154 34 31MB
German Pages 559 Year 1910
Table of contents :
Front Cover
Orographische Übersicht des hercynischen Gebirgssystemes
Geologie des hercynischen Gebirgssystemes
B Die Erzlagerstätten im Erzgebirge
Die allgemeine Lagerung und die Entstehung des kristallinen
Fichtelgebirge
Das sächsische Granulitgebirge
c) Serpentin
GEOLOGIE VON DEUTSCHLAND UND DEN
ANGRENZENDEN GEBIETEN VON
DR. RICHARD LEPSIUS GEHEIMER OBERBERGRAT, PROFESSOR AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE, DIREKTOR DER GEOLOGISCHEN LANDESANSTALT ZU DARMSTADT.
ZWEITER TEIL :
DAS NÖRDLICHE UND ÖSTLICHE DEUTSCHLAND
MIT SS PROFILEN IM TEXT UND ZWE PROFIL TAFELN.
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1910
GereD Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, sind vorbehalten. 11-2718
Inhalt. Seite
Das hercynische Gebirgssystem I. Orographische Übersicht des hercynischen Gebirgssystemes II. Geologie des hercynischen Gebirgssystemes 1. Erzgebirge
A. Die kristalline Grundlage im Erzgebirge a) Die grauen Gneise b) Die roten Gneise . c Glimmerschiefer
d) Phyllite (Urtonschiefer) c) Die der Gneis-, Glimmerschiefer- und Phyllitformation untergeordneten Einlagerungen .
1
3 19 19 21 22 25 29 30 31
f) Die Granite
42
g) Die Kontakthöfe der Granitstöcke in der Phyllitformation .
51 57 61
h) Granitporphyr und Quarzporphyr i) Basalt und Phonolith .
B. Die Erzlagerstätten im Erzgebirge C. Die allgemeine Lagerung und die Entstehung des kristallinen Grundgebirges im Erzgebirge a Die Mitte des Erzgebirges
b) Der östliche Abbruch des Erzgebirges c Das westliche Erzgebirge d) Genesis des Erzgebirges 2. Fichtelgebirge . Gneis Glimmerschiefer
Phyllite Granit Die Kontaktzonen am Granit
Ganggranite 3. Die Münchberger Gneisplatte .
Die Gesteine der Münchberger Gneisplatte Die Lagerung der Schichten innerhalb und rings um die Münchberger Gneisplatte 4. Das sächsische Granulitgebirge A. Die Gesteine des Granulitgebirges a) Granulit
Pyroxengranulite b) Gabbro
c) Serpentin d Glimmerschieferformation
66
89 89 95 97 102 108 110 111 112 118 121 126 126 129
135 141
143 143 146 148 151 153
IV
Inhaltsverzeichnis. Seite
e) Phyllitformation
159 162 164
f) Granit g) Erzgänge
B. Die Tektonik des Granulitgebirges . C. Die Enstehung des Granulitgebirges
:
165 167
5. Das Elbsandsteingebirge
173
6. Die Hohnsteiner Überschiebung
182
7. Die Lausitzer Granitplatte A. Die Granite und Syenite B. Die Strehlaer Granitberge . C. Druckzonen im Granit und Syenit . D. Die kontaktmetamorphen Einschlüsse und Randzonen der Granite und Syenite
8. Das ostthüringische Schiefergebirge A. Die paläozoischen Schichtensysteme Cambrium Silur .
Devon . Kulm
187 190 200 201
203 214 214 215 216 220 228
B. Die Tektonik der Schichten im ostthüringischen Schiefergebirge 230 C. Die Metamorphose der Gesteine im ostthüringischen Schiefer239 gebirge 9. Der Thüringer Wald . A. Grundgebirge und rotliegende Schichten a) Granite und Glimmerschiefer
b) Das Rotliegende im Thüringer Wald B. Die Eruptivgesteine im Rotliegenden des Thüringer Waldes a) Decken
b) Gänge c) Gemischte Gänge
d) Porphyre mit geschwänzten Quarzen . C. Der Gebirgsbau des Thüringer Waldes . 10. Der Harz .
247
249 249
258 265 266 270 272 277
278 286
A. Die ältesten Schichtensysteme des Harzes: Silur, Devon und 286
Kulm
a) Unterharz .
290
Die Schichtenfolge im Unterharze .
295
I. II. III. IV.
295 295 298 307 309
Obersilur Unterdevon: Koblenzstufe Mitteldevon Oberdevon
V. Kulm . b) Oberharz II . Unterdevon: obere Koblenzstufe III. Mitteldevon IV. Oberdevon
Das Iberger Korallenriff V. Kulm .
Übersicht der paläozoischen Schichten im Harze
311 311 314 319 319 324 328
Inhaltsverzeichnis .
V Seite
329
B. Die Eruptivgesteine im Harze
329 337 341 346 350 358
1. Diabas 2. Granit
K. Lossens Bodegang . 3. Gabbro
4. Porphyre und Melaphyre 5. Die Kontakthöfe der Granite C. Der Bau des Harzes
363
1. Der Harzkern
364 365 370 375 377
a) Der Oberharz .
b) Das Gebiet des Brocken-Oker- Lakkolithen .
c) Das Gebiet des Rambergmassives . d) Der mittlere und südöstliche Harz 380 2. Die Umrandung des Harzes 380 a) Diskordanzen im Deckgebirge 384 b) Der Harzburger Graben c) Tertiäre Schichten auf dem Harze und rings um den Harz 387 393 d) Der Kyffhäuser
D. Über das geologische Alter und die Entstehung der Erzlager und Erzgänge im Harze .
398
a) Erzlager .
398 403
b) Erzgänge
410
11. Der Teutoburger Wald
411 415
I. Die Schichtensysteme . a) Dogger b) Malm
415 415 420
c) Untere Kreide
d) Obere Kreide
420 421 422
I. Cenomane Stufe II. Turone Stufe III . Senone Stufe
423
II. Die Tektonik des Teutoburger Waldes
12. Die jurassische Weserkette
426
a) Oberer Dogger . b) Malm
427 427
430 433
c) Wealden
Die Tektonik des Wesergebirges
13. Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen, des niederrheinischen und des hercynischen Gebirgssystems 1. Das präkarbonische Grundgebirge 2. Das postkarbonische Deckgebirge
436
.
a) Die oberrheinische Tiefebene
b) Die hercynischen Gebirge . 14. Das norddeutsche Tiefland .
1. Der Untergrund der norddeutschen Diluvialdecke . a) Tertiäre Schichten . b) Kreideschichten c) Jurassische Schichten
d) Die Lagerung der älteren Schichtensysteme 2. Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande a) Das diluviale Eisfeld .
b) Der Südrand der nordischen Eisbedeckung c) Lößablagerungen
437 448 450 451 454 457 459 466
468 471 474 475 481 490
VI
Inhaltsverzeichnis . Seite
d) Diluviale Talterrassen
e) Die sog. interglazialen Ablagerungen f) Die Urströme
•
3. Die Ursachen der nordeuropäischen Eiszeit . 4. Die Einheit der diluvialen Eiszeit in Nordeuropa . Übersicht der Perioden der diluvialen Eiszeit in Nord-
495 499 508
514 524
europa
530
Verzeichnis der Versteinerungen . Verzeichnis der Berg- und Ortsnamen
532
Druckfehler
549
Profiltafeln I und II.
539
Das hercynische Gebirgssystem.
R. Lepsius , Geologie von Deutschland. II. 1
I. Orographische Übersicht des hercynischen Gebirgssystemes. Das
nordöstliche System nannte Leopold von Buch in seiner
Skizze über die geognostischen Systeme von Deutschland 1) zusammenfassend die sämtlichen Gebirge zwischen Wien, Breslau und Hannover. Dieses große Gebiet teilen wir in zwei Hälften, getrennt durch eine Linie längs den wichtigen Verwerfungen am Südrande des Erzgebirges hin, und benennen die nördliche Hälfte mit dem althergebrachten Namen des hercynischen, die südliche mit dem Namen des sudetischen Gebirgssystemes. Diese Teilung geschieht im wesentlichen aus praktischen
Gründen, um die Übersicht über das recht mannigfaltig gegliederte Gebiet zu erleichtern; in genetischer Beziehung ist die Buch'sche Einheit nicht unrichtig, da die hierin umschlossenen Gebirge im großen und ganzen ein und derselben Bewegung ihre Entstehung verdanken. Jedoch werden wir immerhin einige Abweichungen im Bau der beiden Systeme hervorheben können. Von den beiden rheinischen Gebirgssystemen werden diese nord-
östlichen Systeme abgetrennt durch die bedeutende Verschiebungslinie, welche von Regensburg aus am südwestlichen Rande des Böhmerwaldes nach Norden verläuft und dann stets in nordwestlicher Richtung an
den südwestlichen Abhängen des Fichtelgebirges , des Franken- und Thüringer, endlich des Teutoburger Waldes hinzieht bis an die Ems.
In dieser 500 km langen Linie, einer der wichtigsten Linien im Ge-
birgsbaue Deutschlands , ist die Trennung zwischen den Systemen zumeist auch äußerlich scharf ausgesprochen in den südwestlichen Grenzen der genannten Gebirge; nur vom Nordende des Thüringer Waldes bis zum Südende des Teutoburger Waldes in der Richtung über Richelsdorf und Cassel bis Volkmarsen bei Warburg ist eine Gebirgslinie nicht
deutlich ausgeprägt, und nur geologisch bestimmt durch die Aufbrüche des Zechsteins und des devonischen Grauwackengebirges in den Richelsdorfer Bergen und am linken Werraufer bei Allendorf.
Unter dem Namen des hercynischen Gebirgssystemes fassen wir die folgenden Berge und Gebirge zusammen: das Fichtelgebirge, das 1) Ein Schreiben an den Geheimrat von Leonhard, in Leonhards mineralogisches
Taschenbuch für das Jahr 1824, S. 501-506, Frankfurt a. Main, mit 1 Ubersichtskate. Dasselbe abgedruckt in L. von Buch's Gesammelten Schriften III. Bd. S. 218-221. Berlin 1877. 1*
Orographische Übersicht
4
Erzgebirge, das Lausitzer Gebirge; den Frankenwald, das Vogtland, das sächsische Mittelgebirge (Granulitgebirge) ; den Thüringer Wald, die Thüringische Mulde, den Harz ; den Teutoburger Wald, das Wesergebirge , die subhercynischen Berge in Hannover und Braunschweig. Das sudetische Gebirgssystem enthält dann: das bayerisch-böhmische Grenzgebirge , ganz Böhmen und die schlesisch- mährischen Gebirge.
Die Grenze zwischen dem hercynischen und dem sudetischen Gebirgssysteme ist scharf gezogen durch die Senkungsfelder längs der Nordgrenze von Böhmen: die Taleinschnitte bei Redwitz und Kemnath trennen das Fichtelgebirge vom Böhmerwalde ; in geschlossener Mauer steigt das Erzgebirge an über die abgesunkenen nordböhmischen Niederungen in der Strecke von Eger über Karlsbad und Teplitz bis nach Aussig und Tetschen an der Elbe ; die Grenzlinie läuft endlich am Südrande des Lausitzer Gebirges her bis hinüber in die Zittauer Senke, welche die sächsische Lausitz vom Iser- und Riesengebirge in einer
auch äußerlich auffälligen Weise abtrennt. Diese 270 km lange Scheidelinie richtet sich von Südwest nach Nordost; sie liegt ihrer ganzen
Länge nach auf bedeutenden Verwerfungen, deren Gebiet durch ausgedehnte Braunkohlenablagerungen und durch die gewaltigen Ausbrüche
von tertiären Eruptivgesteinen charakterisiert ist: die großen Basaltmassen des Duppauer Gebirges bei Karlsbad und des böhmischen Mittelgebirges bei Teplitz und Aussig erstrecken ihre Ausläufer nach beiden Richtungen, einerseits bis Zittau und Görlitz, andererseits über Eger hinaus bis in den Reichsforst bei Redwitz und bis hinüber zu den Basaltkegeln im Gebiet der Naabzuflüsse bei Kemnath und Neustadt am Kulm.
Auf der Nordost- und Nordseite tauchen die hercynischen Gebirge allmählich unter die gleichförmige Diluvialdecke der norddeutschen Tiefebene unter.
Zwischen den angegebenen Grenzen bedeckt das hercynische 1) Gebirgssystem einen Flächenraum von etwa 50000 qkm in der Ge-
stalt eines Dreiecks, dessen Spitze im Nordwestende des Teutoburger Waldes liegt, dessen Basis längs der nordböhmischen Senkungslinie von Kemnath in Bayern nach Görlitz in Schlesien zu ziehen ist. Die Gebirge dieses Systemes streichen vorherrschend von Südost nach Nord-
west. Im Erzgebirge und im sächsischen Mittelgebirge tritt das ältere 1) Das hercynische Gebirge leitet seinen Namen nicht etwa vom Harze her ; wie wir im I. Bd. S. 348 Anm. 1 erwähnten , ist > Harz ein deutsches Wort und hängt mit Hart, Haardt = waldreiches Gebirge zusammen. Dagegen ist Erkynien eine keltische Bezeichnung und bedeutet Höhe , von erkynu erheben. τὰ᾿Αρκύνια on findet sich zuerst bei Aristoteles. Die Römer benannten mit diesem Namen anfänglich die sämtlichen germanischen Mittelgebirge nördlich der Donau : Hercynia silva oritur ab Helvetiorum et Nemetumet Rauracorum finibus rectaque fluminis also Danubii regione pertinet ad fines Dacorum (Caesar, de bello gallico 6, 25) vom Oberrhein bis zur unteren Donau nach Dacien hinein. Später als die Römer tiefer in Germanien eingedrungen waren, lernten sie für die westlichen Gebirge besondere Namen kennen, während der hercynische Wald für die Böhmen umkränzenden Waldgebirge haften blieb. Strabo sagt (Bd. VII, S. 292 , man reise über denBodensee, über die Donau und über offene Höhen zum herkynischen Wald. Vergl. Ve Kaspar Zeuss , Die Deutschen und die Nachbarstämme, S. 2-6. München 1837.
des hercynischen Gebirgssystemes.
5
Streichen von Südwest nach Nordost, parallel dem Streichen des niederrheinischen Gebirgssystemes, deutlich hervor; wir werden jedoch sehen, daß dieses ältere Streichen auch durch das Grundgebirge des ganzen Systemes zu verfolgen ist ; an vielen Punkten werden wir das Umbiegen der Schichten aus der älteren in die jüngere Richtung oder das Durchkreuzen beider Richtungen zu konstatieren haben. Das Gebiet wird fast ganz entwässert durch die Elbe und Weser, doch so , daß diese beiden Flüsse selbst nur in kurzen Strecken das System durchströmen, aber alle Abläufe des Systemes in ihren Nebenflüssen aufnehmen.
Die Elbe fließt von Tetschen bis Strehla durch das
System und benutzt auf dieser Strecke die Grabenversenkung, welche hier das Erzgebirge von der Lausitz scheidet. Die Weser durchbricht die Jurakette des Wesergebirges in dem Erosionseinschnitt der Porta westphalica ; der Fluß ist älter als das Gebirge und hat dasselbe allmählich durchschnitten in gleichem Maße , als die Schichten aufgestaut und die Berge erhoben wurden. Die Nebenflüsse der Elbe und Weser
kümmern sich im ganzen nicht viel um das Streichen der Bergzüge und haben reine Erosionsfurchen durch die Berge und Ebenen gezogen. Die wichtigsten Zuflüsse der Elbe sind hier: die Mulde; die Saale mit der Unstrut, Elster und Bode. Diejenigen der Weser : die Werre im Teutoburger Walde; die Aller mit Oker und Leine. Die Haase im nördlichen Teile des Teutoburger Waldes fließt der Ems zu, welche selbst in der Ebene bleibt und das hercynische System nicht berührt. Im Fichtelgebirge liegen endlich noch die Quellen der Naab, die zur Donau abfließt; im Fichtelgebirge und im Frankenwalde die Quellen der Mainzuflüsse , deren Wasser zum Rheine ablaufen. Da von hier aus demnach Donau, Rhein und Elbe gespeist werden, so hat man das Fichtelgebirge als das Zentrum der deutschen Gebirge bezeichnet, obwohl eigentlich mit dieser Bezeichnung nicht viel gewonnen ist.
Überblicken wir im allgemeinen die Lage der Gebirge in dem hercynischen Systeme , so sehen wir als höchsten Teil den südlichen Rand des Systemes, das Erzgebirge und Fichtelgebirge , derartig aufgerichtet, daß diese ausgedehnte Gneiß- und Granitplatte von der in Nordost gerichteten Wasserscheide des Gebirges ganz allmählich und flach nach Norden sich absenkt, während sie steil gegen Süden abgebrochen ist; als eine parallel gerichtete Falte folgen nördlich vom Erzgebirge die bedeutend niedrigeren Höhenzüge des Vogtlandes und des Granulitgebirges. Die übrigen Gebirge des Systemes streichen quer zu dieser Basis nach Nordwesten ; und zwar sind die beiden Ränder
des langgestreckten Systemes gleichförmig zu Gebirgen aufgestaut, die Mitte liegt muldenförmig eingesenkt. Den aufgebogenen Südrand bilden Fichtelgebirge, Frankenwald und Thüringer Wald in einer geschlossenen Linie; dann folgt zwischen Eisenach und Warburg eine längere Unterbrechung, in der nur die oben erwähnten Aufbrüche des paläozoischen Grundgebirges auf dem linken Werraufer die Aufbiegung markieren.
Jenseits Warburg beginnt die lange, steil aufgerichtete Mauer des Teutoburger Waldes und zeigt in ihrem Verlaufe bis zur Ems die gleiche Überkippung der Schichten, die wir am Südrande des Fichtelgebirges und des Thüringer Waldes beobachten. Auf der Nordseite ist der Rand des Systemes in ähnlicher Weise aufgestaut: gegenüber
6
Orographische Übersicht
dem Teutoburger Walde ist es hier die Weserkette, welche von der Haase an über die Weser an der Porta quer hinüber bis in den Süntel
einen schmalen, aus der flachen Landschaft auffallend hervortretenden, langgestreckten Bergzug bildet. Ostlich an die Weserkette schließen sich die subhercynischen Berge: Süntel, Deister, Osterwald, Ith, Hils, Siebenberge und Sackwald. Dann folgt das breite Massiv des Harzes,
dessen scharf gezogener Nordrand deutlich die Nordwestrichtung des Systemes anzeigt ; hier am Nordostrande des Harzes sind die Schichten steil aufgerichtet und zum Teil nach Norden überschoben, gerade wie
am Südwestrande des Systemes, wo nur die Überschiebungen in entgegengesetzter Richtung nach Süden stattgefunden haben. Zwischen den Porphyrbergen bei Halle und von Grimma liegt der Nordrand des Systemes so tief, daß das Grundgebirge in der weiten Leipziger Bucht
nur an wenigen Punkten aus den jüngeren Überschüttungen zu Tage tritt: so die unterkarbonischen Grauwacken bei Plagwitz und Zschocher südwestlich von Leipzig. Der dem nordöstlichen Harzrande entsprechende Nordostrand des Erzgebirges zieht westlich von Meißen, Dresden und Pirna hindurch bis nach Königswalde, in Böhmen zwischen Teplitz und Tetschen gelegen. Die Lausitz liegt nordöstlich von der Grabenversenkung , in welche die Kreidestufen der sächsischen Schweiz eingesunken sind, und in welche die Elbe von Tetschen bis Dresden sich eingebettet hat. Die Lausitzer Granitplatte ist als die Fortsetzung des Riesen- und Iser-Gebirges zu betrachten; längs ihres Südrandes ist sie in der bekannten Hohnsteiner Linie über die Jura- und Kreidestufen der Elb-
senke überschoben , eine Überschiebung , deren Bewegung nach Süden drängte, also in entgegengesetzter Richtung wie die Überschiebung am Nordostrande des Harzes. Diese nördlichste Gebirgsfalte des hercynischen Systemes läßt sich weit nach Nordwesten hin verfolgen: an der Elbe zwischen Riesa , Wurzen und Torgau, dann zwischen Bitterfeld und Wittenberg treten aus dem Diluvium einzelne Inseln von Porphyren hervor; zu selbständigen Bergen erheben sich jedoch die Porphyre erst bei Alvensleben nordwestlich von Magdeburg; die hier von der Bever
angeschnittenen Kulmgrauwacken, die bis gegen Magdeburg durchziehend nachgewiesen sind, möchte ich nach der Richtung ihres Streichens als eine Fortsetzung der lausitzer und der niederschlesischen Kulmgrauwacken ansehen. Endlich würde ich zu dieser nördlichsten Falte
noch die Bergzüge bei Helmstedt und Fallersleben, sowie den Elm bei Braunschweig und die Asse bei Wolfenbüttel rechnen. Entsprechend dem Einbruch des Elbsandsteingebirges sehen wir hier die subhercynischen Kreidemulden eingebogen zwischen den eben genannten nördlichsten Aufbrüchen der triasischen und paläozoischen Schichtensysteme und dem Nordrande des Harzes .
Das Erzgebirge trägt seinen Namen von den zahlreichen Erzlagerstätten, die von alters her in seinen Phyllit-, Gneis- und Granitgebieten abgebaut wurden. Man kann eigentlich bei diesem Gebirge kaum von einer Kammlinie sprechen, vielmehr ist es ein einziges weit ausgedehntes Plateau, das sich ganz flach nach Norden zu einsenkt
des hercynischen Gebirgssystemes.
7
und gegen Süd steil abgebrochen ist. Die Denudation und Erosion der Oberfläche lassen allein einzelne Berge als höchste Punkte und die Wasserscheide als höchste Gebirgslinie heraustreten. Als Grenze zwischen Erz- und Fichtelgebirge nehmen wir die Niederung der Braunkohlenformation nördlich von Eger und Franzensbad , sowie die ca. 600 m hohe Wasserscheide zwischen dem Fleißenbach und der Elster.
Der erste kleine Abschnitt des Gebirges , soweit er im Bereich der Quellzuflüsse der Elster liegt, wird auch Elstergebirge genannt. Von der Quelle der Elster am Kapellenberg 757 m, der 8,5 km nördlich von Franzensbad aufsteigt, verläuft die Grenze zwischen Sachsen und Böhmen meist auf der Wasserscheide des Gebirges entlang. Da diese Wasserscheide nahe dem Südrande des Erzgebirges liegt, sendet dieselbe nach Süden zum Egerflusse , der den Fuß des Erzgebirges von West nach Ost begleitet, nur kurze Bäche mit starkem Gefälle hinab, während das Plateau sich nach Norden kaum merklich abflacht und
durch die sehr langen Flußtäler der Zwickauer Mulde, der Zschopau, der Freiberger Mulde und deren zahlreiche Zuflüsse in nördlicher Richtung entwässert wird.
Bis zum Ostende des Erzgebirges bei Königswalde beträgt die Länge des Gebirges 135 km, die Breite ist 40-50 km. Der hohe Rücken des Erzgebirges ist im ganzen gut bewaldet; besonders in den westlichen Teilen dehnen sich sehr große Wälder aus. Das höchste bewohnte Dorf ist Gottesgab 1027 m, in flachem Talboden mitten zwischen den drei höchsten Bergen des Erzgebirges, dem Spitzberg 1116 m, dem Fichtelberg 1213 m und dem Keilberg 1244 m geschützt gelegen. Auf der durchschnittlich 850 m hohen Wasserscheide oder in deren
Nähe erheben sich die folgenden höchsten Punkte des Gebirges , von Westen nach Osten gerechnet: der Hohe Brand 804 m und der Ursprungberg 819 m zwischen Markneukirchen und Graslitz im Elstergebirge; der große Rammelsberg 956 m; Auersberg 1018 m bei Johanngeorgenstadt; der große Plattenberg 1041 m; Fichtelberg 1213 m; Keilberg 1244 m bei Joachimsthal, der höchste Berg im Erzgebirge ; Hassberg 990 m; Beerhübel 914 m; Hübladung 920 m bei Katharinaberg; Wieselstein 956 m; Bornhauberg 911 m bei Eichwald nördlich
Teplitz; Spitzberg 721 m bei Schönwalde. Der höchste Teil des Gebirges liegt demnach bei Joachimsthal und zwar gerade in der Gegend, in welcher sich südlich das vulkanische Duppauer Gebirge eng anschließt an den Südabhang des Erzgebirges. Zahlreiche Straßen, auch einige Eisenbahnlinien überschreiten die Höhe des Gebirges in flachen Erosionspässen; die alten Straßen von
Plauen nach Eger über Adorf und Asch im Grenzgebiet zwischen Fichtel- und Elstergebirge sind beide jetzt Schienenwege geworden. Von Zwickau nach Karlsbad führt die alte Straße über Schneeberg,
Eibenstock und den 938 m hohen Paß nach Neudeck hinunter.
Über
den höchsten Teil des Gebirges läuft die Straße von Annaberg nach Joachimsthal über den Oberwiesenthaler Paß 1071 m bei Gottesgab. Der alte Handelsweg von Chemnitz nach Prag über Zschopau, Marien-
berg und Komotau geht über den Sebastiansberg 821 m; mit vielen Windungen nimmt jetzt die Eisenbahn auch diese Paßhöhe. Dresden
Orographische Übersicht
8
und Teplitz sind durch eine kürzere Straße über Zinnwald 816 m und weiter östlich durch eine längere, bequemere über den Nollendorfer Paß 675 m miteinander verbunden.
Längs dem Südabhange des Erzgebirges liegen die Städte Eger in 448 m, Karlsbad in 379m, Komotau in 330 m, Brüx in 238 m, Teplitz in 193 m und Aussig in 141 m über dem Meere, während auf der Nordseite des Gebirges die Städte Plauen in 311 m, Zwickau in 266 m, Chemnitz in 300 m, Dresden in 105 m Höhe sich befinden. Auf seinem breiten Rücken trägt das Erzgebirge ausgedehnte
Wälder , auf dem Kamme mehrere Hochmoore ; die schönen Wälder bestehen vorwiegend aus Fichten (Picea excelsa), Tannen (Abies alba = pectinata) , Rotbuchen (Fagus silvatica , Weißbuchen ( Carpinus betulus) und Ebereschen (Sorbus aucuparia). Dem Erzgebirge nördlich vorgelagert sind das Vogtland und das sächsische Mittelgebirge , getrennt voneinander durch das Zwickauer Steinkohlenbecken. Die flachwellige Berglandschaft des Vogtlandes, ein im ganzen wenig fruchtbares Schiefer- und Grauwackengebirge, breitet sich im Bereiche der oberen Elster und Saale bei Schleiz, Greiz und Plauen aus ; die Plateauflächen erreichen eine durchschnittliche Höhe von 450 m über dem Meere; die Flüsse haben sich tiefe und
schmale Erosionsrinnen in die Bergplateaus eingeschnitten. Das sächsische Mittelgebirge, nach dem vorherrschenden Gestein auch Granulitgebirge benannt¹), stellt eine 40 km lange und 10-20 km breite , flachgewölbte Auffaltung des kristallinen Grundgebirges dar, eine Falte, welche parallel dem Erzgebirge von Südwesten nach Nordosten zieht : die Orte Hohenstein und Döbeln bezeichnen die Endpunkte in der Längsachse, Rochlitz und Frankenberg in der Querachse des Gebirges. In scharfen Schluchten queren die Zschopau , Chemnitz , Striegis das Granulitplateau , malerische Felsstürze an den schroffen
Gehängen der gewundenen Täler bildend, wie den berühmten Harrassprung an der Zschopau bei Lichtenwalde; auch die Zwickauer Mulde zwischen Wolkenburg und Rochlitz , und die Freiberger Mulde von Roßwein bis Döbeln schneiden in kurzen Strecken durch das Gebirge.
Wie im Erzgebirge liegt auch im Granulitgebirge die Linie der größten Höhe nach dem südlichen Rande des Gebirges hin; der höchste Punkt
ist die Langenberger Höhe bei Hohenstein mit 485 m über dem Meere, und zwar besteht diese Höhe nicht aus Granulit, sondern ist ein Teil des Schiefermantels, welcher den Granulitkern umhüllt. Die höchste Granulitkuppe erreicht nur 387 m und liegt 3,5 km nördlich von jener Höhe bei dem Dorfe Rußdorf. Charakteristisch ist es auch, daß diese höchsten Punkte nahe dem südlichen Ende des Granulitgebirges und gerade nördlich vom höchsten Teile des Erzgebirges sich befinden. Im übrigen hat das Granulitplateau nur eine durchschnittliche Höhe von 250-300 m , und schneiden die Flüsse durch auf 200-150 m über dem Meere.
1) Beide Namen, Granulit- und Mittelgebirge sind von C. Fr. Naumann gegeben worden; siehe sein Lehrbuch der Geognosie, 2. Aufl., II. Bd., S. 176, Leipzig
1862, und Erläuterungen zu der geognostischen Charte des Königreichs Sachsen. I. Heft, 1836. - G. Pusch nannte es mit Werner > Weißsteingebirge< in: Beschreibung
des Weißsteingebirges im sächsischen Erzgebirge. Dresden 1826.
des hercynischen Gebirgssystemes .
9
Die Granitplatte der Oberlausitz ist wie erwähnt, vom Erzgebirge gänzlich abgetrennt durch die Grabenversenkung, in welcher die sächsische Schweiz und das Elbtal von Tetschen bis Meißen liegen. Dieselbe erstreckt sich von ihrer südöstlichen Basis Zittau 235m-
Görlitz 221 m nach Nordwesten bis gegen Riesa an der Elbe ; sie geht gegen Norden flach und mit unbestimmten Grenzen aus gegen die Niederlausitzer Ebene bei Baruth 150 m, Kamenz 192 m und Königsbrück 174 m. Mitten in den Oberlausitzer Bergen entspringt die Spree in 400 m bei Gersdorf und tritt unterhalb Bautzen 210 m in die Ebene
hinaus.
Die Bergflächen erheben sich allmählich von Norden nach
Süden gegen das südlich vorgelagerte, höher aufsteigende Lausitzer Gebirge, so daß wir den höchsten Punkt der Granitplatte nahe dem Südrande derselben, im Plissenberg 591 m, westlich Rumburg gelegen, antreffen. Die flach abgerundeten Granitrücken der Oberlausitz, durchschnittlich 400 m hoch über dem Meere aufsteigend , bilden keine bestimmte Kammlinie, doch streichen dieselben im ganzen nach Nordwesten parallel den ihrer Nordgrenze bei Görlitz, Kamenz, Königsbrück usw. vorgelagerten Grauwackenzügen.
Auch entwickelt sich auf der
Lausitzer Granitplatte keine einfache Wasserscheide. Mit dem Namen des Elbsandsteingebirges werden die Quadersandstein- und Plänergebiete der sächsischen Schweiz und des Lausitzer
Gebirges zusammengefaßt: diese Gebiete reichen von Pirna an der Elbe aufwärts bis Tetschen und dann nach Südosten bis Kamnitz und Gabel
in Böhmen. Bekannt sind die pittoresken Erosionsformen der Quadersandsteinstufen in den Schluchten und auf den Höhen der sächsischen
Schweiz, so in der Bastei, im Prebischtor, im Amselgrund, am Königstein 361 m und Lilienstein 411 m, am Hohen Schneeberg 717 m. Der Große Winterberg 551 m auf dem rechten Elbufer über Hernskretschen
ist bereits eine den Kreidestufen aufgesetzte Basaltkuppe. Die Menge der Basalt- und Phonolithkegel nimmt von hier aus gegen Süden und Südosten immer mehr zu, da wir uns immer mehr den großen Bruchund Eruptionsspalten nähern, welche auf der Südseite des Erzgebirges vom böhmischen Mittelgebirge nach der Zittauer Senke durchziehen. Dieser südöstliche Teil des Elbsandsteingebirges auf der Südseite der Oberlausitz wird speziell als Lausitzer Gebirge bezeichnet; hier hebt
sich das Quadersandsteingebirge über die Oberlausitzer Granitplatte empor: der Kalteberg 731 m und Große Eibenberg 639 m bei Kreibitz,
die Lausche 791 m, der Hochwald 748 m bei Oybin sind solche Basaltund Phonolithkegel, deren man mehrere hundert zwischen Böhmisch Leipa und Zittau zählen kann. Die Grenze gegen die Granitplatte der Oberlausitz verläuft von Nordwesten nach Südosten; in der bekannten Hohnsteiner Linie auf der rechten Elbseite aus der Meißener
Gegend an Dresden vorbei bis gegen Schandau liegt der Granit höher als die Kreidestufen und ist meist über die Kreidestufen übergeschoben.
Weiter gegen Südosten erheben sich die steil aufgebogenen Quadersandsteinschichten im Niveau über die östlich angrenzende Granitplatte.
Südwestlich Zittau setzt die Quadersandsteinmauer mit Südoststreichen quer über die in Nordost gerichteten Bruchspalten und geht unmittelbar aus dem Lausitzer in das Jeschkengebirge über.
Dem Westende des Erzgebirges schließt sich das Fichtelgebirge
Orographische Übersicht
10
ohne eine scharf ausgeprägte Grenze an; seiner geologischen Zusammensetzung und seinen tektonischen Verhältnissen nach ist es auch zu-
nächst dem Erzgebirge anzugliedern. Nach Süden müssen wir die Grenze gegen den Oberpfälzer und Böhmer Wald ziehen von Eger nach Südwesten im Tal der Röslau hinauf über Arzberg , Redwitz , Waldersdorf, dann über die niedrige Wasserscheide bei Pullenreuth zur Fichtelnaab bei Riglasreuth und schließlich hinüber nach Kulmain
und Wirbenz an der Heidenaab in der Nähe von Kemnath gelegen ; dieser Grenze folgt die Eisenbahnlinie von Eger über Redwitz nach Heidenaab.
Die nordböhmischen Braunkohlenablagerungen setzen sich
von Eger nach Südwesten fort bis auf die Wasserscheide gegen die
Naab; das ausgedehnte Gebiet von Basaltkuppen, Basaltströmen und Basalttuffen im Reichsforst bei Redwitz und die zahlreichen Basalt-
kegel, die um den Granit des Steinwaldes herumstehen und bis hinüber zum Rauhen Kulm reichen, bilden gleichfalls die Fortsetzung der nordböhmischen Basalte, und beweisen, daß hier die großen Brüche und Verwerfungen durchsetzen, welche wir von Zittau her längs des Südrandes des Erzgebirges bis an die große Regensburg-Schmalkaldener Verschiebunglinie verfolgen können.
Aus diesen Gründen rechnen wir
den Granitstock des Steinwaldes südlich von Pullenreuth und die ca.
500 m hoch liegende, sumpf- und seenreiche Hochfläche von Mitterteich-Tirschenreuth bereits zum Oberpfälzer Waldgebirge 1). Die Südwestgrenze des Fichtelgebirges ist am schärfsten ausgeprägt, weil hier die Regensburger Verschiebungslinie, die großen Ver-
werfungen und Überschiebungen zwischen dem älteren Grundgebirge und den vorgelagerten Trias - Jura- Stufen hindurchziehen; diese Linie verläuft hier von Südost nach Nordwest, von Kemnath 463 m über Heidenaab, Weidenberg, Goldkronach 443 m nach Berneck 440 m und Neuenmarkt 347 m. Gegen Norden geht das Fichtelgebirge ohne auffällige Grenze in den Frankenwald über: als Grenze kann man geologisch den Südrand der Münchberger Gneißplatte ansehen in der
Linie Schwarzenbach a. d. Saale-Sparneck-Zell-Gefrees-Berneck; auch orographisch heben sich die nördlichen Granitvorberge des Fichtelgebirges hier gegen die Gneisplatte heraus.
Das Fichtelgebirge, nach seinen reichen Fichtenwäldern benannt,
entwickelt zwei Bergkämme, die im rechten Winkel aufeinander stoßen; der eine verläuft im hercynischen Streichen von Südost nach Nordwest im Westen des Gebirges; es ist der höhere von beiden: hier liegen die
Kösseine 938 m, der hohe Matzen 813 m, die Platte 883 m, der Schneeberg 1051.m, der höchste Berg des Gebirges , und der Ochsenkopf
1023 m. Über die Hohe Heide (Buchberg 855 m) und den Wetzstein 1) Gümbel wählt von den beiden möglichen Grenzscheiden zwischen Fichtel-
gebirge und Böhmerwald die südliche , nämlich diejenige des Wondrebtales von Eger über Waldsassen und Mitterteich nach Erbendorf an der Fichtelnaab ; stößt
aber hier bei Erbendorf auf das ziemlich hohe quervorliegende Gebirge von Rotliegendem und Porphyr; Geognostische Beschreibung des Ostbayerischen Grenzgebirges. Gotha 1868, Seite 14.
Ich wählte die nördliche Grenzscheide über Redwitz, sowohl weil dieselbe in der Linie der Spalten am Südrande des Erzgebirges liegt, als wegen der großen Basaltausbrüche im Reichsforst usw. wie oben angegeben.
des hercynischen Gebirgssystemes .
11
798 m im Gefreeser Wald schließt sich dieser erste, westliche Gebirgskamm an das Westende des zweiten, der nun von hier aus nach Nordosten streicht und die folgenden höchsten Punkte von West nach Ost trägt: die Reuth 615 m bei Gefrees, der Münchberger Stadtwald 781 m, der Große Waldstein 878 m, Epprechtstein 797 m, der Große Kornberg 825 m und der Rabenberg (hoher Reinstein) 717 m bei Schönwald. Die Lamitz durchbricht quer diesen Granitkamm, und im Tal dieses Flüßchens zieht die Bahnlinie von Hof zwischen dem Großen
und Kleinen (680 m) Kornberg hindurch in das Zentrum des Fichtel-
gebirges nach Wunsiedel 535 m1). Mitten zwischen dem Fichtelgebirge und dem Thüringer Walde
und eng verbunden mit beiden Gebirgen liegt der Frankenwald, ein bergiges Schieferplateau, welches sich nach Osten zur Saale, nach Westen zum Main hin entwässert.
Die Wasserscheide zwischen diesen
beiden Flußgebieten bildet ein flacher, etwa 700 m hoher Kamm; derselbe schließt sich bei Zell, wo die Saale im Münchberger Stadtwalde in 708 m Höhe entspringt , an den zweiten Bergkamm des Fichtelge-
birges an und streicht von hier aus nach Nordwesten, um sich schließlich zwischen Haßlach und Loquitz bei Lehesten in den Rennstieg des
Thüringer Waldes fortzusetzen. Auf diesem Gebirgskamme liegen die höchsten Punkte des Frankenwaldes : der Döbraberg 796 m bei Schwar-
zenbach, der Mooshügel 761 m bei Geroldsgrün, der Schlegeler Kulm 720 m bei Lobenstein und der Wetzstein 815 m bei Lehesten.
Der
Südwestrand des Frankenwaldes ist scharf gezogen durch die große Regensburger Verschiebungslinie, deren Richtung hier von Berneck 440 m über Kronach 380 m nach Sonneberg 621 m direkt den Südwestrand
des Fichtelgebirges fortsetzt ; gegen Nordost geht der Frankenwald ohne Grenze in das Vogtland über. Aus diesen ausgedehnten Bergplateaus an den Saale- (Sormitz, Loquitz) und Mainzuflüssen (Rodach, Haßlach) löst sich allmählich nach Nordwesten heraus als ein bestimmbar umgrenztes Gebirge der Thü-
ringer Wald; mit breiter Wurzel aus dem Schiefergebirge im Süden sich entwickelnd, spitzt und schärft sich dieses Gebirge in Keilform nach Nordwesten immer mehr zu, um schließlich in schmaler Endzunge
im Eichelberg 320 m an der Werra bei Hörschel zu endigen. Der Kamm, zugleich die Wasserscheide des Gebirges, auf dessen Höhe ein alter Verkehrsweg, der Rennstieg, entlang läuft, besitzt von seinem südöstlichen Anfange an dem 587 m hohen Passe bei Steinbach am
Wald, den die Eisenbahn von Kronach nach Saalfeld überschient, bis zur Werra eine Länge von 110 km (in der Luftlinie gemessen); die Höhe der Kammlinie des Gebirges erhebt sich durchschnittlich 726 m über den Meeresspiegel 2). 1) Die Höhenzahlen für Fichtelgebirge und Frankenwald gibt C. W. Gümbel in seiner geognostischen Beschreibung des Fichtelgebirges S. 26-88 an (Gotha 1879), leider noch in Pariser Fuß, welche ich oben in Meter umgerechnet habe. Genauer findet man viele Höhen auf der Karte des Deutschen Reiches in 1 : 100000 , die
wichtigsten Höhen auch auf meiner geologischen Karte des Deutschen Reiches in 1: 500000, Blatt Dresden, angegeben.
2) Die Höhenzahlen für den Thüringer Wald entnahm ich der Karte des Deutschen Reiches in 1 : 100000, Fr. Regel, Thüringen, ein geographisches Handbuch,
Orographische Übersicht
12
Über den lang hinziehenden Rücken des Thüringer Waldes ragen die höchsten Gipfel verhältnismäßig wenig empor; doch werden seitlich der Kammlinie durch die tiefen Täler steilere Berge herausgeschnitten.
In dem ostthüringischen Schiefergebirge, das sich ohne bestimmte Grenze an die Schiefergebiete des Frankenwaldes anschließt, heben sich höher heraus: das Kieferle bei Steinheid 868 m, der Bleßberg bei
Schwarzenbrunn 865 m und die Kursdorfer Kuppe bei Meuselbach 789 m.
Die höchsten Berge liegen im mittleren Teile des Thüringer Waldes : der Beerberg 983 m, der Schneekopf 969 m, der Große Finsterberg 938 m, die Schmücke 911 m. Abseits auf der Nordseite steht der durch Goethes Gedicht berühmte Kickelhahn 862 m bei Ilmenau ;
auf der Südseite der Adlersberg 846 m bei Suhl. Auf dem Kamme folgen nach Nordwesten: der Donnershauk 893 m, der mittlere Höhnberg 837 m , Spießberg 737m, der Große Jagdberg 838 m und die über den Kamm aufragende breite Porphyrkuppe des Inselberges 916 m; der Große Weißenstein 750 m am Dreiherrnstein und der Gerberstein
728 m im Granitgebiete südlich Ruhla sind die letzten größeren Höhen , von denen der Kamm des Gebirges über den Wachstein 566 m und die Hohe Sonne 443 m allmählich absinkt bis zur Werra; die Wartburg 393 m steht nördlich der Wasserscheide vorgeschoben über Eisen-
ach 240 m im Gebiete der Rotliegenden Sandsteine. Der Südabhang des Thüringer Waldes wird ausschließlich von
den kurzen Zuflüssen der Werra, der Nordabhang von der Ilm , der Gera, der Apfelstädt, welche in die Unstrut, also in Saale-Elbe abfließen, und im Norden von der Hörsel, einem Zuflusse der Werra, entwässert. Das weite, zumeist fruchtbare und gut bevölkerte Thüringer Land zwischen dem Thüringer Walde und dem Harze ist eine hügelige Triasmulde, durchschnittlich 300 m über dem Meere erhoben; aus den
flacheren diluvialen und Keuperflächen ragen die Rücken des schwerer
zerstörbaren oberen Muschelkalkes in Bergzügen höher empor, in der Richtung parallel dem Thüringer Walde, so die Hörselberge 487 m
bei Eisenach, der bewaldete Hainich 475 m bei Mühlhausen, die Hainleite 464 m bei Sondershausen, ein 30 km langer Bergzug, von schönen Buchenwäldern bedeckt, der Ettersberg 481 m bei Weimar; oder es bricht der Buntsandstein auf wie in dem langen Zuge der Finne 361 m südlich Wiehe und auf dem Eichsfelde.
Das am weitesten gegen die norddeutsche Ebene vorspringende Bollwerk der deutschen Mittelgebirge ist der Harz ; zum letzten Male bäumt sich hier das Grundgebirge der ältesten Sedimente (Silur, Devon, Karbon) und des Granites noch einmal auf zu einem mächtigen Gebirgsstocke, um dann im nördlichen Deutschland völlig zu verschwinden unter jüngeren Schichtensystemen und unter den diluvialen Ablagerungen. Durch seine eigentümliche Lage , durch die wilde Schönheit seiner Wald- und Felsnatur, durch den Erzreichtum in seinem innersten I. Teil, Jena 1892, und den preußischen Generalstabskarten, soweit diese erschienen sind. Die geognostische Übersichtskarte des Thüringer Waldes, nach den Aufnahmen der kgl. preuß. geologischen Landesanstalt zusammengestellt von Franz Beyschlag, Berlin 1897, im Maßstabe 1 : 100000, gibt die Höhen noch in preußischen Dezimalfußen über der Ostsee, statt in Metern über N. N. an.
des hercynischen Gebirgssystemes .
13
Schoße erwarb sich der Harz trotz geringer Ausdehnung den Ruf eines ausgezeichneten und sagenreichen Gebirges. Im ganzen bildet er ein Gebirgsplateau von elliptischem Umfange, dessen längere Achse in der Richtung von WNW nach OSO liegt und von Seesen in Braunschweig bis Hettstedt im Mansfelder Kreise 95 km lang ist, während in der kürzeren Achse die größte Breite des Gebirges zwischen Ilsenburg und Lauterberg 32 km erreicht; das Areal innerhalb der Grenzen des Grundgebirges enthält gegen 2500 qkm (= 45 Quadratmeilen). Die Höhe des Harzes ist diejenige eines deutschen Mittelgebirges : C. Leicher 1) berechnet seine mittlere absolute Höhe auf 442 m. Der
höhere Teil des Gebirges ist der nordwestliche > Oberharz , mit dem Brocken 1142 m, der Hochebene von Clausthal 540-604 m und Zellerfeld 549 m und den von zahlreichen Bächen durchschnittenen Bergen
um Andreasberg 600 m und Braunlage 560 m. Der niedrigere Teil, der > Unterharz> Weserkette ; er gibt eine treffliche Beschreibung der Weserkette Seite 232-246
und der anderen Gebirge in seiner: Übersicht der orographischen und geognostischen Verhältnisse vom nordwestlichen Deutschland. Leipzig 1830.
Orographische Übersicht
16
der Hunte ist der Eilstädter Osterberg 197 m hoch; endlich geht die Weserkette aus in der Ickerschen- 155 m und der Penther-Egge 111 m, an deren Fuß die Haase sanft nach Norden abfließt.
Die Weserkette besitzt zwar eine geringe Höhe , nur 200-300 m über dem Meere ; jedoch erscheint sie dadurch als ein mächtiger Bergwall, daß sie eine geschlossene Mauer über den tief eingeschnittenen Tälern der Weser, Else und Haase sowie über der nördlich vorgelagerten
Tiefebene darstellt: der Weserspiegel in der Porta bei Hausberge liegt nur 29 m, die sumpfige Ebene des Dümmersees , durch welchen die Hunte fließt, 37m, die Brücke über die Haase bei Bramsche 48 m über dem Meere .
Jenseits der Hunte erscheinen die Jurakalke noch einmal in der
Lörberger Egge und in den Hügeln zwischen Bramsche und Uffeln
(Große Gehnberg 96 m), um dann definitiv unter der diluvialen Decke zu verschwinden. Nördlich der Weserkette tauchen in der Ebene nur
wenige Kreidehügel auf, so die Stemmer Berge, im Dorenberg 191 m, und die Lockumer Berge westlich vom Steinhuder Meer.
Die wichtige Bergpforte bei Minden, durch welche die Weser aus dem hessischen Berglande ausbricht in die norddeutsche Ebene, seit dem 18. Jahrhundert mit dem passenden lateinischen Namen Porta west-
phalica, früher die Scharte>Grünschiefer>Diorite < der sächsischen Spezialkarte sind jedenfalls überall als eruptive Gangmassen oder Lager zu betrachten, ebenfalls durch die jüngeren Granite mehr 1) F. Schalch, Sektion Geyer. 1878, S. 43.
2) F. Schalch und A. Sauer, Sektion Zschopau. 1880, S. 53 . 3) Th . Siegert und F. Schalch , Sektion Burkhardtsdorf. 1879, S. 15 , und Ich vermute , daß derartige F. Schalch , Sektion Schwarzenberg. 1884 , S. 70. Alaun- und Kieselschiefer ein obersilurisches Alter besitzen, wie im Ostthüringischen
Schiefergebirge dies nachgewiesen ist , da in den übrigen altpaläozoischen Formationen in Sachsen und Ostthüringen solche Gesteine nicht vorkommen; siehe unten: das ostthüringische Schiefergebirge. 4) Fr. Naumann, Erläuterung zur geognostischen Charte von Sachsen. II, 1838, S. 257 nennt ihn fälschlich Nephrit; nach der Analyse in F. Schalch, Sektion
Schwarzenberg, 1884, S. 70 ist es ein Agalmatolith. Siehe C. Hintze , Handbuch der Mineralogie. II, S. 830, 1892.
Amphibolite.
37
oder weniger metamorph veränderte Gesteine ; hierher gehören auch die Eklogite und Olivin-Serpentingesteine (Gabbro). 1. Amphibolit oder Hornblendefels. Fast alle Blätter der sächsischen Spezialkarte enthalten Einzeichnungen von > Amphiboliten , in allen verschiedenen kristallinen Schiefern eingelagert, von den tiefsten Freiberger grauen Gneisen an bis in die jüngsten Phyllite und bis in das Cambrium.
Die älteren Autoren bezeichneten diese meist dunkelgrünen Amphibolite als Grünsteine oder direkt als Diorit¹). In der Tat bestehen die massigen Gesteine dieser Art vorwiegend aus Plagioklas (Labrador) und Hornblende ; daneben ist in der Regel Granat in Kristallen vor-
handen; mikroskopisch Rutil, Apatit, Titaneisen, Magneteisen. Diese Gesteine liegen gewöhnlich in kleinen, oft kaum 1 m mächtigen, sich spitz auskeilenden Linsen konkordant im Gneis eingelagert, wie es die beifolgende Zeichnung 1 darstellt.
Profil 1 (Maßstab 1:70) .
Linsenförmige 0,1-0,5 m mächtige Einlagerungen von normalem Amphibolit im mittelkörnig schuppigen Biotitgneis östlich vom Bahnhof Mulda, südlich Freiberg
in Sachsen. A. Sauer, Erläuterung zu Sektion Lichtenberg-Mulda, 1886, S. 17. Hier bei diesem Vorkommen am Bahnhof Mulda besitzt der Am-
phibolit eine körnig-massige Struktur und liegt ganz unvermittelt in dem umgebenden kleinkörnig - schuppigen grauen Gneis (obere Stufe der Freiberger Gneise), also als ein richtiger verdrückter Eruptivgang 2) . In vielen Fällen jedoch wird der massige Kern des körnigen Amphibolits umgeben von plattig und schieferig werdenden biotitreichen Zonen, die in den Gneis oder Glimmerschiefer, in welchem der Amphibolit liegt, allmählich übergehen. Zuweilen ist die ganze Gesteinsmasse plattig und schieferig, nicht massig ausgebildet; dann sind die 1 Fr. Naumann, Erläuterung zur geognost. Charte Sachsens. II. S. 218, 222 ff. 2) Ahnliche Profilzeichnungen siehe in den Erläuterungen zu Sektion Kupferberg S. 28 und Elterlein S. 19.
38
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
Gesteine schwer von den oben erwähnten Hornblendeschiefern zu unterscheiden 1).
Am bekanntesten ist der »Diorit
brücke bei Freiberg , den A. Sauer in der Erläuterung zu Sektion Freiberg, 1887, S. 25 einen grobkörnigen Feldspatamphibolit« nennt ; die schwarzen blätterigen Hornblenden werden hier bis 20 mm große, unregelmäßig umgrenzte Körner, dazwischen liegen etwas weniger grobkörnige, weißliche Plagioklasaggregate und schrotkorngroße, blaßrötliche Granatkristalle; mikroskopisch sind noch Rutil, Titaneisen und Apatit zu erkennen. Die massigen Kerne sind umgeben von einem grobkörnig-
schuppigen bis schieferig-flaserigen, granat- und biotitreichen Gestein, das in den umgebenden grauen Freiberger Gneis übergeht.
Amphibolit
Marmor
Profil 2 ( Maßstab 1:60 .
Verdrückter Amphibolit in gefalteten und verstauchten Marmorschichten, die dem Muscovitgneis eingeschaltet sind. Steinbruch bei Crottendorf. A. Sauer, Erläuterung zu Sektion Wiesenthal, Leipzig 1884, S. 31.
Eine sehr große Anzahl von Amphibolitlinsen und Lagermassen finden wir auf dem Kamme des Erzgebirges südlich von Annaberg bei Kupferberg und Wiesenthal eingeschaltet in den zweiglimmerigen grauen 1) F. Schalch, Sektion Schwarzenberg, 1884, S. 72 unten, rechnet zu den Amphiboliten noch ein Gestein, welches neben dem bei weitem vorherrschenden Quarze Biotit und Chlorit, auch Titanit, Turmalin , opake Erze enthält , aber weder Amphibol noch Granat.
Amphibolite.
39
Gneisen, in den roten Gneisen und in den Glimmerschiefern. A. Sauer
unterscheidet dort: normale Amphibolite, Feldspatamphibolite, Zoisitamphibolite und Eklogite, ohne daß diese petrographischen Abarten im Anstehenden voneinander getrennt werden können. Unter diesen zahlreichen Schwärmen ist genetisch besonders wichtig die kleine verdrückte Gangmasse, welche in dem stark zusammengestauchten Kalkschiefer von Crottendorf bei Wiesenthal vorkommt; hier kann man
nicht von einer »Ausscheidung des Amphibolites aus Gneis reden, da der Amphibolit vollständig in dem ca. 60 m mächtigen Marmorlager als
eine linsenförmige Gangmasse , die mit den Kalkschichten verstaucht ist, mitten inne liegt (Profil 2). Für die Genese der Amphibolite des Erzgebirges wichtig ist das nicht seltene Auftreten von Pyroxenen (Augit , Diopsid, Sahlit) und
die Übergänge zu Eklogit; die Gegenwart von Pyroxenen deutet auf die Entstehung der Amphibolite wie der Eklogite aus Diabas oder Gabbro; die Umwandlung von Pyroxen in Amphibol, die blaugrüne Hornblende (Glaukophan), die Labrador-Aggregate , die Entstehung der Granaten geben diesen Gesteinen den metamorphen Charakter. Sekundäre Erscheinungen sind die Veränderung der Labradore in Epidot und Zoisit, des Titaneisen in Titanit, des Biotit in Chlorit und die Ausscheidung von Quarz. Wenn die Amphibolite, deren gewöhnliche Form kleinere linsenförmige Massen sind , eine größere räumliche Ausdehnung gewinnen,
wie in dem biotitreichen Gestein von Oberschaar nordöstlich Freiberg, das dem Freiberger Hauptgneis konkordant eingeschaltet 2,5 m mächtig auf 25 m weit zu verfolgen ist, so wird das ursprüngliche Eruptivgestein wohl weniger einen Gang, als ein Lager gebildet haben; manche linsenförmige Amphibolitmassen werden auch als auseinander geschobene Eruptivlager anzusehen sein 1). Der genetische Zusammenhang solcher Amphibolitlager mit den zahlreichen Diabaslagern im Silur und Devon des Vogtlandes erscheint wahrscheinlich ; darauf deutet schon hin, daß auf der sächsischen Spezialkarte Amphibolite nur in den kristallinen Schieferterrains, aber nicht in den unveränderten Schieferformationen des Silur und Devon
eingezeichnet sind. Zum Teil dürften die sächsischen Amphibolite die-
selben Eruptivgesteine (metamorphe Diabase) sein, die Gümbel im Fichtelgebirge >Epidiorite< nannte, Gesteine mit faseriger grüner Hornblende.
2. Die Eklogite finden sich auf dem Erzgebirge fast ebenso schön ausgebildet wie an den bekannten Fundstellen im Fichtelgebirge, und zwar sind es sowohl normale Eklogite wie eklogitähnliche Amphibolite; beide Arten gehen ineinander über und stehen zu den normalen Amphiboliten in inniger Beziehung. Die Eklogite auf dem Erzgebirge sind mittel- bis feinkörnige, selbst dichte und bisweilen porphyrisch ausgebildete Gesteine, die nur selten schieferig werden ; 1) Leider sind keine chemischen Analysen der sächsischen Amphibolite gemacht worden.
Ob der Hornblendeschiefer von Miltitz bei Meißen , von dem
G. Bischof, Chemische und physikalische Geologie , I. Aufl. 1854, II. Bd. , S. 930 eine Analyse mitteilt, hierher gehört, scheint zweifelhaft.
40
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
sie bestehen vorwiegend aus Omphacit (ein grüner Augit) und Granat; meist ist daneben ein Amphibol (Smaragdit , Aktinolith oder Hornblende) vorhanden ; accessorisch: Zoisit (rhombischer Epidot) , Quarz, Rutil; weniger häufig: Cyanit, Muscovit, Biotit, Plagioklas, Titaneisen,
Magneteisen, Schwefelkies, Magnetkies, Kupferkies, Eisenglanz, Apatit und Zirkon.
Es sind bisher ca. 60 Fundstellen von Eklogiten im Erzgebirge bekannt, und zwar liegen sie in den Freiberger und Annaberg-Marienberger Kuppeln meist in den grauen Gneisen, aber auch in den roten
Gneisen (Sektionen Schellenberg-Flöha und Pockau-Lengefeld) und in den Glimmerschiefern ( Sektion Wiesenthal); dagegen nicht in den Phylliten oder jüngeren Schichtensystemen. Für die starke Umkristal-
lisierung dieser metamorphen Eruptivgesteine genügten nur die Kräfte, welche in den Gneisen und Glimmerschiefern tätig waren, nicht mehr die schwächeren, welche in den Phylliten wirkten.
Wie die Amphibolite lagern die Eklogite auf dem Erzgebirge den Gneisen stets konkordant ein und zwar immer in linsenförmigen Massen, die in der Regel nur faustdicke Knollen bis metergroße Linsen bilden ; gerade in den kleineren und kleinsten Einlagerungen zeigen die Eklogite immer eine durchaus regellos-körnige Struktur und sind überaus scharf gegen das Nebengestein (den Gneis) abgesetzt ; sie erweisen dadurch ihre ursprünglich eruptive Natur 1).
3. Serpentine, olivinhaltige Gesteine und Olivin-Gabbros treten an mehreren Orten im Gneis des Erzgebirges auf: am bekanntesten ist der Serpentin im roten Gneis von Zöblitz , östlich von Marienberg gelegen, der viel zu Ornamenten, Mosaik, Reibschalen u. a. verarbeitet wird; eine kleine Serpentinmasse liegt bei Hutha, nordöstlich von Zöblitz (Station Pockau-Lengefeld) im roten Gneis ; eine andere auf dem Kamm des Erzgebirges bei Unterhals südlich Kupferberg im Glimmerschiefer; ein
Olivin-Strahlsteinfels
liegt in der oberen Stufe
der Freiberger Biotitgneise bei Freiberg; auch die Serpentin- und Gabbromassen bei Siebenlehn nördlich von Freiberg (Sektion Roßwein) befinden sich noch im Gneisterrain des Erzgebirges.
Wie jeder Serpentin, ist auch der Serpentin von Zöblitz ein fast vollständig umgewandeltes Gestein2).
Jetzt besteht dasselbe vorwie-
gend aus dunkelgrünem, dichten Serpentin; darin kommen auch edler, schwefelgelber bis ölgrüner Serpentin vor, und durch Chlorit schmutziggrün, durch Magneteisen schwarz gefärbte Serpentinmassen. Die chemische Zusammensetzung des edlen a, und des gemeinen b und c, vom Chlorit möglichst befreiten Serpentin von Zöblitz ist die folgende : 1) Aus welchem Eruptivgestein die Eklogite entstanden sind, ist bis jetzt noch
zweifelhaft ; ihre innige Verbindung mit den AAmp Amphiboliten weist auf Diabas oder Gabbro; sie sind feldspatfrei oder -arm. Leider fehlen chemische Analysen der erzgebirgischen Eklogite. 2) J. Hazard, Erläuterung zu Sektion Zöblitz, 1884, S. 12-18.
J. Lemberg,
Über die Serpentine von Zöblitz , Greifendorf und Waldheim. Zeitschr. deutsch. geolog. Ges. 1875, S. 531-549 .
Serpentine.
SiO2 Al2O3 Fe2O3
a.
b.
41,60
37,75
2,30 3,30
1,02 8,03 0,29
38,70 13,70
38,74 14,17 100,00
CaO
MgO
H2O
99,60
41 C.
42,19 0,87 4,00 39,39 13,55 100,00
In dem Serpentin reichlich ausgeschieden liegen: Chlorit in Schüppchen; chromhaltiges Magneteisen in Körnern, Stäbchen und Schmitzchen ; roter Granat (Pyrop) in stecknadelknopf- bis erbsengroßen Körnern, die zuweilen auch 1-2 cm groß werden, selten in regelmäßigen Kristallen. Die Granaten sind oft ihrer ganzen Masse nach in Chlorit umgewandelt.
Außerdem konnten mikroskopisch kleine Olivinkörner als Reste größerer vom Serpentin aufgezehrten Individuen in den frischesten Teilen des Zöblitzer Serpentins nachgewiesen werden. Stellenweise
finden sich noch: blaßgrüne Hornblende ; Enstatit oder Bronzit, grauund grasgrüner Augit ; Chromspinell; spärlich Apatit. Sehr wichtig für die Genese des Serpentins sind faust- bis kopf-
große Knollen oder über meterdicke und oft mehrere Meter lange, ganz unregelmäßig gestaltete Nester von weißen, meist sehr grobkörnigen Feldspataggregaten: Albit (Periklin), der Hauptbestandteil dieser Knollen, wird in der Regel begleitet von grünlichgrauer , faseriger Hornblende (Aktinolith); daneben sind Quarz, Biotit, Rutil und Titanit vorhanden.
Die Serpentinsubstanz und die sämtlichen genannten Mineralien mit alleiniger Ausnahme der Olivinreste, sowie die Albitausscheidungen
sind sekundär entstanden, metamorph umgewandelt auf chemischwässerigem Wege und durch Einwirkung des Granites aus einem Eruptivgestein, das wahrscheinlich ein Olivin-Gabbro, wie der von Siebenlehn, gewesen ist. Ganz besonders beweisen die Albitausscheidungen, daß ursprünglich ein feldspathaltiges Gestein vorhanden war, und zwar mit einem Kalk-Natronfeldspat, dessen Kalk zur Bildung der Granaten, dessen Natron zur Bildung der Albite verwendet wurden. Die teilweise Umänderung der Serpentinsubstanz in Talk , der Granaten in Chlorit, des Magneteisens in Eisenoxyd und Eisenoxydhydrat, die Ausfüllung der Gesteinsspalten mit Karbonaten von Kalk, Magnesia und Eisenoxydul sind jüngste Umsätze auf wässerigem Wege. Der Serpentin von Zöblitz bildet ein fast 3 km langes und wohl
kaum über 20 m mächtiges, linsenförmiges Lager im roten Gneis: das Liegende des konkordant eingeschalteten Serpentinlagers sind normale
rote Muscovitgneise, das Hangende Granulit und Granatglimmerschiefer. Der Serpentin zeigt keine Schichtung, sondern nur Zerklüftung. Der Serpentin bei Hutha 1) gleicht in allen Stücken dem Zöblitzer Serpentin; auch die Albit-Aktinolithausscheidungen sind vorhanden ein Beweis, daß diese Feldspataggregate keine fremden Einschlüsse 1) J. Hazard, Erläuterung zu Sektion Pockau-Lengefeld, 1886, S. 13.
42
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
sind, sondern ein wesentliches Element der Gesteinsumwandlung darstellen.
Eine wichtige Ergänzung in genetischer Beziehung zu den gegenannten Serpentinen und Amphiboliten bietet der Gabbro und Ser-
pentin von Siebenlehn ') , ein Vorkommen, das räumlich und petrographisch zu den sog. Flasergabbros des sächsischen Mittelgebirges hinüberleitet. Man sieht dort Amphibolschiefer, aus Labrador und Hornblende bestehend, kleinere, plumpe Linsen von körnig-massigem Gabbro umschlossen ; dieser Gabbro enthält neben den Hauptbestand-
teilen des Diallag (Hypersthen) und des Labrador auch reichlich Olivin. Die bei weitem größte Masse dieser Gabbros von Siebenlehn ist in Serpentin umgewandelt; so wurde mit den Bauen von Romanuserbstolln und Adolfstolln eine etwa 800 m lange und 500 m breite Serpentinlinse durchfahren; auch in dieser Masse wurden noch Reste des ursprünglichen Eruptivgesteines (des Gabbros) gefunden.
Über die Verbandverhältnisse dieser großen Gabbro- resp. Serpentinmassen bei Siebenlehn zu den umgebenden Gneisen der oberen Freiberger Gneisstufen läßt sich nichts bestimmtes sagen, da das Ser-
pentinlager sowohl im Hangenden als im Liegenden von Verwerfungen
oder Überschiebungen begrenzt zu werden scheint. f) Die Granite.
Von den zahlreichen Graniten, welche auf der sächsischen Spezialkarte auf dem Erzgebirge als >Granite ausgeschieden sind, erwähnen wir hier nur die wichtigsten.
1. Der Granit von Bobritzsch, östlich von Freiberg, ist der älteste oder wenigstens als der tiefste bekannte Granitstock des Erzgebirges ; er lagert in der unteren Stufe der Freiberger Gneise. Dieser Granit ist mittel- bis grobkörnig ; er besteht aus blaß fleischfarbenen Orthoklasen, die zuweilen bis 3 cm große Kristalle bilden, aus weißlichem, oft schwach grünlichem Oligoklas, aus Quarz und aus verhältnismäßig wenig Biotit. Im Glimmer liegen häufig Apatitnädelchen ; selten ist Zirkon und Schwefelkies.
Durch den reichlichen Gehalt an Oligoklas gleicht er den Lausitzer Graniten; wegen des mangelnden Muscovites kann man das Gestein als einen Granitit (= Biotitgranit) bezeichnen. Die chemische
Bauschanalyse (unten Nr. I, S. 51) zeigt einen verhältnismäßig hohen Gehalt an Natron und Kalk, weshalb auf einen Oligoklas geschlossen wird 2) .
Der Granitstock wird von einigen pegmatitischen Gängen, die wir als letzte Exhalationen des erstarrenden Granitmagmas ansehen, und von zahlreichen bis meterbreiten Aplitgängen durchsetzt. Die grobkörnigen Pegmatite enthalten in Hohlräumen auch Albit. Die feinkörnigen Aplite sind bald ärmer an Glimmer als die Granithauptmasse
und dann fleischrot gefärbt, bald biotitreicher, schwärzlichgrau gefärbt 1) K. Dalmer und E. Dathe , Erläuterung zu Sektion Roßwein-Nossen , 1887, S. 20-23 .
2) A. Sauer, Erläuterungen zu Sektionen Freiberg, 1887, S. 50-57, und Lichtenberg-Mulda, 1886, S. 21-24.
Die Granite.
43
und etwas porphyrisch ausgebildet; sie enthalten ebenfalls Plagioklas neben dem vorherrschenden Orthoklas.
Der Granit umschließt viele Einschlüsse fremder Gesteine , die durch den Einfluß des Granites stark umkristallisiert, feinkörnig, dunkelgefärbt sind und zuweilen bis metergroß werden; sie führen Horn-
blende, Biotit, Augit, Orthoklas, Quarz, Apatit und Titanit. Durch ihre größere Härte wittern diese Einschlüsse als Wülste und Knollen aus der Oberfläche des leichter zerstörbaren Granites heraus. Es läßt
sich nach den vorliegenden Notizen nicht sagen, welchem Gesteine diese jetzt offenbar stark metamorphosierten Einschlüsse angehörten. Wegen der schlechten Aufschlüsse sind die Lagerungsverhältnisse zwischen dem Granit und den diesen umrandenden Gneisen schwer
festzustellen. Im allgemeinen scheint der Granit eine flache Kuppel,
10 km lang, 2,5 km breit, zu bilden, von der die Gneise auf der ganzen Westseite und auf der Ostseite konkordant abfallen.
Außerdem aber
sind an einigen Stellen der Umrandung Verwerfungen vorhanden , an denen der Granit völlig zerquetscht und der Gneis steil bis senkrecht aufgerichtet ist. Im einzelnen hat C. F. Naumann konstatiert, daß der Granit mit
Apophysen in den Gneis eindringt; auch soll mit dem an den Granit herangetriebenen Samuelerbstolln bei Naundorf ein überaus häufiger Wechsel von Granit und Gneis überfahren worden sein.
Endlich liegen auf der Oberfläche der Granitkuppel Blöcke von Gneis als letzte Reste der ehemals den Granitstock überspannenden Gneisdecke.
Im ganzen haben wir also in dem Bobritzscher Granitstock das Bild eines Lakkolithen vor uns, wie wir dies noch öfters bei den Granitstöcken des Erzgebirges zu konstatieren haben werden. Ein dichter Augitsyenit, der im Bobritzscher Granit einen kleinen
Eruptionspunkt östlich der Kirche von Nieder-Bobritzsch bildet, bietet dadurch ein besonderes Interesse, daß seine Eruption eine vollständige Zerteilung und Zerspratzung der Granitmasse zur Folge gehabt hat¹) : >infolge dieses Prozesses der teilweisen Durchtränkung, Aufweichung und Zerspratzung des Granites findet man auch eingeschlossene Fragmente des letzteren schweifartig ausgezogen oder zu einer Masse mit deutlich fluidaler Struktur umgeformt« . Dies erinnert an die schweifartig ausgezogenen, im Gneis einge-
schlossenen Amphibolite, wie wir sie oben kennen lernten (Profil 1, S. 37) und an die sog. Flasergabbros mit ihren fluidalen Strukturen. Außerdem bietet uns Sauers Beschreibung der vollkommenen Durch-
dringung und der dabei erzeugten stofflichen Umänderungen beider Gesteine ein treffliches Analogon für die Entstehung des Gneises, wie wir sie unten besprechen werden.
2. Der Fleyher Granit lagert in der oberen Stufe der grauen
Gneise, in den klein- bis mittelkörnig-schuppigen Biotitgneisen (gnk); er bildet einen großen Stock auf dem Kamm des Erzgebirges bei den
Quellbächen der Freiberger Mulde und der Flöha ; der höchste Punkt dieser ca. 11 km langen und 7 km breiten Granitmasse liegt auf dem 1) A. Sauer, Sektion Lichtenberg-Mulda, 1886, S. 25 .
