöffen bei Gericht unterschiedliche Regelungen für die peinliche[n] zentgericht[e] und Verfahren in burgerlichen zenten oder sachen unterschieden, Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 151, und ferner die Appellation nur außerhalb der peinlichkeit zuließen, ebd. S. 153. 1004 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1079, 1161, 1175 f. 1005 Ebd., Bd. 1,1, S. 491. 1006 Siehe dazu bereits S. 130 – 132. 1007 Dieses Spannungsfeld hat bereits Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224, aufgezeigt. Generell diesbezüglich auch Weitzel, Appellation, Sp. 268. Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 96 – 102, meinte, auf dürftiger Quellen- und Literaturgrundlage, ­dieses Spannungsfeld aufgelöst zu haben.

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und einer „Aktenstichprobe“ zu folgenden Ergebnissen: Die Zuständigkeit der Zenten habe in erster Linie Fälle schwerer Kriminalität umfasst, die nach den Zentordnungen auch der Appellation zugänglich waren, wenn dies nicht in Ausnahmen ausdrücklich untersagt gewesen sei.1008 Anders als auf Reichsebene könne allerdings in dörflich geprägten Gebieten wie Franken nicht von „einem gelehrten Rechtmittelverständnis mit einheitlicher Terminologie“ ausgegangen werden.1009 Mit der in den Zentordnungen erwähnten Appellation sei demnach „generell die Anrufung des Brückengerichtes in den denkbaren Fällen […] und nicht etwa das römisch-­rechtliche Institut Appellation“ gemeint gewesen.1010 Bei der Aktenstichprobe ließen sich allerdings keine Appellationsverfahren ausfindig machen, sodass „es trotz der vorhandenen normativen Zulässigkeit einer echten Appellation gleichwohl eine ­solche in Strafsachen nicht gegeben“ habe.1011 Unter zutreffender Würdigung der untersuchten Quellen können diese Befunde nicht bestätigt werden. Immerhin für 43 Zenten lassen sich nach den bei Knapp dargestellten Zentordnungen ausdrückliche Hinweise auf eine zuständige Appellationsinstanz finden.1012 Nur in sieben dieser Ordnungen findet sich zudem nicht auch eine explizite Trennung z­ wischen Ratsuchen und Appellation,1013 wobei durchgängig die Ratsuche als Verfahren vor dem eigentlichen Urteilsspruch, die Appellation hingegen als ein Ansuchen einer höheren Instanz nach dem Urteil des Zentgerichts verstanden wurde. Beispielhaft kann hier die den Zentbüchern

1008 1009 1010 1011 1012

Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 97 f. Ebd., S. 99. Ebd., S. 99. Ebd., S. 99 f., 102. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 91 (Arnstein), S. 110 (Aschach), S. 128 (Aub), S. 153, 165 f. (Aura-­Trimberg), S. 171 (Markt Bibart), S. 183 (Bischofsheim), S. 234 f. (Dampsdorf-­Donnersdorf ), S. 253 (Ebenhausen), S. 305 (Eichelberg), S. 337 ­(Eltmann), S.  374 f. (Estenfeld-­Rimpar), S.  385 (Fladungen), S.  419 (Geldersheim), S.  453 f. ­(Gerolzhofen), S. 474 (Grünsfeld), S. 491 (Hartheim), S. 514 (Haßfurt), S. 526 (Haßlach), S. 536 (Heidenfeld), S. 560 (Hilders), S. 581 f. (Hohenaich), S. 643 (Karlsberg), S. 677 (Karlstadt), S. 703 (Kitzingen); Bd. 1,2, S. 723 f. (Königsberg), S. 752 (Königshofen), S. 810 f. (Maßbach), S. 890 f. (Mittelsinn), S. 929 f. (Neustadt), S. 941 f. (Oberschwarzach), S. 989 (Prosselsheim), S. 1009 f. (Remlingen), S. 1025 (Retzbach), S. 1062 f. (Rothenfels), S. 1079 (Schlüsselfeld), S. 1109 f., (Seßlach), S. 1122 ­(Stadtschwarzach), S. 1161 (Ullstadt), S. 1175 f. (Volkach), S. 1205 f. (Werneck), S. 1220 (Wettringen), S. 1241 f. (Wildberg), S. 1258 (Wipfeld). Vgl. auch Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 97, Anm. 379, der allerdings ohne weitere Erläuterung eine umfassende, aber unvollständige Aufzählung vornimmt. 1013 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 526 (Haßlach), S. 560 (Hilders), S. 581 f. (Hohenaich); Bd. 1,2, S. 752 (Königshofen), S. 810 f. (Maßbach), S. 989 (Prosselsheim), S. 1122 (Stadtschwarzach).

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Die Kanzlei in der Gerichtslandschaft des Hochstifts

der Jahre 1532 und 1575 entnommene Passage zur Zent Aschach genannt werden, wo es heißt, dass die Schöffen, wo sie in gebung der urtheil zweifelich worden, […] mit uberschickung des gerichtshandels von burgermeister und rath zu Munerstatt rath und underweisung erbaten, die ihnen auch gewährt wurde.1014 Demgegenüber heißt es dort zur Appellation, dass man sich an das Brückengericht in Würzburg zu wenden habe, [w]a aber iemand der urtheil halben an dem zentgericht zu Aschach ergangen sich beschwert zu sein vermainet und derwegen appellirn will.1015 Ebenso deutlich ist das Zentbuch des Lorenz Fries aus dem Jahre 1532, das zu den Mängeln und Gebrechen an der Zent Aura-­Trimberg ausführte, dass man dort Rat am Stadtgericht Münnerstadt gesucht habe und sich ferner die unterlegenen Parteien häufig an dasselbe zur Appellation gewendet hatten. Da aber solchs h­ ievor nie gebraucht, auch ungleich und nit recht, das man in ainer sachen erster i­nstanz […] rath suchen […] und eben in derselben sachen anderer instanz vor gemelten schopfen stehn solte, wurde dem Zentgrafen befohlen, dass die Appellation nicht mehr nach Münnerstadt zugelassen werden dürfe, sondern gein Wirtzburg an die ­brucken zu weisen sei.1016 Die Appellation wurde von den Zeitgenossen also eindeutig im Sinne eines Instanzenzuges nach ergangenem Urteil verstanden, sodass kein Raum bleiben kann, „Zweifel anzumelden, ob mit solchen ‚Appellationen‘ echte Berufungsverfahren oder weiterhin nur Klagen wegen Rechtsverweigerung oder Verletzung der fürstbischöflichen Zenthoheit an anderen Orten gemeint waren.“ 1017 Das gilt umso mehr, als in mehreren der Ordnungen nicht nur die im Hochstift übliche Appellationssumme von zehn Gulden, sondern auch eine Interpositionsfrist von zehn Tagen festgeschrieben wurde.1018 Auch der Einwand, dass man wegen der dörfischen Struktur Frankens nicht davon ausgehen könne, dass das gelehrte Recht bereits in allen Zenten rezipiert worden sei,1019 geht ins Leere, wenn damit ausgesagt werden soll, dass die Zentordnungen des 16. Jahrhunderts den Appellationsbegriff unspezifisch verwendet hätten. Denn diese Ordnungen sind ebenso wie die gefertigten Zentbücher von 1532 und 1575 als obrigkeitliche Maßnahmen 1014 1015 1016 1017

Ebd., Bd. 1,1, S. 110. Ebd., Bd. 1,1, S. 110. Ebd., Bd. 1,1, S. 165. So aber unter Berufung auf Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 224, trotz Rezeption der angeführten Zentordnungen Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 98. 1018 Eine entsprechende Fristenregelung findet sich in den dargestellten Ordnungen bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 374 f. (Estenfeld-­Rimpar), S: 474 (Grünsfeld); Bd. 1,2, S. 723 f. (Königsberg), S. 752 (Königshofen), S.890 f. (Mittelsinn), die Appellationssumme ebd., Bd. 1,1, S. 374 f. (Estenfeld-­Rimpar), S. 385 (Fladungen); Bd. 1,2, S. 723 f. (Königsberg) (allerdings mit 50 fl.) und S. 1175 f. (Volkach). 1019 So Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 99.

Weltliche Gerichte im Hochstift

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am Fürstensitz entstanden, wo die Appellation als Verfahren im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit schon längst etabliert war. Kann es somit als erwiesen gelten, dass es im 16. Jahrhundert Appellationen von den Zentgerichten an höhere Instanzgerichte gegeben hat, ist damit noch nichts darüber ausgesagt, an ­welche Gerichte und in ­welchen Angelegenheiten diese erfolgten. Es wurde bereits dargelegt, dass das Würzburger Brückengericht nicht nur aus der Perspektive des Lorenz Fries, sondern auch nach den zahlreichen Zuständigkeitszuschreibungen der Würzburger Bischöfe und ihrer Parteivertreter im Rahmen von reichskammergerichtlichen Verfahren um die Zuständigkeit der Würzburger Zenten als oberste Zent für Appellationen von den Zentgerichten zuständig sein sollte. Unter Zugrundelegung der 43 von Knapp ausgewiesenen Zentordnungen, die Regelungen zur Appellation enthalten, zeigt sich ein etwas disparateres Bild. Nur in 15 der dargestellten Ordnungen war ausschließlich das Würzburger Brücken- oder Stadtgericht als Appellationsinstanz ausgewiesen,1020 in weiteren neun dasselbe alternativ neben dem Fürsten, seinen Räten oder dem Kanzleigericht,1021 womit in der Praxis stets eine Befassung der fürstlichen Räte mit der Angelegenheit verbunden gewesen sein dürfte. In vier der Ordnungen waren nur die Letztgenannten aufgeführt,1022 in sechs weiteren war eine Annahme durch die Kanzlei oder die Verweisung durch dieselbe an ein anderes Gericht vorgesehen, ohne dass d ­ ieses Forum durch die Ordnung näher bestimmt worden wäre.1023 Freilich konnte damit auch eine Verweisung an das Brückengericht gemeint gewesen sein, denn etwa die Ordnung für die Zent Hilders sah vor, dass die Appellation gegen Urteile des Zentgerichts an die furstliche canzlei zu richten war, die dann der 1020 Bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 110 (Aschach), S. 153, 165 f. (Aura-­Trimberg), S. 337 (Eltmann), S. 374 f. (Estenfeld-­Rimpar), S. 419 (Geldersheim), S. 474 (Grünsfeld), S. 526 (Haßlach), S. 536 (Heidenfeld); Bd. 1,2, S. 752 (Königshofen), S. 989 (Prosselsheim), S. 1009 f. (Remlingen), S. 1062 f. (Rothenfels), S. 1122 (Stadtschwarzach), S. 1161 (Ullstadt) und S. 1205 f. (Werneck). Unklar ist, ob dies auch für Retzbach, ebd., S. 1025, gilt. Mit dem als zuständig ausgewiesenen stattgericht als Appellationsgericht könnte nämlich auch das Stadtgericht Karlstadt gemeint gewesen sein, da auch die peinliche Gerichtsbarkeit im Zentbezirk Retzbach von der Zent Karlstadt ausgeübt wurde. 1021 So die Zentordnungen bei Knapp, ebd., Bd. 1,1, S. 91, Anm. 2 (Arnstein), S. 234 f. (Dampsdorf-­Donnersdorf ), S.  253 (Ebenhausen), S.  305 (Eichelberg), S.  453 f. ­(Gerolzhofen), S. 581 f. (Hohenaich); Bd. 1,2, S. 1205 f. (Werneck), S. 1241 f. ­(Wildberg), S. 1258 (Wipfeld). In der Zent Gerolzhofen hatte man offenbar noch 1575 an die Kanzlei appelliert. Fortan sollte sich die Appellation lediglich an das Brückengericht als das höchst zentgericht im stift richten, ebd., Bd. 1,1, S. 454. 1022 Ebd., Bd. 1,1, S. 491 (Hartheim), S. 703 (Kitzingen); Bd. 1,2, S. 1109 f. (Seßlach), S. 1220 (Wettringen). 1023 Ebd., Bd. 1,1, S. 183 (Bischofsheim), S. 385 (Fladungen), S. 514 (Haßfurt), S. 643 (Karlsberg); Bd. 1,2, S. 941 f. (Oberschwarzach).

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orts […] angenommen oder ans bruckengericht gewiesen werden sollte.1024 Bemerkenswert ist ferner die Regelung für das Halsgericht Volkach, in dessen Gerichtsordnung, nach der Anordnung der Ratsuche am Brückengericht in peinlichen Sachen, festgelegt wurde, dass auch ebenermaßen in solchen und dergleichen malefizsachen in denen fellen, do man die appellation zuzulassen schuldig war, an das Brückengericht, ansonsten aber von den urtheiln, so am stattgericht außerhalb der malefizsachen ausgesprochen wurden, an die Kanzlei zu appellieren hatte.1025 In Volkach war das Zentgericht eigentlich ein reines Halsgericht. Hinsichtlich der Urteiler war ­dieses Gericht mit seinen zwölf Schöffen aus den Mitgliedern des Stadtrats allerdings personenidentisch mit dem Stadtgericht, weswegen sich auch an anderer Stelle der Ordnung Hinweise zur Tätigkeit desselben finden lassen.1026 Möglicherweise wurde in der Gerichtspraxis eine vergleichbare Unterscheidung der Appellationszüge nach dem jeweiligen Verfahrensgegenstand auch für Berufungen von anderen Zentgerichten vorgenommen, in denen Kanzlei- und Brückengericht nebeneinander in den Ordnungen genannt wurden. Es hätte sich dann eine entsprechende Differenzierung in der Gerichtspraxis lediglich nicht normativ niedergeschlagen. Jedenfalls richteten alle Gerichte, für die mehrere Foren als Appellationsinstanzen angegeben waren, auch außerhalb der peinlichen Gerichtsbarkeit.1027 Der ganz überwiegende Teil der Appellationen von den Zentgerichten im Hochstift war also entweder an das Brückengericht oder das Kanzleigericht zu richten.1028 Nur in wenigen Ausnahmefällen sollte entweder eine Prüfung durch den Amtmann vorgeschaltet werden oder die Appellation an ein anderes Gericht erfolgen, das in den Ordnungen dann häufig nur neben Kanzlei- und Brückengericht genannt wird.1029 1024 Ebd., Bd. 1,1, S. 560. 1025 Ebd., Bd. 1,2, S. 1175 f. 1026 Zur Besetzung des Gerichts und den unterschiedlichen Zuständigkeiten von Stadt- und Halsgericht vgl. die entsprechende Ordnung ebd., Bd. 1,2, S. 1172 f. 1027 Vgl. dazu die jeweilige Zusammenfassung bei Knapp, ebd., Bd. 1,1, S. 75 (Arnstein), S. 213. (Dampsdorf-­Donnersdorf ), S. 244 (Ebenhausen), S. 300 (Eichelberg), S. 430 (Gerolzhofen), S. 568 (Hohenaich); Bd. 1,2, S. 1180 (Werneck), S. 1248 (Wipfeld), der lediglich bei der Zent Wildberg von einer Zuständigkeit „für alle strafbaren sachen“, ebd., S. 1227, ausging. Ausweislich der Ordnungen ging die Zuständigkeit der Zent jedenfalls hinsichtlich einiger Dörfer über Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit hinaus, vgl. etwa ebd., S. 1229, 1234 f., 1239, 1241. 1028 Ein Bericht über die Kanzleigerichtsregistratur aus dem Jahr 1597 geht daher ganz selbstverständlich davon aus, dass man an die Kanzlei gegen Urteile des Landgerichts sowie der Stadt- und Zentgerichte appellieren konnte, StAW, Admin. 10515, unfol. 1029 Derartige Ausnahmen finden sich in den Zentordnungen bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 91, Anm. 2 (Arnstein – Landgericht neben Kanzlei- und Brücken­gericht), S. 171 (Markt Bibart – Stadtgericht Iphofen in bürgerlichen Sachen); Bd. 1,2, S. 930 (Neustadt – Amtmann, der ggf. an Kanzlei- oder Brückengericht zu verweisen hatte),

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In aller Regel scheinen aber die Appellationen gegen zentgerichtliche Urteile in der Praxis, den Aufzeichnungen in der „Hohen Registratur“ entsprechend,1030 am Brückengericht eingelegt worden zu sein.1031 Schließlich muss noch entschieden werden, in ­welchen Verfahren überhaupt Appellationen an das Brückengericht und die Kanzlei möglich waren. Diesbezüglich mag die ausgewiesene Ordnung des Halsgerichts Volkach den Verdacht erhärten, dass auch in peinlichen Verfahren die Appellation an das Brücken- oder Kanzleigericht in Würzburg möglich war, sofern geklärt werden kann, w ­ elche diejenigen Malefizfälle waren, do man die appellation zuzulassen schuldig 1032 war. Szidzek hat in seiner Darstellung unter Verweis auf die Zentordnungen für Schlüsselfeld und Hartheim ein Regel-­Ausnahme-­Verhältnis zugunsten einer allgemeinen Zulässigkeit der Appellation auch im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit konstruiert und diesbezüglich mangels entsprechender Quellenbefunde von einer „normativen Zulässigkeit“ gesprochen.1033 Die zugrunde gelegten Ordnungen dürften allerdings ihrerseits Ausnahmen darstellen. Während ein Großteil der bei Knapp dargestellten normativen Quellen aus den Jahren bis 1575 stammt, ist jene für ­Schlüsselfeld nicht genau zu datieren und wohl um 1600, jene für Hartheim sogar erst 1663 entstanden.1034 Abgesehen von der Zentordnung für Volkach werden darüber hinaus nur in jenen für Aub und Aura-­Trimberg Appellationsverfahren im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit erwähnt und in beiden Fällen

1030 1031

1032 1033 1034

S. 1080 (Schlüsselfeld – an des Fürsten weltliche räte oder an das hof oder landgericht; angesichts des Entstehungszeitraums der Ordnung um 1600 dürfte mit dem Hofgericht hier ebenfalls die Kanzlei gemeint sein) und S. 1258 (Wipfeld – Landgericht neben Kanzlei- und Stadtgericht). Besonderheiten im Zusammenhang mit der geteilten oder auswärtigen Gerichtsherrschaft ergeben sich ferner hinsichtlich der Zenten Königsberg, Maßbach und Mittelsinn. Siehe diesbezüglich bereits S. 130 – 132. So etwa BayHStA, RKG 2705, 2749, 2779, 3600, 4788, 6392, S0857 (Bestellnr. 11683), W1241 (14314) und Z0094 (14483). Ausnahmen scheinen in der Überlieferung des RKG für die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg lediglich BayHStA, RKG 8389 bzw. 7254 als Appellationen an das Land- (!) oder Kanzleigericht darzustellen, die an den Würzburger Gerichten in den Jahren 1494 bzw. 1531 geführt wurden. Im letztgenannten Verfahren hat die Appellation möglicherweise nur deshalb an die Kanzlei geführt, weil bereits im Ausgangsverfahren an der Zent die Schöffen Rat am Brückengericht in Würzburg eingeholt hatten. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1175. Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 98, 102. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 485 (Hartheim); Bd. 1,2, S. 1072 (Schlüsselfeld). Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 98, geht für die Zent Hartheim irrtümlich von der Ordnung des Jahres 1614 aus, die ebenfalls bei Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 482, zu finden ist.

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ausdrücklich ­abgelehnt.1035 Geradezu von einer Selbstverständlichkeit scheint die Ordnung von Aub auszugehen, in der es heißt: aber dieweil allein in peinlichen sachen an dieser zent geurthailt wurd, last man da kain appellation zu.1036 Dieser Befund ließe sich auch ohne Weiteres mit der Darstellung in der Hohen Registratur zum Brücken­gericht in Einklang bringen, wonach ­dieses für Appellationen in zentbarlichen sachen die burgerlich furgenomen 1037 wurden, zuständig sein sollte. An anderer Stelle heißt es dementsprechend, dass jemand, der von den urtailen vor den gemelten zent und halsgerichten burgerlich ergangen, sich beschweren und beruffen wolte, dies vor dem Brückengericht tun sollte.1038 Ebenso verwiesen in einem vor das Reichskammergericht gelangten Verfahren der Appellant und der mitklagende Zentgraf darauf, dass es sich streitgegenständlich um eine criminalis iniuria gehandelt habe und daher eine Appellation an das Brückengericht nicht statthaft gewesen sei.1039 Für die generelle Unzulässigkeit der Appellation in Strafsachen spricht auch das augenfällige Missverhältnis z­ wischen den Zuständigkeitszuschreibungen für die jeweiligen Zentgerichte in den einzelnen Ordnungen einerseits und der Erwähnung der Apellation in der jeweiligen Zentordnung andererseits. Denn nur vier der 43 Zentgerichte, deren Ordnungen die Appellation überhaupt ausweisen, wurden von Knapp als rein für die peinliche Gerichtsbarkeit zuständige Gerichte charakterisiert und sehen bei näherer Betrachtung in keinem Fall eine Appellation in peinlichen Sachen vor.1040 Von den 21 Zenten, deren Ordnungen 1035 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 128 (Aub) und S. 153 (Aura-­Trimberg), wo es heißt: wa iemand sich durch urtheil (außerhalb der peinlichkeit) an disem gericht beschwert findet, der mag davon an das landrecht, das ist das bruckengericht gen Wirtzburg, appellirn. 1036 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 128. 1037 StAW, Stb. 1011, fol. 276r. 1038 StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 1039 BayHStA, RKG W1241 (Bestellnr. 14314). 1040 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 124 (Aub), S. 136 (Aura-­Trimberg); Bd. 1,2, S. 1071 (Schlüsselfeld), S. 1170 (Volkach). Komplexer ist die Lage in Maßbach, ebd., Bd. 1,2, S. 798, das überwiegend ein Halsgericht gewesen sein dürfte, das von den Schöffen der Dorf- und Vogteigerichte Maßbach und Poppenlauer aber auch in civil oder bürgerlichen sachen zu Rate gezogen wurde und überdies über Appellationen von diesen Gerichten entschied. Von den vier genannten Gerichten waren, wie gezeigt wurde, Appellationen von Urteilen der Zentgerichte Aub und Aura-­Trimberg ausgeschlossen, während sie hinsichtlich der Zent Volkach wahrscheinlich nicht für das Hals-, sondern das personenidentische Stadtgericht vorgesehen waren. Gleiches könnte auch für Schlüsselfeld gelten, wo das Zentgericht trotz seiner Zuständigkeit für die umliegenden Dörfer ebenfalls aus 12 Ratsherren bestand, die als Stadtgerichtsschöffen daher nicht nur in peinlichen, sondern ausdrücklich auch in bürgerlichen Sachen richteten, ebd., Bd. 1,2, S. 1075, 1077. Der Wortlaut geht hier allerdings recht unzweideutig von einer Appellationsmöglichkeit im

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keine Hinweise auf die Appellation enthalten, befinden sich hingegen immerhin zehn Zentgerichte, die nur im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit tätig wurden.1041 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in diesen Fällen deshalb seitens der fürstlichen Obrigkeit auf einen Hinweis auf die Appellation verzichtet wurde, weil diese in peinlichen Verfahren gerade nicht stattfand. Dieser Befund ließe sich dann auch mit den Erkenntnissen aus der „Aktenstichprobe“ Szidzeks harmonisieren, die – bei aller methodischen Angreifbarkeit – keine Appellationsverfahren zutage förderte.1042 10.  Amtmänner Auch die für die Hochstiftsverwaltung erforderlichen Ämter 1043 waren für die Gerichtsbarkeit im Hochstift Würzburg von größerer Bedeutung. Die Amtmänner dieser im ausgehenden Mittelalter 471044 und s­päter bis zum Ende des Alten Reichs 541045 Ämter, die in aller Regel ritterlicher Herkunft waren,1046 übten häufig schon im Spätmittelalter die Niedergerichtsbarkeit aus oder führten die Aufsicht über dieselbe.1047 Den Dorf-, Markt- und Stadtgerichten saßen sie als Richter vor, sofern sie sich nicht – wie meist – durch von ihnen eingesetzte Schultheißen vertreten ließen. Mit dem Aufkommen der Appellation waren sie in geringfügigen Fällen auch als Berufungsinstanz gegen dorfgerichtliche Urteile tätig, wie Lorenz Fries in der Hohen Registratur zu berichten wusste. Hingegen sollte in sachen sich

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Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit aus. Die Ordnung der Zent Hartheim stellt in zeitlicher Hinsicht einen Solitär unter den genannten Regelungen dar und muss daher für verallgemeinernde Rückschlüsse auf die Gegebenheiten bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges unberücksichtigt bleiben, wobei im Übrigen der Wortlaut hinsichtlich der Appellation alles andere als eindeutig ist, ebd., Bd. 1,1, S. 491. Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 69 (Albertshausen), S. 398 (Gelchsheim), S. 424 (Gemünden), S. 544 (Heidingsfeld), S. 547 (Hellmitzheim), S. 589 (Homburg); Bd. 1,2, S. 788 (Mainberg), S. 826 (Meiningen), S. 943 (Ochsenfurt), S. 1031 (Röttingen). Szidzek, Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation, S. 99 – 101. Siehe diesbezüglich bereits S. 65. Sprandel, Die territorialen Ämter, S. 46, Anm. 9, und S. 63 f. Vgl. auch die um das Jahr 1530 entstandene zeitgenössische Auflistung bei Riedenauer, Ämter, Orte und Hintersassen, S. 253 – 260. Daul, Verwaltungs- und Gerichtsorganisation, S. 104; Krug, Juden in Mainfranken, S. 29; Schwaegermann, Staat der Fürstbischöfe, S. I und im Einzelnen S. 69 – 412. Diffe­renzierend zur Ämterstruktur nach dem jeweiligen Personal Riedenauer, Landämter, insb. S. 457 – 464. Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 236. Sprandel, Die territorialen Ämter, S. 45, 47.

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uber zehen gulden nit erstreckend ferner niemant appelliren.1048 Offenbar konnte sich also derjenige, der durch ein Urteil eines Dorfgerichts beschwert war, in diesen geringfügigen Fällen nur an den Amtmann wenden. Damit war der Rechtsweg erschöpft und eine weitere Appellationsmöglichkeit bestand nicht. Nur in Verfahren mit einem Streitwert von über zehn Gulden war eine Appellation an das Land- oder Kanzleigericht vorgesehen.1049 Wahrscheinlich war dann eine vorherige Berufung an den Amtmann nicht erforderlich.1050 Mit der Appellationsmöglichkeit an den Amtmann dürfte der Prozessökonomie Rechnung getragen worden sein, da Bagatellfälle von regelmäßig orts- und damit häufig auch sachnäheren Personen entschieden wurden und somit nicht am Land- oder Kanzleigericht anfielen. Gab es, wie dies häufig der Fall war, in einem Ort kein Dorfgericht, richtete das örtlich zuständige Zentgericht oder der Amtmann selbst in Parteistreitigkeiten der Dorfbewohner.1051 Gelegentlich stand seine Entscheidungskompetenz auch in Konkurrenz zu der des örtlichen Gerichts.1052 Eine ähnliche Aufgabe kam den Amtmännern als Vertretern des bischöflichen Fürsten vor Ort auch im Hinblick auf die Suppliken 1053 der Untertanen zu. Diese sollten ausweislich eines bischöflichen Mandats des Jahres 1546 zunächst 1048 StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 1049 StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 1050 So aber Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 43; ähnlich offenbar auch ­Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 238, der anscheinend grundsätzlich von einer Appellation an den Amtmann ausgeht und sich in seinen Ausführungen auf Scherzer bezieht. Dieser zog wiederum die Hohe Registratur, StAW, Stb. 1011, fol. 282r, als Grundlage heran, in der es heißt: Wa sich dan iemant der urtail halben in den Dorfgerichten ergangen beschwerdt befunde, der mag sich fur des dorfs amptman beruffen von welchem in sachen sich uber zehen gulden nit erstreckend ferner niemant appelliren soll. Aber in hoheren fellen, mag der beschwert in die wirtzburgisch Cantzlej oder fur das Landgericht wol appellieren. Der Wortlaut ist hier aber hinsichtlich einer „Zwischenschaltung“ des Amtmanns keineswegs eindeutig. Auch ein Appellationsmandat aus dem Jahr 1529, das die Berücksichtigung der Appellationssumme von 10 fl. durch die Unter- und Obergerichte verlangte, erwähnte eine entsprechende Funktion der Ämter nicht, StAW, Ldf 27, S. 368 f. Auch die in dieser Untersuchung zur Illustration des Kanzleigerichtsverfahrens herangezogene Gerichtsakte im Verfahren Melber gegen Schneider enthält keine Hinweise auf eine weitere Berufung an den Amtmann. Im Gegenteil hatte dort ausweislich einer Ergänzung zur erstinstanzlichen Gerichtsakte durch die Gerichtsschöffen, der Appellant die Klage innerhalb von drei bis vier Tagen nach dem Urteil am Kanzleigericht anhängig gemacht, StAW, Admin. 18432, unfol. Eine zwischenzeitlich erfolgte Berufung an den Amtmann erscheint also sehr unwahrscheinlich. 1051 Birr, Wer spricht dem Bauern Recht?, S. 738, 741, 743. 1052 Ebd., S. 741, 743. Ähnlich bereits Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 302, der die Zuständigkeit des Amtmanns allerdings als Vorstufe zur Dorfgerichtsbarkeit ansieht. 1053 Siehe dazu bereits S. 68 – 72.

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an den Amtmann gerichtet werden, der die Sache unparteylich mit allem Fleiß verhören, auch nach Gestalt der Sachen gütlich bescheiden, verrichten und abfertigen, oder […] an gebührendes Recht weisen sollte.1054 Die Amtmänner konnten folglich dazu dienen, die Zahl der in der Kanzlei eingehenden Beschwerden seitens der Untertanen zu reduzieren, die grundsätzlich jedermann an den Bischof als Landesherrn richten konnte und die dieser in der Praxis ganz überwiegend von seinen Räten behandeln ließ. Wo weder ein Vergleich noch wegen der Parteyen Unvermöglichkeit oder Armuth 1055 ein rechtlicher Austrag infrage kam, musste bei der Kanzlei ein schriftlicher Bericht des Amtmanns über diese Umstände oder zumindest dessen Unterschrift auf dem Bittschreiben beigefügt werden, damit die Kanzlei nicht täglich mit solchen unnothdürftigen schlechten und geringen Sachen […] bemühet 1056 wurde. Eine Ausnahme sollte allerdings gelten, wenn sich die Beschwerde gegen einen Amtsträger des Fürsten selbst, also seinen A ­ mtmann, Keller, Vogt, Schuldheißen, Zentgrafen, oder andere […] Befehlshaber und Diener 1057 desselben richtete. Die Amtmänner nahmen daher nicht nur eine wichtige Funktion im Rahmen der Gerichtsbarkeit ein, indem sie im Idealfall 1058 einen Großteil der Appellationen in Bagatellsachen bewältigten, gelegentlich selbst in Parteistreitigkeiten Entscheidungen trafen und überdies Einfluss auf die Besetzung des Gerichts hatten, indem sie den Schultheißen und gelegentlich sogar die Schöffen einsetzten oder bestätigten.1059 Vielmehr traten die Amtmänner, und häufig auch andere obrigkeitliche Beamte wie Schultheißen und Keller, als Vermittler in Konflikten innerhalb der Bevölkerung auf und versuchten, eine gütliche, also außergerichtliche Einigung der Beteiligten zu erzielen.1060 Sie dienten auch dazu, das Supplikenwesen zu regulieren und gegebenenfalls in gerichtsförmige Bahnen zu lenken, das wegen der grundsätzlich freien Supplikationsmöglichkeit auch geeignet war, die Einhaltung des Instanzenzuges zu unterminieren oder trotz der Rechtswegerschöpfung eine Befassung der fürstlichen Räte mit der Angelegenheit zu ermöglichen.

1054 Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landesverordnungen, S. 2. 1055 Ebd., S. 2. 1056 Ebd., S. 1. 1057 Ebd., S. 2. 1058 Wahrscheinlich haben derartige Anordnungen in der Praxis zu keiner größeren Entlastung der Kanzlei geführt, wie die zahlreichen und andauernden Regelungen in Mandaten und Ordnungen des 16. Jahrhunderts vermuten lassen, siehe dazu S. 301 – 305. 1059 Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 44, 46. 1060 Birr, Wer spricht dem Bauern Recht?, S. 741 f.

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11.  Stadt-, Markt- und Dorfgerichte Wie aus den Aufzeichnungen von Lorenz Fries bekannt ist, hatten die Stete, märckte und dorfere in den ampten des Stiffts hin und wider, in häblichen und personlichen spruchen, in fellen die fur und an das Land, Zent oder Halsgericht nit gehören, ire sundere gerichte.1061 Ähnlich wie die Zentgerichte waren die Gerichte in den Dörfern in ihrer Ausprägung im Detail, etwa hinsichtlich der Regelmäßigkeit ihres Zusammentretens, der veranschlagten Gerichtstage, der behandelten Rechts­materien oder des Vorsitzes und der Zusammensetzung der Schöffen, sehr verschieden.1062 In der Regel waren die Stadt-, Markt- und Dorfgerichte mit etwa zwölf Schöffen besetzt, die Mitglieder des Stadtrats beziehungsweise gewählte Beisitzer aus dem jeweiligen Ort oder seinen Nachbargemeinden waren.1063 Den Vorsitz führte in den Städten oft der Amtmann selbst oder ein von ihm berufener Schultheiß. Ansonsten stellte die Versammlungs- und Verhandlungsführung durch einen obrigkeitlich bestimmten oder durch die Gemeinde gewählten und herrschaftlich bestätigten, meist bäuer­ lichen Schultheißen die Regel dar.1064 So heißt es etwa in der Fleckenordnung für Goßmannsdorf, dass dort ein jeder jnwohner […] die drej offene gericht, so ein schultheiß, wie vor aller herkommen, halten und hegen soll[t]e, getreulich besuchen musste.1065 Verhandelt wurde im 16. Jahrhundert noch häufig rein mündlich, wenngleich schon die Ordnung Konrads von Bibra für die Vogtei- und Dorfgerichte des Amts Mainberg im Jahr 1542 eine schriftliche Klage ausdrücklich vorsah und zumindest in Fällen, in denen eine Appellation wahrscheinlich war, die Hinzuziehung eines Schreibers verlangte.1066 Wie die Ausgestaltung der Zentgerichtsbarkeit in den einzelnen Zenten stand auch die Ausprägung der Dorfgerichtsbarkeit in engem Zusammenhang mit den 1061 StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 1062 Eine Übersicht über verschiedene Ausprägungen der im Hochstift vorhandenen Niedergerichtsbarkeit bietet Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 141 – 159. Einen umfänglicheren Versuch, unter anderem die Vielfalt der Gerichtsrechte zu erfassen und schriftlich niederzulegen, stellten die in der Zeit Julius Echters erstellten Salbücher dar. Zur Erstellung derselben wurde von den Amtmännern der einzelnen Ämter im Hochstift ein Katalog von 41 Fragen beantwortet, der etwa die Ausgestaltung der vogteilichen Obrigkeit sowie der Zent-, Stadt- und Dorfgerichtsbarkeit vor Ort zum Gegenstand hatte, Merz, Herrschaftsverständnis und Herrschaftspraxis, S. 650, 655, 659 – 661, 665; siehe diesbezüglich auch Anm. 1587. 1063 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 123; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 237 f.; Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 44. 1064 Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 44 – 46; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 237 f. 1065 StAW, ldf 30, S. 58. 1066 StAW, Salb. 102, fol. 6r; Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 44 f.

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lokalen Herrschaftsverhältnissen. Dabei war von besonderer Bedeutung, w ­ elche Obrigkeiten die Dorfherrschaft und somit die vogteilichen Rechte vor Ort innehatten.1067 Das Bestehen einer Dorfgerichtsbarkeit war im 16. Jahrhundert keinesfalls die Regel und demnach auch kein flächendeckend gleichmäßig ausgeprägtes Phänomen, sondern hing etwa mit der Ausprägung der Zentgerichtsbarkeit im Umfeld des jeweiligen Ortes zusammen.1068 Übten die Würzburger Bischöfe dort sowohl die Dorf- als auch die Zentherrschaft aus, scheint eine gesonderte Dorfgerichtsbarkeit häufig nicht in gleichem Umfang entstanden zu sein wie in Gebieten, in denen Dorf- und Zentherrschaft auseinanderfielen.1069 Wo ein Dorfgericht nicht vorhanden war, verhandelte das örtlich zuständige Zentgericht vermehrt auch bürgerliche Sachen, womit wiederum die Notwendigkeit entfiel, eine eigene Dorfgerichtsbarkeit zu etablieren.1070 Kamen hingegen Dorf- und Zentherrschaft unterschiedlichen Obrigkeiten zu, war die Ausbildung einer durch den Vogteiherrn verantworteten Dorfgerichtsbarkeit, die dann in Konkurrenz zur Zentgerichtsbarkeit stand,1071 eher die Regel.1072 Verkompliziert wurde die Situation noch dadurch, dass die Dorfherrschaft auch unter verschiedenen adeligen Dorfherren aufgeteilt sein konnte,1073 die dann als sogenannten Ganerben häufig vertraglich regelten,1074 wie die Dorfgerichtsbarkeit ausgeübt wurde. In Aidhausen in der Zent Wettringen etwa stellte jede der vier ritter­lichen Familien einen eigenen Schultheißen. Diese bildeten einen fünfköpfigen Rat zusammen mit dem Würzburger Amtsträger, der insofern eine Vorrangstellung genoss, als er nicht nur dem jährlichen Petersgericht, sondern auch den beiden Schutt- oder Dorfmahlen, die wahrscheinlich eher der Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten als der Bewältigung von Parteikonflikten dienten,1075 vorsaß und 1067 Zum Vogteibegriff siehe bereits Anm. 961. 1068 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 116 – 120, 309 f.; dies., Wer spricht dem Bauern Recht?, S. 728, 730 – 732, 738; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 235. Vgl. auch Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 43 f. 1069 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 119 f.; dies., Wer spricht dem Bauern Recht?, S. 733. 1070 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 118 f. 1071 Zu den mit d­ iesem Konkurrenzverhältnis verbundenen Konflikten siehe bereits S. 188 – 193. 1072 Birr, Konflikt und Strafgericht, S. 119. 1073 Ebd., S. 120. 1074 Siehe zu den ganerbschaftlichen Dörfern bereits Anm. 967. 1075 Nach Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 51, konnten mit diesen Bezeichnungen entweder die ansonsten als Dorfgerichte bezeichneten Foren oder aber Gremien gemeint sein, die gemeindliche Angelegenheiten, wie die Wahl von Amtsträgern vollzogen. Für Aidhausen nimmt Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 44, keine genauere Einordnung vor. Die Tatsache allerdings, dass die genannten Gerichte in sog. gemeinen Dorfsachen verhandelten und darin die ganze Gemeinde versammelt gewesen sein soll, ebd., spricht für Foren der letztgenannten Art.

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darüber hinaus Beschlüsse der fünf Schultheißen gegenüber der Gemeinde verkündete.1076 Im ebenfalls von mehreren, weit über zehn Grundherren ganerbschaftlich organisierten Trappstadt richteten diese 1524 ein Dorfgericht ein, um über die eigene Grundherrschaft hinausgehende Konflikte der Dorfbewohner zu bewältigen.1077 Die Wahl des – hier einzigen – Dorfschultheißen, der auch dem viermal jährlich stattfindenden und mit zwölf Schöffen aus den ganerbischen Hintersassen besetzten Dorfgericht vorsaß, erfolgte nach einem komplexen Verfahren: Die Ganerben schlossen sich zu vier Gruppen zusammen, die dann jeweils im jährlichen Wechsel den Dorfschultheißen bestimmten.1078 Eine weitere bemerkenswerte Konstellation betraf den Ort Sondernau, der durch den Sonderbach in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt war. Während jene hinsichtlich der Grundherrschaft zum größeren Teil dem Kloster Wechterswinkel und bezüglich der Zentgerichtsbarkeit der Zent Fladungen angehörten, war diese der Familie von der Tann beziehungsweise der Zent Bischofsheim zugeordnet.1079 Gleichwohl bestand ein gemeinsames Band beider Dorfhälften in der Dorfgerichtsbarkeit, die von den beiden Schultheißen im Namen der jeweiligen Dorfherren unter Beteiligung von jeweils sechs Schöffen ausgeübt wurde und neben der Konfliktbewältigung in Parteiverfahren auch für die Besetzung von gemeinsamen Amtsträgern in der Gemeinde zuständig war.1080 Generelle Aussagen hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeiten der Dorfgerichte, wonach diese „für Gotteslästerungen, Schmähungen, Scheltworte, Schulden, Freveltaten, Schlägereien ohne Blutvergießen und Angelegenheiten um Rain und Stein“ 1081 zuständig gewesen s­eien, lassen sich ohne überbordende Vergröberung nicht treffen.1082 Im Allgemeinen gilt lediglich, dass weder in Verfahren der Blutgerichtsbarkeit noch in jenen, die den geistlichen Gerichten zugewiesen waren, vor den Dorfgerichten verhandelt werden durfte, während in den Städten häufig das Halsgericht durch ein personell mit dem Stadtgericht identisches Forum ausgeübt wurde.1083 Ebenso sollte durch die Dorf- und Stadtgerichte nicht in Angelegenheiten geurteilt werden, für die das Landgericht erstinstanzlich ausschließlich zuständig war, womit vor allem familiengüter- und erbrechtliche Streitigkeiten von der Gerichtsbarkeit ausgenommen waren. Es verblieben daher häufig vor allem Schuldsachen und ähnliche zivilrechtliche Parteistreitigkeiten bei den ­Dorfgerichten, sofern diese 1076 1077 1078 1079 1080 1081 1082

Demattio, Genossenschaft, Herrschaft und Gerichtsbarkeit, S. 39, 44. Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 47 f. Ebd., S. 48. Ebd., S. 49. Ebd., S. 50. Ebd., S. 45. Vgl. dazu bereits die korrespondierenden Ausführungen zu den sachlichen Zuständigkeiten der Zentgerichte S. 186 – 188. 1083 So etwa in Volkach; siehe dazu bereits S. 200.

Annäherung

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überhaupt vorhanden waren. Ebenso waren die Dorfgerichte nicht selten in Konkurrenz zu den Zenten mit Injurienfällen befasst, wie sich aus einem Mandat des Jahres 1550 ergibt, das nach erfolgten Verbalinjurien, also insbesondere Schmähungen in Form von Beleidigungen oder üblen Nachreden, die Sanktionierung der Schmeher anmahnte und ihnen die Beweislast für den Nachweis der Wahrheit der getroffenen Aussagen auferlegte.1084 War ein Bewohner durch das Urteil eines Dorfgerichts beschwert, konnte er, sofern der Streitwert in der Hauptsache zehn Gulden überstieg, an das Land- oder das Kanzlei­gericht appellieren.1085 Eine an den Stadt- oder Marktgerichten unterlegene Partei, die sich in einem Verfahren mit einem Streitwert von über zwölf Gulden durch das Urteil beschwert sah, konnte ohne weitere Zwischenschritte an das Land­ gericht oder die furstlich[en] räthe zu Wirtzburg wol appellieren.1086 Zur Handhabung der Appellation bestimmte bereits eine unter Konrad von Bibra im Jahr 1542 erlassene Ordnung für die Dorf- und Vogteigerichte im Amt Mainberg, dass in Angelegenheiten, die eine Appellation möglich erscheinen ließen, ein Schreiber hinzugezogen werden sollte, der Klage, Antwort, Kundschaft und Urteil niederschreiben sollte.1087 Ausführlicher regelten auch die Landgerichtsordnungen der Jahre 1580 und 1618 die für die Berufungen erforderliche Aktenführung durch die Untergerichte 1088 und erhöhten so allmählich den Professionalisierungsdruck auf dieselben.

III.  Annäherung: Das Kanzleigericht in der Gerichtslandschaft des Hochstifts Aus der Gesamtschau der verschiedenen Gerichte in der Stadt und im Hochstift Würzburg ergeben sich die Zuständigkeiten der fürstlichen Kanzlei. Aus dem Verhältnis der dargestellten Gerichte zueinander kann freilich keine klar abgrenzbare und festgefügte Zuständigkeitsordnung im modernen Sinne abgeleitet werden, 1084 Mandat der Injurien halben, Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 879 f. 1085 So ein Mandat aus dem Jahre 1529, StAW, ldf 27, S. 368 f., das für bestimmte Streitgegenstände, namentlich Zinß, erbschafft dinstparkeit, unnd schmach, ebd., S. 369, gleichwohl Ausnahmen vorsah. Vgl. ferner zu dieser Appellationssumme StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 1086 StAW , Stb. 1011, fol. 282r. An anderer Stelle, fol. 277r, ist lediglich die Appellationssumme in Höhe von zehn Gulden genannt, die sich – nachdem es sich dort offenbar um eine nachträgliche Eintragung handelt – allerdings der Satzstellung nach auch nur auf die Dorfgerichte beziehen könnte. Es dürfte aber auch ansonsten die differenziertere Regelung am ehesten den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen haben. Siehe dazu auch S. 321 und Anm. 1695. 1087 StAW, Würzburger Salb. 102, fol. 6r f. 1088 LGO 1580, fol. 51r f.; LGO 1618, 2. Teil, Tit. 34.

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bei der etwa ein angerufenes Gericht im Falle der eigenen Unzuständigkeit ohne Weiteres an das eigentlich zuständige Gericht verwiesen hätte. Gleichwohl hat sich etwa am Streit um die Zuständigkeit von Stadtgericht und Oberrat in Fällen von Verbalinjurien 1089 gezeigt, dass die Zeitgenossen ein Verständnis von den verschiedenen Zuständigkeiten besaßen und auch bereit waren, ihre diesbezügliche Position durchzusetzen. Dies belegen nicht zuletzt auch die zahlreichen Jurisdiktionsstreitigkeiten vor dem Reichskammergericht. Im Vorfeld dieser ­später gerichtsnotorischen Zuständigkeitsstreitigkeiten kam es häufig zu Abforderungen durch die jeweilige Obrigkeit, die ihre Hintersassen 1090 in ein aus ihrer Sicht unzulässiges Verfahren verwickelt sah, also zur Abberufung einer Streitsache von dem erstbefassten, aber (vermeintlich) unzuständigen Gericht.1091 Nach Darstellung der Gerichtslandschaft des Hochstifts zeigt sich, dass das Kanzleigericht nur für Verfahren der weltlichen Gerichtsbarkeit zuständig war. Überschneidungen oder Jurisdiktionskonflikte mit den geistlichen Gerichten im Bistum scheinen im Verhältnis zu anderen Territorien eine untergeordnete Bedeutung gehabt zu haben. Als Appellationsinstanz im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit war die fürstliche Kanzlei insbesondere für Prozesse mit einem Streitwert in der Hauptsache von über zwölf beziehungsweise zehn Gulden zuständig, die von den Stadt-, Markt- oder Dorfgerichten im Appellationswege an die fürstlichen Räte gelangten. Aus der Überlieferung des Reichskammergerichts geht darüber hinaus das Kanzlei­ gericht vorrangig als Berufungs- oder Appellationsinstanz 1092 nach Verfahren vor dem Landgericht hervor, das seinerseits, sofern es nicht als erstinstanzliches Gericht angerufen worden war, als Berufungsgericht für Verfahren der Niedergerichtsbarkeit fungieren konnte. Aus den Akten des innerhalb des Untersuchungszeitraums überwiegend in Speyer ansässigen Reichsgerichts sind derartige Verfahren allerdings nicht ersichtlich. Überhaupt bilden im untersuchten Aktenbestand diejenigen Verfahren die Ausnahme, die an Stadt-, Markt und Dorfgerichten ihren Ausgang nahmen. 1089 Siehe dazu S. 183 f. und insb. Anm. 941. 1090 Zum Begriff, der häufig im Zusammenhang mit der Grundherrschaft, aber generell auch für Untertan verwendet wurde, Werkmüller, Hintersasse, Sp. 1040 f. 1091 DRW I, Abforderung, Sp. 78; vgl. auch Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 298. Mit dem Begriff der Abforderung, der seit dem 15. Jahrhundert als übliche Übersetzung für Avokation gebräuchlich war, Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 88, konnten überdies ebenso die litterae avocatoriae gemeint sein, also die Briefe, mit denen die Abforderung im genannten Sinne erklärt wurde, ebd., Sp. 78 f. 1092 Die Begriffe „Appellation“ und „Berufung“ wurden zeitgenössisch weitgehend synonym verwendet, wobei letzterer die weniger rechtstechnische Bezeichnung darstellte, Weitzel, Berufung, Sp. 542, die daher in den untersuchten Gerichtsakten und normativen Quellen kaum anzutreffen ist.

Annäherung

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In erster Linie erscheint das Kanzleigericht im gerichtlichen Verfahren also als Appellationsinstanz. Es bestätigt sich daher grundsätzlich der Fries’sche Hinweis, wonach [a]n der Cantzlei Gerichte richter und urtailere die furstlichen räthe gaistliche und weltliche waren, [d]ie […] in veranlassten und allen anderen sachen [richteten,] die appellation weis von dem Landgericht und anderen des Stiffts stat oder dorfgericht[en] dahin kamen.1093 Die Tätigkeit als Appellationsgericht ist seit Beginn des gerichtsförmigen Zusammentretens der bischöflichen Räte um das Jahr 1470 zweifellos ausgeübt worden und schlug sich bereits um die Wende zum 16. Jahrhundert auch in normativen Quellen nieder. Ein Verbot von Appellationen an das Kanzleigericht hat es demnach niemals gegeben. Aber auch als erstinstanzliches Gericht wurde das Kanzleigericht in selteneren Fällen tätig. Hier scheinen vor allem zwei Konstellationen von Bedeutung gewesen zu sein: Einerseits war die Kanzlei erstinstanzlich tätig, wenn das Kanzleipersonal selbst beklagt wurde, wie eine Ladung des Gerichts an den Registrator, Schreiber und Sekretär Magister Martin Zink aus dem Jahre 1587 belegt, der den Hof- und Kanzleigerichtsschreiber und späteren Rat Daniel Amling in unbillig[er] Weiß iniurirt hatte.1094 In einem anderen Verfahren, das s­ päter auch das Reichskammergericht beschäftigen sollte, klagte im Jahr 1539 der Würzburger Oberschultheiß gegen den fürstlichen Rat Ludwig von Hutten vor den Räten in der Kanzlei, weil dieser den Kläger vor etlichen seinen [des Klägers] armen leüthen, und vil andern Christen und Juden, des orts so am weg gestanden, an seinen ehren, und gutten leumuth, hochlich zu schmehen mit worten unterstanden haben sollte.1095 Der Beklagte schien hier allerdings die Zuständigkeit des Kanzleigerichts angezweifelt zu haben, denn er berief sich darauf, sich wegen bestehender Exemtionsprivilegien nicht vor demselben einlassen zu müssen und appellierte an das Reichskammergericht, nachdem ihn die Räte verpflichtet hatten, sich auf die Klage einzulassen und seine vorgebrachten Einreden zu beweisen.1096 In einem weiteren, von 1585 an über zehn Jahre fortdauernden Verfahren z­ wischen Johann Ulrich von Ramschwag als Komtur der Johanniter und Johann Gelchsamer war mit letzterem erneut ein fürstlicher Rat und Doktor der Rechte am Verfahren beteiligt.1097 In ­diesem aufwendigen Verfahren mit Klage und Widerklage, in deren Supplikationsschrift der ritterliche Kläger die Räte im übrigen als seine lieben heren Schwägeren, undt guten Freundten 1093 StAW, Stb. 1011, fol. 276v f. 1094 StAW, Miscell. 6147, unfol. Zu den beteiligten Personen vgl. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 338, 342. 1095 BayHStA, RKG 5234, Q8, fol. 1r. 1096 BayHStA, RKG 5234, Q8, fol. 22r. 1097 BayHStA, RKG R0071 (Bestellnr. 14858); Von der Gegenüberlieferung sind nur die Supplikationsschrift des Klägers und das Gerichtsprotokoll erhalten, StAW, Admin. 19096.

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­bezeichnete,1098 ging es streitgegenständlich um den Verkauf von einem zu der hennen genannten Lehensgut des Ordens für 1000 Gulden, für das der übliche, an den Orden zu entrichtende Handlohn von fünf Prozent nicht gezahlt worden war.1099 Andererseits scheinen auch Verfahren unter Beteiligung bischöflicher Amtsträger außerhalb der Kanzlei vor dem Gericht der Räte erstinstanzlich geführt worden zu sein. So klagte etwa 1538 vor dem Kanzleigericht der Schultheiß zu Dettelbach ­Steffan Dannckes gegen auch unsern [des Bischofs, Anm. JB] diener und lieben getrewen Linharten marckharten, weil jne derselbig mit etwas schmehelichen worten angetast haben solt.1100 Obwohl die genaue Funktion Leonhard Marquarts aus der Akte nicht ersichtlich wird, scheint es sich bei ihm auch um einen Amtsträger des Bischofs gehandelt zu haben. In einem anderen Verfahren klagte erneut ein Schultheiß einer Gemeinde im Hochstift, diesmal jener zu Estenfeld, vor dem Kanzleigericht. In dem seit 1570 geführten Injurienverfahren gegen Sebastian Hoen wegen ettlich schmach unnd scheldtwort 1101 stand der bischöfliche Amtsträger offenbar lediglich auf Kläger­seite. Möglicherweise wurde hier eine Klage trotzdem unmittelbar am Kanzleigericht erhoben, weil der Kläger dem für Injurienverfahren eigentlich zuständigen Estenfelder Gericht selbst vorsaß oder weil hier mit der Rekonventionsklage auch die Widerklage geführt wurde, bei der der Schultheiß als sogenannter Nachbeklagter, also als Widerbeklagter, auftrat. Größere Rätsel gibt ein Injurienverfahren vor dem Kanzleigericht auf, das ohne Zweifel erstinstanzlich geführt wurde. Hier klagte im Jahr 1589 Jacob Kratz als ehemaliger Pfarrer von Stadtschwarzach gegen den Adeligen Ludwig von Schornstetten, der auch nach der dritten Ladung noch nicht erschienen war und schließlich von den Räten zur Zahlung von 800 Gulden zusätzlich zu den Gerichtskosten verpflichtet wurde.1102 Möglicherweise war auch in ­diesem Verfahren der Beklagte bischöflicher Amtsträger. Auch außerhalb ihrer Tätigkeit als Spruchkörper im Rahmen der Instanzgerichtsbarkeit wirkten die fürstlichen Räte über die Supplikenpraxis und zunehmend im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit über das entstehende Malefizamt auf die anderen Gerichte im Hochstift und speziell die Zenten ein. Die Bewältigung der Suppliken durch die Kanzlei konnte in vielfacher Weise auf gerichtsförmige Verfahren Einfluss haben. Zwei besonders extreme Beispiele lassen sich auch in den Akten des Reichskammergerichts ausfindig machen: Einerseits zeigt 1098 BayHS tA, RKG R0071 (Bestellnr. 14858), [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 70r, vgl. entsprechend StAW , Admin. 19096, unfol. Die Anrede mit „Freunde“ war nicht unüblich und wurde jedenfalls im 17. und 18. Jahrhundert ­zwischen Behörden geläufig, Hochedlinger, Aktenkunde, S. 145. 1099 BayHStA, RKG R0071 (Bestellnr. 14858), [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 70r. 1100 BayHStA, RKG 6831, Q8. 1101 BayHStA, RKG 4989, Q6, fol. 1r. 1102 BayHStA, RKG S0613 (Bestellnr. 12479), [ohne Q] (acta primae intantiae), fol. 21r, 43r.

Annäherung

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das bereits erwähnte stadtgerichtliche Verfahren gegen die durch Balthasar Rüffer vertretene Witwe Hieronymus Hagens, in dem die Kläger durch eine Supplik eine vom Stadtgericht befolgte bischöfliche Resolution erlangten, wonach das Verfahren eingestellt werden sollte,1103 dass durch außergerichtliche Untertaneneingaben gerichtliche Prozesse beeinflusst werden konnten. Andererseits konnte das auf eine Supplik hin begründete oder verweigerte obrigkeitliche Handeln in ein gerichtliches Verfahren münden. So appellierten in einem Verfahren die Appellanten vor dem Reichskammergericht gegen die nach einer Supplik, also außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, ergangenen Bescheide der Kanzlei. Wenig überraschend trat auch der bischöfliche Syndikus alsbald pro interesse auf Seiten des Appellaten in das Verfahren ein und verwies in seinen Exceptiones wider ein nichtige mutwillige Extraiudicial appellation darauf, dass hier von einem fürstlichen extraiudicial Cantzlej Bescheid appelliert worden sei, welches sich beÿ Mannsgedenckhen […] nihe begeben hatte.1104 Trotzdem wurde die Akte erst nach zehn Jahren und zahlreichen Parteieingaben geschlossen. Dass das Beharren auf der Appellation für den Appellanten allerdings besonders günstig war, steht zu bezweifeln, denn in seiner letzten Supplikation an das Reichskammergericht verwies er darauf, dass er acht Wochen im Gefängnis gesessen habe und daraufhin mit Frau und Kind des Bistums verwiesen worden sei.1105 Insgesamt erweist sich, dass die obrigkeitlichen Konfliktlösungsangebote vielfältig und der gerichtliche Instanzenzug flexibel waren. Der Einwohner eines Dorfes im Hochstift hatte etwa die Möglichkeit, sich im Wege der Supplik mit seinem Anliegen unmittelbar an den Bischof zu wenden. Ferner konnte er das örtliche Dorfgericht anrufen und sich danach, möglichweise nach Einschaltung des zuständigen Amtmannes, direkt an das Kanzleigericht oder alternativ an das Landgericht und erst im erneuten Unterliegensfalle an die Kanzlei wenden. Wurde ihm zwischenzeitlich sein Recht verweigert, etwa weil ein zuständiges Gericht nicht prozessierte, konnte er sich ebenfalls unmittelbar an das Kanzleigericht wenden. War hingegen – wie im 16. Jahrhundert häufig – die Dorfgerichtsbarkeit nicht hinreichend ausgeprägt oder übernahm ein Zentgericht aus anderen Gründen bestimmte bürgerliche Streitsachen, war eine Berufung an das Würzburger Stadt- und Brückengericht zu richten. Entsprechend konsequent verwies die bischöfliche Seite in den Jurisdiktionsstreitigkeiten mit benachbarten Obrigkeiten auf die Zuständigkeit desselben als oberste Zent. Es ist davon auszugehen, dass vom Stadt- und Brückengericht eine Appellation an die Kanzlei gemäß dem Würzburger Herkommen nicht statthaft war. Dementsprechend findet sich auch in der Überlieferung des Reichskammergerichts kein Verfahren, 1103 BayHStA, RKG R0981 (Bestellnr. 11145), Q6, fol. 39r, siehe hierzu schon S. 144 – 146. 1104 BayHStA, RKG 7175, Q5, unfol. 1105 BayHStA, RKG 7175, Q18, unfol.

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Die Kanzlei in der Gerichtslandschaft des Hochstifts

das vom Brückengericht zunächst an die Kanzlei und schließlich an das die längste Zeit in Speyer gelegene Reichsgericht führte. Auch wenn manche Zentordnungen aus der Zeit Julius Echters auf eine Appellationsmöglichkeit von den Zenten an die fürstliche Kanzlei hinweisen, lassen sich entsprechende Verfahren, die s­ päter vor das Reichskammergericht gelangt wären, nicht nachweisen. Es ergaben sich also je nach Ausbildung der Dorf- und Zentgerichtsbarkeit auf dem Land auch im Rechtsmittel­ verfahren unterschiedliche Rechtswege, die nicht immer an das Kanzleigericht führen mussten und insoweit insbesondere dem Würzburger Stadt- und Brückengericht eine Sonderstellung zuwiesen. Erst zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges und zunehmend im Verlauf des 17. Jahrhunderts entwickelte sich das Kanzleigericht endgültig zum Zentrum der Gerichtslandschaft im Hochstift. Da sich die fürstbischöfliche Landesherrschaft zunehmend über die Ämter manifestierte und daher die vogteiliche Gerichtsbarkeit stärker als die der Zenten ausgeweitet wurde,1106 verschob sich die Gerichtsbarkeit auch im Rechtsmittelverfahren auf das Kanzleigericht. Überdies wurden vor den fürstlichen Räten in der Kanzlei – vermutlich seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges – auch Revisionen der stadtgerichtlichen Urteile vorgenommen,1107 bevor das Stadtgericht spätestens im 18. Jahrhundert als Instanzgericht unterhalb des dann sogenannten Justizsenats der Weltlichen Regierung des Hochstifts einer zwischenzeitlich entstandenen territorialen Gerichtsverfassung einverleibt wurde.1108 Abgesehen von der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage, welches Gericht nach der – naturgemäß nicht immer einheitlichen – Auffassung der Zeitgenossen das „eigentlich“ zuständige gewesen ist, verkompliziert sich das Bild noch dadurch, dass eine ­solche Zuschreibung gelegentlich gleich auf mehrere Gerichte passte. So konnten jedenfalls vorübergehend Streitigkeiten der Würzburger Bürger in Schuldsachen nach Wahl des Klägers vor dem Land- oder Stadtgericht, im Falle von Injurienprozessen sogar zusätzlich vor dem Oberrat geführt werden. Im Rahmen von Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit, in denen eine Appellation, anders als in bürgerlichen Verfahren, weder an das Brücken- noch an das Kanzleigericht möglich war,1109 konnte lediglich der bischöfliche Fürst als Landesherr mit einem Gnadengesuch im Wege der Supplik angerufen werden. Da sich mit dem verstärkten Aufkommen des Inquisitionsprozesses aber zunehmend der Schwerpunkt des Verfahrens von den Zentgerichten auf die Kanzlei verschob, dürften die fürstlichen Räte ohnehin bereits im Vorfeld mit den Umständen des jeweiligen Falles befasst gewesen sein. Das Ausmaß dieser Verlagerung zeigt sich bereits am Aufbau eines eigenen Malefizamts seit spätestens 1559, dessen Schreiber 1106 1107 1108 1109

Daul, Verwaltungs- und Gerichtsorganisation, S. 105. Siehe dazu S. 216. Daul, Verwaltungs- und Gerichtsorganisation, S. 95 f., 101 f. Hierzu ausführlich bereits S. 201 – 203.

Annäherung

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zunächst das Verfahren in den Zenten beobachten und gegebenenfalls Missstände an die Räte melden sollte, die zunehmend auch im Rahmen der Rechtsfindung in einzelnen Verfahren tätig wurden.1110 In besonderer Konkurrenz stand das Kanzleigericht zum vormals bedeutendsten Gericht im Hochstift: dem kaiserlichen Landgericht. Seit mit Beginn der Gerichts­ tätigkeit der Räte in der Kanzlei im späten 15. Jahrhundert Appellationen gegen landgerichtliche Urteile möglich waren, wurde das Landgericht allmählich der Kanzlei untergeordnet. Trotz aller ritterlichen Beschwerden gegen das neue Gericht, das auf gemeinrechtlicher Grundlage urteilte, war dieser Prozess nicht aufzuhalten. Auch das in den Forschungen zur Würzburger Rechtsgeschichte oft behauptete Appellationsverbot gegen Urteile des Landgerichts hat es nie gegeben. Das Landgericht war spätestens in den 1520er-­Jahren zu einem territorialen Instanzgericht herabgesunken, von dessen Urteilen demnach mangels Rechtswegerschöpfung nicht mehr unmittelbar an das Reichskammergericht appelliert werden konnte.1111 Gleichwohl nahm das durch die ritterlichen Schöffen geprägte Gericht angesichts seiner für die Bewohner des Hochstifts wichtigen erb- und ehegüterrechtlichen Kompetenzen einen hervorragenden Rang unter den Würzburger Gerichten ein. Dies zeigt sich auch an dem besonderen Interesse der beteiligten Akteure, die Landesgebräuche, die vornehmlich die Gerichtspraxis des Landgerichts betrafen, zu ergründen und zu verschriftlichen. Ein wesentliches Ziel dabei war es, Friktionen zu vermeiden, die sich aus der unterschiedlichen Rechtsprechungspraxis am Landgericht einerseits und am Kanzleigericht andererseits ergaben und die durch den Aufbau eines Instanzenzuges an das Kanzleigericht virulent geworden waren. Der konsequente Aufbau der Appellationsgerichtsbarkeit begünstigte daher auch die Präzisierung und Verschriftlichung des materiellen Rechts. Da diese Prozesse zwar auf Grundlage der Kenntnisse der Landschreiber, aber maßgeblich durch die Räte in der Kanzlei vorangetrieben und entschieden wurden, lassen sich auch auf Ebene des materiellen Rechts Zentralisierungstendenzen zugunsten der Kanzlei erkennen. Die Urteilspraxis am Landgericht erfuhr demnach seit dem ausgehenden Mittelalter nicht nur durch die drohende Appellation an das Kanzleigericht Veränderungen, sondern auch durch eine Modifikation der materiell-­rechtlichen Grundlagen, auf denen die Urteile basierten. Anders als das Landgericht waren einige Gerichte von einem Appellationsund Instanzenzug an das Kanzleigericht ausgenommen. Dies galt zunächst für das Lehengericht des Stiftsadels, das von alters her als Hofgericht, ­später dann vor allem als Ritterlehengericht oder Hof- und Ritterlehengericht bezeichnet wurde. Von ­diesem Forum führte die Appellation direkt an die Reichsgerichte. Einfluss auf das Gericht hatten die Hofräte aber über den Gerichtsvorsitz, der durch den 1110 Siehe dazu S. 296 – 299. 1111 Vgl. hierzu m. w. N. Bongartz, Das Würzburger Kanzleigericht, S. 216.

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Hofmeister als Hofrichter oder ­später zunehmend durch einen abgeordneten fürstlichen adeligen Rat als Vizelehenrichter oder Hofgerichtsverweser ausgeübt wurde. Doch auch das alte Hofgericht verlor offenbar im Laufe des 16. Jahrhunderts und vor allem im letzten Viertel desselben an Geltung und wurde zusehends zu einem territorial verstandenen – und wohl kurz nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges auch entsprechend besetzten – Gericht, dem sich insbesondere der reichsunmittelbare ritterliche Adel nicht mehr unterwerfen wollte. Ob hier tatsächlich ein neues Selbstverständnis des Adels oder Zentralisierungsbestrebungen Julius Echters den Ausschlag gaben, muss weiteren Forschungen überlassen bleiben. Auch das Stadtgericht behauptete zunächst einige Selbstständigkeit gegenüber der fürstlichen Kanzlei. Selbst wenn hier, wie etwa auch am Landgericht, tatsächlich fürstliche Räte beratend in die Verhandlungen involviert gewesen sein sollten, wie schon Fries behauptete, scheute sich das Gericht zuweilen auch nicht, gegen die Interessen des fürstlichen Regenten zu handeln. Gleichwohl zeigen Ereignisse wie die dargestellte Einstellungsverfügung durch die Kanzlei,1112 dass das Stadtgericht keines­wegs völlig unbeeinflusst von den Vorstellungen des bischöflichen Landes- und Stadtherrn agierte. Allerdings blieb eine formale Eingliederung in den Instanzenzug an das Kanzleigericht vorerst aus. Im Gegenteil versuchten die Würzburger Bischöfe sogar, das sich aus dem Würzburger Herkommen ergebende Appellationsverbot in Bezug auf die stadtgerichtlichen Urteile auch gegenüber der Reichsgerichtsbarkeit fruchtbar zu machen. Immerhin gelang es ihnen, im Jahr 1550 ein im Verhältnis zu anderen Gerichten im Hochstift besonders begünstigendes Appellationsprivileg für das Gericht zu erhalten. Mit der besonderen Privilegierung war es allerdings vorbei, als von K ­ aiser Rudolph II. am 22. März 1586 zwei gleichlautende Appellationsprivilegien für das Stadtgericht sowie das Gericht der fürstlichen Räte, das Hofgericht und andere Gerichte des Hochstifts erworben werden konnten.1113 Und auch innerhalb der Gerichtslandschaft des Hochstifts, die sich allmählich zu einer Gerichtsorganisation veränderte und verdichtete, scheint die relativ autarke Stellung des Stadtgerichts bald zurückgedrängt worden zu sein. Denn schon im Jahr 1623 gelangte ein Verfahren an das Reichskammergericht, das zunächst an der Zent Haßfurt, dann am Würzburger Stadt- und Brückengericht und schließlich am Kanzleigericht als Revisionsinstanz geführt worden war. Der erste Eintrag auf der übermittelten Akte des Revisionsverfahrens stammt vom 14. Januar 1621.1114 Etwa 150 Jahre nach dem Beginn der Rechtsprechungstätigkeit der fürstlichen Räte war die Kanzlei demnach zum Dreh- und Angelpunkt eines im sukzessiven Aufbau befindlichen Justizsystems geworden. 1112 Siehe diesbezüglich S. 145 f. 1113 StAW , WU 37/35 für das Stadtgericht und WU 37/36 für die anderen Würzburger Gerichte. 1114 BayHStA, RKG S1075 (Bestellnr. 11842), Q3, fol. 93r.

E.  Die Kanzlei in der Gerichtslandschaft des Alten Reichs Aufgrund seiner hervorgehobenen Stellung innerhalb der Gerichtslandschaft des Hochstifts stellte das Würzburger Kanzleigericht eine der wesentlichen Schnittstellen ­zwischen der territorialen Gerichtsbarkeit und den Höchstgerichten auf Reichsebene dar. Da Appellationen gegen Urteile der im Verhältnis zur Reichsgerichtsbarkeit unteren Gerichte nur gradatim, also unter Erschöpfung des territorialen Rechtswegs,1115 zulässig waren, kam den territorialen Obergerichten zwangsläufig eine hervorgehobene Position auch in der Gerichtslandschaft des Alten Reichs zu, stellten sie doch für die Untertanen gewissermaßen das Nadelöhr auf dem Weg zur Reichsgerichtsbarkeit dar. Dementsprechend sah die Hohe Registratur in Würzburg in der Mitte des 16. Jahrhunderts Appellationen an das Reichskammergericht auch nur ausgehend von Kanzlei-, Hof- oder Lehengericht vor.1116 Schon vor der Reichsreform, die zweifelsohne katalytische Wirkung für die Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts und damit verbunden für die Entwicklung der Gerichtsbarkeit in den Territorien hatte,1117 fanden Appellationen von Würzburger Gerichten an den königlichen oder kaiserlichen Regenten und seine Gerichtsbarkeit statt.1118 Seit 1495 war durch das Reichskammergericht ein Appellationsgericht geschaffen, das für über ein Jahrhundert der maßgebliche Ort für Appellationen gegen Urteile der Würzburger Gerichte wurde. Auch wenn sich parallel seit 1519 der Reichshofrat allmählich als zweites Reichsgericht e­ tablierte, welches das Reichskammergericht gemessen am Prozessaufkommen ­später überflügeln sollte,1119 hatte er als Appellationsgericht aus Würzburger Perspektive zunächst noch keine größere Bedeutung. Schon früh waren beide Reichsgerichte allerdings aufeinander bezogen und das nicht nur im Sinne eines Konkurrenzverhältnisses.1120 1115 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 146; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 198; Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 146; Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 68; Zum Reichshofrat entsprechend Sellert, Prozessrechtliche Aspekte, S. 104 f. Schon in § 13 der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495, RA 06. 08. 1495, NSRA II, S. 1 – 29, Tit. II, § 13 war geregelt, dass auch kein Appellacion angenommen werden [sol], die nit gradatim geschehen wär, das ist, an das nächst ordenlich Obergericht. 1116 StAW, Stb. 1011, fol. 282r. 1117 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 341. 1118 HHStA, RHR, Antiquissima, Fasz. 1, Konv. 3, fol. 41r–47r (1472 gegen ein Urteil des Hofgerichts), 62r, 105r f., 208 – 225 (1472 gegen ein landgerichtliches Urteil), Fasz. 2, Konv. 2, fol. 163, Fasz. 3, Konv. 1, fol. 189 – 191, 274 – 275, 308 – 319, 396 – 397, RK, ­Fridericiana, Fasz. 2, Konv. 3, fol. 9v, Fasz. 2, Konv. 4, fol. 15 – 16, Fasz. 9, Konv. 1, fol. 90, 90v. 1119 Zu Prozessaufkommen und Etablierungsphase des Reichshofrats siehe bereits S. 37 f. 1120 Ortlieb, Die Formierung des Reichshofrats, S. 17.

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So regte etwa eine Appellation vom Würzburger Stadtgericht an das Reichskammergericht und die vorgebrachten Einreden gegen dessen Zuständigkeit auch das – allerdings hierbei nicht gerichtsförmige – Tätigwerden des Reichshofrats an, das schließlich in die Erteilung eines weiteren Appellationsprivilegs mündete.1121 Das Verhältnis der beiden Reichsgerichte zueinander liegt auch in der starken Wechselbezüglichkeit des frühneuzeitlichen Supplikenwesens und der Gerichtsbarkeit im Alten Reich begründet. Da es auch den reichsmittelbaren Untertanen im Reich erlaubt war, sich an den K ­ aiser im Wege der Supplik zu wenden, konnte der Reichshofrat auch außerhalb von Appellationsverfahren auf die Beendigung oder Beschleunigung gerichtlicher Verfahren hinwirken. Übertrug der K ­ aiser die Bearbeitung dieser Eingaben nämlich auf seinen Hofrat, übte dieser gewissermaßen eine Aufsichtsfunktion über andere Gerichte einschließlich des Reichskammergerichts aus,1122 ohne freilich in die Rechtsfindung dieser Gerichte selbst einzugreifen. Die landesherrliche Gerichtshoheit erfuhr eine nicht unerhebliche Einschränkung durch die Möglichkeit einer Appellation an die Reichsgerichte, die das – wenngleich meist in Vertretung ergangene – landesherrliche Urteil revidieren konnte. Grundsätzlich hatte jeder Untertan im Reich das sich aus einem kaiserlichen Reservatrecht ergebende Recht, im Wege der Appellation vor das Reichskammergericht zu ziehen, das diese Appellation dann annehmen musste.1123 Eine – häufige und bedeutende – Einschränkung erfuhr d ­ ieses Prinzip dadurch, dass der K ­ aiser im Wege von den einzelnen Landesherren erteilten Privilegien darauf verzichten konnte, ­dieses Reservatrecht geltend zu machen, um dadurch die Appellation an die Reichsgerichte auszuschließen.1124 Wurde das entsprechende Privileg an den Reichsgerichten insinuiert, das heißt unter Beachtung formaler Kriterien zum Zwecke der Publizität mitgeteilt,1125 musste es von diesen beachtet werden, sodass der betroffene Landesherr eine gleichwohl ausgesprochene gerichtliche Maßnahme nicht beachten musste oder gegen diese bei K ­ aiser, Reichstag oder einer Visitationskommission wirksam protestieren konnte.1126 In unbeschränkter Form, als sogenannte privilegia 1121 1122 1123 1124 1125

Siehe dazu S. 149. Senn, Der Reichshofrat als oberstes Justizorgan, S. 28 – 30. Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 33. Ebd., S. 33. Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 58, Sellert, Insinuation, Sp. 1256; speziell zur Insinuation von Privilegien am Reichskammergericht, ebd., Sp. 1257 f. 1126 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 33 f. Ganz selbstverständlich war die Beachtung der Privilegien durch die beiden höchsten Gerichte im Reich aber offenbar nicht, denn die Reichshofratsordnung des Jahres 1654 erlegte den Hofräten ernstlich auf, diese Privilegien und die darin genannten Appellationssummen aller gepür nach sorgsamblich in acht zu nehmen, RHRO 1654, Tit. 2, § 2, zitiert nach Sellert, Die Ordnungen des

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illimitata, waren entsprechende Appellationsprivilegien zugunsten der Kurfürsten schon aus der Goldenen Bulle des Jahres 1356 abgeleitet worden, wenngleich ihre faktische Durchsetzung zuweilen, etwa im Fall der rheinischen Kurfürsten, noch bis ins 18. Jahrhundert hinein zweifelhaft bleiben sollte.1127 Abgesehen von den unbeschränkten Appellationsprivilegien bestanden für den Großteil der Städte und Landesherren – und auch für die Würzburger Bischöfe – lediglich sogenannte privilegia limitata, die eine Appellation an bestimmte Voraussetzungen banden. Nach diesen Privilegien waren Appellationen an die Reichsgerichte in aller Regel ausgeschlossen, wenn – abgesehen von gelegentlich ebenfalls geregelten formalen Voraussetzungen – entweder ein bestimmter Streitgegenstand (quoad causam) vorlag oder eine vorgesehene Appellationssumme nicht erreicht wurde, die sich nach dem Streitwert der Hauptsache richtete (summa petitionis).1128 Soweit ein verliehenes Appellationsprivileg reichte, war der bischöfliche Landesherr in der Ausübung seiner Gerichtsherrschaft unbeeinträchtigt. Insoweit sind die Appellationsprivilegien den mittelalterlichen Gerichtsstandsprivilegien sehr ähnlich, aber schon deshalb nicht mit diesen identisch, weil jene erstens die Existenz eines ­ eichshofrates, Bd. 2, S. 102 – 104. Beispiele für eine zuweilen fragwürdige InterpretaR tion bei der (Nicht-)Anwendung von Appellationsprivilegien durch das Reichskammergericht liefert für Hamburg Ebert-­Weidenfeller, Hamburgisches Kaufmannsrecht, insb. S. 35 – 46. 1127 Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 54; Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 69. Unabhängig von der Goldenen Bulle wurden entsprechende privilegia de non appellando den Kurfürsten nochmals ausdrücklich erteilt. So erhielten Kursachsen 1559, Brandenburg 1586, die Kur-­Pfalz 1652, Bayern, nach Erhalt der Kurwürde 1623, 1638 und Braunschweig-­Lüneburg 1716 nach Erhalt der Kurwürde 1706 sowie die geistlichen Kurfürstentümer Köln, Mainz und Trier erst 1653, 1654 bzw. 1721 privilegia illimitata, Eisenhardt, Rechtswirkungen, S. 82 f. Ob den Kurfürsten schon vorher durch die Privilegierungen aus der Goldenen Bulle entsprechende privilegia zustanden, war auch unter den Zeitgenossen umstritten, da – so vor allem die kaiserliche Haltung – einerseits Reichshofrat und Reichskammergericht 1356 noch nicht bestanden hatten und andererseits entsprechende Rechte möglicherweise durch Nichtgebrauch erloschen waren, Eisenhardt, Rechtswirkungen, S. 84 – 94. Neben den Kurfürsten erhielten auch die Fürstentümer Hessen-­Kassel und Hessen-­Darmstadt in den Jahren 1742 bzw. 1747 ein unbeschränktes Appellationsprivileg, Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 87 bzw. 89; Pelizaeus, Das Bemühen Hessen-­Kassels, S. 212 f. Ebenso nach dem Dreißigjährigen Krieg die schwedische Krone für die norddeutschen Gebiete, die seit 1653 der Gerichtsgewalt des Wismarer Tribunals unterworfen waren, Oestmann, Geistliche und weltliche Gerichte, S. 15; Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 182 1128 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 146; Eisenhardt, Rechtswirkungen, S. 80; Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 68; Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 37.

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mehrstufigen Gerichtssystems voraussetzten und sich zweitens speziell auf das Verhältnis zur Reichsgerichtsbarkeit bezogen.1129 Bereits im Jahre 1371 war den Würzburger Bischöfen von ­Kaiser Karl. IV ein umfangreiches und ­später mehrfach bestätigtes Evokations- und Gerichtsstandsprivileg erteilt worden, wonach niemandt, were der sey umb was sach auch das were ime und seines Stiffts leut, diener oder gut, fur uns [den ­Kaiser, Anm. JB] und des Reichs hoffgericht oder kein Lantgericht oder ander weltlich gericht nit laden soll[t]e, noch kein Richter wider sie richten soll [t]e in kein weiß […] [und] das alle s­olche clag, ladung, urtheil und gericht kain kraft und macht haben sollten.1130 Während hiermit einerseits im Rahmen eines Gerichtsstandsprivilegs die Untertanen des Bischofs vor dem Zugriff durch Gerichte anderer weltlicher Gerichtsherren geschützt werden sollten (oder ander weltlich gericht), verzichtete andererseits der ­Kaiser schon lange vor der entsprechenden reichsrechtlichen Regelung des § 29 RKGO 14951131 auf sein Evokationsrecht, mit dem er auch erstinstanzliche Verfahren hatte an sich ziehen können.1132 Etwas anderes galt – wie in späterer Zeit – nur für Fälle der Rechtsverweigerung oder -verzögerung, also wenn egenannt Bischoff oder sein nachkomen oder ir Amptleut unnd Richter den Clegern Recht versagten, oder wider bescheidenhait verzugen.1133 In ­diesem kaiserlichen Privileg meinte Friedrich Merzbacher „praktisch eine Anerkennung der vollen Exemtion des Würzburger Landgerichts“ zu erkennen, „in der natürlich ebenfalls das ‚privilegium de non appellando‘ nicht fehlen konnte.“ 1134 Das ist unwahrscheinlich, denn die Appellation als Rechtsmittel mit Suspensiv- und Devolutiveffekt hatte sich im Rahmen der weltlichen Gerichtsbarkeit im Hochstift wie auch vor den Reichsgerichten erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickelt.1135 Für den kanonischen Prozess, in dem sich die Appellation schon deutlich früher nachweisen ließe, war das Landgericht aber nicht zuständig, sodass hier eine Privilegierung nicht von Nutzen gewesen 1129 Battenberg, Die Gerichtsstandsprivilegien, S. 3, 13. Ders. versteht unter einem Gerichtsstandsprivileg „jede an einen konkreten Adressaten, in urkundlicher Form ausgefertigte Begünstigung […], die sich in irgendeiner Form mit dem Gerichtsstand des Begünstigten befaßt“, ebd., S. 11. 1130 So die Bestätigung des Privilegs durch ­Kaiser Karl V. aus dem Jahre 1531, StAW, WU 37/37. 1131 RA 06. 08. 1495, NSRA II, S. 1 – 29, Tit. II, § 29, wonach Ein Yeder […] sein Underthanen in seinen ordentlichen Gerichten, Rechten und Oberkaiten bleiben lassen und hallten sollte. 1132 Eisenhardt, Rechtswirkungen, S. 77. 1133 StAW, WU 37/37. 1134 Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 124. 1135 So Merzbacher, Iudicium provinciale, S. 124, der selbst darauf hinweist, dass es „echte Berufungen“ an das Landgericht erst im 15. Jahrhundert gab. Zur Entstehung und Zunahme der Appellation auf Reichsebene vor dem königlichen Kammergericht im 15. Jahrhundert Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 61; Weitzel, Appellation, Sp. 268 f.; ders., Dinggenossenschaft und Recht, S. 1308. Siehe dazu schon S. 76 – 79.

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wäre. Überdies lassen sich sowohl am königlichen Kammergericht als auch in der frühen Phase der reichskammergerichtlichen Tätigkeit Verfahren nachweisen, die vom Landgericht im Wege der Appellation an die Reichsgerichte gelangten, ohne dass sich der Bischof diesbezüglich auf ein bestehendes Appellationsprivileg berufen hätte.1136 Bestenfalls könnte man d ­ iesem Einwand noch begegnen, indem man entsprechend der zeitgenössisch-­kaiserlichen Auffassung von den in der Goldenen Bulle an die Kurfürsten verliehenen Appellationsprivilegien davon ausginge, dass sich das Privileg nur auf das in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schon nicht mehr bestehende Reichshofgericht bezogen habe. Selbst unter Zugrundelegung dieser (zweifelhaften) Argumentation gilt für die vorliegende Untersuchung, dass für Appellationen an die Reichsgerichte lediglich die ­später verliehenen Privilegien faktisch eine die Appellation begrenzende Wirkung hatten. Das erste echte Würzburger Appellationsprivileg erteilte ­Kaiser Karl. V. dem Würzburger Bischof Konrad von Thüngen am 27. September 1530. Obwohl, so heißt es in dem Privileg, einem yeden vor seinen hoff rechten unnd seines stiffts lannden, stetten und gebieten furderlich unnd gepurlich recht widerfar, ergee und gestat und wissentlich an denselben gerichten im rechten niemannds beschwerdt sei, [s]o werde doch zu zeiten von denselben gerichten durch seine unnderthanen und am maisten aus den gemainen armen burgern unnd paursman aus kainer notturft, sonder zu geverlichem verzug, lenngerung und auszflucht so und umb klain, gering sachen an unns unnd unnser kaiserlich camergericht zu appellirn unnderstanden.1137 Daher sollte fortan von gedachts bischof Cunradin unnd seins stiffts lanndtsessen, u­ nnderthanen unnd verwanten hochs unnd niders stannds, kainer hierin ausgenomen, von kainen pey oder enntlichen urtheilen, erkannttnussen oder decret, so von seinen unnd seins stiffts hofreten, hof oder anndern gerichten ausgesprochen unnd eroffnet werden, in sachen, da die anfenngklich clag unnd haubtsach nit uber zwayhundert guldin reinisch haubtsuma […] wert were, weder an unns, unnser nachkomen am reiche oder unnser kaiserlich camer gericht nit appeliern, suppliciern noch reduciern.1138 Das Privileg sah sich durch die Vermeidung von Appellationen in verhältnismäßig geringfügigen Verfahren der Prozessökonomie und somit zeittypisch auch dem Gemeinen Nutzen verpflichtet. Die Appellation an die Reichsgerichte war unabhängig vom Stand des Appellanten nunmehr nur zulässig, wenn neben der am 1136 HHStA, RHR, Antiquissima, Fasz. 1, Konv. 3, fol. 208 – 225, Fasz. 2, Konv. 2, fol. 163, Fasz. 3, Konv. 1, fol. 308 – 319, RK, Fridericiana, Fasz. 2, Konv. 3, fol. 9v; ferner beispielhaft BayHStA, RKG 437, 554, 1266, 1406, 2062, 3102, 3166, 3180, 3984, 4128, 4291, 5114, 6057, 6229, 6554, 7012, 7309, 8034, 8406. 1137 Privilegium de non appellando (27. 09. 1530), StAW, WU 35/14, zit. nach Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 336 f. 1138 Privilegium de non appellando (27. 09. 1530), StAW, WU 35/14, zit. nach ebd., S. 337.

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­ eichskammergericht ohnehin vorausgesetzten Beschwerdesumme von 50 Gulden R der Streitwert im Ausgangsverfahren die Summe von 200 Gulden überstieg. Wo aus unwissenhait oder vergessenhait gegen diese Privilegierung appellacion, reduction unnd supplicierungen angenommen wurden, sollten die entsprechenden Handlungen ganntz krafftlosz, ontugenlich unnd nichtig sein.1139 Denjenigen, der überdies außerhalb dieser Gründe zur Vereitelung des Privilegs handelte, erwartete ein peen, nemlich funffzickh marckh lottigs golldes […], so offt er frevenlich hiewider thete, die je zur Hälfte der kaiser­ lichen Kammer und bischof Cunraden unnd seinen nachkomen zukommen sollte.1140 In vielen Fällen bildete angesichts des erforderlichen hohen Streitwerts von 200 Gulden das Kanzleigericht die letzte Instanz für die Rechtsuchenden im Hochstift Würzburg. Sofern das Privileg Urteile und Entscheidungen von des stiffts hofreten erwähnte, war hiermit wahrscheinlich ausdrücklich das Kanzleigericht angesprochen, sofern man d ­ ieses nicht kaiserlicherseits als Hofgericht bezeichnete, da ihm der adelige Hofmeister als Hofrichter vorsaß. Eine Appellation gegen Urteile des Stadtgerichts war von dem Privileg hingegen nicht direkt umfasst, hätte aber leicht unter des Bischofs hof oder anndern gerichten subsumiert werden können. Nachdem die in Würzburg geübte Praxis allerdings Appellationen gegen Urteile des Stadtgerichts nicht vorsah, versuchte Bischof Melchior Zobel von Giebelstadt, ein entsprechendes kaiserliches Privileg zu erlangen, dass ihm als unbeschränktes Privileg freilich nicht gewährt werden konnte.1141 Immerhin erlangte er aber im Jahr 1550 eine gesonderte Privilegierung für das Stadtgericht, die eine Appellation an die Reichsgerichte erst ab einem Streitwert von über 400 Gulden zuließ.1142 Diese parallele Privilegierung wurde auch in der Folgezeit beibehalten, denn am 22. März 1586 erhielt Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn von K ­ aiser Rudolph II . gleich zwei Privilegien, die sich im Wortlaut an jenen der Jahre 1530 und 1550 orientierten und sich daher einerseits auf Urteile, die von des Stiffts hof Räthen, hof oder andern Gerichten außgesprochen und eröffnet 1143 wurden, und andererseits auf das Stadtgericht insbesondere jn sachen bekhandtliche schulden schmahe scheltwort und die Gebeü in der statt wirtzburg belangent 1144 bezogen, womit einige der Zuständigkeiten des Gerichts beschrieben wurden, ohne dass der Verfahrensgegenstand Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Appellation gehabt hätte. Beide Privilegien enthielten nun eine summenmäßige Appellationsbeschränkung auf 1000 Gulden, sodass aus Sicht der Zeitgenossen nun für alle Gerichte im ­Hochstift 1139 Privilegium de non appellando (27. 09. 1530), StAW, WU 35/14, zit. nach ebd., S. 337 f. 1140 Privilegium de non appellando (27. 09. 1530), StAW, WU 35/14, zit. nach ebd., S. 338. 1141 Siehe ausführlicher bereits S. 149. 1142 StAW, WU 41/37a; vgl. auch Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 124. 1143 StAW, WU 37/36. 1144 StAW, WU 37/35.