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
44
Wieselstein in 956 m; der größere Teil derselben breitet sich jenseits der sächsischen Grenze auf böhmischen Boden nordwestlich über Klo-
stergrab aus.
Dieser Granit ist wie der Bobritzscher ein oligoklasreicher Granitit, d. h. ein Biotitgranit; Muscovit fehlt. Orthoklas, Oligoklas, Quarz und Biotit setzen ein überaus gleichmäßiges , mittelkörniges Gestein zusammen; accessorisch sind Apatit, Zirkon, Magneteisen und Schwefelkies vorhanden. Wenn sonach der Fleyher Granit völlig übereinstimmt mit dem 20 km weiter nördlich gelegenen Bobritzscher Granit bei Freiberg , so zeigt doch die Bauschanalyse des Fleyher Granites (unten S. 51 , Nr. II) einen um 6% niedrigeren Gehalt an Kieselsäure ; offenbar enthielt das analysierte Stück des Fleyher Granites mehr Feldspat als dasjenige des Bobritzscher Granites. Auch hier ist ein flaches Einschießen des Granitstockes unter das
Gneisgebirge sehr wahrscheinlich; stellenweise, so im Flöhatale und bei Moldau, nimmt der Gneis an der Granitgrenze ein steileres bis senkrechtes Einfallen an 1). Ein mächtiger Gang von demselben Oligoklasgranitit durchschneidet die Gneise bei Ullersdorf nahe der Ostseite des Granitmassives ; der
Granit des Ganges besitzt etwas feineres Korn und wird porphyrisch durch größere Feldspateinsprenglinge. Eine große Anzahl von feinkörnigen Ganggraniten sitzt sowohl im Granitmassiv selbst auf, als in den umrandenden grauen Gneisen bis auf 1 km Entfernung von der Granitgrenze, und zwar namentlich längs der West- und Nordgrenze des Massives ; zum Teil sind es Lagergänge im Gneis, d. h. sie schalten sich parallel der Gneisschichtung ein. Diese feinkörnigen Granitgänge (Aplite) sind immer sehr glimmerarm und reich an Plagioklas ; sie enthalten Biotit und Muscovit, und spärlich Turmalin. In den sehr weit ausgedehnten Gneisgebieten von Freiberg über Marienberg und Annaberg bis Joachimsthal verzeichnen die sächsischen
Spezialkarten keine größeren Granitmassen; auch auf der böhmischen Seite werden keine ausgeschieden 2).
Dagegen erscheinen im westlichen Erzgebirge ausgedehnte Granitgebiete: die größte Granitmasse des Erzgebirges ist die von Eibenstock und Neudeck, deren Südrand sich über die Braunkohlenniederung des Falkenauer Beckens bei Chodau und Fischern in Böhmen erhebt;
unter der Braunkohlenbedeckung und jenseits des Egertales setzt sich diese Granitmasse im Karlsbader- und Kaiserwaldgebirge unmittelbar fort. Nördlich des Eibenstock-Neudecker Granitmassives, von diesem
getrennt durch eine 2-2,5 km breite Phyllitbrücke, liegt der Kirchberger Granitstock, dessen elliptischer Umfang oberflächlich 10-14 km Durchmesser besitzt ; weiter nordwestlich die kleinere Lauterbacher Granitmasse ; auf der Ostseite mehrere kleine Granitaufbrüche bei
Schneeberg und Aue; endlich an den Quellen des Schwarzwassers auf dem Kamm des Erzgebirges die kleine Granitmasse bei Platten.
Zum größten Teil stecken diese Granitmassive in der Phyllit 1) R. Beck, Sektion Nassau, 1887, S. 32. Erzgebirges, II. Teil, 1887, S. 194.
G. Laube, Geologie des böhmischen
2, G. Laube, Geologie des böhmischen Erzgebirges. II. Teil, 1887, S. 90-182 .
Die Granite.
45
formation; sie sind sämtlich umgeben von ausgezeichneten Kontakthöfen, die auf der sächsischen Spezialkarte vorzüglich zum Ausdruck gebracht worden sind. Erst auf dem Südabhange des Erzgebirges sind die Granitmassen von Glimmerschiefern und Gneisen umgeben. G. Laube unterscheidet auf der böhmischen Seite einen > Erzge-
birgs- und einen >Gebirgsgranit , zwei nicht glücklich gewählte Namen; der erstere ist ein albitreicher, zinnstein- und turmalinführender
Granit mit Biotit und Muscovit ; der zweite ist ein plagioklasarmer, erzfreier Granit mit Biotit und mit wenig Turmalin. Den »Erzgebirgsgranit Laubes nennen die sächsischen Landesgeologen » Turmalingranit , welcher Name zu der falschen Ansicht führt, daß dieser Granit überall Turmalin enthält und andere Granite turmalinfrei
wären, was beides nicht der Fall ist. Wir ziehen daher die lokale Bezeichnung vor. 3. Der Eibenstock-Neudecker Granit bedeckt im Erzgebirge ca. 600 qkm Oberfläche, in einer Länge bis zu 40 und einer Breite von 10-20 km. Dieser Granit ist zum größten Teil grobkörnig ; er besteht aus : Orthoklas (weiß bis lichtrosa) ; in geringer Menge Albit (seltener Oligoklas) ; Quarz ; ein dunkelbrauner bis schwarzer Glimmer, der ein eisenreicher (18,5 % FeO + Fe2O3 ) Glimmer mit 8,5 % Kali, 3,40 , Lithion und kaum 100 Magnesia ist, also etwa ein Zinnwaldit, der durch den Magnesiagehalt sich dem Biotit nähert 1) . Weiße Blättchen von Muscovit sind nur wenige vorhanden. Von accessorischen Bestandteilen ist schwarzer Turmalin oft sehr
reichlich, zuweilen spärlich in dem ganzen großen Granitstocke verbreitet, und zwar stets in strahligen oder körnigen Anhäufungen mit Quarz, seltener mit Feldspat vereinigt; häufig sind die Turmalinnadeln radialstrahlig zu » Turmalinsonnen angeordnet. Gelegentlich kommen grünlich- oder gelblichweiße Körnchen von Topas vor. U. d. M. zeigen sich Apatitnädelchen häufig. Auch Zirkon ist nachgewiesen. Durch groß ausgeschiedene Orthoklaszwillinge (3-5cm, auch bis 8 cm lange Kristalle) erscheint der grobkörnige Granit zuweilen porphyrisch. In den grob- oder mittelkörnigen Hauptgranit sind nun eine große Anzahl von feinkörnigen Graniten derselben Zusammensetzung eingedrungen, die als Schlieren und als Gänge meist so innig verflößt sind mit dem Hauptgranit, daß sie nur als Nachschübe des Magmas in dem ganz allmählich erstarrenden Granitstock betrachtet werden können2) . Zuweilen sind auch die Gänge und Schlieren des feinkör-
nigen von dem grobkörnigen Hauptgranit schärfer abgesetzt , so daß dann der durchbrochene Granit schon weiter erkaltet war. DieGänge 1) Die chemische Analyse dieses Glimmers in: M. Schröder, Erläuterung zu Sektion Eibenstock, 1884, S. 6.
2) Siehe die Beschreibung dieser genetisch wichtigen Lagerungs- und Verbandsverhältnisse der Granitmassen im Eibenstocker Massiv in: M. Schröder, Er-
läuterung zu Sektion Eibenstock, 1884, S. 14-23 Ebenso in : K. Dalmer, Sektion Schneeberg, 1883. Die ältere Literatur siehe in : Ed. Reyer, Tektonik der Granitergüsse von Neudeck und Karlsbad und Geschichte des Zinnbergbaues im Erz-.
gebirge. Jahrb. k. k. geol. Reichsanst. Wien, 29. Bd. 1879 , S. 405-462. auch : F. Löwl, Die Granitkerne des Kaiserwaldes bei Marienbad. Prag 1885.
Vgl .
46
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
verästeln und durchkreuzen sich; die Schlieren breiten sich oft horizontal
und deckenförmig aus im Hauptgranit, in dem sie nicht nur senkrecht und schräg, sondern auch horizontal (und zwar 1-2 km weit) injiziert sind; in guten Aufschlüssen lassen sich vertikale Gänge in schräg aufsteigende und in horizontal liegende Schlieren verfolgen. Wie gewöhnlich sind die feinkörnigen Gang- und Schlierengranite arm an Glimmer und
reich an Feldspat; man erkennt zuweilen in den Schlieren eine Art fluidaler Bänderung durch Wechsel von glimmerreichen und glimmerarmen Lagen.
Auch pegmatitische Ausbildung ( > Riesengranit ) und Schriftgranit finden sich gelegentlich; selten Drusenräume, in denen Albit, Muscovit, Quarz, Apatit und Flußspat sich neu gebildet haben. Gerade wie in dem Altenberg-Zinnwalder Granit, trifft man auch hier im Eibenstocker Granit die als > Greisen bezeichnete Modifikation
des Granites in der Nähe der den Granit durchkreuzenden Zinn-,
Wismut- und Eisenerzgänge an: beiderseits eines solchen Erzganges besteht der Granit nämlich ziemlich häufig fast lediglich aus Quarz, zwischen dessen Körnern grauer Glimmer (Kalieisenglimmer mit etwas Lithion) in einzelnen Blättchen und in schuppigen Aggregaten unregelmäßig eingewachsen ist; auch ist feinverteilter Zinnstein darin; die zahlreichen kleinen Hohlräume des Gesteins zeigen zuweilen noch die
Formen der zerstörten Feldspäte und sind jetzt mit Quarzkristallen, lettiger Substanz, Muscovit, Kaolin und Eisenocker ausgefüllt. Da das als > Greisen« bezeichnete Gestein in einiger Entfernung von den Erzgängen ganz allmählich in den normalen Eibenstocker Granit übergeht, auch zuweilen der normale Granit noch bis an die Gänge kaum verändert herantritt , so ist wohl die Ansicht der sächsischen Landesgeologen (A. Sauer, K. Dalmer, M. Schröder) richtig, daß der >>Greisen> Erzgebirgsgranites
99,65 Prozent. Der grünlichgraue Glimmer des Greisens ist ein fluor- und lithionhaltiger, eisenreicher Kaliglimmer mit wenig Kalk, Magnesia, Natron und Mangan; auch etwas Zinnsäure ist in dem Glimmer enthalten.
Auf den nach den verschiedensten Richtungen streichenden Gangspalten und Klüften der Altenberg - Zinnwalder Granitstöcke finden sich außer Zinnstein auch andere Erze , nämlich: Arsenkies , Kupfer-
kies, Schwefelkies, Molybdänglanz, Zinkblende, Wismutglanz. Fahlerz, Eisenglanz , Magneteisen, Spateisen, Wolfram: außerdem Malachit, Kalkspat, Uranglimmer, Flußspat, Gips, Schwerspat.
Auch in den Quarzporphyr, in welchem die Altenberg-Zinnwalder Granitstöcke liegen, sind im Kontakt zum Greisen die Zinnsäuredämpfe eingedrungen; jedoch verlohnte sich der Abbau dieser geringen Lagerstätten im Quarzporphyr nur bei hohen Zinnpreisen. Wir nehmen an, daß in der Durchdringung der Gesteine mit Kieselsäure, mit Bor- und Zinnsäure, mit Fluor- und Lithiondämpfen sich die letzte Betätigung der Graniteruptionen zu erkennen gibt, in ähnlicher Weise wie in anderen Granitstöcken die turmalinhaltigen pegmatitischen Gangbildungen als letzte Eruptionstätigkeit des granitischen Magmas anzusehen sind. Die hier folgende Zeichnung 3 erläutert gut diese Verhältnisse.
Nach den Untersuchungen Dalmers 2) sind die Granite von Altenberg-
Zinnwald-Schellerhau jünger als die große Teplitzer Quarzporphyrdecke, 1) Erläuterung zu Sektion Altenberg-Zinnwald, 1890, S. 55.
2) K.Dalmer, Erläuterung zu SektionAltenberg-Zinnwald, 1890. - Ed. Reyer nahm an, daß Granit und Quarzporphyr einer einheitlichen Eruptionsmasse angehören, in: Über die erzführenden Tieferuptionen von Zinnwald-Altenberg , Jahrb. k. k. geolog. Reichsanst. 29. Bd. 1879, S. 13.
Die Granite.
49
in welcher sie zum großen Teil stecken; da nun die Quarzporphyre an einigen Stellen mitten zwischen Ablagerungen oberkarbonischen Alters eingeschaltet sind , und die Graniteruptionen wohl rasch auf die Porphyrbildung folgten , so würden die Granite von Altenberg, Zinnwald und Schellerhau als die jüngste Ausbruchsmasse der oberkarbonischen Eruptionsperiode anzusehen sein; der ganzen Lagerung der Gesteine nach können sich nicht besonders mächtige Gesteinsmaśsen über dem Orte der erstarrenden Granite befunden haben; trotzdem soll
ja der Granit ein >Tiefengestein« sein, d. h. in so großer Erdtiefe erstarrt sein , daß seine Abkühlung eine langsame war und eine mehr oder weniger grobkörnige Gesteinsstruktur entstand. aaa
0,75m
a a
a
a
a a
Profil 3.
Greisentrümer (a) im Granit. Granitit von Markersbach bei Gottleuba. Von den Spalten aus ist der rötliche Granit in dunkelgrauen Greisen umgewandelt. Die
; sieenthaltenZinnund Greisentrümer bestehen aus Quarz unddunkelgrünemGlimmer stein, Topas, Turmalin, Flußspat, Zinkblende, Molybdänglanz. R. Beck, Erläuterung zu Sektion Berggießhübel, Leipzig 1889, S. 28, Taf. I, Fig. 6, 7.
Der Schellerhauer Granit bildet eine 8 km lange und bis 3 km
breite Gangmasse, welche Gneis, Oberkarbon und die Quarzporphyrdecke durchbricht. Die kleine Altenberger Granitmasse sitzt im Granitporphyr auf, und zwar ist sie jünger als dieser, da sie Apophysen in
den Granitporphyr entsendet¹). Der Zinnwalder Granit tritt in einer langgezogenen Ellipse von 1,2 km Länge und bis 0,3 km Breite zu 1) K. Dalmer a. a. O. S. 44.
R. Lepsius, Geologie von Deutschland. II.
4
50
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
Tage und sinkt allseits mit flachen Winkeln von etwa 30° unter die
mantelförmig umlagernde Quarzporphyrdecke ein; durch den Bergbau ist diese flachkuppenförmige Lagerung der Zinnwalder Granitmasse ermittelt worden. Auch der Altenberger Granit lagert im allgemeinen kuppenförmig unter dem Granitporphyr , wenn man von einigen Verwerfungen in der Umrandung der Granitmasse absieht. 8. Ahnlich den Altenberg- Zinnwalder Lagerstätten sind die drei interessanten kleinen Granit- Greisen - Stöcke bei Geyer und Ehrenfriedersdorf, nordwestlich von Annaberg gelegen 1). Der normale Granit vom Greifenstein, dem 727 m hohen Gipfel mit herrlicher Aussicht
westlich über Ehrenfriedersdorf, ist mittelkörnig; er enthält Quarz, rötlichen Orthoklas , ziemlich viel weißlichen Plagioklas (Oligoklas) , wenig Glimmer (dunkelbraunen Biotit, vereinzelt Muscovit) ; daneben
Topas, Turmalin, Flußspat, Apatit, Zinnstein, Titaneisen, Arsenkies. Ebenso zusammengesetzt sind die beiden anderen Granitmassen bei Geyer. An einigen Stellen wird die Struktur porphyrartig durch eine
feinkörnige Grundmasse, in der Quarz- und Feldspatkristalle eingesprengt liegen.
Bemerkenswert ist die ausgeprägte platten- oder matratzenförmige Absonderung des Granites der Greifensteiner Klippen; die Bänke liegen horizontal und neigen sich in SW allmählich bis 15° ein; man hielt diese Bankung früher für Schichtung 2); es ist eine fluidale Erscheinung. Der Granit des Greifensteines steckt wie die meisten Granite des
Erzgebirges als eine flache Kuppel im Glimmerschiefer und zeigt in den zu mehreren in der Umgebung der Klippen eröffneten Steinbrüchen im großen und ganzen auch eine flach-kuppelförmige Anordnung seiner Bänke. Da die Grenzen der Granitpartien vom Greifenstein und von Geyer einander zufallen, und da der Bergbau in Glimmerschiefer zwischen beiden Partien Granitapophysen nachgewiesen
hat, erschien es schon Stelzner wahrscheinlich, daß die drei Granitstöcke unterirdisch zusammenhängen.
Wir hätten demnach einen
Granitlakkolithen vor uns , dessen Oberfläche an drei Stellen durch die Denudation zu Tage gelangt ist. Zahlreiche Einschlüsse von Gneis- und Glimmerschiefer in der Größe bis zu mehreren Kubikmetern sind in den Granitstöcken ent-
halten, und zwar nicht nur von den seitlich anstehenden Glimmerschiefern , sondern auch von Gneisen , die der Granit aus der Tiefe mitgebracht hat.
Eine großkörnige pegmatitische Ausbildung des Granites wird besonders im Umfang des Geyerschen Stockes beobachtet , während in
der Greifensteiner Kuppel dieselbe mehr in Gängen und Nestern, sowie häufig im Kontakt mit den fremden Einschlüssen entwickelt ist; Topas, Turmalin, Apatit, Biotit in größern Tafeln, seltener Zinkblende, Arsenkies, Amblygonit finden sich in den Pegmatiten. 1) Fr. Naumann , Erläuterungen zur geognostischen Charte des Königreichs
Sachsen. II. Teil , S. 173--184, 1838.
A. Stelzner, Die Granite von Geyer und
Ehrenfriedersdorf, sowie die Zinnerzlagerstätten von Geyer. Freiberg 1865. F. Schalch, Erläuterung zu Sektion Geyer, S. 44-61. Leipzig 1878. 2) Fr. Naumann a. a. O. S. 174.
Die Kontakthöfe der Granitstöcke in der Phyllitformation.
51
Sowohl die Granite wie ihre Nebengesteine werden endlich von Schwärmen zahlreicher Zinnerzgänge durchsetzt, die unabhängig von den Granitkuppeln ziemlich gleichmäßig in NO ziehen und 70-80° in NW einfallen; diese Gänge, welche meist nur einige Zoll mächtig werden, bestehen aus Quarz, Zinnerz, Wolfram, Arsenkies, Eisenkies, Flußspat, Talk, Speckstein. Zum Teil geht auch hier der Granit an den Erzgängen durch Umwandlung in Greisen über. Die Schwärme von Zinnerzgängen auf dem Sauberge bei Ehrenfriedersdorf setzen im Gneisglimmerschiefer auf; sie sind offenbar gleichzeitig mit den übrigen Zinnerzgängen dieser Gegend entstanden und sind als letzte Exhalationen der recht jungen Granitausbrüche zu betrachten.
Chemische Analysen von Graniten.
Kieselsäure Titansäure Tonerde
I.
II.
III .
IV.
71,42 0,94 11,30
65,20
74,68 0,71 12,73
75,96
Eisenoxyd 4,23
17,70 1,65 0,39
} 3,00
0,48 3,02 1,07 3,54
3,22 1,88 4,66
0,09 0,35 4,64
Natron
2,89
4,09
1,54
Wasser
1,40
Eisenoxydul Manganoxydul . Kalkerde
Magnesia Kali
100,29
98,79
15,01 Spur
1,17
2,70 0,33 1,53 4,49 Spur
98,91
100,02
P₂O₃: 1,40 SnO2: CuO : 0,09 0,50 SO3 Fl } Spur I. Granit von Bobritzsch östlich Freiberg. Th. Scheerer, Zeitschr. Deutsch. geol. Gesellsch. 1862. S. 46.
II. Fleyher Granit vom Teichhaus an der Freiberger Mulde unterhalb Moldau. R. Beck, Erläuterung zu Sektion Nassau. 1897. S. 31.
III. Granit von Altenberg aus dem westlichen Teil der Altenberger
Pinge. K. Dalmer, Erläuterung zu Sektion Altenberg -Zinnwald 1890.
S. 52.
IV. Granit vom Greifenstein bei Ehrenfriedersdorf. F. Schalch, Erläuterung zu Sektion Geyer. 1878. S. 45. g) Die Kontakthöfe der Granitstöcke in der Phyllitformation. Wo die eben beschriebenen Granitstöcke im Gneis und Glimmer-
schiefer des Erzgebirges aufsitzen , wie die Granite von Bobritzsch, 4 *
52
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
Fley, Geyer, Schwarzenberg, Neudeck, lassen sich keine besonderen Kontaktwirkungen beobachten, und zwar deswegen, weil die Gneise und Glimmerschiefer teils selbst Granite , teils bereits durch ältere Granite vollkommen umgewandelte Schiefer sind. Dagegen stellen die Phyllite ein noch so wenig verändertes Schiefermaterial dar, daß eine
kräftigere Einwirkung jüngerer Granite weitere wesentliche Umkristallisierungen in den Phylliten hervorrufen konnte. Daher erscheinen rings um die Granitkuppeln, die in und unter Phylliten, Cambrium-, Silur- und Devonschiefern stecken, so um die Granite von Eibenstock, Lauterbach, Kirchberg, Aue und am Nordostrande des Erzgebirges bei Pirna und Gottleuba, Zonen von mehr oder weniger stark umkristallisierten Phylliten, Schiefern und Grauwacken, sog. Kontakthöfe, deren Natur von der sächsischen Landesaufnahme besonders sorgfältig untersucht und deren räumliche Verbreitung auf den Spezialkarten in ausgezeichneter Weise zur Darstellung gebracht worden ist 1) .
Da die Oberflächen der Granitlakkolithen meist flach liegen und flach einfallen unter die umgebenden Phyllite und Schiefer, so werden die Kontakthöfe oft mehrere Kilometer breit ; die zwischen zwei Granit-
kuppeln befindlichen Phyllite sind in schmalen Brücken vollständig metamorphosiert, wie in dem Streifen zwischen den Eibenstocker und Kirchberger Granitmassiven.
Proportional ihrer direkten Entfernung vom Granit sind die Phyllite , Schiefer, Quarzite und Grauwacken in den Kontakthöfen mehr oder weniger stark umkristallisiert worden , und es sind durch diese Kontaktmetamorphose die folgenden Gesteine entstanden. Die Fruchtschiefer (Fleck- und Garbenschiefer) zeigen den Beginn der Metamorphose in der weitesten Entfernung vom Granite : in den gewöhnlichen Phylliten oder Schiefern stellen sich anfangs spärliche , bald aber häufiger und deutlicher werdende , unregelmäßig verteilte dunkle Flecken ein, die bald größer und deutlicher werden, sowie schärfer ausgeprägte Formen, und zwar insbesondere die von Getreidekörnern, weniger häufig die von Büscheln oder Garben annehmen.
Die dunklere Färbung dieser Flecke wird durch eine dich-
tere Anhäufung von dunklen Körnchen, meist von Eisenerzen, seltener von kohligen Substanzen bewirkt, ohne daß es in der Regel gelingt, die Ursache dieser Anhäufung zu erkennen; die garbenförmigen Flecke
entstehen jedenfalls durch Ansatz von neugebildeten Kristallen, etwa von den basischen Tonerdesilikaten (Andalusit, Dipyr), welche sich im fortgeschrittneren Stadium der Metamorphose deutlich zeigen. Die Schiefermasse zwischen den Flecken verändert sich zunächst
1) Für die Kontakthöfe der Granite auf dem westlichen Plateau des Erzge-
birges siehe die Sektionen : Treuen, Olsnitz, Planitz, Auerbach, Falkenstein, Zwota, Kirchberg, Schneeberg, Eibenstock, Lößnitz, Schwarzenberg , Johanngeorgenstadt, nebst Erläuterungen von K. Dalmer, M. Schröder, F. Schalch, Leipzig 1881-1889. Carl Gäbert, Die geologische Umgebung von Graslitz im böhmischen Erzgebirge. Jahrb. k. k. geolog. Reichsanst. 49. Bd. S. 581-640. Mit geologischer Karte. Wien 1899. Für die Kontaktzonen der Granite am Nordostrande des Erzgebirges die Sektionen : Pirna und Berggießhübel nebst Erläuterungen von R. Beck. Leipzig 1889 und 1892.
Die Kontakthöfe der Granitstöcke in der Phyllitformation.
53
nicht; bald jedoch wird auch sie von der Umwandlung betroffen, indem dieselbe einen lebhafteren Glanz durch größer auskristallisierte
Muscovitblättchen und Quarzkörnchen erhält; die grünen chloritischen Blättchen der Phyllite werden in dunkelbraune Biotitblättchen umkristallisiert. Es entstehen glimmerige Garbenschiefer. Das dritte Stadium ist durch den schiefrigen Hornfels ( Glimmerfels) charakterisiert : die Schiefer nehmen mehr und mehr eine fein-
schuppige Struktur an, immer zahlreicher erscheinen deutlich umgrenzte Glimmerblättchen; die eben- und glattschiefrige Spaltbarkeit der Phyllite und Schiefer geht mehr und mehr verloren und macht einem dickschiefrigen Gefüge Platz. Die dunklen Flecke , Büschel und Garben verschwinden allmählich , und deutlich erkennbare Andalusite stellen sich ein.
Das letzte , höchste Stadium der Metamorphose endlich erzeugt den Andalusit- Hornfels , ein undeutlich schiefriges bis völlig massiges, durch und durch schuppig-kristallines Gestein, welches aus Muscovit und Biotit , Quarz und Andalusit besteht; auch Magneteisenkörnchen sind zu erkennen; Granatkristalle treten gelegentlich auf. Die für Schiefer und Phyllite so charakteristischen Rutilnädelchen
werden schon im zweiten Stadium der Gesteinsumwandlung seltener und *verschwinden bald ganz; vermutlich wird die Titansäure von den Quarzneubildungen absorbiert. Dagegen bleiben die Turmalinnädelchen der Phyllite und wachsen sich zuweilen zu größeren Kristallen aus. In den Albit führenden Phylliten werden die Albite nicht wesentlich verändert. In den Quarziten macht sich die Metamorphose schwerer geltend als in den Schiefern : einzelne Andalusitnadeln entstehen; das Gestein nimmt eine mehr oder weniger deutliche kristalline Struktur, eine größere Härte und ein dichteres Gefüge an, durch Zusammenschweißen der Quarzkörnchen.
Dies sind diejenigen kontaktmetamorphen Einwirkungen, welche die Granite im allgemeinen auf ihre Schieferhüllen ausgeübt haben, ohne daß eine Zufuhr von neuer Substanz in die Schiefer vom Granit
aus stattgefunden hat : die im Schiefer vorhandenen klastischen Be-
standteile werden auf wässrigem Wege mittels der vom Granitmagma ausstrahlenden Wärme und großen abgegebenen Wasserdampfmassen zum Teil aufgelöst ; die gelösten Stoffe kristallisieren bei abnehmender Wärme im Schiefer wieder aus, wobei entweder die vorhandenen Mine-
ralien durch Anwachsen neuer Substanz sich vergrößern (Muscovit, Quarz , Feldspat , Turmalin) , oder neue Mineralien entstehen (Biotit, Andalusit, Chiastolith, Dipyr, Graphit, Magneteisen); manche ehemals im Schiefer vorhandenen Mineralien (Chlorit, Rutil, verschiedene Eisenverbindungen , kohlige Substanzen) wurden aufgelöst, ohne wieder in der alten Form zu erscheinen.
Außerdem dringen das Granitmagma selbst mit Apophysen und Gängen, sowie Wasserdampfmassen und Bor- , Fluor-, Zinn-, Kieselsäure in Gas- und Dampfform in die Spalten der über- und umlagernden Phyllite und Schiefer ein, und die letzten Exhalationen der Graniteruptionen durchsetzen in derselben Weise wie die Granitlakkolithen selbst, auch die Schieferhülle. In letzterer Art sind die Turmalin- und Topasanhäufungen zu verstehen, wie sie in den Kontakthöfen
54
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
sich finden, besonders in der Umgebung des großen Eibenstocker Granitmassives. Auf der beifolgenden Zeichnung 4 sieht man, wie die Kiesel- und Borsäuredämpfe von einer Kluft aus in den Andalusithornfels hineinsublimiert sind.
a
T Profil 4
bei der alten Grube Sechs-Brüder-Einigkeit am Auersberge bei Eibenstock auf
demErzgebirge. M. Schröder, Erläuterung zu Sektion Eibenstock, Leipzig 1884, S.39. a Andalusithornfels .
T Turmalinquarzgang, unten 10 cm mächtig. t Turmalindurchdringung der Andulusithornfelse im Kontakt des Turmalinquarzganges. Breite der Turmalinzone bis 0,5 m.
In ausgezeichneter Weise beobachtet man die Turmalindurch-
dringung des Andalusithornfels auf dem Auersberge (1018 m bei Eibenstock) , dieser mitten auf dem Granitmassive lagernden stark kontaktmetamorph veränderten Schieferscholle.
Topas ist, wie wir eben gesehen haben, ein häufiger Begleiter der jüngsten Exhalationen innerhalb der Granitgebiete; so erscheint er auch nicht selten in den Schieferkontakthöfen; ja in einzelnen Gängen geht er bis über die eigentlichen Kontaktzonen hinaus. Am bekanntesten ist der Topasfels des Schneckensteines, in der
Nähe der Quellbäche der Zwickauer Mulde, auf der Westseite des Eibenstocker Granitmassives, 4 km südöstlich Bahnhof Hammerbrücke gelegen 1). Mitten im Walde , in einsamster Gegend, ragt eine 24 m hohe Felsklippe empor, die zusammengesetzt ist aus gewöhnlich faustgroßen Bruchstücken eines feinkörnigen Turmalinquarzitschiefers, welche durch Topasquarzadern in unendlicher Verzweigung fest miteinander verkittet sind. Der Topas ist weingelb; hellgelb bis wasserhell durchsichtige Topaskristalle und Quarzkristalle ragen frei in die Hohlräume der Gangadern hinein; hieraus stammen die zahlreichen schönen 1 Über den Schneckenstein siehe: A. Breithaupt , Über den Schneckenstein im sächsischen Vogtlande. N. Jahrb. Min. 1854, S. 787. — M. Schröder, Erläuterung
zu Sektion Falkenstein, S. 40-54. Leipzig. 1885.
Die Kontakthöfe der Granitstöcke in der Phyllitformation.
55
Topaskristalle , die vom »Schneckenstein bei Auerbach in Sachsen in allen Sammlungen liegen 1).
Die plattigen Bruchstücke der Breccie und die dünnschichtigen, schwarz und weiß gestreiften Turmalinquarzitschiefer der einzelnen Bruchstücke fallen im allgemeinen gleichförmig mit 25-30° gegen
NO ein, wodurch bewiesen wird, daß im ganzen keine Reibungsbreccie vorliegt , sondern wie bei gewöhnlichen Granitadern, gleichzeitig mit der Spaltenbildung und Zertrümmerung der Schiefer die Durch-
wachsung mit Quarz und Topas geschehen ist. Einige querliegende, große (bis 1 cbm) und kleine Schieferbruchstücke weisen jedoch auch auf Verstürzungen, die bei einer so gewaltigen Zertrümmerung notwendig vorkommen müssen.
In dem Topasquarzbindemittel finden sich außerdem schwarze Turmalinnadeln , Zinnstein in kleinen Kriställchen und Steinmark; auch Apatit, Kupferkies, Malachit und Kupferlasur erwähnt A. Breithaupt aus den Drusen. Wegen des Gehaltes an Zinnstein, den schon G. A. Werner kannte, rechnet A. Breithaupt die Gangmasse des Schneckensteins zur »Zinnerzformation . In der Tat dürfte diese Bil-
dung wie die übrigen Turmalin- Topas- Zinnerz- Quarz - Glimmergangbildungen in der nächsten Umgebung des Schneckensteines wie in den Eibenstock-Neudecker und wie in den Altenberg-Zinnwalder Graniten alle der gleichen Art von Exhalationen und den letzten Nachschüben
der jüngsten Graniteruptionen des Erzgebirges angehören. Für diese Durchdringung der Gesteine von den Spalten aus ist auch die Beobachtung wichtig , daß die Topase häufig in den Bruchstücken der Turmalinquarzitschiefer den Turmalin zum Teil oder ganz ersetzt haben, eine Verdrängung des Turmalins durch den Topas, welche zeigt, daß die Fluordämpfe (Topas vom Schneckenstein ent-
hält 15,65 % Silicium, 18,62 % Fluor, 30,08 % Aluminium) hier in den Gangbildungen am Schneckenstein später heraufsublimierten als die Borsäuredämpfe (Turmalin).
Daß die Topasbildung in der Schneckensteiner Gangmasse keine isolierte Erscheinung ist, geht auch daraus hervor, daß in der Umgegend derselben mehrere andere Fundpunkte bekannt sind: die Topas-Turmalinschiefer am Saubache 2 km südöstlich des Schnecken-
steins und die Topas führenden Quarzporphyrgänge daselbst und an anderen Punkten innerhalb der Phyllithülle des Eibenstocker Granitmassives. Die Feldspäte der Quarzporphyre sind zum Teil verdrängt durch Topas- und Quarzaggregate; auch die Grundmasse der Quarz-
porphyre ist zum Teil in derselben Weise umgewandelt; ebenso ist Zinnstein eingewandert. Wir haben also hier Gänge von Quarzporphyren vor uns , die durch die letzten Exhalationen der Graniteruptionen mit Kiesel-, Bor- und Zinnsäuren imprägniert wurden. Besonders interessant sind am Nordostrande des Erzgebirges bei Berggießhübel sowohl die Verbandverhältnisse zwischen Granit und Schiefer , als die Kontakthöfe der letzteren auf den Granitstöcken. 1) L Grünhut, Beiträge zur kristallographischen Kenntnis des Andalusites und
des Topases. A. Topas vom Schneckenstein, in Groths Zeitschr. für Krist. 9. Bd. S. 113-161. Leipzig 1884.
56
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
Wo keine Verwerfungen die Lagerung stören, liegen die metamorphen Schiefer hier ganz flach auf den Granitlakkolithen; unter Führung von Dr. Beck, der diese in jeder Beziehung wichtige Gegend aufgenommen und vortrefflich beschrieben hat, lernte ich die dortigen Verhältnisse in zahlreichen guten Aufschlüssen kennen. Am großartigsten sind die Kontakterscheinungen in einem bis
2 km breiten Hofe entwickelt , welcher den Markersbacher Granitit südöstlich von Berggießhübel allseitig umgibt. In einem Steinbruche am Südostabhange der Panoramahöhe bei
Berggießhübel sieht man den Granit ganz flach unter dem in Andalusithornfels umgewandelten Schiefer liegen; zahlreiche Apophysen des Granites dringen in die überlagernden Schiefer ein, und zwar sowohl auf Querbrüchen, als in die Schichtfugen parallel zur Schichtung. Hier wie in anderen Aufschlüssen derselben Gegend sieht man, daß die schwebend über dem Granit liegenden Schiefer nach unten in die Granitmasse hineingeblättert und von dem Granitmagma in jeder Richtung durchtrümert wurden. In diesen Kontakthöfen beobachtet man, daß die Schiefer der
Phyllite, des Cambrium und des Silur in Knoten- und Fruchtschiefer, in Glimmerschiefer und Andalusithornfels : feldspatführende Chloritphyllite in Biotitgneise ; feldspatreiche Sericitquarzitschiefer in feldspatreiche Biotithornfelse umgewandelt wurden.
Aus den Diabastuffen
(Schalsteinen) , dem Untersilur eingelagert, sind harte , splitterige, oft farbig gebänderte Gesteine entstanden, welche vorwiegend Kalksilikathornfelse sind und Epidot, Aktinolith, Anthophyllit, grüne Hornblende, hellgrünen Augit (Malakolith), Feldspat, Biotit und viel Magneteisen enthalten; gelegentlich häuft sich das Magneteisen zu Erzlagern an; wir machen also auch hier, wie so oft die Beobachtung, daß die ehemaligen Eisenoxyde durch die Einwirkung der Granite in Magneteisen umgewandelt werden ¹). Die den Diabastuffen oder den silurischen Tonschief ern einge-
schalteten Kalksteinlager wurden bei der Metamorphose in Marmor umkristallisiert; ihr Gehalt an Kohlenstoff ist Anthracit geworden ;
die Marmorlager sind begleitet von körnigen Granataugitgesteinen und von Magneteisenlagern. Der Gehalt, den die Kalksteine an Kieselsäure in Form von Ton ursprünglich führten, erzeugte die Kalksili-
kate ; Eisenoxydlager, die bereits vor den Granitausbrüchen durch chemischen Umsatz im Kalkstein sich gebildet hatten, wurden durch die metamorphe Einwirkung der Granite in Magneteisenlager umgesetzt. Im Granatfels finden sich auch : Tremolith, Aktinolith, Chlorit, Epidot, Zoisit, Eisenkies und Kupferkies . Endlich wurden auch die devonischen oder Kulm-Grauwacken, die über den Silurschiefern lagern und quer durch das Bahretal bei Seidewitz bis hinüber in das Müglitztal bei Weesenstein2) in mächtigen 1) Das Gesetz der Umwandlung von Kontaktmineralien, wie ich dasselbe zuerst
in meiner Geologie von Attika, 1893, S. 190ff. begründet habe, lautet :
Die Mole-
kularvolumina der neu entstehenden Mineralien sind stets kleiner als die Molekular-
volumina derjenigen Mineralien , aus denen sie entstanden. R. Lepsius , Zeitschr. deutsch. geolog. Ges. 1893, S. 532 . 2.Daher nennt sie Beck die Weesensteiner Grauwackenformation, Erläuterungen
Granitporphyr und Quarzporphyr.
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Schichten streichen, durch die Granite in zum Teil halbkristalline, zum Teil vollkristalline gneisartige Gesteine umgewandelt; diese Grauwacken wechsellagern mit Quarziten, Quarzitschiefern und mit Tonschiefern , die zu Glimmerschiefern , zu Andalusithornfels , zu Augithornblendeschiefern umkristallisiert sind.
Die dunkelgraubraunen metamorphen Grauwacken enthalten Konglomerate und führen Gerölle von Quarz , Quarziten , von glimmerarmen Apliten und von anderen mittel- bis feinkörnigen Graniten ; sowohl makro- wie mikroskopisch stimmen diese geröllführenden Grauwacken bei Seidewitz und Weesenstein mit den sog. dichten geröllführenden Gneisen auf dem Plateau des Erzgebirges (Obermittweida usw. siehe oben S. 32) so genau überein, daß ohne Zweifel in beiden Fällen
dieselben Gesteine, und zwar also metamorphe Grauwacken und Konglomerate von devonischem oder unterkarbonischem Alter vorliegen. h) Granitporphyr und Quarzporphyr .
Wir haben schon oben erwähnt, daß bei Altenberg und Zinnwald auf dem hohen Rücken des Erzgebirges 2-3 km mächtige Gänge von Granitporphyr durchziehen ; nahe westlich dieses Gebietes wird das Gneisgebirge von 0,5-1 km breiten Gängen desselben Gesteines durchsetzt in einer Länge von einigen 20 km. 1) Wie überall, wo solche
Gänge im kristallinen Grundgebirge vorkommen, ist der Gesteinstypus der Granitporphyre ein gleichförmiger und charakteristischer: in einer feinkörnigen, mehr oder weniger braunroten Grundmasse liegen zahl-
reiche größere Einsprenglinge von Orthoklas, Plagioklas und Quarz. In der Grundmasse lassen sich meist schon mit bloßem Auge, noch besser im Mikroskop beide Feldspäte, Quarz, Chlorit, Biotit und auch Hornblende erkennen ; in gewissen dunkelgrauen Varietäten nehmen mikroskopisch dunkelgrüne Hornblende und zuweilen lichtbrauner Augit an Menge zu. Außerdem wurden u. d. M. nachgewiesen: Apatit, Zirkon, Rutil , Zinnstein , Eisenglanz , Magnet- und Titaneisen. Das Gestein verwittert leicht zu einem groben Grus.
An den Salbändern der großen Gänge werden die Einsprenglinge kleiner und seltener, und die dann bei weitem vorwiegende Grundmasse erscheint dem bloßen Auge felsitisch, so daß die Gesteine von
den Quarzporphyren derselben Gegend nicht zu unterscheiden sind. In der Mitte ihrer Masse zeigen die Gänge dagegen nicht selten eine völlig granitische Struktur. Beides erklärt sich durch die schnellere oder langsamere Erkaltung der äußeren und inneren Teile der Ganggesteinsmassen.
Reyer , Hörnes und Schalch wollten in diesen Granitporphyren zu Sektion Pirna, 1892, S. 39-46 ; ich habe diese interessanten Gesteine unter der
sachkundigen Führung von Dr. R. Beck an Ort und Stelle kennen gelernt und später mikroskopisch untersucht. Ob dieselben ein devonisches Alter, wie R. Beck vermutet, besitzen ist zweifelhaft. Meiner Ansicht nach könnten es Kulmgrauwacken und Kulmkonglomerate sein ; Fossilien wurden bisher nicht in diesen Weesensteiner Grauwacken vorgefunden. 1) Sektionen Nassau und Dippoldiswalde; mit Erläuterungen von R. Beck und F. Schalch, Leipzig 1887.
58
Die kristalline Grundlage im Erzgebirge.
der Altenberger Gegend nur eine Erstarrungsmodifikation der Teplitzer Quarzporphyre sehen. Dagegen haben G. Laube 1) und K. Dalmer 2)
nachgewiesen, daß die Granitporphyre überall, wo Aufschlüsse eine genaue Beobachtung erlauben, sowohl die Decken wie die Gänge der Quarzporphyre durchsetzen, also jünger als diese sind. Immerhin werden die Granitporphyre bald nach den Quarzporphyren erumpiert sein, ebenso wie die jüngsten Ausbrüche der Altenberg-Zinnwalder Zinnstein führenden Granitstöcke (oben S. 49).
In anderen Teilen des Erzgebirges sind Granitporphyre selten. Einige nordwestlich streichende, schmale Gänge zeichnet R. Schröder auf Blatt Zwota, westlich Graßlitz ein; auch hier steht das Gestein den Quarzporphyren nahe. Echte Quarzporphyre in Form von Gängen , Kuppen und Decken treten in großer Verbreitung im östlichen Erzgebirge auf, besonders in der Gegend zwischen Freiberg, Tharandt , Potschappel, Dippoldiswalde, Berggießhübel und Teplitz; ebenso am Nordrande des Gebirges bei Flöha, östlich von Chemnitz.
Die große Ausbreitung von Quarzporphyrdecken in diesen Gegenden bei Teplitz-Altenberg , bei Tharandt und bei Flöha hängt mehr oder weniger eng zusammen mit den dortigen Ablagerungen des Ober-
karbon und Rotliegenden; zum Teil lagern die Porphyrdecken zwischen den Oberkarbonschichten eingeschaltet.
Durch die Einbrüche zur
Oberkarbon- und rotliegenden Zeit entstanden hier zahlreiche Spalten
und Verwerfungen, aus denen Porphyre hervorbrachen. In diesen Gebieten läßt sich ein älterer, oft quarzarmer Porphyr von einem jüngeren Quarzporphyr dadurch unterscheiden, daß die Decken des ersteren zwischen die Ablagerungen des Oberkarbon ein-
geschaltet sind, während der zweite Porphyr in Decken über dem Oberkarbon lagert; dieser letztere ist es, der in der Gegend von Altenberg und Teplitz (Eichwalder Tal) die ausgebreiteten Massen bildet, und zum Teil eine breite Gangspalte , N-S bis NNW streichend, erfüllt , zum Teil über dieselbe überquellend deckenförmig sich ausbreitet. Nach Analogie der mittelsächsischen Rotliegenden Becken dürfte dieser » Teplitzer Quarzporphyr>Morgengänge genannt) ei
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Kersantitgang
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Profil 11 (Maßstab 1 : 667). Kersantitgang und Neu unverhofft Glück Flachergang (Ngl) verworfen und durch-
setzt von einem Basaltgange, in der Grube Neu unverhofft Glück am Luxbach bei Niederschlag unterhalb Unter-Wiesenthal; nach H. Müller, 1894, Taf. IV, Fig. 6. Gneis, zweiglimmeriger grauer Gneis. K Kersantit.
Basaltgang. Ke
Ngl Neu unverhofft Glück Flachergang der Kobalt-Silbererzformation. ti
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Profil 12 (Maßstab 1:33).
Kersantitgang verworfen und durchsetzt vom Grün Donnerstag Spatgange (GrD) in
dem Markus Röhling Stollnflügel bei Annaberg; nach H. Müller, 1894, Taf. IV, Fig. 3. Gneis, grauer Gneis.
Q Quarzgang und Braunspattrümer mit dem Kersantit fest verwachsen.
GrD GrünDonnerstag Spatgang, der Kupfererz- und der Kobalt-Silbererzformation angehörig. aber recht dürftig ; über die Genesis der Erzgänge und über die Beziehungen derselben zu den zahlreichen Eruptivgesteinen des Revieres findet man nur sehr Ein älteres Werk gibt gute Bilder von wenige und verständnislose Angaben. Erzgängen meist aus dem Freiberger Reviere mit interessantem Texte: A. von
Weissenbach, Abbildungen merkwürdiger Gangverhältnisse aus dem sächsischen -
Erzgebirge; mit 32 Tafeln. Leipzig 1836. Im ganzen werden die Erfahrungen des Bergbaues noch zu wenig von den Geologen benutzt für genetische und tekto-
nische Zwecke; umgekehrt besitzen die Bergingenieure heutzutage in derRegel zu geringe geologische Kenntnisse, um ihre Erfahrungen in der Tiefe für die Geologie verwerten zu können.
Die Erzlagerstätten im Erzgebirge.
75
mit steilem (57-86°) nördlichen Einfallen, oder senkrecht zu dieser Richtung in NNO (hier » MitternachtsgängeWährend in den glimmerärmeren Gneisen die Spalte eine ziemlich regelmäßige ist und auch eine kompakte Gangausfüllung enthält, besteht sie in den glimmerreicheren Wegefarther Gneisen , namentlich aber im Granatglimmerschiefer mehr aus einzelnen schmalen Trümern
oder Klüften, die durch Stücke des Nebengesteins getrennt und damit ausgefüllt sind (a. a. O. 1869, S. 18). 1) Die sog. Sekretionstheorie, nach welcher die Erze aus den Nebengesteinen durch Wasser ausgelaugt und in den Spalten abgesetzt sein sollen, eine Theorie, die neuerdings von Fr. Sandberger (Untersuchungen über Erzgänge . Wiesbaden 1882-85) wieder unterstützt wurde, hat bei allen neueren Kennern der Erzgänge keinen Anklang gefunden. Vielmehr stimmen diese überein , den Zusammenhang zwischen Eruptivgesteinen und Erzbildungen festzuhalten. Dies ist auch meine Ansicht.
2) Dieses Gesetz widerspricht der
nach meiner Ansicht auch aus vielen
anderen Gründen unhaltbaren Theorie von Fr. Sandberger, daß die Erzgänge hauptsächlich Auslaugungsprodukte aus den Glimmern der Nebengesteine seien. 3) H. Müller und B. Förster , Gangstudien aus dem Freiberger Revier. Freiberg 1869, S. 28. 6*
84
Die Erzlagerstätten im Erzgebirge.
Diese Verschwächung der Erzgänge in den glimmerreicheren Gneisen und in dem Glimmerschiefer der erzgebirgischen Reviere schreibe ich der mechanischen Ursache zu, daß erstens glimmerreichere Gesteine weniger leicht spalten als die spröderen glimmerarmen Gneise und Granite, auch sich bei Gebirgsbewegungen leichter verdrücken als diese; zweitens daß Glimmerschiefer für die aus der Tiefe herauf-
dampfenden Schwefelerze , sowie für alle übrigen wässerigen oder dampfförmigen Lösungen, gerade wie für Grundwasser, mehr oder
weniger undurchlässige Decken bilden, unter welchen sie sich anstauen 1) .
Durch die älteren Granite, wie z. B. durch die sog. roten Gneise, welche unzweifelhaft Granite sind, setzen die Erzgänge ebenso leicht und gleichartig durch wie durch die glimmerarmen Gneise überhaupt. Das Streichen der Erzgänge in den verschiedenen Bergrevieren des Erzgebirges folgt vorherrschend zwei aufeinander senkrecht stehenden Richtungen, und zwar den beiden Hauptrichtungen des Gebirges : der Richtung ONO bis NO und der Richtung NNW bis NW. Im einzelnen sind vielfache Abweichungen von diesen beiden Hauptrichtungen zu konstatieren, Abweichungen, welche in dem speziellen geologischen Bau der verschiedenen Erzreviere ihre Ursache haben. Die Bezeichnungen , welche die Bergleute auf dem Erzgebirge den rings umgehenden Streichrichtungen der Erzgänge gegeben haben, sind auf der hier beistehenden Gangrose eingetragen (Zeichnung 15). Auch streichen die Erzgänge der älteren beiden Erzgangforma-
tionen (siehe oben S. 67) gewöhnlich in der einen, der ONO-Richtung, diejenigen der jüngeren Formationen in der anderen, NNW- Richtung senkrecht zu jener. Wir haben jedoch bereits oben bemerkt, daß der
Erz- und Mineralgehalt, wenigstens der drei ersten Erzgangformationen, nicht konstant ist und nicht scharf voneinander getrennt bleibt, sodaß auch die Richtungen nicht konstant geschieden bleiben.
Über das Streichen der Erzgänge im Annaberger Bergreviere sagt H. Müller²) : »Die bei weitem meisten Erzgänge der älteren Formationsgruppe (nämlich der Zinnerz- und der Kies-Blende-Bleierzoder Kupfererzformationen) » zeigen die Erzgebirgsrichtung als Morgengänge und stehende Gänge, dagegen die meisten Vertreter der jüngeren Formationsgruppe (der Kobalt-, Silbererz- und der Eisen-Manganerzformationen), soweit sie nicht neueren Spaltenaufreißungen in älteren Gängen gefolgt sind, die hercynische Hauptrichtung als Flachgänge und Spatgänge. einen großartig kuppelförmigen Aufbau (A. Sauer, Sektion Freiberg , 1887, S. 28). Freiberg und dessen unmittelbare Umgebung bilden etwa das Zentrum der Kuppel. Brander< - Gneise mit 12-25 ° in Südwest ein; dann folgen die > Himmelfürster Gneise mit zahlreichen Einlagerungen von sog. >>roten Gneisen mit 20-25° SW fallend; darauf Granatglimmerschiefer mit 30-40° SW fallend; endlich die hangenden >>Borsdorfer
und Wegefahrter
meratgneise vom Obermittweidaer Hammer.
Daß aber der größere Teil der erzgebirgischen Gneise aus Granitmaterial besteht, beweist die intrusive und durchgreifende Lagerung der sog. roten Gneise an den Stellen, wo diese in den Glimmerschiefern aufsitzen oder direkt mit den oben erwähnten echt sedimentären » dichten
Gneisen oder mit den Kalksteinen in Berührung kommen 1). Aber nicht nur die » roten Gneisgraniten ) des Erzgebirges und den jüngeren Graniten (von Schellerhau, Eibenstock, Kirchberg usw.) ein wesentlicher Unterschied in ihrem Verhältnis zum Schiefergebirge : die Gneis-Granitlakkolithen der Frei-
berger, Annaberger, Saydaer usw. Kuppeln lagern im allgemeinen konkordant im Schiefergebirge, während die jüngeren Granite diskordant zur Schichtung des Schiefergebirges abschneiden. Daraus ergibt sich, daß die Gneisgranite des Erzgebirges ihrer Entstehung nach älter sind als die karbonische Auffaltung des Cambrium-Kulmgebirges. Zugleich ist es wahrscheinlich, daß die Gneisgranite in größerer Tiefe der Erdkruste in die Unterfläche des Schiefergebirges eingedrungen
sind, als die jüngeren Granite. Aus beiden Tatsachen (der Konkordanz und der größeren Tiefe) erklären sich vielleicht die Unterschiede, welche zwischen den älteren Gneisgraniten von Freiberg usw. und den
jüngeren Eibenstocker Graniten bestehen (Profile 23 und 24). Indem ich dieses Verhältnis zwischen den konkordant und den
diskordant im Schiefermantel einlagernden Granitlakkolithen auf den 1 ) Ich will hier nicht näher eingehen auf den langjährigen Streit über die eruptive oder nicht eruptive Natur der roten Gneise ; ich habe oben S. 25 die Literatur über die roten Gneise angeführt. E. Kalkowsky, der in seiner Abhandlung : Roter Gneis und Kalkstein im Wilischthal im Erzgebirge ( Zeitschr. deutsch. geolog. Ges. 1875, S. 623-630) zu dem Schlusse gelangte : > aber eruptiv ist er nicht , wird wohl jetzt nicht mehr diese Ansicht vertreten, sondern zugeben , daß solche Profile wie im Wilischtale die eruptive (resp. intrusive) Natur des roten Gneises geradezu beweisen.
X
Gneisse grave
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und 24 Profile Schematische 23
Laccolith massiger Granit-
Xx
Discordanter Schiefermantel Phyllite
C o Z nt o a n ct e n
pneumatolytische Erzgänge. Apophysen granitische und xx
Auflagerung Schiefer zeigen. konkordanter diskordanter der zu und bei
x
LaccolithGranit Gneiss-
rmantel Schiefe anter Concord
Climmerschiefer
Granitlakkolithen Gneisgranitlakkolithen einem und Unterschied zwischen den um Lepsius R., gezeichnet von
106 Die Lagerung und Entstehung des kristallinen Grundgebirges im Erzgebirge.
x
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Glimmerschiefer
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Genesis des Erzgebirges .
107
hier von mir schematisch gezeichneten Profilen 23 und 24 veranschauliche auf Grund meiner Beobachtungen nicht nur hier im Erzgebirge,
sondern ebenso in anderen kristallinen Grundgebirgen (Odenwald, Zentralalpen , Griechenland) , so scheint es mir ein Gesetz zu sein, daß bei konkordanter Einlagerung des Granitlakkolithen der letztere
als sog. Gneis (Gneisgranit) erstarrt, während bei diskordanter Auflagerung der Schieferhülle der Lakkolith als ein echter, massiger Granit erstarrt. In beiden Fällen absorbiert das eruptive Magma des Lakkolithen unzweifelhaft sehr große Massen des durchbrochenen Gebirges und der Schieferhülle; in dem ersteren Falle jedoch teilen die in das Granitmagma einsinkenden und einblätternden Schieferschichten dem
Granite ihre konkordante Schichtung mit in Form der bekannten Gneisfļaserung; im zweiten Falle bleibt der Granit massig.
Je mehr
Tonschiefermaterial der Granit in sich aufgenommen hat, um so basischer und glimmerreicher wird der Gneisgranit oder der Granit werden, je mehr Quarzit- oder Grauwackenmaterial, um so saurer und glimmerärmer.
Da wahrscheinlich ist, daß es im Erzgebirge auch viele Erzgänge gibt oder früher gegeben hat (vergl. oben S. 79-83), welche wesentlich älter sind als z. B. die Zinnerzgänge der rotliegenden Zeit bei Altenberg-Zinnwald, so würden solche älteren Erzgänge alsdann in genetischen Zusammenhang mit den älteren Gneisgraniten des Erzgebirges zu bringen sein. Die Schiefer der>>>Urgneis- und der Glimmerschieferformation des
sächsischen Erzgebirges würden danach keinem besonderen Schichtensysteme angehören, welches sehr viel älter als die Phyllite wäre, sondern nur den zu Glimmerschiefern (resp. auch zu gewissen metamorphen Gneisen) durch die Granite umgewandelten tieferen Teil der Phyllitformation darstellen; daher die konkordante Schichtung vom tiefsten
Freiberger Gneise an durch die Glimmerschiefer bis zum Phyllit, Cambrium und Silur; erst vom Devon und Karbon an sind Diskordanzen
nachzuweisen, hier zuerst beginnen infolgedessen auch Geröllhorizonte und Konglomerate sich einzustellen.
Die Glimmerschiefer des Erzgebirges würden demnach den inneren, die Phyllite den äußeren kontaktmetamorphen Hof der gneis-granitischen Lakkolithen (der großen Gneiskuppeln) darstellen; beide (Glim-
merschiefer und Phyllite) waren ursprünglich gewöhnliche sedimentäre Schiefer, wie die cambrischen und silurischen Gesteine z. B. im Vogt-
lande. Eine zweite spätere Kontaktmetamorphose erlitten die Phyllite
durch die jüngeren Granite (Eibenstock-Kirchberg) in den bekannten Kontakthöfen.
Die gerölleführenden Grauwacken- Glimmerschiefer 1) von Obermittweida, Wiesenthal u. a. O. (siehe oben S. 32) zeigen eine große Ahnlichkeit mit den Weesensteiner Grauwacken, die devonisches oder Kulm-Alter besitzen; es würden sich danach nicht nur Schiefer, welche
älter als Cambrium sind, sondern auch jüngere Schichtensysteme (bis 1) Dieselben wurden auch >Gneise oder > Gneisglimmerschiefer genannt. A. Sauer bezeichnet sie schon 1884 in der Erläuterung zu Blatt Wiesenthal S. 18 als archäische Konglomerate und Grauwacken .
Fichtelgebirge.
108
zum Kulm) in den metamorphen Höfen der erzgebirgischen GneisGranitkuppeln befinden. Bei neuen Untersuchungen über die erzgebirgischen Gneise müßten jedenfalls die Gneisgranite scharf abgeschieden werden von den >Metagneisen , wie ich vorgeschlagen hatte 1), die metamorphen, ursprünglich sedimentären, gneisartigen Gesteine zu nennen, und von den Glimmerschiefern. Unzweifelhaft sedimentäre Gesteine im Erzgebirge, wie die Obermittweidaer Grauwacken, die Quarzitschiefer, die sog. » dichten Gneise , die Marmorlager dürfen nicht mehr mit den Gneisgraniten, oder gar mit den durch ihre Apophysen als Granite nachgewiesenen >>>roten Gneisen
in ein und derselben Glimmerschiefer- oder Gneis-
formation eingegliedert werden.
Für die verschiedenen Gesteine des
kristallinen Grundgebirges muß das genetische Moment maßgebend werden.
Schließlich möchte ich noch hervorheben, daß das Erzgebirge eigentlich kaum ein Faltengebirge zu nennen ist; die Wirkungen einer starken Stauung, eines kräftigen Zusammenschubes , etwa so wie in den Alpen, sind nirgends zu konstatieren; die leichten Aufwölbungen der Gneiskuppeln und die mantelförmige Umlagerung der Schiefermassen um dieselben oder um die Granitlakkolithen lassen sich besser
durch Senkungen erklären, bei denen die gewaltigen Granitlakkolithen den Bewegungen in der Erdkruste weniger leicht folgten als die weit nachgiebigeren Schiefer.
Die Abbrüche und Absenkungen der Schiefer (Glimmerschiefer bis Kulm) am ganzen Nordrande des Erzgebirges, ebenso wie am Ostrande (Tharandt , Berggießhübel, Tetschen) geschahen zwischen Kulm und Oberkarbon gleichzeitig mit den schwachen Aufwölbungen der Gneis-Granitkuppeln des weiten erzgebirgischen Plateaus. Das nordwestliche Böhmen schloß sich unmittelbar an das Erzgebirge an; erst zur mitteloligocänen Zeit entstanden die Brüche , an denen das Erzgebirge nach Süden zu in der Linie Eger-Tetschen abbrach und nun über der böhmischen Senke sich 500-600m erhebt.
2. Fichtelgebirge. Zwischen den westlichen Gebieten des Erzgebirges und dem Fichtel-
gebirge herrscht eine große Übereinstimmung sowohl hinsichtlich des Gebirgsbaues als der Gesteine ; auch die Erzgangformationen sind die gleichen, wenn auch hier im Fichtelgebirge die Geringwertigkeit der Gänge den Erzbergbau noch früher als im Erzgebirge zum Erliegen gebracht hat. Mächtige Granitstöcke bilden breite und flachabfallende Berg-
kämme und bewaldete Häupter, zwischen denen die weicheren, rascher abgetragenen Phyllite durchziehen. Ein niedriges , flachwelliges 1. Congrès géologique internationale, VI. Session, Zürich 1894, Compte rendu, S. 95, und im Notizblatt des Vereins für Erdkunde zu Darmstadt, IV. Folge, 15. Heft, 1894, S. 1.
109
Fichtelgebirge.
Gneisgebiet nimmt das Zentrum des Fichtelgebirges zwischen Weißenstadt und Wunsiedel ein, im Norden, Westen und Osten von den höheren Granitbergzügen umschlossen; eine große Menge von Torfmooren und Teichen breitet sich aus in den flachen Talgründen dieser weiten Gneisflächen, Reste einer diluvialen Eisbedeckung. Wie im westlichen Erzgebirge sind die großen Granitstöcke der Hauptbergkämme und der isolierten Bergkuppen (Reut, Waldstein, Kornberg) jünger als die Gneise , Glimmerschiefer und Phyllite und jünger als die nach der Kulmzeit und vor dem Oberkarbon erzeugte Auffaltung des Schiefergebirges; die metamorphen Kontaktzonen der Phyllite rings um die Granitlakkolithen sind im Fichtelgebirge ebenso regelmäßig und typisch ausgebildet wie im westlichen Erzgebirge ; die Kontaktgesteine und Mineralien z. B. am Reutgranit bei Gefrees liegen
seit langer Zeit als charakteristische kontaktmetamorphe Gebilde in allen Sammlungen.
Das Hauptstreichen der Phyllite und der nördlich auflagernden
cambrischen, Silur-, Devon- und Kulmformationen folgt dem Hauptstreichen des Erzgebirges von WSW nach ONO ( oder SW- NO). Am südwestlichen Rande des Gebirges bricht das Streichen um, entsprechend dem Nordostrande des Erzgebirges , hier ebenfalls in die hercynische Richtung, so daß die Schichten im Randgebirge zwischen großen streichenden Verwerfungen von SO nach NW verlaufen. Auch mitten im Fichtelgebirge machen sich die hercynischen Brüche geltend, sowohl darin, daß der Hauptkamm der Granite (Kosseine-Ochsenkopf) auf eine Strecke von 14 km von SO nach NW gerichtet ist, als daß Eruptiv- und Erzgänge zum Teil in dieser Richtung streichen. Die erste brauchbare geologische Beschreibung und geologische Karte des Fichtelgebirges 1) trägt zwei berühmte Namen: August Goldfuß und Gustav Bischof, beide damals (1817) Professoren an der Universität Erlangen. Das hervorragendste Werk ist C. W. von Gümbels geognostische Beschreibung des Fichtelgebirges, mit zwei geologischen Karten im Maßstabe 1 : 100000 (Gotha 1879); mit seiner ungewöhnlich scharfen Beobachtungsgabe, mit seiner Ausdauer und mit seiner außerordentlichen Arbeitskraft hat Gümbel2) das Fichtelgebirge nach allen Richtungen hin durchforscht, bearbeitet und klar dargestellt , einen festen Grund legend für alle Zeiten.
Auch in dem zusammenfassen-
den Werke , Geologie von Bayern, gibt Gümbel eine treffliche Übersicht über das Fichtelgebirge (II. S. 505-580. Kassel 1894). Wir folgen hier zumeist den Spuren des Altmeisters bayerischer Geologie ; nur in der Auffassung des kristallinen Grundgebirges weichen wir von Gümbels Ansichten wesentlich ab. 1) Physikalisch-statistische Beschreibung des Fichtelgebirges von A. Goldfuß Beide Autoren und G. Bischof; 2 Teile. Mit Profil und Karte. Nürnberg 1817. -
waren aus dortiger Gegend gebürtig: A. Goldfuß, geboren 1782 zu Thurnau bei Bayreuth (gest. 1858 zu Bonn) ; G. Bischof, geb. 1792 zu Nürnberg (gest. 1870 zu Bonn) . In diesem Werke ist die vor 1817 vorhandene Literatur über das Fichtel-
gebirge angeführt, I, S. 3-20. 2) C. W. von Gümbel, geb. am 11. Febr. 1823 zu Dannenfels am Donnersberg in der Pfalz, gest. zu München am 18. Juni 1898. Von der reichen Literatur der Arbeiten seiner Vorgänger im Fichtelgebirge führt Gümbel in seinem großen Werke wenig an, da seine Darstellung zumeist auf eigenen Forschungen beruht.
110
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge.
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge. Gneis.
Wir sehen hier zunächst ab von dem Münchberger Gneisplateau, und betrachten nur die Gneise im Zentrum des Fichtelgebirges bei Wunsiedel und bei Spielberg-Selb . Die Gneise, welche das flache Hügelland zwischen Wunsiedel und Weißenstadt einnehmen, sind schuppige und körnig-schuppige graue Gneise , aus Orthoklas (wenig Oligoklas) , Quarz und zwei Glimmern, braunem und weißem, zusammengesetzt; der dunkle Glimmer wird zuweilen chloritisch; daneben kommen selten vor: Hornblende, Cordierit, Turmalin und Granat.
Durch linsenförmige Ausscheidungen von Orthoklas in Zwillingen und Aggregaten, auch mit Quarz , sowie von Mikroklin , entstehen Augengneise , deren Feldspataugen zuweilen mehrere Centimeter groß werden. Solche Augengneise finden sich im ganzen Gebiete der Zentralgneise ziemlich häufig , so z. B. dort , wo die Gneise auf dem höchsten Kamme des Gebirges auf den Nosser und die Farnleite am
Granit hinaufziehen; dann bei Vordorf NW Schönbrunn, und bei Biebersbach nördlich Wunsiedel.
Im übrigen ist dieser flaserige graue Gneis des Fichtelgebirges von sehr gleichbleibendem Habitus.
Nur bei Vordorf erscheint ein
Hornblendeschiefer im Gneis (Fr. Sandberger, Lithionitgranite, a. a. O. S. 434) ; derselbe besteht aus Hornblende und Labrador und enthält
außerdem Biotit, Magneteisen, Apatit und Rutil 1). Quarzitschiefer mit einem ziemlich mächtigen Lager von Marmor lagern zwischen Biebersbach und Oberröslau kuppenförmig auf dem Gneisterrain2) , ebenso wie ganz ähnliche Quarzitschiefer ( Quarzitphyllite auf Gümbels Karte) längs des Südrandes des Gneisgebietes von Leupoldsdorf bis zum Wildberge dem Gneise auflagern. Eigentliche Glimmerschiefer fehlen hier.
Die Wunsiedeler Gneise bilden einen Sattel, der in NO streicht ;
sie fallen mit verschiedenen Winkeln (20-80°) in NW und in SO 1) Solche Amphibol - Plagioklasschiefer im kristallinen Grundgebirge sind in der Regel aus alten Diabas- (oder Gabbro-)lagern , die im ursprünglichen Schiefer-
gebirge eingeschaltet lagen, durch Einwirkung der Gneisgranite hervorgegangen; so auf dem Erzgebirge und im Odenwalde. 2) F. Sandberger gibt an , daß die Quarzitschiefer mit dem Gneise zwischen Wunsiedel und Weißenstadt wechsellagern, nicht nur auflagern , wie Gümbel will; mit dem Gneise wechsellagern bei Vordorf und anderen Orten der Gegend von Wunsiedel, Weißenbach bei Selb usw. vielfach dickschieferige Quarzitschiefer mit reichlich eingestreutem kleinschuppigen Kaliglimmer, zuweilen manchen Varietäten des Itacolumits nicht unähnlich . Uber Lithionitgranite mit besonderer Rücksicht auf jene des Fichtelgebirges, Erzgebirges und des nördlichen Böhmens, in Sitzber. math. -phys. Kl. bayr. Akad. Wiss. 1888. Bd. 18, Heft III, S. 433, München.
Da die Wechsellagerung W der Quarzitschiefer efer mit den Gneisen auf den Plateaus des Erzgebirges (Annaberg-Freiberg) an vielen Orten nachgewiesen ist, so wird Sandberger für das Fichtelgebirge gegenüber Gümbel wohl Recht haben.
Gneis .
Glimmerschiefer.
111
ein. Dieselben Gneise ziehen im nordöstlichen Streichen jenseits des großen Thiersteiner Granitmassives weiter fort, bei Spielberg und Selb vorbei bis südlich von Asch und bis zur Elsterquelle und bis in die südlichste Ecke des sächsischen Vogtlandes. In diesem langen Zuge
nördlich des großen Granitzuges Thierstein-Wildstein streichen diese zweiglimmerigen Schuppengneise « regelmäßig nach NO bis ONO und fallen mit ca. 50º nach NNW vom Granit ab und unter die nördlich vor-
lagernden Glimmerschiefer ein.
Übrigens ist die Oberfläche des Wunsiedeler Gneisgebietes stark mit diluvialem Moränenmaterial bedeckt ; auch ist das Fallen der Gneise
schwer festzustellen sowohl durch die oft tief eindringende Verwitterung derselben, als durch oberflächliche Stauchungen. Im ganzen wird der zentrale Sattel des Fichtelgebirges ebenso schwach gewölbt sein wie die Kuppeln im Erzgebirge, da diese Kuppeln und jener Sattel ein und demselben Gneisgrundgebirge angehören. Gerade so wie der breite Phyllitzug vom Weißen Main bis zur Elster im Vogtlande direkt übergeht in die Phyllitgebiete des Erzgebirges , so werden auch die Fichtelgebirgsgneise unter der Decke von Glimmerschiefern unterirdisch unmittelbar in Verbindung stehen mit den Gneisen des Erzgebirges . Auch in diesem Selber Gneiszuge stellen sich häufig Quarzitschiefer und Glimmerschiefer ein, und es ist an vielen Orten sogar schwierig, diese Schiefer vom Gneis scharf zu trennen (Gümbel S. 311). Wir finden also hier im Fichtelgebirge dieselben Verhältnisse wie
auf dem Erzgebirge: es sind die zweiglimmerigen grauen Gneise wie in der Annaberg-Marienberger Kuppel. Wie dort sehe ich den größten Teil dieses Fichtelgebirgsgneises als einen älteren Granit an, in welchem die eingeblätterten und absorbierten Schiefer Gneisstruktur hervorriefen, und in welchem Reste der Schieferformation als Glimmerschiefer, als Quarzitschiefer, sogar mit Marmorlagern, eingeschaltet oder aufgelagert übrig geblieben sind. Der östlichste Ausläufer des Wunsiedel-Selber- Gneissattels liegt auf
Sektion Elster-Schönberg der sächsischen Spezialkarte 1) bei Brambach und Fleißen; auch hier lagert dem schiefrigen Gneise ein Marmorlager konkordant ein, das 5-7 m mächtig ist und 30° in N einfällt. Der jüngere Granit des Fichtelgebirges durchsetzt die Gneise dis«
kordant und sendet häufig Apophysen in dieselben; taucht aber im allgemeinen unter die diskordant aufgelagerte Gneis-Glimmerschieferdecke lakkolithisch und flach unter. Glimmerschiefer 2) .
Aus den Zentralgneisen des Fichtelgebirges wachsen die echten
Glimmerschiefer gerade wie auf dem Erzgebirge allmählich heraus als 1) R. Beck, Erläuterung zu Sektion Elster nebst Schönberg, Leipzig 1885. 2) Es hat meiner Ansicht nach gar keinen Wert von einer hercynischenwenn irgendwo gewiß hier nicht eruptiver Entstehung ist . Gümbel wiederspricht hier den richtigen Beobachtungen von Fr. Naumann, welcher vom Goldberge bei Goldkronach einen Phyllitgneis sammelte , welcher scharfkantige Fragmente und Splitter eines >
schwarzen Tonschiefers enthält ; am Fürstenstein steckt eine fast lachter-
große Tonschiefermasse im Gneise , während zugleich über ihr viele ganz schmale Tonschieferbänder den Gneis unter sehr rätselhaften Verhältnissen durchziehen (Lehrbuch 1862 , II, S. 167 , Anmerkg.).
Fr. Naumann hielt daher den Gneis im Phyllit bei Goldkronach für eruptiv, d. h. also für Gneisgranit. Wir können diesem Urteile des Altmeisters Naumann nur zustimmen, nachdem J. Lehmann gerade die Phyllitgneise vom Fürstensteine bei Goldkronach näher untersucht und gezeigt hat, daß diese
eckigen Einschlüsse von Tonschiefern im Gneis in der Tat nur als R. Lepsius, Geologie von Deutschland. II.
8
114
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge.
Bruchstücke eingeschlossen im granitischen Magma gedeutet werden können 1).
Entsprechend meiner obigen Darstellung (S. 97ff.) der Verhältnisse im Erzgebirge , sehe ich ebenfalls hier in den sog. Phyllitgneisen des Fichtelgebirges zwischen Goldkronach und Weißenstadt die denudierte Oberfläche eines Granitlakkolithen, in den die konkordant auflagernde Schieferhülle hineinblätterte. Es sind nicht nur die Phyllitschichten der Oberfläche des Gneis - Granitlakkolithen konkordant aufgelagert, sondern auch sämtliche Bruchstücke, die groß und klein zahlreich im
Gneisgranite eingeschlossen sind , liegen konkordant dem Gneisgranite ein und bewirken dessen Flaserung. Die Umwandlung der Schiefer
(cambrische oder präcambrische) in Phyllit ging von diesem liegenden Granitlakkolithen aus. Die Eruption dieses Granites ist älter als diejenige der jüngeren Granite des zentralen Fichtelgebirges (Ochsenkopf, Schneeberg usw.) : denn die Schiefer waren noch nicht aufgefaltet zur Zeit, als dieser Gneisgranit erumpierte , vielmehr befanden sie sich in schwebender Lagerung; die Eruption geschah also vor der Kulmzeit,
während jene Granite (Ochsenkopf, Schneeberg) nach der Kulmzeit hervorbrachen.
Von diesen sog. Phyllitgneisen bei Goldkronach aus dürfte auch Aufklärung zu gewinnen sein über die Genesis der Zentralgneise des Fichtelgebirges (nordwestlich von Wunsiedel), welche ich ebenfalls für eruptive Gneisgranite halte, und ihr Verhältnis zu den bei Wunsiedel ein- und auflagernden Phylliten, sowie über die Genesis der nördlich sich anschließenden Münchberger Gneise, welche wir unten besprechen werden.
Charakteristisch bezüglich ihrer Entstehung ist es auch, daß die Phyllitgneise im Fichtelgebirge den unteren Teil der Phyllitformation einnehmen. Der obere Teil derselben besteht aus den normalen, seidenglänzenden, tonschieferähnlichen Phylliten von silbergrauer oder grünlichgrauer Färbung. Bei stärkerem Gehalt an Eisenglanz nehmen die Phyllite eine dunklere, schwarzblaue oder graublaue Tönung an. Die Gesteine sind dünnschieferig und leicht spaltbar; mikroskopisch enthalten sie dieselben Mineralien wie die glimmerigen Phyllite der unteren Stufen.
Gelegentlich ist den Phylliten Graphit beigemischt, oft bis zum
Übergang in tonigen Graphitschiefer, so bei Schirding, Arzberg und Wunsiedel (Gümbel S. 338) ; auch in den gleich zu erwähnenden Kalksteinen der Phyllite ist nicht selten Graphit ausgeschieden. Besonders reichlich sind den Phylliten des Fichtelgebirges Marmore in Lagerzügen , in dünnen Schichten und in Linsen konkordant eingeschaltet ; sie gewinnen dadurch eine praktische Bedeutung , daß
diese Kalksteinlager nicht selten in Spateisen, Brauneisen und Manganerze auf wässrigem Wege umgesetzt wurden; auch dolomitische Lagen
als Übergang zum Spateisen kommen vor. Arzberg erhielt seinen 1) J. Lehmann , Untersuchungen über die Entstehung der altkristallinischen
Schiefergesteine. Bonn 1884, S. 110-123, Tafel V. J. Lehmann schließt betreffend den Phyllitgneis vom Fürstenstein bei Goldkronach (S. 112) : Es bleibt keine andere Annahme übrig als die, daß der Gneis intrusiv mit Tonschiefer verbunden sei.
infolge einer großen Faltung der Schichten in doppelter Linie ausstreichen. Da die Kalksteinschichten in beiden Zügen mit ziemlich steilen Winkeln (40-50 ° und bis zu 80°) gleichförmig nach SO einfallen , so dürfte hier im südlichen Fichtelgebirge weniger eine Faltung als eine Schuppenstruktur vorliegen. Neben dem Kalkstein findet sich häufig Dolomit, beide in der Regel noch deutliche Schichtung dadurch zeigend , daß eine graue Bänderung die ehemalige Schichtung anzeigt. Diese Gesteine sind durch die Gneisgranite kontaktmetamorph in Marmor uud in kristallinen Dolomit umgewandelt. In der Regel ist der Marmor ziemlich grobkörnig ; zuweilen feinkörniger z. B. bei Mehlmeisel. Es finden sich die in solchen metamorphen Marmoren meist liegenden Kalksilikate und Erze: Wollastonit, Granat, Vesuvian, Magnetkies, Arsenkies usw. Der Dolomit ist meiner Ansicht nach primärer Entstehung und mit dem Kalkstein ursprünglich sedimentär in der alten Schieferformation, die jetzt als Phyllite erscheinen, auf zoogene Weise zum Absatz gelangt. Graphit, der sowohl im Marmor wie im Dolomit liegt, dürfte aus den kohligen Substanzen, Reste der Organismen , in derselben kontaktmetamorphen Weise entstanden sein; die graue Färbung der Schichten rührt meist von Graphit her. In diesem Marmorzuge und zwar in seinem nordöstlichen Ende zwischen Göpfersgrün und Kothigenbibersbach bei Thiersheim finden wir die merkwürdige Specksteinbildung, welche an anderen Orten nicht in dieser großartigen Weise vorkommt. Geschichteter Dolomit bildet
dort das Liegende des Kalksteins, der durch die jüngeren Granite in Gängen durchsetzt und zu Marmor umgewandelt ist; in dem Marmor
sind Drusen von schönen Quarzkristallen eingeschlossen (wie im Carraramarmor). Alle diese Gesteine und ihre Mineralien, also Marmor und Kalkspat, Dolomit und Quarz, sowie der Granit selbst wurden nun hier bei Göpfersgrün-Thiersheim in unregelmäßigen Nestern und Taschen mehr oder weniger vollständig in Speckstein (wasserhaltiges Magnesiasilikat, dichter Talk, Si4O12Mg3H2) auf sekundäre Weise umgewandelt. Die Pseudomorphosen von Quarz , Dolomit , Kalkspat und Feldspat aus diesen Lagerstätten, welche bergmännisch abgebaut werden, liegen in allen Sammlungen. Auch der Phyllitglimmerschiefer, in welchem der Marmor und Dolomit einlagert, wurde stellenweise in die Specksteinumwandlung einbezogen. Besonders interessant sind die Stücke von Granit und Porphyr, die zum großen Teil in Speckstein umgewandelt sind, aber doch noch ihre Gesteinsstruktur erkennen lassen1). 1) Gustav Bischof, Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologie. 2. Aufl. , II. Bd., S. 823, 824, Bonn 1864. Justus Roth, Allgemeine und chemische
Phyllite.
117
Daß der Speckstein in gelöster Form durch Wasser in die Gesteine hineinfiltriert wurde, sieht man an den stalaktitischen Formen, die gelegentlich vorkommen. Ich nehme an, daß warme, kohlensäurehaltige , alkalische Quellen, die hier zur Tertiärzeit entstanden, die Gesteine lokal zersetzt, Magnesiasilikate aus denselben aufgenommen und diese Stoffe wiederum abgesetzt haben. Noch jetzt sind Kohlensäure- und Bitterwasserquellen in der dortigen Gegend vorhanden. Auch setzen die Stollenwasser in den Specksteingruben noch jetzt dieses wasserhaltige Magnesiasilikat direkt ab und überziehen in einigen Jahren Gesteinsstücke mit Speckstein. Endlich sind diese Marmorzüge in der Phyllitformation des Fichtelgebirges deswegen bemerkenswert, weil sie das Eozoon bavaricum Gümb . enthalten 1). In den Kalksteinbrüchen bei Wunsiedel, Thiersheim und Hohenberg kommen zwischen dem meist grobkörnigen Marmor dichtere Marmorpartien, in denen sich die grünen Streifen, Flecke, zellenartigen Räume und feinen Röhrenbüschel finden, welche als Eozoon bezeichnet wurden. Die grüne dichte Masse , welche den Marmor in diesen Adern durchzieht, ist Serpentin; sie scheint in Verbindung zu stehen mit amphibolreichen Zwischenlagen im Marmor. Bekanntlich hat K. Möbius2) sowohl die kanadischen Eozoon als diejenigen aus dem Fichtelgebirge für nicht-organische Gebilde erklärt, ohne daß bisher die Entstehung oder Natur dieser eigentümlichen serpentinerfüllten Kanäle auf andere Weise aufgehellt worden wäre. Jedenfalls sind die eozoonhaltigen Kalklager des Fichtelgebirges , wie alle sedimentären Kalksteine, ursprünglich auf zoogene Weise im Meere abgesetzt worden.
Da in den Phylliten häufig Quarzitschiefer wie in den liegenden Glimmerschiefer- und Gneisformationen vorkommen, so gibt sich auch Geologie. I. Bd., S. 185, 291, Berlin 1879.
W.Gümbel, Fichtelgebirge, S. 173, sagt
hierüber : Auch dürfte das durch die Zersetzung des Orthoklas entbundene Alkali, dem zirkulierenden Wasser beigemengt , viel dazu beigetragen haben, die an sich schwierige Auflösung oder Umbildung der Bergkristalle zu befördern, von welchen manche erst bloß oberflächlich in einer dünnen Lage in Speckstein umgewandelt sind, während bei anderen noch ein Kern unzersetzt übrig geblieben ist, der genau so schalenförmig löcherig ausgefressen erscheint, wie eine von Wasser beleckte Eismasse, eine Erscheinung, welche die Bespülung der Quarzkristalle von auflösenden
Flüssigkeiten zureichend sicher stellt.
Wir dürfen wohl annehmen, daß warme
aufsteigende Quellen bei der Umwandlung mitgewirkt haben. Siehe auch die Schrift von Fr. Schmidt, Die Gesteine der Centralgruppe des Fichtelgebirges , mit geologischer Karte, Nürnberg 1850; über den Speckstein bei Göpfersgrün, S. 15-17.
C.Benner, Über Specksteinbildung im Fichtelgebirge. Inaug.Inaug. -Diss. Diss. Nürnberg 1900.
Der in den Gruben bei Göpfersgrün gewonnene Speckstein wird heutzu-
tage fast ausschließlich zur Darstellung von elektrischen Isolatoren und zu Gasbrennern benutzt, für welche Zwecke er sich vorzüglich eignet.
1) C. W. Gümbel , Uber das Vorkommen von Eozoon in dem ostbayerischen Urgebirge, Sitzber. math. phys. Kl. Akad. Wiss. München 1866, S. 59. 2) Karl Möbius, Der Bau des Eozoon canadense nach eigenen Untersuchungen
verglichen mit dem Bau der Foraminiferen, Palaeontographica, 25. Bd., Cassel 1878, S. 175-192; mit 18 Tafeln.
Möbius hat eigentlich nur nachgewiesen, daß das
Eozoon nicht die Struktur von Foraminiferen hat ; auch konnte er nicht berück-
sichtigen, daß die Kalksteine, in denen vorkommt,der stark metamorph veränderte Gesteine sind. Vergl. auchdas K. Eozoon Zittel , Handbuch Paläontologie, I. Bd., S. 104-106, München 1876.
118
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge.
hierin wieder die Einheit der gesamten kristallinen Schiefer zu er-
kennen, nur mit dem Unterschied, daß der Gneis zum wesentlichsten
Teile aus Granit besteht , dessen Flaserung durch die eingeblätterten und absorbierten Schiefer bewirkt wurde; diese liegenden Gneisgranite haben die überlagernden Schiefer in der Glimmerschieferformation stark, in der Phyllitformation schwächer kontaktmetamorph umgewandelt zu einer Zeit , in welcher das gesamte Schiefersystem unter dem Cambrium noch in schwebender Lagerung in größerer Erdtiefe sich befand.
Feldspat-(Orthoklas-)haltige Quarzitschiefer erscheinen gelegentlich in den Phylliten und sehen durch ihre ausgesprochen klastischen Gemengteile grauwackenähnlich aus (R. Beck, 1885, S. 16). Gümbel bezeichnet solche Schichten innerhalb der Phyllitformation als knotige
Phyllit- oder Sericitgneise (a.a. O. S. 337) oder Feldspatquarzite (S.123) . Daß die jüngeren Granite des Fichtelgebirges auch die Phyllitformation abnorm durchbrechen und bedeutende Kontakthöfe in den
Phylliten erzeugen, werden wir unten weiter ausführen.
Das Streichen und Fallen der Phyllite vollzieht sich ohne jede
Rücksicht auf diese gewaltigen Granitmassen: sie streichen von SW nach NO und machen im allgemeinen die zentrale Wölbung des Grundgebirges mit, d. h. sie fallen in den nördlichen Gebieten des Fichtelgebirges nach NW, in den südlichen nach SO ein. Das Umbrechen der Phyllite am SW- Rande des Gebirges in das hercynische NW- Streichen geschieht erst nahe der großen Bruchlinie selbst ; deutlich zeigen hier das in NW umgekehrte Streichen die letzten Ausläufer des südlichen Kalkzuges bei Unterwappenöst (nordöstlich von Kulmain) , oder die Phyllite bei Muckenreuth , Sophienthal usw. Dadurch, daß hier am Bruchrande Phyllite vielfach gestaut oder in Schollen zerbrochen sind, fallen sie unregelmäßig in NO oder in SW ein mit verschiedenen Winkeln.
Die Phyllitformation geht, wie im Erzgebirge, auch im Vogtlande und im Fichtelgebige ohne Grenze in die cambrischen und silurischen Schichtensysteme über, welche sich längs des Nordrandes des Fichtelgebirges von Berneck am Weißen Main nach Schwarzenbach und Rehau und weiter nach Sachsen hineinziehen, konkordant über den Phylliten nach NW einfallend. Granit.
Die höchsten Bergzüge des Fichtelgebirges bestehen aus dem mehrfach erwähnten jüngeren Granit ; ursprünglich nicht die höchsten, sondern bedeckt von den Phylliten und etwa auch jüngeren Schichtensystemen, sind diese Granite erst Berge geworden durch die Denudation, welche die weichen Schiefer rascher zerstörte und abtrug als die harten Granite.
Den großen zusammenhängenden Granitgebieten des zentralen
Fichtelgebirges von der Kösseine in NW bis zum Ochsenkopf, dann in NO umbiegend vom Schneeberg zum Buchberg, und östlich weiter über Thierstein bis zur flachen Senke nördlich von Eger liegen am Nordrande des Gebirges drei isolierte kleinere Granitstöcke vor : die
Granit.
119
Reuth bei Gefrees, der Waldstein und der Kornberg. Diese gewaltigen lakkolithischen Stockgranite des Fichtelgebirges enthalten vorherrschend einen mittelkörnigen , grauen , schwarzweiß gesprenkelten Granit aus weißem Orthoklas (wenig Oligoklas), Quarz und braunschwarzen Glimmer
(lithionhaltiger Eisen-Magnesia-Kaliglimmer, zu den Biotiten gehörig¹)), daneben hellen Muscovit zusammengesetzt; Turmalin, Apatit, Zirkon, Topas, Granat, Magneteisen, Cordierit, Epidot kommen vor2).
Die Bauschanalysen 3) dieser Fichtelgebirgsgranite weisen 69-77 % Kieselsäure nach, 12-17% Tonerde, 3-6 % Kali, 2,5-4 % Natron ; das spezifische Gewicht ist 2,66-2,68. In der Regel tritt bei angehender Verwitterung eine horizontale Bankung der Granite hervor; durch fortschreitende Verwitterung ent-
stehen dann die bekannten, wollsackartig aufgebauten, vom Wasser zerrissenen Felsgestalten, wie sie im Fichtelgebirge die höchsten Bergkuppen bilden. Bekannt ist besonders das ungeheure Felsenmeer der Luisenburg bei Alexanderbad ; es müssen hier doch glaciale Ursachen in der Di-
luvialzeit zur Bildung solcher Anhäufungen von gewaltigen Blöcken mitgewirkt haben.
Sehr verbreitet in diesen Granitstöcken des Fichtelgebirges ist eine granitporphyrische Ausbildung des gewöhnlichen mittelkörnigen Granites : zahlreiche große (bis 4 cm lange) Orthoklaskristalle, ausgeschieden in der gleichmäßig körnigen Gesteinsmasse, geben dem Gestein ein charakteristisches Aussehen, so daß ihn Gümbel besonders als >KristallgranitKristallgranit eingeschlossen beobachten kann. Auch sieht man
häufig pegmatitische Gänge in diesen Augengraniten, zuweilen mit Turmalin, Topas, Apatit oder Orthoklaszwillingen, oft in Drusen und Hohlräumen frei ausgewachsen. Eine bedeutende Steinindustrie verarbeitet die Granite im Fichtel-
gebirge (Reuth bei Gefrees , Epprechtstein bei Kirchenlamitz , Kornberg , Rudolfstein bei Weißenstadt, Redwitz usw.) zu Werksteinen 4), 1) Vergl. Fr. Sandberger, Lithionitgranite, a. a. O. 1888, S. 454. 2) Gümbel (S. 140, 366) erwähnt einige Vorkommen von > Syenitgraniten . Dieselben werden nordöstlich von Redwitz bis nach Seussen hinüber im Granit in
kleinen isolierten Partien angetroffen und zur Verarbeitung zu Denkmälern ge-
wonnen. Einzelne Blöcke von Syenitgranit liegen am Rauhensteig bei Biebersbach (N von Wunsiedel) ebenfalls im Granit. Ebenso isoliert tritt ein glimmerarmer Syenitgranit an dem Kornbach-Wasserfall an der Reuth oberhalb Gefrees auf. Die
Gesteine enthalten Orthoklas und Oligoklas , Quarz , dunkelgrüne stengelige Hornblende und reichliche Kriställchen von braunem Titanit. Durch Gümbels Angaben
über diese Syenitgranite im Fichtelgebirge wird ihre Beziehung zu den Graniten und ihre Genese nicht aufgeklärt.
3) A. Böttiger, Beiträge zur Kenntnis der Granite des Fichtelgebirges. Inaug.Diss . München 1889.
4) Die Architekten sollten darauf sehen , daß ihnen aus den Steinhauereien im Fichtelgebirge nicht gelbliche Granitwerkstücke geliefert werden; die gelbliche
120
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge.
Treppenstufen, Denkmälern, Pflastersteinen u. a. seit Alters her: schon im Jahre 1480 werden beim Bau der Albrechtsburg in Meißen Steinhauer aus dem Fichtelgebirge beschäftigt. Zinnsteine wurden früher in Seifen im Fichtelgebirge reichlich ausgewaschen 1). Und zwar lagen diese Zinnseifen meistens in GneisGranitschottern, die wohl zum größten Teile als diluviale Moränen betrachtet werden dürfen 2) ; an der Farrenleite wurden neben Zinn-
stein aus den großen Granit- Gneisschuttmassen auch Zirkon , Rutil, Turmalin, Magneteisen und Eisenglanz ausgewaschen , jedoch nur in mikroskopisch kleinen Kristallen. Die einzigen als primär nachgewiesenen Zinnerzlagerstätten waren die bei Schönlind und Weißenhaid nahe südlich von Weißenstadt ehe-
mals abgebauten sechs Quarzgänge , welche in der Kontaktzone der
Granite, in Gümbels gneisartigem Glimmerschiefer aufsetzten (Gümbel, S. 301) ; der dortige Hauptgang soll 2m mächtig gewesen sein, von SO nach NW streichend. Die Zinngruben zogen sich dort aus dem Egertale bis zum Rudolfsteine hinauf und hinüber zum Meierhofe, wo am schwarzen Weiher noch 1730 eine Zinnwäsche betrieben worden
ist (A. Schmidt, S. 15). Dadurch ist nachgewiesen, daß die Zinnzwitter im Granit und in seinen Kontaktzonen aufsitzen, so daß das Zinnerz Färbung, durch Eisenoxydhydrat hervorgerufen, ist ein Zeichen bereits beginnender Verwitterung; solche Stücke sind weicher und verwittern rascher als Werksteine aus dem frischen, harten Granit mit grauer Tönung. Natürlich ist es den Steinhauern bequemer den oberflächlich liegenden, bereits angewitterten Granit zu brechen, als in größerer Tiefe des Berges die noch frischen Granite anzuhauen. Auch lassen sich die weicheren Granite leichter behauen als die harten , frischen Stücke.
1) Albert Schmidt, Beobachtungen über das Vorkommen von Gesteinen und
Mineralien in der Zentralgruppe des Fichtelgebirges. Inaug.-Diss. Nürnberg 1895. Alte Zinnwäschen findet man am Ostabhange des Epprechtsteines bei Kirchenlamitz; in der Schurl an der Farrenleite und am Fichtelsee südlich des Schnee-
berges ; bei Dürnberg oberhalb Röslau; im Zeitelmoose bei Bibersbach N Wun-
siedel, und an vielen anderen Stellen.
Orte wie Wunsiedel und Weißenstadt,
dankten der Zinngewinnung und namentlich der Herstellung verzinnter Eisenbleche, die schon im 14. Jahrhundert hier vorgenommen wurde, ihr Emporblühen, und die Spuren alten Zinnbergbaues im Gebiete sind immer noch bedeutend und werden immer zahlreicher , je mehr nach ihnen gesucht wird (A. Schmidt , S. 12). Alexander von Humboldt , als preußischer Oberbergmeister für das Fürstentum Ansbach-Bayreuth 1792-1796 zu Steben im Frankenwald hatte vergebens versucht den niedergehenden Bergbau des Fichtelgebirges wieder zu beleben. Die Gruben und Wäschen rentierten nachweisbar am besten im 15. Jahrhundert; es gab damals mehrere Zinnschmelzhütten im Fichtelgebirge, die gesuchteste war diejenige am Wunsiedler Tore in Weißenstadt. Die Stürme des 30jährigen Krieges vernichteten, wie so manches andere in Deutschland, auch den Zinnbergbau im Fichtelgebirge. Das Historische über die Zinngewinnung im Fichtelgebirge hat Albert Schmidt zusammengestellt im Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken, Bd. XII, Heft 6, 1884. Bd. XV, Heft 2, 1887 und Bd. XVIII, Heft 1, 1890. Siehe auch: W. Machert, Beiträge zur Kenntnis der Granite des Fichtelgebirges mit besonderer Berücksichtigung des Granites vom Epprechtstein und
seiner Mineralführung ; nebst einem Anhang: Über Zinnbergbau im Fichtelgebirge. Inaug. -Diss. Berlin 1894. 2) Fr. Sandberger sah die Zinnerzseifen in dem Gneisgrus am Ostrande des Granitzuges von Weißenstadt bis zur Farnleite bereits als Moränen an: Über Lithionitgranite mit besonderer Rücksicht auf jene des Fichtelgebirges und des nördlichen Böhmens; in Sitzber. math.-phys. Kl. bayr. Akad. Wiss. 1888, Bd. 18, Heft 3, S. 431.
Die Kontaktzonen am Granit .
121
vorkommen im Fichtelgebirge ebenso wie auf dem Erzgebirge an die Ausbrüche der jüngeren Granitlakkolithen gebunden ist 1). Auch nach ihrer mineralogischen und chemischen2) Zusammensetzung sowie nach ihrer Lagerung besteht zwischen diesen Graniten des Fichtelgebirges und den jüngeren Graniten des Erzgebirges (Eibenstock-
Kirchberger Lakkolith) eine so große Übereinstimmung, daß die gleichzeitige und gleichartige Entstehung aller dieser Granite wahrscheinlich ist. Die Analogie geht so weit, daß auch äußerlich im Fichtelgebirge dem
Hauptmassiv der Granite die abgetrennten kleineren Stöcke der Reuth, des Waldsteins und Kornbergs nördlich vorgelagert erscheinen, gerade wie vom Eibenstocker Massiv die Granitinseln von Lauterbach und
von Kirchberg nördlich abgetrennt liegen; so wie hier im Erzgebirge durch den Bergbau der unterirdische Zusammenhang zwischen der
Hauptmasse des Eibenstocker Granitlakkolithen und dem Kirchberger
Stocke nachgewiesen ist, so werden auch im Fichtelgebirge die nördlich vorgeschobenen Posten der Reuth, des Waldsteins und des Kornbergs unter den zwischenliegenden kontaktmetamorphen Zonen der Phyllitformation hindurch mit dem Hauptmassiv Schneeberg-Thierstein direkt zusammenhängen als eine einheitliche lakkolithische Masse, welche
einen Hohlraum im aufgeblätterten Phyllitgebirge erfüllt hat. Die Eruption dieser Granite muß, wie im Erzgebirge, nach der Kulmzeit und wahrscheinlich zur rotliegenden Zeit stattgefunden haben; denn die Auffaltung der Schiefer des Fichtelgebirges, welche nach dem Kulm geschah, war vollendet, als diese jüngeren Granite die Gneise, Glimmerschiefer und Phyllite durchbrachen. Die Zentralgneise zwischen Wunsiedel und Weißenstadt sind von den Graniten zersprengt:
nördlich von Grün streichen zahlreiche
Granitadern durch den Gneis, und bei Oberröslau tritt gleichsam ein wechselseitiges Vergabeln beiderlei Gesteine ein, das sich weiter nordöstlich in dem Elmholz und am Höllberg mehrfach wiederholt (Gümbel, S. 309). Zahlreiche , völlig abgeschlossene Gneisschollen schwärmen durch das Granitmassiv vom Goldberg bei Oberröslau an nach Osten zwischen Thierstein und Höchstädt hindurch bis zum Egertale nördlich von Hohenberg, als ein Beweis des Zusammenhanges der Wunsiedeler und der Selber Gneisgebiete vor der Zerreißung der Gneisdecke durch den Granitlakkolithen. Die Kontaktzonen am Granit.
Gneise und Glimmerschiefer werden in der Regel wenig umgewandelt im Kontakt mit jüngeren Granitausbrüchen. Dagegen sind die Phyllite sehr geeignete Objekte einer Kontaktmetamorphose an der Oberfläche von Granitlakkolithen.
Es herrscht hier die größte
1) Auch Gümbel, Fichtelgebirge S. 134, sagt, daß der Zinnstein innerhalb des Granitgebietes an so vielen Orten in Seifen angehäuft getroffen wird, daß man dieses Auftreten nur als Folge der Zersetzung und Abschlämmung benachbarter Zinnerz führender Granite ansehen kann.
2) A. Böttiger, a. a. O. 1889, hat S. 18-23 die Bauschanalysen der jüngeren
Granite vom Fichtelgebirge und vom Erzgebirge zusammengestellt, und zeigt ihre Gleichheit.
Vergl. auch W. Machert , Beiträge zur Kenntnis der Granite des
Fichtelgebirges. Inaug.-Diss. Berlin 1894.
122
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge.
Übereinstimmung zwischen den Kontakthöfen der Granite im westlichen Teile des Erzgebirges und denjenigen, welche die Granite der Reuth bei Gefrees, des Waldsteins, des Kornbergs, sowie des Hauptkammes (Ochsenkopf, Schneeberg usw. ) umranden1). Am bekanntesten sind die Kontaktgesteine des Reuthlakkolithen bei Gefrees 2). Die regelmäßig in NO streichenden Schichtenstufen der Phyllite sowie der cambrischen und untersilurischen Schiefer werden quer vom Reuthgranit durchbrochen ; einzelne Schieferschollen sind noch auf dem Rücken des Granitlakkolithen übrig geblieben. Die ganze Reihe der Schiefer fallen steil (75°) in NW ein oder stehen
saiger ; mehrere streichende Verwerfungen oder Überschiebungen zeigen an, daß wir ein abgesunkenes Gebirge mit Schollenbrüchen vor uns haben; es sind nicht überschobene oder überkippte Falten. Gerade wie in Sachsen an den Eibenstock-Kirchberger Graniten,
sind die präcambrischen und cambrischen Phyllite und Tonschiefer zunächst vom Granit auf eine Breite von ca. 100 m in ein vollständig dichtes, äußerst hartes, gewöhnlich blauschwarzes Gestein umgewandelt, das sich u. d. M. als ein Andalusithornfels erweist: das feinkörnigkristalline Gemenge besteht aus eckigen Quarzkörnern, abgerundeten, tiefbraunroten Biotitschüppchen, etwas größeren und weniger häufigen Muscovitblättchen, Andalusitkörnern und Turmalinsäulchen (Rüdemann, S. 654). Aus dieser ersten entwickelt sich eine zweite, etwa 300 m breite Zone , die vorwiegend Andalusitglimmerfels enthält, ebenfalls 1) Gümbel, der in anderen Gebieten der Geologie leicht neue Errungenschaften der Wissenschaft auffaßte und durch eigene Kraft förderte, hat sich nicht mit den kontaktmetamorphen Höfen der Granite befreunden können; in seinem so reichhaltigen Werke über das Fichtelgebirge fehlt die Erkenntnis und damit die Unter-
suchung der Kontaktgesteine vollständig. Gümbel erwähnt einmal (S. 330) diese Frage, ob die fleckigen Varietäten als Ümänderung infolge metamorpher Einflüsse des angrenzenden
nachträglichen Metamorphose aus ; wenigstens läßt sich die ganze Erschei-
nung der Fleckschiefer ebenso gut als eine ursprüngliche und örtliche Ausbildungsweise (Facies) auffassen, als sich von einer Metamorphose, die materiell zu erklären auf große Schwierigkeiten stößt , ableiten . Uber die so typisch ausgebildeten metamorphen Kontaktzonen der Tonschiefer am Granit westlich vom Knopfhammer auf der Nordseite der Reuth sagt Gümbel sogar S. 331: >so bestimmt auch hier die fleckige Beschaffenheit des quarzitischgneisartigen Schiefers ausgesprochen ist, so wenig unterscheiden sich die von Granitgängen direkt berührten Schieferpartien von entfernter stehenden, und eine Wirkung der Kontaktmetamorphose macht sich hier durchaus nicht bemerkbar < gewiß ein merkwürdiger Ausspruch für einen so feinen Beobachter wie Gümbel es war !
2) Seit langer Zeit liegen die schwarzen Schiefer mit Chiastolithkristallen aus der Gegend von Gefrees in allen Sammlungen.
R. Rüdemann , Die Kontakt-
erscheinungen am Granit der Reuth bei Gefrees. Inaug.-Diss. Stuttgart 1887 (im N. Jahrb . Min. Beilage-Band V, S. 643-676), mit geolog. Kartenskizze der Umgebung des Reuthgranites bis zum Waldstein-Granitrande. Rüdemann sagt S. 644: >Bereits Fr. Naumann, Lehrbuch der Geognosie, Bd. II, S. 755, sah die längs der Waldstein- und Schneebergkette streichenden sogenannten Fleckglimmerschiefer als durch Granit metamorphosierte Gesteine an. < Dies ist eine unrichtige Behauptung von R. Rüdemann , welcher offenbar gar nicht in Naumanns Geognosie nachgesehen hat , sondern nur Gümbels in der Angabe des Landes irrtümliches Citat (Fichtelgebirge S. 165 Anmkg.) : > Naumann, Lehrb. d. Geognosie. 2.Aufl. , Bd. II, S. 755 (statt Bd. I, S. 755) einfach abschrieb. Naumann erwähnt , wie Gümbel S. 165 im Text richtig angibt, nur metamorphe Schiefer aus Sachsen, aber spricht nicht vom Fichtelgebirge, auch nicht im II. Bde., S. 156-174.
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Die Kontaktzonen am Granit. 123
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124
Die kristalline Grundlage im Fichtelgebirge.
ein kurzklüftiges, massiges Gestein, in dem die Schichtung und Schieferung fast ganz verschwunden ist; u. d. M. sieht man zahlreiche Aggregate von Andalusitnadeln in einer feinkörnigen Grundmasse von eckigen Quarzkörnern, zahlreichen braunroten Biotitblättchen, einzelne Muscovite und vereinzelte undurchsichtige Partikel; innerhalb des Muscovits treten kleine Turmalinsäulchen sporadisch auf. Die nächstfolgende, ca. 400 m breite Zone sind die Knotenglimmerschiefer, ein mehr oder weniger massiges, meist sehr dunkles Gestein, das durch die meist in ebenen Flächen orientierten dunkleren Knoten und durch seinen Biotitgehalt charakterisiert ist. U. d. M.
zeigen sich tiefbraune Biotitblättchen, Quarzkörner, wenig Muscovitblättchen und Turmalinnädelchen, dazu undurchsichtige Partikel, die sich zu größeren Körnchen und Scheibchen zusammenballen. Die undurchsichtigen Partikel ( Opacite
Schieferhalbinseln
be-
zeichnete.
Alle Arten von kontaktmetamorph umgewandelten Schiefern findet man in dieser Schieferzone über dem Granulit. In den tiefsten Hori-
zonten und in den eingebrochenen Schollen die am stärksten um-
kristallisierten Schiefer , die sog. Gneise1), meist als Cordieritgneise ausgebildet.
Diese Metagneise in den einzelnen Schollen im Granulit, sowie an der Basis des Schieferwalles über dem Granulit , sind > dunkelbläulich-schwarze Gesteine von ausgezeichnet kristallinisch-grobkörniger 1) Ich habe vorgeschlagen, die metamorphen Gneise zum Unterschied von den
Granitgneisen Meta- Gneise
zu nennen. Congrès géologique international,
VII. Session en Suisse, Août 1894; Compte rendu pag. 95, und Notizblatt des Ver-
eins für Erdkunde zu Darmstadt: Über Gneis und Granit , Darmstadt 1894.
Glimmerschieferformation .
155
Struktur, und zeigen bei ungemein schwieriger Zersprengbarkeit bald granitartige, bald gneisartige Anordnung der Gemengteile. Diese Gemengteile, dunkel pechschwarzer Glimmer, bläulicher Cordierit, Feldspat und Quarz , bilden sehr auffallend gewundene Adern und stark undulierte flaserartige Ausscheidungen (Fikenscher a. a. O. S. 2 ). Fr. Naumann beschreibt 1) einen zwei Meilen langen Zug solcher Metagneise , eine merkwürdige Halbinsel vom Glimmerschieferwalle bei Limbach abzweigend , die nach Nordosten über Hartmannsdorf und dem Taurastein bis in das Chemnitztal und von da über Markers-
dorf bis nach Clausnitz ununterbrochen in steinigen Kuppen und schroffen Felsen zu verfolgen ist . Auch den Gehalt an Granat und Cordierit in diesen Metagneisen vom Taurasteine und von den Felsen im Chemnitztale kannte Naumann.
Auf den Blättern Hohenstein , Penig und Mittweida der sächsischen Spezialkarte finden wir die Gesteine dieser Naumannschen Gneishalbinsel als »Gneisglimmerschiefer (bei Limbach), als »gemeinen Biotitgneis , als > Cordierit- und Granatgneis« eingezeichnet. Ein anderer derartiger Gneiszug ist die erwähnte Naumannsche > Lunzenauer Schieferhalbinsel« , deren Gesteine sich von Rochsburg und Lunzenau an beiden Ufern der Zwickauer Mulde bis nach Göhren
hinabziehen, worüber J. Fikenscher das hier beistehende Profil 37 zeichnete.
Gneissfelsen
Himmelhartha
bei Lunzenau Göhren
Rochsburg Helsdorf
Lunzenau
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α
C
e
Niveau der Malde
e S
N x
Profil 37 (Maßstab ca. 1 : 75000)
nach J. Fikenscher a. a. O. 1867, S. 3. a Urtonschiefer (Phyllit). b Glimmerschiefer. c Gneis.
d Cordieritgneis . e Granulit.
x eine lokal ausgebildete Diskordanz oder Verwerfung und Abrutschung zwischen dem Metagneis und dem Granulit, während an anderen Orten die vollkommen regelmäßige und konkordante Auflagerung der Gneisse auf dem Granulite
häufig gut aufgeschlossen und zu verfolgen ist, wie es Profil 38 darstellt.
Die sächsische Landesaufnahme (H. Credner) stellt das Fikenschersche Profil in ungefähr gleicher Richtung folgendermaßen dar: 1) Erläuterungen zu Sektion XV usw. 1838, S. 25 .
Die Gesteine des Granulitgebirges . 156
beiOber Gräfenhain
NW
P
250 m
bei Klein Schlaisdorf
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92
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Glimmerschieferformation.
Granulitformation.|
Profil Maßstab 38 1,: 25000
Lehmann nach J., Sektion Penig 1878. fs Fruchtschiefer
Urtonschiefer Phyllit Phyllitformat p). ion. P oberer Quarzitschiefe q2r Garbenschiefer gs unterer q¹ Quarzitschiefer
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9
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SO
Glimmerschieferformation.
157
Ein dritter Gneiszug verläuft über die Zschopau bei Schönborn südlich Mittweida. Außerdem finden sich zahlreiche isolierte Schollen
von Metagneisen mitten im Granulitmassive, und zwar besonders mächtig in den mittleren Teilen desselben. Durch ihre größere Härte wittern die Cordierit- und Granatgneise in mächtigen Blöcken aus den schieferig-
flaserigen Biotitgneisschichten heraus, häufen sich stellenweise zu auffallenden Felsmassen an, so z. B. auf dem Galgenberge bei Mittweida, und täuschen dadurch über ihre wirkliche Verbreitung im Untergrunde. Die auf der sächsischen Spezialkarte in diesen wie in anderen
Horizonten eingezeichneten roten Gneise (Muscovitgneise) , die teils isoliert , teils in Schwärmen auftreten , gehören meiner Ansicht nach zu den eruptiven Graniten, welche jünger als die Granulitgranite sind, und zwar sind dies Granite, welche in die Metagneise ebenso wie in die Glimmerschiefer und in die Granulite gangförmig injizierten. Ebenso sind die Granitgneise und Lagergranite der sächsischen Spezialkarte, welche in diesen Horizonten der Gneisglimmerschiefer auftreten, als echte Granite aufzufassen. Hier können nur neue Untersuchungen
an Ort und Stelle feststellen, welcher Anteil des Gebirges den Schiefern, welcher Anteil den Graniten zukommt. Die mächtigste Stufe in dem elliptischen Wall, der den Granulit-
kern umzieht , bilden die hellfarbigen Glimmerschiefer , ein Komplex von echten kontaktmetamorphen Schiefern. »Die Muscovitschiefer brechen dickschieferig, sind bald wellig- bald ebenschichtig, bestehen
aus glänzenden Häuten von Muscovit (mit nur spärlichen kleinen braunen Blättchen von Biotit) , die sich an linsenförmige Lamellen und an isolierte Körner von Quarz anschmiegen. Mikroskopische Turmalinsäulchen und Blättchen von Eisenglanz sind vielorts nachgewiesen; lokal stellen sich accessorische, stecknadelknopf- bis erbsengroße Granaten ein. Häufig enthalten diese Muscovitschiefer Knauern von weißem Quarz , zuweilen mit strahlig-büscheligen Aggregaten von pfirsichblütrotem Andalusit Sekretionsgänge .
Nachdem jedoch inzwischen dieselben Mineralgänge in anderen granitischen Gebirgen 1) als Gebilde erkannt sind, welche unzweifelhaft pneumatolytischer Entstehung sind, mit den aplitischen Ganggraniten zusammenhängen und sich als die letzten Nachschübe der granitischen Eruptionen zu erkennen geben, so dürften wohl nunmehr auch diese interessanten Gangbildungen des Granulitgebirges als echte Granitgänge aufgefaßt werden , was nicht ausschließt , daß vielleicht einige
dieser Gänge, besonders diejenigen, welche Kalkspat und Braunspat enthalten, nachträglich auf wässerigem Wege wie die Schwerspatgänge entstanden sein mögen. g) Erzgänge. Bei der starken Zertrümmerung des Granulitgebirges und durch
die Nähe des Erzgebirges ist es erklärlich, daß hier Erzgänge entstanden; allerdings sind sie in viel geringerer Ausdehnung als im Erzgebirge vorhanden. Besonders in dem südöstlichen Teile des Granulitgebirges, da wo dieses den Freiberger Revieren zunächst liegt, in der Gegend von Frankenberg und im Zschopautale bis gegen Mittweida streichen Erzgänge sowohl durch die Granulite als durch die Glimmerschiefer- und Phyllitformationen. In alten Zeiten ging ein bedeutender Bergbau um in den Revieren
zu beiden Seiten des Zschopautales, wie die noch jetzt sichtbaren Halden- und Pingenzüge bezeugen. Gegenwärtig steht aber nur noch der Bergbau in der Grube Alte Hoffnung Erbstolln in dem rechten Talgehänge der Zschopau bei Schönborn im Betriebe. Es wurde aus den Erzen dieser Gruben hauptsächlich Silber, Kupfer, Blei und Eisen, aber auch etwas Kobalt, Nickel, Antimon, Arsen, Mangan, Zinn, Quecksilber, Gold, Schwefel und Vitriol gewonnen²) ; sogar goldhaltige Seifen wurden ehemals ausgebeutet.
Die Erze waren vorwiegend:
silberhaltiger Bleiglanz, Kupferkies, Fahlerz, Eisenkies und Arsenkies ;
daneben kamen in geringen Mengen Silberglanz, Rotgülden, Rotnickelkies und Zinkblende vor ; Quarz, Flußspat, Schwerspat, Kalkspat und Braunspat bilden die tauben Gangmineralien. Nach der oben gekennzeichneten Benennung der Erzgänge in den Freiberger Revieren gehört die Mehrzahl dieser Gänge zu denjenigen
der »Barytischen Bleierzformation ; es sind Schwerspatgänge, die wie meistens in Deutschland parallel dem Thüringer Walde in NW streichen ; sie fallen ziemlich steil mit 60-90° teils in NO, teils in SW ein.
Hierher ist der 24 km lange Gangzug zu rechnen, welcher aus der 1) W. C. Brögger , Die Mineralien der Syenitpegmatitgänge der südnorwegischen Augit- und Nephelinsyenite, Zeitschr. f. Krist. u. Min. von P. Groth, 16. Bd. , 1890, S. 215-236. Ebenso in dem kristallinen Grundgebirge des Odenwaldes und Vorspessarts: G. Klemm, Erläuterung zu Blatt Schaafheim-Aschaffenburg der geologischen Karte des Großh. Hessen , Darmstadt 1894; und Notizblatt d. Ver. Erdk. Darmstadt 1897, S. 37-42, Taf. III und IV.
2) Hermann Müller , Die Erzlagerstätten in der Umgegend von Mittweida,
Frankenberg und Schellenberg. Anhang zu den Erläuterungen zur Sektion Frankenberg-Hainichen der geolog. Spezialkarte von Sachsen. Leipzig 1881, S. 80-120.
Erzgänge.
165
Gegend von Lauenheim und Frankenau in südöstlicher Richtung über Mittweida, Schönborn, Biensdorf, Sachsenburg nach Langenstriegis und
Schönerstädt durchzieht , bis er bei Oderan und Memmendorf in das Freiberger Gneisgebiet eintritt. Die parallelen Gangzüge laufen in einer gesamten Breite von 100-450 m durch die Granulit-, Glimmerschiefer- und Phyllitformationen gleichmäßig durch ; die Mächtigkeit der einzelnen Gänge beträgt bald nur wenige Centimeter, bald mehrere Meter (bis zu 7 m anschwellend). Seltener sind die Erzgänge der »Edlen Quarzformation und diejenigen der Kiesigen Bleierzformation« . Wo die Gänge im Granulit liegen, schließen sie häufig Bruchstücke von Granulit ein; ebenso entsprechend im Glimmerschiefer und im Phyllit. Im südlichen Glimmerschieferwalle des Granulitgebirges sind bei Hohenstein Erzgänge der »Kiesigen Bleierzformation« bekannt, welche >
sehr geradlinig und in N 10-25º O, also in NNO streichen und steil mit 56-80 ° in OSO einfallen; es sind also sog. Stehende Gänge nach der Freiberger Bezeichnung für diese in NNO streichenden
Erzgänge. Die Mächtigkeit der einzelnen Gänge ist nicht bedeutend und schwankt gewöhnlich zwischen 8 und 30 cm, nur selten steigt sie bis zu 1 m.
Die Ausfüllung dieser Gänge besteht wesentlich aus Arsenkies, Eisenkies, Kupferkies, Fahlerz mit Quarz, Braunspat und Kalkspat, sowie mit Letten und zersetztem Glimmerschiefer ;
seltener sind
Markasit, Bleiglanz, Zinkblende und Bournonit. Der Arsenkies enthält geringe, aber verwertbare Mengen von Gold und von Silber; auch die Fahlerze sind goldhaltig 1). B. Die Tektonik des Granulitgebirges.
Der elliptische Umriß des Granulitgebirges entspricht dem inneren Baue desselben2) : im allgemeinen fallen die Schichten mantelförmig von der Plateaumitte ab nach außen; die Granulite selbst sind in Form eines im Scheitel abrasierten elliptischen Gewölbes aufgerichtet ;
rings umlaufend um dieses Gewölbe decken die Glimmerschiefer und Phyllite in gleichsinnigem Fallen die Außenflächen des Granulitgewölbes. Im einzelnen wird diese einfache Lagerung vielfach gestört durch eine starke Zertrümmerung des Granulitgewölbes in zahlreiche Schollen und
durch Verwerfungen, sowie auch durch Stauungen und durch Überschiebungen, welche nicht nur das Granulitgewölbe, sondern ebenso die Umwallung der Glimmerschiefer und Phyllitformationen betroffen haben. Das regelmäßige NO-Streichen der Granulite im Südostflügel und ihr SO-Fallen ist besonders gut im Chemnitztale zwischen Markersdorf und Garnsdorf, im Zschopautale bei Schönborn und Zschöpichen 1) H. Müller , Über die Erzgänge bei Hohenstein, Erläuterung zu Sektion Hohenstein. Leipzig 1879, S. 28-35. 2) Die lange Achse dieser Ellipse verläuft von Glauchau bis Roßwein in N 56°O mit einer Länge von 50 km; die kurze Achse von Rochlitz bis Sachsenburg mit 20 km Länge.
Die Tektonik des Granulitgebirges.
166
und im Striegistale bei Etzdorf und Böhringen zu beobachten. Bei gleichem Streichen erkennen wir in den Taleinschnitten des Nordwestflügels das NW-Fallen der Granulite : im Elsdorf-Lunzenauertale, an beiden Gehängen der Zwickauer Mulde zwischen Lunzenau und Altzschillen und im Erlbachtale bei Kolkau, sowie bei Geringswalde 1). Das umlaufende Fallen der Granulite in dem NO-Ende des Ge-
wölbes ist in den Taleinschnitten der Zschopau bei Steina und Waldheim (N-Fallen) und der Freiberger Mulde bei Mahlitzsch ( NO-Fallen) und aufwärts bei Roßwein (O-Fallen) vortrefflich zu beobachten 2). Dagegen sind die Aufschlüsse im südwestlichen Ende des Gebirges weniger gut : hier besitzen die hangenden Horizonte des Granulitgewölbes eine sehr flache, lokal fast schwebende Lagerung, wodurch auch die außergewöhnlich breiten Ausstrichzonen des Bronzitserpentins und Flasergabbros bei Callenberg und Reichenbach hervorgerufen werden (H. Credner a. a. O. 1884, S. 65). Wir erinnern hier daran, was wir oben (S. 126) hervorgehoben haben, daß das Granulitgewölbe mit parallelen Streichen dem Erzgebirge vorliegt, geradeso wie die Münchberger Gneisplatte vor dem Fichtelgebirge mit demselben NO-Streichen aufgewölbt ist; nur sind die Störungen hier viel gewaltiger als dort, weil der Münchberger Granitlakkolith zwischen zwei höheren Gebirgen - Fichtelgebirge und Thüringerwald - eingezwängt wurde, während die Aufbäumung des sächsischen Granulitgebirges als Vorschwelle des Erzgebirges eine viel schwächere war.
Im Innern des Granulitgewölbes ist die allgemeine Lagerung
naturgemäß vielfach gestört; häufig zeigen sich kleinere Sattelrücken und Faltenmulden, in denen die Granulite mehr oder weniger steil parallel der Hauptgewölbeachse aufgestaut sind. Von diesen tektonischen Falten, welche eine Folge der Zusammenstauung des Gebirges nach dem Ende der Kulmzeit waren, müssen scharf unterschieden werden
die feinen Fältelungen, die zickzackförmigen Knickungen und Zerknitterungen, welche überall in den Granulitlagern, besonders im
Querbruch derselben als eine charakteristische Erscheinung zu sehen sind. Diese Fältelung ist von manchem Forscher fälschlich im Sinne der latenten Plastizität Heims gedeutet worden; sie ist meiner Ansicht nach primärer Entstehung und ist entstanden ebenso wie die feinblätterige Struktur der Granulite und gleichzeitig mit dieser bei «
der Einpressung das Granitmagmas in die Schiefer, ist also eine fluidale Erscheinung 3) .
Endlich ist das Granulitgewölbe durch Verwerfungen in zahlreiche Schollen zerstückt.
Wir haben oben schon auf den Einbruch der
Lunzenauer Schieferhalbinsel in die Granulite, sowie auf die Einbrüche des Taurasteiner und des Schönborner Gneiszuges hingewiesen. Durch Gesteinswechsel lassen sich die Schollenbrüche leichter erkennen als 1) H. Credner, Granulitgebirge, 1884, S. 64. 2) E. Dathe, Sektion Waldheim, Leipzig 1879, S. 53-75, Taf. II: Schematische Darstellung des zonalen Aufbaues der nordöstlichen Hälfte des sächsischen Granulitgebietes.
3) Abbildungen dieser Fältelung der Granulite siehe bei J. Lehmann a. a. O. 1883, Atlas, Tafeln XIII bis XVI.
Die Entstehung des Granulitgebirges .
167
mitten im gleichförmigen Granulitgebiete. Daher tritt die Schollenund Blattstruktur noch deutlicher in der Umwallung des Granulitgebirges, in dem Schiefermantel hervor, wo die Glimmerschiefer, die Phyllite unddie Silur-, Devon- oder Kulmschichten hart aneinander abstoßen 1).
Überschiebungen werden von der sächsischen Landesuntersuchung nicht angegeben; es scheinen mir aber manche übergreifende Lagerungen und manche sog. Diskordanzen, wie sie besonders im Schiefer-
mantel zu erkennen sind, nur auf Überschiebungen zurückgeführt werden zu können.
C. Die Entstehung des Granulitgebirges. Fr. Naumann, der erste Geologe, welcher das Granulitgebirge genau untersucht, meisterhaft dargestellt und beschrieben hat, erklärte den Granulit für ein granitisches Eruptivgestein2). In der Streitschrift gegen F. Hochstetter3), der auf Grund seiner Aufnahme des Krumauer Granulitgebietes im südlichen Böhmerwalde den Granulit für eine
ursprüngliche Bildung der ersten Erstarrungskruste der Erde hielt (wie Justus Roth), faßte Naumann seine Anschauung in die folgenden Sätze zusammen 4):
1. Die sächsische Granulitbildung tritt nicht im Gebiete einer
primitiven Gneisformation, sondern im Gebiete einer ursprünglich sedimentären Schieferformation auf, welche freilich in der unmittelbaren Umgebung des Granulites sehr auffallende Metamorphosen erlitten hat.
2. Sowohl die allgemeine Architektur des sächsischen Granulites, als auch die Lagerungsverhältnisse der ihn umgebenden Schiefer widersprechen der Annahme ihrer gleichzeitigen Entstehung. 1) Als Beispiel diene die Schollenkarte der Erläuterung zur Sektion RoßweinNossen von K. Dalmer. Leipzig 1887, Tafel. 2) A. a. O. 1836 und 1838. Trotz des kleinen Maßstabes in 1 : 120000 gibt die Naumannsche Karte doch ein klares und richtiges Übersichtsbild des Granulit-
gebirges, seiner Gesteinsformationen und deren Lagerung; ganz instruktiv sind auch die auf den Rändern der Kartenblättern eingetragenen Profile.
Siehe auch :
Fr. Naumann, Über den Granulitgang in Auerswalde, mit geolog. Karte, Taf. XII, N. Jahrb. Min. 1872, S. 911-929. 3) F. Hochstetter, Geognostische Studien aus dem Böhmerwalde, Jahrb. k. k.
geolog. Reichsanstalt, V. Jahrgang , Wien 1854, S. 1-67.
Derselbe faßt seine
Anschauungen über die Genesis des Granulites in folgende Sätze zusammen (S. 66) : >Es gibt keine eruptive Granulitformation; aller Granulit ist eine Massenausschei-
dung von gleichzeitiger Entstehung mit den kristallinischen Schiefern, in denen er
auftritt. Wo er größere Gebiete zusammensetzt, ist er eine durch den inneren Gegensatz der Substanzen veranlaßte Konzentrationsmasse von mehr oder weniger regelmäßiger ellipsoidischer Form mit konzentrisch-schaligem Bau.« » Indem wir uns endlich Gneis und Granulit als bei der ersten Erstarrung der einst heißflüssigen Erdoberfläche gebildet denken , fassen wir die Parallelstruktur des Granulites auf als ein Produkt der Kristallisation, die Abplattung als ein Produkt der Abkühlung, bei der die Kontraktion so stattfand, daß sich die inneren Massen von den äußeren konzentrisch ablösten. « Was man sich unter dem inneren Gegensatz der Substanzen denken soll, hat F. Hochstetter nicht verraten.
4) C. Fr. Naumann, Über die Bildung der sächsischen Granulitformation. Jahrb. der k. k. geolog. Reichsanstalt, VII. Jahrg., Wien 1856, S. 766-771.
Die Entstehung des Granulitgebirges .
168
3. Der sächsische Granulit hat auf die Massen des umgebenden Schiefergebirges ganz ähnliche Einwirkungen ausgeübt, wie sie in der Umgebung größerer, eruptiver Granitablagerungen vorzukommen pflegen; dahin gehören besonders : a) Großartige Aufrichtungen der Schichten ; b) Verwerfungen im Streichen derselben ; c) Gewaltsame Eintreibungen seiner Masse in das Schiefergebirge ; d) Zertrümmerung und Zerreißung des Schiefergebirges, und e) Metamorphismus der unmittelbar angrenzenden, sowie der gänzlich oder teilweise losgerissenen Partien des Schiefergebirges. Bezüglich der metamorphen Umwandlung des Schiefermantels, der den Granulitkern umgibt, weist Naumann besonders hin auf die >>Zone von Fleck- oder Garbenschiefern, welche sich von Callenberg aus über Waldenburg und Wechselburg bis nach Rochlitz längs jener Linie verfolgen läßt, an welcher der Tonschiefer in Glimmerschiefer übergeht die in ihrem Liegenden auftretenden Schiefer sind zu gewöhnlichen Glimmerschiefern umgewandelt worden (S. 769). Als gewaltsame Eintreibungen (3c) des Granulites in das angrenzende Schiefergebirge führt auch hier Naumann als Beispiel die gangartige Apophyse, den Granulitkeil von Niederauerswalde an, den er bereits 1838 (II. Heft, S. 11) und im Jahre 1872 (a. a. O. ) nochmals genauer beschrieb. Es ist z. T. normaler Granulit mit kleinen Augen von Granat und Feldspat1) ; vorwiegend jedoch Biotitgranulit. Sowohl der Hauptgang als zwei wenige Meter mächtige Trümer von Granulit lagern konkordant im umgebenden feldspatführenden Glimmerschiefer und keilen sich im Streichen nach Nordosten zwischen demselben aus .
Im Hauptgange beim Frauenheimer Hofe in Nieder-Auerswalde fand C. Fr. Naumann » unweit der Kontaktfläche mitten im Granulite ein
ungefähr 1 dm großes, scharfkantiges Bruchstück von Glimmerschiefer eingeschlossen«2). Der intrusive Charakter dieser Granulitgänge im Gneisglimmerschiefer bei Auerswalde scheint mir ganz unzweifelhaft und ist niemals wiederlegt worden3).
Naumanns Auffassung über die Entstehung des Granulitgebirges
ist also diejenige, daß die eruptiv aufdringende Granulitmasse die Schieferformation aufwölbte, die Schieferhülle wie in einem Erhebungskrater¹) zersprengte , und nun durch ihre Hitze metamorphosirend auf die Schiefer einwirkte : die auf der Eruptivmasse liegen gebliebenen Schollen (z. B. der Lunzenauer Biotitgneis) und der innere Rand der gesprengten Schieferhülle wurden in Gneis, die weiter entfernten Glieder des Schieferwalles in Glimmerschiefer, der äußere Rand in
Garben-, Frucht-, Knotenschiefer und in Phyllite metamorph umgewandelt. 1) Siche J. Lehmann a. a. O. 1884, S. 41, Taf. IX, Abb . 2.
2) Diese Beobachtung von C. Fr. Naumann a. a. O. 1872, S. 924 wurde später ignoriert oder vergessen , obwohl Naumann das Belegstück in der Sammlung der Chemnitzer Gewerbeschule niedergelegt hatte. 3) J. Lehmann geht sowohl in der Erläuterung zu Sektion Mittweida 1879, S. 28, wie in seinem Werke 1884, S. 41 und 159 leicht darüber hin, da seine Theorie
der sekundären Auswalzung dieser Gesteine durch Gebirgsdruck ihm dies gestattete. 4) Im Sinne Leopold von Buchs .
169
Die Entstehung des Granulitgebirges . Diese Naumann'sche Theorie
übertrifft dadurch
alle
anderen
Auffassungen seiner Zeitgenossen, daß sie, auf einer großen Fülle guter Beobachtungen beruhend, den tatsächlichen Verhältnissen des sächsischen Granulitgebirges am besten angepaßt ist. Es ist sehr zu bedauern, dass A. Stelzner niemals dazu gekommen ist, seine langjährigen Beobachtungen im Granulitgebirge abzuschließen und zu veröffentlichen; zuerst verhinderte ihn daran seine Reise und
Aufentalt in Argentinien (1871-1876); nach seiner Rückkehr war die geologische Landesaufnahme unter Leitung von H. Credner mit der
Kartirung des Granulitgebirges beschäftigt. Nur in zwei kleinen Notizen1) hat sich A. Stelzner dahin geäußert, daß der Granulit ein metamorphes, nicht aber ein eruptives Gestein sei« . Und zwar kommt Stelzner deswegen zu diesem Schlusse, weil er sich die scharfe Wechsel-
lagerung mineralogisch und chemisch ganz verschiedenartiger Bänke von Granulitvarietäten, insbesondere der » Trappgranulite nicht anders erklären kann, als daß hier metamorph umgewandelte Sedimentärgebilde vorliegen. Stelzner gibt nicht an, wie er sich diesen Metamorphismus vorstellt.
Auf Grund seiner chemischen Bauschanalysen von Granuliten äußert sich Th . Scheerer2) über die Entstehung der Granulite dahin, daß die Granulite an den Gneusen (Plutoniten) durch einen umbildenden Prozeß hervorgegangen seien, welcher das chemisch gebundene Wasser aus letzterem entfernte
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Randprofil II.;, Berggießhübel Sektion Beck, R. Eulenstein nach dem Gottleuba von Turmalingranit Dislokationen Gottleuba zerdrückt. durch stark von G, grauer Gneis Freiberger Biotitgneis schuppiger gnf().
Markersbach Hauptgranit Lausitzer Granitit von Gt).(
Hornfels hfr. feldspatreiche Quarzitschiefeqr.
Verwerfungen. yy
Phyllit glimmeriger py. Feckschiefer. Andalusitglimmerfels fl ag, Lagen quarzitischen mit. derselbe agq Kreide. Stufe der Unterturone labiatus, Inoceramus mit Quadersandstein tis-
333m
y hf
PY
9
Maßstab 25000 Profil 47 1:()
fl
ag
agq
X
X
Grosses Horn
K
497m
**** Gt .
Eulenstein
445 m
X
tis
NO
197
Die Granite und Syenite.
Unterfläche der lakkolitischen Granit- Syenit- Massen , einen Aufschluß, dessen hohe Bedeutung für die Lagerung der plutonischen Strand- und Flachseebildung (Blatt Greiz S. 48) durch ganz Ostthüringen hindurch « . Der Hauptsache nach besteht diese zweite Devonstufe in Ost-
thüringen wiederum aus Schiefern, deren unterer Teil sich aus leberbis holzbraun verwitternden » Braunschiefern , der obere aus matten dunklen Schiefern, Schwefelkies führend, mit dünnen Bänderschiefern zusammensetzt. In diesen Schiefern kommen wenig mächtige Grauwacken eingelagert vor, Grauwacken mit Kalk-, Eisen- und Manganzement oder mit kieseligem Schliech als Bindemittel ; dieselben gehen stellenweise über in die oben erwähnten Konglomerate, die Bruchstücke und Gerölle von Feldspäten und Quarziten, sowie von Schiefern enthalten. Auch zeigen sich lokal dünne Bänke von schwarzen und grauen Kieselschiefern. Daneben stellen sich nun häufig Diabaslager und Diabastuffe (Schalsteine) ein, und nehmen oft die größere Masse dieser Stufe ein. Es scheint wahrscheinlich, daß bei den Durchbrüchen der Diabase die Liebeschen Konglomerate>oberer Kulm«, in dem die Grauwacken vorherrschen, unterschieden; die einzelnen Grauwackenbänke werden hier oft 5-6 m mächtig. Dem unteren Kulm gehören die meisten Dachschieferbrüche in Ostthüringen an, vor allen die großen Brüche bei Lehesten, deren
Ausbeute an Dachschiefern, Schiefertafeln und Griffeln in weite Ferne geht.
E. Zimmermann¹) gibt für die Schieferbrüche bei Lehesten und zwischen Ludwigstadt und Ebersdorf die folgenden Zonen von unten nach oben an :
a) Eine wenige Meter mächtige Zone schwarzer Schiefer (Liebes »Rußschiefer ) mit Konkretionen, die aus kieseligem Schiefer und 1200
Kalkphosphat bestehen. Sphenopteris Guilelmi imperatoris Weiß; Lepidostrobus cf. Faudelii, verkiest; Calamiten. In den kieseligen Geoden Radiolarien.
b) Blaugraue Tonschiefer, blauer Stein« , enthält die besten Dachschiefer. Pyrit in bis fast 2 m großen >Kieskälbern oder » Säuen
vorherrschend verbreitet sind ohne Einlagerungen anderer Sedimente .
Wie gewöhnlich entstehen auch in der Nähe von Diabaslagern in den Schiefern sekundäre Zerknitterungen und Fältelungen, deren Ursache nur im Gegensatz zwischen der spröden Masse des Eruptivgesteines und den leicht biegsamen Schieferschichten beruht. Saale. Thal ch
Εσ
60m hoch über der Saale Εσ
81
$1
ch $1
si Εσ
Lehesten Wand
Εσ
Εσ
MD MD NO
SW
NO
SW
B
A Profil 56
in der Lehestenwand auf dem rechten Ufer der Saale zwischen Hirschberg und Sparnberg.
A. Profil nach E. Zimmermann, Zeitschr. deutsch. geolog. Ges. 54. Bd. Berlin 1902, S. 365, mit Faltung und Luftsattel gezeichnet.
B. Das Zimmermannsche Profil, wie es durch Überschiebungen der Schichten sich darstellt.
cb oberstes Cambrium, grünliche, quarzitisch ausgebildete Schiefer.
Es Epidioritschalstein, z. T. schieferiger, z. T. massiger Diabasschalstein; z. T. talkig, uralitisiert . s1 untersilurischer Schiefer; das untere ca. 8 m mächtige Band als dunkelblaugrauer Ottrelithphyllit ausgebildet.
MD Diabasgang, ca. 20 m mächtig ; > Mesodiabas , d. h. ein Diabas, der jünger als Kulm ist.
Wenn daher die gleichförmig einfallenden Schichten wohl häufig als vielfach wiederholte oder als überkippte Falten anzusehen sind, so
dürften doch die einfachen Überschiebungen von Schollen zwischen 1) Früher zeichnete man im niederrheinischen Schiefergebirge solche einfachen Faltenprofile , wie ich sie z. B. für den Taunus und die Lahngegend im I. Bande dieser Geologie S. 39 und 48 nach C. Koch im Jahre 1887 wiedergegeben hatte ; nach unserer jetzigen Kenntnis müßten diese Profile viel mehr Schollen und Schuppenstruktur als einfache Sättel und Mulden, besonders zahlreiche Verwerfun-
gen und Überschiebungen zeigen. Darin hat A. Denckmann für den Kellerwald einen guten Anfang gemacht (vergl. Jahrb. preuß. Landesanst. für 1894, S. 23 und 24) .
232
Die Tektonik der Schichten im ostthüringischen Schiefergebirge.
streichenden Verwerfungen in Schuppenstruktur mehr als bisher zur Erklärung der Lagerung im Schiefergebirge herangezogen werden müssen; ich würde z. B. das umstehende Profil 56 A von E. Zimmermann in der Art von Profil 56 B durch mehrfache Überschie-
bungen, nicht durch Faltung und Luftsättel¹) erklären. Indessen ist natürlich die Zusammenfaltung des ostthüringischen
Schiefergebirges in streichende Falten, Schuppen, Überschiebungen und Überkippungen in der Zeit zwischen dem Kulm und dem Perm, gerade wie im niederrheinischen Schiefergebirge , zu dessen östlicher Fortsetzung das thüringisch-sächsische Schiefergebirge gehört, eine grundlegende Tatsache für die Erkenntnis des Schichtenaufbaues.
Das
Hauptstreichen der Schichten geht durchgängig in NO (h3 wie im Erzgebirge; der zusammenschiebende Gebirgsdruck kam von SO vom Fichtel- und Erzgebirge her. Th. Liebe hat einmal versucht, den ungefähren Betrag dieser Faltung auszurichten, und er gibt an, daß die ursprünglich horizontal abgelagerten Schichten auf einer Linie, die von Neustadt an der Orla nach Südosten bis an den Fuß des Erz-
gebirges bei Auerbach gedacht war, nach seiner Berechnung >>wenigstens von 233/4 Meilen auf 91/2 Meilen durch den Schub von SO her verkürzt worden seien, d. h. also jetzt nur noch den 2,5 . Teil der
früheren Ausdehnung in der gedachten Linie an der Erdoberfläche einnehmen2) ; sicherlich ist die berechnete Zahl von 2334 Meilen noch zu klein , da Th. Liebe damals, als er seine Berechnung aufstellte, nicht die große Bedeutung der Überschiebungen in diesem Gebirge kannte. Infolge dieses Hauptschubes aus SO streichen die Sättel und Mulden vorherrschend in NO und fallen in NW bis NNW ein; daß
das entgegengesetzte Einfallen der Schichten in SO bis SSO seltener zu beobachten ist , darf wiederum als ein Beweis dafür angeführt werden, daß die Südschenkel der Falten sich selten in normaler Lage-
rung erhalten haben. Dabei sind starke Neigungswinkel von 75-80° häufiger als flachere bis zu 20 und 30° herunter; auch saigere Schichtenstellung kommt gelegentlich vor. Wie scharf die Schichtgesteine bei diesen Bewegungen in sich abgleiten, zeigt z. B. die Beobachtung, daß in den Kulmkonglomeraten die eingeschlossenen Gerölle, sogar die harten Kieselschiefergerölle , glatt entzwei geschnitten und halbiert werden, wie der glätteste Schnitt eines Messers durch einen weichen Körper< 31.
Die Druckschieferung (transversale Schieferung) streicht entsprechend der aus SO her gerichteten Gebirgsstauung in der Regel nach NO bis ONO , und fällt vorherrschend mit 20 bis 70° in NW bis NNW ein; sie ist jedoch häufig nicht einheitlich, sondern nach
mehreren Richtungsebenen ausgebildet, so daß die sich in spitzen 1) Die sog. Luftsättel sind theoretische Gestalten , durch welche schon oft (vergl. A. Heims Glarner Doppelfalte, den wirklichen Lagerungen im Gebirge Gewalt angetan worden ist; man sollte Luftsättel gar nicht mehr in die Profile eintragen, weil der unbefangene Leser durch solche Konstruktionen über die wirkliche Lagerung getäuscht wird.