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die ­gleiche Appellationssumme gegolten haben dürfte, auch wenn das allgemeinere Privileg explizit von Tausent gulden Reinisch 1145, das Stadtgerichtsprivileg hingegen schlicht von Tausent Gulden in Goldt 1146 ausging. Dieser feine Unterschied, der sich ersichtlich nur aus der unterschiedlichen Formulierung der zugrunde gelegten Privilegien von 1530 und 15501147 speiste, an denen man sich angesichts der bis auf die Appellationssumme gleichlautenden Formulierung offenbar bei der Erstellung orientiert hatte, sollte aber den spitzfindigen fürstlichen Hofräten im 18. Jahrhundert in einer Auseinandersetzung mit den Reichskammergerichtsassessoren eine günstige Argumentationsstrategie an die Hand geben. Sie wiesen nämlich darauf hin, dass man am Reichskammergericht angeblich einen Goldgulden mit zwei Gulden rheinisch in Ansatz brachte und für das Stadtgericht daher im 16. Jahrhundert eigentlich ein Privileg über 2000 Gulden rheinisch erteilt worden sei.1148 Nachdem das Stadtgericht zu dieser Zeit allerdings noch eine besondere Stellung eingenommen hatte, mittlerweile aber gänzlich in der Gerichtsverfassung des Hochstifts aufgegangen war, musste ­dieses Privileg nach Auffassung der Räte nun folglich auch dem territorialen Obergericht zukommen.1149 Zuletzt hat Lück auf die gestaltende Funktion der Appellationsprivilegien für die Gerichtsverfassung des Reichs hingewiesen. Abgesehen von dem offensichtlichen Befund, dass die erteilten Privilegien den Landesherren durch die Vermeidung einer Appellation gegen ihre Urteile eine gewisse Autonomie zusicherten, waren sie auch ein wichtiges Mittel zur Vereinheitlichung der Gerichtsbarkeiten im Alten Reich, indem sie regelmäßig bestimmte Voraussetzungen an die Appellation stellten, die auch auf den Verfahrensgang in den Territorien einwirken mussten.1150 Überdies darf auch ein gewissermaßen auf diskursiver Ebene wirkender Effekt nicht völlig unbeachtet bleiben: Auch wenn durch die Appellationsprivilegien vordergründig 1145 StAW, WU 37/36. 1146 StAW, WU 37/35. 1147 StAW, WU 35/14I (1530), vgl. auch Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 124, 336 – 338, und StAW WU 41/37a, vgl. Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 124, der zwar begrifflich ­zwischen Goldgulden und rheinischen Gulden grundsätzlich differenziert, hier aber unzutreffend von rheinischen Gulden ausgeht; siehe dazu bereits den Druck bei Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 881 – 886, insb. 883. 1148 StAW, Gebrechenamtsakten VII W 305, unfol. Nach der Aufzählung bei Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 124, sei den Würzburger Bischöfen im Jahr 1637 ein weiteres Appellationsprivileg mit einer Appellationssumme von 1500 Goldgulden erteilt worden. Ein derartiges Privileg lässt sich jedoch im Staatsarchiv Würzburg unter der angegebenen Signatur nicht auffinden, so bereits Amend-­Traut, Judikative Folgen des Bauernkriegs, S. 250, Anm. 126, und wird auch in der Auseinandersetzung ­zwischen den fürstlichen Räten und dem Reichskammergericht im 18. Jahrhundert nicht erwähnt. 1149 StAW, Gebrechenamtsakten VII W 305, unfol. 1150 Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 60 f. Vgl. hierzu auch S. 227 f.

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der begünstigte Landesherr in seiner Stellung als oberster Richter gefestigt wurde, musste ­dieses Privileg doch vom ­Kaiser – häufig nach Zahlung einer erheblichen Geldsumme 1151 – erteilt werden und stellte sich so nach außen hin als Manifestation seiner eigenen Stellung als oberster Richter im Reich dar.1152 Neben der in den Appellationsprivilegien festgelegten Summe musste die bereits angesprochene reichsrechtlich festgelegte summa appellabilis erreicht werden, die sich nach dem Betrag der Beschwer (summa gravaminis) richtete und beginnend bei 50 Gulden im Jahre 1521 sukzessive auf zunächst 150 Gulden im Jahre 1570 und schließlich auf 300 Gulden im Jahr 1600 erhöht wurde.1153 Ein Beispiel eines Verfahrens am Würzburger Brückengericht mag das Verhältnis der beiden Appellationssummen zueinander noch verdeutlichen. Im Jahre 1565 hatte der Kläger am Brückengericht im Nachgang eines peinlichen Prozesses nach seiner letzten Kostenaufstellung einen Schaden von 492 Gulden geltend gemacht und durch das Urteil im Dezember 1565 rund 274 Gulden zugesprochen bekommen.1154 Das geltende Appellationsprivileg wies für das maßgebliche Gericht eine Appellationssumme von 400 Gulden in der Hauptsache aus, die hier wegen des ursprünglich geltend gemachten Betrages von knapp 500 Gulden auch erreicht war. Die Beschwerdesumme oder der Beschwerdewert war hingegen durch das Maß zu ermitteln, in welchem der Kläger summenmäßig unterlegen war. Hatte er also, wie hier, 492 Gulden eingeklagt, waren ihm aber nur 274 Gulden zugesprochen worden, belief sich die summa gravaminis auf den Differenzbetrag in Höhe von 218 Gulden, die 1151 Nicht nur die Ausstellung des Privilegs durch die reichshofrätliche Kanzlei war mit Kosten verbunden, vgl. etwa zu den Kosten der kaiserlichen Privilegierung zugunsten der Universität Würzburg Amend-­Traut, Geistlicher Auftrag und politischer Nutzen, S. 558. Auch und vor allem die inoffiziellen Zahlungen im Umfeld des kaiserlichen Hofs, die den Entschluss zur Erteilung begünstigen sollten, waren erheblich. Nach einer Schätzung Wilhelms VIII., dem jüngeren Bruder und Statthalter Friedrichs I. als Landgraf von Hessen-­Kassel, hatte man schon im Vorfeld der Erteilung des unbeschränkten Appellationsprivilegs cent milles ecus, an Bestechungsgeldern gezahlt, die für Friedrich angesichts der Wichtigkeit des Privilegs trotzdem presque rien bedeuteten, Pelizaeus, Das Bemühen Hessen-­Kassels, S. 212 und Anm. 50. 1152 Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 60 f. 1153 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 146; Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 68 f.; Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 34, Anm. 37, und S. 37. Anders als die summenmäßigen Appellationsbeschränkungen in den privilegia de non appellando, die in erster Linie dem Ausbau landesherrlicher Macht dienten, verfolgte diese reichsrechtliche Appellationssumme den Zweck, geringfügige Appellationen an das Reichskammergericht zu vereiteln und damit vor allem die Arbeitsbelastung desselben zu senken, Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 146, Anm. 59; Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 37, Anm. 49. Entsprechend zum Reichshofrat Sellert, Prozessrechtliche Aspekte, S. 106 f. 1154 BayHStA, RKG R0931a.

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ihrerseits über der 1565 noch geltenden reichsweiten Appellationssumme von 50 Gulden lag. Eine Appellation war also zulässig. Abgesehen von der Nichteinhaltung dieser Voraussetzungen war eine Appellation auch hinsichtlich bestimmter Streitgegenstände, etwa Merkantil-, ­Policeyund – seit dem Reichsabschied des Jahres 15301155 – Kriminalsachen ebenso wie in geistlichen Angelegenheiten, ausgeschlossen.1156 Nach der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1555 waren endurtheyl oder […] beyurtheyl, die craft eyner e­ ndurtheyl hett,1157 appellabel, während zahlreiche andere Arten gerichtlicher Maßnahmen der Überprüfung entzogen waren.1158 Vor den Reichsgerichten bestand schließlich außer der Appellation die Möglichkeit einer Klage wegen Rechtsverweigerung oder -verzögerung (querela protractae vel denegatae iustitiae). Voraussetzungen der Klage waren neben der tatsächlichen Rechtsverweigerung (iustitia denegata) oder -verzögerung (iustitia protracta) die Erschöpfung des territorialen Rechtswegs, die in ­diesem Fall bedeutete, dass ein territoriales Obergericht der Sache nicht abhelfen konnte oder wollte, und die grundsätzliche Appellabilität des Verfahrens durch Erreichen der nach reichsrechtlichen Regeln vorgesehenen Appellationssumme.1159 Auf das Bestehen eines Appellationsprivilegs und einer gegebenenfalls darin geregelten Appellationssumme kam es nicht an, da der Gerichtsherr durch Justizgewährung 1160 ein entsprechendes Verfahren hätte einseitig verhindern können.1161 In der Gerichtspraxis des Reichkammergerichts hatten die Verfahren wegen Rechtsverweigerung oder -verzögerung unter quantitativen Gesichtspunkten eine untergeordnete Bedeutung.1162 1155 RA 19. 11. 1530, NSRA II, S. 306 – 332, § 95. 1156 Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 68; Stodolkowitz, Vom Handel mit Ellen, S. 18; Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 34, Anm. 38. 1157 RKGO 1555, 3. Teil, Tit. 31, § 11 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 249. 1158 Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 68. 1159 Ebd., S. 73. Zur Appellationssumme siehe bereits S. 168. Die summa gravaminis dürfte hier zwangsläufig stets mit dem Streitwert der Hauptsache übereingestimmt haben. Zur Rechtsverweigerung auch Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 44 – 46. Ausführlich zur reichskammergerichtlichen Verfahrenspraxis Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 90 – 137. 1160 Zur modernen begrifflichen Unterscheidung von Rechts- und Justizgewährung, die für die Betrachtung der Vormoderne unangebracht erscheint, Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 57 – 59. 1161 Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 73; Stodolkowitz, Rechtsverweigerung und Territorialjustiz, S. 130. Schon die Goldene Bulle hatte im Fall der iustitia denegata eine Anrufung des kaiserlichen Hofgerichts zugelassen, Eisenhardt, Rechtswirkungen, S. 75; Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 52. 1162 Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 140; Schildt, Reichskammer­gericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 73, Anm. 46, ermittelt in seiner Stichprobe einen

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Ferner waren auch Rügen wegen wesentlicher Verfahrensmängel nicht durch die Appellationsprivilegien ausgeschlossen. Diese verhinderten zwar die Appellation wegen der iniquitas, also Ungerechtigkeit, Unbilligkeit oder Beschwer, die sich auf materiell-­rechtliche Rechtsanwendungsmängel bezog.1163 Die nullitas, also die Nichtigkeit wegen entsprechender Mängel, konnte aber im Wege der sogenannten Nichtigkeitsbeschwerde oder -klage gleichwohl geltend gemacht werden.1164 Diese Klage, die schon von den Zeitgenossen – kaum zum Vorteil der Landesherren, die trotz der erteilten Privilegien die Anrufung der Reichsgerichte durch ihre Untertanen befürchten mussten – grundsätzlich als eigenständiges Rechtsmittel verstanden wurde, blieb unabhängig von gegebenenfalls bestehenden privilegia de non appellando zulässig, sofern sie nicht ausdrücklich durch ein solches Privileg ausgeschlossen worden war.1165 Obwohl die Nichtigkeitsklage geeignet war, neben einem bestehenden Appellationsprivileg auch die entsprechenden Fristen zu umgehen, blieb der Anteil an Klagen am Reichskammergericht, die sich ausschließlich auf die nullitas bezogen, verschwindend gering.1166 Jürgen Weitzel hat die mangelnde Klärung und Verfestigung gerichtlicher Kompetenzen im Reich als „Kampf um territoriale Ausdehnung und Unabhängigkeit“ bewertet, der „fortwährend mit juristischen und politischen Maßnahmen gesichert und behauptet“ werden musste.1167 Der Versuch der Würzburger Bischöfe, die eigene Gerichtsbarkeit durch die Erlangung stets neuer Appellationsprivilegien weiter von einer übergeordneten Reichsgerichtsbarkeit zu befreien, kann als Manifestation eines solchen Ringens verstanden werden. Waren s­ olche Privilegien erteilt worden, war ihre Geltung aber offenbar unumstritten. Von der Episode um Erteilung eines eigenen unbeschränkten Privilegs für das Stadtgericht um 1550 und dem Versuch der Erhöhung der Appellationssumme durch eine recht fragwürdige Argumentation zu ebendiesem Privileg im 18. Jahrhundert abgesehen, versuchte man in den reichskammergerichtlichen Verfahren, soweit ersichtlich, nicht, weiter­ gehende Befreiungen zu erreichen. Bestritt man gerichtliche Zuständigkeiten oder forderte umgekehrt die Einhaltung bestimmter Appellationswege ein, ging es den ­relativen Verfahrensanteil von 1,92 % über den gesamten Zeitraum der reichskammergerichtlichen Tätigkeit, ohne dass es dabei, abgesehen von der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, zu nennenswerten Schwankungen hinsichtlich der Fallzahlen kam, ebd., S. 83 Grafik 6. 1163 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 46, hier insb. auch Anm. 14. 1164 Ebd. 1165 Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 72 f.; ausführlich hierzu Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 47 – 49 mit zahlreichen Nachweisen. 1166 Schildt, Reichskammergericht als oberste Rechtsmittelinstanz, S. 73, Anm. 42, errechnet in seiner Stichprobe einen relativen Verfahrensanteil von 0,13 %. 1167 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 350.

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Würzburger Fürsten hauptsächlich darum, sich gegenüber anderen regionalen Herrschaftsträgern durchzusetzen und mit den Gerichtsrechten ihre Herrschaftsmacht zu behaupten. Derartige Streitigkeiten gelangten allerdings nicht zwingend vor die Reichsgerichte, denn selbstverständlich konnte der Streit z­ wischen den Kontrahenten auch ohne ein reichsgerichtliches Verfahren beigelegt werden. Dies war etwa durch eine vertragliche Einigung ­zwischen den Beteiligten oder durch gesonderte Schlichtungsverfahren möglich. So sah etwa der Schwäbische Bund bei Konflikten ­zwischen seinen Mitgliedern ein vorgeschaltetes Schiedsverfahren zur Streitbeilegung vor.1168 Umgekehrt konnten reichsgerichtliche Verfahren angesichts ihrer Zahl oder Dauer die Bereitschaft der Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung in Jurisdiktionsstreitigkeiten begünstigen.1169 Die Entstehung des Kanzleigerichts zum Ende des 15. Jahrhunderts verwundert angesichts dieser allgemeinen, reichsweiten Entwicklungen nicht. Als die königliche Gerichtsbarkeit die Überprüfung von Urteilen der territorialen Foren in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zunehmend beanspruchte, mussten sich auch die plötzlich im Verhältnis zur Reichsgerichtsbarkeit als niedere Gerichtsbarkeit zu verstehenden Spruchgremien stärker um die Nachvollziehbarkeit ihrer Urteile bemühen. Alternativ konnten neue Gerichte wie das Kanzleigericht etabliert werden, an denen die Vorgaben des gelehrten Zivilprozesses beachtet wurden. Neben dem Vorbildcharakter, den etwa die Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 für die landesherrlichen Gerichtsordnungen hatte, musste sich die territoriale und regionale Gerichtslandschaft auch verändern, um einerseits die grundsätzliche Appellabilität der gefundenen Urteile zu gewährleisten und andererseits erfolgreiche Appellationen durch den Aufbau eines eigenen römisch-­rechtlich geprägten Gerichts- und Verfahrenssystems möglichst zu vermeiden.1170 Dazu gehörte neben der (Weiter-)Entwicklung der Rechtsquellen durch Verschriftlichung und der Begründung von Statutarrecht wie im Falle der fränkischen Landesgebräuche 1168 Für das Hochstift Würzburg dürfte dieser Konfliktbewältigungsmechanismus allerdings eine gegenüber der Reichsgerichtsbarkeit untergeordnete Bedeutung gehabt haben, denn Konrad von Thüngen trat dem Schwäbischen Bund, der nur bis 1534 bestand, erst 1522 bei, als eine Appellation von Urteilen des Bundesgerichts an die Reichsgerichtsbarkeit bereits möglich war, Amend-­Traut, Judikative Folgen des Bauernkriegs, S. 233 f., 250 f.; Carl, Der Schwäbische Bund, S. 67, 372 f. 1169 Ein Beispiel hierfür dürften die zahlreichen Jurisdiktionsstreitigkeiten z­ wischen der Zister­zienserabtei Ebrach und Julius Echter in den Jahren von 1580 bis 1594 bieten, vgl. BayHS tA, RKG 2776 – 2779, 2782 f., 2786, 2789 f., die durch die Anzeige einer gütlichen Einigung der Kontrahenten am Reichskammergericht ein Ende fanden; siehe diesbezüglich S. 150. 1170 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 143; Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 58; Schlinker, Litis Contestatio, S. 300.

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auch die Struktur und Qualität der Aktenführung und die Professionalität des zur Rechtsprechung eingesetzten Personals.1171 Verstärkt wurde der Modernisierungsdruck noch durch die Möglichkeit von Rechtsverweigerungs- und Nichtigkeitsklagen und die Verleihung von Appellationsprivilegien,1172 die häufig nur gegen die landesherrliche Verpflichtung zur Einrichtung einer eigenen Justiz mit Instanzenzug gewährt wurden.1173 Eine allzu starke Vereinheitlichungstendenz sollte man angesichts der nach wie vor großen Vielgestaltigkeit lokaler und territorialer Gerichte im Alten Reich gleichwohl nicht unterstellen.1174 Ob sich in dieser Vielfalt die kaiserliche „Duldung oder Zulassung einer relativ eigenständigen Entwicklung […] durch (bewusste) Gestaltung“ 1175 manifestierte oder – wahrscheinlicher – vielmehr den bestehenden Machtverhältnissen und damit den begrenzten Erfolgsaussichten einseitiger Anordnungen durch das Oberhaupt des Reichs Rechnung getragen wurde, kann dahinstehen. Umgekehrt wirkte die Professionalisierung der landesherrlichen Gerichte auch auf die Reichsgerichte ein, die nun mit zunehmend komplexeren Verfahren konfrontiert waren,1176 sodass ein sich positiv verstärkender Professionalisierungsprozess vorangetrieben wurde. Auch mit Blick auf diese im Wechselspiel von Reich und Territorien begründete Entwicklung kann Schlözers Wort vom glückliche[n] Deutschland gelten, dem einzige[n] Land der Welt, wo man gegen seine Herrscher, ihrer Würde unbeschadet, im Wege Rechtens, bei einem fremden, nicht ihrem eigenen Tribunal, aufkommen kan.1177

1171 Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 58. 1172 Zu den Appellationsprivilegien und zu Rechtsverweigerungs- und Nichtigkeitsklagen siehe S. 218 – 220 bzw. 226. 1173 Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 139 f. 1174 Im Ergebnis auch Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 57; in Bezug auf Rechtsverweigerungsprozesse ferner auch Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 139 f., der allerdings vor allem auf die geringe Bedeutung speziell dieser Prozessform rekurriert. 1175 Lück, Appellationsprivilegien als Gestaltungsfaktoren, S. 57. 1176 Diestelkamp, Vom einstufigen Gericht, S. 143. 1177 Schlözer, Allgemeines Statsrecht und Statsverfassungslere, S. 107. Ebenso, wenngleich stärker auf den von der Reichsgerichtsbarkeit ausgehenden Modernisierungsdruck auf die Territorien gerichtet, zitiert bei Oestmann, Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 140 f.

F.  Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis Die Organisation der Kanzlei war Gegenstand zahlreicher fürstlicher Mandate und Ordnungen, deren erste auf das Jahr 1506 datiert. Innerhalb des untersuchten Zeitraums wurden außerdem die Kanzleiordnungen der Jahre 1525/1526, 1546, 1551, 1559, 1574 und 1617 erlassen.1178 Während sich die Kanzleiordnung Bischof Lorenz’ von Bibra (1495 – 1519) in ihrem Umfang mit knapp drei Seiten noch ausgesprochen bescheiden ausnimmt und überwiegend als Taxordnung zu verstehen ist, wird die einschließlich des Titelblatts 65 beschriebene Seiten im Quartformat umfassende Ordnung des Jahres 1526, deren Datierung allerdings nicht unumstritten ist und die wahrscheinlich eher auf das Jahr 1525 zurückgeht,1179 zum Ausgangspunkt und Markstein der weiteren Ordnungen bis 1617 und stellt die erste umfassende Fixierung der Würzburger Kanzleiorganisation überhaupt dar. 1178 Diese Ordnungen sind sämtlich im Staatsarchiv Würzburg archiviert in StAW, ldf 19, S. 193 – 195 (1506), StAW, Miscell. 6811, fol. 1r–33v (1526), StAW, ldf 28, S. 333 – 338 (1546), StAW, ldf 28, S. 583 – 598 (1551), StAW, ldf 30, S. 64 – 76 (1559), StAW, ldf 32, S. 41 – 93 (1574) und StAW, ldf 40, S. 47 – 93 (1617). Ausführlich zum historischen Kontext dieser Ordnungen siehe S. 235 – 256. 1179 Frenz, Kanzlei, Registratur und Archiv, S. 140, ist der Ansicht, dass „die älteste eindeutig datierbare Würzburger Kanzleiordnung […] erst aus dem Jahr 1546“ stamme, da jene aus dem Jahr 1506 keine Detailbestimmungen enthalte, ebd., Anm. 10, nur das ursprünglich nicht zugehörige Deckblatt der Ordnung von 1525/1526 eine Datierung enthalte und Lorenz Fries in seiner „Hohen Registratur“ eine Ordnung aus dem Jahr 1526 anders als jene von 1506 und 1546 nicht erwähnte, „mit der er doch zwanzig Jahre lang gearbeitet haben müßte“, ebd., S. 145, Anm. 37. Ganz abgesehen davon, dass Frenz die Bedeutung einer Kanzleiordnung für die Praxis überschätzt haben dürfte und ferner – unzutreffend – davon ausgeht, dass die Ordnung mit jener von 1546 (anstelle jener von 1551) fast wörtlich übereinstimmte, ebd. (siehe dazu auch S. 242), weist er selbst sehr überzeugend nach, dass die Ordnung wahrscheinlich sogar aus den Jahren 1519 bis 1525 stammt, ebd., S. 146, Anm. 40. Denn nicht nur verweist die spätere Ordnung von 1546 auf eine Kanzleiordnung aus der Zeit Konrads von Thüngen, StAW, ldf 28, S. 338, sondern die frühere Ordnung enthält, anders als jene von 1551, StAW, ldf 28, S. 596, auch einen Verweis auf eine Registratur für Schreiben des bereits 1534 aufgelösten Schwäbischen Bundes, StAW, Miscell. 6811, fol. 24r; vgl. entsprechend ohne weiterführende Fundstellen Frenz, Kanzlei, Registratur und Archiv, S. 145, Anm. 37. Frenz zeigt ferner, dass die Ernennungsurkunde von Kanzler Dr. Marsilius Prenninger vom 09. 11. 1525, die einige wörtliche Übereinstimmung mit der in Rede stehenden Kanzleiordnung aufweist, auf eine Kanzleiordnung des amtierenden Bischofs verweist, ebd., S. 146, Anm. 40. Er übersieht allerdings, dass die Ordnung frühestens im Juni 1525 erlassen worden sein kann. Diese ging nämlich davon aus, dass die angeordnete tegliche Registratur durch die Kanzlisten zeyther der paurischen Emperung unterblieben war. Der Höhepunkt des sog. Bauernkrieges in Würzburg lag aber in den Monaten Mai und Juni 1525. Der Bischof selbst war erst am 06. 05. 1525 aus der Stadt nach Heidelberg geflohen, Arnold, Der Bauernkrieg, S. 73.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

I.  Vorbemerkung: zum Verhältnis von Recht, Norm und Praxis In den verschiedenen Regelungen kommt ein Idealtypus der Kanzleiorganisation zum Vorschein, der wohl nie vollständig in der Wirklichkeit reproduziert wurde, aber gleichwohl Auskunft darüber erteilt, wie sich die Organisationsstruktur der Kanzlei über etwas mehr als ein Jahrhundert hin entwickelte, w ­ elche Personen und Ämter in Erscheinung traten und wie der Geschäftsgang insbesondere in Parteistreitigkeiten ausgestaltet war. Keinesfalls können die untersuchten Kanzleiordnungen als normative Quellen im Sinne moderner Gesetze oder Verwaltungsvorschriften verstanden werden, die nach ihrer Veröffentlichung anordnungsgemäß umgesetzt worden wären und daher bis zu einer Neuregelung Geltung beansprucht hätten. Häufig erscheinen sie vielmehr als eine idealtypische Darstellung bereits zuvor bestehender Verhältnisse oder geben durch unscheinbare Veränderungen im Vergleich zu vorhergehenden Ordnungen den Blick auf Missstände des Kanzleibetriebs aus Sicht der Zeitgenossen frei. Im 16. Jahrhundert nahm durch den Anstieg der Schriftlichkeit und das neue, aus dem römisch-­kanonischen Recht abgeleitete Herrschaftsverständnis die Normgebung stark zu. Darüber hinaus kamen die auf Grundlage der Vorstellung einer guten Policey vielfältig erlassenen Mandate und Ordnungen auch verstärkt in gedruckter Form in Umlauf.1180 Mithilfe dieser Normen ließen sich die tatsächlichen Verhältnisse allerdings nur adäquat rekonstruieren, wenn diese Normen mit der Praxis weitgehend korrelierten, die gesetzten obrigkeitlichen Anordnungen also auch als Recht verstanden und umgesetzt wurden. Schon Hans Fehr und nach ihm Wilhelm Ebel haben aber auf die Disparität von Norm und Rechtswirklichkeit beziehungsweise Gebot und Recht im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit hingewiesen.1181 Diese Disparität entspricht, wenn man unter Recht diejenigen „Regeln, die materiell oder formell der Rechtsfindung dienen“ 1182, versteht, nicht ganz dem heute im Verhältnis von Norm und 1180 Siehe hierzu bereits S. 61 f. Eine „zunehmende Gesetzgebungsinitiative der Landesherren“ seit der Mitte des 15. Jahrhunderts konstatierte bereits etwa Wieacker, Privatrechts­ geschichte, S. 190. 1181 Fehr, Sozial- und Privatrechtliches, S. 507; ders., Tod und Teufel, S. 74; Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 63, 73. Einen konkreten Nachweis für das Auseinanderfallen von Recht und Gesetz lieferte Diestelkamp, Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht, insb. S. 25, 30 – 33, der darlegte, dass die hessischen Erbrechtsregelungen des Jahres 1497 vor den lokalen Gerichten während des 16. Jahrhunderts praktisch keine Geltung fanden. Ferner zur Rechtsprechung an oberbayerischen Gerichten und zum dortigen Verhältnis der Buchsage als Spruch nach geschriebenem Recht zu den tradierten Formen der Rechtsfindung Schlosser, Spätmittelalterlicher Zivilprozeß, 405 – 411. 1182 Willoweit, Gesetzgebung und Recht im Übergang, S. 124 f.

Vorbemerkung: zum Verhältnis von Recht, Norm und Praxis

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Praxis untersuchten Gegenstand, der sich durch den weiten Begriff der Praxis etwa – modern gesprochen – auch auf Verwaltungshandeln oder das Verständnis der zeitgenössischen Akteure abseits gerichtlicher Verfahren beziehen kann. Schon in den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts haben rechtshistorische Forschungen formuliert, dass im 15. und 16. Jahrhundert eher eine konservierende, rechtsbewahrende Tendenz bei der Normgebung bestanden habe, die schon begrifflich in den Rechtsreformationen als Rückkehr zu einer guten, s­ päter in Verfall geratenen Ordnung sichtbar wurde und erst im 17. Jahrhundert einer zielorientierteren, im Willen der Obrigkeit begründeten Normsetzung wich.1183 Gleichwohl folgte auch auf diese späteren Normierungen selten eine konsequentere Umsetzung in der Praxis, sodass d ­ ieses Durchsetzungsdefizit geradezu „zur Struktur frühneuzeitlicher Staaten gehörte“.1184 Auch in der historischen Kriminalitätsforschung in Deutschland ist schon seit den 1980er-­Jahren die Bedeutung von Normen näher untersucht worden.1185 Als ein Ergebnis dieser Forschungen stand bald fest, dass die Strafpraxis teilweise erheblich von den normativ angeordneten Sanktionen abwich, umgekehrt aber neben den schriftlich fixierten Statuten auch ein in der Gesellschaft verortetes, zum Teil davon abweichendes „System informeller Regeln“ bestand, das vor allem durch soziale Kontrolle in Familie, Nachbarschaft und Gemeinde zu Geltung kam.1186 Nicht immer darf ferner eine häufige Wiederholung und Einschärfung der erlassenen Normen ohne Weiteres als Manifestation mangelnder Normdurchsetzung verstanden werden. Denn erstens lagen ­zwischen dem Erlass ähnlicher oder gleichlautender Normen häufig Jahre oder Jahrzehnte, sodass eine neuerliche Verkündung aus Sicht der Zeitgenossen notwendig erscheinen konnte, und zweitens hatten die wiederholten Passagen häufig einen „toposartigen Charakter“ und sollten die Notwendigkeit der erlassenen Normen unterstreichen.1187 Ein zusätzliches Problem im Verhältnis von Rechtsnorm und Rechtspraxis stellt das „usual[e] Rechtsgeltungsverständnis“ 1188 der Zeitgenossen dar, das die Suche nach einem „abstrakt-­ normative[n] Maßstab für die Bewertung der Praxis“ 1189 deutlich erschwert. Denn die Nichtbefolgung einer Norm in der Praxis, also die mangelnde Übereinstimmung

1183 Ebel, Geschichte der Gesetzgebung, S. 70 – 73; Mohnhaupt, Potestas legislatoria und Gesetzesbegriff, S. 191, 199 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 189 f.; zusammenfassend Willoweit, Gesetzgebung und Recht im Übergang, S. 124 f. 1184 Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 659. 1185 Bulst, Richten nach Gnade, S. 465. 1186 Blauert/Schwerhoff, Vorbemerkung, S. 8. 1187 Schennach, Zuschreiben von Bedeutung, S. 136 f., 158 – 167. 1188 Simon, Geltung, S. 102. 1189 Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 157.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

von Statut und Observanz, konnte dazu führen, dass die geschriebene Norm ihren Charakter als verbindliches Recht durch desuetudo verlor.1190 Gleichwohl regt die Diskrepanz von Normsetzung und Praxis den wissenschaftlichen Diskurs auch bis in gegenwärtige Forschungen hinein an.1191 Von ernst zu nehmenden Forschungen vorausgesetzt wirft sie mittlerweile vor allem epistemologische Fragen auf.1192 Die mangelnde Durchsetzung bestehender Normen ist dabei kaum allein mit der Unzulänglichkeit von Verwaltungsbehörden und Ämterstruktur zu erklären. Denn selbst dort, wo bereits entsprechende Strukturen bestanden, war eine normgemäße Rechtspraxis nicht die Regel.1193 Gelegentlich, etwa im Rahmen der Münzverschlechterung in der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg, bestand schon gar kein allzu großes obrigkeitliches Interesse an der Normdurchsetzung, weil die jeweiligen Regenten selbst in Normverstöße involviert waren oder von diesen profitierten.1194 Weitaus häufiger lässt sich die mangelnde Durchsetzung von Normen hingegen mit der vielschichtigen Zweckrichtung der erlassenen Ordnungen, Mandate und Reskripte erklären.1195 Nicht immer war damit eine bloße Anordnung für die Untertanen verbunden. Oft enthielten die Normen neben einer Regelung für dieselben umgekehrt auch eine Anweisung an die Amtsträger, w ­ elche die Anordnungen zunächst noch als mündliche Gebote den Untertanen verkündeten.1196 Ferner waren manche Regelungen vor allem im Bereich der guten Policey, die eher moralischen 1190 Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte, S. 7; ders., Rechtsverweigerung im Alten Reich, S. 138; ders., Streit um Anwaltskosten, S. 157; Schennach, Zuschreiben von Bedeutung, S. 180; Simon, Geltung, S. 118 f. 1191 Den Anstoß zu einer regen Auseinandersetzung gab auf dem 40. Rechtshistorikertag 2014 und in Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte, passim, Peter Oestmann. Einleitend zu der in Rg. 23 (2005) geführten Debatte Duve/ Oestmann, Normengeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Praxisgeschichte, S. 255. 1192 Siehe dazu S. 27 – 29. 1193 Diestelkamp, Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht, S. 19, 27; Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 657. Ferner ausdrücklich Härter, Policey und Strafjustiz, S. 1110 – 1122, der bezüglich der strengen Policeygesetzgebung gegenüber Vaganten in Kurmainz im 18. Jahrhundert überdies dargelegt hat, dass die vermeintlich milde Strafpraxis angesichts der mit ihr verbundenen Etikettierungsprozesse auch nicht ohne Weiteres mit einer ineffizienten Strafpraxis gleichgesetzt werden kann, ebd., insb. S. 1118 f., 1122. 1194 Amend-­Traut, Monetary and Currency Problems, S. 301 f., 316. 1195 Häufig waren Mandate im 16. Jahrhundert bereits nach ihrer äußeren Form zum öffent­ lichen Anschlag und somit zur Publikation bestimmt, während Reskripte sich in der Regel an die Amtsträger richteten und normative Wirkungen nach außen erst entfalteten, wenn sie durch diese mündlich kundgetan wurden, Schennach, Zuschreiben von Bedeutung, S. 156. 1196 Willoweit, Gesetzgebung und Recht im Übergang, S. 137 f.

Vorbemerkung: zum Verhältnis von Recht, Norm und Praxis

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Geboten glichen, nicht in erster Linie dem Wunsch nach einer durchsetzbaren Anordnung, sondern der Verantwortung als gottgefällige Obrigkeit geschuldet.1197 Je weiter die Selbstdarstellung in den Vordergrund rückte, desto mehr wird zur Konzeptualisierung der tatsächlichen Gegebenheiten sogar der Begriff der Norm als Sollensanordnung unbrauchbar.1198 Viele der frühneuzeitlichen Ordnungen und Mandate, deren Nichtbeachtung faktisch nicht sanktioniert wurde und deren Durchsetzung vielleicht nicht einmal beabsichtigt war,1199 sind deshalb nicht als „unwirksam“ zu betrachten. Denn zumindest auf diskursiver Ebene waren sie geeignet, entweder die Außendarstellung des Herrschers zu befördern oder bei den Adressaten das Verständnis von normgemäßem Verhalten zu prägen. Sie verkörperten ferner nicht nur zeitgenössische Konfliktlagen und herrschaftliche Gestaltungsansprüche,1200 sondern ließen vor allem die Obrigkeit als Obrigkeit nach außen und innen und überdies als gute Obrigkeit erscheinen, ­welche die rechte, insbesondere christliche Ordnung proklamierte.1201 Selbst wenn man mit Schennach eine maßgeblich symbolische Gesetzgebung ablehnt,1202 da die Intention obrigkeitlicher Normgebung stets auch Umsetzung derselben in der Rechtswirklichkeit gewesen sei, und stattdessen das Konzept einer „[a]bgestufte[n] Normintensität“ befürwortet, wonach „der Verwaltungsalltag dazu zwang, Vollzugsschwerpunkte und Prioritäten zu setzen“,1203 ändert dies nichts an der Tatsache, dass das obrigkeitliche Durchsetzungsinte­resse in Ansehung verschiedener Normen unterschiedlich hoch war und somit ein Durchsetzungsdefizit in bestimmten Bereichen erklärlich wird. 1197 Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 660; Willoweit, Gesetzgebung und Recht im Übergang, S. 142 – 144. 1198 Thier, Zwischen Kultur, Herrschaftsordnung und Dogmatik, S. 271, sieht etwa im mit der Formulierung der Norm zum Ausdruck gebrachten „Anspruch auf Durchsetzbarkeit und Verbindlichkeit“ den maßgeblichen Unterschied ­zwischen Rechts- und anderen, etwa religiösen oder ethischen, Normen. 1199 Entsprechend hat Diestelkamp, Das Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht, S. 19, 27 – 31, darauf aufmerksam gemacht, dass es angesichts der vorzüglichen landgräflich-­ hessischen Verwaltungsorganisation unwahrscheinlich ist, dass die Normdurchsetzung nicht möglich war. Dementsprechend habe auch das obrigkeitliche Interesse gar nicht in der Beseitigung des Gewohnheitsrechts gelegen, sondern die obrigkeitliche Gesetzgebung vielmehr eine „subsidiäre Entscheidungshilfe“ im Falle von Zweifeln an der gewohnheitsrechtlich ausgerichteten Beurteilung durch die lokalen Richter geliefert, ebd., S. 30 f. Das ius non scriptum war somit mehr als nur das „Recht, das bei Schweigen des Gesetzgebers aus den […] Gebräuchen erschlossen wurde“; so noch Merzbacher, Norm und Wirklichkeit, S. 353. 1200 Thier, Zwischen Kultur, Herrschaftsordnung und Dogmatik, S. 272. 1201 Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 660. 1202 Schennach, Zuschreiben von Bedeutung, S. 167 – 175. 1203 Ebd., S. 167, 174.

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Die genannten Erklärungsmuster gehen tendenziell von einem hierarchischen oder zumindest vertikalen Obrigkeits- und Herrschaftsverständnis aus, das nicht auf bloßer Gewalt, sondern auf einem im Grundsatz konsentierten Regelwerk ­zwischen Herren und Beherrschten beruht.1204 Demgegenüber wird in jüngeren Forschungen das Interesse eher auf horizontale Prozesse des Aushandelns und Vermittelns und auf Formen symbolischer Kommunikation gerichtet und Herrschaft daher als „soziale Praxis“ verstanden.1205 Man kann dies nur dann als „Marginalisierung des Rechtlichen“ 1206 begreifen, wenn man Rechtspraxis nicht als „Zusammenspiel von formellen und informellen Formen der Konfliktaustragung“ 1207 auffasst und somit die angedeuteten horizontalen Prozesse nicht als Bestandteil des Rechts ansieht. Die berechtigte stärkere Betonung informeller und horizontaler Prozesse darf hingegen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Herrschaft in der Frühen Neuzeit vielfach asymmetrisch, repressiv und gewalttätig ausgeübt wurde und ferner etwa der obrigkeitliche Verwaltungs- und Behördenaufbau häufig erst die Voraussetzungen für die angedeuteten Kommunikationsprozesse schuf.1208 Natürlich kannte auch das Recht des Mittelalters den Unterschied ­zwischen Sein und Sollen. War es auch stark vom Herkommen geprägt, war doch das Sollens-­ Element in der Ansicht, dass ein Herkommen gerecht und somit Recht sei, der eigentlich konstituierende Faktor jedes Gewohnheitsrechts. Schon das Rechtssprichwort „Hundert Jahre Unrecht getan, wird nimmer Recht getan“ zeugt hiervon.1209 Verstärkt wurde diese Vorstellung mit der zunehmenden Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts. So formulierte etwa der Ende des 15. Jahrhunderts tätige Nürnberger Ratsjurist Dr. Peter Stahel unter Berufung auf den Dekretalentitel De electionibus (X 1.6.27): Vnd irret mich nit, das zuzeitten oder auch offt solchs nit, sonnder annders gehalten wurdt, wannen wir sollen nit ansehen, das do geschicht, sonnder das do geschehen solle.1210 Allerdings war ­dieses Sollens-­Element häufig nicht von einer gesetzten Norm abhängig oder gar durch sie begründet. 1204 Mayenburg, Herrschaft als Versprechen und Zumutung, S. 42 m. w. N. 1205 Lüdke, Einleitung: Herrschaft als soziale Praxis, passim; vgl. ferner Brakensiek, Einleitung: Herrschaft und Verwaltung, S. 10, der die Bedeutung von Kommunikationsprozessen ­zwischen den Akteuren in „herrschaftlich geformten administrativen Settings“ hervorhebt. Vgl. generell Mayenburg, Herrschaft als Versprechen und Zumutung, S. 44 m. w. N., und Schennach, Herrschaft im Land, insb. S. 102 – 105, 109 f., 114 – 120. 1206 Mayenburg, Herrschaft als Versprechen und Zumutung, S. 44. 1207 Loetz, L’infrajudiciaire, S. 546. Zur Bedeutung derartiger informeller Prozesse für die Justiznutzung durch die Konfliktparteien vgl. Dinges, Justiznutzungen als soziale Kontrolle, insb. S. 511 – 515. 1208 Schennach, Herrschaft im Land, S. 124, 137 – 140. 1209 Merzbacher, Norm und Wirklichkeit, S. 357. 1210 Zit. nach Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 411.

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Der Schluss von der Norm auf die Praxis ist also mit großer Vorsicht zu vollziehen.1211 Wahrscheinlich gilt aber Folgendes: Je mehr die Anordnungen auf die fürstliche Verwaltung bezogen waren, sich also nach innen richteten, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine Norm auch in der Praxis Geltung fand. Denn im Bereich der Verwaltung war die Selbstdarstellung der fürstlichen Ordnungsmacht mangels Außenwirkung weit weniger erforderlich als bei anderen Regelungsgegenständen. Das gilt insbesondere für die im Folgenden untersuchten Kanzleiordnungen, deren Ausarbeitung – wie jene von Gesetzen und Ordnungen im Allgemeinen 1212 – in der Regel auf die fürstlichen Räte zurückging, die auch Adressaten der Regelungen waren. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass häufig nicht die Norm jene Praxis in Gang gesetzt, sondern umgekehrt die bestehenden Praktiken aufgegriffen haben dürfte, die dann idealtypisch verschriftlicht wurden.1213 Es wäre allerdings keineswegs untypisch, wenn auch die prozessualen Vorschriften zur Protokoll- und Aktenführung nicht immer eingehalten worden wären.1214 Gleichwohl geben sie doch ein (Ideal-)Bild des Verfahrens aus zeitgenössischer Sicht.

II.  Entwicklung der Kanzleiorganisation im Kontext der Hochstiftsgeschichte 1.  Anfänge bischöflicher Ordnungstätigkeit Die Kanzleiordnung Bischof Lorenz’ von Bibra aus dem Jahr 1506 traf nur wenige Anordnungen und gibt so den Blick auf die wesentlichsten Bedürfnisse der Kanzlei­ organisation um die Jahrhundertwende frei.

1211 Entsprechend hat Pihlajamäki, How Much Context, S. 266, auf die Gefahren hingewiesen, juristische Literatur oder Statutarrecht als Spiegel des „lebendigen Rechts“ anzusehen („if legal literature oder statutory law are taken as mirrors of the ‚living law‘“). 1212 Willoweit, Gesetzgebung und Recht im Übergang, S. 141 f. 1213 Diese Tradition besteht nicht nur im heutigen common law (und nicht nur dort – man denke etwa an die späte Kodifikation der culpa in contrahendo im BGB im Jahre 2002), sondern ist auch schon früh in der Rechtsgeschichte, etwa in Form der päpstlichen Dekretalen, Thier, Zwischen Kultur, Herrschaftsordnung und Dogmatik, S. 270, oder der mittelalterlichen Rechtsbücher, die allerdings wohl keine normative Zielsetzung hatten, anzutreffen. Wenn ferner etwa bei der Verschriftlichung der fränkischen Landesgebräuche gerade die Landschreiber mit ihrer Sammlung befasst wurden, lag dies wohl daran, dass eine authentische Sammlung der gerichtlich anerkannten Gebräuche intendiert war und somit ebenfalls die gerichtliche Praxis der (dann allerdings durch die im Gemeinen Recht ausgebildeten Räte vorgenommenen) Normierung vorausging. 1214 Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 655 f.

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Demnach sollte die Kanzlei nur vom zugehörigen Personal betreten werden, wozu ausweislich besagter Ordnung der Kanzler, der Sekretär und die Schreiber, aber nach dem weiteren Verständnis des Kanzleibegriffs auch Hofmeister, Marschall und die Räte zählten.1215 Abgesehen davon sind der Ordnung nur implizit Hinweise auf die Kanzleiorganisation zu entnehmen. So ist über die veranschlagten Gebühren das am Geschäftsgang der Kanzlei beteiligte Personal rekonstruierbar. Vor den fürstlichen Räten traten Fürsprecher der Parteien im rechtlichen Austrag und wohl auch in Verhandlungen zur Güte auf. Dabei sollten sie, wo sie ainer parthei zum rechten reden, oder rechtlich hanndln […] solichs mit zuchtigen worten thun, unnd keiner dem anndern in sein Red falln.1216 Neben der Vergütung für die Redner oder Fürsprecher in dem gerichtlichen Verfahren und bei gütlichen Verhandlungen war auch eine Gebühr oder Taxe für die Zeugenvernehmung und für erstellte Kopien zu entrichten, die von dem in der Ordnung erstmals erwähnten 1217 Gerichtsschreiber zu erstellen waren.1218 Dass auch zu dieser Zeit Appellationen vor die Kanzlei gebracht wurden, wird von der Ordnung vorausgesetzt, die dementsprechend streitwertabhängige 1219 Taxen für den jeweiligen Notar vorsah, die für die appellation, so er die macht[e], zu entrichten waren.1220 Damit war insbesondere die Errichtung des für die Interposition erforderlichen und gegebenenfalls beim Ausgangsgericht zu insinuierenden Appellationsinstruments gemeint, das die ordnungsgemäße Einlegung der Appellation auswies.1221 Ein Hinweis auf die Tätigkeit der Kanzlei in Appellationssachen zu dieser Zeit findet sich auch in der Landgerichtsordnung desselben Jahres, wonach dort kein appellation on den urteylbrife […] angenommen 1215 1216 1217 1218 1219

Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 193. Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 193. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 29. Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 193. Da die Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 194, nicht z­ wischen Beschwerde- und Streitwert in der Hauptsache unterscheidet, war hier wahrscheinlich letzterer gemeint. 1220 Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 194. 1221 Das Notariat hatte sich aus den Reihen der Gerichtsschreiber und Sekretäre entwickelt und war schon im 12. Jahrhundert zu einer gerichtsunabhängigen Stellung gelangt, Dolezalek/Konow, Notar, Notariat, Sp. 1043. In der Frühen Neuzeit wurde es umfassend durch die Reichsnotariatsordnung des Jahres 1512 geregelt, RA 08. 10. 1512, NSRA II, S. 151 – 166. Dass die Appellation auch vor öffentlichen Notaren eingelegt und darüber ein Appellationsinstrument ausgefertigt wurde, war auch reichsrechtlich vorgesehen, vgl. ebd., S. 165, Tit. IV § 1. Unter Insinuation verstand man die Uberantwortung und Verkündigung bestimmter Schriftstücke an das Gericht, ebd., S. 162, Tit. II § 1, an die bestimmte Rechtsfolgen, etwa der Beginn oder das Ende von Fristläufen, geknüpft waren, Sellert, Insinuation, Sp. 1256. Zur Bedeutung von Interposition und Insinuation im Kanzleiverfahren siehe S. 323 – 325 bzw. 324. Zur Insinuation von Appellationsprivilegien am Reichskammergericht siehe bereits S. 218.

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werden solle.1222 Anders als von den Forschungen zur Würzburger Gerichtsbarkeit bis in die jüngere Zeit angenommen, war das Kanzleigericht schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Appellationsinstanz etabliert.1223 Schließlich wurden in der Kanzleiordnung noch Hinweise zum Supplikenwesen statuiert. Die von den Schreibern zu fordernden Taxen für die Ausfertigung der Bittschriften richteten sich, vergleichbar mit den Anordnungen zur notariellen Erstellung des Appellationsinstruments, nach dem Streitwert in der Sache. Wie zum Vortrag der Fürsprecher vor den Räten findet sich auch in den Vorschriften zu den Supplikationsschriften ein Hinweis auf die geforderte Mäßigung bezüglich der Inhalte. So sollte derjenige, der für einen Untertanen eine Supplik an Bischof oder Räte ausfertigte, gut acht haben, […] mit zuchtigen zimlichen Worten zuschreiben, unnd […] hessige Worte, zu der sachen undinstlich, unnd die dem teyl dafur er schreibt zu nachtail, oder dem anndern zuschmahe reichen mochte unnterlasse[n], damit der arm man, der sein sach nit arngeben kann, derhalb nit unfug, oder guter sachen, gegen seinem widerteyl nachteil erlanng, oder widerumb, ein anndere suplication schreiben zulassen gedrungen werde.1224 Von einer die Kanzleiverfahren umfassend darstellenden oder regelnden Ordnung kann im Hinblick auf die Kanzleiordnung des Jahres 1506 nicht gesprochen werden. Offenbar sollten nur die dringlichsten Probleme in der Kanzleipraxis eine Regelung erfahren. Dazu gehörten offensichtlich die Kosten des Verfahrens und – wohl weniger zu erwarten – das Gebot des Maßhaltens an Fürsprecher und Supplikanten hinsichtlich der im Verfahren getätigten Ausführungen. 2.  Die Kanzleiordnung von 1525/1526 als Brennglas der weiteren Entwicklungen Erweisen sich die Ausführungen der ersten erhaltenen Kanzleiordnung im Hochstift noch als holzschnittartig, erlaubt die folgende, auf das Jahr 1526 datierte, aber wahrscheinlich bereits aus dem Vorjahr stammende 1225 Ordnung einen umfassenderen Einblick in die Kanzleiorganisation zu Beginn der Frühen Neuzeit.1226 Selbsterklärtes Ziel der bischöflichen Regelungstätigkeit war es, dass, nachdem sich in der Vergangenheit mercklicher unnfleyß, Saumnus, mißbrauch unnd ­anndere 1222 1223 1224 1225 1226

LGO 1506, StAW, ldf 19, S. 197.

Siehe dazu ausführlich S. 101 f., 107 – 110. Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 195. Vgl. hierzu Anm. 1179. Ausführlich zu den einzelnen Regelungen dieser und der folgenden Kanzleiordnungen siehe im Folgenden insb. S. 256 – 305.

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unnordnung[en] zugetrag[en] hatten und dadurch die sachen, hinlessig unnd unnfruchtig gehanndelt, auch die […] partheyenn unnotturfftigklich uffgehalten, unnd also jnn beschwerlich[e] uberig[e] verseumung unnd chosten gefurtt wordenn 1227 waren, nun ­solche mengell unnd unordnung[en] abgeschafft werden sollten, zu uffnemen unnd gedeÿhenn unnser [des Bischofs, Anm. JB ] und unsers Stifft unntherthonen, zu schleunnigen Entschidt unnd abvertigeung der kriegennden partheyen damit zuerlanngen jres geburenn rechten.1228 Damit waren die wesentlichen Probleme im Geschäftsgang der Kanzlei angesprochen, die im Verlauf des folgenden Jahrhunderts erklärter Anlass aller weiteren Regelungstätigkeiten der Würzburger Bischöfe bleiben sollten: eine mangelhafte Amtsführung durch das Kanzleipersonal und vor allem ein ineffizienter Geschäftsgang, der im Rahmen rechtlicher Verfahren zum Nachteil der Parteien und in Streitigkeiten mit Nachbarterritorien zu jenem des Hochstifts gereichen konnte. In der Kanzleiordnung Konrads von Thüngen (1519 – 1540) erscheint bereits das wesentliche Kanzleipersonal, nemlich […] cannzler, secritarie, radtschreyber, gerichtschreyber […], bottenmaister, taxator, registratores unnd gemaine copystenn,1229 wie es trotz aller Verschiebungen in den Aufgaben und des Wegfalls oder Hinzutretens einzelner Ämter den Grundbestand für die Kanzleitätigkeit bis zum Dreißigjährigen Krieg und darüber hinaus bilden sollte. Andernorts in der Ordnung werden neben einem Gebrechenschreiber und einem Referendar schließlich auch die Räte sowie Hofmeister und Hofmarschall, die zur Kanzlei im weiteren Sinne gezählt werden können, erwähnt und mit Aufgaben bedacht. Unter Zugrundelegung ­dieses Personals 1230 werden die wesentlichen Aufgaben der Kanzlei und des Rates offenbar: Neben der bewahrenden und ordnenden Tätigkeit einer Schreibstube bildeten sich um Gericht und Gebrechen die wesentlichen Funktionen der Kanzlei im weiteren Sinne aus. Die fürstlichen Räte hatten sich demnach mit Partei­streitigkeiten, die insbesondere im Wege der Appellation an die Kanzlei gelangt waren, oder mit den Gebrechen zu beschäftigen, zu denen vor allem Auseinandersetzungen mit anderen nachbarlichen Territorialherren zählten. Daneben war noch eine größere Anzahl an Suppliken zu bewältigen, die ein breites Spektrum von Bitten an den Bischof, häufig etwa Beschwerden über Amtsträger wie Amtmänner, Schultheißen oder Vögte, enthalten konnten. In dieser Zeit behandelte der Rat die Aufgaben grundsätzlich als Gesamtgremium. Auch wenn eine Thaylung der Rethe grundsätzlich möglich sein sollte, damit ains neben dem annderm ußgericht, die sachenn gefurter uncosten geringert unnd die 1227 1228 1229 1230

Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 3r. Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 3v. Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 14r f. Zu den einzelnen Ämtern siehe ausführlich S. 257 – 301.

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partheyen der gebur nach abgeuertig werd[en]1231 konnten, war dies eine bei außerordentlichem Geschäftsanfall durch Kanzler oder Hofmeister anzuordnende Besonderheit, die, wenn überhaupt, nur sehr selten vorgekommen sein dürfte.1232 Jedenfalls gab es eine strukturelle Aufteilung der Räte in verschiedene Ressorts nicht. Immerhin hat es aber – zumindest auf normativer Ebene – eine gesonderte Behandlung bestimmter Sachthemen gegeben. So sollten schon ausweislich der Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 für die Behandlung von Gerichts- und Gebrechensachen stets bestimmte Tage der Woche herangezogen werden.1233 Dass diese umfassende Ordnung gerade im Jahre 1525 oder 1526 von Konrad von Thüngen erlassen wurde, dürfte kein Zufall gewesen sein. Nachdem das Hochstift Würzburg eine relativ ruhige Phase politischer und wirtschaftlicher Konsolidierung von 1470 bis 1519 erfahren hatte,1234 war es im Jahr 1525 durch die „Revolution des gemeinen Mannes“ 1235, den schon unter den Zeitgenossen sogenannten Bauernkrieg,1236 zu gravierenden Schäden im Hochstift gekommen.1237 Der Bischof hatte am 6. Mai 1525 seine Residenzstadt und den Marienberg verlassen und seinem Hofmeister Sebastian von Rotenhan die militärische Führung als Statthalter überlassen müssen, der den Marienberg bis zum Eintreffen der Truppen des Schwäbischen Bundes verteidigen konnte.1238 Die Ereignisse des Bauernkrieges hatten die Zeitgenossen tief erschüttert. Aus der – freilich bischofsnahen – Darstellung des späteren bischöflichen Rates Lorenz Fries zeigt sich die nahezu apokalyptische Überhöhung der Ereignisse: Nachdem etliche jar here von den truben wolken gotlicher verhenknus […] vil ergerliche, sträffliche leren und opinionen gereget hetten, flossen in den tälen bey dem gemainen manne die wasser zusamen und […] wuchsen auch zum letzten dahin, das si in dem jare nach der geburt Christi unsers lieben herren 1525 mit grosser ungestime ausbrachen, die alten und hohen gebeue der obrigkait gewaltiglich umbrissen, auch sunst 1231 1232 1233 1234 1235

Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9r. Siehe dazu S. 268 f. Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10v, 11v. Merz, Fürst und Herrschaft, S. 50. Zur „Revolution des gemeinen Mannes“ begriffsbildend Blickle, Die Revolution von 1525, S. 165 – 236. 1236 Sammlungen zeitgenössischer Bezeichnungen insbesondere aus Flugschriftenliteratur und Liedgut finden sich etwa bei Arnold, Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S. 26 f., und Strobach, Die Bauern sind aufrührig worden, S. 237 – 273. 1237 Zu den Folgeprozessen an den Reichsgerichten und insbesondere den damit verbundenen Restitutions- und Schadensersatzforderungen des Adels in reichskammergerichtlichen Verfahren Amend-­Traut, Judikative Folgen des Bauernkriegs, insb. S. 246 – 253, 259. 1238 Arnold, Der Bauernkrieg, S. 73; Arnold, Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S. 25; Fuchs, Lorenz Fries, Christoph Scheurl, S. 202; Leng, Bauern vor den Mauern, S. 152; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 183.

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den ­menschen, vihe und gutern merklichen, unwiderbringenlichen schaden thätten, das was die erschrockenlich sindfluss, davon die astronimi […] geweysagt haben, ain erbärmigliche und jämerliche sindflus, nit des wassers, dafur es die gemelten astronimi und sternseher geachtet haben, sonder ain sindflus des bluts […]. Und wiewol die angezaygt sindflus, das ist die beswerlich entbohrung der unterthanen, das hohe Teutschland vast an allen orten durchwuttet, so hat sie doch an kainem ende so ­heftig und erschrockenlich eingetrungen, als in dem stifte Wirtzburg und herzogthumb zu Francken[.]1239 Durch die Fries’sche Erzählung werden einige bemerkenswerte Aspekte der Entstehung der Erhebung deutlich. Sowohl die apokalyptische Darstellung der truben wolken gotlicher verhenknus und das Bild vom sindflus des bluts als auch der Hinweis auf die vorangegangenen Weissagungen der Astronomen und Sternendeuter zeugen von der zu Beginn der Frühen Neuzeit bestehenden krisenhaften Verunsicherung, die sich nach den wiederkehrenden Pestzügen des 14. und 15. Jahrhunderts entwickelt und zu Beginn des 16. Jahrhunderts in zahlreichen astrologischen Weissagungen niedergeschlagen hatte, denen auch das hier verwendete Bild der Sintflut entsprungen sein dürfte.1240 Der Regen aus ergerliche[n], sträffliche[n] leren und opinionen bezog sich auf die neuen Lehren, die ausgehend von Zwingli und Luther, der sich schließlich auf die Seite der Obrigkeit stellte, durch zum Teil radikale Prediger wie Diepold Peringer oder Andreas Bodenstein verbreitet wurden und in die maßgebliche Programmschrift des Aufstandes, die „Zwölf Artikel“, Eingang gefunden hatten.1241 Nicht nur griff die Forderung nach einer freien Predigt des Evangeliums die kirchliche Autorität in geistlichen Angelegenheiten an; vielmehr wurde durch die neue Lehre auch die Machtbasis der weltlichen Herrschaft des Bischofs in Zweifel gezogen.1242 Noch bedrohlicher als diese theoretische Basis der Aufstände mussten dem Bischof seine Kontrahenten erscheinen. Anders als es der Begriff des Bauernkrieges nahelegt, formierte sich der Widerstand gegen die Obrigkeit zu großen Teilen aus den Städten. Nachdem die Erhebung in der Reichsstadt Rothenburg und im markgräflichen Kitzingen viel Zulauf erhalten hatte, näherten sich die Bauernhaufen bedrohlich der bischöflichen Residenzstadt an, in der sich nun sogar der städtische Rat am 8. Mai 1525, wenn auch nicht ganz 1239 Fries, Die Geschichte des Bauernkrieges, Bd. 1, S. 2. 1240 Arnold, Der Bauernkrieg, S. 64. Arnold, Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S. 18 f. Das von Fries verwendete Motiv war in den Texten und Flugschriften der Zeit außerordentlich gegenwärtig; dazu allgemein Talkenberger, Sintflut, passim. 1241 Arnold, Der Bauernkrieg, S. 64; zum Einfluss radikaler Prediger auf die Erhebung vgl. etwa Ders., Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S. 12 – 17. 1242 Arnold, Der Bauernkrieg, S. 67. Zur dezidiert gegen kirchliche Institutionen gerichteten Dimension der Erhebung vgl. etwa Ders., Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S. 12 – 17, 24.

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­freiwillig,1243 gegen den bischöflichen Fürsten richtete.1244 Überdies hatten sich schon zuvor Teile des vor allem ritterlichen, in Franken aber weniger als andernorts im Niedergang befindlichen 1245 Adels, etwa Florian Geyer und Götz von Berlichingen, dem Aufstand angeschlossen.1246 Es überrascht angesichts der Entwicklung der Erhebung nicht, dass die friedbrecher u[nd] feinde des Schwäb[ischen] Bunds 1247 schon früh Gegenstand fürstlicher Verordnungstätigkeiten im Bereich der sogenannten guten Policey geworden waren und auch nach der Niederschlagung des Aufstands durch den Schwäbischen Bund nicht vergessen sein sollten. Daher fanden die Ereignisse auch in der Kanzleiordnung Niederschlag, wenn auch nur am Rande. So sollte nach der Ordnung der Jahre 1525/1526 der teglich registrator die Missive in einem gesonderten Buch verzeichnen, wie dies ein zeitlanng gehaltenn, unnd aber zeyther der paurisch[en] Emperung ­verplibenn war.1248 Wichtiger als dieser Hinweis auf die Ereignisse selbst ist die Verortung des Erlasses im Rahmen der umfassenden Ordnungstätigkeit Konrads von Thüngen im Nachgang der Ereignisse. Denn so offensichtlich es sein mag, dass sich gewaltsame Konflikte größeren Umfangs auf die Gerichtspraxis niederschlagen,1249 regte die Auseinandersetzung in Würzburg offenbar auch die Normgebung an. Denn neben einer Neuordnung des Stadtgerichts und des Sonntagsgerichts in Würzburg 1526 beziehungsweise 1527 erließ der Bischof zahlreiche Zentordnungen oder richtete vormals bestehende Zenten neu auf.1250 Am gravierendsten wirkten sich allerdings die neu erlassenen Stadt- und Landesordnungen aus, die dazu bestimmt waren, die 1243 Wagner, Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg, S. 44. 1244 Arnold, Der Bauernkrieg, S. 70 f., 73. 1245 Arnold, Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen, S. 24; Press, Führungsgruppen in der deutschen Gesellschaft, S. 525 – 527. Ausführlich zum Fränkischen „niederen“ Adel und seiner fortbestehenden Geltung im 16. Jahrhundert Riedenauer, Entwicklung und Rolle des ritterschaftlichen Adels, S. 81 – 130, insb. S. 81 f., 86 – 88, 115, 119 f. 1246 Arnold, Der Bauernkrieg, S. 72. 1247 Polizei-­verordnung des bischofs Conrad, betr[effend] die unterstützung der friedbrecher u[nd] feinde des Schwäb[ischen] Bunds, das unmäßige trinken etc. zit. nach: Wüst (Hrsg.), Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd. 6, S. 179. 1248 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 19v. In der ansonsten weitgehend identischen Ordnung des Jahres 1551, StAW, ldf 28, S. 592, ist dieser Teil dann auch gestrichen und durch wie dann solichs hievor angefanng unnd bißhere gehalten worden ersetzt worden. 1249 Einen gravierenden Fall stellte die vollständige Stilllegung des Reichskammergerichts ­zwischen den Jahren 1688 und 1693 wegen des Pfälzischen Erbfolgekrieges dar, der sogar zur dauerhaften Verlegung des Gerichts nach Wetzlar führte, Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, S. 66, Anm. 51, und S. 94. Die Auswirkungen kriegerischer Auseinandersetzungen auf die Parteien illustrierte etwa Amend-­Traut, Brentano, Fugger und Konsorten, S. 37 – 39. 1250 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 42 f.

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nicht erst während der Erhebung spürbar gewordenen Autonomiebestrebungen von Städten und Gemeinden erheblich einzuschränken.1251 Am stärksten traf es dabei die bischöfliche Residenzstadt. Neben der Hinrichtung von 115 Rädelsführern aus Stadt und Land und der Gefangennahme von 150 Bürgern unter Einschluss fast des gesamten Rats musste die Stadt am 9. August 1525 zulassen, dass die bestehenden Rechte der Bürgerschaft aufgehoben wurden und die Stadt unter landesherrliche Regierung gestellt wurde.1252 In zwei Stadtordnungen der Jahre 1525 und 1528 wurden der Stadt sämtliche Selbstverwaltungsrechte entzogen, der Oberrat aufgelöst, der Unterrat als originär bürgerlicher Stadtrat der Kontrolle eines landesherrlichen O ­ berschultheißen unterworfen und die wichtigsten Ratsämter einschließlich der Bürger­meister fortan durch den Landesherrn bestellt.1253 Auch wenn diese weitgehende Bevormundung der Würzburger Bürger durch den bischöflichen Landes- und Stadtherren nach dem Tod Konrads von Thüngen im Jahr 1540 allmählich zugunsten der alten Rechte zurückgedrängt werden konnte,1254 bezeugen die fürstlichen Maßnahmen im Nachgang der Erhebung doch das obrigkeitliche Interesse, die Stadt- und Hochstiftsverwaltung stärker als zuvor zu steuern und zu zentralisieren. In den folgenden Jahrzehnten scheint eine umfangreiche Neuordnung der Kanzlei nicht erforderlich gewesen zu sein. Weder ergingen neuerliche Ordnungen für die Kanzlei noch gab es umfangreichere Einzelmandate diesbezüglich. Eine Ausnahme stellen lediglich die auch in den Ordnungen häufig wiederholten Mahnungen insbesondere an Amtleute, Keller, Vögte und Schultheißen dar, dass in der Kanzlei keine Suppliken mehr angenommen würden, die auch von den Statthaltern selbst beschieden werden konnten oder eine Beschwerde gegen dieselben zum Gegenstand hatten.1255 Noch die Kanzleiordnung Melchior Zobels von Giebelstadt (1544 – 1558) des Jahres 1551 ist in ihren Regelungen mit jener 25 Jahre zuvor praktisch identisch. Die marginalen Änderungen 1256 mochten das Verfahren in der Kanzlei im Detail beeinflusst und aktuelle Problemstellungen adressiert haben. Sie blieben aber ohne gravierendere Auswirkungen auf die Kanzleiorganisation. 1251 Ebd., Bd. 2, S. 43. Sicken, Würzburg, seine Territorialnachbarn, S. 131. Beispielhaft für eine Stadtordnung außerhalb Würzburgs ist die Stadtordnung für Münnerstadt aus dem Jahr 1527, StAW, ldf 25, S. 675 – 683. Wesentlicher war die Landt- und Gerichts-­ Ordtnung des Stiffts Wurzburgs und Herzogthumbs Francken, Schneidt, Thesaurus, Bd. 2, S. 834 – 856, des Jahres 1528. 1252 Wagner, Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg, S. 46. 1253 Drüppel, Ratsverfassung und städtisches Gerichtswesen, S. 232 – 235. 1254 Ebd., S. 237 f., 246. 1255 Vgl. etwa das Mandat Das übermäßige Suppliciren der Unterthanen an die hochfürstliche Regierung betreffend, Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landesverordnungen, Bd. 1, S. 1 f. 1256 Zu den einzelnen Abweichungen siehe S. 256 f., 279, 303, 336 und 371 f. sowie Anm. 1248.

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Die zwischenzeitlich ergangene Ordnung des Jahres 1546 brachte – abgesehen von dem nun aufgenommenen Kammergerichtssachenschreiber – kaum grundlegende Neuerungen hinsichtlich der äußeren Organisation, konkretisierte aber doch erheblich die 1526 ergangenen Regelungen, die ausweislich einer ausdrücklichen Anordnung 1257 weiterhin in Kraft bleiben sollten, und gibt daher einen tiefergehenden Einblick in das Kanzleiverfahren.1258 Erstaunlicherweise wurden diese spezielleren Regelungen von der fünf Jahre s­päter ergangenen Ordnung nicht einmal hinsichtlich des neu entstandenen Amts rezipiert. Da Datierungsfehler angesichts der ansonsten im Wesentlichen chronologischen Führung der libri diversarum formarum et contractuum sehr unwahrscheinlich sind, kann dies als ein weiterer Beleg für den problematischen Schluss von der Norm auf die Praxis verstanden werden. Den Ordnungen seit 1559 war das Amt stets zu entnehmen und auch 1546 war es offenbar bekannt. Ob daraus geschlossen werden kann, dass es in der Zwischenzeit nicht existierte, ist mehr als zweifelhaft. Wahrscheinlich wird man in der Ordnung von 1551 daher eine Erneuerung jener des Jahres 1526 sehen müssen, die kein umfassendes Abbild der Kanzleiorganisation darstellen, sondern nur Vergessenes in Erinnerung rufen sollte. So ließe sich auch erklären, dass schon ab 1554 seitens des Domkapitels wiederholt die Forderung nach einer erneuerten Kanzleiordnung artikuliert wurde, die bereits 1556 in einem Entwurf manifest wurde, der möglicherweise identisch mit der Kanzleiordnung des Jahres 1559 war.1259 3.  Das Hochstift in der Krise – Reformversuche Wirsbergs Die folgende Kanzleiordnung des Jahres 1559 dokumentiert mit ihren zahlreichen Hinweisen auf bestehende Kriegszeiten eine tiefe Krise in der Geschichte des Hochstifts und zeugt von den Auseinandersetzungen mit dem markgräflichen Nachbarterritorium. So wurde etwa festgelegt, dass Iheronimus Hagen, der zuvor zu einem obristen Rathschreiber furgenommen worden war, auch fortan dobej pleiben sollte.1260 Da dieser aber mit der Registratur der Reichstags- und Kreistagssachen angesichts der stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzung unter großem Arbeitsanfall litt, sollte ihn Hans Bülman als unterer Ratsschreiber hinsichtlich seiner regulären Amtsgeschäfte unterstützen und ersetzen, es were dann sach, das sich die krieg, das dann nit zuverhoffen, so gar ernstlich unnd heuffig gegen dem Stifft erzeigen sollen, alß 1257 1258 1259 1260

Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 338. Siehe dazu ausführlich S. 301 – 383. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 266, Anm. 339. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65.

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dann so mag er die Registratur woll biß die Leuffdt widerumb besser werdenn, ansehen, unnd sich allein bej den kriegssachenn finden laßen.1261 Das Hochstift hatte sich mit seinem durch die Herzogswürde vermeintlich begründeten „Anspruch auf Oberhoheit über weite Teile Frankens“ 1262 in geradezu zwangsläufige Konkurrenz zu seinen Nachbarn, insbesondere dem Hochstift Bamberg, den markgräflichen Nachbarn aus dem Hause Hohenzollern und der Reichsstadt Nürnberg, gesetzt.1263 Dabei war vor allem die Gerichtsherrschaft häufig umstritten, wie zahlreiche Verfahren vor dem Reichskammergericht über die Zuständigkeit der fränkischen Zentgerichte eindrucksvoll belegen.1264 Von besonderer Brisanz mussten diese Konflikte schon deshalb für die Würzburger Bischöfe sein, weil Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-­Kulmbach (1541 – 1557) noch in den 1540er-­Jahren im kaiserlichen Lager stand und daher ein bedeutender Konkurrent um die regionale Hegemonie in Franken war.1265 Hinzu kam, dass in der Zeit der Konfessionalisierung der bischöfliche Einfluss auch in geistlichen Angelegenheiten zurückging, da mit der Grafschaft Wertheim, den hennebergischen Besitzungen, der Reichsstadt Schweinfurt und vor allem dem Markgrafentum Brandenburg-­Ansbach ein Großteil der außerhalb des Hochstifts liegenden, aber eigentlich zum Diözesansprengel gehörenden Gebiete der neuen Lehre folgte.1266 In der Mitte des Jahrhunderts musste die Lage des Hochstifts geradezu bedrohlich erscheinen, war es doch von evangelischen Gebieten wie dem ernestinischen Sachsen, Hessen, Ansbach-­Kulmbach und Württemberg umgeben und mit Besitzungen der Ritterschaft durchzogen, die versuchten, ihre Bindungen zum Hochstift zu lösen.1267 1261 1262 1263 1264

Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65. Press, Franken und das Reich, S. 330; vgl. ferner Merz, Fürst und Herrschaft, S. 200. Sicken, Würzburg, seine Territorialnachbarn, S. 132. Allein in den ersten sechs Inventarbänden lassen sich unter 87 überprüften Verfahren, in denen Würzburger Vorinstanzen verzeichnet sind, 18 Verfahren um die Zuständigkeiten der Zentgerichte nachweisen, BayHStA, RKG 604, 655, 656, 660, 665, 676, 729, 737, 747, 760, 1216, 1225, 1227, 1237, 1691, 1907, 1920, 1937, die entsprechend der Auswahl der Verzeichnisse insbesondere mit den Bamberger Fürstbischöfen, den Herren von Bibra, dem Markgrafen von Brandenburg-­Ansbach oder den Grafen zu Castell geführt wurden. In quantitativer Hinsicht ist der Anteil der Verfahren im Vergleich zum gesamten Prozessaufkommen mit Würzburger Vorinstanzen am Reichkammergericht allerdings keines­wegs repräsentativ, weil die Streitigkeiten um die Zuständigkeit der Zenten mit den Bamberger Fürstbischöfen, die allein die ersten zehn der genannten Verfahren ausmachen, überdurchschnittlich häufig waren, vgl. auch Hörner, Anmerkungen zur statistischen Erschließung, S. 75. 1265 Sicken, Würzburg, seine Territorialnachbarn, S. 133. 1266 Ebd., S. 138 – 140. 1267 Ebd., S. 141.

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Und tatsächlich eskalierte nun, begünstigt durch reichspolitische Entwicklungen, das Verhältnis zu den markgräflichen Nachbarn. Nachdem sich das Hochstift im Schmalkaldischen Krieg 1546/47 und im Rahmen des Fürstenaufstandes 1552 nicht als Partei militärisch engagiert hatte und auch bei hessischen Durchzügen weitgehend schadlos geblieben war, nutzte Albrecht Alcibiades die Gelegenheit des Fürstenaufstandes, um seinen Anspruch auf eine fränkische Hegemonialstellung kriegerisch durchzusetzen.1268 Auf Druck des Markgrafen kam ein Vertrag zustande, der das Hochstift neben zahlreichen weiteren Anordnungen zur Zahlung von 220.000 Gulden in bar und zur Übernahme markgräflicher Schulden in Höhe von 350.000 Gulden verpflichtete.1269 Dieser zwischenzeitlich von Karl V. kassierte Vertrag wurde schließlich im Zuge seiner europäischen Politik doch bestätigt. Verständlicherweise erhielt diese cassatio cassationis von den betroffenen fränkischen Reichsständen wenig Zustimmung, die daraufhin die Erfüllung des Vertrages verweigerten und dadurch erneut Beutezüge der Truppen Albrechts Alcibiades im sogenannten Markgräflerkrieg hervorriefen.1270 Unter Kriegsaufwendungen von mehreren Millionen Gulden gelang es den Truppen Nürnbergs, Bambergs und Würzburgs, unterstützt durch jene Braunschweig-­Wolfenbüttels, den Markgrafen militärisch zu schlagen, nachdem zwischenzeitlich auch seitens des Reichskammergerichts die Acht über Albrecht Alcibiades wegen Landfriedensbruchs verhängt und zur Exekution angeordnet worden war.1271 Das Hochstift kam in der Folgezeit kaum zur Ruhe. Stark finanziell geschwächt und am Rande des wirtschaftlichen Ruins sowie nach dem Augsburger Religionsfrieden mit weiteren Konversionen fränkischer Ritter auch in seiner geistlichen Macht als Diözese zunehmend beeinträchtigt, verlor es am 15. April 1558 durch die Hand Wilhelms von Grumbach seinen Bischof.1272 Nur zwölf Tage nach dem Überfall auf den Bischof wurde sein Nachfolger ­Friedrich von Wirsberg (1558 – 1573) vom Domkapitel gewählt, der nicht nur in Ingolstadt und Tübingen studiert, sondern – alles andere als für die Elekten üblich – schon 1545 die Priesterweihe empfangen hatte und überdies sowohl am Kaiserhof als auch an der päpstlichen Kurie als Diplomat des Hochstift bekannt war.1273 Die bestimmenden Merkmale seiner Regierungszeit waren schon in der ­Wahlkapitulation

1268 1269 1270 1271 1272

Ebd., S. 142 – 147. Ebd., S. 146 f. Ebd., S. 147 – 154. Ebd., S. 150 – 154. Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 165; Sicken, Würzburg, seine Territorialnachbarn, S. 154, 156 – 158. Ausführlicher zur Ermordung Bischof Melchior Zobels etwa Baum, Das Attentat auf Bischof Melchior Zobel, passim. 1273 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 170.

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angelegt. Darin wurden dem Bischof die Erhaltung des alten Glaubens, eine stärkere Mitregierung des Domkapitels und die Verfolgung ­Wilhelms von Grumbach auferlegt.1274 Friedrich von Wirsberg setzte die Stärkung der katholischen Lehre etwa durch die Stärkung des Geistlichen Rates, durch Visitationen insbesondere der Klöster des Bistums, aber auch durch die Errichtung eines Gymnasiums unter Führung des romtreuen Jesuitenordens durch.1275 Das Domkapitel, dem der Bischof wegen der hohen Stiftsverschuldung weitgehende Zugeständnisse machte,1276 erfuhr nicht nur durch den aufgewerteten Geistlichen Rat, dem es schon bald skeptisch gegenüberstehen sollte,1277 zunächst eine Verbesserung seiner Position, sondern auch durch eine stärkere Stellung in der Kanzlei. So mussten sich nach der erwähnten Wahlkapitulation die weltlichen Räte nicht nur auch auf das Kapitel verpflichten, sondern nach der Kanzleiordnung von 1559 wurde auch fur gut bedacht, das der Rath jederzeit mit einem dombherren neben den anderen Räten besetzt wurde.1278 Die in der Ordnung zum Ausdruck gekommene Befürchtung, weitere kriegerische Auseinandersetzungen könnten folgen, bewahrheitete sich alsbald. Denn die Auseinandersetzung mit Wilhelm von Grumbach, die ihre Wurzeln noch in der Regierungszeit Konrads von Bibra hatte, sollte das Hochstift weiterhin gefährden. Im Oktober 1564 nahm er die Stadt Würzburg ein und nötigte Domkapitel und Bischof eine Erklärung ab, in der ihm nach der Drohung, er werde ein Kreuz in das Hochstift brennen und die Residenzstadt plündern, die zuvor entzogenen väterlichen Güter und im Jahr 1552 zwischenzeitlich zugestandene Rechtstitel zugesichert wurden.1279 Die Auseinandersetzung endete schließlich mit der Hinrichtung Grumbachs nach der Achterklärung durch K ­ aiser und Reichstag und der Exekution der Acht durch Kurfürst August von Sachsen als Oberst des Obersächsischen Kreises.1280 1274 Abert, Wahlkapitulationen, S.  85 – 87; Krenig, Das Hochstift Würzburg, S.  171; Wendehorst, GS NF. 13, S. 135. 1275 Ausführlich zur Entwicklung des Geistlichen Rats unter Friedrich von Wirsberg, Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 58 – 79, zu den durch das Tridentinum angeregten Visitationen Wendehorst, GS NF. 13, S. 149 f., und zur Bildungspolitik des Bischofs Baumgart, Bildungswesen und Geistesleben, S. 352 f. 1276 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 172. 1277 Siehe dazu S. 251. 1278 Abert, Wahlkapitulationen, S. 86. Die Teilnahme am Hofrat ist in der Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 69, niedergelegt, bei deren Verkündung dann auch Domdechant von Hutten zugegen war, StAW, ldf 30, S. 76. 1279 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 172 f.; Sicken, Würzburg, seine Territorialnachbarn, S. 141, 144; Wendehorst, GS NF. 13, S. 116 – 118, 138 f. 1280 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 173; Wendehorst, GS NF. 13, S. 142.

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Eine besondere Bürde für seinen Fortbestand bildete aber die nach wie vor katastrophale Finanzlage des Hochstifts, das Ende der sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts eine Schuldenlast z­ wischen 0,6 und 1,2 Millionen Gulden angehäuft hatte.1281 Nachdem eine erste Kommission verschiedene Vorschläge zur Ausgabenersparnis gemacht hatte, die nach kurzer Zeit vom Bischof wieder rückgängig gemacht wurden, setzten Domkapitel und Landstände weitere Reformen gegen den Willen des Bischofs durch, der damit in seiner politischen Selbstständigkeit stark eingeschränkt wurde.1282 Nachdem der Bischof schon am 30. November 15641283 der Einrichtung eines Regimentsrats aus drei Domherren, drei adeligen weltlichen Räten sowie Kanzler und Sekretär zuzustimmen hatte, der aber bald wieder aus der Übung geriet,1284 musste der Bischof am 16. Juni 1567 einer neuen Rats- und Hofordnung zustimmen, die neben einem Rat aus Domherren, adeligen und gelehrten Räten auch einen Geheimen Rat aus Domprobst, Domdechant und zwei weiteren Domherren sowie dem aktuellen Hofmeister, dessen Vorgänger Hans Zobel von Giebelstadt, dem Hofmarschall und dem Kanzler Balthasar von Hellu vorsah.1285 Dem Geheimen Rat sollten überdies, insbesondere in Kriegszeiten, noch andere verdiente Männer aus dem Kapitel und der Ritterschaft von Haus aus zugeordnet werden.1286 Während das übliche Geschäftsaufkommen und die gerichtsförmigen Parteistreitigkeiten dem gemeinen Rat mit seinen gelehrten Räten verblieben, sollten die wichtigsten und geheimen Angelegenheiten des Hochstifts zunächst im Geheimen Rat verhandelt und dann Bischof und Domkapitel zur Approbation vorlegt werden. Bei einer Ablehnung waren neuerliche Verhandlungen in ­diesem Ratsgremium vorgesehen, dessen Beschlüsse dann auch ohne weitere Approbation durch den Bischof, wohl aber durch das Domkapitel, Geltung haben sollten.1287 Schon dieser Umstand lässt den außerordentlichen Einfluss des Domkapitels auf die Stiftspolitik der Zeit erkennen, die sich auch andernorts in der Obligation niederschlug. So wurde die Umfrage im gemeinen Rat etwa durch den 1281 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 189. 1282 Ebd., S. 175, 189; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 268 – 271. 1283 StAW, WU 16/171b. 1284 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 273 – 275. 1285 Obligation vom 16. 06. 1567, StAW, WU Libell 249, S. 43 – 48, gedruckt bei Buchinger, Julius Echter, S. 369 – 374; Ulrichs, Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft, S. 537. Bereits am 03. 10. 1566 hatte Friedrich von Wirsberg in einem Schreiben an das Domkapitel einen Geheimen Rat in dieser Besetzung anerkannt, Scharold, Hof- und Staatshaushalt, S. 60. 1286 Obligation vom 16. 06. 1567, in: Buchinger, Julius Echter, S. 370 f. Zur Bedeutung dieser Räte von Haus aus siehe S. 259 f. 1287 Obligation vom 16. 06. 1567, ebd., S. 369; Ulrichs, Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft, S. 537.

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­ omdechanten durchgeführt, Briefe die zu Händen des Bischofs adressiert waren, D sollten von ihm geöffnet und, je nach Wichtigkeit der Angelegenheit, entweder an den Geheimen 1288 Rat oder die Kanzlei weitergegeben oder in seiner Abwesenheit den zum geheimen Rath geordneten Domherren und den bischöflich dazu bestimmten geheimen Räten übergeben, von diesen geöffnet, durchgesehen und gegebenenfalls verhandelt werden.1289 Schließlich sollte der Fürst nur mit vorgehendem Rath und Wissen des Domkapitels Räte, Kanzleipersonal, Amtleute und andere Bedienstete annehmen, beurlauben und besolden.1290 Angesichts der hohen Stiftsverschuldung versuchte das Domkapitel, auch in Kammerangelegenheiten stärkere Eigenständigkeit zu erlangen, indem besondere Kammersachen, die nicht selbsttätig vom Personal der Kammer erledigt werden konnten oder durften, vom Geheimen Rat auch ohne Anwesenheit des Bischofs entschieden werden sollten.1291 Für die Hofhaltung im engeren Sinne wurden dem Bischof 15.000 Gulden zugestanden.1292 Hinsichtlich der Stiftsverschuldung scheinen diese Maßnahmen wirksam gewesen zu sein, denn bis zum Ende der Regierungszeit des Bischofs wurden bereits mehr als die Hälfte der Schulden abgetragen.1293 In der für das Hochstift so ereignisreichen wie gefährlichen Regierungszeit Friedrichs von Wirsberg war es dem Domkapitel gelungen, neben den weitreichenden Kompetenzen im Geistlichen Rat auch einen erheblichen Einfluss auf die weltliche Regierung des Hochstifts zu erhalten. Waren schon in der ersten Hälfte des Jahrhunderts gelegentlich Domherren im Rat in Erscheinung getreten, war die Teilnahme zumindest eines Domherrn seit der Kanzleiordnung 1559 auch normativ fixiert.1294 Ihre durch den Vertrag von 1288 StAW, WU Libell 249, S. 46; bei Buchinger, Julius Echter, S. 370, steht an der entsprechenden Stelle fälschlich, dass wichtige Sachen an den gemeinen Rath zu ­schicken ­seien. 1289 Obligation vom 16. 06. 1567, in: Buchinger, Julius Echter, S. 370. 1290 Obligation vom 16. 06. 1567, ebd., S. 374. 1291 Obligation vom 16. 06. 1567, ebd., S. 371. 1292 Obligation vom 16. 06. 1567, ebd., S. 372. Hinsichtlich der Bedeutung der Summe gibt die Ordnung selbst Auskunft, ebd. Auf den Betrag sollten nicht vom Fürsten selbst beschaffte Getreide, Fische und Weine angerechnet werden. Ein Malter Getreide nach Würzburger Maß, also knapp 120 Kilogramm, war diesbezüglich mit 5 Ort, was in Würzburg wohl 1¼ fl. entsprochen haben dürfte, vgl. Elsas, Umriss einer Geschichte der Preise, Bd. 1, S. 125, ein Fuder, also etwa 900 Liter Räte- oder Gesindewein mit 7 fl. bzw. 6 fl. angesetzt. Zu den Maßeinheiten vgl. ebd., S. 156 f.; Hoffmann, Handel und Gewerbe, S. 74; Sporn, Städtische Wirtschaft und Versorgungspolitik, S. 255 f. Siehe zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen im 16. Jahrhundert S. 318 und zum Würzburger Rechnungsgulden Anm. 1680. 1293 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 189; Meyer-­E rlach, Bischof Friedrich von ­Wirsberg, S. 40. 1294 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 47.

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1564 und die Obligation des Jahres 1567 bedeutende Stellung in der politischen Regierung des Hochstifts konnte auch die ­später unter Julius Echter ergangene Kanzleiordnung nicht vollständig übergehen. 4.  Konsolidierungsmaßnahmen unter Julius Echter Aus den Domkapitularen wurde am 1. Dezember 1573 Julius Echter von Mespelbrunn gewählt, der sich als Domdechant bereits als erfolgreicher Verwaltungspolitiker profiliert hatte.1295 Unter seiner Regierung gelang es, die Stiftsverschuldung bis 1581 vollständig zu beseitigen, den katholischen Glauben durch unzählige Visitationen und nicht zuletzt durch Errichtung eines Priesterseminars bis 1589 und der Universität 1582 unter Einbeziehung der Jesuiten zu konsolidieren, die Kranken-, Armen- und Altenfürsorge durch Gründung des Juliusspitals 1576 zu verbessern, und dem Hochstift durch sein – abgesehen von der sogenannten Fuldaer Unternehmung – erfolgreiches Agieren als Reichsfürst auch erhebliches Ansehen am Kaiserhof zu verschaffen.1296 Das Domkapitel hatte versucht, dem Elekten durch die Wahlkapitulation weitreichende Auflagen für seine Regierung zu machen, um dadurch die unter Friedrich von Wirsberg so starke Stellung des Domkapitels zu zementieren. Insbesondere sollten die Rechte der Geistlichen und die geistliche Gerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des domkapitelischen Kellergerichts gewahrt bleiben, das offenbar mit dem Würzburger Stadtgericht in gelegentlicher Konkurrenz stand.1297 Darüber hinaus sollte das Domkapitel aber auch an dezidiert politischen Fragen umfassend beteiligt werden. Der Bischof sollte ohne Wissen und Wollen des Domkapitels keine Privilegien an die Städte oder Kommunen des Hochstifts erteilen, kein Bündniß oder Uebereinkommen mit auswärtigen Fürsten, Grafen Freiherrn und Reichsstädten und auch nicht mit der Stadt Würzburg und andern hochstiftlichen Städten und Märkten treffen, keine militärischen Handlungen vornehmen und ohne Abgesandte des Kapitels auch keine Erbhuldigung der Untertanen annehmen.1298 Ferner sollten Vögte, Amtleute und Schultheißen nur mit Kenntnis und Zustimmung des Domkapitels angenommen werden und nicht nur dem Bischof, sondern, ebenso wie alle edlen und gelehrten Hof- und Kanzlei-­Räthe ­einschließlich der hohen 1295 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 189. 1296 Ebd., S. 189, 196 – 211. 1297 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 355 – 357. Zu den Zuständigkeitskonflikten ­zwischen geistlichen und weltlichen Gerichten im Hochstift siehe S. 81 – 84. 1298 Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 357.