2) Th. Liebe, Ubersicht über den Schichtenaufbau Ostthüringens, S. 40. Abhandl. preuß. geolog. Landesanst. Berlin 1884. 3, W. Gümbel, Fichtelgebirge, S. 633, Gotha 1879.
Die Tektonik der Schichten im ostthüringischen Schiefergebirge.
233
Winkeln schneidenden Schieferflächen dann eine griffelförmige Zerklüftung der Schiefer ( >GriffelschieferGneis Gneisglimmerschiefer aussehen, das rührt von keiner mechanischen Bewegung seiner Teile her, sondern diese Umkristallisierung verdanken diese » Gneise der Kontaktwirkung der erzgebirgischen Granitlakkolithen und den chemischen
Umsätzen, welche durch die Hitze des einbrechenden Granitmagmas und durch die Wasserdämpfe desselben erzeugt wurden. Der falsche Schluß, dem die sog. Dynamometamorphose ihr
Dasein verdankte, war der, daß Druck nicht nur Gesteine umformen, sondern auch chemische Lösungen bewirken könnte.
Wer einmal im
Die Metamorphose der Gesteine im ostthüringischen Schiefergebirge.
245
Glarner Gebirge den in der großen Überschiebung ausgewalzten Jurakalk (» Lochsietenkalk« Heims) an Ort und Stelle gesehen hat, mußte sich doch sofort fragen, warum ist denn dieser graue, dichte, gewöhn-
liche Jurakalkstein unter dem ungeheuren Gebirgsdruck, der ihn zermalmte, warum ist derselbe nicht zu Marmor umkristallisiert worden, wenn die sog. Dynamometamorphose zu Recht bestände ? Wir beantworten diese Frage damit, daß gar keine Möglichkeit der Umkristallisierung dieses Lochsietenkalkes vorhanden war, da derselbe wohl unter den Gesetzen des mechanischen Gebirgsdruckes stand, aber durch keinen Granit oder irgend ein anderes Eruptivgestein umgewandelt wurde. >Regional -Metamorphose und Kontakt -Metamorphose verdanken ihre Entstehung meiner Meinung nach derselben Ursache : beide Umwandlungen geschahen durch intrusive Gänge oder Lager (lakkolithische Stöcke) von Graniten; die großen Wasserdampfmassen, welche die erumpierenden und allmählich erstarrenden Granitmagmas in die durchbrochenen oder in die hangenden (und auch in die liegenden) Gesteine der festen Erdkruste abgaben, lösten einen Teil der Mineralteilchen dieser Gesteine; nach der länger oder kürzer dauernden Abkühlung kristallisierten die vorher auf chemisch-wässerigem Wege gelösten Teilchen als neue und zum größten Teil anders als vorher zusammengesetzte Mineralien aus. Einige neue Substanzen (Bor-, Fluor-, Kieselsäure usw.) kamen mit den Wasserdämpfen herauf und so konnten neue Mineralien ( Quarz, Turmalin, Topas usw.) innerhalb der alten Gesteine oder in Spalten derselben entstehen, die vorher nicht in den Gesteinen vorhanden waren.
In Ostthüringen kann man die oben beschriebene Umwandlung der Cambrium- bis Kulmformationen in dem ausgedehnten Reviere
zwischen Greiz-Reichenbach und Hirschberg-Sparnberg als eine >Regional Kontakt -Metamorphose intensiver und zum Teil anders geartet, als
diejenige der
Regional< -Metamorphose, deswegen, weil hier die
Granite eine größere Fernwirkung ausüben mußten.
Verkieselungen der Schiefer, Kalke und Quarzite an Spalten, wie sie mehrfach in Ostthüringen vorkommen¹), gehören natürlich nicht zu den metamorphen Vorgängen im obigen Sinne; vielmehr wurden solche chemischen Absätze und Umsätze mittels in den Spalten auf-
steigender, jedenfalls warmer Wasser verursacht, wie dies auch in anderen Gebirgen, besonders an großen Verwerfungsspalten zu beobachten ist2). Derartige Vorgänge hängen mit den Erzgangbildungen 1) Siehe z. B. E. Zimmermann, Zeitschr. deutsch. geolog. Ges. 1902, S. 256 und 259.
2) Vergl. im I. Bande S. 439die 40 km lange Verkieselung des Muschelkalkes an der Hauptverwerfung der Vogesen im Elsaß.
246
Die Metamorphose der Gesteine im ostthüringischen Schiefergebirge.
zusammen: daher z. B. im Kupferzecher Graben
im Saaletale bei
Hirschberg die untersilurischen Tonschiefer an einer Verwerfungsspalte mit kieseligem Brauneisen und mit Kupferkies imprägniert wurden; auch jenseits der Saale beweisen ein alter Pingenzug und Halden an der Brandleite alten Bergbau.
Dies würde uns hinüberführen zu einer Betrachtung der im ostthüringischen Schiefergebirge zahlreich durchstreichenden Erzgänge. Ist doch bekanntlich kein geringerer als Alexander von Humboldt
einst hier in diesen Gebieten tätig gewesen, 1792-1796 als kgl. preußischer Bergmeister in den fränkischen Fürstentümern AnsbachBayreuth ; freilich bemühte auch Humboldt sich vergebens um die Entwicklung und Hebung des Bergbaues : in den dortigen Revieren, nicht allein in den ehemals Bayreuther Teilen des Gebirges, auch im bayerischen Fichtelgebirge, im Frankenwalde und Vogtlande, wie in Thüringen ist der Erzbau auf Gangerze schon seit langer Zeit nicht mehr lohnend und daher fast gänzlich aufgelassen. Wir verzichten hier um so mehr auf eine Darstellung der Erz-
gangbildungen im ostthüringischen Schiefergebirge, als dieselben eine ausführliche Beschreibung von W. Gümbel in seinem Werke über das
Fichtelgebirge gefunden haben.
9. Der Thüringer Wald. Die geologischen Verhältnisse dieses Gebirges sind frühzeitig durch-
forscht worden in jener Zeit, in welcher durch die allgemeine große und nachhaltige Einwirkung Werners am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die Augen hervorragender Geister dem geognostischen Schauen aufgetan wurden. Der Bergbau bei Ilmenau beschäftigte Goethe zwei
Jahrzehnte lang und führte ihn zum Studium der Geologie, dem er bis an sein Lebensende treu blieb 1). Im Jahre 1780 beauftragte Goethe
den jüngeren Voigt, das ganze Thüringer Land zu bereisen, um die >> Stein- und GebürgsartenIch anstalten kühner Dichter-Gedanke, der erst in unseren Tagen verwirklicht werden konnteein ! R. Lepsius, Geologie von Deutschland. II.
16b
Der Thüringer Wald.
248
Für ihre Zeit sehr verdienstvoll und eingehend sind die Werke von Heim¹) und von Hoff²) über den Thüringer Wald. Erst die großen Fortschritte der Wissenschaft nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts konnten wertvolle Grundlagen für eine Erkenntnis der geo-
logischen Verhältnisse dieses Gebirges schaffen : die geognostische Karte
des Thüringer Waldes von Heinrich Credner³) ist als erste Übersichtskarte vorzüglich; sie ist erst im Jahre 1897 durch eine bessere, die >>Geognostische Übersichtskarte des Thüringer Waldes von Fr. Beyschlag¹) ersetzt worden; zur letzteren fehlt der Text5). Der Thüringer Wald ist ein keilförmiger, schmaler Horst des altpaläozoischen Grundgebirges, auf dessen Rücken ausgedehnte Decken von rotliegenden Schichten, von Porphyren und Melaphyren , auch 1) Joh. Ludwig Heim (in Meiningen , Geologische Beschreibung des Thüringer Waldgebürgs. 3 Teile. Mit Kupfern. Meiningen 1796-1812.
2) Karl Ernst Adolf von Hoff (in Gotha) und Chr. W. Jacobs, Der Thüringer Gotha 1807-1812. Über Karl von Hoff ist eine gute Biographie kürzlich er-
Wald, besonders für Reisende geschildert. Mit Kupfern und Karte. 2 Teile.
schienen von O. Reich. Leipzig 1905. Das bedeutendste Werk K. von Hoffs ist seine: Geschichte der durch Überlieferung nachgewiesenen natürlichen Veränderungen der Erdoberfläche. 5 Teile. Gotha 1822-1841.
Die ersten beiden Bände dieses
Werkes erschienen vor den Principles of Geology von Charles Lyell (1. Aufl. 1830 bis 1833) ; sie enthalten dieselben Anschauungen, durch welche Ch. Lyells Werk berühmt wurde.
Freilich schrieb Karl von Hoff nur in der deutschen Gelehrten-
stube; seine beschränkten Mittel erlaubten ihm nicht, die fernen Länder kennen zu lernen, deren natürliche Veränderungen er mit erstaunlicher Gelehrsamkeit beschrieben hat. Der reiche Schotte Ch. Lyell dagegen schöpfte überallher aus eigener Anschauung. 3) Zwei Blätter im Maßstabe von 1 : 200000. 2. Aufl. Gotha bei Justus Perthes,
1854. Dazu eine Erläuterung unter dem Titel: Versuch einer Bildungsgeschichte der geognostischen Verhältnisse des Thüringer Waldes. 1855. Auf diesen beiden Blättern ist nicht nur das Thüringer Waldgebirge, sondern ganz Thüringen bis Coburg-Meiningen und bis Weimar- Langensalza geologisch dargestellt.
4) Nach denAufnahmen der Kgl. preußischen geologischen Landesanstalt zusammengestellt von Prof. Dr. Fr. Beyschlag im Maßstabe 1 : 100000. Die wichtigsten Blätter der Spezialkarte des Thüringer Waldes im Maßstabe 1: 25000, welche die preußische geologische Landesanstalt bereits seit längerer Zeit aufge-
nommen hat, und welche Fr. Beyschlag für seine Übersichtskarte zur Verfügung standen, sind bis jetzt noch nicht veröffentlicht worden. Trotzdem wird die Lieferung 64, enthaltend die Thüringer Wald-Blätter Ilmenau, Schleusingen, Suhl, Crawinkel, Plaue, Masserberg, schon seit mehreren Jahren in dem Verzeichnis ihrer Veröffentlichungen von der Kgl. preuß. geolog. Landesanstalt aufgeführt. Justus Roth , Wilhelm Dames , Ernst Beyrich u. a. kartierten bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei Eisenach. Die Blätter des Thüringer Waldes in 1: 25000 sind längst gedruckt, werden aber nicht herausgegeben, weil die dazu
gehörigen Erläuterungen noch nicht geschrieben sind. Die Übersichtskarte von Fr. Beyschlag erschien im Jahre 1897 (die Jahreszahl ist auf der Karte nicht angegeben !). Einige Fehler sollten bei einer neuen Auflage nachgetragen werden: z. B. fehlen der Lias am Reihersberg bei Eisenach, der Muschelkalkgraben bei Wasungen, der Basalt auf der Mehmelser Kuppe usw. 5) Ein gutes Buch über ganz Thüringen ist dasjenige von Fr. Regel Thüringen, ein geographisches Handbuch. 3 Teile. Jena 1892-1896 : im ersten Bande S. 88
bis 309 findet man eine Übersicht der geologischen Verhältnisse vom Frankenwald, Thüringer Wald und den thüringischen Triasmulden. H. Proescholdt, Der Thüringer Wald und seine nächste Umgebung Forschungen zur deutschen Landesund Volkskunde, Bd. V, Heft 6, S. 325-375. Stuttgart 1891. J. Walther, Geologische Heimatskunde von Thüringen. Jena 1902 ein Führer auf geologischen Wanderungen in Thüringen.
249
Granite und Glimmerschiefer.
ein wenig Zechstein liegen geblieben sind; dieses ganze paläozoische Gebirge ist erst zur tertiären Zeit aus dem mächtigen Mantel der Trias emporgestaut worden, so daß Zechstein und Trias jetzt längs der beiden Bruchränder des Gebirges mit Verwerfungen abgesunken stehen, zum Teil in steil aufgerichteter Schichtenstellung; auf der Höhe des Thüringer Waldes dagegen haben sich keine Reste der ehemaligen Triasbedeckung erhalten ; alles ist, mit Ausnahme kleiner Zechsteinreste, bis auf die rotliegenden Decken fortgewaschen worden.
Die rotliegenden Ablagerungen liegen diskordant und schwebend über den Gneisen, Graniten, Glimmerschiefern und altpaläozoischen Schiefern des Grundgebirges. A. Grundgebirge und rotliegende Schichten. a) Granite und Glimmerschiefer .
Im Südosten des Thüringer Waldes herrschen die Phycodenschiefer und -quarzite des Cambrium; der Langenberg bei Amt Gehren
schließt dort die breiten cambrischen Schieferberge gegen gen den Thüringer Wald ab. Silur, Devon, Kulm bleiben in der Mitte der ostthüringischen Hauptmulde in größerer Entfernung vom Thüringer Walde und dringen nicht in diesen ein. Vielmehr heben sich im Innern des Waldgebirges immer tiefere geologische Horizonte heraus: in den Quellgebieten der Schleuse bei Neustadt, im Vessergrunde bei Schmiedefeld, im Ehrenberge bei Ilmenau werden die cambrischen Schiefer bereits von Graniten durchbrochen.
Weiterhin herrschen die Granite
vor im Meyersgrunde bei Stürzerbach, in der nächsten Umgegend von Schmiedefeld und bei Suhl-Zella-Mehlis .
Die tiefste Sohle des Grundgebirges hebt sich im nordwestlichen
Teile des Thüringer Waldes heraus : die Gneisgranite und Glimmerschiefer mit ihren zahlreichen Granitstöcken und Granitgängen der Gegend von Brotterode und von Ruhla zeigen uns ein typisches Bild des kristallinen Grundgebirges, und zwar ein Bild der oberen Horizonte desselben: die unteren Grenzen des Schiefergebirges stecken als umgewandelte Schollen zwischen und über den gewaltigen Massen der Granitlakkolithe .
Der nördliche Gegenflügel des ostthüringischen Schiefergebirges wird zunächst völlig verdeckt durch die mächtigen rotliegenden Schichten bei Wilhelmsthal und Eisenach ; sodann von der Trias.
Erst 35 km
nördlich von Eisenach treten Kulmgrauwacken zutage an der Werra
bei Sooden-Allendorf , ein wichtiger Aufbruch des altpaläozoischen Grundgebirges : denn derselbe liegt mitten zwischen Kellerwald und Harz; Grauwacken mit Grauwackenschiefern herrschen vor. (Vgl. das umstehende Profil 59). Nur in der südlichen Partie bei Albungen
lagern Tonschiefer mit Einlagerungen von Quarziten, Kieselschiefern und Kalken, von Hornstein- und Roteisensteinknollen, sowie mit kon-
kordant eingeschalteten Diabaslagern¹). Leider sind bisher in dieser 1) Blatt Allendorf der preuß. geolog. Spezialkarte ; mit Erläuterungen. Berlin1886. 16b*
zu
Schmelzhütte
zm 1
Grauw
West
Erläuterung Allendorf, Blatt zu;Moesta, Werra nach der Fr. an Schiefergebirge Allendorf Sooden bei Grauwackendurch und das
Grundgebirge und rotliegende Schichten.
250
Sch
D
zu
Ebersberg
DD
264m
Bilstein
D
D
Berlin 1886. Taf. Fig. 2. I,
Maßstabe Profil im 59 25000 1):(
Grauwacken Kulm?)(.
Oberdevon Schiefer Sch.(?) Schiefern. Diabaslager den D in und Kalkstein. Kupferschiefe lomerat zur, Zechsteinkong Anhydrit y. Gips, Hauptdolomit zm1. Oberer Letten. zo3
Unterer Letten. 201 Plattendolomit zo2.
Sandstein. Unterer bunter su
Dolomitknauern. Schiefertone mit zs
277 m
zm 1
Werra Fluss
Sch
151m
zu
ZM1 202 201
Sch
ZS
Weinberg
Z03
y
su
Ost
Granite und Glimmerschiefer.
251
alten Schiefer- und Grauwackeninsel bei Sooden-Allendorf keine Fos-
silien gefunden (außer schlecht erhaltenen Calamiten), so daß das geologische Alter der Schichten zweifelhaft bleibt. Das Streichen dieser Grauwacken und Tonschiefer verläuft parallel dem niederrheinischen Schiefergebirge in NO; das Fallen ist mit 40-60° in SO oder NW 1) . Dagegen folgt die Längsachse der Erhebung der Grauwackenschollen an der Werra dem NW-Streichen des Thüringer Waldes : d. h. die Faltung des Grauwackengebirges gehört derjenigen des niederrheinischen Schiefergebirges in der Zeit zwischen Kulm und Oberkarbon an ; der
Aufbruch der Triasdecke dagegen und das Durchstoßen der Grauwacken geschah durch die jungen, tertiären Bewegungen, welche auch den Thüringer Wald und den Harz als Einzelgebirge entstehen ließen, während dieselben vor dem Oberkarbon nur Teile des großen Gebirgssystems waren, das von Frankreich durch Mitteldeutschland bis nach Rußland von West nach Ost hindurchzog. Der Aufbruch des kristallinen Grundgebirges bei Ruhla-Brotterode liegt genau im Streichen, und zwar 130 km NO von dem kristallinen Grundgebirge bei Aschaffenburg. Daß auch zwischen beiden Gebieten
nicht altpaläozoische Schiefergesteine , sondern kristalline Gesteine unter der Triasdecke durchstreichen, wissen wir aus den Einschlüssen des Basaltes vom Calvarienberge bei Fulda2) : die Bruchstücke von
Muschelkalk und Buntsandstein werden an Menge bei weitem übertroffen von solchen der Gneise und Granite.
Andererseits entsprechen die massenhaften Ausbrüche von Porphyren und Melaphyren im Thüringer Walde, sowie weiter nach Osten in der Umgegend von Halle und von Leipzig-Meißen denjenigen des SaarNahegebietes.
Es ist daher anzunehmen, daß das Grundgebirge unter der Triasdecke in Mitteldeutschland etwa in folgender Weise durchstreicht : 1. Devon-Kulm vom Kellerwald über Sooden an der Werra zum Harze.
2. Das kristalline Gebirge (Granit-Gneis-Glimmerschiefer) von dem
Vorspessart bei Aschaffenburg über Fulda nach Ruhla-Brotterode im Thüringer Walde.
3. Rotliegende Schichten mit Porphyr- und Melaphyrströmen vom Saar-Nahe-Gebiete über Darmstadt nach dem Thüringer Walde und nach Halle-Leipzig. 1) Im Profil 2 der Erläuterungen zu Blatt Allendorf fallen die Tonschiefer von Albungen unter die Grauwacken mit NW-Fallen ein; im Text S. 7 und 9 heißt es umgekehrt , daß die jüngeren Tonschiefer den Grauwacken aufgelagert sind. 2) W. Gutberlet, Einschlüsse in dem Basalte des Calvarienberges bei Fulda. N. Jahrb. für Min. 1853, S. 659-669. Ders. , Geognostische und geologische Be-
obachtungen über den Calvarienberg bei Fulda, mit geologischer Karte. IV. Bericht der Oberhessischen Ges. Gießen 1857. Eine erneute und genauere Untersuchung der zahlreichen Einschlüsse aus dem noch jetzt offenen Basaltbruche am Calvarienberge wäre sehr erwünscht ! Durch Tiefbohrungen bei Fulda wissen wir, daß in dortiger Gegend unter dem Buntsandstein die mehrere Hundert Meter mächtigen Salzlager des Zechsteins liegen. Ob rotliegende Schichten darunter folgen, ist nicht bekannt. Die Graniteinschlüsse im Basalt des Calvarienberges sind häufig tachylitisch angeschmolzen, wie im Roßberge bei Darmstadt.
252
Grundgebirge und rotliegende Schichten. 4. Endlich das ausgedehnte kristalline Grundgebirge vom Zentral-
plateau von Frankreich, durch Vogesen und Schwarzwald nach dem Fichtel- und Erzgebirge.
Ein solches Durchstreichen des Grundgebirges unter der Triasdecke von Mittel- und Süddeutschland ist auch von Bedeutung für
die Beurteilung der großen Dislokation, die von Regensburg bis zum Südrande des Thüringer und des Teutoburger Waldes den deutschen Boden mitten in zwei vielfach voneinander abweichende Teile zer-
schneidet, in der Richtung von SO nach NW. Wir schließen aus dem gekennzeichneten Verhalten des Grundgebirges, daß keine oder keine bedeutende horizontale Verschiebung des hercynischen Gebirgssystems gegen die ober- und niederrheinischen Gebirgssysteme , kein Vorschieben nach NW, wie es scheinen möchte, stattgefunden hat. Vielmehr wurden der Thüringer Wald, der Harz und die andern Gebirge des hercynischen Systems nur senkrecht von unten nach oben zutage durch die Triasdecke hindurchgestoßen, ohne daß eine horizontale Schiebung nach NW hin geschehen ist. Da die große Dislokation von Passau-Regensburg-SchmalkaldenBielefeld noch keinen Namen besitzt, obwohl sie einheitlich, und zwar erst in der tertiären Zeit entstanden ist, so wollen wir dieselbe » Fränkische Linie nennen, da sie wenigstens in ihrem mittleren, längeren Verlaufe von der Naab bis zur Werra das Frankenland durchschneidet.
Gerade längs des Südrandes vom Thüringer Walde macht sich die fränkische Linie in stark ausgeprägten Formen geltend. Selten lassen sich die Grenzzonen zwischen dem Cambrischen
Schiefergebirge und den von unten her in dasselbe eindringenden Granitlakkolithen so gut beobachten wie im Thüringer Walde. Im Südosten desselben sehen wir zunächst nur die am weitesten in das
Schiefergebirge eingebrochenen Granitgangmassen hier und da auftauchen; von solchen haben wir aus dem ostthüringischen Schiefer-
gebirge oben (S. 241ff.) die Granite von Hirschberg a. d. Saale, vom Hennberg bei Weitisberga u. a. erwähnt. Der Granit vom Steinberg zwischen Mankenbach und Glasbach bei der Obstfelder Schmiede an
der Schwarza oberhalb Schwarzburg sendet zahlreiche, meist porphyrisch ausgebildete Gänge in die cambrischen Schiefer; er streicht weit nach S durch über Mellenbach und Meuselbach bis Katzhütte im
oberen Schwarzatal und lagert im Innern eines streichenden Aufbruches im Schiefergebirge 1). Ein ähnlicher Granitausbruch findet sich auf 1) H. Loretz, Erläuterungen zu den Blättern Königsee und Groß-Breitenbach,
Berlin 1892, hat eine derartig ungenügende Beschreibung seiner Porphyroides, seiner granit und gneisartigen Gesteine aus diesem Granitzuge geboten, daß sich die Kgl. preuß. geol. Landesanstalt veranlaßt sehen sollte, baldigst eine er-
neute Untersuchung dieser wichtigen Granitausbrüche im ostthüringischen Schiefergebirge vornehmen zu lassen. Auch die zahlreichen Quarzgänge im Schwarzatale, welche meist im Hauptstreichen der Schiefer von SW nach NO durchziehen, sind
Ausläufer der Granite.
R. Kraus, Die Porphyroide des Schwarzatals. Inaug.-Diss.
Jena 1885. In dieser Abhandlung werden die Porphyroide aus den Gängen von Ober-Hain, von Katzhütte und von Langenbach an der oberen Schwarza beschrieben;
auch chemische Analysen der Gesteine ausgeführt. Eigentümlicherweise erwähnt R. Kraus das bedeutendste dieser Vorkommen, die Porphyrgänge und den dazu gehörigen Granitstock vom Steinberg bei der Obstfelder Schmiede an der Schwarza
Granite und Glimmerschiefer.
253
dem Milchberge zwischen Groß-Breitenbach und Friedersdorf. Dies alles sind nur die Vorläufer der großen Granitmassen, welche in zunehmendem Maße nach W und NW zu im eigentlichen Thüringer Walde das Schiefergebirge durchbrechen.
Trotz der starken Bedeckung durch die rotliegenden Gesteine tritt das alte Grundgebirge doch in so zahlreichen und großen Inseln im Thüringer Walde zutage, daß sich alle in Betracht kommenden Verhältnisse genau verfolgen lassen. Da tut sich zunächst der weite obere Schleusegrund (Gabelgrund) auf: die Quellbäche der Schleuse fließen vom Dreiherrnstein am Rennstieg über ausgedehnte, zum Teil vermoorte Flächen des Cambrischen Schiefergebirges hinab bis Unterneubrunn und Lichtenau. Rings um die Schieferinsel erheben sich die Porphyrdecken des Rotliegenden. Mitten in diesem Schiefergebiete brechen die mächtigen Granitmassen des Großen und Kleinen Burgberges auf; sie senden zahlreiche,
zum Teil porphyrisch ausgebildete Gänge und Adern (bis zu feinsten Trümern) in das durchbrochene Schiefergebirge. Der Granit ist feinbis grobkörnig ; rötlich gefärbt; er enthält in bei weitem vorwiegender Menge einen fleischroten Orthoklas, daneben Quarz und dunklen Biotit. Ein typischer Kontakthof umgibt die Granitmassen : die phyllitisch glänzenden Schiefer sind in Fleck- und Knotenschiefer, in Hornfelse (auch mit Knoten) umgewandelt ; Quarzitbänke sind kaum verändert 1). Auch Quarzgänge als letzte Nachschübe der Graniteruptionen erscheinen häufig, während die Flußspatgänge wohl ein wesentlich jüngar nicht und behauptet daher fälschlicherweise, daß zu den von ihm beschriebenen Porphyroiden in dem Schwarzatale kein Eruptivgestein nachweisbar sei. Dabei hatte R. Richter bereits 1867 auf seiner >Geognostischen Karte des Thüringischen Schiefergebirges den ganzen Eruptivlagergang in seiner 10 km langen Erstreckung von Mankenbach bis Katzhütte richtig als Granit eingezeichnet. 1) H. Loretz, Bemerkungen über das Vorkommen von Granit und verändertem
Schiefer im Quellgebiet der Schleuse im Thüringer Walde. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. Berlin 1887, S. 272-294, mit geologischer Kartenskizze. Geologische Profile fehlen. Vom Fundorte Gabel untersuchte K. Lossen einen Phyllit mikroskopisch (S. 275) ; er fand: reichlich Quarzkörnchen; daneben ganz selten
Feldspatkörnchen (Plagioklas); ein Teil des körnig erscheinenden Mosaiks dürfte klastisch sein; als lamellare Mineralien treten auf viel lichter, nicht pleochroitischer
Kaliglimmer; daneben in geringerer, aber konstanter Menge ein schwach grünlich gefärbtes und schwach, aber deutlich pleochroitisches, chloritisches Phyllitmineral;
dazu tritt Eisenoxyd als rote Blättchen oder Läppchen, doch nur in sehr kleinen und spärlichen Mengen; sehr zahlreich sind die Rutilschiefernädelchen in der für Tonschiefer und Phyllite gewöhnlichen Ausbildung; sehr vereinzelt bleiben kleine, rundliche Zirkonkörnchen oder -kriställchen , und ebenso Turmalinsäulchen .
Und Loretz fügt hinzu: Dieser phyllitisch-cambrische Schiefer ist von dem graugrünen, deutlich obercambrischen, d. h. dem Silur benachbarten, graugrünen Ton-
schiefer Thüringens nicht wesentlich verschieden. < Die chemische Analyse dieses phyllitischen Schiefers von Gabel ergab (S. 292) : SiO2
TiO2 AlO3 . Fe2O3
65.84 0,22
17,10
FeO
1,60 4,00
MgO .
1,99
Spez. Gew. = 2,7413
CaO
Spur
Ka2O Na2O SO3
1,47
P2O5 .
0,12
CO2 H2O
4.74
3,87
Spur Spur 100,95
254
Grundgebirge und rotliegende Schichten.
geres Alter besitzen, da sie an andern Orten zugleich mit Schwerspatgängen bis in den bunten Sandstein aufsetzen ; diese Flußspatgänge
streichen daher in der Richtung des jüngeren hercynischen Systemes nach Nordwesten.
Daß die Granite der Burgberge , ebenso wie die Granite in dem Ehrenberge bei Illmenau, nicht das sonst vorherrschende NO- , sondern
mehr ein N-Streichen zeigen, ist wohl nur dem unregelmäßigen Durchbruche der Eruptivmassen zuzuschreiben; jedenfalls darf darin kein wesentlicher Unterschied gegen die übrigen Granitdurchbrüche im Thüringer Walde und im ostthüringischen Schiefergebirge gefunden werden. Denn alle diese Granite sind gleichzeitig entstanden : unmittelbar nach oder während der Faltung des Schiefergebirges in der Zeit zwischen Kulm und Oberkarbon. Die Zusammenstauung und steile Aufrichtung der Cambrium-Kulmschiefer war vollendet oder noch im Gange , als die Granitlakkolithe und ihre Gangmassen von unten her in das aufgefaltete Schiefergebirge hineinbrachen. Eine zweite , der ersten ähnliche Schieferinsel tritt westlich vom
Frauenwald im oberen Nahe- und Vessergrunde bei Schmiedefeld aus den umliegenden hohen Porphyrbergen zutage. Auch hier sind die cambrischen Schiefer durch die durchbrechenden Granite umgewandelt, und zwar beobachten wir wie gewöhnlich zwei Arten dieser Umwandlung : erstens diejenige der Schiefer in Phyllite durch Fernwirkung der unterlagernden Granitlakkolithe , und zweitens die Veränderung der Schiefer in Frucht- und Knotenschiefer , sowie in Hornfelse durch die unmittelbare Kontaktwirkung der erumpierenden Granitmassen. Jene Fernwirkung nannte man früher Regionalmetamorphose ; sie ist im Grunde ebenfalls nur eine Kontaktmetamor-
phose, nur daß die Granitgrenze in weiterer Entfernung liegt als bei jenen stärkeren Umwandlungen im nahen Kontakte der Granite. In dieser Waldgegend, und zwar im Südausläufer des Großen Eisenberges am Schwarzen Krux zwischen Vesser und Schmiedefeld lagert im Kontakthofe des Granites vom Vesser- Grunde und in den
Obercambrischen Schiefern ein seit alter Zeit her abgebautes, bedeutendes Magneteisenerzlager ').
Der Mineralbestand dieses Lagers ist
interessant in bezug auf seine metamorphe Entstehung. Das Magneteisen ist dicht bis grobkristallin; alle Hohlräume in der Erzmasse
sind mit Flußspat ausgefüllt; auch liegen granat- und kalkspatreiche Partien im Magneteisen; daneben finden sich Orthit , Baryt, Feldspat, Apatit, Molybdänglanz und Wolframit. An andern Stellen besteht das Eisenlager aus Schwefelkies am » Gelben Krux« und aus >
Roteisenstein am Roten Krux . Die Obercambrischen Schiefer wurden
im Kontakt am Granitstock in Granat- und Andalusithornfels, welcher Cordierit, Turmalin und Sillimanit enthält, sowie in Andalusit führenden Quarzglimmerfels umgewandelt.
Wir haben also hier an dem Schwarzen Krux ein typisches Gebiet der Kontaktmetamorphose von Schiefern am Granit vor uns : neben 1) Karl Schlegel, Das Magneteisenerzlager vom Schwarzen Krux bei Schmiede-
feld im Thüringer Wald. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Bd. 54, S. 24-55. Taf. II und III.
Berlin 1902 .
Granite und Glimmerschiefer.
255
der innern Umkristallisierung der Schiefermasse durch die aus dem Granit ausströmenden Wasserdämpfe wurden dem Kontakthofe pneumatolitisch Fluor , Phosphor , Schwefel , Cer, Bor durch die Granit-
eruptionen zugeführt. Wie an andern Orten (Berggießhübel , siehe oben S. 70) dürfte auch hier an den Drei Kruxen« ursprünglich ein Roteisenerzlager, durch wässerige Umsetzung auf Kalkstein entstanden, vorhanden gewesen sein, als die Granite in das gefaltete Grundgebirge erumpierten; das Roteisen wurde im Kontakthofe in Magneteisen umgewandelt , wie dies stets in solchen Fällen geschieht; die durch die dichtere Lagerung der Eisenmoleküle entstehenden Hohlräume füllten sich mit Flußspat, Kalkspat und andern Mineralien. Am Gelben >
Krux entstand durch Schwefelexhalationen aus dem Roteisen Schwefel-
kies. Jedenfalls ist das Magneteisen weder magmatisch aus dem Granit ausgeschieden, noch auf irgendeine andere Art und Weise durch die Graniteruptionen zugeführt worden. Auf der Nordseite des Thüringer Waldes entspricht der Ehrenberg bei Ilmenau genau den Schieferinseln vom Burgberg und vom
Vesser. Der Ehrenberg ist, seitdem Goethe ihn betrat, immer wieder von Geologen besucht und auch mehrfach beschrieben worden 1). Die cambrischen Schiefer des Ehrenberges streichen quer durch
den von West nach Ost langgezogenen Berg in regelmäßigem Streichen des Grundgebirges von SW nach NO; sie fallen mit 30 bis 50 ° in SO oder NW ein. Auf der Westseite des Berges lagern größere Massen von Amphibolschiefern; in denselben überwiegt die schwarzgrüne Hornblende; der Feldspat (Labrador) tritt in der Regel zurück; zuweilen erscheint reichlich Biotit. Vermutlich sind diese >Amphibolite aus Diabastuffen durch Einwirkung der Granite entstanden ; sie werden von den Granitgängen vielfach durchtrümert, wie die beiden umstehenden Profile 60 und 61 zeigen. Außer den Graniten setzen >> Grünsteine
in den Schiefern des
Ehrenberges auf. H. Credner nannte sie »Diorite , weil sie vorwiegend aus Hornblende und Labrador bestehen; K. von Fritsch nannte
sie >Gabbrogrünsteine , E. E. Schmid
Labradordiorite« .
Vier
Lagergänge dieser massigen Eruptivgesteine sieht man im östlichen Teile des Ehrenberges durch die cambrischen Schiefer ziehen. Nach
Analogie der ostthüringischen und sächsischen gleichartigen Verhältnisse dürften diese » Grünsteine>Hercynische Fauna von E. Beyrich 1) und Em. Kayser, sie umfaßt also obersilurische bis mitteldevonische Fossilien.
Unter diesen Umständen wird es zweck-
mäßig sein , jeden Rest dieser unglücklichen Bezeichnungen Hercynkalke , Hercynfauna « , » Hercynische Schichten usw. vollständig aus der Wissenschaft auszumerzen , damit diese Namen, welche vierzig Jahre lang die Geologie des Harzes verwirrt und den Fortschritt in der Kenntnis der ältesten Schichtensysteme gehemmt haben, keinen weiteren Schaden mehr verursachen können.
Die Fauna der sog. Hercynkalke im Unterharz enthielt eine gewisse Anzahl von Trilobiten , Goniatiten und Brachiopoden , welche bis zu jener Zeit nur aus dem böhmischen Silur bekannt waren, dagegen im niederrheinischen Schiefergebirge zum großen Teil fehlten oder erst später gefunden wurden (Greifensteiner Kalk); es war daher in der Tat ein Fortschritt in der Erkenntnis, als E. Beyrich zuerst im Jahre
18672) die Übereinstimmung dieser » hercynischen Fauna« mit böhmischen Fossilien Barrandes aus dessen Etagen F, G, H betonte ; auch sprach es E. Beyrich sogleich aus, daß die Etagen F, G, H sehr wohl jünger
sein könnten als die gesamte Schichtenfolge, der die Benennung des Silurs ursprünglich beigelegt worden ist, d. h. als eine versteinerungsreiche unterdevonische Kalksteinformation , welche sich zu den mächtigen versteinerungsarmen unterdevonischen Schiefer- und Grauwackengebilden anderer Gebirge ebenso verhält wie der versteinerungsreiche Kohlenkalkstein zu den versteinerungsarmen Kulmäquivalenten anderer Distrikte .
Diese Ansicht vom Jahre 1867 hat E. Beyrich festgehalten bis
zu seinem Tode (1896) ; aus derselben erklärt es sich, daß Em. Kayser, blind Beyrichs Anschauung folgend, in seinem Werke (1878) eine so große Menge von typisch mitteldevonischen Formen verkannte und mit unterdevonischen, ja silurischen (Graptolithen, Cardiolen) Arten vereinigt hat zu einer einzigen »Hercynfauna , welche älter sein sollte
als das niederrheinische Unterdevon und jünger als die Obersiluretage E Barrendes .
Wenn wir jetzt die verschiedenen Facies der Faunen des Unter-
und Mitteldevons am Niederrhein und im Harze, resp. der Faunen von Barrandes böhmischen Etagen F, G, H überblicken, nachdem inzwischen seit Beyrichs ersten Anfängen im Harze (1866) so sehr viel mehr Fossilien aus den drei Gebieten neu gefunden oder in genauere Übereinstimmung ihrer Namen (z. B. in bezug auf die Wissenbacher und Greifensteiner Arten) gebracht worden sind, so kommen wir zu dem Resultate , daß die Faunen der Unter- und Mitteldevonablagerungen
der drei Gebiete nicht mehr so stark voneinander geschieden sind, 1) E. Beyrich, Über das Alter der Kalksteine bei Zorge und Wieda, La-
deckenberg, Joachimskopf, Radebeil. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. 1867, S. 247 bis 250; nirgends sind mitteldevonische Petrefakten gefunden, welche für die von A. Roemer ausgesprochene Ansicht über die Natur der in Betracht gezogenen Kalksteine auch nur eine entfernte Stütze abgäben.. 2) E. Beyrich, Zeitschr deutsch. geol. Ges. 1867, S. 249. A. Roemer konnte die Verwandtschaft der Harzer und böhmischen Faunen noch nicht erkennen, da ihm Barrandes Werke kaum bekannt waren.
Mitteldevon.
303
als es früher den Anschein hatte : denn einerseits wurde am Rhein
eine immer größere Anzahl von böhmischen Arten erkannt, andererseits im Harze neben den böhmischen auch mehr niederrheinische Formen
gefunden, besonders im untern Teil des Mitteldevons. Ein wesentlicher Unterschied bleibt dagegen bestehen für die tieferen Stufen des Unterdevons, und zwar für die ältesten Stufen vom
niederrheinischen Schiefergebirge, 1. die Stufe des Spirifer Mercuri
=
Gedinnien in Belgien , zu
welcher vielleicht ein Teil der Sericitschiefer des Taunus und Hunsrück gehören ;
2. die Stufe des Spirifer primaevus = Taunusquarzite , Siegener Grauwacken, Hunsrückschiefer. Diese beiden sehr mächtigen. (mehr als 1000 m, vgl. Bd. I, S.109)
Stufen besitzen im Harze keine Aquivalente, ja sie fehlen vollständig. Da wir diese Lücke in Ostthüringen ebenfalls erkannt haben (oben S. 220) und die weiter durch Europa und Asien sich erstreckende Transgression des Mitteldevons kennen , so dürfen wir für den Harz
(wie für Böhmen) annehmen, daß während der Zeit der ersten Hälfte des Unterdevons in diesen Gebieten das Silur trockengelegt war, und erst das Meer der zweiten Hälfte des Unterdevons (untere und obere
Koblenzschichten des Niederrheins) wieder die Gegend des Harzes überschwemmte .
Diese lange Zeit nicht erkannte Lücke in den Absätzen des Unterdevons im Harze ist eine der Ursachen gewesen für die Ver-
wirrung , welche entstand, als die hercynischen Schichten verglichen wurden mit den Stufen des niederrheinischen Devons.
Auch darin ist Analogie zwischen dem Harze und dem nieder-
rheinischen Schiefergebirge vorhanden, daß die Ausbrüche der Diabase nicht im Unterdevon , sondern erst im oberen Mitteldevon beginnen und im Oberdevon fortsetzen ; daher die zahlreichen Diabaslager, welche K. Lossen in seinen » Wiederschiefern
auf seiner Übersichts-
karte im Unterharze eingezeichnet hat - Diabase, welche tatsächlich wie an der Lahn in den als Mittel- und Oberdevon anzusehenden
Schichten einlagern, ebenfalls von ihren Tuffen (Schalsteinen) begleitet. Jedenfalls werden im Unterharze durch eine neue Kartierung
noch die zahlreichen dunklen Punkte, die für die Lagerung der bisher bestimmten Schichten des Silurs und Devons fortbestehen, hinreichend aufgeklärt werden.
Dabei werden unzweifelhaft noch neue Fundorte
für silurische, devonische und Kulmfossilien in den ausgedehnten Gebieten des Unterharzes aufgefunden werden, deren Bestimmung die neuerdings gewonnenen Ergebnisse über das Alter der Schichten ver-
tiefen und verbreitern werden. Bisher wurden von Beyrich, Lossen, Kayser, sowie von Koch, Denckmann und Beushausen fast nur die alten, von A. Roemer, Bischof, Jasche aufgefundenen Fundorte wieder und wieder aufgesucht und neu ausgebeutet. Doch gibt es in den südlichen und östlichen Gebieten des Unterharzes eine große Anzahl von
Kalklinsen in den Wiederschiefern « , in denen bisher nach Fossilien kaum gesucht worden ist. Zur richtigen Erkenntnis der äußerst kompli
Die Schichtenfolge im Unterharze.
304
zierten Lagerung im Harze aber ist es unbedingt erforderlich, zahlreiche künstliche Aufschlüsse zu machen , so wie dies M. Koch an dem alten Roemerschen Fundorte im Klosterholz bei Ilsenburg begonnen hatte.
2. Das obere Mitteldevon (Stringocephalenschichten) war ebenso wie die oberdevonischen Stufen durch die Untersuchungen A. Roemers im Unterharz so klargelegt worden, die Faunen stimmten so genau mit denen des Oberharzes und vom Niederrhein überein, daß über ihr Alter niemals Zweifel entstehen konnten. Diese Stufen lagern im Unterharze vorwiegend in der großen Elbingeroder-Rübeland-Hüttenroder Mulde. Daß aber auch in anderen Gegenden des Unterharzes und mitten im Gebirge eingesunkene Schollen derselben gelegentlich erhalten blieben, zeigen die oberdevonischen Clymenienkalksteine über dem oben erwähnten Brachiopodenkalk vom Scheerenstieg bei Harzgerode, die Cypridinenschiefer bei Hasselfelde oder die oberdevonischen Clymenien- und Goniatitenkalke am Eselstieg in der Nähe des Jagdschlosses Meiseberg im Selketal unterhalb Mägdesprung 1). Bisher sind jedoch nur die Ablagerungen und die Lagerung in der Elbingeroder Mulde 2) genauer bekannt geworden, früher durch A. Roemer,
Koch 3). Siehe die umstehenden Profile 68 und 69. neuerdings durch M. Koc Die Auffassung Lossens4) war, daß die Hauptmasse der Diabase und Schalsteine über den Stringocephalenkalken liegen , während sie tatsächlich unter denselben lagern; und über den Wissenbacher 1) Jahrb . preuß. geol. Land.-Anst. für 1895, S. 127 .
2) Es liegt kein Grund vor, die drei großen Mulden K. Lossens im Unterharze, die Elbingeroder, die Zorge-Stieger-Wiedaer und die Ballenstedter, fürderhin nicht als
Mulden
bestehen zu lassen: denn wenn auch im Detail in ihnen Sättel
und Sattelfalten (neben Mulden und Muldenfalten) jetzt nachgewiesen wurden, und sich die Deutung der Elbingeroder Grauwacken , der Zorger Schiefer und der
►Hauptkieselschiefer Lossens aus dem Hercyn in Kulm vollzogen hat, so lagern ein und an. Vor allem sind die Schalsteine und Stringocephalenkalke, die ober-
doch die drei genannten Gebiete im ganzen muldenförmig dem Kern des Harzes
devonischen und Kulmschichten der Elbingeroder Mulde rings umgeben von den
Schiefern der Calceolastufe, den Unterdevon- und Obersilurschichten, so daß jene jüngeren Stufen zwischen älteren eingesunken liegen. Desgleichen sind die Kulmstufen der Zorger-Stieger-Wiedaer und der Ballenstedter Gebiete gegen die umliegenden älteren Devon- und Silurstufen muldenförmig eingebrochen. 3) M. Koch, Cypridinenschiefer im Devongebiet von Elbingerode und Hüttenrode. Jahrb. preuß. geol. Land. -Anst. für 1894, S. 199-221. Mit Taf. VIII. -
Gliederung und Bau der Kulm- und Devonablagerung des Hartenberg-Büchenberger
Sattels nördlich von Elbingerode. Dass. Jahrb. für 1895, S. 131-164. Mit Taf. VIII. Neuere Ergebnisse der geologischen Forschung im Unterharz. Zeitschr. deutsch. geol. Ges . 1897, S. 7-19.
Protokolle.
4) K. Lossen, Elbingeroder Muldensystem. Jahrb. preuß. geol. Land. Anst. für 1884, S. 21-40.
Es ist charakteristisch für E. Beyrich, K. Lossen und Em. Kayser, daß sie niemals versucht haben, ihre Auffassung des Gebirgsbaues im Unterharze durch geologische Profile klar zu machen. E. Beyrich als einseitiger Paläontologe besaß selbst eine ausgesprochene Abneigung gegen geologische Profile und verhinderte auf allen Karten, welche die preußische Landesanstalt herausgab, diese so notwendige Ergänzung der geologischen Darstellung des Gebirges. Es fehlen sogar auf den meisten preußischen Karten gänzlich die sonst allgemein gebräuchlichen Zeichen für das Fallen und Streichen der Schichten auch z. B. in den mesozoischenGebieten um den Harz herum und im südlichen Hannover.
305
Mitteldevon.
Schiefern , welche am »Herzoglichen Weg nördlich von Hüttenrode die charakteristischen Fossilien dieser Stufe enthalten. Wie im Ober-
harzer Diabaszuge (südlich Clausthal), so sind also auch hier in der Elbingeroder Mulde die ausgedehnten Diabastuffe (Schalsteine) und Mandelsteine zwischen der unteren und der oberen Stufe des Mitteldevon
eingeschaltet - ebenso wie in den Lahnmulden am Niederrhein.
Jüngere , weniger mächtige Lager von Schalsteinen folgen außerdem noch über den Stringocephalenkalken und unter den oberdevonischen Stufen (Cypridinenschiefern) ebenfalls entsprechend dem Lahngebiete. Sowohl aus den Kalken und Schalsteinen als aus den Eisensteinen
der Stringocephalenschichten wurden in den Gruben am Büchenberg, bei Hüttenrode usw. zahlreiche Fossilien gesammelt, welche schon von A. Roemer (a. a. O. Beiträge III , S. 132-137, 1855) beschrieben wurden. M. Koch (1895, S. 142-147) fügt eine größere Menge von Fossilien dieser Stufe hinzu, von denen wir die folgenden nennen : Phacops breviceps Barr. Proetus crassirhachis A. Roem.
crassimargo A. Roem.
Cheirurus myops A. Roem. (= Sternbergi Boekh). Harpes gracilis Sdbg. Bronteus alternans A. Roem.
Orthoceras lineare A. Roem.
Maeneceras terebratum Sdbg. Anarcestes cancellatus Arch. Vern.
Tornoceras cinctum Keyserlg. Platyceras priscum Gldf. Pleurotomaria subclathrata Sdbg .
Euomphalus serpula de Kon. Macrocheilus arculatum Schlth. Turbo caelatus Gldf.
Megalodus cucullatus Sow. Stringocephalus Burtini Defr. Pentamerus galeatus Dalm. Productus subaculeatus Murch.
Orthis tetragona F. Roem. striatula Schlth .
Spirifer subcuspidatus Schnur. -
inflatus Schnur.
Rhynchonella parallelepipeda Bronn. Athyris concentrica v. Buch. Atrypa reticularis L.
Strophomena interstrialis Phill. Platycrinus decoratus A. Roem. Amplexus hercynicus A. Roem. Cyathaxonia hercynica A. Roem.
Cyathophyllum caespitosum Gldf. heliantoides Gldf.
Die unteren Zonen der Stringocephalenstufe enthalten CrinoidenR. Lepsius , Geologie von Deutschland. II.
20
Die Schichtenfolge im Unterharze.
Stollen
dm grgrgr Culm Grauwacken dm ,
D dm
Ddmi
Cu Gr -.
x
Pos.dDifrfole Dfr
Cypr
}
Dff
N
G
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m- uw. l a u r C G d. hF. si Sc IF
Po ng D lk ri Ka n.g lk
Mitteldevon.
}
Maßstabe 12500 Profil im 69 1:)( Elbingeroder Mulde bei Südseite der der auf
SO
m l-
x
Profil Maßstabe 5000 68 im 1(:)
Unterkarbon Kulm().
u
NW
Elbingeroder Büchenberg Nordseite Mulde beim der auf und 157. Jahrb preuß. Koch Land. Anst. 1895, nach geol. 153 M. S.,-. =
Grauwackenbänken Schiefer mit dm mit gr Wissenbacher Diabastuffe Schalsteine Dff )(
Stringocephalenkalk String. Kalk = Oberdevon. Cypridinenschiefer Cyprid Sch.,. Adinole
Posidonienschiefer
ungen. und gen Faltenverwerf xx Überschiebun
Kulmgrauwacken Gr Cu =
C
306
S
Oberdevon.
307
kalke, welche mit den unterliegenden Schalsteinen wechsellagern ; die Hauptfauna der Stufe findet sich in den hangenden Schichten 1).
Die größere Masse der mächtigen sog. Schalsteine, welche unter den Stringocephalenschichten folgen, bestehen aus Diabasen und vorwiegend aus blasigen Diabasmandelsteinen, die durch den Druck bei der karbonischen Zusammenfaltung des Gebirges eine schieferige (schalige) Struktur erhalten haben. Sowohl diese Mandelsteine wie die Diabastuffmassen, die sich mit dem sedimentären Material zu gelben, grünen, grauen Mergeln mischen, beweisen, daß hier zwischen der
unteren (Calceola-) und der oberen (Stringocephalen-) Stufe des Mitteldevons submarin gewaltige Ausbrüche von Diabasströmen und -aschen stattgefunden haben; in geringerem Maße wiederholen sich diese Ausbrüche während der Ablagerung der oberdevonischen Stufen. Dagegen scheinen die zahlreichen Diabasvorkommen in den Wissenbacher (Calceola-) Schiefern des Unterharzes nur intrusive Lagergänge zu sein, deren Eruptionszeit jünger ist als die durchbrochenen Schiefer ; daher hier das gänzliche Fehlen von Diabastuffen und die häufige
Erscheinung der Kontaktmetamorphose , und zwar eine Umwandlung der Schiefer am Kontakt mit den intrusiven Diabasen in Spilosite, Desmosite , Adinole: also in gefrittete Bandschiefer verschiedener Art je nach der Zusammensetzung der sedimentären Schiefer, die durch die Hitze und die Wasserdämpfe der durchbrechenden Eruptiva verändert wurden.
Porphyrische und feldspatreiche Abarten der Diabase, wie sie bei Rübeland und Hüttenrode in den Wissenbacher Schiefern auftreten, benannte K. Lossen mit dem Gümbelschen Namen Keratophyre < . >
IV. Oberdevon .
Von den vier oberdevonischen Zonen: Iberger Kalk , Goniatitenund Clymenienkalk und Cypridinenschiefer, welche A. Roemer im Oberharze (Schulenberg , Bockswiese, Grund) unterschieden hatte , kannte er aus dem Unterharze nur den Iberger Kalk bei Rübeland 2) .
In
neuerer Zeit wurden von M. Koch auch die übrigen Oberdevonzonen bei Elbingerode und Hüttenrode nachgewiesen; bei der außerordentlich gestörten Lagerung der Schichten im Bereiche der Elbingeroder Mulde ist es erklärlich, daß M. Koch diese Zonen erst an einigen Punkten auffand; Sache der genauen Kartierung wird es sein, dieselben über größere Flächen hin und in ihrer regelrechten Lagerung zu verfolgen.
Der Iberger Kalk vom Bergfelde bei Rübeland enthält nach A. Roemer vorwiegend Korallen und Brachiopoden, dann einige
Conchiferen, Gastropoden, selten Goniatiten : 1) Die Mächtigkeit der Schichtenstufen in der Elbingeroder Mulde gibt M. Koch leider niemals an, obwohl es doch gerade hier in den Eisensteingruben leicht gewesen wäre, die Mächtigkeiten festzustellen schon nach den Grubenrissen.
2) A. Roemer, Beiträge III, S. 138-150, und Notizen zu der geognostischen
Übersichtskarte von Elbingerode. Beiträge III, 1855, S. 153-156; mit geol. Karte. Cassel. - Ders., Beiträge IV, S. 159-163; mit Tafeln. Cassel 1860. 20*
308
Die Schichtenfolge im Unterharze.
Stromatopora polymorpha var. stellifera A. Roem. Chorophyllum perfoliatum Gldf.
Cyathophyllum proliferum A. Roem. Sedgewicki Edw. Haime. Acervularia basaltiformis A. Roem. macrommata A. Roem.
irregularis A. Roem.
Phillipsastraea Hennahi Edw. Haime. Fenestella micropora A. Roem. Rhynchonella cuboides Sow. pugnus Martin.
Spirifer disjunctus Vern. undecimplicatus A. Roem.
Spirigera concentrica v. Buch, var. globosa A. Roem. Strophomena Bielensis A. Roem. Productus subaculeatus Murch.
Pentamerus galeatus Dalm . Avicula tumida A. Roem.
Cardiomorpha mytiloides A. Roem. Pleurotomaria Bodana A. Roem.
Tornoceras simplex v. Buch (= Goniatites retrorsus aut.). E. Beyrich und K. Lossen 1) schränkten die Ausdehnung der oberdevonischen Kalke bei Rübeland, wie sie A. Roemer auf seiner Karte zeichnete, ein, indem sie für die nördlichen Gebiete der Elbingeroder Mulde eine größere Ausbreitung der mitteldevonischen Stringocephalenkalke und Schalsteine nachwiesen. K. Lossen führt daselbst eine Anzahl von Korallen an, deren Arten wohl einer genaueren Bestimmung bedürfen.
Aus den jüngeren Zonen macht M. Koch 2) keine Fossilien namhaft, so daß diese bisher wohl wesentlich geographisch verfolgt wurden.
Diabasmandelsteine (schiefrig geworden) und -tuffe (Schalsteine) stellen sich in weit geringerer Mächtigkeit und geringerer Ausdehnung wie
im Mitteldevon ein, sowohl unter als über den Cypridinenschiefern. Wie wir oben erwähnten, wurden neuerdings die Goniatiten- und Clymenienkalke am Südwestrande der Ballenstedter Kulmmulde am Meiseberg im untern Selketale, die Clymenienkalke bei Harzgerode, die Cypridinenschiefer bei Hasselfelde nachgewiesen. Vermutlich werden oberdevonische Schichten auch noch in anderen Teilen des Unterharzes
bei genauerer Kartierung aufgefunden werden. Angaben über die Mächtigkeit der oberdevonischen Zonen und der Schalsteine im Unterharze fehlen vollständig , obwohl doch z. B. die Grubenbaue der Elbingeroder Mulde hinreichende Gelegenheit zu genauen Abmessungen abgeben könnten.
1) Jahrh. preuß. geol. Land -Anst. für 1886, S. 26; auch für 1885, S. 206-210: K. Lossen, Uber Störungen längs der Grenze des Oberdevonkalks von Rübeland. Berlin 1886.
2) M. Koch, a. a. O. 1894 und 1895.
Kulm.
309
V. Kulm.
Wie wir oben dargelegt haben, entspricht Lossens Tanner Grauwacke den Kulmgrauwacken des Oberharzes ; seine Zorger Schiefer den Posidonienschiefern des Kulm; und der größte Teil
seiner Hauptkieselschiefer
gehört zum Kulm. Daher lagern die
Kulmstufen in dem Unterharze in ebenso großer Verbreitung wie im Oberharze; sie sind gleichzeitig mit den Silur- und Devonschichten gefaltet, steil aufgerichtet, überschoben usw. und nehmen sonach einen wesentlichen Anteil an der Zusammensetzung des Gebirges . Die allgemeine Folge der Kulmstufen im Unterharze ist dieselbe, wie sie im Oberharze zuerst von A. Roemer festgestellt worden war;
im Hangenden die a) Grauwacken mit Pflanzenresten von Calamiten, Lepidodendren, Sagenarien, Knorrien. Auch finden sich gelegentlich unbestimmbare Korallen und Crinoidenstielglieder. Lossens Tanner und Elbingeroder Grauwacken. Mächtige Bänke von fein-, seltener grobkörnigen Sandsteinen und Konglomeraten; grünlichgrau gefärbt. Schiefer-, Quarz und Porphyrgerölle in den Konglomeraten. Diese Grauwacken verbreiten sich mitten durch den Unterharz
von Lauterberg über Tanne und über das Bodetal fort bis zum unteren Selketal und bis Gernrode; auch ziehen sie am Nordrande entlang von Ilsenburg über Wernigerode bis Michaelstein. Zwischen den Grauwacken schalten sich dünne Lagen
von
plattenförmig brechenden Grauwackenschiefern ein, welche zuerst im Selketale den Namen » Plattenschiefer
erhielten.
Die in der Stieger und Ballenstedter Mulde weit ausgebreiteten
>Elbingeroder Grauwacken, die K. Lossen für unterdevonisch hielt, gehören ebenfalls dem Kulm an. Charakteristisch für die Kulmgrauwacken des Ober- und Unterharzes ist die Tatsache, daß Diabase und Diabastuffe in ihnen nicht mehr aufsetzen, im Gegensatz zu den zahllosen Diabaseruptionen im Mittel- und Oberdevon des Harzes .
b) Posidonienschiefer mit Posidonia Becheri Bronn.
Lossens
Zorger Schiefer. Blaugraue, grünliche, auch rote Tonschiefer, in nicht bedeutender Mächtigkeit. Pflanzenreste und Crinoidenstilglieder sind selten 1) . Auch Linsen und Knollen von schwarzem Kalkstein, sowie
dünne Grauwackenbänke lagern gelegentlich in den Posidonienschiefern. c) Schwarze Kieselschiefer, splitterig brechend (Lydite), von Quarz-
adern durchwachsen, mit untergeordneten Tonschiefern wechselnd. >Hauptkieselschiefer Lossens. Adinole und Wetzschiefer. 1) Wie oben erwähnt, gehören die Tentaculitenschiefer am herzoglichen Weg, der vom Blankenburger Schlosse zum Eggeröder Forsthause führt, nicht den >> Zorger Schiefern an, wie K. Lossen und Em. Kayser glaubten; ihre Fauna,
welche Em. Kayser (Abh. preuß. geol. Land.-Anst. N. Folge Heft 1. 1889) beschrieb, ist mitteldevonisch, wie schon A. Roemer 1866 nachgewiesen hatte, und sie lagern unter den mitteldevonischen Schalsteinen, sowie unter den Stringocephalenkalken.
310
Die Schichtenfolge im Unterharze.
In dieser Zone hat M. Koch typische Fossilien des Unterkarbon aus der Elbingeroder Mulde nachgewiesen 1) : Phillipsia aequalis H. von Meyer. Eichwaldi H. von Meyer. Goniatites cyclolobus Phill. Orthoceras striolatum H. von Meyer. Euomphalus sp.
Cladochonus (Aulopora) Michelini Edw. a. Haim. Zaphrentis sp.
Nach diesen Berichtigungen der früheren falschen Auffassung von E. Beyrich, K. Lossen und Em. Kayser ist nun endlich auch für
das Unterkarbon völlige Übereinstimmung des Unter- mit dem Oberharze erreicht worden.
In diesen beiden unteren Kulmzonen scheinen ebenfalls Diabas-
durchbrüche (im Gegensatz zur früheren Annahme K. Lossens) vollständig zu fehlen, so daß also die letzten Diabaseruptionen im Oberdevon stattfanden gerade wie in Ostthüringen und im niederrheinischen Schiefergebirge (Lahngegenden). Dagegen setzen zahlreiche schmale Gänge von Granitporphyren und Augitporphyriten ( grauer und >> schwarzer Porphyr) senkrecht durch sämtliche Silur-, Devon- und Kulmschichten im ganzen mittleren Harze zwischen Stolberg und Wernigerode und streichen vorherrschend nordsüdlich, also quer zum
ONO-Streichen des alten gefalteten Gebirges ; diese Porphyrgänge werden jedenfalls zur rotliegenden Zeit wie im Thüringer Walde entstanden sein.
Vom Harze aus nach Nordosten treten die Kulmgrauwacken bei Gommern auf der rechten Elbseite oberhalb Magdeburg und auf der linken Seite bei Magdeburg-Alvensleben in einzelnen kleinen Partien aus dem Diluvium zutage2) ; es sind isolierte Schollen des alpinen Gebirges, welches einst durch das nördliche Europa von Westen nach
Osten hindurchstrich. In den Grauwacken bei Magdeburg finden sich häufig die bekannten Kulmpflanzen:
Calamites transitionis aut., tuberculatus Andrae, cannaeformis Schlth. , welche Arten H. Potonié (a. a. O. 1901 S. 73) sämtlich unter Asterocalamites scrobiculatus Schlth. vereinigt. Knorria Jugleri A. Roem., imbricata Strbg. Lepidodendron Veltheimianum Strbg. Mit diesen Pflanzenresten zusammenliegend, hat W. Woltersdorff zahlreiche wenig gut erhaltene Reste einer Kulmfauna (noch am besten erhalten in den Tonschieferlagen zwischen den Grauwacken) bei den Ausschachtungen des Magdeburger Elbhafenkanals aufgefunden: die 1) Jahrb. preuß. geol. Land. Anst. für 1895, S. 134. 2) W. Woltersdorff, Das Unterkarbon von Magdeburg-Neustadt und seine Fauna. Mit 2 Tafeln. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 19, S. 3-64. Berlin 1899. - A. Denckmann und H. Potonié , Bericht über eine in das Gommerner
Quarzitgebiet ausgeführte gemeinsame Exkursion. Dass. Jahrb. Bd. 21 , S. 94. Berlin 1901. H. Potonié, Die Silur- und die Kulmflora des Harzes und des
Magdeburgischen. Abh. preuß. geol. Land.-Anst. N. Folge Heft 36. Berlin 1901.
Unterdevon: obere Koblenzstufe.
311
Kulmschichten streichen hier in ONO bis O und fallen mit ca. 60°
in S bis SSO ein, während sonst in der Magdeburg-Alvenslebener Gegend das NO-Streichen vorherrscht. Lystracanthus cf. Beyrichi Koen.
Cypridina cf. subglobularis Sdbg. Phillipsia sp. Glyphioceras ( Goniatites) cf. crenistria Phill. Orthoceras striolatum Sdbg. Hyalithes Roemeri Koen.
Pecten (Pleuronectites) cf. praetenuis Koen. Chonetes Laguessiana de Koen.
Da Posidonia Becheri fehlt, wird die von Woltersdorff ausgebeutete Schieferbank wohl dem oberen Teile des Kulm angehören. Wie wir oben hervorgehoben haben, lassen sich einzelne Schollen
des alten Silur-Devon-Kulmgebirges durch die Lausitz und Niederschlesien bis in die Grafschaft Glatz, bis nach Oberschlesien und in das Mährische Gesenke verfolgen; die Kulmschichten im Ostabhange des Altvater Gebirges stimmen in Fauna und in der petrographischen Ausbildung gut mit dem Harzer Kulm überein. Gerade wie am Niederrhein und im Harze sind diese mittel- und ostdeutschen SilurDevon-Kulmschichten in der Zeit zwischen dem Unter- und Oberkarbon
zusammengefaltet worden, dann von den permischen und mesozoischen Meeren sehr lange Zeiten bedeckt gewesen, bis sie endlich zur Tertiärzeit in Schollen wieder zutage heraufgehoben wurden.
b) Oberharz . Im Oberharze hatte A. Roemer die Schichtenfolge durch seine
zahlreichen Fundorte der Leitfossilien zu gut gesichert, als daß hier später eine Umdrehung der Stufen wie im Unterharze möglich gewesen wäre; nur auf den Hochflächen von Andreasberg hatte K. Lossen die typischen Kulmgrauwacken in seine zuerst silurischen, dann hercynischen Tanner Grauwacken verkehrt, wohl hauptsächlich deswegen, weil hier in der Nähe von Andreasberg im Odertale bis hinunter nach Lauterberg die oben genannten Fundorte für Graptolithen und für Hercynkalke
sandstein« . Vorwiegend feinkörnige Quarzsandsteine mit kieseligem, selten noch kalkigem Bindemittel; im frischen Anbruch grau oder weißlich; durch Verwitterung hellgrau bis bräunlich; weiße Glimmer reichlich auf den Schichtflächen; dickbankig bis dünnplattig, wechsellagernd mit feinsandigen, grauen Tonschiefern. Die Fossilien erhalten sich in der Regel in Abdrücken und Steinkernen; nur in den Kalksandsteinen zuweilen mit der Schale. Der Gesteinscharakter ist demnach derselbe wie an der Lahn
und in der Eifel in den gleichen Schichten. Auch die Versteinerungen, welche oft massenhaft angehäuft in einzelnen Bänken liegen, wie
Spirifer paradoxus, speciosus, subcuspidatus, Chonetes sarcinulata u. a., stimmen überein mit denjenigen aus dem niederrheinischen Schiefergebirge, und zwar in der obersten Stufe des Unterdevons, den oberen Koblenzschichten einschl. des Koblenzquarzites, der Stufe des Spirifer paradoxus .
A. Halfar und L. Beushausen 1) unterschieden von dem mächtigen²) Kahlebergsandstein mit Spirifer paradoxus eine obere, schiefrige Zone,
im Übergang zu den auflagernden Calceolaschiefern, mit Spirifer speciosus, von geringer Mächtigkeit. Altbekannte Fundorte für die Fossilien dieser Stufe sind der
Auerhahn und die Schalke, der Hahnenkleer Weg am Bocksberg; der Kahleberg, der obere Herzberg; in diesem Gebiete findet sich eine reiche Fauna, von der wir hier anführen : Homalonotus gigas A. Roem. Cryphaeus laciniatus A. Roem. Bronteus intumescens A. Roem. Orthoceras crassum A. Roem.
Cyrtoceras compressum A. Roem. Tentaculites alternans A. Roem .
Euomphalus oxygonus A. Roem. Bellerophon macromphalus A. Roem. bisulcatus A. Roem.
-
Aviculopecten Jugleri A. Roem. Pterinea costulata A. Roem.
Myophoria minor Beush. Cyrtina heteroclita Defr. Spirifer paradoxus Schlth. speciosus aut. 1) L. Beushausen, Das Devon des nördlichen Oberharzes. Abh. preuß. geol. Land.-Anst. N. Folge Heft 30. Mit geol. Karte. Berlin 1900. Ders., Beiträge zur Kenntnis des Oberharzer Spiriferensandsteins und seiner Fauna. Abh. preuß.
geol. Land.-Anst. Bd. 6, Heft 1, mit Atlas. Berlin 1884.
Eine gute Übersicht
und Angabe der Fundorte im Oberharze findet man in dem jetzt allerdings für manche geologischen Verhältnisse veralteten: Abriß der Geognosie des Harzes; mit
besonderer Berücksichtigung des nordwestlichen Teils von A. von Groddeck. 2. Aufl. Clausthal 1883; darin ist auch die ältere Literatur über den Oberharz angegeben.
2) Die Mächtigkeit und das Liegende dieser Quarzite sind nicht bekannt.
Unterdevon: obere Koblenzstufe.
313
Spirifer carinatus Schnur. subcuspidatus Schnur. aculeatus Schnur.
auriculatus Sdbg. arduennensis Schnur.
Pentamerus hercynicus Half.
Rhynchonella daleidensis A. Roem. Strophomena inflata A. Roem. interstrialis Phill.
Streptorhynchus umbraculum Schlth. Orthis hysterita Gmel. Chonetes sarcinulata Schlth .
subquadrata A. Roem.
Aspidosoma petaloides Sim. 1) Ctenocrinus decadactylus Gldf. Acanthocrinus longispina A. Roem. Cupressocrinus Urogalli A. Roem.
Cyathophyllum heterophyllum Edw. Haim. Pleurodictyum problematicum Gldf. Aus den gleichen Quarziten des Acker-Bruchbergzuges waren lange Zeit nur wenige Fossilien bekannt, bis M. Koch 1889 am Südosthange versteinerungsreiche Schichten auf 11 km Länge hin verfolgte, und L. Beushausen den Hauptfundort beim Lonauer Jagdhause (7 km N Herzberg) ausbeutete2). Es sind dieselben Fossilien
der Stufe des Spirifer paradoxus, welche wir oben angeführt haben; hinzu kommen einige Arten, welche charakteristisch sind für den obersten Horizont des niederrheinischen Unterdevon mit Spirifer speciosus, nämlich : Spirifer Mischkei Frech. undulifer Kays.
Nucleospira lens Schnur var. marginata Maur. Die Bruchberg-Ackerquarzite verändern sich wenig im Kontakthofe des Brockengranites : sie werden dichter durch Umkristallisieren des
Quarzes und splittriger wegen der größeren Sprödigkeit. Jenseits des Brockenmassives lagern dieselben Quarzite längs des Gebirgsrandes im unteren Ecker- und Ilsetale; die Fauna der oberen Koblenzschichten
mit Spirifer paradoxus hat hier M. Koch im Klosterholze nachgewiesen³) . 1) A. Halfar, Die erste Asteride aus den paläozoischen Schichten des Harzes . Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. für 1892, S. 186, mit Abbldg. Aus dem Kahlebergsandstein vom Dickekopf, 4 km SSO von Goslar; dieselbe Art findet sich in den oberen Koblenzschichten bei Nieder-Lahnstein siehe Bd. 1, S. 64. 2) M. Koch, Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. für 1890, S. 32ff. und L. Beushausen, Die Fauna des Hauptquarzits am Ackerbruchberge. Mit 1 Tafel. Dass. Jahrb . für 1896, S. 282-305. Berlin. Warum neuerdings O. H. Erdmannsdörffer
denBruchberg-Ackerquarzit ins Silur versetzt, ist ganz unverständlich; es fehlt jeder Beweis für seine Behauptung; siehe Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. für 1904, S. 641-645.
Berlin.
3) Siehe oben Anmkg. 2 S. 295 und L. Beushausen, Die Fauna des Haupt-
quarzites am Ackerbruchberge, S. 284. Berlin 1896.
Oberharz.