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Hofämter, die nur mit Rath des Domkapitels aufgenommen werden sollten, auch dem Kapitel huldigen.1299 Die Wahlkapitulation sah außerdem eine starke Beteiligung bei finanziellen Entscheidungen des Bischofs und die Befreiung des Domkapitels von einer möglichen Türken- oder gemeine[n] Reichssteuer vor.1300 Fast generalklausel­artig wirkt die Bestimmung der Wahlkapitulation, wonach der Bischof [i]n vornehmen geistlichen oder weltlichen Sachen […] ohne Vorwissen seines Kapitels nichts handeln, sondern ­solche Sachen an das Kapitel gelangen lassen und dem folgen sollte, was ­dieses für nothwendig, rathsam und gut ansieht.1301 Die Gerichtsbarkeit des Landgerichts des Herzogtums Franken musste dem Domkapitel besonders am Herzen liegen, stellte doch einer der Domkapitulare stets den Landrichter. Da aber wegen der alten Landesgebräuche Unordnung und Misverstand eingetreten, und hierüber eine hinreichende Gewißheit nicht mehr vorhanden war, sollte der Bischof eine Reformation vornehmen lassen und dazu bei den ältesten Personen im Hochstifte Erkundigungen einziehen und die erneuerten Landesgebräuche darauf hin vom ­Kaiser approbieren und im Hochstift publizieren lassen, damit Landrichter und Beisitzer und die fürstliche Kanzlei hienach urtheilen konnten und die Gebräuche umfassend bekannt wurden.1302 Bemerkenswert ist neben dem Streben nach Publizität der Landesgebräuche und somit des partikularen Gewohnheitsrechts der zeittypisch restaurative Aspekt der Rechtsfindung und -formulierung, der sich hier fast genau einhundert Jahre nach den ritterlichen Beschwerden über die Kanzleirechtsprechung möglicherweise sogar gegen die Heranziehung des Römischen Rechts in Ermangelung eines hinreichend bekannten Landesrechts gerichtet haben könnte. Die begehrte Ordnung, die schon seit knapp einem halben Jahrhundert Gegenstand von verschiedenen Reformversuchen gewesen war, sollte schließlich erst kurz nach dem Tode E ­ chters im Jahr 1618 publiziert werden. Eine nahezu inhaltsgleiche, aber noch nicht gedruckte Landgerichtsordnung konnte jedoch bereits 1580 nach erfolgter kaiserlicher Bestätigung in Kraft treten.1303 Die umfangreichen Verpflichtungen waren nicht nur dem Machterhalt des Domkapitels, sondern in Zeiten der Glaubensspaltung auch der Sicherung der katholischen Konfession im Hochstift geschuldet. So sind die von Julius Echter in großem Umfang organisierten und durchgeführten Visitationen im Hochstift 1299 1300 1301 1302 1303

Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 358. Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 359 f. Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 360. Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 360. LGO 1580, StAW, WU Libell. 317; zur Verschriftlichung des fränkischen Landrechts und den verschiedenen Sammlungen des fränkischen Gewohnheitsrechts und der Landes­ gebräuche ausführlich S. 113 f., 119 – 127.

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sowie die Wiedererrichtung von Klöstern und K ­ irchen in der Wahlkapitulation 1304 ­angelegt gewesen. Bei der Approbation der städtischen Räte in Würzburg sollte stets darauf geachtet werden, dass diese der alten christkatholischen ­Kirche angehörten.1305 Und schließlich sollte, wie schon zur Zeit seines Vorgängers Friedrich von Wirsberg, ein geistlicher Rat neben dem weltlichen Rat aus edlen und gelehrten Räten bestehen, der alle 14 Tage, jedenfalls aber einmal im Monat tagen sollte und mit tauglichen und gelehrten Katholiken besetzt sein musste, mit denen der Bischof die geistlichen Sachen und besonders die eingefallenen irrigen Lehren und Spaltungen berathe[n]1306 sollte. Der Geistliche Rat, dessen Erhalt und Ausbau das Domkapitel bereits in der Wahlkapitulation Friedrichs von Wirsberg eingefordert hatte, entwickelte sich als Instrument der katholischen Reform und aufgrund seiner Nähe zu dem fürstlichen Landesherrn in eine Richtung, der das Domkapitel und auch die fränkische Ritterschaft schon wenige Jahre nach dem Amtsantritt Julius Echters außerordentlich kritisch gegenüberstanden.1307 Wahrscheinlich war eine derartig klare Positionierung, wie sie bezüglich der Auswahl der geistlichen Räte in der Wahlkapitulation erfolgte, im politischen „Nahbereich“ des Bischofs und somit vor allem in der Hochstiftverwaltung nicht ohne Weiteres möglich oder wurde zumindest nicht für ebenso wichtig erachtet. Denn hier sollte der Bischof gemäß einer deutlich milderen Regelung dafür sorgen, daß er an seinem Hof in geistlichen und weltlichen Sachen wo möglich katholische Diener bekomme[n]1308 mochte. Und in der Tat blieb ein Teil der bischöflichen Funktionselite auch unter einem eifrigen Vertreter der katholischen Reform wie Julius Echter durch Protestanten besetzt.1309 Es verwundert angesichts der Lage des Hochstifts zu Beginn von Echters Regierungszeit nicht, dass er schon im ersten Jahr seiner Amtszeit daran dachte, die zentrale Verwaltungsstelle des Hochstifts mit einer eigenen Ordnung zu 1304 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 365. 1305 Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 359. 1306 Wahlkapitulation Julius Echters, ebd., S. 365. Die Bildung eines solchen Rates hatte sich schon seit geraumer Zeit angedeutet. Dieser war als institutionalisiertes Gremium schon Gegenstand der Wahlkapitulation Wirsbergs gewesen, in dessen Regierungszeit er sich dann auch etabliert hatte, Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 35 – 134, insb. S. 59, 129 – 131. 1307 Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 124 f., 130. 1308 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 366. 1309 So waren etwa die promovierten gelehrten Räte Aggäus von Albada und Konrad ­Dinner ebenso wie die adeligen Räte Schweikard Wambolt von Umstadt und Georg Ludwig von Seinsheim wohl bis 1576, 1596, 1605 bzw. 1586, wenngleich nicht immer dauerhaft als Räte, in Würzburger Diensten, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 237, 240 f., 295 – 297, 319.

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­bedenken.1310 Durch die Wahlkapitulation an die Vereinbarungen von 1567 grundsätzlich gebunden,1311 gelang es Echter rasch, die Verpflichtung der Räte auf das Domkapitel – wenn sie überhaupt erfolgte – nur auf die gelehrten Räte zu beschränken.1312 In Verhandlungen mit dem Domkapitel konnte Echter erreichen, dass im Wesentlichen die Inhalte der Wahlkapitulation Friedrichs von Wirsberg des Jahres 1558 gelten sollten und somit die weitgehende Bindung des Bischofs an die Beschlüsse des Rates beseitigt wurde. Hingegen musste die zahlenmäßig stärkere Vertretung des Domkapitels im Rat nach wie vor aufrechterhalten werden.1313 Die Ordnung geht wie zuvor die Wahlkapitulation von der Teilnahme von vier Domherren aus, die nach dem Domdechanten dazu berufen waren, die Umfrage im Rat zu führen.1314 Schon die umfängliche Vertretungsregelung, wonach bei Abwesenheit sämtlicher Domherren zunächst der Hofmeister, dann der Hofmarschall und schließlich der Kanzler die Umfrage leiten sollten, legt die Vermutung nahe, dass die Teilnahme der Domherren alles andere als die Regel war.1315 Im Übrigen schweigt die ansonsten sehr umfang- und detailreiche Ordnung des Jahres 1574 zu den Kompetenzen und Aufgaben der Domherren im Rat. Auf den ersten Blick wird der außerordentliche Umfang der Echter’schen Ordnung ersichtlich, der vor allem dem Detailreichtum der verschiedenen Regelungen geschuldet ist. Insbesondere disziplinarische Anweisungen im weiteren Sinne nehmen dabei großen Raum ein. Schon seit der Ordnung der Jahre 1525/1526 hatten die Kanzleiordnungen verschiedentlich Passagen enthalten, die das Verhalten der Räte untereinander und gegenüber den Parteien zu mäßigen versuchten und überdies etwa anwiesen, dass sich die Räte nicht bestechen oder beeinflussen lassen 1310 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 41 – 93. Edition und Einführung bei Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 275 – 317. 1311 Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 367. 1312 Abert, Wahlkapitulationen, S.  88; Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S.  124; Pölnitz, Julius Echter von Mespelbrunn, S. 125, 216. Gelegentlich schienen sich die Räte selbst einer Vereidigung auf das Kapitel zu entziehen, indem sie vorbrachten, dass bischof und Kapitel ein Werk [seien] und ex medio capituli ein Bischof herkomme, also eine zusätzliche Vereidigung vor dem Kapitel nicht erforderlich sei, Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 279, Anm. 26. 1313 Abert, Wahlkapitulationen, S. 88 f., Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 278 f. 1314 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. Schon die Wahlkapitulation Julius Echters, in: Buchinger, Julius Echter, S. 360, hatte eine entsprechende Anzahl von Domherren im Rate vorgesehen, die der Bischof abgesehen vom Domdechanten jährlich austauschen konnte. 1315 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. Diese Vermutung stützen auch Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 31, und Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 279.

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sollten.1316 Doch auch in der Schreibstube scheinen disziplinierende Vorschriften erforderlich gewesen zu sein, denn bereits die Kanzleiordnung des Jahres 1559 hatte moniert, dass jederzeit jn der Schreibstuben ein groß geschwetz unnd geschrej vorherrschte, das fortan bej allen vom Obristen biß auff den untersten abgestellt unnd verpotten sein sollte.1317 Größeren Anteil an diesen Ausschweifungen hatte offenbar der Kanzleitrunk, der dann auch stark reglementiert wurde. So sollte der Trunk durch den Kanzleiknecht um halb drei gereicht und pünktlich um drei Uhr wieder aus der Kanzlei geholt werden, da ein jeder den durst jn solcher halbenn stundt woll leschen 1318 können sollte. Überdies durfte nunmehr nur noch eine bestimmte Menge des Weins ausgeschenkt werden und kein weiterer, auch kein aus Privatmitteln beschaffter, Wein in die Kanzlei gebracht werden. Schließlich war der Trunk allein und nicht mit mehreren zusammen einzunehmen.1319 Auch die Kanzleiordnung Julius Echters verbot die Trunkenheit an den Ratstagen, das sey gleich fruhe oder spatt, da die ambtschreiber unnd gemeine copisten, und auch die gelerte räthe, mehr mit dem Kopf als andere zu arbaitten hatten.1320 Abgesehen von diesen Vorschriften zur Trunkenheit war den Räten und dem Kanzleipersonal geboten, stets zu den Kanzleistunden zu erscheinen, Privatangelegenheiten nicht während dieser Zeiten zu erledigen, Privatgespräche in und vor der Kanzlei zu vermeiden, nicht in Parteistreitigkeiten aufzutreten, die in ihrem Fortgang an die Kanzlei gelangen konnten, sich nicht bestechen zu lassen, bei Befangenheit von sich aus die Ratssitzung vorübergehend zu verlassen, sich an die Umfrage zu halten und nicht bereits im Vorfeld Absprachen mit anderen Räten zu treffen.1321 Schließlich sollte sich ein Hofrat auch nicht außerhalb der Kanzlei in privatis colloquiis abfällig über die Beschlüsse im Rat äußern als ob er nit dabey gewesen, sondern diese vertheidingen, oder auffs wenigst, ungetadelt passiren lassen.1322 Zweifellos geben diese Anordnungen einen lebhaften Einblick in das Sozialverhalten der Kanzlisten. Ob daraus auf eine zunehmende Verrohung der Kanzleidisziplin zu Beginn der Echterzeit geschlossen werden kann, ist freilich zweifelhaft. Die neuen und umfangreicheren Verpflichtungen könnten ebenso einem stärkeren fürstlichen Interesse an der Regelbefolgung und vielleicht auch der Darstellung des Idealbildes eines ordentlicheren und gottgefälligeren Lebens gegenüber dem 1316 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 8v, 10r f.; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 586 f.; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 46 f., 49. 1317 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 74. 1318 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 74. 1319 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 74 f. 1320 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 55. 1321 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 44 – 47. 1322 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 47.

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­ anzleipersonal gedient haben und insofern eher eine Veränderung des HerrschaftsK und Moraldiskurses als der tatsächlichen Verhältnisse zum Ausdruck bringen. Gerade für die Zeit der katholischen Reform unter dem jesuitisch geprägten 1323 Fürstbischof Julius Echter liegt eine derartige Deutung der Vorschriften nahe. In jedem Fall fügte sich die Kanzleiordnung, wenngleich sie keine umfassende Neuordnung der Kanzleiorganisation brachte, durch ihre ausführlichen Regelungen zum gesamten Kanzleibetrieb einschließlich der zu entrichtenden Taxen nahtlos in die auch ansonsten umfänglichen Reformmaßnahmen Julius Echters ein.1324 5.  Die moderate Neuordnung des Jahres 1617 Echters Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen (1617 – 1622) folgte der Tradition seiner Vorgänger und erließ rasch nach Beginn seiner Amtszeit eine neue Ordnung für die fürstliche Kanzlei, die bereits am 13. November 1617 in Kraft trat.1325 Die Kanzleiordnung war in weiten Teilen im Wortlaut identisch mit jener Julius Echters. Umso deutlicher treten daher die wenigen grundlegenden Abweichungen hervor. An erster Stelle ist diesbezüglich die Aufteilung der Kanzleiangelegenheiten in zwei unterschiedliche Räte zu nennen, die es bereits zur Zeit Friedrichs von Wirsberg vorübergehend gegeben hatte. In einem gesonderten Geheimen Rat, der montags, mittwochs und freitags tagen sollte, waren sämtliche Angelegenheiten zu verhandeln, die zu des Stiffts stado gehörig waren, worunter vor allem die Reichs-, Kreis- und generell die Gebrechensachen fielen.1326 Der Bedeutung des Rats entsprechend war seine Besetzung hochkarätig: Ihm sollten der Domdechant, die zu Räten verordneten Kapitulare, der Hofmeister, der Hofmarschall, der Kanzler und diejenigen beiwohnen, die der Bischof sonsten mehr aus unsern Räthen darzu qualificiert erachtete.1327 Der Bischof sollte dem Gremium so oft wie möglich selbst vorsitzen und die Umfrage führen, die ansonsten je nach Anwesenheit den Genannten der Reihe nach zukam.1328 Waren somit die hochpolitischen Angelegenheiten in den Geheimen Rat gezogen, verblieben dem allgemeinen, täglich zusammentretenden Hofrat ausweislich der Ordnung vörderist, der underthanen einkommene Supplicationes […] auch 1323 Siehe diesbezüglich S. 271 f. 1324 Vgl. insb. zur Normgebung durch Julius Echter Bongartz, Die Rechts- und Gerichtslandschaft, passim, und Merzbacher, Fürstbischof Julius Echter, passim. Speziell zu den ­später ergangenen Regelungen für den Universitätsbetrieb Amend-­Traut, Geistlicher Auftrag und politischer Nutzen, S. 563 – 567. 1325 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 93. 1326 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 48. 1327 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 48. 1328 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 48 f.

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was dannenhero, mit verhörung der Partheÿen, unnd in andere weeg rühren möchte, sowohl alle Justiti-[,] Civil- unnd Criminalsachen.1329 Ferner sollten im allgemeinen Hofrat auch das hoffe- und appellation gericht gehalten werden und auch was vermög der Außträge, unnd kaÿserlichen Commissionen sachen vor unns erwachsen, gehandelt werden.1330 Der Rat diente also vor allem der Regulierung von Parteikonflikten und der Behandlung von Rechtssachen. Eine weitere Neuerung stellte das Collegium Advocatorum dar, das unter Vorsitz des Kanzlers tagte. Das Gremium, in dem der fürstliche Syndikus Protokoll führte,1331 sollte der Ausübung der Advokatur in den rechtshängigen Verfahren unter Beteiligung des Hochstifts dienen. In der Regel sollten die darin zusammengefassten Räte am Mittwochnachmittag erscheinen und die in die Verfahren einzubringenden Prozessschriften lesen, beratschlagen und gegebenenfalls korrigieren.1332 Durch die Etablierung des neuartigen Gremiums sollten derartige Angelegenheiten aus dem täglichen Hofrat herausgenommen werden, damit die mit der Ausübung der Advokatur in streitigen Verfahren befassten Räte sich nicht durch die allgemeinen Ratsangelegenheiten ablenken ließen und umfassende Kenntnis von den zu führenden Verfahren erlangen konnten. Hatten Sie eine Entscheidung getroffen, sollte der angefertigte Schriftsatz nicht von dem Advocato Causae selbst, also demjenigen Rat, der als Advokat mit dem jeweiligen Verfahren befasst war, oder einem andern geändert werden.1333 Als Hintergrund zur Einführung d ­ ieses Gremiums ist die Tatsache zu sehen, dass die gelehrten Räte als Advokaten in streitigen Angelegenheiten tätig wurden, in denen der bischöfliche Landesherr vor auswärtigen Gerichten oder jenen innerhalb des Hochstifts als Partei beteiligt war. Ihnen waren daher spätestens seit Ende des 16. Jahrhunderts einzelne Verfahren zu Begutachtung und Betreuung zugeordnet,1334 während vor den Gerichten innerhalb des Hochstifts der fürstliche Syndikus als Prokurator in ebendiesen Prozessen auftrat. Bereits in der folgenden Kanzleiordnung des Jahres 1623 erscheint das Gremium nicht mehr. Dementsprechend sind Protokolle der Sitzungen auch nur für die Zeit von März 1619 bis Ende des Jahres 1622 überliefert.1335 Möglicherweise wurde das Gremium aufgegeben, nachdem es sich gegenüber der bereits in der zweiten Hälfte

1329 1330 1331 1332 1333 1334

Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 49. Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 49. Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 51. Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 51. Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 51. Zahlreiche entsprechende Verfahrenszuweisungen an die gelehrten Räte für das späte 16. und das frühe 17. Jahrhundert finden sich unter Nennung der Prozessparteien in StAW, Admin. 17476, unfol. 1335 StAW, Admin. 17476, unfol.

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des 16. Jahrhunderts geübten Aufteilung der Verfahren an einzelne gelehrte Räte zur Bearbeitung nicht als effektiver erwiesen hatte. Die Kanzleiordnung Johann Gottfrieds von Aschhausen wahrte ansonsten im Wesentlichen die Traditionen, die schon seit der ersten umfassenden Ordnung der Jahre 1525/1526 unter Konrad von Thüngen die Kanzleiorganisation geprägt hatten, und übernahm die umfänglichen Detailregelungen der über vierzig Jahre zuvor erlassenen Echter’schen Kanzleiordnung. Besondere politische Ereignisse schlugen sich in den einzelnen Regelungen der letzten beiden Ordnungen vor dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges anders als in den Krisenzeiten in der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht mehr nieder.

III.  Geschäftszeiten Hinsichtlich der Geschäftszeiten der fürstlichen Kanzlei ist zunächst in Erinnerung zu rufen, dass schon die Zeitgenossen unter dem Kanzleibegriff nit allein unnser Cannzler secritarj unnd anndere schreybere, sunder auch unsere Räthe 1336 verstanden. Folglich finden sich schon in der Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 sowohl Hinweise auf die Organisation der Kanzleistube als Kanzlei im engeren Sinne als auch auf diejenige des Rats. Die Geschäftszeiten wurden von den früheren Ordnungen ausdrücklich nur bezüglich der Räte angeordnet. Sie dürften aber für die Kanzlisten, also das Personal der Kanzlei im engeren Sinne, ebenso Geltung gehabt haben, denn auch die späteren Ordnungen trafen hinsichtlich der Arbeitszeiten beider Personenkreise keine voneinander abweichenden Regelungen, obwohl sie ab 1559 die Geschäftszeiten gesondert auswiesen. Die fürstlichen Räte sollten sich nach der Ordnung der Jahre 1525/1526 an Werk­ tagen morgens ­zwischen sieben Uhr und acht Uhr dreißig sowie am Nachmittag ­zwischen ein Uhr und drei Uhr dreißig in der Kanzlei aufhalten. An Fasten­tagen war vormittags und nachmittags zu den gleichen Zeiten zu beginnen, wenngleich die Arbeitszeit jeweils bis zehn beziehungsweise vier Uhr verlängert war. An Sonn- und Festtagen war nach zwolff hore, unngeverlich aÿn Stundt, oder so es die Notturft unnd zufallennde Sachen erforder[te]n […] lennger 1337 zu arbeiten. Die Ordnung des Jahres 1551 änderte daran wenig, ordnete aber an, dass die Räte an Werktagen nachmittags bereits um zwölf Uhr und im Sommer­halbjahr ­zwischen Ostern und Michaelis Ende September morgens schon um sechs Uhr 1336 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4r. Eine nahezu identische Formulierung enthält auch die Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 583, die aber mit dem Zusatz sonnder auch die Edlen, unnd anndere unnsere Rethe auf die Zweiteilung der Räte explizit hinweist. 1337 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4v f.

Kanzleipersonal

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erscheinen sollten.1338 Die Ordnung des Jahres 1559 behielt diese Differenzierung bei und sah, ebenso wie jene des Jahres 1574, morgendliche Arbeit bis zehn Uhr und nachmittägliche Kanzleistunden von ein bis vier Uhr vor.1339 Unter Julius Echter entfiel dann die Unterscheidung der Arbeitszeiten ­zwischen Sommer und Winter. Allerdings wurde eine Befreiungsmöglichkeit für die Erntezeit vorgesehen.1340 Die Kanzleiordnung des Jahres 1617 sah schließlich nur noch Ratssitzungen z­ wischen sieben und zehn Uhr morgens vor, da die nachmittägige[n] rathgenge, nicht allein den sachen wenig befürderlich, sondern vil mehr ­verhindterlich gewesen s­ eien.1341

IV.  Kanzleipersonal Die erhöhte Schriftlichkeit in Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten zu Beginn der Frühen Neuzeit erforderte nicht nur umfangreiches Personal in der Kanzlei, sondern eine Ämterstruktur, mit deren Hilfe ein effizienter Umgang mit den anfallenden Geschäften möglich war. Die Kanzleiordnungen seit den Jahren 1525/1526 spiegeln den Versuch der Bischöfe wider, die Kanzleiorganisation diesen Anforderungen anzupassen. 1.  Räte a.  Zusammensetzung des Hofrats Der Würzburger Bischof umgab sich bereits zum Ende des 15. Jahrhunderts für die wichtigsten Angelegenheiten des Stiftes in geistlichen und weltlichen Fragen mit zwei verschiedenen Räten. Der s­ päter sogenannte geistliche Rat dürfte noch aus dem zu Beginn des Spätmittelalters stammenden „engeren Rat“ hervorgegangen sein und seine Bedeutung auch zwischenzeitlich nie ganz verloren haben. Als klar strukturiertes Gremium mit einer festen Mitgliederzahl und regelmäßigen Sitzungen hat er sich wohl erst nach 1558 konstituiert.1342 1338 1339 1340 1341 1342

Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 583 f. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 42. Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 42. Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 52. Hinsichtlich der Ratstätigkeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Abert, Wahlkapitulationen, S. 164; Heilmannseder, Der Geistliche Rat, S. 35 – 134, insb. S. 59, 129 – 131; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 229. In Art. 68 der Wahlkapitulation des Jahres 1558 heißt es diesbezüglich: Wir wollen auch die Zeit unserer regierung und

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Herzstück der Kanzlei im weiteren Sinne war zweifelsohne der tägliche Hofrat als weltlicher Rat des Fürsten, der sich schon in der Mitte des 15. Jahrhunderts allmählich ausgebildet hatte und nun zu Beginn der Frühen Neuzeit festere Strukturen aufwies, die zunehmend auch Gegenstand fürstlicher Ordnungstätigkeit wurden.1343 Im Rat versammelten sich gelehrte und adelige Räte sowie gelegentlich die (adeligen) Räte von Haus aus.1344 Diese Aufteilung in gelehrte und adelige Räte war keine Würzburger Besonderheit, sondern wurde, tief im genossenschaftlich orientierten Rechtsbewusstsein der Zeitgenossen in den deutschen Gebieten verankert, überall im Reich praktiziert und durch eine entsprechende und wohl paradigmatisch wirkende Aufteilung der Schöffenbank am Reichskammergericht seit 1495 noch befördert.1345 Mit der zunehmenden Rezeption des Römischen Rechts und der erhöhten Komplexität der Verfahren gewannen überall im Reich studierte Juristen in Regierung und Verwaltung an Bedeutung.1346 Schon 1474 hatten die Räte ausweislich der bereits erwähnten ritterlichen Beschwerden über die Tätigkeit des Kanzleigerichts nach dem Gemeinen Recht entschieden. Schon in dieser Zeit waren also in der fürstlichen Kanzlei gelehrte Juristen tätig. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden zwar sukzessive mehr gelehrte Räte bestallt. Insgesamt machten aber zunächst noch die adeligen Räte die Mehrheit aus. So lag die Anzahl der bestallten adeligen Räte beispielsweise im zweiten Quartal des 16. Jahrhunderts etwa um 50 % höher als die der gelehrten.1347 In den Sitzungen hingegen, an denen in der Regel ungefähr acht Räte teilnahmen, hielt sich das Verhältnis beider Gruppen zueinander etwa die Waage.1348 So waren beispielsweise bei der Verkündung

1343 1344 1345 1346

1347 1348

damit […] nit allein ein weltlicher, sondern auch ein geistlicher Rat erfunden werden, unsern sollichen geistlichen rathe haben außer und neben dem weltlichen, zit. nach Abert, Wahlkapitulationen, S. 164, Anm. 7. Siehe zur Entwicklung des Hofrates bereits S. 52 – 57. Hierzu sogleich S. 259 – 262. Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens, Bd. 1, S. 445 f.; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 36. Kroeschell, Die Rezeption der gelehrten Rechte, S. 285 f. Press, Das römisch-­deutsche Reich, S. 31, geht demnach von einer „immense[n] Rolle der bürgerlichen Juristen“ für die fürstlichen Ratsgremien des 16. Jahrhunderts aus und betont mit Blick auf die Reichs­ geschichte, dass die nach ihrer Ausbildung relativ homogene Dienerschaft in den Territorien „einen bemerkenswerten Faktor für Entstehung und Stabilität politischer Konstellationen im Reich bilden konnte“, ders., Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte, S. 12. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 47, Anm. 79, hat für die Jahre 1526 bis 1540 16 adelige und neun gelehrte Räte ermittelt, wobei seit Regierungsantritt Bischof Konrads von Thüngen die Anzahl letzterer erkennbar zugenommen hatte. Reuschling, ebd., S. 31, der nach eigenen Archivstudien die von Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 14, angenommene Relation von zwei zu eins

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der ­Kanzleiordnung des Jahres 1551 außer dem Bischof einschließlich Hofmeister, Kanzler und Marschall acht Räte anwesend, von denen fünf adeliger Herkunft waren.1349 Unter den fünf adeligen Räten befand sich auch der spätere Hofmeister Hans Zobel von Giebelstadt, der keineswegs ohne akademische Bildung war, sondern in Bologna studiert hatte.1350 Dass in der Praxis häufig die gelehrten Räte die Mehrheit der Anwesenden bildeten, lässt die Kanzleiordnung des Jahres 1559 vermuten, wonach der Rath jederzeit mit einem dombherren, unnd auff das wenigst trej oder viren vom adel neben andern gelerten Rethen 1351 besetzt sein sollte. Zu einer weiteren Erhöhung der Anzahl anwesender Ratsmitglieder konnte es kommen, wenn die sogenannten Räte von Haus aus oder Domherren dem Rat beiwohnten, was aber jedenfalls in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht die Regel war.1352 Die adeligen Räte stammten, anders als die gelehrten Räte, die häufig außerhalb des Hochstifts beheimatet waren, zumeist aus dem Stiftsadel und insbesondere aus der Ritterschaft.1353 Sie hatten dem Bischof außer ihren Pflichten im Rat noch weitere, oft diplomatische Dienste zu erweisen und mussten erforderlichenfalls auch militärisch tätig werden.1354 Wegen ihrer juristischen Ausbildung haben die gelehrten Räte wahrscheinlich schon zu Beginn der Frühen Neuzeit die Mehrzahl der Aufgaben im Rat übernommen.1355 Dementsprechend war ihre Besoldung in der Regel besser als die der adeligen Räte.1356 Nicht unmittelbar zum täglichen Hofrat gehörten die adeligen Räte von Haus aus, die nur zeitweise eine Ratstätigkeit ausübten und bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts weder Dienstgeld noch feste Besoldung erhielten.1357 Häufig handelte es sich um Adelige ritterlicher Geburt, derer Dienste und Treue sich der Bischof versichern wollte, wenn sie nicht ohnehin als seine Vasallen Räte von Haus aus waren.1358 Diese Gattung von fürstlichen Beratern war keine Seltenheit im Reich, zugunsten der gelehrten Räte in Zweifel zieht. Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 597. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 227. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 69. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 31, 47. Ebd., S. 36. Ebd., S. 36 f. Ebd., S. 37. So auch für das, freilich nicht ohne Weiteres mit dem 16. Jahrhundert vergleichbare, späte 18. Jahrhundert Flurschütz, Die Verwaltung des Hochstifts, S. 54. Dass jedenfalls in gerichtlichen Sachen der überwiegende Teil der Ratstätigkeit bei den gelehrten Ratsmitgliedern lag, ist auch für andere Territorien erforscht; vgl. etwa für das Herzogtum Bayern Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens, Bd. 1, S. 445 f. 1356 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 33 f., 37. 1357 Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 14; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 38, 40. 1358 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 38 f. 1349 1350 1351 1352 1353 1354 1355

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sondern in den süddeutschen Gebieten und den österreichischen Erblanden üblich und auch darüber hinaus nicht unbekannt.1359 Es ist nicht verwunderlich, dass diese Räte schon vor 1500 nachweisbar sind,1360 verkörpern sie doch im Grunde die losen Ratsgremien landständischer Prägung, wie sie in Würzburg schon durch den Runden Vertrag des Jahres 1435 zu konstituieren versucht worden waren, aus denen sich vielerorts die täglichen Hofräte mit der Zeit erst herausbildeten. Die Teilnahme der Räte von Haus aus an den täglichen Ratssitzungen findet in den Kanzleiordnungen an keiner Stelle ausdrückliche Nennung. Sie war sehr unterschiedlich ausgestaltet und reichte von der seltenen Pflicht zur täglichen Teilnahme am Rat bis zur als Regel zu betrachtenden Anforderung auf besondere Anordnung. Diese erging etwa dann, wenn vertrauliche und insbesondere politische Angelegenheiten beraten wurden oder die besondere Sachkenntnis der herangezogenen Räte erforderlich war.1361 Die Aufsicht über die Räte und die Einhaltung ihrer Dienstpflichten überwachten Kanzler oder Hofmeister, wobei die gelehrten Räte vermutlich schon früh durch den Kanzler und die adeligen Räte durch (den ebenfalls adeligen) Hofmeister, der gegebenenfalls durch den Hofmarschall vertreten wurde, beaufsichtigt wurden, wie dies ausdrücklich erst die Kanzleiordnung des Jahres 1617 vorsah.1362 Schon eine Deputation des Domkapitels an Bischof Friedrich von Wirsberg hatte im Jahr 1560 eine entsprechende Aufteilung der Aufsicht vorgesehen, die demnach wahrscheinlich 1574 längst in Geltung war, als die Kanzleiordnung Echters dem Hofmeister die Aufsicht über unsere unnd sonderlich die edle räth zuwies, ohne dass 1359 Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 30; Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 14; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 38. Zu Sachsen im frühen 16. Jahrhundert vgl. etwa Volkmar, Reform statt Reformation, S. 99. 1360 Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 30; Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 14; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 39. 1361 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 39 f. Die Kanzleiordnung des Jahres 1526 beschränkte aber die tägliche Anwesenheitspflicht auf ieglich hoffrethe sonnderlich die ire besoltung unnd diennst gelt vonn unß hab[en], Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4v, sodass die Räte von Haus aus hiervon in aller Regel freigestellt gewesen sein dürften. Eine nahezu identische Formulierung findet sich auch in der Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 583. 1362 Demnach sollte der Hofmeister darauf achten, dass unsere und vornemblich die Edtle Räth Embsig […] In Räth gingen, Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 54. Dem Kanzler war hingegen aufgetragen, dass die Kanzleiordnung von allen Räthen, Officianten unnd gemeinen Cantzleÿ Persohnen befolgt wurde, ebd., S. 55. Vgl. auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 34 f., 37. Schon die Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4v, hatte, etwa hinsichtlich der Abwesenheit eines Rates, bestimmte Anzeigepflichten gegenüber Kanzler und Hofmarschall formuliert, sodass von einer Aufsicht der Genannten über die Räte schon hier ausgegangen werden kann.

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hier allerdings eine vergleichbare Regelung zu den gelehrten Räten hinsichtlich des Kanzlers vorhanden gewesen wäre.1363 b.  Entscheidungsbefugnisse und Dienstpflichten Die Räte entschieden über die wesentlichen Angelegenheiten des Hochstifts sowie über die vor die Kanzlei gebrachten Gerichtssachen. Natürlich war ihre Entscheidungsgewalt insofern eingeschränkt, als der Bischof alle Verfahren an sich ziehen und eine eigene Entscheidung treffen konnte oder den Entscheidungen des Rates die Approbation, also die Bestätigung verweigern konnte. Die Aussage aber, dass der Bischof abgesehen von absoluten Marginalien in „allen sonstigen rechtlichen, verwaltungstechnischen oder politischen Streitigkeiten und Fragen […] letzte und oberste Instanz“ 1364 gewesen sei, dürfte jedenfalls in ihren Implikationen zu weit reichen. Zu tief war der Gedanke des consilium et auxilium auch zu Beginn der Frühen Neuzeit den geltenden Herrschaftsvorstellungen noch eingeschrieben. Nach der Kanzleiordnung des Jahres 1574 waren schrifften, so geringe sachen antreffen, ebenso wie die Suppliken der Untertanen im Allgemeinen ohne eine bischöfliche Entscheidung oder Approbation, also umb mehrer befurderung oder weniger muhe willen unreferirt, durch den Rat allein zu entscheiden.1365 Entsprechendes dürfte in aller Regel auch für die vor die Kanzlei gebrachten Parteistreitigkeiten gegolten haben. Die Räte sollten zu den Dienstzeiten in der Ratsstube der Kanzlei erscheinen, wo insbesondere Parteiangelegenheiten zu gütlicher oder rechtlicher Entscheidung wie sich geburtt schleunnig fur hand genomen, stadtlich mit fleyß unnd solcher geschicklichait gehanndelt werden sollten, das keiner die andern jre, verhinder, seumme oder uffhalt[e], damit uberflus der zeyt, arbeit und chosten verhuttet 1366 werden konnte. Bei den Verhandlungen und im Beisein einer oder beider Parteien sollten die Räte diese einerseits jrer notturft nach willig unnd unverdrießlich horen und sich andererseits jnn beyßein derselbig[en] unter jnnen selbst, jnn kein gezannckh gefeiht oder dißputation gebenn, sonnder die freuntlich beschaidenn.1367 Außer derartigen Anordnungen, die sich auf das Verhalten der Räte im 1363 Kanzleiordnung 1574, StAW , ldf 32, S. 50 f. Zu der Deputation des Jahres 1560 vgl. Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 289, Anm. 84a; Stumpf, Staats- und Hofhaushaltung, S. 7. 1364 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 34. 1365 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 52. 1366 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4r. 1367 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 8v; vgl. auch die entsprechenden Bestimmungen in den Kanzleiordnungen 1551, StAW, ldf 28, S. 586, und 1574, StAW, ldf 32, S. 49.

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Rat bezogen, war offenbar die Unvoreingenommenheit und Unbestechlichkeit der Räte in den zu entscheidenden Verfahren ein wichtiges Regelungsanliegen der bischöflichen Ordnungsversuche. Daher war es ihnen zur Vermeidung von Befangenheit und Bestechung verboten, Geschenke, Gaben und sonstige Vorteile aller Art anzunehmen oder ohne des Bischofs außtrucklich bewilligung unnd erlaubnis fremde Gerichtssachen zu bearbeiten und in diesen Angelegenheiten zu rathenn oder advocieren.1368 Diese disziplinarischen Anordnungen wurden durch die Kanzleiordnung Echters noch intensiviert und präzisiert. Neben den genannten Ge- und Verboten sollte den Räten die Erledigung von Privatangelegenheiten in der Kanzlei ebenso untersagt sein wie die öffentliche Diskreditierung der getroffenen Beschlüsse.1369 Überdies wurden neben konkreteren Regelungen zur Beurlaubung der Räte auch ausführlichere Anordnungen zu einer möglichen Befangenheit derselben getroffen, die auch die gerichtliche Tätigkeit des Hofrats zum Gegenstand hatten. Demnach sollte keiner aus den räthen sachen, so algereith am landtgericht, oder inn der cantzley hangen, oder sonst vermuthlich dahin kommen möchten, ohne die […] austruckenliche bewilligung des Bischofs annehmen, darinnen rhaten oder advocirn.1370 Wo eine s­ olche Bewilligung erteilt war, musste diese im Rat bekannt gemacht werden, damit wann von denselbigen geredt werden solle, derselbig consulent darin abgeschafft werden 1371 konnte und somit nicht an der Sitzung zu dem entsprechenden Tagesordnungspunkt teilnahm. Sollten sonstige Sachen an die Kanzlei gelangen, in denen der betreffende Rat zuvor als Parteivertreter aufgetreten war oder hinsichtlich derer er wegen einer Verwandtschaftsbeziehung möglicherweise befangen sein konnte, durfte er nicht in dieser Sache den berathschlagungen beywohnen, sonndern musste selbst davon auffstehn, und biß die berathschlagung hinuber, und er wider gefordert wurdt, vor der rathstuben whartten.1372 Die Zeitgenossen hatten also offenbar ein sehr feines Gespür für mögliche Verfahrensmanipulationen durch verschiedene Formen der Voreingenommenheit. Man wird dies nicht nur auf die Vermeidung der persönlichen Vorteilsannahme durch die Räte beziehen können, sondern hierin auch ein grundlegendes Verständnis für die Bedingungen einer funktionierenden und legitimen Rechtsprechung erkennen können. Dies zeigt sich schon in der Anordnung, die Entscheidungen des Rates nach außen hin als verbindliche Kollegialentscheidung zu würdigen, vor 1368 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10r; vgl. auch die Kanzleiordnungen 1551, StAW, ldf 28, S. 587, und 1574, StAW, ldf 32, S. 46 f. 1369 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 44, 47. 1370 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 46. 1371 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 46. 1372 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 46.

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allem aber in dem Verbot der Teilhabe an kanzleigerichtlichen Entscheidungen, die zuvor unter Hinzuziehung der betreffenden Räte als Abgeordnete am Landgericht ergangen waren.1373 Die vielfachen und ausdrücklichen Anordnungen zeigen aber auch, dass die Räte durchaus weitere Einkünfte als Juristen zu erzielen versuchten und d­ ieses auch durften. Gleichwohl war die Ausübung der Advokatur den Räten in Verfahren, die vor die Kanzlei gelangen konnten, verboten oder zumindest stark eingeschränkt. Es versteht sich von selbst, dass die Räte daher auch nicht vor den bischöflichen Gerichten und insbesondere nicht vor dem Kanzleigericht als Parteivertreter im Prozess, also als Prokuratoren, auftreten konnten. Entsprechende Vertretungshandlungen werden daher aus den Gerichtsakten auch nicht ersichtlich. Anders verhielt es sich hinsichtlich des Würzburger Stadt- und Brückengerichts, denn von ­diesem Gericht führte die Appellation nicht an das Kanzlei-, sondern – jedenfalls seit der Mitte des 16. Jahrhunderts – unmittelbar an das Reichskammergericht,1374 sodass die Räte hier grundsätzlich keinen Interessenkonflikt zu befürchten h ­ atten. Es nimmt daher nicht Wunder, dass in einem Verfahren vor dem Würzburger Stadtgericht im Mai 1577 der erbar und achtbare Pelagius Wagner, obgemellts B ­ rücken unnd Stattgerichts Procurator und Wirtzburgisch[er] Cantzleÿ verwannter als Prozessvertreter auftrat.1375 2.  Kanzler a.  Der Kanzler als Direktor der Kanzlei im engeren Sinne Die zentrale Figur in der Kanzlei war der bischöflich bestallte Kanzler, dessen Aufgaben in seiner Abwesenheit von Hofmeister oder Marschall wahrgenommen wurden, die ihm nach seiner Rückkehr Bericht über die vorgenommenen Geschäfte zu erstatten hatten.1376 In erster Linie war der Kanzler der Kopf der Kanzlei im engeren Sinne. Gemäß der Kanzleiordnung des Jahres 1574 sollte er als der director […] der erst, und der letzt in der Kanzlei sein.1377 Sämtlicher Schriftverkehr, sofern er nicht 1373 Siehe dazu bereits S. 113 – 115. 1374 Siehe dazu bereits S. 140 – 151 und 213 f. 1375 BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 152v. Über ihn macht Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, keine Angaben. Dass es sich aber um einen Rat oder anderweitigen Beamten des Bischofs gehandelt haben muss, macht bereits die Anrede mit erbar und achtbar deutlich, vgl. hierzu auch Hochedlinger, Aktenkunde, S. 145. 1376 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 7r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. 1377 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 51 f.

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persönlich an den Bischof gerichtet oder, weil es sich um Klagschriften 1378 und Suppliken handelte, dem Referendar zugewiesen war, sollte durch seine Hände gehen.1379 Die Schreibaufgaben wurden durch ihn an den jeweils vorgesehenen Schreiber oder bei zu hoher Arbeitsbelastung desselben an andere Kanzlisten in der Schreibstube verteilt.1380 Ebenso sollte der Kanzler einmal in der Woche die im Rat ergangenen Urteile aufschreiben oder aufschreiben lassen und die durch den Gerichtsschreiber gebundenen Gerichtsakten dem Rat übergeben und dort über die Inhalte derselben referieren.1381 Auch des Stiffts schwebend[e] Gebrech[en]1382 sollte er wöchentlich überwachen und die wichtigsten und dringendsten Angelegenheiten im Rat vorbringen. Ferner überwachte der Kanzler auch die einzelnen Ämter der Schreibstube. Insbesondere sollte er die zu den Sitzungen im Rat durch die Schreiber gefertigten Konzepte nach Möglichkeit im Anschluss an die Beratungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen, damit diese alsbald in der Schreibstube ingrossiert, also ins Reine geschrieben werden konnten.1383 Vertreten wurde der Kanzler bei großem Geschäftsanfall dabei durch den Referendar, der die Konzepte zusammen mit einem weiteren Rat überprüfen sollte, der bei den Verhandlungen zugegen gewesen war. Nach der Kanzleiordnung des Jahres 1574 sollten die Konzepte schließlich von mehreren, wahrscheinlich allen bei den Verhandlungen anwesenden Räten nach den Sitzungspausen zu Beginn des Nachmittags oder am Morgen gehört werden. Die Übereinstimmung der Konzepte mit den Ratsentscheidungen war ein nachvollziehbares Anliegen der Ordnung. Daher sollte nichts furgenommen werden, die 1378 Hiermit dürften ebenfalls Suppliken und nicht Klageschriften in gerichtlichen Verfahren gemeint gewesen sein; siehe dazu S. 279. 1379 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6v; Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. Die Kanzleiordnung des Jahres 1559, StAW, ldf 30, S. 67, enthält allerdings den nunmehr ausdrücklichen Hinweis, dass die Öffnung der dem Referendar zur weiteren Bearbeitung zugewiesenen Schreiben einzig dem Kanzler vorbehalten sein sollte. Nach der Kanzleiordnung Echters aus dem Jahr 1574, StAW, ldf 32, S. 52, waren sämtliche Schreiben, die nicht direkt an den Bischof gerichtet waren, vom Kanzler zu öffnen und im Rat vorzubringen, da das Amt des Referendars zu dieser Zeit keine größere Bedeutung mehr hatte; siehe dazu S. 281 f. 1380 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 8r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 586. 1381 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10v f.; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 587. 1382 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 12r. 1383 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 67. Zur Überwachung der Registraturen sollte der Kanzler nach der Kanzleiordnung des Jahres 1574, StAW, ldf 32, S. 56, vierteljährlich eine Visitation durchführen, um die Ämterführung der einzelnen Registratoren zu überprüfen.

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concepten seyen dann zuvor abgeleßen.1384 Hinsichtlich der verschiedenen offitia unnd empter in der Schreibstube sollte der Kanzler mit allem vleiß darob sein, das ainem jedenn ampt darzu tugliche personnen furgesezt 1385 waren, und dafür Sorge tragen, dass die Sachen nach dem gesamten Arbeitsaufkommen so verteilt wurden, dass sie nicht einen Amtsträger mengenmäßig überforderten.1386 Überdies wählte er in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus den Kanzleischreibern trey tugliche geschickhte personnenn,1387 die als Registratoren tätig wurden, und bestimmte einen Taxator, der für die Annahme der durch die Ordnung vorgesehenen Taxen und die diesbezügliche Buchführung zuständig war.1388 War die Amtsführung im Einzelfall nicht zufriedenstellend, sollte der Kanzler den betreffenden Amtsinhaber sich zu bessern ermanen.1389 Wenn aber eine Besserung nicht eintrat, war dieser durch den Kanzler nach einem entsprechenden Hinweis an den Bischof zu urlaubenn und ann der abgang stat andere geschickhte tuglich frome unnd redliche personne, die jm stiffts geporen, oder jr gemut hinfur darin zupleybenn gesezt habenn, anzunemen.1390 Ganz allgemein wachte der Kanzler über die Einhaltung der Geschäftsgänge in der Kanzlei, die durch herkomen […] [u]nnd […] sunst jnn allem annderm, nach vermög unnd außweyßung obberurter unnd nachvolgennder […] Cannzley ordnung 1391 bestimmt waren. Ausweislich der Kanzleiordnung des Jahres 1526 war er es auch, der Geschäftsgegenstände nach der gegebenenfalls erforderlichen Behandlung im Rat sampt der Rath mynung unnd gut dunckh[en]1392 zur Approbation oder abweichenden Entscheidung vor den Bischof bringen musste. Nach den Ordnungen der Jahre 1559 und 1574 sollte dies zusammen mit dem Hofmeister und nach Möglichkeit schon vor dem in der Regel auf dem Marienberg abgehaltenen Hoftisch zur Mittagszeit 1384 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 54. 1385 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 14r f.; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 589. 1386 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 14v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 589. 1387 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592. 1388 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 22r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 594. 1389 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 14v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 589. 1390 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 15r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 589. 1391 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 16v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 590, und Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 57. 1392 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585.

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stattfinden, bevor er rasch in die Kanzlei zurückzukehren hatte unnd nit erst haimb reiten oder bei Hofe verweilen durfte.1393 Denn schon zwei Stunden Wartezeit – so die Ordnung weiter – schafften, da gemeinlich alle geschefft still jn der Cantzlei standen, wenn Kanzler und Hofmeister nicht vor Ort waren, einen Verzug, der an einem Tag nicht wieder kompensiert werden konnte, weswegen man eher einen oder zwen frembden, oder wer sie gleich sein mogen, zu hoff wartten lassen, dann das man doniden die gantz Cantzley feiern oder still ligen laßen sollte.1394 Dem Kanzler kamen überdies archivarische Aufgaben zu. Vierteljährlich sollte er die eingegangenen Suppliken und sonstige Schreiben durchsehen und, sofern sie von Bedeutung waren, zusammen mit den ergangenen Antworten in die darzu verordennde ladenn, ein jedes nach seiner Ordnung erleg[en], behalt[en], unnd verwarenn.1395 Besonders wichtige Dokumente, insbesondere in Gebrechensachen, ebenso vorderung, vhedbrieve, urphed, urgicht, quitantion,1396 sollten in den dafür vorgesehenen Büchern, wenn nicht abschriftlich verzeichnet, so doch registriert werden. Im Rahmen des Schriftverkehrs durfte kein Brief sekretiert, also durch Aufbringung eines Sekretsiegels beglaubigt oder beurkundet werden, der nicht vom Kanzler oder von einem der beiden Sekretäre als Inhaber der trey secret zuvor durchgelesen und unterzeichnet worden war.1397 Die Unterzeichnung sollte bei bedeutenden Schriftstücken erst erfolgen, nachdem diese registriert oder zur Registratur

1393 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68; vgl. auch Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 51. 1394 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68. 1395 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 15v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 590. 1396 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 16r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 590. Es handelte sich hierbei um für das Hochstift besonders relevante Dokumente, die zu Beweiszwecken unerlässlich waren, nämlich Schriftstücke, die eine dem Hochstift zustehende Forderung oder als Quittung oder Quittbrief das Freiwerden von einer Verpflichtung auswiesen, vgl. etwa DRW X, Quittbrief, Sp. 1520; DRW X, Quittung, Sp. 1529 f. Ebenso Fehdebriefe, die die Fehde ankündigten, DRW III, Fehde, Sp. 447, oder Schriftstücke über die geleistete Urfehde, also den Schwur hinsichtlich des Verzichts auf weitere Fehdehandlungen, der sich entweder vor allem im Mittelalter als Streiturfehde auf Fehdehandlungen z­ wischen Standesgleichen bezog oder ­später als Hafturfehde auch im sich entwickelnden Strafrecht der Frühen Neuzeit von Bedeutung war und dort vor allem die Rechtmäßigkeit von erlittener Haft oder Folter zum Gegenstand hatte, Saar, Urfehde, Sp. 562 f., 565 f. In ­diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Urgicht zu verstehen, der das (regelmäßig schriftlich zu fassende, vgl. Art. 5 CCC) Geständnis des Delinquenten im Inquisitionsprozess bedeutete, Sellert, Urgicht, Urgichtbücher, Sp. 571. 1397 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 17r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 591. Zum Vorgang des Sekretierens und dem Sekretsiegel vgl. die entsprechenden Einträge in DRW XIII, Sp. 272 bzw. 273.

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b­ ereitgelegt worden waren.1398 Erst nach dem Verlesen, Unterschreiben und Registrieren der Schriftstücke sollten diese schließlich dem Bischof zur Versiegelung gebracht werden.1399 Nachdem – so die Ordnung des Jahres 1574 – sovil uncorrecter missif oder schrifften hinaußkommen, das es der gantzen cantzley ein spott, und zu zeitten auch grosser schade darbey entstanden war, sollten fortan auch unbedeutendere Schreiben, die die Kanzlei verließen, durch den Kanzler unterzeichnet werden.1400 Offenbar wurde der Kanzler seitens des Bischofs auch für besondere Schreibarbeiten herangezogen, die er ausweislich der Ordnung des Jahres 1574 nicht an andere Kanzlisten weitergeben durfte. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um persönliche und geheime Schreiben des Bischofs, bei denen eine besondere Diskretion gewahrt werden musste.1401 b.  Stellung im Rat Neben diesen Aufgaben, die seiner Stellung als Vorsitzender der Kanzlei im engeren Sinne entsprachen, nahm der Kanzler auch eine bedeutende Stellung in Ratsangelegenheiten ein. Er hatte nicht nur eingehende Briefe und Schriften in den Rat einzubringen, sondern auch die gerichtlichen Sachen, wann jme angezaigter massenn[,]1402 unter den Räten zu verteilen und führte alternativ zu Hofmeister und Marschall – ­später auch zu den im Rat vorhandenen Domherren – die Umfrage im Rat durch.1403 Der Kanzler war auch damit befasst, die Ratssitzungen vorzubereiten und die Tagesordnung zu erstellen. Das galt nach der Ordnung Friedrichs von Wirsberg umso mehr, als eines ihrer wesentlichen Anliegen darin bestand, die einzelnen Schreiber stärker in die Amtssitzungen zu integrieren. Es war zuvor offensichtlich 1398 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 17r f.; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 591. 1399 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 17v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 591. 1400 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 55. 1401 Eine entsprechende Stellung hatte etwa auch im Herzogtum Bayern der Kanzler inne, der sich in dieser Funktion 1586 zum obersten Hofkanzler entwickelte, Rosenthal, Geschichte des Gerichtswesens, Bd. 1, S. 542; Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 291, Anm. 88. 1402 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 11r; vgl. zum Einbringen der Schriften in den Rat durch den Kanzler auch die Kanzleiordnungen 1551, StAW, ldf 28, S. 588, und 1559, StAW, ldf 30, S. 66. 1403 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 586; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49.

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üblich gewesen, dass Referendar oder Kanzler nach den Ratssitzungen die Ergebnisse derselben den verschiedenen Schreibern diktierten, die daraus ihre Konzepte anzufertigen hatten. Gegenüber ­diesem ploßem summarischem angebenn war eine persönliche Teilnahme des Schreibers aus Gründen der Genauigkeit der Ergebnisse offensichtlich vorzuziehen. Dies setzte allerdings voraus, dass die Themengebiete der einzelnen Schreiber im Vorfeld durch den Kanzler derart zusammengefasst wurden, dass doppels aus unnd einlauffens vermitten pleibe.1404 Waren bedeutendere Angelegenheiten in eigenen und auswärtigen gerichtlichen oder Gebrechensachen binnen einer Ratssitzung nicht zu klären, hatte der Kanzler einen der Räte mit der Vorbereitung des Themas zu befassen und die Einhaltung der gesetzten Frist zu überprüfen, die dem Rat, dem ichts zu studirn und zu examinirn anhants gegegben wurde, zur Vorbereitung der Relation 1405 eingeräumt worden war.1406 Ebenso hatte der Kanzler neben dem Hofmeister bei erhöhtem Aufkommen der zu behandelnden Angelegenheiten die Befugnis, den Rat zu teilen, damit ains neben dem annderm ußgericht, die sachenn gefurter uncosten geringert unnd die partheyen der gebur nach abgevertig werd[en] konnten.1407 Genauere Ausführungen über die Art der Teilung machte die Kanzleiordnung des Jahres 1546. Demnach sollten Hofmeister und Kanzler zum wenigsten zwen aus unseren Rathen, nemlich ein Edlen, und ein gelerten zu verrichtung in angeregter sachen zu sich, wan es die notturft erhaischt, erfordern, um sich den anfallenden Sachen zu widmen.1408 Die beiden Räte sollten dann vor allem am Dienstag und Freitag von anderen Aufgaben und Vernehmungen befreit sein, sofern kein anderweiter Befehl erging.1409 Wo aber wichtige Vernehmungen oder Handlungen anfielen, konnten einer oder 1404 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 66, 70. 1405 Zum Begriff siehe Anm. 1955. 1406 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335 f. Diese Verteilung bestimmter Kanzleigeschäfte auf die einzelnen Räte enthält auch die Kanzleiordnung des Jahres 1551, StAW, ldf 28, S. 588. Die Tatsache, dass an dieser Stelle hinsichtlich der – vorher nicht vorhandenen – Fristsetzung eine der wenigen Änderungen zu der ansonsten weitgehend identischen Ordnung des Jahres 1526, Miscell. 6811, fol. 11r, zu finden ist, zeigt die Wichtigkeit, die eine Regelung ­dieses Verfahren offenbar erlangt hatte. Ob dieser Regelungsbedarf sich vor allem aus dem verstärkten Aufkommen der Aufteilung entsprechender Angelegenheiten unter den Räten als solcher oder der mangelnden Disziplin der Räte bei der fristgerechten Einhaltung des erteilten Auftrags ergab, kann allerdings nicht entschieden werden. 1407 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9r; vgl. auch Kanzleiordnung, 1551 StAW, ldf 28, S. 586. 1408 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 337. 1409 Dass die Kanzleiordnung des Jahres 1546, StAW, ldf 28, S. 337, ausgerechnet die Dienstage und Freitage erwähnt, überrascht, da diese nach derselben Ordnung für die gerichtlichen und Gebrechensachen vorgesehen waren, die zu den zentralsten Bereichen der Ratstätigkeit überhaupt gehörten. Möglicherweise sollte damit aber auch angedeutet werden,

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mehrere Räte hinzugezogen werden, um die entsprechenden Verhandlungen zu führen, die sich danach aber wieder zu den ihnen verordneten Sachen zu begeben hatten.1410 Dass eine Teilung des Rates besonders häufig vorkam, ist unwahrscheinlich,1411 widersprach diese doch dem grundsätzlich angelegten Kollegialsystem, das regelmäßig eine gemeinsame Beratung der Räte erforderte.1412 Kein Indiz für das Nichtbestehen einer entsprechenden Praxis kann allerdings darin gesehen werden, dass eine Aufnahme dieser im Vergleich zu 1525/1526 konkreteren Ausführungen in die Ordnung des Jahres 1551 nicht erfolgte. Keinesfalls darf hieraus eine Rückkehr zur alten Ordnung von 1525/1526 im Sinne einer Ablehnung der Regelungen des Jahres 1546 abgeleitet werden. Denn die Regelung des Jahres 1551 ist ganz offensichtlich unter der Vorlage der Ordnung der Jahre 1525/1526 entstanden und lediglich dort verändert worden, wo dies besonders erforderlich erschien.1413 c.  Ausbildung der Amtsinhaber Angesichts der zahlreichen Aufgaben des Kanzlers und seiner damit verbundenen Zentralposition innerhalb der bischöflichen Verwaltung überrascht es nicht, dass die Amtsträger hervorragende Eigenschaften und insbesondere eine hohe Bildung haben mussten. Schon Johann von Allendorf, der im Jahr 1470 Kanzler geworden ist und im kurz darauf etablierten Kanzleigericht wohl auch schwierigere Rechtsgutachten verfasste, war als Legist und Kanonist in beiden Rechten studiert.1414 Von den neun Kanzlern im Untersuchungszeitraum z­ wischen 1474 und 1618 waren immerhin acht mit Ausnahme von Balthasar von Hellu (1556 – 1577), der lediglich Lizentiat der Rechte war, promoviert, drei davon sogar nachweislich in beiden

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dass gerade diese Sitzungen mit hohem Arbeitsaufkommen und besonderer Wichtigkeit von den abgeordneten Räten nicht besucht werden mussten. Aus den Anordnungen der Kanzleiordnung des Jahres 1546, StAW, ldf 28, S. 337, wird nicht ersichtlich, ob dazu weitere Räte aus dem „eigentlichen“ Rat abgefordert werden konnten oder ob vielmehr umgekehrt die bereits abgeordneten Räte zurück in den Rat kommen sollten. Letztlich dürfte dies auch nicht von besonderem Belang sein, da in derart wichtigen Entscheidungen wohl ohnehin alle (verfügbaren) Räte zu hören waren, sodass im Ergebnis der Hofrat in Gänze tagte. Zurückhaltend diesbezüglich auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 113. Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 241; vgl. auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 109 – 111 und insb. 114 f. Zur weitgehenden Übereinstimmungen der Ordnungen von 1526 und 1551 siehe bereits S. 242. Merzbacher, Johann von Allendorf, S. 81, 83, der allerdings für die gutachterliche Tätigkeit Allendorfs keine Nachweise bereithält.

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Rechten.1415 Trotz seiner adeligen Herkunft und seiner universitären Bildung war seine Bestallung alles andere als unumstritten, musste er doch solchem ampt viel zu gering erscheinen, dieweil ein Canzler […] dermassen geschaffen und qualificirrt sein sollte, das […] alle andere gelerte Rethe auf ine sehen, und da sie etwa inn furfallenden zweifelhafftigen und disputierlichen rechts sachen und fellen nit einerlei opinion und meynung, das er dieselben aus dem grund rechtens enthschaiden und ein merers machen, auch den andern gelerten rethen alle rechtliche sachen darinn zuschreiben und zueberichten austeilen und unter die hand geben, auch ferner ire schrifften und producta examiniren und judiciren sollte.1416 Der Kanzler hatte demnach eine außerordentlich bedeutende Position im Kanzleigericht inne, obwohl er d ­ iesem nicht vorsaß. Er teilte die eingegangenen Verfahren unter den einzelnen Räten auf und traf somit eine wichtige Vorentscheidung für die spätere Behandlung der Rechtsfragen im Rat. Ferner überprüfte er die durch die Räte angefertigten Relationen und entschied in Zweifelsfällen über die offenen Rechtsfragen, zu denen die Räte keine Einigung erzielen konnten. Ob Balthasar von Hellu als ehemaliger Stadtschreiber in Colmar diese Vorbild- und Leitungsfunktionen adäquat ausführen konnte, musste den Zeitgenossen auch angesichts der bestehenden Konkurrenz um das Amt zweifelhaft erscheinen. Denn neben ihm befand sich niemand Geringeres im Gespräch um das Kanzleramt als Joachim Mynsinger von Frundeck, der bereits seit 1548 Reichskammergerichtsassessor in Speyer gewesen war 1417 und demnach wie fast alle Würzburger Kanzler eine umfassende Ausbildung im weltlichen Recht absolviert hatte. Die Würzburger Bischöfe versuchten, wie andere Landesherren auch, erfahrene Juristen für das Kanzleramt oder als gelehrte Räte für den Hofrat zu gewinnen.1418 So war etwa mit Dr. Franz Frosch ein in Italien, Ingolstadt und schließlich bei Ulrich Zasius in Freiburg ausgebildeter Jurist bereits seit 1522 Prokurator am Reichskammergericht, als er 1523 Würzburger Rat und vielleicht 1415 Unklar ist allerdings, w ­ elche akademischen Grade Johann von Allendorf erworben hat, der in der Mitte des 15. Jahrhunderts in Erfurt und Padua studierte. Bereits 1447 erscheint er als Doktor der freien Künste und iuris utriusque studiosus in den Quellen, Merzbacher, Johann von Allendorf, S. 11 f. 1416 StAW, Miscell. 91½, unfol. 1417 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 249. Zur Bedeutung Mynsingers, der zur gleichen Zeit wie von Hellu in Würzburg schließlich Kanzler Herzog Heinrichs d. J. von Braunschweig-­Lüneburg wurde, Amend-­Traut, Reformer, Gelehrter, Dichter, S. 343, vgl. zuletzt ebd., passim. 1418 Zu den zahlreichen Juristen, die als Mitglieder einer neuen bürgerlichen Elite am Reichskammergericht als Assessoren, Advokaten oder Prokuratoren tätig waren und in der Folgezeit als kaiserliche oder landesherrliche Hofräte dienten, vgl. Baumann, Berufswege in der Frühen Neuzeit, insb. S. 551 – 556, und Diestelkamp, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, S. 452 – 457.

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sogar 1525 vorübergehend Kanzler wurde.1419 In diesen Fällen kamen die beim Amtsinhaber vorhandenen Kenntnisse des Kameralprozesses auch dem jeweiligen Landesherrn zugute,1420 der damit nicht nur einen tauglichen Berater in eigenen Verfahren vor dem die längste Zeit in Speyer gehaltenen Gericht gewann, sondern auf diese Weise auch die Professionalisierung der eigenen Gerichtsbarkeit vorantrieb.1421 Wenn, wie im Fall Froschs, der Rat dann s­päter wiederum Assessor am Reichskammergericht wurde, profitierte auch die Reichsgerichtsbarkeit von seiner Kenntnis über die Interessen und Besonderheiten des jeweiligen Territoriums.1422 Obgleich die Amtsträger oftmals auch Kenntnisse im kirchlichen Recht gehabt haben werden, hatte eine dezidiert theologische Ausbildung jedenfalls ab dem 16. Jahrhundert keine größere Bedeutung bei ihrer Auswahl. So treten innerhalb des Untersuchungszeitraums mit Johann von Allendorf (1470 – 1496) und Veit Krebser (1580 – 1594) lediglich zwei Kleriker in Erscheinung.1423 Im Falle Krebsers dürfte es sich bei der Besetzung eines Klerikers als Kanzler um alles andere als eine zufällige Begebenheit gehandelt haben. Bischof Julius Echter von Mespelbrunn (1574 – 1617), der Kanzler Balthasar von Hellu, der seinerseits s­ päter größere Bedeutung im Rahmen der Fulda’schen Händel haben sollte,1424 noch von seinem Vorgänger auf dem Stuhl des heiligen Kilian übernommen hatte, war bekanntlich ein außerordent­ licher Verfechter nicht nur der Gegenreformation, sondern auch der katholischen Reform im Inneren der ­Kirche. So nimmt es nicht Wunder, dass er mit Krebser nicht nur einen Kleriker berief, sondern zugleich jemanden, der – wie der auch in seiner Religiosität jesuitisch geprägte 1425 Bischof selbst 1426 – eine jesuitische und damit 1419 Baumann, Berufswege in der Frühen Neuzeit, S. 555; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 206. Letzterer weist in seiner prosopografischen Studie Dr. Frosch, der in den Jahren 1525/1526 auch in den Ratsprotokollen nachweisbar ist, nicht als Kanzler aus, ebd. 1420 Baumann, Berufswege in der Frühen Neuzeit, S. 557. 1421 So ist etwa bekannt, dass Reichskammergerichtsprokurator Hubert Smetz und der vormalige Gerichtsassessor Mynsinger von Frundeck für die Entwürfe der Reformierten Gerichtsordnung für Jülich-­Berg 1537 bzw. der Braunschweig-­Wolfenbüttelschen Hofgerichtsordnung von 1556 erhebliche Bedeutung hatten, Diestelkamp, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, S. 450, 456. 1422 Baumann, Berufswege in der Frühen Neuzeit, S. 557; vgl. auch Diestelkamp, Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, S. 456 f. 1423 Umfassend zu Leben und Wirken Johanns von Allendorf Merzbacher, Johann von Allendorf, insb. 9 – 47. Zu Veit Krebser vgl. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 329 – 331. 1424 Krenig, Das Hochstift Würzburg, S. 197. 1425 Merz, Julius Echter als Förderer, S. 237; Weiss, Linien der Echter-­Forschung, S. 55. 1426 Grebner, Herkunft, Studium und familiäres Umfeld, S. 220; Merz, Julius Echter als Förderer, S. 236; Pölnitz, Julius Echter von Mespelbrunn, S. 70.

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g­ rundsätzlich romtreue  1427 Ausbildung genossen hatte. Dass Julius Echter seinen Kanzler im Rahmen der – ebenfalls der katholischen Konfession verpflichteten – Universitätsgründung schließlich zum ersten Dekan der juristischen Fakultät und ­später zum Rektor der Universität ernannte,1428 die er allerdings nicht vollständig in jesuitische Hand legte,1429 erhärtet die Annahme eines Zusammenhangs z­ wischen der Bestallung Krebsers und den bischöflichen Reformbestrebungen. Abgesehen von ihrer akademischen Bildung hatten die meisten Inhaber des Amtes umfängliche politische Erfahrung und waren oft schon andernorts im Reich in politischer oder juristischer Funktion in Erscheinung getreten. Kilian Münch (1506 – 1523) etwa war, bevor er sein Amt als Kanzler in Würzburg antrat, bereits seit 1503 bischöflicher Kanzler in Eichstätt gewesen.1430 Marsilius ­Prenninger (1525 – 1534) hatte sich seit 1512 als Nürnberger Konsulent Meriten erworben und war maßgeblich an der Nürnberger Stadtrechtsreformation beteiligt gewesen, die 1514 gedruckt erschien. 1519 wurde er vom Nürnberger Rat zu Verhandlungen mit den Kurfürsten anlässlich der anstehenden Königswahl Karls V. entsandt.1431 Konrad Braun (1535 – 1536) war nach einer Lehrtätigkeit an der Universität Tübingen zunächst bischöflicher Rat in Würzburg, bevor er 1533 – vorgeschlagen vom Fränkischen Kreis – als Reichkammergerichtsassessor nach Speyer ging, wohin er nach einem einjährigen Intermezzo als Würzburger Kanzler 1536 – diesmal durch den oberrheinischen Kreis vorgeschlagen – zurückkehren sollte.1432 Georg Farner (1536 – 1549), Johann Brief (1549 – 1553), Veit Krebser (1580 – 1594) und Johann Brand(t) (1617 – 1630) waren vor ihrer jeweiligen Ernennung immerhin acht, dreiundzwanzig, sechs beziehungsweise achtzehn Jahre Mitglieder des fürstlichen Rates.1433 Am wenigsten eindrucksvoll erscheint dagegen die Vita des bereits erwähnten Balthasar von Hellu, von dem mit Sicherheit erwiesen ist, dass er vor seiner Tätigkeit in Würzburg Stadtschreiber von Colmar war und an den Beratungen des Augsburger Reichstages des Jahres 1555 teilgenommen hatte.1434 Möglicherweise 1427 1428 1429 1430 1431 1432

Amend-­Traut, Geistlicher Auftrag und politischer Nutzen, S. 543. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 331. Steiner, Jesuiten als Akteure, S. 576 f. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 175. Ebd., S. 201. Ebd., S. 202. Die reichspolitische Karriere Konrad Brauns hatte damit freilich erst ihren Anfang gefunden. Nach weiteren Jahren am Reichskammergericht war er zunächst für den Mainzer Kurfürsten tätig und trat dann erst als Kanzler in bayerische und schließlich in Augsburger Dienste, ebd., S. 203. Zusammen mit Konrad Visch zeichnete er außerdem für den Entwurf der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1548 verantwortlich, Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 204, Anm. 79. 1433 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 205, 208 f., 330, 337. 1434 Ebd., S. 247.

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war es aber ebendiese Erfahrung in Reichsangelegenheiten oder es waren die guten Beziehungen innerhalb des Reiches, die den Ausschlag für seine Bestallung gaben.1435 Es zeigt sich anhand der Zuständigkeiten des Kanzlers, wie sie in den Ordnungen nach 1526 niedergelegt wurden, und an den Persönlichkeiten, die für das Amt schließlich ausgewählt wurden, ­welche Bedeutung er im Gefüge der Kanzlei haben musste. Als Rechtsgelehrter und Ratsmitglied musste er nicht nur in Rechtsfragen über wichtige Entscheidungen abstimmen, sondern auch die zu behandelnden Angelegenheiten nach einer ersten Sichtung in den Rat einbringen. Er führte Aufsicht und Leitung über die gelehrten Räte und sollte im Idealfall selbst eine Einschätzung zu schwierigen Rechtsfragen geben, um eine Einigung im Rat zu ermöglichen. Hielt er darüber hinaus die Umfrage im Rat ab, hatte er als letzter sein Votum abzugeben und konnte so im Zweifelsfall den Ausschlag für die zu fällende Entscheidung geben.1436 3.  Vizekanzler Die Kanzleiordnung des Jahres 1526 hatte noch vorgesehen, dass der Kanzler seine Geschäfte im Falle seiner Abwesenheit an Hoffmaister Marschalckh oder anndern, bis uff sein widerkunfft [zu] bevelhenn 1437 hatte. Nach der Kanzleiordnung Julius ­Echters hingegen sollte alwegen der furnembst gelert rhat, dem wir [der Bischof, Anm. JB] ain soliches bevelhen werden, als ein vice cantzler zugegen sein, seine vices geprauchen, unnd also alles dasjhenig thun unnd verrichten, was ain cantzler, so er zugegen wehre, selbst thun kundt oder möchte.1438 Offenbar war die Vertretung durch den adeligen Hofmeister von den Zeitgenossen nicht als zielführend verstanden worden. Dies dürfte auch an der weiter zunehmenden Wichtigkeit rechtlicher Aspekte der Kanzleitätigkeit gelegen haben. Immerhin basierte ein wesentlicher Teil des Arbeitsaufkommens auf rechtlichen Auseinandersetzungen der Stiftsuntertanen untereinander oder des Stifts und des Bischofs selbst im Verhältnis zu Dritten, die etwa am Reichskammergericht anhängig gemacht worden waren. In Abwesenheit des Kanzlers einen ebenfalls gelehrten Rat mit der Aufsicht über diese Aufgaben zu betrauen, musste daher zweckmäßig erscheinen. Die Kanzleiordnung des Jahres 1574 bestätigte damit einen Zustand, der bereits seit längerer Zeit Bestand hatte, wenngleich er in den Ordnungen der Jahre 1551 und 1559 noch keine Erwähnung gefunden hatte. Schon Kanzler Georg Farner war 1435 So jedenfalls Reuschling, ebd., S. 248, ohne weitere Nachweise. 1436 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 586; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. 1437 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 7r. 1438 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 53.

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nämlich nach seinem Rücktrittsgesuch im Jahre 1549 Vizekanzler unter seinem Nachfolger Johann Brief geblieben und als solcher noch bis zu seinem Tode im Jahre 1554 tätig.1439 Im Rahmen der Kanzleiordnung des Jahres 1559 wurden zwar keine Regelungen zum Amt des Vizekanzlers erlassen. Allerdings war mit Johann Balbus ein promovierter Jurist als Vizekanzler bei der Publikation der Ordnung am 16. Juni anwesend.1440 Ebenfalls noch vor Erlass der Echter’schen Ordnung erscheint zunächst im April 1569 in einem Befehl an die Land(gerichts)schreiber 1441 und ferner im März 1573 in der Botenrelation einer reichskammergerichtlichen Akte 1442 Hieronymus Hofmann als Vizekanzler. Auch seine Ernennung zeigt, dass das Amt offenbar größere Rechtskunde des Inhabers voraussetzte, denn er war nicht nur promovierter Jurist, sondern bereits einige Jahre fürstlicher Syndikus.1443 Die Kanzlei­ordnung des Jahres 1617 erweiterte schließlich den Umfang der vorgesehenen Tätigkeiten des Vizekanzlers auch während der Anwesenheit des Kanzlers und sah nunmehr eine eigene Amtsbestallung vor.1444 In dieser Eigenständigkeit dürfte sich das Amt allerdings nicht durchgesetzt haben, da schon die Kanzleiordnung des Jahres 1623 wieder zu der ursprünglichen Anordnung zurückkehrte.1445 4.  Hofmeister a.  Aufgaben im Rat, am Hof und bei Gericht Von großer Bedeutung für den Geschäftsgang in der Kanzlei war auch der Hofmeister, der stets adeliger Herkunft war. Er hatte schon ausweislich der Kanzleiordnung des Jahres 1526 neben dem Kanzler die Umfrage im Rat zu führen und war dazu nach der Echter’schen Kanzleiordnung sogar vorrangig berechtigt.1446 Als Adeliger führte er aller Wahrscheinlichkeit nach schon zu Beginn des 16. ­Jahrhunderts die Aufsicht über die adeligen Räte, wie dies erst in der Ordnung des Jahres 1574 1439 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 205. 1440 StAW, ldf 30, S. 76. Vergleiche zur Person des 1536 in Heidelberg immatrikulierten ­Balbus ebd., S. 254 f. 1441 Schneidt, Thesaurus 1,2/3, S. 269. 1442 BayHStA, RKG 4989, Q2. 1443 Siehe S. 282. Zur Person Hofmanns, der in Wittenberg studiert hatte, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 257 f. 1444 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 56; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 53. 1445 Kanzleiordnung 1623, StAW, ldf 41, S. 51. Ein eigens bestallter Vizekanzler lässt sich im Übrigen erst 1654 nachweisen, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 53. 1446 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49.

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a­ usdrücklich niedergelegt wurde.1447 Vermutlich mussten daher auch insbesondere die adeligen Räte, sofern sie vom Stift besoldet wurden, ihre Abwesenheit beim Hofmeister ankündigen.1448 Ebenso hatte das Kanzleipersonal, etwa der Ratsschreiber, seine Abwesenheit bei Hofmeister, Kanzler oder Marschall anzuzeigen.1449 Vor der Entstehung des Amtes des Vizekanzlers vertrat der Hofmeister den Kanzler bei dessen Abwesenheit. Überdies war neben dem Kanzler auch der Hofmeister dazu berechtigt, die eingehenden Schreiben zu öffnen oder den Rat bei erhöhtem Geschäftsaufkommen zu teilen.1450 Ebenso hatten, jedenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts, beide die Beschlüsse des Rates täglich in der Mittagszeit vor dem Bischof zu referieren und zur bischöflichen Approbation vorzulegen, bevor sie zügig zu ihren Aufgaben in der Kanzlei zurückkehren sollten.1451 Zu dieser Zeit war der Hofmeister wohl auch an der Erstellung der Tagesordnung beteiligt, wenngleich diesbezüglich wahrscheinlich dem Kanzler der Vorrang zukam.1452 Es zeigt sich, dass der Hofmeister neben dem Kanzler eine hervorgehobene Stellung im Rat hatte, die sich nicht zuletzt aus seiner Zugehörigkeit zum Adel ergab. Gleichwohl waren die Auswahl des Kanzleipersonals abgesehen von den Hofräten selbst und die Aufsicht über dasselbe dem Kanzler zugewiesen. Während der Kanzler die zentrale Figur innerhalb des Kanzleibetriebes im engeren Sinne war, reichten die Aufgaben des Hofmeisters weit über diese h ­ inaus. Überall im Reich war das Hofmeisteramt mit bedeutenden Zuständigkeiten verbunden, die häufig die Leitung der gesamten Hof- und Landesverwaltung, oft 1447 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 50 f. Siehe dazu schon S. 260 f. 1448 Die Kanzleiordnungen der Jahre 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 4v, und 1551, StAW, ldf 28, S. 583, erwähnen diese Abwesenheitsanzeige allerdings ohne ­zwischen adeligen und gelehrten Räten zu unterscheiden. 1449 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 7v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. 1450 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9r; Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 337; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 586; Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 67. 1451 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 51. Zunächst war ausdrücklich nur der Kanzler dazu aufgerufen gewesen, die Ratsbeschlüsse dem Bischof vorzulegen, Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. Es ist aber angesichts der hohen Stellung des Hofmeisters am bischöflichen Hof alles andere als ausgeschlossen, dass nicht auch vor den fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts der Hofmeister den Kanzler begleitete, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 43. 1452 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 70. Der Hofmeister sollte hier neben Kanzler und Referendar für die Erstellung der Tagesordnung zuständig sein. Schon die folgende Ordnung 15 Jahre s­ päter, Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 53 f., verortete aber die Verantwortung für den Sitzungsverlauf eindeutig beim Kanzler.

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auch verbunden mit einer gerichtlichen Tätigkeit, zum Gegenstand hatten.1453 Und auch im Hochstift war der Hofmeister der höchste bischöfliche Beamte, der ab dem beginnenden 16. Jahrhundert stets dem Hofrat angehörte und überdies dem Hofgericht vorsaß sowie in Kriegszeiten die Kommandantur auf dem Marienberg führte.1454 Deshalb war es auch der Hofmeister, der als Hofrichter nicht nur dem Hof- und Ritterlehengericht, sondern auch dem Kanzleigericht vorsaß. Für letzteres spricht nicht nur die mangelnde Akzeptanz, die ein bürgerlicher Kanzler als Vorsitzender des Gerichts in Parteistreitigkeiten unter Beteiligung Adeliger erfahren hätte, sondern auch die häufige Nennung eines Hofrichters in den Akten des Reichskammergerichts, der zusammen mit den Räten Gericht hielt.1455 In einer Akte – im Übrigen im Rahmen eines Verfahrens mit lediglich bürgerlichen Parteien – wird sogar Sigmund von Thüngen namentlich genannt, der zu dieser Zeit möglicherweise 1456 bereits Hofmeister war und von unnsern [des Bischofs, Anm. JB] wegen unnd in unnserm namen mit unnsern Rethen zu Recht gesessen hatte.1457 Ansonsten wird gelegentlich anstelle eines Hofrichters sogar konkreter der ­Hofmeister als Vorsitzender des Gerichts erwähnt.1458 b.  Ausbildung der Amtsinhaber Die Anzahl der Hofmeister innerhalb des Untersuchungszeitraums ist größer als jene der Kanzler. Allein z­ wischen 1495 und 1605 sind 15 verschiedene Amtsinhaber zu zählen, bevor das Amt dann unter der Herrschaft Julius Echters und seines Nachfolgers Johann Gottfried von Aschhausen (1617 – 1622) längere Zeit vakant 1453 Heinig, Hofmeister, Sp. 1094 f. 1454 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 43, 45. 1455 So etwa in BayHStA, RKG 4215, Q2, 4356, Q1, 2, 5816, Q2, 3, 7019, [ohne Q.] (compulsoriales), R0652 (Bestellnr. 10887), Q5, unfol. (Supplikation des Appellanten vor dem Kanzleigericht), und W0192 (Bestellnr. 13526), Q1 – 3. 1456 Thüngen, Zur Genealogie der Familie, S. 103, vermutete, dass Sigmund von Thüngen bereits unter Lorenz von Bibra Hofmeister war. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 164, stellte zwar heraus, dass Sigmund seit 1501 jährlich 100 fl. Besoldung als Rat und Diener quittierte, konnte aber seine Stellung als Hofmeister erst unter Konrad von Thüngen nachweisen. Das Urteil des Kanzleigerichts im genannten Verfahren erging 1499, sodass Sigmund zu dieser Zeit jedenfalls dem Rat angehörte und, wenn er nicht in Vertretung des eigentlichen Hofmeisters agierte, ­dieses Amt bereits selbst ausübte. 1457 BayHStA, RKG 2541, Q8, unfol. 1458 So etwa in zwei Kanzleigerichtsakten die aus dem Jahr 1540 stammen, BayHStA, RKG 5234, Q8, und 6831, Q8, von denen die letztgenannte überdies die Unterschrift des Kanzlers Georg Farner trägt, ebd., fol. 17r, der also offenbar die Verantwortung für die ordnungsgemäße Ausfertigung der Gerichtsakten zu übernehmen hatte.

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blieb.1459 Trotz ihres Vorsitzes im Gericht war eine juristische Bildung der jeweiligen Amtsinhaber keinesfalls Voraussetzung für ihre Bestallung. Gleichwohl war eine juristische Ausbildung sicherlich kein Nachteil für die Amtsführung. Entsprechend häufig besaßen die adeligen Hofmeister zumindest ein gutes juristisches Verständnis oder gar eine universitäre Ausbildung. So ist etwa der spätere kaiserliche Rat Johann von Schwarzenberg, der z­ wischen 1500 und 1505 zeitweilig das Hofmeisteramt im Hochstift Würzburg innegehabt haben muss, obwohl er keine akademische juristische Bildung besaß, als Vater der Bambergischen Halsgerichtsordnung des Jahres 1507 in die Rechtsgeschichte eingegangen, die für die constitutio criminalis carolina zur entscheidenden Vorlage geworden ist.1460 Ebenfalls große historische Berühmtheit erlangte Sebastian von Rotenhan (1521 – 1529), der zunächst in Erfurt, Ingolstadt und Bologna unter anderem die Rechte studierte und in Siena zum doctor iuris ­utriusque promoviert wurde, bevor er Assessor am Reichskammergericht, Würzburger Hofmeister in Zeiten des Bauernkrieges, in dem er den Marienberg erfolgreich verteidigte, und schließlich kaiserlicher Rat wurde.1461 Ebenso war Hans Christoph von Hornstein (1574 – 1578) vor seiner Tätigkeit als Würzburger Hofmeister Assessor am Reichskammergericht. Auch er wurde s­ päter zum kaiserlichen Rat ernannt.1462 Unklar ist die Ausbildung von Rudolf V. Graf von Helfenstein (1589 – 1594), der in Ingolstadt und Siena immatrikuliert war, und dem späteren Reichshofrat Kuno V. von Winneburg und Beilstein (1594 – 1604), der auch Präsident am Reichskammer­gericht gewesen sein soll.1463 Sollte Letzteres tatsächlich der Fall gewesen sein, sind rechtliche Kenntnisse Kunos keineswegs unwahrscheinlich, mussten doch die Präsidenten am Reichskammergericht, deren Stellung sich mit der Zeit aus dem Kreis der Assessoren herausgebildet hatte, immerhin das auch für diese erforderliche Generalexamen unter Angabe von Studium und Graduierung ablegen, wenngleich sie von der seit 1570 stattfindenden Proberelation ausgenommen waren.1464 1459 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 161 – 164, 182 – 186, 221, 234, 278 f., 310 – 314, 351. 1460 Lieberwirth, Constitutio Criminalis Carolina, Sp. 886; Lück, Rechtsbücher als „private“ Rechtsaufzeichnungen?, S. 425 f.; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 163; ausführlich Merzbacher, Johann Freiherr zu Schwarzenberg, passim; zum Nachweis der Tätigkeit als Hofmeister in Würzburg ebd., insb. S. 370 f. 1461 Fuchs, Lorenz Fries, Christoph Scheurl, S. 202; Leng, Bauern vor den Mauern, S. 152; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 182 f. Als Doktor beider Rechte erscheint er auch im Appellationsinstrument zu einem reichskammergerichtlichen Verfahren aus dem Jahr 1519, BayHStA, RKG R0773, [ohne Q]. 1462 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 310 f. 1463 Ebd., S. 313 f.; zu der seit 1604 nachgewiesenen Tätigkeit Kunos V. von Winneburg und Beilstein im Reichshofrat Ehrenpreis, Kaiserliche Gerichtsbarkeit, S. 317. 1464 Jahns, Das Reichskammergericht und seine Richter, Teil 1, S. 125.

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5.  Hofmarschall Eine hinsichtlich des Hofrates und insbesondere der Gerichtstätigkeit der Kanzlei untergeordnete Bedeutung hatte der – nicht akademisch oder gar juristisch ausgebildete 1465 – Hofmarschall, der zwar dem Rat kraft Amtes angehörte, aber dort, abgesehen von gelegentlichen Vertretungspflichten in der Umfrage, bei der Erstellung der Tagesordnung und hinsichtlich der Amtsaufsicht über das Kanzleipersonal bei Abwesenheit von Kanzler und Hofmeister keine eigenständige Bedeutung hatte. Er wird in den Kanzleiordnungen folglich nur selten erwähnt.1466 Abgesehen von seinen Ratspflichten einschließlich der Teilnahme an den täglichen Sitzungen war der Hofmarschall das Haupt der Hofhaltung und führte daher die Aufsicht über die Finanzen am Hof und hatte die Gerichtsbarkeit über das Hofgesinde inne.1467 6.  Referendar In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam dem Referendar in Angelegenheiten der Untertanen vor allem außerhalb gerichtlicher Verfahren eine besondere Stellung zu. Ausweislich der Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 sollten nämlich hinfur alle unnd jede Suplication oder clag schrifften so jnn unnser [des Bischofs, Anm. JB] Cannzelley bracht, durch unnsere zwen darnzu verortnetten Referendarien anngenomen, unnd […] semptlich gelessen, uberschryben, jm Rath fur bracht unnd alls dann unns sampt der rethenn gut bedenckhen darauff, anngezeigt und darauf des Bischofs geheyß unnd mainung vernommen werden.1468 Abgesehen davon, dass hier der Geschäftsgang im Supplikenwesen in nuce dem zeitgenössischen und dem gegenwärtigen Leser dargelegt wird, zeigt sich doch die 1465 Von den 19 Inhabern des Amtes z­ wischen 1495 und 1619 lässt sich überhaupt nur bei C ­ aspar von der Tann (1610 – 1619) eine akademische Bildung nachweisen, die er im Übrigen neben Siena an der neugegründeten Würzburger Universität erworben hatte, Reuschling, Die Regierung des Hochstifts 164 f., 186 f., 221 – 226, 234 – 236, 279 – 281, 314 f. 1466 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 46. Der Hofmarschall findet hinsichtlich der genannten Vertretungsangelegenheiten Erwähnung etwa in den Kanzleiordnungen der Jahre 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 7r, 8r, 9r, 1551, StAW, ldf 28, S. 585 f., und 1559, StAW, ldf 30, S. 70. Während der Hofmarschall in der Ordnung des Jahres 1546 nicht vorkommt, gebührt ihm nach der Ordnung Julius Echters im Jahr 1574, StAW, ldf 32, S. 49, immerhin vor dem Kanzler, aber erst nach den Domherren und dem Hofmeister die Durchführung der Umfrage im Rat. 1467 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 46. Zum Amt des Hofmarschalls allgemein und zu seiner Aufsichts- und Ordnungsfunktion am Fürstenhof Erkens, Marschall, Sp. 1334 – 1336. 1468 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 5v.

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bedeutende Funktion der Referendare in dieser Hinsicht. Diese – die Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 ging noch von zwei Amtsinhabern aus, während alle folgenden Ordnungen, einschließlich der des Jahres 1551, die ansonsten in weiten Teilen mit jener Konrads von Thüngen übereinstimmt, nur noch einen Referendar vorsahen 1469 – waren vor allem mit der Annahme und Bearbeitung von Suppliken befasst. Soweit hier von clag schrifft die Rede ist, ist damit nichts anderes gemeint. Denn der Begriff umfasste vor allem im 16. Jahrhundert nicht nur Klageschriften zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, sondern auch Klageschriften im Wortsinne, die als Suppliken eine förmliche Bitte an den Landesherren darstellten.1470 Dass der Referendar nicht auch mit Klageschriften im gerichtlichen Verfahren befasst war, zeigt sich schon daran, dass rechtsförmige Parteistreitigkeiten zur Zeit des Erlasses der Ordnung vom Kanzler in den Rat eingebracht wurden, der diese dann den Räten zur Vorbereitung ihrer Relationen übergab.1471 Von den Referendaren sollten, wohl nach Öffnung der eingehenden Schreiben durch den Kanzler, alle Suppliken angenommen werden, die zuvor offensichtlich von den unterschiedlichsten Amtsträgern entgegengenommen und daher dero etlich […] zu zeyten verlorenn oder verlegt 1472 worden waren. Die Referendare hatten diese dann zu überschreiben, womit entweder das abschriftliche Archivieren der Schriftstücke oder – wahrscheinlicher – deren Rubrizierung, also die Aufteilung der Schreiben in verschiedene Rubriken oder Kategorien unter Zusammenfassung ihres Inhalts,1473 gemeint sein konnte, die den weiteren Verfahrensgang im Rat beschleunigen sollte. Ausweislich des einführenden Zitats (jm Rath fur bracht) aus der Kanzleiordnung war es offensichtlich schon im frühen 16. Jahrhundert Aufgabe des Referendars, über die eingehenden Suppliken im Rat zu referieren.1474

1469 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 5v; vgl. hingegen insbesondere die Kanzlei­ ordnung des Jahres 1551, StAW, ldf 28, S. 585, und ferner jene von 1546, StAW, ldf 28, S. 333, und 1559, StAW, ldf 30, S. 66 – 68, 70, die jeweils nur noch einen Referendar vorsahen. 1470 Zu dieser Unterscheidung siehe auch DRW VII, Klag(e)schrift, Sp. 1057 f. 1471 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10v f. Zum Begriff der Relation siehe Anm. 1955. 1472 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 5v; Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585; Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 67. 1473 DRW XI, rubrizieren und Rubrizierung, je Sp. 1256; ähnlich auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 41. 1474 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 5v; Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 584. So auch Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 41. Vgl. ferner Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 13.

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Kaum überraschend wiederholte die Kanzleiordnung des Jahres 1551 die getroffenen Anordnungen und setzte voraus, dass anfallende Schreiben von den verschiedenen Amtsträgern nach wie vor on unnderschaid angenomenn worden ­seien.1475 Erneut wurde betont, dass die Suppliken durch den Referendar, alle anderen Schriften, sofern sie nicht an des Bischofs aigen hannden geschriben waren, durch den Kanzler zu öffnen, zu überschreiben und in den Rat einzubringen waren.1476 Es ist wahrscheinlich, dass es angesichts der dargelegten Pflichten auch Aufgabe des Referendars war, diejenigen Suppliken zurückzuweisen, die von der Kanzlei nicht angenommen und daher an die zuständigen Amtleute oder Gerichte verwiesen werden sollten.1477 Offenbar hatte der Referendar diejenigen Suppliken und andere Schriften, aus den selben dermassen gestalt befunden, das man daruf unser bewilligung, bevelhe, gehaisse, oder beschaids bedorffen, selbst beim Bischof mit Bitte um eine entsprechende Entscheidung vorzulegen.1478 Im Umkehrschluss ergibt sich daraus schon für das Jahr 1546 die angesichts der Häufigkeit von Bitt- und Klagschriften wenig überraschende Tatsache, dass nicht alle eingegangenen Suppliken oder Parteistreitigkeiten dem Bischof vorgelegt werden mussten, wie dies s­päter die Kanzleiordnungen auch ausdrücklich vorsahen.1479 Noch wenige Jahre danach dürfte das Aufgabenfeld des Referendars mit dem beschriebenen identisch gewesen sein, denn nach der Kanzleiordnung des Jahres 1559 war er nach wie vor zu Beginn der Ratssitzungen zu hören.1480 Es scheint sogar zu einer leichten Ausweitung seiner Bedeutung gekommen zu sein. Fortan hatte er nämlich zusammen mit dem Kanzler und gelegentlich dem Hofmeister die Tagesordnung vorzubereiten, die Konzepte des Ratsschreibers zu überprüfen und dem Bischof zusammen mit Kanzler und Hofmeister Bericht von den Verhandlungen in der Kanzlei zu erstatten, wobei mindestens zwei der drei Genannten stets zugegen sein sollten.1481 Spätestens in dieser Zeit und vermutlich auch schon vorher führte mit Georg Schlehenrieth seit 1556 ein fürstlicher Rat das Amt des Referendars,1482 1475 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 584. Wegen der starken inhaltlichen Orientierung der Ordnung an jener des Jahres 1526 sollte dieser Befund hinsichtlich der Kanzleipraxis allerdings nicht überschätzt werden. 1476 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585; vgl. auch Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 67. Eine entsprechende Regelung enthielt bereits die Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6v. 1477 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 584; siehe dazu ausführlicher S. 301 – 305. 1478 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333. 1479 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 52. 1480 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 67. 1481 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 66, 68, 70. 1482 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 256 f.

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der vermutlich auch im Rahmen des Kanzleigerichts eine funktional hervorgehobene Stellung einnahm. In einer reichskammergerichtlichen Botenrelation über eine Zustellung an die Kanzlei vom 19. Juni 1559 erfolgte diese gegenüber den furstlichen Räthen zu würtzburg sebastian notthafft, hoffmeister georg schleenried hanß Jacob hoffgerichts schreiber.1483 Es ist kaum anzunehmen, dass hier rein zufällig die Zustellung an den Hofmeister als Hofrichter, den Referendar und den Gerichtsschreiber erfolgte.1484 Schlehenrieth unterzeichnete am 1. Dezember 1568 auch ein mandatum procuratorum,1485 also eine Vollmacht für einen Prokurator im Namen der Würzburger Räte für ein reichskammergerichtliches Verfahren und hatte damit offenbar auch in rechtlichen Angelegenheiten, in denen das Hochstift als Partei oder Interessent beteiligt war, eine hervorgehobene Stellung, die sich möglicherweise mit der des Syndikus überschnitt. Wie lange diese Regelungen noch in der Praxis Anwendung fanden, ist unklar, da schon die Kanzleiordnung 1574 das Amt des Referendars nicht mehr vorsah. Gleichwohl zeichnete noch genannter Georg Schleenritt am 4. Dezember 1570 bei Übergabe der revidierten Landesgebräuche als Rath und Referendarius.1486 Und auch am 31. März 1576 erscheint er noch als Referendar in einer kanzleigerichtlichen Verfahrensakte.1487 Es kann daher nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass sich das Amt des Referendars, das stets mit einem Juristen besetzt war,1488 im Zuge der nicht enden wollenden Reformbestrebungen hinsichtlich der Kanzlei in der Regierungszeit Friedrichs von Wirsberg (1558 – 1573) als unnötig erwiesen hatte.1489 Möglicherweise wurde es aber in der späteren Regierungszeit Echters durch den Kanzler selbst ausgeführt, der bereits ausweislich der Ordnung des Jahres 1574 alle supplicationen, versigelte missiven […] und was dergleichen sein mochte, auffprechen, verleßen, uberschreiben und in räthen berathschlagen 1490 sollte und schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts durch den Vizekanzler, einen ebenfalls gelehrten Rat, vertreten und möglicherweise auch im Falle der Anwesenheit des Kanzlers 1483 BayHStA, RKG 4249, Q3. 1484 Auch in einer Botenrelation aus dem Jahr 1568 ist Schlehenrieth ausdrücklich als Empfänger neben „den Räten“ ausgewiesen, BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477), Q9. 1485 BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477), Q10. Zum Begriff des mandatum procuratorum vgl. etwa Egenolff, Notariat vnnd Teutsche Rhetoric, 15v. 1486 Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 899. 1487 StAW, Admin. 18432, unfol.; siehe auch S. 382. Schlehenrieth ist also nicht nur, wie Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 41, meint, bis in die Jahre 1566/1567 als letzter Amtsinhaber nachweisbar. 1488 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 40, 54. 1489 So jedoch ebd., S. 270. Zu den verschiedenen Reformbemühungen unter Friedrich von Wirsberg siehe ausführlich S. 243 – 249. 1490 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 52.

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bereits unterstützt wurde, wie dies ausdrücklich erst die Ordnung des Jahres 1617 vorsah.1491 Wahrscheinlich hat darüber hinaus auch die wachsende Bedeutung der Registratoren und Schreiber in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zur Entwertung des Referendarsamts beigetragen. 7.  Syndikus Der erste quellenmäßig nachweisbare Syndikus des Hochstifts war Dr. ­Hieronymus Hofmann, der nach einem juristischen Studium in Wittenberg im Jahr 1556 als Rat und Syndikus bestallt wurde.1492 Als Syndikus stand er wie seine Nachfolger, die alle ein juristisches Studium absolviert hatten, vermutlich dem Kammergerichtssachenschreiber und möglicherweise auch dem Gerichtsschreiber vor.1493 Letzteres ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn nach einem Eintrag in der Hohen Registratur, der angesichts des dort ausgewiesenen Personals aus der Zeit um 1560 stammen muss, hatte die Gerichtsbücher und Sachen vor […] dem kaiserlichen Camergericht, den erlangten Comissaren und dem Landgericht […] der furstlich Sindicus itzunt Georg Seuß unter seinen handen, während der damalige Gerichtsschreiber Hans Jacob die Kanzlei-, Hof- und Lehengerichtsbücher und -sachen verwaltete.1494 Wahrscheinlich hatte es sich demnach schon Mitte des 16. Jahrhunderts als ratsam erwiesen, einen studierten Juristen mit der Aufsicht über die rechtlich relevanten Angelegenheiten des Hochstifts zu betrauen. Stärkere Konturierung erhält das Amt, das spätestens 1559 mit dem des Gebrechenschreibers zusammen ausgeführt wurde,1495 in der Kanzleiordnung aus der Echter­zeit. Sindicat und gebrechenampt sollten fortan wie etwa zuvor fur rhatsam angesehen worden, nochmals beyeinander bleiben, und jederzeit mit einer darzue qualificirten rechtsgelerten und kundigen person […] bestelt werden.1496 Der Syndikus sollte 1491 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 55 f. 1492 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 68, 257. 1493 So jedenfalls Reuschling, ebd., S. 68, 256, 261. 1494 StAW , Stb. 1011, fol. 28r. Die genannten Personen sind mit den Amtsinhabern der Kanzleiordnung des Jahres 1559 identisch, StAW , ldf 30, 71 f., vgl. auch S. 281 und Anm. 1532 und 1573. Auch an anderer Stelle geht die Quelle davon aus, dass der wirtzburgisch ­Sindicus die Landgerichtsbücher verwaltete, wenngleich kurz darauf offenbar der Kammergerichtsschreiber jedenfalls vorübergehend die Verwaltung übernahm, StAW , Stb. 1011, fol. 29v. 1495 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 72, 76. Nach Auffassung Reuschlings, Die Regierung des Hochstifts, S. 68, hat die Vereinigung der Ämter vermutlich bereits 1557 stattgefunden. 1496 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 64.

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erstlich von wegen des sindicats alle gerichtliche sachen, die ain regirender furst pro et contra, in irer furstlichen gnaden hoff-, lehen-, landt- und stattgericht, auch fur kaiserlichen commissarien compromittierten richtern, oder sonsten hangen und schweben hat, auch noch fürtter gewhint, inn seinem bevelch und verwhaltung behalten, und […] bey derselben sachen advocaten, oder wo es sonsten mangelt, mahnen unnd treiben, und was in seinem vermögen ist, selbst verrichten, damit nichts daran versaumbt oder verlast 1497 wurde. Hinsichtlich der vor den kaiserlichen Gerichten rechtshängigen Verfahren hat sich das Amt also eng mit dem des Kammergerichtssachenschreibers überschnitten, das dem Syndikus wahrscheinlich unterstand. Während der Kammergerichtssachenschreiber vor allem mit der Verwaltung des Schriftguts befasst war, führte der Syndikus als Parteivertreter des Bischofs dessen Prozesse. In Verfahren vor dem Reichskammergericht fungierte er somit gewissermaßen als oberster fürstlicher Advokat, während er vor den Gerichten des Hochstifts als Parteivertreter im Verfahren mit der Funktion eines Prokurators agierte.1498 Folglich findet er sich häufiger in den Gerichtsakten des Reichskammergerichts, des Stadt- und Brückengerichts als oberste Zent sowie der beiden Würzburger Lehengerichte, an denen der Bischof mit gewisser Regelmäßigkeit als Partei in Verfahren verwickelt war. In für das Hochstift besonders wichtigen Verfahren wurde jedoch die Ausübung der Advokatur, modern gesprochen also die Ausarbeitung der Prozessstrategie und die Anfertigung der Schriftsätze, durch mehrere gelehrte Räte und nicht den Syndikus allein durchgeführt. Dementsprechend finden sich gelegentlich auch Schriftsätze, die von mehreren Räten unterschrieben wurden.1499 Darüber hinaus war es offenbar auch möglich und üblich, dass andere Advokaten in den Prozessen des Hochstifts und des Bischofs tätig wurden. Sie sollten durch den Syndikus überwacht und zur fristgerechten Erledigung ihrer Schriftsätze ermahnt werden.1500

1497 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 64. 1498 Als Syndikus wird aus der Überlieferung des Reichskammergerichts etwa Georg Reusch ersichtlich, der als Prokurator des Bischofs in erstinstanzlichen Verfahren in den Jahren 1581 bzw. 1587 vor dem Würzburger Stadt- und Brückengericht, BayHStA, RKG 2779, Q7/II fol. 328r, ebenso wie vor dem Würzburger Ritterlehengericht auftrat, BayHStA, RKG 3625, Q9, fol. 2r. Bestätigt wird die Tätigkeit des Syndikus durch Aufzeichnungen zu Verhandlungen vor dem Ritterlehengericht aus dem Jahre 1578, in denen die jeweiligen Prokuratoren, und in Verfahren unter Beteiligung des Bischofs entsprechend der Syndikus, allerdings ohne namentliche Nennung, verzeichnet waren, StAW, Lehen 3878, unfol. 1499 So zeichneten in einem stadtgerichtlichen Verfahren, das seit den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts geführt wurde, neben Hofmeister, -marschall und Kanzler sechs weitere Räte den durch den bischöflichen Syndikus eingebrachten Schriftsatz, StAW, Admin. 19181, unfol. 1500 Dass für die Ausübung der Advokatur auch Juristen außerhalb der Kanzlei hinzugezogen werden konnten, ergibt sich ebenfalls aus der Kanzleiordnung des Jahres 1574, StAW,

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Abgesehen von diesen gerichtlichen Streitigkeiten hatte der Syndikus als Gebrechenschreiber während der Zeit der Vereinigung beider Ämter bei einer Person die Bücher über alle stritt und irrungen inn die der stiefft mit desselbigen benachbarten, vor langen jaren hero gerathen und bißanhero gestanden,1501 zu führen, um bei zukünftigen Streitigkeiten den Beweis über getroffene Entscheidungen und Vereinbarungen erbringen zu können. Er hatte sich durch das Studium der Bücher und Akten nicht nur umfassende Kenntnis von den Gebrechen des Stifts zu verschaffen, sondern musste auch an mindestens zwei Tagen, regelmäßig Montag und Freitag, an denen im Rat die Gebrechen behandelt wurden, diejenigen Angelegenheiten vorlegen, daran […] am meinsten gelegen, und deren verzug am schedlichsten were.1502 An den Beratungen sollte er teilnehmen und nach Möglichkeit auch über die zu entscheidenden Angelegenheiten vor den Räten referieren, pro und contra disputiren und die Entscheidung der Räte darüber festhalten.1503 Das Amt ging also weit über Schreib- und Ordnungsaufgaben hinaus und wurde daher – möglicherweise allenfalls mit Ausnahme von Jörg Seuß und Georg Reusch 1504 – auch immer von einem gelehrten Rat ausgeführt. In sachlicher Hinsicht muss die Verbindung von Syndikat und Gebrechenamt nahegelegen haben. Denn so lagen alle Auseinandersetzungen mit anderen Obrigkeiten, waren sie gerichtlicher Natur oder nicht, in den Händen des Amtsinhabers. Allzu lange dürfte diese Verbindung indes nicht bestanden haben, denn schon die Kanzleiordnung des Jahres 1617 enthielt den Hinweis, dass doch die erfahrung an sich selbst genugsam bezeugt habe, das wegen weitläufftigkeit ldf 32, S. 64, die verlangte, dass der Syndikus die advocaten […] mahnen unnd treiben sollte, wo dies erforderlich war. 1501 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 64 f. 1502 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 66. 1503 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 66. 1504 Von Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 261, 342, der Schwierigkeiten bei der genaueren Erfassung des Amtes einräumte, ebd., S. 68 f., werden beide als Personal der Schreibstube und nicht als Räte verortet. Mag diese Einschätzung für Seuß, der immerhin Hof- und Landgerichtsprokurator und zeitweilig fürstbischöflicher Hofschultheiß war, siehe dazu Anm. 1573, zumindest im Ansatz plausibel erscheinen, da er das Amt wohl kurz nach dessen Entstehung übernahm, als es möglicherweise noch nicht das spätere Aufgabenspektrum umfasste, ist es jedenfalls in Bezug auf Reusch unwahrscheinlich, der das Amt etwa zwanzig Jahre s­ päter ausübte. Denn der Syndikus vertrat den Bischof vor den eigenen Gerichten und musste daher ein geeigneter Jurist sein. Georg Reusch geht etwa aus BayHStA, RKG 2779, Q7/II, 3228, Q3, und 3625, Q9, als prozessführender Jurist vor dem Stadt- und Brückengericht oder dem Ritterlehengericht hervor. Angesichts der Wichtigkeit des Amts, das auch sonst stets mit fürstlichen Räten besetzt wurde, kann auch in Bezug auf ihn eine Tätigkeit als Rat angenommen werden. Als eingesetzter Kommissar in einem Beweisverfahren aus dem Jahr 1583 bezeichnete er sich als Cantzleyverwanter, BayHStA, RKG 7286, Q14, fol. 236v, richtete sich aber an den gnedigen fürsten und herrn, und dero ehrlöblich[e] herren Räth[e], ebd., fol. 237r f.

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beeder ämpter deroselbigen Coniunction nicht practicirt werden könne und daher bereits unser herr und negster Vorfahrer ­solche beede verscheden bestellet gehalten hatte.1505 8.  Personal der Kanzlei im engeren Sinne Außer den genannten Ämtern, die in engem Zusammenhang mit dem Rat oder dem fürstlichen Hof im Allgemeinen standen, bedurfte es auch in der Kanzlei im engeren Sinne, also in der Schreibstube, für die anfallenden Geschäfte eines umfangreichen Personals. Schon die Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 wies daher aus, dass in der Cannzley […] die offitia unnd empter unnderschidelich ußgethaylt waren, alle nemlich jnn cannzler, secritarie, radtschreyber, gerichtschreyber […], bottenmaister, taxator, registratores unnd gemaine copystenn, unnd unnser Cannzler mit allem vleiß darob sein sollte, das ainem jedenn ampt darzu tugliche personnen, furgesezt, unnd so ainem zuvill sachen seines ampts zurfielenn, dem einen oder mehr zuordnen, unnd je ainer dem andern, uff bevelche unnd gehais gedachten unnsers Canzlers oder secritarij beholffen sein sollte, damit die sachen statlich, ordennlich, und unauffhaltlich vonn hannden gingen.1506 In der Kanzlei als Schreibstube war also der Kanzler das Haupt der Verwaltungstätigkeit. Ihm oblag es, geeignetes Personal einzusetzen und die Erfüllung der Aufgaben zu überwachen. a.  Sekretäre Daneben erlangten allerdings auch die Sekretäre größere Bedeutung, die den Kanzler vor allem in seiner Abwesenheit hinsichtlich Verteilung und Überwachung der Aufgaben in der Schreibstube vertraten. Außer dem Kanzler und den Schreibern waren sie die einzigen, denen es erlaubt war, die Schreibstube zu betreten.1507 Sie empfingen vom Kanzler die Schreibarbeiten und hatten die Schriftstücke zu konzipieren, also die Entwürfe abzufassen, sofern dafür nicht ein gesonderter Schreiber zur Verfügung stand.1508 Es sollten in den Jahren 1525/1526 zwei von Ihnen existieren, die neben der Überwachung der Ämter und der Erfüllung ihrer eigenen 1505 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 60. Dass eine Verbindung beider Ämter nach Erlass der Ordnung des Jahres 1574 faktisch niemals stattgefunden habe, wie Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 72 f., vermutet, erscheint angesichts des Wortlauts der Ordnung nicht unwahrscheinlich. 1506 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 14r f. 1507 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 13v. 1508 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 8r.; zum Begriff des Konzipierens vgl. DRW VII , konzipieren, Sp. 1281.

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Schreibaufgaben auch die bedeutenden Salbücher zu verwahren hatten 1509 – eine Aufgabe, die den Zeitgenossen außerordentlich wichtig sein musste, weil sich hierin sämtliche Aufzeichnungen etwa über Einnahmen und Rechte des Stifts befanden, die schon zu Beweiszwecken nicht verloren werden durften. Ihnen war deshalb ein eigener Artikel der Kanzleiordnung von 1525/1526 gewidmet, wonach die Bücher unmittelbar nach Benutzung in der Kanzlei in die zur Aufbewahrung vorgesehenen Gewölbe zurückzubringen waren.1510 Die beiden Sekretäre waren überdies Inhaber der Sekretsiegel und konnten daher Schriftstücke entsprechend der für den Kanzler geltenden Vorgaben beglaubigen und beurkunden. Angesichts ihrer wichtigen Aufgaben im Hinblick auf die Verzeichnung und Archivierung des Schriftguts verwundert es kaum, dass die Sekretäre häufig von hoher, gelegentlich auch universitärer Bildung waren, dass sie zuweilen auch mit politischen Aufgaben, etwa dem Besuch von Reichstagen, betraut wurden und vereinzelt eine mit den gelehrten Räten vergleichbare Besoldung erhielten. 1511 Gelegentlich wurden die Sekretäre mit wichtigen Sonderaufgaben betraut und stiegen so innerhalb der Verwaltung allmählich auf. Der Werdegang von Lorenz Fries vom Kanzleisekretär zum Hofrat kann diesbezüglich als – wenn auch in seiner Dimension atypisches – Beispiel gesehen werden.1512 Mit zunehmender Ausdifferenzierung der Kanzleiämter im 16. Jahrhundert wurden die Sekretäre, wahrscheinlich weil ihnen nunmehr ein gesondertes Amt zugewiesen war, das die Aufgaben umfassend beschrieb, von den Kanzleiordnungen nur noch am Rande erwähnt.1513 b.  Registratoren Aus den verschiedenen Schreibern, die von den Sekretären und dem Kanzler beaufsichtigt wurden, hatte letzterer trey tugliche geschickhte personnenn 1514 auszuwählen, die als besondere Registratoren Schreibaufgaben übernehmen sollten. Der 1509 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 16v f. 1510 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 23v. Ebenso war es nicht nur untersagt, die Bücher über Nacht in der Kanzlei aufzubewahren, sondern erst recht, Abschriften davon ohne Genehmigung anzufertigen oder Dritte über die Inhalte derselben zu informieren. 1511 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 54 – 56. 1512 Ebd., S. 55. 1513 Die Kanzleiordnung des Jahres 1559, StAW, ldf 30, S. 73, fasste die zuvor in der Ordnung einzeln beschriebenen Ämter etwa als Secretarien Concipisten unnd beambte personen jn der Cantzlei zusammen. 1514 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592.

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Amptschreyber oder registrator sollte für die Diener- und Amtsbestallungen, aber auch Lehen- und Zehntbriefe,1515 der Geprechenn schreyber oder registrator für die nachbarlichen Streitigkeiten und die Registratur des gesamten diesbezüglich bedeutenden Schriftverkehrs 1516 und der Teglich registrator für den sonstigen relevanten Schriftverkehr 1517 zuständig sein. Andere, insbesondere rechtlich bedeutsame Angelegenheiten alls vorderung, gleyt, urgicht malifiz hanndlung urphed, lannds huldung unnd der gleychen 1518 wurden auf Anweisung von Kanzler oder Sekretären in jeweils dafür vorgesehenen Büchern registriert. Wie sich in diesen Anordnungen zeigt, die bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden, waren Schreibamt und Registratur häufig zusammengefasst. Mit der Entwicklung weiterer Schreibämter 1519 in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kamen diesen häufig auch die entsprechenden Registraturaufgaben in ihrem Amtsbereich zu. Die Schreiber und Registratoren erlangten dadurch eine umfängliche Expertise und konnten den Rat bei der Bewältigung seiner Aufgaben durch ihre Kenntnis der Akten und Kanzleibücher sinnvoll unterstützen. Außerhalb dieser gesonderten Schreibämter blieb es auch in der Folgezeit bei allgemeinen Registratoren, die nunmehr in zwei eigenständige Ämter aufgeteilt waren. Von besonderer Bedeutung war hier das Amt des Oberregistrators, der die von Lorenz Fries erstellte Hohe Registratur 1520 fortführen sollte, da an der Continuation deß friesen registratur zum hochsten gelegen war.1521 Dem Amtsinhaber, der zuvor Botenmeister gewesen war, sollten alle anderen Ämter erlassen werden, damit er sich ausschließlich der Registratur widmen konnte. Nachdem die Aufgabe auch das Registrieren zahlreicher lateinischer Texte erforderte, die jme allein außzulegen, und zu summiren oder jn einen formlichen Extract zuprengen villeicht zu schwer oder zu viel sein mochten, sollte er von Magister Thomas Breuning unterstützt werden, der hinsichtlich seiner Verschwiegenheit über die aufgefundenen ­Schriftstücke 1515 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592. 1516 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592. 1517 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 19r; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592. 1518 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 19v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 593. 1519 Dazu S. 296 – 301. 1520 Zur Hohen Registratur siehe bereits S. 80; ferner Specker, Die Kanzleiordnung Fürstbischof Julius Echters, S. 295, Anm. 104. 1521 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 70. Die ausdrückliche Anordnung, die von Lorenz Fries begründete Registratur fortzuführen, findet sich auch in der Kanzleiordnung Julius Echters aus dem Jahre 1574, StAW, ldf 32, S. 59 f.

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einen gesonderten Eid abzulegen hatte.1522 In Fällen, in denen beide mit der Aufgabe überfordert waren, hatten sie Hilfe bei Doctor Jheronymussen Geisen, also einem gelehrten Rat zu suchen, der ihnen, falls er in Anbetracht seiner Geschäfte dazu Zeit finden würde, zu einem presidenten gegeben sein sollte.1523 Neben der Fortsetzung der Registratur des Lorenz Fries hatte der Oberregistrator alle wichtigen Schriftstücke, die nicht in den Bereich besonderer Schreibämter fielen, zu regis­ trieren und in den dazu vorgesehenen Gewölben zu verwahren.1524 Neben dem Oberregistrator gab es fortan noch das Amt des Gemeinen Registrators, der vor allem die täglichen Eingänge sichtete und registrierte und insofern die Arbeit des Oberregistrators vorbereitete, der schließlich die endgültige Verwahrung und Registrierung der Schriftstücke vornahm.1525 Unbedeutendere Schreiben und Eingaben, für die keine gesonderten Bücher vorgesehen waren, verzeichnete er in ein Registratur teglicher handlung genanntes Buch, in dem nach alphabetischer Ordnung der Ansuchenden unter Verzeichnung des Datums der Eingabe die Antworten und vorgenommenen Maßnahmen summarisch festgehalten wurden.1526 Neben der Verzeichnung und Ablage der täglichen Eingänge hatte er auch die in der Kanzlei befindlichen Altbestände durchzusehen. Offenbar war es im dritten Quartal des 16. Jahrhunderts zu einiger Unordnung in der Kanzlei gekommen, denn ausweislich der Kanzleiordnung des Jahres 1574 waren nicht nur die Schubladen der gemeinen Registratur mit vilen nichtwerttigen sachen […] dermassen uberfült, das schir nit wol füeglich ichtes mehr darein zu pringen war, sonder auch wol viel dergleichen sachen in underschiedtlichen secken hin und wider zerthailt 1527 aufzufinden. Da der Inhalt der verschiedenen Säcke nicht bekannt war, sollten diese durchgesehen und insbesondere mehr als zehn Jahre alte Akten nach Konsultation des Oberregistrators oder desjenigen Registrators, in dessen Amtsbereich die aufgefundenen Schriftstücke eigentlich gehörten, in deren Registratur übernommen oder weggeworfen werden.1528 Schließlich hatte der Gemeine Registrator ein gesondertes Buch über die nach Rücksprache mit Kanzler oder Hofmeister herausgegebenen Akten und Schriftstücke zu führen, in dem die Zeit der Übergabe und die Person, der diese übergeben worden waren, verzeichnet werden mussten.1529 1522 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 70. 1523 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 70. 1524 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 58 f. 1525 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 73; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 61. 1526 StAW, Stb. 1011, fol. 31r. 1527 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 62. 1528 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 63. 1529 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 63 f.

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c.  Ratsschreiber Neben den Registraturtätigkeiten fielen zahlreiche Schreibaufgaben an, die besonderen Schreibern zugeordnet waren. Schon in den frühen Ordnungen des 16. Jahrhunderts wurden der Gerichts- und der Ratsschreiber erwähnt. Letzterer sollte bei Ratssitzungen alweg sein und sizen und alle Abschied, Enntschied, Rathschleg, unnd antwurt so zwischenn denn partheyen, uff die ubergeben Sup[likationen] oder ­annder schrifftenn verzeichnen und den Räten vor und ehe sie vonn einander gehen zur Kontrolle verlesen.1530 Überdies sollte er in das Ratsbuch unter Nennung der beteiligten Räte und des Zeitpunkts der Verhandlung der partheyen clag, anpringungen, annwort, hanndlung, abschrift, unnd annders yeder zeyt 1531 verzeichnen. Er war für die Verzeichnung aller Angelegenheiten zuständig, die nicht in den Amtsbereich eines anderen Schreibers fielen. Wenngleich er daher für gerichtliche Parteistreitigkeiten vor dem Kanzleigericht nicht zuständig war, weil diese dem Gerichtsschreiber zufielen, wurde doch die Behandlung der zahlreich eingehenden Untertanensuppliken von ihm protokolliert. In einem Verzeichnis der Archivalbände der Kanzlei als Anlage zur Hohen Registratur, das wahrscheinlich aus der Zeit um 1560 aus der Hand des Oberregistrators Schetzler stammt,1532 ist zu lesen, dass [a]us den ambten und kellereien des Stifts Wirtzburg, auch von anderen auswendigen frembden orten […] teglich vil clag Supplication und andere schriften in die cantzlei fur die furstlichen rathe gelangten, die dann auch oftmals […] gegen dem clagenden will gehoret, und zum merern mal nach billigkait gutlich vertragen wurden.1533 Die Entschließungen des Rates zu diesen Untertaneneingaben, bei denen gemäß einer ­später hinzugefügten Randbemerkung alles mundlichenn verhandelt wurde, waren ebenso wie die Entscheidungen über Anfragen von ambtleuten, kellern, schulthaissen, vogten, zentgrafen, richtern, schopfen und anderen Funktionsträgern unter Angabe des Zeitpunkts in das durch den Ratsschreiber verwaltete Buch einzutragen.1534 1530 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 7r f.; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. 1531 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 7v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. 1532 Das Verzeichnis lässt diese zeitliche Einordnung durch verschiedene Hinweise zwingend erscheinen. Zum einen entspricht das genannte Kanzleipersonal dem der Ordnung von 1559, StAW, Stb. 1011, fol. 28v, vgl. dazu bereits Anm. 1494. Zum anderen ist der 1558 gewählte Bischof Friedrich von Wirsberg bereits als Bischof bezeichnet, StAW, Stb. 1011, fol. 31r. Schetzler wurde überdies von der Kanzleiordnung 1559, ldf 30, S. 70, zur Weiter­ führung der Hohen Registratur bestimmt. 1533 StAW, Stb. 1011, fol. 33v. 1534 StAW, Stb. 1011, fol. 33v.

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Augenscheinlich gab es in der Mitte des 16. Jahrhunderts kleinere Mängel in der Amtsführung des Ratsschreibers, w ­ elche die Ordnung des Jahres 1559 mit großem Detailreichtum zu vermeiden suchte. Einerseits scheint er mit der Anfertigung der Konzepte im Rückstand gewesen zu sein und sollte daher fortan gegen zusätzliche Besoldung nicht mehr am Hoftisch teilnehmen, sondern sich selbst verköstigen und in der Zeit des Hoftisches auf dem Marienberg in der Kanzlei die Konzepte fertigen.1535 Andererseits scheint es recht häufig zu fehlerhaften Aufzeichnungen gekommen zu sein. Denn nicht nur sollte der Ratsschreiber bevelch oder decret […] nit extendiren, sondern auch vleißig und etwas bessers dann bißhero geschehen uffmarckens uff berathschlagung der sachen haben, um die Ratsbeschlüsse vollständig zu erfassen, und dazu notfalls von seinem Tisch aufstehen und näher zu den Räten gehen, falls er durch gethummel, kloppen und unruhe, die sich uff der gassen teglich begeben, das Ratsgeschehen nicht verstehen konnte.1536 Auf diese Weise sollten Fehler in den Konzepten vermieden und somit Zeit bei der Korrektur erspart werden, die am Nachmittag oder am Morgen nach den Sitzungen erfolgen sollte. Dabei waren die Konzepte den Räten zu verlesen, wenn nicht die Zeitnot erforderte, dass sie lediglich dem Kanzler oder dem Referendar und wenigstens einem Rat zum Lesen und zur Korrektur übergeben wurden.1537 Aus der Kanzlei abgehende Konzepte sollten vom Ratsschreiber unterschrieben und mit einem eigenen Sekretsiegel verschlossen werden zu abschiedung der verhindung unnd unrichtigkeit, die sich umb das zumachen, und befurderung der Brieff bishero je bißweilen begeben hatten.1538 In den Wirren der zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen der späten fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts erfuhr das Amt des Ratsschreibers weitere Ausdifferenzierung. Als oberer Ratsschreiber wurde schon vor 1559 Hieronymus Hagen bestimmt, der grundsätzlich auch den Ratssitzungen beiwohnen und die getroffenen Beschlüsse niederschreiben und registrieren sollte.1539 Dieweil aber die nechsten Reichstage, dergleichen der gantz Marggrevisch krieg neben andern bißhero gehaltenen Kraißsachen unnd tagenn, noch nit registriret worden waren, sollten diese Angelegenheiten zum ehesten fur die handt genommen und ausgefertigt werden.1540 Daher war für den Fall, das sich die krieg, das dann nit zuverhoffen, so gar ernstlich unnd heuffig gegen dem Stifft erzeigen sollten, vorgesehen, dass Hagen die Registratur woll biß die Leuffdt widerumb besser werdenn, ansehen, unnd sich allein bej den 1535 1536 1537 1538 1539

Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 66. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 66. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 67. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68. Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65, die von einer bereits bestehenden Amtsführung Hagens ausgeht. 1540 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65.

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kriegssachenn finden laßen sollte.1541 In der Zeit, in welcher der obere Ratsschreiber als Kriegssachenschreiber fungierte, waren die allgemeinen Ratsangelegenheiten an seiner statt durch einen unteren Ratsschreiber namens Hans Bülman zu verrichten.1542 Wie lange diese Aufteilung des Amtes in einen oberen und einen unteren Ratsschreiber Bestand hatte, ist unklar. Die Kanzleiordnung Echters sah sie jedenfalls nicht mehr vor. Wahrscheinlich hat das Amt im Laufe des 16. Jahrhunderts ohnehin erheblich an Bedeutung verloren, denn schon seit den fünfziger Jahren des Jahrhunderts waren zahlreiche Aufgabenbereiche des Rates eigenen Schreibern zugeordnet, sodass der Ratsschreiber nur noch für die allgemeinen und somit unwichtigeren Kanzleisachen benötigt wurde und die ingrossierten, also ins Reine geschriebenen Dokumente an die Registratur abgab.1543 d.  Gerichtsschreiber Über die Amtstätigkeit des Gerichtsschreibers, der schon 1506 in der Kanzleiordnung Erwähnung gefunden hatte, gibt die Ordnung von 1525/1526 detailliertere Auskunft. Demnach hatte er die sachen, so durch verfassung, appelacion oder sunst gerichtlich fur unnd uff unns oder unnsere rethe komen unnd hanngen,1544 mit den Namen der Parteien, den abgehaltenen Terminen sowie den erfolgten Handlungen zu verzeichnen.1545 Überdies hatte er zusammengehörige Gerichtsakten zusammenzubinden, zu verwahren und dem Kanzler gesammelt für die Ratssitzungen zu übergeben. Er musste außerdem neben den im Rat ergangenen Urteilen auch die erteilten Achtbriefe und die Aufhebung derselben registrieren.1546 Bei der hier überwiegend gemeinten Ungehorsamsacht handelte es sich um ein gerichtliches Verfahrensmittel, durch das insbesondere das Erscheinen einer Person vor Gericht 1541 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65. 1542 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 65 f. 1543 So ausdrücklich die Kanzleiordnung des Jahres 1574, StAW, ldf 32, S. 67, die dem Ratsschreiber trotz ihres ansonsten erheblichen Umfangs und ihrer großen Detailgenauigkeit nur eine kurze Passage widmete. Dass man den Rathschreiber obe, unnd zu seiner bevolhen arbait laßenn sollte, wenn Malefiz-, Kammergerichts-, Gebrechen-, gerichtliche oder Kriegssachen mit ihren gesonderten Schreibern im Rat behandelt wurden, war bereits in der Kanzleiordnung des Jahres 1559, StAW, ldf 30, S. 69, niedergelegt. 1544 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 587. 1545 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 587. 1546 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 11v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588, Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 74.

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erzwungen werden sollte, indem sie für recht- und friedlos erklärt und damit Dritten gestattet wurde, sich an ihrer Ergreifung zu beteiligen.1547 Darüber wurden in der Kanzlei Achtbücher geführt, darin dieihenigen so umb irer widersessigen ungehorsame willen […] in die acht gesprochen worden […] vertzaichnet standen, auch uf wes anruffen solchs bescheen, und w ­ elchen aus inen uf furbite und gemachten vertrag ir landrecht wider gegeben worden war.1548 Zumindest bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts waren durch den Gerichtsschreiber ferner auch sämtliche anhängige Verfahren an anderen Gerichten außerhalb des Hochstifts zu registrieren.1549 Wahrscheinlich galt das auch für die Verfahren vor dem Reichskammergericht, bevor diese und die anderen an auswärtigen Gerichten anhängigen Verfahren mit dem Kammergerichtssachenschreiber und dem Syndikus besonderen Ämtern zugeordnet wurden. Wurden die Akten dem jeweiligen Rat zur Begutachtung ausgegeben, hatte der Gerichtsschreiber jedenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Aushändigung derselben und die gesetzte Frist zur Bearbeitung zu verzeichnen.1550 Die gefundenen End- oder Zwischenurteile waren vom Gerichtsschreiber niederzuschreiben und am Ende der Sitzung den Räten nochmals vorzulesen, um mögliche Korrekturen vornehmen zu lassen.1551 Der Gerichtsschreiber war also, anders als die meisten anderen Schreiber, zu dieser Zeit bereits bei den Ratssitzungen zugegen. Er war zur Verschwiegenheit über den Inhalt der Urteile verpflichtet und durfte daher niemand kein urtheil vor der publication eroffenen, sonder musste ­dieses bej den actis jn gehaim behaltenn.1552 Nachdem er außerdem vom Stift seine Besoldung erhielt, sollte er von Gerichts acten, Gewalten, Zettuln, Brieven oder Copeien […] weder heller noch pfenning jnbehalten, sonder alle gefell, so sein ampt [ertrug] einem Bottenmaister getreulichen zustellen,1553 der mittlerweile für die Einnahme der Kanzleigefälle, also der Erträge und Gebühren zuständig war, die für die Erstellung und Ausgabe bestimmter Schriftstücke anfielen. Bei alledem war der Gerichtsschreiber 1547 Battenberg, Acht, Sp. 60 – 62. 1548 StAW, Stb. 1011, fol. 17r. 1549 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 11v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588. 1550 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588. 1551 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 73. 1552 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71. Entsprechend formulierte die Kanzleiordnung des Jahres 1574, StAW, ldf 32, S. 73, dass der Gerichtsschreiber alle urthail, zeugen besage, oder andere documenta und briffliche uhrkunden, so ime vertraut und bevolhen, oder sonst depuniert wurden, ante publicationem, niemandt offenbaren sollte. 1553 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71. Zum Begriff der Gefälle vgl. DRW III, Gefälle, Sp. 1397 – 1399; ausführlicher dazu Munzel-­E verling, Gerichtsgefälle, Sp. 157 – 159; Stolleis, Gebühren, Sp. 1972 – 1974.

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aber nicht nur für das Kanzleigericht im engeren Sinne zuständig, sondern auch für das Hof- und Ritterlehen- sowie das Bürgerlehengericht, die beide ebenfalls in der Kanzlei abgehalten wurden.1554 Dabei hatte er die Gerichtstage zur rechten Zeit und so anzusetzen, damit keines das ander verhindern möge.1555 Außerdem musste er die Sitzungen ankündigen und für die beiden Lehengerichte die jeweils ritterlichen oder bürgerlichen Beisitzer laden.1556 An den Gerichtstagen sollte er die gerichtlichen Audienzen protokollieren und alle prozeß, also die ergangenen Ladungen, Mandate und sonstigen Anordnungen, die gerichtlich oder extra iuditialiter erkent wurden, unverzüglich verferttigen und den ansuchenden partheyen […] ­zuestellen  1557 und verzeichnen. e.  Gebrechenschreiber Von besonderer Wichtigkeit waren auch die Gebrechensachen des Hochstifts. Einen guten Einblick in die Reichweite dieser Angelegenheiten gibt die Kanzleiordnung des Jahres 1546, wonach das Stift mit etlichen anstossenden fursten Graven, Herren, vom Adel und Reichstetten, mancherlei nachbaurliche irrungen und gebrechen hatte, die zentbarliche obrigkait, wiltban, Gleit, Zoll, forst, forstrecht und der gleichen zum Gegenstand hatten und die, ein theil an das recht gewachsen, aber der mertail noch unentschiden hangend, dem Hochstift zu Schaden gereichen konnten.1558 Dass diese Streitigkeiten häufig gerichtsnotorisch wurden, belegen schon die zahlreichen Verfahren um die Zuständigkeit der Würzburger Zentgerichte im Verhältnis zu anderen insbesondere vogteilichen Gerichten der benachbarten Obrigkeiten und um die Ausübung der häufig mit anderen Obrigkeiten geteilten Zentherrschaft, die am Reichskammergericht im 16. Jahrhundert nachweisbar sind.1559 In diesen Fällen wurde die Gerichtsbarkeit und mit ihr die Landeshoheit selbst zum Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Um in diesen und anderen Verfahren 1554 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 74. Vgl. auch die angesichts des genannten Personals mit der erstgenannten Ordnung zeitlich ziemlich zusammenfallende Darstellung über die Verwahrung der Gerichtsbücher in der Hohen Registratur, wonach Gerichtsbücher und Sachen vor den rathen an der Cantzley, dem hofgericht, dem lehengericht […] der gemein gerichtschreiber itzunt Hans Jacob unter handen hatte, StAW, Stb. 1011, fol. 28r. Siehe dazu schon Anm. 1494 und 1532. 1555 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. 1556 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72. Zu den verschiedenen Gerichten und ihrer Besetzung siehe ausführlich bereits S. 151 – 178. 1557 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72 f. 1558 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336. 1559 Siehe bereits S. 188 – 193.

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die eigenen Rechte durchsetzen zu können, mussten dienliche privilegi, ainigung, burgfriden, wisthumb, kuntschaft, oder andere vertrage 1560 vorgelegt werden, sodass dem Gebrechenschreiber und -registrator, der diese zu verwalten und im Streitfall aufzufinden hatte, eine bedeutende Stellung zukam. Die Wichtigkeit des Amtes belegt auch die Hohe Registratur eindrucksvoll, in der schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts allein zu den Gebrechen mit dem benachbarten Hochstift Bamberg elf Bücher verzeichnet sind.1561 Dort heißt es auch zum Amt des Gebrechenschreibers, dass d ­ ieses nit das geringst gewesen sei, darumb man auch dasselbig ieder zeit mit einer verstendigen vleissigen und des Stifts Wirtzburgs Sachen wolerfarnen unvertrossen persone versehen sollte.1562 Schon in den Jahren 1525/1526 bestand das Amt des Gebrechenschreibers und -registrators, der hinsichtlich der nachbarlichen geprechen unnd jrrungen 1563 die eingegangenen Schreiben und die gegebenenfalls daraufhin vorgenommenen Ratshandlungen und Beschlüsse zu registrierenn, collacioniren, quyttieren unnd sunst ordennlich uff ainander [zu] verzaichenn 1564 hatte. Er musste somit für die Auffindbarkeit der Originale oder Abschriften und die Richtigkeit letzterer Sorge tragen, falls diese rats- oder bischofsseitig benötigt wurden.1565 Nach der Kanzleiordnung des Jahres 1559 war ihm darüber hinaus aufgetragen, ein Verzeichnis aller offenen Gebrechensachen zu erstellen, das neben den bisherigen Maßnahmen auch die einzuhaltenden Termine in der jeweiligen Angelegenheit angab, die sich etwa aus gerichtlichen oder vertraglichen Fristen ergeben konnten.1566 Es ist zu beachten, dass der Gerichts- und der Gebrechenschreiber im ersten Quartal des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich noch nicht an den Ratssitzungen teilnahmen, die zunächst noch vom Ratsschreiber protokolliert wurden. Mit ­größerer 1560 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336. 1561 StAW, Stb. 1011, fol. 21v–22v. 1562 StAW, Stb. 1011, fol. 21v. 1563 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592. 1564 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18v; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592. 1565 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 18v f.; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 592; Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 72; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 65. Der Gerbrechenschreiber musste die Schreiben, wie andere Schreiber und Regis­ tratoren auch, kollationieren, also den Vergleich von Original und Abschrift vornehmen; siehe dazu DRW VII, Kollatie, Kollation, Kollatz, Sp. 1174. 1566 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 72. Schon die Kanzleiordnungen der Jahre 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 12r, und 1551, StAW, ldf 28, S. 588, hatten vorgesehen, dass der Gebrechenschreiber die Fristläufe zu überprüfen und die entsprechend zu behandelnden Tagesordnungspunkte spätestens acht Tage vor den erforderlichen Maßnahmen in den Rat einzubringen hatte.

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Ausdifferenzierung der Ratsangelegenheiten in einzelne Themensegmente wurden die entsprechenden Schreiber im Laufe des 16. Jahrhunderts zunehmend auch zur Protokollierung der Ratsangelegenheiten in ihrem Zuständigkeitsbereich herangezogen, wie sich aus den Kanzleiordnungen zuerst für den Gerichtsschreiber nachweisen lässt.1567 Es ist daher davon auszugehen, dass auch der Gebrechenschreiber schon 1546 die Sitzungen selbst protokollierte, denn nach der Ordnung desselben Jahres sollte er bei allen gebrechen handlungen mit und entgegen sein.1568 Wo es für die Erörterung dieser Angelegenheiten förderlich erschien, konnten auch andere Sekretäre und Kanzleischreiber hinzugezogen werden.1569 Jedenfalls nach 1559 war der Gebrechenschreiber anstelle des Ratsschreibers für die Aufzeichnung der Beschlüsse in Gebrechensachen zuständig.1570 In dieser Zeit erfuhr das Amt schon deshalb erhebliche Aufwertung, weil es fortan zusammen mit dem Syndikat ausgeführt wurde,1571 das schon vorher – und nach der Kanzleiordnung des Jahres 1617 auch s­päter wieder – als eigenes Amt bestanden hatte.1572 Der Syndikus war für die Überwachung der gerichtlichen Verfahren innerhalb und außerhalb des Hochstifts zuständig, in denen der Bischof selbst als Partei auftrat. Das Amt war daher (fast) immer und nach der Kanzleiordnung des Jahres 1574 auch ausdrücklich mit einer darzue qualificirten rechtsgelerten und kundigen person und somit in der Regel mit einem gelehrten Hofrat zu besetzen.1573 An der Amtsführung hinsichtlich der Gebrechen des Hochstifts änderte 1567 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. 1568 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. Ob man die Funktion des Gebrechenschreibers als Protokollant „aus Analogiegründen“ vermuten muss, wie dies Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 18, und Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 67, tun, ist zweifelhaft. Denn hinsichtlich des Gerichtsschreibers erwähnt die Ordnung ausdrücklich nicht nur die Protokollierung, sondern auch die erforderliche Kontrolle durch die Räte zum Abschluss der Sitzung, die in den Anordnungen zum Gebrechenschreiber gerade fehlen, während sich diese an anderer Stelle, nämlich bezüglich der Verteilung der einzelnen Angelegenheiten unter den Räten zur weiteren Begutachtung, ausdrücklich auf die Ausführungen zu den gerichtlichen Sachen beziehen, Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336. 1569 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. 1570 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 69. 1571 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 72; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 64. 1572 Kanzleiordnung 1617, StAW, ldf 40, S. 60. Ausführlich zum Syndikatamt siehe bereits S. 282 – 285. 1573 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 64. Eine Ausnahme bildete möglicherweise der in der Kanzleiordnung von 1559, StAW, ldf 30, S. 72, genannte Jörg Seuß. Eventuell hing diese Besetzung mit der erst kurz zuvor erfolgten Vereinigung der Ämter zusammen. Zweifellos war Jörg oder Georg Seuß, unabhängig von seiner möglichen Bestallung als Hofrat, ein gelehrter Jurist. In einer Kanzleigerichtsakte zu einem Verfahren aus dem Jahr 1556, in der er selbst als Partei erscheint, wird der spätere fürstliche Hofschultheiß

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sich ­ausweislich der Ordnung, die lediglich die Details genauer fasste und nunmehr zwei Tage in der Woche, für gewöhnlich Montag und Freitag, zur Behandlung im Rat vorsah, kaum etwas.1574 Durch seine Stellung als Rechtsgelehrter war der Syndikus und Gebrechenschreiber nun allerdings im Rat aufgewertet. Er schrieb nicht mehr nur die Beschlüsse nieder – wobei mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass er diesbezüglich von einem weiteren Schreiber unterstützt wurde –, sondern hatte sich auf die Sitzungen derart vorzubereiten, dass er in selbigen selbst referirn oder proponirn, pro et contra disputiren, und volgents, was das mehrer darauff sein wurdt, begreiffen, und mündtlich oder schrifftlich […] defendiren unnd vertretten konnte.1575 Es oblag ihm also, in den Sitzungen die maßgeblichen Sachverhalte und Argumente für die zu treffenden Entscheidungen darzustellen und im Rahmen der Umfrage unter den Räten ein umfängliches Votum abzugeben. Ferner sollte er den Ratsbeschluss vermerken und diesen auch nach außen hin, vermutlich etwa in der Korrespondenz mit anderen Obrigkeiten, vertreten können. f.  Malefizschreiber Ebenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts ist eine weitere Ausdifferenzierung der Schreibämter in der Kanzlei erfolgt. So wurde in der Kanzleiordnung des Jahres 1559 erstmals ein Malefizschreiber erwähnt, der allerdings schon zu Beginn der fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann.1576 Er führte die schon unter Konrad von Thüngen angelegten Malefizbücher, in ­welche die den peinlichen Verfahren unterworfenen Personen eingetragen wurden und bei ieder persone in sonderhait angetzeigt wurde, was si verwurkt hab und wie si gestraft oder ausgelassen worden war.1577 Die umfangreichen Aufgaben des Malefizschreibers sind in der Kanzleiordnung des Jahres 1574 ausführlich beschrieben. Er sollte nicht nur über alle Malefizsachen des Hochstifts ein Verzeichnis führen und die gegen den jeweiligen Delinquenten ergehenden Befehle und Anordnungen erstellen sowie die ergangenen schriftlichen Verfahrenshandlungen dokumentieren, sondern darüber hinaus bei den peinlichen fragen in der Stadt Würzburg auch selbst sein, der gefangenen bekandtnus auffzaichnen, und zu jeden furfallenden peinlichen gerichten, alhie nämlich dem Kreis der Hof- und Landgerichtsprokuratoren zugerechnet, BayHStA, RKG S1137 (Bestellnr. 11871), Q7, fol. 1. 1574 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 66. 1575 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 66. 1576 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 74. Erwähnt wird der Malefizschreiber erstmals in der Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71, worauf schon Heinrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt, S. 43, hingewiesen hat. 1577 StAW, Stb. 1011, fol. 31v.

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zu Wirtzburg, clage, antwurt, beschaidt und urthail verzeichnen.1578 Dabei führte er aufgrund der sachlichen Nähe auch die Urfehdebücher, in denen die ihenigen[,] so in Malefitz hendeln gegriffen oder sunst […] zu verhaft genomen, aber uf straf vertrege, oder in andere wege wider außgelassen wurden, verzeichnet waren, die gewonlich verburgte, oder zum wenigsten geschworne besigelte urphede uber sich geben mussten.1579 Diese Bücher, die schon seit der Zeit Lorenz’ von Bibra geführt worden waren,1580 wurden bis zur Entstehung des Amts des Malefizschreibers wahrscheinlich vom Gerichts- oder Ratsschreiber geführt. Neben den Büchern über die Verfahren der peinlichen Gerichtsbarkeit hatte der Malefizschreiber auch ein Beschuldigtenregister zu führen, das über die Beschuldigungen hinsichtlich möglicher weiterer Taten, beteiligter Personen und relevanter Umstände Auskunft erteilen sollte, die seitens der Inhaftierten und s­ päter Hingerichteten vorgenommen wurden.1581 Zu Recht wurde hierin „ein Beispiel eines, wenn auch noch in den Ansätzen steckenden, frühneuzeitlichen Denunziationssystems auf Basis des Inquisitionsverfahrens“ 1582 gesehen. Eine weitere dem Malefizschreiber zukommende Aufgabe diente augenscheinlich dem Bedürfnis nach Vereinheitlichung des Strafverfahrens an den Zentgerichten. So musste er, wie schon nach der Ordnung des Jahres 1559,1583 auch die Fehler und Mängel des Verfahrens in den Zenten dokumentieren, da sich bey denn malefitz sachen auff dem lande die irrungen, hin und wider in denn zenthen, am mainsten und furnembsten ereügen und finden 1584 ließen. Ferner hatte er die sich aus der Durchsicht des Zentbuchs und der Zentakten ergebenden Gerichtsgebräuche sowie entstandene Mängel und Fragen den Räten zu berichten oder selbst Verfahrensfehler anzumahnen. Diese Aufgabe erforderte auch eine entsprechende personelle Umsetzung. Denn schon bald stellte sich heraus, dass zur richtigen Verzeichnung des Herkommens an den einzelnen Zentgerichten häufig eine persönliche Augenscheinnahme erforderlich war, die der Malefizschreiber aber nicht vornehmen konnte, da er in der Kanzlei zu seinen verschiedenen Schreib- und Verzeichnisaufgaben benötigt wurde. 1578 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 67. 1579 StAW, Stb. 1011, fol. 35r. Jedenfalls war der Malefizschreiber nach der Kanzleiordnung des Jahres 1574, StAW, ldf 32, S. 67, für die Fertigung der Urfehdebriefe zuständig, sodass er wahrscheinlich auch das entsprechende Buch zu führen hatte. Zum Begriff der Urfehde siehe schon Anm. 1396. 1580 StAW, Stb. 1011, fol. 35v. 1581 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 68. 1582 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 76. 1583 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71, nach der Malefizschreiber Cuntz Wainer einer jeden zenth, brauch unnd gewonheit sovil muglich sich erlernen, unnd wann unrichtigkaitt oder frag furfellet, das er jn rethen, bestendigen bericht und antzeig davon thun sollte. Die geprechen unnd mengel hatte er in einem Nebenbuch zum Zentbuch zu verzeichnen. 1584 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 68.

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Daher wurde 1565 mit Hieronymus Hofmann ein gelehrter und promovierter Rat, der alsbald auch als Vizekanzler in Erscheinung treten sollte, damit beauftragt, im Hochstift die erforderlichen Untersuchungen anzustellen und ansonsten, wenn er nicht die Zenten besichtigte, gleich den anderen gelehrten Räten im Hofrat zu sitzen.1585 Wie lange die Erkundung der Zentgebräuche durch einen gelehrten Rat in der Praxis betrieben wurde, lässt sich nicht rekonstruieren. Jedenfalls war es gemäß der folgenden Kanzleiordnung erneut der Malefizschreiber, der aus der Sammlung der Zentgebräuche wie ers hin und wider geschaffen befindet zunächst ein new manual erstellen sollte, damit mit der zeit darauß desto füeglicher, unnd ehe ein gantze ordnung, wie es in allen zenthen zu halten, […] gemacht werden konnte.1586 Es zeigt sich anhand dieser Passage der Echter’schen Ordnung des Jahres 1574 das Bedürfnis des Bischofs, das Gerichtsverfahren als Ausübung von Herrschaftsmacht stärker zu vereinheitlichen und damit auch notwendig zu zentralisieren. Gleichwohl fällt der bewahrende Charakter des Vorgehens ins Gewicht, das hier nicht Normsetzung, sondern Rechtsvereinheitlichung gemäß dem Herkommen zum Ziel hatte. Dementsprechend wurden für die (teilweise) Umsetzung des in der Kanzleiordnung genannten Vorhabens im großen Echter’schen Zentbuch der Jahre 1574 bis 1576 auf 59 gestellte Fragen an Amtmänner und Zentgrafen Berichte eingeholt, um die jeweiligen örtlichen Gewohnheiten zu ergründen.1587 Alles in Allem zog die Kanzlei über das Malefizamt bis zum Beginn des Dreißig­ jährigen Krieges und schließlich insbesondere in der späteren Hochzeit der schon unter Julius Echter beginnenden Hexenverfolgung unter Philipp Adolf von ­Ehrenberg (1623 – 1631) den Strafprozess in der Form des Inquisitionsverfahrens zunehmend an sich.1588 Schon die Kanzleiordnung Julius Echters aus dem Jahr 1574 macht deutlich, w ­ elchen Einfluss die Räte in der Kanzlei bereits zu dieser Zeit auf die Durchführung des peinlichen Verfahrens gehabt haben müssen. Denn sie 1585 Rockinger, Magister Lorenz Fries, S. 229. 1586 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 69. 1587 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,1, S. 15 – 17. Dieses Vorgehen entsprach jenem, das in der Echterzeit bei zahlreichen umfänglicheren Reformmaßnahmen Anwendung fand. Bereits im Rahmen der Verschriftlichung der Landesgebräuche, siehe diesbezüglich S. 119 – 127, und der s­päter seit 1581 begonnenen systematischen Erfassung der Rechte und Einkünfte des Hochstifts in den einzelnen Ämtern in den sog. Salbüchern, Merz, Herrschaftsverständnis und Herrschaftspraxis, S. 650, 655, waren Fragenkataloge mit 14 bzw. 41 Fragen von der Kanzlei aus an die Städte bzw. Amtmänner verschickt worden, um die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort zu ergründen. 1588 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 2, S. 129; Merzbacher, Die Hexenprozesse in Franken, S. 33 f., 107; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 77. Zur Hexenverfolgung unter Echter zuletzt etwa Flurschütz da Cruz, Julius Echter und die Hexenverfolgungen; ders., Hexenbrenner, Seelenretter; R. Meier, Julius Echter als Hexenretter; ders., Die frühen Hexenprozesse. Siehe ausführlicher schon S. 20 und Anm. 34.

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­ bertrug dem Malefizschreiber die concipirung allerhandt bevelch, missiven, fragü stucken, und peinlicher anclagungen gegen den verhafften, dann auch aller und jeder ­einkommener malefitzischer relationen, gelaidt, landtshuldungen, urpheden, und was solichem allem, mit außsendung der ancläger und nachrichters, oder andern mehr anhengig sein mochte.1589 Die Tatsache, dass die fürstliche Kanzlei diese prozessrelevanten Schriftstücke, insbesondere obrigkeitliche Anordnungen für das Verfahren, die Verhörfragen in den sogenannten Fragstücken und die Antworten des Beschuldigten in der sogenannten Relation ausfertigte, lässt vermuten, dass die Spezialinquisition einschließlich der sogenannten peinlichen Befragung oder Tortur bereits zu dieser Zeit maßgeblich von Würzburg aus gesteuert wurde. War damit der Kernbereich des Inquisitionsprozesses, der sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch gegenüber dem weiterhin als reguläre Verfahrensform vorgesehenen Akkusationsprozess durchsetzte,1590 an die Kanzlei gezogen worden, führte dies zwangsläufig auch zu einer Entwertung der Zentgerichtsbarkeit in Kriminalsachen. Neben der Eröffnung des Verfahrens verblieb somit vor allem der sogenannte Endliche Rechtstag als Aufgabe der Zentgerichte. An d ­ iesem Gerichtstag wurde unter anderem das im Rahmen der nicht öffentlich geführten Spezialinquisition erlangte Geständnis nochmals öffentlich wiederholt und somit eine wesentliche Legitimitätsvoraussetzung für das meist im Anschluss vollstreckte Urteil begründet.1591 g.  Lehenschreiber Ein weiteres Ergebnis der Ämterentwicklung in der Mitte des 16. Jahrhunderts war das Amt des Lehenschreibers, der ebenfalls erstmals in der Kanzleiordnung von 1559 erwähnt wurde und dessen Amtsführung in der Ordnung des Jahres 1574 umfassende Beschreibung und Regelung erfuhr.1592 Anfangs führte er im Rat im Rahmen der Verhandlung von Lehensangelegenheiten Protokoll, entwarf die Beschlüsse, verzeichnete sie und registrierte die vorhandenen Lehenakten und Lehenbriefe.1593 Spätestens 1574 übernahm der Lehenschreiber eine wichtige Verwaltungsfunktion bei der Vergabe und Erneuerung der Lehen, die umfassend durch die Kanzleiordnung dokumentiert ist und nur eines der z­ ahlreichen darin 1589 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 67. 1590 Krey, Inquisitionsprozess, Sp. 1246; Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 187. 1591 Schild, Endlicher Rechtstag, Sp. 1324; Trusen, Strafprozess und Rezeption, S. 83 f. Hingegen sah noch Knapp, Das alte Nürnberger Kriminalverfahren, S. 523, im Endlichen Rechtstag bloß eine „leere Komödie“. Vgl. hierzu ferner Bongartz, Die Rechtsund Gerichtslandschaft, S. 286. Siehe im Übrigen bereits S. 193 und Anm. 993. 1592 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 72; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 69 – 72. 1593 Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 77 f.

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enthaltenen ­Beispiele für die größere Ämterdifferenzierung und den damit verbundenen Ausbau einer effizienteren Verwaltung der Angelegenheiten des Hochstifts darstellt. Der Lehenschreiber hatte die Belehnung auf Ansuchen eines Lehensmannes anhand der in der Kanzlei vorliegenden Bücher und Akten umfassend zu prüfen, bevor er die Sache an die Räte weitergab, den Lehenbrief ausfertigte und unterschrieb, um ihn schließlich nach Unterschrift durch Hofmeister und Kanzler zur bischöflichen Approbation vorzulegen und abschriftlich in den Lehenbüchern zu verzeichnen.1594 h.  Kammergerichtssachenschreiber In der Kanzleiordnung des Jahres 1546 findet sich erstmals das – hier allerdings noch nicht so bezeichnete – Amt des Kammergerichtssachenschreibers. Dieser sollte in Verfahren vor dem Reichskammergericht oder anderen auswärtigen Gerichten, in denen das Stift als Partei beteiligt war, auf vorzunehmende Verfahrenshandlungen und zu beachtende Fristläufe hinweisen, damit darin nichts verlasst und versaumbt werde.1595 Schon zu dieser Zeit hatte er die Schreiben vorzubereiten, die Entwürfe im Hofrat vorzubringen und dessen Beschlüsse aufzuzeichnen, damit diese dem Bischof zur Approbation vorgelegt werden konnten.1596 Er hatte die erforderlichen Akten den Advokaten auszuhändigen und dabei ein Verzeichnis über Ein- und Ausgänge zu führen. Die abgefassten Schriftsätze musste er nach Speyer an die Prokuratoren s­chicken, w ­ elche die Interessen des Hochstifts als Prozessvertreter wahrnahmen.1597 Ebenso gehörte es zu seinem Aufgabenbereich, geeignete Zeugen zum Beweis im Prozess zu verzeichnen, Termine und Fristen zu überwachen und gegebenenfalls unverzugliche anmahnung [zu] thun, wenn diese drohten überschritten zu werden.1598 Hinzu kamen die üblichen Aufgaben der Registratur, die ein genaues Verzeichnis über die den Advokaten nach Rücksprache mit den Räten übergebenen Akten verlangten.1599 Das Amt war wahrscheinlich bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts besetzt. Ob die Aufgaben des Kammergerichtssachenschreibers tatsächlich bis 1617 vollumfänglich dem Syndikus zufielen,1600 ist zweifelhaft. 1594 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 70. 1595 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335; vgl. auch Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 79 f. 1596 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335; Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 71. 1597 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 79. 1598 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 80. 1599 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 80. 1600 So Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 82.

Geschäftsgang und Verfahren

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Jedenfalls müsste d ­ iesem dann nach wie vor ein Schreiber zugeordnet worden sein, der die Registraturaufgaben übernahm. Mit großer Sicherheit erforderte das Amt eine höhere Bildung und ging in seinen Anforderungen über das eines üblichen Schreibamts hinaus, deren Amtsinhaber überdies zumeist 1546 noch nicht an den Sitzungen im Rat teilnahmen. Es wurde daher zur Amtsführung zunächst einer der Sekretäre bestimmt.1601 i.  Weitere Bedienstete Überdies gehörten noch zahlreiche weitere Bedienstete zum Personal der Kanzlei im engeren Sinne, die für eine Untersuchung der gerichtsförmigen Tätigkeit in der Kanzlei allerdings eine untergeordnete Bedeutung haben. So wurde der Kanzleibetrieb, abgesehen von weiteren allgemeinen Schreibern und Kopisten, etwa durch einen Bestallungsschreiber für die Amts- und Dienstbestallungen im Hochstift, einen Ungeld- und Steuerschreiber für die Verwaltung von Ungeld als Verbrauchssteuer und Bede als Vermögenssteuer auf Grund und Boden, einen Taxator für die Annahme der Kanzleigebühren, bevor diese Aufgabe schließlich dem Botenmeister zufiel, einen Reiseschreiber zur Begleitung des Bischofs auf Reisen, etwa auf Reichstage oder zur Erbhuldigung, einen Botenmeister zur Überwachung der entsandten Boten sowie Silberboten für besondere und geheime Schriftstücke, reitende geschworene Boten für alle Arten von Zustellungen, Beiboten, die aushilfsweise tätig wurden, und den Kanzleiknecht, der für Wartung, Sauberkeit und Beheizung der Kanzleiräume sorgte, gewährleistet.1602

V.  Geschäftsgang und Verfahren 1.  Untertanensuppliken Ein durchgängiges Anliegen der bischöflichen Ordnungspolitik war es, Eingaben an die Kanzlei auf das notwendige Maß zu beschränken. Das galt für Untertanensuppliken als außergerichtliche Verfahren ebenso wie für gerichtsförmige Parteistreitigkeiten.1603 Während eine Begrenzung in diesen jedoch ohne Weiteres dadurch erreicht werden konnte, dass für die Zulässigkeit eines Appellationsverfahrens 1601 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. 1602 Ausführlich hierzu Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 90 – 100. 1603 Die Unterscheidung dürfte von den Zeitgenossen nicht in dieser Trennschärfe vorgenommen worden sein, denn mit einer Klag(e)schrift konnte sowohl die Klageschrift im

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gegen Urteile der Dorf- und Stadtgerichte innerhalb des Hochstifts ein Streitwert in Höhe von zehn beziehungsweise zwölf Gulden erreicht werden musste, waren jene wegen ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit im Lichte des frühneuzeitlichen Herrschaftsverständnisses 1604 schwieriger einzudämmen. Entsprechend sind die obrigkeitlichen Versuche, die zahlreichen Suppliken der Untertanen des Hochstifts auf ein zu bewältigendes Maß zu beschränken, in den Kanzleiordnungen und überdies in zahlreichen Mandaten mehrfach dokumentiert. Schon die insofern paradigmatisch wirkende Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 sah vor, dass Eingaben von Untertanen durch den Rat nur angenommen werden sollten, wenn sie Klagen gegen die Amtleute, Keller und Vögte als Repräsentanten der bischöflichen Landeshoheit enthielten. In allen anderen Fällen, in denen dem Supplikanten durch die genannten Personen gutlich oder rechtlich, der gebur unnd billickait nach, verholffen werden mochte, sollten die Schreiben zurückgewiesen und die Anliegen von den lokalen Autoritäten behandelt werden.1605 Entsprechende Einzelmandate waren bereits in den Jahren 1520 und 1522 ergangen und wurden auch in den der Ordnung folgenden Jahren durch Konrad von Thüngen und Konrad von Bibra wiederholt.1606 Anscheinend war es auch zwanzig Jahre nach der Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 nicht zu einer maßgeblichen Veränderung der Supplikationspraxis durch die Untertanen gekommen. Denn auch nach der folgenden Kanzleiordnung waren in der Zwischenzeit aus den Ämtern von Amtmännern oder Gerichten vil und mancherlei Supplication und Clagschriften 1607 an die Kanzlei gelangt. Nicht nur hätten diese gemäß den Ausführungen in der Ordnung von den Ämtern aufgrund der größeren Nähe zu Gegenstand und Beteiligten besser entschieden werden können, sie verursachten auch viel Aufwand in der Kanzlei, indem dan vilmals den beclagten partheien um verantwortung, oder den Ambtleuten umb bericht der sachen zugeschickt werden musste, damit schließlich nach empfahung und ubersehung solcher berichte die bescheen Clage oftmals wider hinter sich an die ambtleute umb gutlichen entschied, oder an die gerichte umb rechtliche erorterung gewissen wurde.1608 Damit sich die Räte anstelle des taglichen, unnotturftigen Supplicirens durch die Untertanen fortan um die vielfältigen anderen S­ tiftsangelegenheiten kümmern Prozess als auch die bloße Bittschrift an den Landesherrn gemeint sein; vgl. dazu schon S. 279 und ferner DRW VII, Klag(e)schrift, Sp. 1057 f. 1604 Siehe dazu bereits S. 68 – 72. 1605 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6r. 1606 StAW, ldf 27, S. 34 (1520), S. 49 (1522), S. 489 (1535), und ldf 28, S. 175 f. (1543). All diese Anordnungen sind auch in der Hohen Registratur unter dem Eintrag Supplication verzeichnet, StAW, Stb. 1012, fol. 560v f. 1607 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333. 1608 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333.

Geschäftsgang und Verfahren

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konnten, wurde die 1525/1526 getroffene Regelung bekräftigt.1609 Untertanensuppliken, die sich nicht gegen die lokalen Amtsträger selbst richteten, sollten fortan nur noch angenommen werden, wenn diese die Supplication mit aigner hand unterschriben hetten.1610 Eine inhaltsgleiche Anordnung enthielt ein an Amtleute und Untertanen gerichtetes Mandat desselben Jahres,1611 das nicht nur die Geringfügigkeit mancher Suppliken und die Verzögerung der Kanzleitätigkeit durch diese Eingaben thematisierte, sondern auch ein Schlaglicht auf die Untertanenseite einschließlich der mit der Supplik verbundenen Kosten wirft. Demnach ­seien die Untertanen oftmals in schlechten und geringen […] Sachen […] hieher gelaufen und hätten durch die (also vermutlich teilweise auch mündlich vorgebrachten) Suppliken nicht allein ihre Arbeit anheim liegen lassen, sondern merkliche Kosten ihnen selbst, ihren Weibern und Kindern zu beschwerlichem Nachtheil aufgewendet.1612 Ob auf Seiten des Landesherrn tatsächlich die Sorge um die Untertanen oder doch die Effektivität der Kanzlei im Mittelpunkt der Erwägungen zum Erlass ­dieses und ähnlicher Mandate stand, kann freilich nicht ermittelt werden. Gleichwohl entspricht das hieraus deutlich werdende Motiv dem auch in der guten Policey zum Ausdruck kommenden Herrschaftsverständnis frühneuzeitlicher Fürsten. Die in Mandaten und Ordnungen wiederholt zum Ausdruck gebrachte Verzögerung der Kanzleigeschäfte hat zweifellos einen ernstzunehmenden Anlass für die Regelungstätigkeit dargestellt, denn auch die Kanzleiordnung des Jahres 1551 stellte erneut die Funktionsfähigkeit der fürstlichen Kanzlei ins Zentrum der Anordnungen.1613 Anders als die ansonsten weitgehend identische Ordnung der Jahre 1525/1526 nahm die Regelung diesmal aber Bezug auf den Inhalt aines gemeinen schrifftlichenn bevelchs,1614 also höchstwahrscheinlich das ebengenannte Mandat. Damit ferner die Kanzlei, wie bisher geschehen, nicht weiter mit Privatsachen beladen unnd one frucht dermassen detinirt, also eingenommen wurde, das andere notwendiger geschefft nicht fur hand genommen noch abgehandlet werden konnten, sah die Ordnung des Jahres 1559 die Annahme von Untertanensuppliken nur noch dann vor, wenn eines amptmans, vogts, kellers oder andern Bevelchhabers bericht, bedencken unnd schreiben beigegeben wurde, aus dem sich ergab, das die 1609 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333. 1610 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 334. 1611 Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landesverordnungen, S. 1 f. 1612 Ebd., S. 1. Ausführlich zu den Kosten der Gerichtsorganisation und der Justiznutzung in der Frühen Neuzeit etwa Ströhmer, Jurisdiktionsökonomie im Fürstbistum Paderborn, passim. 1613 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 583. 1614 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 584.

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sach jrer gelegenheit nach, fur die rethe gehör[t]e unnd daselbst davon gerathschlagt werden sollte.1615 Damit dieser Anordnung besser nachgegangen werden und sich niemand auf Unwissenheit oder Unkenntnis der Ordnung berufen konnte,1616 sollte den Amtleuten, Kellern, Vögten und Befehlshabern auf dem Land ein Verstandt davon gemacht werden,1617 nach dem sie sich zu richten hatten. Schon das Mandat des Jahres 1546 hatte den Amtleuten eine s­ olche Berichtspflicht auferlegt, die ein Begründungserfordernis bei Nichtbehandlung durch die lokalen Befehlshaber umfasste. Als mögliche Begründung konnte etwa akzeptiert werden, dass die Parteien die Kosten für ein gerichtliches Verfahren vor Ort nicht tragen konnten.1618 Auch hieran zeigt sich erneut die enge Verbindung von Untertanensuppliken und gerichtlichen Parteiverfahren in einer Zeit, der eine Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung fremd war. Beide Verfahren waren nebeneinander möglich und konnten vor allem dann ineinander übergehen, wenn wie in der Kanzlei oder vor den Ämtern 1619 des Hochstifts derselbe Personenkreis für beide Verfahrensformen zuständig war. Eine differenziertere, im Kern aber identische Regelung traf die Kanzleiordnung Julius Echters, die eine Supplik an die Kanzlei nur nach Bericht des lokalen Amtsträgers unter Nennung von Gründen für die Nichtbehandlung vorsah. Etwas anderes sollte nur gelten, wenn sich die Beschwerde gegen diesen selbst richtete, die Supplikanten kein nehre obrigkeitt, als die cantzley hatten oder sich die lokalen Amtsträger partheysch und verdechtig verhielten und Abhilfe daher nicht zu erwarten war.1620 Auch wer sich mit seiner Beschwerde oder Klage gegen Leute außerhalb des Hochstifts wenden wollte, sollte zunächst den eigenen Amtmann um Hilfe bitten. Falls dessen Unterstützung bey frembden kein ansehens haben wolte, war es nach der Formulierung der Kanzleiordnung noch frue genug, das ein ambtman dasselbig herein fur uns, oder unsere räthe gelangen ließ und umb ferner hilff und einsehens bat.1621 Offenbar wurden diese häufig wiederholten obrigkeitlichen Anordnungen nicht immer streng beachtet, denn auch für eine abweichende Praxis enthielt die Kanzleiordnung einen Hinweis: Würden durch den Kanzler, andere Räte oder Kanzlisten trotz der getroffenen Anweisungen weiterhin Suppliken angenommen, 1615 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 69. 1616 Entsprechende Formulierungen mit Rekurs auf die zu vermeidende Unkenntnis der Adressaten waren geradezu typisch für neuzeitliche Mandate zur Einschärfung ­bestimmter Normen, Schennach, Zuschreiben von Bedeutung, S. 158. 1617 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 69. 1618 Heffner (Hrsg.), Sammlung der hochfürstlichen-­wirzburgischen Landesverordnungen, S. 2. 1619 Zur gerichtlichen Funktion der Ämter siehe S. 203 – 205. 1620 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 47 f. 1621 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 48.

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sollten die räth darauff nit votiren sonder gestracks, vermög dieser ordnung, die sachen an ir ortt remittirn und weißen.1622 Wurden die Suppliken nicht remittiert, sondern in der Kanzlei angenommen, bedeutete das allerdings nicht unbedingt, dass diese vom Rat auch als Kollegialorgan entschieden werden mussten, wie sich bereits aus den Ausführungen zu den verschiedenen Schreib- und Registratorenämtern ergibt. Denn es gelangten, wie gezeigt, teglich vil clag Supplication und andere schriften in die cantzlei fur die furstlichen rathe, die dann auch oftmals […] gegen dem clagenden will gehoret, und zum merern mal nach billigkait gutlich vertragen und nach dieser rein mündlichen Verhandlung schließlich durch den Ratsschreiber im Ratsbuch verzeichnet wurden.1623 Offenbar nahmen die Räte die schriftlichen Suppliken gelegentlich zum Anlass, streitende Parteien auch ohne Initiative durch den Supplikanten vor den Hofrat zu laden, um eine gütliche Einigung z­ wischen den Kontrahenten zu erzielen. Durch die Mündlichkeit der Verhandlung, die den Zeitgenossen eine gesonderte Erwähnung in der Hohen Registratur wert war, waren diese Verfahren in zweifacher Richtung abgegrenzt: einerseits von den gerichtlichen Verfahren im eigentlichen Sinne, die nach dem Grundsatz quod non est in actis non est in mundo 1624 überwiegend schriftlich geführt wurden; andererseits von unbedeutenderen Verfahren, uf ­welche man kein muntliche verhore noch tagleistung vornahm, sonder allein schriftlich antwort gab und die vom gemeinen oder täglichen Registrator zu verzeichnen waren.1625 In welcher Form diese Suppliken verhandelt wurden, bleibt unklar, denn die Hohe Registratur geht gleichwohl davon aus, dass diese fur si, gemeint sind die fürstlichen Räte, gelangten.1626 Wenn hier mit tagleistung nicht speziell eine Sitzung der Räte unter Hinzuziehung der Betroffenen, sondern allgemeiner schlicht jene des Ratsgremiums selbst gemeint sein sollte, wofür die Tatsache spricht, dass nicht der Ratsschreiber, sondern der gemeine Registrator die getroffenen Entscheidungen zu verzeichnen hatte, wurden die Suppliken in den genannten Fällen nicht vom Rat in seiner Gesamtheit verhandelt und entschieden. Gleichwohl dürfte dann einer der Räte, möglicherweise zunächst der allgemein mit den Suppliken befasste Referendar und ­später vielleicht der Kanzler über die Angelegenheit verfügt haben.

1622 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 48. 1623 StAW, Stb. 1011, fol. 33v. 1624 Einen differenzierenden Blick auf diesen Grundsatz im Kameralprozess richtet Diestelkamp, Beobachtungen zur Schriftlichkeit, passim. 1625 StAW, Stb. 1011, fol. 33v. 1626 StAW, Stb. 1011, fol. 33v.

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2.  Güte- und Schiedsverfahren vor den Räten In das Umfeld der Supplikationspraxis gehört auch die Tätigkeit der Kanzleiräte in Parteiverfahren zur gütlichen Einigung und in Schiedsverfahren. Hierbei wendeten sich die streitenden Parteien freiwillig, also ohne ein erstinstanzliches Vorverfahren zur Streitbeilegung beziehungsweise mit der Bitte um eine Entscheidung der Räte an die Kanzlei. Dort folgte man anscheinend, auch außerhalb der gerichtsförmigen Verfahren vor dem durch die Räte an gesonderten Terminen mehrmals jährlich gehaltenen Kanzleigericht, dem gemeinrechtlichen Positionalverfahren oder Artikelprozess 1627 oder zumindest einem d ­ iesem angenäherten Verfahren, das mehrmals in den Aufzeichnungen der noch erhaltenen Ratsbücher beschrieben wird. Bereits in den Ratsbüchern aus der Regierungszeit Konrads von Thüngen lässt sich ­dieses Verfahren erkennen, denn etwa in einer Aufzeichnung aus dem Juni 1531 wurde es mitsamt den vorgesehenen Fristen dezidiert dargelegt. In dem Prozess ging es streitgegenständlich um eine Auseinandersetzung über einen Hof zu Volkach und einige Äcker von der paurischen auffrur herrurendt.1628 Die Streitigkeit war also – angesichts der bereits sechs Jahre zurückliegenden Unruhen des sogenannten Bauernkrieges wenig überraschend – schon einige Zeit im Gange, als die Parteien vor den Räten, wahrscheinlich zum Zwecke einer gütlichen Einigung, einkamen. Anscheinend konnte ein Vergleich inhaltlicher Art ­zwischen ihnen nicht getroffen werden, doch immerhin wurde erreicht, dass sie sich zu einer Verhandlung vor den Räten und entlichem außtrage entschließen konnten.1629 Innerhalb von vier Wochen ab dem Tage der erfolglosen ­Vergleichsverhandlungen sollte – offenbar jeweils – eine Klageschrift mit den Forderungen der beiden Parteien in zweifacher Ausfertigung an die Kanzlei gesandt werden, von der die eine in der Kanzlei verbleiben, die andere aber der Gegenseite zugestellt werden sollte. Danach waren weitere vier Wochen vorgesehen, in denen jeder theil sein Artikell und antwort 1630 auszufertigen und einzureichen hatte, wobei nicht nur die zu beweisenden Tatsachen, sondern auch die relevanten Zeugen zu bezeichnen waren.1631 In der Folge sollten dann die angegebenen Zeugen gehört werden. Die Zeugenvernehmung oder Einholung der Kundschaft konnte in der Kanzlei zu einem speziell anberaumten Termin geschehen oder wurde durch einen ­Kommissar 1627 Siehe dazu S. 345 – 347. 1628 StAW, Stb. 963, fol. 19r. 1629 StAW, Stb. 963, fol. 19v. 1630 StAW, Stb. 963, fol. 19v. 1631 Vgl. diesbezüglich auch eine ganz ähnliche Beschreibung aus dem Vormonat, StAW , Stb. 963, fol. 14v.

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oder eine Kommission a­ uswärtig ­durchgeführt.1632 Die Entscheidung darüber, ob die Zeugen vor die Kanzlei zu kommen hatten oder die Erkundungen außerhalb derselben durchzuführen waren, dürfte mit der Komplexität und Art des Verfahrens, eventuell auch mit dem Wohnort der Zeugen in Zusammenhang gestanden haben. Wie sich aus Aufzeichnungen in demselben Ratsbuch zu einem anderen Verfahren aus dem Mai 1531 ergibt, wurden die eingeholten Informationen den Parteien eröffnet und ihnen die Möglichkeit gegeben, nochmals binnen vier Wochen schriftlich Stellung zu nehmen, bevor schließlich die Entscheidung der Räte in der Angelegenheit erfolgen sollte.1633 Die umfassende Darstellung d ­ ieses Vorgehens in den Ratsbüchern lässt vermuten, dass um 1530 das Verfahren in den verschiedenen Fällen ähnlich, aber nicht identisch ablief. In einer anderen Sache aus dieser Zeit waren im Wesentlichen dieselben Verfahrensschritte vorgesehen, die jeweiligen Fristen aber auf 14 Tage festgelegt.1634 Wahrscheinlich ist auch, dass das Vorgehen in Teilen zur Disposition der Parteien stand. Entsprechend heißt es im Ratsbuch nach der Schilderung des geplanten Verfahrensverlaufs, das solchs alles wie oblauth, also […] vest stehe und bedetheil mit handtgebendem trewen ann aids stat glopt, und zugesagt hatten, dies onverprechenlich zuhaltenn.1635 In keinem der genannten Fälle handelte es sich um ein gerichtliches Verfahren nach einer Klage durch eine der Parteien. Vielmehr scheinen diese stets im Interesse an einer gütlichen Einigung vor den Räten erschienen zu sein, wo sie dann nach Erfolglosigkeit ­dieses Ansinnens um endlichen Austrag baten. Dementsprechend notierte der Ratsschreiber im Juni 1531, dass die Räte, nachdem die Parteien vor dieselben zu verhore gekommen waren, unnd aber kein theil dem andern dermassen er die sachen furgepracht, gestendig gewessenn, […] uff gehabte undterhandlung, bey Inenn [den Parteien, Anm. JB] sovil erlangt[en], das sie sich angezaigter Irer Irrungen, uff sie die Rethe zu entlichem außtrage veranlast, unnd Compromittirt haben. Über gerichtliche Auseinandersetzungen der Parteien im Vorfeld des geschilderten Verfahrens vor den Räten ist nichts bekannt. Sollten die Parteien aber tatsächlich vor diesen erschienen sein, um eine gütliche Einigung zu erreichen, entwickelte sich daraus rasch ein Verfahren mit großer Nähe zum Ablauf gerichtlicher Auseinandersetzungen.1636 1632 Vgl. etwa die Einträge des Ratsbuches zu drei Verfahren in den Monaten Mai und Juni 1531, StAW, Stb. 963, fol. 14v, 15v, 19v. 1633 StAW, Stb. 963, fol. 14v. 1634 StAW, Stb. 963, fol. 19r. 1635 StAW, Stb. 963, fol. 15r. 1636 Wahrscheinlich ist die Trennung von gerichtlicher und außergerichtlicher Konfliktlösung in der Frühen Neuzeit nicht mit ähnlicher Schärfe vorgenommen worden, wie dies seit dem 19. Jahrhundert der Fall ist, Xenakis, Daß man täglich die Bauern, S. 202. Dementsprechend hat zuletzt Cordes, „Mit Freundschaft oder mit Recht“, S. 11 f., dargelegt, dass

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Für von der eigentlichen Gerichtstätigkeit auch aus Sicht der Zeitgenossen verschiedene Verfahren spricht insbesondere die Verzeichnung derselben in den allgemeinen Ratsbüchern anstelle der durch den Gerichtsschreiber geführten Gerichtsbücher. Auch die verwendeten Begriffe lassen die Möglichkeit einer Konfliktbewältigung ­zwischen gütlichem und gerichtlichem Verfahren zu, das dann als eine gewillkürte Unterwerfung der Parteien unter das Urteil der Räte verstanden werden müsste. So heißt es etwa in dem Verfahren aus dem Mai 1531, dass sich die Parteien wegen eines außtreglichen, entlichen rechtens 1637 an die Räte wendeten. Sogar eine Appellation an das Reichskammergericht sollte gegen die Entscheidung der Kanzleiräte zugelassen sein,1638 sodass diese die Geltung einer gerichtlichen Entscheidung durch das Kanzleigericht gehabt haben muss. In diesen Verfahren wurden die fürstlichen Räte also offenbar in der Form eines Schiedsgerichts tätig. Wie im gerichtlichen Verfahren stand den Parteien aber auch eine durch die Räte vermittelte Lösung im Wege des Vergleichs offen, durch die eine Streitentscheidung entbehrlich wurde. Welche prozessualen und materiell-­rechtlichen Wirkungen hingegen ein Parteivergleich zeitigte, der unter Vermittlung der Räte erfolgreich zustande kam, wenn also eine Entscheidung derselben in der Sache nicht erforderlich war, ist auf Basis der überlieferten Quellen nicht zu erkennen.1639 die insbesondere von Hattenhauer, „Minne und Recht“, insb. S. 327 – 329, 335 – 339, 343 f., vorgenommene Abgrenzung einer Streitbeilegung „nach Recht“ von jener „nach Minne“ als Billigkeitsentscheidung ohne Bindung an formelles oder materielles Recht jedenfalls für das 15. Jahrhundert nicht trägt. Denn dazu hätten die Laienrichter „eine Art ungeschriebenes Gesetzbuch vor Augen“ haben müssen, „das sie entweder angewandt oder aber im Verfahren ‚nach Minne‘ zur Seite gelegt hätten“, Cordes, „Mit Freundschaft oder mit Recht“, S. 12. Grundsätzlich verstanden aber auch die gelehrten Juristen den Prozess vorrangig als friedliche Lösung eines Konflikts und stellten Konsens und Mitwirkung der Parteien vor den Anspruch auf Rechtsdurchsetzung des Klägers und rechtliche Zwangsgewalt, Schlinker, Litis Contestatio, S. 650 f. 1637 StAW, Stb. 963, fol. 14v. 1638 Erwähnt ist dies ausdrücklich in einem weiteren Verfahren vom 05. 06. 1531 ­zwischen den Einwohnern von Erlabrunn einerseits und jenen von Oberleinach und Margetshöchheim andererseits, StAW, Stb. 963, fol. 16v. Der Eintrag im Ratsbuch ließ weitere Zeugenverhöre auff vorig Artickell zu und ermöglichte eine Entscheidung durch die Räte. War hierdurch eine Seite beschwert, sollte sie an das keyserlich Cammergericht appelliren, ebd. 1639 Eine erfolgreiche Einigung unter Vermittlung der Räte dokumentiert etwa StAW, Stb. 963, fol. 12r f., ohne dass hieraus die Wirkungen derselben für weitere gerichtliche Verfahren ersichtlich würden. Für gütliche Einigungen im Umfeld reichskammergerichtlicher Prozesse hat Amend-­Traut, Wie Prozesse enden können, S. 256 – 260, nachgewiesen, dass jedenfalls mit der nach einer erfolgten Einigung vorgenommenen renunciatio, also der Lossagung vom Prozess oder Aufhebung des Rechtsstreits, ebd., S. 238 m. w. N., auch prozessuale und materiell-­rechtliche Wirkungen verbunden wurden.

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3.  Appellationsverfahren Der maßgebliche Teil der Gerichtstätigkeit in der fürstlichen Kanzlei entfaltete sich im Rahmen des Kanzleigerichts an gesonderten Gerichtsterminen, an denen Appellationsverfahren gegen Urteile der Stadt- und Dorfgerichte oder des Landgerichts geführt wurden. Diese Appellationsverfahren wurden im Wesentlichen nach den gemeinrechtlichen Prozessmaximen des römisch-­kanonischen Prozessrechts geführt. In den Details unterschied sich die Ausgestaltung des Zivilprozesses an den verschiedenen Gerichten im Reich jedoch. Denn dem gelehrten Recht war der stilus curiae „genetisch einprogrammiert“ 1640, der abgesehen von der spezifischen juristischen Schreibkunst vor allem die Eigenarten der Rechtsprechung eines Gerichts und die vorrangig gegenüber der allgemeinen Ausgestaltung des Prozessrechts des ius commune zu berücksichtigenden Besonderheiten des gerichtlichen Verfahrens meinte. Diese können daher weniger als Ausnahmen, sondern vielmehr als spezifische Modifikationen des gemeinrechtlichen Verfahrens verstanden werden.1641 a.  Wesentliche Prozessmaximen des gemeinrechtlichen Verfahrens Anders als das mittelalterliche Verfahren vor den weltlichen Gerichten, das abgesehen von dem sich allmählich entwickelnden strafrechtlichen Inquisitionsprozess von Mündlichkeit und Öffentlichkeit geprägt war,1642 fand der gelehrte Prozess schriftlich (quod non est in actis, non est in mundo) und lediglich parteiöffentlich statt.1643 Zwar konnten die Prokuratoren als Parteivertreter vor Gericht auch mündliche Anträge, etwa auf Fristverlängerung, stellen, doch der Großteil des Verfahrens wurde schriftlich durchgeführt. Das gilt nicht nur hinsichtlich der zahlreichen, in der Regel durch die Advokaten angefertigten Schriftsätze, sondern auch bezüglich der Zeugenverhöre, die nach einem strengen Frage-­Antwort-­Raster durch einen Protokollführer verschriftlicht wurden.1644 Der Schriftlichkeitsgrundsatz, der für das kanonische Recht schon seit dem 4. Laterankonzil 1215 Geltung 1640 Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 4. 1641 Ebd., S. 3; Ranieri, Gerichtsgebrauch, Sp. 155 f. Andeutungsweise auch Sellert, Prozeß­ grundsätze und Stilus Curiae, S. 50. 1642 Wesener, Prozeßmaximen, Sp. 56. 1643 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 186; Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 118. Einschränkend hinsichtlich des Schriftlichkeitsprinzips jedenfalls im frühen romanisch-­kanonischen Verfahren Nörr, Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, S. 169 f. 1644 Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 160. Zum Zeugenverhör siehe S. 357 – 364.