314
Sowohl hier im Acker-Bruchbergzuge wie im Gebiete der Goslarer Stadtforst werden diese Unterdevonquarzite regelrecht vom Mitteldevon überlagert, auch im Klosterholze bei Ilsenburg. Nach Analogie des Unterharzes würden darunter noch die unteren Koblenzschichten
(Zone des Spirifer Hercyniae) lagern; dagegen das ganze tiefere Unterdevon fehlen, und dann das Obersilur folgen. Alle diese tieferen Schichten treten im Oberharze nicht zutage.
III . Mitteldevon.
In dem breiten Aufbruch
der Devonschichten zwischen den
Tälern der Oker und der Innerste lagern überall regelmäßig und konkordant über dem unterdevonischen Kahlebergsandstein die mittelund oberdevonischen Stufen.
Zunächst die
1. Calceolaschichten: graue, milde, merglige Tonschiefer, gelblich verwitternd, mit Einlagerungen von dichten Kalksteinen und vereinzelten Sandsteinbänken.
Obwohl diese Zone im Oberharze wenig mächtig
ist, - nicht über 50 m läßt sie sich leicht verfolgen durch die zahlreichen Fossilien, die meist als Steinkerne und Hohldrücke, selten in schwarzen Kalkeinlagerungen auch mit der Schale sich erhalten. Schon Fr. A. Roemer waren die fossilreichen Fundorte am Schalker
Teich und am Auerhahn, bei Bockswiese, bei Hahnenklee im oberen Granetal u. a. O. bekannt1) . Eine neue genaue Beschreibung dieses ausgedehnten Devongebietes hat L. Beushausen geliefert in einer Abhandlung, welche er dem Andenken des Meisters Fr. A. Roemer gewidmet hat 2) .
Das Leitfossil dieser Zone, die Calceola sandalina Lam. , ist nicht selten im Oberharz ; das erste Exemplar wurde 1840 vom Bergassessor Schuster auf der Nordseite des mittleren Schalker Teiches
gefunden, einer Stelle, an welcher auch jetzt jedes Jahr die Clausthaler Bergeleven und die Göttinger Studenten zu sammeln pflegen.
Unter den oft massenhaft angehäuften Tierresten wiegen entschieden die Brachiopoden, Bryozoen, Crinoiden und Korallen vor; selten sind
Trilobiten und Cephalopoden. Aus der Fauna der Calceolaschichten des Oberharzes führen wir an:
Phacops Schlotheimi Bronn. Bronteus intumescens A. Roem. Orthoceras crassum A. Roem.
Euomphalus concavus A. Roem. Aviculopecten alternans A. Roem. Conocardium cuneatum A. Roem.
Atrypa reticularis L. aspera Schlth . 1) Fr. A. Roemer, Beiträge I, S. 5-11. Cassel 1850. III, S. 128-129.
1855.
V, S. 5-7.
II, S. 70-76. 1852.
1866.
2) L. Beushausen, Das Devon des nördlichen Oberharzes, mit besonderer Berücksichtigung der Gegend zwischen Zellerfeld und Goslar. Mit 11 Abb. und 1 geol. Karte. Abhandlungen der kgl. preuß. geol. Land.-Anst. Neue Folge. Heft 30. Berlin 1900.
Mitteldevon.
315
Anoplotheca venusta Schnur.
Merista plebeja Sow. Retzia ferita v. Buch .
Athyris concentrica v. Buch.
Cyrtina heteroclita Defr. Spirifer speciosus aut. cultrijugatus F. Roem.
aculeatus Schnur (= squamosus A. Roem). curvatus Schlth.
Rhynchonella Orbignyana Vern. Pentamerus galeatus aut.
hercyniae Half. (= Spirifer productoides A. Roem). Orthis striatula Schlth. tetragona F. Roem. eifeliensis Vern.
Strophomena Sowerbyi Barr. interstrialis Phill.
Leptaena lepis Bronn.
Streptorhynchus umbraculum Schlth. Chonetes dilatata F. Roem. sarcinulata Schlth .
Fenestella bifurcata A. Roem.
explanata A. Roem.
Cupressocrinus Urogalli A. Roem. Cyathophyllum ceratites Gldf. heterophyllum Miln. Edw. Haime. Cystiphyllum vesiculosum Gldf. Calceola sandalina Lam.
Pleurodictyum problematicum Gldf. Vergleichen wir diese Fauna mit den entsprechenden Horizonten im niederrheinischen Schiefergebirge, so stellen sich diese Calceolaschichten des Oberharzes genau gleich der tiefsten Zone des Eifeler
Mitteldevons, und zwar der Cultrijugatuszone, welche auch am Niederrhein nicht über 50 m mächtig wird (siehe Band I S. 68). 2. Die weit ausgebreitete Schieferzone über den Calceolaschichten benannte A. Roemer mit den niederrheinischen Bezeichnungen Wissen-
bacher oder Orthocerasschiefer (= Goslarer Schiefer.A. Halfar) ; in
der Tat ist die petrographische und faunistische Anlichkeit groß zwischen beiden Gebieten. Es sind stark zusammengefaltete, blaugraue Tonschiefer, in der Regel scharf transversal geschiefert; sie liefern in großen Brüchen oberhalb Goslar gute Dachschiefer, wie sie seit tausend Jahren in allen Harzstädten verwendet werden; auch bei
Wolfshagen und Lautertal stehen Brüche. Grauwacken und Quarzitschiefer schalten sich häufig zwischen den Tonschiefern ein; ebenso dunkle Kalkknollen, seltener Plattenkalke. Die Fossilien sind in der Regel in Schwefelkies umgewandelt; doch finden sich in den Kalken neben den verkiesten auch die Kalk-
schalen erhalten; sie sind viel seltener zu finden als in der untersten Zone, in den Calceolaschiefern .
Oberharz.
316
Außerordentlich zahlreich sind Diabase im sog. »Oberharzer Grünsteinzuge südlich von Clausthal und nördlich des Bruchberg-
Ackerquarzitzuges : quer durch den Harz mit regelmäßigem NOStreichen und SO-Fallen streicht eine schmale Zone von mittel- und
oberdevonischen Schiefern und Kalken sattelförmig aus den Kulm-
grauwacken zutage , in welcher Zone ausgedehnte Decken, Tuffe und Schalsteine von Diabasen in verschiedenen Varietäten, sehr häufig Ströme von Diabasmandelsteinen ( > Blättersteine ) auftreten. Wie in der Elbingeroder Mulde sind auch hier im Kontakt mit den Diabasen
die Schalsteine und Kalksteine in Roteisensteinlager (sekundär in Brauneisenstein) umgewandelt; die Eisenerzlager werden abgebaut. Der ganze Zug von Devonschichten und Diabasmassen läßt sich verfolgen von Osterode bis Harzburg. Schon Fr. A. Roemer kannte seit
1850 aus diesem
Grünsteinzugewesentlich gleichzeitig oder doch relativ gleichzeitig , d. h. beide Bewegungen kurz hintereinander in die Zeit der produktiven Steinkohlenformation , also ins Oberkarbon setzte. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. für 1881, S. 23. Berlin 1882.
Der Bau des Harzes.
366
Oberharze ; hier versuchte A. von Groddeck zuerst geologische Profile nach den Grubenrissen zu zeichnen 1) und danach den Bau des
Oberharzer Diabaszuges zu deuten2). Wie weit fortgeschritten die Kenntnis der Lagerung im Oberharze seit Groddecks ersten Versuchen inzwischen gewesen ist, zeigt die Gegenüberstellung der beiden nebenstehenden Profile 74 und 75 durch den genannten Diabaszug. Schoenenberg Lerbach 490m 330m
NW
SO C
C
d
つ
d
Om
Om
d d
Profil 74 (im Maßstabe 1 : 50000) nach A. von Groddeck.
1876.
c Kulm.
d Devon mit Diabaslagern (Mittel- und Oberdevon).
Die Bergleute kannten seit alten Zeiten im Oberharzer Bergbau die sog. » faulen Ruscheln ( Wechsel«) ; das sind streichende Faltenverwerfungen mit Heraufschiebung des Hangenden, Sprünge, welche A. Heim³ ) zuerst genetisch richtig erklärt hat als Verwerfungen von Falten mit verquetschtem ausgewalzten Mittelschenkel« . Daher finden sich in den Faulen Ruscheln zwischen den Schieferstücken
häufig Breccien von Grauwacken eingeschlossen, als Reste einer völlig zertrümmerten und ausgewalzten Grauwackenschicht 4). Falls das Gestein der Ruschel noch frisch ist, sieht man eine starke Fältelung
der Schiefer und die charakteristischen, blankpolierten Spiegel oder >> Harnische
auf den Kluftflächen und auf den linsenförmig ge-
quetschten Stücken der Füllmasse. Meist ist jedoch der verruschelte Tonschiefer durch die Bergfeuchtigkeit zu einer lettigen, zähen Masse von schwarzer Farbe verwittert. Die Mächtigkeit der Faulen Ruscheln 1) A. von Groddeck , Erläuterungen zu den geognostischen Durchschnitten durch den Oberharz ; in Zeitschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen, Bd. 21, S. 1 bis 11.
Mit 2 Tafeln.
Berlin 1873 .
2) A. von Groddeck, Über die Lagerungsverhältnisse des Oberharzer Diabaszuges; in Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Bd. 28, S. 361ff.
3) A. Heim . Mechanismus der Gebirgsbildung. Fig. 14.
Berlin 1876.
Bd. 2 , S. 198.
Taf. XV,
Basel 1878.
4) R. Gebhardt, Beiträge zur Kenntnis der Beziehungen zwischen Erzgängen und faulen Ruscheln des nordwestlichen Oberharzes. Zeitschr. für Berg-, Hüttenu. Salinenwesen, Bd. 47, S. 1-38. Berlin 1899.
Der Oberharz .
367
beträgt in der Regel nur wenige Zentimeter; nur bei den weitdurchziehenden Hauptruscheln scharen sich die Faltenverwerfungen zu
breiteren Verruschelungszonen ; z. B. die Charlotter Ruschel, welche die Clausthaler Erzgangzüge nördlich quer abschneidet und von Grund Dürrenkopf
Knöppelberg
350m
418m
Gr. Bremke
x
x
280m
243567
6 15 4
7
3 22 17
7
2
3
0m
1
467
3
0m
6 7
7 6
5 5
7 3
3
7
46
3
2
6
5
7
6 6
3
5
3
5 11 1
1
4
3 3
1
1
6
2
5
x x
2 X
x
Profil 75 (im Maßstabe 1 : 50000) nach M. Koch .
1898 .
1 Mitteldevon.
2 Diabaslager in 1 .
3 Diabasmandelstein, Schalstein und Tuffe. 4 Oberdevon.
5 Diabaslager. 6 Kiesel- und Posidonienschiefer.
7 Kulmgrauwacken.
xxxx Faltenverwerfungen (Ruscheln) .
bis zum Kahleberg 12 km lang von WSW nach ONO in h. 5 streicht, geht als eine bis 50 m breite Bruchzone zutage aus und fällt mit den steil gestellten Schichtenfalten mit 80° in OSO ein. Auch die Burg-
städter Ruschel, welche unter der Stadt Clausthal ebenfalls von WSW in ONO verläuft, fällt mit 75-80° in OSO ein. Auf beiden Seiten der Ruscheln beobachtet man stets deutlich
590m
725m
Auerhahn
Bocksberg
560m
x
totmu tus tu
m x
40000 Höhe und Maßstabe 1(): Länge der Profil 76 im
Kahleberg 762m
Lepsius gezeichnet von R..
x
tu
Sattel
Unter Devon-
624 m
Untertu Oberto
Devon Mitteltm.
I
cu₁ Kieselschiefer cu2 Posidonienschiefer und Tonschiefer Grauwacken cus untere Konglomerate und Grauwacken cu4 obere Faltenüberschiebungen xxx.
custo
Hahnenklee
cucu Cu42
Hahnenkleeberg
Nordwest
Meeresniveau
Der Bau des Harzes.
368
540m
x
x
CU 4
580m Schulenberg
Brandkopf Schalker Teich
tu tmtotm tm tu to
x
Kulm.
Dietrichsberg
540m
Silberhütte 552m im Okerthal
xx x
cus của Südost сиз сид aus cu4
x
480m
x
Der Oberharz .
369
die Faltung der Schichten, und zwar ist das heraufgeschobene Hangende stärker gefaltet als das Liegende, auf welches die hangenden Schichten in der Ruschel hinaufgeschoben wurdeu. Je intensiver das Gebirge in Falten gelegt ist, um so häufiger erscheinen diese Faltenverwerfungen ; sie sind als direkte Folge der gewaltigen Zusammenfaltung des Schiefergebirges nach der Kulmzeit anzusehen.
Alle Bergleute und Geologen, welche die faulen Ruscheln in den Oberharzer Grubenbauten untersucht haben, stimmen darin überein, daß diese Faltenverwerfungen älter sind als das Aufreißen der Spalten, in denen die Erzgänge sich gebildet haben. Wir werden die Entstehung der Erzgänge unten besprechen. Hier stellen wir nur fest, daß die faulen Ruscheln in der Regel taub sind, d. h. kein Erz enthalten, und daß sie charakteristisch sind für die niederrheinische Faltung und daher stets mit den Schichtenfalten in NO bis ONO streichen ; in den Profilen 70, 75 u. a. sehen wir solche Verwerfungen als ausgewalzte Mittelschenkel
der überschobenen Falten durchzichen.
Allerdings sind die übrigen Teile des Oberharzes zumeist nicht in so enge Falten zusammengeschoben, wie wir es hier im Diabaszuge sehen.
Es zeigen sich vielmehr häufiger breite Mulden und Sättel,
ja sogar manchmal schwebende Schichten. Wir sehen in dem beistehenden¹) Profile 76 die Aufwölbung des Unterdevons in dem breiten Kahlebergsattel, der sich im Streichen nach NO bis an den Gebirgsrand zwischen Oker und Goslar fortsetzt 2). Zu beiden Seiten dieses Sattels liegen die beiden seit längerer Zeit
durch ihre Fossilien bekannten Doppelmulden vom Schalker Teich und Ober-Schulenberg, vom Auerhahn und Hahnenklee, in denen eng zusammengefaltet und mit Verwerfungen durchsetzt , reich an Fossilien, die verschiedenen Stufen des Mittel- und Oberdevons anstehen (siehe oben S. 314ff.); darüber folgen in zum Teil flacheren Mulden
gegen Südosten die Kulmschichten bis gegen den Diabaszug, in welchen wiederum Mittel- und Oberdevonschichten mit Diabaslagern in aus-
gewalzten Falten zutage ausgehen. Gegen Südosten wird diese breite Devonaufsattelung durch be-
deutende Verwerfungen quer abgeschnitten : am Bockswieser-Schulenberger Gangzug ist hier auf 6 km Länge das Kulmplateau von Clausthal-Zellerfeld gegen das Devon des Kahleberges um mehrere hundert Meter Sprunghöhe abgesunken. Durch die größere Härte der Quarzite des Unterdevons ragt auch orographisch der Kahleberg hoch über die Clausthaler Hochebene empor. Ebenso ragen über Oker (207 m) die bewaldeten Gipfel dieses Devonsattels auf bis 400 m hoch, mit steilen Gehängen zum Nordharzrande abstürzend. Zum nördlichen Teile dieses Kahlebergsattels gehört der Rammelsberg bei Goslar, an dessen Nordwestrand das berühmte Erzlager seit 1) In dem Profile 76 habe ich die Höhen in demselben Maßstabe gezeichnet
wie die Längen, weil die Schichten durch die Uherhöhung eines Profiles stets unnatürlich steile Stellung erhalten.
2) Siehe die geologische Übersichtskarte der Gegend zwischen Goslar und Zellerfeld im Maßstabe 1 : 40000 von L. Beushausen in den Abhandl preuß. geol .
Land.-Anst. N. Folge. Heft 30. Profile zu seiner Karte gezeichnet.
Berlin 1900.
R. Lepsius , Geologie von Deutschland. II.
Leider hat Beushausen keine 21
370
Der Bau des Harzes .
1000 Jahren abgebaut wird, noch immer ertragsreich. Das Lager steht im mitteldevonischen Wissenbacher Schiefer, und zwar in dem liegenden Schenkel einer überkippten Falte, wie dies das beistehende Profil 77 zeigt. Nachdem neuerdings auch Fossilien (Orthoceras sp. Tentaculites
sulcatus A. Roem., Styliolina laevigata A. Roem.) im Erz selbst aufRammelsberg 635m
590m
Goslar V
350m V
260m
NW
SO
Schiefer
e uf St la co lc r
ng
l e) Ca ahgehe zslcsc Reur' ( Er ht mm ic Wi ch
s it ng Le ebu chi ers Veb
ebu
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Buntsandstein
Kcuper
Muschelkalk
Jura
Mitteldevon – Wissenbacher
Meeres-Niveau
Unterdevon CoblenzGrauwacken
Profil 77 (im Maßstabe 1 : 40000 der Länge und der Höhe) durch den Rammelsberg und Goslar, gezeichnet von R. Lepsius. V. V. Faltenverwerfungen.
gefunden wurden1), besteht kein Zweifel mehr, daß ein gleichzeitig mit den Schiefern gebildetes, richtiges Lager (kein Gang) vorliegt - was übrigens schon längere Zeit durch die Lagerung, speziell durch die Einfaltung des sog. hangenden Trums , angenommen wurde. Das
Streichen des Kieslagers folgt der niederrheinischen Richtung SW-NO und fällt überkippt mit 40-50° in SO ein. Von hier breiten sich dann nach Westen zu die mitteldevonischen
Schichten in flachen Sätteln, in deren Mulden die oberdevonischen Stufen lagern, über die Berge aus bis zum Innerstetal oberhalb Langelsheim; sie enthalten die oben erwähnten zahlreichen Diabasintrusionen. Zum NW-Ende des Harzkernes über das Innerstetal hinaus ver-
flacht sich allmählich das Gebirge auf einer breiten , flach gebogenen Mulde der mächtigen Kulmgrauwacken. Zwischen Seesen und Hahausen lagern sich die rotliegenden und Zechsteinstufen in 300-320 m Meereshöhe schwebend über die Schichtenköpfe der Kulmfalten auf. b) Das Gebiet des Brocken- Okerlakkolithen.
Die Tektonik dieses großen Gebietes und seiner Umgebung ist besonders instruktiv für die Mechanik der Bewegungen, durch welche 1) A. Bode, Zeitschr. deutsch. geol. Ges. 1906, S. 332.
Das Gebiet des Brocken- Okerlakkolithen.
371
der Harz erzeugt wurde. Im massigen Granit selbst sind freilich die
Dislokationen naturgemäß schwer zu verfolgen, besonders wenn man Ec ke r
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Zeichnung 78 (im Maßstabe 1 : 200000). Geologische Skizze des Brockenmassives nach K. Lossen und O. H. Erdmannsdörffer. Gr Granit . Dr Dioritische Gesteine am Ostrande des Lakkolithen. Gb Gabbro .
s Schiefergerbirge. Grenze des Kontakthofes .
Grenze gegen das nördliche Vorland des Harzes. Verwerfungen.
hinzurechnet, daß die Aufschlüsse in diesen ungeheuren Wäldern und Erlenbrüchen für die Beobachtung des Geologen gering und ungenügend 24 *
Der Bau des Harzes .
372
sind. Hier muß die Lagerung der dem Granitstocke aufsitzenden und ihn umrandenden Sedimente zu Hilfe genommen werden (vgl. die beistehende Zeichnung 78). Von besonderer Bedeutung sind die nördlichen Randzonen des Brockenmassives. Die oben erwähnte Ilsestein-Granitpartie ist eine
hochkant gestellte Scholle des Lakkolithen, welche durch ihre Zertrümmerung und ihr hercynisches Streichen beweist, daß sie bereits im Bereiche der großen Abbrüche gegen die Grabenversenkung am Nordrande des Harzes (Harzburger Graben) niedergebrochen ist. Alles, was vom Schiefergebirge noch übrig ist in der 1-2 km breiten und gegen 20 km langen Zone zwischen Wernigerode über Ilsenburg und Harzburg bis Oker, liegt umgestürzt im Graben, zerstückt in Schollen durch Verwerfungen, auch zum Teil überkippt und überschoben. Die Umwendung der Silur-Devon-Kulmschichten aus der ursprünglichen NO-Richtung in das NW-Streichen am Nordrande des Granitmassives Brocken-Okertal beginnt westlich von Wernigerode. Vom Dumkuhlental bis zum Tännental sind auch die permischen Quarzporphyrgänge durch die Absenkung in die NW-Richtung umgedreht worden. Dieser Abbruch der Randzonen wurde erst durch die tertiären
Bewegungen bewirkt: denn diese jüngeren Dislokationen werfen gleichzeitig das Deckgebirge (Trias bis Kreide) in das hercynische Streichen um. Danach folgtdie große Störung des Schichtenverbandes bei Harzburg, wo hercynische Querverwerfungen die Randzonen des BrockenLakkolithen in der SW-NO-Richtung abschneiden; das Schiefergebirge mit den Gabbro- und Diabaslagern zwischen Radau- und Okertal ist daher gegen das Brockenmassiv noch tiefer abgesunken als die Ilsenburger Randzonen .
Von diesem Gesichtspunkte aus muß auch die Frage der Lagerung der Hornfelspartien im oberen Eckertale zwischen Granit und
Radaugabbro beurteilt werden. Nachdem O. Luedecke behauptet hatte, daß die sog. »EckergneiseOderspalte< : sie geht zurück auf den grundlegenden Irrtum Lossens, daß die niederrheinischen und hercynischen Bewegungen gleichzeitig oder kurz nacheinander zur Oberkarbonzeit stattgefunden hätten; in diese seine Torsionstheorie paßte ihm eine solche NNW gerichtete Basisspalte, von der die sämtlichen Oberharzer Gangspalten radial ausstrahlen sollten 1).
Über die Oberharzer Gangspalten werden wir unten im Kapitel über die Entstehung der Harzer Erzgänge einiges mitteilen; hier möchte ich nur konstatieren, daß die Oderspalte K. Lossens in der von ihm gezeichneten Ausdehnung und Richtung gar nicht nachzuweisen ist; vielmehr hat K. Lossen eine kleine Verwerfung im Süden des Odertales bei Andreasberg mit der auch an sich unbedeutenden >Kell1) L. Beushausen sagt zwar: Die geistvollen Spekulationen Lossens über die
Entstehung des Harzgebirges, seinen doppelten Faltenwurf, den Zusammenhang desselben mit der Aufpressung der Granitmassen und dem Aufreißen der Verwerfungsspalten haben heute im großen und ganzen nur noch eine historische Bedeutung. Aber da die kgl. preuß. geologische Landesanstalt noch keine andern Karten seit der Lossenschen Übersichtskarte vom Jahre 1882 veröffentlicht hat, so liegt bis jetzt nichts Besseres als diese Karte vor.
374
Der Bau des Harzes.
wasserspalte< Groddecks im Norden willkürlich verbunden und ohne
Anhalt 8 km weit durch das Granitmassiv hindurchgezogen. Daß im Granitmassive die Verwerfungen in der hercynischen NWRichtung wie die meisten Oberharzer Gangspalten streichen, sieht man auf der Karte des > Spaltensystemes der Gegend von St. Andreasberg von E. Kayser im Jahre 1881 gezeichnet 1); hier sind besonders charakteristisch die beiden in WNW bis NW streichenden Spalten, welche nördlich von Andreasberg den Granitrücken der Waage zwischen die
eingesunkenen metamorphen Kulmgrauwacken des Rehberges und der Förmerhanskuppe verworfen haben. Die Schieferpartien auf dem hohen Schilde des Granitlakkolithen, wie auf dem Rehberge, auf der Achtermannshöhe, dem Königskopf, dem Großen Winterberg, dem Wurmberg, dem Meineckenberg u. a., sind vor der gänzlichen Fortwaschung bewahrt geblieben, zum Teil dadurch, daß sie an Verwerfungen in das Granitmassiv eingesunken liegen. Die Schichten sowohl dieser letzten Reste der Schieferdecke, als
des den Flanken des Lakkolithen aufgelagerten Schiefer- und Grauwackengebirges waren, wie erwähnt, bereits im niederrheinischen Sinne zusammengefaltet und steil aufgerichtet , als der Granit erumpierte. Daher stoßen die Sedimente überall diskordant auf der flach unter-
tauchenden Oberfläche des Lakkolithen ab, gerade wie wir dies oben für die Granitstöcke auf dem Erz- und Fichtelgebirge beschrieben haben; das Schema S. 106, Profil 24, › diskordanter Schiefermantel über dem massigen Granitlakkolithen ist also auch für den Brocken
und ebenso für den Ramberg maßgebend. Eine schwierige Frage ergibt sich hier wie dort. Die postkulmische Faltung des Schiefergebirges war abgeschlossen, als der Lakkolith ent-
stand. K. Lossen nahm an, daß das Granitmagma gleichzeitig mit der Faltung der Schichten in das Schiefergebirge hineingepreßt worden sei ; er betrachtete sogar Brocken und Ramberg als die > dynamischen Brennpunkte des » windschief heraufgedrehten Massengebirges. Wenn das Granitmagma gleichzeitig mit der Auffaltung des Schiefergebirges entstanden, und die Eruption des Magmas, wie K. Lossen annimmt, direkt durch die Faltung bewirkt worden wäre, so müßte die Lagerung des Brockengranites eine andere sein, als sie tatsächlich ist : der Granit müßte dann mit SW-NO- Streichen zwischen den Falten
der Schiefer lagerförmig in schmalen Zonen liegen, müßte intrusiv in die Falten hineingepreßt sein, kurz, er müßte die Lagerungsformen des niederrheinischen Gebirgssystems zeigen; davon ist in keiner Beziehung der Granitstock lagert wie ein etwas zu bemerken, im Gegenteil breites und mächtiges Schild völlig diskordant unter großen Teilen des gefalteten Schiefergebirges, ohne jede Beziehung zu dessen Dislokationen. Schieferhier Harz Die Auffaltung des niederrheinischen gebirges kann die Ursache der Graniteruptionen auch deswegen nicht gewesen sein, weil die Faltung auf einer starken Verkürzung und Zusammenschiebung der Erdkrustengesteine beruht, während die gewaltige Masse des Brockengranites einen großen Raum für sich verlangt, der -
-
1) Jahrb. preuß. geol. Land. -Anst. für 1881, Taf. X u. XI.
Gebiet des Rambergmassives.
375
zwar nicht als Hohlraum vorhanden gewesen zu sein braucht, der sich aber doch öffnen mußte, um das Granitmagma in sich einzulassen. Wir besitzen im Harze keinen Anhalt für die genauere Bestimmung der Eruptionszeit der Granitlakkolithen des Brockens und des Ramberges ; sie können während der Oberkarbon- oder während der
so stark bewegten rotliegenden Zeit entstanden sein. Für die vielleicht gleichalterigen jüngeren Granitstöcke im Erzgebirge habe ich oben (S. 103) ihre Eruption zwischen Oberkarbon und Rotliegendes gesetzt, weil der Granit von Schellerhau dort das Oberkarbon durchbrochen
hat. Hier im Harze fehlen oberkarbonische Ablagerungen; am Südrande bei Ilfeld lagern sich erst die unterrotliegenden Schichten über die Köpfe des alten Schiefergebirges . c) Gebiet des Rambergmassives .
Der Granitlakkolith des Ramberges zeigt genau die gleiche Lagerung wie der Brocken; die kleineren Maße lassen die Art der Um-
randung leichter wie dort überblicken : insbesondere tritt der Gegensatz der flachen Auflagerung des Schieferkontakthofes auf dem Ost-, Süd-
und Westrande des Granitstockes zum scharfen und geradlinigen Abbruche an seinem Nordrande deutlich hervor. Ursprünglich, d. h. nach seiner jungpaläozoischen Eruption lag der Granitlakkolith pilzförmig in dem altpaläozoischen Schiefergebirge eingebettet ; erst die tertiären
Bewegungen bewirkten die großen Verwerfungen und Überschiebungen, welche seine nördlichen Teile in die Tiefe absinken ließen.
Dies läßt
sich am besten dadurch nachweisen, daß rings um die Ost-, Süd- und Westränder halbkreisförmig in 2-3 km breiter Zone der metamorphe Kontakthof gleichmäßig ausgebildet den Granit umzieht; dagegen sind längs des Nordrandes nur ganz schmale und stark verworfene Reste des früher ebenso wie auf der Südseite vorhandenen Kontakthofes in
den Abbrüchen hängen geblieben. Vgl. das umstehende Profil 80. Gehen wir z . B. von Thale direkt nach Süden über den Linden-
berg zur Granitgrenze auf den alten Fahrweg zum Hexentanzplatz hinauf, so bemerken wir, daß in dieser nur 600-800 m breiten Schieferzone nichts von dem metamorphen Hofe zu sehen ist: dieser ist völlig
in den Abbrüchen und unter der Überschiebung durch die hercynischen Dislokationen in der Tiefe verschwunden. Im Lindenberge stehen Silurschiefer mit Graptolithen und Kalklinsen an ohne eine Spur von Kontaktmetamorphose zu zeigen; sie streichen OSO und fallen überstürzt gegen das Gebirge also unter den Granit ein. Auf der Südseite des Linden- und Stoppenberges folgt eine noch tiefer eingesunkene und stark verquetschte Zone von mitteldevonischen Schiefern, in denen Quarzitbänke, sowie Kalklinsen mit Brachiopoden und Tentaculiten einlagern ; weder diese Sedimente, noch die recht frischen Diabase in denselben sind irgendwie kontaktmetamorph verändert und doch überschreiten wir gleich südlich von dieser Schieferscholle alsbald die Granitgrenze. In ähnlicher Weise lassen sich diese niedergebrochenen und vom Granit überschobenen Schieferschollen von diesen Bergen südlich Thale am Nordrande des Ramberglakkolithen über das Wurmtal bei Stecklenberg bis nach Gernrode hin verfolgen. Auch
552,5m
455m
400m
X
Culm-
X
X
Grauw Süd.
X
X
Schiefer
X
487,5m HornfelsContácthof
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Höhe) und 100000 Länge der Maßstabe Profil 80( im1: Lakkolithen gezeichnet Lepsius. Ramberg von R.;durch Thale und den
+
X
Der Bau des Harzes . 376
Sen
on
Der mittlere und südöstliche Harz.
377
Quarzgänge setzen in der tertiären NW-Richtung sowohl durch den Granit selbst als durch die abgesunkenen Schieferschollen hindurch, sie entsprechen den Erzgängen des Oberharzes.
Im Stecklenberger Tal treffen wir die oben erwähnten Quarzporphyrgänge, die wohl ursprünglich mit NS-Streichen wie bei Elbingerode verliefen, aber mit den Schiefern in die hercynische NW-Richtung umgedreht wurden; sie liegen außerhalb der Granitgrenze in den Silur- Devonschiefern und sind daher, wie wir bereits hervorgehoben haben, keine Apophysen des Ramberggranites. Aus der Lagerung des Brocken- wie des Ramberg-Lakkolithen er-
kennen wir also, daß diese beiden Granitmassive ursprünglich tief unter einer mächtigen Decke des Silur-Kulm-Schiefergebirges zwischen die bereits vorher gefalteten Schichten hinein erumpierten und dabei einen breiten metamorphen Kontakthof erzeugten. Die weithin durchstreichenden Quarzporphyrgänge des mittleren Harzes können schon deswegen nicht in direkten Zusammenhang mit den Lakkolithen stehen, weil sie den Oberflächenergüssen (z. B. Auerberg) der Permzeit angehören.
Während der stürmischen rotliegenden Zeit wurde ein guter Teil des Schiefergebirges erodiert ob bis auf die Lakkolithen, ist unwahrscheinlich , weil keine Brocken- Ramberggranite oder Kontaktgesteine unter den Geröllen der rotliegenden Konglomerate nachzuweisen sind.
Erst durch die gewaltigen Erdkrustenbewegungen der Tertiärzeit wurden die beiden Granitlakkolithen des Harzes , Brocken und Ramberg, nunmehr jedoch passiv, durch die inzwischen mächtig angewachsene Decke der mesozoischen Schichtensysteme zutage heraufgeschoben. Dieser tertiäre Schub bewegte die zerbrochenen Schollen der Erdkruste von SO nach NW in der hercynischen Richtung; hierbei wurden die beiden Granitlakkolithen längs ihres Nordrandes quer abgeschnitten: ihre nördlichen Teile versanken zwischen Verwerfungen in
die Tiefe des Grabens , der hier längs des Harzes einbrach; zugleich wurden die in der Höhe stehenbleibenden Granitmassive mit dem
Schiefergebirge über den Grabenrand nach Norden überschoben , so daß die in den Graben abgesunkenen mesozoischen Schiefersysteme unter den Granitlakkolithen und unter den Rand des Schiefergebirges mit steiler Schichtenstellung in SSW einfallen. d) Der mittlere und südöstliche Harz .
Über die Lagerung des Schiefergebirges in den übrigen weiten Gebieten des Harzes wissen wir noch recht wenig , sowohl weil die
bisher erschienenen Harzblätter der preußischen Landesanstalt keine geologischen Profile geben, und in den Erläuterungen zu diesen Blättern
tektonische Angaben fehlen; als weil die bisher maßgebende Auffassung K. Lossens vom Harzbaue gänzlich umgewertet werden muß. Im mittleren Harze hat M. Koch mit dieser Umdeutung für die
Elbingeroder Mulde begonnen; wir haben oben (S. 306) zwei Profile 68 und
69 Kochs wiedergegeben, aus denen zu erkennen ist, daß die Lagerung der Schichten gerade in diesem Gebiete zwischen den beiden Granitlakkolithen äußerst kompliziert ist. Dort ist die Zusammenfaltung der
Der Bau des Harzes .
378
Schichten eine so gewaltige gewesen, daß Überschiebungen eine große Rolle spielen: bald lagern die Devonschiefer über Kulmgrauwacken oder -kieselschiefern, bald wurden umgekehrt diese über die abgequetschten Falten der älteren Schiefer hinübergeschoben.
Nördlich der Elbingeroder Mulde wird die Lagerung noch verworréner dadurch, daß die Absenkungen gegen den Nordrand des Gebirges einsetzen, und das ONO-Streichen jener Mulde in die hercynische NW-Richtung umgewendet wird. Hier treten die Zonen der ältesten Harzschichten, die silurischen Schiefer mit Graptolithen und fossilführenden Kalklinsen (vgl. oben S. 292ff.) zwischen Michaelstein und Wernigerode-Hasserode zutage, offenbar in stark gestörter Lagerung ; über die Silurschiefer wurden von Nord her die Kulmgrauwacken und Kulmkieselschiefer , von Süd her die mitteldevonischen Wissenbacher Schiefer überschoben.
Die auf K. Lossens Übersichtskarte durch diese Silur- und Kulm-
schollen in SN-Richtung geradlinig durchzogenen Porphyr- und Melaphyrgänge verlaufen dort keineswegs so gleichförmig, sondern werden durch Verwerfungen und Abbrüche in viele Stücke zerrissen, und zwar in noch komplizierterer Weise, wie der ebenfalls durch zahlreiche Verwerfungen zerstückte Kersantitgang im Oberharze (siehe oben S. 357, Anmkg. 1) .
Auch südlich der Elbingeroder Mulde spielen Faltenverwerfungen
und Überschiebungen eine große Rolle. Dadurch erklärt sich der oft rasche Wechsel der Silur-, Devon- und Kulmstufen, wie er z. B. in der Gegend von Benneckenstein und Hasselfelde die verschiedenalterigen Schichten neben- und übereinander geworfen hat.
Solche nicht erkannte Überschiebungen hatten K. Lossen veranlaßt, die silurischen Graptolithenschiefer ebenso wie die Kulm- (Tanner) Grauwacken in das Unterdevon zu versetzen, und diese jüngsten Grauwacken für die unterste und liegendste Schichtenstufe des ganzen
Harzgebirges zu erklären , wie wir bereits oben (S. 292) des näheren ausgeführt haben. Die von E. Beyrich und K. Lossen vor 30 Jahren
veröffentlichten Kartenblätter im Maßstabe 1: 25000, sowie K. Lossens Übersichtskarte des Harzes im Maßstabe 1 : 100000 vom Jahre 1882 müssen in diesen mittleren und südlichen Harzgebieten vollständig neu bearbeitet werden. Dann werden auch die drei großen Mulden,
Wieda-Stiege am Südrande des Harzes , sowie die Elbingeroder und die Ballenstedter Mulden am Nordrande nicht mehr in dem auf-
fallenden Gegensatze zum inneren Harzschiefergebirge stehen, in dem sie jetzt nach K. Lossens falscher Auffassung der Schichtenstufen auf seiner Übersichtskarte erscheinen; sondern sich besser dem allgemeinen Bau des ganzen Harzes einfügen, vor allem durch die veränderte und größere Ausdehnung des Kulms (Schiefer , Lydite und Grauwacken) gegenüber den silurischen und devonischen Schichtenstufen. Wir erwähnen hier endlich die auffallend rote bis violette Ober-
flächenfärbung der altpaläozoischen Gesteine im Südharze, wie sie längs des Südrandes des Gebirges südlich von Stolberg beginnend über Wippra bis zum Ostende des Harzes bei Hettstedt auffallend hervortritt ; ebenso am Nordrande in der Gegend von Ballenstedt. Es
ist ganz gleich, welche Gesteine an der Oberfläche liegen, ob Schiefer,
Der mittlere und südöstliche Harz.
379
Grauwacken oder Quarzite , Kalksteine oder Diabase ; auch gleich, welchem Schichtensysteme sie angehören
alle Gesteine zeigen die
gleiche Rötung durch eine starke Imprägnierung mit Eisenoxydpartikelchen, auch in Form von sehr kleinen Eisenglanzblättchen, feinschuppigem Eisenrahm. Es ist keine Lateritbildung, überhaupt keine Verwitterungserscheinung der Oberflächen der Gesteine, sondern nur eine Einspülung von Eisenoxyd, ein Eindringen auf allen Klüften und Spalten von oben her bis zu Tiefen von 20 und 30 m. Die an-
gegebene örtliche Verbreitung solcher Rotfärbung macht es wahrlich , daß diese Gegenden von den rotliegenden Schichten bedeckt waren, wie sie noch jetzt in der Ilfelder Mulde, am Ostrande des Harzes und östlich von Ballenstedt lagern, und daß die Imprägnierung der altpaläozoischen Gesteine vom Rotliegenden her geschehen ist. Dabei kann entweder die Imprägnierung sogleich vom rotliegenden Meere aus primär geschehen sein , oder erst später allmählich das Eisenoxyd aus den roten Sandsteinen des Rotliegenden sekundär vom Wasser hinuntergespült worden sein. K. Lossen , der bei seinen Aufnahmen der Blätter Stolberg, Schwenda und Wippra natürlich diese auffallende Rötung der Gesteine bemerkte , beobachtete zugleich, daß die Tonschiefer in diesen geröteten Gebieten stark phyllitisch ausgebildet seien, also viel Sericit ausgeschieden sei, daß sich hier in den > Oberen Wiederschiefern eine Zone von karpholithführenden 1) Schiefern , chlorit- und eisenoxydreichen Phylliten gebildet habe, und daß albit- und quarzhaltige Trümer besonders häufig in diesen Gesteinen eingelagert seien. K. Lossen hat auf seiner geologischen Übersichtskarte des Harzes diese eigenartige Zone am Südostrande des Harzes eingezeichnet und in der Farben-
erklärung als »Regionalmetamorphose in der SO-Zone angegeben. F. Hornung 2) hat sich eingehend mit diesen Umwandlungen der Lossenschen regional-metamorphen Zone beschäftigt und eine Er-
klärung auf Grund hydrochemischer Vorgänge versucht: er nimmt an, daß die Metalloxyde, vor allem das Eisenoxyd, welches die Rotfärbung des Gesteins bewirkte, aus konzentrierten Lösungen von Alkalisalzen und Salzen alkalischer Erden auskristallisierten; das Eisen
würde in Form von Eisenchloriden im Meerwasser gelöst gewesen und durch Kalk als Oxyd ausgefallen sein; auch Sericit und Albit seien durch hydrochemische Prozesse ausgeschieden. So unklar auch die ganze Theorie Hornungs ist, und so wenig genügend durchgearbeitet, so ist sie doch ein beachtenswerter Anfang zur Erklärung dieser sicherlich hydrochemischen Prozesse, welche die Untergrundgesteine des permischen Meeres erlitten haben. F. Hornung hat K. Lossens Schlagworte seiner » Dislokations- oder > Dynamometamorphose« zurückgewiesen und den Weg gezeigt, auf welchem solche sekundären Umsätze aufzuklären sein werden³). Durch Th. Liebe 1) Ein wasserhaltiges Eisen-Mangan-Tonerdesilikat sekundärer Entstehung, d. h. durch wässerigen Absatz in den Schiefern entstanden. 2) F. Hornung , Die Regionalmetamorphose am Harze. Stuttgart 1902. Ohne jedes Verständnis für die Sache ist ein Referat von Erich Kaiser über Hor-
nungs Werk in der Zeitschr. für prakt. Geologie. 10. Jahrg., S. 339. Berlin 1902. 3) Wissen wir doch kaum etwas darüber, auf welche Ursachen die Rotfärbung
380
Die Umrandung des Harzes .
wurde dieselbe Oberflächenrotfärbung der altpaläozoischen Schichten aus dem Ostthüringer Schiefergebirge beschrieben; wie ich im oberen Saaletale bei Saalfeld gesehen habe, ist dies jedenfalls die gleiche Erscheinung wie im Harze und hängt gewiß ebenso mit der einstigen Bedeckung des Grundgebirges durch Rotliegende und Zechsteinablagerungen zusammen 1) . 2. Die Umrandung des Harzes.
Rings um den Harzkern herum ist die Decke von Perm-, Trias-, Jura- und Kreideschichten, welche ehemals auch jenen Kern des Harzgebirges überlagerten, durch Absenkungen in viele Schollen zerbrochen; diese Schollen umlagern den Harz in mannigfacher Weise, vorwiegend jedoch mit Bruchrändern, welche im hercynischen Streichen aufgerichtet stehen. Durch diese, wie wir sehen werden, zum großen Teil tertiären Absenkungen entstanden Gräben, zum Teil mit überschobenen Randschollen, Mulden und Sätteln, die letzteren zum Teil aufgebrochen und im Bruche verworfen. Ehe wir jedoch einige Beispiele dieser hercynischen Schollenbrüche kennen lernen, müssen wir die im Deckgebirge vorhandenen Diskordanzen feststellen, damit durch diese das tektonische Bild nicht verdunkelt wird.
a) Diskordanzen im Deckgebirge .
Nachdem die Silur-, Devon- und Kulmschichten zu dem mächtigen niederrheinischen Gebirge zusammengefaltet waren, wurden am Südrande dieses Gebirges in getrennten Becken oberkarbonische Schichten mit Steinkohlenflötzen abgelagert; am Südostrande des Harzes ist im Wettiner Becken die Ottweiler Stufe in einer Mächtigkeit von ca. 1000 m
bekannt2) ; diese oberkarbonischen Schichten sind bereits in der hercynischen Richtung SO-NW eingemuldet. Das Unterrotliegende lagert konkordant auf dem Oberkarbon der Wettiner Mulde. Dagegen zeigt sich zwischen dem Unter- und dem Oberrotliegenden eine Lücke im Schichtenabsatz die Lebacher Stufe fehlt -, und hieraus entstand die erste Diskordanz ; die Konglomerate des Oberrotliegenden enthalten bei Halle die Gerölle der unterlagernden Porphyre und Melaphyre. Der Zechstein greift vielfach über das Rotliegende bis auf den altpaläozoischen Gebirgskern; jedoch ist die Diskordanz zwischen Oberder rotliegenden Sandsteine oder der bunten Sandsteine überhaupt zurückzuführen sind! Ich denke mir, daß der Eisengehalt ursprünglich in Form von Glaukonit oder Thuringit vorhanden war, und daß diese feinverteilten Grünerdekörnchen durch Protozoen im Meerwasser ausgeschieden wurden.
1) Neuerdings hat E. Zimmermann wiederum auf diese Rötung der Gesteine in Ostthüringen hingewiesen; er hat aber keine Deutung versucht und ist auch auf F. Hornungs Erklärungsversuche nicht eingegangen. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Monatsberichte Nr. 3, S. 149-155. Berlin 1909 . 2) Interessant ist der Nachweis, welchen K. von Fritsch in dem 1748 m tiefen
Bohrloch von Schladebach bei Merseburg führen konnte: die im tiefsten von 1640 bis 1748 m anstehenden, wahrscheinlich oberdevonischen Dolomite und Tonschiefer
fallen im Mittel 48° (28-68°) ein; die diskordant auflagernden oberkarbonischen und unterrotliegenden Schichten fallen im Mittel nur 10° 39′ ein. Abh. preuß. Land.Anst. Neue Folge Heft 10, S. 116. Berlin 1899.
381
Diskordanzen im Deckgebirge.
rotliegendem und Zechstein unbedeutend. Vom Zechstein an wurden
aber nun die ganze Trias und der ganze Jura Schichten in einer ohne wesentliche Unterbrechung und Mächtigkeit von etwa 1800 m -
ohne Diskordanzen in dem immer tiefer einsinkenden deutschen Meere
übereinander abgesetzt. Erst die Wealden- und Kreidezeiten bringen stärkere Diskordanzen und übergreifende Lagerung. Die Wealdentone und -sandsteine sind ja eine Süßwasserablagerung, d. h. ein Kontinent entstand an Stelle des Meeres.
Die ca. 300 m
mächtigen Wealdenschichten sind in Deutschland nur nordwestlich des Harzes, in den Hils- und Deisterbergen, sowie im Wesergebirge und jenseits der Ems bis Bentheim entwickelt; in diesen Gebieten des südlichen Hannover und in Westfalen gehen dann die Wealdenbildungen nach oben allmählich in die marine untere Kreide (Valanginien) über, so daß hier das Meer wieder Raum gewann. Das übrige Deutschland blieb während der ganzen Zeit der unteren Kreide Kontinent. Aus diesen
Umständen folgen Bewegungen, welche über den Trias- und Jurastufen eine diskordant und übergreifende Lagerung der Kreidebildungen bewirkten. Zunächst greifen die Wealdentone über verschiedene Jurastufen
über und lagern z. B. bei Sehnde (südlich von Lehrte) auf Sowerbyi-, bei Borgloh auf Oxfordschichten; jenseits der Ems bei Rheine auf Lias und bei Ochtrup auf Keuper. > Infolge der Emporhebung der Trias und des Jura zeigen letztere ein anderes Streichen und Fallen
> scharfkantiges, quarzitisches HarzgeröllTourtiaFormsande « , welche von den Hüttenwerken der Gegend abgebaut und verwendet wurden. Diese weißen, glimmerreichen Sande und plastischen Tone mit Schmitzen von unreiner Braunkohle in Schlotten und Spalten des Kalkgebirges abgesetzt, lagern bis 10 und 12 m mächtig sowohl am
Hartenberg wie im Hainholz (am Wege von Elbingerode zur Trogfurter Bodebrücke) auf den mitteldevonischen Stufen der Elbingeroder Mulde , und sind daher erst nach der Entblößung des Harzkernes zur Ablagerung gekommen. Die Gerölle, welche in Haselnuß- bis Faustgröße
eine obere Schicht der im übrigen sandigen und tonigen Ablagerungen bilden, setzen sich aus den Gesteinen der Elbingeroder Mulde und 1) Siehe oben S. 204 und E. Zimmermann, Silur-, Devon- und Kulmzonen bei Görlitz. Zeitschr. deutsch. geol. Ges ., Ber. S. 168. Berlin 1908.
2) K. Lossen, Über die fraglichen Tertiärablagerungen im Gebiet der Elbingeroder Mulde und ihre wahrscheinlichen Beziehungen zur Braunkohlenformation des nördlichen Harzrandes.
In : Schriften des naturwiss. Vereins des Harzes in
Wernigerode. Bd. 6, S. 1-29. Wernigerode 1891 . 25*
388
Die Umrandung des Harzes.
ihrer nächsten Umgebung zusammen; die stark abgerollten werden aus etwas weiterer Entfernung stammen.
Es sind blauschwarze Kiesel-
schiefer, rote Eisenkiesel der Elbingeroder Roteisensteinformation, Quarzite und drusige Gangquarze; auch Hainholzer Keratophyrgerölle fand K. Lossen auf. Die weicheren Gesteine, auch die Grauwacken fehlen, so daß ein Flußtransport vorausgesetzt werden muß.
Gegenüber den mannigfaltigeren Gesteinen der Diluvialterrassen, z. B. der alten Bodeterrassen oberhalb Rübeland, und gegenüber dem Fehlen nordischer Gesteine, besonders des Feuersteins, erklärte K. Lossen diese » Formsande bei Elbingerode für eine tertiäre Ablagerung, vielleicht der oligocänen Braunkohlenbildung der norddeutschen Ebene angehörig, entsprechend der Wienröder Braunkohlenablagerung zwischen Thale und Blankenburg am Nordrande des Harzes.
Fossilien fehlen
in diesen Formsanden abgesehen von Devonfossilien, z. B. verkieselten Korallen auf sekundärer Lagerstätte. Es besteht jedoch zwischen beiden ca. 12 km voneinander entfernten Braunkohlenbildungen ein Höhenunterschied von 300 m - Hartenberg 565 m, Wienrode 250 m ü. M. so daß nach dem Absatz der Formsande der Harzkörper noch höher gehoben worden ist.
Dies folgt auch aus der eigenartigen Lagerung der Wienroder
Braunkohlen, die noch jetzt in dem großen Tagebau der Grube Hercynia nahe östlich des Dorfes Wienrode abgebaut werden; durch Bohrungen sind die Braunkohlen, die Sande und Tone dieser Ablagerung nach Südost 4 km weit bis gegen Thale, und ebenso nach Nordwest gegen Cattenstedt zu unter mächtigen Diluvialschottern nachgewiesen worden.
Die Schichten sind zum Teil unregelmäßig verstürzt, was wohl mit den Ausspülungen der Gipsschlotten des unterlagernden Zechsteins zusammenhängen mag. K. Lossen hielt die bis 500 m breite Ablagerung für die Ausfüllung einer Bucht im Devongebirge und nannte diese noch jetzt topographisch auffallende Bucht den >Golf von Wienrode , der in direkter Verbindung gestanden habe über die Quedlinburger Kreidemulde mit den nach E. Beyrich » oligocänen Braunkohlenbildungen gegen Magdeburg zu: in den Sanden dieser Braunkohlenab-
lagerungen bei Aschersleben, Egeln, Latdorf usw. liegen ebenso wie bei Elbingerode in außerordentlich großer Menge die Gerölle von
Quarziten und Kieselschiefern, wodurch eine Flußrichtung aus dem Harze nachzuweisen sei.
Aus allen diesen Beobachtungen K. Lossens geht jedenfalls als
sicher hervor, daß zur Zeit der Ablagerung der >>Formsande< bei Elbingerode und der wohl gleichalterigen Braunkohlenbildungen bei Wienrode - Thale, Aschersleben , Latdorf, Egeln usw. der Harzkern bereits durch die Zechstein-Triasdecke völlig durchgestoßen und durch Denudation zutage getreten war. Sicherlich hatten diese tertiären Ablagerungen auf dem ehemaligen Plateau der Elbingeroder Mulde eine bedeutend weitere Ausbreitung als jetzt, wo ihre letzten Reste in den Schlotten der Mitteldevonkalksteine liegen; denn es finden sich die bekannten , oberflächlich glasierten Quarzitblöcke ( Knollensteine < , >>Wurststeine Formsande aufgeschlossen, aus denen M. Schmidt²) eine reiche unteroligocäne marine Fauna anführt , welche derjenigen an der Brandhorst bei Bünde gleicht. Dieser Fundort liegt 5 km westlich vom Oberharze. Etwas weiter entfernt wurden bei Moringen marine,
glaukonitische Sande des Oberoligocäns bekannt. Die mitteloligocänen Rupeltone müssen die größte Ausbreitung in der Umgebung des Harzes gehabt haben; ihre versenkten Reste sind so häufig, daß einst das mitteloligocäne Meer, welches bekanntlich den größten Teil der norddeutschen Ebene bis nach Belgien hinein bedeckte, über ganz Mitteldeutschland geflutet sein muß; daher auch die überall gleichmäßige petrographische Beschaffenheit dieser Tone, ihre große Mächtigkeit (80 bis 100 m), ihr Reichtum an Foraminiferen. Jedoch sind die Rupeltone während der jüngeren Tertiärzeit und während der diluvialen Zeit über die weiten Flächen der bergigten Trias in den Wesergegenden wegen ihrer weichen Beschaffenheit , ebenso wie die übrigen Stufen des älteren Tertiärs in größter Masse und Ausdehnung fortgewaschen worden, und nur an besonders günstigen Punkten, in Grabenversenkungen oder an Verwerfungen erhalten geblieben. Dadurch , daß die Reste der vermutlich oligocänen Formsande bei Elbingerode keine Fossilien führen, sind wir nicht in der Lage, zu bestimmen, ob hier auf dem Harzkörper eine oligocäne Meeresbucht eingedrungen war, oder ob es nur limnische und fluviatile Ablagerungen sind. Jedenfalls wird der Harz zum größten Teile bereits als Horst über
das oligocäne und miocäne (Cassel-Bünde) Meer von Nord- und Mitteldeutschland emporgeragt haben³) . 1) Abhandl. der Akad. der Wiss . Jahrg. 1855. Mit einer Karte. Berlin 1856. 2) Jahrb. preuß. geol. Land. -Anst. Bd. 21, S. 88-93. Berlin 1901.
3) Zum Pliocän zu rechnen sind, wie ich vermute, die mehrere Meter mäch-
tigen, weißen, gelben Sande und Kiese, sowie die mit ihnen lagernden fetten, weißen, gelben, auch grell ziegelroten Tone, welche in Kiesgruben auf Buntsandstein an der Straße von Sangerhausen nach Wippra, z . B. bei Gonna, aufgeschlossen
sind. Vermutlich sind diese limnischen und fluviatilen, pliocänen Ablagerungen in
Die Umrandung des Harzes .
390
Während der Harz und das ihn umgebende Bergland vorherrschend
dem nordwestlichen, hercynischen Streichen folgen, zeigt der Göttinger Graben eine NS-Richtung, welche die hercynisch streichenden Triasschollen dieses ganzen Gebietes auffallend durchquert. Wenn man jedoch die von A. von Koenen aufgenommenen Blätter¹) der Umgegend von Göttingen genau auf ihre Tektonik betrachtet, so sieht man, daß
die mesozoischen Stufen ganz unregelmäßig zu beiden Seiten des Leinetales lagern, und daß der Göttinger Graben im Süden bei Eichenberg und im Norden bei Northeim sich völlig auskeilt, ohne Fortsetzungen nach Nord oder Süd zu haben.
Wenn man nun mit diesen unregel-
mäßigen Einbrüchen des Keupers und des Lias bei Göttingen die ebenso unregelmäßig eingebrochenen Trias- und Juraschollen in den nahe nördlich von Göttingen liegenden Jurasenken von MarkoldendorfEinbeck2) und von Kalefeld- Düderode 3), oder wenn man die nördlich des Harzes gelegenen Mulden der Innerste bei Ringelheim und Dörnten4)
betrachtet, so erkennt man, daß in diesen Gebieten eine vorherrschende NS-Richtung der Spalten keineswegs vorhanden ist: nach allen Richtungen streichen die in unendlich viele kleine Schollen zerbrochenen Trias- und Juraschichten.
In dieser Beziehung ist der Kahlberg bei Düderode besonders charakteristisch, so daß wir dessen Profil hier beifolgen lassen (Profil 82). Im Kahlberge sind die Stufen des oberen Jura bis zum Kimmeridge und Portland erhalten; ringsum schneiden sich kreuzende Verwerfungen diese eingesunkene Jurascholle gegen die verschiedenen Triasstufen ab. Die Juraschichten des Kahlbergs fallen nach NW oder NNW ein; sie nehmen zum Teil » am nördlichen Rande ein sehr steiles
Einfallen an, sodaß sie gleichsam in den nördlichen Grenzbruch hineingestürzt sind ; in diesem liegen wie eine Kluftausfüllung Blöcke von Lias und braunem Jura, ferner Schollen von Kimmeridge, mittlerem Keuper und oberem Muschelkalk< 5) . A. von Koenen hat zuerst ausgesprochen, daß diese mannigfachen Spalten und Einbrüche in dem Trias- und Juraberglande westlich und
südwestlich des Harzes zum Teil recht jung seien, und daß die Bewegungen aus der tertiären Zeit durch die diluviale bis in die jetzige der nächsten Umgebung des Harzes in größerer Verbreitung vorhanden, als es bekannt wurde.
Solche Absätze sind bisher zum Diluvium gestellt worden; von
diesen unterscheiden sich die pliocänen Absätze durch ihren Gehalt an feuerfesten kaolinreichen Tonen und durch die Reinheit ihrer Quarzsande und Quarzkiese gegenüber den bunten Geröllen und unreinen Sanden der Diluvialterrassen.
1) Blätter Reinhausen, Göttingen, Nörten, Dransfeld, Jühnde usw. der preußischen geologischen Karte im Maßstabe von 1 : 25000. Leider fehlen diesen Karten die sonst üblichen Zeichen über Fallen und Streichen der Schichten; in den Er-
läuterungen ist die Tektonik dieser doch verhältnismäßig einfachen Triasgebiete
sehr dürftig behandelt; geologische Profile, welche hier leicht zu zeichnen waren, fehlen vollständig sowohl den Karten wie den Erläuterungen !
2) Martin Schmidt , Der Gebirgsbau des Einbeck-Markoldendorfer Beckens. Mit Tafel X. Jahrb. preuß. geol. Land. -Anst. Bd. 14, S. 19-48. Berlin 1894.
3) J. P. Smith, Die Jurabildungen des Kahlberges bei Echte. Mit 3 Tafeln. Jahrb . preuß. geol. Land. Anst. Bd. 12, S. 288-356. Berlin 1893. 4) A. Denckmann, Über die geognostischen Verhältnisse der Umgegend von
Dörnten. Abh. preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 8, Heft 2. Mit Atlas. Berlin 1887. 5) A. von Koenen, Erläuterung zu Blatt Gandersheim, S. 4. Berlin 1895.
3
NNW
4
5
x
14
15
16
10
9
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. Jura brauner
):1Maßsta 5000 2 be m (i82 Profil
10
d ).= ortlanus PLepidot (mit Oolith 16
unterer . 13 Kimmeridge
oralragndolomit C.= Koralle 12
oberer und mittlerer 10
}
12
. Muschelkalk
EN
14
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} 14 mittlerer
oberer 8 u 9nterer
unterer 6
Keuper .5
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} m3ittlerer oberer
12
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Kahlberg 371m
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7 6
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6
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5
Tertiäre Schichten auf dem Harze und rings um den Harz. 391
Die Umrandung des Harzes.
392
Zeit angedauert hätten 1) ; auch will er jene Verschiebungen am Schlusse der Glacialzeit noch mit einer letzten Heraushebung des Harzes in
Verbindung bringen< 2). Indessen bringt A. von Koenen keinen Beweis
vor für diesen Zusammenhang zwischen den Trias-Juraschollenbrüchen der Gegend von Göttingen und der Emporhebung des Harzes. Daß aber alle diese außerordentlich unregelmäßigen Brüche und Senkungen im Triasberglande vom Tertiär bis in die jetzige Zeit fortgedauert haben, das ist bewiesen sowohl durch die Lagerung der Braunkohlenformation in einzelnen Versenkungen, z. B. gerade bei Düderode, als durch die Anhäufung von diluvialen Schottern , aus Harzgeröllen bestehend, in jetzt abflußlosen oder schwach fallenden Senken; auch die willkürliche Talbildung, die nur in geringem Maße abhängig ist von
den Dislokationen, zeigt junge Bewegungen an. Ich vertrete die Ansicht, daß die ganz unregelmäßigen Schollenbrüche, die tief niedergebrochenen Senkungsfelder und Talkessel, kurz die mannigfache Tektonik dieses Berglandes in der Umgegend des Harzes zum großen Teil der Auslaugung der mächtigen Salzlager des Zechsteins ihren Ursprung und ihre Folge bis zur jetzigen Zeit verdankt³). Die zahlreichen Erdfälle auf den Muschelkalkplateaus dieser Gegend, so z. B. auf dem Kühler südlich Gandersheim, rühren nur her von zum Teil eingestürzten Höhlungen, wie sie durch unterirdische Wasserläufe im Kalkstein stets bewirkt werden.
Dagegen
wissen wir durch die zahlreichen Tiefbohrungen auf die Kalisalzlager des Zechsteins, daß gerade in diesem Berglande des südlichen Hannover eine weit ausgedehnte Auslaugung der Zechsteinsalze stattgefunden hat. Da die Salzlager im Zechstein in diesen Gebieten bekanntlich eine Mächtigkeit von 200-300 m und mehr besaßen , so muß ihre mehr oder weniger vollständige Fortwaschung durch aufsteigende Salzquellen natürlich die Folge gehabt haben, daß die überlagernden Trias- und Jurastufen in zahlreichen kleinen Brüchen und Senken nachstürzten.
Ein Beweis für diese Ursache scheint mir
darin gegeben zu sein , daß die Schollenbrüche , Absenkungen, Verwerfungen usw. in diesen Gegenden südlich und südwestlich des Harzes ganz unregelmäßig nach allen Himmelsrichtungen verlaufen , die einzelnen Schollen verhältnismäßig einen sehr geringen Umfang besitzen, auch ihre Schichtenzusammensetzung fortwährend wechselt. Dagegen gibt sich die allgemeine Tektonik stets in lang durch 1) A. von Koenen, Über die Dislokationen westlich und südwestlich vom Harz und über deren Zusammenhang mit denen des Harzes. Jahrb. preuß. geol. Land.Anst. , Bd. 14, S. 68-82. Berlin 1894.
2) A. von Koenen. Über geologische Verhältnisse, welche mit der Emporhebung des Harzes in Verbindung stehen. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst., S. 187-198. Berlin 1884.
3 A. von Koenen verwirft die Ansicht: an solchen Kreuzungspunkten finden
sich aber auch besonders häufig größere und tiefere Versenkungsbecken, welche zum Teil mit Wasser oder Sumpf gefüllt, keinen vollen, oberirdischen Abfluß be-
sitzen und hierin, aber auch nur hierin , den durch Auslaugung von Steinsalz
und Gips bewirkten Erdfällen gleichen. Solche Einsenkungen finden sich z. B. zwischen Ildehausen
und Engelade, südlich von Westerhof, und bei Denkershausen zwischen Northeim und Echte der Denkershäuser Teich . Jahrb. preuß. geol.
Land. -Anst. Bd. 4, S. 196. Berlin 1884.
Der Kyffhäuser.
393
gehenden, großen Zügen und in einer im ganzen regelmäßigen Lagerung der Schollen kund; hierher rechne ich daher nur die hercynische
Streichrichtung von SO in NW, welche dem weitausgedehnten Wesergebiete zwischen Harz und Kellerwald ihre Grundzüge aufgeprägt hat. Jedenfalls haben die kleinlichen Lagerungsverhältnisse der Trias und des Jura in der Umgegend des Leinetales, und Bewegungen, wie sie unzweifelhaft durch die quartäre Zeit bis jetzt fortdauerten, nichts mit der Emporhebung des Harzes zu tun; diese wird im großen und ganzen am Ende der tertiären Zeit vollendet gewesen sein. Ebensowenig läßt sich der Göttinger Leinegraben mit der oberrheinischen Tiefebene genetisch
in Verbindung bringen, nur weil das Leinetal äußerlich eine nordsüdliche Richtung zeigt; es liegen große Gebirgsmassen zwischen Frankfurt am Main, Kassel und Göttingen, welche tektonisch nur den hercynischen NW-Richtungen folgen, und in denen keine Spur von oberrheinischen Bewegungen zu bemerken ist. Die Entstehung und Lage der oberrheinischen Tiefebene ist eine einzigartige, weil diese tiefe Grabensenkung ein Gewölbeaufbruch ist, bedingt durch die Einpressung zwischen Alpen und Niederrheinischem Schiefergebirge 1). d) Der Kyffhäuser .
Das kleine Kyffhäusergebirge , zwischen Kelbra und Frankenhausen nur 2 km südlich vom Südrande der Harzberge gelegen, ist eine tief aufgebrochene Scholle, deren aufgekippte Schichten schwach (5-10°) nach Südsüdwest einfallen, während längs des dem Harze zugewendeten Nordrandes Verwerfungen westnordwestlich verlaufen, welche den steilen Nordabhang des Gebirges, und andererseits die fruchtbaren Niederungen der goldenen Aue erzeugten. Vom Südrande des Harzes her fallen bereits die Buntsandsteinstufen in breiten Flächen
flach nach Süd unter die Alluvionen der Helme ; am Fuße der Nord-
wand des Kyffhäusergebirges liegen kleine niedergebrochene Stücke von Zechstein bei Tilleda und Sittendorf; dann steigen die Granitberge steil empor und tragen auf ihrem Rücken die rotliegenden Sandsteine und die verschiedenen Stufen der Zechsteinformation. Die Höhe
des gesamten Verwerfungssprunges auf der Nordseite des Kyffhäusers beträgt nach den Angaben von Fr. Moesta²) etwa 1270 m (siehe das beistehende Profil Nr. 83). Die goldene Aue und Frankenhausen liegen 150 m, die Burg Kyffhausen und die Windlucke 452 m über dem Meere. Die Grundfläche des Gebirges mißt 67,5 km. Der Kyffhäuser hatte durch seine isolierte Lage mitten in einem der fruchtbarsten Gaue Deutschlands ganz mit Hochwald bedeckt, 1) R. Lepsius , Die oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge. Stuttgart 1885. Vgl. auch unten im Kapitel 13, 2a: die oberrheinische Tiefebene. 2) In den Erläuterungen zu Blatt Kelbra, Berlin 1884, S. 53-56, gibt F. Moesta folgende Mächtigkeiten an :
170 m für den am Nordfuß liegenden Rest des mittleren Buntsandsteins , 188 , für den unteren Buntsandstein, ≪
215
für die Zechsteinformation,
ca. 700 >> für das gesamte Rotliegende im Kyffhäuser. 1273 m in Summa.
Goldne Aue
NNO
150 m
su su Z
то
SU
y
!
452 m
10
X X
ro
X
Buntsandstein.
Meeresspiegel
X
Grani* t
Windlucke
Granite
Maßstabe Länge 75000 Profil Höhe der 83 im 1:),( 30000 Kyffhäuser gezeichnet durch den Lepsius Moesta. nach von Fr. R.,
Verwerfungen. yy
Granit Nordabbruch. zerquetscht am;
Konglomerate. rotliegende Sandsteine Letten obere und ro,
unterer zu
Zechstein. mittlerer zm
unterer su oberer zo
mittlerer sm
oligocäne tt Braunkohlenformation.
y
zerquetschte
N
Sittendorf
Die Umrandung des Harzes . 394
ro
XX
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Zu
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Falkenburg
zm
10
y
m 190
y
150 m
Z
y
su sm zm 20
Salzlager
su
tt
Rottleben
zm
zm
У
265 m
SSW
Der Kyffhäuser.
395
nicht nur die teils resignierte, teils hoffnungsvolle Sage der deutschen Stämme auf sich gezogen; auch die Geologen wie Voigt, Freiesleben, Girard, Beyrich, Streng 1) beschäftigten sich frühzeitig mit ihm, und zwar hauptsächlich deswegen, weil in seinen dem Südharze zugewandten, steilen Abhängen sowohl massiger Granit als Gneis und kristalline
Schiefersteine anstehen sollten Gneis , der im ganzen Harzgebirge nirgends zutage tritt. Nachdem auch Fr. Moesta und E. Dathe noch bei der 25000 -Aufnahme des Kyffhäusers die alte Anschauung der > Gneise « vertreten hatten2), wies endlich O. Luedecke darauf hin³), daß die sog. Gneise am Nordgehänge des Kyffhäusergebirges nur verquetschte Partien des daselbst anstehenden Granites seien.
Der massige Granit steht in größerer Verbreitung am Nordfuße des Berges an, auf dem die Ruine Kyffhausen und das Nationaldenkmal sich befinden. Es gleicht dieser Granit vollkommen dem vom
Ramberg und speziell an der Roßtrappe im Harze; das grobkörnige,
weißlichgraue Gestein enthält beide Feldspäte, beide Glimmer, Quarz und Apatit; Plagioklas und Muskovit treten an Menge zurück gegen Biotit und Orthoklas; der letztere ist häufig in 2-3 cm großen Zwillingskristallen eingesprengt.
Der massige Granit ist stark. zerklüftet und
oberflächlich in Grus zersetzt; er zeigt bereits Quetschzonen. Die sog. flasrigen und schiefrigen >Gneise« stehen vorherrschend in dem westlichen Teil des Nordgehänges vom Kyffhäuser an vom Borntale bis zur Rothenburg: sie zeigen noch zum Teil massige Strukturen, so daß z. B. auf den beiden Gehängen des Borntales , wo Fr. Moesta nur »Gneis eingezeichnet hatte , später E. Dathe bereits >>>Granit in stockförmigen Massen einlagernd in Gneisen eintrug4). Diese sog. Gneise« erweisen sich sowohl makro- als mikroskopisch als gequetschte Partien der Granite ; die Mörtelstruktur der zerbrochenen
oder an den Rändern abgesplitterten Feldspäte , die undulöse Auslöschung der in Aggregate aufgelösten Quarze , die Zerflaserung der Glimmer bezeugen die kataklastische Natur der längs der Verwerfungen durch Gebirgsdruck zertrümmerten Gesteine. Wir sehen hier eine
ähnliche Erscheinung vor uns, wie wir sie aus den Quetsch- und Überschiebungszonen des Lausitzer Granites kennen gelernt haben (oben S. 201-203) .
Ob neben den mechanisch gequetschten Graniten im westlichsten
Teile des Nordabhanges, bei derRothenburg, auch primär kataklastische, also fluidale Granite vorkommen, läßt sich schwer entscheiden, da die Aufschlüsse schlecht sind, und dadurch der Zusammenhang der Gesteine unsicher bleibt. Die Gegenwart von Hornblende , und augithaltigen Gesteinen deutet darauf hin, daß wir hier am äußeren Rande 1) A. Streng, Über die Diorite und Granite des Kyffhäusergebirges. N. Jahrb. Min. 1867, S. 513-542 ; 641-663.
2) Fr. Moesta, Blätter Kelbra und Frankenhausen der geologischen Spezialkarte von Preußen im Maßstabe 1: 25000, mit 1 Profiltafel; Erläuterungen zum Teil von E. Dathe.
Berlin 1884 .
3) O. Luedecke, Die kataklastischen Massengesteine des Kyffhäusers. N. Jahrb. Min. Jahrg. 1903, Bd. 2, S. 44-68. Stuttgart 1903. 4) Auf der den Erläuterungen zu Blatt Kelbra 1884 beigegebenen Tafel heißt
es: Das kristallinische Gebirge, aufgenommen von E. Dathe 1884. infolge der Andauer der Mineralzufuhr aus beiden Systemen wie der fort-
gesetzten Spaltenbildung konnte ein Mischtypus hervorgehen Egge « ) , althochdeutsch osena-eggi = Götter-
gebirge oder Heiliger Wald; hier erhob sich auf einem der Berge die von Karl dem Großen im Jahre 772 zerstörte Irminsäule, ein mächtiger Baumstamm, dem Gotte Irmin geweiht. Zur Deckung der Straße, welche wahrscheinlich durch die Dörenschlucht (> Dören = Türen, Tore) zur Weser führte, erbaute im Jahre 11 v. Chr. Drusus am Einfluß der Alme in die Lippe das Kastell Aliso, dessen Name noch an dem dort gelegenen Dorfe Elsen bei Paderborn haftet. Der Ort der Varusschlacht, in der drei römische Legionen im Jahre 9 n. Chr. von den Germanen
vernichtet wurden, ist bekanntlich strittig; vermutlich fanden diese Kämpfe in der Gegend zwischen Detmold und Herford statt.
Die Schichtensysteme.
411
Walde wie im Wesergebirge regelmäßig und konkordant übereinander in ein sich ständig vertiefendes Meer abgesetzt. Nach der Jurazeit entstanden dadurch, daß Mittel- und Süddeutschland Kontinent wurden, bedeutende Dislokationen, wie wir oben S. 381 gesehen haben, und infolgedessen lagerte sich die untere Kreide übergreifend und diskordant über die älteren mesozoischen Stufen.
Und hier unterscheiden sich
die beiden Flügel wesentlich voneinander: im Teutoburger Walde greift die untere Kreide auf alle verschiedenen Triasschichten, dagegen nur an wenigen Orten über Lias, noch seltener auf einzelne Schollen von Dogger und Malm über; auf dieser südlichen Seite des Sattels hatte
also eine starke Denudation der Trias- und Juraschichten stattgefunden, ehe die unterste Kreide sich ablagerte: hier fehlen die Wealdenschichten , mit Ausnahme der nördlichsten Gegend von Borgholzhausen bis Ibbenbüren.
Dagegen bildet die Weserkette vom Leinetale bis zur Hase einen
geschlossenen Jurawall, in dem alle Jurastufen regelrecht vom tiefsten Lias bis zum höchsten Malm übereinander lagern; es endigt hier der weiße Jura mit den brakischen und Süßwasserschichten des Purbeck
(Münder Mergel , Serpulit und Purbeckkalke zusammen 300-400 m mächtig) und wird schließlich von den flach transgredierenden Wealdenund Kreidestufen überlagert.
Wenn man mit der Bahn von Warburg nach Altenbeken fährt, so sieht man bei Willebadessen die Klippenwand der Neocomsandsteine aufsteigen. Weiter nördlich im Lippeschen Walde erheben sich die berühmten Externsteine 1) bei Horn, welche einst zur diluvialen Eiszeit ähnlich vom Wasser erodiert wurden, wie die freilich weit
großartigeren Quadersandsteine im Elbsandsteingebirge. Auch in der Gegend der 468 m hohen Velmerstot südlich der Externsteine , sowie des Dörenberges im Iburger Walde sind Neocomsandsteine durch tiefe Erosionsschluchten zerrissen .
Früher nannte man nach dem Vorgange von Fr. A. und Ferd. Roemer, A. von Strombeck u. a. alle diese Neocomsandsteine vom Harze bis zum Teutoburger Walde nach dem Hilsberge zwischen Leine und Weser Hilssandsteine . Die späteren Untersuchungen von Cl. Schlüter, O. Werth, A. von Koenen u. a. haben gezeigt, daß in diesem » Hilssandstein mehrere Horizonte der unteren Kreide nach den leitenden Fossilien unterschieden werden können.
Wir führen hier zunächst die ganze Reihenfolge der Schichten an, welche im Teutoburger Walde vorkommen. I. Die Schichtensysteme.
1. Oberkarbon, im Schafberge bei Ibbenbüren und im Piesberge 4 km nördlich von Osnabrück. Sandsteine, Konglomerate und Schiefer 1) Externsteine, Eggestersteine = Elstersteine, von Alagastra althochdeutsch, Agelster mittelhochdeutsch, Egester niederhochdeutsch; die Elstern nisteten in den zerklüfteten Sandsteinfelsen, von denen der nördlichste und höchste 36 m Höhe mißt. K. Th . Menke, Lage, Ursprung usw. der Exstersteine ; mit Abbildungen. Münster 1823. W. E. Giefers, Die Externsteine im Fürstentum Lippe-Detmold ; eine historisch- archäologische Monographie; mit Abbildungen. Paderborn 1851.
Der Teutoburger Wald.
412
tone. In der 13 km langen und 5 km breiten Ibbenbürener Bergplatte sind 12 Steinkohlenflötze bekannt , welche zusammen 6,36 m Kohle führen , 7 Flötze mit 5,26 m Kohle sind bauwürdig; im Piesberge 8 Flötze mit 4,78 m Kohle, von denen 3 Flötze mit 2,74 m Kohle abgebaut werden 1). Nach der Flora gehören beide Ablagerungen demselben Horizonte an, und zwar der oberen Saarbrücker Stufe des Oberkarbons, so daß diese Kohlenflötze von Ibbenbüren und vom Piesberge einen im Ruhrbecken bisher noch nicht bekannten jüngsten Horizont des Oberkarbons darstellen; trotzdem ist die Kohle eine anthrazitische (keine Gasflammkohle wie in den oberen Flötzpartien an der Ruhr), denn sie enthält 96-97 % Kohlenstoff nach Abzug des Aschengehaltes.
Ich vermute, daß diese anthrazitische Beschaffenheit abhängt von den starken Dislokationen, in denen sich dieses Kohlengebirge befindet. Die Schichten streichen SO bis NW, im Piesberge von O nach W; sie sind sattelförmig aufgebogen und von Verwerfungen durchsetzt und umgrenzt.
Obwohl ca. 1000 m Mächtigkeit dieses ober-
karbonischen Schichtensystems in der Ibbenbürener Bergplatte und im Piesberge durch den Bergbau und durch Bohrungen bekannt wurden, ist doch das Liegende desselben nicht erreicht worden.
Die Sandsteine und Konglomerate, welche in dem stark verworfenen Hüggel südwestlich von Osnabrück als tiefste Stufe aufbrechen , sehen den Gesteinen des Piesberges und der Ibbenbürener
Bergplatte so ähnlich, daß sie wohl zum Oberkarbon nicht wie manche Geologen geneigt waren anzunehmen zum Rotliegenden zu rechnen sind. Auf allen drei Oberkarbonaufbrüchen lagert trans-
gredierend der Zechstein . 2. Die roten Sandsteine und Schieferplatten am Nordrande der
Ibbenbürener Bergplatte werden zum Rotliegenden gerechnet, und zwar wegen einiger schwachen Kohlenlagen und Farnabdrücke zum Unterrotliegenden 2). Ebenso die entsprechenden Sandsteine und Letten am Piesberge und am Hüggel. Alle diese Schichten lagern konkordant über dem Oberkarbon , wie die unterrotliegende Stufe im Thüringer Walde, im Saarbecken und in den andern Kohlengebieten. 3. Dagegen transgredieren die Zechsteinstufen über die Karbonund unterrotliegenden Schichten ebenfalls entsprechend der gleichen Lagerung im mittleren Deutschland. Der Zechstein ist ziemlich vollständig sowohl auf und an der Ibbenbürener Bergplatte wie in der Umgegend von Osnabrück ausgebildet : a) Zechsteinkonglomerat, unregelmäßig in den Senkungen des Kohlengebirges abgelagert.
b) Kupferschiefer, schwarze Mergel 20-60 cm mächtig, erzhaltig. 1) H. von Dechen, Geologische Übersicht der Rheinprovinz und Westfalen. Bd. 2, S. 276. Bonn 1884. büren und Osnabrück.
L. Cremer, Die Steinkohlenvorkommnisse von Ibben-
Zeitschr. Glückauf Nr. 8 und 9.
Essen 1895.
2) F. Hoernecke, Die Lagerungsverhältnisse des Karbons und Zechsteins an
der Ibbenbürener Bergplatte. Diss. Halle a. S. 1901.
H. will diese Sandsteine
noch zum Oberkarbon rechnen; da er aber nicht die Pflanzenreste berücksichtigt,
fehlt der Beweis für seine Annahme. Wertvoll ist seine Darstellung der Lagerungsverhältnisse des Oberkarbons und des Zechsteins .
Die Schichtensysteme.
413
c) Zechsteinkalk; rauchgrauer bis schwarzer Kalkstein ; 10-12 m mächtig. Auf die Bergplatte und im Hüggel zumeist in Dolomit und in Brauneisenstein umgewandelt 1). In den Bohrlöchern zwischen Ibbenbüren und Osnabrück wurden
unter der Decke des bunten Sandsteins Gips, Anhydrit und Steinsalz von 30-40 m Mächtigkeit in diesem Horizonte erbohrt. d) Rauchwacken, Dolomite und Stinkkalke. Die oberen Letten fehlen.
Durch die neueren Tiefbohrungen auf Steinkohlen sind im Bereiche des Münsterer Kreidebeckens an vielen Punkten Zechstein und
auch Zechstein- Salzlager nachgewiesen worden: dadurch ist es wahrscheinlich, daß die zahlreichen Solquellen sowohl am Südostrande des Beckens (Königsborn, Werl , Salzkotten usw.) als die Solquellen bei Halle i. W. , Salzpütten, Rothenfelde am Südrande des nordwestlichen Teutoburger Waldes, wie diejenigen bei Rheine und Ochtrop dem Zechstein ihren Salzgehalt verdanken.
4. Die Triasstufen2) erfüllen, in viele Schollen zerbrochen, die weiten Gebiete zwischen dem Teutoburger Walde und dem Wesergebirge ; sie zeigen im allgemeinen die gleichartige Ausbildung wie im ganzen mittleren Deutschland. Auch unter dem Kreidesystem des Münsterer Beckens ist mehrfach die Trias, und zwar, wie es scheint, vorwiegend der bunte Sandstein erbohrt worden.
Bemerkenswert ist das Auftreten von einem 32-40 cm mächtigen Steinkohlenflötz im mittleren Keuper bei Neuenheerse, zwischen Willebadessen und Altenbeken gelegen. Es wurde ein Schürfstollen auf die Kohlen getrieben; das Flötz keilte sich jedoch schon nach 400m aus ; im Hangenden des Flötzes enthielten 18 cm mächtige schwarze Schiefertone zahlreiche Reste von Equiseten; es lagerte 27 m unter der Rhä-
tischen Stufe. Über diesem ca. 13 m mächtigen oberen Keuper transgredierte dann der Neocomsandstein auf der Höhe des Eggegebirges 3). Orographisch hebt sich wie so häufig durch seine größere Widerstandskraft und Mächtigkeit der Muschelkalk in langen Bergrücken heraus, welche östlich des Neocomsandsteinzuges und parallel zu diesem als ein zweiter Gebirgskamm durch den ganzen Teutoburger Wald durchlaufen und sich erst in dem stark verworfenen Schollen-
gebiete bei Osnabrück in einzelne Teile zerschlagen. 5. Vom Jura ist im Teutoburger Walde von der Diemel bis Borgholzhausen nur der Lias in einzelnen Schollen konkordant auf dem
Keuper erhalten geblieben. Die Liasgräben von Volkmarsen bei War-
burg, von Borlinghausen-Willebadessen streichen südnördlich; dagegen streichen der Liasgraben von Falkenhagen - Polle (im » Silbergrunde Mündermergel Serpulit < 1)
Purbeckstufe.
Den wichtigsten Anteil an dem Aufbau der langgezogenen Bergkette des Teutoburger Waldes nehmen die Kreidebildungen; von unten nach oben lagern hier die folgenden Stufen : c) Untere Kreide .
a) Wealdenstufe; nur im nordwestlichsten Teile des Gebirges
zwischen Halle i. W. und Ibbenbüren vorhanden (Berriasstufe) . 1) Fein-konglomeratische Bänke am Kotten beim Hofe Redecker stellte Erich Meyer (a. a. O. S. 363) > vermutlich zum Serpulit. Einen andern kleinen Aufschluß von Konglomeraten in Bielefeld- Gadderbaum beschrieb H. Stille im Jahrb . preuß. Land.-Anst. Bd. 26, S. 103-125, Berlin 1905: hier führten Konglomerate Gerölle von Trochiten- und Nodosenkalk , auch von Keuperdolomiten. Die weitgehenden Schlüsse , welche H. Stille daraus zieht , daß hier Muschelkalkgerölle angeblich im Serpulit liegen, stehen deswegen auf schwachen Füßen, weil nicht genügend nachgewiesen ist , daß dieser kleine , ganz isolierte Aufschluß in einem Bielefelder Straßenkanal wirklich dem Serpulit, also dem Purbeck, angehört; es könnten dies auch Kreide- oder Tertiärkonglomerate sein, in welchen die wenigen von H. Stille angetroffenen Serpeln eingeschwemmt , d. h. auf sekundärer Lagerstätte liegen. Derartige Konglomerate sind nirgends im Serpulit des südlichen Hannover bekannt. Wir erinnern an die oben (S. 383) erwähnten >Ilsenburgkonglomerate< am Nordrande des Harzes, von denen es unsicher ist, ob sie senonen, tertiären oder diluvialen Alters sind.
416
Die Schichtensysteme.
1. Gelblichweißer, feinkörniger Sandstein; Deister- oder Hastingssandstein; 40-50 m mächtig. 2. Schwarze Schiefertone mit dünnen Kalkbänken; zu unterst
4 Kohlenflötze, dünne bis 1 m mächtige Flötze einer aschenreichen Steinkohle (20-25 % Asche), welche früher bei Borgloh- Oesede abgebaut wurden 1). 60-70 m, weiter nordwestlich bis 100 m mächtig.
Auf den dunklen Kalkplatten liegen zahlreiche Melania-, Cyrenaund Corbulaschalen in guter Erhaltung; dieselben Fossilien in den Schiefertonen .
Cyrena elliptica Dunk. orbicularis A. Roem . dorsata Dunk. obtusa A. Roem.
Corbula inflexa A. Roem. alata Sow.
subquadrata Dunk. Melania strombiformis Schlth . Paludina Roemeri Dunk.
Cypris laevigata Dunk. also die im nordwestlichen Deutschland verbreitete reiche Süßwasserfauna der Wealdtone.
Diese Schichten gehen nach oben allmählich in die Neocom- (Hils-) tone über.
b) Neocome oder Hilsstufe 2).
1. Valanginien, nur im nördlichen Teile des Teutoburger Waldes, Bielefeld bis Iburg und weiter nördlich, wo die Wealdenstufe vorhanden ist; fehlt bei Oerlinghausen und weiter südlich in der Egge, so daß sich hier der Hauterivien- (Osning-) Sandstein direkt auf die Trias- und Juraschollen lagert und transgrediert.
Unteres Valanginien, konkordant und in allmählichem Übergang zum liegenden Wealden, jedoch marin: graue, sandige Tone und Schiefertone mit Toneisenbänken; ca. 100 m mächtig.
Darin:
Oxynoticeras heteropleurum Neum. Uhl . Oberes Valanginien: graue Schiefertone mit Bänken von bräunlichem Sandstein; in diesem : Bochianites cf. neocomiensis d'Orb .
Polyptychites cf. bidichotomus Leym. 2. Hauterivien. In diese Neocomzone gehört nach der in ihr gefundenen Fauna die Hauptmasse der Teutoburger Wald Osning < - Sandsteine, wie schon Otto Weerth nachgewiesen hatte. 1) C. Gagel, Beiträge zur Kenntnis des Wealden in der Gegend von BorglohOesede, sowie zur Frage des Alters der norddeutschen Wealdenbildungen. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 14, S. 158-179. Mit Karte und Profilen. Berlin 1894. 2) Karl Andrée. Der Teutoburger Wald bei Iburg. Diss. Göttingen 1904. H. Stille, Das Alter der Kreidesandsteine Westfalens. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Monatsberichte Nr. 1, S. 17-26. Berlin 1909.
Untere Kreide.
417
Meist zerfällt der Sandstein durch Verwitterung leicht in Blöcke und
losen Sand; in den großen Steinbrüchen z. B. in der Dörenschlucht oder am Barenberg bei Borgholzhausen sieht man , daß es ein feinbis grobkörniger Quarzsandstein ist, vorwiegend mit kieseligem, seltener tonigem Bindemittel (ursprünglich auch Kalk, der fast ganz ausgelaugt ist¹) , gerade wie die Schalen der in ihm liegenden Fossilien) ; weiße, gelbe, braune , auch rote Sandsteine; häufig eisenschüssig, besonders in den nicht selten einlagernden Konglomeraten, deren Gerölle aus Milchquarzen bestehen.
Die Mächtigkeit der Neocomsandsteine beträgt im nördlichen Teile des Gebirges, Iburger Wald-Osning, wohl 100-200 m, während sie im südlichen Teile bei Altenbeken und in der Egge geringer (bis 20 m) wird.
Die Fossilien sind im Sandstein im ganzen selten; sie häufen sich stellenweise in Knollen an; meist haben sie ihre Kalkschale verloren, nur Lingula truncata behält sie, auch Exogyra Couloni zuweilen. Bis jetzt sind ca. 150 Arten bekannt geworden - hauptsächlich durch die Bemühungen von Otto Weerth²) in Detmold von denen wir anführen :
Toxaster complanatus Ag. (= Echinospatagus cordiformis Breyn.) Holaster Strombecki Weerth.
Rhynchonella multiformis de Lor. häufig. Lingula truncata Sow. Exogyra ( Ostrea) Couloni Defr. Pecten crassitesta A. Roem . Perna Mulleti Desh. Lima Ferdinandi Weerth. Thetis minor Sow.
Panopaea neocomiensis d'Orb.
Thracia Phillipsi A. Roem . Natica laevis Weerth.
Cerithium quiquestriatum Weerth. Pterocera Moreausiana d'Orb.
Olcostephanus Losseni Neum. Uhl.
lippiacus minor Weerth. (Simbirskites) Decheni A. Roem. Phillipsi A. Roem. Craspedites Weerthi Koen. Baculites neocomiensis d'Orb .
Hoplites Ebergensis Weerth. noricus F. Roem .
Crioceras Roemeri Neum. Uhl. 1) Otto Weerth stellte noch einen Gehalt von 0,06 % CaCO3 im Sandsteine fest. Jahresber. naturwiss. Ver. f. d. Fürstentum Lippe 1890, S. 68. Detmold. 2) Otto Weerth , Der Hilssandstein des Teutoburger Waldes. Gymnasialprogramm. Detmold 1880. Ders . , Die Fauna des Neocomsandsteins im Teuto-
burger Walde. Paläontolog. Abhandl. von Dames und Kayser. Bd. 2, Heft 1; mit 11 Tafeln. Berlin 1884.
Otto Weerth hatte die von ihm beschriebenen Fossilien
hauptsächlich in den Sandsteinbrüchen bei Oerlinghausen, seinem Heimatsorte, gesammelt aus Zonen, welche vorwiegend dem oberen Hauterivien angehören. R. Lepsius , Geologie von Deutschland. II.
27
Die Schichtensysteme.
418
Belemniten, nur in Hohldrücken.
Glyphaea (Meyeria) ornata Phill., ein langschwänziger Krebs. Pflanzenabdrücke 1) :
Pecopteris (Weichselia) Ludovicae Stichl. Protopteris punctata Strnbg. Pterophyllum Germari Otto. saxonicum Reich.
Zamites iburgensis Hos. Mrck. Abietites Linkii A. Roem.
Sphenolepidium (Sequoia) Sternbergiana Schenk. Diese Flora schließt sich eng an diejenige des Wealden an, in welcher die Coniferen ebenfalls vorwiegen. 3. Die Zonen des Barrémien und Aptien konnten nicht der Lagerung nach, sondern nur nach einigen leitenden Ammoniten aus Sand-
steinbrüchen verschiedener Orte (Oerlinghausen, Horn , Brackwede, Bielefeld u. a.) nachgewiesen werden²) . Der Neocomsandstein des Teutoburger Waldes umfaßt demnach vier südfranzösische Zonen. Den Barrêmien und Aptien werden zugerechnet unter andern Fossilien : Crioceras fissicostatum A. Roem. Strombecki v. Koen.
Denckmanni G. Müller.
Ancyloceras crassum v. Koen.
Hoplites Weissi Neum. Uhl. Deshayesi Leym. 4. Gault (= Albien).
In dem Tunnelprofile und in den Bahneinschnitten, die er beim Bau der Bahn bei Altenbeken untersuchte, hatte Cl. Schlüter³) für die untere Kreide die folgenden Stufen ausgeschieden: 1. Neocom- oder Hilssandstein, Schichten mit Am. bidichotomus ; 14 m mächtig.
2. Grünsande, Schichten mit Am. Martini, unterer Gault; 4,4 m mächtig.
3. Grünsande, Schichten mit Am. Milletianus, mittlerer Gault.
4. Roter eisenschüssiger Sandstein, 45,5 m mächtig ; glaukonitische Mergel; Flammenmergel; zu oberst bunte Sandsteine. Schichten des Am. splendens ; oberer Gault. Hangendes : Cenomane Mergel der oberen Kreide.
Die » Flammenmergel , ein leicht zu erkennendes Sediment, erhielten ihren Namen von den dunklen Flecken und Flammen auf den
hellgrauen , sandigen, oft in kieselige Knollen zerfallenden Mergeln, 1) Hosius und von der Marck , Die Flora der westfälischen Kreideformation. Palaeontographica Bd. 24, S. 125-236 ; mit 21 Tafeln. 18-0.
2) Erich Meyer, a. a. O. 1903. Hans Stille, Das Alter der Kreidesandsteine Westfalens. Briefl. Mitt. Monatsberichte der deutsch. geol. Ges. Nr. 1, 1909, S. 17-26.
Berlin.
3 Cl. Schlüter, Die Schichten des Teutoburger Waldes bei Altenbeken. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Bd. 18, S. 35-76. Berlin 1868 .
Untere Kreide.
419
welche als eine obere Gaultzone ganz regelmäßig und ununterbrochen das Liegende der cenomanen Pläner bilden, und zwar in der eigentlichen Gebirgskette des Teutoburger Waldes vom Clusebrink bei Borgholzhausen an nach Süden, bis sie bei Schwaney, südlich Altenbeken, unter dem transgredierenden Pläner gänzlich verschwinden; sie werden bis 50 m mächtig. Die liegenden Partien des Flammenmergels sind in der Regel glaukonitisch 1). Die neuere Einteilung scheidet im Gault aus : 1. Unteres Albien:
Grünsande, Sandsteine und Tone mit Hoplites tardefurcatus Leym. Uhligii Weerth. Acanthoceras Milleti d'Orb . 2. Oberes Albien :
Tone und Grünsande mit Inoceramus concentricus Park.
Hoplites splendens Sow. interruptus Brug. auritus Sow.
Belemnites minimus Lister.
Flammenmergel, 15-50 m mächtig; arm an Fossilien. Aucellina gryphaeoïdes Sow. H. Stille bemerkt, daß die Hauptmasse der Externsteine zum Gaultsandstein zu rechnen sei, und daß nur das Liegende derselben zum Neocomsandstein gehöre. Sowohl die Sandsteine wie die Grünsande der unteren Kreide um-
fassen in den verschiedenen Teilen der langen Gebirgskette des Teutoburger Waldes einerseits verschiedene Horizonte des Neocoms und Gaults ; andererseits halten sie nicht gleichförmig aus, sondern wechseln in ihren Mächtigkeiten, keilen sich in einzelnen Strecken ganz aus und werden durch tonige oder mergelige Facies vertreten. Im Emsgebiet bei Bentheim und noch weiter westlich gegen die holländische Grenze sind die meisten Zonen der unteren Kreide tonig ausgebildet, und treten Sande und Sandsteine mehr zurück. Es können daher die Horizonte nur nach
etwa vorhandenen leitenden Fossilien, besonders nach den Ammoniten bestimmt werden 2).
Woher das Material dieser gewaltigen Sandmassen der unteren Kreide im Teutoburger Walde stammt, ist bis jetzt ungewiß geblieben ; die reinen Milchquarze und die Quarzite der Konglomerate in den 1) Wahrscheinlich sind die grünen Glaukonitkörnchen als eine Ausfüllung von
Foraminiferenschalen entstanden, und als eine solche Bildung kein konstanter geologischer Horizont.
2) A. von Koenen, Über die Gliederung der norddeutschen unteren Kreide. Nachr. Ges. Wiss. zu Göttingen. Math.-physik. Klasse. Heft 2. 1901.
E. Har-
bort, Ein geologisches Querprofil durch die Kreide-, Jura- und Triasformation des Bentheim-Isterberger Sattels. Festschrift, A. von Koenen gewidmet. S. 471-515. Stuttgart 1907. - R. Bärtling , Ausbildung und Verbreitung der unteren Kreide am Westrande des Münsterischen Beckens. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Monats-
berichte. Bd. 60, S. 36-45. Berlin 1908. 27*
Cenomane Stufe.
420
Neocomsandsteinen deuten vielleicht auf Gangquarze und Quarzite im Devon, also auf eine Erosion des niederrheinischen Schiefergebirges. d) Obere Kreide .
Wir haben mehrfach bemerkt, wie stark auf deutschem Boden die obere Kreide über die untere Kreide sowie über den oberen Jura
übergreift ; so bei Regensburg (Bd. I S. 544) oder in Böhmen und im Elbsandsteingebirge (oben S. 173ff.). So auch hier in Westfalen (Bd. I S. 188) und im Teutoburger Walde. Zwischen Willebadessen und
dem Diemeltale im südlichsten Teile des Eggegebirges verschwindet eine Zone der unteren Kreide nach der andern; schließlich lagern im Warburger Walde bei Blankenrode die untersten cenomanen Mergel direkt auf dem Bunten Sandstein.
Und zwar befand sich dort die alte Küste
des Neocommeeres, wie daraus zu erkennen ist, daß der Neocomsandstein in diesem seinen südlichsten Verbreitungsgebiete stärker konglomeratisch ausgebildet ist, als im nördlichen Teile des Eggegebirges 1). I. Cenomane Stufe .
1. Graue und gelblich gefärbte Mergel mit Lagen harter Kalkknollen; entsprechend der > Tourtia< oder dem Essener Grünsand im südlichen Westfalen (Bd. I S. 178) ; 25-50 m mächtig. Belemnites ultimus d'Orb . Schloenbachia varians Sow. Baculites baculoïdes Mnt. Inoceramus orbicularis Mstr.
Megerlea lima Defr.
2. Dickbankige graue bis blaugraue Plänerkalke; 30m mächtig. Da der Am. varians in diesem Pläner mit Am. Rhotomagensis zu-
sammen vorkommt, so sind hier im Teutoburger Walde die Variansund die Rhotomagensisschichten nicht scharf voneinander zu trennen. Acanthoceras Rhotomagense Defr. Mantelli Sow .
Turrilites tuberculatus Bosc. Schloenbachia varians Sow.
Hamites simplex d'Orb. Baculites baculoïdes Mnt. Inoceramus orbicularis Mstr.
Terebratula biplicata Broc.
Holaster subglobosus Leske. Discoïdea cylindrica Ag. Hemiaster Griepenkerli Stromb.
3. Weißliche, dichte, reine Kalksteine , in scharfkantige Bruchstücke zerfallend; 20 m mächtig ; arm an Fossilien. Actinocamax plenus Blainv. 1) Hans Stille, Erläuterung zu Blatt Kleinenberg der geolog.Spezialkarte von Preußen im Maßstabe 1: 25000, S. 16. Berlin 1904.
Turone Stufe.
421
Im übrigen die gleichen Arten wie in 2; daher >Arme Rhotomagensisschichten von Strombeck genannt. II. Turone Stufe 1) .
Die Hauptmasse der Plänerbildungen längs der Westseite des Teutoburger Waldes gegen die Senne und gegen das Münsterer Becken zu gehört dieser Stufe, dem Oberen Pläner an. Es ist vorwiegend ein
weißer, lichtgrüner oder bläulicher, dichter Kalkstein, dickgeschichtet, mit Zwischenlagen von bröckligen Mergeln. Da diese Plänerkalke fast stets durch ein System paralleler Spalten durchsetzt sind , zerfallen sie in unregelmäßige, meist scharfkantige Stücke. Der turone Pläner wird 80-100 m mächtig.
> Der Pläner ist es, dem der Teutoburger Wald seine üppige Waldvegetation verdankt, er ist es, der unsere schönen Buchenwälder trägt, und auf ihm entwickelt sich unter dem Baumwuchs und auf Wald-
blößen eine art- und farbenreiche Kalkflora, die einen reizvollen Gegensatz zu der dicht darangrenzenden Sandflora der Senne bildet« 2) .
In den klüftigen Plänerkalken versinken die meteorischen Wasser : daher entspringen unmittelbar am Südabhange des Teutoburger Waldes keine Quellen ; auch Bäche sucht man mit zwei Ausnahmen auf der ganzen Südseite vergebens. Erst in einiger Entfernung vom Gebirge entspringen zahlreiche Quellen, von denen die bekanntesten in der Stadt Paderborn und ihrer nächsten Umgebung, sowie in Lippspringe aus der Tiefe aufsteigen und mit ihrer großen Wasserfülle auch in
regenarmen Jahren niemals versiegen. 1. Mytiloides-Pläner; Zone des Am. (Mammites) nodosoïdes Schlüt. ; Rote und gelblichgraue Mergelkalke; > RoterPläner ; 3-5 m mächtig. Graue bis gelbliche Mergel; 20-25 m mächtig. Inoceramus mytiloïdes Mant. (= labiatus Schlüt.) Terebratula semiglobosa Sow.
Rhynchonella Cuvieri d'Orb. (= plicatilis Sow.) 2. Brongniarti - Pläner; Zone des Ammonites Woolgari. Graue Plänerkalke, oben feste Kalksteine ; 80-90 m mächtig. Inoceramus Brongniarti Sow.
Acanthoceras (Prionotropis) Woolgari Mant. Pachydiscus Lewesiensis Mant. Crioceras ellipticum Mant. Salenia granulosa Forb. Holaster planus Mant.
Ananchytes striatus Gldf. 1) R. Windmöller, Die Entwicklung des Pläners im nordwestlichen Teile des Teutoburger Waldes bei Lengerich. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 2, S. 1 bis 54; mit Karte und Profilen. Berlin 1882. Chr. Dütting, Geologische Aufschlüsse an der Eisenbahnlinie Osnabrück- Brackwede. Dass. Jahrb. Bd. 9, S. 3 bis 39; mit Karte und Profilen.
Berlin 1889 .
2) R. Wagener und O. Weerth, Geognostische Beschreibung des Fürstentums
Lippe und seiner Umgebung. Jahresber. nat. Ver. f. d. Fürstentum Lippe, S. 77. Detmold 1890.
Die Schichtensysteme.
422
3. Scaphiten-Pläner. Blaugraue Plänerkalke in festen Bänken; reich an Fossilien; 15-20 m mächtig. Scaphites Geinitzi d'Orb. Crioceras ellipticum Mant. Hamites ellipticus A. Roem.
Pachydiscus (Neoptychites) peramplus Mant. Heteroceras Reussianum d'Orb .
polyplocum A. Roem.
Spondylus spinosus Sow. Pecten Dujardini A. Roem. Micraster cor testudinarium Gldf. (am häufigsten). Holaster planus Mant.
Ananchytes striatus Gldf. Terebratula semiglobosa Sow. Terebratulina rigida Sow. Rhynchonella Cuvieri d'Orb. Auch Glaukonitkörner häufen sich zuweilen in diesem Pläner an,
z. B. bei Rothenfelde 1).
4. Cuvieri-Pläner. Graue und gelbliche Plänerkalke, stark zerklüftet; ca. 30 m mächtig. Inoceramus Cuvieri Gldf. häufig. latus Sow.
Epiaster brevis Des. häufig. Micraster cor testudinarium Gldf.
Ananchytes ovatus Lam. Infulaster excentricus Mant.
Pachydiscus peramplus Mant. Mortoniceras subtricarinatum d'Orb .
Scaphites Geinitzi d'Orb.
Tremospongia grandis. A. Roem . III . Senone Stufe .
Die senone Stufe bleibt in einiger Entfernung vom Teutoburger Walde und breitet sich aus im Innern des Münsterer Beckens in drei Zonen (siehe Bd. I S. 183 ff. ) :
1. Emscher Mergel mit Actinocamax westfalicus Schlüt. (Westfalicusschichten).
2. Untersenon mit Actinocamax quadratus Blainv. (Quadratenkreide).
3. Obersenon mit Belemnitella mucronata Schlüt. (Mukronatenkreide).
Die gesamte Mächtigkeit des Kreidesystems im Teutoburger Walde und in Westfalen wird auf 400-500 m geschätzt.
1) A. Schloenbach, Beitrag zur Altersbestimmung des Grünsandes vonRothen
felde unweit Osnabrück. Mit 2 Tafeln. N. Jahrb. Min., S. 808-841. Stuttgart 1869.
Die Tektonik des Teutoburger Waldes .
423
II . Die Tektonik des Teutoburger Waldes.
Die genauere Kenntnis vom Schichtenbau des Teutoburger Waldes ist ausgegangen von dem Profile, welches mit der Durchörterung des Hauptgebirgszuges im Eisenbahntunnel bei Altenbeken in den Jahren 1861 bis 1864 gewonnen wurde 1). Wenn man damals die äußerst ungünstige geologische Struktur
des Rehberges , welchen 427,3 m hohen Berg der Tunnel, seine Voreinschnitte und Förderschächte durchschneiden, hinreichend vorher gekannt hätte, würde der Tunnel niemals in diese Linie verlegt worden
sein. Schon während des Baues geschahen drei Schichtenbrüche mit starkem Wasserandrange ; an einer Stelle wurde die Zimmerung auf 11 m Länge gänzlich zertrümmert; natürlich mußte die ganze Tunnellinie mit starken First- und Sohlgewölben völlig ausgemauert werden. Wenn trotz der soliden Ausführung der Ausmauerung der Einsturz am 22. Juli 1905 im Tunnel unter dem Muldentiefsten des Keupers geschah , so ist es nicht ausgeschlossen, daß eine jüngste tektonische Bewegung den Bruch des Gewölbes verursacht hat. Das umstehende Profil 86 des Altenbekener Tunnels zeigt , daß
Verwerfungen, Überschiebungen und Diskordanzen die Trias in verschiedene Schollen zerstückt haben, und daß auch der Neocomsandstein auf Muschelkalk und Keuper hinaufgeschoben wurde. Das >>Lettenflötz , welches früher auf Brauneisen im Rehberge unter dem
Neocomsandstein abgebaut wurde und sich bereits über der Tunnellinie auskeilt, bildet eine Gleitfläche zwischen Trias und Kreide. Auch die teilweise Auswalzung der gipsreichen Letten des mittleren Muschelkalkes ist für die tektonischen Bewegungen charakteristisch : während die Anhydritgruppe im Westflügel des innersten Sattels zwar stark verquetscht und in sich verstaucht, aber doch in ansehnlicher Mächtigkeit über dem ziemlich geschlossenen Wellenkalke vom Tunnel auf einer Strecke von 130 m Länge geschnitten wurde, keilt sie sich übertage auf dem Rehberge zwischen unterem und oberem
Muschelkalk völlig aus. Auf dem Ostflügel des Sattels schneidet der Tunnel diese Grenze allerdings nur auf eine kurze Strecke; aber auch hier waren die Gipsletten des mittleren Muschelkalkes zwischen dem 1) Simon, Die Ausführung des großen Tunnels bei Altenbeken auf der Altenbeken-Holzmindener Eisenbahn. Die geognostischen und hydrographischen Verhältnisse des Gebirges < S. 253-263. Zeitschr. für Bauwesen, 18. Jahrg., S. 251, 407 und 563. Berlin 1868. Auf Tafel K das geologische Profil des Tunnels, und >
zwar ist dieses Profil maßgebender als alle späteren Profile, weil es von den Ingenieuren während des Baues aufgenommen worden ist. - Cl. Schlüter (a. a. O. 1866, S. 35) kam erst zur Untersuchung der Schichten, als der Tunnel bereits ausgemauert war.
Das Profil des Tunnels, welches E. Carthaus auf Tafel 4, Bd. 19, Neue
Folge der Verh. Würzburger Physik. med. Ges. 1886 veröffentlicht hat, ist eine Kopie der Darstellung. welche Apotheker Ed. Rave in Nieheim bei Altenbeken im Maßstabe 1 : 2000 im Jahre 1874 ausgeführt hat (das Original ist jetzt im Besitze von Prof. Dr. Otto Weerth in Detmold). - H. Stille. Der Gebirgsbau des Teutoburger Waldes zwischen Altenbeken und Detmold. Jahrb. preuß. geol. Land. -Anst. Bd. 20, S. 3-42.
Mit geol. Karte und Profilen. Berlin 1900.
F. Rinne, Geolo-
gische Bemerkungen zum Einsturze im Altenbekener Tunnel. Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens. Neue Folge. Bd. 42, Heft 10, S. 256-259 . Berlin 1905.
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Die Tektonik des Teutoburger Waldes. 424
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Die Tektonik des Teutoburger Waldes .
425
mächtigen Wellenkalke und dem hangenden Trochitenkalk in einer Uberschiebung vollständig ausgewalzt. Diese Ausquetschung der Gipsletten gibt uns wieder ein Beispiel für die oft beobachtete Tatsache, daß bei starken Gebirgsbewegungen die weichen Gesteine von den spröden mächtigen Gesteinsmassen leicht ausgewalzt werden, dadurch stellenweise auskeilen und in den heraufgequetschten Flügeln gänzlich verschwinden.
Betrachten wir neben diesem Altenbekener Tunnelprofile andere Profile quer durch die Hauptkämme des Teutoburger Waldes, so erkennen wir stets die gleiche Tektonik: die Trias-, Jura- und Kreideschollen sind zu mehreren Parallelzügen aufgestaut und heraufgepreßt worden durch eine Bewegung, welche von zwei Richtungen her, von Ost die Trias- und Juraschollen, von West die westfälische Kreidedecke herauf und beide Teile übereinander geschoben hat. Der Teutoburger Wald ist also eine aufgestaute Gebirgskette im kleinen, wie der Harz im größeren und der Ural im größten Maßstabe solche zwischen Kontinentalmassen in die Höhe gepreßten Gebirge darstellen. Dabei kompliziert sich die innere Struktur des Teutoburger Waldes im einzelnen dadurch, daß Trias und Jura bereits in Schollen zerstückt
waren, ehe das Kreidemeer die Neocomsandsteine ablagerte. Im Verlaufe des ganzen Gebirgszuges aber macht sich eine auffallende Anderung bemerkbar: im südlichen Teile streicht das Gebirge von Süd nach Nord; wendet sich im Silbertale bei Horn nach Nord-
westen und biegt schließlich mit seinen nördlichen Ausläufern von Borgholzhausen an noch weiter nach Westnordwesten herum; die ver-
einzelten Aufbrüche von Trias-, Jura- und Kreideschollen bei Rheine, Bentheim und Ochtrup streichen sogar völlig von Ost nach West. Auf diese Weise umkreist der Teutoburger Wald in einem Halbkreise
von der Diemel bis zur Ems das in seinen Schoß flach eingelagerte Münsterer Kreidebecken.
Im nordwestlichen Ausgehen wird der Bau des Gebirges noch verworrener durch die tiefen Aufbrüche des oben erwähnten Ober-
karbons im Hüggel, im Piesberge bei Osnabrück und in der Ibbenbürener Bergplatte 1). Die Karbonschichten sind in sattelförmiger Lagerung emporgepreßt : im Piesberge streicht der Karbonsattel von O nach W ; wird im Osten durch eine Verwerfung abgeschnitten, während sich auf seine abfallenden S-, W- und N-Flächen regelrecht der Zechstein und die triasischen Stufen auflagern; die Karbonschichten fallen mit 12 bis 39º ein. Bemerkenswert sind einige, allerdings unbedeutende Erzgänge mit Bleiglanz und Spateisen im Karbon des Piesberges , welche beweisen, daß das sicherlich hier sehr mächtige Karbongebirge bis in große Tiefen zerspalten ist. Daher die überall ringsum und zwischen den drei Karbonaufbrüchen durchziehenden Verwerfungen und Verschiebungen .
Der Zechstein liegt übergreifend, aber mit geringer Diskordanz auf den Karbonschichten, so daß also wie im Thüringer Walde auch hier schwache Dislokationen nach der Ablagerung der konkordant 1) Vgl. die geognostische Karte von W. Trenkner im Maßstabe 1 : 120000 nebst Erläuterungen, Osnabrück 1881, und Erich Haarmann, a. a. O., Berlin 1908.
426
Die jurassische Weserkette.
auf dem Karbon lagernden unterrotliegenden Stufe stattgefunden haben.
Stärkere Bewegungen in der Zeit zwischen Jura und Kreide erzeugten die oben erwähnte Zerstücklung der Trias- und Juraschollen, und bewirkten die übergreifende Lagerung der gesamten, unter sich konkordant aufgebauten Kreidestufen.
Die bei weitem stärksten Gebirgsbewegungen und der eigenartige Bergkettenbau des ganzen Teutoburger Waldes , also die eigentliche Entstehung des Gebirges in seiner jetzigen Gestalt geschahen erst zur tertiären Zeit.
Bis zum Senon des Münsterer Beckens nahmen alle
Kreidestufen teil an der scharfen Aufstauung des Waldrückens. Bis auf die Muschelkalkschollen wurde durch einen Druck von Westen
und Südwesten, d. h. vom Münsterer Becken her, die langgestreckte Mauer der Hilsandsteine heraufgeschoben und zum Teil steil aufgestaut und aufgerichtet.
Im Verlaufe der Ketten des Teutoburger Waldes selbst sind keine tertiären Ablagerungen bekannt; erst bei Osnabrück und bei Bünde liegen die bekannten oberoligocänen marinen Schichten, und zwar auf Keuper und Lias. Dort waren in weitem Umkreise alle Kreidestufen fortgewaschen, ehe sich das oberoligocäne Meer hier hinein zwischen Teutoburger Wald und Wesergebirge ergossen hat; nur Gerölle von Jura- und Keupergesteinen findet man in den dortigen oberoligocänen
Sandmergeln. Die tektonischen Schlüsse aus dieser Lagerung des Tertiärs werden wir später zu ziehen haben.
12. Die jurassische Weserkette. Aus den breitgelagerten Jurastufen der Berge im südlichen Hannover zwischen Hildesheim, Einbeck und Hameln geht zwischen Leine
und Weser allmählich eine schmale Kette von jurassischen Schichten hervor, die sich vom Süntel und Deister nach W und WNW über die Porta westfalica etwa 100 km weit erstreckt und in den moorreichen
Niederungen des Hase- und Emsgebietes nördlich von Osnabrück endigt. Alle drei Stufen des Jura sind hier vertreten: in den flachen südlichen Gehängen des Wiehengebirges breitet sich der Lias über den Keuper zwischen Oeynhausen und Melle aus; steiler steigt der Dogger längs der Weserkette an, schroffere Gehänge bildend auf der rechten Weserseite zwischen Hameln und Rinteln; endlich krönt der mächtige
Malm, zuweilen in senkrechten Felswänden wie am Hohenstein (331 m
am Süntel nördlich von Hameln gelegen) abstürzend, die Kammhöhen der ganzen langen Weserkette... Durch den Aufbau der Schichten
und durch die petrographische Ähnlichkeit der Juraschichten erinnert dieses schmale Gebirge in seinen äußeren Formen zuweilen an die Nordabhänge der schwäbischen Alp: unten die flacheren fruchtbaren Liasgelände, reich mit Obstbäumen bepflanzt; oben die steilen weißen
Kalksteinwände, deren Hochflächen bewaldet sind. Die jurassischen Schichtenstufen der Weserkette fallen gleichmäßig und meist ziemlich
Oberer Dogger.
Malm.
427
flach (15-30°) in Nord ein, so daß auf den Nordgehängen des Gebirges die Schichtflächen des Malms und des Wealden bis in die vorgelagerte diluviale Ebene hinabgleiten. Blickt man vom Gipfel des Wittekindsberges, auf dem das Kaiserdenkmal sich erhebt, über die Porta hinweg drüben auf den Jacobsberg, so glaubt man fast einen scharfen Gebirgskamm des Schweizer Jura vor sich zu haben. Die Schichtenfolge ist hier in dem tiefen Weserschnitte gut aufgeschlossen; die Schichten fallen auf beiden Seiten dieses Erosionstores gleichmäßig mit 30-50° in Nord ein; auf dem rechten Weserufer folgen übereinander 1) : a) Oberer Dogger.
1. Dunkelbrauner sandiger, glimmerreicher Mergel, schiefrig zerfallend , zunächst am Dorfe Hausberge anstehend; ca. 50 m mächtig; arm an Fossilien; Parkinsonia Parkinsoni Sow. Ostrea costata Sow. Avicula echinata Sow. = Parkinosini-Schichten .
2. Braune Kalksandsteine ; ca. 10 m mächtig ; mit Bänken voll von Avicula echinata Sow .
3. Dunkle sandige Mergel; ca. 6 m = Cornbrash. 4. Der braune >Bausandstein« der Porta; seit Jahrhunderten hier
in Steinbrüchen gewonnen zu Werksteinen, die auf der Weser transportiert z. B. am Dom , für die Festungsbauten usw. in Minden , am Dom zu Bremen u. a. O., auch kürzlich zum Kaiserdenkmal verwendet wurden. Grobkörniger Sandstein mit
eisenschüssigem und kalkigem Bindemittel; ca. 13 m mächtig. Sphaeroceras macrocephalum Schlth. , Sph. bullatum d'Orb . = Macrocephalen-Schichten. 5. Graubrauner Kalksandstein mit weißen Oolithkörnern und
oolithischem Mergel, ca. 4 m.
Perisphinctes funatus Opp . =
obere Macrocephalen-Schichten.
6. Dunkelgraue Tonmergel, schiefrig verwitternd, ca. 30 m.
Car-
dioceras cordatum Sow. Cosmoceras Jason Rein. = Ornatentone.
b) Malm .
1. Dunkle kalkigsandige Schiefer; ca. 20 m mit Gryphaea dilatata Sow. Cardioceras cordatum Sow. Diese unteren Hersumer Schichten werden westlich der Porta bei Lübbecke auf dem
Vorderabhang des Wiehengebirges bis 70 m mächtig , enthalten undeutliche Pflanzenreste und Pecten subfibrosus d'Orb²) .
2. Dunkle, tonigsandige Kalksteine, frisch bläulichschwarz, braun verwitternd; ca. 17 m mächtig. Aus den 19 Steinbrüchen von 1) Ferdinand Roemer, Die jurassische Weserkette. Eine geognostische Mono-
graphie. Mit geologischer Karte. Verhandl. des naturhist. Ver. Rheinland und Westfalen. Jahrg. 15, S. 283-442. Bonn 1858. 2) Joh. Schlunk, Die Jurabildungen der Weserkette bei Lübbecke und Preußisch-
Oldendorf. Mit geolog. Karte
1: Heft 1, S. 75-94. Berlin 1904.
75000. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 25,
428
Die jurassische Weserkette. der Porta bis Ober-Mehnen sammelte J. Schlunk eine reichere
Fauna, unter anderen: Aspidoceras perarmatum Sow. Cardioceras cordatum Sow.
Perisphinctes biplex Sow. plicatilis Sow. Pleurotomaria Münsteri A. Roem .
Gryphaea dilatata Sow. Pholadomya Murchisoni Sow. Es ist dies die Fauna von Seebachs Hersumer Schichten = Oxfordstufe.
3. Feste blauschwarze Kalksteine; auf den Verwitterungsflächen zeigt sich oolithische Struktur; wenig mächtig, nach Wauskeilend. Exogyra spiralis Gldf. , Cidaris elongatus A. Roem. = > Oberer Coralrag< Fr. A. Roemers ; Korallenoolith.
4. Blätterige graue Mergel; darauf dichtere dunkelbräunlichgraue Mergel und mergelige feste Kalksteine, welche zu Romanzement an der Porta verarbeitet werden; wegen der unbrauchbaren
tonreicheren Mergel viel Abraum auf großen Halden, ca. 25 m mächtig. Die reichere Conchiferenfauna , welche schon Ferd.
Roemer im Steinbruch der Zementfabrik sammelte, beweist das Alter der Kimmeridgestufe. Weiter westlich bei Lübbecke auch Kalksandstein, der als Baustein gebrochen wird. Hemicidaris Hoffmanni Ag. Terebratula subsella Leym.
Exogyra virgula Gldf. in großer Menge einzelne Schichten erfüllend. Pecten comatus Gldf.
Gervillia tetragona A. Roem. Trigonia muricata Gldf.
suprajurensis Ag. Pholadomya multicostata A. Roem. -
Pronoe Brongniarti A. Roem.
Mit diesen Schichten endet das Profil am Jacobsberge. Erst
westlich der Porta, und zwar bereits in der Ebene, von diluvialem Lehm bedeckt , fanden David Brauns¹) und Joh. Schlunk noch zwei höhere Stufen.
5. Dunkle, schiefrige Mergel und dickbankige Kalke, bei Preuß.Oldendorf und bei Lintorf, ca. 5 m mächtig aufgeschlossen ; mit Olcostephanus gigas Ziet. = Portlandstufe. Und
6. Dunkle fette Tone mit Gips , in einer Ziegeleigrube westlich Lübbecke, deren Zurechnung zu den Münder Mergeln (=Purbeckstufe) zweifelhaft bleibt, da keine Fossilien in diesen Tonen gefunden wurden.
1) David Brauns, Der obere Jura im Westen der Weser. Diss. S. 45. Marburg 1873.
Malm.
429
Die Wealdstufe, welche wir zur unteren Kreide rechnen, erwähnten wir in ihrem Vorkommen im nordwestlichsten Teile des Teutoburger
Waldes. Hier am Nordabhange der Weserkette, besonders in den Vorhügeln bei Bückeburg und Oberkirchen, sowie weiter östlich in den Bergen des Deister, Süntel, Osterwaldes und auf dem Ith gewinnen diese Süßwasser- und brakischen Bildungen eine größere Verbreitung. Bekannt als vorzüglicher Werkstein, vielfach in Norddeutschland verwendet (vom Kölner Dom bis zur Dirschauer Weichselbrücke) sind
die hellgrauen Wealdsandsteine, welche in zahlreichen Steinbrüchen gebrochen als Deistersandstein « versendet werden. Dieser feinkörnige Sandstein nimmt im Bückeburgischen Lande und am Deister etwa die Mitte der ganzen Wealdstufe ein und wird gegen 180 m mächtig. Nach SO nimmt die Mächtigkeit des Wealdsandsteins allmählich mehr und mehr ab , so daß in der Hilsmulde zwischen den vorherrschenden Schiefertonen nur noch einzelne Sandsteinbänke eingeschaltet liegen.
Östlich der Porta, auf der Südseite des Bückeberges bis in den Süntel und Deister und bis in die Hilsmulde sind auch die jüngsten Juraschichten erhalten 1). Das weite Tal von Lauenau, das sich zwischen dem Deister und der Weserkette ausbreitet, ist erfüllt von 5a) Dünnplattigen, mergeligen , dunkelgrauen Kalksteinen, bis 100 m mächtig, welche Ferd. Römer zuerst als Eimbeckhäuser Plattenkalke « ausschied, benannt nach dem Dorfe Einbeckhausen oberhalb Lauenau am Deister gelegen. Die Fossilien beschränken sich auf wenige Arten, deren Schalen jedoch oft sich zu großen Massen anhäufen : Exogyra bulla Sow. Gervillia arenaria Roem. Corbula inflexa Roem .
Cyrena angulata Roem. Turritella minuta Dkr. Valvata helicoides Forb.
Diese Schichten mit der armen, schon etwas brakischen Fauna werden zur oberen Portlandstufe gerechnet.
Darüber folgen die Purbeckschichten, und zwar: 6.
Münder Mergel , genannt nach der Stadt Münder an der Hamel zwischen Süntel und Deister gelegen ; graue , rote und bunte Mergel, gips- und salzführend; ca. 100 m mächtig.
Gut auf-
geschlossen in zahlreichen Mergelgruben am Südabhange des Bückeberges ; sie gleichen den bunten Mergeln des Gipskeupers und sind wohl auch unter ähnlichen Verhältnissen zur Ab-
lagerung gekommen. Die sehr ärmliche Fauna beschränkt sich auf einige Arten von Corbula, Cyrena, Gervillia und Valvata. 7. > Serpulit , braune, innen blaugraue oolithische Kalksteine, 30-50 m mächtig. Serpula coacervata Blmb., oft massenhaft den Kalkstein durchziehend, hat den Namen gegeben. Die 1) Willi Koert , Geologische und paläontologische Untersuchung der Grenzschichten zwischen Jura und Kreide auf der Südwestseite des Selter. Diss.
tingen 1898.
Göt-
430
Die jurassische Weserkette.
Fauna ist teils brakisch, teils marin, jedoch im ganzen ärmlich: neben Modiolen, Gervillien, Ostreen und Belemniten finden sich Cyrenen, Corbulen, Melanien, Hydrobien, Valvaten. 8. » Purbeckkalke , grünlichgraue Mergel, ca. 50 m mächtig; mit Süßwasserfauna :
Cypridea punctata Forb .
Planorbis Loryi Coqd. Liopax inflata Sdbg. Valvata helicoides Forb . Nerita valdensis Roem .
Bythinia Sautieri de Lor. Auricula Jaccardi de Lor. Chara Jaccardi Heer.
In der Hilsmulde werden die Kalke zum Teil sandig und kieselig, so bei Capellenhagen am Ith. c) Wealden.
In der ganzen Ausdehnung längs des Nordrandes der Weserkette und nach SO bis in die Hilsmulde bei Alfeld an der Leine sehen wir
auf den Blättern Hannover und Münster meiner geologischen Karte des Deutschen Reiches (Gotha, Justus Perthes) durch dunkelgrüne Farben über dem Weißen Jura die Wealdenstufe eingezeichnet. Die dort im südlichen Hannover und in Westfalen bis jenseits der Ems bei Bentheim und bis zum Rheine hin vereinzelt anstehenden
Wealdbildungen sind nur als Reste einer ausgedehnten Ablagerung
anzusehen, deren einstiger Zusammenhang mit den Wealdschichten in Belgien und im südlichen England durch die gemeinsamen Fossilien festgestellt ist. Die Wälderstufe im südlichen Hannover und in Schaumburg-
Lippe lagert stets zwischen Malm und Neocom. Über den Weißen Jurakalken ist hier eine schwache Diskordanz festzustellen; auch be-
ginnen die Wäldertone häufig mit Konglomeraten. Nach Westfalen hinein greifen die Wealdschichten über auf ältere Jurastufen bis zum Lias und auf Triasstufen im nordwestlichen Teutoburger Walde.
Die jüngsten Malmbildungen, die Süßwasserkalke des Purbeck, lagern zwar in langen Strecken in der Hilsmulde direkt unter den Wäldertonen und -sandsteinen. Die Grenze zwischen beiden Bildungen des schwer zu ziehen; zwischen Delligsen und Hohenbüchen sind die Purbeckkalke gelegentlich in kleinen Brüchen für Wegebau aufgeschlossen ; ebenso von Delligsen bis Strait. Aber auf der SW- Seite des Hils transgredieren die Hilssandsteine bis auf den unteren Malm (Ornatentone) ; doch sind dort die Bergabhänge so tief hinab bis auf die Trias von den Blöcken des Hilssandsteins überschüttet , daß die wirkliche Lagerung der Schichten schwer zu erkennen ist. Es scheinen
dort Verwerfungen und Überschiebungen durchzuziehen 1). 1) Erläuterungen zu Blatt Alfeld der geologischen Karte von Preußen 1: 25000, aufgenommen von A. von Koenen, G. Müller und O. Grupe, 1897-1903, S. 3. Da
Wealden.
431
Diese ganze Übergangszeit von der echt marinen Portlandstufe (Gigasmergel) an durch die brakischen und Süßwasserbildungen des Purbeck und Wealden bis zu der wieder völlig marinen Neocomstufe deutet in ihrem merkwürdigen Charakter auf mehrfache Schwankungen im Meeresniveau als Folgen kontinentaler Bewegungen. Da diese hannover-westfälischen Berghöhen das einzige Wealdengebiet in Deutschland ist, wäre eine besondere Bearbeitung dieser Schichtenfolge zwischen Portland und Neocom, sowie ihrer eigentümlichen Lagerung und Verbreitung zu wünschen; die Abhandlungen von W. Dunker und A. F. Roemer, David Brauns, C. Struckmann, H. Grabbe u. a. bieten ein reiches Material .
Die von W. Dunker 1) angenommene Dreiteilung des Wealden in untere und obere Schiefertone und dem mittleren Sandstein, welche Dunker wesentlich den Profilen am Bückeberg , am Harrl und am
Wölpinghäuser Bergzuge entnahm, ist für das ganze Gebiet nicht durchführbar , da die Beschaffenheit und Mächtigkeit der einzelnen Schichten in kurzen Erstreckungen rasch wechseln; die Wealdsand-
steine selbst, die in den großen Sandsteinbrüchen am Bückeberge und am Deister bis 180 m mächtig werden, nehmen von dort aus wesentlich ab nach West und Südost und wechsellagern in weniger mächtigen Bänken mit den Wäldertonen. Die ganze Stufe dürfte 250-300 m mächtig werden.
Vier bis fünf Flötze einer aschenreichen Steinkohle (18-20 % Asche) schalten sich zwischen die Schiefertone und Sandsteine ein;
die Mächtigkeit der Flötze bleibt in der Regel unter 50 cm; das
Hauptflötz, welches bei Obernkirchen, Nienstädt und Krebshagen auf dem Nordabhange des Bückeberges allein abgebaut wird, zeigt eine Mächtigkeit von 36-100 cm.
Die Flötze keilen sich oft aus oder
enthalten Mittel von Schiefertonen.
Im wesentlichen setzt sich die
Kohle aus den Resten von Coniferen und Cycadeen zusammen. Es finden sich in den Schiefertonen im Hangenden und Liegenden der Flötze von Pflanzen :
Abietites Linkii Dunk. am häufigsten2). Sphenolepidium Sternbergianum Schenk. Kurrianum Schenk.
Pterophyllum Dunkeri Göpp. Coniferenstämme.
Pagiophyllum crassifolium Schenk. Pecopteris Geinitzi Dunk. dem Kartenblatte leider Profile gänzlich fehlen, bleibt das geologische Kartenbild vielfach unklar.
1) W. Dunker, Monographie der norddeutschen Wealdenbildung. Mit 21 Taf. A. Schenk , Die Flora der nordwestdeutschen WealdenBraunschweig 1846. formation. Palaeontographica, Bd. 19 und 23. Cassel 1871-1875 . 2) Schiefermittel des Flötzes bei Duingen in der Hilsmulde bestehen fast ausschließlich aus den Nadeln dieser Conifere, von der es zweifelhaft bleibt, ob sie zu Abies, Pinus oder Podocarpus zu rechnen ist; auch für die übrigen hier angeführten, zu Coniferen und Cycadeen gerechneten Pflanzenreste bestehen gewichtige Zweifel über ihre Verwandtschaft mit recenten Gattungen. Siehe A. Schenk, Die fossilen Pflanzenreste. S. 181. Breslau 1888 ; H. Solms- Laubach, Einleitung in die Paläophytologie vom botanischen Standpunkte aus. S. 57. Leipzig 1887. -
432
Die jurassische Weserkette.
Aletopteris Huttoni Schimp. Sphenopteris Mantelli Brong. Göpperti Dunk.
Equisetum Burchardti Schimp. Sehr häufig sind in den Wäldertonen Unioniden und Cyrenen, oft zu Lumachellen in gewissen Schichten angehäuft; die zahlreichen Arten, die hier von A. Roemer, W. Dunker u. a. beschrieben wurden, bedürfen einer Revision ; ebenso die Cyclas-, Pisidium- und Corbulaarten. Melania harpaeformis Dunk. strombiformis Dunk.
Paludina fluviorum Dunk. häufig. elongata Sow. Limnaeus Hennei Dunk.
Planorbis Jugleri Dunk. Cypris valdensis Sow., häufig. Estheria elliptica Dunk.
Lepidotus Mantelli Ag., Zähne und Schuppen überall sehr häufig, besonders im Bonebed1).
Sphaerodus irregularis Ag., ebenso. Hybodus polyprion Ag., ebenso. Reptilien:
Pholidosaurus (Macrorhynchus) Meyeri Dunk., ein Schädel aus dem Wealdsandstein des Bückeberges; Zähne häufig im Bonebed.
Pholidosaurus Schaumburgensis H. v. Meyr.
Rumpffragment
aus dem Wealdsandstein des Harrl bei Bückeburg; Panzerplatten dieses Krokodiles häufiger.
Stegopelix valdensis H. v. Meyr. Wirbel- und Skelettreste zweifelhafter Stegosaurier, vielleicht zu den bekannten Iguanodonten aus dem Wäldertone von Bernissart bei Mons in
Belgien gehörig.
Pleurosternum Menkei Roem., eine Schildkröte aus dem Wealdsandstein des Bückeberges.
Saurierfährten (wie die dreizehigen, den Iguanodonten zugerechneten aus dem Hastingssandstein von England) überall im Wealdsandstein häufig 2).
In die überlagernde Neocomstufe (Valanginien) gehen die Wealdtone im Bückeburgischen ganz allmählich über: in den hellgrauen, sandigen Tonletten stellen sich neben den brakischen Cyrenen, Corbulen 1) H. Grabbe, Die Schaumburg-Lippesche Wealdenmulde. Diss. S. 17. Göttingen 1883, hatte in der untersten Lage der Dachplatte über dem Hauptkohlenflötz am Bückeberg ein wahres Bonebed erfüllt mit Zähnen , Stacheln, Schuppen, Wirbeln von Fischen, Saurierzähnen, Knochenresten von Schildkröten usw. aufgefunden.
2) H. Grabbe, Über neue Funde von Saurierfährten im Wealdensandsteine des Bückeberges . Korresp. -Blatt d. nat. Ver. Rheinl. -Westf. , S. 161-164. Bonn 1881.
Eine Abbildung zweier Abdrücke der dreizehigen Fährten in: C. Struckmann, Uber das Vorkommen großer vogelähnlicher Tierfährten im Hastingssandsteine von Bad Rehburg in Hannover. Taf. IV. N. Jahrb. Min. 1880. I. S. 125-128. Stuttgart.
Die Tektonik des Wesergebirges.
433
und Melanien allmählich Ostreen, Exogyren, Pecten und andere marine Conchiferen ein, sowie Oxynoticeras heteropleurum Neum. Die süßen und brakischen Gewässer der Wealdzeit wurden durch kontinentale
Senkungen mehr und mehr, und schließlich ganz vom hereinbrechenden
Neocommeere versalzen. Ein genaues Profil der Übergangsschichten von der Weald- in die Valanginientone beschreibt E. Harbort 1) aus einer Ziegeleigrube bei Müsingen, 2 km NO von Bückeburg.
Nicht nurwegen dieses Überganges der Weald- in die Valanginientone , sondern besonders deswegen, weil die Purbeckschichten gleichmäßig sowohl hier wie in Südfrankreich und in der Schweiz als das Liegende hier der Wealden-, dort der Berriasstufe nachgewiesen wurden , werden von W. Kilian und A. von Koenen die Wälderbildungen in Hannover, Belgien und England dem untersten marinen Kreidehorizont, dem Berriasien (im Neuchateller Jura zuerst als Infravalanginien bezeichnet), zeitlich gleichgestellt; damit ist der alte Streit, ob die limnische Wealdformation den marinen Ablagerungen des obersten Malm oder des untersten Neocom zu parallelisieren sei, zugunsten des Kreidesystems entschieden.
Über dem Wealden folgen dann im südlichen Hannover gleichmäßig die Kreidestufen , wie wir sie aus den Vorbergen des Harzes und aus dem Teutoburger Walde kennen gelernt haben. Die Tektonik des Wesergebirges. Während die weiten südlichen Wesergebiete zwischen dem Südrande des Harzes und dem Kellerwalde breitgelagerte Triastafeln wie im Sollinger und Reinhards Walde oder im Eichsfelde enthalten und
hierin den hessischen und fränkischen Triastafeln gleichen, wird die Trias zwischen Weserkette und Teutoburger Wald in einen schmalen,
flachen Sattel immer enger zusammengeschoben und in die hercynische NW-Richtung umgebrochen. Trias und Jura sind in diesem HerfordOsnabrückischen Sattel in viele unregelmäßige, kleine Schollen zerstückt. Denken wir uns die Kreidestufen von Westfalen und vom süd-
lichen Hannover abgedeckt, so bemerken wir, daß die Trias- und Juratafeln dieses ganzen Gebietes vor Ablagerung der Kreide tektonisch abhängig waren von der ONO-Richtung des Niederrheinischen Schiefergebirges ; offenbar ist der Falkenhagener Liasgraben ein Rest dieser vorcretazeischen Bewegungen. Außerdem sehen wir, daß diese Triasund Juragebiete in ihrer Denudation abhängig waren von der Erhebung des Niederrheinischen Schiefergebirges : an der Diemel und in der Tiefe unter dem Münsterer Kreidebecken lagern zunächst auf den oberkarbonischen Falten des Ruhrbeckens der Zechstein und der
Bunte Sandstein: weiter nach Norden folgen in größerer Ausdehnung Muschelkalk und Keuper; dann Lias ; endlich am weitesten nach Norden
die geschlossenen Dogger- und Malmstufen der Weserkette. Das bedeutet: rings um den Rand des niederrheinischen Schiefergebirges solche Plateaus wie jetzt lagerten ursprünglich die Juraplateaus --
1) Erich Harbort, Die Schaumburg- Lippesche Kreidemulde. Diss. S. 63. N. Jahrb . Min. 1903.
I.
S. 59-90.
R. Lepsius , Geologie von Deutschland. II.
28
434
Die jurassische Weserkette.
noch auf der schwäbischen und fränkischen Alp - auf dem vorcretazeischen Kontinente im höchsten Niveau über dem Meere; sie wurden daher am stärksten erodiert und denudiert; sie waren dort
schon vollständig fortgewaschen, als dieser alte Kontinent tiefer und tiefer absank , so daß die Kreidemeere allmählich nach Süden vordringen konnten 1) .
Das Vordringen der Kreidestufen von Nord nach Süd läßt sich noch deutlich erkennen, obwohl ja während der Tertiärzeit wieder große Massen von Kreideschichten denudiert wurden. Die älteste Kreidestufe, der Wealden, ist nur im nordwestlichen Teile des Teutoburger Waldes, bei Borgloh-Ibbenbüren vorhanden und läßt sich von hier nach Westen über Bentheim nach Holland und Belgien hinein verfolgen; ebenso lagert sie am Nordabhang der Weserkette und reicht nach Osten und Südosten bis in die Hilsmulde im südlichen Hannover.
Dieses ist in Deutschland der einzige Verbreitungsbezirk der Weald-
formation , deren Schichten in Lagunen und Süßwasserseen zur Ablagerung kamen. Die marinen Neocomstufen greifen weiter nach Süden über die
Wealdengebiete; wir haben gesehen, daß im südlichen Teutoburger Walde , dem Eggegebirge , bis zum Warburger Wald, immer jüngere Neocom- und Gaultschichten die Trias bedecken; bis endlich nur die
obere Kreide , die cenomanen Essener Grünsande und die turonen Pläner am Nordrande des Ruhrbeckens auf dem Oberkarbon sich auflagern .
Wir haben oben (S. 384ff.) gesehen, daß nördlich des Harzes im Harzburger Graben die Wealdstufe fehlt, und das marine Valanginien z. B. auf dem Langenberg bei Oker direkt auf dem unteren Malm
(Kimmeridgekalken) lagert. Schon im südlichen Teile des Harzburger Grabens transgrediert die obere Kreide über Neocom und Gault bis auf die Triasstufen.
Südlich des Harzes fehlen die Stufen der unteren
Kreide, und es liegen die cenomanen Grünsande und Pläner bei Worbis direkt auf Keuper und Muschelkalk. Am Ochsenkopf bei Quedlinburg ist der letzte Fundort einer Neocomfauna von hier an fehlt die untere Kreide dem östlichen und südlichen Deutschland vollständig.
Wir erkennen daraus, daß sowohl in Westfalen und im südlichen Hannover wie am Harze die große europäische Senkung zur cenomanen Zeit die obere Kreide weit über die untere Kreide übergreifen läßt und daß mehr oder weniger starke Diskordanzen und Dislokationen zwischen dem Gault und dem Cenoman stattgefunden haben. Jedoch bewirkten diese mittelcretazeischen Bewegungen gerade so wie die vor1) Ich weise wieder darauf hin, wie oben S. 174 Anmkg. 3 in bezug auf das obercretazeische Elbsandsteingebirge, daß auch hier im ganzen Wesergebiete und in Westfalen von irgend einer sog. Abrasionsfläche im Sinne Richthofens nichts zu bemerken ist. Eine Abrasion über große Flächen durch Meeresbrandung hat es
weder jetzt , noch in früheren geologischen Zeiten gegeben. Die übergreifende Lagerung der Schichtensysteme, z. B. hier der Kreidestufen, erklärt sich hinreichend durch allmähliche Senkung der kontinentalen Gebiete unter den Meeresspiegel. Nirgends eine Abrasion durch Meeresbrandung, sondern nur immer eine Denu-
dation und Erosion des Kontinentes durch Regen, Bäche und Flüsse können wir konstatieren,
Die Tektonik des Wesergebirges.