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beanspruchte, war eine treibende Kraft zur Entwicklung des gelehrten Prozesses, der sich ausgehend vom kanonischen Recht allmählich auch vor den weltlichen Gerichten etablierte.1645 Er folgte der Verhandlungsmaxime, sodass nur von den Parteien vorgebrachte und von diesen grundsätzlich zu beweisende Tatsachen im Prozess berücksichtigt wurden (iudex secundum allegata et probata partium iudicare debet).1646 Dabei galt auch die Dispositionsmaxime, wonach der Prozess grundsätzlich der Verfügung der Parteien unterlag (iudex ex officio non procedit).1647 Der Prozess folgte dem Reihenfolgeprinzip, wonach die Handlungen der Parteien und des Richters in einem zeitlich-­logischen Verhältnis zueinanderstanden und das Verfahren dadurch zu einem stufenweisen Aufbau gelangte.1648 Dabei war es grundsätzlich geeignet, Prozessverschleppungen entgegen zu wirken, indem mit jedem Verfahrensschritt vormalig mögliche Verfahrenshandlungen präkludiert waren.1649 Gleichwohl führte das Verfahren im Interesse einer umfassenden Berücksichtigung des Parteivorbringens und der gesonderten Terminierung der einzelnen Verfahrensschritte, verbunden mit der grundsätzlichen Appellabilität auch der gefundenen Zwischenurteile, zu einer erhöhten Prozessdauer.1650

1645 Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 118. Insofern ist die in der älteren historischen Rechtswissenschaft, vor allem der Historischen Rechtsschule germanistischer Prägung, entwickelte Dichotomie von mittelalterlich-­germanischem Recht einerseits und frühneuzeitlich-­romanischem Recht andererseits, die sich in der späteren Unterscheidung von theoretischer und praktischer Rezeption manifestierte, eine zu starke Verallgemeinerung, Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 117 f., 125. Schon die auf dem roncalischen Reichstag 1158 unter Beratung Friedrichs I. durch die quattuor doctores entstandene Lex Regalia war unter römisch-­rechtlichem Einfluss zustande gekommen, Kannowski, Der roncalische Regalienbegriff, S. 170 – 174. Bereits im 13. Jahrhundert sind gelehrte Syndici in deutschen Städten nachweisbar, Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 125. Kurz darauf, um 1340, findet durch die Buch’sche Glosse eine deutschsprachige Auseinandersetzung mit dem Sachsenspiegel aus der Perspektive des gelehrten Rechts statt, ausführlich dazu Kannowski, Der Sachsenspiegel und die Buch’sche Glosse, S. 503 – 521, Kannowski, Zwischen Appellation und Urteilsschelte, S. 110 – 134; Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 125 – 127. 1646 Wesener, Prozeßmaximen, Sp. 58. 1647 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182; Roth, Güteverfahren, Sp. 627; Wesener, Prozeßmaximen, Sp. 58. 1648 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182; Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 37; Wesener, Prozeßmaximen, Sp. 58. 1649 Nörr, Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, S.  161; Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 37 1650 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 186; Nörr, Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, S. 161 – 163; Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 38 f.

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b.  Aktenführung in Appellationsverfahren Die Aktenführung in den gerichtlichen Appellationsverfahren lässt sich angesichts der wenig umfangreichen Überlieferung aus den Würzburger Beständen nur schlaglichtartig rekonstruieren. Da aber in reichskammergerichtlichen Appellationsverfahren stets die vorinstanzlichen Akten der territorialen Gerichte angefordert wurden, können hieraus wertvolle Erkenntnisse auch für das Kanzleigericht gewonnen werden. Diese sind allerdings nach dem Wesen der acta priora beschränkt. Denn in aller Regel 1651 wurden die durch den reichskammergerichtlichen Kompulsorialbrief angeforderten Akten der Vorinstanz nur abschriftlich ausgegeben. Während die Originalakten in der Kanzlei verblieben, wurde also für das instanziell übergeordnete Gericht eine gesonderte Ausfertigung erstellt. Dementsprechend fehlen Registraturvermerke der Kanzlei oder Botenrelationen 1652 stets, die etwa Hinweise auf die Übermittlungszeiten von Schriftstücken oder, durch Anmerkungen oder Unterstreichungen, auf Bearbeitungen durch Kanzleiräte oder -personal geben könnten. Ferner wurden anders als in den Beständen der Würzburger Kanzlei protokollarische Aufzeichnungen stärker paraphrasiert. Im Laufe des untersuchten Zeitraums änderte sich die Aktenführung allmählich. Zunächst hatte man die Akten stark an der Chronologie der Ereignisse orientiert. Die Gerichtsakte begann mit einer Supplikation und den darauf folgenden, seitens der Kanzlei ausgegangenen Schreiben wie Ladung, Inhibition und Kompulsorialbrief. Entsprechend der Aktenführung in Würzburg, soweit diese rekonstruierbar ist, scheinen Stück für Stück protokollarische Einträge zu den einzelnen Terminen angefertigt worden zu sein, denen dann die einzelnen Prozessschriften zu eben­jenen Terminen angehängt wurden. Dies hat zur Folge, dass etwa eine landgerichtliche Gerichtsakte, die in ein kanzleigerichtliches Verfahren eingebracht wurde, häufig mitten in der Akte zu suchen ist. Vereinzelt wurde die Kanzleigerichtsakte aber auch strukturell von der des Landgerichts getrennt und letztere erst den sämtlichen Aufzeichnungen des kanzleigerichtlichen Verfahrens nachgeordnet.1653 Bis etwa 1530 wurden die an das Reichskammergericht übersandten Akten noch recht unübersichtlich gestaltet: Protokollarische Einträge wurden in aller Regel optisch 1651 Es scheint gelegentlich Ausnahmen von d ­ iesem Vorgehen gegeben zu haben. In einem Verfahren, das von 1566 bis 1574 am Reichskammergericht geführt wurde, BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477), waren seitens der Würzburger Kanzlei offenbar die (später gebundenen) Originale oder doch zumindest von den Parteien erstellte Zweitschriften als Gerichtsakte der Vorinstanz eingereicht worden. 1652 In der Botenrelation gab der Bote auf dem zuzustellenden Schriftstück Bericht über die Zustellung und insbesondere darüber, wann er ­dieses wem zugestellt hatte oder ob etwa die Annahme verweigert worden war, vgl. auch DRW XI, Relation (II), Sp. 845. 1653 So etwa BayHStA, RKG 3536, Q6.

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nicht von den Parteieingaben getrennt, sondern in fortlaufendem Text im Wechsel wiedergegeben.1654 In der Echterzeit hat sich dann noch vor der Jahrhundertwende eine andere Darstellungsform bei der Ausgabe der vorinstanzlichen Akten eingebürgert.1655 Die Akten der ersten Instanz, also meist des Landgerichts, wurden fortan strukturell stärker von denen des Kanzleigerichts getrennt, sodass im Grunde eine zweiteilige Akte vorlag. Dem zweiten Teil wurde dann ein Verhandlungsprotokoll vorangestellt, das dem reichskammergerichtlichen Spezialprotokoll 1656 ähnelt und alle Verhandlungstermine zu enthalten und auf sämtliche Parteieingaben hinzuweisen scheint.1657 Die Parteischriften selbst wurden dann erst nach der vollständigen Wiedergabe des Protokolls abschriftlich wiedergegeben, das auch Zwischen-, Bei- und Endurteile des Kanzleigerichts enthielt. Über den Untersuchungszeitraum lässt sich summa summarum eine Zunahme des Aktenumfangs erkennen, die freilich von Verfahren zu Verfahren schwankte. War etwa auf die artikulierten Beweisartikel einer Partei eine Zeugenbefragung durchgeführt worden, die dann Antwort für Antwort und Zeuge für Zeuge in den Akten niedergelegt wurde, konnte schon durch die Wiedergabe dieser Kundschaft ein großer Teil der Akte gefüllt werden. Um die Wende zum 16. Jahrhundert und im ersten Viertel desselben umfassten die Akten gelegentlich nur wenige Seiten, während sie in der Folgezeit häufig weit über 100 Blatt enthalten konnten. In einer Gerichtsakte aus dem Jahr 1575 etwa war schon die Landgerichtsakte 287 Blatt stark, sodass ein Gesamtumfang der Kanzleiakte von gut 1000 fast durchgängig beschriebenen Seiten erreicht wurde.1658 Generell nahm auch die Verwendung der lateinischen Rechtssprache deutlich zu, sodass eine Reihe von zunächst eher untechnischen Bezeichnungen durch lateinische Standardwendungen ersetzt wurden. So wurde der Appellant in einer Prozessschrift aus dem Jahr 1512 noch als appellierer 1659 bezeichnet oder von einer Partei beziehungsweise dem Kanzleigericht, anstelle der ­später üblichen dilation, 1654 Vgl. etwa BayHStA, RKG S1230 (Bestellnr. 12524), Q5, und RKG 5151, ohne [Q], aus den Jahren 1526 bzw. 1529. 1655 Vgl. etwa BayHStA, RKG 1265 (1595), Q3, 4215 (1592), Q9, 5676 (1606), Q14. 1656 Es handelt sich dabei um Aufzeichnungen zu den jeweiligen Sitzungsterminen in chronologischer Reihung, die am linken Blattrand mit quadratisch gerahmten Ziffern, sog. Quadrangeln, auf die ggf. eingereichten Prozessschriften verweisen, vgl. dazu auch Baumann, Die quantifizierende Methode, S. 59. 1657 Mangels einer Würzburger Überlieferung aus dieser Zeit ist nicht rekonstruierbar, ob sich auch die Aktenführung in der Kanzlei entsprechend wandelte oder ob nur die für das Reichskammergericht ausgefertigten Gerichtsakten eine andere Gestalt erhielten. 1658 BayHStA, RKG 4356, Q5. 1659 BayHStA, RKG 7130, fol. 6r.

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schub 1660 erbeten und gewährt. Besonders deutlich wird diese Entwicklung in den Protokolleinträgen zu den einzelnen Sitzungen, die insbesondere im Übergang zum 17. Jahrhundert praktisch alle wesentlichen Prozesshandlungen in lateinischer Rechtssprache verzeichneten. In den Parteischriften ist diese Tendenz ebenfalls erkennbar, aber weniger augenfällig, da sich die Advokaten, die mit der Anfertigung der Schriften betraut waren, häufig auf Digestenstellen oder andere autoritative Rechtstexte gelehrter Juristen bezogen, die ohnehin lateinisch abgefasst worden waren und auch entsprechend allegiert wurden. c.  Fallstudie: Melber gegen Schneider Ein Großteil der Verfahren am Kanzleigericht waren Appellationsverfahren, die von den Stadt- und Dorfgerichten des Hochstifts oder dem Landgericht im Wege der Appellation gegen ein untergerichtliches Urteil an die Kanzlei gelangten. Zur Illustration des Verfahrens am Kanzleigericht und zur Verdeutlichung des Verhältnisses von Normen und Gerichtspraxis zueinander soll der zumeist normativen Darstellung ein gerichtliches Verfahren als Beispiel gegenübergestellt werden. Es handelt sich um ein Verfahren, das im Frühjahr 1569, nach einem Urteil des Dorfgerichts Obervolkach im Herbst des Vorjahres, an das Kanzleigericht gelangte und erst 1576 abgeschlossen werden konnte.1661 Streitgegenständlich handelte es sich um ein Verfahren wegen sogenannter Verbalinjurien, also um verleumderische Ehrverletzungen und Schmähungen. (1)  Auswahlkriterien Naturgemäß kann die Auswahl eines bestimmten Verfahrens aus den immerhin knapp über einhundert in den Beständen des Reichskammergerichts überlieferten Prozessen am Kanzleigericht nicht alle Einzelheiten der Gerichts- und Verfahrenspraxis abbilden.1662 Gleichwohl erscheint der Fall in vielfacher Weise besonders dazu geeignet, den Verfahrensgang zu illustrieren: 1660 BayHStA, RKG 7130, fol. 8r und unfol. (die Akte ist nur teilweise foliiert). 1661 StAW, Admin. 18432. 1662 Dieser Mangel kann auch nicht durch quantitative Erhebungen kompensiert werden. Eine zahlenmäßige Auswertung, etwa zu Parteien oder Streitgegenständen, würde schon wegen der bestehenden Appellationsprivilegien, die dazu führten, dass der Hauptteil der am Kanzleigericht geführten Verfahren gar nicht an das Reichskammergericht gelangen konnte, keine allgemeinen Aussagen über die Kanzleigerichtsbarkeit ermöglichen. Zu der

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Erstens handelt es sich um eine von wenigen Akten aus den Beständen des Staatsarchivs Würzburg und nicht um eine Kopie der Akten, die als acta priora an das Reichskammergericht nach Speyer gelangten. Daher ist hierin eine hinsichtlich der Aktenführung in Würzburg authentischere Quelle zu sehen als in abschriftlichen Beständen. Es sind deshalb auch gerichts- oder verwaltungsbezogene Vermerke oder Notizen und Botenrelationen erkennbar, deren Kopie für die nach Speyer übergebenen Akten aus Sicht der Zeitgenossen unerheblich erscheinen musste. Ferner handelt es sich bei allen Dokumenten um Originale oder Zweitschriften des ursprünglichen Ausstellers, sodass der Inhalt vollumfänglich auf den Urheber zurückgeht. Gleichwohl ist auch die Gegenüberlieferung der Akte in den Beständen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs zu Vergleichszwecken erhalten.1663 Zweitens handelt es sich um eine recht umfängliche Akte aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in der das Kanzleiverfahren nicht nur bereits verstetigt war, sondern aus der gegenüber der ersten Jahrhunderthälfte tendenziell umfänglicheren Aktenführung recht gut ersichtlich wird. Ferner wurde in dem herangezogenen Verfahren auch ein eigenes, den Umfang der Akte begründendes Beweisverfahren durch das Kanzleigericht durchgeführt. Das war alles andere als selbstverständlich. Denn gerade wenn, wie angesichts der Überlieferungssituation häufig, das Ausgangsverfahren am Landgericht geführt worden war, hatte ­dieses oft bereits umfängliche, aus den Akten ersichtliche Zeugenvernehmungen hervorgebracht, die eine erneute Kundschaft durch die Räte entbehrlich machten. Drittens bildet die Akte ein kanzleigerichtliches Verfahren ab, das schwerpunktmäßig ­zwischen 1569 und 1573 stattfand, also noch vor Fertigstellung der Landgerichtsordnung im Jahr 1580. Es ist daher auch dazu geeignet, das Verhältnis von Norm und Praxis zu erhellen und insbesondere zu zeigen, dass die Praxis der Norm nicht selten vorausging. Viertens bildet mit dem Dorfgericht Obervolkach ein wenig professionalisiertes lokales Gericht den Ausgangspunkt des Prozesses. Diese Tatsache eröffnet nicht nur den Blick auf das Zusammenwirken desselben mit der Kanzlei als territorialem Obergericht, sondern auch auf die Bedeutung, die ein langwieriges gerichtliches Verfahren über drei Instanzen hinweg für die Parteien und darüber hinaus auch für sonstige lokale Beteiligte haben konnte. Fünftens schließlich handelt es sich bei dem Verfahren um einen recht „alltäglichen“ Fall. Die Beteiligten waren einfache Dorfbewohner, die nicht über ein besonders großes Vermögen verfügten und daher wahrscheinlich auch keine völlig atypischen Mittel aufbrachten, um den Prozess zu ihren Gunsten zu lenken. Auch angesichts des Quellenbestands mangelnden Zweckmäßigkeit einer quantitativen Erhebung für das Untersuchungsziel siehe bereits S. 34 – 37. 1663 BayHStA, RKG 6943.

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eine politische Einflussnahme, wie sie etwa bei bedeutenden fränkischen Adels­ familien denkbar wäre, die über das Domkapitel, aber auch die adeligen Hofräte eine große Nähe zur fürstbischöflichen Verwaltung hatten, ist auszuschließen. Ebenso ist der Fall auch nach seinem Streitgegenstand ein alltäglicher, denn Ehrkonflikte waren in der Frühen Neuzeit und darüber hinaus überaus zahlreich und führten nicht selten zu gerichtlichen Verfahren.1664 Seltener wurden sie aber an den oberen Territorial- oder gar Reichsgerichten notorisch, da der dazu erforderliche Streitwert häufig nicht erreicht wurde.1665 (2)  Ausgangslage: ein dorfgerichtliches Injurienverfahren Vor dem Dorfgericht Obervolkach klagte Clemens Schneider anstatt seiner stieff und rechtgemachte[n]1666 dochter Appollonia Löbler gegen den Müller Hieronymus Melber anstat seiner ehelichen hausfrauen, die ebenfalls den Namen Appollonia trug,1667 und ferner gegen Albrecht Engelharts Ehefrau Barbara.1668 1664 Fuchs, Um die Ehre, passim; Schreiner/Schwerhoff, Verletzte Ehre, S. 2, 12 f. Speziell zum Stellenwert von Ehre und Gewalt im dörflichen Alltag im 17. und 18. Jahrhundert Frank, Ehre und Gewalt im Dorf, passim. 1665 Darauf, dass vor dem Reichskammergericht in der Regel „Streitigkeiten auf einem gewissen Level“ ausgetragen wurden, w ­ elche die territoriale und lokale Gerichtsbarkeit nur schlaglichtartig widerspiegeln, hat bereits Fuchs, Um die Ehre, S. 71, hingewiesen, der gleichwohl für Westfalen ­zwischen 1525 und 1805 immerhin 155 Injurienprozesse vor dem Reichskammergericht ausmachte. 1666 Offenbar war es im Wege eines landgerichtliches Verfahrens möglich, ein Stiefkind derart anzunehmen, dass ein Rechtsverhältnis ­zwischen dem Annehmenden und dem Kind entstand, das jenem mit einem leiblichen Kind entsprach. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelte es sich hier um eine vom Landgericht zu bestätigende, vgl. LGO 1618, 3. Teil, Tit. 114, § 1, Einkindschaft, die dazu führte, dass ­zwischen den Beteiligten ein Eltern-­ Kind-­Verhältnis begründet wurde, das in Erbgerechtigkeiten und allen andern Stücken dermassen geachtet und gehalten wurde, alß wann die Kinder ihre [der Eltern, Anm. JB] recht, natürliche Kinder, und sie der Kinder recht natürliche Eltern weren, ebd., Tit. 118, § 1; siehe dazu schon S. 70. Im Verfahren nahm der Stiefvater Appolonia Löblers dann wohl die Rolle eines Curators, also eines Verfahrenspflegers oder -vormunds ein, da – jedenfalls im Hochstift Würzburg – Frauen ohne Ehemann eines solchen im Prozess bedurften, ebd., Tit. 7, § 7. Vgl. diesbezüglich auch Koch, Die Frau im Recht, S. 84 f. 1667 StAW, Admin. 18432, unfol. 1668 Frauen konnten – bei allen regionalen oder standesmäßigen Unterschieden im Detail – häufig weder als Beklagte noch als Klägerinnen ohne einen Vormund vor Gericht auftreten, Koch, Die Frau im Recht, S. 84 f. Es scheint aber auch im Hochstift Würzburg Unterschiede gegeben zu haben, denn die im Ausgangsverfahren beklagte Amme Barbara Engelhart erscheint in den Akten häufiger ohne Nennung ihres Ehemanns. Das könnte

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Es handelte sich streitgegenständlich um ein Verbalinjurienverfahren,1669 das sich auf eine von der Müllerin ausgegangene Verleumdung und Beleidigung gegenüber ihrer Dienstmagd Appollonia Löbler bezog. Die Müllerin hatte gegenüber der Amme Barbara Engelhart behauptet, ihr Ehemann habe im Bachlauf ein Bündel Unterhemden gefunden. Dieses sei dann durch eine junge Frau, die Kindermagd des Müllers, geöffnet und ein Knabe darin aufgefunden worden. Als die Müllerin, die Amme und die Kindermagd an die Stelle kamen, an der das Kind gewesen sein sollte, war ­dieses dort nicht aufzufinden. Die Amme ging schließlich zum örtlichen Schultheißen als obrigkeitlichem Statthalter, um die Angelegenheit anzuzeigen. Als sie diesen nicht auffinden konnte, machte sie gegenüber dem Bürger- oder Dorfmeister eine entsprechende Anzeige. Dieser ließ den Knaben im Bach vergeblich suchen und nahm daraufhin die Dienstmagd des Müllers vorübergehend in Haft. Bei der folgenden Gerichtsverhandlung offenbarten sich weitere Details des Falles: Die Amme verteidigte sich vor dem Dorfgericht damit, dass die Müllerin, die ferner behauptet haben sollte, das das kintlin jngesteckt, […] warlich ihrer mägdt gewesen sei, sie energisch dazu bewogen hatte, die Anzeige beim Schultheißen zu machen, obwohl sie sich ein solchs gewägert, unnd nicht hatte thun wöllenn.1670 Erst nachdem sie von der Müllerin umbs jüngstenn Gerichts willen zur Anzeige gedrungen worden war, sei sie dem Wunsch nachgekommen.1671 Ferner hatte die Amme selbst den Knaben nicht gesehen und sich diesbezüglich nur auf die Aussage der Kindermagd berufen. Diese hatte aber, gemäß der späteren Aussage des ­Schultheißen der Stadt Volkach im Verfahren vor dem Kanzleigericht, nachdem sie vom Obervolkacher Schultheißen sampt etzlichenn gerichtsmennernn […] mit ernst, mit bedrohung einer straff gefragt 1672 worden war, bekannt, dass auch sie den Knaben nicht gesehen hatte. Ihr sei aber für die Aussage ein kirben umb einen halben allerdings daran liegen, dass sie nicht als Appellantin in Erscheinung trat und ­später durch das Kanzleigericht nicht verurteilt wurde. Ansonsten ging die Vormundschaft in ihren Wirkungen über eine bloße Vertretung im Prozess hinaus. Denn aus den ­später im Rahmen der Vollstreckung ergangenen executoriales wird ersichtlich, dass der Müller wegen der durch seine Ehefrau ergangenen Injurien selbst verurteilt wurde, StAW, Admin. 18432, unfol. Inwieweit ­zwischen volljährigen, unverheirateten Frauen, verheirateten Frauen und Witwen, die in ihrer gesellschaftlichen Stellung und Handlungsfreiheit zu Beginn der Frühen Neuzeit nicht dieselbe Rechtsposition innehatten, Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln, S. 30 f., im Hochstift Würzburg prozessuale Unterschiede gemacht wurden, lässt sich nicht ermitteln. 1669 Siehe hierzu bereits Anm. 941. 1670 StAW, Admin. 18432, unfol. 1671 StAW, Admin. 18432, unfol. 1672 StAW, Admin. 18432, unfol.

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­gulden von der Müllerin verheißen worden.1673 Die Müllerin verteidigte sich damit, dass solcher boser leymut nicht von ihr, sondern von der Kindermagd ausgegangen sei, die ursprünglich behauptet habe, einen Knaben in dem Bündel gesehen zu haben.1674 Ferner habe sie der Kindermagd tatsächlich einen Korb für ihre Aussage versprochen, habe diese damit aber nur zur Wiedergabe der Wahrheit und nicht zu einer bestimmten Aussage bewegen wollen. Die erhobenen Vorwürfe gegen die Dienstmagd Appollonia Löbler waren gravierend, denn abgesehen von der angesichts der hohen Bedeutung der Virginität in der frühneuzeitlichen Gesellschaft 1675 schwerwiegenden Unterstellung mangelnder Keuschheit der unverheirateten Magd hätte diese im Falle der gerichtlichen Beweisbarkeit der Vorwürfe im schlimmsten Falle eine Verurteilung wegen Kindstötung zu befürchten gehabt.1676 Vielleicht war auch deshalb neben dem Schultheißen zu Obervolkach, der als Richter am Dorfgericht fungierte, der Schultheiß der Stadt Volkach über das Verfahren in Kenntnis gesetzt worden. Denn in Volkach gab es nach einem aus dem Jahr 1432 stammenden Privileg, das Eingang in das Echter’sche Zentbuch des Jahres 1575 fand, ein Halsgericht der städtischen Ratsherren, dem entweder ein Würzburger oder Casteller Schultheiß als Richter vorsaß.1677 Möglicherweise hätte hier das peinliche Verfahren gegen die Dienstmagd geführt werden sollen, falls sich die Vorwürfe gegen sie erhärtet hätten. Sicher ist das allerdings nicht, denn jedenfalls auf Grundlage normativer Quellen aus der Zeit Julius Echters war das Halsgericht in Volkach lediglich für die Stadt selbst zuständig, während die peinliche Gerichtsbarkeit für das Dorf Obervolkach von der Zent Stadtschwarzach ausgeübt wurde.1678 1673 StAW, Admin. 18432, unfol. Mit der in der Akte mehrfach erwähnten kirbe oder kirbey ist wahrscheinlich, in Anlehnung an die Nebenform Kürbe oder das bayerische kirbm oder kirm, ein Korb gemeint, vgl. Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 11, Sp. 2796 („Kürbe“); Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. 1, Sp. 1791 („kürbe“). 1674 StAW, Admin. 18432, unfol. 1675 Vgl. diesbezüglich Fuchs, Um die Ehre, S. 231, 327; Koch, Die Frau im Recht, S. 87. 1676 Vgl. Art. 131 Constitutio Criminalis Carolina. Abgesehen von der Kindstötung, wäre nach Art. 132 CCC auch das Aussetzen eines lebendigen Kindes mit einer Strafe an Leib und Leben zu ahnden gewesen. Aus den ­später im Rahmen der Vollstreckung ergangenen executoriales wird ersichtlich, dass die Verurteilung des Müllers und seiner Frau tatsächlich wegen der ausgegoßene[n] jniurien, und abscheulichen bezichtigung, eines khindtsmordts halben erfolgte, StAW, Admin. 18432, unfol. Der vorliegend untersuchte Fall stellt vor allem für das 16. und 17. Jahrhundert keine Ausnahmeerscheinung dar. Dementsprechend hat bereits Fuchs, Um die Ehre, insb. S. 289 – 293, 322 – 324, 328 – 330, diejenigen Injurienprozesse, die zur Abwehr gegen Vorwürfe krimineller Handlungen dienten, als eine eigene Gruppe von Injurienverfahren ausgewiesen. 1677 Knapp, Zenten des Hochstifts, Bd. 1,2, S. 1172. 1678 Ebd., Bd. 1,2, S. 1171 (Zentbuch aus dem Jahr 1575), S. 1123 f. (1589).

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Die Amme Barbara Engelhart wurde von der Klage ledig gesprochen und sollte nichts denn gewonliche uffgeloffene Gerichts schedenn zu erstattenn schültig sein.1679 Der Schwere der Vorwürfe entsprechend war das Urteil des Dorfgerichts gegen die anderen Beklagten hart. Deren Verteidigung hatte offenbar keine Früchte getragen und so verurteilte das Gericht den Müller Hieronymus Melber und seine Frau uf Mittwochen nach Martinj, also am 17. November 1568 zum öffentlichen Widerruf, der in das Obervolkacher Gerichtsbuch einzutragen war, zur Tragung der Kosten des Verfahrens und zur Zahlung von 100 Gulden Gemeiner landswehrung, worunter ausweislich des weiteren Verfahrens am Kanzleigericht und gemäß den Würzburger Gepflogenheiten rheinische Gulden verstanden wurden.1680 Damit war eine zwar keines­wegs unübliche,1681 aber doch erhebliche Summe ausgesprochen, die das Gericht daher in drei jährlichen Raten zu 33 und 34 Gulden zur Zahlung anordnete. Ein Würzburger Handwerksmeister verdiente etwa zur gleichen Zeit z­ wischen 30 und 36 Pfennige am Tag, ein Huhn beispielsweise kostete in der bischöflichen Residenzstadt 1577, also neun Jahre nach dem Urteil, 15 Pfennige, was bei einem Umrechnungsverhältnis von 1:168 knapp ein Elftel eines Guldens bedeutete.1682 Aufschluss über die Bedeutung der Summe liefern auch die Angaben der im späteren Kanzleiverfahren gehörten Zeugen zu ihrem Vermögen: Vier der Zeugen gaben an, über kein größeres Vermögen zu verfügen, während der Stadtschreiber 3000, die Schultheißen von Volkach und Obervolkach jeweils 1000 und ein heckers man, also wahrscheinlich ein Inhaber eines Weinguts, 600 Gulden als Vermögen auswiesen.1683 Über die Höhe der seitens des Klägers erstinstanzlich geforderten Summe enthält die Gerichtsakte keine Informationen. Häufig begannen Injurienverfahren aber mit einer Schätzung des Streitwerts durch den Kläger im Wege eines Ästimationseides, wie dies bereits die Wormser Reformation von 1498 oder die ­Reichskammergerichtsordnung des 1679 StAW, Admin. 18432, unfol. 1680 Dementsprechend sprach das Urteil im kanzleigerichtlichen Verfahren am 26. 05. 1573 Appollonia Löbler ein hundert gulden Reinischer Landtswehrung zu franckenn und im Falle ihrer Verheiratung eine Aussteuer von 25 fl. Reinisch zu. Wahrscheinlich waren zu dieser Zeit also wie noch in den Dreißigerjahren des 16. Jahrhunderts, Elsas, Umriss einer Geschichte der Preise, Bd. 1, S. 126, rheinischer und fränkischer Rechnungsgulden identisch, während man Ende des 17. Jahrhunderts für 100 fränkische Gulden 125 rheinische rechnete, ebd., S. 128. 1681 Sanktionen in dieser Größenordnung waren etwa auch in Westfalen üblich, Fuchs, Um die Ehre, S. 192. 1682 Sporn, Wirtschaftsgeschichte Würzburgs, S. 406 f., 416. Ein Gulden war in Würzburg noch im späten 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu 165 Pfennigen umgerechnet worden, Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 5. Ein Stadtratsbeschluss vom 25. 09. 1550 stellte allerdings die Umrechnung zu 168 Pfennigen klar, StadtAW, Rp 11, fol. 74v. 1683 StAW, Admin. 18432, unfol.

Geschäftsgang und Verfahren

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Jahres 1521 vorgesehen hatten.1684 Neben diese empfindliche finanzielle Sanktion trat der öffentliche Widerruf, welcher der Wiederherstellung der Ehre der zu Unrecht Bezichtigten und ihrer Familie diente und ein geradezu typisches Merkmal der Gerichtspraxis im Rahmen von Injurienprozessen darstellte.1685 Obwohl sich die tatsächlichen Ereignisse z­ wischen den beteiligten Frauen abgespielt hatten, musste das rechtliche Verfahren in allen drei Instanzen ­zwischen den zur Vertretung berufenen Männern, hier also Vater beziehungsweise Ehemann, durchgeführt werden. Dabei handelte es sich nicht lediglich um Postulationsfähigkeit oder Prozessführungsbefugnis im modernen Sinne. Das zeigt sich schon daran, dass der beklagte Müller den Prozess nicht etwa nur für seine Frau führte, sondern auch selbst für die von ihr ausgegangenen Injurien haftete, also durch das Urteil selbst zur Zahlung verpflichtet wurde. Abgesehen davon darf die Beteiligung des Stiefvaters Clemens Schneider auf Klägerseite nicht ausschließlich mit der verminderten prozessrechtlichen Stellung von Frauen erklärt werden.1686 Denn nach dem Ehrverständnis des 16. Jahrhunderts wirkte die erfolgte Ehrschädigung der Tochter auf die Familie und somit auf den Vater selbst ein, der darum auch berechtigt war, die Kompensation des Schadens zu verlangen.1687 d.  Zuständigkeit Die Kanzlei war in gerichtlichen Verfahren in erster Linie als Appellationsgericht zuständig. Die Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 enthält hinsichtlich der gerichtlichen Tätigkeit der Räte noch eine recht offene Formulierung, wonach, um die Räte vor unnötiger Arbeit zu s­chützen, kain sach, der halb die partheyenn gegen ainander jnn rechtvertigung gewachsen, on verwilligung ansuchen unnd bitte der selbigen fur gedachte unnsere Rethe gezogen werden sollten, es werenn dann sachenn, die der Bischof vor sich oder die rethe ob zufordern, schuldig war.1688 Möglicherweise wollte man mit der Regelung verhindern, dass die Kanzlei Prozesse an sich zog, in denen die Untergerichte im Hochstift wegen schwieriger Verfahrensfragen Rat in der Kanzlei gesucht hatten.1689 Denkbar ist auch, dass schlicht Suppliken von 1684 Fuchs, Um die Ehre, S. 52. Häufig lag diese Schätzung durch den Kläger deutlich über der ­später im Urteil ausgesprochenen Summe, ebd., S. 192. 1685 Ebd., S. 54, 329. 1686 Zur Rechtsstellung von Frauen im Verfahren siehe bereits Anm. 1666 und 1668. 1687 Fuchs, Um die Ehre, S. 230 f., 252. 1688 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9v. 1689 Dafür kann als Indiz gelten, dass die Regelung mit Sachenn an den gerichten hangent nit fur die Cannzley zuziehen überschrieben wurde, vgl. Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9v.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

Personen unterbunden werden sollten, die sich als Partei in einem rechtshängigen Gerichtsverfahren befanden und gleichwohl gegen den Willen der Gegenseite beabsichtigten, die fürstlichen Räte mit der Sache zu befassen und so den vorgesehenen Instanzenzug zu umgehen oder zu beschleunigen. Welche Verfahren es waren, in denen die in der Ordnung angesprochene Schuldigkeit bestand, sie vor den Räten zu verhandeln, wird nicht ersichtlich. Eventuell wurden hierunter auch Appellationverfahren subsumiert. Konkreter wird hingegen schon die folgende Kanzleiordnung des Jahres 1546, die statuierte, dass fortan kein partheien Sache, die in der Stadt Würzburg an geistlichen oder weltlichen Gerichten oder auch andern gerichten hin und wider in unserm Stift anhängig war oder von rechts und billigkeit wegen an dieselben ­zuerorteren gehoren, zu gutlicher verhore oder rechtlichen austrag fur unsere rathe gezogen werden, sondern an den genannten Gerichten bleiben oder an diese verwiesen werden sollte, sofern nicht ein gesonderter Befehl diesbezüglich ergangen war oder durch die beschwerten partheien ordenlich vermog der recht und unsers Stifts herbrachten gebrauch nach in unser Cantzlei appellirt wurde.1690 Offenbar hatte man diese Regeln nicht immer konsequent beachtet. Denn es sei mehr als einmal vorgekommen, das etliche sachen an den ordenlichen gerichten hangend uf beschehene furbit, und furderung davon, und etwan on willen des ainen teils fur gemelte unsere Cantzlei getzogen worden waren und darumb, das die gute bei den partheien nit stat finden mogen, zu letzt um entlichen entschaide und erkentnus an das vorig recht wider geschoben, und remittirt worden sein.1691 In diesen Verfahren war also durch eine Partei versucht worden, auch außerhalb von Appellationsverfahren eine Behandlung der Streitsache durch die fürstlichen Räte zu erreichen. Diese hatten dann offenbar einen Termin anberaumt, um eine gütliche Einigung ­zwischen den Parteien zu erzielen, die jedoch scheiterte. Dadurch sei nicht nur den Räten vleißs muhe und arbait entstanden, sondern auch der partheien chosten, darlegung und versaumnus gesteigert worden.1692 Schließlich sei auch die Edelheit […] on frucht und umb sonst verhort worden und es hatten daneben unser und unsers Stifts gerichtliche handlung und gebrechen sachen, daran uns unnd unserm Stift nit wenig gelegen, stil stehen und ruhen müssen.1693 Fortan sollten die Untertanen ihre streitigen Angelegenheiten zunächst von iren ambtleutten, oder vor iren ordenlichen gerichten entscheiden lassen.1694 Bemerkenswert ist in d ­ iesem Zusammenhang jedoch, dass beide Ordnungen auf den entgegenstehenden Willen zumindest einer der Parteien 1690 1691 1692 1693 1694

Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 334. Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333. Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333. Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333. Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333.

Geschäftsgang und Verfahren

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rekurrierten. Dies lässt vermuten, dass ein rechtshängiges untergerichtliches Verfahren der Kontrahenten nicht zwingend einen Gütetermin vor den Räten ausschloss, wenn beide Parteien darum baten. Die folgenden Kanzleiordnungen mit Ausnahme der des Jahres 1551, ­welche die Anordnungen von 1525/1526 schlicht wiederholte, enthielten keine entsprechenden Regelungen mehr. Möglicherweise war die Zuständigkeit der Kanzlei in Appellationsverfahren mittlerweile stärker konturiert, sodass es zu einer Befassung der Räte in erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr häufig kam und daher eine Regelung diesbezüglich nicht mehr als notwendig erachtet wurde. Damit war allerdings nur angeordnet, dass der Instanzenzug eingehalten werden musste, bevor ein Verfahren im Wege der Appellation an das Kanzleigericht gelangen konnte, ohne dass damit zugleich geregelt wurde, ­welche Verfahren überhaupt im Appellationswege einer Überprüfung durch die fürstlichen Räte zugänglich waren. Wie auch vor den Reichsgerichten sollten besonders niederschwellige Verfahren mit einem geringen Streitwert aus Gründen der Prozessökonomie nicht durch die Obergerichte überprüft werden. Um Kosten und verderblichenn ­schadenn für die Parteien zu vermeiden und damit bei anndern hochwichtigernn ­sachenn kein Verzug entstand, war im Hochstift als erforderliche Appellationssumme ein Streitwert von mehr als zehn oder – bei stadtgerichtlichen Urteilen – zwölf Gulden in der Hauptsache verlangt.1695 Nach einem Mandat des Jahres 1529, das diesbezüglich auf ein einerseits in Vergessenheit geratenes und andererseits mutwillig außer Acht gelassenes loblich herkomenn rekurrierte, waren davon bestimmte Streitgegenstände, namentlich Zinß, erbschafft dinstparkeit, unnd schmach ausgenommen, die gleichwohl von den obergerichtenn im Rahmen der Appellation angenommen werden durften, wie sie dann in geschribenn Rechten etwass hoher dann anndere, begunstiget waren.1696 Zu den formalen Voraussetzungen für die Appellation enthalten die Kanzleiordnungen keine dezidierten Angaben. Aus der Landgerichtsordnung des Jahres 1506 ergibt sich allerdings, dass die Appellation vom Landgericht nur mit dem Urteilsbrief möglich sein sollte. Der Landrichter hatte in ­diesem die Frist 1695 So ein Mandat Konrads von Thüngen aus dem Jahr 1529, StAW, ldf 27, S. 368 f., und die entsprechenden Einträge in der Hohen Registratur, StAW, Stb. 1011, fol. 70r (von gerichtlichen sachen die nit uber x fl. antreffen, nit hiher gein W. zuappelliren) und 276v f. (sachen die appellation weis von dem Landgericht und anderen des Stiffts stat oder dorfgerichten dahin komen und mer dan x fl. antreffen). An anderer Stelle wird unter Beibehaltung dieser Appellationssumme für die Dorfgerichte für Stadt- und Marktgerichte eine Abweichung formuliert, wonach dem alten herkomen nach in sachen 12 fl. und darunter betreffend, von den stat oder marcktgerichten niemant appellieren sollte. Siehe dazu bereits S. 209 und Anm. 1086. 1696 StAW, ldf 27, S. 369.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

anzugeben, innerhalb derer die Appellation zu verfolgen war.1697 Ob derartige Anweisungen auch für andere Gerichte galten, ist ungewiss. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Gerichte im Hochstift und dem im Verhältnis zum Landgericht wohl eher niedrigen Grad an Professionalisierung und Ausstattung der niederen Gerichtsbarkeit dürfte die Annahme einer solchen Praxis an allen Gerichten im Hochstift zu weit gehen. e.  Eröffnung des Appellationsverfahrens Über die formellen Voraussetzungen der Appellation an das Kanzleigericht geben die Kanzleiordnungen keine Auskunft. Ebenso fehlt für das Hochstift eine gesonderte Kanzlei- oder Hofgerichtsordnung.1698 Auskunft über das Verfahren zu Beginn des 17. Jahrhunderts gibt aber die Landgerichtsordnung des Jahres 1618, die im Wesentlichen mit jener aus dem Jahr 1580 identisch ist. Zwar beziehen sich die Anordnungen ausdrücklich nur auf das Appellationsverfahren am Landgericht. Im 38. Titel des zweiten Teils der Ordnung, der nur einen Paragraphen enthält, ist allerdings niedergelegt, dass von Urteilen so an gesagtem unserm Keyserl[ichen] Landgericht außgesprochen, […] aller dings wie nechst hieoben Tit. XXXIII . von den Appellationibus, so von den undergerichten an ermelt unser Landtgericht furgenommen werden[,] disponiret unnd verordnet, an unser Hoff- und Cantzley Gericht, ferners sich zuberuffen sei.1699 Diese in der Landgerichtsordnung von 1580 noch nicht enthaltene und geradezu modern anmutende umfängliche Verweisungsnorm, aus der sich auch die bis dato verfestigte Bezeichnung des Gerichts der Räte als Hofund Kanzleigericht ergibt, galt explizit zwar nur für Verfahren, in denen gegen Urteile des Landgerichts appelliert werden sollte. Gleichwohl dürfte angesichts des Übergewichts dieser Verfahren an der Kanzlei, das sich aus der Überlieferung der Reichskammergerichtsakten ergibt, ein bedeutender Teil der an die Kanzlei gelangten Verfahren erfasst gewesen sein. Ferner ist davon auszugehen, dass das Verfahren am Kanzleigericht in Appellationssachen wohl kaum in Abhängigkeit von den verschiedenen Untergerichten variierte, von deren Urteilen sich die Parteien an das Kanzleigericht beriefen. Überdies wurde zumindest der prozessuale 1697 LGO 1506, StAW, ldf 19, S. 197. Zu den landgerichtlichen Urteilsbriefen siehe bereits Anm. 521. 1698 Merzbacher, Fürstbischof Julius Echter, S. 467, behauptet die Existenz einer Hofgerichtsordnung aus dem Jahr 1586 ohne Angabe einer Fundstelle. Eine entsprechende Ordnung ließ sich im Staatsarchiv Würzburg allerdings weder als Archivalie auffinden noch in den Findmitteln nachweisen. 1699 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38, § 1.

Geschäftsgang und Verfahren

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Teil der Landgerichtsordnung maßgeblich von den fürstlichen Räten ausgearbeitet, sodass dieser wohl ohnehin in Einklang mit dem Kanzleigerichtsverfahren stand. Die Anordnungen der Landgerichtsordnung spiegeln das gemeinrechtlich geprägte Verfahren wider, wie es in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1555 Niederschlag gefunden hatte, der die verschiedenen Vorschriften in Aufbau und Wortlaut nachgebildet sind.1700 Die Appellation war demnach durch die beschwerte Partei in zwei Schritten einzuleiten: Zunächst musste sie durch den Appellanten am Ausgangsgericht eingelegt (interpositio) und schließlich am zuständigen Appellationsgericht anhängig (introductio) gemacht werden.1701 (1)  Interposition Das Gemeine Recht verlangte als Voraussetzung für die Appellation zunächst die Einlegung des Rechtsmittels am Ausgangsgericht.1702 Anders als die Reichkammergerichtsordnung des Jahres 1555, die im 30. und 31. Titel des zweiten Teils beide Verfahren auch formal trennte, enthielt die Landgerichtsordnung bei nahezu identischem Aufbau und Inhalt eine entsprechende Trennung nicht. Gemäß der Ordnung des Hochstifts sollte nach außweisung gemeiner geschriebener Rechten im Ausgangsverfahren die Appellation der unterlegenen Partei innerhalb von zehn Tagen von zeit und stund außgesprochener Urtheil, oder à tempore scientiae, das ist nach dem […] deroselben wissenschafft empfangen wurde, vorgebracht werden.1703 Diese demnach kenntnisabhängige Frist sollte vom Landrichter keinesfalls verlängert werden. Es handelt sich hierbei um die dem gemeinen Zivilprozess eigentümliche und von der Reichskammergerichtsordnung in gleichem Umfang vorgesehene ­Interpositionsfrist 1700 Die Ausführungen der LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 2 – 6 bzw. 7 – 11, entsprechen dabei nur mit kleineren Abweichungen im Detail RKGO 1555, 2. Teil, Tit. 29, § 2 – 5 und Tit. 30, § 1 – 3, 5 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 207 – 210. Praktisch identische Ausführungen finden sich in der LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 46v–47v, die im Aufbau noch stärker der RKGO entspricht als die spätere Ordnung. Eine „enge Anlehnung“ der späteren Ordnung an die RKGO erkennt auch Romberg, GS 3. Folge 4, S. 93. 1701 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 143; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 200. 1702 Ausführlich zum gemeinrechtlichen Verfahren und dem Zusammenhang von S­ uspensivund Devolutiveffekt mit der Interposition bzw. Introduktion Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, insb. S. 720 – 762. 1703 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 2; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 46v. Schon die Landgerichtsbräuche des Lorenz Fries aus dem Jahre 1536 sahen eine s­olche Zehntagesfrist vor, gerechnet de momento in momentum, also vom Augenblick der Urteilsverkündung an, Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 182.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

(fatalia interponendae appellationis), innerhalb derer der Appellant beim Richter des Ausgangsverfahrens, dem iudex a quo, die Appellation einzulegen hatte.1704 Dabei war zu unterscheiden: Handelte es sich um die Appellation von einem Endurteil oder einem Beiurteil, das die Kraft eines Endurteils hatte, war es dem Appellanten freigestellt, ex intervallo, wann nemblich die Appellation nicht also balden fur Gericht geschicht, in Schrifften, in continenti aber, und in dem Fußstapffen fur Gericht, allein mündlich zu Appelliren.1705 Er konnte also entweder mündlich unmittelbar vor Gericht die Appellation anzeigen oder diese nachträglich schriftlich vorbringen. Auch von anderen Interlokuten, also Zwischenurteilen, die nicht die Wirkung eines Endurteils hatten, konnte appelliert werden, sofern die materielle Beschwer durch die Appellation gegen das Endurteil nicht beseitigt (nit wider bracht) werden konnte. In ­diesem Fall war allerdings nur eine schriftliche Appellation möglich, in der ebendiese Ursachen der Beschwerden dargelegt werden mussten.1706 Derjenige, der sich durch das Urteil beschwert sah, konnte die Appellation also entweder in Gegenwart des Richters des Ausgangs-, also hier des Landgerichts mündlich oder vor einem approbierten Notar und Zeugen schriftlich unter Ausfertigung eines sogenannten Appellationsinstruments einlegen, das dann dem Landrichter insinuiert, also bei Gericht eingereicht werden musste. Anscheinend handelte es sich bei der Insinuation nur um eine Obliegenheit der appellierenden Partei, denn eine am Landgericht nicht insinuierte Appellation sollte von der Kanzlei gleichwohl angenommen werden. Allerdings genoss der Appellant dann nicht die Wirkungen des Suspensiveffekts. Gegen eine Vollstreckung oder andere Maßnahmen, die sich aus dem landgerichtlichen Urteil ergaben, konnte der Appellant nämlich nicht vorgehen, solange seitens des Kanzleigerichts eine sogenannte Inhibition, also die obergerichtlich angeordnete Aussetzung des Vollzugs des zuvor ergangenen untergerichtlichen Urteils, nicht ergangen war.1707 Zwischenzeitlich ergangene Vollstreckungsmaßnahmen durch das Gericht waren nicht widerrechtlich und konnten demnach durch den Appellanten auch nicht angegriffen werden.1708 1704 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 200; Maurer, Das Königsgericht und sein Wirken, S. 94, Anm. 41; Oestmann, Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht, S. 51, Anm. 279. Zur Interpositionsfrist bei Appellationen an das RKG vgl. RKGO 1555, 2. Teil, Tit. 29, § 2 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 207. 1705 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 3; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 46v. 1706 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 4; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 46v; vgl. auch Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 200; Schillinger, Die Neuordnung des Prozesses, S. 198, Anm. 1675. 1707 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 6; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r; ähnlich auch DRW VI, Inhibitionsbefehl und Inhibition(s)schreiben, Sp. 232. 1708 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 6; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r.

Geschäftsgang und Verfahren

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Schließlich konnte es auch vorkommen, dass sich beide Parteien durch ein gerichtliches Urteil beschwert sahen. Gerade in den am Landgericht geführten und häufig komplexen erbrechtlichen Auseinandersetzungen konnten Urteile ergehen, in denen beide Seiten nicht in jeder Hinsicht im Verfahren obsiegten. In einem Verfahren um das Erbe des ehemaligen Schultheißen der Stadt Volkach Michael Spielmann, der schon im Verfahren ­zwischen Melber und Schneider als ­Schultheiß und Zeuge vor Gericht in Erscheinung getreten war, reklamierten die Kläger Peter Eysen und Konsorten als Erben der ersten Frau des Schultheißen die Hälfte des Erbes für sich und erlangten ein insofern günstiges Urteil gegen die leiblichen Kinder des Verstorbenen. Demnach schuldeten diese den Klägern die Hälfte des Erbes an Mobilien und Immobilien, die zur Zeit des Versterbens der ersten Frau bestanden hatten, sampt der abnutzung vom Todeszeitpunkt an. Umgekehrt sollten aber die Beklagten dasjenige vollständig mitt jhrer Nutzung haben, das der Schultheiß von seinen Brüdern oder seiner Frau erworben hatte.1709 Offenbar waren beide Parteien mit dem Urteil unzufrieden, denn sie appellierten unmittelbar nach Ausspruch desselben durch den Landrichter an die fürstlichen Räte.1710 Infolgedessen verdoppelte sich das Verfahren vor dem Kanzleigericht praktisch, denn beide Parteien hatten nun ihre Appellation an der Kanzlei anhängig zu machen und die wesentlichen Prozessschritte jeweils als Appellanten und Appellaten zu vollziehen.1711 (2)  Introduktion Nach Interposition der Appellation beim Landrichter konnte dieser unter Angabe des Zeitpunkts die Apostel geben.1712 Bei d ­ iesem Apostelbrief handelte es sich um 1709 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 282v. 1710 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 281v, 285r. 1711 Das führte so weit, dass sogar zwei unabhängige Beweisverfahren einschließlich zweier Zeugenverhöre hätten stattfinden sollen. Nachdem die eine Partei aber den Abschluss des von der Gegenseite geführten Beweisverfahrens vollständig abwartete und erst dann eigene Beweisartikel einbrachte, urteilte das Kanzleigericht auf die Einrede der Partei, die den Beweis bereits erbracht hatte, dass der Beweis der Gegenseite zu spät angetreten worden sei und daher nicht angenommen werden könne, BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 268r. Andererseits konnten sich die Parteien auch Kosten sparen, wenn etwa die Gerichtsakte voriger Instanz nicht doppelt ausgefertigt werden musste und sich die beiden Appellanten die Kosten diesbezüglich teilten. Die Akte konnte dann gleichwohl von beiden Seiten förmlich in das Verfahren eingeführt werden. Entsprechend wies der Prokurator im genannten Verfahren darauf hin, dass die Acta mitt dem Gegentheil uff gleichen Costen requirirt worden s­eien und bat um Anerkennung derselben auch für die eigene Partei, ebd., fol. 256v. 1712 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 46v.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

einen Bericht, durch den der Unterrichter als iudex a quo dem iudex ad quem, hier dem Hofmeister als Richter am Kanzleigericht, den ordnungsgemäßen Abschluss des Verfahrens dokumentierte, der häufig einen Verfahrensbericht enthielt und mit den die Sache betreffenden Prozessakten am Appellationsgericht eingereicht wurde.1713 Es handelte sich dabei nicht um eine zwingende Verfahrensvoraussetzung, denn derjenige, der durch das Urteil beschwert war, hatte die Wahl, Apostolos zubitten, oder nicht, unnd auff den fall, er Apostolos gebetten, ihme auch von dem vorigen Richter Refutatorij, oder Reverential Apostel, oder gar keine gegeben wurden, soll[t]e er in zeit zweyer Monaten 1714 an das Obergericht, hier das Kanzleigericht, appellieren. Unabhängig davon, ob ein Apostelbrief überhaupt beantragt wurde oder der Landrichter diesen antragsgemäß gewährte und er durch ­Reverential Apostel dem Obergericht anheim stellte, ob die Appellation statthaft sei, oder durch apostolos refutatorios die Beschwer als unerheblich widerlegte,1715 war dem Appellanten demnach eine Frist von bis zu zwei Monaten von zeit der gethanen Appellation anzurechnen, also ausgehend vom Zeitpunkt der Interposition, zuerkannt, in der die Appellation am Kanzleigericht anhängig gemacht werden konnte.1716 Im Rahmen dieser sogenannten Indroduktionsfrist (fatalia introducendae appellationis) hatte der Appellant gegenüber dem Kanzleigericht darzulegen, dass die maßgeblichen Formalien beachtet worden waren und die Sache in die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fiel.1717 Wurde dem Appellanten dazu aber durch den Landrichter weniger als die Zweimonatsfrist eingeräumt, sollte er demselbigen zugeleben und seine Appellation innerhalb der verkürzten Frist anhängig machen, wenn nicht das Appellationsgericht die Frist bis maximal auf die regulär vorgesehene Zweimonatsfrist verlängerte.1718 Derartige fristverkürzende Anordnungen waren nicht selten und sind selbst am Landgericht in Abweichung der bereits 1580 geltenden Landgerichtsordnung vorgekommen. Nach einem Urteil des Gerichts Ende des 1713 Amend-­Traut, Wechselverbindlichkeiten, S. 153, Anm. 92; Amend-­Traut, Wie Prozesse enden können, S. 248; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 200; Merzbacher, Apostelbrief, Sp. 195; Schillinger, Die Neuordnung des Prozesses, S. 198 f. 1714 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 7; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r. 1715 Zu den verschiedenen Begriffen vgl. Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 292. 1716 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 7; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r. ­Hierin liegt einer der wenigen qualitativen Unterschiede zur Reichskammergerichtsordnung, die dem Appellanten eine bis zu sechsmonatige Introduktionsfrist einräumte, RKGO 1555, 2. Teil, Tit. 30, § 1 – 3 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 209 f. Die Fries’schen Landgerichtsbräuche von 1536 hatten demgegenüber sogar nur eine dreißigtägige Introduktionsfrist vorgesehen, Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 182. 1717 Oestmann, Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht, S. 51, Anm. 279. 1718 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 8 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r.

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Jahres 1582 appellierte die unterlegene Partei unmittelbar nach Ausspruch des Urteils und bat um Apostel, woraufhin der herr Landtrichter jhme Apostolos reverentiales geben, und ein Monat gesetzt [hat], sich jnner demselben mitt solcher seiner appellation vor hochgedachtem unserm gnedigen herrn, oder seiner f[ürstlichen] g[naden] Räthen zu praesentirn.1719 Eine Zweimonatsfrist sollte durch das Appellationsgericht auch dann gewährt werden, wenn nicht vor dem Landrichter, sondern vor einem Notar und Zeugen appelliert wurde, und zwar unabhängig davon, ob diese Appellation zuvor bei dem Untergericht insinuiert worden war oder nicht.1720 Konnte der Appellant innerhalb der gesetzten Frist die Ladung erlangen, dieselbige verkünden lassen, auch widerumb reproduciren, also dem Gericht die mit dem Zustellungsvermerk versehene Ladung förmlich übergeben und damit anzeigen, dass diese richtig zugestellt und verkündet worden war, wurde die Appellation am Kanzleigericht anhängig und der Devolutiveffekt trat ein.1721 Eine Überschreitung der Frist war weder am Kanzlei- noch am Reichskammergericht eine Seltenheit und konnte durch Beantragung einer Fristverlängerung auch ohne Nachteile für den Appellanten erreicht werden.1722 Um überhaupt den Ausgang einer Ladung durch das Kanzleigericht zu erreichen, musste sich der Appellant innerhalb der Frist im Wege einer förmlichen Bittschrift oder Supplikation an dasselbe wenden und um die Annahme der Appellation bitten. Adressat dieser Bittschrift war stets der Fürstbischof als Gerichtsherr und nicht die Räte als eigentliche Kanzleirichter,1723 die dann allerdings bei den weiteren Eingaben der Parteien im Prozess als Empfänger der Parteischreiben und Schriftsätze genannt wurden. Demnach verorteten die Zeitgenossen schon in der frühen Zeit des Kanzleigerichts die Appellationsgerichtsbarkeit maßgeblich bei den fürstlichen Räten und nicht unbedingt beim Bischof selbst. Als sich etwa in einem Prozess vor dem Reichskammergericht im Jahr 1503 der Appellat darauf stützte, dass die Appellation unzulässig sei, da nicht gradatim appelliert worden war, weil vom landtgericht fur den Bischoff doselbst und nicht an 1719 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 284r. 1720 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 10; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r. 1721 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 7, 11; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47r f. Vgl. zur Reproduktion etwa Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 313; Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 171, 367. Wie weit die Reproduktion am Kanzleigericht über einen bloßen Zustellungsvermerk hinausging, lässt sich nicht rekonstruieren. Stodolkowitz, Das Oberappellationsgericht Celle, S. 172, hat aber darauf hingewiesen, dass das diesbezügliche Verfahren an territorialen Obergerichten durchaus von der reichskammergerichtlichen Praxis abweichen konnte. 1722 Ein Beispiel für die Gewährung gleich mehrerer solcher Verlängerungen, sog. Prorogationes, bietet Oestmann, Ein Zivilprozeß am Reichskammergericht, S. 24 – 26, 46. 1723 So etwa noch 1582, BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 281r und 285r.

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das Reichskammergericht appelliert werden müsse,1724 wieß die Gegenseite unter anderem darauf hin, dass man in Würzburg vom Lanndgericht fur die Canntzlei unnd aber nit fur den bischoff appellieren könne.1725 Gleichwohl war die Stellung des Bischofs als Gerichts- und Landesherr den Parteien durchaus bewusst, sodass diese im 16. Jahrhundert ausweislich der dem Reichskammer­gericht zugesendeten Gerichtsakten der Vorinstanzen meist an den Bischof und die Räte appellierten.1726 In dieser Betonung der fürstlichen Räte ist ein wesentlicher Grundstein zu einem institutionellen Verständnis des Kanzleigerichts zu sehen. Dieses war aber noch längst nicht entstanden, denn entsprechende ­Schriftstücke wurden keinesfalls an das Kanzleigericht als Institution, sondern nur an den Bischof oder die Räte adressiert. Im Falle einer Appellation vor dem Notar unter Hinzuziehung von Zeugen wurde auch das notarielle Appellationsinstrument beigegeben,1727 während andernfalls bei mündlicher Einlegung der Appellation von stundt an, und jn frischen fuesstapfen,1728 in fuss stapffen mit lebendiger stim 1729 oder viva voce 1730 auf dieselbe in der Supplikationsschrift verwiesen wurde. In den Supplikationsschriften erging ferner seitens der Appellanten regelmäßig explizit die Bitte um citatio und inhibitio, meist auch um compulsoriales. In dieser Phase war das Kanzleigericht also schon mit der Angelegenheit befasst, ohne dass das Verfahren am Gericht bereits anhängig 1724 BayHStA, RKG R1019 (Bestellnr. 11166), Q9, unfol. 1725 BayHStA, RKG R1019 (Bestellnr. 11166), Q10, unfol. 1726 So berief sich der Appellant in einem Appellationsinstrument aus dem Jahr 1511 etwa an und fur den hochwirdigen fursten und heren, herren Lorenntzen Bischoven zu wurtzburg unnd hertzogen zu franncken, mein genedigen herren, unnd seiner furstlichen genaden Canntzley, BayHStA, RKG 7130, Q6, unfol. In einem weiteren Verfahren aus dem Jahr 1575 wurde wiederum an den Bischof und seine Räte appelliert, BayHStA, RKG 4356, Q5, unfol. Ebenso 1582 fur undt an den hochwurdigen fursten […] und seiner F. G. ehrlöbliche Räthe und ausweislich derselben Akte wurde sich auch von der anderen Partei an e. f. g. und derselbigen ehrlöblichen Cantzlej Richter und Räthe beruffen, undt appellirt, BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 284r bzw. 285r. Hingegen wurde in einem Verfahren, das im Jahr 1527 vor den Räten verhandelt wurde, von dem landgerichtlichen Urteil ausschließlich fur unnd an den hochwirdigen fursten unnd herrn heren Connraden Bischoven zu Wurtzburg appelliert, BayHStA, RKG R0717 (Bestellnr. 10926), Q2, fol. 25v. In einer landgerichtlichen Gerichtsakte, die im Rahmen eines Appellationsverfahrens 1560 an das Kanzleigericht gelangt war, hieß es umgekehrt lediglich, dass sich die Appellanten vor unsere Räth beruffenn und appellirt hätten, BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477), Q20, fol. 1r. 1727 So schon 1528 in einem Appellationsverfahren vor dem Kanzleigericht, StAW , Lehen 6359, unfol. 1728 BayHStA, RKG 1265, Q3, fol. 334r. 1729 So etwa in einer Supplikation aus dem Jahr 1568, StAW , Admin. 18432, unfol. oder BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 285r. 1730 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 281r.

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gewesen wäre. Denn entsprechend den Bitten des Appellanten mussten nun zwei Schreiben ergehen: In der citatio oder Ladung wurde die Gegenseite, der Appellat, dazu bestimmt, zu einem angesetzten Termin selbst oder durch einen bevollmächtigten Anwalt zu erscheinen, wobei in Verfahren vor dem Kanzleigericht die Begriffe Anwalt und Prokurator für ein und denselben Personenkreis synonym verwendet worden zu sein scheinen.1731 Inhibitio und compulsoriales ergingen hingegen an die Vorinstanz, wobei unter Androhung einer finanziellen Sanktion bei Zuwiderhandlung verboten wurde, Vollstreckungshandlungen aus dem untergerichtlichen Urteil gegen den Appellanten vorzunehmen, beziehungsweise geboten wurde, die erforderlichen Akten auf Verlangen desselben herauszugeben oder nötigenfalls erst zu erstellen. Ließ der Appellant die Introduktionsfrist verstreichen, ohne dass er die Appellation am Kanzleigericht beim iudex ad quem anhängig machte, sollte seine Appellation für desert, und gefallen gehalten, und der Appellatus […] auff s­ olche Desertion zu procediren […] macht haben, unnd mit der Execution an Richter voriger Instantzien remittiret, unnd gewiesen werden.1732 War der Appellat im Appellationsverfahren also bereits geladen worden, konnte er die Abweisung des Verfahrens verlangen, das daraufhin wieder an das Untergericht zur Vollstreckung verwiesen wurde. Dann stand der hanndel […] als were ganntz nichts appellirt.1733 Augenscheinlich war in Appellationsverfahren, die vom Landgericht an die Kanzlei führten, das gemeinrechtliche Verfahren rezipiert worden, wie es sich auch schon in der Reichskammergerichtsordnung von 1555 niedergeschlagen hatte, die erkennbar als Vorlage für die Ordnungstätigkeit im Hochstift im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert diente. Auch wenn somit erwiesen ist, dass die Normgebung auf Ebene des Reiches jener im Hochstift Würzburg gelegentlich bis ins Detail als Vorbild diente, waren doch maßgebliche prozessuale Regelungen hier wie dort schon lange zuvor in der Praxis gelebt und zum Teil auch normativ gefasst worden. Dies ist nicht verwunderlich, denn einerseits entsprachen bestimmte grundsätzliche Anordnungen dem damals – wie heute – geltenden Bedürfnis nach Rechtssicherheit, das nur befriedigt werden konnte, wenn die möglichen Verfahrenshandlungen in 1731 In den überlieferten Akten aus dem 16. Jahrhundert werden die Parteivertreter regelmäßig als Anwälte und seltener als Prokuratoren bezeichnet, wobei auch Aktenvermerke desselben Tages changierende Bezeichnungen enthalten konnten. Die Advokaten erscheinen – ihrer Stellung im Hintergrund des Verfahrens entsprechend – hingegen nur in Sonderfällen in den Gerichtsakten, etwa wenn ein Advokat verstarb oder aufgrund eines besonderen Arbeitsaufkommens die Schriftsätze nicht rechtzeitig fertigstellen konnte und der Prokurator deshalb um Dilation, also Fristverlängerung, bat. 1732 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 33, § 11; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47v. 1733 So eine vorinstanzliche Akte des Kanzleigerichts zu einem landgerichtlichen Urteil aus dem Jahr 1503, BayHStA, RKG 6411, Q6, fol. 12r.

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irgendeiner Form, und sei es schlicht zeitlich durch zweckmäßige F ­ ristenregelungen, begrenzt wurden. Andererseits lassen sich weitergehende Übereinstimmungen im Verfahren, etwa hinsichtlich der Reihenfolge der Prozesshandlungen, durch bloße Notwendigkeiten nicht erklären. Vielmehr haben derartige Ähnlichkeiten ihren Grund in der zunehmenden Tätigkeit der im römisch-­kanonischen Recht ausgebildeten Juristen an den Gerichten im Reich. Wie die Appellation als gemeinrechtliches Institut überhaupt, wird das genannte Verfahren zur Einleitung derselben demnach schon am Ende des 15. Jahrhunderts am Kanzleigericht befolgt worden sein, in dem sich bereits gelehrte Räte in nennenswerter Zahl am fürstlichen Hof befanden. Weniger detailliert, aber im Wesentlichen unverändert findet es sich daher auch schon in der Landgerichtsordnung von 1512. Demnach sollte der Landrichter, ob sich iemandts vom Lanndgericht beruffen wurd, und sein beruffung und verkundigung in rechter zeit thete[,][…] die Appelation zulassen[,] apostolos geben, und dem der sich beruffen hett nach gelegenheit der person und des gerichts dohin er sich het beruffen zeit setzen in der der selben seiner beruffung solt nachkomen werden[.] [W]ere es aber das der, der sich vom lanndgericht hat beruffen[,] in solicher zeit die im also gesatzt were sewmig wurd, und seiner appellation nit nach keme, oder der sach vor dem Richter fur den appellirt in recht niderlege, so solt der landrichter dem andern theil[,] so anders die sach wider fur ine remittirt wurd[,] helffen, das im von dem der sich beruffen het umb sein erlanngt recht außrichtung und genugen gesche mitsambt den abnutzungen kosten und scheden.1734 Nicht nur sind in dieser Passage der Ordnung Interposition und Introduktion in ihren Grundzügen niedergelegt, wenngleich hier – anders als etwa zwei Dekaden s­ päter in einer Aufzeichnung der Landesgebräuche 1735 – noch keine generalisierte Fristenregelung formuliert wurde; es findet sich auch eine Regelung zur Vollstreckung des Urteils am Land- als Ausgangsgericht und zur Kostentragung durch den Appellanten, der seine Appellation nicht weiter betrieb. Augenfällig ist auch, dass hier die Kanzlei, anders als in späteren Ordnungen, noch nicht ausdrücklich als Appellationsinstanz genannt wird. Dies lässt zwei Schlussfolgerungen bezüglich der zeitgenössischen Gegebenheiten zu, die alternativ oder – wahrscheinlicher – kumulativ vorlagen und sich beide mit einer Etablierungsphase des Kanzleigerichts erklären lassen. Einerseits dürfte 1512 das Kanzleigericht von den Zeitgenossen noch nicht in einer (vor-)institutionellen Weise verstanden worden sein, wie sie etwa aus späteren Ordnungen deutlich wird, die konkreter von 1734 LGO 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 6r. In ebenfalls kaum veränderter, nun aber schon detaillierterer Darstellung findet sich d ­ ieses Verfahren auch in den 1536 von Lorenz Fries dokumentierten Landesgebräuchen, Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 182 – 185. 1735 In der Fries’schen Darstellung findet sich bereits eine Interpositionsfrist von zehn und eine Introduktionsfrist von dreißig Tagen, Schneidt, Thesaurus 1,1, S. 182.

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einem „Kanzlei-“ oder „Hof- und Kanzleigericht“ ausgingen.1736 Man appellierte vielmehr an den Bischof oder seine Räte.1737 Andererseits war das Kanzleigericht nicht das einzige Gericht, an das vom Landgericht appelliert werden konnte. In den Akten des Reichskammergerichts lassen sich nämlich in den Jahren vor und nach der Jahrhundertwende zum 16. Jahrhundert einige Verfahren nachweisen, in denen eine Appellation vom Landgericht direkt an das Reichskammergericht führte, ohne dass sich der Bischof auf die mangelnde Rechtswegerschöpfung berufen hätte, die für Appellationsverfahren an das Reichskammergericht eigentlich erforderlich gewesen wäre und auch in der späteren Zeit konsequent gerügt wurde.1738 Für denselben Zeitraum lassen sich aber ebenso Verfahren auffinden, die vom Landgericht zunächst an das Kanzlei- und schließlich das Reichskammergericht führten.1739 Wahrscheinlich bildete sich in dieser Zeit das Kanzleigericht 1736 So etwa die Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72, oder die LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38, § 1. Gleichwohl darf man auch für diese Zeit an ein solches institutionelles Verständnis keine modernen Maßstäbe anlegen. Denn auch zu Beginn des 17. Jahrhunderts konstituierte sich das Gericht maßgeblich durch das Zusammentreten seines Personals in der vorgesehenen Weise und war keine von ­diesem Personal unabhängige Institution. Ein deutliches Indiz dafür ist etwa, dass mehrere Würzburger Gerichte im bischöflichen Saal im Kanzleigebäude tagten, sie also schon keine örtliche Institutionalisierung fanden. 1737 An anderer Stelle der Landgerichtsordnung des Jahres 1512, StAW, Miscell. 6818, fol. 3r, heißt es daher auch, dass bei Uneinigkeit der landgerichtlichen Urteiler die sachen an uns [den Bischof, Anm. JB] oder unnsern Erbern Rathe gebracht werden sollten. Freilich ist damit nicht das Kanzleigericht als solches angesprochen, da es sich hierbei um eine Anfrage im Ausgangsverfahren und nicht um eine Appellation handelte. Gleichwohl zeigt sich die enge strukturelle Verbundenheit des Rates mit der fürstlichen Herrschaftsausübung. Für die Zeitgenossen dürfte es daher ohne Unterschied geblieben sein, ob sie an den Bischof oder seine Räte appellierten. In d ­ iesem Sinne spricht auch die genannte Ordnung von einer Appellation an unser Cantzlei, StAW, Miscell. 6818, fol. 6v, und nicht etwa von einem Kanzlei- oder Rätegericht. 1738 So etwa BayHStA, RKG 1266, 2062, 437 und 1406, die erstinstanzlich in den Jahren 1488, 1494, 1496 bzw. vor 1501 am Landgericht anhängig waren. Auch nach den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts gelangten noch Verfahren vom Landgericht unmittelbar an das Reichskammergericht, vgl. etwa BayHStA, RKG 540, 554, 657, 824, 1451, 1453, 1483, 1509, 1924, 1945, 1946, 1950. Auch wenn es sich hierbei um Appellationen im zeitgenössischen Sinne handelte, unterschieden sie sich doch von den Verfahren in der früheren Zeit, in denen regelmäßig die materielle Rechtslage unter den Parteien streitig war. Denn in den späteren Prozessen war stets schon die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts umstritten, sodass es sich faktisch um Jurisdiktionsstreitig­keiten ­zwischen reichsunmittelbaren Kontrahenten handelte, die sich, wenn sie schon nicht die Zuständigkeit des Landgerichts anerkannten, auch nicht dem Kanzleigericht unterwerfen konnten. 1739 BayHStA, RKG 3902 (am RKG im Jahr 1503), 4007 (1508), 5816 (1504), 6411 (1511), S1604 (Bestellnr. 12070 – ebenfalls 1511), W1325 (Bestellnr. 14360 – 1502), Z0072 (Bestellnr. 14460 – 1510); siehe diesbezüglich bereits S. 108 und Anm. 531.

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noch als Appellationsgericht in einem festen Instanzenzug aus, bevor es von den Zeitgenossen endgültig als instanziell über dem Landgericht verortetes Gericht wahrgenommen wurde. Damit könnte auch eine Verschiebung des Verständnisses von der Kanzleirechtsprechung einhergegangen sein, die zunächst noch eng mit der originären bischöflichen Landes- und Gerichtsherrschaft verbunden war, fortan hingegen zunehmend auch im Ratsgremium verortet wurde. (3)  Melber gegen Schneider: Eröffnung des Appellationsverfahrens Um das Appellationsverfahren zu eröffnen, wendete sich Hieronymus Melber mit einer schriftlichen Supplikation vom 20. November an den Würzburger Fürsten und Bischof Friedrich von Wirsberg, die nur zwei Tage ­später in der Kanzlei einging. Sie war wie stets an den Bischof als Landes- und Gerichtsherrn und nicht an die Räte gerichtet und enthielt die Bitte, die Appellation anzunehmen und Inhibition und Ladung an das Dorfgericht beziehungsweise Melber ausgehen zu lassen. Ferner enthielt das Schreiben neben einer groben Skizze des Verfahrensgegenstands auch den Hinweis darauf, dass der Müller durch das Urteil beschwert wurde unnd darumb in fuss stapffen mit lebendiger stim, vor sitzendem gericht an den Fürsten sich berueffen unnd appelliert hatte.1740 Er interponierte also unmittelbar vor dem Dorfgericht Obervolkach und hielt somit auch die erforderlichen Fristen diesbezüglich ein. Ein notarielles Appellationsinstrument war folglich entbehrlich. Gleichwohl konnte die frist- und formgemäße Appellation nicht bloß durch das Vorbringen einer Partei nachgewiesen werden, die zu ihrem Vorteil naturgemäß bestrebt war, die Wahrung der Voraussetzungen zu behaupten. In aller Regel wurde daher bereits in den Akten der Vorinstanz oder im Apostelbrief des iudex a quo auf die form- und fristgemäße Interposition hingewiesen. In den an die Kanzlei ausgegebenen vorinstanzlichen Akten des Landgerichts findet sich ein entsprechender Hinweis stets unmittelbar nach der Ausführung des Urteils. Anders verlief es in ­diesem Verfahren, in dem die Akten der Vorinstanz mit dem Urteilsspruch schlossen. Im weiteren Fortgang des Prozesses blieb dieser Mangel zunächst unkommentiert und ohne Zweifel ließ das Kanzleigericht die Verhandlung in dem Verfahren auch zu, nachdem Prokurator Brenninger als Anwalt Melbers am 17. Februar 1569 die an Clemens Schneider sowie den Richter und die Schöffen des Dorfgerichts Obervolkach ausgegangene und jeweils am 3. Februar zugestellte Ladung beziehungsweise die Inhibition und den Kompulsorialbrief reproduzierte. Ungeachtet des nicht erbrachten Nachweises über die korrekte Appellation vor dem ­Untergericht

1740 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplikation 20. 11. 1568).

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wurde diese nicht für desert erklärt. Das lag wohl auch daran, dass die durch Prokurator Thomas Faber vertretene Gegenseite sich zunächst nicht darauf berief. Erst am 20. März 1571 erging ein Beiurteil des Kanzleigerichts, das Prokurator Brenninger bei Androhung des Unterliegens im Verfahren dazu verpflichtete, die formalia Appellationis ad proximam zu Justificirn.1741 Zum folgenden Gerichtstermin am 26. April wies Brenninger darauf hin, dass die Gerichtsakten der Vorinstanz, die in einem verschlossenen Brief ergangen und erst durch das Kanzleigericht geöffnet worden waren, unvollständig ­seien. Demnach waren diese augenscheinlich dorin mangelhafftig und defectuos […], daß jn solchen actis gar nichts von jrem der appellanten […] gethonem appellirn von der gesprochenen Urthel doselbst, gemeldt oder begriffen, d ­ ieses aber von Rechts wegen, erfordert wurdt, und gehörig, auch den actis zujnserirn gepurt, und von nöten war.1742 Da aber seine Prinzipalen, also die von ihm vertretene Partei, daran nit schuldig s­eien, könnten sie deshalb auch nit Rechtloß sein […] und doran verkhurtzt werdenn.1743 Offenbar hatte man in den ausgegebenen Gerichtsakten der Vorinstanz die Interposition, also die ordnungsgemäße Einlegung der Appellation vor dem Dorfgericht Obervolkach, nicht erwähnt, sodass die Voraussetzungen für das Appellationsverfahren durch die Gerichtsakte nicht bewiesen werden konnten, ohne dass dies freilich dem Appellanten zur Last zu legen war. Der neuerliche Kompulsorialbrief vom 23. Juni 1571 verordnete dem Dorfgericht bei einer Strafe von 200 Gulden in großer wörtlicher Übereinstimmung mit dem von Brenninger vorgebrachten und protokollarisch festgehaltenen Rezess, nun die korrigierten Akten auszugeben, da in den vorigen jn pothen weis nicht gemelt oder begriffen das von dem Urthell […] appellirt worden sej oder nicht, welches dan ein substantiell und hauptstuck der gerichtlichen acten seÿ.1744 Mit Schreiben vom 20. Juli 1571 und damit immerhin bereits zweieinhalb Jahre nach dem ursprünglichen Urteil teilten die Schöffen mit, dass, als sie noch jm offenen, gehaltenen, gehegtem Dorfgericht gesessenn, auch jme [Melber, Anm. JB] unnd seiner wider Parthei, das urtheil eröffneten, Melber von stund an des urthail beschwerdt, unnd mitt Lebendiger Stim darauf appellirt 1745 hatte. Dass aber die ursprünglichen Akten unvollständig gewesen ­seien, habe daran gelegen, dass es durch anndere mehr obligennden gerichts henndl vergessen unnd ubersehenn wordenn war.1746 Möglicherweise wird man hierin auch ein Indiz dafür erkennen können, dass das Dorfgericht nicht allzu häufig mit der Ausfertigung von Akten für Appellationsverfahren befasst war. 1741 StAW, Admin. 18432, unfol. 1742 StAW, Admin. 18432, unfol. 1743 StAW, Admin. 18432, unfol. 1744 StAW, Admin. 18432, unfol. 1745 StAW, Admin. 18432, unfol. 1746 StAW, Admin. 18432, unfol.

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Im zeitgenössischen Sinne lag die Annahme des Verfahrens schon vor der Reproduktion durch die Appellanten in der Entscheidung des Kanzleigerichts, überhaupt Ladung, Inhibition und Kompulsorialbrief auszufertigen und zuzustellen. Das zeigt auch die Formulierung der Inhibition, wonach die Appellation Melbers angenommen worden und daher das entsprechende Verbotsschreiben ergangen sei. Darüber hinaus wird angesichts der Formulierung, wonach sich der Appellant fur uns [den Bischof, Anm. JB] und gedachte unsere Rhät beruffen und appellirt hatte und gedachte unsere Rhätt ­solche seine gethane Appellation […] angenommen 1747 hatten, auch deutlich, dass es sich bei dem Kanzleigericht um ein Gericht handelte, an dem – auch nach dem fürstlichen Selbstverständnis – die Räte und nicht der Bischof die maßgeblichen Entscheidungen im Verfahren, wie hier über die Annahme der Appellation, trafen. Gleichwohl leitete sich die Autorität und Legitimität des Gerichts ohne Zweifel von der fürstbischöflichen Gerichtsherrschaft ab, sodass sich die Appellation nach wie vor an den Bischof selbst richtete, wenngleich daneben dessen Räte ebenfalls als Adressaten genannt wurden.1748 Neben der das Verfahren eröffnenden Supplikation des Appellanten findet sich in der Gerichtsakte ein weiteres, allerdings nicht eingebundenes und auf den Tag nach dem Dreikönigsfest, also den 7. Januar 1569, datiertes Schriftstück, das in der Kanzlei am 10. Januar registriert wurde, nämlich eine Supplik des Appellaten Clemens Schneider an den bischöflichen Landesherrn, der um hilff unnd Rathe und darum bat, ihm gnediglich mit [zu] theilen, weß [er sich] gegenn den vermeinten appellantenn, verhaltenn sollte.1749 Hierbei handelte es sich nicht um eine Prozesshandlung, sondern um eine Bittschrift an den Landesherrn, wie sie nach dem zeitgenössischen Verständnis von jedermann vorgebracht werden konnte. Sie war deshalb auch nicht wie andere Prozesshandlungen an die Räte, sondern an den Bischof selbst gerichtet. Nach Ansicht Schneiders war Hieronymus Melbers vorhaben allein dahin gericht[,] [ihn] zu sampt zugezogenne schmahe, durch langwirige Rechtfertigung, umb das [sein] auch zu pringen.1750 Da die jhenigenn so [ihm] jn erganngenem Rechten furgestreckt, auch sonnstenn in dißer sachen gedint, betzalt sein wollten, unnd aber der beclagt, M ­ üller wol [wusste], dass sowohl Schneider selbst als auch seine Tochter das lanngwirig recht nit zuverlegen imstande waren, habe er die Appellation vorgenommen, damit die Appellaten in noch meher vergeblichen uncosten gerieten und Schneider seiner teglichen arbeit verseÿmen must.1751 Die Parteien befanden sich also in einer ökonomisch asymmetrischen Situation, in der es für Hieronymus Melber günstig erscheinen konnte, das laufende Verfahren so lange zu betreiben, bis die Gegenseite aus 1747 StAW, Admin. 18432, unfol. (Inhibition 25. 01. 1569). 1748 Siehe diesbezüglich bereits S. 327 f. 1749 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplik vom 07. 01. 1569). 1750 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplik vom 07. 01. 1569). 1751 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplik vom 07. 01. 1569).

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finanziellen Gründen den Prozess aufgab, für den sie in Vorleistung gegangen war. Schneider hatte sich hierfür offenbar Geld geliehen und beabsichtigte wohl, d ­ ieses nach einem erfolgreichen Verfahren wieder zurückzuzahlen. Solange aber das fortdauernde Appellationsverfahren und die insoweit ergangene Inhibition die Urteilsvollstreckung verhinderte, konnte das nicht gelingen. Ob Melber tatsächlich eine entsprechende Strategie verfolgte, lässt sich aus der Gerichtsakte nicht ersehen.1752 Es hätte sich dann allerdings um eine mutwillige Appellation gehandelt, die auch dem zu leistenden Kalumnieneid widersprochen hätte. Auch die zahlreichen Mahnungen des Prokurators der Appellaten im späteren Verfahren auf die Mutwilligkeit der Appellation und eine mögliche Prozessverschleppung sind als Teil der Prozessstrategie zu verstehen und diesbezüglich daher bestenfalls Indizien. Nichts anderes gilt für die vielen beantragten Terminverschiebungen und die weitere Appellation an das Reichskammergericht durch die Appellanten. In der Tat sollte es aber erst über sieben Jahre nach der Supplik Schneiders zur Urteilsvollstreckung in der Angelegenheit kommen. Die Supplik zeigt auch, wie die Prozessparteien außerhalb des eigentlichen Gerichtsverfahrens versuchen konnten, Einfluss auf dessen Verlauf zu nehmen, und ferner, wie eng im Rahmen der Landesherrschaft das Supplikenwesen mit der Gerichtsbarkeit verbunden war. f.  Verhandlung und Beschlussfasssung im Rat (1)  Gerichtliche Audienzen und Vorbringen der Parteien Offenbar waren schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts die streitenden Parteien, ihre Vertreter oder auch Zeugen im Rat zu hören. In der Kanzleiordnung des Jahres 1506 war daher bereits die Anhörung von Zeugen taxiert worden.1753 Überdies war nicht nur die Entlohnung der Prokuratoren geregelt, sondern auch ihr Wohlverhalten vor den Räten durch die Ordnung gefordert. Demnach war vorgesehen, dass derjenige, der vor seiner furstlichen gnaden Reten, ainer parthej zum rechten reden, oder rechtlich hanndln will […], solichs mit zuchtigen worten thun, unnd k­ einer dem anndern jn sein Red falln sollte.1754 1752 Dass die Parteien mit der Justiznutzung durchaus strategische Interessen verfolgten, die über die Erlangung oder Vermeidung eines Rechtstitels hinausgingen und gerade Appellationsverfahren gelegentlich im Interesse eines zumindest vorübergehenden Zahlungsaufschubs geführt wurden, hat etwa im Rahmen von wechselrechtlichen Streitigkeiten Amend-­Traut, Konfliktlösung bei streitigen Wechseln, S. 170 – 173, nachgewiesen. 1753 Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 193. 1754 Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 193.

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Derartige Anordnungen wurden nicht grundlos ausgesprochen, denn tatsächlich wurde so manche Auseinandersetzung mit regelrecht persönlichen Angriffen geführt. Als etwa im Jahr 1511 eine Appellatin vorbrachte, dass sie den Notar nicht kenne, den der Appellant zur Einlegung seiner Appellation aufgesucht hatte, und das vorgelegte notarielle Appellationsinstrument der Gegenseite angesichts seiner Form nur von jemandem hätte stammen können, der sich fur einen o­ ffenbaren Notarien ausgegeben und sein leben lanng kein offenn Instrument gemacht oder geschriben hätte,1755 reagierte die andere Partei mit Deutlichkeit. Der Prokurator antwortete, der Notarius sey dermassen bewert unnd so geschickht gewesen, das er nit scheuhe hatte, mit dem dichter dieser unwaren gepletzten schrifft jn dem notariat umb den Esel zu dißputirn.1756 Es sei auch nicht erheblich, dass die Appellatin selbst vom seim Nottariat nit weys, dann sy […] mer acht uff pfaffen oder ander geistlich gehabt hätte, dann uff Nottarien unnd annder arm gesellen, die jr den Balckh nit haben zufullen.1757 Dass außerdem ihr Prokurator davon nit wissen hat[te], ändere daran nichts, denn es sei noch vil uff erden, das er auch nit wisse, denn er wisse nit, das am Lanndtgericht ein nichtig ungötlich, unnd untuglich urteyl dermassen ausgesprochen worden sei, das es seiner Nulitet unnd nichtigkheit halber unnder den Juden oder unglaubigen nit besteen mocht[e].1758 Offenbar sah man auch in der Folgezeit die Notwendigkeit, gegen derartige Ausschweifungen vorzugehen. Denn auch in der Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 findet sich eine mit jener aus dem Jahr 1506 vergleichbare und diesmal sanktionsbewährte Anordnung, die by […] penn aines reynischen guld[ens], den die ubertreter so offt sie dis unnser odernung uberfaren unnd versprochen wurden, unnachlesßlich bezallen sollten, vorsah, dass sich kein redner […] geen dem anndern jn unngestime unngeschickhde handlung, oder schmehwortt einlassenn, sonnder ain jeder seiner ­parthey jr notturfft mit zimlichen beschaiden wordtenn vorbringen und sein Gegenüber dasselbe geduldig tun lassen sollte.1759 Vergleichbare Regelungen fehlen in den folgenden Kanzleiordnungen. Wahrscheinlich ging damit in der Sache keine Änderung einher, denn die folgenden Ordnungen, nota bene einschließlich jener des Jahres 1551, gehen auf die Prokuratoren auch hinsichtlich ihrer Besoldung nicht mehr ein. Möglicherweise ließ man derartige Anordnungen aus den Kanzleiordnungen gänzlich entfallen, da es sich bei den Prokuratoren nicht um Kanzleipersonal, 1755 BayHStA, RKG 7130, Q6 fol. 7r. 1756 BayHStA, RKG 7130, Q6 fol. 8r f. Es dürfte sich hierbei um eine Redewendung handeln, die die Sinnhaftigkeit der gegnerischen Ausführungen in Zweifel ziehen sollte. 1757 BayHStA, RKG 7130, Q6 fol. 8v. Mit Balckh ist hier ersichtlich Bauch oder Leib gemeint; vgl. auch Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 1085 („Balg“); Lexer, Mittel­hochdeutsches Handwörterbuch, Bd. 1, Sp. 114 („balc“). 1758 BayHStA, RKG 7130, Q6, fol. 8v f. 1759 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 12v.