435
cretazeischen am Ende der Jurazeit nur Schollenbrüche und kontinen-
tale Senkungen; es wurden keine Gebirge dabei aufgestaut. Die Gebirgsbildung geschah erst zur tertiären Zeit. Eine ganze Reihe kleiner Reste oligocäner Ablagerungen finden wir zwischen Weserkette und Teutoburger Wald in den Talgebieten der Hase und Else; petrographisch und faunistisch gleichen diese jetzt vereinzelten Reste einander so stark, daß sie jedenfalls in demselben Meere zum Absatz kamen; über Lippe-Detmold standen sie wohl mit den Kasseler Tertiärbildungen in direkter Verbindung. Die glazialdiluvialen Fluten werden am meisten zur Abtragung der tertiären Schichten in diesen Gegenden beigetragen haben. Am bekanntesten durch ihren Reichtum an Fossilien sind die
sandigen Oligocänmergel am Hause Astrup bei Belm, NO Osnabrück und vom Doberge bei Bünde N Herford. Die oligocänen Schichten des ca. 30 m hohen Doberges bilden im ganzen eine Mulde, welche der Weserkette parallel von OSO nach WNW streicht; das Einfallen der Flügel ist 20-45°. Das Tertiär liegt hier auf unterem Lias ; die Gerölle in dem gröberen Sand bestehen aus Lias- und Doggerkalken. In einem Brunnen war zu unterst
der mitteloligocäne Septarienton mit Leda Deshayesiana und zahlreicher Foraminiferenfauna aufgeschlossen ; darüber folgen tonige feine Grünsande mit vielen marinen Conchiferen, ca. 15 m mächtig ; oben die hellgrauen bis dunkelbraunen kalkreichen Mergel, von den Bauern in Gräben zum Mergeln der Acker und Wiesen gegraben , ca. 100 m mächtig , mit der reichen oberoligocänen Fauna, welche Rektor E. Lienenklaus ausgebeutet und beschrieben hat 1). Echinolampas Kleinii Gldf. zahlreich. Cyprina rotundata A. Braun. häufig. Viele Pecten (P. bifidus, janus u. a.). Ostrea callifera Lam. große Exemplare. Terebratula grandis Blumb.
Bryozoen, Korallen, Foraminiferen . Von Wirbeltieren haben sich Haifischzähne, Reste einer Schildkröte und Wirbel von Halitherium gefunden. Aus einer Mergelgrube an der Brandhorst nahe NO vom Doberge fand A. von Koenen Muscheln
und Schnecken, denen er ein unteroligocänes Alter zuschreibt; diese Schichten sollen im Nordflügel der Doberger Mulde liegen, und die dazwischen befindlichen Septarientone eine Mächtigkeit von ca. 120 m
besitzen. Jüngere Ablagerungen als die oberoligocänen marinen Mergel fehlen, ebenso wie in der Umgegend von Kassel. Aus dieser Lagerung der oligocänen Schichten zwischen Teuto-
burger Wald und Weserkette ist zu schließen, daß erstens die Juraund Kreidestufen bereits zur Oligocänzeit bis auf den Lias, ja stellen-
weise bis auf die Trias im Hase- Else- Gebiete denudiert waren , zweitens, daß die doppelseitige Aufstauung im Süden des Teutoburger Waldes, 1) E. Lienenklaus, Die Oberoligocänfauna des Doberges. 8. Jahresber. naturwiss. Vereins zu Osnabrück ; mit 2 Taf. Osnabrück 1891. Darin ist die ältere Literatur über den Doberg angegeben. 28*
436 Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen usw. Gebirgssystems . im Norden der Weserkette
erst nach dem Oberoligocän, und zwar zur miocänen Zeit geschehen ist. Wir erkennen hieraus die Gleich-
zeitigkeit der Aufstauung dieser Gebirgsteile mit derjenigen des Harzes, ja mit derjenigen des ganzen hercynischen Gebirgssystems in seiner jetzigen Gestalt. Denn die miocänen marinen Sande und Tone dringen
nicht in die mitteldeutschen Gebirge ein, sondern bleiben unter dem Diluvium der norddeutschen Tiefebene; nur miocäne Süßwasser- und
Braunkohlenablagerungen sind in Mitteldeutschland zum Absatz gekommen; an einzelnen Stellen scheinen allerdings noch schmale Verbindungen zum norddeutschen Meere bestanden zu haben, da z. B. die Melanien in den miocänen Mergeln der Umgegend von Frankfurt und Darmstadt eine Verbindung über den Habichtswald bei Kassel nach Norddeutschland hin andeuten.
13. Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen, des niederrheinischen und des hercynischen Gebirgssystems '). In diesen drei Gebirgssystemen, welche das ganze mittlere und südliche Deutschland erfüllen , scheiden sich zunächst scharf vonein-
ander ab : das > Grundgebirge , dessen Massen in der Zeit zwischen Kulm und Oberkarbon durch einen Druck im Erdgewölbe von Süden her aufgestaut und zusammengefaltet wurden. Und das > Deckgebirge , das vom Oberkarbon an durch die permischen und mesozoischen Formationen hindurch diskordant über dem Grundgebirge in mächtigen Schichtentafeln zur Ablagerung kam; dieses Deckgebirge fing nach der Jurazeit an in Schollen zu zerbrechen; die stärksten Dislokationen hat es während der tertiären Zeiten erlitten. Der Gegensatz
zwischen dem deutschen Grundgebirge und dem deutschen Deckgebirge besteht hauptsächlich darin, daß jenes im allgemeinen ein Faltengebirge, dieses im allgemeinen ein Tafelland ist, diese beiden nach ihrer Entstehung verschiedenen Oberflächenformen der Erde, wie sie auf allen Kontinenten und wahrscheinlich auch unter allen Ozeanen wiederkehren.
Im einzelnen freilich ist auch das Grundgebirge durch die postkarbonischen Dislokationen in Schollen mit Verwerfungen zerbrochen:
denn das unterlagernde Grundgebirge mußte natürlich die Bewegungen des auflagernden Deckgebirges z. B. in der Zeit zwischen dem Juraund dem Kreidesystem oder während der tertiären Zeiten mitmachen. Andererseits wurde schließlich zur miocänen Zeit auch das Deck-
gebirge im hercynischen Bogen zusammengestaut, wie wir sehen werden. Der Gebirgsbau Deutschlands ist dadurch so kompliziert geworden, daß von Süden her die gewaltige Aufstauung des alpinen Gebirgssystems bis in die nördlichsten Teile des deutschen Bodens ihre Druckwirkung geltend gemacht hat , während von den Außenseiten das 1) Zum rechten Verständnis dieses Kapitels empfiehlt es sich, meine geologische Karte von Deutschland im Maßstabe 1: 500000 (Gotha, bei Justus Perthes) vor Augen zu haben.
437
Das präkarbonische Grundgebirge.
caledonische Gebirge, die skandinavische Masse und die russische Tafel den Gegendruck ausübten.
Wir fallen leicht in den alten Fehler Elie de Beaumonts, gleichgerichtete Gebirgszüge oder auch nur parallele Linien in den Formen der Erdoberfläche sofort nur deswegen für gleichalterig zu halten, weil sie einander parallel verlaufen¹). So einfach liegt die Sache nicht. Für die Gleichalterigkeit der Bewegungen sind die geologischen Zeiten, in denen sie stattfanden, sowie die Diskordanzen und die Transgressionen
maßgebend. Außerdem können sich gleichgerichtete Bewegungen zu verschiedenen geologischen Zeiten wiederholen, besonders in Europa, wo die Schiebungen in der Erdkruste jederzeit von Süden , von dem kompakten Erdgewölbeteil des afrikanischen Kontinentes herkamen. Wir dürfen hierin nicht schematisch vorgehen, sondern müssen den Aufbau der deutschen Gebirge in seinen einzelnen Teilen zeitlichgeologisch verfolgen 2). 1. Das präkarbonische³) Grundgebirge.
Wir umfassen mit der Bezeichnung des »präkarbonischen Grundgebirges in den drei Gebirgssystemen die ganze Unterlage des Deckgebirges, soweit sie älter ist als das Oberkarbon, das sich diskordant über die kristallinen Kerne und über die cambrischen , silurischen, devonischen und unterkarbonischen Sediment- und Eruptivgesteine abgelagert hat. Dieses präkarbonische Grundgebirge tritt manchmal nur in den tiefsten Taleinschnitten zutage , wie am Ostrande der Haardt; in größeren Massen in den Horsten, in die es zerstückelt wurde: im niederrheinischen Schiefergebirge, im Schwarzwald, in den
Vogesen und im Odenwald, im Thüringer Wald, im Harze , in den sächsischen Gebirgen und in dem Fichtelgebirge. Durch die triasische Decke des mittleren und südlichen Deutsch-
lands wird der Zusammenhang zwischen den rheinischen und den her1) Neuerdings sind sogar solche Oberflächenformen wie die Fjordbildungen in den diluvialen Aufschüttungen der jütisch-holsteinschen Halbinsel nach ihrer zu-
fälligen Himmelsrichtung als hercynische oder niederrheinische Dislokationen angesprochen worden! Die Erosionsrinnen des Wassers richten sich nur im allgemeinen, aber nicht im speziellen nach dem inneren Bau der Kontinente. 2) E. Suess hat mit den Bezeichnungen der armorikanischen und variskischen Gebirge die sämtlichen Gebirgsmassen von Südspanien durch Frankreich und Deutschland bis Böhmen und Oberschlesien, und andererseits über die Normandie und Bretagne bis Südengland, Wales und Irland zusammengefaßt, und zwar mit der Begründung, daß die Faltung dieser Gebirge hauptsächlich zwischen Mittelund Oberkarbon geschehen sei. Auf Einzelheiten läßt sich E. Suess dabei nicht ein; das ganze ausgedehnte Deckgebirge von Spanien, Frankreich und Deutschland ist dabei nicht in Betracht gezogen. Vgl. E. Suess, Uber neuere Ziele der Geologie. Abhandl. naturforsch. Ges. zu Görlitz , Bd. 20. Mit Karte. Görlitz 1893. Ich habe diese Suessschen Namen der armorikanischen und variskischen Gebirge hier -
ganz vermieden, weil solche allgemein gehaltenen, über den größten Teil von Westeuropa ausgedehnten Bezeichnungen für den komplizierten Gebirgsbau Deutschlands nicht anwendbar sind.
3) In diesem Worte ist karbonisch = Oberkarbon gemeint ; Culm = Unterkarbon ist bekanntlich im Grundgebirge mit den altpaläozoischen Schichtensystemen (Cambrium, Silur, Devon) eingefaltet. Insofern ist der Ausdruck > präkarbonisch < hier nicht ganz präzis, aber einmal gebräuchlich.
438 Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen usw. Gebirgssystems.
cynischen Teilen des Grundgebirges einigermaßen verdunkelt. Am ehesten können wir diesen Zusammenhang im Norden wiederherstellen, weil dort das Deckgebirge eine geringere Breite besitzt als im Süden. Sowohl stratigraphisch wie tektonisch läßt sich der Harzkern als eine direkte Fortsetzung des niederrheinischen Schiefergebirges erkennen: die Entfernung zwischen dem Ostrande des altpaläozoischen Kellerwaldes bei Wildungen und dem Südwestrande des Harzes bei Herzberg beträgt nur 85 km; und mitten zwischen dem Kellerwalde und dem Harze bricht das Grundgebirge auf in dem Unterkarbon bei Allendorf an der Werra. Das niederrheinische Schiefergebirge, der Kellerwald, der Harz enthalten vorherrschend devonische und unterkarbo-
nische Sedimente. Das Streichen dieses stark zusammengefalteten Schiefergebirges ist im ganzen gleichmäßig von Südwesten nach Nordosten gerichtet; das Fallen ist meist ziemlich steil in Südost, seltener in Nordwest. Kleine Faltenüberschiebungen sind in diesem präkarbonischen Schiefergebirge von den Ardennen bis in den Harzkern hinein häufig zu beobachten ; größere Deckenüberschiebungen konnten bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden¹) , weder im niederrheinischen Schiefergebirge, noch im Harze. Granite treten in diesem Schiefergebirge nur auf: im Hohen Venn2) und im Harze (Brocken und Ramberg), und zwar sind dies, wie wir gesehen haben, intrusive Granite, Lakkolithe und Ganggranite. Es ist wichtig, festzustellen, daß die Schichten des Harzkernes genau in der Richtung des Fortstreichens des niederrheinischen Schiefer-
gebirges liegen, so daß nicht anzunehmen ist, daß das hercynische Gebirgssystem in der Horizontalen nach NW verschoben wurde gegen das niederrheinische Schiefergebirge. Aber es ist mir wahrscheinlich, daß die Nordostrichtung des gesamten Schiefergebirges vom Hunsrück und der Eifel bis zum Harze erst durch die tertiäre Auf-
stauung der Alpen mittels der böhmischen Masse bewirkt wurde; ursprünglich , d. h. durch die interkarbonische Faltung wurde das niederrheinische Schiefergebirge vermutlich durch Druck von Süden
her zu einem ostwestlich - gerichteten Gebirge zusammengepreßt, und 1) Em. Kayser hatte einen mißglückten Versuch gemacht, größere Überschiebungen im Dillgebiete zu konstruieren: Die Kluft, auf der sich diese Bewegung einer angeblich meilenweiten großen Überschiebung der sog. Silurschichten auf Devon und Unterkarbon >>vollzogen hat, konnte an keiner Stelle beobachtet werden (S. 8). Jahrb. der preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 21, S. 7-28 (Berlin 1901) :
Uber große flache Überschiebungen im Dillgebiet. - Ich habe an anderer Stelle (Notizblatt des Ver. f. Erd. Darmstadt 1908 bemerkt, daß der von Em. Kayser konstruierte Silursattel, der vom Kellerwald bis zum Westerwald reichen sollte, gar nicht als silurisch anerkannt werden kann, da die Schichten nirgends Silurfossilien enthalten, vielmehr dem Mitteldevon angehören. Es fallen damit die an-
geblichen großen Überschiebungen Em. Kaysers in sich zusammen.
2) Siehe Bd. I, S. 16 und S. 258.
A. Dannenberg und E. Holzapfel (Die
Granite derGegend von Aachen. Jahrb. preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 18, S. 1-1-19. Berlin 1898) haben inzwischen außer der 240 m breiten Granitmasse bei Lammers-
dorf noch einige andere Granitgänge auf der Nordseite des Hohen Venn aufge-
funden
so z . B. am Herzogenhügel bei Alt-Hattlich; auch haben sie die Kontakt-
wirkung des Granites auf die durchbrochenen Schiefer ( Knotenschiefer
dern nur einen Abbruch nach Südwesten darstellt.
Außerdem ist
auch südlich der Linie Kellerwald-Harz eine deutliche Übereinstimmung in der Struktur und im Streichen für die beiden Teile des Grund-
gebirges nachzuweisen.
Längs der Südabhänge von Hunsrück und Taunus lagern die sog. Sericitschiefer; von Wiesbaden über Homburg bis Friedberg in der Wetterau ist die Sericitschieferformation zum
Teil über die
mitteldevonischen Stringocephalenkalksteine überschoben; ich vermute, daß die ganze Serie der sog. Sericitgesteine nicht älter, sondern jünger ist als die unterdevonischen Taunusquarzite (vgl. Bd. I S. 40 ff.) , und daß sie veränderte mitteldevonische Schiefer darstellen 1). Die Uberschiebung und Zermalmung der mitteldevonischen Schichten am Südrande des Hunsrück und Taunus geschah bei der interkarbonischen
Auffaltung des Grundgebirges: der südliche Teil dieses Grundgebirges, wie er jetzt in den oberrheinischen Randgebirgen und im Vorspessart zutage liegt, wurde höher aufgestaut als der nördliche Teil (das niederrheinische Schiefergebirge). Das oberrheinische Grundgebirge verhält sich also gegen das niederrheinische etwa so wie die kristallinen Zentralalpen gegen die nördlichen Kalkalpen: wir haben im oberrheinischen Grundgebirge die tieferen Gesteinsmassen vor uns, im niederrheinischen die höheren; wir stehen z. B. auf dem kristallinen Odenwalde gewissermaßen unter dem Taunus was auch dadurch direkt bewiesen ist, daß im Basalt von Naurod bei Wiesbaden Einschlüsse von sämtlichen
Gesteinen des kristallinen Gebirges, aus der Tiefe von der Lava heraufgebracht, aufgefunden worden sind2).
Die gleiche Überschiebung und Zermalmung der Gesteine , wie am Südrande vom Hunsrück und Taunus begegnen wir am Südost1) R. Lepsius, Über den Zusammenhang zwischen den tiefen Quellen und den großen Gebirgsüberschiebungen. Notizblatt des Vereins für Erdkunde und der
geol. Landesanstalt. IV. Folge. Heft 29. S. 4ff. Darmstadt 1908. 2) Die interessante Rittersche Sammlung der Gesteinseinschlüsse aus dem Basalt von Neurod befindet sich jetzt im Senkenbergischen naturhistorischen Museum zu Frankfurt am Main. Vgl. Bd. I. S. 15.
440 Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen usw. Gebirgssystems. rande des Harzes, am Nordabhange des Kyffhäusers und im gegenüberliegenden Silur-Devongebirge bis in die Grafschaft Mansfeld. Nirgends im ganzen Harzkörper als hier zwischen der Nässe oberhalb Questenberg und der Wipper unterhalb Wippra finden sich die eigentümlichen > albitführenden QuarztrümerDie Genesis des sächsischen Granulitgebirges von einem › Granitlakkolithen und seinen kontaktmetamorphen Wirkungen spricht, so hätte H. Credner nicht verschweigen sollen, daß er die wesentlichen Anregungen zu seiner jetzigen Auffassung meinem obigen Kapitel: » Die Entstehung des Granulitgebirges , S. 167-173, welches im Jahre 1903 erschienen ist, entnommen hat. Ich erinnere hier daran, daß H. Credner seine Andreasberger Gangstudien (Zeitschr. deutsch. geol. Ges. 1865, -
S. 163)
seinen sorgfältigen Aufzeichnungen der langjährigen Erfahrungen des
Bergrates Strauch (K. Lossen, Jahrb. preuß. geol. Land. Anst. Bd. 2, S. 12 und 14. Berlin 1882) verdankte, ohne daß H. Credner in seiner Abhandlung auch nur den Namen des Bergrates Strauch genannt hat. Wie wenig Anerkennung H. Credner verstorbenen (z. B. seinem bedeutenden Vorgänger C. Fr. Naumann) und lebenden sächsischen Geologen gezollt hat, ist genügend bekannt. Dies ist um so mehr zu bedauern, als Sachsen das einzige deutsche Land ist, in welchem tatsächlich seit
14 Jahren keine geologische Landesanstalt mehr existiert, so daß die wissenschaftliche und praktische Durcharbeitung der von 1872-1895 mit allzu großer Schnelligkeit aufgenommenen Spezialkarten vollständig fehlt. H. Credner sollte daher dankbar sein, wenn an seiner Stelle andere Geologen sich bemühen , die sächsische
Geologie entsprechend dendas Fortschritten Wissenschaft weiter zu fördern. 1) Ich vermute, daß granitischedieser Grundgebirge im Ries überhaupt nicht zutage tritt; sondern daß alle die großen und kleinen Granitblöcke, zumeist zu Grus zerfallend, nur als zahlreiche Einschlüsse in den Trachyttuffen liegen und bei den vulkanischen Eruptionen zur miocänen Zeit aus der Tiefe mit heraufbefördert worden sind; ich glaube nicht an eine partielle Hebung des Granitgrundgebirges im Ries oder gar an eine lakkolithische Intrusion , wie sie Branco und Fraas sich dachten; siehe E. Fraas, Die geologischen Verhältnisse im Ries; Berichte des oberrhein. geol. Ver. 36. Vers. in Nördlingen. Stuttgart 1903.
444 Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen usw. Gebirgssystems .
Ostthüringen. Aus diesen Gründen erscheint mir der nordböhmische Graben Eger - Zittau von großer Bedeutung; er bietet eine scharfe Grenze zwischen dem hercynischen und dem sudetischen Gebirgs-
systeme. Ich habe die Vermutung ausgesprochen, daß hier eine bedeutende Überschiebung im präkarbonischen Gebirge vorhanden ist, so daß das Karlsbader Granitgebirge von Süden her nach Norden
vorgeschoben und über das kristalline und altpaläozoische Grundgebirge im Südrande des Erzgebirges überschoben worden sei ¹). Im oberrheinischen Grundgebirge , Schwarzwald - Vogesen , Odenwald und Haardt, kennen wir weder einen solchen Graben wie den nordböhmischen, noch ist hier irgend eine Analogie zum Prager Silurbecken vorhanden; auch die kristallinen Gebirgsmassen beider Gebiete,
soweit sie überhaupt zu vergleichen sind, scheinen nicht miteinander übereinzustimmen.
Vielmehr schließen sich die Devon- und Unter-
karbonablagerungen in den Vogesen und im Schwarzwalde denjenigen der nördlichen Gebirge und den hier in Betracht kommenden Gegenden
des Frankenwaldes und des Vogtlandes näher an.
Auch gleichen
sich die kristallinen Gesteine der Grundgebirgsmassen in den drei ober-
rheinischen Kernen (Vogesen, Schwarzwald, Odenwald). Deshalb möchte ich glauben, daß die ganze sog. › böhmische >
Masse sich fremd einschiebt zwischen dem sächsischen Erzgebirge und den Ostalpen ; die der böhmischen Masse entsprechenden Grundgebirge westlich der > fränkischen Linie Passau- Regensburg -Amberg, also
westlich vom Westrande des bayerischen Waldes, liegen zunächst unter der oberbayerischen Hochebene und dann südlich des Südrandes vom Schwarzwald -Vogesenmassive unter der Molasse der Tiefschweiz tief abgesunken. C. W. Gümbel hatte bekanntlich bereits ein solches
versunkenes > Vindelicisches
Gebirge unter der Donauhochebene an-
genommen, allerdings aus andern Gründen als die hier entwickelten 2).
Endlich werden wohl auch zum Teil die nördlichen Kalkalpen oder überhaupt die alpinen Decken über das versunkene vindelicische Gebirge überschoben liegen.
Das vindelicische Gebirge ist erst zur Tertiärzeit vollständig versunken; das sieht man an dem abgebrochenen Rande des stehen 1) R. Lepsius, Über den Zusammenhang zwischen den tiefen Quellen und den großen Gebirgsüberschiebungen. Notizblatt des Vereins für Erdkunde. IV. Folge. Heft 29.
Darmstadt 1908.
2) W. Gümbel glaubte einen trennenden Gebirgspfeiler aus älteren Gesteinsbildungen , das vindelicische Gebirge, als Scheidewand zwischen den schwäbischfränkischen und den alpinen Jurameeren errichten zu müssen , weil die fossilen
Faunen des fränkischen Jura von den nordalpinen Jurafaunen stärker abzuweichen schienen, als die verhältnismäßig kurze Entfernung über die Donauhochebene fort rechtfertigen könnte (Fränkische Alb, S. 3. Kassel 1891). Wir anerkennen jetzt nicht mehr eine solche kontinentale Scheidewand aus kristallinem Grundgebirge
bestehend, wie sie sich W. Gümbel in seinem vindelicischen Gebirge dachte, weil erstens neuere fossile Funde (z. B. in den Kelheimer Diceras- und Nerineenkalk-
steinen) die alpinen und die fränkischen Malmfacies einander näherten; zweitens
aber deswegen, weil die neuerdings aufgefundenen Decken im Alpensysteme Alpensysteme solche in vortertiären Zeiten viel weiter südlich entstandenen Faciesgebilde der mesozoischen Periode weit nach Norden vorgeschoben und dadurch dem fränkischen Jura örtlich bedeutend näher gerückt haben.
Das präkarbonische Grundgebirge.
445
gebliebenen Granitgrundgebirges zwischen Regensburg und Passau 1). Am Südfuße des Keilberges nordöstlich von Regensburg ist in der Tegernheimer Schlucht ein treffliches Profil entblößt: auf dem Granit lagern zunächst rotliegende Sandsteine mit Granitkies und Geröllen
des kristallinen Grundgebirges ; darauf grober litoraler Keupersandstein und das ganze Juraprofil im Keilberg. Die Schichten fallen vom Granit ab mit 40° in SW ein.
Weiter nördlich bei Zeitlarn
über dem Abbachhof fallen die Juraschichten überkippt unter den Granit ein; hier ist die obere Kreide (der cenomanen und turonen
Stufen) erhalten. Abwärts der Donau hängen bei Münster , auf dem linken Flußufer nördlich Straubing gelegen, Jura- und Kreideschollen steil vom Granit ab. Eine ganze Anzahl solcher Jura- und Kreidereste finden wir noch weiter abwärts auf der rechten Donauseite am
Wolfachtale zwischen Vilshofen und Ortenburg , sowie zwischen Vilshofen und Passau. Alle diese Reste von zerstückelten, zum Teil überkippten Jura- und Kreideschollen hängen am Südrande des Granit-
plateaus des bayrisch- böhmischen Waldes und sind diskordant überlagert von den oligocänen, miocänen und pliocänen tertiären Stufen. Wir erkennen hieraus, daß der Abbruch des Grundgebirges zwischen Regensburg und Passau der Hauptsache nach zur älteren Tertiärzeit geschehen ist; damals also, und zwar vermutlich in der Zeit zwischen dem Eocän und Oligocän sank allmählich das vindelicische Grundgebirge in die Tiefe und mit diesem auf seinem Rumpfe die Juratafeln, deren stehengebliebene Fortsetzung wir jetzt in dem schwäbischbayerischen Jurazuge vor uns liegen sehen. So entstand der große Donauabbruch am Südrande der Alp vom Hegau her über Ulm 2) bis Regensburg und von Regensburg bis Passau (weiter abwärts über Linz bis St. Pölten ; die abgesunkenen mesozoischen Tafeln und das noch
tiefer liegende Grundgebirge wurde hoch überdeckt mit den tertiären Molassegebilden der schweizerisch-schwäbisch-bayerischen Hochebene. Gümbels » Vindelicisches Gebirgevariskischen Gebirge ; wir müssen auch hier wieder bemerken, daß solche ganz verschiedenartige Gebirge zusammenwerfenden Namen unmöglich Ordnung in die Tektonik von Zentraleuropa bringen können.
Das präkarbonische Grundgebirge.
447
umbiegen und jenseits der Elbe bei Strehla und Oschatz ostwestlich fortstreichen (oben S. 201).
Bemerkenswert ist es endlich, daß solche großen Brüche wie diejenigen hier längs der Gottleubaer Verwerfungen leicht zu Grabenversenkungen sich ausbilden: so entstand hier die rotliegende Mulde des Plauenschen Grundes, eine Ablagerung , welche noch jetzt von Wilsdruff bis Maxen reicht ; auch die ausgedehnten Quarzporphyrdecken bei Meißen gehören in diesen rotliegenden Graben. In analoger Weise brach der noch weit größere oberkarbon-rotliegende Saar-
Saale-Graben ein längs den Brüchen und Überschiebungen, die zwischen dem niederrheinischen Schiefergebirge und dem oberrheinischen Grundgebirge von SW nach NO durchstreichen. Noch zweimal sank der Pirnaer Graben tiefer ein : zunächst in
der mittleren Kreidezeit, so daß das cenomane und turone Meer hier
im Elbsandsteingebirge seine mächtigen Sedimente absetzen konnte;
sodann zur tertiären Zeit, als die Hohnsteiner Überschiebung (oben S. 183) am Nordrande des Elbegrabens entstand. Die jüngste Grabenversenkung setzte sich nach NW fort bis in den Harzburger Graben am Nordrande des Harzes .
Ebenso bemerkenswert sind die Abbrüche und Verschiebungen in
der hercynischen NW-Richtung zur präkarbonischen Zeit auf der Südwestseite des Erzgebirges am Südrande des Fichtelgebirges , des Frankenwaldes und des bayerischen Waldgebirges ; es sind dies die ältesten Bewegungen in den fränkischen Linien Passau-RegensburgAmberg und Neustadt-Kemnath-Goldkronach-Sonneberg. Durch diese
Bewegungen ist der merkwürdige, von SO nach NW ca. 140 km geradlinig durchziehende Pfahl im bayerischen Walde entstanden: eine Bruchlinie, in deren klaffenden Klüfte weißer Quarz als Gangmasse vom Wasser abgesetzt wurde, und in deren Rändern alle anliegenden Gesteine, vor allem Gneisgranite zu Sericitschiefern ( > Pfahlschiefer ) zerquetscht und zermalmt wurden 1). Nach dem ausspringenden Winkel des Grundgebirges östlich von Amberg sehen wir von Neustadt an der Waldnaab an den Abbruch des kristallinen und cambrischen Grundgebirges bis zum Südabhang des Thüringer Waldes hin mehrfach von rotliegenden Ablagerungen überdeckt : in ausgedehnten Flächen südlich von Neustadt , dann bei Erbendorf, am Südrande des Fichtelgebirges hin zwischen Kemnath und Goldkronach und endlich in dem Stockheimer Reviere, in dessen
unterrotliegenden Schichten (früher als Oberkarbon angesehen) ein Steinkohlenflötz abgebaut wurde.
Ein schmaler, aber schroffer Phyllitbergrücken ist dem Südrande des Fichtelgebirges , den hohen Granitbergen des Ochsenkopfes , der Kösseine und des Steinwaldes vorgelagert : seine Schichten streichen durchaus in der hercynischen Richtung von SO nach NW. Ebenso 1) Ich habe auf meiner geologischen Karte von Deutschland, Blatt Regensburg, den berühmten Pfahl mitten zwischen den Gneisgraniten des bayerischen Waldgebirges mit der hellroten Farbe x 'Glimmerschiefer der Farbenerklärung) ausgezeichnet Pfahlschiefer -, weil ich eine besondere Farbe für den Pfahl nicht verwenden konnte.
448 Übersicht über die Tektonik des oberrheinischen usw. Gebirgssystems.
ist der Südrand der Münchberger Gneisplatte zwischen Goldkronach und Berneck in die nordwestliche Streichrichtung herumgeworfen (oben S. 135). Auf diesen Abbrüchen der fränkischen Linien entstanden ebenso
wie in der Saar- Saale-Senkung Gräben, in denen die groben und feinen Denundationsmaterialien des auf der Nordostseite anstehenden Grund-
gebirges in mächtigen rotliegenden Sedimenten zur Ablagerung kamen. Ebenso lagern am Tegernheimer Keller bei Regensburg die grobkörnigen rotliegenden Sandsteine und Konglomerate direkt auf dem Granite ; über dem Rotliegenden fehlen die Triasstufen bis zum Keuper, dessen Sandsteine gleichfalls als Küstenbildung erscheinen. Die Jurastufen haben wohl etwas weiter über den alten Abbruch des Grund-
gebirges auf den Gneis - Granitsockel des bayerischen Waldgebirges übergegriffen. Infolge einer noch tieferen Senkung flutete endlich das Meer der oberen Kreide von Böhmen her bis in die Gegend von Amberg-Regensburg-Passau . 2. Das postkarbonische Deckgebirge.
Die präkarbonischen Grundgebirge, welche während der oberkarbonischen Zeiten emporgestaut worden waren, wurden während der Permzeit denudiert. Nachdem zuerst der Saar-Saale-Graben abgesunken
und mit dem Schutt der abgetragenen Gebirge aufgefüllt war, sanken allmählich sehr große kontinentale Gebiete in Deutschland unter den Meeresspiegel. Ohne Unterbrechung lagerten sich auf dem immer tiefer absinkenden Meeresboden die triasischen und jurassischen Sedimente in einer Mächtigkeit von 1500-2000 m ab; weder gebirgsbildende Kräfte waren in dieser langen Zeit tätig, noch brechen Eruptivgesteine aus dem geschlossenen Erdinnern hervor.
Am Anfang der Kreidezeit wurde Deutschland aus dem Meere emporgehoben; nur im Nordwesten dehnten sich weite Süßwasserseen, Moore und Lagunen aus, in denen die Wealdenschichten zum Absatz gelangten.
Dann sank das nördliche Deutschland allmählich unter
das Kreidemeer, und es lagerten sich in Westfalen, Hannover zuerst die unteren Kreidestufen (Neocom und Gault) ; danach weit übergreifend in Westfalen bis an den Nordrand des Schiefergebirges,
in Hannover bis auf die Trias im Eichsfelde, und endlich durch den Elbegraben bis nach Böhmen und von hier aus über den Böhmer
Wald bis nach Regensburg und Amberg ab.
die oberen Kreidestufen
Die Kreideschichten in Deutschland mögen ingesamt etwa 1000 m
mächtig sein.
Während demnach ziemlich große Gebiete im nördlichen und östlichen Deutschland vom Kreidemeere bedeckt waren , ragten die mittleren , südlichen und westlichen Teile von Deutschland über den Meeresspiegel hervor: am höchsten das niederrheinische Schiefergebirge und seine Umgebung, so daß hier die Denudation während der Kreideund der eocänen Zeit am stärksten angreifen konnte. Im übrigen war
Süd- und Mitteldeutschland ein weites Juraplateau, dessen Charakter wir jetzt in seinen letzten Resten auf der schwäbischen und bayerischen Alp studieren können.
Das postkarbonische Deckgebirge.
449
Während der eocänen Zeit war Deutschland in allen Teilen ein
Kontinent: einzelne Süßwassersee-Ablagerungen, so die Bohnerze auf der Alp und die Planorbismergel von Buxweiler im Unterelsaß, sind die einzigen Zeugen der eocänen Zeit. Die Denudation und Erosion zernagten und zerstörten die Oberfläche des eocänen Kontinentes und
spülten die Jura- und Triastafeln fort , so daß z. B. am Mittelrhein die oligocänen Meeressande des Mainzer Beckens auf den rotliegenden Sandsteinen auflagern, während sie an der Bergstraße auf Buntsandstein, in der Vorderpfalz auf Muschelkalk, bei Weißenburg auf Lias, im Unterelsaß auf Dogger, im Oberelsaß bei Pfirt und bei Belfort auf Malm zur Ablagerung kamen. Zugleich bestehen die oligocänen Küstenkonglomerate an den verschiedenen Orten aus den Geröllen der genannten Formationen vom Rotliegenden bis zum Malm. Nirgends finden sich Gerölle von granitischen Gesteinen , weder am Fuße der
Vogesen, noch des Schwarzwaldes; hieraus folgt, daß zur oligocänen Zeit das kristalline Grundgebirge die Triasdecke noch nicht gesprengt hatte; auch nicht zur miocänen oder pliocänen Zeit. Erst die ältesten diluvialen Schotter enthalten Gerölle der kristallinen Gesteine der
oberrheinischen Randgebirge.
Die angegebene Auflagerung der oligocänen Schichten zu beiden Seiten der oberrheinischen Tiefebene zeigt uns zugleich, daß die Triasund Juratafeln des südwestlichen Deutschlands bereits vor dem Oligocän
in Schollen zerbrochen waren gerade so wie dies der Fall ist im Wesergebirge. Wir dürfen daraus schließen, daß in dem ganzen, durch Deutschland ausgebreiteten triasischen und jurassischen Deck-
gebirge - im südlichen Hannover und in Thüringen, im Wesergebirge und in den hessischen Waldgebirgen, in Franken, in Schwaben und in Lothringen, überall die oben erwähnten postjurassischen Dislokationen während der Kreide- und eocänen Zeit gleichmäßig zur Wirkung kamen: durch Absenkungen zerspaltete das Deckgebirge in Schollen und wurde durchschnitten von zahlreichen Verwerfungen. Dabei lagen die Trias- und Juratafeln rings um das niederrheinische Schiefergebirge relativ am höchsten, so daß von dort aus nach allen Seiten die Bäche und Flüsse abflossen und ihr Werk der Zerstörung von dort aus am
schnellsten förderten. Daher lagern die oligocänen Schichten vom Mainzer Becken bis zum Baseler Jura vom Devon (am Südrande des Hunsrück und Taunus) und vom Rotliegenden an auf allen Trias- und Jurastufen, ja schließlich im Berner Jura auf dem Neocom. Unzweifelhaft waren die gesamten Triasgebiete des mittleren und
südlichen Deutschlands ursprünglich mit dem Jura-Schichtensysteme in seiner vollen Mächtigkeit bedeckt; das beweisen die letzten Jura-
reste, wie sie bei Volkmarsen, bei Angersbach, bei Langenbrücken, in der Zaberner Bucht und zu beiden Seiten der oberrheinischen Tief-
ebene noch jetzt vorhanden sind.
Der Nordabhang der schwäbischen
Alp, der Westabhang des fränkischen Jura oder die Ostgrenze des Lothringer Jura stellen sich nur als die jetzigen Erosionsränder des großen jurassischen Tafelgebirges dar, welches einst das ganze mittlere und südliche Deutschland bedeckte. In Franken und im nördlichen Schwaben sind keine andern
tertiären Ablagerungen vorhanden als die Süßwasserkalke mit LandR. Lepsius , Geologie von Deutschland. II.
29
450
Das postkarbonische Deckgebirge.
säugetieren (Dinotherium, Mastodon) von Georgsgmünd und Pleinfeld, welche obermiocänen (oder pliocänen, siehe Bd. I, S. 588 und 638) Schichten auf dem mittleren Keuper auflagern; hier an der schwäbischen Rezat , wenige Kilometer nördlich vom Steilhang der jetzigen jurassischen Alp, war also zur obermiocänen Zeit bereits der gesamte Jura bis auf den Keuper fortgewaschen. Mit dem Oligocän begannen die großen Gebirgsbewegungen der tertiären Periode in Europa; begannen auch infolgedessen die starken und lange andauernden Ausbrüche der vulkanischen Gesteine (Basalte, Phonolithe, Trachyte). Abgesehen von den Alpen entstanden durch diese tertiären Be-
wegungen zwei der bedeutendsten Oberflächenformen von Deutschland: die oberrheinische Tiefebene und die hercynischen Gebirge. a) Die oberrheinische Tiefebene 1) .
Die mechanischen Bewegungen, durch welche die im südlichen Deutschland so auffallend gestaltete oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge erzeugt werden, kann man nur verstehen, wenn man daran denkt, daß sie im Gebiet der kürzesten Verbindungslinie zwischen den
Alpen und dem niederrheinischen Schiefergebirge liegen. Die Stauung zwischen diesen beiden Massiven bewirkte, daß das kristalline Grund-
gebirge im Schwarzwald, Vogesen, Odenwald und Haardt nicht einfach in die Tiefe absank, wie das vindelicische Gebirge oder wie die großen Senkungsgebiete in Franken und in Lothringen, sondern daß sie in der Höhe wie zwischen den Backen eines Schraubstockes fest-
gehalten wurden. Je tiefer nun die Trias- und Juratafeln in Franken
und Lothringen absanken, um so höher hoben sich relativ die Randgebirge zu beiden Seiten der Tiefebene heraus. Die oberrheinische Tiefebene selbst aber ist der Aufbruch im Scheitel eines Sattels,
dessen Flügel nach Osten (Franken) und nach Westen (Lothringen) hin absanken. Da diese Absenkungen langsam durch die ganzen tertiären (vom Oligocän an) , diluvialen und jetzigen Zeiten hindurch andauerten , so vertiefte sich in diesen Zeiten auch immer mehr die oberrheinische Tiefebene was wir im einzelnen genau nachweisen -
können durch die verschiedenartigen Auf- und Anlagerungen der tertiären und diluvialen Schichten längs der Ränder der Tiefebene gegen die immer mehr herausgehobenen Randgebirge.
Diese eigentümlichen Bewegungen erzeugten eine tiefeingebrochene
Grabenversenkung, zu deren beiden Längsseiten symmetrisch gebaute Gebirge aufragen. Der sonst auf der Erde seltene Fall symmetrisch
angeordneter Gebirge erklärt sich hier nur daraus , daß der gebirgsbildende Druck in diesem Falle nicht, wie sonst überall, senkrecht zu den Gebirgsachsen, sondern parallel zu denselben gerichtet war: der Druck kam von Süden , er ging von den sich allmählich heraufschiebenden Alpen aus und erzeugte hier nordsüdlich gerichtete Gebirge : Schwarzwald-Odenwald, Vogesen-Haardt. Etwas nach Westen 1) R. Lepsius, Die oberrheinische Tiefebene und ihre Randgebirge. Stuttgart 1885.
-
Die oberrheinische Tiefebene.
Die hercynischen Gebirge.
451
zu abweichend von der genauen Nord-Südrichtung liegen Schwarzwald und Vogesen verschoben , weil die Heraufschiebung der Alpen nicht genau nordsüdlich , sondern etwas nach Nordwesten zu abweichend geschah, wie man deutlich an der Richtung des Stieles Italien erkennen kann, mit welchem Stiele der kompakte Erdgewölbeteil Afrika den gewaltigen Alpenbogen in Zentraleuropa hineinschob. b) Die hercynischen Gebirge .
In den weit und flach ausgebreiteten Triastafeln des mittleren
Deutschland macht sich eine gebirgsbildende Kraft erst von der oligocänen Zeit an geltend; sie steigert sich im Verlaufe der miocänen
Zeit so stark, daß Teile des präkarbonischen Grundgebirges im Thüringer Wald und im Harz durch das Deckgebirge durchgestoßen werden; sie klingt allmählich aus in den schwächeren, aber ausgedehnten Bewegungen während der pliocänen und diluvialen Zeiten. Innerhalb der Oberflächenformen des hercynischen Systems fällt zunächst auf , daß das Streichen der Schichten und Gebirge , sowie das Streichen der Verwerfungen und Gräben vorherrschend ein nordwestliches ist.
Wir haben schon wiederholt auf die von uns so genannte
frän-
kische Linie hingewiesen , der bedeutende Abbruch der Gebirgsteile in dem Verwerfungs-Liniensysteme, das wir quer durch ganz Deutschland verfolgen können , von Linz , Passau und Regensburg an der
Donau her, dann an der Naab aufwärts und hinüber zu den Mainzuflüssen längs der Südränder vom Fichtelgebirge, Franken- und Thüringer Wald; dann verhüllt unter der Triasdecke über Kassel nach
Warburg; und endlich wieder deutlich hervortretend in der aufgestauten Südmauer des Teutoburger Waldes.
Auch noch weiter nach Nord-
westen ist diese fränkische Abbruchlinie zu verfolgen in dem eigenartigen Bogen , in welchen schließlich das hercynische Streichen allmählich umbiegt vom Nordwestende des Teutoburger Waldes an in eine westliche und schließlich südwestliche Richtung, wie wir dies erkennen können in den Aufbrüchen von Trias-, Jura- und Kreide-
schichten bei Rheine, Bentheim, Ochtrup, Lüpten, Ahaus im nördlichen Westfalen und jenseits der holländischen Grenze bei Winterswyk; auch die Tiefbohrungen auf Steinkohlen im nördlichen Westfalen und in Gelderland haben diesen Sattel der mesozoischen Stufen und der
unterlagernden oberkarbonischen Schichten unter dem Diluvium nachgewiesen.
Die Nordwestrichtung des hercynischen Systems prägt sich ebenso scharf aus in dem »Harzburger Graben , längs des Nordrandes vom Harze. Am Südrande dieses Grabens sind der Zechstein und die mesozoischen Schichten Buntsandstein bis zur oberen Kreide
z. T. überkippt unter den hoch aufragenden präkarbonischen Kern des Harzes unterschoben. Am Nordrande sind im entgegengesetzten Sinne die Muschelkalkrücken heraufgeschoben, so daß sie in NO einfallen und unter ihnen die Jura- und Kreideschichten z. T. überkippt einfallen. Das beste Beispiel für die gebirgsbildenden Kräfte und Bewegungen während der känozoischen Zeit ist der Harz selbst : ich habe auf der 29 *
452
Das postkarbonische Deckgebirge.
am Schlusse dieses Bandes beigehefteten Profiltafel die allmähliche Herausschiebung des Harzkernes und die dadurch bewirkte Zertrümme-
rung und Durchstoßung des mesozoischen Deckgebirges dargestellt, auch die speziellen Erläuterungen zu diesen Profilen I-VI in dem Kapitel : » Der Bau des Harzes böhmische Masse
zur Tertiärzeit nicht in die Tiefe absank wie das
>Vindelicische Gebirge , sondern in der Höhe stehen blieb und nun durch den starken Druck aus Süden von den Alpen her nach.NW
vorgeschoben wurde: dadurch entstand die von mir vermutete Überschiebung am Südrande des Erzgebirges in der Karlsbader Linie;
dadurch entstand die nordwestliche Richtung des ganzen hercynischen Systems, indem es nach NW gedrängt wurde; dadurch entstand gleichzeitig , wie oben angedeutet , die Verschiebung des niederrheinischen
Schiefergebirges aus einem früheren WO-Streichen in das jetzige NOStreichen. Daher liegt zwar der Harzkern nach Nord verschoben, aber die südwestliche Fortsetzung des Grundgebirges im Thüringer Walde, im Kellerwalde und am Niederrhein ist gleichzeitig mit dem Harze nach Norden verschoben.
Erst in den Ardennen und in der
Normandie und Bretagne ist das ursprüngliche WO - Streichen des
Grundgebirges erhalten geblieben, weil bis nach Belgien und Nordfrankreich hinein die tertiäre Druckwirkung des Alpensystems nicht wirksam werden konnte.
Der hercynische Bogen vom südlichen Hannover durch Westfalen bis in die Niederlande hinein bildet die Ausgleichung und den
Übergang aus der NW-Richtung des hercynischen in die SW-Richtung
Das norddeutsche Tiefland.
454
des niederrheinischen Gebirgssystemes. Innerhalb dieser Gegend am Niederrhein werden noch die tertiären, von Süden her wirkenden alpinen Bewegungen gespürt , wie man in dem Aufbruch und den Verschiebungen in der Kölner Bucht erkennen kann: der tertiäre Abbruch der Triasschollen zwischen Euskirchen und Düren streicht von SW
nach NO; und das Oberkarbon des Ruhrgebietes liegt nach Norden
gegen das Wormrevier jenseits der Kölner Bucht verschoben. So erkennen wir aus den großen Zügen der Tektonik der drei Gebirgssysteme neben kleineren Diskordanzen vor allem drei starke Zeiten der Bewegung:
1. Die azoischen und altpaläozoischen Schichtensysteme wurden zu zwei großen Gebirgen von Süden her aufgestaut und zusammengefaltet in der Zeit zwischen dem Kulm und dem Oberkarbon; da-
durch entstanden das oberrheinische Grundgebirge, wie es in den Vogesen- und Schwarzwald-Horsten zutage tritt, und das niederrheinische Schiefergebirge von Hunsrück-Eifel bis zum Harzkern. 2. In der kontinentalen Zeit zwischen dem Jura- und dem Kreide-
schichtensysteme sind die Trias- und Juratafeln, welche das ganze südliche und mittlere Deutschland bedeckten, durch Absenkungen in viele Schollen zertrümmert worden; ein Teil der Tafeln ist dabei so
tief eingesunken, daß sie vom Kreidemeer überflutet wurden. 3. Die Aufstauung des Alpensystems zur Tertärzeit bewirkte in den älteren Gebirgen Deutschlands bis in den fernsten Norden ge-
waltige Stauungen, Einbrüche und Bewegungen, welche vor allen im hercynischen Schichtensysteme und in der Entstehung der oberrheinischen Tiefebene ihren starken Ausdruck fanden.
Große Massen von Eruptivgesteinen flossen als Ergüsse aus tiefgehenden Spalten der Erdkruste wesentlich zu drei Zeiten aus dem Erdinnern:
1. die Diabase zur Mittel- und Oberdevonzeit,
2. die Quarzporphyre und Melaphyre zur rotliegenden Zeit, 3. die Basalte und Trachyte zur jüngeren Tertiärzeit , während der miocänen und pliocänen Stufe.
14. Das norddeutsche Tiefland.
Im Gegensatz gegen Nordfrankreich und Belgien ist Norddeutschland von den Niederlanden beginnend ein Tiefland, welches je weiter nach Osten eine um so größere Ausdehnung gewinnt; jenseits der Ostgrenzen des Deutschen Reiches gehören zu dieser Tiefebene die ungeheuren Flächen des einstigen Königreichs Polen; in den sumpfreichen
Niederungen der Flußgebiete des Niemen, des Pripet und oberen Dnjepr geht dieses mitteleuropäische Tiefland gegen die russische Tafel aus .
Diese flachen Landgebiete vom alten Delta des Rheines durch Norddeutschland bis in das Innere von Rußland hinein werden geologisch
Das norddeutsche Tiefland .
455
und geographisch deswegen ein Tiefland oder eine Tiefebene genannt¹ ), weil sie tektonisch durch Absenkung in eine so tiefe Lage gegen den Spiegel des Ozeans versetzt sind, daß in jüngster Diluvialzeit, ja noch in historischen Zeiten große Küstenflächen im Meere versinken konnten. Das norddeutsche Tiefland befindet sich im Senkungsfelde der Ostund Nordsee: England als nördliche Fortsetzung von Frankreich und
die russische Tafel mit Finnland und Skandinavien sind weniger tief eingesunken als der mittlere Teil des nördlichen Europas : daher die Steilküsten an beiden Ufern des Kanals oder die Steilküsten in Est-
land und in den finnischen Schären, im Gegensatz gegen die außerordentliche Flachheit der norddeutschen Küsten und gegen das ganz flache Untertauchen derselben unter den Meeresspiegel in fast allen Strecken . Berlin liegt 170 km von der nächsten Meeresküste entfernt und nur 37 m über dem Meere; Warschau mit 270 km nur 77 m hoch.
Die Folgen dieser tiefen Absenkung geben sich kund in dem fortdauernden Verluste an Küstenland. Erst im 13. und 16. Jahrhundert wurden die Zuidersee und der Dollart durch die Sturmfluten der Nord-
see aus dem Kontinente herausgerissen; der Dollart war vorher von mehreren Klöstern und 50 Ortschaften besiedelt.
Ebenso der Jade-
busen, an dessen Stelle vor dem 13. Jahrhundert festes, fruchtbares Land lag. Einige Teile der Niederlande liegen unter dem Meeresspiegel, geschützt durch Dämme. Die Folgen der Absenkung sehen wir auch in dem schwachen Ge-
fälle der norddeutschen Flüsse und in den großen Mooren, welche sich in Friesland, in Oldenburg und zwischen der unteren Weser und der unteren Elbe über viele Quadratmeilen Landes ausdehnen ; die weiten Moorniederungen an der unteren Ems bilden auf lange Strecken hin fast völlig ebene Flächen von kaum 30m Meereshöhe. Die langsam fließenden und oft ganz stockenden Gewässer der Niederungen zwischen Rhein und Elbe waren die Ursache der Vermoorung dieser Landgebiete.
Auch die großen Überschwemmungen, welche die norddeutschen Flüsse besonders infolge von allzu raschen Schneeschmelzen SO erst im letzten Winter 1908/09 wieder in der häufig verursachen Altmark durch die überflutende Elbe 2) - charakterisieren das Tiefland. 1) Die preußischen Landesgeologen haben statt der früher allgemein gebrauchten Bezeichnung der
norddeutschen Tiefebene
den Namen
norddeutsches Flach-
lande aufgebracht; einige Geographen haben diesen Namen angenommen. K. A. Lossen nannte sie ein Tiefland , welchen Namen ich hier gebrauche. Ganz abgesehen davon, daß Flachland eine künstliche, nicht volkstümliche und zugleich sprachlich häßliche Wortbildung ist, muß man fragen: wenn Norddeutschland mit seinen versinkenden Küsten, seinen schwach fließenden Gewässern und seinen aus-
gedehnten Moorflächen keine Tiefebene oder > Tiefland sein soll welche Landgebiete auf der Erde sollen dann überhaupt noch als Tiefländer gelten? Die höher gelegenen Landflächen in der Mark Brandenburg steigen nur 50
bis 80m über denMeeress Meeresspiegel an. Die Spree hat ein so flaches Gefälle , daß
sie im Spreewalde 140 km oberhalb Berlin in tausend Arme und natürliche Kanäle zerspaltet ; trotz seiner künstlich immer mehr fortschreitenden Verminderung ist dieser Bruchwald bei Lübben immer noch etwa 20 km lang und 12 km breit, bei einer Tieflage von wenig über 50 m Meereshöhe. 2) Die Mündung der Havel in die Elbe liegt nur 20 m über Meer 250 km oberhalb der Elbmündung bei Cuxhafen.
Das norddeutsche Tiefland.
456
Decken wir nun gar die diluvialen Aufschüttungen der norddeutschen Tiefebene ab , so erkennen wir erst recht deutlich die bedeutende Ab-
senkung der norddeutschen Länder gegen das kontinentale, bergichte Mittel- und Süddeutschland : in weiten Strecken häuft sich die diluviale
Decke in Norddeutschland mehr als hundert Meter mächtig auf über dem tief unter den Meeresspiegel abgesunkenen tertiären und mesozoischen Untergrund; nur vereinzelte Bergspitzen des versunkenen Gebirges ragen heute noch über das Meeresniveau empor. So geht also die holländische in die niederrheinische Tiefebene über; sie bilden den westlichen Teil des norddeutschen Tieflandes, welches sich bis nach Niederschlesien und Posen und über die deutschen
Grenzen nach Polen hinein erstreckt. Im ganzen mittleren und südlichen Deutschland gibt es nur eine Tiefebene , die oberrheinische, welche, wie wir gesehen haben, ebenfalls durch tiefe Absenkung entstanden ist.
Im Gegensatz zu diesen Tiefebenen steht die oberbaye-
rische Hochebene, die durch ihre glaziale Bedeckung manche Ahnlichkeit in den Formen ihrer Oberfläche mit der norddeutschen Tiefebene
aufweist; im Gegensatz auch die oberschlesische Ebene, welche bereits zu dem galizischen und südrussischen Tafellande zu rechnen ist.
Zwischen den großen Flächen der Moore und Bruchwälder, zwischen den breiten jetzigen Flußtälern und glazialen Urstromniederungen liegen flache Höhenzüge - im Gebiete der Weser und Elbe und in Schleswig-Holstein als »Geest« im Gegensatz zur tiefen >>Marsch genannt; weite Sandstrecken, Kiefernwälder und Heiden charakterisieren diese
wenig über den Niederungen ansteigenden Aufschüttungen von fluvioglazialen Sanden oder von blockreichen Moränenzügen.
Die Lüneburger und Letzlinger Heide zwischen Weser und Elbe, der Fläming ¹) zwischen Elbe und Spree, die Sandhügel der Niederlausitz zwischen Spree und Bober bis in das Katzengebirge bei Glogau an der Oder und bis nach Schlesien hinein bilden von NW nach SO
verlaufend einen südlichen Hügelzug, dessen Höhen in den Trebnitzer Bergen im Katzengebirge 256 m über Meer erreichen. Bekannter ist der nördliche Hügelzug, der baltische Landrücken , der von Holstein durch Mecklenburg, Pommern und Preußen ungefähr parallel mit dem Südrande der Ostsee verläuft und durch seinen Reich-
tum an Seen ausgezeichnet ist. Seine höchsten Erhebungen bleiben unter 200 m; nur im Turmberge bei Danzig steigt er bis 330 m an. Durch solche Oberflächenformen gegliedert, tritt die mannigfache Gestaltung der Bodenverhältnisse des norddeutschen Tieflandes noch schärfer auf der geologischen als auf der topographischen Karte hervor²). Auf meiner geologischen Karte des Deutschen Reiches heben 1) Nach den von Albrecht dem Bären und Erzbischof Wichmann von Magdeburg im Jahre 1160 dort angesiedelten Flamländern benannt. J. Kutzen, Das deutsche Land, S. 385.
5. Aufl.
Breslau 1908.
2) Vgl. die norddeutschen Blätter meiner geologischen Karte des Deutschen Reiches im Maßstabe 1 : 500000.
Auf diesen Blättern habe ich zum ersten Male
einheitlich mit möglichst kräftigen Farben die quartären Ablagerungen im norddeutschen Tieflande von den Niederlanden bis nach Polen hinein in ihrer über-
raschend reichen Gestaltung gekennzeichnet. Diese norddeutschen Blätter habe ich in den Jahren 1895-97 veröffentlicht. Das reichhaltige Archiv der kgl. preußischen
Der Untergrund der norddeutschen Diluvialdecke.
457
sich vor allem durch grüne Farben die tief und breit eingefurchten >>Urstromtäler von den gelblichen Tönen der zwischen den Tälern höher ansteigenden Geestflächen deutlich ab. Das sind die Urströme und Stauweiher der diluvialen Eiszeit, die Abflüsse der abschmelzenden
Eismassen, die von den hoch gelegenen skandinavischen Gebirgen das norddeutsche Tiefland überfluteten; diese alten Flüsse zogen ihre Furchen in die Oberfläche der glazialen Sand- und Moränenablagerungen, wo sie Platz fanden; sie wichen zurück mit der nach Nordost entschwindenden Eisdecke. Diese Talfurchen der quartären Urströme sind es im wesentlichen, welche es erlauben, ohne allzu große Kosten die jetzigen norddeutschen Flüsse vom Rhein bis zur Weichsel durch künstliche Kanäle für die Schiffahrt miteinander zu verbinden.
.1 Der Untergrund der norddeutschen Diluvialdecke.
Wir haben bereits oben (S. 452) beim Überblicken der deutschen Gebirgssysteme hervorgehoben, daß die in Süd- und Mitteldeutschland stehenden Gebirge in ihrem nördlichen Rande allmählich unter die quartären Aufschüttungen untertauchen. Die höchsten Bergspitzen der verhüllten Gebirge ragen hier und da aus dem Diluvium bis an die jetzige Landoberfläche längs des südlichen Randes der diluvialen Decke in größerer Anzahl , wie die Quarzporphyrberge bei
Bitterfeld, Eilenburg, Torgau, oder die Lausitzer Granitkuppen; in der weiten Ebene seltener, wie die bekannte Muschelkalkinsel von Rüdersdorf, welche den starken Bedarf an Bruchsteinen und Kalk der Reichshauptstadt aus ihren großen Brüchen deckt ; oder der Malm an den Odermündungen; oder der Malm und Zechstein bei Wopno und Hohensalza in der Provinz Posen.
Weiter ausgedehnt wurde unsere Kenntnis über die Schichten-
systeme des Untergrundes des norddeutschen Tieflandes erst durch die Resultate der zahlreichen Bohrungen auf Wasser oder der tiefen
Bohrlöcher, welche in den letzten Jahrzehnten zum Zwecke der Erschließung von Kohlen- und Kalisalzablagerungen in großer Anzahl abgeteuft wurden. Steinkohlen wurden dabei nur am Niederrhein; im
Osten aber Braunkohlen und Salzlager gefunden. K. A. Lossen war der erste, welcher nach den Resultaten von
Bohrungen versuchte, eine Übersicht über die Schichtsysteme im Unter geologischen Landesanstalt in Berlin wurde mir von dem damaligen Direktor W. Hauchecorne nicht zugänglich gemacht. Ohne die private und bereitwillige Hilfe des Geheimen Bergrates Dr. G. Berendt, der seit dem Jahre 1873 mit der
speziellen Leitung der Flachlandaufnahmen der Berliner Landesanstalt beauftragt war, wäre es mir unmöglich gewesen, dieses übersichtliche geologische Bild des norddeutschen Tieflandes zu geben. Bekanntlich verdanken wir G. Berendt überhaupt die ersten genaueren geologischen Aufnahmen norddeutscher Quartärgebilde in der vortrefflichen geologischen Karte der Provinz Preußen im Maßstabe 1 : 100000,
herausgegeben von der welche physikalisch-ökonomischen Gesellschaft Königsberg Preuß. Aufnahmen, G. Berendt aus eigenster Initiativezubereits im Jahrei. 1865 begonnen hatte. Da ich bisher nicht Gelegenheit hatte , spreche ich hier Herrn Dr. G. Berendt meinen verbindlichsten Dank für seine tätige Hilfe bei Zeichnung meiner geologischen Karte des norddeutschen Tieflandes aus.
Das norddeutsche Tiefland.
458
grunde des norddeutschen Diluviums zu geben1). Seitdem haben A. Jentzsch2) für die Provinz Preußen , W. Deecke für Pommern, E. Geinitz³) für Mecklenburg, H. Haas¹) und C. Gottsche für SchleswigHolstein und Hamburg auf Grund der anstehenden und der erbohrten älteren Sedimente das Bild des Untergrundes der norddeutschen Tiefebene wesentlich vervollständigt. Bei der großen Ausdehnung und der starken Mächtigkeit des norddeutschen Diluviums fehlt trotzdem
sehr viel in unserer Kenntnis des unterliegenden Gebirges; insbesondere geben die Bohrungen selten einen sicheren Anhalt über die Lagerung der durchsunkenen Schichten. Oft bleibt es auch zweifelhaft, ob die aufgeschlossenen Gesteine wirklich dem anstehenden Gebirge angehören oder nur große erratische Schollen im glazialen Diluvium sind: so hielt man früher die seit 70 Jahren bekannten fossilreichen weißen
Mergelkalke der Kimmeridgestufe an der Försterei Kalkofen nördlich
von Fritzow bei Cammin nahe östlich der Dievenow-Odermündung für eine anstehende Malminsel, während die neuesten Bohrversuche nachwiesen, daß sie als mehr oder weniger große Kalkflötze , die durch das Diluvialeis aufgeschoben sind, auf Diluvialbildungen ruhen< 5) und von Dünensanden überschüttet sind .
Immerhin deuten die zahlreichen Juraschollen im Gebiete der
Odermündungen, auch wenn sie vom Eise verstaucht und erratisch verschoben liegen, doch darauf hin, daß in dortiger Gegend unter dem Diluvium der Malm ansteht und nur zum Teil zerstört worden ist:
>der Malm muß in Hinterpommern weit verbreitet gewesen sein und
bis nordöstlich von Bornholm gereicht haben (W. Deecke a. a. O., S. 45).
Ähnlich wird in Mecklenburg der seit langer Zeit bekannte fossilreiche Dobbertiner obere Liaston, 45 km östlich Schwerin bei Goldberg gelegen , als eine anstehende Insel angesprochen, obwohl die Schichten des 10-15 m mächtigen Tonrückens stark vom diluvialen Eise verstaucht sind, während die beiliegenden stark bituminösen Positrotzdem donienschiefer als erratische Schollen im Diluvium liegen jedoch von einem in der Nähe anstehenden Berge entnommen sein müssen ). Die berühmten » Sternberger KuchenHaupt -Braunkohlenflötz , 12-20 m mächtig, in diesen Kiesen, Sanden und Tonen des Unteroligocäns, als eine Strand- und Lagunenbildung , ohne marine oder Süßwasserfossilien. Die hellgrauen Tone der Braunkohlenbildungen sind meist kalkfrei, als »Kapseltone>Bernsteinküste des Samlandes .
Die reiche Flora und Fauna , deren Reste bis in die feinsten Teilchen (Insekten, Blüten) in diesem besten Konser-
vierungsmaterial sich so wunderbar schön erhalten haben, ist wahrscheinlich von eocänem Alter ).
Der Bernstein selbst ist
1) C. Gagel, Die Braunkohlenformation in der Provinz Schleswig-Holstein; in C. Kleins oben zitiertem Handbuch für den deutschen Braunkohlenbergbau, S. 162 bis 171.
Halle 1907.
2) Von dem im Jahre 1878 verstorbenen Dr. Ludwig Meyn, der sich um die
geologische Erforschung seiner Heimat Schleswig-Holstein sehr verdient gemacht
hatte, noch im Aufschluß gesehen
jetzt verdeckt durch die abgestürzten Sand-
massen. Siehe L. Meyn, Geognostische Beschreibung der Insel Sylt; mit geognost. Karten und Profilen. Abhandl. zur geol. Karte von Preußen, Bd. I, Heft 4. Berlin 1876.
3) A. Jentzsch, Die Braunkohlenformation in den Provinzen Posen, Westpreußen
und Ostpreußen; in G. Klein, Handbuch 1907, S. 203-212. 4) Fr. Noetling, Die Fauna des samländischen Tertiärs. Abh. zur geolog. Karte von Preußen, Bd. 6, Hefte 3 und 4. Berlin 1885 und 1888. 5) Die blaue Erde wird im fiskalischen Bergwerke Palmnicken , nordwestlich
Königsberg gelegen, unterirdisch abgebaut. Auf tertiärer und quartärer Lagerstätte liegen häufig Bernsteinstücke in den jüngeren Schichten des Samländer Tertiärs und im Diluvium an der ganzen Ostseeküste und bis zur Nordseeküste hin verstreut. 6) Die Flora des Bernsteins, von H. R. Göppert, A. Menge und H. Conwentz;
mit 16 Tafeln. 2 Bde. Danzig u. Leipzig 1883 und 1886.
H. Conwentz, Mono-
graphie der baltischen Bernsteinbäume; mit 18 Tafeln. Leipzig 1890. R. Lepsius , Geologie von Deutschland. II.
30
Der Untergrund der norddeutschen Diluvialdecke.
466
das Harz von Pinites succinifera Goepp., einem Nadelholz, welches unseren Kiefern oder Tannen nahe steht¹). In den tieferen Schichten der Grünsande Ost- und West-
preußens liegen einzelne dünne Lager von Phosphoritknollen
(23-26 % Phosphorsäure) ; solche Knollen wurden durch Zerstörung der oligocänen Stufe massenhaft im glazialen Diluvium der dortigen Gegenden sekundär verbreitet. In der Provinz Posen von der Netze bei Driesen und der Warte bei Birnbaum an über die Weichsel fort bis in das südliche West-
preußen bei Thorn und Graudenz hinein wird die miocäne Braunkohlenformation bedeckt von dem >Posener Ton , einem hellgrauen, zuweilen gelb und rot (>Flammenton ) gefärbten, fetten Ton, in dem untergeordnet Sand- und dünne Braunkohlenbänke einlagern ; 60 bis 80 m mächtig.
Nach A. Jentzsch soll diese Tonformation in ausge-
dehnten Süßwasserseen abgesetzt worden sein; ob dieselbe noch in die miocäne oder aber in die sonst im norddeutschen Tieflande unbekannte
pliocäne Stufe gehört, läßt sich nicht entscheiden, da bisher Fossilien fehlen.
Der nördliche Teil von Mecklenburg und von Vorpommern, sowie die dänischen Inseln und Skandinavien mit Bornholm waren zur mio-
cänen Zeit Kontinent, um dessen Südufer das norddeutsche miocäne
Meer mit seinen nach Süden bis zum Gebirgsrande hineinreichenden sumpfigen Lagunen von Holstein durch die Mark Brandenburg in die Provinzen Posen und Preußen herumzog. Die miocänen Braunkohlen Norddeutschlands sind demnach in einer ähnlichen Grabensenkung zwischen zwei Gebirgsrändern zur Ablagerung gelangt wie etwa die pfälzischen oder die belgisch-westfälischen Steinkohlenmulden. b) Kreideschichten.
Wie weit die Untere Kreide, welche wir im südlichen Hannover und am Harzrande kennen lernten, nach Nordosten oder Osten ging, wissen wir nicht genau. Blätterige Kohlenschiefer und fette Tone mit Cyrenen, Kalksandsteine und Toneisensteine, deren Fossilien der Wealdenstufe angehören, finden sich als Geschiebe im Diluvium noch
in Mecklenburg und Vorpommern. An der Greifswalder Oie und in Bohrungen bei Greifswald wurden Sande, Tone und Kalksteine ca. 30 m mächtig mit einer Gaultfauna angetroffen2). Im übrigen norddeutschen Tieflande ist jedoch untere Kreide nicht bekannt geworden. Dagegen breitet sich nun die obere Kreide durch ganz Norddeutschland unter den tertiären und diluvialen Ablagerungen aus: vom Niederrhein und aus der westfälischen Bucht her bis nach Königsberg und Tilsit und bis auf die südlichen Gebirgsränder haben die
meisten Bohrlöcher die Stufen der oberen Kreide, Cenoman, Turon 1) Der Gattungsname dieser Konifere bleibt zweifelhaft, weil das Holz, in
welchem sich die Bernsteinharzgänge finden, nicht charakteristisch genug für Pinus, die Kiefer, Picea, die Fichte, oder Abies, die Tanne, spricht; siehe H. Potonié. Lehrbuch der Pflanzenpaläontologie, S. 314. Berlin 1899. 2) W. Deecke, Pommern, S. 64. 1907
Kreideschichten.
467
und Senon angetroffen: in den westlichen Gebieten der hercynischen Schollenbrüche oft durchragt von den älteren Schichtensystemen oder über denselben zur Tertiär- oder Diluvialzeit zerstört; in den östlichen
Gebieten in großen zusammenhängenden Tafeln bis nach Polen und nach Südrußland hinein. Wir haben bereits oben diese große Transgression der oberen Kreide in Europa und Westasien erwähnt. Die Gliederung der oberen Kreide im norddeutschen Tieflande
sei hier kurz angeführt : 1. Cenomane Stufe : im Westen Mergel, im Osten merglige Grünsande; Belemnites ultimus d'Orb; Aucella gryphaeoides Sow. , Terebratula semiglobosa Sow. 8-10 m mächtig. 2. Turone Stufe.
a) Unterturone graue Kalkmergel mit Pyrit (ohne Feuersteine). Foraminiferen ; Inoceramus labiatus Schlth., Acanthoceras Woolgari Mant., Micraster breviporus d'Orb . 50-60 m mächtig.
b) Mittelturone kieselige, graue Kalkmergel. Kieselspongien ; Feuersteine. Oft geflammt. Ananchytes striatus Gldf. Inoceramus Brongniarti Sow. 20-30 m mächtig. c) Oberturone weiße bis hellgraue kieselige Kalkmergel; viele plattige, fleckige, meist hellgraue Feuersteinknollen aus Nadeln von Kieselspongien hervorgegangen ; auch Radiolarien: Stylodictya Haeckelii Zitt.
In den großen Gruben der Zementfabriken bei StettinFinkenwalde, zum Teil als verstauchte Schollen im Diluvium.