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sondern um Parteivertreter handelte. Der Wegfall derartiger Regelungen in den späteren Kanzleiordnungen dürfte aber kaum der Tatsache geschuldet sein, dass die Auseinandersetzungen der Anwälte und Prokuratoren in Schriftsätzen beziehungsweise Audienzen inzwischen weniger scharf formuliert worden waren. So wies etwa einer der Parteivertreter laut den Protokollen einer gerichtlichen Audienz aus dem September 1570 in Ansehung des im vorherigen Termin durch die Gegenseite vorgebrachten Vortags darauf hin, dass ­dieses im grundt anderst nichts ist dan ein bloß spigelfechten und ein unnutz vergebenlich geschwetz, welches des namens einer probation nicht würdig 1760 sei. Doch auch das Verhalten der Räte im Beisein der Parteien war immer wieder Gegenstand der Kanzleiordnungen. Die Räte sollten diese anhören unnd sich gegenn ainer oder baiden partheyenn, oder aber jnn beyßein derselbigen unter jnnen selbst, jnn kein gezannckh gefeiht oder dißputation gebenn, sonnder die freuntlich beschaidenn.1761 Die Tatsache, dass Parteivertreter vor Gericht gehört wurden, ergibt sich auch aus der Kanzleiordnung des Jahres 1574, wonach der Gerichtsschreiber in den gerichtlichen audientzen mit vleis prothocollirn und danach die gehalttene receß, also das mündliche Vorbringen der Parteien und ihrer Vertreter im Prozess, ad acta registriren sollte.1762 Ausweislich der durch das Kanzleigericht ergangenen Ladungen mussten die Parteien zum ersten Verhandlungstermin selbst oder durch einen bevollmächtigten Anwalt erscheinen.1763 In aller Regel ließen sie sich von Prokuratoren vertreten, die die Prozesshandlungen für sie vornahmen. Die Prokuratoren wurden entweder mündlich vor einem der Räte 1764 oder durch einen sogenannten Gewaltbrief   1765 bevollmächtigt. Mit dieser Vollmacht, die von der z­ wischen Partei und Prokurator vorgenommenen Bestallung als Geschäftsbesorgungsvertrag zu unterscheiden ist, legitimierte sich der Prokurator im gemeinrechtlichen Verfahren.1766 Dabei wurde 1760 StAW, Admin. 18432, unfol. 1761 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 8v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 586; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 48 f. 1762 Kanzleiordnung 1574, StAW , ldf 32, S. 73. Begrifflich zum Rezess DRW XI , Rezeß, Sp. 986 f. 1763 Ausdrücklich etwa BayHS tA, RKG R0717 (Bestellnr. 10926), Q2 fol.  26v; StAW , Admin. 18432, unfol. (Ladung vom 25. 01. 1569). 1764 So beispielsweise in einem Verfahren des Jahres 1534, Bay HS tA, RKG S0604 (Bestellnr. 12471), Q8, unfol., als der Beklagte erst nach Eingang der artikulierten Klage gegenüber dem gelehrten Rat und späteren Kanzler Dr. Johann Brief dem „Hofgerichtsprokurator“ Ludwig Fruck Vollmacht erteilte. 1765 So etwa schon in einem reichskammergerichtlichen Verfahren aus dem Jahr 1503, ­BayHStA, RKG 5816, Q1 (Gewaltsbrieff). 1766 Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 175 f.

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die Reichweite der in der Regel sehr umfänglichen Vollmacht dezidiert dargelegt, die sich in der Regel auf verschiedene, explizierte Prozesshandlungen bezog,1767 etwa auf den Schwur des Kalumnieneides, die Kriegs- oder Streitbefestigung, das Artikulieren oder die Substitution durch einen anderen (Unter-)Anwalt. Angesichts ihrer Formelhaftigkeit und des Umfangs dieser Gewaltbriefe verwundert es kaum, dass diese vor allem in der Zeit Julius Echters zunehmend formularmäßig gedruckt übergeben wurden, wenn der Bischof selbst als Partei am Verfahren beteiligt war.1768 Lag eine schriftliche Vollmacht vor, wurde sie ausweislich der am Reichskammergericht eingegangenen Akten der Vorinstanz regelmäßig der Gerichtsakte hinzugefügt.1769 In den protokollarischen Aufzeichnungen des Kanzlei­gerichts geht sie etwa als Übergabe von macht und gewalt mit notturfftigen und gewonlichen Clauseln hervor.1770 Da die Prokuratoren eine juristische Universitätsausbildung genossen haben mussten und gelegentlich sogar promoviert waren, ist ihre Zahl im Laufe des 16. Jahrhunderts angesichts der zunehmenden Anzahl von Universitäten gestiegen, aber insgesamt noch recht gering gewesen.1771 Es verwundert daher nicht, dass an den Würzburger Gerichten auch gegen Ende des 16. Jahrhunderts regelmäßig dieselben Parteivertreter auftraten, die überdies an allen Würzburger Obergerichten 1767 Vgl. etwa – ebenfalls um diese Zeit im Jahr 1575 – die ausführliche schriftliche Vollmacht in BayHStA, RKG 4356, Q5, fol. 290r–291v. Zur „zeitgenössische[n] Weitschweifigkeit“ der Vollmachten Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 175. 1768 Ein solcher Druck findet sich etwa in BayHStA, RKG 2885 im Rahmen einer Appellation vom Würzburger Bürgerlehengericht an das Reichskammergericht im Jahr 1582. Noch unter Echters Vorgänger war in einem Verfahren mit lehnrechtlichem Bezug 1570 eine handschriftliche Vollmacht erteilt worden, BayHStA, RKG 6704. 1769 Im Protokoll zu einem Verfahrenstermin vor dem Kanzleigericht am 08. 02. 1583 heißt es demnach, der Prokorator habe ubergeben seinen schrifftlichen besigellten gewaltt, unnd jn Crafft desselben, seine außgangen citation […] reproducirt, BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 255r. Die Vollmacht ist sodann auch unter den Prozessschriften zu finden, ebd., fol. 292v–297r. Für die Gegenseite findet sich keine schriftliche Vollmacht in der Akte. Im Protokoll heißt es vielmehr, dass die Parteien in eigener Person erschienen ­seien. Sie bestellten auch also balden […] procuratorem M. Brosamerum zur Fortführung des Appellationsverfahrens, ebd., fol. 256r. Die entsprechende Vollmacht war hier also offenbar mündlich vor dem Gericht erteilt worden. 1770 BayHStA, RKG 2680, Q6, unfol.; ähnlich auch BayHStA, RKG R0652 (Bestellnr. 10887), Q5, unfol. (mit allenn notturfftigen clauseln). 1771 Die Stadt bediente sich daher häufig der bischöflichen Räte. Tätig wurden etwa die doctores Georg Farner, Georg Hagen (beide 1530), Wilhelm Ganzhorn oder Johann Werner von Themar (beide 1538) als Anwälte in Prozessen insbesondere zu Lehens- und Gemarkungsfragen. Überdies nahm die Stadt zuweilen die an den Würzburger Gerichten t­ ätigen Prokuratoren, wie etwa 1556 Magister Thomas Faber, als syndici in Dienst, Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 222 f., insb. Anm. 764.

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tätig waren.1772 Auch in den Kanzleigerichtsverfahren wurden sie dementsprechend als Hof- und Landgerichtsprokuratoren bezeichnet.1773 Gelegentlich sind Anwälte nur entweder als Hof- oder als Landgerichtsprokuratoren in den Akten benannt. Wahrscheinlich entsprachen den verschiedenen Bezeichnungen keine tatsächlichen Unterschiede in den Kompetenzen dahingehend, dass etwa ein Teil der Prokuratoren nur an bestimmten Gerichten zugelassen gewesen wäre. Denn ganz abgesehen davon, dass die Anzahl geeigneter Juristen überschaubar war, finden sich in aller Regel auch Bezeichnungsunterschiede innerhalb der Akten bezüglich derselben Personen.1774 Am Stadtgericht waren in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts sieben Prokuratoren zugelassen.1775 Es handelte sich hierbei im Wesentlichen um dieselben Juristen, die auch vor der Kanzlei und vor dem Hof- oder Ritterlehen­gericht als Prozessvertreter der Parteien auftraten. Eine Aufzeichnung über Verfahren am Ritterlehengericht zur Zeit des Gerichtsschreibers Johann Schilling weist etwa für einen Gerichtstermin im Jahr 1577 neben dem bischöflichen Syndikus die Prokuratoren Seger, Faber, Spiegel und Brosamer aus,1776 die allesamt auch in Verfahren vor dem Kanzleigericht auftraten.1777 Falls es Abweichungen unter den Personen gegeben haben sollte, wird dies eher zu einem gegenüber dem Stadtgericht kleineren Kreis von Parteivertretern an den anderen Gerichten geführt haben. Denn am Stadtgericht konnten grundsätzlich auch die fürstlichen Räte als ­Prokuratoren 1772 Siehe diesbezüglich sogleich Anm. 1777. 1773 BayHStA, RKG 7019, [ohne Q], fol. 12r (ann unnserm hofgericht oder hof und lanndtgericht), R0652 (Bestellnr. 10887), Q5, unfol., 4356, Q5, unfol., 2680, Q6, unfol. (procuratorn unsers hove und Landtgerichts), R0717 (Bestellnr. 10926), Q2, fol. 1r (procurator ann unnserm hoffe und lanndtgericht), 30r (gemelten furstlichen landtgerichts procurator), Z0091 (Bestellnr. 14477), Q20, 2r (hoff und Landtgerichts procurator). Selbst am Würzburger Stadt- und Brückengericht erscheint Magister Thomas Faber als hove unnd lanndtgerichts procurator, BayHStA, RKG 2779, Q7/II, fol. 1r. 1774 So wird etwa Dr. Christoff Berk in BayHStA, RKG R0717 (Bestellnr. 10926), Q2, fol. 1r, 30r, als Hof- und Landgerichtsprokurator bzw. nur als Landgerichtsprokurator ausgewiesen. 1775 Götz, Würzburg im 16. Jahrhundert, S. 211, Anm. 700; Willoweit, Gericht und Obrigkeit, S. 241. 1776 StAW, Lehen 3878, unfol. 1777 So etwa Seger in BayHStA, RKG 4215 (in einem Verfahren von 1583 bis 1592 vor dem Kanzleigericht), 7286 (1583), 1265 (1592 – 1595) und 5676 (1603 – 1606), Brosamer in BayHS tA, RKG R0279 (Bestellnr. 10598) (1577), 7286 (1583), 3625 (1587 vor dem Ritterlehengericht), 1265 (1592 – 1595) und 5676 (1603 – 1606), Faber in BayHStA, RKG Z0091 (Bestellnr. 14477) (1561 – 1566), 2779 (1564 – 1582 vor dem Stadt- und Brückengericht), S1137 (Bestellnr. 11871) (1556), 4356 (1575 – 1578), 4215 (1583 als vertretender Anwalt für Brosamer) und StAW, Admin. 18432, unfol. (1569 – 1573/76) und Spiegel in BayHStA, RKG 4356 (1575 – 1578), R0279 (Bestellnr. 10598) (1577) und möglicherweise als Spigcling in StAW , Admin. 18432, unfol. (1569 in zwei Terminen als vertretender Anwalt für Faber).

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auftreten, während ihnen dies aufgrund der zu befürchtenden Interessenkollision nicht in Verfahren gestattet war, die drohten, im Appellationswege an die Kanzlei zu gelangen.1778 Diese Gefahr bestand aber am Stadtgericht nicht, da eine Appellation gegen die Urteile ­dieses Forums an die Kanzlei nicht statthaft war. Alles in Allem hatte der persönliche Vortrag der Parteien eine untergeordnete Stellung in dem grundsätzlich schriftlich geführten Verfahren, in dem zwar Prozessanträge, etwa die Bewilligung einer Fristverlängerung oder die Bitte um ein Bei- oder Zwischenurteil mitsamt der dazu erforderlichen conclusio 1779, durch die Prokuratoren als Parteivertreter mündlich erklärt werden konnten, die wesentlichen Eingaben der Parteien allerdings schriftsätzlich einzubringen waren. (2)  Gerichtstermine und Terminsystem In gerichtlichen Sachen sollte der Kanzler ausweislich der Ordnung der Jahre 1525/1526 alle wochen ain tag zuverfasßung der urthayll verwenden.1780 In vergleichbarer Weise verlangte die Kanzleiordnung 1546, dass der Gerichtsschreiber dem Rat stets am Dienstag, der wohl für längere Zeit als Tag für die gerichtlichen Angelegenheiten ausgewiesen war, die dem Eingang nach ältesten Verfahren als Erstes vorzulegen hatte, damit dieser bei und end urteil machen 1781 konnte. Prozesshandlungen wurden aber, wie sich den Protokollen des Gerichts entnehmen lässt, an den unterschiedlichsten Tagen einschließlich Samstag und stets in etwa monatlichem Abstand vorgenommen. Grundsätzlich tagte der Rat als Kanzleigericht also etwa einmal im Monat, während die Behandlung der gerichtlichen Sachen außerhalb der Audienzen regelmäßig einmal wöchentlich auf der Tagesordnung des Rates stand. Die Kanzleiordnung des Jahres 1574 ging dementsprechend davon aus, dass im Jahr zehn Kanzleigerichte gehalten wurden.1782 Damit dürfte auch hier ein schon länger andauernder Zustand normativ gefasst worden sein, denn die Gerichtsakten, die schon seit der Jahrhundertmitte eine sehr umfängliche und stets datierte Protokollierung der Prozesshandlungen enthielten, weisen Gerichtstage etwa alle vier bis sechs Wochen aus. Allerdings war der Dienstag in der beginnenden zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts recht häufig als Gerichtstag vorgesehen, während die Freitage zunächst eher selten für Audienzen herangezogen wurden. Dies lag höchstwahrscheinlich daran, dass dieser Tag ausweislich der Kanzleiordnung 1546 1778 1779 1780 1781 1782

Siehe dazu bereits S. 262 f. Siehe dazu sogleich S. 348. Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10v. Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 72.

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und vielleicht auch s­päter noch den Gebrechensachen vorbehalten war.1783 Generalisierende Aussagen über den gesamten Zeitraum des 16. Jahrhunderts verbieten sich diesbezüglich aber. So sind etwa im Verfahren Melber gegen Schneider, das maßgeblich in den Jahren 1569 bis 1573 geführt wurde, außer Freitag und Sonntag alle Wochentage als Gerichtstage regelmäßiger erkennbar, wenngleich Montage und vor allem Dienstage besonders häufig auftreten.1784 In den Jahren 1585 bis 1587 scheint hingegen maßgeblich der Freitag und häufig zusätzlich auch der nachfolgende Samstag als Gerichtstag genutzt worden zu sein.1785 Das Kanzleigericht verhandelte nach dem zeittypischen, gemeinrechtlich geprägten Terminsystem, dem auch das Reichskammergericht folgte und das in Appellationsverfahren grundsätzlich drei Termine vorsah. Einen recht vollkommenen Einblick in den idealtypischen Verfahrensablauf bietet die hinsichtlich des Verfahrens stark an die Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1555 angelehnte 1786 Landgerichtsordnung des Jahres 1580, die wiederum mit nur wenigen Veränderungen 1618 in Druck gegeben wurde. Zwar regelten beide umfänglich nur das Verfahren am Landgericht. Allerdings weist die spätere Ordnung einen zuvor noch nicht enthaltenen 38. Titel auf, der nur einen einzelnen Paragraphen enthält: Dem Regelungsgehalt nach handelt es sich um eine Verweisungsnorm, die anordnete, dass es in Appellationsverfahren vom Landgericht an die Kanzlei mit Edirung, unnd heraußgebung der Acten, auch volgendem Proceß, allerdings gehalten werden solle, wie ietzo nach einander, von den Appellationibus, so an unser Landtgericht geschehen, geordnet ist.1787 Dass das Terminsystem aber schon lange vor Erlass der genannten Ordnungen Anwendung fand, ergibt sich aus den überlieferten Gerichtsakten und 1783 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336. 1784 StAW, Admin. 18432, unfol. 1785 Dies ergibt sich aus einem Verfahren, das in den Jahren 1585 bis 1595 am Kanzleigericht verhandelt wurde, BayHStA, RKG R0071 (Bestellnr. 14858), [ohne Q] (Kanzleigerichtsakte). Allein im Zeitraum von September 1585 bis Dezember 1587 wurde die Sache an 18 Kanzleigerichtsterminen verhandelt, von denen mindestens fünf zweitägige Sitzungen erforderten. Wahrscheinlich wurde zu dieser Zeit generell an zwei Tagen verhandelt. Unter den 23 Sitzungstagen, an denen Prozesshandlungen vorgenommen wurden, waren zehn Freitage, sechs Samstage, fünf Donnerstage, ein Montag und ein Mittwoch. In den 39 weiteren für d ­ ieses Verfahren benötigten Sitzungstagen bis in das Jahr 1593 scheint dann Freitag als Gerichtstag wieder weniger häufig gewählt worden zu sein. Es finden sich dann unter den Terminen elf Freitage, neun Montage, je sieben Dienstage und Donnerstage sowie fünf Mittwoche, vgl. ebd., fol. 1r–69v. 1786 Demnach sind die Vorschriften der Titel 35 bis 37 des zweiten Teils der Landgerichtsordnung zu den einzelnen Gerichtsterminen ihrem Wesen nach weitgehend identisch mit jenen der Reichskammergerichtsordnung von 1555 in den Titeln 31 bis 33 des dritten Teils. Entsprechendes gilt für die LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47v–50v. 1787 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38, § 1. Siehe dazu bereits S. 322.

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Fragmenten. So heißt es etwa in einer Ladung aus dem Jahr 1528, der Appellat möge vor der Kanzlei erscheinen und zur Kenntnis nehmen, welcher Tag fur den ersten andern, dritten und entlichen rechtstag 1788 gesetzt und benannt würde. i.  Erster Termin Im ersten Termin fand auch die Introduktion statt, mit der das Verfahren am Kanzleigericht erst anhängig gemacht wurde. Zu d ­ iesem Termin musste also vor allem 1789 die Ladung reproduziert werden. Ebenso sollten schon jetzt die Akten der Vorinstanz oder acta primae instantie oder, falls ergangen, inhibitiones, compulsoriales und das instrumentum appellationis vorgelegt werden.1790 Auch wenn das Ergehen der Inhibition und des Kompulsorialbriefes angesichts der Formulierung der Ordnung nicht zwingend war, wurden sie doch in der ganz überwiegenden Anzahl der überlieferten Fälle mit der Supplikation erbeten und folglich auch eingebracht. Das notarielle Appellationsinstrument und die Gerichtsakten der ersten Instanz hatten eine ähnliche Bedeutung für ­dieses Verfahrensstadium, indem sie bei einer schriftlich vor dem Notar und mindestens zwei Zeugen beziehungsweise einer mündlich direkt vor dem Ausgangsgericht erfolgten Einlegung der Appellation den Nachweis über die Einhaltung der formalia appellationis ermöglichten. Erst wenn diese iustificirt wurden und so insbesondere der Nachweis über eine form- und fristgerechte Interposition gelang, waren die Voraussetzungen der Appellation erfüllt.1791 Während die Vorlage eines notariellen Appellationsinstruments allein in den Händen des Appellanten lag, hing die Vorlage und Einführung der acta primae instantie in den Prozess zu weiten Teilen vom erstinstanzlichen Gericht ab, das diese zu erstellen und herauszugeben hatte. Die Untergerichte waren gegen eine entsprechende Taxe verpflichtet, die Gerichtsakten auszufertigen und dem Appellanten auszuhändigen.1792 Demnach ergab sich durch die Möglichkeit einer Appellation an die Kanzlei ein erheblicher Verschriftlichungsdruck für die Untergerichte, die traditionell meist mündlich verhandelt hatten. Nachdem das Kanzleigericht beispielsweise im Jahre 1534 das Stadtgericht Iphofen als erstinstanzliches Gericht durch Interlokut verpflichtet hatte, die Akten des Verfahrens auf Kosten des ­Appellanten 1788 StAW, Lehen 6359, unfol. 1789 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 1 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47v f. 1790 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 1; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 47v. 1791 Vgl. LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 3; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48r. Zu den formalia appellationis siehe Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­Teutonicum, S. 317. 1792 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 34, § 2; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 51r.

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herauszugeben, wurde seitens des Schultheißen, des Bürgermeisters und des Rates der Stadt darauf hingewiesen, dass man diesenn geprauch, bießher gehalttenn, das clag, antwurt, rede, unnd widerrede (dann allein kuntschafftt) nit allein beschriebenn werden, es sey dann das die partheien des begerenn.1793 Da dies vorliegend jedoch vonn baiden theilenn nit geschehenn war, wollte man nachträglich das mündliche Vorbringen der Parteien, soweit es dem Gericht noch bekannt war, durch einen schriftlichen Bericht ersetzen unnd damit die Acta ergentzt habenn.1794 In der Folgezeit versuchten die Würzburger Bischöfe, dem Verschriftlichungsbedürfnis auch normativ Ausdruck zu verleihen. Dementsprechend sah etwa die Ordnung für die Vogtei- und Dorfgerichte des Amts Mainberg Konrads von Bibra im Jahr 1542 vor, dass zumindest in Fällen, in denen eine Appellation wahrscheinlich war, die Hinzuziehung eines Schreibers erforderlich sein sollte.1795 Ferner bestimmte die unter Echter fertiggestellte Landgerichtsordnung, dass an den Undergerichten, die Mündtliche vorträge, jederzeit eigentlich auffgeschrieben, auch anders einbringen vleissig, unnd beysammen verwahrt werden sollten.1796 Bedeutendes Gewicht erhielt das Erfordernis der Verschriftlichung noch dadurch, dass die Kompulsorial- oder Zwangsbriefe für den Fall der Zuwiderhandlung eine bestimmte Geldsumme als Sanktion vorsahen, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immerhin bei regelmäßig 100 Gulden lag.1797 Gemäß der Landgerichtsordnung von 1618 sollten überdies die Underrichter, also Richter und Schöffen, gegenüber den Parteien für Schaden und Costen haften, die diesen durch eine verweigerte oder verzögerte Erstellung der Akten entstanden.1798 Selbst bei einer in aller Regel zu unterstellenden Kooperationsbereitschaft des jeweiligen Gerichts konnten die Fristen leicht überschritten werden. Während etwa eine Akte des Landgerichts wegen des dort ohnehin schriftlich geführten Verfahrens und der großen räumlichen Nähe zum Kanzleigericht – beide Gerichte tagten im gleichen Gebäude – durch den rechtlich sehr erfahrenen Landschreiber 1799 zügig ausgegeben werden konnte, war gerade bei auswärtigen Gerichten, denen der Kompulsorialbrief zunächst durch einen Boten zugestellt werden 1793 BayHStA, RKG S0604 (Bestellnr. 12471), Q8, unfol. 1794 BayHStA, RKG S0604 (Bestellnr. 12471), Q8, unfol. 1795 StAW, Salb. 102, fol. 6r; Scherzer, Die Dorfverfassung der Gemeinden, S. 44 f. 1796 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 34, § 3; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 51r. 1797 Einen entsprechenden Hinweis auf die zu leistende peen liefert im Grundsatz die LGO 1618, 2. Teil, Tit. 34, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 51v. Die Höhe im Einzelfall ergab sich aber aus dem jeweiligen Kompulsorialbrief und konnte in weiteren Androhungen gesteigert werden, falls das Untergericht die Akten nicht ordnungsgemäß edierte und herausgab, vgl. dazu etwa das Verfahren in StAW, Admin. 18432, unfol. 1798 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 34, § 6; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 51v. 1799 Siehe dazu bereits S. 105 f.

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musste und die die Akten erst zusammenzustellen hatten, mit Verzögerungen zu rechnen. Ebenso konnte ein besonderer Umfang des Ausgangsverfahrens zu nachvollziehbaren Verzögerungen führen. Hierfür war nun gerade das Landgericht prädestiniert, das mit der sachlichen Zuständigkeit für Erbstreitigkeiten häufig komplexe Verfahren mit ausführlicher Beweisführung zu führen hatte. Dementsprechend enthielt die Landgerichtsordnung auch ausdrücklich die Möglichkeit einer Verlängerung der Frist zur Einbringung der Gerichtsakte zu einem folgenden Gerichtstermin, wenn der Appellant nachwies, dass er um Erteilung der Akten beim Ausgangsgericht nachgesucht hatte.1800 Verlängerungsanträge und Bewilligungen wurden, wie sich aus den Gerichtsakten ergibt, in aller Regel ad proximam, also bis zum folgenden Termin gewährt, der am Kanzleigericht in aller Regel binnen vier bis sechs Wochen stattfand.1801 Ein augenfälliges Beispiel für das Bedürfnis nach einer entsprechenden Dilation bietet das Appellationsverfahren ­zwischen Sophia von Grumbach und Barbara von Heßberg aus dem Jahr 1575, also noch vor Fertigstellung der Landgerichtsordnung von 1580, in dem anstelle der landgerichtlichen Gerichtsakte eine Urkunde des Landschreibers vorgelegt wurde, wonach sich die Aktenerstellung wegen ihres Umfangs noch verzögere.1802 Als dann schließlich die nach späterer Abschrift durch die Kanzlei 287 Blatt starke und durchgängig beschriebene Gerichtsakte vorlag, brauchte der Prokurator Castalus Spiegel mit Verweis auf den Umfang weitere vier Termine, um nach einem zum weiteren Verfahren mahnenden Beiurteil des Gerichts endlich seinen Appellationslibell vorzulegen.1803 Derartige Verzögerungen waren keine Seltenheit und häufig damit verbunden, dass die hinter den Schriftsätzen stehenden Advokaten einige Zeit benötigten, um diese anzufertigen. Häufig finden sich daher in den Protokollen des Kanzleigerichts Hinweise der Prokuratoren, wie in einem Verfahren vor der Kanzlei aus dem Jahr 1584, in dem zahlreiche Gesuche um weitere Verschiebung in die Sphäre der beteiligten Advokaten fielen. Zunächst bat darin Prokurator Seger am 9. Februar wegen allerlej furgefallener verhinderung bei dem aufgesuchten Advokaten um eine Fristverlängerung.1804 Nachdem diese gewährt wurde und er aus gleichem Grund nochmals Verlängerung erhielt, führte er im nächsten Termin aus, dass sein Prinzipal 1800 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 7; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48v, die dem Wortlaut nach den Kompulsorialbrief oder den genannten Nachweis verlangte. Möglicherweise handelt es sich hierbei um einen redaktionellen Fehler, sodass in der Praxis wie nach der späteren Ordnung gegebenenfalls beides verlangt wurde. 1801 Siehe dazu S. 340 f. Zu der geläufigen Formulierung ad proximam etwa Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 109 f. 1802 BayHStA, RKG 4356, Q5. 1803 BayHStA, RKG 4356, Q5, insb. fol. 288v. 1804 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 260v.

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sich jn wenig tagen zu dem herrn Advocaten verfuegen, unnd was ferner zu h­ andlen, anzeigen wollte und deshalb seine Prozesshandlung nochmals vertagt werden sollte.1805 Fast hilflos wirkte der Prokurator im folgenden Termin, als er ausführte, er habe bej seinenn principaln, umb fernere handlung beim herrn Advocaten zubestellen, anmahnung gethan, auß was ursachen aber jhme s­ olche noch nit zu kommen, könne er nit wißen.1806 Erst als Seger im folgenden Termin erneut nicht zu handeln imstande war, widersprach der Prokurator der Gegenseite, sodass ein gerichtliches Urteil erging, wonach die begehrte Prozesshandlung – hier der Beschluss oder Rechtsatz – von Amts wegen ohne weiteres Parteivorbringen als vorgenommen gelten sollte, wenn nicht bis zum folgenden Termin weitere Prozesshandlungen vorgenommen würden. Sechs Monate nach dem ursprünglichen Termin gab Seger schließlich am 28. August seinen Schriftsatz zu den Akten.1807 Die Gerichtsakten konnten auf zwei Weisen, entweder unverschlossen oder verschlossen und gesiegelt, übergeben werden. Erhielt der Appellant diese rechtzeitig und unverschlossen, sollte er im ersten Termin auch schon die Clage, also die Klageschrift einbringen.1808 Wurden die Akten der Vorinstanz dem Appellanten zu spät, aber unverschlossen zur Verfügung gestellt, konnte nach Anzeige d ­ ieses Sachverhalts eine Fristverlängerung bis zum nächsten Termin gewährt werden.1809 Waren dem Appellanten die vorinstanzlichen Akten verschlossen übergeben worden, mussten diese ungeöffnet bei Gericht eingereicht werden. Nach Eröffnung des Inhalts wurde dem Appellanten eine Kopie und Zeit bis zum nächsten Kanzleigericht gewährt, um seine Klageschrift einzubringen.1810 Offenbar war es auch möglich, dass die Parteien sich die eingereichte Gerichtsakte zur Anfertigung ihrer Prozessschriften aushändigen ließen. So bat ein Prokurator vor dem Kanzleigericht etwa darum, ihm die Akte widerumb zu exhibiren, ­welche er dem Gerichtschreibern hernacher bona fide, widerumb restituiren wollte.1811 Denn gerade in umfänglicheren Verfahren war die Erstellung einer zusätzlichen Abschrift nicht nur mit erheblichen Kosten, sondern auch einem bedeutenden Zeitverzug verbunden. Die Klage konnte summarisch oder artikuliert vorgebracht werden.1812 Im ­ersten Fall entschied das Kanzleigericht auf Grundlage der eingebrachten Akten der Vorinstanz, also ohne neuerlichen Tatsachenvortrag und -beweis der Parteien, 1805 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 261r. 1806 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 261v. 1807 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 263r. 1808 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 4; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48r. 1809 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48r f. 1810 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 6; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48v. 1811 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 256v. 1812 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 9; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48v.

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­ ährend andernfalls erneut artikuliert und über die einzelnen Artikel Beweis w erbracht werden musste.1813 Dargelegt wurde der Vortrag zur Sache demnach in der zeittypischen Form des Positionalverfahrens oder Artikelprozesses, bei dem zu den erheblichen vorgebrachten Tatsachen jeweils einzelne Artikel als Behauptungssätze formuliert wurden, die der Prozessgegner dezidiert bejahen oder verneinen musste.1814 Wurden die jeweiligen in der sogenannten positio des Klägers behaupteten Tatsachen zugestanden, musste darüber von keiner Partei mehr Beweis geführt werden.1815 Sollte von Neuem artikuliert werden, war ausdrücklich normiert, dass die beschwernussen Articuls weise, unnd nicht erstlich summarisch, unnd als dann allererst Articuliret, in schrifften einzugeben waren.1816 Damit war eine Abweichung von der Reichskammergerichtordnung des Jahres 1555 vorgenommen, die auch eine zunächst summarische Klage ermöglichte, die noch im dritten Termin artikuliert werden konnte.1817 Die Landgerichtsordnung folgte gleichwohl dem geltenden Reichsrecht, das seit dem Reichsabschied von 1570 zu mehrer Schleunigkeit der rechtlichen Processe die artikulierte Form im ersten Termin vorsah und den Appellanten zu späterem Zeitpunkt diesbezüglich präkludierte.1818 Aber auch nach einer entsprechenden Normierung in der Landgerichtsordnung des Jahres 1580 wurden die Klageschriften gelegentlich zunächst summarisch eingereicht und erst zu einem späteren Zeitpunkt artikuliert, ohne dass dies zu einer Einrede der gegnerischen Partei geführt hätte.1819 Die Klageschrift enthielt regelmäßig – summarisch oder artikuliert – die gravamina, also die Ausführungen des Appellanten darüber, dass er durch das ergangene Urteil beschwert war,1820 und die Bitte zuerkennen, das nichtiglich, oder ubel geurtheilet, und wol appelliret 1821 worden sei. Der Umfang der artikulierten Klagen 1813 Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 738. 1814 Oestmann, Wege zur Rechtsgeschichte, S. 119; Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 116 f. 1815 Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 117. 1816 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 9; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48v. 1817 RKGO 1555 2. Teil, Tit. 31, § 11 und Tit. 33, § 3 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 249, 253. Im ersten Termin konnte demnach die Klage durch den Appellanten in gemeyner weiß oder aber mit außfürung seiner beschwerden articulsweiß eingebracht werden (§ 3). 1818 RA 11. 12. 1570, NSRA III, S. 299, § 88. 1819 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 257v. Zunächst gab der Prokurator seine summarische appellation clag zu den Akten. An anderer Stelle heißt es dann ausdrücklich er repetirt beneben seine summarische appellation Clag loco positionum, reichte diese also anstelle einer artikulierten Klageschrift ein. Wenig ­später reichte die Partei im Beweisverfahren auch ihre Beweisartikel bei Gericht ein. 1820 Vgl. dazu auch Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 742 – 744. 1821 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 35, § 9; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 48v.

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war naturgemäß von Verfahren zu Verfahren sehr unterschiedlich. In Einzelfällen konnte die Klageschrift jedoch mehr als 100 Artikel umfassen.1822 ii.  Zweiter Termin Im zweiten Termin war, sofern nicht die summarische oder artikulierte Klage erst zu d ­ iesem Termin erhoben wurde, der Appellat gehalten, auf die eingebrachte Klage zu reagieren. Vor allem hatte er nun Gelegenheit, die formalia appellationis anzufechten oder Einreden gegen die Appellation vorzubringen, die zur Unzulässigkeit des Verfahrens führten.1823 Diesbezüglich konnten etwa ein Fristversäumnis bei Einlegung der Appellation oder ein erklärter Verzicht der Gegenseite vorgebracht werden,1824 während die Sache, also die Begründetheit der Appellation, hier noch nicht erörtert werden sollte.1825 Bei diesen Einreden handelte es sich also um prozess- oder rechtshindernde (exceptiones dilatoriae), mit denen sich der Beklagte schon gegen die Zulässigkeit des Verfahrens und damit gegen die eigene Pflicht zur Sacheinlassung wendete.1826 Besondere Bedeutung hatte im Prozess die Streitbefestigung (litis contestatio), die das Hauptverfahren und den Prozess im eigentlichen Sinne eröffnete und dilatorische, also prozesshindernde Einreden fortan ausschloss.1827 Insbesondere konnte nach der litis contestatio weder die Unzuständigkeit des Richters gerügt noch der Prokurator als Prozessvertreter ausgewechselt werden.1828 Es folgte der Kalumnieneid (iuramentum calumniae), mit dem sich die Prozessparteien und Anwälte verpflichteten, sich nicht mut- oder böswillig zu verhalten, also keine falschen Angaben zu machen, falsche Beweise anzubieten oder den Prozess zu verschleppen.1829 Waren die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Appellation erfüllt und wurden seitens 1822 BayHStA, RKG 1265, Q3, enthält beispielsweise 120 Artikel. 1823 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 2; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49r f.; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 206. 1824 Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 745. 1825 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 3; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49v. 1826 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 154; Schlinker, Litis Contestatio, S. 318 – 322. 1827 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182; Nörr, Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, S. 161; Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 37; Schlinker, Litis Contestatio, S. 318 – 331, 365 – 367. 1828 Nörr, Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, S. 161; Schlinker, Litis Contestatio, S. 362. 1829 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182; Schlinker, Litis Contestatio, S. 335; Sellert, Kalumnieneid, Sp. 1538.

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des Appellaten demnach keine derartigen Einreden erhoben, sollte ­diesem im zweiten Termin also auff die Appellation Clage, zu antworten, auch litem zu contestiren, obligen.1830 Der Appellat musste demnach erst nach der Streitbefestigung auf die erhobene Klage erwidern. Hatte der Appellant keine neuen Tatsachen vorgetragen und war daher eine artikulierte Klage nicht erfolgt, konnte er schon im zweiten Termin den Aktenschluss oder Beschluss (conclusio) erklären, indem er unter Verweis auf die Klage und die Akte der Vorinstanz eine Entscheidung gemäß dem in der Klage gestellten Antrag erbat, während dem Appellaten freigestellt war, in ­diesem oder im dritten Termin die Sache zu beschließen und um Entscheidung zu bitten.1831 Der Aktenschluss bildete den Abschluss des Verfahrens seitens der Parteien unter Verzicht auf weitere Darlegungen und war zwingende Voraussetzung für eine gerichtliche Entscheidung, sodass nicht nur dem Endurteil über die Begründetheit der Appellation, sondern auch jedem Interlokut eine conclusio vorangehen musste.1832 Ob das „Setzen zu Recht“ oder der „Rechtsatz“ vor den Laiengerichten als ein formaler Akt, der die Parteiverhandlungen abschloss, ein weiteres Vorbringen unterband und den Richter zu einer Entscheidung aufgrund des jeweiligen Parteivortrags aufforderte, mit der römisch-­rechtlichen conclusio identisch war, wurde bereits unter den zeitgenössischen Juristen diskutiert.1833 Am Kanzleigericht, an dem von Beginn an gelehrte Juristen urteilten, scheinen aber beide Begriffe identisch verstanden worden zu sein.1834

1830 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 4; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49v. 1831 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 6; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49v f. 1832 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 173 f. Dementsprechend sah die LGO 1618, 2. Teil, Tit. 16, § 1, ausdrücklich vor, dass, [o]b auch wol der Beschluß, oder Rechtssatz, nicht bey allen Rechtslehrern vor ein wesentlich stück des Processes gehalten worden war, so wol zu Endt, als bey Urtheylen, allwegen […] concludirt, unnd beschlossen, auch ohne derogleichen Rechtsatz, kein Urtheil eröffnet werden sollte. Allgemein zur conclusio im Zivilprozess Endemann, Civilprozessverfahren nach der kanonistischen Lehre, S. 284 f.; Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 966, 973 f. 1833 Vgl. diesbezüglich die Darstellung bei Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 361 – 363, insb. Anm. 183. Die Frage ist noch heute umstritten. Von einer Übernahme aus dem kanonischen Recht geht etwa Leiser, Der gemeine Zivilprozess, S. 45, aus. Schlosser, Spätmittelalterlicher Zivilprozeß, S. 389 – 391, bezweifelt hingegen eine Beeinflussung durch das gelehrte Recht. Vgl. ferner Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 362, Anm. 183 m. w. N. 1834 Jedenfalls in der LGO 1618, 2. Teil, Tit. 36, § 6 f., werden Conclusion, beschliessen, und die Sach zu endlicher Erkanntnuß setzen offenbar gleichbedeutend verwendet; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49v f. Auch in den Prozessakten findet sich die Bezeichnung, vgl. etwa StAW, Admin. 18432, unfol.

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iii.  Dritter Termin Im dritten Termin konnten die Parteien, falls sie vor dem Kanzleigericht gegenüber der Vorinstanz keine neuen Tatsachen vorgetragen hatten, mündlich beschließen oder eine Konklusionsschrift vorbringen, die je nach Partei entweder den die Appellation begründenden oder das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis verteidigenden Vortrag enthalten sollte.1835 Für den Appellaten blieb indes die Möglichkeit, erst zum folgenden Gerichtstermin mit seinem Sachvortrag zu beschließen, falls der Appellant dies seinerseits erst im dritten Termin getan hatte.1836 Hatte der Appellant in seinem Vortrag gegenüber dem Verfahren in erster ­Instanz neue Tatsachen vorgetragen und diese demnach artikuliert, musste der Appellat im dritten Termin darauf antworten. In der Klageerwiderung hatte der Appellat zu den einzelnen Positionen der Klage Stellung zu beziehen, über die dann Beweis zu erheben war, soweit die Parteien in ihren Tatsachenbehauptungen voneinander abwichen.1837 Hinsichtlich der eingebrachten Klageartikel war der Appellat in eigenem Interesse gehalten, im Einzelnen Stellung zu nehmen, denn unwidersprochene Tatsachen galten als zugestanden.1838 Die nach der Streitbefestigung vorgenommenen Eingaben dienten dem Verfahren in der Sache, bezogen sich also auf die Begründetheit der Appellation und nicht mehr auf die Zulässigkeit derselben. Vor allem war es dem Appellaten hier nicht nur möglich, in den responsiones Gegenrede gegen die Klageartikel des Appellanten zu führen, sondern auch insbesondere rechtsvernichtende Einreden (exceptiones peremptoriae) gegen den geltend gemachten Rechtsanspruch zu erheben.1839 Im Grunde war somit ein dem gemeinrechtlichen Verfahren in erster Instanz entsprechender Prozess eröffnet, in dem die Parteien von neuem Beweis führen mussten, ohne an die vorherigen Ausführungen oder das Beweisverfahren in erster Instanz gebunden zu sein. Lediglich 1835 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 37, § 1 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 49v f. In der LGO 1618, 2. Teil, Tit. 37, § 2, war ausgewiesen, dass der Appellat antworten sollte, was er zu behauptung der vorigen Urtheil für nötig erachtete. Genau genommen ging es aber nicht darum, das Handeln der Unterrichter auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sondern ein günstiges (neues) Sachurteil zu erhalten. In der LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 50v, war diese Passage nicht enthalten. Stattdessen hatte der Appellat zuantwortten omnia zu procedirn und damit schrifftlichen zu concludirn. 1836 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 37, § 1; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 50r. 1837 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182; Schlinker, Litis Contestatio, S. 335 f., 341. 1838 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 152 f. 1839 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 37, § 3 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 50v. Zu den exceptiones peremptoriae siehe Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­Teutonicum, S. 274. Dazu ausführlicher Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 150 – 154, 156; Schlinker, Litis Contestatio, S. 318 f.; 327 – 329.

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der Streitgegenstand musste mit jenem des Ausgangsverfahrens identisch bleiben. Deshalb durften die vorgebrachten Beweisartikel nicht auff andere sachen, darüber nicht geclagt, gestellet werden.1840 Mit den Worten Ludolf Hugos aus dem Jahre 1662 ist festzustellen, dass mit der Appellation die Streitenden, die schon am Ende angekommen schienen, […] an den Anfang des Streits zurückgeworfen wurden.1841 Entgegen der üblichen Urteilsformel übel geurtheilt, wol appelliert war der Gegenstand des Verfahrens auch nicht das korrekte Vorgehen des Richters und der Schöffen im Ausgangsverfahren, also das richtige Urteilen, sondern angesichts der möglicherweise neu vorgebrachten Tatsachen (ex novis causis) vielmehr die objektive Rechtmäßigkeit des Urteils.1842 Zwangsläufig musste gegenüber der mit der Appellation verfolgten Zielstellung, mittels einer weiteren Tatsacheninstanz dem objektiven Recht zur Geltung zu verhelfen, das Interesse an einer raschen Beendigung des Rechtstreits zurücktreten.1843 iv.  Melber gegen Schneider: Erster Verfahrensabschnitt Hieronymus Melber hatte also am 17. Februar 1569 vor dem Kanzleigericht Ladung, Inhibition und Kompulsorialbrief reproduziert und die Gerichtsakte des Obervolkacher Dorfgerichts mit Bitte um publicationem et copiam durch seinen Prokurator Brenninger übergeben lassen.1844 Die Eröffnung der Akten erfolgte dann erst durch das Kanzleigericht, das den Parteien auf Antrag Abschriften zukommen ließ. Melber erschien zwar nicht in eigener Person, hatte aber am Vortag eine Vollmacht (gewalt) zugunsten seines Prokurators erteilt.1845 Clemens Schneider hingegen war in eigener Person erschienen und constituirt[e] M. Thomam Fabri ad agentum & defendum contra Jheronimum Melbern, in optima forma cum omnibus clausulis solitis & necessarijs 1840 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 37, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 50v. 1841 Hugo, Vom Missbrauch der Appellation, S. 48. 1842 Entsprechend schon die zeitgenössische Kritik Hugos, Vom Missbrauch der Appellation, S. 87 f. Gleichwohl waren nach der geltenden Rechtsquellenlehre bei der Beurteilung die materiell-­rechtlichen Grundlagen vor Ort heranzuziehen, Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 338. Dass diese selbst auf Territorialebene umstritten sein konnten, zeigt die von den Zeitgenossen häufig unterstellte Divergenz der Urteile von Land- und Kanzleigericht in Bezug auf die heranzuziehenden Landesgebräuche, dazu S. 119 – 123. 1843 Zwangsläufig steht das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung im Appellationsverfahren im Widerstreit zu einer raschen Beendigung des Rechtsstreits. Zu diesen beiden Polen und ihrer Auflösung am Oberappellationsgericht Celle im 18. Jahrhundert Stodolkowitz, Der Zivilprozess des Oberappellationsgerichts, S. 189. 1844 StAW, Admin. 18432, unfol. 1845 StAW, Admin. 18432, unfol.

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gegenüber dem Vizekanzler.1846 Wahrscheinlich wurde die Vollmacht mündlich erteilt, denn es finden sich keine entsprechenden Dokumente in der Akte. Dafür spricht auch, dass hier der Vizekanzler als Adressat der Erklärung gesondert ausgewiesen wird. Zum nächsten Gerichtstermin hätte nun Brenninger als Parteivertreter des Appellanten seinen Appellationslibell vorlegen müssen. Unter Zustimmung der Gegenseite ersuchte und erlangte er eine weitere Verschiebung seines Einbringens und begründete dies zunächst am 28. März 1569 mit der Zustellung der Kopie der erstinstanzlichen Akten am selben Tag. Am 24. Mai 1569 bat er um eine weitere Fristverlängerung. Erst vor kurzem, so die Begründung, sei Melber, sein Prinzipal, bei ihm gewesen und habe Bericht über die vorinstanzliche Akte gegeben, sodass er sich also khurze der Zeitt halbenn mit handlung nicht khonnen gefast machen.1847 Zum folgenden Gerichtstermin am 27. Juni wurde schließlich ein summarischer Appellationslibell von Brenninger vorgelegt, in dem er ohne nähere Begründung darlegte, dass das Urteil gegen seine Prinzipalen ohne jeglichen Beweis der Gegenseite über die Injurien gesprochen worden sei. Letztlich beantragte er, im kanzleigerichtlichen Verfahren festzustellen, dass in voriger Instantz gantz nichtiglich unnd wider Recht und billichkheit geurtheilt, erkhanth, unnd gesprochen und daher wol und dem Rechten gemeß davon appellirt worden sei, und seine Partei von der Klage loszusprechen und der Gegenseite die Prozesskosten aufzuerlegen.1848 Am 18. August wies der Prokurator Schneiders den Appellationslibell seines Inhalts nach zurück, wollte also litem negative hiemit verfast haben und bat, den Appellaten von der Klage zu absolvieren.1849 Zum nächsten Termin am 15. September bat Brenninger erneut wegen einer zu kurzfristigen Rücksprache mit seiner Partei um dilationem ad proximam, bevor er am 1. Dezember 1569 seine artikulierten Beschwerden (gravamina articulata) vorbrachte. Faber hatte sich in beiden Terminen durch den substituierten, also unterbevollmächtigten, Anwalt Spigcling 1850 vertreten lassen. In aller Regel war eine Unterbevollmächtigung bereits durch die erteilte Vollmacht der vertretenen Partei ausdrücklich gestattet. Mangels Berichts, wahrscheinlich auch hier seiner Partei und des entsprechenden Advokaten, bat nun Faber seinerseits am 18. Januar 1570 um Aufschub bis zum nächsten Termin am 18. Februar und übergab erst dann in seinen Responsiones seine Erwiderung zu den 1846 StAW , Admin. 18432, unfol. Die Erteilung der Vollmacht mit notwendigen und gewöhnlichen Klauseln hatte schon früher zu den gewöhnlichen Formulierungen der ­Vollmachterteilung gehört; vgl. etwa aus dem Jahr 1539 BayHS tA, RKG R0652 (Bestellnr. 10887), Q5, unfol. (mit allenn notturfftigen clauseln). 1847 StAW, Admin. 18432, unfol. 1848 StAW, Admin. 18432, unfol. (Appellationslibell vom 27. 06. 1569). 1849 StAW, Admin. 18432, unfol. 1850 Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um den Land- und Hofgerichtsprokurator Spiegel, siehe hierzu bereits Anm. 1777.

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15 Artikeln der Appellanten, die er fast durchgängig verneinte.1851 Ebenso versäumte es Faber nicht, die Gegenseite dadurch zu diskreditieren, dass die eingebrachten artikulierten Beschwerden doch inn allweg impertinentium, irrelevantium, & non admittendarum, also unverschämt und weder sachdienlich noch zuzulassen ­seien und er eigentlich daher vonn rechts wegenn, zu annttwortenn nit schuldig were.1852 Im Rahmen ihrer Klageerwiderung waren die Anwälte nicht dazu gezwungen, einen Artikel vollständig zuzugestehen oder zu verneinen. Vielmehr konnten sie auch nur bestimmte Teile der als wahr oder falsch zu deklarierenden Aussagen verneinen, sodass der Rest als zugestanden und konsentiert verstanden werden musste. Hierdurch konnte sich das mit dem jeweiligen Artikel offensichtlich gewordene Interesse der Appellanten auch verkehren lassen. Im zwölften Artikel führten die Appellanten etwa aus, dass Appollonia Löbler vor dem Schultheißen zunächst bestritten hatte, dass ihr die Unterhemden gehört hatten, in denen sich das Kind befunden haben sollte, und erst im Gerichtsverfahren das Gegenteil gestanden hätte. Die Appellaten bestritten nur letzteres und konnten so dafür sorgen, dass der für sie günstigere Teil als konsentiert galt. Nach einem neuerlichen Aufschub des Verfahrens mangels Berichts auf Wunsch Brenningers am 6. März 1570 erhob dieser zum folgenden Termin am 18. April bezüglich der von Faber erhobenen Einwände auf die Artikel gemeine Einrede, wies also die Ausführungen der Gegenseite generell zurück und zoge sich der verneintten­ halben an urkhundt unnd kundtschafft batt sich damit zuzulassen.1853 Bis zur Zulassung des Beweises durch ein gerichtliches Beiurteil sollte aber noch einige Zeit vergehen. Währenddessen hielt man sich in Obervolkach offenbar nicht an die ergangene Inhibition. Nach Vorbringen Brenningers vom 23. Mai war der Schultheiß der Stadt Volkach als zuständiger Amtmann bei Hieronymus Melber erschienen und hatte ihm geboten, bis zum nahenden, zum Zeitpunkt der Beschwerde aber bereits verstrichenen Pfingstfest Ettliche Expenns dieser sachenn halbenn in prima Instantia aufgelauffenn außzurichtenn unnd zuerlegenn.1854 Am 12. Juni erging deshalb seitens der Kanzlei eine Inhibition gegen den Schultheißen der Stadt Volkach Michell Spielman, wonach er bei Androhung von 100 Gulden peen angewiesen wurde, in der Angelegenheit alldieweil die vor unns oder gedachten unnsernn Räthenn jn unentscheidenen Rechtenn hanget ferners nichts fur[zu]neme[n] [zu] thu[n] oder handle[n].1855 Die Hintergründe ­dieses Vollstreckungsversuchs sind nicht überliefert. Genau genommen wurde die ursprüngliche Inhibition nicht unterlaufen, die sich 1851 StAW, Admin. 18432, unfol. (Responsiones vom 18. 02. 1570). 1852 StAW, Admin. 18432, unfol. (Responsiones vom 18. 02. 1570). 1853 StAW, Admin. 18432, unfol. 1854 StAW, Admin. 18432, unfol. 1855 StAW, Admin. 18432, unfol. (Inhibition vom 12. 06. 1570).

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lediglich an den Schultheißen von Obervolkach und die Gerichtsschöffen gerichtet hatte. Wahrscheinlich ging aber auch der erfolgte Vollstreckungsversuch von der Gemeinde aus oder geschah zumindest in ihrem Interesse. Denn im weiteren Fortgang der Ereignisse manifestiert sich eine, über die Verleumdung und die gegebenenfalls unberechtigte Inhaftierung A ­ ppollonia Löblers noch hinausgehende, soziale Dimension des Gerichtsverfahrens und der folgenden Appellation für die Beteiligten vor Ort. Als Hieronymus Melber nämlich drei Jahre nach ­diesem Vollstreckungsversuch auch noch an das Reichskammergericht appellierte und von ­diesem eine neuerliche Inhibition ausging, wendeten sich Schultheß, Burgermeister unnd gericht zu Obernnvolckach mit einer Supplik an Bischof Friedrich von Wirsberg, die nicht in die Gerichtsakte eingebunden, ihr aber beigelegt ist.1856 In ­diesem Schreiben beklagte die Gemeinde, Melber habe uf diese stundt, unns weder heller noch pfenning geben[.] So stet auch dem knecht, so den eingezogen dinst meide jnn gefencknus gewartet, sein belohnung, unnd die kost, so der gefangen meide, derselben zeit, jnn jrer verhaftung beim wirdt genomen worden. Deßgleichen dem schreiber so jnn diser sachen, jnn verhorrung, etlicher kundtschafft, unnd verfertigung der gerichts acten gebraucht, alles noch unbezalt [Hervorhebungen im Original; Anm. JB]. Unnd wiewoll wir an jme Melber, als in erster, unnd anderer Instantz verlustigen, diesen unkosten, weill jme die acte, auff sein trauben unnd glauben, hinauß gebenn, zum oftermal guetlich gefordert, gibt er fur, er hab sein recht nicht zum ende gefurt, unnd gedenckt niemandt nichts biß zu außtrag der sachen zugebenn.1857 Fünf Jahre nach dem erstinstanzlichen Verfahren und der zuvor kurzzeitigen Inhaftierung der verdächtigten Appollonia Löbler waren also den Beteiligten die Kosten nach wie vor nicht erstattet worden. Die Leidtragenden waren diejenigen, die mit dem gerichtlichen Austrag am wenigsten unmittelbar zu tun hatten, nämlich Wirt, Gerichtsknecht und -schreiber. Das Gericht hatte offenbar auch nicht bei Ersuchen um die Gerichtsakte auf eine Herausgabe derselben nur gegen Bezahlung gedrängt, wie dies eigentlich üblich war.1858 Das Risiko trug augenscheinlich der Schreiber selbst. Insbesondere der gefancknis knecht sei seiner belohnung hoch notturfftig gewesen und ferner hätten wirdt, unnd die diener so hierinnen mühe gehabt, von denen wir teglich umb bezallung angemant[,] lange zeit gedult getragenn,1859 mussten nun aber endlich bezahlt werden. Die Bitte an den Bischof ging also dahin, den Schultheißen der Stadt Volkach zur Vollstreckung der angefallenen Kosten anzuhalten. Die Vollstreckung 1860 war demnach Aufgabe des lokalen Amtmanns, weshalb dieser wohl bereits drei Jahre zuvor, mutmaßlich wegen derselben zu begleichenden Posten, tätig geworden war. 1856 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplik vom 30. 07. 1573). 1857 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplik vom 30. 07. 1573). 1858 Vgl. dazu schon S. 342. 1859 StAW, Admin. 18432, unfol. (Supplik vom 30. 07. 1573). 1860 Siehe diesbezüglich S. 378 – 383.

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Die Appellation wirkte sich also nicht nur auf das Verhältnis der streitenden Parteien aus, sondern konnte auch weitere Personen betreffen. Auch sie litten unter der langen Verfahrensdauer einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Am 28. Juni 1570 reproduzierte Prokurator Brenninger die ausgegangene Inhibition gegen den Schultheißen der Stadt Volkach und reichte am 17. August eine weitere Prozessschrift zu den Akten. Darin brachte er erneut vor, dass das erstinstanzliche Urteil ohne jeden Beweis ergangen und das zugrunde liegende Verfahren der Gegenseite mutwillig gewesen sei. Die erstinstanzlichen Kläger, nun die Appellaten, s­ eien demnach alß öffenliche Calumniatores, also als böswillige und lästerliche Kläger, die ihren Kalumnieneid gebrochen hatten, zucondemnirn und zuverdammen.1861 Am folgenden 19. September ließ es die Gegenseite dabei bewenden und stellte nochmals den Antrag, das ursprüngliche Urteil zu bestätigen, die Appellation zurückzuweisen und die Kosten dem Appellanten zur Last zu legen. Beide Parteien setzten die Sache diffinitive zu recht,1862 führten also Rechtsatz oder Konklusion herbei und begehrten ein Urteil. Durch ein Beiurteil zum folgenden Termin am 20. März 1571 wurde dem Appellanten jedoch zunächst aufgegeben, die formalia Appellationis ad proximam zu Justificirn.1863 Nachdem Ende Juli durch das Dorfgericht Obervolkach die frist- und formgerechte Appellation nachgewiesen worden war, wiederholten beide Parteien zum Verhandlungstermin am 25. September ihre mittlerweile ein Jahr zurückliegende Konklusion mit ihren jeweiligen Anträgen, worauf erst am 4. Dezember ein das Beweisverfahren eröffnendes Urteil erging. (3)  Beweisverfahren i.  Beiurteil und Beweisinterlokut Hatten die Parteien neue Tatsachen vorgetragen, über die Beweis zu führen war, oder neue Beweismittel vorzubringen, um die vorgetragenen Tatsachen zu belegen, war ein Beweisverfahren zu führen, das ausweislich der Landgerichtsordnungen von 1580 und 1618 jenem des erstinstanzlichen Verfahrens entsprach.1864 Demnach 1861 StAW, Admin. 18432, unfol. (Schriftsatz vom 17. 08. 1570). Zum Kalumnieneid siehe bereits S. 347; vgl. auch Calumniator bei Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­ Teutonicum, S. 101. 1862 StAW, Admin. 18432, unfol. 1863 StAW, Admin. 18432, unfol., siehe dazu bereits S. 332 f. Warum man für ­dieses Beiurteil neun Monate verstreichen ließ, ergibt sich aus der Gerichtsakte nicht. 1864 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 37, § 3; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 50v.

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musste der Beweis auf Erbieten einer Partei vom Gericht zugelassen werden.1865 Dies geschah häufig durch ein Beiurteil oder Interlokut, das bestimmte, dass der angebotene Beweis zugelassen wurde, und gelegentlich auch, ­welche Partei worüber Beweis zu führen hatte. Damit dürfte man am Kanzleigericht erneut im Wesentlichen dem Kameralverfahren gefolgt sein. Nach J. J. W. Planck hatten die Beiurteile des Reichskammergerichts nur eine geringe Bedeutung.1866 Demnach konnten sie gelegentlich sogar gänzlich entfallen und hingen hinsichtlich des Beweissatzes im Sinne der aufgestellten Beweisartikel vom Willen der Parteien ab. Ferner war der Richter durch das Beiurteil nicht gebunden, sondern konnte ­später weiterhin Artikel verwerfen oder erneut den Beweis auferlegen, sodass durch das Beweisurteil keine Trennung des Verfahrens in zwei eigenständige Abschnitte erfolgte. Da d ­ ieses keine Ausführungen zu Beweislast oder -frist enthalten musste, hatte es lediglich prozessleitenden Charakter.1867 Es handelte sich also im 16. Jahrhundert nicht um ein eigenständig anfechtbares Beweisinterlokut, wie d ­ ieses etwa im sächsischen Recht bestand.1868 Außer einem Hinweis auf die Zulassung des Beweises durch die Räte,1869 der im Wesentlichen jenem der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1555 entspricht,1870 lassen sich keine normativen Anhaltspunkte für die Ausgestaltung des Urteils an den Gerichten im Hochstift ausmachen. Aus den Gerichtsakten der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ergibt sich aber, abgesehen von der häufigen Bezeichnung als Interlokut, dass die entsprechenden Urteile der Kanzlei in aller Regel zeitlich dem Parteivorbringen nachgeordnet waren und immerhin in Einzelfällen recht präzise Aussagen auch über die Beweislast machten.1871 Die entscheidende Frage 1872 nach der Selbstbindung des Gerichts kann hingegen nicht beantwortet werden. Eine ­solche Bindungswirkung ist jedoch angesichts der ansonsten starken Anlehnung des Würzburger Verfahrens an das Kameralverfahren eher unwahrscheinlich. Wie auch in den meisten anderen Gebieten des Reichs 1873 handelte es sich bei dem als Interlokut bezeichneten Urteil daher wahrscheinlich um 1865 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 23, § 4 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 42r. 1866 J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 194 – 198. 1867 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 165; Engel, Beweisinterlokut und Beweisbeschluß, S. 30; J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 198, 210. 1868 Buchda, Beweisinterlokut, Sp. 408 – 411, insb. Sp. 408, 410; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 165; Engel, Beweisinterlokut und Beweisbeschluß, S. 30, 32 – 36; Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 48. 1869 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 23, § 4; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 42r. 1870 RKGO 1555, 3. Teil, Tit. 16, § 7 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 239. 1871 Etwa StAW, Admin. 18432, unfol. (1572). 1872 So J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 198, 210. 1873 J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 176, 192; etwa für das Hochstift Paderborn zuletzt Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 127.

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ein dem ­Kameralverfahren entsprechendes Beiurteil mit maßgeblich prozessleitender Funktion. In der Praxis scheinen Beweisurteile eher die Ausnahme als die Regel gewesen zu sein. Jedenfalls erscheinen sie in den Gerichtsakten regelmäßig nur dann, wenn die Gegenpartei dem Beweisangebot entgegentrat. Auch das Beweisverfahren war also maßgeblich der Disposition der Parteien unterworfen. Ausdrücklich heißt es etwa in der Akte eines kanzleigerichtlichen Verfahrens aus dem Jahr 1563, dass der Prokurator der Appellaten – und nicht das Gericht – denn gegntheil mit beweissung zu [ließ].1874 Ein gerichtliches Beweisurteil erfolgte dementsprechend auch nicht.1875 Anders lag es in einem Verfahren aus dem Jahr 1534, in dem wegen einer sogenannten Rekonventionsklage, also einer Widerklage, beide Parteien um die Zulassung zum Beweis gebeten hatten. Obwohl der Appellant dem Beweis durch den Appellaten und erstinstanzlichen Kläger bereits zugestimmt hatte, erging ein Urteil der Räte, wonach baiderthaill zubeweysung jres fürprenngenns hiemitt zugelassen wurden.1876 Möglich erscheint aber auch, dass man in Würzburg ein den Reichskammergerichtsordnungen der Jahre 1521 und 1523 entsprechendes Verfahren praktizierte. Demnach folgte das Beweisverfahren zeitlich auf den vollständigen Abschluss der beiderseitigen Parteivorbringen.1877 Die Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1555 hatte wie schon jene sieben Jahre zuvor im Interesse der Prozessbeschleunigung ein System der Parallelität normiert, das es den Parteien ermöglichte, innerhalb jeder Prozessstufe unmittelbar nach dem Tatsachen- und Gegenvortrag den Beweis anzubieten.1878 Obgleich während des Beweisverfahrens grundsätzlich keine neuen Schriften der Parteien eingereicht werden sollten,1879 war ein weiterer Tatsachenvortrag nach Abschluss des Beweisverfahrens möglich, sodass sich letztlich ein aufeinander aufbauendes Wechselspiel von Vortrag und Beweis ergeben 1874 BayHStA, RKG W0841 (Bestellnr. 14020), Q6, fol. 51r f. Die Bedeutung der Zustimmung der gegnerischen Partei wird auch in einer Gerichtsakte aus dem Jahr 1526 ersichtlich, wonach die beweisbelastete Partei mitverwilliung des widertheils zubeweÿsung, unnd der gebetten Commissarius zugelassen wurde, BayHStA, RKG S1230 (Bestellnr. 12524), Q5, fol. 22v. 1875 Ein vergleichbarer Vorgang, bereits aus dem Jahr 1526, zeigt sich auch in BayHStA, RKG S1230 (Bestellnr. 12524), Q5, fol. 22v. Auch hier wurde der Zeugenbeweis nach Genehmigung durch die Gegenseite angetreten, ohne dass es eines Beweisurteils des Kanzleigerichts bedurft hätte. Ebenso wenig erging in einem Verfahren vor dem Kanzleigericht im Jahr 1583 ein Beweisurteil, nachdem sich Prokurator Seger an urkhundt, und khundtschafft [zog], path sich darmit zuzulaßen, welches jme Brosamer, alß gegenanwadt, […] also bewilligt, und zuließ, BayHStA, RKG 7286, Q14, fol. 217v. 1876 BayHStA, RKG S0604 (Bestellnr. 12471), Q8, unfol. 1877 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 165 f.; Laufs, Die Reichskammer­ gerichtsordnung, S. 48; Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 973. 1878 Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 166; Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 48; Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 973. 1879 RKGO 1555, 3. Teil, Tit. 16, § 7 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 239.

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konnte.1880 Auch die Landgerichtsordnungen der Jahre 1580 und 1618 schlossen einen weiteren Tatsachenvortrag während des laufenden Beweisverfahrens aus.1881 Allerdings finden die Vorschriften der Reichskammergerichtsordnung von 1555, die das System der Parallelität zum Ausdruck bringen, kein normatives Korrelat in der Landgerichtsordnung.1882 Selbst wenn man annimmt, dass in Würzburg, wie auch an anderen territorialen Gerichten im Reich,1883 eine stärkere Trennung der Verfahrensabschnitte gegeben war und ferner auch die Beweislast in einem entsprechenden Beiurteil gelegentlich stärker expliziert wurde als andernorts, dürfte ­dieses nicht mit dem Interlokut des sächsischen Rechts oder des späteren gemeinrechtlichen Verfahrens ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert zu vergleichen sein.1884 Denn das Beweisthema wurde angesichts der artikulierten Beweissätze maßgeblich durch die Parteien präzisiert. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es den Räten offenstand, einzelne Sätze oder den ganzen Beweis zurückzuweisen, soweit sie diesen nicht für erforderlich hielten.1885 ii.  Beweismittel und -verfahren Die Prozesse wurden unter Vorlage rationaler Beweismittel geführt, die insbesondere die Zeugenbefragung und den Urkundenbeweis einschlossen.1886 Ausweislich der 1880 Sellert, Prozeßgrundsätze und Stilus Curiae, S. 294; Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 128. 1881 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 23, § 4; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 42r. Die Anordnung ist ersichtlich RKGO 1555, 3. Teil, Tit. 16, § 7 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 239, nachgebildet. 1882 Insb. RKGO 1555, 3. Teil, Tit. 15, § 11 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 237, wonach es im vierten Termin und sunst zu jeder zeit, wann die partheyen sich zu beweisung anbieten, zu beyder theyl willen und gefallen stehen sollte, alßbaldt commissarien zu ernennen, wurde durch die Landgerichtsordnung 1618 nicht übernommen. In der LGO 1580, StAW , WU Libell. 317, fol. 40v, wurde die RKGO umfänglicher rezipiert und geregelt, dass do sich die Partheÿen zu beweisung erbietten, so zu beeder Thail willen sthn [sic!], diese alsobalden Irr Specification schrifft mit außtruckhlicher ­benenung der Zeugen zuubergeben, Commissarien zuernennen und Dilationem probandi ­zubitten hatten. Gerade die Formulierung sunst zu jeder zeit findet in der Ordnung keine Entsprechung. 1883 J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 205. 1884 Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 48; J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 198. 1885 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 23, § 5; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 42r. Entsprechend auch die Einschätzung von J. J. W. Planck, Die Lehre von dem Beweisurtheil, S. 198, 210. 1886 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182.

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Landgerichtsordnung des Jahres 1618 handelte es sich bei brieffliche[n] Urkunden und mündtliche[r] Kundschafft gar um die fürnembsten Beweismittel.1887 Urkunden und unter Umständen sogar privatschriftliche Aufzeichnungen 1888 konnten bis zum Aktenschluss jederzeit vorgebracht werden und selbst danach waren Vorlage und Einführung in den Prozess durch eine der Parteien noch möglich, wenn sie eidlich versicherte, von denselben auch uber vleissiges nachsuchen zuvor nichts gewisset zu haben.1889 Eine fahrlässige Unkenntnis führte demnach zur Präklusion des Beweismittels nach dem Aktenschluss. Sollte mündliche Kundschaft eingeholt werden, also der Zeugenbeweis geführt werden, waren die Zeugen, vor allem wenn sie in Würzburg lebten, in der Kanzlei vor den Räten zu hören. Wahrscheinlich wurden die Zeugenverhöre dabei zunächst vor allen anwesenden Räten, s­päter wohl zumindest vor einem meist rechtsgelehrten Rat und mit einiger Sicherheit auch im Beisein des Gerichtsschreibers geführt.1890 Mussten mehrere Zeugen in weiter entlegenen Gebieten des Hochstifts angehört werden, wurden die Zeugenverhöre durch einen Kommissar vor Ort durchgeführt. Rein 1887 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 15, § 3; entsprechende Ausführungen zu Tit. 15 fehlen in der LGO 1580. 1888 So hatten etwa die Aufzeichnungen in den Büchern von Kauf- oder Handelsleuten ­vollen Beweiswert, sofern diese die Schuld, aus der sich die Forderung ergab, beeideten, selbst redlich und gut beleumundet waren und in ihren Büchern Ein- und Ausgaben sowie Verbindlichkeiten mit Datum verzeichneten, LGO 1618, 2. Teil, Tit. 15, § 7. Es handelt sich um die einzige Bezugnahme auf Beweiswerte in der Ordnung, die offensichtlich der Klarstellung dienen sollte, wie die Ordnung selbst ausweist: man wollte diesen Articul hinsichtlich der Kaufmannsbücher entsprechend erleutert haben, da darüber, wieviel dieselbige beweisen, die Rechtslehrer, auch verschiedene meynungen führ[t]en, ebd. Tatsächlich wurde den Kaufmannsbüchern zeitgenössisch meist ein halber Beweiswert beigemessen, wie sich etwa aus einem Gutachten der Juristenfakultät zu Halle aus dem Jahr 1703 ergibt, abgedruckt bei Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 3, S. 45. Das ältere lübische Recht maß hingegen dem Kaufmannsbuch, wohl sogar ohne einen bekräftigenden Eid, einen vollen Beweiswert bei, Ebel, Zur Beweiskraft der Kaufmannsbücher, S. 133 f. 1889 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 15, § 2. 1890 Auf normativer Ebene ergeben sich aus der Landgerichtsordnung des Jahres 1618, 2. Teil, Tit. 15, § 8, die eine Zeugenvernehmung (1.) durch den Landschreiber und einen Beisitzer, alternativ auch (2.) durch den Landschreiber und einen unparteiischen Notar oder (3.) einen bestimmten unparteiischen Kommissar vorsah, für die Kanzlei verständlicherweise keine Erkenntnisse. Dort dürften einzelne Räte zusammen mit dem Gerichtsschreiber die Zeugenverhöre durchgeführt haben. In einem Verfahren des Jahres 1583, BayHStA, RKG 7286, Q14, fol. 218v f., erscheint etwa der fürstbischöfliche Syndikus als (allerdings durch die Parteien benannter) Kommissar. Hingegen heißt es in einer Gerichtsakte aus dem Jahr 1526, BayHStA, RKG S1230 (Bestellnr. 12524), Q5, fol. 22v, dass die Appellatin jre zeugen fur unnsere Rethe gestelt hatte. Hier dürften also alle am Gerichtstag anwesenden Räte an der Vernehmung beteiligt gewesen sein.

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prozessökonomische Gründe scheinen diesbezüglich nicht den Ausschlag gegeben zu haben. Denn während man im Beweisverfahren ­zwischen Melber und Schneider im Jahr 1572 immerhin 14 Zeugen aus Volkach und Obervolkach nach Würzburg in die Kanzlei lud, ließ man die Anhörung in einem anderen Verfahren unter Hinzuziehung Volkacher Zeugen 13 Jahre s­ päter durch den dortigen Stadtrat kommissarisch durchführen, obwohl ­dieses mit lediglich sechs Beweisartikeln und fünf geladenen Zeugen deutlich weniger aufwendig war.1891 Ebenso war es möglich, dass ein Teil der Zeugen in der Kanzlei gehört wurde, ein anderer Teil hingegen durch eine Kommission vor Ort.1892 Wahrscheinlich hat auch diesbezüglich die starke Stellung der Parteien im Verfahren eine größere Rolle gespielt. Denn diejenige Partei, welcher der Beweis oblag, hatte die mit der Anhörung zu betrauenden Kommissare unter Zustimmung der Gegenseite und die zu vernehmenden Zeugen zu benennen.1893 Zur Genehmigung des Kommissars wurde der Gegenseite bei Bedarf auch eine Bedenkzeit eingeräumt, an deren Ende neben Genehmigung oder Ablehnung auch eine Modifikation des Vorschlags, insbesondere durch Beiordnung einer weiteren Person, liegen konnte.1894 Schließlich hatte die beweisbelastete Partei besondere Beweisartikel einzureichen, die mit den in der Klage artikulierten zwar der Form nach identisch waren, aber nicht den gleichen Inhalt haben mussten und meistens auch nicht hatten. Denn soweit die in der Klage formulierten Artikel unwidersprochen geblieben waren, galten sie als (zu-)gestanden und mussten nicht mehr bewiesen werden.1895 1891 StAW, Admin. 18432, unfol.; BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 344r. 1892 In einem Verfahren vor dem Kanzleigericht im Jahr 1563, BayHS tA, RKG W0841 (Bestellnr. 14020), Q6, fol. 56r–58v, 62r–69v, wurden ein Zeuge in Würzburg, drei andere hingegen durch den Abt des Klosters St. Veit im etwa 50 Kilometer von Würzburg entfernten Theres gehört. Ebenso wurde in einem Verfahren im Jahr 1526, B ­ ayHStA, RKG  S1230 (Bestellnr. 12524), Q5, ein Teil der Zeugen fur unnsere Rethe gestelt unnd gebetten, die wie recht uf einbracht artickel zuverhören, die dann in der Kanzlei wie sich gepurt mit glubden unnd eyden beladen worden unnd verhort wie recht ist, ebd., fol. 22v f., während weitere sieben Zeugen durch eine auswärtige Kommission durch den Keller im etwa 40 Kilometer entfernten Krassolzheim angehört wurden, ebd., fol. 23r–27v. 1893 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 22, § 4, Tit. 23, § 1 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 41v f. Dementsprechend bewilligte der Prokurator den Rat der Stadt Volkach als Kommission zu beforderung der sachen, obwohl ihm dieser etwas verdechtig war, BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 264v. 1894 In einem Verfahren im Jahr 1534, BayHStA, RKG S0604 (Bestellnr. 12471), Q8, unfol., bat der Prokurator des Appellanten um eine zweiwöchige Bedenkzeit, bevor er den vorgeschlagenen Kommissar schließlich bestätigte und für die Rekonventions-, also Widerklage, mit dem Stadtschreiber von Iphofen einen eigenen Kommissar vorschlug, den der Appellat wiederum nur unter der Bedingung akzeptierte, dass ­diesem der Keller zu Iphofen beigeordnet wurde. 1895 Entsprechend formulierte die LGO 1618, 2. Teil, Tit. 15, § 2, dass ein solches bekantnuß nicht eigentlich ein beweise zunennen [sei], als ­welche vielmehr den Articulanten, das er ­keinen beweiß zuthun bedürftig, enthebet.

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War die beweisbelastete Partei mit dem Beweis zugelassen worden, wurden die Zeugen geladen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war es offenbar gebräuchlich, die Zeugen schon bei der Ladung mittels eines gesonderten Schreibens hinsichtlich ihrer Wahrheitspflichten zu ermahnen.1896 Die zum Beweis vorgeschlagenen und geladenen Zeugen erschienen, soweit möglich, persönlich vor der Kommission oder den Räten.1897 Konnten sie, etwa wegen Krankheit, nicht erscheinen, waren sie notfalls am Ort ihrer Unterkunft anzuhören.1898 Fand die Beweisaufnahme nicht in Würzburg vor den Räten statt, wurde den Zeugen zunächst der fürstliche Kommissionsbrief verlesen, der die Anhörung durch den oder die Kommissare anordnete und legitimierte.1899 Im Folgenden hatten die versammelten Zeugen einen Zeugeneid zu leisten,1900 der in der Regel vor den anderen Zeugen, der Kommission und auch den Parteien abgelegt wurde, sofern diese erschienen waren. Offenbar handelte es sich bei der Annahme der Zeugen um ein zweistufiges Verfahren, bei dem die Zeugen zunächst in gewonliche handgelubt angenomen wurden, woraufhin jnen den Zeugen aÿdt verstendiglich furgelesen, w ­ elchen sie sembtlich und ein jeder jnsonderheit, mit uffgehabenen fingern zu schwören hatten.1901 Der eigentlichen Eidesleistung ging also noch eine Annahme durch ein bloßes Handgelübde voraus, das üblicherweise an Eides statt geleistet wurde.1902 1896 In der Gerichtsakte eines Verfahrens vor dem Kanzleigericht im Jahr 1583, BayHS tA, RKG 7286, Q14, fol. 269v, ist dementsprechend ein Exemplar solcher Bedenckh zetul, so allen und ieden zeugen nach verkunther unnd offentlicher furgelesener Citation, umb besers behalts willen ernantten und bestimbten Tags und orts uberantwortt und zugestellt worden, überliefert. 1897 Für das landgerichtliche Verfahren regelte LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 41r, dass das Verhör in der Regel durch den Landrichter und den Landschreiber, mit Einverständnis der Parteien sogar nur durch letztgenannten vorgenommen wurde. Willigten die Parteien nicht ein, war ein Assessor beizuordnen. 1898 In BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 348r, etwa hatte sich der Zeuge Jörg Stumpf leibsschwacheit halben endschuldigen lassen und war deshalb hernacher in seiner behausung verhört worden. 1899 In BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 324v, erging das Schreiben im Namen des Bischofs, war aber von Ludwig von Morsheim als Marschall, wahrscheinlich in Vertretung des Hofmeisters, von Veit Krebser als Kanzler und Georg Hummel als Gerichtsschreiber unterzeichnet. Diese Form der Legitimation entspricht auch der etwa am Reichshofrat geübten. Dort wurden in der Regel zur Erreichung einer gütlichen Einigung oder zur Prozessführung ­zwischen streitenden Parteien in der Nähe derselben ansässige Reichsstände oder Reichsunmittelbare mit einem förmlichen Kommissionsauftrag versehen. Er diente der Legitimation und spezifizierte die Aufgabe, für die die kaiserliche Gewalt übertragen wurde, Ortlieb, Gerichtsakten und Parteiakten, S. 103. 1900 Nörr, Ein geschichtlicher Abriss, S. 28. 1901 BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 348v. 1902 Munzel-­E verling, Eid, Sp. 1260. Vgl. auch Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Sp. 389 („Handgelöbnis“).

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Die Anhörung der Zeugen schließlich erfolgte durch die Kommission in Abwesenheit der Parteien und einzeln.1903 Sie begann mit einer k­ urzen Vernehmung zur Person, den sogenannten gemeinen Fragstücken, aus deren Beantwortung sich Informationen zur Person, aber auch Hinweise zu einer möglichen Parteilichkeit des jeweiligen Zeugen ergeben konnten.1904 Anscheinend waren zwei Varianten denkbar. Einerseits hatte neben der beweisführenden Partei auch die Gegenseite die Möglichkeit, die Anhörung nach ihren Vorstellungen mitzugestalten. Dazu konnte sie auch eigene gemeine Fragstücke einreichen, die dann häufig darauf abzielten, Anhaltspunkte dafür zu finden, dass ein Zeuge befangen war, parteilich aussagte oder er und andere Zeugen als ­solche nicht geeignet waren. Gefragt werden konnte dann neben dem Alter der Person etwa, ob sich der Zeuge der Gegenseite selbst zum Beweis angeboten hatte, wodurch er sich bereits als falscher Zeuge verdächtig gemacht hätte,1905 ob er der Partei, gegen die Beweis zu erbringen war, Feind war und gegebenenfalls aus welchem Grund, ob er der beweisführenden Partei mit Vetternschaft, Freundschaft oder anders verwandt war, welchem Teil er gönnte, dass er obsiegte, ob er etwas in dieser Sache erhalten habe oder ihm sonst etwas gegeben oder verheißen wurde, um für die Gegenseite auszusagen, ob er die anderen Zeugen kannte und ob sie redliche Leute und als Zeugen tauglich waren.1906 1903 Bülow, Gemeines deutsches Zivilprozeßrecht, S. 75; Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 169; Nörr, Ein geschichtlicher Abriss, S. 28. Dass die Zeugen einzeln angehört wurden, erscheint geradezu als verfahrensrechtliche Selbstverständlichkeit. Gleichwohl wurde dieser Umstand durch die Kommissionen dokumentiert. In BayHStA, RKG W0841 (Bestellnr. 14020), Q6, fol. 69r, bestätigte der Kommissar unter notarieller Beurkundung, das ­solche besage vor unns obgeschriebnem Commissario also von zeugenn, zu zeugenn, jedenn insonderheitt in geheim wurdenn unnd form, wie allenthalbenn hirinnenn geschriebenn, durchgeführt wurde. 1904 Eine zeitgenössische Darstellung unter Nennung der einzelnen Fragen, wie sie auch in Würzburg Verwendung fanden, liefert Meurer, Liberey I, fol. 52r. 1905 Meurer, Liberey I, fol. 51r. 1906 So die in der Zeit Julius Echters im Jahr 1585 parteiseitig eingereichten Interrogatoria und fragstuckh in BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 344r–345v. Ein entsprechender Katalog von 13 Fragen aus dem Jahr 1583 findet sich auch in BayHStA, RKG 7286, Q14, fol. 247v–248r, wonach die Zeugen nach (1.) Tauf- und Zunamen, (2.) Geburts- und Wohnorten, (3.) Alter und Vermögen und danach befragt werden sollten, (4.) ob sie den Producenten mit dienerschaft, gevatterschafft oder sonsten verwandt und zugethan waren, ebd., fol. 247v, (5.) in Acht und Bann lagen oder aus anderen Gründen nicht Zeugen sein konnten. Ferner sollten die Zeugen erklären, (6.) wie sie zu der Anhörung gekommen waren, (7.) ob sie sich selbst als Zeugen angeboten hatten, (8.) ihnen diesbezüglich etwas verheißen oder versprochen worden war, (9.) sie der Appellatin Feind waren, (10.) wem sie einen günstigen Verfahrensausgang wünschten, (11.) ob sie die anderen Zeugen kannten und wussten, ob diese ebenfalls redlich und ehrbar s­ eien, (12.) ob sie sich mit anderen Zeugen zu einer bestimmten Aussage verabredet hatten oder (13.) ob und gegebenenfalls

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Andererseits war es dem Gericht oder dem Kommissar auch ohne ausdrückliche Bewilligung gestattet, weitere allgemeine Fragen an die Zeugen zu stellen.1907 Denn der Kommissar führte eine allgemeine Befragung der Zeugen auch dann vor der Anhörung zu den einzelnen zur Sache eingebrachten Beweisartikeln durch, wenn die Partei, gegen die der Beweis erbracht werden sollte, untätig geblieben war und keine eigenen Fragstücke eingereicht hatte. Offenbar hatten Gericht oder Kommissar die Zeugen dann von Amts wegen zur Person und zu einer möglichen Partei­ lichkeit zu befragen.1908 Derartige gemeine Fragstücke wurden in diesen Fällen aber, wenngleich sie ähnlichen Inhalts waren, offener formuliert.1909 Nach der Beantwortung dieser gemeinen Fragstücke hatten die Zeugen nun zu den eingereichten Beweisartikeln der zum Beweis aufgeforderten Partei Stellung zu nehmen. Dazu wurden ihnen der Reihe nach die einzelnen Artikel vorgelesen und ihre diesbezüglichen Angaben notiert. Auch hier hatte die gegnerische Partei die Möglichkeit, im Vorhinein bestimmte Fragen zur Sache an die Zeugen stellen zu lassen, indem sie bei Gericht sogenannte besondere Fragstücke vorlegte,1910 die sich auf konkrete Beweisartikel bezogen und im Anschluss an den jeweiligen Artikel durch die Zeugen zu beantworten waren. Meist erübrigte sich eine Antwort der Zeugen auf die besonderen Fragstücke jedoch, wenn schon der entsprechende Beweisartikel verneint worden war oder der Zeuge dazu nichts zu sagen wusste. Denn die zusätzlichen Fragen dienten zumeist dem Zweck, den Sachverhalt, der dem ursprünglichen Beweisartikel zugrunde lag, dahingehend zu konkretisieren, dass die Bejahung des Artikels durch den Zeugen weniger ins Gewicht fiel, etwa

1907 1908 1909

1910

durch wen ihnen die Artikel zuvor vorgelesen oder sie unterrichtet worden waren, was sie auszusagen hatten. In BayHStA, RKG 7286, Q14, fol. 248v, wurde gleichwohl ausdrücklich festgehalten, dass der Anwalt der Appellatin andere und mehr gemeiner fragstuckh bewilligt und in des herrn Commissarii discretion gestellt hatte. So auch Meurer, Liberey I, fol. 51v. So antwortete der erste Zeuge im Verfahren Melber gegen Schneider, in dem keine Fragstücke parteiseitig vorgelegt worden waren und demnach wohl die allgemein üblichen Fragen gestellt wurden, dass er keiner Partheÿ mit freundtschafft verwandt, […] durch einn Citation hieher gefordert wordenn, […] weder jnn Bann oder acht, […] von niemmandts unterricht worden, was er sagen oder verschweigenn soll[te], und keiner Partheÿ ungunstig war, StAW, Admin. 18432, unfol. Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 165; Nörr, Ein geschichtlicher Abriss, S. 28. Die Einreichung derartiger besonderer Fragstücke oder Interrogatoria scheint aber keine Selbstverständlichkeit gewesen zu sein. Dementsprechend lassen sie sich in der Mehrzahl der untersuchten Verfahren auch nicht auffinden. So heißt es etwa in einer Gerichtsakte aus dem Jahr 1526, BayHStA, RKG S1230 (Bestellnr. 12524), Q5, fol. 22v f., dass der Anwalt mitgeteilt habe, das er kein Interrogatoria geben wol und daher die ­zeugen wie sich gepurt mit glubden unnd eyden beladen worden unnd verhort worden ­seien.

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weil das Gericht unter Annahme d ­ ieses Sachverhalts zu einer anderen rechtlichen Würdigung gelangen konnte. Die Zahl der besonderen Fragstücke konnte jene der ursprünglichen Beweisartikel auch übersteigen, sodass eine umfängliche Erörterung des Sachverhalts auch durch die Partei betrieben werden konnte, die nicht selbst den Beweis zu erbringen hatte.1911 Nach der Anhörung wurde jedem der einzeln verhörten Zeugen Stillschweigen bezüglich der Vernehmung geboten.1912 Wahrscheinlich war das Beweisverfahren und insbesondere das Zeugenverhör zu Beginn des 16. Jahrhunderts weniger formalisiert als zu späterer Zeit. Denn die Kanzleiordnung des Jahres 1506 sah noch zwei unterschiedliche Taxen für die Zeugenbefragung vor. Es wurde danach unterschieden, ob die Zeugen auf artigkl unnd fragstuckh oder on fragstuckh verhort wurden.1913 Folglich war also der Artikel­ prozess schon in der frühesten Zeit der gerichtlichen Tätigkeit der Räte in der Kanzlei etabliert. Es scheinen aber Ausnahmen von der strengen Form desselben möglich gewesen zu sein, sofern sich die Regelungen hinsichtlich der Vernehmung ohne Fragstücke nicht nur auf Zeugenbefragungen in nicht rechtsförmigen Verfahren bezogen haben sollten. Die Angaben der Zeugen zu den verschiedenen Fragstücken und Artikeln wurden in der Reihenfolge der Befragung und nach den gestellten Aussagen und Fragen gegliedert niedergeschrieben, nach Abschluss der Anhörung verschlossen und dem Gericht übergeben. Dieses eröffnete dann den Parteien den Inhalt der Anhörung (publicatio attestationum), die daraufhin in aller Regel Kopien der erlangten Kundschaft oder der anderen Beweismittel, etwa vorgelegter Urkunden, erbaten.1914 Die Parteien hatten dann bis zum folgenden Gerichtstermin – oder bei umfangreicheren Kundschaften nach einer durch das Gericht gewährten Verlängerung auch darüber hinaus – Zeit, ihre Probations- und ­Exceptionsschriften

1911 So etwa in BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 345v–346v, als neun Fragstücke zu fünf der insgesamt sechs Beweisartikel vorgelegt wurden. In einem Verfahren aus dem Jahr 1583, BayHStA, RKG 7286, Q14, fol. 249r–251r, waren durch die beweisbelastete Partei bereits 46 Beweisartikel vorgelegt worden. Darüber hinaus wurden seitens der Appellatin zu den ersten drei Artikeln der Appellanten fünf, zum achten Artikel vier, zu den Artikeln neun bis 13 weitere elf, zu Artikel 14 weitere vier, zu den Artikeln 22 und 23 zusätzliche zehn und zum 28. Artikel weitere vier Fragen an die Zeugen vorgelegt. 1912 Beispielhaft ist diesbezüglich der Hinweis Testi impositum est silentium am Ende der Aufzeichnungen zu einer Zeugenvernehmung vor dem Kanzleigericht im Jahr 1563, B ­ ayHStA, RKG W0841 (Bestellnr. 14020), Q6, fol. 58v. Am Ende der Aufzeichnungen der in ­diesem Verfahren zusätzlich durchgeführten Vernehmung durch eine Kommission heißt es entsprechend, dass dem Zeugenn […] Stilschweigenn eingebundenn sei, ebd., fol. 69r. 1913 Kanzleiordnung 1506, StAW, ldf 19, S. 193. 1914 Dazu etwa LGO 1618, 2. Teil, Tit. 24, § 1, Tit. 25, § 1; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 42r f.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

einzureichen.1915 In der Probationsschrift versuchte diejenige Partei, die den Beweis durch die Beweisartikel zu erbringen hatte, darzulegen, dass der Nachweis des Tatsachenvortrags durch die Zeugen gelungen war.1916 Umgekehrt versuchte die gegnerische Partei in ihrer Exceptionsschrift anzugeben, warum der begehrte Beweis nicht erbracht wurde. Bezüglich der Zeugenvernehmung konnte etwa vorgebracht werden, dass der Zeuge nicht bei Verstand gewesen sei, er ihm selbst in seiner Sag widerwertig war, sich die Aussagen also widersprachen, er seine Aussage nur aus den Erzählungen Dritter ableitete oder die Herkunft seiner Kenntnis über den Sachverhalt nicht darlegen konnte.1917 Demgegenüber konnte bei Urkundenbeweisen die Echtheit der Urkunde oder die Richtigkeit ihres Inhalts angegriffen werden.1918 Nach Abschluss des Beweisverfahrens durch Eröffnung der Zeugenaussagen gegenüber den Parteien und den abschließenden Stellungnahmen (allegationes) der Advokaten hatten die Parteien zu erklären, daß sie nunmehro in der Sache beschliessen, und um richterliches Erkäntnis bitten wollen[.]1919 Das Beweisverfahren schloss also mit einer schriftlichen conclusio der Parteien oder einer entsprechenden mündlichen Bitte um Aktenschluss.1920 Brachten die Parteien eine Conclusionschrifft ein, hatten sie nochmals Gelegenheit, auf die Probations- oder Exceptionsschrift der Gegenseite zu reagieren, wobei es den Anwälten untersagt war, dabei weitleuffige newerung einzuführen.1921 Die Würdigung der Beweismittel durch das Kanzleigericht erfolgte, wie zu Beginn der Frühen Neuzeit üblich, einer formellen Beweistheorie, die anders als die freie Beweiswürdigung der Moderne, verschiedenen Beweismitteln eine bestimmte Wertigkeit zuwies.1922 1915 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 24, § 1, Tit. 25, § 1 f.; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 42r f. 1916 Vgl. dazu den Eintrag zu Probationis deduction bei Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­Teutonicum, S. 562. 1917 Meurer, Liberey I, fol. 57v. 1918 Ebd., fol. 57v. 1919 Seyfart, Teutscher Reichs-­Proceß, S. 395; ferner Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182; Nörr, Reihenfolgeprinzip, Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, S. 161; Nörr, Romanisch-­kanonisches Prozessrecht, S. 37, 145, 177 – 181. 1920 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 16, § 1. Entsprechende Ausführungen zum 16. Tit. fehlen in der LGO 1580. 1921 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 16, § 2. 1922 Nehlsen-­von Stryk, Gerichtsverfahren, Sp. 182. Die Landgerichtsordnungen enthalten zur Beweiswürdigung durch das Gericht grundsätzlich keine Ausführungen. Aus LGO 1618, 2. Teil, Tit. 15, § 7, ergibt sich aber, dass auch in Würzburg der Beweiswürdigung eine formelle Beweistheorie zugrunde gelegen haben muss, siehe diesbezüglich bereits Anm. 1882.

Geschäftsgang und Verfahren

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iii.  Melber gegen Schneider: Beweisverfahren Das am 4. Dezember 1571 ergangene Beweisurteil des Kanzleigerichts ist bemerkenswert, denn die Räte erkannten von ambtswegen, dass die appellaten beweisenn und darthun sollten (wollen […] beweisenn), das der Leumuth unnd Erverletzung von den appellantenn unnd seiner hausfrauen außkommen waren und die Appellatin dadurch beclagter massen von jhnen jniurirt wordenn war.1923 Umgekehrt wolle der appellannt seine defensional artickel auch wie recht beweisenn, das solchs gehortt worden war.1924 Das Gericht fasste offenbar von Amts wegen ein Urteil und bezog sich damit nicht auf das Beweisangebot der Parteien. Denn nur der Appellant hatte den Beweis zuvor eigens angeboten. Ferner zeigt sich auch hier, dass die Parteien in der Tat auf den Anfang des Streits zurückgeworfen waren, wie dies Hugo ­später formulierte.1925 Denn im Beweisverfahren kehrten sich die im Rahmen der Appellation bestehenden Rollen um und entsprachen somit wieder dem erstinstanzlichen Verfahren. Hatte zu Beginn des Appellationsverfahrens noch der Appellant seine artikulierten Beschwerden vorgetragen, auf die seitens des Appellaten zu reagieren war, musste nun der Appellat erneut sein erstinstanzliches Vorbringen beweisen, während sich der Appellant mit seinen Defensionalartikeln (!) in der verteidigenden Position befand. Am 12. Februar 1572 übergab Prokurator Faber seine Beweisartikel und bat, die angegebenen Zeugen zu laden. Der Anwalt der Appellanten Brenninger widersprach in einem schrifftlichenn Recess, an statt eines mundtlichenn furbringenns, der Zulassung der Beweisartikel, da Faber terminum probationis vergebenlich verflissen lassenn habe.1926 Der Prokurator der Appellaten wendete ein, dass er, ob er wol vor vierzehenn tagenn, mit seinen Weisung artickeln gefast gewesen sei, dieselben nicht habe einbringen können, weil die folgende Audienz nicht gehalten worden sei.1927 Nachdem Brenninger weiterhin an seiner Einrede festhielt, bat Faber um gerichtlichen Bescheid bezüglich der Zulassung zum Beweis. In einem Beiurteil des gleichen Tages beschlossen die Räte, dass auf Ladung der Zeugen furgenenter einredt unverhindert 1928 erkannt werde und somit der angebotene Beweis zugelassen wurde. 1923 StAW, Admin. 18432, unfol. 1924 StAW, Admin. 18432, unfol. Zur Bedeutung dieser Beweislastanordnung lässt sich aus der Akte nichts Genaueres entnehmen, weil der entsprechende Beweis seitens des Appellanten nicht geführt wurde. Der Wortlaut (das solchs gehortt worden) deutet aber darauf hin, dass bewiesen werden sollte, dass die Verleumdung nicht von der Ehefrau des Appellanten ausgegangen war, sondern von Dritten stammte. 1925 Hugo, Vom Missbrauch der Appellation, S. 48; siehe dazu schon S. 349 f. 1926 StAW, Admin. 18432, unfol. 1927 StAW, Admin. 18432, unfol. 1928 StAW, Admin. 18432, unfol.

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Neben seiner Einrede, wonach das Beweisangebot der Appellaten verspätet sei, gab Brenninger noch einen Schriftsatz zu den Akten, wonach gemäß dem jungstergangen Interlocutorj, und Beÿurthel vom 4. Dezember seinen Prinzipalen der Beweis der Defensionalartikel nicht uferlegt […], sonder, jn jren freien willen, und gelegenheit [ge]stellt worden war und er daher khain sondere defensionalarticul ubergeben hatte, noch auch zuubergeben bedacht war.1929 Vielmehr sei es nach den anerkannten gemeinrechtlichen Beweisregeln Aufgabe der Appellaten, die unterstellten Äußerungen zu beweisen. Da dies nicht gelingen werde, sehe man von Seiten seiner Partei derzeit keine Notwendigkeit, eigene Artikel in das Verfahren einzuführen.1930 Dem Gericht stand nun ein umfängliches Zeugenverhör bevor, denn Faber hatte immerhin 17 Beweisartikel vorgelegt und neun Zeugen zur Ladung vorgesehen. Darunter befanden sich neben sechs Einwohnern von Obervolkach auch der Stadtschreiber der Stadt Volkach und mit den Schultheißen von Stadt Volkach und Obervolkach zwei Amtsträger, die mit dem Verfahren bereits im Rahmen der Vollstreckung beziehungsweise des ursprünglichen Urteilsspruchs befasst waren. Ferner waren unter den Zeugen immerhin drei Frauen, was im 16. und 17. Jahrhundert offenbar keine Selbstverständlichkeit war.1931 Am 31. Mai 1572 ergingen zwei Schreiben für den Termin am 10. Juni, die sich einerseits als citation auf Fabers entsprechenden Antrag zum Gerichtstermin am 18. März an die Zeugen und andererseits als denunciation, also Ankündigung oder Meldung, an den Appellanten Hieronymus Melber richteten.1932 Dieser sollte zu ­diesem Termin ebenfalls selbst oder vertreten durch seinen Anwalt in der Kanzlei erscheinen, um bei Bedarf eigene Fragstücke einzureichen und zusehen und horen die Zeugen furstellen geloben und schwern.1933 Offenbar konnten die Parteien also dem allgemeinen Teil der Befragung und der Vorstellung der Zeugen beiwohnen, während die Anhörung zur Sache ohne ihr Beisein vorgenommen wurde. Gleichwohl handelte es sich eben um eine denunciation und nicht um eine citation. Die Anwesenheit der Partei, die ohnehin schriftliche Auskunft über die Inhalte der 1929 StAW, Admin. 18432, unfol. (Rezess vom 12. 02. 1572). 1930 StAW, Admin. 18432, unfol. (Rezess vom 12. 02. 1572). 1931 Fuchs, Protokolle von Zeugenverhören, S. 143, 152, hat in immerhin 878 untersuchten Zeugenverhören in reichskammergerichtlichen Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts lediglich elf weibliche Zeugen aufgefunden. Das entspricht 0,01 % aller Zeugen. Dies sei darauf zurückzuführen, „daß bedeutende Rechtsgelehrte Frauen für weniger glaubwürdig hielten als Männer“, ebd., S. 152, Anm. 35. In der Regel waren Frauen aber gleichwohl als Zeuginnen zugelassen. Die Beweiskraft ihrer Aussgen war allerdings gegenüber jener der männlichen Zeugen nachrangig, Koch, Die Frau im Recht, S. 85. 1932 StAW, Admin. 18432, unfol. (Citation und Denuntiation vom 31. 05. 1572). Zum Begriff denunciatio siehe Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­Teutonicum, S. 213. 1933 StAW, Admin. 18432, unfol. (Denuntiation vom 31. 05. 1572).

Geschäftsgang und Verfahren

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Anhörung erhielt, war demnach keine Voraussetzung für die Zeugenvernehmung. Ausweislich des Schreibens an Hieronymus Melber sollte daher auch mit furstellung beaidigung und verhorung der Zeugen furgefarn werden, wenn er oder sein Prokurator nicht zu dem Termin erschienen.1934 Die Kundschaft fand am 10. Juni 1572 wie geplant in der fürstlichen Kanzlei vor den Räten statt. Nachdem alle geladenen Zeugen erschienen waren, bat Faber darum, dieselbenn mit geburlichenn Pflichten unnd aÿden zubeladenn, unnd uff berurte weissung artickell der gebur zuverhorenn.1935 Auch Brenninger war als Parteivertreter erschienen und bewilligte die Vernehmung, behielt sich aber mögliche Einreden tam contra personas, quam contra dictum testium, also gegen die Person der Zeugen oder ihre Aussagen vor.1936 Die Zeugen legten hiernach den Zeugeneid ab, wobei offensichtlich verschiedene Formen möglich waren. Denn die beiden Zeugen aus der Stadt Volkach, also der dortige Schultheiß und der Stadtschreiber, hatten sich des zeugenn aÿdts denselben mit ufferhobnenn fingern zuthun beschwerdt unnd gebetten sie beÿ der Handtgelubd pleibenn zulassenn.1937 Ihrer Bitte wurde entsprochen, sodass alle anderen Zeugen gegenüber dem Würzburger Rat Dr. Andreas Hartmann den gewöhnlichen Eid mit erhobenem Finger, die Genannten aber ein Handgelöbnis als Handschlag an Eides statt leisteten. Die Hintergründe dieser verweigerten Eidesleistung werden aus der Gerichtsakte nicht ersichtlich.1938 Es dürfte sich aber nicht, wie die Herkunft von Schultheißen und Stadtschreiber vermuten ließe, um eine Besonderheit der Stadt Volkach gehandelt haben, denn auch dort scheint der Zeugeneid üblicherweise mit erhobenem Finger geleistet worden zu sein.1939 Im Folgenden wurden die Zeugen nacheinander im Einzelnen verhört. Die Vernehmung begann mit den gemeinen Fragstücken. Dabei wurden das Alter, welches die Zeugen im Übrigen meist nicht genau zu benennen wussten,1940 das Vermögen 1934 StAW, Admin. 18432, unfol. (Denuntiation vom 31. 05. 1572). 1935 StAW, Admin. 18432, unfol. (Publikation der Kundschaft vom 19. 06. 1572 am 19. 08. 1572). 1936 StAW, Admin. 18432, unfol. (Publikation der Kundschaft vom 19. 06. 1572 am 19. 08. 1572). 1937 StAW, Admin. 18432, unfol. (Publikation der Kundschaft vom 19. 06. 1572 am 19. 08. 1572). 1938 Munzel-­E verling, Eid, Sp. 1260. Vgl. auch Grimm/Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 10, Sp. 389 („Handgelöbnis“). 1939 So etwa in der Aufzeichnung aus einer Kanzleigerichtsakte aus dem Jahr 1585, BayHStA, RKG 4215, Q9, fol. 348v f., als der Volkacher Stadtrat selbst eine entsprechende Vereidigung mit erhobenem Finger vornahm und hierbei insbesondere auch der Stadtschreiber Johann Greissen als Nachfolger des hier genannten Johann Hoffmann entsprechend vereidigt wurde. 1940 Der Schultheiß der Stadt Volkach gab etwa an, er sei jm Bauern Krieg ungeferlich achzehenn Jar altt gewesen, war also zum Zeitpunkt der Befragung etwa 65 Jahre alt, StAW, Admin. 18432, unfol. (Publikation der Kundschaft vom 19. 06. 1572 am 19. 08. 1572). Derartige Altersangaben sind typisch für Zeugenverhöre des 16. und 17. Jahrhunderts, in denen

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

sowie das Verhältnis zu den Parteien erfragt und ebenso geprüft, ob der jeweilige Zeuge im Bann stand, über eine bestimmte Aussage unterrichtet worden sei oder für seine Aussage etwas erhalten sollte. Daraufhin war durch den jeweiligen Zeugen Stellung zu den einzelnen von Clemens Schneider und seinem Prokurator Faber vorgelegten Beweisartikeln zu beziehen und in der Regel zu erklären, ob diese wahr oder falsch ­seien, er davon nichts wisse oder, falls er etwas wisse, woher sich seine Kenntnis speise, ob er also selbst zugegen gewesen war oder nur vom Hörensagen von den geschilderten Vorgängen wusste. Nach der Befragung eines jeden Zeugen wurde seine aussag beschlossenn unnd […] jhme silentium imponirt,1941 er also zur Verschwiegenheit verpflichtet. Zum nächsten Gerichtstermin am 19. August baten die Prokuratoren der streitenden Parteien um Publikation der Kundschaft und um Abschrift der zu Protokoll genommenen Aussagen. Bereits am 2. September wies Faber darauf hin, dass seine weisung artickel, sovil zurecht genugsam[,] erwisen worden ­seien, und setzte die Sache diffinitive zu recht, beschloss somit und verlangte ein Urteil wie bereits zuvor beantragt.1942 Brenninger bat unter Zustimmung Fabers um einen weiteren Termin für seine Prozesshandlung. Am 29. Januar 1573 erschienen die Prokuratoren erneut anstelle der Prozessparteien vor dem Kanzleigericht. Ohne jedoch eine neuerliche Prozessschrift einzureichen oder seinerseits zu beschließen, beantragte Brenninger eine wiederholte Verschiebung auf den nächsten Termin auß ursachen, daß seines principals advocat mit todt abgangen, und er noch mit keinem andern nit versehen war.1943 Wie auch immer die Parteien diesen Todesfall bewertet haben; für den heutigen Betrachter ist er insofern ein Glücksfall, als hierdurch die ansonsten aus den Akten nicht ersichtliche Tätigkeit der Advokaten erkennbar wird. Diese waren es nämlich, die hinter den Schriftsätzen der Parteien standen und letztlich auch die Prozessstrategie vorgaben.1944 Auf den Einwand Fabers, Brenninger möge jn bedencken, daß die hauptsach sonstt mutwilliger weis, wie vor auch lang uffgehalten worden war, weiter prozessieren und rasch beschließen, erwiderte dieser, dass die khundtschafft sich die Menschen weniger an den Jahreszahlen als an bedeutenden, historischen Gegebenheiten orientierten, Fuchs, Protokolle von Zeugenverhören, S. 148, 160. Dass hier der immerhin fast 50 Jahre zurückliegende Bauernkrieg als Referenzwert gewählt wurde, spricht für die große Bedeutung d ­ ieses Ereignisses im kollektiven Erleben. In der Regel wussten die Zeugen offenbar ihren Geburtstag nicht und schätzten ihr Alter, sodass insbesondere Rundungen auf Vielfache der Zahl zehn häufig waren, während die Zahl fünf offenbar keine größere Rolle spielte, Fuchs, Protokolle von Zeugenverhören, S. 149, 151. 1941 StAW, Admin. 18432, unfol. (Publikation der Kundschaft vom 19. 06. 1572 am 19. 08. 1572). 1942 StAW, Admin. 18432, unfol. 1943 StAW, Admin. 18432, unfol. 1944 Siehe diesbezüglich bereits S. 75 f.

Geschäftsgang und Verfahren

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etwaß weittleufftig gewesen sei und seines principals notturft erforderte, sich weitter zuberathen und es ihm als Prokurator nit gepuren [wollte], ohne seines principals wißen und willen darinnen zubeschließen.1945 Nachdem Faber insistierte, dass weitere Beratungen angesichts des vergangenen Zeugenverhörs nicht erforderlich ­seien, bat Brenninger um Bescheid, also ein Urteil der Räte, die sich ausweislich einer Randnotiz ins Bedencken, also zu Beratungen zurückzogen,1946 ohne dass ein entsprechendes Urteil diesbezüglich im Protokoll wiedergegeben wurde. Es zeigt sich erneut, dass das Verfahren in großem Umfang von der Gestaltung durch die Parteien abhängig war, denn immer wieder wird die Bewilligung einer Prozesshandlung oder eines gebetenen Aufschubs durch die Gegenseite protokolliert. Erst wenn diese, wie hier, verweigert wurde, bedurfte es eines entsprechenden Urteils durch das Gericht, um das weitere Verfahren zu regeln und die erbetene Prozesshandlung zuzulassen oder abzulehnen. Wahrscheinlich wurde hier ein solches Urteil nicht getroffen, denn Faber eröffnete den folgenden Verfahrenstermin am 5. März mit dem Hinweis, dass, nachdem er selbst bereits am 2. Dezember beschlossen hatte, Brenninger mit ferrner handlung nit gehört noch zugelaßen sonder die sach mit jhme anwalden ex officio fur beschloßen angenommen werden soll[te].1947 Brenninger bat jedoch um eine erneute Verschiebung auf den kommenden Termin, da sein Principal allererst vor wenig tagenn, bei jhme gewesenn, unnd uff gegentheils weitleuffige khundtschafft […] bericht gethan, das er allso sich zeit khurtze halben zu dieser audientz, mit gegenhandlung, nit hab khonnen gefast machen.1948 Erwartungsgemäß stimmte Faber auch diesmal der Bitte der Gegenseite nicht zu, denn es seie nun ein lange Zeit, das seine khundtschafft publicirt worden, so seie des gegenntheils principal, nit außer landts, sonder jnn der Nehe geseßenn, den er umb ferners berichts willen, vor lengst wohl het khonnen beschreiben.1949 Nachdem er dies aber nicht getan hatte, sollte er nun mit seinem weiteren Vorbringen präkludiert und folglich wie beantragt von Amts wegen beschlossen werden. Brenninger verwies nochmals auf den zwischenzeitlichen Tod des Advokaten seiner Partei und darauf, dass er die Abschrift der Kundschaft nicht viel länger als einen Monat bei sich gehabt habe. Faber entgegnete, dass er für diese Tatsache selbstenn in Culpa war, dann wo er zu Rechter zeit, jnn der Cantzlei het solicitirt unnd angesucht, het jhme dieselbe wohl ehr widerfahren mögen.1950 1945 StAW, Admin. 18432, unfol. 1946 StAW, Admin. 18432, unfol. 1947 StAW, Admin. 18432, unfol. 1948 StAW, Admin. 18432, unfol. 1949 StAW, Admin. 18432, unfol. 1950 StAW, Admin. 18432, unfol.

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Kanzleiorganisation und -verfahren in Norm und Praxis

Erneut zogen sich die Räte ausweislich des Protokolls zur Beratung zurück und trafen am 6. März auch ein Urteil, wonach, falls Brenninger ad proximam, nit was sich gepurt handeln wurdt, […] er alßdann ferrners nit zu gelaßen, sonder die sach jetzo alßdann, unnd dann alls jetzo fur beschloßen angenommen sein soll[te].1951 Die Räte erwiesen sich also selbst in ­diesem Verfahrensstadium als sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, Verfahrenshandlungen aufgrund von Säumnis oder wegen eines verspäteten Vorbringens einer Partei zu präkludieren, und räumten abermals eine Frist zur Vornahme der erforderlichen Prozesshandlung ein. Dieser letzten Ermahnung kam Brenninger am 20. April nach und übergab schriftliche Exceptiones & Conclusiones. In seiner Schrift legte er also Einreden hinsichtlich des ergangenen Zeugenverhörs ein, erklärte, w ­ elche der Beweisartikel nach seiner Würdigung oder jener des den Schriftsatz fertigenden Advokaten bewiesen waren und ­welche nicht und ­welche der Zeugenaussagen in Zweifel gezogen werden mussten. Ferner erklärte er Rechtsatz, setzte also cum Expensis diffinitive zu recht und erbat somit ebenfalls das begehrte Urteil wie beantragt einschließlich der Kosten des Verfahrens, woraufhin die Räte diffinitiv bedencken nahmen, um für den nächsten Termin das Urteil vorzubereiten.1952 (4)  Beschlussfassung i.  Die Umfrage im Rat Schon nach der Kanzleiordnung des Jahres 1546 sollten in den gemelten gerichtlichen Sachen, so durch appellation oder in andere wege fur unser rethe in unsere Cantzlei erwachsen, zügig nach verhorung, Clag, antwort, kuntschaft und anderm der partheien einpringen, nach ausweisung der rechte, auch unsers Stifts herprachtem rechtmessigen geprauche und ordnung nach verfaren und geurtheilt werden, damit die Verfahren nicht übergebührlich in die Länge gezogen wurden.1953 Bei komplexeren Angelegenheiten hingegen, die nit schlecht von der hand geurteilt werden mochten, sunder die notturft erforderte, die einbrachten Acten nach der lenge zu ubersehen, zuerwegen, und urteil zufassen, ordnete die Kanzleiordnung des Jahres 1546 an, dass der Cantzler s­olche acten unter die gelerten Rathe austeile[n], und inen ansage[n] sollte, die selben zum furderlichsten zustudiren, nach ausweisung der rechte und unsers Stifts herbrachten rechtmessigen gebrauchs und ordnung urteil [zu] fassen, und wie sie die sachen mit iren umbstenden erw[o]gen, uf volgenden dinstag, 1951 StAW, Admin. 18432, unfol. 1952 StAW, Admin. 18432, unfol. 1953 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 334.

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sampt irem gutbedüncken und bewegenden ursachen unseren Rathen, ordenlich und vleissig fur[zu]tragen und [zu] ertzelen, bevor sie als dan gemeiniglich das urteil darin schliessen und machen, auch den gerichtschreiber solchs aufschreiben, und ehe er abgeth, inen allen offentlich furlesen lassen sollten.1954 Schwierigere Fälle konnten also häufig nicht sofort entschieden werden, sondern wurden vom Kanzler den einzelnen Räten zur Anfertigung eines Gutachtens oder einer Relation 1955 übergeben. Zwangsläufig waren dazu nur die gelehrten Räte heran­ zuziehen, die das Gemeine und somit das auf der römisch-­kanonischen Tradition beruhende Recht kannten, das ihnen an den Universitäten vermittelt worden war. Zugleich war freilich auch nach des Stifts herbrachten rechtmessigen gebrauchs und ordnung, also dem partikularen Gewohnheits- und Statutarrecht zu entscheiden, bevor die getroffenen Erwägungen am folgenden Dienstag in den Rat einzubringen waren, um dort das Urteil im Kollegium zu beschließen. Dass diese Wochenfrist stets eingehalten wurde, ist zweifelhaft. Denn die Kanzleiordnung selbst wies darauf hin, dass diejenigen Räte, denen ichts zu studirn und zu examinirn anhants gegeben, damit uber geburliche zeit ausblieben, vom Kanzler zu rascher Arbeit angehalten werden sollten, damit die Dinge in die lenge nit ufzogen, sonder der gebur sovil müglich gefurdert werden konnten.1956 Auch die folgende Ordnung des Jahres 1551 sah diese Frist nicht mehr vor, sondern lediglich eine vom Kanzler zu bestimmende und vom Gerichtsschreiber zu verzeichnende Zeit zur Bearbeitung.1957 Die ansonsten weitgehend am Wortlaut der Ordnung von 1526 orientierte Kanzleiordnung enthält zu d ­ iesem Vorgehen noch weitere Ergänzungen. Demnach sollte der Kanzler die Akten den gelerten Rethen in ainer benannten Zeit zustudiren außteilenn, oder fur sich selbst behalten, bevor das Urteil nach deren Begutachtung mit 1954 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335. Auch die Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 10r, hatte eine Übergabe der vom Gerichtsschreiber erstellten Akten durch den Kanzler an die gelehrten Räte vorgesehen, die die selbig(en) mit vlys ­besehenn bewegenn, die recht daruber lessenn, unnd dann sollche zu unnsernn rathe t­ reuwlich vleyssig […] referiern sollten, ohne dass hierbei ausdrücklich auf die Vorbereitungszeit hingewiesen worden war. 1955 Dabei handelte es sich um einen Bericht über die Akteninhalte vor den Räten, DRW XI, Relation (I), Sp. 844, der wahrscheinlich wie im Kameralverfahren auch einen Entscheidungsvorschlag enthielt, dazu Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 182. Relationen der Räte zu kanzleigerichtlichen Verfahren sind, soweit ersichtlich, nicht überliefert. Lediglich eine Relation der fürstlichen Räte in schlegerei sachen vor dem Zent­gericht Gerolzhofen vom 25. 04. 1581 ist erhalten, die immerhin von sieben Räten unterschrieben wurde und der Führung des zentgerichtlichen Verfahrens dienen sollte, StAW, Reichswesen 916, unfol. 1956 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 11v f.; Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 335; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588. 1957 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588.

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anndern unnsern Edeln und gelärten Rethen gefunden werden sollte.1958 Offenbar waren also, wie an anderen Kollegialgerichten und insbesondere auch am Reichskammergericht,1959 die adeligen Räte an der Urteilsfindung beteiligt. Die Aufteilung bestimmter Angelegenheiten unter die Räte war im Übrigen nicht auf gerichtliche Verfahren beschränkt. Ganz ähnliche Behandlung erfuhren auch die für das Hochstift besonders wichtigen Gebrechensachen.1960 Zu ihrer Bewältigung waren wöchentlich zunächst ein Tag und ­später zwei Tage, in der Mitte des 16. Jahrhunderts der Freitag und dann zusätzlich der Montag, vorgesehen, an denen jedenfalls die drängendsten und notwendigsten Angelegenheiten im Rat zu erörtern waren.1961 Entsprechend der Behandlung der gerichtlichen Angelegenheiten hatte der Kanzler einzelne Sachen den gelehrten Räten zu Studium, Stellungnahme und Referat im Rat auszugeben, wenn zur Entscheidung die beschribene rechte zu ubersehen von noten war.1962 Besonders umfangreiche Verhandlungen konnten, da sie sich in einer Sitzung nicht bewältigen ließen, über mehrere Sitzungstage verteilt werden.1963 Am Ende des Verfahrens stand gerade in den wichtigen Gebrechensachen die bischöfliche Approbation der getroffenen Beschlüsse des Rats.1964 Die eigentliche Beschlussfassung im Rat erfolgte durch die sogenannte Umfrage. Dabei handelte es sich um ein förmliches Beschlussverfahren, bei dem die Räte nacheinander aufgerufen wurden, um gegebenenfalls zur Sache zu reden und ihr Votum abzugeben. Den Vorsitz hatten nach der Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 – wohl schon zu dieser Zeit je nach Anwesenheit in absteigender ­Reihung – Hofmeister, 1958 Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588. 1959 Zum Reichskammergericht etwa Dick, Die Entwicklung des Kameralprozesses, S. 16, 77, 182. Am Hofgericht Paderborn, Süss, Partikularer Zivilprozess, S. 82, 280, 342, 454, gab es neben dem adeligen oder gelehrten Richter drei Beisitzer, die offenbar bürgerlich oder adelig sein konnten, ohne dass es einen festen Schlüssel zur Besetzung gegeben hätte. Eine Teilung der Richterbank in adelige und gelehrte Richter gab es noch im 18. Jahrhundert am Oberappellationsgericht Celle, Stodolkowitz, Das Oberappellationsgericht Celle, S. 44 f., während am Wismarer Tribunal der Einfluss des Adels nach der Ordnung von 1657 außerordentlich gering war, Jessen, Der Einfluß von Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 141 f. und S. 142, Anm. 37. 1960 Siehe dazu schon S. 65, 238 und 293 f. 1961 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336; Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 66. 1962 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336; vgl. auch Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 66. 1963 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 336. 1964 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 12r; Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 588. Hinsichtlich der Gebrechensachen sah dies auch die, die bischöfliche Approbation in mancher Hinsicht einschränkende, Kanzleiordnung des Jahres 1559, StAW, ldf 30, S. 69, vor. Siehe dazu S. 375 – 377.

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Kanzler oder Hofmarschall, die sich des eigenen Votums enthalten sollten, bis alle anderen anwesenden Ratsmitglieder gehört worden waren.1965 Eventuell gab es um das Jahr 1525 auch noch ein vereinfachtes Umfrageverfahren für gemeine sachenn, daran nit sonders gelegenn.1966 Dabei sollten sich ein gelehrter, ein adeliger und – falls zugegen – ein geistlicher Rat miteinander vergleichen, um dann die anndern jn gemein zu befragen, ob jr einer, s­olche mainung zuendern, oder zubessern wiß.1967 War das nicht der Fall, sollten umb kurtz unnd furderung willenn die anderen Räte nicht mehr befragt werden.1968 Wie häufig und wie lange d ­ ieses Verfahren in praxi vorkam, ist ungewiss, denn es wird von den folgenden Ordnungen nicht mehr erwähnt, die an der Grundform der Umfrage aber nichts mehr änderten. Eine Vermutung hinsichtlich der Effizienz der Umfrage aus zeitgenössischer Perspektive ermöglicht die Kanzleiordnung von 1546, wonach im Rahmen der Umfrage hinfur die lange unnotturftige erholung und repetirung der dinge, davon man rathschlagen und handeln solle, sunderlich in schlechten geringen sachen […] vermitten werden und allein das ihenig erhalt und furbracht werden sollte, das zu der sachen erkentnus erwegung und billichem beschlus hilfreich und nützlich war, da andernfalls die Sachen aufgehalten und überdies andere Angelegenheiten verzögert wurden.1969 Die umfangreichsten Regelungen zur Umfrage enthielt die Ordnung des Jahres 1574, die – vor allem zur Vermeidung von Parteilichkeit – auch eine Umgehung des Umfrageverfahrens mit seiner festgelegten Reihenfolge zu verhindern suchte, indem sie dem einzelnen Rat verbot, sich inn ainnicher sach, vor, nach, oder in dem rathe, aines ainichen voti mit dem andern abzusprechen oder zu einigen, sondern verlangte, dass er, wann die frag an ihne kompt, von den sachen reden und votiern sollte, wie ers in seinem gewissen, und den rechten nach verstand.1970 Die Umfrage 1965 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 9r. 1966 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 30v. Die Passage gibt Rätsel auf. Unter StAW, Miscell. 6811 sind Schriftstücke von drei verschiedenen Schreibern zusammen­ gefasst, die mit der Überschrift Kanzleiordnung 1526 versehen und inhaltlich wenig verschieden sind. Gleichwohl lässt die Handschrift des zweiten Schriftstücks (25v–29r) vermuten, dass es sich um spätere Aufzeichnungen handelt, die – da sie nicht im bischöflichen „wir“ verfasst sind – möglicherweise eine kanzleiinterne Zusammenfassung der eigentlichen Ordnung darstellten. Das dritte Schriftstück (29v–33v) hingegen entspricht der Form nach wieder stärker der ersten Darstellung. Nur die hier zugrunde gelegte Passage weicht inhaltlich von den Ausführungen des ersten Teils ab. Denn das vereinfachte Verfahren findet sich nur an dieser Stelle. Überdies ist hier auch der einzige Hinweis der gesamten Ordnung auf die Teilnahme von geistlichen Räten am Rat zu finden. 1967 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 30v. 1968 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 30v. 1969 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 337. 1970 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 47.

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leitete fortan im Falle seiner Anwesenheit der Domdechant oder ein anderer der vier Domherren, die zum Rat gehörten, und ansonsten der Hofmeister vor dem Hofmarschall, bevor der Kanzler schließlich berufen sein sollte.1971 Da ausweislich der Kanzleiordnung des Jahres 1574 auch im votirn bißweiln vil vergebene reden gebraucht, und die zeit unnutzlich verzerth worden war, sollten der erste oder zweite Rat, der an der Reihe der Umfrage war, ausführlich pro et ­c ontra zur Sache reden.1972 Wenn nun ein nachfolgender Rat ein anders und ein bessers wissen hatte, also eine von den bisherigen Rednern abweichende Meinung vertrat, sollte er dies anzeigen und seine Ansicht in Kürze begründen.1973 Wer allerdings keine erheblichen Bedenken hatte, sollte sich vil oder langen redens enthalten, und simpliciter sagen, das er sich mit eim oder den anndern, so vor ime votiert, vergleiche.1974 Ebenso wenig sollten die vorgelegten Angelegenheiten bei den Beratungen seitens der Räte in Gänze wiederholt, sondern nur die entscheidungsrelevanten Aspekte der Sache und die jeweilige Meinung diesbezüglich vorgetragen werden.1975 Formulierte ein Rat sein Votum zur Sache, sollte er von den anderen nicht unterbrochen werden, sondern jeder erst nach Reihenfolge der Umfrage zum Sprechen kommen. Überzog ein Rat aber in zeitlicher Hinsicht sein Votum oder sprach er nicht tauglich zur Sache, konnte ihm durch denjenigen, der die Umfrage durchführte, die weitere Einlassung verboten werden.1976 Derjenige, der die Umfrage durchführte, durfte nicht vor Abschluss der Befragung aller anderen Räte sein eigenes Votum abgeben. Daraufhin sollte er dem ihm benachbarten Rat das festgestellte Ergebnis zur Kontrolle nochmals mitteilen.1977 Jedenfalls um 1574 traf der Rat seine Entscheidungen grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip, denn für die Beschlüsse waren aintweder ain ainhelliger schluß, oder doch was gewiß das mehrer gewesen festzustellen und ­später dem Bischof zu referieren.1978 Hatte der proponent eine andere Auffassung als die Mehrheit der 1971 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. 1972 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 106, geht davon aus, „daß jeweils ein Rat die kontroversen Ansichten („pro et contra“) ausführlicher darlegte[.]“ Sofern damit gemeint sein soll, dass sich jeweils ein Pro- und ein Contra-­Redner zur Sache einlassen sollte, findet sich dafür allerdings kein Anhaltspunkt in den Ordnungen. Im Gegenteil war die Ausführung beider Ansichten durch ein und dieselbe Person etwa im Falle des Gebrechenschreibers und Syndikus durch die Kanzleiordnung des Jahres 1574, StAW, ldf 32, S. 66, sogar ausdrücklich vorgesehen. 1973 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 50. 1974 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 50. 1975 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 50. 1976 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 50. 1977 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. 1978 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49.

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Räte, konnte er die Sache ein weiteres Mal zu Abstimmung bringen, sodass sich die anderen mit demselbigen vergleichen, und ire erste mainung endern konnten.1979 Mit dem Proponenten war wahrscheinlich derjenige, der eine Sache zur Abstimmung stellte und die Umfrage führte, vielleicht aber auch – terminologisch naheliegender – derjenige gemeint, der diese als Referent vorbereitet und in den Rat eingebracht hatte.1980 Das Ergebnis dieser zweiten Umfrage war schließlich unabhängig davon endgültig, ob die Räte bereit waren, ihre Meinung nochmals zu ändern oder nicht. In dem Fall jedoch, in dem kein mehrers gemacht, sonder die opiniones und bedencken spaltig waren, sollten die verschiedenen Ansichten, mit erzhelung aus was fundamenten und motifen, dieselbige hergeflossen waren, dem Bischof vorgetragen werden, der dann eine Entscheidung fällte.1981 ii.  Bischöfliche Approbation und Resolution Nach der Entscheidung der Räte mussten die getroffenen Beschlüsse dem Bischof referiert werden, der diese daraufhin approbierte. Natürlich war es ­diesem als Landes­herrn unbenommen, eine Genehmigung zu verweigern. Damit wurden aber die Räte keineswegs zu völlig bedeutungslosen Verwaltungsbediensteten. Denn sie waren es, die sogar die bedeutendsten Angelegenheiten wie des Stifts nachbaürlichen gebrechen zunächst zu bearbeiten, die erforderlichen Unterlagen in der Registratur zu sichten, die wesentlichen Argumente für und wider möglicher zu treffender Entscheidungen hervorzubringen und abzuwägen hatten.1982 Die Bedeutung dieser vorbereitenden Arbeiten und der diesbezügliche Bericht gegenüber dem Bischof durch Hofmeister, Kanzler oder Referendar dürfen hinsichtlich des bischöflichen Entscheidungsverhaltens nicht unterschätzt werden. Allein durch die Menge an Ratsbeschlüssen, die in den täglichen Ratssitzungen zustande kamen, war eine umfassende Prüfung durch den Bischof in jedem Einzelfall kaum möglich. Gerade in rechtlichen Angelegenheiten wird der Bischof auf die Entscheidung seiner rechtsgelehrten Räte vertraut haben.1983

1979 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. 1980 Erblickte man in dem Proponenten den Referenten, der das Anliegen vorbereitet hatte und im Rat vortrug, bei gerichtlichen Sachen also etwa denjenigen, der die Relation erstellt hatte, wäre der Nutzen einer solchen Anordnung allerdings begrenzt gewesen. Denn der Redner für die Sache sprach ohnehin zu Beginn der Verhandlung und Abstimmung, sodass seine Auffassung den anderen Räten bereits bei ihrer ersten Abstimmung bekannt war. 1981 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 49. 1982 Kanzleiordnung 1546, StAW, ldf 28, S. 333 f. 1983 So schon Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 107.

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Schon die Kanzleiordnung der Jahre 1525/1526 sieht von der grundsätzlichen Pflicht, dem Bischof die Ratsbeschlüsse einschließlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe zu referieren und seine Approbation einzuholen, Ausnahmen vor. Insbesondere hinsichtlich eingehender Suppliken oder wenn die Angelegenheiten sunst der gestalt were[n], dar jnn unßers bevelchs nit vonn Nottenn, sollten diese durch unnsere räthe, wie oblaut, mit vleyß verhort verlessen unnd berathschlagt, unnd alß die verseen partheyenn nach pilligkait furderlich abgevertig werden, ohne dass hierfür eine bischöfliche Genehmigung erforderlich war.1984 In ­welchen Angelegenheiten ein bischöflicher Befehl nicht vonnöten sein sollte, konkretisierte schließlich die Kanzleiordnung des Jahres 1559, wonach Privat- und Parteisachen, da bishero jn der Cantzlej niemandt unrecht beschehen sei, grundsätzlich nicht vor dem Bischof vorgetragen werden mussten, während die bischöfliche Approbation bei Malefiz-, Lehen-, Kammer-, Gebrechen-, Kriegssachen unnd andere[n][,] daran dem Stifft unnd desselben Landenn unnd Leuthen hochlichen gelegen, stets erforderlich sein sollte.1985 Es war dem Bischof durch diese ihn ohnehin ungewöhnlich stark einschränkende Ordnung sogar geboten, sich nicht mit unwichtigen Angelegenheiten zu befassen: Um sich stärker den bedeutenderen Stiftsangelegenheiten zuzuwenden, wurde für nutzlich und räthlich gehalten, das sich ein regirender herr der privat Supplicationen unnd schrifften, sovil muglich entschlagen und die Suppliken vielmehr in die Kanzlei weisen sollte, anstatt sie selbst zu lesen und zu rubrizieren, da ansonsten nicht nur unnötig viel Zeit vergehe, sondern dadurch auch dem gemeinen nutz besser gedient werde.1986 Auch das Verfahren der bischöflichen Approbation versuchte die Kanzleiordnung des Jahres 1559 zu regeln. Hinsichtlich der nach Möglichkeit noch vor dem Mittagstisch zu referierenden Ratsbeschlüsse sollte ein regirender Herr, wenn er Änderungsbedarf sah, mit wenigster ausfuerung darauff beschliessen, unnd also die Concepten[,] so herniden [in der Kanzlei, Anm. JB] algereith bevolhen, sovil muglich unnd thunlich erhalten […], damit man mit enderung der auffgeschribenen decreten unnd darauff gevolgten concepten nit lang bemuhet, oder auffgehalten werde.1987 Ebenso sollte jre fürstliche gnadenn jr redlich bedencken mit muglicher kurtze darauff antzeigenn, damit Referendar, Kanzler oder Hofmeister nicht allzu lange von der Kanzlei fernbleiben mussten.1988 Diese Einschränkungen des bischöflichen Approbationsrechts, das untrennbar mit der Landesherrschaft verbunden war, dürfte Bischof 1984 Kanzleiordnung 1526, StAW, Miscell. 6811, fol. 6v; vgl. auch Kanzleiordnung 1551, StAW, ldf 28, S. 585. 1985 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68 f. 1986 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 69. 1987 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68. 1988 Kanzleiordnung 1559, StAW, ldf 30, S. 68.

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Friedrich von Wirsberg kaum goutiert haben, wurden hierdurch doch die dem Fürsten zustehenden Rechte dem Streben nach einer effizienteren Regierung und Verwaltung in Angelegenheiten des Hochstifts untergeordnet. Wenig überraschend ist daher, dass die Kanzleiordnung Julius Echters derartige Beschränkungen nicht mehr enthielt, sondern nur noch statuierte, dass Kanzler und Hofmeister bei Einholung der bischöflichen Resolutionen zum kurtzten und schleunigsten als muglich absolvirt, und wider hinab auff die cantzley gelassen werden sollten.1989 iii.  Melber gegen Schneider: Urteil Im Appellationsverfahren z­ wischen den Appellanten Hieronymus Melber und seiner Ehefrau und den Appellaten Clemens Schneider und seiner Stieftochter Appollonia Löbler erkannten am 26. Mai 1573 des gnedigen furstenn und herrn vonn Wirtzburgs Räthe zu Recht.1990 Über das Verfahren und die Beschlussfassung ist in der Akte nichts wiedergegeben. Ebenso wenig über eine bischöfliche Approbation, die hier, wenn sie überhaupt erforderlich war, nur eine Formalie gewesen sein dürfte. Die Räte beschlossen, das ergangene Urteil zu Reformirn und stellten fest, dass es des Appellanten hausfrau nit gepurt, der appellaten dochter geclagter massen zu beschreien, unnd zu verleumbden, weswegen sie gemäß einem ausdrücklich erwähnten Mandat aus dem Jahre 1550 zu condemnirn unnd zu verdammen seie.1991 Auf dieser Grundlage wurde erkannt, das der appellant des Appellaten dochter ein hundert gulden Reinischer Landtswehrung zu franckenn zu zahlen hatte, die in zwei Raten zu je 50 Gulden erbracht werden konnten.1992 Ferner hatten die Appellanten die Gerichtscosten unnd scheden aus beiden Instanzen zu ersetzen. Insofern war also das Urteil erster Instanz inhaltlich bestätigt worden.1993 Die Räte gingen allerdings in ihrer „Reformierung“ des Urteils noch weiter und erlegten Melber und seiner Ehefrau wegen der Ehr- und Leumundsverletzung auf, des Appellaten dochter, uff den fall, sie sich ehelichen verheirathen wurdt, 25 fl. Reinisch zu ainer haussteuer zu raichen unnd zu geben. Wahrscheinlich diente diese zusätzliche Aussteuer zur Begründung eines ehelichen Hausstands 1994 maßgeblich der Wiederherstellung der Reputation der Geschädigten und der Beseitigung des Makels, der ihr durch die Verleumdung 1989 Kanzleiordnung 1574, StAW, ldf 32, S. 51. 1990 StAW, Admin. 18432, unfol. 1991 StAW, Admin. 18432, unfol. Es dürfte sich um das bei Schneidt, Thesaurus 2,5, S. 779, abgedruckte Mandat der Injurien halben handeln. 1992 StAW, Admin. 18432, unfol. 1993 StAW, Admin. 18432, unfol. 1994 Olechowski, Aussteuer, Sp. 384.

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als Verbrecherin einerseits und durch die Bezichtigung des un- oder vorehelichen Beischlafs andererseits ein Leben lang anhaften konnte.1995 Ferner bestätigten die Räte auch das Urteil des Dorfgerichts hinsichtlich der Amme und scheinen sie auch von den erstinstanzlich noch ausgesprochenen Gerichtskosten befreit zu haben, indem sie aussprachen dieselbe hiemit [zu] absolvirn und ledig [zu] erkhennen.1996 Für die Appellaten nahm das Verfahren also vorerst einen günstigen Ausgang, denn knapp fünf Jahre nach dem erstinstanzlichen Urteil des Dorfgerichts Obervolkach wurde d­ ieses durch das Kanzleigericht bestätigt. Erforderlich war nun noch, dass die unterlegene Partei dem Urteil auch nachkam. Die Freude der Appellaten über das günstige Urteil dürfte allerdings getrübt gewesen sein. Denn im Protokoll des Kanzleigerichts zu dem Verkündungstermin findet sich abschließend der Hinweis: Brenninger anw[alt] Jhronimi Melbers Appellavit ad Cameram petÿt Apostolos in solita forma.1997 Der Prokurator hatte sich für seine Partei formgerecht an das Reichskammergericht berufen und von den Kanzleiräten den Apostelbrief erbeten. Es war also davon auszugehen, dass die im Urteil ausgesprochene Summe nicht ohne Weiteres gezahlt werden würde. g.  Vollstreckung (1)  Verfahren War ein Urteil durch die Räte getroffen worden, hatten sich die Parteien daran zu halten, [d]ieweil vergebenlich, und ohne Frucht ist, Urtheil zusprechen, wo die nicht auch der gebühr vollstrecket werden.1998 In der Regel sollte der unterlegenen Partei eine Frist von sechs Wochen und drei Tagen gegeben werden, um dem Urteil zu entsprechen.1999 Ließ sie die Frist vergeblich verstreichen, konnte die obsiegende Partei zum Zwecke der Vollstreckung (executio) vor dem Kanzleigericht eine neuerliche Ladung 1995 Fuchs, Um die Ehre, S. 327, der zudem auf die generelle Langlebigkeit von Informationen im Gedächtnis der Menschen in der „vormoderne[n] face-­to-­face-­Sprechkultur“ hinweist, ebd., S. 100. 1996 StAW, Admin. 18432, unfol. 1997 StAW, Admin. 18432, unfol. 1998 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 19, § 1. 1999 So jedenfalls LGO 1618, 2. Teil, Tit. 19, § 2, hinsichtlich der Vollstreckung von landgerichtlichen Urteilen; ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 59v. Für Appellationsverfahren am Kanzleigericht dürfte entsprechendes gegolten haben, auch wenn nicht klar ist, ob sich die Verweisung auf den der Herausgabe der Akten volgende[n] Prozeß in LGO 1618, 2. Teil, Tit. 38, § 1, auch auf die Vollstreckung beziehen sollte. Aus den untersuchten Akten ergibt sich jedoch, dass jedenfalls Inhalt und Form der von der

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der Gegenseite bewirken.2000 Das Gericht fertigte dann die sogenannten executoriales aus. Dabei handelte es sich um einen Gebots- und Drohbrief, in dem der unterlegene Teil bei Androhung einer Bußzahlung aufgefordert wurde, dem ergangenen Urteil nachzukommen,2001 sofern er nicht Einreden gegen die Vollstreckung im angesetzten Termin vorbrachte. Verweigerte die unterlegene Partei ohne Vorbringen rechtmessige[r] Ursachen zu verhinderung der Execution 2002 weiterhin, dem Urteil zu entsprechen, sollte sie auf die neuerliche Bitte der obsiegenden Partei durch gerichtliches Urteil zur Zahlung der Buße verpflichtet und mit Acht und Bann belegt werden.2003 An der Durchsetzung der gerichtlichen Anordnungen und der Beitreibung gegebenenfalls bestehender Geldforderungen war häufig der lokale Amtmann beteiligt.2004 (2)  Melber gegen Schneider: Vollstreckung und Ausgang des Verfahrens Nach dem Gerichtsurteil vom 26. Mai war die erste Rate der ausgesprochenen 100 Gulden zum Johannistag fällig, der einen knappen Monat nach dem Urteil am 24. Juni begangen wurde. Schneider hatte Melber offenbar an besagtem Tag aufgesucht und um Zahlung gebeten. Erst als dieser desselben nit hatte volg thun wöllen, sondern sich deßen widersetzt hatte, bat Prokurator Faber trotz der eingelegten Appellation Melbers an das Reichskammergericht am 3. Juli 1573 um die Ausfertigung der executoriales, die unter dem fürstbischöflichen Sekretsiegel am 6. Juli adressiert an Hieronymus Melber ergingen.2005 Darin wurde er unter Androhung weiterer 100 fl. unnachlesslich peen aufgefordert, binnen 14 Tagen nach Zustellung des Schreibens in der Kanzlei zu erscheinen und die fällige Summe zu entrichten. Der geschworene Landgerichtsbote Bastian Reinhart, der mit der Zustellung beauftragt worden war, vermerkte in seiner Relation, dass er Melber das Schreiben am 10. Juli insinuiert hatte, dieser aber angezeigt habe, dass er an das kaiserliche Kammergericht appelliert und daruff noch bescheidts ob sie angenommen worden zu gewaten hatte.2006 Kanzlei ­ausgehenden executoriales den Vorgaben der LGO 1618, 2. Teil, Tit. 19, § 1 – 3, entsprachen; vgl. ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 59v f. 2000 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 19, § 1; vgl. ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 59v. 2001 Zum Begriff der executoriales etwa Oberländer, Lexicon Juridicum Romano-­Teutonicum, S. 290. 2002 LGO 1618, 2. Teil, Tit. 19, § 1; vgl. ebenso LGO 1580, StAW, WU Libell. 317, fol. 59v. 2003 So jedenfalls die LGO 1618, 2. Teil, Tit. 19, § 4; vgl. ebenso LGO 1580, StAW , WU Libell. 317, fol. 60r. 2004 Siehe diesbezüglich bereits S. 353. 2005 StAW, Admin. 18432, unfol. (Exekutorialbrief vom 06. 07. 1573). 2006 StAW, Admin. 18432, unfol. (Exekutorialbrief vom 06. 07. 1573 – Botenrelation).

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Nur wenige Tage ­später erlangte man Gewissheit in der fürstlichen Kanzlei. Denn am 18. Juli trafen die kaiserliche Inhibition und der reichskammergerichtliche Kompulsorialbrief in Würzburg ein. Zwei Wochen ­später erhielten die Räte das bereits erwähnte 2007 und auf den 30. Juli datierte und mit Datum vom 3. August in der Kanzlei registrierte Schreiben von Schultheißen, Bürgermeister und Gericht zu Obervolkach, in dem um die Beauftragung des Schultheißen der Stadt Volkach als zuständigem Amtmann zur Vollstreckung des Urteils hinsichtlich der entstandenen Kosten für Wirt, Gefängnisknecht und Gerichtsschreiber gebeten wurde. In der Tat ging bereits am nächsten Tag unter Verweis auf die zuletzt erhaltene Supplik ein bischöfliches Schreiben an den Schultheißen der Stadt Volkach aus, in dem auf die für das Stift bestehenden privilegia und freiheiten[,] das niemandten von obberurtem unnserm Cantzleigericht unter 200 fl. zu appellirn zugestatten, verwiesen wurde.2008 Man werde darzu wider den appelanten jn seiner zeit die gepurendt straff furnemen lassen.2009 Zunächst sollte jedoch der Schultheiß dem Müller die fürstliche Meinung hinsichtlich seiner Appellation überbringen und ihn doneben auch zu bezahlung alles jnn der Supplication geclagten Uncostens ernstlich anhallten, und jm fall seines widersetzens darzu compellirn und treiben.2010 Offenbar wurde die eingegangene Supplik vom 3. August im Original ausgegeben, denn neben einem Bericht über das Vorgehen des Schultheißen und die Reaktion des Müllers darauf erwartete man in Würzburg auch die Rücksendung derselben. Besonders unzufrieden scheint man in der Residenzstadt über die Appellation an das Reichskammergericht gewesen zu sein, die in der Tat in Konflikt mit dem bestehenden Appellationsprivileg von 1530 stand.2011 Denn von anderer Hand ist dem Schreiben zum Schluss hinzugefügt, der Schultheiß solle den Müller beÿ seinen pflichten und ayden, damit ehr unß verwanth fragen[,][…] wohe jne zu dieser sachen bisher advocirt und gerathen und wer ihm sonderlich jn dieser app[ellation] geraten hatte.2012 Dass die fürstlichen Räte nicht wussten, wer der Advokat in d ­ iesem Rechtsstreit war, ist keine Besonderheit. Denn die durch die Advokaten erstellten Schriftsätze wurden bis in das 18. Jahrhundert hinein regelmäßig nur durch die Prokuratoren unterschrieben, die sie auch bei Gericht einreichten.2013 2 007 Siehe dazu S. 353 f. 2008 StAW, Admin. 18432, unfol. 2009 StAW, Admin. 18432, unfol. 2010 StAW, Admin. 18432, unfol. 2011 StAW, WU 35/14; vgl. auch Eisenhardt, Die kaiserlichen Privilegia, S. 124, 336 – 338. 2012 StAW, Admin. 18432, unfol. 2013 Oestmann, Streit um Anwaltskosten, S. 161.

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Der Bericht des Schultheißen erfolgte bereits am 13. August. Nachdem er den Müller einbestellt und zur Zahlung der genannten Unkosten aufgefordert hatte, habe dieser sich zunächst über die Höhe der Kosten beschwert und sich der Zahlung widersetzen wollen, dann aber daruber denn Ernst gesehen und war bereit, diesen Uncostenn, darumb die Supplicanten geclagt, zuerlegen, wie dan durch jnen unverzoglichen gescheenn ist.2014 Über die Gründe, die Hieronymus Melber dazu bewogen haben könnten, die eingeforderten Kosten nach fünf Jahren zu erstatten, kann nur spekuliert werden. Jedenfalls gab er dem Schultheißen gegenüber an, seine Appellation weiter zu verfolgen, die in Speyer offenbar angenommen worden war, hatte also keineswegs durch den bischöflichen Rekurs auf die Appellationsprivilegien die Absicht, das Verfahren nicht weiterzubetreiben. Es ist bemerkenswert, wie die Beteiligten mit der reichskammergerichtlichen Inhibition umgingen, denn eigentlich durfte in d ­ iesem Verfahren angesichts des Suspensiveffekts der Appellation nicht weiter prozessiert und insbesondere nicht vollstreckt werden. Da die Verfahrenskosten aber auch vom Urteilsspruch umfasst waren, hätte das Verlangen nach Begleichung derselben ebenfalls als von der Inhibition umfasst erachtet werden können. Dass die dem Müller durch das Kanzlei­gericht auferlegte Bußzahlung nicht vollstreckt werden konnte, erschien den Beteiligten offenbar selbstverständlich und wurde von bischöflicher Seite trotz der augenscheinlich nicht erreichten Appellationssumme auch beachtet. Durch die besondere Lage des Falles und die damit verbundene außergewöhnliche obrigkeitliche Anfrage nach der Ausübung der Advokatur zugunsten des M ­ üllers wird erneut ein Schlaglicht auf die ansonsten verborgenen Advokaten gerichtet. Zunächst sei Melber nämlich, wie er gegenüber dem Schultheißen angab, von Doctor Ambrosius Schleheridt aus Kitzingen, das damals markgräflich-­brandenburgisches Gebiet war, beraten worden. Nach dessen Versterben habe allerdings Procurator Brenninger ainen andern Advocaten, der jme Melber unbekant, angenommen, wie dan derselbig jn jungster audientz, als man das urtel publicirt mit dem ­Brenninger furgestanden [Hervorhebung im Original, Anm. JB ].2015 Es war also der Jurist ­Brenninger, der einen geeigneten Advokaten auswählt hatte. Melber, der dessen Namen gegenüber dem Schultheißen offenbar nicht zu nennen wusste, hatte den Advokaten wohl selbst erst bei der Audienz kennengelernt. Zwischen der Partei und dem mit dem Verfahren befassten Advokaten bestand demnach kein besonderes Vertrauensverhältnis. Dem Schultheißen gegenüber äußerte Melber schließlich auch, dass es die beiden Anwälte gewesen ­seien, die ihm zur Appellation geraten hätten, weil er dann zuvor vil uf diese sachenn gewendt hatte.2016 2014 StAW, Admin. 18432, unfol. 2015 StAW, Admin. 18432, unfol. 2016 StAW, Admin. 18432, unfol.

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Vor dem Reichskammergericht verteidigten die Anwälte des Müllers die Appellation damit, dass es bezüglich des geforderten Widerrufs streitgegenständlich um die Ehre der Appellatin gehe, diese aber nicht in Geld aufzuwiegen sei.2017 Der Appellation stünden demnach auch nicht die erteilten Privilegien für das Hochstift entgegen. So spitzfindig diese Argumentation auch erscheinen mag, so war sie doch nicht völlig aus der Luft gegriffen. Denn die Reichskammergerichtsordnungen sahen in der Tat in Injurienverfahren, bei denen auf Widerruf geklagt wurde, mangels eines messbaren Vermögenswerts der Beleidigung Ausnahmen zumindest von der reichsrechtlichen Appellationssumme vor.2018 Die Argumentation des Appellanten scheint gleichwohl nicht verfangen zu haben, denn am Reichskammergericht nahm man das Verfahren nicht zur Sachentscheidung an, sondern entschied mit Urteil vom 20. Februar 1576, dass der Prozess an Richter nechstvergehender Instantz, zu remittirn und weisen seÿ.2019 Noch kurz zuvor im Januar hatte Faber am Kanzleigericht ein petition schrifft eingereicht und darin gebeten, dass dem Müller geboten werden sollte, die gerichtlich ausgesprochene Summe von 125 Gulden zu zahlen; und zwar gegen genugsame Caution und versicherung Schneiders, falls dieser der hauptsachen, am kaiserlichen Cammergericht, verlustig werden sollte, ime die itzangeregtte 125. fl. redtlichen widerumb zu refundirn unnd zuerstatten.2020 Das ausgewiesene Motiv d ­ ieses Schreibens war erneut die Geldnot des Appellaten, dem es seiner geringen narung halben, unmueglich sei, solchen uberschwencklichen khosten, zutragen, und dessen Tochter wegen des langwierigen Verfahrens bereits von einer geplanten Heirat habe absehen müssen. Auf d ­ ieses Gesuch hin vermerkte der Gerichtsschreiber in der Akte lediglich: jst abgeschlagen, weil jnhibirt ist.2021 Nachdem mit dem reichskammergerichtlichen Urteil das durch die Inhibition bewirkte Vollstreckungshindernis entfallen war, ratificirt[e] Appollonia Löbler am 31. März 1576 durch ihren Curator, den Gerolzhofener Stadtboten Linhart Michel, alles dasjhenig, so durch jhren vatter und deßelben anwallt […] gehandelt worden war und bevollmächtigte offenbar mündlich und außerhalb einer gerichtlichen Audienz gegenüber Referendar Jörgen Schlehenriet für das weitere Verfahren Prokurator Faber.2022 Es hatten sich mittlerweile nämlich nicht nur die rechtlichen, 2017 BayHStA, RKG 6943. 2018 RKGO 1521, NSRA II, S. 179 – 194, Tit. 24, § 1; RKGO 1523, NSRA II, S. 247 – 252, Tit. 1, § 5; RKGO 1555, 2. Teil, Tit. 28, § 4 = Laufs, Die Reichskammergerichtsordnung, S. 205 f. Entsprechend Sellert, Prozessrechtliche Aspekte, S. 107; Wetzell, System des ordentlichen Civilprocesses, S. 717 f. 2019 StAW, Admin. 18432, unfol. 2020 StAW, Admin. 18432, unfol. 2021 StAW, Admin. 18432, unfol. 2022 StAW, Admin. 18432, unfol.

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sondern auch die tatsächlichen Verhältnisse gewandelt, denn Clemens Schneider sollte den Ausgang des Verfahrens nicht mehr erleben. Am 3. April, nur wenige Tage nach Erteilung der Vollmacht, bat Faber vor dem Kanzleigericht erneut um ein Exequutorial Mandat wider vorgedachten Melber und darum, diesen nach vergeblichem Fristablauf zum folgenden Gerichtstermin gegebenenfalls jnn die peen zuerkhennen.2023 In den Exequutoriales vom 17. Mai wurde nicht nur das wegen ausgegoßener jniurien, und abscheulichen bezichtigung, eines khindtsmordts halben ergangene Urteil des Kanzleigerichts, sondern auch jenes des Reichskammergerichts nochmals schriftlich niedergelegt.2024 Ferner wurde dem Müller bei hundert gulden unnachleßicher peen ernstlich aufgetragen, zum folgenden Kanzleigericht am 26. Juni zu erscheinen und glaubliche anzeig über die erfolgte Zahlung an die Appellatin zu erbringen, wenn er nicht in die angedrohte Buße verfallen wollte.2025 Nachdem der Müller auch diese Frist ungenutzt verstreichen ließ und weder zahlte noch zum genannten Termin erschien, wurden seitens des Kanzleigerichts von Ambts wegen Arctiores Exequutoriales hiemit erkhent.2026 Damit wurde Melber wahrscheinlich, wie von Faber beantragt, zur Zahlung der angedrohten Buße verpflichtet und ihm überdies die Acht angedroht.2027 In der Gerichtsakte, die mit ­diesem Urteil des Kanzleigerichts endet, ist das Schreiben an die Appellanten nicht mehr verzeichnet. Möglicherweise waren keine weiteren Prozesshandlungen mehr erforderlich, weil diese schließlich doch dem Urteil nachkamen. Ein entsprechender Vermerk ist der Akte allerdings nicht zu entnehmen.

VI.  Fazit: Ämterdifferenzierung, -professionalisierung und Orientierung am Reich Die fürstliche Kanzlei war für Anliegen der Untertanen in unterschiedlicher Weise zuständig. Sie behandelte alle Formen von Untertanensuppliken ebenso wie gerichtliche Verfahren. Häufig waren die Trennlinien ­zwischen diesen Verfahren nicht allzu deutlich. Die Behandlung der Eingaben durch die fürstlichen Räte war zwar formal in gerichtliche und außergerichtliche Verfahren getrennt, weil der Hofrat für die erstgenannten in einer speziellen Form unter Vorsitz des adeligen Hofmeisters an zehn Terminen im Jahr als Kanzleigericht zusammenkam. Allerdings konnten beide 2 023 StAW, Admin. 18432, unfol. 2024 StAW, Admin. 18432, unfol. 2025 StAW, Admin. 18432, unfol. 2026 StAW, Admin. 18432, unfol. 2027 Zum Begriff der arctiores executoriales etwa Wunderlich, Das Protokollbuch von ­Mathias Alber, S. 1228.

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Verfahrensformen erhebliche Ähnlichkeit aufweisen. Für das gerichtliche Verfahren galt schon seit Beginn der Rechtsprechungstätigkeit der Räte gegen Ende des 15. Jahrhunderts das gemeinrechtlich geprägte Positionalverfahren, während Suppliken als außergerichtliche Verfahren entweder in Bagatellfällen überhaupt nicht angenommen, sondern an lokale Amtsträger verwiesen wurden, oder in einem vereinfachten Verfahren direkt durch den dafür zuständigen Kanzler oder Referendar behandelt wurden. Komplexere Sachverhalte wurden hingegen durch den Rat behandelt. Anscheinend konnten im Rahmen der Supplikenpraxis streitende Parteien auch zum Zwecke einer gütlichen oder schiedsgerichtlichen E ­ inigung vor den Räten einkommen. Dieses Vorgehen musste jedoch von beiden Parteien bewilligt werden. War das Verfahren zur Güte nicht mit dem gewünschten Ergebnis einer Einigung zu bewältigen, konnte es jedenfalls in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf Ansuchen beider Parteien, also freiwillig, in ein schiedsgerichtliches Verfahren überführt werden, das dann ebenfalls nach den ­Grundsätzen des Positionalverfahrens geführt wurde und auch die Wirkungen eines obergerichtlichen Verfahrens hatte. Daher war gegen die Schiedsurteile der Räte sogar die Appellation an die Reichsgerichte eröffnet. Als Kanzleigericht waren die fürstlichen Räte in erster Linie für Appellationssachen zuständig, die von den Untergerichten, nämlich den Dorf-, Stadt- und Marktgerichten, insbesondere aber auch vom Landgericht vor die Räte gelangten. Im Verfahren folgte man ganz überwiegend den Vorgaben der Reichsgerichtsbarkeit. Dabei ist nicht nur die universitäre Ausbildung der beteiligten Juristen maßgeblich gewesen, w ­ elche die Parameter des nach den Grundsätzen des Gemeinen Rechts ausgebildeten Verfahrens festlegte. Vielmehr orientierte man sich ganz offensichtlich bei der Erstellung der Landgerichtsordnung des Jahres 1580 an den Vorgaben der Reichskammergerichtsordnung aus dem Jahr 1555, die vielfach in Aufbau und Wortlaut mit der späteren Gerichtsordnung des Hochstifts übereinstimmt. Der folgenden, gedruckten Landgerichtsordnung des Jahres 1618, die in weiten Teilen die vorherige wiederholte, fügte man schließlich noch eine geradezu modern erscheinende Verweisungsnorm hinzu, die das Appellationsverfahren am Kanzleigericht entsprechend regelte. Auch die Aktenführung am Kanzleigericht wurde gegen Ende des 16. Jahrhunderts stärker jener des Reichskammergerichts angenähert. Das verwundert kaum, denn die gelehrten Juristen im Reich wechselten als bürgerliche und zunehmend auch adelige Bildungselite ihre Stellungen auch über ein Territorium hinaus und waren zuweilen sogar Assessoren am Reichskammergericht gewesen, bevor sie ihr Amt in Würzburg antraten. Insgesamt nahm die Schriftlichkeit in vielfacher Hinsicht zu. Das trifft schon für die ausgewerteten Kanzleiordnungen zu, von denen jene der Jahre 1574 und 1617 die umfangreichsten waren. Ferner zeugt auch die zunehmende Vervielfältigung und Differenzierung der Schreibämter im 16. Jahrhundert von einer I­ ntensivierung

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der Schriftlichkeit in der Kanzlei. Schließlich scheinen die zunehmenden gerichtlichen und außergerichtlichen Untertaneneingaben die Kanzlei an den Rand ihrer Kapazitäten geführt zu haben. Durch die als Zulässigkeitsvoraussetzung des gerichtlichen Verfahrens etablierte Appellationssumme von zehn oder zwölf Gulden konnten immerhin Bagatellverfahren vermieden werden, die die Kanzlei zu überlasten drohten. Während dies in den gerichtlichen Verfahren noch einigermaßen möglich war, bezeugen die Kanzleiordnungen und Einzelmandate eine Überforderung der Kanzlei vor allem durch die eingehenden Suppliken. Es war demnach ein ständiges Anliegen der obrigkeitlichen Ordnungspolitik, das Aufkommen der Bittschriften insbesondere durch die Einschaltung der lokalen Amtmänner auf ein notwendiges Maß zu beschränken. Ferner versuchte man, die Umgehung des Instanzenzugs, die dann auch das Erfordernis einer Appellationssumme hätte wirkungslos werden lassen, zu verhindern. All diesen Maßnahmen scheint nur mäßiger Erfolg beschieden gewesen zu sein, denn zu Beginn der Echterzeit befand sich die Kanzleiorganisation an einem Tiefpunkt. Gerade die Vielzahl der Suppliken, die im Wortsinne säckeweise unbearbeitet in der Kanzlei gelagert wurden, stellte eine besondere Herausforderung für die Kanzleiorganisation dar. Die vielfachen Krisen des Hochstifts in der Jahrhundertmitte dürften diesbezüglich katalytische Wirkung gehabt haben. Jedenfalls gaben sie dem Domkapitel die – zunächst erfolgreich genutzte – Chance, den Einfluss auf Regierung und Verwaltung des Hochstifts zu intensivieren. Nicht nur etablierte sich unter F ­ riedrich von Wirsberg ein vom Domkapitel in den Wahlkapitulationen geforderter Geistlicher Rat, der das Kirchenregiment des Bischofs maßgeblich mitbestimmte. Die Domkapitulare hatten auch in der späteren Kanzleiordnung Echters erstmals seit der Verschriftlichung entsprechender Regelungen im Jahr 1506 eine nennenswerte Stellung im Rat, die zumindest in formaler Hinsicht über die der gelehrten und adeligen Räte hinausging und die sich etwa an den Regelungen zur Umfrage im Rat erkennen lässt. Diese Intensivierung der Einflussnahme verkehrte sich aber rasch in ihr Gegenteil, denn schon bald entwickelte sich der geistliche Rat aufgrund seiner Nähe zu dem fürstlichen Landesherrn in eine Richtung, der das Domkapitel außerordentlich kritisch gegenüberstand. Und auch die starke Stellung der Domherren im Rahmen des Hofrats war, wenn sie überhaupt jemals in der Praxis bestand, nicht von Dauer. In der 1617 unter Echters Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen erlassenen Kanzleiordnung, der jene von 1574 erkennbar als Vorlage gedient hatte, war den Kapitularen dementsprechend auch keine Bedeutung im Rat mehr zugewiesen. Eine Ausnahme stellte lediglich deren nach wie vor formal hervorgehobene Stellung bei der Umfrage im Rahmen der Beschlussfassung dar. Im Wesentlichen hat sich die grundsätzliche Struktur des Hofrats und seiner Arbeitsweise im Laufe des untersuchten Zeitraums nicht allzu sehr verändert. Lediglich während der Regierungszeit Friedrichs von Wirsberg und erneut kurz

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vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurde in Würzburg vorübergehend ein Geheimer Rat etabliert, dem Angelegenheiten von besonderer politischer Wichtigkeit zugewiesen waren. Auch wenn ansonsten Teilungen des Rats grundsätzlich möglich waren, tagte er nach wie vor als Kollegialorgan, ohne dass einzelne Senate für bestimmte Sachgebiete gegründet worden wären. Gleichwohl ist insgesamt eine zunehmende Professionalisierung zu erkennen, die sich vor allem in Personalbestand und Ämtervielfalt ausdrückte. Während zunächst ein allgemeiner Ratsschreiber mit Ausnahme der Gerichtstermine, die schon früh durch einen eigenen Schreiber bewältigt wurden, fast alle Sitzungen begleitete und die allgemeinen Beschlüsse des Rats verzeichnete, die Entscheidungen zu besonderen Sachfragen aber noch nach den Sitzungen durch den Kanzler oder den Referendar den einzelnen Schreibern zur Verzeichnung diktiert wurden, wird mit der Kanzleiordnung Friedrichs von Wirsberg aus dem Jahr 1559 diesbezüglich eine wesentliche Änderung sichtbar: Die Schreiber zu den einzelnen Sachgebieten, von denen viele erstmals um die Jahrhundertmitte in den Ordnungen erkennbar werden, sollten fortan an den einzelnen Sitzungen teilnehmen und die Beschlüsse direkt verzeichnen. In ­diesem Zusammenhang wurde auch eine bessere Vorbereitung der Sitzungen durch den Kanzler erforderlich, der diese fortan klarer strukturieren musste. Mit der Ausdiffe­renzierung der Schreibämter wurde ein Ressortprinzip zumindest auf der den Räten nachrangigen Ebene etabliert. Die einzelnen Schreiber, die nicht selten gut ausgebildet waren, wurden so allmählich zu Experten in den von ihnen behandelten Bereichen, die vor allem wichtig waren, um bedeutende Dokumente, die häufig dem Nachweis bestimmter Rechte des Hochstifts dienten, überhaupt und im Idealfall auch zügig aufzufinden. Die Ausprägung der einzelnen Rats- und Schreibämter lässt aber auch Rückschlüsse auf allgemeinere rechtliche Entwicklungen im Hochstift zu. Aufgrund der Bedeutung der zunächst vor allem durch das Reichskammergericht etablierten Reichsgerichtsbarkeit wurde schon vor der Mitte des Jahrhunderts das Amt eines Kammergerichtssachenschreibers erforderlich, der einen Überblick über die anhängigen Verfahren im Allgemeinen und die einzuhaltenden Fristen im Besonderen haben musste. Damit verbunden war auch das Amt des Syndikus, das zeitweilig mit dem des Gebrechenschreibers vereint war und bald nur noch mit einem Rechtsgelehrten besetzt wurde, der die Aufsicht über die zahlreichen Verfahren führte, an denen der Bischof als ­Partei inner- und außerhalb des Hochstifts beteiligt war, und somit gewissermaßen der oberste Anwalt des Fürsten war, der vor den eigenen Gerichten auch als Prokurator desselben auftrat. Die umfangreichen Aufgaben, die ausweislich der Kanzleiordnung Julius Echters der Malefizschreiber innehatte, der erst 15 Jahre zuvor überhaupt in einer Kanzleiordnung erstmalige Erwähnung fand, zeugen von der raschen Zentralisierung der peinlichen Gerichtsbarkeit durch die Kanzlei, die im sich durchsetzenden Inquisitionsprozess zum Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens wurde.

Fazit

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Die Kanzlei im engeren Sinne wurde durch den Kanzler geführt, der die Aufgaben verteilte und deren Ausführung überwachte. Als gelehrter und fast immer promovierter Jurist hatte er als oberster gelehrter Rat nicht nur die Aufsicht über die gelehrten Räte zu führen, sondern auch eine bedeutende Stellung im Kanzlei­ gericht inne. Als höchster adeliger Rat trat hingegen der nicht selten ebenfalls rechtsgelehrte Hofmeister auf, der als Hofrichter nicht nur den beiden Lehengerichten, sondern auch dem Kanzleigericht vorsaß. Beide Ämter scheinen aber seit dem letzten Quartal des 16. Jahrhunderts eine gewisse Abwertung im Hofrat erfahren zu haben, in dem nun auch die Domkapitulare eine bedeutende Stellung einnahmen. Der Kanzler führte die Umfrage im Rat fortan nur noch hinter den Domkapitularen, dem Hofmeister und sogar dem Marschall. Bezeichnenderweise blieben beide Ämter, die zuvor fast immer mit besonders gelehrten oder politisch erfahrenen Personen besetzt worden waren, in der Regierungszeit Julius Echters für längere Zeit vakant.2028 Das als Beispiel ausgewählte Verfahren hat gezeigt, dass der Verfahrensgang im Wesentlichen auch den normativen Vorgaben entsprach. Allerdings hatte sich die gerichtliche Praxis im Hochstift nach dem römisch-­kanonischen Zivilprozess längst herausgebildet, bevor die entsprechende Normierung vor allem in der Landgerichtsordnung des Jahres 1580 erfolgte. Während eines laufenden Verfahrens konnten die lokalen Gegebenheiten, etwa die mangelhafte Ausfertigung der ­Gerichtsakten, die Nichteinhaltung der Inhibition oder die Bedürftigkeit der Parteien oder sonstiger Personen im Umfeld des Verfahrens, immer wieder zu Verzögerungen im Prozess führen oder außerhalb desselben ein obrigkeitliches Handeln auslösen. Häufig wirkten diesbezüglich auch Suppliken, die als außergerichtliche Eingaben nicht in die Gerichtsakte eingebunden wurden, auf das Verfahren ein. Durch die von den Prokuratoren oftmals erbetenen und von der Gegenseite und dem Gericht meist gewährten Dilationen verstrichen die regelmäßigen gerichtlichen Audienzen häufig ohne Fortschritte im Prozess. Derartige Verzögerungen im Verfahren und die Appellationsmöglichkeit, durch die sich die zunächst obsiegenden Parteien immer wieder auf den Anfang des Prozesses zurückgeworfen sahen, konnten zu einer erheblichen Verfahrensdauer führen, die für die Parteien auch eine finanzielle Bürde darstellte.

2028 Erschwert wurde die adäquate Besetzung des Kanzleramts allerdings noch dadurch, dass das Domkapitel eine entsprechende Besoldung nicht bewilligte und daher zahlreiche Bewerber um das Amt nicht verpflichtet werden konnten, Pölnitz, Julius Echter von Mespelbrunn, S. 215 f.; Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 344 – 347.

G.  Zusammenfassung Die Verortung der fürstlichen Kanzlei in der Gerichtslandschaft des Hochstifts Würzburg hat die Konturen derselben deutlicher hervortreten lassen. Auf dem Boden der insbesondere durch die Rezeption des römisch-­kanonischen Rechts angetriebenen Rechtsentwicklung im Alten Reich und in weiten Teilen des restlichen Europas entwickelte sich die fürstliche Kanzlei zum Gipfel einer territorial ausgerichteten Gerichtsbarkeit. Während die Ämterstruktur des Hochstifts bereits zum Ende des 15. Jahrhunderts ausgebildet war, nahm die Verdichtung der fürstbischöflichen Gerichtsherrschaft zu einer obrigkeitlichen Gerichtsorganisation erst im 16. Jahrhundert Gestalt an und war bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges weitgehend abgeschlossen. Mit der Entwicklung des Kanzleigerichts als territorialem Obergericht wurde die Gerichtsgewalt als Inbegriff obrigkeitlicher Herrschaft im Hochstift zentralisiert. Die nach dem gelehrten Recht dem princeps zukommende iurisdictio, die dem politischen System der Frühen Neuzeit als institutionelles Element eingeschrieben war, wurde nunmehr durch den fürstlichen Rat von einer obrigkeitlich organisierten und durch fürstliche Beamte geleiteten Institution getragen.2029 Dementsprechend wurde auch das traditionsreiche und mit adeligen Urteilern besetzte Landgericht schon im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts endgültig einem Appellationszug an das Kanzleigericht unterworfen. Darüber hinaus führten Appellationen gegen Urteile von den im Hochstift gelegenen Stadt- und Dorfgerichten entweder unmittelbar oder mittelbar über das Landgericht an das Kanzleigericht in Würzburg. Ganz überwiegend wurde das Kanzleigericht demnach als letztinstanzliches Territorialgericht tätig. Gegen die Urteile des Gerichts war lediglich eine Appellation an die Reichsgerichte möglich, sofern die diesbezüglichen Voraussetzungen, insbesondere das Erreichen der erforderlichen Appellationssumme, vorlagen. An der Gestalt der bereits vorhandenen Gerichte im Hochstift Würzburg änderte die Aufnahme der Rechtsprechungstätigkeit durch die fürstlichen Räte in der Kanzlei zunächst nichts. So blieben das sogenannte Hof- oder Ritterlehengericht und ferner das Land- und das Stadtgericht ebenso wie die Zenten vorerst in ihrer Besetzung bestehen. Darüber hinaus wurde auch die geübte Würzburger Praxis, wonach eine Überprüfung stadtgerichtlicher Urteile durch andere Gerichte nicht statthaft war, hinsichtlich des Kanzleigerichts zunächst gewahrt. Daran wurde sogar dann noch festgehalten, als sich eine entsprechende Gewohnheit gegenüber der Appellationsgerichtsbarkeit des Reichskammergerichts trotz entsprechender Versuche Melchior Zobels von Giebelstadt nicht behaupten ließ, stattdessen aber 2029 Willoweit, Einführung: Rechtsprechung und Justizhoheit, S. 12.

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immerhin speziell für das Stadtgericht ein eigenes Appellationsprivileg verliehen wurde, das hinsichtlich der festgelegten Appellationssumme über jenes zugunsten der anderen Würzburger Gerichte einschließlich des Kanzleigerichts hinausging. In unterschiedlicher Weise und Geschwindigkeit wurden diese Gerichte gleichwohl stärker der Kontrolle durch die Kanzlei unterstellt. Denn in den Bereichen, in denen die Kanzlei als fürstliche Zentralbehörde (zunächst) nicht gerichtsförmig tätig wurde, nahmen die Hofräte oder der Bischof anderweitig Einfluss auf gerichtliche Verfahren im Hochstift. Am Landgericht erhöhte sich der Einfluss der fürstlichen Räte auf das Gerichtsverfahren auch außerhalb der Appellationsmöglichkeit an die Kanzlei dadurch, dass in schwierigeren Angelegenheiten einzelne Räte an das Gericht abgeordnet werden und somit unmittelbaren Einfluss auf das Verfahren nehmen konnten. Das Hofgericht, das als Ritterlehengericht fortgeführt wurde, blieb trotz aller Auseinandersetzungen zum Ende des 16. Jahrhunderts einseitig durch den Bischof besetzt. Im Laufe des Untersuchungszeitraums verlor es, auch begünstigt durch äußere Faktoren wie das Erstarken des in der Reichsritterschaft organisierten Adels durch die Reichsunmittelbarkeit, an Bedeutung und wurde faktisch zu einem territorialen Gericht, dem sich der reichsritterliche Adel nicht mehr unterwerfen wollte. Wahrscheinlich wurde daher bereits kurz nach dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges die Rechtsprechung in Lehensangelegenheiten ebenfalls in den Rat überführt. Am Würzburger Stadt- und Brückengericht saßen ebenso wie am Ritterlehengericht mit dem fürstlichen Oberschultheißen beziehungsweise dem Hofmeister bischöfliche Räte als Richter den bedeutendsten Gerichten vor, die nicht der Appellationsgerichtsbarkeit des Kanzleigerichts unterworfen waren. Das Stadtgericht behauptete indes noch eine Zeit lang weitgehende Autarkie, wurde aber zu Beginn des 17. Jahrhunderts durch das Rechtsmittel der Revision stärker unter Aufsicht des Kanzleigerichts gestellt. Durch den Aufbau des Malefizamts zur stärkeren Überwachung der Zentgerichtsbarkeit wurden überdies, neben der Zivil-, auch große Teile der Strafgerichtsbarkeit von der Kanzlei gesteuert. Die Zentgerichte mussten aber nicht nur den Kernbereich der peinlichen Gerichtsbarkeit an die Kanzlei abgeben, sondern verloren in sogenannten bürgerlichen Verfahren durch den Ausbau der durch die Ämter beaufsichtigten Dorf-, Markt- und Stadtgerichtsbarkeit allmählich an Bedeutung. Diese Verlagerung der lokalen Gerichtsbarkeit musste sich auch auf das Verhältnis von Kanzleiund Würzburger Stadtgerichtsbarkeit auswirken. Denn anders als nach Urteilen der Zenten in bürgerlichen Streitigkeiten, gegen die am Würzburger Stadt- und Brückengericht appelliert werden konnte, führte die Appellation von den Stadtund Dorfgerichten in der Regel an das Kanzleigericht. Alle höheren Gerichte im Hochstift erfuhren indes im Laufe des 16. Jahrhunderts eine stärkere Professionalisierung, die sich schon an der in den Gerichtsakten erkennbaren Zunahme der Schriftlichkeit äußerte. Das gemeinrechtlich geprägte

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Positionalverfahren wurde jedenfalls in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an allen Gerichten durchgeführt. Dementsprechend waren an Ritterlehen-, Land- und Kanzleigericht sowie mit Erweiterungen auch am Stadtgericht dieselben Personen als Prokuratoren tätig. Sie bildeten auch im späten 16. Jahrhundert eine zahlenmäßig noch sehr überschaubare Funktionselite, die eine einheitliche Verfahrensführung nach den Grundsätzen des römisch-­kanonischen Prozessrechts vor allen Gerichten im Hochstift garantierte. Ihre Prozessführung und die von den Advokaten angefertigten Schriftsätze adäquat zu würdigen, war den nicht entsprechend professionalisierten Gerichten ganz ohne juristischen Beistand kaum möglich. Insofern ging ein erkennbarer Professionalisierungsdruck auch in Würzburg nicht nur von den Gerichten, sondern auch den Parteien aus. Darüber hinaus führte aber auch das Bestehen einer ausgeprägten Appellationsgerichtsbarkeit dazu, dass die Untergerichte den Verfahrenserfordernissen der Appellationsinstanzen nachkamen. So haben etwa das beispielhaft untersuchte kanzleigerichtliche Verfahren bezüglich des Dorfgerichts Obervolkach und die ­Vogtei- und Dorfgerichtsordnung für das Amt Mainberg gezeigt, dass die Appellationsgerichtsbarkeit zu höheren Anforderungen an die Schriftlichkeit des Verfahrens vor den Untergerichten führte. Es ist ferner anhand der nicht enden wollenden Bemühungen um eine Reformation der fränkischen Landesgebräuche erkennbar geworden, dass durch die Rechtsprechung der fürstlichen Räte auch das materielle Recht im Hochstift Veränderungen erfuhr, die von den im Gemeinen Recht ausgebildeten Juristen in der Kanzlei ausgingen. Gleichwohl dürfen diese Zentralisierungstendenzen nicht als bloße Erweiterung der fürstbischöflichen Gerichtsmacht verstanden oder mit dem Ausbau eines fürstbischöflichen Absolutismus gleichgesetzt werden. Denn zum einen bedeutete die zunehmende Zentralisierung auch eine stärkere Territorialisierung der Gerichtsbarkeit, die durch die Reformation und den damit verbundenen Wegfall der geistlichen Gerichtsbarkeit im umfänglichen Diözesangebiet zusätzlich begünstigt wurde. In dem Maße, in dem es gelang, die Rechtsprechung in Würzburg in der Kanzlei zu zentralisieren, verloren insbesondere das ständisch geprägte Hof- oder Ritterlehengericht und das Landgericht ihre über das Hochstift hinausgehende Bedeutung, die sie noch am Ende des Spätmittelalters innehatten, als sich auch auswärtige Obrigkeiten an diese Foren wandten. Zum anderen dürfen die fürstlichen Räte nicht als bloßes Verwaltungspersonal missverstanden werden, denn jedenfalls die adeligen Räte stammten überwiegend aus dem fränkischen Adel und hatten in aller Regel eigene Loyalitäts- und Beziehungsnetze ständischer, familiärer und ähnlicher Art.2030 Darüber hinaus ging aus den Krisen des Hochstifts in der 2030 Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden, S. 656. Auf die Bedeutung dieser informellen Beziehungssysteme und einer personengeschichtlichen Analyse von

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Mitte des 16. Jahrhunderts das ebenfalls maßgeblich durch den fränkischen Adel geprägte Domkapitel gestärkt hervor, das nicht nur die Bischofswahl vornahm, sondern fortan in der weltlichen und geistlichen Verwaltung des Hochstifts ein erhebliches Mitspracherecht hatte. Da im geistlichen Territorium angesichts des Wahlfürstentums eine Dynastienbildung nicht in gleicher Weise gelingen konnte wie in weltlichen Territorien, blieb das Domkapitel, das durch Wahlkapitulationen im Rahmen der Bischofswahl versuchte, seine Rechte zu wahren oder auszubauen, stets ein relevanter Machtfaktor in der fürstlichen Residenzstadt und im Hochstift. Mitglieder des Domkapitels saßen nicht nur als Richter dem Landgericht vor, sie dominierten auch den städtischen Oberrat, waren im fürstlichen Rat vertreten und hielten die Geschicke des Hochstifts auf dem Höhepunkt ihres Einflusses während der Regierungszeit Friedrichs von Wirsberg weitgehend in Händen, als sie einen maßgeblich mit Domherren besetzten Geheimen Rat durchsetzen konnten. Abgesehen von der Appellationsgerichtsbarkeit, die von den fürstlichen Räten in gesonderten, nahezu monatlich stattfindenden Gerichtsterminen ausgeübt wurde, waren die Räte auch im Rahmen der Konfliktbewältigung ­zwischen Parteien tätig, die sich zum Zwecke der gütlichen Einigung oder des schiedsgerichtlichen Austrags an die Kanzlei wandten. Hatten die Parteien kein Interesse an einer gütlichen Einigung oder misslang diese, konnte die schiedsgerichtliche Tätigkeit der Räte dem gerichtlichen Prozess mitunter in Verfahren und Wirkung sehr ähnlich sein. Weitere Impulse für ein außergerichtliches und zuweilen auch gerichtliches Tätigwerden der fürstlichen Räte zur Bewältigung von Konflikten innerhalb der Bevölkerung des Hochstifts gaben zudem die an den bischöflichen Landesherrn gerichteten und zahlreich in der Kanzlei eingegangenen Suppliken der Untertanen. Die Ämterstruktur in der Kanzlei diversifizierte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts. Die Entstehung neuer Ämter und die Professionalisierung durch eine stärkere Ressortbildung zumindest auf Ebene des Kanzleipersonals in der Schreibstube hingen häufig mit der Rechtsentwicklung in Hochstift und Reich zusammen. Geführt wurde die Kanzlei maßgeblich von einem meist hervorragend ausgebildeten Kanzler. Das Verfahren am Kanzleigericht, dem der adelige, aber nicht selten ebenfalls studierte Hofmeister vorsaß, orientierte sich am gemeinrechtlichen Prozess wie er im 16. Jahrhundert auch am Reichskammergericht und am Reichshofrat betrieben wurde. Erstaunlicherweise erhielt das Gericht selbst unter Julius Echter, der ansonsten die Normgebung im Hochstift stark beförderte, keine eigene Ordnung. Ein Grund dafür könnte darin zu sehen sein, dass die Räte keine Notwendigkeit erkannt haben, eine Ordnung zu entwerfen, die anders als die zahlreichen Kanzlei­ ordnungen niemanden außer sie selbst berührte. Eine eigenständige Regelung Regierungen und Behörden hat bereits Press, Das römisch-­deutsche Reich, S. 24, 31, hingewiesen.