Inoceramus Brongniarti Sow. Micraster breviporus d'Orb. Rhynchonella Cuvieri Sow. 30-40 m mächtig. 3. Senone und dänische Stufe.
a) Untersenone Grünsande und kieselige Kalke und Mergel; Kieselspongien. Actinocamax westfalicus Schlüt. , granulatus Blainv. und quadratus Blainv. (Emscher und Quadratenkreide). 80-100 m1). b) Obersenone weiße Kreide von Pommern und Rügen (Halbinseln Jasmund und Arkona) mit regelmäßig alle paar Meter durchziehenden Reihen von schwarzen Feuersteinknollen, aus
Kieselspongien entstanden.
(Diese Feuersteine sind im
glazialen Diluvium Norddeutschlands überall verbreitet.) An der Luft feste Kalkmergel; schlammig zerfallend. Über 130 Arten von Foraminiferen der Gattungen Nodosaria,
Polymorphina, Textilaria, Globigerina u. a. und 225 Arten von Bryozoen (Stromatopora, Ceriopora, Eschara u. a.) beschrieben. Ananchytes ovata Lam., Echinoconus vulgaris Lam. Terebratula obesa Sow., Ter. carnea Lam., Rhyncho1) In einem Bohrloche bei Danzig mit 106 m noch nicht durchsunken
A. Jentzsch, Der erste Untersenonaufschluß in Westpreußen , S. 372. Jahrb . preuß. geol. Land.-Anst. Bd. 26. Berlin 1908.
Der Emscher Schlüters = Unter-
senon ist auch in Westfalen etwa 100 m mächtig. 30*
Der Untergrund der norddeutschen Diluvialdecke.
468
nella octoplicata Lam. Gryphaea vesicularis Lam.
Spon-
dylus hystrix Gldf. Inoceramus Crispii Mant. Belemnitella mucronata Schlth. ( Mucronatenkreide niederländische oder erzgebirgische Richtungen finden wollte, die er sogar auf die Küstenlinien der Ostsee übertragen hatte. Die niederrheinische Faltung hat in der Zeit zwischen Unter- und
Oberkarbon stattgefunden, und kann daher von derselben in späteren geologischen Zeiten nicht mehr die Rede sein. Wir sehen dieselbe wirksam in der starken Zusammenfaltung der Cambrium-Silur-Devonstufen in der Lysa Gora, dem bis 612 m hohen Gebirge im südlichen Polen zwischen Kjelzy und Sadomir an der oberen Weichsel. Diese Silur- und Devonschichten der Lysa Gora streichen allerdings von SO nach NW : aber wenn wir dieses präkarbonische Faltengebirge der Lysa Gora als ein hercynisches bezeichnen wollten, so würden wir in den Fehler Elie de Beaumonts verfallen, der alle Gebirge für gleichzeitig entstanden erklärte , welche äußerlich parallel miteinander ver-
laufen. Die Trias lagert flach und diskordant über dem altpaläozoischen Faltengebirge, welches das östlichste Ende des niederrheinischen Schiefergebirges darstellt.
Die Lagerung der älteren Schichtensysteme.
473
Im schroffen Gegensatz gegen dieses östlichste Ende des nieder-
rheinischen Faltengebirges, der Lysa Gora, stehen die flach über ungeheure Landflächen ausgebreiteten Cambrium-Silur-Devonstufen von Rußland ; von Kur- und Livland bis nach Podolien, bis an den Ural und bis an das Weiße Meer breiten sich diese altpaläozoischen Schichtentafeln ohne jede Faltung, nur von Verwerfungen durchquert, schwebend über viele tausend Quadratmeilen Landes aus , zum Teil nur von Diluvium bedeckt¹). Indem die hercynischen Schollen der permo-mesozoischen Schichtensysteme vor der russischen Tafel angestaut wurden, ist auch das niederrheinische Faltengebirge in seinem letzten Endgliede, in der Lysa Gora, nach Südosten herumgebogen worden gerade wie die niederschlesischen und sudetischen Falten der Cambrium- Silur-Devonschichten bereits von der Lausitz an nach Südosten um die böhmische
Masse herumbiegen und dadurch ein südöstliches Streichen erhalten haben.
Daß die diluvialen Uferlinien der Ostsee mit ihren tiefen Meeres-
buchten und Haffs von den niederrheinischen oder von den hercyni-
schen Gebirgsbewegungen beherrscht worden seien, ist eine Behauptung, welche zuerst von K. Lossen (a. a. O. S. 734. 1879) ausgesprochen und danach von A. Jentzsch, H. Haas, F. Wahnschaffe, W. Deecke und anderen wiederholt worden ist. Dagegen muß ich nochmals betonen, daß die niederrheinischen Faltengebirge vor dem Obercarbon, daß die hercynischen Schollenbrüche vor dem Tertiär, und daß die alpinen Bewegungen vorwiegend im Miocän entstanden also längst vor dem Diluvium. Die diluvialen Aufschüttungen des norddeutschen
Tieflandes mit ihren unregelmäßigen glazialen Aufschüttungen sanken ab unter den Meeresspiegel der Nord- und Ostsee infolge der allgemeinen Absenkung von Nordeuropa am Ende der diluvialen Eiszeit; die beiden Meere drangen ganz beliebig ein in die zufällig entstandenen oberflächlichen Senken und Taltiefen der mächtigen glazialen Schutt-
massen. Dazu muß bedacht werden, daß die diluvialen Schuttmassen
in Norddeutschland auf einem außerordentlich unebenen Untergrunde in den Gebieten lagern, in welchen tertiäre Ablagerungen fehlen also gerade in den norddeutschen Küstengebieten. Die Absenkung Nordeuropas am Ende des Diluviums will ich die >>Baltische Senkung nennen, damit auch ein Name diese Bewegung
unterscheidet von den viel älteren niederrheinischen, hercynischen und alpinen Gebirgsbewegungen in Mitteleuropa. 1) Mit Erstaunen haben die westeuropäischen Geologen , welche an dem VII. Internationalen Geologenkongreß in Rußland teilnahmen, die weichen, grünlichgrauen Tone des Cambriums bei Petersburg und Reval betrachtet : solche plastischen Tone gibt es nicht bei uns im gefalteten Gebirge. Selbst unsere Opalinustone des Dogger in der schwäbischen Tafel sind nicht so weich wie diese cambrischen Tone im Pawlowsker Bachtale bei Tsarskoje Selo südlich Petersburg. Jedenfalls ist die Oberfläche dieser ca. 100 m mächtigen cambrischen Tone bei Petersburg und an der Estländischen Küste zur diluvialen Eiszeit durch Schmelzwasser und wechselnde
Temperaturen so stark erweicht und durchfroren worden; durch den Druck der mächtigen Last der jüngeren Schichtensysteme, welche einst über diesen cambrischen Tonen lagerten, mußten auch sie früher fest zusammengepreßt liegen.
474
Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
2. Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande. Eine gewaltige Schuttdecke breitet sich über den älteren Schichten-
systemen in Norddeutschland aus von den Niederlanden bis nach Rußland hinein. Sie besteht aus verschiedenartigen Materialien; vorwiegend aus den Grundmoränen der Eiszeit, deren Teile von dem skandinavischen Eise mitgeschleppt und abgelagert wurden, und aus Sanden und Kiesen, abgesetzt von den aus den Eisfeldern ausfließen-
den Schmelzwassern. Das Material der Grundmoränen nennen die nord-
deutschen Geologen >> Geschiebemergel
oder Geschiebelehm ; es ist
in frischem Zustande ein dunkelgrauer, sandig-toniger oder lehmiger Mergel, ungeschichtet, erfüllt mit außerordentlich vielen kleinen und großen > Geschieben , das sind wirr liegende, eckige oder kantenabgerundete oder auch stark abgerollte Gesteinsstücke, oft mit Gletscherschliffen oder mit Schrammen und Kritzen versehen; es gibt erratische
Blöcke im norddeutschen Tieflande, welche so groß wie ein kleines Haus sind, mehrere tausend Zentner wiegen und 5-10 m Durchmesser besitzen 1). Der norddeutsche Geschiebemergel gibt einen guten Nährboden ab , da er petrographisch mannigfaltig zusammengesetzt und wasserhaltig ist; ihm verdanken vor allem Mecklenburg, Pommern und Preußen ihren fruchtbaren Boden. Immer wieder neue Steine wachsen
aus diesem Geschiebemergel heraus, welche möglichst ausgelesen und an dem Ackerrande aufgehäuft werden. Diese nordischen Findlinge liefern neben den künstlichen Ziegelsteinen dem Tieflande den Hauptbaustein: die Mehrzahl der alten Kirchtürme in den norddeutschen Dörfern und die Kirchhofsmauern sind aus skandinavischen Ge-
steinen, hauptsächlich aus Granit erbaut. Indessen wiegt in der Grundmoräne meist der graue feinerdige Mergel an Masse über die Geschiebe vor. Nur die mächtigen Blockwälle der langgezogenen Endmoränen enthalten weniger feinerdiges Material, mehr Sand und Kies. Obwohl innerhalb der Geschiebemergel häufig Geschiebesande einlagern
oder Sand- und Kiesrücken (>Åsar ) auf den flach ausgebreiteten Grundmoränen aufsitzen, finden sich doch die größten Sandflächen außerhalb der Erdmoränenwälle, aus deren Pforten die Schmelzwasser ungeheure Sandmassen ausspülten und über große Landstrecken auswarfen. Solche tiefsandige Landrücken wie die Zauche zwischen Lehnin
und Beelitz und der Fläming in der südlichen Mark mit ihren unendlichen Kieferwäldern und Heiden, auf denen nur wenige Wohnstätten an breiten Sandwegen liegen, verschafften der Mark Brandenburg den Namen der Sandbüchse des deutschen Reiches. >
Aufmeiner geologischen Übersichtskarte, die uns hier als Grundlage für das norddeutsche Tiefland dienen muß, läßt sich die mannigfache Bodengestaltung der Mark oder aller anderen diluvialen Gebiete des Tieflandes, so von Schleswig-Holstein oder Ost- und Westpreußen er 1) Die mächtige Schale aus rotem schwedischen Granit , welche Friedrich Wilhelm III. vor dem alten Museum im Lustgarten zu Berlin 1827 aufstellen ließ, ist die losgesprengte, 1600 Zentner schwere Hälfte des größeren der beiden ›Markgrafensteine . Findlinge aus den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde an der Spree oberhalb Berlins ; F. Wahnschaffe, a. a. O. 1909, S. 140.
Das diluviale Eisfeld.
475
kennen und beurteilen. Durch die grünen und dunkelgrünen Farben, welche ich auf meiner Karte den Talniederungen zwischen den diluvialen Hochflächen gegeben habe, treten deutlich die >Urströme« und die Absätze der vor dem zurückweichenden Eisrande gebildeten Staubecken hervor. Ebenso sind die riesigen Moorflächen durch bräun-
lichgrüne, dunklere Farben hervorgehoben, besonders auf den Blättern Emden und Hamburg. In diesen Gegenden von Ostfriesland, Oldenburg und dem nördlichen Hannover ist in den letzten Jahren begonnen worden, diese großen niedersächsischen Moore für die Landwirtschaft
nutzbar zu machen; so soll das Königsmoor zwischen Lauenbrück und Tostedt in der Lüneburger Heide urbar gemacht, auch die Moorversuchs-Station Bremen dorthin verlegt werden.
Ich habe nicht die Absicht, hier in die nähere Beschreibung der Oberflächengestaltung des norddeutschen Tieflandes näher einzugehen, da ich nur wiederholen müßte, was Felix Wahnschaffe in seinem vortrefflichen Werke über diese Gebilde mit vielen instruktiven Bildern
bereits geboten hat¹). Ich setze vielmehr die Kenntnis der Einzel-
formen des norddeutschen Schuttlandes voraus und bespreche hier nur die Hauptsachen, sowie die genetischen Grundlagen der Eiszeit. a) Das diluviale Eisfeld.
Die norddeutsche Eisbedeckung läßt sich viel passender mit der
Ausbreitung der Gletscher zur Diluvialzeit in den Alpen und in den Alpenvorländern vergleichen als mit dem sogenannten »Inlandeis Inlandeise gesprochen. Es ist nicht bewiesen, daß die skandinavischen Gebirge zur Eiszeit so hoch mit Eis überdeckt gewesen wären, daß wie im Innern von Grönland kein Berg und kein Fels über die Oberfläche der Eisdecke zutage trat, und daß infolgedessen keine Seiten- und Mittelmoränen entstehen konnten, sondern daß die ungeheuren Schuttmassen nur eingewickelt in die unteren Teile der Eiskalotte von Skandinavien nach Norddeutschland und Rußland
transportiert worden seien. Auch die Mächtigkeit des sogenannten Inlandeises wurde durch Vergleich mit Grönland stark übertrieben³) . 1) F. Wahnschaffe, Die Oberflächengestaltung des norddeutschen Flachlandes ; auf geologischer Grundlage dargestellt; mit 24 Beilagen und 39 Textbildern. 3. Auflage. Stuttgart 1909. Daselbst ist auch die bereits sehr große Literatur über die quartären Bildungen des norddeutschen Tieflandes angegeben. 2) Am Chasseron, westlich über dem Neuenburger See (432 m), liegen die erratischen Blöcke aus dem Wallis bis 1450 m hoch über dem Meere.
3) F. Wahnschaffe, a. a. O. S. 95, rechnet eine Maximaleisdicke im Gebiete der Ostsee von nicht weniger als 4000 m heraus mit 320 Atmosphären Druck.
Vergl. dagegenE. Schwarz, Geolog. Magazin, S. 120-124, 1906, welcher berechnet, daß die Inlandeisdecke in Nordamerika nicht dicker als 1600′ = 487 m gewesen sein kann.
476
Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande. Vor allem aber besteht zwischen Grönland und Norddeutschland
der große Unterschied, daß das > Inlandeis auf der Insel Grönland ein augenblickliches Stadium einer Eisbedeckung ist während die diluviale norddeutsch-russische Eisbedeckung eine sehr lange Zeit ge-
dauert und infolgedessen das norddeutsche Diluvium wie jeder andere Zeitabschnitt der Erdgeschichte eine Entwicklung durchgemacht hat: die Ergebnisse vieler Entwicklungsstadien der langen Eiszeit sehen wir in Norddeutschland vor uns; dagegen in Grönland nur ein einziges Stadium.
Die Vereisung von Nordeuropa begann mit der Firn- und Gletscherbildung auf den höchsten Teilen der skandinavischen Hochgebirge,
wahrscheinlich schon zur pliocänen Zeit.
Die Gletscher flossen in
den bereits vorhandenen Tälern der Hochgebirge nach Norden ab bis
in die jetzt unter den Meeresspiegel getauchten norwegischen Fjorde, und nach Süden in Tälern, die auf der schwedischen Abdachung und in dem jetzt unter den Spiegel der Ostsee getauchten Absenkungen lagen; die Alandsinseln waren damals ein Gebirge mit vielen BergSpitzen. Gerade wie jetzt in den Alpen stürzten die Felsblöcke und ab-
bröckelnden Gesteinsmassen von den Berghängen herab auf die in den Tälern fließenden Gletscher : es entstanden Seiten- und Mittel-
moränen, und aus diesen gewaltige Stirnmoränen. Dazu bildeten sich aus dem durch die Gletscherspalten durchfallenden und aus dem mitgeflößten Schutte die Grundmoränen. In diesem sehr langen Stadium des Vorrückens der skandinavischen Gletscher werden sich die verschiedenartigen Gesteine der Hochgebirge
in den Moränenzügen ebenso voneinander getrennt gehalten haben wie in der Schweiz; d. h. die erratischen Blöcke besitzen eine be-
stimmte lokal gesonderte Verbreitung. Je weiter nach Süden und Südwesten sich nun die Eisbedeckung
in Norddeutschland ausdehnte, je flacher das überströmte Land wurde, und je weiter sich die Eismassen von dem skandinavischen Hochgebirge entfernten, um so mehr werden die oberflächlichen Moränen verschwunden und die Gesteinsmaterialien wesentlich als Grundmoränen
abgelagert worden sein. Wir finden daher vom baltischen Höhenzuge an nach Süden bis auf die mitteldeutschen Gebirgsränder immer weniger Wälle aus nordischen Blöcken, oder Seiten- und Stirnmoränen, sondern vorherrschend Grundmoränen . ich Beim Rückzuge der Eisbedeckung aus Norddeutschland nehme mit Eugen Geinitz nur eine einzige Eisfluth , nicht mehrere -
Eiszeiten an
-
blieb der südliche Eisrand sehr lange Zeit in den
Gegenden stehen, durch welche jetzt von Holstein her durch Mecklenburg, Pommern, West- und Ostpreußen der sogenannte baltische Höhenrücken zieht : eine echte Moränenlandschaft mit ihren mächtigen, in langen Linien und Bogen durch das Land streichenden Blockwällen,
echten Stirnmoränen, mit ihren Sandabdachungen ( > Sandar SandrErosion Drift« und sind immer noch zweifelhaft, ob die skandinavischen Geschiebe nicht zu 12) ihnen durch schwimmendes Eis über das Meer getragen wurden2) so groß ist noch jetzt der Einfluß von Charles Lyell, dem Vater der Drifttheorie.
In den Niederlanden 3) verbreitet sich zwischen den vorherrschen1) A. Penck erklärt z. B., daß der Bodensee durch Erosion des Rheingletschers ausgekolkt worden sei, trotzdem die Längsausdehnung des schwäbischen Meeres gemengtes Diluvium, d. h. Sande und lehmige Sande mit Geröllen aus dem niederrheinischen Schiefergebirge und den Ardennen , gemischt mit je weiter nach Süden um so mehr an Zahl abnehmenden nordischen Geschieben.
Einzelne skandinavische Blöcke wurden noch in
den diluvialen Sanden der belgischen Campine östlich von Antwerpen gefunden. Auch den deutschen Niederrhein überschreiten die nordischen Ge-
schiebemergel nicht. Jedoch liegen auf dem Hochgestade von Krefeld über Xanten bis Kleve in den diluvialen Sanden einzelne, zuweilen metergroße skandinavische Blöcke ; der südlichste Punkt ist Tönisberg zwischen Krefeld und Mörs ; zahlreich sind die nordischen Blöcke in
dem am weitesten nach Norden gelegenen Reichswalde bei Kleve und Nijmegen gegenüber von Arnhem. Die skandinavischen Gletscher hatten also in den Niederlanden bis herauf an das Schiefergebirge das jetzige Rheintal nicht überschritten. Auch im nördlichen Holland ist die Eisbedeckung nur von kurzer Dauer gewesen , da die Grundmoränenreste unbedeutend sind. Wie wir oben erwähnten , kommen in diesem Geschiebemergel von Drenthe und Oberissel Geschiebe von Schonenschen Basalten vor, so daß also ein Gletscherstrom aus Südschweden bis an den Rhein bei Arnhem zur Haupteiszeit einen Weg von mehr als 700 km zurückgelegt hatte.
Die breite Niederung der heutigen Maas-Rheinmündungen ist erst seit der jüngeren Diluvialzeit eingeschnitten worden in die fluvioglazialen Ablagerungen : der Xanten-Klevener Höhenrücken¹) war vorher offenbar mit der Hettenheuveler Insel (105 m) und über Rhein und Ijssel mit den Arnhem-Utrechter Hochflächen verbunden. Der Rhein muß zur Zeit der größten Ausdehnung der nordischen Eisbedeckung seinen Lauf von Düsseldorf an nach Westen über Neuß zur Maas
und mit der Maas durch die Campine zur Scheldemündung bei Antwerpen genommen haben. Denn die nordischen Geschiebesande hätten nicht den Rheinstrom überschreiten können, wenn er seinen jetzigen Lauf gehabt hätte.
Schließlich flossen diese Flüsse weiterhin durch
den Kanal, dieses alte Flußbett zwischen Frankreich und England, in den atlantischen Ozean. Denn zur Haupteiszeit war die Nordsee ein vom nordischen Eise bedeckter Kontinent.
Von der westfälischen Ebene wurde die Eisdecke abgehalten durch die vorliegende Mauer des Teutoburger Waldes ; im Münsterer Becken fehlt der Geschiebemergel; jedoch finden sich in den fluvioglazialen Sanden, welche hier über den Kreidemergeln ausgebreitet sind, häufig nordische Geschiebe, vor allem die Feuersteine. Je mehr 1) Vergl. meine geologische Karte des Deutschen Reiches, Blatt Münster.
Der Südrand der nordischen Eisbedeckung.
483
wir uns dem Südrande des Teutoburger Waldes nähern, um so mächtiger werden die diluvialen Sandmassen, bis wir in der Senne und von der Senne bis zur Ems die richtigen Sandar« , oberflächlich oft zu Dünen aufgeweht, sich über große Flächen Landes ausbreiten sehen. Und da erblicken wir auch schon die »Dören , die Tore, aus denen die hinter der Gebirgsmauer stehenden nordischen Gletscher ihre Schmelzwasser in die westfälische Ebene ergossen haben: die Tal-
engen gen bei Iburg, Borgholzhausen und Halle, der Engpaß bei Bielefeld, die Dörenschlucht, die Externsteine am Ausgang der großen und kleinen Egge gelegen und andere Schluchten, durch welche jetzt keine Flüsse fließen , sind zur Haupteiszeit entstanden, erodiert durch die aus dem Eisrande ausfließenden Gletscherströme. Daher liegen in diesen Sandar der Senne die in großer Menge mit Sanden geflößten nordischen Geschiebe, vor allem die Flintsteine aus der weißen Kreide vom südlichen Schweden und den dänischen Inseln.
Hinter dem Gebirgswall des nördlichen Teutoburger Waldes von Detmold an treffen wir unter der Lößdecke vielorts die echten Ge-
schiebemergel, besonders in der Herforder Mulde. Auf dem Kohlensandstein des Piesberges bei Osnabrück sind an einigen Stellen unter Lehmbedeckung Rundhöcker und Gletscherschrammen erhalten, in der Höhe von 180 m über NN; die Schrammen verlaufen von Nord nach
Süd, einige habe ich mit S 10° W gemessen. Die Mächtigkeit der von Nordosten her vordringenden Gletscher kann nicht groß gewesen sein: denn das 260-330 m hohe Wiehegebirge wurde nicht vom Eise überschritten; vielmehr bildete die Weserkette im ganzen einen unübersteigbaren Wall gegen das Eis, einen Wall, in den die Schmelzwasser ebenfalls wie durch den Teutoburger Wald Schluchten, jetzt Trockentäler eingeschnitten haben. Daher die verstauchten und mit nordischem Kies gemengte Ober-
fläche der Wealdentone bei Bückeburg 1) : die Eismauer staute sich empor an dem Nordrande der Weserkette, konnte sie aber nicht übersteigen. Nur durch die tiefe Talfurche der Porta westfalica, bereits vor
der Diluvialzeit von der Weser eingeschnitten , flutete das Eis hinein in die Herforder Mulde und breitete sich flach aus bis auf die Süd-
mauer des Teutoburger Waldes. Dieser Portagletscher hat oberhalb Hausberge eine typische Moränenlandschaft von 34 qkm Fläche hinterlassen, Moränen voller einheimischer und nordischer Geschiebe²). Der Eiswall hatte die Weserzuflüsse angestaut zu einem »Rinteler Stausee , dessen Terrassen bis 100 m über Meer ansteigen, also ca. 50 m über Weserspiegel. Der Abfluß des Stausees und der Weser konnte nicht durch die mit Eis verstopfte Porta gehen, sondern mußte nach Westen durch das jetzige Werre-Elsetal zur Hase und Ems hinüber entweichen. Östlich der Porta schneiden in die Jurakette zwei Dören ein, bei 1) E. Harbort, Die Schaumburg-Lippesche Kreidemulde. N. Jahrb. Min. 1903, I , S. 90.
Stuttgart.
2) H. Spethmann, Glaziale Stillstandslagen im Gebiet der mittleren Weser.
Mitt. geograph. Ges. Lübeck Bd. 22. 1908. 31*
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Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
Klein-Bremen und Steinbergen - eingefurcht von den aus dem Eis-
wall überlaufenden Schmelzwasser, ähnlich wie im Teutoburger Walde. In der Rückzugsperiode des Eises blieb der südliche Rand der Gletscher 35 km nördlich der Porta längere Zeit stehen und häufte
die Endmoränen auf , die sich von Liebenau und Nienberg an der Weser östlich bis über die Leine nördlich der Stadt Hannover und
bis über Oker und Aller bei Gifhorn in Hügeln durchziehen. Diese Blockwälle enthalten neben einheimischen (z. B. Buntsandstein) viele nordische Geschiebe.
Das » Steinhuder MeerFeuerstein aus der baltischen Kreide< ; nirgends erwähnt er echten Geschiebemergel. Auf den Südostharz dürften die nordischen Geschiebe aus der
großen Eisbucht des Saaletales durch Gletscherzungen hinaufgeschoben worden sein; es werden sich auch wohl noch Reste von Geschiebe-
mergel vorfinden, deren Massen ja gewöhnlich versteckter liegen, z. B. unter Moor und Heide.
Jedenfalls sind die sichtbaren Geschiebe auf
dem Südharze durch Zerstörung von Geschiebemergeln liegen geblieben oder durch Schmelzwasser transportiert. Im Saaletale selbst kennt man bisher Reste von nordischen Ge-
schiebemergeln auf den Talterrassen unterhalb Jena in 210-250 m Meereshöhe. Je weiter nach Norden im Saaletale um so mächtiger
werden die Geschiebemergel – in der Gegend von Merseburg und Halle 10-20 m mächtig. Fluvioglaziale Sande und Schotter, auch in Moränenseen abgelagerte sogenannte Bändertone lagern in diesen
Gegenden zwischen mehreren, in den einzelnen Profilen übereinander folgenden Geschiebemergeln2). Die glazialen Ablagerungen gliedern sich in dieser weiten Saalebucht zwischen Weißenfels, Merseburg,
Leipzig um so mannigfaltiger, als hier am Südrande der nordischen Eisbedeckung die Gletscherzungen wiederholt vorwärts und rückwärts pendelten vielleicht sogar schon mit dem Sommer und Winter - , und diese Bewegungen im Oszillationsgebiete des Eises längere Zeiten angedauert haben werden.
Wir müssen bei allen diesen Diluvialprofilen stets bedenken, daß wir in jedem Aufschluß nur immer an einzelnen, voneinander örtlich getrennten Punkten den Wechsel von Sanden, Granden, Geschiebemergeln sehen, daß es aber falsch wäre, diese verschiedenen Lager über größere Flächen Landes durchzuziehen und eine horizontale Ver-
breitung zu geben, als ob wir uns in den marinen, fossilreichen Juraprofilen in der schwäbischen Alp befänden. Daher wird das Bild falsch, und die Auffassung unrichtig, wenn man viele verschiedene Diluvialprofile kombiniert, und daraus eine Gliederung des Quartärs 1) K. Lossen , Der Boden der Stadt Berlin , S. 728. Berlin 1879. Damals glaubte K. Lossen noch an eine »Drift , eine Wasserflut, auf welcher Eisberge schwammen und die nordischen Gesteine von Skandinavien bis auf den Südharz
trugen.
2) Unter der vortrefflichen Führung der preußischen Landesgeologen L. Siegert,
W. Weißermel, E. Naumann und E. Picard lernte ich die reichgegliederten Diluvialterrassen im Saaletal zwischen Jena und Merseburg im September 1908 kennen, Exkursionen, welche von der Direktion der kgl. preuß. geol. Landesanstalt angeregt worden waren.
Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
486
konstruiert, wie sie z. B. F. Wahnschaffe (a. a. O. 1909, S. 243) für die Saalebucht anführt.
In diesem Schema werden fünf Geschiebe-
mergel und eine größere Anzahl von Sanden, Schottern, Bändertonen voneinander zeitlich geschieden in: präglazial, erste, zweite und dritte Eiszeit , zwei Interglazialzeiten usw., alles nach einzelnen Lokalprofilen. Wir werden darüber unten noch weiter zu sprechen haben. Die Grenzen, bis zu denen der Saalegletscher im Flußgebiete der Unstrut (etwa bis gegen Erfurt und Gotha) in der Haupteiszeit vorgedrungen war, sind bis jetzt nicht bekannt, da die preußischen geologischen Spezialkarten der thüringer Mulde älter sind als die Glazialforschungen. Auch hier werden die > Sandar Geschiebelehmen und gemischt mit Muldeschottern, in Meereshöhen von 315-340 m. Aber eigentliche Grundmoräne steht so weit
südlich nicht mehr an; immer sind es nur die Schmelzwasser, welche die nordischen Geschiebe
vor allen die Feuersteine in sehr vielen
kleinen, aber auch in faust- bis kopfgroßen Stücken
vom Eisrande
und aus den Moränen weiter nach Süden verschleppten. Im Elbetal stieß das Eis über Meißen, Dresden und Pirna hin-
auf bis nach Schandau ; doch ragten die hohen Quadersandsteinberge, z. B. Lilienstein (411 m), Königstein (361 m), weit über die Eiszungen empor. Die Nieder- und Oberlausitz bis über Kamenz und Bautzen hinauf waren vom Eise bedeckt. Daß diese Zeit der größten Ausdehnung der Gletscher nicht lange gedauert hat, erkennen wir an dem
völligen Mangel an Blockwällen und Stirnmoränen, sowie an der geringen Mächtigkeit der Grundmoränen (Geschiebemergel) in diesen südlichen Gegenden ³) . 1) E. Wüst, Untersuchungen über das Pliocän und das älteste Pleistocän Thüringens nördlich vom Thüringer Walde und westlich von der Saale: mit 9 Tafeln. In dieser vortrefflichen AbAbh. d. nat. Ges. Halle Bd. 23. Stuttgart 1900.
handlung gibt der genaue Kenner des nordthüringischen Diluviums als Grenze des Vorkommens nordischen Gesteinsmaterials an (S. 18) : von der Gegend zwischen Dingelstedt und Mühlhausen nach dem Nordabfall des Hörselberges hin, von da über Gotha und Erfurt zwischen diesen beiden Orten nach Süden ausbiegend und zwischen Weimar und Berka hindurch über Magdala nach der Gegend von Jena .
Dazu muß bemerkt werden, daß diese Linie nicht dem ehemaligen Eis-
rande entspricht, sondern nur den fluvioglazialen Ablagerungen außerhalb der Gletscher. Die Höhe der genannten Ortslinie liegt in 200-300 m über dem Meere. 2) Aufder geologischen Übersichtskarte des Königreichs Sachsen von H. Credner (Leipzig 1908) ist mit einer blauen Linie die Südgrenze der nordischen Geschiebeverbreitung eingezeichnet; mit einer roten Linie auf der internationalen geologischen Karte von Europa.
3) Man hat in der Regel die Denudation für diesen Mangel verantwortlich
gemacht. Indessen gilt dies nicht für diejenigen Geschiebemergel, welche unter
487
Der Südrand der nordischen Eisbedeckung.
Nördlich vom Isergebirge drang eine nordische Gletscherzunge das Neissetal hinauf bis in die Zittauer Mulde : in der Umgegend dieser Stadt sieht man 2-3 m und 5-6 m mächtige Geschiebemergel
und grandige Kiese, reich an kleinen, oft auch kopf- bis metergroßen Geschieben , die teils aus der nördlichen Lausitz , teils aus Skandinarannd1). stand hier offenbar bis an die Quadersandsteine, vien Der hersta Eismme wie sie senkrecht aufgerichtet neben dem Granit an der Lausitzer Hauptverwerfung stehen. Die starke Zerschlitzung des Sandsteingebirges bei Jonsdorf, Oybin, Lückendorf, Pankraz dürfte vorwiegend von der Erosion der Schmelzwasser herrühren , die hier durch die Quadersandsteinmauern nach Süden aus dem Gletscherrande ausflossen . Das scharf eingeschnittene Tor des niedrigsten Passes, 423 m hoch, zwischen Ketten und Pankraz erinnert in seiner Entstehung an die >>Dören des Teutoburger Waldes : auch hier jetzt ein Trockental, zur Haupteiszeit eingeschnitten von einem dem Gletscherrande entströmenden Flusse , der mit seinen Sanden und Geröllen auch zahlreiche nordische
Geschiebe , besonders Feuersteine, auf das böhmische Land bei Panhtet auc eictte errchü 2) . hier in der Zittauer Mulde der nordische kraz So ausges hath
Gletscher sein Ende durch Stauung vor dem Gebirgswall der Kreidesandsteine , gerade wie im Teutoburger Walde ; wahrscheinlich wurden hier auf der Wasserscheide zwischen der Zittauer Mulde und Böhmen
alle Pässe , die bis 460 m hoch liegen (Zittau 230 m), von den Schmelzwassern eingeschnitten , so daß die Stirn des hinter der Bergwand stehenden Neissegletschers wohl bis 500 m Meereshöhe hinaufreichte . Noch gewaltiger staut sich das Riesengebirge dem Südende des Bobergletschers in der Hirschberger Mulde entgegen. Diese topographisch auffallende Senke ist offenbar ein zwischen sich schneidenden
Verwerfungen abgesunkener Teil des krystallinen Grundgebirges , das aus Gneisgraniten mit Kontaktzonen besteht³); durch die Erosion der Flüsse Lomnitz , Zacken und Bober ist aus dem ehemals vom Diluvium
eingeebneten Hirschberger Kessel eine hügelige Landschaft geworden , über welcher der breite granitische Riesenkamm mit seiner steil aufgesetzten Schneekoppe von metamorphen Glimmerschiefern hoch aufragt 4). dem Löß und Lehm, oder unter und zwischen diluvialen Sand- und Kiesablageichen
gkeit
en
prüngl ansteh . Mächti rungen in ihrer urs S. 1) Th. Siegert , Erläuterung zu Sektion Zittau-Oderwitz. Leipzig 1895. nennt S. 32 von skandinavischen Findlingen: Feuersteine , Dalaquarzite, Elfdaleneer Porphyre , bunte Granite und Gneise, Diorite, Silurkalke und Scolithussandstein . 2) Im September 1893 ging ich dort unter der Führung von Th. Siegert nach Böhmen hinüber zum Jeschken; Sande mit oberflächlich verwehten Dünen breiten sich auf der böhmischen Seite aus, ähnlich wie in der Senne südlich des Teuto-
he
rten
nten
gebirge
isc Spezialka Riesen gibt es von diesem so interessa Geolog ger3)nicWal bur ht ;des ch no E. .Dathe führte mich dort im Jahre 1893. Es liegt nur die alte Karte vom niederschlesischen Gebirge von Beyrich, Rose, Roth und Runge vom Jahre 1860 vor. - Siehe auch : R. Schottky , Die Diluvialablagerungen des Hirschberger luß5 von Zacken und Bober nahe unterhalb Hirschberg 330 m;
u sel4)s Zusammenf
. Bresla 188 . Kes Warmbrunn 351 m; Schmiedeberg 455 m; Riesenkamm 1400 m; Schneekoppe 1605 m über Meer .
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Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
In den Ziegeleigruben an der Stonsdorfer Straße südlich Hirschberg ist die graue , oben braun verwitternde lehmige Grundmoräne
(Geschiebemergel) über 3 m mächtig und sind Bändertone gut aufgeschlossen; zahlreiche nordische, auch schön geschrammte Geschiebe (Granite, Feuersteine) mischen sich mit einheimischen Geschieben der lokalen Gletscher des Riesengebirges ; offenbar ist der ganze Hirsch-
berg-Warmbrunner Kessel mit diesen mächtigen Grundmoränen der Haupteiszeit ausgefüllt.
Oben auf der Höhe des Riesenkammes sind
jüngste Moränenwälle gut erhalten; z. B. am Kleinen Teich
nahe
der Schlingelbaude sind Stirn- und Seitenmoränen-Blöckwälle mit fester Packung zu sehen ; der letzte Wall dicht am Teich. Darüber ragt
in schroffen Felsstürzen des Granites ein gewaltiges Kar auf. Ganz die gleichen Verhältnisse finden wir am nahen Großen Teich und
an den etwas weiter westlich liegenden Schneegruben 1). Zwischen dem Riesen- und Eulengebirge hat sich das skandina-
vische Eis breit hineingelegt in die Carbon-Permmulde von Landeshut-Waldenburg. Der Geschiebelehm mit nordischem Material reicht hier bis auf die Wasserscheide bei Königshan an der böhmischen Grenze in 575 m Meereshöhe (Landeshut 440 m). In der Umgegend von Salzbrunn2) ist der Geschiebelehm , echte graue Grundmoräne, stark verbreitet auf den Kulmgrauwacken, auf Karbon und Granit in 400-480 m Meereshöhe ; er ist durchschnittlich 2-3 m, in Vertiefungen wird er 9 und 14 m mächtig; er zieht sich hinauf bis Dittersbach oberhalb Waldenburg. Als letzte Reste des einst weit über dieses Gebirge ausgebreiteten Geschiebelehms führt E. Dathe (a. a. O. S. 156) eine größere Anzahl von erratischen Blöcken nordischer Granite und
Quarzite an, welche in Höhen von 480-520 m liegen. Endlich hat E. Dathe nachgewiesen, daß eine Zunge des nordischen Eises die Warthaer Neisse hinauf bis in den Glatzer Kessel und bis
nach Möhlten im Steinetal sich geschoben hatte, so daß in der Graf-
schaft Glatz typische Grundmoräne mit geschrammten einheimischen und mit skandinavischen Geschieben und Schotter mit nordischen Ge
1) J. Partsch (Die Vergletscherung des Riesengebirges, mit Karten, Tafeln und Profilen. Stuttgart 1894) bezieht die nur 300-500 m voneinander liegenden Stirnmoränenwälle bei den Schneegruben auf eine erste, zweite und dritte Eiszeit! ebenso bei den Teichen. Diese Moränen auf der Höhe des Riesenkammes gehören
meiner Ansicht nach sämtlich dem letzten Rückzugsstadium der Eiszeit an, während zur stärksten Verbreitung des Eises die Gletscher des Riesenkammes hinabgingen bis in den Hirschberger Kessel und sich dort mit dem skandinavischen Eise trafen;
daher die gemischten (nordisch und lokal) geschrammten Geschiebe in der Grundmoräne bei Warmbrunn-Hirschberg. Die von G. Berendt beschriebenen Gletschertöpfe ( Riesentöpfe , welche auf horizontalen Flächen des Granites am Adlerfels bei Schreiberhau zu sehen sind, liegen in 556 m Meereshöhe. Die genauere geologische Aufnahme wird auch an vielen andern Orten Spuren der einstigen starken Vergletscherung des Riesengebirges nachweisen können. Am Südabhange der Schneekoppe ziehen im Riesengrunde, im Quellgebiete der Aupa, gut erhaltene Stirn- und Seitenmoränen hinab bis in 800 m Meereshöhe .
2) Die einzige Gegend, welche bisher im niederschlesischen Gebirge genau kartiert wurde, und zwar von E. Dathe, unter dessen trefflicher Führung ich dieses Gebirge kennen lernte. Vergl. E. Dathe, Geologische Beschreibung der Umgebung von Salzbrunn; mit einer geologischen Spezialkarte. 2 Tafeln und 4 Profilen. Abh.
preuß. geol. Land.-Anst. N. Folge, Heft 13. Berlin 1892.
Der Südrand der nordischen Eisbedeckung.
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röllen sich erhalten haben. Glatz liegt 294 m hoch; zahlreiche große erratische Blöcke von nordischen Graniten werden noch in Höhen bis
560 m gefunden1). Eine Lößdecke legt sich über die bis 10 m mächtige Grundmoräne im Glatzer Kessel. Die Länge der Gletscherzunge
vom Nordrande des Warthaer Gebirges bis westlich von Glatz , wo noch Grundmoräne ansteht, gibt E. Dathe zu über 20 km an. Ganz Oberschlesien bis an den Nordrand der Sudeten, und Galizien bis an den Nordrand der Karpathen war von dem skandinavischen Eise bedeckt; über die russische Tafel fluteten die Gletscher
bis nach Kiew am Dnjepr als südlichen Punkt. Wo bisher genauere Untersuchungen über die südliche Grenze der Verbreitung des Eises vorliegen, läßt sich erkennen, daß der Rand dieser ungeheuren Eisflut zur Zeit der größten Ausdehnung der Eisbedeckung durchaus kein geschlossener war2); vielmehr drängten sich mächtige Eiszungen überall in die bereits vorhandenen, wesentlich zur pliocänen Zeit entstandenen Gebirgstäler, 20-30 km talaufwärts in die steilrandigen Sudeten und Karpathen noch viel weiter hinauf und viel breiter gelagert, als in den flacheren Talsenken vom südlichen Han-
nover, Braunschweig oder Sachsen. An steilen Gebirgen staute sich die nordische Eisdecke höher an, als in flachen Gegenden: daher fluteten Eiszungen im Riesengebirge oder in der Grafschaft Glatz bis 500 m, ja bis 560 m hoch hinauf, während die Möglichkeit einer breiten Ausdehnung der Gletscher am Niederrhein oder in Hannover
und in Sachsen eine geringere Mächtigkeit des Eises bewirkt haben wird; jedenfalls sind in diesen Gebieten Norddeutschlands die Eiszungen weniger hoch in die Gebirge hinaufgestiegen. Ganz besonders wird die niedrige russische Tafel einerseits eine geringere Mächtigkeit des Eises , andererseits die weite Ausbreitung nach Süden erleichtert haben. Trotzdem ist die Ausbreitung der nordischen Eisdecke in
Europa eine ziemlich gleichmäßige gewesen: denn nehmen wir das Nordende des bottnischen Meerbusens als Zentrum an, so ergibt der Südrand der Eisbedeckung einen Halbkreis, dessen Radien nach Kiew 1) E. Dathe, Über das Vordringen des nordischen Inlandeises in die Grafschaft Glatz in Schlesien. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Bd. 52, Verhdl. S. 68-73. Berlin 1900. E. Dathe veranschlagt die Maximalmächtigkeit des Inlandeises vor dem Warthaer Gebirge auf 400 m. 2 Die Linie der südlichen Grenze der nordischen Eisdecke ist auf der inter-
nationalen geologischen Karte von Europa mit geringer Genauigkeit gezogen ; sie ist in Wirklichkeit viel komplizierter. So hat z. B. neuerdings W. von Lozinski beschrieben, daß in die Sudeten und westgalizischen Karpathen zahlreiche Eis-
zungen (vulgo: Gletscher) 20-30 km weit in die Nordränder dieser Gebirge zur Haupteiszeit vorgedrungen waren also gerade wie in unsern deutschen Gebirgen. W. von Lozinski : Glazialerscheinungen am Rande der nordischen Vereisung ; in Mitt. d. geol. Ges. in Wien , Bd. 2 , S. 162-202. Wien 1909. Kürzlich hat K. Wójcik nachgewiesen, daß in dem bekannten Fundort von Balin bei Krakau in Galizien, der nach F. Roemer. M. Neumayr u. a. eine gemischte Fauna verschiedener
Stufen des oberen Dogger (Bath, Kellaway und unteres Oxford) enthalten sollte, nicht Juraschichten auf primärer Lagerstätte anstehen , sondern diese Jurareste durch das nordische Gletschereis transportiert, verstaucht und zertrümmert worden sind, so daß die gemischte Jurafauna aus dem Eisenbahneinschnitte bei Balin nur gemischt ist, weil sie durch Eistransport auf sekundärer Lagerstätte (über Keuper-
mergeln) lagert. Bull. Acad. des sciences de Cracovie. Cl. math. et nat. juillet 1909. S. 360-371 .
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Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
am Dnjepr, nach Neutitschein in Mähren (Wasserscheide zwischen Oder und March) , nach Antwerpen und zur Ostküste von England ungefähr die gleichen Längen von 1800 km messen.
Diese weiten Wege konnte das plastische Eis natürlich nur dadurch zurücklegen, daß die Firnfelder der diluvialen Gletscher in Skandinavien in einer absolut viel größeren Höhe über dem Ozean lagen, als es jetzt der Fall ist, wo die höchsten Berge im nördlichen Lappmark in Schweden bis 2100 m und auf dem Jötunfjeld in Norwegen bis 2500 m aufsteigen, die höchsten Erhebungen in Finnland kaum 700 m überschreiten. W. C. Brögger nimmt an, daß das skandinavische Hochgebirge zur Haupteiszeit 2000-2600 m höher als jetzt über dem Meere lag. c) Lößablagerungen . Die am Mittel- und Oberrhein so weit verbreitete Lößformation
fehlt vollständig im norddeutschen Tieflande. Dagegen finden wir sie über große Flächen abgelagert auf den nördlichen Gehängen der mitteldeutschen Gebirge und in den flachen Mulden zwischen diesen Gebirgen. Am Niederrhein liegt Löß auf allen Hochterrassen auf und vor den Bergrändern der weiten Kölner Bucht. In der Herforder
Mulde zwischen Teutoburger Wald und Weserkette verhüllt die Lößdecke sowohl die Geschiebemergel, Sande und Schotter des Diluviums, wie die mesozoischen Schichten.
Eine weite Verbreitung besitzt der
Löß in den Bergen des südlichen Hannover und in dem subhercynischen Hügellande bis in die Börde bei Magdeburg; am weitesten ausgebreitet aber liegt er in der Thüringer Mulde zwischen Harz und Thüringer Wald, sowie in der breiten Bucht der Saale und ihrer Zu-
flüsse von Merseburg und Naumburg an über Zeitz und Altenburg nach dem sächsischen Granulitgebirge hinüber; dies letztere Gebirge und die Hochflächen bei Meißen sind von der Lößformation bedeckt.
Auch auf den Nordabhängen der niederschlesischen Gebirge und der Sudeten lagert Löß in vielen Talsenken und Buchten bis in die Grafschaft Glatz hinauf.
Aus dieser kurzen Übersicht der Lößverbreitung¹) ersehen wir, daß die Lößformation sich erstens über sehr weite Bergflächen ausdehnt, und zweitens daß sie im allgemeinen außerhalb der Südgrenze der nordischen Eisbedeckung, aber auch noch innerhalb dieser Grenze im Bereiche der sich bis an den Fuß der Gebirge und bis in ihre Täler hinein schiebenden Gletscherzungen , also im äußeren Oszillationsgebiete des Eises lagert . Der norddeutsche Löß ist ebenso beschaffen und zusammengesetzt
wie der rheinische Löß (Bd. I, S. 225ff. und 657ff.): ein hellgelblichgrauer, feinsandiger Lehm durchzogen von unendlich vielen dünnen Kalkröhrchen.
Auch in Norddeutschland läßt sich nachweisen, daß
der Löß äolischer Entstehung ist: ein vom Winde aus den fluvio1) Die genauere Verbreitung des Löß in Norddeutschland kennen wir noch
nicht, da sich die norddeutschen Geologen bis jetzt wenig mit dem Löß beschäftigt haben.
Lößablagerungen.
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glazialen Sanden und aus dem Moränenschutt ausgeblasener Staub.
Beweis hierfür ist die eigentümliche Verbreitung des Löß: seine Decke zieht sich über Höhen und Tiefen gleichmäßig fort; und der Mangel an Schichtung. Die Kalkröhrchen bildeten sich um die feinen Wurzeln des Steppengrases , das auf den Lößflächen wuchs. Ebenso wie der Graswuchs der Steppen überhaupt, so beweisen auch die Kalkröhrchen selbst , daß die Steppen der Lößzeit nicht regenlose, ja nicht einmal regenarme Gebiete waren: denn ohne Wasser kann der Kalk nicht übergeführt werden in diejenige doppeltkohlensaure Lösung, aus welcher allein die Pflanzen die Kohlensäure entnehmen können , so daß dann der einfachkohlensaure Kalk um die Graswurzeln herum ausscheidet.
Es muß zwischen dem primär, äolisch abgesetzten Löß und dem sekundär, durch Regen verschlämmten (> dejektiven ) Löß draußen im Felde scharf unterschieden werden, weil viele Beobachter aus dem von ihnen nicht als dejektiv erkannten Löß häufig falsche Schlüsse über die Natur und Entstehung des Lößes gezogen haben. Alle Miß-
verständnisse und Streitigkeiten über die Lößformation beruhen, meiner langjährigen Erfahrung nach, darauf, daß beide Lößarten miteinander verwechselt wurden.
Der primäre äolische Löß lagert vorwiegend auf den höheren Bergflächen und Plateaus; der sekundäre abgeschlämmte Löß lagert auf den Abhängen jener Hochflächen , von denen er herabgewaschen wurde; daher kam die alte Bezeichnung F. Sandbergers : Berglöß und Tallöß : oder die spätere und bessere: Plateaulöß und Gehängelöß.
Jener auf den Hochflächen lagernde Löß ist der reinere, massigere, ungeschichtete Löß, in dem die Lößschnecken vereinzelt, und in dem die Kalkröhrchen unverwittert liegen.
Dieser auf den Berghängen
lagernde Löß ist unrein, zum Teil verlehmt; die Lößschnecken1) sind in einzelnen Haufen zusammengeschlämmt; die Kalkröhrchen sind
häufig weiß und weich verwittert; Gehängeschutt ist eingeflößt, das heißt Stücke von den Gesteinen, welche unter dem Löß im Berg anstehen. Endlich sind im dejektiven Löß die verlehmten Zonen häufig zu sehen, oft mehrere übereinander in einer Lößhohl. Diese verlehmten >>Oberflächen in den Profilen der abgeschlämmten Lößmassen sind dadurch entstanden, daß im Laufe der langen Zeiten seit der Ent-
stehung der Lößformation im mittleren Diluvium immer wieder neue Massen des leicht beweglichen Lößmaterials von den Plateaus auf die Gehänge herabgeschlämmt worden sind. In den Pausen zwischen den Abschwemmungen verlehmten die vorhandenen Oberflächen des dejektiven Lößes. Zuweilen sieht man auch humose Oberflächen im dejektiven Löß, an den Orten wo er flach am unteren Hang der Berge im Tal liegt. Auch Kohlenstücke, Feuerstellen und Artefakte sind in verlehmten und humosen Oberflächen im Tallöß gefunden worden; und da nun solcher dejektiver, vielleicht erst in ganz jungdiluvialer Zeit in das Tal eingeschlämmter Löß fälschlich für primär und mitteldiluvial gehalten wurde, finden sich oft in der Literatur Angaben über menschliche Kulturen in der älteren, statt jüngeren Diluvialzeit. Es muß daher auf den geologischen Spezialkarten vor allem der 1) Die bekannten Lößschnecken, siehe Bd. I, S. 659ff.
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Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
primäre äolische und der dejektive, vom Regen und von Bächen abgeschlämmte Löß unterschieden werden. Wenn an langgezogenen Berghängen wie z. B. in der Thüringer Triasmulde zwischen Harz und Thüringer Wald eine größere Anzahl von Lößhohlen zu Tal ziehen, so wird man bei genauer Untersuchung jedes Hohlweges erkennen können, daß die Profile der durchschnittenen Lößmassen alle voneinander verschieden sind, sowohl in der Zusammensetzung des Löß, wie im Gehalt an Gehängeschutt im Löß oder in bezug auf die Anzahl und Mächtigkeit der verlehmten oder humosen Oberflächen. Es findet sich in der Literatur über den Löß nicht selten die
Behauptung, daß die zwei, drei oder vier Verlehmungszonen in einem einzigen, zufällig beobachteten Lößprofile den angeblichen zwei, drei oder vier europäischen Eiszeiten entsprechen ! Die Pausen, in denen die Verlehmung der einzelnen Zonen geschah, sollten dann Interglazialzeiten, » Waldphasen , ja große klimatische Schwankungen über ganz Europa anzeigen! Zugleich wurden dann die in einem einzigen Profile dejektiven Lößes beobachteten Verlehmungen durch die ganze Lößdecke von Deutschland als ein angeblich überall durchgehender Horizont durchgezogen, wie etwa der obere Lias durch ganz Europa gleichförmig durchzieht. Hätte man sich die Mühe gegeben, an demselben Berghange etwas weiter zu gehen, so würde man sogleich gesehen haben, daß die Profile dieser dejektiven Lößmassen von Ort zu Ort rasch wechseln und naturgemäß nur eine lokal beschränkte Bedeutung haben.
Der primäre Plateaulöß in seiner Mächtigkeit von 5-10 m zeigt entweder gar keine Teilung in seinen Durchschnitten, oder er ist durch und durch massig, ungeschichtet und nur an seiner Oberfläche verlehmt. Oder man sieht zwei Löße übereinander liegen: einen älteren
und einen jüngeren Löß , getrennt durch eine Verlehmungszone oder durch Sandlöß. Der jüngere Löß transgrediert über den älteren Löß ; während jener nur auf den Hochterrassen lagert, zieht sich dieser noch bis auf die etwas tiefer liegenden Mittelterrassen , aber niemals auf die Niederterrassen hinunter. Die Niederterrasse ist jünger als die äolische Lößformation ; auf ihr lagert nur dejektiver, verschlämmter und daher unreiner Löß oder verlehmter Löß .
Wenn wir die beiden Löße mit den glazialen Ablagerungen vergleichen, so ist der ältere Löß nach der Zeit der größten Ausbreitung der nordischen Eisdecke, der jüngere Löß aber während der Zeit des weiteren Rückzuges derselben und vor allem während ihrer längeren
Stillstandszeit (im baltisch - uralischen Höhenzuge) abgelagert worden. Wir beobachten daher, daß der jüngere Löß z. B. in der Saalebucht bei Weißenfels , Merseburg , Halle und Umgegend viel weiter nach Norden ausgreift als der ältere Löß, der auf den südlicher gelegenen Berghöhen bleibt. Die innerhalb der Lößformation lokal auftretenden gröberen und
geschichteten Lößsande ( Sandlöß « ) , in denen sich neben den Landschnecken zuweilen sogar Süßwasserschnecken ( Limnaeen, Planorben)
finden, beweisen, daß die deutsche Lößsteppe nicht regenarm war wie die afrikanischen Wüsten, sondern sich etwa so verhielt wie die süd-
russischen Steppen, in denen die jährliche Regenmenge nicht unter
Lößablagerungen.
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30 cm sinkt. Die diluviale Lößsteppe grenzte gegen das Gebirge zu
an Waldgebiete, in denen reichlich Regen und Schnee fiel; Wald und Steppe sind abhängig von den niederfallenden Regen- und Schneemengen 1).
Wir haben angegeben, daß nur in dem südlichen Gürtel gegen die mitteldeutschen Gebirge zu die Lößdecke sich ausbreitet, daß aber im ganzen norddeutschen Tieflande der Löß fehlt. Die Ursache dieser Erscheinung sehe ich darin begründet, daß in den Zeiten des Rückzuges der nordischen Eisdecke im Tieflande ein so feuchtes Klima herrschte, daß keine Steppen, und kein Löß entstehen konnten. Dort flossen die Urströme« und unzählige Flüsse und Bäche, dort stauten sich die Schmelzwasser an in Seen und Sümpfen. Dagegen warfen die Gletscherbäche ungeheure Sandmassen aus den Moränen über die südlichen Landgebiete; und aus diesen SandarHedwig bei Wildschütz (nahe Deuben bei Zeitz, Provinz Sachsen), in dem übereinander liegen: 3 m sandiger Löß; oben Schwarzerde .
3 m Geschiebemergel, bräunlich verwittert, mit vielen nordischen Geschieben.
1) Bekanntlich liegen auch heute auf der Erde regenarme und regenreiche Gegenden nahe beieinander: im westlichen Feuerland 20 cm, im östlichen 60-30 cm
Niederschläge
auf kaum 100 km Entfernung; auf den Bergketten im westlichen
Patagonien 150 cm, im östlichen Steppenlande nur 20 cm auf 500 km Entfernung. Siehe: Otto Nordenskjöld, Die Polarwelt und ihre Nachbarländer, S. 118. Leipzig 1909. Die östlichen Gegenden Patagoniens waren auch zur Diluvialzeit niemals vergletschert. 2) Unter Führung der preußischen Landesanstalt im September 1908 bei den oben erwähnten Exkursionen.
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Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
4 m kalkhaltiger Löß mit Succinea , durch Sandstriche geschichtet.
3 m graue fette Tone der oligocänen Braunkohlenformation. 15 m mulmige Braunkohle.
Es dürfen eben die diluvialen Ablagerungen nicht zu sehr schematisiert werden, da sie als terrestre Absätze niemals die Regelmäßigkeit mariner Sedimente besitzen können, was immer wieder stark hervorgehoben werden muß. Von großer Bedeutung für die Landwirtschaft ist die in der
Provinz Sachsen weit verbreitete, fruchtbare > Schwarzerde , in Südrußland > Tschernosem>Hochterrassenschotter« von den Wassern der zweiten Vergletscherung (der II. oder der Haupteiszeit), die Niederterrassenschotter Sandar Travertine
im Ilmtale oberhalb Weimar enthalten Reste von :
1) Diese Anschauung werde ich an anderer Stelle näher begründen, da hier in dem Kapitel über das norddeutsche Diluvium kein Raum für Besprechung der alpinen Eiszeit ist. 2) Ewald Wüst , außer der oben zitierten Abhandlung über die Gliederung der Lößablagerungen Thüringens siehe : Das Vorkommen von Rhinoceros Merckii in den oberen Travertinen von Ehringsdorf bei Weimar und seine Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Zentralblatt für Min. , S. 23-25. Stuttgart 1909. Ders. und H. Hahne , Die paläolithischen Fundschichten und Funde der Gegend von Weimar; in dems Zentralblatt, S. 197-210. 1908. Wie befangen E. Wüst eingetaucht ist in die Geikie-Penck-Brücknerschen Eiszeiten, geht aus diesen und andern Abhandlungen W.s hervor. Er findet z. B. Zähne vom Rhinoceros Merckii in zwei Kalktuffen , welche durch 1 m dejektiven Löß im Ilmtale getrennt werden; daraus konstruiert E. Wüst für die Chronologie des Eiszeitalters nicht mehr nur 3, sondern vielmehr 6 verschiedene Waldphasen >>da wahrscheinlich alle 3 großen Interglazialzeiten in die gleichen klimatischen Phasen zerfallen . Daß im Fischerschen Steinbruch bei Ehringsdorf zufällig Rhinoceroszähne in zwei verschiedenen Travertinlagern sich erhalten haben und zufällig aufgefunden worden sind daraus zu schließen, daß ganz Europa Klimaschwankungen erlitten hat , daß Mitteldeutschland nicht nur eine >Riß-Würm-
Interglazialzeit , sondern in dieser auch noch zwei Wald- und eine Steppenzeit (> Steppe , obwohl es dejektiver, abgeschlämmter, also kein Steppenlöß nach eigener
Angabe Wüsts ist!) erduldet haben soll. Weil in dem recht ärmlichen Conchylienbestande 7 Landschnecken, 1 Süßwasserschnecke, 1 Süßwassermuschel der Ilmschotter unter dem Travertin zwei Landschnecken (Helix tenuilabris Al. Braun
und Pupa parcedentata Al. Braun var. Genesii Gredl.) zufällig gesammelt wurden, welche in den Travertinen bis jetzt nicht aufgefunden wurden, deswegen sollen die liegenden Schotter alsbald unter einem kälteren Klima als die hangenden Travertine abgelagert worden sein! Daß aus den Fundorten einzelner diluvialer Tierreste nicht gleich auf Differenzierungen der klimatischen Verhältnisse von Deutschland oder gar von ganz Europa geschlossen werden darf, das beweist zur Genüge die jetzige Verbreitung der Tiere und Pflanzen in gewissen Gegenden der Erde,
so in Patagonien. auf Neuseeland oder am Eliasberge in Alaska. Tannen und Erlen wachsen z. B. auf den Moränen des Malaspinagletschers über 100 m mächtigem Gletschereise ; vergl. F. de Filippi, Forschungsreise des Herzogs der Abruzzen, S. 83. Leipzig 1900.
Diluviale Talterrassen.
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Elephas primigenius Blumb. antiquus Falc. Rhinoceros antiquitatis Blumb. (= tichorhinus Fisch.) Merckii Jäg. 1)
Die Reste dieser vier Arten liegen nach Angabe von E. Wüst zusammen in den gleichen Schichten, und zwar sowohl in den oberen wie in den unteren Travertinen; da gleichzeitig in denselben Kalktuffen Artefakte der paläolithischen Zeit, bearbeitete Knochenstücke
und Steinwerkzeuge, und in Taubach auch Molaren des prähistorischen Menschen vorkommen, so sind diese Kalktuffe bei Weimar jungdiluvial, jedenfalls jünger als der Löß, der zwischen den Tuffen dejektiv eingeschlämmt liegt: die ganzen von einem Seitenbach ehemals am Talgehänge der Ilm abgesetzten Kalktuffe lagern auf Ilmkies der Niederterrasse, wodurch ebenfalls ihr jungdiluviales Alter bezeugt wird. Von andern Landsäugetieren2) fanden sich in den Kalktuffen von Weimar-Taubach :
Bison priscus Boj . Cervus euryceros Ald.
tarandus L. Renthier (nach Pohligs Angabe). elaphus L.
capreolus L. Equus caballus L. Ursus arctos L.
Canis lupus L. Hyaena spelaea Gldf. Felis spelaea Gldf. Castor fiber L.
Cricetus frumentarius Pall.
und außerdem eine große Menge von Land- und Süßwasserconchylien, und zwar Arten, von denen 81,2 % jetzt in Deutschland noch leben; nur sechs Arten unter den von A. Weiß³) angeführten 116 Arten sind jetzt nordisch-alpin, fünf Pupaarten und eine Patula; zwei Arten sind jetzt auf West- und zwei auf Südeuropa beschränkt. Die gesamte Fauna von Weimar-Ehringsdorf-Taubach verleiht den Kalktuffen einen jungdiluvialen Charakter , was ihrer Lagerung am Rande des zur Zeit des Absatzes der Travertine bereits tief eingeschnittenen Ilmtales entspricht; die Feuersteine und wenigen nordischen
Granitgeschiebe, welche in den Travertinen gefunden wurden, konnten leicht aus den höher gelegenen, älteren Terrassen eingeschlämmt worden sein; vielleicht auch einzelne Tierreste. Im Saaletale von oben bei Saalfeld herunter bis Weißenfels und
Halle lagern auf beiden Flußseiten zahlreiche Reste von diluvialen 1) A. Portis, Osteologie vom Rhinoceros Merckii Jäg. und die diluviale Säugetierfauna von Taubach bei Weimar. Palaeontographica Bd. 25, Lfg. 4. Cassel 1878. 2) Vergl. Bd. I. S.652 und 667ff.
3) Arthur Weiß, Über die Conchylienfauna der interglazialen Travertine des Weimar-Taubacher Kalktuffbeckens. Zeitschr. deutsch. geol. Ges. Bd. 48, S. 171 bis 182.
Berlin 1896.
R. Lepsius, Geologie von Deutschland. II.
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Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
Terrassen , durch deren Höhen das allmähliche, immer tiefere Einschneiden der Saale während der diluvialen Zeit nachgewiesen werden kann 1). Bei Saalfeld (213 m) liegen die höchsten Diluvialterrassen 130-140 m über dem jetzigen Saaleniveau auf den altpaläozoischen (Cambrium bis Kulm) Schiefern der dortigen Gegend; es sind braune, sandige Schotter mit Geröllen von Quarzen und Quarziten, auch von Buntsandstein, bis kopfgroße, stark abgerollte Flußgeschiebe. 5-20 m unter der höchstliegenden Terrasse folgen gleichartige Schotter. Ihrem Alter nach können diese höchsten Terrassen des Saaletales mit den alt-
diluvialen>> Deckenschottern des Aargaues verglichen werden; doch sind
hier in Thüringen zu dieser ältesten Diluvialzeit keine Spuren von Vergletscherung zu bemerken. Die nordischen Gletscher fingen ja eben erst an, sich in den skandinavischen Gebirgen zu regen. Bei Jena finden wir die ersten fluvioglazialen Schotter in den
Hochterrassen, deren Sande und Gerölle als gemischtes Diluvium 2) sowohl einheimische wie nordische Geschiebe enthalten.
Der Südrand
der nordischen Gletscher lag damals , wie wir gesehen haben, nahe südlich von Jena (142 m), und nordische Findlinge finden sich auf den Talgehängen bei Jena bis 250 m hoch über dem Meere. Ausgedehnte Reste der primären Lößdecke lagern auf dem Triasplateau westlich über Jena bis über die höchsten Höhen von 350 m; auf den Saaltal-
gehängen bei Jena und Lobstedt hat sich dejektiver Löß angehäuft. Oberhalb Kösen in dem Kalkbruche der Zementfabrik an der Katz
sieht man in den 10 m hohen Lößwänden über dem Wellenkalke gut aufgeschlossene Profile : graue, tonige Schichten und Gehängeschutt sind mit dem Löß am Berggehänge von den darüber liegenden Bergen herabgeschlämmt worden; diese Lößwand steht kaum 20 m über dem jetzigen Niveau der nahebei vorüberfließenden Saale.
Die ersten Reste von nordischen Geschiebemergeln im Saaletal
zeigten uns die preußischen Landesgeologen am oberen Talgehänge nordwestlich von Kösen unter der
Schönen Aussicht
in dem Rexhausen-
schen Weinberge in 30 m Höhe über der Saale: geschrammte Geschiebe, nordische Feuersteine und Granite liegen in einem zähen, grauen Mergel. Von hier aus nach Norden gewinnt nun der nordische Geschiebemergel eine immer größere Ausdehnung, in Decken von wenigen
Meter Mächtigkeit wechsellagernd mit fluvioglazialen Sanden und Schottern, die sowohl einheimische Saalegerölle als nordische Geschiebe enthalten. Zwischen Naumburg, Freiburg an der Unstrut und Weißenfels befinden wir uns demnach in dem Gebiete der oszillierenden
Gletscherzungen während der mitteldiluvialen Zeit, als die skandinavische Eisdecke am weitesten nach Süden in die Thüringer Triasmulde vorgedrungen war.
Die breiten und flachen Niederungen des Saaletales bei Naumburg und bei Merseburg werden durch die Niederterrassenschotter der 1) Siehe oben S. 485 Anm. 2 und L. Siegert und W. Weißermel, Über dic Gliederung des Diluviums zwischen Halle und Weißenfels. Zeitschr. deutsch. geol. Ges . Bd. 58, Monatsber. S. 32-49.
Berlin 1906.
2) Gemischtes Diluvium , eine Bezeichnung, welche zuerst von W. Staring
1860 für die fluvioglazialen Ablagerungen in den Niederlanden angenommen wurde.
Die sog. interglazialen Ablagerungen.
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jungdiluvialen Zeit aufgefüllt; alluviale Überschwemmungslehme überdecken diese Schotter zum großen Teil, so daß sie nur in einzelnen Inseln und bei Aufgrabungen im Saaletal angetroffen werden. Diese Niederterrassenschotter waren die jüngsten diluvialen Absätze der Saale zur Zeit des letzten Rückzuges der skandinavischen Gletscher. Fassen wir die bisherigen Beobachtungen über die tiefer gelegenen Flußterrassen und die Lößsteppen in Thüringen zu einem Bilde zusammen, so dürfen wir annehmen, daß die Gebirge im Süden, Thüringer Wald und ostthüringisches Schiefergebirge, zur jüngeren Diluvialzeit mit Wäldern bedeckt waren , in denen zahlreiche Tiere und auch Mammuth und Rhinoceros lebten; daß die Thüringer Triasmulde eine Lößsteppe war, auf der unter zahlreichen andern Landsäugetieren Renntierherden sich tummelten, und in welche auch häufig die Waldtiere ausschwärmten; daß weiter nach Norden eine breite Zone von
Sanddünen spärlich mit Vegetation bewachsen war; und daß gleichzeitig weit draußen, jenseits der unteren Elbe und Havel, das nordische Eis in seiner Rückzugsperiode eine lange Zeit auf dem baltischen Landrücken stille stand. Während der ganzen langen Diluvialzeit hatte die Saale ihr Tal immer tiefer eingegraben , obwohl sie wiederholt ihren Lauf verlegte; so haben z. B. jüngst L. Siegert und W. Weissermel ein totes Saalebett nachgewiesen, welches bei Groß-
Jena, nahe der Unstrutmündung gelegen, jenseits und nördlich des Gosecker Höhenzuges über Markröhlitz auf Weißenfels zu einen Abweg genommen hatte; das alte Tal ist jetzt zum Teil 15-20 m hoch mit dejektivem Löß zugefüllt . Die Saale ließ während der langen Zeit der fortdauernden Vertiefung ihres Bettes in verschiedenen Höhen über dem jetzigen Flußniveau, da wo ein genügend flacher Untergrund an den Talgehängen vorhanden war, Flußschotter zurück, deren absolute Höhen nicht allzu schematisch und gleichförmig durchgezogen werden dürfen, weil dies der Natur ihrer Entstehung widersprechen würde. Die Ursachen der während der Diluvialzeit andauernden Vertiefung liegen einerseits im Zurückweichen der skandinavischen Eisdecke nach Norden, andererseits in den tektonischen Einbrüchen und Absenkungen der baltischen Länder. Dadurch sank allmählich die Mündung der Saale in ein absolut tieferes Niveau, und diese Absenkung der Mündung mußte schließlich bis in den obersten Lauf des Flusses zurückwirken .
e) Die sog. interglazialen Ablagerungen.
Ursprünglich hatten sich die norddeutschen Glazialgeologen mit zwei nordischen Eiszeiten und einer Prä-, einer Inter- und einer Postglazialzeit begnügt; sie hatten zwei Geschiebemergel, einen unteren und einen oberen, in dem norddeutschen Flachlande ausgeschieden. Was in den einzelnen Profilen unter einem Geschiebemergel oder zwischen
zwei Geschiebemergeln an marinen oder Süßwasserschichten oder an Sanden, Kiesen und Tonen zufällig angetroffen wurde, das rechneten die Flachlandsgeologen zum Prä- , Inter- oder Postglazial; bevorzugt wurde das » Interglazial«, weil ja zwischen der ersten (> unterer Geschiebemergel«) und der zweiten ( oberer Geschiebemergel«) Eiszeit ein langer 32 *
500
Die glazialen Ablagerungen im norddeutschen Tieflande.
Zeitraum angenommen wurde, in welchem sich die nordische Eisdecke angeblich vollständig, bis auf die Gebirge von Skandinavien, aus Nordeuropa zurückgezogen habe und danach zum zweiten Male von Skandinavien nach Norddeutschland vorgestoßen sei.
Da war denn aller-
dings viel Zeit und viel Platz, » interglaziale