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wurde allerdings spätestens mit der fortschrittlichen Verweisungsnorm der Landgerichtsordnung des Jahres 1618 obsolet, ­welche die Anwendung eines maßgeblichen Teils der Vorschriften für das Appellationsverfahren vor dem Landgericht auch im Hinblick auf den kanzleigerichtlichen Prozess anordnete. Hinsichtlich der Verfahrensdauer lässt sich bezüglich der s­päter an das Reichskammergericht gelangten Prozesse feststellen, dass die Appellationsverfahren am Kanzleigericht in der Regel mehrere Jahre dauerten. Abgesehen von den zahlreich gewährten Dilationen hatte der Umstand maßgebliche Bedeutung, dass den Appellanten eine weitere Tatsacheninstanz eröffnet wurde und verfahrensbeschleunigende Maßnahmen, wie sie sich zu späterer Zeit an anderen Territorialgerichten entwickelten,2031 nicht ersichtlich sind. Der von Jürgen Weitzel festgestellte Zusammenhang ­zwischen der Rezeption und der Bedeutung des Rechtsmittelwesens als herrschaftsbezogenem Mittel zur Festigung eines Herrschaftsverhältnisses der Über- und Unterordnung 2032 ist auch in Würzburg greifbar. Nach innen wurde er durch die Etablierung der Kanzlei als territoriales Obergericht deutlich. Nach außen sollte ­dieses hierarchische Verhältnis hinsichtlich der Unterordnung unter die Reichsgerichte hingegen durch möglichst weitreichende Appellationsprivilegien zurückgedrängt werden. Mit der umfassenden Privilegierung durch K ­ aiser Rudolph II., die zu einer Heraufsetzung der erforderlichen Appellationssumme auf 1000 Gulden führte, war ein Großteil der Verfahren nur noch auf territorialer Ebene zu führen und die fürstbischöf­liche Gerichtsbarkeit in weiten Teilen abschließend. Zur gleichen Zeit führten aber im fränkischen territorium non clausum zahllose Jurisdiktionsstreitigkeiten, insbesondere mit Mitgliedern der benachbarten fränkischen Reichsritterschaft, vor dem Reichskammergericht zu einer weiteren Abrundung eines als territorial zu verstehenden Gerichtswesens. Um die eigenen Gerichtsrechte zu behaupten und eine Vorrangstellung gegenüber anderen Obrigkeiten in Franken zu ­begründen, 2031 Am Oberappellationsgericht Celle etwa erhielt im 18. Jahrhundert der Appellat häufig gar keine Gelegenheit zur Erwiderung, wenn das Gericht die Sache als entscheidungsreif ansah, Stodolkowitz, Der Zivilprozess des Oberappellationsgerichts, S. 179. Häufig wurden Verfahren auch außerhalb des förmlichen Appellationsprozesses durch abschlägiges Dekret oder stattgebendes Reskript entschieden, sofern der Vortrag des Appellanten schon nicht schlüssig war bzw. das Rechtsmittel offensichtlich begründet war, ebd., S. 180. Ferner wurde das Prinzip des schriftlichen Verfahrens noch strenger gehandhabt als am Reichskammergericht, ebd., S. 177. Vor allem die zahlenmäßige oder auf neue, durch die Gegenseite vorgebrachte, rechtserhebliche Aspekte bezogene Begrenzung des Parteivortrags war keineswegs eine Erfindung des 18. Jahrhunderts. Sie lässt sich bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts in Nürnberg oder Basel feststellen, Isenmann, Gelehrte Juristen und das Prozeßgeschehen, S. 324 f. und dort Anm. 80. 2032 Weitzel, Kampf um die Appellation, S. 355 f.

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r­ ekurrierten die Würzburger Fürstbischöfe in diesen Auseinandersetzungen besonders häufig auf die ihnen im Hochmittelalter verliehenen Privilegien, wobei jenem von 1120 und vor allem der Goldenen Freiheit aus dem Jahr 1168 besondere Bedeutung zukamen. Neben den konkret darin enthaltenen Gerichtsrechten, die sich nach dem artikulierten Anspruch der Fürstbischöfe über das gesamte Diözesangebiet erstreckten,2033 vermittelte vor allem die Herzogswürde einen Anhaltspunkt für den besonderen Rang der Würzburger Bischöfe gegenüber den benachbarten Fürsten, den diese seit dem 15. Jahrhundert regelmäßig betonten. Trotz aller erkennbaren Zentralisierungstendenzen blieben gerichtliche Traditionen bestehen. Zu sehr wurde die Legitimität des Gerichtswesens noch von Alter und Herkommen bestimmt. Die Normgebung im Bereich der Gerichtsordnungen war ebenso wie jene auf dem Gebiet des materiellen Partikularrechts, das in der 1580 kaiserlich bestätigten und von vergangenen Forschungen kaum beachteten Landgerichtsordnung und zu größeren Teilen schon vorher in den revidierten Landesgebräuchen des Jahres 1570 im Wesentlichen verschriftlicht worden war, an den bestehenden Organisationsformen beziehungsweise am Gewohnheitsrecht orientiert. Die Gesetzgebung richtete sich stets an den Gegebenheiten in der bischöflichen Residenzstadt und im Hochstift aus. Umfassenderen Ordnungsmaßnahmen etwa hinsichtlich der fränkischen Landesgebräuche oder der Zentordnungen gingen daher stets Erkundungen bezüglich der gelebten Rechtswirklichkeit und der tatsächlichen Verhältnisse voraus. Vor allem im Rahmen einer verbindlichen Fixierung des fränkischen Partikularrechts zeigten die Akteure auch das Bedürfnis nach einer weitgehenden Rechtseinheit und Rechtssicherheit. In der maßgeblich durch Bischof und Räte vorangetriebenen Verschriftlichung und Sammlung ist demnach mehr zu sehen als eine bloße Anpassung des fränkischen Gewohnheitsrechts an die Vorgaben des Gemeinen Rechts. Es waren vor allem die Landgerichtsschreiber, die aufgrund ihrer, im Vergleich zu den häufig wechselnden Urteilern, langjährigen Erfahrung mit der landgerichtlichen Praxis damit beauftragt wurden, die maßgeblichen Gewohnheiten schriftlich zu fassen. Dadurch wurde das Herkommen aber nicht beseitigt, sondern, trotz aller erfolgten Anpassungen an die Rechtsvorstellungen der fürstlichen Räte und die Praxis des Kanzleigerichts im Detail, erst hinreichend in seinem Anwendungsvorrang abgesichert, der sich aus der frühneuzeitlichen Rechtsquellenlehre ergab und seitens der Räte auch vorausgesetzt wurde. Somit war nicht nur Rechtsklarheit zugunsten der Bevölkerung des Hochstifts bezüglich des für diese häufig existenziellen Erb- und Ehegüterrechts geschaffen, sondern das Partikularrecht auch für die fürstlichen Räte handhabbar gemacht, die eine lediglich gemeinrechtliche juristische Ausbildung genossen hatten. Überdies diente eine Verschriftlichung 2033 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 200, 202.

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des Gewohnheitsrechts auch dazu, die landesherrliche Normgebungsautonomie und somit auch die fürstliche Herrschaft gegenüber dem K ­ aiser zu verfestigen und auszubauen. Es gelangten demnach angesichts der zunehmend vorteilhafteren Appellationsprivilegien nicht nur verhältnismäßig wenige Verfahren überhaupt noch an die Reichsgerichte, sondern fortan konnten im Rahmen dieser Prozesse auch die fränkischen Rechtsbräuche nachgewiesen und infolgedessen höchstgerichtlich angewendet werden. Die Ausrichtung an bestehenden Organisationsformen wird auch anhand der Kanzleiordnungen erkennbar, die im Wesentlichen an den vorhergehenden Ordnungen anknüpften und deren Regelungen häufig im Wortlaut wiederholten. Besonders paradigmatisch wirkten diesbezüglich die Ordnungen der Jahre 1525/1526 und 1574. Soweit sich gleichwohl Änderungen in der Kanzleipraxis ergaben, folgte die Norm in der Regel dieser Praxis und nicht umgekehrt.2034 Entsprechendes gilt auch für das gerichtliche Verfahren. Schon längst hielt man an den Würzburger Obergerichten und erst recht in der Kanzlei die Vorgaben des römisch-­kanonischen Prozessrechts reichskammergerichtlicher Prägung ein, bevor diese erstmals in einer umfassenden Gerichtsordnung, namentlich jener des Landgerichts im Jahr 1580, fixiert wurden. Insofern wirkte auch die Reichsgerichtsbarkeit auf Normgebung und Praxis im Hochstift Würzburg ein. Es bleibt zukünftigen Forschungen überlassen, zu untersuchen, ob sich ein Zusammenhang ­zwischen der Erteilung der Appellationsprivilegien, die Julius Echter im März 1586 für die Gerichte des Hochstifts verliehen wurden, und der nur wenige Jahre zuvor erlassenen und kaiserlich bestätigten Landgerichtsordnung, die der Reichskammergerichtsordnung weitgehend nachgebildet war, nachweisen lässt. In jedem Fall hatte die Reichsgerichtsbarkeit jedoch durch ihren Vorbildcharakter für die territoriale Gerichtspraxis aus Perspektive des Reichs eine zentra­ lisierende Wirkung, die den zentrifugalen Kräften entgegentrat, die durch die zunehmend weiterreichenden Appellationsprivilegien und die Verschriftlichung des ­fränkischen Partikularrechts ausgelöst wurden. Letztlich hat der Blick auf die Gerichtslandschaft des Hochstifts nicht nur den Nebel, in den die frühneuzeitlichen Verhältnisse für einen gegenwärtigen Betrachter zwangsläufig gehüllt bleiben müssen, bedeutend gelichtet und zu einer stärkeren Konturierung der Gerichtslandschaft des Hochstifts Würzburg im Speziellen und des Alten Reichs im Allgemeinen beigetragen. Immerhin drei Chimären vergangener Forschungen konnten dadurch in ihrem Wesen als Trugbilder erkannt werden. 2034 So im Ergebnis bereits Reuschling, Die Regierung des Hochstifts, S. 30, 101 f., der dies (zweifelhaft) damit begründet, dass die „Neuerungen […] ihre Erprobung und Bewährung erst im Geschäftsbetrieb des Alltags finden [mußten], ehe man an ihre Fixierung [habe] denken [können]“, ebd., S. 101.

Zusammenfassung

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Erstens hat es ein Appellationsverbot an die Würzburger Kanzlei nie gegeben. Im Gegenteil wurden entsprechende Verfahren seit dem ausgehenden Spätmittelalter geführt und waren schon um die Jahrhundertwende und nicht erst 50 Jahre ­später auch normativ fassbar. Zweitens waren die Appellationswege keineswegs so diffus, wie dies in der Vergangenheit behauptet wurde. Das Kanzleigericht stand vielmehr seit Beginn seiner Tätigkeit an der Spitze eines sich herausbildenden Instanzenzuges, dem freilich nicht alle anderen Gerichte sofort unterworfen wurden. Missverständnisse sind wahrscheinlich der nach wie vor fortgeschriebenen Projektion der Verhältnisse des 18. Jahrhunderts auf die Gerichtsbarkeit der beginnenden Frühen Neuzeit geschuldet, die das Kanzlei- und das Hofgericht nicht als voneinander geschiedene Gerichte begriffen haben. Drittens dürfte es eine Appellationsmöglichkeit im Rahmen der peinlichen Gerichtsbarkeit weder normativ noch in praxi gegeben haben. Ihre Annahme beruhte auf der mangelnden Unterscheidung von peinlichen und bürgerlichen Verfahren vor den Zentgerichten, von denen nur letztere der Appellation zugänglich waren. Spätestens mit der weitgehenden Steuerung der Spezialinquisition durch die fürstliche Kanzlei wären entsprechende Appellationsverfahren ohnehin zwecklos geworden, da die Räte bereits im Ausgangsverfahren mit der jeweiligen Angelegenheit befasst waren. Im Jahr 2016 wies Peter Oestmann in seinem Vortrag bei dem neunten wissen­schaftlichen Kolloquium der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung e. V. mit Blick auf die Reichsgerichtsbarkeit darauf hin, dass die Erforschung der Geschichte der Rechtspraxis sich nicht ausschließlich auf die schmale Spitze des Instanzenzuges verengen dürfe, da ein Gebirge eben nicht nur aus dem Gipfel bestehe.2035 Diese Untersuchung hat versucht, zur Erforschung der Gerichtslandschaft eine der niedrigeren Erhebungen ­dieses Gebirges als Aussichts- und Ausgangspunkt heranzuziehen, der den Blick auf die umliegenden Täler etwas unverstellter und aus größerer Nähe ermöglicht. Damit ist ein wichtiger Schritt in Richtung der von Thomas Duve geforderten „konsequenten Priorisierung des Lokalen“ 2036 getan. Nach wie vor bleiben aber Detailuntersuchungen der lokalen, aber auch der weiteren höheren Gerichte im Hochstift Würzburg in der Frühen Neuzeit Desiderate der Forschung. Die vorliegende Studie beabsichtigte hingegen einen weiteren Blickwinkel auf die Gerichtslandschaft des Hochstifts als Teil des Alten Reichs. Mögen ihre zahlreichen Erkenntnisse künftigen Vorhaben einen Rahmen geben und demnach als Landkarte für weitere Erkundungen des Umlands dienen.

2 035 Oestmann, Zur Typologie frühneuzeitlicher Gerichte, S. 76. 2036 Duve, Von der Europäischen Rechtsgeschichte, S. 49.

Literatur- und Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) Reichskammergericht (RKG) Universitätsbibliothek Würzburg (UBW) M. ch. f. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA) Reichskanzlei (RK) Reichshofrat (RHR) Stadtarchiv Würzburg (StadtAW) Ratsakten (RA) Ratsprotokolle (Rp) Staatsarchiv Würzburg (StAW) Administrativakten (Admin.) Gebrechenamtsakten Lehensachen (Lehen) Libri diversarum formarum (ldf ) Manuskripte Miscellanea (Miscell.) Protokollbücher des Domkapitels (Dkp) Reichswesen Würzburger Salbücher (Salb.) Würzburger Standbücher (Stb) Würzburger Urkunden (WU)

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Literatur- und Quellenverzeichnis

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Gedruckte Quellen und Literatur nach 1806

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Register Sachverzeichnis A Abforderung  92, 96, 181, 183 f., 210 Acht  128, 245 f., 292, 361 f., 379, 383 Achtbrief 291 Achtbuch 292 acta priora  33, 311 f., 325, 329, 333, 342 – 345, 351, 387 – Erstellung 343 Adel  26, 47, 49 – 51, 53, 65, 68, 75, 87, 89 f., 95, 104 f., 109, 111, 113, 144, 150 f., 153 – 155, 163, 165, 167, 169 – 178, 186, 188 – 193, 207 f., 212, 216, 239, 241, 247, 251, 258 – 260, 270, 273 – 275, 277, 293, 315, 331, 372, 383, 385, 388 – 391 Advokat  76, 255, 263, 270, 283 f., 300, 309, 313, 329, 337, 344, 368 – 370, 380 f., 390 Akkusationsverfahren  193, 299 Aktenführung  17, 136, 209, 228, 235, 291, 311 – 313, 314, 338, 384 Aktenschluss  340, 345, 348 f., 354, 358, 364, 368 – 370 Aktenumfang 312 Aktenversendung 140 Allegation  119, 139, 313, 364 Ämter  65, 75, 119, 203 – 205, 206, 214, 289, 388 f. Ämterentwicklung  384, 386, 388, 391 Amtmann  31, 65, 69, 71, 87, 186 – 188, 195, 200, 203 – 205, 206, 213, 238, 242, 248 f., 289, 298, 302 – 304, 352 f., 379 f., 385 Amtsbestallung  248, 273 f. Amtsführung  238, 265, 277, 290, 295, 299, 301 Anhängigkeit  327, 329, 342 Anwalt  76, 329, 337 f., 364, 366, 386 siehe auch Advokat und Prokurator Apostelbrief  143, 325 – 327, 330, 332, 378 Appellant  101, 125, 135, 143 f., 149, 170 – 172, 174, 202, 204, 213, 221, 276, 312, 316, 323 – 330, 333 – 336, 342, 344 – 346, 348 f., 351 f, 354, 356, 359, 363, 365 f., 377, 382 f., 392

Appellat  96, 153, 157, 171, 181, 213, 325, 327, 329, 334 – 336, 342, 347 – 349, 351 f., 354, 356, 358 f., 361 – 363, 365 f., 377 f., 382 f., 392 Appellation  14, 29, 50, 59, 64, 71, 76 – 81, 90 – 92, 103, 126 f., 130 f., 136, 143, 146 f., 156, 165, 168, 169, 196 – 204, 206, 209 f., 213, 215, 217 – 218, 227, 236, 291, 301, 310, 313, 325, 327, 330, 335, 350, 381, 384 – Antrag  351, 354 – Begründetheit  347 – 349 – Entwicklung  76 – 78, 166, 220 f., 227 – formalia appellationis  333, 342, 347, 354 – Interposition siehe Interposition – Introduktion siehe Introduktion – in Strafsachen  70, 130, 143, 147, 196, 201 – 203, 214, 225, 395 – mündliche Einlegung  324, 328, 332 – mutwillige  213, 335, 347, 354 – Streitgegenstand  201 – 205, 225 – Verhältnis zu Suppliken siehe Supplik – Wirkung auf die Untergerichte  79, 121, 206, 209, 223, 227 f., 343, 390 – Zulässigkeit  347 f. Appellationsfrist  322, 330 siehe auch Interposition und Introduktion Appellationsinstrument  236 f., 277, 324, 328, 332, 336, 342 Appellationsprivileg  24, 33, 67, 97, 142, 148 – 150, 216, 218 – 226, 228, 236, 313, 380 – 382, 389, 392, 394 – 1530  148, 221 – 223, 380 – 1550 (Stadt- und Brückengericht)  141 f., 148 – 150, 216, 222 f., 226 – 1586  142, 148, 216, 222 f., 394 – unbeschränktes  24, 149, 218 f., 222, 224, 226 – beschränktes  219, 224 Appellationssumme  97, 101, 142, 148, 178, 198, 204, 209, 210, 218 f., 222 – 226, 302, 321, 380 – 382, 385, 388 f., 392 Appellationssumme (reichsrechtlich)  97, 224 f., 382

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Register

Appellationsverbot  19, 70, 107, 211, 215 f., 395 Appellationsverfahren  309 – 383 Approbation, bischöfliche  247, 251, 261, 265, 275, 280, 300, 372, 375 – 377 Artikelprozess siehe Positionalverfahren Aufsicht (Ratsämter)  260 f.  273 – 275, 278, 285 f., 387 Augsburger Religionsfriede  112, 245 Austrägalgerichtsbarkeit  50 f., 67, 88, 178 B Bargilden  42, 94 Bauernkrieg  44, 141, 176, 180, 184 f., 229, 239 – 242, 277, 306, 367 f. Beiurteil  312, 324, 333, 340, 344, 352, 354 – 357, 365 Beschwer  50, 92, 101, 108, 144, 147,156, 165, 198, 202, 204, 209,221 f., 224 – 226, 236, 308, 320, 323 – 326, 332 f., 346, 351 Beschwerdesumme  222, 224 Besoldung  112, 259, 276, 286, 290, 292, 336, 387 Bestallungsschreiber 301 Bestechung  224, 262 Beweis  345 f., 349, 352, 354 – 370 – Erforderlichkeit 349 – Zulassung  355 f., 358, 365 Beweisangebot  356, 365 f. Beweisartikel  312, 325, 346, 350, 355, 359, 362 – 366, 368, 370 Beweisinterlokut  354 – 357 Beweislast  209, 355, 357, 360, 365 Beweismittel  156, 161 f., 357 – 364 Beweisthema 357 Beweisurteil  354 – 357, 365 f. Beweisverfahren  284, 314, 325, 346, 349, 354 – 370 Beweiswert  358, 366 Beweiswürdigung 364 Bischofswahl  46 f., 53, 391 Blutbann  186, 188 f., 195 f. Blutgerichtsbarkeit siehe Gerichtsbarkeit, peinliche Boten 301 Botenmeister  238, 285, 287, 301 Botenrelation  159, 274, 281, 311, 314 Brückengericht siehe Stadt- und Brückengericht

Bürgerlehengericht  164, 177 f., 283, 293, 338, 387 – Appellation  177, 338 – Besetzung 177 – Gerichtsort 177 – Gerichtstage  178, 293 – Gerichtstermine 177 – Urteiler/Schöffen 178 Bürgermeister  54, 145, 178, 181, 191, 198, 242, 343, 353, 380 Bürgerschaft (Würzburg)  44, 53, 55, 182, 242 Burggrafen (Nürnberg)  47 C Chorgericht  84, 91 f. citatio siehe Ladung collegium advocatorum 255 conclusio siehe Aktenschluss confoederatio cum principibus ecclesiasticis 43 consilium et auxilium  56, 261 constitutio criminalis bambergensis 277 constitutio criminalis carolina  94, 266, 277, 317 corpus iuris canonici 73 corpus iuris civilis 73 curator siehe Streitpfleger D decretum gratiani 73 desuetudo 232 Devolutiveffekt  76, 220, 323, 327 Digesten  139, 313 dignitas judiciaria (Privileg)  39 – 41, 142, 173, 393 dilation siehe Fristverlängerung Dinggenossenschaft  77 f. Diözesangebiet  41, 51, 89, 112, 390, 393 Dispositionsmaxime  307, 310, 356, 369 Domdechant  53, 55, 92, 246 – 249, 252, 254, 374 Domherr  53, 55 – 57, 84, 91 f., 182, 247 f., 252, 259, 267, 278, 374, 385, 391 Domkapitel  46 f., 49, 52 f., 55 f., 65, 72, 82, 87, 89 – 92, 102, 109, 111, 133, 144, 178, 182, 184 f., 243, 245 – 252, 260, 315, 385, 387, 391 Domprobst  46, 53, 90, 247 Domschule 66 Domstift  91 f.

Register Dorfgericht – Aidhausen 207 – Altbessingen 134 – Bundorf 102 – Erlabrunn 102 – Goßmannsdorf 206 – Maßbach 202 – Markelsheim 101 – Obervolkach  102, 313 – 318, 332 f., 350, 354, 378, 380, 390 – Poppenlauer 202 – Rödelsee  101, 192 – Sondernau 208 – Trappstadt 208 – Unterschwappach 189 Dorfgerichtsbarkeit  36, 131, 189, 192, 203 f., 206 – 209, 213 siehe auch Stadt-, Markt- und Dorfgerichte Dorfherrschaft  189 f., 207 f. – verschiedener Obrigkeiten  207 Dorfmahl 207 Dreißigjähriger Krieg  13, 24, 26, 61, 98, 110, 147, 201, 203, 214, 216, 219, 232, 238, 256, 298, 386, 388 f. E Ehre  184, 315, 317 Einrede 370 – dilatorische 347 – forideklinatorische  86 f. – peremptorische 349 Endlicher Rechtstag  193 f., 299 Endurteil  37, 77, 225, 312, 324, 348 Engerer Rat  53 – 56, 257 Erzpriester/Archidiakon  83 f., 85, 87, 89 – 91, 99 Evokationsrecht/-privileg  67, 220 Ewiger Landfriede  50, 176 Exceptionsschrift  363 f., 370 executoriales  316 f., 378 f., 383 siehe auch Vollstreckung F Feldgeschworenengericht 180 Flächenstaat, institutioneller  62 f., 65 formalia appellationis siehe Appellation

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Fragstücke  299, 361 – 363, 366 – besondere  362 f. – gemeine  361 f., 367 Frauen (Stellung im Prozess)  22, 144, 315 f., 319, 366 Fristverlängerung  309, 312 f., 326 f., 329, 335, 340, 344 f., 351, 387, 392 Fulda’sche Händel  249, 271 Fürsprecher  76, 163, 236 f. siehe auch Prokurator Fürstenaufstand 245 G Ganerben  135, 189, 192, 207 f. Gebrechen  32, 57, 65, 80, 238 f., 254, 264, 266, 268, 284, 291, 293 – 296, 320, 341, 372, 375 f. – Sitzungstage 296 Gebrechenamt  16, 284 Gebrechenschreiber  238, 282, 284, 293 – 296, 374, 386 Gebühr  236 f., 254, 292, 301 Gefälle 292 siehe auch Gebühr Geheimer Rat  247 f., 254, 386, 391 Geistlicher Rat  17, 246, 248, 251, 257 f., 385 Geistliches Gericht (Würzburg) siehe Konsistorium Gemeiner Nutzen  61, 64, 221, 376 Gemeiner Rat  247 f., 254 Gemeines Recht  23, 74, 110, 113, 115 – 119, 120 f., 123, 126, 139, 235, 258, 309, 323, 329 f., 371, 384, 390, 393 – Subsidiarität  116, 118, 126 Generalgericht  91 f. Gericht des Gnadenvertrags  178 f. – Besetzung 179 Gerichtsbarkeit – geistliche  47, 84 – 92, 208, 225, 249, 390 – geistliche/weltliche (Abgrenzung)  81, 86, 88, 249 – genossenschaftliche  29 f., 77 f., 126, 151, 167 – 169, 176, 258 – peinliche  20, 96, 130, 136, 186, 188, 193, 195 f., 200, 203, 208, 212, 214, 255, 296 – 298, 317, 386, 389, 395 – städtische 142 – über das Hofgesinde  278 – Vogtei-  43, 143, 150, 187, 189, 193, 209, 214, 260 f., 293

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Register

– Zentralisierung  13 f., 32, 64, 110 – 127, 130, 169 – 176, 192 – 194, 215 f., 298, 386, 388 – 390, 393 f. Gerichtsbuch  32, 111, 115, 181, 282, 293, 308, 318 Gerichtshaus zur Roten Tür  85, 87 Gerichtsherrschaft  24, 27, 39 – 44, 47, 51, 59, 63 f., 67, 95, 111, 140, 142, 163, 172 f., 178, 189, 201, 218 f., 227, 244, 327, 332, 334, 388, 392 Gerichtslandschaft  13 f., 26, 29 – 32, 34 f., 38, 58 f., 81, 92, 209 f., 214, 216 f., 227, 388, 394 f. Gerichtsorganisation  30 f., 64, 216, 303, 388 Gerichtspraxis  28, 78, 112, 118 – 120, 138, 141, 168, 175, 200, 215, 225, 241, 313, 319, 394 Gerichtsschreiber  32, 97, 154, 164, 168, 177, 181, 211, 236, 238, 264, 281 f., 285, 289, 291 – 293, 294 f., 297, 308, 337, 339 f., 345, 353, 358, 360, 371, 380, 382, 386, 393 siehe auch Landgerichtsschreiber Gerichtssprache 118 Gerichtsstandsprivileg  78, 83, 219 f. Gerichtstage  68, 85, 88, 102, 105, 112, 140, 157, 165, 168, 172, 178, 180, 206, 293, 299, 340 f., 358 Gerichtsverfassung  18, 22, 30 – 32, 165, 172, 214, 223 Gerichtsvielfalt  32, 34, 81, 127 Gerichtszuständigkeit  30, 82, 89, 111, 176, 190 Geschworenengericht 179 Geständnis (prozessual)  104, 153, 157, 163, 171 f., 346, 349, 352, 359 Gewaltbrief  159, 337 f., 350 f. siehe auch Vollmacht Gewohnheitsrecht  59, 74, 88, 118, 120, 126 f., 149, 171, 184, 233 f., 250, 298, 371, 393 f. siehe auch Herkommen – Begründung  120, 171 Gnadenvertrag  49, 58 f., 88, 93, 103 – 105, 178 f. Goldene Bulle  219, 221, 225 Goldene Freiheit (Privileg)  39, 41 – 44, 67, 93 – 95, 97, 128, 142, 163, 173, 186, 188, 393 Gravamina  13, 15, 58, 72, 113, 134 Gravamina (Appellation)  170, 346, 351 siehe auch Beschwer Grumbachsche Händel  246 Guldenzoll 48 Güteverfahren  72, 115, 205, 236, 261, 302, 306 – 308, 320 f., 384, 391

H Häcker  106, 180, 182, 318 Handwerk  30, 179, 182 f., 318 Heerschildordnung 40 Herkommen  13, 45, 50, 58, 105, 115, 118, 124 – 126, 133, 140, 150, 162, 166, 170 f., 179 f., 183 f., 193, 206, 213, 216, 234, 265, 297 f., 321, 393 siehe auch Gewohnheitsrecht Herrschaft  29, 230, 234, 261, 392 siehe auch Gerichtsherrschaft und Landesherrschaft – als soziale Praxis  234 Herrschaftsinszenierung  28, 233 Herrschaftsverantwortung 62 Herrschaftsverdichtung  60 – 66, 192, 388, 394 Herrschaftsverständnis  64 f., 67 f., 230, 234, 302 f. Herzogswürde  40, 48, 93, 142, 244, 393 Herzogtum – Bayern  175, 259, 267 – Franken  40 – 43, 48, 94, 142, 244 – Württemberg  52, 244 Herzogtümer, ernestinische  244 Hexenprozesse  20 – 22, 298 Hochgerichtsbarkeit  43, 172 Hof- und Kanzleigericht  25, 34, 109, 157 – 159, 161 f., 164 – 168, 322, 331 Hof- und Ritterlehengericht  14, 21, 26, 35, 68, 95, 104, 138, 150, 151 – 176, 177 f., 192, 215, 276, 283 f., 293, 339, 388 – 390, 395 – Appellation  156, 165 – 168, 215, 217 – Bedeutung  160 – 176, 390 – Beschlussfassung  155 f. – Besetzung  138, 151 – 155, 162, 169 – 171, 174 – 176, 389 – Bezeichnung  157 – 161, 164, 168 – Gerichtsort  151, 163 – Gerichtstage  157, 293 – Gerichtstermine  156 f., 162 f. – Legitimität  162, 169, 170 – Lehenrichter  95, 138, 170 f., 178, 216, – Urteiler/Schöffen  152 f., 156, 162, 164, 169, 175 – Verfahrensaufkommen  157, 175 – Verhältnis zum Kanzleigericht  157 – 160, 165, 168 – Vorsitz  138, 154, 159, 162 f., 389 siehe auch Hof- und Ritterlehengericht, Lehenrichter – Zentralisierung  169 – 176, 216

Register Hofgericht 64 – Ansbach 191 – älteren Typs  167 – jüngeren Typs  167 f. – Paderborn  24, 372 – Rottweil  24, 181 – Würzburg (17./18. Jahrhundert)  164 siehe auch Hof- und Kanzleigericht Hofhaltung  65, 248, 278 Hofmarschall  152, 155 f., 236, 238, 247, 252, 254, 259 f., 263, 267, 273, 275, 278, 283, 360, 373 f., 387 Hofmeister  48, 138, 151 f., 154 – 156, 159, 162, 169 – 172, 216, 222, 236, 238 f., 247, 252, 254, 259 f., 263, 265 – 268, 273, 274 – 277, 278, 280 f., 281, 288, 300, 326, 360, 372, 374 – 377, 383, 387, 389, 391 – Ausbildung  276 f. Hofrat  14, 25, 50, 52 – 57, 66 f., 109, 130, 179, 194, 199, 214 f., 222, 236, 238, 247, 249, 251 f., 256, 257 – 263, 290, 308, 358, 385, 388 – adeliger  50, 68, 113, 151 f., 155, 174, 177 f., 216, 247, 251, 256, 258 – 260, 274 f., 372, 385, 387, 390 – Aufsicht  260, 274, 387 – Aufgabenübertragung auf einzelne Räte  255 f., 268, 270, 292, 295, 370, 372 – Befangenheit  253, 262 – Besoldung  259, 276, 387 – Dienstpflichten  261 – 263 – gelehrter  50, 66, 74, 110, 113, 115, 119, 121, 126, 142, 168, 246 f., 251 f., 255 f., 258 – 260, 269 f., 272 f., 275, 281, 283 f., 286, 288, 295, 298, 330, 337, 358, 370 – 372, 375, 386 f. – Geschäftsgang  16, 230, 236, 238 f., 265, 274, 278, 296, 301 – 383 – Institutionalisierung  52 – 57, 60, 66 – Kollegialsystem  238, 262, 269, 305, 386 – Sitzungsvorbereitung  267 f., 275, 278 – 280, 296, 370 f., 386 – Teilung  238 f., 254, 256, 268 f., 275, 386 – Umfrage  247, 267, 273 f., 278, 296, 387 siehe auch Umfrage – vereinfachtes Verfahren  373 – Verhalten/Disziplin  236, 253, 261 f., 337 – von Haus aus  247, 258 – 260

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Hofrichter  48, 138, 154, 159, 164, 169, 175, 216, 222, 276, 281, 383, 387 Hofschultheiß  180 f., 284, 295 Hoftisch  265, 290 Hohe Registratur  17, 80, 91, 93 – 95, 99, 101, 103, 108, 127 f., 132, 148, 151, 160, 163 f., 166, 169, 201 – 204, 217, 229, 282, 287, 289, 293 f., 302, 305, 321 Hohe Rügen  143, 158 f., 187 – 190 I infrajudiciaire  38, 234 Inhibition  136, 160, 177, 311, 324, 328 f., 332, 334 f., 342, 350, 352 – 354, 380 – 382, 387 Injurien  30, 86, 96, 181, 183 f., 209 f., 211 f., 214, 315 – 319, 351, 377, 382 – Ästimationseid 318 – Real- 184, 190 – Verbal- 135, 183 f., 209 f., 313, 316 – Widerruf  318 f. – Zuständigkeit  30, 96 f., 184 Inquisitionsprozess  193 f., 214, 266, 297 – 299, 309, 386, 395 Insinuation (Appellationsinstrument)  108, 236, 324, 327 Instanzenzug  14, 21, 24 f., 29, 32 f., 77 – 79, 101 f., 109 – 112, 122, 125 – 127, 141 f., 144, 165 – 168, 191, 196 – 201, 203, 205, 210 – 216, 222, 228, 236 f., 311, 314, 320 f., 330 – 332, 349 f., 385, 388 – 392, 394 f. Institutionen (c.i.c.)  73, 139 Interlokut  145, 177, 324, 342, 348, 354 – 357 Interposition  108, 198, 236, 323 – 325, 326, 330, 332 f., 342, 378 – Frist  198, 323, 330 Introduktion  323, 325 – 332, 342 – Frist  108, 326, 328 – 330 Inventarisierung  23, 33 f., 134 f., 157 f., 179 Investiturstreit  39 f. Inzichtverfahren 100 iudex a quo  324, 326, 332 iudex ad quem  108, 326, 329 iurisdictio  29, 42, 63 f., 142, 173, 388 J Jahr und Tag  172 Jahrhüter 180 Jesuiten  246, 249, 254, 271 f.

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Register

Jurisdiktionsstreitigkeiten  14, 83, 89, 95, 143, 150, 175, 189 – 192, 210, 213, 227, 244, 293, 331, 392 Juristen  64, 70, 74 – 76, 101, 113 f., 118, 126, 138 f., 167, 258, 263, 269 f., 274, 281 – 283, 308, 313, 330, 339, 348, 384, 390 siehe auch Advokat, Anwalt und Prokurator Justizgewährung  225, 228 Justizkanzlei  64, 66 – 68, 75 Justiznutzung  71, 112, 175 f., 185, 234, 303, 335 Justizsystem  29, 38, 216 K Kalumnieneid  335, 338, 347, 354 Kameralverfahren  68, 271, 305, 355 f., 371 Kammer  32, 137, 222, 248, 376 Kammergericht, königliches  77, 79, 168, 220 f. Kammergerichtssachenschreiber  33, 243, 282 f., 292, 300 f., 386 Kanonistik 74 Kanzlei  13 f., 16 f., 24 – 26, 29, 32 f., 39, 43, 49, 52, 57 – 59, 65 – 67, 70, 80 – 83, 92, 97 f., 102 f., 108 – 110, 113 f., 119, 121 – 123, 125 f., 130, 139 – 142, 144, 146 – 148, 158 – 160, 164, 166 f., 172 f., 177 f., 181 – 183, 193 – 196, 199 – 201, 205, 209 – 217, 224, 229 f., 236, 238, 242, 246, 248 – 250, 253 f., 256 – 258, 261 – 263, 265 – 267, 273 – 275, 278, 280 – 283, 285 f., 288 – 290, 292 f., 296 – 307, 309, 311 – 314, 319, 321 f., 324 f., 327, 329 – 332, 334, 339 – 342, 344, 352, 355, 358 f., 363, 366 f., 376, 379 f., 383, 385 – 392, 394 f. – Arbeitsanfall  302 – 304, 320, 385 – Begriff  52, 256 – Entstehung  52 – 58 – Geschäftszeiten  256 f. – Umfrage siehe Hofrat und Umfrage – Zuständigkeit (peinliche Gerichtsbarkeit)  193 f., 214 f., 298 f., 389, 395 Kanzleigebäude (Palatium)  57, 102, 151, 177, 181, 331 Kanzleigericht  13 – 15, 20 f., 24 – 26, 29, 33 f., 36, 58 – 60, 78, 80 f., 86, 88, 92, 96, 100 – 102, 107 – 110, 112 f., 115, 120 – 123, 125, 136, 138, 140 – 142, 144, 146 f., 149, 152, 155, 157, 159 – 162, 164 – 168, 174, 177, 179, 199 – 201, 204, 209 – 217, 222, 227, 237, 258, 263, 269 f., 276, 281, 289, 293, 306, 308 f., 311 – 314, 316, 318,

321 f., 324 – 334, 337 – 345, 348 – 350, 355 f., 359 f., 363 – 365, 368, 378, 381 – 384, 387 – 393, 395 – Aktenführung  292, 311 – 313, 314, 384 – Appellation  109, 168, 217, 222, 388 – Appellationsverfahren  309 – 383 – Audienzen  335, 340, 381 – Beschlussfassung  370, 372 – Beweisverfahren  314, 354 – 370 – Bezeichnung  24 f., 157 – 160, 164, 322 – Entstehung  59 f. – Etablierungsphase  330 – 332 – Gerichtsort 331 siehe auch Kanzleigebäude – Gerichtstage  293, 340 f. – Institutionalisierung  328, 330 f. – Prokuratoren  338 f. siehe auch Prokuratoren – Prozessdauer  310, 350, 354, 387, 392 – Terminsystem  341 – 354 – Umfrage  370, 372 – 375 siehe auch Hofrat und Umfrage – Vorsitz  276, 391 – Zuständigkeit  80, 210 – 213, 319 – 322 Kanzleigerichtsschreiber siehe Gerichtsschreiber Kanzleiknecht  253, 301 Kanzleiordnung  14, 17, 71, 108, 229 f., 235, 257, 260, 278, 280, 286, 295, 302, 321 f., 336 f., 384 f., 391 f., 394 – 1506  32, 52, 80, 168, 229, 235 – 237, 291, 335 f., 363, 385 – 1525/1526  17, 52, 56, 80, 229, 237 – 239, 241, 243, 252, 256 f., 260 – 269, 271, 273 – 275, 278 – 280, 285 – 287, 289, 291 f., 294, 302 f., 319, 321, 336 f., 340, 371 – 373, 376, 394 – 1546  33, 56, 80, 108, 229, 243, 264, 268 f., 275, 278 – 280, 292 – 295, 300 – 304, 320, 340 f., 370 – 373, 375 – 1551  56, 145, 229, 241 – 243, 253, 256 – 269, 273, 275, 278 – 281, 286 f., 289, 291 f., 294, 303, 321, 336 f., 371 f., 376 – 1559  62, 145, 229, 243 f., 246, 248, 253, 256 f., 259, 264 – 268, 273 – 275, 278 – 282, 286 – 300, 303 f., 372, 376, 386 – 1574  17, 25 f., 156, 161 f., 164, 177, 193, 229, 251 – 253, 257, 260 – 267, 273 – 275, 278, 280 – 285, 287 f., 291 – 300, 304 f., 331, 337, 340, 372 – 375, 377, 384 f., 394

Register – 1617  26, 229, 254 – 256, 257, 260, 274, 282, 284 f., 295, 384 f. – 1623  26, 255, 274 – 1632 26 – Normativität  230 – 235 Kanzleipersonal  211, 238, 248, 253 f., 257 – 301, 336, 391 Kanzleirichter 159 siehe auch Hofrichter Kanzleitrunk 253 Kanzler  46, 52, 57 f., 66, 75, 156, 229, 236, 238 f., 247, 252, 254 f., 259 – 261, 263 – 276, 278 – 281, 283, 285 – 288, 290 f., 300, 304 f., 337, 340, 351, 360, 371 – 377, 384, 386 f., 391 – Aufsicht  268, 371, 387 – Ausbildung  75, 269 – 273, 387 Kanzlisten  58, 229, 253, 256, 264, 267, 275, 304 – Aufsicht 265 – Verhalten 253 Kaufleute  22 f., 145, 358 Keller  195, 205, 242, 289, 302 – 304, 359 Kellergericht (geistlich)  82, 84, 86, 91 f., 249 – Appellation 92 – Richter (Cellarius/oberster Keller)  92 – Urteiler/Schöffen 92 – Zuständigkeit 92 Klageerwiderung  348 f., 351 Klageschrift  174, 306, 345 – 347 – Begriff  264, 279, 301 f. Kloster Wechterswinkel  208 Kollegialsystem siehe Hofrat Kommissar  37, 284, 306, 358 – 362 Kommission  307, 359 – 362 Kommissionsbrief 360 Kompulsorialbrief  136, 138, 159, 177, 311, 328 f., 332 – 334, 342 – 344, 350, 380 Konfliktbewältigung  15, 176, 184, 208, 213, 227, 306 – 308, 391 – außergerichtlich  37 f., 71, 205, 227, 234, 306 f. Konklusion siehe Aktenschluss Konsistorium  35, 82 – 85, 87 f., 91 f., 99, 106 – Gerichtsordnung  1584 85, 88 – Zuständigkeiten  88 f. Konzepte (Schriftgut)  264, 268, 280, 285, 290 Kopisten  57, 238, 285, 301 Kosten siehe Prozesskosten Kriegssachenschreiber  244, 291

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Kundschaft siehe Zeugenvernehmung Kurfürsten  52, 79, 149, 219, 221, 246, 272 L Ladung  138, 143, 159 f., 211 f., 220, 293, 311, 327 – 329, 332, 334, 337 f., 342, 350, 360, 362, 365 f., 378 Laienrichter  76 – 79, 118, 126, 139, 193, 308 siehe auch Schöffen Landesgebräuche, fränkische  97 – 99, 106, 111, 115 – 127, 215, 227, 235, 250, 281, 298, 323, 330, 350, 390, 393 f. – Einfluss der Räte  120 – 122, 126 f. – Reformation  119 – 127, 215, 390, 393 – Reformbedarf  122 f., 250 – Verhältnis zum Gemeinen Recht  115 – 119, 123, 350 – Verschriftlichung  116 f., 118 f., 122 – 124, 126 f., 235, 250, 298 Landesherrschaft  39, 44 – 51, 53, 61 f., 66 f., 192, 214, 242, 293, 332, 335, 376 siehe auch Herrschaft Landgericht  75, 93 – Ensisheim 103 – Graisbach 103 – Klettgau 103 – Nürnberg 191 – Oettingen 103 – Stühlingen 103 – Thurgau 103 Landgericht, kaiserliches (Würzburg)  13 f., 19 – 21, 24, 34, 36, 47, 50, 58 f., 68, 80, 82 f., 86, 93 – 127, 128, 138, 144, 163, 165 – 168, 184, 200 f., 204, 208 – 211, 213, 215 f., 220 f., 236, 250, 263, 282, 309, 311 – 315, 321 f., 324 – 326, 328 – 332, 339, 341, 343 f., 360, 378, 384, 388, 390 – Appellation  101, 103, 107 – 110, 112, 167, 200, 210, 215, 220, 313, 331, 384, 388 – 393 – Bedeutung  101, 110 – 113, 215, 390 – Beratung durch die Räte  104, 112 – 115, 331, 389 – Beschlussfassung  114 f. – Besetzung  103 – 106, 114 – Gerichtsort 102 – Gerichtstage  102 f., 112 – Nichtigkeitsbeschwerde  78, 101 – Protokollbände  97, 111

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Register

– Urteiler/Schöffen  58 f., 103 – 105, 114, 120 – 122 – Verhältnis zur Kanzleirechtsprechung  119, 121 – 123, 125 – 127 – Vorsitz 391 siehe auch Landrichter – Zentralisierung 215 – Zuständigkeit  94 – 102, 184 Landgerichtsordnung 32 – 1506  107 f., 166, 236 f., 321 – 1512  100, 103 – 105, 108, 115, 166, 330 f. – 1580  26, 113, 116, 121, 123 – 125, 144, 146, 168, 209, 250, 314, 322 f., 326, 341, 343 f., 346, 354, 357, 384, 387, 393 f. – 1618  26, 98 – 102, 105 f., 108, 113 f., 116, 119, 121, 123 – 125, 165, 168, 209, 250, 322 f., 326, 341, 343 f., 346, 354, 357 f., 364, 384, 392 Landgerichtsschreiber  86, 96, 98 f., 105 – 107, 112, 119 – 121, 123, 126, 215, 235, 274, 343 f., 358, 360, 393 – Bedeutung  105 f. Landgerichtszwang  111 f. Landrecht (Bezeichnung Stadtgericht)  93, 96, 127 f., 202 Landrichter  96, 99, 102 f., 105, 107 f., 112 – 114, 116, 120, 122, 126, 250, 321, 323 – 327, 330, 360, 391 Landschreiber siehe Landgerichtsschreiber Landstände  47, 53, 55, 62, 105, 113, 247, 260 lateinische Rechtssprache  118, 139, 287, 312 f. Laterankonzil (IV.)  52, 309 Legistik  74, 269 Lehen  42, 48, 50, 84, 95, 138, 151 f., 161, 169 f., 172, 174, 177 f., 287, 299 f., 376 Lehenbrief 287 Lehengericht 35 siehe auch Bürgerlehengericht und Hof- und Ritterlehengericht Lehenrecht  95, 154, 172 f. Lehenschreiber  299 f. Lehenspflichtverletzung  172, 174 libri diversarum formarum et contractuum 32, 58, 80, 243 litis contestatio siehe Streitbefestigung M Machtspruch 70 Malefizamt  212, 214, 298, 389 Malefizbücher 296

Malefizsachen  130, 186, 200 f., 212, 291, 296, 376 Malefizschreiber  296 – 299, 386 Markgräflerkrieg  134 f., 243, 245, 290 Mehrheitsprinzip  114 f., 374 Metropolitangericht Mainz  86 f. Metropolitanrechte 48 Ministeriale 55 Montagsgericht  93, 179 – 182, 241 – Appellation  181 f. – Besetzung 180 – Gerichtsort 181 – Schöffeneid 180 – Vorsitz  180 f. – Zuständigkeit 180 Mündlichkeit  305, 309 N Nichtigkeitsklage  35, 78, 101, 131, 226, 228 siehe auch Landgericht, kaiserliches (Würzburg) Niedergerichtsbarkeit  203, 206, 210 Normativität  27 – 29, 62, 234 Normdurchsetzung  62, 231 – 233 Normgebung  28 f., 61 f., 68, 128, 230 – 235, 241, 254, 298, 329, 391, 393 f. – Funktion  232 f. Normintensität 233 Normengeschichte 28 Notar  106, 108, 236, 324, 327 f., 336, 342, 358 O Oberappellationsgericht Celle  24, 350, 372, 392 Oberhof  23, 75, 77 f., 140 f. Oberrat  30, 53 – 55, 93, 97, 182 – 185, 210, 214, 242, 391 – Auflösung  185, 242 – Besetzung 182 – Wiedererrichtung 185 – Zuständigkeit  133, 183 f. Oberregistrator  287 – 289 Oberschultheiß  132, 136, 138, 142, 152, 155, 178, 180, 182, 184 f., 211, 242, 389 oberste Zent siehe Zent, oberste Observanz  28, 170, 232 siehe auch Gewohnheitsrecht, Herkommen und Rechtsgewohnheit

Register Öffentlichkeit 309 Offizial/-at  75, 82, 84 f., 87 f., 90, 99 – Gerichtstage 87 – Zuständigkeit 87 P Partikularrecht  74, 100, 115 – 127, 131, 393 f. – Auslegung 126 – Verhältnis zum Gemeinen Recht  115 – 119, 125 – 127, 138 f., 350 Peinliche Befragung  296, 299 Personenverbandsstaat 62 Petersgericht 207 Policey  20 f., 27, 61 f., 71, 130, 183, 185, 225, 230, 232, 241, 303 – Markt- und Gewerbe- 183 Positionalverfahren  178, 306, 345 – 347, 349, 363, 384, 390 Präklusion  310, 346, 358, 369 f. Praxisgeschichte 27 privilegium fori  83, 86 Probationsschrift  337, 363 – 365 Professionalisierung  57 f., 60, 66, 75, 79, 209, 227 f., 271, 386, 389 – 391 Prokurator  76, 118, 154 f., 255, 263, 270 f., 281, 283 f., 295 f., 300, 309, 325, 329, 332 f., 335 – 340, 344 f., 347, 350 f., 354, 356, 359, 365, 367 – 369, 378 – 380, 382, 386 f., 390 siehe auch Fürsprecher – Bestallung 337 – Verhalten  237, 335 – Vollmacht  159, 281, 337 f., 350 f. siehe auch Gewaltbrief und Vollmacht Protonotar  57, 66 Prozess – gelehrter siehe Prozess, römischkanonischer – kanonischer  76, 220 – römisch-kanonischer  22, 59, 73 – 75, 78, 116, 123, 126, 138, 141, 168, 227, 234, 309 f., 323, 329 f., 337, 387, 390 f., 394 Prozessbeschleunigung  350, 356, 392 Prozessdauer  310, 350, 354, 387, 392 Prozesskosten  303, 325, 330, 351 – 354, 370, 377, 380 f. Prozessmaximen  309 f. Prozessökonomie  204, 221, 321, 356, 359, 385 Prozessverschleppung  310, 334 f., 347

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publicatio attestationum siehe Zeugenvernehmung, Eröffnung Q quantifizierende Analyse  34 – 36, 110 f., 313 f. quattuor doctores  63, 74, 310 R Rats- und Hofordnung  1567 247 Ratsbuch  32, 289, 305 – 308 Ratsschreiber  145, 243, 238, 275, 280, 285, 289 – 291, 294 f., 297, 305, 307, 386 – Amtsführung 290 – oberer  290 f. – unterer  243, 291 Recht – formelles  230, 308 – gelehrtes  59, 76, 78, 168, 197 f., 309 f., 348, 388 – gemeines siehe Gemeines Recht – kanonisches  73, 75 f., 271, 309 f., 348 – materielles  14, 78, 100, 124, 126 f., 215, 226, 230, 308, 331, 350, 390, 393 – objektives  79, 126, 350 – römisches  60, 63 f., 75, 117, 126, 139, 167, 184, 230, 250, 258, 310 Rechte, wohlerworbene  64 Rechtsatz  345, 348, 354, 370 siehe auch Aktenschluss Rechtsbuch 235 Rechtsgewohnheit  14, 29, 58 f., 77, 115, 118 f., 125, 127 Rechtsherkommen siehe Herkommen Rechtshilfe 83 Rechtsmittel  25, 29, 71, 76, 146 f., 214, 220, 226, 323, 389, 392 Rechtsnorm  20, 24, 27 – 29, 61 f., 116, 126, 230 – 235, 243, 304, 313 f., 394 siehe auch Normgebung – Verhältnis zur Rechtspraxis  27 – 29, 62, 230 – 235, 314, 329, 340, 387, 393 f. Rechtsquellen  33, 73 f., 79, 115 – 119, 125 f., 227, 350, 393 Rechtsreformation siehe Reformation (rechtlich) Rechtssicherheit  118, 120, 122, 127, 329, 393 Rechtsvereinheitlichung  78, 127, 223, 228, 297 f., 393

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Register

Rechtsverständnis – am Herkommen orientiertes  126 f., 166, 184, 231, 250, 298, 393 – genossenschaftliches 258 – usuales  231 f. Rechtsverweigerung  88, 130 f., 196, 198, 213, 220, 225, 228 Rechtsverzögerung  130 f., 220, 225 Rechtswegerschöpfung  147, 190, 204 f., 215, 217, 225, 327 f., 331 Referendar  123, 238, 264, 268, 275, 278 – 282, 290, 305, 375 f., 382, 384, 386 Reform, katholische  246, 249 – 251, 254, 271 f. Reformation (kirchlich)  112, 132, 145, 244 f., 250, 271, 390 Reformation (rechtlich)  50, 85, 88, 91, 104, 116, 137 – 140, 142, 166, 193, 231, 250, 272, 318, 390 – Konsistorium  85, 91 siehe auch Konsistorium, Gerichtsordnung – Landgericht  104, 116, 166, 250 siehe auch Landgerichtsordnung – Nürnberg  139, 272 – Stadt- und Brückengericht  137 – 140, 142 siehe auch Stadt- und Brückengericht – Zenten 193 Regierung, weltliche  17, 26, 214, 248 Regimentsrat  32, 247 Registrator  211, 238, 241, 264 f., 282, 285, 286 – 288, 291, 294, 305 – Amts- 287 – Gebrechen- 268 f., 287, 294 – gemeiner  288, 305 – Ober- 287 – 289 – täglicher  229, 287, 305 Registratur  33, 75, 229, 243 f., 264, 266, 287 f., 290 f., 300 f., 311, 375 siehe auch Hohe Registratur Reichsgerichtsbarkeit  29, 79, 82 f., 130 f., 150, 175, 216 f., 220 f., 223, 226 – 228, 271, 384, 386, 392, 394 f. – Modernisierungsdruck 228 – Rechtsanwendung  125, 127 Reichshofgericht 221 Reichshofrat  21 – 23, 37 f., 69 f., 111, 149, 155, 217 – 219, 224, 277, 360, 391 Reichskammergericht  15, 21 – 23, 26, 33 – 36, 38, 50, 68, 71, 78 f., 82 f., 85 – 89, 96 – 98, 100 – 102,

104, 107 f., 110, 117, 123, 125, 134 – 136, 141, 143 – 152, 156 – 166, 169 – 171, 173 – 179, 181, 187, 189 – 192, 199, 202, 210 – 228, 239, 241, 244 f., 258, 263, 270 – 274, 276 f., 281, 283, 292 f., 300, 308, 311 – 315, 318, 322 f., 327 – 329, 331, 335, 338, 341, 346, 353, 355 – 357, 366, 372, 378 – 384, 386, 388, 391 f., 394 – acta priora siehe acta priora Reichskammergerichtsassessor  223, 270 – 272, 277, 384 Reichskammergerichtsordnung  323, 394 – 1495  50, 67, 78, 117, 125, 217, 220, 227 – 1521  50, 318 f., 356, 382 – 1523  356, 382 – 1548  50, 272 – 1555  50, 123 f., 146 f., 225, 323, 326, 329, 341, 346, 355 – 357, 382, 384 Reichskammergerichtspräsident 277 Reichskirchensystem, ottonisch-salisches  41 Reichskreis – fränkischer 272 – oberrheinischer 272 – obersächsischer 246 Reichsreform  50, 63, 165 f., 217 Reichsritterschaft, fränkische  50 f., 89, 112, 150, 153, 169 f., 172 f., 192, 216, 244, 389, 392 Reichstag  50, 63, 74, 218, 243, 246, 272, 286, 290, 301, 310 Reichsunmittelbarkeit  51, 65, 112, 139, 170, 172 f., 176, 192, 216, 331, 360, 389 Reihenfolgeprinzip 310 Reiseschreiber 301 Rekonventionsklage  212, 356, 359 siehe auch Widerklage Relation  159, 268, 270, 274, 277, 279, 281, 292, 299, 311, 314, 370 f., 375, 379 Reproduktion  327, 332, 334, 338, 342, 350, 354 Reskript  232, 392 Resolution, bischöfliche  122, 145, 213, 375 – 377 Ressortprinzip  239, 386, 391 Revision  37, 146 f., 214, 216, 389 Rezeption  13, 60, 63 f., 73 – 76, 126, 139, 215, 217, 227, 234, 258, 310, 388, 392 Rezess  139, 333, 337 Ritterlehengericht siehe Hof- und Ritterlehengericht Ritterschaft  13, 49 – 51, 58 f., 72, 76, 89, 100, 104 f., 109, 112 f., 150 f., 163, 169 f., 173, 177,

Register 192, 203, 207, 216, 241, 244 f., 247, 251, 259, 389, 392 Römisches Recht siehe Recht, römisches Runder Vertrag  49, 55, 58 f., 260 S Saalgericht 132 siehe auch Stadt- und Brückengericht Salbücher  188, 206, 286, 298 Schiedsgerichtsbarkeit  50, 78, 227, 306 – 308, 384, 391 Schlacht v. Bergtheim  46 Schmalkaldischer Krieg  245 Schöffen  31, 58 f., 68, 74, 77 – 79, 92, 96, 98, 103 – 105, 109, 112 – 115, 120 – 122, 128, 132 f., 137 – 139, 150 – 154, 156, 161, 163, 167, 169 f., 172, 174, 178 – 181, 189, 194 – 196, 198, 200 – 202, 205 f., 208, 215, 331 – 333, 343, 350 Schreiber  57, 66, 136, 145, 209, 211, 236, 264, 267 f., 282, 285, 287, 292, 294 – 296, 301, 353 Schreibstube  14, 26, 52, 57 f., 60, 66, 145, 238, 253, 256, 264 f., 284 f., 391 – Aufsicht  264, 278, 286 – Ordnung/Disziplin  253, 288, 385 Schriftgutverwaltung  57, 60, 65, 283, 286 Schriftlichkeit  57, 60, 65, 73, 75, 116 – 118, 125 f., 193, 206, 209, 215, 227, 230, 257, 305, 309, 340, 342 f., 384 f., 389 f., 392 f. Schriftsatz  75 f., 118, 139, 153, 157, 255, 283, 300, 309, 327, 329, 337, 340, 344 f., 366, 368, 370, 380, 390 Schultheiß  31, 95, 132, 136, 138 f., 142, 152, 155, 178, 180 – 182, 184 f., 187, 203, 205 – 208, 211 f., 238, 242, 249, 284, 289, 295, 316 – 318, 325, 343, 352 – 354, 366 f., 380 f., 389 siehe auch Hofschultheiß und Oberschultheiß Schuttmahl 207 Schwäbischer Bund  227, 229, 239, 241 Sekretär  44, 52, 57 f., 118, 140 f., 145, 211, 236, 238, 247, 266, 285 – 287, 295, 301 Sekretsiegel  266, 286, 290, 379 Sendgerichte 83 Senior (Domkapitel)  182 f. Sonntagsgericht siehe Montagsgericht Spezialinquisition  194, 299, 395 Spezialprotokoll  159, 312 Spolienklage 87

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Stadt- und Brückengericht  14, 21, 26, 30, 35, 48, 71, 82, 92 f., 96 f., 100, 127 – 151, 155, 163, 175, 181 – 184, 190 f., 194 – 202, 210, 213 f., 216, 218, 222 – 224, 226, 241, 249, 263, 283 f., 339 f., 388 – 390 – Appellation  140 – 144, 147 – 151, 149, 213, 222, 340, 388 – Besetzung  132, 137 – 139, 142 – Bezeichnung  127 – 137 – Einstellung des Brückengerichts  134 f. – Gerichtsort  129, 140 – Gerichtstage 140 – Juristen  138 f. – oberste Zent siehe Zent, oberste – peinliche Gerichtsbarkeit  133, 196 f., 201 – 203 – Prokuratoren  284, 339 – Ratsuche  140 f., 216 – Revision  147, 214, 216 – Sonderstellung  148 – 151, 214, 216, 389 – Stadt- und Brückengerichtsordnung – 1447  129, 131 f. – 1478  129, 131 – 133, 140 – 1526/27  129, 241 – 1582/83  129, 132, 137, 140, 142, 148 – Urteiler/Schöffen  133, 137 – Verhältnis zur Kanzlei  140 – 147, 216, 389 – Vorsitz  132, 136, 138, 142, 389 – Zentralisierung  144 – 147, 213 f., 216 – Zuständigkeit  132 f., 137, 184, 222 Stadt- und Landesordnungen  241 – Münnerstadt 242 – Würzburg  132 f., 137, 180, 242 Stadt-, Markt- und Dorfgerichte  80, 186, 193, 206 – 209, 214, 302, 309, 389 – Amt Mainberg  206, 209, 343 – Appellation  101, 203 f., 209 f., 313, 321, 384, 388 f. – Besetzung  206 – 208 – Zuständigkeit  208 f. Stadtgericht – Bischofsheim 194 – Gerolzhofen  102, 194 – Heidingsfeld 102 – Heilbronn 101 – Iphofen  102, 200, 342 – Karlstadt  102, 195, 199 – Münnerstadt  194 f., 198

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Register

– Neustadt  102, 194 – Schweinfurt 101 – Volkach  200, 202, 208 – Würzburg siehe Stadt- und Brückengericht Stadtgeschworene 179 Stadtrat  137, 178, 185, 206, 242, 318 – Münnerstadt 198 – Neustadt 194 – Schweinfurt  191, 195 – Volkach  200, 359, 367 – Würzburg siehe Unterrat Stadtschreiber – Colmar  270, 272 – Iphofen 359 – Volkach  318, 366 f. Stammesherzogtum  40 f. Statutarrecht  74, 88, 117, 125 f., 227, 231 f., 235, 371 statutum in favorem principum 44 stilus curiae 309 Strafverfahren siehe Gerichtsbarkeit, peinliche und Inquisitionsprozess Streitbefestigung  86, 124 f., 145, 176, 338, 347 – 349 Streitpfleger  144, 315 f., 382 Supplik  15, 68 – 72, 80, 109, 130, 145 f., 181, 204 f., 212 – 214, 218, 237 f., 255, 261, 264, 266, 278, 280, 289, 301 – 305, 306, 319, 334, 353, 376, 380, 383, 385, 391 – Arbeitsanfall  302 – 304, 320, 385 – Behandlung im Rat  305 – Beschränkung  205, 242, 301 – 305, 385 – Geschäftsgang/Verfahren  278, 301 – 305, 383 f., 391 – Verhältnis zu gerichtlichen Verfahren  70 – 72, 146, 213, 218, 304, 320, 335, 383 f., 387, 391 Supplikation  68, 144, 159 f., 211, 213, 311, 327 f., 332, 334, 342 Suspensiveffekt  76, 108, 220, 323 f., 381 Syndikatamt  33, 282 – 285, 295 siehe auch Syndikus Syndikus  143, 153, 156, 170, 174, 177, 213, 255, 274, 281, 282 – 285, 292, 295 f., 300, 338 f., 358, 374, 386

T Tatsacheninstanz 392 Tatsachenvortrag  306, 310, 345 f., 348 – 350, 354, 356 f., 364 Taxator  238, 254, 265, 285, 301 Taxe  236 f., 254, 342, 363 Terminsystem siehe Kanzleigericht Territorialisierung  13, 39 – 52, 60, 110 f., 172 f., 175, 388, 390, 392, 394 territorium non clausum  32, 51, 112, 189, 392 U übel geurteilt, wohl appelliert  59, 97, 125, 159, 346, 350 Übersiebnen 193 Umfrage  156, 185, 247, 252 – 254, 267, 273 f., 278, 296, 370, 372 – 375, 385, 387 siehe auch Hofrat, Kanzlei und Kanzleigericht Ungeldschreiber 301 Universität  28, 60, 63, 73 – 75, 110, 113, 126, 137 – 139, 167 f., 224, 249, 254, 259, 270, 272, 277 f., 286, 338, 358, 371, 384 Unterrat  54, 181 f., 185, 240, 242, 251 Untertanenprozesse 22 Untervollmacht 351 Urfehde  266, 297, 299 Urfehdebuch 297 Urkundenbeweis  126 f., 352, 357 f., 363 f. Urteiler/Urteilssprecher siehe Schöffen Urteilsbrief 179 – landgerichtlicher  107 f., 115, 236, 321 f. Urteilsschelte  77, 196 V Verfahren, einstufiges  77 – 79 Verhandlungsmaxime 310 Verrechtlichung 176 Verschriftlichung  66, 73, 75, 116 – 118, 124, 127, 215, 227, 235, 298, 309, 342 f., 385, 393 f. siehe auch Landesgebräuche, fränkische Viertelmeister 180 Vikar/-iat  84 – 88 – Gerichtstage 85 – Zuständigkeit 85 Vizekanzler  273 f., 275, 281, 298, 351 Vizelehenrichter  138, 152, 154 f., 161, 216 siehe auch Hof- und Ritterlehengericht, Lehenrichter und Vorsitz

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Register Vogt  195, 205, 238, 242, 249, 289, 302, 304 Vogteigerichtsbarkeit siehe Gerichtsbarkeit, VogteiVollmacht  159, 337 f., 337 f., 350 f., 382 f. siehe auch Gewaltbrief Vollstreckung  83, 108, 193, 316 f., 324, 329 f., 335, 352 f., 366, 378 – 383 W Wahlfürstentum  46, 391 Wahlkapitulation  47, 52 f., 55 f., 65, 82, 84 f., 87, 90, 92, 185, 245 f., 249 – 252, 257, 385, 391 Widerklage  211 f., 356, 359 siehe auch Rekonventionsklage Wismarer Tribunal  23 f., 219, 372 Wissenschaftsgeschichte 28 Wormser Konkordat  46 Z Zent(gericht)  18 – 21, 31, 35, 42 f., 48, 93, 95 f., 102, 128, 130 – 132, 134 – 138, 141, 143 f., 147, 150, 175, 186 – 209, 212 – 216, 241, 244, 283, 289, 293, 297 – 299, 317, 371, 388 f., 393, 395 – Albertshausen 203 – Albrechtshausen 188 – Amtmann 188 – Appellation  130, 136, 141, 143 f., 191, 196 – 203, 213 f., 389 – Arnstein  194, 197, 199 f. – Aschach  187, 194, 197 – 199 – Aub  188, 195, 197, 201 f. – Aura-Trimberg  194 – 199, 201 f. – Begriff  42 f., 186 – Besetzung 186 – Bischofsheim  191, 194, 197, 199, 208 – Burghaslach  19, 186 – 188 – Bütthard 191 – Dampsdorf-Donnersdorf  194, 197, 199 f. – Ebenhausen  19, 187, 194, 197, 199 f. – Ebern  189, 191 – Eichelberg  195, 197, 199 f. – Eltmann  191, 195, 197, 199 – Estenfeld-Rimpar  191, 195, 197 – 199. – Fladungen  19, 191, 194, 197 – 199, 208 – Gelchsheim  188, 203 – Geldersheim  191, 195, 197, 199 – Gemünden  188, 203 – Gerolzhofen  191, 195, 197, 199 f., 371

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

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Grünsfeld  195, 197 – 199 Hartheim  196 f., 199, 201 f. Haßfurt  189 – 191, 195, 197, 199, 216 Haßlach  197, 199 Heidenfeld  191, 195, 197, 199 Heidingsfeld  188 f., 203 Hellmitzheim  195, 203 Hilders  191, 197, 199 Hohenaich  135, 189, 191, 197, 199 f. Homburg  188, 203 Iphofen  189 – 191 Jurisdiktionsstreitigkeiten  190 – 193, 213, 244, 293 Karlsberg  191, 194 f., 197, 199 Karlstadt  19, 188 f., 194 f., 197, 199 Kitzingen  188, 191 f., 195, 197, 199 Königsberg  195, 197 – 199, 201 Königshofen  190 f., 197 f. Mainberg 203 Markt Bibart  147, 191, 195, 197, 200 Maßbach  197, 201 f. Medlitz  191, 195 Meiningen 203 Mellrichstadt  102, 191 Mittelsinn  197 f., 201 Münnerstadt  189, 194, 198 Neustadt  194, 197, 200 Oberschwarzach  191, 195, 197, 199 oberste  128, 130 – 132, 144, 150, 195 f., 199, 213, 283 siehe auch Stadt- und Brückengericht Ochsenfurt 203 Prosselsheim  136, 143 f., 150, 191, 197, 199 Ratsuche  194 – 196, 201 Reformation siehe Zentgerichtsreformation Remlingen  189, 194 f., 197, 199 Retzbach  188, 195, 197, 199 Rothenfels  191, 195, 197, 199 Röttingen 203 Saal 191 Schlüsselfeld  195 – 197, 201 f. Seßlach  191, 195, 197, 199 Stadtschwarzach  197, 199, 317 Ullstadt  195 – 197, 199 Urteiler/Schöffen 189

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Register

– Verhältnis zur Vogteigerichtsbarkeit  188 – 193, 207, 209, 213 f., 389 – Volkach  195 – 198, 200 – 202, 317 – Werneck  191, 195, 197, 199 f. – Wettringen  190 f., 194 f., 197, 199, 207 – Wildberg  194, 197, 199 f. – Wipfeld  191, 195, 197, 199 – 201 – Würzburg  96, 128, 137 siehe auch Zent, oberste – Zentralisierung  193 f., 212, 214, 298 f., 389 – Zuständigkeit  131, 186 – 188, 190 Zentbuch  186 f., 195, 197 .f, 297 f., 317 Zentfolge 189 Zentgebräuche  297 f. Zentgerichtsreformation  193, 297 f., 393 Zentgraf  42, 132, 144, 186 – 189, 198, 202, 205, 289, 298 Zentherrschaft  150, 186, 188 f., 191, 194, 207, 293 Zentordnung  18, 21, 187 f., 195 – 202, 214, 241, 393

Zentralisierung  13 f., 32, 60 – 66, 110 – 113, 169, 172, 174, 176, 185, 193 f., 214 – 216, 242, 298 f., 386, 388 – 390, 394 Zeugenvernehmung  100, 236, 306, 308 f., 312, 314, 325, 335, 352, 357 – 364, 366 f., 369 f. – Anwesenheit der Parteien  366 – durch einen Kommissar  358 – 362 – Eidesleistung  360, 367 – Einreden 367 – Eröffnung  363, 368 – in der Kanzlei  358 – Ladung  360, 366 – Verfahren  361 f. – Verschwiegenheitspflicht 368 – Vorstellung 366 Zisterzienserkloster Ebrach  136, 150, 189 f., 192, 227 Zivilprozess siehe Prozess Zünfte  30, 44 siehe auch Handwerk Zwischenurteil  146, 149, 292, 310, 324, 340 Zwölf Artikel  240

Personenverzeichnis A Adam Friedrich v. Seinsheim (Bischof v. Würzburg und Bamberg)  20 Adam v. Bremen  40 Albada, Aggäus v. (Hofrat)  251 Albrecht Achilles (Kurfürst v. Brandenburg, Markgraf v. Ansbach und Kulmbach)  47 f. Albrecht Alcibiades (Markgraf v. BrandenburgKulmbach)  244 f. Albrecht I. v. Hohenberg (Bischof v. Würzburg) 101 Albrecht II. v. Hohenlohe (Bischof v. Würzburg) 46 Albrecht III. v. Heßberg (Bischof (Elekt) v. Würzburg) 46 Allendorf, Johann v. (Kanzler)  269 – 271 Amling, Daniel (Hof- und Kanzleigerichtsschreiber) 211 August (Kurfürst v. Sachsen)  246

B Balbus, Johann (Vizekanzler)  274 Berk, Christoph (Prokurator)  339 Berlichingen, – Götz v.  241 – Hans Christoph v. (Hofrat)  154 Bibra, Herren v.  192, 244 Birnesser, Johann (Landgerichtsschreiber)  96 f. Bodenstein, Andreas  240 Brandt, Johann (Kanzler)  272 Braun, Konrad (Kanzler)  272 Brenninger (Prokurator)  332 f., 350, 352, 354, 367 – 369, 381 Breuning, Thomas (Schreiber)  287 Brief, Johann (Kanzler)  272, 274, 337 Brosamer (Prokurator)  339 Bülman, Hans (unterer Ratsschreiber)  243, 291

Register C Castell, Grafen zu  47, 189, 192, 244 – Konrad II. 190 Crailsheim, 192 – Wolf Ludwig v.  83 D Dannckes, Steffan (Schultheiß zu Dettelbach) 212 Diemer, Nicklauß (Landgerichtsschreiber)  99, 106, 119, 121, 123, 126 Dinner, Konrad (Hofrat)  251 E Eisenmenger, Max (Hofrat und Syndikus)  177 Ekkehard v. Aura  40 Engelhart, – Albrecht 315 – Barbara  315, 318, 378 Erlung (Bischof v. Würzburg)  39 Ernst (Herzog v. Franken)  40 Eysen, Peter  325 F Faber, Thomas (Prokurator)  333, 338 f., 365 – 369, 379, 382 Farner, Georg (Kanzler und Vizekanzler)  272 f., 276, 338 Ferdinand II. (Röm. König, Kaiser)  123 Forstmeister, Amalia  86 Friedrich I. (Landgraf v. Hessen-Kassel)  224 Friedrich I. Barbarossa (Röm. König, Kaiser)  39, 42, 63, 74, 310 Friedrich II. (König v. Preußen)  70 Friedrich II. (Röm. König, Kaiser)  44 Friedrich III. (Röm. König, Kaiser)  48, 56, 77 f. Friedrich v. Wirsberg (Bischof v. Würzburg)  17, 82, 84, 195, 245 – 249, 251, 254, 260, 281, 289, 332, 353, 377, 385, 391 Fries, Lorenz (Sekretär und Hofrat)  17, 44 f., 55 f., 80, 91, 93 – 95, 99, 103, 109, 111, 113, 115 f., 118, 127, 130, 140 f., 160, 163 f., 183, 198, 203, 216, 229, 239, 286 f. Frosch, Franz (Hofrat und evtl. Kanzler)  270 f. Fruck, Ludwig (Prokurator)  337 Fuchs v. Bimbach, 192 – Georg  162, 170, 174 – Georg Ernst  162, 170, 174

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Fuchs v. Schweinshaupten, – Philipp 162 – Wilhelm Eitel  87 G Gaill, Andreas v.  171 Ganzhorn, Wilhelm (Hofrat)  338 Gebsattel, Philipp v. (Würzburger Oberschultheiß) 136 Geis, Hieronymus (Hofrat)  288 Gelchsamer, Johann (Hofrat)  211 Gerhard v. Schwarzburg (Bischof v. Würzburg) 46 Geyer, Florian  241 Gottfried IV. Schenk v. Limpurg (Bischof v. Würzburg)  55 – 57, 163 Gregor XI. (Papst)  46 Greissen, Johann (Stadtschreiber v. Volkach)  367 Grumbach, – Sophia v.  344 – Wilhelm v.  245, 246 Guttenberg, Johann v. (Generalvikar)  85 H Hagen, – Anna (Witwe Hieronymus Hagens)  144, 213 – Georg (Hofrat)  338 – Hieronymus (Sekretär und oberer Ratsschreiber)  145, 213, 243, 290 Hartmann, Andreas (Hofrat)  367 Heinrich I. (Bischof v. Würzburg)  41 Heinrich II. (Röm. König, Kaiser)  40 f., 43 Heinrich III. (Röm. König, Kaiser)  43 Heinrich Raspe IV. (Landgraf v. Thüringen)  44 Heinrich V. (Röm. König, Kaiser)  39 f. Heinrich der Jüngere (Herzog v. BraunschweigLüneburg-Wolfenbüttel) 270 Helfenstein, Rudolf V. Graf v. (Hofmeister)  162, 170, 277 Helfferig, Hans (Wirt zum Baumgarten)  96 Hellu, Balthasar v. (Kanzler)  247, 269, 271 f. Helmut, Hans (Würzburger Bürger)  183 Henneberg, Grafen v.  43, 47, 51, 244

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Register

Hermann I. v. Lobdeburg (Bischof v. Würzburg) 44 Hermann II. Hummel v. Lichtenberg (Bischof (Elekt) v. Würzburg)  46 Herold v. Höchheim (Bischof v. Würzburg)  42 f. Heßberg, – Barbara v.  344 – Friedrich Albrecht v. (Hofrat, Oberschultheiß und Vizelehenrichter)  138, 155 Heßler, Hans (Hintersasse Kloster Ebrach) 136 Hoen, Sebastian (Einwohner v. Estenfeld)  212 Hoffmann, Johann (Stadtschreiber v. Volkach) 367 Hofmann, Hieronymus (Hofrat, Vizekanzler und Syndikus)  274, 282, 298 Hornstein, Hans Christoph v. (Hofmeister)  277 Hugo, Ludolf  350, 365 Hummel, Georg (Gerichtsschreiber)  360 Hutten, – Ludwig v. (Hofrat)  211 – Wolf Dietrich v. (Domdechant)  246 I Iring v. Reinstein-Homburg (Bischof v. Würzburg) 53 J Jacob, Hans (Gerichtsschreiber)  281 f., 293 Johann Gottfried v. Aschhausen (Bischof v. Würzburg)  98, 123, 254, 256, 276, 385 Johann II. v. Brunn (Bischof v. Würzburg)  47, 49 Johann III. v. Grumbach (Bischof v. Würzburg)  49, 56 Johannes XXII. (Papst)  46 Julius Echter v. Mespelbrunn (Bischof v. Würzburg)  17, 26, 82, 89, 92, 123, 142, 145, 162, 170, 174, 182 f., 185, 193, 214, 216, 222, 227, 249 – 252, 254, 271 K Karl IV. (Röm. König, Kaiser)  83, 101 Karl V. (Röm. König, Kaiser)  69, 220 f., 245, 272

Konrad II. (Röm. König, Kaiser)  43 Konrad II. v. Thüngen (Bischof v. Würzburg)  86, 141, 181, 185, 221 f., 227, 229, 238 f., 241 f., 256, 276, 302, 306 Konrad III. (Röm. König)  39 f. Konrad III. v. Bibra (Bischof v. Würzburg)  183, 185, 209, 246, 302, 343 Kratz, Jacob (Pfarrer v. Stadtschwarzach)  212 Krebser, Veit (Kanzler)  271 f., 360 L Lagus, Wolfgang (Chorherr zu St. Johannis)  87 Leonhard (Abt Kloster Ebrach)  144 Lichtenstein, – Erhard v.  83 – Paul Martin v. (Hofrat und Vizelehenrichter) 155 Löbler, Appollonia  315, 317 f., 352 f., 377, 382 Lorenz v. Bibra (Bischof v. Würzburg)  102, 180, 229, 235, 276 Ludwig IV. (Röm. König, Kaiser)  46 Ludwig IX. (Herzog v. Bayern-Landshut)  48 Luther, Martin  240 M Manegold v. Neuenburg (Bischof v. Würzburg)  48, 54 Marquart, Leonhard  212 Maßbach, Peter v. (Hofrat und Oberschultheiß)  178 Maximilian I. (Röm. König, Kaiser)  63 Melber, – Appollonia  315, 318, 377 – Hieronymus  204, 315 f., 318 f., 325, 332, 334, 350, 352 f., 366 f., 377, 379 – 382 Melchior Zobel v. Giebelstadt (Bischof v. Würzburg)  84, 222, 242, 245, 388 Michel, Linhart (Stadtbote v. Gerolzhofen)  382 Morder, Kilian (Würzburger Bürger)  183 Morsheim, Ludwig v. (Hofmarschall)  360 Münch, Kilian (Kanzler)  272 Mynsinger v. Frundeck, Joachim (Reichskammergerichtsassessor)  270 f.

Register N Nothafft v. Bodenstein, Sebastian (Hofmeister) 281 Nunsam, Nicklauß (Landgerichtsschreiber) 123 O Otto II. v. Wolfskeel (Bischof v. Würzburg)  46, 48 Ottonen 41 P Peringer, Diepold  240 Pius II. (Papst)  48 Prenninger, Marsilius (Kanzler)  229, 272 R Ramschwag, Johann Ulrich v. (Johanniterkomtur) 211 Reinhart, Bastian (Landgerichtsbote)  379 Reumann, Lenhart  181 Reusch, Georg (Hofrat und Syndikus)  143, 283 f. Rotenhan, 189, 192 – Martin v. (Hofmeister)  154 – Sebastian v. (Hofmeister)  239, 277 Rudolf II. v. Scherenberg (Bischof v. Würzburg)  13, 57 f., 84, 167 Rudolph II. (Röm. König, Kaiser)  37, 123, 148, 216, 222, 392 Rüffer, – Balthasar, der Ältere (Bürgermeister v. Würzburg und Kaufmann)  145 – Balthasar, der Jüngere (Bürgermeister und Reichsvogt v. Schweinfurt)  145, 213 S Sailer, Anna  149 Salier 41 Schaumberg, Veit Ulrich v.  189 Schetzler, Johann (Oberregistrator)  289 Schilling, Johann (Gerichtsschreiber)  339 Schlehenrieth, – Ambrosius (Advokat)  381 – Georg (Hofrat und Referendar)  123, 280 f., 382 Schneider, Clemens  204, 315, 319, 325, 332, 334, 368, 377, 379, 382 f.

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Schornstetten, Ludwig v.  212 Schultheis, Friedrich (Kanzler)  57 Schwarzenberg, Johann Freiherr v. (Hofmeister) 277 Schweinfurt, Heinrich v.  41 Seckendorff, Georg v.  47 Seinsheim, Georg Ludwig v. (Hofrat)  251 Seger (Prokurator)  339, 344, 356 Seuß, Georg (Hofrat, Hofschultheiß und Syndikus)  282, 284, 295 Sigismund v. Luxemburg (Röm. König, Kaiser) 103 Smetz, Hubert (Reichskammergerichtsprokurator) 271 Soler, Caspar (Würzburger Bürger)  183 Spiegel, Castalus (Prokurator)  339, 344, 351 Spielmann, Michael (Schultheiß v. Volkach)  325, 352 Stahel, Peter (Nürnberger Ratsjurist)  234 Stein zu Diemantstein, Johann Servatius v. (Vize-/Lehenrichter) 155 Stiebar v. Buttenheim, – Daniel (Domherr und Landrichter)  99, 112, 114, 116, 122 – Osanna 85 Stumpf, – Andreas Sebastian (Archivar)  33 – Jörg 360 T Tann, Freiherren v. und zu der  208 – Caspar (Hofmarschall)  278 Thüngen, Freiherren v.  47 – Sigmund v.  109, 276 Truchseß v. Henneberg, – Joachim Sigmund (Hofrat, Oberschultheiß und Urteiler am Hof- und Ritterlehengericht) 152 – Veit Ulrich (Hofrat und Urteiler am Hof- und Ritterlehengericht)  152 Truchseß v. Wetzhausen, – Heinz/Heinrich (Hofmeister)  154 – Philipp Albrecht  190 V Visch, Konrad  272

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Register

W Wagner, Pelagius (Hofrat und Prokurator)  136, 263 Wainer, Cuntz (Malefizschreiber)  297 Wambolt v. Umstadt, Schweikard (Hofrat)  251 Wenzel (Röm. König)  45 Werner v. Themar, Johann (Hofrat)  338 Wertheim, Grafen v.  47, 49, 244 Wilhelm VIII. (Landgraf (Statthalter) v. Hessen-Kassel) 224 Winneburg und Beilstein, Kuno V. v. (Hofmeister und Reichshofrat)  155, 277

Z Zasius, Ulrich  270 Zobel v. Giebelstadt, Hans (Hofmeister)  247, 259 Zollner v. der Hallburg  192 Zollner v. Rotenstein, Karl (Hofrat und Urteiler am Hof- und Ritterlehengericht)  152 Zink, Martin (Registrator, Schreiber und Sekretär) 211 Zwingli, Huldrych  240

Ortsverzeichnis A Aidhausen 207 Albertshausen 203 Albrechtshausen 188 Altbessingen 134 Ansbach  47, 191, 244 Arnstein  194, 197, 199 f. Aschach  187, 194, 197 – 199 Aub  188, 195, 197, 201 f. Augsburg  20, 245, 272 Aura-Trimberg  194 f., 197 – 199, 201 f. B Baden 79 Bamberg  41, 43, 47 f., 52, 192, 244 f., 294 Basel  139, 392 Bayern  175, 219, 259, 267, 272 Bergtheim 46 Bischofsheim  191, 194, 197, 199, 208 Bologna  73 f., 259, 277 Brandenburg  192, 219, 381 Brandenburg-Ansbach  47, 244 Brandenburg-Kulmbach  243 f. Braunschweig-Lüneburg  24, 219, 270 Braunschweig-Wolfenbüttel  245, 271 Bundorf 102 Burghaslach  19, 131, 186 – 188 Bütthard 191

C Castell  47, 189 f., 192, 244, 317 Celle  24, 350, 372, 392 Coburg  51, 138, 152 Colmar  270, 272 D Dampsdorf-Donnersdorf  194, 197, 199 f. Dipbach 102 E Ebenhausen  19, 187, 194, 197, 199 f. Eberbach 19 Ebern  189, 191 Ebrach  51, 136, 139, 150, 189 f., 192, 227 Eichelberg  195, 197, 199 f. Eichstätt 272 Eltmann  191, 195, 197, 199 Ensisheim 103 Erfurt  74, 270, 277 Erlabrunn  102, 308 Estenfeld  191, 195, 197 – 199, 212 F Fladungen  19, 191, 194, 197 – 199, 208 Frankfurt a. M.  31, 139 Freiburg 270 Fulda  51, 249, 271

Register G Gelchsheim  188, 203 Geldersheim  191, 195, 197, 199 Gemünden  188, 203 Gerbrunn 129 Gerolzhofen  102, 191, 194 f., 197, 199 f., 371, 382 Graisbach 103 Grünsfeld  195, 197 – 199 H Halle 358 Hartheim  196 f., 199, 201 f. Haßfurt  51, 189 – 191, 194 f., 197, 199, 216 Haßlach  197, 199 Haug 90 Heidelberg  74, 177, 229, 274 Heidenfeld  191, 195, 197, 199 Heidingsfeld  102, 188 f., 203 Heilbronn  51, 101 Hellmitzheim  195, 203 Hersfeld 51 Hessen  42, 219, 224, 230, 233, 244 f. Hilders  191, 197, 199 Höchberg 128 Hohenaich  135, 190 f., 197, 199 f. Homburg  51, 188, 203 I Ingolstadt  245, 270, 277 Iphofen  51, 102, 189 – 191, 200, 342, 359 J Jülich-Berg 271 K Karlsberg  191, 194 f., 197, 199 Karlstadt  19, 90, 102, 188 f., 194 f., 197, 199 Kirchheim 19 Kitzingen  85, 188, 191 f., 195, 197, 199, 240, 381 Klettgau 103 Köln  39, 74, 79, 139, 219 Königsberg  195, 197 – 199, 201 Königshofen  190 f., 197 – 199 Krassolzheim 359

451

L Lauda 51 Leipzig  57, 74 Lüttich 82 M Mainberg  203, 206, 209, 343, 390 Mainz  48, 52, 82, 86 f., 219, 232, 272 Mantua 48 Margetshöchheim 308 Markelsheim 101 Markt Bibart  147, 191, 195, 197, 200 Maßbach  197, 201 f. Medlitz  191, 195 Meiningen 203 Mellrichstadt  102, 191, 194 Mittelsinn  197 f., 201 Mosbach 19 Münnerstadt  189, 194 f., 198, 242 Münster  52, 82 N Neustadt (Saale)  51, 102, 194, 197, 200 Nürnberg  47, 51, 57, 126, 139, 191, 234, 244 f., 272, 392 O Oberleinach 308 Oberschwarzach  191, 195, 197, 199 Obervolkach  102, 313 – 318, 332 f., 350, 352 – 354, 359, 366, 378, 380, 390 Ochsenfurt  102, 203 Oettingen 103 P Paderborn  24, 82, 355, 372 Padua 270 Pfalzgrafschaft bei Rhein  52, 79, 219 Plaichach 90 Poppenlauer 202 Prag 74 Prosselsheim  136, 143 f., 150, 191, 197, 199 R Randersacker 129 Remlingen  189, 194 f., 197, 199 Retzbach  188, 195, 197, 199 Rimpar  191, 195, 197 – 199

452

Register

Rödelsee  101, 192 Roncaglia  63, 74, 310 Rothenburg  47, 177, 240 Rothenfels  191, 195, 197, 199 Röttingen 203 Rottweil  24, 181 S Saal (Saale)  191 Sachsen  41, 219, 244, 246, 260 Salzburg 52 Sand 90 Schlüsselfeld  195 – 197, 201 f. Schriesheim 19 Schwäbisch Hall  51 Schweinfurt  41, 51, 101, 144 f., 191, 195, 244 Seßlach  191, 195, 197, 199 Siena  277 f. Sondernau 208 Speyer  87, 139, 178 f., 210, 214, 270 – 272, 300, 314, 381 Stadtschwarzach  197, 199, 212, 317 Stühlingen 103 Sulzdorf 190 T Theres 359 Thurgau 103 Trappstadt 208 Trier  79, 219 Tübingen  245, 272 Tütschengereuth  189 f. U Ullstadt  195 – 197, 199 Unterschwappach 189

V Volkach  195 – 198, 200 – 202, 208, 306, 316 – 318, 325, 352 – 354, 359, 366 f., 380, 390 siehe auch Obervolkach W Waldbüttelbrunn 128 f. Wechterswinkel 208 Werneck  191, 195, 197, 199 f. Wertheim  19, 47, 49, 51, 244 Westfalen  315, 318 Wettringen  190 f., 194 f., 197, 199, 207 Wien  38, 74, 124 Wildberg  194, 197, 199 f. Wipfeld  191, 195, 197, 199 – 201 Wismar  23 f., 219, 372 Wittenberg  274, 282 Worms  46, 50, 318 Württemberg  52, 79, 244 Würzburg  13 – 21, 23 – 26, 29 – 35, 37 – 56, 59 – 61, 64 – 68, 71 f., 74 – 76, 78, 80 – 97, 99 f., 102 f., 105 – 107, 109 – 112, 116, 118, 122 – 125, 127 – 139, 142, 144 – 150, 152 – 156, 158 – 163, 165, 167, 170 – 173, 175, 177 – 184, 186, 188 f., 191 – 196, 198 f., 201, 203, 207, 209, 211, 213 – 224, 226 f., 229, 237 – 239, 241 f., 244 – 246, 248 f., 251, 257 f., 260, 263, 270, 272, 277 f., 281, 283, 293, 296, 299, 311 f., 314 – 318, 320, 322, 328 f., 331 f., 338 f., 343, 355 – 361, 364, 367, 380, 384, 386, 388 – 390, 392 – 395 Z Zell a. M.  128 Ziegenbach 190